Kurzgefaßte Symbolik der Freimaurerei.

By Otto Henne am Rhyn

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Title: Kurzgefaßte Symbolik der Freimaurerei

Author: Otto Henne am Rhyn

Release date: May 11, 2024 [eBook #73599]

Language: German

Original publication: Berlin: Franz Wunder, 1906

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZGEFASSTE SYMBOLIK DER FREIMAUREREI ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1906 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
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        Antiqua:           ~Tilden~

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                              Kurzgefaßte
                      Symbolik der Freimaurerei.




                              Kurzgefaßte
                      Symbolik der Freimaurerei.

                                  Von

                        Dr. Otto Henne am Rhyn.

          „Wir würden gut tun zu bedenken, daß in unserer Zeit der
          wachsenden Öffentlichkeit selbst dasjenige, was wir in
          geschlossener Loge vornehmen, auch der Kenntnis der nicht
          maurerischen Welt auf die Dauer sich kaum entziehen kann, daß
          man den größeren Teil unserer Formen, Übungen, Ausdrucksweise
          +bereits kennt+, daß dieses +kein Unglück+, sondern eine
          Aufforderung ist, unseren Arbeiten einen desto würdigern
          Charakter zu erhalten und alles dasjenige aus unseren Logen
          zu entfernen, was einem einsichtigen und unbefangenen
          Beobachter zweideutig, zwecklos oder kindisch erscheinen muß.“

                                         Prof. ~Dr.~ +J. J. Hottinger+,
                                         erster Großmeister der schweiz.
                                         Großloge Alpina (1844-50).

                            [Illustration]

                                Berlin

                             Franz Wunder.




Vorwort.


Dem Wunsche des Verlegers ist dieses kleine Buch entsprungen, das
zum ersten Male den Versuch wagt, die Sinnbilder der Freimaurerei
systematisch geordnet darzustellen. Zwar ist ihm schon vor mehr
als vierzig Jahren das weit ausführlichere „Vergleichende Handbuch
der Symbolik der Freimaurerei“ von ~Dr.~ Jos. Schauberg in Zürich
(1808-1866), 3 Bände, erschienen in Schaffhausen 1861, vorausgegangen.
Mit erstaunlicher Gelehrsamkeit ausgestattet, verliert es sich jedoch
in haltlose Phantasien über Zusammenhänge der Freimaurerei mit
Mythologien und Mysterien des Altertums und ist nicht geordnet, sondern
besteht aus unzusammenhängenden Aufsätzen, behält aber trotzdem einen
gewissen Wert.

Der Verfasser vorliegender Arbeit hat sich so selbständig als möglich
verhalten und war hierdurch genötigt, sich gegen manche eingewurzelte
Vorurteile zu wenden, in der Überzeugung, daß der Freimaurerei mit dem
Verlangen einer Weiterentwickelung im Geiste der Zeit besser gedient
ist, als mit starrem Festhalten an Eigenheiten, die einem längst
verflossenen Zeitalter angehören und für die Gegenwart und Zukunft
wertlos geworden sind.

  St. +Gallen+, Weihnacht 1906.

                                                          Der Verfasser.




Inhaltsverzeichnis.


                                                                   Seite
  Einleitung                                                           1


  Erster Abschnitt. +Die Grundlagen der Symbolik+ (Stärke)             5

     1. +Die Loge+                                                     5

        ~a~) Die Örtlichkeit                                           5

        ~b~) Die Mitglieder                                            9

     2. +Die Arbeit+                                                  14

        ~a~) Die künstlerische Arbeit                                 14

        ~b~) Die lehrhafte Arbeit                                     19

     3. +Das Licht+                                                   25

        ~a~) Die Vorbereitung des Lichtes                             25

        ~b~) Die Erteilung des Lichtes                                30

     4. +Die Grade+                                                   34

        ~a~) Die alten Grade                                          34

        ~b~) Die Hochgrade                                            39


  Zweiter Abschnitt. +Die Bestandteile der Symbolik+ (Schönheit)      44

     5. +Die Zeichen+                                                 44

        ~a~) Die Erkennungszeichen                                    44

        ~b~) Die Not- und Hilfszeichen                                47

     6. +Die Zieraten+                                                52

        ~a~) Der Loge                                                 52

        ~b~) Der Brüder                                               57

     7. +Die Werkzeuge+                                               62

        ~a~) Die Hauptwerkzeuge                                       62

        ~b~) Die Nebenwerkzeuge                                       65

     8. +Die weiteren Sinnbilder+                                     70

        ~a~) Der Vergangenheit                                        71

        ~b~) Der Gegenwart                                            74

        ~c~)  Der Zukunft                                             83


  Dritter Abschnitt. +Die Höhen der Symbolik+ (Weisheit)              91

     9. +Die Meister+                                                 91

        ~a~) Die M. der Legende                                       91

        ~b~) Die M. der Wirklichkeit                                  95

    10. +Die  Gestirne+                                              102

        ~a~) Die Erde                                                102

        ~b~) Der Mond                                                105

        ~c~) Die Sonne                                               108

    11. +Die Welträtsel+                                             113

        ~a~)  Der a. B. d. W.                                        113

        ~b~) Der ewige Osten                                         120

    12. +Die Lehrarten+                                              127

        ~a~) Die englischen Lehrarten                                127

        ~b~) Die französischen Hochgradsysteme                       131

        ~c~) Die schwedische Lehrart                                 138


  Nachwort                                                           142




~Der Bilderschmuck (die Symbolik) der Freimaurerei.~




Einleitung.


+Symbole+ oder +Sinnbilder+ sind Merkmale der Zusammengehörigkeit
menschlicher Kreise; sie können in Zeichen, Worten, Farben, Bildern,
Zahlen oder auch in bestimmten Sätzen und Lehren bestehen. Die
erstgenannte Art von Sinnbildern vereinigt unter der Form von
Wappen oder ähnlichen Bildern die Mitglieder von Familien, Stämmen,
Orten, Ländern u. s. w., unter der von Fahnen die Heere einzelner
Staaten zu einem Ganzen. In den Religionen bilden die gemeinsamen
Glaubensvorschriften und Kultusgebräuche als Symbole die Bindemittel
der sich zu ihnen bekennenden Menschen und bildeten in Zeiten, die eine
Gewissensfreiheit noch nicht kannten, sogar Zwangsmittel gegenüber den
Bewohnern gewisser Gebiete.

Die Zusammengehörigkeit der +Freimaurer+ kennt irgend welchen Zwang
nicht; in unbeschränkter Freiheit eignete sich ihr Bund nach und nach
eine nicht leicht zu überblickende große Menge in ihren Kreisen
allgemein verständlicher Sinnbilder in Form von Worten, Zeichen, Lehren
und Gebräuchen an. Alle diese Symbole haben einen tiefen Sinn, dessen
Erfassung und Verständnis das einzige +Geheimnis+ der Freimaurerei
bildet. Die Enthüllung dieses Geheimnisses ist nur den im Bunde
einheimischen Gemütern möglich, und die Unmöglichkeit es außerhalb
desselben zu durchschauen, hat seit der Entstehung des Bundes eine
wahre Flut von Spott, Hohn, Mißverständnis, Verleumdung, Haß und
Verfolgungssucht gegen die Freimaurerei hervorgerufen.

Mißverständnis ist indessen den freimaurerischen Sinnbildern auch im
Bunde selbst nicht erspart geblieben, aber nicht nur ohne allen bösen,
sondern durch einen übertriebenen guten Willen. Es hat nämlich gelehrte
Brüder gegeben, an denen das 18. und 19. Jahrhundert überreich sind,
denen die Sinnbilder des Bundes viel zu einfach waren, die solche
vielmehr wegen oberflächlicher Ähnlichkeiten mit solchen oder mit
anderen Erscheinungen, die in verschiedenen Völkern und Religionen
vorkommen, in eine Verbindung brachten, die bis in die Urzeiten des
Menschengeschlechtes hinauf reichte, aber bei nüchterner Betrachtung
der geschichtlichen Tatsachen unmöglich aufrecht zu erhalten ist.
Wenn zwei oder mehrere menschliche Kreise gewisse Sinnbilder gemein
haben oder ähnliche Symbole besitzen, so spricht dies noch lange
nicht für ein Fortleben des einen Kreises in einem andern, sondern
höchstens für eine Entlehnung von Zeichen, Worten, Lehren und
dergleichen. Der verständige Freimaurer wird sich durch solche
unhaltbare Phantasiegemälde nicht blenden lassen, sondern unentwegt
an der Selbständigkeit des Bundes, wie dieser sich in der Geschichte
entwickelt hat, festhalten und sie nach Kräften verteidigen.

Das richtige Verständnis der freimaurerischen Sinnbilder muß jedem
Bruder zu allen Tugenden entflammen, die mit der Vernunft vereinbar
sind, wie namentlich: Bruderliebe, Freundschaft, Gewissenhaftigkeit,
Sittlichkeit, Wohltätigkeit, -- mit Bezug auf besondere Verhältnisse:
Gehorsam gegen die Gesetze des Landes und Bundes, Treue gegen
den Bund, gegen Familie und Vaterland, Verschwiegenheit über die
Angelegenheiten des Bundes, -- mit Bezug auf sein eigenes Ich:
Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung und Selbstveredelung. Der wahre
Freimaurer wird weder einem blassen und ungesunden Kosmopolitismus,
noch einem selbstsüchtigen Individualismus huldigen, sondern die guten
Seiten dieser Richtungen in einem gesunden Patriotismus vereinigen,
wie denn der Bund selbst der Hauptlehre in den Sinnbildern nach
kosmopolitisch, im Festhalten an der Selbständigkeit der heimischen
Organisation patriotisch und in der liebevollen Sorge für die Seinigen
individualistisch gerichtet ist.

Mit Bezug auf die philosophischen Richtungen der Zeit ist der Bund
ganz entschieden einem düsteren Pessimismus abhold, ohne deshalb
den Optimismus soweit zu treiben, daß er gegenwärtige Zustände für
keiner Verbesserung bedürftig halten würde. Daraus folgt auch, daß
sein Grundzug idealistisch und dem Materialismus abgeneigt ist, ohne
aber von seinem Idealismus einen wissenschaftlich berechtigten
Rationalismus und einen der Wirklichkeit ihr Recht zugestehenden
Realismus auszuschließen.

Im Verhältnis zur Religion ist vor allem festzuhalten, daß die
Freimaurerei keine Konfession ist und sich keiner solchen unterwirft,
wohl aber gegen eine jede der Tugend günstige duldsam und gerecht ist.
Gibt es auch in ihrem Schoße zwei Richtungen, eine christliche und
eine humanistische, so sind doch beide darin einig, die +Humanität+
hochzuhalten, die eben in der Beobachtung jener Tugenden besteht,
welche die maurerischen Sinnbilder lehren.

Daher ist es auch dem Freimaurerbunde gemeinsam, daß er gegen alle
Erscheinungen Front macht, die dem Begriffe der Humanität Hohn
sprechen; solche sind: der Egoismus, die Intoleranz, die Habsucht,
Streitsucht, Genußsucht und jede Art verbrecherischen Treibens.
Er verwirft als Bund jede Gewalttätigkeit, sei es im kleinen als
Zweikampf oder Attentate oder im großen als Krieg, den er freilich
als Verteidigung des Vaterlandes zugeben muß. Daß er die jetzt im
Verschwinden begriffene Sklaverei verabscheut, ist selbstverständlich.

Aus dem allem geht hervor, daß der Freimaurerbund kein „Großes Nichts“
(~Grand rien~) ist, wie einst behauptet wurde. Denn stets wird er an
seinem Wahlspruche festhalten:

    +Weisheit+ leite unsern Bau,
      +Stärke+ festige ihn,
        +Schönheit+ ziere ihn.




+Erster Abschnitt.+

Die Grundlagen der Symbolik (Stärke).




1. Die Loge.

    Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,
    es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach.

    +Goethe+ (Mignon).


~a~) Die Örtlichkeit.

Die +Loge+ (althochd. ~loubja~, Laube), Werkstätte oder Bauhütte,
auch Logenhaus genannt, der Versammlungsort der Brüder zu feierlichen
Handlungen, muß vor allem eine gegen das Eindringen Unberufener
gesicherte Lage haben. Außer verschiedenen anderen, zu weniger
wichtigen Zwecken dienenden Räumen ist der hauptsächlichste der
Logensaal, auch Loge im engeren Sinne oder Tempel genannt. Dieser
bildet ein rechtwinkliges längliches Viereck (daher die Figur ▭
für Loge, und [Symbol] für Logen), dessen vier Seiten nach den
+Himmelsgegenden+ benannt und womöglich auch nach diesen gerichtet
sind. Die Schmalseiten heißen Morgen oder Osten (auch Orient) und
Abend oder Westen, die Längsseiten Mittag oder Süden und Mitternacht
oder Norden. Im Osten befinden sich auf einer Erhöhung über Stufen
die Plätze des Vorsitzenden (des Meisters vom Stuhl) und der übrigen
Beamten, mit Ausnahme der beiden Vorsteher oder Aufseher, die ihre
Plätze im Westen zu beiden Seiten des Eingangs haben (in einigen
Systemen der zweite auf der Südseite), während den übrigen Brüdern
die beiden Längsseiten eingeräumt sind. Da, wie diese Benennungen
zeigen, die Loge die Welt bedeutet, so will die Redensart: des Maurers
+Wind+ blase von Osten nach Westen (ursprünglich ein englischer
Seemannsausdruck), zweierlei sagen, einmal: die Gesittung und Bildung
der Menschheit schreite vom Morgenlande her nach dem Abendlande, und
dann: der Geist der Werkstätte gehe vom Sitz des Meisters vom Stuhl aus
in der Richtung nach Westen. Für den allgemein anerkannten Vorrang des
+Orients+ vor den übrigen Himmelsgegenden spricht auch der Ausdruck:
sich orientieren, d. h. sich nach dem Osten richten, nach dem Aufgange
der Sonne, und dies tun denn auch die Freimaurer. Im weiteren Sinne
aber hat die ganze Loge eine geistige und sittliche Bedeutung für die
Brüder; sie ist, wie Rob. Fischer sagt, ihr Vaterhaus, ihre Schule und
ihre Arbeitstätte im höheren Sinne.

Es ist Pflicht der Brüder einer Loge, zu sorgen, daß diese
gehörig +gedeckt+ sei. Der Ausdruck kommt, wie die meisten in der
Maurersprache, vom Bauen. Ein Bau ist erst dann gegen äußere Einflüsse
gesichert, wenn er gut gedeckt ist, ein solides Dach hat. Die Sorge für
die Deckung ist (nicht in allen Logen) die Aufgabe eines besonderen
Beamten, des +Ziegeldeckers+ oder wachhabenden Bruders, was auch in
vielen anderen geheimen oder geschlossenen Gesellschaften der Fall ist
oder war. Dieser Bruder ist es auch, der die Eintretenden auf ihr Recht
dazu prüft und sie, wenn dieses in Ordnung ist, einläßt. Wo diesem Amt
nicht besonders besteht, ist es irgend einem anderen Mitgliede der Loge
übertragen.

Ist die Loge nicht gehörig gedeckt, d. h. ist, ohne daß sie deshalb
nicht gut gebaut wäre, Gefahr oder wenigstens Besorgnis einer Störung
oder Belauschung vorhanden, so sagt man, auch wenn Brüder außerhalb der
Loge über Bundesangelegenheiten sprechen und ein Uneingeweihter in der
Nähe ist, „+Es regnet+.“ Offenbar ist dies auch wieder eine Anspielung
auf ein unsolides Dach, durch das es herein regnet. Weniger ansprechend
ist die freilich alte (schon 1737 in einem englischen Ritual
vorkommende) Deutung, daß ein ertappter Lauscher unter die Traufe des
Hauses gestellt worden sein soll, bis ihm das Wasser bei den Schultern
in die Kleider und zu den Schuhen wieder herausgelaufen sei. Schwerlich
ist dies wirklich vorgekommen. Bei guter Ordnung ist auch eine solche
Maßregel überflüssig.

Die Loge, d. h. der Logensaal, nicht die übrigen Räume des Gebäudes,
ist +dunkel+, ehe Licht angezündet wird; denn sie hat keine Fenster,
oder sie sind verdeckt. Dies ist ohne Zweifel nur deshalb so
eingerichtet, damit das eine geistige Erleuchtung bedeutende Licht auch
eine natürliche Überwindung der Dunkelheit bewirken könne. Es ist daher
wohl zu weit hergeholt, wenn auch ansprechend, was Schauberg[1] zur
Erklärung dieser Tatsache aufführt. Nach ihm rührt sie daher, daß die
älteren Körperschaften, von denen er die Freimaurerei ableitet, ihre
Versammlungen in dunkeln Räumen oder gar in Höhlen abhielten. Wirklich
wurden die Mysterien des aus Persien zur Römerzeit nach dem Abendlande
eingeführten Sonnengottes +Mithras+ in Höhlen gefeiert, deren viele mit
seinem Bilde, auch in Deutschland, aufgefunden wurden. Denn die diesem
Gotte huldigende, auf dem Gegensatze zwischen Licht und Finsternis
beruhende, Religion beruhte auf dem Gedanken, daß das Licht in der
Finsternis verborgen sei und aus ihr hervorgehend, sie überwinde.
Auch der griechische Zeus wurde in einer Höhle auf Kreta geboren, der
Lichtgott Apollon war der Sohn der Nachtgöttin Latona oder Leto, und
die Sonne selbst taucht aus der Nacht hervor.

Der Kirchenvater Origenes berichtet nach Celsus, daß in den Mysterien
der Mithras-Höhlen der Durchgang der Seele durch die damals
angenommenen sieben Planetensphären zum reinen Lichte gelehrt worden
sei. Von diesem Gedanken ist aber ein weiter Schritt zu den einfachen
Gebräuchen der Freimaurerei und zur Dunkelheit der Loge. Auch im alten
Ägypten haben ja die Pharaonen und in Indien Brahmanen und Buddhisten
Tempel in Felsen ausgehauen, und so gibt es noch vieles, was mit Hilfe
einer kühnen und ausschweifenden Phantasie auf die Logenausstattung
und Logengebräuche bezogen werden kann, was aber geschichtlich auf
schwachen Füßen steht. Auf die innere Ausstattung der Loge werden wir
in dem Abschnitte der „Schönheit“ zu sprechen kommen.

Wie das Versammlungshaus, so nennt sich auch der darin sich
zusammenfindende Verein +Loge+; als solcher entbehrt er jedoch
besonderer Sinnbilder.


b) Die Mitglieder.

Die auf rechtmäßige Weise aufgenommenen Freimaurer nennen sich
+Brüder+, weil sie Mitglieder einer wenn auch großen Familie geworden
sind. Dieser Gebrauch ist ein alter, ohne daß ihn deshalb die
Freimaurer von anderen Vereinigungen entlehnt hätten. Alle engeren
Verbände haben gewisse Benennungen für ihre Angehörigen. Die Beamten
und Lehrer nennen sich Kollegen, die Studierenden Kommilitonen
(die Corpsmitglieder Corpsbrüder), die Offiziere Kameraden, die
Sozialdemokraten Genossen und eine ganze Menge von Vereinsmitgliedern
ebenfalls Brüder. Die alten Ägypter nannten bei Totenklagen die
Verstorbenen Brüder und Schwestern, ebenso die alten Hebräer ihre
Glaubensgenossen, so auch die ersten Christen, und die Klosterbewohner
nennen sich untereinander ebenso.

Im schriftlichen Verkehr erkennen sich untereinander sonst unbekannte
Brüder am Gebrauche von +drei Punkten+ (⸫) als Abkürzung maurerischer
Ausdrücke nach dem Anfangsbuchstaben. Sie werden deshalb von ihren
römischen Feinden mit wohlfeilem Spott die „Dreipunkte-Brüder“ genannt,
als ob damit irgend etwas gesagt wäre, während die Spötter doch
+selbst+ mit der +Dreizahl+ einen Kultus treiben. Diese ist eben eine
alte, heilige Formel, die sich bei allen Völkern und in allen Zeiten
findet. Sie beruht auf den sich von selbst ergebenden Teilen der Zeit
(Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), einer jeden Handlung (Anfang,
Mitte und Ende), des menschlichen Lebens (Geburt, Leben und Tod), des
Raumes (Länge, Breite und Höhe oder Tiefe), des Tages (Morgen, Mittag
und Abend), des Sonnenstandes, des Mondumlaufes, und zeigt sich auch
in den 3 Grundfarben (rot, gelb, blau), den Mischfarben (orange, grün,
violett), den Licht- und Schattenformen (weiß, grau, schwarz) u. s. w.
Die ägyptischen Hieroglyphen zeigen als Bezeichnung der Gattung eines
Dinges dessen Charakter in dreimaligem Bilde eines Zeichens, das diesen
ausdrückt, wie sie auch die Mehrzahl durch drei Zeichen ausdrücken.

Diesem unbewußten Zuge der Menschenseele entsprangen auch die
ägyptischen, indischen, griechischen, römischen, keltischen,
slawischen und germanischen Dreiheiten von Göttern und die christliche
Dreieinigkeit, sowie die dreimalige Bekreuzung der frommen Christen.
Einen sehr großen oder sehr heiligen Menschen nannte man früher:
dreimal groß oder dreimal heilig (so Hermes Trismegistos). Läßt man
jemanden hoch leben, so tut man es dreimal. Die Aufforderung zu einer
raschen Handlung wird durch den Ruf: 1, 2, 3 begleitet. Namentlich ist
aber dies der Fall bei dem +Maurergruße+. Bei diesem wird die Zahl 3
mit sich selbst vervielfältigt, zu 9, und man schließt seine Briefe an
Brüder mit der Formel: in der uns heiligen Zahl (i⸫ d⸫ u⸫ h⸫ Z⸫), d. h.
mit 3 × 3. Dieselbe Zahl wird auch bei dem +Händeklatschen+ (das bei
Nichtmaurern keine bestimmte Form hat) beobachtet, bisweilen aber auch
durch langsamere Wiederholung der Zahl 3 beschlossen (auch kommt vor
die Form: 3 × 5 + 3). Es dient sowohl zum Willkomm, als zum Abschied
und als Beifallszeichen. Auch das Händeklatschen kommt im Altertum vor,
so in Ägypten und Babylonien zur Aufmunterung der Arbeiter, Ruderer,
Soldaten u. s. w., auch in gewissen Takten, ebenso im Götterdienste.

Die Anwendung der Zahlen 3 und 9 auf ethische und geistige Ideen
zeigen bei Griechen und Römern die 3 Grazien (Anmut), die 3 Parzen
(Verhängnis), die 3 Furien (Rache), die 3 Richter der Unterwelt
(Vergeltung), die 9 Musen (Wissenschaften und Künste), nach denen
die 9 Bücher der Geschichte Herodots benannt sind. In neuerer Zeit
sind zu erwähnen die 3 Ideen der Wahrheit, Schönheit und Güte, die
der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit,
die 3 Berufsfakultäten der Hochschulen (theologische, juristische und
medizinische), zu denen erst später die philosophische kam, die 3 Teile
der Philosophie nach Hegels und anderen Systemen, die 3 Studienjahre
(bei normaler Laufbahn), die 3 Militärdienstjahre und endlich die 3
(idealen) Jahre der Logenarbeit, die der Lehrling als seine Lebensjahre
angibt, der Geselle auf 5 und der Meister auf 7 erhöht. Weitere
freimaurerische Dreizahlen werden uns noch mehr begegnen.

Hier muß indessen der Vollständigkeit wegen eine solche Dreizahl näher
berührt werden, weil sie in unser System der freimaur. Symbolik nicht
eingereiht werden kann, da sie durchaus veraltet ist und ihre Teile
nach unserer Anordnung in verschiedene Kapitel fallen. Wir meinen
die Zusammenstellung der 3 +großen+ und der 3 +kleinen Lichter+ nach
dem altenglischen System, während sie in anderen Systemen anders
angeordnet werden. Als die 3 großen Lichter gelten danach: Bibel,
Winkelmaß und Zirkel, als die 3 kleinen: die Sonne, der Mond und der
Meister vom Stuhl. Jene werden als geistig aufzufassende, diese als
sinnlich wahrnehmbare unterschieden, ferner jene als beständig, diese
als zeitlich und örtlich beschränkt leuchtende Lichter. Es ist leicht
ersichtlich, daß diese Zusammenstellung, wenn auch wohlgemeint, doch
willkürlich und unlogisch ist. Logischer Weise mußte an der Stelle der
Bibel ein weiteres Werkzeug und an jener des M. v. St. ein weiteres
Gestirn stehen.

Diese beiden Dreiheiten sind aber auch entbehrlich, und es wird auf
sie wenig Gewicht mehr gelegt. Sie sind daher auch an manchen Orten
fallen gelassen und, wenn auch kaum auf glückliche Weise, zu ersetzen
gesucht worden. So hat eine Loge ein System von 3 großen, 3 mittleren
und 3 kleinen Lichtern aufgestellt. Sie heißen: Gott, Mensch und St.
Johannislicht (ein etwas sonderbarer Name für den schöpferischen Geist
des Menschen); Religion, Moral und Verdienst; Weisheit, Stärke und
Schönheit. Solche Triaden könnten leicht noch mehr gefunden werden;
aber was ist damit gewonnen? Weiter bringen sie uns nicht. Bleiben wir
bei dem, was tatsächlich vorliegt, -- bei den wirklich und allgemein
anerkannten Symbolen der Freimaurerei, und stellen zusammen:


  +Lichter+:   +Gestirne+:    +Ideen+:   +Werkzeuge+:
  Gottheit.      Sonne.      Weisheit.     Hammer.
  Gewissen.      Mond.        Stärke.     Winkelmaß.
  Menschheit.    Erde.       Schönheit.    Zirkel.

Die nähere Erklärung wird folgen.

Die Bibel und der Meister werden ihren nicht unwürdigen Platz finden.


  [1] Schauberg, Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei.
      Schaffhausen 1861.




2. Die Arbeit.

    Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben,
    der täglich sie erobern muß.

                           +Goethe+, Faust II.


~a)~ Die künstlerische Arbeit.

Die Freimaurerei ist an sich schon eine Kunst, wenn auch keine solche,
deren Äußerungen in Museen aufbewahrt oder der Öffentlichkeit auf
Bühnen dargeboten werden könnten, weil sie nicht ohne das Leben in
ihren Kreisen zu verstehen sein würden. Sie läßt sich also nicht in
das System der schönen Künste einreihen, sondern bildet ein System für
sich, das sich aber bescheiden in seine engsten Kreise zurückzieht. Sie
hat eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer größte Feindin, der römischen
Kirche, deren Übungen ebenfalls künstlerisch sind, ohne festgelegt
werden zu können, aber der Öffentlichkeit hingegeben werden, weil
sie eben nicht ohne diese den von ihr angestrebten Einfluß aufrecht
erhalten könnte. Diesen Einfluß aber verschmäht die Freimaurerei und
findet in sich selbst ihr Genügen.

Die künstlerischen Darbietungen der Freimaurerei, allerdings +nur+ für
die Brüder bestimmt, haben durchaus einen nach Verwirklichung der
Idee des Schönen strebenden Charakter. Ihr Organ sind die feierlichen
Versammlungen der Brüder oder die verschiedenen Gattungen von +Logen+,
wie nicht nur die Versammlungsorte und die Brüdervereine, sondern auch
deren Versammlungen selbst genannt werden. Sie bewegen sich in reicher
Mannigfaltigkeit von den heitersten bis zu den ernstesten Anlässen.

Es ist ungewiß, ob die ersteren, die +Tafellogen+ zum Vorbilde
die +Agapen+ oder Liebesmahle der ersten Christen haben. Da ihnen
jedoch aller Bezug auf eine bestimmte Glaubensrichtung fehlt, geht
ihr Ursprung wohl nicht über die Festmahle unserer Vorgänger, der
Steinmetzen und Bauleute zurück. Eher mögen sich bei ihnen durch die
dem Bunde beitretenden Gelehrten Anklänge an antike Symposien der
bessern Art, bei denen ernste Gespräche nicht fehlten, eingefunden
haben. Durch Adelige und Offiziere, die den Logen beitraten, bürgerten
sich bei den Tafellogen die zur Freimaurerei nicht passenden, weil
deren friedlichem Charakter widerstreitenden kriegerischen Formen und
Ausdrücke der Toaste oder Tafelreden ein, von denen, wie zu hoffen
ist, sich meist nur noch die Bezeichnung „+Feuer+“ für ein Lebehoch
erhalten haben möchte, die mit Bezug auf geistiges Feuer berechtigt
erscheint. Die Tafellogen werden nicht in der dunkeln Loge, sondern im
hellen Festsaale abgehalten, und es wird stets darauf gesehen, daß bei
ihnen strenges Maß eingehalten wird. Immerhin sind sie ein Ausdruck
reiner Freude über das zwanglose brüderliche Beisammensein. Anlaß
zu ihnen bieten meist die maurerischen Feste, das +Sommerjohannis-+,
und wo beide Johannes gefeiert werden, auch das +Winterjohannisfest+,
ferner die Jahresfeste der Logengründung, Jubelfeste verdienter
Brüder, und namentlich die mit den weiblichen Angehörigen begangenen
+Schwesternfeste+, bei denen die Feier der Liebe, Treue und Anmut zu
ihrem gerechten Anspruche kommt.

Ernsterer Natur sind die eigentlichen +Arbeitslogen+ im künstlich
erleuchteten Logensaale. Sie dienen, außer den Festanlässen, zu denen
die Tafellogen den Abschluß bilden, den Aufnahmen, Beförderungen und
wichtigeren Logenangelegenheiten. Ihr Hergang hat für empfängliche
Gemüter etwas ungemein Fesselndes und Ergreifendes, so am Anfange
der Arbeit, der +Hochmittag+ genannt wird, das Anzünden der Lichter
durch die Beamten mit kernhaften Sprüchen, und das kirchlichen Formen
nicht nachgedachte Gebet des M. v. St. zum A. B. a. W., und am Ende,
das +Hochmitternacht+ heißt, die feierliche Entlassung der Brüder mit
herzlichen Wünschen und das ernst stimmende Auslöschen der Lichter. Bei
Aufnahmen und Beförderungen dagegen ist der +ganze+ Hergang malerisch
und dramatisch gestaltet.

Der ernsteste Anlaß, ja ein erschütternder, zu freimaurerischer Arbeit
ist aber die +Trauerloge+, die dem Andenken an die hingeschiedenen
Brüder gilt. Schauberg vergleicht diese Feierlichkeit nach seiner
phantasievollen Art mit dem ägyptischen +Totengerichte+. „Wie
hier“, sagt er, „beginnt die Trauerloge mit einer Art Gericht über
den Verstorbenen, und erst, nachdem dieser der Ehre einer Trauerloge
für würdig erklärt worden, folgt die eigentliche Totenfeier, die
in 3 Hauptteile geteilt werden dürfte, nämlich die Trauerrede oder
die kurze Schilderung des bürgerlichen und maurerischen Lebens des
Dahingeschiedenen, -- das Anzünden der Lampe vor dem symbolischen
Sarkophage des Verewigten, und dessen Schmücken mit Blumen durch
alle anwesenden Brüder in 3 Zügen und Umgängen, worauf die ganze
Feierlichkeit mit der Bildung der Bruderkette und der Erteilung des
Bruderkusses schließt.“ In England und Amerika wird außerdem noch
die öffentliche Bestattung mit maurerischen Gebräuchen und Abzeichen
abgehalten.

Eine Beurteilung des Toten bei der Totenfeier ist etwas völlig
Selbstverständliches und auch außerhalb der Loge allgemein üblich,
und es braucht daher ihr Ursprung nicht aus Ägypten hergeleitet zu
werden, wo übrigens das Totengericht lediglich ein jenseitiges war,
unter dem Vorsitze des Gottes Osiris über 42 Totenrichtern (wegen der
42 Todsünden nach ägyptischer Anschauung). Es konnte daher eher das
christliche Weltgericht aus dem Totengerichte in Ägypten hergeleitet
werden, als die Trauerloge, die ebenso lediglich eine ethische
Vertiefung und Veredlung der allgemeinen Trauerfeierlichkeiten ist, wie
die Tafelloge eine solche anderer Bankette und die Verhandlungsloge
eine solche anderer Vereinssitzungen.

Übrigens werden die Trauerlogen, deren erste bekannte erst 1757 in
Hamburg gefeiert wurde, meistens nicht für einzelne Brüder, sondern
z. B. jährlich für die im Laufe des Jahres verstorbenen Brüder
gemeinsam gefeiert, oder auch, wenn kein solcher Fall vorliegt, am
Allerseelentage oder einem andern für die hingeschiedenen Brüder
überhaupt. Natürlich ist die Trauerloge schwarz ausgeschlagen. Ein
herrliches Muster einer Trauerlogenrede ist die 1813 gehaltene Br.
Goethes zum Andenken Br. Wielands.

Zum Schmucke aller freimaurerischen Versammlungen wird deren ohnehin
künstlerischer Eindruck durch die geistigsten und ergreifendsten aller
Künste, durch das Schwesternpaar der +Poesie+ und +Musik+, erhöht.
Dichtungen und Tonwerke begleiten den Maurer von der (maurerischen)
Wiege bis zum Grabe, in heiteren, ernsten und ernstesten Darbietungen.
In ihrer Verbindung, dem maurerischen +Liede+, findet die Loge ihre
erhebendsten Stunden, zu deren Verschönerung Brüder wie Goethe, Herder,
Mozart und viele andere beigetragen haben und auch nicht maurerische
Größen dieser Künste ihren Zoll entrichtet haben. Schiller war nicht
Freimaurer; aber sein „Lied an die Freude“ ist ein echt maurerisches.
Beethoven war es auch nicht; aber seine Symphonien werden maurerisch
empfunden. Die Loge duldet keine andere als eine reine und erhebende
Dicht- und Tonkunst; alles Gewöhnliche, Platte und Ausgelassene ist
von ihr ausgeschlossen. Fast alle Logen haben ihre Liederbücher und
halten die beiden alles Leben verschönernden und erhebenden Künste in
hohen Ehren. Auch haben alle Logen ihre musikalischen Brüder, die nach
Kräften hierzu beitragen, durch Gesang wie durch Instrumentalmusik,
oft auch einen besondern Musikdirektor.

                             +Übersicht+.

       Leitende Idee:   Art der Versammlung:      Kennzeichen:

        Schönheit.         Tafelloge.           Edle Heiterkeit.
        Weisheit.         Arbeitsloge.        Feierliche Stimmung.
        Stärke.           Trauerloge.          Gedanke an den Tod.


~b)~ Die lehrhafte Arbeit.

Die Logenversammlungen haben neben dem (ganz oder teilweise)
künstlerischen auch vielfach einen lehrhaften Charakter. Allerdings
überlassen sie wissenschaftliche Untersuchungen und Forschungen mit
Fug und Recht den gelehrten Gesellschaften und den Hochschulen; doch
werden vielfach im hellen Logenraum allgemein verständliche Vorträge
über verschiedene Gegenstände der Wissenschaft und Angelegenheiten
des Lebens gehalten. Man hat daher entweder die Logen überhaupt oder
die Versammlungen gewisser höherer Grade verschiedener europäischer
Länder im 18. und 19. Jahrhundert oft +Akademien+ genannt, ja neuerlich
sogar den Ursprung der Freimaurerei aus den italienischen Akademien
des Zeitalters der Renaissance hergeleitet. Dazu hat besonders der
Umstand beigetragen, daß in den nach jenem Vorbilde im 17. Jahrhundert
in Deutschland und England entstandenen „Kollegien“ und „Sozietäten“
der Pädagog und Philanthrop Joh. Amos Komensky aus Mähren, genannt
+Comenius+ (geb. 1592, gest. 1670) eine Rolle spielte, den man seiner
ganzen geistigen Richtung nach einen Vorläufer der Freimaurerei
nennen darf. Ihm zu Ehren wurde 1891 durch die Bemühungen Br. Ludwig
+Kellers+ und anderer gelehrter Brr. und Nichtbrüder in Berlin die
Comenius-Gesellschaft gegründet, die sich auch mit Untersuchungen über
die Entstehung der Freimaurerei beschäftigt.

Die Freimaurerei hat eine so umfangreiche und zum Teile sehr wertvolle
+Literatur+ hervorgebracht, wie sie keine andere Gesellschaft
aufzuweisen hat. Daher ist auch ihre +Lehre+ eine sehr ausgedehnte und
mannigfaltige, von der dieses kleine Buch einen schwachen Abriß zu
geben versucht. Auch diese Lehre hat Schauberg aus Ägypten abgeleitet,
von woher sie Pythagoras nach Europa gebracht haben soll. Ohne Zweifel
bestehen zwischen dem von diesem großen Philosophen gestifteten
Geheimbunde und der Freimaurerei gewisse Ähnlichkeiten, aber auch
wesentliche Verschiedenheiten (siehe des Verf. „Buch der Mysterien“).
Jener Bund ist auch so früh untergegangen, daß an eine zusammenhängende
Überlieferung bis auf neuere Zeiten nicht zu denken ist. Entlehnungen
aus früheren Erscheinungen begründen keinen Zusammenhang. Die
Freimaurerei erhebt keinen Anspruch darauf, den +Stein der Weisen+
gefunden zu haben oder finden zu wollen; wohl aber hält sie ihre Brüder
dazu an, daß jeder in dem Bau, den sie erstrebt, in dem Tempel der
Weisheit, Stärke und Schönheit ein brauchbarer Stein zu werden trachte.
Die Lehre, die sie erteilt, ist daher in ihrem Hauptteile die der
geistigen +Baukunst+, und wenn diese und die Freimaurerei selbst eine
+königliche Kunst+ genannt wird (seit Andersons Konstitutionenbuch von
1723), so geschieht dies, weil das Ziel, das sie anstrebt, die höchste
Vervollkommnung des Menschen ist. Dieses Ziel wurde freilich auch von
den größten Weisen aller Zeiten und Völker in geringerm oder größerm
Maße angestrebt, aber von keiner menschlichen Gesellschaft in dem Maße
wie von der Freimaurerei. Hat es auch der Stifter des Christentums sich
vorgesetzt, so hat es die +Kirche+, die sich seine Nachfolgerin nennt,
dadurch verdunkelt und hintangehalten, daß sie sein unentbehrlichstes
Mittel, die geistige +Freiheit+ nach Kräften durch vorgeschriebene
Glaubenssatzungen unterdrückte.

Sind in der Freimaurerei, wenn auch in bescheidenem Maße, die
vornehmsten Wissenschaften vertreten, die Philosophie in ihrer
Morallehre und Symbolik, die Geschichte in ihrer rührigen Pflege der
Geschichte des Bundes und der mit ihm zusammenhängenden Erscheinungen,
die Naturwissenschaft in der Ergründung des menschlichen Herzens und
seiner Bedürfnisse, so ist gewissermaßen die Mathematik in der von der
Loge in ihren Sinnbildern enthaltenen Zahlenlehre vertreten.

Schöpfer der Zahlenlehre ist +Pythagoras+, nach dessen Lehre „Zahl und
Harmonie das Wesen, die bestimmende Macht und das Gesetz der Welt sind,
das sittliche und vernünftige Leben des Menschengeistes bestimmen und
zusammen die Tugend begründen“, -- worin ihm der deutsche Philosoph Br.
Krause nachfolgte.

Die Zahl +Eins+ lehrt die Einheit aller Dinge, die Zahl +Zwei+
ihre zwei Seiten, die tätige und die leidende. Zusammen bilden sie
die +Drei+, die wir bereits (sowie die Neun) betrachtet haben. Die
Zahl +Vier+ tritt auf in den Himmelsgegenden, den 4 Elementen, den
4 Jahreszeiten und Änderungen der Tageslänge, den (mit der Nacht)
4 Tageszeiten, den 4 Seiten der Tempel, Gräber und Altäre, den
4 Evangelisten, der Verwandtschaft des Vierecks mit dem Kreise,
aus dessen rechtwinkliger Durchschneidung es entsteht, den 4
Temperamenten u. s. w. +Fünf+ ist die Zahl der menschlichen Sinne,
der Temperaturstufen (heiß, warm, lau, kühl und kalt), der Finger und
Zehen, der Säulenordnungen und Baustile[2], der Vokale u. s. w. +Sechs+
ist die Verdoppelung der heiligen Drei und die Hälfte der heiligen
Zwölf. +Sieben+ ist die Zahl der sog. freien Künste und Wissenschaften,
die in sehr verschiedener Art aufgezählt werden, z. B. Grammatik,
Logik, Rhetorik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik oder:
Dichtkunst, Musik, Zeichenkunst, Rechenkunst, Geometrie, Astronomie und
Baukunst, die Zahl der Sakramente und -- der Todsünden, -- der Farben
des Regenbogens, der Töne einer Tonleiter, der ehemals dafür gehaltenen
Planeten (Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn), wie
geglaubt wird: der Tage, Monate oder Jahre, in denen ein lebendes
Wesen reift, der Wunder des Altertums, der sog. Weisen Griechenlands
u. s. w. +Zehn+ ist die Summe von 1, 2, 3 und 4, die der beiderseitigen
Finger und Zehen, der maßgebenden Abschnitte im Zahlensystem, der
hebräischen, auch bei den Christen geltenden Gebote u. s. w., +Zwölf+,
das Produkt von 3 und 4, die Zahl der Tages- und Nachtstunden, der
Mondumläufe im Jahre, der Monate, der Zeichen des Tierkreises, der
griechischen und römischen Hauptgötter, der germanischen Asen, der
Patriarchen, Propheten und Apostel, der Stämme des Volkes Israel und
noch vieler anderer Dinge. Allerdings sind viele dieser Zahlenwerte
durch die Wissenschaft beseitigt oder sonst bedeutungslos geworden;
aber es handelt sich hier nur um die Kenntnis der Bedeutung, welche die
Zahlen stets in der Geschichte des Menschengeistes gehabt haben und um
die Mahnung an die Brüder, in allen Lagen des Lebens diejenige Zahl
zu beobachten, die von der Stimme des Gewissens als die richtige und
wohltätige bezeichnet wird.

Noch mehr als die Arithmetik ist die +Geometrie+ eine mit der Baukunst
und daher auch mit der Maurerei in Verbindung stehende Wissenschaft, ja
sie wurde von den älteren freimaurerischen Schriftstellern geradezu als
die Grundlage und das innerste Wesen der königlichen Kunst bezeichnet
und die edelste aller Wissenschaften genannt, weil es ihre Aufgabe ist,
die Größenverhältnisse des Weltalls zu messen. Da jedoch die Loge keine
Schule oder Gesellschaft zur Pflege der Mathematik an sich ist, so
kann die Geometrie für die Freimaurerei nur eine moralische Bedeutung
haben, d. h. sie ist ein Ausdruck für das Erfordernis, in allen Dingen
das rechte Maß zu halten, die in der Natur bestehende Ordnung auf das
sittliche Verhalten des Menschen anzuwenden und nach den Grundsätzen
der Schönheit und Regelmäßigkeit am Tempel der Menschheit zu bauen.

Das rechtwinkliche Viereck der Loge ist ein schwacher Ausdruck
dieses Erfordernisses und mahnt die Brüder stets, sich auch im Leben
rechtwinklich d. h. gerade zu verhalten.


  [2] Dorische, ionische, korinthische, etruskische und römische Säule;
      byzantischer, maurischer, romanischer, gotischer Stil und
      Renaissance.




3. Das Licht.

  Es werde Licht!    +Genesis.+

  Mehr Licht!        +Br. Goethe.+


~a~) Die Vorbereitung des Lichtes.

Das Licht ist die höchste Idee, nicht nur der Freimaurerei, sondern
der Welt überhaupt; es ist die höchste Offenbarung des höchsten Wesens
und dessen verständlichste Versinnbildlichung, daher auch mit seiner
Schöpfung diejenige der Welt nach der Auffassung des hebräischen
Altertums und nach der ältesten aller höher gebildeten Völker ihren
Anfang nimmt. Und wenn wir uns daher fragen, welches die +größten
Lichter+ der Freimaurerei sind, so fühlen wir im Innersten, daß es
nicht bloße Sinnbilder sein können, sondern wirkliche Objekte des
Glaubens und Wissens, nämlich:

    das Licht +über+ uns, die +Gottheit+,
    das Licht +in+ uns, das +Gewissen+ und
    das Licht +um+ uns, die +Menschheit+,

und ihre Bilder, nicht selbst Lichter, zugleich unentbehrliche
Hilfsmittel der Baukunst:

    das Sinnbild der Macht, der +Hammer+,
    das der inneren Stimme, das +Winkelmaß+,
    das der denkenden Umgebung, der +Zirkel+.

Unseren germanischen Vorfahren war der Hammer der Begleiter des
höchsten Gottes, des Donnerers, Donar oder Thor, der persönlich
gedachten Allmacht.

Die Benennung „Lichter“ kann auch weiter gefaßt werden, doch ohne
Zwang, wenn es sich um +wirkliche+ Lichter handelt, z. B. die +Sonne+.

Wie Schauberg richtig sagt, sind die Freimaurer Lichtgläubige und
Lichtsuchende; das Logenleben ist ein wahrer Lichtdienst und jede
Loge ein Tempel des Lichtes. Das höchste Fest der Loge ist daher die
Aufnahme eines Suchenden, deren Hauptteil die Erteilung des Lichtes an
ihn bildet. Darum nur ist die Loge dunkel, damit durch das Anzünden der
Lichter ihr Charakter als Tempel des Lichtes vollkommen zum Bewußtsein
der Brüder gelange. Die Loge gleicht daher der Erde, die in der Nacht
dunkel ist und mit dem Aufgange der Sonne erhellt wird, die im Winter
düster und kalt ist, um bei dem Anbruche des Frühlings mit Licht und
Wärme durchdrungen zu werden. Wäre die ganze Menschheit in gleicher
Weise des Lichtes bedürftig, so wäre die Loge überflüssig, und ganze
Völkerscharen würden am Morgen früh auf lichten Höhen der Sonne
zujubeln und deren, wie ihren Schöpfer preisen und am Ende des Winters
mit heiligen Gesängen den Einzug des Frühlings begrüßen.

So weilt denn auch der das Licht Suchende und im Einklang damit „hell
leuchtend“ ballotierte Kandidat in der +dunklen Kammer+, in die ihn
sein Pate geführt hat, in diesem Abbild der Loge im kleinen, auch
Kammer des Nachdenkens genannt, um mit sich zu Rate zu gehen, warum
er das Licht suche und +was+ er im Lichte suche und finden werde. Die
dunkle Kammer ist ein Abbild des Mutterschoßes und zugleich des Grabes;
feuchte Wände umgeben sie und schließen Abbilder des Todes ein; sie
gleicht also auch dem Dunkel, von dem wir vor der Geburt und nach dem
Tode umhüllt sind.

Man kann auch der Ansicht sein, daß diese düstere Umgebung nicht
zweckmäßig sei und dem Suchenden üble Eindrücke verursache;
sie war auch in den ersten Zeiten des Daseins der Freimaurerei
nicht gebräuchlich und gehört, soviel Sinn sie auch hat, zu dem
Theatralischen, mit dem sich der Bund, nicht zu seinem Vorteile,
umgeben hat.

Doch, nach dem vorherrschenden Gebrauche wird das Gleichnis der Geburt
zum Lichte fortgesetzt. Der vorbereitende Br. erscheint, spricht
dem Suchenden freundlich zu, und erklärt ihm, daß der Lichtsuchende
dem neugeborenen Kinde gleich sein müsse, das nackt, arm und
(geistig) blind in die Welt trete. Diese Prozedur wurde früher maßlos
übertrieben; man begnügte sich zuletzt, den Suchenden das Oberkleid
ablegen zu lassen und den einen Fuß in einen niedergetretenen Schuh
zu hüllen[3], was aber nicht mehr allgemein üblich ist. Dagegen blieb
die Abnahme alles beweglichen Metalles (oder der Wertsachen) und das
Anlegen der Augenbinde. Beides ist auch ein schönes Zeichen des
Vertrauens in die guten Absichten der Brüderschaft.

Eine der schönsten Stellen in den Reden des Heilandes sagt: „Bittet,
so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so
wird euch aufgetan.“ Diese Zuversicht ist wahrlich nicht überall so
gerechtfertigt und angebracht wie in der Loge. Diese ist geduldig und
nachsichtig, und wenn die in der dunkeln Kammer gegebenen Antworten auf
die an den Suchenden gerichteten Fragen nur einigermaßen befriedigend
sind, so wird ihm und seinen Führern auf ihr Anklopfen in maurerischer
Weise (mit 3 starken Schlägen, welche die 3 obigen Verheißungen
bedeuten sollen) die Türe des Tempels aufgetan.

Nachdem der Suchende auf die Frage des M. v. St. erklärt hat, was er
in der Loge suche, bemerkt ihm der Vorsitzende: wie der Eintritt in
den Tempel den Eintritt in das Leben, so bedeuten die Vorgänge in der
Loge das Leben selbst. Das Leben sei eine mannigfach bewegte Reise,
auf der man sich oft verirren, aber schließlich doch an das erstrebte
Ziel gelangen könne. Wie der Mensch auf der Reise des Lebens in
vieler Hinsicht geprüft werde, so müsse auch der Lichtsuchende seine
Sündhaftigkeit beweisen. Dies geschieht nun durch die drei +Reisen+,
die in jedem Grade auf verschiedene Weise in einem Umgange um die die
Mitte des Saales einnehmenden Lichter unter sicherer Führung vollführt
werden. Im ersten Grade sind es die +Elemente+, die der Suchende zu
berühren hat, nämlich das Feuer, das Wasser und die Erde, an deren
Stelle in einigen Lehrarten die Luft tritt.

Dies wird folgendermaßen erklärt: Der Aufzunehmende hat das Licht
gesucht und ist in verzehrendes +Feuer+ geraten. Oft werden strebende
Menschen von dem wilden Feuer der Leidenschaften versengt und gehen
darin unter. Aber durch weise Vorsicht ist das Feuer zu bändigen und
zum wohltätigen Wärmespender umzuwandeln.

Im +Wasser+ erlischt die zügellose Flamme; aber das Wasser der kühlen
Selbstsucht erstickt auch die heilige Glut der Begeisterung für
Menschenwohl. Die weise Besonnenheit aber drängt die kalten Wogen der
Gleichgültigkeit für das Ideal zurück und gestattet den Fluten nur ihre
wohltätige Wirkung zum Besten der Gesundheit und Reinlichkeit auch im
Seelenleben.

In den Staub der +Erde+ versinken Reichtum, Pracht und Schönheit; aber
der fruchtbringende Schoß der Mutter Erde befördert das Samenkorn, das
in sie versenkt wird, zu herrlicher Blüte und wohlschmeckender Frucht.

Die Probe der Luft ist uns nicht bekannt und auch in unseren
Hilfsmitteln nicht erwähnt.

Diese Gleichnisse können allerdings noch weiter ausgedehnt werden, was
uns aber in nebelhafte Fernen führen und -- verführen würde.

Die eigentümliche Art der drei sinnbildlichen, einen rechten Winkel
bildenden +Schritte+, die früher nach vollendeten Reisen zum Oriente
hin getan werden mußten (ein Überrest aus den alten Handwerksbräuchen),
und mehrere andere antiken Kulten nachgeahmte Proben, die jetzt als
verwirrend, beängstigend und ermüdend meist aufgegeben sind, versagen
wir uns zu erwähnen.


~b~) Die Erteilung des Lichtes.

Die Prüfungen sind überstanden; der Suchende wird zum Orient geführt
und vor den Altar gestellt. Es wird ihm vom Meister mitgeteilt, daß er
nach vollendeter Aufnahme nicht mehr zurücktreten könne. Beharrt er
auf seiner Absicht, so wird fortgefahren; in dem gewiß höchst seltenen
Falle des Verzichtes aber wird er entlassen, wodurch er aber in einen
inneren Konflikt kommen kann, etwas erlebt zu haben, was für ihn keine
weitere Bedeutung hat und ihn in der Achtung der Brüder herabsetzt. Im
ersteren, wahrscheinlichen Falle hat er zu erklären, daß er das neue
Gelübde ablegen wolle. Es hat Fälle gegeben, in denen ein Aufgenommener
später sein Gelübde brach und sogar sich einer dem Freimaurer-Bunde
feindlichen Richtung anschloß.[4] Dies hat er mit seinem Gewissen
abzumachen; für den Bund ist er verdorben und gestorben. --

Es folgt die Ablegung des +Gelübdes+, das im Bunde der Freimaurerei
kein solches der Verzichtleistung auf alle irdischen Güter des Lebens
ist wie in den Mönchsorden, sondern ein Gelübde der Tat, der Treue und
der Verschwiegenheit, soweit diese notwendig ist, um die Interessen
des Bundes zu wahren. Es bezieht sich nicht auf die Geschichte und
die Organisation des Bundes, auch nicht auf eigentliche der Welt
verborgene Geheimnisse, die es ja gar nicht gibt, sondern nur auf
die Erkennungszeichen und auf die dem Br. im Vertrauen gemachten
Mitteilungen. Die Gebräuche der Loge sind nur insofern geheim zu
halten, als Äußerungen darüber mutwillig und zwecklos oder gar
böswillig erscheinen. Zu +wissenschaftlichen+ und sonstigen +ernsten+
Zwecken +dürfen+ und +sollen+ sie besprochen werden; was wie dies zur
Kenntnis der menschlichen Kultur gehört, kann und darf kein Geheimnis
bleiben. +Die Wissenschaft kennt diesen Begriff nicht.+ +Unsere+ Loge
zeigt sogar den +Tempel+ jedem würdigen Besucher des Hauses.

Die Form eines +Eides+ hat das Gelübde nicht mehr überall. Auf einen
bestimmten Gegenstand braucht es nicht notwendig abgelegt zu werden;
wenn doch, so ist dieser ein Sinnbild der Einordnung in den Kreis
der Brüderschaft. Die feierliche Aufnahme schließt diesen Vorgang.
Sie geschieht bisweilen durch den Bruderkuß, meist aber durch den
Handschlag.

Nun ist es Zeit geworden, dem Suchenden die Binde von den Augen zu
nehmen und ihn das Licht der Loge schauen zu lassen.

Zu diesem Zwecke wird der neue Br. in die +Bruderkette+ gestellt,
die die Hände sämtlicher anwesenden Brr. vereinigt, wodurch die
Zusammengehörigkeit Aller versinnbildlicht wird.

Im rektifiz. schott. System findet eine zweimalige Erteilung des
+Lichtes+ statt, erst des schwachen und dann des starken. Bei jenem
erhellt nur eine aufflackernde und dann erlöschende, einen magischen
Eindruck erweckende Flamme, bei diesem aber das volle Licht für den
Aufgenommenen den Bruderkreis und die Loge. Meist wird das letztere
allein erteilt, und nun erst sieht der neue Br., wo er ist, sieht sich
verbunden mit den übrigen Brrn., deren Gesang mit Musikbegleitung ihn
als Br. begrüßt.

Er vernimmt nun die Namen der drei Säulen der Loge: Weisheit, Stärke
und Schönheit, ihrer Lichter, der Zieraten und Werkzeuge, die der
Freimaurerei Höheres bedeuten und die Pflicht der Wohltätigkeit. Noch
ist er aber in der Lage nicht, sie zu üben, und ihn ziert eine schöne
Beschämung. Es wird ihm daher das Abgenommene zurückgegeben, und er
kann sein erstes +Almosen+ in den „Sack der Witwe“ entrichten, wie die
Armenkasse genannt wird.

Den Schluß der Aufnahme bildet die Mitteilung von Zeichen, Wort und
Griff des I. Grades, der Art des Anklopfens, die Überreichung der
maurerischen Bekleidung und Abzeichen, sowie der Handschuhe, auf
welcher Dinge Bedeutung an ihrem Orte zurückzukommen ist.

Nun ist der bisher Außenstehende ein Eingeweihter geworden, -- doch
noch nicht vollständig. Er ist erst +Exoteriker+, -- das Höhere,
+Esoteriker+, wird er erst nach seiner Erhebung zum Meister. Diese
beiden Bezeichnungen führten die „außer- und innerhalb des Vorhangs“,
der den Meister verhüllte, stehenden, die neu eingetretenen und
die vorgeschritteneren Schüler des Pythagoras und anderer griech.
Philosophen, und man gebraucht sie auch von den in die Geheimnisse
anderer Lehren mehr oder weniger Eingeweihten. Das Exoterische der
Freimaurerei besteht in der äußeren Form; es umfaßt die Gebräuche und
Sinnbilder und die sittlichen, auf geistige Erhebung abzielenden Lehren
der Loge. Esoterisch dagegen ist der tiefere Sinn, der innere Grund der
freimaurerischen Übungen und die genaue Kenntnis der Geschichte ihrer
Entwicklung.

Man hat sich gefragt, ob +Blinde+, weil sie das Licht nicht sehen, und
+Taubstumme+, weil sie die Lehren bei der Aufnahme nicht hören und das
Gelübde nicht ablegen können, fähig seien, in den Bund aufgenommen zu
werden. Es sind aber wiederholt Unglückliche beider Arten aufgenommen
worden; denn es wäre offenbar ungerecht, sie wegen dieses Mangels von
einem Ziele, dem sie bewußt zustreben, auszuschließen. Die Wissenschaft
ist so weit vorgeschritten, daß es Mittel gibt, nicht nur Blinden und
Tauben, sondern sogar solchen, die beides sind, alle Kenntnisse zu
erschließen. Ebenso unmaurerisch wäre es, Suchenden, die mit irgend
welchen anderweitigen, weniger störenden körperlichen Mängeln behaftet
sind, die Pforten der Loge nicht öffnen zu wollen. Ihr Licht ist nicht
nur ein sichtbares, ihre Lehren sind nicht nur hörbare; beides ist
für den Geist bestimmt, der sich über das rein Leibliche zu erheben
versteht.


  [3] In vielen Religionen durfte oder darf kein Schuh den heiligen
      Boden des Tempels betreten.

  [4] Beispiel der Earl von +Ripon+, Großmeister der englischen
      Großloge, der sein Amt niederlegte und sich dem Papsttum
      unterwarf.




4. Die Grade.

    Wer soll Meister sein?
        Der was ersann.
    Wer soll Geselle sein?
        Der was kann.
    Wer soll Lehrling sein?
        Jedermann.

    +Handwerkerspruch.+


~a~) Die alten Grade.

Die drei Grade der Lehrlinge, Gesellen und Meister sind die einzigen,
die von der großen Gesamtheit +aller+ Freimaurer übereinstimmend
gepflegt und anerkannt werden und auch überall dieselben sind; alle
anderen kommen nur vereinzelt vor und stimmen unter sich weder in Zahl
noch Namen überein. Diese 3 Grade, auch nach der Farbe ihrer Abzeichen
blaue oder nach dem Schutzheiligen der alten Steinmetzen Johannisgrade
genannt, sind sehr alt.

Die Werkmaurer und nach ihnen die meisten Handwerker kannten sie von
alters her, und die Freimaurer, die sie in der ersten Zeit nach der
Entstehung des Bundes nicht übten, wohl weil sie nicht mehr bloß
aus Handwerkern (wohl gar nur noch zum geringen Teile) bestanden,
nahmen sie aber bald nach der Gründung des Bundes an. Diese Grade
sind die Stärke und bilden die Einheit des Bundes; in ihnen liegt die
Möglichkeit seines Bestandes, weil das Streben nach Emporsteigen, nach
tieferen Erkenntnissen und nach fruchtbarerem Wirken der begabteren
Menschenseele angeboren ist. Die Grade haben, wie ihr Name (Stufen)
sagt, den Zweck, zu höherer Erkenntnis vorzuschreiten. Es ist sehr
zweckmäßig, daß nur ältere, erfahrenere Männer die Leitung eines Bundes
in Händen haben, und daß die jüngeren, noch unerfahrenen Brr. sich
besserem Wissen fügen lernen, ehe sie ebenfalls die höheren Stufen
erreichen. Diese älteren Brr. sind die Meister, die unmittelbar vor
dieser Stufe stehenden die Gesellen und die erst noch zu lernen haben,
was ein Maurer ist, die Lehrlinge.

Der Stufengang der 3 alten Grade versinnbildlicht das Leben des
Menschen, und ihr Charakter läßt sich folgendermaßen kurz kennzeichnen.

  +Grade+:        +Lehrling+:     +Geselle+:      +Meister+:

  +Lebens-
   abschnitte+:    Geburt.          Leben.           Tod.
  +Werkzeuge+:     Zirkel.        Winkelmaß.        Hammer.
  +Arbeiten+:      Roher         Quaderstein.      Reißbrett.
                   Stein.
  +Tugenden+:     Selbster-       Selbstbe-        Selbstver-
                  kenntnis.      herrschung.        edlung.
  +Leitideen+:    Schönheit.       Stärke.         Weisheit.
  +Soziale
   Ideen+:      Brüderlichkeit.  Gleichheit.       Freiheit.
  +Weltkörper+:     Erde.           Mond.           Sonne.
  +Weltlichter+:  Menschheit.     Gewissen.        Gottheit.

Die Erklärung dieser drei mal drei Dreiheiten ist teils bereits
gegeben, teils wird sie hier und weiterhin folgen.

Um Freimaurer, also zunächst +Lehrling+ zu werden muß der
Aufnahmesuchende ein „freier Mann von gutem Rufe“, also in
selbständiger Stellung und ohne Makel sein. Er ist aber in diesem
untersten Grade erst ein Schüler der königl. Kunst und daher in den
verschiedenen Systemen den anderen Graden an Rechten mehr oder weniger
hintangesetzt, an Pflichten aber gleichgestellt, was ihn antreiben muß,
emporzusteigen und seine Gleichberechtigung mit den höheren Stufen zu
erringen. Die Zeit, in welcher dies geschehen kann, ist verschieden
festgesetzt und hängt auch von den an den Tag gelegten Fähigkeiten
und Leistungen des Lehrlings ab. Auch das Alter der Aufnahme und
Beförderung ist verschieden, meist aber das der Volljährigkeit, doch
können die Söhne von Meistern (Luftons genannt) früher aufgenommen
werden. Da der Lehrling neu in den Kreis der Brr. tritt, ist der
Zirkel sein Werkzeug, und woran er zu arbeiten hat, wird unter dem
Bilde eines rohen Steines dargestellt, an dem er sich zu üben hat, die
Rauheiten seines Ich zu ebnen und zu glätten, mit anderen Worten: zur
Selbsterkenntnis zu gelangen. Wie seine Aufnahme zeigt, entspricht sie
der Geburt des Menschen, daher sein Licht die Menschheit im weiteren,
die Brüderlichkeit im engeren Sinne ist. Unter den maurerischen
Tugenden ist es die Schönheit im geistigen Sinne, der seine Arbeit
gewidmet ist. Unter den uns näher stehenden Weltkörpern ist unsere
Erde, die kein Licht gibt, ein Bild des Lehrlings. Im weiteren Sinne
sind eigentlich alle Maurer Lehrlinge, da jeder Mensch noch zu lernen
hat, daher die allgemeine Versammlung der Brr. Lehrlingsloge heißt.

Der Grad des +Gesellen+ ist seinem Wesen nach eine Mittelstufe, ein
Übergang, hat daher in der Loge keine besondere Bedeutung. Es gibt
keine Gesellenloge, ausgenommen zum Zwecke der Beförderung eines
Lehrlings zum Gesellen, als welcher er keine besonderen Rechte hat,
sondern sich auf den Meistergrad vorbereitet. Desto mehr sinnbildliche
Bedeutung hat dieser Grad, als dessen besonderes Werkzeug das Winkelmaß
und als dessen Arbeit die Herstellung des rohen Steines zu einem
kubischen betrachtet wird, d. h. er hat alle Unebenheiten abzustreifen
und sich eines rechtwinkligen Verhaltens zu befleißigen, also
Selbstbeherrschung zu üben, Stärke an den Tag zu legen und zu diesem
Ende das Gewissen als sein Licht zu betrachten. Das Leben in seiner
Blüte, das Streben nach Gleichheit ist seine Sphäre. Diese Aufgaben
werden in verschiedener Weise versinnbildlicht.

Im rektif. schott. System wird das Hauptgewicht auf die
Selbstbeherrschung gelegt; der zur Beförderung zugelassene Geselle sagt
sich von eigensüchtigen Gelüsten los; er wirft daher bei seinen Reisen
die Zeichen der Habsucht (Goldmünze), der Ruhmsucht (Bronzemedaille)
und der Rachsucht (Dolch) von sich. Im englischen System ist die Blüte
des Lebens der leitende Gedanke; der Geselle wird daher unter Musik
und Blumenkränzen umgeführt. Da er Licht nur empfängt, aber noch
kein eigenes, sondern nur entlehntes ausstrahlt, ist er dem Monde zu
vergleichen.

Der +Meister+ ist zur Regierung der Loge im Vereine mit der Meisterloge
berufen. In allen Dingen hat er das erste Wort, in manchen, sofern
der Lehrlingsloge nicht Bestätigung zusteht, auch das letzte. Er
sieht auf das Leben zurück und zugleich auf dessen Ende und auf die
Unsterblichkeit voraus, daher Selbstveredlung seine Bestimmung ist. Der
Hammer als oberstes Werkzeug kommt ihm allein zu; er versinnbildlicht
die Macht im Bruderkreise. Die Weisheit, die seine Tugend sein soll,
lehrt ihn, der rauher Arbeit nicht mehr bedarf, auf dem Reißbrett zu
zeichnen, d. h. den unter ihm stehenden Brrn. ihre Arbeiten anzuweisen
und ihnen in allen Dingen voranzuleuchten. Sinnbildlich also kann er,
ohne sich selbst zu überschätzen, Freiheit in Anspruch nehmen, die
leuchtende Sonne als sein Vorbild und den a. B. a. W. als sein großes
Licht zu verehren. In Übereinstimmung mit diesen Zügen hat die Erhebung
zum Meister einen hochernsten, ja düsteren Charakter und wird von dem
Gedanken an den Tod und der Vorbereitung auf diesen beherrscht, mit der
vorwiegenden Rücksicht darauf, daß es ein schönes, ein heldenhaftes
Ende des Lebens sein möge, wobei die Hoffnung auf die Unsterblichkeit
nicht außer acht gelassen, vielmehr betont wird. Die Verknüpfungen des
Meistergrades mit den indischen Brahmanen, den persischen Magiern, den
Priestern der ägyptischen und griechischen Mysterien, dem Salomonischen
Tempel, den Tempelrittern u. s. w. sind natürlich wohlmeinende, aber
grundlose Phantasien. --


~b~) Die Hochgrade.

Die Entstehung der über den Meistergrad hinausgehenden sog. Hochgrade,
die eine den Meistern angeblich noch unbekannte höhere Kenntnis der
Freimaurerei bieten sollten, ist mit der Geschichte der Lehrarten
(Systeme), die uns weiterhin beschäftigen werden, innig verknüpft. Die
Hochgrade haben eine verschiedene Stellung in den germanischen und
in den romanischen Ländern. Dort sind sie (allerdings mit Ausnahme
des sog. schwedischen Systems) von den alten Graden (soweit sie
nämlich überhaupt dort bestehen) getrennt, ohne Einfluß auf sie und
eine Sache der Freiwilligkeit, beziehungsweise Eitelkeit. In den
romanischen Ländern dagegen beanspruchen sie eine höhere Fortsetzung
der Johannisgrade und beherrschen diese vollständig.

Gewissermaßen ein Embryo der Hochgrade sind gewisse Abteilungen des
Meistergrades nach den Systemen Feßlers und Schröders, die sich als
+Engbünde+ und +Erkenntnisstufen+ bezeichnen, eine gründlichere
Kenntnis der freimaurerischen Geschichte und Lehre bezwecken und auch
über die Hochgrade anderer Systeme ihre Mitglieder belehren, aber keine
Vorrechte vor den übrigen Meistern erstreben.

Die Hochgrade werden auch +rote Grade+, im Gegensatz zu den blauen,
nach der vorherrschenden Farbe ihrer Abzeichen genannt. Was sie
bieten, geht durchweg über die Freimaurerei hinaus und stammt aus den
traurigen Zeiten ihrer Verirrungen. Den Inhalt ihrer Lehren bilden
Entlehnungen, meist entstellte, aus den verschiedensten Religionen
und Philosophien und aus einfachen Erdichtungen, die zum Teil von
Aberglauben und geschichtlicher Unwissenheit nicht frei sind. Ihre
Selbstüberschätzung zeichnet sich am besten durch die Anmaßung, die 3
alten Grade nur als Vorschule für ihren Gallimathias gelten zu lassen.
Sie nennen sich „+Orden+“, +nicht Bund+.

Wir geben nun ein Verzeichnis aller Grade der beiden am weitesten
verbreiteten Hochgradsysteme.

~A.~ Das +Schwedische System+, in Schweden, Norwegen, Dänemark und
Preußen, in jedem dieser Länder von einer Großen Landesloge geleitet,
hat folgende Abteilungen.

    I. Die St. Johannisloge mit den 3 Graden: 1. Lehrling. 2. Geselle.
       3. Meister.

   II. Die St. Andreas- oder Schottenloge, mit 3 Graden: 4.
       Andreas-Lehrling.[5] 5. Andreas-Geselle. 6. Andreas-Meister.

  III. Die Stewards- (d. h. Verwalter-, mißverständlich Stuarts-) Loge
       oder das Kapitel (so heißen die Oberbehörden der Hochgrade), mit
       4 Graden: 7. Stewardsbrüder. 8. Vertraute Brr. Salomos. 9. St.
       Johannis-Vertraute. 10. St. Andreas-Vertraute.

   IV. oder 11. Grad: Höchsterleuchtete Brr. Architekten (Ritter und
       Kommandeure vom roten Kreuz), die Regierung des Ordens. Der
       oberste Beamte nennt sich ~Vicarius Salomonis~ oder weisester
       Ordensmeister.


~B.~ Das +Schottische System+, an der Spitze der Großlogen (oder
Großoriente) von Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und der mittel-
und südamerikanischen Länder, -- +neben+ den Großlogen von Belgien,
Ungarn, England, Schottland, Irland und Nordamerika, hat 33 Grade (wir
beginnen gleich mit dem vierten):

   4. Geheimer Meister (beschäftigt sich mit dem Tempel Salomos).

   5. Vollkommener Meister (Beschäftigung: Die Bestattung des
      Baumeisters Hiram in Jerusalem und die Rache für seinen Mord).

   6. Vertrauter Sekretär (weiteres von Hiram).

   7. Vorsteher und Richter (Aufsicht Salomos über den Tempelbau).

   8. Intendant der Gebäude (die Ersetzung des ermordeten Hiram).

   9. Erwählter der Neun (Bestrafung derjenigen, die sich einen Grad
      unberechtigterweise anmaßen).

  10. Erwählter der Fünfzehn (Fortsetzung).

  11. Erhabener Auserwählter (die Belohnung der treuen Arbeiter
      Salomos).

  12. Großmeister-Architekt (höhere Regeln der Baukunst).

  13. Royal-Arch (königliches Gewölbe; Auslegung des apokryph. Buches
      Henoch und Astrologie).

  14. Großer schottischer Ritter oder Erhabener Maurer (die Fabel,
      daß Nachkommen der salomonischen Maurer die Kreuzfahrer
      unterstützt hätten).

  15. Ritter vom Osten (Wiederaufbau des Tempels unter Serubabel).

  16. Großfürst von Jerusalem (Fortsetzung).

  17. Ritter vom Westen (handelt von den Tempelrittern).

  18. Souveräner +Fürst vom Rosenkreuz+ (Verbindung der Freimaurerei
      mit christlicher Orthodoxie, mit Feier des Abendmahls).

  19. Großer Oberpriester oder Erhabener Schotte (grübelt über die
      Offenbarung des Johannes und baut am Neuen Jerusalem).

  20. Großmeister auf Lebenszeit (angebliche Auswanderung der
      christlichen Maurer unter Titus nach Schottland).

  21. Noachit oder Preußischer Ritter (verhandelt nur bei Vollmond ohne
      anderes Licht und zwar über -- die Zerstörung des babylonischen
      Turmes!)

  22. Fürst vom Libanon oder Ritter der königlichen Axt (Fällung der
      Zedern im Libanon zum Bau der Arche Noahs und der beiden Tempel
      von Jerusalem).

  23. Haupt des Tabernakels (Einsetzung des jüdischen Hohenpriestertums
      durch Aron).

  24. Fürst des Tabernakels (Bau der Stiftshütte).

  25. Ritter der ehernen Schlange (aus Anlaß des Schlangendienstes in
      der Wüste: über die Krankenpflege durch die geistlichen
      Ritterorden).

  26. Fürst der Gnade (über die Bünde Gottes mit den Juden und
      Christen).

  27. Souveräner Großkommandeur des Tempels (befaßt sich abermals mit
      den Tempelrittern).

  28. Ritter der Sonne (Betrachtung über die Wohltaten Gottes).

  29. St. Andreas-Ritter oder Patriarch der Kreuzzüge (bezieht sich
      angeblich auf die schottisch-stuartistischen Umtriebe).

  30. +Ritter Kadosch+ oder Ritter des weißen und schwarzen Adlers
      (über den Untergang der Tempelritter und Zusammenfassung des
      ganzen Systems, angeblich mit Bekämpfung des Aberglaubens).

  31. Groß-Inquisitor-Kommandeur.

  32. Erhabener Fürst des königl. Geheimnisses.

  33. Souveräner General-Groß-Inspektor.

Dieser ganze Pomp ist indessen trotz seiner hochtrabenden Namen nur
+Schein+; denn zwei einzige Grade, der 18. und der 30., haben wirkliche
Gebräuche; das System hat also tatsächlich mit den 3 alten nur 5 Grade.
Die drei obersten beziehen sich bloß auf die Leitung des Ordens.


  [5] Nach dem Apostel Andreas, der von Johannes dem Täufer zuerst zu
      Jesus übergegangen sein soll.




Zweiter Abschnitt.

~Die Bestandteile der Symbolik (Schönheit).~




5. Die Zeichen.

    Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
    die heil’gen Zeichen dir erklärt.

                     +Goethe+ Faust I.


~a~) Die Erkennungszeichen.

Zeichen zur Erkennung gewisser Eigenschaften von Orten und Personen,
zur Mitteilung von Gedanken und zur Aufbewahrung von Dingen
verschiedenster Art hatten die Menschen schon seit grauester Urzeit im
Gebrauche. Die Tatuierungen bei Völkern geringer Kultur verkündeten
den Stamm und die Taten der Leute, auf deren Haut sie eingeätzt waren.
Verschiedenfarbige, in Kerben geknüpfte Schnüre hielten im alten Peru
die Erinnerung an Tatsachen wach. Krause, Zeichnungen und Malereien an
Felsen findet man in allen Erdteilen. Bilder von Gegenständen oder die
solche vorstellen sollten, in Ägypten die Hieroglyphen, in Babylonien
die Keilzeichen, in China die sonderbaren Silbenzeichen, waren die
ältesten Schriften. Diese vereinfachten sich nach und nach, so daß
keine Bilder mehr zu erkennen waren. Solche für den Uneingeweihten
rätselhafte Zeichen waren die germanischen Runen und sind noch die
heute gebräuchlichen Buchstaben aller Sprachen. Zeichen, die nicht
zur Gedankenmitteilung dienen, sind die Hausmarken, die das Eigentum
an einer Sache, die Künstlerzeichen, die den Verfertiger eines Werkes
anzeigen, wohin auch die Steinmetzzeichen an den Arbeiten der Bauleute
gehören, sowie die Fabrikzeichen und anderes. Die Logenzeichen erfüllen
denselben Zweck, nur daß die Angehörigen sie bloß in den Versammlungen
tragen. Die Freimaurerei verfügt aber auch über Erkennungszeichen,
die keine Dauer haben und nur zum augenblicklichen Eindruck auf
die Sinne des Gesichts, Gehörs und Gefühls bestimmt sind, wie sie
schon bei den alten Steinmetzen gebräuchlich waren. Die einfachen
dieser Erkennungsmerkmale sind die mit der +Hand+ gegebenen, das
Freimaurerzeichen und der Griff oder Händedruck. Die Hand ist überhaupt
derjenige Körperteil, der in der Freimaurerei die meiste Anwendung
findet. Sie ist das Organ des Schaffens, Gestaltens, Wirkens und
Ordnens. Das maurerische Zeichen für das Gesicht besteht in einer
Bewegung der Hand am Körper, das für das Gefühl im herzlichen Drucke
zweier rechten Brüderhände. Beides verändert sich in gewissem Maße
mit dem Übertritt in die oberen Grade. Der Handschlag besiegelt auch
außerhalb des Bundes eine Freundschaft, ein Geschäft, einen Vertrag;
unter Brrn. ist er ebenfalls eine Bekräftigung der Zusammengehörigkeit.
Ja man spricht figürlich von der Hand Gottes, des Schicksals u. s. w.
Man bietet die Hand zur Hilfe, ohne daß dies wörtlich gemeint ist. Die
offene Hand bedeutet den Frieden, die als Faust geballte den Kampf.
Bei den Römern bedeutete ~Manus~ die väterliche Gewalt über die Kinder
und die des Gatten über die Frau. Noch eine andere Bestimmung hat in
der Freimaurerei die Hand, die des Anklopfens, das wieder je nach dem
Zwecke und nach dem Grade verschieden ist und das Nahen brüderlichen
Besuchs versinnbildlicht.

Umständlicher sind schon die maurerischen Erkennungszeichen für das
Gehör, und zwar gibt es da wieder einfachere und verwickeltere. Das
einfachere ist das +Wort+, das ebenfalls mit dem Grade wechselt und
unter Umständen buchstabiert wird, um die Eigenschaft als Freimaurer zu
beurkunden.

Diese Worte sind alle dem Hebräischen entnommen und haben eine auf das
Maurertum übertragene Bedeutung. Wichtiger ist das Wort, das ein Br.
als Beteurung oder Versprechen abgibt; es ist so bindend wie irgend
eines, das von einem Ehrenmanne gegeben wird, ja noch bindender, weil
es unter Brüdern lebt. Ausführlicher sind die als Mittel der Erkennung
von Brrn. durch Fragen und Antworten gegebenen Sätze, die den Inhalt
der +Katechismen+ aller Grade ausmachen und eine Zusammenfassung aller
in diesen erteilten Lehren enthalten. Jedenfalls aber steht über dem
Wortlaute der +Geist+, der durch selbes zum Ausdrucke kommt.


                             +Übersicht:+

  +Leitende                    +der                  +Soziale
    Idee:+               Erkennungszeichen:+        Bedeutung:+

   Weisheit.                   Wort.                 Freiheit.
  Schönheit.                Handzeichen.            Gleichheit.
   Stärke.                  Händedruck.           Brüderlichkeit.


~b~) Das Not- und Hilfszeichen.

Einzig und allein den Meistern wird ein gewisses Zeichen mitgeteilt,
durch das sie in Notfällen von solchen, die es verstehen, Hilfe
verlangen können.

Rührende Geschichten werden von Zeit zu Zeit in maurerischen
Zeitschriften erzählt, wie dieses Zeichen gewirkt habe und wie schön
es sei, so einem Br. helfen zu können! Es liegt dieser Auffassung
aber ein Irrtum zu Grunde, der tiefer sitzt als nur im Not- und
Hilfszeichen, ein Irrtum, der leider in vielen, wo nicht in den meisten
Logen großgezogen wird. Dieser Irrtum besteht darin, daß Freimaurerei
und Humanität miteinander verwechselt werden, also Form und Inhalt,
gerade wie bei den kirchlich Gläubigen, welche ebenfalls Kirche und
Religion verwechseln. Dies bringt die Letzteren dahin, außerhalb ihrer
Kirche keine Religion anzuerkennen, so daß sie die Menschen, die nicht
ihres Glaubens sind, verachten und sie von Glück und Seligkeit, ja
von allen Menschenrechten ausschließen. Gerade so denken und handeln
traurigerweise auch die meisten Freimaurer. Alles was die Füße nicht in
den r. W. stellt, ist ihnen „profan“. Dieses häßliche und abscheuliche
Wort, welches die aufgeblasenste Selbstvergötterung und die empörendste
Menschenverachtung bei denen kundgibt, welche die Priester und
Apostel der Humanität sein sollen, ist aus unseren Schriften längst
verbannt. Wir haben auch dahin zu wirken versucht, daß die deutschen
Maurer es überhaupt aufgeben, aber umsonst. Sogar die freisinnigsten
Maurerzeitschriften, welche jeden Zopf in der Maurerei unbarmherzig
bekämpfen, hängen fortwährend an der Bezeichnung „profan“ für die
untergeordnete Menschenklasse, welche die Logen nicht besucht, -- mit
einem Eifer, der einer besseren Sache würdig wäre. Man sieht daraus,
daß diese Maurer die Nichtmaurer gründlich verachten und auf sie mit
demselben mitleidigen Hochmut herabsehen, wie die Gläubigen irgend
einer Religion auf die Ungläubigen, Ketzer und Schismatiker. Und dies
ist wahrlich kein Wunder. Der in den Logen gewöhnlich herrschende Ton
erzieht die Brr. förmlich dazu, in den „Aufgenommenen“ eine Art höherer
Menschheit anzustaunen. In den meisten freimaurerischen Reden und
Vorträgen, die man liest und hört, ist nur von den Pflichten der Brr.
gegen Brr. und selten oder nie von denjenigen gegen alle Menschen die
Rede. Man hört nur von der Erziehung der Brr. zur Selbsterkenntnis und
Selbstveredlung, niemals von derjenigen anderer Menschen. Und so kommt
es denn auch, daß in freimaurerischen Kreisen meist allgemein geglaubt
wird, der Begriff der Humanität bestehe lediglich in demjenigen der
Freimaurerei, diese beide seien identisch oder es gebe keine Humanität
außerhalb der Freimaurerei, und die nichtmaurerische Menschheit wisse
daher nichts von Humanität. Denn letztere ist eben den hier gemeinten
Brrn. nur unter dem Namen der Freimaurerei bekannt und diese haben
keine Ahnung, daß sie schon Jahrtausende vor der Existenz des Bundes
gelehrt wurde und heutzutage außerhalb desselben viel ausgebildeter
ist, viel folgerichtiger und allseitiger geübt wird als innerhalb
der Logen. Denn in welcher andern Gesellschaft der zivilisierten
Welt werden noch Nichtchristen oder Farbige oder Uneheliche (wie in
England) oder Freidenker von der Aufnahme ausgeschlossen? Ja in dem
freigesinnten Teile der nichtmaurerischen Welt ist die Humanität
bereits eine so selbstverständliche Sache, daß ihrer kaum gedacht
wird. Ja sogar ganz dieselben moralischen Lehren, welche die Maurer
in Schule und Kirche, wie in nichtmaurerischen Büchern tausend und
abertausendmal gehört und gelesen haben, -- ganz dieselben einfach
menschlichen Regeln, Gebote und Vorschriften halten sie allen Ernstes
in der ▭ für etwas ganz Neues, dem Freimaurerbunde Eigentümliches! Es
wäre wirklich unglaublich, wenn es nicht erwiesenermaßen wahr wäre! Mit
heiligem Ernste muß man zu hunderten von Malen wiederholen hören, die ▭
allein sei der heilige Boden, auf welchem sich Männer aller Religionen,
Nationen und Stände treffen; man muß es sogar von solchen begeistert
ausrufen hören, welche einzelne dieser Menschenklassen vom Bunde
ausschließen, -- und die große Menge der Brr. denkt nicht daran, daß
dasselbe in nichtmaurerischen Gesellschaften in noch viel weitherzigerm
Maße der Fall ist!

Und aus diesem dünkelhaften Wahne stammt denn auch das unglückselige
Not- und Hilfszeichen. Dasselbe kann und wird niemals einen andern
Sinn haben, als daß man nur +Brrn.+ helfen müsse, anderen Menschen
aber nicht. Derjenige, der auf das N. u. H. Z. hin helfend eingreift,
würde also in demselben Falle nichts tun, d. h. unter Umständen den
Betreffenden ruhig zu Grunde gehen lassen, wenn derselbe kein Maurer
wäre! Soll das irgend etwas mit Humanität zu tun haben? Steht da der
verächtlich behandelte „Profane“ der ohne Zeichen und Ausweis als
Mensch hilft, nicht weit höher? Ein Br., der als Soldat den, der das
Zeichen macht, schont, den Andern aber niederhaut, -- ein Br., der als
Lootse ein Schiff mit der dem Zeichen gleichstehenden maurerischen
+Notflagge+[6] (Z. u. W. auf blauem Grunde) rettet, das eines
Nichtmaurers aber untergehen läßt, -- handelt er aus irgend welchen
menschlichen Regungen, aus humanem Pflichtgefühl, und nicht vielmehr
aus ungern und zögernd beobachtetem Logengehorsam?

Wir halten daher das N. u. H. Z. für eine ganz inhumane und daher, weil
Humanität der Inhalt der freimaurerischen Form ist, auch unmaurerische
Erfindung und befürworten die gänzliche Abschaffung dieser ohnehin
veralteten und unpraktischen, vor allem aber die Humanität fälschenden
und höhnenden Einrichtung.

Ist ein Br. in äußerer persönlicher Gefahr -- -- und nur diesen Zweck
hat das N. und H. Zeichen -- so reicht bei sittlich zuverlässigen
Menschen der Hilferuf vollkommen aus.

Wir haben nichts mehr beizufügen, als die Hoffnung, die Brr. möchten
immer mehr erkennen, daß sie nicht besser sind als andere Menschen,
daß niemand das Recht hat, andere als „profan“ zu verachten und daß
wir Freimaurer höhere Pflichten und einen höhern Beruf haben, als
längst breitgetretene und überall bekannte moralische Lehren immer
noch breiter zu treten und zum Überdruß zu wiederholen und uns selbst
zu betören, daß damit etwas Verdienstliches geschehe, ohne daß jedoch
darin der mindeste Nutzen für irgend jemanden bewirkt wird!


  [6] Diese hat indessen noch mehr Berechtigung, indem sie die Nähe von
      Brüdern anzeigt.




6. Die Zieraten.

    Mit unsern Gunsten, sei’s mit unserm Willen,
    der schauen will, was wir verhüllen.

                                +Goethe Faust+ II.


~a~) Der Loge.

Unter „Zieraten“ verstehen verschiedene freimaurerische
Quellenschriften ziemlich verschiedenes. Im allgemeinen kann angenommen
werden, daß unter „Zieraten“ die Ausschmückungsgegenstände der Loge
verstanden werden, während man unter „Kleinodien“ die von den einzelnen
Brrn. getragenen Verzierungen (Dekorationen, Ornamente) zusammenfaßt.
Wir bringen hier beides unter +einen+ Titel, erlauben uns aber, davon
dasjenige auszunehmen, was nach unserer Ansicht besser in ein anderes
Kapitel fällt, und das um so mehr, als der Name wie gesagt, ohnehin
schwankend ist. Meistens ist das, was hier wegfällt, dasjenige, was
nach unserer Auffassung eine höhere, ideale und historische Bedeutung
hat.

Als Sammelplatz der Logenzieraten, wie auch der nachher zu behandelnden
Werkzeuge und Sinnbilder, jedoch in einer nach den Lehrarten
verschiedenartigen Anordnung und Zahl, ist der +Teppich+ (~Tapis~)
zu betrachten. In den ersten Zeiten des Bundes wurde in Mitte der
Loge, gewissermaßen als ihr verkleinertes Abbild, oder wie man sagte,
als solches des Salomonischen Tempels, vor Beginn der Arbeit mit
Kohle oder Kreide ein längliches Viereck auf den Boden gezeichnet
und nach Beendigung der Arbeit wieder ausgewischt. In der Mitte des
18. Jahrhunderts begann man, um diese mühsame Arbeit zu ersparen, an
die Stelle des länglichen Vierecks einen ebenso geformten Teppich zu
legen, den man nach den Teppichen der mosaischen Stiftshütte (2. Mos.
26) erklärte. Seit 1761 wurden auf den Teppich je nach dem Geschmacke
oder der Lehrart Gegenstände der freimaurerischen Symbolik gemalt, an
manchen Orten erst später; hier und da begnügte man sich statt des T.
gemalter und zusammengefügter Bretter. Der T. wird auch Lehrlingstafel
genannt, weil den Lehrlingen die auf ihm angebrachten Zeichnungen als
Sinnbilder von Tugenden und religiösen Ideen erklärt werden.

Das verhältnismäßig junge Alter des T. hat gelehrte Brr., trotz der
Verschiedenheit seiner Darstellungen, nicht verhindert, aus diesen
tiefe Geheimnisse einer alten Religionslehre herauszulesen. Weil es
den Gründern des Bundes, welche insgesamt orthodoxe Christen, und zwar
nach englischer Art mit besonderer Vorliebe für das Alte Testament
waren, gefiel, den Teppich als Bild des Tempels Salomos zu betrachten,
sollte er nach früher allgemein herrschender Ansicht auch aus diesem
Bauwerke stammen. Damit aber waren die Brr. M. S. Polak in Amsterdam
und ~Dr.~ Joh. Leutbecher (1801-1878) in Erlangen noch lange nicht
zufrieden. Diese Brr. gehen von den Geheimnissen (Mysterien) einer
Urreligion aus, die sich in Indien durch in patriarchalischen Anstalten
erzogene Führer ausbildete und von dort aus durch Kolonien nach allen
Himmelsgegenden verbreitet wurde, wo dann überall solche Anstalten
entstanden, die den Logen ähnlich waren. So kamen sie über Persien und
Syrien nach Griechenland und Westeuropa, ja sogar nach Amerika vor
dessen Entdeckung, wie auch nach Ägypten und Palästina. Die Fabeln,
die in den Schriften der ersten Freimaurer figurieren, werden für
bare Münze gehalten und kommen den Teppicherklärern wohl zu statten.
So pflanzte sich nach dieser Lehre das, was heute Freimaurerei ist,
unter verschiedenen Formen von einer geheimen Gesellschaft auf die
andere fort und ist in den heutigen Logengebräuchen ungeachtet mancher
Änderungen noch vorhanden. So sieht z. B. Polak den Ursprung der 3
freimaurerischen Reisen in den Reisen Abrahams, Jakobs und Josephs nach
Ägypten, wo die Hebräer am rohen Steine gearbeitet und nach Begehung
der Wasser-, Feuer- und Gewitterprobe durch Moses die Weihe erhalten
haben sollen. An dieser Probe von Konfusion möge es genügen.

Am westlichen Rande des T. befindet sich als Zierrat das sog.
+musivische+ (d. h. aus Mosaik bestehende, fälschlich mosaische)
+Pflaster+, das den Vorhof im Tempel Salomos (1. Kön. 6,36) vorstellen
und an den Reichtum und die Mannigfaltigkeit der göttlichen Gaben,
aber auch an die Wandelbarkeit des menschlichen Glücks erinnern und
uns mahnen soll, im Glück demütig und im Unglück stark, allzeit aber
hilfreich zu sein gegenüber der Not unserer Brüder.

Das den Osten, Norden und Süden des T. umziehende ineinander
geschlungene und mit Fransen gezierte +Seil+ (das an die den Vorhang
zum Allerheiligsten im Tempel Salomos dienende Schnur abbilden soll)
hat die Bestimmung, alle Brr. zur Ehre Gottes, zur Ausübung der
Tugend und zur Wohlfahrt des Menschengeschlechts zu vereinigen und
zusammenzuhalten.

Die gezackte +Einfassung+ des T. gilt als Symbol einerseits des
die im T. dargestellte Erde umflutenden Weltmeers, anderseits der
mannigfaltigen Annehmlichkeiten des Lebens und der im Jenseits zu
erhoffenden.

Die +Troddeln+ in den Ecken des T. sollen die vier Haupttugenden der
Gerechtigkeit, Mäßigkeit, Standhaftigkeit und Klugheit bedeuten.

Die nur in England auf dem T. abgebildete +Jakobsleiter+ gilt als
Sinnbild des Weges zum Himmel. Sie erscheint dort mit 3 Sprossen,
während sie nach der Legende vom Traume des flüchtigen Betrügers
Jakob, da auf ihr die Engel auf- und abstiegen, deren unzählige haben
müßte. An diesen Traum schließt sich der Vertrag Gottes mit Jakob, dem
unverdienterweise die noch heute nicht erlangte Weltherrschaft seines
Volkes verheißen worden wäre, sofern er (wenn er sich besserte!) die
Gebote Gottes getreu erfüllte. Nach dem englischen Ritual ruht die
Leiter auf der Bibel, um den Lehrling zu erinnern, daß er nur mit
Hilfe der Bibel den Weg zum Himmel finden werde! Die drei Sprossen
sollen Glauben, Liebe, Hoffnung bedeuten. Der geistliche Schriftsteller
Honorius (um 1100) nahm zehn Stufen (Städte, wie er sie nannte) auf
der Himmelsleiter an, die er nach soviel „freien Künsten“ benannte:
Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Musik, Geometrie,
Astronomie, Physik, Mechanik und Ökonomik (vergl. oben S. 22 die 7 fr.
K. u. S. 8 die Ansicht des Celsus vom Mithrasdienste).

Wie im 1. Gr. die Jakobsleiter, so nimmt das engl. System im 2. Gr. die
+Wendeltreppe+ aus dem Tempel Salomos (1. Kön. 6,8) als Weg zu Höherem,
hier zur Erforschung der Geheimnisse der Wissenschaft an und gibt ihr
3 Stufen (Geburt, Unwissenheit und Lehre) oder 5 (die Ordnungen der
Baukunst) oder 7 (nach den Planeten, den Tagen der Woche, den Jahren
des Tempelbaues u. s. w.). Die Gesamtheit dieser Stufenzahlen (15) hat
ebenfalls sinnbildliche Bedeutung, indem sie bei den in ein Quadrat
gestellten 9 Ziffern in jeder Richtung als Summe herauskommt.

  +---+---+---+
  | 8 | 1 | 6 |
  +---+---+---+
  | 3 | 5 | 7 |
  +---+---+---+
  | 4 | 9 | 2 |
  +---+---+---+

Zu den Zieraten der Loge zählen wir auch deren +Abzeichen+. Als
+Farben+ der Freimaurerei (in den 3 alten Graden) sind blau (Treue) und
weiß (Unschuld) anerkannt. Es kommen auch Farben einzelner Grade und
Logen vor, sowie die 4 Farben der Stiftshütte, welche die 4 Elemente
bedeuten (weiß die Erde, purpur das Wasser, blau die Luft und scharlach
das Feuer). In den Hochgraden spielen noch mehr Farben eine Rolle.
Auch freimaurerische +Banner+ oder Fahnen gibt es bei den in Amerika
üblichen öffentlichen Aufzügen, in den Hochgraden, in französischen
Logen u. s. w., in Deutschland bei Festlichkeiten am Logenhause (blau
mit Zirkel und Winkelmaß). +Wappen+ und +Siegel+ haben wohl alle Logen
mit einem Sinnbilde oder einer den Namen der Bauhütte ausdrückenden
Figur.


~b~) Der Brüder.

Was die Logenmitglieder außer ihrem gewöhnlichen Anzuge während der
Arbeit tragen, wird meist schlechtweg die maurerische Bekleidung
genannt. Wenn Schauberg aus diesem Ausdrucke schließt, daß der
+Schurz+, der den wichtigsten und ältesten Teil der maurerischen
Bekleidung bildet, ursprünglich die einzige Bekleidung der Menschen
gewesen, so ist die Schlußfolgerung überflüssig; man braucht nur
die Leute vom Volke auf ägyptischen oder babylonischen Wandbildern
(sogar die Könige des Nillandes) und die heutigen Eingeborenen der
meisten tropischen Länder anzusehen, um davon überzeugt zu sein.
Der Maurerschurz, der seit 1723 bezeugt ist, also wohl schon seit
Gründung des Bundes (1717) gebräuchlich war, stammt einfach von den
Steinmetzen und ist daher an sich schon ein Nachweis vom wahren
Ursprunge der Freimaurerei. Daß er sauberer ist, als jener der
Handwerker, hat seinen einfachen Grund im Mangel an rauher Arbeit bei
seinem Tragen. Seine weiße Farbe und sein Stoff (Lammfell) bedeuten die
Unschuld, mit welcher der Mensch ins Leben tritt (was ja die Aufnahme
versinnbildlicht), und die mit den Graden an Umfang zunehmende blaue
Verzierung die zunehmende Treue gegen den Bund und seine Grundsätze.
Dem pomphaften Wesen der Hochgrade entspricht es, daß diese die Schurze
zu einer Art maurerischer Bildergalerie machen.

An manchen Orten gehört auch, oder gehörte früher, aber in den ersten
Zeiten des Bundes noch nicht, der aufgesetzte +Hut+ als Zeichen des
freien Mannes, wird aber, weil oft lästig, immer mehr weggelassen. Ihn
und den Schurz sogar bei der Tafelloge zu tragen, ist eine unnütze, die
Heiterkeit störende Quälerei, die, wo sie noch besteht, abgeschafft
werden sollte.

Zur maurerischen Bekleidung gehören ferner +Bänder+, in den alten
Graden blaue, an denen die Beamtenabzeichen und die Logenzeichen (diese
öfter im Knopfloch) getragen werden; besondere Auszeichnungen fügen
Goldstickerei dazu. An Großlogenversammlungen tragen Schurzeinfassungen
und Bänder oft die Landesfarbe (in der Schweiz rot und weiß).

Jünger als der Schurz sind die ebenfalls weißen +Handschuhe+,
zum Zeichen, daß die Hände von Schuld rein sein sollen. Außer
seinen eigenen erhält der neu Aufgenommene noch ein Paar weiße
Frauenhandschuhe, je nach seinem Stande für seine wirkliche oder
künftige oder zum Andenken an die hingeschiedene Gattin, womit gezeigt
wird, daß die Loge die Ehe hochhält und auch den Schwestern eine
gewisse Zugehörigkeit zum Bunde zuerkennt.

Am Sommerjohannisfeste, also in der Zeit der höchsten Blüte des
Tageslichtes, einem wahren Lichtfeste, werden den Brüdern frische
+Rosen+ ausgeteilt, als Sinnbilder der Jugend, Schönheit, Liebe,
Freude und Verschwiegenheit. Diese Bedeutungen hatte die Königin der
Blumen schon im Altertum, und schon damals wurde die Zeit des längsten
Tages als ein Fest des Sonnengottes gefeiert. Auch der Tag selbst hat
seine Bedeutung als derjenige eines Mannes, der einen größeren, den
Heiland der Welt, das höchste Licht der Menschheit, verkündet, dessen
Geburt, deren Tag unbekannt ist, gerade um ein halbes Jahr früher, an
die Stelle derjenigen des Sonnengottes (~natales Solis invicti~ d. h.
Geburtstag der unbesiegten Sonne) gesetzt wurde, also in die Zeit,
in der die Tage wieder länger werden und eine Zunahme des Lichtes
bevorsteht.

Die Rosen waren stets den schönsten Göttinnen geweiht, der ägyptischen
Isis, der armenischen Anahita, der griechischen Aphrodite. Diese, den
toten Adonis betrauernd, färbt nach der Sage mit ihrem Blute die weiße
Rose rot. Adonis selbst, bei den Hebräern Adonai, ist der Herr des
Lichtes, den die finstere Zeit tötet und die helle wieder auferweckt.
Bei den römischen Festen der Blumengöttin Flora, einer Gestalt der
Venus (Aphrodite), trugen die Feiernden Blumen, besonders Rosen. Mit
Rosen bekränzte man von der griechischen Zeit bis heute die Gräber,
um den Übergang in ein schöneres Leben zu versinnbildlichen und die
Friedhöfe (Friedhof ist ein schönes Mißverständnis für Frithof, d. h.
eingefriedigter Ort) heißen oft Rosengärten, so auch der Kampfplatz der
Nibelungen bei Worms. Maria trat als Rosenbekränzte an die Stelle der
abgeschafften Göttinnen.

Als Sinnbild der Verschwiegenheit trugen bei den ägyptischen
und griechischen Mysterien (Geheimgötterdiensten) die Neophyten
(Neuaufgenommenen) Rosen. Unter einer in einem Kranze aufgehängten Rose
(~sub rosa~) vertrauten sich die Römer und alten Deutschen Geheimnisse
an. Das Gebet, das an die Geheimnisse der Religion anknüpft und die
dabei dienende Perlenkette wurde „Rosenkranz“ genannt.

Ursprünglich war in den Logen das Tragen eines +Degens+ (oder
Schwertes) unbekannt und blieb es auch bis jetzt überall, wo Hochgrade
nicht aufkamen und das ältere, das englische System bestehen blieb,
so in Deutschland (mit Ausnahme des schwedischen Systems) und in
Großbritannien, wohl auch in Nordamerika. In diesen Ländern mußten
sogar jene Männer, die nach der Sitte des 18. Jahrhunderts einen Degen
trugen, diesen außerhalb der Loge lassen, wie auch heute noch die
Offiziere. Schauberg beklagt dies und hält fest, daß die Freimaurer als
Kämpfer und Ritter des Lichtes das Schwert tragen sollen. Er begründet
dies mit dem Beispiele der alten Götter und Heroen, Könige und Fürsten
als Verteidiger ihrer Völker und deren Herden und führt aus, daß das
Schwert ein Sinnbild des Lichtes sei.

All dies hat nichts mit dem Tragen einer Waffe in der Loge, die
ein friedheiliger Ort ist, zu tun. Angriffe auf die Loge sind
ausgeschlossen, und zu einer Verteidigung genügte nicht das Schwert,
sondern gehörten auch Übung, Taktik und Schießgewehre. Seitdem und
überall wo die Freimaurer nicht mehr Ritter spielen, bedürfen sie des
Schwertes nicht. Wir sollen mit dem +Geiste+ kämpfen.




7. Die Werkzeuge.

      Niemand soll und wird es schauen
    was einander wir vertraut;
    denn aus Schweigen und Vertrauen
    ist der Tempel aufgebaut.

                Br. +Goethe+, Logenlieder.


~a~) Die symbolischen Hauptwerkzeuge.

Das hauptsächlichste sinnbildliche Werkzeug ist in der Freimaurerei
nach unserer Auffassung der +Hammer+, weil er als Zeichen der Macht,
nur den vorsitzenden Meistern zukommt. Er war auch, in den Urzeiten
der Menschheit aus Stein geformt, das älteste Werkzeug ja schon von
der Natur in der geballten Faust am schwingenden Arme vorgebildet. Er
war bei den alten Germanen das Abzeichen ihres ältesten Gottes Thor
oder Donar und hatte bei ihm dieselbe Bedeutung wie der Donnerkeil in
der Hand des griechischen Obergottes Zeus (bei den Römern Jupiter).
Der Hammer spielte im Kriege (als Streithammer) sowohl als im Frieden,
wo ihn die nützlichen Handwerker führten, seine Rolle, und Schauberg
vergleicht die drei hammerführenden Meister, den Meister vom Stuhl
und die beiden Aufseher oder Vorsteher mit den Götterdreiheiten
der alten Religionen; dieselben vertreten auch die drei Pfeiler der
Freimaurerei: Weisheit, Stärke und Schönheit. Der Hammer ist daher
das Sinnbild der Macht, und zwar für uns Freimaurer der Macht, Gutes
zu tun und Edles zu vollbringen. Man darf ihn daher auch ein Attribut
des höchsten Lichtes, des A. B. d. W. nennen; denn er gehört besonders
dem Baumeister. Schon vorchristliche Zeit ahnte in dem Demiurgos
den einzigen, den allmächtigen Schöpfer. Äußerst zahlreich sind die
Beispiele hammerführender Halbgötter und Heroen, wie der Kabiren, der
uralten griechischen Werkmeister. Auch christlichen Heiligen wurde der
Hammer in die Hand gegeben und der Papst selbst führt ihn, wenn er
bei Eröffnung eines Jubiläums an die goldene Pforte der Peterskirche
klopft, in die dann eine Öffnung gebrochen wird. Es ist wahrlich nicht
zuviel, wenn wir ihm die Spitze der Dreiheit einräumen, die er mit
Winkelmaß und Zirkel bildet.

Wie der Hammer den vorsitzenden, so gehören Winkelmaß und Zirkel
zusammen den übrigen Meistern, das Winkelmaß allein den Gesellen und
der Zirkel allein den Lehrlingen. Das +Winkelmaß+ ist das Zeichen oder
Sinnbild des zweiten der drei höchsten Lichter, des Gewissens, dieses
Vermittlers zwischen Gottheit und Menschheit. Im alten Ägypten war
es Osiris, der Totenrichter, der es trug. Die Pythagoreer hielten es
als das Maß des Raumes, der Zeit und der Zahl hoch. Es soll in der
Freimaurerei zunächst den Gesellen lehren, das rechte Maß zu halten und
die Meßkunst, d. h. Lebenskunst zu erlernen. Seine rechtwinklige Form
lehrt den Maurer, alles rechtwinklig, d. h. redlich und gewissenhaft zu
betreiben, überhaupt gewissenhaft zu leben, das richtige Maß zwischen
Freiheit und Ordnung zu finden, weder in Zuchtlosigkeit, noch in
Untertänigkeit zu verfallen. Die Hellenen fanden zuerst das richtige
Maß in Kunst und Leben, und bei den alten Deutschen war die „Maße“
die Richtschnur des Verhaltens. Die beiden Arme des Winkels weisen
auf Recht und Pflicht hin, die stets in einem rechten Winkel, d. h.
im richtigen Verhältnis stehen sollen; denn das Winkelmaß läßt nichts
Ungleichmäßiges zu. Es lehrt daher auch das echt maurerische Verhalten
unter den Brrn. und berührt sich hierin mit dem Zirkel.

Der +Zirkel+ beschreibt den Kreis und ist daher das Sinnbild eines
Kreises von Menschen im allgemeinen und von Brüdern im besonderen. Er
wird deshalb zur feierlichen Aufnahme in den Bund und zur Beförderung
in die beiden höheren Grade verwendet. Er ist somit ein Sinnbild für
die Menschheit, als drittes höchstes Licht, und zugleich für die
Brüderschaft. Der von ihm beschriebene Kreis ist die vollkommenste
Figur, da er weder Anfang noch Ende hat und überall vom Mittelpunkte
gleich weit entfernt ist, daher er auch die Ewigkeit bedeutet. Der
Zirkel ist ferner Sinnbild nicht nur einer Gemeinschaft überhaupt,
sondern auch einer möglichst vollkommenen tadellosen Gemeinschaft. Wie
die beiden Arme des Winkelmaßes, so müssen auch die beiden Schenkel des
Zirkels das Gleichgewicht zwischen Recht und Pflicht bedeuten. Da aber
der Kreis geschlossen ist, so zeigt er auch, daß Recht und Pflicht ihre
angemessenen Grenzen haben.

Endlich ist der Zirkel auch ein Bild der Ordnung im Weltall, in dem
sich alle abhängigen Gestirne, Monde und Planeten, im Kreise (genauer
in der kreisähnlichen Ellipse) um ihre Richtkörper (Planeten und
Sonnen) bewegen, während zudem alle Weltkörper kugelförmig sind, also
ihr Durchschnitt wieder einen Kreis (oder eine Ellipse) bildet.

So umfassen Hammer, Winkelmaß und Zirkel gewissermaßen im Bilde die
gesamte unsichtbare und sichtbare Welt, die äußere sowohl als die
innere des Menschen.


~b~) Die Nebenwerkzeuge.

Den drei Hauptwerkzeugen entsprechen weitere von untergeordneter
Bedeutung, die aber doch in der Freimaurerei Beachtung genießen.

Dem Hammer zunächst steht der +Spitzhammer+ (oder Pickel?), von dem
gesagt wird, er werde vom Lehrling geführt, um den rohen Stein zu
bearbeiten, d. h. an sich selbst Besserung zu üben. Die nämliche
Bestimmung hat der +Meißel+, aber in etwas höherer Auffassung. Das
Gemüt des Menschen wird, wo von ihm die Rede ist, einem ungeschliffenen
Diamanten verglichen, dessen leuchtender Kern durch die Arbeit mit dem
Meißel zutage treten soll. Es ist damit die Erziehung gemeint, durch
welche die verborgenen Tugenden geweckt werden sollen. Der Meißel ist
aber auch das Werkzeug des Künstlers, der mit ihm aus einem rohen
Block ein wundervolles Werk hervorzaubern kann.

Dem Winkelmaß am nächsten steht das +Senkblei+. Es dient, vermöge des
Gesetzes der Schwere dazu, ein Bauwerk senkrecht aufzuführen, trägt
also zu dessen Geradheit und Festigkeit bei, wofür das sittliche
Gleichnis sich von selbst ergibt. Das Winkelmaß und das Senkblei
bilden in der Logensprache mit der +Wasserwage+ (auch Bleiwage oder
Richtscheit genannt) die 3 beweglichen Kleinodien der Loge. Die
Wasserwage dient dazu, die Steine aneinander zu fügen, so daß sie eine
wagerechte Ebene bilden, sie ist daher ein Sinnbild der Gleichheit,
die unter allen Brrn. in Rechten und Pflichten herrschen soll, des
moralischen Gleichgewichts unter ihnen. Sie ist das Abzeichen des
ersten Aufsehers, wie das Senkblei das des zweiten und das Winkelmaß
das des Meisters vom Stuhl.

Dem Zirkel nahe (weil auch dieser zum Messen dient) steht der +Maß-+
oder +Zollstab+, auch der 24zöllige genannt und als Werkzeug des
Lehrlings (neben dem Spitzhammer) bezeichnet. Seine 24 Zolle (also
2 engl. Fuß) bedeuten die 24 Stunden des Tages und der Nacht, die
in 4 Teile zu je 6 Stunden eingeteilt sein sollen, nämlich 6 zur
Arbeit, 6 zum Gottesdienst, 6 zum Freundes- oder Bruderdienst und 6
zum Schlafe. Natürlich ist das wörtlich zu nehmen unmöglich und soll
nur den hohen Wert dieser 4 Beschäftigungen dartun, den Maurer an
gute und nützliche Verwendung und Einteilung seiner Zeit mahnen. Die
Einteilung des Tages in 24 Stunden war schon den Ägyptern und nach
ihnen den Griechen bekannt und ist später allgemein geworden. Das
Duodezimalsystem beherrschte auch das Leben der Assyrer und Babylonier,
und die Stundenzahl des Tages hängt mit den 12 Monaten des Jahres,
deren 3 auf eine der 4 Jahreszeiten kommen, also auch mit den zwölf
Sternbildern des Tierkreises zusammen. Eine Teilung des Tages in 4
Teile zu 6 Stunden hat auch das schwedische System; sie werden Wachen
genannt und heißen, von 6 Uhr früh an gerechnet, Mittag, Hochmittag,
Mitternacht und Hochmitternacht. Die 6 Stunden jeder Wache entsprechen
den 6 Werktagen der Woche.

Ein für sich, ohne Dreiheit, bestehendes Werkzeug der Freimaurerei ist
die +Kelle+. Sie wird als Sinnbild der Freimaurerei und der Arbeit
im allgemeinen betrachtet und oft als Logenzeichen verwendet. Da sie
zum Streichen des Mörtels dient, bedeutet sie festes Zusammenhalten,
harmonische Ausbildung der Kräfte und treue Pflichterfüllung. Sie
mahnt, ihrem Zwecke gemäß, zur Fernhaltung schädlicher Einflüsse
vom Bunde und von den Brüdern. Nach einer Lehrart soll die Kelle
des Lehrlings unpoliert, die des Gesellen aber poliert sein, um den
Fortschritt dieses Grades in der Ausgleichung der Gegensätze zu
bezeichnen.

Als „unbewegliche“ Kleinodien der Loge, richtiger als Arbeitsgebiete
der Freimaurer werden bezeichnet: der rohe Stein, das des Lehrlings,
der behauene oder kubische Stein, das des Gesellen, und das
Reißbrett, das des Meisters. Die Arbeit an rohen Steinen bedeutet
die Selbsterkenntnis, die Selbstbeherrschung und die Selbstveredlung.
Ihr Zweck ist die Entfernung aller Rauheiten und Unebenheiten des
Verstandes, Herzens und Charakters, die Befreiung von Vorurteilen
und Irrtümern, das Emporheben zum Schönen, Guten und Wahren; um ein
würdiges Glied der Bruderkette und Menschheit zu werden. Geschieht
dies, so wird der rohe Stein zum +Quaderstein+, der sich zur Einfügung
in den Bau, in den Tempel der Humanität eignet. Es geht dies nicht
nur den Freimaurerlehrling und Gesellen an, sondern den Menschen
überhaupt; er bedarf einer solchen Vervollkommnung und wäre er auch
Meister. Auch am behauenen Steine ist noch Arbeit notwendig. Es gilt
die ausgearbeiteten Flächen noch zu glätten, d. h. in der Selbstzucht
Fortschritte zu machen, zur Kenntnis der Künste und Wissenschaften
vorzudringen. Meister sein und auf dem +Reißbrette+ arbeiten kann nur,
wer, gleich einem geglätteten Steine, sich als fähig erwiesen hat, ein
tüchtiger Bestandteil des Baues zu sein. Auf dem Reißbrett entwerfen
die Meister „mit dem Maßstabe der Wahrheit, dem Winkelmaß des Rechts
und dem Zirkel der Pflicht“ den Plan, dem der Bau folgen muß, um
sicher zu stehen und Wohlgefallen hervorzurufen. Wie der A. B. d. W.
den Plan zum Weltgebäude entwarf, so soll der Mensch den Plan zu einem
wohltätigen und fruchtbaren Leben entwerfen. --

                             +Übersicht+:

  Ideale:        +Weisheit.+    +Stärke.+       +Schönheit.+
  Grade:         +Meister.+     +Geselle.+      +Lehrling.+
  Hauptwerkz.:    Hammer.       Winkelmaß.        Zirkel.
  Nebenwerkz.:    Pickel,       Wasserwage,       Zollstab.
                  Meißel.        Senkblei.
                 ----------------------v--------------------
                   Arbeit    =    Kelle    =    Maurerei.
                 ----------------------Λ--------------------
  Arbeitsfelder: Reißbrett.     Quaderstein.    Roher Stein.
  Tugenden:      Selbstver-      Selbstbe-        Selbst-
                  edlung.       herrschung.     erkenntnis.




8. Die weiteren Sinnbilder.

    Komm, hebe dich zu höhern Sphären!
    Wenn er dich ahnet, folgt er nach.

                     +Goethe+, Faust II.


Zu höheren Sphären erheben uns jene freimaurerischen Sinnbilder, die
nicht bloß Zeichen, Zieraten oder Werkzeuge, wenn auch von noch so
sinnvoller und tiefer Bedeutung, sind, sondern Werke, Begriffe und
Ideen vertreten, die in der Geschichte und den Idealen der Menschheit
begründet sind, die aber tief geahnt und richtig verstanden werden
müssen, um den strebenden Menschen zur Nachfolge anzufeuern. Diese
Sinnbilder sind nicht der Baukunst, nicht der Freimaurerei selbst
entnommen, sondern beruhen teils auf großartigen Tatsachen der
Kulturgeschichte, teils auf erhabenen Idealen der Menschheit. Es sind
teils längst ihres Zweckes enthobene, wenn auch noch vorhandene,
teils noch heute in Kraft und Blüte bestehende, teils endlich hehren
Erwartungen künftiger Zeiten entsprechende Erscheinungen oder Gedanken.


~a~) Sinnbilder der Vergangenheit.

Vergangenheit ist genau genommen alle Zeit, die bis auf diesen
Augenblick verflossen ist. Die Geschichte fliegt aber nicht mit
Windeseile wie der flüchtige Augenblick, sondern schreitet langsam und
bedächtig vorwärts; daher behält vieles, vielleicht sehr vieles, was im
wörtlichen Sinne vergangen ist, für uns seine Gegenwart. Was für diese
durchaus vergangen ist, liegt weit hinter uns zurück, Jahrhunderte,
ja Jahrtausende. Verschwunden bis auf steinerne Spuren, sind für uns
die einst blühenden Reiche am Nil, am Tigris und Euphrat, die einst
riesigen und prachtvollen Königsstädte Theben und Memphis, Ninive und
Babylon, und ihre, bisher von Sagen und Fabeln überwucherte Geschichte
mußte mühsam aus jenen steinernen Spuren ausgegraben und durch die
geistvolle Entzifferung der Hieroglyphen und Keilschriften aufgehellt
werden. Für die Freimaurerei kommt indessen hier nur +Ägypten+ in
Betracht, von dessen steinernen Überresten einige zu Sinnbildern des
Bundes geworden sind, denn die kurze Erwähnung des Babylonischen
Turmes in einer alten freimaurerischen Schrift hat zu keinem Sinnbild
Anlaß geboten. Hingegen ist Ägypten in mehrfacher Hinsicht für unsern
Bund von Bedeutung, nicht wegen der Phantasien, welche die Brr.
Polak, Leutbecher und Schauberg verleitet haben, den Ursprung unseres
Bundes dort oder noch weiter zurück zu suchen, sondern wegen der
Ähnlichkeiten, die der Bund mit den Mysterien der ägyptischen Priester
darbietet, die jedoch durch Verschiedenheiten zwischen beiden weit
überwogen werden.[7]

Unter den Denkmälern des Nillandes, die hier und da in freimaurerischen
Logen und Graden Verwendung gefunden haben, sind die ältesten und
großartigsten die +Pyramiden+. Die größten und berühmtesten dieser
kolossalen Bauten sind die drei in Giseh bei Kairo zum Himmel ragenden.
Sie stammen aus der Zeit der vierten Pharaonendynastie, deren
Herrschaft wahrscheinlich um das Jahr 3250 vor Chr. begann. Die größte
baute Chufu (griech. Cheops), die zweitgrößte sein Nachfolger Chafra
(Chefren), die dritte dessen Nachfolger Menkaure (Mykerinos). Nach
diesem geriet der Pyramidenbau bereits in Verfall. Neuerdings will man
entdeckt haben, daß diese Denkmäler astronomische Zwecke hatten, indem
sie genau nach den Himmelsgegenden gerichtet sind. Anderson, einer der
älteren Freimaurer, brachte sie bald nach der Entstehung des Bundes
mit diesem in Verbindung, daher ihre Gewalt noch hie und da in Logen
Verwendung findet. Sie eignen sich in der Tat zu einem Sinnbild solider
in sich festgefügter Stärke des Willens.

Jünger und kunstvoller als die Pyramiden sind die +Obelisken+ (d. h.
„kleine Spieße“), vierkantige, langgestreckte, aus +einem+ Stein
gehauene, von unten nach oben schmäler werdende und auf dem Gipfel eine
kleine Pyramide tragende, zum Schmucke der Tempelhöfe dienende Säulen.
Auch diese erscheinen bisweilen als Sinnbilder schönen, harmonisch
geordneten Bauens.

Ebenfalls jünger, aber durch Nachbildung des Lebens und
bedeutungsvollen Charakter hervorragend sind die Denkmäler des
Nillandes und, von dort her eingeführt, auch anderer Länder, die
den Namen +Sphinx+ tragen, aber in Ägypten männlich, in Asien und
Griechenland und daher auch anderswo weiblich gebildet sind. Ein
Männer- oder Frauenkopf mit Brust gleicher Art ruht auf einem bisweilen
geflügelten Löwenleibe. In Ägypten bildeten die Sphingen ganze Alleen,
die zu den Tempeln führten; das bekannteste und am besten erhaltene,
wenn auch stark beschädigte Bild dieser Art ist das bei der zweiten
Pyramide ausgegrabene, aus dem Felsengrund gehauene Bild des Gottes
Harmachis, einer Gestalt des Sonnengottes. Es war dort Sinnbild der
Stärke und Weisheit, wozu in Hellas noch das der Schönheit kam -- aber
auch des Geheimnisvollen und Rätselhaften. Diesen Charakter hat die
Sphinx auch in Europa behalten, wo sie überall weibliche Gestalt hat.
Wenn auch nicht gerade als anerkanntes freimaurerisches Symbol, so wird
sie doch in Logen, am Eingange solcher, auf Siegeln und Denkmünzen
vielfach dargestellt und trägt einen schönen, aber ernsten und
geheimnisvoll blickenden Frauenkopf.

Wir verlassen diese Vergangenheit als ein Reich der Mysterien und des
Rätsels.


~b~) Sinnbilder der Gegenwart.

Die Gegenwart im kulturgeschichtlichen Sinne, d. h. der Inbegriff der
Kulturschöpfungen, die für uns jetzt noch Wert und Bedeutung haben, ist
wie gesagt kein flüchtiger Augenblick, ja nicht nur die sog. neuere
oder neueste Zeit, sondern ein mehr als zweitausendjähriger Zeitraum.
Er beginnt mit dem Verfalle jener Reiche, die für uns Vergangenheit
sind, weil wir von ihnen keine Kulturschätze bewahrt haben, und mit dem
Beginne neuer Ideen, die althergebrachten abergläubigen Vorstellungen
zuleibe gingen. Das geschah um die Zeit von 500 vor Chr., als Ägypten
und Babylon ihre Selbständigkeit und ihren alten Charakter verloren,
und wie auf einen Schlag in den verschiedensten Ländern Geister wie
Kongfutse, Buddha, Zarathustra und Pythagoras neue Wege einschlugen und
die Götzen der alten Versunkenheit in dumpfen Wahn niederwarfen. Eine
Periode von vier bis fünf Jahrtausenden endete, und eine neue begann.
Wie lange wird sie dauern?

Etwa ein halbes Jahrtausend vor Christi Geburt ist die +Bibel+
(d. h. vorläufig die Hauptteile des A. T.) in ihrer heutigen Gestalt
abgeschlossen worden. Ihre noch heute fortdauernde Hochschätzung
berechtigt uns, mit diesem Zeitpunkte die Gegenwart im weitesten
Sinne zu beginnen. Allerdings ist diese Hochschätzung nicht immer
die gleiche geblieben. In sehr vielen Kreisen zwar wohl; aber in den
ebenfalls weiten der unabhängig Denkenden ist die Bibel von „Gottes
Wort“, das früher ihre allgemeine Bezeichnung war, zu einer durchaus
menschlichen Büchersammlung zurückgegangen. Dazu haben zweierlei
Umstände beigetragen, einerseits der Widerspruch gegen den Zwang, mit
dem das Ansehen der Bibel den Menschen aufgedrängt wurde (und jeder
Zwang erzeugt in nicht sklavischen Seelen Widerspruch), und anderseits
die Tätigkeit der historisch-kritischen Wissenschaft im Laufe des
19. Jahrhunderts, deren Träger über jedem Verdacht einer schlimmen
Absicht erhaben sind und deren Charakter makellos dasteht. Wem diese
Vorgänge Schmerz verursachen, der vergißt, daß die +ganze+ Bibel auch
dem Gläubigsten nicht mehr absolute Autorität ist. Für den Christen
hat die mosaische Gesetzgebung im 3. bis 5. Buche des Pentateuch
schlechterdings nicht mehr Gewicht als für den Juden das Neue
Testament. Aber noch mehr! In jüngster Zeit haben die orthodoxesten
Theologen und ihr Anhang in vielen Punkten des Bibelglaubens
Zugeständnisse an die Kritik gemacht, so daß ihnen Stellen, die mit der
Wissenschaft unvereinbar sind, nicht mehr als Wahrheit, sondern nur
noch als bildliche Einkleidung religiöser Gefühle erscheinen, -- sogar
auf katholischer Seite.

Der Begriff der wörtlichen Offenbarung ist ohnehin stets streitig
gewesen, und es wird auch auf bibelgläubiger Seite vielfach zugegeben,
daß Abschriften, Übersetzungen, streitige Lesarten und Mißverständnisse
im Laufe der Zeit viele Änderungen des ursprünglichen Textes
herbeigeführt haben. Der Verfasser verwahrt sich übrigens ausdrücklich
gegen den Verdacht, als wisse er die Bibel nicht zu schätzen. Von
mehreren Teilen ist dies in hohem Maß der Fall, von anderen freilich
nicht, und zwar aus guten Gründen.

Religiöse Streitigkeiten sind im Schoße der Freimaurerei
ausgeschlossen; da nun aber tatsächlich die Bibel mit der Loge in
Zusammenhang gebracht worden ist, war dieser Gegenstand hier nicht zu
umgehen.[8]

Und wie verhält es sich nun mit diesem Zusammenhange?

Die Fragestücke 17 und 18 des Lehrlings-Katechismus lauten:

  17. Welches sind die 3 großen Lichter der Freimaurerei? -- Bibel,
      Zirkel und Winkelmaß.

  18. Wie erklären Sie solches? -- Die B. +ordnet und richtet unsern
      Glauben+, das W. unsere Handlungen, und der Z. bestimmt unser
      Verhältnis gegen alle Menschen, insbesondere gegen unsere Brüder.

Diese Fassung und Zusammenstellung ist schlechterdings +unhaltbar+. B.,
W. und Z. können unmöglich in ihrer Wirkung zusammengestellt werden;
denn die B. hat einen bestimmten Wortinhalt, W. und Z. aber nicht. Es
wird nicht +genau+ gesagt werden können, +wie+ unsere Handlungen und
unser Verhältnis gegen die Menschen und Brr. beschaffen sein sollen;
es ist dies dem Gefühl und Gewissen der Einzelnen zu überlassen. Kommt
aber die Bibel dazu, so hat dies ein anderes Gesicht. Die B. sagt
+genau+ (Mißverständnisse vorbehalten), +was+ geglaubt werden soll.

Nach den Grundsätzen der Freimaurerei können von den Brüdern gute
Handlungen und ein treues Verhältnis zu den Brrn. verlangt werden,
+ein bestimmter Glaube aber nicht+. Der Freimaurer-Bund ist +keine
Glaubensgenossenschaft+, am wenigsten eine solche zur Pflege eines
wörtlich festgelegten Glaubens. Es herrscht daher gegenwärtig die
Auffassung vor (Handb. der Freimaurerei, Art. Bibel): da die B. mit W.
und Z. zusammengestellt und diese beiden der Freimaurerei nur bildlich
zugeeignet sein können, so könne auch die B. nur vorwiegend symbolische
Bedeutung haben. Sie sei das Sinnbild wahrer Religiosität und
Frömmigkeit, einer Religion, in der alle Menschen übereinkommen, wenn
sie auch verschiedenen Bekenntnissen angehören. Wenn nun aber weiterhin
zugestanden wird, daß der Jude an ihrer Stelle als Sinnbild das bloße
A. T., der Mohammedaner den Koran, der Hindu die Vedas u. s. w.
setzen könne, was alles entschiedene Glaubensbücher sind, wie ist da
derjenige Christ, der den Glauben an viele oder die meisten Teile der
B. verloren hat, oder vollends der Freidenker, dem sie nur ein Teil der
Weltliteratur ist, gestellt? Es ist damit wieder gesagt, daß eben doch
der Freimaurer verpflichtet sei, einen bestimmten religiösen Glauben zu
haben. +Das ist er aber nicht+; sein +Gewissen+ ist seine Religion, und
+wie+ diese beschaffen sei, darüber ist er keine Rechenschaft schuldig.
Das Ritual +unserer+ Loge +verbietet+ sogar, den Aufzunehmenden bei
Angabe seiner Personalien nach seiner Konfession zu fragen. Ein freier
Mann von gutem Rufe kann keine schlechte Religion haben, kann auch
keinem rohen und frivolen Atheismus huldigen. Wie er sich den A. B.
d. W. vorstellt, ist seine eigene Sache. +Unsere+ Loge hat daher auch
das Gelübde auf die Bibel aufgegeben und nur ein solches auf Ehre,
Tugend und Bruderliebe beibehalten. Daß dagegen eine andere Loge an
die Stelle der B. ein +weißes Buch+, mit der Aufschrift „Gott“ gesetzt
hat, entzieht sich unserem Urteil, da es ausschließlich Sache ihrer
Brüderschaft ist.

Wir haben oben als höchste Lichter der Freimaurerei, wie es auch
+unsere+ Loge getan, die Gottheit, das Gewissen und die Menschheit
mit den Sinnbildern des Hammers, des Winkelmaßes und des Zirkels
vorgeschlagen. Und die +Bibel+? Sie soll nicht ignoriert werden.
Sie soll ein Sinnbild bleiben, aber nicht das unseres Glaubens, der
unabhängig sein soll, sondern das Sinnbild einer kulturgeschichtlichen
Periode, derjenigen, in der auch wir leben, aber mit der Hoffnung,
daß nach und nach an die Stelle der bisherigen Bibel, die ja neben
viel wunderbar Schönem auch viel Schwaches und Anfechtbares enthält,
eine neue treten werde, nicht als Organ einer Kirche, sondern der
Menschheit, und diese neue Bibel müßte das beste und schönste aus der
+gesamten Weltliteratur+, mit Einschluß des besten und schönsten aus
der bisherigen Bibel enthalten,[9] und zwar nicht nur religiöses (das
Hohe Lied ist dies ja auch nicht), sofern auch alles was würdig ist,
der Menschheit zur Richtschnur zu dienen. --

In den Hochgraden gibt es, wie schon die Titel der schottischen
Grade und ihr sog. Arbeitsfeld (oben S. 41 ff.) zeigen, eine Menge
Erinnerungen an das A. T., so besonders an die Stiftshütte in der
Wüste, die aber von der Rolle, die der +Tempel Salomos+ schon in der
älteren Freimaurerei spielt, weit überragt wird, wie überhaupt viel
auf den König Salomo bezügliches in den Logen vorkommt. So Salomos
+Siegel+, als Sinnbild der Verschwiegenheit, nach einer Stelle
der seinen Namen tragenden Sprüche, die ermahnt, Mund und Zunge
zu bewahren. Salomos +Siegelring+ gilt als ein Zaubermittel, sich
die Geister dienstbar zu machen und als ein Sinnbild der Weisheit.
Salomos +Thron+ kommt im Konstitutionenbuche Andersons als Stuhl des
Großmeisters vor. In demselben Buche wird Salomos +Tempel+ als der
Ausgangspunkt der Freimaurerei bezeichnet; denn er habe, sagt die
altfreimaurerische Sage, unter seinen Aufsehern und Arbeitern die
ersten Logen gestiftet und selbst als Großmeister gewirkt, wie der
Baumeister Hiram Abif als zugeordneter Großmeister, was natürlich reine
Erdichtung ist. Schon im 17. Jahrhundert wurde die Kirche unter dem
Bilde des salomonischen Tempels gedacht, und +Comenius+, der Vorläufer
der Freimaurerei, kleidete unter diesem Bilde seine Idee einer
allgemein menschlichen (zugleich christlichen) Gesellschaft ein, die
jedoch, da es sich um einen israelitischen, von einem Heiden (Hiram
aus Tyros) gebauten Tempel handelte, nicht ausschließlich christlich
sein konnte, sondern als Vorbild einer konfessionslosen, rein humanen
Freimaurerei verstanden sein muß. Die drei Teile des Tempels, der
Vorhof, das Innere und das Allerheiligste, konnten als Vorbedeutungen
der drei Grade, die länglich viereckige Gestalt des Tempels als Vorbild
der Loge gelten, und so gibt es noch viele Analogien, besonders in den
Zahlenverhältnissen, so daß es nicht unwahrscheinlich ist, daß die
Gründer der ersten Großloge (der von England) den Tempel Salomos als
Vorbild für die Loge benutzten.[10]

Der +Räucheraltar+ im Innern des salomonischen Tempels hat ohne Zweifel
mit seinen Leuchtern als Vorbild der christlichen +Altäre+ gedient.
In der Freimaurerei kommt erst in den Anfängen der sog. schottischen
Hochgrade (Mitte des 18. Jahrh.) an Stelle des Tisches des Meisters vom
St. (der anfangs ebenfalls nicht vorhanden war) ein +Altar+ vor, der
diesen Namen aber erst gegen Ende des 18. Jahrh. allgemein erhielt.
Einen gottesdienstlichen Charakter trägt er nicht, wohl aber einen
dreiarmigen Leuchter und wo diese gebraucht wird, die Bibel und andere
Sinnbilder, und dient zum Gebete und zur Ablegung des Gelübdes. Hier
und da breitet sich über ihm ein Baldachin als Sinnbild des Himmels.
Hauptsächlich aber bezeichnet er, zu dem 3 Stufen emporführen, den
Ort, von dem aus die Loge geleitet wird.

Mit der Bibel und dem Altar bilden die +Säulen+ eine Dreizahl heiliger
Dinge in der Loge und kommen selbst wieder in dreierlei Zahl vor.

„+Eine+ einzige Säule zeugt von verschwundener Pracht“,[11] d. h.
das Bild einer oben abgebrochenen Säule am Altar der Loge im
Lehrlingsgrad des rektifizierten Systems, mit der Inschrift „~Adhuc
stat~“ (noch steht sie) versinnbildlichte ursprünglich den Untergang
des Templerordens; in der Freimaurerei will sie sagen, daß ein
edles menschliches Gebilde, wenn auch zum Teile gebrochen, doch
unerschütterlich fortbestehe.

+Zwei+ Säulen stehen auf beiden Seiten des Eingangs zur Loge. Sie haben
zu Vorbildern zwei eherne Säulen vor der Vorhalle des salomonischen
Tempels; sie waren 18 Ellen hoch und trugen jede ein kupfernes Kapitell
von 5 Ellen Höhe mit Schmuck von Lilien und Granatäpfeln. Zur Stütze
dienten sie nicht, sondern nur zur Verzierung. Nach 1. Kön. 7,15-21
hießen sie, die zur Rechten +Jachin+ (der Herr wird dich aufrichten)
und die zur Linken +Boas+ (in ihm [Gott] ist es stark oder: der Herr
wird dich stärken). Dem Wortlaute gemäß ist in der Loge die erste
der ein verkleinertes Abbild ihrer Vorbilder bildenden 2 Säulen dem
Lehrlings- und die zweite dem Gesellengrade gewidmet. In vielen
Lehrarten haben bei ihnen die beiden Aufseher oder Vorsteher ihren
Platz. Die beiden Säulen stehen auch, ohne Stützen zu sein, im Dome zu
Würzburg. Ob sie auch ein Vorbild der 2 Türme vieler Dome waren, wollen
wir dahin gestellt sein lassen.

+Drei+ Säulen oder Pfeiler der Loge, die den Tempel der Humanität
stützen, werden die drei Ideen Weisheit, Stärke und Schönheit genannt.
„Weisheit entwirft, Stärke führt uns und Schönheit ziert.“ Dargestellt
werden sie einmal durch die drei obersten Beamten, den M. v. St. und
die beiden A. oder V., und sodann durch die drei Pfeiler, in der Mitte
der Loge, die drei Kerzen tragen, durch welche die Loge erleuchtet
wird, und den Teppich umstehen, indem sie einen rechten Winkel bilden.
Oft wechselt übrigens die Stellung der Pfeiler sowohl als der beiden
Ideen der Stärke und Schönheit unter sich; bald nimmt jene den zweiten,
diese den dritten Rang ein, den ersten aber immer die Weisheit.

+Dreierlei Säulen+ hatten die alten Griechen, die sich mit den
drei freimaurerischen Idealen vergleichen lassen: die dorische mit
der Stärke, die ionische mit der Weisheit und die korinthische mit
der Schönheit. Auch die neuere Zeit (vom Mittelalter an) weist
drei hauptsächliche Kunststile auf: den romanischen, den gotischen
und den der Renaissance, die sich wieder in eine Früh-, Hoch- und
Spätrenaissance gabelt.

Aus dem N. T. kommt in Hochgraden das +Kreuz+ in verschiedenen
Gestalten (Τ, +, ⧧, ×) und kommen die Namen Tabor und Golgatha vor,
deren Bedeutung keiner Erklärung bedarf.

Bibel, Altar und Säulen sind also die Sinnbilder der Gegenwart in
der Freimaurerei; mit ihnen ist der +Mystizismus+ der Vergangenheit,
d. h. deren unsicheres, dunkles Tasten nach den Geheimnissen des Lebens
(oder der Aberglaube) zur +Mystik+, d. h. zum bewußten Streben nach
ihrer Lösung (oder zur Religion) übergegangen. Weiter, höher hinauf
(~Excelsior~) muß die Zukunft führen.


~c~) Sinnbilder der Zukunft.

Aufgabe der Zukunft, deren Beginn wie bereits gesagt, nicht im nächsten
Augenblick, sondern in ungeahnten Fernen liegt, muß es sein, aus
bisherigen Dunkelheiten zur Klarheit, aus aufgedrängtem Glauben zur
+Gewissensfreiheit+ und aus dem mystischen Tasten zu bestimmteren
Vorstellungen von +dem+ zu kommen, was uns noch +Mysterium+ ist. Dann
wird das, was die Religion bisher erfolglos anstrebte, die geistige
+Einheit+ der Menschheit, unter dem Banner der +Humanität+ erfochten
werden.

Dieses hehre Ziel hat nach unserer Auffassung zum Sinnbilde den
+flammenden Stern+, das höchste und herrlichste, wiewohl bisher noch
wenig verstandene Symbol der Freimaurerei. Sein Bild entwickelte sich
aus der in der königl. Kunst überall sich wiederholenden Dreizahl. Das
gleichseitige +Dreieck+ oder der Triangel, dessen Winkel zwei Rechten
gleichkommen, bedeutete in verschiedenen Religionen die Gottheit. Es
verbindet alle bereits (S. 10 ff. oben) erwähnten Dreiheiten. Da diese
überall zu finden sind, da in der ganzen Natur aus dem männlichen
und dem weiblichen Element das dritte, das Erzeugte, die Frucht,
das Kind hervorgeht, bedeutet die Drei auch die Welt und damit das
Weltbürgertum, dem die Freimaurerei entspricht.

Das Dreieck kann sich als Hexagramm verdoppeln:

[Illustration]

und als Enneagramm verdreifachen:

[Illustration]

Das +Hexagramm+, aus den verlängerten Seiten eines Sechsecks
entstanden, ist von größerer Bedeutung. Das aufsteigende (△) Dreieck
wird als Bild des Feuers, das absteigende (▽) als solches des Wassers,
wagrecht durchschnitten jenes als das der Luft, dieses als das der
Erde betrachtet, jenes auch als Bild des Männlichen, dieses als
das des Weiblichen u. s. w. Kunstvoller ist das +Pentagramm+ ober
Pentalpha, auch der Drudenfuß, das aus den Diagonalen eines oder aus
der Verlängerung der Seiten eines Fünfecks, bis sie sich treffen,
entsteht. Der zweite Name, Pentalpha, rührt daher, daß die Figur aus
fünf Alphas (Buchstaben ~A~) besteht. Bei den Pythagoreern war es ein
Gruß- und Erkennungszeichen, wobei fünf Buchstaben ὑγιέε, ~hygiée~,
sei gesund) die fünf Ecken zierten. Es wird auch mit Salomos Siegel
verknüpft, da der König es auf dem Grundsteine des Tempels angebracht
haben soll. In Goethes Faust verhindert es, nach altem Aberglauben,
auf die Schwelle gezeichnet, den Eintritt des Bösen, sofern nicht die
Spitze nach außen offen ist.

[Illustration]

Nun kann sowohl das Hexa- als das Pentagramm den +flammenden Stern+
vorstellen, wenn ein ~G~ in der Mitte steht und zwischen seinen Spitzen
Flammen hervorschießen. Er ist nach dem „Handbuch“ ein Sinnbild „des
geistigen und sittlichen Lebens des Menschen, das sich zeigt im Lichte
der Erkenntnis, in der Stärke des Willens und in der warmherzigen
Bruder- und allgemeinen Menschenliebe.“ Nach dem Ritual +unserer+ Loge
ist er ein Sinnbild für das +Ideal+. „Der Mensch, der sich in seinem
Herzen ein Ideal gebildet hat, folgt ihm als seinem Leitstern durch das
Leben; es ist ihm ein Ausfluß des göttlichen Lichtes der Wahrheit und
der Vollkommenheit.“

Der Buchstabe ~G~ wird gewöhnlich auf +Geometrie+ gedeutet, nicht auf
das trockene Fach der Meßkunst, sondern auf die Maßhaltung im Leben,
wie Schauberg sagt, auf die sittliche Meßkunst und die sittliche
Gesundheitslehre.

Der flammende Stern enthält alles, was wir von der Zukunft erhoffen,
eine herrlich ausgebildete von allen Schlacken gereinigte Kunst, eine
mit edlem Herzen erforschte Wissenschaft, eine uneigennützige, aus
reinstem Gewissen hervorgehende Sittlichkeit, die alle guten Handlungen
hervorrufen, alle bösen aber verscheuchen muß, und er ist also auch das
Sinnbild einer aus diesen drei Tätigkeiten gebildeten höheren Religion.

Mit dem flammenden Stern zusammen wird gern der +Spiegel+ als Sinnbild
der Selbsterkenntnis und damit auch der Welterkenntnis in Verbindung
gebracht. Nicht der Spiegel, den die Eitelkeit liebt, in dem sich
die Selbstsucht gefällt, sondern derjenige, in dem der Mensch seine
Fehler erblickt, so daß er ihn befähigt, sie zu beseitigen und in allen
Dingen nach Vervollkommnung seines Wesens zu streben. Damit ist viel
verbunden, mehr als man gemeiniglich ahnt. Es ist die Verbesserung in
allen Hinsichten.

Der Mensch soll sich nicht nur selbst erkennen, sondern auch selbst
heilen, sein eigener Seelenarzt sein, die Unmäßigkeit und alles
Ungesunde meiden, wie in Kunst und Wissenschaft, so auch im Leben.
Frivolität, Obscönität auf der einen, süßliche Sentimentalität und
Überzuckerung des Lasters auf der anderen Seite entstellen und
verderben die Kunst; Unwahrhaftigkeit auf der einen, Versinken
in unnützen Kram, der der Menschheit ewig fremd bleibt, auf der
andern Seite, sind der Untergang der Wissenschaft. Gleichgültigkeit
gegen Roheit und Gewalttätigkeit, Nachsicht gegen Schlechtigkeiten
untergraben die Sittlichkeit ebenso sehr wie eigene schlimme
Handlungen. Gesundheit und Reinheit sollen das Leben beherrschen,
und daher soll der Freimaurer und jeder Edelmensch sich hüten, ein
Übermensch oder ein Untermensch sein zu wollen, sich jenseits von
Gut und Böse zu stellen, das Leben als einen Kampf um das Dasein,
um das „Recht des Stärkern“ zu betrachten, sich zum Schaden Anderer
ausleben zu wollen. Aber nicht nur passiv, auch aktiv soll er
auftreten und kämpfen für alles Gute und gegen alles Böse, wie es ihm
sein Gewissen eingibt. Dazu ist ja Anlaß genug vorhanden: Kampf mit
aller Entschiedenheit gegen den Krieg, gegen den Zweikampf, gegen
das Spiel um Geld, gegen den Alkoholteufel, gegen den Mißbrauch des
weiblichen Geschlechts durch Prostitution und Mädchenhandel, gegen
den Aberglauben, gegen ungesunde und unreine Vornahme jeder Art, dann
gegen Unreinlichkeit als Quelle vieler Krankheiten, gegen unziemliches
Verhalten mancher Kreise, gegen Mißbräuche in allen Verhältnissen.
Solches und viel anderes, was uns zu weit führen würde, zu tun und
zu lassen soll das Sinnbild des Spiegels lehren, der nicht nur ein
Widerschein des ihn Betrachtenden, sondern ein solcher des ganzen
Lebens und Treibens in der Welt sein soll, in dem sich alles spiegelt,
was der Besserung bedarf und was der humane Mensch tun und lassen soll.

Als drittes Sinnbild im Bunde mit dem flammenden Stern und dem
Spiegel im Lichte der Zukunft betrachten wir das der +Akazie+, des
„heiligen Baumes“ der Freimaurerei. Sie stellt nach Schauberg „die
ewig sich verjüngende Naturkraft, den nach dem Schlafe oder Tode der
Natur stets wiederkehrenden Frühling, das unsterbliche Naturleben und
zuletzt die Unsterblichkeit des Menschen dar“. Sie lehrt, wenn wir
sie als Vertreterin der Naturkraft auffassen, was übrigens auch von
jedem andern schönen Baume gilt, deren manche vielen Völkern heilig
waren, den Menschen die Schönheit der Natur schätzen und damit für
seine eigene geistige Schönheit besorgt sein. Sie lehrt die Gestirne
und damit das unendliche Weltall, die Schönheit der Formen, die die
Natur hervorbringt, das Wunderwerk des Menschen und seines Geistes
bewundern, und damit auch über die unfaßbare Macht des A. B. d. W.
staunend nachdenken. Sie lehrt also auch die Natur genießen, an ihr
nicht gleichgültig vorübergehen, sie nicht verachten, vielmehr in
den Schönheiten von Wald und Feld, von Blumen und Früchten, von Berg
und Tal, von Seen und Meer schwelgen, und sie, wenn es die Anlagen
gestatten, besingen, zeichnen und malen, jedenfalls aber preisen und
dem Schöpfer dafür danken. Sie lehrt, Sonne, Mond und Sterne lieben,
sich auch in deren Verdunkelung schicken und auf ihr Wiedererscheinen
hoffen. Sie lehrt ferner die wahre Schönheit überall erkennen, edle
Menschen nach ihrem Äußeren ergründen und schätzen, aus dem andern
Geschlechte +die+ zu finden, die fähig ist, glücklich zu machen und
Liebe mit Treue zu vergelten.

Durch alles was sie, richtig verstanden, oder was, wenn man will,
irgend ein anderes Naturgebilde lehrt, wird die Erde zum Garten und der
Mensch zum fröhlichen Gärtner, der die Seinigen freudig pflegt, für ihr
Bestes sorgt und auch anderen Menschen ein treuer Freund wird.

So tragen fl. St., Sp. und Akazie bei richtigem Verständnis zum Glücke
der Menschheit und zu einer besseren Zukunft bei.

Sie entsprechen zugleich den 3 freimaurerischen Idealen, der fl. St.
der Weisheit, der Sp. der Stärke und die Akazie der Schönheit, sowie
den edelsten Tätigkeiten des Menschen, die aus dessen Wesensseiten
hervorgehen, die Wissenschaft aus dem Geiste, die Moral aus der Seele,
die Kunst aus der Natur.

       *       *       *       *       *

Übersicht der wichtigsten freimaurerischen Sinnbilder siehe folgende
Seite.


Übersicht der wichtigsten freimaurerischen Sinnbilder.

                                 Licht
                                   |
              -------------------------------------------
              +um+ uns:       +in+ uns:     +über+ uns:
              +Menschheit.+   +Gewissen.+   +Gottheit.+
 Sinnbild:    Zirkel (Men-    Winkelmaß     Hammer (Macht
              schenliebe)     (Rechttun)    zum Guten)

 Zeitraum:    Vergangenheit   Gegenwart      Zukunft
              Mystizismus      Mystik       Mysterium
              (Aberglaube)    (Religion)    (Humanität)

 Weisheit     Sphingen          Bibel        Flammender  Geist --
                                               Stern     Wissenschaft.

 Stärke       Pyramiden         Altar         Spiegel    Seele -- Moral.

 Schönheit    Obelisken.        Säulen.       Akazie.    Natur -- Kunst.

                          Tempel der Menschheit
                                  |
              -------------------------------------------
 Entspre-    |   Vorhof        Inneres      Allerhei-
 chend       |                               ligstes
 Graden      | (+Lehrlinge+)  (+Gesellen+)  (+Meister+)
 (in ei-     |  +Erde+           +Mond+       +Sonne+
 nem hö-     |
 hern       <  (Lichtloses,  (Beleuchte-     (Selbst-
 Sinne)      | beleuchtetes    tes und       leuchten-
 und den     | Gestirn)       leuchten-     des Gestirn
 Gestir-     |              des Gestirn)
 nen:[12]    |


  [7]  Wir verweisen bezüglich des nähern Nachweises auf unser „Buch der
       Mysterien“, 3. Aufl., Leipzig 1890, S. 10-26.

  [8]  Über diesen handelt des Verf. Buch „Aus Loge und Welt“. Berlin
       (Franz Wunder) 1905, S. 66-102.

  [9]  Angeregt in des Verf. Buch „Kulturgeschichtliche Skizzen“. Berlin
       1889. S. 239-260.

  [10] Für das Nähere siehe Handb. der Freimaurerei, Art. Salomos
       Tempel und Schauberg, Symbolik II. S. 125 ff.

  [11] Des Sängers Fluch von Uhland.

  [12] Nähere Erklärung folgt im 10. Kapitel.




Dritter Abschnitt.

~Die Höhen der Symbolik (Weisheit).~




9. Die Meister.

    Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,
    bei der Verehrung dieser Menge haben!

                              +Goethe+, Faust I.


~a~) Die Meister der Legende.

Der Name „Meister“ (~master~, ~maître~, ~maestro~) war zu allen
Zeiten und bei allen Völkern, seitdem er besteht, ein hoher und
geachteter und zierte die größten Gelehrten und Künstler, während das
lateinische Wort, aus dem er entstand (~magister~) eine Bezeichnung
für untergeordnete Schullehrer blieb. Doch wurde davon stets auch der
bescheidene Handwerksmeister unterschieden. In der Freimaurerei kam
er erst nach, doch bald nach der Gründung des Bundes (um 1723-25)
in Gebrauch. Doch erhielt er auch hier einen höhern Rang durch die
Bezeichnung der Vorsitzenden einzelner Logen (Meister vom Stuhl)
und der Großlogen (Großmeister in Annahme des obersten Titels der
Ritterorden).

Es ist nicht zu verwundern, daß die freimaurerischen Schriftsteller
der ersten Zeit des Bundes, die keine Geschichtforscher waren, einem
damals noch seit einigen Jahrhunderten beliebten Gebrauche huldigten,
Geschlechtern und Gesellschaften einen Ursprung aus grauer Vorzeit
anzudichten. Kaiser und Könige erhielten damals künstliche Stammbäume
aus dem trojanischen Kriege und anderswoher, sogar mit Bildnissen von
Ahnen, die nie gelebt haben, worin man damals durchaus keine Lüge
oder Aufschneiderei, sondern lediglich eine angemessene Huldigung
erblickte. Da wollten denn die freimaurerischen Schriftsteller nicht
zurückbleiben und ernannten aus eigener Machtvollkommenheit um das
Jahr 1730 den vor bald 3 Jahrtausenden gestorbenen König +Salomo+
(s. oben S. 79 ff.) zu ihrem ersten Großmeister. So entstand damals,
ähnlich wie ein Vierteljahrtausend vorher in der Schweiz die Tellsage,
die maurerische +Hiramlegende+. Sie knüpfte sich an den Tempelbau
Salomos, von dem man nach der Erzählung der Bibel eine übertriebene
Vorstellung hatte, während er sich mit neueren Bauten, wie dem Dom von
Köln, der Paulskirche in London und gar der Peterskathedrale in Rom bei
weitem nicht vergleichen ließ. Die bekannte Prachtliebe Salomos bot
dazu willkommene Handhaben. Welche Quellen zur Schöpfung dieser Mythe
gedient haben ist unbekannt.

Die Bibel kennt im ersten Buche der Könige zwei Männer Namens +Hiram+;
der eine war König der phönikischen Stadt Tyros (1. Kön. 5, 1 ff.) zur
Zeit Davids und Salomos, dem er Holz der Zedern aus dem Libanon zum
Baue des Tempels gegen Öl und Weizen überließ, der andere (1. Kön.
7,13 ff.) Sohn eines Tyriers und einer Witwe aus dem Stamme Naphthali,
ein Erzarbeiter und als solche Verfertiger der zwei berühmten Säulen
(oben S. 81 f.), des großen Wasserbeckens, das bei Luther „gegossenes
Meer“ heißt, und anderer eherner Geräte des Tempels. Auf diesen
Grundlagen bauten schon die älteren Maurer, vor der Entstehung des
Freimaurer-Bundes, ihre Handwerkssagen seit dem 15. Jahrh., indem sie
die Namen verwirrten und im 16. Jahrh. glücklich einen gleichnamigen
Sohn des Königs Hiram von Tyros herausbrachten, der Oberbaumeister
beim Tempelbau gewesen wäre, und nannten ihn Hiram Abif, nach der
späteren Bearbeitung der Königsgeschichte, der sog. Chronik, II. Buch,
2. Kap., 11 ff., wo er Huram Abi heißt, Sohn einer Frau aus dem Stamme
Dan und außer in Erz, auch in Bearbeitung von Steinen und Holz gewandt
ist. Andersons Konstitutionenbuch (1723) legte den Namen fest, und
seitdem nannten sich die Freimaurer gern „Söhne der Witwe“. In einem
französischen Freimaurer-Werke heißt der Baumeister Adoniram (Adon
Hiram) oder Adoram.

Die Legende von Hiram kam 1724 im Meistergrade zur Anwendung, erhielt
aber erst 1738, in welchem Jahre dies Anderson erwähnt, durch den Tod
Hirams ihren Abschluß. Danach hatte sie nun folgenden Verlauf:

Als oberster Meister des Bundes der Bauleute, nach dem Könige Salomo,
erteilte Hiram das geheime Meisterwort nur jenen Gesellen, die sich
dieser Ehre würdig erwiesen. Unter den Gesellen befanden sich aber
drei, die nach dieser Ehre begierig waren, aber, da sie ihrer nicht
teilhaftig wurden, sie sich durch Gewalt zu verschaffen beschlossen.
Sie besetzten, als Hiram im Tempel war, die drei Tore im O., S. und W.,
und einer nach dem andern verlangte von Hiram, als er sich entfernen
wollte, das ersehnte Wort. Da dieser sich weigerte, es mitzuteilen,
wurde er im O. von dem ersten der Verbrecher mit einem Maßstabe, dann,
da er gegen S. floh, vom zweiten mit einem Winkelmaß verwundet und
endlich im W. vom dritten mit einem Hammer erschlagen. Die Verbrecher
verscharrten den Leichnam heimlich und verbargen sich in einer
Felsenhöhle. Der ergrimmte König aber ließ nach ihnen fahnden. Die
Späher gelangten endlich an die Höhle, aus der sie Stimmen vernahmen,
die klagten, die erste: „o wäre mir der Hals durchschnitten“, die
zweite: „o wäre mir das Herz aus der Brust gerissen“, und die dritte:
„o wäre mein Leib entzwei gehauen“. Da wurden sie ergriffen, und jedem
geschah, wie sein böses Gewissen es gewünscht hatte. Salomo ließ nun
auch nach dem Leichnam suchen; endlich entdeckten die Ausgesandten ihn,
und von da an wurde das Wort des Entsetzens, das sie beim Anblicke des
Opfers seiner Pflichttreue äußerten, an Stelle des seit seinem Tode
vergessenen zum neuen Meisterworte angenommen. Auf das Grab Hirams aber
und auf das eines verdienstvollen Meisters wird (in einigen Lehrarten)
der heilige Baum, die +Akazie+ gepflanzt. (s. oben S. 87 f.).

Welche Rolle diese Sage im III. Grade spielt, wissen die Meister. Sie
ist aber je nach System und Ritual verschieden und dürfte noch mehr
vereinfacht werden, als sie dies in +unserer+ Loge bereits ist.

Wenn auch der spät vorkommende Name Adoniram unleugbar eine Verbindung
des Namens Hiram mit dem hebräischen Adonai (der Herr) oder dem
phönikischen Halbgotte (Sonnenheros) +Adonis+ ist, so kann daraus doch
nicht eine Ableitung der noch nicht 200 Jahre alten Sage vom Tode
Hirams aus der antiken Mythe gefolgert werden, die den Sonnengott
auf verschiedene Weise, wie er es ja scheinbar tut, untergehen und
wieder auferstehen läßt, wie es Schauberg am Schlusse seines Werkes
mit erstaunlicher, aber zu weit hergeholter Gelehrsamkeit tat. Die
Hiramsage ist einfach eine in die Vergangenheit zurück versetzte
Erklärung des Meisterwortes und der Erkennungszeichen aller 3 Grade und
zugleich eine Feier der Pflichttreue und eine Äußerung des Abscheues
und der Empörung gegen Verräterei und Untreue. Allerdings wünscht der
Freimaurer-Bund selbst dem Verräter keine barbarischen Strafen, sondern
überläßt ihn seinem Gewissen.


~b~) Die Meister der Wirklichkeit.

In den Fragestücken 19 bis 21 des Lehrlings-Katechismus wird gesagt,
die 3 „kleinen Lichter“ der Freimaurerei seien die 3 Kerzen im Umrisse
des länglichen Vierecks im O., W. und S. Sie stellen die Sonne, den
Mond und den Meister vom Stuhl vor, und zwar deshalb, weil die Sonne
den Tag, der Mond die Nacht und der M. v. St. die Loge regiere. Der
altenglische Kat. fügt bei: „oder sollte es tun,“ und gibt damit
dem M. v. St. eine Lehre, seine Pflicht zu erfüllen. Im System der
Gr. L. L. von Deutschland (in Berlin) wird neben das Regieren noch
das „Erleuchten“ gesetzt. Hier haben wir also zwei gegensätzliche
Auffassungen, dort ein Mißtrauen in den M. v. St., hier dessen
Überhebung, als erleuchte er allein die Loge „durch seinen weisen Rat“.
Diese widersprechenden Äußerungen zeigen nach unserer Ansicht, wie
ungeschickt die Zusammenstellung zweier Gestirne und eines Menschen
ist; so „sinnig“ man sie auf den ersten Blick auch finden mag. Sonne
und Mond sind Weltkörper, die so sind, wie sie ihrer Natur nach
sein müssen, sie sind den Menschen der Erde gegenüber unabänderlich
und könnten eine Änderung nur durch die Allmacht erleiden. Während
sie sich sonach aller Kritik entziehen, ist der M. v. St., den ja
die Loge wählt, von vornherein der Kritik unterworfen, tritt sein
Amt an und wieder ab, während die Gestirne das ihrige in Ewigkeiten
fortführen, -- Ewigkeiten wenigstens für unsern Verstand. Sonne und
Mond sind keine kleinen Lichter, sondern für unsere Erde geradezu
die größten mit Sinnen wahrnehmbaren, denen zwar die idealen Lichter
überlegen sind, die aber ohne die wahrnehmbaren nicht da wären,
weil die Menschheit ohne sie in Dunkel und Kälte versunken wäre und
daher auch keine geistigen Lichter erfassen könnte. Seien wir daher
aufrichtig, bekennen wir unsere Unvollkommenheit, setzen wir uns nicht
großartigen Erscheinungen der Natur gleich und nennen wir Sonne und
Mond schlichtweg Gestirne und den M. v. St. schlichtweg einen Menschen.
Einen Menschen zumal, dem es nicht +allein+ zusteht, die Loge zu
regieren, oder gar zu erleuchten; dazu sind auch die anderen Brr. da,
aus denen er hervorging und in deren Mitte er wieder zurückkehrt.
Ohnehin passen die sog. 3 kleinen Lichter nicht in die Bildersprache
der Freimaurerei. Diese setzt Bilder, wie z. B. Hammer, Winkelmaß und
Zirkel, an die Stelle von Ideen; Sonne und Mond aber werden nicht als
Bilder für Ideen, sondern einfach als leuchtende Gestirne behandelt,
ebenso der M. v. St. lediglich als einer unserer Brüder, dem wir ein
besonderes Vertrauen entgegenbringen.

Demgemäß erscheint es natürlicher, menschlicher und daher auch
maurerischer, wenn der M. v. St. sein Vorbild nicht in Sonne und
Mond, sondern in großen Männern erblickt, die für ihre Zeit ebenfalls
Meister, wenn auch nicht vom Stuhl, doch vom Segen der Menschheit
begleitete waren. Als Nacheiferer solcher großen Menschen und Meister
ihrer Zeit hat der M. v. St. wahrhaftig einen höheren Beruf als wenn er
sich mit Sonne und Mond zusammenstellen läßt.

Führen wir einige dieser Lichter der Menschheit als Beispiele an.

Der große chinesische Philosoph +Kongfutse+ (genannt Confucius) 551-476
vor Chr., schon in seiner Jugend ein Wunder von Weisheit, zeichnete
sich auch durch seine Bescheidenheit aus. Nachdem er den 50 Jahre
älteren Weisen +Laotse+, der in seiner Einsamkeit ein Genügen fand,
kennen gelernt, sagte er zu seinen Schülern. „Gedanken so hoch wie der
Vogel in der Luft erreicht Laotse gleich dem Pfeile, solche so schnell
wie der Hirsch holt er ein gleich dem Jagdhunde, solche so tief wie
der Fisch im Meere bringt er gleich der Angel ans Licht.“ Und doch ist
Laotse beinahe vergessen, und Kongfutse ist noch heute der gefeierte
Lehrer seines Landes und der geistige Führer aller Gebildeten, und
seine Nachkommen genießen besondere Vorrechte. Seine Moral ist im
wesentlichen auch die des echten Christentums und die der Freimaurerei.

Der Indier +Siddhartha+, ein Sohn edelsten Geschlechts (um 560-480
vor Chr.) verließ infolge einer Erleuchtung über die Nichtigkeit
des menschlichen Treibens, nach der Sitte der Weisen seines Volkes
(allerdings nicht nach heutigem Geschmacke) die Pracht seines
Vaterhauses und lehrte, durch den Beinamen +Buddha+ (der Erwachte)
ausgezeichnet, als Bettelmönch zahllose Schüler das Geheimnis von der
Entstehung und Überwindung des Leidens, neben einer hohen sittlichen
Veredlung, und seine Lehre eroberte weitgedehnte Länder Asiens. Obschon
sie zeitweise tief entartete und an Boden verlor, ja ihre alte Heimat
einbüßte, schwang sie sich in neuester Zeit empor und sucht sogar in
Europa und Amerika dem Christentum Wettbewerb zu machen.

Der Athener +Sokrates+ (469-399 vor Chr.) verachtete allen Reichtum und
alle Ehrenstellen, um als wandernder Lehrer das Volk und die Jugend
über die Erfordernisse eines menschenwürdigen Lebens aufzuklären und
besiegelte sein hohes Streben durch den Gifttod, dem ihn sein von
Demagogen verblendetes Volk überlieferte. Durch seinen Schüler, den
göttlichen +Platon+ und dessen Schüler, den vielseitigen +Aristoteles+
hat er auf Jahrtausende hinaus veredelnd gewirkt.

Für das heutige Europa und seine Kolonien sind diese Meister, so groß
sie für ihre Zeit und ihre Völker waren, in den Schatten gestellt durch
einen weit größeren, vor dem wir indessen seinen für unsern Bund eine
besondere Bedeutung besitzenden Vorläufer nennen müssen.

+Johannes+ der Täufer, der als Schutzheiliger der Steinmetzen von
Südengland, wo die Freimaurerei entstand, unseren Logen ihren Namen
gab, verzichtete, obschon von priesterlichem Geschlechte, auf alle
Annehmlichkeiten des Lebens, ähnlich wie Buddha und Sokrates, und
lehrte (29-31 uns. Zeitrechn.), arm gekleidet und sich ärmlich nährend,
in der Wüste am Jordan, wohin ihm das Volk zuströmte, taufend und
auf einen Höheren hinweisend, bis er aus Wahrheitsliebe unter dem
Henkerbeile verblutete.

Jener Höhere war +Jesus+ von Nazareth, dessen unerreichte und
unerreichbare sittliche Erhabenheit es uns überflüssig erscheinen
lassen, diese Idealpersönlichkeit mit weiteren Worten zu besprechen
oder sie gar gegen die Ketzer-, Hexen- und Judenmörder zu verteidigen,
die das Andenken dieses einzigen Menschen durch ihre angebliche
Anhängerschaft schändeten und deren Nachkommen ihn durch erheucheltes
Plappern, hohlen Prunk und politische Umtriebe zu ehren sich einbilden.

Was sollen wir noch von weiteren verdienstvollen Männern sagen, die
dem M. v. St. und allen Meistern, ja allen Brüdern zum Vorbilde dienen
können, von Männern, die ihre Überzeugungstreue mit dem Feuertode
besiegelten, den unwürdige und unwissende Anhänger des Urbildes der
Milde und Güte über sie verhängten (wie Arnold von Brescia, Hus,
Savonarola, Giordano Bruno und andere) oder unter Mühen und Leiden sich
der Belehrung des Volkes widmeten (wie Comenius, der Vorläufer unseres
Bundes) oder sich in Sturm und Kampf und teilweise Not als geistige
Helden bewährten (wie Luther, Zwingli, Kepler, Spinoza, Rousseau)
oder an der Spitze von Völkern für Freiheit kämpften (wie Wilhelm von
Oranien, Franklin, Washington) oder gar auf dem Throne für Aufklärung
und Menschenliebe glühten (wie Friedrich der Große und Josef II., denen
wir noch unsere verewigten Brüder, die Kaiser Wilhelm I. und Friedrich
III. anreihen dürfen), oder in geistiger Arbeit Lehrer der Menschheit
wurden (wie Milton, Newton, Kant, Lessing, Goethe, Schiller, die Brüder
Humboldt, Helmholtz, Mommsen u. s. w.)? Die Weltgeschichte antwortet
hierauf.

Der Meister-Katechismus fragt in Nummer 12: „Wodurch soll sich ein
Meister von den Gesellen und Lehrlingen unterscheiden?“ und antwortet:
„Durch die genaueste Erfüllung seiner Pflichten, wodurch er nicht nur
die Liebe seiner Brr., sondern auch die Hochachtung der Welt sich
erwirbt.“

Die Meister haben in einigen Lehrarten noch besondere Sinnbilder, die
auf Sündhaftigkeit in Gefahren und auf Unerschütterlichkeit in der
Überzeugung hindeuten, so z. B. ein +Schiff+ ohne Mast und Segel, das
sich aber trotzdem aufrecht erhält, einen +Schlüssel+ von Elfenbein,
der die Gerechtigkeit bedeuten soll, ein +Denkmal+, auf dem ein
Buch liegt und das eine schwebende Jungfrau mit einem Akazienzweige
schmückt, was auf die Vergänglichkeit der menschlichen Dinge hinweist
und durch das das Schicksal bedeutende Buch die Hoffnung auf
Unsterblichkeit nährt. Auch die Gesellen und Lehrlinge sind berufen,
Meister zu werden und das von diesen Gesagte zur Tat zu gestalten.




10. Die Gestirne.

    Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
    Liegt die Erde nicht hier unten fest?
    Und steigen, freundlich blickend
    Ewige Sterne nicht herauf?


~a~) Die Erde.

Die obigen Worte, die Br. Goethe seinen Faust zu Gretchen sagen
läßt, drücken eine längst vergangene Weltanschauung aus, die aber
heute noch, durch die Bibel aufrecht erhalten, den Grundzug der
herrschenden Religionen bildet. Denn alle Dogmen, namentlich aber
die der christlichen Bekenntnisse, beruhen auf der Ansicht, daß Gott
den Planeten Erde vor allen übrigen Weltkörpern bevorzuge, ja man
darf sagen, seinen Bewohnern beinahe allein seine Fürsorge widme.
Nach dieser Auffassung, auf der allein das Dogma der Dreieinigkeit
beruht, ist die Erde die +Welt+, was auch die noch heute vorwiegenden
Ausdrücke „Weltteile“, „Weltbürgertum“ und „Weltgeschichte“ zeigen
und wovon sogar der Name einer so modernen Einrichtung wie der
des Weltpostvereins zeugt, der doch keine Sendungen nach anderen
Weltkörpern übernimmt. Und das trotzdem, daß die Ansicht von der
Stellung der Erde im Weltall so riesenhafte Umgestaltungen durchbracht
hat, wie folgende Übersicht zeigt.

  1. Zeitraum, von Moses bis Ptolemäus (um 140 uns. Zeitrechn.): die
  den Alten bekannte Erde ist eine +Scheibe+ (worauf sie ruhe ist
  unbekannt), die der Ocean umgibt und über der sich der Himmel wie
  eine Glasglocke wölbt, an dem die Sterne befestigt sind, während die
  7 Planeten (Sonne Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn) sich
  um eine Erhöhung im Norden bewegen.

  2. Zeitraum, von Ptolemäus bis Kopernikus (geb. 1473 gest. 1543): die
  Erde ist eine +Kugel+ (was indessen schon Pythagoras und die auf ihn
  folgenden griechischen Philosophen wußten), um welche die 7 Planeten
  und der ganze gestirnte Himmel sich im Kreise bewegen.

  3. Zeitraum, seit Kopernikus: die Erde ist ein +Planet+, der zwischen
  Venus und Mars, gleich den übrigen Planeten um die Sonne kreist, nur
  der Mond allein um die Erde. Ohne Einfluß auf die Erde ist die seit
  Kepler allmählich weitergehende Auffassung, daß unser Sonnensystem
  nicht im Mittelpunkte des Weltalls schwebt, sondern nur eines unter
  unzähligen ist; alle Sterne außer den Planeten und Kometen sind
  Sonnen, die ihre Planetensysteme haben können und sich fortwährend
  im Weltraume bewegen, in vorläufig noch unbekannten Bahnen.

So ist denn die alte Entgegensetzung von „Himmel und Erde“, auf der
die Weltanschauung des ersten Kapitels der Bibel beruhte, längst
aufgegeben. Die Erde ist nur noch ein Pünktchen im unendlichen Weltall,
das auch als Himmel bezeichnet wird, und von dessen entferntesten
bekannten Punkten sogar das blitzschnelle Licht, das in einer Sekunde
dreihunderttausend Kilometer zurücklegt, vieler tausend Jahre bedarf,
um auf der Erde sichtbar zu werden.

Und doch ist unsere liebe Erde im Vergleiche zu den auf ihr lebenden
Geschöpfen ein ungeheurer Körper, dessen Umfang 5395 geogr. Meilen
(zu 7420,4 Meter), dessen Durchmesser 12741 Kilometer, und dessen
Oberfläche rund 510 Millionen Quadratkilometer beträgt.

In der Freimaurerei gilt die Loge als ein kleines Bild der Erde, auf
das zu beiden Seiten des Altars +Sonne+ und +Mond+ freundlich leuchtend
herabblicken. Die Heimat der Freimaurerei aber ist die gesamte
+Oberfläche der Erde+, die alle Menschen ohne Unterschied des Glaubens,
der Rasse und des Standes wie eine Familie verbindet. An der Tafelloge
wird aller Brüder auf der ganzen Oberfläche der Erde gedacht, und
Fragestück 23 des Lehrlings-Katechismus sagt auch, die Loge reiche von
der Oberfläche bis zum Mittelpunkte der Erde.

Auf den beiden Säulen der Abendseite ruhen als Knäufe in vielen,
besonders englischen Logen auf der einen ein +Himmels-+ und auf der
andern ein +Erdglobus+, oder sie werden wenigstens so benannt, um
die Brüder beständig an die weltbürgerliche Eigenschaft des Bundes zu
mahnen.

Bildet der Freimaurer-Bund auch keine einheitliche Gesellschaft, hat
er auch keine gemeinsame Behörde, wissen auch vielfach oder meistens
die Brüder eines Landes nichts von den freimaurerischen Einrichtungen
entfernter Gegenden, ja anerkennen sogar manche Bundesbehörden andere
solche gar nicht, so besteht doch über die ganze Erde eine Gemeinschaft
der Brüder durch die Erkennungszeichen, sowie durch gemeinsame
brüderliche Gesinnung und durch freundliche Aufnahme fremder und
reisender Brr., die sich als rechtmäßige Logenmitglieder ausweisen. Und
so wird es auch bleiben!

Die Erde kann als Sinnbild gelten: der +Schönheit+, die wir nur auf
+ihr+ kennen, der (oben S. 71 abgegrenzten) +Vergangenheit+, die außer
ihr von keinem andern Weltkörper näheres wußte, und des +Lehrlings+,
der erst zum Lichte zugelassen ist, ohne es noch recht erfaßt zu haben.
Lehrlinge waren aber in den älteren Zeiten die gescheitesten Leute in
ihrem Wissen noch immer.


~b~) Der Mond.

Wenn wir einfach vom kleinern und abhängigern zum größern und
unabhängigen Gestirn vorschreiten wollten, müßten wir eigentlich den
Mond voransetzen und ihm die Erde, wie dieser die Sonne folgen lassen.
Da uns jedoch die Erde am nächsten liegt und diese für uns lichtlos
ist, der Mond aber sowohl beleuchtet wird, als infolge dessen selbst
leuchtet, mußte zwischen ihm und der Erde die richtigere Reihenfolge
vertauscht werden. Für Bewohner des Mondes würde die Erde die Stelle
einnehmen, die er bei uns einnimmt; nur erscheint sie dort weit größer.

Der Mond unserer Erde, vorzugsweise so genannt, obschon auch andere
Planeten Monde (Trabanten oder Satelliten), aber meist kleinere
besitzen, ist von der Erde, seiner Mutter, 60,27 Erdhalbmesser entfernt
und umkreist sie in 27,32 Tagen. Da er dieses tut, während die Erde
sich weiter um die Sonne bewegt, so beschreibt er seine Bahn in
Spirallinien. Sein Durchmesser ist so groß wie die Länge und zugleich
wie die Breite Europas und gleich drei Elfteln desjenigen der Erde.
Steht der Mond zwischen Erde und Sonne, so ist er für uns unsichtbar,
es ist Neumond; sind Erde und Sonne auf derselben Seite des Mondes, so
ist er für uns vollbeleuchtet (Vollmond). Die Zwischenerscheinungen
heißen: im Zunehmen der Lichtfläche erstes und im Abnehmen letztes
Viertel. Diese Unbeständigkeit seines Anblicks lehrt uns, sein Licht
besser zu schätzen, wenn es wieder erscheint, nachdem es uns ganz
fehlte oder uns nur teilweise erfreute. Es ist ein Wechselspiel, dessen
Mannigfaltigkeit einst die Grundlage der menschlichen Zeitrechnung
bildete, die sich aber bei uns längst nach der Sonne richtet (nur
die Mohammedaner hängen am Mondjahr, dessen Anfang in etwa 33 Jahren
durch alle Jahreszeiten wandert). Der Mondwechsel ist daher für uns
sehr belehrend und übt auch seinen Einfluß, wie auf die Ebbe und Flut
unserer Meere, so auf Dichten und Trachten der Menschen. Namentlich in
der Dichtkunst spielt er eine große Rolle.

Der Mond ist seit mehr als Menschengedenken ein erstarrter Körper, was
er einst nicht war. Er besitzt weder eine merkliche Atmosphäre, noch
Wasser und daher auch keinen Pflanzenwuchs und beherbergt überhaupt
kein lebendes Wesen. Infolge dieser Erstarrung kehrt er, weil er sich
während seines Umlaufs nur einmal um seine Achse dreht, was früher
nicht der Fall war (denn er drehte sich einst viel schneller um), was
aber hier zu erklären nicht der Ort ist, der Erde stets +dieselbe
Seite+ zu, während die andere für uns ewig unsichtbar sein wird.
Obschon dies nicht beabsichtigt ist, können wir darin ein Sinnbild der
Treue gegen seine Mutter, die Erde, erblicken, wie in der unsichtbaren
Seite ein solches des Geheimnisses und der Verschwiegenheit. In
ungezählten Millionen Jahren wird, so hat man berechnet, die Erde
dasselbe Schicksal erleiden; die Erstarrung des Mondes belehrt uns also
auch über die Vergänglichkeit alles Irdischen. Da der Mond 13-14 Tage
Nacht hat, ist er auch in dieser Zeit ein ungemein kalter und bei dem
ebenso langen Tage ein sehr heißer Körper, dessen Temperatur um 280
Grad schwankt, der uns daher die gleichmäßigen Wärmen der Erde um so
kostbarer erscheinen läßt.

Für die Freimaurerei ist das milde Licht des Mondes ein wohltätiger
Gegensatz zu dem verzehrenden und blendenden Lichte der Sonne.

Unter den Idealtugenden entspricht, wie der Erde die Schönheit,
dem Monde die +Stärke+; denn die „Stärke des Maurers vollbringt,
gleich der des Mondes, in nächtlicher geheimnisvoller Stille ihre
segensvollen Werke; in stiller, geräuschloser Wirksamkeit findet die
Freimaurerei ihre Freude und ihren Lohn.“ Unter den Graden ähnelt dem
Monde der +Geselle+, der das geistige Licht vom Meister erhält und dem
Lehrling weiter reicht. Unsere +Gegenwart+ gleicht dem Monde, weil
die ungeheuere Mehrheit der Menschen noch blind ist für Kunst und
Wissenschaft, daher kein Licht zu geben weiß und das der Sonne, d. h.
des höheren Wissens, noch nicht versteht, was bisher nur einer geringen
Minderheit erleuchteter Geister verliehen ist, so daß die Meisten noch
Gesellen sind, ja auch viele, die sich schon Meister wähnen.


~c~) Die Sonne.

Die Mutter aller Planeten und ihrer Trabanten, die Erzeugerin und
Ernährerin alles Lebens auf ihnen, das sie selbst nur von der Allmacht
erhielt, ist ein so riesenhafter Weltkörper, daß in ihrem Innern,
wenn es hohl wäre, nicht nur alle Planeten Platz hätten, sondern
verschwinden würden, ja darin der Mond bequem um die Erde kreisen
könnte. Die Sonne ist ein Licht, dem kein Auge ohne angemessene
Bewaffnung Stand halten kann, ein brennendes Feuer, dem nichts
widersteht, für uns eine Offenbarung über alle Offenbarungen und die
dafür gehalten werden. Wohl gibt es im Weltall noch weit mächtigere
Sonnen, wie Sirius und viele andere, die aber bei ihrer unfaßbaren
Entfernung für uns nur Lichtpunkte sind.

Die Sonne war, so sehr dies von gewisser Seite bestritten wird, der
älteste Gott der höherstehenden alten Völker, denen ihre Kraft männlich
erschien, wie der sanfte Mond weiblich; Helios und seine Schwester und
Gattin Selene waren das erste Götterpaar der Hellenen, dem erst später
der abstrakte „Himmel“ und sein Donner (Zeus) übergeordnet wurden. Nur
den in kälterem Klima lebenden Germanen galt das umgekehrte Verhältnis
(„Herr Mond und Frau Sonne“, dagegen +der+ Tag und +die+ Nacht). Helios
mußte heiß kämpfen, bis er, lange genug ein Planet geschimpft, durch
den Domherrn von Thorn sein Recht als Herrscher im Planetensystem
eroberte, das aber noch lange brauchte, bis es allgemein anerkannt
war. Herr des Jahres war er schon früher geworden; diese Krone konnte
ihm von der Erde und dem Monde nicht mehr bestritten werden; denn
schon lange war das Jahr seine Lebensgeschichte, die sich jährlich
erneuert und auf das scheinbare Erlöschen die Wiedergeburt folgen
läßt. Auf seinen heidnischen Geburtstag (25. Dez.), in dessen Zeit
die Tage wieder wachsen, verlegten die Christen den unbekannten ihres
Gottessohnes.

Die Entfernung zwischen der Sonne und ihrem von uns bewohnten Kinde,
der Erde, beträgt zwanzig Millionen und hundertundzwanzigtausend
geogr. Meilen oder 149 Millionen Kilometer, die Lichtwirkung dauert
acht Minuten, die des Schalles 14 Jahre! Die für einen mittelschnellen
Eisenbahnzug erforderliche Zeit würde für jene Strecke über zwei
Jahrhunderte betragen. Der Durchmesser der Sonnenkugel ist 110
Erddurchmesser oder 1400000 Kilometer lang; ihr Körperinhalt übertrifft
den der Erde um mehr als das Millionenfache. Die Hitze dieses glühenden
Körpers, von dessen Glut ja unser Leben abhängt, wird verschieden
angegeben; die Berechnungen drehen sich um etwa hunderttausend Grad!
Ein fester Körper scheint die Sonne nicht zu sein, eher ein gasförmiger.

In der Freimaurerei ist die Sonne bisher als „kleines Licht“ bezeichnet
worden. Man könnte es für Hohn halten, wenn man nicht wüßte, daß der
Ausdruck von ehrlichen Leuten herrührt. Wenn auch nicht als das größte,
darf sie doch als Sinnbild des +größten+ Lichtes, der +Gottheit+
betrachtet werden. In ihr kommt die +Weisheit+ zur höchsten Geltung.
Sie ist eine unleugbare Offenbarung, gegenüber der das bisher für das
erste „große Licht“ gehaltene Buch nicht aufkommen kann. Ein solches
Werk wie die Sonne (und die Sonnen des Weltalls überhaupt) kann von
den allerinspiriertesten Menschen nicht geschrieben werden. Es spricht
Millionen Bände und bringt unermeßliches Leben an das Tageslicht.
Es ist wirklich Zeit, in dieser Hinsicht Wandel zu schaffen in der
Logensprache einer naiven Zeit, die noch keine blasse Ahnung von dem
hatte, was seither im Reiche der Geister geschaffen worden und in
+Zukunft+ noch geschaffen werden kann. Die Sonne ist daher auch ein
Bild einer erleuchtetern +Zukunft+, von der sogar die heutige Gegenwart
nur in einer beschränkten Zahl auserlesener Geister einen kleinen
Begriff hat. Es sind Geister, die (s. oben S. 97 ff.) die +wahren
Meister+ sind und denen nachzustreben, statt auf ausgetretenen Pfaden
zu wandeln, der höchste Ehrgeiz der freimaurerischen Meister werden
sollte.

Man vergißt viel zu viel, daß es ohne die Sonne keine Erde, also
auch keine Menschen, keine Kultur, keine Kunst, keine Wissenschaft,
keine Religion, keine Bibel und keine Freimaurerei geben könnte. Und
sie sollte ein „kleines Licht“ genannt werden dürfen und die Bibel
ein großes? Warum? Weil sie mit Sinnen wahrnehmbar und nur zeitweise
sichtbar ist? Ist etwa die Bibel nicht mit Sinnen wahrnehmbar, ist
sie nicht großenteils dunkel? Selbst wenn man annähme, daß die Bibel
von Gott geoffenbart sei, welcher Begriff übrigens sehr unklar und
bestritten ist, so müssen wir fragen: Ist die Sonne nicht viel sicherer
und unendlich viel früher von Gott geoffenbart, und erleuchtet sie
nicht eine Welt von Planeten, während die Bibel nur Juden und Christen,
soweit sie gläubig genug sind, erleuchtet? Und dennoch nennen wir
die Sonne nicht das größte Licht, sondern nur +ein+ Licht, oder ein
Sinnbild, ein Abzeichen des größten Lichtes, des a. B. d. W. Welche
Auffassung ist wohl die höhere? --

Eine ebenfalls sehr naive freimaurerische Zusammenstellung, aber immer
noch weit anmutender als die der gr. und kl. Lichter ist die des M. v.
St. mit der Sonne, der beiden Aufseher mit dem Monde und der übrigen
Brüder mit den Sternen. Es ist doch ein +poetisches+ Bild statt einer
trockenen +dogmatischen+ Lehre. Man findet daher auch in Logen außer
Sonne und Mond eine Darstellung des Sternenhimmels an der Decke.
Damit geht doch die Freimaurerei in schöner Weise über das Alltägliche
hinaus. Dahin gehört auch das Bild des +Siebengestirns+ (den Namen
tragen die Plejaden und der große Bär) auf freimaurerischen Denkmünzen
und Büchern unter dem Auge Gottes, als Hinweisung auf die Ewigkeit und
die Hoffnungen der Menschen, die sich an sie knüpfen.


                   Übersicht:

  Erde.              Mond.        Sonne.
  Vergangenheit.   Gegenwart.    Zukunft.
  Schönheit.       Stärke.       Weisheit.
  Lehrlinge.       Gesellen.     Meister.
  -----------------------------------------
                      |
         im weitern und höhern Sinne.




11. Die Welträtsel.

        Wer darf sagen:
    Ich glaub’ an Gott?
    Magst Priester oder Weise fragen,
    und ihre Antwort scheint nur Spott
    über den Frager zu sein.

                      +Goethe+, Faust I.


~a~) Der a. B. d. W.

„Weh! Wo ist Gott“ ruft klagend der junge Parsifal (Parzival) in
Wolfram von Eschilbachs (Eschenbachs) unsterblicher, christlich frommer
Heldendichtung. Ja, wo ist +Er+? Schnell ist die Antwort bereit:
„+Überall+!“ Ganz richtig! Er ist überall. Aber war er es für die
Menschen stets? Die Geschichte der Religion antwortet darauf (natürlich
vom subjektiv-menschlichen Standpunkte) mit Nein. Es bedurfte einer
langen, an Irrwegen und Straucheln reichen, überreichen Entwicklung des
Gottesgedankens, bis der Mensch bei der Allgegenwart Gottes angelangt
war.

Den Anfang einer Verehrung von Dingen außer sich machte der noch
lallende Mensch mit dem noch heute bei den Naturvölkern nicht
ausgestorbenen Fetischdienste (lat. ~facticius~, portug. ~feitiço~,
Amulett, Talisman, Zauberding), d. h. der Anbetung eines Geistes
wie einem Dinge. Heilige Steine und heilige Bäume, wir wissen nicht,
ob zugleich oder nacheinander, waren die ersten Gegenstände dieser
ursprünglichen Religion; wir finden ihre Spuren auf der ganzen Erde.
Der schwarze Stein der Kaaba in Mekka ist den Mohammedaner noch jetzt
heilig. Aus den Baumgeistern wurden bei den Griechen die reizenden
Dryaden (Waldnymphen). Von den unbeweglichen Dingen schritt der Mensch
zur Verehrung der Tiere. Im alten Ägypten blühte dieser so unwürdig
erscheinende Dienst unter den zivilisierten Völkern wohl am längsten;
aber schon neben ihm tauchen die sonst menschlich geformten Gottwesen
mit Tierköpfen, endlich auch mit voller Menschengestalt auf. Aber auch,
wo wir nur menschlich geformte Götter finden, wie bei den Griechen,
verrät sich ihre frühere Tiergestalt noch in den Tieren, die ihnen
beigesellt werden, so dem Zeus der Adler, der Aphrodite die Taube,
dem Apollon der Wolf u. s. w., während untergeordnete mythische Wesen
noch aus Tier und Mensch gemischt sind, wie die Kentauren, Harpyien,
Nereiden u. s. w.

Daß die verehrten Wesen zur Menschengestalt gelangten, dazu hat
wahrscheinlich das Auftreten bedeutender Menschen, „Übermenschen“
beigetragen, die Völkern Gutes taten wie Prometheus, der ihnen das
Feuer brachte, oder sie von gefährlichen Tieren, Riesen, Ungeheuern
und dergl. befreiten, wie Herakles (Herkules). Diese wurden später zu
Heroen, Halbgöttern.

In weiten oder sehr verzweigten Ländern, wie Ägypten, Babylonien,
Hellas hatte ursprünglich jeder Stamm, Ort oder Gau seinen eigenen
Gott oder Halbgott. Dieser Henotheismus wurde durch Zusammenfassung der
Gaue zu Staaten oder Bünden zum Polytheismus; die Götter wurden zur
Vielgötterei versammelt.

Bei den +Israeliten+, die uns hier als Vorläufer des Christentums
am meisten interessieren müssen, fällt die Stufe der Vielgötterei
weg, weil ihre Stämme schon früh einen gemeinsamen Gott hatten,
Jahve, (Jehova). Aber auch dieser Gott trug, wie die neuere Forschung
zur Gewißheit erhoben hat, „alle entscheidendsten Merkmale des
+Heilbringers+ an sich.“ So nennt Prof. Breysig in Berlin „eine Gestalt
der Überlieferung, von der man menschen-, oder teils menschen-, teils
tierhaftes Auftreten auf der Erde erzählt, der man schon während ihres
irdischen Lebens übermenschliche Kräfte beimißt und die zumeist nach
ihrem Entschwinden in die Gestalt eines Geistes von sehr hohen Kräften
übergeht.“ -- „Die Umschaffung der Erde ist eine der bezeichnendsten
Eigenschaften des Heilbringers schon bei den Urvölkern.“ Die
wahrscheinlich ältesten Bestandteile der hebräischen Überlieferung
von Jahve feiern ihn als den siegreichen Drachentöter (so im zweiten
Jesaias, ähnlich im 89. Psalm, sogar in dem später entstandenen Hiob).

Der Drache ist sonst überall die Nacht, die vom Sonnengotte überwunden
wird, hier ist er das Urmeer, nach anderer Ansicht ein wirkliches
Ungeheuer. Mag es der streng Gläubige nun gern hören oder nicht, --
Zeugnisse der Bibel selbst beweisen den Ursprung Jahves aus einer
Naturgottheit,[13] in ältester Gestalt eines Sturm- und Windgottes
(Jahve = er weht oder er vernichtet). Seine wichtigsten Taten,
Schöpfung und Flut, haben ihr Vorbild im heidnischen Babylon und sind
nur ethisch und monotheistisch umgearbeitet, wodurch sie eine höhere,
edlere Auffassung erhielten. Die Erzählung genau betrachtet, erscheint
die Schöpfung der Genesis keineswegs als eine Erschaffung aus Nichts.
Beide Formen der Schöpfungssage (Genesis 1,1 ff. u. 2,4 ff.) wissen
nichts vom Nichts. Die zweite Form ist ihrer ganzen Fassung nach die
ältere, rein menschliche, die erste aber eine jüngere priesterliche
Umarbeitung. Beide lassen durchblicken, daß die Erde (die damalige
„Welt“) bereits in Gewalt einer trockenen Wüste (nach der älteren),
einer Wasserwüste (nach der jüngeren Form) vorhanden war, daß also nur
von einer Umformung die Rede sein kann. Ebenso verhält es sich mit dem
Himmel, denn wo sonst sollte Jahves, des Ewigen Wohnung gewesen sein?
Doch gewiß nicht im Nichts! Ähnlich sind die Schöpfungssagen vieler,
selbst amerikanischer Völkerstämme.

Aber noch ein anderer Umstand ist zu beachten, der geeignet ist,
die hergebrachte Anschauung stutzig zu machen. In mehreren Stellen
des A. T. ist von Göttersöhnen die Rede, die bald mit Jahve den
Himmel, (z. B. Psalm 89,6-8 und Hiob 1,6 u. 38,6 f.), bald neben den
neugeschaffenen Menschen die Erde bewohnen, die Töchter der Menschen
ehelichen und mit ihnen Kinder, die „Helden“, zeugen (Genesis 6,1 ff.).
Ja sogar in der jüngeren Schöpfungssage (Gen. 1,26) spricht Gott von
sich in der Mehrzahl, und sein Name (Elohim) hat eine Mehrzahlform.
Er ist also ursprünglich nicht allein. Doch ist dies nicht eine
Vielgötterei im Sinne zusammengebrachter Stammesgötter, sondern eine
urzeitliche Vervielfältigung der einheitlichen Gottheit.

Die irdischen „Göttersöhne“ erscheinen völlig menschlich, und so wird
auch Jahve, das Haupt der himmlischen Göttersöhne, nach der Schöpfung
ganz menschenähnlich, nicht wie ein Gott, sondern wie ein Heilbringer
dargestellt, ja noch in dem spät entstandenen Buche Hiob, in dem er
wie ein Held und Kämpfer auftritt. Diese Menschlichkeit dauert an;
Jahve wandelt im Paradies in der Kühle des Tages, spricht mit Adam,
Eva, Kain, Noah, Abraham, Jakob, Moses u. s. w. und verkehrt noch mit
König David durch Nathan. Er ist der besondere Gott des Volkes Israel,
das ferne davon ist, die Götter anderer Völker nicht für wirklich zu
halten, ja sogar sich zeit- und teilweise diesen zuwendet (wie dem Baal
und Moloch der Phöniker).

Dies ändert sich aber um das Jahr 760 v. Chr. durch +Amos+, den ersten
der zeitlich bestimmbaren Propheten. Seitdem entwickelt sich Jahve vom
Gotte eines Volkes zum Gotte der damaligen Welt, d. h. der Erde, vom
Eingotte zum Alleingotte. An die Stelle des Namens Jahve tritt der
früher als Mehrzahl, jetzt als Einzahl geltende: Elohim. Es ist jetzt
ein Plural der Majestät. Elohim ist zwar immer noch ein Gott seines
Volkes, aber der einzige Gott, mit Ausschluß aller übrigen, die nur
noch Götzen sind.

Mit dem +Christentum+ änderte sich dieses neuerdings. Der sein Volk
bevorzugende Gott wird zu einem Gotte der Menschheit, der keinen
Unterschied der Völker mehr kennt. Aber -- er ist immer noch ein
bloßer Gott der +Erde+, der nun +diese+ vor allen übrigen Weltkörpern
bevorzugt, was darin seinen Gipfelpunkt erreicht, daß er ihr seinen
Sohn sendet. Denn es wird bei dieser Anschauung angenommen, daß
die Menschen der Erde die einzigen denkenden Wesen im Weltall und
die übrigen Weltkörper nur um der Erde zu leuchten da seien. Nach
den ungeheuern Fortschritten der Astronomie seit Kopernikus ist
diese Auffassung unhaltbar geworden. Es gibt Millionen Sonnen mit
wahrscheinlich undenkbar vielen Planeten, auf denen organisches Leben,
auch mit Steigerung zum Denken, besteht, bestand oder bestehen wird.
Solche der Erde allein zuzuschreiben, ist entweder keck oder kindisch,
sonst wäre ja die ganze Sternenwelt nur wesenloser Schein!

Seitdem besteht eine unausfüllbare Kluft zwischen den Kirchen, die
immer noch an einem Gott der Erde hängen, wie das Dogma von der
Dreifaltigkeit drastisch zeigt, deren zweite Person ja nur der Erde
angehört, und der aufgeklärten Menschheit, die nach einem Gotte der
+Welt+ (im +wahren+ Sinne, nicht im Verstande von Erde) verlangt. Die
+Freimaurerei+ steht auf +diesem+ Standpunkte; denn sie nennt Gott
den +allmächtigen Baumeister der Welt+ oder auch: +aller Welten+. Sie
fragt aber keinen Bruder nach seiner persönlichen Vorstellung von Gott,
sondern überläßt dies ihm und seinem Gewissen. Sie verlangt daher
auch keinen Glauben an einen +persönlichen+ Gott, sondern läßt auch
+dem+ Gerechtigkeit widerfahren, der den Begriff „Person“ für viel
zu beschränkt und eng begrenzt hält, um ihn dem +unfaßbaren Geiste+
beizulegen, der das unendliche Weltall in seiner wunderbaren Ordnung
erhält und unzweifelhaft über jeder Vorstellung hoch erhaben ist, die
sich die kindlichen Menschen der Erde von ihm zu bilden vermögen! --

Es ist ja gar nicht anders möglich! Diejenigen Weltkörper, welche
denkende, d. h. menschenartige Wesen hervorzubringen vermögen, tun dies
ihrer Natur gemäß, und diese ist notwendig verschiedenartig. Solche
menschenartige Wesen sind daher auf den verschiedenen Weltkörpern
untereinander eher unähnlich als ähnlich. Gott anthropomorphisch,
d. h. mit Eigenschaften, wie sie die Menschen der Erde besitzen, sich
vorzustellen, ist gewiß ein Recht frommer, aber dem Weltenbau fremder
Seelen; wissenschaftlich ist es nicht. Gott ist ein Geist; eine Gestalt
und solche Eigenschaften wie die Menschen kann er nicht haben, weil
er keinen Körper hat, wenn nicht das Weltall selbst diesen bildet.
Dann ist er aber eben für Menschenverstand unfaßbar, und wir müssen
uns bescheiden zu sagen: +Er ist der Geist der Welt+; mehr können wir
nicht, wenn wir uns nicht in bodenlose Phantasien verirren wollen!


~b~) Der ewige Osten.

Von +Osten+ kommt das Licht, von Osten erhebt sich die Sonne, uns zu
erleuchten und zu wärmen, von Osten kam die Leuchte der Kultur zu
uns, von Osten wird die Loge erleuchtet und geleitet. Von Osten kommt
+Ostern+, und zu Ostern erwacht die Natur zu neuem Leben und berichtet
uns die ehrwürdige Überlieferung die Auferstehung eines der größten
Geister, für die Meisten unter uns des größten unter allen, weil des
reichsten an Liebe. Weil also von Osten das Licht, das Leben und die
Liebe kommen, nennen die Freimaurer auch den unbekannten, rätsel- und
geheimnisvollen Ort, wohin +die+ gehen, für die auf der Erde Licht,
Leben und Liebe aufgehört haben zu leuchten und zu blühen, -- +den
ewigen Osten+. Denn weil alles Leben von ihm kommt und wieder zu ihm
zurückkehrt, ist er ewig wie der keinen Anfang und kein Ende kennende
Kreis der Ewigkeit, der ewige Kreislauf des Lebens der Welt und des
Wirkens Gottes.

Der ewige Kreislauf alles Lebens, der sich offenbart in der ewigen
Wiederkehr der Sonne am Morgen und der des Mondes und der Sterne am
Abend, des Aufkeimens der Pflanzenwelt im Frühling, der Verwandlung
der Insekten aus mühsam kriechenden in lustig fliegende Wesen hat seit
den ältesten Zeiten und bei fast allen Völkern die Menschen dahin
geleitet, wie für die gesamte Natur, so auch für das Leben jedes
Einzelnen eine Auferstehung nach dem Tode zu erwarten. Nicht zu leugnen
ist, daß neben diesen Beobachtungen zuerst auch die Selbstliebe des
Menschen, später die große, gar zu oft übertriebene Ansicht von der
Wichtigkeit seines Ich bestimmend auf sein Verlangen, nach dem Tode
fortzuleben, eingewirkt hat, während in edler entwickelten Naturen
an die Stelle dieser Stimmungen eine uneigennützige Hoffnung auf ein
Wiedersehen mit den vorangegangenen Lieben und ein besseres Dasein der
Geister überhaupt nach dem Willen Gottes trat. Träume im Schlafe vom
Wiedersehen mit Verstorbenen trugen ebenfalls das ihrige dazu bei.
Alle diese Umstände zusammen genommen erklären es, warum sämtliche
Religionen ihren Vorstellungen vom Fortleben nach dem Tode, oder, wie
es kurz ausgedrückt wird, ihrem +Jenseits+ ein durchaus +sinnliches+
Gepräge geben, als ob es sich von selbst verstände, daß die Seele nach
ihrer Trennung vom Körper einen neuen, wenn auch leichtern und zartern
Leib erhielte, wodurch? wird niemals erklärt werden, weil es nicht
erklärt werden kann.

Der Begriff des „Wiedersehens“ schließt offenbar ein Sehen und das
Sehen Augen in sich. Mit einem bloß geistigen Sehen würde sich
schwerlich ein Jenseitsgläubiger befriedigt fühlen, abgesehen von
der Unklarheit dieses Begriffes. Damit ist auch die Religion nicht
zufrieden, indem sie sogar eine „Auferstehung des Fleisches“ lehrt.
Wo die Seele zwischen dem Tode und dieser Auferstehung weile, ist
ein -- Geheimnis. Es ist auch unklar, von wem bis dahin die Orte
des Jenseits bevölkert würden. Die römische Kirche füllt diese
Lücke mit dem Fegfeuer aus, ohne zu erklären, wie körperlose Seelen
von einem Feuer gebrannt werden können. Diese Bedenken hielten
aber den großen, mit riesenhafter Phantasie begabten Dante und
andere Jenseitsschilderer nicht ab, schon zu ihren Lebzeiten Hölle,
Reinigungsort und Himmel (Paradies) bereits ziemlich angefüllt
darzustellen. Manche Völker suchten sich den Zwiespalt zwischen der
Trennung von Seele und Körper und sinnlichem Jenseits dadurch zu
erklären, daß sie als das Fortlebende den Atem oder Schatten des
Menschen betrachteten; manche auch ließen Pflanzen und Tiere nach ihrem
Absterben im Jenseits fortleben, andere wieder nahmen im Menschen
2, 3, 4 Seelen an, deren jede eine besondere Bestimmung habe. Nicht
selten ist der Glaube an eine zeitweilige Abwesenheit der Seele vom
Leibe, eine öfter wiederholte Trennung beider. Dieser Glaube hat als
Aberglaube die bizarrsten Auswüchse krankhafter Phantastik erzeugt,
wie die Sagen von Doppelgängern, vom „zweiten Gesicht“, Fernwirkungen,
Todesverkündigungen, Ekstasen, Verzückungen und anderes. Der
Widerspruch, daß ein Leben zwar einen Anfang, aber kein Ende haben,
also zugleich endlich und unendlich sein soll, sucht die in Indien
besonders lebhaft ausgeschmückte Lehre von der +Seelenwanderung+ zu
lösen, nach der die Seele nach dem Tode unbekannt wo weilen und nach
geraumer Zeit in einem neuen je nach ihrem Verdiente tierischen oder
menschlichen Körper wieder geboren werde und so ohne Anfang und Ende.
Nur das seligen Geistern vorbehaltene +Nirvana+ (wörtlich: Auslöschen)
befreit davon.

Der Aberglaube an Geistererscheinungen fußt natürlich auf dem Glauben,
daß der Abgeschiedene seine Gestalt behalte, der an Spuk darauf, daß
ihm auch seine physischen Kräfte gewahrt bleiben, beide darauf, daß die
Seele an oder nahe bei ihrem Aufenthalte im Leben verweilen müsse, bis
sie erlöst würde.

Der +Ort+ des Jenseits macht die buntesten Phantasien durch. Man
kennt Eingangstore zum Totenreiche, so zum griechischen Tartaros, zum
römischen Orkus; im deutschen Volksglauben führen verschiedene Stellen
durch Sümpfe, Höhlen u. s. w. dahin. Naturvölker fabeln von Abenteuern,
die der Tote auf seiner Reise ins Jenseits zu bestehen habe; er muß
steile und schlüpfrige Berge, haarschmale Brücken, Abgründe, reißende
Ströme, Meere u. s. w. überwinden. Es wird auch erzählt, daß Seher,
Häuptlinge u. dergl. dort gewesen und auf die Erde zurückgekommen
seien. Das Jenseits liegt je nach dem Volksglauben in hohlen Bergen,
unter der Erde, auf entfernten Inseln, über Meeren, natürlich meist
im Westen, weil die Sonne dort untergeht, daher auch eine Unterwelt
besonders oft angenommen wird. Unser Zeitgenosse, Prof. Bautz in
Münster versichert, die Hölle liege unter der Erdoberfläche und die
Vulkane seien ihre Schlote. Weit poetischer verlegen Naturvölker ihr
Jenseits auf Sonne, Mond oder Gestirne; Wilmershof (1866) suchte das
für die Erdbewohner auf der Venus! Der Himmel ist vielfach bevorzugt,
natürlich soweit man an ein Himmelsgewölbe glaubt. Manche Völker sind
auch mit den Wolken zufrieden. Fischervölker wünschen ein Land mit
viel Wasser, Jägervölker ein solches mit viel Wild, Nomaden eines mit
herdenreichen Fluren oder Steppen, also einfach eine Fortsetzung des
irdischen Lebens.

Allgemein erwartet man im Jenseits eine +Belohnung+ der guten und
eine +Bestrafung+ der bösen Taten. Darüber soll das +Weltgericht+
entscheiden, -- eine Übertragung menschlicher Verhältnisse auf das
Jenseits; wie aber über diejenigen entschieden werde, die sich
nach dem Glauben ihrer Bekannten schon jetzt in Himmel oder Hölle
befinden, weiß niemand! Natürlich beruht diese Vorstellung auf der
Ansicht, daß die Erde die Welt sei, die Erwartung von Lohn und Strafe
aber auf selbstsüchtigen oder mißgünstigen Meinungen, oder etwa auf
Gerechtigkeitssinn? Bei wem ist denn etwa dieser unfehlbar?

Im Gegensatze zu diesen mannigfachen Vorstellungen vom Jenseits gab es
eines der höher zivilisierten Völker, das +keine Fortdauer+ der Seele
nach dem Tode annahm. Es waren dies dieselben +Israeliten+, bei denen
der Glaube an Einen, alleinigen Gott seinen Ursprung hatte. Selbst
orthodoxe Theologen geben zu, daß im A. T. bis zur Wegführung der Juden
nach Babylon sich keine Lehre über eine Fortdauer nach dem Tode finden
lasse. Der Grund davon kann kein anderer sein als der, daß sich zu
diesem Glauben kein Bedürfnis zeigte. Das Wort +Scheol+, worin man eine
Art Jenseits, eine Unterwelt suchte, zeigt in allen Zusammenhängen, daß
damit +das Grab+ gemeint ist. Nach der Rückkehr aus Babylonien erst,
ohne Zweifel durch Einwirkung der +persisch-zoroastrischen Lehre+,
nahmen die Juden eine Vorstellung vom Jenseits und zwar gleich eine
recht ausgeschmückte an.

Es läßt sich nachweisen, daß die Lehren vom letzten Gerichte, von der
Auferstehung der Leiber, von den Engeln und Teufeln und selbst vom
+Messias+ (pers. Sosiosch) von den Persern zu den Juden und von diesen
zu den Christen gewandert sind. Seitdem bevölkerten sich der +Himmel+
(Abrahams Schoß genannt) und die +Hölle+ (Gehenna) außer jenen guten
und bösen Geistern mit den Seelen der guten und bösen Menschen, welche
Vorstellung die Masse des Volkes noch heute beherrscht.[14]

Die Freimaurerei hat sich niemals über Einzelheiten des
Unsterblichkeitsglaubens ausgesprochen, sondern die Ansichten über
diesen Begriff, der ja an soviel Unklarheit und Widersprüchen leidet,
den Brüdern freigegeben. Man kann ebensogut ein wackerer Mensch und
treuer Bruder sein, wenn man unter Unsterblichkeit das Andenken bei den
lieben Hinterlassenen und den Ruhm bei der Mit- und Nachwelt versteht,
wie wenn man an Himmel und Hölle, Engel und Teufel glaubt (doch dürfte
der Glaube an die bösen Geister und ihr Reich unter den Brrn. sehr dünn
gesät sein, trotz der Freundschaft zu Satan, die uns unsere Feinde
lächerlicherweise andichten); denn es bedarf zu dem Verzicht auf ein
„ewiges“ Leben einer starken Seele und eines unabhängigen Geistes.
Dessenungeachtet ehrt die Freimaurerei den Begriff der Unsterblichkeit
hoch und nimmt dies auch von den Brrn. an. Mit der Außenwelt teilt
sie daher auch das Sinnbild der Ewigkeit (Gottes und der Welt) in der
Gestalt des eine sich in den Schweif beißende Schlange vorstellenden
+Ringes+, ohne es bei besonderem Anlasse anzuwenden. In diesem
Sinnbilde liegen zugleich Weisheit, Stärke und Schönheit, nämlich
Weisheit im Glauben an die Ewigkeit des Allgemeinen, des Wahren,
Stärke in dem an die Ewigkeit des Guten und Schönheit in der Form des
Ringes selbst, der schönsten, die es gibt. Das Sinnbild ist in der Tat
sehr alt und bei allen höher strebenden und tiefer fühlenden Menschen
geehrt. Weil es ohne Anfang und Ende ist, liegt darin alles enthalten,
was es Wahres, Gutes und Schönes gibt.

Und so schließen wir mit diesem Ringe der Ewigkeit unsere kurz gefaßten
Betrachtungen über die Sinnbilder der Freimaurerei, indem wir hoffen,
daß unsere Abweichung von einigen bisher geläufigen, aber nach unserer
Überzeugung veralteten Anschauungen, als im Interesse der Freimaurerei
selbst vorgebracht, mit brüderlicher Nachsicht beurteilt werden möchte.

Es folgt noch, der Vollständigkeit wegen, ohne einzelne Sinnbilder zu
berühren, eine kurze Darstellung der verschiedenen freimaurerischen
Systeme oder Lehrarten.


  [13] +Breysig+, Die Entstehung des Gottesgedankens und der
       Heilbringer. Berlin 1905. +Gunkel+, Schöpfung und Chaos.
       Göttingen 1895.

  [14] Über diese Gegenstände handelt ausführlicher des Verf. Buch „Das
       Jenseits“. Leipzig 1881. S. 1 ff. und 80 ff.




12. Die Lehrarten.

    Immer höher muß ich steigen,
    immer weiter muß ich schaun.

                 +Goethe+, Faust II.


~a~) Die englischen Lehrarten.

Unter Lehrarten oder Systemen versteht man in der Freimaurerei die
Art und Weise, wie in einem Lande oder an einem Orte die Freimaurerei
gelehrt und durch Sinnbilder dargestellt wird.[15] Da die Freimaurerei
(wie in unserer Schrift „~Adhuc stat~“, eingehender in den Geschichten
der Freimaurerei gezeigt wird) ihre Heimat in England hat, so ist
natürlich die +englische+ Lehrart die älteste.[16] Ihre erste
Einrichtung beruht auf dem von dem Prediger ~Dr.~ James +Anderson+ im
Jahre 1723 verfaßten Gesetzbuche, „Konstitutionenbuch“ genannt. Es war
gerade die Zeit, in welcher die Werkmaurer, die die englische Großloge
1717 gegründet hatten, aus den leitenden Beamtenstellen verschwanden
und durch Adelige und Gelehrte ersetzt wurden. Die Londoner Brüder
waren jedoch nicht die einzigen im Lande; schon 1725 entstand in
+York+ eine eigene Großloge, die beinahe das ganze 18. Jahrhundert
hindurch eigene Logen leitete, doch ohne die von London aus gestifteten
zu behelligen. In demselben Jahre erscheinen hier die +drei Grade+
zum ersten Male, und im Jahre 1730 trat der erste freimaurerische
Katechismus an das Tageslicht. Es wurden bald darauf an der Stelle
der bisherigen weißen Gleichförmigkeit in der maurerischen Kleidung
für die Großbeamten farbige Unterschiede im Besatze der Schurze und
in den Bändern eingeführt. Auch der Einheit des Bundes drohte in der
nächsten Zeit eine Gefahr, nicht von der Großloge in York, sondern von
einer neuen, die sich 1751 vorzüglich aus Irländern bildete und deren
Mitglieder sich ~Ancient Masons~, Alte Maurer, nannten, weil sie die
alte echte Freimaurerei herzustellen beabsichtigten. Seitdem nannte man
die früher entstandene Großloge die der Neuen Maurer (~Modern Masons~).
Die sog. Alten Maurer hatten bis 1756 keinen adeligen Großmeister,
wählten sich aber dann ebenfalls einen solchen. Beide Körperschaften
lebten indessen im Frieden miteinander. Beide auch führten in den
vierziger Jahren eine neue Abweichung vom alten Freimaurertum ein,
nämlich den über den ersten 3 Graden stehenden „Royal Arch-Grad“
(Grad des königlichen Gewölbes), den ersten Keim des unseligen
Hochgradwesens. Erst in den Jahren 1809 bis 1813 vereinigten sich die
beiden Großlogen zu einer einzigen auf der Grundlage der +vier Grade+,
mit Ausschluß aller „höheren“ oder der sog. Ritterorden. Dagegen
setzte die 1736 gestiftete Großloge von Schottland an die Stelle des
Royal Arch die beiden „Markgrade“ (die später in einen verschmolzen),
und die von Irland (1731) anerkannte gleich eine ganze Menge von
Hochgraden, sogar von Tempelrittergraden, doch ohne ihnen als solchen
den Zutritt in die Logen der 3 alten Grade zu gestatten.

Schon früh, jedoch ohne alle diese Zutaten, fand sowohl das alt-
als das neuenglische System Eingang in +Deutschland+, und zwar in
dreierlei Gestalt: 1. in +Frankfurt+ am Main 1742, wo die dortige
englische Gründung (die spätere Loge zur Einigkeit) wacker gegen die
damaligen ritterlichen und hochgradigen Verirrungen Stand hielt und
sich 1783 zum +Eklektischen Bunde+ entwickelte, der sich erst 1822
von der englischen Großloge trennte und zur selbständigen Großloge
wurde. Seit 1844 ist hier die seit 1811 bestandene Ausschließung der
Nichtchristen wieder aufgehoben, aber 1846 trennten sich vom Bunde die
hessischen Logen und errichteten eine eigene Großloge in +Darmstadt+.
2. In +Berlin+ arbeitete Ignaz Aurelius +Feßler+ (1756-1839), der
frühere österreichische Kapuziner, das Ritual der Loge „+Royal York+“
um 1800 in englischer Weise um, wobei an die Stelle höherer Grade ein
Innerer Orient mit „Erkenntnisstufen“ höheren moralischen Gehaltes
trat. Nach der Erhebung jener Loge zur Großloge verbreitete sich
deren Ritual nicht nur über ihr Gebiet, sondern auch über andere
Orte Deutschlands; doch fanden mehrfache Abänderungen statt, und
an die Spitze der Inneren Oriente trat ein Innerster Orient; 3. In
+Hamburg+ wurde 1801 durch Friedrich Ludwig +Schröder+ (1744-1816) das
Gebrauchtum der dortigen Großen Loge durch Abschaffung aller Hochgrade
verbessert und alles, was über den 3. Grad hinausging, in dem +Engbund+
mit kritisch-historischem Charakter vereinigt. Dieses dem englischen
nachgebildete System ist das der Großlogen von Hamburg und Sachsen
und auch außerdem mehrfach verbreitet. Der Engbund hat jedoch seine
Bedeutung längst eingebüßt, und sein Inhalt gehört der öffentlichen
wissenschaftlichen Forschung an.

Im Hergange der Gebräuche unterscheiden sich die beiden englischen
Systeme wesentlich nur durch die Stellung der beiden Aufseher (s. oben
S. 6). Das neuenglische anerkennt 3 große Grundsätze: Bruderliebe,
Hilfe und Treue, als die 3 großen Lichter die sonstigen 3 kleinen, und
die sonstigen 3 großen L. bloß als die Logengeräte. Die 3 Umführungen
werden nicht als Reisen (da ja Lehrlinge noch nicht reisen), sondern
nur als Vorbereitungen zur Aufnahme betrachtet. England kennt weder die
Elementarproben, noch Hut und Handschuhe in der Loge, auch die Kette
nicht mehr, was alles aber in den deutschen Übernahmen der englischen
Systeme gebräuchlich ist. -- Dagegen blieben in England noch andere
Sinnbilder, die in Deutschland nicht Aufnahme fanden. Ebenso verhält
es sich mit den Royal Arch- und Merkgraden, die übrigens in England
unter besonderen Behörden (Kapiteln) stehen. Die englische Lehrart hat
gegenüber dem aristokratischen Wesen der Hochgrade einen wesentlich
demokratischeren Charakter.

In einzelnen Logen haben sich neuerdings Ableger der englischen Systeme
gebildet, so 1865 und 70 in +Freiburg+ im Breisgau durch Gottfr. Aug.
+Ficke+ aus Hamburg (1808-1887), der mit dem Polen +Twenlowski+ eine
eigenartige religiös-moralische Reform durchführte. In +St. Gallen+
wurde 1868 das bis dahin geltende rektifizierte schottische System in
altenglischem Geiste mit einigen neuen Gedanken umgearbeitet, was auch
in andern deutsch-schweizerischen Logen Annahme fand. Die Großloge
zur Sonne in +Baireuth+ einigte sich 1873 auf das vom Professor
+J. K. Bluntschli+ in Heidelberg (1808-1881) verfaßte Gebrauchtum
auf englischer Grundlage, diejenigen von Marbach und Findel fanden
ebenfalls Beifall. Überall, wo die englische Lehrart in Deutschland
Fuß faßte, huldigen die Logen dem humanitären Prinzip ohne religiöse
Ausschließlichkeit. In den +drei alten Graden+ ist auch unter der
Oberherrschaft der zwei folgenden Systeme das Gebrauchtum der
englischen Lehrart im wesentlichen erhalten geblieben.


~b~) Die französischen Hochgradsysteme.

Wenn auch nicht die ersten, wie vorhin gezeigt, so schreiben sich
doch die schwersten und schädlichsten Abweichungen der Freimaurerei
von ihren alten und echten, einfachen und prunklosen Grundsätzen
von ihrer Einführung in +Frankreich+ her. Hier entstanden in Mitte
des 18. Jahrhunderts die sog. +Schottengrade+ und +Schottenlogen+.
Mit Schottland haben diese nichts zu tun, wie die dortige Großloge
wiederholt erklärt hat. Woher also der Name kam, ist nicht sicher
nachzuweisen, doch wohl von irgend welchen Verbindungen mit dem in
Frankreich flüchtigen Hause Stuart oder von Sagen über alten Bestand
der Freimaurerei in Schottland. Viel liegt nicht daran; denn der
Inhalt dieser Grade, deren es etwa 50 an der Zahl gab oder noch gibt,
bezieht sich auf ganz andere Dinge, so daß der Name willkürlich
und unzutreffend erscheint. Es ist nicht hier, sondern in der
Geschichte der Freimaurerei der Ort, zu erzählen, wie sich dieses
Unwesen in Frankreich und zeitweise als „strikte Observanz“ auch in
Deutschland verbreitet hat, in welcher Verbindung es mit Schwärmern
und Schwindlern, sowie mit der römischen Kirche und den Jesuiten stand
und welche Wahnideen von einer Fortdauer des Tempelritterordens in der
Freimaurerei es nährte und pflegte.

Der heute noch bestehende und am weitesten verbreitete Zweig
der sog. schottischen Maurerei ist das sog. altschottische oder
französisch-schottische System der 33 Grade, deren Namen und
angeblichen Inhalt wir oben (S. 41 ff.) aufgezählt haben, -- angeblich
sagen wir, weil es doch unwahrscheinlich ist, daß sich ernsthafte
Männer mit solch’ unnützen Dingen beschäftigen sollten, unter denen
wohl anderes (gewiß harmloses) verborgen steckt.

Die ersten Spuren dieses Systems finden sich in dem sog. Kapitel
von +Clermont+, welches am 24. Nov. 1754 der Chevalier de Bonneville
in Paris stiftete. Der Name Clermont war bezeichnenderweise von dem
Collège Clermont entnommen, einem Jesuiten-Kollegium in Paris, von wo
aus die Unternehmungen der Prätendenten Jakob III. und Karl Eduard
Stuart unterstützt wurden. Das System Clermont arbeitete mithin im
doppelten Interesse der Jesuiten und der Stuarts, und ist die Mutter
oder wenn man will Großmutter des „alten und angenommenen schottischen
Ritus“. Es enthält sieben Grade, nämlich über dem Meister: 4.
schottischer Meister, 5. erwählter Ritter des Adlers, 6. erhabener
Ritter oder Templer, 7. höchster erhabener Ritter. Diese Titel waren
schon nichts weniger als bescheiden; aber es kam noch stärker. Es
bildete sich auf Grundlage des genannten Systems 1757 in Paris ein
neues, dessen Bekenner sich nicht geringer benannten, als: Souveräne
Maurerfürsten, allgemeine Stellvertreter der k. K., Große Aufseher und
Beamte der großen und souveränen ▭ von St. Johannes zu Jerusalem. Neben
diesem langen Titel trugen die Oberen des Ordens noch den kürzern, aber
erhabenern der „+Kaiser vom Osten und Westen+“. Unter ihnen war der
Orden in 25 Grade eingeteilt, welche sieben Klassen bildeten. Diese
25 Grade sind in den jetzigen 33 immer noch vorhanden, und unsere
Dreiunddreißiger sind mithin die direkten Nachfolger von Leuten, welche
sich selbst in vollem Ernste „Kaiser vom Osten und Westen“ nannten. Im
gewöhnlichen Leben würden Menschen von gesundem Verstande Leute, die
sich eine Würde beilegen, die sie nicht besitzen, einfach „Narren“
nennen. Diese Titularkaiser vereinigten sich 1772 mit der französischen
Großloge; 1780 aber nahmen sie, wieder getrennt, den Titel „Souveräner
Rat und erhabene Mutterloge der Vortrefflichen“ an. Von diesem System
nun, aber als es noch den Kaisertitel führte, erhielt am 27. Aug. 1761
der Pariser Jude Etienne +Morin+ ein Patent als „Großer Erwählter,
vollkommener und alter erhabener Meister, Maurerfürst, Ritter und
erhabener Fürst aller Orden der Perfektions-Mrei“ u. s. w., die Würde
eines Deputierten Groß-Inspektors in allen Teilen der Neuen Welt, und
die Vollmacht, in Amerika die Freimaurerei durch die Mitteilung aller
von den „Kaisern“ anerkannten 25 Grade zu verbreiten u. s. w. Morin
tat dies, verbreitete das System der Kaiser des Ostens und Westens
in San-Domingo, Jamaika und Charleston, und hier war es, wo sich
dasselbe um 8 Grade erweiterte und also deren 33 erhielt (angeblich
nach den Lebensjahren Jesu, der aber von solchen Prunktiteln nichts
wußte). In Frankreich gingen unterdessen die „Kaiser des Ostens und
Westens“ und ihre Nachfolger in der Revolution unter wie die übrigen
Freimaurer auch; aber im Jahre 1804 kehrte der Graf de Grasse-Tilly mit
den französischen Truppen aus San-Domingo nach Paris zurück, versehen
mit einer Vollmacht des ~Suprème Conseil~ des schottischen Ritus zu
Charleston, laut welcher er in Europa Logen nach diesem Systeme zu
errichten das Recht besaß. Noch in demselben Jahre gründete er den
noch heute bestehenden ~Suprème Conseil~ des 33. Grades und trat an
dessen Spitze als ~Souverain Grand Commandeur~, welche Stellung er bis
1806 bekleidete, wo der Kanzler Cambacerès ihm nachfolgte, welcher
zugleich Großmeister des ~Grand Orient~ war, was er bis zum Sturze des
Kaiserreichs 1814 blieb. Mit dieser Zeit begannen die Reibungen und
Zwistigkeiten der beiden Körperschaften, welche beide die 33 Grade
besaßen und jede die allein rechtmäßige sein wollte.

Die ganze Einrichtung des schottischen Systems der 33 Grade beruht nun
auf der erdichteten Behauptung, Karl Eduard Stuart (welcher gar nie
Maurer war, sondern die Freimaurer zur Erreichung seiner dynastischen
Zwecke zu mißbrauchen suchte) habe Friedrich II., König von Preußen
(welcher mit Karl Eduard gar nie in Verbindung stand, sondern ein
beständiger Verbündeter des in England regierenden Hauses Hannover
war, welches Karl Eduard zu stürzen versuchte) zum Großmeister (welche
Würde Karl Eduard niemals zu vergeben hatte) und zu seinem Nachfolger
(in einer Würde, die er selbst nicht besaß) +ernannt+, und dieser,
Friedrich der Große, habe am 1. Mai 1786 (als er sich längst nicht mehr
um die Freimaurerei bekümmert hatte) die Hierarchie des schottischen
Ritus (der in +dieser+ Form in Deutschland +niemals+ existiert hat)
von 25 auf 33 Grade (welche Zahl erst 1801 in Amerika entstand) erhöht
und die oberste Gewalt einem ~Suprème Conseil~ (welche Behörde es in
Deutschland +niemals+ gegeben hat) übertragen. Zum Überfluß hat die von
Friedrich im Anfang seiner Regierungszeit (um 1740) gegründete Große
Mutterloge zu den 3 Weltkugeln in Berlin im Jahre 1862 jene Ordenssage
offiziell als eine +Lüge+ erklärt. Endlich hat im Jahre 1875 der
Kongreß des schottischen Ritus in Lausanne ebenfalls für gut gefunden,
die Erzählung von Friedrich dem Großen aufzugeben. Es scheint dies
jedoch mehr aus französischem Preußenhaß, als aus wissenschaftlicher
Gewissenhaftigkeit geschehen zu sein; denn wäre die letztere maßgebend
gewesen, so hätten auch die 33 Grade aufgegeben werden müssen. Es ist
jedoch an letzteren kein Jota abgelassen worden, obschon Jedermann
weiß, daß die 33 Grade in Wahrheit gar nicht existieren, sondern in
+fünf+ bis +sieben+ Einweihungen erteilt werden, -- so daß hier der
beste Anlaß gewesen wäre, die Grade auf fünf bis sieben zu vermindern,
-- wenn nicht das Bestreben, mit pomphaften Titeln und klingendem
Anhängsel an bunten Bändern zu prunken und zu prangen, alle anderen
Rücksichten überwöge. Die schottischen Brüder werden zwar darin Mangel
an brüderlicher Liebe und an Festigkeit in den maurerischen Prinzipien
finden; aber die +Wahrheit+ tut der Liebe +niemals+ Eintrag. Wer auf
Liebe Anspruch macht, muß auch die +Wahrheit+ ertragen können, ja er
muß dem Bruder, der ihm die Wahrheit sagt, sogar +dankbar+ sein!!!

Die Fabeldichtung des sog. schottischen Systems, an sich schon stark
genug der Wahrheit ins Gesicht schlagend, wurde noch weit übertroffen
durch zwei spätere französische Ordensschöpfungen, die ihren Ursprung
aus Ägypten herleiteten.

1. Der Ritus von +Misraim+ (hebr. Name von Ägypten) wurde im Anfange
des 19. Jahrh. durch den jüdischen Armeelieferanten Michel +Badarride+
aus Avignon und seine zwei Brüder in Frankreich eingeführt und
verbreitet. Die Sage von seinem hohen Alter ist zu lächerlich, um
erwähnt zu werden. Die Lehre des „Orientalischen Ordens“, wie er sich
auch nennt, ist eine Art mystischer Naturphilosophie und wird in 4
Serien, 17 Klassen und 90 Graden mit äußerst hochtrabenden Titeln
„mitgeteilt“. Er behauptet, über seinem sichtbaren Oberhaupt, dem
„souveränen Fürsten“, noch ein unbekanntes, den souveränen Großmeister
zu besitzen. Seine Bemühungen, vom französischen Großorient anerkannt
zu werden, blieben ohne Erfolg. Er brachte es bis 1898 auf 10 Logen.

2. Der ganz ähnliche Ritus von +Memphis+, der sich ebenfalls
orientalischer Freimaurer-Orden nennt und eine ebenso keck erfundene
Sage von uraltem Ursprunge behauptet, wurde in Wirklichkeit erst 1814
von Samuel +Honis+ aus Kairo nach Frankreich gebracht und hatte 1816 in
Montauban in einem gewissen +Marconis+ sein „Groß-Hierophant“ genanntes
Oberhaupt. Er schlief bald ein, erwachte aber 1838 unter Marconis
dem Jüngern und verbreitete sich nach Belgien, England, dem Orient
und Amerika. Seine von der Polizei nicht sehr geachteten Geheimnisse
verteilte er in 7 Klassen und 90 Graden, deren oberer „Souveränes
Sanktuarium“ (Heiligtum) genannt wurde. Die Lehre des Ordens ist
ein Wandelgang durch alle Mysterien und Geheimbünde der Geschichte.
Im Jahre 1860 schränkte er seine Grade auf die Zahl 33 ein. Vom
Großorient erhielt er 1862 die Anerkennung, worauf sich jenem seine
Pariser Logen anschlossen, während die auswärtigen unabhängig blieben,
sich aber mit dem Misraim-Orden (1898) verschmolzen; neuerdings hat der
vereinigte Orden auch in Deutschland Eingang gefunden.


~c~) Die schwedische Lehrart.[17]

Die Freimaurerei wurde in Schweden 1735 eingeführt und erhielt dort
sieben aus Frankreich stammende Grade. Gründer des schwedischen Systems
aber wurde 1756 der spätere Kanzleirat Karl Friedrich +Eckleff+
(1726-1789), indem er auf Grund eines Freibriefes unbekannter Herkunft
in Stockholm ein Kapitel errichtete, das er als „Vikar Salomos“
leitete. Es folgte 1760 durch ihn die Gründung der Großen Landesloge
von Schweden, der sieben Logen unterstanden und in der er das Amt
des zugeordneten Landesgroßmeisters bekleidete. Die Logen vermehrten
sich, König Gustav III. trat selbst bei und übernahm den Schutz der
Landeslogen. Die aus Frankreich stammende Fabel von einem Zusammenhange
mit den Johannitern der Kreuzzüge wurde angenommen; auch die Legende
vom Fortleben der Tempelritter kam dazu und veranlaßte die Errichtung
drei weiterer Grade. Nachdem Eckleff seine Rechte dem spätern König
Karl XIII. verkauft hatte, ging die Leitung des Ordens ganz an den
jeweiligen König über und so blieb es bis heute, indem stets der König
Ordensmeister und der Kronprinz Landesgroßmeister ist.

Schon 1766 wurde die schwedische Lehrart in Deutschland eingeführt,
1814 in Norwegen und 1855 in Dänemark; und 1891 erhielt Norwegen eine
eigene Große Landesloge. In allen drei skandinavischen Staaten steht
die Ordensleitung beim König.[18]

Von der Lehrart der drei nordischen Reiche weicht die in Preußen
eingeführte in manchen Dingen ab. Eingeführt wurde hier das
schwedische System durch den Feldarzt Joh. Wilhelm Ellenberger
(1731-1782), der durch Adoption den Namen +v. Zinnendorf+ erhielt.
Zwar bereits der „strikten Observanz“ angehörend, aber nach höheren
Geheimnissen begierig, ließ er sich aus Schweden von Eckleff die
Akten seiner Grade und einen Freibrief senden, gründete Logen und
1770 die Große Landesloge von Deutschland, und 1773 erhielt er für
diese eine Anerkennung aus England und im nächsten Jahre diejenige
als Landesgroßmeister von Preußen. Nicht so günstig gestaltete sich
das Verhältnis zu Schweden, von wo der Freibrief Eckleffs widerrufen
wurde, worauf Zinnendorf 1777 seine Schöpfung von Schweden trennte.
Auch mit England erfolgte ein Bruch, mit Schweden aber 1819 Versöhnung.
Seit 1860 bekleidete der König von Preußen das Protektorat der Gr. L.
L., seit 1895 führt es Prinz Friedrich Leopold. Kronprinz Friedrich
Wilhelm, der spätere König und Kaiser +Friedrich+ III. verlangte als
Ordensmeister 1870 eine genaue Prüfung der geschichtlichen Ansprüche
der Gr. L. L. und Reformen in ihrer Einrichtung, im Sinne einer
Vereinfachung des Gebrauchtums, wie im Geiste der Zeit.

Der Gr. L. L. war dies unbequem; sie schloß den mit den Forschungen
beauftragten Archidiakon Schiffmann und die Logen in Stettin und
Stralsund aus; 1880 ließ sie sich aber wenigstens dazu herbei, die
Templerfabel aufzugeben.

Die Gr. L. L. von Deutschland (deren Grade oben S. 40 angegeben
sind) und die übrigen des schwedischen Systems huldigen einer
strammen protestantischen (doch unbekannt ob streng dogmatischen)
Orthodoxie und nehmen Nichtchristen nicht auf. Für sie ist die Bibel
kein bloßes Sinnbild, sondern eine Art Gesetzbuch. Die 3 alten
Grade sind zur Unbedeutendheit herabgedrückt und den höheren Graden
unbedingt unterworfen. Doch soll dieses Regiment (wohl infolge von
Unzufriedenheit der Unterdrückten) in neuester Zeit milder geworden
sein. Immerhin besteht ein scharfer Unterschied zwischen der Gr.
L. L. und den dem englischen System zugetanen Logen. Einigermaßen
wird diese Kluft notdürftig überbrückt durch die einem gemischten
System huldigende, weil Hochgrade (vier an der Zahl) besitzende,
Gr. National-Mutterloge +zu den 3 Weltkugeln+ in Berlin (1740 von
Friedrich dem Großen gegründet), eine deutsche Reform des schottischen
Systems, die zwar dem schwedischen System formell nähersteht, als dem
englischen, deren Mitglieder aber mit diesem mehr sympathisieren, wie
auch die christliche Ausschließlichkeit in ihr nur noch auf schwachen
Füßen steht.

       *       *       *       *       *

Werfen wir einen Blick auf die drei Hauptlehrarten der Freimaurerei
zurück, so gestaltet sich ihr geographisches Gebiet, wenn nach der
Großzahl, die sie in diesem einnehmen, gerechnet wird, die Minderheiten
anderer Systeme aber außer Berücksichtigung fallen, folgendermaßen:

I. +Englisches System.+ Dieses umfaßt Großbritannien, die Niederlande,
Deutschland westlich der Elbe[19], die Schweiz, Ungarn, die britischen
Kolonien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

II. +Schottisches+ (eigentlich französisches) +System+. Dieses umfaßt
Frankreich, Belgien, Italien, Griechenland, Rumänien, Spanien,
Portugal, Mittel- und Südamerika.

III. +Schwedisches System+ nebst den drei Weltkugeln, obschon diese
ihm keineswegs angehören: Deutschland östlich der Elbe[20], Dänemark,
Norwegen und Schweden.

Die herrschenden Richtungen sind folgende:

I. Aufgeklärter Theismus, ohne konfessionelle Färbung.

II. Früher Katholizismus, doch ohne Abhängigkeit vom Papsttum; jetzt
entschiedenes Freidenkertum.

III. Protestantische Orthodoxie, doch mit Hoffnung auf Entwicklung im
Sinne größerer Geistesfreiheit. --




Nachwort.


Aus dem Überblicke der freimaurerischen Systeme oder Lehrarten ist
zu ersehen, daß der Freimaurer-Bund viele Mannigfaltigkeit und ein
reiches Maß von Entwickelung und Gewissensfreiheit besitzt. Nicht wenig
günstig ist für ihn, daß diese seine Eigenschaften noch lange nicht
vollkommen sind (welche menschliche Einrichtung wäre dies?) und daher
große Hoffnung auf Verbesserungen gehegt werden darf, ohne die ja eine
Versumpfung unvermeidlich wäre. Daß er stetsfort an Zahl der Mitglieder
zunimmt, und zwar vorzugsweise an jüngeren Kräften, berechtigt schon an
sich zu Hoffnungen. Wie unser dem unerreichbaren Br. Goethe entnommenes
Motto sagt:

    Immer höher muß ich steigen,
    immer weiter muß ich schaun,

so soll sich auch der Bund verhalten. Er soll mit der Zeit alles
Kindliche und Naive, das wir bereits oben getadelt haben, weil es
einem überwundenen Standpunkt angehört, abstreifen und an dessen
Stelle Höheres und Weiteres setzen. Dazu besitzt er Keime genug,
namentlich in dem von ihm beobachteten richtigen Maße von Gefühl für
das Allgemeine und das Besondere, für Menschheit und Vaterland. Mit
allgemeiner Menschenliebe, mit Humanitätsstreben verbindet er, bei
der völligen Abwesenheit gemeinsamer Oberhäupter, Begeisterung für
die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Organisationen in den
einzelnen Ländern. Er ist die einzige +Internationale+ auf der Erde
(allerdings neben einer Anzahl ähnlicher, ihm nachgeahmter Verbände,
wie die Oddfellows, Druiden, Guttempler und viele andere), die mit
ihrem Kosmopolitismus auch Patriotismus verbindet. Alle übrigen
Internationalen sind vaterlandslos.

  1. die +schwarze+, d. h. der +Ultramontanismus+, der für Rom und sein
  Papsttum und dessen geträumte Weltherrschaft willig das Vaterland
  preisgeben würde und dessen willenlose Schafe auf jedes eigene Denken
  verzichten, nicht aus Treue, nur aus Sklavensinn,

  2. die +goldene+, d. h. die +Börsokratie+, der für Gold, Ehre,
  Gewissen, Familie, Heimat feil sind und die sogar nicht davor
  zurückschrecken würde, dem Feinde ihres Vaterlandes gegen gute
  Bezahlung Waffen zu liefern,

  3. die +rote+, d. h. die +Sozialdemokratie+ mit ihrem Vetter, dem
  +Anarchismus+, der das Vaterland „Wurst“ ist und die den Umsturz
  aller Ordnung und Kultur anstrebt, um die Menschheit in ein
  charakterloses Proletariat zu verwandeln, in dem jedes Hervorragen
  begabter Geister verpönt wäre und unterdrückt würde.

Diesen drei gewaltigen, aber unter sich feindseligen, ja einander
glühend hassenden Heeren, für deren erste es nur den Klerus und seinen
Anhang, für deren zweite es nur den Mammon und für deren dritte es nur
ein Proletariat gibt -- diesen Heeren gegenüber steht

  die +blaue+ internationale, die unter dem Banner der +Treue+ kämpft,
  bestehend aus der Freimaurerei und den ihr ähnlichen Bünden.

Sind diese Bünde auch nicht unter sich zu einer Einheit verbunden, so
beseelt sie doch ein gemeinsames Streben. Für sie +allein+ gibt es eine
Menschheit und ein Vaterland und wenn man will (nach Nietzsche) auch
ein Kinderland, und es steht zum Glücke überdies auf ihrer Seite der
unter allen Völkern waltende Geist der Freiheit, des Fortschrittes,
der Menschen- und Vaterlandsliebe. Von ihm unterstützt ist es unsere
Pflicht, unentwegt für die hohen Güter der menschlichen Kultur zu
kämpfen, ohne Furcht und Zagen +immer höher zu steigen und weiter zu
schauen+!

[Illustration]


  [15] Wir beschränken uns hier auf die +jetzt noch bestehenden+
       Lehrarten der Freimaurerei. Diejenigen früherer Zeit gehören in
       die +Geschichte+ des Bundes.

  [16] Nach Rob. Fischers „Darstellung der hauptsächlichsten freimaur.
       Systeme“. 9. Aufl. Leipzig 1906.

  [17] Ebenfalls nach Fischer oben S. 127.

  [18] In Dänemark besteht eine Loge, in Norwegen 5 sogar unter
       deutscher Großloge englischen Systems.

  [19] 136 Logen gegen 92 nicht englischen aber darunter nur 26 schwed.
       Systems.

  [20] 152 (darunter 85 schwedische) Logen gegen 40 englischen Systems.


Druck von Julius Beltz, Hoflieferant, Langensalza.






*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KURZGEFASSTE SYMBOLIK DER FREIMAUREREI ***


    

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