The Project Gutenberg EBook of Die Mormonen, by Moritz Busch This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Die Mormonen Ihr Prophet, ihr Staat und ihr Glaube Author: Moritz Busch Release Date: July 17, 2014 [EBook #46308] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE MORMONEN *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) [ Symbole für Schriftarten: _gesperrt_ : =Antiqua= : #fettgedruckt# ] Conversations- und Reisebibliothek. =Dr.= Moritz Busch. Die Mormonen. Leipzig Verlag von Carl B. Lorck. 1855. ------------------------------------------------------------------------ Die Mormonen. Ihr Prophet, ihr Staat und ihr Glaube. Von =Dr.= Moritz Busch. Leipzig Verlag von Carl B. Lorck. 1855. Erstes Kapitel Sectenwesen in Amerika. Wenn schon das politische Leben der Vereinigten Staaten eine beträchtliche Anzahl von Erscheinungen zeigt, die dem Fremden erst nach einem tiefern Studium von Land und Leuten einigermaßen verständlich werden, so ist dies bei den Gestalten, in welchen sich hier das religiöse Element ausgeprägt hat, noch bei Weitem mehr der Fall. Lassen sich dort in der bunten Mannigfaltigkeit der Parteien immerhin zwei große Grundmächte unterscheiden, die, zwei Trieben oder Zügen in der menschlichen Natur entsprechend, wie Ebbe und Fluth die Interessen der Gesammtheit tragen und ausgleichen, so entzieht sich das Gewimmel der Secten Amerika's beinahe jeder Eintheilung. Wir haben ein vollkommnes Chaos vor uns, in dem die Stoffe in wildester Weise durcheinandergähren, und vor welchem derjenige, den die Wissenschaft nicht an ähnliche Perioden in der Kirchengeschichte erinnert, an einen Verwesungsproceß des Christenthums glauben kann. Das stupideste Festhalten am Buchstaben der Schrift mischt sich mit den wahnwitzigsten Ausschweifungen der Phantasie. Die augenfälligste Täuschung findet bei Tausenden und aber Tausenden von Menschen, die in weltlichen Dingen sich der schärfsten Sinne erfreuen, Augen, die Schwarz für Weiß ansehen, Ohren, die der Lüge wie einer Offenbarung aus der Höhe lauschen, und Kniee, die sich vor Charlatanen wie vor Sendboten Gottes beugen. Hier baut die steifnackige Rechtgläubigkeit ihren Tempel auf. Dort stellt der absolute Zweifel den seinen hin. Da wieder hebt das unter dem Boden brennende vulkanische Feuer der Schwärmerei die Decke, und rasch schwillt die anfangs unscheinbare Blase zum mächtigen Dome, in welchem Fanatiker oder Betrüger eine völlig neue Religion verkünden. Gleich den Prairiebränden und Ueberschwemmungen des fernen Westen verbreiten sich neue Heilsbotschaften über die Gemüther. Wie der Tornado im Urwald die Eichen, werfen die Worte ihrer Apostel zahlreiche Versammlungen auf die Kniee. Reden in Zungen, himmlische Gesichte, Heilungen durch Handauflegen, Engelserscheinungen und Teufelsaustreibungen sind in manchen Kreisen so alltäglich wie in den Zeiten des Urchristenthums. Wunderliches wird wunderbar, Carricaturen verwandeln sich in Heroen. Bald scheinen die Dämonen, die einst in Säue fuhren, bald wieder scheint der Geist der Pfingsten die trübe Fluth zu bewegen. Nichts ist so voll Widersprüche, nichts verstößt so sehr gegen Sitte und Gewohnheit, daß es nicht einen Kreis von Gläubigen um sich sammelte, wenn ein beredter Mund es vorträgt, ein spitzfindiger Verstand es aus der Bibel rechtfertigt, und ein organisirendes Talent ihm kirchliche Gestalt giebt. Ja gerade das Barocke und Bizarre ist es, welches die größte Anziehungskraft auszuüben scheint, wenn es auch häufig nur angenommen wird, um Tags darauf mit einer noch seltsameren Verkehrtheit vertauscht zu werden. Dieser dem Wechselfieber, Amerika's verbreitetster Krankheit, vergleichbare Zustand, bei dem Leute, die im Laufe weniger Jahre einem Dutzend Kirchen und Confessionen nach einander angehört haben, keine Seltenheit sind, vereinigt in sich fast alle Symptome, welche die Kirchengeschichte seit ihrem Beginn bis heute hat zu Tage treten lassen. Die Ebioniten, die Gnostiker, die Klöster in ihrer Urgestalt, die enthusiastischen Secten des Mittelalters, die Wiedertäufer von Münster, die Camisarden, sie alle finden mehr oder minder ihr Ebenbild in diesem transatlantischen Wirrsal, und nicht ohne wesentlichen Gewinn für das Verständniß jener älteren Erscheinungen dürfte eine genauere Untersuchung dieser ihrer Wiederholungen in der Gegenwart sein. Andeutungen über die Ursachen dieses auffallenden Phänomens im amerikanischen Leben sind an einem andern Orte gegeben worden[1]. Hier haben wir es nur mit der sonderbarsten und zugleich mächtigsten Ausgeburt dieses eigenthümlichen Dranges zur Sectengestaltung zu thun -- einer Erscheinung, die überdies, indem sie gewissermaßen ein =mixtum compositum= der Ergebnisse aller ähnlichen ist, uns das gesammte Sectenwesen wiederspiegelt, und schließlich sehr belehrende Streiflichter über die letzten Gründe des politischen und socialen Dichtens und Trachtens in der transatlantischen Musterrepublik wirft. [1] Wanderungen zwischen Hudson und Mississippi, von Moritz Busch, Stuttgart und Tübingen, Cotta'scher Verlag, 1854. Daß die Quäker in den Vereinigten Staaten ihren Hauptsitz haben, ist bekannt: ebenso daß die verschiedenen Secten der Wiedertäufer hier gegen zwei Millionen Bekenner zählen. Die Campmeetings oder Lagerversammlungen der Methodisten mit den halb grauenvollen, halb komischen Aeußerungen ihrer Inbrunst, ihren Abrahams a Sancta Clara, ihrem verzückten Jauchzen und ihrer an das Treiben Besessner grenzenden Zerknirschung sind uns wiederholentlich geschildert worden. Weniger bekannt dagegen dürfte sein, daß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Ann Lee, die Frau eines Hufschmieds aus England, nach Albany kam, die sich für den in weiblicher Gestalt wiedererschienenen Christus ausgab, den Eintritt des tausendjährigen Reichs verkündete, die Vermischung der Geschlechter unter allen Umständen, und somit auch die Ehe für Sünde erklärte, Gott durch Tanz zu verehren lehrte und für diese wunderlichen Heilswahrheiten eine verhältnißmäßig nicht geringe Anzahl von Gläubigen fand, deren Gemeinschaft noch jetzt unter dem Namen der Shaker in achtzehn klosterartigen Niederlassungen mit etwa viertausend Bewohnern fortgesetzt wird. Weniger bekannt mag ferner sein, daß, von einer andern Engländerin, Jane Southcot, gestiftet, in der Stadt Neuyork eine Secte besteht, welche nebst andern Ceremonien auch die Beschneidung unter sich eingeführt hat, daß die Swedenborgianer zahlreiche Gemeinden in Amerika haben, daß die Geisterklopferei sich unter dem Titel Spiritualismus zu einer Art Kirche gestaltet hat, daß in Pennsylvanien, in Ohio und bei Buffalo pietistische Communisten-Niederlassungen blühen, und daß auch Cabet's Icarier hier leidlich gedeihen. Weniger bekannt endlich ist wohl, daß vor etwa zehn Jahren William Miller, der »Widderhornprophet«, die Union durchzog, der mit Hilfe der Bibel, der Mathematik und seiner Phantasie die schreckenvolle Gewißheit herausgerechnet hatte, daß die Welt am 21. März 1844 untergehen müsse, und der mit seiner Predigt im Osten wie im Westen Massen schwachsinniger Seelen zum Verkaufe ihrer Habseligkeiten bethörte. Alle diese und manche verwandte Erscheinungen finden in der Vergangenheit des christlichen Europa ihr Seitenstück. Die aber, von welcher wir nun handeln werden, hat, als Ganzes betrachtet, soviel uns bekannt, weder in der christlichen Welt, noch im Entwickelungskreise irgend einer andern Religion Ihres gleichen. Das _Mormonenthum_ ist einzig in seiner Art. Es konnte nur dem Boden der neuen Welt entkeimen, nur unter amerikanischer Sonne gedeihen, und wenn es gestattet ist, Phänomene durchaus unerhörter, den gewöhnlichen Voraussetzungen des Geschehens allenthalben widersprechender Art Wunder zu nennen, so stehen wir hier bis auf Weiteres vor einem der größten Wunder unseres Jahrhunderts. Die Geschichte der Mormonen oder der Latter-Day-Saints, wie sie selbst sich nennen, ist die Geschichte einer tauben Nuß, die, in den Humus der transatlantischen Welt gepflanzt, in einer auf den ersten Blick miraculösen Weise zum riesigen Baume erwuchs und Früchte erzeugte, die keineswegs alle faul sind. Es ist die Geschichte einer Lehre, die, ursprünglich ein ziemlich plumper Puff, allmälig durch Hereinnahme einer Anzahl von mystischen Glaubenssätzen den Schein eines tieferen Inhalts gewann und sich in staatlicher Beziehung zu einer bisher noch nicht dagewesenen Theo-Demokratie ausbildete. Im Stifter der Secte sehen wir unzweifelhafte Talente, große Menschenkenntniß, bewunderswerthe Ausdauer, außerordentlichen Scharfblick in der Wahl seiner Mittel mit unglaublicher Frechheit, tiefer sittlicher Verworfenheit, und einer in ihrer Naivetät oft geradezu drolligen Unwissenheit gepaart. Mag man ihn in einigen Zügen mit Mohamed, in andern mit Cromwell vergleichen, so erinnert er in weit zahlreichern Aeußerungen seines Charakters an Barnum, den »Napoleon der Windbeutelei«, und war er unleugbar ein ungewöhnlicher Mensch, ja darf man ihn als das personificirte Genie des Yankeethums bezeichnen, so erklären sich seine Erfolge doch noch mehr als aus seiner Begabung aus den Verhältnissen, in die er sich gestellt sah. Diese Verhältnisse aber, unter denen es möglich war, daß eine Secte, die im Jahre 1830 nur aus der Familie ihres Gründers und zwei Freunden bestand, im Laufe von zwanzig Jahren trotz grausamer Verfolgungen und trotz mannigfacher Gelegenheiten zur Erkenntniß der Lügen, die ihr Kern waren, zu einer wohlgeordneten Kirche wurde, deren hunderttausend Bekenner über die ganze Erde zerstreut sind: diese eigenthümlichen Verhältnisse haben für unser Jahrhundert und insbesondere für Amerika ebenso viel Beschämendes als Tröstliches. Sie zeigen, daß in unserer Zeit das Licht der Bildung noch lange nicht so weit leuchtet, als man gemeinhin annimmt und daß namentlich die Vereinigten Staaten und England mit dem Prädicate einer aufgeklärten Nation, das sie sich so gern zulegen, etwas sparsamer umzugehen Ursache haben. Sie zeigen aber auch, daß da, wo freie Institutionen herrschen, und wo die edlen Eigenschaften der angelsächsischen Race das Ganze durchdringen, selbst der Betrug bald eine Gestalt annehmen muß, die nach einer Seite hin wenigstens Anerkennung und selbst Bewunderung verdient. Die folgende Darstellung wird erkennen lassen, ob damit zu viel gesagt ist. Zweites Kapitel. Joseph Smith der Schatzgräber und Prophet. -- Sidney Rigdon und der offenbarende Engel. -- Ein Roman und die Verwandlung desselben in eine Bibel. Der Stifter des Mormonenthums war Joseph Smith, am 23. September 1805 zu Sharon im Staate Vermont geboren, und später mit der Familie seines Vaters nach dem Dorfe Manchester bei Palmyra im Staate Neuyork ausgewandert. Seiner Selbstbiographie zufolge stand sein Sinn schon in früher Jugend auf göttliche Dinge, und als er siebzehn Jahre alt war, wurde dieser Hang dadurch noch mehr genährt und aufgeregt, daß ein beredter Methodistenprediger in der Nachbarschaft eine große Erweckung der Seelen bewirkte. Häufig schüttete Joseph sein Sehnen nach Erkenntniß vor Gott im Gebete aus, und oft brütete er Tage lang über den rechten Weg zur Erlangung des Heils. Als er nun bei einer solchen Gelegenheit in die Nacht hinein wach geblieben war, und kniend den Herrn um Erleuchtung anflehte, welche von den verschiedenen Secten und Kirchen die rechte sei, siehe da wurde sein Gemach plötzlich von himmlischem Lichte erfüllt, und er erblickte einen Engel neben sich, der ihn über den Pfad zur Gerechtigkeit vor Gott unterwies und ihn zugleich belehrte, daß es auf Erden keine echte Kirche mehr gäbe. Das Christenthum habe die göttliche Ordnung mit Menschensatzung vertauscht, den Glauben verunstaltet und den ewigen Bund gebrochen, wofür zur Strafe schon vor funfzehnhundert Jahren das Priesterthum von ihm genommen worden sei. Endlich erfuhr Joseph von dem Boten aus der Höhe, daß sein Gebet Wohlgefallen vor Gott gefunden habe und in die Bücher des Lebens eingetragen worden sei, daß der Herr ihn liebe, und daß er den Auftrag erhalten solle, die Priesterschaft nach der Ordnung Melchisedek's unter den Menschen wiederherzustellen und eine Kirche wahrer Gläubigen zu gründen zum Empfange des Herrn, dessen tausendjähriges Reich nahe sei. Bei einem späteren Besuche des Engels, der am 21. September 1823 stattfand, ward ihm die Eröffnung, daß er erwählt worden, ein heiliges Buch, welches in der Nachbarschaft vergraben sei, und welches, von altindianischen Propheten verfaßt, die Wahrheit über den Ursprung der Ureinwohner Amerika's und deren Schicksale seit ihrer Einwanderung aus Judäa enthalte, wieder zu finden und zu Nutz und Frommen der Welt zu veröffentlichen. Am folgenden Morgen nach der Stelle, dem Gipfel eines Berges zwischen Canandaigua und Palmyra, den die Mormonen Cumorah nennen, geführt, fand er nach kurzem Suchen eine acht Zoll hohe steinerne Kiste, auf welche der Deckel mit Mörtel befestigt war. Er machte wiederholentlich Versuche, sie aufzubrechen, bis ein Schlag von unsichtbarer Hand ihn zurücktrieb. Auf sein inbrünstiges Gebet um Erklärung dieses Widerstandes empfing er die Antwort, der Grund davon, daß er keinen Erfolg gehabt, liege darin, daß er den Einflüsterungen des Satans Gehör gegeben, welcher auf dem Wege neben ihm hergegangen sei und ihn beredet habe, den Inhalt der Kiste zur Förderung seiner zeitlichen Angelegenheiten zu verwenden. Dies war Sünde. Der Gedanke, dadurch berühmt zu werden, war unheilige Ehrbegier, dadurch zu Reichthum zu gelangen, strafbarer Geiz. »Du kannst diese Urkunden noch nicht bekommen,« sagte der Engel. »Niemand kann sie bekommen, wofern sein Herz unrein ist, weil sie das enthalten, was heilig ist. Siehe, obwohl Du jetzt geschaut hast die Macht der Finsterniß, woran Du fürderhin allezeit den Bösen gewahr werden kannst, so will ich Dir noch ein anderes Zeichen geben, an welchem Du inne werden sollst, daß der Herr Gott ist, und daß die Kunde, welche diese Ueberlieferung enthält, zu allen Völkern, Geschlechtern und Zungen unter dem Himmel getragen werden soll. Dies aber ist das Zeichen: Wenn es bekannt wird, daß der Herr Dir diese Dinge gezeigt hat, werden die Gottlosen Deinen Sturz suchen. Sie werden Lügen verbreiten, um Deinen guten Ruf zu zerstören, und man wird Dir sogar nach dem Leben trachten. Aber merke, wenn Du getreu bleibst und fortan den Geboten des Herrn nachlebst, so sollst Du bewahrt bleiben und zu rechter Zeit Erlaubniß erhalten, die Urkunden von hier zu holen.« Diese Verheißung erfüllte sich nach Verlauf von vier Jahren, während welcher Zeit Joseph sich fortdauernd eines Gott wohlgefälligen Wandels befleißigt, eifrig der Wahrheit nachgestrebt, und vielfache lehrreiche Besuche von dem Engel empfangen hatte. Am 22. September 1827 öffnete ihm dieser die Steinkiste, zeigte ihm den Inhalt, der in dem Schwerte Labans, einem Brustharnisch, einer Prophetenbrille, Urim und Thummim genannt, und den Täfelchen bestand, auf welche die Urkunden eingegraben waren, und gestattete ihm, einen Theil dieses Schatzes mit heimzunehmen. Das Schwert, in der Zeit Zedekias aus Jerusalem nach Amerika gelangt, war vom feinsten Stahl und hatte einen goldenen Griff. Die Brille war von der Form eines kleinen Bogens, in dessen Oesen zwei helle durchsichtige Steine eingesetzt waren, und man konnte mit ihr in der Vergangenheit und Zukunft lesen. Die Tafeln, die das Aussehen von Gold hatten, sieben Zoll breit, acht Zoll lang und nicht ganz so stark wie gewöhnliches Blech waren, wurden durch drei an der einen Seite hindurchgehende Ringe zu einem Bande zusammengehalten und waren auf beiden Seiten mit ägyptischen Charakteren gefüllt. Ein Theil derselben war durch ein Siegel verschlossen. Joseph nahm die Urkunden mit sich nach seines Vaters Haus, und als die Nachricht von seinem Funde sich in der Gegend verbreitete, erfüllte sich, was der Engel geweissagt. Man streute nach allen Richtungen hin falsche Darstellungen der Sache aus, man spottete und höhnte über die wunderbare Eröffnung. Pöbelhaufen bestürmten das Haus der Familie Smith, und mehrmals wurden Versuche gemacht, dem Propheten mit Gewalt die kostbaren Goldplatten zu entreißen, sodaß er sich endlich entschloß, nach dem benachbarten Pennsylvanien auszuwandern. Hier, wo in der Nähe des Susquehanna sein Schwiegervater wohnte, übertrug er mit Hilfe der Urim und Thummim und eines Schreibers, Namens Cowdery, den unversiegelten Theil des Urkundenbuchs ins Englische, welcher später unter dem Titel »das Buch Mormons« im Druck erschien. Bis hierher folgten wir der Darstellung der Sache, wie sie von Smith selbst und dem Mormonenapostel Orson Pratt erzählt wird. In Wahrheit verhielt es sich sehr wesentlich anders damit. Zwar mag der Prophet bei der Erweckung der Nachbarschaft durch jenen Methodistenprediger einige Eindrücke empfangen und sich mit den Hauptthesen des Sectenstreites unter seinen Landsleuten bekanntgemacht haben. Statt aber im Rufe von Frommen zu stehen, galten Joseph Smith und seine ganze Familie vielmehr allenthalben als leichtsinnige, lügenhafte Taugenichtse. Statt zu arbeiten, streiften sie in der Gegend als Schatzgräber umher. Sie bedienten sich dabei eines sogenannten »Sehersteins«, bisweilen auch einer Wünschelruthe. Die Sage wollte, daß in den westlichen Grafschaften des Staates Neuyork große Reichthümer aus der Zeit de Sotos verborgen lägen, und Joseph hatte sich bei den Abergläubischen den Ruf zu erwerben gewußt, diesen unterirdischen Schätzen mit Glück nachzuspüren. Im Jahre 1825 machte er in dem pennsylvanischen Orte Harmony die Bekanntschaft einer Miß Emma Hale und beredete sie, sich von ihm entführen zu lassen und heimlich seine Frau zu werden. Zu derselben Zeit beschwatzte er einen gewissen Lawrence, sich mit ihm zu verbinden, um am Susquehanna eine von ihm entdeckte reiche Silbergrube auszubeuten; als sie indeß nach dem angegebenen Orte kamen, war nichts von einem Erzgange zu entdecken, und Lawrence hatte sein Geld umsonst ausgegeben. 1826 dupirte er in ähnlicher Weise den Farmer Stowell zu Bainbridge, indem er demselben vorredete, er habe in einer Höhle nicht weit von Manchester einen Goldklumpen entdeckt, von dem er ihm gegen das Versprechen, ihn nebst seiner Frau aus Pennsylvanien nach dem Wohnorte seines Vaters zu schaffen, die Hälfte zu geben sich anheischig machte. Stowell ging darauf ein und erfüllte seinen Theil des Vertrags; als Smith aber nun auch seiner Verpflichtung nachkommen sollte, entzog er sich derselben durch die Ausflucht, er könne seine junge Gattin nicht allein unter Fremden lassen, und der getäuschte Farmer kehrte heim, um seiner Kohlbeete zu warten und dazu über den Eulenspiegel zu schimpfen, der ihn so schmählich am Narrenseile herumgeführt hatte. Dies ist in der Hauptsache die wirkliche Geschichte des neuen Propheten in der Zeit zwischen der ersten angeblichen Engelserscheinung und dem Punkte, wo es zu verlauten begann, daß er an der Uebersetzung seines Fundes arbeite. Aber auch über den letzteren wurde bald eine völlig andere Kunde laut, als die, welche Smith und seine Freunde der Welt aufbinden zu können geglaubt hatten. Das Buch Mormon war nichts weniger als eine Sammlung von Urkunden, von indianischen Propheten vor Jahrhunderten geschrieben. Es war vielmehr das Erzeugniß der Mußestunden eines gewissen Spalding, welcher von 1809 bis 1812 im Städtchen Conneauct in Nordohio in Gemeinschaft mit einem gewissen Lake ein Eisenwerk betrieben hatte. Es war eine Art historischer Roman, in welchem die auch sonst in Amerika häufig gehörte Ansicht durchgeführt war, daß die Ureinwohner des westlichen Continents Nachkommen der Kinder Israel's seien, und welcher zu dem Zwecke weitläufige Berichte über ihre Wanderungen von Jerusalem nach Amerika und ihre Schicksale in diesem Welttheile enthielt. Das Eisenwerk bezahlte sich nicht, und da Spalding mittlerweile auf die Idee gerathen war, er könne durch Veröffentlichung seines Buchs ein wohlhabender Mann werden, so begab er sich im Jahre 1812 nach Pittsburgh, wo er die »Entdeckte Handschrift« -- so hatte er nämlich das Product getauft -- dem Drucker Lambdin zum Verlag anbot. In dessen Verwahrung verblieb das Manuscript -- wie die Einen sagen -- kurze Zeit, kam dann an den Verfasser zurück, wurde nach dessen bald darauf erfolgtem Ableben von der Witwe mit nach Hartwick, nicht weit von der Wohnung jenes mit Smith befreundeten Farmers Stowell, genommen und gelangte von hier um das Jahr 1820 nach dem Hause ihres Bruders zu Onondaga Hollow, nicht fern von Manchester, dem damaligen Aufenthaltsorte Smiths. Hier wurde es, behauptet man, von Joseph aus dem Koffer, wo es mit anderen Papieren Spaldings gelegen, entwendet und in ein Religionsbuch umgebildet. Diese Angaben sind, wo nicht geradezu unglaubwürdig, doch zu wenig begründet. Weit richtiger scheint die folgende Erklärung. Die »Entdeckte Handschrift« war mehrere Jahre und auch dann noch in Lambdins Verwahrung verblieben, als Spalding im Frühling 1816 starb und einige Zeit nachher die Firma Lambdin und Patterson Bankerott machte. Nun hielt sich von 1823 bis 1826 ein gewisser Sidney Rigdon in Pittsburgh auf, der früher Buchdruckergehilfe gewesen war und jetzt in der Eigenschaft eines Predigers der »Reformers« oder »Disciples« wirkte. Er war, wie sein späteres Verhalten zeigt, ebenso schlau als ehrgeizig und nie um die Mittel zur Erreichung seiner Zwecke verlegen. Er stand auf ziemlich vertrautem Fuße mit Lambdin und verließ, als dieser starb, seinen bisherigen Aufenthaltsort, um sich in Mentor, einem Städtchen im nördlichen Ohio, eine Gemeinde zu bilden, der er ähnliche Dinge wie die, welche der Engel Joseph Smith verkündet, vortrug. Eine andere Thatsache, die zu Schlußfolgerungen berechtigt, ist die, daß Rigdon während des Herbstes von 1826 häufige Reisen von Mentor nach Pittsburgh unternahm, von wo es nicht weit bis zum Susquehanna und dem damaligen Wohnorte Smiths ist. Als nun im Jahre 1830 das »Buch Mormon« oder wie es in der ersten Ausgabe heißt, »die goldene Bibel« im Druck erschien und von Gläubigen und Ungläubigen mit Begier gelesen wurde, erklärten Spaldings Witwe und sein Bruder, erstaunt und entrüstet zugleich, dasselbe sei in der Hauptsache nichts anderes, als die ihnen noch sehr wohl erinnerliche »Entdeckte Handschrift« ihres verstorbenen Gatten und Bruders. Die Namen der Personen und Orte, ja was noch mehr, die psychologischen Unwahrscheinlichkeiten und auffälligen Stylmängel waren fast durchgängig beibehalten, und der Bearbeiter hatte nur etwas mehr religiöses Material hinzugethan. Ihre Einsprache gegen den Betrug, auf welche Rigdon lediglich mit Schmähungen und Grobheiten antwortete, wurde durch das Zeugniß des einstigen Compagnons von Spalding, sowie durch einen großen Theil der Bewohner Conneaucts bekräftigt, und so scheint das Räthsel sich dahin aufzulösen, daß Lambdin, nachdem er mit seiner Druckerei Bankerott gemacht, die in seiner Verwahrung befindlichen Manuscripte in der Absicht durchsah, sich durch eine Speculation mit einem auffälligen Buche wieder emporzuhelfen, daß er zu diesem Zwecke kein besseres Mittel als die »Entdeckte Handschrift« wählen konnte, deren Verfasser ihm überdies kein Hinderniß mehr in den Weg zu legen vermochte, daß er dieses Werk an Rigdon übergab, um es nach seinem Ermessen zu feilen und zu ändern, und daß dieser den Roman in eine Bibel umprägte. Der Tod Lambdins machte Rigdon zum alleinigen Besitzer des Geheimnisses und seines möglichen Gewinns. Letzterer wurde sicherer, wenn das Buch in miraculöser Weise an den Tag gebracht wurde. Das damals sich verbreitende Gerücht, in Canada sei eine goldene Bibel ausgegraben worden, lenkte auf den Gedanken, auch die Urkunden Mormons auf Goldtafeln geschrieben sein und dem Schoose der Erde entsteigen zu lassen. Es war endlich ein Gehilfe zu suchen, der im Rufe eines Schatzgräbers stand, da, wenn man diesen den Fund thun ließ, der Verdacht nicht auf Rigdon fiel, und hierzu war Joseph Smith nach dem Vorigen der rechte Mann. Derselbe ging auf Rigdon's Antrag ohne Bedenken ein, und wenn er einige Zeit nach der ersten Besprechung mit dem Urheber des Plans nach Pennsylvanien zog, so geschah dies nicht wegen Gefährdung seines Lebens daheim, sondern deshalb, weil er am Susquehanna seinem Genossen näher war und sich dort ungestörter von ihm seine Rolle einüben lassen konnte. Die weitere Entwickelung wirft aber noch mehr Licht auf das Verfahren, womit die beiden Schwindler ihr öffentliches Auftreten einleiteten. Weder Smith noch Rigdon war im Besitze der Mittel zur Veröffentlichung des Fundes durch den Druck. Ersterer wendete sich deshalb zuerst an den Quäker Crane, um ein Darlehen zur Förderung des Werkes Gottes, wurde aber mit spöttischen Worten abgewiesen. Er warf sodann seine Augen auf den Farmer Harris, einen leichtgläubigen Tropf, welcher bereits einem halben Dutzend Secten nach einander angehört hatte. Er trat ihm eines Tages in den Weg, verkündete ihm, daß der Herr ihm geboten, sich von ihm funfzig Dollars zum Beginn des Werks der Uebertragung seines Indianerevangeliums geben zu lassen, und empfing von dem durch Verheißung großen Lohnes bestochenen Harris wirklich die verlangte Summe. Noch kräftiger bearbeitet, streckte dieser nach und nach gegen dreitausend Dollars vor und gab sich sogar selbst zum Schreiber her, dem Smith seine Uebersetzung dictirte. Da er indeß der Feder nicht recht mächtig war, so wurde er durch Oliver Cowdery, einen Schulmeister, ersetzt, welcher die Arbeit bis zum Drucke vollendete. Smith legte dabei die Pseudo-Goldplatten in einen Hut, hielt sich die Prophetenbrille der Urim und Thummim vor die Augen und dictirte die Worte der Urkunde, die sich vermittels dieses Instruments aus neuägyptischen in englische verwandelten, dem Schreiber, von dem er durch einen Vorhang geschieden war, in die Feder. Ins Natürliche übertragen heißt das, er las das Manuscript Rigdons, das er in seinem Hute verborgen, ab, oder sagte, was er davon für den Tag auswendig gelernt hatte, aus dem Gedächtnisse her. Anfänglich scheint weder Rigdon noch Smith an die Stiftung einer neuen Religion gedacht zu haben. Man hatte lediglich den Zweck im Auge, der angeblichen Entdeckung eines Buchs aus der Urzeit Amerika's dadurch, daß man sie als von Engelserscheinungen begleitet und von einem Nimbus aus der Höhe umflossen darstellte, die Gemüther der zahlreichen Wundergläubigen im Lande zuzuwenden. Kurz vor dem Erscheinen des Buchs Mormon im Druck aber müssen die Ansichten der Beiden über den Weg, den sie einzuschlagen, eine Aenderung erfahren haben, indem am 6. April 1830 zur Gründung einer »Kirche aus den Heiden« verschritten wurde. Ehe wir jedoch diesem Treiben unsere Aufmerksamkeit zuwenden, sei ein Ueberblick des Inhalts der Mormonenbibel gestattet, die gegenwärtig in englischer, walisischer, französischer, italienischer, dänischer und deutscher Sprache zu haben, ja selbst in die der Sandwichsinsulaner übersetzt und in mehr als einer halben Million Exemplaren verbreitet ist. Das Buch Mormons zerfällt in die Bücher Nephi 1 und 2, Jacob, Enos, Jarom, Omni, Mosiah, Alma, Helaman, Nephi des Jüngern, Mormon, Ether und Moroni, die zusammen so viel Stoff enthalten als das alte Testament ohne die Apokryphen. Der Inhalt aber ist in Kurzem folgender: Als der Herr, um den Bau des Babelthurms zu vereiteln, die Sprachen der dort zusammengeströmten Menschen verwirrte, erbarmte er sich der Jarediten ob ihres frommen Wandels und beließ sie im bisherigen Gebrauche ihrer Zunge. Von Gott dazu angeregt, verließen sie das Land Schinear und wanderten nach der Westküste des Oceans, von wo sie in acht Schiffen nach dem nördlichen Amerika fuhren. Hier wohnten sie anderthalb Jahrtausende, wurden zu einer zahlreichen und mächtigen Nation, versanken aber allmälig in Unglauben und Laster und wurden in Folge dessen um das Jahr 600 vor Christi Geburt von Gott so vollständig vertilgt, daß von ihnen nichts übrig blieb, als die Trümmer ihrer Städte und die von ihrem Propheten Ether auf Goldplatten verzeichnete Geschichte ihres Aufblühens und Untergangs. Um die Zeit ihrer Ausrottung wurde eine jüdische Familie vom Stamme Josephs, der fromme Lehi mit seinem Weibe Sariah und seinen vier Söhnen, auf wunderbare Weise aus Jerusalem nach der Westküste Südamerika's geleitet, und elf Jahre später brach ein dritter Zug von israelitischen Auswanderern, worunter etliche vom Stamme Juda, gleichfalls nach dem großen Festlande jenseit des Stillen Oceans auf. Sie landeten in Nordamerika, begaben sich indeß später nach dem Süden, wo sie nach Verlauf von ungefähr vierhundert Jahren von dem einen Theile der Frühergekommenen entdeckt wurden und mit ihnen zu einem Volke verschmolzen. Die Nachkommen Lehi's nämlich schieden sich einige Zeit nach ihrer Ankunft auf amerikanischem Boden in zwei Stämme, eine Spaltung, welche dadurch veranlaßt wurde, daß einige von ihnen die Uebrigen wegen ihrer Gottesfurcht anfeindeten und verfolgten. Diese Frommen, die sich nach dem sie führenden Propheten Nephiten nannten, wanderten nach Centralamerika und von dort nach dem Norden aus, während jene Gottlosen, nach ihrem Feldherrn Lamaniten geheißen, im Süden zurückblieben. Die Lamaniten brachten durch ihres Herzens Härtigkeit und Bosheit viele und schwere Heimsuchungen auf sich herab. Namentlich verwandelte der Fluch Gottes ihre von Natur weiße Farbe in ein schmutziges Roth. Sie waren Leute von roher und blutgieriger Sinnesart und ihren Brüdern, den Nephiten so überaus aufsässig, daß sie dieselben mehrmals in zahllosen Horden mit Krieg überzogen, Angriffe, die jedoch allenthalben siegreich zurückgeschlagen wurden. Die Nephiten waren in allen Stücken das Gegentheil dieses bösen Volkes. Sie hatten in ihrem Besitze eine Abschrift des Gesetzes Moses und der Propheten bis auf Jeremia, in dessen Tagen ihr Stammvater Jerusalem verlassen hatte, und diese Ueberlieferungen aus dem Lande ihrer Vorfahren, die auf Erztäfelchen gegraben waren, erhielten eine Fortsetzung in anderen Tafeln, welche von den Weisen und Sehern der Nation mit den Thaten ihrer Könige und Helden, sowie mit den Gesichten, Wundern und Offenbarungen, deren Gott das fromme Volk würdigte, gefüllt wurden. Und der Herr segnete sie mit Gedeihen, und sie wuchsen und breiteten sich aus nach Osten, Westen und Norden, bedeckten die Thäler und Ebenen mit Städten und Dörfern, Tempeln und Burgen, erbauten alle Gattungen Getreide in Ueberfluß und zogen zahlreiche Arten von Hausthieren. Sie kannten zugleich die Gewinnung und den Gebrauch von Gold, Silber, Kupfer und Eisen. Künste und Wissenschaften blühten unter ihnen, ja selbst einige Zweige der Maschinenbaukunde waren ihnen bekannt. Die geistigen Interessen wurden durch Propheten besorgt, die in die fernste Zukunft schauten und nicht blos die Erscheinung des Messias im Fleische, sondern sogar seine Wiederkunft und die Errichtung seines tausendjährigen Reiches weissagten. Dessenungeachtet wichen auch die Nephiten endlich von den Wegen des Herrn, verfielen in Sünden und Laster und tödteten die Propheten, die sie davon abmahnten. Da ergrimmte der große Jehova über sie und suchte sie mit schweren Strafen heim. Finsterniß sank auf die Erde herab, ein grauenvolles Erdbeben wüthete von einem Meeresstrande zum andern, Berge sanken zu Thälern ein, Thäler schwollen zu Bergen, Seen flutheten an der Stelle verschlungener Ortschaften, und der größte Theil der Nephiten und Lamaniten wurde vernichtet. Die aber, welche diese furchtbare Katastrophe überlebten, wurden mit einer persönlichen Erscheinung Christi, der kurz vorher in Jerusalem gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren war, begnadigt. Er zeigte ihnen Seitenwunde und Nägelmaale, predigte ihnen das Evangelium, setzte die Sacramente ein, heilte Lahme und Blinde, erweckte einen Todten und machte dem frommen Volke alle Dinge bis ans Ende der Tage bekannt. Ein Theil seiner Reden und Thaten ist im Buche Mormons zu lesen; der größere und wichtigere Theil derselben aber wartet vorläufig noch der Uebertragung aus dem neuägyptischen Originale. Nachdem der Erlöser sein Werk in Amerika vollendet, stieg er wieder (wer denkt bei diesem Auf und Ab nicht an die Papierdrachen, welche unsere Knaben steigen und sinken lassen, wie und wenn sie wollen?) in den Himmel. Die zwölf Jünger aber, die er gewählt, zogen durch das Land, predigten allenthalben die frohe Botschaft, thaten Wunder und bekehrten nicht blos alle bis dahin dem Gesetze Mosis unterthanen Nephiten, sondern auch viele Lamaniten. Der dadurch hervorgerufene gottselige Zustand des amerikanischen Volkes erhielt sich länger als dreihundert Jahre in seiner Reinheit. Allmälig jedoch rissen wieder Unglauben und Ungerechtigkeit ein, und gegen das Ende des vierten Jahrhunderts der christlichen Aera hatte die Ruchlosigkeit einen solchen Grad erreicht, daß die Langmuth des Herrn sich in strafenden Zorn verwandelte. Ein schrecklicher Krieg brach zwischen den Lamaniten im Süden und den jetzt nur noch in Nordamerika wohnenden Nephiten aus, und dessen Ausgang war die beinahe gänzliche Ausrottung der letzteren auf dem Berge Cumorah, wo sich der Rest der Nation in einem meilenlangen Lager verschanzt hatte. Unter den Ueberlebenden waren der Prophet Mormon und sein Sohn Moroni, von denen der Erstgenannte einen Auszug aus den Ueberlieferungen seiner Vorväter gemacht hatte, den er vor seinem Tode dem Sohne zur Vollendung übergab, während jene Traditionen von ihm auf Gottes Geheiß im Berge Cumorah verborgen wurden. Moroni führte die Chronik seines Vaters noch einige Jahre fort, und wir erfahren von ihm, daß die unversöhnlichen Lamaniten die wenigen von den Kindern Nephi, welche jener Vertilgungsschlacht entronnen waren, so lange verfolgten, bis das ganze Geschlecht, ihn ausgenommen, vernichtet war. Er berichtet fernerhin, daß nach dem Untergange ihrer Gegner die Lamaniten unter sich selbst in Streit geriethen, und daß ganz Amerika lange Zeit nichts als ein großer Schauplatz von Gewalt, Raub und Blutvergießen war. Er schließt endlich seine Geschichte im Jahre 424 nach Christi Geburt, um die Platten, auf die sie geschrieben, ebenfalls in den heiligen Berg zu vergraben. Drittes Kapitel. Die Mormonen in Missouri und Ohio. -- Zion im Westen. -- Verfolgungen in Missouri und Triumphe in Illinois. -- Die Wunderstadt Nauvoo und ihr Tempel. -- Die Ermordung des Propheten und der Auszug aus Aegypten. Wir kehren nun zu der Geschichte Smiths und der von ihm am 6. April 1830 gegründeten neuen »Kirche« zurück. Dieselbe bestand anfänglich nur aus dem Propheten selbst, seiner Frau, der Familie seines Vaters und seinen Freunden Martin Harris und Oliver Cowdery. Nach dem Sprichworte, daß ein Prophet in seinem Vaterlande nichts gilt, fanden sich in Manchester nur Wenige, die der Predigt von dem erdentstiegenen Pseudoevangelium ein geneigtes Ohr leihen mochten. Dagegen wurden in den Grafschaften Fayette und Colesville Zweiggemeinden zu Stande gebracht. Trotzdem würde schwerlich etwas Bedeutendes erreicht worden sein, wenn die Helfershelfer Smiths nicht auswärts wichtigere Erfolge vorbereitet hätten. Im August 1830 reiste (die Mormonen sagen: zufällig) ein Campbelliten-Prediger aus Lorrain-County in Ohio auf dem Canale durch Palmyra, hörte hier von der neuen Religion, besuchte den Propheten, las das Buch Mormons und wurde zum Glauben an seine Echtheit bekehrt. Dies war Parley Peter Pratt, später einer der beredtesten und feurigsten Vertheidiger und einer der fruchtbarsten Hymnendichter des Mormonenthums, jetzt Präsident seiner zahlreichen Gemeinden auf den Inseln des Stillen Oceans. Bei seiner Rückkehr nach Ohio, wohin ihn Cowdery begleitete, übergab er die »Goldne Bibel« dem in der Nachbarschaft lehrenden Rigdon, der dadurch zu einer Reise nach Manchester bewogen wurde, wo er sich nach einigem Sträuben gleichfalls bekehren ließ und sofort zum Aeltesten, Oberpriester und Schriftführer ernannt wurde. Heimgekehrt rief er unverzüglich seine Gemeinde zusammen, trug ihr in einer zweistündigen Rede voll glühender Begeisterung seine Erfahrungen im Staate Neuyork vor, ermahnte, flehte, weinte Zähren des Kummers und der Wonne, fiel einige Male in Ohnmacht, sah den Himmel offen und bewirkte durch diese und ähnliche Mittel, daß der größte Theil der Versammelten sich von ihm und Cowdery taufen ließ. Um diese Vorgänge begreiflich zu finden, muß man wissen, daß Pratt ein alter Bekannter Rigdons war, und sich erinnern, daß Letzterer schon seit drei Jahren die buchstäbliche Deutung der biblischen Weissagungen, die bevorstehende Sammlung des Hauses Israel zum Empfange des wiederkommenden Messias, die Aufrichtung des tausendjährigen Reiches und die Nothwendigkeit wunderbarer Gnadengaben in einer Kirche, welche sich die rechte nenne, gelehrt hatte. Man wird dann auch die zufällige Reise Pratts zu Smith für eine verabredete, und das Sträuben Rigdons für ein blos scheinbares halten dürfen. Vor allen Dingen aber erklärt sich daraus die Fülle eigenthümlicher Dogmen, welche nun in der Form unmittelbarer göttlicher Eingebungen im Kreise der Jünger Smiths auftauchten, ein Conglomerat von Tollheiten, das später in dem zweiten großen Religionsbuche der Secte, dem »Book of Doctrine and Covenants« dem ersten an die Seite trat. Die Zusammenkunft Rigdons und Smiths hatte im October 1830 stattgefunden. Im Januar des nächsten Jahres empfing der Letztere eine Offenbarung, in welcher den Gemeinden im Osten geboten wurde, nach der Stelle auszuwandern, welche, wie Rigdon schon längst erklärt hatte, »sich an der Markscheide des Erbes der Heiligen befand,« ein Erbtheil, welches sich von dort bis an das Stille Meer erstrecken sollte. Der Prophet und die Seinen zogen in Folge dessen nach dem Städtchen Kirtland in Nordohio, wo Pratt, Rigdon und Cowdery bereits eine Gemeinde von einigen hundert Seelen beisammen hatten. Hier entwickelte sich ein Schauspiel der seltsamsten Art, und eine Masse Neugieriger strömte von allen Gegenden herbei, um Zeuge dieser Vorgänge zu sein. Der Wahnsinn der methodistischen Lagerversammlungen tobte hier in gesteigertem Grade. Verzückungen waren an der Tagesordnung. Männer und Frauen fielen bei den öffentlichen Versammlungen zu Boden, stöhnten, kreischten, wälzten sich zuckend und zappelnd umher, wiesen gen Himmel, wo eine Wolke heiliger Zeugen schwebte, sprachen in Zungen, namentlich in denen der Indianer, zu deren Bekehrung sie aufbrechen zu müssen erklärten, fuhren wie besessen zu den Thüren hinaus und wieder herein, fielen in Ohnmacht, sprangen wieder auf, stellten sich predigend und singend auf Zäune und Baumstümpfe und verkündeten den Anbruch des jüngsten Tages. Einige hoben Steine auf und lasen auf ihnen sonderbar klingende Inschriften, wo Andere bloßes Moos erblickten. Einigen fielen plötzlich Pergamentrollen vom Himmel auf den Kopf, welche mit dem Siegel Christi gesiegelt waren, und welche sie nicht so bald abgeschrieben hatten, als sie wieder verschwanden. Die rasendste Aufregung herrschte in ihren Zusammenkünften, jedes einzelne Mitglied der Secte war durch diese »Ausgießung des heiligen Geistes« zum Schauer und Offenbarer geworden. Diese Allgemeinheit des Prophetenthums konnte als Zeugniß für die Echtheit der neuen Religion gelten. Ihre Dauer jedoch war begreiflicher Weise nicht nach Smiths Geschmack, der so nur =primus inter pares= gewesen wäre. Er mußte den Brand, den er entzündet, mäßigen, dem Eifer der Brüder und Schwestern Schranken setzen, und so predigte er eines Tages, wie er eine Offenbarung empfangen habe, in welcher Gott die Heiligen warne, sich der Gewalt, die über sie gekommen, zu arglos hinzugeben, indem der Satan dabei die Hände im Spiele habe und die Gaben des heiligen Geistes zu seinen Zwecken verkehre. Verschiedene andere Offenbarungen folgten, von denen die eine die Gläubigen anwies, den »Seher« mit allem Nöthigen zu versorgen, da er nicht mehr für seinen Unterhalt weltliche Arbeit thun solle, die andere einige aufsässige oder lässige Gemeindeglieder tadelte, eine dritte endlich die Gabe des Schauens und Weissagens auf »=Mr. Joseph Smith junior=« beschränkte. Er allein sollte fürderhin das Vorrecht haben, mit Engeln zu verkehren, und ihm sollten Alle als dem Dolmetsch der Befehle Jehova's gehorchen. Dies geschah. Um sich aber für die Zukunft sicher zu stellen, und einestheils dem Eifer der Schwärmer einen Abzugscanal zu schaffen, anderntheils die einflußreichsten und ehrgeizigsten Mitglieder der Secte auf eine Weile von sich zu entfernen, entwarf der schlaue Prophet einen andern Plan. Im Juni 1831 hatte er eine weitere Offenbarung, in welcher Gott die Aeltesten der Kirche anwies, paarweise nach Westen zu wandern, auf dem Wege zu predigen und zu einer bestimmten Zeit am Ufer des Missouri zusammenzutreffen, wo Cowdery vorher das Land nach einer passenden Stelle zur Gründung der zukünftigen Hauptstadt des Reiches Gottes auf Erden ausgekundschaftet hatte. Diese Stelle war in der Nähe des in der Grafschaft Jackson in Westmissouri gelegenen Städtchens Independence. Sie war mit großer Umsicht gewählt, und nicht völlig unglaubwürdig klang es, wenn der Prophet verkündete, daß hier einst der Garten Eden und Adams Altar gestanden. Bei Weitem herrlicher aber war die Aussicht, welche Smiths Prophetengeist in die Zukunft dieses Neuen Jerusalems der Heiligen eröffnete. Hier sollten sich einst alle Gläubigen anbauen, hier alle Könige der Erde ihren Tribut entrichten, hier eine ungeheure Stadt sich erheben, deren Straßen mit Gold und Edelsteinen gepflastert sein sollten -- und was dergleichen Ueberschwänglichkeiten mehr sind. Manche dieser Weissagungen würden sich, wie die Folge zeigen kann, wenigstens annähernd erfüllt haben, wenn die Führer der Secte sich nicht in den bereits hier wohnenden Hinterwäldlern verrechnet hätten und nicht gleich Anfangs mit unmäßigen Ansprüchen aufgetreten wären. Die Sendboten Smiths zogen, dreihundert an der Zahl, seinem Befehle gehorsam nach Missouri. Das neue Zion wurde zu bauen begonnen, der Grundstein zum Tempel gelegt, und bald hatten sich von Denen, die unterwegs bekehrt worden waren, gegen zwölfhundert als Ansiedler in Jackson County niedergelassen. Smith und Rigdon, die bei der Grundsteinlegung zugegen gewesen waren, begaben sich bald nachher nach Kirtland zurück, welches sie in Shinear umgetauft hatten. Hier verbrachte der Prophet die Zeit bis zu Ende des Januar 1832 theils mit Predigen und der Anfertigung neuer Offenbarungen, die Rigdon stylisirte und Smiths Frau, Emma, »die auserwählte Dame« niederschrieb, theils mit Arbeiten in seinem Kramladen und seiner Mühle, theils mit der Leitung des Baus eines Tempels, der vierzigtausend Dollars kostete und noch heute steht. Die Secte wuchs noch immer, hatte jedoch schon jetzt mehrere Abtrünnige, die sich dann gewöhnlich in erbitterte Verfolger verwandelten. Von einer Rotte derartiger Bursche, die von dem Campbelliten-Prediger Rider angeführt war, wurden Smith und Rigdon, als sie in dem Dörfchen Hiram sich aufhielten, in der Nacht vom 25. bis 26. Januar überfallen, aus den Betten gerissen und so grausam getheert und gefedert, daß es Joseph gerathen fand, sich auf einige Monate zu den Brüdern in Missouri zu flüchten. Hier wurde er anfänglich mit allen Ehren empfangen, später jedoch monarchischer Gelüste bezüchtigt, eine Anklage, welcher er, als sie zu einer Spaltung zu führen drohte, unter dem 18. März 1833 von Kirtland aus mit einer Offenbarung entgegentrat, in der ihm Jehova gebot, »seinen Knecht Rigdon« und einen gewissen Williams durch Handauflegung zu »gleicher Macht und Würde mit ihm im Amte der Schlüssel zu Gottes letztem Königreiche« zu erheben. Diese Nachgiebigkeit stellte die Ruhe wieder her, und beide Niederlassungen fuhren fort zu blühen. Um die Mitte des Jahres 1833 waren die Mormonen in Missouri durch Zuwanderungen aus dem Osten auf mehr als dreitausend Seelen angewachsen. Sie hatten mehrere Fabriken und Mühlen errichtet und besaßen in Independence ein gemeinschaftliches Magazin, »der Speicher des Herrn« genannt, sowie eine Zeitung, den »Evening and Morning Star.« An ihrer Spitze standen der Bischof Partridge und Elder Phelps, der Redacteur des ebengenannten Blattes. Es schien, als müßte Zion gedeihen, als sich plötzlich unter den Bewohnern von Jackson-County Demonstrationen feindseliger Natur vorzubereiten begannen. Das Volk hielt mehrere Versammlungen, in denen die Mormonen verschiedener Verbrechen angeklagt wurden, und in deren letzter man den Beschluß faßte, hinfort keinem Mitgliede der Secte die Niederlassung in der Grafschaft zu gestatten, von den darin bereits Angesessenen den Abzug binnen bestimmter Frist zu fordern, die unverzügliche Schließung der Arbeit in ihrem Magazine und ihren Fabriken zu bewirken und der Herausgabe der Zeitung ein Ende zu machen. Wieviel von jenen Anklagen Wahrheit, wieviel Eingebung der Misgunst war, muß dahin gestellt bleiben. Daß die Mormonen unvorsichtig geprahlt haben mögen, das ganze Land sei ihnen von ihrem Jehova beschieden, scheint ausgemacht. Daß sich viele räudige Schafe unter der Heerde befanden, litte auch dann keinen Zweifel, wenn der Prophet sie nicht ausdrücklich in mehreren Offenbarungen getadelt hätte. Ebenso wahr jedoch ist, daß die Bevölkerung von Missouri den Jüngern Smiths schon deshalb, weil sie meist Yankees waren und mehr noch deshalb nicht wohl wollte, weil sie keine Sclaven hielten. Ebenso wahr ferner, daß Prediger, denen bei dem reißenden Zulaufe zu der Secte um ihre Gemeinden, das heißt, um ihren Brotkorb bange wurde, diese Abneigung zum Hasse schürten. Ebenso wahr endlich, daß die Hinterwäldler des westlichen Grenzlandes, »dieser Schaum, den die schwellenden Wogen der Zivilisation hierher gespült,« ungemein wenig Ursache hatten, über etwaige Viehdiebstähle und sonstige Ungehörigkeiten als über etwas unter ihnen Unerhörtes die Entrüsteten zu spielen. Das Schlimmste aber war, daß man, als die Mormonen der am 20. Juli an sie ergangenen Aufforderung nicht gleich Folge leisteten, zu Gewaltmaßregeln schritt und ihre Druckerei zerstörte, sowie den Bischof Partridge theerte und aus seinen eigenen zerschnittenen Betten federte. Nach diesem Vorfalle verstanden sich die Führer der Secte dazu, zu Anfang des folgenden Jahres mit den Ihrigen die Grafschaft zu verlassen, und hiermit erklärten sich die Verfolger zufrieden. Als aber gegen Ende des October verlautete, die Mormonen dächten nicht mehr an Erfüllung ihres Versprechens, brach ein neuer Sturm gegen die »Heiligen« los. Der Pöbel von Jackson-County rottete sich zusammen, prügelte, theerte und federte mehrere Mitglieder der Secte, warf ihnen die Fenster ein und plünderte den »Speicher des Herrn« aus. Die Mormonen griffen nun zu den Waffen, und es erfolgte ein Zusammenstoß, bei welchem zwei von der Partei der Angreifer erschossen wurden. Dies rief eine ungeheure Aufregung im Lande hervor, und die Mehrzahl der Secte machte sich sofort zum Abzuge nach der jenseit des Missouri gelegenen Grafschaft Clay auf, wo das Städtchen Liberty ihr Hauptquartier wurde, und wo ihnen im Juni 1834 der Prophet an der Spitze des »Heeres von Zion«, einer wohlbewaffneten Leibwache von hundertfünfzig Aeltesten und Priestern, einen kurzen Besuch abstattete. Die obersten Behörden des Staates und alle Freunde der Gesetzlichkeit waren empört über diesen Sieg des Pöbels und forderten die Mormonen auf, bei den Gerichten um Schadloshaltung einzukommen. Es wurde ein Proceß anhängig gemacht, allein die Stimmung der niedern Classen war den Heiligen so ungünstig, daß der Attorney-General selbst den Rath ertheilte, die Klage fallen zu lassen -- in der That ein trauriges Zeugniß für die Rechtsunsicherheit in der vielgepriesenen Musterrepublik. Jenseit des Missouri schienen die Verhältnisse der Latter-Day-Saints sich anfänglich befriedigender gestalten zu wollen, und bald waren weite Strecken der dortigen Wildniß in Felder und Fluren verwandelt. In Kirtland wurde im Jahre 1835 eine Theologenschule eröffnet, an welcher mehrere hundert Aelteste Unterricht namentlich im Hebräischen empfingen. Im Frühling des folgenden Jahres kamen einige dieser Herren mit zahlreichen Schaaren von Gläubigen nach Clay-County, und dieses Herzuströmen der Mormonen in Masse, sowie die treffliche Organisation der Secte, die sie stets planvoll und gemeinsam handeln und dadurch rasche Erfolge erzielen ließ, erweckte den Argwohn des Volkes auch hier. Man trat zu Versammlungen zusammen, wählte Ausschüsse und bewirkte durch Zureden, daß die Mormonen nach den benachbarten Grafschaften Davies, Caldwell und Carroll auswanderten. Hier wußten sie, in der Hoffnung, ferner nicht mehr gestört und vertrieben zu werden, mit ihrer rührigen, regsamen Weise und ihrem fast immer gut rechnenden Verstande sich's bald bequem zu machen. Wo das Jahr zuvor nur der unstete Jäger gehaust und der Urwald gerauscht, erhoben sich mit Maisfeldern und Mühlen, Werkstätten und Speichern die Städtchen Dewitt, Far West und (an der Stelle, wo der Erste der Menschen, einer Offenbarung Smiths zufolge, einst seine Kinder gesegnet) Adam-On-Diahman, und im Frühling 1837 war die Zahl der Gläubigen in Missouri bereits auf zwölftausend gestiegen. Aber die Kirche war fortwährend von Zwistigkeiten zerrissen. Ehrgeizige Heuchler mischten sich in ihr mit ehrlichen Bethörten, ja selbst entschiedene Schurken und Verbrecher suchten in ihrer Mitte eine Zuflucht und einen neuen Wirkungskreis. Ein Theil der Brüder machte falsches Geld. Die Mehrzahl widersetzte sich dem, aber nicht eher wurden die Uebelthäter verjagt, als bis Smith selbst, der jetzt auf immer nach dem Westen kam, sich ins Mittel schlug. Auch über Shinear-Kirtland nämlich war Unglück hereingebrochen. Die Yankeenatur des Propheten und seiner Freunde hatte ihn bewogen, ein Bankgeschäft zu errichten, das auf den nach einer Offenbarung den Mitgliedern der Secte auferlegten Zehnten von allem ihrem Besitze gegründet war. Diese Bank hatte, trotzdem daß ihr die gesetzlich erforderte Bestätigung vorenthalten wurde, Noten ausgegeben, beträchtliche Summen ausgeliehen, noch beträchtlichere aufgenommen u. s. w. Das war eine Weile trotz der ziemlich unbesonnenen Verwaltung des Geschäfts ganz leidlich gegangen. Aber plötzlich wendete sich das Blatt. Die Bank mußte ihre Zahlungen einstellen, die Gläubiger machten einen Proceß wegen Schwindelei anhängig, und Smith und Rigdon mußten, um dem Sheriff und seinem Verhaftsbefehle, ja vielleicht dem Zuchthause in Columbus zu entgehen, sich bei Nacht und Nebel aus dem Staate flüchten. Sie gingen nach Zion in Missouri, wo es Smith sehr bald gelang, die etwas gelockerte Disciplin unter den Heiligen wiederherzustellen, wo aber andrerseits seine und noch mehr Rigdons Predigten dazu beitrugen, die Entladung des Gewitters, das auch hier über den Häuptern der Secte hing, zu beschleunigen. Lauter nämlich wie je vorher wurde jetzt verkündigt, daß der ganze Westen den Mormonen dereinst als Erbtheil zufallen und daß der Herr ihre Feinde durch das Schwert vertilgen und alle »Heiden«, d. h. alle Unbekehrten von dort vertreiben werde. Mancher Mormone mochte dadurch zu der Ansicht kommen, daß das Eigenthum Nichtgläubiger schon jetzt eigentlich den Kindern Zions gehöre und daß folglich eine Entfremdung desselben nur eine Vorausnahme der Zukunft, nur eine Herstellung des richtigen Verhältnisses der Dinge, nur eine Erhebung der schlechten Wirklichkeit in die wahre sei. So mögen hin und wieder Kuh- und Pferdediebstähle vorgekommen sein. Dazu kam der Umstand, daß die goldne Bibel die Indianer von den Hebräern abstammen und sie bei ihrer nahebevorstehenden Bekehrung ihre Wiedereinsetzung in ihren Besitz als Ureinwohner des Landes hoffen ließ, woraus die Missourier, von denen viele mit ihrem Blute den Rothhäuten ihren Grund und Boden bezahlt hatten, den erklärlichen, wenn auch nicht sehr logischen Schluß zogen, die Jünger Smiths hätten ein Bündniß mit den Wilden im Sinne, um einen Vernichtungskrieg gegen sie zu beginnen. Man sieht, es waren hier wie dort Misverständnisse. Alle Beschwerden auf Seiten der Gegner des Mormonenthums aber begleitete unzweifelhaft der Neid, der den Heiligen die Errungenschaften ihres Fleißes nicht gönnte, und die Habgier, welche dieselben gern ohne Kaufschilling an sich gebracht hätte. Im Sommer 1838 kam es bei Gelegenheit einer Wahl von Beamten in Caldwell-County, wo man die Mormonen nicht stimmen lassen wollte, zu Thätlichkeiten zwischen den feindlichen Parteien. Es erfolgten mehrere Verwundungen, und einer der Heiligen wurde erstochen. Im Herbste nahmen die hierauf sich entspinnenden gegenseitigen Neckereien den Charakter ernstlicher Feindseligkeiten an. Eine aus den eifrigsten Jüngern Smiths gebildete Schaar, Daniten oder Würgengel genannt, verbrannte die Ortschaften Gallatin und Millport, wogegen die Antimormonen, unter dem Oberbefehle des Methodistenpredigers Bogard, der später wegen Mordes nach Texas flüchtete, mehrere Farmen der Heiligen beraubten und zerstörten. Endlich griff ein Haufe Mormonen eine Milizcompagnie, die von dem Anführer im Dunkel der Nacht für eine Rotte Pöbel gehalten wurde, mit Flintenschüssen an, und diese mußte sich mit Verlust mehrerer Todten zurückziehen. Damit war der Bürgerkrieg im Kleinen da. Der Gouverneur Boggs rief die Miliz des Staates Missouri zu den Waffen, um den Ruhestörungen ein Ende zu machen. Diese Landwehr war vom brennendsten Hasse gegen die fanatische Secte erfüllt, und so war ihre nächste Waffenthat, daß sie in einem Blockhause bei Hauns Mill vierundzwanzig wehrlose und unschuldige Mormonen, meist Frauen, Greise und Kinder, mit kaltem Blute niederschoß. Einige Tage nachher erschienen die Generale Clark und Lucas mit 3500 Mann vor Far West. Beim Anblicke dieser offenbaren Uebermacht ergaben sich die Heiligen, die damals 1100 Streiter zählten, legten ihre Waffen nieder und lieferten auf Verlangen sechs ihrer Führer, darunter den Propheten, zur Bestrafung aus. Diese wurden nur durch das Dazwischentreten des Generals Doniphan vor dem Erschießen bewahrt, in's Gefängniß gebracht, um unter der Anklage des Hochverraths, des Mordes und der Brandstiftung vor Gericht gestellt zu werden. Die große Masse des unseligen Volkes aber mußte mit ihrem gesammten Eigenthume die Kriegskosten bezahlen, und mitleidlos trieben die Vollstrecker der Befehle des mindestens nicht unparteiischen Gouverneurs die Armen mit Weib und Kind mitten im November über die Grenzen des Staates auf die öden Prairien von Iowa, wo Massen von ihnen durch Kälte, Hunger und Krankheit den Tod fanden. Das war eine schwere Heimsuchung. Aber ihr folgte eine Glanzperiode, deren man eine Secte von so gemeinem Ursprunge und so gemischtem Wesen nicht fähig halten sollte. Die Exulanten wurden von dem Nachbarstaate Illinois freundlich aufgenommen, und nachdem sie sich hier in Quincy und dessen Umgebung einige Wochen aufgehalten, wählten sie, von =Dr.= Gallant auf diesen gut gelegenen Punkt aufmerksam gemacht, das Städtchen Commerce zum bleibenden Aufenthalte, welches sie in Nauvoo -- das heißt auf neuägyptisch »die Schöne« -- umtauften. Diese neue »ewige Wohnung« der Heiligen vom jüngsten Tage lag in Hancock-County auf einem Hügelvorsprunge am Mississippi, nicht weit vor den Des Moines-Wasserschnellen, am Rande einer prachtvollen, wellenförmigen Prairie, die durch den Fleiß der Ankömmlinge rasch in reichtragende Felder verwandelt wurde. Commerce war ein Haufe elender schmuziger Blockhütten gewesen, Nauvoo war schon nach Verlauf von drei Jahren die größte und schönste Stadt in Illinois. Smith und die anderen Führer der Secte, welche mit ihm in's Gefängniß gebracht worden waren, benutzten den 4. Juli, wo ihre Wächter den Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung durch allzureichlichen Genuß geistiger Getränke gefeiert hatten, zur Flucht über die Grenze. Bei den Ihrigen eingetroffen, wußten sie zu bewirken, daß die Gesetzgebung von Illinois den Mormonen außergewöhnliche Vorrechte zur Förderung ihrer Colonie gewährte, und mit diesen versehen, wuchs dieselbe mit unerhörter Schnelligkeit. Rasch entstanden Straßen und Plätze, Häuser und Blumengärten. Die benachbarten Sümpfe, welche Anfangs tödtliche Fieberluft aushauchten, wurden durch großartige Drainirungsanstalten entwässert. Meilenweit in's Land hinein sah man auf eingezäunten Aeckern Mais und Weizen reifen, während die Prairie herrliches Viehfutter gewährte. Kaufleute eröffneten Läden mit den Erzeugnissen des Ostens, welche die Dampfboote auf dem Strome herzuführten. Eine Freimaurerhalle und ein Concerthaus, eine Universität und ein großer Gasthof, zu dessen Wirthe Jehova in einer feierlichen Offenbarung vom 19. Januar 1841 den Propheten selbst bestimmte, wurden erbaut. Einer Gesellschaft, zur Betreibung der Landwirthschaft im Großen wurde Concession ertheilt, und als die Mormonen eine Legion zur Vertheidigung ihrer Niederlassung errichteten, lieferte ihnen der Staat die Waffen dazu. Die Krone des Ganzen aber versprach der Tempel zu werden, zu welchem am 6. April 1841 der Grundstein gelegt wurde. Das Modell dazu hatte der Prophet von einem Engel empfangen. Die Ausführung mußte einem »heidnischen,« d. h. einem ungläubigen Baumeister übertragen werden, welcher, als Smith ihm den »Bauplan des Herrn« beschrieb, anfänglich Schwierigkeiten machte, sich aber schließlich einverstanden erklärte. Smith hatte erkannt, daß ein solches Centralheiligthum ein gutes Bindemittel sein werde, und so wurde seine Errichtung in allen auswärtigen Gemeinden als religiöse Pflicht gepredigt. Die Kosten des Werkes, welches nach seiner Vollendung gleichsam als versteinertes Charakterbild der wunderlichen und doch zugleich imposanten Secte, die es geschaffen, die Stadt überragte, beliefen sich auf mehr als eine halbe Million Dollars, ungerechnet die Arbeitstage, womit unvermögende Mormonen ihren Beitrag abgezahlt hatten. Es war ein hundertachtundzwanzig Fuß langes, achtzig Fuß breites und sechzig Fuß hohes Viereck, dessen flaches Dach auf dreißig Pfeilern von eigenthümlicher Structur ruhte. Die Basis war ein Halbmond, und die Kapitäler bestanden aus einem strahlenumkränzten Menschenantlitze, über dem zwei Hände zwei Posaunen hielten. Zwischen diesen Pfeilern liefen um das Viereck vier Reihen Fenster, zwei im Rundbogenstyle und zwei kreisrunde. Drei Thüren, zu denen man auf je vier Stufen emporstieg, führten ins Innere, und über dem Ganzen erhob sich ein hundertfunfzig Fuß hoher Thurm. Ein gewaltiges Marmorbassin, getragen von zwölf kolossalen Stieren, sollte im Erdgeschoß als Taufbecken dienen. Das Material des ganzen, mit Ausnahme des Thurms, nicht unschönen Bauwerks war weißer Kalkstein. Und wie der Tempel und die Stadt des Mormonengottes, so wuchs auch sein Reich und die Zahl seiner Anbeter. Wie ein Magnet wirkte »Mormon Joe« trotz der Streitschriften, womit die Geistlichkeit aller Secten ihn bekämpfte, bis über das Meer hinüber. Alle Jahre wurden zweimal Generalconferenzen abgehalten, in welchen Missionaire für Europa, Afrika und Asien gewählt wurden. Bei einer Conferenz wurden deren mehrere Hunderte hinausgesendet, und obwohl sie sich binnen drei Tagen zur Abreise »ohne Beutel und Stab« bereit zu machen hatten und nicht selten Jahre lang von Familie und Geschäft entfernt blieben, trat nie der Fall ein, daß einer sich dem »Auftrag aus der Höhe« zu folgen geweigert hätte. Die zwölf Apostel Smiths, denen die Beaufsichtigung der fremden Gemeinden oblag, fanden fast allenthalben die Arbeit dieser Prediger mit Erfolg belohnt, und nicht allzusehr übertrieben scheint es, wenn die Mormonen sich im Jahre 1843 rühmten, allein innerhalb der Vereinigten Staaten an hunderttausend Bekenner ihres Glaubens zu haben. Nicht weniger verbreitet war die Lehre Smiths in Großbritannien, wo die Apostel Young, Parley Peter Pratt und Heber Kimball namentlich in den Manufacturdistricten Englands sowie in Schottland, vor Allem aber unter der unwissenden Landbevölkerung von Wales großen Anhang gewonnen, und durch Ueberreichung des Buchs Mormons an die Königin sogar bei Hofe Proselyten zu machen versucht hatten. Der außerordentlich thätige, sprachenkundige Apostel Taylor ging nach Jerusalem, um die dortigen Juden zu bekehren. Andere schifften nach den britischen Besitzungen in Ostindien und Australien, noch Andere sogar nach den Inseln der Südsee, wo ihnen die Eingeborenen in Masse zufielen. Männer, die in Amerika für Gelehrte gelten konnten und allenthalben für ziemlich geschickte Sophisten angesehen werden dürften, vertheidigten die sich jetzt immer mehr mit mystischen Doctrinen füllenden Katechismen des Mormonenthums. Vier Zeitungen, wovon eine in England erschien, stritten für die geistlichen und weltlichen Angelegenheiten der Secte. Die Verhältnisse in Nauvoo ordneten sich von Tage zu Tage besser, und von einem baldigen Erlöschen des Trugbildes, welches wie ein ungeheures Irrlicht alle unklaren Köpfe im Bereiche des anglo-sächsischen Lebens in seinen Sumpf lockte, konnte nicht mehr die Rede sein. Die Mormonen gestatteten auch Nichtgläubigen die Niederlassung in Nauvoo, und die glänzenden Aussichten, welche die Stadt hatte, führten viele tüchtige Kräfte dahin. Allein die Einwanderung beschränkte sich nicht auf diese. Pferdediebe und Falschmünzer, Räuber und Betrüger aller Art flüchteten unter die Fittiche der neuen Colonie, deren Behörden, wenn sie sich zur Taufe bequemten und den Zehnten zahlten, nicht sehr nach der Vergangenheit solcher Neophyten fragten. Auch Speculanten auf Baustellen in der Stadt stellten sich ein; da dieselben jedoch weder von der Taufe, noch von dem Zehnten etwas wissen wollten, so wurden sie schnell misliebig und die Herren vom Rathe fanden Mittel, sich ihrer zu entledigen. Man bot ihnen eine genügende Summe für ihren Grundbesitz, und gingen sie darauf nicht ein, so wurden sie »fortgeschnitzelt«. Drei Mann bekamen den Auftrag, sich gegen eine Geldvergütung für die aufgewendete Zeit mit einem Stuhle, einem Taschenmesser und einem Stöckchen versehen, vor das Haus des Hartnäckigen zu verfügen, sich niederzusetzen und in bekannter Yankeemanier ihr Schnitzeln zu beginnen. Kam der Betreffende aus der Thür, so starrten die Schnitzler ihn an, sagten aber kein Wort. Ging er auf den Markt, so folgten sie ihm, sprachlos weiter schnitzelnd. Er mochte sie auslachen, mochte schimpfen, drohen, fluchen, es wurde durchaus keine Notiz davon genommen. Die Straßenjugend sammelte sich und erfüllte die Luft mit Geschrei und Gelächter, die Schnitzler kümmerte auch das nicht. Sie arbeiteten mit einer Andacht fort, als ob sie dem lieben Gott seine Sterne zu schnitzeln hätten. Ihr stierer Blick folgte dem Unseligen vom Morgen bis zum sinkenden Abend. Kehrte er heim, so setzten sie sich gelassen wieder vor seine Fenster und schnitzelten. Bei einem Beispiele soll die menschliche Natur ganze drei Tage diese sonderbare Tortur ausgehalten haben. In den meisten Fällen jedoch wurde das Opfer weit eher mürbe. Es verkaufte dann sein Hab und Gut für den angebotenen Preis und eilte, der aus dem Anblicke der Schnitzmesser hervordrohenden Verrücktheit zu entfliehen. Weniger friedsamer Natur waren die Mittel, deren man sich gegen eine aus abgefallenen Mitgliedern der Secte entstandene Partei bediente, und jetzt stehen wir vor dem großen Wendepunkte in der Geschichte des Propheten und seiner Secte. Smith hatte den Gipfel seiner Macht erreicht. Er war von der Stadt Nauvoo zu ihrem Mayor, von der Legion zum General ernannt worden. Alle Klagen, die gegen ihn anhängig gemacht wurden, fielen bei den Geschworenen durch. Er »hielt die Schlüssel zum Himmelreiche in der Hand,« und sein Wort war auch in irdischen Dingen Gesetz. Im Mai 1844 hatte er sogar die Kühnheit, mit Veröffentlichung eines politischen Glaubensbekenntnisses, worin er unter Anderm sich für Errichtung einer Nationalbank, für Verminderung der Beamten und der Congreßmitglieder, für Aufhebung der Strafen wegen Desertion in Heer und Flotte, und für Entlassung aller in den Zuchthäusern verwahrten Verbrecher (die durch Liebe und Weckung ihres Ehrgefühls gebessert werden sollten) aussprach, neben Clay, Calhoun und Benton als Bewerber um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten aufzutreten. Es geschah dies lediglich zur Augenweide der Seinen, wiewohl die Mormonen behaupten, der Prophet würde unzweifelhaft bei der nächsten Wahl gesiegt haben, wenn er sie erlebt hätte. Die Ereignisse schnitten die Gelegenheit zu einer nochmaligen Bewerbung ab. Unerwartet zogen sich dunkle Wolken über dem Haupte des Himmelsstürmers zusammen. Die Nachbarn in Hancock-County begannen sich zu beschweren, daß die Bewohner von Nauvoo sich an ihrem Vieh vergriffen, und daß gegen die Diebe bei den Behörden der Stadt kein Recht zu erlangen sei. Die Zeitungen von Illinois sprachen von einer Verschwörung, durch welche die Mormonen die Verfassung umzustoßen und an ihre Stelle eine Priesterschaft einzusetzen beabsichtigten. Gerüchte verbreiteten sich, daß Joseph Smith und einige andere von den Leitern der Secte in sogenannter »geistlicher Ehe« ein Leben voll Unzucht und Ausschweifung führten. Die letztere Beschuldigung wurde vorzüglich von der bereits erwähnten Partei in Nauvoo selbst erhoben. Mehrere einflußreiche und talentvolle Mormonen, die sich entweder in der Heiligkeit des Propheten oder -- und das war wohl der häufigere Fall -- in der Hoffnung, durch ihn zu Macht und Vermögen zu gelangen, getäuscht sahen, verließen seine Fahne und begannen ihn öffentlich als Wollüstling, Trunkenbold und hochmüthigen Tyrannen darzustellen. Eine gewisse Miß Brotherton klagte, er und Brigham Young haben sie unter dem Vorgeben, Gott habe sie Joseph zur zweiten Frau gegeben, verführen wollen. Smith griff diese Gegner in seiner Zeitung »The Wasp« mit dem Stachel bittersten Hasses an. Die Abtrünnigen, geführt von einem gewissen =Dr.= Foster, auf dessen Frau der Prophet es gleichfalls abgesehen haben sollte, fuhren dagegen in dem »Nauvoo Expositor« eine Gegenbatterie auf. Dieses Blatt bewarf in seiner ersten Nummer das Haupt der Kirche mit einer solchen Masse Schmuz, daß der Stadtrath dagegen einschreiten zu müssen glaubte. Elf Mitglieder von zwölfen erklärten den Expositor für eine Schmach von Nauvoo, und nicht zufrieden damit, begab man sich unverweilt nach der Druckerei des Blattes, zerstörte die Pressen, verstreute die Typen in die Straße und verbrannte die vorgefundenen Exemplare der Auflage. Smith und sein Bruder Hyrum ließen sich von ihrem Verdrusse über die Enthüllungen Fosters verleiten, die von dieser Gewaltthat Zurückkehrenden zu beloben und ihnen sogar Belohnung zu verheißen. Foster und seine Partei dagegen suchten gerichtliche Hilfe nach, und es erging ein Verhaftsbefehl gegen die Tumultuanten. Allein dieselben wurden durch ein sogenanntes Habeascorpus sogleich in Freiheit gesetzt. Der mit Ausführung des Verhaftsbefehls beauftragte Beamte wendete sich nun, von der Stadtbehörde zurückgewiesen, an die Grafschaftsbehörde und erschien im Auftrage dieser mit bewaffneter Macht, um die Verhaftung der Schuldigen zu bewirken, aber das Volk von Nauvoo rottete sich zusammen und verhinderte ihn an seiner Absicht. Als darauf die Miliz zusammenberufen wurde, um das Ansehen der Gesetze gegen die Anmaßung der Mormonen zu vertheidigen, antwortete Smith in seiner Eigenschaft als Mayor und General damit, daß er die Stadt in Belagerungszustand erklärte. Damit war die Angelegenheit auf einen Punkt gediehen, wo der Trotz der Mormonen biegen oder brechen mußte. Der Gouverneur von Illinois erschien in Carthage, dem Sitze der Grafschaftsbehörden, und forderte Smith, indem er ihm Sicherheit seiner Person verbürgte, auf, vor ihm zu erscheinen, um sich zu verantworten. Der Prophet schickte, statt selbst zu kommen, zwei Gesandte, Taylor und Bernhisel, um mit Ford zu verhandeln. Dieser, damit nicht zufrieden, beorderte drei Compagnien Miliz unter einem Obersten nach Nauvoo, um den Propheten nebst seinem Bruder, dem »Patriarchen« ins Gefängniß zu bringen. Darauf flüchteten die Beiden über den Mississippi nach Iowa, kehrten indeß, da der Stadtrath es für das Beste erklärte, sich zu unterwerfen, und da überdies eine Freisprechung zu hoffen war, zurück und brachen nach Carthage auf. Auf dem Wege dahin begegneten sie Abgesandten des Gouverneurs, welche den Auftrag hatten, die Legion von Nauvoo zur Niederlegung der Waffen aufzufordern. Sie gingen mit diesen nach der Stadt zurück und bewirkten, daß man dem Befehle nachkam. Hierauf begaben sie sich nach Carthage, wo sie nebst zweien von den Aposteln, Richards und Taylor, ins Gefängniß gebracht wurden, um dort die Entscheidung der gegen sie erhobenen Anklage zu erwarten. Ford glaubte damit vorläufig die Sache beigelegt zu haben. Er entließ die Mehrzahl der zusammengezogenen Truppen, verfügte sich nach Nauvoo, ermahnte hier die Mormonen, sich ruhig zu verhalten, da allen Parteien Gerechtigkeit geschehen sollte, und begab sich dann nach Carthage zurück. Auf dem Wege begegnete ihm ein Eilbote, der ihm meldete, daß während seiner Abwesenheit der Pöbel das Gefängniß von Carthage gestürmt, die Wache überwältigt, und den Propheten nebst seinem Bruder erschossen habe. Dies war am Nachmittag des 27. Juni geschehen. Ford befürchtete, die Mormonen würden sofort in Masse aufbrechen, um den Mord ihres Propheten zu rächen, und rieth den Bewohnern von Carthage, den Ort zu verlassen, während er selbst sich, um das Weitere zu erwarten, nach Quincy verfügte, und nur ein schwaches Detachement Miliz unter General Denning in Carthage zurückblieb. So endete die Laufbahn eines Mannes, dessen wahre Biographie noch zu schreiben ist und vielleicht nie geschrieben werden wird. Seinen Verehrern ist er der große Märtyrer des neunzehnten Jahrhunderts, seinen Gegnern ein Schurke der schwärzesten Art, dem nur allzu spät zu Theil ward, was ihm gebührte. Daß er ungewöhnliche Talente besaß, wird Niemand leugnen können. Aus allen seinen Maßregeln leuchtet eine tiefe Kenntniß der Menschen und Verhältnisse hervor. Der Muth und die Ausdauer, die er inmitten unablässiger Verfolgungen entwickelte, waren der besten Sache würdig. Wenige verstanden so gut zu organisiren. Wenige wußten so geschickt wie er mit Geistern umzugehen, die im Genusse der unbeschränktesten Freiheit aufgewachsen waren. Wenige nur möchten sich finden, die der Aufgabe gewachsen wären, ein Gemisch der widersprechendsten, allenthalben mit unreinen Trieben durchdrungenen, in irdischen Dingen von Selbstsucht, in himmlischen von wilder Phantasie bewegten Elemente in dem Grade zu bändigen und zu leiten, daß dieses Chaos Resultate gebäre, wie das Mormonenreich und seine Hauptstadt Nauvoo. Viele von den Zügen in seinem Charakter sind für ein europäisches Auge nahezu unbegreiflich. Ein Prophet in Frack und weißer Ballweste, der sein Evangelium mit Gassenhauern und Witzen der Straße würzt und Reden in der Sprache der Lastträger mit Citaten aus den Classikern durchflicht, gehört in's Reich der Möglichkeit, wird aber immerhin zu den seltnen Erscheinungen zählen. Ein Mann, der neben den Pflichten, die ihm sein Amt als oberster Priester, als Offenbarer göttlicher Geheimnisse, als Pförtner an der Thür des Himmelreichs auferlegt, auch noch Zeit findet, die Geschäfte eines Bankdirectors, eines Bürgermeisters, eines Generals und eines Hotelwirths zu besorgen, steht unserm Gefühle nach an der Grenze des Wahrscheinlichen und schon eine Strecke jenseit derselben. Wenn aber Mormonen selbst die folgenden Anekdoten von ihrem Propheten erzählen, so weiß man in der That nicht, ob neben dem Geiste Mohamed's nicht auch ein gutes Stück des seligen Eulenspiegel in ihm wiederaufgelebt war. Mehrmals nämlich geschah es, daß Joseph plötzlich die Maske des Gottgesandten fallen ließ, auf öffentlicher Straße einen Neubekehrten zum Ringkampfe herausforderte und den verblüfften Heiligen nicht eher von dannen ließ, bis er ihn seiner ganzen Länge nach auf den Boden hingelegt und dadurch den Beweis geführt hatte, daß der Ruf athletischer Kraft, in dem er stand, nicht gelogen habe. Mehrmals auch kam es vor, daß von Neulingen, die sich bei dem Propheten meldeten, all ihr Geld als Darlehen für den Tempelbau verlangt und dann nicht die mindeste Notiz mehr von ihnen genommen wurde, sodaß der Arme genöthigt war, sich als Tagelöhner mit Schaufel und Axt sein Brot zu verdienen. Hielt er diese Prüfung seiner Treue einige Monate aus, so wurde er eines Tages plötzlich zum Propheten berufen, und dieser verlieh ihm ein entsprechendes Stück Land nebst den Mitteln, es sich darauf bequem zu machen. Die Mehrzahl der Mormonen war auf die Nachricht von Smith's Ermordung für sofortige Eröffnung des Vertilgungskriegs gegen die »Heiden«. Dumpf rollte die Lärmtrommel durch die Straßen, allenthalben sammelten sich drohende Gesichter, selbst die Weiber riefen zur Rache auf. Die Führer aber wußten das Volk für den ersten Tag zu beschwichtigen, um ihm am nächsten, wo die Hitze sich durch Ueberlegung gemäßigt, zu beweisen, daß man nicht stark genug sei, um das Schwert der Strafe selbst zu schwingen, und so begnügte man sich mit der Hoffnung, daß die Zeit nahe sei, wo Gott den Mord seines Knechtes rächen werde. Als Gouverneur Ford sich versichert hatte, daß die Mormonen keine Ungesetzlichkeit begehen würden, so entließ er die Miliz, die sich rasch gesammelt hatte, und der Kriegszustand wurde aufgehoben. Nauvoo fuhr fort zu blühen, und die Zahl seiner Einwohner stieg bis auf 20,000. Zwar erhoben sich Streitigkeiten über den Nachfolger Smith's, dieselben wurden aber durch die Energie Brigham Youngs, des Vorstehers der zwölf Apostel, sehr bald beigelegt. Rigdon, der die letzten Jahre dem Namen nach mit Joseph und Hyrum die Präsidentschaft über die gesammte »Kirche« getheilt, von dem Propheten aber seit geraumer Zeit schon mit Mistrauen betrachtet und hintangesetzt worden war, kam von Pittsburgh herbei geeilt und berief eine Versammlung, in welcher er seine Ansprüche auf den erledigten ersten Platz geltend machte. Er theilte zugleich eine Offenbarung mit, nach welcher die Heiligen nach Pennsylvanien ausziehen sollten, während er sich nach England zu begeben, dort die Königin zur Bekehrung aufzufordern und wenn sie sich der Taufe weigerte, vom Throne zu stoßen habe. Seine Zeit war indeß vorüber, und es gelang Young, nicht blos seine Pläne zu vereiteln, sondern auch seine Ausstoßung aus der Gemeinde zu bewirken. Getäuscht in seinen Erwartungen und von Young feierlich dem Teufel und seinen Engeln überantwortet, kehrte er nach der Stadt zurück, wo er Spaldings Roman in eine Bibel verwandelt hatte, und dort ist er seitdem verschollen. Ein andrer Schismatiker war der Aelteste Bishop, der ganze Bände von Gesprächen mit himmlischen Geistern aufzuweisen hatte, aber trotz dieser Testimonia seiner Beliebtheit bei Jehova ebenfalls beseitigt wurde. Einem dritten Bewerber um die Stelle des Propheten, William Smith, erging es nicht besser; auch er verschwand spurlos. Etwas mehr Erfolg fand der Apostel Lyman Wight, welcher in Texas eine Colonie gründete. Die bedeutendste Stelle endlich nimmt unter diesen Abtrünnigen James Strang, ein junger Advocat aus dem Staate Neuyork, ein, welcher, 1843 der Secte beigetreten, kraft einer besiegelten Offenbarung, die Joseph Smith ihm kurz vor seinem Tode mitgetheilt haben sollte, zu Voree, auf den Prairien von Wisconsin die Heiligen als »König« um sich sammeln wollte. Auch ihn traf der Bannstrahl der Zwölfe, er jedoch fuhr fort zu predigen und zu weissagen, und es gelang ihm, eine ziemlich zahlreiche Gemeinde um sich zu bilden, deren Hauptsitz gegenwärtig Beaver-Island, eine Insel des Michigansees nicht weit von Mackinaw ist, wo die Unterthanen dieses geistlichen Zaunkönigs im Jahre 1852 in mehrfache, zum Theil blutig endende Conflicte mit den Nachbarn geriethen. Die bei Weitem überwiegende Mehrheit der Latterday-Saints aber blieb in Nauvoo, wo sie unter Brigham Young an der orthodoxen Lehre festhielten und fleißig am Tempel fortbauten. Der neue »Prophet, Seher und Offenbarer« war ganz der Mann dazu, das Werk, das Smith begonnen, weiterzuführen. Er hatte durchaus keine Anlage zum Märtyrer, aber er war ein ungemein kluger, weitschauender, durch und durch politischer Kopf, und eines solchen bedurfte die Secte gerade jetzt, wenn sie nicht untergehen sollte. Die Leidenschaften waren ringsum gegen sie aufgeregt, und nur mit der größten Mäßigung und Nachgiebigkeit waren Angriffe der Nachbarn auf Nauvoo fernzuhalten. Auf die Dauer aber wollte auch dies nicht gelingen. Schon im Herbste 1845 fingen Feindseligkeiten an auszubrechen. Dieselben steigerten sich, und endlich verstanden die Führer der Mormonen sich im Namen der Gesammtheit zu dem Versprechen, im Laufe des nächsten Jahres über die Westgrenze des angesiedelten Theils der Union auszuwandern. Im Frühlinge 1846, besagte dieses Uebereinkommen, sollte eine auserwählte Schaar aus der Mitte der Heiligen aufbrechen, um jenseit der Felsengebirge eine neue Heimat für ihre Brüder zu suchen. Dagegen machte der andere contrahirende Theil sich anheischig, die Zurückbleibenden so lange unbehelligt in Nauvoo zu lassen, bis die Vorausgehenden ihre Wahl getroffen und die Uebrigen Gelegenheit gefunden hätten, ihr Eigenthum in Illinois nach seinem wahren Werthe zu veräußern. Der Pöbel von Hancock-County respectirte jedoch den Vertrag nicht. Bald zeigten sich Symptome eines abermaligen Sturmes, und so mußten jene Kundschafter, unter denen sich die Häupter der Secte befanden, schon am letzten Februar sich auf den Weg machen, wiewohl die Kälte noch so groß war, daß den Mississippi eine Eisdecke überzog, über welche sie mit Wagen und Pferden gehen konnten. Die Leiden, die sie in Folge dessen erduldeten, waren unsäglich, ja um so furchtbarer, als sie sich in der Hast nur unvollkommen mit den Bedürfnissen zu einem Marsche durch die winterliche Wüste hatten versehen können, und als es bald an Lebensmitteln und Futter für das Vieh zu mangeln anfing. Nach Nauvoo umzukehren war schlechterdings unmöglich, und so pilgerten sie weiter durch die Schneestürme der Wildniß von Iowa, sehnsüchtig dem Frühling entgegenschauend, Trost in den Verheißungen ihres Glaubens suchend und »die Lieder Zions singend, während ihnen der Athem an die Augenlider gefror.« Der ersehnte Frühling kam endlich, aber er brachte nur neue Beschwerden. Regengüsse verwandelten den fetten Boden der Prairie in einen unermeßlichen Morast, durch den die Karawane nur langsam vorwärts kam, und die Winde trugen von den schlammigen Ufern des Plattestroms und des obern Missouri Krankheitsstoffe herzu, denen die von Mühen und Entbehrungen erschöpften Wanderer schaarenweise erlagen. Die Lager wurden zu Spitälern, und als man das Gebiet der Sack- und Fuchsindianer erreicht hatte, mußte Halt gemacht werden, um sich für die weitere Reise zu erholen. Inzwischen hatten die Feinde der Mormonen in Illinois ihre Angriffe auf Nauvoo erneuert. Die Farmen außerhalb der Stadt mußten geräumt werden. Im Innern aber hielt man tapfer Stand; denn noch immer stand der Tempel unvollendet, den Gott zu bauen geboten. Dieses Werk des Glaubens und der Liebe jedes Einzelnen mußte zu Ende geführt werden trotz aller Bedränger und Verfolger, und es ward vollendet. Der Tag der Einweihung war ein hohes Fest. Von allen Seiten, aus der Nähe und aus der Ferne kamen Priester, Aelteste und Bischöfe als bestaubte Wanderer herbei, um sich, in ihre Talare gekleidet, an der Feier zu betheiligen. Vom Hochmittag bis tief in die Nacht hinein war ganz Nauvoo eitel Frohlocken und Lobgesang. Da stand es, das Haus des Herrn, der Stolz des Mississippithales. Hell blinkte auf der Thurmspitze der goldne Engel mit der Posaune. Die innern Räume strahlten von Lampen und Fackeln, der große Altar und die Kanzeln der Priester waren mit Blumengewinden und Laub geschmückt. Gesänge erschallten, Gebete und Segenssprüche stiegen empor. Dann wurden alle Heiligthümer von beweglicher Art weggeschafft, um Tags nachher, wo die letzten der Führer mit einer mehrere tausend Mann starken Heersäule von Gläubigen den vorausgegangenen Brüdern folgten, nach der neuen Heimat abgeführt zu werden. Der Rest der Mormonen wurde einige Wochen später von dem Pöbel der Nachbarschaft nach hartnäckiger Gegenwehr mit Waffengewalt zum Abzuge gezwungen. Seitdem hat die Stadt der Heiligen halb wüste gelegen. Cabets Icarier, die sich später hier niederließen, haben sie nicht wieder zu der alten Herrlichkeit zu erheben vermocht. Der Tempel wurde, nachdem die Jesuiten von St. Louis in Verhandlungen getreten waren, um ihn zu einem Seminar anzukaufen, 1848 von einem Nichtswürdigen in Brand gesteckt. Ein Tornado warf im nächsten Jahre den größten Theil des stehengebliebenen Gemäuers um, sodaß jetzt von dem stattlichen Baue nur die eine Wand und ein Haufen Ruinen noch übrig ist. Der Engel mit der Posaune aber wird gegenwärtig in Barnums Museum gezeigt, -- eine seltsame Fügung des Schicksals, welche die Spitze dieses Triumphs des Mormonenthums in das Raritätencabinet des »Napoleons der Windbeutelei« führte! Kehren wir zu dem Vortrab der Auswanderer in dem Indianerlande zurück, so treffen wir sie am obern Missouri bei Council Bluffs, wo sie in der ersten Hälfte des Juni angelangt waren, und wo sich zwei Monate später die Tausende des Hauptheeres allmälig mit ihnen vereinigten. Da der Herbst sich näherte, so mußte die Weiterreise bis zum nächsten Frühjahre aufgeschoben werden. Um diese Zeit brach der Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko aus, und General Kearney erhielt den Auftrag, unter den Mormonen ein Bataillon von 520 Mann zur Theilnahme am Kampfe zu werben. Die Regierung wußte von ihrer Absicht, nach Californien zu ziehen und glaubte (wie die Vertheidiger der Maßregel sagen) ihnen einen Gefallen zu thun, wenn sie auf diese Art einen Theil der Kosten ihres Abzuges übernähme und ihnen nebenbei Gelegenheit gäbe, sich als gute Patrioten zu zeigen. Die Mormonen aber sahen die Sache anders an und meinten, man wolle die waffentüchtigsten Leute von ihnen nehmen, um den Rest den Angriffen der Indianer erliegen zu lassen. Es wäre eben nicht zu verwundern gewesen, wenn man dem General eines Staates, der ihnen gegen ihre Feinde niemals Recht verschafft hatte, eine abschlägige Antwort ertheilt hätte. Aber die Vaterlandsliebe trug den Sieg über die erlittene Unbill und über die Sorge um die Zukunft davon. Die Aeltesten beriefen eine Versammlung, in welcher zunächst die Unverheiratheten zu Rekruten ausgeschieden, und dann die jüngeren Familienväter hinzugefügt wurden. Innerhalb drei Tagen war das Bataillon vollzählig, bewaffnet, eingesegnet, und nachdem zum Abschiede ein fröhlicher Ball stattgefunden, marschirten die Truppen »im Namen des Herrn« aus dem Lager. Die Zurückbleibenden rüsteten sich nun für den Winter und verwandelten ihre Zeltlager in hölzerne Städtchen, von denen das größte, auf den Ländereien der Pottowattamies gelegen, nach dem Freunde und Begleiter der Mormonen während ihres Auszugs, Oberst Kane von Philadelphia, Kanesville genannt wurde. Der Winter kam, um die Wanderer in der Wüste von den Plagen des Sommers, Wechselfiebern und scorbutartigen Krankheiten zu erlösen, brachte ihnen aber andere Leiden und Beschwerden in Menge. Er war die schwerste ihrer Prüfungen und zugleich der Wendepunkt ihres Geschicks. Ganz früh im Jahre 1847, ehe die Prairie zu grünen begann, brach eine Vorhut von 143 Mann mit 70 Wagen, geführt von Brigham Young und mehreren Gliedern des hohen Rathes von den Winterquartieren im Lande der Omaha-Indianer auf, um weiter nach Westen vorzudringen. Sie beeilten sich so sehr, als es das schwierige Terrain gestattete, setzten über den Loup-, den Horn-, den Platte-, den Bären- und den Weberfluß und stiegen endlich, sehr erschöpft zwar, aber ohne einen Mann verloren zu haben, über die wildzerklüfteten Felsenberge des Utahlandes in das Becken des großen Salzsees hinab. Der Vortrab traf hier am 21., die Präsidentschaft der Kirche am 24. Juli ein, und der letztere Tag sah das Haupt der Mormonen den Boden segnen, wo nun der Grund zu einem dritten »Neujerusalem im Westen« gelegt wurde. Er ist in der Folge zum größten Festtage der Secte geworden, und einer der Apostel erklärte ihn bei Gelegenheit der dritten Jahresfeier sogar »für den wichtigsten Tag in der Geschichte der Menschheit, mit alleiniger Ausnahme der Tage, da Adam geschaffen und Jesus Christus geboren worden.« Die Kundschafter waren zeitig genug in der neuen Heimat angelangt, um für eine den nächsten Herbst zu haltende Ernte ihr Wälschkorn pflanzen zu können. Ihnen folgte aus dem Hauptlager am Missouri einen Monat später ein Heer von ziemlich 4000 Mann mit 566 Wagen, auf welchen sie große Massen von Mais und Weizen mit sich führten, die sie, gleichfalls glücklich im Thale des Salzsees eingetroffen, noch im Stande waren, auszusäen, ehe der Winterfrost eintrat. Im Herbste stießen zu ihnen ein Theil des Mormonenbataillons und andere Kirchenglieder, die aus Californien und von den Sandwichsinseln kamen, und im Frühling und Sommer von 1848 zogen beinahe alle noch auf den Prairien verweilenden Heiligen in einer Aufeinanderfolge bald kleinerer, bald größerer Karawanen ihren Brüdern nach, sodaß zu Ende dieses Jahres bereits 8000 Ladderday-Saints in den verschiedenen Niederlassungen der Thäler am Großen Salzsee angesiedelt waren. Viertes Kapitel. Die Geschichte der Niederlassung am Salzsee. -- Das Land Utah. -- Die Heuschreckenplage. -- Heimsuchung durch das Goldfieber. -- Der Krieg mit den Rothhäuten. -- Die Erfolge der Mormonen in Europa. -- Neujerusalem. -- Der große Tempel und die Fahne aller Nationen. Seit dem Eintreffen der ersten Heerhaufen am Salzsee ist die Geschichte des Volkes Joseph Smiths eine fast ununterbrochene Kette glücklicher Ereignisse, ein stetes Wachsen und Wohlbefinden gewesen. Ehe wir diese Geschichte aber weiter betrachten, werfen wir einen Blick auf das Land, das die Mormonen jetzt bewohnen. Dieses, von den Mitgliedern der Secte meist schlechthin »das Thal« genannt, liegt ungefähr in der Mitte zwischen der Westgrenze von Missouri und dem neuen Staate Californien. Es ist, rings von unbewohnbaren Wildnissen umgeben, gleichsam eine Oase in der Wüste. Im Westen streckt sich gegen hundertachtzig deutsche Meilen weit ein baumloses Prairieland, welches mit den riesigen Felsketten der Rocky Mountains endigt, im Osten befinden sich, zuweilen von steilen Höhenzügen durchschnitten, dürre Salzsteppen, und im Süden wie im Norden ragen wildzerrissene schroffe Gebirge. Die Mormonenansiedelungen liegen in einer Einbiegung des Beckens, dessen Grund im Norden der große Salzsee bedeckt, ungefähr in der Mitte der Rocky Mountains, einer über sechzehn Längegrade sich ausbreitenden Kette mehrerer von Norden nach Süden parallel laufender Höhenzüge, die von durchschnittlich fünf Meilen breiten Thälern von einander geschieden und hin und wieder von schroff abfallenden Schluchten, sogenannten Kanyons, in der Quere durchschnitten sind. Diese Kanyons bilden die einzigen Straßen durch das Gebirge. Die bekanntesten sind der Südpaß, welcher nach dem großen Kohlenbecken führt, durch das der Greenriver strömt, und der Paß am Bärenflusse. Letzterer wurde von den Mormonen benutzt und ist die gewöhnliche Straße der Auswanderer vom Osten nach Californien. Das große Becken liegt mehr als viertausend Fuß über dem Meeresspiegel, zwischen den Wahsatsch- und Nevadabergen. Es trägt den Charakter einer Wüste. Nur hart am Fuße der Höhen, die sich gegen dreitausend Fuß über die Umgebung erheben, ziehen sich Streifen fruchtbaren Landes hin. In der Mitte des Bassins ist durchaus kein Wasser; denn der Schnee, der sich auf den Bergen im Winter sammelt, reicht nicht hin, um Bäche und Flüsse auf die Dauer zu nähren. Das Becken hat ungefähr hundert deutsche Meilen Durchmesser, und im Nordosten desselben ist es, wo die Mormonen sich angesiedelt haben. Hier boten verschiedene Flüsse Gelegenheit, den von Natur nur eine Meile breiten Streifen fruchtbaren Bodens durch Drainirung zu erweitern. Das Land ist in der unmittelbaren Nachbarschaft des Salzsees flach und steigt gegen Süden und Westen unmerklich mehrere Meilen an, bis die Ausläufer des Gebirgs sich hereindrängen. Es ist hier durchweg sandig und nirgends für die Zwecke des Ackerbaues zu verwenden. Im Norden zieht sich nur ein schmaler Streifen brauchbaren Landes zwischen dem See und dem Gebirge hin. Im Osten ist die Gelegenheit zum Anbau etwas besser. Im Süden endlich strecken sich über der unfruchtbaren Wüste, getrennt durch das Oquirrh Gebirge und geschieden von der Sandebene darunter durch den Kamm des Traverse Mountain, die schönen Thäler des Jordan und des Tuilla. Die Sohle derselben ist von zahlreichen Bächen durchströmt und fortwährend mit fettem Grase bedeckt. An den Bergwänden dagegen wächst nur das sogenannte Bunchgras und auch dieses nur in den warmen Monaten des Jahres. Es besämt sich im Sommer, keimt während der herbstlichen Regenzeit und wächst im Winter unter dem Schnee. Wenn sich im Frühling die Schneelinie nach den Gipfeln zurückzieht, folgen ihr die Heerden und die Antilopen, um das nahrhafte Futter abzuweiden, bis der Schnee (etwa um die Tag- und Nachtgleiche) wieder zu fallen beginnt. Regnet es in den Thälern, so schneit es auf den Bergen, und während der Winterszeit liegt der Schnee in den Schluchten oft mehrere hundert Fuß hoch. Das Weideland auf dem Grunde der Thäler eignet sich aber auch vortrefflich zum Ackerbau. Die Kartoffel gedeiht außerordentlich gut, und die Zuckerrübe erreicht eine unglaubliche Größe. Rechnet man nun, daß der Acre unter den Pflug genommenes Land zweitausend Pfund Weizenmehl giebt, so kann man annehmen, daß die Quadratmeile ungefähr viertausend Menschen ernähren kann, wobei die eine Hälfte als Weideland abgezogen ist und das Bedürfniß an Fleisch deckt. Eine so große Zahl von Bewohnern wird sich indeß schwerlich jemals hier zusammenfinden. Doch kann das Territorium auf alle Fälle eine Million Menschen ernähren. Bedenkt man dazu, daß dasselbe sich nach Süden über den Strand des großen Beckens in eine Gegend erstreckt, wo die Baumwollenstaude und das Zuckerrohr gedeiht, daß es allenthalben eine Fülle von Eisenstein und unerschöpfliche Steinkohlenlager in seinem Schooße birgt, daß es die trefflichsten Weiden zur Schafzucht hat, und daß sich aller Orten Wasserkraft zur Anlegung von Fabriken findet, so ist kein Zweifel, daß sich hier ein reicher und mächtiger Staat entwickeln kann. In Central-Utah liegen drei Salzseen, von denen der größte so stark mit Salz geschwängert ist, daß die in seinem Wasser Badenden nur bis an die Schultern einsinken. Die Ufer seiner Buchten sind im Sommer mit den Gerippen der Insecten und Fische bestreut, welche sich aus den Flüssen in ihn hinunter wagen; denn kein lebendes Wesen dauert in seiner Fluth aus. Die Salzsieder behaupten, daß sie aus drei Maß Wasser zwei Maß Salz gewinnen. Der See ist achtzehn deutsche Meilen lang und umschließt mehrere sehr anmuthige Eilande, von denen das größte von Bergen durchzogen ist, die an zweitausend Fuß Höhe haben. Wahrscheinlich bedeckte der See einst den ganzen Boden des Kessels, und ein Naturereigniß vulkanischer Art, welches das Land terrassenartig emporhob, beschränkte das Wasser auf seine jetzigen Grenzen. Rings um den See entspringen zahlreiche warme Quellen, die sich in Pfuhle und Teiche sammeln. Hier tummeln sich unzählbare Schwärme von Wasservögeln, die, da in der Umgebung kein Schnee liegen bleibt, auch den Winter über hier verweilen. An einigen Stellen befinden sich Quellen von verschiedener Temperatur dicht bei einander, einige so heiß, daß man die Hand nicht ohne Schmerz hineinstecken kann, andere eiskalt, einige salzig, andere mit starkem Schwefel- oder Stahlgehalt, während noch andere die Umwohnenden mit dem herrlichsten Trinkwasser versehen. Die Berge und Thäler haben Ueberfluß an Wild, Bären, Panthern, Antilopen, Hirschen und Hasen. In den rasch strömenden Flüssen der Kanyons schwimmen die köstlichsten Forellen, in den langsamer fließenden Gewässern der Ebene wimmelt es von Hechten und anderen guten Fischen. In dem Röhrichte der Salzmarschen nisten zahllose Enten und Gänse, und von den Inseln der Seen holen die Hirtenbuben ganze Kähne voll Eier, welche die Möven, die Pelikane, die Reiher und die Kraniche dort legen. Ein schwerempfundener Mangel ist der an Holz. In der Ebene wächst nur das strauchartige Cottonwood und auch dieses lediglich am Ufer der Flüsse. In den Bergen trifft man auf kleine Wälder von Fichten und Cedern, mitunter auch auf Zwergahorne und Eichen; aber Mancher hat zur Beschaffung des nöthigen Bau- und Feuerholzes Reisen von zehn bis zwölf Meilen zu unternehmen. Die offeneren Striche des Landes sind den Feuern ausgesetzt, welche die Indianer anzünden, um die Grillen zu tödten und zu braten, die sie im Sommer sammeln, um sie im Winter zu verspeisen. Die Mormonen haben ihnen dieses Verfahren, wo sie konnten, gewehrt, und so steht zu hoffen, daß die Ebenen, welche jetzt blos mit Gras bewachsen sind, allmälig auch Büsche und Wälder tragen werden. Die Luft des Thales ist sehr gesund, und »so rein, daß das Athemholen geradezu ein Vergnügen ist.« In der Wüste kommen namentlich im Sommer häufige Luftspiegelungen vor, welche einen einfachen Spazierstock in einen thurmhohen Balken, einzelne Wanderer in ganze Heere verwandeln und auf die kahle Steppe Terrassen herrlicher Gärten hinzaubern. Die Moskitos sind blos in der Nähe der Salzsümpfe beschwerlich, in der Nähe der Schluchten vertreibt sie der kalte Zug, der fortwährend von Thal zu Thale streicht und die Sommerhitze in erquickendster Weise mäßigt. Damit haben wir eine Skizze der Natur des zukünftigen _Staates Deseret_ gegeben. »Deseret heißt neuägyptisch: die Honigbiene,« und das Verfahren der Mormonen bei der Gründung von Dörfern und Städten in diesem Lande ist von der Art gewesen, daß es diesen Namen durchaus rechtfertigte. In fünf Tagen war ein gewaltiges Stück Wiesenboden umgepflügt und mit Kartoffeln bepflanzt und der Bach eingedämmt, der mit Hilfe von Gräben das Feld bewässern sollte. Drei Wochen später hatte sich ein starkes Fort, bestehend aus Blockhäusern, die mit Pallissaden versehen waren, erhoben, und im folgenden Jahre stand auf der Stelle, wo die Kundschafter am 24. Juli »hier lasset uns Hütten bauen!« gerufen, eine Stadt, welche über 6000 Einwohner hatte. Wie aller Anfang schwer ist, so auch hier. Der Winter von 1847 zu 1848 allerdings war so mild, daß er den Ansiedlern gestattete, ihre Feldarbeiten fortzusetzen, aber die Lebensmittel, die man mitgebracht hatte, waren fast alle aufgezehrt, und um nicht zu verhungern, aß man die Häute der geschlachteten Thiere und grub mit den Ureinwohnern des Landes nach Wurzeln. Eine noch schrecklichere Heimsuchung kam über das Volk Gottes im nächsten Frühlinge. Als die unter so traurigen Umständen bestellte Saat aufging und zu den schönsten Hoffnungen berechtigend fett und kräftig emporwuchs, stiegen von den Timpanogabergen Heere gefräßiger Heuschrecken, um sie zu vertilgen. Es war ein gräßlich gestaltetes Thier: flügellos, plumpleibig, schwarzfarbig, mit einem dicken Kopfe und ungeheuren Augen, einer »gräulichen Riesenwanze gleich«, wie ein Mormone aus Liverpool sich ausdrückte, stieg es auf drathartigen Beinen in das Thal herab, und Strich auf Strich des jugendlichen Korns verschwand unter den Zähnen dieser Saatmörder wie mit der Sichel abgemäht. Umsonst umgaben die unglücklichen Farmer ihre Felder mit Wassergräben. Umsonst versuchten ganze Familien das schwarze Heer mit Zweigen und Bränden zurückzuschlagen. Die Thiere schwammen über das Wasser, umgingen die Vertheidiger ihres Besitzthums und richteten unermeßlichen Schaden an. Vergeblich wurde das Zerstörte an einigen Stellen drei- und viermal durch neues Aussäen und Pflanzen ersetzt. Es blieb nichts übrig, als die Kraft des Gebets. Man versuchte es mit ihr, und siehe da, der große Jehova that ein Wunder. In zahllosen Schwärmen kamen von den Inseln des Salzsees weiße Vögel mit rothen Schnäbeln und Füßen den Bekämpfern des schwarzen Gog und Magog zu Hilfe, und schneller als die Heuschrecken das Korn, verzehrten die Möven die Heuschrecken. Vom grauenden Morgen tafelten sie bis zum sinkenden Abend. War der Magen gefüllt, so entleerten sie ihn wie einst Vitellius durch Vomiren, und kehrten gleich diesem rüstigen Esser zu der Arbeit des Verschlingens zurück, bis der Tisch, den die Natur so reichlich gedeckt hatte, völlig abgeräumt war. Dieses Wunder, welches den größten Theil der Ernte rettete, wiederholte sich seitdem alle Jahre, und es wird deshalb erlaubt sein, es für ein natürliches Ereigniß zu halten, welches schon vor der Ankunft des neuen Israel in dieser Gegend alljährlich stattfand. Die von diesen Bundesgenossen beschützten Felder aber gaben einen so reichlichen Ertrag, daß die Auswanderer, welche im nächsten Jahre vom Golde Californiens angezogen, in Masse durch Deseret passirten, ihr Korn hier billiger kauften, als in dem Fort Laramie, welches der Civilisation um vierhundert Meilen näher liegt. Jenes californische Gold aber brachte über die junge Colonie eine Prüfung, die sehr leicht mit ihrem Untergange hätte endigen können. Die Mormonen, die unter General Kearney den Feldzug gegen Mexiko mitgemacht hatten, waren gerade zu der Zeit und selbst in der Gegend, wo man die ersten Körner des kostbaren gelben Staubes fand, entlassen worden, und es wird sogar behauptet, daß die Arbeiter Sutters, welche diese folgenschwere Entdeckung machten, abgedankte Soldaten des Mormonenbataillons gewesen seien. Mag dem sein wie ihm wolle, viele Mitglieder der Secte hatten Gelegenheit gehabt, in Californien fleißig Gold zu graben, und als sie nun beladen mit dem Ergebnisse ihrer Arbeit zu ihren armgebliebenen Brüdern in den Bergen kamen und ihnen die Schätze zeigten, die keine hundertfunfzig Meilen vom Thale des Salzsees mit bloßen Händen aufzulesen waren, müßte es wunderlich zugegangen sein, wenn das »gelbe Fieber,« das in ganz Amerika wüthete, nicht auch hier die Gemüther ergriffen und zum Abzuge nach Ophir gedrängt hätte. Dies geschah in der That. Allein die Führer waren zu klug und zu einflußreich, um die Begier zur That merken zu lassen. Sie warnten in einer Proclamation vor einem sofortigen Aufbruche nach den Diggings, welcher einer Auflösung der ganzen Gemeinschaft gleichgekommen sein würde, und siehe da, ihre Ansprache wirkte, so stark auch die Versuchung und so wenig klar auch dem Auge des gemeinen Mannes die Gefahr war, welche sich hinter der Lockspeise barg. Nur einige Hundert gingen, und diesen ertheilte man den freundschaftlichen Rath, sich auf Nimmerwiederkehr zu verabschieden. Später aber gebot der Mormonengott durch den Mund seines Propheten Young den Heiligen, von Zeit zu Zeit auf einige Monate Trupps nach den Minen zu senden, von wo sie mit reicher Beute zurückkehrten. Mit ihren Nachbarn, den Utahs und anderen Stämmen des Gebirgs, vertragen sich die Mormonen gegenwärtig ziemlich gut. Anfangs indeß war dem nicht so. Der Punkt, wo sie sich zuerst ansiedelten, liegt auf den »Kriegsgründen« der Schlangengräber und der Utah-Indianer, also auf neutralem oder Niemand gehörigem Boden. Als die Mormonen sich aber nach Süden und Norden ausbreiteten, kamen sie auf Stellen, welche die Indianer als ihr Eigenthum betrachten, wo sie allein fischen und jagen zu dürfen glauben. Sie klagten, daß man ihnen ihre Winterlagerplätze wegnähme und ihnen das Wild verscheuche. Die Schoschones drohten mit einem Angriffe, überlegten sich's aber eines Bessern und hielten Frieden. Nicht so die Utahs. Im Winter 1849 begannen sie allerlei Neckereien, erschossen mehrere Stücke Vieh, welche den Mormonen gehörten, und rühmten sich dessen, drangen in einzeln gelegene Farmhäuser, um die Frauen zu erschrecken und Lebensmittel zu rauben und zwangen endlich die Colonisten, sich in das Fort des Utahthales zurückzuziehen. Im Hauptquartiere der Secte versuchte man zuerst gütliche Mittel, und als diese bei den Rothhäuten nicht anschlugen, wurde der Krieg beschlossen. Zu der waffenfähigen Mannschaft des Utahthales stießen zwei Compagnien der Legion von Zion, und sofort wurden die Indianer angegriffen. Sie hatten sich in den ausgetrockneten Canälen des Timpanogaflusses aufgestellt, wo sie von den Cottonwoodbüschen und Weidenstümpfen, die dort wuchsen, gedeckt waren. Nichtsdestoweniger wurden sie nach einem dreitägigen Scharmützel, bei welchem die Angreifer sich des Abends immer in das Fort zurückzogen, durch die Büchsen und die Kanone, welche die Mormonen bei sich hatten, aus ihrem Verstecke verjagt. Die Mormonen hatten dabei nur einen Todten und mehrere Verwundete. Die Rothhäute dagegen verloren, da gerade die Masern unter ihnen grassirten, während ihres Rückzugs nach den kalten Schluchten des höhern Berglandes sehr viele Leute und unter andern auch den »Alten Riesenhirsch«, einen Häuptling, der lange Zeit der Schrecken des Utahthales gewesen war. Ein Theil der Geschlagenen wurde den Tafelberg hinaufgetrieben. Man vermochte sie aber durch Zureden, herabzukommen und sich zu ergeben. Man bewachte sie die Nacht über und befahl ihnen am Morgen die Waffen niederzulegen. Sie weigerten sich dessen, und stießen Drohungen aus. Da gaben die Mormonen Feuer auf sie, und beinahe alle wurden getödtet. Der Rest versuchte, nachdem er die Vorpostenkette durchbrochen, sich über die Eisdecke des Sees zu retten. Sie wurden jedoch von Reitern verfolgt und sämmtlich niedergemacht. Im nächsten Jahre erhielten die Utahs eine abermalige Züchtigung und ihr Häuptling, Patsowits mit Namen, wurde gefangen genommen und aufgeknüpft. Dieses summarische Verfahren aber hat einen solchen Eindruck auf sie gemacht, daß sie sich seitdem ruhig verhielten. Sie hatten im Ganzen etwa vierzig Todte, und die Kriegsbande des alten »Stick in the head,« eines berühmten Häuptlings, war so geschwächt, daß er sich um Frieden zu bitten genöthigt sah. Eine große Menge Gefangene wurden gemacht, meist Frauen und Kinder. Man brachte sie unter den Kanonen des Forts Utah in Zelten unter, bis sie unter die Familien im Thale vertheilt werden konnten. Man reichte ihnen reichliche Lebensmittel, und es war eine Freude, sie, die Halbverhungerten, schmausen zu sehen. Der Versuch aber, sie in die Familien aufzunehmen und sie dort an ein civilisirtes Leben zu gewöhnen, schlug gänzlich fehl; denn sobald der Sommer kam, verließen sie die Farmen und flohen in die schneeige Heimat im Gebirge zurück. Nach dem Buche Mormon und der Lehre Smiths sind die Indianer Nachkommen der Lamaniten und ein zwar von Gott abgefallnes und entartetes, aber der Barmherzigkeit des Himmels noch nicht entrücktes Geschlecht, das einst durch die Apostel der wahren Kirche bekehrt und dann in sein Erbe wieder eingesetzt werden wird. In Betracht dessen ist es allerdings seltsam, daß die Mormonen, deren Mission es wäre, die Rothhäute durch das Schwert des Geistes zu bezwingen, sich so rasch genöthigt glaubten, sie mit leiblichen Waffen zu unterjochen. Aber trotzdem bleiben sie dabei, daß diese Leute einst die Weissagung des Propheten erfüllen werden, nach welcher »ein Volk in Einem Tage geboren« und die Indianer durch Gottes Gnade in eine Nation von schönem Aeußeren und weißer Hautfarbe verwandelt werden sollen. Und in der That, ein kleiner Anfang zwar nicht der Häutung, aber der Bekehrung ist gemacht. Derjenige von den Häuptlingen der Utahs, welcher gegenwärtig das stärkste Kriegsgefolge um sich versammelt und in Folge dessen auf alle übrigen Stammesglieder den meisten Einfluß übt, ist ein Freund der Mormonen, und ein Halbbruder von ihm, Namens Walker, der sich durch fleißige Pferdediebstähle in Mexiko Vermögen und Ansehen unter seinem Volke erworben hat, ist sogar durch die Taufe ein Heiliger vom jüngsten Tage geworden. Er ist ein schmucker, kräftiger Bursche, ein vollendeter Reiter, ein trefflicher Schütz und ein ungemein guter Kenner von Pferdefleisch. Eine Menge junger Rothhäute erkennen ihn als Befehlshaber an, und sie sind ihm sogar gefolgt, als er sich entschloß, dem Herumschweifen und Rauben zu entsagen und sich in der Niederlassung von San Pete als Ackerbauer und Viehzüchter anzusiedeln. Die Mormonen betrachten ihn als Trophäe oder Erstlingsfrucht der überzeugenden Kraft ihrer Religion und thun ihm alle erdenkbare Ehre an. Allein ehe sie sich's versehen, kann er in seine alten Sünden zurückverfallen und die Absicht seiner Freunde, ihn zum Oberhaupte des ganzes Stammes zu machen, auf immer vereiteln. Inzwischen gründeten die Mormonen fortwährend neue Colonien. Die erste derselben blieb indeß der Hauptsitz. Sie liegt am rechten Ufer eines schönen klaren Stromes, den die Führer der Secte, die nicht ganz ohne Ursache in ihrer Geschichte allenthalben Wiederholungen der Ereignisse und Verhältnisse im Leben des Volkes Israel zu sehen meinten, den westlichen Jordan genannt haben, und durch den sich ein Süßwassersee, von den Mormonen See Tiberias getauft, in den etwa hundert Fuß tiefer gelegenen großen Salzsee ergießt. Man nannte diese Hauptniederlassung, die zunächst nur ein Fort, umgeben von einem Zeltlager war, sich aber schnell in eine Stadt von Blockhütten und kleinen Ziegelhäusern verwandelte, Neujerusalem. Wie rasch und unverdrossen die Ansiedler arbeiteten, zeigt der Umstand, daß jenes Fort, welches ein Viereck bildete, dessen Seiten zusammen 7788 Fuß lang waren, nur sechs Monate zu seiner Vollendung bedurfte, und daß man in derselben Zeit 6000 Aecker Land umpflügte, besäete und mit einer dreizehn englische Meilen langen Fence einzäunte. Dies geschah im Jahre 1847, in welchem zugleich fünf Säge- und Mahlmühlen angelegt, mehrere Straßen gebahnt und weite Strecken der Umgebung untersucht wurden. 1849 nahmen die Mormonen das im Vorigen erwähnte Utahthal, sowie die Thäler von Tuilla und San Pete in Besitz, sendeten zahlreiche Missionaire nach Frankreich, Dänemark, Schweden und Italien und wurden durch bedeutende Zuzüge aus den Staaten im Osten und aus Großbritannien verstärkt. 1850 wurde eine Universität gestiftet, vier Schulen eröffnet, mehrere Städte gegründet, Farmen im Thale des Kleinen Salzsees angelegt, zwei Eisenbergwerke in Bearbeitung genommen, ein großes Rathhaus und zwei Magazine zur Aufnahme der eingelieferten Zehnten vollendet und die Berieselung des Landes über weite Strecken fortgesetzt. Sehr bald nach Ueberwindung der ersten Schwierigkeiten in Bezug auf die Colonisirung wurde zur Regelung des Verhältnisses der Gemeinschaft zu den Vereinigten Staaten geschritten. Man entwarf unter dem Vorsitze der Priester eine Territorialverfassung, zog dieselbe zurück und vereinigte sich hierauf zu einer andern, in welcher der in der Bildung begriffene Staat _Deseret_ genannt, unter den Grenzen desselben ein Strich von der Küste des Stillen Oceans beansprucht, das Halten von Sclaven innerhalb des darin bezeichneten Gebiets untersagt, sonst aber nichts von den Constitutionen der übrigen Glieder der Union Abweichendes aufgestellt war. Die Centralregierung in Washington, der dieser Entwurf zur Kenntnißnahme und Beschlußfassung eingesendet wurde, sah sich nicht gemüßigt, die Wünsche der Mormonen in ihrer vollen Ausdehnung zu bewilligen. Sie ignorirte den neuägyptischen Namen Deseret, indem sie den indianischen Utah wahrscheinlich wohlklingender fand, und glaubte den Antragstellern die von ihnen zur Verbindung mit dem Meere und zu ihrer völligen Unabhängigkeit von anderen Staaten geforderte Küstenstrecke vorenthalten zu müssen. In der Bill, welche als Antwort auf jenen Vorschlag der Bewohner von Deseret 1850 im Congresse durchging, heißt es, daß das neue Territorium »im Westen vom Staate Californien, im Norden vom Gebiete Oregon und im Osten und Süden von der Wasserscheide begrenzt sein solle, welche die Flüsse, die in das große Becken (des Salzsees) strömen, von denen trennen, die in den Rio Colorado und in den mexikanischen Golf fließen.« Durch denselben Congreßbeschluß wurde eine Territorialregierung für das Gebiet eingesetzt, und im October 1850 ernannte der Präsident Fillmore die betreffenden Beamten, sieben an der Zahl, von denen außer Brigham Young, der zum Gouverneur bestimmt war, noch Drei aus der Mitte der Mormonen selbst genommen waren. Mit dieser vorläufigen Ordnung der Dinge war man in Deseret zwar nicht zufrieden, indeß fügte man sich dem Unvermeidlichen und bezeugte dies dadurch, daß man den Congreß, wie die Verfassung dies vorschreibt, durch Delegaten beschickte und die im Jahre 1851 anlangenden nichtmormonischen Territorialbeamten höflich aufnahm. Bald jedoch brachen Zwistigkeiten zwischen diesen und den Führern der Secte aus. Der Oberrichter Brandebury und der Richter Brochus fanden nichts zu thun, indem die Mormonen sich zur Schlichtung ihrer Rechtsstreitigkeiten an ihre Bischöfe wendeten, welche oft anders entschieden, als es das gewöhnliche Recht verlangte. Young verwendete die Einnahmen des Territoriums, nach der Berechtigung, die ihm durch sein Amt als geistliches Oberhaupt verliehen war, zu andern Zwecken, als wozu ihn sein Amt als Gouverneur verpflichtete. Wiederholentlich wurde den Herren aus dem Osten zu verstehen gegeben, daß man sich nur der Nothwendigkeit füge, wenn man sich den Beschlüssen in Washington unterwerfe; wiederholentlich ließ man ihnen merken, daß sie als »Heiden« in der Gemeinschaft der von Gott regierten Kirche, die zugleich der wahre Staat sei, nur geduldet und überhaupt überflüssig seien. Sie sahen dies ein und kehrten nach Hause zurück, worauf ihre Stellen vorläufig durch Mitglieder der Secte besetzt wurden. Damit war der Zwiespalt zwischen der Priesterherrschaft in Deseret und der Regierung in Washington offenkundig geworden. Young indeß wußte einen Bruch noch zu vermeiden. Um aber derartige Conflicte für die Zukunft unmöglich zu machen, und so rasch als thunlich die möglichste Selbstständigkeit für die wachsende Theokratie herbeizuführen, setzte man alle Hebel in Bewegung, um die über die ganze Erde zerstreuten Gläubigen zur Einwanderung in das Gebiet zu gewinnen und dadurch die Zahl der Bewohner desselben bis zu der Höhe zu steigern, welche die Constitution der Vereinigten Staaten vorschreibt, wenn ein Territorium den Charakter und Namen eines Staates annehmen will. Dringende Aufrufe ergingen von Seiten des Apostelcollegiums an die Heiligen in aller Welt, sich der religiösen Pflicht des Hinzugs nach dem Neuen Zion im Westen ferner nicht zu entziehen. Bedeutende Summen wurden verwendet, um den Aermeren die Erfüllung dieser Obliegenheit durch Vorschüsse zu erleichtern. In Liverpool wurde das schon seit längerer Zeit bestehende Auswanderungsbureau, dem einer der Apostel präsidirte, zu erweitern und zu kräftigerer Wirksamkeit zu befähigen gesucht. Endlich wurden allenthalben auf der Straße durch die Vereinigten Staaten und durch die westliche Wüste Stationen mit Bevollmächtigten zur Unterstützung und Beförderung der Pilger errichtet. Der Erfolg entsprach den Erwartungen. Schaarenweise gehorchten die Gläubigen in England, Schottland und Wales dem Rufe ihrer Oberpriester in Amerika. Schiff auf Schiff mit zukünftigen Bürgern von Deseret verließ die Rhede von Liverpool, und Karawane auf Karawane dieser gehorsamen Söhne der Kirche überstieg die Felsengebirge, um sich den Brüdern im Thale der Verheißung anzuschließen. Um den Abgang der Auswanderer in der Heimat zu ersetzen und fortwährend neue Zuzugsquellen zu eröffnen, wurde die Bekehrung der europäischen Heiden noch eifriger betrieben, als seither. Ueberall suchten die Missionaire Brigham Youngs sich festzusetzen und Proselyten zu machen, und wenn ihnen dies nicht überall gelang, so liegt die Schuld nicht an ihrem Mangel an Eifer und Geschick. Sie pilgerten nach Frankreich, nach Norwegen, nach Rußland, selbst nach Italien, wo die Revolution ihnen Thor und Riegel geöffnet. Sie erschienen in Palästina, um die Juden zu belehren, daß der Messias und sein Reich nahe sei. Sie riethen auf den Märkten von Kairo und Alexandria, auf den Plätzen von Calcutta und Bombay der Welt zur Flucht vor dem Zorne Gottes. Sie wußten sich selbst das Reich der Mitte zu öffnen. Sie thaten alles Dieses, ohne zu Anfange etwas von den betreffenden Sprachen zu verstehen, ohne die Verhältnisse zu kennen, und ohne diesen doppelten Mangel durch einen wohlgefüllten Beutel ausgleichen zu können. Die Missionaire der Mormonen wenden sich bei ihren Zuhörern ebensowohl an die Begier nach Reichthum als an die Sehnsucht nach himmlischen Gütern, stellen ihnen neben Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse auch irdisches Wohlbefinden in Aussicht. Unverdrossen und unabgeschreckt durch schroffe Abweisung, durch Spott und Hohn, wandern sie von Ort zu Ort, sprechen in einzelnen Häusern ein, knüpfen mit Leuten auf der Straße ein Gespräch an, arbeiten bisweilen als Handwerker in einer Werkstätte und bringen auf diese Art das, was ihnen auf dem Herzen liegt, an den Mann. So ungebildet sie meist sind, besitzen doch fast alle eine große Uebung in sophistischen Fragstellungen und Schlüssen, und eine nicht geringere Kenntniß der Bibel. Wer ihnen zugiebt, daß die letztere Norm der Wahrheit sei, wird unausbleiblich in ihrem Netze gefangen und kann sich nur durch gewaltsamen Durchbruch befreien. Gewöhnlich beginnen sie ihren Anlauf zur Eroberung der Herzen mit der Frage, ob die christliche Urkirche nicht gewisse Gnadengaben gehabt habe, welche das heutige Christenthum nicht mehr besitze, dann setzen sie auseinander, wie die Heiligen vom jüngsten Tage mit allen diesen Gaben als Heilung durch Handauflegen, Weissagung, Teufelaustreibung, Reden in Zungen u. s. w. von Neuem beschenkt worden, und nachdem damit Grund gelegt ist, entwickeln sie die am Wenigsten auffälligen Lehren der Secte, beweisen sie mit einer Fülle von Sprüchen vorzüglich aus den alttestamentlichen Propheten und der Offenbarung Johannis, und nehmen für ihr amerikanisches Zion sämmtliche Verheißungen in Anspruch. Ist der Zuhörer kein Mann von Vermögen, so erfährt er, daß an ihn wie an alle Menschen der Ruf ergangen ist, sich nach Zion in den Bergen zu begeben, wo Milch und Honig fließen und wo das schönste Land um einen Spottpreis zu haben ist, der noch überdies nicht sogleich bezahlt zu werden braucht und durch Arbeit abverdient werden kann. Hat der Mann das Reisegeld nicht, so bedarf es nur einer Erklärung zum Beitritt, und es wird ihm aus dem »Ewigen Wohlthätigkeits-Fonds« vorgestreckt. So sind Hunderte und Tausende verlockt worden. Die Lehre, daß drüben im heiligen Lande jedes Weib einen Mann hat, jede Magdalena durch die Taufe rein gewaschen wird, sichert den Beifall des schönen Geschlechts. Mit Leuten von überlegener Bildung hüten sich die Propheten und Apostel zu sprechen. Werden sie dazu genöthigt, und wird ihnen dann die Abgeschmacktheit ihrer Behauptungen nachgewiesen, so klagen sie über gelehrte Sophisten, die den Geist Gottes nicht haben und ihn darum auch nicht begreifen, und schweigen, wenn sie nicht mehr zu antworten wissen. Häufig wird gleich mit einem Wunder begonnen. So in Wales, wo 1845 aus einem Weibe zwei sehr starke und freche Teufel ausgetrieben und dabei zahlreiche Seelen gewonnen wurden. Und ebenso fing der Apostel Forsden in Schweden im Jahre 1851 seine Wirksamkeit damit an, daß er seinen Begleiter, der natürlich gleichfalls Mormone war, durch Handauflegung vom Fieber heilte. Die Sache machte Aufsehen und zog viele Leichtgläubige nach dem Hause, wo das Wunder geschehen war. Diesen erzählte Forsden in seiner einfachen Weise die Geschichte von dem großen Propheten und Märtyrer im Westen und die Wiederverleihung der übernatürlichen Gaben des Urchristenthums an seine Kirche. Die Bauern glaubten ihm zum Theil. Andere verbreiteten wenigstens die Kunde von dem neuen Evangelium aus Amerika. Forsden predigte nun an den Straßenecken. Die Behörde ließ ihn verhaften und ertheilte ihm einen Verweis. Dies aber war es gerade, was er gewollt. Es verhalf ihm zu einem wohlfeilen Märtyrerthum. Er wiederholte seine öffentlichen Vorträge und wurde abermals verhaftet, mit einer Geldstrafe belegt und ernstlich ermahnt, von solchen Ketzereien abzustehen. Er entgegnete demüthig und gelassen, daß er nichts als Jesum Christum, den Gekreuzigten gepredigt habe, und daß er, da Gott ihm dies geheißen, nicht davon ablassen, sondern Gott mehr gehorchen werde als den Menschen. Den Zuhörern erklärte er, daß ihn weder Gefängniß noch Tod abschrecken werde, den Pflichten, die der Herr ihm auferlegt habe, nachzukommen -- eine Redensart, die er sehr wohl brauchen konnte, da man heutzutage Niemand mehr des Glaubens halber hinrichtet, die aber gleichwohl Eindruck auf unüberlegsame Menschen machte. Man steckte ihn auf ein paar Tage ein. Aus dem Gefängnisse entlassen, pries er den Herrn auf der Straße mit Wort und Gesang, daß er ihn gewürdigt, zu leiden um sein heiliges Wort. Man wußte ihn nicht anders los zu werden, als dadurch, daß man ihn in einen Wagen setzte, nach dem Sunde brachte und nach Dänemark hinüberspedirte. Der Samen des Unkrauts aber, den er gesäet, blieb haften, und noch jetzt verbreiten mehrere durch ihn Bekehrte als Apostel die Lehre Joseph Smiths in Schweden. Von unglaublichem Eifer beseelt, folgen diese Straßenprediger dem Worte »Schreie laut und schone nicht« buchstäblich und taufen zu Dutzenden alle, die ihre Bereitwilligkeit bezeigen, »in diesem Namen ihre Knie zu beugen.« Viele kommen mit erschöpften Lungen und gebrochener Gesundheit von solchen Anstrengungen heim; dann aber entschädigt sie der Ruhm besonderer Frömmigkeit und die Ehre, die ihnen wird, wenn die Brüder auf sie hinweisend sagen: »Siehe, das ist der heilige Mann, der durch unermüdliche Predigt in den Straßen Londons dem Herrn so viele Seelen gewonnen hat.« Ihre Erfolge sind verschieden gewesen. In Großbritannien hatte die Kirche der Heiligen vom jüngsten Tage im Jahre 1851 nicht weniger als 30,747 Mitglieder, und binnen vierzehn Jahren hatten die Priester derselben über 50,000 Personen auf das Neue Evangelium getauft und davon beinahe 17,000 nach Amerika gesendet -- Zahlen, die erstaunlich klingen würden, wenn man nicht wüßte, daß die niedern Schichten der Bevölkerung von England und Wales in einer wahrhaft ungeheuerlichen Unwissenheit hinvegetiren, und wenn andererseits nicht auch materielle Vortheile als Magnete nach dem Thale des Salzsees hinzögen. Ein zweiter Hauptstützpunkt des Mormonenthums sind, wie bereits bemerkt, die Sandwichs- und die Freundschaftsinseln, und zwar sollen hier sich bereits 5000 Eingeborne zu dem Glauben der Latterday-Saints bekennen. Endlich haben Dänemark und Norwegen im Jahre 1853 einige Hunderte ihrer Bewohner, meist Landleute, als Beitrag zur Bevölkerung Deserets abgehen lassen. In Frankreich befinden sich unsres Wissens bis jetzt nur zwei schwache Gemeinden, in Havre und Paris, welche sich durch Verbreitung des von dem Apostel Taylor ins Französische übertragenen Buchs Mormon und durch die Zeitung »Etoile du Deseret« zu vergrößern bestrebt sind. In der Schweiz und in Rußland scheint kein Erfolg erreicht worden zu sein. Dagegen dürfte in der Uebersetzung des genannten Buchs ins Italienische vielleicht ein Beweis liegen, daß man dort Hoffnung hat, zu reussiren. In Deutschland endlich ließen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten Mormonenemissaire von sich hören. Ihre Hoffnungen wurden indeß sehr bald durch das Einschreiten der Polizei vereitelt. 1851 kam Taylor nach Hamburg, um dort eine Zeitung zu gründen, welche den Namen »Zions Panier« führte, aber nachdem vier Nummern erschienen waren, aus Mangel an Theilnahme einging. Ihm folgte 1852 ein anderer Sendling vom Salzsee, Daniel Cairn, aber nur, um beim ersten Versuche zu öffentlichem Auftreten aus der Stadt gewiesen zu werden. Keine bessern Resultate wurden von den im Süden und Westen Deutschlands sich zeigenden Mormonen erreicht, und mit der inzwischen übersetzten Indianerbibel wird man schwerlich auf die Kosten kommen. Endlich ist noch ein Vorfall aus der neuesten Zeit zu erwähnen, welcher zeigt, bis in welche Regionen die Erwartungen der Führer sich versteigen. Die Präsidentschaft in England hatte erfahren, daß der König von Preußen sich für die Mormonen interessire und sich von seinem Gesandten in Washington Aufklärung über sie erbeten habe. Sie deuteten sich dieses Interesse als Neigung, und so erschien im Herbste 1854 eine förmliche Gesandtschaft aus der Mitte der Secte, um dem Könige eine Adresse zu überreichen. Die Herren waren aber nicht sobald im Bahnhofe ausgestiegen, als die Polizei sich einstellte und sie zu sofortiger Umkehr nöthigte. Wir beschließen dieses Kapitel und die Geschichte des Mormonenthums überhaupt mit einem Rückblicke auf das Thal des Salzsees und die dort emporblühenden Ansiedelungen. Von einem vergleichsweise kleinen Flecken Landes haben dieselben sich allmälig über eine Strecke von mehr als fünfzig deutsche Meilen Länge, vom Box Elder Creek im Norden bis an den kleinen Salzsee im Süden und von dort bis San Diego ausgebreitet. Wo die Sierra Nevada nach Südwesten einbiegt, ist ein Rancho angekauft und in eine Station verwandelt worden, von wo aus eine Kette von Posten bis ans Ufer des Stillen Meeres eingerichtet werden soll. Neun Meilen nördlich von der Hauptstadt liegt Ogden City, auch Brownsville genannt, in einer ungemein anmuthigen Gegend in der Nähe des Zusammenflusses zweier schönen Bäche, und vierzehn Meilen nach Süden hat sich am Fuße der Timpanoga-Berge ein anderes schmuckes Städtchen erhoben. Dreißig Meilen weiter südlich steht die rasch wachsende Stadt Manti. Dabei befinden sich im Thale von San Pete zahlreiche einzelne Farmen. Paroan oder die Eisenstadt, so benannt nach den großen Lagern von Eisenstein, die hier aufgefunden worden sind, liegt im Thale des kleinen Salzsees, wo eine sehr beträchtliche Strecke fruchtbaren oder doch fruchtbar zu machenden Landes entdeckt wurde. Endlich ist noch die Niederlassung im Tuillathale zu erwähnen, welche, etwa sieben Meilen von der Metropole des Territoriums entfernt, in mehreren Farmen, zehn Sägemühlen und acht Mahlmühlen besteht. Die gegenwärtige Haupt- und Centralstadt[2], von den Mormonen _Neujerusalem_, von den Profanen schlechthin Saltlake-City, d. i. die Salzseestadt genannt, liegt, wie erwähnt, auf derselben Stelle, wo die Vorhut der Auswanderer von Nauvoo am 24. Juli 1847 von den Bergen in das Thal herabsteigend, zuerst Halt gemacht hatte. Der untere Theil bedeckt einen kaum bemerkbaren sanften Abhang, der nördliche dagegen streckt sich über eine Art Terrasse hin, welche im Winkel der von Süd nach Nord sich hinziehenden Hauptkette der Wasatch-Berge und einem mächtigen Ausläufer derselben liegt, der gerade nach Westen hinstrebt und eine halbe englische Meile vom Jordan endigt. Der Raum, den die Stadt bedeckt, beträgt genau vier Quadratmeilen (englisch), eine Ausdehnung, die sich im Vergleich mit der Einwohnerschaft nur dadurch erklärt, daß jedem Bürger bei der Anlage eine Baustelle von drei Viertel Acre Land zugetheilt wurde, daß in Folge dessen die einzelnen Häuser durch beträchtliche Zwischenräume getrennt sind, und daß die schnurgeraden, sich in rechten Winkeln durchschneidenden und hundertzweiunddreißig Fuß breiten Straßen sich in kurzen Entfernungen folgen. Die Häuser, meist einstöckig und von Adobes, an der Sonne getrockneten Ziegeln von bläulichem Lehm erbaut, haben ein gefälliges Aeußere, welches dadurch noch gehoben wird, daß sie von Gärten umgeben sind. An den zwanzig Fuß breiten Fußwegen zu beiden Seiten der Straßen laufen in Canälen die klaren Fluthen eines Gebirgsbaches, welche neugepflanzte Alleen bewässern und auch in die Gärten geleitet werden können. Im Westen berührt die Stadt das Flußufer. Oeffentliche Gebäude von Bedeutung hat das neue Jerusalem begreiflicherweise noch nicht. Das Staatshaus, wo die Regierung des Territoriums ihren Sitz hat, das Bethaus und die zur Aufnahme der Naturalsteuern bestimmten Speicher sind geräumige Bauten, die indeß keinen Anspruch auf Schönheit machen. Aber für die Zukunft tragen sich die Leiter der Gemeinde mit den großartigsten Plänen, auch in Betreff der Verschönerung ihrer Stadt. Die jetzige Universität, für welche der Staat jährlich 5000 Dollars aussetzte, ist nur ein schwacher Anfang zu dem, was die Anstalt einst sein wird. Sobald man dazu Zeit gewinnt, wird man ein großartiges Gebäude für Lehrer und Lernende errichten. Dasselbe wird auf der ersten breiten Terrasse stehen, welche sich im nördlichen Theile der Stadt erhebt. Der Stadtbach hat durch dieses Tafelland einen tiefen Canal gewühlt, und seine Wasser sollen an der geeigneten Stelle gefaßt und nach dem Platze vor der Universität geleitet werden, um denselben durch Springbrunnen zu verschönern, die Haine, Blumenbeete und botanischen Gärten zu bewässern und die Bassins ausgedehnter Bade- und Schwimmanstalten zu speisen. Ein großes Viereck ferner soll zu einem Turn- und Fechtplatze sowie zur Reitschule eingerichtet werden. Sodann wird man eine Sternwarte, zu der bereits die nöthigen Instrumente beisammen sind, eine Anstalt zur Ausbildung von Ingenieuren und Landvermessern und eine Bergschule mit dieser Universität verbinden, und schließlich werden an ihr auch Landwirthe ausgebildet werden. [2] Es ist im Werke, im Paroanthale eine zweite Hauptstadt zu bauen, welche Fillmore heißen und der Sitz der weltlichen Behörden sein soll. Man wird aber nicht allein vielerlei, sondern auch viel lernen an dieser Hochschule. Die Mormonenphilosophen werden eine Unzahl von Geheimnissen aufthun und eine Menge von Räthseln lösen, wie sie die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Sie werden »das Reich der Wissenschaften vollständig revolutioniren und die größten Gelehrten namentlich in der Mathematik und in den physikalischen Wissenschaften des Irrthums überführen. Der Geolog und der Chemiker wird von ihnen die tiefsten und merkwürdigsten Aufschlüsse über die Wunder der Tiefe erhalten, der Botaniker und Zoolog bei ihnen Belehrung über die Principien des Lebens in Thier und Pflanze empfangen.« Denn nachdem sie zuerst nach dem Reiche Gottes getrachtet haben, erwarten sie jetzt Erfüllung der Verheißung, daß ihnen alles andere Wissen von selbst zufallen solle; doch fügen sie sehr verständig hinzu, daß der Herr denen hilft, die sich selbst helfen, und daß der Geist nur durch eisernen Fleiß fähig gemacht werde, die Weisheit aus der Höhe aufzunehmen. Die größte Umwälzung wird auf dem Gebiete der Astronomie hervorgerufen werden. Hier wird das ganze bisherige Weltsystem durch Aufschlüsse über die Zahl, die Ordnung und das Verhältniß der Planeten, Fixsterne und Kometen durchaus modificirt werden. Was für Belehrung wir in diesem Kreise zu erwarten haben, findet der Wahrheitsfreund in dem _Buche Abraham_ angedeutet, welches einst nebst einigen ägyptischen Mumien nach Nauvoo gebracht wurde, wo der Prophet Joseph einen Theil der Schrift (die von dem glaubensreichen Erzvater während seines Aufenthalts am Nil verfaßt worden) übersetzte. Eine andere Probe dessen, was der Wissenschaft von den Gelehrten Deserets bevorsteht, haben wir in dem Aufsatz eines ihrer Mathematiker, in welchem derselbe während seines Aufenthalts in England allen Ernstes den Versuch machte, die Newton'schen Theorien von der Schwerkraft, der Attraction und Repulsion umzustoßen und an ihre Stelle eine »Intelligenz des Grundstoffes« oder eine »Eingießung und Gegenwart des heiligen Geistes in der Atomenmasse« zu setzen. Wir haben nicht Raum, die Gründe dafür anzuführen, und können nur bemerken, daß man aus ihnen gewahr werden würde, wie außerordentlich viel wir noch aus der Bibel lernen können. Ein wunderlicher Gedanke ist es, wenn man vorhat, an der zukünftigen Hochschule den »altsächsischen und celtischen Classikern« eine Stelle unmittelbar neben den griechischen und römischen anzuweisen. Die altsächsischen hätten vielleicht ein Recht dazu, aber woher man altceltische Classiker bekommen wird, läßt sich vorläufig nicht absehen; man müßte den Macphersons Ossian meinen, der bekanntlich so echt ist wie das Buch Mormon. Was die Häupter der Kirche von dieser Universität denken, spricht sich sehr deutlich in der Rede aus, mit welcher einer der Regenten, der Apostel Phelps bei der Feier des 24. Juli im Jahre 1851 dieses Instituts gedachte. Die Stelle ist so charakteristisch, daß wir sie im Auszuge mittheilen müssen. Der Redner sagte unter Anderm mit der ihm eignen Salbung: »Wir bitten die ganze Kirche, zum Herrn unserm himmlischen Vater zu flehen, daß er uns einige der Vorsteher der großen Universität im Himmel droben herabsende, gleichwie er sie zu Noah, Moses und Andern sendete, um seinen Knechten die innersten Gründe und Anfänge der Weisheit und Wissenschaft zu eröffnen. Was werden alle die Herrlichkeiten der Zeit, die Erfindungen des Menschen, die geschichtlichen Urkunden von Japhet in der Arche bis auf Jonathan im Congresse, was werden der gesammte Witz und Geist, die gesammten Errungenschaften des Verstandes mit aller ihrer Methode dem Heiligen des jüngsten Tages werth sein, wenn unser Vater im Himmel seine Regenten herabsendet, seine Engel aus der großen Bibliothek des himmlischen Zion, wenn er sie herniederschickt mit einer Abschrift der Geschichte des ewigen Lebens, den Urkunden der Welten, dem Stammbaum der Götter, der Philosophie der Wahrheit, dem Verzeichnisse unserer Namen aus dem Buche des Lebens auf dem Schooße des Lamms, und den Gesängen der seligen Geister?« Möglich, daß die hier angedeuteten Manuscripte aus der Bibliothek des Mormonengottes wirklich noch einmal in Deseret zum Vorschein kommen. Jetzt hält man sich an menschliche Bücher, und so nahm man es mit großem Danke an, als im Jahre 1851 die Freigebigkeit des Congresses den Delegaten von Utah, =Dr.= Bernhisel mit den Mitteln versah, für die neue Colonie eine gute Bibliothek auszuwählen. Trotz jenes vornehmen Herabsehens auf die Resultate der Wissenschaft und trotz der abgeschmackten Einfälle, womit man sie corrigiren zu wollen sich den Anschein giebt, weiß man sie sehr wohl zu schätzen. Dies beweist schon die Errichtung der Universität an sich, es wird aber auch durch verschiedene andere Maßnahmen und Kundgebungen dargethan. Ein eigenthümlicher Zug in dem Erziehungswesen der Mormonen ist die Errichtung einer Schule zur Bildung von Familienhäuptern. Brigham Young, der Präsident und Seher, achtete es nicht für seiner unwürdig, diese Schule selbst als Zögling zu besuchen, und war dies auch nur eine Demonstration, bestimmt, die Vorurtheile des Volks gegen Schulanstalten für Erwachsene zu zerstreuen, so zeugte es nichtsdestoweniger von einem richtigen Verständnisse der Dinge und von einer gewissen Achtung vor der Bildung. Wenn man anderwärts eine herrschsüchtige Priesterkaste bestrebt sieht, die ihr Unterworfenen in Dunkelheit und Unwissenheit zu erhalten, so befolgt man hier allenthalben eine andere Politik. Daß man freilich die Wissenschaft um ihrer selbst willen liebe, ist von Leuten dieses Schlags nicht zu verlangen. Man will Bildung, weil Bildung Macht ist und Ruhm giebt. Daß man sich mit ihr einen Feind erzieht, der das ganze Kartenhaus über kurz oder lang umstürzen wird, scheint man im Vertrauen auf die bisherigen Erfolge und schon aus dem Grunde nicht zu ahnen, weil (nach ihren Schriften zu urtheilen) auch die kenntnißreichsten und klügsten unter den Häuptern der Secte lediglich dilettantisirende Autodidacten sind, keiner von ihnen im eigentlichen Sinne des Wortes ein Mann von Bildung ist. Man will die Wissenschaften ins Land ziehen, wie man sich um tüchtige Töpfer, Schlosser und Uhrmacher bemüht. So ist es zu verstehen, wenn es in der vorletzten »Proclamation der Präsidentschaft an die Gläubigen in aller Welt« heißt: »Es ist höchst wünschenswerth, daß die Brüder, die uns zuziehen, jede Gelegenheit benutzen, wenigstens ein Exemplar von jeder werthvollen Abhandlung über Erziehung und jedes Buch, welches nützliche oder anziehende Gegenstände enthält, mitzubringen, um den Kindern Lust und Liebe zum Lernen einzuflößen. Wir haben eine Druckerpresse, und Alle, die gutes Druck- und Schreibepapier nach dem Thale mitnehmen wollen, werden sich und der Kirche einen Dienst leisten. Desgleichen wünschen wir allerlei mechanische und mathematische Instrumente, sowie Alles, was von Kunstwerken und Naturseltenheiten herbeigeschafft werden kann, und wenn die Heiligen in dieser Angelegenheit Eifer zeigen, so werden wir hier bald das beste, nützlichste und anregendste Museum auf Erden haben.« Auf einem freigelassenen Platze im Centrum der Stadt wird ein Tempel errichtet werden, schöner und größer als bisher irgend einer auf Erden stand und nur dem nachstehend, den das Volk Gottes am Ende der Tage erbauen wird, wenn der Herr es heimgeführt hat nach Missouri, dem Lande der Verheißung. Schon ist eine vier englische Meilen lange Holzbahn oder Riegelstraße nach den Steinbrüchen am Red Butte vollendet, um von dort das Material zu jenem mächtigen Baue, einen schönen rothen Sandstein, herbeizuschaffen, und schon sammeln, von Young beauftragt, die Missionaire der Secte in Europa, Asien und Polynesien seltene Bäume, Blumen und Samenkerne für den Garten, der den Riesentempel umgeben soll. Im Norden des Tempelplatzes aber erhebt sich über der Stadt der »Hügel des Paniers.« Mit ihm endigt der vorhin erwähnte Ausläufer der Wasatch-Berge, und er ist auf weite Strecken hin in der ganzen Nachbarschaft sichtbar. Auf diesem Berggipfel nun wird demnächst »die prächtigste Fahne entfaltet werden, die je in den Lüften flatterte, eine Fahne, gemacht aus den Nationalfarben aller Völker, zum Zeichen der einst sich vollendenden Einheit der Menschheit in Glauben und Liebe.« Wenn dann dieses Symbol der Verbrüderung aller Nationen über dem heiligen Tempel flattern wird, dann ist die Erfüllung des Prophetenwortes, Jesaia 18, 25. gekommen, und die Zeit ist da, von der es dort heißt: »Alle, die ihr auf Erden wohnt, und die im Lande sitzen, werdet sehen, wie man das Panier auf den Bergen aufwerfen wird und hören, wie man die Trompete blasen wird, und es wird sich begeben in den letzten Tagen, daß der Berg des Hauses des Herrn auf den Gipfeln der Gebirge aufgerichtet und über die Hügel erhoben werden wird, und alle Völker sollen hineinströmen.« Sehen wir ab von dieser phantastisch ausgemalten Zukunft, so findet sich schon in der Gegenwart ein Umstand, der als sehr erfreulicher Schluß der Geschichte dieses seltsamen Volkes, wie wir sie in diesem und den vorhergehenden Kapiteln verfolgten, dienen kann. Im Jahre 1852 sendeten die Häupter der Gemeinde durch alle Zweigcolonien im Gebirge Boten, um sich zu erkundigen, wie viele von den Heiligen etwa geneigt sein würden, sich zur Aufnahme in ein etwa zu erbauendes Armenhaus zu melden, und siehe da, man fand deren unter mehr als dreißigtausend Menschen, welche zum bei Weitem größten Theile erst vor wenigen Monaten und meist arm in das Thal eingewandert waren, nur zwei, und so konnte sich die Präsidentschaft begnügen, ein Armenfeld von vierzig Aeckern für eine zukünftige Aenderung der Zustände zu reserviren. Fünftes Kapitel. Der Glaube der Mormonen. -- Die Quellen und das Princip. -- Die Metaphysik der Secte. -- Der große Hauptgott und Göttervater im Centrum des Universums. -- Die Schöpfung und der Sündenfall. -- Krieg im Himmel. -- Die Existenz der Menschengeister vor dem Leben auf Erden. Wie die äußeren Verhältnisse der Secte sich im Verlaufe der vierundzwanzig Jahre seit ihrem Entstehen völlig geändert haben, so auch und noch mehr die Glaubenslehren derselben. Von Jahr zu Jahr wurden neue Ingredienzien in den Teig hineingewirkt, aus dem die Präsidentschaft ihren Gläubigen das Brot des Lebens buck. Alle christlichen Secten der Gegenwart, die Neuplatoniker und die Gnostiker, der Islam und der Parsismus, das Bramanenthum sogar mußten Beiträge liefern, die Phantasie der Propheten und Offenbarer that von dem Ihrigen hinzu, und so ist ein Pudding entstanden, der an Unverdaulichkeit Alles überbietet, was bis heute dem Magen der Menschheit auf religiösem Gebiete geboten worden ist. Wir bedauern, durch den Zweck dieser Schrift und den uns zugemessenen Raum verhindert zu sein, auf eine gründliche Analyse der wunderlichen Mixtur einzugehen, und geben im Folgenden nur einige Hauptzüge, wobei wir bemerken, daß die allmälige Umbildung der Grundlehren des Mormonenthums -- welche von den Gläubigen dem heiligen Geiste zugeschrieben wird, der ihnen fortwährend neue Wahrheiten offenbare -- in der Hauptsache von Orson Pratt herrührt, der in seinem Eklekticismus es nicht verschmäht, selbst Ergebnisse der neuern Philosophie in seinen Topf zu werfen. Smith scheint dazu nur den Namen hergegeben zu haben, und das Tollste und Kühnste ist erst lange nach seinem Tode ans Licht gefördert worden. Als Hauptquellen ihres Glaubens sind folgende anzusehen: das Buch Mormon, das Buch der Lehre und der Bündnisse, die Warnungsstimme (von Peter Parley Pratt), der Spiegel des Evangeliums, das Buch Abraham (soll von Smith auf Grund göttlicher Offenbarung verfaßt worden sein, ist jedoch, da es erst in den neuesten Schriften der Secte erwähnt wird, wahrscheinlich spätern Ursprungs), Spencers Briefe, die Zeitungen »Times and Seasons« (von Taylor während der Jahre 1839 bis 1844 in Nauvoo herausgegeben), »Millennial Star« (in England erschienen), »The Seer« (seit 1853 von Orson Pratt in Washington veröffentlicht), endlich die Generalepisteln der Präsidentschaft in Deseret. Die folgenden Mittheilungen sind eine Blumenlese aus diesem Garten der Willkür und des Unsinns. Das Glaubensbekenntniß der Mormonen, wie es der Frontier Guardian, eine von dem Apostel Orson Hyde in Kanesville herausgegebene Zeitung, mittheilt, weicht nicht sehr erheblich von den Bestimmungen unserer Dogmatik ab. Es lautet: »Wir glauben an Gott, den ewigen Vater, und seinen Sohn Jesus Christus und an den heiligen Geist. Wir glauben, daß die Menschen für ihre eigenen Sünden und nicht für Adams Uebertretung Strafe empfangen werden. Wir glauben, daß vermöge des Sühnopfers Christi durch Gehorsam gegen die Gebote und Verordnungen des Evangeliums alle Menschen selig werden können. Wir glauben, daß diese Verordnungen folgende sind: 1. Glaube an den Herrn Jesum Christum, 2. Buße, 3. Taufe durch Untertauchen in Wasser zur Vergebung der Sünden, 4. Handauflegung durch die Gabe des heiligen Geistes, 5. das Mahl des Herrn. Wir glauben, daß die Berufung der Menschen zum Heile durch Inspiration und durch Handauflegung derer erfolgen muß, welche in rechter Weise Auftrag erhalten haben, das Evangelium zu predigen und seine Gnadengaben auszuspenden. Wir glauben, daß die Organisation der Urkirche in Apostel, Propheten, Pastoren, Lehrer und Evangelisten wiederhergestellt werden muß. Wir glauben an die Kräfte und Gaben des ewigen Evangeliums, als die Gaben des Glaubens, des Erkennens von guten und bösen Geistern, der Weissagung, der Offenbarung, der Gesichte, der Heilungen, des Redens in Zungen und des Verständnisses der Zungen, der Weisheit, Barmherzigkeit und Bruderliebe. Wir glauben, daß das Wort Gottes in der Bibel aufgezeichnet ist, glauben aber, daß es auch im Buche Mormon und allen andern guten Büchern sich findet. Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und jetzt offenbart, und wir glauben, daß er in Betreff des göttlichen Reichs und der Wiederkunft des Messias noch viele und große Dinge offenbaren wird. Wir glauben, daß Israel buchstäblich gesammelt werden wird, wir glauben an die Wiederbringung der verlorenen zehn Stämme, an die Aufrichtung Zions auf dem westlichen Festlande, an die tausendjährige Herrschaft Christi auf Erden und an die Verneuerung der Erde zu paradiesischer Herrlichkeit. Wir glauben an die Auferstehung des Leibes und daß Gott die Todten nach Verlauf der tausend Jahre wieder ins Leben rufen wird. Wir nehmen das Recht in Anspruch, Gott nach den Eingebungen unsers Gewissens anzubeten und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu. Wir glauben, den Königen, Fürsten, Herrschern und Obrigkeiten Gehorsam und Ehrerbietung, den Gesetzen Folgeleistung schuldig zu sein. Wir folgen der Ermahnung Pauli, wir glauben Alles, wir hoffen Alles, wir haben sehr Vieles erduldet und hoffen Alles erdulden zu können. Alles was lieblich ist, was wohllautet, dem streben wir nach, indem wir unsern Blick auf den Tag der Vergeltung richten. Aber ein Träger oder Fauler -- schließt das curiose Symbolum plötzlich -- kann kein Christ sein und selig werden. Er ist eine Drohne und bestimmt todtgestochen und aus dem Bienenkorbe geworfen zu werden.« -- Das sind nun die Umrisse der Mormonenlehre. Die Hauptsache kommt erst zu Tage, wenn man die Interpretation derselben hört. Leute von schwachem Verstande und geringem Glauben erfahren nur diese im Ganzen wenig anstößigen Sätze. Die Starken im Glauben aber entfernen sich vom Christenthume beinahe vollständig. Diesen wird in Bezug auf die Bibel gelehrt, daß die englische Uebersetzung, welche durch König Jacob beschafft worden »im Allgemeinen« den richtigen Sinn der vom heiligen Geiste dictirten Urschrift getroffen habe, aber mehrere Verfälschungen und Misverständnisse enthalte. Diese sind nach den Mormonen von Joseph dem Seher, dem »der Schlüssel zu allen Sprachen« verliehen war, berichtigt worden, und wir haben in Kurzem eine Ausgabe der auf diesem Wege emendirten und vermehrten Bibel zu erwarten. Eine Probe davon giebt Orson Hyde in jener Zeitung. Sie betrifft gleich das erste Kapitel der Genesis, wo es (an die Kabbalah anklingend) zu Anfang der Schöpfungsgeschichte heißen muß: »der Obergott brachte die Götter hervor. Er berief sie dann zu einem Rathe zusammen, der im Himmel gehalten wurde und wo sie sich über die Erschaffung der Welt besprachen.« Die Bibel gilt demnach als Grundbuch, nur muß sie einige wesentliche Aenderungen erleiden. Niemand aber darf sie im bildlichen Sinne auffassen. Der Inhalt ist allenthalben buchstäblich zu nehmen; denn »Gott ist ehrlich, wenn er mit den Menschen redet und fern von aller Wortspielerei und Doppelsinnigkeit.« Allein das Wort Gottes findet sich nach der Meinung der Mormonen nicht blos in der Bibel, sondern unter andern heiligen Schriften vornehmlich auch im Buche Mormon und dem Buche der Lehre und der Bündnisse, welches letztere aus einer Abhandlung über den Begriff Glauben von Sidney Rigdon und einer Anzahl sogenannter Offenbarungen Gottes an Joseph Smith besteht. Diese Bücher bilden mit der Bibel eine »dreifache Schnur« der Kundgebungen Gottes auf Erden, eine Schnur, die noch fortgesponnen wird, indem Smiths Nachfolger im Mittleramte noch von Tage zu Tage je nach dem Bedürfnisse der Kirche Belehrungen und Gebote vom Himmel empfängt. Dies ist nach der Behauptung der Mormonen die Ursache, daß sie der »heidnischen« Welt so weit an Kenntniß und Verständniß der göttlichen Dinge voraus sind. Eure Professoren und Doctoren, sagen sie, können Euch nichts Neues von Bedeutung mehr lehren, uns dagegen leitet der Herr durch seinen Offenbarer unaufhörlich zu höherer Erkenntniß. So kann man als unterscheidendes Merkmal ihrer Kirche das setzen, daß ihre Dogmatik stets eine nur provisorische, daß ihr Princip, wenn das Wort hier überhaupt eine Stelle hat, ein stetes Imaginiren ins Blaue hinein, und daß der »Fels, auf den Joseph Smith seine Kirche gebaut,« jene angebliche Offenbarungsthätigkeit Gottes ist, die unaufhörlich neue Sinnlosigkeit an die Stelle der alten schiebt. Daß dabei von einem Felsen nicht die Rede sein kann, und daß die Offenbarungen sich häufig widersprechen, ficht sie nicht an, indem es sich ihnen aus den verschiedenen Umständen erklärt, unter welchen der Herr zu den Seinen redet. Einem solchen Proteus läßt sich nun schwer die rechte Gestalt ablauschen, und daraus mag es sich der Leser erklären, wenn im Folgenden Manches schwankt und in verschiedenen Farben schillert. Wir betrachten zuvörderst die _Lehre der Mormonen von Gott_. Die Gottheit ist nach den uns vorliegenden Quellen eine Dreieinigkeit oder richtiger eine Einheit von zwei Personen. »Gott Vater ist ein vollkommener Mensch, aber in den Attributen seiner Natur, seinem Glauben, seinem Wissen und seiner Kraft in Vergleich mit uns so erhaben, daß man ihn den Unendlichen nennen kann.« Die Philosophen unter den Mormonen wissen aber noch mehr. Sie kennen seinen Anfang, und zwar nennen sie diesen Urgrund alles Seins »das ewige Evangelium.« Die Art ihres Speculirens klingt hier bald an die Schelling'sche Identitätsphilosophie, bald an die Aeonenlehre der Gnostiker an. Vor dem Anfang aller Dinge, sagen sie, gab es zwei durch sich selbst existirende Principien: Verstand und Grundstoff, Intelligenz und Leiblichkeit. Das Zusammenwirken derselben war »das Gesetz«, durch welches die Urgötter entstanden. Wie der Obergott wurde, läßt der Prophet selbst dahingestellt. Er sagt darüber blos, daß er sich nicht selbst habe schaffen können. Seine Nachfolger drücken sich über diesen schwierigen Punkt dahin aus, daß in der fernen Ewigkeit »zwei Grundtheilchen der Materie ihre Intelligenz mit einander verglichen und dann ein drittes Atom zur Berathung riefen, worauf sie zu Einem Willen zusammengingen, der die erste Kraft war. Als solche vereinigten sie mehr und mehr Atome mit einander, und daraus erwuchs eine Fülle von Kraft, die alle andern Atome in ihr Gesetz zwang. Aus dieser Intelligenz (wir übersetzen die betreffende Stelle wörtlich) wurde nach dem Gesetze ein Gott erzeugt, nicht gemacht, und die übrigen Götter gingen aus ihm als Kinder hervor. Durch das Gesetz der allgemeinen Ordnung wurde die Geschlechtlichkeit als gleich ewig mit allem sittlichen Dasein und Leben gesetzt, und so entstanden nicht nur Könige des Himmels, sondern auch Königinnen. Letztere wurden, mit den ersteren vermählt, die Mütter anderer Götter und Geister, von denen jeder seine bestimmte Sphäre im Universum hat.« Ein solcher Gott ist nun auch der, den wir zunächst verehren. Die zweite Person der Gottheit ist der Sohn, Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria. »Der ewige Vater stieg auf die Erde herab, freiete sie durch seinen Heroldsengel Gabriel, Bräutigam und Braut trafen sich auf den Gefilden von Palästina, und das heilige Kind, welches geboren wurde, war der Leibestempel (=tabernacle=) für den geistigen Sohn, und daraus wurde ein Gott.« Der heilige Geist ist »der einig gehende Wille von Vater und Sohn, welcher allgemeine Harmonie des Gedankens, Wissens und Seins durch ihr ganzes Reich wirkt. Er unterscheidet sich von Gott dem Vater und Gott dem Sohne dadurch, daß er nur eine geistige Existenz hat, nie leiblich geworden ist wie die anderen Götter.« Wir könnten dieses Thema hiermit erledigt zu haben glauben, wenn das Weitere nicht in genauem Zusammenhange mit den übrigen Lehren der Secte stünde, und wenn diese Lehren nicht dadurch an Wichtigkeit gewännen, daß sich bereits Hunderttausende zu ihnen bekennen. So fahren wir denn in der peinlichen Aufgabe möglichster Sichtung dieses Wustes von Hirngespinnsten fort. Wir haben gesehen, daß es mehrere Götter giebt, und daß jeder derselben vermählt ist und Kinder ebenfalls göttlicher Art besitzt. Wir haben ebenfalls gesehen, daß jedem Gotte eine bestimmte Sphäre im Universum angewiesen ist. Hat derselbe nun diese Sphäre, oder um deutlicher zu sprechen, diesen Weltkörper mit seinen Kindern in dem Grade bevölkert, daß sein himmlisches Erbtheil zu klein wird, um sie alle zu bewegen und zu nähren, so schafft er, um den Ueberschuß unterzubringen, einen neuen Stern, nach welchem die Geister der jungen Götter als Bewohner gesendet werden. Diese verehren dann ihren Vater als Gott, gerade sowie dieser mit seinen Brüdern im Universum seinen Vater als Gott ehrt, und so fort zurück bis zum Ur- und Hauptgotte, der im Centrum der Welt auf seinem Sterne Kolob thront. So ist der Gott, den wir zunächst verehren, der Vater unserer Geister. Um diese Materie oder vielmehr, um die Art, wie die Mormonen über diese Materie phantasiren, deutlicher zu machen, müssen wir dem Leser zumuthen, dem folgenden Auszuge aus Orson Pratts Abhandlung über die Präexistenz des Menschen seine Aufmerksamkeit zu schenken. Es heißt da: »Die Zahl der Söhne und Töchter Gottes, welche vor der Schöpfung dieser Erde im Himmel geboren wurden, ist uns nicht bekannt. Sie muß indeß außerordentlich groß gewesen sein, wenn wir die ungeheure Menge von Menschen betrachten, welche während der vergangenen sechs- oder siebentausend Jahre vom Himmel gekommen sind, um unsern Planeten zu bevölkern. Nehmen wir an, daß während eines Jahrhunderts etwa tausend Millionen Menschen auf Erden geboren werden und sterben, so würde das in sieben Jahrtausenden siebzigtausend Millionen geben. In der Urzeit gab es nun zwar bedeutend weniger Menschen, während des tausendjährigen Reiches aber werden unzweifelhaft weit mehr als gegenwärtig die Erde bewohnen. Siebzigtausend Millionen wäre demnach ungefähr die Zahl der Söhne und Töchter Gottes, welche im Himmel geboren und, weil sie sich in reinem Zustande erhielten, vom Vater würdig erfunden wurden, eine neue Welt zu bewohnen und dort, in fleischlichen Leibestempeln, in einen zweiten Zustand einzugehen. Man muß jedoch wissen, daß diese siebzigtausend Millionen nur zwei Drittel der großen gotterzeugten Geisterfamilie sind. Das letzte Drittel verblieb nicht im Stande der Unschuld, sondern lehnte sich auf und ward aus dem Familienkreise verstoßen. Sie blieben aber immerhin Gottes Kinder, und so beläuft sich die Gesammtmenge der letztern auf nicht weniger als hundertundfünftausend Millionen. Die Zeit, welche zur Erziehung dieser Geister nöthig war, muß jedenfalls eine sehr lange gewesen sein. Einige der ältesten müssen Millionen von Jahren in ihrem Urzustande gewesen sein, ehe sie in das Erdenleben eingingen. Während dieser Periode haben sie unzweifelhaft Gelegenheit gefunden, über alle Gesetze des geistigen Daseins sich aufs Gründlichste zu unterrichten. Indem sie bei ihrem Vater wohnten und durch ihn in die Gemeinschaft der anderen Götter, seiner Brüder, eingeführt wurden, mußte es ihnen leicht werden, sich die gediegensten Kenntnisse anzueignen. Auf dieser Hochschule des Himmels lernten sie wahrscheinlich vor Allem, woraus Welten geschaffen, wie ihre Grundstoffe zusammengesetzt und wie sie regiert werden müßten. So viel sie aber auch Weisheit sammeln mochten, gab es doch etwas, worüber sie keine Belehrung empfangen konnten: sie konnten die Gefühle und Empfindungen sich nicht aneignen, welche Geister haben, wenn sie in Leibestempeln wohnen. Keine Sprache konnte ihnen davon auch nur die entfernteste Vorstellung geben. Es wäre gerade, wie wenn man von einem Menschen, der in einem dunklen Kerker geboren und erzogen worden, verlangen wollte, zu wissen, was das Sehen, was Licht, was Grün, Blau, Roth oder Gelb sei. Diese Empfindungen konnten die Geister nur durch Erfahrung kennen lernen. So können Geister in einigen Dingen den höchsten Grad des Wissens erreichen, während sie in andern vollkommen unwissend bleiben. Nun giebt es aber viele nur durch sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung zu erreichende Wahrheiten, ohne deren Besitz ein intelligentes Wesen nicht vollkommen glücklich sein kann, und daher ist es nothwendig, daß jene Geister Fleisch und Gebein anziehen und ein Menschenleben führen. Diejenigen, welche sich in ihrem ersten Zustande gehorsam bewiesen haben, bekommen Erlaubniß dazu; die, welche die Gesetze ihres Urzustandes verletzt haben, müssen in der Unvollkommenheit bleiben. Mit jener Rebellion im Himmel aber verhielt es sich folgendermaßen. Im Anfang der Zeiten hielten die Götter unter dem Vorsitze ihres Vaters einen Rath im Himmel. In demselben kam die Schöpfung der Erde zur Sprache, und da Gott den Sündenfall der Menschen voraussah, so fragte er im Kreise seiner Söhne unter denen sich die beiden ältesten Christus und Lucifer, der Sohn des Morgens, befanden, wie dieselben zu retten und zu erlösen sein würden. Lucifer antwortete: »Siehe, sende mich hinab, ich will als Dein Sohn erscheinen und alle Menschen erlösen, sodaß keine Seele verloren sein soll; darum gieb mir deine Ehre!« Christus aber, der Eingeborene und von Anfang Erwählte, erwiderte: »Vater, Dein Wille geschehe, und Dein sei die Herrlichkeit in Ewigkeit«[3]. Gott der Vater beauftragte darauf Christum mit dem Erlösungswerke, und dies verdroß den Sohn des Morgens so sehr, daß er in offener Empörung gegen den göttlichen Willen ausbrach. Dabei riß er ein Drittel der Söhne und Töchter Gottes mit sich fort. Die andern zwei Drittel aber kämpften unter der Anführung Michaels des Erzengels mit ihm und seinen Schaaren, und das Ende dieses Kriegs im Himmel war, daß Satan, wie Lucifer jetzt hieß, auf die inzwischen »von den Göttern« geschaffene Erde hinabgeworfen wurde. [3] Nach einer andern Version versprach Lucifer den Menschen _in_ seinen Sünden zu erlösen, während Christus ihn _von_ seinen Sünden erlösen wollte. »Unter den Zurückbleibenden waren viele, die während des Kampfes sich parteilos verhalten und vielleicht sogar zu Satans Partei hingeneigt hatten, deren Sünden jedoch von der Art waren, daß sie durch Glauben an das zukünftige Leiden des Eingeborenen des Vaters und durch aufrichtige Reue und Besserung Vergebung erlangen konnten. Wären alle Zurückgebliebenen gleich treu und tapfer gewesen, woher sollte denn der Unterschied zwischen den Menschen, in die sie später verwandelt wurden, kommen? Alle Geister sind, wenn sie auf Erden anlangen, um einen Leibestempel zu beziehen, unschuldig, das heißt, wenn sie im vorherigen Leben Sünde begangen haben, so haben sie dafür Buße gethan und im Glauben an das Leiden des Lamms Vergebung erlangt. Was also ihre Seelenreinheit anbetrifft, so betreten sie diese Welt völlig gleich. Aber sie betreten sie unter verschiedenen Umständen. Die eine Classe kommt in die Leiblichkeit, wenn das Priesterthum und Reich Gottes auf Erden herrscht, und hat deshalb Gelegenheit das Evangelium zu hören und anzunehmen; Andere gelangen in Zeitaltern der Finsterniß in die Welt und werden in allerlei irrthümlichen Meinungen erzogen. Einige Geister nehmen Leiber in Geschlechtern des auserwählten Samens an, durch den das Priesterthum fortgepflanzt wird; andere fahren in die Leiber afrikanischer Neger oder in das Geschlecht Kanaans, dessen Nachkommen der Fluch traf, nie unter die Priesterschaft aufgenommen werden zu können. Wie kommt dies? Woher diese Ungleichheit, bei welcher die Einen Lichter und Herrscher der Kirche werden und die Fülle der himmlischen Herrlichkeit erreichen, während die Andern in aller Art von Ruchlosigkeit und Aberglauben erzogen werden, nicht eher als im Gefängnisse nach dem Tode das Evangelium hören und es nach der Auferstehung nicht zu himmlischer, sondern nur zu irdischer Glorie bringen? Die Antwort ist, daß die verschiedenen Umstände, unter welchen die Geister diese Erde betreten, ein Ergebniß des verschiedenen Verhaltens derselben im Urzustande vor diesem Leben ist, ganz ebenso wie unser Zustand nach diesem Leben nach dem Verhalten auf Erden bemessen sein wird.« Kehren wir aber in die Zeit vor und während der Schöpfung der Erde zurück, so war, nachdem Satan mit seinen Engeln besiegt und die Klage um ihr »Wehe, er ist gefallen, er ist gefallen, der Sohn des Morgens« verhallt war, das erste große Werk der Götter, die Geister auf die neue Erde in Leiber von Fleisch und Gebein zu pflanzen, wo sie eine zweite Reihe von Prüfungen durchmachen und sich durch erfolgreiche Bekämpfung des Bösen zu gleicher Herrlichkeit mit dem Vater emporschwingen konnten. Der erste Leibestempel wurde aus dem Staube des Erdbodens geschaffen, der erste Geist, der in einem Leibe wohnte, war derjenige, welcher die Heerschaaren der Kinder Gottes gegen Satan und die abgefallenen Geister angeführt hatte und von der Schrift »Michael, der Alte der Tage mit Haaren wie Wolle« genannt wird. Er hieß als Mensch Adam. »Drei Jahre vor dem Tode Adams,« sagt eine Offenbarung Smiths, »rief derselbe Seth, Enos, Kainan, Mahalaleel, Jared, Enoch und Methuselah zu sich, welche Hohepriester waren, um ihnen seinen letzten Segen zu ertheilen. Dies war im Thale Adam-On-Diahman. Und der Herr erschien ihm und nannte ihn Michael, den Fürsten, den Erzengel. Und der Herr sprach Adam Trost zu und sagte zu ihm: Ich habe Dich als das Haupt der Menschen gesetzt, eine große Zahl von Völkern soll aus Dir hervorgehen, und Du sollst ihr Fürst sein ewiglich.« Die Uebersetzung der Bibel, die wir gebrauchen, ist nach Smiths Erklärung ungenau. Erstens wurden Pflanzen und Thiere in der Schöpfungsperiode der sechs Tage nicht geschaffen, sondern nur vorbereitet oder wie die Mormonen sich ausdrücken, »geistig geschaffen.« Zweitens ruhte Gott am siebenten Tage nicht, sondern schuf den Menschen leiblich, dann Eva und die Thiere. Drittens sind unter den Tagen nicht unsere vierundzwanzigstündigen, sondern Gottestage, die nach den Umdrehungen des Planeten Kolob gemessen waren und tausend Jahre umfaßten, zu verstehen. Als die Erde, die Thiere und Pflanzen und alle Dinge vollendet waren, nannte der Herr das Ganze »sehr gut.« Und so war es in der That. Das trockene Land war eine einzige ungeheure Insel inmitten eines einzigen ungeheuren Meeres. Es war eine schöne Ebene mit sanft anschwellenden Hügeln und lieblichen Thälern. Der Wechsel von Hitze und Kälte, Trockenheit und Nässe war regelmäßig und durchaus angenehm. Auf blumigen Auen schwebte ein süßer Duft und die ganze Schöpfung hauchte Gesundheit, Frieden und Freude. Der Mensch sprach Angesicht zu Angesicht mit Gott und kannte gleich allen Thieren den Tod nicht. Ein Fluidum strömte wie jetzt das Blut durch seine Adern, wodurch sein Leib vor dem Vergehen bewahrt wurde. Nun wuchs aber im Garten Eden ein Baum, dessen Früchte die Eigenschaft hatten, dieses Fluidum zu verderben, es in sterbliches Blut zu verwandeln. Adam, der bei seinem Eingehen ins Fleisch alles sein früheres Wissen von Gut und Böse verloren hatte, ließ sich vom Satan verführen, von dieser giftigen Frucht zu essen, und so verlor er die Unsterblichkeit, tauschte aber durch seinen Fall ein Wissen für den Verlust ein, das Wissen nämlich von Schmerz, Leiden und Tod, welches zu seiner Vollkommenheit nothwendig war, sodaß man sagen kann, der Fall sei zugleich ein Steigen, der Verlust zugleich ein Gewinn gewesen. Die Folgen allerdings waren zunächst trauriger Art, und zwar nicht blos für den Menschen, sondern auch für die Erde. Dieselbe seufzte mit dem ungehorsamen Paare unter ihrer Bürde von Disteln und Dornen, und die Sünde zeugte andere Sünde, bis der Herr als Rächer und Reiniger auftrat, und allen Unrath mit Wasser von der Erde schwemmte. Als Merk- und Denkmal dieser Katastrophe blieb die Erde nach der noahischen Fluth in verschiedene Theile zerrissen, zwischen die sich der Ocean drängte. Durch Christus wurde ein Versuch gemacht, die Menschen und die Erde in ihre Ursprünglichkeit zurückzuführen. Das verlorene Priesterthum wurde wiederhergestellt und zwar zunächst auf dem östlichen und hiernach auf dem westlichen Continente. Eine Fülle göttlicher Kräfte ward ausgegossen über die Menschheit. Allein dieser gottselige Zustand erhielt sich weder hier noch dort. In Amerika kamen große Strafgerichte, Erdbeben, Pestilenz und Krieg über die Abtrünnigen. In Asien und Europa gingen wenigstens alle Charismata der urchristlichen Zeit verloren. Da endlich, im Jahre 1827 erbarmte es den Herrn, und er verlieh dem von ihm erweckten Propheten das Priesterthum der Ordnung Melchisedek aufs Neue und beauftragte ihn, die rechte Kirche wieder aufzurichten und die Welt dadurch vorzubereiten auf die Wiederkehr Jesu Christi und sein tausendjähriges Reich, dessen Eintritt nahe bevorsteht. Sechstes Kapitel. Noch ein Wort über die Natur des Menschen. -- Seelenwanderung und Auferstehung. -- Die Gnadengaben und Gnadenmittel der erneuerten Kirche. -- Die Art des Gottesdienstes in Deseret. -- Ein Mormonenconventikel in Dayton. -- Die Priesterschaft Aarons und Melchisedeks. Wir sind im Vorhergehenden vorzüglich den Abhandlungen Orson Pratts gefolgt, der als Hauptdogmatiker der Secte gilt und in der That nicht ohne eine gewisse Begabung ist, auch ziemlich gute Kenntnisse in verschiedenen Zweigen des Wissens zu besitzen scheint. Das schließt indeß nicht aus, daß hin und wieder andere Mormonen abweichenden Meinungen huldigen. So heißt es denn z. B. in der letzten Predigt Smiths, daß der Mensch nicht geschaffen, sondern erzeugt sei, daß jeder Einzelne als Geist oder Gott im Himmel die Wahl habe, auf die Erde herabzusteigen und durch Annahme eines Leibes sich größere Herrlichkeit zu erwerben, als die himmlische. Wenn der Geist Besitz von seinem Leibestempel nimmt, so entsteht ein Mensch oder eine lebendige Seele. Diese ist eine Dualität, zusammengesetzt aus gröberer Materie oder Leiblichkeit, und feinerer oder Geist. Letzterer durchdringt und belebt die erstere. Er ist sterblichen Augen nur durch ein Wunder sichtbar, der Schwerkraft nicht unterworfen, und dennoch Materie. Er geht durch den Körper wie das elektrische Fluidum durch die Erde. Er ist trotz seiner feineren Natur doch substantieller und dauerhafter als der Leib, ja er ist unsterblich wie Gott selbst. Der Tod »scheidet ihn vom Körper nur zu einem nützlichen Zwecke; dann aber wacht der Geist über jedes Theilchen seines geliebten einstigen Wohnsitzes, bis das Werde der Auferstehung ertönt, den Geist wieder mit dem Leibe bekleidet und den Menschen auf diese Weise zum Gotte erhebt.« Diese Götter, in welche die auferstandenen Frommen verwandelt werden, haben die Macht, für sich einen neuen Planeten zu schaffen und denselben zu bevölkern. Dies wird als »die Gewalt endloser Lebensspendung« bezeichnet. Die Ungehorsamen und Ungläubigen dagegen werden im Himmel »nur einer geringen Herrlichkeit theilhaft werden,« sie werden den himmlischen Königinnen die Schleppe tragen, Holzhacker, Schuhputzer, Küchenjungen u. s. w. sein; denn die zukünftige Welt ist nur die verklärte Wiederholung der jetzigen. Ferner heißt es im Widerspruche mit dem Obigen, Adam sei nach einer Voraussehung Gottes oder nach einer nothwendigen Bestimmung der Heilsökonomie gefallen und habe den Apfel mit vollem Bewußtsein der daraus sich ergebenden Folgen gegessen. Es soll dies geschehen sein, auf daß künftighin sterbliche Leiber von Weibern geboren würden, um Wohnungen für die Geister zu sein. Entspricht ein solcher vom Himmel gestiegener Geist seiner Bestimmung nicht, kommt er den von ihm gehegten Erwartungen nicht nach, besteht er die Prüfungszeit nicht, verscherzt er, wie der Kunstausdruck lautet, sein Erbe durch üble Aufführung, so wird ihm nach seinem Ableben ein geringerer Leibestempel und eine niedrigere Daseinsstufe angewiesen. Ist er auch auf dieser nicht gehorsam, so verbannt ihn Gott auf eine noch niedrigere, und so fort, bis er sich fügt und zur Unterwerfung unter das Gebot des Herrn zurückkehrt, worauf ihm gestattet wird, Grad für Grad wieder emporzuwachsen in die Herrlichkeit der Kinder Gottes. Ein Beispiel dazu bildet die Geschichte, die einst mit einem ihrer größten Heiligen sich ereignete. Er war in Zweifel verfallen und dachte bereits an den Austritt aus der Kirche. Da erschien eines Tages ein Bote aus der Höhe vor ihm und warnte ihn vor der Gefahr, die ihm drohte. Es stehe ihm nämlich, sagte der Engel, nichts Geringeres bevor, als ein baldiger Tod und nach diesem die Verbannung seines Geistes in einen Negerkörper. Nur durch sofortige Umkehr auf den rechten Weg könne er sich davor schützen. Der fromme Mann erschrak und ging in sich; denn ein Schwarzer kann nach ihrer Lehre, wie erwähnt, nicht zum Priester geweiht werden, muß allerwärts, auch jenseits eine dienende Stellung einnehmen und hat im Himmel nur auf einen geringen Theil von Seligkeit und Herrlichkeit Anspruch. Er stellt die tiefste Stufe der Menschheit dar. Bedeutend höher steht die kupferfarbene Race. Die Rothhäute sind nur auf Zeit zu der unschönen Farbe verdammt, und der Tag wird kommen, wo sie, in ihre Rechte wieder eingesetzt, würdig sein werden ihrer Abkunft vom Samen Abrahams. Sind diese Stufen der Erniedrigung nicht hinreichend, den rebellischen Geist zur Umkehr zu veranlassen, so wird er in ein Thier verwiesen, und so mag es nicht ungehörig sein, wenn ein tückisches Pferd, ein bissiger Hund oder eine zornige Otter Einem zu Leibe geht, sich zu erinnern, ob in der Bestie nicht vielleicht ein ungehorsamer Geist seine Straf- und Prüfungszeit verbüßt. Mit dem Satan und seinen Engeln konnte ein solcher Reinigungsproceß nicht vorgenommen werden, da sie »nicht in der Leiblichkeit sündigten.« Der einstige Sohn des Morgens ist nach den Mormonen überhaupt nicht so schlimm, als er gemeiniglich angesehen wird. Er besitzt noch gar manche seiner früheren nobeln Eigenschaften und ist noch immer Miltons: »=Archangel ruined and a perfect gentleman.=« Die Anekdoten indeß, die unter den Heiligen über diesen »vollendeten Gentleman« umlaufen, wollen nicht recht zu unseren Begriffen von einer würdigen und anständigen Haltung passen, ja er beträgt sich bisweilen recht ungezogen und rüpelhaft. Sidney Rigdon, der würdige Mitstifter der Secte, wußte davon ein nichts weniger als erbauliches Lied zu singen. Er lag eines Abends im Bette und schlief, als ihn plötzlich eine so gewaltige Hand beim Genick packte und schüttelte, daß er sofort inne wurde, wie er es mit keiner irdischen Gewalt zu thun habe. Es war kein Geringerer, als Seine höllische Majestät. Aber nicht zufrieden damit, den unseligen Rigdon so unsanft geweckt zu haben, machte er sich nun daran, seinem Opfer die Bettdecke wegzuziehen und es auf das Abscheulichste durchzuprügeln. Dann ergriff er Ehren Rigdon bei den Füßen, schleppte ihn aus der Kammer und, unbekümmert darum, daß das graue Haupt aufs Jämmerlichste auf jede Stufe aufschlug, die Treppe hinab vor das Haus, wo er ihn in den Rinnstein warf und sodann »wie ein Dampf« verschwand. In dieser Weise mishandelte er Rigdon zwei Nächte hindurch. Böse Zungen zwar wollten behaupten, es könnte eine menschliche Hand im Spiele gewesen sein, etwa ein Schabernack liebender Mormonenjüngling. Aber diese Vermuthung wurde mit spöttischem Lächeln als ungereimt abgewiesen. Hatte man sich doch nach dem ersten Male genau nach der Farbe der Haare, den Gesichtszügen und anderen Erkennungszeichen, an denen Smith seine Jünger den bösen Feind zu entdecken gelehrt, erkundigt, und stimmte doch Rigdons Beschreibung bis in die geringsten Einzelheiten. Der Körper der Auferstandenen wird vollkommen derselbe sein, den sie im Leben hatten. Nur das Blut wird fehlen, wie es im Körper des auferstandenen Christus fehlte, welcher das Vorbild aller Menschen ist. Aber ganz so wie der Mensch gehen auch die Thiere und Pflanzen einer Auferstehung und Erhebung in die himmlische Herrlichkeit entgegen. »Wenn die Welt erlöst wird, so ist die Pflanzen- und Thierschöpfung in diesen Vorgang eingeschlossen; denn auch sie hatten ja eine geistige Existenz vor der leiblichen auf Erden. Wenn die Pflanze in den himmlischen Boden gesenkt wird, so zieht sie ihre Nahrung aus demselben, und das Fluidum, das sie auf diese Art einsaugt, circulirt durch die Poren und Zellen des Pflanzenleibes, bewahrt denselben vor Verwitterung und Fäulniß und erzeugt einen geistigen Samen, welcher gepflanzt zu einem geistigen Halme, Strauche oder Baume erwächst, der sich darin von der väterlichen Pflanze unterscheidet, daß er keinen Leib hat. Diese geistigen Pflanzen oder diese Pflanzengeister werden aus dem Himmel auf die Erde geschickt, wo sie Leiblichkeit gewinnen und gleich den Thieren zu Nahrung für einen Theil der animalischen Schöpfung werden. So sind denn« -- schließt Orson Pratt diese treffliche Beweisführung -- »die Geister sowohl der Pflanzen als der Thiere Sprößlinge männlicher und weiblicher Aeltern, welche von den Todten auferweckt und mit der Welt, auf der sie wohnten, aus einem gefallnen Zustande erlöst worden sind.« Hiermit möge unsere Blumenlese aus der Metaphysik der Mormonen beschlossen sein. Ein Urtheil darüber ist unnöthig, und wir können uns sofort zu begreiflicheren und näherliegenden Dingen wenden. Die Gnadengaben, in deren Besitz die Latterday-Saints zu sein sich rühmen, und deren Vorhandensein sie als eine Art Zeugniß Gottes für die Wahrheit ihrer Lehre und die Echtheit ihrer Kirche ansehen, bestehen, wie bereits bemerkt, in der Gabe der Weissagung (die indes auf den Seher und Offenbarer beschränkt ist), in Heilungen durch Handauflegung, Austreibungen von bösen Geistern aus Besessenen, von denen namentlich in Wales ganze Rudel -- beinahe so viele wie in Weinsberg -- spukten, im Reden in Zungen und in der Deutung dieser modernen Glossolalie. Diese Erscheinung, welche sich über alle Heiligen erstreckt, während die übrigen sich auf die Priester beschränken, und welche auch bei anderen Secten Amerikas bisweilen vorkommt, ist, wenn man die Erzählung vom Pfingstwunder in der Apostelgeschichte wörtlich nimmt, nicht dieselbe, welche die Jünger befähigte, der vor ihrem Hause versammelten vielzüngigen Menge in verschiedenen Sprachen den Wahn zu benehmen, sie seien voll süßen Weines. Es ist vielmehr im besten Falle eine Art Stammeln, Lallen oder Gurgeln ohne Sinn und Verstand, hervorgegangen aus krankhafter Gemüthsaufregung, zuweilen ähnlich dem Phantasiren von Fieberkranken, mitunter eine Folge unzusammenhängender englischer oder indianischer Worte, häufiger aber ein bloßes Ausstoßen willkürlich zusammengeworfener Vocale und Consonanten. Der in Zungen Redende selbst weiß nicht, was für Ideen er damit ausgesprochen hat. Aber Andere wissen es um so genauer, und oft erfährt die erstaunte Zuhörerschaft durch diese Dolmetscher die wundersamsten Dinge. Wie man aber zu zweifeln Grund hat, daß die Theologen der Secte in ihren Schriften und Predigten immer ehrliche Phantasten gewesen sind und nicht auch manchmal, ja häufiger absichtlich und zweckbewußt den Unsinn zusammengehäuft haben, den wir bei ihnen finden, so wird auch mit dem Reden in Zungen mancherlei Täuschung getrieben werden. Smith liebte es, seine Predigten damit zu schmücken, und das Folgende klingt fast wie eine Anweisung zum Betrügen. »Wenn Jemand sich zum Sprechen in der Gemeinde gedrungen fühlt« -- sagt der Prophet -- »aber keine Worte findet, die Gedanken seines Herzens auszudrücken, so muß er sich getrost auf seine Füße erheben, sich im Glauben an Christum anlehnen, seine Lippen öffnen und in irgend einer beliebigen Tonart und Weise einen Gesang hören lassen. Der Geist des Herrn wird es dann zur Rede machen und einen Dolmetscher dazu schaffen.« Diese Verheißung erfüllte sich bei der folgenden Anekdote, wenn auch der Dolmetscher, den der Herr schaffte, nicht ganz genau das Rechte getroffen haben dürfte. In einer ihrer Versammlungen sprang ein vom heiligen Geiste ergriffnes Weiblein auf, sprach in Zungen und schrie: »Melai, Melei, Meli!« Dies wurde von einem jungen Manne, der in sich die Gabe des Dolmetschers empfand, sofort mit: »=My leg, my tigh, my knee=« (Mein Bein, mein Schenkel, mein Knie) übersetzt. Man forderte ihn vor den hohen Rath und klagte ihn der Sünde wider den heiligen Geist an. Er blieb aber hartnäckig bei seiner Behauptung, daß seine Deutung die richtige sei, und so mußte man ihn ohne Strafe lassen. Man ermahnte ihn indeß, auf der Hut zu sein, daß der Satan ihn nicht in seinen Schlingen fange. Von den Gnadenmitteln oder Sacramenten kennen die Mormonen nur Taufe und Abendmahl. Die erstere muß durch Untertauchung des Täuflings vollzogen und durch Handauflegung vollendet werden, sonst ist sie eine leere Ceremonie. Sie hat ferner zu dem Zwecke der Vergebung der Sünden stattzufinden, ein Zweck, der bei der Handlung zu nennen ist. Sodann hat nur die aus der Hand von Mormonenpriestern der Ordnung Melchisedek empfangene Taufe die Wirkung eines Sacraments. Die Kindertaufe wird verworfen. Man nimmt an, daß der Mensch im achten Lebensjahre zurechnungsfähig werde. Dann müssen die Eltern das Kind taufen lassen. Ein seltsames Seitenstück zu den Seelenmessen der katholischen Kirche ist das mormonische Institut der »Taufe für die Verstorbenen.« Die Berechtigung zu dieser Ceremonie entnehmen sie aus einer Bibelstelle, wo der Apostel nach der Auffassung der Mormonen die Frage aufwirft: »Was anders sollen die thun, welche für die Todten getauft sind, wofern die Todten nicht auferstehen? Warum dann sind sie für die Todten getauft?« Joseph Smith behauptet darauf hin: »Jedermann, der einen Freund in der ewigen Welt hat, kann ihn erlösen, es wäre denn, daß er die eine Sünde begangen hätte, die nicht vergeben wird. So könnt Ihr sehen, wiefern Ihr Erlöser sein könnt: denn der Apostel sagt: Sie ohne uns vermögen nicht zur Vollkommenheit zu gelangen.« Das Nähere der Sache aber ist Folgendes: Die Mormonen glauben, daß Niemand ohne in gebührender Weise getauft zu sein, in's Himmelreich eingehen könne. Nun kann aber ein Heiliger den Wunsch hegen, auch diejenigen seiner Freunde und Verwandten einst bei sich zu sehen, welche entweder durch Ungunst der Umstände oder weil sie das Sacrament misachteten, ohne echte und wahre Taufe aus der Welt gegangen sind. Dies wird dadurch erreicht, daß sie sich stellvertretend für jene taufen lassen. Die Jenseitigen befinden sich in einem Prüfungszustande, ähnlich dem Fegefeuer der Katholiken. Sie haben bereut und Buße gethan und sehnen sich nach dem unerläßlichen Ritus der Untertauchung in Wasser zur Vergebung der Sünden. Daher erwächst die Pflicht ihrer Verwandten auf Erden, sich dieser Ceremonie für sie zu unterziehen. Sie befriedigen damit den Wunsch der Abgeschiedenen und erwerben sich zugleich das Verdienst, Mehrer des Reichs Gottes zu sein. So geschieht es, daß Einzelne wohl ein Dutzend Mal getauft sind, einmal für den Vater, dann für die Mutter, dann für die Großältern, dann für die unbekannten Vorfahren bis hinauf zu dem Urahn, von dem man annimmt, daß er noch in heiliger priesterlicher Zeit gelebt habe. Andere wieder werden dabei von dem Hinblicke auf die Macht geleitet, welche sie sich dadurch erwerben, und so lassen sie sich auch für Todte taufen, welche nicht zu ihrem Geschlechte gehört haben. Es heißt nämlich, daß alle die, welche von dem Stellvertretend-Getauften auf diese Weise erlöst worden sind, künftig bei der Auferstehung zu dem Haushalte und Gefolge desselben gehören werden. Derselbe, der auch als »Pathe« (=sponsor=) bezeichnet wird, wird zuerst aus seinem Grabe steigen und dann thun wie Christus vor der Gruft des Lazarus that, d. h. er wird jene aus dem Todesschlafe rufen. Dann aber wird er als der Vornehmste unter ihnen über sie als Patriarch herrschen, und sein Rang unter den Göttern und königlichen Heiligen wird sich nach der Zahl derer richten, welche er erlöst hat. Das heilige Abendmahl wird »zur Erinnerung an den Leib und das Blut des Sohnes« genossen, auf das die Heiligen »allezeit seiner eingedenk seien und seine Gebote halten, und damit sie stets seinen Geist bei sich haben.« So wenigstens drückt sich das Buch Mormons aus. Brot und Wein sind als Symbole zu gebrauchen wie in der reformirten Kirche. Durch eine Offenbarung jedoch wurde es verboten, sich des von den »Heiden« gebauten und gekelterten Weines zu bedienen (dies geschah aber erst in Deseret und zwar zu einer Zeit, wo Wein, wie alle anderen Luxusartikel, selbst Kaffee und Zucker, kaum zu bekommen war, und die »Offenbarung« war nur ein Hilfsmittel, gewissenhafte Leute, die es mit der Form der kirchlichen Ceremonien bis aufs Pünktchen genau zu nehmen gewohnt waren, zu beschwichtigen), und so trinken die Mormonen »bis sie sich Wein von selbstgebauten Reben verschaffen können,« Wasser statt des Saftes der Traube. Denn »es ist gleichgiltig, was ihr essen und was ihr trinken werdet, wenn ihr das Sacrament genießet; wenn ihr es nur so genießet, daß ihr die Augen blos auf meine Herrlichkeit richtet; darum so sollt ihr keinen Wein trinken, es sei denn, er wäre von euch selbst gekeltert«, sagt jene Offenbarung. Man feiert in Folge dessen die Communion in der Art, daß die Bischöfe unter den Sonntags im Bethause Versammelten mit Brot und einem Wasserkruge, woran ein Glas oder Blechbecher hängt, herumgehen und Jedem auf seinem Sitze das Sacrament anbieten. Es ist Sitte, dieses Anerbieten nicht abzulehnen, und so genießen die Mormonen das Abendmahl alle Sonntage. Nachdem hinreichende Zeit verflossen ist, um den Tempel in Zion zu vollenden, können Taufen für die Todten nur noch hier und in Jerusalem (dem in Palästina) stattfinden. Im Hause des Herrn wird ein gewaltiges Taufbecken aufgestellt werden; »denn diese Taufe wurde vor der Erschaffung der Welt eingesetzt, und anderswo, sagt der Lord unser Gott, kann sie mir nicht wohlgefällig sein; denn in ihr sind die Schlüssel des heiligen Priesterthums verordnet, auf daß ihr empfanget Ehre und Herrlichkeit« (=Book of Doctrine and Covenants=). Der Tempel hat überhaupt in gewisser Beziehung sacramentale Bedeutung, ja man kann nach der gewöhnlichen Definition des Begriffs Sacrament selbst das Wohnen in Deseret als eine Art Sacrament betrachten. Die sechste allgemeine Epistel der Präsidentschaft an die Heiligen in aller Welt fordert dieselben auf das Dringendste zur Einwanderung nach ihrer wahren Heimat, zur Entrichtung des Zehnten und zum Baue des Tempels auf. Es heißt darin: »Um für einen himmlischen Himmel vorbereitet zu sein, bedürfen sie eines irdischen Himmels, und wenn Einige die Gnadenmittel sich verschaffen, ohne alle die gebührenden Zehnten entrichtet zu haben, so wird ihnen Jesus einst erklären, daß sie Diebe und Räuber sind, die einen anderen als den verordneten Weg herangestiegen sind. Die Errichtung des Tempels ist so nothwendig für das allgemeine Heil, als die Taufe für das Heil des Einzelnen nothwendig ist. Die Stimme des guten Hirten aber ruft fortwährend: Kommt heim, alle ihr Heiligen!« Die Offenbarungen, welche der »Seher« von Gott durch seine Engel empfängt, betreffen gegenwärtig nur die allgemeinen Angelegenheiten, beziehen sich aber auf Weltliches sowohl wie auf Geistliches. Sie werden aufgezeichnet, um im rechten Augenblicke der Kirche verkündet zu werden, wenn die Brüder fähig sind, sie zu ertragen; denn »Viele würden sich verletzt fühlen und der Wahrheit den Rücken kehren, wenn sie ihnen plötzlich auf ein Mal mitgetheilt würde.« Einzelne empfangen Offenbarungen in Bezug auf ihre Privatangelegenheiten. Diese sind durch »Gebet in mächtigem Glauben« zu erlangen, jedoch nur »wenn natürlicher Scharfsinn, verstärkt durch Fleiß und Nachdenken nicht im Stande gewesen ist, die erforderliche Auskunft zu gewinnen; denn wo Gott auf natürlichem Wege wirken kann, thut er kein Wunder.« Die Art, wie die Mormonen des Sonntags ihren Gottesdienst abhalten, unterscheidet sich nicht sehr von der Weise der übrigen Secten Amerikas. Man findet sich zu bestimmter Stunde im Bethause ein. Der vorsitzende Priester -- in Deseret gewöhnlich der Seher -- eröffnet die Feier mit einem Segensspruche über die Versammlung und ihr frommes Beginnen. Dann wird ein Lied aus ihrem Hymnenbuche, und zwar meist nach einer sehr lebhaften und heitern Melodie, gesungen. Dann spricht irgend ein Priester ein Gebet, worauf wieder ein Gesang folgt. Sodann predigt einer von den Priestern, der vorher damit beauftragt worden ist, und hierauf lassen gewöhnlich das eine und das andere Gemeindeglied, »vom Geiste zum Reden angeregt«, allerlei kürzere Ermahnungen und Belehrungen hören. Den Schluß bilden Vorlesungen von Verordnungen und Ankündigungen allgemein interessanter Anordnungen in Betreff der öffentlichen Bauten, der Steuerzahlungen, der Militairübungen u. a. m., welche der Schreiber des hohen Raths vorträgt, wornach die Versammlung mit einem Segensspruche entlassen wird. Während die Gemeinde sich versammelt und ebenso während sie das Gotteshaus verläßt, spielt das Musikchor, welches sehr zahlreich und, wie es heißt, sehr gut eingeübt ist, allerlei lustige Weisen, Märsche und Tänze, wodurch alle düsteren Gedanken vertrieben und die Gemüther heiter gestimmt werden. Da in Deseret sehr viele Waliser sind, von denen die meisten nur unvollkommen, einige gar nicht englisch verstehen, so wird die Hauptrede gemeiniglich von einem Dolmetscher in wälscher Sprache wiederholt; auch erheitert in der Regel ein wälsches Chor die Versammlung durch den Vortrag einer ihrer wildromantischen seltsamen Melodien. Daß es bei ihren gottesdienstlichen Zusammenkünften nicht immer vollkommen geordnet zugeht, darf uns nicht Wunder nehmen. Das Reden in Zungen läßt sich nun einmal nicht zurückdrängen, und nicht selten wird der Prediger durch ein derartiges verzücktes Geplapper unterbrochen. Aehnliches kommt jedoch auch bei anderen Secten, namentlich bei den Methodisten häufig vor. Daß die Redner meist sehr lange, nur bisweilen gut, höchst selten gewählt sprechen, muß man ihrer Bildungsstufe (die meisten waren ursprünglich Bauern oder Handwerker) zu Gute halten. Eines aber verdient mit Recht Tadel -- die Mormonenprediger fluchen und verdammen von der Kanzel herab wie die Landsknechte, und selbst Brigham Young würzt seine Reden, wenn er in's Feuer geräth, mit den gewaltigsten Flüchen und Schwüren. Die Gemeinden außerhalb Deseret halten ihren Gottesdienst, wie sich von selbst versteht in einfacherer Weise, auch kommen die kleineren von ihnen selten regelmäßig zu Gebet und Predigt zusammen. In Cincinnati, wo sich im Jahre 1851 eine Mormonengemeinde von etwa zwölf Familien befand, wurde in den Monaten October bis December nur drei Mal Gottesdienst gehalten, und die Zweiggemeinde in Dayton, aus zwei Männern und drei Frauen bestehend, war bei unserem Besuche seit einem halben Jahre nicht versammelt gewesen. Dieser unser Besuch aber wurde für den Vorsteher, den wackeren Schuster Winthrop Graves, Veranlassung, seine Heerde wieder einmal zusammenzurufen und auf die himmlische Weide zu führen. Wir trafen uns im Hause eines der Gläubigen. Derselbe war Pächter einer Farm und wohnte am Rande des Waldes in einem großen, schwarzverräucherten Ziegelgebäude, das mit einem unordentlichen moosbewachsenen Zaune umgeben war. Die alten Eichen und Ahornbäume, welche das Haus umstanden und deren entlaubte Zweige fortwährend aufs Kläglichste im Winde ächzten, die Verfallenheit des Dachs und der Mauern, der Charakter der Leere und Kälte, den das Innere dieser einsamen Wohnung trug, machten einen trübseligen, unbehaglichen, fast unheimlichen Eindruck. Dem ärmlichen, düsteren, grämlichen Wesen des Hauses entsprach das Wesen seiner Bewohner. Der Mann war eine jener hagern, schlotterigen Gestalten, wie sie in den Hinterwäldern häufig sind. Die Frau schien am Fieber zu leiden. Die Tochter, ein Mädchen in den Jahren, wo Frauen sich in ihren Geburtstagen zu verrechnen anfangen, schaute mit ihren gelben verwelkten Wangen und ihren graugrünen Augen so theilnahmlos und so sauertöpfisch in die Welt, als habe sie Holzäpfel gefrühstückt. Die einzige freundliche Erscheinung war eine junge Witwe, die mit ihren feinen Manieren und ihrer schönen Stimme einen eigenthümlichen Gegensatz zu dem Geschilderten bildete. Wir hielten den Gottesdienst in der Küche, die, wie beim gemeinen Mann in Amerika gewöhnlich, zugleich Wohnstube war. Der Schuhmacher schlug das Buch Mormon auf, legte es auf ein Tischchen vor sich, sprach ein Gebet und hielt hierauf aus dem Stegreif eine Rede, in welcher er die Grundzüge des Glaubens der Latterday-Saints auseinandersetzte, und die so wohlgefügt und an einzelnen Stellen so schwungreich war, daß mancher unsrer Pastoren dabei hätte lernen können. Die verdrießlichen Mienen der vorhin beschriebenen Drei begannen einen anderen Ausdruck zu gewinnen. Der Mann schien seine Sorgen, die Frau ihr Fieber vergessen zu haben. Die grünen Augen der Tochter blitzten von einem seltsamen Feuer, und als nun ein Lied -- zu unserm Erstaunen nach der altbekannten Melodie: »Du, Du liegst mir am Herzen« -- gesungen wurde, welches den Tod des Propheten beklagte und die Leiden der Brüder in der Wüste schilderte, hatte sich der ganzen Versammlung eine Aufregung bemächtigt, mit der sie wie umgewandelt schien. »=Weep, weep not for me, Zion, Rejoice now and sing ye aloud. Pray, pray, that Judahs fierce lion May quickly descend in a cloud. Haste, haste, o quickly descend in a cloud!= =To smite with a rod of his power, To lay Zions enemies low, While frowns on his countenance lower, They sink to perdition and woe. Yes, yes to perdition and woe!=«[4] [4] D. h. Weine, weine nicht um mich, o Zion; juble nun und singe laut. Bete, bete, daß Judas grimmer Leue herabsteige in einer Wolke. Eile, eile, o steig rasch herab in einer Wolke! Daß er sie mit der Ruthe seiner Gewalt schlage, daß er Zions Feinde darniederlege. Während sein Antlitz finsterblickend zürnt, sinken sie hinab in Verderben und Weh. Ja, sinken sie hinab in Verderben und Weh. So sangen die Mormonen. Und immer höher steigerte sich die Inbrunst. Die Wangen der Frauen rötheten sich, die Blicke der Männer wurden stolz und fröhlich und immer fröhlicher und stolzer, je mehr sie sich durch die weitern Verse des Liedes an die glorreiche Geschichte der Kirche erinnert fanden. Die junge Witwe sank auf die Knie und sprach ein Gebet, welches unter anderen Umständen selbst auf uns eine ergreifende Wirkung gehabt haben würde. Der Farmer folgte ihr in rauherer, aber nicht weniger aufrichtiger Weise. Wir erwarteten ein Reden in Zungen von der Tochter, aber die Witwe schnitt ihr die Gelegenheit dazu ab, indem sie, glühend von schwärmerischem Feuer, aufsprang und, dem Leiter des Meetings vorgreifend, mit wohltönender Stimme in ein Triumphlied ausbrach, in welches alle Anwesenden nach Kräften einstimmten. Sie sangen: »=The spirit of God like a fire is burning The latter day glory begins to come forth, The visions and blessings of old are returning, The angels are coming to visit the earth. We'll sing and we'll shout with the armies of heaven: Hosannah, Hosannah to God and the Lamb! Let glory to them in the highest be given. Henceforth and forever. Amen and Amen!=«[5] [5] D. h. Der Geist Gottes brennt wie ein Feuer, die Herrlichkeit des tausendjährigen Reichs beginnt offenbar zu werden, die Gesichte und Segnungen von ehedem kehren wieder, die Engel kommen, die Erde zu besuchen. Wir wollen singen und jauchzen, mit den Heeren des Himmels: Hosiannah, Hosiannah Gott und dem Lamme! Gebt ihnen die Ehre. Ehre sei ihnen in der Höhe fortan und in Ewigkeit. Amen, Amen. Den Schluß bildete der Segen, von dem Schuhmacher gesprochen. Dann aßen die Brüder und Schwestern mit einander, und wir entsinnen uns nicht, während unsers Aufenthalts in Amerika fröhlichere Gesichter beisammen gesehen und ein liebevolleres Benehmen beobachtet zu haben, als bei diesem einfachen Mahle. So verklärt und adelt das, was in den Religionen die Religion ist, selbst den sinnlosesten Wahn, und so geht neben der Truglist der Führer stets die redlichste Einfalt der Massen her. Den Schluß dieses Abschnitts möge ein Ueberblick über die _Kirchenverfassung des Mormonismus_ bilden. Dieselbe beruht im Wesentlichen auf einer eigenthümlichen Ansicht vom Priesterthume. Die Priesterschaft ist nach Joseph Smith und anderen Dogmatikern, wie Peter Parley Pratt, Spencer und Orson Pratt, unbedingt nothwendig zu einer Kirche, welche Anspruch darauf erhebt, die wahre zu sein. Sie ist unmittelbar von Gott eingesetzt und zerfällt, wie schon beiläufig erwähnt wurde, in zwei Ordnungen, deren erste nach dem geheimnißvollen Freunde Abraham's, dem Priesterkönige Melchisedek benannt ist, während die zweite nach dem ersten Hohenpriester Israels, Aaron, die aaronische, oder auch die levitische heißt. Das Priesterthum der ersten Classe wurde nach dem Book of Doctrine and Covenants im Anfange der Zeiten an Adam verliehen und von diesem (man sieht, wir haben hier ein Anklingen an die katholische Lehre von der Pneuma-Mittheilung vor uns) auf Noah, Abraham, David, Salomo u. s. w. fortgepflanzt. Ihr Amt und ihre Gewalt ist mystischer Natur. Sie hat »die Schlüssel zu allen geistlichen Segnungen« in Händen und besitzt das Vorrecht, die Geheimnisse des Himmels zu empfangen, sich das Jenseits öffnen zu lassen, und sich mit Gott dem Vater und Jesus dem Mittler in Verbindung zu setzen. Die Priesterschaft des aaronischen Ordens dagegen hat auf so hohe Dinge keinen Anspruch; sie ist nur mit Besorgung der weltlichen Angelegenheiten der Kirche betraut. Ursprünglich hieß es (wahrscheinlich um die Juden zum Eintritte in die Gemeinschaft der Latterday-Saints geneigt zu machen), die Mitglieder dieser Classe müßten vom Stamme Levi sein. Da sich jedoch keine echten Leviten finden wollten, so begnügte man sich bis auf Weiteres mit Besetzung der Stellen durch Nichtjuden. Wenn der Tempel fertig ist, werden aber zahlreiche Leviten den Mormonen beitreten, und dann werden dieselben außer den jetzt von der aaronischen Priesterschaft besorgten Geschäften wieder Auftrag erhalten, für die täglichen Sünden des Volkes Thieropfer zu bringen. Jede dieser beiden Classen der Mormonenpriesterschaft zerfällt nun wieder in verschiedene Grade, die ihrerseits wiederum jeder seine leitende Behörde oder seinen Vorsitzenden haben. Die Oberleitung der gesammten Kirche liegt in den Händen der Präsidentschaft. Diese besteht aus dem Seher und zwei anderen Präsidenten, von denen gegenwärtig nur der eine (Heber Kimball) in Deseret, der andere aber (Francis Richards) die große englische Zweigkirche leitend, in Liverpool sich aufhält. Dieses geistliche Triumvirat wird ein Abbild der himmlischen Dreieinigkeit genannt, bisweilen auch als Nachahmung des Regiments der christlichen Urkirche durch Petrus, Jakobus und Johannes bezeichnet. Nach ihnen nimmt das Apostelcollegium (auch schlechthin »die Zwölfe« geheißen) die vornehmste Stelle ein, welches ebenfalls dem Orden Melchisedek angehört und das Recht oder die Pflicht hat, Inspectionsreisen nach den neugegründeten Gemeinden im Auslande zu machen und über dieselben den Vorsitz zu führen. Unter ihnen stehen die Hohenpriester, die Priester, die Aeltesten, die Bischöfe, die Lehrer und die Helfer oder Diakonen, sowie die drei Siebzigercollegien, eine Erinnerung an die siebzig Sendboten, die Jesus außer seinen zwölf Jüngern zur Verbreitung der frohen Botschaft wählte. Jeder Grad bildet ein vollständiges »Quorum« oder Collegium, um die Disciplin unter seinen Mitgliedern aufrecht zu erhalten und die in seine Sphäre fallenden Geschäfte zu besorgen. Bei auseinandergehenden Meinungen appellirt man an die nächst höhere Classe, während die Gesammtheit der Kirchenglieder, in ein Generalconcilium versammelt, die letzte Instanz bilden soll. So wenigstens liest man im Buch der Lehre und der Bündnisse. In der Wirklichkeit verhält es sich damit anders, indem der Seher und seine nächsten Vertrauten das Volk so kurzgefaßt am Gängelbande halten, daß von der Entscheidung einer streitigen Frage durch die Gemeinde ebenso wenig als von einer Wahl der einflußreichen Beamten die Rede sein kann. Aus zwölf Hohenpriestern zusammengesetzt, steht der Präsidentschaft ein hoher Rath zur Seite, in welchem jedes Mitglied das Recht hat, seine Meinung hören zu lassen. Der Seher, welcher präsidirt, nimmt davon an, was ihm gutdünkt, faßt am Schlusse jeder Sitzung das Vorgebrachte zusammen und giebt dann seine Entscheidung ohne Rücksicht auf die Ansicht der Mehrheit des Rathes. Ein derartiges Verfahren verstößt in schroffster Weise gegen alles Herkommen unter Engländern und Amerikanern. Dennoch hat es sich unter der jetzigen Präsidentschaft noch nie ereignet, daß Jemand es gewagt hätte, sein Misvergnügen laut werden zu lassen, wenn der Willensausdruck des Sehers anders ausfiel, als man gewünscht und gerathen hatte. Dieser hohe Rath ist aber dem Präsidenten der Kirche -- wir sagen, _dem_ Präsidenten, da die beiden anderen der Energie Young's gegenüber bloße Scheinregenten sind -- Auge, Ohr und Hand. Seine Mitglieder kundschaften alles, was auf dem Felde oder in der Werkstatt, im Bethause oder im Familienkreise gesprochen wird oder geschieht, mit dem Eifer und der Schlauheit von Spionen aus. So wie irgend eine neue Meinung auftaucht, so wie irgendwo ein verdächtiger Plan laut wird, bringt ihn sicher eines der Mitglieder jenes Rathes in der Versammlung vor, und es werden sofort die geeigneten Maßregeln zur Unterdrückung der misliebigen Neuerung getroffen. Der Urheber derselben wird als unruhiger Kopf vorgemerkt, und ehe er sichs versieht, verliert er den Boden unter den Füßen. Kein Wunder daher, daß viele unter den Bewohnern Deserets, welche die Canäle nicht kennen, durch welche dem Oberhaupte der Kirche Kunde von allen Vorgängen zuströmt, dem »Bruder Brigham« eine Art Allwissenheit zuschreiben und in Folge dessen mit scheuer Ehrfurcht zu ihm aufblicken. Die Propheten der Mormonen gehen aus allen Graden der Priesterschaft hervor. Im Hauptquartier der Secte residirt ein Patriarch, der besondern Kirchengliedern den Segen »nach der Weise Jakob's und seiner zwölf Söhne und nach der Israels auf dem Krankenbette« zu ertheilen hat. Der Bischofstitel hat bei den Mormonen nicht die hohe Bedeutung wie in anderen Kirchen. Die Bischöfe gehören zu der aaronischen Priesterschaft oder den Leviten. Jeder Nachkomme Levi's, der den Latterday-Saints beitritt, hat gesetzlichen Anspruch auf dieses Amt, und zwar kann derselbe dann unabhängig, ohne beigesetzte Räthe fungiren. Findet sich kein solcher, so kann einer der Priester mit den bischöflichen Geschäften beauftragt werden. Diese bestehen vornehmlich in der Beaufsichtigung der Zehnten-Arbeit, in Einsammlung des Zehnten, mag er nun in Naturallieferungen oder in einem Geldäquivalent eingeliefert werden, in der Verwaltung der Magazine und -- so war es wenigstens während der ersten Jahre der Ansiedelung in Deseret -- in der Schlichtung von Rechtsstreitigkeiten untergeordneter Art. »Der Beruf eines Apostels besteht außer der Stiftung und Beaufsichtigung der auswärtigen Gemeinden in der Taufe, in der Weihe anderer Priester, in der Confirmation der Getauften durch Handauflegung, in Lehre, Schriftdeutung und Ermahnung und in der Leitung gottesdienstlicher Versammlungen. Wofern kein Apostel da ist, fallen diese Befugnisse dem Hohenpriester zu. Fehlt auch dieser, so übernimmt sie ein Aeltester. Ist auch kein Aeltester vorhanden, so vertritt ihn als Führer der Gemeinde ein Priester, dem, wenn der Aelteste zugegen ist, lediglich das Taufen und Predigen sowie der Besuch bei den einzelnen Gemeindegliedern zum Behufe häuslicher Erbauung obliegt. Die Pflicht der Lehrer ist stete Wachsamkeit, damit keine Ungerechtigkeit, keine Härte, kein Lügen und Verleumden überhand nimmt und die Gemeinde sich fleißig vor Gott versammelt, sowie den gebührenden Zehnten entrichtet von allem, was sie hat. Der Lehrer darf in Abwesenheit von Mitgliedern höherer Grade auch die Leitung frommer Versammlungen übernehmen und ist in Erfüllung seiner Obliegenheiten von den Diakonen zu unterstützen; doch ist weder er noch einer der letzteren befugt zur Ausspendung der Sacramente oder zur Handauflegung.« Ein solcher Fall tritt aber nur bei sehr schwachen Gemeinden ein, da die Häupter der Secte, der maßlosen Titelsucht der Amerikaner Rechnung tragend, mit der Verleihung von Graden und Beförderungen äußerst freigebig sind. In Cincinnati z. B. war ein hoher Priester, der, irren wir nicht, seines Zeichens Schneidergesell war. Sein College, der sich Bischof nannte, nährte sich im profanen Leben durch einen Handel mit Hausmitteln und Wunderpillen. Unter der dreißig bis vierzig Köpfe starken Gemeinde waren also, die bloßen Priester und Aeltesten ungerechnet, zwei hohe Würdenträger, und ein ähnliches Verhältniß fand in St. Louis statt, wo wir eine Gemeinde von über tausend Seelen trafen. Ein eigenthümlicher und ziemlich bezeichnender Zug ist die Verbindung, in welche Smith seine Priesterschaft mit der Freimaurerei setzte. Er lehrte, daß die »königliche Kunst« ursprünglich ein kirchliches Institut gewesen sei, bestimmt, die tiefer liegenden Geheimnisse des Evangeliums, seine esoterische Lehre fortzupflanzen und zu deuten. Er behauptete ferner, daß dieses Institut mit der Abnahme wahrer Frömmigkeit in der christlichen Kirche ebenfalls in Verfall gerathen sei, und gab endlich vor, daß ein Engel ihm die im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangenen wahren Zeichen, Griffe und Worte der verschiedenen Grade des Bundes wieder mitgetheilt habe, und daß er deshalb, als er in die Logen von Illinois getreten, mit der rechten Art zu arbeiten vertrauter gewesen sei als die am Weitesten Vorgeschrittenen. Die Großloge des Staates freilich war darüber anderer Ansicht und untersagte ihm wegen ungebührender Anmaßung und Ignoranz das Betreten der unter ihr stehenden Bauhütten. Aber Smith erklärte dies für eine Handlung des Neides und stiftete nun selbst in Nauvoo eine Loge, die in Neujerusalem fortgesetzt wurde und einst ihre Werkstätte im Tempel selbst haben wird. Die Priester gehören verschiedenen masonischen Graden an. Den besonders Gläubigen wird raschere Beförderung zu Theil. Laue und Solche, die in Entrichtung des Zehnten lässig sind, müssen zurückstehen. Bei der Grundsteinlegung zum Tempel sowie bei seiner dereinstigen Einweihung wird die Freimaurerbrüderschaft eine hervorragende Rolle spielen. Als Nachtrag sei noch bemerkt, daß es einst auch Priesterinnen geben wird, daß ferner dieselben zugleich in gewisse Grade der Freimaurerei eingeweiht werden sollen, und daß endlich die Berichte, als würde die gesammte Priesterschaft der Mormonen von den Laien ernährt, auf einem Misverständnisse beruhen, indem nur ein Theil der obersten Grade von dem Zehnten des Vermögens neueintretender Kirchenglieder und dem von allem Verdienst erhobenen Zehnten Antheile empfangen, dafür aber mit Geschäften aller Art überhäuft sind, von denen viele der Gemeinschaft wirklichen Nutzen schaffen. Die Zukunft der mormonischen Priesterschaft aber ist eine ungeheure. Außer den Orden Melchisedek und Aaron »giebt es (das stimmt allerdings nicht recht mit dem oben mitgetheilten Glaubensbekenntnisse) durchaus keine von Gott anerkannte Gewalt auf Erden, und Könige, Fürsten, Herrscher, Präsidenten, Gouverneure, Obrigkeiten sind, wofern sie nicht gesetzlich geweiht, und mit der Vollmacht jenes Priesterthums des Sohnes Gottes bekleidet sind, als Usurpatoren zu betrachten« -- und, dürfen wir hinzusetzen, nur so lange auf Thron oder Tribune zu dulden, als sie die Uebermacht für sich haben. Siebentes Kapitel. Die Vielweiberei der Mormonen, ihre Rechtfertigung und ihre Ausübung. -- Auch Christus war mit drei Frauen vermählt. -- Verheirathete und Versiegelte. -- Die Adoptivsöhne Brigham Youngs. Schon seit geraumer Zeit wurde von den Mormonen berichtet, sie, oder wenigstens einige von ihnen lebten in Deseret in Vielweiberei. Dieser Vorwurf wurde von ihnen fortwährend in Abrede gestellt, und es schien in der That unbegreiflich, wie in einer neugegründeten Colonie die Hühnerehe möglich sein solle, da die Statistik nachweist, daß in derartigen Niederlassungen die Zahl der Männer beträchtlich größer als die der Frauen ist. Allein die Berichte waren aus guter Hand, neuere Reisende erzählten, wie man in Neujerusalem selbst die Thatsache nicht mehr verhehle, daß viele Mormonen und namentlich die Häupter der Secte zahlreich besetzte Harems haben, und daß man demnächst sich offen und ungescheut vor aller Welt zur Polygamie bekennen werde. Dies geschah denn auch im Jahre 1853, wo Orson Pratt in seinem zu Washington erscheinenden »Seer« eine ausführliche Vertheidigung der »Pluralität« oder »himmlischen Vermählung,« wie man das Institut euphemistisch genannt, veröffentlichte. Allein schon zehn Jahre vorher hatte Joseph Smith eine Offenbarung gehabt, in welcher ihm Jehova die Vielweiberei unter seinem Volke einzuführen gebot, und die Anklagen, welche gegen den Propheten von Nauvoo laut geworden waren, hatten ihre vollkommene Richtigkeit gehabt. Wir theilen jene Offenbarung, die bis jetzt geheim gehalten wurde, als ein Beispiel des kunterbunten Styls, in welchem der Mormonengott redet, in einem ausführlichen, nur die eigenen Worte des Propheten enthaltenden Auszuge mit. Sie wurde Smith am 12. Juli 1843 ertheilt, ist in Nummer 1 der ebengenannten Wochenschrift Pratts abgedruckt und lautet wie folgt: »Wahrlich, so spricht der Herr zu meinem Knechte Joseph, da Du von mir zu erfahren gewünscht hast, worin ich der Herr meine Knechte Abraham, Isaak und Jakob, desgleichen Moses, David und Salomo, meine Knechte, in Betreff des Grundsatzes und der Lehre, daß sie mehrere Weiber und Beischläferinnen gehabt, gerechtfertigt habe: siehe, so will ich der Herr dein Gott Dir in dieser Sache antworten. Darum so bereite Dein Herz, um die Unterweisungen, die ich Dir zu geben im Begriffe bin, zu vernehmen und ihnen zu gehorchen; denn alle, welchen dieses Gesetz offenbart wird, müssen ihm gehorchen. Denn siehe, ich offenbare Dir einen neuen und ewigen Bund, und wenn Du diesen Bund nicht hältst, so bist Du verdammt; denn Niemand kann diesen Bund verwerfen und in meine Herrlichkeit eingehen. Denn alle, welche einen Segen aus meiner Hand empfangen wollen, sollen dem Gesetze nach leben, welches für diesen Segen bestimmt war, und die Bedingungen erfüllen, welche festgestellt wurden vor Erschaffung der Welt, und welche zu dem neuen und ewigen Bunde gehören. Das Gesetz wurde gegeben, damit meine Herrlichkeit vollkommen werde, und der, welcher dasselbe in seiner Fülle empfängt, muß und soll dem Gesetze nachkommen, oder er wird verdammt, sagt Gott der Herr. Und wahrlich, ich sage euch, daß die Bedingungen dieses Gesetzes folgende sind: Alle Bündnisse, Verträge, Zusagen, Verpflichtungen, Eide, Gelübde, Verbindungen, Vereinigungen oder Erwartungen, die nicht vom heiligen Geiste der Verheißung, dem Geiste dessen, der gesalbt ist, gemacht, eingegangen und besiegelt sind für Zeit und Ewigkeit durch Offenbarung und Gebot, durch Vermittelung eines Gesalbten, den ich bestimmt habe, auf Erden diese Gewalt zu haben (und zwar habe ich meinem Knechte Joseph diese Gewalt übertragen, und es ist immer nur einer auf einmal auf Erden, dem die Gewalt und die Schlüssel des Priesterthums übergeben sind), sind ungiltig und unkräftig in und nach der Auferstehung der Todten. Denn alle Verträge, die nicht zu diesem Zwecke geschlossen sind, haben ein Ende, wenn der Mensch todt ist. Siehe, mein Haus ist ein Haus der Ordnung, sagt Gott der Herr und nicht ein Haus der Verwirrung. Werde ich ein Opfer annehmen, sagt der Herr, welches nicht in meinem Namen gebracht wird? Oder werde ich aus euren Händen annehmen, was ich nicht bestimmt habe? Und werde ich euch, sagt der Herr, etwas anders als durch das Gesetz bestimmen, welches ich und mein Vater euch verordnete, ehe denn die Welt war? Ich bin der Herr dein Gott, und ich gebe dir dieses Gebot, daß Niemand zum Vater kommen soll als durch mich oder durch mein Wort, welches mein Gesetz ist, sagt der Herr; und alles, was in der Welt eingesetzt ist, sei es nun von Thronen, Fürstenthümern oder Gewalten irgend welcher Art verordnet, soll, wenn es nicht durch mich, oder durch mein Wort geweiht ist, umgeworfen werden und in und nach der Auferstehung aufhören, sagt der Herr dein Gott. Denn was da übrig bleibet, ist durch mich, und was nicht von mir ist, soll erschüttert und vernichtet werden. Darum so ein Mann sich in der Welt ein Weib nimmt und sie nicht durch mich und mein Wort heirathet, und er mit ihr ein Bündniß eingeht auf so lange, als er in der Welt ist, und sie mit ihm, so ist ihr Ehebund ohne Kraft, wenn sie todt sind und wenn sie aus der Welt sind. Darum so sind sie durch kein Gesetz gebunden, wenn sie aus der Welt sind. Darum, wenn sie aus der Welt sind, so freien sie nicht, noch lassen sie sich freien, sondern sind wie die Engel im Himmel, welche Engel dienende Geister sind, die zu bedienen, welche einer weit größeren, höheren und ewigen Herrlichkeit würdig befunden worden sind. Denn diese Engel gehorchten meinem Gesetze nicht; deshalb kann ihre Zahl nicht vermehrt werden, sondern sie bleiben für sich und unverheirathet, ohne Erhöhung in ihrem erlösten Zustande in alle Ewigkeit, und sind fortan keine Götter, sondern Engel Gottes ewiglich. Und wiederum, wahrlich ich sage euch, wenn ein Mann eine Frau nimmt durch mein Wort, welches mein Gesetz ist, und durch den neuen und ewigen Bund, und wenn es ihnen besiegelt wird durch den heiligen Geist der Verheißung, durch ihn, welcher gesalbt ist, dem ich diese Gewalt und die Schlüssel dieses Priesterthums übertragen habe, so soll zu ihnen gesagt werden, ihr sollt in der ersten Auferstehung hervorgehen, und wenn es nach der ersten Auferstehung ist, in der nächsten Auferstehung, und sollt ererben Throne, Königreiche, Fürstenthümer, Gewalten und Herrschaften, alle Höhen und Tiefen. Dann soll es in des Lammes Buch des Lebens geschrieben werden, daß er keinen Mord begehen und kein unschuldiges Blut vergießen soll. Und wenn sie meinem Bunde gehorsam sind und kein unschuldiges Blut vergießen, so sollen sie die Engel und die Götter übertreffen an Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, welche in einer Kraftfülle und in ewiger Fortpflanzung ihres Samens bestehen soll. Dann werden sie Götter sein, weil sie kein Ende haben. Darum sollen sie von Ewigkeit zu Ewigkeit sein, weil sie fortdauern; dann sollen sie über Allen sein, weil alle Dinge ihnen unterworfen sind. Dann sollen sie Götter sein, weil sie alle Macht haben und die Engel ihnen unterthan sind. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ein Mann eine Frau nach meinem Worte nimmt und sie durch den heiligen Geist der Verheißung nach meiner Verordnung versiegelt sind, so werden sie, mögen sie auch alle Sünde und Uebertretung begehen und allerlei Gotteslästerung, ausgenommen Mord und Vergießung unschuldigen Blutes, dennoch in der ersten Auferstehung hervorgehen und erhöhet werden; aber sie sollen im Fleische vertilgt und dem Teufel übergeben werden bis auf den Tag der Erlösung, sagt Gott der Herr. Ich bin der Herr dein Gott und will dir das Gesetz meines heiligen Priesterthums mittheilen, wie es von mir und meinem Vater verordnet worden ist, ehe denn die Welt war. Abraham empfing alles, was er empfing, durch Offenbarung und Geheiß meines Wortes, sagt der Herr, und ist in seine Erhöhung eingegangen und sitzt auf seinem Throne. Gott gebot Abraham und Sarah gab Hagar dem Abraham zum Weibe. Und warum that sie dies? Weil es Gesetz war, und aus Hagar entsprangen viele Völker. Das war darum Erfüllung der Verheißungen. War Abraham deshalb zu verdammen? Wahrlich ich sage euch: Nein, denn ich der Herr gebot es. Abraham wurde befohlen, seinen Sohn Isaak zu opfern, obwohl geschrieben stand: Du sollst nicht tödten. Abraham aber weigerte sich nicht, und es ward ihm zur Gerechtigkeit angerechnet. Abraham nahm sich Beischläferinnen und sie gebaren ihm Kinder, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet, weil sie ihm gegeben wurden und er meinem Gesetze nach lebte, wie auch Isaak und Jakob, die nichts anders thaten, als was ihnen geboten wurde. Sie sind erhöhet worden nach der Verheißung und sitzen auf Thronen und sind nicht Engel, sondern Götter. Auch David nahm viele Weiber und Kebsweiber, desgleichen Salomo, und Moses mein Knecht und andere meiner Knechte vom Anfange der Welt an. Ich bin der Herr dein Gott und ich gab Dir, mein Knecht Joseph, den Auftrag, alle Dinge wiederherzustellen. Bitte, was Du willst, und es soll Dir gegeben werden nach meinem Worte. Und da du mich in Betreff des Ehebruchs gefragt hast, wahrlich, wahrlich, so sage ich dir, wenn ein Mann ein Weib nimmt nach dem neuen und ewigen Bunde und sie mit einem andern Manne Umgang pflegt und ich habe es ihr nicht gestattet durch meinen heiligen Gesalbten, so hat sie die Ehe gebrochen und soll vertilgt werden. Und wenn sie dem neuen und ewigen Bunde nicht angehört und mit einem andern Manne Umgang hat, so hat sie ebenfalls die Ehe gebrochen; und wenn ihr Gatte mit einer andern Frau Umgang pflegt, so hat er sein Gelübde verletzt und Ehebruch begangen. Und wenn sie nicht Ehebruch begangen hat, sondern unschuldig ist, und sie es weiß, und ich es Dir, mein Knecht Joseph offenbare, so sollst Du durch die Gewalt meines heiligen Priesterthums die Macht haben, sie zu nehmen und dem zu geben, der keines Ehebruchs schuldig ist. Und wahrlich, wahrlich ich sage Dir, was Du versiegelst auf Erden, soll im Himmel versiegelt sein, und was Du bindest auf Erden in meinem Namen und durch mein Wort, das soll auf ewig im Himmel gebunden sein, und welche Sünden Du erlässest auf Erden, die sollen ewiglich erlassen sein im Himmel, und welchem Du die Sünde behältst auf Erden, dem sollen sie im Himmel behalten sein. Wen du segnest, den will ich segnen, und wem du fluchest, dem will ich fluchen, spricht der Herr; denn ich der Herr bin Dein Gott. Wahrlich ich sage dir, ich gebe ein Gebot meiner Magd Emma Smith, Deiner Ehefrau, welche ich Dir verliehen habe, daß sie sich enthalte und nicht genieße, was ich Dich ihr anbieten ließ. Denn ich that es, sagt der Herr, um Euch zu prüfen, wie ich mit Abraham that. Und laß meine Magd Emma Smith freundlich aufnehmen alle, die meinem Knechte Joseph verliehen sind, und welche tugendhaft und rein vor mir sind. Und die, welche sich für rein ausgegeben haben, und nicht rein sind, sollen untergehen. Und ich gebiete meiner Magd Emma Smith, bei meinem Knechte Joseph zu wohnen und ihm anzuhängen und keinem Andern. Wenn sie aber diesem Befehle nicht gehorcht, so soll sie vertilgt werden. Denn ich bin der Herr Dein Gott, und will sie wegen ihrer Uebertretung meines Gesetzes vertilgen. Wenn sie aber diesem Geheiße nicht folgen will, so soll mein Knecht Joseph alles für sie thun, wie er gesagt hat, und ich will ihn segnen und mehren, und ihm geben hundertfältig in dieser Welt, Vater und Mütter, Brüder und Schwestern, Häuser und Ländereien, Weiber und Kinder und Kronen des ewigen Lebens in jener Welt. Und wiederum, wahrlich ich sage euch, lasset meine Magd Emma Smith meinem Knechte Joseph vergeben seine Schuld, dann soll ihr ihre Schuld vergeben werden, mit der sie sich gegen mich versündigt hat, und ich der Herr dein Gott will sie segnen und sie mehren und machen daß ihr Herz jubelt.« Die letzten Sätze gehen darauf, daß die Frau des Propheten, seiner Untreue überdrüssig, sich von ihm zu trennen und mit einem Andern zu verheirathen wünschte und bereits das Haus Smiths verlassen hatte. Der Kernpunkt der Offenbarung aber liegt in den Paragraphen 23 bis 25, welche den Schluß bilden, und wo Jehova sich folgendermaßen vernehmen läßt: »Wahrlich, wenn Jemand von meinem Vater berufen ist, wie Aaron war, durch meine Stimme und durch die Stimme dessen, der mich gesandt hat, und ich ihn mit den Schlüsseln der Macht dieses Priesterthums belehnt habe, so mag er in meinem Namen und nach meinem Gesetze und Worte Alles thun, er wird keine Sünde begehen, und ich werde ihn rechtfertigen. Greife darum Niemand meinen Knecht Joseph an. Denn ich will ihn rechtfertigen, denn er soll das Opfer, das ihm möglich ist, für seine Uebertretung darbringen, sagt der Herr, euer Gott. Und abermals, was das Gesetz des Priesterthums betrifft, wenn Jemand eine Jungfrau heirathet und begehrt eine andere zu freien, und die erste giebt ihr Einwilligung, und wenn er die zweite heirathet und sie Jungfrauen sind und haben sich keinem Andern verlobt, so ist er gerechtfertigt. Er kann keinen Ehebruch begehen; denn sie sind ihm gegeben. Denn er kann nicht Ehe brechen mit dem, das ihm gehört und keinem Andern. Und wenn ihm durch dieses Gesetz auch zehn Jungfrauen verliehen würden, so kann er doch keinen Ehebruch begehen; denn sie gehören ihm und sind ihm gegeben, und darum ist er gerechtfertigt. Wenn aber eine oder die andere von den zehn Jungfrauen, nachdem sie ihm vermählt ist, mit einem andern Manne Umgang pflegt, so hat sie die Ehe gebrochen und soll vertilgt werden. Denn sie sind ihm gegeben, daß er sich mehre und die Erde fülle nach meinem Gebote, und die Verheißung wahr mache, welche von meinem Vater vor Erschaffung der Welt gegeben wurde, und zu ihrer Erhöhung in der ewigen Welt, auf daß sie die Seelen der Menschen unterm Herzen tragen; denn hierin wird das Werk meines Vaters fortgesetzt, daß er verherrlicht werde. Und abermals, wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn Jemand, der die Schlüssel dieses Priesterthums hat, ein Weib besitzt, und er lehrt ihr das Gesetz meines Priesterthums in Betreff dieser Dinge, so soll sie ihm glauben und ihm dienen, oder sie soll vertilgt werden, sagt der Herr euer Gott. Denn ich will sie vertilgen und meinen Namen verherrlichen an allen, welche mein Gesetz annehmen und ihm gehorsam sind. Darum so soll es Gesetz sein, wenn sie dieses Gebot nicht annimmt, soll er es annehmen, alles, was ich, der Herr, ihm geben werde. Und sie wird dann zur Uebertreterin und ist ausgeschlossen vom Gesetze Sarahs, welche Abraham diente nach dem Gesetze, als ich Abraham gebot Hagar zum Weibe zu nehmen. Und nun, was dieses Gesetz anbelangt, wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ich will euch später mehr noch offenbaren; darum möge dies für jetzt genug sein. Siehe ich bin Alpha und Omega. Amen!« Dieses von schmachvollster Heuchelei dictirte Document blieb, wie gesagt, bis auf das Jahr 1853 geheim, und alle Mormonen mit denen wir in den Vereinigten Staaten über den der Secte gemachten Vorwurf der Vielweiberei zu sprechen Gelegenheit hatten, stellten denselben mit Entrüstung in Abrede. Einige gewiß mit Recht, da sie, uneingeweiht in die Mysterien der Priesterschaft und Hunderte von Meilen entfernt von dem Centralsitze derselben, nicht wissen konnten, was sich dort vorbereitete und zum Theil schon geübt wurde; Andere mit weniger Recht deshalb, weil ihnen die Polygamie in Deseret nur als Gebrauch, noch nicht als kirchliche Lehre bekannt war. Gegenwärtig wird kein Mormone mehr die Stirn haben, die Sache zu leugnen. Ja man rühmt sich sogar der Vielweiberei, betrachtet sie als heiliges Institut und stellt das, was, aus der Befriedigung gemeiner Sinnenlust hervorgegangen, in jener Offenbarung Smiths mehr als Zulassung Gottes, mehr als ein Vorrecht der Priester erscheint, als religiöse Pflicht dar, deren Umgehung Sünde sei. Hören wir die Beweise, welche Orson Pratt für diese Behauptung vorbringt. Sie sind, wenn auch keine Beweise, doch sehr lehrreich für Den, der sich über die Art, wie die Vertheidiger der Secte denken und schließen, zu unterrichten wünscht, und so mag ein etwas ausführlicher Auszug aus der betreffenden Abhandlung im »Seer« willkommen sein. Pratt beginnt damit, daß er zeigt, wie vier Fünftel der Erdbewohner der Vielweiberei huldigen, und weist dann nach, daß die Verfassung der Vereinigten Staaten der Centralgewalt das Recht nicht gebe, gegen die Polygamie in Deseret, die eine Gewissenssache sei, irgendwie einzuschreiten. Sie sei den Mormonen aber eine Gewissenssache zunächst schon darum, weil Gott sie durch jene Offenbarung vom 12. Juli 1843 eingesetzt habe, und die Bibel nirgends ein Verbot derselben enthalte, ja sogar an vielen Stellen sie ausdrücklich billige und als göttliches Institut auffasse. Dahin wird zuvörderst der Umstand gezählt, daß Abraham, obwohl er mehrere Frauen gehabt, des nähern Umgangs mit dem Herrn gewürdigt worden sei. Sodann wird angeführt, daß Gott thatsächlich mitgewirkt habe, als David, der bereits mit mehreren Frauen Vermählte, auch noch die Weiber Sauls sich angeeignet. Dann geht der Vertheidiger der Sache auf den Zweck der Ehe zurück, den er in dem Gottesgeheiße: »Seid fruchtbar und mehret euch« findet. »Der oberste Zweck also,« fährt Pratt fort, »war die Erfüllung der Schöpfung mit Myriaden intelligenter und mit Willen begabter Wesen, nach seinem Bilde geschaffen, beschenkt mit Gottähnlichkeit und fähig, fortzuschreiten auf der großen Leiter der Erkenntniß und des Glücks bis zur Vollkommenheit, wo sie wie Gott werden, eins mit ihm an Macht, Herrlichkeit und Herrschaft. Hierdurch werden die Reiche des Allmächtigen vermehrt, indem neue Welten hinzukommen, bewohnt von Wesen seiner Gestalt und Art; und hierdurch wächst die Freude und Seligkeit im Busen des Schöpfers zur Vollkommenheit.« -- Wenn also die Vermehrung menschlicher Wesen die Herrschaft des Allmächtigen vergrößert, seinen Namen verherrlicht und seine Seligkeit erhöht, so müssen wir vernünftiger Weise annehmen, daß er einen so wichtigen Gegenstand durch ein Gesetz geregelt haben wird. Dies ist in der That geschehen. Aller willkürliche Verkehr der Geschlechter mit einander ist untersagt, und die Ehe ist eingesetzt als alleiniges Mittel, durch welches die Menschheit sich mehren und die Erde füllen kann. Daher die vielfachen Verbote, welche die Bibel sowohl als das Buch Mormon in Betreff der Unzucht und des Ehebruchs enthalten, Verbote, welche vom Herrn auch in neuern Offenbarungen an Joseph Smith mehrmals wieder eingeschärft worden sind. Hieraus ist zu ersehen, daß die Latterday-Saints noch mehr Ursache als andere Menschen haben, sich aller fleischlichen Lust, aller unreinen, untugendsamen Begehren, aller unerlaubten Befriedigung ihrer Sinnlichkeit zu enthalten. Sie sind gewarnt durch die heilige Schrift, durch die alten Propheten Amerikas und durch jenen großen Propheten und Offenbarer der Neuzeit Joseph Smith. Und sie sind diesen Warnungen und Verboten gehorsam gewesen, wie ein Blick auf das Gebiet zeigt, wo die Kirche dermalen ihren Hauptsitz hat. Es giebt dort keine unehelichen Kinder, kein Haus von üblem Rufe, keine Klage wegen Verführung vor den Gerichten und keinen Fall von Ehebruch. »Aber« -- heißt es in der Abhandlung Pratts weiter, »haben nicht einige der Heiligen in Utah mehr Weiber als wir? Ja wohl, und sie nehmen sie auch wohl in Acht und lehren ihnen und ihren Kindern die großen Grundsätze der Tugend und Heiligkeit durch ihr Beispiel sowohl wie durch ihr Wort. Aber ist es nicht Sünde, wenn Jemand mehr Frauen auf einmal hat als wir? Wofern es Sünde ist, hat uns die Bibel nichts davon gesagt. Aber ist es nicht gegen die christliche Religion? Wofern es dagegen ist, so hat die christliche Religion nichts davon offenbart. Aber glaubt ihr denn wirklich nicht, daß es dem Willen Gottes zuwider ist, wenn ein Mann in diesen Tagen mehrere Frauen nimmt? Ja es ist ihm zuwider, es wäre denn, Gott gäbe sie ihm vermittelst einer Offenbarung durch einen heiligen Propheten. Glaubt ihr, daß das Buch Mormon eine göttliche Offenbarung ist? Ja. Lehrt dieses Buch die Vielweiberei? Nein; denn der Herr verbietet sogar den alten Nephyten mehr als eine Frau zu haben, wie dies vor Alters geschehen. Er verbot dies aber allerdings nur in Betracht der Umstände, indem zu dieser Zeit die Zahl der Männer und Frauen unter diesem Volke gleich war (nicht wie gegenwärtig das weibliche Geschlecht beträchtlich überwog); indem ferner damals keine Aussicht auf eine Veränderung dieses Verhältnisses stattfand, und indem endlich der Eine ebenso gut im Stande war, eine Familie in gottwohlgefälliger Weise zu erziehen als der Andere. Und der Herr setzt hinzu: Wenn ich mir Samen erwecken will, so werde ich meinem Volke Befehl dazu geben, wo nicht, so sollen sie diesen Dingen gehorsam sein.« Hieraus ersehen wir, daß das Buch Mormon sogar genauer in diesem Punkte ist als die Bibel, und daß es den Heiligen der letzten Tage streng verboten ist, mehr als eine Frau zu nehmen, es sei denn, daß Gott es durch einen unmittelbaren Befehl anders anordnete. Nun gab der Herr in der ersten Zeit dieser Kirche keinem seiner Knechte einen derartigen Befehl, sondern hieß sie im Gegentheil sich an das halten, was im Buche Mormon verordnet sei. Dreizehn Jahre jedoch nach der Stiftung der Kirche ertheilte er jenen Befehl an Joseph Smith. Aber selbst dadurch wurde für das Allgemeine nichts geändert, und die Latterday-Saints sind noch jetzt auf _eine_ Frau beschränkt, wofern es der Herr nicht für einzelne Fälle anders verfügt. »Niemand in Utah, welcher bereits eine Frau hat und welcher den Wunsch hegt, eine andere zu nehmen, ist berechtigt, einer Dame Heirathsanträge zu machen, bevor er nicht den Präsidenten um Rath gefragt und durch ihn eine Offenbarung von Gott empfangen hat, ob es in seinen Augen wohlgefällig ist. Wird es ihm durch die Offenbarung untersagt, so ist die Sache zu Ende. Wird es ihm erlaubt, so hat er noch immer kein Recht, sich über die Gefühle der jungen Dame Gewißheit zu verschaffen, sondern muß erst die Einwilligung der Aeltern einholen, vorausgesetzt, daß diese in Utah leben; kann ihre Zustimmung nicht erlangt werden, so ist die Sache damit zu Ende. Zeigen Aeltern oder Vormünder sich bereitwillig, so darf er endlich der Dame Heirathsvorschläge machen. Lehnt sie dieselben ab, so ist damit die Sache zu Ende; geht sie aber auf den Antrag ein, so wird ein Tag für die Ceremonie der Trauung festgesetzt. Ueberdem ist zu bemerken, daß ein Jeder, der sich eine zweite Gattin zu nehmen beabsichtigt, bevor er den ersten Schritt zur Ausführung seines Wunsches thut, die Pflicht hat, die Einwilligung der Frau, die er schon hat, zu erlangen.« Ist der Tag gekommen, der für die Trauung bestimmt worden, so versammeln sich der Bräutigam, die Frau und die Braut nebst ihren Angehörigen und den übrigen Hochzeitsgästen an dem Orte, welcher dazu ausgesucht worden ist. Der Schreiber nimmt die Namen, das Alter, den Geburtsort, die Grafschaft, den Staat und das Vaterland der zu Verheirathenden auf und trägt sie sorgfältig in ein Buch ein. Der Präsident, welcher der Prophet, Seher und Offenbarer über die ganze Kirche in aller Welt ist, und welcher allein die Schlüssel der Macht in Betreff dieser göttlichen Anordnung hat, gebietet dem Bräutigam, seiner Frau und der Braut, sich zu erheben und ihm gegenüberzutreten. Die Frau steht zur Linken ihres Mannes, die Braut ihr zur Linken. Der Präsident legt dann der Frau die Frage vor: »Sind Sie Willens, dieses Weib Ihrem Ehemanne zu geben, auf daß sie sein gesetzlich vermähltes Eheweib sei für Zeit und Ewigkeit? Wofern Sie dazu gewillt sind, so wollen Sie es dadurch kundgeben, daß Sie deren rechte Hand in die rechte Hand Ihres Ehemannes legen.« Sind beide Hände, die des Bräutigams und der Braut in dieser Weise mit einander verbunden, so nimmt die Frau den linken Arm ihres Mannes, wie wenn sie mit ihm einen Gang machen wollte. Dann fährt der Präsident fort, indem er den Bräutigam fragt: »Nehmen Sie, Bruder N. N. Schwester N. N. (die Braut) bei der rechten Hand, um sie zu Ihrem gesetzlichen Eheweibe zu nehmen und ihr gesetzlicher Ehemann zu sein für Zeit und Ewigkeit, und versprechen Sie Ihrerseits, daß Sie alle Gesetze, Gebräuche und Anordnungen, die zu dieser heiligen Ehe in diesem neuen und ewigen Bunde gehören, zu erfüllen, indem Sie dies in Gegenwart Gottes, der Engel und dieser Zeugen Ihrem eignen freien Willen und Ihrer Wahl nach thun?« Der Bräutigam antwortet mit: Ja. Der Präsident legt dann dieselbe Frage, den Verhältnissen der Braut angepaßt, der letzteren vor, welche gleichfalls mit Ja zu antworten hat. Der Präsident sagt dann: »Nun so verkünde ich im Namen des Herrn Jesu Christi und kraft des Amts des heiligen Priesterthums Euch als gesetzlich verbundene Ehegatten für Zeit und Ewigkeit, und ich siegle auf Euch die Segnungen der heiligen Auferstehung mit der Macht, am Morgen der ersten Auferstehung, bekleidet mit Herrlichkeit, Unsterblichkeit und ewigem Leben hervorzugehen. Und ich siegle auf Euch die Segnungen der Throne und Herrschaften und Fürstenthümer und Gewalten und Erhöhungen, zugleich mit dem Segen Abrahams, Isaaks und Jakobs, und sage zu Euch: seid fruchtbar und mehret Euch und füllt die Erde, auf daß Ihr Freude und Jubel durch Eure Nachkommenschaft habt in den Tagen des Herrn Jesus. Alle diese Segnungen und gleichermaßen alle andern Segnungen, die zu dem neuen und ewigen Bunde gehören, siegle ich auf Eure Häupter durch Eure Treue bis ans Ende, kraft des heiligen Priesterthums im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.« Der Schreiber trägt dann in sein Buch Ort und Datum der Trauung und einige von den Namen der Zeugen ein. »Lehrt ein Mann seiner Frau das Gesetz Gottes, wie es von den alten Patriarchen gehalten und durch neuere Offenbarung bestätigt worden ist, und verweigert sie ihm ihre Einwilligung zur Verheirathung mit einer zweiten, so muß sie vor dem Präsidenten die Gründe für ihre Weigerung angeben. Erscheinen dieselben genügend und wird der Mann schuldig befunden, so erhält er die Erlaubniß zur zweiten Ehe nicht. Kann die Frau aber keinen vernünftigen Grund vorbringen, weshalb sie sich dem Gesetze, das einst Sarah gegeben worden, wiedersetzt, so kann der Mann, wenn ihm auf dem Wege der Offenbarung durch den Propheten Erlaubniß wird, andere Frauen auch ohne Zustimmung der ersten nehmen, und diese wird sich die Verdammniß zuziehen, weil sie ihm jene nicht gab, wie Sarah dem Abraham die Hagar und wie Rahel und Leah ihrem Manne Jakob die Bilha und die Zilpah gaben.« »Es ist aber die Pflicht des Mannes, der eine zweite Frau nimmt, für ihre Wohlfahrt und ihr Glück zu sorgen und ihr das Leben so behaglich zu machen, als der ersten, wie dies die Schrift 2. Mose 21, 10. gebietet. Ueber den Aufenthaltsort der verschiedenen Zweige einer Familie ist keine besondere Regel festgestellt. Bisweilen baut der Gatte für seine Frauen verschiedene Wohnungen, wie Jakob für seine vier Weiber verschiedene Zelte aufstellte. Es ist jedoch sehr häufig der Fall, daß sie alle in demselben Hause wohnen und vereint und mit der größten Heiterkeit sich der Geschäfte der Haushaltung widmen, an demselben Tische essen und sich gegenseitig Alles zu Gefallen thun, während der holdeste Friede und die herzlichste Eintracht Jahr auf Jahr unter ihnen herrschen. Ihre Kinder spielen mit einander in Liebe als Brüder und Schwestern, während jede Mutter für die Kinder der Andern so viel liebreiches Wesen und zärtliche Aufmerksamkeit an den Tag legt, als für ihre eigenen. Und Morgens und Abends, wenn der Gatte seine Familie zusammenruft, um dem Herrn zu dienen und seinen Namen anzurufen, so beugen sie alle gemeinsam ihre Kniee und bringen dem Allerhöchsten das Opfer ihrer Andacht dar.« Zu dieser idyllisch anmuthigen Schilderung der Folgen, welche die Vielweiberei in Deseret gehabt haben soll, paßt schon der Nachsatz: »Wo alle Weiber gleich glaubenstreu sind, bestrebt sich der Mann gemeiniglich, sie alle gleich gut zu behandeln« nicht recht, indem es darnach scheint, daß dieses Bestreben nicht überall vorhanden und nicht überall mit Erfolg gekrönt ist. Noch weniger aber stimmt es damit überein, wenn der Ingenieur Gunnison, der mehrere Monate in Deseret lebte und sonst nichts weniger als ungünstig über die dortigen Heiligen urtheilt, die Fälle, wo die Frauen nach der Art der vier Weiber Jakobs »in verschiedenen Zelten« untergebracht werden müssen, als die gewöhnlicheren bezeichnet und hinzusetzt, dieselben müßten durch Nähen und andere weibliche Arbeiten selbst für ihren Unterhalt sorgen. »Gewiß ist,« fährt Gunnison fort, »daß die Weiber das Verhältniß häufig unbehaglich und lästig finden, wenn auch gewöhnlich die Oberfläche der Gesellschaft eine lächelnde Miene trägt und das Joch für alle, die aus Pflichtgefühl und Schwärmerei einwilligen, ein leichtes ist. Wenn solche Frauen sich auflehnen, so verfährt man sehr summarisch mit ihnen, und die öffentliche Meinung nimmt gegen sie zu Gunsten des Mannes Partei. Eine sehr achtungswerthe Dame im »Thale« gilt, weil sie den ihr Versiegelten (der, mit der einen Frau nicht zufrieden, eine zweite genommen) verlassen und einen Andern geheirathet hat, als Ehebrecherin und wird deshalb nicht in Gesellschaft geladen. Ein Beispiel summarischen Verfahrens erlebten wir am Bärenflusse. Ein aus Monsieur Cabets Gemeinde in Nauvoo ausgewanderter Socialist hatte den Winter in der Salzseestadt zugebracht, und war im Frühjahr weiter nach Californien aufgebrochen. Er hatte eine Frau mit einem ungefähr zwei Jahre alten Kinde bei sich, die ihn gebeten hatte, sie mit nach dem Goldlande zu nehmen, indem sie ihm vorgestellt, wie der geistliche Würdenträger, mit dem sie »versiegelt« worden, ihr drei Jahre lang weder einen Besuch gemacht, noch etwas zu ihrem Unterhalte beigetragen habe; daß ferner ein junger Mann, dem sie sich verlobt, jetzt in Californien sei, und daß sie sich, wenn sie zu ihm gelangen könnte, nach den Gesetzen des Landes heirathen wollten. Das Herz des Socialisten war dadurch gerührt worden und er hatte ihr freundlich die Mittel zur Reise angeboten. So hatten sie etwa hundert Meilen zurückgelegt, als eine Schaar von Häschern aus Neujerusalem sie einholte und an sie die Forderung stellte, die junge Frau solle zu ihrem gesetzlichen oder angesiegelten Gemahl zurückkehren. Der Socialist fragte uns um Rath, was zu thun sei; aber die Uebermacht verbot jede Weigerung, und so mußte die Dame mit Widerstreben ihre Schritte zurücklenken. Mehrmals wurden uns ähnliche Fälle bekannt, und so müssen wir den Schluß ziehen, daß die Regelung des neuen »Pluralitätsgesetzes« noch nicht vollendet ist, und daß die Tugenden, die man ihm zuschreibt, noch nicht in voller Blüthe stehen. Wir können indeß hinzusetzen, daß die Gemeinde durchaus den Anschein guter Sitten hat, so daß in den Vereinigten Staaten eine gleiche Anzahl Menschen schwerlich das Decorum besser bewahrt.« Wir haben aber den Vorkämpfer der Vielweiberei in Deseret, den streitfertigen Pratt noch bei Weitem nicht alle Wendungen und Finten machen sehen, mit denen er, fortwährend die Bibel als Schild vorhaltend, die Angriffe auf seinen Glauben zu pariren und zu entkräften bestrebt ist. Wir müssen darum noch auf einen Augenblick zu ihm zurückkehren. Er stellt nach jener Idylle zur Vervollständigung des Bildes zunächst in Abrede, daß man unter den Mormonen wisse, was Eifersucht sei, und hält dann die patriarchalische Unschuld und Reinheit derselben mit der furchtbaren Sittenverderbniß in den großen Städten Amerikas zusammen, wobei er findet, daß die »heidnischen Nationen«, wenn sie glauben, daß den Heiligen mit der »=celestial marriage=« ein Splitter in's Auge gerathen sei, besser thun würden, an den Balken zu denken, der durch einen Blick auf die Hunderte von liederlichen Häusern in Neuyork und auf die neunzigtausend Prostituirten in London sehr deutlich in ihrem Auge sichtbar würde. Dann kommt er auf die Bedeutung der Heirath als einen Bund für alle Ewigkeit zurück, und weist mit einer geschickten Verdrehung des Spruchs, nach welchem die Auferstandenen weder freien, noch sich freien lassen, nach, daß diejenigen, welche sich nicht auf Erden auf die rechte Weise, d. h. durch den allein damit beauftragten Seher der Mormonen für den Himmel versiegeln lassen, im Jenseits selbst dann allein und einsam, ohne die geliebte Gefährtin leben werden, wenn sie durch ein frommes Leben sich einen gewissen Grad von Seligkeit verdienen. Alle Heirathen sind, wofern sie nicht von einer inspirirten Person eingesegnet sind, vor Gott ungiltig, alle aus solchen Ehen hervorgegangenen Kinder Bastarde, gleichviel ob die bürgerlichen Gesetze sie so ansehen oder nicht. Wahrhaft classisch ist es, wie Pratt daraus, daß Jemand die Vermählung der Gatten für die Ewigkeit zugiebt, die Folgerung zieht, er müsse dann auch die Vielweiberei gestatten. Er sagt: »Gesetzt den Fall, Herr A. heirathet Fräulein B. für Zeit und Ewigkeit. Nun stirbt im Laufe der Zeit seine Frau, geborne B., indem sie verschiedene Kinder hinterläßt. Der Witwer A. heirathet nun ein Fräulein C. Frage: Wie will seine Braut C. einen Mann für alle Ewigkeit bekommen? Es liegt auf der Hand, daß sie in Zukunft entweder allein existiren oder mit Herrn A. sowohl für die Ewigkeit als für die Zeit verheirathet werden muß. Entschiede sie sich für das Letztere, so würde Herr A. am Morgen der Auferstehung zwei Weiber haben. Nun kann es aber geschehen, daß Herr A. so unglücklich ist, auch seine zweite Frau, geborne C., durch den Tod zu verlieren, und daß Verhältnisse ihn nöthigen, eine dritte Heirath mit Fräulein D. einzugehen. Er würde dann nicht weniger als drei Frauen haben. Möglich aber auch, daß Herr A. vor seiner Frau, geborne B. stirbt, und daß seine Witwe einen jungen Mann Namens C. blos für dieses Leben heirathet, da sie mit ihrem verstorbenen Gatten A. für alle Ewigkeit verbunden ist. Frage: Wenn Herr A. seine Frau nach der Auferstehung beansprucht, wie wird Herr C. dann zu einer Frau gelangen? Antwort: Er muß sich entweder ohne eine solche behelfen, oder schon in diesem Leben sich mit einer andern, die keine Verpflichtung für die Ewigkeit hat, verheirathen. In diesem Falle aber würde er schon während dieses Lebens zwei Frauen haben müssen.« In der That, bei dieser Art Sophistik wird dem Leser zu Muthe, als ob in den Mormonen nicht blos die Zeiten der Erzväter, sondern auch die Tage wiedergekommen wären, wo man in Paris die tiefsinnigen Fragen zur Entscheidung zu bringen bemüht war, ob Christus die Welt auch in Gestalt eines Kürbis hätte erlösen können? Wie dann der Kürbis gepredigt haben müßte? Wie er am Kreuze ausgesehen haben und wie er gen Himmel gefahren sein würde. Hören wir indeß unsern mormonischen Scholastiker weiter. »Es ist häufig der Fall, daß weiblichen Wesen niemals ein Heirathsantrag von jungen Männern gemacht wird, denen sie so viel Vertrauen erweisen, daß sie sich mit ihnen für alle Ewigkeit verbinden möchten. Frage: Müssen diese Mädchen in der Ewigkeit ohne Gatten bleiben? Würde es nicht weit besser für jede einzelne von ihnen sein, wenn sie mit einem frommen, obgleich schon verheiratheten Manne wie Abraham vermählt wäre, als wenn sie für die ganze Ewigkeit vereinsamt bliebe? Würde es nicht eine bei Weitem größere Seligkeit für sie in sich schließen, die zweite, dritte oder vierte Frau, und dadurch in der Lage zu sein, eine endlose Nachkommenschaft zu gewinnen und sich mit ihrem Gatten aller der Herrlichkeit und Glorie seiner wachsenden himmlischen Königreiche zu erfreuen, als alle Ewigkeit hindurch in Gestalt eines bloßen Engels oder einer bloßen Magd, ohne Nachkommenschaft verharren zu müssen? Und wiederum giebt es viele Witwen, deren Männer in Unglauben sterben. Diese Witwen können möglicherweise keinen Antrag auf Heirath von einzeln lebenden Männern erhalten. Soll für sie nicht Fürsorge getroffen werden? Und welches tugendhafte Weib würde es nicht vorziehen, die sechste oder siebente Frau eines Gläubigen zu werden, als in der zukünftigen Welt in alle Ewigkeit ohne die Segnungen der Ehe zu leben? Und weiter: wenn (in diesen letzten Tagen vor dem Beginne des tausendjährigen Reichs) Volk gegen Volk und Reich gegen Reich sich erhebt und das Schwert vertilgend von einem Ende der Erde zum andern daherfährt, so werden viele Millionen von Vätern und Brüdern auf der Wahlstatt fallen, während die Mütter, Schwestern und Töchter zurückbleiben werden, um ihren Verlust zu betrauern. Was wird aus diesen Frauen werden? Antwort: Das Evangelium wird ihnen gepredigt werden und sie werden aus allen Völkern fliehen und zu den Heiligen Zions versammelt werden. Dann wird die Zahl der Frauen bei Weitem größer sein als die der Männer. Aber wie werden dann alle mit Männern für die Ewigkeit zu versorgen sein? Wir wollen diese Frage mit den Worten Jesaias beantworten. In jenen Tagen werden sieben Weiber einen Mann ergreifen und sagen: Wir wollen unser eigen Brot essen und uns von unserm Eignen kleiden, nur laß uns deinen Namen tragen, auf daß unsere Schande hinweg genommen werde. So sehen wir denn, daß die Schande, keinen Mann zu haben, größer sein wird, als die Schande von sieben Weibern, die zusammen einen Mann haben. Ja das letztere wird überhaupt kein Vorwurf, vielmehr ein Mittel sein, einem Vorwurfe zu entgehen. Als göttliche Einrichtung wird es mit Begier gesucht werden, gesucht sogar auf die Gefahr hin, daß die Frauen selbst für ihre Nahrung und Kleidung sorgen müssen. Wie aber Ehelosigkeit für jedes weibliche Wesen eine Schande ist, so gereicht es auch einer Frau zum Vorwurfe, kinderlos zu sein. Auf alle Fälle ist es ein Unglück, da auf diese Art der Zweck der Ehe, das Menschengeschlecht zu mehren, nicht erreicht wird. Unfruchtbare Frauen aber können ihrer Unvollkommenheit abhelfen, wenn sie dem Beispiele der ebenfalls verschlossenen Leah folgen, welche Jakob ihre Magd Zilpah zum Weibe gab, worauf der Herr ihr Gebet erhörte und ihr einen Sohn schenkte. Ganz so wird der Herr auch noch heute thun den Frauen, die seinem Gesetze gehorchen.« Wir übergehen die Beweise, die für diese Wahrheit aus der Bibel beigebracht werden, ebenso die Ausführung des Satzes, daß es Weibern nicht erlaubt ist, ihrerseits mehrere Männer zu haben, ebenso einige andere Behauptungen, die nur für den überaus gründlichen Pratt von Wichtigkeit sind, und kommen wieder auf den Text zurück, wo unser Dogmatiker nach weitläufiger Untersuchung der Leviratsehe, aus der ihm unwiderlegliche, aber bekanntlich unnöthige Beweise für das häufige Vorkommen der Vielweiberei unter den Juden hervorgehen, seinen Scharfsinn an der nicht weniger überflüssigen Frage übt, ob die ersten Christen nicht ebenfalls Polygamisten gewesen wären. Er zeigt, daß dem so gewesen, an einer Fülle von Sprüchen aus den Briefen Pauli, namentlich an dem, wo der Apostel dem Timotheus schreibt, ein Bischof müsse _eines_ Weibes Mann sein. Wo dies nur von Bischöfen gefordert wurde, raisonnirt Pratt, war es den Laien und niederen Kirchendienern gestattet, mehrere Frauen zu haben. Den Bischöfen aber war es damals nur untersagt, weil die Zeitumstände nicht günstig dazu waren, und weil die Vorsteher der Kirche möglichst befreit sein mußten von der Sorge für eine starke Familie; durchaus nicht deshalb, weil es Sünde gewesen wäre, in Vielweiberei zu leben. »Aber warum ist der Gebrauch, mehrere Frauen zu nehmen, von der christlichen Kirche nicht beibehalten worden?« fragt Pratt. »Wir antworten, es giebt kaum einen einzigen Zug des Urchristenthums, der die dunkle Zeit der Verderbniß überdauert und sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Wo sind jetzt die vom heiligen Geiste erfüllten Apostel der alten Christenheit? Wo ist die Fülle von Propheten hin, die einst so zahlreich in der christlichen Kirche aufstanden? Wo sind die Visionen, Offenbarungen, Weissagungen, die Erscheinungen dienender Engel, die Heilungen, die Wunder und die göttliche Gewalt hin, die ehemals die Kirche Christi auf Erden so verherrlichten? Ja, wo ist diese Kirche Christi selbst hin gerathen? Sie ist seit Jahrhunderten schon nirgends mehr auf der Erde zu finden. Und wenn alle die großen und glorreichen Grundzüge der christlichen Religion abhanden gekommen sind, wenn die Kirche selbst nicht bis auf unsere Tage fortgepflanzt worden, sondern in eine Menge von Secten zerfahren ist, von denen keine mehr Berechtigung zur Existenz hat, als die götzendienerischen Hindus, wie wäre da zu erwarten, daß das Gesetz der Vielweiberei, das in jener Urkirche galt, sich erhalten haben sollte. Kein Wunder, daß, wenn die wichtigsten Aemter, Gnadengaben und Segnungen des Evangeliums verschwunden sind, auch die Gebräuche der alten Christen untergingen! Dieser Abfall vom echten Christenthume begann schon bei Lebzeiten der Apostel und äußerte sich unter Anderm in dem Verbote des Heirathens, einer der wirksamsten Lehren, welche der Teufel erfinden konnte, um die Grundlagen der Gesellschaft zu entwurzeln, das Volk Gottes ihres verheißenen Erbtheils an Kindern zu berauben, die Absichten des Allmächtigen auf Bevölkerung der Erde mit ihrem vollen Maße von Bewohnern zu hindern und die Menschheit in dieselbe traurige Lage wie die gefallenen Engel selbst zu bringen, welche nicht die Macht haben, ihre Herrschaft durch Vermehrung ihrer Art zu vergrößern. Dieser arglistige Versucher und seine Engel wissen sehr wohl, was sie durch ihren einstigen Ungehorsam verscherzt haben, und könnten sie die Menschen, die sie im Besitze des Verlorenen sehen, zum Verbote des Heirathens verführen, so würde es ihnen zu großer Genugthuung gereichen; denn wir würden dann, weiblos und kinderlos wie sie, und der Mittel beraubt werden, uns Königreiche im Himmel zu gründen. So versuchten sie alles Mögliche, die Menschheit zur Abschaffung der Ehe zu bereden, und es gelang ihnen nur zu wohl, wenn auch nicht vollständig. Da sie nicht die ganze Kirche zur Aufgebung des Heirathens gewinnen konnten, so wendeten sie sich an die abgefallene Priesterschaft und bestrebten sich, sie zur Ehelosigkeit zu nöthigen. Dies gelang, und ein Gesetz wurde erlassen, welches allen Priestern das Cölibat zur Pflicht machte. Desgleichen wurden Nonnenklöster erbaut, in denen weibliche Wesen für ihre ganze Lebenszeit eingeschlossen und dadurch verhindert wurden, das große und älteste Gebot der Mehrung ihres Geschlechts zu befolgen. Der nächste Schritt, den der Teufel that, war die Vereinigung dieser abgefallenen Kirche und Priesterschaft mit der weltlichen Gewalt. Auch dies brachte er bald zu Stande, und er sah sich jetzt mit doppelten Kräften bewaffnet. Was er früher mit den geistlichen Gerichtshöfen nicht völlig durchsetzen konnte, das erreichte er nunmehr mit dem Arme der bürgerlichen Obrigkeit. Hatte er zuerst den Priestern und Nonnen das Recht, sich zu vermählen genommen, so entriß er jetzt allen Mitgliedern der Kirche das Privilegium, mehr als eine Frau zu besitzen, und zerstörte dadurch eine göttliche Einrichtung, die in allen vorhergehenden Weltaltern unter heiligen Patriarchen, Propheten und Gottesmännern so erfolgreich gewesen war, das Volk Gottes zu mehren und zahlreich zu machen wie der Sand am Meere. Hätte er die Ehe ganz ausrotten können, so würde seine Rachgier volle Sättigung gefunden haben; denn (hier nähert sich die Naivität des guten Orson Pratt dem Gipfel der Komik) er entsann sich gar wohl, wie viel Schaden Abraham, Jakob, Moses, Gideon mit seinen zweiundsiebzig Söhnen, Elkanah, David und zahlreiche andere alte Polygamisten (unter denen man sich in dieser Beziehung wohl auch die zeugungskräftigen Götter des indischen Himmels, denen diese Theorie abgelauscht zu sein scheint, den Weiberfreund Zeus und den rüstigen Bewältiger der fünfzig Töchter des Thespios denken darf) ihm angerichtet hatten. Er entsann sich, wie Gott sich einen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs genannt und den Kindern ihrer zahlreichen Weiber seinen Segen verheißen und versprochen hatte, sie zu vermehren wie den Staub auf Erden. Er entsann sich endlich, wie Christo, dem größten Feinde, den der Teufel besaß, diese göttliche Einrichtung so wohlgefallen hatte, daß er durch das Weib, von dem er sich gebären ließ, als Glied in eine lange Reihenfolge jüdischer Polygamisten eintrat.[6] Der Teufel gedachte darum sein Müthchen an dieser heiligen Einrichtung zu kühlen und sie wo möglich ganz auszutilgen. Die Völker, die dem entarteten Christenthum anhingen, standen ihm in diesem boshaften Beginnen bei und erließen Verordnungen, welche die Vielweiberei in ihrer Mitte untersagten. So wurde das Gesetz Gottes, durch welches die zwölf Stämme Israels begründet wurden, und nach dem der Messias seine Erscheinung im Fleische bewerkstelligte, jenes Gesetz, welches den auserwählten Samen wie die Sterne am Himmel mehrte, und in welchem alle Nationen gesegnet werden sollten, jenes Gesetz, durch das dem kinderlos Verstorbenen sein Name durch endlose Geschlechter hindurch verewigt werden konnte -- so wurde dieses heilige, göttliche Gesetz durch menschliche Maßregeln und Satzungen umgestoßen und abgeschafft. Möge das entartete Christenthum erröthen über seine tempelschänderischen Thaten, möge es sich in die Seele hineinschämen über seine engherzigen bigotten Gesetze!« [6] Nach anderen Mormonen, z. B. Orson Hyde, einem der zwölf Apostel, huldigte Jesus der »=divine institution=« sogar durch die That, indem er sich bei der Hochzeit von Kana mit nicht weniger als drei Frauen auf einmal, mit den beiden Schwestern des Lazarus, Martha und Maria, und der andern Maria vermählte. Mit dieser Apostrophe möge unser Auszug aus Pratts wunderlicher Vertheidigungsschrift beschlossen sein, und wir haben nur noch einiges Thatsächliche aus anderen Quellen nachzutragen, um den Gegenstand, so weit es uns erforderlich scheint, zu erschöpfen. Daß es den Bürgern Deserets religiöse Pflicht für jeden Mann ist, wenigstens einmal zu heirathen, geht aus dem soeben Mitgetheilten hervor. Der Grund wird auch so ausgedrückt, daß es einer Frau ohne Mann überhaupt nicht möglich sei, Eintritt ins Himmelreich zu erlangen. Nun sollen aber vorsichtigen Mormoninnen hin und wieder Zweifel beigekommen sein, ob ihre Eheherren überhaupt selbst Aussicht auf den Himmel hätten, und die Folge war, wie böse Zungen behaupten, daß sie nach dem Rockzipfel eines Hohenpriesters oder Apostels haschten, der natürlich bestimmtere Aussichten hatte, im Jenseits als König aufzuerstehen. Wir bezweifeln indeß vorläufig die Wahrheit dieser Gerüchte, da fast alle Nachrichten darin übereinstimmen, daß fleischliche Vergehungen mit außergewöhnlich strengen Strafen bedroht sind, da man ferner, wenn das Territorium zum Staate gereift sein wird, jeden Ehebruch durch Enthauptung der Schuldigen zu ahnden gedenkt, und da man es schon jetzt für vollkommen gerechtfertigt, ja für Erfüllung einer Pflicht hält, wenn ein Mann, dem die Gattin, Schwester oder Tochter verführt worden ist, den Verführer tödtet. Man nennt das »=common mountain law=« und begründet es aus dem mosaischen Gesetze, und kein Gericht würde es wagen, den Mann, der auf diese Art die Ehre seiner weiblichen Verwandten rächte, auch nur zur leichtesten Strafe zu verurtheilen. Ein Beweis dafür war der Proceß des Mormonen Egan, welcher im Jahre 1851 in der Salzseestadt zur Verhandlung kam. Derselbe war angeklagt, einen gewissen Morgan, der ihm die Frau während seiner Abwesenheit zur Untreue verleitet, mit kaltem Blute ermordet zu haben. Das Geschwornengericht sprach ihn frei, und der vorsitzende Richter erklärte, als er das Urtheil verkündigte: »daß Geldstrafen für solche Vergehungen lediglich Zeichen der Verfaultheit anderer Regierungen seien, und daß der oberste Grundsatz, welcher durch das Herz aller Einwohner dieses Territoriums pulsire, einfach dahin laute: Der Mann, der seines Nächsten Weib verführt, muß sterben, und ihr nächster Anverwandter muß ihn tödten.« In Betreff der »Versiegelungen«, wie die Antrauungen zweiter und dritter Frauen genannt werden, ist zu bemerken, daß der Seher sie nicht persönlich zu vollziehen braucht, sondern Andere mit der Ceremonie beauftragen kann. Ferner ist nachzutragen, das jedes unverheirathete Frauenzimmer das Recht hat, sich beim Präsidium einen Ehemann auszubitten, und derselbe darf ihr nicht verweigert werden, da ja ihre einstige Seligkeit davon abhängt. Der Präsident ist gehalten, auf Empfang einer derartigen Petition hin dem Ersten Besten, der ihm tauglich scheint, Befehl zu ertheilen, die Einsame zu seiner Frau zu nehmen. Er kann sie aber auch sich selbst »versiegeln«, d. h. ohne Euphemismus: in sein Harem aufnehmen. Hat der Betreffende keine Neigung zu dem ihm angesonnenen Ehebunde, so muß er triftige Verhinderungsgründe angeben, sonst geräth er in Gefahr, vor den hohen Rath gefordert und wegen Widersetzlichkeit gestraft zu werden. Mitunter geschieht es auch, daß Young Einspruch gegen die Absicht auf eine Versiegelung thut, die aus unwürdigen Beweggründen hervorgegangen ist. »Diese Einmischungen in die Regierung Cupido's,« sagt Gunnison, »erfordern überhaupt große Vorsicht. Denn die Richtersprüche mögen hier noch so sehr vom Verstande dictirt sein, die Leidenschaft wird immer etwas daran auszusetzen finden. Allein wie der Präsident der Kirche die Macht zu binden hat, so ist ihm auch die Macht zu lösen verliehen. Er kann die Verheiratheten oder Versiegelten trennen, nachdem er sie zur Eintracht und Geduld ermahnt und ihnen eine Probezeit gesetzt hat, sie aber dabei die Unmöglichkeit eingesehen zu haben glauben, mit einander zu existiren. Aus dieser Gewalt zu binden und zu lösen, erwächst ihm ein ungemeines Ansehen und eine genaue Kenntniß der gesammten häuslichen Verhältnisse der Colonie. Das Vertrauen, daß man ihm in solchen delicaten Angelegenheiten zu erweisen genöthigt ist, erzeugt Ehrerbietung und Furcht, und wo das Ehebündniß zum Guten ausschlägt, Liebe und Dankbarkeit gegen den Berather und Freund, und da der Frieden in der Gemeinde wesentlich auf dem der Familie beruht, so wacht Young mit eifersüchtiger Sorgfalt über seine Prärogative und nöthigt die Betheiligten, soviel an ihm ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Daß auch die Leviratsehe in Deseret eingeführt ist, scheint aus folgender Anekdote bei Gunnison hervorzugehen. »Bischof J. fügte seinem ziemlich geräumigen Hause noch ein Seitengemach an, und da er keine starke Familie besaß, so fragten wir verwundert nach dem Grunde dieser Vergrößerung seines Domicils. >Ach!< war die Antwort, >wissen Sie denn nicht, daß er seines Bruders Witwe zur Frau nehmen muß, und daß die Zeit dazu nahe ist?< Wir besannen uns auf die Geschichte des jüdischen Weibes, das sieben Brüder nach einander heirathete, doch da wir nur unwissende Laien waren, so getrauten wir uns nicht, uns genauer nach den Absichten und Ansichten eines Priesters der Ordnung Melchisedeks zu erkundigen.« Daß die höhere Priesterschaft der Mormonen die ihnen im Punkte des Heirathens auferlegte Pflicht in einer ihrer Vorbilder, der Erzväter, vollkommen würdigen Weise erfüllt und zahlreiche Weiber und Kinder hat, ist bekannt. Eine andere Methode, vermöge welcher die Häupter der Kirche ihren Haushalt mehren, ist die Annahme mehrerer Personen an Kindesstatt. Sehr häufig nämlich geschieht es, daß Apostel oder Hohepriester ganze Familien als Glieder der ihrigen einverleiben. Die Häupter dieser Familie finden eine Ehre darin »Kinder des Sehers« oder »angenommene Söhne des Präsidenten« zu heißen. Sie wohnen entweder bei ihrem Adoptivvater oder doch in seiner Nähe, arbeiten für ihn, empfangen Nahrung und Kleidung von ihm, und verhalten sich überhaupt, obwohl sie häufig schon Männer reiferen Alters sind, vollständig als Kinder gegen ihn. Der eigentliche Zweck dieser Einrichtung, die etwas nach Sclaverei aussieht, mag wohl der gewesen sein, daß die Führer der Secte sich durch Heranbildung einer starken, durch Dankbarkeit an ihr Interesse gefesselten Clientel für alle Fälle ihre Macht zu sichern bestrebt waren. Sie haben aber diesen Zweck, der so wenig mit der Liebe zur Unabhängigkeit und allen damit zusammenhängenden Reminiscenzen eines Amerikaners und Engländers übereinstimmt, gut verborgen, dem Ganzen einen patriarchalischen Anstrich verliehen und demselben dadurch, daß sie lehren, das Verhältniß werde sich in jener Welt fortsetzen, eine religiöse Weihe zu geben verstanden, über welcher der Fanatismus ihrer Anhänger wie so manches Andere auch seine Liebe zur Freiheit und Gleichheit vergißt. Das gesellschaftliche Leben in Deseret scheint nach den Schilderungen aller Berichterstatter ebenso herzlicher als lustiger Art zu sein. »Die heiteren, zufriedenen Mienen,« sagt Gunnison, »die herzliche Anrede mit Bruder und Schwester, die Gesänge Zions, die einem aus dem Munde der mit ihrer Hausarbeit beschäftigten Frauen entgegenschallen, machen den Eindruck, als ob man in den Thälern Deserets sich eines nicht gewöhnlichen Wohlbefindens erfreue.« Alle Reisende rühmen die Gastfreundschaft der Mormonen, die nur durch ihre noch immer beschränkten Räumlichkeiten begrenzt ist. Die Auswanderer nach Californien haben sich vielfacher Gefälligkeiten von ihnen zu erfreuen gehabt, und mancher kranke und in seinen Mitteln erschöpfte Goldsucher hat hier barmherzige Samariter gefunden, wo er sie nicht erwarten konnte, wenn er an die Vergangenheit der Jünger Joseph Smiths sich erinnerte. Daß die Latterday-Saints nichts weniger als finstere, sauertöpfische Fromme sind, ist schon wiederholentlich angedeutet. Nirgends wird unter gleichen Verhältnissen so viel musicirt, getanzt und gescherzt, als im neuen Zion, und wenn viele sich des Genusses geistiger Getränke enthalten, so geschieht dies nicht, weil man von dem Trifolium Wein, Weib, Gesang dem ersten Blatte gram wäre, sondern weil es in den Thälern der Felsengebirge schwer zu beschaffen und darum sehr theuer ist. Die »Evening-Parties« der Heiligen am Salzsee sind, allen Beschreibungen zufolge, außerordentlich heiter. Häufig werden sie durch die Anwesenheit der obersten geistlichen Würdenträger beehrt, die sie mit einem Gebete eröffnen, in welchem der Segen des Allmächtigen auf das Vergnügen seiner Kinder herabgefleht wird. Hat man sich aber dieser Pflicht entledigt, so spielt die Musik unverzüglich zu einem Walzer oder Galopp auf, an welchem sich Alle ohne Ausnahme vom Apostel und Hohenpriester bis zum niedrigsten Laien herab mit gleichem Eifer betheiligen. Ein komischer Anblick ohne Zweifel, hier einen verehrungswürdigen Patriarchen nach dem Tacte eines Hopsers sich im Wirbel drehen zu sehen und dort ein anderes Kirchenlicht zu gewahren, welches mit schmunzelndem Munde in den Figuren eines Contretanzes herumirrlichtelirt oder den besser eingeübten »Doubleshuffle« exercirt. Noch komischer aber dürfte deutschen Oberkirchenräthen die verbürgte Nachricht erscheinen, daß diese Bälle einst, wenn der große Tempel vollendet ist, einen integrirenden Theil des mormonischen Gottesdienstes bilden sollen. Wir an unserm Theile finden dies auch komisch, aber nicht erstaunlich, da wir uns an Davids Tanz vor der Bundeslade erinnern, und da wir die Shaker, Amerikas Derwische zu wiederholten Malen nicht blos mit Zunge und Kehle, sondern auch durch taktmäßige Bewegung der Füße und planetarische Rotation der Leiber die Ehre geben sahen. Achtes Kapitel. Die letzten Dinge. -- Die vier Zeugen der Wahrheit. -- Der Beginn des tausendjährigen Reichs in der alten und neuen Welt zugleich. -- Die Wiederkehr der verlorenen zehn Stämme Israels. -- Die Wiedervermählung der durch das Meer getrennten Erdtheile. -- Der jüngste Tag. Alles, was im Vorhergehenden von den Lehren und Gewohnheiten der Mormonen mitgetheilt worden ist, kann in Kurzem nicht mehr ihre Lehre und nicht mehr ihre Gewohnheit sein. Wie oben gezeigt, ist ihr Glaube eine stete Revolution, ein Proteus, der heute dies und morgen das stricte Gegentheil davon ist, eine unaufhörliche Accomodation an die Umstände oder an das Belieben der Führer. Was jetzt nur Vorrecht ist, mag übers Jahr ein Gebotenes und aber übers Jahr ein Verbotenes sein, wenn es die Verhältnisse fordern. Daß sich Gemüther finden, die an solch einer Chamäleonsreligion Gefallen finden, ist nach den einleitenden Bemerkungen des ersten Kapitels wohl begreiflich, und so sollte es uns selbst nicht Wunder nehmen, wenn nächstens Young eine Offenbarung empfinge, durch welche die Gläubigen erführen, daß die Polygamie, nachdem sie ihren Zweck erfüllt, wieder aufgehoben sei, und daß man sich, um Jehovah zu gefallen, fürderhin mit einer einzigen Frau zu begnügen habe. Ein Punkt ihrer Glaubenslehre indessen, der nämlich, nach welchem sie sich Latterday-Saints nennen, steht fest. Sie wissen, daß sie den Grundstamm des heiligen Volkes bilden werden, über welches der Herr »in diesen letzten Tagen«, nach seiner Wiederkunft zur Aufrichtung des tausendjährigen Reichs herrschen wird. Sie leben der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß sie die Sendung haben, die Welt zu revolutioniren, und daß diese Sendung sich sehr bald im größten Maßstabe bestätigen wird. Sie führen förmlich Buch und Rechnung über die Verbrechen und Thorheiten, die eigenthümlichen Naturerscheinungen und die Aufstände und Umwälzungen in der Welt, die ihnen als Anzeichen der Wiederkunft Christi, als »Wehen des Messias« gelten, und die sie sorgfältig in ihren Archiven aufbewahren. So haben sie die Geschichte der Cholera, die Umwälzung von 1848, den Streit der Secten und Kirchen aufmerksam verfolgt und gewissenhaft verzeichnet. So dringen ihre Emissäre in die schmuzigsten Schlupfwinkel des Lasters in großen Städten, um die Statistik der Verbrechen kennen zu lernen. So beobachten sie, soweit sie vermögen, die Praktiken unredlicher Gesetzgeber und Gesetzvollstrecker, namentlich in Amerika, und so spüren sie den Schwächen und Sünden der Geistlichkeit mit allen Mitteln nach. Die Bücher, welche sie über die Ergebnisse dieser Forschungen führen, werden einst am Tage des Gerichts zu denen gelegt werden, in welche die Engel Gottes die Thaten der Menschen verzeichnen und gleiche Geltung mit diesen haben. Ist nun die Zeit erfüllet und das Evangelium »Bruder Josephs« allen Völkern und Zungen gepredigt, so hebt eine Zeit großer Wunder und Schrecken an. Dann erscheinen zunächst bei den Mormonen die »vier Zeugen der Wahrheit,« die nimmer den Tod geschmeckt haben: Sankt Johannes, der Evangelist, dem es gestattet wurde zu bleiben bis zur Wiederkunft des Herrn, und drei nephitische Heilige der Kirche, die Christus nach dem Buche Mormon in Amerika gestiftet hat. Diese wandern gegenwärtig in Gestalt von Männern mittlern Alters über die Erde, nehmen die Tracht und Sprache der Länder an, in denen sie zufällig sich befinden, und sind schon zu wiederholten Malen Einzelnen von den Brüdern erschienen. In der Zeiten Erfüllung aber werden sie ihr Incognito ablegen und den Latterday-Saints von der Kanzel herab verkünden, was sie zu thun haben. Ferner aber werden die verlorenen zehn Stämme Israels auf ihrem Durchzuge nach Palästina den Heiligen in Amerika einen Besuch abstatten. Diese Langvermißten wohnen jetzt auf einer noch unentdeckten Insel, oder, wie Andere zu wissen glauben, in einem geheimnißvollen Nordlande, welches als eine Art Planet für sich jenseit des Polareises mit der Erde um die Sonne kreist. Ihr Erscheinen wird das Signal zur plötzlichen allgemeinen Bekehrung der Lamaniten, d. h. der Ureinwohner Amerika's, »dieses Restes vom Samen Josephs« sein. »Der verachtete Sohn des Waldes,« sagt eine hierauf bezügliche Proclamation der zwölf Apostel des Propheten, die kurz nach dessen Ermordung erschien, -- »der verachtete Sohn des Waldes, der seither in Kummer und Elend die Wildniß durchwanderte, wird dann seine Maske fallen lassen und mit männlicher Würde den Heiden zurufen: Ich bin Joseph, lebt mein Vater noch? Er wird dann geweiht und gewaschen und mit heiligem Oele gesalbt und in feine Linnen, nämlich in die schönen Kleider der Priesterschaft nach der Ordnung des Sohnes Gottes gehüllt werden. Herabsenken wird sich auf ihn der Geist des Herrn, gleich dem Thau, der aufs Gebirge Hermon fällt, und gleich erfrischenden Regengüssen, die auf die Blumen des Paradieses strömen, und wiedererhalten wird der Enterbte das ihm einst verheißene Theil.« Und nun werden die Kriege des Herrn anheben. Viele Heiden werden sich bekehren, viele im Unglauben verharren. Beide Massen werden sich zum Kampfe rüsten, die einen unter dem Panier des Papstes von Rom, die anderen unter der »Fahne aller Nationen.« Die Heerschaar der Heiligen wird, von ihrem Seher geführt, der den von Joseph Smith im Hügel Cumorah gefundenen Brustharnisch trägt und das Schwert Labans schwingt, gegen die der Ungläubigen heranstürmen und sie in der großen Schlacht darniederwerfen, welche in der Schrift mystisch die Schlacht Gogs und Magogs genannt wird. Der Herr wird sein Volk dadurch unterstützen, daß er die Gegner mit Feuerregen, Pestilenz und Hungersnoth heimsucht. Sie werden vollständig ausgerottet werden, und ihre Ländereien und sonstigen Besitzthümer den Siegern zufallen, die inzwischen Jackson County, im Staate Missouri, das rechte und letzte Zion erbaut haben. Dieses Zion, von dem Joseph, der Prophet, gleich zu Anfang seiner Laufbahn so Ueberschwängliches weissagte, wird die Hauptstadt des westlichen Festlandes sein. Es wird mit seinem gewaltigen Tempel und seiner Priesterschaft wie eine Standarte sein, deren Aufrichtung allen Spaltungen religiöser und politischer Art ein schleuniges Ende machen und alle Republiken, Königreiche, Provinzen, Völker, Stämme und Sprachen Nord- und Südamerika's zu einem großen Bunde umgestalten wird. Und während so das tausendjährige Reich Christi im Westen sich vorbereitet, ist der östliche Continent Zeuge von nicht geringeren Umwälzungen und Neubildungen. Die zehn Stämme Israels kehren gleich den Zerstreuten Juda's nach Jerusalem zurück und bauen dort den Tempel wieder auf. Dann wird die gesammte alte Welt, soweit sie nicht zu den Gläubigen gehört, sich wider sie erheben, mit Heeresmacht gegen sie heranziehen und die heilige Stadt belagern. Der Herr aber wird den Geist der Gnade und des Gebets über die Bewohner Jerusalems ausgießen, und Christus, den ihre Väter gekreuzigt, wird sich an ihre Spitze stellen. Von ihm geführt, werden sie in einer gewaltigen Schlacht am Oelberge alle Heiden darniederlegen. Diesem Triumphe der Juden folgt ein allgemeiner Umsturz der Dinge in Europa sowohl wie in Asien. Christus wird König der Kinder Israel, Jerusalem seine Hauptstadt und der Mittelpunkt der alten Welt. Die Höfe von Paris, London, Petersburg, Rom und Wien -- die Berliner Großmacht scheint dem Gotte, der die Offenbarung ertheilte, nicht bekannt gewesen zu sein -- müssen sich dem Messias als Oberlehnsherrn unterwerfen. Weigern sie sich dessen, so werden ihre Throne umgestoßen und ihre Reiche vernichtet. Entsprechend dieser Vereinigung der Erdenvölker wird auch eine Vereinigung der bisher getrennten Erdtheile stattfinden. Das Meer wird sich nach anderen Gegenden unseres Planeten zurückziehen, und alle Inseln und Continente werden »Beulah«, d. h. auf Neuägyptisch: »verheirathet« werden, sodaß von dem östlichen nach dem westlichen Jerusalem (in welchem letztern Christus sein zweites großes Heiligthum und seinen zweiten Thron haben wird) jene mächtige Heerstraße erbaut werden kann, welche »der Löwe nicht betreten und des Adlers Auge nicht gesehen.« Endlich werden unter Erdbeben unzählige Heilige des Alterthums aus ihren Gräbern steigen, um an der Glückseligkeit des Millenniums theilzunehmen. Und am Ende des tausendjährigen Reichs »wird Denen, welche nicht aufrichtigen Herzens und nicht gehorsam dem Willen des Herrn gewesen sind -- den bösen Geistern nämlich -- gestattet werden, eine kurze Zeit ihren aufrührerischen Geist unter der Anführung ihres Feldhauptmanns Satan, des großen Drachen, zu bethätigen. Zuletzt aber werden sie in einer ungeheuern Schlacht besiegt und hinausgeworfen werden aus dem Reiche der Gerechten.« Und nun erfolgt die zweite Auferstehung und das jüngste Gericht. Die Erde aber wird, durch Feuer geläutert und zu himmlischer Schönheit verklärt, eine Wohnung Derer werden, die demüthig und reinen Herzens sind. Neuntes Kapitel. Die politischen Verhältnisse und die Zukunft des Mormonenstaates. -- Die Unwahrscheinlichkeit, daß derselbe durch Anstoß von Außen zu Grunde gehen werde. -- Innere Ursachen des Verfalls. -- Schlußbetrachtungen. Der vorhergehende Abschnitt hat uns in Bildern, gemalt mit dem Pinsel der Ueberschwänglichkeit, gezeigt, welche Zukunft die Mormonen erwarten. Der folgende soll sehen lassen, welche Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach die Mormonen erwartet. Dazu bedarf es zunächst einiger Nachträge zu dem, was wir bei Betrachtung des Kirchenregiments der Secte über die bürgerliche Verfassung der Gemeinde in Deseret zu bemerken hatten. Wir sehen die Ansiedler Utahs gegenwärtig zu einem Gemeinwesen organisirt, welches alle Erfordernisse eines geordneten Staates an sich trägt. Die gesetzgebende, richterliche und ausübende Gewalt ist in Behörden ausgeprägt, welche sich der Form nach in nichts von denen unterscheiden, die in den übrigen Gliedern der nordamerikanischen Union jene Functionen ausüben. In wenigen Jahren, vielleicht schon im nächsten, wird das jetzt noch von Washington abhängige _Territorium Utah_ dadurch, daß es die Zahl von sechzigtausend Einwohnern erreicht, zum unabhängigen _Staate Deseret_ werden, und wenn die Anerkennung solcher Souverainetät durch den Congreß dermalen noch mangelt, so kann man sich bei dem thatsächlichen Besitze derselben, der aus der Entfernung des Landes vom Sitze der Oberbehörde des Staatenbundes und aus der Ungeneigtheit dieser Behörde zu strenger Interpretation ihrer Befugnisse erwuchs, sehr wohl über das Fehlen der Form trösten. Das Gemeinwesen der Mormonen wird von ihnen als eine Theo-Demokratie bezeichnet. Richtiger wäre es, zu sagen, es sei eine entschiedene Theokratie, die sich nur nach Außen hin und mit Rücksicht auf einige fremde Elemente im Innern bestrebt, den Schein einer demokratischen Republik zu bewahren. Um nicht zu grün abzubrechen, hat man sich vom Präsidenten Fillmore einen Gouverneur geben lassen, hat man Gerichtshöfe nach dem Muster der im Osten bestehenden eingerichtet, hat man eine gesetzgebende Versammlung gleich denen in den übrigen Territorien gewählt. Aber die Regeln und Befehle des Herrn, die allem, was man, nothgedrungen sich accommodirend, jetzt anerkennt, vorausgingen, sind für alle Zeit gegeben, und sie erstrecken sich ebensowohl über zeitliche und weltliche Dinge, als über geistliche. Nur die, welchen Gott seinen Willen direct offenbart, können Gesetze der Wahrheit gemäß machen, und so ist den Mormonen Brigham Young nur darum berechtigter bürgerlicher Gouverneur, weil er der Seher des Herrn ist. Hätte der Präsident der Union den Bewohnern des Territoriums einen Andern gesendet, so »würde man ihn mit aller ihm als Vertreter der Centralgewalt gebührenden Achtung und Ehrerbietung empfangen, ihn aber in seiner Eigenschaft als Gouverneur und Leiter der öffentlichen Angelegenheiten als nicht vorhanden betrachtet haben.« »=He would be let severely alone=,« sagt ein Mormonenblatt in Hinblick auf die Möglichkeit eines solchen Falles. Hätte er eine Wahl anordnen oder eine gesetzgebende Versammlung berufen wollen, so würden keine Augen dagewesen sein, seinen Erlaß zu lesen, und er würde den Verdruß gehabt haben, entweder die alten Statuten ruhig fortgelten oder eine Legislatur tagen zu sehen, die ohne seine Mitwirkung zusammengetreten wäre und berathen hätte. Mit Einem Worte, man würde ihm einen ähnlichen passiven Widerstand entgegengesetzt haben, wie den, welcher im Jahre 1851 den drei nicht mormonischen Beamten der Vereinigten Staaten gegenüber an den Tag gelegt wurde, und »es würde ihm kein anderes Geschäft übrig gelassen worden sein, als das freilich ziemlich mühsame, seinen Gehalt aus dem zweitausend Meilen entfernten Schatze in Washington zu beziehen.« Wie die Kirche, so steht auch der Staat der Latterday-Saints in allen Beziehungen unter dem Triumvirate der Präsidentschaft, das, wie oben gezeigt, zwar aus drei Personen zusammengesetzt ist, aber nur einen einzigen Willen hat. Selbst die sogenannten »=Stakes of Zion=« oder Zweiggemeinden, die über die ganze Erde verbreitet sind, haben dem Präsidenten und Seher zu gehorchen, und zwar in geistlichen Angelegenheiten durchaus, in weltlichen soweit, als die betreffenden Verordnungen der mormonischen Oberbehörde den Gesetzen des Staates, in dem die Gemeinde sich befindet, nicht widersprechen. Alle Streitigkeiten sind von der Kirche zu entscheiden: die über Gegenstände der Lehre vom Seher, die über Gegenstände des Rechts von Friedensrichtern, Obergerichten und in letzter Instanz vom Gouverneur. Allein der Friedensrichter ist der Bischof des in Frage stehenden Stadt- oder Grafschaftsbezirks, die Herren auf der Richterbank des Superior-Court sind ohne Ausnahme aus der Mitte der Hohenpriester, der Siebziger oder der Apostel gewählt, und Seine Excellenz der Gouverneur ist der Seher und Offenbarer. Selbst die gesetzgebende Versammlung, die überdies unter dem Einflusse der Priesterschaft gewählt ist, kann keinerlei Anordnungen treffen, welche gegen die Aussprüche des Kirchenhaupts verstoßen. Sie hat letztere lediglich mit den Verhältnissen in Einklang zu bringen und dadurch anwendbar zu machen. Die Gerechtigkeitspflege ist von der einfachsten Art. Sie ist auf den Grundsatz allgemeiner Gleichheit basirt und lehnt sich in vielen Punkten an die Vorschriften des mosaischen Gesetzes an, dessen Strafen verhängt werden, so weit dies ausführbar ist. Amerikanische Berichterstatter loben, daß bei den Untergerichten die Zeugen selten vereidet werden, und daß man auf die Hinterpförtchen und Schlupflöcher des Rechts, die den Sachwaltern im Osten so reichliche Gelegenheit zu Winkelzügen und zu Hinausschleppung der Entscheidung bieten, wenig giebt, sondern mehr dem gesunden Menschenverstande und dem einfachen Rechtsgefühle vertraut. Ein eigenthümlicher Zug in der Gesetzgebung von Deseret ist der, daß die Trägheit mit Strafen bedroht ist. Die Arbeit gilt als heilig. Faule werden von den Bischöfen notirt und zunächst vermahnt, dann öffentlich nach dem Sonntagsgottesdienste getadelt, endlich mit dem Fluche belegt. Es giebt in dem Bienenstocke, der das Wappenbild Deserets ist, keine Drohnen. Wer nicht die Hände regt, muß hungern. Der Prophet Joseph zwar wurde von Gott durch eine Offenbarung von der Verpflichtung zu physischer Arbeit befreit, da er zu sehr vom Regieren in Anspruch genommen war. Brigham Young dagegen beansprucht keine solche eximirte Stellung, sondern geht, so weit es seine anderen Geschäfte zulassen, den Brüdern mit gutem Beispiele voran, indem er, seines Handwerks ein Zimmermann, aufs Rüstigste in seinen Sägemühlen arbeitet. Priester und Bischöfe thun desgleichen, und die Apostel und Oberpriester können sich ohne Ausnahme rühmen, wie Paulus der Teppichweber ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts zu verdienen und an Werkeltagen durch die That zu lehren, was sie des Sonntags von der Kanzel in Betreff der Tugend des Fleißes vorgetragen haben. Das hat aber seine guten Folgen nach verschiedenen Seiten. Es läßt den Unterschied zwischen Priester und Laie nicht so schroff erscheinen, als er der Doctrin nach ist, es verschmilzt die einzelnen Classen miteinander, es macht die Führer der Heerde mit den Wünschen und der Denkweise der letztern bekannt, und es bereichert den öffentlichen Schatz; denn je fleißiger die Arbeiter, desto größer die Resultate, und je größer die Resultate, desto stärker die Zehnten. Die letzteren gehen aber, wie oben erwähnt, nicht lediglich in den Säckel der Priesterschaft, sondern werden auf öffentliche Unternehmungen, auf Straßen- und Brückenbau, auf Schulen, kirchliche Anstalten, auf die Unterhaltung der Familien von Missionairen und auf den Tempel verwendet, sodaß sie den Steuernden wieder zu Gute kommen und das ganze System im Grunde nur als eine Art gemäßigter Communismus erscheint. Criminalfälle sollen künftig nach den »Gesetzen des Herrn« abgeurtheilt werden, einem Codex, der angeblich durch Offenbarung erlangt, bis jetzt aber noch nicht veröffentlicht worden ist, da das Volk Gottes als noch nicht völlig reif dazu erkannt wurde. Derselbe soll jedoch bald in Kraft treten. Was davon verlautet, läßt an Drakons Gesetzgebung denken. Denn unter Anderm sollen nach ihm alle schwereren Verbrechen, zu denen der Ehebruch gezählt wird, mit Enthauptung geahndet werden, weil »ohne Blutvergießen keine Vergebung der Sünden ist.« Ja man sieht dies sogar als einen Act der Barmherzigkeit gegen den Missethäter an, der, wenn er in seiner Unklugheit oder vom Satan verlockt, durch Sünde seine Seligkeit verscherzt hat, dadurch, daß er sein Haupt dem Beile darbietet, seine Verschuldung sühnen und in einen Zustand eintreten kann, wo er von Neuem eine Prüfungszeit beginnt. Man hat die Führer der Mormonen angeklagt, sich wiederholt in gehässiger und verächtlicher Weise über die Persönlichkeiten ausgesprochen zu haben, welche an der Spitze der Regierung in Washington stehen oder gestanden haben, und man hat daraus einen baldigen Zusammenstoß mit der Centralgewalt prophezeien wollen. Allein dergleichen Angriffe auf die Staatsmänner der Union sind in der amerikanischen Presse und bei den Rednern der Volksversammlungen etwas Alltägliches, und Niemandem wird es beikommen, aus dem Umstande, daß ein abolitionistisch gesinnter Gouverneur oder Senator von Massachusetts oder Rhode Island die Herren in Washington wegen des Gesetzes gegen die flüchtigen Sclaven als Verräther bezeichnete, weissagen zu wollen, der Staat Massachusetts oder Rhode Island wolle sich von der Union losreißen. Ueberdies aber haben die Mormonen in allen ihren Reden und Schriften auf das Geflissentlichste gegen den Staatenbund selbst und gegen die Constitution ihre Achtung und Anhänglichkeit an den Tag gelegt, und mag dies bei Einigen eine bloße Kundgebung der Vorsicht, ein bloßes theatralisches Gepränge gewesen sein, bei der Mehrzahl war es gewiß aufrichtig und ehrlich gemeint. Nicht ohne einen gewissen Schein des Rechtes, der Leuten ohne Kenntniß der Diplomatie leicht als das Recht selbst erscheinen konnte, hätten sich die Ansiedler von Utah im Jahre 1848 unabhängig vom Mutterlande erklären können. In Missouri und Illinois grausam und ungerecht behandelt, vom Congresse und Präsidenten nicht geschützt, wanderten sie vor ihren Verfolgern nach einer Gegend aus, die, als ihre erste Colonne dort anlangte, mexikanisches Gebiet war. Ihre junge Mannschaft half dieselbe erobern, ihr unermüdlicher Fleiß, ihre Ausdauer und ihre Umsicht schuf sie aus einer nur theilweise bewohnbaren Wüste in ein blühendes Culturland um. Schon waren sie geraume Zeit dort angesessen, als der Friedensschluß erfolgte, durch den Utah an die Vereinigten Staaten abgetreten wurde. Sie hätten sich dagegen verwahren können; denn so wenig auch das Völkerrecht dies anerkennt, würde ein solcher Protest in der Geschichte Nordamerika's nicht ohne Beispiel gewesen sein. Allein nicht sobald hatten sie die Kunde vernommen, die sie aus Exulanten in Bürger der Union verwandelte, als sie die erste Gelegenheit ergriffen, ihre Anhänglichkeit an das alte Vaterland zu erklären und dessen Verfassung als auch für sie bindend anzuerkennen. Daß man aber auch noch jetzt so denkt oder wenigstens so zu denken sich den Anschein giebt, mag die folgende, aus Gunnisons Buche entnommene Schilderung der Feier des dritten Jahrestages ihrer Ankunft auf dem Boden Deserets zeigen. Die Feier des vierten Juli 1851, die wir nach andern Quellen an einem andern Orte beschrieben haben,[7] stimmt damit überein, und es bleibt kein Zweifel, daß die Mormonen Bürger der Union sein und bleiben wollen, wenn ihre Verehrung vor der Constitution auch =cum grano salis= zu nehmen ist. Gunnison erzählt: [7] Im zweiten Bande der »Wanderungen zwischen Hudson und Mississippi«, Seite 66, ff. »Um zehn Uhr Morgens verkündete Kanonendonner der Stadt, daß die Zeit gekommen sei, sich nach der Bowery, wo einst ihr Tempel stehen wird, zu verfügen. Die Würdenträger der Kirche und die Beamten der von den Vereinigten Staaten abgesendeten Vermessungs-Commission fanden sich in dem neuen Wohnhause des Präsidenten ein, wo sie mit der Zuvorkommenheit und Artigkeit empfangen wurden, die den Gouverneur von Utah auszeichnet. Um elf Uhr marschirte vor dem Hause ein starker, gutausgerüsteter Trupp Militair auf, geführt vom General Wells und begleitet von einem Musikchore, sowie von vierundzwanzig Bischöfen in Amtstracht, welche Fahnen trugen. Die Gäste, die Würdenträger und die Präsidentschaft ordneten sich dann zum Zuge und setzten sich hierauf unter dem Commando des Generals, seiner Adjutanten und des »Marshal of the Day«, während die Musik spielte und die Kanonen donnerten, mit wehenden Bannern nach dem großen Platze in Bewegung, wo die Hauptfeierlichleit stattfinden sollte. Hier waren in der musterhaftesten Ordnung und Ruhe gegen sechstausend Personen versammelt, alle in sauberen Sonntagskleidern und mit freudestrahlenden Gesichtern. Als der Redner, die Präsidentschaft, die Väter oder »betagten Männer« sowie die vornehmsten Gäste auf den zahlreichen Bänken der Erhöhung Platz genommen hatten, wo die Rednerbühne stand, rief einer der zwölf Apostel betend den Segen des Himmels auf die Versammlung herab. Dann las der Marshal das Programm der Festfeier vor, und hierauf folgte ein Vortrag des Redners, in welchem er sich mit beredten Worten an den Stolz, die Vaterlandsliebe und das Gerechtigkeitsgefühl seiner aufmerksamen Zuhörer wendete. Er zählte ihre vielfältigen Prüfungen und deren glorreiche Endergebnisse auf, forderte sie auf, ihre Ehre und ihre Rechte gegen jede Beeinträchtigung aufrecht zu erhalten und erklärte in ihrem Namen, daß jeder Angriff, der aus diesem Grunde auf sie gemacht würde, auf kräftigen Widerstand stoßen solle. Dann wurden Reden vom Präsidenten und von Anderen gehalten, die alle den Zweck verfolgten, die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit der Feier zu lenken und den Hörern klarer zum Bewußtsein zu bringen, warum und aus welchen Ursachen dieser Tag ein denkwürdiger sei. Hiernach kam die Hauptsache. Es war die Ueberreichung der Verfassung der Vereinigten Staaten, sowie der von Deseret an den Gouverneur, damit er und seine Nachfolger sie als getreue Wächter hüteten. Die Urkunden wurden durch vierundzwanzig »Betagte«, silberhaarige Männer, Söhne und Nachkommen der Freiheitshelden von 1776 übergeben. In wohlgesetzter, kurzer Ansprache ermahnte ihr Sprecher den Gouverneur zur Treue gegen die Constitution. Er sagte ihm, daß diese Väter vor ihm bald von der Schaubühne dieses vielbewegten Lebens abtreten würden, und daß sie, bevor sie gingen, um nicht wiederzukehren, so lange das gegenwärtige weltliche Regiment währe, das Erbtheil, das sie von dem vergangenen Geschlechte empfangen, in sichere Hände zu legen wünschten, damit es ungeschmälert bewahrt werde bis zu der Zeiten Erfüllung. Es wäre die glorreiche, die göttliche Verfassung, die der Herr den Staatsmännern von ehedem eingegeben habe, und sie bäten, daß dieselbe in die Archive ihres aufblühenden Staates niedergelegt würde, als ein heiliges Kleinod, als das Palladium der Freiheit, als die oberste Herrschermacht unter Gott, der über die Geschicke der Vereinigten Staaten wache, als eine körperlose Gewalt, die lediglich in der Liebe und Treue ihrer Unterthanen, freigeborener Männer, existire. Sie müsse heilig gehalten werden, Jedermann in den Bergen müsse durch Eidschwur zu ihrer Vertheidigung verpflichtet werden. Denn drohende Wolken wälzen sich am östlichen Himmel empor, und die ursprünglichen Wahrer und Unterstützer würden bald von ihrer Treue gegen die stumme und doch so beredte Constitution lassen und, nach dem Willen des Himmels von Sinnen gekommen, heranstürzen, um ihre Hände mit Bruderblut zu beflecken, während droben in den Bergen die auserwählten Hüter sich des heiligen Kleinods erfreuen und endlich wie der Adler von seinem Horste herniederfliegen würden, um dem bereuenden Ueberreste jenen Frieden wiederzugeben, durch den dieses hochbegnadigte Land allein gedeihen könne; zugleich mit der weltlichen Urkunde aber würden sie Jenen die Wahrheit bringen, die allein freimachen könne. Die Festlichkeit wurde durch ein glänzendes Bankett beschlossen, welches in der Wohnung des Präsidenten für diejenigen veranstaltet wurde, die von dem Militair und den Bischöfen nach der Bowery geleitet worden waren. Trinksprüche, Reden, Musik und Gesang wechselten mit einander bis zum Abend, wo die freudeberauschte Menge, ohne daß ein Zwischenfall den Einklang der Feier gestört hätte, auseinanderging und unzweifelhaft den Glauben mit heimnahm, daß die Mormonen das größte Volk der Erde und ihre Regenten die weisesten Männer unter der Sonne seien. Ihr Seher hatte ihnen gesagt, daß sie keine irdische Macht zu fürchten hätten, und daß man entschlossen sei, sich als Staat zu behaupten, was auch Congreß oder Präsident in Washington reden oder thun möge, und das Volk hatte wie mit einem Munde darauf geantwortet: Amen, so soll es sein, es ist der Wille der himmlischen Gerechtigkeit.« Ein Blick auf diese Reden zeigt, daß die Mormonen die Verfassung für eine heilige, ja von Gott eingegebene Urkunde halten und daß sie Bürger der Vereinigten Staaten sein, daß sie es aber auf ihre eigene Weise sein wollen. Dagegen wird sich, sobald das Territorium zum Staate geworden ist, nichts Triftiges einwenden lassen. Die Constitution verbürgt die unbeschränkteste Gewissensfreiheit, indem sie durch einen Zusatzartikel von 1794 bestimmt: der Congreß soll kein Gesetz erlassen, welches sich auf die Einführung irgend einer Religion bezieht oder die freie Ausübung einer solchen verbietet. Sie schreibt den einzelnen Gliedern der Union in Bezug auf ihre Verfassung nichts vor, was in dem Mormonenstaate nicht erfüllt wäre. Sie verleiht endlich der Centralgewalt nicht das Recht, sich in die inneren Angelegenheiten der von ihr zu einem Ganzen verknüpften »souverainen« Republiken zu mischen. Etwas Anderes ist es aber, so lange Utah noch Territorium ist. In dieser Eigenschaft ist es als unmündig zu betrachten. Sein gesetzlicher Vormund ist der Präsident in Washington, in dessen Belieben es gestellt ist, wie viel Freiheit er -- natürlich mit steter Rücksicht auf die Constitution -- dem Mündel gestatten, wie viel Rücksicht er auf seine eigenthümlichen Verhältnisse nehmen will. So möchte es den Mormonen, wenn der Präsident ihnen Beamte gegen ihren Willen geben wollte, schwer fallen, darin einen verfassungswidrigen Act nachzuweisen. Eine Unbilligkeit aber würden in solchem Verfahren selbst die Gegner der Secte erkennen müssen. Die Ansiedler von Deseret vergleichen ihre Stellung nicht unpassend mit der Lage, in welcher sich die amerikanischen Colonien vor Ausbruch des Unabhängigkeitskriegs befanden. Sie sehen den einzigen Unterschied darin, daß letztere sich darüber zu beschweren hatten, daß man ihnen Steuern zumuthete, ohne ihren Interessen Vertretung im Parlamente des Mutterlandes zu gewähren, während sie, die Mormonen, eine Ungerechtigkeit darin finden, wenn von auswärts gekommene Regierungsbeamte, die ihren Glauben und ihre eigenthümlichen Gewohnheiten nicht kennen, ihnen Gesetze aufnöthigen sollten. Bei allem Widerwillen, den uns ihr Aberglaube und die Verkehrtheit mancher ihrer gesellschaftlichen Einrichtungen einflößt, können wir diese Klage und das damit zusammenhängende Verlangen, sie nach ihrer Façon selig und auf Erden glücklich werden zu lassen, nur billigen. Einige amerikanische Zeitungen haben andere Ansichten ausgesprochen. Der Präsident Fillmore ist auf jenen Wunsch nur theilweise eingegangen, indem er dem Territorium wenigstens drei nicht zu den Latterday-Saints gehörende Beamte gab. Pierce, sein demokratischer Nachfolger, hat eine richtigere Politik eingeschlagen und dem Territorium in Bezug auf die Wahl seiner Beamten nichts Unliebsames zugemuthet, ein Verfahren, wodurch der bedrohte Friede bis auf Weiteres gesichert scheint. Die Frage, ob die Mormonen sich von Washington Leiter ihrer Angelegenheiten und Richter in streitigen Dingen schicken lassen, oder sich -- vorausgesetzt, daß damit die Verfassung der Union nicht verletzt wird -- selbst regieren und richten sollen, ist im Grunde nur eine Frage der politischen Etiquette, und es würde nicht blos unbillig, sondern auch unklug sein, wollte man aus ihrer Weigerung, dieselbe zu Gunsten der Centralregierung zu bejahen, einen Hochverrathsproceß herleiten und irgend welche Zwangsmittel anwenden. Die Folge würde ein Aufstand der Colonie in den Felsengebirgen sein, zu dessen Dämpfung man zunächst vielleicht »etliche Dragonerregimenter«, wie dies von den Heißsporns unter den Zeitungsschreibern in den Staaten bereits angekündigt worden ist, absenden würde. Diese Truppen würden nun entweder vor den befestigten Pässen in den Rocky Mountains umkehren müssen, oder man würde in Deseret sich fügen, und sie würden, um fernere Auflehnungen zu verhüten, als Besatzung im Lande zurückbleiben. Dabei könnte es aber nicht fehlen, daß die Strenge der Befehlshaber wie einst in Missouri als Anmaßung und grausame Härte ausgelegt werden würde. Die ohnedies in ganz Amerika verbreitete Geringschätzung des Soldaten ferner würde bei dem nun näher gerückten Vergleiche ihrer Trägheit mit dem eigenen Bienenfleiße zur Entrüstung sich steigern, die sprichwörtliche Galanterie der Epaulettenträger gegen das schöne Geschlecht endlich bei den Haremsbesitzern unter den Latterday-Saints die Dämonen der Eifersucht wecken. Die Erinnerung an das Gesetz, das auf den Ehebruch Todesstrafe setzt, läge dann nahe, der Haß gegen die »Heiden« würde auch die Ueberlegsamern leicht über den rechten Weg verblenden, und wer kann dafür bürgen, ob dann nicht eines Tags die Timpanogaberge ein Seitenstück zur sicilianischen Vesper sähen? Möchten also die Mormonen sich den Dragonern Uncle Sams unterwerfen oder nicht, in beiden Fällen würde man einen großen Krieg führen müssen. Dieser Krieg würde in seinem Ausgange zwar nicht zweifelhaft sein; er würde aber bei der Entfernung Deserets von den Grenzen der Civilisation, bei der Schwierigkeit des Transports von Geschütz und Proviant durch Wüsten ohne Straßen und schiffbare Flüsse, die das Mormonenland von allen Seiten umgeben, bei der Umwallung desselben mit schroffen Bergketten und bei der kriegerischen Tüchtigkeit der dann zum glühendsten Fanatismus erhitzten Heiligen außerordentliche Opfer an Geld und Menschen erfordern und vielleicht Jahre hindurch dauern; ganz abgesehen davon, daß er das erste Beispiel eines Bürgerkriegs wäre -- ein Beispiel, welches die Vereinigten Staaten bei dem Zwiespalte zwischen dem Norden und dem Süden mehr wie irgend ein anderer Staat zu fürchten haben. Und was wäre selbst mit dem raschesten und vollständigsten Siege über die Empörer erreicht? Unser Jahrhundert gestattet keine Albigenserkriege, und so könnte die Strenge des Gesetzes nur einige von den Schuldigen treffen. Die große Masse abermals von Haus und Hof zu vertreiben, dürfte man sich ebenso wenig erlauben. Man müßte sie darum in ihrem Besitze lassen und sie durch eine Truppenmacht, welche bei der Ausdehnung der Ansiedelungen in Deseret die reichliche Hälfte der Armee der Vereinigten Staaten in Anspruch nehmen würde, im Zaume zu halten suchen. Dadurch würde die Colonie verarmen. Das Bewußtsein erlittenen Unrechts würde sich ferner von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzen, und man hätte sich mitten auf dem Wege vom Mississippi nach Californien, mitten unter den Rothhäuten, den dereinstigen Glaubensgenossen der Heiligen vom jüngsten Tage, einen heimlichen, nur auf Gelegenheit zur Rache harrenden Feind geschaffen, statt daß man an dem Gebirgsstaate Deseret jetzt eine Herberge der Wanderer nach dem Goldlande am Stillen Meere und eine Veste gegen die Wilden besitzt, die mit der Zeit bessere Dienste zur Abwehr und zur Zähmung ihrer Horden leisten wird, als alle die Forts an der westlichen Grenze zusammengenommen. Endlich aber hätte man die Besiedelung dieser wüsten Strecken, die von dem fleißigen Volke der Mormonen mit so überraschendem Erfolge begonnen und fortgesetzt worden ist, auf Jahre und Jahrzehente hin gehemmt, ja vielleicht für immer gestört, da schwerlich Andere, als religiös Verfolgte und durch religiöse Bande Zusammengehaltene diese Einöden ohne schiffbaren Fluß zum Wohnplatze wählen und sich dort behaupten dürften. Aus diesen und anderen, hier nicht anzuführenden Gründen ist es wahrscheinlich, daß man die Mormonen gewähren und ihren Staat zur Mündigkeit heranreifen lassen wird. Young und die übrigen Leiter der Secte werden sich vor extremen Ansprüchen hüten und wenigstens den Schein der Gesetzlichkeit bewahren. In Washington aber wird man über geringfügige Abweichungen von der Regel hinwegzusehen wissen. Deseret wird in weniger als zehn Jahren hunderttausend und vielleicht mehr Einwohner haben, und die Welt wird das seltsame Schauspiel einer Priesterrepublik, die Glied eines aus Demokratien bestehenden Staatenbundes ist, erleben. Dennoch ist dem Mormonenthume in Deseret kein günstiges Horoskop zu stellen. Möglich, daß diese Pseudoreligion sich Jahrhunderte erhält. Möglich auch, daß der Staat Deseret eine Zeit lang als Theodemokratie Bestand hat -- in seiner jetzigen Gestalt wird keines von beiden Dauer haben, und nicht unwahrscheinlich ist es, daß schon die nächsten Jahre einen großen Riß durch das von Joseph Smith gegründete Gebäude gehen und eine völlige Umgestaltung desselben sich vollziehen sehen. Nicht von Außen, wohl aber von Innen, wird der Sturm sich erheben, der es erschüttern wird. Aus der Mitte der Secte selbst wird der Zerfall sich entwickeln, und zwar werden die Ursachen des Zwiespalts um so eher wirken, je bereitwilliger man den Mormonen gewährt, was sie verlangen, je mehr man sie als nicht vorhanden betrachtet und sich selbst überläßt. Der Kitt, der sie bisher zusammenhielt, hatte zu seinem Hauptbestandtheile das Märtyrerthum, das sie durchmachten. Bedrohungen von Außen ließen sie nach Außen blicken, und so übersah man, daß im Innern die böse Saat böse Früchte reifte. Dazu kam der Kampf mit der Wüste, die Sorge für die materielle Existenz. Sich nicht mehr gefährdet wissend und sich einer gesicherten Existenz erfreuend, wird man in Kurzem zum Gefühle und durch dieses zur Erkenntniß wenigstens der schreiendsten Misbräuche und Irrthümer kommen, und der Erkenntniß wird der Abfall von dem Bisherigen auf dem Fuße folgen. Das Mormonenthum könnte sich dieser Erkenntniß, die seine ärgste Feindin ist, möglicherweise länger erwehren, wenn es sich vollständig von der übrigen Welt abzuschließen vermöchte. Aber einerseits beruht sein Wachsthum auf der Einwanderung, und anderntheils erlaubt der Geist unserer Zeit überhaupt keine derartige Isolirung. Keine zwanzig Jahre wird es dauern, so wird die Rieseneisenbahn, welche den Atlantischen mit dem Stillen Ocean verbinden soll, vollendet sein, und diese Schienenstraße muß das Gebiet der Mormonen wo nicht durchschneiden, doch berühren. Sie wird den Werth des Landes steigern, indem sie die Preise der Producte erhöhen wird. Sie wird aber auch die Ader sein, durch welche das Lebensblut des neunzehnten Jahrhunderts, die Aufklärung und die Bildung desselben wieder in dieses abgebundene Glied der geschichtlichen Menschheit dringt. Höchst wahrscheinlich wird die Reaction des gesunden Menschenverstandes sich schon früher durch den Wahn und die Bethörung Bahn brechen, die jetzt die Massen gefangen halten. Die erste Störung der jetzigen Harmonie wird vermuthlich von der Vielweiberei ausgehen. Man kehrt damit zu asiatischer Barbarei zurück, während man auf der andern Seite doch durch eifrige Sorge für Unterrichtsanstalten die Bildung zu fördern bemüht ist. Man giebt den Mädchen eine gleich gute Erziehung wie den Knaben, und doch läßt man ihnen in der Praxis fühlen, daß sie tief unter dem Manne stehen. Die Rücksichten und Aufmerksamkeiten, welche die Sitte civilisirter Nationen dem weiblichen Geschlechte zu erweisen gebietet, sind dem Mormonen eine unsinnige »heidnische Mode«, und sein Weib hat keinen andern Werth als den einer »Mutter in Israel,« d. i. aus der Sprache frommer Phrasen in die gewöhnliche Rede übersetzt: sie hat nur Werth als Maschine zur Füllung des Landes mit den sechzigtausend Einwohnern, die zur Verwandlung des Territoriums in einen Staat erforderlich sind. Das ist eine Philosophie für Feldmäuse und Kaninchen, nicht für Menschen. Selbst der Türke sieht die Sache nicht von diesem Standpunkte an. Ueberdies aber werden die Harems Asiens mit Mädchen gefüllt, die man nicht um ihre Einwilligung gefragt hat. Das Mormonengesetz dagegen erlaubt den jungen Damen, die zur Versiegelung begehrt werden, Einspruch zu thun, wenn es sie auch mit dem Zorne des Herrn bedroht, wofern sie seiner Anordnung sich nicht unterwerfen. Denke man sich nun, daß einem jungen Mädchen von einigem Zartgefühl die Frage vorgelegt würde, ob sie wohl Neigung spüre, Frau Y. Nummer 20 zu werden, oder ob sie sich einem Manne vermählen lassen wolle, der nach einigen Jahren sie, die dann Verblühte, vernachlässigen, auf Wochen unsichtbar werden und endlich eines schönen Morgens in ihr Zimmer treten könne, um ihr zu sagen: »Freue mich von Herzen, Dich einmal zu sehen, Liebste; würde entzückt sein, ein Stündchen mit Dir zu verplaudern, aber -- hm, beiläufig -- hast Du wohl schon meine neueste Braut Nummer 10 gesehen? -- ein recht nettes Kind!« Denke man sich diese Frage einer jungen Dame von Erziehung vorgelegt, so wird man über die Antwort nicht in Zweifel sein, und in der That sind schon jetzt die Fälle nicht selten, daß Bürgerinnen von Deseret, die, von hochstrebenden oder bigotten Müttern genöthigt, auf Versiegelungen mit dem einen oder dem andern Pascha der Secte eingegangen waren, ihrem Besitzer entflohen, um sich mit den Mischlingen der Grenze oder Indianern zu verheirathen, indem sie das rauhe Leben in den Lederzelten der Wüste der unwürdigen und langweiligen Stellung im Harem jenes Nachfolgers der Erzväter vorzogen. Wenn das aber am grünen Holze geschieht, was soll's mit dem dürren geben? Ein zweiter Grund zu Zwistigkeiten wird die vom Propheten Joseph herrührende emendirte Bibel sein, die dem Vernehmen nach in Kurzem erscheinen wird. Bis jetzt war für Angriffe auf die Lehre und für Prüfung derselben kein fester Halt vorhanden. Alles war fortwährende Verwandlung, unaufhörliche Vervollständigung. Mit jener Bibel wird der Abschluß dieser Entwickelung gegeben sein, und nicht lange wird es dauern, ehe sich aus der Interpretation des Grundbuchs Secten in der Secte bilden. Eine fernere Ursache zu Zerwürfnissen liegt in der Einwanderung von Elementen, welche nicht aus Fanatismus, sondern um ihre Verhältnisse zu verbessern kommen. Schon jetzt beklagen sich die Führer der Secte häufig über die Selbstsucht, die unter dem Volke herrsche, während die Ausführung der Pläne Joseph Smiths und Brigham Youngs eine Selbstverläugnung des eigenen Interesses fordert, wie sie bisher nur die Mitglieder der Gesellschaft Jesu an den Tag legten. Ganze Familien wandern aus den englischen Manufacturdistricten nach dem Mormonenlande aus, weil ein Sohn oder der Vater von den Emissären der Latterday-Saints bekehrt worden ist, und weil man ihnen, die hier Noth leiden, dort eine Fülle des Besitzes in Aussicht stellt. Viele dieser Emigranten gehörten in der Heimat den Chartisten, diesen rothen Republikanern Englands, an. Sie kommen in Deseret an und müssen sich hier ganz gegen ihre Meinung von Dem, was der ideale Staat ist, verhalten, müssen sich Gesetzen, die sie nicht gemacht haben, unterwerfen, müssen Maßregeln, die sie im Stillen als Tyrannei verwünschen, wie göttlichen Geboten gehorchen. Andere werden durch ihren Aberglauben über diese Misstände verblendet und getröstet. Den Ungläubigen versüßt sich die bittere Pille nicht, und diese »Mormonischen« werden daher die erste Gelegenheit ergreifen, die sich darbietet, um das mit Widerwillen getragene Joch abzuschütteln. Eine vierte Mine, die über kurz oder lang explodiren muß, haben die Lenker der Angelegenheiten in Deseret sich selbst in der Besteuerung durch den Zehnten gegraben. Durch dieses System werden ungeheure Summen aufgehäuft und der Präsidentschaft zur Verfügung gestellt, ohne daß diese über ihre Verwendung Rechenschaft zu geben hätte. Die Bestimmung des Zehnten ist die, daß er zum Unterhalt der Priester und für Anstalten der öffentlichen Wohlfahrt verwendet werden soll. Wie aber, wenn er zu Privatzwecken des Sehers und seiner Vertrauten verwendet würde? Niemand weiß es, mancher Verständige wird es bei der Versuchung, die in der unverantwortlichen Verwaltung liegt, für möglich, mancher Mistrauische es für sehr wahrscheinlich und vielleicht für ausgemacht halten. Es kann nicht lange dauern, so werden diese Gedanken sich in Stimmen verwandeln. Man wird es unerträglich finden, daß die Hirten der Heerde sie wirklich als Heerde behandeln, die nichts hineinzureden hat, wenn der Schäfer ihre Wolle verwerthet. Man wird die Klügeren und Kühneren mit der Vermuthung, daß Alles im Grunde auf eine religiöse Speculation hinauslaufe, nicht mehr hinter dem Berge halten sehen. Der Arbeiter, der auf staubigem Felde sich mit Hacke oder Grabscheit quält, wird die unmuthige Frage aufwerfen, ob die Lasten und die Rechte nicht allzu ungleich vertheilt seien, wenn dort in prächtiger Karosse, Musik vorauf, ein glänzendes Gefolge hinterher, der Präsident der Kirche mit seinen zwei Dutzend Weibern über das Gefilde fliegt, während hier der Arme im Schweiße seines Antlitzes den Hafer für die sechs Pferde vor dem Wagen, den Unterhalt des Harems und die Kosten für den gesammten Prunk des heiligen Mannes verdienen hilft. Endlich ist das gute Einvernehmen zwischen der Präsidentschaft und den übrigen talentvollen Persönlichkeiten unter den Latterday-Saints keineswegs so fest gegründet, daß es über alle Störung erhaben wäre. Was dem ersten Triumvirate mit dem Propheten Joseph an der Spitze geschehen konnte, kann -- wenn auch nicht so leicht wie damals -- auch jetzt wieder eintreten. »Es bedarf keines übergroßen Scharfblicks,« sagt Gunnison, »um die wachsende Neigung zu anderen Persönlichkeiten als denen, die jetzt die Regierung bilden, zu bemerken, und wenn Parteien entstehen, so wird die Bewunderung Young's bald keine allgemeine mehr sein. Noch haben sich deren keine zu Gunsten dessen gebildet, welcher jetzt den zweiten Rang im Staate einnimmt, und welcher als der beste Geschäftsmann im Thale gilt. Aber es würde nur wenig tyrannisches Gebahren, nur wenig Neuerung in der Lehre auf Seiten des Sehers bedürfen, um die Anklage auf Ehrgeiz und Ketzerei hervorzurufen. Wie Lucifer im Himmel und Rigdon in Nauvoo würde er von zahlreichen Stimmen seiner hohen Stellung verlustig erklärt werden, und ein Votum der Gemeindevorsteher oder der Wille der Mehrheit des Volkes würde ihn absetzen.« Brigham Young ist sich dessen wohl bewußt. Er weiß, daß hinter der Theokratie fortwährend die Demokratie lauert, und er hütet sich vor ihr mit aller der Schlauheit, die ihm eigen ist. Er nimmt sich in Acht vor unüberlegten Offenbarungen, läßt lieber merken, daß sehr bald Dinge von höchster Wichtigkeit ans Licht treten werden, und versichert, daß Joseph der Seher mehr Schöpfungen zu vollenden gelassen habe, als man in fünf Jahren fleißigsten Arbeitens zu Stande bringen könne. Wenn man erfüllt habe, was er im Auftrage Gottes aufgegeben, so könne man sich von den Engeln mehr Licht erbitten. Alle diese Samenkörner des Ehrgeizes, des Mistrauens und des Misvergnügens sind in einen fruchtbaren Boden gesäet, und läßt man sie sich ruhig bestocken und aufsprossen, so werden sie in Kurzem die Einigkeit zerstören, welche die Gemeinschaft der Mormonen so achtunggebietend und so furchtbar für Jeden macht, der sie nach seinem Willen zu zwingen sich versucht fühlen möchte. Man kann dieses Volk recht füglich mit den Puritanern von Neuengland in den ersten Jahrzehenten nach ihrer Niederlassung in Amerika vergleichen. Sie haben ganz denselben Muth, ganz dieselbe Thatkraft und Ausdauer, ganz dieselbe bigotte Ausschließlichkeit bewiesen, haben noch furchtbarere Verfolgungen überlebt, haben noch öfter als jene im Besiegtwerden gesiegt und eine noch ödere Wüste in's Joch der Cultur gezwungen, so daß »jetzt zwei Grashalme wachsen, wo vorher nur einer wurzelte.« Sie haben alle diese Resultate erreicht, obwohl ihr Charakter bei Weitem nicht so rein und edel und ihre Sache um Vieles weniger gerecht ist, als die des Häufleins der Pilgerväter des siebzehnten Jahrhunderts. Auf dem einen Schauplatze hat das theodemokratische Regiment herrliche Früchte gebracht, und ist in diesen Früchten untergegangen. Möge es auf dem andern Schauplatze ebenso sein. Die Hoffnung dazu ist vorhanden. Druck von Fr. Ries in Leipzig. ------------------------------------------------------------------------ =LEIPZIG, bei CARL B. LORCK:= =(Johannesgasse Nr. 6--8, Nies' Haus.)= =Illustrirte Conversationshefte.= =Nr. 1--12.= =Mit vielen Abbildungen und Karten.= =Preis einer jeden Nummer 5 Ngr.= ------- =Die allgemein wichtigen Fragen der Gegenwart sollen in diesen Heften populär, jedoch gründlich, behandelt, und durch bildliche Darstellungen Das zur Anschauung gebracht werden, was leichter durch das Auge als durch Beschreibung Eingang findet.= =Jedes Heft bildet ein Abgeschlossenes und ist einzeln zu haben zu dem Preise von 5--10 Ngr.= =Vierundzwanzig Hefte, welche im Subscriptionspreise 4 Thlr. kosten, bilden einen Band, wozu Haupttitel und Inhaltsverzeichniss geliefert werden, ausserdem werden aber passende Abschnitte mit Separattiteln versehen.= ------- =Nr. 1) Der Sund und die Belte. 2) Die schwedische Ostsee. 3) Der finnische Meerbusen. 4) Die Krim und das Schwarze Meer. 5) Die Donau und der Balkan. 6) Die Kaukasischen Länder. 7) Die Orientalische Frage. 8) Die Russen in den Donaufürstenthümern. 9) Der Winterfeldzug an der Donau. 10) Die Alliirten und Russland. 11) Die Pontus-Expedition. 12) Die Belagerung Sebastopols.= =Nr. 1--6 bildet vollständig den Kriegsschauplatz im Norden und Süden. Nr. 7--12 den Russisch-Türkischen Krieg (1853--1854), jedes mit Titel und Inhalt versehen.= -------------- So eben erschien in #6ter Auflage#: =_Jahn's_= =ILLUSTRIRTES REISEBUCH=. =Ein Führer durch Deutschland, die Schweiz, Tyrol, Italien, und nach _Paris_, London, Brüssel, Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm, Warschau etc.= =Mit einer Reisekarte von Deutschland, und über 300 Ansichten.= =Preis 3 Thlr. Pr. Crt.= Das Buch zeichnet sich durch elegante Ausstattung und schöne Illustrationen aus, die dem Reisenden die Eindrücke schöner Gegenden, Gebäude und Sehenswürdigkeiten bleibend erhalten. -- Die neuesten Eisenbahnen sind berücksichtigt und der Inhalt sehr correct, fleißig und übersichtlich bearbeitet, das Format ist bequem, das Buch praktisch eingerichtet und gut gebunden. _Leipzig_, 1855. Voigt & Günther. ------------------------------------------------------------------------ Verlag von _Carl B. Lorck_ in _Leipzig_. ------- H. C. Andersen _Gesammelte Werke._ Vom Verfasser selbst besorgte Ausgabe. Mit dem Portrait des Verfassers in Stahl gestochen. 38 Bände kl. 8. Der Preis eines Bandes beträgt nur 10 Ngr. ------- #Inhalt#: 1--2. Bd. Das Märchen meines Lebens. 2 Bde. -- 3--5. Bd. Der Improvisator. Roman. 3 Bde. -- 6--8. Bd. O. Z. Roman. 3 Bde. -- 9--11. Bd. Nur ein Geiger. Roman. 3 Bde. 12--15. Bd. Gesammelte Märchen. 4 Bde. -- 16. Bd. Bilderbuch ohne Bilder. -- 17. Bd. Reiseschatten. -- 18--21. Bd. Eines Dichters Bazar. 4 Bde. -- 22--25. Bd. Dramatische Werke. 4 Bde. -- 26--28. Bd. Gesammelte Gedichte. 3 Bde. -- 29--30. Bd. Ahasverus. 2 Bde. -- 31. Bd. Neue Märchen. -- 32--35. Bd. Die zwei Baronessen. Roman. 4 Bde. -- 36--37. Bd. In Schweden. 2 Bde. -- 38. Bd. Historien. ------- Jedes Werk ist auch einzeln zu haben. -------------- Boz (Dickens) _Gesammelte Werke._ Uebersetzt von #H. Roberts#, #E. A. Moriarty# und #J. Seybt#. Neue Cabinet-Ausgabe in kl. 8. Nach den letzten Ausgaben der englischen Originale auf's Neue revidirt von J. Seybt. Mit einer literar-historischen Einleitung von =Dr.= Julian Schmidt. ------- 21 Bände zusammen von gegen 620 Bogen. Subscriptionspr. 16 Thlr. Einzelne Bände kosten 1 Thlr. ------- #Inhalt#: 1. u. 2. Bd. David Copperfield. -- 3. u. 4. Bd. Bleakhouse. -- 5. u. 6. Bd. Die Pickwickier. -- 7. Bd. Oliver Twist. -- 8. u. 9. Bd. Nikolas Nickleby. - 10. u. 11. Bd. Der Raritäten-Laden. -- 12. u. 13. Bd. Barnaby-Rudge. -- 14. u. 15. Bd. Martin Chuzzlewit. -- 16. u. 17. Bd. Dombey und Sohn. -- 18. Bd. Weihnachtsmärchen. -- 19. Bd. Londoner Skizzen. -- 20. Bd. Reiseskizzen. -- 21. Bd. Harte Zeiten. ------------------------------------------------------------------------ [ Hinweise zur Transkription Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden Ausnahmen: Seite 2: "verbreitester" geändert in "verbreitetster" (Wechselfieber, Amerika's verbreitetster Krankheit) Seite 9: "Seite" geändert in "Seiten" (waren auf beiden Seiten mit ägyptischen Charakteren gefüllt) Seite 16: "mehrmas" geändert in "mehrmals" (sie dieselben mehrmas in zahllosen Horden mit Krieg überzogen) Seite 22: "Jernsalems" geändert in "Jerusalems" (die Zukunft dieses Neuen Jerusalems der Heiligen eröffnete) Seite 23: "Kecht" geändert in "Knecht" (in der ihm Jehova gebot, »seinen Knecht Rigdon« und einen) Seite 30: "jünsten" geändert in "jüngsten" (neue »ewige Wohnung« der Heiligen vom jüngsten Tage) Seite 43: "worden" geändert in "werden" (die Weiterreise bis zum nächsten Frühjahre aufgeschoben werden) Seite 55: "schönen" geändert in "schönem" (in eine Nation von schönem Aeußeren und weißer Hautfarbe verwandelt) Seite 55: "ich" geändert in "sich" (das stärkste Kriegsgefolge um sich versammelt) Seite 61: "Beisall" geändert in "Beifall" (sichert den Beifall des schönen Geschlechts) Seite 69: "zeigte" geändert in "zeugte" (so zeugte es nichtsdestoweniger von einem richtigen Verständnisse) Seite 78: "Hirngepinnsten" geändert in "Hirngespinnsten" (möglichster Sichtung dieses Wustes von Hirngespinnsten) Seite 78: "sofort" geändert in "so fort" (und so fort zurück bis zum Ur- und Hauptgotte) Seite 80: "»" eingefügt (Lucifer antwortete: »Siehe, sende mich hinab,) Seite 84: "Melchisede" geändert in "Melchisedek" (das Priesterthum der Ordnung Melchisedek aufs Neue) Seite 87: "Anchangel" geändert in "Archangel" (Miltons: »=Archangel ruined and a perfect gentleman.=«) Seite 94: "«" eingefügt (plötzlich auf ein Mal mitgetheilt würde.«) Seite 98: "spririt" geändert in "spirit" (The spirit of God like a fire is burning) Seite 99: hinter "Aaron" ein "," eingefügt (nach dem ersten Hohenpriester Israels, Aaron, die aaronische) Seite 102: "Bewohner" geändert in "Bewohnern" (daß viele unter den Bewohnern Deserets) Seite 112: "Her" geändert in "Herr" (sie soll vertilgt werden, sagt der Herr euer Gott) Seite 116: "erzielen" geändert in "erziehen" (eine Familie in gottwohlgefälliger Weise zu erziehen) Seite 117: "gehietet" geändert in "gebietet" (gebietet dem Bräutigam, seiner Frau und der Braut) Seite 158: "Pilger-väter" geändert in "Pilgerväter" (als die des Häufleins der Pilgerväter des siebzehnten)] End of the Project Gutenberg EBook of Die Mormonen, by Moritz Busch *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE MORMONEN *** ***** This file should be named 46308-8.txt or 46308-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/4/6/3/0/46308/ Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. 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Newby Chief Executive and Director [email protected] Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.