Unterricht in der Beredsamkeit

By Marcus Fabius Quintilianus

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Title: Unterricht in der Beredsamkeit

Author: Marcus Fabius Quintilianus

Editor: Otto Güthling

Translator: W. Nicolai

Release date: March 16, 2025 [eBook #75632]

Language: German

Original publication: Leipzig: Verlag vonPhilipp Reclam jun. Leipzig, 1916

Credits: Richard Scheibel and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK UNTERRICHT IN DER BEREDSAMKEIT ***

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Anmerkungen zur Transkription

Das Original ist in Fraktur gesetzt, fremdsprachige Passagen in
Antiqua. Es gibt außerdem einige griechische Ausdrücke.

  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Symbole gekennzeichnet:
        gesperrt:        #Raute#
        Latein:          ≈Doppelwelle≈

Einige wenige offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend
korrigiert. Uneinheitliche Schreibweisen von Eigennamen wurden wie im
Original belassen.

Die Fußnoten des Vorworts wurden als Endnoten an das Ende des Vorworts
gesetzt.

Seite 45: der Begriff „hinzunehmen” wurde wie im Original belassen.
Vom Zusammenhang her wäre jedoch vermutlich „hinzuzunehmen” zu
schreiben (das Urteil des Calvus an manchen Stellen hinzunehmen?)

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Unterricht

in der Beredsamkeit

Von

Marcus Fabius Quintilianus

Übersetzt von W. Nicolai

Neue, verbesserte Ausgabe

von Prof. ≈Dr.≈ #Otto Güthling#

Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig




Holzfreies Papier

Druck von Philipp Reclam jun.

Leipzig




Einleitung


#Marcus Fabius Quintilianus#[A], über dessen Lebensverhältnisse uns nur
wenige Zeugnisse erhalten sind, lebte im 1. Jahrhundert n. Chr. Daß
Calagurris[B] in Spanien und nicht Rom sein Geburtsort gewesen ist, ist
wohl nicht zu bezweifeln. Weniger sicher ist die Angabe seines
Geburtsjahres. Früher hat man das Jahr 42 angenommen, es ist indessen
besonders aus seinen eigenen Erwähnungen des im Jahre 59 verstorbenen
Domitius Afer wahrscheinlich, daß diese Zeit um einige Jahre zu spät
ist, und das Jahr 35 wahrscheinlich das Jahr seiner Geburt ist. Seinen
Vater, der Rhetor war, erwähnt er IX, 3, 73. Wenn er auch bisweilen
seinen Jugendunterricht erwähnt (I, 2, 23; II, 4, 26), so nennt er doch
nirgends seine Lehrer; nur die ausgezeichneten Redner führt er an, die
zu hören er Gelegenheit gehabt hat, wie Julius Africanus (X, 1, 118;
XII, 11, 3), Servilius Novianus (X, 1, 102), Galerius Trachalus, Vibius
Crispus, Julius Secundus (XII, 9, 11). Nachdem er um das Jahr 59 in
seine Heimat zurückgekehrt war, hielt er sich daselbst als Lehrer der
Beredsamkeit acht Jahre (bis 68) auf, in welchem Jahre ihn Galba, der
Statthalter im tarrakonensischen Spanien war, mit sich nach Rom
zurücknahm.

Seit dieser Zeit begann er in Rom teils als Sachwalter aufzutreten,
teils rhetorischen Unterricht zu erteilen.

Daß er auf dem Forum in Prozeßsachen geredet, sagt er IV, 2, 86, und an
einer andern Stelle (VII, 2, 24) beklagt er sich über die
Nachlässigkeit der Stenographen, welche seine Reden in ganz
verfälschter Form unter das Publikum gebracht hatten. Dagegen gelangte
er als Lehrer der Beredsamkeit zu großem Ansehen, so daß sein Name
sprichwörtlich gebraucht wurde. Und als Vespasian Gehälter für die
Lehrer aus dem Fiskus anwies, neben welchen natürlich das Honorar der
Schüler bestehen blieb, war Quintilian der erste, der ein solches
erhielt; angeblich bezog er ein Gehalt von 18000 Mark. Unter seinen
Schülern sind die berühmtesten der jüngere Plinius (Briefe II, 14, 10;
VI, 6, 3) und die Enkel der Schwester Domitians, Domitilla, die Söhne
des später (95 oder 96) hingerichteten Flavius Clemens, vielleicht auch
Cornelius Tacitus. Aus seinem Unterrichte sind die ≈libri duo artis
rhetoricae≈ (zwei Bücher über Rhetorik), vielleicht auch die gegen
seinen Willen in die Öffentlichkeit gelangten ≈sermones≈ (Gespräche)
hervorgegangen; eine Frucht seiner Studien war auch die Schrift ≈de
causis corruptae eloquentiae≈ (Über die Ursachen des Verfalls der
Beredsamkeit), die man früher irrigerweise in dem Dialoge des Tacitus
über die Redner wiederzuerkennen vermeint hat.

Nach zwanzigjährigem öffentlichen Lehramte trat er etwa um 91 von
demselben zurück und erhielt bald darauf durch Domitian ≈consularia
ornamenta≈ (Rang und Vorteile eines Konsuls). In dieser Zeit begann er,
von vielen Seiten aufgefordert, die Abfassung des umfassenden Werkes
≈de institutione oratoria≈ (Unterricht in der Beredsamkeit), das
innerhalb zweier Jahre vollendet, dann aber einer wiederholten Feile
und Durchsicht unterworfen wurde. Jedenfalls ist es vor dem 96
erfolgten Tode Domitians vollendet worden, denn nur so lassen sich die
auffallenden Schmeicheleien gegen diesen abscheulichen Kaiser (IV, 1,
2; X, 1, 91) und das bereitwillige Eingehen auf die Verdächtigung der
Philosophie, die gerade unter dieser Regierung den heftigsten
Verfolgungen ausgesetzt war, erklären, aber nie und nimmer
entschuldigen. Dem Werke geht eine kurze Zuschrift an den berühmten und
unserm Schriftsteller befreundeten Buchhändler Trypho voraus, auf
welche die Widmung an den Rhetor Marcellus Victorius folgt, dessen Sohn
Quintilian unterrichtet hatte.

Von seiner Gattin, die ihm im noch nicht vollendeten 19. Lebensjahre
durch den Tod entrissen wurde, hatte er zwei Söhne, von denen der eine
im 5., der andere im 10. Lebensjahre starb. In ergreifender Weise gibt
er seinem Schmerze über diese Schicksalsschläge im Vorwort zum VI.
Buche Ausdruck. Sein Todesjahr läßt sich nicht nachweisen;
wahrscheinlich hat er ein Alter von ungefähr 70 Jahren erreicht. Die
Annahme, er sei 118 gestorben, ist sicherlich nicht richtig.

Den Inhalt der zwölf Bücher „Unterricht in der Beredsamkeit” gibt
Quintilian in dem Vorwort zum I. Buche also an:

„Das erste Buch wird nämlich das enthalten, was dem Berufe des Rhetors
vorangeht. Im zweiten werden wir die ersten Anfänge bei dem Rhetor und
die Fragen über das Wesen der Rhetorik behandeln. Fünf weitere Bücher
sollen der Erfindung (denn daran wird sich auch die Anordnung
anschließen) und vier dem rednerischen Ausdruck (wobei das
Auswendiglernen und der Vortrag seine Stelle erhält) gewidmet werden.
Dazu kommt noch ein Buch, in welchem der Redner selbst von uns
herangebildet werden soll, und worin wir, soweit es unsere schwache
Kraft vermag, über die Sitten desselben handeln wollen, über die
Grundsätze, nach welchen er Prozesse übernehmen, sich davon
unterrichten und sie führen soll, welche Gattung der Beredsamkeit er
wählen, wann er aufhören soll, Prozesse zu führen, und von seinen
nachherigen Studien.” Also ein vollständiges Lehrbuch der Rhetorik, das
von dem ersten Jugendunterrichte an bis zu dem Auftreten des
ausgebildeten Redners enzyklopädisch alles umfassen sollte, was auch in
einer der öffentlichen Beredsamkeit nicht sehr geneigten Zeit
erforderlich war. Quintilian stellt an den Redner höhere sittliche
Ansprüche und baut auf sittliche Grundsätze sein System des gesamten
rhetorischen Wissens. Er hat weniger die zahlreichen Werke griechischer
Autoren benutzt, als vielmehr sich seinem großen Meister und Vorbilde
Cicero angeschlossen (VII, 3, 8: Ich wage kaum, in meiner Ansicht von
Cicero abzuweichen). Daher sind die Beziehungen auf griechische Quellen
(Dionysios von Halikarnaß und Cäcilius) im ganzen selten, und selbst da
ist nicht immer sicher, ob er auch wirklich aus Originalen geschöpft
hat; wenigstens lassen sich so die Ungenauigkeiten erklärten. Dagegen
sind überall zahlreiche Belege für ein eindringendes Studium
ciceronianischer Schriften vorhanden, das auch auf die Reinheit und
Sauberkeit der Darstellung den besten Erfolg geübt hat.

So ist es denn nicht zu verwundern, daß dies reichhaltige Lehrbuch zu
allen Zeiten großes Ansehen genossen hat und selbst im Mittelalter
vielfach benutzt worden ist. Auch #Friedrich der Große# hat den
Quintilian sehr hoch geschätzt; das beweist das Kabinettsschreiben des
Königs an den Staatsminister von Zedlitz vom 6. September 1779:

  „Da ich gewahr geworden, daß bei den Schul–Anstalten noch viele
  Fehler sind, und daß besonders in kleinen Schulen, die Rhetoric und
  Logic, nur sehr schlecht oder nicht gelehrt wird, dieses aber eine
  vorzügliche und höchst nothwendige Sache ist, die ein jeder Mensch,
  in jedem Stande, wissen muß, und das erste Fundament, bei Erziehung
  der jungen Leute sein soll, denn wer zum besten raisoniret, wird
  immer weiter kommen, als einer, der falsche consequences zieht, so
  habe euch hierdurch Meine eigentliche Willens–Meinung dahin bekannt
  machen wollen: wegen der Rhetoric, ist der Quintilien, der muß
  verdeutschet, und darnach in allen Schulen informirt werden, sie
  müssen die jungen Leute ≈traductions≈ und ≈discourse≈ selbst machen
  lassen, daß sie die Sache recht begreifen, nach der Methode des
  Quintilien, man kann auch ≈Abrégé≈ daraus machen, daß die jungen
  Leute, in den Schulen, alles desto leichter lernen, denn wenn sie
  nachher auf Universitäten sind, so lernen sie davon nichts, wenn sie
  es nicht aus den Schulen schon mit dahin bringen.”

#Friedrich August Wolf# nennt Quintilian „einen trefflichen Autor,
teils der Sache, teils der herrlichen Sentiments wegen, besonders das
zehnte Buch, welches eine Repetition der griechischen und römischen
Literatur sei”. Das zehnte Buch bildet ein in sich abgeschlossenes
Ganzes, das auch ohne speziellere Kenntnis der übrigen Bücher
verständlich und von allgemeinerem Interesse ist. Vgl. #Karl Eduard
Güthling# in der Zeitschrift für das Gymnasialwesen 1869, S. 881 ff.,
und #Eckstein#, Lateinischer und griechischer Unterricht 1887,
S. 268 f.


Der Neubearbeitung der Nicolaischen Übersetzung von Quintilians
Unterricht in der Beredsamkeit, Buch X, habe ich eine #Einleitung# und
#erläuternde Anmerkungen# hinzugefügt; beides hielt ich zur Förderung
des Verständnisses der Schrift für nötig. Zugrunde gelegt habe ich, von
einigen Änderungen abgesehen, die Ausgabe von #E. Bonnell#, 6. Auflage
von #H. Röhl#, die, wie auch die Ausgabe von #G. T. A. Krüger#, 3.
Auflage von #G. Krüger#, mir bei der Übersetzung und Erklärung gute
Dienste geleistet hat.

Goldschmieden bei Breslau,
den 1. Juni 1926.

#O. Güthling#.




[A] Dies ist die richtige Schreibung des Namens, nicht Quinctilianus,
eine durchaus nicht genügend beglaubigte Form.

[B] Heute Calahorra, Stadt der Vaskones im tarrakonensischen Spanien.




≈ERSTES KAPITEL≈

Vom Wörtervorrat


Die bisher angegebenen stilistischen Regeln[1] sind zwar für die
Theorie unentbehrlich, tragen aber zur wirklichen Beredsamkeit wenig
bei, wenn nicht jene sichere Gewandtheit hinzukommt, welche bei den
Griechen ἕξιϛ heißt; ob wir diese nun in höherem Grade durch Schreiben,
durch Lektüre oder durch Übung im Reden erreichen, ist, wie ich weiß,
noch eine offene Frage, mit welcher wir uns eingehender zu beschäftigen
hätten, wenn wir uns mit einem von diesen drei Dingen begnügen könnten.
Allein sie sind alle so unzertrennlich miteinander verwachsen, daß man
sich vergeblich in einem bemüht, wenn man die anderen unberücksichtigt
läßt. Denn die Beredsamkeit wird weder Festigkeit noch Kraft besitzen,
wenn sie nicht durch Übung im Schreiben erstarkt ist, und ohne das
Vorbild der Lektüre wird wiederum jene Arbeit der rechten Ausbildung
entbehren[2]. Wer aber Stoff und Form der Beredsamkeit beherrscht, die
Worte jedoch nicht für alle Fälle in Bereitschaft hat, macht sich zum
Wächter toter Schätze[3]. Nun wird jedoch manches – trotz seiner
Notwendigkeit – für den Redner nicht gleich von vornherein große
Bedeutung haben. Denn da des Redners[4] Beschäftigung im Sprechen
besteht, so ist Gewandtheit hierin offenbar durchaus erforderlich und
hiermit zu beginnen, darauf folgt dann die Nachahmung und endlich
fleißige Beschäftigung mit Schreiben. Wie man aber einerseits die
höchste Vollendung nur durch Anfangen von unten erreichen kann, so
erscheint andererseits dem schon weiter Fortgeschrittenen der Anfang
bereits recht unbedeutend. Wir aber führen hier nicht aus, wie der
künftige Redner zu bilden ist – worüber wir schon hinlänglich oder doch
so gut, wie es uns möglich war, geschrieben haben[5] –, wir haben es
vielmehr mit der Frage zu tun, wie der Athlet, welcher von dem Lehrer
schon durch alle Stufen hindurchgeführt ist, zum Kampfe vorbereitet
werden muß. Wir wollen also einen Schüler unterrichten, welcher mit der
Auffindung und Disposition des Stoffes bereits vertraut ist und sich
mit der Wahl des Ausdrucks, sowie mit der Wortstellung hinreichend
beschäftigt hat; dieser soll jetzt erfahren, wie das von ihm Gelernte
auf die leichteste Art anzuwenden ist.

Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß sich der Schüler
gleichsam Schätze sammeln muß, die er nach Belieben verwenden kann;
diese bestehen aber in dem gehörigen Vorrat von Worten und Gedanken.
Die Gedanken sind aber in jedem einzelnen Falle verschieden oder doch
nur in wenigen Fällen gleich, die Worte muß er für alle in Bereitschaft
haben. Wenn nun nur ganz bestimmte Worte zur Bezeichnung der einzelnen
Gegenstände verwendet würden, so würde hierdurch die Arbeit sehr
vereinfacht, denn die Worte würden sich dann zugleich mit den
Gegenständen aufdrängen. Da aber bei verschiedener Gruppierung des
Inhalts bald diese, bald jene Ausdrücke treffender oder glänzender oder
wirkungsvoller oder wohlklingender erscheinen, so müssen dieselben
nicht allein in vollem Umfang bekannt, sondern auch stets in
Bereitschaft sein und dem Redner gleichsam vor Augen stehen, so daß er
sie urteilend mustern und ihrem Werte entsprechend auswählen kann. Ich
kenne Leute, welche alle gleichbedeutenden Redewendungen auswendig zu
lernen pflegten, damit ihnen sofort von der ganzen Fülle eine zur Hand
sei, und welche dann, sobald sie eine davon angewendet hatten, um die
Wiederholung zu vermeiden, eine andere gleichbedeutende Wendung
wählten, wenn kurz darauf ein ähnlicher Ausdruck notwendig war. Das ist
knabenhaft und erfordert unfruchtbaren Kraftaufwand, ja es ist nicht
einmal von Nutzen: man häuft so eine Menge auf, von der man dann ohne
Urteil das erste beste wählt. Wir aber müssen uns einen Vorrat mit
Urteil anschaffen, indem wir künftige rednerische Tüchtigkeit, nicht
marktschreierische Gewandtheit im Auge haben. Dies werden wir dadurch
erreichen, daß wir die besten Schriftsteller lesen und hören. Durch ein
derartiges Studium lernen wir nicht nur, die Gegenstände zu bezeichnen,
wir erfahren auch, welche Bezeichnung in jedem einzelnen Falle die
beste ist. Denn fast alle Worte – einige wenige, welche das Schamgefühl
verletzen, ausgenommen – lassen sich in der Rede anwenden. Denn wenn
die Jambendichter[6] und die Dichter der alten Komödie[7] auch bei
Anwendung solcher Ausdrücke sich Ruhm erworben haben, so genügt es uns,
uns auf unser Fach zu beschränken. Alle Worte, mit Ausnahme der
genannten, sind irgendwo ganz besonders gut verwendbar. Denn oft muß
man auch gewöhnliche und volkstümliche gebrauchen; was nämlich an
glänzenden Stellen durch seinen unreinen Klang verletzen würde,
erscheint, wo es am Platze ist, als treffend. Um darüber ein Urteil zu
gewinnen und nicht allein die Bedeutung der Worte kennenzulernen,
sondern auch ihre Flexionen und Quantität der Silben, so daß wir sie
überall nur an passenden Stellen anwenden, dazu müssen wir viel lesen
und viel hören, wie wir ja durch das Hören von Anfang an die Sprache
gelernt haben. Daher haben auch Kinder, welche auf Befehl irgendeines
Königs von stummen Ammen in der Einsamkeit erzogen wurden[8], zwar
einzelne Laute ausgestoßen, zusammenhängend aber nicht gesprochen.

Es gibt aber auch andersgeartete Ausdrücke, welche trotz der
Verschiedenheit der Laute ein und dasselbe bezeichnen, ohne daß im
Gebrauch ein Unterschied der Bedeutung fühlbar wäre, wie die beiden
Ausdrücke für Schwert (≈ensis≈ und ≈gladius≈), andere wieder bezeichnen
im eigentlichen Sinne allerdings etwas Verschiedenes, übertragen haben
sie jedoch die gleiche Bedeutung, so die beiden Ausdrücke ≈ferrum≈ und
≈mucro≈ (Eisen und Spitze). Nennen wir doch mißbräuchlicherweise
„Erdolcher” (≈sicarii≈) auch alle diejenigen, welche mit einer
beliebigen andern Waffe einen Mord vollbracht haben. Andere
Bezeichnungen gewinnen wir durch Umschreibung mit mehreren Worten.
Hierher gehört ≈pressi copia lactis≈, eine „Menge gepreßter Milch” (für
„Butter”)[9]. Eine große Mannigfaltigkeit des Ausdrucks erhalten wir
jedoch hauptsächlich durch Umgestaltungen wie ≈scio≈ „ich weiß”, ≈non
ignoro≈ „ich weiß wohl”, ≈non me fugit≈ oder ≈non me practerit≈ „es
entgeht mir nicht”, ≈quis nescit?≈ „wer weiß nicht?”, ≈nemini dubium
est≈ „es ist keinem zweifelhaft”. Aber auch von dem Nächstliegenden
kann man entlehnen. Denn ≈intellego≈, ≈sentio≈, ≈video≈ („ich verstehe,
erkenne, sehe ein”) sagen oft dasselbe wie ≈scio≈ („ich weiß”). Reiche
Fülle an solchen Ausdrücken wird uns die Lektüre geben, so daß wir
dieselben nicht, wie sie uns einfallen, sondern wie es der Sinn
erfordert, anwenden. Denn nicht immer haben diese Wendungen dieselbe
Bedeutung, und wie ich von einer Wahrnehmung des Geistes nicht richtig
sage: ≈video≈ „ich sehe”, so von einer sinnlichen Wahrnehmung nicht
richtig: ≈intellego≈ „ich sehe ein”, und wie einerseits ≈mucro≈ „die
Spitze” zu dem Begriffe ≈gladius≈ „das Schwert” gehört, so nicht auch
andererseits „Schwert” zu dem Begriffe „Spitze”. --

Aber macht man sich auch auf diese Weise eine Menge von Ausdrücken zu
eigen, so muß man doch nicht nur, um seine Wortkenntnis zu erweitern,
lesen oder Zuhörer sein. Denn in allen Fächern, welche wir lehren, sind
Beispiele weit wirksamer als die aufgestellten Kunstregeln, sobald der
Schüler so weit gekommen ist, daß er die Beispiele ohne ein
Fingerzeichen auffassen und aus eigenen Kräften befolgen kann: denn
worauf der Lehrer der Beredsamkeit nur hinweisen kann, das offenbart
der Redner.

Bald fühlen wir uns beim Lesen, bald beim Hören mehr angeregt. Der
Redner wirkt auf unser Gemüt schon durch den lebendigen Hauch[10],
durch seinen Geist, er reißt uns hin, nicht durch das Bild von einem
Gegenstand, sondern durch den Gegenstand selbst. Alles hat Leben und
Bewegung; das gleichsam erst Entstehende hören wir mit wachsender
Teilnahme. Nicht nur der Ausgang eines Prozesses, auch die Person des
Redners flößt uns Interesse ein. Dazu kommt die Aussprache, die
angemessenen Bewegungen, ein den Anforderungen jeder Stelle
entsprechender Vortrag – wohl das Wichtigste, alles dies ist zum Lehren
in gleicher Weise geeignet.

Hingegen ist beim Lesen das Urteil weit sicherer, da es beim Hören
öfter von der persönlichen Zuneigung und dem Geschrei der Menge
beeinflußt wird. Eine geheime Scheu warnt uns vor zu großem
Selbstvertrauen, wenn gleichzeitig selbst Fehlerhaftes der großen Menge
gefällt, und die Zuhörer auch das, was ihnen mißfällt, loben. Freilich
kann auch das Gegenteil eintreten, daß nämlich ein verkehrtes Urteil
auch den besten Reden nicht Gerechtigkeit widerfahren läßt. Von solchen
Einflüssen ist das Lesen frei und nicht, wie die Gerichtsrede, rasch
vorüberrauschend, im Gegenteil läßt dasselbe eine häufigere
Wiederholung zu, sei es, daß man über den Inhalt eines Werkes noch
zweifelhaft ist, oder es dem Gedächtnis fester einprägen will. Ich gebe
aber den Rat, das Gelesene immer und immer wieder gründlich zu
behandeln; denn wie wir Speisen erst kauen und mit Speichel anfeuchten,
bevor wir sie hinunterschlucken, damit sie besser verdaut werden, so
soll das Gelesene nicht im rohen Zustande, sondern erst, nachdem es
durch häufiges Wiederholen seine Sprödigkeit vollständig verloren hat,
dem Gedächtnis zur Nachahmung eingeprägt werden.

Lange Zeit nun dürfen nur die besten Schriftsteller, welche das ihnen
geschenkte Vertrauen am wenigsten täuschen, gelesen werden, und zwar
muß dies mit Genauigkeit und einer sich bis auf den Buchstaben
erstreckenden Sorgfalt geschehen: mit einem Durchstöbern einzelner
Teile ist nichts getan, sondern das von uns gelesene Buch ist wieder
ganz von vorn anzufangen, besonders wenn es sich um eine Rede handelt,
deren Vorzüge häufig mit Absicht verborgen gelassen werden. Denn oft
bereitet der Redner vor, verbirgt seine Ansicht, lauert auf und, was
erst in der Mitte seine Wirkung tun soll, bringt er im ersten Teile
vor. So gefällt es uns an seinem Platze nicht sonderlich, solange wir
noch nicht wissen, warum es gesagt ist. Wir müssen es daher
wiederholen, nachdem wir von allem Kenntnis genommen haben. Es ist aber
von größtem Nutzen, die Prozesse zu kennen, wenn wir die zugehörigen
Reden in der Hand haben, und womöglich die Gerichtsreden von beiden
Parteien zu lesen: so die gegnerischen Reden von Demosthenes und
Äschines[11], so die Reden des Servius Sulpicius und des Messalla[12],
von denen der eine für die Aufidia, der andere gegen sie gesprochen
hat, so die des Pollio und des Cassius bei Gelegenheit der Anklage des
Asprenas[13] und sonst viele. Ja, wenn beide auch keineswegs von
gleichem Werte sind, so wird man doch von ihnen Kenntnis nehmen müssen,
um den Prozeß kennenzulernen: so ist gegen Ciceros Reden[14] die des
Tubero gegen Ligarius und die des Hortensius für Verres zu halten. Auch
wird man mit Nutzen untersuchen, wie verschiedene Leute den gleichen
Prozeß geführt haben. So hat über das Haus Ciceros Calidius[15]
gesprochen, und Brutus für Milo eine Rede zur Übung verfaßt, wenn auch
Cornelius Celsus[16] irrigerweise annimmt, er habe sie auch gehalten.
Pollio und Messalla haben dieselben Personen verteidigt, und in meiner
Jugend waren glänzende Reden von Domitius Afer[17], Crispus
Passienus[18] und Decimus Lälius[19] für Volusenus Catulus[20] im
Umlauf.

Auch soll man beim Lesen nicht von vornherein der Überzeugung sein, daß
alles, was die hervorragendsten Schriftsteller gesagt haben, unter
allen Umständen vollkommen sei. Auch sie straucheln ab und zu, sie
erliegen der Last, sie zeigen sich nachgiebig gegen die Willkür ihres
Genies, auch sie sind nicht immer in voller Anspannung und werden müde;
scheint doch dem Cicero[21] ein Demosthenes und dem Horaz selbst sogar
Homer manchmal zu schlafen. Denn, wie hoch sie auch stehen, sie sind
doch Menschen, und denjenigen, welche in jedem ihrer Worte das Gesetz
der Beredsamkeit ausgedrückt finden, passiert es gar oft, daß sie die
schwächeren Partien nachahmen (das ist nämlich leichter) und die
höchste Stufe der Ähnlichkeit erreicht zu haben glauben, wenn sie den
Großen ihre Fehler abgesehen haben. Gleichwohl muß man ein Urteil über
so große Männer in bescheidener und besonnener Weise aussprechen, um
nicht – was so häufig geschieht – das zu tadeln, was man nicht
versteht. Und wenn man einmal nach einer Seite hin irren muß, dann
möchte ich noch lieber, daß ihren Lesern alles gefalle, als daß ihnen
vieles mißfalle.

Von höchstem Nutzen für den Redner, behauptet Theophrast[22], sei das
Lesen der Dichter, ein Urteil, dem sich viele anschließen. Und das mit
Recht. Denn bei ihnen kann man den hohen Gedankenflug, Erhabenheit im
Ausdruck, mannigfache Bewegung im Affekte und angemessene Behandlung
der Charaktere erwerben. Besonders sind es die durch tägliche
Anwaltstätigkeit auf dem Forum abgenutzten Talente, welche durch die
Süßigkeit der Poesie ihre Frische wiederfinden, und das ist der Grund,
weshalb Cicero meint[23], man müsse in dem Lesen der Dichter Erholung
suchen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß der Redner nicht in
allen Stücken dem Dichter folgen darf, nicht in der freien Wahl der
Worte und der Ungebundenheit der Konstruktionen. Die Poesie ist der
Darstellung des schönen Scheins gewidmet, und sie hat – abgesehen
davon, daß sie nur dem Genusse dient und diesem Ziele zustrebt, indem
sie Nichtwirkliches, ja sogar Nichtglaubliches darstellt – auch darin
einen besonderen Schutz, daß sie, gebunden an die Gesetze der Metrik,
nicht immer den treffendsten Ausdruck benutzen kann, sondern gezwungen
ist, von dem geraden Wege abweichend auf gewisse Auswege im Ausdruck zu
verfallen, wobei nicht allein einzelne Worte mit anderen vertauscht
werden müssen, sondern auch Verlängerungen, Verkürzungen, Umstellungen
und Teilungen einzutreten haben. Doch wir (Redner) müssen kampfgerüstet
im Felde stehen, über die wichtigsten Dinge entscheiden und nach dem
Siege streben. Dann dürfen freilich die Waffen durch langes Liegen und
Rosten nicht leiden, sondern sie müssen einen schreckenverbreitenden
Glanz haben, wie es der des blinkenden Stahles ist, welcher Sinn und
Auge blendet, nicht wie es der des Goldes und Silbers ist, welcher –
unkriegerisch, wie er ist – dem Besitzer eher Schaden als Nutzen
bringt.

Auch die Geschichtswerke, wie sie in breitem, erfreulichem Strom
dahinfließen, können dem Redner Nahrung zuführen; allein auch sie muß
man mit dem Bewußtsein lesen, daß die meisten ihrer Vorzüge für den
Redner Fehler bedeuten. Denn die Geschichte steht der Poesie[24] sehr
nahe, und was sie bietet, ist gewissermaßen ein Gedicht in ungebundener
Sprache, ihr Zweck ist Erzählung, nicht aber Beweise zu geben, und ihr
ganzes Ziel richtet sich nicht auf gerichtliche Tätigkeit oder auf eine
Kampfbereitschaft für den Augenblick, sondern ihre Werke werden verfaßt
der Nachwelt zum Gedächtnis, dem Verfasser zum Ruhm. Deshalb muß sie
durch seltenere Ausdrücke und freiere Konstruktionen Abwechslung in die
Darstellung zu bringen suchen. Daher müssen wir (die Redner) dem
Richter gegenüber, der von vielerlei Gedanken eingenommen und häufig
auch ungebildet ist, nicht, wie gesagt[25], nach der Kürze des Sallust
greifen, die dem Ohre des unbeschäftigten und gebildeten Zuhörers in so
hohem Grade vollkommen erscheint, ebensowenig wird der Richter, dem es
nicht sowohl auf den Glanz der Darstellung als auf die Zuverlässigkeit
des Gesagten ankommt, bei einem Redner von der reinen, gesunden Fülle
des Livius hinreichend Aufklärung finden. Deshalb hält M. Tullius[26]
nicht einmal Thukydides oder Xenophon zur Ausbildung des Redners für
nützlich, obwohl er von dem einen sagt, daß er „die Kriegstrompete
blase”, von dem andern, daß „die Musen durch seinen Mund gesprochen
hätten”. Gleichwohl dürfen wir bei Abschweifungen auch diesen der
Geschichtschreibung eigenen Glanz anwenden, nur müssen wir wohl im
Gedächtnis haben, daß wir für unsere Gerichtsreden nicht
Athletenmuskeln, sondern Soldatenarme brauchen, und wir dürfen nicht
meinen, daß das bunte Gewand, dessen Demetrius aus Phaleron sich, wie
man sagt, bediente, in dem Staub des Forums wohl angebracht sei. Noch
in anderer Beziehung kann man Nutzen, der gar nicht unbedeutend ist,
aus der Lektüre der Historiker ziehen – das gehört allerdings nicht
hierher –, nämlich indem man Kenntnis der Tatsachen und Beispiele
erhält, mit denen der Redner hauptsächlich ausgestattet sein muß, damit
er in seinen Zeugnissen nicht auf den Prozeßführenden angewiesen ist,
sondern die Hauptmenge derselben mit sorgfältiger Auswahl dem Altertum
entnehmen kann; diese eignen sich um so besser dazu, als sie von dem
Vorwurf der Parteilichkeit frei sind.

Wenn aber die Redner von der Lektüre der Philosophen vielfach abhängig
waren, so geschah das zu ihrem Schaden, da sie jenen doch selbst in den
besten Teilen ihrer Reden nachstanden. Denn über das Rechte, Gute und
Nützliche und die entgegengesetzten Begriffe reden sie hauptsächlich,
auch sind ihre Beweisführungen scharf, und in Rede und Gegenrede können
die Sokratiker[27] den künftigen Redner vorzüglich bilden; aber auch
für sie gilt das gleiche Urteil. Wir müssen uns nämlich darüber klar
sein, daß selbst, wenn wir über die gleichen Gegenstände sprechen, ein
großer Unterschied zwischen Gerichtsrede und wissenschaftlicher
Untersuchung, zwischen Forum und Hörsaal, Prozeß und gelehrter
Vorschrift besteht.

Da wir nun der Meinung sind, daß ein so großer Nutzen in der Lektüre
liege, so werden, glaube ich, die meisten fordern, daß wir auch das in
unser Werk aufnehmen, welche Schriftsteller gelesen werden sollen, und
worin der besondere Vorzug der einzelnen Autoren besteht. Aber jeden
für sich zu behandeln, würde eine Arbeit von endloser Ausdehnung sein.
Wenn nämlich M. Tullius im Brutus in so viel tausend Zeilen nur über
die römischen Redner spricht und dennoch über alle seiner Zeit
angehörige, mit denen zusammen er lebte, mit Ausnahme des Cäsar und
Marcellus[28] Stillschweigen beobachtet, wo wird da ein Ende zu finden
sein, wenn ich jene und die, welche später gelebt haben, und sämtliche
Griechen durchgehe? Daher war jene kurze Anweisung, welche sich in dem
Briefe des Livius an seinen Sohn findet[29], die kürzeste und
sicherste: nämlich man solle Demosthenes und Cicero lesen und die
anderen, je nachdem sie Demosthenes oder Cicero ähnlich wären. Das ist
zweifellos die Quintessenz auch unseres Urteils. Denn nur wenige oder
vielmehr kaum einer von denen, welche aus dem Altertum zu uns
herübergerettet sind, wird sich finden, der mit richtigem Urteil
gelesen nicht einigen Nutzen bringen wird; wie denn auch Cicero
bekennt, von jenen Schriftstellern des Altertums, die bei all ihrem
Geist der Kunst entbehren, sehr viel gelernt zu haben. Und nicht viel
anders urteile ich über die neueren. Denn wer hofft nicht, wenn auch
nur für den kleinsten Teil seines Werkes, ein Gedenken der Nachwelt?
Sollte es wirklich einen solchen geben, so werden wir ihn gleich bei
der Lektüre der ersten Zeilen erkennen und ihn dann so rasch aus der
Hand legen, daß uns das Experiment keinen großen Zeitverlust kostet.
Aber nicht das, was für einen beliebigen Teil unserer Wissenschaft
Bedeutung hat, ist in gleicher Weise auch zur Bildung des rednerischen
Ausdrucks, wovon wir hier sprechen, geeignet.

Bevor wir uns jedoch auf das einzelne einlassen, müssen wir erst
einiges Allgemeine über die verschiedenen Ansichten vorausschicken.
Einige nämlich meinen, daß man nur die Alten lesen müsse, und urteilen,
daß in allen anderen nicht die natürliche Beredsamkeit und männliche
Kraft sei; andere entzückt das Pikante und Üppige des Modernen und die
Kunst, mit der sie die Lust der unerfahrenen Menge zu erregen wissen.
Auch von denen, welche den rechten Weg zur Beredsamkeit verfolgen
wollen, halten die einen nur das Knappe und Dürftige und der
Verkehrssprache Nahestehende für das Gesunde und in Wahrheit Attische,
während andere für einen höheren Geistesflug und für eine erregtere,
geistvollere Schreibweise eingenommen sind; auch gibt es nicht wenige
Liebhaber des milden, glänzenden und blühenden Stils. Über diesen
Unterschied will ich ausführlicher reden, wenn ich die Schreibweise
untersuchen werde; unterdessen will ich in großen Zügen andeuten,
welche Lektüre diejenigen wählen müssen, welche sich eine sichere
Fähigkeit in der Redekunst erwerben wollen; einige nämlich – und gerade
die hervorragendsten – will ich herausgreifen. Es ist dann für die
aufmerksamen Leser leicht zu beurteilen, welche den von mir genannten
am nächsten stehen; es möge sich daher keiner beklagen, daß ich
vielleicht einige übergangen habe, die seinen besonderen Beifall
finden; denn das gebe ich zu, daß eine größere Anzahl gelesen werden
muß, wie ich nennen werde. Jetzt will ich aber die verschiedenen Arten
der Lektüre durchgehen, die ich für die, welche sich dem Rednerberuf
widmen wollen, für nützlich halte.

Wie also Aratus[30] mit Jupiter anfangen zu müssen glaubt, so werden
wir geziemend mit Homer beginnen. Denn wie dieser selbst sagt, daß dem
Ozean aller Flüsse und Quellen Lauf entspringe[31], so ist er Muster
und Ursprung für alle Arten der Beredsamkeit. Ihn dürfte niemand in
Behandlung eines bedeutenden Stoffes durch Erhabenheit, der Schilderung
alltäglicher Vorgänge durch Schlichtheit des Ausdrucks übertreffen. Er
ist zugleich blühend und kurz, lieblich und ernst, bald durch seine
Fülle, bald durch seine Kürze bewundernswert und nicht nur als Dichter,
sondern auch als Redner hervorragend. Denn um hier über diejenigen
seiner Reden, welche Worte des Lobes, der Ermahnung, des Trostes
enthalten, zu schweigen: entwickelt nicht das neunte Buch, welches die
Gesandtschaft an Achilles enthält, oder der in dem ersten Buche
erzählte Streit der Führer oder die im Rate gehaltenen Reden des
zweiten Buches alle Kunstregeln, die in Prozessen und Ratsversammlungen
angewendet werden? Daß dieser Dichter milde und erregte Leidenschaften
in seiner Hand gehabt habe, wird auch der Ungebildetste nicht leugnen.
Weiter, hat er nicht in dem Eingang seiner beiden Werke in wenigen
Versen das für Anfänge gültige Gesetz, ich sage nicht beobachtet,
sondern auch aufgestellt? Denn er macht sich den Hörer geneigt durch
die Anrufung der Göttinnen, welche, wie man glaubt, die Beschützerinnen
der Sänger sind, er erweckt die Aufmerksamkeit desselben, indem er die
Größe des Gegenstandes vor Augen stellt, und er führt ihn in das
Verständnis ein, indem er die Hauptsachen kurz zusammenfaßt. Wer aber
könnte kürzer erzählen, als der Bote, welcher den Tod des Patroklus
meldet[32], wer anschaulicher als der, welcher die Schlacht zwischen
den Kureten und Ätolern berichtet[33]? Auch die Gleichnisse,
Steigerungen, Beispiele, Abschweifungen, Bezeichnungen der Gegenstände
und Beweise, sowie die übrigen Arten von Beweisführung und Widerlegung
sind so mannigfaltig, daß auch die, welche über die „Künste”
geschrieben haben, die meisten Beispiele diesem Dichter entnehmen.
Endlich welcher Epilog ließe sich wohl vergleichen mit den Bitten des
den Achill anflehenden Priamus[34]? Geht Homer nicht überhaupt in
Worten, Sentenzen, Figuren und in der Anlage des ganzen Werkes über das
dem menschlichen Geiste gesteckte Maß hinaus? So ist es schon etwas
Großes, nicht: seine Vorzüge nachzuahmen – denn das ist unmöglich, aber
sie mit Verständnis zu erfassen. Er aber läßt zweifellos alle in jeder
Art der Beredsamkeit weit hinter sich, besonders die Epiker, eben weil
eine Vergleichung in einem ähnlichen Gegenstand am deutlichsten wird.
Ganz selten reicht an ihn heran Hesiod[35], dessen Gedicht zum großen
Teil mit Namen angefüllt ist. Gleichwohl sind seine Sentenzen wegen der
in ihnen enthaltenen Vorschriften von Wert. Ebenso verdient die
Leichtigkeit der Wortfügung und Komposition Billigung, und ihm muß der
Preis in der mittleren Stilgattung[36] zuerkannt werden. Bei
Antimachus[37] dagegen wirbt die Kraft und Würde und das über das
Gewöhnliche Erhabene des Ausdrucks um Beifall. Aber obwohl ihm die
Gelehrten fast übereinstimmend den zweiten Rang zuerkennen, so fehlt es
ihm doch so sehr an Schwung, Lieblichkeit, guter Anordnung und
überhaupt an Kunst, daß es ein deutliches Beispiel dafür ist, daß „an
zweiter Stelle stehen” und „ebenbürtig” sein etwas sehr Verschiedenes
ist. Panyasis[38], der von beiden etwas hat, erreicht, wie man meint,
in der Rede die Vorzüge beider nicht, den einen übertrifft er jedoch in
der Wahl des Stoffes, den andern in der Anordnung. Apollonius[39] ist
in den von den Grammatikern aufgestellten Kanon nicht gekommen, weil
Aristophanes und Aristarch[40] keinen ihrer Zeitgenossen darin
aufgenommen haben, er hat jedoch ein nicht zu verachtendes Werk verfaßt
von einem gewissen gleichmäßigen Fluß. Dem Stoff des Aratus[41] fehlt
das bewegende Moment, da keine Abwechslung, keine Leidenschaft, keine
Person, keine Rede von irgend jemand darin vorkommt. Seine Kräfte
reichen jedoch für das Werk aus, dem er sich gewachsen gefühlt hat.
Bewundernswert ist in seiner Art Theokrit[42]; aber jene ländliche
Hirtenmuse meidet nicht nur scheu das Forum, sondern selbst auch die
Stadt. Doch ich glaube von allen Seiten mir Namen verschiedener Dichter
zurufen zu hören. Wie? Hat Pisander[43] nicht die Taten des Herakles
schön besungen? Und sind dem Nikander[44], Macer[45] und Vergil[46]
umsonst gefolgt? Wie? Sollen wir den Euphorion[47] übergehen? Hätte
derselbe nicht den Beifall des Vergil gefunden, so würde dieser es
gewiß nicht in den Eklogen des mit chalkidischem Verse geschmückten
Gedichtes gedacht haben[48]. Wie? Stellt Horaz[49] ohne Grund den
Tyrtäus[50] dem Homer an die Seite? Und doch steht gewiß keiner der
Kenntnis dieser Dichter so fern, daß er nicht leicht ein Verzeichnis
derselben aus einer Bibliothek entlehnen und seiner Bibliothek
einverleiben könnte. Ich weiß daher recht wohl, welche ich übergehe,
und verwerfe sie keineswegs, da ich gesagt habe, sie wären alle von
Nutzen. Aber zu jenen werden wir erst zurückkehren, wenn die Kraft
schon ausgebildet und gefestigt ist, sowie wir uns bei großen
Gastmählern oft der Abwechslung wegen zu den geringen Speisen wenden,
nachdem wir uns an den besten gesättigt haben. Dann werden wir auch
Zeit finden, die Elegie zur Hand zu nehmen, für deren bedeutendsten
Vertreter Kallimachus[51] gilt. Den zweiten Platz nimmt auf diesem
Gebiete nach der Meinung der meisten Philetas[52] ein. Aber bis wir
diese mit Leichtigkeit verbundene Festigkeit, von der ich gesprochen
habe, erreicht haben, müssen wir uns an die besten Schriftsteller
gewöhnen und den Geist mehr durch vieles Lesen als durch das Lesen
vieler bilden und Kolorit gewinnen lassen. So wird von den drei[53]
durch das Urteil des Aristarch aufgenommenen Jambendichtern zur
Erlangung der ἕξις (Fertigkeit des Stils) hauptsächlich Archilochus nur
beitragen. Dieser besitzt die größte Kraft des Ausdrucks, kurze,
kräftige und blitzende Gedanken, viel Blut und Nerven, so daß einige
meinen, wenn er manchmal weniger bedeutend erscheine, so sei das eine
Folge des Stoffes, nicht seines Talentes. Von den neun lyrischen
Dichtern[54] ist bei weitem der hervorragendste Pindar durch den
prachtvollen Schwung seines Geistes, seine Sentenzen und Figuren und
durch einen äußerst glücklichen Reichtum an Gedanken und Figuren, den
man mit der Fülle eines Stromes vergleichen könnte; daher glaubt
Horaz[55] mit Recht, es könne ihn keiner nachahmen. Wie geistesgewaltig
Stesichorus[56] ist, zeigen schon seine Stoffe, wenn er große Kriege
und berühmte Führer besingt und die Last epischer Stoffe mit der Lyra
bewegt. Er verleiht nämlich den Personen im Handeln und Reden die
nötige Würde, und würde, wenn er nur Maß gehalten hätte, am nächsten an
Homer heranreichen, aber er leidet an übertriebener Breite und fließt
über, was zwar zu tadeln ist, jedoch als ein Fehler, der aus innerem
Reichtum entsprungen ist. Alcäus[57] wird für einen Teil seines
Werkes[58] nicht mit Recht mit dem goldenen Plektron beschenkt, da
nämlich, wo er bei Verfolgung der Tyrannen[59] auch zur Stärkung des
sittlichen Gefühls beiträgt, und wo er in der Rede kurz, großartig und
an Gewalt der Worte hauptsächlich einem Redner ähnlich ist; aber er
versteht auch zu scherzen und sich zu Liebesgetändel herbeizulassen;
für erhabenere Stoffe ist er jedoch geeigneter. Der sonst schlichte und
einfache Simonides[60] kann doch wegen des Treffenden seines Ausdrucks
und einer gewissen Anmut empfohlen werden; besonders besteht sein
Vorzug in Erregung des Mitleids, so daß einige in dieser Beziehung ihn
allen Schriftstellern, welche derartige Gegenstände behandelt haben,
vorziehen.

Die alte Komödie bewahrt die echte Grazie der attischen Sprache fast
allein, besonders aber besitzt sie auch eine redselige Freimütigkeit
und ist in Verfolgung des Lasters von vorzüglicher Schärfe; jedoch auch
in den anderen Beziehungen besitzt sie sehr viel Kraft. Denn sie ist
erhaben, gewählt und anmutig, und es steht vielleicht kein poetisches
Erzeugnis – abgesehen von Homer, den man wie Achill immer ausnehmen muß
– der Redekunst näher oder ist mehr geeignet, Redner heranzubilden. Es
gibt eine größere Anzahl von Dichtern dieser Gattung; Aristophanes
jedoch, Eupolis und Kratinus sind die bedeutendsten[61].

Tragödien hat zuerst geschaffen Äschylus[62], der erhaben und ernst und
gewichtig, häufig bis zur Fehlerhaftigkeit, aber meist auch
ungeschliffen und ungeordnet ist. Daher haben die Athener den späteren
Dichtern erlaubt, seine Dramen in verbesserter Gestalt[63] in den
Wettkampf zu bringen, und auf diese Weise sind viele mit dem Preis
gekrönt worden. Aber viel glänzender sind die Leistungen des Sophokles
und Euripides[64] auf diesem Gebiete: wer von diesen beiden – bei dem
eigentümlichen Wege, den ein jeder von ihnen eingeschlagen hat – der
bessere Dichter sei, ist eine vielbesprochene Streitfrage. Ich nun
beantworte diese Frage, welche mit dem gegenwärtig behandelten Stoffe
nichts zu tun hat, nicht. Das jedoch muß jeder zugeben, daß für die,
welche sich auf eine rednerische Tätigkeit vorbereiten, Euripides von
viel größerem Nutzen sein wird. Denn er nähert sich in seiner
Ausdrucksweise (welche natürlich von den Leuten getadelt wird, denen
der Ernst, die Erfahrenheit und der Klang der Sophokleischen Verse
erhabener erscheint) mehr der Manier des Redners, reich an Sentenzen,
wie er ist, und den Weisen verwandt in den Aussprüchen, welche von
jenen überliefert sind, und in Rede und Gegenrede jedem von denen
vergleichbar, welche auf dem Forum für beredt gegolten haben,
bewundernswert aber besonders in der Darstellung aller Affekte, und
wohl unübertroffen in der Zeichnung der Mitleid erregenden. Ihn hat
nach seinem eigenen Zeugnis in hohem Grade bewundert und – allerdings
auf einem andern Gebiete – nachgeahmt Menander[65], welcher schon
allein, meiner Ansicht nach wenigstens, fleißig gelesen, zur Ausbildung
alles dessen, was wir vorschreiben, hinreichen würde; eine so
glückliche Erfindungsgabe und Redegewalt besitzt er, so beherrscht er
alle Verhältnisse, Personen, Affekte. Etwas Richtiges haben daher gewiß
die gesehen, welche glauben, daß die dem Charisius[66] zugeschriebenen
Reden von Menander verfaßt seien. Aber mir scheint Menander als Redner
weit mehr Billigung als in seinen dichterischen Werken zu verdienen,
was mir jeder zugeben wird, wenn er nicht etwa die Gerichtsreden,
welche „Epitrepontes”, „Epikleros” oder „Locroe” enthalten, für
schlecht erklären, oder behaupten will, die außergerichtlichen Reden in
„Psophodee”, „Nomothetes”, „Hypobolimäus” seien nicht in jeder
Beziehung vollendete rednerische Meisterwerke. Ich glaube jedoch, daß
er von um so größerem Vorteil für die Kunstredner sein wird, weil diese
jeder Lage der Streitfrage entsprechend mehrere Rollen übernehmen
müssen, von Vätern und Söhnen, von Soldaten und Bauern, von Reichen und
Armen, von Zornigen und Abbittenden, von Sanftmütigen und Rauhherzigen.
In allen diesen Rollen wird von unserem Dichter ein bewundernswerter
Takt beobachtet. Er hat allen Dichtern dieser Gattung den Ruhm
vorweggenommen und sie alle durch den Glanz seiner Berühmtheit
verdunkelt. Gleichwohl bieten auch andere Komiker, wenn sie mit
Nachsicht gelesen werden, manches Nachahmenswerte, besonders
Philemon[67], welcher zwar verkehrterweise in dem Urteil seiner
Zeitgenossen oft dem Menander vorgezogen wurde, immerhin aber dem
allgemeinen Urteil zufolge für den zweiten zu gelten verdient.

Geschichte haben viele vortrefflich geschrieben; zwei jedoch scheinen
zweifellos vor allen übrigen durchaus den Vorrang zu verdienen, deren
Vorzüge trotz ihrer Verschiedenheit fast in gleicher Weise Lob geerntet
haben. Gedrängt, kurz und sich selber in Zucht haltend ist
Thukydides[68]; angenehm, durchsichtig und von einer gewissen Breite
Herodot[69], jener ist in Darstellung von heftigen Affekten, dieser in
der Schilderung milder Regungen vorzüglicher, jener ist für die
öffentliche Rede, dieser für das Privatgespräch vorbildlich, Thukydides
wegen seiner Gewalt, Herodot wegen seiner Liebenswürdigkeit
bewundernswert. Theopomp[70] steht diesen am nächsten, in der
Geschichtschreibung zwar weniger bedeutend, wie die genannten, einem
Redner aber näher verwandt, da er lange Redner war, bevor er zu diesem
Werk sich entschloß. Auch Philistus[71] verdient nach diesen der Schar
der guten Schriftsteller beigezählt zu werden als Nachahmer des
Thukydides, der zwar bedeutend weniger kraftvoll, aber auch viel klarer
als sein Vorbild ist. Ephorus[72] bedarf nach Ansicht des Isokrates der
Sporen. Bei Clitarch[73] lobt man das Talent, zieht aber seine
Glaubwürdigkeit in Frage. Der lange Zeit nachher lebende Timagenes[74]
verdient schon deshalb Beachtung, weil er die unterbrochene Tätigkeit
auf dem Gebiete der Geschichtschreibung mit neuem Ruhme wieder
aufgenommen hat. Xenophon habe ich nicht zu erwähnen vergessen; er muß
aber unter den Philosophen aufgeführt werden[75].

Es folgt nun die große Schar der Redner, da ja bekanntlich zu Athen in
einem Zeitalter zehn gelebt haben[76]. Unter diesen war bei weitem der
hervorragendste und beinahe der Maßstab für jede rednerische Tätigkeit
Demosthenes[77]: eine solche Gewalt besitzt er, so gedrängt ist bei ihm
alles, so gleichsam mit Muskeln umkleidet und frei von überflüssigen
Zutaten und so maßvoll, daß man kein fehlendes und kein überflüssiges
Wort bei ihm entdecken kann. Von größerer Fülle und Breite und
erhabenerer Ausdrucksweise ist Äschines[78] in demselben Maße, wie er
Demosthenes nachsteht an Kraft und Knappheit; er hat mehr Fleisch und
weniger Muskeln. Besonders anmutig und geistreich ist Hyperides[79],
aber er ist einem weniger bedeutenden Vorwurf mehr gewachsen, um nicht
zu sagen, für einen solchen mehr begabt. Der Zeit nach geht ihm
Lysias[80] voraus, welcher scharfsinnig und geschmackvoll ist und
überaus vortrefflich, wenn es für einen Redner genug ist, zu belehren;
denn bei ihm ist nichts Phrase, nichts Gesuchtes – doch ist er einer
reinen Quelle ähnlicher wie einem mächtigen Strome. Isokrates[81], der
in den verschiedenen Gattungen der Rede glänzend und geschmückt und der
für die Ringschule besser als für den Kampf geeignet ist, erstrebt
jeden nur möglichen Reiz des Ausdrucks, und das mit Recht. Für Hörsäle
ist er gerüstet, nicht aber für Gerichtsverhandlungen. In der Erfindung
voll Leichtigkeit, voll Eifer für das Wohlanständige, in dem Ausbau so
sorgfältig, daß seine Sorgfalt Tadler gefunden hat. Ich glaube nun
nicht, daß die von mir besprochenen Redner nur gerade diese Vorzüge
besessen haben, wohl aber, daß diese ihre hervorragendsten gewesen
sind; ferner bestreite ich nicht, daß auch andere bedeutend gewesen
sind. Ja, ich gebe zu, daß Demetrius von Phaleron[82], obwohl er zuerst
die Beredsamkeit heruntergebracht hat, viel Talent und Redegewandtheit
besessen hat, wie er auch deswegen der Erwähnung wert ist, weil er von
den Attikern ungefähr der letzte ist, welcher den Namen eines Redners
verdient, und da ihn Cicero in der mittleren Art der Beredsamkeit allen
anderen vorzieht.

Ich komme zu den Philosophen, aus welchen M. Tullius für die
Beredsamkeit sehr viel gewonnen zu haben behauptet; wer zweifelt, daß
unter ihnen besonders Plato[83] durch die Schärfe seiner
Schlußfolgerungen sowie durch eine Art göttlicher und homerischer
Beredsamkeit den Vorrang verdient? Denn vieles geht hinaus über die
Prosa, welche die Griechen als eine „Rede zu Fuße” bezeichnen, so daß
er mir nicht von einem menschlichen Geiste beseelt, sondern gleichsam
durch das Delphische Orakel beseelt erscheint.

Was soll ich die Anmut des Xenophon[84] erwähnen, die frei ist von
jeder Affektation und durch keine solche zu erreichen? Scheinen doch
die Grazien selbst seine Sprache gebildet zu haben, und man könnte auf
ihn mit Recht das übertragen, was die alte Komödie über Perikles
bezeugt: „Auf seinen Lippen habe die Göttin der Überredung gethront.”
Wozu soll ich an die Eleganz der übrigen Sokratiker erinnern, wozu an
Aristoteles[85]? Muß man doch bei ihm zweifeln, ob er sich durch seine
wissenschaftlichen Kenntnisse oder durch die Menge seiner Schriften
oder durch die Kraft und Milde seiner Beredsamkeit oder durch den
Scharfsinn seiner Neuerungen oder durch die Mannigfaltigkeit seiner
Werke einen größeren Ruhm erworben hat.

Theophrast[86] aber besitzt in so hohem Grade jenen göttlichen Glanz
der Rede, daß er davon auch seinen Namen erhalten haben soll. Weniger
Wert auf die Beredsamkeit legten die alten Stoiker; aber auf der einen
Seite sind ihre Vorschriften von sittlichem Gehalt, und auf der andern
Seite sind sie in Sammlung von Beispielen und Beweismitteln für ihre
Vorschriften besonders stark, jedoch mehr scharfsinnig in Verwendung
der Tatsachen, wie glänzend in der Darstellung – ein Vorzug übrigens,
nach welchem sie nicht strebten.

Die gleiche Anordnung, wie bei der Durchmusterung der griechischen
Schriftsteller, werden wir auch bei der Behandlung der römischen
innehalten.

Wie also bei jenen Homer, so wird bei uns Vergil[87] die beste
Bürgschaft für einen glückverheißenden Anfang bieten, er, der von allen
Dichtern dieser Gattung, von griechischen sowohl wie von unseren, ihm
unstreitig am nächsten steht. Ich möchte in bezug auf ihn dieselben
Worte gebrauchen, die ich als junger Mann von Domitius Afer[88] gehört
habe, der mir auf meine Frage, wer seiner Meinung nach dem Homer am
nächsten käme, antwortete: „An zweiter Stelle steht Vergil, so jedoch,
daß er dem ersten Platze näher als dem dritten steht.” Und in der Tat,
mag er auch – und mit ihm unsere Nation – dem himmlischen und
unsterblichen Genie jenes nachstehen, so besitzt er doch um so mehr
Sorgfalt und Fleiß schon deshalb, weil er sich mehr abmühen mußte;
wieweit wir daher auch an hervorragender Kraft den Griechen nachstehen
mögen, so gleichen wir doch diesen Mangel vielleicht durch
Gleichmäßigkeit wieder aus. Alle übrigen folgen erst weit später. Denn
Macer[89] und Lucretius[90] soll man zwar lesen, aber nicht um seinen
Stil zu bilden, d. h. einen festen Grund für die Beredsamkeit zu legen,
da sie zwar beide auf ihrem Gebiete elegant sind, der eine aber
gewöhnlich, der andere schwierig im Ausdruck. Der Ataciner Varro[91]
ist in dem Werke, durch welches er einen berühmten Namen erlangt hat,
Übersetzer, zwar schätzenswert als solcher, aber zur Bildung der
Beredsamkeit nicht reich genug. Den Ennius[92] wollen wir verehren wie
einen durch sein Alter ehrwürdigen Hain, in dem gewaltige und uralte
Eichen weniger ästhetisches Wohlgefallen wachrufen als heilige Scheu.
Andere stehen uns näher und sind für den in Rede stehenden Zweck
wichtiger. Voll Schelmerei ist zwar auch in seinen epischen Gedichten
Ovid[93] und voll Bewunderung für das eigene Genie, aber in einzelnen
Partien verdient er doch Lob. Wenn aber für Cornelius Severus[94] auch
gilt, daß er mehr ein geschickter Verskünstler[95] als ein guter
Dichter ist, so würde er doch mit Recht den zweiten Platz in Anspruch
nehmen, wenn er nach dem Muster des ersten Buches den Sizilischen Krieg
zu Ende geschrieben hätte. Den Serranus[96] ließ ein frühzeitiger Tod
nicht zur vollen Entwicklung kommen; die Werke aus seiner frühesten
Jugendzeit verraten jedoch sowohl eine außerordentliche Begabung als
auch ein für dieses Alter bewundernswertes Streben nach richtiger
Schreibart. Einen großen Verlust hatten wir kürzlich durch den Tod des
Valerius Flaccus[97]. Voll jugendlicher Heftigkeit war auch die
poetische Anlage des Saleius Bassus[98], welche auch in seinem
Greisenalter nicht zur Reife gelangt ist. Auch Rabirius und Pedo[99]
verdienen gelesen zu werden, wenn Zeit dazu vorhanden ist. Lucanus[100]
ist feurig, schwungvoll und reich an wertvollen Gedanken, aber er
verdient, um mich frei auszusprechen, mehr von den Rednern als von den
Dichtern nachgeahmt zu werden. Soviel epische Dichter haben wir
aufgezählt; den Germanicus Augustus[101] haben wir übergangen, weil ihn
von den begonnenen dichterischen Bemühungen die Sorge für Länder und
Völker abrief, und es den Göttern nicht gefallen hat, ihn zu dem
größten Dichter zu machen. Was jedoch übertrifft die Werke, in denen
der Jüngling Erholung von Regierungssorgen suchte, an Erhabenheit,
feiner Bildung und Vorzügen jeder Art? Wer hätte auch Kriege besser
besingen können, als ein Feldherr, der sie so geführt hat? Wem hätten
die Kunst beschützenden Göttinnen ein willigeres Ohr leihen sollen? Wem
hätte die befreundete Gottheit der Minerva lieber ihre Kunst offenbaren
sollen? Es werden dies künftige Jahrhunderte mit größerer Fülle
preisen, jetzt wird sein Ruhm auf diesem Gebiete durch den Glanz seiner
übrigen Tugenden verdunkelt. Uns jedoch, die wir das Heiligtum der
Poesie verehren, wirst du, Cäsar, verzeihen, wenn wir darüber kein
Stillschweigen beobachten, sondern mit den Worten Vergils bekennen:

„Daß unter siegendem Lorbeer hindurch sich dir schlinge der Efeu[102].”

Auch in der Elegie nehmen wir es mit den Griechen auf, für deren
reinsten und elegantesten Vertreter ich den Tibull[103] halte; manche
ziehen den Properz[104] vor. Ausgelassener als beide ist Ovid, strenger
Gallus[105].

Die Satire freilich gehört uns vollständig an. -- In ihr hat sich zuerst
Lucilius[106] hohen Ruhm erworben, er, der bis auf den heutigen Tag so
ergebene Bewunderer hat, daß sie kein Bedenken tragen, ihn nicht allein
den auf dem gleichen Gebiete tätigen Schriftstellern vorzuziehen,
sondern allen Dichtern überhaupt. Ich bin von der Meinung dieser ebenso
weit entfernt, wie von der des Horaz, welcher die Rede des Lucilius
einem schlammigen Bache vergleicht und behauptet, sie enthalte
überflüssige Zutaten. Denn er besitzt eine wunderbare Bildung und hohen
Freimut und Schärfe und reichen Witz. Viel geglätteter und reiner ist
Horaz[107] und, wenn ich nicht durch zu große Vorliebe für ihn
bestochen werde, von hoher Vollendung. Vielen berechtigten Ruhm hat
sich auch allerdings durch ein einziges Buch Persius[108] verdient.
Auch in der Gegenwart gibt es bedeutende Schriftsteller auf diesem
Gebiete, die sicher einen Namen haben werden. Eine andere Art von
Satire, die ihr buntes Aussehen nicht durch die Anzahl verschiedener
Rhythmen erhält, hat Terentius Varro[109] geschaffen, der gelehrteste
von allen Römern. Er hat eine große Anzahl sehr gelehrter Werke verfaßt
und sich als ein Meister der lateinischen Sprache und ein Kenner der
Altertümer jeder Gattung und der griechischen Geschichte sowohl als der
unsrigen gezeigt, jedoch ist er von höherem Werte für die Wissenschaft
als für die Beredsamkeit. Der Jambus als besondere Gattung ist von den
Römern nicht sehr kultiviert worden, sondern von wenigen in Sammlungen
anderer Gedichte eingereiht worden; seine Schärfe wird man finden bei
Catull[110], Bibaculus[111], Horaz, obwohl bei jenem der epodische (ein
kürzerer) Vers eingelegt ist. Von den lyrischen Dichtern ist aber Horaz
fast der einzige, welcher gelesen zu werden verdient[112]; denn
zuweilen steigt er an bis zum Erhabenen und ist voll Anmut und Grazie
und voll Abwechslung in den Wendungen und im Ausdruck mit dem
glücklichsten Erfolge kühn. Will man noch einen hinzunehmen, so wird es
der kürzlich gestorbene Cäsius Bassus[113] sein, aber ihn übertreffen
bei weitem an Genie die Lebenden.

Von tragischen Dichtern aus der alten Zeit wirken Attius und
Pacuvius[114] durch das Gewicht ihrer Gedanken und durch die Wucht
ihres Ausdrucks, sowie durch das würdige Auftreten ihrer Personen
erhaben. Wenn ihnen aber der Glanz und in dem Ausbau ihrer Werke die
letzte feilende Hand fehlt, so scheint das mehr ein Fehler ihrer Zeit
als ihres Talentes gewesen zu sein. Eine größere dichterische Kraft
schreibt man dem Attius zu, während die, welche Anspruch auf
Gelehrsamkeit machen, den Pacuvius für den gelehrteren erklären. Der
Thyestes des Varius[115] aber kann jedem griechischen Trauerspiel an
die Seite gestellt werden. Ovids Medea scheint mir zu zeigen, wieviel
dieser Mann hätte leisten können, wenn er sein Genie gezügelt und nicht
statt dessen verwöhnt hätte. Von meinen Zeitgenossen ist bei weitem der
hervorragendste Pomponius Secundus[116], welchen die älteren Leute
allerdings für zu wenig tragisch hielten, dem sie jedoch Bildung und
Schönheit des Ausdrucks in hohem Grade zugestehen mußten. In der
Komödie bleiben wir am weitesten zurück. Wenn auch Varro der Meinung
des Älius Stilo[117] folgend sagt, die Musen würden in der Sprache des
Plautus[118] geredet haben, wenn sie lateinisch hätten reden wollen,
wenn auch die Alten den Cäcilius[119] mit hohem Lobe feiern, wenn auch
die Komödien des Terenz[120] auf Scipio Africanus zurückgeführt werden
(welche auf diesem Gebiete die geschmackvollsten sind und bis heute
noch mehr in Gunst stehen würden, wenn sie sich in den Schranken des
Trimeters gehalten hätten), so erreichen wir doch kaum einen leichten
Schatten der griechischen Vorbilder, so daß ich zu der Überzeugung
gekommen bin, daß die römische Sprache nicht fähig sei, jene Anmut in
sich aufzunehmen, welche allein den Attikern vorbehalten war, wie auch
die Griechen sie in anderen Dialekten ihrer Sprache nicht erreicht
haben. In der Togata (der nationalen römischen Komödie) zeichnet sich
Afranius[121] aus: hätte er nur nicht – die eigenen Sitten verratend –
durch Darstellung widriger Knabenliebe häßliche Stoffe verwertet.

Unsere Geschichtschreibung dagegen steht der griechischen nicht nach.
So würde ich mich nicht scheuen, dem Thukydides Sallust[122]
gegenüberzustellen, auch wird es Herodot nicht übelnehmen, wenn ich ihm
T. Livius[123] gleichstelle, welcher in der Erzählung wunderbar anmutig
und äußerst klar ist, besonders aber in den Reden mehr, als sich
ausdrücken läßt, beredt, so sehr ist alles, was ausgesprochen wird, den
Ereignissen und besonders auch den Personen angepaßt; und die Regungen
des menschlichen Herzens, zumal die sanfteren, hat, um hier nur wenig
hervorzuheben, gewiß kein Historiker passender ausgedrückt. So hat er
jene göttliche Lebhaftigkeit Sallusts durch eine Reihe verschiedener
Vorzüge erreicht. „Sie seien einander mehr ebenbürtig als ähnlich” –
scheint mir daher auch äußerst treffend Servilius Nonianus[124] gesagt
zu haben, unter dessen Zuhörern auch ich mich befunden habe. Er war ein
Mann von gutem Kopfe und reich an geistreichen Gedanken, aber weniger
knapp, wie es die Würde der Geschichtschreibung fordert. Diese wußte
vorzüglich zu wahren der ihm der Zeit nach etwas vorausgehende Bassus
Aufidius[125], wenigstens in den Büchern über den Germanischen Krieg,
er, der durch seine Darstellungsweise vollen Beifall verdient, in
einigen Werken jedoch hinter seinen Kräften zurückbleibt. Es lebt noch
und krönt den Ruhm unseres Zeitalters ein Mann[126], welcher der
Erinnerung späterer Jahrhunderte würdig ist; einst wird sein Name
genannt werden, jetzt dürfen wir ihn nur andeuten. Liebhaber findet
auch nicht mit Unrecht der Freimut des Cremutius[127], obwohl jetzt das
beseitigt ist, was jenem einst geschadet hatte; aber einem hohen
Gedankenflug und kühnen Wendungen wird man auch in dem begegnen, was
übriggeblieben ist. Auch sonst würden noch treffliche Schriftsteller zu
nennen sein; aber wir geben eine Übersicht über die Gattungen und
durchmustern nicht ganze Bibliotheken.

Was nun unsere Redner anbetrifft, so haben sie es dahin gebracht, daß
sich die lateinische Beredsamkeit auf einer Höhe befindet, auf welcher
sie sich mit der griechischen messen kann; denn den Cicero[128] würde
ich jedem ihrer Redner kühnlich an die Seite stellen. Ich weiß auch
recht wohl, wie viele Widersacher ich mir dadurch wachrufe, zumal da
ich es mir nicht vorgenommen habe, jetzt eine Vergleichung zwischen ihm
und Demosthenes anzustellen, denn diese gehört nicht hierher, da ich
glaube, daß Demosthenes vor allen gelesen oder besser auswendig gelernt
werden muß. Die Vorzüge dieser beiden Redner scheinen mir meist die
gleichen zu sein, so Anlage, Anordnung, Einteilungsmethode und die Art
der Vorbereitung und Beweisführung, alles endlich, was zur Erfindung
gehört. In der Wahl des Ausdrucks besteht jedoch eine nicht
unbedeutende Verschiedenheit. Jener ist gedrängter, dieser wortreicher,
jener in seinen Schlußfolgerungen knapper, dieser breiter, jener kämpft
immer mit scharfsinnigen Worten, dieser häufig auch mit gewichtigen;
auf der Seite jenes läßt sich nichts hinwegnehmen, auf der Seite dieses
nichts hinzusetzen, jener besitzt mehr Sorgfalt, dieser mehr natürliche
Begabung. An Witz und Rührung, jenen beiden so überaus wirksamen
Affekten, übertreffen wir auf jeden Fall die Griechen. Und zugegeben,
daß jenem die Sitte des Staates, Epiloge zu halten[129] unmöglich
machte, so hat doch auch uns die Verschiedenheit der lateinischen
Sprache (von der griechischen) vielerlei, was die Attiker bewundern,
nicht erlaubt. In betreff der Briefe[130] freilich, welche von beiden
existieren, und der Dialoge[131], in welchen der Grieche nichts
geleistet hat, gibt es keinen Wettstreit. In dem Punkte müssen wir
jedoch nachstehen, daß jener früher lebte und größtenteils Cicero zu
seiner Größe herangebildet hat, denn mir scheint M. Tullius, indem er
sich ganz der Nachahmung der Griechen hingab, die Kraft des
Demosthenes, die Fülle des Plato und die Anmut des Isokrates
nachgebildet zu haben. Jedoch eignet er sich nicht allein das, was an
jedem das Beste ist, durch Studium an, sondern die meisten oder
vielmehr alle glänzenden Vorzüge gewann er aus dem glücklichen Reichtum
seines unsterblichen Genies. Denn er sammelt nicht, wie Pindar[132]
sagt, Regenwasser, sondern in lebendigem Strahle strömt er Fluten aus;
er, der uns durch ein Geschenk der Vorsehung geboren wurde, damit die
Beredsamkeit in ihm alle ihre Kräfte erprobe. Denn wer kann
sorgfältiger belehren, wer stärker bewegen? Wer hat je eine so große
Anmut besessen? So erscheint es, als ob er das, was er erzwingt, durch
Vorstellungen erreichte, und als ob der Richter, wenn er durch die
Gewalt seiner Rede mit fortgerissen wird, nicht von ihm gewaltsam
ergriffen würde, sondern ihm folgte. Dann ist in allem, was er sagt,
eine so gewichtige Bestimmtheit, daß man sich schämt, anderer Meinung
zu sein, und daß er die Glaubwürdigkeit nicht eines Anwalts, sondern
eines Zeugen oder Richters besitzt, indem ihm zugleich alles dies,
wovon kaum jemand das eine oder das andere bei angestrengtester Arbeit
erreichen könnte, ohne Mühe von der Hand geht, wobei sein Stil, an
dessen Schönheit nichts heranreicht, gleichwohl die glücklichste
Leichtigkeit an den Tag legt. Deshalb sagten seine Zeitgenossen nicht
mit Unrecht, er sei ein König in den Gerichten, und deshalb wird der
Name Cicero bei der Nachwelt schon nicht mehr für den Namen eines
Menschen, sondern für den Namen der Beredsamkeit selbst gehalten. Auf
ihn wollen wir daher blicken, er sei unser Vorbild; und wem Cicero
ausnehmend gefällt, der kann sich sagen, daß er in der Beredsamkeit
Fortschritte gemacht habe. Einen großen Reichtum an Erfindung besitzt
Asinius Pollio[133], auch eine große Sorgfalt, so daß er darin manchen
sogar zu weit zu gehen scheint, endlich Klugheit und Lebendigkeit
genug: von der Schönheit und der Anmut des Cicero ist er jedoch so weit
entfernt, daß er um ein Jahrhundert früher gelebt zu haben scheinen
könnte. Messalla[134] hingegen ist glänzend und durchsichtig und in
seiner Rede gewissermaßen ein Bild seiner Vornehmheit (vornehmen
Gesinnung), an Kräften jedoch schwächer. Wenn C. Cäsar[135] aber sich
ausschließlich dem Forum gewidmet hätte, so würde kein anderer von den
unsrigen gegen Cicero in Betracht kommen. Eine so bedeutende Kraft
besitzt er, so viel Scharfsinn, so viel Feuer, daß man deutlich sieht,
er habe mit dem Geiste Reden gehalten, der ihm seine Siege gewinnen
ließ; er schmückt dies jedoch alles mit einer wunderbaren Eleganz der
Diktion, in welcher er ganz besonders Meister war. Viel Geist und
besonders in der Anklage ein feiner, weltmännischer Sinn war dem
Cälius[136] eigen, einem Manne, der verdient hätte, eine bessere
Gesinnung und ein längeres Leben zu haben. Ich habe Leute gefunden,
welche den Calvus[137] allen vorzogen, ich habe aber auch solche
gefunden, die dem Cicero glaubten, wenn er sagt, jener habe durch
fortgesetztes Schmähen auf ihn das Blut der Wahrheitsliebe verloren,
aber seine Redeweise ist feierlich und würdevoll, streng und häufig
auch leidenschaftlich. Er war ein Nachahmer der Attiker, und sein
frühzeitiger Tod hat Unrecht an ihm verübt, da er im Begriff war, noch
etwas Höheres zu leisten. Auch Servius Sulpicius[138] hat nicht mit
Unrecht sich einen hohen Ruhm durch drei Reden erworben. Viel
Nachahmenswertes bietet, wenn man ihn mit Urteil liest, Cassius
Severus[139]. Wenn dieser seinen übrigen Vorzügen Abwechslung und Würde
des Ausdrucks hinzugefügt hätte, würde er unter die Vorzüglichsten zu
zählen sein. Denn er besitzt sehr viel Talent, außerordentliche
Schärfe, weltmännische Bildung und große Glut, aber er folgt mehr
seiner Laune als einem wohlüberlegten Plane. Wie übrigens bittere
Witze, so ist häufig die Bitterkeit schon allein imstande, Lachen zu
erregen. Die große Menge der anderen bedeutenden Redner aufzuzählen
würde zu weit führen: von meinen Zeitgenossen sind Domitius Afer und
Julius Africanus[140] bei weitem die bedeutendsten. Was die Kunst der
Diktion und die ganze Ausdrucksweise betrifft, so ist jener vorzuziehen
und unbedenklich in die Reihen der Alten zu stellen. Dieser dagegen ist
affektvoller, er geht aber in der Anwendung von Wortspielen zu weit,
ist in der Komposition häufig zu breit und mit übertragenen Ausdrücken
nicht sparsam genug. Auch noch in jüngster Zeit gab es (auf diesem
Gebiete) bedeutende Geister. So war Trachalus[141] meist erhaben und
ziemlich leicht verständlich und erfüllt von dem besten Streben; wenn
man ihn hörte, erschien er jedoch noch bedeutender. Denn er besaß ein
so glückliches Organ, wie ich es bei keinem andern Redner gefunden
habe, und eine Aussprache und Haltung, wie sie auch für die Bühne
ausgereicht haben würde, kurz alles Äußerliche war in reichem Maße bei
ihm vorhanden. Auch Vibius Crispus[142] ist ein klarer, angenehmer und
dem geistigen Genuß dienender Redner, geeigneter jedoch für Privat– als
für Kriminalprozesse. Julius Secundus[143] würde sich, wenn er länger
gelebt hätte, einen wahrhaft berühmten Namen bei der Nachwelt erworben
haben; zu seinen übrigen Vorzügen hätte er nämlich, wie er schon im
Begriff stand, das, was er vermissen läßt, hinzugefügt: die größere
Kampfbereitschaft und eine Sorgfalt, die sich nicht allein auf den
Ausdruck, sondern auch auf den Inhalt erstreckt. Obgleich er aber durch
den Tod daran verhindert wurde, behauptet er doch einen bedeutenden
Platz: so groß ist seine Redegabe, so bestechend seine Anmut bei der
Behandlung jedes beliebigen Stoffes, so durchsichtig, maßvoll und
glänzend seine Art sich auszudrücken, so treffend die Wahl seiner
Worte, auch wenn sie entlehnt sind, so anschaulich sind einzelne seiner
gewagten Redewendungen.

Die, welche nach uns über die Redner schreiben werden, haben eine
reiche Gelegenheit, die jetzt Lebenden mit vollem Rechte zu loben; gibt
es doch auch heute noch ausgezeichnete Talente, welche des Forums Glanz
verherrlichen[144]. Denn die schon älteren Redner vor Gericht streben
den altbewährten nach, und in deren Fußtapfen tritt wiederum der
betriebsame Fleiß der jüngeren, welche das Beste erstreben.

Noch sind die übrig, welche über Philosophie geschrieben haben, ein
Fach, in welchem die römische Literatur bis auf den heutigen Tag nur
sehr wenig formgewandte Schriftsteller aufzuweisen hat. In gleicher
Weise, wie sonst überall, ist in diesem Fache M. Tullius als ein
Nebenbuhler Platos aufgetreten. Ganz vorzüglich und weit mehr, wie in
seinen Reden, hat Brutus dem gewichtigen Inhalt die rechte Form
verliehen; man merkt, daß er glaubt, was er sagt. Eine Reihe Schriften
hat auch Cornelius Celsus verfaßt als Nachfolger der Sextier[145],
nicht ohne Geschick und Anmut. Plautus[146] ist in der stoischen
Philosophie für die Kenntnis des Systems brauchbar, für die
epikureische Philosophie ist ein zwar nicht bedeutender, aber äußerst
lesbarer Gewährsmann Catius[147]. Absichtlich habe ich Seneca[148] bei
Besprechung der einzelnen Arten der Beredsamkeit bisher übergangen
wegen der fälschlich über mich verbreiteten Meinung, daß ich ihn
verurteile und ihm feindlich entgegentrete. Dieser Vorwurf traf mich,
während ich bemüht war, die verfallene Beredsamkeit, welche durch
Unarten aller Art entstellt war, zu strengeren Regeln zurückzuführen;
damals befand sich aber fast nur dieser Schriftsteller in den Händen
der jungen Leute. Ihn wollte ich nun nicht vollständig verbannt wissen,
aber ich wollte auch nicht dulden, daß er besseren Schriftstellern
vorgezogen würde, welche jener unaufhörlich angriff, da er sich bewußt
war, daß er Beifall ernten könne, wenn er von jenen in der Redeweise
abwich, daß er aber auf denselben verzichten müsse, wenn er in den
gleichen Stücken wie jene gefallen wolle. Sie liebten ihn aber mehr,
als daß sie ihn nachahmten, und blieben in demselben Grade hinter ihm
zurück, wie jener sich von den Alten entfernte. Denn es wäre nur zu
wünschen, daß sie jenem Manne ebenbürtig oder wenigstens ähnlich
geworden wären, aber er gefiel ihnen nur durch seine Fehler, von
welchen ein jeder diejenigen, welche er gerade kannte, nachzubilden
bemüht war; und wenn sich dann einer rühmte, er schreibe denselben
Stil, so brachte er den Seneca in schlechten Ruf. Seneca hat auch im
ganzen betrachtet viele bedeutende Vorzüge: Reichtum des Geistes und
Leichtigkeit der Produktion, einen unermüdlichen Fleiß und viele
Kenntnisse, wobei es ihm jedoch häufiger widerfuhr, daß er von denen,
welchen er Einzeluntersuchungen übertragen hatte, getäuscht wurde. Er
hat übrigens fast jedes Gebiet des Wissens in seine Behandlung gezogen;
denn man hat von ihm Reden, Gedichte, Briefe und Dialoge. In der
Philosophie ist er zwar nicht sorgfältig genug, durch seinen Kampf
gegen die Unsittlichkeit jedoch von hervorragender Bedeutung. In seinen
Werken finden sich viele herrliche Aussprüche und vieles, was seines
sittlichen Gehaltes wegen lesenswert ist; aber in seinem Stile ist viel
Verschrobenes, was deshalb so äußerst verderblich wirkt, weil es voll
von anziehenden Fehlern ist. Man möchte wünschen, daß er mit seinem
Geiste, aber mit dem Urteile eines andern geschrieben habe; denn wenn
er manches als geringwertig erkannt hätte, wenn er das Auffallende
nicht bevorzugt hätte, wenn er nicht alles ihm Entsprungene gut
befunden hätte, und wenn er den gewichtigen Inhalt nicht durch die
Fülle kleinlicher Details verdeckt hätte, dann würde er mit der
allgemeinen Beistimmung der Gebildeten und nicht mit der Vergötterung
von Knaben belohnt werden. Gleichwohl ist er auch so den schon Sicheren
und durch strengere Lektüre Gefestigten zum Lesen zu empfehlen, schon
deshalb, weil er immerhin das Urteil zu üben vermag. Denn vieles ist an
ihm billigens–, vieles auch bewundernswert. Nur treffe man die richtige
Auswahl, was er selbst hätte tun sollen; denn seine natürliche Anlage
berechtigt uns zu dem Wunsch, daß ihm ein edleres Ideal vorgeschwebt
hätte; was ihm als künstlerisches Ideal erschien, hat er auf jeden Fall
zum Ausdruck gebracht.




≈ZWEITES KAPITEL≈

Von der Nachahmung


Aus diesen und anderen lesenswerten Schriftstellern entlehne man den
Wortschatz, die Redewendungen und die Kompositionsmethode, sodann muß
der Geist nach dem Vorbilde aller ihrer Schönheiten seine Richtung
erhalten. Denn daran darf man nicht zweifeln, daß die Kunst zum großen
Teil auf Nachahmung beruht. Denn wie das schöpferische Hervorbringen
das ursprüngliche gewesen ist und die Hauptsache bleibt, so ist es doch
auch nützlich, das so Hervorgebrachte nachzuahmen. Und das ist ein sich
durch das ganze Leben hindurchziehendes Prinzip, daß wir das selbst
hervorbringen wollen, was uns an anderen gefällt. So bilden die Knaben
die Züge der Buchstaben nach, um Übung im Schreiben zu erlangen, so die
Musiker die Stimme ihrer Lehrer, so die Maler die Werke ihrer
Vorgänger, so betrachten die Landleute eine bereits bewährte Methode
der Bodenkultur als Muster: kurz, wir sehen, daß die Anfänge jedes
Könnens nur nach den für die einzelnen Disziplinen aufgestellten
Vorschriften gelernt werden können. Und in der Tat müssen wir den
vorzüglichen Meistern entweder ähnlich oder unähnlich sein: ihnen
ähnlich macht uns selten die Natur, häufig die Nachahmung. Der Umstand
aber gerade, daß uns die Nachahmung die Beherrschung von allem so
bedeutend leichter macht, wie sie denen war, die kein Vorbild hatten,
schadet, wenn sie nicht mit Vorsicht und Urteil ausgeübt wird.

Vor allem reicht die bloße Nachahmung nicht aus, schon deshalb, weil
nur ein träger Geist mit dem, was von anderen erfunden ist, zufrieden
sein kann. Denn wie wäre es in jenen Zeiten gegangen, die ohne Vorbild
waren, wenn die Menschen geglaubt hätten, sie dürften nur das tun oder
denken, was sie schon kennengelernt hatten? Natürlich wäre nichts
erfunden worden. Wie sollte es also unrecht sein, wenn wir etwas
erfinden wollten, was vorher noch nicht existiert hat? Oder sind etwa
jene noch Ungebildeten durch die bloße Schöpferkraft ihres Geistes
dahin geführt worden, daß sie so vieles hervorbrachten, wir aber sollen
zum Suchen und Forschen nicht einmal durch die sichere Gewißheit bewegt
werden, daß diejenigen, welche gesucht haben, auch gefunden haben? Und
während diejenigen, welche in keinem Gegenstande einen Lehrer gehabt
haben, reiche Schätze auf die Nachwelt vererbt haben, so soll uns der
Besitz dieser Schätze nicht dazu dienen, neue zutage zu fördern,
sondern wir sollen nur von fremder Wohltat leben, wie gewisse Maler
sich nur das Ziel stecken, daß sie mit Maß und Richtschnur Kopien
anfertigen lernen?

Auch das ist eine Schande, dann zufrieden zu sein, wenn man den
Gegenstand, den man nachbildet, erreicht hat. Denn wie würde es
wiederum ergangen sein, wenn niemand mehr zustande gebracht hätte als
der, den er sich zum Vorbild nahm? In der Dichtkunst wären wir dann
nicht über Livius Andronikus[1], in der Geschichtschreibung nicht über
die Jahrbücher der Priester[2] hinausgekommen, ja wir würden noch mit
Flößen Schiffahrt treiben; es würde keine Malerei geben außer der,
welche die äußersten Linien des Schattens, den ein in der Sonne
befindlicher Körper hervorgebracht hat, umschreibt. Und wenn man alles
genau prüft, wird man sich überzeugen, daß keine Kunst so geblieben
ist, wie sie bei ihrer Erfindung war, und daß keine bei ihren Anfängen
stehengeblieben ist, wenn wir nicht vielleicht gerade unsere Zeit zu
einer vollsten Unfruchtbarkeit verurteilen wollen, daß erst jetzt
nichts wächst. Nichts wächst aber durch bloße Nachahmung.

Wenn wir aber zu dem Früheren nichts hinzufügen dürfen, wie können wir
da erwarten, daß es je einen vollendeten Redner geben wird, da doch
unter denen, welche wir bis auf den heutigen Tag als die bedeutendsten
bezeichnen, sich keiner befindet, an dem man nicht etwas vermissen oder
tadeln könnte. Aber auch die, welche das höchste Ziel nicht erstreben,
müssen mehr wetteifern als nachfolgen. Denn wer danach strebt, andere
zu überholen, wird zwar vielleicht keinen Vorsprung gewinnen, aber doch
auf gleicher Höhe bleiben. Keiner kann aber die gleiche Höhe mit dem
erreichen, dessen Fußtapfen er unter allen Umständen folgen zu müssen
glaubt; denn notwendig muß der Nachfolgende auch der Zurückbleibende
sein. Ferner bedenke man, daß es meist leichter ist, mehr zu leisten,
als das Gleiche. Denn die Ähnlichkeit ist so schwer herzustellen, daß
nicht einmal die Natur in diesem Punkte so viel geleistet hat, daß die
anscheinend ganz ähnlichen oder gleichen Dinge sich nicht durch
irgendwelches Merkmal unterscheiden.

Dazu kommt, daß jedes Objekt, welches einem andern ähnlich ist,
notwendig geringwertiger als dieses ist, und sich zu ihm verhält wie
der Schatten zum Körper, das Bild zu einem Antlitz, die Darstellung des
Schauspiels zu den wirklichen Leidenschaften. Dies ist nun auch der
Fall bei den Reden. Denn in denen, welche uns zum Vorbild dienen, ist
Natur und wirkliche Kraft, hingegen hatte alle Nachahmung etwas
Gemachtes und fremder Vorschrift Angepaßtes. Daher kommt es auch, daß
Deklamationen weniger Saft und Kraft haben als wirkliche Reden, weil
der behandelte Gegenstand dort ein wirklicher, hier ein erfundener ist.
Dazu kommt, daß dasjenige, was bei einem Redner das bedeutendste ist,
sich nicht nachahmen läßt: Geist, Erfindungsgabe, Kraft und
Leichtigkeit, kurz alles, was kunstmäßig nicht gelernt werden kann.
Daher glauben die meisten das, was sie gelesen haben, ganz wunderbar
schön nachzubilden, wenn sie einzelne Ausdrücke oder ein bestimmtes
Satzgefüge aus einer Rede herausnehmen, während die Worte doch im Laufe
der Zeit aus Gebrauch und neu in Gebrauch kommen, da der Sprachgebrauch
ihnen zur sichersten Regel dient und sie nicht von Natur gut oder
schlecht sind (denn an und für sich sind sie nur Klänge), sondern je
nachdem sie glücklich und treffend verbunden oder nicht sind, und ihre
Fügung sowohl dem Inhalt angemessen, wie durch ihre Abwechslung dem Ohr
angenehm ist.

Deshalb ist in diesem Zweige des Studiums alles mit der peinlichsten
Genauigkeit zu prüfen. Zuerst, welche Schriftsteller wir nachahmen
sollen; denn es gibt sehr viele, welche ihren Ehrgeiz darein setzen,
gerade die schlechtesten und fehlerhaftesten nachzubilden; ferner, was
wir bei den von uns erwählten nachzuahmen lernen sollen. Denn auch bei
bedeutenden Schriftstellern finden sich viele Fehler, wegen deren sich
auch die Gelehrten gegenseitig zur Rechenschaft gezogen haben; freilich
wäre zu wünschen, daß die, welche das Gute nachbilden, in demselben
Grade ihr Vorbild überträfen, wie die das Schlechte Nachbildenden es
tun. Auch möge es denen, welche Urteil genug hatten, die Fehler zu
vermeiden, wenigstens nicht genug sein, ein bloßes Bild der Vorzüge
wiederzugeben, gleichsam nur die oben befindliche Kruste oder vielmehr
jene Figuren des Epikur[3], welche der Oberfläche des Körpers
entströmen sollen. Das pflegt aber denen zu begegnen, welche ohne
tiefere Kenntnis der Vorzüge eines Schriftstellers sich an das rein
Äußerliche der Rede anlehnen; wenn diesen dann die Nachahmung gut
vonstatten gegangen ist, dann unterscheiden sie sich in Wortlaut und
Rhythmus nicht sehr von ihrem Vorbilde, reichen aber an dasselbe in
Kraft und Erfindungsgabe nicht hinan. Meist geraten diese aber auf
Abwege und entlehnen die den Vorzügen am nächsten liegenden Fehler;
dann werden sie schwülstig, wo sie erhaben sein sollen, dürftig, wo sie
knapp zu sein gedachten, tollkühn, wo tapfer, liederlich, wo vergnügt,
maßlos, wo blumenreich, nachlässig, wo einfach. So kommt es, daß die,
welche irgend etwas Geist– und Inhaltsloses rauh und schmucklos zum
Ausdruck gebracht haben, sich den Alten gleichdünken; die, welche
Schmuck und Sentenzen entbehren, sind natürlich Attiker, die, welche
durch verkürzte Perioden dunkel sind, übertreffen den Sallust und
Thukydides, die Traurigen und Nüchternen treten in die Fußtapfen des
Pollio, die Faulen und Nachlässigen schwören – falls sie nur
irgendwelche Umschreibungen gebraucht haben –, so würde sich Cicero
ausgedrückt haben. Ich habe Schüler gekannt, die dann die Art jenes
göttlichen Meisters der Rede nachgebildet zu haben glaubten, wenn sie
an den Schluß ein ≈esse videatur≈ („zu sein schien”) gesetzt hatten.
Daher ist es die Hauptsache, daß jeder das, was er sich zum Vorbild
nehmen will, versteht und weiß, warum es gut ist.

Dann ziehe er bei der Übernahme einer solchen Arbeit seine Kräfte in
Betracht. Denn es gibt Nachahmenswertes, dem entweder die Schwäche
seiner Natur nicht gewachsen ist, oder dem die Verschiedenheit
derselben widerstrebt. So soll der, dessen Gemütsart für das Zarte
empfänglich ist, nicht das Kräftige und Bestimmte allein bevorzugen,
und so soll umgekehrt der, dessen Talent zwar kräftig aber ungebändigt
ist, nicht durch Neigung für das Zarte seine Kraft vergeuden, ohne die
beabsichtigte Eleganz erreichen zu können; denn nichts widerstreitet
dem Geschmack in so hohem Grade, wie wenn ein weicher Stoff hart
bearbeitet wird. Allerdings habe ich auch geglaubt, daß der Lehrer der
Beredsamkeit, den ich im zweiten Buche[4] ausgerüstet hatte, den
Schülern nicht allein offenbaren solle, wozu seiner Meinung nach ein
jeder von Natur geeignet sei; vielmehr muß er auch das Gute, was er in
ihnen findet, fördern und, soweit es möglich ist, das Fehlende
hinzufügen und Verbesserungen und Änderungen mit ihnen vornehmen: dann
ist er ein Lenker und Bildner fremder Gemüter. Schwerer ist es, die
eigene Natur zu bilden. Aber auch jener Lehrer wird in den Punkten, wo
ihm die Natur hindernd im Wege steht, sich nicht überflüssig bemühen,
wie sehr ihm auch am Herzen liegt, daß das Richtige im vollsten Maße
bei seinen Zuhörern vorhanden ist.

Auch das ist ein Fehler, welcher häufig gemacht wird, daß wir in
unseren Reden die Dichter und die Geschichtschreiber, in den Werken
jener Künste Redner und Deklamatoren nachahmen zu müssen glauben; jedes
Gebiet hat da seine eigenen Gesetze, seine eigenen Kunstcharakter. Die
Komödie liebt nicht den Schritt auf dem erhabenen Kothurn, und
umgekehrt schreitet die Tragödie nicht auf der Sandale einher.
Gleichwohl hat die ganze Kunst der Rede etwas Gemeinsames; und dieses
Gemeinsame müssen wir nachahmen. Häufig begegnet es auch denen, welche
sich einer einzelnen Gattung zugeneigt haben, daß sie auch bei
Behandlung von ruhigen und die Leidenschaft nicht erregenden Fällen die
Schneidigkeit nicht ablegen, wenn ihnen diese bei irgend jemandem
gefallen hat, oder daß sie in strengen und ernsten Rechtsfällen der
Wichtigkeit des Gegenstandes nicht entsprechen, wenn ihnen das Zarte
und Anmutige gefallen hatte. In der Tat ist aber nicht allein zwischen
den einzelnen Rechtsfällen ein großer Unterschied, sondern auch
zwischen den einzelnen Teilen einer Rede, und man muß bald milde, bald
schneidig, bald erregt, bald ruhig, bald um zu belehren, bald um zu
bewegen, sprechen, was alles durchaus ungleiche und verschiedene
Anforderungen an den Redner stellt. Deshalb würde ich auch nicht dazu
raten, sich einem einzigen, dem man in allen Stücken folgt, zu eigen zu
geben. Der weitaus vollendetste Redner der Griechen ist Demosthenes, in
mancher Beziehung verdienen jedoch an einzelnen Stellen andere den
Vorzug, an den meisten er. Aber der, welcher hauptsächlich nachgeahmt
zu werden verdient, verdient deshalb nicht allein nachgeahmt zu werden.

Wie denn? Kann man nicht zufrieden sein, wenn man alles so sagt, wie es
M. Tullius gesagt hat? Ich für meine Person würde es sein, wenn ich es
in jedem Punkte erreichen könnte. Was würde es jedoch schaden, die
Gewalt Cäsars, die Schneidigkeit des Cälius, die Sorgfalt des Pollio,
das Urteil des Calvus an manchen Stellen hinzunehmen? Denn abgesehen
davon, daß es ein Gebot der Klugheit ist, das, was bei einem jeden
Redner das beste ist, zu seinem Eigentum zu machen, so muß man
andererseits auch bedenken, daß bei der ungeheuren Schwierigkeit der
Sache das Vorbild nur zum geringsten Teile diejenigen, welche ihr
Augenmerk nur auf einen Schriftsteller lenken, dauernd begleitet. Da es
also dem Menschen so gut wie versagt ist, das gewählte Vorbild
vollständig wiederzugeben, müssen wir die Vorzüge einer größeren Anzahl
vor Augen haben, damit von diesem das eine, von jenem das andere haften
bleibt, und wir dann ein jedes am passenden Orte anbringen können.

Die Nachahmung aber, um das hier nochmals zu wiederholen, bestehe nicht
nur in einer Wiedergabe von Worten. Darauf ist vielmehr das Auge zu
richten, wieviel edles Maß jene Männer in Darstellung von Ereignissen
und Personen beobachtet haben, wie sie ihren Plan, ihre Disposition
gestaltet haben, wie endlich alles, was nur auf unser Vergnügen
abzuzielen scheint, Überwindung des Gegners bezweckt; es ist darauf zu
achten, welcher Inhalt für den Eingang der Rede gewählt ist, auf welche
Weise und mit wieviel Abwechslung die Erzählung geboten wird, mit
welcher Kraft Beweis und Widerlegung durchgeführt ist, mit welchem
Geschick Affekte jeder Art erregt werden, und zum Vorteil der Sache der
Beifall des Volkes gewonnen wird, welcher dann am vollkommensten ist,
wenn er willig folgt und nicht mit Mühe herbeigezogen wird. Erst, wenn
wir dies völlig erkannt haben, ist unsere Nachahmung die richtige. Wer
hierzu nun eigene Vorzüge hinzufügt, so daß er das Fehlende ergänzt,
das Überflüssige abschneidet, der wird der vollendete Redner sein,
welchen wir suchen; und ein solcher müßte gerade jetzt in vollkommener
Gestalt auftreten, wo uns weit mehr Beispiele einer trefflichen
Beredsamkeit vorliegen, wie denen zu Gebote standen, die bisher die
größten Redner waren. Denn diese werden sich auch den Ruhm erwerben,
daß sie ihre Vorgänger übertroffen, ihre Nachfolger aber belehrt haben.




≈DRITTES KAPITEL≈

Art und Weise der schriftlichen Übungen


Das sind nun die Hilfsmittel, welche uns von außen geboten werden;
unter denen aber, welche wir uns selbst verschaffen müssen, ist das
mühevollste, aber auch das wirksamste der Griffel[1]. Ihn nennt nicht
mit Unrecht M. Tullius[2] den besten Bildner und Lehrmeister der Rede,
ein Ausspruch, welchem er dadurch besonderen Nachdruck verleiht, daß er
ihn dem Lucius Crassus[3] in seinem Buche „Über den Redner” in den Mund
legt, und so sein eigenes Urteil mit dem Ansehen dieses Redners
verbindet. Man muß demnach so eifrig und soviel wie möglich schreiben.
Denn wie der tief aufgegrabene Boden für Erzeugung und Ernährung der
Saat geeigneter wird, so wird ein Wachstum, welches nicht nur auf
oberflächlicher Bemühung beruht, die Früchte der Studien zu reicherer
Entfaltung und zu festerem Bestehen bringen. Ohne daß wir hiervon fest
überzeugt sind, wird jene für den Augenblick erworbene Beredsamkeit nur
eine nutzlose Geschwätzigkeit verleihen und Worte, welche die Lippen
sprechen.

Hier sind die Wurzeln, hier die Grundlagen, hier die Schätze, welche
gleichsam in geheimer Schatzkammer[4] verborgen sind, um daraus
hervorgeholt zu werden, wenn es bei plötzlich eintretendem Bedürfnis
die Verhältnisse fordern. Kräfte sollen wir uns hauptsächlich erwerben,
welche für einen mühevollen Kampf ausreichen und durch den Gebrauch
nicht erschöpft werden. Denn die Natur selbst wollte nicht, daß irgend
etwas Großes schnell zustande komme, und stellte gerade dem schönsten
Gelingen schweres Mühen voran[5], wie sie auch für die natürliche
Geburt das Gesetz gab, daß die größeren Tiere länger in dem Mutterleib
verbleiben sollen.

Da die vorliegende Frage aber eine zweifache ist, wie man nämlich und
was man schreiben muß, so will ich auch bei der Behandlung diese
Reihenfolge innehalten. Anfangs geschehe das Schreiben langsam, aber
natürlich nicht träge; man suche den besten Ausdruck und begnüge sich
nicht mit dem ersten Einfall; glaubt man etwas gefunden zu haben, so
prüfe man es; hat man es geprüft, so disponiere man; denn Inhalt und
Worte bedürfen der Auswahl, und alles ist einzeln auf seinen Wert hin
zu untersuchen. Dann erst richte man sein Auge auf die Wortstellung und
suche auf alle Weise Wohlklang zu erzielen; nicht aber erhalte jedes
Wort die Stellung, welche der Zufall anbietet. Um dies mit aller
Sorgfalt auszuführen, müssen wir häufiger das zuletzt Geschriebene
wieder durchlesen. Denn abgesehen davon, daß wir so das Folgende besser
mit dem Vorhergehenden verbinden, gewinnt auch die Wärme des Gedankens,
welche durch langes Schreiben abgekühlt ist, von neuem an Kräften und
nimmt gleichsam einen Anlauf, als ob die Strecke frisch zurückgelegt
würde; wie wir es bei einem Wettspringen wohl sehen, daß die
Beteiligten weiter ausholen und bis zu dem Hindernis, um welches es
sich im Wettstreit handelt, eine Strecke Anlauf nehmen, und wie wir
beim Werfen den Arm nach rückwärts führen und im Begriff, Wurfgeschosse
zu schleudern, die Bogensehne rückwärts spannen. Immerhin soll man die
Segel dem Winde überlassen, solange er weht, vorausgesetzt, daß nur
dieses Sichgehenlassen nicht zur Täuschung verführt: denn alles gefällt
uns, während es geschrieben wird, sonst würden wir es nicht schreiben.
Wir wollen aber dann uns zu einer Prüfung zurückwenden und das mit
bedenkenerregender Leichtigkeit Geschriebene von neuem behandeln. So
soll Sallust geschrieben haben; und in der Tat verrät auch sein Werk
selbst die Arbeit. Daß auch Vergil nur sehr wenige Verse an einem Tage
verfaßt habe, bezeugt uns Varius. Nun ist die Lage eines Redners
allerdings eine andere. Daher empfehle ich diese Langsamkeit und
Sorgfalt für den Anfang. Denn zunächst muß man das erreichen und
festhalten, daß man so gut wie möglich schreibt; Schnelligkeit wird
schon die Übung verleihen. Allmählich werden die Gedanken sich leichter
einstellen, die entsprechenden Ausdrücke werden sich finden, die
Verteilung des Stoffes wird sich anschließen, kurz, alles wird wie bei
einer wohlorganisierten Dienerschaft am angewiesenen Platze tätig sein.
Alles in allem gilt dies: Durch Schnellschreiben erreichen wir nicht,
daß wir gut schreiben, wohl aber durch Gutschreiben, daß wir schnell
schreiben lernen. Aber gerade dann, wenn wir jene Fähigkeit erlangt
haben, müssen wir dagegen arbeiten und gleichsam die durchgehenden
Pferde mit Zügeln festhalten, was uns nicht sowohl aufhalten, als uns
neuen Antrieb verleihen wird. Ich glaube nämlich nicht, daß man die,
welche im Schreiben eine gewisse Übung erlangt haben, zu der
unglückseligen Strafe, sich mit beständiger Selbstkritik zu quälen,
zwingen soll. Denn wie sollten die ihren Berufsgeschäften als
Sachwalter nachkommen, die über dem Studium einzelner Teile eines
Prozesses alt werden? Es gibt aber Leute, denen nichts genügt, die
alles ändern und alles anders ausdrücken wollen, wie es ihnen der
Augenblick eingibt, solche Zweifler und Selbstquäler, welche es für
Fleiß halten, wenn sie sich das Schreiben möglichst schwer machen. Ich
kann nicht einmal sagen, welche wohl den größten Fehler begehen, ob
die, denen alles von ihrer Hand Herrührende gefällt, oder diejenigen,
welchen nichts davon gefällt. Denn es passiert auch talentvollen
Jünglingen häufig, daß sie in Bemühung völlig aufgehen und in
beständigem Stillschweigen verharren nur aus dem allzu heftigen Wunsch,
gut zu reden. Ich erinnere mich recht wohl, daß mir in bezug hierauf
Julius Secundus, mein Altersgenosse und, wie bekannt, mein lieber
Freund, ein Mann von außerordentlicher Beredsamkeit, aber von sehr
großer Bedenklichkeit, eine Bemerkung seines Oheims erzählt hat. Dieser
war nämlich Julius Florus[6], der hervorragendste Redner in Gallien[7]
– denn dort befaßte er sich erst mit Beredsamkeit – und auch sonst wie
wenige beredt und eines solchen Verwandten würdig. Als dieser den
Secundus, welcher zu jener Zeit noch die Rednerschule besuchte, traurig
sah, fragte er nach der Ursache seines kummervollen Gesichtes. Da
gestand ihm der Jüngling, es sei schon der dritte Tag, daß er trotz
aller Anstrengung keinen Anfang für ein ihm zur schriftlichen
Ausarbeitung gestelltes Thema finden könne, was ihm nicht nur für den
Augenblick Kummer bereite, sondern auch für alle Zukunft verzweifeln
lasse. Da antwortete ihm Florus lächelnd: „Hast du denn vor, besser zu
reden, wie du kannst?” So ist es in der Tat: wir müssen uns Mühe geben,
so gut wie möglich zu reden, jedoch entsprechend unseren Fähigkeiten;
denn zum Vorwärtskommen hilft uns der Eifer, nicht der Unmut. Die
Fähigkeit aber, auch eine größere Arbeit mit einer gewissen
Schnelligkeit schreiben zu können, wird uns nicht allein die Übung
verleihen, welche zweifelsohne viel dazu beiträgt, sondern auch das
vernünftige Nachdenken. Wenn wir nicht auf dem Rücken liegend die Decke
ansehen, einen Gedanken hinmurmeln und abwarten, was uns einfalle,
sondern wenn wir uns klarmachen, was der Gegenstand erfordert, was der
Person entspricht, welcher Art die Zeitumstände und die Gemütsart des
Richters ist, und so auf menschenwürdige Weise ans Schreiben gehen,
dann gibt uns die Natur selbst Anfang und Fortführung des Themas an die
Hand. Denn das meiste ist greifbar und springt in die Augen, wenn wir
sie nicht schließen; deshalb suchen auch die Ungebildeten und Bauern
nicht lange nach einem Anfang, und wir müssen uns um so mehr schämen,
wenn die Bildung uns Schwierigkeit bereitet. Wir dürfen daher nicht
immer das Entlegenste für das Vortrefflichste halten und dann
verstummen, wenn sich uns nicht etwas bietet, nachdem wir erst haben
suchen müssen. In den entgegengesetzten Fehler verfallen diejenigen,
welche das Thema zunächst mit eilendem Griffel durchlaufen und der
Begeisterung und dem Schwung des Augenblickes folgend aus dem Stegreif
niederschreiben; dafür haben sie den Namen ≈silva≈ (Wald, hier
„ungeordnete Masse, unverarbeiteter Stoff”) erfunden; sie gehen dann
wieder durch und verbessern, was sie nur so hingeworfen haben, aber
Worte und Rhythmus lassen sich verbessern, in dem hastig
zusammengeschriebenen Inhalt bleibt die alte Oberflächlichkeit. Es wird
also richtiger sein, von vornherein Sorgfalt anzuwenden und den
Gegenstand gleich so zu behandeln, daß unser rednerisches Kunstwerk nur
noch ziseliert, nicht aber völlig neu gearbeitet werden muß. Bisweilen
jedoch sollen wir uns den Affekten überlassen, in welchen der Schwung
mehr wie die Sorgfalt wirksam wird.

Daraus, daß ich diese Nachlässigkeit beim Schreiben verurteile, wird
zur Genüge klar, wie ich über die bekannte Liebhaberei des Diktierens
denke. Denn bei dem noch so schnellen Schreiben bewirkt die Hand,
welche der Schnelligkeit des Gedankens nicht folgen kann, eine gewisse
Verzögerung; der hingegen, dem wir diktieren, drängt uns, und wir
schämen uns wohl auch zu zögern oder stehenzubleiben oder zu ändern,
indem wir gleichsam den Mitwisser unserer Schwäche fürchten. So kommt
es, daß uns nicht nur Undurchgearbeitetes und Zufälliges, sondern indem
wir nur den Zusammenhang mehren wollen, zuweilen auch Unpassendes
entschlüpft, was weder beim Schreiben noch beim Freisprechen passiert.

Wenn aber der Schreiber langsam im Schreiben oder unsicher im Lesen,
kurz, ein Stümper ist, wird der Lauf gehemmt, und das bereits im Innern
bestehende Bild geht durch die Verzögerung bisweilen auch bei einem
heftigen Auftritt verloren. Dann wird auch, da wir nicht allein sind,
das lächerlich, was eine stärkere Gemütsbewegung zu begleiten pflegt
und was wiederum zur Erregung unseres Inneren beiträgt, wie die Hände
stark bewegen, die Mienen lebhaft spielen lassen, Schenkel und Seite
schlagen, was Persius[8] meint, wenn er von gewissen Rednern behauptet:
„Und er schlägt nicht auf die Brüstung und beißt sich die Nägel nicht
ab.” Kurz, um mit einem Wort zu sagen, was für den Redner das
förderlichste ist: es ist die Einsamkeit, welche im Diktieren
aufgegeben wird, obwohl doch niemand bezweifelt, daß ein menschenleerer
Ort und die tiefste Stille für den Schriftsteller am geeignetsten sei.
Man darf jedoch nicht gleich auf die hören, welche glauben, daß am
geeignetsten hierzu Haine und Wälder seien, weil da ein freier Himmel
und eine schöne Gegend den Geist für das Erhabene empfänglich und
schöpferisch mache. Mir scheint ein derartiger Aufenthalt auf jeden
Fall mehr genußreich, als zum Studium anregend zu sein. Denn das, was
an sich selbst der Ergötzung dient, muß uns notwendig von der eifrigen
Beschäftigung mit der Arbeit ablenken, welche wir uns vorgenommen
haben. Denn man kann nicht mit gutem Gewissen seine Aufmerksamkeit auf
viele Dinge zugleich richten, jeder Blick aber auf einen andern
Gegenstand läßt uns die vorgenommene Arbeit aus dem Auge verlieren. Die
Schönheit des Waldes, ein vorüberfließender Fluß, das Rauschen der
Baumwipfel, der Gesang der Vögel, der freie Blick in die Weite
beansprucht unsere Aufmerksamkeit in dem Grade, daß ein solcher Genuß
mehr zu einem Sichgehenlassen als zu angestrengter Gedankenarbeit
einladet. Besser machte es Demosthenes[9], der sich an einem Orte
verbarg, wo man keinen Laut hören konnte und keine Aussicht genoß,
damit die Augen den arbeitenden Geist nicht ablenkten. Wenn wir bei
Nacht arbeiten, so richten wir es am besten so ein, daß die Stille der
Nacht, das verschlossene Zimmer und nur ein einziges Licht uns
gleichsam birgt und so vor Störung sichert. Aber wie zu jeder gelehrten
Beschäftigung, so braucht man hauptsächlich zu einer solchen eine gute
Gesundheit und eine mäßige Lebensweise, welche eine solche
hauptsächlich verleiht, da wir die von der Natur selbst zur Ruhe und
Erholung bestimmte Zeit zur eifrigsten Arbeit benutzen. Wer jedoch nur
so viel Zeit der Nacht verwendet, wie er sich vom Schlafe absparen
kann, wird nicht fehlgehen. Denn ein fleißiges Arbeiten wird die
Ermüdung schon von selbst verhindern, und die Tageszeit genügt vollauf,
falls wir sie hierfür frei behalten, zu einer Beschäftigung bei Nacht
zwingt die Not. Immerhin ist aber das Arbeiten bei Licht, falls wir es
mit frischen Kräften und nach vorhergegangener Erholung beginnen, am
freisten von Störung.

Aber Stille und Abgeschiedenheit und ein ganz sorgenfreies Herz sind
zwar sehr wünschenswert, können aber nicht immer uns zuteil werden;
deshalb soll man nicht gleich, wenn etwas störend dazwischenkommt, das
Buch wegwerfen und den verlorenen Tag beklagen, sondern der Störung
entgegentreten und durch Gewöhnung so weit kommen, daß die Stärke des
Willens alle Hindernisse überwindet; wenn dieser mit aller Anstrengung
auf die Arbeit gerichtet ist, wird von dem, was Auge und Ohr berührt,
nichts bis zum Geist dringen. Oder fügt es der Zufall nicht häufig so,
daß wir in Gedanken versunken uns Begegnende nicht sehen und vom Wege
abirren? Man muß gegen die Ursachen zur Trägheit nicht nachgiebig sein.
Denn wenn wir glauben, nur nach genossener Erholung, nur heiteren
Gemütes, nur frei von jeder andern Sorge geistig tätig sein zu können,
werden wir stets einen Grund haben, nachsichtig mit uns zu sein.
Deshalb soll in der wogenden Menge, auf der Reise, beim Gastmahl der
denkende Geist sich selbst eine Einsamkeit schaffen.

Was soll auch sonst werden, wenn wir einmal mitten auf dem Markt,
umgeben von so vielen Richtern unter Wortwechsel und Geschrei, sofort
eine zusammenhängende Rede halten sollen, wenn wir die paar Worte,
welche wir auf dem Wachs aufzeichnen wollen, nur in der Einsamkeit
wiederfinden können? Daher ersann Demosthenes, obwohl ein großer
Verehrer der Einsamkeit, seine Reden am Ufer, wo die Wogen mit heftigem
Gebrause brandeten, und gewöhnte sich so, dem Stimmengewirr einer
Volksversammlung furchtlos gegenüberzutreten.

Auch etwas weniger Wichtiges – obwohl bei den Studien nichts
geringfügig ist – will ich nicht übergehen, nämlich daß man am besten
auf Wachs schreibt, wo man das Geschriebene leicht wieder ausstreichen
kann, falls nicht schwache Augen die Benutzung von Pergament fordern,
das zwar größere Deutlichkeit bietet, jedoch durch das häufige
Hinundherbewegen der Hand zum Eintauchen des Schreibrohres ermüdet und
den Zug der Gedanken hemmt. In beiden Fällen jedoch lasse man auf der
entgegengesetzten Seite einen Raum frei, auf welchem für Zusätze freier
Platz ist. Denn manchmal verleitet der zu enge Raum zur Faulheit im
Verbessern und läßt das neu dazwischen Geschriebene mit dem alten
zusammenfließen. Dann möchte ich, daß die Wachstafeln nicht übermäßig
breit wären, da ich es selbst erlebt habe, wie ein junger Mann, welcher
sonst eifrig war, übermäßig lange Reden hielt, weil er sie nach der
Anzahl der Linien maß; und wie dieser Fehler, dem sich durch
fortgesetzte Ermahnung nicht abhelfen ließ, durch eine Änderung der
Schreibtafeln beseitigt wurde. Es muß auch ein Platz frei bleiben, auf
welchem von den Schreibenden das kurz aufgezeichnet wird, was ihnen
außerhalb des engeren Zusammenhanges, d. h. aus Teilen der Rede, mit
deren Ausarbeitung sie augenblicklich nicht beschäftigt sind, einfällt.
Denn häufig kommen uns sehr gute Gedanken in den Sinn, die wir weder
einreihen noch aufsparen dürfen, weil sei dann entweder vergessen
werden oder die mit ihnen Beschäftigten in dem weiteren Gedankengang
stören, und die deshalb am besten niedergeschrieben werden.




≈VIERTES KAPITEL≈

Von der Nachbesserung


Ich gehe zu der Nachbesserung über, dem bei weitem nützlichsten Teil
des Studiums; hat man doch nicht ohne Grund behauptet, der Griffel sei
in nicht geringerem Grade tätig, wenn er Geschriebenes wieder
vernichtet. Zu dieser Tätigkeit gehört aber Hinzufügen, Hinwegnehmen
und Ändern. Nun ist ein Urteilen leichter und einfacher, wenn es sich
darum handelt, zu ergänzen oder wegzulassen; das Schwülstige aber zu
vereinfachen, das Matte zu beleben, das Üppige zu beschränken, das
Ungeordnete zu ordnen, das Unzusammenhängende dem Zusammenhang
einzureihen, das zu stark Hervorgehobene zurückzudrängen: dies alles
erfordert doppelte Mühe; denn auf der einen Seite muß man das, dem man
bereits seinen Beifall geschenkt hatte, verurteilen, und auf der andern
Seite das, was einem fern gelegen hatte, neu hinzu erfinden. Es
unterliegt nun keinem Zweifel, daß es sich empfiehlt, erst dann zu dem
Geschriebenen wie zu einer neuen oder fremden Arbeit zurückzukehren,
wenn man es eine Zeitlang beiseitegelegt hat, damit uns das von uns
Verfaßte nicht wie kleine Kinder sich einschmeicheln und gefallen. Aber
auch dies kann zumal dem Redner nicht immer zuteil werden, da er häufig
für das Bedürfnis des Augenblicks schreiben muß, man muß auch im
Verbessern ein Ende finden können. Es gibt nämlich Leute, welche zu dem
Geschriebenen jedesmal in der Voraussetzung, es sei fehlerhaft,
zurückkehren, und die jede beliebige Änderung vorziehen, als ob das
zuerst Geschriebene nicht das Recht habe, das Bessere zu sein; diese
sind den Ärzten vergleichbar, welche auch am gesunden Fleisch
schneiden. Die Folge davon ist, daß überall Narben sind, daß es an
eigentlichem Gehalt fehlt, und daß Verbesserungen zu Verschlechterungen
werden. Man gelange also endlich zu einer Freude an dem Geschaffenen
oder doch zur Zufriedenheit mit demselben, damit die Feile glätte, aber
nicht zerreibe. Auch in dem Zeitaufwand muß man Maß halten; denn wenn
es heißt, Cinna[1] habe die Smyrna in einem Zeitraum von neun Jahren
geschrieben, Isokrates aber an dem Panegyricus mindestens zehn Jahre
gearbeitet, so geht das den Redner nichts an, da sein Beistand wertlos
ist, wenn er so langsam erfolgt.




≈FÜNFTES KAPITEL≈

Über den Gegenstand der schriftlichen Übungen


Zunächst müssen wir uns darüber verbreiten, was hauptsächlich
diejenigen, welche sich Fertigkeit erwerben wollen, schreiben müssen.
Nun gehört eine Auseinandersetzung über die Stoffe, welche an erster,
zweiter oder darauffolgender Stelle zu behandeln sind, nicht hierher
(denn das ist schon im ersten Buch, wo wir einen Studienplan für die
Knaben, und im zweiten Buch, wo wir einen solchen für die älteren
Schüler entworfen haben, geschehen), sondern es ist die auf unser
gegenwärtiges Thema bezügliche Frage zu beantworten, wodurch Fülle und
Leichtigkeit hauptsächlich erreicht werden.

Griechisch in das Lateinische zu übersetzen, hielten unsere Redner der
alten Schule für das beste. Dies behauptet Crassus in Ciceros Schrift
„Über den Redner” häufig getan zu haben[1]; dies schreibt Cicero
seinerseits oft vor[2], ja er gab sogar die Bücher Platos und
Xenophons[3], welche er dementsprechend übersetzt hatte, heraus; dies
fand auch den Beifall des Messalla, und viele seiner Reden sind auf
diese Weise entstanden, so daß er mit der äußerst schmucklosen und für
Römer sehr schwierigen Rede des Hyperides für Phryne[4] in die
Schranken treten konnte. Die Berechtigung einer solchen Übung liegt
auch auf der Hand. Denn an Fülle des Inhalts sind die griechischen
Schriftsteller sehr reich und sie zeigen in der Beredsamkeit die größte
Kunst; bei der Übertragung dieser kann nun der Übersetzer so verfahren,
daß er stets den treffendsten Ausdruck wählt; denn wir gebrauchen
ausschließlich die Worte der eigenen Sprache. Viele von den
Redewendungen, welche zum Schmuck dienen, in abweichender Weise zu
bilden, ist schon deshalb notwendig, weil die römische und die
griechische Ausdrucksweise meist voneinander verschieden sind.

Aber auch die Übertragung aus dem Lateinischen dürfte wohl gleichfalls
sehr förderlich sein. Was die Gedichte anbetrifft, wird dagegen niemand
Widerspruch erheben, ist es doch eine Art der Übung, welche Sulpicius
ausschließlich betrieben haben soll. Denn der erhabene Geist der
Dichtung kann der Rede einen höheren Schwung geben, und die Ausdrücke,
welche der poetischen Freiheit entsprechend kühner sind, haben nicht in
gleicher Weise das Treffende des Ausdrucks zur Voraussetzung. Dagegen
ist es uns erlaubt, den Gedanken selbst rednerische Kraft zu verleihen,
Fehlendes zu ergänzen, Breites zu kürzen. Auch möchte ich die Forderung
aussprechen, daß eine Umschreibung nicht erklärende Erweiterung sei,
sondern ein Wettkampf und Streit bei Darlegung des gleichen Gedankens.
Deshalb weiche ich auch von denen ab, welche die Übertragung
lateinischer Reden mißbilligen, weil jede Veränderung notwendig eine
Verschlechterung im Gefolge haben müsse, falls wir die besten Reden
hierzu verwendeten. Denn wir haben gar nicht immer Grund, daran zu
verzweifeln, dies oder jenes besser auszudrücken, als es bereits
geschehen ist; auch ist die römische Beredsamkeit nicht so nüchtern und
arm, daß man über #einen# Gegenstand nur auf #eine# Weise gut reden
kann. Oder kann etwa der Schauspieler durch seine Bewegungen bei den
gleichen Worten Abwechslung schaffen, während die Rede zurückstehen
muß, indem ein Gegenstand rednerisch so behandelt werden kann, daß über
den gleichen Stoff jedes weitere Wort überflüssig wäre? Aber gesetzt
auch, daß das von uns Gefundene weder besser noch gleichwertig sei, so
kann es doch dem Vorbild sehr nahe kommen. Oder kommt es etwa nicht
vor, daß wir selbst über denselben Gegenstand zweimal und häufiger
reden und manchmal in zusammenhängender Auseinandersetzung? Sollten wir
etwa nur mit uns selbst in Wettstreit treten können, mit anderen
hingegen nicht? Denn vorausgesetzt, daß nur auf #eine# Art ein
Gegenstand rednerisch gut behandelt werden könnte, müßten wir zu der
Meinung kommen, daß uns von unseren Vorgängern ein weiteres Vorgehen
abgeschnitten sei: in der Tat aber sind die Möglichkeiten ungezählte,
und gar viele Wege führen zu demselben Ziele. Ihren eigenen Reiz hat
die Kürze, ihren eigenen wiederum die Fülle, nach anderen Gesetzen muß
das Übersetzte, nach anderen das Ursprüngliche beurteilt werden, das
eine läßt sich in schlichter, einfacher Redeweise, das andere in
künstlich figürlicher Rede besser ausdrücken. Kurz, das eigentlich
Bildende bei dieser Übung ist die ihr innewohnende Schwierigkeit. Dazu
kommt noch das gewichtige Moment, daß die besten Schriftsteller auf
diese Weise mit großer Sorgfalt studiert werden. Denn wir durcheilen
ihre Schriften nicht in sorgloser Lektüre, sondern wir behandeln alles
einzelne und dringen notwendigerweise in die Tiefe ein und lernen ihre
Vorzüge dadurch schätzen, daß wir sie nicht nachahmen können.

Aber nicht allein Fremdes zu übertragen, sondern auch unser Eigenes auf
verschiedene Arten zu behandeln, wird von Nutzen sein, in der Weise,
meine ich, daß wir einzelne Gedanken auswählen und diesen so häufig wie
möglich eine andere Wendung geben, sowie dasselbe Wachs immer wieder in
andere Formen gegossen zu werden pflegt. Am meisten Fertigkeit, glaube
ich, aber werden wir uns gerade bei Behandlung der einfachsten
Gegenstände erwerben. Denn der Mangel an Können bleibt gar leicht
verborgen, wenn man es mit einer vielgestaltigen Menge von Personen,
Streitfällen, Ort– und Zeitverhältnissen, Warten und Taten zu tun hat,
da sich dann von allen Seiten eine Fülle von Stoff darbietet, aus
welcher man etwas auswählen kann. Erst das ist ein Prüfstein eines
tüchtigen Könnens, wenn man das, was von Natur knapp ist, ausführlich
zu behandeln versteht, wenn man das Unbedeutende steigert, dem
Ähnlichen Abwechslung, dem Gewöhnlichen Reiz verleiht und über eine
kleine Anzahl von Gegenständen ausführlich geistreich redet.

Hierzu werden am besten beitragen die Untersuchungen über zweifelhafte
Fragen, welche, wie wir bemerkten[5], „Thesen” genannt werden; pflegte
sich doch Cicero mit diesen zu üben, als er schon einen hohen Rang im
Staate einnahm[6]. Dieser Übung ist die Widerlegung und das Beweisen
einzelner Sätze verwandt. Denn da ein solcher Satz entweder ein Urteil
oder eine Vorschrift enthält, so kann auf der einen Seite die Sache
selbst, auf der andern Seite das Urteil über dieselbe untersucht
werden. Dazu kommen die sogenannten Gemeinplätze, welche bekanntlich
auch von Rednern[7] bearbeitet worden sind. Denn wer diese nur, indem
er bei der Stange bleibt, ohne auf Abwege zu geraten, erschöpfend
behandelt hat, der wird gewiß in dem, was mehrfache Abschweifungen
zuläßt, um so reicher und für alle Fälle gerüstet sein. Laufen doch
alle auf allgemeine Fragen hinaus. Denn es ist wohl kein Unterschied,
ob wir sagen: der Volkstribun Cornelius[8] soll in Anklagezustand
versetzt werden, weil er einen Antrag verlesen hat, oder ob wir fragen:
wird die Amtsgewalt verletzt, wenn ein Beamter seinen Antrag dem Volke
selbst vorliest, ob wir vor Gericht die Streitfrage aufstellen, ob
Milo[9] den Clodius mit Recht getötet habe, oder ob wir sie
formulieren: darf man einen Feind und staatsgefährlichen Bürger töten
für den Fall, daß er sich in ebendem Augenblick nicht feindlich zeigt?
Ferner: Hat Cato die Marcia dem Hortensius[10] unbeschadet seiner Ehre
übergeben? oder: Ziemt so etwas einem rechtschaffenen Manne? Über eine
Person wird das Urteil gesprochen, um den Wert einer Handlung wird der
Streit geführt. Was aber die Deklamationen, wie sie in den
Rhetorenschulen geübt werden, betrifft, so sind diese, falls sie nur
der Wirklichkeit entsprechend und richtigen Reden verwandt sind, nicht
allein, solange das Fortschreiten noch ein langsames ist, von großem
Nutzen, da sie das Erfinden und Disponieren in gleicher Weise üben,
sondern auch, wenn es schon zu einem gewissen Abschluß gelangt ist, und
der junge Redner schon Lorbeeren auf dem Forum geerntet hat. Denn die
Beredsamkeit erhält Befruchtung und Glanz gleichsam durch eine
angenehmere Speise und erholt sich, nachdem sie in dem beständigen
harten Kampf der Prozesse müde geworden war. Deshalb muß man in manchen
zur Übung geschriebenen Aufsätzen die Breite der Geschichtschreibung
anwenden und sich an der Ungezwungenheit der Dialoge mit Vergnügen
üben; selbst mit Dichtern sich spielend zu beschäftigen wird nicht ohne
Wert sein, sowie die Athleten sich an Muße und ausgesuchterer Kost
erfreuen, nachdem sie auf einige Zeit dem Zwang in Speise und
regelmäßiger Übung entsagt haben. Deshalb scheint mir auch Cicero der
Beredsamkeit so große Förderung gebracht zu haben, weil er sich auch zu
diesen nicht abseits gelegenen Studien gewendet hat. Denn wenn uns die
Prozesse allein Stoff liefern, dann wird notwendig der Glanz schwinden,
die feineren Organe werden an Geschmeidigkeit verlieren, und die
Schärfe des Geistes wird im täglichen Kampfe stumpf werden.

Wie aber den im Gerichtskampf geübten und gleichsam im militärischen
Dienstverhältnis befindlichen Rednern diese süße Speise Erfrischung und
Stärkung bietet, so dürfen die Jünglinge nicht zu lange bei diesem
bloßen Abbilde wahrer Verhältnisse verweilen und sich nicht an
inhaltslose Fiktion gewöhnen, damit sie nicht aus jenem Wirken in der
Dämmerung des geschlossenen Raumes, mit welchem sie durch langjährige
Gewöhnung vertraut geworden sind, wie von dem Glanze der Sonne
aufgeschreckt werden, sobald sie es mit einem wirklichen Prozesse zu
tun haben. So ging es, wie man sagt, selbst einem Porcius Latro[11],
welcher ein berühmter Lehrer der Beredsamkeit war. Als er, der sich
einen großen Ruf durch seine Lehrtätigkeit erworben hatte, eine Rede
auf dem Forum zu halten hatte, sah er sich zu der dringenden Bitte
gezwungen, man möge die Sitzung in das Gerichtslokal verlegen. So
ungewohnt war ihm der freie Himmel, daß man hätte glauben können, alle
seine Beredsamkeit sei von Wand und Decke abhängig.

Deshalb möge ein Jüngling, welcher Stoff und Form in der rechten Weise
zu gestalten von seinen Lehrern mit Fleiß gelernt hat (was keine
grenzenlose Aufgabe ist, wenn die Lehrer ihre Sache verstehen und guten
Willen haben), und der auch einige Übung erlangt hat, sich, wie es auch
bei unseren Vorfahren geschah, einen Redner zur Nachfolge und
Nacheiferung erwählen; bei Gerichtsverhandlungen sei er so häufig wie
möglich anwesend und ein fleißiger Zuschauer bei dem Gerichtsverfahren,
bei welchem er später selbst eine Rolle spielen wird. Dann soll er
entweder die gleichen Verteidigungsreden, welchen er beigewohnt hat,
schriftlich ausarbeiten, oder auch andere, aber solche, welche der
Wirklichkeit entnommen sind, und er soll sich jetzt mit scharfen Waffen
üben, wie wir es bei Gladiatorenspielen sehen, nach dem Beispiel des
Brutus, welcher für Milo schrieb. Das ist besser, als Entgegnung auf
die Reden der Alten schreiben, wie es Cestius[12] mit der Rede Ciceros
für Cestius tat, obwohl er aus der Verteidigungsrede die Sache der
andern Partei nicht hinreichend kennen konnte.

Noch schneller aber wird der Jüngling zum Ziele gelangen, wenn ihn sein
Lehrer nötigt, bei seinen Deklamationen so sehr wie möglich der
Wahrheit treu zu bleiben und die Stoffe vollständig zu bearbeiten,
während er sich bisher die leichtesten und dankbarsten aussuchte.
Freilich steht dem in zweiter Linie namhaft gemachten Punkt die allzu
große Menge der Schüler und der Brauch, die Klassen an bestimmten Tagen
deklamieren zu lassen, hindernd im Wege, einigermaßen auch die
Urteilslosigkeit der Väter, welche die Deklamationen zählen und nicht
nach ihrem Werte beurteilen. Aber ein vernünftiger Lehrer (wie ich im
ersten Buche ausgeführt habe)[13] wird sich nicht mit einer größeren
Anzahl von Schülern, als er vertragen kann, belasten; er wird zu große
Weitschweifigkeit beschneiden, so daß er nur alles das, was die
Streitfrage betrifft, vorbringen läßt, nicht wie es in der Methode
einiger liegt, auch das, was in irgendwelchem Zusammenhang mit dem
Stoff steht; auch wird er die Zeit, in welcher die aufgegebenen
Vorträge gehalten werden müssen, lieber um mehrere Tage ausdehnen oder
die Stoffe zu teilen erlauben. Das fleißig Ausgearbeitete wird von
höherem Nutzen sein als eine größere Anzahl von nur begonnenen
Versuchen, welche der Schüler gleichsam nur gekostet hat. In diesem
Fall nämlich pflegt es so zu gehen, daß das einzelne nicht den rechten
Platz erhält, und daß die Eingänge der Reden nicht innerhalb der
gehörigen Grenzen bleiben, indem die Jünglinge blühende Redewendungen
überall zusammensuchen und auf diesen Teil zusammenhäufen. Daher kommt
es, daß sie in der Besorgnis, für den Vortrag der späteren Partien
keine Zeit zu haben, die vorhergehenden durch Redeschmuck aller Art
unklar gestalten.




≈SECHSTES KAPITEL≈

Sammlung des Gedankenstoffes


Der Ausarbeitung größerer schriftlicher Arbeiten am nächsten verwandt
ist die Anfertigung von Entwürfen im Kopf, welche ebenfalls von jener
Übung ihre Kräfte empfängt und zwischen dem mühevollen Verfassen von
Aufsätzen und dem Glückswurf der Improvisation in der Mitte steht und
vielleicht am häufigsten zur Anwendung kommt. Denn längere Aufsätze
anzufertigen, dazu sind wir nicht überall und nicht immer imstande, für
Anfertigung von nicht aufgeschriebenen Entwürfen ist Zeit und Ort meist
reichlich vorhanden. Ein solcher Entwurf umfaßt in wenigen Stunden
selbst große Prozesse; er wird, sogar in der Dunkelheit der Nacht, wenn
der Schlaf unterbrochen ist, gefördert; für ihn findet sich mitten in
der Tätigkeit etwas freie Zeit, und für ihn läßt man keinen Augenblick
unbenutzt. Auch gibt er nicht nur, wie es wohl genug wäre, eine
Anordnung des Stoffes, sondern er verbindet auch die Worte und webt die
ganze Rede so zusammen, daß ihm zur vollen Fertigstellung nur die
schreibende Hand fehlt; übrigens haftet im Gedächtnis das meist weit
treuer, was nicht durch die Mühe des Schreibens weniger fest aufgefaßt
ist.

Aber auch zu dieser Fähigkeit des Entwerfens in Gedanken kann man nicht
plötzlich oder schnell gelangen. Denn erstlich müssen wir durch vieles
Schreiben eine Sicherheit in der Form erlangt haben, welche uns bei dem
Entwerfen in Gedanken begleitet; dann ist allmählich die Erfahrung zu
gewinnen in der Weise, daß wir uns nur an kleinen Aufgaben versuchen,
deren treue Wiedergabe nicht schwierig ist; dann müssen wir unsere
Fertigkeit vermehren, indem wir so wenig Neues hinzunehmen, daß wir
eine Mehrbelastung nicht spüren, und endlich durch beständige Übung,
welche hauptsächlich in einer Schulung des Gedächtnisses beruht,
größere Stoffmassen umfassen; deshalb muß ich auch verschiedenes an
jenem Orte, wo vom Gedächtnis die Rede sein wird, behandeln. Es kommt
mit der Zeit dahin, daß der, bei welchem der Geist sich willig zeigt,
durch eifriges Studium erreicht, daß bei ihm das, was er nur in
Gedanken entworfen hat, ihm bei der Rede ebenso gegenwärtig ist, wie
das, was er geschrieben und auswendig gelernt hat.

Cicero wenigstens ist Gewährsmann dafür, daß Metrodor[1] aus Skepsis
und Empylus[2] aus Rhodos und von unseren Rednern Hortensius das in
Gedanken Entworfene in ihren Gerichtsreden wörtlich wiedergaben.

Wenn aber vielleicht einmal während des Sprechens die Rede die Färbung
der Improvisation erhält, so soll man nicht ängstlich bei dem vorher
Ausgedachten haften bleiben. Hat doch auch dieses nicht eine so
sorgfältige Ausarbeitung erfahren, als daß man nicht auch einem
glücklichen Zufall Raum gönnen könnte, da doch häufig auch in das
Geschriebene plötzliche Einfälle einfließen.

Deshalb ist bei dieser ganzen Art der Übung so zu verfahren, daß wir
leicht den Entwurf verlassen und ihn wiederfinden können. Denn wie es
das erste ist, von Hause eine stets in Bereitschaft gehaltene und
sichere Fülle des Wortschatzes mitzubringen, so wäre es andererseits
die größte Torheit, die Gaben des Augenblicks zurückzuweisen. Daher
soll der in Gedanken ausgearbeitete Entwurf in der Weise beschaffen
sein, daß uns der Zufall nicht außer Fassung bringen, wohl aber
zustatten kommen kann. Durch ein starkes Gedächtnis aber wird erreicht,
daß das von uns im Geiste Zusammengefaßte mühelos unseren Lippen
entströmt, und daß uns die Sorge, das Zurückschauen und Anklammern an
das Gelernte den Blick auf das Folgende nicht trübt, sonst würde ich
selbst eine übermütige Improvisation einer übel zusammenhängenden
Vorbereitung vorziehen. Denn es ist schlimm, wenn man nach rückwärts
suchen muß, weil wir, während wir so suchen, von anderem uns abwenden
müssen und die Gedanken aus dem Gedächtnis schöpfen, anstatt aus dem
Stoff. Wenn man aber beides suchen muß, so ist dessen mehr, was noch
gefunden werden kann, als dessen, was schon gefunden worden ist.




≈SIEBENTES KAPITEL≈

Wie die Fertigkeit, aus dem Stegreif zu reden, erworben und erhalten
wird


Der größte Gewinn aber des Studiums und gleichsam der reichste Lohn für
ein langes Arbeiten ist die Fähigkeit, aus dem Stegreif zu reden. Wer
diese nicht erlangt hat, sollte meiner Ansicht nach wenigstens auf den
Beruf des gerichtlichen Anwalts verzichten und seine einseitige
Fertigkeit der schriftlichen Darstellung lieber an anderen Stoffen
ausüben. Denn einem Manne von wirklicher Gewissenhaftigkeit steht es
nicht wohl an, eine Hilfeleistung zum allgemeinen Nutzen zu
versprechen, welche in den Momenten augenblicklicher Gefahr versagt,
einem Hafen vergleichbar, in welchen ein Schiff nur bei leichtem Winde
einlaufen kann. Wird doch in unzähligen Fällen ein plötzliches
Eingreifen nötig, sei es der Staatsgewalt gegenüber oder bei plötzlich
angestelltem Gerichtsverfahren. Wenn ein solcher Fall nun – ich will
nicht sagen irgendeinem unschuldigen Bürger – aber einem seiner Freunde
und Verwandten passiert, soll er dann stumm dastehen und in Gegenwart
derer, die seine Verteidigung verlangen und dem Untergang preisgegeben
sind, wenn ihnen nicht Hilfe zuteil wird, Aufschub, Abgeschiedenheit
und Stille suchen, bis die rettende Rede geschmiedet und dem Gedächtnis
eingeprägt und Stimme und Lunge wohlvorbereitet sind? Und wie könnte
man wohl vernünftigerweise auf die Forderung verzichten, daß der Redner
jeden Zwischenfall benutzt? Wie soll es denn werden, wenn er seinem
Gegner antworten muß? Denn häufig bleibt das, was wir vermutet hatten
und wogegen wir geschrieben hatten, aus, und der ganze Prozeß nimmt
plötzlich eine andere Wendung, und wie der Steuermann dem Andringen der
Stürme gegenüber, so muß der Redner bei einer plötzlich veränderten
Wendung des Prozesses sein Verfahren ändern. Was erreicht man denn
schließlich mit den vielen schriftlichen Übungen, mit anhaltender
Lektüre und mit langandauerndem Studium, wenn man dieselbe
Schwerfälligkeit wie ein Anfänger behält? Die Vergeblichkeit der
vorangegangenen Arbeit muß der wahrhaftig zugeben, der auf dem gleichen
Gebiete immer derselben Anstrengung bedarf. Mit diesen Worten will ich
nicht gesagt haben, daß der Redner der Improvisation den Vorzug geben
soll, sondern daß er sie zu leisten vermag. Dies werden wir aber am
besten auf folgende Weise erreichen.

Zunächst soll der Weg, den die Rede einzuschlagen hat, bekannt sein;
denn der Wettlauf kann nicht glücken, bevor wir wissen, welche Richtung
und welchen Weg wir einschlagen müssen. Dabei genügt es nicht, die
einzelnen Teile einer Gerichtsrede genau zu kennen oder den einzelnen
Streitpunkt richtig zu disponieren, obwohl das die Hauptsache ist,
sondern man muß auch wissen, was in jedem dieser Teile zuerst
vorzubringen ist, was an zweiter Stelle und was nachher; ferner was
seiner Beschaffenheit nach so eng zusammenhängt, daß es weder seinen
Platz vertauschen kann noch eine Trennung verträgt, ohne daß Verwirrung
entsteht. Wer aber planmäßig redet, der läßt sich vor allem durch die
Reihenfolge der Ereignisse selbst führen, daher kommt es hauptsächlich,
daß auch weniger geübte Leute am leichtesten in der Erzählung den Faden
behalten. Dann muß man jeden Augenblick gegenwärtig haben, worauf sich
die Untersuchung bezieht, und nicht umhergaffen oder durch das, was
sich von anderer Seite den Blicken darbietet, in Verwirrung geraten und
nicht aus Unzusammengehörigem die Rede zusammenschweißen wie
Seiltänzer, welche bald hier, bald dort sind und an keinem Orte
verharren. Außerdem soll man Maß und Ziel einhalten, was ohne
Disposition nicht möglich ist. Nachdem das Thema nach Kräften erschöpft
ist, sei man sich bewußt, daß man fertig ist.

Das bisher Ausgeführte ist Sache der Theorie, das Weitere ist eine
Frucht praktischer Übung. Damit wir uns eine Fülle der besten Ausdrücke
der bereits gegebenen Vorschrift entsprechend aneignen, muß die
Redefertigkeit durch viele und gewissenhafte Stilübung eine so sichere
geworden sein, daß auch das vom Augenblick erzeugte Wort dieselbe
Färbung wie etwas Geschriebenes erhält. Wir werden daher, nachdem wir
viele schriftliche Aufsätze gefertigt haben, auch viele Übungen im
mündlichen Vortrag anstellen. Denn Gewöhnung und Übung bringt
hauptsächlich Fertigkeit hervor, und wenn man hierin Pausen eintreten
läßt, wird nicht allein jene Lebhaftigkeit matter, sondern die Zunge
selbst wird stumpf und müde. Denn obwohl es einer gewissen natürlichen
Beweglichkeit dazu bedarf, daß wir im Sprechen weiterbauen können, und
daß der im voraus gebildete Gedanke an das eben Gesprochene anknüpft,
so kann doch kaum natürliche Anlage oder künstliche Berechnung uns zu
einer so vielseitigen Tätigkeit führen, daß wir gleichzeitig Erfindung,
Disposition, Ausdruck und die Reihenfolge des Inhalts in genügender
Weise beachten, und daß wir dabei noch den eben gesprochenen Worten,
den darauffolgenden und denen, welche im weiteren Verlaufe folgen
sollen, Beachtung schenken, indem wir zugleich unsere Stimme und
Sprache und die äußeren Bewegungen kontrollieren. Denn die
Aufmerksamkeit muß weit vorauseilen und sich mit dem Folgenden
beschäftigen: so viel man im Reden aufbraucht, so viel muß aus dem noch
Ausstehenden zur Ergänzung herangezogen werden, so daß äußerer und
innerer Fortgang gleichen Schritt halten müssen, wenn wir nicht
stehenbleiben und stutzen und schließlich kurze und abgerissene Sätze
nach Art der Schluchzenden ausstoßen wollen.

Es gibt nun eine gewisse prinziplose Fertigkeit, welche die Griechen
ἄλογοϛ τριβή („eine der Vernunft nicht bedürftige Beschäftigung”)
nennen; sie läßt uns die Hand beim Schreiben bewegen, die Augen beim
Lesen über die Zeile, ihr Ende und den Anfang der neuen gleiten und das
Folgende bereits aufnehmen, ehe man das Vorhergehende ausgesprochen
hat. Diese mechanische Fertigkeit bringt auf der Bühne jene Wunder der
Gaukler und Taschenspieler zustande, welche darin bestehen, daß sie das
in die Hände anderer scheinbar von selbst kommen lassen, was sie
dahinein getan haben, und daß es auf ihren Befehl wieder zurückkehrt.
Aber diese mechanische Fertigkeit wird nur dann von Nutzen sein, wenn
zuvor die Kunst, von welcher wir schon sprachen, vorhanden ist, durch
welche das an sich Unvernünftige zu einem vernünftigen Zwecke verwendet
wird. Denn wer ohne Ordnung, Schmuck und Fülle redet, der scheint mir
nicht zu reden, sondern zu toben. Und das zusammenhängende Reden ohne
Vorbereitung werde ich an sich nie bewundern, da ich es auch bei
schimpfenden Weibern reichlich gesehen habe; wenn es aber von Feuer und
Geist getragen wird, dann trifft es sich häufig, daß die sorgfältigste
Vorbereitung an die Wirkung einer Improvisation nicht heranreicht. In
einem solchen Falle pflegten dann die alten Redner, wie Cicero sagt[1],
zu sagen, ein Gott habe mitgewirkt. Die Ursache hiervon liegt auf der
Hand. Tiefgreifende Erregungen und lebhafte Vorstellungen lassen in
vollem Zuge die Rede ausströmen, während die Lebhaftigkeit derselben
durch den Aufenthalt des Schreibens verringert wird, die, wenn einmal
etwas verlorengegangen ist, nicht wieder gewonnen werden kann. Auf
jeden Fall kann jene schwungvolle Kraft der Rede sich nicht äußern,
wenn der Redner jene unglückselige Wortklauberei anwendet, und bei
jedem Ausdruck einen Anstoß findet, sondern die Rede wird, wenn auch
jeder Ausdruck peinlich korrekt ist, nicht sowohl aus einem Guß, als
Stückwerk sein.

Daher muß man die zuvor bezeichneten lebhaften Vorstellungen, welche,
wie ich gesagt habe[2], von den Griechen als Bilder der Phantasie
bezeichnet werden, in sich aufnehmen, und es muß alles, was der
Gegenstand unserer Rede werden soll, Personen, Tatsachen und die damit
verbundenen Gefühle von Furcht und Hoffnung ins Auge gefaßt und in die
Glut des Affekts getaucht werden: denn das Herz ist es, was beredt
macht, und die Kraft der Vorstellung.

Daher fehlen auch den Ungebildeten die Worte nicht, wenn sie nur von
einem lebhaften Gefühle erregt sind. -- Ferner ist der Geist nicht auf
einen einzigen Gegenstand, sondern auf mehrere zugleich zu richten, so
wie wir bei einer geraden Straße, wenn wir sie mit den Augen
durchmessen, nicht allein das Ende sehen, sondern alles in ihr und an
ihren Seiten Befindliche bis zum Ende. Einen Anreiz zum Reden trägt
auch ein berechtigter Ehrgeiz in sich; während man sich daher beim
Schreiben an der Einsamkeit erfreut und jede Gesellschaft ängstlich
meidet, wird der improvisierende Redner durch die Zahl der Zuhörer wie
der Soldat durch das Blasen der Trompeten angefeuert. Denn auch einen
schwierigen Gedanken läßt die Nötigung des Redens zum Ausdruck
gelangen, und einen glücklichen Schwung erhöht der Wunsch zu gefallen.
So sehr geht alles auf Belohnung aus, daß auch die Beredsamkeit,
wieviel Vergnügen sie auch in sich selbst trägt, sich hauptsächlich
durch den augenblicklichen Gewinn von Ruhm und Anerkennung leiten läßt.
Nur möge keiner zu seinem Talente eine so große Zuversicht haben, daß
er hoffe, es könne ihm dies sofort beim ersten Anlauf glücken, vielmehr
muß man, wie bei dem Entwurf im Kopfe, die Gewandtheit im Extemporieren
von kleinen Anfängen allmählich zur Vollendung führen, welche nur durch
Übung erreicht und behauptet werden kann. Man muß es aber hierin so
weit bringen, daß der im Kopf zuvor überlegte Entwurf nicht unter allen
Umständen besser wie die Improvisation ist, wohl aber sicherer, eine
Fertigkeit, welche sich viele nicht nur in Prosa, sondern auch in
Versen angeeignet haben, wie Antipater[3] aus Sidon und Licinius
Archias[4], wenn man Cicero Glauben schenken darf; damit will ich aber
nicht gesagt haben, daß nicht auch manche in unserer Zeit es so weit
gebracht haben und es noch bringen. Obwohl ich es nun nicht für etwas
so außerordentlich Billigenswertes halte (denn es ist weder besonders
nützlich noch notwendig), so meine ich doch, daß es denen, welche sich
zur Tätigkeit auf dem Forum vorbereiten, ein vortreffliches Vorbild
gibt, wenn man in ihnen so große Hoffnungen erweckt. Gleichwohl soll
das Zutrauen zu dieser Gewandtheit nie ein so großes sein, daß wir
nicht wenigstens einen kurzen Augenblick – der fast nie fehlen wird –
erübrigen, um das, was wir sagen wollen, mit unserm geistigen Auge zu
überblicken, wozu wenigstens bei Gerichtsverhandlungen und auf dem
Forum immer Gelegenheit sein wird; denn niemand tritt als
Gerichtsredner auf, ohne sich über den schwebenden Rechtsfall zu
unterrichten. Manche Kunstredner verleitet ein verkehrter Ehrgeiz, daß
sie sich sofort zu reden erbieten, sobald eine Streitfrage aufgeworfen
ist, ja daß sie um ein Wort bitten, mit dem sie anfangen wollen, was
besonders abgeschmackt und schauspielermäßig ist. Freilich verlacht
ihrerseits wieder die Beredsamkeit ihre Anhänger, die sie so
herabwürdigen, und sie, welche Törichten gebildet erscheinen wollen,
erscheinen Gebildeten töricht. Wenn jedoch irgendein Zufall eine so
plötzliche Ausübung der Beredsamkeit verlangt, so wird man einer
besonderen Regsamkeit des Geistes bedürfen; man muß dann alle geistige
Kraft auf den Gegenstand lenken und vorderhand auf stilistische
Sorgfalt verzichten, wenn Inhalt und Form gleich sorgfältig zu
behandeln nicht möglich ist. Dann gewinnen wir auch Zeit durch ein
langsameres Sprechen und eine zurückhaltende und gleichsam zögernde
Redeweise, die jedoch so anzuwenden ist, daß wir zu überlegen, nicht
aber steckenzubleiben scheinen. So werden wir verfahren, während wir
noch im Begriff sind, den Hafen zu verlassen, und solange uns noch der
Wind treibt, ohne daß die Segel vollständig klar sind. Bald aber werden
wir auf der Fahrt die Segel in Ordnung bringen, die Taue zurechtmachen
und uns in volle Fahrt begeben. Dies würde ich mehr befürworten, als
daß man sich einem nichtigen Strudel von Worten überläßt, eine Beute
für die Stürme, welche einen, wohin sie wollen, tragen werden.

Es bedarf aber eines ebenso großen Fleißes, um diese Fertigkeit zu
erhalten, wie um sie zu erwerben. Das theoretische Wissen verliert sich
nicht, wenn es einmal recht erfaßt worden ist; auch die schriftliche
Übung büßt durch Unterbrechung nur wenig von der Raschheit ein; diese
Fertigkeit dagegen, immer zum Reden gefaßt und in Bereitschaft zu sein,
wird lediglich durch Übung erhalten. Dies erwerben wir uns dann am
besten, wenn wir täglich vor einer Anzahl von Zuhörern zu reden haben,
deren Urteil und Gutachten wir mit ernstlicher Sorge entgegensehen;
denn daß man die eigene Kritik fürchtet, kommt selten vor. Immerhin ist
es besser, wenn wir uns allein im Reden üben, als wenn wir uns
überhaupt nicht üben. Eine andere Übung, welche an jedem Orte und zu
jeder Zeit, wenn wir nicht etwas anderes tun, stattfinden kann, besteht
im bloßen Denken und der Behandlung umfangreicherer Stoffe ganz still
(indem wir jedoch gleichsam im Innern mit uns reden), und sie ist zum
Teil nützlicher als die zuletzt genannte; denn man wird bei dieser eine
sorgfältigere Anordnung treffen als bei jener, wo wir den Zusammenhang
der Rede zu unterbrechen fürchten. In anderer Beziehung ist wieder die
vorhergenannte Übung von größerem Nutzen, so zur Erlangung einer
kräftigen Stimme, einer geläufigen Aussprache und guter körperlicher
Bewegungen, welche, wie gesagt, auch ihrerseits den Redner in Erregung
bringen, wie denn auch das Bewegen der Hände und das Stampfen mit dem
Fuße ihn belebt, gleichwie es die Löwen mit dem Schweif machen. Man muß
sich aber mit Eifer dem Studium hingeben immer und überall. Ist doch
auch fast nie ein Tag so mit Geschäften belastet, daß nicht ein kurzer
Augenblick für eine gewinnbringende Tätigkeit, wie Cicero den Brutus
sagen läßt[5], sei es für Schreiben, Lesen oder Redeübungen erübrigt
werden könnte, wie denn auch C. Carbo[6] selbst im Felde solche
Redeübungen anzustellen pflegte. Auch das darf ich nicht übergehen, was
Cicero gleichfalls empfiehlt[7], daß unser Sprechen niemals nachlässig
sein möge; gleichviel, was wir zu reden haben und wo wir es tun, immer
besitze es eine relative Vollkommenheit. Und schreiben soll man zu
keiner Zeit mehr als dann, wenn wir viel aus dem Stegreif reden. Denn
so bewahren wir uns die Gediegenheit, denn Leichtigkeit gehört zu den
folgenden Gedanken, und die Leichtigkeit des Ausdrucks, welche sonst in
Oberflächlichkeit ausarten würde, erhält frische Nahrung aus der Tiefe,
sowie die Landleute die zu oberst liegenden starken Wurzeln eines
Weinstockes, welche ihn nur auf der Erdoberfläche befestigen,
abschneiden, damit die schwächeren weiter in die Tiefe wachsen und so
erstarken. Und vielleicht fördert beides, mit Sorgfalt und Fleiß
ausgeführt, einander in der Weise, daß wir durch das Schreiben
sorgfältiger reden und durch das Reden mit größerer Leichtigkeit
schreiben lernen. Man muß deshalb, so oft es irgend geht, schreiben,
und falls keine Gelegenheit vorhanden ist, sich durch Überdenken des
Stoffes bemächtigen; ist beides versagt, so soll man doch darauf
hinwirken, daß weder der Redner in Verlegenheit gesetzt, noch sein
Klient verlassen scheint.

Vielbeschäftigte Anwälte pflegen es aber meist so zu halten, daß sie
das Notwendigste und auf jeden Fall den Anfang aufschreiben und das
übrige, was sie im Gedächtnis haben, in Gedanken disponieren,
plötzlichen Einwürfen aber aus dem Stegreif entgegentreten. Daß M.
Tullius so verfahren ist, geht aus seinen Aufzeichnungen hervor. Es
sind aber solche auch von anderen in Umlauf, welche aufgefunden in der
Gestalt, in der sie ein Redner niedergeschrieben hatte, später in
Bücher eingeteilt worden sind, wie die Notizen über die Prozesse,
welche Servius Sulpicius geführt hat, von welchem noch drei Reden
vorhanden sind; aber gerade diese ebengenannten Aufzeichnungen sind von
einer peinlichen Genauigkeit, daß ich glauben möchte, sie seien von ihm
selbst für die Nachwelt bestimmt gewesen. Ciceros Notizen dagegen,
welche nur für den Augenblick berechnet waren, hat sein Freigelassener
Tiro gesammelt; eine Tatsache, welche ich nicht anführe, damit sie
denselben zur Entschuldigung diene, und als ob ich ihnen meinen Beifall
versagte, sondern um die Bewunderung für dieselben zu erhöhen. Bei dem
freien Sprechen billige ich es vollständig, wenn man sich kurze Notizen
in eine Rolle macht, welche man auch in der Hand behalten und ab und zu
einsehen darf. Hingegen mißfällt mir die Vorschrift des Länas[8], sogar
bei dem, was wir geschrieben haben, den Hauptinhalt in ein Gedenkbuch
und einzelne Hauptabschnitte einzutragen[9]. Denn das Vertrauen auf
dieses Gedenkbuch läßt uns im Memorieren nachlässig sein und macht
unser Reden stockend und formlos. Möchte ich doch nicht einmal, daß man
das aufschreibt, was man vollständig auswendig lernen will; denn hier
kommt es auch vor, daß unsere Gedanken an ebendiesem Aufgeschriebenen
haften bleiben, und daß wir auf das, was ein glücklicher Augenblick uns
eingibt, verzichten. Unsicher und schwankend werden wir dann, da wir
das Aufgeschriebene verloren und Neues zu suchen nicht den Mut haben.

Über das Gedächtnis werde ich in dem nächsten Buche sprechen und darf
dies hier nicht schon anfügen, weil ich anderes vorausschicken muß.




Anmerkungen


Erstes Kapitel

[1] Dieselben sind in den beiden vorhergehenden Büchern enthalten.

[2] Genauer: „Die Arbeit wird wie ein Schiff ohne Steuermann hin und
her schwanken.” Der Sinn ist demnach, daß, wie das Schiff den
Steuermann nötig hat, so bedarf der Lernende des durch die Lektüre
dargebotenen Vorbildes guter Schriftsteller.

[3] Eigentlich „wird wie über verschlossenen Schätzen brüten”. Ähnlich
heißt es bei Vergil, Äneide VI, 610:

Oder welche für sich auf erworbenen Schätzen gebrütet; Horaz, Satiren
I, 1, 70:

    Du liegst voll Gier auf den Säcken,
    Die du zusammengerafft.

[4] Nicht eigentlich der Redner, sondern derjenige, welcher ein Redner
werden will.

[5] S. VIII, Vorwort 24; 5, 9; VII, Vorwort 1.

[6] Das sind Verfasser von Spottgedichten; der berühmteste,
Archilochus, wird weiter unten charakterisiert.

[7] Aristophanes, Eupolis, Kratinus.

[8] Dies bezieht sich wohl mit einigen Abweichungen auf die zuerst von
Herodot (II, 2) mitgeteilte Überlieferung, auf welche Weise der
ägyptische König Psammetich zu erfahren versucht habe, welches Volk das
älteste sei.

[9] Oder „Käse”, wie Vergil, Eklogen 1, 81.

[10] Im Gegensatz zu dem toten Buchstaben.

[11] Die Reden um den Kranz.

[12] Servius Sulpicius Rufus war der berühmteste Rechtsgelehrte zur
Zeit Ciceros. Er wird als Verfasser von drei Reden genannt. In dem
nicht weiter bekannten Prozesse der Aufidia wird er IV, 2, 106 als
Verteidiger derselben bezeichnet; Messalla ist dann also der Ankläger.
Doch ist nichts Näheres über den Fall bekannt. Über Messalla, Pollio
und Cassius s. weiter unten.

[13] Cajus Nonius Asprenas, ein Freund des Augustus, wurde von Cassius
angeklagt, weil bei einem von ihm gegebenen Gastmahl 130 Personen
vergiftet worden waren. Der Prozeß endigte mit seiner Freisprechung.

[14] Die entsprechenden Reden Ciceros sind die für Ligarius und gegen
Verres. Ligarius, der nach der Schlacht bei Thapsus in die Gewalt
Cäsars gekommen und in die Verbannung geschickt war, wurde, als seine
Brüder seine Begnadigung und Zurückberufung betrieben, von Tubero wegen
seines Verhaltens in Afrika angeklagt.

[15] Freund und Zeitgenosse Ciceros.

[16] Cornelius Celsus, zur Zeit des Tiberius, ein Mann von umfassender
Gelehrsamkeit, hatte über Rhetorik, Jurisprudenz, Landwirtschaft,
Medizin, Kriegskunst und Philosophie geschrieben; erhalten ist nur
seine Schrift ≈de medicina≈.

[17] Er war aus Nemausus in Gallien.

[18] Crispus Passienus der Jüngere, Stiefvater des Kaisers Nero,
gestorben 49 n. Chr.

[19] Vielleicht Lälius Balbus unter Tiberius.

[20] Der Fall ist nicht näher bekannt.

[21] Wo Cicero dies gesagt hat, ist unbekannt; die Stelle des Horaz
steht ≈ars poetica≈ 359.

[22] In seinem Buche über die Rhetorik.

[23] Rede für den Dichter Archias 12.

[24] Das ist die antike Auffassung der Geschichtschreibung, welche sich
von der modernen wesentlich unterscheidet.

[25] IV, 2, 45.

[26] Der Redner 39; 62.

[27] Hiermit sind offenbar die auch uns zum Teil erhaltenen Schriften
des Plato, Xenophon und Äschines Socraticus gemeint.

[28] Brutus 248.

[29] In einer nicht auf uns gekommenen rhetorischen Anweisung.

[30] Aratus lebte um 270 v. Chr. am Hofe des Königs Antigonus Gonatas
von Mazedonien. Seine Phänomena beginnen mit den Worten: Ἑκ Διὸϛ
ἀρχώμεσθα (mit Zeus wollen wir anfangen). Dieses Werk bespricht
Quintilian weiter unten.

[31] Ilias XXI, 196.

[32] Antilochus, Ilias XVIII, 18 ff.

[33] Phönix, Ilias IX, 529 ff.

[34] Ilias XXIV, 486 ff.

[35] Um 800 v. Chr., Verfasser des didaktischen Gedichtes „Werke und
Tage”, einer „Theogonie” und eines Gedichtes „Der Schild des Herakles”.

[36] Der Stil, welcher in der Mitte steht zwischen dem schlichten
attischen und dem überladenen asiatischen.

[37] Epischer Dichter aus Kolophon, lebte gegen das Ende des
Peloponnesischen Krieges. Sein Hauptwerk war das Epos Thebaïs.

[38] Aus Halikarnaß, um 480 v. Chr., Oheim Herodots, Verfasser eines
epischen Gedichtes Herakleia in 14 Büchern.

[39] Geboren zu Alexandria, aber als rhodischer Bürger gewöhnlich „der
Rhodier” genannt, Vorsteher der Bibliothek in Alexandria um 190 v.
Chr., Verfasser des noch erhaltenen Gedichtes „Argonautika”.

[40] Die alexandrinischen Kritiker, besonders Aristophanes aus Byzanz
und sein Schüler Aristarch, veranstalteten im 2. Jahrhundert v. Chr.
ein Verzeichnis der mustergültigen Dichter und Schriftsteller, das auch
in späterer Zeit gewöhnlich als maßgebend anerkannt wurde.

[41] S. Anm. 30.

[42] Der berühmte Idyllendichter aus Syrakus, um 275 v. Chr.

[43] Aus Kamirus auf Rhodos, um 640 v. Chr., Verfasser einer
„Herakleia”.

[44] Nikander, wahrscheinlich aus Kolophon, lebte um 450 v. Chr. zum
Teil am Hofe des Königs Attalus III. von Pergamus und schrieb außer
vielen didaktischen Werken „Alexipharmaka” und „Theriaka” über Bisse
giftiger Tiere.

[45] Ämilius Macer aus Verona, gestorben 16 v. Chr., schrieb
„Ornithogonia” und „Theriaka”.

[46] Quintilian scheint, durch die Gleichheit des Titels veranlaßt, an
die Georgika Vergils gedacht zu haben. Doch läßt sich nicht nachweisen,
daß bei Abfassung dieses Gedichtes die Georgika des Nikander als
Vorbild gedient haben. Des letzteren Lehrgedicht über die Bienen
(Melissurgika) kann vielleicht Vergil benutzt haben.

[47] Euphorion aus Chalkis auf Euböa, geb. um 276 v. Chr., lebte in
Athen, dann seit 220 in Antiochia als Vorsteher der Bibliothek. Seine
epischen Gedichte und Elegien wurden wegen ihres mythologischen und
antiquarischen Stoffes fleißig gelesen und von Cornelius Gallus
nachgebildet.

[48] Eklogen 10, 50.

[49] In der ≈ars poetica≈ 401.

[50] Tyrtäus, um 685-668 v. Chr., aus Aphideä in Attika, berühmt durch
seine Marsch– und Schlachtlieder, durch die er im Zweiten Messenischen
Kriege die Spartaner zum Kampfe begeistert haben sollte.

[51] Kallimachus aus Kyrene, um 260 v. Chr., lebte in Alexandria. Er
erlangte hohen Ruhm durch seine Elegien, die von den römischen Dichtern
Catull, Properz und Ovid nachgeahmt wurden.

[52] Philetas aus Kos, Freund des Theokrit, Lehrer des Ptolemäus II.
Philadelphus, um 280 v. Chr., von Properz und Ovid nachgeahmt.

[53] Die beiden hier nicht Genannten sind Simonides aus Samos, um 660
v. Chr., und Hipponax aus Ephesus, um 540 v. Chr., ein scharfer
Satiriker.

[54] Nicht angeführt sind Alkman aus Sardes, um 620 v. Chr., Sappho aus
Lesbos, um 600 v. Chr., Ibykus aus Regium, um 540 v. Chr., Anakreon aus
Teos, später am Hofe des Polykrates von Samos, Bakchylides aus Kos, um
465 v. Chr. – Pindar, geb. 522 v. Chr. in Kynoskephalä bei Theben,
hochgeachtet von Fürsten und freien Bürgern im Leben und nach seinem
Tode 441 v. Chr.

[55] Oden IV, 2:

  Wer sich erkühnt, dem Pindar nachzusingen,
    Der hebt, Jullus, sich mit tollem Mut
  Auf Dädalus' mit Wachs gefügten Schwingen
    Und gibt den Namen der kristallnen Flut.
  Wie von den Regengüssen angeschwollen,
    Aus den gewohnten Ufern tritt der Fluß,
  So stürzt hervor mit allgewalt'gem Rollen
    Aus ungemeß'ner Tiefe Pindarus.

[56] Stesichorus aus Himera auf Sizilien, geb. um 630 v. Chr., der
berühmteste Dichter Siziliens, starb hochbetagt in Catana. Vgl. über
ihn Horaz (Oden IV, 9, 4 ff.):

  Zwar glänzt Homer als erster in Sängerreih'n,
  Doch schweigt darum die Muse des Pindar nicht,
  Noch Ceas Lied, Alcäus' Schlachtruf,
  Oder Stesichorus' ernste Dichtung.

[57] Aus Mytilene auf Lesbos, 611-580 v. Chr.

[58] Gemeint sind die Gedichte des Alcäus, welche den zehnjährigen
Bürgerkampf seines Vaterlandes behandeln.

[59] Myrsilus und Pittakus.

[60] Simonides aus Julis auf Kos (556-486 v. Chr.), lebte teils in
Athen am Hofe des Hipparch, teils an dem des Hiero in Syrakus. Mit
ersterem war er befreundet, ebenso mit Themistokles, Pausanias,
Anakreon u. a. Er besaß weltmännische und wissenschaftliche Bildung und
war mit einem vorzüglichen Gedächtnis ausgestattet.

[61] Aristophanes aus Athen, zur Zeit des Peloponnesischen Krieges,
trat schon früh mit Komödien auf. Er lebte noch 386 v. Chr. – Eupolis
dichtete angeblich schon im 17. Jahre Komödien, mit Aristophanes
befreundet, dann entzweit. – Kratinus aus Athen, ebenfalls Zeitgenosse
des Aristophanes, durch persönliche Satire gefürchtet, schuf den
komischen Stil.

[62] Äschylus, geboren in dem attischen Demos Eleusis 525 v. Chr.,
führte in großer Zeit ein bewegtes Leben und übte auf die Gestaltung
der Tragödie nicht geringen Einfluß, gestorben 456 v. Chr. Von 70
Tragödien sind uns noch 7 erhalten.

[63] Uns ist nichts von einer Verbesserung seiner Stücke oder von der
Erlaubnis zur Aufführung seitens der Athener bekannt.

[64] Sophokles, geb. 496 v. Chr. in dem attischen Demos Kolonos, der
größte Tragödiendichter des Altertums, gest. 406. Von 86 Tragödien sind
7 erhalten, von denen einige auch heute noch aufgeführt werden. –
Euripides, geb. in Salamis 480 v. Chr., trat früh als Dichter auf,
gest. 406 in Pella, hochgeehrt von dem König Archelaus.

[65] Menander aus Athen, 342-290 v. Chr. Von seinen mehr als 100
Komödien haben wir nur noch Bruchstücke, zum Teil allerdings ziemlich
umfangreiche (so gerade in den hier genannten Epitrepontes), dagegen
Nachbildungen in mehreren Stücken des Terenz.

[66] Ein athenischer Redner, Zeitgenosse des Demosthenes.

[67] Aus Soli oder Syrakus, gest. 262 zu Athen, fast 100 Jahre alt. Von
seinen mehr als 90 Komödien ist nur wenig übrig. Zwei Stücke von ihm
hat Plautus frei nachgebildet.

[68] Thukydides aus Athen, 471-396 v. Chr.

[69] Herodot aus Halikarnaß, 484 bis gegen 410 v. Chr.

[70] Theopomp aus Chios, geb. um 378 v. Chr., schrieb auf Veranlassung
seines Lehrers Isokrates Hellenika, als Fortsetzung des Thukydides, und
58 Bücher Philippika, eine allgemeine Geschichte seiner Zeit. Beide
Werke sind verlorengegangen.

[71] Philistus aus Syrakus, Zeitgenosse der beiden Dionysios', 356 v.
Chr. in hohem Alter getötet. Er verfaßte sizilische Geschichten.

[72] Ephorus, aus dem äolischen Kyme, Verfasser einer Geschichte
Griechenlands von Anfang an bis zum Jahre 340 v. Chr.

[73] Clitarch aus Megara, Geschichtschreiber Alexanders d. Gr.

[74] Timagenes aus Alexandria, Freund des Asinius Pollio, schrieb
ebenfalls eine Geschichte Alexanders d. Gr.

[75] S. weiter unten.

[76] Außer den fünf genannten: Antiphon, Andocides, Isäus, Lycurgus und
Dinarchus.

[77] Aus dem Demos Päania, 384-322 v. Chr.

[78] Äschines aus Athen, 389-314 v. Chr., Gegner des Demosthenes.

[79] Hyperides aus Athen, geb. 390 v. Chr., wie Demosthenes tätig im
Kampfe gegen Philipp von Mazedonien, in Ägina auf Befehl des Antipater
322 hingerichtet.

[80] Lysias, geb. in Athen um 435 v. Chr., berühmter Lehrer der
Beredsamkeit, starb in hohem Alter 353 v. Chr.

[81] Isokrates, geb. in Athen 436 v. Chr., ein Schüler des Sokrates,
ebenfalls berühmt als Lehrer der Beredsamkeit. Er starb 94 Jahre alt
wenige Tage nach der Schlacht bei Chäronea 338 v. Chr. eines
freiwilligen Todes.

[82] Demetrius von Phaleron, 317-307 v. Chr. fast unumschränkter
Statthalter in Athen; darauf gestürzt, fand er in Ägypten freundliche
Aufnahme. Er starb in Oberägypten 283 in der Verbannung an dem Bisse
einer Schlange.

[83] Plato, geb. 427 v. Chr., gest. 347, der größte Schüler des
Sokrates.

[84] Xenophon, aus dem attischen Demos Erchia, geb. um 434 v. Chr.,
Schüler des Sokrates, bekannt durch seine Teilnahme an dem Zuge des
jüngeren Kyros, wegen seiner Vorliebe für Sparta 399 verbannt, lebte
dann in Skillus bei Elis, darauf in Korinth, gest. 355.

[85] Aristoteles, geb. 384 v. Chr. zu Stagira in Mazedonien, Lehrer
Alexanders d. Gr., berühmtester und gelehrtester Philosoph des
Altertums, starb in Chalkis 322.

[86] Theophrast war zu Eresos auf Lesbos 371 v. Chr. geboren, wurde 322
Nachfolger des Aristoteles als Lehrer der peripatetischen Schule zu
Athen und starb 287. Er soll ursprünglich Tyrtamos geheißen und erst
von Aristoteles den Namen Theophrast erhalten haben.

[87] Publius Vergilius Maro (geb. 15. Oktober 70 v. Chr., gest. 19.
September 19 v. Chr.) ist im Altertum und im Mittelalter überschätzt,
später unterschätzt worden. Erst in neuerer Zeit ist ihm die ihm
gebührende Wertschätzung wieder zuteil geworden.

[88] Ein berühmter, von Quintilian oft genannter Redner.

[89] S. Anm. 45.

[90] Titus Lucretius Carus lebte von 98-55 v. Chr., schrieb das noch
erhaltene Lehrgedicht „Von der Natur der Dinge”.

[91] Publius Terentius Varro Atacinus, 82-36 v. Chr., aus Atax in
Gallia Narbonensis, verfaßte eine freie Nachbildung der Argonautika des
Apollonius, schrieb ein episches Gedicht „Der Sequanerkrieg” und
versuchte sich auch in der Satire.

[92] Quintus Ennius, geboren zu Rudiä in Kalabrien 239 v. Chr., berühmt
durch die uns noch in Bruchstücken erhaltenen Annalen, ein historisches
Epos in Hexametern; auch dichtete er Tragödien und Komödien. Er starb
169.

[93] Publius Ovidius Naso, 43 v. Chr. bis 17 n. Chr. -- Unter seinen
„epischen Gedichten” sind die Metamorphosen zu verstehen.

[94] Freund des Ovid.

[95] Kann wegen des folgenden Lobes nicht im geringschätzigen Sinne
genommen werden.

[96] Der Name Serranus beruht nur auf Konjektur.

[97] Von Valerius Flaccus, gest. um 88 n. Chr., haben wir noch sein
Gedicht Argonautika.

[98] Saleius Bassus, Zeitgenosse Vespasians; über seine Schriften ist
nichts Näheres bekannt.

[99] Beide Zeitgenossen Ovids.

[100] Marcus Annäus Lucanus aus Corduba, lebte 39-65 n. Chr., verfaßte
ein Epos Pharsalia, das sich durch rhetorisches Pathos auszeichnet.

[101] Gemeint ist Domitian, der nach der Besiegung der Chatten den
Titel Germanicus annahm.

[102] Eklogen 8, 13.

[103] Albius Tibullus, römischer Ritter, etwa 59-18 v. Chr.

[104] Sextus Aurelius Propertius, um 54-15 v. Chr., Altersgenosse
Tibulls.

[105] Cajus Cornelius Gallus, aus Forum Julii, ein vertrauter Freund
Vergils (1. Ekloge 10), endete durch Selbstmord 26 v. Chr.

[106] Caius Lucilius aus Suessa Auruncorum, römischer Ritter, 180 bis
102 v. Chr., Freund des jüngeren Scipio Africanus und Lälius.

[107] Quintus Horatius Flaccus, 65-8 v. Chr.

[108] Aulus Persius Flaccus aus Volaterrä, römischer Ritter, lebte
34-62 n. Chr., Verfasser von sechs noch erhaltenen Satiren.

[109] Marcus Terentius Varro aus Reate, 116-27 v. Chr. Von seinen
zahlreichen Schriften sind nur erhalten drei Bücher von der
Landwirtschaft, sowie Bruchstücke eines größeren Werkes Über die
lateinische Sprache und der etwa 96 Satiren.

[110] Quintus Valerius Catullus, geb. zu Verona 86 v. Chr., gest. 54 v.
Chr. „#Der größte Dichter, den Rom gehabt hat, ist Catullus#” (B. G.
Niebuhr).

[111] Furius Bibaculus, geb. 102 v. Chr. zu Cremona, von Horaz (Satiren
II, 5, 41) verspottet.

[112] Über dieses Urteil Quintilians vgl. #K. E. Güthling# in der
Zeitschrift für das Gymnasialwesen 1869, S. 886, wo derselbe mit Recht
sagt: „Aber es ist zum Erschrecken, wenn es bald nachher heißt:
≈Lyricorum Horatius fere solus legi dignus≈. Ich bekenne offen, daß mir
Lachmanns Urteil, das er im philologischen Seminar mehr als einmal
ausgesprochen hat, des Horatius Oden seien glatt wie Marmor, aber auch
kalt wie Marmor, und zwei bis drei beliebige Episteln des Horatius
seien ihm mehr wert, als alle Oden zusammengenommen, eine ganz gerechte
Schätzung des Lyrikers Horatius zu enthalten scheint, sosehr mich dies
Urteil anfangs frappierte. Sprache und Versbau sind unübertrefflich
vollendet; das ist aber auch das beste, was man von diesen Oden sagen
kann. Diejenigen von ihnen, die aus der Stellung des Dichters zum Hofe
hervorgingen, haben alle ein gemachtes, hohles Pathos, sind arm an
fruchtbaren Gedanken, und ich will es gern unentschieden lassen, ob sie
der Vorwurf unwürdiger Schmeichelei treffe oder nicht. Die übrigen
bewegen sich in einem sehr engen Gedankenkreise, den sie allerdings mit
Geschick variieren, so daß der nicht sehr aufmerksame Leser über der
schönen Form und einem zahllose Male in anderm Gewande wiederkehrenden
Gemeinplatz die Armut des Inhalts übersieht. Den meisten, ja fast allen
den fehlt die jugendliche Frische, die Leidenschaft und Glut der
Empfindung, welche den Leser hinreißt. Das ist auch natürlich; war doch
der Dichter ein Vierziger, als er zur Leier griff, und daß die
Beschäftigung mit der Satire keine besondere Vorbereitung für die Lyrik
abgegeben hat, versteht sich wohl von selbst. Um Quintilians Urteil
über Horatius zu verstehen und zu würdigen, mag das Gesagte genügen;
dem Lyriker Horatius stellen wir getrost den Catullus entgegen, nein,
wir stellen ihn aus voller Überzeugung über Horatius. Wenn Quintilian
den Catullus nur als Jambographen anführt, so ist das nicht zu
bewundern; er gehört ja zu den „Alten”, nicht zu den Kunstpoeten, als
deren Repräsentant und Verfechter in der Augusteischen Zeit Horatius,
wie das seine Polemik gegen ältere Dichter zeigt, vorzugsweise zu
betrachten ist. Niebuhrs Urteil über Catullus (vgl. Catullus, übersetzt
von Stromberg, Vorrede) ist bekannt; vor fünfundzwanzig Jahren habe ich
es auf Niebuhrs Namen angenommen, jetzt unterschreibe ich es aus
eigener Überzeugung. Es sei zum Schutze des von unserm Rhetor
totgeschwiegenen Lyrikers hiermit an dasselbe erinnert.”

[113] Cäsius Bassus, Freund des Persius, kam angeblich 79 bei dem
Ausbruche des Vesuvs um.

[114] Lucius Attius, von 170 bis etwa 90 v. Chr. -- Marcus Pacuvius aus
Brundusium, geb. um 220 v. Chr., starb in einem Alter von 90 Jahren.

[115] Lucius Varius Rufus, 74-14 v. Chr., Epiker und Tragiker, Freund
des Vergil und Horaz. Vgl. Horaz, Oden I, 6, 1; Satiren I, 10, 44;
Episteln II, 1, 247; 3, 55.

[116] Publius Pomponius Secundus lebte unter den vier ersten Kaisern
nach Augustus; gest. um 60 n. Chr.

[117] Lucius Älius Stilo, Rhetor und Altertumsforscher, Lehrer des
Cicero und Varro.

[118] Titus Maccius Plautus, um 254-184 v. Chr.

[119] Cäcilius Statius aus Insubrien, Zeitgenosse des Ennius, um
219-166 v. Chr.

[120] Publius Terentius Afer, um 194-159 v. Chr., kam aus Afrika in
früher Jugend als Sklave nach Rom, wo er erzogen und freigelassen
wurde.

[121] Lucius Afranius, Zeitgenosse des Terenz, um 150 v. Chr.

[122] Cajus Sallustus Crispus, 87-34 v. Chr.

[123] Titus Livius, 59 v. Chr. bis 17 n. Chr.

[124] Servilius Nonianus, Konsul 35 n. Chr., gest. 60 oder 61 n. Chr.
Er war ein tüchtiger gerichtlicher Redner und wandte sich sodann dem
Studium der Geschichte zu. Er beschrieb die Zeit des Untergangs der
Republik und die Gründung der Monarchie.

[125] Aufidius Bassus lebte unter Tiberius. Er schrieb Geschichtswerke
über die erste Kaiserzeit sowie über den Germanischen Krieg und starb
unter Nero.

[126] Quintilian meint vielleicht Cornelius Tacitus.

[127] Cajus Cremutius Cordus, freimütiger Geschichtschreiber zur Zeit
des Tiberius.

[128] Marcus Tullius Cicero war geboren 106 v. Chr., ermordet 43 bei
Cajeta.

[129] Bezieht sich in dieser Allgemeinheit nur auf die gerichtlichen
Reden vor dem Areopag.

[130] Die sechs unter dem Namen des Demosthenes überlieferten Briefe
sind unecht.

[131] Bezieht sich auf die meisten philosophischen Schriften Ciceros,
ebenso auf „Brutus” und „vom Redner”.

[132] In den vorhandenen Gedichten Pindars ist diese Äußerung nicht zu
finden.

[133] Cajus Asinius Pollio, 76 v. Chr. bis 5 n. Chr., der bedeutendste
Redner nach Cicero und zur Zeit des Augustus. Quintilian erwähnt ihn
oft, Horaz hat ihn Oden II, 1 verherrlicht.

[134] Marcus Valerius Corvinus Messalla, 64 v. Chr. bis 8 n. Chr.,
Staatsmann und Feldherr, besonders aber auch Redner. Vgl. Horaz, Oden
III, 21.

[135] Cajus Julius Cäsar, 100-44 v. Chr.

[136] Marcus Cälius Rufus, 88-48 v. Chr., Freund Ciceros.

[137] Cajus Licinius Calvus, 82 bis etwa 47 v. Chr., Freund des Catull
und selbst Dichter.

[138] Servius Rufus, der berühmteste Rechtsgelehrte zur Zeit Ciceros.

[139] Cassius Severus, geb. 44 v. Chr., wegen seiner scharfen Zunge
nach der Felseninsel Seriphos verbannt, wo er um 30 n. Chr. starb.

[140] Domitius Afer aus Nemausus (Nismes), gest. 59 n. Chr. -- Julius
Africanus aus Gallien, blühte unter Nero.

[141] Marcus Galerius Trachalus, Konsul 68 n. Chr., der dem Kaiser Otho
seine Reden verfaßt haben sollte.

[142] Quintus Vibius Crispus, unter Nero als Denunziant (≈delator≈) von
trauriger Berühmtheit, lebte noch als Greis unter Domitian.

[143] Er lebte unter Vespasian; er gehört auch zu den in Tacitus'
Gespräch über die Redner teilnehmenden Personen.

[144] Nach Tacitus (Gespräch über die Redner) und Plinius (Briefe):
Aper, Marcellus, Maternus, Messalla u. a.

[145] Vater und Sohn, Zeitgenossen des Cäsar und Augustus, Anhänger der
pythagoreischen Lehre. – Über Cornelius Celsus siehe Anmerkung 16.

[146] Nicht näher bekannt; vielleicht ist der Name falsch überliefert.

[147] Von Geburt ein Insubrer, Zeitgenosse Ciceros.

[148] Lucius Annäus Seneca, Sohn des Rhetors gleichen Namens, geboren
zu Corduba in Spanien um 2 n. Chr., gestorben 65.


Zweites Kapitel

[1] Livius Andronikus aus Tarent um 240 v. Chr., der erste dramatische
Dichter Roms.

[2] Damit sind die vom ≈pontifex maximus≈ angefertigten ≈annales maximi≈
gemeint, eine nüchterne Aufzählung der denkwürdigsten politischen und
religiösen Begebenheiten, fortgesetzt bis zum Pontifikat des Mucius
Scävola 130 v. Chr.

[3] Zur Erläuterung der hier erwähnten atomistischen Vorstellung
Epikurs vgl. Lukrez IV, 48 ff.

  Dennoch sag' ich, es senden die Oberflächen der Körper
  Dünne Figuren von sich, die Ebenbilder der Dinge;
  Häutchen möcht' ich sie nennen, und gleichsam die Hülsen von diesen,
  Denn sie gleichen an Form und Gestalt dem nämlichen Körper,
  Dem entflossen umher sie die freien Lüfte durchschwärmen.

[4] Buch 2, Kap. 8.


Drittes Kapitel

[1] D. h. das Schreiben.

[2] Über den Redner I, 150; 257.

[3] Lucius Licinius Crassus, berühmter Redner, 140-91 v. Chr. Die
zweite Hauptperson in der erwähnten Schrift Ciceros ist Marcus Antonius
(142-87 v. Chr.), der Großvater des Triumvirs Antonius.

[4] Vergleichung mit dem Teile des römischen Staatsschatzes, der für
die äußersten Notfälle reserviert war.

[5] Der Gedanke erinnert an das bekannte Wort Hesiods („Werke und Tage”
289): Doch vor die Tugend setzten den Schweiß die unsterblichen Götter.
Vgl. auch Epicharmus bei Xenophon „Erinnerungen an Sokrates” II, 1, 20:

Nur für Arbeit wird das Gute von den Göttern uns verkauft.

[6] Vielleicht derselbe, an welchen Horaz Epistel I, 3 und II, 2
gerichtet hat.

[7] Wie sehr in Gallien die Beredsamkeit in der Kaiserzeit blühte,
zeigt der von Caligula zu Lugdunum veranstaltete Wettkampf der
griechischen und lateinischen Beredsamkeit.

[8] Satiren 1, 106.

[9] S. die bekannte Erzählung bei Plutarch, Leben des Demosthenes Kap.
7.


Viertes Kapitel

[1] Cajus Helvius Cinna, Freund Catulls, Verfasser eines epischen
Gedichtes „Smyrna”, das noch erhalten ist. -- Der Panegyrikus des
Isokrates ist eine Festrede, die vor der Festversammlung bei den
Olympischen Spielen gesprochen worden und uns noch erhalten ist. Vgl.
Plutarch, „Leben der zehn Redner” IV, 15: Den Panegyrikus schrieb er in
zehn, nach anderen in fünfzehn Jahren.


Fünftes Kapitel

[1] S. 1, 155.

[2] Z. B. im Anfange der Bücher „Von den Pflichten” und „Vom höchsten
Gut und Übel”.

[3] Von Plato hat Cicero den Timäus und Protagoras, von Xenophon den
Ökonomikus übersetzt.

[4] Eine Hetäre, welche der Gottlosigkeit angeklagt war und von ihrem
Liebhaber Hyperides verteidigt wurde.

[5] III, 5, 15.

[6] S. Briefe an Atticus IX, 4, 9. Hierher gehören die Paradoxa, die
Cicero in seinen letzten Lebensjahren verfaßt hat.

[7] Z. B. Cicero und Hortensius.

[8] Er hatte als Tribun einen Antrag gestellt, gegen dessen Vorlesung
durch den Herold ein anderer Tribun Einsprache erhob. Cornelius las nun
den Antrag selbst vor und wurde dafür wegen Majestätsvergehens
angeklagt, jedoch von Cicero glänzend verteidigt.

[9] Das Gefolge des Milo und das des Clodius gerieten aneinander, ein
Sklave Milos verwundete Clodius, Milo eilte herbei und tötete ihn. Da
er infolgedessen angeklagt wurde, verteidigte ihn Cicero in der uns
erhaltenen Rede.

[10] Der jüngere Cato (Uticensis) trat dem Redner Hortensius seine Frau
Maria förmlich ab und nahm sie dann wieder zurück, nachdem sie sechs
Jahre mit Hortensius bis zu dessen Tode zusammengelebt hatte.

[11] Marcus Porcius Latro, Redner und Freund des Augustus.

[12] Lucius Cestius Pius, ein sehr angesehener griechischer Rhetor zur
Zeit des Augustus, der nur lateinisch vortrug.

[13] I, 2, 15.


Sechstes Kapitel

[1] Metrodorus aus Skepsis, einer Stadt in Mysien, akademischer
Philosoph und Rhetor, Schüler des Karneades.

[2] Der Rhetor Empylus wird sonst nirgends erwähnt.


Siebentes Kapitel

[1] Wo, läßt sich nicht nachweisen.

[2] VI, 2, 29 f.

[3] Dichter der alexandrinischen Schule im 2. Jahrhundert v. Chr.

[4] S. Cicero, Rede für Archias 18.

[5] Vielleicht zu beziehen auf Cicero „Der Redner” 34.

[6] Cajus Papirius Carbo, Konsul 120 v. Chr.

[7] Wo, ist nicht nachzuweisen.

[8] Popilius Länas, Rhetor zur Zeit des Tiberius; Quintilian erwähnt
ihn noch III, 1, 21; XI, 3, 183. Sonst ist er nicht näher bekannt.

[9] Vielleicht stammen diese Worte aus einer Schrift des Popilius
Länas.




Inhalt


  Einleitung                                                  3

  1. Kapitel: Vom Wörtervorrat                                8

  2. Kapitel: Von der Nachahmung                             39

  3. Kapitel: Art und Weise der schriftlichen Übungen        47

  4. Kapitel: Von der Nachbesserung                          56

  5. Kapitel: Über den Gegenstand der schriftlichen Übungen  58

  6. Kapitel: Sammlung des Gedankenstoffes                   65

  7. Kapitel: Wie die Fertigkeit, aus dem Stegreif zu
     reden, erworben und erhalten wird                       68




  Für die Lektüre
  der römischen Klassiker im Originaltext unentbehrlich:

  ≈MÜHLMANN≈:

  ≈Lateinisch–deutsches
  Wörterbuch≈

  für Studierende und Schüler höherer Lehranstalten
  43., berichtigte und vermehrte Auflage, besorgt von
      Prof. Dr. Otto Güthling

  Preis: geheftet RM. 4.90, in Halbleinen gebunden RM. 6.10,
      in Halbleder gebunden RM. 7.60


  Die von Prof. Dr. Otto Güthling vielfach berichtigte und stark
  vermehrte Neubearbeitung des berühmten Wörterbuches von Mühlmann ist
  für die Lektüre der lateinischen Klassiker ein Hilfsmittel, das den
  von Studierenden und Schülern höherer Schulen gestellten
  Anforderungen in vollem Umfange genügt. Sind doch außer den üblichen
  Schulautoren auch diejenigen Schriftsteller berücksichtigt, die auf
  Grund der neuen Lehrpläne jetzt teils mehr als früher behandelt
  werden, teils neu hinzugekommen sind. Nicht unerwähnt bleibe
  schließlich der niedrige Preis, der die Anschaffung wesentlich
  erleichtert, sowie die gediegene, vornehme Ausstattung.


  Durch jede Buchhandlung

  ≈PHILIPP RECLAM JUN., VERLAG, LEIPZIG≈





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK UNTERRICHT IN DER BEREDSAMKEIT ***


    

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