The Project Gutenberg eBook of Ferienreise nach Linz, Salzburg, Kloster Göttweig und Wien
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Title: Ferienreise nach Linz, Salzburg, Kloster Göttweig und Wien
Author: Gustav Friedrich Klemm
Release date: November 8, 2025 [eBook #77193]
Language: German
Original publication: Dresden: Arnoldische Buchhandlung, 1853
Credits: Richard Illner and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images made available by The Austrian National Library)
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK FERIENREISE NACH LINZ, SALZBURG, KLOSTER GÖTTWEIG UND WIEN ***
Anmerkungen zur Transkription
In dieser Textversion wurden die im Original durch entsprechende
typografische Gestaltungen dargestellten Elemente durch folgende
Symbole ersetzt: ~S P E R R S C H R I F T~, =Fettdruck= und
_Kursivschrift_.
Zusätzliche Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des
Textes.
Ferienreise
nach
Linz, Salzburg, Kloster Göttweig und Wien.
von
=D. Gustav Klemm=,
Königl. Sächs. Hofrath und Oberbibliothekar.
Nebst einer Steindrucktafel.
=Dresden=,
Arnoldische Buchhandlung
(Verlags-Conto).
=1853.=
[Illustration: Siegel zu Ehren von Abt Gottfried von Göttweig und ein
Gedenksiegel aus dem Jahr 1729 nach den Wiederaufbau des Klosters
Göttweig. Lith u. Druck v. J. Williard, Dresden.]
Vorwort.
Oesterreich ist im Norden von Deutschland ziemlich unbekannt, und es
sind über seine Zustände die seltsamsten Ansichten im Gange. Dennoch
aber ist Oesterreich eines der herrlichsten und gesegnetsten Lande von
Europa, das eine überaus wichtige Rolle in der Culturgeschichte von
Deutschland spielt. Schon ein flüchtiger Blick auf die Charte zeigt
uns Oesterreichs wichtige Stellung. Die Alpen, die Karpathen, Erz-
und Riesengebirge bilden die geologischen Grundfesten des Reiches.
Elbe, Oder und Weichsel entspringen dem österreichischen Boden,
und der größte Strom Europas, die Donau, strömt zum großen Theile
durch österreichisches Gebiet, während das adriatische Meer seine
Ausgangswellen an österreichische Küsten spült.
Nicht minder ist Oesterreich der Heerd einer uralten Civilisation.
Bereits 15 Jahre vor Christi Geburt eroberten die Römer die
deutschösterreichischen Lande und machten dieselben zur Provinz. Es
entstanden an der Donau eine Reihe von Befestigungen zum Schutze gegen
die nördlichen Völker und im Inneren des Landes blühende Städte, in
denen sich römische Bildung und Gesittung entfaltete. Frühzeitig
kam auch das Christenthum in diese Lande. Durch die Völkerwanderung
zerfiel diese Cultur in Trümmer, auf denen jedoch bald neues Leben
emporwuchs, seitdem Karl der Große die Gränzen jenes Reiches bis an
die Raab erweitert. Die Stifter Salzburg, Kremsmünster, Mölk, Göttweig
u. s. w., dann der Hof der Babenberger bildeten sich zu Mittelpunkten
von Wissenschaft, Kunst und jeglicher Cultur aus, die uns schon im
Nibelungenliede geschildert wird. Hier lebten Ulrich von Lichtenstein,
der begeisterte Sänger des Frauendienstes, und Herr Conrad Flecke.
Nach dem Aussterben der Babenberger und langwierigem Ringen des
deutschen mit dem slavischen und ungarischen Wesen siegte das erstere.
Das Erzhaus Habsburg beginnt hier den Mittelpunkt seiner glanzvollen
Thätigkeit zu begründen. Es hoben sich die Städte, in Prag und Wien
wurden die ersten deutschen Universitäten errichtet, zahlreiche
Benedictinerstifte sind Pflanzstätten der Wissenschaft, die durch
die Zeiten von Kaiser Maximilian, Ferdinand, Leopold I. und Karl
VI. fortwährend treu gepflegt werden. Die zahlreichen Sammlungen
für Kunst und Wissenschaft in Wien, Prag, Grätz, so wie in jeder
Provinzialhauptstadt, die vielfachen Bildungsanstalten, wie das
polytechnische Institut in Wien, unter den deutschen das älteste,
die gelehrten Gesellschaften u. s. w. zeugen von dem regen geistigen
Leben, von dem uns nördlichen Nachbarn freilich leider nur zu selten
Mittheilung gemacht wird.
Die politische Bedeutung Oesterreichs zeigt ein Blick auf die
Geschichte Europas. Oesterreich ist das Gränzland gegen die unruhigen
Ungarn. Kaiser Otto II. setzte dorthin Leopold von Babenberg als
Markgrafen, mit ganz besonderen Vorrechten und in sehr selbständiger,
ja unabhängiger Stellung zum deutschen Reiche. Die Babenberger,
wie ~das~ Erzhaus Habsburg, haben stets hier im Osten das deutsche
Wesen gegen Slaven, Avaren, Ungarn und Türken beschirmt und deutsche
Cultur dorthin verbreitet. Sie waren es, die von den fränkischen,
thüringischen und allen westlichen deutschen Ländern die verheerenden
Schwärme der Ungarn, Tataren und Türken abhielten und die auch endlich
den nicht minder verderblichen Verheerungen der Pest seit dem Ende des
17. Jahrhunderts undurchdringliche Schranken setzten, indem sie die
Quarantaine einrichteten. Nicht minder lebhaften Antheil entwickelte
aber auch Oesterreich in den blutigen Kämpfen mit den westlichen
Nachbarn, namentlich seit Ludwig XIV. In neuester Zeit erwarb es sich
den Dank des civilisirten Europa durch den siegreichen Kampf mit der
Partei des Umsturzes.
Der Wunsch nun, das für die Culturgeschichte Europas so wichtige, durch
seine schönen Gegenden und blühenden Städte, seine künstlerischen und
wissenschaftlichen Schätze so interessante Land näher kennen zu lernen,
bestimmte mich zu der Reise, deren Eindrücke die nachfolgenden Blätter
möglichst unbefangen und schlicht darzustellen den Zweck haben.
~Dresden~, im December 1852.
D. =Gustav Klemm=.
Darüber ist, trotz der Verschiedenheit der Ansichten, alle Welt einig,
daß eine Reise die beste Erholung von angestrengter Arbeit darbietet
und daß der Mensch, nachdem er den Entschluß zu einer Reise gefaßt,
auch schon leichteren Sinnes wird. Indem er bereits halb in der
Zukunft lebt, übersieht er manche Unbehaglichkeiten des gegenwärtigen
Augenblicks. Da werden Bücher und Landkarten beschaut, Freunde und
Bekannte befragt, Kalender und Wetterglas berathen und an der Zukunft
und der Ferne im Voraus genascht und gekostet.
In gleichem Falle war ich seit dem Ende des Monats Juli. Ich wollte
die vierzehnte Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe, welche
vom 1. September an in Salzburg stattfinden sollte, besuchen, von da
aus aber Ausflüge in die österreichischen Lande unternehmen, welche so
reiche Genüsse dem Freunde der Natur, der Kunst und der Alterthümer
darbieten.
Gelder, Pässe und die Reisebedürfnisse für mich und den jugendlichen
Reisegefährten, meinen Sohn, waren in Ordnung, aber der Himmel, der
bis dahin einige Wochen sein Sonnenlicht in schönster Fülle gespendet,
begann einen anderen Charakter anzunehmen. Das war nun freilich nicht
zu ändern. Der Neumond, am 26. August 1851, trat mit Nebel ein, der
am Tage der Abreise, am 28sten, zum Regen sich gestalten wollte. Die
Droschke brachte uns nach dem böhmischen Bahnhofe, wo ein Freund uns
noch seine besten Wünsche für die Reise mitgab.
Frohen Muthes vernahmen wir endlich das Pfeifen der Locomotive, und
fort ging’s in eiligem Fluge durch die Dörfer bis Pirna, wo das
Quadersandsteingebirge seine Steilen an die Elbe dicht heranrückt.
Bastei, Lilienstein, Königstein, die wohlbekannten Häusergruppen von
Schandau, Schmilka und Herniskretscham wurden im Fluge begrüßt und die
Gränze der Heimath überschritten.
Bevor man die Gränzstation Bodenbach erreicht, geht der Zug durch
zwei in den Sandsteinfelsen getriebene Tunnel. Der sächsische Wagen
hält endlich. Kaiserliche Gensdarmen in sauberem grünen Waffenrock
mit rosenrothem Kragen verlangen höflich unsere Pässe und händigen
uns dafür Empfangscheine ein; Kaiserliche Zollbeamte untersuchen
rücksichtsvoll unsere Reisetaschen, während das große Gepäck in den
hier harrenden großen Packwagen umgeladen wird, da die Zolluntersuchung
desselben erst in Prag Statt finden wird.
Wir haben Zeit, eine Erfrischung einzunehmen und das jenseit der
Elbe auf steilem Felsen stattlich hingestellte Schloß Tetschen mit
seinen reizenden Umgebungen zu betrachten. Hie und da erscheinen schon
einzelne Statuen von Heiligen an Fußsteigen und Wegen, die in ihrer
anspruchslosen Ausführung doch zum belebenden Schmuck der Gegend dienen.
Endlich erhielten wir unsere Pässe zurück und nahmen in den böhmischen
Wagen unsere Plätze ein. Diese Wagen bilden große salonartige Räume,
die auf jeder Seite eine Reihe Doppelsitze haben, zwischen denen ein
freier Gang sich hinzieht. Man ist in diesen Wagen weniger beengt, kann
zeitweilig stehen und hin- und hergehen.
Der Himmel gestaltete sich mittlerweile günstiger; die Sonne trat
aus den Wolken und beleuchtete das schöne Elbthal; wir sahen die
Ruine Schreckenstein, freundliche Kirchen mit Doppelthürmen über
dem westlichen Eingange. Die Schaffner, in der grünen orange
aufgeschlagenen Uniform der Kaiserlichen Post, riefen auf den Stationen
die Namen der Orte und die Dauer des Aufenthalts aus. Der Verkehr der
Aus- und Einsteigenden war sehr lebhaft, namentlich in Aussig, wo
gewaltige Holzvorräthe aufgestapelt waren und ein Dampfschiff am Ufer
lag, von welchem aus Musik zu uns herauftönte.
Hinter Aussig wird das Thal erweitert, und die kegelförmigen
Bildungen des Mittelgebirges gelangen zur Ansicht. In der Nähe
erfreut das fleißig angebaute, blühende Land. Von nun an hörte man
von den mittlerweile Eingetretenen böhmische Laute. Gesichtsbildung
und Tracht waren jedoch von denen in den sächsischen Städten nicht
wesentlich unterschieden. Das deutsche Element herrschte in der äußeren
Erscheinung vor; blonde oder braune Haare und blaue Augen begegneten
uns noch überall.
Bei Leitmeritz traten schmucke Kaiserliche Officiere an die Wagen, und
ein Corporal mit sechs Mann ungarischer Infanterie wurde aufgenommen.
Der Conducteur drang darauf, daß die Leute den Ladstock in den Lauf
lassen und ihn überzeugen mußten, die Gewehre seien nicht geladen.
Wir hatten mittlerweile mit einem jungen Manne ein Gespräch angeknüpft,
der sich uns als Techniker vorstellte, uns über die geognostischen und
polytechnischen Verhältnisse des Landes Böhmen freundlichen Aufschluß
gab und die Merkwürdigkeiten der Ortschaften uns nannte, an denen wir
rastlos vorüberflogen. Endlich zeigte er uns die Thürme von Prag in der
Ferne. Bald nach zwei Uhr fuhren wir in den überaus stattlichen Bahnhof
von ~Prag~ ein. Unser neuerworbener Freund wies uns in dem Gewirr des
Bahnhofes zurecht. Die Kaiserlichen Beamten besorgten mit größter,
schonender Artigkeit die Untersuchung des Gepäckes und der Pässe,
wofür, wie überall in den Kaiserlich Königlichen Staaten, nicht ein
Kreuzer zu bezahlen war.
Nachdem wir im Gasthofe zum Engel durch ein vorzügliches Rostbratel uns
aufs Neue gestärkt, auch uns in einem sehr einfachen Bureau Plätze für
den Stellwagen nach Bedürfniß gelöset, traten wir mit unserem Techniker
die Wanderung durch die sämmtlichen Straßen der Königstadt des
Böhmerlandes an. Die Paläste, die öffentlichen Gebäude, die Kirchen,
die alterthümlichen gothischen Thürme, aus deren Ecken abermals
Pyramiden emporsteigen, geben der Stadt ein sehr würdiges Ansehen. An
dem Brückenthurm steht das von unserem Landsmanne Hähnel ausgeführte
eherne Denkmal für Kaiser Karl IV., den Gründer der ältesten deutschen
Universität. Wir schreiten dann, bereits vom Regen begleitet, über die
lange, mit Statuen reich geschmückte Brücke und begeben uns auf die
gewaltige zum Hradschin führende Treppe, nachdem wir die polytechnische
Anstalt und den Judenmarkt flüchtig berührt. Der Hradschin gehört
ohnstreitig zu den imposantesten Gebäuden von Deutschland, obschon die
Domkirche allerdings nur ein großartiges Bruchstück ist. Nicht minder
interessant ist der Hradschin durch die Aussichten, die er auf die
Stadt darbietet. Der Freund geleitete uns darauf nach der Stadt zurück,
machte uns auf das Denkmal für Kaiser Ferdinand, die Kettenbrücke und
die Kugelspuren von 1848 aufmerksam und verließ uns an unserem Gasthofe.
Der Regen hatte sich mittlerweile ganz behaglich eingerichtet.
Allgemach wurden, allerdings erst lange nach der bestimmten
Abfahrtstunde, die ~Stellwagen~ in Stand gesetzt, d. h. zunächst
wurde das zahlreiche Gepäck auf den Decken derselben zusammengestellt
und tüchtig verschnürt. Dann suchten wir Plätze in dem Cabriolet
zu gewinnen, und endlich spannte man die Pferde vor. Das Fahrzeug,
welchem wir unsere gesunden Gliedmaßen anvertraut hatten, gab Anlaß
zu den ergötzlichsten Betrachtungen. Als Genealog menschlicher
Kunst- und Gewerberzeugnisse hatte ich so viel sehr bald heraus, daß
unser Stellwagen vor geraumer Zeit die Ehre gehabt haben mochte, im
Gebrauche der Kaiserlichen Post zu dienen. Die Farbe seines Aeußeren
war ohnstreitig gelb; was man an Kleidungsstücken die Nähte nennt, das
war an unserem Wagenkasten überaus deutlich sichtbar. An den Stellen,
wo die Räder den Kasten zu berühren vermögen, war die Farbe, sowie
die darunter gelegene Epidermis, hinweggescheuert; ja diese Stellen
zeigten hie und da sogar tiefer eindringende Wunden, die allerdings
unheilbar waren. Genauere Aufschlüsse über die Altersverhältnisse des
Wagens gewährte jedoch die fortgesetzte vorurtheilsfreie Betrachtung
seines Innern, das übrigens auch noch sehr gründliche Belehrung über
die Anatomie der Stellwagen im Allgemeinen darbot. An vielen Stellen
nämlich fehlte die innere Bekleidung des Gerippes, und an der der
Wagentaschen war gar nichts vorhanden. Außerdem fehlten an den Fenstern
und Thüren Drücker und Wirbel; sie waren jedoch von unseren Vorgängern
durch Bindfaden ersetzt.
Die Peitschen knallten, die Pferde zogen an, und unser mit Menschen
vollgepfropftes Fahrzeug rasselte schwankend über das Pflaster durch
die Straßen, in denen der Regen die anbrechende Dämmerung vermehrte und
förderte. Wir gelangten an die Linien, wo die Passirscheine abgegeben
wurden, dann weiter auf die offene Landstraße und überließen uns,
sorgfältig in die Mäntel gehüllt, dem Schlummer.
Jetzt fand auch die Fantasie erwünschte Muße, die zahlreichen Bilder
der im Laufe des Tages im Fluge aufgenommenen Paläste, Kirchen, Thürme
wieder zu erwecken und theilweise weiter auszubilden und noch höher
aufzubauen. Auch hinter uns im inneren Heiligthume des Stellwagens
hatte sich der Schlaf aller Insassen bemeistert. Nur die Pferde eilten
im raschen Trabe auf der trefflichen Straße rastlos fürbas. Vom Himmel
aber goß der Regen in Strömen herab.
Gegen Mitternacht fand in einem Dorfe der erste Pferdewechsel statt,
der einen Aufenthalt veranlaßte, den wir benutzten, um in der großen,
öden Gaststube ein Glas Sliwowitza zu genießen, denn es begann in
unserem gegen den Wind schlecht verwahrten Cabriolet unangenehm kalt zu
werden. Dann ging es durch die Nacht rasch weiter.
Der durch dicke Wolken hindurchdämmernde Tag zeigte uns ein Land mit
Wald und Weide, hie und da mit einer ärmlichen Hütte besetzt. Gegen
6 Uhr wurde in einem Orte, wo männiglich Böhmisch sprach, der Wagen
mit einem anderen vertauscht. Bis dahin hatten wir im Vordertheile
gesessen; jetzt aber schlüpfte ich mit meinem Sohne in den hinteren
Anbau des neugelieferten Wagens, der doch etwas wohnlicher eingerichtet
war und genügenden Schutz gegen den Einfluß der Atmosphäre gewährte.
Zudem hatten wir den Vortheil, von unserem Sitze aus die hinter uns
liegende Gegend zu betrachten. Lange Zeit folgte unserem Wagen ein
Knabe, der einen blinden Dudelsackpfeifer leitete. Dieser bemühte sich,
uns auf seinem Instrumente ein Morgenständchen zu bringen.
Endlich gelangten wir nach ~Tabor~, einer in den Hussitenkriegen
wichtigen Stadt mit tüchtigen Mauern und Thürmen, die das umliegende
hügelige Land beherrschen. Wir kamen durch mehrere Dörfer, wo neben
ansehnlichen Steinhäusern armselige Lehmhütten mit Strohdächern
standen, die mit grünem Moose malerisch überwachsen waren. Ueber den
meisten Giebelfenstern sah man Kränze oder Schnüre aus hellrothen
Ebereschenbeeren, die, zum Theil mit einem Kreuze verziert,
Rosenkränzen nachahmten. Die Frauen zeigten nicht minder die Vorliebe
für die rothe Farbe, indem die, welche nicht barfuß gingen, rothe
Strümpfe an den Füßen hatten. Uebrigens war die Tracht der Holzschuhe
allgemein und bei dem gewaltigen Schmutz in den Straßen der Dörfer
überaus zweckmäßig.
Die Mittagrast erfolgte in einem Marktflecken mit böhmischem Namen.
Hier erhielten wir abermals einen anderen Wagen, dessen alterthümliche
Federn mit kleinen Holzstäben gesteift waren. In Wien erkannte ich,
daß dieser Wagen ein ehemaliger Wiener Omnibus gewesen. Hier verließen
uns Reisende, und andere, Böhmisch redende Landleute, stiegen ein. Sie
verstanden und sprachen jedoch durchweg auch Deutsch, was mit unseren
Fuhrleuten nicht immer der Fall war. Die Physiognomieen der Menschen
unterschieden sich von den sächsischen auch nicht, ebenso wenig die
Tracht des Mittelstandes.
Endlich zeigte sich ~Budweis~ in der Ferne, und wir gelangten nach 5
Uhr in die saubere, ansehnliche Stadt. Der Stellwagen brachte uns durch
die belebten Straßen auf den Marktplatz in den Gasthof zu den drei
Hahnen, wo wir freundliche Aufnahme fanden.
Nachdem wir die Kleider gewechselt, begannen wir die Wanderung durch
die Stadt; der Marktplatz zeigt lauter stattliche, meist drei Gestock
hohe Häuser, deren Dächer durch Stirnmauern verdeckt sind, so daß der
Fremde meint, er befinde sich in einer Stadt mit flachen, italienischen
Dächern. Nächstdem sind am Markt und in den Hauptstraßen sogenannte
Lauben an den Häusern, in denen man bei Regen oder Sonnenschein bequem
hinschreitet[1]. Mitten auf dem Markte erhebt sich ein stattlicher
Brunnen, den vier, eine Muschelschale tragende riesige Gestalten
bilden. Das Stadthaus ist ein ansehnliches, reichverziertes Gebäude. In
den Lauben der Straßen war viel Verkehr und Leben; man sah Verkäufer
von Lebensmitteln und Geräthen, Böhmisch redende, schmucke Mädchen und
Frauen, Kaiserliche Infanterie, meist Italiener, mit pechschwarzen
Haaren und Augen. Wir erblickten die Dechanei, deren Kirche mit
vierzehn _al fresco_ gemalten Stationen umgeben ist, die wie die ganze
Stadt nett und sauber gehalten waren. Die Piaristengasse leitete uns zu
einer gothischen Kirche. Nicht weit davon stieg hinter modernen Häusern
einer jener alten viereckigen Thürme hervor, deren Ecken von kleinen
Spitzthürmchen überragt sind. Die Promenaden um die Stadt, zu denen
man über die Moldaubrücke gelangt, sind geschmackvoll und wohlgepflegt
und kränzen die Festungswerke gar anmuthig. Wir schlenderten bis zum
Einbruch der Dunkelheit in den Straßen der Stadt umher, lasen die
Schilder der Handwerker und Kaufleute, meist böhmische Namen, freuten
uns aber auch der Säulen und Statuen, die nicht sparsam angebracht
sind. Budweis wurde im Jahre 1256 von König Ottokar II. gegründet,
ist gegenwärtig der Sitz eines Kreisamtes, Bischofs und Gymnasiums und
hat, obschon die Einwohnerzahl nicht über 8000 ist, den Charakter einer
wohlhabenden, nahrhaften Mittelstadt.
[1] Es ist dies eine Bauart, die auch in Mähren, so wie in Salzburg
vorkommt. S. Kohl, Reisen in Rußland u. Polen III. 348, wo die
Lauben ebenfalls erscheinen.
Nächstdem ist Budweis der Anfangspunkt der im Jahre 1827 eröffneten
Pferdeeisenbahn, die von hier über Linz nach Gmunden am Traunsee führt.
Sie ist die erste deutsche Eisenbahn und wurde von dem bekannten
Mechaniker Ritter v. Gerstner angelegt. Sie ist die Trägerin eines
außerordentlichen Verkehrs. Wir bemühten uns, auf eigene Hand den
Bahnhof zu entdecken, fanden in einigen Straßen der Stadt auch in der
That das Schienenlager, mußten aber wegen der einbrechenden Dunkelheit
unsere Forschungen aufgeben.
Wir kehrten in unseren Gasthof zu den drei Hahnen zurück und setzten
uns in der behaglichen Wirthsstube fest, um eine so nützliche als
nothwendige Beschäftigung vorzunehmen, die unter dem Namen Abendbrot in
der Vertilgung eines vortrefflichen Rostbratels bestand, dem wir als
Gesellschaft das berühmte Budweiser Bier folgen ließen, worauf wir uns
zeitig zur Ruhe begaben.
Am Morgen des 30. August waren wir schon um vier Uhr zur Abreise
bereit und wanderten, nachdem wir die sehr mäßige Zeche bezahlt, unter
dem Vortritt des Hausknechtes mit unseren Habseligkeiten über den
stattlichen Markt von Budweis. Mitten in der nächsten Straße standen
auf den Schienen mehrere saubere, große Wagen mit Glasfenstern, vor
deren je zwei ein Pferd vorgespannt war. Die Abwägung des Gepäckes,
die Lösung der Fahrscheine war bald bewerkstelligt, und wir nahmen
in den bequemen Wagen Platz. Bald nach fünf Uhr bewegte sich der Zug
gemächlich vorwärts. Uns gegenüber saß eine ältere Dame mit ihrer
so hübschen, als anspruchslosen Tochter, dann ein älteres Ehepaar
aus Wien, welches Teplitz besucht hatte. Neben uns nahm eine jener
stattlichen kräftigen Gestalten Platz, die unter den Männern von
Oberöstreich so häufig sind. Es war ein junger Landmann von blühender
Gesichtsfarbe, gefälligen Zügen, braunen Augen und Haaren. Er trug eine
schwarze Sammetjacke, kurze gleichfarbige Lederhosen, saubere blaue
Strümpfe, Schnürstiefel, ein buntfarbiges Halstuch von Seide, lose um
den Hals geschlungen, und einen spitzigen Hut aus grobem schwarzen Filz.
Allgemach entwickelte sich eine gemüthliche Unterhaltung. Die Dame
hatte dem Kaiser bereits fünf Söhne als Officiere in das Heer gestellt,
die denn auch in den Feldzügen der letztvergangenen Jahre mit Ehre
gedient hatten. Der Landmann gestand, daß er in Geschäften in Budweis
gewesen, da er auf dem Punkte stehe, seine Schwester zu verheirathen.
Bei dieser Gelegenheit kam der Zustand des Landmannes in Oesterreich
mehrfach zur Sprache. Er wurde als ein sehr günstiger geschildert. Der
Landmann ist im Allgemeinen sehr wohlhabend, der Boden fruchtbar und
gut angebaut. Der Landmann hält auf baares Geld und sammelt dasselbe
an, so daß sehr bedeutende Summen in seinem Besitze sind. Das Geld hebt
er in eisernen Gefäßen auf, die er vergräbt oder einmauert. Es ist
mehrfach vorgekommen, daß man bei Abtragung alter Mauern Tausende von
Silberthalern gefunden hat. Das geschieht übrigens seit alter Zeit und
scheint überhaupt eine Sitte bei dem Landmann durch ganz Deutschland
zu seyn, die noch aus den Zeiten herstammt, wo stete Fehden und Kriege
jeglichen Besitz unsicher machten.
Mittlerweile begegneten unserem Zuge häufig ganze Reihen von kleinen
Wagen, die mit Salz beladen waren und deren je drei von einem Pferde
auf der Eisenbahn fortgezogen wurden. Das Salz ist in Fässer gepackt,
deren eines je einen Centner enthält und deren 25-30 einen Wagen
belasten. Da die Eisenbahn nur ein Gleis hat, so müssen die Züge an den
Ausweichestellen auf einander warten. Außer dem Salz werden aber auch
andere Güter auf der Bahn befördert, die überhaupt sehr stark benutzt
wird und gar bedeutenden Gewinn abwirft. Zwischen Budweis und Linz wird
sie neunzehnmal von der Landstraße gekreuzt, die bald über, bald unter
ihr hinläuft. Auf den Haltepunkten sah man gewaltige Vorräthe von Salz
und Holz, meist in hölzernen Gebäuden aufgestapelt, die von Ställen für
die Pferde und Wächter- und Beamtenhäusern umstellt waren.
In der Mittagstunde fand eine längere Rast statt; man setzte sich zum
Diner in einem nett eingerichteten Hause, das mitten im Walde gar
freundlich gelegen war. Dann aber begann die Fahrt aufs Neue. Die
Gegend wurde mehr gebirgisch, die Thäler, an deren Rande die Bahn sich
hinzieht, tiefer und steiler.
Es dunkelte bereits, als wir aus der Ferne den glänzenden Spiegel der
Donau und sodann die weißen Häuser von ~Linz~ durch das Grün des Waldes
schimmern sahen. Die Bahn senkt sich und endet in dem Bahnhof an der
nördlichen Seite der Donau. Gensdarmen nehmen die Pässe in Empfang, das
Gepäck wird ausgegeben, und wir schreiten über die hölzerne Donaubrücke
nah dem Gasthofe zum schwarzen Bock, dessen freundlicher Wirth den
ermüdeten Wanderern sorgsame Pflege widmete.
Der Sonntagsmorgen des 1. September versprach einen freundlichen
Tag, die Straßen der schönen Stadt Linz glänzten in den Strahlen der
Morgensonne, namentlich das goldverzierte Portal des Landhauses, als
wir nach dem Bahnhofe schritten und die Wagen bestiegen, die uns nach
Gmunden führen sollten. Unsere Reisegesellschaft bestand zumeist
aus Landleuten, die in ihrem Sonntagstaate frisch und schmuck sich
ausnahmen. Frauen und Mädchen haben Mittel- und Hinterhaupt in ein
schwarzseidenes Tuch geschlagen, dessen Zipfel lang auf dem Rücken
hinabhängen. Um den Hals tragen sie ein breites, aus mehreren Reihen
Silberketten bestehendes Band, das vorn mit einem viereckigen Schilde
von Silber geschlossen ist, an dem man meist Granaten, Topase und
andere Edelsteine angebracht sieht. Demnächst tragen sie meist Ohrringe
aus Gold. Uns gegenüber saß ein junges Mädchen mit feinem, frischen
Gesichte, sie trug ein Kleid aus schwarzer Seide und einen Spenser aus
gleichfarbigem Sammet. Ihre Bewegungen waren anmuthig und zierlich,
eine Eigenschaft, die wir an allen Landleuten dieser Gegend wahrnahmen.
Sie schwatzte lustig mit ihren Gefährten; doch wurde es uns schwer,
ihren Dialekt zu verstehen.
Mittlerweile wurde unsere Hoffnung auf einen sonnigen Tag durch den
kräftigen Regen verwischt, der sich gar bald einstellte und uns
nöthigte, die Wagenleder herabzulassen. Der Weg führte in der Ebene
vorwärts abwechselnd durch wohlangebautes Land und Fichten- und
Kiefernwald. Zunächst wurde in Lambach Halt gemacht. Von dem Bahnhofe
aus sahen wir in der Ferne das stattliche Benediktinerstift, das
dem Orte seine frühere Berühmtheit gegeben. Es hebt sich mit seiner
ansehnlichen weißen Façade und den stattlichen weißen Thürmen kräftig
von dem waldigen Hintergrunde ab.
In waldiger Gegend ging es dann vorwärts nach Gmunden hin; bald zeigten
sich die hohen Gebirge in der Ferne, der Weg senkte sich, durch die
Wipfel der Kiefern glänzte die dunkelgrüne Fläche des Traunsee’s, und
der Zug hielt auf dem Bahnhofe von ~Gmunden~ an.
Der Regen hatte nachgelassen, und wir schritten der Traun zu, die
unmittelbar vor der alterthümlichen Stadt große Mühlwerke in Bewegung
setzt. Wir traten endlich auf den Marktplatz von Gmunden und wurden
auf das Freudigste von dem großartigen Anblick überrascht, der sich
uns darbot. Der von freundlichen Häusern gebildete Marktplatz stößt
mit seiner offnen Südseite an den Traunsee, in den eine Brücke für
das Dampfschiff hinausgelegt ist. Der See ist von hohen steilen
Felsenwänden begrenzt, unter denen der 6000 Fuß hohe Traunstein sich
auszeichnet. Eben zog ein Wetter von unserer Rechten aus den Felsen
über den See und verlieh dem Hintergrunde eine tiefviolette Färbung.
Wir standen lange an dem Ufer, das von den bewegten Wellen des See’s
in regelmäßigem Versmaße benetzt wurde, und konnten uns von dem
unbeschreiblich schönen Anblick kaum losreißen. Das herankommende
Dampfschiff erinnerte uns jetzt, der Praxis uns zuzuwenden. Wir
begaben uns nach Beendigung der Geschäfte in das Gastzimmer des
goldnen Schiffes, wo zahlreiche Reisende von der flinken, sauberen
Kellnerin mit Speis’ und Trank sich versorgen ließen. Das gute Geschick
verschaffte uns einen Platz an dem Fenster, das uns den prächtigen
Anblick des sturmbewegten See’s gewährte.
Dann begaben wir uns auf das Dampfschiff, wo sich viele Leute
einfanden, um die Ueberfahrt nach Ebensee zu bewerkstelligen. Wind und
Regen fegten bald das Verdeck, man begab sich in die Kajüte. Indessen
lockte mich die Aussicht auf die Gebirge bald wieder heraus. Da sah man
denn die Häuser am Fuße des Traunsteins weißen Punkten gleich an der
dunkeln Wand des Felsens; am niedlichen, uralten Stift Traunkirchen,
auf einer felsigen Halbinsel, flogen wir rasch vorüber und eilten der
Landungsbrücke von Ebensee zu, wo zahlreiches Landvolk im Sonntagstaate
umherstand, und die Stellwagen unserer bereits harrten, die uns nach
Ischl führen sollten. Man beeilte sich, das Gepäck unterzubringen
und Platz zu finden. Diese Stellwagen sind vorzugsweise auf gutes
Wetter berechnet. Sie sind sehr lang und mit einem auf eisernen Stäben
ruhenden Verdeck versehen, auf welchem das Gepäck seine Stätte findet.
Die Seiten werden bei Regenwetter mit Ledervorhängen verschlossen.
Im Wagen haben 18 Personen Raum. Drei Pferde bewegen das Ganze rasch
vorwärts. Die trefflich unterhaltene Straße führt durch den netten, an
Fabriken reichen Ort, längs der tosenden Traun hin, in ein schmales
Thal, dessen Seiten sehr steil und mit Nadelholz bestanden sind. Wir
kamen an manchem herabstürzenden Wasserfall vorüber und hatten zur
Rechten immer die Solenleitung, die von Ischl herüberkommt. Der Regen
wurde heftiger, und unser Kutscher brachte nun ein Kleidungsstück
hervor, welches uns in die Gebirge von Chile und Peru versetzte. Es
besteht in einer überaus dicken, langhaarigen Decke von Wollstoff, in
deren Mitte ein Schlitz angebracht ist, durch welchen der Kopf gesteckt
wird. Dieser Poncho schützt Arme, Brust und Rücken vortrefflich. Wir
trafen ihn fürder bei Landleuten, Straßenarbeitern, Fuhrleuten und
sogar bei Weibern und Kindern.
Die Traun, zur Holzflöße benutzt, tosete oft in beträchtlicher Tiefe
zur Seite des Weges. Ihr Bett ist häufig durch Felsblöcke beengt,
die den Kähnen und Flößen gefährlich seyn mögen. Zwei dieser Felsen
kurz vor Ischl sind mit einem Crucifix gekrönt, zum Andenken an die
Errettung eines Kahnes. Endlich rollt der Wagen über eine Brücke,
nachdem nette Spazierwege am Rande des Thales die Nähe des besuchten
Badeortes und dicht aufsteigender weißer Dampf die Salzsiedereien
desselben verkündet haben. Der Wagen hält an der Post von ~Ischl~, die
bereits von Gästen überfüllt ist, da die Majestäten von Oesterreich und
Preußen eben in Ischl verweilen.
Wir fanden indessen etwas weiter in dem sauberen Gasthofe zur goldenen
Krone eine gar freundliche Aufnahme und begannen, da der Regen
nachgelassen, unsere Wanderung durch den Ort, der meist aus neuen, zum
Theil sehr stattlichen Gebäuden, Gasthöfen und Salinenhäusern besteht.
Längs der Traun sind Baumreihen angebracht; Ruhebänke, Gedenksteine,
Boskets wechseln mit Blumenbeeten und anderen den Badegästen
gedeihlichen Anstalten. Ein bedeckter Säulengang in der Nähe der
Badeanstalt gestattet Bewegung auch bei unfreundlichem Himmel.
Zunächst galt es nun, ein Fortkommen für den nächsten Tag und nach
Salzburg zu gewinnen. Es boten sich Stellwagenführer dar, allein ich
zog es vor, den Vorschlag eines Bürgers von Ischl anzunehmen, der sich
anheischig machte, uns beide für 7 Gulden Münz in einem eleganten und
bequemen Einspänner morgen nach Salzburg zu führen. Der Mann zeigte mir
Pferd und Wagen, und der Vertrag wurde mit Handschlag bekräftigt.
Wir begaben uns sodann in unseren Gasthof, wo eine freundliche Wirthin
und zwei saubere Kellnerinnen uns mit Speis’ und Trank versorgten, und
wir einen unterrichteten schlesischen Landwirth antrafen, der uns viel
Interessantes aus den Jahren 1813 und 1814 mittheilte.
Am frühen Morgen des 2. Septembers hielt unser eleganter Einspänner vor
der Thür, sein Inhaber und Lenker, Freund Krieshueber, verpackte unsere
Koffer sorgfältig, und wir rollten, von den Glückwünschen unserer
Wirthin geleitet, auf der guten Straße davon. Auch auf dieser Seite
des Badeortes fehlte es nicht an Denkmälern, Tempelchen, Ruheplätzen,
Promenaden, Inschriften. Zur Seite tosete die Ischl, ein hellgrünes,
lustiges Gebirgswasser, das sich von Zeit zu Zeit wie neckend hinter
Büsche und Bäume verbarg, zwischen denen hie und da Rinder einzeln
umherstiegen.
Unser wackerer Fuhrmann trieb fortwährend seinen Gaul, einen starken
und fetten Pinzgauer von brauner Farbe, an, einen lebhafteren Schritt
anzunehmen. Der Braune aber war anderer Ansicht und ließ bald wieder
nach. Krieshueber handhabte deshalb die Peitsche kräftiger, was der
Braune endlich mit offenbar widersetzlichen Geberden, namentlich dem
Versuch, die Stränge zu zerschlagen, beantwortete. Krieshueber war
jedoch keineswegs der Mann, bei dem man damit etwas ausrichtete. Er
sprang von seinem Sitze herab, faßte den Zügel scharf an und hieb sein
widerspänstiges Roß über Brust und Stirn mit der Peitsche dergestalt
kräftig, daß wir eine Intervention stattfinden ließen. »Ei was da,«
erwiderte der Gestrenge, »es hat mi halt zorni gmacht!«
Krieshueber kannte sein Roß übrigens, wie der Erfolg bewies, ganz
gut, denn fortan war es das gehorsamste und fleißigste Zugthier, das
man sich denken konnte, und unser Wäglein rollte lustig fürbas. Wir
gelangten bald an den prächtigen St.-Wolfgang-See, dessen hellgrüne
Wellen munter an das Ufer heranrollten und das erfreuliche Schauspiel
der Brandung darstellten. Trotz der Nebelwolken, in welche die Spitzen
der steil aufsteigenden Felsen gehüllt waren, trotz des Regens,
der strichweise uns nöthigte, den Ledervorhang herabzulassen, war
doch die Fahrt im höchsten Grade erheiternd und genußreich. Welche
reiche Vegetation schmückte nicht die Wiesen- und Straßenränder,
welche unbeschreiblich schöne, mannichfaltige, farbenreiche Bilder
entfaltete jede Biegung des Weges; bald standen am Wege Tafeln, auf
denen Unglücksfälle früherer Wanderer abgebildet waren, bald sahen
wir Capellen mit den Bildern der Madonna, des Heilandes oder anderer
Heiligen, bald zeigten sich die weißen Gebäude vom St.-Wolfgangs-Stift
dicht am See in weiter Ferne, bald verdeckte der stattliche Fichtenwald
den farbenschimmernden Spiegel des See’s gänzlich unseren Blicken.
Wir naheten eben einem gewaltigen hölzernen Bauernhause, an dessen
Ecke ein krystallklarer Wasserstrahl in einen ausgehöhlten Baumstamm
sich stürzte und, denselben füllend, mehrere kleine Wasserfälle
bildete, als unser Brauner eigenmächtig und zwar so entschieden vom
Wege ablenkte, daß wir meinten, er habe die Absicht, seinen gestrengen
Herrn Krieshueber und uns aus dem Wagen zu schütten. Herr Krieshueber
sah dem Beginnen jedoch ganz ruhig zu, und der Braune steckte sein
Maul in die Wasserfülle des Troges und zog dieselbe überaus behaglich
in sich, ruhete ein wenig, trank abermals und setzte dann offenbar
sehr befriedigt und ohne besondere Aufforderung seines Herrn den Weg
willig weiter fort. Ja er schien nun erst recht ins Laufen zu kommen.
Krieshueber erklärte auf unsere Bemerkung, daß dieser Trunk auf die
Hitze dem Thiere doch schädlich seyn müsse, daß dies durchaus nicht
der Fall sei, wenn nur das Thier nachher wieder scharf dahintrabe.
Wir fanden im Verlauf unserer Reise, daß jeder Fuhrmann seinem
Pferde diese Erfrischung gestattete, daß die Thiere die Stelle genau
kannten, wo Wassertröge zu finden waren, und daß sie unaufgefordert
und unaufgehalten denselben sich zuwendeten, obschon ihnen der klare
Schweiß auf dem Felle stand.
Der Weg senkte sich, wir gelangten abermals an das Ufer des See’s und
hatten den Anblick der gegenüberliegenden Felsen und des riesigen
Schafbergs. Links am Wege standen die ansehnlichen Gebäude des alten
Brauhauses Lueg, dessen Bier eines besonderen Rufes genießt. Wir
eilten vorüber und gelangten sodann an den ersten Ruhepunkt, nach ~St.
Gilgen~, wo unser treuverdienter Brauner ausgespannt und in den Stall
des stattlichen Gasthofes des Posthalters geführt wurde.
In der gewölbten Hausflur stand die ansehnliche Gestalt des Wirthes,
dem ein riesiger hellbrauner Hund zur Seite lag. Wir beide wurden in
ein kleines Gemach rechts vom Eingange gewiesen. Es war gewölbt, in der
einen Ecke befand sich ein geschnitztes Christusbild. An der Wand sah
man unter Glas und Rahmen den Erzherzog Johann mit einem Begleiter in
leichtem Reisewagen, auf dessen Handpferd eine frische Mädchengestalt
in der schmucken Tracht eines Kaiserlichen Postillons saß. In kurzen
schlichten Worten meldete die Unterschrift die Geschichte der
nachmaligen Gemahlin des Kaiserlichen Prinzen und schloß mit den
Worten: »und das war gut.«
Wir aber nahmen behaglich am gedeckten Tische Platz und erwärmten
uns zuvörderst durch eine Tasse Kaffee, die wir mit Kesperwasser
verstärkten, da Arrak oder Rum hier fehlten. Dann erst ließen wir die
Wiener Würstel mit Kren folgen und den trefflichen Grinzinger, der
eben so leicht als wohlschmeckend ist. Wir schenkten eben das letzte
Glas ein, als eine überaus wohlgenährte Frau mit rothem Gesicht ins
Zimmer rasch eintrat und ebenso rasch durch die gegenüberstehende Thür
unseren erstaunten Blicken sich entzog. Sie war fein und städtisch
gekleidet, trug aber auf dem Haupte einen ansehnlichen Helm von Gold,
der eng an Stirn und Schläfe anschloß und einem Nautilus noch am
ehesten zu vergleichen war. Es ist dies die Festtracht der älteren
Frauen der reichen Landleute, die wir nachmals in Salzburg öfter sahen.
Solch’ eine aus dem besten, echten Golddrahte geflochtene Haube kostet
mindestens 100 Gulden und erbt in der Familie fort. Die Tracht stammt
jedenfalls aus der frühesten Vorzeit und ist in der That überaus
prächtig und für volle Gestalten auch sehr kleidsam.
Wir erhoben uns endlich und traten unter das vor dem Gasthofe
errichtete Schirmdach. Eben war die Kirche beendigt, und die Landleute,
die Männer in schwarzen, langen Röcken, schritten ihren Häusern zu.
Jetzt kam auch die Post von Ischl heran und brachte eine namhafte Fülle
von Reisenden, die der großen Gaststube zuströmten. Herr Krieshueber
spannte auch seinen Braunen ein, wir aber beschlossen, den steilen,
großen Berg, der hinter dem Gasthofe aufstieg, zu Fuß zu beschreiten.
Zu beiden Seiten der Straße standen die Häuser des Dorfes mit den
Schindeldächern, die gegen die Stürme mit Steinen beschwert waren.
An vielen derselben las man Inschriften, unter denen die des Müllers
ohnstreitig die interessanteste war:
Ich achte meinen Wasser
gleichwie dem Regenwasser
das von den Dächern fließt.
Ob sie mich gleich beneiden,
so müssen sie doch leiden,
daß Gott mein Helffer ist.
Nicht minder interessant war aber auch die Flora auf den Wiesen, die
hinter dem Dorfe begannen, worunter sich der Alpenthymian durch seine
besondere Größe auszeichnete. Wir stiegen rüstig fürbas und wendeten
uns oft um, um die prachtvolle Ansicht des St.-Wolfgang-See’s und des
tief unter uns liegenden Dorfes St. Gilgen zu bewundern.
Endlich gelangten wir in den Wald, und Krieshueber ersuchte uns,
den Wagen wieder zu besteigen, obschon es noch ein gutes Stück
Weges bergauf ging. Wir freuten uns der reichen, üppigen Vegetation
des Waldes, dessen Nadelhölzer überaus kräftig dastanden. Ueberall
rieselten muntere Bergwässer. Die Straße senkt sich, und wir gelangen
an den Fuschelsee, der zwar etwas kleiner ist als der von St. Wolfgang,
aber nicht minder schöne Färbung zeigt.
Der ~Fuschelsee~ soll an manchen Stellen 150 Klaftern tief seyn; am
Rande, wo das Dörfchen Fuschel liegt, ist er schön türkisfarben,
weiter nach der Mitte dunkelgrün, und am jenseitigen Ufer zieht sich
ein lichter gefärbter Streifen hin. Uebrigens wechselt die Farbe aller
dieser Seen je nach dem Stande der Sonne, dem Zuge der Wolken und der
Richtung des Windes.
Der Weg steigt nun wieder auf, und wir gelangen bald nach ~Hof~, in
dessen stattlichem Posthause abermals ein Stündchen gerastet wird.
In der Wirthsstube schalten sehr saubere Kellnerinnen mit Gesichtern
so frisch wie Milch und Blut. Dem Wirthshause gegenüber steht die
alte Sebastiankirche, die, wie die meisten des Salzburger Landes,
modernisirt ist. Sie ist mit einem wohlgepflegten Kirchhof umgeben, den
eine Mauer einschließt. Wir sind hier 2219 Fuß über der Ostsee.
Wir fahren weiter; allein von hier an wird das Land einförmig im
Vergleich zu der prachtvollen Gegend an den Seen. Auf den Feldern
bemerken wir aufgerichtete Holzstäbe von 4-5 Fuß Höhe, in denen
Querstäbe angebracht sind, auf welchen das abgeschnittene Getreide vor
dem Einbringen in die Scheunen getrocknet wird. Wir fanden diese Stäbe
von hier an durch ganz Oberösterreich, wo man auch Heu und Klee in
gleicher Weise abtrocknet. Die Gegend erinnert an das Erzgebirge und
dessen langhingestreckte Bergrücken.
Endlich gelangen wir zu einer freien Aussicht auf das Thal, aus welchem
das glänzende Silberband der Salzach und die weißen Häuser der Stadt
~Salzburg~ und ihrer Umgebung hervorleuchten.
Wir steigen aus, um den letzten, steilen und langanhaltenden Berg zu
Fuß hinabzuwandern. Zur Linken ist uns ein gewaltiger Berg, der uns
noch immer den Anblick der Stadt entzieht, deren Nähe aber bereits
stattliche Wohnhäuser verkünden. Freund Krieshueber ladet uns ein,
wieder Platz zu nehmen, und der Braune zieht uns munter vorwärts. Wir
gelangen an das wohlbefestigte Linzer Thor, die Gensdarmen nehmen
unsere Pässe in Empfang, und der Wagen bewegt sich gemäßigt durch die
belebte Straße nach dem Gasthofe zur goldenen Traube, vor welchem
zahlreiche Fahrzeuge bereits aufgestellt waren. Während nun mein Sohn
bei dem Wagen blieb, begab ich mich über die Brücke nach der anderen
Seite der Stadt. Straßen und Brücken waren dicht mit Menschen besetzt,
die den Festzug der Schützen erwarteten, die auf dem Schießstand heute
das zu Ehren der Forst- und Landwirthe veranstaltete Festschießen
beginnen sollten. Ich eilte nach dem stattlichen Collegiumgebäude.
Die Treppe war mit festlichem Grün geschmückt, die Festordner saßen
an der Tafel und überreichten mir, nachdem ich meinen Namen in das
Album eingetragen, das Programm, die höchst elegante Aufnahmekarte, in
welcher zugleich ein Kärtchen der Umgebung von Salzburg sich befindet,
dann aber das weiß und rothe Seidenband, welches die Mitglieder der
Versammlung tragen sollten. Ein Diener geleitete mich nach der für
mich bereitgehaltenen Wohnung auf der Getreidegasse; meine neuen
Wirthe empfingen mich mit der dem Oesterreicher so eigenthümlichen
Herzlichkeit, und ich eilte nun, meine Habseligkeiten herbeizuholen,
nach dem Gasthofe zurück. Freund Krieshueber nahm seine 7 Gulden nebst
Trinkgeld in Empfang und äußerte den Wunsch, uns auch wieder nach Ischl
zu führen. Er nahm herzlichen Abschied, und wir hielten nun unseren
Einzug in die elegante Wohnung.
So waren wir denn in dem altberühmten ~Salzburg~, froh, daß nun doch
auf acht Tage das Fahren und Eilen eingestellt und ein etwas ruhigerer
behaglicher Genuß der sich darbietenden Gegenstände stattfinden werde.
Die Einräumung unserer Sachen und die Toilette war bald bewerkstelligt,
und wir schickten uns an, Entdeckungsfahrten in der Stadt zu machen,
deren Aeußeres uns schon so ungemein ansprach.
Salzburg besteht aus 800 Häusern, die etwa 12,000 Einwohner beherbergen
und an beiden Ufern der Salzach sich hinziehen, welche von dem
Capuziner- und dem Mönchsberge begrenzt werden. Am Fuße des ersteren
am rechten Salzachufer befindet sich der kleinere Stadttheil mit der
Vorstadt Stein, am linken dagegen ist die Festung Hohensalzburg, nebst
dem Dom, dem Benediktinerstift St. Peter und dem größeren Theile der
Stadt, nebst den Vorstädten Nonnthal und Mülln.
Die 370 Fuß lange Holzbrücke hatte ich bereits ein paar Mal
überschritten und von da aus die prächtige Aussicht auf die stattlichen
Häuser am Ufer, die Festung, die Berge, die Vorstadt Mülln genossen.
Jetzt schritten wir durch unseren Hof, den ein wohlgemaltes Marienbild
schmückte, und dessen Arkaden an Italien erinnern, nach dem Platze,
dessen Hauptseite die große Façade des Collegiumgebäudes bildet. Von
da aus gingen wir nach der stattlichen Pferdeschwemme, einem oblongen
Bassin aus Marmor, an welchem eine schöne Gruppe, ein Pferdebändiger,
aufgestellt ist. Das Roß gehört der kräftigsten Pinzgauer Race an, der
ihm zur Seite stehende Mann erinnert an den Borghesischen Fechter. Die
Gruppe ist etwas über Lebensgröße. Den Hintergrund der Pferdeschwemme
bildet eine Mauer, an welcher sich gemalte, aber bereits verblichene
lebensgroße Pferde befinden. Die Mauer ist hie und da durchbrochen.
Wir schritten sodann durch ein großes Thor und suchten ~den Dom~ auf,
der allerdings einen sehr großen Eindruck auf den Beschauer ausübt.
Er ist ganz aus Marmor gebaut, 360 Fuß lang, 220 Fuß breit, und die
Höhe des Mittelschiffes beträgt 150 Fuß. Imposant ist der Anblick der
Süd- und der Nordseite von den freien Plätzen. Es sind im Rusticostyl
aufgethürmte Marmorblöcke, die nur von wenigen Fenstern unterbrochen
werden. Ueber dieselben ragt die achteckige Kuppel in gleicher Höhe mit
den beiden Thürmen der Westseite empor, die sich an die bischöfliche
stattliche Residenz anlehnt und mit dieser durch gewaltige Arkaden
verbunden ist. Die Westseite ist von den beiden Thürmen begrenzt,
zwischen denen die große Thorhalle eingeschlossen ist, deren schönste
Zierde die vier kolossalen Statuen der Heiligen Rupertus, Virgilius,
Peter und Paul, sämmtlich aus Marmor, bilden. Die letzteren sind im
Jahre 1709 von Mändl gearbeitet worden, demselben Künstler, der den
Pferdebändiger an der Schwemme gefertigt hat. Wir traten in den Dom ein
und bewunderten die einfachen, großartigen Verhältnisse des Innern.
Gleich in der Vorhalle stehen zwei Marmorbecken auf schlankem Fuße,
nicht weit davon eine uralte Taufe aus Blei, die auf vier kupfernen
Löwen ruht. Es war zu dunkel für die Betrachtung der zahlreichen mit
großen Gemälden geschmückten Altäre und der Grabstätten der Bischöfe.
Wir traten daher wieder heraus und betrachteten die große Mariensäule;
die Statue der heiligen Jungfrau, gleich den vier anderen Figuren aus
Blei, ist 1771 von Hagenauer gefertigt worden und spricht weniger in
den Einzelheiten an, obschon sie stets eine schöne Zierde des Platzes
bildet.
Desto schöner ist der prachtvolle ~Hofbrunnen~ auf dem Residenzplatze
mit den riesigen Seepferden und den vier, die Schale tragenden Männern.
Er wurde unter Erzbischof Guidobald Grafen von Thun im Jahre 1664 von
dem Italiener Antonio Dario erbaut. Er ist ganz aus weißem Marmor, 45
Fuß hoch und trefflich erhalten.
Nicht weit davon erhebt sich ein anderes Denkmal, die am 4. September
1852 aufgestellte eherne Statue von ~W. A. Mozart~, der im Jahre 1756
in Salzburg geboren wurde. Es ist ein Meisterwerk Ludwig Schwanthaler’s
und eine der größten Zierden der Stadt, deren schönste Gebäude und
Plätze sich um den Dom gruppiren.
Wir aber wendeten uns jetzt dem Gasthofe zum Erzherzoge Karl zu, um uns
zu ferneren Betrachtungen neue Kräfte zu verschaffen. Wir hatten eben
ein vorzügliches Rostbratel zu uns genommen, als ein schlanker junger
Mann eintrat, der zu dem Gefolge des Herrn Erzherzogs Johann gehörte;
wir kamen bald in ein Gespräch mit ihm und vernahmen auch von dieser
Seite interessante Mittheilungen über die rastlose Thätigkeit des
Kaiserlichen Prinzen, über seine landwirthschaftlichen, montanistischen
und wissenschaftlichen Unternehmungen und das allgemeine Vertrauen,
das er sich bei Alt und Jung erworben hat. Namentlich rühmte unser
neuer Bekannter die Gärten und botanischen Sammlungen seines Fürsten,
deren Vervollständigung er sich immer angelegen seyn lasse. Er rühmte
ferner die große Güte und Leutseligkeit, die ihm die allgemeinste Liebe
erworben, erwähnte aber auch der Verläumdungen und Schmähungen, die der
edle Fürst in Frankfurt erfahren habe.
Wir begaben uns nachher über den Michaelisplatz nach dem Ufer der
reißenden Salzach, und ich fand hier Anklänge an Florenz und den
Lungarno. Vom gegenüberliegenden Ufer blickte der steile Capuzinerberg
mit seinen Befestigungen herab. Wir schritten am Quai hin und begaben
uns auf die Brücke, die wir stets sehr belebt fanden. Da erklangen alle
Glocken der Stadt, man läutete _Ave Maria_. Die meisten Männer nahmen
die Hüte ab. Wir gestanden, daß diese Aufforderung der ehernen Stimmen
von der Höhe der Thürme doch einen unbeschreiblich feierlichen Eindruck
mache und gewiß in vielen Herzen einen erhebenden Wiederhall finden
müsse.
Wir schritten noch durch einige Straßen nach unserer Getreidegasse und
begaben uns bald zur Ruhe.
Als wir am Morgen des 2. Septembers erwachten, vernahmen wir das
Getropfe eines gründlichen Regens, der die rothmarmornen Fensterwände
unseres Zimmers in erhöhte Farbe und besonderen Glanz setzte. Ein Blick
in die Straße zeigte zahlreiche Regenschirme und ebenfalls rothmarmorne
wassergefüllte Rinnsteine. Wir wußten nun freilich, daß die Stadt und
Umgegend von Salzburg im Laufe des Jahres in der Regel nur achtzehn
vollkommen regenfreie Tage habe, und daß der heutige Tag nicht unter
diese Zahl gehören werde, zeigte schon der flüchtigste Blick auf den
mit dichten Wolken bezogenen Himmel. Ich ließ daher Regenschirme
herbeibringen und kaufte einen derselben zu heutigem und künftigem
Gebrauche an.
So ausgerüstet begab ich mich nach dem Hôtel des Herrn Erzherzogs,
konnte jedoch nicht die Ehre haben, demselben vorgestellt zu werden,
da er bereits in eine Deputationsitzung sich begeben. Ich holte mir
deshalb meinen Gefährten, und wir schritten dem Dome abermals zu,
diesmal dem Inneren eine genauere Betrachtung widmend. Die Altargemälde
von Mascagni, Screta, Sandrart und Schönfeld sind tüchtige Arbeiten von
großem Umfange und vorzüglicher Erhaltung, denen jedoch eine günstige
Beleuchtung abgeht. Von Mascagni, einem Servitenmönch aus Toscana,
der 1636 in seiner Heimath starb, sind auch die großen Fresken im
Schiff und Chor, während sein Schüler Solari die kleineren gemalt hat.
Wir aber gelangten im Dom von Salzburg nie recht zu dem behaglichen
Genuß des Einzelnen, da die Großartigkeit des ganzen Gebäudes, das
prachtvolle Tonnengewölbe des Schiffes, die emporstrebende Kuppel, die
riesigen Pfeiler den Blick an sich zogen.
Unter strömendem Regen schritten wir sodann der ~Benediktinerabtei St.
Peter~ zu, in deren stattlichem Hofe die Façade der Kirche und der
mit der Marmorstatue des Apostels geschmückte Brunnen zunächst unsere
Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Das Peterstift ist durchgängig in
neuerem Style gebaut und in den Jahren 1657 bis 1754 hergestellt. Es
besteht aus einfachen, langhingestreckten Gebäuden ohne besonderen
Schmuck. Desto angenehmer war die Ueberraschung, als wir in das
Portal der Peterskirche traten. Wir standen vor einer Pforte, die aus
abwechselnden Schichten von rothem und weißem Marmor, in der Art des
Doms von Siena und Como, erbaut ist. Die Pforte ist ein Rundbogen
mit prächtig ausgearbeiteten Capitälen. Ein oben in das Halbrund
eintretendes Relief zeigt den Heiland auf dem Throne, neben welchem die
Apostel Petrus und Paulus in dem älteren, an die Antike streifenden
Styl knieen. Ein kunstvoll gearbeitetes Gitter trennte uns von dem
reich in Gold und Farben strahlenden Innern der Kirche.
Eine alte, kleine Frau redete uns an und erbot sich, uns den ~Kirchhof~
zu zeigen; wir folgten ihr durch einen Thorweg und sahen ein überaus
reiches Feld von Grabsteinen und Denkmalen vor uns, in deren Mitte eine
kleine, im gothischen Style erbaute Capelle vom Jahre 1485 sich erhebt.
Dies ist die Stätte, wo der heilige Rupert seinen Sitz aufschlug; sie
ist der heiligen Margarethe gewidmet.
Zur Rechten erhebt sich dicht neben dem Kirchhofe der steile Felsen des
Mönchsberges, in dessen Breccie die Wohnstätten der ältesten Christen
eingemeißelt waren. Sie erlitten im Jahre 477 unter dem heiligen
Maximus den Märtyrertod durch die Heruler, die das alte Juvavia der
Erde gleich machten.
Wir begaben uns zunächst nach der rechts am Felsen gelegenen Nische,
in welcher ein hohes Crucifix errichtet ist und welche den Anfang
einer langen, den Kirchhof umschließenden Arkadenreihe bildet, in
welcher sich Denkmal an Denkmal anreihet. Alle diese bedeckten
Grabstätten waren vortrefflich gehalten und die meisten mit frischen
Blumen geschmückt. Man sah hier viele in Oel gemalte Portraits, Scenen
aus dem Leben der Heiligen, Büsten, Denksteine in den verschiedenen
Manieren der letzten drei Jahrhunderte. Unter diesen zeichnet sich
das von L. Schwanthaler aus weißem Marmor gefertigte Denkmal einer
polnischen Gräfin aus. Nicht minder reich ist der unbedeckte Theil
des Kirchhofes, der eine sehr vollständige Geschichte der Denkmäler
seit dem Ende des 15. Jahrhunderts darbietet. Auf den meisten Gräbern
sieht man kleine Weihkessel aus rothem Marmor, meist einfach runde
Schalen. Andere bilden herzförmige Gefäße. Ein Kessel hat die Gestalt
eines Todtenschädels. Auf vielen Gräbern erblickt man Kreuze mit der
bunt in Oel gemalten Gestalt des Heilandes. Doch finden sich auch hier
Büsten und Statuen, meist in Marmor. Der unablässig strömende Regen
zwang uns endlich zum Rückzuge. Unsere Führerin, die wir jedoch nur
bei angestrengter Aufmerksamkeit verstanden, erfreute uns noch mit der
tröstlichen Nachricht, daß nahe dem Kirchhofthor der Eingang zu dem
Stiftskeller sich befände, wo wir eine Erquickung finden würden.
Wir folgten dieser Weisung und tappten durch die finstere Pforte in ein
kleines Parterrezimmer, aus welchem uns lieblicher Duft von Gebratenem
und Wein entgegenwehete. Wir fanden in einem Geistlichen aus Mähren und
zwei Nürnbergern erheiternde Gesellschafter.
Indessen so gemüthlich und behaglich der Aufenthalt in diesen überaus
bescheidenen Räumen war -- wir mußten scheiden, und ich begab mich
in das stattliche Collegiumgebäude, wo die Versammlung unter dem
Vorsitze Sr. Kaiserl. Königl. Hoheit des Herrn Erzherzogs öffentliche
Sitzung halten sollte. Der Saal war reich und geschmackvoll in Roth
und Gold ausgeschmückt. Dem Vorsitzenden war eine Tribüne bereitet.
Der durchlauchtigste Präsident, wie alle Anwesende, im Paletot, war
bereits erschienen und im Gespräch mit den Beamten begriffen. Ich fand
unter den Anwesenden viele Landsleute und Freunde aus Sachsen, die sich
durchgehends in bitteren Klagen über das entsetzliche Wetter ergossen.
Endlich wurde Platz genommen und die Sitzung von dem Präsidenten
eröffnet. Es folgten nun mehrere interessante Vorträge, die namentlich
das Forstwesen zum Gegenstande hatten, eine lebhafte Besprechung
veranlaßten und bis gegen zwei Uhr währten. Dann trennte man sich,
nachdem ich noch das Festgeschenk in Empfang genommen, das durch
gediegenen Inhalt und geschmackvolle Ausstattung sich auszeichnet.
Ich begab mich dann mit meinem Gefährten in das Gasthaus zum
Erzherzog Karl. In einem der Säle war ein Diner arrangirt. Wir fanden
jedoch keine Bekannten und wurden demnach nicht gestört in unseren
Betrachtungen, zu denen Gäste, Wirth und Kellner den erquicklichsten
und reichsten Stoff darboten. Wir ergötzten uns namentlich an den
im Trabe aufmarschirenden, wohlfrisirten und mit weißen Halsbinden
festlich geschmückten Kellnern, hinter denen der stattliche Wirth mit
rothem Gesicht und funkelnden Augen wie ein drohender Dämon einherlief,
hier ordnend, dort tadelnd, überall nachsehend, nichts unbeachtet
lassend. Nicht minder erfreulich waren die bald hie, bald da im Sale
sich erhebenden Stimmen der Gäste, das Geklirr der Messer und Gabeln,
das Gläserklingen, das Knallen der Pfropfe und das ganze, tolle
Durcheinander.
Endlich war das letzte Gericht bezwungen, das letzte Glas geleert,
und der Kellner, wenn auch nicht mit klingender Münze, bezahlt
worden. Wir gingen nun abermals in den Dom, der stets eine
unwiderstehliche Anziehungskraft für uns hatte, und von da aus nach
dem Benediktinerstift. Die Peterskirche fanden wir geöffnet und einen
Führer, der uns auf die Einzelheiten des reich geschmückten Innern
aufmerksam machte. Wir treten durch die bereits erwähnte byzantinische
Marmorpforte ein. Um das Relief läuft folgende Inschrift:
_IANVA SVM VITAE . SALVANDI QVIQVE VENITE.
PER ME TRANSITE . VIA NON EST ALTERA VITAE._
Die Kirche ist 200 Fuß lang und 75 Fuß breit, bei verhältnißmäßiger
Höhe. Das Ganze mit 16 Altären aus rothem Marmor und den Altarbildern
von Sylvester Bauer, N. Streicher, Fackler und dem in Norddeutschland
fast unbekannten Kremser Schmidt, reichen ornamentalen Sculpturen
und Vergoldungen macht einen Eindruck, der von dem, welchen der Dom
hervorbringt, gänzlich verschieden ist und den ich kaum anders als
durch ein Gleichniß auszudrücken vermag. Stellen wir uns beide Gebäude
als Personificationen einer Gottheit nach der individualisirenden
Ansicht des Heidenthums vor, so ist der Dom eine außerordentlich
erhabene Gottheit auf unerreichbar hohem Throne, das Haupt in den
Wolken bergend, die Hände in betrachtender Ruhe auf der Brust gefaltet.
Die Stiftskirche zu St. Peter aber repräsentirt die Gottheit, die, von
ihrem Throne herabgestiegen, unter den Menschen sich niederläßt und
ihnen mit liebreichem Blick die helfenden Hände mild und freundlich
zur dankbaren Verehrung darbietet und es sich gefallen läßt, daß sie
dieselben küssen, daß sie ihr Haupt mit Blumen, ihre Schultern mit
Prachtgewändern, ihre Arme mit Schmuck verzieren, die aber auch nicht
die bunten Feldblumen, die kleinen Kerzen der Armuth von sich weiset.
Im Dome sahen wir die Beter meist an der Eingangspforte oder in den
Betstühlen, aber nie in solcher Anzahl knieen, wie vor den Altären von
St. Peter und den anderen, in gleichem Style geschmückten Kirchen. Es
ist allerdings wahr, daß diese Kirchen den Kunstfreunden, die an den
griechischen oder den reingothischen Styl gewöhnt sind, durchaus für
geschmacklos gelten, daß die weiß glasirten Wolken, die lebensfrischen,
oft schelmischen Engel, die auf denselben lustig sich tummeln und mit
den Marterwerkzeugen der Heiligen kindische Spiele treiben, die oft in
weltlicher Schönheit erblühenden und rosig lächelnden Madonnen, die
vornehm, aber gnädig blickenden Bischöfe und Aebte, die ritterlichen
heiligen Helden St. Georg und Moritz, die glänzenden Farben ihrer
Gewänder, namentlich das metallglänzende Roth, Blau und Grün an den
reichverzierten Säulen einem norddeutschen Rationalisten, der Schuld
und Verdienst entweder mit dem Apothekergewicht abmißt oder keines von
beiden anerkennt, gar seltsam vorkommen mögen. Wer aber es gesehen hat,
wie in später Abendstunde greise Männer, wie würdige Matronen, Männer
in der Blüthe der Kraft, wie zarte Jungfrauen, elegante Jünglinge,
wie lebensfrische Knaben vor diesen Altären knieen und in stiller
Andacht ihre Bitten, wie ihren Dank dem Unsterblichen darbringen, der
begreift am Ende wohl die Fülle von Farben und Schmuck jeder Art, die
diesen Gotteshäusern eigenthümlich sind. Dieser Schmuck aber ist ein
Ausfluß der Fülle des reichen Gemüthes, der Liebe und des Wohlwollens,
das schon in den weichen Dialekten des Oesterreichers so wohlthätig
sich uns kund giebt. Ich möchte diesen Kirchenstyl vorzugsweise den
österreichischen nennen, der mit allen übrigen Culturerscheinungen
dieses reichbegabten Landes in Einklang steht.
Wir wendeten unsere Aufmerksamkeit den Einzelheiten zu, den großen
Wandgemälden von C. Schwarz und Solari mit reicher Scenerie und
kräftiger Färbung, dem im 15. Jahrhundert errichteten Grabe des
heiligen Rupertus, vor Allem aber einem schönen Madonnenbilde in
blauem, mit goldenen Lilien besäeten Kleide, das gewiß dem 15.
Jahrhundert angehört. An Grabdenkmalen zeichnet sich das des genialen
Michael Haydn aus, das seine Freunde ihm setzten. Interessant ist
die aus rothem Marmor errichtete Tumba des Vaters des unglücklichen
Bischofs Wolf Dietrich. Sie trägt die Inschrift: »Hier liegt begraben
der edl und gestreng Herr, Herr Johann Werner von Reithenau zu
Langenstein, Ritter und Landsknechtoberster, welcher da starb in
Crobaten wider den Erbfeind, als man zalt 1593 Jahr.«
Wir hatten nun die Absicht, die Büchersammlung des Stiftes in
Augenschein zu nehmen, allein die Zeit war schon zu weit vorgerückt,
und der Vorsteher derselben bereits ausgegangen.
Wir begaben uns daher nach Hause, nahmen Mantel und Mütze und
schritten über die Brücke dem Capuzinerberge zu, der ehedem wegen
seines Reichthums an Bienen der Imberg genannt wurde. Der Berg,
Kalkfels, senkt sich nach der Salzach zu steil ab; er ist mit Buchen
und Lerchenbäumen besetzt. Auf einer hölzernen Stiege gelangt man an
die Stationen, unter denen der Calvarienberg von Franz Hitzl sich
durch edle Haltung auszeichnet. Wir schritten sodann durch den, heute
freilich regentriefenden Buchenhain dem Gipfel des Berges zu und
gelangten so, wieder abwärts steigend, zu dem Francisci-Schlössel,
welches Erzbischof Paris von Lodron im Jahre 1629 zum Schutze der
Stadt angelegt hat. Es ist eine kleine, nette, am steilen Abhange
gelegene Citadelle, in die wir eintraten. Wir fanden in der Wirthstube
freundliche Aufnahme und Bewirthung mit österreichischem Wein und
hatten von hier aus Gelegenheit, dem Treiben der Wolken gemächlich
zuzuschauen, die an dem Gaisberge und in dem Salzachthale die
seltsamsten Gestalten bildeten. Namentlich zog sich am Gaisberge eine
Wolkenmasse hin, die vollkommen einer dichten Tafel Baumwollenwatte
glich, an der von unsichtbaren Händen lange Zipfel bald abgezogen und
ausgedehnt, bald wieder angefügt wurden. Um das Haupt des Unterberges
fanden ähnliche Spiele statt, die, nimmer rastend, jeden Augenblick
andere Formen hervorbrachten.
Im Regen, wie wir gekommen, schieden wir auch von dieser Höhe und
trafen im Dunkel in unserer Wohnung ein. Die Mäntel wurden aufgehängt,
die Kleider gewechselt, und wir begaben uns auf das nahegelegene
Rathhaus, wo allabendlich die Mitglieder der Versammlung zusammenkamen.
Wir hatten das Glück, Seine K. K. Hoheit den Erzherzog hier zu finden
und uns ihm vorstellen zu dürfen. Der Erzherzog ist eine jener
kräftigen, mittelgroßen Gestalten, die das Alter nicht zu beugen
vermag, von gerader, fester Haltung. Seine ernsten Gesichtszüge zeigen
Wohlwollen und tiefen Verstand. Sie sind vorzüglich glücklich und treu
in dem Bilde wiedergegeben, das vor dem Album der 14. Versammlung sich
findet. Die Bewegungen des Prinzen sind einfach und ungezwungen. Im
Gespräch zeigte er eine gründliche Kenntniß des sächsischen Bergbaues,
und seine Mittheilungen über den österreichischen, namentlich über die
steier’schen Eisenwerke und den Gasteiner Goldbergbau, waren uns sehr
belehrend.
Die sehr vorgeschrittene Zeit und die auf die Bergwanderung folgende
Müdigkeit mahnten an den Heimweg.
Gestärkt von dem ununterbrochenen Schlafe begaben wir uns Mittwoch am
3. September bei Zeiten abermals in das Benediktinerstift St. Peter.
Wir schritten den mit byzantinischen Säulen und einigen Heiligenbildern
verzierten Kreuzgang entlang und stiegen dann die stattliche Treppe
hinan bis an die Thür, welche die Inschrift: _P. GREGORIVS_ trug. Der
Diener, der uns empfangen, öffnete, und uns nahm der Bibliothekar des
Stiftes Herr Pater Gregorius Ramer mit kollegialischer Herzlichkeit
auf. Er trug den langen schwarzen, mit gleichfarbiger Binde gegürteten
Talar und das Scapulier, welches Rücken und Brust bedeckte. Er führte
uns sogleich in die ~Bibliothek~, die in sieben hinter einander
liegenden ansehnlichen Zimmern, Kammern, mit gemalten Decken,
aufgestellt ist. Drei Seiten jedes Zimmers enthalten die bis an die
Decke reichenden Repositorien, die Fensterseite ist mit Tischen zum
Auflegen der Bücher versehen. Der College zeigte uns zunächst die
Handschriften, die allerdings meist theologischen Inhalts sind.
Vorerst nahm eine wohlerhaltene Vulgata aus dem 12. Jahrhundert unsere
Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie besteht aus sechs Bänden. Dann sahen
wir ein Evangelium des 11. Jahrhunderts mit reichen Miniaturen. Der
Glanzpunkt der Bibliothek ist jedoch ein Antiphonarium, welches dem
10. Jahrhundert angehört und mit trefflich erhaltenen Miniaturen und
Arabesken versehen ist. Es fehlte weder an den eleganten Handschriften
des 15. Jahrhunderts, die in Florenz geschrieben waren, noch an jenen
großen Missalien, die mit Miniaturen, besonders Initialen geschmückt
sind. Der Herr Bibliothekar erzählte, wie es nicht an mehrfachen
Anträgen britischer Curiositätensammler gefehlt habe, welche dem Stifte
jene literarischen Seltenheiten hätten abkaufen wollen.
Pater Gregorius ist der Verfasser eines brauchbaren Katalogs der
Bibliothek und zeigte sich überhaupt als gelehrten und kenntnißreichen
Bibliophilen. Auch hier hatte ich jedoch abermals Gelegenheit zu
bemerken, wie wenig unsere norddeutsche Literatur sich bis jetzt nach
Süddeutschland Bahn gebrochen hat. Selbst allgemein bei uns verbreitete
Werke, wie Pierer’s Universallexikon, sind hier unbekannt. Dagegen muß
ich aber auch bemerken, daß uns die süddeutsche, namentlich historische
Literatur in der Regel auch fremder bleibt, als sie es in der That
verdient.
Pater Gregorius Ramer berichtete noch über den Zustand der geistlichen
Stifter, ja der gesammten Geistlichkeit Oesterreichs während der
verhängnißvollen Jahre 1848 und 1849. Die Geistlichen, namentlich die
Klostergeistlichen, konnten es kaum wagen, in ihrer Amtstracht über
die Straße zu gehen, ohne sich den gröbsten Beleidigungen auszusetzen.
Sie mußten oft hinter sich Schimpfworte vernehmen, und man zeigte von
Seiten der Demokratie nicht übel Lust, über die Stifter herzufallen und
sich in den Besitz derselben zu setzen.
Unser neuer Freund machte uns dann noch auf die byzantinischen Säulen
aufmerksam, die sich noch hie und da in dem, einen geräumigen Garten
umschließenden Kreuzgange und in der Pförtnerstube befinden, sowie auf
die alten Grabsteine, die in den Fußboden eingelassen sind. Die meisten
sind freilich durch die Füße der Darüberhinschreitenden abgeschliffen,
viele aber auch in früherer Zeit gewaltsam ausgebrochen und zerstört
worden.
Nachdem uns Pater Gregorius eingeladen, morgen den Schatz zu
betrachten, begaben wir uns nach dem Collegiumsplatze und erwarben
für meine Sammlung einen sauber gestickten tyroler Gürtel. Dann
aber schritten wir über die Brücke, um ~Kirche und Kirchhof zu St.
Sebastian~ in Augenschein zu nehmen. Wir traten ein und fanden einen
hellen freien Raum von mäßiger Ausdehnung, 103 Fuß Länge auf 73 Fuß
Breite, mit wenigen Sculpturen und einfachen Ornamenten. Die Kirche
brannte nämlich am 30. April 1830 ab und wurde am 5. Juni 1831 bereits
wieder eingeweiht.
In der Vorhalle ist das Grabmal des berühmten Theophrastus Paracelsus
von Hohenheim, der am 24. September 1541 in Salzburg starb und zwar im
Wirthshause zum weißen Roß im Kay. Das Denkmal, welches den Schädel des
gelehrten Sonderlings enthält, ist eine stattliche Pyramide aus weißem
Marmor, die mit der Büste desselben geschmückt ist.
Von hier aus steigt man zu dem ansehnlichen Friedhofe herab, der
ein Viereck von 220 Schritt Breite und 260 Schritt Länge bildet. Er
ist ganz mit Mauern umgeben, an welche sich die mit Denkmalen reich
geschmückten Arkaden anlehnen. In der Mitte steht die Gabrielkapelle,
in welcher Erzbischof Wolf Dietrich ruht. Wir begannen die Betrachtung
der einzelnen Denkmale. Viele derselben sind mit größeren Oelbildern
versehen, unter denen sich eine am Kreuze zusammengesunkene Madonna
auszeichnet. Auch hier sahen wir viele Portraits der Bestatteten.
Bedeutender sind indessen die Marmordenkmale; vorzüglich ist die Büste
von Gasparelli, ein Relief mit der Anbetung der drei Könige, das
Portrait von Michael Pabbargiesar vom Jahre 1581, mit dessen unter
dem Kreuze knieender Familie. In der Ecke sieht man die Darstellung
des Fegefeuers, dessen Flammen den armen Seelen bis an die Brust
reichen. Das Obertheil dieses Bildes zeigt uns St. Sebastian, der
die auf eine Weltkugel gemalte Stadt Salzburg dem Herrn empfiehlt.
Weiterhin befindet sich ein aus Kalksinter gebildetes Grottenwerk, das
ein mit bunten Figuren gefülltes heiliges Grab umschließt. Auf der
Gruft des Kurz von Goldstein ist eine interessante Darstellung des
Todes, der als eine überaus abgezehrte Figur eines Greises erscheint.
Sehr geschmackvoll und edel ist das Grabmal des 1847 verstorbenen
Malers Sattler; es ist ein Marmorrelief, zu dessen beiden Seiten der
ritterliche St. Georg und der pilgerartige St. Michael aufgestellt
sind. In einer Ecke des Kreuzganges bemerkten wir hinter einem
Gitter die Gestalt des heiligen Sebastian, umhüllt mit einem rothen,
golddurchwirkten Mantel; außen waren _ex voto_ Glieder aus Wachs und
Namentafeln angebracht. An dem Grabe des Sigismund von Rubianich
bemerkte man das stattliche Oelbild des genannten heilig gesprochenen
Königes, nicht weit davon die Marmorbüste des Architekten E. Castello
von ganz vorzüglicher Arbeit. Er erbaute die Grabkapelle des
Erzbischofs Wolf Dietrich und starb 1608 im 30. Jahre seines Alters.
Wir bemerkten auch hier überall die sorgsamste Pflege der Gräber und
deren Ausschmückung mit frischen Blumen.
Wir kehrten nun nach der anderen Seite der Stadt zurück. Es begegneten
uns zahlreiche Wagen, die mit Rindern bespannt waren, welche mit der
Stirn die Last zogen. Der Fuhrmann schritt, einen Regenschirm, meist
von rother Farbe, über sich haltend, daneben her.
Von da begaben wir uns nach unserem Stiftskeller, wo eine ziemliche
Anzahl Leute, darunter auch Benediktiner, beisammen waren, die von
dem lahmen Wirth von halber Stunde zu halber Stunde mit einer Prise
Tabak erfrischt wurden. Der Wein wird in großen Halbkannengläsern
aufgetragen und zu jedem eine Flasche Wasser geliefert. Man erkennt den
Oesterreicher daran, daß er, ehe er dem Weine Wasser zugießt, aus der
Flasche ein wenig an den Boden schleudert. Der Oesterreicher trinkt
den Wein nie ohne Wasser, und wie wir im Verlaufe der Reise bemerkten,
er trinkt überhaupt wenig, selten mehr als ein Seidel. Desto mehr
leistet er im Essen, wo ihm allerdings die Vortrefflichkeit seines
Rindfleisches, seiner Gemüse und die Mannigfaltigkeit seiner Küche
Anlaß bietet. Im Allgemeinen sind die Speisen in Oesterreich sehr wenig
gewürzt, und wir waren stets genöthigt, mit Salz nachzuhelfen.
Nachdem wir hierauf zu Hause das Gesehene aufgeschrieben und ein
Stündchen der Ruhe gepflegt, traten wir in der festen Hoffnung
auf Besserung von Seiten des Wetters unsere Wanderung nach dem
~Birgelsteine~ an, wo die daselbst ausgegrabenen römischen Alterthümer
aufgestellt sind. Wir schritten über die Brücke und wendeten uns
dann rechts, wo die senkrechten Felsen des Capuzinerberges und die
Häuser eine enge Gasse bilden. Wir schritten durch das Steinthor in
die ~Vorstadt Stein~, die eigentlich nur aus einer Gasse besteht, in
welcher Weber, Schuhmacher, kleine Gastwirthe wohnen. Aus der Ferne
traten uns, zum ersten Male während unseres Aufenthaltes in Salzburg,
die Alpen im Sonnenglanze entgegen. Die violetten Berge waren mit
hellglänzenden weißen Partieen bedeckt, die jedoch von Zeit zu Zeit
hinter die ziehenden Wolken zurücktraten, die auch diesmal den breiten
Gipfel des Untersberges umspielten, während die hellgrünen Matten
seines Fußes von der Sonne bestrahlt wurden.
Wir nahten uns einem modernen Gebäude mit Gartenanlagen, das an seinem
Thorwege die Inschrift: »~Römische Alterthümer~« trug, traten ein,
wurden in den zweiten Stock gewiesen, vernahmen jedoch, daß der Custos
noch nicht angekommen. Wir begaben uns daher in den nahe gelegenen
Bräugarten Hoenegger’s, der eine prächtige Aussicht auf die Alpen und
die Stadt darbot. Die Wirthin brachte Bier in steinernen Krügen und
klagte sehr über das anhaltend ungünstige Wetter. Endlich gelangten wir
zu dem Anblick der Alterthümer, die in zwei Zimmern zu bequemer Ansicht
aufgestellt sind und welche ein altes Männchen beaufsichtigt. Zunächst
betrachteten wir zwei wohlerhaltene, unter Glas hingestreckte Gerippe
von ansehnlicher Größe, dann die zahlreichen Urnen, die aus gebranntem
Thon und Glas von der bekannten Form. Daneben sah man mehrere Urnen,
die aus der hier brechenden Breccie ziemlich roh gearbeitet und zum
Theil mit Gebeinen gefüllt waren. Von feineren Gefäßen war wenig
vorhanden, mit Ausnahme einer ganz dünnen schwarzen, kleinen Urne.
Die Lampen waren zahlreich, ebenso die Münzsammlung. Wir sahen ferner
eine ziemliche Menge Tauben, Hähne, Hunde, offenbar nach den bekannten
Molossenstatuen von Florenz, Katzen, Portraitbüsten in kleinem
Format mit dem mannigfaltigen Kopfputz der Kaiserzeit, durchgehends
aus gebranntem Thon, dann auch eine kleine thönerne Nachbildung des
bekannten sitzenden Hirtenknaben, der sich einen Dorn aus dem Fuße
zieht. Besonders interessant war ein rothgelbes Thonziegelbruchstück,
auf welchem ein Adler in der heraldischen Form, etwa wie der preußische
auf den Münzen und Siegeln, in Relief dargestellt war. Auffallend war
der Mangel an Bronzen, die sich lediglich auf ein Paar Brusthafte
beschränkten, welche nicht eben sonderlich erhalten waren. Desto
ansehnlicher war die Menge von Eisenzeug, unter welchem mehrere
Garnituren von Dittrichen, Messerklingen, Nägel und andere dem gemeinen
Leben angehörige Bruchstücke sich befanden. Der Mangel an Bronzen und
interessanteren Dingen wird dadurch erklärt, daß die früheren Besitzer
des Birgelsteins ganze größere Partieen davon verkauft haben, Anderes
aber an das städtische Museum abgegeben worden ist, auch Einiges von
hier an das kaiserliche Antikencabinet nach Wien gesandt wurde.
Wir verließen die Sammlung und kehrten über die Brücke nach dem
Griesgraben zurück, um das ~städtische Museum~ in Augenschein zu
nehmen. Zunächst aber betrachteten wir die auf dem stattlichen Brunnen
aufgestellte, von der Zeit dunkel gefärbte lebensgroße Statue des
~wilden Mannes~, die lebhaft an die kleinen Bronzestatuetten erinnert,
welche in deutschen und nordischen Sammlungen mehrfach vorkommen.
Die Statue zeigt uns einen behaarten, bärtigen und bekränzten
Mann, der mit der Rechten sich auf eine Keule stützt. Die Gestalt
erscheint auch mehrfach auf deutschen Wappen, z. B. dem preußischen,
als Schildhalter, dann selbständig auf mannsfeldischen, darnach
sogenannten Wildmannsthalern, als Wirthshausschild, ferner in den
Fastnachtspielen und Mummereien des 16. und 17. Jahrhunderts als
beliebte Charaktermaske. In der Volkssage tritt der wilde Mann als
Bewohner der Wälder, als Schrat auf, in dem Latein des Mittelalters als
_Satyrus_ und _Pilosus_.
Wir begaben uns nun nach dem ~städtischen Museum~, das in mehreren
gewölbten Sälen sicher untergebracht ist. Hier wurde ich auf das
Angenehmste durch eine Fülle der interessantesten Gegenstände
überrascht, welche der Patriotismus und die davon unzertrennbare
Achtung für die Vorzeit zusammengebracht hatte. Der Custos dieser
Sachen nahm uns freundlich auf, und wir gaben uns der Betrachtung
behaglich hin.
Der erste Saal des Museums enthält die Waffen, alterthümlichen Geräthe,
mittelalterlichen Denkmale in Stein, die Fahnen der Landesfürsten und
der Stadt. Unter den Waffen bemerkten wir Hellebarden und Flamberge,
halbe und ganze Rüstungen, Schwerter und Luntenflinten des 16.
und 17. Jahrhunderts, die lederne Rüstung für das Hintertheil des
Pferdes und die gewaltigen Stiefeln des Anführers der aufrührerischen
Bauern, Mathias Stöckl, sowie eine hölzerne Kanone desselben. In
einem besonderen Kasten befand sich ein ganzer Scharfrichter-Apparat,
namentlich Stricke, Brandzeichengeräth, ein sinnreich construirter
Maulkorb für schmähsüchtige Weiber, der die Gestalt einer Maske hatte,
Richtschwerter, die bekanntlich zweischneidig und ohne Spitze sind. Das
eine derselben, dem 17. Jahrhundert angehörig, hatte die Inschrift: wer
was findet, eh’ daß es verloren, etwas kauft, eh’ daß es feil ist, der
stirbt, eh’ daß er krank wird. In demselben Kasten lag ein Quartband,
der die amtlichen Memoiren des Scharfrichters Franz Johann Wohlmuth
enthielt, die im Jahre 1761 geschlossen waren. Der Meister hatte 226
Hinrichtungen und peinliche Arbeiten gewissenhaft verzeichnet.
Man sah in demselben Saale den Legaten- und Cardinalhut des bekannten
Bischofs Lang, einen fein geschnitzten Bischofstuhl aus Holz von
Lungau, der dem 14. Jahrhunderte angehörte, eine aus derselben Zeit
stammende steinerne Handmühle, große Thongefäße für Aufbewahrung von
Oel und Essig.
In dem zweiten Saale waren zahlreiche Modelle salzburger Gebäude und
die Sammlung der Gemälde von salzburgischen Künstlern aufgestellt. Das
dritte enthielt die Bibliothek mit den Urkunden und Siegeln, sowie
einige Büsten, den Abguß des Schädels von Paracelsus u. s. w.
Im vierten Zimmer waren die römischen Alterthümer vereinigt, die
weniger Umfang haben, nämlich die gebrannten Erden und die Bronzen,
dann aber auch die auf dem Mozartplatze ausgehobenen Mosaiken, nebst
einem überaus niedlich gearbeiteten Modell von der Ausgrabung. Als
ich mich davon umwendete, stockte mir geradezu der Athem in der
Brust vor freudiger Ueberraschung. Ich sah einen mit dem edelsten
dunkelgrünen Roste bedeckten Bronzehelm; der Kopf und der Kamm waren
aus zwei getriebenen Theilen zusammengenietet, und die Wangenschienen
ebenfalls vorhanden. Dieses kostbare, offenbar vorrömische, aber
prachtvoll erhaltene Waffenstück ist unstreitig die Krone der ganzen
Alterthümersammlungen des Kronlandes Salzburg. Es wurde vor Kurzem in
dem Paß Lueg bei Golling entdeckt. Außerdem befanden sich hier noch
zwei schöne Bronzeschwerter, mehrere Cameen, Pfeilspitzen und ein
langes gekrümmtes Bronzemesser.
Die in einem geräumigen Seitenzimmer aufbewahrte Naturaliensammlung des
salzburgischen Landes konnte nur flüchtig betrachtet werden, da die
Zeit bereits sehr vorgerückt war, auch die in einem Parterregewölbe
aufgestellten römischen Sarkophage, Grab-, Meilen- und Altarsteine in
Augenschein genommen werden mußten. Der eine Grabstein zeichnete sich
durch schöne Arbeit aus. Sämmtliche Römersteine sind durch Professor
von Hefner in München (römische Denkmäler Salzburgs, Wien 1849) bekannt
gemacht worden.
Das Museum ist vor 16 Jahren von dem jetzigen Vorstand des _Mons
pietatis_, des Leihhauses, Herrn von Süß, begonnen und durch seine
unablässige Sorgfalt auf den gegenwärtigen Stand gebracht worden. Er
hat sich zu diesem Zwecke mit mehreren Gleichgesinnten in Verbindung
gesetzt, die Unterstützung und Beihülfe der Behörden in Anspruch
genommen und neuerdings die Anstalt unter den Schirm der verwittweten
Kaiserin Mutter Majestät gestellt, weshalb sie auch den Namen ihrer
erlauchtesten Beschützerin als _Carolino-Augusteum_ trägt.
Wir begaben uns nun nach der Reitbahn, wo die Landleute ihre Pferde
ausgestellt hatten, und die Preisschau stattfand. Wir sahen sehr große,
starke und fette Pferde, die jedoch nicht die Grazie der norddeutschen
hatten, obschon sie denselben an Kraft und Ausdauer überlegen seyn
mögen. Dann aber gingen wir nach dem ~Posilipp von Salzburg~,
einer jener großartigen und bewunderungswürdigen Werke, welche die
Erzbischöfe von Salzburg so gern ausführten.
Der Mönchsberg, der parallel mit der Salzach hinläuft, besteht aus
Breccie und trennt die Stadt von der fruchtbaren Ebene nach dem
Untersberg hin; von dort aus konnte man nur durch einen Umweg nach
Salzburg gelangen. Da faßte Erzbischof Sigismund von Schrattenbech den
Plan, den Berg zu durchbrechen. Nach reiflicher Prüfung schritt man am
15. Mai 1765 unter der Direction des Ingenieur-Majors Johann Elias von
Geyer unter der Werkführung des David Zimmermann aus Eisleben ans Werk.
Die Arbeit währte nur zwei Jahre und kostete kaum an 20000 Gulden. Am
15. Nov. 1767 wurde der Durchgang eröffnet. Wir traten nun an das Thor,
über dessen Oeffnung die Büste des Erzbischofes und die sinnreiche
Inschrift: _Te saxa loquuntur_ zu sehen ist. Die Länge des Thores
beträgt 415 Fuß, die Breite 22 und die Höhe 40 Fuß. Es gewährt einen
freundlicheren Anblick als der Posilipp, der allerdings 1000 Fuß lang,
80-90 Fuß hoch und 24-30 Fuß breit ist, aber mehr von der Natur als von
Menschenhänden gearbeitet zu seyn das Ansehen hat. Das Sigismundthor
ist im Spitzbogenstyl ausgemeiselt, die Wände, an denen die Schichtung
des Felsens deutlich hervortritt, sind abgeglättet. Auf der Außenseite
erheben sich zwei, aus dem anstehenden Gestein ausgehauene Obelisken.
Ueber dem Thore aber steht die 16 Fuß hohe Statue des Königs Sigismund
in voller Rüstung, umgeben von Waffenstücken, gearbeitet im Jahre 1768
von W. Hagenauer.
Wir durchschritten einige Mal das colossale Werk und musterten
sodann einen nahe dabei befindlichen Geschiebehaufen, der für unsere
Sammlungen manches Interessante, namentlich buntfarbigen Marmor und
einen wasserhellen eiförmigen Bergkrystall darbot.
Wir schlenderten nun gemächlich durch die Straßen, freuten uns der
rothmarmornen Fensterauslagen der Bäder und der Fleischer, die
vor ihren Verkaufsstellen ungeheuere Holzblöcke zum Zerhauen des
Fleisches haben. Solche Wanderungen durch die Straßen und die Lectüre
der Aushängeschilde gehören zu den kleinen Freuden der Reisenden
und gewähren nach größeren, oft anstrengenden Anschauungen eine
eben so belehrende als erheiternde Erholung. Jedes Land hat seine
Eigenthümlichkeiten, namentlich in Benennung der verschiedenen Gewerke.
Hier in Salzburg fanden wir z. B. bürgerliche Maler, Pechbrocker,
Lebzelter, Hutstepper, Bindermeister, Tandler, eine Pfindlerei, u. s. w.
Wir landeten endlich im Stiftskeller zu St. Peter, um durch
Rostbratel und Grinzinger unsere Kräfte zu ergänzen, und fanden
diesmal viel Norddeutsche, von denen der Eine seine Unzufriedenheit
mit dem österreichischen Weine gar nicht verbergen konnte. Es war
ihm unbegreiflich, daß derselbe anders schmecke als Rheinwein,
Moseler und Chateau Lafitte. Denselben, übrigens kenntnißreichen
Mann traf ich nachher auf dem Rathhause, wo er mit der Methode eines
Inquisitionsbeamten einen bairischen Landwirth über sein Verfahren
bei landwirthschaftlichen Geschäften examinirte. Der ehrliche Baier
erklärte endlich, ärgerlich über das Fragen und Besserwissen des
nordischen Landsmanns, er habe es immer so gemacht, müsse sich nach
Umständen richten und werde sein Lebtage auch dabei bleiben.
~Donnerstag, den 4. Sept.~ begaben wir uns bei früher Tageszeit nach
dem städtischen Museum, um in das Einzelne mancher Abtheilung genauer
einzudringen. Zunächst besahen wir die aus rothem Marmor gefertigten,
etwa 4 Fuß hohen Statuen, die nach dem Brande der Domkirche im Jahre
1598 abgehoben und als Mauersteine verwendet worden waren. Wir
betrachteten ferner die stattlichen, 7 Fuß langen bronzenen Kanonen,
die im Jahre 1565 Hans Löffler für den Erzbischof Johann Jacob
gegossen, sowie einen uralten eisernen Mörser; dann die 9 Ellen langen
Spieße, welche die Lanzenknechte noch zu Anfang des dreißigjährigen
Krieges führten, und die Bauernwaffen aus den Zeiten der Aufstände.
Interessant war eine aus graurothem salzburger Marmor gearbeitete Kette
von 6 Gliedern, deren jedes 7½ Zoll lang, 6 Zoll breit ist und über
einen Zoll Dicke hat, eine Arbeit, die freilich nicht mit der 29 Fuß
langen steinernen Kette zu vergleichen ist, welche die Thorpfeiler der
Pagode von Schalembrom (s. m. Culturgeschichte VII. 469) in Indien
verbanden.
Ich wendete mich nun vorzugsweise der Betrachtung der Gemälde und
Zeichnungen salzburgischer Meister zu. Unter den Oelbildern sprach
mich durch außerordentliche Naturwahrheit das Portrait einer alten
Dame besonders an, die von dem ums Jahr 1736 blühenden Franz Anton
Ebner ausgeführt worden ist, der auch die Pferde an der Hinterwand der
Pferdeschwemme, außerdem aber viele Kirchenbilder gemalt hat. Nicht
minder naturgetreu ist der Kopf eines alten Mannes von Stief. Wir sahen
ferner die Portraits von W. A. Mozart und seiner Frau. Der unsterbliche
Meister erscheint in jugendlicher Schönheit in einem weißen Rock mit
gepudertem Haar. Von Fr. X. Hornöck ist das überaus kräftig gehaltene
Portrait eines Landmannes vorhanden. Hornöck war 1731 zu Schönau in
Niederbaiern geboren und lebte seit 1805 als Portrait- und Kirchenmaler
in Salzburg, wo noch viele seiner Werke vorhanden sind. Von dem
fruchtbaren Anton Enzinger, der um 1750 in Salzburg noch lebte, sieht
man ein prachtvolles Thierstück. Von Nesselthaler findet sich eine
liebliche, wenn auch etwas selbstbewußte Madonna, von Nickhl ein
Violinspieler in breiter, kräftiger italienischer Weise. Ansprechend
ist die Darstellung eines Gemsbocks, der folgende Unterschrift trägt:
»In dieser Größe Gegenwartiger Gamsbock ist _ano_ 1735 den 7. Nov.
ungefehr in Capucinerberg gefunden und von ihro Excellentz Herrn
_Ladantio_, Freyherr von Firmian Hochfürstlicher Obrist Jägermeister in
Salzburg mit einer Kugel gefället worden.«
Außer diesen Bildern findet man noch manche für die Geschichte des
Landes interessante Portraits, Ansichten und Scenen. So ist vorhanden
das Bild des Bauernanführers Matthias Stöckl, wie er an der hölzernen
Kanone steht, dann die Ansicht seines noch vorhandenen Geburtshauses,
ferner das Portrait des Paracelsus, sowie auch einige Glasgemälde.
Auf den Tischen des zweiten Zimmers sind Oelskizzen und Handzeichnungen
salzburgischer Künstler in Mappen ausgelegt. Darunter ist ein Heft mit
20 kostbaren Federzeichnungen des Italieners Spretti, italienisches
Bettelvolk darstellend, worunter eine alte Katzenpflegerin, die ich
anderwärts als das Werk eines modernen Künstlers gesehen und bewundert
habe. Sehr geniale Oelskizzen von Anton Reiffensturl enthält eine
andere Mappe. Es sind durchgehends Alpengegenden. Ein Heft von Franz
Anton Danreiter, der am 17. Febr. 1760 als Hofgärtner in Mirabel starb,
bietet überaus saubere Federzeichnungen salzburger Ansichten dar. Von
dem noch lebenden Kunstmaler Petzold ist ein ganzer Band in Sepia
ausgeführter Darstellungen aus der Umgegend von Salzburg vorhanden.
Salzburg ist nun allerdings ein Ort, der dem bildenden Künstler
fortwährende Anregung bieten mußte, zumal als die Stadt noch der
Sitz kunstfördernder geistlicher Fürsten war. Die Erzbischöfe ließen
es sich angelegen seyn, die von ihnen erbauten Kirchen auf würdige
Art auszuschmücken. Dann ließen sie ihre Residenz durch Kunstwerke
verschönern. So rief Erzbischof Hieronymus Graf von Colloredo im Jahre
1789 den kunstreichen Andreas Nesselthaler an seinen Hof, um sich von
ihm ein enkaustisches Cabinet malen zu lassen. Die Enkaustik bewegte
damals alle Kunstfreunde. Nesselthaler malte binnen drei Jahren 57
enkaustische Bilder und erwarb sich den Dank seines Fürsten in dem
Grade, daß dieser ihn zum Truchseß, Hofmaler und Galerieinspector
ernannte.
Nachdem wir die Gemälde und Zeichnungen betrachtet, traten wir in die
Naturaliensammlung. Die geognostische und oryktologische Sammlung
ist noch nicht aufgestellt, es müssen dazu erst geeignete Schränke
herbeigeschafft werden. Gleichermaßen steht es mit den botanischen
Abtheilungen. Doch ist für beide Zweige bereits vieler Stoff vorhanden,
namentlich was die Salze und Marmorarten betrifft. Eine reiche
Sammlung inländischer Schmetterlinge, die in zweckmäßig eingerichteten
und eleganten Schränken aufbewahrt wird, verdankt das Museum dem
Cardinal-Erzbischof Fürsten von Schwarzenberg.
Von den Vögeln sind namentlich die Adler und Eulen wohl vertreten;
unter den Säugethieren zeichneten sich eine sehr große, seltene Gemse
und ein alter Steinbock aus. Die Gemse hat eine überaus zierliche
Gestalt; der Steinbock dagegen ist im Verhältniß zu seinem gewaltigen
Gehörn und zur Länge seines Körpers niedrig gestellt und hat daher ein
etwas schwerfälliges und plumpes Ansehen.
Bei dem Eifer des Gründers und Ordners des Museums wird es nicht
fehlen, daß dasselbe in wenigen Jahren einen hohen Grad von
Vollständigkeit erreichen wird.
Wir begaben uns hierauf in den Stiftskeller, der auch diesmal überaus
belebt war und wo wir fortan als Stammgäste von Wirth und Kellnern
begrüßt wurden.
Wir traten sodann, nachdem wir diesmal Pater Gregorius nicht gefunden,
in die Franziskanerkirche, in der Nähe der Pforte des Petersstiftes.
Sie macht einen eigenen Eindruck; das Aeußere ist nämlich zum Theil im
Spitzbogenstyl, ja das Portal aus rothem Marmor streift sogar an den
Rundbogen. Das Innere dagegen ist ganz in dem heiteren Kirchenstyle
des 17. Jahrhunderts mit reichen bunten Altären und Statuen. Die 9
Altäre tragen Gemälde von Rothmayr, Freiherrn von Rosenbrunn, Hofmaler
Leopolds I., Josephs I. und Karls VI., gestorben in Wien 1727,
einem überaus fruchtbaren Künstler, dem Niederländer de Neve und dem
Italiener Leander Bassano, die Beide in Salzburg mehrfach beschäftigt
waren.
Nach der Mittagruhe begaben wir uns über den Residenzplatz durch das
Cajetanerthor nach der Vorstadt Nonnburg; dem Wege folgend gelangten
wir in einen Wirthsgarten, der uns die köstlichste Aussicht auf die
Salzach, den Birgelstein und Gaisberg gewährte. Die Sonne trat von Zeit
zu Zeit durch die Wolken und gestattete Blicke in die weitere Ferne.
Von hier stiegen wir nun aufwärts durch schmale Gassen, von denen
wir Einsicht in die tiefer gelegenen, überaus malerischen Theile der
Stadt hatten. Wir gelangten an die Außenwerke der Festung, die hoch
über die Gegend sich erhebt und mit Zinnen, Thürmen, Erkern reichlich
geschmückt ist. Wir blieben jedoch auf dem Rücken des Mönchberges und
sammelten Pflanzen und Gesteine, namentlich Breccie, aus der der ganze
Berg besteht. Von hier aus sahen wir den Untersberg im Sonnenschein.
Es giebt hier prächtige Bäume und Büsche und gar anmuthigen Wechsel
gewährende Spaziergänge, die durch niedliche Thalgründe führen. Hier
oben übten sich Trommler und Signalisten, während von dem Scheibenstand
jenseits der Salzach die Schüsse der Festschützen kräftig drein
krachten.
Wir stiegen, dem Pfade folgend, herab und gelangten so an die
~Augustinerkirche~, in deren Inneres eine stattliche Treppe
leitet. Sie ist klein und freundlich und bietet keine besonderen
Merkwürdigkeiten dar. Wir kamen nun in die Vorstadt ~Mülln~, wo der
Felsen des Mönchberges steil abstürzend wiederum dichter an die
Salzach herantritt. Hier befindet sich das Klausenthor und weiterhin
das stattliche Urselinerinnenkloster. Am 16. Juli 1669 fand an dieser
Stelle ein Bergsturz statt, welcher die früheren Klostergebäude, eine
Kirche, ein Seminar und 13 Häuser zertrümmerte und 220 Menschen das
Leben raubte.
An dem Ende des Klostergebäudes sieht man eine Eisenplatte mit
dem Bilde eines Bären in die Mauer eingelassen, zum Andenken, daß
eine Fluth im 14. Jahrhunderte an dieser Stelle einen im Hochlande
heimischen Bären ans Land gespült habe. Nicht weit davon lasen wir
folgende Inschrift:
_Ao._ 1571 den 30. Mai groß sterben Kham,
Vast alhier 2236 Persohnen weckhnamb
Bis _ao._ 72 den letsten Jenner wehren thet,
Allerley Volkhs man Mangel hett.
Groß Theurung war auch daneben,
Man thats Schaff Korn um 14 fl. geben;
Den Weitzen zu 17 fl. ohngewehr.
Das ist gwest den Armen schwer.
Des 72. Jars den 5 July krat
Von 3 Uhr frühe es geregnet hat
Bis dito siebenzig Stund,
An Aufhören; die Prugg stieß zu Grund
13 Häuser und Stadel verschwam
Salzburg, daß groß Schaden nam
und lof die Salz an so streng
da über diesen Stein ausging
Derowegen Heinrich und Andren
Bede Theren Gebrüdern
Zu ewiger Gedächtniß der Geschichten
Diesen Stein haben lassen aufrichten
1580.
Wir ließen uns sodann in einem einfachen Gasthof nieder, wo man uns
ein vortreffliches Bier vorsetzte; dann aber begaben wir uns über die
Brücke nach dem Schlosse Mirabella, der ehemaligen Sommerresidenz
der Erzbischöfe. Am 30. April 1818 zerstörte ein furchtbarer Brand
auch dieses Gebäude, 10 Jahre später war der neue Bau, gegenwärtig
kaiserliches Lustschloß, vollendet. Die eine Seite stößt an den mit
Springbrunnen und Marmorstatuen reich geschmückten Garten. Unter den
Statuen zeichnen sich die Nachahmungen des belvederischen Apollo und
der antiken Ballspieler aus. Die eine Seite des Schlosses ist auf den
geräumigen, überaus anständigen Paradeplatz gerichtet. Wir schlenderten
die Gasse entlang nach einem Platze, wo vor einem Hause Neugierige
versammelt waren. In der Hausflur war ein mit rothen Kerzen umgebener
Sarg aufgestellt. Verwandte und Freunde standen betend umher. Es
versammelten sich Männer und Frauen in Alltagskleidung, dann kamen
große Kreuzfahnen tragende Männer in schwarzen Chorröcken, worüber
Alben gezogen waren. Ferner erschienen Musikanten mit kurzen Posaunen
und endlich drei Geistliche mit sechs Alumnen, Knaben in braunen Röcken
mit rothen Kragen und Militärhüten. Jetzt gestaltete sich der Zug, die
Musik begann, die Glocken läuteten, der Sarg ward auf die Schultern
erhoben, und Fahnen- und Kerzenträger setzten sich in Bewegung. Wir
begaben uns auf einem Nebenwege nach dem Sebastiankirchhofe, wo der
Todte mit Gebet und Weihrauch bestattet wurde.
Diese feierliche Bestattung, welche die katholische Kirche auch
dem Geringsten und Aermsten ihrer Mitglieder gewährt, muß für die
Hinterlassenen etwas überaus Tröstendes und Beruhigendes haben. Wir im
Norden haben auch diese Aeußerlichkeit aufgegeben, die aber für den
Theil des Volkes, der äußerer Aufregung bedarf, von größter Bedeutung
ist!
Wir schritten nun zum Linzerthor hinaus, da, wo sich die Befestigungen
an den Capuzinerberg anlehnen. Ein angenehmer Baumgang führt um die
Wälle nach der Schießstätte. In der Ferne glänzen die weißen, stattlich
gethürmten Gebäude des Wallfahrtortes Maria-Plain und jenseits der
Salzach die fernen Hochgebirge im Scheine der Abendsonne. Auf der
Schießstätte war viel Leben. Alte und junge fröhliche Leute von Stadt
und Land schossen, natürlich ohne Auflage, mit den schweren, kurzen
Stutzen nach den Scheiben, in deren Nähe zahlreiche bunte Fähnlein
lustig wehten. Das Scheibenschießen ist aber bei den sämmtlichen
süddeutschen Bergvölkern eine Nationalangelegenheit, und der geschickte
und glückliche Schütze ehrt durch den Preis und die Fahne, die er
gewonnen, die ganze Gemeinde.
Endlich aber traten wir den Rückweg an und gelangten über die
prächtigen Plätze nach unserem Peterskeller, wo wir Bekannte fanden.
Man zeigte uns Mispeln aus Tyrol von zwei Zoll Durchmesser, aber auch
Weinbeeren, die von einer Krankheit befallen waren, die in einer Art
Schimmelbildung auf der Oberfläche und einer Vertrocknung des Inneren
besteht und die Landwirthe mit großer Besorgniß erfüllt.
Freitag, den 5. Septbr., begaben wir uns zeitig zu dem Gründer des
städtischen Museums, dem Herrn Maria Vincenz Süß, Verwalter des
städtischen, öffentlichen milden Leihhauses oder _mons pietatis_,
das ein eigenes stattliches Gebäude einnimmt. Ich fand in ihm einen
ebenso gefälligen und freundlichen, als kenntnißreichen Mann in den
besten Jahren. Wir waren bald in dem interessantesten Gespräch,
dessen wesentlichen Inhalt die Geschichte des städtischen Museums und
ähnlicher derartiger Institute bildete. Wir vergegenwärtigten uns die
Leiden und Freuden derartiger Bestrebungen und wandten uns sodann der
Betrachtung seiner überaus vollständigen, auf Salzburg bezüglichen
Münz- und Medaillensammlung zu, die mit Kaiser Augustus, dem ersten
legitimen Beherrscher Juvariens, beginnt. Interessant ist es, daß
römische Münzen noch heutiges Tages im Handel und Wandel in Salzburg
vorkommen. Der Landmann findet häufig auf seinem Felde römische
Bronzemünzen und bringt sie dann als halbe oder Viertelkreuzer zu
Markte, von wo aus sie erst nach mannichfachen Wanderungen von Hand zu
Hand an die Münzfreunde gelangen. Unter den Medaillen bemerkte ich eine
auf Paracelsus.
Von hier begab ich mich mit meinem bergmännischen Begleiter zu dem
Director des Berg-, Salinen- und Forstwesens, Herrn Regierungsrath
Albert Müller, dem ich durch einen Freund in Dresden besonders
empfohlen war. Auch bei diesem überaus thätigen und eifrigen Beamten
ward uns jene herzliche und zuvorkommende Aufnahme zu Theil, die dem
Reisenden in Oesterreich so wohlthuend ist. Zuvörderst suchte er uns
ein Bild von dem bergmännischen Betriebe der Salzwerke von Hallein
durch Zeichnungen und Erläuterungen zu verschaffen, dann wandte sich
das Gespräch auf allgemein technische Gegenstände. Er gab uns sodann
ein Empfehlungsschreiben an das Bergamt zu Hallein mit.
Wir schritten hierauf nach dem St. Peterskloster, um die Beschauung
~der Schatzkammer des Benedictinerstiftes~ vorzunehmen, zu der uns
Pater Gregorius eingeladen hatte. Der Pater Thesaurarius führte uns
über einen langen Corridor, zu einer mit gewaltigem Schloß versehenen
Thür, nach deren Oeffnung wir über eine Treppe in den Raum gelangten,
welcher in mehreren Schränken den Stiftschatz enthielt. Zunächst
ward ein Schrank erschlossen, der ein großes silbernes, im 15.
Jahrhunderte in Augsburg gearbeitetes Tabernakel bewahrt; daneben waren
viele silberne Kreuze aufgestellt, sowie goldene, mit Edelsteinen
reichbesetzte Kelche des 17. Jahrhunderts. Bemerkenswerth war einer
derselben, der die Bilder von St. Vitus, Petrus und Benedictus trug und
im Jahre 1691 aus Waschgold gearbeitet war. Bei Weitem interessantere
Sachen bot der zweite Schrank dar, in welchem vorzugsweise die Infuln
aufbewahrt werden. Man sah dabei treffliche Stickereien aus dem 17.
Jahrhunderte, welche in den Frauenklöstern gefertigt wurden; einige
sind mit Edelsteinen besetzt, und eine, vom Jahre 1494, ist in Perlen
ausgeführt. Eine besondere bibliographische Merkwürdigkeit ist das
hier ebenfalls bewahrte sogenannte Manuale des heiligen Rupert, ein
mit der kleinsten Majuskel geschriebener Pergamentcodex von kaum
anderthalb Geviertzoll, ein Meisterstück der Schreibkunst, das einer
nähern Betrachtung wohl werth ist. Wir sahen hier ferner prachtvolle
Altarkreuze, die mit Rubinen, Saphiren, Amethysten, Türkisen und
Smaragden besetzt sind. Ein anderer Schrank bewahrte mehrere Abtstäbe,
deren Stiele aus Narwalzahn oder, wie man es früher nannte, aus
Eichhorn besteht; ihr Obertheil ist kunstreich aus Silber gearbeitet.
Einer der schönsten, ein ganz aus Silber gefertigter Abtstab von dem
Jahre 1487, war in dem gothischen Spitzbogenstyle überaus sauber
ausgeführt. Dabei sah man die Infuln und Casulen der Aebte des 6.
und 7. Jahrhunderts von Seide, die bekanntlich Jahrhunderte lang der
Zerstörung Trotz bietet. In einem kleineren Schranke befindet sich die
buntgemalte und bekleidete Büste des heiligen Vitalis, welche eine
reich mit Steinen besetzte Inful trägt. In der Brust war der einfache
silberne Kelch des Heiligen mit der Patena, welche folgende Inschrift
trägt: _GAVDEN̅T̅ IN VITA HENRICVS SIRYVS ET ITA._
In den übrigen blau angestrichenen Schränken war noch eine große Anzahl
von Monstranzen, Kreuzen, Heiligenbildern, Kelchen, Patenen, Leuchtern
von Silber aufgestellt. Alles war überaus nett und sauber gehalten,
auch die Zusammenstellung der Gegenstände mit Geschmack angeordnet.
Man sah eben, daß diese Schätze noch heute dem Leben angehören und zur
Verherrlichung des Gottesdienstes an den hohen Festen dienen.
Der Schatz des Domes von Halberstadt ist allerdings bei Weitem reicher
an eigentlichen Alterthümern, namentlich an alten Reliquienbehältnissen
in der Gestalt von Büsten, Aermen und Hörnern, an alten Meßgewändern
und Statuetten, dort werden aber diese Sachen seit dem 16. Jahrhundert
gar nicht mehr gebraucht und nur aus Pietät noch aufbewahrt und
als Alterthümer gezeigt. In den katholischen Ländern sind diese
Kirchengeräthe durch den Gebrauch seit jener Zeit mehr abgenutzt
worden. Sie mußten daher durch neue ergänzt und vermehrt werden. Daher
findet man in den Schatzkammern der katholischen Stiftskirchen bei
Weitem weniger Alterthümer als in denen der protestantisch gewordenen.
Dazu kommt aber auch, daß in den verhängnißvollen Zeiten des
30jährigen Krieges, der Regierung Josephs II. und der Revolutions- und
Napoleonkriege manches alte Stück, wenn es Metallwerth hatte, veräußert
werden mußte.
Wir nahmen von dem guten freundlichen Pater Gregorius herzlichen
Abschied und begaben uns zu Herrn Süß, der uns diesmal seine Medaillen
zu näherer Betrachtung darbot. Am interessantesten waren hier die
Arbeiten von Franz und Franz Xaver Matzenkopf, Vater und Sohn, Beides
hochfürstlich salzburgische Prägschneider und Medailleure.
Von hier begaben wir uns nach dem St. Johannesspital, um ~das römische
Bad~ in Augenschein zu nehmen, welches in einem der Höfe der Anstalt
vor einiger Zeit dadurch entdeckt wurde, daß ein Lastwagen das Pflaster
durchbrach. Das Bad gehört zu den vollkommen erhaltenen. Es besteht aus
einem Rundbau von 16 Fuß Höhe, zu dem 24 Stufen hinabführen, die in die
Wand eingelassen sind. Es hat 11 Fuß Durchmesser und ist ganz aus der
Sandsteinbreccie des Mönchberges aufgeführt. Der Badekessel hat vier
Fuß im Durchmesser, kann also ganz bequem umgangen werden. In der Wand
sind vier Nischen für die Aufbewahrung des Badegeräthes angebracht.
Das Wasser war in Folge der anhaltenden Regengüsse über den Kessel
herausgetreten, aber so klar, daß mein Begleiter erst die Anwesenheit
desselben merkte, als er den Fuß von der letzten Treppenstufe setzte
und den Kessel umgehen wollte.
Wir wanderten nun nach dem vor dem Sigismundthore befindlichen Platze,
wo die ~Viehausstellung~ veranstaltet war. In Folge der Regengüsse
war der Weg allerdings sehr übel zugerichtet, wir gelangten indessen
glücklich an die überbauten Stände, wo die Thiere des Landes in langen
Reihen aufgestellt waren.
Zunächst begaben wir uns zu den stattlichen Rindern, die gar zahlreich
vertreten waren. Es waren außerordentlich große und wohlgenährte
Thiere, dergleichen ich noch niemals gesehen. Sie standen gelassen
an den Stangen und schienen nicht recht zu begreifen, was denn die
vielen fremden Menschen hier vorhätten, die so theilnehmend ihre
breiten Stirnen und glatten Flanken streichelten und sie hätschelten.
Die Besitzer der Thiere, meist von Weib und Kind begleitet, standen
Auskunft gebend dabei; die meisten derselben kannten schon den Erfolg,
den ihre Mühe gehabt. Von da wandten wir uns den Reihen der Rosse zu,
unter denen Überaus starke und große Thiere vorhanden. Sie gehörten
meist der kräftigen Rasse des Pinzgau an, der überhaupt unter den Gauen
des Herzogthums Salzburg die meisten Pferde erzeugt. Das gesammte
Kronland hat 11596 Pferde, der Pinzgau allein 4294. Das Pinzgauer oder
norische Pferd ist unstreitig das ausgezeichnetste schwere Zugpferd
des österreichischen Kaiserthumes. Seine durchschnittliche Höhe ist
16-17 Faust, und schon der Jährling mißt 14 Faust. Eigenthümlich ist
demselben ein voluminöser, starker, reiner Knochenbau, eine meist
dunkle Farbe, die Decke mit mächtiger Haarbildung an dem Scheitel,
Kamm, Schweif und der Köthe, ein mäßig schwerer Gerader- oder
Schlegelkopf, breite Gamasche und Kehlgang, ein breiter abgerundeter
Kamm, ein breiter, kurzer Hals, bei dem Hengste nicht selten Speckhals,
ein hoher abgerundeter Widerrüst, eine sehr breite, markirte Brust,
ein tonnenförmiger, etwas gesenkter Rumpf, eine breite, massenhafte,
gespaltene Kruppe, eine breite, schiefgelagerte Schulter mit gerade
abfallenden Vorderfüßen, die Hinterfüße im Sprunggelenk etwas stark
gebeugt, kurze Fessel, große, flache Hufe. Mit diesen Worten ist das
Pinzgauer Pferd in dem Festalbum der 14. Versammlung deutscher Land-
und Forstwirthe geschildert, nächstdem aber auch daselbst auf zwei
Tafeln charakteristisch abgebildet. Uns ergötzten namentlich die
ebenfalls ausgestellten Fohlen, die über die vielen fremden Menschen
sich zu freuen schienen und durch allerlei höchst ergötzliche und
anmuthige Geberden ihre Verwunderung ausdrückten.
Von den übrigen Zugthieren bemerkten wir wenige, allerdings sehr große
Schafe mit hängenden Ohren, einen stattlichen, der Hörner jedoch
entbehrenden, weißen Ziegenbock und drei gewaltige Schweine.
Die Feierlichkeit der Preisvertheilung warteten wir nicht ab, sondern
zogen es vor, die regenfreie Abendstunde zu einer näheren Betrachtung
des stattlichen Sigismundthores und der Straßen zu benutzen. Unser
Aufenthalt ging ja seinem Ende zu, und wir waren daher bemüht,
durch immer wiederholten Besuch des Domes, der andern Kirchen, der
öffentlichen Plätze, der Brücke die köstlichen Bilder uns möglichst
fest einzuprägen. Es giebt in der That wenige Städte in Deutschland,
die so schöne, anständige, ja vornehme öffentliche Plätze haben, wie
eben Salzburg. Der Glanzpunkt der Stadt bleibt aber unstreitig der Dom
mit den ihn umgebenden Palästen, Arkaden, Brunnen und Statuen. Minder
imposant ist der eigentliche Marktplatz, der verhältnißmäßig schmal
ist. Auch die zwischen demselben und dem Rathhause gelegenen Gassen
sind meist eng und wegen der hohen Häuser düster. So die Getreidegasse,
wo wir nicht weit von Mozart’s Geburtshaus zu wohnen die Ehre hatten.
Indessen haben die früheren Fürsten auch diesen Uebelstand dadurch zu
mildern gewußt, daß sie von der Getreidegasse aus zwei ansehnliche nach
der Salzach mündende Pforten anbrachten. Auf der gegenüberliegenden
Seite sind, von dem sogenannten Platzl ausgehend, ebenfalls meist
enge Straßen, namentlich die am Capuzinerberge hingestreckte Gasse
zum Steinthor. Allein diesen enggedrängten Kern umgiebt bis zum Fuße
des Mönchsberges eine stattliche Kette von Palästen, unter denen das
Collegiumsgebäude der ehemaligen Universität mit seiner schönen Kirche,
der Marstall, die Reitbahn, das Urselinerinnenstift, St. Peters-Stift
und die Residenz die hervorragendsten sind. Am rechten Ufer der
Salzach ist Mirabella der Haltpunkt schöner Bauten und umfangreicher
Plätze. Auch die Thore der Stadt tragen zur Zierde derselben bei,
da die Erbauer, die prachtliebenden und wohlhabenden Erzbischöfe,
jede Gelegenheit benutzten, ihre Residenz würdig auszuschmücken,
darin aber durch das treffliche Baumaterial unterstützt wurden,
welches die nächste Umgegend darbietet. Nur eins ist mir bis jetzt
noch unbegreiflich, nämlich daß keiner dieser Kirchenfürsten auf den
Gedanken gekommen, die Holzbrücke der Salzach mit einer steinernen zu
vertauschen. Den Grund suche ich in der Schwierigkeit der Wasserbauten
in einem so reißenden Gewässer, wie das der Salzach ist. Dies scheint
mir aber auch der einzige Mangel der übrigens in so reichem Schmucke
prangenden Stadt.
Nächstdem fällt es auf, daß in einer so alten Stadt wie Salzburg
gar keine gothischen Gebäude zu finden sind. Die byzantinische
Pforte der Peterskirche, die wenigen Säulen in dem Kreuzgange des
Stiftes, die kleine Kreuzkapelle auf dem Kirchhofe, ein Theil der
Franziskanerkirche, das ist nebst der Augustinerkirche so ziemlich
Alles, was von alter Architektur übrig ist. Der Grund dieser
Erscheinung liegt auch hier darin, daß die Architektur dem Leben und
dem Bedürfnisse nicht entfremdet worden ist. Das Baufällige wurde
abgetragen und durch Neues und Frisches ergänzt. Jedes Zeitalter, jedes
Individuum strebte darnach, auch von seiner Thätigkeit, von seinem
Leben ein Denkmal zu hinterlassen. Und so ist es denn gekommen, daß
in Salzburg, wie in den meisten österreichischen Stiftern die alte
Zeit von der neueren überwuchert und überwachsen ist. Dem Freunde der
Alterthümer dient dabei zum Troste, daß die alten, durch Brand oder
sonstige Anlässe zerstörten Gebäude nicht eben sehr kunstreich gewesen
seyn mögen. Wahrhaft schöne Gebäude, wie die Pforte zu St. Peter, die
der Erhaltung werth waren, sind doch gerettet und sorgfältig erhalten.
Wir gelangten endlich zu dem gewöhnlichen Ziele unserer abendlichen
Wanderung, dem St. Petersstiftskeller, wo wir Landsleute fanden und
die Bekanntschaft des Chorvicarius, Herrn Eitzenberger’s, machten, der
durch seine musikalischen Studien und als Kenner und Pfleger der alten
Musik bekannt ist.
Sonnabend, den 6. September, erhoben wir uns bei Zeiten, nachdem wir
bereits am Abend vorher unsere Reisetaschen in Ordnung gebracht. Unser
Erstes war eine Betrachtung des Himmels. Ein mattes Blau schimmerte
durch die Wolken und erregte in uns eine schwache Hoffnung auf einen
wenigstens regenarmen Tag. Wir wollten Hallein und den Dürrenberg
besuchen.
Wir begaben uns also noch vor sechs Uhr nach dem Gasthofe zum Erzherzog
Karl, wo wir bereits am gestrigen Abend uns Plätze in dem Stellwagen
gelöst hatten. Wir waren eher auf dem Platze als der Wagen. Nach uns
erschienen auch andere Leute, die gleiche Absicht mit uns hatten.
Wir vertrieben uns die Zeit mit Betrachtung des Himmels, an welchem
allgemach die vorher blau schimmernden Stellen abermals ergraut waren.
Auch andere Reisebeflissene theilten unsere Befürchtungen, daß es heute
aufs Neue regnen werde. Wir waren indessen mit Mänteln versehen und
auf Alles gefaßt. Wir wollten in das Innere des Dürrenberges, und dazu
taugt jede Art von Wetter.
Endlich erschien der Stellwagen, man stieg ein, und das Fahrzeug
bewegte sich vorwärts. Unser Gefährte war ein Kreisphysikus aus
Rattstadt, der die Versammlung der Landwirthe besucht hatte und
die chemischen Feldpredigten des Professors Stöckhardt in Tharandt
dankbar rühmte, dagegen noch entrüstet war über die Behandlung, die
er in dem Gasthofe hatte erdulden müssen. Er schilderte in ergötzlich
humoristischer Weise den Zustand seines Zimmers, seiner Betten, der
Bedienung und war namentlich darüber empört, daß ihm der Wirth anstatt
einer gehörigen Rechnung einen Fetzen Papier übersendet, auf welchem
die Totalsumme des Betrags mit Bleistift gekritzelt war.
Mittlerweile waren wir ein Stück vorwärts gekommen, und zu unserem
freudigen Erstaunen brach sich jetzt die Sonne Bahn durch die Wolken.
Ein geistlicher Herr, ein Dechant, bemerkte in höchst gemüthlicher
Weise, daß seine Hoffnung auf einen heitern Tag sich wohl erfüllen und
seine Wanderung ins Gebirge einen glücklichen Verlauf haben werde. Und
in der That, die Sonne räumte diesmal siegreich den Himmel auf, die
fernen Berge erglänzten in ihrem Scheine. Der geistliche Herr und der
Kreisphysikus gaben uns den Rath, das gute Wetter zu einem weiteren
Ausfluge zu benutzen und wenigstens bis Golling mitzufahren. Wir waren
dazu leicht bewegt.
Unsere Reisekollegen machten uns nun auf die interessanten Punkte,
an denen wir vorüber kamen, aufmerksam, nannten uns die Namen der
Ortschaften und Berge und erwiesen sich als ebenso freundliche als
wohlunterrichtete Männer. Wir tauschten Notizen über den Süden und
den Norden aus. Die Rede kam auch auf den Mangel an baarem Gelde,
der jetzt in den österreichischen Landen so manche Verlegenheit
und Klage herbeiführt. Ich sprach meine Ueberzeugung aus, daß ein
Staat von dem Umfange des Kaiserreichs, dem so ungeheuere, ja zur
Zeit noch unermessene Hilfsmittel zu Gebote stehen, der auch in den
letztvergangenen Jahren so Außerordentliches geleistet, über eine
derartige zeitweilige Verlegenheit gar bald hinwegkommen werde. Ich
erinnerte an den sicher begründeten Wohlstand des österreichischen
Landmannes, die noch unaufgeschlossenen Schätze Ungarns und Kroatiens,
und auch an das alte Emblem des Reiches: _A. E. I. O. U. Austriae est
Imperium orbis universi_, alles Erdreich ist Oesterreich unterthan;
_Aquila Electa Justo Omnia Vincit_, aller Ehren ist Oesterreich voll.
Auch von diesen Männern vernahmen wir das Lob des Erzherzogs Johann,
dem das Hochland soviel verdankt.
Mittlerweile gelangten wir nach dem Städtchen ~Hallein~, wo im Gasthofe
zum grünen Baum angehalten und ausgestiegen, auch der Wagen gewechselt
wurde. In der gewölbten Gaststube war unter einem Glaskasten das
niedlich gearbeitete Modell eines vierspännigen Frachtwagens frei
von der Decke schwebend aufgehängt. Dem Gasthofe gegenüber war eine
Schmiede, wo zwei gewaltigen Pinzgauer Rossen namhafte Quantitäten Blut
abgezapft wurden. Auf meine Frage erklärte mir der Kreisphysikus, daß
man im ganzen Gebirge den Pferden alljährlich drei- bis viermal zur
Ader lasse und der Ansicht sey, eine Unterlassung dieser Maßregel habe
unfehlbar Krankheit und Tod der Thiere zur Folge. Er selbst, hier nicht
heimisch, habe sich vergebens diesem Verfahren widersetzt. Jedoch sey
es allerdings möglich, daß die Sitte ihren Grund in der Erfahrung habe,
und daß die überaus saftigen und würzreichen Kräuter des Gebirges in
den Thieren eine Ueberfülle von Säften erzeugen, welcher auf diese Art
abgeholfen werde.
Wir stiegen nun in den Wagen und fuhren in dem Thale der Salzach weiter
durch eine köstliche, reich angebaute Gegend. Bei dem Dorfe Kuchel
treten die Berge näher zusammen, und bei Golling scheint sich das ganze
Thal zu schließen. Hier stiegen wir ab und nahmen in der Gaststube der
K. K. Post ein Frühstück ein, um uns zu der Fußwanderung nach dem Paß
Lueg zu stärken. Wir fanden hier den Bergverwalter des Kupferwerkes von
Mühlbach, der uns interessante Mittheilungen über die dort gefundenen
vorrömischen, bergmännischen Alterthümer machte. Man fand einen
Schlägel aus Granit von etwa 5 Zoll Länge, in der Mitte für den Stiel
durchbohrt, und einen vierkantigen Keil aus Bronze. Das Werk ist sehr
ergiebig. Leider war es uns unmöglich, der freundlichen Einladung des
neuen Bekannten Folge zu leisten und ihn in dem Gebirge zu besuchen.
Wir machten uns nun auf den Weg nach ~den Oefen~, welcher in dem sich
immer mehr verengenden Thale hinzieht und allgemach bergan steigt.
Nicht weit von dem Ziele fanden wir einen blinden Mann am Wege, der uns
seinen fünfjährigen Sohn als Führer anbot. Wir folgten dem munteren
Knaben, der mit der Behendigkeit einer Meerkatze uns den schmalen
Nebenpfad vorauslief, bald auf dem Kopfe stand, bald Räder schlug
und sonst allerlei Possen trieb. Sein Dialekt war uns jedoch kaum
verständlich.
Wir vernahmen jetzt ein donnerartiges Gebrause, welches uns die
Nähe der sogenannten Oefen verkündete, und standen bald zwischen
engen Felsen, unter denen in namhafter Tiefe die hellgrüne Fluth
der Salzach sich schäumend hindurchwürgte. Das Wasser hat hier das
Gebirge mit allmäliger Gewalt durchbrochen, indem es die weicheren
Theile der Felsen ausgewaschen, wie man deutlich an mehreren Stellen
beobachten kann. Das Ganze bietet mit der überaus üppigen Vegetation
einen wildromantischen Anblick dar, und wir stiegen so lange in den
Felsenklüften umher, bis andere nachkommende Reisende unsere Einsamkeit
störten. Es sind aber derartige heilige Werkstätten der Natur für mich
niemals in größerer Gesellschaft genießbar gewesen.
Wir folgten nun unserem Führer, der seine Possen aufs Neue begann,
bergaufwärts und gelangten so auf einen Punkt, der eine prachtvolle
Ansicht des berühmten ~Passes Lueg~ darbietet. Das Thal verengt sich
hier noch mehr, und daselbst ist denn auch, hoch über der Straße, ein
Blockhaus angebracht. Von hier senkt sich die Straße, die nach Werfen
führt.
An den Felsen der Oefen hatten wir ebenfalls den Namen _KYSELACK_, den
wir auch bei Ischl bemerkt, gefunden.
Wir wandten uns nun in Gesellschaft der Reisenden zum Rückweg, nachdem
wir Blumen aus diesem südlichsten Punkte unserer Wanderung gesammelt
hatten. Namentlich erfreuten uns die prachtvoll blau blühenden
Genzianen von bisher nicht gesehener Größe. Unseren possirlichen Führer
stellten wir wohlbehalten seinem Vater wieder zu.
Da bis zur Abfahrt des Stellwagens nach Hallein noch Zeit übrig war,
so schlenderten wir im Dorfe ~Golling~ umher, dessen breite Gasse von
gar stattlichen Häusern mit gewaltigen Holzdächern gebildet wird. Wir
lasen die Inschriften an den Häusern, betrachteten die eigenthümlichen
Anstalten an den Wagner- und Schmiedehäusern, welche die Leute uns
bereitwillig erklärten. In der Gegend ist es Sitte, anstatt der
Wetterfahnen große aus Blech geschnittene Pfauen auf den Giebeln der
Häuser anzubringen. In der Tracht der Landleute bemerkt man, daß die
langen Pantalons an die Stelle der kurzen Lederhosen treten; übrigens
finden sich hier noch die kurze dunkle Jacke, der breitkrämpige spitze
Hut mit Blumen, Quaste oder Gemsbart und das bunte, lose um den Hals
geschlungene Halstuch von Seide.
Jetzt kam der Stellwagen, wir stiegen mit mehreren Landleuten ein
und rollten auf der trefflichen Straße dem anmuthigen Dorfe ~Kuchel~
entgegen. Hier stieg ein Landmann ein, der alsbald durch seine
fröhliche Laune seine anwesenden und auf der Straße vorübergehenden
Landsleute, worunter eine nette junge Frau, belebte.
Hinter uns lag im Abendscheine das herrliche Gebirge, dessen
schneebedeckte Gipfel weiß herüberglänzten, vor uns der näher
herantretende bewaldete Bergzug, aus welchem hie und da obeliskenartige
Felsen grauweiß emporragen. Zur Seite strömte die Salzach, die als
Holzflöße benutzt wird. Vor Hallein ist ein sehr umfangreicher Rechen
angebracht, der durch mehrere Brücken verbunden ist. Auch sieht man
große Holzvorräthe aufgestapelt, da die Siedereien täglich mehrere
Klaftern Holz in Anspruch nehmen.
Das Städtchen ~Hallein~ nimmt sich aus der Ferne gar malerisch aus, da
es sich an dem linken Ufer der Salzach den Berg hinanzieht. Die weißen
Dämpfe der Siedehäuser steigen über die Dächer empor.
Der Wagen hielt abermals vor dem stattlichen Gasthofe zum grünen
Baume, und die Frau Wirthin empfing uns mit österreichischer
Herzlichkeit, wie alte Bekannte, obschon wir am Morgen nur wenige
Worte mit ihr gewechselt hatten. Es war eine überaus saubere, nette
Frau von ansehnlichem Umfange, aber äußerst anständigen und graciösen
Bewegungen. Ihr fast antikes Gesicht hatte die zarte Farbe von Milch
und Blut, aus den blauen Augen sprachen klarer Verstand und ruhige
Umsicht. Im Hause sah man sie überall früh und spät. Sie war aufmerksam
auf Alles, sah überall selbst nach, ohne Rast und ohne Hast. Sie
führte uns über die neuen, reinlichen Treppen in das zweite Gestock,
wo sie uns ein Zimmer mit zwei sauberen Betten anwies. Der Gasthof
war im vorigen Jahre zur Hälfte abgebrannt. Sie klagte nicht darüber,
erzählte aber, daß der Neubau ihr an 10,000 Gulden gekostet. Indeß
freute sie sich dieses Neubaues und führte uns, da wir Interesse an
der Sache zu erkennen gaben, darin umher, zeigte mit Behagen die
neuen Zimmer und Räumlichkeiten und erklärte uns den Plan des Ganzen.
Wir bestellten uns nun zunächst ein Abendbrot und erhielten gar bald
eine jener österreichischen Suppen, deren Oberfläche mit Scheiben von
Salami geschmückt ist und die so nahrhaft als wohlschmeckend sind. Dann
folgte ein saftiges Rostbratl, dem als munterer Begleiter ein milder
Grinzinger beigegeben war.
Nachdem wir nach Kräften unsere Pflicht der Ernährung erfüllt zu
haben glaubten, begaben wir uns herunter und wanderten in den Gassen
der Stadt umher, traten auch in eines der Siedehäuser, wo das Salz
in großen offenen Pfannen bearbeitet wird. Ich ergötzte mich an den
seltsamen Lichtern, die aus den Feuerstätten fantastisch in die
abenteuerlichen Räume streiften. Wir gingen dann nach der Salzach
und betrachteten den großartigen Rechen näher. Es ist ein überaus
ausgedehntes Werk, umgeben von geräumigen, zur Aufschichtung der
Holzvorräthe nothwendigen Plätzen, Wächterhäusern und Schoppen, wo die
Hölzer geduldig ihrer Verklärung durch die Flamme harren müssen. Wir
stiegen ungehindert in den Stegen und Brücken umher und freuten uns
des tosenden Wehres, wo die Salzach ihre schäumenden Fluthen hinabgoß.
Diese zusammengeschichteten Holzscheite kommen mir immer wie die in
den Canzleien und Expeditionen des modernen christlichen Westeuropa
zusammengepferchten Staatsdiener vor, die auf Avancement dienen. Man
zieht einen nach dem andern, je nach der Anciennetät, heraus und legt
ihn auf einen anderen Haufen zu anderen, bis auch sein Tag gekommen.
Wir wandten uns zur Stadt zurück und gingen bei einem blumenbekränzten
Madonnenbilde vorüber, an welchem bereits die Lampe angezündet war.
Unsere freundliche Wirthin hatte uns gesagt, daß heute der Bergmeister,
der weiter befördert worden, von den Knappen mit einem Fackelzuge werde
begrüßt werden. Wir vernahmen auch, als wir eben den hochgelegenen
Kirchhof verlassen, aus der Ferne Musik und die große Trommel. An
den Straßenecken gruppirten sich die Menschen. Die Musik kam näher,
rother Schein beleuchtete die entfernten Häuser, und der Bergaufzug
bewegte sich heran. Es mochten ungefähr 150 Mann sein, die sich von den
sächsischen Bergleuten dadurch unterscheiden, daß ihre Kleider weiß
sind. Sonst tragen sie einen schwarzen Schachthut, das Bergleder und
die Blende. Es waren meist große Männer von etwas gebückter Haltung.
Der Zug bewegte sich über die Salzachbrücke am Ufer entlang. Meinen
Sohn erkannten die Knappen bald als Collegen und drückten ihm die Hand.
Vor der Wohnung des scheidenden Beamten wurde Halt gemacht und ein
Glückauf gerufen, worauf er einige herzliche Worte des Dankes sprach.
Wir waren indeß von den Fahrten und Erlebnissen des heutigen Tages
ermüdet und kehrten daher nach unserem grünen Baume zurück, wo wir
in den reinlichen, ja zierlichen Betten unsere müden Glieder der
behaglichen Ruhe übergaben.
Sonntag, den 7. September, weckte uns die rastlose Wirthin bei guter
früher Tageszeit und stellte uns einen Führer auf den ~Dürrenberg~.
Wir stiegen rüstig, diesmal aber bei bedecktem Himmel, durch die
Straßen aufwärts. Es begegneten uns viel geschmückte Leute, die sich
zur Kirche begaben. Allgemach ward der Weg steiler, die Aussicht aber
über Stadt und Land immer umfassender. Wer jedoch heute hinaufsah in
das Salzachthal, erblickte da, wo gestern die dunkelvioletten Gebirge
mit den schneebedeckten Häuptern standen, nur eine dicke, schwerfällige
Wolkenmasse, die sich sogar der näher gelegenen Berge bemächtigt hatte.
Auch an diesem Wege waren Kreuze und Heiligenbilder errichtet, welche
die Landschaften katholischer Gebiete so sehr beleben und dem einsamen
Wanderer sagen, daß es hier Menschen giebt, die von den Gefühlen des
Dankes und der Verehrung noch erfüllt sind und der Aeußerung derselben
sich nicht schämen.
Endlich waren wir an der Höhe -- über uns stand das Kirchlein, vor uns
das anspruchlose Gebäude der K. K. Grubenanstalt, nebst den Wohnungen
des aufsichtführenden Personals. Der Steiger war schon anwesend, ein
langer, rüstiger Mann, dem wir unser Empfehlungschreiben übergaben. Die
Thür der Grubenanstalt wurde geöffnet, und wir traten in einen Saal,
in dessen Mitte ein Crucifix errichtet war. Wir schrieben unsere Namen
in das Fremdenbuch und betrachteten das Gezähe. Dann brachte man das
Fahrzeug herbei, bestehend in einem Paar aus dickem weißen Zwillich
gemachten Beinkleidern mit einem Zug um den Leib und Bändern um die
Knöchel und einem Kittel aus gleichem Stoff. Wir zogen diese Kleider
über Hosen und Rock, so daß wir an Umfang gar beträchtlich gewannen.
Hierauf schnallte man uns das Bergleder um und gab uns eine kleine
Fahrkappe aus schwarzem Tuch mit weißer Einfassung. Für die rechte Hand
empfing Jeder einen tüchtigen, ledernen Fausthandschuh. Wir mußten
uns gegenseitig anlachen, wenn Einer den Anderen in diesem Costüme
erblickte, welches jede Spur von Taille vernichtet, übrigens aber ganz
zweckmäßig ist.
Nachdem wir also zur Einfahrt hergerichtet waren, führte man uns durch
das Grubengebäude herab an das Mundloch des im Jahre 1450 eröffneten
Obersteinbergstolln, der 480 Klaftern in den Berg hinein getrieben ist.
Der Stolln ist sauber ausgemauert, das Tretwerk zwei Fuß breit, und
an den Seiten befinden sich zwei Röhrenleitungen. Wir erhielten hier
Jeder einen Handleuchter mit angezündetem Lichte und schritten nun in
Gottes Namen vorwärts. Ich war noch niemals im Inneren eines Bergwerkes
gewesen, und mir war daher hier Alles neu, was ich sah, während mein
Sohn auf heimischem Gebiete sich befand. Es ging nun eine Weile
ganz gerade in dem gemauerten Stolln vorwärts, dann aber begann die
Zimmerung, die überaus splendid und massiv ist. Unser Führer geleitete
uns in einige abzweigende Nebenstolln, wo er auf die Art des Abbaues
des Lettens, die Werkzeuge und was dazu gehört, aufmerksam machte. Die
salzhaltigen Letten darbietenden Partieen werden zu sogenannten Wehren
eingerichtet, Wasser hineingeleitet und damit angefüllt. Hat sich dann
das Wasser zu 23 Procent damit gesättigt, so wird es in den vorhandenen
Röhren als Soole in die Kessel der Siedehäuser geleitet und dort
versotten. An der einen Stelle machte uns der Steiger die interessante
Mittheilung, daß hier vor einiger Zeit eine, die Decke bildende Masse
Letten herabgestürzt sey. Wir kehrten nach dem Hauptstolln zurück und
gelangten nach einiger Zeit an einen schrägabfallenden Schacht, aus
welchem zwei dicke runde Balken in etwa 1½ Fuß Entfernung parallel
hervorragten. Mit der ihm eigenthümlichen Ruhe erklärte der Steiger,
daß man sich mit gespreizten Beinen hierauf zu setzen und mit der
Rechten den Strick zu erfassen habe, um in ein tiefer gelegenes
Stockwerk rutschweise zu gelangen. Ohne unsere Ansicht über diese
Art des Fortkommens abzuwarten, setzte er sich auf diese sogenannte
Rolle, mein Sohn that ein Gleiches, und ich konnte nichts Besseres
thun, als dem Beispiele der beiden Bergleute folgen. Die Fahrt ging 24
Klaftern abwärts ganz vortrefflich von statten; man kann durch Vorlegen
oder Rückwärtsbeugen des Körpers die Schnelligkeit nach Belieben
beschleunigen oder hemmen.
Unten angekommen machte uns der Steiger auf eine gangartige
Spalte im Berge aufmerksam, welche der Ueberrest einer ehemaligen
Schachtrichtstrecke ist, die durch den Druck der Masse sich verengert
hat und allmälig ganz schließen wird. In Folge dieser Eigenthümlichkeit
hat man denn auch im Berge nicht allein mehrere menschliche Leichname,
namentlich in den Jahren 1573 und 1616, sondern auch mehrfache
Werkzeuge aus Bronze, Frameen, die dazu gehörigen Stiele, Stücken
von Leder, Gewebe, Schaufeln aus Holz und dergleichen mehr gefunden.
Wir gelangten darauf, den Stolln beschreitend, zu einer Stelle, wo
das reine Steinsalz gebrochen wird, das meist eine schöne goldgelbe,
röthliche oder amethystblaue Farbe zeigt. Wir passirten sodann zwei
kürzere Rollen und gelangten darauf an die vierte, an deren Ende uns
ein überraschender Anblick erwartete. Wir sahen vor uns einen dunkeln
Wasserspiegel, der am Rande ringsum strahlende Lichter wiedergab. Es
ist dies der sogenannte ~unterirdische See~ von 48 Klaftern Länge
und 30 Klaftern Breite. Der Anblick ist um so eigenthümlicher und
großartiger, als die von dem Dunkel verwöhnten und geirrten Augen
den Maßstab für die Entfernung verloren haben. Unser Steiger lud uns
ein, das am Ufer stehende, mit Bänken und Lehne versehene Floß zu
besteigen und uns zu setzen. Er selbst mußte seiner ansehnlichen Länge
wegen eine gebückte Stellung einnehmen, denn über dem Wasserspiegel
lagerte kaum in fünf Fuß Höhe die graue Decke, ein Umstand, der ein
allerdings drückendes, unbehagliches Gefühl erzeugt. Langsam, von
unsichtbarer Macht gezogen, bewegte sich das Fahrzeug über das stille
dunkele Wasser, die kleinen Flämmchen am jenseitigen Ufer näherten
sich, und wir betraten wiederum festen Boden. Der Stolln nimmt von
hier an eine abwärtsgehende Richtung. Wir gelangten über Stiegen
zu einem freien Platze, auf welchem mehrere aus Marmor gearbeitete
Denkmale für den heiligen Rupert und Sigismund und eins auf den im
Jahre 1807 stattgefundenen Besuch des Kaisers Franz I. aufgestellt
sind. In einem besonderen Cabinete ist eine Sammlung der hiesigen
Bergerzeugnisse, natürlich nur in Prachtexemplaren, aufgestellt.
Auch werden hier mehrere vorrömische hölzerne Axthelme und Schaufeln
von sehr kleinem Umfange, dann auch Leder- und Gewebebruchstücke
aufbewahrt, die in dem Salzwerke allgemach aufgefunden wurden.
Wir begaben uns nunmehr auf die fünfte oder Wolf-Dietrich-Rolle, welche
40 Klaftern hinabgeht. In der Mitte der Fahrt trat eine Unterbrechung
ein; ich blieb nämlich sitzen und konnte trotz alles Rutschens und
Arbeitens nicht vom Flecke kommen. Ein Blick auf meine unter mir
befindlichen Vorfahren gab mir den Trost, daß es ihnen auch nicht
besser gehe. Wir arbeiteten indessen unverdrossen darauf los und saßen
endlich doch glücklich auf dem Boden.
Wir stiegen nun abwärts, bis wir an den im Jahre 1596 von dem
Erzbischof Wolf Dietrich in den Kalkfelsen eingehauenen Stolln kamen.
Hier stand ein langer Wagen, auf welchen wir uns rittlings setzten. Es
galt, eine Strecke von 1041 Klaftern bis zum Tageslicht zurückzulegen.
Vor den Wagen spannte sich ein stämmiger Bursche, ein anderer schob
von hinten. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung, und es ging nun in
scharfem Trabe vorwärts. Da jedoch der Stolln kaum 4 Fuß breit, so
ist es rathsam, fein still und ruhig zu sitzen, Elbogen und Kniee am
Leibe zu halten und den Kopf nicht seitwärts abzubeugen, indem sonst
die Nase an dem Gestein etwas beschädigt werden dürfte. Der Zugwind
löschte bald die Lichter aus, so daß nur die vorn angebrachte Laterne
noch das glitzernde Gestein der Wände nothdürftig beleuchtete. Hie und
da sind Ausweichestellen, wo der Stolln erweitert ist. Nachdem wir 641
Klaftern zurückgelegt, ward gehalten, und der Steiger machte uns auf
einen in der Finsterniß vor uns befindlichen Lichtpunkt aufmerksam.
Es war das in einer Entfernung von 400 Klaftern, d. h. 2400 Fuß sich
andeutende Tageslicht am Mundloch. Die Laterne war bereits vorher
erloschen und störte uns nicht in der Betrachtung dieser interessanten
Erscheinung. Allgemach drang nun das Tageslicht immer kräftiger ein, so
daß ich den Kopf und die Schultern des karrenziehenden Knappen sehen
konnte. Endlich fuhren wir zu Tage, saßen ab und begaben uns in das
Grubengebäude, wo wir unsere Mützen und anderen Dinge wiederfanden.
Hier zeigte man uns noch ein sinnreich gearbeitetes Modell des Berges,
dessen Schachte und Stolln durch buntgefärbte Drähte angedeutet waren.
Wir drückten nun dem braven Steiger unsere Dankbarkeit aus und
verließen, nachdem wir auch die Knappen bedacht, den Dürrenberg,
überaus befriedigt von dem belehrenden und erfreuenden Inhalte
desselben. Gemächlich stiegen wir zur Stadt hinab, betrachteten den
an Denkmalen reichen, wohlgepflegten Kirchhof und traten auch einen
Augenblick in die Kirche.
Wir kehrten in den Gasthof zurück, an dessen Thür uns die Frau Wirthin
empfing, die uns einen Nürnberger Thaler zeigte, den sie soeben
angekauft hatte. Wir drückten unseren Wunsch nach einem Frühstück
aus, begaben uns in das Zimmer, ordneten die Reisefrüchte und
wanderten, nachdem wir einige Wiener Würstl zu uns genommen, unter den
Segenswünschen der Wirthsleute zum Thore hinaus.
Es war ein trüber, doch regenfreier Tag, die Straße trocken und daher
ganz geeignet zu einer Fußwanderung. Freilich hatten die waldigen
Berge zur Linken der Straße ihr dunkeles Grün mit ziehenden, zähen
Wolkenschleiern verhangen. Uns ergötzten indessen die stattlichen
Häuser, deren mit gewaltigen, weit hervorragenden Holzdächern versehene
Giebel auf die Straße gewendet sind. Doch fanden wir auch schon hier
eine moderne Bauart sich Bahn brechen, die dem malerischen Ansehen der
Gegend durchaus nicht zum Gewinn gereicht. Desto mehr erfreuten uns die
mannichfaltigen, zur Seite der Straße aufgebauten kleinen Kapellen, in
denen zum Theil recht saubere, wenn auch nicht auf höheren Kunstwerth
Anspruch machende Darstellungen angebracht waren. Die schönste dieser
Kapellen befand sich am Wege auf einem kleinen Hügel; zu jeder Seite
derselben erhob sich ein stattlicher Nußbaum, deren vereinigte Aeste
ein dichtes Laubdach über derselben wölbten. War das nicht das Bild
zweier Brüder, welche die Mutter oder Schwester in gemeinsamen Schutz
genommen? oder glich die Gruppe eher den Eltern, die ihr Kind vereint
beschirmen?
Unsere Wanderung wurde oft durch die Gesteintrümmer unterbrochen, die
in namhafter Anzahl, zum Theil als Wegebaustoff am Wege lagen, uns
zur näheren Betrachtung und Zerschlagung aufforderten und unseren
Reisetaschen immer mehr Gewicht gaben. Da gab es weißen, gelblichen,
rosenfarbenen, braunrothen, bläulichen, grünlichen, schwärzlichen
Marmor, platte und eiförmige Geschiebe. Der Weg führte uns auch über
eine Brücke, deren hellgrünes Gewässer uns längere Zeit fesselte. Wir
kamen an alten Kirchen und dem modernen Hellbrunn und Anif vorbei.
In den zu letzterem gehörenden Gasthof traten wir ein, um den Durst
zu löschen, den die Würstchen von Hallein erzeugt hatten. An der
Wand hingen ganze Reihen kleiner, 6 Zoll im Durchmesser haltender
Pappscheiben, die dem hiesigen Stechbolzenbüchsenverein zum Ziele
gedient hatten.
Endlich trat ~Hohensalzburg~ aus der Ferne hervor, und wir schritten
rüstig vorwärts, da wir nun doch allgemach ermüdeten. Vor der Stadt
begegneten uns viele Leute im Sonntagstaate, die nach dem nahegelegenen
Hellbrunn wanderten, dessen stattliche Bäume über die Gartenmauer
einladend hervorragten.
Nach ein Uhr trafen wir in unserer Wohnung wohlbehalten ein und
brachten unsere Toilette und unsere neuen Erwerbungen in Ordnung,
stärkten uns auch durch ein Paar Tassen Kaffee und begaben uns sodann
nochmals zu Herrn Director Süß, um von ihm Abschied zu nehmen. Wir
fanden hier den Landschaftmaler Georg Petzold, dessen Arbeiten, die in
92 Blättern mit Ansichten aus Salzburg und Tyrol bestehen, ich in dem
städtischen Museum kennen gelernt hatte. Das Gespräch kam auf die oft
muthwillige Zerstörung alterthümlicher Kunstdenkmale. Ich erzählte,
wie in einem sächsischen Städtchen der Rathsdiener, dem zugleich die
Ueberwachung der archivalischen Schätze anvertraut war, eine ebenso
billige als vortreffliche Schuhwichse anfertigte und verkaufte, deren
sich namentlich auch der Senat des Ortes bediente. Als nun einmal
Jemand den Rathsdiener fragte, wie in aller Welt es nur möglich
sey, daß er ein so vorzügliches Gewerbserzeugniß liefere, erwiderte
derselbe, daß dies mit Hilfe der alten Wachssiegel geschehe, welche
in einem Kasten an mehreren Pergamenturkunden sich vorfänden. Das
geschah noch zu Anfang dieses Jahrhunderts. Der Küster von Rochlitz
rühmte sich gegen mich noch im Jahre 1823, daß er den Herren und
Frauen Communicanten einen wesentlichen Dienst geleistet, der auch
bei männiglich volle Anerkennung gefunden habe. Vor dem Altare lagen
nämlich Grabsteine, deren hochemportretende Wappen er mit der Holzaxt
weggemeiselt hatte. In Salzburg dagegen hatte man die schönen Statuen,
welche vom Brande des Domes noch übrig geblieben, in Gartenzäune
vermauert und eine Schale aus weißem Marmor, die in den Ruinen
Juvaviums gefunden worden, als Rinnstein verwendet. Wir trösteten uns
über derartige Erlebnisse, so gut wir konnten.
Wir nahmen Abschied von den Alterthumsfreunden und wanderten gemächlich
über die Salzachbrücke, die heute zum Sonntag ganz besonders belebt
war. Wir sahen die Frauen in dem Goldhelme, der mit einer Nadel am
Zopfe befestigt ist, die Ringelhauben aus Gold oder Silber; die
wohlhabenden Landleute umgeben ihren Spitzhut mit einer Schnur, an
welcher zwei reiche Goldquasten über die Krempe herabhängen; noch
reichere haben goldene Schnuren um den Hut. Gar häufig tragen sie den
Gemsbart, den man übrigens zu kaufen bekommt. Wir begingen nochmals
alle uns lieb gewordenen Plätze und gelangten in der Dämmerung auf den
Stiftskeller, wo wir Freunde antrafen.
Montag, den 8. September erwachte ich noch ganz voll eines der
seltsamsten Träume, die mir in meinem Leben vorgekommen. Ich
befand mich in einem tageshellen Raume, sah aber über mir wie in
einer verdichteten Luftschicht allerlei große und kleine Fische
umherschweben. Je mehr ich mich über diese seltsame Erscheinung freute,
desto deutlicher wurde sie mir, bis sie sich allgemach wiederum
zerlöste.
Unser freundlicher Wirth hatte sich erboten, uns heute Vormittag
nach dem Fürstlich Schwarzenbergischen Park ~Aigen~ zu geleiten. Der
Himmel war allerdings auch heute trüb und schien den am Sonnabend
unterlassenen Regen heute nachholen zu wollen. Wir machten uns
indessen marschfertig und begaben uns auf den Weg. Wir gingen die
Salzach entlang, stromaufwärts, bis wir an eine Fähre gelangten,
die an einem über den Fluß gespannten Seile lief. Wir gelangten
auf einen Wiesengrund, den ein mit der Salzach parallel laufender
Arm durchschnitt. Es war ein langer auf Blöcken ruhender Steig zu
passiren, ehe wir auf die Straße kamen, die nach dem Park leitete,
der sich an die Kirche und das Schloß anlehnt. Gleich am Eingange
stehen prächtige Bäume, die einen stattlichen Springbrunnen umgeben.
Dann führt der reinlich gehaltene Weg aufwärts. Dem Wanderer kommt
ein ansehnlicher, jetzt sehr wasserreicher Bach munter entgegen, der
einen laut tosenden Wasserfall bildet und den man auf mehreren Brücken
überschreitet. Es fehlt nicht an manichfaltigen Felspartieen, die an
der einen Stelle eine wilde höhlenartige Schlucht bilden, durch die man
hindurchschlüpfen muß. Endlich gelangt man zu der _bella vista_, die
allerdings den Namen mit vollem Rechte führt, da sich hier dem Auge
eine wundervolle Ansicht über die Stadt eröffnet. Der Himmel war uns
günstig und goß aus den zerrissenen Wolken die herrlichste Fülle des
Sonnenlichtes über die Gegend. Die Festung Hohensalzburg lag klar vor
uns und am Fuße derselben die interessanten Häusergruppen.
Wir gelangten sodann an einen freien, ebenen Platz, der mit herrlichen
Buchen bestanden war und über den hinweg wir zu einer zweiten Ansicht
der Gegend gelangten. Längs der Berge und an der Salzach ziehen
sich von hier die Sommerwohnungen der Salzburger hin, die meist im
ländlichen Style, nur eleganter und farbenreicher, erbaut sind. Diese
Wohnstätten sind durchgängig mit schönen Gartenanlagen und Baumgruppen
umgeben.
Wir stiegen nun wiederum abwärts und warfen dann einen Blick in das
freundliche Kirchlein, das am Eingange des Parks hingestellt und mit
Gemälden auf Goldgrund, Kreuzfahnen und bunten Statuen verziert ist.
Auf unserm Wege durch die Wiesen begegnete uns ein englischer
Gentleman, der sich durch eine deutliche, in deutscher Sprache
abgefaßte Anfrage bei uns zu überzeugen suchte, ob er auch wirklich auf
dem richtigen Wege nach des Prinzen Swartschenbech Slosch Aickra sich
befinde, und dann höflich dankend weiter dahin schritt.
Wir gingen an der Salzach herein, am Birgelstein vorbei, durch die
Vorstadt Stein und eilten nach dem Dom, wo heute Fräulein Lutzer
singen sollte. Es kamen uns zahlreiche Landleute entgegen, die Frauen
in reichem Schmuck. Die Messe war jedoch im Dom bereits vorüber, und
wir begnügten uns mit der Betrachtung der Gemälde und Sculpturen, die
er in so reicher Fülle darbietet. Dann aber schlenderten wir nach St.
Peters Keller, um uns durch trefflichen Schinken und Ruster von der
Morgenpromenade zu erholen.
Ich begab mich dann nochmals in das städtische Museum, um den reichen
Inhalt desselben noch einmal durchzugehen. Dann aber begann das
unvermeidliche, aber immer unangenehme Geschäft des Einpackens und
die Plage mit der aufgequollenen, getragenen Wäsche, den manichfachen
neuerworbenen Büchern, Steinen und anderen Sachen. Wie oft in der Welt,
ging es diesmal besser von Statten, als wir erwartet, und wir behielten
noch Zeit zu einem, dem Abschied gewidmeten Gange durch alle Theile der
uns so lieb gewordenen Stadt. Das Glück führte uns auch einen Fuhrmann
zu, der es übernahm, uns morgen für den gewöhnlichen Satz von sieben
Gulden nach Ischl zu fahren. Wir nahmen den dazu erlesenen Einspänner
in Augenschein und hatten somit alle unsere Geschäfte in Ordnung, da
wir auch unsere Pässe visirt erhalten hatten.
Zum Schlusse traten wir in St. Peters Keller und hatten eben Speis und
Trank unter Bürgern und Landleuten erhalten, als der Regen auf’s Neue
und überaus fleißig seine Arbeit begann. Wir nahmen Abschied von Wirth
und Kellner und gingen nach Haus, da unsere gütigen Wirthsleute uns
heut Abend mit in das Concert der Liedertafel nehmen wollten.
Die salzburger Liedertafel hat ein stattliches Local im Gasthofe zur
goldenen Traube. An den Wänden sind die Embleme, sowie die Wappen
anderer österreichischer und bairischer Liedertafeln aufgehängt. Man
nahm an Tischen Platz und konnte sich nach der Karte Speisen geben
lassen.
Das Concert selbst ward gut von Männerstimmen ausgeführt, vor Allem
aber sprach das gemüthvolle Loblied auf Steiermark an, das auch
allgemeine Begeisterung erregte, während das Lied von den deutschen
Bundesstaaten die größte Heiterkeit hervorrief. Einer der Herren
brachte noch ein Lebehoch auf die 14. Versammlung deutscher Land- und
Forstwirthe aus, zu deren Ehren das Concert veranstaltet war. Zur
Erwiederung sprach ein durch Alter und Verdienst ehrwürdiges Mitglied
der Versammlung einige Worte des Dankes. Einen überaus angenehmen
Eindruck machten die Vorträge eines Virtuosen auf der Zither. In
Norddeutschland ist dieses in den Gebirgsländern südlich der Donau
allbeliebte Instrument gar nicht bekannt, obschon die Mischung der
Darm- und Drahtsaiten überaus liebliche und eigenthümliche Töne
hervorbringt. Am schönsten nehmen sich freilich die Schnaderhüpfeln
darauf aus und langsam gehaltene Märsche.
Man zeigte uns noch die der Gesellschaft gehörigen Pocale und
Trinkhörner, die sie für ihre Leistungen als Preise gewonnen hat und
die in einem besonderen Schranke aufbewahrt werden.
Endlich mußte geschieden seyn, und wir begaben uns erfreut von dem so
heiteren, als anständigen Ton, der diese Gesellschaft belebte, zur Ruhe.
Dienstag, den 9. September, erschien verabredeter Maßen unser
Einspänner bald nach 7 Uhr vor unserer Hausthür. Wir nahmen dankend
herzlichen Abschied von unseren liebenswürdigen Wirthsleuten und
stiegen in den eleganten Wagen, der auch gegen Regen genügenden Schutz
darbot.
Wir rollten über die Salzachbrücke durch die wohlbekannte Linzer
Gasse, das Linzer Thor auf die Landstraße hinaus bis an den Fuß des
steilen Berges. Hier stiegen wir aus, um dem guten Grauschimmel eine
Erleichterung zu verschaffen. Unser Fuhrmann, ein hübscher Mann mit
wohlwollendem, scharf geschnittenem Gesicht und stattlichem braunen
Barte, theilte uns mit, daß er dem Kaiser als Soldat in dem ungarischen
Feldzuge gedient, auch ein Tagebuch über seine Fahrten und Abenteuer
geführt habe. Er lobte die Ungarn als gar gute Menschen, die ihm viel
Wohlwollen erwiesen. Er berichtete auch über die Russen, die er dort
gesehen und deren großartigen Appetit er bewundert, wobei er bemerkte,
daß sie durchaus nicht ekel gewesen und rohe Kartoffeln und Kürbisse
nicht verschmäht hätten. In Folge dessen hätte freilich die Cholera
große Verheerungen unter ihnen angerichtet. Sonst lobte er ihre
Gutmüthigkeit und die Schönheit ihrer Cavalerie. Er sagte, daß er sich
gern in Ungarn niedergelassen hätte, daß er aber seine Mutter hier
habe, die er doch nicht verlassen könne. Es war ein überaus gutmüthiger
Mensch.
Der Berg war erklommen, wir stiegen wiederum ein und fuhren durch die
freundliche Gebirgsgegend bis nach Hof, wo abermals gehalten und dem
Grauschimmel eine Erholung gewährt wurde. Er hatte dieselbe Sitte, wie
sein brauner Vorfahr, hie und da eigenmächtig an den Wassertrögen zu
halten und einen frischen Trunk zu thun.
Wir hatten den gewaltigen, mit Personen angefüllten Postwagen, der
eine halbe Stunde vor uns abgefahren war, bereits überholt und kamen
daher auch vor demselben fort. Der Weg senkt sich nun nach dem
Fuschelsee hinab, den wir in schönster Beleuchtung zur Linken hatten.
Dann steigt die Straße wieder empor und geht im Walde fort. Auf den
Bergen lag Schnee, und es erreichte uns jetzt ein Regenwetter, das mit
Schneeflocken untermischt war und den Wagen möglichst zu schließen uns
nöthigte.
Als wir jedoch an den Punkt gelangten, wo der Wolfgangsee sichtbar
wurde, ließ das Wetter nach, und wir konnten den Wagen verlassen und,
die herrliche Aussicht genießend, den Berg herein zu Fuße gehen, ja
sogar die Mäntel von uns thun.
Diesmal traten wir in St. Gilgen in das große Gastzimmer, aus dessen
Küche die Dünste des Mittagsessens hervorquollen, wenn die ansehnliche
Gestalt der rührigen Wirthin hereintrat und die Wünsche der Gäste
vernahm oder erfüllte. Es war dieselbe Frau, die wir acht Tage früher
unter dem Schimmer des Goldhelmes erblickt hatten. Diesmal ersuchten
wir zunächst um eine Suppe und erhielten auch bald eine jener
oberösterreichischen Suppen mit fleischlichem Inhalt, die mir für ein
ganzes Mittagsessen genügen. Ich ließ jedoch noch ein Rindfleisch
auftragen, dessen Vortrefflichkeit zu weiterem Essen verleitete. Löffel
und Gabeln waren auch hier von Silber und das Tischzeug überaus sauber
und nett. Das Lob ihres Mittagsessens vernahm die gute Wirthin mit
freundlicher Miene.
Nachdem wir ein Stündchen geruhet, spannte unser Fuhrmann wiederum
ein; wir wollten eben einsteigen, als ein Wagen am Gasthof hielt, der
zwei Damen von unserer Bekanntschaft, und zwar von meiner Straße,
heranführte. Das gab denn natürlich große Freude und gegenseitige
eilige Mittheilungen.
Wir fuhren weiter; die Sonne war mittlerweile aus den Wolken getreten
und berührte den Wolfgangsee und seine malerischen Ufer auf das
Anmuthigste. Die Oberfläche des Wassers spielte in allen Nuancen
des Blau bis in Violett und Grün. Die Büsche und Bäume am Wege
funkelten noch naß vom Regen, und wir ließen, um uns diesem herrlichen
Schauspiele ganz hinzugeben, den Wagen zurückschlagen.
Wir hatten bald den Postwagen, der in St. Gilgen frische Pferde
vorgelegt hatte, überholt und eilten durch die bekannte Gegend dahin,
so daß wir zeitig in Ischl eintrafen und im Gasthofe zur goldenen
Krone abstiegen. Die freundlichen Kellnerinnen empfingen uns als alte
Bekannte und brachten uns auf unser früheres Zimmer, wo wir nicht lange
verweilten. Wir begaben uns zunächst nach dem Siedehause, sahen die
gewaltigen Pfannen und dann die Zuformung des schneeweißen Salzes,
das in Fässer geschlagen und weiter geführt wird. Dann begingen wir
die Promenaden, die Säulenhalle, die Straßen der niedlichen Stadt,
die bereits einige recht stattliche Gasthöfe aufzuweisen hat. Am
interessantesten war ein Gang an der Traun, wo eben ein Paar für den
kleinen Fluß scheinbar colossale Kähne durch Pferde unter der Brücke
hindurchgezogen wurden. Die Schiffer haben ganz eigenthümliche Schalten
und Ruder. Die Ruder bestehen aus Tafeln, die etwa eine Quadratelle
haben und an denen ein kurzer Stiel befestigt ist.
Mit Dunkelwerden kehrten wir in unseren Gasthof zurück und machten
nun unseren, mittlerweile daselbst ebenfalls angelangten Damen unsere
Aufwartung, die nun ausführliche Berichte über ihren Aufenthalt in
Wien, Venedig, Inspruck u. s. w. erstatteten.
Wir begaben uns sodann in die Wirthsstube, um ein frugales Souper
einzunehmen, und zogen Erkundigungen über die Wege nach Kremsmünster
und St. Florian ein. Ich hatte mir vorgenommen, ein österreichisches
Benedictinerstift zu besuchen, und Kremsmünster vornehmlich im Auge
behalten, ein Stift, dessen Insassen so viel für die Wissenschaften
geleistet. Ich war begierig, den astronomischen Thurm zu sehen und
die schönen Sammlungen, die er in seinen acht Stockwerken umschließt.
Das lockte sehr. Allein der Weg dahin ward als schwierig geschildert
und unser Gepäck war uns ein wahres Impedimentum, wenn wir eine
Fußwanderung unternehmen wollten. Ich schob indessen für heute die
Entscheidung auf, und wir begaben uns zeitig zur Ruhe.
Mittwoch, den 10. September, waren wir bei früher Tageszeit auf den
Beinen und in den Straßen von Ischl. Die Kaufläden boten manches
interessante Gewerbserzeugiß zur Anschauung dar, so z. B. die Läden
mit österreichischem Porzellan und Glas, worunter namentlich sehr viel
modellirte Vesen, Thiere, die als Briefhalter dienen. Eigenthümlich
sind die sogenannten heiligen Geiste, die der Landmann in der Stube
aufhängt. Es sind Tauben mit ausgebreiteten Flügeln von weißer Farbe
und der Größe eines Schmetterlings, die mit farblosem Glase umgeben
sind. Ein anderer Laden enthielt Holzwaaren, darunter Tabakpfeifen
von höchst abenteuerlicher Gestalt. Der Kopf von ungarischer Form
besteht aus einem Knie von Lerchenholz, an welchem sich noch die Rinde
befindet, die auch an dem einzusteckenden Deckel theilweise sichtbar
ist. Der Stiel besteht aus sauber abgedrehtem und polirtem Knieholz.
Als Verzierung hängen an grünseidener Schnur zwei stattliche Quasten
aus Bartmoos (_Usnea_).
Wir beurlaubten uns dann von unseren Damen, die mehrere Tage in Ischl
verweilen wollten, und begaben uns nach der Post, um mit dem Stellwagen
nach Ebensee uns befördern zu lassen. Es war derselbe, der uns früher
nach Ischl gebracht hatte.
Der Wagen war bald gefüllt, und die Pferde zogen an. Bis an die
Traunbrücke, freilich eine gar kurze Strecke, ging Alles gut. Als aber
der Weg sich hob, verweigerte das auf der Wildbahn gehende Pferd den
Dienst und antwortete auf Peitschenhiebe mit Ausschlagen. Weiterhin,
wo eine größere Steigung Statt findet, ersuchte der Fuhrmann uns
auszusteigen -- aber das Pferd wollte den namhaft erleichterten
Wagen auch nicht ziehen. Da ergab es sich denn freilich bei näherer
Betrachtung, daß die Seiten des armen Thieres wund waren und daß beim
Anziehen die aufdrückenden Stränge demselben argen Schmerz verursachen
mußten. Indessen die Reisenden wollten vorwärts, und so begann denn
eine höchst unbehagliche Fahrt. Das Pferd bekam Hiebe, schlug die
Stränge durch und warf beim Ausschlagen ganze Massen Straßenschlamm in
den Wagen.
Daher kam es nun, da der Weg dicht am Wasser und zum Theil hoch über
demselben hinführt, daß der Wagen, auf dessen Verdeck das umfangreiche
und schwere Gepäck ruhte, oft arg schwankte.
Indessen gelangten wir, ohne umgeworfen worden zu seyn, glücklich
nach Ebensee und standen bald wohlbehalten auf der Landungsbrücke
am grünen Traunsee, vor uns zur Rechten den an 6000 Fuß hoch gerad’
anstrebenden Traunstein. Aus der Ferne näherte sich das Dampfboot und
nahm die wenigen Passagiere auf, die hier der Ueberfahrt harrten.
Der Wind wehte rauh, es fehlte nicht an Sprühregen, doch war der See
diesmal weniger bewegt als bei unserer letzten Fahrt. Schon bevor man
an Traunkirchen gelangt, öffnet sich die Aussicht nach Gmunden, und
auf die flache Umgegend der Stadt. Sie liegt da, wie die Unterschrift
zu dem interessanten Briefe einer theueren Person -- wir beklagen,
daß der Brief nun zu Ende. Das Dampfschiff kommt heran, wir verlassen
unsere Plätze, die wir am warmen Schornstein uns gegen den Wind
ausgewählt. Der Capitän, ein langer Engländer, und sein Gehülfe blicken
prüfend auf dem Verdeck umher, die Fahrkarten werden eingesammelt, die
Matrosen treten zum Anker, das Dampfschiff schwenkt und legt an der
Landungsbrücke endlich bei.
Das Gepäck wurde nun nach dem vor der Stadt gelegenen Hofe der
Pferde-Eisenbahn geschafft, wir lösten Fahrkarten und kehrten
nach der Stadt zurück ans Ufer des herrlichen See’s, aus dem mein
Gefährte sich ein Fläschchen mit Wasser aushob, das überaus klar und
vollkommen farblos ist. Auch heute zeigte der See die tief dunkelgrüne
Färbung, die nur am Ufer vom Ebensee etwas lichter erschien. Von der
Landungsbrücke sahen wir dem munteren Treiben der kleinen Fische
zu, die hier in großer Zahl versammelt sind und das Brot begierig
erhaschen, das man ins Wasser wirft.
Wir begaben uns ins goldene Schiff und fanden abermals an dem Fenster
einen Platz, der uns die Aussicht auf den See länger genießen ließ.
Während ich meine Sachen ablege, ruft Jemand meinen Namen, und zu
meiner freudigen Ueberraschung sehe ich einen Freund aus Dresden an
einem anderen Tische. Es ist eine große Freude, in der Ferne unerwartet
alten Freunden zu begegnen; es ist wie ein Gruß aus der Heimath, denn
an jeder Person haftet eine Reihe von heimathlichen Bildern, die nun
lebendig hervorquellen und der fremden Umgebung um so reizendere
Gegensätze gewähren.
Endlich schieden wir vom Freunde und vom Traunsee und wanderten dem
Bahnhofe zu, getreu meinem alten Grundsatze, lieber eine halbe Stunde
zu früh als eine halbe Secunde zu spät zu kommen. Wir hatten Zeit,
den Bahnhof, die Wagen, die Vorräthe, die ganze Umgebung gemächlich
in Augenschein zu nehmen. Wir hörten auch, daß gestern Abend beim
Hereinfahren eine Bremse gesprungen, daß jedoch durch schleunige Hülfe
jeder Unfall verhütet worden sey. Das Fortkommen mit der Pferdebahn ist
unstreitig das angenehmste und für den Reisenden, der keine besondere
Eile hat, das bequemste, und doch immer noch rascher als mit dem
Eilwagen. Das abscheuliche Rasseln und Klirren der Wagen, das Pfeifen,
Quieken und Pusten der Locomotiven, das Stoßen und Krachen, kurz die
ganze Encyclopädie der unangenehmsten, gewaltsamsten und grellsten
Töne, welche eine Fahrt mit dem Dampfwagen auf längere Dauer so lästig
macht, fällt hier weg, die Gefahr vor dem Umwerfen ist durch den
Schienenweg beseitigt. Uebrigens sind die Wagen bequem und geräumig
eingerichtet, und der Preis -- von Gmunden nach Linz in zweiter Classe
ein Gulden -- unglaublich billig.
Gegen 3 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Man gelangt bald in eine
waldige Gegend, die jedoch noch einige Male erwünschte Ansichten
des See’s und seiner Umgebung darbietet. Wir hatten Zeit, unsere
Nachbarschaft zu mustern. Mir gegenüber saß eine in viele wollene
Shawls und Mäntel gehüllte Engländerin, die sich dem Schlaf zu
überlassen sehnte und deshalb Studien zu einer bequemen Stellung
machte. Nach manichfachen Versuchen beharrte sie bei der Lage des
barberinischen Faun in München, d. h. sie legte den Nacken auf die
Sitzlehne, schloß die Augen und öffnete den Mund.
In Lambach wurde angehalten, doch nicht lange genug, um das
Benedictinerstift näher betrachten, viel weniger besuchen zu können.
Die Gegend bietet nichts Außerordentliches dar, es ist immer Wald,
mir allerdings stets ein lieber Anblick. In Wels hält der Zug mitten
in der Straße. Zur Linken stieg hinter den Häusern eine neue, im
schönsten gothischen Styl gebaute, mäßig große Kirche empor. Sie war
für die Protestanten bestimmt. Im Vordergrunde trieben sich ungarische
Husaren umher; diese schlanken, zierlichen Gestalten in der schmucken,
knappen Tracht mit den dunkelen, ruhigen Gesichtern nehmen sich überaus
elegant aus. Sie haben eine Elasticität in ihren Bewegungen, die von
dem schwerfälligen Gange des norddeutschen Bauern grell absticht.
Die Ungarn sind ohnstreitig die jüngsten Kaukasier, welche in Europa
eingedrungen.
In Wels stieg ein Mann in den Wagen, der als Unteroffizier die Kriege
in Italien mitgemacht und mehrfach italienische und ungarische
Staatsgefangene eskortirt hatte. Auf die Italiener, namentlich die
italienische Geistlichkeit, war er gar nicht gut zu sprechen. Nach ihm
stieg ein alter Herr ein, der seinen kleinen Enkel bei sich hatte. Da
der Wagen sehr besetzt war, so wurde der Knabe neben der Engländerin
untergebracht. Mein Nachbar, der eben eingestiegene Kriegsmann,
knüpfte ein Gespräch mit der Engländerin an, sie gab zu erkennen, daß
sie kein Deutsch verstehe, nahm trotzdem aber den niedlichen Knaben
in ihren Schutz und sorgte gar freundlich für bequemen Sitz des
schlafmüden Kindes. Der Nachbar versuchte nun in gebrochenem, sehr
laut ausgesprochenem Deutsch eine Conversation mit der wohlgesinnten
Fremden zu führen. Er mußte jedoch seine Versuche bald aufgeben, zumal
da sie bald eben so fest, wie der in ihren Schooß gesunkene Knabe
schlief. Mittlerweile war es dunkel geworden und der Entschluß gereift,
Kremsmünster und Florian aufzugeben und von Linz aus nach Göttweig und
Wien zu gehen. Aus der Ferne schimmerte hie und da ein Lichtlein, in
der Straße konnte man die Telegraphenstützen und die Bäume nothdürftig
wahrnehmen. Ich ergötzte mich an den Streiflichtern, welche die
Wagenlaternen in den oft nahe herantretenden Wald warfen, und den
Strahlen, die zuweilen meteorartig aus den Wächterhäusern über die im
Schlaf befangenen Wagen-Insassen hinzuckten.
Endlich war der Weg vollbracht, die weiße Kirchhofmauer von Linz
vorüber und der Bahnhof erreicht. Hier wurden die Pässe abgegeben und
das Gepäck einem Karrenführer anvertraut. Wir schritten durch die öden
Straßen, die bei Laternenlicht sich fremdartig darstellten, fürbas,
bis wir einen alten Herrn trafen, der mit uns ein Stück Weges vorwärts
ging und uns dann weitere Auskunft gab. Weiterhin trafen wir einen
Kaiserlichen Soldaten, der uns bestätigte, daß wir auf dem rechten Wege
nach dem schwarzen Bock wären.
Hier fanden wir als alte Bekannte gar freundliche Aufnahme und unser
altes Zimmer. Zehn Uhr war freilich vorüber, allein wir setzten uns
doch erst in die Gaststube und nahmen ein Souper ein, das nach dem
langen Wege trefflich mundete.
Donnerstag, den 11. September, erhoben wir uns erst nach der Sonne,
ordneten unser Gepäck und gingen dann bei freundlichem Himmel aus, um
die Stadt ~Linz~ recht gemächlich in Augenschein zu nehmen. Zunächst
schritten wir nach dem Markte, der allerdings bei seiner namhaften
Länge und verhältnißmäßigen Breite einen überaus stattlichen Anblick
gewährt. Er ist mit reich verzierten Häusern umgeben, in der Mitte
erhebt sich die Pestsäule Karl’s VI. Auf einem gewaltigen Unterbau
steigt eine Säule empor, die ganz mit steinernen Wolken umgeben ist,
an welcher Engel angebracht sind. Zu oberst thront die Statue der
heiligen Jungfrau. Die Farben sind weiß und Gold. Es hält schwer, eine
klare Ansicht des ganzen kolossalen Werkes zu erhalten, da es mit
Detail überladen ist. Es ist aber jedenfalls eine Zierde des Platzes,
den außerdem zwei Brunnen schmücken. Von hier gingen wir nach der auf
15 Jochen ruhenden, 864 Fuß langen Donaubrücke, die die herrlichsten
Ansichten darbietet. Auf der Stadtseite sind sehr ansehnliche
Gasthäuser errichtet, unter denen Erzherzog Karl das hervorragendste;
hier ist der Landungsplatz der Dampfschiffe, wo auch namhafte Vorräthe
an Kohlen, Holz und Waarenballen aufgehäuft sind. Man sieht auch hier
flache Böte, in denen die Waschweiber lautschwatzend ihr Werk treiben.
Dann traten wir in eine Kirche, die im Style des vorigen Jahrhunderts
reich und bunt verziert war.
Wir schritten nach dem Markte zurück, wo ein lebendiger Verkehr sich
entwickelt hatte. Wir nahmen besonders die stattlichen Schaufenster
der Kaufleute in Augenschein, die überaus geschmackvoll und zierlich
angeordnet waren. Da sah man z. B. einen Kaiserlichen Adler aus
Angelhaken, Heften und Nadeln hübsch zusammengestellt, dann die
verschiedenen Backwerke, die halbmondförmigen Kupfeln, die Brezeln
und die echinitenartigen Brötchen zu einem Ganzen geordnet. Die Läden
der Korbflechter zeigten Tische, Stühle, Körbe, Consolen und andere
kleinere Gefäße; sehr reich waren die Läden mit Porzellan aus Ellnbogen
und Kadan; die Kunsthandlungen hatten Heiligenbilder, Portraits der
Helden des letzten Krieges und Scenen aus demselben ausgestellt.
Reich an niedlichen Arbeiten waren die Vorräthe der Gipsgießer, der
Goldschmiede, die prachtvolles Kirchengeräth, Leuchter, Monstranzen
und Kelche zur Schau gestellt hatten. Linz ist eine Fabrikstadt, und
die Schaufenster der Schnittwaarenhändler zeigten geschmackvolle
Baum- und Schafwollenstoffe. In einer Nebengasse reizte der Laden
eines Wachswaarenhändlers, der mit Kerzen, wächsernen Blumen, Engeln,
Heiligen angefüllt war.
Wir schritten sodann durch das stattliche Landhaus, dessen
venetianisches Portal in buntem Marmor und Gold prangt, und gelangten
sodann auf die Promenade, die mit schönen Platanenalleen verziert ist.
Hier findet sich ein elegantes Kaffeehaus, und von hier gelangt man
nach der breiten Landstraße mit sehr ansehnlichen öffentlichen Gebäuden
und Kirchen.
Wir hatten dasmal die Absicht, die öffentliche Bibliothek zu
beschauen, und trafen, obschon eben Ferien, den Secretair derselben,
einen freundlichen, diensteifrigen Mann. Zunächst sah ich die
Kataloge mir an. Dann legte mir Herr Laurenz Christlbaur eine sehr
sorgfältig gearbeitete Uebersicht über die Geschichte der Anstalt
und die vorzüglichsten Schätze derselben vor. Die Bibliothek gehört
eigenthümlich dem Stifte Kremsmünster; der Kaiser giebt jährlich 300
Gulden zu anderweiten Anschaffungen. Sie hat etwa 20,000 Bände, die
in mehreren Zimmern trefflich aufgestellt und gut gehalten sind. Sie
besitzt die Petersburger Acten, die Wiener Jahrbücher der Literatur,
gute historische Werke, kann aber bei den sehr beschränkten Mitteln
nicht sonderliche Fortschritte machen.
Wir begaben uns in das Zimmer der Handschriften; viele derselben mußten
früher nach Wien wandern. Doch waren noch manche schätzbare Sachen
vorhanden, wie ein schönes Evangelium aus dem 12., eine deutsche
gereimte Bibel aus dem 14. Jahrhundert mit einigen sehr interessanten
Miniaturen, ein deutsches Gebetbuch des 15. Jahrhunderts. Besonders
merkwürdig ist ein gemaltes Herbarium des 16. Jahrhunderts, welches an
das in der Königlichen Bibliothek zu Dresden (B. 71.) aufbewahrte von
Kenntmann erinnert.
Wir dankten dem freundlichen Collegen für die zuvorkommende Güte, mit
der er uns diese Schätze erschlossen, und setzten unsere Wanderungen
durch die Stadt fort. Zunächst war unser Ziel die Höhe außerhalb
der Stadt, welche das Jesuitenkloster trägt. Wir gelangten an die
berühmten, in den weichen Sandstein eingeschnittenen Bergkeller, die
300 Fuß tief in den Berg hineingehen, und aus denen schornsteinartige
Luftzüge hervorragen. Hier werden die Bier- und Weinvorräthe der Linzer
Wirthe aufbewahrt, bevor sie Verzehrungssteuer davon entrichten. Wir
stiegen den Hohlweg aufwärts, rechts sah der Thurm der Jesuiten mit dem
rothgelben gothischen Giebel aus dem grünen Laube hervor. Wir wandten
uns jedoch links und gelangten auf eine Anhöhe, die die herrlichste
Ansicht über die Stadt und das Donauthal gewährte. Die Thürme der Stadt
stellen sich stattlich dar. Die bekannten Maximiliansthürme, die ich
im Jahre 1838 genauer betrachten konnte, bemerkt man von hier oben gar
nicht, wie denn der Reisende, der von jenen Thürmen keine Kunde hat,
sie bei dem Hereinfahren auf der Pferdebahn meist übersieht und keine
Ahnung hat, welch’ ein militairisch wichtiger Punkt die Stadt Linz ist.
Wir begaben uns vor Tisch noch auf den Markt, um die Wachtparade zu
sehen. Wir hörten die einfache Trommel und sahen die Wachtmannschaft,
bestehend in einem Offizier mit etwa 25 Mann, ganz einfach der
Hauptwache zuschreiten, wo die Ablösung in aller Ruhe stattfand. Eine
Parade gab es nicht, wie wir denn weder in Salzburg, noch in Wien eine
solche zu sehen die Freude hatten.
Bei Tische trafen wir mehrere Offiziere, anspruchlose heitere Männer,
die sich ihre und ihrer Freunde Erlebnisse aus den letzten Kriegen
mittheilten. Es macht einen freundlichen, wohlthuenden Eindruck,
daß sich durchweg die in gleichem Grade stehenden Offiziere der
Kaiserlichen Armee du nennen.
Wir verweilten nicht länger, als nothwendig, bei Tische und waren eben
in unser Zimmer zurückgekehrt, als ein Brief aus der Heimath eintraf
und die Versicherung brachte, daß dort Alles in bestem Wohlseyn. Briefe
aus der Heimath sind dem Reisenden wahre Erquickungen, wenn ihr Inhalt
ein befriedigender ist und wenn er schon Tage lang darauf gehofft hat.
Wir traten nun aufs Neue unsere Wanderung an; zunächst besuchten wir
die Brücke und betrachteten die in der Nähe derselben gelagerten
mannichfachen Schiffe; dann nahmen wir unsern Weg aufwärts am rechten
Ufer des Stromes, dessen grünlich graue, trübe Fluth sehr rasch
dahinströmt. Auf dieser Seite ist das Ufer gemauert. Es kamen gewaltige
Holzflöße von Regensburg her. Bei einem Gasthofe mit öffentlichem
Kegelgarten sah man ansehnliche Vorräthe von den Sohlenhofer
Kalksteinplatten, die hier und längs der Donau zum Belegen der
Hausfluren und Vorsäle benutzt werden und durchgängig einen Quadratfuß
Flächeninhalt haben. Mancherlei Fuhrwerk begegnete uns auf der Straße,
meist mit den kolossalen Pinzgauer Rossen bespannt. Wir bemerkten
nächstdem auch hier die auffallende Größe und Wohlbeleibtheit der
Hunde. Katzen sah man wenige. Was uns bereits in Salzburg und dessen
Umgebungen aufgefallen, war die Seltenheit der Vögel in den Gefilden.
Die bei uns so häufigen Krähen, Feldtauben, Sperlinge und andere Vögel
erschienen außerordentlich selten. Wild haben wir gar nicht gesehen.
Es war uns noch übrig, den Kirchhof zu besuchen, der, außerhalb der
Stadt gelegen, eine große Fläche Landes einnimmt. Man passirt zunächst
den Linz-Gmundener Bahnhof und schreitet an einer langen, weißen Mauer
hin, ehe man in die Allee tritt, die nach dem Eingange hinführt. Das
Innere des Kirchhofs ist durch mehrere Mauern in verschiedene Räume
getheilt. Wie in St. Sebastian zu Salzburg, ziehen sich längs der
Mauern Familiengrabstätten hin, die jedoch nicht übermauert sind. Man
war eben mit Hinwegräumung einiger Mauern beschäftigt. Das Ganze machte
durchaus nicht den würdigen Eindruck der Salzburger Todtenstätten.
An Denkmalen war wenig Ausgezeichnetes vorhanden. Auch vermißten wir
die sorgfältige Pflege der Gräber. Gar auffallend war ein, wohl dem
17. Jahrhundert angehöriges Relief, welches in die Kirchhofmauer
eingelassen war. Es war eine Darstellung der Sündfluth. Das Ganze war
durch eine Wolkenschicht in zwei Theile geschieden. Der obere Theil
zeigte eine wohlbesetzte Tafel, an welcher Männer und Frauen Speis’
und Trank im Uebermaß zu sich nahmen und sich herzten und küßten.
Einer der Männer gab bereits die genossenen Speisen wieder von sich.
Andere tanzten paarweise neben der Tafel. Links stand die Arche
und vor derselben Vater Noah, der mit der Hand den in toller Lust
sich ergötzenden Leuten abmahnend winkte. Ein Mann im Vordergrunde
beantwortete diese Winke mit einer überaus unanständigen Geberde.
Unterhalb der Wolkenschicht sah man die Sündfluth, Menschen und Thiere,
mit den Wellen ringend und vergebens nach Rettung strebend. Die Figuren
waren etwa sechs Zoll hoch, die Ausführung sehr mittelmäßig. Am
Eingange des Kirchhofes war neben der Wohnung des Todtengräbers eine
Menge zerbrochener Todtenkreuze und Sargbreter aufgehäuft, was den
übelen Eindruck, den das Ganze machte, nicht eben zu mildern geeignet
war.
Auf dieser Seite der Stadt beginnt die große Ebene, die sich bis hinter
Wels zieht. Das Land ist gut angebaut, die Vorstädte dehnen sich hier
weit heraus, unter anderen auch die sehr belebte Landstraße.
Wir begaben uns mit einbrechender Dämmerung nach Hause und nahmen
eine neue Verpackung unserer Sachen vor, dann aber gingen wir in
die Gaststube, wo wir Gesellschaft und belehrende Unterhaltung über
österreichische Zustände fanden.
Der 12. September, Freitag, brachte einen wolkenbedeckten Himmel,
welcher freilich für die bevorstehende Donaufahrt nicht eben tröstliche
Aussichten verhieß. Wir verfügten uns nach dem Dampfschiffe Wien. Ein
Kanonenschuß gab das Zeichen zur Abfahrt, und man suchte für das kleine
Gepäck eine sichere Stätte in der Kajüte. Von den Ufern sah man im
raschen Vorüberfliegen von hier aus durch den immer dichter strömenden
Regen nur wenig mehr als den Schimmer der Gebäude. Man näherte sich
dem Strudel und Wirbel, wir traten in die Mäntel gehüllt auf das
Verdeck. Das Dampfschiff bezwingt jedoch die Wellen gar leicht, und der
Reisende, der nicht besonders auf den Strudel aufmerksam gemacht wird,
dürfte denselben leicht übersehen. Der Strom ist allerdings zwischen
Felsen ziemlich zusammengedrängt, die selbst bei dem dichten Regengrau
einen erhabenen Anblick gewähren. Der Name Ips, das im Nibelungenlied
genannte Pechlarn, namentlich aber Mölk lockten uns aufs Neue aus der
Kajüte. Namentlich stellt das Benedictinerstift Mölk sich überaus
stattlich dar. Weiterhin folgt das liebliche Dürrenstein, über der
Stadt sieht man die Trümmer des Schlosses, in dem Richard Löwenherz
gefangen gehalten wurde.
Jetzt ließ auch der Regen nach, und wir gewahrten in der Ferne
alsbald das Ziel unserer heutigen Fahrt, ~das große Benedictinerstift
Göttweig~ auf dem runden 800 Fuß hohen Waldberge. Auf der Donau
überholten wir einen flachen Kahn, in welchem 14 Pferde standen; sie
schienen derartiger Fahrten gewohnt zu seyn und zeigten durchaus keine
Befremdung über das vorbeibrausende Dampfschiff. Die Matrosen trafen
nun Anstalt, den Mastbaum und den Schornstein niederzulassen, was mit
Leichtigkeit bewerkstelligt wurde. Alsbald schlüpfte das Schiff durch
die hölzerne Donaubrücke vor der Stadt ~Stein~ und schwenkte dann in
großem Bogen dem Lande zu.
Stein liegt am Ufer der Donau lang hingedehnt, und die vielen hier
aus- und eingeschifften Menschen und Waaren, sowie die zahlreich am
Ufer aufgeschichteten Kästen, Fässer und Ballen zeigen, daß wir uns
hier auf dem Stapelplatze von Mähren befinden. Wir begaben uns mit dem
Gepäck in Eder’s Gasthaus und traten auf den nach der Donau gerichteten
Balcon, von wo aus wir mit dem Fernglase uns die Gebäude von Göttweig
näher zu bringen suchten. Wir bemerkten die langen Fensterreihen, die
stattlichen Frontispize und Thürme.
Nachdem wir mit Speis’ und Trank uns erquickt, ergriffen wir die
Reisetaschen und schritten am Ufer entlang nach der Donaubrücke, deren
Länge 570 große Schritte beträgt. Wir schritten durch Mautern, ein
alterthümliches, sonst unansehnliches Städtchen, und gelangten auf die
Hochstraße, an welcher hie und da Betsäulen angebracht sind. Zu beiden
Seiten ist wohl angebautes Feld. Wir bemerkten unter den Früchten auch
Mais. Der Himmel schien sich zu lichten, in bester Hoffnung rollten wir
unsere Mäntel auf und schritten rüstig fürbas. Es kam uns ein Gensdarm
entgegen, der uns artig um unsere Pässe ersuchte und uns freundlichst
Auskunft über den Fußweg nach dem Stift ertheilte.
Der Weg steigt fortwährend an, und das Städtchen ~Furth~ ist schon
ziemlich hoch am Fuße des Berges von Göttweig gelegen. Hinter dem Ort
führt der Fußsteig in den Wald. Da begann aufs Neue der Regen, so daß
wir Mäntel und Schirm eilig entfalten mußten. Der Weg ist steil, doch
wohl gebahnt, und so sahen wir nach einer halben Stunde die weißen
Klostermauern über uns durch die grünen Wipfel der Kiefern blinken.
Wir schritten nun neben den alterthümlichen Resten der alten Burg über
die Brücke in den Hof, wo sich das zwischen zwei Thürmen erhebende
Kirchenportal stattlich darstellt. Wir traten in die Klosterpforte
und übergaben dem Pförtner unsere Karten mit der Bitte, sie unserem
Freunde, dem Bibliothekar des Klosters, zuzustellen. In wenigen Minuten
hörten wir seinen Tritt, und er stand im Kleide des heiligen Benedict
vor uns. Die Freude des Wiedersehens war um so größer, als die Ungunst
der Witterung sie noch vor wenigen Tagen sehr zweifelhaft gemacht hatte.
Der Freund geleitete uns auf unsere Zimmer, die eine prachtvolle
Aussicht auf das Donauthal gewährten. Es war ein hohes Gemach mit
blauen reichvergoldeten Ledertapeten, solidem Parket, reicher
Stuccaturdecke, Sammetstühlen und Marmortischen. In prachtvollen
Goldrahmen blinkten venetianische Spiegel. Das Zimmer meines
Begleiters, etwas kleiner, war mit einem großen Gemälde, Apollo und
Marsyas, verziert. Für alle Bequemlichkeiten war wohl gesorgt. Die
Toilette wurde rasch geordnet und dann zunächst dem Herrn Abt ein
Besuch abgestattet. Se. Gnaden empfingen mich mit Herzlichkeit und
Wohlwollen.
Nachdem wir uns etwas erfrischt, begaben wir uns nach der Bibliothek;
sie ist in einem geräumigen, durch zwei Stockwerke gehenden Saale
aufgestellt. Die Decke ist mit Stucco und Fresken geschmückt, der
Fußboden ist Marmor, die Bücherschränke bestehen aus braungebeiztem
Holze, das reich geschnitzt und mit Vergoldung geziert ist. Um das
Ganze läuft eine Galerie, auf welche in der Ecke Wendeltreppen
führen. Auf den in der Mitte angebrachten Tischen stehen Erd- und
Himmelskugeln. Daneben befindet sich ein ~Gemach~, das nicht minder
stattlich eingerichtet ist und die Incunabeln und Handschriften enthält.
Vor Allem zeigte uns der Freund die von dem Pater Vincenz Werl überaus
fleißig und sorgsam gearbeiteten Verzeichnisse der hier verwahrten
gelehrten Schätze; das der Handschriften umfaßt drei Bände, die ich mir
zu näherer Durchsicht erbat und mit auf mein Zimmer nahm.
Wir gingen abermals zu dem Herrn Abt und begaben uns sodann mit diesem
in das Winterrefectorium, einen geräumigen gewölbten, geschmackvoll im
älteren Styl gemalten Saal. Oben quervor steht die Tafel, an welcher
der Abt mit den Gästen und den älteren Beamten des Stifts sitzt. Eine
andere, für die jüngeren Herren bestimmte Tafel steht der Länge nach.
Wir traten ein, die Benedictiner reihten sich zu beiden Seiten längs
der Wand, und der Prior begann das Gebet, in welches abwechselnd die
übrigen, auch der Abt einstimmten. Darauf nahm man Platz, der meinige
war zwischen dem Abt und dem Prior. Mir gegenüber saßen der Kämmerer
des Stifts, der bekannte Geschichtforscher Friedrich Blumenberger und
der Secretär des Hauses Pater Heinrich. Der Abt bedeutete, daß wir
heute gerade einen Fasttag getroffen; wir versicherten jedoch, daß die
Fischcoteletts unserem Appetit vortrefflich zusagten. Das Gespräch bei
Tische wurde mit jener Mäßigung geführt, welche stets das Zeichen einer
guten Gesellschaft ist.
Die Tafel wurde mit Gebet geschlossen. Die Väter entfernten sich meist,
wir blieben mit dem Abt und unserm Freunde, der die Würde des Subpriors
bekleidet, noch eine Weile bei einem Glase Wein sitzen. Dann geleitete
uns der Freund durch die langen marmorbelegten Corridore nach unserem
Zimmer.
So waren wir denn im Kloster. Mein Begleiter warf sich gar bald dem
Schlaf in die Arme, ich saß noch beim Lichte und genoß die wahrhaft
heilige Stille und Ruhe, die hier oben, hoch über dem städtischen
Getreibe herrschte. Man vernahm nur das Rauschen des Mühlbachs, der
unten im Thale bei Furth thätig war, und den Laut des Windes, der die
Wipfel der Kiefern zu unseren Füßen aus dem Traume scheuchte.
Wie stach dieser Aufenthalt ab gegen den auf dem Dampfschiffe und in
der Cajüte desselben, wo 30 Menschen in einem Raum zusammenstaken, der
30 Fuß lang und 12 Fuß breit, aber höchstens 8 Fuß hoch war. In dem
Stifte von Göttweig wohnen etwa 30 Väter; dann leben dort der Apotheker
mit seiner Familie, die Oekonomen, die weltlichen Diener, Beamten und
andere, die hier Beschäftigung finden, etwa 70 Köpfe, so daß im Ganzen
an 100 Menschen den Gipfel des Berges innehaben.
Die Gebäude sind überaus stattlich, durchgängig steinern und massiv
erbaut. Ueberaus prachtvoll ist die große Treppe, deren Wände weiß
und goldverziert sind. Die Decke schmückt ein colossales Freskobild
von Troger, den Sieg der Wahrheit und die Apotheose Kaiser Karls VI.
darstellend. Die langen, breiten und hohen, mit ansehnlichen Fenstern
erleuchteten Corridore sind mit Gemälden verziert. Einige derselben
stellen Scenen aus dem Leben des heiligen Benedict dar, gemalt von
Hötzendorffer, der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts im Kloster
und von demselben lebte. Hötzendorffer war Landschaftmaler, und seine
legendarischen Bilder sind auch vorzugsweise höchst genial ausgeführte
Landschaften, in denen der Heilige und seine Genossen nur als Staffage
erscheinen. In einem der Corridore sieht man die Bilder einiger
Aebte, von denen mich das des würdigen ~Gottfried Bessel~ am meisten
interessirte. Das Stiftsgebäude ist sehr umfangreich, sein Grundriß
ist von der Gestalt des Berges bedingt. Die nach der Donau gerichtete
Seite ist befestigt. Die Kirche befindet sich in der Mitte des Ganzen.
Das Stift ist jedoch noch nicht vollendet, und der Theil, welcher
gegenwärtig noch unscheinbare Wirthschaftsgebäude enthält, sollte eine
stattliche Façade darstellen und den Hof umschließen, dessen Glanzpunkt
die Kirche gebildet haben würde, deren Thürme noch nicht beendigt sind.
Im Jahre 1718 brannte das Stift ab; Abt Gottfried hatte einen Plan
entworfen, den er nach Wien einsandte. Kaiser Karl VI. fand denselben
jedoch der Bedeutung des Stifts keineswegs angemessen. Er ließ durch
seinen Hof-Baumeister Lucas von Hildebrand einen anderen herstellen,
und der Abt begann nach diesem den Bau. Er hatte die Absicht, die
eigentlichen Wohnstätten zuletzt auszuführen, da er die Ueberzeugung
hatte, wenn nur erst das dulce hergestellt, werde sich das utile schon
von selber finden. Allein der Convent war anderer Ansicht, und diesmal
wurde das Nothwendige dem Schönen vorgezogen. Am 2. Juli 1719 legte
Abt Gottfried den Grundstein, 1720 erhob sich die Ostseite des Hauses,
und am 8. Nov. 1724 konnte der Convent einziehen. 1728 vollendete der
Hausmaler Pyß das Deckenbild des Sommerrefectoriums, 1743 malte Troger
die Decke der Treppe. Abt Gottfried starb 1749, Mittlerweile waren die
unseligen Schlesischen Kriege in Gang gekommen, welche eine so große
Fülle von Elend in ihrem Gefolge hatten. Der Bau des Stiftes gerieth
ins Stocken, und noch heute steht die Abtei Göttweig unvollendet
da, eines der unzähligen Denkmäler jener Zeit der Zerrissenheit der
deutschen Nation und des unfruchtbaren Ehrgeizes ihrer Glieder.
Sonnabend, den 13. September, war ich bei guter Zeit am Schreibetisch,
um mir aus dem ~Verzeichnisse der Handschriften~ Notizen zu machen.
Der erste Band desselben enthält eine fleißige Zusammenstellung des
Wissenswürdigsten aus der Handschriftenkunde, nebst einer Darstellung
der ältesten, in Göttweiger Manuscripten vorkommenden Papierzeichen,
woran sich dann das Verzeichniß der alten bis zum 16. Jahrhundert
reichenden Handschriften schließt. Der zweite Band ist vorzugsweise
durch die Beschreibung des gelehrten Apparates des Abts Gottfried
gebildet, den dieser zu Herstellung des _Chronicon Gott vicense_
brauchte. Der gelehrte Verfasser des Katalogs, Pater Vincenz Werl,
gegenwärtig Hofmeister des Göttweiger Hofes in Wien, hat einen Abriß
der Lebensgeschichte des Abtes Gottfried beigefügt. Die Ordnung der
Bessel’schen Papiere ist ebenfalls sein Werk. Zu beachten ist dabei,
daß Pater Vincenz bei seiner schwierigen Arbeit durchaus nicht mit der
Fülle von Hülfsmitteln versehen war, die bei derartigen Arbeiten so
wünschenswerth sind.
Unter den Handschriften finden sich freilich keine Schätze ersten
Ranges; nur wenige reichen, wie das Psalterium (2.), in’s 9. und, wie
die Tironischen Noten, in’s 16. Jahrhundert. Indessen bieten doch die
800 Bände manchen schätzbaren Beitrag zur Literatur des Mittelalters.
Vor Allem zeigen sie, welchen ausdauernden Fleiß die Benedictiner
in ihren literarischen Arbeiten hatten; in der einen Handschrift
befindet sich das Verzeichniß der Bücher, welches Bruder Heinricus
der Kirche zubrachte. Die Manuscripte gehören zumeist der kirchlichen
Literatur an. Doch ist auch Anderes darunter, wie Marbod’s Gedicht von
den Edelsteinen, die _Mirabilia Romae_, Hermanns Chronik, Solinus,
ein Herbarium des 13. Jahrhunderts. Die _Gesta Romanorum_, Guido von
Columna, Walters Alexanderis, viele Schriften des Albertus Magnus, ein
deutsches Trojabuch, Gesundheitsordnungen, Büchsenmacherei u. dgl. Daß
die Marienliteratur und die der Legenden, Predigten u. dgl. zahlreich
vertreten ist, scheint ganz in der Ordnung.
Mich interessirte vor Allem die Lebensskizze Gottfried Bessel’s, welche
Vincenz Werl dem 2. Bande seines Handschriftenkatalogs vorangeschickt
hat. Abt Gottfried war unstreitig einer der bedeutenderen Prälaten
seiner Zeit und ein nicht minder gewandter Diplomat, als gründlicher
Gelehrter und thätiger Kunstfreund. Er war zu Buchheim am 5. Sept. 1672
geboren und muß eine gründliche Bildung genossen haben. Er war sehr
thätig bei der Bekehrung der braunschweigischen und mecklenburgischen
Fürsten und hatte deshalb viele Reisen unternommen. Seine gelehrte
Thätigkeit als Gründer einer nationalhistorischen Akademie in seinem
Stifte, deren Frucht das Chronikon, wovon leider nur zwei Theile
erschienen sind, ist allgemein anerkannt. Neu war es mir, daß Abt
Gottfried bereits in dem ersten Viertheil des vorigen Jahrhunderts
eine Trivialschule bei dem Stifte errichtet hat. Möchte es doch dem
Manne, der dazu unstreitig die meiste Befähigung und die nothwendigen
Hülfsmittel hat, Herrn Vincenz Werl, gefallen, eine ausführliche
Lebensbeschreibung dieses gelehrten Prälaten zu schreiben und dadurch
einen wichtigen Beitrag zur deutschen Culturgeschichte des 18.
Jahrhunderts zu liefern. Die bis jetzt gedruckten Nachrichten über Abt
Gottfried sind zu dürftig[2].
[2] _Ziegelbauer, historia literaria ordinis S. Benedicti
I. A. Fabricii bibliotheca mediae & inf. Latinitatis III._ 230. Neue
Beiträge zu alten und neuen theol. Sachen. 1751. S. 667, Jäck in
Ersch und Gruber’s Encyklopädie. _Museum Mazzucchelli_ S. 227.
Meine Arbeit ward oft unterbrochen, denn wenn die Sonne aus den Wolken
trat, ward ich nach dem Fenster gezogen, um die herrliche Aussicht zu
genießen, die sich hier darbot. Da sah man das prächtige Donauthal,
zur Linken das Städtchen Dürrenstein mit den über demselben am Berge
hangenden Trümmern der Burg. Unten an unserem Berge zeigte sich das
Städtchen Furth, mit dem Fernglase bemerkte man, was auf den Straßen
vorging, weiterhin Mautern mit dem spitzigen Steinthurme, umgeben von
Weingärten und Feldern. Dann erblickte man die Donaubrücke von 19
Jochen. Drüben aber an den waldbekrönten Rebenbergen streckten sich die
sauberen Städte Stein und Krems, zwischen denen das ehemalige Kloster
Und gelegen, in langer Linie hin. Nach der rechten Seite dehnte sich
das Grün der Landschaft in unabsehbarer Ferne an dem glänzenden Spiegel
der Donau dahin. Welche Wolkenbildungen, welche Lichtwirkungen gab es
da zu beobachten.
Beim Kaffee, zu welchem appetitliche Weißbrotschnitten gegeben wurden,
überraschte uns unser Freund. Er führte uns zunächst in die Kirche,
deren Chor außen noch die Ornamente des 15. Jahrhunderts an sich
trägt. Das Gebäude wurde beim Brande am 17. Juni 1718 von den Flammen
verschont. Schiff und Thürme sind modern, letztere nicht vollendet.
Das Innere der Kirche ist ganz in dem neueren, österreichischen
Kirchenstyle ausgeschmückt. Der bilderreiche Altar wird durch zwei
ein Frontispice tragende Säulen gestützt. Er ist überreich bemalt und
vergoldet. Die Chorstühle, so wie die Seitenaltäre zeigen ebenfalls
reiches Schnitzwerk. Decke und Säulen prangen in Stuccoornamenten und
Frescomalerei. Der Singechor trägt eine Reihe musicirender Engel;
dahinter glänzt die in drei Abtheilungen gebaute Orgel. Die Grabstätten
der letzten Aebte sind in den Abseiten des Chors. Nicht ohne innige
Ehrfurcht sahen wir die Marmorplatte, hinter welcher die Gebeine des
verdienten Abts Gottfried und die seines Nachfolgers Magnus Klein ruhen.
Wir begaben uns sodann in das ~Naturaliencabinet~, das ein achteckiges
Thurmzimmer einnimmt. Im Vorzimmer befindet sich das Modell des Werkes,
welches dem Stifte vom Fuße des Berges das nöthige Wasser zuführt, dann
aber auch ein, mit Florentiner Pietradura trefflich ausgelegter Schrank.
Die Naturaliensammlung enthält nur wenige zoologische Gegenstände,
einige Schädel, Mumientheile, Muscheln, Narwalzähne; desto schätzbarer
ist die Abtheilung der Mineralogie. Es sind nicht allein zahlreiche,
sondern auch ansehnliche und seltene Sachen, besonders Erze hier
beisammen. Der in der Nähe entdeckte ~Gurhofian~ oder dichte Bitterkalk
war natürlich in Prachtexemplaren vertreten. Da seit einigen Jahren
unter den Herren kein Mineralog vorhanden und mehrere neu dazugekommene
Stufen noch nicht bestimmt waren, so übernahm mein Begleiter eine
Durchsicht und Anordnung der Sammlung, wobei einige der Patres ihm
hülfreiche Hand leisteten.
Zu Mittag Punct Zwölf rief die Glocke die Brüder in das Refectorium;
wir holten den Herrn Prälaten ab. Wir waren nun schon ganz bekannt
mit unseren liebenswürdigen Herren Tischgenossen, die uns zum Theil
im Naturaliencabinet aufgesucht hatten. Der Prior, Pater Benedict
Wild, und der _Pater venerabilis_, ein alter, fast erblindeter Herr
von 84 Jahren, vernahmen gern sächsische Nachrichten, während Pater
Blumenberger interessante Mittheilungen über die mit den zum Stift
gehörigen Ortschaften obschwebenden Ablösungsangelegenheiten machte.
Auch hier hat man dem Kloster Arges zugemuthet und seit dem Jahre 1848
jede Abgabe hartnäckig verweigert. Ja die Demokraten haben oft genug
aufgefordert, dieses Pfaffennest zu zerstören. Die Herren Patres sind
jedoch im Besitze von 6 dreipfündigen Kanonen und 60 gezogenen Büchsen,
mit denen sie die ihnen treuergebenen Klosterleute bewaffnet hatten.
Das Kloster ist nächstdem befestigt und war auf einen plötzlichen
Ueberfall genügend vorbereitet.
Nach Tische folgten wir dem Prälaten mit unserem Freunde und dem
Secretair, dem heiteren Pater Heinrich, auf sein Zimmer, um eine Tasse
Kaffee einzunehmen. Der Prälat bewohnt eine Reihe Zimmer mit der
Aussicht nach der Donau. Hier sind einige nette Kunstwerke aufgestellt,
namentlich ein Crucifix aus Elfenbein von besonderer Schönheit,
eine heilige Magdalene von Van Dyk und mehrere gute Portraits von
Mitgliedern des Hauses.
Wir begaben uns sodann in die Naturaliensammlung, wohin die schöne
Aussicht und die übrigen, noch vorhandenen anderweiten Merkwürdigkeiten
lockten. Es waren mehrere Richtschwerter hier aufbewahrt, deren eins
mit folgender Inschrift versehen war:
_DER-KAVFT-E-DAZ VAIL-1444.
WIRT . VNT. E . DAS . VERLORN . WIRT.
DER . STIRBT . E . DAS . ER . KRANCK . BIRT._
Daneben steht ein Rad. Auf der anderen Seite ist: der Galgen
eingeschlagen und der Name des Waffenschmieds oder des Besitzers:
_MICHAEL * PRUNER *_ Der Spruch muß unter den Scharfrichtern der
Donaulande sehr beliebt gewesen seyn, da wir denselben bereits in
Salzburg gefunden hatten. In einem der Mineralienkästen sah man eine
viereckige Flasche mit engem Halse, in deren Inneres ein ganzes
Bergwerk aus mehreren Stockwerken eingebaut war. Die Bergleute hatten
die alte sächsische Tracht und rothe Hosen. Das eigenthümliche Werk
stammte jedenfalls aus dem vorigen Jahrhunderte. Von einem Hüttenwerke
waren nur noch Trümmer vorhanden. Nächstdem gab es Bezoarsteine,
seltsam gestaltete Wurzeln, Mosaiken, Korallen und andere Curiosa, die
man ehedem als Verzierung der Naturaliensammlung aufstellte.
Ich ging dann mit dem Collegen in die Bibliothek und ließ mir die
Handschriften vorlegen, die ich mir in dem Katalog ausgezeichnet hatte.
Es sind sehr schätzbare Sachen, namentlich Kirchenbücher, vorhanden.
Ich bemerkte als ein Prachtstück ein nautisches Werk, auf dickes
Pergament gezeichnet und in der bekannten Art der Portolanen schön
mit Farben und Gold erhöht: _Christoph. Eusenii Sacerdotis descriptio
Archipelagi & Ciclarum aliarumque insularum_ vom Jahre 1422. Dabei
befanden sich aber auch noch Karten von Sicilien, Sardinien, Corsika
und England. Das Ganze war trefflich erhalten.
Noch schöner ist Nr. 453, ein Breviarium des 15. Jahrhunderts, auf
Pergament mit flandrischen Miniaturen und Randmalereien von der
höchsten Zierlichkeit und Vollendung. Unter den ersteren zeichnet sich
ein _Ecce homo_ aus, dann ein Blatt, das den schwarzen Tod auf einem
schwarzen Elenn mit schwarzer Sense darstellt, der die Päpste und
Fürsten abmähet. Die Randleisten zeigen Feldblumen, Safran, Erdbeeren,
dann auch Vogelkäfige in den reichsten Arabesken.
Wir sahen dann einige der zahlreichen Bände durch, welche den Apparat
zu dem _Chronicon Gotvicense_ bilden. Diese Bände enthalten unter
Anderem auch die überaus sorgfältig auf Wachspapier ausgeführten
Durchzeichnungen der Urkunden, die Abt Gottfried in Kupfer stechen
ließ. Hier wird ferner die umfangreiche Correspondenz dieses gelehrten
Prälaten aufbewahrt. Diese zahlreichen Briefe, Blätter und Hefte hat
der überaus fleißige Pater Vincenz Werl auf das Gewissenhafteste und
Trefflichste geordnet, numerirt und verzeichnet. Darunter finden
sich auch deutsche poetische Versuche Bessel’s, die gewiß für die
Charakteristik desselben höchst wichtig sind.
Als es dunkelte, kam Pater Wilhelm mit meinem Sohne in die Bibliothek,
aus der ich mir einen Miscellancodex auf mein Zimmer nahm, der eine
deutsche poetische Bearbeitung der Legende von der heiligen Catharina
enthielt.
Wir spazierten noch ein wenig ins Freie, besahen die älteren Partieen
des Hauses, die gegenwärtig von den Oekonomen benutzt werden, und
gingen außen herum. Von hier aus sieht man den steilen Berg hinab
in ein liebliches Thal, das den Brunnen enthält, welcher das Stift
mit Wasser versorgt. Dort unten ist eine Mühle, ein Dörflein, die
Geburtsstätte des Herrn Prälaten, und ein Kirchlein, bei welchem die
verstorbenen Brüder ihre letzte Ruhestätte finden.
Wir traten nun an die massiven Festungswerke, die in der That
unersteiglich scheinen, da der Berg hier überaus steil abfällt. Es ist
diese Nordseite ziemlich felsig und unfruchtbar. An einigen Stellen
steht der Granit zu Tage. Hier ist die Aussicht nach Dürrenstein sehr
schön.
Wir kehrten, da ein Regenwetter aus Nordost heranzog, in das Haus
zurück und begaben uns in das neben dem Refectorium gelegene
Billardzimmer, dessen Wände mit einer kleinen Bildergalerie verziert
sind. Wir fanden hier den _Pater venerabilis_ Victorinus, der in den
Kriegsjahren um 1809 eine dem Stifte gehörige Pfarrei innehatte. Er
erwähnte, daß damals ein königl. sächsischer Hauptmann bei ihm im
Quartiere gelegen, der ihm gegen die Anforderungen der Kriegsvölker
schützende Abwehr geschafft habe. In jenen Tagen litten die Stifter
Oesterreichs außerordentlich. Die französischen Soldaten richteten
besonders in den Weinkellern gewaltige Verheerungen an. Dem Kloster
Göttweig hätte die Ehre, Napoleon einige Stunden zu beherbergen, fast
den Untergang gebracht. Der Kaiser hatte sich in den Kaiserzimmern
mit einigen Generalen über die Operationen berathen. Da bemerkt
ein Adjutant, daß die mit Tapeten bekleideten Wände hohl sind, und
beschuldigt die Väter, daß sie dem Kaiser diese Zimmer in der Absicht
angewiesen, um in den hohlen Wänden einen Horcher aufzustellen. Man
überzeugte jedoch die kriegerischen Gäste von der Nichtigkeit dieses
Verdachtes. Der gute Vater Victorin erzählte noch manchen Zug aus den
unheilvollen Kriegsjahren, bis wir, dem Rufe der Glocke folgend, uns in
das Refectorium begaben.
Es waren bei dem Herrn Prälaten eben Briefe aus Ungarn eingegangen, wo
das Stift Göttweig ansehnliche Besitzungen in dem Kloster ~Zalavar~
inne hat. Dieses Gebiet ist von bei Weitem größerem Umfange als das,
welches es in Oesterreich besitzt. Der Abt sprach die Hoffnung aus,
daß, wenn nur erst die nächsten Folgen der Revolution beseitigt und
der Anbau jenes reich begabten, fruchtbaren Landes in ernsten Angriff
genommen worden, dem Staate sich dort ganz frische Quellen des
Einkommens eröffnen würden. Das größte unter den äußeren Hemmnissen sey
der Mangel an Straßen und anderen Verkehrsmitteln. Der Prälat besucht
von Zeit zu Zeit jenes Stiftsgebiet. Das Gespräch wandte sich nun noch
den Erlebnissen der Jahre 1848 und 1849 zu; der Abt war damals zu
Wien bei dem Reichstage anwesend, umgeben von den Schrecknissen der
Revolution. Wir saßen noch lange in der Besprechung damaliger Zustände
und in gegenseitigen Mittheilungen der Einzelheiten.
Sonntag, den 14. September, begab ich mich zeitig an den Schreibtisch.
Draußen tobte der Sturm und warf Regenströme an die Fenster. Ich begann
die Copie der Legende der heiligen Catharina aus der wohlerhaltenen,
zierlichen Pergamenthandschrift. Unser Freund erschien nach dem
Frühstück und fragte an, ob wir wohl geneigt wären, die Kirchenmusik
mit anzuhören; ich nahm den Vorschlag mit Dank an und bat nur, daß
man uns in der Kirche einen Platz anweisen möge, wo wir durch unsere
Gegenwart keine Störung verursachen könnten. Bald darauf klangen die
wohlgestimmten Glocken der Kirche, durch die Wolken brach sich ein
Sonnenstrahl Bahn. Vom Corridor aus sah man Landleute zur Kirche
schreiten. Halb Zehn erschien unser Freund und geleitete uns auf
das Musikchor; hier saßen einige der Herren Benedictiner mit ihren
Streichinstrumenten bereits an den Pulten; der eine spielte Cello,
ein alter achtzigjähriger Herr handhabte den Violon, vor den Pauken
saß Pater Paulus, ein ebenfalls schon sehr bejahrter Herr. Nächstdem
verstärkten einige Laien die Musik. Der _Regens chori_, Pater Hermann,
stand bei dem Chor der Knaben.
Die Messe war von Michael Haydn und wurde von den Mitwirkenden mit
wahrer Meisterschaft ausgeführt. Die Krone des Ganzen war meinem Gefühl
nach das Ave Maria von Michael Haydn. Wir verließen mit herzlichem
Dank für diese musikalische Anregung sodann die Kirche, deren Altar
sich heute im reichen Kerzenschimmer überaus stattlich ausnahm. Das
Presbyterium oder der hohe Chor ist um 13 Stufen über dem Schiff der
Kirche erhöht, so daß die im Schiffe versammelten Andächtigen die
heiligen Handlungen fortwährend im Auge haben.
Wir begaben uns hierauf in dasjenige Thurmzimmer, welches die
Alterthümer, die Münzen und die Kupferstiche enthält. Wir sahen
zunächst die Münzen. Besonders zahlreich und vollständig sind die
römischen vertreten, unter denen wir Prachtexemplare in Gold und Silber
fanden. Doch fehlt es auch nicht an jenen griechischen Goldmünzen,
welche als wohlerhaltene Kunstwerke erscheinen. Man zeigte uns ferner
eine große Anzahl mittelalterlicher Bracteaten, dann wohlbesetzte
Reihen größerer Medaillen in Silber, dabei auch die auf Gottfried
Bessel mit der Ansicht des Klosters (siehe das Titelblatt).
Wir vernahmen die Mittagsglocke und eilten nach dem Refectorium; auf
dem Corridor trafen wir den Herrn Prälaten. Heute zum Sonntag ward ein
Gericht mehr aufgetragen, auch nach dem Essen Kaffee servirt. Nach
Tische begaben wir uns in das Billardzimmer, um die hier aufgehängten
Gemälde näher zu betrachten. Es sind meist Genrebilder und Landschaften
der deutschen und niederländischen Schule. Ersterer gehört ein Mann
in der Tracht des 16. Jahrhunderts, der den Virgilius studirt,
letzterer eine überaus eigenthümliche Allegorie. Auf einem Pulte liegt
ein geschlossenes Buch in einem jener leichten Pergamentbände, wie
sie im 17. Jahrhunderte in Spanien und den spanischen Niederlanden
üblich waren. Daneben steht ein Messingleuchter mit Lichtscheere und
einem ziemlich niedergebrannten verlöschten Lichte. Dahinter machen
sich Urnen, ein Todtenkopf, bronzene Münzen und Lampen bemerklich,
wie die Ausgrabungen altrömischer Culturstätten sie liefern. Durch
eine geöffnete Thüre blickt man in ein antiquarisches Museum. An
der Wand des ersten Zimmers sind Bilder aufgehängt, eine ländliche
verliebte Scene, ein betender Mann, eine Landschaft und ein Alchymist.
Wir versuchten die Deutung dieser Zusammenstellung. Einer der
Alterthumsfreunde, wie sie seit dem 16. Jahrhunderte am Niederrheine
und in den Niederlanden durch die dort gefundenen Römerdenkmale
herangebildet wurden, scheint hier seine Lebensansicht bildlich
ausgedrückt zu haben. Er bekümmerte sich nicht um die durch Kriege
zerrissene Gegenwart, sondern zog sich in die frühe Vorzeit zurück,
der er in seinen bescheidenen Räumen einen Tempel errichtet hatte.
Die Freuden der Liebe hatte er an den Nagel gehängt, ebenso die
kostspieligen alchymistischen Versuche und die von umherstreifenden
Kriegsleuten unsicher gemachten Landschaften. Wir waren zweifelhaft,
was das Bild des Betenden bedeute. Nicht unwahrscheinlich ist, daß
jener Zeitgenosse von Chevalier, Smetius, den Scaligern und anderen
Philologen zu einem geheimen Cultus der olympischen Götter geneigter
war als zu der Befolgung der vom Staate anerkannten Gebräuche.
Unter den hier aufgehängten Bildern hatte man zwei Landschaften mit
Wasserfällen früher als Salvator Rosa bezeichnet. Vorzüglich waren zwei
reiche Fruchtstücke mit Kürbis und Melone. Von den übrigen nenne ich
nur Landschaften von Brand, 1789, kleine Scenen von dem fruchtbaren
Kremser Schmid, dann ein Frühstück, Punsch, Champagner und Weintrauben,
überaus fleißig ausgeführt. Es fehlte nicht an Aquarellen. Die ganze
Sammlung mag etwas über 100 Nummern haben. Sie ist erst in neuer Zeit
zusammengestellt worden und lag früher unbeachtet in abgelegenen Räumen
wild durcheinander.
Von hier begaben wir uns abermals in das Thurmzimmer zu den Münzen
und Kupferstichen. Diese kostbare Sammlung füllt über 200 Bände,
und die deutsche Schule allein hat 12000 Blätter, über welche Pater
Vincenz Werl ein sorgfältiges Verzeichniß gefertigt hat. Hier zeigte
man uns einen ganz eigenthümlichen Calender, einen Prachtband, der
12 Doppeltafeln enthält, welche die in Email ausgeführten Bilder der
Calenderheiligen vorstellen.
In dem Vorzimmer sind viele Reliefs in Marmor, Alabaster und
Bronze aufgehängt. Ein Schrank enthält Majolicagefäße, gemalte und
geschliffene Glasbecher, Elfenbeinkrüge, Becher, die aus Nautilus
und anderen Muscheln gebildet sind; man sieht hier ferner allerlei
orientalische Messer, Handschare, Jagdblätter, Dolche, Schuhe,
Specksteinfiguren, eine Corda; dann sind mehrere kleine vorrömische und
römische Gefäße vorhanden, die in hiesiger Gegend ausgegraben werden,
unter anderen eine Framea, ein Legionstein mit der Inschrift: _LEG.
II. PR. I._ und einem strahlenumgebenen Mithraskopfe, dann aber auch
eine große Anzahl römischer Urnen und Gefäße von der bekannten, in
den Grenzprovinzen üblichen Gestalt. Zu den Seltenheiten des Cabinets
gehört eine Holztafel, die mit byzantinischem Schnitzwerk bedeckt ist.
Während nun mein Gefährte in die Naturalienkammer sich begab, um dort
seine Arbeit fortzusetzen, schrieb ich fleißig an meiner Legende, bis
die Dämmerung mich aufzuhören nöthigte und der Freund uns in das Zimmer
des _Regens chori_ geleitete.
Hier war Kammermusik. Einige der Herren spielten ein Quartett von
Mozart auf. In dem großen, hohen Zimmer nahm die Musik sich trefflich
aus, zumal da die wenigen Zuhörer, worunter ein alter weltlicher
Beamteter des Stiftes, sorgfältig jede Störung vermieden. Da konnte man
so recht diesen Tönen folgen und dem bunten Leben, das sie entwickeln.
War doch dieses Quartett ein Blick in das menschliche Leben. Die vier
Instrumente stellten gleichsam vier Personen dar; die erste Violine
einen jungen Menschen, dessen unbestimmtes, extravagantes Wesen immer
oben hinaus will und dem die zweite Violine gar zu gern Gesellschaft
leistet. Das Cello lenkt aber immer wieder mit unablässiger Milde
und Geduld in die rechte Bahn hinein, und es sendet oft die Bratsche
nach, die ihn zurückzuführen sich bemüht, bis er denn am Ende mit den
älteren Gefährten willig geht und alle Viere in schöner Harmonie dahin
schreiten.
Diese Saiteninstrumente haben nun freilich den Vorzug größeren
Ausdrucks. Der Künstler bildet und schafft die Töne selbst, er kann,
wie Pater Heinrich sagte, mit dem Herzen spielen, und somit dringen
auch seine Töne wieder zum Herzen.
In den Pausen kamen auch allerlei Erlebnisse zur Sprache, welche die
Herren sowohl in ihrer Jugend in den Seminarien, als später in ihrer
Stellung als _Regentes chori_ erlebt hatten. Bei dem Stift Göttweig
besteht nicht allein eine Lehranstalt für junge Theologen, sondern es
ist auch hier eine Schule, ein Alumnat für die Sängerknaben des Chors.
Pater Heinrich war früher Vorsteher derselben gewesen, Pater Rudolf
darin erzogen worden. Wie überall ist auch hier die liebe Jugend gleich
der ersten Violine zu allerlei Unfertigkeiten und Tollheiten geneigt.
Auch hier hält sie gleich den Kletten zusammen und duldet keinen
Verrath.
Pater Wilhelm erzählte eine Geschichte, die sich vor geraumer Zeit in
einem der österreichischen Seminare zugetragen: Einer der Seminaristen
hatte den Urheber einer Tollheit dem Lehrer verrathen. Da beschließen
seine Cameraden, demselben eine Strafe angedeihen zu lassen, die an
die Handlungen der alten Vehme erinnert. Das Loos sollte Denjenigen
bestimmen, der an dem Delinquenten dieselbe zu vollziehen habe. Man kam
überein, daß Keiner dem Anderen sagen solle, ob und welches Loos er
gezogen. Die Zeit der Rache naht, die Mitternachtstunde schlägt. Der
ganze Cötus erhebt sich auf einmal aus den Betten, schreitet mit den
über den Kopf gehängten Bettdecken in feierlichem Zuge um das Bett des
Sträflings, so daß diesem vor Entsetzen schier das Blut in den Adern
gerinnt. Zuletzt tritt der vom Loos Gewählte an sein Bett heran und
versetzt ihm eine tüchtige Ohrfeige, worauf Alles wieder in die Betten
fährt. Es war unmöglich, den Thäter zu ermitteln.
Indessen rief die Glocke zur Abendtafel, wo noch anderweite Geschichten
dieser Art uns lange versammelt hielten, so daß wir ziemlich spät erst
zur Ruhe gelangten.
Die folgende Nacht brachte argen Sturm und heftige Regengüsse, der
Morgen des 15. Septembers aber in dem Donauthale ein wundervolles
Himmelschauspiel. Der scharfe Ostwind trieb von der Wiener Gegend
eine gewaltige Wolkenmasse herein, die uns den Anblick der jenseits
der Donau gelegenen Berge theilweise verdeckte. Diese waren von der
Sonne beleuchtet und glänzten, wenn die Wolken einmal rissen, dahinter
hervor. Dann drehte der Wind die Spitzen der Wolken zusammen, so daß
sie sich ballten. Wie sie dem Klosterberge naheten, sprühete ein feiner
Regen daraus hervor.
Ich beendigte mittlerweile meine Abschrift der Catharinenlegende. Dann
aber führte uns der Freund abermals in die Kirche, wo wir uns die
Gemälde und die hinter dem Altare angebrachte Capitelstube ansahen, in
deren Mitte ein unter dem Fußboden befindlicher Ofen angebracht war.
Diese unter dem Fußboden gelegenen Oefen, wie sie ehedem in römischen
Gebäuden und heute noch in China üblich, sind ohnstreitig überaus
zweckmäßig, und es ist unbegreiflich, warum sie in der bürgerlichen
Baukunst von Mitteleuropa gar keinen Eingang haben finden wollen.
Wir sahen dann in einer halbunterirdischen Vorhalle die aus rothem
Marmor gearbeiteten Grabsteine der älteren Aebte, die jedoch nicht über
das 15. Jahrhundert hinausgehen. Wir gingen darauf in die Apotheke.
Sie ist überaus stattlich eingerichtet und mit der Büste eines Pferdes
verziert, das an der Stirn ein prachtvolles Narwalhorn trägt. Ein
anderes, nicht minder schönes Exemplar wird nebenher aufbewahrt. Es
waren außerdem noch mehrere Haifische und Schildkröten aufgehängt. Die
Gefäße befanden sich im besten Stand.
Hinter der Apotheke ist der Ueberrest des vom Feuer verschonten
Kreuzganges, den der Apotheker für seine Zwecke benutzt. Auch hier
sahen wir noch mehrere Inschriften, die Erbauungsjahre andeutend,
und Grabsteine, unter denen sich der eines Abtes vor allen durch
treffliche Arbeit auszeichnete. Er hatte jedenfalls ehedem auf einer
Tumba gelegen, stand jetzt aber an der Wand. Der alte geistliche Herr
war in seiner Amtstracht dargestellt, mit Mütze, Handschuhen und Mantel
bekleidet und auf das Paradebett hingestreckt. Der Stein war gemalt,
übrigens aber, bis auf die Nase, ganz wohl erhalten. Ich drückte
dem Freunde den Wunsch aus, daß man doch diese ganz interessanten
Kunstdenkmale sammeln und irgendwo vereinigt der Betrachtung
darbieten möge. So im Getriebe des Verkehrs sind sie doch nur steten
Beschädigungen ausgesetzt.
Von hier begaben wir uns in die sogenannten Kaiserzimmer, zu denen
von dem Sommerrefectorium eine Thür führt. Das erste derselben ist
mit gewirkten Tapeten von Arras bekleidet, welche niederländische
Landschaften mit Bauerstaffagen darstellen. Die venetianischen Spiegel
sind mit prachtvollen Rahmen versehen. In dem zweiten Zimmer herrscht
mehr moderner Geschmack, man sieht darin die Büste des Kaisers
Alexander von Rußland und die Oelgemälde des Kaisers Ferdinand und
seiner Gemahlin. Die Stühle sind ebenfalls mit gewebtem Zeuge überzogen
und die Darstellungen mit französischen Devisen illustrirt. Wir begaben
uns von da in ein anderes Thurmzimmer, das eine reizende Aussicht
nach Dürrenstein, Stein, Krems und der Wiener Gegend darbietet. Eine
Eigenschaft, die sämmtliche Zimmer des Stiftes theilen.
Nach Tische wurde zuvörderst bei dem Herrn Prälaten der Kaffee
eingenommen. Darauf hatte mein Sohn die Ehre, demselben die von ihm
heute beendigte Aufstellung der Mineraliensammlung zu zeigen. Bei
dieser Gelegenheit wurde nun manches der werthvollen Stücke, an denen
die Sammlung so reich ist, in näheren Augenschein genommen und die
Eigenthümlichkeiten desselben betrachtet.
Wir begleiteten sodann unsern Freund auf sein Zimmer, wo wir die in
einen Prachtband vereinigten vier ältesten Denkmale der Buchdruckerei
betrachteten. Er zeigte uns ferner seine entomologischen Sammlungen und
seine literarischen Apparate. Die Herren sind ganz gut untergebracht.
Ein Jeder hat ein größeres und ein kleineres Zimmer, ganz nach eigenem
Geschmack eingerichtet, wo er seine Apparate beisammen hat.
Wir begaben uns sodann in die Keller des Stiftes, die sehr geräumig
und der Größe der ganzen Anstalt entsprechend sind. Von hier stiegen
wir auf den einen Kirchthurm, um die ansehnliche Glocke in Augenschein
zu nehmen. Die Thürme der Kirche sind freilich nicht ausgebaut, man
hat ein Dach aufgesetzt, um das Gemäuer gegen das Wetter zu schützen.
Eben so fehlt auch die Kuppel, die man der Kirche zugedacht. Wäre der
ganze großartige Plan ausgeführt worden, so würde die Abtei Göttweig
unstreitig eines der stattlichsten Gebäude in Deutschland geworden
sein. Wie jetzt die Sachen stehen, dürfte kaum daran zu denken seyn,
daß eine Vollendung jenes Planes je Statt finden werde. Die moderne
Zeit hat eine anerkennenswerthe Geschicklichkeit im Zerstören und
Verfallen. Zum Erhalten fehlt ihr die liebreiche Ehrfurcht für die
Absichten der Väter.
Wir sahen ferner die sechs Kanonen, welche als letztes Mittel
gegen rohe Gewalt hier in Bereitschaft stehen. Es sind freilich
nur Dreipfünder, allerdings gar sauber aus Bronze gegossen und auf
tüchtigen Gestellen -- aber wir sahen Gewaltige fallen, denen mehr als
sechs Dreipfünder zu Gebote standen.
»~Die Zeit der Stifte und Klöster ist vorüber.~« Dieses harte Wort
hörten wir mehrmals auf österreichischer Erde! Als wir bei Traunkirchen
mit dem Dampfschiffe vorüber fuhren, sagte ein vielgereiseter kluger
junger Mann hebräischer Abkunft: Die Pfaffen haben sich doch immer die
besten Plätze ausgesucht. Man muß sie ihnen abnehmen. Ich bemerkte
ihm, daß alle diese geistlichen Stifte Privateigenthum seyen, wozu
der Staat nie einen Heller gegeben, und daß es ein himmelschreiendes
Unrecht, wenn man die Hand darnach ausstrecke. Unsere Urväter haben
aus Dankbarkeit für die vielfachen, nicht blos geistlichen, sondern
auch oft sehr materiellen und reellen Nutzen bringenden Wohlthaten der
Kirche diese Stifte beschenkt. Sie rechneten darauf, daß die Urenkel
für ihre Stiftungen dieselbe Ehrfurcht haben würden, welche sie für
die Vermächtnisse ihrer Väter hatten. Die Mönche, denen sie Felder und
Gelder übergaben, unterrichteten ihre Kinder, schrieben und lasen ihre
Briefe und Urkunden, milderten ihren Zorn und ihre Wildheit, verklärten
ihr Gemüth, trösteten sie in Noth, Angst und Tod, pflegten sie,
wenn sie elend und krank waren, lehrten sie das wüste Land anbauen,
brachten ihnen aus der Ferne nutzbare Samen und Kräuter, schützten
ihre Unterthanen gegen ihren Jähzorn, unterrichteten sie in nützlichen
Künsten -- sie begruben ferner die Todten unserer Väter, erhielten das
Andenken derselben und waren ihre treuen Rathgeber und Freunde. Der
Jüngling konnte diese Thatsachen nicht widerlegen.
Die neue Zeit ist stark im Vergessen, daher ihre Undankbarkeit.
Es machten die sechs Dreipfünder einen gar traurigen Eindruck auf mich.
Sie kamen mir vor, wie Schienen an einem gebrochenen Arm, wie Binden an
einer Wunde.
Wir traten aus dem Thore und umschritten den Berg, da die Sonne eben
mild und freundlich, wie tröstend das Benedictinerstift bestrahlte.
Der Berg ist mit wohlerhaltenen Wegen umgeben, an denen hie und da
Ruhebänke angebracht sind. Unter den Kiefern suchten wir uns Blumen zum
Andenken an die Stätte, wo uns so viel Wohlwollen und Liebe zu Theil
geworden. Wir fanden noch blühende Erdbeerstauden. Weiterhin hütete ein
Hirt seine Schafheerde, begleitet von einem jener kolossalen Hunde, die
hier zu Lande heimisch sind und die unsere Bewunderung erregt hatten.
Wir gelangten zu einer felsigen Partie, die einen prächtigen Anblick
in’s Thal gewährte. Dann stiegen wir aufwärts zu einem Pavillon,
unter welchem sich der Ausfluß des aus dem Thale gehobenen Wassers
befindet. Nahe dabei ist auch die Bahn, auf welcher die Holzvorräthe
heraufgeschafft werden.
Wir traten dann an den, an der Südseite des Stiftes gelegenen
Blumengarten, wo die herbstlichen Astern bereits ihre Blüthe entfaltet
hatten. Nicht minder freute uns das muntere Leben, welches hier
eine allerliebste Katzenfamilie entwickelte, welche gemeinsam die
zierlichsten Arabesken um Blumenstengel und Rosenstämmchen bildete.
Wir begaben uns sodann in das gemüthliche Zimmer des _Regens chori_.
Die Freunde ergriffen die Saiteninstrumente und erfreuten uns durch
ein Trio von Beethoven, bis die Glocke zur Abendtafel rief, nach deren
Beendigung wir noch lange beisammen waren.
Dienstag, der 16. September, brachte einen schönen klaren Morgen
mit einem frischen Nordostwind. Wir waren eben am Kaffeetisch, als
es klopfte. Der Herr Prälat trat in Reisekleidern zu uns; er hatte
eine Berufsreise nach St. Pölten vor. Wir nahmen herzlichen Abschied
und drückten dem trefflichen Herrn unseren innigen Dank aus für das
liebevolle Wohlwollen, das er uns bewiesen hatte. Wir begleiteten ihn
an seinen Wagen, in den er mit dem Pater Kämmerer einstieg.
Ich begab mich sodann in das Sommerrefectorium, um das von dem genialen
Pyß ausgeführte Deckengemälde nochmals genauer in Augenschein zu
nehmen. Es stellt die Hochzeit zu Kanaan dar. Der Künstler hat da,
wo die Wände an die Decke stoßen, ein Geländer angebracht, hinter
welchem in antiken Baulichkeiten die Gestalten in frischen Farben
erscheinen. Er selbst ist über einer Thür, den Hut in der Hand und
flott herabgrüßend, zu sehen. Es ist eine kräftige lebensfrohe Gestalt.
Die Wände des Refectoriums sind mit Klosteransichten und den Portraits
von Franz I. und Maria Theresia geschmückt. Die Hauptbilder stellen
Göttweig dar, gemalt von Joh. Sam. Hötzendorffer, der in der Mitte des
vorigen Jahrhunderts in dem Kloster lebte. Das eine Bild zeigt das
Stiftsgebäude in der Gestalt, die es vor dem Brande gehabt, das andere
dasselbe in der Vollendung des großartigen Planes, mit ausgebauten
Thürmen und der Kuppel. Jedes dieser Gemälde ist über zehn Schritt
lang. Die kleineren Bilder stellen Landhäuser dar, die das Kloster in
der Nähe besitzt. Die Bilder sind mit großer Feinheit und Leichtigkeit
ausgeführt.
Von hier aus begaben wir uns abermals in die Kaiserzimmer, dann aber
in die bei der Kirche befindliche Schatzkammer, die nicht minder
schätzbare, aber doch meist moderne, aus dem vorigen Jahrhundert
stammende Schmucksachen besitzt. Die Monstranzen, Kelche, die
_Fistula Eucharistiae_, die silbernen Hände, die Abtstäbe, Ketten,
Weihrauchgefäße, dann die Festkleider, Infuln, Casulen u. s. w.
waren trefflich gehalten und in geräumigen Schränken aufgestellt. Am
interessantesten waren mir der alte, einfache Abtstab des Bischofs
Altmann und seine Gebeine, die in einem besonderen Behältnisse hier
aufbewahrt wurden.
Indessen schlug die Stunde des Abschieds. Der Diener meldete, daß
der Wagen bereit stehe. Die trefflichen Männer, die uns so viele
Freundschaft bewiesen, geleiteten uns die Treppe hinab, und wir stiegen
in den eleganten Wagen, den zwei kräftige Braune alsbald zum Thore
hinauszogen. Der Fahrweg umschließt den hohen Klosterberg in weitem
Bogen und gewährt schöne, reiche Aussichten in die Thäler. Wir kamen
durch das Städtchen Furth und rollten immer abwärts und vorwärts.
Göttweig zeigte sich nun in der Höhe, und wir sahen die Fenster unserer
Zimmer. Diesmal gelangten wir auch in das Innere von Mautern. Im
schönsten Sonnenschein fuhren wir über die breite Donaubrücke und bogen
dann in die lange Straße, welche die Stadt Stein bildet. Wir hielten an
der Hinterseite von Eder’s Gasthaus und entließen den treuen Fuhrmann.
Wir nahmen unser hier zurückgelassenes Gepäck in Empfang, besorgten die
Billets zum Dampfschiff und ließen uns auf dem, der Donau zugewendeten,
Balkon nieder, wo uns ein kräftiges Frühstück zur weiteren Fahrt
stärkte.
Vor uns lag, allerdings in namhafter Ferne, auf hohem Berge das
prächtige Benedictinerstift, wo wir so freundliche Aufnahme gefunden.
Wie gern hätten wir noch länger hier oben verweilt unter den so
kenntnißreichen, als wohlwollenden Männern. Wie manche Frage war uns
noch übrig, wie wenig hatte ich von den handschriftlichen Schätzen der
Bibliothek benutzen können.
Indessen war das Dampfschiff auf der Donau herabgeschwommen und legte
sich an’s Land. Wir stiegen ein und nahmen auf dem Verdecke Platz. Das
Schiff Marie Dorothea ward als besonders guter Segler geschildert.
Wir sahen so lange als möglich dem Stiftsberge nach -- endlich
verschwand er. Der Himmel umzog sich mittlerweile mit Wolken; der Regen
ward ärger, und wir mußten in die Kajüte flüchten, wo ich endlich von
dem Geschwirr der Durcheinanderredenden in festen Schlummer gebracht
wurde, bis mein Sohn mich benachrichtigte, daß der Regen nachgelassen.
Ich stieg wieder auf das Verdeck, in der Ferne erschien ein dunkler
Kirchenthurm -- es war der St. Stephansthurm von ~Wien~.
Bald war ~Nußdorf~ erreicht. An dem Ufer hielt eine Unzahl von Wagen,
Omnibussen und Fiakern, zwischen Gepäck, Waarenballen und Kohlenbergen
in der Straße. Gensdarmen schritten ordnend und beseitigend umher. Wir
nahmen einen Fiaker in Beschlag, das Gepäck ward aufgenommen, und wir
fuhren nun zwischen Landhäusern vorwärts, als es eben drei Uhr war.
Bald waren wir in der Vorstadt; an der Linie fragte ein Mauthbeamter,
ob wir Zollbares bei uns hätten, und als wir ihm erklärten, unser
Gepäck bestehe nur in Kleidern, gebrauchter und frischer Wäsche, hieß
er uns sofort weiter fahren. Ein Vertrauen, welches wohl Kapot und
Uniformmütze meines Sohnes hervorgerufen.
Wir kamen nun in lange Straßen, an stattlichen Gebäuden vorüber, fuhren
durch ein Thor und endlich über die Brücke nach der Leopoldstadt, und
in das Thor des goldnen Lammes. Der Fiaker hatte uns versichert, daß
wir kaum wo anders als hier ein Unterkommen finden würden, da eine
Unzahl Fremder in der Stadt wäre. Der Fiaker verlangte 4 Gulden, wir
sandten ihm drei durch den Portier und nahmen drei Treppen hoch ein
Zimmer mit zwei Betten ein. Nachdem wir rasch unsere Toilette gemacht,
traten wir die Wanderung durch die Stadt an.
Wir überschritten die hölzerne Ferdinandsbrücke, gingen durch das
rothe Thurmthor und gelangten in die überaus belebten Straßen der
Stadt. Wir hatten unser erstes Ziel, die Stephanskirche, bald erreicht
und umschritten dieselbe. Dieser Dom ist allerdings ein wundervolles
Bauwerk, vor Allem aber der Thurm, auf dessen reichen, organischen
Ornamenten das Auge behaglich von Bogen zu Bogen hinaufsteigt. Welche
Fülle von Einzelnheiten bei der so einfachen und sicheren Construction.
Wie ernst, altehrwürdig und doch wieder wie gut erhalten und frisch.
-- Immer kehrt aber das Auge zu dem Thurme zurück, der die meilenweit
um ihn sich erhebenden Gebäude allesammt überragt. Wir treten in
das Innere, dessen Verhältnisse dem Aeußeren entsprechen. Vor Allem
fällt nächst der außerordentlichen Höhe die gewaltige Breite auf.
Die Farbe der Säulen und Gewölbe ist ein von der Zeit geschaffenes
Dunkelbraungrau, welches dem Hervortreten des architektonischen Details
allerdings äußerst ungünstig ist.
Wir kehren auf den Platz zurück und bemerken bald den berühmten ~Stock
im Eisen~, eines der Wahrzeichen von Wien. Es ist dies ein Baumstummel,
der über und über dergestalt mit Nagelkuppen, aller Größe, überdeckt
ist, daß fortan kein neuer hineingeschlagen werden kann. Der Stock ist
dicht an einem Hause und mit einem eisernen Bande daran befestigt.
Durch Menschen und Wagen uns durchschiebend, gelangten wir auf den
Graben, wo wir vor allen Dingen einen Plan der Stadt Wien ankauften.
Wir bewunderten die überaus große Fülle und elegante Ausstellung der
Kaufläden. Da sah man zuvörderst die Aushängeschilder, nach denen die
Läden genannt sind, z. B. die Jungfrau von Orleans, die Erzherzogin
Sophie, die schöne Schweizerin, der Palatinus von Ungarn, der Fürst
Primas, wirklich künstlerisch ausgeführt und sorgfältig gepflegt,
dann aber hinter den colossalen Glasfenstern die kostbarsten Waaren
geschmackvoll geordnet. Uns fielen zunächst die Sachen aus Meerschaum
auf, unter denen, oben am Graben, ein Meerschaumkopf von ungemeiner
Größe prangte, der 500 Gulden kostete. Ein anderer, ebenfalls sehr
großer Kopf, zeigte eine Türkenschlacht; dabei sah man elegante
Cigarrenspitzen, auch kleine trefflich geschnitzte Statuen aus
demselben bildsamen Material. Die Läden der Gypsgießer waren nicht
minder reich ausgestattet und besonders wohlversehen mit Bildwerken
kleineren Umfanges. Daneben hielten uns die Ausstellungen der
Kunsthändler öfter fest, wo man immer das in Oel ausgeführte Bild des
jungen Kaisers findet. Daneben sind prächtige Goldschmiedgewölbe mit
den geschmackvollsten Arbeiten, die Läden der Waffenhändler, wo wir
genug Damascenerklingen bemerkten. Der Graben ist übrigens mit einer
Säule, ähnlich der Linzer, geschmückt. Auch befindet sich hier ein
besuchtes Kaffeezelt.
Wir schritten nun wieder über den Kohlmarkt. Auf allen Kreuzwegen
stehen Gensdarmen, welche die öffentliche Ordnung überwachen. Bei den
unzähligen Fiakern -- die innere Stadt hat deren allein 700 -- den
herrschaftlichen Equipagen, der hin- und hereilenden Fußgängern bemerkt
man daher doch nirgend ein Drängen oder Stocken, man wird nirgend
gestoßen und geschoben. Auffallend war mir, daß fast nirgend in den
Straßen Kinder zu sehen waren. Die Gensdarmen fanden wir immer bereit,
uns auf unsere topographischen Anfragen Auskunft zu geben. Soldaten sah
man verhältnißmäßig sehr wenig in den Straßen von Wien.
Wir gelangten nun über den sehr belebten Michaelisplatz, an das
imposante Gebäude der kaiserlichen Burg. Der Hof mit den gewaltigen
Portalen, zu deren Seiten colossale Statuen des Hercules, enthält eine
Wache der Grenadiere, vor welcher eine Batterie Geschütz aufgefahren
ist. In der Mitte befindet sich das eherne colossale Denkmal des
Kaisers Franz. Der Kaiser ist in antikem Costüm, zu seinen Füßen sind
die vier Tugenden -- das Ganze spricht jedoch nicht an, von keiner
Seite bildet es eine schöne Gruppe. Wir begaben uns aus dem Schloßhof
auf den freien Platz, und hier tritt uns das einfach schöne Burgthor
entgegen, von welchem die Inschrift: _Iustitia regnorum fundamentum_,
Kaiser Franz _I._ Wahlspruch, herabglänzt.
Wir wendeten uns zurück, durchschritten die Burg und betraten den
Josephplatz, der mir als einer der schönsten Plätze in Europa
erscheint. In der Mitte erhebt sich das schöne Denkmal Josephs II.
Der Kaiser sitzt in antikem Costüm, die Rechte segnend ausgestreckt,
auf einem Roß, das bei Weitem feinere Formen zeigt als das des Mark
Aurel auf dem Capitol; besonders schön ist das aus hellgrauem Granit
gearbeitete Piedestal. Wir konnten uns kaum von diesem schönen Platze
trennen, dessen Gebäude so bedeutende gelehrte Schätze enthalten.
Wir traten in das Michaeler Bierhaus, wo wir Officiere, Geistliche und
Männer aus den höhern bürgerlichen Ständen trafen, die bei einer Pfeife
Tabak oder einer Cigarre Zeitungen lasen und besprachen. Wir stärkten
uns mit vorzüglichem Roßbratel und schritten durch die wohlerleuchteten
und noch mehr belebten Straßen nach unserem Gasthofe zurück.
Mittwoch, den 17. September, waren wir schon zeitig auf den Beinen
und nahmen unseren Kaffee in dem unserem Gasthof gegenüberliegenden
Kaffeehaus ein, das bereits ziemlich gefüllt war. Trotz der kühlen
Luft saßen doch Herren und Damen vor demselben im Freien. Man bekommt
den Kaffee in Gläsern, die in einem Messing-Futteral stehen, und zwei
Küpfel, wofür man 10 Kreuzer entrichtet. An den kleinen Tischchen saßen
schon ämsige Zeitungsleser. In den inneren Sälen standen Billarde.
Unser erster Gang galt der Stephanskirche, die, je öfter man sie
betrachtet, an Interesse gewinnt, da man immer wieder Neues aus der
endlosen Fülle der Einzelnheiten herausfindet. Das bunte Dach, aus
glasirten Ziegeln, hat allerdings für den, der es zum ersten Mal
sieht, etwas Fremdartiges und erinnert an die Teppiche der Tiroler.
Indessen gewährt es doch dem Ganzen eine gewisse Milde und Heiterkeit.
Von hier wanderten wir durch die Straßen, deren treffliches Pflaster
aus Granittafeln von 8 Zoll Durchmesser gebildet und überaus sorgsam
gepflegt wird. Die zahlreichen Paläste und öffentlichen Gebäude
sind überaus reinlich gehalten und haben durchgängig hellen, meist
gelblichen Anstrich. Wir besuchten die Peterskirche, die mit einer
prächtigen Kuppel gekrönt ist, welche ein reiches Freskobild hat.
Das Innere der Kirche ist mit Marmor und Gold glänzend verziert.
Dann traten wir in die Augustinerkirche, einen einfachen, heiteren
gothischen Bau, der das berühmte Grabmal der Gemahlin des Herzogs
Albert von Sachsen-Teschen enthält. Es ist ein umfangreiches Werk
aus weißem Marmor, dessen Kern eine auf mehreren Stufen ruhende
Pyramide mit einem offenen Eingang bildet, welcher mehrere weibliche
und männliche Gestalten, eine Urne tragend, zuschreiten. An der Thür
ruht auf einem schlafenden Löwen hingestreckt, die zarte Gestalt des
fackeltragenden Genius trauernd. Die Arbeit ist, wie an allen Werken
Canova’s, meisterhaft. Glücklicher Weise wurde bei dem Brande und
Zusammensturz des Thurmes dieser Kirche das Innere nicht verletzt.
Wir gingen nun nach dem in der Spiegelgasse gelegenen Göttweiger Hof,
um einen Brief des Herrn Prälaten an den Hofmeister, Pater Vincenz
Werl, dessen trefflicher Katalog mir so nützlich gewesen, abzugeben.
Pater Vincenz empfing uns gar freundlich. Wir sprachen über die
Bibliothek des Stifts und die Geschichte desselben, namentlich den
Abt Gottfried Bessel. Auf meine Vorstellung, wie wünschenswerth eine
Lebensschilderung dieses Prälaten sei, vernahm ich mit Freuden, daß
Pater Vincenz, der so genau mit Bessel’s Arbeiten bekannt ist, nicht
abgeneigt zu einem derartigen Unternehmen ist. Wir sahen bei ihm eine
lithographische Ansicht des Stifts mit dem unter demselben gelegenen
Städtchen Stein und erhielten diese nebst einem Bronzeexemplar der
Medaille auf Abt Bessel, deren Rückseite ebenfalls das Stift darstellt,
zum Geschenke. Wir nahmen herzlichen Abschied von dem so gelehrten, als
wohlwollenden geistlichen Herrn und begaben uns nach dem Josephsplatze,
nachdem wir uns bei St. Michael für fernere Anschauungen durch ein
Roßbratel vorbereitet.
Wir traten in das Gebäude der ~Kaiserlichen Bibliothek~. Das stattliche
Treppenhaus ist mit römischen Inschriften verziert. Von da tritt man in
das Bureau, welches zu gleicher Zeit als Lesezimmer dient. Es ist ein
geräumiger Saal mit zwei Reihen Tafeln, die dicht mit Lesern besetzt
waren. Meine Freunde, die Herren v. Karajan und D. Ferdinand Wolf
waren auf dem Lande, doch verschaffte uns der Sohn des Letzteren, der
ebenfalls im Dienste der Bibliothek ist, einen Führer für den großen
Saal. Der Anblick dieses Saales ist nun allerdings überaus würdig und
großartig. Die Länge beträgt nicht weniger als 246 Fuß, die Breite 45
Fuß, die Höhe aber entspricht diesen Verhältnissen. Ueberaus prächtig
ist die _al fresco_ gemalte Decke, die freilich bei dem Brande im
October 1848 etwas vom Rauche geschwärzt worden ist, der von dem
brennenden Dache des Naturaliencabinets eindrang. Mächtige Marmorsäulen
tragen den gewaltigen Bau. Marmorstatuen, Erd- und Himmelskugeln stehen
in der Mitte, die Bücher ziehen sich in braunen Gestellen die Wände
entlang, durchweg in anständigen, ja prächtigen Einbänden. Das Ganze
macht den Eindruck einer Kirche, eines Tempels der Wissenschaften.
Ich gedachte der Männer, die hier gewirkt, Peter Lambricius, Kollar,
Kopitar, Johannes Müller, Denis u. a. In mehreren Pulten liegen unter
Glas die vorzüglichsten Schätze, wie die Peutinger’sche Tafel, der
Dioscorides, Otfried, Autographen von Tasso u. s. w. Unser freundlicher
Führer zeigte uns noch den Raum, wo ein Theil der 36,000 Manuscripte
steht. Viele der orientalischen waren in Cedernholz gebunden.
Mir lag daran, einen Totaleindruck des großen Ganzen zu gewinnen -- vom
Einzelnen konnte hier nicht die Rede seyn. Mein Zweck war erreicht, und
wir schieden von unserem Collegen, der mir noch einen Leitfaden für
diese Schätze zum Geschenk machte.
Wir traten in’s ~Antikencabinet~. Baron v. Sacken begrüßte uns
herzlich. Er war eben damit beschäftigt, die aus Hallstadt
eingegangenen reichen vorchristlichen Alterthümer zu ordnen. Es waren
höchst interessante Sachen, die doch von den in Deutschland jenseits
der Donau gefundenen und den nordischen wiederum verschieden sind.
Unter den österreichischen Funden fällt der Mangel an Steinwerkzeugen
auf; Bronze ist das herrschende Metall. Wir sahen hier schöne
Schwerter, wenige Frameen, dann einen Dolch, an dem die eherne Scheide
noch vorhanden; der Bronzegriff ist außerordentlich reich verziert,
die platte Klinge aus Stahl. Sehr reich sind die Schmucksachen, Arm-,
Hals- und Beinringe, so wie die bekannten Fibeln aus Bronze, worunter
jene, die, aus zwei zusammenhängenden platten Spiralen bestehend, mit
einem Dorn den Mantel auf der Brust zusammenhielt. Andere Fibeln sind
mit Glas verziert. Von gebranntem Thon, buntem Glas und Bernstein hatte
man Ketten und Halsgehänge. Es fehlte nicht an den langen Bronzenadeln
mit vollem Knauf, die theils als Haarnadeln, theils als Pfriemen zum
Nähen des Pelzwerkes dienten. Ein überaus seltsamer Schmuck ist ein,
an einem Stiel befestigter Bronzering, an welchem drei andere Ringe
und eine Menge Dreiecke an kleinen Kettchen befestigt sind. Unter
dem kleineren Geräth erscheinen Angelhaken und kleine Pfeilspitzen.
Von Gefäßen hat man große aus Bronzeblech zusammengenietete Kessel,
dann aber auch Kübel, Lampen und Schalen. Von den Schalen ist der
Rand der einen mit einer Reihe von je zwei Seepferden zwischen einer
Sonne umgeben. Die Bruchstücke irdener Gefäße zeigen reich punktirte
Linien. Die Steinsachen, ein durchbohrter Steinkeil und ein in der
Weise der Nordamerikaner mit einer Rinne umgebener Stein, dann einige
Schleifsteine, sind nur schwach vertreten. Eines der merkwürdigsten
Stücke des ganzen Fundes ist die kleine eherne Statue eines Mannes, der
mit emporgehobenen Armen und aufgerichtetem Haupte dasteht und in die
Klasse der Bronzen gehört, die ich auf der 19. Tafel meines Handbuches
der germanischen Alterthumskunde zusammengestellt habe.
Außer diesen merkwürdigen Sachen enthielt das Zimmer noch eine
Menge der interessantesten Bronzen, worunter allein siebzehn in den
Kaiserlichen Hochlanden ausgegrabene Erzhelme, von denen mehrere den
griechischen Helmen des Museo Burbonino und den auf den griechischen
Vasen dargestellten gleichen. Gar seltsam sind die riesenhaften
Brustspangen, die vielleicht zum Schmucke der den Celten eigenen
gewaltigen Götterbilder dienten. Dabei sah man prächtige Aexte aus
Bronze. In überaus reicher Auswahl sind etruskische und römische
Bronzestatuetten vorhanden. In den Schränken an der Wand wird die
Lamberg’sche Vasensammlung aufbewahrt, für deren Detail mir jedoch
diesmal keine Zeit vergönnt war. In demselben Saal waren in einem
Schranke mehrere chinesische und indische Bildwerke aufgestellt, so wie
ein aus Holz geschnitzter Kopf, den ich für ein altmexikanisches Idol
erkennen mußte.
In dem daranstoßenden Zimmer befindet sich das berühmte Kaiserliche
Münzcabinet. Unser Freund zeigte uns die prachtvollen colossalen
Goldmünzen mit dem Bilde des Kaisers Valens und der Umschrift: _D. N.
VALENS AVGVSTVS_ und _FORTVNA ROMANORVM_. Die größte hat 180 Ducaten
Gewicht. Die Kaiser gaben derartige Geschenke an verdiente Männer, von
denen sie bei festlichen Anlässen, wie unsere Orden, auf der Brust
getragen wurden. In dem folgenden Salon befinden sich die antiken und
mittelalterlichen Goldschmucke, die in Ungarn gefunden worden sind,
dann die wundervollen berühmten Onyxe, die allerdings in artistischer,
antiquarischer und mineralogischer Hinsicht wahre Wunderwerke zu
nennen sind. Hier befindet sich ferner jene Achatschale von 28 Zoll
Durchmesser, die aus der burgundischen Erbschaft an Kaiser Maximilian
I. gelangte. Die Schale ist überaus dünn und hat eigenthümliche, an
chinesische Arbeit erinnernde Henkel. Im Innern derselben erblickt man
von der Seite in schwachem Umriß den Namen _XPISTOS_. Das Werk soll bei
der Eroberung von Constantinopel durch die französischen Kreuzfahrer
nach dem Norden gekommen seyn. Nächstdem wird hier auch Cellini’s
berühmtes Salzgefäß mit Neptun und Cybele aufbewahrt.
So sahen wir denn eine Menge der interessantesten Alterthümer
leibhaftig vor uns, die wir aus Abbildungen und Beschreibungen schon
ziemlich genau kannten, außerdem aber so viel des Neuen, daß sich
mir die Ueberzeugung aufdrängte, ich müsse später einmal auf längere
Zeit hierher zurückkehren und eine ruhigere, gründlichere Betrachtung
vornehmen.
Wir gingen mit dem Freunde durch das Kärnthner Thor und verließen ihn
hier, um uns über das Glacis nach dem ~Belvedere~ zu begeben. Dieses
große, lang hingestreckte Gebäude liegt auf einer Anhöhe und gewährt
von der Gartenseite einen reichen Anblick auf die Stadt, aus deren
Häusermasse St. Stephan wie ein König gebietend emporsteigt. Der
Belvedere-Palast enthält die berühmte Gemäldegalerie, deren Besuch
ich für diesmal aufgab. Wer eine Galerie sehen will, muß vor Allem
die dazu nothwendige Zeit mitbringen. Der Garten ist im älteren Style
angelegt, ein Werk des berühmten Eugen von Savoyen; es sind mehrere gut
gearbeitete Statuen und Gruppen, Bassins und dergleichen vorhanden.
Nach der Stadt zu lehnt er sich an ein kleines Palais, das gegenwärtig
die Ambraser Sammlung umschließt.
Wir gingen zurück und gelangten an die Carlskirche, ein modernes, aber
sehr bedeutendes Bauwerk. Die Kirchenfaçade wird durch zwei große
Säulen eingefaßt, um welche sich, wie an den Trajan- und Antoninsäulen,
Reliefdarstellungen emporwinden. Die Capitäle tragen zwei Doppeladler,
deren Flügel ein Geländer bilden. Dazwischen ragt die prachtvolle
Kuppel hervor, die, bei der hohen Lage der Kirche, weithin sichtbar
ist, obschon ihre Höhe die des St. Stephan bei Weitem nicht erreicht.
Weiter schreitend, kamen wir zu dem großen Gebäude des polytechnischen
Instituts; es waren eben Ferien, und wir mußten auf den Anblick der
reichen, hier verwahrten Sammlungen Verzicht leisten. Wir schritten
jedoch durch die Höfe des Gebäudes, das die älteste und größte
derartige Anstalt in Deutschland ist, wie denn hier über 2000 junge
Leute, aus allen Theilen der Monarchie, mit Ausnahme von Böhmen, ihre
Ausbildung erlangen.
Wir kehrten in das Lamm zurück, um unsere reichen Anschauungen dem
Papiere anzuvertrauen. Dann aber begaben wir uns nach der Jägerzeile;
dies ist unstreitig eine der berühmtesten und längsten Straßen in
ganz Deutschland, die durchweg aus stattlichen Häusern besteht,
zwischen denen sich auch eine nette, moderne Kirche befindet. Hier war
nun weniger reges Treiben. Von da schreitet man nach dem ~Prater~,
diesem großen, von stundenlangen Baumreihen durchzogenen Wald. Man
sah Equipagen dahinrollen, Reiter tummelten ihre Pferde, Fußgänger
schritten dahin. Doch war jetzt nicht die Zeit des Praterlebens, die
Kaffeehäuser zur Seite zeigten wenig Gäste. Nur um den Circus, wo jetzt
die Beranek’sche Gesellschaft Vorstellungen gab, sah man dichtere
Menschengruppen. Wir ließen uns in einem Kaffeehaus nieder und stärkten
uns durch Salami und ein wohlschmeckendes leichtes Bier. Ich bemerkte
auf der ganzen Reise, daß der Oesterreicher die starken Getränke nicht
liebt. Der österreichische Wein ist lieblich und mild, aber bei Weitem
nicht so stark wie die Weine des Elbthales. Die starken Biere, die sich
von Baiern aus nach dem Norden von Deutschland verbreitet haben, fanden
in Oesterreich keine Liebhaber. Den Branntwein kennt man fast gar
nicht, mit Ausnahme des Sliwowitzer.
Wir begaben uns nach dem sogenannten Wurstelprater; hier befinden sich
mehrere kleine Kneipen und Schenken mit Kegelbahnen und Caroussels
und derartige Anstalten, wo einige Kinderwärterinnen und Soldaten
sich eingefunden hatten. Es war ein trüber Abend, der die Menschen
in’s Freie zu locken durchaus nicht geeignet war. Am Ausgange des
Praters saß ein alter, grauer Invalid vor einem Tischchen, auf welchem
sein einziger Freund, ein kleiner Hund, dürftig angeputzt, bei einem
Metallgefäßchen saß, in welches wir einige Kreuzer einlegten.
Wir schlenderten durch die Jägerzeile der Stadt zu und gingen durch
die außerordentlich belebten Straßen, deren Kaufläden sehr glänzend
erleuchtet waren. Der Menschen waren bei Weitem mehr auf den Beinen als
am Tage. An der Stephanskirche und anderen Stellen sah man erleuchtete
Heiligenbilder. Wir schritten dann auch über die Kettenbrücke, die
hübsche Aussichten auf beiden Seiten darbietet, und gelangten wiederum
zur Leopoldstadt und dem Gasthof, um von den vielfachen, reichen
Anschauungen des Tages auszuruhen.
Donnerstag, den 18. September, gingen wir zuerst in das Kaffeehaus
und von hier zunächst nach der Karlskirche, die wir bis jetzt nur von
außen kennen gelernt. Das Innere ist überaus prachtvoll, die rothen
Marmorsäulen tragen die _al fresco_ gemalte Kuppel. Sie ist gleich der
Peterskirche von Johann Fischer von Erlach, dem genialen Baumeister
des prachtliebenden Karls VI., gebaut. Auf dem Glacis exercirte
ungarische Infanterie, doch mit deutschem Commando, welches durch die
ganze Kaiserliche Armee geht. Die Bewegungen waren ruhig und sicher.
Nun schritten wir zum Kärnthner Thor herein und begaben uns nach dem
Josephsplatz, um in das Kaiserliche ~Naturalienkabinet~ zu gehen. Man
wies uns zuerst in das Parterre, das lediglich für die Säugethiere
bestimmt ist. Hier sah ich zum ersten Male das Wallroß so wie seine
Verwandten. Unter den übrigen waren die Dickhäuter, wie Elephanten,
Nashörner, Tapire, Nilpferde trefflich vertreten. Sehr reich war
die Sammlung der Antilopen, Bären, Büffel, Giraffen, Ure u. s. w.
Auch die Hunde- und Katzenarten waren in großer Vollständigkeit
aufgestellt. Nicht minder reich war die Sammlung der Vögel aller
Welttheile in prächtig erhaltenen Exemplaren, worunter namentlich die
farbenreichen Tauben, Hühner, Colibri, Papagaien und die Wasservögel
zu längerem Verweilen nöthigten. Zuletzt sahen wir die Fische, die
theils in trefflich ausgestopften Exemplaren, theils in Spiritus
aufbewahrt wurden. Die meisten befanden sich in Gläsern, die eigens
nach der Gestalt der Insassen, theils oval, theils platt gefertigt
waren. Die Namen waren überall beigefügt und die ganze Ausstellung
streng systematisch. In einer der Abtheilungen sah man die gesammten
Fischzähne, nach ihrer Form in meißel-, messerförmige u. a. gesondert,
aufgestellt.
Mein Begleiter wünschte nun aber endlich die ~Mineraliensammlung~
zu betreten, die freilich heute dem Publicum nicht geöffnet war.
Wir begaben uns jedoch dahin, ließen unsere Karten dem Custoden
desselben, Herrn von Partsch, übergeben und erhielten vorläufig
die Einladung, immer in den Saal zu treten. Das ist nun freilich
eine Kaiserliche Mineraliensammlung, die mehrere Säle einnimmt.
Die Mineralien sind nach dem System unseres Landsmannes, Friedrich
Mohs, geordnet, dessen Büste in Marmor hier aufgestellt ist. In der
Mitte der Säle befindet sich eine Reihe von Glaspulten, welche eine
Propädeutik der Mineralogie enthalten. Sie beginnt mit einer Sammlung
der Krystallformen; es folgt die Darstellung der Farben, des Glanzes,
der Formen des Bruches, der Härte, so daß alle bei der Bestimmung
der äußerlichen Merkmale der Fossilien vorkommenden Ausdrücke, wie
weingelb, lauchgrün, hellglänzend, muscheliger Bruch u. s. w., dem
Lernenden vor Augen gestellt sind. Darauf kommt eine Sammlung der in
der plastischen und Baukunst angewendeten Steine. Darunter befinden
sich ein kostbarer Etiki oder neuseeländischer, froschartiger Götze aus
dunkelgrünem Nephrit, prächtige Schalen aus Yade, eine außerordentlich
reiche Sammlung geschliffener Marmore, Porphyre, Granite, Achate
und Edelsteine; bei dieser technischen Abtheilung sieht man ferner
Probestücke vom Material der berühmtesten Gebäude aller Zeiten,
Obeliskengranit, Pariser, Wiener, Dresdner Straßenpflaster, ferner den
im Norden von Europa zu Waffen und Werkzeugen verwendeten Feuerstein.
Eine andere Abtheilung bietet die technische Sammlung der Metalle dar.
Die Golde, Platine und Silber, in gediegenem und vererztem Zustande,
sind überaus reich vertreten.
Nachdem nun der Beschauer auf diese Art gehörig mit allen Ausdrücken
der mineralogischen Sprache bekannt gemacht worden ist, beginnt die
eigentliche oryktognostische Sammlung mit dem Gas und Wasser. Bei dem
letzten Pulte der Mitte wird der Beschauer an die Wand gewiesen, wo die
Pulte sich fortsetzen, über denen aber Glasschränke sich erheben, in
welchen auf sauberen Consolen die auserlesenen Schaustücke aufgestellt
sind.
Wir waren noch im ersten Saale, als Herr Custos v. Partsch erschien
und uns auf das Herzlichste begrüßte. Er war so gütig, meinem Sohne
zu gestatten, auch an den, dem Publicum nicht gewidmeten Tagen das
Museum zu besuchen. Er erklärte uns das System, nach welchem das Ganze
geordnet, und führte uns deshalb durch alle Räume. Nachdem wir so eine
Totalübersicht des Ganzen gewonnen und einen Hauptabschnitt beendigt,
beurlaubten wir uns. Wir waren seit sieben Uhr auf den Beinen, und
ein sehr mahnender Hunger stellte sich bei uns ein. Wir begaben uns
in das Michaeler Brauhaus, nahmen eiligst einen Imbiß, und mein Sohn
kehrte in das Mineralienkabinet zurück, während ich den Cursus durch
einige Kirchen fortsetzte, auch die öffentlichen Plätze und Thore in
Augenschein nahm. Wie schon bemerkt, das Innere der Stadt ist nicht
reich an großen Plätzen, doch sind sie durchweg mit stattlichen
Gebäuden und schönen Brunnen besetzt, die denselben ein sehr vornehmes
Ansehen geben. Alle diese Kirchen, die Michaeler, die Franciskaner-,
die Peterskirche, sind sehr reich geschmückt, und ich fand sie immer
besucht. In der Franciskanerkirche hielt mich ziemlich lange die Copie
des Abendmahls von Leonardo da Vinci in römischer Mosaik fest. Dieses
colossale Bild macht an der Wand und in dem prachtvollen Goldrahmen
genau die Wirkung eines Oelgemäldes; doch hat die Mosaik vor dem
Oelbild den unschätzbaren Vorzug, daß sie niemals nachdunkelt und, wenn
sonst keine gewaltsame Zertrümmerung Statt findet, auch nicht so leicht
von anderen Einflüssen zerstört wird.
Ich gab mich dem unbeschreiblichen Vergnügen hin, von Straße zu
Straße ganz gemächlich hinzuschlendern, die Häuser, die Kaufläden,
die Marktscenen, die Menschen, die Equipagen, die überreichen
Erscheinungen aller Art, gemächlich und unbefangen zu betrachten. Es
war das schönste, mildeste Wetter, und ich begab mich nun auch vor das
Thor hinaus. Die breiten Glacis gewähren allerdings einen großartigen
Anblick, da jenseits derselben die prachtvollsten Paläste und Gebäude
hervortreten, an die sich zum Theil herrliche Gärten anschließen. Ich
ging auf dem Asphalttrottoir vorwärts, ruhete auf den Bänken in dem
Schatten der Baumreihen, betrachtete mir die Stadtmauern und Bastionen
und gelangte mit dem Blicke immer wieder zur Spitze des Stephansthurmes.
Die Zeit mahnte jedoch zur Rückkehr, und ich begab mich nach dem
Josephsplatze, um meinen noch immer im Mineralienkabinet schwelgenden
Sohn zu erwarten. Ich betrachtete abermals Zauner’s Meisterwerk, das
auf dem fast feierlichen Platze stets einen überaus tiefen Eindruck
macht und die Erinnerung an den edlen Habsburger, an Joseph II.,
weckt. Er steht hier nach einem mühevollen Leben, voll redlichen
Strebens und rastloser Arbeit. Die Nachwelt hat sich bemüht, mit
großer Gewissenhaftigkeit alle kleinen Schwächen dieses nur Großes
anstrebenden Fürsten bis in die geringfügigsten Einzelnheiten zu
verfolgen. Am Fußgestell lies’t man: _Josepho II. Aug. qui Saluti
publicae vixit non diu sed totus_ und _Franciscus Rom. et Austr. Imp.
ex fratre nepos alteri parenti posuit 1806_. -- Eine andere Inschrift
war noch in Vorschlag, die von dem Alterthumsforscher, Hofrath von
Birkenstock herrührte: _Josepho II., arduis nato -- magnis perfuncto --
majoribus praerepto_.
Jetzt kam mein Sohn mit freudestrahlendem Gesicht die Treppe herunter
und hatte nun vollauf zu berichten von der unendlichen Fülle der
Schätze, die er gesehen, beseelt von dem Wunsche, noch länger dort oben
studiren zu können.
Wir aber begaben uns nach dem Gasthofe, machten uns reisefertig und
stiegen in einen der niedrigen, für 9 Personen eingerichteten Omnibus,
die alle halbe Stunden vom Graben und von anderen Plätzen aus nach
Schönbrunn fahren.
Wir gelangten durch die Burg auf das Glacis und die unendlich langen,
außerordentlich belebten Straßen der Vorstädte. Jenseits der Linien
wurden die Häuser dünner. In der Ferne traten die blauen Berge hervor,
und endlich lag die prachtvolle Façade von Schönbrunn vor uns, über
welchem sich auf grüner Basis die stattliche Gloriette erhebt.
Wir fuhren in den großen Hof ein, stiegen aus dem nach Hietzing weiter
eilenden Wagen und schritten durch die Halle des Schlosses, in welchem
stattliche grün gekleidete Garden die Wache halten.
Wir treten aus dem Schloß. Vor uns breitet sich das große Parterre aus,
das auf beiden Seiten mit hohen, grünen Laubwänden abgekränzt ist. An
denselben stehen mehrere Statüen aus weißem Salzburger Marmor.
Man schreitet nun auf den wohlgepflegten Sandwegen vorwärts und sieht
in die zur Seite sich hinziehenden langen Laub- und Baumgänge. Man
gelangt zu dem Fuß eines langhingestreckten Hügels, wo ein mit weißem
Marmor eingefaßtes oblonges Wasserbecken lagert, in welchem eine
zahllose Menge von rothen, gold- und silberglänzenden und geschäckten
Fischen sich tummelt. Dahinter erhebt sich eine colossale Gruppe
aus weißem Marmor, von Neptun mit Najaden, Tritonen und Seepferden
gebildet, die auf dem grünen Hintergrund sich stattlich ausnimmt. Man
steigt nun den Hügel hinan und befindet sich endlich an der sogenannten
Gloriette, d. h. an einem Gebäude von 300 Fuß Länge, das eine
triumphbogenartige Bogenhalle bildet, die 60 Fuß hoch ist. Man steigt
durch eine Wendeltreppe auf die Plattform und hat von hier aus vor sich
das Häusermeer von Wien, das sich um den Stephansthurm schaart. Es ist
ein wundervoller Anblick! In der Mitte der Plattform erhebt sich der
colossale Kaiserliche Adler aus weißem Marmor.
Wir stiegen herab, nachdem wir Zeuge gewesen, wie polnische Damen und
Herren ihre Namen an den Adler angeschrieben.
Wir schritten nun gemächlich herab und durch den Laubwald nach einem
breiten Gange, der uns zu der Kaiserlichen Menagerie führte. In der
Mitte derselben befindet sich ein auf Stufen ruhender, achteckiger
Pavillon, der die Arras und Papagaien enthält, die in den gewohnten
Beschäftigungen auf ihren Ständern saßen und der zahlreich an den
Fenstern stehenden Zuschauer wenig achteten.
Das Vogelhaus wird nun in dem weiten Kreise von einzelnen ummauerten
Höfen umgeben, die durchweg von stattlichen Bäumen beschattet und
mit hohen eisernen Gittern nach der Vorderseite geschlossen sind.
Wir traten in den ersten dieser Höfe. Hier stand im Hintergrund ein
sehr geräumiger Käfig mit mehreren Abtheilungen oder Scheidewänden.
Wir sahen hier zum ersten Mal einen lebendigen Dachs, einen seltsamen
Burschen, der sich von anderen Thieren dadurch unterscheidet, daß
der Bauch und die Untertheile dunkle, der Rücken lichte Farben
trägt. Er ist ganz besonders rastlos und ämsig in seinen Bewegungen
und hält seine Glieder sehr sorgfältig zusammen, etwa wie Menschen,
die den Kopf in die Schultern ziehen und, die Hände dicht auf der
Brust zusammenreibend, mit kleinen raschen Schritten von einem Ort
zum andern rennen. Neben dem Dachse wohnten drei Wölfe aus Ungarn
in bester Eintracht. Auch sie waren rastlos, hatten aber freie und
ungeschlachte Bewegungen. Die schlechte Taille, die langen Köpfe mit
den langgespaltenen krokodilartigen Rachen, die schiefgestellten Augen
gaben den Thieren etwas Unheimliches, wie sie denn auch nie ganz zahm
werden. Neben ihnen hausten in seltsamen Treiben mehrere ägyptische
Füchse, die in der Färbung dunkler sind als die unsrigen.
Der Käfig eines anderen Hofes enthielt mehrere Prachtexemplare von
Hyänen, die mit ihren schwarzen, stumpfen Nasen und den wie Pechkohle
glänzenden kleinen schwarzen Augen, den hohen Schultern und dem stark
abfallenden, in einem armseligen Wedel endenden Hintertheile jene
afrikanischen Formen darstellten, welche auch das eingeborne Pferd
von Dongola trägt. Es ist etwas in der afrikanischen Fauna, was, im
Gegensatz zu der Indiens und des Kaukasus, gemein genannt werden muß.
Nilpferd, Nashorn, Gnu, selbst Zebra und Giraffe haben unangenehme
Formen.
Wir traten nun in den Hof, der das Affenhaus enthält, in welchem einige
zwanzig Meerkatzen von Olivenfarbe ihr tolles Wesen treiben und sich
daher auch stets einer zahlreichen Zuschauerschaft erfreuen.
Die Einrichtung des aus Eisendraht geflochtenen Thurmes ist überaus
zweckmäßig. In der Mitte erhebt sich ein astreicher Baumstamm, der
von anderen umgeben ist, die, durch Hölzer verbunden, hier oben
eine Galerie bilden, die den munteren Thieren sehr willkommen ist.
Von da hängen an Stricken große Reifen herab. Wir bewunderten die
außerordentliche Gewandtheit, mit denen die Thiere an den Baumstämmen
hinan rannten, dann oben auf dem Holzkranze, der kaum 3 Zoll breit,
hinliefen, sich kopfüber herabstürzten und an einem Strick oder einem
Reifen ganz sicher festhingen.
Es war nun das, was wir hier sahen, eitel Affenwerk, aber man
konnte nicht loskommen, denn wie in wohlgerathenen Arabesken und
in der musikalischen Fuga entwickelte sich immer eine tolle Scene
aus der anderen. Bald saß die eine Partei unten an dem Stamme um
einen alten großen Affen von gebrechlichem Ansehen und schien aus
seinen ernsthaften Mienen weise Lehren zu saugen. Bald rannte
oben in den Aesten ein Paar sich haschend umher. Bald schien ein
panischer Schrecken den ganzen Haufen zu packen, so daß Alles, wild
durcheinanderstürzend, das _bellum omnium contra omnes_ plastisch
darstellte. Ging es in den oberen Regionen zu toll her, so legte der
alte Affe seinen Kopf auf den Rücken und sah blinzend mit den Augen
nach oben. Er hockte stets, nun aber bewegte er sich auf den Händen,
die an den Leib gezogenen Beine nachziehend, vorwärts und kletterte
bedachtsam hinauf zum Kriegsschauplatz; er schien indessen keinen
nachhaltigen Respect zu haben. Das Affenhaus aber mit seiner rastlosen,
fieberhaften Thätigkeit erinnerte unwillkürlich an die christlichen
Westeuropäer in den verhängnißvollen Jahren 1848 und 1849, wo auch
trotz aller unablässigen Thätigkeit nichts zu Stande kam und fertig
wurde.
Wir gingen weiter und traten in den Hof, wo Löwin, Löwe, Panther und
Leopard in einem ansehnlichen Käfig gesondert neben einander wohnten.
Es waren prächtige, trefflich gehaltene Thiere. Ein älterer Herr trat
an die Löwin, sie näherte sich den Stäben des Käfigs und preßte sich an
dieselben. Der Herr kraute ihren Hals. Dann begab er sich zum Löwen,
der sich noch zutraulicher zeigte und gar auf den Rücken legte, damit
die Hand des Freundes weniger Mühe habe. Wir wissen, daß jedes Thier
eine Stelle an seinem Körper hat, die es gern den Liebkosungen der
Menschen darbietet, die aber dem Thiere selbst nicht erreichbar ist.
Es ist dieses unfehlbar eines der Mittel, durch welche die Vorsehung
die Thiere an den Menschen gebunden hat. Eine solche Stelle findet sich
auch in dem Gemüthe eines jeden Menschen.
In dem Hofe des Löwen fanden sich auch in ganz wohlverwahrten
Eisenkäfigen ein Eisbär und ein Landbärenpaar. Innerhalb beider Käfige
befand sich ein Wasserbecken und eine tüchtige Hütte. Der Eisbär,
ein colossales Geschöpf, blieb ganz gemächlich am Boden liegen und
hatte seine spitze Schnauze zwischen den Vordertatzen. Desto munterer
waren die Landbären, namentlich das Männlein. Der Bär, durch seine
Größe und dunkle Färbung vor der kleineren und helleren Gattin
ausgezeichnet, ging von Zeit zu Zeit in das Wasserbecken, um die,
trotz des Verbotes, von den Zuschauerinnen hingeworfenen Semmelstücken
herauszufischen. Dann trat er an’s Land und sah nach, ob neue Bissen
im Wasser angekommen. War dies nicht der Fall, so stellte er sich auf
die Hinterbeine und hielt die Vordertatzen wie ein Betender zusammen,
mit bedeutsam begehrlicher Miene im Kreise umherschauend. Wollte nun
gar Niemand ihn berücksichtigen, so trat er abermals ins Wasser und
streckte den einen Arm durch die Stäbe heraus.
Mehrere Höfe, in denen die Giraffen, der Elephant, das Gnu, die
Antilopen, die Strauße und der Kasuar, waren verschlossen, da man diese
Thiere, des rauhen, feuchten Wetters wegen, in den inneren Räumen
behalten mußte.
Jetzt kam die Fütterungsstunde. Wir kehrten zu den Affen zurück.
Als der Wärter unter sie trat und die Speise an den Boden setzte,
entwickelte sich ein reges Leben. Jeder faßte mit dem Maul und den
Händen, was er erwischen konnte, und zog sich zurück. Als der eine sein
Souper beendigt, setzte er sich an das Gitter und langte mit seinen
Aermchen nach den Grashalmen, die hier dem Boden entsproßen waren, um
sich ein Dessert zu verschaffen.
Die Zeit war sehr vorgerückt, und wir trennten uns von diesem
interessanten Punkte des Gartens. Wir schritten durch die Laubgänge
über das Parterre, um noch die Ruine und den Obelisken in Augenschein
zu nehmen, die an demselben Hügel, der die Gloriette trägt, angebracht
sind. Sie nehmen sich in der herrlich grünen Umgebung gar wohl aus,
zumal da sie nicht so kleinlich dastehen, wie ähnliche derartige
Baulichkeiten in den gewöhnlichen Parks. Bei Weitem ansprechender
war jedoch in einer dichten Baumpartie ein kleiner Tempel aus weißem
Marmor, hinter welchem auf breitem Postament die liebliche Marmorstatue
einer Nymphe über einer Urne ruhte, aus deren Oeffnung ein klarer
Brunnen in ein Becken rann.
Wir wandten uns durch die Laubgänge nach dem Schlosse zurück, sahen
nochmals nach der Gloriette hinauf und begaben uns in den Vorhof, wo
uns ein, eben aus Hietzing herankommender Omnibus aufnahm.
Das Lustschloß Schönbrunn und seine Umgebung ist ein Werk von Maria
Theresia und ihrem Sohne Joseph II. Es ist Alles so großartig, so
edel gehalten, daß man es begreift, wie eben Napoleon hier seinen
Aufenthalt wählen konnte.
Wir fuhren nun im Abendscheine nach der Vorstadt, deren lärmender
Verkehr seltsam von der feierlichen Ruhe des Kaiserlichen Lustschlosses
abstach. Am Michaelisplatz verließen wir den Wagen, schlenderten
gemächlich durch die Straßen nach dem Graben und dem Stephansdom und
begaben uns nach der Gaststube des Lammes, wo ein vortreffliches
Rostbratel uns auf die Mühen des Tages labte.
Man speiset in den Wiener Gasthöfen nie _Table d’hôte_. In dem Saale
steht eine Anzahl größerer und kleinerer runder und viereckiger Tische,
auf deren jedem ein großer Bogen, der Speisezettel, vorliegt. Der
Gast muß nun aus diesen langen Reihen das ihm Zusagende auswählen.
Dies ist nun für den Norddeutschen, der die reiche Nomenclatur der
österreichischen und besonders der Wiener Küche nicht kennt, keine
kleine Aufgabe. Ich hielt es daher stets für das Beste und Sicherste,
zu wählen, was ich für vortrefflich bereits erkannt hatte, und so
kam es denn, daß ich bei derartigen Wahlhandlungen mich immer an das
Rostbratel hielt, das, in’s Nordeuropäische übersetzt, Beefsteak heißt.
Hier reichte man uns Sardellenbutter dazu, was ich den norddeutschen
Landsleuten angelegentlich empfehlen kann.
An unserem Tisch nahm noch ein norddeutscher Kaufmann Platz, den
wir bald als einen gebildeten und wohlwollenden Mann erkannten.
Auch er war nicht minder, wie wir, von Wien erfreut. Auch er hatte
die schönen und gesegneten österreichischen Lande mit den heiteren,
liebenswürdigen Menschen liebgewonnen und theilte uns endlich mit, daß
er sich entschlossen habe, ganz nach Oesterreich überzusiedeln und
Grundbesitz daselbst zu erwerben. Er hatte seinen Entschluß auf eine
längere Zeit fortgesetzte, sorgsame Betrachtung der österreichischen
Zustände gegründet. Er versicherte uns, daß die öffentlichen Lasten
durchaus nicht drückend seien, daß der Verkehr nirgend freier und
ungehemmter sich entwickeln könne, ja daß man kaum irgendwo ungestörter
und behaglicher lebe als in Oesterreich, wenn man nur die Gesetze der
Gerechtigkeit und Wohlanständigkeit beobachte.
Indessen war es spät geworden, und wir suchten unsere Ruhestätten.
Freitag, den 19. September, waren wir gar früh bereits in dem
Kaffeehause, diesmal in Capot und Paletot, denn der Himmel hatte sich
umzogen, und der Regen begann herabzusprühen. Wir gingen durch die
Stadt nach der Karlskirche, deren Inneres wir nochmals in Augenschein
nahmen. Dann begaben wir uns nach dem Belvedere, um die Ambraser
Sammlung kennen zu lernen. Die Bildergalerie gab ich auf -- wer wird
für 2500 Gemälde weniger Zeit als mindestens acht Tage verwenden wollen.
Die Ambraser Sammlung gehört nächst denen in Dresden zu den ältesten
in Deutschland; sie ward von Erzherzog Ferdinand von Oesterreich,
zweitem Sohne des Kaisers Ferdinand I., der im Jahre 1595 starb,
gegründet. Der Erzherzog sammelte ganz im Sinne seiner Zeit, Alles,
was ihm interessant und merkwürdig, kostbar und der Aufbewahrung werth
schien. Die Sammlung befand sich bis zum Jahre 1805, wo Tirol an Baiern
abgetreten wurde, auf dem Schlosse Ambras. Dann wurde sie nach Wien
gebracht und in dem vom Herzog Eugen von Savoyen erbauten unteren
Gebäude des Belvedere aufgestellt.
Wir traten zunächst in den Saal, der gegenwärtig eine Anzahl antiker
Denkmale enthält, die früher in der Kaiserlichen Burg standen. Darunter
zeichnet sich die Bronzestatue des Germanicus aus, welche aus der
Abbildung zu Vierthaler’s Reisen in Salzburg bekannt ist. Sie ward
in Steiermark gefunden. Von den übrigen Sachen ist namentlich der
Sarkophag mit der Amazonenschlacht bemerkenswerth, dann mehrere Büsten
römischer Imperatoren.
Von hier tritt man in die Säle, welche die Rüstungen berühmter Personen
des 15. und 16. Jahrhunderts enthalten. Darunter zieht vor allem die
Gestalt des riesenhaften Bauers aus Trient, der dem Erzherzog Ferdinand
als Trabant diente, unsere Augen auf sich. Im Sommer 1851 zeigte sich
auf der Dresdener Vogelwiese ein Neapolitaner, der 7 Fuß 7 Zoll hoch
war. Der Trientiner Bauer muß den Waffenstücken zufolge jedoch noch
größer gewesen seyn. Unter den Rüstungen der Fürsten und Feldherren
bemerkten wir namentlich die zierlich gearbeiteten Eisenharnische
mit den fußlangen Schnabelschuhen, welche in der sonst so sehr
reichen Dresdener Sammlung fehlen. Besonders merkwürdig war mir eine
Kettelrüstung für Roß und Mann. Dieser Theil der Sammlung wurde eben
durch Baron von Sacken neu aufgestellt, die Rüstungen sind in zwei
Reihen übereinander in hölzernen Nischen angebracht und werden von
trefflich geschnitzten, hölzernen Statuen getragen. Diese werden, wenn
die Aufstellung beendigt ist, drei Säle und ein Cabinet anfüllen.
Der vierte Saal enthält eine höchst werthvolle Sammlung von Bildnissen
der europäischen Fürsten des 16. Jahrhunderts, vornehmlich der dem
Erzhause Oesterreich näherstehenden. Die eine Wand bedeckt ein
Stammbaum desselben Hauses. Dieser Theil der Sammlung bietet zugleich
eine Uebersicht der Geschichte der Portraitmalerei. Die ältesten
Bildnisse reichen bis in die Zeit des Kaisers Maximilian I., so unter
anderen das des Kaisers Rudolph von Habsburg, das nach dem, im Dome zu
Speier befindlichen Grabmale, auf Maximilians Befehl gefertigt ist.
Von diesem Kaiser, seinen Gemahlinnen und Kindern, von dem Erzherzog
Ferdinand, seiner Gemahlin, der geistvollen und schönen Philippine
Welser, sowie seinen Söhnen, dem Markgrafen Karl von Burgau und dem
Cardinal Andreas, dann von Kaiser Karl V. und Philipp II. und deren
Zeitgenossen, ist eine reiche Portraitsammlung an den Wänden des großen
Saales vertheilt. Daneben finden sich mehrere Bronzebüsten des 17.
Jahrhunderts.
Der fünfte Saal enthält die sogenannte Kunst- und Wunderkammer, in
welcher Hirschgeweihe, die in Baumstämme eingewachsen, Erzstufen,
Straußeneier, Nüsse und Wurzeln, kleinere Kunstwerke in Elfenbein,
Marmor, Metall, Korallen, Perlmutter, Kunstschränke, seltene
musikalische Instrumente, Kleidungsstücke, einige afrikanische und
indische Waffen und Geräthe, Büsten und Reliquien der Kaiserlichen
Familie aufbewahrt werden.
Die letzte Abtheilung ist eine reiche Sammlung ägyptischer Alterthümer,
Mumien, Särge, Grabsteine, Papyrus, Statuetten in Bronze, Stein und
gebranntem Thon, Holz und anderen Stoffen, die, wenn sie aufgestellt
seyn wird, mindestens den Umfang der Florentiner einnehmen dürfte.
Mein Begleiter eilte in die Mineraliensammlung voraus, ich
aber betrachtete mit Herrn von Sacken die Einzelnheiten der
mittelalterlichen und außereuropäischen Abtheilungen, von denen bei
Weitem nicht Alles aufgestellt ist. Die zu der Ambraser Sammlung
gehörigen Manuscripte sind an die Kaiserliche Bibliothek abgegeben.
Ich begab mich sodann ebenfalls in das Mineralienkabinet, um die
technische Abtheilung desselben genauer zu betrachten und mir eine
Zeichnung des prachtvollen Etiki zu fertigen. Wir betrachteten dann
noch die gewaltigen Bergkrystalle, den Abguß des im Ural gefundenen
ungeheuren Goldklumpens, die überaus zahlreiche Sammlung der
Meteorsteine und schieden sodann mit dem herzlichsten Danke gegen die
so gelehrten, als zuvorkommenden Vorsteher der Sammlung.
Wir kehrten nun in unseren Gasthof zurück und verrichteten das so
nothwendige Geschäft des Packens. Dann aber gingen wir, nachdem wir in
dem Salon gespeist, nochmals in die Stadt und nahmen Abschied von dem
Stephansdom und allen Gebäuden und Denkmalen, die uns so lieb geworden.
Als wir nun eben unser Gepäck nach dem Bahnhof schaffen wollten, fuhr
ein Wagen in’s Haus, aus welchem uns die Dresdener Damen anriefen, die
wir in St. Gilgen und Ischl zu treffen die Freude gehabt hatten.
Wir schieden von ihnen und folgten dem, das Gepäck fahrenden Hausknecht
nach dem Bahnhof. Punkt sieben Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und
rasete durch die in der Dunkelheit liegenden Gegenden. Eine Nachtfahrt
mit dem Dampfwagen gewährt nun freilich wenig Erheiterndes. Trotz
des Lärmens, des Anrufens auf den Stationen, bemächtigte sich gegen
Mitternacht dennoch der Schlaf aller Insassen. In Brünn wurden halb
ein Uhr die Wagen gewechselt. Greller Fackelschein beleuchtete die
schlaftrunkenen Passagiere. Nach kurzem Aufenthalt ging es weiter.
Der Schlaf stellte sich auf’s Neue ein. Als nach vier Uhr der Tag
grauete, waren wir bereits im Königreiche Böhmen. Der Morgenhimmel
glühte im schönsten Roth, aber schon gegen 7 Uhr begann der Regen, der
uns den Anblick des Landes verkümmerte. Gegen 10 Uhr fuhren wir in
den prächtigen Bahnhof von Prag ein und gegen 11 Uhr wieder hinaus.
Der Regen dauerte auch in dem Elbthale fort. In Bodenbach war die
Gepäckschau bald abgethan, und wir nahmen in den sächsischen Wagen
Platz.
Rasch ging es weiter durch die im Regenkleide verhüllten
Sandsteinfelsen der sächsischen Schweiz. Halb 6 Uhr fuhren wir in den
Bahnhof und dann in einer Droschke durch die stillen Straßen Dresdens
nach unserem Hause, wo wir Alles in bestem Wohlseyn antrafen.
Druck von E. H. R. Roempler in Dresden.
Anmerkungen zur Transkription
Das Original dieses Buches wurde in Frakturschrift gesetzt. Die
Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originaltexts wurden
beibehalten; jedoch sind unterschiedlich geschriebene Wörter
vereinheitlicht worden, sofern nicht unklar war, ob dies der Absicht
des Autors entsprach.
Die folgenden offensichtlichen Druckfehler wurden berichtigt:
Seite 6: »zeigen« geändert zu: »zeugen« - ...die gelehrten
Gesellschaften u. s. w. zeugen von dem...
Seite 32: »lautete« geändert zu: »läutete« - ...alle Glocken der Stadt,
man läutete Ave Maria...
Seite 115: »Jahhunderts« geändert zu: »Jahrhunderts« - ...des 15.
Jahrhunderts...
Seite 120: »leiht« geändert zu: »leicht« - ...gezwingt jedoch die
Wellen gar leicht, und der...
Seite 135: das Komma nach »abfällt« wurde durch einen Punkt ersetzt -
...der Berg hier überaus steil abfällt. Es ist diese...
Seite 147: »Kerms« geändert zu: »Krems« - ...Stein, Krems und der
Wiener Gegend...
Seite 179: »uamentlich« geändert zu: »namentlich« - ...waren die
Landbären, namentlich das Männlein...
Seite 185: »Kal« geändert zu: »Karl« - ...dann von Kaiser Karl V. und
Philipp II....
Das Umschlagbild wurde vom Bearbeiter gestaltet und in die Public
Domain eingebracht.
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK FERIENREISE NACH LINZ, SALZBURG, KLOSTER GÖTTWEIG UND WIEN ***
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