Grundzüge der Geschichte der Pädagogik

By Klemens August Funke

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Title: Grundzüge der Geschichte der Pädagogik

Author: Klemens August Funke

Release date: November 8, 2025 [eBook #77194]

Language: German

Original publication: Paderborn: Ferdinand Schöningh, 1907

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK GRUNDZÜGE DER GESCHICHTE DER PÄDAGOGIK ***

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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1907 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Offensichtliche Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
  verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert.

  Der Übersichtlichkeit halber wurde das Inhaltsverzeichnis an den
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  jeweiligen Abschnitts.

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        fett:     =Gleichheitszeichen=
        gesperrt: +Pluszeichen+
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                               Grundzüge

                                  der

                       Geschichte der Pädagogik.

                                  Von

                        Schulrat ~Dr.~ A. Funke,

                     Seminar-Direktor in Warendorf.

                            Siebte Auflage.

                             [Illustration]

                               Paderborn.

               Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh.

                                 1907.




„Die edelste Stellung, der schönste Beruf ist der eines Menschen, der
seine Nebenmenschen die Wahrheit lehrt und sie Gott näher bringt, indem
er sie erhebt.“

                                                  +Thomas v. Aquin.+




Vorwort zur siebten Auflage.


Die vorliegende 7. Auflage der „Grundzüge“ hat wiederum an einzelnen
Stellen Erweiterungen, an anderen Verkürzungen erfahren, die notwendig
erschienen, damit das Büchlein den +neuen ministeriellen Bestimmungen
vom 1. Juli+ 1891 mehr entspreche. Insbesondere ist die Entwicklung
des preußischen Volksschulwesens schärfer hervorgehoben und bis zur
Gegenwart fortgeführt.

Allen denen, die mir für diese neue Auflage wiederum Mitteilungen und
Winke zukommen ließen und der bescheidenen Arbeit ihr freundliches
Interesse gewidmet haben, insbesondere meinem Bruder in Dortmund,
spreche ich an dieser Stelle meinen verbindlichen Dank aus.

  +Warendorf+, den 15. Oktober 1906.

                                                         =A. Funke.=




Inhalt.


  Die vorchristliche Zeit.

  I. Das Heidentum.

    ~A.~ +Die Griechen.+                                          Seite.

      1. Die Spartaner                                               5

      2. Die Athener                                                 6

      3. Pythagoras                                                  8

      4. Sokrates                                                    9

    ~B.~ +Die Römer.+

      1. Erziehung und Unterricht im allgemeinen                    10

      2. Pädagogische Aussprüche berühmter Römer                    12

  II. Das Judentum.

    Einfluß der Religion. Unterrichtsgegenstände. Schulen           13


  Die christliche Zeit.

  Erster Abschnitt. =Von Christus bis auf Karl d. Gr.=

      I. Christus und die Apostel                                   14

     II. Das Katechumenat                                           16

    III. Die Katechetenschulen                                      16

     IV. Die Kirchenväter: 1. Basilius d. Gr. 2. Chrysostomus.
         3. Hieronymus. 4. Augustinus                               17

      V. Die Pfarrschulen                                           24

     VI. Die Schulen der Benediktiner                               25

    VII. Die Domschulen                                             26

  Zweiter Abschnitt. =Von Karl d. Gr. bis zur Reformation.=

      I. Verdienste Karls d. Gr. um Erziehung und Unterricht        27

     II. Rhabanus Maurus                                            29

    III. Schulen des nachkarolingischen Mittelalters                31

     IV. Pädagogische Schriftsteller: 1. Vincenz von Beauvais.
         2. Johannes Gerson. 3. Mapheus Vegius. 4. Viktorin
         von Feltre                                                 35

  Dritter Abschnitt. =Von der Reformation bis auf Rousseau.=

      I. Das Konzil von Trient                                      39

     II. Einzelne katholische Schulmänner: 1. Ludwig Vives. 2.
         Petrus Canisius. 3 Karl Borromäus. 4. Fénelon              40

    III. Neue Schulorden.

         ~A.~ Männliche: 1. Die Jesuiten. 2. Die Piaristen. 3.
         Die Schulbrüder                                            48

         ~B.~ Weibliche: 1. Die Ursulinerinnen. 2. Die
         Schulschwestern. 3. Die englischen Fräulein. 4. Die
         Schwestern von Unserer lieben Frau                         52

     IV. Die Reformatoren: 1. Luther. 2. Melanchthon                56

      V. Einzelne protestantische Schulmänner: 1. Trotzendorf.
         2. Ratich. 3. Comenius. 4. Francke                         58

     VI. Förderung des Schulwesens seitens einzelner
         Landesfürsten: 1. des Herzogs Ernst d. Fr., 2. des
         Kurfürsten Joachim II., 3. des Kurfürsten Johann Georg,
         4. des Großen Kurfürsten, 5. des Königs Friedrich I.,
         6. des Königs Friedrich Wilhelm I.                         79

  Vierter Abschnitt. =Von Rousseau bis Pestalozzi.=

      I. Locke                                                      92

     II. Rousseau                                                   93

    III. Basedow                                                    98

     IV. Anhänger Basedows.

         ~A.~ Rationalistische Richtung:
           1. Campe. 2. Salzmann. 3. Guts-Muts. 4. Rochow          101

          ~B.~ Christlich-gläubige Richtung:
           1. Hecker. 2. Hähn. 3. Felbiger. 4. Kindermann          106

      V. Förderung des Schulwesens unter den Königen:
         Friedrich II. und Friedrich Wilhelm II.                   110

  Fünfter Abschnitt. =Von Pestalozzi bis auf unsere Zeit.=

      I. Pestalozzi                                                119

     II. Schüler Pestalozzis: 1. Fellenberg. 2. Girard. 3. Fröbel.
         4. v. Türk                                                128

    III. Mittelbare Pestalozzianer.

         ~A.~ Katholische: 1. Overberg. 2. Sailer. 3. Wittmann.
         4. Milde. 5. Barthel. 6. Graser. 7. Christoph
         v. Schmid                                                 131

         ~B.~ Protestantische: 1. Niemeyer. 2. Schwarz. 3.
         Denzel. 4. Harnisch. 5. Stephani. 6. Dinter. 7.
         Diesterweg                                                145

     IV. Herbart. Schüler Herbarts: ~a~) Ziller. ~b~) Beneke,
         Lotze, Willmann                                           156

      V. Die Entwicklung des preußischen Volksschulwesens seit
         dem Beginn des 19. Jahrhunderts, unter 1. Friedrich
         Wilhelm III., 2. Friedrich Wilhelm IV., 3. Wilhelm I.,
         4. Friedrich III., 5. Wilhelm II.                         162




Die +vor+christliche Zeit.




I. Das Heidentum.


Vorbemerkung.

+Hindernisse+ einer ersprießlichen Erziehung bei den heidnischen
Völkern:

  1. Die +Vielgötterei+. Mit der Einheit hatten sie auch die Reinheit
  der Gottesidee verloren;

  2. die +Vielweiberei+. Diese zerteilte den wichtigen Erziehungsfaktor
  der Familie in Bruchstücke;

  3. die +niedrige Stellung des Weibes+. Das heidnische Weib war fast
  nur Sklavin des Mannes; daraus erklärt sich die Vernachlässigung
  der Mädchenerziehung und die geringe Bedeutung des mütterlichen
  Einflusses;

  4. die +Sklaverei+. Der Sklave hatte auf Erziehung keinen Anspruch.


~A.~ Die Griechen.


1. Die Spartaner.

=1. Einteilung des Volkes.= Der dorische Staat enthielt 3 Klassen:
~a~) die +Spartiaten+ (vollberechtigte Bürger, spartan. Adel), ~b~)
die +Lacedämonier+ (persönlich, aber nicht politisch frei), ~c~) die
+Heloten+ (Sklaven).

Nur die +Spartiaten+ genossen eine öffentliche Erziehung.

=2. Erziehungsgrundsätze des Lykurg= (880 v. Chr.). ~a~) Die Erziehung
der Kinder ist +Sache des Staates+, ~b~) Zweck derselben ist, +tüchtige
Staatsmänner+ heranzubilden.

=3. Ausführung dieser Grundsätze.= ~a~) +Körperliche Erziehung.+

  1. Die neugeborenen Kinder der Spartiaten wurden von Staats wegen
  untersucht.

  2. Unter Staatsaufsicht wurden die gesunden Kinder bis zum 7. Jahre
  im Elternhause erzogen.

  3. Vom 7. Jahre an begann die gemeinschaftliche Staatserziehung unter
  Leitung eines Pädonōmen.

  4. Die +Abhärtung+ des Körpers wurde erstrebt durch höchst einfache
  Nahrung (Pflanzenkost), durch nur notdürftige Kleidung (Füße und Kopf
  stets unbekleidet, Haar kurz geschoren) und durch hartes Nachtlager
  (Schilfstreu auf dem Fußboden). Jahresprüfung am Feste der Artĕmis
  durch Geißelhiebe.

  5. Die +Übung+ des Körpers wurde vermittelt durch tägliche Übungen im
  Laufen und Springen, im Reiten und Ringen, im Werfen und Schwimmen;
  öfteren Reigentanz mit vielen Beugungen und Wendungen; endlich durch
  Kriegsspiele für heranwachsende Jünglinge.

  6. Mit dem 18. Lebensjahre begann die Kasernen-Erziehung und
  dauerte bis zum 30. Jahre. In den Kasernen wurden die Leibesübungen
  fortgesetzt und die Zöglinge in das Waffen- und Kriegshandwerk
  eingeführt.

~b~) +Geistige Erziehung.+ Die Jugend wurde angeleitet zur Stärkung
des Willens, zum strengsten Gehorsam, zu großer Ehrfurcht vor
dem Alter. („Nur in Sparta ist es angenehm, alt zu werden.“)
Unterrichtsgegenstände waren:

  1. Die +Musik+ (Gesang, Saiten- und Flötenspiel).

  2. Die +Rede+ (in kerniger und körniger, sog. „lakonischer“ Kürze).

  3. +Lesen, Schreiben und Rechnen.+ (Nur fakultativ, notdürftiges
  Maß.) Die Schön-Rede (Rhetorik) und Schauspielerkunst (Dramatik)
  waren ganz verboten.

Die Religion bildete keinen Unterrichtsgegenstand. Der religiöse Sinn
wurde durch Festgesang und religiösen Tanz gepflegt.

=4. Beurteilung.= +Licht+seiten der spartanischen Erziehung: ~a~)
Körperliche Gewandtheit und Ausdauer. ~b~) Gewaltige Charakterstärke
und persönlicher Mut. ~c~) Begeisterte Vaterlandsliebe und Ehrerbietung
gegen das Alter.

+Schatten+seiten: ~a~) Die einseitige Beziehung des ganzen Lebens auf
den Staatszweck bei Vernachlässigung der Familienpflege. ~b~) Die
ausschließliche Ausbildung zum Soldaten. ~c~) Die Hintansetzung der
geistigen Erziehung. ~d~) Die Beschränkung der Erziehung auf einen
kleinen Bruchteil der Bevölkerung.


2. Die Athener.

=1. Unterschied von der spartanischen Erziehung.= Die durch Solon (594
v. Chr.) geordnete öffentliche Erziehung der Athener unterschied sich
von der spartanischen in mehreren Punkten.

  ~a~) In Athen wurden Körper und Geist harmonisch ausgebildet.

  ~b~) Die Ausbildung erstreckte sich auf die Kinder aller freien
  Bürger.

  ~c~) Der Vater selbst besaß das Recht, das neugeborene Kind
  anzunehmen oder zurückzuweisen, und leitete dessen Erziehung.

  ~d~) Die athenische Erziehung war mehr eine humanistische und
  nicht so sehr auf den Staatszweck bezogen.

Hiermit sind zugleich die +Lichtseiten+ der athenischen Erziehung
gegeben.

=2. Der Pädagog.= Das Kind wurde bis zum 7. Jahre im Elternhause
durch eine Amme, später durch eine Wärterin erzogen. Mit dem 7. Jahre
ging der Knabe in männliche Leitung und Beaufsichtigung über. Diese
übte aus der +Knabenführer+ oder Pädagog, ein Sklave, der seinem
Pflegebefohlenen äußeren Anstand beizubringen und denselben zur Schule
zu begleiten hatte, ihn aber nicht selbst unterrichtete.

=3. Der Schulunterricht.= Derselbe umfaßte folgende Fächer:

  ~a~) +Gymnastik+. Die Übungen im Klettern, Faustkampf, Ballspiel,
  Bogenschießen, Schleudern, Wagenfahren wurden geleitet vom Pädotriben
  (Turnlehrer) und bezweckten Anmut in der Haltung und Gewandtheit in
  den Bewegungen des Körpers. Sie fanden statt in den Gymnasien und
  Palästren. Neben diesen Unterrichtslokalen befanden sich Bäder, in
  denen die Jugend das Schwimmen erlernte.

  ~b~) +Musik+ beim Kitharisten: Gesang, Zitherspiel, auch Lyra
  und Flöte. -- Außer diesen obligatorischen Fächern erlernte der
  athenische Knabe noch

  ~c~) +Lesen+ beim Grammatisten (nach der Buchstabiermethode),
  +Schreiben+ (mit Griffel auf Wachstäfelchen) und +Rechnen+ (Kopf- und
  Fingerrechnen für den gewöhnlichen Verkehr). Als Lesebuch dienten
  die Gedichte Homers, die Fabeln des Äsop, die Werke Hesiods u. a.
  Beim Lesen wurde vorzüglich auf richtige Aussprache, gute Betonung
  und Beachtung des vorgeschriebenen Rhythmus gesehen. Da es aber nur
  geschriebene Bücher gab, mußte viel memoriert werden.

=4. Eintritt ins öffentliche Leben.= Nach mehrjährigem Schulbesuche
gingen die armen Schüler zum Landbau, Handel oder Handwerk (auch
Kunstgewerbe) über. Söhne vornehmer Eltern verließen mit dem 18. Jahre
als +Epheben+ die Schule und bildeten sich jetzt noch in der Redekunst,
Philosophie, Mathematik und im Waffendienste aus. Feste, feierliche
Spiele und Wettkämpfe gaben die Vollendung. Mit dem 20. Jahre traten
sie in die Zahl der vollberechtigten Bürger. Doch konnte keiner Archont
werden, der seine Eltern verunehrt hatte; wer Vater oder Mutter
geschlagen hatte, mußte in der Volksversammlung schweigen.

Berühmte griechische Lehrer waren besonders Pythagoras und Sokrates.


3. Pythagoras.

=1. Sein Leben.= Geboren auf der jonischen Insel Samos gegen 580
v. Chr., wurde er von Thales unterrichtet. Er kam später nach
Kroton (Unteritalien) und wurde der Wohltäter dieser Stadt. Er soll
in Metapont gegen 500 v. Chr. gestorben sein. Seine würdevolle
äußerliche Erscheinung, sein hoher sittlicher Ernst in Lehre und
Leben gewannen ihm die Herzen der Krotoniaten, der Griechen und
Nichtgriechen. Männer und Frauen verbündeten sich mit ihm zur Förderung
des religiös-sittlichen Lebens und zur Pflege dorischen Sinnes und
dorischer Sitte.

=2. Seine Schule.= Die pythagoreische Schule in Kroton hielt auf
Ehrerbietung gegen die Eltern, Achtung gegen Erwachsene, Liebe gegen
alle Mitbürger. Die körperliche Bildung, welche wie der Körper
vergänglich ist, war der geistigen Bildung, welche dauernden Wert
hat, entschieden untergeordnet. Pythagoras unterrichtete nach der
vortragenden Methode und wirkte in sittlicher und wissenschaftlicher
Hinsicht sehr segensreich für Großgriechenland.

Der Aufnahme in die Schule oder den Bund gingen 3 Jahre der Prüfung
und des Schweigens voraus. Die Prüflinge hießen Exoteriker. Nur die
Mitglieder des engeren Bundes, Esoteriker genannt, traten in näheren
Verkehr mit dem Meister und wurden in dessen Lehre eingeweiht.

=3. Seine Lehre.= Dieselbe ist in folgenden Sätzen enthalten:

  ~a~) Ein Gott ist der Urgrund des Seienden, die Welt sein Leib, die
  erste Schöpfung das Feuer.

  ~b~) Die Weltkörper sind in steter Bewegung und bewirken eine
  erhabene Harmonie, die „Harmonie der Sphären“.

  ~c~) Die menschliche Seele ist göttlicher Natur und unsterblich, wird
  hier auf der Welt geläutert und veredelt, geht beim Tode zur weiteren
  Läuterung erst in Tierkörper (Seelenwanderung) und kehrt dann in ihre
  Heimat (den Himmel) zurück.

  ~d~) Alle Weisheit hat keinen anderen Zweck, als den menschlichen
  Geist zur Vereinigung mit Gott zurückzuführen.

  ~e~) Die Übung der Tugend ist wichtiger als die wissenschaftliche
  Ausbildung.

  ~f~) Die sittlich-veredelnde Erziehung wird erreicht durch die
  Religion, die Musik und die Mathematik. (Vgl. Pythagor. Lehrsatz.)

=4. Beurteilung.= Zu rühmen ist:

  ~a~) Die außerordentliche +Mäßigkeit+ der Pythagoreer. Des Fleisches
  und Weines enthielten sie sich gänzlich.

  ~b~) Das unausgesetzte Streben nach +Vervollkommnung+. Als
  Hauptmittel der letzteren war vorgeschrieben die tägliche strenge
  Selbstprüfung vor dem Schlafengehen. (In den „Goldenen Regeln“ des
  Pythagoras heißt es: „Niemals möge der Schlaf auf die Augenlider dir
  sinken, Ehe die Werke des Tags du zuvor noch dreimal gemustert.“)

  ~c~) Ihre enge Verbrüderung und unerschütterliche +Freundestreue+,
  schön verherrlicht in Schillers Gedicht „Die Bürgschaft“.

  ~d~) Die hohe Achtung gegen ihren +Meister+. Aller Streit der
  Meinungen verstummte bei dem Worte: „Er hat es gesagt.“


=4. Sokrates.= (469–399 v. Chr.)

=1. Sein Leben.= Sokrates, in Athen geboren, wurde Bildhauer wie
sein Vater. Er lebte in bedürfnisloser Einfachheit, verließ nie
seine Vaterstadt außer im peloponnesischen Kriege und nützte seinem
Vaterlande durch Lehre und Beispiel. Seine Lehrtätigkeit erreichte
entgegengesetzte Erfolge. Die große Menge verachtete ihn. Wenige
Auserwählte aber schenkten ihm das größte Maß menschlicher Liebe und
Bewunderung. Platon und Xenophon gehörten zu seinen Schülern. Als
70jähriger Greis traf ihn die dreifache Anklage, daß er 1. an die
Götter des Staates nicht glaube; 2. neue Götter einführe; 3. die Jugend
verderbe. Er wurde zum Giftbecher unschuldig verurteilt und betonte
trotzdem noch die Pflicht des Gehorsams gegen die Staatsgesetze. Seine
letzte Unterredung betraf die Unsterblichkeit der Seele. Sokrates war
„im Tode der Edelste, im Leben der Verständigste und Gerechteste von
allen“.

=2. Seine Lehre.= Wegen der Reinheit seiner Lehre wird Sokrates der
+Prophet des Heidentums+ genannt. Seine Grundsätze waren:

  ~a~) Es gibt nur +einen wahren Gott+, welcher der Urheber und
  Erhalter der Weltordnung ist.

  ~b~) Die +Seele+ ist ein unkörperliches Wesen und +dauert+ nach ihrer
  Trennung vom Leibe +fort+.

  ~c~) Der Mensch ist offenbarungsbedürftig und hat eine +innere
  göttliche Stimme+, die ihm Rat und Warnung erteilt.

  ~d~) Die Tugend besteht im Wissen. Der Endzweck unserer Bestrebungen
  ist Erkenntnis der Tugend, sittliches Wissen. Wohlverhalten führt zur
  Glückseligkeit.

  ~e~) Die +Selbsterkenntnis+ ist die +erste Bedingung+ alles Wissens.

=3. Seine Methode.= Sokrates hatte kein besonderes Unterrichtslokal,
keine bestimmte Lehrzeit. Er suchte Männer und Jünglinge auf, um sich
mit ihnen über Lebenszweck und Beruf zu +unterhalten+ und sie des
Nichtwissens zu überführen. Die Lehrform des Sokrates war also die
des Zwiegesprächs oder Dialogs. An der sokratischen Methode ist eine
+negative+ und eine +positive+ Seite zu unterscheiden. Die negative
Seite (sokratische Ironie) bestand in dem (vielfach durch feinen
Spott und Hohn) hervorgelockten Geständnis des Nichtwissens und dem
so geweckten Verlangen nach wahrer Erkenntnis. Die positive Seite der
Sokratik bestand darin, daß durch geschickte Fragen der Schüler die zu
vermittelnde Wahrheit selbst fand. Durch die beiden Mittel: +Induktion+
(Herleitung eines Begriffs oder einer allgemeinen Wahrheit aus einer
Anzahl gleichartiger Einzeldinge oder Einzelfälle) und +Analogie+
(Vergleichung mit ähnlichen oder verwandten Fällen und Dingen)
erreichte Sokrates den Zweck: die +Definition+ (klare und bestimmte
Erkenntnis des Wesentlichen und Wahren an den Dingen).

Sokrates ist der Vater der entwickelnden oder findenden (heuristischen)
Methode.


~B.~ Die Römer.


1. Erziehung und Unterricht im allgemeinen.

=1. Charakter und Gang der Erziehung.= Bei den Römern war die Erziehung
Privatsache; sie bezweckten durch dieselbe nicht wissenschaftliche
Ausbildung, sondern praktische Tüchtigkeit und räumten hierbei den
Frauen einen bedeutenden Einfluß ein. Daher erfreuten sich die
römischen Frauen einer gehobeneren Stellung. Vor einer römischen
Matrone mußte jedermann aufstehen und jeder ihr mit Ehrerbietung
begegnen, von allen Familiengenossen wurde sie als Gattin des Mannes
und Mutter der Kinder geehrt.

Das neugeborene Kind wurde dem Vater vor die Füße gelegt, der es unter
Gebeten zur Göttin Levana aufhob und als das seine anerkannte. Die
erste Erziehung fiel der Mutter zu, die ihre Kinder selbst nährte und
ihren vorzüglichen Ruhm darin suchte, dem Hauswesen selbst vorzustehen
und sich dem Dienste der Kleinen zu widmen. Wohlgeratene Kinder galten
als höchstes Kleinod einer Frau. Mit vollendetem 15. Jahre war die
häusliche Erziehung abgeschlossen, das Knabenkleid wurde alsdann auf
dem Forum mit der Männertoga vertauscht. In das Heer trat der Jüngling
nach vollendetem 17. Lebensjahre.

=2. Unterricht.= Den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen
erteilten eigene Lehrer, wenngleich einige vornehme Väter (wie Marcus
Porcius Cato) ihre Söhne selbst unterrichteten. Gelesen wurden
die Gesetze der 12 Tafeln; man schrieb, wie bei den Griechen, auf
Wachstäfelchen mit dem Griffel (~stilus~). Das Rechnen bestand aus
Ab- und Zuzählen und wurde an Fingern und Rechensteinen geübt. Die
vaterländische Geschichte lernte der junge Römer durch Erzählungen
der Eltern, öffentliche Feste und patriotische Gesänge kennen.
Gemeinschaftliche Schulen bestanden schon um die Mitte des 5.
Jahrhunderts v. Chr. Sie wurden auf freien Plätzen, öffentlichen
Straßen und besonders auf den Kreuzwegen (~in triviis~) abgehalten,
daher der Name Trivialschulen. Der Unterricht in demselben begann schon
früh am Morgen. Peitsche, Rute und Gerte waren herrschende Zuchtmittel.
Die Lehrer hießen ~ludimagistri~.

Die +höhere+ Bildung erfolgte in den Schulen der Grammatiker
(~grammatici~ oder ~literati~). Hier wurden insbesondere die Werke der
griechischen und lateinischen Klassiker gelesen und erklärt. In den
Schulen der Rhetoren erhielten die öffentlichen Redner eine besondere
Ausbildung. Die Beredsamkeit stand bei den Römern in höchster Achtung.
Die glänzenden +Redner der Römer+ sind nicht minder berühmt als die
tiefen Denker und unsterblichen Philosophen der Griechen. Unter den
Künsten pflegten sie die Baukunst wegen ihres praktischen Nutzens, die
Musik war bei ihnen weniger beliebt.

=3. Verfall.= Durch die Eroberung von Tarent (272 v. Chr.) und von
Korinth (146 v. Chr.) drang griechische Sitte und Bildung mehr und
mehr in Italien ein. Dieses wirkte auf die Erziehung der römischen
Jugend durchaus nicht förderlich. Eine Menge griechischer Lehrer fand
sich ein, welche den Unterricht junger Römer als Geschäft betrieben.
Diesen wurde Unterricht und Erziehung gänzlich überlassen. Die römische
Jugend wurde nun von griechischen Pädagogen in griechischer Sprache
und griechischer Sitte unterrichtet, Muttersprache und Volkstum wurden
vernachlässigt. Die altbewährte römische Familienerziehung hörte auf,
statt dessen brachten der freien römischen Jugend griechische Sklaven
ihre Laster und ihre Verkommenheit bei. Üppigkeit und Übermut waren
die weiteren Folgen solcher Erziehungsverhältnisse, und wo diese die
Gesellschaft durchsetzen, ist der Ruin unausbleiblich. Nicht mit
Unrecht hat man daher behauptet: die Pädagogen haben den römischen
Staat zugrunde gerichtet.


2. Pädagogische Aussprüche berühmter Römer.


=1. Marcus Tullius Cicero= (106–43 v. Chr.):

„Die Lehrer und Erzieher sollen die geistigen Anlagen, die
+individuellen Eigentümlichkeiten+ eines jeden Zöglings genau zu
erforschen suchen und danach denselben behandeln.“


=2. Lucius Annäus Seneca= (1–65 n. Chr.):

„Durch Lehren lernen wir.“

„Lang ist der Weg durch Vorschriften, kurz und wirksam durch Beispiele.“

„Nicht für die Schule, sondern für das +Leben+ soll man lernen.
(~Non scholae, sed vitae.~)“

„Die Ehrfurcht vor der Gottheit muß uns durchs Leben geleiten. Gott
ist nahe bei uns, er ist in uns. Ohne Gottheit kann niemand ein
tugendhafter Mensch sein.“

„Kein lebendes Wesen ist störriger, keines will mit mehr Kunst
behandelt sein als der Mensch.“

„Konsequenz ist in der Erziehung durchaus notwendig; in ihr kommt
sehr viel daraus an, daß alles zur rechten Zeit geschehe. Die besten
Erzieher sind diejenigen, welche dem Landmann in der Baumschule und auf
dem Acker nachahmen.“

„Wie in der Zucht, so muß auch beim Unterricht Maß gehalten werden.“


=3. Marcus Fabius Quintilianus= (38–120 n. Chr.):

„Der Jüngling soll der +öffentlichen+ Schule übergeben werden.“

„Das Gedächtnis muß früh durch Auswendiglernen geübt werden.“

„Überall wirken Lehren weniger als Übungen.“

„+Spiele+ sind geschickt, den Verstand der jungen Leute zu schärfen, so
wie sich auch der Charakter der Kinder beim Spielen in seiner wahren
Gestalt offenbart.“

„Der Erzieher selbst habe keine Fehler und dulde keine.“

„Gerade für die +unteren Stufen soll man die geschicktesten+ Lehrer zu
gewinnen suchen.“

„In der Regel ist +das am verständlichsten, was von dem Gebildetsten+
gelehrt wird.“


=4. Decimus Junius Juvenalis= (100 n. Chr.):

„Ein gesunder Geist sei in einem gesunden Körper. (~Mens sana in
corpore sano.~)“

„Die größte Ehrfurcht schulden wir dem Knaben. (~Maxima debetur puero
reverentia.~)“




II. Das Judentum.


=1. Einfluß der Religion.= Der Glaube an den einen und wahren Gott
zeigte das einzig richtige Ziel und Ende der Erziehung. Die Erziehung
im Judentum ist wesentlich eine Erziehung zum Gehorsam gegen Gott,
den Schöpfer und Herrn. Die Bürger des israelitischen Gottesstaates
waren noch in besonderer Weise ihrem Oberhaupte (Jehova) hörig und
verpflichtet. Die Kinder galten den jüdischen Eltern als Geschenke
Gottes. Die Erstgeborenen mußten durch ein besonderes Opfer von Jehova
erkauft werden. Die Eltern hatten durch göttliches Gesetz (4. Gebot)
Anspruch auf die Verehrung, Liebe und den Gehorsam ihrer Kinder.
Schande und Tod traf diejenigen, welche ihre Eltern nicht ehrten. Der
Hausvater war das Haupt und der Priester der Familie. Die Mutter stand
dem Vater stets ebenbürtig zur Seite.

=2. Unterrichtsgegenstände.= Erziehung und Unterricht war Sache der
Familie. Strenge Kinderzucht wurde in den hl. Büchern zur Pflicht
gemacht. „Wer die Rute spart, hasset seinen Sohn.“ (Spr. 13, 24.)
Die Kinder erhielten zu Hause besonders Unterricht in der Religion.
Auch im Lesen und Schreiben dürfte schon früh Unterweisung gegeben
sein. Lesebücher hatten die Israeliten an den fünf Büchern Moses’,
den Psalmen usw. Die Kunst zu schreiben war ihnen in Ägypten bekannt
geworden. Körperliche Übungen wurden bei den Juden nicht besonders
gepflegt. Gesang und Musik dagegen fanden vorzügliche Pflege und reiche
Verwendung beim Gottesdienste. Mädchen ebensogut als Knaben erhielten
eine musikalische Ausbildung.

=3. Schulen.= +Öffentliche+ Unterrichtsanstalten waren:

  ~a~) Die +Prophetenschulen+. Sie unterrichteten im Gesetz, in der
  Musik und Schreibkunst. Sie bildeten begeisterte Lehrer des Volkes
  und hl. Schriftsteller.

  ~b~) Die +Musikschule+ unter David.

  ~c~) Die +Pharisäerschule+. Diese war eine höhere theologische Schule
  in Jerusalem (200 v. Chr.). Unter Hillel hatte sie 1000 Zöglinge.
  Gamaliel (Enkel Hillels) war Lehrer an derselben, und der Apostel
  +Paulus+ ist ihr berühmtester Schüler.

=4. Der Alte Bund selbst Erziehungsanstalt.= Jehova ist der eigentliche
Erzieher des israelitischen Volkes. Er gab Gesetze, Lehre und
Belehrung. Er belohnte den Gehorsam und bestrafte die Übertretung. Das
+lehrhafte Gepräge+ zeichnet die jüdische Religion vor allen Religionen
des Altertums aus. Vom 12. Jahre an hieß jeder Israelit „Sohn des
Gesetzes“, weil er zur Haltung des Gesetzes und zur Teilnahme an den
drei großen Jahresfesten verpflichtet war. Der Apostel Paulus nennt den
Alten Bund einen Pädagogen, der für +Christus+ erziehen sollte.




Die christliche Zeit.




Erster Abschnitt.

Von Christus bis auf Karl den Großen.




I. Christus und die Apostel.


1. Die christliche Erziehung ist nicht für ein einzelnes Volk, sondern
für +die ganze Menschheit+ bestimmt. („Machet alle Völker zu meinen
Schülern.“ Matth. 28, 19.) Auch die bisherigen Unterschiede des Standes
oder des Geschlechtes hörten in der christlichen Erziehung auf. („Ihr
seid +alle+ Kinder Gottes durch den Glauben an Jesum Christum.“ Gal. 3,
26.) So ist erst aus dem Christentum die +Allgemeinheit der Erziehung,
die Volksschule+, hervorgewachsen.

2. Der Neue Bund hat die Frage nach +Ziel+ und +Zweck+ der Erziehung
des Menschen endgültig gelöst. Die christliche Pädagogik hat die
erhabene Aufgabe, allen Unmündigen Handbietung zu leisten, damit sie
später als Mündige aus freiem Willen und mit freudigem Geiste nach
Ähnlichkeit und Gemeinschaft mit Christus streben.

3. Das Christentum bietet uns +Lehre+, +Gesetz+ und +Gnadenmittel+. Es
belehrt uns über die Natur des Kindes und seine Berechtigung für das
Gottesreich. („Lasset die Kleinen zu mir kommen“ usw.) Das Gesetz des
Neuen Bundes ist das vollkommenste Sittengesetz der Liebe zu Gott und
dem Nächsten. Durch die Gnadenmittel wird dem Bösen ein übernatürliches
Gegengewicht geboten.

4. Der Heiland selbst ist das +höchste Muster+ für +Schüler+ und
+Lehrer+. Er war ein folgsames Kind, ein aufmerksamer Schüler.
Seine unvergleichliche Lehrweise, seine unerschöpfliche Geduld und
Gelassenheit zeigen das +höchste Lehrgeschick+. („Lernet von mir, denn
ich bin sanftmütig.“) In heiliger Entrüstung sehen wir den göttlichen
Pädagogen mit einer Geißel aus Stricken die Käufer und Verkäufer zum
Tempel hinauspeitschen. Er warnt insbesondere vor dem Ärgernisgeben.
(„Wer eines von den Kleinen ... ärgert“ usw.) Die Apostel hatten
durch ihre Unterrichts- und Erziehungsarbeit das Antlitz der Erde zu
erneuern. Sie lehrten +mündlich+ (auf den Straßen, in dem Tempel,
den Synagogen und Häusern), +tatsächlich+ (durch ihr Beispiel) und
+brieflich+ (durch Schriften). Der größte Lehrer unter ihnen war der
hl. +Paulus+, der „Weltapostel“.

Den +Eltern+ legt das Christentum die Erziehung der Kinder als +heilige
Pflicht+ auf. („Ihr Väter, erziehet eure Kinder in der Lehre und
Zucht des Herrn.“) Als Beispiel eines treuen christlichen Vaters und
Erziehers ist +Leonidas+, der Vater des +Origenes+, zu nennen.




II. Das Katechumenat.


Das Katechumenat ist das Institut des christlichen Altertums, in
welchem die angehenden Christen (Glaubens-Lehrlinge) durch Unterricht
und Erziehung zum Empfang der +hl. Taufe+ befähigt wurden. Die
Zöglinge waren +Erwachsene+ und hießen Katechuménen. Sie wurden durch
zusammenhangende Vorträge (Katechesen) und strenge Zucht auf ein
christliches Leben vorbereitet. Die Katechumenen waren in mindestens
+zwei Klassen+ eingeteilt. Die untere Klasse bildeten die Hörenden
(~audientes~, ~catechumeni~). Sie besuchten die Katechumenen-Messe. Die
obere Klasse war die der Verlangenden oder Bewerber (~competentes~).
Diese hatten die Prüfungszeit überstanden und konnten die hl. Taufe
empfangen. Das Katechumenat hatte in der kirchlichen Erziehung dieselbe
Stellung wie die Volksschule in dem Organismus des öffentlichen
Unterrichtswesens. +Bischöfe+, +Priester+ und +hervorragende Laien+
(Katecheten) erteilten den Unterricht.

  Bischof Cyrill von Jerusalem hat uns 23 Katechesen hinterlassen.




III. Die Katechetenschulen.


Die Katechetenschulen entstanden aus dem Bedürfnis, zur Einführung und
Ausbreitung des Christentums tüchtige Religionslehrer (Katecheten) zu
bekommen. Sie waren Bildungsanstalten für christliche Religionslehrer
in der ersten christlichen Zeit.

Die erste Katechetenschule bestand in +Alexandrien+ unter Pantänus (186
n. Chr.). Die Nachfolger des Pantänus sind: Clemens von Alexandrien,
+Origenes+ (der gelehrteste Mann seines Jahrhunderts, † 254), Bischof
Heraklas und Didymus der Blinde.

Lehrgegenstände der Katechetenschulen waren Dialektik (Denklehre),
Naturkunde, Geometrie und Astronomie; dann Sittenlehre, Lesung der
Schriften der alten Philosophen und Dichter und Erklärung der Hl.
Schrift. Die Lehrweise war eine sehr anregende, der Lehrer ein
erfahrener, sicherer Führer. (Vgl. Lobrede Gregors des Wundertäters auf
seinen Lehrer Origenes.)

Die Katechetenschulen bilden einen +Glanzpunkt+ in der Geschichte
der frühesten christl. Erziehung. Außer der berühmten Normal- oder
Lehrerschule des christlichen Altertums in Alexandrien bestanden
später noch Katechetenschulen in Antiochien, Edessa, Nisibis.
Diese +Lehrerbildungsanstalten+ erweiterten sich allmählich zu
+höheren christlichen Unterrichtsinstituten+. Die meisten damaligen
Kirchenlehrer sind aus ihnen hervorgegangen.




IV. Die Kirchenväter.


1. Der hl. Basilius d. Gr.

1. +Jugend.+ Der hl. Basilius wurde 329 in Neocäsarea, der Hauptstadt
der asiatischen Provinz Pontus, geboren, wo sein Vater Rhetor war.
Die erste Erziehung erhielt er von seinen Eltern, insbesondere von
seiner frommen Großmutter Makrina, die in der Nähe von Neocäsarea
auf dem Lande wohnte. Nach dem Tode des Vaters zog Basilius, weitere
Ausbildung suchend, nach Cäsarea in Kappadocien, wo er zuerst mit
+Gregor von Nazianz+ zusammentraf. Als die dortige Schule diesen so
strebsamen Jünglingen nicht mehr genügte, entschlossen sie sich, die
größten Lehrer der Wissenschaft aufzusuchen, die man zu jener Zeit
kannte. Basilius ging zuerst nach Konstantinopel, wo er den berühmten
heidnischen Rhetor Libanius hörte, und von dort nach Athen. Gregor
reiste nach Alexandrien, um den großen Bischof Athanasius kennen zu
lernen. Dann lenkte auch er seine Schritte nach Athen, der Hauptstätte
griechischer Bildung. Hier wohnten die beiden Freunde in einem Hause,
speisten an einem Tische und arbeiteten stets gemeinschaftlich. Von den
Festen und Gelagen anderer Jünglinge hielten sie sich fern. Sie kannten
in Athen nur +zwei Wege+, den zur +Kirche+ und den zur +Hochschule+.
Außer Rhetorik studierten sie noch Philosophie, Geschichte, Musik
und Medizin. Aber nicht in der Wissenschaft, worin sie bald alle
übertrafen, suchten sie die höchste Auszeichnung. Noch mehr war es
ihr Streben, in der heidnischen Umgebung +Christen+ genannt zu werden
und als wahre Christen zu leben. Kein Wunder daher, daß während ihres
vierjährigen Aufenthaltes daselbst ganz Athen, Heiden sowohl als
Christen, von hoher Bewunderung zu den „Kappadociern“ erfüllt wurde.
Bei ihrem Abzuge gaben Tausende ihnen das Geleit bis ans Meeresufer und
sagten ihnen mit Wehmut Lebewohl (356).

2. +Öffentliches Leben.+ Kaum war Basilius in seine Heimat
zurückgekehrt, so trug man dem bewunderten Manne verschiedene
weltliche Ämter an. Auf der anderen Seite aber sah er das Beispiel
seiner Mutter Emmelia und seiner Schwester Makrina, die sich zu einem
klösterlichen Leben in die Einsamkeit zurückgezogen hatten. Basilius
schwankte nicht lange. Er empfing die hl. Taufe und begab sich dann
nach Syrien, Palästina und Ägypten, um das Mönchsleben aus eigener
Anschauung kennen zu lernen. Nach seiner Rückkehr verkaufte er die
väterlichen Güter und suchte eine einsame Gegend am Flusse Iris auf.
Hier lebte er mit seinem Freunde +Gregor+ und einigen anderen Gefährten
still und verborgen, in Studium und Gebet, in strenger Abtötung und
harter Arbeit. Doch ragte der hl. Basilius durch sein Wissen und seine
Tugend zu sehr hervor, als daß die Kirche, noch immer von Heiden und
Irrlehrern bedroht, seines Wirkens hätte leicht entbehren können.
Im Jahre 364 berief ihn der Erzbischof Eusebius von Cäsarea in den
Dienst der Kirche und weihte ihn zum Priester. Als Eusebius 370
starb, wurde Basilius zu dessen Nachfolger gewählt und an die Spitze
der großen kappadocischen Kirchenprovinz berufen, die in ihm ihren
größten Oberhirten erhielt. In dieser Stellung wirkte er 9 Jahre höchst
segensreich als treuer Vorkämpfer der reinen Lehre (gegen die Arianer),
als Wohltäter der Armen, besonders aber als Lehrer und Erzieher der
Jugend. Seine Gegner wußte er durch +Sanftmut+ zu gewinnen oder durch
seine überlegene Einsicht und Gelehrsamkeit zum Schweigen zu bringen.
Von seinen Einkünften baute er ein großes Armen- und Krankenhaus, das
einen eigenen Stadtteil in Cäsarea ausmachte, und gab darin selbst das
Beispiel der Krankenpflege. Er errichtete mehrere Klöster, schrieb
ihnen eine besondere Regel vor (die jetzt noch in den orientalischen
Klöstern befolgt wird) und befahl den Mönchen, sich +besonders der
armen und verwaisten Kinder+ anzunehmen. Für den Unterricht und
die Erziehung gab er genaue Vorschriften. Vor allem drang er auf
musterhafte Ordnung und andächtiges Verhalten beim Gottesdienste.
Als Kaiser Valens einst die Provinz Kappadocien durchreiste, war er
überrascht und erbaut von der +Andacht der heranwachsenden Jugend+
bei der hl. Messe und der Geistessammlung, mit welcher der Erzbischof
die hl. Geheimnisse feierte. Der hl. Basilius beschloß seine irdische
Laufbahn am 1. Januar 379 und hinterließ nicht so viel, daß man ihm
einen Grabstein setzen konnte. An seinem Grabe weinten Heiden und Juden
mit den Christen. Die heißesten Tränen aber wurden geweint von den
Zöglingen der Armen- und Waisenanstalten.

3. +Schriften.+ Von seinen Schriften, die in ihrer Form den
+klassischen Meisterwerken der Griechen gleichstehen+, sind zu
merken: 1. „Rede an die christlichen Jünglinge über den Gebrauch
der heidnischen Klassiker“; 2. „Regeln für das Leben der Mönche.“
Beachtenswerte Stellen aus den letzteren sind:

„Die Waisenkinder sollen als gemeinsame, den Brüdern gehörende +Kinder+
angesehen werden; sie sollen in besonderen Häusern unter Aufsicht eines
erprobten Mannes wohnen.“

„Die Strafe soll dem Fehler +entsprechend+ sein. Hat ein Knabe zur
Unzeit zu essen sich erlaubt oder nimmt er die Speisen zu gierig, so
muß er durch kleinere Fasten zur Selbstbeherrschung und zum Anstand
geführt werden.“

„+Beten+ muß die Jugend vom Alter lernen, und das Alter wird
seinerseits durch das +Gebet der Jugend+ nicht wenig unterstützt.“

„Die Gewöhnung an +schlechte Reden+ ist gewissermaßen der Weg zu
+schlechten Taten+.“


=2. Der hl. Johannes Chrysostomus= (344–407).

Dieser berühmte Erzbischof und Patriarch von Konstantinopel (wegen
seiner Beredsamkeit Chrysostomus, d. i. Goldmund, genannt) verdankt
seine streng religiöse Erziehung seiner frommen Mutter Anthusa. In
seinen Homilien und in der Schrift „Gegen die Feinde des Mönchtums“
tritt er mit großer Kraft der heidnischen Sittenlosigkeit entgegen. Den
Eltern und Erziehern legt er insbesondere

1. die Pflicht des guten +Beispiels+ warm ans Herz.

  Er tadelt diejenigen Väter, „die den Kindern nur von +irdischen+
  Dingen reden“. „Wenn ein Vater sein Kind ermahnend sagt: hier hat
  sich einer durch seine Kunst großen Reichtum erworben, dort ist
  einer durch seine Kenntnisse zu den höchsten Staatsämtern gelangt,
  von himmlischen Dingen aber niemals redet, so lehrt er sie nichts
  anderes, als was die Quelle alles Bösen ist, denn er flößt ihnen die
  Habsucht ein und die noch verderblichere Begierde nach eitler Ehre.“
  Er eifert ferner gegen solche Väter, die das Schlechte mit +schönen+
  Namen, die Tugenden mit +verwerflichen+ Ausdrücken benennen. „Immer
  auf der Rennbahn und im Theater leben nennt ihr guten Weltton, das
  Trachten nach Reichtum ein unabhängiges Leben suchen, Ehrgeiz
  hohen Sinn, Übermut Freimütigkeit. Dagegen nennt ihr Bescheidenheit
  Feigheit, das Prunklose knechtisch, die Geduld eine Schwachheit.“
  „Solche Väter halte ich für ärger als Kindermörder, denn diese können
  nur den Körper von der Seele trennen, jene aber stürzen die Seele in
  die Hölle.“

2. Er weist auf die wichtige Stellung der +Mutter+ bei der Erziehung
hin.

  „Die Mütter sollen die Kinder nicht nur leiblich pflegen, sondern
  auch zur Gerechtigkeit und Gottesfurcht erziehen.“ „Sehet weniger
  darauf, daß eure Kinder gut reden, als daß sie +gut leben+
  lernen.“

3. Er ermahnt die Eltern, mit der Erziehung und dem Unterrichte
+frühzeitig+ zu beginnen, namentlich mit der Unterweisung in der
Religion.

  „Der +Charakter+ des Kindes muß von Jugend auf gebildet werden, denn
  auf den +Charakter kommt alles an+.“ „Die Dornen müssen ausgerissen
  werden, solange man noch leicht im Acker arbeiten kann.“ „Das zarte
  Alter nimmt das, was es hört, leicht in sich auf, wie das weiche
  Wachs leicht die Spuren des Siegels festhält.“ „Halte es nicht für
  überflüssig,“ ruft er einem Vater zu, „daß dein Sohn früh die Hl.
  Schrift kennen lerne. Aus dieser wird er zunächst hören: ‚+Ehre
  deinen Vater und deine Mutter+‘; es geschieht also zu deinem Vorteil.
  Sage nicht, daß dieses für Mönche gehöre; freilich nicht zu einem
  Mönche, aber doch zu einem Christen sollst du ihn machen -- denn
  +groß ist die Gewalt der vernunftwidrigen Neigungen+ in diesem Alter.“

4. Den +Beruf+ eines Jugenderziehers sieht er als den +höchsten+ auf
Erden an.

  „+Höher+ als jeden Maler, höher als jeden Bildhauer und alle +übrigen
  Künstler+ schätze ich den, der die Seelen der Kinder zu bilden
  versteht.“


=3. Der hl. Hieronymus= († 420).

Dieser berühmte Übersetzer der Bibel (~Vulgata~) war Vorsteher des
Klosters zu +Bethlehem+. Er widmete sich mit großem Eifer der Erziehung
und dem Unterrichte von Knaben, die ihm von den Eltern anvertraut
waren, und verschmähte es nicht, denselben auch die ersten Anfänge des
Lesens, Rechnens usw. beizubringen. Sein Ruf als tüchtiger Erzieher
drang weit über die Grenzen Palästinas hinaus. Tausende von Eltern
wandten sich an den Mönch zu Bethlehem, um von ihm Ratschläge für die
Erziehung ihrer Kinder zu erhalten. Solchen Anlässen entsprang eine
Reihe wichtiger Schriften, von denen uns zwei erhalten sind: 1. an
die edle Römerin Läta über die Erziehung ihrer Tochter Paula, 2. an
einen Freund (Gaudentius) über die Erziehung seiner Tochter Pacatula.
Die pädagogischen Grundsätze, die er in diesen Erziehungsbriefen
niedergelegt, sind durch Jahrhunderte auf Unterricht und Erziehung
von großem Einfluß gewesen. Diejenigen, welche am eifrigsten seine
methodischen und didaktischen Winke befolgten, waren die Fraterherren
(die ersten „Elementarlehrer“ in Deutschland), die sich nach ihm
„Hieronymianer“ nannten. (Vgl. S. 33.) Die bemerkenswertesten Gedanken
aus diesen Briefen sind folgende.

  1. „+Lerne+ erst lange vorher, was du nachher lehren willst.“ „Zum
  +Lehrer+ ist ein Mann von bewährtem Alter, von erprobten Sitten
  und Kenntnissen zu nehmen. Selbst der Ton der ersten Laute und
  die erste Beibringung der Regeln wird von einem gebildeten Manne
  anders sein als von einem ungebildeten. Ich glaube auch nicht, daß
  ein unterrichteter Mann sich schämen wird, bei einem Kinde ein Amt
  zu übernehmen, welches der +große Aristoteles bei dem Sohne des
  Philippus+ übernahm. Man darf dasjenige Kleine nicht gering achten,
  ohne welches das Große und Wichtigste gar nicht möglich ist.“

  2. „Samuel wird in einem Tempel auferzogen, Johannes bereitet sich
  in der +Einsamkeit+ vor: wie Samuel und Johannes muß eine Seele
  unterwiesen werden, die Gottes Tempel und in den Wissenschaften
  tüchtig werden soll. +Niemals+ soll das +Kind an öffentlichen
  Gastmählern+ teilnehmen, auch nicht im elterlichen Hause. Ohne
  vorhergehendes Gebet soll es keine Speise nehmen; ohne dem Herrn
  gedankt zu haben, soll es sich nicht vom Tische entfernen.“

  3. „Vor allem ist zu vermeiden, daß das Kind gegen das Lernen
  +Widerwillen+ fasse. Was das Kind lernen muß, das soll ihm lieb
  werden, damit das +Lernen nicht ein Frondienst+, sondern eine
  +Ergötzung+, nicht ein Müssen, sondern ein +Wollen+ sei.“

  4. „Man gebe dem Kinde +Genossen+, mit denen es +wetteifere+ und
  durch deren Belohnung es angestachelt werde. Will es lässig werden,
  so darf man es nicht gleich schelten; auch +durch Lob+ muß manchmal
  der Geist zur Regsamkeit gebracht werden.“

  5. „Dem Kinde gebe man +Buchstaben+ von Buchsbaum, nenne dieselben
  mit Namen und setze aus ihnen Wörter zusammen. Bei Einprägung des
  Alphabets halte man nicht immer die Ordnung des Alphabets ein,
  sondern +mische+ die Buchstaben untereinander, daß das Kind sie nicht
  durch die Ordnung des Hersagens, sondern durch den bloßen Anblick
  erkennt. Die Wörter, welche durch die Buchstaben gebildet werden,
  sollen nicht zufällig und +inhaltlos+, sondern bestimmt und mit Fleiß
  ausgewählt sein. Man gewöhne das Kind, die Wörter ohne Verstümmelung
  und +deutlich auszusprechen+.“


=4. Der hl. Augustinus= (354–430).

Augustinus wurde als Sohn des Heiden Patricius und der Christin
+Monika+ am 13. November 354 zu Tagaste in Numidien geboren. Die
fromme Mutter ersetzte durch Gebete, Tränen und Ermahnungen bei ihrem
Sohne reichlich, was der Vater vernachlässigte. Nach dem Wunsche des
Vaters sollte Augustinus ein berühmter Gelehrter werden, und es wurden
deshalb keine Kosten gescheut. Auf den hohen Schulen zu Madaura und
Karthago machte er zwar in der Beredsamkeit große Fortschritte. Aber
er blieb auch dem wilden zügellosen Leben nicht fremd, welches unter
den Studierenden dort herrschte. Mit den Verirrungen ihres Sohnes
wuchs indes die Liebe der Mutter. Als sich Augustinus i. J. 384
nach Mailand begab, um dort eine Stelle als Lehrer der Beredsamkeit
anzunehmen, folgte ihm die Mutter mit ihrem zweiten Sohne nach. Hier
wohnte Augustinus als Katechumén den Predigten des hl. +Ambrosius+ bei.
Dieselben machten auf sein Gemüt einen tiefen Eindruck. Der persönliche
Verkehr mit dem gelehrten und heiligen Erzbischof vollendete seine
Bekehrung. Am Ostersamstag d. J. 387 wurde er, 33 Jahre alt, getauft.
Auf der Rückreise in die Heimat ereilte die Mutter in der Hafenstadt
Ostia am 4. Mai 387 der Tod. „Begrabet diesen Leib,“ sprach sie
sterbend zu den bekümmerten Söhnen, „wo immer ihr sein möget; die
Sorge um ihn darf euch nicht beunruhigen. Aber um eines bitte ich
euch, daß ihr, wo immer ihr sein möget, am Altare des Herrn meiner
gedenket.“ Nachdem der Leib der Heiligen in Ostia zur Erde bestattet,
begab sich Augustinus auf kurze Zeit nach Rom und kehrte dann nach
Karthago und auf sein Landgütchen bei Tagaste zurück. Im Jahre 391 zum
Priester geweiht, wurde er bereits 395 zum Bischof von Hippo erwählt
und verwaltete sein Amt 35 Jahre lang mit beispiellosem Eifer und
großartigem Erfolge. Doch mußte er es noch erleben, daß die Vandalen
unter Geiserich Afrika verwüsteten und Hippo belagerten. Er starb im
dritten Monat dieser Belagerung, am 28. August 430, im 77. Lebensjahre.

Von seinen zahlreichen Schriften, welche sich durch ungewöhnliche
Tiefe und Gelehrsamkeit auszeichnen und ihm den Namen des größten
+Gottesgelehrten aller Zeiten+ verschafft haben, sind zwei für die
Pädagogik besonders wichtig.

1. „+Von der katechetischen Unterweisung der Unwissenden in
der Religion.+“ Durch dieses Buch, welches eine Anleitung für
den Diakon Deogratias in Karthago zur Erteilung des ersten
Katechumenen-Unterrichts enthält, ist Augustinus der Gründer der
katholischen Pädagogik geworden. Die bemerkenswertesten Gedanken aus
demselben sind folgende.

  „In der Erziehung muß +Liebe+ mit +Furcht+ und Furcht mit Liebe
  gepaart sein.“

  „Der Erzieher soll sich eine +heitere Stimmung+ zu bewahren suchen,
  nur ‚einen fröhlichen Geber hat Gott lieb‘.“

  „Er soll die +Eigenart der Schüler+ kennen lernen und darauf achten,
  ob dieselben aufrichtig und gut beanlagt sind.“

  „Der +Unterricht in der Religion+ soll sich auf der +Bibl. Geschichte
  aufbauen+. Er soll auch auf die Bedürfnisse der Zeit und des Ortes
  Rücksicht nehmen. Auf allen Stufen muß er ein zusammenhangendes
  Ganzes bilden.“

  „Mit dem bloßen Auswendiglernen soll der Katechet sich nicht
  begnügen, sondern es soll fleißig +erklärt+, dann der +Begriff
  gewonnen+, die +öftere Wiederholung+ nicht verabsäumt werden.“

  Um sich „vom Verständnisse zu überzeugen und Gelegenheit zu
  gewinnen, das falsch Erfaßte zu berichtigen“, empfiehlt +Augustinus
  nachdrücklich die Frage+.

  Endlich soll der Katechet alle zweckmäßigen Mittel anwenden, um den
  Lernenden den +Unterricht+ ebensowohl +angenehm+ als recht nützlich
  zu machen, damit sie denselben +gern+ und +fleißig+ besuchen.

2. Sehr belehrend und erbauend sind ferner seine „+Bekenntnisse+“, als
Erbauungsbuch in fast sämtliche Sprachen Europas übersetzt. Er gibt
darin einen Abriß seines Lebens von seiner Kindheit an bis um d. J.
400, gedenkt hierbei aber nicht bloß der äußeren Ereignisse, sondern
schildert insbesondere den Zustand seines Innern, die +Kämpfe und
Anstrengungen+, durch die er bemüht war, sich der Sünde zu entreißen
und einem christlichen Leben zuzuwenden.




V. Die Pfarrschulen.


  1. Eine für den Katechumenen-Unterricht einflußreiche Änderung
  war die allmähliche Durchführung der +Kindertaufe+ (nach der
  Völkerwanderung). Der Religionsunterricht begann jetzt erst nach
  der Taufe, aber auch gleich nach dem Eintritte der Kinder in die
  Jahre der Vernunft. Die Seelsorger übernahmen den Unterricht. Das
  Katechumenat hörte auf, und die Pfarr- oder Parochialschulen traten
  an dessen Stelle.

  2. Die +Form+ der christlichen +Katechesen+ mußte für Kinder
  eingerichtet werden. An Stelle des Vortrages trat das +Zwiegespräch+
  (Fragen und Antworten). Bei der Auswahl des Stoffes war auf die
  Fassungskraft der Kleinen Rücksicht zu nehmen. So gestaltete sich die
  Katechese zu einer Unterweisung von Kindern in den Anfangsgründen der
  christlichen Lehre, welche in der Form des Zwiegesprächs durch Fragen
  und Antworten erteilt wird.

  +Katechismus+ heißt: +Lehrbuch in Form von Frage und Antwort+,
  besonders für den Unterricht in der christl. Religion. Mit
  +katechetischer Methode+ bezeichnet man die Unterrichtsweise in der
  Form des +Zwiegesprächs+.

  3. +Hauptlehrgegenstände+ der Pfarrschulen waren: Religion und
  Biblische Geschichte; vielfach wurde auch Lese-, Gesang- und
  Rechen-Unterricht damit verbunden.

  4. Die +Errichtung+ von Parochialschulen wurde angeordnet durch
  die Synoden von Orange und Valence (529) und durch das 3. ökumen.
  Konzil (von Konstantinopel 681). Eine Synode in England bestimmte
  ausdrücklich: „Die Pfarrer sollen so viele Schüler in ihre Häuser
  nehmen, als sie können, und wie gute Väter ihren Geist nähren.“




VI. Die Schulen der Benediktiner.


  1. Dem Benediktinerorden verdankt das Abendland vom 6.–13.
  +Jahrhundert+ fast ausschließlich die Segnungen des öffentlichen
  Unterrichts. Die kleineren Stifte bildeten die Jugend der Umgegend
  in Elementarkenntnissen, die größeren Klöster waren Sammelplätze der
  Gelehrsamkeit.

  2. Der Stifter des Benediktinerordens ist der heil. +Benedikt von
  Nursia+, zugleich Vater des Mönchswesens im Occident. Er gründete
  seinen weltberühmten Orden 520 zu Subiaco (südlich von Rom), siedelte
  529 nach +Monte Cassino+ (nördlich von Neapel) über und gründete hier
  das eigentliche +Stammkloster+ des Ordens. Er starb daselbst 543.

  3. In seiner +Ordens-Regel+ nimmt er vorzugsweise auf die Pflege der
  Jugend Rücksicht.

  +Arme+ so gut als +reiche+ Knaben dürfen vom +frühen Alter+ an durch
  die Eltern dem Kloster übergeben werden. -- Sie sollen im Kloster
  in +strenger Ordnung+ und draußen unter Aufsicht gehalten werden.
  -- Die Schwächen der Knaben sind zu berücksichtigen, dagegen die
  +Vergehen+ derselben mit +Fasten oder Rutenstreichen+ zu züchtigen.

  4. Nach dem Muster des Stammklosters wurden mit allen
  Benediktinerklöstern +Schulen+ verbunden. Bei den größeren Klöstern
  bestanden Doppelschulen, eine +äußere+ und eine +innere+. Die äußeren
  Schulen wurden von Knaben besucht, welche sich zu einem weltlichen
  Berufe vorbereiteten; die innere Schule war für solche, die sich dem
  Ordensberufe widmen wollten. Beide Schulen aber waren +Internate+,
  da die Benediktinerklöster nach der Ordensregel außerhalb der
  Ortschaften aufgeführt werden mußten.

  5. Der Vorsteher des Klosters (Abt) beauftragte einen geeigneten
  Mönch mit der besonderen +Leitung+ der Schule. Dieser hieß ~magister
  scholae~, war sehr angesehen und wählte sich aus den übrigen Mönchen
  ~seniores~ (Helfer).

  6. +Unterrichtsgegenstände+ waren:

    ~a~) Lesen, Schreiben und Psalmengesang. (Die Unterrichts- und
    Umgangssprache war die +lateinische+. Nur die Kleinen durften sich
    der Muttersprache bedienen.)

    ~b~) Grammatik (lat.), Rhetorik, Dialektik; -- Arithmetik,
    Geometrie, Astronomie, Musik.

  Die unter ~b~ genannten Unterrichtsfächer nennt man zusammen die
  +sieben freien Künste+; davon bilden die drei ersten das +Trivium+
  und die vier letzten das +Quadrivium+.

  7. Die +Zucht+ wurde mit großer Strenge gehandhabt. Auf Unart,
  Unfleiß, Unachtsamkeit folgten Fasten und Rutenstreiche, auf
  schwerere Vergehen Geißelhiebe.

  8. Berühmte +Benediktinerschulen+ vor dem Jahre 800 waren:

  Monte Cassino in Italien, St. Gallen in der Schweiz, Reichenau auf
  einer Bodensee-Insel, Fulda in Mitteldeutschland, York in England und
  +Tours+ in Frankreich.




VII. Die Domschulen.


  Die ältesten christlichen Schulen an den Wohnsitzen der Bischöfe sind
  die Schulen bei den bischöflichen Kirchen oder die +Domschulen+.

  Der Vater der Dom- oder Kathedralschulen ist +Chrodegang+, von
  742–766 Bischof von Metz. Er gab seinen Domgeistlichen eine
  bestimmte Regel zu einem gemeinschaftlichen Leben und gründete
  mit ihnen eine Schule, deren nächster Zweck war, junge Priester
  heranzubilden. Der Leiter der Domschulen hieß +Scholasticus+ und
  war ein angesehenes Mitglied des Domkapitels. Seine Gehilfen fand
  er unter den übrigen Domherren. Nach Chrodegangs Vorgang in Metz
  entstanden Domschulen auch in anderen Bischofsstädten. Die Domschulen
  sind, wie die Klosterschulen, Lateinschulen gewesen, hatten dieselben
  Unterrichtsgegenstände, waren aber nicht Internate, sondern
  +Externate+.




Zweiter Abschnitt.

Von Karl dem Großen bis zur Reformation.




I. Verdienste Karls des Großen um Erziehung und Unterricht.


Kaiser Karl der Große (768–814) ist der erste +weltliche+ Herrscher,
welcher für Erziehung und Unterricht seiner Völker Sorge trug. Sein
gewaltiger Geist erfaßte zum erstenmal den Plan einer +allgemeinen
Volksbildung+. Schon durch seine pädagogischen Bestrebungen hat sich
der große Kaiser einen unsterblichen Namen und den Dank der Nachwelt
gesichert. Karls Verdienste sind:

1. Er sorgte für die Verbreitung des Christentums unter den noch
+heidnischen+ Völkerschaften und suchte so das Werk des hl. Bonifacius
zu vollenden. Unterstützt wurde er in diesen Bestrebungen durch den
Schüler des hl. Bonifacius, +Sturmi+, welcher den südwestlichen Teil
des Sachsenlandes als Arbeitsfeld sich wählte und das Kloster Fulda
gründete; sodann durch den hl. +Ludgerus+, Stifter der Abtei Werden a.
d. Ruhr und ersten Bischof von Münster, der im nordwestlichen Teile des
Landes segensreich wirkte.

  Karl verschmähte bei der Ausbreitung des Christentums und der
  Kultur auch +Gewaltmittel+ nicht, weshalb Weber in seinem Epos
  „Dreizehnlinden“ von ihm sagt:

      „Beides schaffte Karl der Franke,
      Liebenswertes, Hassenswertes;
      Hielt er fest am Kreuz der Kirche,
      Fester doch am Kreuz des Schwertes.“

      „Der die Leuchte holder Bildung
      Trug in unsre finstren Wälder,
      Segensreiche Körner streute,
      Doch in blutgedüngte Felder.“

2. Die Verkündigung der Heilswahrheiten in den schon +christlichen+
Teilen seines Reiches lag ihm sehr am Herzen.

  Er ließ durch Paul Warnefried eine Homiliensammlung veranstalten,
  befahl, daß die Belehrungen des Volkes in der +Muttersprache+
  geschehen sollten, und ließ einen +Katechismus in deutscher Sprache+
  (den ersten dieser Art) verfassen. Sein weiteres Verdienst um die
  deutsche Sprache besteht darin, daß er auch die alten +deutschen
  Volkslieder+ durch Eginhard aufschreiben und sammeln ließ.

3. Er war ein eifriger Förderer der +bestehenden+ Schulen, namentlich
der Klosterschulen der Benediktiner und der Pfarrschulen.

  Den +Priestern+ wurde in seinen +Kapitularien+ (Gesetzesbestimmungen)
  die religiöse Unterweisung der +Jugend+ zur +besonderen+ Pflicht
  gemacht.

4. Er gründete mit unermüdlichem Eifer +neue+ Schulen:

  ~a~) Die +Domschulen+ wurden vermehrt, und die Domgeistlichkeit
  wurde zur Annahme der Regel Chrodegangs bewogen. So entstanden die
  Kathedralschulen zu Mainz, Trier, Köln, Münster, Paderborn, Minden
  u. a. (Vgl. ~Capitulare~ v. J. 789.)

  ~b~) Die +Sängerschulen+ zu Metz und Soissons waren Neuschöpfungen
  Karls. Papst Hadrian sandte für diese Schulen zwei bewährte Meister
  des Gesanges, Petrus und Romanus.

  ~c~) Die +Hofschule+ Karls ist als seine Lieblingsschöpfung zu
  bezeichnen und gestaltete sich zu einer Musterschule für das ganze
  Reich. Seine eigenen Kinder und die Kinder seiner Beamten erhielten
  hier Unterricht. Sie hatte den Charakter einer Wanderschule (Paris,
  Aachen, Ingelheim, Nymwegen); +Alkuin+ war ihr berühmtester Lehrer.

  ~d~) Karl gründete auch viele eigentliche +Elementarschulen+.
  Er führte für diese schon eine Art Schulzwang ein: die Eltern
  sollten gehalten sein, ihre Kinder zur Schule zu schicken, säumige
  Eltern wurden mit Fasten und anderen Züchtigungen bestraft. (Vgl.
  ~Capitulare~ v. J. 806 und Konzil von Mainz v. J. 813.)

5. Der große Kaiser ging auch selbst mit dem schönsten +Beispiele+
voran. Neben der strengsten Erziehung seiner eigenen Kinder scheute er
sich nicht, noch im Mannesalter ein lernbegieriger Schüler zu sein.

  Erst spät lernte er das Rechnen und Schreiben; letzteres betrieb er
  mit solchem Eifer, daß er die Schreibtafel mit sich ins Bett nahm,
  um bei Schlaflosigkeit sich im Schreiben zu üben. Noch nach seinem
  40. Jahre studierte er Grammatik, Rhetorik, Dialektik (das Trivium)
  und vor allem +Astronomie+. In der lateinischen Sprache war er so
  bewandert, daß ihm der Pfingsthymnus ‚~Veni, creator~‘ zugeschrieben
  wird. Er besuchte selbst die Schulen und hielt Prüfungen ab.
  (Vgl. das anmutige Gedicht von Karl v. Gerok „Wie Kaiser Karl
  Schulvisitation hielt“.)

+Hindernisse+, welche sich den edlen Bestrebungen Karls
entgegensetzten, waren:

  1. Seine Ideen kamen +zu früh+ und konnten deshalb kaum dauernde
  Wurzeln schlagen.

  2. Der Bauernstand war zum großen Teil +unfrei+ und erkannte noch
  nicht den Wert der Geistesbildung.

  3. Die Lehr- und Lernmittel waren zu +spärlich+ und kostspielig; es
  gab nur geschriebene Bücher.

  4. Es bestand noch +kein+ eigentlicher +Lehrerstand+ für die
  Volksschulen; der Unterricht war nur eine Nebenbeschäftigung der
  Geistlichen.




II. Rhabanus Maurus (775–856).


1. In Fulda, der Gründung des hl. Bonifacius, unterrichtete schon
sein Schüler Sturmi junge sächsische Geiseln und bereitete sie zum
Christentum vor. Die Schule erlebte aber ihre höchste Blüte unter
+Rhabanus Maurus+, dem „ersten deutschen Schulmanne und Gelehrten“. Er
war 775 in Mainz von angesehenen Eltern geboren. Der Vater (Ruothart)
war Kriegsmann gewesen, die Mutter (Adelgunde) war eine fromme Frau,
welche die Erziehung des vielversprechenden Knaben hauptsächlich
leitete. Neun Jahre alt kam er als ~puer oblatus~ ins Kloster Fulda.
Wie wohl sich Rhabanus im Kloster fühlte, beweisen seine Verse:

    „Zwar aus menschlicher Schwäche nicht stets den Gesetzen gehorsam,
    Liebt’ ich mein Zellchen doch stets, freundlicher Raum war es mir.“

Seine wissenschaftlichen Bestrebungen fanden in der ansehnlichen
Bibliothek des Klosters reiche Unterstützung. Nachdem er 801 Diakon
geworden war, wurde er auf die berühmteste Schule des fränkischen
Reichs, nach +Tours+ geschickt. Er weilte nur ein Jahr bei dem großen
+Meister Alkuin+, aber dies genügte, um zwischen beiden die innigste
Freundschaft anzubahnen. Alkuin gab dem jungen Freunde den Beinamen
Maurus, um anzudeuten, daß ihm Rhabanus das sei, was einst dem hl.
Benediktus sein Lieblingsschüler Maurus gewesen.

2. Nach der Rückkehr von Tours (802) übernahm Rhabanus die +Leitung
der Fuldaer+ Klosterschule. Er meldete dies dem Freunde in Tours, und
dieser schrieb ihm zurück:

  „Ermahne die Kleinen, welche um dich sind, zur +Keuschheit+ des
  Körpers, zum reuigen +Bekenntnis+ ihrer Sünden, zur +Ausdauer+ im
  Lernen und zum +verständigen+ Umgange. Lehre sie die Unmäßigkeit und
  die Eitelkeit der Welt fliehen. In ihrer Jugend sollen sie lernen,
  damit sie im Alter lehren können. Trage Sorge, daß sie an +dir ein
  Muster+ haben, und ermahne sie in heiligen Worten.“

Rhabanus galt als sehr gewissenhafter Lehrer, der sein unablässiges
Streben den Fortschritten seiner Schüler widmete, und als ein
vortrefflicher Erzieher, der in hohem Maße die Geschicklichkeit besaß,
einen jeden nach seinem Alter und seiner Individualität zu behandeln.
Darin aber zeigt sich des Rhabanus echt +deutsche Natur+, daß er auf
die Pflege der +Muttersprache+ besonders Gewicht legte und zu dem Ende
ein lateinisch-deutsches Wörterbuch der Bibel verfaßte. Auch schmückte
er als Abt durch Bauten und Kunstwerke das Kloster, um den Kunstsinn
der Mönche und Schüler zu pflegen und jedem Talente Gelegenheit zur
Ausbildung zu geben. Es muß etwas Schönes gewesen sein um das rege
geistige Leben in Fulda, um die freudige Arbeitslast, die sich auf den
Gesichtern der Lehrenden und Lernenden abspiegelte („~Laeti tirones,
laetiores magistri, laetissimus rector~“). Der Ruf von der Blüte der
Schule drang bald in die Ferne und zog viele Schüler herbei. Manche
von letzteren, zu tüchtigen Lehrern vorbereitet, trugen Glauben und
Wissen weiter an andere Schulen. Unter diesen sind zu nennen +Walafried
Strabo+ und +Otfried von Weißenburg+.

3. Im Jahre 822 zum +Abt+ des Klosters erwählt, wandte Rhabanus sich
nicht von der Jugendbildung ab, sondern nahm noch unmittelbar am
Unterrichte Anteil und hielt auf gute Zucht und Ordnung. Daher blieb
die Schule zu Fulda auch weiterhin die Leuchte für ganz Deutschland.
Im Jahre 847 wurde Rhabanus +Erzbischof+ von Mainz. Als solcher hat er
4 große Kirchenversammlungen abgehalten. Auf der ersten (zu Mainz 847)
wurde der Beschluß erneuert, daß die +deutsche Sprache+ eine größere
Verwendung beim +Gottesdienst+ erhalten solle. Mit besonderem Eifer
widmete er sich der Verkündigung des göttlichen Wortes, wobei er das
Volk über mancherlei Wissenswertes zu belehren suchte, so sehr war ihm
das eigentliche +Unterrichten zur zweiten Natur+ geworden. Er starb am
4. Februar 856 zu Winkel im Rheingau.




III. Schulen des nachkarolingischen Mittelalters.


  1. Nach Kaiser Karls großartigem und unvergleichlichem Vorbilde
  nahm sich auch Herzog +Thassilo+ II. von Bayern der Schulen an. Er
  bestimmte 774: „Jeder Bischof soll in seiner Vaterstadt eine Schule
  errichten.“

  2. Papst +Eugen+ II. empfahl 826 allen Bischöfen, „Lehrer zu
  bestellen, die im Lesen, in den freien Künsten und in den Heilslehren
  fleißig Unterricht erteilen sollen“.

  3. Das 11. ökumenische Konzil (im +Lateran+) unter Papst Alexander
  III. (1179) verordnete: „An jeder Domschule soll dem Lehrer ... ein
  hinreichendes Einkommen ausgeworfen werden.“ „Auch an anderen Kirchen
  soll das Erforderliche hierfür geschehen.“ „Die Erlaubnis zu lehren
  darf keinem Tüchtigen versagt werden.“

  4. Die +Hofschule+ Karls d. Gr. bestand weiter und blühte besonders
  zur Zeit Karls des Kahlen unter dem tüchtigen +Lehrer Scotus
  Erigena+. Im 10. Jahrhundert wirkten der Erzkaplan +Bruno+ (Bruder
  des Kaisers Otto I.) und von 999–1003 der gelehrte Mönch +Gerbert+
  (der spätere Papst Silvester II.) ausgezeichnet als Leiter der
  Hofschule.

  5. Einzelne Domschulen taten sich besonders hervor. Die +Dom+schule
  von +Hildesheim+ hatte die Ehre, den +Kaiser Heinrich+ II. und den
  berühmten Bischof +Meinwerk von Paderborn+ zu ihren Schülern zu
  zählen. Der berühmte hl. +Anno+ (Erzbischof von Köln) und der Bischof
  +Imad+ sind Schüler der +Paderborner Domschule+ (unter Meinwerk).
  Neue Domschulen entstanden in Magdeburg, Merseburg, Meißen.

  6. Die sog. +regulierten Chorherren+ gründeten nach Chrodegangs
  Plane Stiftsschulen an ihren Kollegiatkirchen. Die +Augustiner+-
  und +Norbertiner+-Mönche machten sich den Jugendunterricht zur
  Hauptaufgabe. Den Augustinermönch +Hugo von St. Viktor+ nannten
  seine Zeitgenossen wegen seiner eminenten Lehrtätigkeit den „zweiten
  Augustinus“.

  7. Die +Benediktinerschulen+ wirkten segensreich weiter und wurden
  durch neue Stiftungen vermehrt. +Corvey+ an der Weser, Stiftung
  Ludwigs des Frommen (814–840), erhielt für Norddeutschland hohe
  Bedeutung. Kaiser- und Königssöhne wurden hier ausgebildet. Die
  Apostel des Nordens, +Ansgar+ für Schweden und +Adalbert+ für
  Rußland, gingen aus der Klosterschule von Corvey hervor. Die
  Genossenschaften der +Cluniacenser+ und +Cistercienser+ erwuchsen
  aus dem Stamme der Benediktiner und setzten das große Werk des hl.
  Benedikt fort.

  8. Die Bettelorden der +Franziskaner+ (gestiftet 1209) und der
  +Dominikaner+ (1215) waren stiftungsmäßig zur religiösen Unterweisung
  der ärmeren Volksklassen verpflichtet. Sie errichteten bei ihren
  Klöstern +Schulen+, welche +Externate+ waren.

  Aus diesen Schulen entstanden später mehrfach Gymnasien, z. B. in
  Rheine, Warendorf, Recklinghausen, Brilon.

  Die Franziskaner wirkten außerdem noch als Lehrer in +Stadt-+ und
  +Landschulen+ und unterwiesen sogar in Privathäusern die Jugend im
  +Katechismus+, +Lesen+ und +Schreiben+.

  9. Die Genossenschaft der +Brüder des gemeinsamen Lebens+ (auch
  Hieronymianer, Fraterherren oder +Schulbrüder+ genannt) nahm
  sich in den letzten beiden Jahrhunderten des Mittelalters des
  Jugendunterrichts an und wirkte besonders in den Niederlanden und in
  Norddeutschland.

  Sie erteilten nicht allein höheren, sondern auch +niederen
  Unterricht+, namentlich in der +Religion+, +Muttersprache+ und im
  +Rechnen+. Ihre Schulen, die sehr zahlreich besucht wurden, gründeten
  sie neben ihren Fraterhäusern. Die Mitglieder dieser Genossenschaft,
  Geistliche und Laien, lebten als Brüder in freier Vereinigung, „nur
  durch +guten Willen+ verpflichtet“, zusammen. Ihr Stifter war +Geert
  Grote+, dessen Gehilfe und Nachfolger +Florentius Radewin+. Der
  bekannteste Fraterherr ist der gottsel. +Thomas von Kempen+, † 1471,
  dessen „Nachfolge Christi“ nächst der Hl. Schrift das verbreitetste
  Buch ist. Sein berühmter Schüler war Alexander von Heek (Alexander
  Hegius) † 1498, der wiederum den gelehrten +Erasmus von Rotterdam+ zu
  seinen Schülern zählte.

  Die +Fraterherren+ sind die ersten +Elementarlehrer+, und +Geert
  Grote ist der Vater der Elementarschule+.


Stadtschulen.

  1. Infolge der +Kreuzzüge+ entwickelte sich das +Bürgertum+. Von den
  Magistraten wohlhabender Städte wurden +lateinische Stadtschulen+
  (nach dem Muster der Domschulen) gegründet. Solche Schulen bestanden
  in Lübeck, Hamburg, Breslau, Leipzig, Nordhausen u. a. Städten.

  2. +Papst Alexander+ III. stand diesen Schulen freundlich gegenüber
  und erlaubte Mönchen und Weltgeistlichen, darin als Lehrer zu wirken.
  Die +geistlichen+ Lehrer nahmen sich vielfach +weltliche+ Gehilfen,
  welche die Lernanfänger im Lesen und Schreiben unterrichteten.

  Der (meistens geistliche) Schulvorsteher oder +Rektor+ hieß auch
  Oberschulmeister oder +Magister+, die Gehilfen wurden +Kindermeister+
  genannt.

  3. Nur den +Rektor+ stellte die +städtische Behörde+ an, die Gehilfen
  oder Schulgesellen konnten dann von dem Schulvorsteher beliebig
  angeworben und entlassen werden.

  4. Die nicht fest angestellten Unterlehrer (Schulgesellen oder
  Kindermeister) veränderten sich gern und oft und suchten als sog.
  „+fahrende Schulgesellen+“ in den städtischen Schulen Arbeit.

  5. Angesteckt von dem Wanderleben des Lehrpersonals zeigten sich auch
  bald „+fahrende Schüler+“ in Menge. Ganze Schwärme von Schülern zogen
  von Stadt zu Stadt, von Schule zu Schule und blieben dort längere
  Zeit, wo es ihnen gefiel. Die Führer (größere Schüler), welche „einem
  Trunke gar nicht abhold“ waren, nannte man „+Bacchanten+“, die
  kleineren -- „+Schützen+“. Die Schützen mußten für ihre Bacchanten
  den Unterhalt erbetteln oder stehlen. Dieses Schülerunwesen erhielt
  sich bis ins 16. Jahrhundert.

  +Thomas Platter+, geb. 1499, später Schulrektor in Basel, liefert in
  seiner +Selbstbiographie+ eine anschauliche Schilderung des Lebens
  und Treibens der „fahrenden Schüler“.

  „In Dresden war gar keine gute Schule und in unseren Schlafkammern
  alles voll von L..., daß wir sie nachts im Stroh unter uns knistern
  hörten; sie waren so groß wie reifer Hanfsamen. Im Sommer blieben wir
  nachts auf dem Kirchhof, trugen Gras zusammen und lagen darin wie
  Säue auf der Streu. Zuweilen gingen wir in die Bierhäuser; da gaben
  uns die trunkenen Polackenbauern so viel Bier, daß wir nicht wieder
  zur Schule kommen konnten.“ „Manchmal hetzte man die Hunde auf uns.“
  „Die Stadt Breslau hatte sieben Pfarren und jegliche eine besondere
  Schule.“ „In Breslau sind +etliche tausend+ Bacchanten und Schützen
  +auf einmal+ gewesen, die sich alle von Almosen ernährten.“ „In der
  Schule zu St. Elisabeth (Breslau) hatte +niemand gedruckte Bücher+.“

  Nach fünf Jahren kam Platter nach Hause; er konnte gut betteln, aber
  nicht lesen.

  6. Auch +deutsche Schulen+ gab es gegen Ende des Mittelalters in
  den Städten. Unterrichtsgegenstände: +Religion+, +Deutsch+ (Lesen
  und Schreiben), +Rechnen+ und +Gesang+. Die deutschen Schulen waren
  die städtischen Elementarschulen des Mittelalters. Während man die
  Lateinschulen schlechthin „Schule“ hieß, führten die Deutschschulen
  den Namen „Schreibschule“.

  7. +Mädchenschulen+ lassen sich in den Städten nur ganz vereinzelt
  nachweisen. Der Mädchenunterricht blieb mehr Privatsache und
  beschränkte sich auf die Unterweisung in der +Religion+. Dagegen gab
  es in +Nonnenklöstern Frauen+, welche +Latein+ sprachen und schrieben.

  8. Der größte Teil der Einwohner deutscher Städte im Mittelalter
  lernte lesen, schreiben und rechnen. +Der Handwerkerstand+ namentlich
  zeichnete sich durch +gute Schulbildung+ aus, während manche
  +adligen+ und fürstlichen Personen +unwissend+ blieben.


Landschulen.

  1. Auf dem Lande waren im Mittelalter und kurz nach demselben
  nur wenige Schulen zu finden. Tagelöhner, Handwerker oder ein
  Geistlicher erteilten hier und da Elementarunterricht, der aber +sehr
  spärlich+ ausfiel. In der Religion besorgte der Pfarrgeistliche die
  Unterweisung.

  2. An Orten, wo der Schuldienst mit dem Küsteramte dauernd verbunden
  wurde, kam es zur Einrichtung von +Küsterschulen+. Solche Schulen
  hatte Westfalen schon in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, z. B. in
  +Bigge+, Kreis Brilon.

  +Erzbischof Engelbert II. von Köln+ bestätigte 1270 die „+Satzungen+
  für den Küster und Schulmeister zu +Bigge+“.

  Hiernach war der Küster gehalten, „die Kirchspielsjugend im Schreiben
  und Lesen des Sommers morgens von 7, des Winters von 8–10 Uhr,
  nachmittags des Sommers von 1–3 oder 4 Uhr, des Winters bis 3 Uhr zu
  unterrichten“.

  „Die Kirchspielseingesessenen sollen bei Strafe von 15 Mark verbunden
  sein, die Kinder zur Schule zu schicken.“ (Schulzwang!)

  Der „jedesmalige Schulmeister“ mußte „monatlich dem Pastor
  schriftlichen Bericht“ über das Betragen und die Leistungen der
  Schüler vorlegen. (Schulaufsicht!)




IV. Pädagogische Schriftsteller.


=1. Vincenz von Beauvais= († 1264).

  1. Dieser große Gelehrte des 13. Jahrhunderts war Dominikanermönch zu
  Beauvais (nördlich von Paris). Er übernahm die Erziehung der Kinder
  des Königs Ludwig des Heiligen von Frankreich.

  2. Auf Veranlassung der Königin Margarete verfaßte er eine
  pädagogische Schrift unter dem Titel: „+Über die Unterweisung
  der Kinder aus königlichen Familien+“. Diese Schrift ist keine
  systematische Abhandlung über Erziehung und Unterricht, sondern eine
  Zusammenstellung des Besten und Trefflichsten, das bis zu seiner
  Zeit über Erziehung und Unterricht von heidnischen und christlichen
  Schriftstellern gesagt worden war. 2000 ältere Schriften sind
  benutzt. Die 41 ersten Kapitel handeln von der Erziehung der Knaben,
  die 10 letzten von der Erziehung der Mädchen. Die Hauptgedanken der
  Schrift sind, daß der Erzieher selbst +heilig+ sein müsse, um andere
  erziehen zu können, und daß Unterricht und Wissen ohne Erziehung und
  Bildung des +Willens+ von zweifelhaftem Werte sind.

  3. Stellen aus dem Buche:

  „Zur guten Verwaltung des Lehramtes gehört +klarer Verstand+,
  +Demut+, +Lehrgabe+.“

  „Bei aller Arbeit in der Wissenschaft darf auch die Sorge für den
  +Leib+ nicht vergessen werden.“

  „Zweck der Zucht ist Abgewöhnung vom Bösen und Gewöhnung zum Guten.“

  „Die Strafe kann in Tadel, Drohung und +körperlicher Züchtigung+
  bestehen.“

  „Überall aber muß die Strafe nur +aus Liebe+ und +mit Liebe+
  angewendet werden.“


=2. Johannes Gerson= (1363–1429).

  1. Der geistliche +Professor+ und +Kanzler+ der Universität Paris
  Johannes +Gerson+ war Mitglied des 16. ökumen. Konzils (zu Konstanz,
  1414) und unterrichtete später zu Lyon die Kinder und Kleinen in der
  Religion. Er starb dort in der Mitte seiner Zöglinge.

  2. Gerson verfaßte eine Schrift „Über +die Pflicht, die Kinder
  Christo zuzuführen+“. Er schrieb außerdem noch für die Kinder über
  die zehn Gebote und das Beichten.

  3. Von dem Eifer und der großen Seelenkenntnis Gersons zeugen
  folgende Stellen:

  „+Christus+ verglich sich im +Sammeln der Seelen+ mit einer +Henne+,
  welcher, wie Augustinus sagt, kein Tier in der bekümmerten Teilnahme
  für seine Jungen gleicht.“

  „Die Kleinen werden zu Christus geführt durch +Kanzelvortrag+,
  +private Belehrung+, +Schulunterricht+ und die +Beichte+.“

  „Ich halte die +Beichte+ für die +wirksamste Leiterin zu Christus+.“

  „Niemals werde ich nach Dingen forschen, die zu verschweigen sind.“

  „Kommet mit Vertrauen! Ich werde euch lehren, und ihr werdet für mich
  beten.“


=3. Mapheus Vegius= (1407–1458).

  1. Der Sekretär der päpstlichen Breven Mapheus +Vegius+ war auf
  pädagogischem Gebiete nur +theoretisch+ tätig. Er starb zu Rom.

  2. Eine besondere Verehrung zu der hl. +Monika+, deren Gebeine er von
  Ostia nach Rom bringen und in der Augustinuskirche beisetzen ließ,
  veranlaßte ihn zur Abfassung der ausgezeichneten Schrift: „Über die
  Erziehung der Kinder und die +Veredlung ihrer Sitten+.“

  3. Die Schrift zerfällt in 6 Bücher und ist eine vollständige
  Pädagogik. Dem Charakter des Mittelalters gemäß hat die +erziehliche+
  Seite mit Recht über die didaktische das Übergewicht. Vegius hebt
  (wie früher Quintilian) hervor, daß selbst für die +Elemente
  des Wissens tüchtige Lehrer+ notwendig sind, weil nur solche es
  verstehen, leichtfaßlich und klar zu unterweisen und einen +sicheren
  Grund+ zu legen. Die bemerkenswertesten Stellen aus dieser Schrift
  sind folgende:

  „Die Kinder sollen vom 7. +Jahre+ an, wie dies die Alten schon
  angeordnet, den Unterricht eines Lehrers genießen.“ „Wie das weiche
  Wachs die Spuren des Siegels festhält, so ist auch das +zarte Alter+
  für die Aufnahme äußerer Eindrücke geeigneter als jedes andere.“

  „Die Knaben sollen in +öffentlichen+ Unterrichtslokalen, nicht aber
  zu Hause ihren Unterricht erhalten, weil dann der +eine+ durch den
  +anderen angefeuert+ wird.“

  „Vor dem häufigen +Wechsel+ der Lehrer und des Unterrichts möge man
  sich hüten.“

  „Die Lehrer sollen die Schüler als ihre +eigenen+ Kinder behandeln.“

  „Dieselbe Regel, welche man bei +körperlicher+ Nahrung anwendet, ist
  auch bei Mitteilung von Kenntnissen zu beobachten.“

  „Die Lehrer mögen ihr +sorgfältiges Augenmerk+ auf das Wesen der
  +einzelnen+ richten.“ (Individualität.)

  „Die Lehrer müssen sich hüten, daß sie nicht übermäßig in +Zorn+
  geraten, denn dem Lehrer wird Grausamkeit als Verbrechen angerechnet.“


=4. Viktorin von Feltre= (1378–1446).

  1. Ein +praktischer+ Schulmann des Mittelalters war Viktorin von
  +Feltre+, der stets ein vollgültiges Muster für Lehrer bleiben
  wird. Als Sohn ganz armer Eltern hatte er mit Not und Entbehrungen
  zu kämpfen, studierte mit glänzendem Erfolge zu Padua und wurde
  Universitätsprofessor daselbst.

  2. Er gründete zugleich in +Padua+ ein Pädagogium für brave Schüler
  ohne Unterschied des Standes. Diese Erziehungsanstalt verlegte
  er später nach +Venedig+, dann nach +Mantua+ (70 Zöglinge). Hier
  unterrichtete er auch die Kinder des Herzogs Joh. Franz Gonzaga.
  Befragt, welche Besoldung er wünsche, antwortete er: „Töricht fürwahr
  wäre es in diesem Augenblicke, an etwas zu denken, was ich von meinen
  Kinderjahren an gering geschätzt habe. Ich bin gekommen, Tugend zu
  begründen, nicht, um Geld zu markten.“

  3. Viktorin war Laie und nie verheiratet, ein Muster der
  +Frömmigkeit+. Er +bereitete+ sich auf jede Lehrstunde gewissenhaft
  +vor+ und ruhte nicht eher, bis auch die schwächsten Schüler seinen
  Vortrag gefaßt hatten. Den Unterricht erteilte er stets anschaulich
  mit freundlicher Herablassung. Er gab den Kindern Buchstaben aus
  Pappe, damit sie dieselben spielend kennen lernten. Im Gegensatz
  zu der allgemeinen Praxis des Mittelalters verwarf Viktorin alle
  +körperliche+ Züchtigung und das Strafknieen in der Schule. Bei der
  Erziehung legte er großen Wert auf körperliche Abhärtung, Gymnastik
  und Spiele. „Von körperlicher Behendigkeit,“ sagte er, „kann man
  meist auf einen durchdringenden Geist schließen. Die Wärme, die
  man der +Bewegung+ verdankt, ist die angenehmste, gesundeste und
  dauerhafteste, weil sie gleichmäßig über alle Teile des Körpers sich
  verbreitet. Am Feuer werden nur einige derselben und diese dann
  zu stark erwärmt; daraus entstehen Augenübel, Husten, Schnupfen
  und vor allem wird die Trägheit, die große Feindin jedes edleren
  Beginnens, in hohem Grade genährt. Durch Leibesübungen hingegen
  wird der Geist erheitert, die Gesundheit befestigt, die Verdauung
  erleichtert.“ Als man ihm liebevolle Vorwürfe darüber machte, daß er
  seine +Enthaltsamkeit+ zu weit treibe und sich das Leben verkürze,
  erwiderte er: „Glaubt mir, weniges wird zur Erhaltung des Lebens
  erfordert, alles übrige dient zur Befriedigung der Lüsternheit, und
  dann hat man einen Schlund zu füllen, dem auch das viele nur wenig
  ist.“ Bemerkenswert ist auch sein Ausspruch: „+In der Liebe zu den
  Schülern allein liegt die Würde, die Freude und das Göttliche der
  Lehrerwirksamkeit.+“




Dritter Abschnitt.

Von der Reformation bis auf Rousseau.




Vorbemerkung.


  1. Die Reformation übte auf die Erziehung zunächst einen
  +nachteiligen+ Einfluß.

  ~a~) Wo sie Eingang fand, gingen die bestehenden Schulen meistens
  zugrunde. Kloster-, Dom- und städtische Schulen lösten sich auf.

  ~b~) Es trat eine arge +Verwilderung und Sittenlosigkeit+ ein.
  Krasser Unglaube und schamlose Frivolität erhoben ihr Haupt. Durch
  die Religionsstreitigkeiten waren Erbitterung und Gehässigkeit
  unvermeidlich geworden. Widerliches Gezänk entzweite vielfach Lehrer
  und Schüler. Luther selbst nahm diesen heillosen Zustand wahr,
  schrieb „an die Ratsherren“ und rief den obrigkeitlichen Zwang an
  (1530).

  2. Dagegen liegen in der Reformation auch wirksame
  +Förderungsmomente+ für Schule und Unterricht.

  ~a~) Die Bibelübersetzung Luthers trug nicht wenig zur Verbreitung
  des Hochdeutschen und zur Anbahnung einer einheitlichen Unterrichts-
  und Schriftsprache in Deutschland bei.

  ~b~) Die evangel. Kirchenordnungen berücksichtigen auch die +Schule+.
  Insbesondere wurden +tüchtige+ Männer angeregt, ihre Kräfte ganz der
  Schule zu widmen.




I. Das Konzil von Trient.


1. Seit dem Ausbruche der Reformation wurde leider ein guter Teil
geistiger Kraft dem Jugendunterrichte entzogen und in den heftigen
Religionsstreitigkeiten verbraucht. Bauernkriege, Wiedertäuferunruhen
und der Dreißigjährige Krieg verwüsteten Deutschland. Das große,
weltberühmte Konzil von Trient (1545–1563) nahm sich warm der Erziehung
und des Unterrichts an.

2. Das Konzil von Trient +verordnete+:

  ~a~) Die Geistlichen sollen der +Jugend+ und den Erwachsenen die
  +Heilswahrheiten+ in der +Muttersprache+ verkündigen;

  ~b~) die Domkapitel sollen für die Domschulen sorgen und die +Armen+
  darin +unentgeltlich+ unterrichtet werden;

  ~c~) die Bischöfe sollen +Seminarien+ und +Seminarschulen+ einrichten
  zur Vorbereitung auf den geistlichen Stand (Ausbildung junger
  Geistlichen);

  ~d~) zur +Instruktion für die Pfarrer+ sollte ein Katechismus verfaßt
  werden. Es ist dieses der „+~Catechismus Romanus~+“, welcher auf
  Befehl des Papstes Pius V. (1566) herausgegeben wurde.

3. Diese Verordnungen des Konzils brachten reichliche Früchte. Neue
Schulorden entstanden, und hervorragende Männer wandten ihre besondere
Aufmerksamkeit der Hebung des Schulwesens zu.




II. Einzelne katholische Schulmänner.


=1. Ludwig Vives= (1492–1540).

=1. Leben.= Johann Ludwig Vives wurde am 6. März 1492 zu Valencia
als Kind adeliger aber unbemittelter Eltern geboren und empfing
seine gelehrte Bildung auf der hohen Schule seiner Vaterstadt und an
der Universität zu Paris. Nachdem er vorübergehend in Brügge sich
aufgehalten, wurde er 1516 Erzieher des späteren Kardinals Wilhelm de
Croy zu +Löwen+. Hier hielt er Vorlesungen an der Universität und trat
in freundschaftlichen Verkehr mit Erasmus von Rotterdam. Wie dieser
verhielt er sich gegen die Reformation Luthers ablehnend, eiferte aber
mit großem Freimut gegen alle vorhandenen Gebrechen und Mißstände
innerhalb der katholischen Kirche. Von Erasmus veranlaßt gab er die
Schrift des hl. Augustinus ‚~de civitate dei~‘ neu heraus und widmete
diese Ausgabe dem Könige von England, Heinrich VIII. Infolgedessen
wurde er nach +England+ berufen und zum Professor der Universität
Oxford ernannt, wo er zugleich der königlichen Prinzessin und
Thronerbin Maria Unterricht erteilte. Als er aber in dem Ehestreite
Heinrichs VIII. offen auf die Seite der Königin Katharina trat, mußte
er England verlassen und kehrte nach +Brügge+ zurück. Von hier rief
ihn der Herzog von Nassau auf Veranlassung seiner Gemahlin Mencia da
Mendoza an seinen Hof nach Breda. Nach dem Tode des Herzogs 1539 kehrte
Vives nach Brügge zurück und starb daselbst schon im nächsten Jahre, 6.
Mai 1540.


=2. Schriften.= Von seinen Schriften sind zu merken:

~a~) „Über die Unterstützung der Armen.“ Diese Schrift ist historisch
merkwürdig als die erste durchdachte und mit völliger Klarheit
hingestellte Theorie einer allgemeinen +bürgerlichen Armenpflege+.
Zu den Aufgaben der letzteren rechnet er ganz besonders auch die
+Unterweisung der Kinder der Armen+ im Lesen und Schreiben wie in den
Anfangsgründen des christlichen Glaubens.

~b~) „Über die Wissenschaften.“ Der zweite Teil dieser Schrift handelt
von dem Unterrichte in den Wissenschaften oder vom christlichen
Unterrichte.

~c~) „Über die Erziehung der christlichen Frau.“ Das Buch ist der
Königin Katharina von England gewidmet.


=3. Pädagogik.= Vives gründete seine Pädagogik auf die empirische
Psychologie, deren Vater er mit Recht genannt wird. Im einzelnen stellt
er folgende Forderungen auf:

1. Von der +Anschauung+ muß aller Unterricht ausgehen.

  „Die ersten Lehrer der Menschen sind die +Sinne+.“ „Der Weg, den
  der menschliche Geist zur Gewinnung der Erkenntnis einschlägt, ist
  der der +Induktion+.“ Vives tritt damit in Gegensatz zu dem bloßen
  Spielen mit Worten und Begriffen, das im späteren Mittelalter
  eingerissen war.

2. Die +Muttersprache+ muß sorgfältig gepflegt werden.

  In der Muttersprache müssen die Knaben zunächst Gewandtheit erlangen,
  in ihr muß auch zuerst die Erklärung der Schriftsteller geschehen.
  Aufgabe des Gelehrten aber ist es, den gesamten Sprachschatz der
  Muttersprache zu verwalten, insbesondere auch die älteren, außer
  Gebrauch gekommenen Formen derselben zu kennen. Doch ist ohne
  Sachkenntnis auch die beste Sprachkenntnis ein eitel unnütz Ding.

3. Nachdrücklich betont er das Studium der Realien:

  α) Die +Geschichte+ ist die beste +Lehrerin der Lebensklugheit+.
  Kriege und Schlachten sind nicht genau durchzugehen, viel nützlicher
  ist es, mit den +Werten des Friedens+ sich zu beschäftigen, zu
  erzählen, was er an herrlichen, weisen Handlungen gab, was für
  schändliche Verbrechen geübt sind, wie der Ausgang guter und
  schlechter Menschen gewesen ist, wie traurig die sind, die Schlechtes
  tun, wie fröhlich, die Gutes geleistet. (Kulturgeschichte.)

  β) Mit dem Studium der Geschichte soll sich das der +Geographie+
  verbinden.

  γ) Bei den +Naturwissenschaften+ bedarf es vor allem der
  +Beobachtung+. Man muß die Dinge bei Regen und Sonnenschein, auf den
  Bergen, den Äckern, im Walde beobachten; man frage auch die Bewohner
  einer Gegend um Auskunft, z. B. Gärtner, Landbauer, Hirten, Jäger.
  Solche Forschungen werden großen Nutzen bringen für den Ackerbau,
  für den Anbau nützlicher Früchte und für die bei Krankheiten
  anzuwendenden Heilmittel. Wir lernen ja die Wissenschaften und Künste
  nicht ihrer selbst wegen, sondern für uns.

4. +Die Religion ist aller anderen Lehren Richtschnur.+

  Alle anderen Wissenschaften sollen hauptsächlich aus dem
  Gesichtspunkte beurteilt werden, wie sie nach ihrem Stoffe und nach
  dem Erfolge des Lernens mit der Religion übereinstimmen.

+5. Die Gesundheit darf nicht vernachlässigt werden.+

  Vives legt großen Wert auf körperliche Übungen der Schüler, auf
  hinreichende Erholungszeit und kräftige Ernährung. Für Leibesübungen
  und Spiele müssen gedeckte Hallen hergestellt werden.

6. Auf die Erziehung der +Mädchen+ ist besonders Gewicht zu legen.

  Den Mädchen ist eine Bildung und Erziehung zu geben, die ihrer Natur
  speziell angemessen ist. Dieselben sollen vor allem zur Sittlichkeit
  und zu wahrer Religiosität herangebildet werden. Dann sollen sie auch
  alles lernen, wodurch sie sich befähigen zu ihrem Berufe als Gattin,
  Mutter und Hausfrau, und deswegen die Kochkunst, die häuslichen und
  Handarbeiten sorgfältig erlernen.

Vives ist ein bahnbrechender Geist ersten Ranges und der +Begründer der
neueren Pädagogik+. In ihm waren humanistische Bildung und glühende
Frömmigkeit in harmonischer Weise vereinigt. Seine Schriften haben
auf Baco, Ratke und Comenius den größten Einfluß ausgeübt und sind in
allen folgenden pädagogischen Systemen ausgenutzt worden. Wir finden
bei ihm fast sämtliche, später geltend gewordene Prinzipien der neueren
Pädagogik. Er fordert bei Erziehung und Unterricht ein Verfahren, das
sich auf die Seelenlehre gründet; er betont die induktive Methode,
die Berücksichtigung der natürlichen Anlagen des Schülers, die Pflege
der Muttersprache, das Ausgehen von sinnlichen Wahrnehmungen, die
Beobachtung und Erfahrung in den Naturwissenschaften, die Pflege der
Leibesübungen und Spiele. Geradezu überraschend sind seine trefflichen
Ansichten über den Geschichtsunterricht und über die Ausbildung des
weiblichen Geschlechtes nach dessen Natur und Bestimmung. (Volkmer.)


=2. Der sel. Petrus Canisius= (1521–1597).

Canisius war geboren am 8. Mai 1521 zu Nymwegen und starb am 21.
Dezember 1597 zu Freiburg in der Schweiz. Der angesehenen Familie de
Hondt entstammend, erhielt er zu Hause eine sorgfältige humanistische
Bildung, bezog mit 14 Jahren die Universität +Cöln+, wo er, 19 Jahre
alt, zum Magister der Philosophie promovierte. Unter der Leitung
des frommen Professors Nikolaus von Esche widmete er sich einem
ernsten inneren Leben. Als Ostern 1543 der Jesuit Peter +Faber+ nach
Deutschland kam, suchte er diesen auf, machte unter seiner Leitung
die geistlichen Übungen des hl. Ignatius und trat am 8. Mai 1543 in
den Jesuitenorden (als erstes deutsches Mitglied) ein. Er verblieb
zunächst in +Cöln+ als +Professor der Exegese+ und erwarb sich durch
seine Predigten den Ruf eines +ausgezeichneten Kanzelredners+. Bald
darauf wurde er von dem Cölner Klerus an Kaiser Karl V. abgeschickt,
um nachdrückliche Maßregeln gegen den apostasierten Erzbischof Hermann
von Wied zu erwirken. Dann nahm er an den Verhandlungen des Konzils
von Trient tätigen Anteil. Von Trient berief ihn der hl. Ignatius
nach Rom. Nachdem er hier fünf Monate unter der aszetischen Leitung
des Ordensstifters gestanden, wurde ihm von diesem Deutschland als
künftiges Arbeitsfeld überwiesen.

Er gründete eine große Studienanstalt zu +Wien+, wo er 1552–1556
verweilte und als Hofprediger das kaum noch glimmende religiöse Leben
zu neuer Kraft entfachte. Auf Wunsch des Königs Ferdinand verfaßte er
dort seinen berühmten +Katechismus+, der unter dem Titel erschien:
„~Summa doctrinae christianae~“ (ohne Jahr). (Eine vermehrte und
verbesserte Ausgabe desselben veröffentlichte Canisius 1567.) Einen
Auszug aus diesem Katechismus verfaßte Canisius selbst i. J. 1561 unter
dem Titel: ~Parvus catechismus catholicorum~. Von beiden Ausgaben
erschienen bald Übersetzungen ins Deutsche, Italienische, Französische,
Spanische, Englische, sodann ins Polnische, Griechische, Äthiopische,
Indische und Japanische. Zwei Jahrhunderte hindurch hat der Katechismus
des Canisius dem Unterrichte in Schulen und Kirchen gedient und allen
folgenden Katechismusbearbeitungen zugrunde gelegen.

Außer dem großen Kollegium in Wien errichtete Canisius noch
Studienanstalten in +Ingolstadt+, +Innsbruck+, +Augsburg+, +Dillingen+
und +Würzburg+ und war eine Zeitlang Provinzial der oberdeutschen
Ordensprovinz, zu der diese Anstalten gehörten. 1580 begab er sich
nach Freiburg (Schweiz), gründete auch hier ein Kollegium und übernahm
die Kanzel der Hauptkirche daselbst. Vom Alter gebrochen mußte er
1588 seine öffentliche Tätigkeit einstellen. Schwere Leiden fesselten
ihn bald an seine Klosterzelle, wo er 1597 am Feste des hl. Thomas
sein tatenreiches Leben beschloß. Sein Grab befindet sich in einer
Seitenkapelle der Kollegiatkirche in Freiburg.

  Als man seinen Tod im Kollegium zu Luzern bei Tisch mitteilte, wurde
  sein Bruder Theodorich, der auch Jesuit war und sich zur Erholung
  gerade in Luzern aufhielt, vom Schlage getroffen, der ihn der Sprache
  und des Gedächtnisses beraubte. Mehr als 7 Jahre verlebte er in
  diesem traurigen Zustande, bis ihn der Tod i. J. 1605 von seinem
  Leiden erlöste.

Canisius verfolgte in seinem Leben wie in seinen Schriften vorwiegend
+praktische Zwecke+: religiöse Belehrung des Volkes, Hebung des
Unterrichts überhaupt, Belebung und Betätigung des religiösen
Lebens im weitesten Umfange. Weit wichtiger als die Polemik gegen
die protestantische Lehre erschien ihm die +positive Belehrung+ und
Stärkung des religiösen Lebens bei den Katholiken selbst. Dieses
Moment zieht sich durch alle seine Schriften hindurch. In letzteren
zeigt er nicht bloß die innigste Vertrautheit mit der Hl. Schrift und
eine ausgebreitete Kenntnis der Werke der Kirchenväter, sondern auch
eine große Belesenheit in den Werken der protestantischen Theologen
und durchweg die Frömmigkeit, Entschiedenheit und Milde eines echt
apostolischen Mannes. Er wird in der Geschichte mit Recht als der
„zweite Apostel Deutschlands“ gefeiert.

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß er die Erziehungsbriefe des hl.
+Hieronymus+ neu herausgegeben und so zu ihrer Verbreitung sehr viel
beigetragen hat.


=3. Der hl. Karl Borromäus= (1538–1584).

  1. Der Kardinal und Erzbischof von Mailand, Karl Borromäus, war eine
  +Heldengröße+ als Bischof und Schulmann. Schon seine heroischen Taten
  während der Pest zu Mailand haben seinen Namen unsterblich gemacht.
  Vorzügliches wirkte und erstrebte er auch auf dem Gebiete des
  niederen und höheren Unterrichts.

  2. Ein Sprosse des berühmten Geschlechts der Borromäer in
  Oberitalien, reich begabt und ausgezeichnet durch Fleiß und
  Frömmigkeit, wandte er sich anfangs der juristischen Laufbahn, später
  aber dem geistlichen Stande zu. Mit 22 Jahren wurde er Erzbischof.
  Nach 24jähriger, ungemein emsiger und erfolgreicher Wirksamkeit
  raffte ihn, mit 46 Jahren, leider der Tod hinweg.

  3. Gleich auf der ersten Provinzialsynode befahl der Erzbischof
  allen Pfarrern, den Kindern ihrer Pfarreien +Religionsunterricht+ zu
  erteilen. Er selbst ging in die Kirchen und hörte dem Unterrichte zu.
  Besonders tüchtige Katecheten schickte er in kleinere Städte und aufs
  Land.

  4. Nach der zweiten Provinzialsynode veröffentlichte er die
  „+Satzungen und Regeln+ der Gesellschaft der Schulen christlicher
  Lehre“. Er hatte nämlich den großartigen Plan gefaßt, das gesamte
  Schulwesen durch die Verwendung aller tauglichen Lehrkräfte (Kleriker
  und Laien, Ledige und Verheiratete) unter geistlicher Leitung
  handhaben zu lassen. Diese Lehrkörperschaft nannte er „Genossenschaft
  der Schulen der christlichen Lehre“.

  5. Zweckmäßig und genau wurde der +ganze+ Organismus geregelt.
  In den „Satzungen“ werden General- und Unterschulmeister,
  Prüfungskommissionen und Visitatoren eingesetzt, Konferenzen
  und Schulstrafen vorgeschrieben, untere Schulen, Stadtschulen,
  Bürgerschulen, Mittelschulen, Volksbibliotheken[1] usw. angeordnet.
  Der Unterhalt der Lehrer wurde sichergestellt. Karl gab einen großen
  Teil seines Einkommens als Beisteuer.


=4. Fénelon= (1651–1715).

  1. Bischof Fénelon wurde auf dem Schlosse Lamothe Fénelon (Dordogne)
  geboren und widmete sich dem geistlichen Stande. Als Almosenier eines
  Damenvereins in Paris erteilte er zehn Jahre lang Mädchenunterricht.
  Sein eminentes pädagogisches Geschick führte zu seiner Berufung
  an den königlichen Hof. Hier wirkte er acht Jahre als Erzieher der
  königlichen Prinzen. Seine besondere Aufmerksamkeit wandte er dem
  begabten, aber leidenschaftlichen Enkel Ludwigs XIV., dem +Herzoge+
  von +Burgund+ zu, der die Königswürde erben sollte. Es gelang ihm,
  diesen Prinzen vollständig umzuwandeln. Fénelon fiel jedoch in
  Ungnade und mußte sich nach Cambray (spr. Kañbräh) zurückziehen. Er
  wurde dort Erzbischof und lebte treu seinen Hirtenpflichten. Sein
  Zögling, der Herzog von Burgund, wurde seitens Ludwigs XIV. zum
  Mitregenten angenommen, fand aber schon früh einen jähen Tod. Damit
  war Fénelons schönste Lebenshoffnung vernichtet. Der Herr rief ihn
  bald in eine bessere Welt.

2. Fénelon war ein musterhafter +Erzieher+. Hatte der Prinz z. B. sich
durch Leidenschaftlichkeit hinreißen lassen, so überschüttete er ihn
nicht sofort mit Vorwürfen, sondern beobachtete anfangs ein trauriges
Schweigen. Erst später traten ernste Vorstellungen hinzu. Fénelon
befestigte in seinem Zöglinge die Überzeugung, daß auch der Regent ein
Untertan Gottes sei und strenge Rechenschaft zu geben habe.

3. Als pädagogischer Schriftsteller trat Fénelon auf in den beiden
Schriften: „Die Erlebnisse des +Telemach+“ und „Über die Erziehung der
+Mädchen+“.

~a.~ Der „Telemach“, eine der frühesten Jugendschriften und noch
gegenwärtig ein beliebtes Lesebuch für Anfänger im Französischen, ist
ein unübertroffener Fürstenspiegel und enthält die Pflichten der Könige
und die Rechte der Völker.

~b.~ Das zweite Werk ist klein, aber wichtig und wird noch heute gern
gelesen. Bemerkenswerte Gedanken aus demselben sind:

  „Die +Neugierde+ der Kinder ist ein Naturtrieb, der dem Unterrichte
  gleichsam den Weg bahnt.“

  „Glaubet nicht, daß eure Fehler vor den Augen der Kinder +verborgen+
  bleiben.“

  „Was auch eine Mutter ihrer Tochter sagen mag, es wird durch das
  wieder ausgelöscht, was die Tochter sie im Widerspruch damit +tun+
  sieht.“

  „+Leere+ Drohungen, ohne daß man die Strafe darauf folgen läßt,
  werden verächtlich. Dagegen soll man immer weniger hart strafen als
  drohen.“

  „Die Beschäftigungen der +Frauen+ sind für den Staat ebenso wichtig
  als die der Männer.“


  [1] Der Borromäusverein sorgt noch heute für Verbreitung guter
      Bücher.




III. Neue Schulorden.


~A.~ Männliche Orden.


1. Der Jesuitenorden.

  1. Der Stifter des Jesuitenordens ist der hl. +Ignatius von
  Loyola+. Bereits 33 Jahre alt, begann er seine Studien mit den
  Knaben der lateinischen Schule zu +Barcelona+. 1540 erfolgte mit
  sechs Gesinnungsgenossen in Paris die Gründung des Ordens. Die
  päpstliche Bestätigung betont ausdrücklich, daß der Jesuitenorden ein
  +Erziehungs-+ und +Unterrichtsorden+ sein solle. Der hl. Ignatius
  starb 1556.

  2. Die Jesuiten gründeten +Kollegien+ (Erziehungsanstalten) als
  Internate und übernahmen +Gymnasien+, welche von externen Schülern
  besucht wurden. Ihre Studienordnung wurde 1599 veröffentlicht. 1600
  bestanden schon 300 Kollegien!

  3. Die Jesuitenschulen sind +Gelehrtenschulen+ und umfassen zwei
  Abteilungen. Die niedere Abteilung war eine Lateinschule oder
  +Gymnasium+, die höhere Abteilung eine +Akademie+ mit Philosophie und
  Theologie. Ein Jesuitengymnasium hatte 5 Klassen, welche nach den
  lateinischen Jahrespensen benannt wurden: ~Infima~, ~Grammatica~,
  ~Syntaxis~, ~Poëtica~, ~Rhetorica~. Der Unterricht war +Klassen-+,
  nicht Fachunterricht, jeder +Lehrer+ mußte seine +Schüler+ mindestens
  +3 Jahre behalten+, um ihre +Eigenart+ genau kennen zu lernen.
  (Vgl. Comenius.) +Die Unterrichts- und Umgangssprache+ war die
  +lateinische+. Für den Religionsunterricht war nur ½ Stunde in der
  Woche angesetzt, da der gesamte Unterricht von der Religion getragen
  sein sollte. Die Realien behandelte man in sog. Eruditionsstunden.
  Die +formale+ Bildung, Entwicklung der seelischen Anlagen und Kräfte,
  stand obenan.

  4. Das Hauptaugenmerk blieb mit Recht auf die +Erziehung+ gerichtet.
  Hierbei wurden folgende Grundsätze beachtet:

  ~a~) Auf das +Beispiel+ des Lehrers wurde das +höchste Gewicht+
  gelegt, denn „die Sitten der Lehrer prägen sich in den Schülern ab
  wie die Züge der Eltern in den Gesichtern der Kinder“.

  ~b~) Durch Anregung des +Wetteifers+ wurde auf das Ehrgefühl gewirkt.
  Jeder Schüler erhielt seinen ‚~aemulus~‘ oder Nebenbuhler.

  ~c~) Es ist besser, „den Zögling vor dem +Bösen zu bewahren+, als
  wegen des begangenen Bösen zu bestrafen“. Zur Beaufsichtigung nahm
  man wie bei Trotzendorf Schüler zu Hilfe, welche als Censoren,
  Dekurionen, Prätoren ihres Amtes walteten.

  ~d~) Die Schüler mußten in +derselben+ Art und Weise büßen, in
  welcher sie gefehlt hatten.

  ~e~) Es herrschte +strenge+ Zucht. Das einzige Mittel der
  körperlichen Züchtigung +war die Rute+, welche durch einen +eigenen
  Korrektor+ (Strafvollzieher oder Zuchtmeister), +der nicht Jesuit+
  war, gehandhabt wurde.

  5. Die Jesuitenschulen sind sehr +gelobt+ worden, aber auch von
  herbem +Tadel+ nicht verschont geblieben.

  ~a~) „Nimm an den Schulen der Jesuiten ein Beispiel, denn bessere
  gibt’s nicht,“ sagt +Baco von Verulam+. Der protestantische Rektor
  Körner nennt das Schulwesen der Jesuiten das +best+organisierte
  seiner Zeit und rühmt von ihnen: „Sie sind die ersten Pädagogen, die
  mit psychologischem Takte verfuhren, die nicht nach der Schablone
  bildeten, sondern +individuell+ entwickelten, für das +praktische+
  Leben erzogen und dadurch dem ganzen Schulwesen im bürgerlichen und
  staatlichen Leben eine einflußreiche Stelle sicherten. Sie wußten
  eine +Sittenreinheit+ zu erzielen, wie sie auf keiner Schule des 16.
  oder 17. Jahrhunderts sich fand.“

  ~b~) Anderseits hat man ihnen nicht mit Unrecht vorgeworfen, daß die
  Volksschule sich der Fürsorge der Jesuiten nicht zu erfreuen hatte,
  die +Muttersprache+ vom Studium ausgeschlossen war und die Mathematik
  gänzlich vernachlässigt wurde. Auch konnte durch die peinliche
  gegenseitige Überwachung leicht Heuchelei und Spionage erzeugt werden
  und die Überreizung des Ehrgefühls zu Neid und Eifersucht führen.

  Von 1773 an war der Orden 41 Jahre lang aufgehoben. Papst Pius VII.
  stellte ihn 1814 wieder her.


2. Der Piaristenorden.

  1. Der Stifter dieses Ordens ist ein spanischer Priester, der hl.
  +Joseph+ von +Calasanz+ († 1648). Bei seinem Aufenthalte in Rom sah
  er das Elend und die gänzliche Verwilderung der Kinder armer Leute.
  Er faßte den Entschluß, Lehrer der +Armen+ zu werden.

  2. 1597 +gründete+ Calasanz in der Wohnung eines befreundeten
  Pfarrers zu Rom eine Schule für +arme Kinder+. Unterrichtsgegenstände
  waren: Religion, Muttersprache, Rechnen und die Anfangsgründe des
  Latein. Weil die armen Kinder zu +frommen+ Christen herangebildet
  werden sollten, so nannte er seine Schulen „+fromme Schulen+“ und
  sich und seine Lehrpersonen „Brüder der frommen Schulen“ (~fratres
  scholarum piarum~) oder Piaristen.

  3. 1612 hatten die frommen Schulen bereits 1200 Schüler.
  Es erfolgte die päpstliche +Bestätigung+ der Piaristen als
  kirchliche Genossenschaft. Zu den drei evang. Räten kam als vierte
  Verpflichtung: der Unterricht der +armen Kinder in der Religion+ und
  den nützlichen Wissenschaften.

  Gegend die Intention des Stifters +erweiterten+ die Piaristen
  allmählich ihr Ziel. Sie übernahmen nicht nur Armenschulen, sondern
  auch Bürger- und Realschulen, Gymnasien, Seminarien und Pensionate.
  Gegenwärtig zählt der Orden ungefähr 200 Niederlassungen mit 2000
  Mitgliedern.

  4. +Grundsätze+ der Piaristen:

  „Die Schüler müssen nach Schluß des Unterrichts von den Lehrern nach
  Hause +begleitet+ werden.“

  „Es soll dem Gedächtnis junger Leute nichts eingeprägt werden, was
  nicht vorher ihr Verstand +erfaßt+ hat.“

  „Über drei Tage nacheinander soll nie Unterricht gehalten werden;
  jeder +Donnerstag+ ist ganz unterrichtsfrei.“

  „Es muß eine alles umfassende Liebe herrschen, vermöge deren
  man +allen Parteien+ im Herrn liebreich begegnet und für ihre
  +Wiedervereinigung+ betet.“


3. Die Schulbrüder.

1. Der hl. Johann Baptist de la Salle (geb. 1651 in Reims, Champagne)
stiftete die Genossenschaft der Brüder der christlichen Freischulen
(gnt. Schulbrüder).

La Salle eröffnete kurz nach seiner Priesterweihe zwei Freischulen
für Knaben. 1681 vereinigte er die Lehrer dieser Schulen zu einem
gemeinsamen Leben, nahm sie in sein eigenes Haus auf und gab ihnen eine
Regel.

Um sich ganz dem Lehramte widmen zu können, legte la Salle sein
Kanonikat in Reims nieder, verteilte sein Vermögen unter die Armen
und stellte sich arm an die Spitze der armen Lehrbrüder. Diese
widmeten sich ausschließlich den Elementar-Knabenschulen und lieferten
namentlich tüchtige Landschullehrer. La Salle starb i. J. 1719. Er
wurde 1888 selig und 1900 heilig gesprochen.

2. Die Schulbrüder erteilten wie die Piaristen den Unterricht
unentgeltlich. Ihre Methode ist die des Massenunterrichts mit
sparsamer Anwendung des Helfersystems. Das +Latein ist ausdrücklich
ausgeschlossen+, kein Ordensmitglied darf Latein lernen. Diese
Vorschrift hat den Schulbrüdern den Beinamen „Ignoranten“
verschafft, bewirkte aber, daß sie der ursprünglichen Bestimmung
treu blieben, nämlich eine Genossenschaft von +Laien+lehrern zu
sein und ausschließlich den +Bedürfnissen+ der +Volks+schule zu
dienen. Gegenwärtig hat der Orden der Schulbrüder in allen Erdteilen
Niederlassungen, ungefähr 7000 Klassen mit 400000 Schülern.

3. La Salle war auch pädagogischer Schriftsteller. Außer dem Regelbuche
für die Ordensmitglieder verfaßte er die sehr verdienstliche Schrift:
„Leitung der christlichen Schulen“.

Folgende Stellen sind aus derselben bemerkenswert:

  „Die +Autorität+ des Lehrers wird viel mehr durch die +Energie+ des
  Charakters, Ernst und +Stillschweigen+, als durch Schläge und Härte
  erworben.“

  „Die +Strafen+ müssen in der Schule +selten+ sein.“

  „Körperliche +Züchtigungen+ dürfen nur am +Standorte+ des Lehrers
  erteilt werden.“

  „Die höchsten +Belohnungen+ gebühren dem guten +Betragen+.“

  „Der Lehrer soll die +Individualität+ der Kinder genau kennen und
  danach sein Verhalten gegen sie einrichten.“ (Vgl. Cicero und
  Jesuitenschulen!)

  „+Aufmerksamkeit+ auf sich selbst ist den Lehrern um so notwendiger,
  da sie ebensoviele Aufseher als Schüler haben.“


~B.~ Weibliche Orden.


1. Die Ursulinerinnen.

  1. Die hl. Angela v. +Merici+ vom dritten Orden des hl. Franziskus
  stiftete 1535 zu Brescia die Genossenschaft der Ursulinerinnen.
  Sie war gerade von einer Pilgerreise nach Jerusalem zurückgekehrt,
  stand schon im vorgeschrittenen Alter und stellte sich und ihre
  Genossinnen unter den Schutz der hl. +Ursula+. Zweck der Verbindung
  war: Krankenpflege und +Unterricht armer+ Mädchen.

  2. Ursprünglich war die Genossenschaft der Ursulinerinnen nur ein
  +Verein von Jungfrauen+, welche bei den Eltern zu Hause wohnten.
  Mit der Zeit aber bildete sich der Verein zu einer eigentlichen
  Ordenskongregation aus. Der hl. Karl +Borromäus+ nahm dieselbe unter
  seinen besonderen Schutz und gewann ihre Tätigkeit ausschließlich
  für die Mädchenerziehung. Cäsar v. Buß führte die Gesellschaft in
  Frankreich ein. Von dort verpflanzte sie sich nach Deutschland. Die
  erste deutsche Niederlassung erhielt +Cöln+ (1639). Gegenwärtig
  befinden sich mehrere hundert Ursulinenhäuser in allen Teilen Europas.

  3. Die Ordensregel bestimmt als Zweck der Genossenschaft: +Erziehung
  der Kinder+, sowohl in ihren Häusern (+Pensionaten+), als auch in
  +Schulen für Externe+.

  Geist und Herz der weiblichen Jugend ist zu bilden durch eine
  christliche Erziehung in der Absicht, +Gott zu gefallen+. Die
  Zöglinge müssen als künftige Gattinnen und Familienmütter
  wahrhaft tugendhaft und gottesfürchtig werden. Darum sollen
  die unterrichtenden Schwestern namentlich die Unschuld der
  Schülerinnen schützen und hegen und alles anwenden, um die Fehlenden
  wiederzugewinnen. Vor öfterem und vielem Loben, wie auch zu großer
  Vertraulichkeit mit den Kindern wird gewarnt und ein +würdiger Ernst+
  empfohlen.

  4. Strafen in der Erregtheit, beschimpfende Worte und verächtliche
  Gebärden werden verboten. Die Strafen sollen angemessen sein, nur
  im Notfalle geschehen und die übertriebene Empfindlichkeit und
  Eigenliebe abtöten. Außergewöhnliche Strafen verhängt die erste
  Klassenlehrerin oder die Präfektin. Die Schwestern sollen peinlich
  genau die Regel befolgen, nichts hinzufügen noch weglassen und bei
  allen Unterrichtszweigen das +Seelenheil der Zöglinge+ im Auge haben.

  5. +Die Religion ist der Grund aller Erziehung.+ Der
  Diözesankatechismus ist das Religionsbuch. Beicht- und
  Kommunionunterricht erfahren vorzügliche Aufmerksamkeit. Weitere
  Unterrichtsfächer sind: die +Muttersprache+, +Rechnen+, +Geschichte+,
  +Geographie+ und weibliche +Handarbeiten+, wozu nach Bedarf noch
  +eine fremde Sprache+ kommt. Zu Ostern und bei der feierlichen
  Prüfung (+Mariä Himmelfahrt+) werden Preise verteilt. Das
  Pensionsgeld soll möglichst niedrig sein (um auch den Schein des
  materiellen Gewinnes zu vermeiden) und die Pflege der Kranken mit der
  größten Liebe geschehen.

  6. +Allmonatlich zweimal+ sind +Konferenzen+ der Lehrerinnen zur
  Belebung des Eifers und einheitlichen Zusammenwirkens. Darin werden
  Berichte über das Betragen der Kinder, über die Fehler gegen die
  Ordnung usw. erstattet, auch die Verhältnisse des Hauses und der
  Klassen besprochen. --

  Die Ursulinerinnen haben glänzende Erfolge aufzuweisen und wirken bis
  auf den heutigen Tag segensreich fort in der Pflege der weiblichen
  Erziehung.


2. Die Schulschwestern.

  1. Der erste Begründer des Instituts der Schulschwestern ist
  ein +französischer+ Priester, der hl. Petrus +Fourier+. Nach
  einer unschuldig verlebten Jugend, mit tüchtigen Kenntnissen
  ausgerüstet, wurde der junge Geistliche (1597) als Pfarrer nach
  +Mattaincourt+ geschickt. Mattaincourt war ein in sittlicher
  Beziehung sehr heruntergekommenes und im übelsten Rufe stehendes
  Dorf. Dem unermüdlichen Eifer des gottbegeisterten Mannes gelang
  es, die Gemeinde derart umzugestalten, daß sie als ein +Muster der
  Sittenreinheit+ bekannt wurde.

  2. Der klare Blick des seeleneifrigen Priesters erkannte bald,
  daß zur dauernden Befestigung der guten Sitten in der Gemeinde
  eine +sorgfältige Erziehung des weiblichen Geschlechts+ von
  unberechenbarem Einflusse sei. Er faßte den Plan, einen religiösen
  Orden für die Mädchenerziehung zu stiften. Einige junge Personen
  aus seiner Pfarrei verzichteten auf die Eitelkeiten der Welt,
  und am Weihnachtstage 1597 trat das Institut unter dem Namen
  „~+Congrégation de Notre Dame+~“ ins Leben.

  3. Die Regel des hl. +Augustinus+ wurde der Kongregation zugrunde
  gelegt.

  Von Gott sichtbar gesegnet, entwickelte sich das neue
  Institut in auffallend kurzer Zeit. Von allen Seiten wurden
  „~Notre-Dame~-Schwestern“ verlangt. Nachdem der fromme Pfarrer
  zum General-Obern seines Ordens ernannt war, besuchte er die
  Niederlassungen der Schwestern und zog 1636 nach Gray (~Franche
  Comté~), wo er, 77 Jahre alt, im Rufe der Heiligkeit 1640 starb.

  4. Die Schulschwestern von ‚~Notre Dame~‘ haben außer den drei
  gewöhnlichen Gelübden noch die +Unterweisung+ der +Mädchen+
  zur Lebensaufgabe. Wie bei den Ursulinerinnen, sind auch hier
  +Pensionate+ in den Ordenshäusern und +Klassen für externe+,
  namentlich +arme+ Kinder. Außerdem führen die Schulschwestern noch
  +Waisen+institute. Der Unterricht wird praktisch erteilt und stets
  nach den Bedürfnissen und Anforderungen der Zeit eingerichtet.


3. Die englischen Fräulein.

  1. Stifterin dieser Kongregation ist die +Engländerin+ Maria +Ward+
  (1585–1615). Sie stammte von vornehmen Eltern und erhielt eine
  sorgfältige Erziehung. Mit Einwilligung ihres Vaters begab sie sich
  1606 +in die spanischen Niederlande+ und gründete hier in der Stadt
  St. +Omer+ eine Zufluchtsstätte für +englische adelige Mädchen+, die
  damals ihrer Religion wegen aus der Heimat flüchten mußten.

  2. Mit Hilfe der spanischen Infantin (Prinzessin) +Eugenie+ wurde zu
  +Gravelingen+ eine Niederlassung eröffnet. Englische und spanische
  Jungfrauen führten hier ein sehr strenges Leben und besorgten außer
  Gebet und Betrachtung den Unterricht +armer+ Kinder. Der Bischof von
  St. Omer nahm sich des Instituts an.

  So entstand in St. Omer unter Oberleitung des Bischofs der erste
  Verein der englischen Fräulein mit der Bestimmung des Unterrichts und
  der Erziehung der weiblichen Jugend.

  3. Die englischen Fräulein hatten anfangs keine bestimmte Ordensregel
  und waren vom Hl. Stuhle auch nicht bestätigt. Dennoch verbreiteten
  sie sich bald auch in verschiedene Städte Deutschlands. Papst Gregor
  XV. gab der Stifterin die Erlaubnis, in Rom und anderen Städten
  Italiens Niederlassungen zu errichten.

  4. Mit der Zahl der Freunde mehrte sich indes auch die Zahl der
  +Gegner+ der Wardschen Institute. Es kam so weit, daß man Maria Ward
  sogar der Häresie beschuldigte. Urban VIII. ordnete eine Untersuchung
  an. Der Umstand, daß die englischen Fräulein keine Klausur hatten
  und von einer einzigen weiblichen Oberin geleitet wurden, veranlaßte
  die +Aufhebung+ der +Institute+ im Jahre 1630 durch eine eigene
  päpstliche Bulle.

  5. Kurfürst +Maximilian+ von Bayern brachte es beim Papste dahin, daß
  den englischen Fräulein das Zusammenleben zunächst in ihrem Hause zu
  +München+ wieder gestattet wurde. Darauf erwirkte Miß Ward selbst
  in Rom die stillschweigende Zurücknahme des päpstlichen Erlasses.
  1703 wurde endlich von +Clemens+ XI. das Institut der +englischen
  Fräulein+ und dessen Regel +bestätigt+ und den Häusern desselben die
  Vorrechte der „geistlichen Häuser“ verliehen.

  Die Mitglieder legen einfache Gelübde ab und sind zur Klausur nicht
  verpflichtet.

  6. Die englischen Fräulein besorgen +Schulen+ und halten
  +Pensionate+, in welchen vorzugsweise Kinder +höherer+ Stände erzogen
  werden.

  Unterrichtsgegenstände sind außer der +Religion+: +deutsche+ und
  +französische+ Sprache, +Rechnen+, +Geschichte+, +Geographie+,
  +Naturkunde+, +Schönschreiben+, +Zeichnen+ und weibliche
  +Handarbeiten+.

  Zur Erlernung der englischen Sprache, der Musik, des Gesanges und
  Tanzes ist Gelegenheit geboten.

  Für Mädchen, welche nach zurückgelegtem 14. Lebensjahre eintreten,
  besteht ein eigener 2jähriger Lehrkursus, worin auch Anweisung im
  +Kochen+, Bügeln usw. gegeben wird.


4. Die Schwestern von Unserer lieben Frau.

  +Julie Billiart+, Stifterin der Kongregation von unserer lieben Frau
  (~Institut des Soeurs de Notre Dame~), wurde geboren zu +Cuvilly+
  (Picardie) am 12. Juli 1751 und starb am 7. April 1816 zu +Namur+
  im Rufe der Heiligkeit. Von Jugend auf zeigte Julie Billiart eine
  zarte Frömmigkeit und glühenden Seeleneifer. Als siebenjähriges
  Kind unterrichtete sie schon andere Kinder im Katechismus. Im 14.
  Jahre legte sie das Gelübde ewiger Keuschheit ab. Mit heldenmütiger
  Geduld ertrug sie eine schmerzliche, langwierige Krankheit und die
  Verfolgungen der Revolutionäre, die ihr mehrfach nach dem Leben
  trachteten, weil sie dem Wirken eines abgefallenen Priesters in
  ihrer Pfarre mit Erfolg entgegentrat. Im Jahre 1794 wurde sie durch
  eine Freundin nach Amiens berufen, wo sie 1803 das Institut der
  Schwestern von Unserer lieben Frau gründete mit dem Zwecke, den
  +Kindern aller Stände+, besonders den +armen+, eine gründliche,
  standesgemäße, christliche Erziehung zu sichern. Die Schwestern legen
  einfache Gelübde ab und unterstehen dem Diözesanbischof. Durch ernste
  +Selbstverleugnung+ sollen sie Muster, durch gründliche +Arbeit+
  tüchtige Lehrerinnen ihrer Zöglinge sein. „Keine Frömmlerinnen,
  sondern +verständige und gebildete Christinnen+“ sollen sie erziehen.
  1809 siedelte die Stifterin nach Namur über, von wo aus ihr Werk
  sich rasch ausbreitete. Bis zu ihrem Tode gründete sie 15 neue
  Häuser. 1813 hatte sie eine längere Unterhaltung mit +Pius+ VII. in
  +Fontainebleau+. Sie starb in Namur, heilig, wie sie gelebt. Ihr
  Kanonisationsprozeß ist eingeleitet. Im Jahre 1883 gab es bereits in
  Belgien, Holland, Deutschland, Amerika 106 Häuser.




IV. Die Reformatoren.


=1. Luther= (1483–1546).

  1. Martin Luther, geboren zu Eisleben, studierte zu Eisenach und
  Erfurt und wurde in Erfurt +Augustinermönch+. Nach dem Empfange
  der Priesterweihe wirkte er als Professor der Theologie an der
  Universität zu Wittenberg und schlug hier am 31. Oktober 1517
  seine 95 +Thesen gegen den Abla+ß öffentlich an. Damit begann die
  Reformation. Luther starb in seiner Geburtsstadt Eisleben und liegt
  in der Schloßkirche zu Wittenberg begraben.

  2. Amt und Wirksamkeit eines +Jugendlehrers+ schätzt er hoch und
  betont mit kräftigen Worten die Wichtigkeit der Kindererziehung. Er
  sagt:

  „Einen fleißigen frommen Schulmeister oder Magister, der Knaben
  treulich lehret, kann man nimmermehr genug lohnen und mit keinem
  Gelde bezahlen, wie auch der Heide Aristoteles sagt.“

  „Es ist in einer Stadt so viel am Schulmeister gelegen als am
  Pfarrherrn.“

  „Ich wollte, daß keiner zu einem Prediger erwählt würde, er wäre denn
  zuvor ein Schulmeister gewesen.“

  „Es ist kein größerer Schaden der Christenheit, als die Kinder
  versäumen.“

  „Fleißig gebetet ist über die Hälfte studiert.“

  3. Luther fordert mit großem Nachdruck zur +Gründung von Schulen+ auf
  in der 1524 erschienenen Schrift: „An die Ratsherren aller Städte
  Deutschlands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten
  sollen.“ Er verlangt mit gleicher Entschiedenheit den +Schulzwang+
  in der 1530 verfaßten Schrift: „Sermon an die Prediger, daß sie die
  Leute vermahnen, ihre Kinder zur Schule zu halten.“

  Es ist indes zu bemerken, daß Luther bei seinen pädagogischen
  Wünschen und Forderungen nicht Volks- oder Elementarschulen, sondern
  nur +Lateinschulen+ im Auge hatte.

  4. Von Luther verfaßte +Volksbücher+ sind folgende:

  ~a~) seine deutsche Bibelübersetzung; ~b~) der kleine Katechismus;
  ~c~) der große Katechismus (für die Pfarrer); ~d~) seine deutsche
  Liedersammlung; ~e~) sein „buchlein für die leyen und Kinder“ (Fibel).


=2. Melanchthon= (1497–1560).

  1. Philipp Melanchthon, geboren zu Bretten in der Rheinpfalz,
  besuchte mit 12 Jahren schon die Hochschule, und zwar zuerst in
  Heidelberg, dann in Tübingen. 22 Jahre alt, wurde er Professor an der
  Universität +Wittenberg+, ein Amts- und Gesinnungsgenosse Luthers. Er
  starb in Wittenberg und liegt dort in der Schloßkirche neben Luther
  begraben.

  2. Wegen seiner Wirksamkeit als akademischer Lehrer und als
  Schriftsteller für den höheren Unterricht bekam Melanchthon den Namen
  „~praeceptor Germaniae~“ (Lehrer Deutschlands). Wie sein Freund
  Luther, so kannte auch Melanchthon nur die +gelehrte+ Schule.

  3. Die Schrift Melanchthons: „Unterweisung der Visitatoren an
  die Pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen“ (1529) handelt in 17
  Abschnitten von Kirchensachen und im 18. von +Schulen+. Der 18.
  Abschnitt dieser Schrift heißt: „Der +sächsische+ Schulplan.“ In
  demselben heißt es u. a.:

  „Wer andere lehren will, muß eine große +Übung+ und sonderliche
  +Geschicklichkeit+ haben; die zu erlangen, muß man lange und von
  Jugend auf lernen.“




V. Einzelne protestantische Schulmänner.


=1. Trotzendorf= (1490–1556).

  =1. Leben.= Valentin Trotzendorf (eigentlich Friedland) wurde 1490 zu
  Trotzendorf (jetzt Troitschendorf) bei Görlitz als Sohn schlichter
  Bauersleute geboren. Da sein Vater ihn für ländliche Arbeiten sehr in
  Anspruch nahm, so konnte er sich nur eine kümmerliche Jugendbildung
  aneignen, obschon er treffliche Geistesgaben und große Lernbegierde
  besaß. Die Zeit zum Lernen mußte er sich mühsam heraussuchen; so übte
  er sich im Schreiben beim Hüten der Kühe, indem er Birkenrinde als
  Papier benutzte, Schreibfedern aus Rohr sich schnitzte und Tinte aus
  Ofenruß bereitete. Gern hätte ihn der Vater beim Pfluge behalten,
  aber es war der dringende Wunsch des Sohnes, eine lateinische Schule
  besuchen zu dürfen. Diesen Wunsch unterstützte mit ihren Bitten die
  Mutter und der würdige Pfarrer des Ortes. Nach langem Zögern gab der
  Vater endlich nach, und so bezog Valentin, bereits 18 Jahre alt und
  mangelhaft vorgebildet, die lateinische Schule der Franziskaner zu
  Görlitz, wo er sich bald vor allen anderen Schülern auszeichnete.
  Vater und Mutter starben bald darauf an der Pest. Valentin verkaufte
  sein kleines Erbe und begab sich nach Leipzig, um weiter zu
  studieren. Das Auftreten Luthers veranlaßte ihn, nach Wittenberg zu
  gehen, wo er zur neuen Lehre übertrat und sich eng an Melanchthon
  anschloß, der über ihn urteilte, er sei zum +Schulmanne+ geboren wie
  +Scipio+ zum +Feldherrn+.

  Nach Beendigung seiner Studien wurde er Lehrer, dann Rektor der
  lateinischen Schule zu +Goldberg+, der er 25 Jahre vorstand.
  Die Anstalt gelangte unter seiner Leitung zu hoher Blüte, denn
  Trotzendorf war ein ganzer Schulmann. Mit gründlichem Wissen und
  rastlosem Eifer verband er hervorragende Lehrgaben und ein seltenes
  Geschick in der Handhabung der Disziplin; sein lauterer Wandel und
  sein freundlich ernstes Wesen erwarb ihm die unbedingte Achtung und
  Liebe seiner Schüler. Die Anstalt zählte zuzeiten 1200 Schüler, und
  bald galt in Schlesien und weit darüber hinaus niemand mehr für einen
  gelehrten Mann, der nicht wenigstens eine Zeitlang zu Trotzendorfs
  Füßen gesessen hatte. Die letzten Jahre seines Lebens wurden durch
  mancherlei schmerzliche Erfahrungen und Unglücksfälle getrübt:
  zunächst herrschte eine große Hungersnot in Goldberg, dann raffte die
  Pest viele Menschen dahin, und endlich (1554) brannte die ganze Stadt
  ab, wobei auch sein Schulgebäude in Flammen aufging. Trotzendorf
  wanderte nun mit seinen Zöglingen nach +Liegnitz+, richtete sich
  dort notdürftig ein und betrieb von hier aus den Wiederaufbau seiner
  Schule. Aber noch ehe sie fertig war, ereilte ihn der Tod, i. J.
  1556. Mitten in seiner Lehrtätigkeit wurde er vom Schlage getroffen,
  gerade als er den 22. Psalm („Der Herr ist mein Hirt“) erklärte und
  an dem schönen Verse stand: „Ob ich schon wanderte im finstern Tal,
  so fürchte ich doch keinen Unfall; denn du bist bei mir, dein Stecken
  und Stab tröstet mich.“ Er sank zurück mit den Worten: „Jetzt, meine
  Zuhörer, werde ich in eine andere Schule abgerufen“; dann verlor er
  Bewußtsein und Sprache und entschlief nach einigen Tagen sanft in den
  Armen eines seiner Schüler. Sein Leichnam wurde in der Johanneskirche
  in Liegnitz beigesetzt. Trotzendorf ist nie verheiratet gewesen,
  sein Leben war ganz und völlig der Schule gewidmet. Er hätte, sagt
  ein Biograph, zur Zeit der Blüte seiner Schule sich irdische Schätze
  erwerben können, aber er tat Besseres: er gab reichlich den Armen und
  sammelte himmlische Schätze.

=2. Schriften.= Er verfaßte für die Schule in Goldberg ~a~) eine
Christenlehre, „+Katechesis+“, enthaltend die 10 Gebote, Sakramente,
Gebet und gute Werke; b) das „+Rosarium+“, eine Sammlung von
Bibelsprüchen mit Erklärungen, die jeder Zögling sicher wissen mußte.
Im Auftrage des Herzogs (Friedrich II.) entwarf er die „+Goldberger
Schulordnung+“, und sieben Jahre nach seinem Tode erschienen „+Die
Gesetze der Goldberger Schule+“.

3. Seine Anstalt.

~a~) +Äußere Einrichtung und Schulzucht.+ Die Lateinschule Trotzendorfs
war sechsstufig, alle Zöglinge wohnten im Internate, nur junge Leute
lutherischen Bekenntnisses wurden aufgenommen. Ziel der Schule war,
die Knaben zum Studium der Theologie und Medizin, der Philosophie und
Jurisprudenz vorzubereiten. Anfangs war Trotzendorf der einzige Lehrer
in seiner Schule; in den oberen Klassen gab er den Unterricht allein,
für die jüngeren Schüler bildete er sich aus den älteren Helfer heran.
Auf diese Weise bereitete er manchen jungen Mann zum Schulamte vor und
versorgte viele Anstalten Schlesiens mit tüchtigen Lehrern. Später
wurde er durch mehrere Lehrer in der Schularbeit unterstützt, aber das
Helfersystem behielt er dennoch bei.

Auch für die Aufrechthaltung von Zucht und Ordnung in seiner Anstalt
zog er die ältesten und würdigsten Schüler heran. Die „Ökonomen“
sorgten für rechtzeitiges Aufstehen und Zubettegehen sowie für
Reinhaltung der Stuben und Kleider; die „Ephoren“ für Ordnung bei
Tische; die „Quästoren“ für pünktlichen Besuch der Unterrichtsstunden
und das häusliche Studium. Der „Senat“, der aus 12 Senatoren und
1 Konsul bestand, stellte die Gerichtsbehörde dar und hatte bei
vorkommenden Vergehungen Recht zu sprechen. Trotzendorf war bei
den Gerichtsverhandlungen zugegen und wußte ihnen einen ernsten,
feierlichen Charakter zu geben. Der angeklagte Schüler mußte sich in
lateinischer Rede verteidigen; sprach er gut Latein, so konnte er
wohl auf Milderung der Strafe rechnen. Die üblichen Strafen waren:
Rute, Fidel, Karzer und Entlassung. Alle Schüler, vom Fürstensohne
bis zum Bauernkinde, wurden gleichmäßig bestraft. In den ‚Gesetzen
der Goldberger Schule‘ heißt es: „Wer Schüler wird, spielt nicht
mehr den Adligen. Die, welche sich solcher Strafen schämen, weil sie
adliger Herkunft oder schon älter, mögen darauf bedacht sein, recht
zu tun, um nicht in eine solche Strafe zu verfallen, oder mögen
unsere Schule verlassen und eine solche Freiheit anderwärts suchen.“
Das vom Schülersenat verhängte Strafurteil wurde von Trotzendorf,
dem beständigen Diktator, unnachsichtlich ausgeführt. Trotzendorf
verfolgte mit dieser eigenartigen Einrichtung („Schulrepublik“) den
Zweck, die Schüler frühzeitig an Ordnung, Gehorsam und Achtung vor
Gesetz und Obrigkeit zu gewöhnen. „Diejenigen,“ sagt er, „werden den
Gesetzen gemäß regieren, die als Knaben gelernt haben, den Gesetzen zu
gehorchen.“

~b~) =Unterricht.= Unter den verschiedenen Unterrichtsgegenständen
stellte Trotzendorf die +Religion+ am höchsten. „Der reißt,“ sagt
er, „die Sonne vom Himmel, der nimmt dem Jahre den Frühling, welcher
die Katechese aus der Schule verbannt;“ und an einer anderen Stelle:
„Nehmt mir die Katechese, und ich habe meine allerhöchste Entlassung.“
Nächstdem legte er das größte Gewicht auf den Unterricht in der
+lateinischen Sprache+. Latein war die Sprache des Unterrichts und
des Umgangs; nie durften die Schüler, weder unter sich noch mit ihren
Lehrern, in deutscher Sprache reden.[2] Neben dem Latein fanden
auch Griechisch und Hebräisch als Sprachen des Neuen und Alten
Testaments aufmerksame Pflege. Auch in der Mathematik, Musik und in
den Anfangsgründen der Philosophie wurde unterrichtet. Dagegen waren
Natur- und Weltkunde, deutsche Sprache und Literatur in dem Lehrplan
der Goldberger Schule nicht enthalten, gymnastische Übungen wurden nur
nebenher betrieben, Baden und Eislaufen waren direkt verboten.

Trotzendorf unterrichtete mit Vorliebe in der Form des +Zwiegesprächs+,
während die meisten Lehrer damals nur vortrugen und diktierten.
Durch fleißigen Gebrauch der +Frage+ sowie durch häufige Verwendung
treffender Beispiele wußte er seinen Unterricht so fesselnd zu
gestalten, daß seine Schüler mit wirklicher Lust in die Schule gingen
und sich seines anregenden Unterrichts noch im Alter mit großer Freude
erinnerten. Für den grammatischen Unterricht lautete sein oberster
Grundsatz: „Regeln wenig und kurz, Beispiele klar und praktisch, Übung
lange und oft.“ Von jedem Schüler forderte er deutliches und fertiges
Lesen, eine gleichförmige und gefällige Handschrift, eine laute und
reine Sprache.


=2. Ratichius= (1571–1635).

  1. Wolfgang Ratke, gnt. +Ratichius+, geboren zu Wilster im
  Holsteinschen, studierte in Hamburg und Rostock und erteilte später
  aus Dürftigkeit Unterricht, wodurch er auf eine eigentümliche
  Lehrweise kam.

  Bei der Krönung des Kaisers Matthias legte er dem Reichstage zu
  Frankfurt a. M. +1612+ eine +Denkschrift+ vor über ~a~) +leichte+
  Erlernung fremder Sprachen, ~b~) Einrichtung einer Schule für +alle+
  Künste und Wissenschaften, ~c~) Einführung einer einheitlichen
  Sprache, Regierung und Religion. In dieser Denkschrift bezeichnet
  Ratichius als naturwidrig die bisherige Praxis der Lateinschulen,
  welche mit Latein begannen, und als allein naturgemäß die
  voraufgehende +Aneignung der Muttersprache+.

  Später (1616) gewann Ratichius den Fürsten Ludwig von Anhalt-Köthen
  für seine Pläne und wurde Direktor einer neuen sechsklassigen
  Probeschule, in welcher die drei unteren Klassen +nur Deutsch+
  lernten, und erst die drei oberen +Latein+ und Griechisch betrieben.

  Wegen ungenügender Erfolge wurde Ratich indes bald abgesetzt und zur
  Strafe für seine Großtuerei sogar eingesperrt. Später hatte er auf
  Empfehlung seiner Schülerin Anna Sophia von Rudolstadt eine Audienz
  bei dem berühmten schwedischen Kanzler Oxenstjerna, der über ihn das
  richtige Urteil fällte, „daß er die Gebrechen der Schule nicht übel
  aufdecke, aber seine Heilmittel seien nicht hinreichend“. 1635 starb
  Ratich zu Erfurt am Schlage.

  Ratichius, „der Charlatan unter den Pädagogen“, ist doch nicht ohne
  Verdienste. Das größte Verdienst hat er sich unstreitig um unsere
  +deutsche Sprache+ erworben. Er erhob sie zur Unterrichtssprache und
  zum Unterrichtsgegenstande der deutschen Schule, während bis dahin
  Lehrer und Schüler sich nur der lateinischen Sprache beim Unterrichte
  bedienten und nur das Latein als Unterrichtsgegenstand kannten.
  Hiermit war ein dreifacher Vorteil gewonnen: 1. der Schüler konnte
  nun ganz auf die +Sache+ achten, er wurde nicht mehr durch die fremde
  Sprache an dem Verständnis der Sache gehindert; 2. +jedermann+ konnte
  sich nunmehr Kenntnisse erwerben, auch dem Bürger und Landmann war
  der Weg zur Bildung gebahnt; 3. die deutsche Sprachlehre trat in die
  Reihe der +Wissenschaften+ ein.

2. +Hauptgrundsätze+ Ratichs und seiner Anhänger:

1. +Alles mit vorhergehendem Gebet.+

2. +Alles nach Ordnung und Lauf der Natur.+ Vom Bekannten zum
Unbekannten, vom Nahen zum Entfernten, vom Leichten zum Schweren, vom
Einfachen zum Zusammengesetzten.

3. +Immer nur eins zu einer Zeit.+ Zurzeit nur ein Lehrfach, nur eine
Sprache, nur ein Schriftsteller. Kein neuer Lehrstoff soll vorgelegt
werden, ehe der vorhergehende vollkommen angeeignet ist.

4. +Eins oft wiederholen.+ Was der Schüler sich dauernd aneignen soll,
das werde durch gründliche Bearbeitung und häufige Wiederholung, nicht
durch wörtliches Memorieren eingeprägt. Am allerwenigsten darf das
memoriert werden, was noch nicht völlig begriffen ist.

5. +Gleichförmigkeit in allen Dingen.+ Nicht nur in der Sache, sondern
auch in den Worten muß der Unterricht sich gleich bleiben. Die
Unterrichtsweise muß für alle Unterrichtsgegenstände ein und dieselbe
sein, die verschiedenen Lehrbücher müssen gleichmäßig angelegt und
gedruckt sein, in der Schule muß stets die gleiche Ordnung herrschen.

6. +Alles Überflüssige ist zu vermeiden.+ Nichts werde gelehrt, was
wieder verlernt werden muß, was nicht entweder für den Unterricht oder
für das Leben von irgend welchem Nutzen ist. Alles ohne Weitläufigkeit,
so kurz und knapp wie möglich!

7. +Alles zuerst in der Muttersprache.+ Dem fremdsprachlichen
Unterricht muß der Unterricht in der deutschen Sprache (auch in der
deutschen Grammatik) voraufgehen.

8. +Alles ohne Zwang.+ Wenn auch in der Zucht die Rute nicht zu
entbehren ist, so soll doch beim Lehren um des Lernens willen nicht
gezüchtigt werden. Der Unterricht ist so anziehend wie möglich zu
machen. Nach jeder Lektion ist ausreichende Zeit zur Erholung (Spiel)
zu gewähren.

9. +Erst ein Ding an ihm selbst, hernach die Weise von dem Dinge.+
Der fremdsprachliche Unterricht soll nicht sofort mit der Grammatik,
sondern mit der Lektüre eines Schriftstellers beginnen, an die dann
erst nachträglich die grammatischen Belehrungen anzulehnen sind.

10. +Alles durch Erfahrung und stückliche Untersuchung+ („~per
inductionem et experimentum omnia~“). Alle Lehren, Regeln usw. sind
durch Beispiele zu veranschaulichen und zu erhärten. (Eine Entwicklung
der Regel +aus+ dem Beispiele forderte Ratke nicht. Zwar sollte der
grammatische Unterricht an die Lektüre angelehnt werden, aber hierbei
sollten die Regeln erst gelesen und eingeprägt und dann erst Beispiele
aus dem Schriftsteller dazu gesucht werden.)


=3. Comenius= (1592–1670).

  =1. Sein Leben.= Der große Pädagoge Johann Amos +Comenius+, der
  Schul-Patriarch und Mitbegründer einer neuen Unterrichtsepoche, wurde
  als Sohn eines Müllers zu Niwnic (spr. Niwnitz) in Mähren geboren.
  Sein gottergebenes Gemüt, sein edles, ganz für die Bildung der Jugend
  eingesetztes Streben, sein durch tragischen „Lebensgang geläutertes
  Herz“ erregen hohes Interesse. Schon früh verlor Comenius seine
  Eltern, wurde von Vormündern erzogen und konnte erst im 16. Jahre die
  lateinische Schule besuchen. Nach dem religiösen Bekenntnis seiner
  Eltern gehörte Comenius zu den böhmischen Brüdern (starren Anhängern
  von Hus), auch +Brüderunität+ genannt. Seine höheren Studien machte
  Comenius in Herborn (Nassau) unter Alstedius und in Heidelberg. Auf
  seinen Studienreisen besuchte er Holland und England. Angeregt durch
  die Denkschrift des Ratichius, faßte er den Plan, den Unterricht
  aus den herkömmlichen, verknöcherten Formen zu befreien. Von seinen
  Reisen zurückgekehrt, übernahm Comenius die Leitung der Schule in
  Prerau (Mähren), wurde geistlich und pastorierte von 1618 an drei
  glückliche Jahre lang die Gemeinde Fulneck, der er Lehrer, Prediger
  und Ratgeber war. Nach der Schlacht am Weißen Berge (1620) wurde
  Fulneck geplündert, Comenius seiner ganzen Habe beraubt und auf der
  Flucht zuerst in das nordöstliche Böhmen (zu Karl von Zierotin),
  dann nach Polen verschlagen. In +Polnisch-Lissa+ widmete er sich
  dem Unterricht der Gymnasialjugend, ging nach England, kehrte auf
  der Rückreise im Haag (Holland) bei +Ludwig van Geer+ ein, besuchte
  Schweden und ließ sich endlich in Elbing (damals schwedisch) nieder.
  Hier wollte er auf Wunsch des Kanzlers Oxenstjerna Schulbücher für
  Schweden verfassen. 1648 wurde Comenius Bischof der Brüderunität
  und nahm seinen Wohnsitz zum zweitenmal in +Polnisch-Lissa+. Nach
  zweijährigem Aufenthalte zog er nach Patak (Ungarn), von seinem
  Freunde, dem Fürsten Rakoczi, berufen. Hier entwarf er den Plan für
  eine Musterschule mit sieben einjährigen Klassen. Nur die unteren
  3 Klassen konnten wirklich eröffnet werden. 1654 kam Comenius zum
  drittenmal nach +Polnisch-Lissa+. Zwei Jahre später wurde die Stadt
  in dem Kriege zwischen Schweden und Polen gänzlich zerstört. Comenius
  verlor abermals sein Vermögen, namentlich selbstverfaßte wertvolle
  Bücher und Handschriften, und mußte flüchten. Er klagte selbst, „daß
  die Frucht vierzigjährigen literarischen Fleißes“ dahin sei. Auf
  der Flucht kam Comenius nach Schlesien, Hamburg und zuletzt nach
  +Amsterdam+, wo er bei seinem Freunde +Lorenz van Geer+ im Alter
  von fast 80 Jahren an der Pest starb. Er wurde in Naarden an der
  Zuider-See in einem Massengrabe bestattet.

=2. Schriften.= Die wichtigsten sind:

1. Die „Mutterschule“ (~Informatorium maternum~), eine Anweisung zur
Erziehung des Kindes während seiner ersten 6 Lebensjahre. (1633 in
Lissa erschienen.)

2. „+Die geöffnete Sprachentür+“ (~Janua linguarum reserata~), ein
lateinisches Lesebuch mit realistischem Inhalt. Das Wichtigste aus
allen Wissensgebieten (Himmelskunde, Menschenkunde, Tierkunde,
Pflanzenkunde usw.) ist in 1000 Sätzen zusammengefaßt. Comenius wollte
mit diesem Buche ~a~) eine naturgemäßere und +leichtere Erlernung+
des Lateinischen ermöglichen (erst der Stoff, dann die Form; erst
die Sprache, dann die Grammatik) und ~b~) durch den Sprachunterricht
nützliche +Sachkenntnisse+ vermitteln. Das Buch erregte s. Z.
unerhörtes Aufsehen, wurde in kurzer Zeit in 12 europäische und mehrere
asiatische Sprachen übersetzt und war nächst der Bibel das am meisten
verbreitete Buch. (1631 in Lissa erschienen.)

3. „+Die große Unterrichtslehre+“ (~Didactica magna~), bereits 1627
begonnen, zuerst in böhmischer Sprache abgefaßt, dann lateinisch
umgearbeitet, in der uns vorliegenden Gestalt erst 1657 erschienen.
Comenius hat in diesem Werke seine pädagogischen Gedanken in
systematischer Anordnung entwickelt. Er selbst bezeichnet es als das
+Hauptwerk+ seines Lebens.

4. „+Die gemalte Welt+“ (~Orbis pictus~), auch ein lateinisches
+Lesebuch+ mit realistischem Inhalt wie die „Sprachentür“, aber mit
deutscher Übersetzung und mit +Bildern+ (150 Holzschnitten) versehen.
Der Text jedes Lesestücks bildet eine Beschreibung des betreffenden
Bildes, die sich genau an das Bild anlehnt. Auch der ~orbis pictus~
fand eine ungeheure Verbreitung. Lange nach Comenius war er ein
beliebtes Schul- und Kinderbuch, Goethe und Herder haben sich als
Kinder daran ergötzt. (1658 in Nürnberg erschienen.)

=3. Die wichtigsten pädagogischen Gedanken des Comenius.=

1. +Ziel und Aufgabe des Menschen.+ Der Mensch, allein von allen
Wesen mit Vernunft begabt, steht höher als alle Dinge dieser Welt und
hat deswegen auch ein höheres Ziel. Dies +Ziel+ liegt außerhalb des
gegenwärtigen Lebens und ist die +ewige Seligkeit+ in der Gemeinschaft
mit Gott. Das gegenwärtige Leben ist deshalb nur eine Vorbereitung auf
das ewige Leben. Diese Vorbereitung hat, wie sich aus dem Schöpferworte
1. Moses ergibt, insbesondere drei +Aufgaben+ zu erfüllen. Der Mensch
soll sein: 1. ein +vernünftiges+ Geschöpf, 2. ein die anderen Geschöpfe
und sich selbst +beherrschendes+ Geschöpf, 3. das +Ebenbild+ und
die Freude seines Schöpfers. Danach hat der Mensch zu erstreben: 1.
die wissenschaftliche +Bildung+, 2. +Tugend+ oder Sittlichkeit, 3.
Religiosität oder +Frömmigkeit+. Alles übrige (Gesundheit, Stärke,
Schönheit, Reichtum u. dgl.) ist nur „ein Zusatz und eine äußere Zier
des Lebens“ und kann dem Menschen sogar zum Schaden und Verderben
gereichen, wenn er nach solchen Dingen begieriger trachtet als nach
jenen drei vorzüglichsten Gütern, die allein die wahre Vollkommenheit
des Menschen ausmachen.

2. +Möglichkeit und Notwendigkeit der Erziehung.+ Wissenschaftliche
Bildung, Tugend und Frömmigkeit sind zwar als +Anlage+ jedem Menschen
angeboren, aber zu ihrer normalen Entwicklung bedarf es der Erziehung.
Deshalb „muß der Mensch, wenn er zum Menschen werden soll, erzogen und
gebildet werden“.

3. +Zeit der Bildung.+ Die geeignetste Zeit für die Bildung des
Menschen ist die +Jugend+, denn 1. in der Jugend ist der Mensch am
+bildsamsten+, wie jedes Ding am leichtesten zu formen ist, solange
es noch zart ist (das Wachs, das Bäumchen). 2. Was der Mensch in der
Jugend lernt, +haftet+ am besten. 3. In der Jugend ist der Mensch
zu allem anderen (zur Verwaltung des Hauswesens, des Staates usw.)
+ungeschickt+ und nur für die Bildung geeignet, woraus erhellt, daß
Gott die Zeit der Jugend zur Bildung bestimmt hat. 4. Der Mensch muß
frühzeitig zu Gott geführt werden, damit er nicht etwa +unvorbereitet+
aus diesem Leben abberufen werde und somit der ewigen Seligkeit
verlustig gehe. 5. Wenn aber auch der Mensch des längsten Lebens sicher
wäre, so müßte die Bildung dennoch frühzeitig beginnen, weil das Leben
nicht mit Lernen, sondern mit +Handeln+ hingehen soll.

4. +Faktoren der Bildung.+ Die Sorge für die Erziehung der Kinder
ist eigentlich Sache der Eltern. In diesem Sinne redet Comenius von
einer +Mutterschule+ (1.–6. Lebensjahr). Auch weiterhin bleibt zwar
das Elternhaus die wichtigste Erziehungsstätte; da aber zu einem
ausreichenden Unterricht die Eltern in den seltensten Fällen Zeit und
Fähigkeit besitzen, müssen die Kinder vom 6. Lebensjahre ab besonderen
Schulen übergeben werden, zunächst der +Volksschule+ (‚Schule der
Muttersprache‘). Eine solche ist für alle Kinder vom 6.–12. Lebensjahre
in jeder Gemeinde, jedem Flecken und Dorfe einzurichten. An diese
schließt sich dann für die Kinder, die sich eine höhere Bildung
aneignen sollen, die +Lateinschule+ (12.–18. Lebensjahr; in jeder
Stadt) und an diese die +Universität+ (18.–24. Lebensjahr; in jedem
Staate bezw. jeder größeren Provinz).

5. +Bildung der gesamten Jugend.+ Alle Kinder, ohne Unterschied des
Standes und Geschlechts, sollen, ehe sie höheren Studien (auf dem
Gymnasium und der Universität) oder einem praktischen Lebensberufe
sich widmen, ein und dieselbe grundlegende Bildung in der Volksschule
erhalten; denn 1. setzt jedes höhere +Studium+ und jede Fachbildung
eine allgemein menschliche Bildung voraus, wie sie eben in der
Volksschule gegeben werden soll; 2. läßt sich bei dem sechsjährigen
Kinde noch +nicht+ bestimmen, für welchen Beruf es geeignet ist;
3. ist ein erfolgreiches Studium fremder +Sprachen+ (auf Gymnasium
und Universität) an die Bedingung einer vorhergehenden Ausbildung
in der Muttersprache geknüpft, und 4. wird der +Selbstüberhebung+
(vornehmer Kinder) in heilsamer Weise vorgebeugt, wenn alle Kinder
ohne Unterschied des Standes und des künftigen Berufes gemeinsam
unterrichtet werden.

6. +Maß der Bildung.+ Der Unterricht in den Volksschulen (wie in allen
Schulen) soll ein möglichst umfassender und allseitiger sein. „In den
Schulen soll allen alles gelehrt werden. Dies ist jedoch nicht so zu
verstehen, als ob von allen die Kenntnis aller Wissenschaften und
Künste verlangt werde. Aber daß alle den +Grund+ und den Zweck +von
allem Hauptsächlichen+ zu merken gelehrt werden, und daß in dieser
Welt nichts ist, über das sie nicht ein bescheidenes Urteil abgeben
und das sie nicht vorteilhaft gebrauchen könnten, dafür muß man sorgen
und das muß auch geleistet werden. Nicht aus jedem Holze läßt sich ein
Merkur schnitzen, aber aus jedem Menschen ein Mensch.“ Die Volksschule
ist in +sechs+ Klassen einzuteilen und der Lehrstoff in konzentrischer
Anordnung auf sechs Jahreskurse zu verteilen. Dem Unterricht werden
täglich +vier+ Stunden gewidmet, zwei des Vormittags und zwei des
Nachmittags.

7. +Lehrziele der Volksschule.+ Im einzelnen sind die Lehrziele der
Volksschule folgende. Die Kinder sollen 1. alles in der Muttersprache
Gedruckte oder Geschriebene geläufig +lesen+ können; 2. zunächst schön,
sodann schnell, endlich sprachrichtig +schreiben+, den Gesetzen der
Grammatik der Muttersprache gemäß; 3. Tafel- und +Kopfrechnen+ für den
Bedarf des Lebens lernen; 4. kunstgemäß, auf welche Weise es auch sei,
Längen, Breiten, Entfernungen usw. +messen+; 5. alle gebräuchlichen
Melodien +singen+ können und die geschickteren auch mit dem Singen nach
Noten bekannt gemacht werden; 6. die Psalmen und geistlichen Lieder,
welche in der Kirche eines jeden Orts in Gebrauch sind, meistenteils
sämtlich +auswendig+ wissen; 7. außer dem +Katechismus+ die Geschichten
und vorzüglichsten Aussprüche der +Hl. Schrift+ aufs genaueste wissen
und hersagen können; 8. die in Regeln gefaßte und mit Beispielen nach
der Fassungskraft des Lebensalters erläuterte +Sittenlehre+ innehaben,
verstehen und in der Tat zu üben beginnen; 9. von den +Zuständen+
im Hause und Staate so viel kennen lernen, als zum Verständnisse
desjenigen, was sie täglich im Hause und im Staate vorgehen sehen,
ausreichend ist; 10. eine ganz allgemein gehaltene +Geschichte+ der
Gründung, Verderbnis, Wiederherstellung der bisher durch die Weisheit
Gottes verwalteten Welt sich zu eigen machen; 11. dazu die Hauptpunkte
aus der +Weltkunde+ lernen, von der kugelförmigen Gestalt der in der
Mitte des Himmels hängenden Erde, von den mannigfachen Krümmungen der
Meere und Flüsse, den größeren Erdteilen, den vorzüglichsten Reichen
Europas; insbesondere aber die Städte, Berge, Flüsse und sonstigen
Merkwürdigkeiten ihres Vaterlandes; 12. endlich sollen sie so ziemlich
mit allen allgemeineren +Handfertigkeitskunstgriffen+ bekannt werden.

8. +Erziehung zur Tugend und Frömmigkeit.+ In den Schulen sollen die
Kinder aber nicht bloß in den Wissenschaften unterwiesen, sondern auch
zur Tugend und Frömmigkeit geführt werden. „+Unselig+ ist die Bildung,
welche nicht in die Sitten und Frömmigkeit übergeht! denn was ist
wissenschaftliche Bildung ohne gute Sitten? Wer fortschreitet in den
Wissenschaften und rückschreitet in den Sitten, der schreitet mehr
+rückwärts+ als vorwärts. Wie Edelsteine nicht in Blei, sondern in Gold
gefaßt werden und beides glänzender strahlt, so muß die Wissenschaft
nicht mit +Zügellosigkeit+, sondern mit der Tugend gepaart werden, und
so vermehrt die eine der anderen Zier. Wo aber zu beiden die wahre
Frömmigkeit hinzukommt, da wird die Vollkommenheit erfüllt. Die Furcht
des Herrn, wie sie der Anfang der Weisheit ist, so ist sie auch der
Gipfel und die Krone der Weisheit, weil die Fülle der Weisheit ist, den
Herrn fürchten.“

9. +Lehrverfahren.+ Soll der Unterricht den ihm gestellten Aufgaben
gerecht werden, so muß das planlose und mechanische Lehrverfahren
aufgegeben und muß der Unterricht zu einer Kunst erhoben werden, welche
wie jede andere Kunst nach einer bestimmten +Methode+ verfährt. „Die
rechte Methode aber besteht hier wie in jeder Kunst in nichts anderem
als in der Nachahmung der +Natur+, wie auch Cicero sagt: ‚Wenn wir
der Leitung der Natur folgen wollen, werden wir niemals irre gehen.‘“
Comenius versucht nun in seiner ‚Großen Unterrichtslehre‘ eine
+naturgemäße+ Unterrichtsmethode aufzustellen. Zu dem Zwecke sucht
er zunächst die Gesetze auf, nach welchen die uns umgebende Natur in
ihrem Schaffen und Bilden verfährt; dann weist er nach, wie diese
Naturgesetze in anderen Künsten (z. B. Malerei, Baukunst, Gärtnerkunst)
bereits mannigfache Nachahmung und Anwendung gefunden haben;
schließlich zeigt er, wie jene Gesetze nun auch in dem Unterrichte zur
Geltung zu bringen sind. Die hauptsächlichsten Grundsätze, zu denen
Comenius auf dem bezeichneten Wege gelangt, sind folgende:

~a.~ Die Natur achtet auf die passende +Zeit+.

  So soll auch für den Unterricht stets die geeignete Zeit gewählt
  werden. Deshalb soll 1. in der +Kindheit+ als dem Frühlinge des
  Lebens die Bildung beginnen; 2. hauptsächlich die +Morgenzeit+
  für die Studien benutzt und 3. der Unterrichtsstoff in einer
  +Reihenfolge+ angeordnet werden, die der allmählich fortschreitenden
  Entwicklung des Kindes entspricht.

~b.~ Die Natur schafft erst den +Stoff+ herbei, ehe sie sich anschickt,
ihm eine Form zu geben.

  So soll auch im Unterricht dem ‚Wie‘ allemal das ‚Was‘, dem Formalen
  das Sachliche voraufgeschickt werden. Erst Dinge, dann Worte; erst
  Sachkenntnisse, dann Sprachstudien; erst Beispiele, dann Regeln. Alle
  für den unterrichtlichen Gebrauch erforderlichen Gegenstände (Bücher,
  Bilder, Tafel, Schreibzeug u. dgl.) sind vor Beginn des Unterrichts
  herbeizuschaffen und in Bereitschaft zu halten, damit während
  desselben keine Störungen eintreten.

~c.~ Die Natur richtet den Stoff im voraus so ein, daß er für die Form
+empfänglich+ wird.

  Ebenso soll auch der Schüler auf den Unterricht angemessen
  vorbereitet und für ihn empfänglich gemacht werden. Zunächst ist
  durch eine gute +Schulordnung+ die äußere und innere Haltung des
  Schülers derart zu regeln, daß alles fern gehalten wird, was die
  Aufmerksamkeit ablenken könnte. Dann aber muß vor allem in dem
  Schüler +Lerneifer+ und +Interesse+ an der Schularbeit erregt
  werden. Dies kann geschehen 1. durch eine liebevolle +Behandlung+
  des Schülers von seiten des Lehrers, sowie durch einen fröhlichen
  Lehrton; 2. durch eine freundliche und anziehende +Ausstattung+
  des Schullokals; 3. durch ein interessantes, der kindlichen Natur
  entsprechendes +Lehrverfahren+ (häufige Anwendung von Bildern und
  passenden Beispielen, Form des Wechselgesprächs).

~d.~ Die Natur übereilt sich nicht und macht keine +Sprünge+;

  sie schreitet langsam, lückenlos und stufenweis vom Leichten zum
  Schweren vorwärts. Ebenso soll es auch im Unterrichte sein.

~e.~ Die Natur schafft alles in beständiger +Verknüpfung+
(Konzentration).

  Daher soll auch der Unterricht alles, was seiner Natur nach
  zusammengehört, im Zusammenhang behandeln und beständig aufeinander
  beziehen. „Die +Worte+ sollen nur in Verbindung mit den +Sachen+
  gelehrt und gelernt werden, ebenso wie der Wein mit dem Gefäß, das
  Holz mit der Rinde, die Frucht mit der Schale verkauft und von einem
  Orte zum anderen geschafft wird.“ „Die +Lese+- und +Schreib+übungen
  müssen immer in geeigneter Verknüpfung miteinander verbunden werden;
  die A-B-C-Schützen sollen die Buchstaben schreibend lernen.“ Die
  Stilübungen sollen an den nebenlaufenden +Unterricht+ angeknüpft
  werden. Es soll womöglich alles, was die Kinder im Unterrichte
  aufnehmen, von ihnen schriftlich wiedergegeben werden, „so daß der
  Griffel alles, was die Lektüre angesammelt hat, in Fleisch und Blut
  umsetzt“. Endlich sollen überall, wo es angeht, die +Gründe+ und
  Ursachen für das, was +gelehrt+ wird, angegeben werden.

~f.~ Die Natur stärkt und fördert sich selbst durch häufige +Bewegung+.

  So sollen auch im Unterricht die Schüler soviel wie möglich
  +selbsttätig+ sein, um dadurch die Kräfte ihres Geistes zu stärken.
  Zu dem Zwecke ist namentlich die Lehrform des +Dialogs+ zu empfehlen.
  Sie veranlaßt die Schüler zu eigenem Nachdenken und Sprechen,
  steigert somit ihre Denk- und Sprechfähigkeit. Außerdem gewährt diese
  Lehrform folgende Vorteile: 1. Der Lehrer +erfährt+ leichter, ob
  alles Auseinandergesetzte richtig von allen aufgefaßt ist. 2. Das,
  was man in Gesprächsform von dem Lehrer erlernt, +haftet+ besser,
  als was man im nackten Vortrag erzählen hört. 3. Sie regt zur
  +Aufmerksamkeit+ an.[3] -- Auch in zusammenhangender +Wiedergabe+ des
  im Unterricht Behandelten sollen die Schüler fleißig geübt werden.

~g.~ Die Natur bringt alles aus der +Wurzel+ hervor, anderswoher nichts.

  „Aus diesem Satze folgt, daß die Jugend recht unterrichten nicht
  heißt, ein Gemengsel von Worten und Ansichten den Geistern
  einpferchen, sondern ihnen das +Verständnis der Dinge+ eröffnen.

  Die Menschen müssen soviel als möglich nicht aus Büchern unterwiesen
  werden, sondern aus dem Himmel, der Erde, den Eichen und Buchen,
  d. h. die Dinge selbst kennen lernen und durchforschen, nicht nur
  fremde Beobachtungen und Zeugnisse über die Dinge. Alles muß soviel
  als möglich den Sinnen vergegenwärtigt werden: das Sichtbare dem
  Gesicht, das Hörbare dem Gehör, das Schmackhafte dem Geschmack, das
  Riechbare dem Geruch, das Berührbare dem Tastsinn.

  Für die Notwendigkeit der sinnlichen Anschauung gilt ein dreifacher
  Grund: ~a.~ Der +Anfang+ der Erkenntnis muß immer von den Sinnen
  aus geschehen. ~b.~ Die +Wahrheit+ und Sicherheit des Wissens
  hängt ebenso nur von dem Zeugnis der Sinne ab. ~c.~ Der Sinn ist
  der treueste Haushofmeister des +Gedächtnisses+. Wenn ich nur
  einmal Zucker selbst gekostet, nur einmal ein Kamel selbst gesehen
  habe usw., so haftet alles das fest im Gedächtnis und kann nicht
  wieder entfallen. Daher sagt Plautus treffend: ‚Mehr gilt stets ein
  Augenzeuge als zehn, die nur vom Hören wissen.‘“

10. +Schulzucht.+ „Das Sprichwort der Böhmen: ‚Eine Schule ohne Zucht
ist eine Mühle ohne Wasser‘ ist ein wahres Wort. Wenn du nämlich einer
Mühle das Wasser nimmst, so muß sie stille stehen; ebenso wenn du
aus der Schule die Zucht entfernst, muß alles erschlaffen. Die beste
Weise der Zucht lehrt die Himmelssonne, welche den wachsenden Dingen
~a.~ +immer+ Luft und Wärme, ~b.~ +oft+ Regen und Wind, ~c.~ +selten+
Blitz und Donner spendet, und auch dieses nur zu ihrem Nutzen. In
Nachahmung der himmlischen Sonne wird sich der Leiter einer Schule
bemühen, die Jugend in der Bahn der Pflicht zu erhalten: ~a.~ Durch
das beständige +Beispiel+, indem er von allem, wozu er die Schüler
anleitet, sich selbst als das lebendige Vorbild zeigt. Ist dem nicht
so, so ist alles übrige umsonst. ~b~. Durch belehrende, ermahnende,
scheltende +Worte+; jedoch so, daß man deutlich sieht, es geschehe
alles aus väterlicher Zuneigung und der Absicht, allen zu nützen,
niemand zu schaden. ~c.~ Wo diese gelinderen Mittel nicht ausreichen,
muß man zu gewaltsameren Heilmitteln übergehen. Jedoch erteile der
Erzieher die Strafe nicht deshalb, weil einer gefehlt hat (denn
Geschehenes läßt sich nicht ungeschehen machen), sondern damit er
in +Zukunft+ nicht fehle. Ferner strafe er ohne Zorn und Haß, mit
solcher Redlichkeit und Aufrichtigkeit, daß der Gezüchtigte selbst
inne wird, die Strafe gehe aus der +väterlichen Zuneigung+ des Lehrers
hervor, und sie mit derselben Gesinnung aufnimmt wie der Kranke die
bittere Arznei aus der Hand des Arztes. Endlich strafe er nicht wegen
des Lernens, sondern wegen +schlechter Sitten+ (namentlich, wenn der
Zögling sich durch Unkeuschheit, Trotz und Bosheit verfehlt hat).
Schläge und Streiche haben nicht die Kraft, in die Köpfe Liebe zu den
Wissenschaften zu bringen. Die Studien, recht betrieben, locken durch
sich selbst die Geister an. Wenn es nicht so ist, so tragen nicht die
Schüler, sondern die Lehrer die Schuld daran, die es nicht verstehen,
durch einen verständigen Unterricht die Geister zu fesseln. Durch
die Gewaltmaßregeln, die sie nun anwenden, erzeugen sie nicht Liebe,
sondern Widerwillen gegen das Lernen.“


4. Die pädagogische Bedeutung des Comenius.

Comenius hat zwar manchen Gedanken von seinen Vorläufern (Vives,
Baco, Ratke) übernommen, aber er hat diese Gedanken weiterentwickelt,
geklärt, vertieft und viele neue Gedanken hinzugetan. Seine
wesentlichsten Verdienste um die Entwicklung des Schulwesens sind
folgende.

1. Er hat den Begriff der +Volksschule+ in der noch heute maßgebenden
Weise bestimmt und damals schon ihre allgemeine Einführung als
notwendig bezeichnet.

2. Er hat die sinnliche +Anschauung+ und die +Konzentration+ in ihrer
Bedeutung für den Schulunterricht richtig erkannt und das Bild als
Mittel der Veranschaulichung gefordert.

3. Er hat den Lehrplan der Volksschule durch die Gegenstände, die wir
heute unter dem Namen ‚+Realien+‘ begreifen, erweitert.

Leider waren die Zeitverhältnisse, unter denen Comenius wirkte,
so überaus traurig, daß von einer praktischen Durchführung seiner
pädagogischen Ideen zunächst nicht die Rede sein konnte. Erst später
haben seine Gedanken ihren Weg in die Praxis des Schulunterrichts
gefunden.


=4.= =Francke= (1663–1727).

  1. August Hermann Francke wurde in Lübeck geboren und in Gotha
  erzogen. Schon im vollendeten 14. +Lebensjahre+ bestand er die
  Abiturientenprüfung am Gymnasium in Gotha. Nach zweijähriger
  Erholungspause bezog er die Universität und studierte in Erfurt und
  Kiel evangelische Theologie.

  Mit 21 Jahren wurde er in +Leipzig+ Hofmeister und ließ sich zugleich
  als Privatdozent an der dortigen Hochschule nieder. Er erklärte den
  Grundtext der Hl. Schrift und knüpfte daran erbauliche Betrachtungen.
  Später trieb er praktische Exegese, war Prediger in Lüneburg und
  darauf ein Jahr Lehrer in Hamburg an einer Privatschule für Kinder.

  Nach kurzem Aufenthalte bei Spener in Dresden nahm er in Leipzig
  seine biblischen Vorlesungen wieder auf. Als Pietist (Frömmler)
  verschrieen, verließ er Leipzig und wurde Diakon in Erfurt. Mit 29
  Jahren wurde er Universitätsprofessor (für orientalische Sprachen) in
  +Halle+ und zugleich Pfarrer in der Vorstadt Glaucha. Hier wirkte er
  35 Jahre lang mit vielem Segen.

2. Francke war ein edler Mann und besaß in hohem Grade den Geist
christlicher Nächstenliebe. Er suchte alle Schüler Christus zuzuführen.
Doch ein +großer Fehler+ klebt dem Franckeschen Erziehungssystem an.
Er behandelt nämlich die Kinder wie reife Männer. Deshalb kannte man
+kein Spiel+. Jugendlicher Frohsinn und harmlose Freude fehlten. Man
kannte nur schwerere und leichtere +Pflichten+. Die letzteren sollten
als einzige Erholung dienen. Durch die Unnatur dieses Verfahrens wurde
statt echter Frömmigkeit vielfach Frömmelei erzielt.

Das größte Gewicht legte Francke auf die +Person+ des Lehrers. Von den
Schülern verlangt er vor allem Wahrheitsliebe, Gehorsam und Fleiß. Für
die Lehrerbildung strebte er die Gründung +pädagogischer Seminarien+ an
und sorgte für passende Schulbücher.

3. Die berühmten Franckeschen +Stiftungen+ in Halle sind außer der
Waisenhaus-Buchhandlung und der Waisenhaus-Apotheke:

  ~a~) das Pädagogium (Erziehungsanstalt für Söhne aus höheren Ständen);

  ~b~) die lateinische Schule (Gymnasium);

  ~c~) die deutschen Bürgerschulen (für die Bürgerkinder der Stadt);

  ~d~) +das Waisenhaus+ (Armenschule und Pflegeanstalt für verwaiste
  Kinder);

  ~e~) das ~Seminarium selectum~ (Bildungsanstalt der Lehrer für das
  Pädagogium und die Lateinschule);

  ~f~) das ~Seminarium praeceptorum~ (Bildungsanstalt der Lehrer für
  die deutschen Bürgerschulen und das Waisenhaus).

4. Wie Comenius der Reformator des Unterrichts, so ist Francke der
Reformator der Disziplin. In seiner Schrift „+Instruktion+ für die
~Praeceptores~, was sie bei der Disziplin wohl zu beachten“ tritt er
für eine vernünftige, möglichst angemessene und väterliche Schulzucht
ein. Die bemerkenswertesten Stellen aus dieser Schrift sind folgende:

  1. „Ehe bei einem Kinde die ~gradus admonitionum~ (Ermahnungsstufen)
  gebraucht worden sind, ist es nicht zu schlagen.“

  2. „Es ist auch kein Kind zu schlagen, man habe ihm denn sein
  Verbrechen erst vorgehalten und es dessen auch +überzeugt+.“

  3. „Um des Lernens willen und wenn ein Kind etwas +nicht+ alsbald
  +begreifen+ kann, sei es im Lateinischen, Griechischen, Rechnen,
  Singen oder im ~Catechismo~, soll kein Kind geschlagen werden, wohl
  aber um der Bosheit und sonderlich um der +Lüge und Dieberei+ willen.“

  4. „Ein Präzeptor soll +nicht ungeduldig, noch zornig+ werden, wenn
  ein Kind wegen seines +langsamen+ Geistes etwas nicht bald fassen
  kann.“

  5. „Wenn neue Kinder in die Schule kommen, so sind sie nicht alsbald
  mit Schlägen zu traktieren, sondern man soll ihrer 3 bis 4 Wochen
  +schonen+.“

  6. „Die Bestrafung soll man nicht ein oder zwei Tage +aufschieben+,
  sondern die Sache bald abtun.“

  7. „Nach der Strafe soll der Lehrer sich für die väterliche
  Züchtigung von dem Kinde die Hände geben und Besserung +angeloben+
  lassen.“

  8. „Ein Lehrer, zu dem die Kinder +Vertrauen+ haben, kann mit einer
  guten Vermahnung mehr ausrichten als andere mit vielen Schlägen.“

  9. „Man soll kein Kind in der Schule zur Strafe +knieen+ lassen.“

  10. „Ein Präzeptor soll sich auch bemühen, die +Gemüter+ der Kinder
  +kennen+ und prüfen zu lernen.“

  11. „Wenn ein Präzeptor unter der Lektion gewahr wird, daß ein Kind
  nicht achtgibt, so soll er es +nicht alsbald mit Namen nennen+,
  sondern lieber im +allgemeinen+ etwa sagen: .... ‚ich sehe ein Kind,
  das nicht gerade sitzet oder schwätzt ...,‘ so wird er gewahr werden,
  daß das Kind sich getroffen findet.“

  12. „+Schimpfliche+ Namen sind den Kindern durchaus nicht zu geben,
  weil sie dadurch mehr erbittert als gebessert werden.“

  13. „+Die Schulen sollen sein ~officinae Spiritus Sancti~+ --
  Werkstätten des Hl. +Geistes+.“


  [2] „Die Muttersprache verstummte unter den Knaben; deutsch zu
      sprechen wurde für schimpflich angesehen; Knechte und Mägde
      hörte man lateinisch reden, und man konnte meinen, Goldberg sei
      in Latium gelegen.“ (Inschrift auf einem Denkmale Trotzendorfs
      in der Johanneskirche zu Liegnitz.)

  [3] Dennoch empfiehlt Comenius für die Praxis des
      Volksschulunterrichts die mehr +mechanische Lehrform+ des
      Vorlesens, Nachlesens, Nachsprechens und Abschreibens. So heißt
      es in Kap. 29 der ~Didact. magna~: „In den Morgenstunden soll
      der Lehrer die Aufgabe für die betreffende Stunde, während
      alle zuhören, vorlesen und wieder lesen, und wenn etwas einer
      Erklärung bedarf, möglichst deutlich und klar erklären, so daß
      alle es fassen müssen. Dann wird er die Schüler selbst der
      Reihe nach zum Lesen aufrufen: so daß, während einer laut und
      verständlich liest, die übrigen dabei in ihre Bücher sehen und
      schweigend folgen. Wenn das bis auf die Mitte der Stunde oder
      darüber hinaus fortgesetzt wird, so werden die Befähigteren
      ohne Buch dasselbe vorzutragen versuchen, und endlich auch
      die weniger Beanlagten. In den Nachmittagsstunden sollen die
      betreffenden Pensa durch Wiederholen und Abschreiben befestigt
      werden.“ Daß Com. hier im Widerspruche mit Kap. 19 der ~Didact.
      magna~ die dialogische Lehrform ausschließt und überhaupt
      die Persönlichkeit des Lehrers ganz zurücktreten läßt hinter
      dem Lehrbuch, erklärt sich 1. aus dem damaligen Mangel an
      methodisch vorgebildeten +Lehrern+, 2. aus einer übertriebenen
      Wertschätzung guter +Lehrbücher+. Die Lehrbücher sollen nach
      Com.’ Ansicht womöglich so eingerichtet sein, daß sie den
      Lehrer ganz ersetzen; sie sollen denn auch in dialogischer Form
      abgefaßt sein.




VI. Förderung des Schulwesens seitens einzelner Landesfürsten.


=1. Herzog Ernst der Fromme von Gotha= (1640–1675).

=1. Leben.= Comenius hatte in seiner ‚Großen Unterrichtslehre‘ den
Plan zum Bau der Volksbildung in großen Zügen gezeichnet. Derjenige,
der zuerst Hand anlegte, diesen Bau auszuführen, war der Fürst
eines kleinen Staates im Herzen Deutschlands: Herzog Ernst I. von
Gotha, genannt der Fromme. Kaum hatte er im Oktober 1640 seinen
feierlichen Einzug in die Residenzstadt Gotha gehalten, so ließ er
eine Generalvisitation aller Kirchen und Schulen abhalten, bei welcher
eine große Unwissenheit und geistige Verwilderung des Volkes sich
herausstellte. Daß die Besserung der Verhältnisse in seinem Lande mit
der Verbesserung der Schulen beginnen müsse, erkannte Herzog Ernst
recht klar, zumal er von seiner Mutter (Herzogin Dorothea von Weimar)
ein warmes Interesse für Ratke und dessen Bestrebungen geerbt hatte.
Um nun eine einheitliche Umgestaltung des gesamten Schulwesens in
seinem Lande herbeizuführen, berief er den Rektor Andreas Reyher,
einen Anhänger des Ratke und Comenius, an das Gymnasium zu Gotha. Er
erteilte ihm den Auftrag, unter Benutzung der Visitationsberichte einen
~methodus docendi~ (Lehrplan, Schulordnung) für die unteren Klassen des
Gymnasiums aufzusetzen, der auch in den Volksschulen des ganzen Landes
gebraucht werden könne. Der erste Entwurf dieser Schulordnung erschien
1642, die Erweiterung und Verbesserung derselben 1648.

=2. Schulmethodus.= Der Methodus ist die erste staatliche
Volksschulordnung und enthält in seinen 13 Kapiteln folgende bedeutsame
Gedanken und Vorschriften.

  1. (+Hauptaufgabe.+) Die Hauptaufgabe der Schule ist die +Erziehung+.
  Den Kindern ist die +Allgegenwart Gottes+ recht zum Bewußtsein zu
  bringen, es ist ihnen eindringlich vorzustellen, daß Gott an allen
  Orten und Enden ganz nahe um sie sei, all ihr Tun sehe, ihre Reden
  höre, alle ihre Gedanken wisse -- so werden sie kindliche Scheu
  und Ehrfurcht vor Gott lernen. Der ganze Tageslauf des Kindes soll
  unter dem Gesetz der Gottesfurcht stehen; Fleiß und Reinlichkeit,
  Bescheidenheit und Höflichkeit sollen ihnen als Zierden des
  Kindeslebens gezeichnet werden. Des +Sonntags+ sollen beim ersten
  Läuten zum Gottesdienste sich die Kinder in der Schule versammeln,
  dann wird das Evangelium gelesen, und darauf gehen sie paarweise
  zur Kirche. Die älteren Kinder sollen gewöhnt werden, etwas von der
  Predigt nachzuschreiben; die kleineren aber sollen den einen oder
  anderen Spruch behalten. Sittliche Fehler sollen zunächst durch
  väterliches Vorstellen des Unrechts, dann durch ernstlichen Verweis,
  endlich durch Bestrafung mit der Rute oder Niederknieen gerügt
  werden. Die +körperliche+ Erziehung darf nicht vernachlässigt werden,
  aber Werfen und Schleudern mit Steinen, sowie das Baden und Schwimmen
  in fließendem Wasser und Teichen darf nicht geduldet werden, weil es
  der Gesundheit schädlich, auch oftmals lebensgefährlich ist.

  2. (+Allgemeine Schulpflicht.+) Alle Kinder, sowohl Knaben als
  Mädchen, in Dörfern und Städten sollen +vom 5. bis 14.+ Lebensjahre
  in die Schule geschickt werden, nicht nur im Winter, sondern auch
  im Sommer. Täglich soll 3 Stunden am Vormittag und 3 Stunden am
  Nachmittag Unterricht gehalten werden, nur die Nachmittage am
  Mittwoch und Samstag sind frei. In der +Erntezeit+ werden auf dem
  Lande 6 Wochen, in der Stadt 4 Wochen frei gegeben. Auch in den
  Ferien haben die Lehrer täglich 2 Stunden vormittags Schule zu
  halten mit denjenigen Kindern, welche nicht mit häuslichen Arbeiten
  beschäftigt sind. Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken,
  sollen für jede +versäumte+ Stunde zum erstenmal 1 Groschen, zum
  zweitenmal 2 Groschen, zum drittenmal 3 Groschen und so fort bis 6
  Groschen als Strafe zahlen; und wenn noch ferner Halsstarrigkeit
  verspürt würde, soll diese Strafe von jeder Stunde fortgesetzt
  werden. Das Geld soll von den Gerichtspersonen eingezogen, zum
  Ankauf von Büchern, Federn und Tinte für die armen Kinder sowie zur
  Belohnung der fleißigen Schüler verwendet werden.

  3. (+Einteilung in Klassen.+) Jede Schule muß in 3 +Klassen+
  eingeteilt werden. Der Lehrer soll wie auch jeder Schüler sein
  eigenes Buch haben, und zwar kein anderes als die vorgeschriebenen.
  Die Fibel und das Lesebüchlein werden einmal jedem Kinde von
  der fürstlichen Herrschaft umsonst gegeben. Der +Stundenplan+
  soll auf einem ganzen Bogen aufgeschrieben und sichtbar im
  Schulzimmer aufgehängt werden. In den einzelnen Stunden darf
  nichts anderes vorgenommen werden, als was vorgeschrieben ist.
  Der Vormittagsunterricht wird mit +Gebet+ (Morgengebet, Glauben,
  Vaterunser) angefangen und mit Gebet oder Gesang geschlossen.
  Desgleichen der Nachmittagsunterricht. Jeden Freitag nach der
  Wochenpredigt findet eine allgemeine +Repetition+ des Wochenpensums
  statt.

  4. (+Unterrichtsfächer.+) Außer Religion, Lesen, Schreiben und
  Rechnen soll auch der „+Unterricht in den natürlichen Dingen+“
  betrieben werden. Reyher schrieb hierfür ein eigenes Buch. Dasselbe
  hat 4 Teile. Der +erste+ handelt 1. von dem gestirnten Himmel nach
  dem Ptolemäischen System; 2. von den Erscheinungen zwischen Himmel
  und Erde (Kometen, Sternschnuppen, Irrlichtern); 3. vom Erdreich, von
  Mineralien und Bodenarten; 4. von Kräutern und Bäumen (Die Kräuter
  sollen in einem nahen Garten gezogen oder gedörrt auf Papier genäht
  werden); 5. von den Tieren; 6. vom Menschen; 7. von der Seele. Der
  +zweite+ Teil umfaßt die Geometrie und enthält eine treffliche
  Anleitung zum Zeichnen und Messen mit 35 geometrischen Figuren.
  Anschauung und praktischer Versuch ist in den Vordergrund gestellt.
  Der +dritte+ Teil gibt Belehrung über die Obrigkeit, Gesetze, Rechte,
  Steuern, Münzen usw. Alles, was man da zeigen kann, soll den Kindern
  gezeigt werden: Dorf, Stadt, Kreis, Grenzstein, Graben, Raine,
  Malbäume u. dgl. Der +vierte+ Teil „von etlichen Hausregeln“ gibt
  gute Lehren für Hausherren, Hausfrauen und Hausgenossen. Dieses Buch
  ist das +erste+ Realienbuch für deutsche Schulen und ist auf Anregung
  von Ratke und Comenius zurückzuführen, mit dessen ~orbis pictus~ es
  gleichzeitig erschien.

  5. (+Lehrer.+) Die Lehrer sollen ihre Talente bei allen Schülern
  treulich anwenden, sich nicht durch den Undank der Welt oder andere
  äußere Beschwerlichkeiten von ihrer +Treue+ abschrecken lassen,
  sondern nächst dem Schutze der Obrigkeit sich ihres guten Gewissens
  und des göttlichen Beistandes trösten. Wo mehrere Lehrer an einer
  Schule sind, sollen sie sich +friedlich+ miteinander vertragen,
  gegen die Vorgesetzten den gebührenden Respekt und Gehorsam
  erweisen. Die +Zucht+ soll so gehandhabt werden, daß die Kinder
  nicht durch allzu große Schärfe schüchtern, noch durch allzu große
  Lindigkeit ungehorsam gemacht werden. Der Schulkatalog, der den
  Namen, den Eintritt und die Fortschritte eines jeden Kindes enthält,
  soll allezeit richtig geführt werden. Auch sollen die Lehrer ein
  besonderes Register haben, in welchem sie täglich verzeichnen, wann
  ein Kind aus der Schule bleibt und aus welchem Grunde.

  6. (+Prüfung.+) Jedes Jahr soll 8 Tage vor der Ernte eine allgemeine
  Prüfung gehalten werden. Drei Tage vorher soll der Lehrer dem Pfarrer
  eine Tabelle einschicken, in welcher die Namen, Anlagen, Kenntnisse
  und Versäumnisse der Kinder anzuführen sind, auch angegeben werden
  muß, wie weit sie im Katechismus und in den einzelnen Fächern
  gekommen sind. Bei der Prüfung selbst soll der Pfarrer die Schreib-
  und Rechenhefte nachsehen, ob die Arbeiten gut geschrieben, ob
  und wie sie korrigiert sind. Hieran schließt sich eine mündliche
  Prüfung, die sich auf Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen
  erstreckt. Die zur Entlassung reif befundenen Kinder werden dann
  vom Pfarrer ermahnt, sich der Gottesfurcht und der guten Sitten zu
  befleißigen, und geloben dies mit ihren Eltern durch Handschlag.
  Fleißige Kinder sollen hierbei durch kleine Geschenke, auch
  Geldspenden, ausgezeichnet werden.

Der Methodus zeitigte in Gotha die besten Früchte, so daß es in
Deutschland allgemein hieß: „Des Herzogs Ernst Bauern sind gelehrter
als anderswo die Städter und Edelleute.“ Andere Länder (wie
Braunschweig, Lüneburg, Hessen) nahmen ihn für ihre Schulordnungen zum
Vorbilde.

Das Verhalten der Jugend +außerhalb+ der Schule regelte er durch die
Verordnung v. J. 1654 „Kurze Anleitung, wie die Schuljugend in und
außer den Schullektionen sich zu verhalten hat.“ Diese Anleitung
enthielt Vorschriften über das Benehmen beim Aufstehen, Gehen zur
Schule, Mittagessen, im Hause, in der Kirche, dann auch beim Spiele,
Beten, Abendessen und Schlafengehen; sie mußte an jedem Orte
angeschlagen und beim Schulexamen im Beisein der Ortsbehörde vorgelesen
werden. Die aus der Schule +entlassenen+ Kinder wurden gezwungen, an
einem regelmäßigen Fortbildungsunterricht „in der Religion und in den
natürlichen Dingen“ teilzunehmen; für die Fortbildung in der Religion
war die sonntägliche Kinderlehre bestimmt, für den Unterricht in den
Realien wurden wöchentlich 3 Stunden festgesetzt.

=3. Sorge für den Lehrerstand.= Hatte der „Schulmethodus“ und die
„Anleitung“ für den inneren Ausbau der Volksbildung gesorgt, so sorgte
der Herzog nicht minder auch äußerlich für die Volksschule.

~a.~ Ein +Kapital+ von 27000 Gulden stiftete er schon zu Anfang
seiner Regierung zur Verbesserung der Lehrerbesoldungen und zur
Anschaffung der nötigen Abc- und Lesebücher für die Schulkinder. Jeder
Volksschullehrer seines Landes erhielt außer freier Wohnung, freiem
Holz und Brotkorn wenigstens 600 Mark; eine Fibel und ein Lesebuch
erhält noch heute jedes schulpflichtige Kind unentgeltlich.

~b.~ Die jährliche Anmietung und Kündigung der Lehrer hob er auf, der
von der Gemeinde gewählte Lehrer wurde nunmehr vom Staate +ständig+
angestellt.

~c.~ Für die Witwen der Lehrer gründete er eine staatliche
+Witwenkasse+. Der Anlaß hierzu war ein Besuch des Herzogs in der
Schule zu Reinhardsbrunn; der Herzog fand den Lehrer arm und krank im
Bette, und doch unterrichtete der Kranke die um sein Bett stehende
Kinderschar so eifrig, daß der Herzog zu Tränen gerührt wurde.

~d.~ In seinem Testamente ermahnt er die Erben, die Schulen in gutem
Zustande zu erhalten, besonders dadurch daß man solche Personen, die
Lust zum Lehramte haben, unterstütze und zum Schulamte in einer
Anstalt +vorbereite+. Aber erst 1780 konnte das Lehrerseminar in Gotha
errichtet werden.


=2. Kurfürst Joachim II.= (1535–1571).

Joachim II. ist der +erste+ Fürst aus dem Hause Hohenzollern,
der in seinen Verordnungen auch der +Schulen+ gedenkt. In seiner
„Kirchenordnung“ v. J. 1540 sagt er: „Schulen sind zur Erhaltung der
christlichen Religion und guter Zucht notwendig. Weil aber dieselben
etliche Zeit in Verfall geraten sind, wollen wir, daß sie in allen
Städten und Märkten wieder eingerichtet und verbessert werden.“ Diese
Kirchenordnung setzt das Vorhandensein der Schulen voraus, versteht
aber unter Schulen solche, die in Städten sich befinden und in denen
neben den Elementarfächern Latein gelehrt wurde.

Auch ist von ihm die erste +Schulaufsichtsbehörde+ eingesetzt, das
„Konsistorium“ (1552), welches aus 5 geistlichen und weltlichen Räten
bestand, die zugleich dem Berliner Kammergericht angehörten. Dieselben
mußten die Provinzen bereisen, um Kirchen- und Schulvisitationen
vorzunehmen; innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren mußten sämtliche
Schulen des Landes besucht sein.


=3. Kurfürst Johann Georg= (1571–1598).

Johann Georg nahm ebenfalls auf das Schulwesen in den +Städten+
Bedacht. In seiner „Visitations- und Konsistorialordnung“ v. J. 1573
bestimmt er folgendes. „Die Obrigkeiten jeden Ortes sollen Schulen
ordentlich bauen. Die Pfarrer sollen öffentlich die Eltern ermahnen,
daß sie die Kinder, sobald sie nur altershalber tauglich dazu sind, in
die Schulen schicken, damit diese den gottlosen Müßiggang meiden und
in Gottesfurcht und guter Zucht wohl erzogen werden. Die Schulmeister
und ihre Gehilfen sollen nicht nach Gunst, sondern wegen ihrer
Geschicklichkeit und ihres christlichen Wandels mit Bewilligung der
Pfarrer und Räte in Städten angenommen werden. Dieselben sollen sich
der Kinder aufs trefflichste annehmen, sie im Katechismus und sonst in
guten Künsten mit Fleiß unterrichten, auch die Gesänge in der Kirche
mit denselben rechtzeitig einüben und in der Kirche singen.“ Um den
Fleiß anzuregen, sollen die Kinder in Klassen eingeteilt und die Schule
allmonatlich vom Pfarrer besucht werden. Die Zucht soll gelinde sein,
mit Vernunft und Maß geschehen. Kinder und Eltern sollen den Lehrer
werthalten und ehren, die Bürger sollen ihm seinen Lohn jedes Quartal
unverzüglich und treu entrichten.

Eine besondere Sorgfalt wandte er auch den +Mädchenschulen+ zu, deren
Errichtung er warm empfiehlt. „Die Jungfrauenschulen sind sehr nützlich
und wohl erdacht. Darum sollen die Bürger ihre Töchter in denselben
lesen, beten und geistliche Gesänge lernen lassen.“

Damit auch die Jugend in den +Dörfern+ nicht ohne allen Unterricht
bleibe, sollte der Küster alle Sonntage des Nachmittags den Kindern
den Katechismus vorlesen, durch Fragen erklären und sie beten lehren.
Desgleichen soll er ihnen gute deutsche Psalmen vorsingen und sie in
das Verständnis derselben einführen. Diese Bestimmung darf als der
Anfang der späteren Volksschule gelten.


=4. Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst= (1640–1688).

Der Große Kurfürst hat zur Förderung des Schulwesens beigetragen, 1.
durch +Verordnungen+ und 2. durch +Gründungen+ von Schulen.

1. Für die Mark Brandenburg erneuerte er i. J. 1641 die Verordnungen
seines Ahnherrn Johann Georg, die durch die Wirren des 30jährigen
Krieges in Vergessenheit geraten waren. Für das westliche Gebiet seines
Landes erließ er 1662 die „Klevisch-Märkische Kirchen- und Schulordnung
für die Reformierten“, nach welcher die Kirchen und Gemeinden in
Dörfern, Flecken und Städten wohlbestellte Schulen einrichten sollten.
Ein Jahr vor seinem Tode (1687) erließ er die „Lutherische Schulordnung
für Kleve und die Mark“. In dieser bestimmt er ausdrücklich: „Die
Schulen sollen mit frommen und fleißigen Schulmeistern bestellt, die
Neben- und Winkelschulen aber nicht gestattet werden. Die Lehrer
sollen die Kinder zur Gottesfurcht erziehen und ihnen selbst mit
gutem Beispiele vorgehen. Die Schularbeit soll durchgehends sowohl in
den lateinischen als in den deutschen Schulen mit dem ‚~Veni, sancte
spiritus~‘, ‚Komm, heiliger Geist‘ angefangen und mit einem Gebet
jederzeit geendigt werden.“

2. Er gründete trotz der herrschenden Geldnot viele neue Schulen und
stellte die verfallenen wieder her. Auf Anregung seiner Gemahlin
Luise Henriette baute er 1665 das große Waisenhaus in +Bützow+ a.
d. Havel, welcher Ort seitdem der Kurfürstin zu Ehren ‚Oranienburg‘
heißt; reichlich bedachte er das Haus mit Kapitalien, Ländereien und
Einkünften. In +Wesel+ wurde 1687 eine „Pflanzschule für (reformierte)
Schulmeister“ als Zweiganstalt des dortigen Gymnasiums eingerichtet.[4]

Große Sorge widmete er auch der Bibliothek in +Berlin+, zu der er
den Grund legte. Dieselbe besaß schon i. J. 1687, also ein Jahr vor
seinem Tode, gegen 2000 Handschriften und 20000 gedruckte Bücher.
Außerdem stiftete er das Friedrich-Werdersche Gymnasium in Berlin, die
Universität zu Duisburg (die 1802 wieder einging) und unterstützte
die Universität in Frankfurt a. d. O. (1506 von Joachim I. Nestor
errichtet, 1811 mit Breslau vereinigt).


=5. Friedrich III.= (=I.=) (1688–1713.)

Derselbe ging vor allem darauf aus, dem neuen Königreiche den Schmuck
der +Wissenschaften und Künste+ zu geben. Er gründete die Akademie der
Künste und unter Mitwirkung des Philosophen Leibniz die Akademie der
Wissenschaften. Im J. 1694 stiftete er die Universität zu Halle a.
d. S., an welche er den Pädagogen Francke als Professor berief, und
bedachte die zu Frankfurt a. d. O. mit namhaften Schenkungen. Doch
wandte er auch dem +Volksschulwesen+ seine Sorgfalt zu. Er unterstützte
die Bestrebungen Franckes in Halle, errichtete 1701 in Königsberg ein
Waisenhaus, nahm sich der Verpflegung der Witwen und Waisen der Lehrer
an und erließ 1710 das „Edikt, betreffend die Generalvisitation der
Kirchen und Schulen“.

Der +erste+ Teil dieses Edikts bezieht sich auf die Schulen in den
+Städten+. Die Visitatoren sollen folgende Fragen beantworten: 1.
Wieviel Schulen in jeder Stadt sind; 2. ob eine Schulordnung vorhanden;
3. wie die ~praeceptores~ und Schüler sich gegen die Mitbürger
verhalten; 4. ob die ~praeceptores~ ihr hinreichendes Auskommen
haben; 5. ob sie auch andere, ihrem Amte nicht anständige Nahrung
(Beschäftigung) treiben; 6. wie ihnen zu besserem Unterhalte am besten
verholfen werden könne; 7. ob auch Stipendien für die Schüler vorhanden
seien.

Der +zweite+ Teil bezieht sich auf die Schulen in +Dörfern+. Hier mußte
berichtet werden: 1. Ob ein Schulmeister vorhanden, der die Knaben im
Lesen, Schreiben und Katechismus unterweise; 2. ob derselbe die zu
seinem Amte nötige Fähigkeit und den erforderlichen Fleiß habe; 3. ob
er einen guten, christlichen Wandel führe.


=6. Friedrich Wilhelm I.= (1713–1740).

König Friedrich Wilhelm I. ist nicht nur der Schöpfer der straffen
Ordnung des Heeres und der Finanzen, sondern auch der Begründer der
allgemeinen Volksschule, des dritten Faktors der Größe Preußens.

1. Er führte die allgemeine +Schulpflicht+ ein.

  Nachdem der König 1713 eine allgemeine Schulordnung für die
  reformierten Schulen erlassen, gab er 1715 eine Instruktion für die
  Visitation der lutherischen Schulen. Auf Grund der eingegangenen
  Berichte setzte er in der Verordnung vom J. 1717 folgendes fest:
  „Künftighin sollen an den Orten, wo Schulen sind, die Eltern bei
  nachdrücklicher Strafe gehalten sein, ihre Kinder vom 5.–12. Jahre
  gegen zwey Dreyer wöchentliches Schulgeld von einem jeden Kind
  im Winter täglich und im Sommer wenigstens ein- oder zweimal die
  Woche in die Schule zu schicken, damit sie dasjenige, was im Winter
  erlernt worden, nicht gänzlich vergessen mögen. Falls aber die Eltern
  arm sind, so wollen wir, daß solche zwey Dreyer aus jedes Ortes
  Almosen bezahlt werden sollen.“ In dem Reglement v. J. 1738 wird der
  Unterricht in der Religion besonders betont; doch sollte die Übung
  der religiösen Pflichten mit dem Erlernen der Religionswahrheiten
  verbunden sein. Dazu kamen als weitere Fächer: Deutsch, Rechnen und
  Gesang. Die Unterrichtsbücher sollen einheitlich sein. Jährlich
  mußte eine öffentliche Prüfung stattfinden. Kinder, die nicht
  lesen konnten, durften zur +Konfirmation+ nicht zugelassen werden.
  Kinder, die in der Religion, im Deutschen, Rechnen und Singen
  nicht hinlänglich unterrichtet waren, durften nicht +entlassen+
  werden. Auf seinen Reisen besuchte er die Schulhäuser, wohnte dem
  Unterricht bei und hielt strenges Gericht über die unfleißigen
  Schüler, wie einst Kaiser Karl d. Gr. Als der König zum letztenmal
  in der Provinz Preußen war, sagte er dem Professor der Theologie
  Schulze in Königsberg, dem er die Einrichtung der Schulen in
  Klein-Litauen übertragen hatte, daß er es am jüngsten Tage zu
  verantworten haben werde, wenn er ihm nicht alles bekannt mache, was
  er zum Besten der Kirchen und Schulen tun könne. Mit der Methode des
  Elementarunterrichts war er so vertraut, daß er einst an der Hoftafel
  auseinandersetzen konnte, wie die Kinder nach neuer Erfindung das
  Lesen ohne Buchstabieren lernten.

2. Er sorgte für tüchtige +Lehrer+.

  Die Lehrer waren damals meist Handwerker, die nebenher Unterricht
  erteilten und noch andere Beschäftigungen trieben, welche das Ansehen
  des Lehrers nicht fördern konnten. So machten sie bei Hochzeiten und
  Kindtaufen die nötige Musik, hatten das Privilegium für Hökerei und
  durften allein den Ausschank von Branntwein betreiben. Um bessere
  Lehrer zu erhalten, unterstützte er das Waisenhaus in +Halle+, aus
  welchem tüchtige Lehrer hervorgingen, und gründete selbst 1722 das
  Waisenhaus in +Potsdam+, zu dessen Leitung er 1735 den Pädagogen
  Hecker berief. Ferner begünstigte er die Stiftung des Predigers
  Schienmeyer in +Stettin+[5] (in der Vorstadt Lastadie) zur Bildung
  von Lehrern und beauftragte 1735 den Abt Steinmetz, „jederzeit ein
  Seminarium von jungen Leuten bei seiner Lehranstalt zu Kloster Bergen
  bei +Magdeburg+ zu halten, aus welchen man geschickte Schulmeister
  nehmen könnte.“ Die Lehrer mußten sich vor ihrer Anstellung einer
  Prüfung bei dem Generalsuperintendenten unterziehen.

3. Er gründete viele neue +Schulen+.

  Namentlich hatte sich die Provinz Ostpreußen der Fürsorge des
  Königs in dieser Hinsicht zu erfreuen. Es tat hier auch besonders
  not. Der schwedisch-polnische Krieg (1655–1660) hatte tiefe Wunden
  geschlagen, die Pest (1709) eine Viertelmillion Menschen hingerafft.
  In den sehr weitläufigen Kirchspielen gab es nur je eine Schule,
  die bei der Kirche sich befand und zu der die Kinder oft meilenweit
  zu wandern hatten. Um nun das Schulwesen dieser Provinz zu heben
  und einheitlich zu regeln, ließ er zunächst durch eine Kommission
  von Sachverständigen dieselbe bereisen und auf Grund des Berichtes
  dieser Kommission einen Plan zur Verbesserung der Schulen ausarbeiten
  und der preußischen Landesregierung vorlegen. Letztere erhob
  Widerspruch und erklärte, durch diesen Plan werde dem Lande eine
  unerträgliche Last aufgebürdet. Der König schrieb (1722) an den
  Rand der Eingabe der Regierung: „Dieses ist nichts. Die Regierung
  sieht nur auf den Ackerbau. Aber, +wenn ich auch das Land baue und
  verbessere und mache keine Christen, so hilft mir alles nichts+.“
  Er sandte abermals einen Sachverständigen an Ort und Stelle,
  Staatsminister v. Grumbkow, um die Verhältnisse zu untersuchen, und
  scheute selbst nicht die Reise in die ferne Provinz, um aus eigener
  Anschauung die Not des Volkes kennen zu lernen. Nach seiner Rückkehr
  erklärte er sich ausdrücklich mit dem Gutachten der Kommission
  einverstanden und erließ 736 das +Schulgründungsgesetz+ (~principia
  regulativa~[6]). Die wichtigsten Bestimmungen desselben sind folgende.

  1. Das Schulgebäude errichten und unterhalten die assoziierten
  Gemeinden.

  2. Seine Majestät geben das freie Bauholz; Türen, Fenster und
  Kachelofen werden von den Kollektengeldern verfertigt.

  3. Seine Majestät geben auch das freie Brennholz, welches die
  Gemeinden anfahren.

  4. Jede Kirche zahlt zum Unterhalt der Schulmeister jährlich 4 Taler.
  Dagegen soll der ~pastor loci~ die Schulmeister anhalten, daß sie
  den Kirchendienst, als z. B. die Kirchen zu reinigen, mit verrichten
  helfen.

  6. Zur Subsistenz wird dem Schulmeister 1 Kuh und 1 Kalb, item ein
  paar Schweine und etwas Federvieh frei auf der Weide gehalten, und 2
  Fuder Heu und 2 Fuder Stroh gereichet.

  7. Hiernächst bekommt er von Sr. Maj. einen Morgen Land (welcher
  allemal hinter seinem Hause anzuweisen), solchen aufs beste zu
  nutzen. Die eingewidmeten (zu einer Schulgemeinde gehörigen)
  Dorfschaften bearbeiten solchen und halten ihn im Gehege.

  8. Der Schulmeister bekommt von den gesamten Bauern seines Distrikts
  per Hufe ¼ Scheffel Roggen, ⅛ Scheffel Gerste. Geht der Roggen
  über 12 Scheffel, werden die Beiträge der Bauern kleiner, geht er
  darunter, legen sie zu.

  9. Jedes Schulkind von 5 bis 12 Jahren gibt ihm jährlich, es gehe
  zur Schule oder nicht, 15 Groschen preußisch (1 Gr. pr. = 4 Pf.) oder
  4 Gute Groschen (1 Ggr. = 15 Pf.).

  10. Ist der Schulmeister ein Handwerker, kann er sich schon ernähren;
  ist er keiner, wird ihm erlaubt, in der Ernte 6 Wochen auf Tagelohn
  zu gehen.

  11. Der Schulmeister ist frei von Kopf- und Hornschoß (von Personen-
  und Viehsteuer), desgleichen von Schutzgeld (Abgabe für des Staates
  Schutz, Staatssteuer).

  12. Im Falle ein Bauer oder Instmann (Mieter) mehr als 2 Kinder
  hätte, die zur Schule gebracht werden könnten, wird der Überrest des
  Schulgeldes von den Interessen der 50000 Taler bezahlt.

  13. Der zweite Klingelbeutel ist für die Schulmeister.

  14. Wo Kölmer[7] wohnen, dieselben geben den Bauern gleich. Weil aber
  sonst ihre Lage besser als der Bauern, bezahlen sie noch für jedes
  Kind jährlich 6 Gute Groschen Schulgeld.

  16. Jedes Schulkind, wenn es konfirmiert wird, bezahlt dem
  Schulmeister 6 Gute Groschen.

  18. Jedem Schulmeister muß ein Platz zum Küchengarten gleich hinter
  seinem Hause angewiesen werden.

Diese ~principia regulativa~ blieben aber nicht nur Gesetz, sondern
der König sorgte auch für deren Ausführung. Er machte eine Stiftung
von 50000 Talern, genannt +~mons pietatis~+ (Kapital der Frömmigkeit),
deren Zinsen in armen Gemeinden zur Aushilfe für die Besoldung der
Lehrer und den Aufbau der Schulen verwendet werden sollten. In einem
Zeitraum von drei Jahren (1737–1740) entstanden in der Provinz
Ostpreußen nicht weniger als 1700 neue Landschulen mit 1900 Lehrern,
die von 95000 Schülern besucht wurden. Mit Recht haben die dankbaren
Nachkommen dem König vor dem Regierungsgebäude in Gumbinnen ein Denkmal
errichtet mit der Inschrift: „Dem +Vater Litauens+“.


  [4] Als Wesel 1806 von den Franzosen eingenommen wurde, siedelte
      der damalige Inspektor +Ehrlich+ nach Soest über. Hier wurde
      das Seminar am 4. Oktober 1806 wiederum als Zweiganstalt
      des Gymnasiums, und zwar als paritätische Anstalt eröffnet.
      Mit der Gründung des katholischen Lehrerseminars in Büren
      (1825) erhielt das Seminar in Soest den Charakter einer rein
      evangelischen Anstalt.

  [5] Die Schienmeyersche Stiftung wird wohl als die erste staatlich
      anerkannte Lehrerbildungsanstalt angesehen. Indessen
      bestand sie nur kurze Zeit, 1732–1737; zudem mußten die
      Schulamtsaspiranten nebenher auch das Schneiderhandwerk
      erlernen, eine Loslösung des Lehrerstandes vom Handwerke wurde
      also dort noch nicht versucht.

  [6] D. i. Grundsätze zur Regelung (des Schulwesens).

  [7] Kölmer sind Bauern, die ein Gut von mindestens 3 Kulmischen
      Hufen haben. (1 Hufe = 7½ Hektar.)




Vierter Abschnitt.

Von Rousseau bis Pestalozzi.




Vorbemerkung.


  1. Die bisher vorgeführten pädagogischen Bestrebungen aus der
  christlichen Zeit stehen auf positiv christlichem Boden. Dieser
  Boden wurde in der Folge vielfach verlassen und an die Stelle der
  übernatürlichen Offenbarung eine +natürliche+ Religion gesetzt.

  2. Die natürliche Religion stellt +Erbsünde und Erlösung+ in
  +Abrede+, verwirft die positiven Erziehungsmittel und verlangt eine
  rein naturentsprechende Bildung.

  3. Das +Ringen nach dem Natürlichen+ hatte +zwei gute+ Wirkungen.
  Es wurde gefördert ~a~) die +naturgemäße Methode+ des Unterrichts;
  ~b~) +die physische Erziehung+. Hierin liegt ein unverkennbares
  Doppelverdienst. Doch führte die Übertreibung zur Unnatur des
  Hofmeistertums.




=I. Locke= (1632–1704).


  Der Vorläufer Rousseaus war der Engländer John Locke. Derselbe war
  Mediziner, wandte sich aber seiner schwächlichen Gesundheit wegen der
  praktischen Pädagogik zu und wirkte als Erzieher in der Familie des
  Lords of Shaftesbury. Als pädagogischer Schriftsteller trat er auf in
  dem Werke: „Gedanken über Erziehung“.

In seinem Werke stellt er folgende +Hauptforderungen+ auf:

~a~) Die Erziehung soll nicht durch die Schule, sondern durch einen
+Hofmeister+ geschehen, da die Schule für den feinen Umgang ungeschickt
macht und vielfach die Kinder verdirbt.

~b~) Der Erzieher soll vor allem den Satz Juvenals beachten: „Ein
gesunder Geist sei in einem +gesunden Körper+.“

  Daher soll der Zögling „Tag und Nacht, bei Wind und Wetter +in bloßem
  Kopfe+ gehen“. „Die Kleider seien weit und lose“. „+Frühes Aufstehen+
  und +frühes Schlafengehen+ sei Regel; acht Stunden Schlaf reichen
  aus.“ „Das Lager sei hart; es bestehe aus Matratzen und wollenen
  Decken, nicht aus Federbetten.“

~c~) Die Erziehung soll +früh+ beginnen.

  „Das Gemüt muß der Zucht gehorsam und der Vernunft unterwürfig
  gemacht werden in der Zeit, da es noch zart und leicht zu biegen
  ist.“ „Die Spiele der Kinder sind so einzurichten, daß nützliche
  Gewohnheiten daraus entstehen.“

~d~) Das Kind soll besonders zur +Selbstbeherrschung+, +Wahrheits-+ und
+Ehrliebe+ erzogen werden.

  „Durch die Erziehung soll der Mensch fähig gemacht werden, sich
  selbst seine eigenen +Begierden zu versagen+, seinen eigenen
  Neigungen zu widerstreben und bloß demjenigen zu folgen, was die
  +Vernunft+ als das Beste erweist. Dann hat die Erziehung den Grund
  zu aller Tugend gelegt.“ „Die +Lüge+ muß man dem Kinde immer als die
  größte Abscheulichkeit von der Welt darstellen.“ „Das Streben nach
  dem +Beifall+ der Leute sei eines der wichtigsten Motive des Handelns
  für junge Menschen.[8] Die +Gründe+ für Gebote und Verbote sind dem
  Schüler anzugeben, weil dies die Selbstachtung fördert.“

~e~) Das Lernen muß möglichst +erleichtert+ und der Lehrstoff nach
Rücksichten der +Nützlichkeit+ ausgewählt werden.

  „+Man verschone das Kind mit vielen Regeln+; Beispiele sind besser
  als Regeln.“ „+Muttersprache+, +Rechnen+, +Realien+ sind wohl zu
  pflegen. Poesie und Musik sind vom Unterricht auszuschließen: man
  findet auf dem Parnaß selten Gold- und Silberminen; die Luft dieses
  Berges ist lieblich, aber der Boden unfruchtbar.“


  [8] Vgl. dagegen: „Gott wird die Gebeine derjenigen zerstreuen, die
      den Menschen zu gefallen suchen“ (Ps. 52) u. „Wenn ich den
      Menschen zu gefallen suchte, würde ich Christi Diener nicht
      sein.“ (Galater 1, 10.)




=II. Rousseau= (1712–1778).


  =1. Leben.= Johann Jakob +Rousseau+ wurde zu +Genf+ geboren. Sein
  Vater, ein verarmter Uhrmacher, las mit ihm Romane ohne Vernunft
  und Maß und weckte so in dem Knaben eine krankhafte Lesesucht und
  Sinnlichkeit. Mit dem Sohne eines Oheims kam Rousseau zu einem
  evangelischen Pfarrer auf dem Lande in Pension, dann als Lehrling
  zu einem Kupferstecher. Letzterem entlief er aus Furcht vor Strafe
  und kam nach Annecy zu einer Frau v. Warens, die ihn veranlaßte,
  nach Turin zu reisen, wo er ohne innere Überzeugung zur katholischen
  Kirche übertrat und sich mehrere Jahre umhertrieb. 20 Jahre alt,
  kehrte er nach Annecy zurück und blieb hier fast 10 Jahre. Nachdem
  er kurze Zeit in Lyon Hauslehrer gewesen, siedelte er, 30 Jahre alt,
  nach Paris über, wo er einen höchst unsittlichen Lebenswandel führte.
  In Genf zum reformierten Bekenntnis zurückgetreten, kam er abermals
  nach Paris und veröffentlichte dort u. a. den Erziehungsroman
  „+Emil+“. Wegen seiner Schriften aus Frankreich verbannt, wohnte er
  einige Zeit im Kanton Neuenburg und wurde von Friedrich II. nach
  Potsdam eingeladen. Seine Freunde erwirkten ihm aber die Erlaubnis,
  nach Paris zurückzukehren. Er starb auf dem Landgute Ermenonville bei
  Paris eines plötzlichen Todes. Seine Gebeine liegen im Panthéon zu
  Paris, wo auch Voltaire und der Dichter Viktor Hugo begraben wurden.

=2. Schriften.= Die bemerkenswertesten sind:

~a~) Eine Abhandlung über die Ersetzung der Musiknoten durch +Ziffern+.

  Die französische Akademie mußte ihm die Ehre der ersten Erfindung
  streitig machen, denn ein Mönch (Pater Suhaiti) hatte bereits diese
  Erfindung gemacht und veröffentlicht.

~b~) „Haben die +Fortschritte+ der Wissenschaften und Künste zur
Reinigung oder Verschlechterung der Sitten beigetragen?“

  Die Akademie in Dijon hatte diese Frage gestellt und der besten
  Beantwortung derselben einen Preis verheißen. Rousseau beantwortete
  die Frage dahin, daß er ausführte, die Fortschritte in Kunst und
  Wissenschaft hätten die +Verschlechterung+ der Sitten bewirkt. Er
  erhielt den Preis. (Doch nicht Kunst und Wissenschaft als solche,
  sondern nur deren Mißbrauch verdirbt die Sitten.)

~c~) „Über den Grund der +Ungleichheit+ unter den Menschen.“

  Rousseau ersinnt und schildert einen ursprünglichen Naturzustand
  der Menschen, ähnlich dem der Hottentotten und Karaiben, in welchem
  völlige Gleichheit und Glückseligkeit herrschten. Die fortschreitende
  +Bildung+ und das +Eigentumsrecht+ haben dieses Glück der Menschheit
  aufgehoben und sind darum zu +verwerfen+. +Voltaire+, dem er
  das Buch zuschickte, schrieb ihm: „Ihre neue Schrift gegen das
  Menschengeschlecht habe ich erhalten. Noch nie ist so viel Geist
  aufgewendet worden, um uns womöglich zu +Bestien+ zu machen. Liest
  man Ihr Buch, so bekommt man Lust, auf +allen vieren+ zu laufen.
  Da ich jedoch seit länger als 60 Jahren aus der Gewohnheit bin, so
  überlasse ich gern diesen Naturgang denen, welche dessen würdiger
  sind als ich.“

~d~) Der „+Gesellschaftsvertrag+“.

  Rousseau erklärt in diesem berüchtigten +Revolutionskatechismus+
  die Einsetzung von Obrigkeiten für einen an der Menschheit
  begangenen Frevel. Der Gesamtwille des Volkes, welcher durch
  Gesellschaftsverträge zum Ausdruck kommt, soll der eigentliche
  Oberherr sein. Die Erbmonarchie sei die mißlichste aller
  Staatsformen, die beste Staatsverfassung die Republik. Mit Recht wird
  diese Schrift „+die Vorschule der französischen Revolution+“ genannt.

~e~) „+Emil+ oder über die Erziehung.“ 1762.

  Diese eigentliche +pädagogische Schrift+ Rousseaus hat die Form eines
  Romans und enthält in fünf Büchern die Geschichte eines erdichteten
  Zöglings (Emil) von seiner Geburt an bis zu seiner Verheiratung.
  +Goethe+ nennt diese Schrift das „+Naturevangelium der Erziehung+“.
  Das Parlament in Paris und der Magistrat von Genf ließen das Buch
  durch Henkershand öffentlich verbrennen. Der Erzbischof von Paris
  erließ zur Warnung einen eigenen trefflichen Hirtenbrief.

=3. Erziehungssystem.= +Hauptgrundsatz+ der Rousseauschen Pädagogik
ist: „Alles ist gut, wie es aus der Hand des Schöpfers hervorgeht,
alles entartet unter den Händen der Menschen.“ Die Erziehung muß
demnach den Zögling, der von Natur aus gut ist und nichts von Sünde
und sündhafter Neigung in sich hat, sich +frei+ entwickeln lassen und
nur dafür sorgen, daß diese freie Entwicklung nicht von außen (durch
Belehrung, Gebot, Beispiel usw.) gestört wird.

+Anwendung+ dieses Grundsatzes auf die Erziehung.

~a~) Die +physische+ Erziehung. Alles, was der freien Entwicklung und
Kräftigung des Körpers hinderlich ist, muß vermieden, die +Abhärtung+
aber aufs äußerste getrieben werden.

  Rousseau eifert besonders gegen die engen Jacken und Hosen, die
  dicken Halstücher und seidenen Strümpfe, die frisierten, mit Puder
  und Pomade eingeschmierten Haare. Auch darf der Knabe +nicht zu früh
  lernen+; Emil darf vor dem 12. Jahre nicht wissen, was ein Buch ist.
  Dagegen soll er +immer mit bloßem Kopfe gehen+, bei jeder Witterung
  +ins Freie+ sich wagen, auch im Winter Sommerkleider tragen, selbst
  bei der Erhitzung kaltes Wasser trinken und auf feuchtem Boden liegen.

~b~) Die +Verstandesbildung+. Der gewöhnliche schulmäßige Unterricht
schädigt die freie Entwicklung des Zöglings in intellektueller
Hinsicht, weil er dem Verstande des Kindes etwas aufdrängt, was dieser
nicht selbst gefunden hat. Der Hofmeister darf daher den Knaben nicht
unterrichten; er gebe ihm nur Gelegenheit, +Erfahrungen+ zu machen und
Kenntnisse zu schöpfen; der Schüler muß +selbst beobachten, selbst
untersuchen, selbst nachdenken+.

  „Der Zögling wisse etwas nicht deswegen, weil man es ihm gesagt hat,
  sondern weil er es selbst begriffen hat. Er lerne die Wissenschaft
  nicht, sondern er +finde sie+. +Meßt, zählt, wägt, vergleicht!+“
  „Lesen ist die unseligste Beschäftigung der Kinder. Das Kind, welches
  liest, denkt nicht, es liest nur; es unterrichtet sich nicht, es
  lernt nur Wörter.“

~c~) Die +Willensbildung+. Der Zögling soll nichts auf das Wort des
Erziehers hin tun. Nur was er selbst als gut und notwendig erkennt, das
soll er tun und so durch freie Selbstbestimmung sich zur Sittlichkeit
heranbilden.

  Ein positives Gebot, Gutes zu tun, darf der Erzieher überhaupt nicht
  geben; er soll nur dafür sorgen, daß von +außen nichts Böses+ in
  den Zögling hineindringe, und daß er anderen nichts Böses zufüge.
  Auch darf der Erzieher nicht zu den positiven Strafmitteln (Tadel,
  Drohung, körperl. Züchtigung) greifen; eine Strafe soll nur als
  +natürliche Folge+ des Fehlers eintreten (z. B. für böswillige
  Zertrümmerung der Fensterscheiben -- Erkältung, für Unverträglichkeit
  -- Gemiedenwerden von andern, für Lügen -- Mißtrauen).

~d~) Auch für die +religiöse+ Erziehung gilt das Gesetz der freien
Entwicklung. Der Erzieher darf dem Kinde gar nicht davon reden, daß
Gott sich den Menschen geoffenbart habe; der Zögling soll auf eine rein
natürliche Religion von selbst kommen.

  Emil weiß bis zu seinem 15. Lebensjahre noch nichts von Gott, von
  einer Seele; erst in seinem 18. Jahre kommt er durch Betrachtung der
  Natur zu der Erkenntnis, daß ein +weiser, vernünftiger Wille+ die
  Welt regiert, und diesen Willen nennt er +Gott+.


4. Beurteilung.

~a~) Rousseaus Erziehungssystem widerspricht dem +Christentum+, da
+Erbsünde+ und +Erlösung+ mit klaren Worten +geleugnet+ werden. Die
einzige Erbsünde ist Sitte und Bildung, der einzige Erlöser Rousseau
selbst, der die Menschheit wieder auf die richtige Spur und Fährte
gebracht, auf die Spur und Fährte der -- Wilden.

~b~) Es widerspricht der +Geschichte+ von Jahrtausenden und der
täglichen Erfahrung, die eine ursprüngliche Verkehrtheit des
menschlichen Herzens unleugbar feststellen.

~c~) Auch entspricht es nicht der +Natur+ des Menschen; denn der
Geistesart des Menschen ist nichts so eigen als das Autoritätsprinzip.
Das Kind glaubt und gehorcht den Eltern, der Schüler glaubt und
gehorcht dem Lehrer -- auf dieser Basis fängt naturnotwendig der
Bildungsprozeß jedes Menschen an.

~d~) Wie könnte ferner die +menschliche Gesellschaft+ bestehen,
wenn jeder nur seinem eigenen Willen folgte? Ohne Nächstenliebe,
Selbstverleugnung, Aufopferung kann kein Verein, viel weniger die
gesamte Menschheit Bestand haben.

~e~) Wie könnte endlich ein Erziehungssystem das rechte sein, bei
welchem von 10000 Menschen nur +einer+ in der verlangten Weise (durch
einen Hofmeister) erzogen werden kann?




=III. Basedow= (1723–1790).


  =1. Leben.= Johann Bernhard Basedow war zu +Hamburg+ geboren,
  wurde nach einer unstet verlebten Jugend Hofmeister und darauf
  Lehrer der Moral an der dänischen Ritter-Akademie Soroe. Wegen
  seiner unchristlichen Grundsätze entlassen, warf er sich auf die
  Pädagogik. Er gründete 1774 in Dessau eine Musterschule unter dem
  Namen +Philanthropin+, um seine Grundsätze praktisch durchzuführen.
  In diesem Philanthropin sollten +Menschen+ gebildet werden. Aller
  positive +religiöse+ Unterricht war +ausgeschlossen+. Die Unnatur
  einer solchen Erziehungs- und Unterrichtsweise zeigte sich bald,
  und die Anstalt sank in der Gunst des Publikums. Basedow legte
  schon nach 2 Jahren die Direktion nieder. Nachdem er einige Zeit in
  Dessau privatisiert, begab er sich nach +Magdeburg+, wo ihn der Tod
  plötzlich ereilte. Seine letzten Worte waren: „Ich will seziert sein
  zum Besten meiner Mitmenschen.“ 3 Jahre später endete auch seine
  Stiftung, welche nicht ganz 20 Jahre bestanden hat.

=2. Schriften.= Die beiden wichtigsten sind:

~a~) Das „+Methodenbuch+ für Väter und Mütter der Familien und Völker“.
In dieser Schrift gibt er einen ausführlichen Plan zur Verbesserung des
Schulwesens.

~b~) Das +Elementarwerk+. 1774. Das Werk besteht aus vier Bänden mit
100 Kupfertafeln von Chodowiecki. Basedow nimmt darin die Idee des
+Comenius+ („~Orbis pictus~“) wieder auf, den Schülern die Natur und
die Verhältnisse des Lebens in Bildern zur Anschauung zu bringen. Nur
liegen den einzelnen Tafeln Gesamtbegriffe zugrunde, während der ~Orbis
pictus~ eine Darstellung von konkreten Gegenständen enthält.

  +Goethe+ fällt über das Werk folgendes harte Urteil: „Mir +mißfiel+,
  daß die Zeichnungen des Basedowschen Elementarwerkes noch mehr als
  die Gegenstände selbst +zerstreuten+, da in der +wirklichen Welt+
  nur das Mögliche beisammen steht und sie deshalb ungeachtet aller
  Mannigfaltigkeit und scheinbaren Verwirrung immer noch in allen ihren
  Teilen etwas Geregeltes hat. Jenes Elementarwerk +zersplittert+
  die wirkliche Welt ganz, indem das, was in der Weltanschauung
  keineswegs zusammentrifft, um der Verwandtschaft der Begriffe willen
  nebeneinandersteht, weswegen es auch jener sinnlich-methodischen
  +Vorzüge ermangelt+, die wir ähnlichen Arbeiten des Amos Comenius
  zuerkennen müssen.“

=3.= Seine =Verdienste= um Erziehung und Unterricht sind:

~a~) Er legte ein großes Gewicht auf die +körperliche+ Bildung.

  Wie Rousseau will er die +Abhärtung+ des Körpers gefördert wissen
  von den ersten Tagen des Lebens an: er verwirft Wiege und Windel,
  schreibt +hartes Lager+, +einfache Nahrung+, +weite Kleider+ und
  häufige Bewegung vor. +Gymnastik+, handwerkliche Arbeiten und
  andauernde +Wanderungen+ sollen den Körper +kräftigen+. Auch dringt
  er auf Aneignung feiner Manieren und eines gesellschaftlichen Tones.

~b~) Das zweite wirkliche Verdienst Basedows besteht darin, die starre
Schroffheit, herzlose Strenge und düstere Härte dem gesamten Schulwesen
abgestreift und ihm einen +freundlicheren Geist+ eingehaucht zu haben.

  Die Behandlung der Kinder soll eine milde und liebevolle sein. Strafe
  soll selten vorkommen, körperliche Züchtigung will Basedow ganz
  ausgeschlossen wissen. Zur Anspornung des Ehrgeizes diente eine weiße
  Meritentafel mit den Namen der Zöglinge und goldenen Punkten für
  Verdienste des Fleißes. Doch soll der Zögling von früh an im blinden
  Gehorsam geübt werden.

~c~) Das dritte Verdienst Basedows ist sein Streben, den Unterricht
+interessant+, das Lernen angenehm und leicht zu machen.

Bemerkenswert sind seine goldenen Regeln:

  „Der Unterricht sei so +angenehm+, als er seiner Natur nach sein
  kann! Erst die +Sache+, dann das Wort! Nicht viel, aber mit +Lust+!
  Nicht viel, aber in elementarer +Ordnung+! Nicht viel, aber lauter
  +nützliche+ Kenntnisse!“

=4.= Zu =tadeln= ist:

~a~) der +konfessionslose+ Religionsunterricht;

  Die Erbauungsstunden wurden zu Dessau unter abgeschmackten Gesängen
  und seichten Moralreden abgehalten und waren für Christen, Juden und
  Mohammedaner berechnet.

~b~) der Mangel an +nationaler+ Erziehung;

  Wie Basedow +keine Rücksicht+ nahm auf eine bestimmte Konfession,
  so auch nicht +auf das Vaterland+, dem der Zögling angehörte: von
  den +Pflichten gegen Fürst und Vaterland+ sollte +nie die Rede+
  sein. Nicht zu Christen und Staatsbürgern, sondern zu Menschen und
  Weltbürgern wollte er die Schüler herangebildet wissen.

~c~) die spielende, +oberflächliche Art+ des Lernens;

  Die Buchstaben wurden von einem +Zuckerbäcker+ hergestellt und zur
  Belohnung verzehrt. Keine Lektion dauerte länger als eine +halbe+
  Stunde. Zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden fanden Übungen
  im Fechten, +Tanzen+, in Papp- und Holzarbeit statt. Memoriert
  wurde +nichts+. So war das Lernen nicht ernste, charakterbildende
  Geistesarbeit, sondern führte zu Tändelei, Verzärtelung und
  Verweichlichung der geistigen Kräfte. Basedow vergaß, daß der
  Unterricht auch dadurch erziehlich wirken muß, daß er an ernste
  Beschäftigung, an angestrengtes Nachdenken, an Überwindung von
  Schwierigkeiten gewöhnt.

~d~) die große +Menge+ der Unterrichtsgegenstände;

  Während Rousseau die Unterrichtsstoffe möglichst beschränkt und
  Basedow selbst in seinen Schriften vor dem „zuviel“ warnt, sollten
  die Schüler in Dessau +alles+ lernen, was im praktischen Leben nur
  irgendwie +Nutzen+ bringen kann. Auf dem Lehrplan des Philanthropins
  standen außer den alten und neuen Sprachen und den Realien noch:
  Gesundheitslehre, Acker- und Wiesenbau, Wein- und Seidenbau,
  Bienenzucht und Waldkultur. Bei dieser Menge von Fächern konnten die
  Zöglinge keines gründlich lernen.

~e~) die vielfach +laxe+ Disziplin.

  Der +Mangel an ersten Zuchtmitteln+ mußte eine +lockere Disziplin+
  hervorrufen. Herder sagt: „Mir kommt alles erschrecklich vor, wie ein
  Treibhaus oder wie ein +Stall voll menschlicher Gänse+, und ihm, den
  ich persönlich kenne, möchte ich +keine Kälber+ zu erziehen geben,
  geschweige denn Menschen.“




IV. Anhänger Basedows.


~A.~ Nationalistische Richtung.


=1. Campe= (1746–1818).

  =1. Leben.= Joachim Heinrich Campe, geboren zu Deensen in
  Braunschweig, war Feldprediger zu Potsdam, darauf Erzieher
  Wilhelms und Alexanders v. Humboldt und 1777–78 Leiter des
  Dessauer Philanthropins. Er ist der eigentliche Schriftsteller des
  Philanthropinismus.

=2. Schriften.= Von diesen sind bemerkenswert:

~a~) Das sogenannte „+Revisionswerk+“, 16 Bände, ein Sammelwerk für
Erziehung und Unterricht.

~b~) Viele +Jugendschriften+ und Reisebeschreibungen, wodurch er den
Grund zu der Kinderliteratur und dem Jugendschriftenwesen gelegt hat.
Unter diesen ist besonders hervorzuheben:

~c~) „+Robinson der Jüngere+“, Übersetzung und Bearbeitung einer
Seemannsgeschichte des Engländers Defoe.

  Campe hat das englische Vorbild leider verschlechtert und namentlich
  die poetische Seite des Robinson ganz unbeachtet gelassen. Daniel
  +Defoe+ zeigt (ähnlich wie Chr. v. Schmid in seinem „Gottfried der
  junge Einsiedler“), in welcher Weise der Einsame Gott kennen und
  lieben, wie er beten und sich heiligen lernt. +Campe+ stellt dar,
  wie der Mensch sich +durch Nachdenken+ und +eigene Kraft+ hilft und
  sich allmählich allerlei Bequemlichkeiten verschafft. Daher war auch
  Campes „Robinson“ das +Lieblingsbuch Rousseaus+, es ist das erste
  Buch, welches Emil lesen soll.

=3. Beurteilung.=

~a~) Campe predigt in allen seinen Schriften den flachsten +Unglauben+.
Das große Werk der Erlösung ist ihm ein verschlossenes Buch. Jedes
positive Glaubensbekenntnis haßt er aus Grund der Seele.

~b~) Er betont beständig das +materiell Nützliche+. Was ihm materiell
nicht nützt, das soll der Mensch nicht treiben, der Schüler nicht
lernen. Seine niedere Auffassung des Lebens bekundet er in dem
Ausspruche: „Derjenige, der die Kartoffeln bei uns eingeführt, hat sich
ein größeres Verdienst erworben als der Dichter der Ilias und Odyssee.“


=2. Salzmann= (1744–1811).

  =1. Leben.= Christian Gotthilf Salzmann wurde zu Sömmerda bei
  Erfurt geboren. Nachdem er 3 Jahre Lehrer am Dessauer Philanthropin
  gewesen, errichtete er 1784 zu +Schnepfenthal+ bei Gotha eine eigene
  Erziehungsanstalt. Er erstrebte +Gesundheit+ des Körpers, +Klarheit+
  des Geistes und +Frieden+ des Herzens -- aber ohne positives
  Christentum. Da er die Abgeschmacktheiten Basedows vermied, auf eine
  vernünftige Körperpflege hielt und die Kräfte des Geistes am Realen
  zu entwickeln suchte, so erhielt sich seine Anstalt in der Gunst des
  Publikums. Sie besteht noch heute.

=2. Schriften.= Unter seinen Schriften sind zu nennen:

~a~) „+Konrad Kiefer+ oder Anweisung zu einer vernünftigen Erziehung
der Kinder.“ (Der deutsche Emil.)

~b~) Das ironische „+Krebsbüchlein+ oder Anweisung zu einer
unvernünftigen Erziehung der Kinder“.

  Dasselbe enthält 90 Geschichten, in denen gezeigt wird, wie man den
  Kindern allerlei Unarten angewöhnen könne. Auf dem Titel ist ein
  Teich abgebildet, in welchem ein alter und drei junge Krebse sich
  befinden; darunter stehen die Worte: „Ich werd’s tun, mein Väterchen,
  wenn ich zuvor sehen werde, daß du es tust.“

~c~) Das „+Ameisenbüchlein+ oder Anweisung zu einer vernünftigen
Erziehung der Erzieher“.

  Auf dem Titelblatt sind Ameisen abgebildet, welche sich um
  Ameisenlarven bemühen (Lehrer); darüber in der Luft unbesorgte
  Ameisen (Eltern). Stellen: „Was der Mensch will, das kann er;
  und wenn er sagt: ich kann nicht, so will er nicht.“ „+Von allen
  Fehlern und Untugenden seiner Zöglinge muß der Erzieher den Grund
  in sich selbst suchen.+“ Salzmann nennt diesen Satz sein +Symbolum+
  und erklärt ihn in folgender Weise: „Dieses Symbolum ist nicht so
  zu verstehen, als ob die Unarten der Schüler nicht auch andere
  Ursachen hätten. Die Erzieher aber machen sich oft der Fehler ihrer
  Zöglinge schuldig, 1. weil ihnen die +Geschicklichkeit abgeht+,
  ihren Zöglingen dieselben abzugewöhnen; 2. weil sie denselben
  wirklich Anleitung dazu geben durch ihr +Beispiel+; 3. dadurch, daß
  sie willkürliche, +unnatürliche Vorschriften+ und Regeln geben; 4.
  dadurch daß sie die +Eigenheiten+ der Zöglinge für Untugenden ansehen
  und zu den +Fehlern+ rechnen.“


=3. Guts-Muts= (1759–1839).

  =1. Leben.= Guts-Muts wurde in Quedlinburg geboren. Nachdem er seine
  Studien in Halle vollendet, erhielt er eine Stelle als Hauslehrer in
  einer angesehenen Familie seines Geburtsorts. Als das Institut zu
  +Schnepfenthal+ errichtet wurde, brachte er seinen Schüler (+Karl
  Ritter+, den späteren berühmten +Geographen+) dorthin, trat selbst
  als Lehrer in die Anstalt ein und wirkte an derselben bis zu seinem
  Ende.

2. Hauptverdienste.

~a~) Er war ein bedeutender Förderer des +geographischen+ Unterrichts.

  Für denselben schrieb er ein Lehrbuch und eine Methodik. +Karl
  Ritter+, der +Schöpfer der vergleichenden Erdkunde+, hat von ihm den
  ersten Anstoß zu seinen späteren hervorragenden Leistungen erhalten.

~b~) Er ist der Vater des +Schulturnens+.

  Das deutsche Turnwesen als allgemeine +Volkssache+ hat Friedr. Ludw.
  +Jahn+ begründet, der 1811 auf der Hasenheide zu Berlin den ersten
  Turnplatz errichtete. Guts-Muts führte das Turnen in die deutsche
  +Schule+ ein. Um die +methodische+ Ausbildung des Turnens hat sich
  Adolf Spieß († 1858) verdient gemacht.


=4. Rochow= (1734–1805).

  =1. Leben.= Der Freiherr Friedr. Eberhard von Rochow, geboren zu
  Berlin, widmete sich der militärischen Laufbahn und wurde +Offizier+.
  Bei Lowositz 1756 an der Hand verwundet, wurde er zur Heilung nach
  Leipzig gebracht, wo er zu dem Fabeldichter Gellert in innige
  Beziehungen trat. Auf dem Rückzuge aus Böhmen nach der verlorenen
  Schlacht bei Kolin 1757 abermals verwundet, mußte er seinen Abschied
  nehmen und widmete sich nun der Verwaltung seiner Güter +Reckan+,
  Gettin und Krane (bei Brandenburg). Betrübt über die Unwissenheit
  seiner Gutseingesessenen, die sich besonders in den Teuerungsjahren
  1771 und 1772 zeigte, faßte er, angeregt durch Gellert und Basedow,
  den Plan, dem Volke durch +gründlichen Schulunterricht+ zum Gebrauche
  seiner +Vernunft+ zu verhelfen, ähnlich wie die Maus in der Äsopschen
  Fabel durch Zernagen des Netzes dem Löwen die Freiheit gab. Zu dem
  Zwecke berief er den tüchtigen Lehrer +Bruns+ nach Reckan, der in
  dem herrschaftlichen Schlosse eine Musterschule errichtete und an 60
  Lehrer vorbildete. Sodann gründete er aus eigenen Mitteln viele neue
  Schulen und veröffentlichte mehrere pädagogische +Schriften+.

2. Schriften.

~a~) „+Unterricht+ für Lehrer in niederen Landschulen.“

  „Ich denke doch nicht, daß man die Seele eines +Bauernkindes+ für ein
  Ding anderer Gattung hält als die Seelen der Kinder höherer Stände.“

  „Es ist dem +Staate nicht nützlich+, wenn der +Bauer dumm bleibt+,
  nicht schädlich, wenn er klug und verständig wird.“

~b~) „+Instruktion+ für die Landschulmeister.“

  „+Der Schulmeister muß fortstudieren+; er darf nicht aufhören,
  +selbst zu lernen+. Er muß sich auf jede Katechisation ordentlich
  vorbereiten.“ Für diese Vorbereitung stellt Rochow folgende +Regeln+
  auf: „1. Man muß sich vor der Stunde genau fragen: Welches ist in
  diesem Stück die +Haupt+wahrheit? Denn über alle Wahrheiten kann man
  doch auf einmal nicht lehren. 2. Welchen Nutzen hat diese Wahrheit
  für +Kinder+? Wozu können +meine+ Kinder die Wahrheit gebrauchen? 3.
  +Wie frage ich am besten+, um durch Fragen auch die rechten Antworten
  zu bekommen? Welche +Neben+umstände, die mich von meinem Ziel
  abführen würden, lasse ich heute unerwähnt? Auf welche Hauptumstände,
  die zum Verständnisse der Wahrheit dienlich sind, gehe ich um so mehr
  ein? 4. Wie wende ich die Lehre auf das +sittliche Leben+ an?“

~c~) „+Der Kinderfreund+“, 1775; das erste gute Schullesebuch, welches
sehr beifällig aufgenommen wurde und auch in katholischen Schulen
Eingang fand.

=3. Verdienste.= Rochow sorgte

~a~) für gute +Schulhäuser+ und eine angemessene Ausstattung der
Schulzimmer;

~b~) für geschulte +Lehrer+ mit ausreichendem Einkommen;

  Mit Handwerkern und unwissenden Dienern („Bedienten“) sollte keine
  Schulstelle mehr besetzt werden.

~c~) für Einführung der +Naturwissenschaften+ als „gemeinnützige
Kenntnisse“ oder „+Realien+“ in die Volksschule;

  Doch gab er ihnen keine besondere Lehrstunden, sondern zog beim
  +Leseunterricht+ passende Lesestücke aus der Naturkunde heran.
  +Rochow benutzte+ überhaupt die +Leseübungen gern+ dazu, um die
  Kinder in mancherlei Sachen, selbst in der Religion, zu unterrichten
  oder zu befestigen.

~d~) für Verbesserung der +Unterrichtsmethode+.

  α) Der Unterricht der neu eintretenden Kinder sei so +sinnlich und
  angenehm+ wie möglich und nicht von vornherein Bücherunterricht.

  β) Der Unterricht muß überhaupt +anschaulich+-entwickelnd sein und
  sich der +katechetischen+ Lehrform bedienen, um das Verständnis zu
  fördern. Das Lernen ohne Verständnis nützt dem Menschen ebensowenig,
  als ihn das Essen ohne Verdauung körperlich stärkt.

  γ) Zur Bildung des Verstandes und der Sprache soll der Lehrer +Denk-+
  und +Sprechübungen+ an das Lesestück knüpfen.

  δ) In der Oberklasse ist tuliche +Konzentration+ der Lehrgegenstände
  anzustreben.

=4.= Zu =tadeln= ist:

~a~) die +einseitige+ Bildung des +Denkvermögens+.

  Rochow wollte +kluge und verständige Landleute+ heranbilden und
  deshalb die Jugend vornehmlich zum Denken anleiten. +Gemüt+ und
  +Wille+ wurden +wenig+ berücksichtigt.

~b~) der +verkümmerte Religionsunterricht+.

  Zwar soll der Glaube an Gott eine Grundlage des Unterrichts bilden,
  allein dieser Glaube soll aus der +Vernunft+ abgeleitet werden und
  die Sittenlehre sich nur auf den Verstand gründen. Die Bibel ist
  ihm nur ein Unterrichtsbuch wie andere und +Christus+ ein +weiser
  Lehrer+ wie andere; die Erlösung durch den Kreuzestod erkennt er
  nicht an. Rochow steht somit ganz +außerhalb des Christentums+, und
  die einseitige Bildung des Denkvermögens in seinen Schulen enthielt
  eine um so größere Gefahr, als das Gegengewicht positiv-christlicher
  Unterweisung und gemütbildender Religionsübung fehlte.


B. Die christlich-gläubige Richtung.


=1. Hecker= (1707–1768).

  Julius Hecker, Sohn des Rektors Hecker zu Werden a. d. Ruhr, war
  zuerst Lehrer am Franckeschen Pädagogium zu Halle, dann Inspektor
  des Waisenhauses in Potsdam, zuletzt 30 Jahre Prediger an der
  Dreifaltigkeitskirche in +Berlin+.

  Er gründete außer vielen Freischulen für die Armen 1739 in seiner
  Pfarrei eine +Volksschule+ mit 6 Lehrern, welche sich allmählich
  zu einer „ökonomisch-mathematischen Realschule“ (+ohne Latein+)
  erweiterte. So wurde Hecker der +Gründer+ der +Gewerbe-+ und
  +Realschulen+. Im Jahre 1748 eröffnete er an seiner Realschule einen
  Kursus für auszubildende Elementarlehrer. Dieses Heckersche Seminar
  wurde 1753 zum Königlichen kurmärkischen Landesseminar erhoben und
  war +die erste staatliche Lehrerbildungsanstalt Preußens+. 1825 wurde
  es nach Potsdam, 1851 nach Köpenik verlegt. So ist Hecker auch der
  Vater der preußischen +Lehrerseminarien+ geworden.

  In seinen Bestrebungen wurde er nicht wenig +unterstützt+ durch
  +Friedrich den Großen+. Die Mahnung Friedrich Wilhelms I.: „Er muß
  den Leuten auf der Friedrichsstadt +Jesum+ predigen und sich der
  +Jugend+ annehmen, denn daran ist das meiste gelegen“ -- hat Hecker
  treulich befolgt.


=2. Hähn= (1710–1789).

  Wie Rochow an Bruns, so hatte Hecker an Hähn einen tüchtigen Helfer.
  Hähn war Theologe und zuerst Lehrer am Halleschen Waisenhause, dann
  von 1753 an Inspektor der +Heckerschen+ Realschule und starb als
  Konsistorialrat in Aurich.

  Er wollte allen Unterricht in logisch geordneter Aufeinanderfolge
  behandelt wissen. Daher kam er auf den Gedanken, für die einzelnen
  Unterrichtsfächer tabellarische Übersichten zu entwerfen
  (+Tabellarmethode+). Diese Tabellen sollten während des Unterrichts
  mit den +Anfangsbuchstaben+ der Wörter (daher auch Literalmethode
  genannt) angeschrieben, dann von den Schülern abgeschrieben und
  auswendig gelernt werden.

  Mit dieser Methode konnten +nur Meister+ wie +Hähn+ selbst und später
  +Felbiger+ Erfolge gewinnen. Im allgemeinen verdient das Verfahren
  +mechanisch+, +unnatürlich+ und +geisttötend+ genannt zu werden.
  Trotzdem erlangte die Tabellarmethode, allerdings nur für kurze Zeit,
  zahlreiche Anhänger.


=3. Felbiger= (1724–1788).

=1. Leben.= Johann Ignaz von Felbiger, geboren zu Groß-Glogau als
Sohn des Kaiserlichen Postmeisters von Felbiger, studierte in Breslau
Theologie, trat in das Stift der Augustiner-Chorherren zu +Sagan+ und
ward 1758 +Abt+ desselben. In dieser Eigenschaft hatte er die Aufsicht
über das Schulwesen der Stadt und einer Anzahl dazu gehöriger Dörfer.
Die +Religiosität+, +Bildung+ und +Gewerbetätigkeit+ des +gemeinen
Volkes+ durch +Unterricht+ zu heben, war sein einziges Bemühen. Nachdem
er die unter Hecker aufblühende Realschule in Berlin besucht, wurde er
der erfolgreichste Vertreter der Tabellar- oder Literalmethode, die
deshalb auch +Sagansche Methode+ genannt wird.

Eine königliche Verordnung übertrug ihm 1763 die besondere
Aufsicht über die katholischen Schulen +Schlesiens+. Felbiger
verfaßte infolgedessen das „+Landschul-Reglement+ für die
+Römisch-Katholischen+ des souveränen Herzogtums +Schlesien+ und der
Grafschaft Glatz“, welches von Friedrich dem Großen am 3. November
1865 unterzeichnet wurde. Auf Felbigers Vorschlag wurden ferner die
+Lehrerbildungsanstalten+ zu Leubus, Grüssau, Rauden und Breslau (1765)
gegründet. Auch im Amte stehende Lehrer mußten diese Anstalten 6 Wochen
lang besuchen.

Im Jahre 1774 wurde Felbiger von der Kaiserin +Maria Theresia+
nach +Wien+ berufen zur Einrichtung des deutschen Schulwesens in
+Österreich+. Hier machte er sich verdient durch die Ausarbeitung der
„Allgemeinen +Schulordnung+“.

  In diesem Plane verlangt Felbiger:

  1. die allgemeine +Schulpflicht+;

  2. die Einrichtung von +Normal+-, +Haupt+- und +Trivial+schulen.
  Eine Normalschule (Musterschule) soll sein in jeder Provinz, eine
  Hauptschule (Mittelschule) in jedem größeren Distrikte, eine
  Trivialschule (einfache Volksschule) in jeder Gemeinde;

  3. die strenge +Verpflichtung der Geistlichen+ zum Katechisieren,
  d. h. zur Erteilung des +Religions+unterrichts;

  4. die Bildung des +Verstandes+ gegenüber der des Gedächtnisses. --
  Das waren kräftige Keime zu fernerer Entwicklung.

Nach dem Tode der edlen Kaiserin (1780) wurde Felbiger von Joseph II.
auf die Propstei Preßburg (Ungarn) verwiesen, woselbst er im Jahre 1788
starb.

=2. Schriften.= Felbiger verfaßte u. a.

~a~) „+Eigenschaften+, Wissenschaften und Bezeigen rechtschaffener
Schulleute.“

  (Die erste katholische Volksschulkunde.)

~b~) Den Saganer +Katechismus+ in 3 Ausgaben (für Unter-, Mittel- und
Oberstufe) und eine +Bibl. Geschichte+.

=3. Pädagogik.= In seinen Schriften betont Felbiger folgende fünf
Stücke:

~a~) den +Zusammenunterricht+ und das Zusammenlernen gegenüber dem
bisher üblichen Einzelunterricht;

  Die weiteren notwendigen Folgen dieser Forderung waren: gleiche
  Lesebücher und Einteilung in Klassen. Auf das Zusammenlesen oder
  +Chorlesen+ legte er +großes Gewicht+. Ganz wie Rochow liebte er
  +viele Leseübungen+. Er sagt: „Es werden den Schülern zu eben der
  Zeit, da sie der Lehrer +bloß im Lesen zu üben scheint, eine Menge
  nützlicher Kenntnisse+ auf die leichteste Art beigebracht.“

~b~) das +Katechisieren+, wobei der Katechet besonders die
Religionswahrheiten erklären, erläutern, zergliedern, erweisen und auf
den +Willen einwirken+ lassen soll;

~c~) die Anwendung der +Tabellarmethode+ zur Einprägung des Erklärten;

~d~) mit dem Buchstabier- und Leseunterricht soll zugleich das
+Schreiben+ verbunden und beim Erlernen der +Buch+staben die
+genetische+ Ordnung eingehalten werden;

~e~) für die +Schulordnung+ führte Felbiger besondere +Kommandowörter+
und +Zeichen+ (z. B. das Emporstrecken der Finger) ein. Rücksichtlich
der +Schulzucht+ empfiehlt er nachdrücklich +Humanität+.

  Er untersagte seinen Lehrern, die üblichen barbarischen und
  ehrverletzenden Strafen anzuwenden, z. B. +Knieen+ auf +dreieckigen
  Scheiten Holz+ oder auf +Erbsen+, Reiten auf einem Esel mit
  Wiegenläufen, Tragen von +Eselsohren+ und +Strohkränzen+. Nur für
  grobe Vergehen sollte die Züchtigung mit der Rute beibehalten
  werden. Er untersagte seinen Lehrern, die üblichen barbarischen und
  ehrverletzenden Strafen anzuwenden, z. B. +Knieen+ auf +dreieckigen
  Scheiten Holz+ oder auf +Erbsen+, Reiten auf einem Esel mit
  Wiegenläufen, Tragen von +Eselsohren+ und +Strohkränzen+. Nur für
  grobe Vergehen sollte die Züchtigung mit der Rute beibehalten werden.

=4. Verdienste.= Felbiger ist der Reformator des kath. Schulwesens im
Osten der preußischen Monarchie. Insbesondere ist ihm als Verdienst
anzurechnen:

~a~) daß er die Fahne der +christlichen+ Volksschule bei allen seinen
Verbesserungen fest und hoch hielt, obschon er in einer Zeit seichter
Aufklärung lebte;

~b~) daß er +besseren+ Lehrmethoden und einer +humanen+ Disziplin
Eingang in die Schulen verschaffte;

~c~) daß er die dauernde Aufmerksamkeit der +Staatsbehörden+ auf die
Wichtigkeit des Volksschulwesens und die Notwendigkeit der Einrichtung
von Seminarien lenkte.


=4. Kindermann= (1740–1801).

Wie Hecker an Hähn, so hatte Felbiger an Ferdinand Kindermann, Dechant
zu +Kaplitz+ in Böhmen, einen treuen Anhänger. Was dieser bei Felbiger
in Sagan gesehen, verstand er in seiner Pfarrschule alsbald in sehr
wirksamer Weise ins Werk zu setzen. Kindermann ging vor allem darauf
aus, das +Interesse der Eltern an der Schule+ zu gewinnen und zwar
durch eine +gefällige Handschrift+ und +schönen Gesang+ der Kinder.
Die Pfarrschule zu Kaplitz wurde bereits 1773 zu einer Normalschule
erhoben und zog durch ihren Ruhm die Aufmerksamkeit vieler auswärtigen
Schulbehörden auf sich. Von der Kaiserin Maria Theresia wurde er zum
+Landes-Oberschulinspektor+ in Böhmen ernannt und unter dem bedeutsamen
Namen „+Ritter von Schulstein+“ in den Adelstand erhoben. Er starb 1801
als +Bischof von Leitmeritz+.

Zu den eigentümlichen Verdiensten Kindermanns gehört insbesondere
der von ihm ausgeführte schöpferische Gedanke, mit den Volksschulen
den +Industrie-Unterricht+ planmäßig zu verbinden. Kindermann wollte
dadurch ~a.~ den Eltern die Zahlung des +Schulgeldes+ erleichtern; ~b.~
den Lehrern die Möglichkeit verschaffen, ihre +Einkünfte+ zu vermehren
und die freie Zeit nützlich auszufüllen; ~c.~ seinen Gegnern aber den
+Vorwurf+ abschneiden, er bilde gelehrte Bauern aus, welche später
für die Arbeit nichts mehr taugten. +Stricken+, +Nähen+ und +Spinnen+
waren die Beschäftigungen für die Mädchen; +Obstbaum-+, +Seiden-+,
+Bienenzucht+ und +Gemüsebau+ die Arbeiten für die Knaben.




V. Förderung des Schulwesens unter den Königen Friedrich II. und
Friedrich Wilhelm II.


=1. Friedrich II.= (1740–1786.)

1. Kaum hatte Friedrich den Thron seines Vaters bestiegen, so gaben
sich manche der Hoffnung hin, es werde nunmehr inbezug auf das
Schulwesen alles wieder auf den alten unordentlichen Fuß kommen. Da
erließ er die Edikte von 1740 und 1741, in welchen er erklärte, daß
„alle von seines Vaters Majestät in Schulsachen erlassenen Befehle
und Verordnungen in +Kraft+ sein und bleiben sollten“, daß „keine
Veränderung, unter welchem Vorwande es auch sein möchte, bei dem
Schulregiment vorgenommen werden sollte“. Im Jahre 1742 erschien ein
Edikt, in welchem der König die lässigen Lehrer zum +Fleiße+ ermahnt.

  In demselben heißt es: „Da die Schulmeister statt der Eltern sind,
  so sollen sie sich der Jugend aufs treulichste annehmen, sie im
  Katechismus und in anderen guten Künsten eifrig unterrichten, auch
  die Gesänge mit Fleiß einüben. Diejenigen handeln ganz verkehrt,
  welche meinen, die Jugend sei mit dem Auswendiglernen möglichst zu
  verschonen. Von demjenigen, was gelernt wird, muß der Sinn der Worte
  nach und nach erklärt werden.“

2. Im Jahre 1754 erließ der König eine wichtige Schulordnung für
+Minden+ und +Ravensberg+, aus welcher folgende Bestimmungen
hervorzuheben sind.

  1. Eltern und Vormünder +sollen+ ihre Kinder vom 5. oder 6. Jahre zur
  Schule halten.

  2. Wer sein Kind nicht zur Schule schickt, soll zuerst durch
  Ermahnungen, dann durch +Polizeistrafen+ dazu veranlaßt werden.

  3. Die Schulmeister sollen einen +Schulkatalog+ haben, enthaltend:
  Namen, Eltern, Wohnung, Alter, Schulbesuch.

  4. Nur +geschickte+ Personen sollen Schulmeister sein und ihr Amt
  ohne Ärgernis verwalten, in der Nachfolge Christi leben, keine
  Wirtschaft halten, mäßig sein, weder Bier noch Branntwein verkaufen,
  noch Musik machen.

  5. Auch die Lehrer der Winkelschulen sind zu +prüfen+.

  6. Beim Katechismus ist +Sicherheit+ des Textes und des
  Verständnisses unter Benutzung des Großen Katechismus und der
  Spenerschen Erklärung zu erstreben.

  7. Die Kinder sind zur wahren +Gottesfurcht+ anzuleiten und zum
  Gebete.

  8. Die +Strafe+ geschehe „ohne Eifer“ zum Zwecke der Besserung.

  9. Am Sonntag nachmittag findet eine +Katechisation+ über Predigt und
  Katechismus mit Erwachsenen und Kindern statt, unter Anwendung auf
  das Leben.

3. Als der König im Jahre 1759 nach der Niederlage bei Kunersdorf mit
seiner Armee in der Mittelmark stand und gewahr wurde, wie schlecht
die Jugend auf dem Lande unterrichtet werde, faßte er den Entschluß,
sobald der Krieg zu Ende sei, dem großen Verderbnis der Landschulen
abzuhelfen. Schon vor Abschluß des Friedens, am 8. Februar 1763, gab er
von Leipzig aus den Befehl, daß die so schlecht bestellten Schulen auf
dem Lande +verbessert+ und namentlich nicht mit so unerfahrenen Lehrern
besetzt werden sollten. Im März 1763 schrieb er vor, daß in jedem
Halbjahr eine +Revision+ der evangelischen und katholischen Schulen
Schlesiens stattfinden sollte. Die beiden wichtigsten gesetzgeberischen
Akte des Königs auf dem Gebiete des Volksschulwesens sind indes ~A.~
das General-Landschulreglement, ausgearbeitet vom Konsistorialrat
Hecker in Berlin, und ~B.~ das Schulreglement für Schlesien, verfaßt
von Felbiger, Abt in Sagan.


~A.~ Das General-Landschulreglement, 12. August 1763.

  1. (+Zweck.+) Nach wiederhergestellter Ruhe wollen wir auf das
  wahre Wohlsein unserer Länder in allen Ständen Bedacht nehmen. Der
  Grund dazu muß gelegt werden durch eine vernünftige und christliche
  Unterweisung in den Schulen. In diesen soll der höchst schädlichen
  und dem Christentum unanständigen Unwissenheit abgeholfen und die
  Kinder zu geschickteren und besseren Untertanen erzogen werden.

  2. (+Schulpflicht.+) Vom vollendeten 5. Jahre an sollen die Kinder
  in die Schule geschickt und so lange zur Schule gehalten werden, bis
  sie (etwa im 13. oder 14. Jahre) das Nötigste vom Christentum gefaßt
  haben, fertig lesen und schreiben und von demjenigen Rede und Antwort
  geben können, was ihnen in den Lehrbüchern beigebracht werden soll.

  3. (+Schulzeit.+) Im Winter soll vormittags 3 Stunden (8–11 Uhr)
  und nachmittags 3 Stunden (1–4 Uhr) mit Ausnahme von Mittwoch und
  Samstag nachmittag Schule gehalten werden. Im Sommer soll täglich
  nur 3 Stunden Unterricht erteilt werden, entweder vormittags oder
  nachmittags. +Ferien+ werden +nicht+ gestattet. Des Sonntags soll
  für die noch unverheirateten Personen eine Wiederholungsstunde
  vom Geistlichen in der Kirche und eine vom Lehrer in der Schule
  gehalten werden. Damit die Kinder nicht durch Viehhüten des Sommers
  von der Schule abgehalten werden, soll in den geschlossenen Orten
  möglichst ein eigener Viehhirte bestellt werden. Wo aber, wie in den
  Westfälischen Landen und in dem Wischer Lande in der Altmark, die
  Häuser zerstreut liegen, sollen die Kinder mit dem Viehhüten täglich
  wechseln oder es soll eine solche Veranstaltung getroffen werden, daß
  jedes Kind im Sommer dreimal wöchentlich zur Schule komme. Letzteres
  könne „füglich so geschehen, daß 2 Haufen der Kinder gemacht werden,
  davon der eine Haufe die drei ersten Tage in der Woche, der andere
  Haufe die drei letzten Tage in die Schule kommen müsse“.

  4. (+Schulgeld.+) Jedes Kind bezahlt, bis es zum Lesen gebracht wird,
  6 Pfennig, bis zum Schreiben 9 Pf. und, wenn es schreibt und rechnet,
  1 Groschen wöchentlich; im Sommer ⅔ davon. Für unbemittelte Kinder
  zahlen die Kirchen- und Armenkassen das Schulgeld. Alljährlich soll
  an dem Michaelissonntage eine Schulpredigt über christliche Erziehung
  gehalten werden; nach derselben sollen freiwillige Beiträge gesammelt
  werden zum Besten der Landschulen, insbesondere zur Beschaffung von
  Büchern für arme Kinder.

  5. (+Schulversäumnisse+ und +Schulkatalog+.) Bei der ersten Anzeige
  des Schulmeisters soll die Obrigkeit die säumigen Eltern durch
  Zwangsmittel anhalten, die Kinder zur Schule zu schicken. Sieht
  der Schulvisitator, daß die Eltern ihre Kinder in dem vergangenen
  Jahre nicht fleißig zur Schule gehalten, so soll er veranlassen,
  daß 16 Groschen Strafgelder zur Schulkasse gegeben werden. Um die
  Versäumnisse festzustellen, sollen in einer besonderen Liste, welche
  nur die Namen der Kinder enthält, diejenigen Kinder notiert werden,
  welche mit oder ohne Erlaubnis fehlen. Außer dieser Liste muß noch
  ein ordentlicher Schulkatalog geführt werden, welcher angibt: Vor-
  und Zunamen der Kinder, ihr Alter, ihre Eltern, ihre Wohnungen,
  Eintritt in die Schule, Fleiß, Fähigkeit, Führung und Abgang von der
  Schule.

  6. (+Lehrer.+) Der Schulmeister muß nicht nur hinlängliche
  Geschicklichkeit zum Unterrichten haben, sondern in seinem ganzen
  Verhalten ein Vorbild sein, damit er durch seinen Wandel nicht
  niederreiße, was er durch seine Lehre aufgebaut hat. Daher sollen
  sich die Schulmeister mehr als andere der wahren Gottseligkeit
  befleißigen, ihr Amt vor Gott und in der Nachfolge des Heilandes
  führen und die Kinder nicht nur für das gegenwärtige Leben tüchtig
  und glücklich machen, sondern auch zur ewigen Seligkeit vorbereiten.
  Kein Pfarrer darf jemand als Schulmeister zulassen, der nicht von den
  Inspektoren (Superintendenten, Erzpriestern) geprüft und mit einem
  Zeugnis der Tüchtigkeit versehen ist. Die Königlichen Schulstellen
  in der Kurmark sollen mit solchen Lehrern besetzt werden, die
  eine Zeitlang in dem +Kurmärkischen Seminar in Berlin+ gewesen
  und dort die Methode des Schulhaltens und den Seidenbau gründlich
  erlernt haben. Winkelschulen sind bei Strafe verboten. Während der
  Unterrichtsstunde darf der Lehrer nicht seine Handarbeit verrichten,
  auch nicht seinen Geschäften nachgehen und seine Frau unterdessen
  unterrichten lassen. Ebensowenig darf er während der Schulzeit die
  Schulkinder zu seiner Hausarbeit gebrauchen. Jedem Lehrer soll
  streng verboten sein, Wirtschaft zu halten, Bier und Branntwein zu
  verkaufen, Schenken und Krüge zu besuchen und bei Gastmählern und
  sonstigen Anlässen Musik zu machen, überhaupt mit Dingen sich zu
  beschäftigen, wodurch die Schularbeit gehindert oder der Jugend und
  Gemeinde Anlaß zur Ausschweifung gegeben wird.

  7. (+Schularbeit.+) Auf den Unterricht soll sich der Lehrer durch
  herzliches Gebet vorbereiten, von dem Geber alles Guten insbesondere
  sich Weisheit und Geduld erbitten. In Gebetsstimmung soll er dann
  die Schule halten, eingedenk, daß er ohne den göttlichen Beistand
  nichts auszurichten vermöge, auch der Kinder Herzen nicht gewinnen
  könne. Am Schluß der Woche soll er die Kinder herzlich ermahnen, den
  Sonntag wohl anzuwenden, in der Kirche sich still und andächtig zu
  erweisen. An den Sonn- und Festtagen sollen die Kinder vom Lehrer
  in geordnetem Zuge von der Schule zur Kirche geführt und dort unter
  Aufsicht gehalten werden; auf die Predigt sollen sie wohl merken,
  damit sie Montags etwas daraus wissen. Auch sollen die Lehrer bei den
  Leichenbegängnissen auf das Verhalten der Knaben, mit welchen sie die
  Leichen besingen, wohl achtgeben und verhüten, daß selbige sich nicht
  mutwillig betragen.

  8. (+Schulbücher.+) Die Schulbücher müssen von der Behörde genehmigt
  sein. Jedes Kind soll sein eigenes Buch haben. Ärmeren Kindern werden
  die Schulbücher aus der Kirchen- und Gemeindekasse angeschafft.

  9. (+Schulzucht.+) Die Disziplin muß mit Weisheit gehandhabt werden.
  Der Eigenwille als die Quelle aller Sünden muß mit Fleiß gebrochen
  werden. Die Strafe aber soll erst dann erfolgen, wenn das Kind von
  seinem Fehler überzeugt worden ist. Bei der Züchtigung soll sich der
  Lehrer aller ungeziemenden Heftigkeit, alles sündlichen Eiferns und
  Scheltens enthalten. Ist eine größere Bestrafung notwendig, so soll
  der Lehrer vorher dem Pfarrer Anzeige machen und dessen Rat einholen.

  10. (+Schulinspektion.+) Die Pfarrer sollen zweimal in der Woche
  die Schule ihres Ortes besuchen und nicht nur dem Unterricht des
  Lehrers anwohnen, sondern auch selbst Fragen stellen; einmal im
  Monat sollen sie in der Pfarrwohnung mit den Lehrern eine Konferenz
  halten. Die Superintendenten und Erzpriester sollen einmal im Jahre
  die gesamten Schulen ihrer Inspektion bereisen und die Berichte an
  das Oberkonsistorium in Berlin zur weiteren Hinsicht und Verfügung
  einsenden.

Das Reglement von 1763, welches 26 Paragraphen enthält, ist im
wesentlichen eine Zusammenfassung +älterer+ Verordnungen, die,
bisher nur für einzelne Provinzen erlassen, nun für alle Landesteile
rechtsgültig gemacht wurden. +Neu+ sind die Vorschriften über den
Stundenplan, den Lehrstoff, die Unterrichtsweise und die Lehrmittel.
Gegenüber dem Schulplan von 1736 bezeichnet dasselbe einen großen
Fortschritt, indem es nicht nur die äußeren Verhältnisse der Schule,
sondern den gesamten Schulbetrieb ins Auge faßte. Es ist die erste
Schulordnung für die Gesamtmonarchie und bildet noch heute die
Grundlage der preußischen Schulverfassung.

Um die Durchführung des Reglements hat sich besonders +Hähn+ verdient
gemacht, der als Abt des Klosters Bergen anordnete, daß an zwei Tagen
der Woche die Schulmeister darin unterwiesen würden, was sie nach
Vorschrift des Reglements von nun an in ihren Schulen zu treiben
hätten. Der +König+ selbst förderte die Durchführung dadurch, daß er
der Kurmark zur Befolgung der neuen Verordnungen ein Kapital von 100000
Taler, den neu erworbenen Provinzen Westpreußen und Posen 200000 Taler
überwies, aus deren Zinsen man unter anderem 20 neue Schulen erbaute.


~B.~ Das katholische Schulreglement für Schlesien, 3. November 1765.

Die Einführung des Reglements von 1763 in den katholischen Schulen
Schlesiens stieß auf Schwierigkeiten, da eine Reihe von Bestimmungen
nur für evangelische Schulen berechnet war. Daher wurde der Abt
Felbiger vom König veranlaßt, für die katholischen Schulen ein
besonderes Reglement auszuarbeiten. Dasselbe erhielt am 3. November
1765 die Unterschrift des Königs. Es enthält 73 Paragraphen und
behandelt dieselben Materien wie das Reglement von 1763. Ausführlicher
nur beschäftigt es sich mit der Bildung der Lehrer in den zu gründenden
Seminarien (Breslau, Grüssau, Habelschwerdt, Leubus, Ratibor, Raude
und Sagan), mit der Visitation der Schulen durch die Pfarrer und
Erzpriester, sowie mit der Hähnschen Literalmethode. Dem Lehrer
wird gestattet, das Handwerk des Schneiders und Leinewebers zu
betreiben; das Ausschenken von Bier und Branntwein, das Handeln und
das Musikmachen in den Dorfschenken („Kretschamen“) wird ihm dagegen
ausdrücklich untersagt. Die Schulpflicht dauert vom vollendeten 6. bis
zum vollendeten 13. Jahre.


=2. Friedrich Wilhelm II.= (1786–1797).

1. Im Jahre 1787 schuf der König eine Oberschulbehörde, das
+Oberschulkollegium+ in Berlin, welches das gesamte Schul- und
Bildungswesen des Staates einheitlich leiten sollte. An die Spitze
desselben berief er den Minister v. +Zedlitz+. Dieser hatte sich
bereits unter Friedrich dem Großen reiche Erfahrung auf dem Gebiete
der Schulverwaltung gesammelt und nach dem Vorbilde Rochows auf seinen
Gütern Musterschulen errichtet. Aber schon 1788 mußte v. Zedlitz dem
Minister v. +Wöllner+ das Feld räumen, der eine streng kirchliche
Richtung einschlug und durch scharfe Edikte dem von seiten der
Aufklärung drohenden Verderben entgegenarbeitete.

2. Eine festere Grundlage erhielt das Schulwesen sodann durch das
+preußische Allgemeine Landrecht+ vom 5. Februar 1794. Dasselbe stellt
auf dem Schulgebiete vier Grundprinzipien auf.

~a~) Die Schule ist eine +Veranstaltung+ des Staates.

  Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates,
  welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und
  Wissenschaften zur Absicht haben. (§ 1.) Dergleichen Anstalten sollen
  nur mit Vorwissen und Genehmigung des Staates errichtet werden. (§
  2.) Alle öffentlichen Schul- und Erziehungsanstalten stehen unter der
  +Aufsicht+ des Staates und müssen sich den Prüfungen und Visitationen
  desselben zu allen Zeiten unterwerfen. (§ 9.)

~b~) Die +Unterhaltung+ der Schule ist eine gemeine Last.

  Wo keine Stiftungen für die gemeinen Schulen vorhanden sind,
  liegt die Unterhaltung der Lehrer den sämtlichen Hausvätern jedes
  Ortes, ohne Unterschied, ob sie Kinder haben oder nicht, und
  ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses ob. (§ 29.) Auch die
  Unterhaltung der Schulgebäude und Schulmeisterwohnungen muß als
  gemeine Last von allen einer solchen Schule zugewiesenen Einwohnern
  ohne Unterschied getragen werden. (§ 34.)

~c~) Jedes Kind des Volkes muß die Schule +besuchen+.

  Jeder Einwohner, welcher den nötigen Unterricht für seine Kinder in
  seinem Hause nicht besorgen kann oder will, ist schuldig, dieselben
  nach zurückgelegtem 5. Jahre zur Schule zu schicken. (§ 43.) Der
  Schulunterricht muß so lange fortgesetzt werden, bis ein Kind, nach
  dem Befunde seines +Seelsorgers+, die einem jeden vernünftigen
  Menschen seines Standes notwendigen Kenntnisse gefaßt hat. (§ 46.)

~d~) Die +Schulzucht+ muß weise gehandhabt werden.

  Die Schulzucht darf niemals bis zu Mißhandlungen, welche der
  Gesundheit der Kinder auch nur auf entfernte Art schädlich werden
  können, ausgedehnt werden. (§ 50.) Glaubt der Schullehrer, daß durch
  geringere Züchtigungen der eingewurzelten Unart eines Kindes oder dem
  überwiegenden Hange desselben zu Lastern und Ausschweifungen nicht
  hinlänglich gesteuert werden könne: so muß er der Obrigkeit und dem
  geistlichen Schulvorsteher davon Anzeige machen. (§ 51.) Diese müssen
  alsdann mit Zuziehung der Eltern oder Vormünder die Sache näher
  prüfen und zweckmäßige Besserungsmittel verfügen. (§ 52.) Aber auch
  dabei dürfen die der elterlichen Zucht vorgeschriebenen Grenzen nicht
  überschritten werden. (§ 53.)

3. Im Jahre 1794 erließ der König eine allgemeine +Schulordnung+, in
welcher das General-Landschulreglement vom Jahre 1763 zu strenger
Befolgung in Erinnerung gebracht und weiter ausgelegt wurde.
Insbesondere betonte der König angesichts der immer mehr um sich
greifenden Aufklärung die streng +religiöse Erziehung+. Er sagt: „Ich
hasse zwar allen Gewissenszwang und lasse einen jeden bei seiner
Überzeugung; das aber werde ich nie leiden, daß man in meinen Landen
die Religion Jesu untergrabe, dem Volke die hl. Schrift verächtlich
mache und das Panier des Unglaubens, des Deismus und Naturalismus
öffentlich aufpflanze.“ Der Minister v. Wöllner erklärte den Lehrern
ausdrücklich, daß sie das Amt hätten, die Kinder zu Christen zu bilden.

4. Besondere Aufmerksamkeit schenkte der König dem
+Handfertigkeitsunterrichte+. An mehreren Orten der Kurmark ließ er den
Knaben Unterricht in der Bienen- und Baumzucht sowie im Korbflechten,
den Mädchen Unterricht im Spinnen, Stricken und in anderen
weiblichen Handarbeiten erteilen. 1793 entstand in Breslau die erste
Industrieschule, in anderen Städten wurden alsbald ähnliche Schulen
errichtet.




Fünfter Abschnitt.

Von Pestalozzi bis auf unsere Zeit.




Vorbemerkung.


  Die +charakteristischen Unterschiede+ zwischen den pädagogischen
  Anschauungen des 18. und denen des 19. Jahrhunderts sind im
  allgemeinen folgende:

  1. Die Pädagogik des 18. Jahrhunderts trat vielfach in feindlichen
  +Gegensatz zum Christentum+; das 19. Jahrhundert sucht der
  Volksschule den +christlichen Boden+ mehr und mehr wiederzugewinnen.

  2. Das 18. Jahrhundert pflegte in der Erziehung das +Weltbürgertum+;
  das 19. betont neben dem christlichen auch das +nationale Prinzip+.

  3. Die +einseitige Aufklärung des Verstandes+ war zumeist das Ziel
  der Pädagogik im 18. Jahrhundert; das 19. Jahrhundert dringt auch auf
  +Gemüts-+ und +Willensbildung+.

  4. Die Pädagogik des 18. Jahrhunderts löste sich von aller
  +historischen Tradition los+; die Erziehung des 19. Jahrhunderts
  sucht durch +Erforschung der historischen Entwicklung+ die
  Erziehungsarbeit +geschichtlich+ zu begründen.




I. Pestalozzi.


  =1. Leben.= ~a~) +Jugend.+ Johann Heinrich Pestalozzi, geb. am 12.
  Januar 1746 als jüngstes Kind eines Augenarztes in Zürich, verlor
  seinen Vater schon im 6. Jahre und wurde von seiner +Mutter+ und der
  treuen Magd Babeli erzogen. Infolge dieser +weiblichen Erziehung+
  und seiner körperlichen Schwäche wuchs der kleine Heinrich als
  sog. Mutterkind auf. Männliche Kraft und Denkart blieben ihm fern.
  Die Familienstube beeinflußte ganz seinen Charakter und seine
  Anschauungen. Vom 9. Jahre an verlebte Pestalozzi die Sommerferien
  bei seinem Großvater, einem würdigen Landpfarrer in der Nähe von
  Zürich. Da er mit diesem täglich die +Dorfschule+ und öfters die
  +Hütten der Armen+ besuchte, so lernte er früh die Eigenart und
  das +Elend des Volkes+ kennen. Mit 17 Jahren hatte Pestalozzi
  das Gymnasium seiner Vaterstadt absolviert. Er entschloß sich,
  +Geistlicher+ zu werden. Doch das Erscheinen von Rousseaus „Emil“
  veranlaßte ihn, die Theologie aufzugeben und das +Studium der
  Rechte+ zu ergreifen. Auf den Rat eines sterbenden Freundes entsagte
  er auch diesem Studium und entschied sich schließlich für die
  +Landwirtschaft+.

~b~) +Neuhof+, 1768–1798. Im Kanton Aargau (unfern der alten Habsburg)
erwarb er 1768 100 Morgen dürres Heideland zum Betriebe des Krappbaues
und nannte sein Gut „Neuhof“. Durch äußeres Mißgeschick und eigenes
Ungeschick verunglückte sein Krappbau. Er verwandelte nunmehr (1775)
den Neuhof in eine +Erziehungsanstalt+ für +verwaiste+ und +hilflose
Kinder+. Er wollte dieselben der Bettelei entziehen, in ihnen die
Arbeitslust wecken und sie fähig machen zu verschiedenartiger,
lohnender Tätigkeit. Im Sommer wurden sie mit Feldarbeit, im Winter
mit Spinnen und Handarbeiten beschäftigt und sollten so die Kosten
ihrer einfachen Erziehung selbst bestreiten. Dabei unterrichtete er
sie zugleich, indem er die im Verkehr mit seinem Söhnchen gewonnenen
Erfahrungen zu verwerten suchte. Er selbst sagt über diese Zeit:

  „Es war unbeschreibliche Wonne, Jünglinge und Mädchen, die elend
  waren, wachsen und blühen zu sehen, ihre +Hände zum Fleiß+ zu
  bilden und ihr +Herz zu ihrem Schöpfer+ zu erheben, +Tränen der
  betenden Unschuld+ im Angesicht geliebter Kinder zu sehen und ferne
  Hoffnung von Tugendempfindung und Sitten im verworfenen, verlorenen
  Geschlechte.“

Nach fünfjährigem Bestehen (1780) mußte die Anstalt indes aufgelöst
werden: Pestalozzi entbehrte des notwendigen technischen Geschicks.
Dazu waren viele Kinder faul und verwöhnt und entliefen, sobald sie
neue Kleider erhalten hatten. Die Freunde hielten Pestalozzi für einen
+verlorenen Mann+. In der Tat folgten +18 Jahre bitterer Not+ für ihn.

~c~) +Stanz+, 1798–1799. Die französische Revolution, welche der
Schweiz eine republikanische Verfassung brachte, riß Pestalozzi
wieder in die öffentliche Tätigkeit. Es wurden ihm einflußreiche
Stellen im Staatsdienste angeboten. Er aber erklärte: „+Ich will
Schulmeister werden!+“ Im Herbste 1798, wo der Kanton Unterwalden von
den Franzosen verwüstet wurde und eine Menge +vater-+ und +mutterloser
Waisen+ umherirrte, erhielt er den Auftrag, die +verlassenen Kinder
zu sammeln+. An 80 entsetzlich verkommene Kinder brachte Pestalozzi
zusammen und begann in dem verödeten Kloster der Ursulinerinnen zu
Stanz die Riesenarbeit ihrer Erziehung.

Seine Erlebnisse in Stanz schildert Pestalozzi selbst in einem +Briefe+
an einen +Freund+:

  „Ich hatte nichts, ich hatte keine Haushaltung, +keine Freunde+,
  keine Dienste um mich, ich hatte +nur meine Kinder+. Waren sie
  gesund, ich stand in ihrer Mitte, waren sie krank, ich war an ihrer
  Seite. Ich schlief in ihrer Mitte. Ich war am Abend der letzte, der
  ins Bett ging, und am Morgen der erste, der aufstand. +Ich betete und
  lehrte+ noch im Bett mit ihnen, bis sie einschliefen, sie wollten
  es so.“ „Ich ging darauf aus, das +Lernen+ mit dem +Arbeiten zu
  verbinden+.“ „Meine Kinder freuten sich, das, was sie konnten, die
  anderen zu lehren; so hatte ich schnell unter meinen +Kindern+ selbst
  +Gehilfen und Mitarbeiter+.“ „Ehe die Frühlingssonne den Schnee
  unserer Berge schmelzte, kannte man meine Kinder nicht mehr.“

Im Sommer 1799 kamen indes die Franzosen und verwandelten das
Klostergebäude in ein Lazarett. Die armen Kinder mußten entlassen
werden.

~d~) +Burgdorf+, 1800–1804. Hier wirkte Pestalozzi zunächst als
+Hilfslehrer+ in einer Kinderschule; sein Hauptlehrer war ein
ungebildeter Schuhmacher. Im Jahre 1800 gründete er im Verein mit dem
Lehrer +Krüsi+ auf dem Schlosse in Burgdorf ein +Knabeninstitut+,
welches bald Aufsehen erregte. In Krüsi, Tobler, Buß, sodann in
Ramsauer, Niederer und Schmidt fand er tüchtige Gehilfen.

~e~) +München-Buchsee+, 1804–1805. Im Jahre 1804 räumten die Behörden
für die Erziehungsanstalt Pestalozzis das +Kloster München-Buchsee+
ein. Die äußere Direktion der Anstalt wurde indes dem Herrn von
+Fellenberg+ in dem benachbarten Hofwyl übertragen.

~f~) +Iferten+, 1805–1825. Im Jahre 1805 verlegte Pestalozzi seine
Anstalt nach +Iferten+ am Neuenburger See, wo das alte, prachtvoll
gelegene +Schloß+ bezogen wurde. Hier erstieg +Pestalozzis Ruhm
den höchsten Gipfel+. Selbst aus England, Rußland und Amerika
wurden ihm Zöglinge zugeschickt. Erwachsene gingen dorthin, um des
Meisters „Methode“ zu studieren. In Neapel, Madrid, Petersburg wurden
Pestalozzische Lehrer angestellt. Kaiser Alexander von Rußland und
König +Friedrich Wilhelm III. von Preußen+ bezeugten Pestalozzi
+persönlich ihr Wohlwollen+. Auf Veranlassung des +Franziskanerpaters
Girard+ wurde Pestalozzi der Dank des Vaterlandes ausgesprochen (1811).
Bald aber brachen +Zwistigkeiten unter den Lehrern+ aus, die sich zu
den heftigsten Zänkereien zuspitzten. Pestalozzi verstand es nicht,
sich über den Parteien zu halten und die Gegensätze auszugleichen.
Die Anstalt ging daher mehr und mehr zurück, und als mit dem Tode der
vortrefflichen Frau Pestalozzi (1815) das letzte vermittelnde Element
geschwunden war, wurde dieselbe 1825 von ihrem Stifter aufgelöst.

~g~) +Lebensende.+ Von Iferten zog Pestalozzi zu seinem Enkel
auf +Neuhof+. Hier lebte er noch 2 Jahre, in welchen er seine
„Lebensschicksale“ und den „Schwanengesang“ schrieb. Er starb am 17.
Februar 1827 in +Brugg+ (Aargau). „+Suchet euer Glück im stillen,
häuslichen Kreise+“, war die letzte Mahnung an die Seinigen. Sein Grab
befindet sich in +Birr+ bei +Brugg+ neben dem Schulhause.

  Am 12. Januar 1846 setzte ihm der Kanton Aargau ein einfaches Denkmal
  mit der Inschrift: „Hier ruhet Heinrich Pestalozzi, +Retter der
  Armen+ auf Neuhof, +Prediger des Volkes+ in ‚Lienhard und Gertrud‘,
  +zu+ Stanz +Vater der Waisen+, in Burgdorf und München-Buchsee
  +Gründer der neuen Volksschule+, in Iferten +Erzieher+ der
  +Menschheit+, Mensch, Christi Bürger: alles für andere, für sich
  nichts. Segen seinem Namen!“

=2. Schriften.= Die wichtigsten sind:

~a~) „Die Abendstunde eines Einsiedlers“ (1780).

  Diese Schrift ist eine Reihe abgerissener Sätze, Aphorismen, über das
  +Elend des Volkes+ und dessen +Ursachen+, sowie über die Mittel zur
  wahren Volksbeglückung.

~b~) „Lienhard und Gertrud“ (1781).

  Dies ist das +Meisterwerk Pestalozzis+, welches seine Lieblingsideen:
  die +Wiedergeburt+ erst eines +Hauses+, dann einer +Gemeinde+,
  zuletzt eines ganzen +Staates+ durch kräftige Erhebung einer
  +Mutter+ an dem Faden einer Erzählung ausführt. +Inhalt+: Der Maurer
  +Lienhard+ in dem Schweizerdorfe Bonnal ist zwar ein herzlich guter
  Mann, macht aber doch Weib und Kind unglücklich, weil er sich in den
  Händen des gewissenlosen Vogtes +Hummel+ befindet, der in seinem
  Gasthause die Leute verführt und durch Borg in Not und Elend bringt.
  +Gertrud+, die +fromme und entschlossene+ Frau des Maurers, klagt
  dem wohlwollenden Gutsherrn +Arner+ ihre Sorge. Dieser verheißt,
  um zu helfen, dem Lienhard den Bau einer Kirchhofsmauer und stellt
  weitere wohltätige Änderungen in Aussicht. Der Vogt verschwört sich
  mit seinen Anhängern gegen die Pläne Arners, die einen neuen Geist
  in das verwahrloste Dorf einzuführen bezweckten, wird aber, als er
  dem Gutsherrn einen +Grenzstein versetzen will+, ertappt. Nunmehr
  kommt es auch an den Tag, daß er einer inzwischen verstorbenen
  Frau und ihrem Sohne Rudi eine grasreiche Bergwiese durch Meineid
  entrissen hat. Der Hauptverführer wird unschädlich gemacht, und
  von Stunde an gestaltet sich alles im Dorfe besser. Mit vereinten
  Kräften helfen dazu +Arner+, der +Pfarrer+, der +Baumwollen-Meier+,
  welcher neue volkswirtschaftliche Unternehmungen beginnt, und der
  +Leutnant Glülphi+. Letzterer übernimmt +die Schule des Dorfes+,
  welche bis dahin gewissenlos verwaltet worden war. Vorher tritt er
  aber in Gertruds Wohnstube, um von der vortrefflichen Erzieherin zu
  lernen. Er sieht, wie sie mit den Kindern am +Morgen betet+ und die
  +biblische Geschichte+ liest und erklärt, wie die Hauptworte des
  Gelesenen den Tag über im +Herzen+ und +Munde+ der +Mutter+ und der
  Kinder bleiben; sieht, wie die +Kinder+ unter der +Vorarbeit+ und
  dem +Auge der Mutter+ ihre Hände am Spinnrocken und im Garten regen.
  Der Offizier Glülphi arbeitet in der Schule treu und voll Einsicht.
  Die Frucht seiner Arbeit zeigt sich bald, und die +Umgestaltung
  des Dorfes+ erregt in weiteren Kreisen Aufmerksamkeit. Auch der
  Fürst hört davon, läßt die Sache prüfen und benutzt den Rat und die
  Tätigkeit der Männer, die in kleinem Kreise so Großes getan haben,
  für die +Armen+ und +Waisen des ganzen Landes+.

~c~) „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ (1801).

  Es bleibt diese Schrift sein +Hauptwerk für die Didaktik+. Man kann
  sie auch seine ‚+Große Unterrichtslehre+‘ nennen. Pestalozzi fordert
  darin vor allem, daß der Unterricht von der +Anschauung+ ausgehe.
  „Der Anfang aller Kenntnisse ist die +Anschauung+ und das letzte Ziel
  der deutliche Begriff.“

=3. Pädagogik.=

~a~) +Zweck+ der Erziehung ist die Entwicklung des einzelnen Menschen
zur wahren, edlen +Menschlichkeit+ und die harmonische Ausbildung
aller Kräfte und Fähigkeiten. Diese Entwicklung und Bildung muß
aber +naturgemäß+ sein, d. h. den +Gesetzen der menschlichen Natur+
entsprechen. Daher ist vor allem das +Geistesleben des Kindes+ von
+innen heraus+ zu entwickeln und das Kind zur Selbsttätigkeit zu
erziehen. Sodann aber muß die +eigentümliche Natur+ und Sinnesart
eines +jeden Schülers+ genau beachtet werden. Mit dieser +Entwicklung
der seelischen Anlagen und Kräfte+ (der sog. „formalen Bildung“ oder
Kraftbildung) ist das eigentliche Ziel des Unterrichts gegeben. Er hat
nicht die Aufgabe, dem Kinde bestimmte Kenntnisse beizubringen.

~b~) Der naturgemäße +Träger+ der Erziehung ist die +Familie+, der
Hauptschauplatz die +Wohnstube+, der Hauptfaktor die +Mutter+. Das
Verfahren einer verständigen Mutter ist das vollkommenste Muster einer
naturgemäßen Erziehung. Der Lehrer muß an das Tun der Mutter, die
Schule an das Treiben in der Wohnstube anknüpfen. Deshalb soll der
Lehrer dem Kinde, ehe er dasselbe über seine Verpflichtungen belehrt,
das Gute +vorleben+ und in konkreten Erscheinungen zeigen. Er soll
insbesondere aus dem Verhältnis des Kindes zur Mutter die Empfindungen
der Dankbarkeit und Liebe gegen Gott anschaulich entwickeln.

~c~) Die +Lehrmethode+ schließe sich streng an die Gesetze der
Entwicklung der Kindesnatur an. Da diese sich immer gleich ist, so kann
es auch nur +eine+ gute Unterrichtsmethode geben, eine „+objektive
Methode+“, mit deren Hilfe auch der ganz Ungebildete unterrichten
kann. Die Grundlage aller Erkenntnis ist die Anschauung, und zwar
tunlichst die der +wirklichen Gegenstände+. Wo die sinnliche Anschauung
unmöglich ist, soll das Abstrakte wenigstens durch Beispiele und
Erzählungen aus bekannten Gebieten versinnlicht werden. Stets werde
vom Nahen zum Entfernten, vom Leichten zum Schweren, vom Einfachen
zum Zusammengesetzten, vom Bekannten zum Unbekannten in lückenlosem
Fortschritt übergegangen. Das Ziel aller Kenntnisse ist, die sinnlichen
+Anschauungen zu deutlichen Begriffen+ zu erheben.

~d~) Das +Gebiet+ des Unterrichts umfaßt 1. die +Zahl+ (Rechnen);
2. die +Form+ (Meßkunst, Zeichnen, Schreiben); 3. die +Sprache+
(Sprachlehre, Gesang). In der Praxis der Schule ist dem
Sprachunterricht die erste Stelle einzuräumen. Die Sprache werde
durch Sprechen gelehrt, von +grammatischen Regeln+ ist möglichst
+abzusehen+. Auch sollen die Sprechübungen immer zugleich Denkübungen
sein. Bei dem Gesange ist auf solche Lieder Gewicht zu legen, die
das Gemüt erheben und das Herz veredeln. In der Formenlehre knüpft
Pestalozzi viele Übungen an das Vorzeigen und Zerlegen von Körpern. Für
Schreib- und Zeichenübungen empfiehlt er +Griffel und Schiefertafel+,
welche durch ihn allgemein geworden sind. In der Zahlenlehre oder
Rechenkunst ist vor allem das Wesen der Zahlen aus und an +sinnlich
anschaubaren Dingen+ zu entwickeln (Finger, Erbsen, Stäbchen; Einer-
und Bruchtabelle). Das bloße Zifferrechnen ist zu verwerfen, das
Kopfrechnen zur Hauptsache zu machen.

  Bezüglich der Disziplin war Pestalozzi anfangs der Ansicht, daß man
  „die Kinder nicht wie Hunde und Katzen“ durch Schläge zur Arbeit
  antreiben dürfe. Später aber erklärte er: „Wir haben +unrecht+,
  gegen den Reiz der sinnlichen Begierden von der Kraft leerer Worte
  alles Heil zu erwarten und zu glauben, den Willen des Kindes +ohne
  Züchtigung+ durch bloße wörtliche Vorstellungen nach unserem Willen
  lenken zu können. Wir wähnen, unsere Humanität habe sich zu einer
  Zartheit erhoben, die uns in keinem Falle mehr erlaube, an das ‚rohe‘
  Mittel des Schlagens auch nur zu denken. Aber es ist nicht die
  Zartheit unserer Humanität, es ist ihre +Schwäche+, die uns leitet.
  Unsere Liebe ist nicht kraftvoll, ist nicht rein. Wir kennen weder
  die Folgen der in Liebe züchtigenden Kraft, noch diejenigen der jede
  Züchtigung scheuenden Schwäche.“

=4. Beurteilung.= +Verdienste+:

~a~) Pestalozzi ist ein hohes Vorbild für jeden Lehrer durch seine
unüberwindliche +Liebe+ zu den Kindern und durch seinen freudigen
Opfermut.

~b~) Er ist der Herold der +Mutterliebe+ und +Mutterweisheit+.

~c~) Er ist der Urheber des erziehenden Unterrichts sowie der
+kraftbildenden Erziehung+ und hat durch seine Forderung, daß alle
Unterweisung von der +Anschauung+ ausgehen müsse, den europäischen
Schulwagen umgekehrt und in ein anderes Geleise gebracht.

~d~) Er ist der Neubegründer des +Volksschul-Rechenunterrichts+, hat
die +Geometrie+ zu einem Elementarfach gemacht, +Zeichnen+ und +Gesang+
in den Lehrplan der Volksschule aufgenommen.

~e~) Er ist ein entschiedener +Feind+ aller +Viel-+ und +Halbwisserei+
und dringt auf eine weise Beschränkung der Lehrgegenstände. (Volkmer.)

+Mangelhaftes+:

~a~) Die Erziehungslehre Pestalozzis steht +nicht+ auf
positiv-+christlichem+ Boden.

  Schon in „Lienhard und Gertrud“ ist das christliche Element nur
  schwach betont, in den Pestalozzischen Erziehungsanstalten tritt das
  +Christentum+ fast ganz +zurück+. Pestalozzi pflegt wie Rousseau und
  Basedow nur die +Naturreligion+. Auch ihm ist das Kind von Natur aus
  gut und wird nur in der bösen Welt verdorben. Doch war Pestalozzi
  selbst von aufrichtig religiösem Gefühl durchdrungen und trat +nicht
  feindlich+ (wie Rousseau und dessen Apostel) gegen das Christentum
  auf.

~b~) Pestalozzi war Autodidakt und deshalb nicht frei von den beiden
Fehlern aller Autodidakten: +Nichtbeachtung anderer+ und +Überschätzung
eigener+ Leistungen. Rühmte er sich doch, in 30 Jahren kein Buch
gelesen zu haben.

~c~) Er vernachlässigte die +materielle+ Bildung, indem er die
Geisteskräfte an wertlosen Gegenständen übte.

~d~) Die von ihm gesuchte „+objektive+“ Methode des Unterrichts, mit
deren Hilfe auch der ganz Ungebildete unterrichten könne, ist ein
+unerreichbares Phantasiegebilde+. Pestalozzi schlägt die Eigenart und
Geschicklichkeit des Unterrichtenden nicht hoch genug an.

~e~) Er +begrenzt+ durch die Gesichtspunkte „Zahl, Form, Sprache“ die
+Unterrichtsfächer+ einseitig und +zu eng+. Die Realien brachte er
unter die Rubrik „Sprachlehre“, Religion paßt gar nicht in das Schema.

  Außerordentlich vernachlässigte Pestalozzi sein Äußeres, Haar und
  Schuhwerk waren nicht selten in Unordnung. Um einen Stundenplan
  kümmerte er sich kaum, schulgerecht wurde bei ihm überhaupt nichts
  gelernt. Der Mangel an Zucht und Ordnung zeigte sich auch in der
  Leitung seiner Anstalten. Doch alle diese Mängel wurden weit
  übertroffen durch seinen eisernen Willen und die sieghafte Kraft
  seiner nie versagenden Liebe.




II. Schüler Pestalozzis.


=1. Fellenberg= (1774–1844).

  1. Philipp Emanuel von Fellenberg aus Bern (kurze Zeit in
  München-Buchsee praktischer Leiter des Pestalozzischen Instituts)
  gründete nach Pestalozzis Plane 1804 auf +Hofwyl+ eine Armenschule,
  die zugleich Arbeitsschule sein sollte. Fellenberg verfuhr durchaus
  +praktisch+. Das Unternehmen gedieh unter seiner umsichtigen
  Leitung vortrefflich. Bis 1832 erhielten 400 arme Kinder in
  Hofwyl unentgeltliche Ausbildung zu Handwerkern oder Landwirten.
  Fellenberg war +gläubiger Christ+ und bildete auch seine Zöglinge in
  christlich-religiösem Sinne.

2. Ein unschätzbarer Gehilfe Fellenbergs verdient Johann Jakob +Wehrli+
(1790–1855) genannt zu werden. Als Sohn eines armen Dorflehrers
ernährte er sich anfangs mit Dachdecken und Schindelmachen und kam, 20
Jahre alt, nach Hofwyl zu F., wo er 23 Jahre unter harten Bedingungen
aushielt. Er mußte Tag und Nacht bei den Kindern sein, sie unterweisen
und dazu noch selbst taglöhnern. Die +organische Verbindung des
Unterrichts mit der Arbeit+, wozu Pestalozzi die Idee, Fellenberg
die Mittel gegeben hatte, führte Wehrli so weit als möglich durch.
Der Ertrag der Arbeit deckte hier wirklich den größten Teil der
Erziehungskosten. Der praktische Wehrli wurde später +Seminardirektor+
und leitete 20 Jahre das Lehrerseminar zu Kreuzlingen am Bodensee.
„+Bete und arbeite!+“ war sein Wahlspruch.

Nach dem Muster von Hofwyl wurden mehrfach Schulen errichtet
(Wehrli-Schulen genannt), welche zum Teil recht segensreich wirkten.


=2. Girard= (1763–1850).

1. Der Franziskanerpater Gregor +Girard+ (spr. Schirār), auf dessen
Veranlassung Pestalozzi 1811 den „+Dank des Vaterlandes+“ erhielt,
war Gymnasiallehrer, Professor der Philosophie und Schulinspektor der
Stadt Freiburg (Schweiz). Später wurde er als erster katholischer
Pfarrer nach Bern berufen. Er widmete seine besondere Aufmerksamkeit
dem Volksschulwesen. Da es an geeigneten Lehrern fehlte, ging er nach
Iferten zu Pestalozzi und führte bei seiner Rückkehr den Gedanken
aus, welchen Pestalozzi in Stanz zu verwirklichen gesucht hatte: den
+wechselseitigen Unterricht+. Die älteren und fortgeschrittenen Kinder
wurden zur Unterweisung der jüngeren und schwächeren Schüler benutzt.
So konnten mit wenigen Lehrern zahlreiche Kinderscharen unterrichtet
werden.[9]

2. Die Methode des wechselseitigen Unterrichts durch Helfer oder
Monitoren heißt gewöhnlich das „+Bell-Lancaster-System+“. Zwei
Engländer, Andreas Bell und Johann Lancaster, brachten nämlich dasselbe
auf, unabhängig von, wenn auch fast gleichzeitig mit Pestalozzi. Bell
machte seine ersten Versuche in Madras mit Soldatenknaben, Lancaster
in Southwark (London). Die Bell-Lancaster-Methode erregte s. Z. großes
Aufsehen. Sie wurde in England, Frankreich und Dänemark eingeführt.
In Deutschland fand sie keinen Eingang, obschon der verdienstvolle
Konsistorialrat +Natorp+ († 1846 zu Münster) zu ihrer Empfehlung zwei
Schriften verfaßte. (1. Ein einziger Schulmeister unter 1000 Kindern;
2. Andreas Bell und John Lancaster). Der Mechanismus dieses Notbehelfs
konnte uns Deutschen nicht zusagen.


=3. Fröbel= (1782–1852).

  1. Friedrich +Fröbel+ aus Schwarzburg-Rudolstadt war der Sohn
  eines evangelischen Pfarrers. Er verlor früh seine Mutter und
  erfuhr von einer Stiefmutter eine harte und abstoßende Behandlung.
  Nach einer trüben Jugend und wechselvollen Studienzeit wurde er
  +Volksschullehrer in Frankfurt a. M.+, dann Hauslehrer in einer
  Familie. 1808 siedelte er mit mehreren seiner Zöglinge nach Iferten
  über, um bei Pestalozzi „Schüler und Lehrer zugleich“ zu sein. In
  Iferten blieb Fröbel über 2 Jahre und verlebte „eine herrliche,
  für sein Leben entscheidende Zeit“. 1813 war er Freiwilliger im
  Lützowschen Korps. Später wurde er Direktor des +Waisenhauses in
  Burgdorf+ (Schweiz). Hier erkannte Fröbel die Wichtigkeit der
  ersten Erziehung und die Notwendigkeit der Heranbildung tüchtiger
  Mütter. Er wendete seine Hauptsorge der ersten Kindheit zu und
  gründete Anstalten, die er selbst „+Kindergärten+“ nannte. In diesen
  Kindergärten wollte er die zarten Kinder wie die jungen Pflanzen
  im Garten heranziehen, dieselben in Aufsicht nehmen und ihnen eine
  entsprechende Tätigkeit geben.

  2. Den ersten Kindergarten errichtete Fröbel in +Blankenburg+
  (Thüringen). Er gab Frauen und Mädchen Anleitung und bildete so
  +Kindergärtnerinnen+. Auch in Frankreich, Belgien, England und
  anderen Ländern haben die Kindergärten Eingang gefunden.

  Die Idee Fröbels an sich ist eine gesunde und fruchtbare. Es bleibt
  nur zu tadeln, ~a~) daß +positiv-christliche+ Anklänge in den
  Fröbelschen Kindergärten +fehlen+; ~b~) daß die Kinder „verspielt“,
  d. h. mit +Spielen überhäuft+ werden und zu früh ihre kindliche
  Natürlichkeit verlieren.


=4. von Türk= (1774–1846).

  1. Dem Justizrat Karl Christian Wilhelm +von Türk+ aus
  Meiningen wurde 1800 in +Mecklenburg+-Strelitz die Leitung des
  Landesschulwesens übertragen. v. Türk sah ein, „daß ein Jurist kein
  geborener Allwisser sei“, und ging deshalb zu Pestalozzi in die
  Schweiz. Nach einem abermaligen Besuche bei Altmeister Pestalozzi
  (1808) gründete er zu +Vevey+ am Genfersee eine Erziehungsanstalt,
  der sogar Wilhelm von Humboldt seinen Sohn anvertraute. -- 1815 wurde
  v. Türk +Regierungs-+ und +Schulrat+ in +Frankfurt a. O.+ und 1817 in
  +Potsdam+ Nachfolger Natorps.

  2. Von Pestalozzi angeregt, machte v. Türk mehrere
  +Waisenhausstiftungen+ in Potsdam. Durch seine „Briefe aus
  München-Buchsee“ trug er zur Würdigung der Verdienste seines
  Meisters wesentlich bei. Er war besonders Bahnbrecher für die
  Pestalozzische +Rechenmethode+ in Preußen. Mit Wort und Tat suchte
  er die +Seidenzucht+ in Deutschland zu verbreiten und bei den
  Lehrerseminarien einzuführen.


  [9] Ein Monument in Lebensgröße wurde dem verdienten Pädagogen
      errichtet auf dem Marktplatze zu Freiburg. In der Inschrift
      wird er genannt: „Provinzial seines Ordens, Vorsitzender der
      Schweizer Gesellschaft der Naturwissenschaften, Ritter der
      Ehrenlegion, Mitglied der Religions- und Staatswissenschaften,
      Vater der Jugend, Wohltäter des Volkes und der Menschheit.“




III. Mittelbare Pestalozzianer.


~A.~ Hervorragende katholische Pädagogen.


=1. Overberg= (1754–1826).

  =1. Seine Jugend.= Der Pädagoge des Münsterlandes im eminenten Sinne
  ist +Bernhard+ Heinrich +Overberg+, geb. als Sohn unbemittelter
  Krämerleute in der Bauerschaft +Höckel+ (Osnabrück) am 1. Mai 1754.
  Gleich Pestalozzi war der kleine Bernhard ein an Körper und Geist
  schwächlicher Knabe, der erst in seinem 5. Jahre gehen lernte und
  8 Fibeln verbrauchte, ehe er lesen konnte. Doch arbeitete er sich
  durch seinen Fleiß in der Bauerschaftsschule bis zum Helfer empor.
  -- Früh faßte er den Entschluß, +Geistlicher+ zu werden. Mit Hilfe
  der Mutter gelang es ihm, vom Vater die Einwilligung zum Studieren
  zu erhalten. Der Kaplan im Pfarrdorfe Voltlage unterrichtete ihn
  nun im +Latein und Rechnen+. Schon 17 Jahre alt, kam er auf das
  Franziskaner-+Gymnasium in Rheine+, wo er sich durch Fleiß, Ausdauer
  und musterhaftes Betragen auszeichnete. Gern hätte man ihn für
  den Orden gewonnen. Da es ihm indes an innerer Neigung für den
  Klosterberuf fehlte, hielt ihn seine verständige Mutter zurück.
  Seine +theologischen Studien+ machte er mit auffallend günstigem
  Erfolge in +Münster+ und wurde darauf Kaplan in +Everswinkel+, Kreis
  Warendorf, mit 90 Mk. Gehalt (neben freier Station). Hier bildete
  Overberg sein Talent für den Jugendunterricht aus. Er übernahm für
  den bejahrten Pfarrer den Religionsunterricht und gelangte zu einer
  seltenen Fertigkeit in der +Katechese+.

=2. Overberg als Normallehrer.= ~a~) Minister und Generalvikar des
Fürstbischofs von Münster war um diese Zeit der verdienstvolle
Freiherr +von Fürstenberg+ († 1810). Als Leiter des Erziehungswesens
im Münsterlande lag ihm vornehmlich die +Hebung der Volksschule+
am Herzen. Die Lehrer im Münsterlande waren damals verdorbene
+Handwerker+, meistens Schneider und Taglöhner. Die Schullokale
waren eng, niedrig, dumpf, oft nicht einmal bedielt. Der Schulbesuch
beschränkte sich auf den Winter. Einzelunterricht und Abhören dessen,
was mechanisch auswendig gelernt war, bildete die Regel. Schreiben und
Rechnen lernten nur die Wohlhabenden gegen besondere Vergütung. Mit
der Schulzucht war es noch trauriger bestellt. Sogar in Mädchenschulen
fanden sich viele Stöcke, Eselsohren usw. Diesen trostlosen Zuständen
konnte nur durch bessere Lehrer abgeholfen werden. Fürstenberg
beschloß daher, eine Lehrerbildungsanstalt in Münster zu gründen. Es
sollte eine „+Normalschule+“ sein, weil sie allen Elementarschulen
im Lande zum Muster zu dienen bestimmt war. Overberg wurde 1783 zum
ersten und einzigen Lehrer derselben durch v. Fürstenberg berufen (der
sich persönlich in Everswinkel von der hervorragenden Lehrfähigkeit
Overbergs überzeugt hatte).

~b~) Overberg begann damit, im Herbst 1783 für im Dienst stehende
Lehrer einen Unterrichts- oder +Normalkursus+ von 2½ Monaten
abzuhalten. Es waren vielfach über 50 Jahre alte Männer, welche
schon lange im Sommer auf dem Felde, im Winter in der Schule
getaglöhnert hatten. Solche Normalschüler hatte Overberg nicht
nur in der Methode, sondern auch in den Fächern selbst und in der
Erziehungslehre zu unterweisen; dazu in so knapper Zeit und ganz
allein. Eine Riesenaufgabe! Overberg hat sie gelöst. Die gewinnende
Freundlichkeit Overbergs, seine unerschöpfliche +Geduld+, Berufstreue
und Bescheidenheit, wie auch sein +ausgezeichnetes Lehrgeschick+
öffneten ihm den Weg zu den Herzen seiner Schüler. Ergraute Männer,
die anfangs nur gezwungen kamen, machten den Normalkursus noch vier-,
einige zehnmal freiwillig durch. Es konnte später eine längere Dauer
der Kurse eingeführt werden. Auch für +Lehrerinnen+ hielt Overberg
seit 1801 Normalkurse ab. Er hat das Institut der Lehrerinnen (welches
im Münsterlande schon im 17. Jahrhundert bestand) zur Blüte gebracht.
Overberg war für Trennung der Schulklassen nach dem Geschlechte und zog
für Mädchenklassen Lehrerinnen vor.

~c~) Bei der +Erziehung+ erörtert er mit Nachdruck die Wichtigkeit des
guten +Beispiels+ für die Willensbildung. Das gute Beispiel des Lehrers
ist der Grundton seiner ganzen Erziehungslehre. Er zeigt die Würde des
Lehrerberufes im Lichte der Religion. Das Amt eines Seelsorgers und
Jugendlehrers sah er als das höchste auf Erden an. Die Kinder nannte er
seine „Wonne“ und seine „Krone“!

~d~) Bezüglich der Ausbildung des kindlichen Geistes faßte er den
Verstand und das Gedächtnis ins Auge. Der Verstand soll 1. zum
Aufmerken und Nachdenken gewöhnt, 2. durch richtige, klare und
deutliche Begriffe gebildet und 3. von der Wahrheit der Lehre überzeugt
werden. Das +Gedächtnis+ ist teils Wort-, teils Sachgedächtnis.
Grundsätze: 1. das Wortgedächtnis soll nie ganz allein geübt werden;
2. das Sachgedächtnis genügt in vielen Fällen allein; 3. Wort- und
Sachgedächtnis sind auf eine vorteilhafte Art zu üben.

~e~) Besonderes Gewicht legte Overberg auf den +Religionsunterricht+.
In der Methodik huldigt er (im Gegensatze zu Pestalozzi) der
+katechetischen+ Unterrichtsweise, worin er eine außerordentliche
Tüchtigkeit besaß. Er wollte verhindern, daß der Lehrer mit dem
Prediger, der Katheder mit der Kanzel verwechselt werde. Darum spielt
die +Frage+, sei sie heuristisch, repetierend oder examinierend, bei
Overberg eine so wichtige Rolle, ebenso das Anführen von Beispielen.

~f~) So wirkte er unermüdlich jahraus jahrein; ein Kursus folgte dem
anderen. Als er 1809 zum +Regens+ des Priesterseminars und 1816 zum
+Regierungs- und Schulrat+ in Münster ernannt wurde, hielt er die
Normalkurse weiter und blieb bis zu seinem Tode der fleißige und
bescheidene „+Lehrer der Normalschule+“. Er erlebte noch (1825) die
Freude, das Lehrerseminar in Büren eröffnet zu sehen. „Nun kann ich
ruhig sterben,“ sagte er, „das Seminar ersetzt mich.“ Er starb am 9.
November 1826.

  Overberg wurde in Münster auf dem Überwasserkirchhofe begraben. Ein
  einfaches +Kreuz+ mit der Inschrift: „Es ist kein anderer Name dem
  Menschen gegeben“, zeigt die Stelle. An seinem 150. Geburtstage (1.
  Mai 1904) sind seine Gebeine in die Überwasserkirche, dem Orte seiner
  reichgesegneten priesterlichen und pädagogischen Tätigkeit, feierlich
  übertragen worden. Ein größeres Denkmal (+Obelisk+) errichtete man
  ihm bald nach seinem Tode auf dem Hofe des +Priesterseminars+ in
  +Münster+. Dieses trägt an der Ostseite die Inschrift: „Lehrer der
  Lehrer während 43 Jahre. So ward ihm vergönnt, der Wohltäter des
  ganzen Münsterlandes zu werden.“

  Im Jahre 1889 wurde ihm vor dem +Lehrerseminar+ in +Warendorf+ aus
  Anlaß des 50jährigen Bestehens der Anstalt Langenhorst-Warendorf ein
  2½ m hohes +Standbild+ errichtet, dessen Kosten zum größten Teile
  von den katholischen Lehrern Westfalens aufgebracht sind. Die Figur
  hält in der linken Hand Overbergs Hauptschrift, die „+Anweisung+“.
  Auf drei Seiten des Sockels sind folgende Stellen aus seinen Werken
  angebracht: „Ich will +keine Anstrengung scheuen+, welche mir
  für das Beste der Schulkinder nötig oder nützlich scheint.“ „Der
  Lehrer soll seinen Schülern überall mit einem +guten Beispiele+
  vorgehen.“ „Tue und leide alles aus Liebe zu Gott nach Gottes Willen,
  zur +Ehre Gottes+!“ Im Jahre 1897 setzte ihm die Stadt +Münster+
  ein Marmordenkmal (lebensgroße Figur) auf dem Platze vor der
  Überwasserkirche.

=3. Seine Schriften.= Er verfaßte:

~a~) ein „ABC-Buch“ (1788), um eine bessere Methode des Leseunterrichts
einzuführen;

~b~) „+Anweisung zum zweckmäßigen Schulunterricht+ für die Schullehrer
im Fürstentum Münster“ (1793);

  Dieses Buch ist Overbergs +Hauptschrift+, durch v. Fürstenberg
  approbiert und mit nachdrücklicher Empfehlung versehen. Es ist in
  populärer Breite abgefaßt und durchaus praktisch gehalten. Eine
  streng systematische Gliederung fehlt. -- Der +Grundgedanke+ des
  ganzen Werkes, welches in zwei ungleiche Teile zerfällt, ist: +Das
  vorbildliche Leben+ und die +religiöse Gesinnung+ des Lehrers bleibt
  die Hauptbedingung einer segensreichen Wirksamkeit.

~c~) eine +Bibl. Geschichte+ des Alten und Neuen Testaments (1799), die
selbst in protest. Schulen Eingang fand;

~d~) einen +größeren+ und einen +kleineren Katechismus+ (1804); dazu
ein +Religionshandbuch+ Katecheten und Lehrer.

+Fürstbischof Franz Egon+ von Paderborn und Hildesheim benutzte das
„Handbuch“ zu seiner täglichen Erbauung.

=4. Seine Verdienste.= Overberg ist die anmutigste Persönlichkeit unter
den Pädagogen des 19. Jahrhunderts. Was ihn uns so lieb und wert macht
und ihn zum vollendeten Muster der Lehrer erhebt, ist:

~a~) die bis zum letzten Atemzuge dauernde +opferfreudige Hingabe+ an
die Volksschule;

  Was die +Fürstin Gallitzin+ in ihren Aufzeichnungen sagt, „daß
  ein +Charakter groß+ sei in dem Maße, als er fähig ist, +Opfer+
  zu bringen für das +Wohl anderer+,“ das gilt recht eigentlich von
  Overberg. Er suchte nicht seinen Vorteil, sein ganzes reiches Wirken
  ging nur hervor aus Liebe zu Gott und seinen Mitmenschen.

~b~) seine große +Demut+ und Bescheidenheit;

  Auch bei den glänzendsten Erfolgen seiner Lehrtätigkeit wußte er
  diese zu bewahren und legte sie oft in rührendster Weise an den Tag.

~c~) sein Streben nach eigener +Vervollkommnung+;

  +Vorbereitung+ vor dem Unterrichte und +Gewissenserforschung+ nach
  demselben machte er sich zur strengen Pflicht. Auf die erstere
  verwandte er 1½ +Stunde vor+ jedem Unterrichte. Von der Peinlichkeit
  und +Strenge+ der letzteren legen viele Stellen seines Tagebuchs
  beredtes Zeugnis ab. So war Overberg mit +eisernem Fleiße+ für seine
  eigene Vervollkommnung tätig, eingedenk der Wahrheit, daß der Lehrer,
  der an seiner +persönlichen+ Fortbildung arbeitet, damit auch der
  Verbesserung seiner Schule dient.

~d~) seine große Meisterschaft in der +katechetischen+ Lehrweise und
die mustergültige Methode des +Religionsunterrichts+.

  Overberg war ein Feind des mechanischen Unterrichts und
  eifert besonders +gegen das verständnislose Auswendiglernen+.
  Die +biblische+ Geschichte behandelte er mit einer solchen
  +Meisterschaft+, daß man glaubte, die Handlung geschehe vor Augen;
  passende Beispiele und Gleichnisse boten sich wie von selbst dar, die
  eine Lehre floß aus der anderen.


=2. Sailer= (1751–1832).

  1. Johann Michael von +Sailer+, Sohn eines unbemittelten
  Schuhmachers zu Aresing in +Oberbayern+, Professor der Theologie an
  der Universität Ingolstadt (später +Landshut+), wurde 1829 +Bischof
  von Regensburg+ und starb allgemein betrauert 1832. Der berühmte
  Fürstbischof von Breslau, Melchior von +Diepenbrock+, war sein
  Zögling und innigster Verehrer.

2. Sailer hielt als +Universitätslehrer+ sehr beliebte Vorlesungen über
Pädagogik und flößte unzähligen jungen Leuten Begeisterung für die
schwere Aufgabe der Menschenerziehung ein. Daraus entstand sein Werk:
„+Über Erziehung für Erzieher+ oder Pädagogik“ (1807), welches selbst
von Protestanten geschätzt wird.

  +Diesterweg+ zeigte die 1830 erschienene 5. Auflage dieses Werkes
  in seinem „Wegweiser“ mit folgenden Worten an: „Ein Produkt +hoher,
  reinster Begeisterung für Menschenwohlfahrt+ durch Erziehung. Ein
  edler Geist spricht den Leser fast aus jeder Zeile an und belebt ihn
  für höhere Dinge. Darum ein Buch für Jünglinge!“

3. Sein Hauptverdienst besteht darin, daß er den Geist des
+Rationalismus+ von seinem Lehrstuhle herab wie in seinen Schriften mit
Erfolg +bekämpfte+. Er verlangt einen Religionsunterricht, der sich auf
die Kindesnatur und den Glauben stützt.

Das zweite Verdienst Sailers ist dieses, daß er in der Zeit der
Methodenhascherei die Wichtigkeit der +Erziehung+ hervorkehrte. Deshalb
legt er auch ein so großes Gewicht auf die +Persönlichkeit des Lehrers+
und dessen Beispiel. „Sei selbst Mensch, um Menschen zu erziehen.
Werdet +selbst besser+, so werden auch eure Schüler besser werden.“

4. Wie Pestalozzi (den er kannte und hochschätzte) legte er dem
Einflusse einer guten +Mutter+ hohen Wert bei. Im Gegensatz zu
Pestalozzi war er ein großer Verehrer der +sokratischen+ Methode.
Er gibt vortreffliche Lehren über die +körperliche+ Erziehung und
Abhärtung des Leibes. Als Hauptsumme aller Lehrertugend stellt er
+Liebe+ und +frohe Laune+ hin. (Die Worte des schweizerischen Pädagogen
+Büel+: „Wenn ich so +recht froh+ in die Schule komme, so sind meine
Kinder Engel, und alles +geht herrlich+“ macht er zu seinen eigenen.)
Er weist auch auf die Notwendigkeit von Lehrerbildungsanstalten hin und
wünscht fakultative Fortbildungsschulen.

  Aus der genannten Schrift „Über Erziehung für Erzieher“ sind folgende
  Gedanken hervorzuheben:

  1. „Die Haupttugend der Tochter ist die =Unschuld=, sie sei ihr so
  heilig als das Leben und noch heiliger als dieses.

  Der gefährlichste +Feind+ der Unschuld ist die +Eitelkeit+, die
  Begierde zu gefallen. Ist diese in der Tochter einmal erwacht, so
  sind zugleich unzählige Gefahren für die Unschuld miterwacht. Die
  unbeherrschte Begierde zu gefallen ist fast immer der erste Schritt
  zum Falle. Um dieser Gefahr zuvorzukommen, muß der Erzieher so auf
  die Tochter einwirken, daß sie nur den Beifall Gottes, nicht jenen
  der Menschen sucht. Der Trieb, Gott zu gefallen, sammelt die Jungfrau
  in sich selbst; der Wunsch, anderen zu gefallen, wirft sie in die
  Welt hinaus.

  Die Jungfrau +flieht+ jede +Gefahr+, die ihrer Unschuld Schaden
  bringen könnte, sorgsamer als die nächste Todesgefahr. In einer
  unvermeidlichen Gefahr kämpft sie wie ein Held: der Blick des Ernstes
  im Auge, das erschütternde Nein im Munde, die Entschlossenheit in der
  Gebärde werden auch den frechsten Knecht der Sünde vertreiben.

  Die Tochter +meidet+ jede Art von +Müßiggang+, keine Stunde trifft
  sie arbeitslos an. Die frühe Gewöhnung an Arbeit bildet die Tochter
  so recht für dieses Leben, das ein Leben der Arbeit ist, und, da die
  Arbeit vor tausend Reizen zur Sünde bewahrt, arbeitet sie dem höheren
  Leben in die Hände. Das Leben ist kein Spiel, und die Tugend ist
  es auch nicht. Je mehr das Kind der Arbeit entfremdet wird, um so
  schwerer ist die Erziehung.

  Die Töchter sind +für+ den Kreis +des Hauses+ zu erziehen. Ein Weib
  außer dem Hause ist außer seinem Elemente, ist wie ein Fisch außer
  dem Wasser. Schon die gute Erziehung der Kinder erfordert tausend
  Arbeiten, die das Weib notwendig an das Haus fesseln. Dazu kommt
  die Pflicht, Ordnung und Reinlichkeit im Hause zu erhalten, das
  Hauswesen selbst zu führen, den Erwerb des Mannes durch Sparsamkeit
  und Arbeitsamkeit zu sichern und zu vermehren. Ein Weib, das außer
  dem Hause glänzen will, hat den Charakter des Weibes verleugnet.“

  2. „Wer seinen Zögling zu einem guten Menschen erziehen will, der
  ruhe nicht, bis das Gute die Macht der =Gewöhnung= in ihm bekommen
  habe, bis es gleichsam Natur geworden ist.

  Gleichsam Natur muß in ihm werden die +Scheu+ vor allem +Bösen+.
  Kein unwahres Wort, keine schamlose Gebärde, keinen fremden Heller!

  Gleichsam Natur muß in ihm werden die +Ehrfurcht vor Gott+, vor
  allem Heiligen und das Leichtaufschauen zu Gott. ‚Überall sieht mich
  Gottes Auge; auch Gedanken sieht sein Blick. Vor seinem Auge will ich
  wandeln. Seinen Geboten ziemt der erste Gehorsam. Ihm weihe ich mein
  ganzes Herz.‘

  Gleichsam Natur muß in ihm werden +das Gebet des Herzens+ zu Gott,
  ohne welches Religion und Tugend den Atemzug und den Pulsschlag --
  ihre Seele verloren haben. Dazu gehört wohl auch die frühe Gewöhnung
  der Kinder zum herzlichen Morgen-, Abend-, und Tischgebet. Nie ist
  die schöne Kindlichkeit schöner als im kindlichen Gebete, das kurz
  sein muß, um wahr bleiben zu können, und herzlich, um Gebet zu sein.

  Gleichsam Natur muß in ihm werden die Achtung vor dem +öffentlichen
  Gottesdienst+ und eine Gegenwart bei demselben, die Herz und Geist
  erbaut.

  Wer seinen Zögling gut bilden will, der gewöhne ihn auch zu dem, was
  der Tugend vorarbeitet und ihre Übung erleichtert, zum Entbehren
  und Dulden. +Entbehren und Dulden+ sind dem Menschen für die treue
  Erfüllung seiner Pflichten im Leben unentbehrlich. Darum muß das
  ‚~abstine, sustine!~‘ d. i. ‚lerne um des Guten willen Angenehmes
  missen und Unangenehmes dulden‘, der oberste Grundsatz der Erziehung
  sein; gewöhne das Kind an das Gute, so unangenehm dieses immer sein
  mag. Je mehr sich die Kinder in den Sinnengenuß hineingearbeitet
  haben, desto schwerer ist die Erziehung.“ (Vgl. John Locke und den
  Ausspruch Taulers: „Halte jeden Tag für verloren, an welchem du nicht
  aus Liebe zu Gott deinem Eigenwillen Widerstand geleistet hast.“)


=3. Wittmann= (1760–1833).

  1. Georg Michael +Wittmann+ war Regens des +Priesterseminars+ zu
  +Regensburg+, wurde 1829 +Weihbischof+ daselbst und 1832 am Grabe
  +Sailers+ zu dessen +Nachfolger+ ernannt. Er gilt als unübertroffenes
  Muster eines Religionslehrers und +Kinderseelsorgers+. Bis er
  Weihbischof wurde, gab er wöchentlich 37 Religionsstunden und hat
  mehr als 70000 Kinder in der Religion unterrichtet. Er setzte seinen
  Unterricht niemals aus, selbst nicht, als einst ein Minister ihm
  einen Besuch ansagte. +Seinen Schlaf beschränkte er auf 4 Stunden.+

  2. Bischof Wittmann ist auch der Stifter der „+Genossenschaft der
  Armen Schulschwestern+“ (Mutterhaus in +München+). Im Jahre 1890
  zählte die Stiftung 384 Häuser mit 3514 Schwestern, welche 120000
  Kinder unterrichteten. Aus der +Instruktion+, die Wittmann gab, ist
  zu merken:

  ~a~) „Nicht eine äußere Bildung zum Glänzen, sondern zur +lebendigen
  Gottesfurcht+ und zur Berufstreue ist +Zweck+ der Schulerziehung.“

  ~b~) „Die +kräftigste Predigt+, die besonders bei Kindern einen
  unvertilgbaren Eindruck macht, ist das +Beispiel+. Der erste Same zur
  Gottesfurcht und Tugend kommt +immer+ erst +durch das Auge+ in die
  Seele, +nicht+ durch das +Ohr+. In den Kindern regt und äußert sich
  vor allem der +Nachahmungstrieb+.“

  ~c~) „Was die Unterrichtsgegenstände betrifft, +Ordnung+, +Zeit+,
  +Art+ und +Weise+ des Unterrichts, sollen sich die Schwestern genau
  an die Verordnungen der +Schulbehörde+ halten, welcher ihre Schule
  untergeordnet ist.“

  ~d~) „Die +Mädchen+ sollen auch in standesmäßigen +Handarbeiten+
  Unterricht erhalten, so z. B. im Stricken, Spinnen, Wäsche- und
  Kleiderausbessern, Weißnähen, im Anfertigen der Kleider nach Stand-
  und Landestracht.“


=4. Milde= (1777–1853).

1. Der Fürsterzbischof von Wien Vincenz Eduard +Milde+ war der Sohn
eines ehrsamen Buchbindermeisters in Brünn. Schon mit 21 Jahren wurde
er Katechet an den beiden Schulen zu Altlerchenfeld (Wien), 1804
Religionslehrer an der Realschule und an der Akademie der bildenden
Künste, 1806 +Universitätsprofessor+ der Pädagogik. Als Professor
verfaßte er sein Aufsehen erregendes „Lehrbuch der allgemeinen
Erziehungskunde“, in welchem er die +Pädagogik+ auf reine +Prinzipien
der Psychologie+ gründet. Dieses Werk veranlaßte die Beförderung Mildes
zum Bischof von Leitmeritz (1823) und Fürsterzbischof von Wien (1831).

2. Seine +Vorliebe+ für den +Lehrerstand+ bewies Milde durch eine
Stiftung zur Unterstützung bedürftiger Lehrer der Wiener Erzdiözese.
3 Jahre nach seinem Tode (1856) trat die Stiftung ins Leben, und es
erhielten bereits in diesem Jahre 72 Lehrer und 90 Geistliche je 100
Gulden. Mildes Grabschrift im Stephansdom zu Wien lautet:

    „Wohltaten, still und rein gegeben,
    Sind Tote, die im Grabe leben,
    Sind Blumen, die im Sturm bestehn,
    Sind +Sterne+, die +nicht untergehn+!“

    (M. Claudius.)

Bemerkenswerte Stellen aus dem Lehrbuche sind:

  „Die intellektuelle Bildung ist eine zweifache: die +formelle+ und
  +materielle+. Erstere beschäftigt sich mit bestimmten Anlagen des
  Geistes, letztere mit bestimmten Gegenständen; jene ist bei allen
  Menschen dieselbe, diese ist bei jedem Individuum verschieden. Beide
  sind gleich wichtig und allzeit +in Harmonie+ zu betreiben.“

  „Wenn wir nur das wüßten, was wir in den +Schulen+ lernen, würden
  wir sicher +arm+ an Kenntnissen sein. Das, was wir gelegentlich
  im täglichen Leben, in der Schule der +Erfahrung+ und des Umgangs
  mit anderen gelernt haben, ist sicher weit +mehr+ und oft weit
  +nützlicher+ als das in der Form und Sprache des absichtlichen
  Unterrichts Vorgetragene.“

  „Vorübergehende Stimmungen, einzelne Handlungen bewirken, ist leicht;
  +Gesinnungen+ zu gründen, welche +fortdauern+, auch wenn die äußere
  Einwirkung aufhört, ist +schwer+ -- und doch ist dieses, nicht jenes
  +Aufgabe+ für den Erzieher.“


=5. Barthel= (1802–1861).

Karl +Barthel+ aus Breslau wirkte als geistlicher +Seminardirektor+
in +Paradies+ (Posen) und +Breslau+, als Regierungs- und +Schulrat+
in +Liegnitz+ und +Breslau+. In allen diesen Stellungen hat er sich
die Liebe und das Vertrauen der Lehrer in seltenem Grade zu erwerben
verstanden. Durch seine zahlreichen aus der Praxis entstandenen
Schriften hat er sich ein bleibendes Verdienst, besonders um die
katholischen Schulen des Landes, erworben. Die wichtigsten sind ~a.~
Handbuch zur Bibl. Geschichte (3 Bände), ~b.~ Schulpädagogik (neu
bearbeitet von Wanjura).

  In der letzteren gibt er beherzigenswerte Winke über die Pflege
  der +Vaterlandsliebe+ in der Schule. Er sagt: „Wir sind +Deutsche+
  und sind insbesondere +Preußen+. 1. Als +Deutsche+ haben wir
  selbst deutsche Gesinnung zu bewahren und bei den uns anvertrauten
  Schülern zu pflegen. Die deutsche Gesinnung aber äußert sich in der
  Innigkeit des +Glaubens+, in der +Biederkeit+ und +Einfachheit+, in
  +Offenheit+ und +Wahrhaftigkeit+, in +Mut+ und +Ausdauer+ unter Mühen
  und Arbeiten. Wer für den Anbau dieser Tugenden sorgt, der sorgt
  für die Pflege des deutschen Wesens. 2. Zum +preußischen+ Staate
  gehören der Abstammung nach nicht bloß Deutsche, sondern auch andere
  Nationalitäten. Ihnen allen müssen blinde nationale Antipathien, wie
  sie die vorchristliche Zeit so schroff zeigt, fremd sein. Welcher
  Abkunft wir auch sein mögen, als Bürger des preußischen Staates
  sind wir alle durch +ein+ Band umschlungen, das uns zu einem Volk
  von Brüdern macht, ob wir am Niemen oder am Rhein, an der Nord-
  oder Ostsee oder am Fuße der Karpathen wohnen. Dieses uns alle
  umschlingende Band ist die +Treue+ gegen den von Gott uns gegebenen
  König, das ist die +Anhänglichkeit+ an die von ihm und seinen Räten
  getroffenen vaterländischen Einrichtungen, das ist die +Ehrfurcht+
  vor dem Gesetze, vor welchem alle Staatsbürger gleich sind, das ist
  die +Dankbarkeit+ für die liebevolle Sorge, mit welcher eine weise
  Regierung Gewerbe und Handel begünstigt, Kunst und Wissenschaft
  schirmt und besonders den Volksunterricht fördert. Diese Segnungen
  vor dem Geiste unserer Kleinen zu erhalten, das sei unser redliches
  Bemühen; denn ohne Kenntnis des Vaterlandes ist keine Teilnahme für
  dasselbe, ist also auch kein Bürgersinn möglich, der in unserem
  Zeitalter so sehr in Anspruch genommen wird.“


=6. Graser= (1766–1841).

1. Joh. Baptist +Graser+ war 1804–1825 Regierungs- und +Schulrat+
in +Bamberg+ und +Baireuth+ und lebte nach seiner Pensionierung in
Baireuth. Nicht ohne Bedeutung sind seine pädagogischen Schriften:

~a~) „+Divinität+ oder das Prinzip der einzig wahren Menschenerziehung.“

~b~) „Das Verhältnis des Elementarunterrichts zur Politik der Zeit.“

2. Seine pädagogischen Grundsätze und Vorschläge sind:

~a~) Die Elementarschule ist ein +wichtiger Faktor+ im Staatsleben und
soll dieses unterstützen.

  Vor allem muß der Jugend die +Notwendigkeit der Obrigkeit+
  nahegebracht und stufenweise entwickelt werden. Graser ging deshalb
  von dem Familienleben und der väterlichen Gewalt im Hause aus,
  knüpfte daran das Leben in der Gemeinde und schritt sodann zum
  geordneten Staatsleben weiter.

~b~) Nach dem Gesichtspunkte des +Familien-+, +Gemeinde-+ und
+Staatswesens+ soll sich der ganze Unterrichtsstoff gliedern.

  Die +Geographie+ beginnt mit der +Heimatskunde+, die Naturgeschichte
  mit den Naturkörpern des +Wohnorts+, die Geschichte mit der
  +Ortschronik+, im Religionsunterrichte sollen zunächst nur kurze
  Denk- und Sittensprüche gegeben werden, welche die Pflichten
  gegen Eltern, Geschwister und Hausgenossen enthalten. (Diese
  Stoffverteilung ist +unnatürlich+, sie ist eine Übertragung des
  Unterrichtsganges, den Pestalozzi +mit Recht+ für die +Geographie+
  verlangt, auf alle Fächer.)

~c~) Es muß ein +naturgemäßer+ Übergang vom Elternhause zur
Schultätigkeit gewonnen werden.

  Nach Graser reihet sich der gewöhnliche Schulunterricht nicht
  natürlich an den vorigen der Natur und Familienstube an, und so
  ist der +erste Schulunterricht+ auch die erste +Kindesqual+. Als
  geeigneten +Übergangsunterricht+ empfiehlt Graser die Behandlung
  des +Wohnhauses+ an einem +Modelle+. Dasselbe dient für den
  Anschauungsunterricht und wird auch als Grundlage gebraucht für die
  ersten Übungen im Zeichnen, in der Geometrie, im Rechnen und in der
  Geographie.

~d~) Das Schreiben darf beim Anfangsunterricht vom Lesen nicht getrennt
werden.

  Er sagt: „Naturgemäß lernten die Menschen das +Sprechen+ weit
  +früher+ als das +Schreiben+; ebenso naturgemäß war aber und ist
  die +Schrift früher als das Lesen+, denn erst muß geschrieben sein,
  ehe gelesen werden kann.“ Dieser Schlußfolge entsprechend gab
  Graser die +Lautzeichen+ zugleich mit den +Lauten+, und zwar in
  der +Schreibschrift+ zum sofortigen Nachschreiben. So ist er der
  +Begründer der Schreiblesemethode+ geworden, zu deren Verbreitung
  +Wurst+ am meisten beigetragen hat.


7. Christoph v. Schmid.

Christoph von +Schmid+, † 1854 als +Domkapitular+ zu +Augsburg+,
ist der fruchtbarste und bis jetzt +unübertroffene+ Vertreter der
+Jugendliteratur+. Seine „Erzählungen für die Jugend“ drangen in die
entferntesten Dörfer und sind noch heute eine beliebte Lektüre für
jung und alt, und zwar bei allen Konfessionen. Wer kennt nicht den
„Verfasser der Ostereier“?

  Über seine +Jugendschriftstellerei+ sagt er: „Ich ging zu den Kindern
  selbst in die Schule und lernte von ihnen. Gewöhnlich erzählte ich
  eine Geschichte den Kindern oder las sie ihnen vor und ließ sie dann
  dieselbe aus dem Gedächtnisse nachschreiben. Daraus ersah ich, was
  die Kinder am meisten angesprochen hatte und was nicht. Ich arbeitete
  dann die Erzählung um, indem ich mehr Handlung und kürzere Gespräche
  darin vorbrachte. So lernte ich von den Kindern und war immer darauf
  bedacht, ihre Sprache zu reden. Für Kinder kann nicht zu oft ein
  Punkt kommen. Ein gut gewähltes Eigenschaftswort macht eine längere
  Schilderung unnötig.“

  Sehr schön äußert er sich über die +biblischen Erzählungen+: „Unter
  allen Geschichten sind die biblischen die vortrefflichsten. Da lebt
  alles, alles steht vor Augen, der Schauplatz der Geschichte ist immer
  bestimmt. Man ist überall in der wirklichen Welt, hat Berg und Tal,
  Baum, Felsen, Quellen und Gebirge um sich; jetzt ist es Morgen, jetzt
  Abend, jetzt heißer Mittag: bald ist es Erntezeit, bald Schafschur,
  bald Weinlese.“

  Dem kindlich frommen Verfasser der „Ostereier“ wurde +vorgeworfen+,
  daß er 1. rationalistischen Tendenzen huldige, und 2. in seinen
  Geschichten den katholischen Bräuchen und Lehren nicht genug Rechnung
  trage. Beide Vorwürfe sind unbegründet.


B. Hervorragende protestantische Pädagogen.


=1. Niemeyer= (1754–1828).

  1. Der Urenkel Franckes war August Hermann +Niemeyer+, +Professor+
  der evang. Theologie, Inspektor des königl. +Pädagogiums+ und
  Mitdirektor des Waisenhauses zu +Halle+. Er errichtete selbst ein
  pädagogisches Seminar an der Universität Halle. Von Pestalozzis
  Geist befruchtet, suchte er die Grundsätze Rousseaus, Basedows
  und Pestalozzis zu sichten, das Wahre vom Falschen zu trennen und
  ein logisches Gebäude der Erziehungs- und Unterrichtswissenschaft
  aufzubauen.

2. Seine pädagogischen Anschauungen legte er nieder in dem
dreibändigen Werke: „+Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts+“
(1796), woran er 30 Jahre arbeitete, und welches noch jetzt eine
Zierde der pädagogischen Literatur ist. Als +Prinzip+ der Erziehung
stellt Niemeyer die +harmonische Ausbildung+ aller menschlichen
Anlagen und Kräfte auf. In religiöser Beziehung neigte er zu den
+Philanthropen+, doch bewahrte ihn der Ernst und die Tiefe seines
Gemüts vor Angriffen auf das positive Christentum.

  +Niemeyers+ „+Grundsätze+“ faßten zum +erstenmal+ die Pädagogik in
  ein +abgerundetes System+ zusammen und enthalten zugleich einen der
  frühesten Versuche einer +Geschichte der Pädagogik+.


=2. Schwarz= (1766–1837).

  Friedr. Heinr. Christian +Schwarz+ aus Gießen war protestantischer
  Theologie und +Professor+ an der Hochschule in +Heidelberg+.
  Er leitete das dortige pädagogische Seminar und wurde später
  +Kirchenrat+.

Sein Hauptwerk ist die „+Erziehungslehre+“, welche nicht so
systematisch, aber gemütvoller als Niemeyers Pädagogik gehalten ist.
Er betrachtet als Ziel der Erziehung: die Heranbildung des Menschen
zur +Gottähnlichkeit+. In religiöser Beziehung steht er ganz auf
+positiv-gläubigem Standpunkte+.


=3. Denzel= (1773–1838).

  Bernhard Gottlieb +Denzel+ aus Stuttgart war ebenfalls
  protestantischer Theologe und wurde 1811 von der württembergischen
  Regierung als „Inspektor“ des neuen Seminars nach +Eßlingen+
  berufen. Auf kurze Zeit unterbrach er seine Seminartätigkeit und
  +reorganisierte+ das +Volksschulwesen+ in +Nassau+, kehrte aber
  darauf in seine Stellung nach Eßlingen zurück, wo er mit Lust und
  Liebe bis an sein Ende wirkte.

Denzel steht als +Praktiker der Volksschule+ besonders nahe. Den
+Anschauungsunterricht+ erhob er zum +Stammunterricht+ für alle
übrigen Unterrichtszweige und traf bezüglich des Stoffes hierin
eine richtigere und angemessenere Disposition als Pestalozzi, indem
er vom +Schulzimmer+ und der +Schule+ ausging. Für den +ersten
Zahlenunterricht+ benutzt er eine zehnsprossige Skala, die nach ihm
benannte „+Denzelsche Leiter+“. Als Schriftsteller erwarb er sich
einen Namen durch die beiden Werke: „Einleitung in die Erziehungs-
und Unterrichtslehre“ und „Die Volksschule, ein methodologischer
Lehrkursus“.


=4. Harnisch= (1787–1864).

  =1. Leben.= Christian Wilhelm +Harnisch+ aus Wilsnack im Rgbz.
  Potsdam studierte zuerst evangelische Theologie, entschied sich dann
  für das Lehrfach und kam an das +Plamannsche Institut+ zu +Berlin+,
  um die Pestalozzische Methode kennen zu lernen. Hier wurde er
  bekannt mit Fichte, Schleiermacher und Jahn und nahm tätigen Anteil
  an den Bestrebungen für Erweckung der vaterländischen Gesinnung vor
  den Freiheitskriegen. Er zeigte ein so ungewöhnliches +Geschick+ im
  +Unterrichten+, daß er zum Lehrer der Prinzessin +Charlotte+ von
  +Preußen+, nachmaligen +Kaiserin+ von +Rußland+, berufen wurde.
  1812 wurde Harnisch erster Lehrer am Seminar in +Weißenfels+. Hier
  wirkte er 20 Jahre, zuletzt als +Direktor+, ungemein erfolgreich.
  Das Seminar in Weißenfels blühete und wuchs unter Harnisch zu einem
  +Musterseminar+. Die tüchtigen Seminarlehrer +Hentschel+, +Stubba+,
  +Lüben+ und +Prange+, von Harnisch herangezogen, förderten das
  Gedeihen und den Ruf der Anstalt. „Um in einem stillen Kirchlein
  neben dem Altar sitzen und den Frieden verkünden zu können,“ legte
  Harnisch 1842 die Seminardirektion nieder und nahm die +Landpfarre+
  zu Elbei im +Magdeburgischen+ an. Eine schwere Krankheit nötigte
  ihn 1861, in den Ruhestand zu treten; drei Jahre darauf starb er zu
  Berlin, nahezu 77 Jahre alt.

=2. Schriften.= Die bemerkenswertesten sind:

~a~) „Der Schulrat an der Oder.“ Eine Zeitschrift, herausgegeben in
Gemeinschaft mit den beiden Katholiken Krüger und Rendschmidt.

~b~) „+Handbuch für das deutsche Schulwesen.+“ Sein bedeutendstes Werk.

~c~) „Die wichtigsten neueren Land- und Seereisen.“ Hierdurch hat er
auf dem Gebiete der Jugendschriften anregend gewirkt.

~d~) „Mein Lebensmorgen,“ Selbstbiographie bis zum 35. Lebensjahre.
(Nach seinem Tode erschienen.)

=3. Pädagogische Wirksamkeit.=

~a~) Er fordert nachdrücklich eine Erziehung auf dem Boden des
+positiven+ Christentums.

  „Im vollen Sinne des Wortes gibt es keine andere Erziehung als
  eine christliche.“ „Die christliche Erziehung bedarf gleich jeder
  anderen des Verstandes, der Vernunft, des Willens und aller Anlagen
  und Kräfte; aber ihr Grundwesen ist nicht Verstand, sondern innige
  +Liebe+ und demütiger Glaube.“ „Der christliche Erzieher weiß, daß
  nur durch Gottes Gnade sein Zögling gedeiht und nicht durch seine
  Kraft. Alle Erziehung, die sich auf ihre eigenen, besonderen Kräfte
  und Künste stützt, die wähnt, durch Klugheit und Geschick alles
  auszurichten, das ist keine christliche. Der christliche Erzieher
  achtet alle Kunst und alles Geschick; doch die größte Kunst ist ihm
  die, bei keinem Zöglinge die +Liebe+ aufzugeben, die alles erträgt,
  alles glaubt, alles hofft, alles duldet.“ Für seine Zöglinge stellt
  er als goldenes ABC auf: „~a~) +Sei+ ein Christ! ~b~) Besitze die
  gehörigen +Kenntnisse+ des Christentums! ~c~) Habe die gehörige
  +Lehrfertigkeit+!“

~b~) Über die +Stellung+ und Beaufsichtigung der Schulen sagt er:

  „Die Schule kann drei Mütter haben, nämlich das +Haus+, die
  +Kirche+ und den +Staat+. Jede dieser drei Gewalten hat das Recht,
  Schulen zu gründen; jede hat aber das Recht nur in ihrem Kreise.
  Jede Gewalt kann von der anderen verlangen, daß sie wenigstens das
  nicht beeinträchtige, was das Ihre ist; stehen aber die Gewalten im
  rechten Verhältnisse zueinander, so werden sie sich wechselweise in
  der Erreichung ihres Zweckes unterstützen.“

~c~) Einer +Trennung+ der Kinder nach dem höheren und niedrigen Stande
tritt Harnisch entgegen.

  „Es ist höchst wichtig, daß in den Volksschulen Kinder von +armen+
  und +reichen+ Eltern +gemischt+ sind; sonst erzeugt schon das
  Schulleben einen unglücklichen Kastengeist.“ Vgl. +Comenius+, Gr.
  Unt. 12. Kap. und +Pestalozzi+, Wie Gertr. 1. Brief.

~d~) Er dringt auf eine bessere Ausbildung der +Methode+ für die
einzelnen Unterrichtsfächer.

  Er behandelte nach Pestalozzis Grundsätzen methodisch den Unterricht
  im Deutschen, im Rechnen, in der Raumlehre, in den Realien
  („Weltkunde“) und im Turnen.

~e~) Er ist der erste, welcher die Wichtigkeit der +Gesundheitspflege+
in den Seminarien betonte.

  Er sagte: „Ich will meinem Vaterlande helfen +feste Männer+
  erziehen.“ -- +Botanisieren+, Gartenarbeiten, Baden, +Schwimmen+,
  +Schlittschuhlaufen+ und +Turnübungen+ zielten darauf hin, den
  Zögling gesund und kräftig zu erhalten. Auch die Lehrer wies er auf
  die Sorge für ihre Gesundheit nachdrücklich hin und gab ihnen in der
  Schrift „Frisches und Firnes“ dafür treffliche Ratschläge.


=5. Stephani= (1761–1850).

  1. Der Predigerssohn Heinrich +Stephani+ aus Gmünd in +Oberfranken+
  studierte protest. Theologie, war 10 Jahre Hofmeister und wurde dann
  bayrischer Schulrat, zunächst in +Augsburg+, darauf in Eichstätt,
  endlich in +Ansbach+. Wegen seiner irreligiösen, allem positiven
  +Christentum feindlichen+ Richtung erfolgte seine Absetzung. Er
  starb zu Gorkau in Schlesien.

  2. Er hat sich um die Volksschule +verdient+ gemacht

  ~a~) dadurch, daß er der +Lautiermethode+ den Weg in die Volksschule
  bahnte und hierdurch das Buchstabieren verdrängte. (Doch ist
  Stephani nicht der Erfinder der Lautiermethode. Schon 1537 hatte
  Valentin Ickelsamer dieselbe empfohlen.)

  ~b~) Er förderte auch den Rechenunterricht und suchte auf den
  höheren Schulen den deutschen Klassikern den verdienten Platz zu
  erobern.

  ~c~) Er war eifrig bemüht um die +Verbesserung+ der Lehrerbildung
  und der +Lehrergehälter+.

  3. Zu +tadeln+ bleibt:

  ~a~) sein Kampf gegen das positive Christentum. Er hat die religiöse
  Aufklärung in den protestantischen Schulen Süddeutschlands merklich
  gefördert.

  ~b~) Seine +abenteuerliche Schuldisziplin+. Jede körperliche
  Züchtigung ist ihm eine Barbarei. Die Schulgesetze sind unter
  Aufsicht des Lehrers von den Kindern selbst zu beraten, die Strafen
  von ihnen selbst zu bestimmen.

  ~c~) Seine Selbstgefälligkeit und Ruhmsucht. Gleich Basedow wird
  auch er nicht müde, sich fortwährend selbst zu loben und seine
  Verdienste anderen gegenüber zu preisen.


=6. Dinter= (1760–1831).

1. Gustav Friedrich +Dinter+ wurde zu Borna (Königr. +Sachsen+)
geboren, wo sein Vater Advokat war. Er studierte evangelische
Theologie und wurde +Pfarrer+. Schon als Student hatte er aus Campes
Schriften den kindlichen Ton und die herablassende Sprechweise
gelernt. Da die drei Lehrer seiner Pfarrei wenig leisteten,
unterrichtete er selbst fleißig, und zwar nach dem Grundsatze: „Was
der Lernende selbst +finden+ kann, das soll man ihm nicht geben.“
Dabei bildete er talentvolle Jünglinge zu Lehrern heran.

2. 1797 wurde Dinter +Seminardirektor+ in +Dresden+. Hier befolgte
er die Regel, nie weiter zu gehen, als bis das +obere Drittel+ der
Klasse das Vorgetragene bestimmt, vollständig und in gutem Deutsch
wiedergeben könnte. Auf diese Weise bekam er (wie er selbst bekennt)
nicht die gelehrtesten Seminaristen, aber gute und gewandte Lehrer.

3. Als er im Jahre 1816 auf Empfehlung des Oberpräsidenten v. Vincke
an Stelle August Zellers als +Schulrat+ nach +Königsberg+ berufen
wurde, erklärte er dem Minister v. Altenstein: „Ich will jedes
Bauernkind in der Provinz Preußen für ein Wesen ansehen, das mich bei
Gott verklagen kann, wenn ich ihm nicht die +beste+ Menschen- und
Christenbildung verschaffe, die ich ihm zu geben vermag.“ Dinter hat
sich treulich bemüht, sein Versprechen zu halten. Die +Verdienste+,
die er sich in dieser Stellung um die Schule erworben, sind
insbesondere folgende:

~a~) Er legte großes Gewicht auf die +katechetische Lehrform+.

  In seiner Schrift „Die vorzüglichsten Regeln der Katechetik“ heißt
  es: „+Pestalozzi ist König der Unterklasse, Sokrates König der
  Oberklasse.+ In der Mittelklasse geht das Kind von Pestalozzi zu
  Sokrates über.“

~b~) Er wünschte eine möglichst +humane Behandlung+ der Jugend.

  „Von +zehn Schlägen+, die der Lehrer austeilt, gehören +neun ihm+.“

~c~) Er übte eine +väterliche+, aber auch scharfe +Aufsicht+ über +die
Lehrer+.

  Lesenswert ist der Brief an einen Aspiranten über den Befund seiner
  Schule.

Zu +bemängeln+ bleibt ~a~) sein Rationalismus und seine Unduldsamkeit
gegen andere Konfessionen; ~b~) die übertriebene Betonung der
Verstandesbildung vor der Gemütsbildung.

  Aus seinen Schriften sind noch zwei Stellen bemerkenswert:

  „Das Schulwesen gleicht einem Wagen, der auf +vier Rädern+ rollt;
  sie heißen: +Bildung+, +Besoldung+, +Aufsicht+, +Freiheit+.
  Zertrümmere eines dieser Räder, so geht der Wagen nicht von der
  Stelle.“

  „Der Genius der Pädagogik bewahre uns vor Schulen, wo die Kinder die
  Winkel besser kennen als die Buchstaben und die Rhomben besser als
  Gott und seine Pflichten.“


=7. Diesterweg= (1790–1866).

  =1. Sein Leben.= Der schroffste Gegner von Harnisch, hauptsächlich
  in religiöser Beziehung, war +Adolf Wilhelm Diesterweg+ aus Siegen
  (Westfalen). Wie Rousseau verlor er früh seine Mutter und wurde
  deshalb von seinem Vater, der Justiz-Amtmann war, erzogen. Er
  studierte in Tübingen Mathematik, Philosophie und Geschichte,
  widmete sich anfangs dem technischen Berufe, wurde aber durch
  +Wilberg+ (Elberfeld) für die +Pädagogik+ gewonnen und mit den
  Ideen Rochows und Pestalozzis bekannt und vertraut. Er konnte
  Gymnasiallehrer werden, zog aber das +Volksschulwesen+ vor und nahm
  1820 die Stelle eines +Seminar-Direktors+ in +Mörs+ (Rheinland)
  an, wo er 3 Jahre den Seminarunterricht fast ganz allein erteilte.
  Bei seiner reichen Begabung und unermüdlichen Tätigkeit erwarb
  er sich bald den Namen des +deutschen Pestalozzi+. (Ein Gehilfe
  Diesterwegs in Mörs war +Ludwig Erk+, † 1883 in Berlin.) 1832 wurde
  er zum Direktor des neuen +Lehrerseminars in Berlin+ ernannt,
  woselbst er besonders die Übungsschule zum Glanzpunkte der Anstalt
  machte. (Generalfeldmarschall Prinz +Friedrich Karl von Preußen+
  war Diesterwegs Schüler.) -- Als +unversöhnlicher Gegner des
  positiven Christentums+ wurde Diesterweg 1847 veranlaßt, sein Amt
  niederzulegen. Er wirkte schriftstellerisch weiter und bekämpfte als
  Abgeordneter von Berlin die Stiehlschen „Schulregulative“ (1854). †
  1866 an der Cholera.

=2. Seine Schriften.= ~a~) „Über Erziehung überhaupt und über
+Schulerziehung+ insbesondere.“ Er stellte darin den Unterricht als
das Hauptmittel der Erziehung hin.

~b~) Der „+Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer+“. (1835.) Nicht
nur allgemeine Grundsätze, sondern auch methodische Anweisungen für
jedes einzelne Unterrichtsfach mit Stoffauswahl bietet der Wegweiser.
Stellen:

  „Das Wesen des Unterrichts besteht nicht in Mitteilung, sondern
  in der aktiven Bestimmung des Schülers zu +Anschauungen+.“
  „Das +Erlebte hat man gelernt für ewig+.“ „Das Lebens- oder
  +Erlebungsprinzip+ wird +Unterrichtsprinzip+.“

  „Auch bei den besten Gaben gehört ein Leben voll +Arbeit+ dazu, um
  ein tüchtiger Lehrer zu werden und zu bleiben.“ „Der Lehrer ist nur
  so lange fähig zu erziehen und zu bilden, als er +selbst+ an +seiner
  Erziehung und Bildung arbeitet+.“ „Der Lehrer wird nie fertig.“

  „Ich flehe zu Gott, daß er den Lehrern den +Glauben+ an die
  +Heiligkeit+ ihres Berufes erhalten, in ihnen mehren möge.“

~c~) Er verfaßte eine Reihe wertvoller Lehr- und Lernbücher für die
Volksschule (Schullesebuch, Lehrbuch der +mathematischen+ Geographie,
methodisches Handbuch für den +Rechenunterricht+, praktische
Rechenbücher, Geometrie usw.).

~d~) Endlich gab er zwei pädagogische +Zeitschriften+ heraus: die
„Rheinischen Blätter“ (seit 1827) und „Pädagogisches Jahrbuch“ (seit
1851).

=3. Seine Pädagogik.= ~a~) Diesterweg stellt die +Selbsttätigkeit
der Schüler+ obenan. „Die Bestimmung des Menschen ist die
+Selbsttätigkeit+ im Dienste des +Wahren+, +Guten+ und +Schönen+.“
Der Zweck der Erziehung besteht darin, alle Anlagen des Kindes
+harmonisch+ zu entwickeln, um dasselbe dadurch zur Selbsttätigkeit
und Selbständigkeit heranzubilden. „Aller wahre Unterricht ist
Anleitung zu bewußter Tätigkeit.“ Das Unterrichten soll nur ein
+Erregen+ sein, der Lehrer ist „+Wecker der Volkskraft+“.

~b~) Bei Auffassung der Unterrichtstheorie als Erregungstheorie tritt
die +formale+ Bildung in den Vordergrund. Doch auch die materiale
wurde (im Gegensatz zu Pestalozzi) gebührend berücksichtigt, wenn auch
die +formale+ oder +Kraftbildung die Hauptsache+ blieb. Die Ausbildung
soll zugleich +individuell+ sein, d. h. sich nach dem Maße der Kräfte
bei dem einzelnen richten.

~c~) Als echter Pestalozzianer geht Diesterweg überall von der
+Anschauung+ aus, sowohl in der Erziehung als im Unterrichte. Die
unterste Stufe der Erziehung ist die der +Sinnlichkeit+, die zweite
die der +Gewohnheit+ und die dritte und höchste die der +freien
Selbstbestimmung+. Beim Unterricht in jedem Lehrgegenstande ist zuerst
die Anschauung und das Gedächtnis, dann der Verstand und endlich die
Vernunft in Anspruch zu nehmen.

~d~) Während Pestalozzi für die Methode im allgemeinen wirkte, indem
er allen Unterricht auf die Anschauung gründete, bildete Diesterweg
die +Methodik der einzelnen Unterrichtsfächer+ aus. Er huldigte wie
Dinter der +heuristisch-entwickelnden+ Methode und unterscheidet sich
hierdurch wesentlich von seinem Vorbilde Pestalozzi. Doch vermied
er die Einseitigkeit der Heuristiker und scheute sich nicht, das
Positive, Nichtzufindende den Schülern zu geben.

~e~) Im scharfen Gegensatze zu Pestalozzis „objektiver Methode“
verlangt Diesterweg +tüchtige Lehrer+. „Wie keiner einem anderen etwas
geben kann, was er selbst nicht hat, so kann auch keiner entwickeln,
erziehen, bilden, der nicht selbst entwickelt, erzogen, gebildet ist.“
Er fordert, daß jeder Lehrer ein +Naturforscher+ sei, und wünscht,
daß derselbe den Scharfsinn eines Lessing, das Gemüt eines Hebel, die
Beredsamkeit eines Salzmann, die Weisheit eines Sokrates und die Liebe
Jesu Christi besitze.

~f~) Die Bildung der Lehrer soll in Seminarien geschehen. Alles soll
sich darin auf die Bildung zur +bewußten Unterrichtspraxis+ beziehen.
Die allgemeine Einführung von +Seminar-Übungsschulen+ und ihre
organische Verbindung mit den Seminarien ist vorzugsweise sein Werk.
Er sagt: „Ein Seminar ist gerade so viel wert als die Schule, die es
besitzt. Echte Seminarlehrer hüten sie daher wie ihren Augapfel.“

~g~) Inbezug auf Diesterwegs +religiösen+ Standpunkt ist eine doppelte
Periode zu unterscheiden. Bis 1840 war er rationalistisch gefärbt,
doch noch kein Gegner des positiven Christentums. Von da ab tritt er
leider immer feindlicher gegen den positiven Offenbarungsglauben auf,
neigt immer mehr zum Naturalismus und Materialismus hin. Daher auch
sein Ausspruch: „Außer der Natur kein Heil!“ und darum empfiehlt er
auch nicht die Religionslehre, sondern die Naturkunde als wichtigsten
Unterrichtsgegenstand.

=4. Seine Bedeutung.= Die pädagogische Bedeutung Diesterwegs liegt
nicht auf dem Gebiete der Erziehung (wo sein Einfluß ein geradezu
verderblicher war), sondern auf dem Gebiete des Unterrichts. Seine
Verdienste sind im wesentlichen folgende:

~a~) Er hat durch seine vorbildliche +Lehrtätigkeit+ auf den
Volksschullehrerstand mächtig eingewirkt.

~b~) Er hat vorzüglich zur besseren Ausgestaltung des +Seminarwesens+
beigetragen, indem er einesteils auf eine gründlichere wissenschaftliche
und andernteils auf eine praktische Durchbildung drang.

~c~) Er hat sich ein hohes Verdienst um die +Methode+ verschiedener
Unterrichtsfächer erworben, namentlich im +Deutschen+, im +Rechnen+,
in der mathematischen +Geographie+ und populären Himmelskunde und in
der +Raumlehre+.

~d~) Er war literarisch unablässig bemüht, die Lehrer mit
+Begeisterung+ für ihren Beruf zu erfüllen, und weckte in ihnen das
+Streben nach Fortbildung+ und Vervollkommnung.




=IV. Johann Friedrich Herbart= (1775–1841).


=1. Leben.= J. F. Herbart wurde in +Oldenburg+ als Sohn eines
Justizrates geboren. Er besuchte mit Auszeichnung das Gymnasium
seiner Vaterstadt und darauf die Universität +Jena+. Hier war er ein
begeisterter Schüler +Fichtes+ und kam auch mit Schiller in Berührung.

21 Jahre alt wurde Herbart Hauslehrer in +Interlaken+, bei dem
Schweizer Landvogt von Steiger. Seine drei Zöglinge waren nach Anlagen
und Temperament sehr verschieden; um so größer war sein Eifer,
diese Eigentümlichkeiten zu erforschen und seine Erziehung danach
einzurichten. Aus seinen Erziehungsberichten sehen wir, daß er schon
damals wichtige Hauptpunkte seiner späteren Lehre gewonnen hatte, so
die sittliche Persönlichkeit als +Erziehungsziel+, den Unterricht als
+Hauptmittel+ der Erziehung, die Mannigfaltigkeit des Interesses der
Schüler als +Hauptform+ ihrer geistigen Tätigkeit. Drei Jahre wirkte
Herbart erfolgreich im Steigerschen Hause. Im Jahre 1799 lernte er
auch Pestalozzi in Burgdorf kennen und verehren.

1802 wurde Herbart Universitätslehrer in +Göttingen+ und 1809
Nachfolger Kants in +Königsberg+. Hier gründete er ein pädagogisches
Seminar für Bewerber um das höhere Lehramt und übte als Schulrat
und Direktor der wissenschaftlichen Prüfungskommission auch eine
einflußreiche Verwaltungstätigkeit aus. 1833 kehrte Herbart
nach +Göttingen+ zurück. Der Andrang zu seinen Vorlesungen war
außerordentlich groß und blieb es bis zu seinem Tode (1841).

=2. Schriften.= Das Hauptwerk Herbarts ist die „+Allgemeine+
Pädagogik, aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet“ (1806). Dazu
kam später noch „+Umriß+ pädagogischer Vorlesungen“ (1835). Die
Professoren +Ziller+ in Leipzig und +Stoy+ in Jena haben die von
Herbart aufgestellten Theorien weiter entwickelt und in ihren
„Pädagogischen Seminarschulen“ zu verwirklichen gesucht.

=3. Pädagogisches System.= Als Fundament seiner Pädagogik gilt für
Herbart die +Sitten-+ und +Seelenlehre+. Auf diesen Grundpfeilern
ruhet sein Gebäude der +wissenschaftlichen Pädagogik+.

~a~) Die +Sittenlehre+.

Die Sittenlehre bilden folgende fünf Begriffe: 1. Der Begriff
der +inneren Freiheit+. (Wollen, Einsicht und Handeln müssen
übereinstimmen.) 2. Der Begriff der +Vollkommenheit+. (Das Wollen soll
kräftig, vielseitig und gleichartig sein, verbunden mit Gewandtheit,
Klarheit und Frische des Geistes.) 3. Der Begriff des +Wohlwollens+.
(Dieser besteht in der selbstlosen Teilnahme an Freude und Leid der
Mitmenschen.) 4. Der Begriff des +Rechtes+. (Man soll den Streit
vermeiden, Gegensätze ausgleichen und den Frieden lieben.) 5. Der
Begriff der +Vergeltung+. (Das absichtliche Eingreifen des einen
Menschen in die Verhältnisse des anderen soll vergolten werden durch
Lohn oder Strafe.) Diese auf unser Handeln sich beziehende Begriffe
werden +praktische Ideen+ genannt. Sie bilden zusammengenommen
das +höchste Ziel+ oder den Lebenszweck. Die Übereinstimmung des
gesamten Wollens mit der Gesamtheit der praktischen Ideen ergibt den
+sittlichen Charakter+.

Die +Religion+, Gottesglaube und Frömmigkeit umfassend, findet bei
Herbart nur nebenbei eine Stelle als +Stütze des Guten+.

~b~) Die +Seelenlehre+.

Die Seelenlehre (Psychologie) zeigt die Mittel und Wege zum
Erziehungsziele. Der Erzieher muß sie kennen, wie ein Arzt den
menschlichen Körper und dessen Lebensgesetze. Es sind keine
gesonderten Seelenvermögen (Erkenntnis-, Gefühls- und Willenskraft),
sondern nur +Vorstellungen+ vorhanden. Die Verbindung dieser
Vorstellungen verläuft wie ein +chemischer Prozeß+. Das Lernen ist
ein in der menschlichen Seele vor sich gehender +Perzeptions+- und
+Apperzeptions+prozeß. Perzeption ist die Aufnahme einer neuen
Vorstellung, Apperzeption die Verschmelzung der neuen mit den bereits
vorhandenen Vorstellungen.

Die Verbindung der Vorstellungen in Gruppen und Reihen (Assoziation)
und ihre Wiederhervorziehung (Reproduktion) geschieht nach bestimmten
Gesetzen. Aus den Vorstellungen entstehen, wiederum nach festen
Gesetzen, die Gefühle und Begehrungen (Willensaktionen).

Hohen Wert bei dem Lernprozeß hat die +Aufmerksamkeit+. Ist einer der
fünf Sinne ihr Träger, so haben wir die sinnliche, ist das Denken
der Träger, die geistige Aufmerksamkeit. Merkt man von selbst auf,
so ist vorhanden die unwillkürliche, merkt man mit Absicht auf, die
willkürliche Aufmerksamkeit.

~c~) Die +wissenschaftliche Pädagogik+.

Herbart gliedert seine wissenschaftliche Pädagogik in drei Teile: 1.
die Regierung, 2. den erziehenden Unterricht, 3. die Zucht.

1. Die +Regierung+. Unter „Regierung“ versteht Herbart die Leitung,
Führung und Gewöhnung schon bei kleinen Kindern. Sobald Vernunft und
Wille so weit gereift sind, daß der Zögling sich selbst regiert (d. h.
von selbst das Rechte tut), wird sie überflüssig. Die „Regierung“
soll den Tätigkeitstrieb durch Spiel und Arbeit befriedigen, die
nötige Aufsicht führen und durch Drohung und Strafe an Ordnung und
Sitte gewöhnen. Strafmittel sollen möglichst durch Ansehen und Liebe
entbehrlich gemacht werden. Der Strafvollzug geschieht rasch und kurz.
Die Strafen treffen vorzugsweise das Ehrgefühl (der Schüler tritt aus
der Bank, bleibt an der Türe stehen usw.).

2. Der +erziehende Unterricht+. Der erziehende Unterricht soll so auf
den Geist des Schülers einwirken, daß Gefühl und Wille in sittlicher
Beziehung sich ausgestalten und der ganze Mensch veredelt werde.
Darum sind die Vorstellungen planmäßig zu erzeugen, bis sie in dem
Zöglinge das +vielseitige Interesse+ erwecken. Das +Interesse+
(der Wissens- oder Vervollkommnungstrieb) ist ein Grundbegriff
der wissenschaftlichen Pädagogik Herbarts. Interesse ist die
innige Hingabe an die Gegenstände des Unterrichts, das andauernde
Weiterarbeiten, die Liebe zum Wahren, Guten und Schönen. (Vgl. Plato,
Diesterweg.)

Herbart unterscheidet zwei Arten von einfachen Interessen, nämlich
~a~) die der Erkenntnis und ~b~) die der Teilnahme.

  ~a~) Zu den Interessen der +Erkenntnis+ gehört zunächst die
  Wißbegierde oder das Streben, sich Kenntnisse zu erwerben, daher
  auch Interesse der Erfahrung oder +empirisches+ Interesse genannt.
  Das Nachdenken über den Zusammenhang der Dinge bildet das Interesse
  der Überlegung oder das +spekulative+ Interesse. Dazu kommt noch das
  +ästhetische+ Interesse, als Ausdruck des Urteils über Gefallen oder
  Mißfallen an Gegenständen und Handlungen.

  ~b~) Die Interessen der +Teilnahme+ beziehen sich entweder auf eine
  einzelne Person oder auf eine menschliche Vereinigung oder endlich
  auf Gott. Hiernach ist zu unterscheiden das +sympathetische+,
  +soziale+ und +religiöse+ Interesse. (Ein Anhänger Herbarts,
  Kannegießer, fügt hierzu noch das +praktische+ Interesse, d. i.
  die Betätigung des erwachenden geistigen Lebens des Kindes
  nach außen durch Helfen, Mitarbeiten usw.) Wenn nun alle diese
  genannten Interessen zugleich gepflegt werden, so entsteht das
  „gleichschwebende, vielseitige Interesse“.

Zum Zwecke der Interessenbildung soll der Lehrstoff für die einzelnen
Fächer in kleine, in sich abgerundete Stundenpensen eingeteilt werden,
in sogenannte +methodische Einheiten+.

Der Unterricht beginnt mit der +Zielangabe+. Die nun vorzunehmende
eigentliche Unterrichtsarbeit vollzieht sich in fünf
aufeinanderfolgenden Stufen, „+formale Stufen+“ genannt. 1. Stufe
der +Vorbereitung+. (Die in Beziehung zu dem Neuen stehenden älteren
Vorstellungen werden im Geiste des Schülers aufgesucht.) 2. Stufe der
+Darbietung+. (Das Neue wird, entsprechend dem Alter des Schülers
und der Art des Stoffes, dargeboten zur klaren Auffassung.) 3. Stufe
der +Verknüpfung+. (Der neue Stoff wird mit dem Bekannten und
Verwandten im Geiste zusammengestellt und verglichen.) 4. Stufe der
+Zusammenfassung+. (Die gewonnene Lehre wird in einem kurzen Satze zum
Ausdruck gebracht.) 5. Stufe der +Anwendung+. (Das Gelernte muß der
Mensch auch verwenden und gebrauchen können. Die Regeln des Rechnens,
die Gesetze der Sprache werden durch zahlreiche Aufgaben aus dem Leben
zum unverlierbaren Eigentum gemacht.) Mit diesen fünf Stufen schließt
die Lehrarbeit ab.

  Zu erwähnen ist noch die +Konzentration+ des Unterrichts, d. h. die
  Verbindung der verschiedenen Gedankenkreise oder die Hervorhebung
  der zwischen den einzelnen Stoffen vorhandenen Beziehungen. Wer
  z. B. zeigt, daß die Entdeckung Amerikas erst durch die Erfindung
  des Kompasses möglich wurde, der konzentriert Weltgeschichte und
  Naturlehre.

3. Die +Zucht+. Die Zucht ist eine Ergänzung des Unterrichts, sie
begleitet ihn und hilft ihm die Vorstellungen in Taten umsetzen.
Mittel: ~a~) +Verhütung+ der Gemütserregungen und Überwindung der
Leidenschaften; Anleitung zur Ruhe und zu besonnenem Urteil. ~b~)
+Erhaltung+ und Befestigung des Guten, welches als Keim von Natur im
Zöglinge liegt. Zurückdrängung des Bösen beim Kinde, Pflege seiner
Individualität. Das eigene, bessere Selbst des Schülers soll sich
entfalten, sich seiner eigensten Natur gemäß entwickeln. ~c~) Die
+Erziehungsstrafen+ sollen die natürlichen Folgen schlimmer Handlungen
nachahmen. Die Strafen erscheinen als gutgemeinte Warnungen und dürfen
nicht dauernden Widerwillen gegen den Erzieher erregen. Sittlich
schwache und kranke Schüler werden weder belohnt noch bestraft.

„+Der Unterricht bildet den Gedankenkreis, die Erziehung den
Charakter; das letzte ist nicht ohne das erste -- darin besteht die
Hauptsumme meiner Pädagogik.+“ (Herbart.)


Schüler Herbarts.


=~a.~ Ziller= (1817–1882).

An Herbart haben sich zahlreiche Pädagogen angeschlossen, unter denen
als die namhaftesten hervorzuheben sind: Waitz, Stoy, Ziller, Kern
und Dörpfeld. Den größten Einfluß auf die Schulwelt gewann Ziller,
Professor der Philosophie und Pädagogik in Leipzig.

1. Ziller hat zunächst den Herbartschen +Konzentrationsgedanken+
weiter entwickelt und bis zu der Forderung verschärft, es müsse der
„+Gesinnungsunterricht+“ (im 1. Schuljahre eine Anzahl Märchen,
im 2. Schuljahre der ‚Robinson‘, in den folgenden Schuljahren die
Bibl. Geschichte) als das beherrschende Zentrum den gesamten übrigen
Unterricht durchdringen und nach sich bestimmen. Wenn also z. B.
in dem Gesinnungsunterricht das Märchen „von dem +Wolf+ und den
sieben +Geißlein+“ behandelt wird, so soll in dem nebenlaufenden
Sachunterricht Wolf und Ziege beschrieben, im Zeichenunterricht Wolf
und Ziege gezeichnet, im Rechenunterricht mit der Zahl 8 (1 alte und
7 junge Ziegen) gerechnet werden. Bei der Behandlung des „+Robinson+“
bieten zahlreiche Gegenstände Stoffe für das Zeichnen, zu Robinsons
Abschied gehört der Gesang: „Lieb Heimatland, Ade!“, zu Robinsons
Genesung: „Mein erst Gefühl sei Preis und Dank!“, für das Rechnen
ergibt sich die Aufgabe: Wieviel Stunden sind es von hier nach Bremen,
wo Robinsons Eltern wohnten? (Diese Konzentrationsidee Zillers nimmt
den Unterrichtsfächern ihre selbständige Stellung und ihren besonderen
Lehrgang, führt zur Zersplitterung und Künstelei; der Gesinnungs-
oder Kernstoff selbst aber wird in die Breite gezogen und muß sein
ursprüngliches Interesse bald verlieren.)

  2. Herbart hatte den Gedanken angedeutet, daß die geistigen
  Entwicklungsstufen des Kindes im großen und ganzen den Entwicklungs-
  und Kulturstufen der ganzen Menschheit entsprechen. Diesen Gedanken
  baute Ziller aus zu der Theorie von +den kulturhistorischen Stufen
  des Unterrichts+. Danach soll im 1. Schuljahr als Gesinnungsstoff
  das Märchen gewählt werden, entsprechend dem Anfangsstadium der
  Menschheit, wo der Mensch noch mit kindlicher Phantasie seine
  Umgebung auffaßte. Im 2. Schuljahr soll als Gesinnungsstoff
  Robinson behandelt werden, wie ja auf der folgenden Stufe der
  Menschheitsentwicklung der Mensch mit einiger Intelligenz die
  nächsten Naturhindernisse überwand. Unter ähnlicher Begründung soll
  im 3. Schuljahr die Geschichte der Patriarchen und die deutsche
  Heldenzeit, im 4. die Zeit der Richter und der deutschen Könige, im
  5. die der jüdischen Könige, die Zeit der Kreuzzüge, Barbarossa und
  Rudolf von Habsburg, im 6. das Leben Jesu, im 7. die Geschichte der
  Apostel, im 8. die Reformation, die französische Revolution und die
  Gründung des Deutschen Reiches behandelt werden.


~b.~ Beneke, Lotze, Willmann.

  1. Friedrich +Beneke+ (Professor in Berlin, † 1854) hält fest an
  der Auffassung Herbarts, daß die Erziehungslehre sich auf die
  Seelenlehre gründen müsse. Er weicht aber von Herbart darin ab, daß
  er die Seele nicht als ein einfaches Wesen ansieht, sondern als
  ein „+System von Kräften+ oder sinnlichen Urvermögen“, die durch
  Reize und Eindrücke der Außenwelt sich fortbilden und als Gebilde
  (Vorstellungen, Gefühle usw.) fortleben.

  2. Hermann +Lotze+ (Professor in Berlin, † 1881) hält mit Herbart
  daran fest, daß die Seele eine einfache, immaterielle Substanz
  sei. Er unterscheidet sich von Herbart in folgenden Punkten: 1.
  Er erkennt der Seele verschiedene +Anlagen+ zu. Vorstellungen,
  Gefühle, Begehrungen sind so grundverschiedener Art, daß die einen
  aus den anderen nicht abgeleitet werden können. 2. Er betont den
  Wert des +Gefühls+ für das Seelenleben. Das Gefühl sei das Organ
  der Wertschätzung und damit die Quelle alles Interesses. 3. Er hält
  an der +Wahlfreiheit+ fest. Die Entscheidung des Willens ist nicht
  durch die Macht der Motive bedingt; der Beweggrund, dem wir folgen,
  erhält erst durch die freie Zustimmung des Willens seine treibende
  Kraft.

  3. Otto +Willmann+ wird als der bedeutendste Schüler Herbarts
  bezeichnet. Er ist geboren am 24. April 1839 zu Lissa, der
  Stadt des Comenius, als Sohn eines Kreisgerichtsdirektors. Als
  Universitätsprofessor in Prag schrieb er seine „Pädagogischen
  Vorträge“ und „Die Didaktik als Bildungslehre“. In letzterem Werke
  greift er auf die Aristotelische +Dreiteilung+ der Seelenvermögen
  „Wahrnehmen, Denken und Wollen“ zurück und gesellt dem Herbartschen
  „Interesse (der Erkenntnis und der Teilnahme)“ den Drang nach
  +Gestaltung+ und die +Hingabe+ hinzu. Im Herbst 1906 erfolgte in
  Salzburg der Zusammenschluß seiner Anhänger zu einem Verein für
  christliche Erziehungswissenschaft unter dem Namen „Willmannbund“.




V. Die Entwicklung des preußischen Volksschulwesens seit dem Beginn des
19. Jahrhunderts.


=1. Unter Friedrich Wilhelm III.= (1797–1840).


~A.~ Von 1797–1817.

1. Schon im +Anfang+ seiner Regierung bekundete der König eine große
Sorge für das Schulwesen seines Landes.

  Bei der Huldigung in Königsberg i. J. 1797 setzte er 33000 Taler zur
  Verbesserung der Landschulen aus.

  In der Kabinettsordre von 1798 ermahnt er die Behörden, für
  Erziehung und Unterricht der Bürger- und Bauernkinder zu sorgen.

  Im Jahre 1801 erließ er das Schulreglement für die niederen
  katholischen Schulen in Schlesien. In diesem wurde das Reglement
  von 1765 erweitert. Insbesondere wurde den Geistlichen die Pflicht
  auferlegt, vor Eintritt in den geistlichen Stand sich ihre
  pädagogische Ausbildung durch den Besuch eines Lehrerseminars zu
  erwerben; sodann dem Fürstbischof von Breslau anheimgegeben, zu
  Schulinspektoren nicht nur Erzpriester zu nehmen, sondern auch
  andere Geistliche des Fürstbistums, „muntere, tätige, in der
  Pädagogik erfahrene Männer“.

2. Im weiteren +Verlauf+ seiner Regierung mußte auch die Reform des
Unterrichts und der Schulverwaltung ins Auge gefaßt werden.

~a~) Der Minister v. Voß legte dem König einen Entwurf vor, wonach
die Schule nach Pestalozzischem Muster eingerichtet werden könnte.
Der König zögerte indes; er hielt es noch für zu früh, daß die
Regierung selbst Schritte zur Einführung der Pestalozzischen Methode
tun sollte. Doch genehmigte er, daß +Plamann+ 1804 eine solche
Erziehungsanstalt in Berlin gründete (welche 1821–1827 auch von
Bismarck besucht wurde)[10]. Als dann aber die Jahre schwerer Trübsal
(1806 und 1807) hereinbrachen, da konnte man sich der Einsicht nicht
mehr verschließen, daß eine Stärkung der Volkskraft durch Hebung der
Volksbildung, eine Reform nach Pestalozzis Grundsätzen notwendig sei.
Der König selbst erklärte: „Zwar haben wir an Flächenraum verloren,
zwar ist der Staat an äußerer Macht und an äußerem Glanze gesunken,
aber wir wollen und müssen dafür sorgen, daß wir an innerer Macht und
an innerem Glanze gewinnen. Deshalb ist es mein fester Wille, daß
dem Volksunterrichte die größte Aufmerksamkeit gewidmet werde.“ Es
wurden nunmehr von der Regierung +Schulmänner+ (Kawerau, Rendschmidt)
zu Pestalozzi gesandt, damit sie dessen Methode kennen lernten;
andere Männer (der Geograph Karl Ritter, der Pädagoge Georg v.
Raumer) eilten aus eigenem Antriebe nach Iferten: alle aber kehrten
voll Begeisterung für die „Erziehungsschule“ in ihre Heimat zurück
und bildeten in Preußen eine selbständige Pestalozzische Schule,
die Preußisch-Pestalozzische Schule. Sodann berief die Regierung
bedeutende Pädagogen der Pestalozzischen Richtung in einflußreiche
+Stellungen+ (Natorp nach Potsdam, Harnisch nach Breslau, Dinter
nach Königsberg), errichtete eine Anzahl neuer +Lehrerseminare+ (so
Braunsberg, Graudenz, Büren) und reorganisierte ältere Seminare (u. a.
Breslau, Magdeburg, Weißenfels).

~b~) Aber auch die Reform der +Schulverwaltung+ wurde durch
die politischen Verhältnisse herbeigeführt. Nachdem 1808 die
Gutsuntertänigkeit aufgehoben und die Städteordnung eingeführt
war, wurden 1811 die städtischen +Schuldeputationen+ und 1812 die
+Schulvorstände+ auf dem Lande errichtet. Dann traten 1808 an
Stelle der früheren Kriegs- und Domänenkammern die +Königlichen
Regierungen+ als neue Behörde ins Leben, denen das gesamte niedere
Schulwesen unterstellt wurde. In demselben Jahre wurde auch das
Oberschulkollegium (seit 1787 bestehend) aufgehoben und die Verwaltung
des Unterrichts dem Ministerium des +Innern+ zugeteilt.


~B.~ Das Ministerium Altenstein, 1817–1840.

Nachdem der Minister des Innern 9 Jahre lang die Unterrichtsverwaltung
geführt, errichtete der König 1817 ein besonderes Fachministerium
für dieselbe, +das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinalangelegenheiten+. An die Spitze desselben berief er den
Freiherrn v. Altenstein, das Dezernat für das Volksschulwesen und die
Seminare führten unter ihm der Reihe nach: Süvern[11], v. Beckedorf,
Dreist und Kortüm.

Im Jahre 1822 wurde das „Akademische Institut für +Kirchenmusik+“
gegründet und die erste Königliche +Blindenanstalt+ eröffnet. Auch
wurde das +Taubstummenwesen+ dadurch wesentlich gefördert, daß der
König eine namhafte Summe aussetzte zur Ausbildung von Seminaristen
in der Methode des Taubstummenunterrichts.

Um dem immer noch mangelhaften Schulbesuche[12] und der übermäßig
harten Zucht zu steuern, erließ der König die Kabinettsordre vom 14.
Mai 1825 über „+die Schulpflicht und Schulzucht+“. Durch dieselbe
wurden die bezüglichen Vorschriften des „Allgemeinen Landrechts“ auch
auf diejenigen Landesteile ausgedehnt, in welchen dieses Gesetz bisher
nicht eingeführt war.

§ 1. „Eltern oder deren gesetzliche Vertreter sollen
erforderlichenfalls durch +Zwangsmittel+ und Strafen angehalten
werden, jedes Kind nach zurückgelegtem 5. Jahre zur Schule zu
schicken.“

§ 4. „Die körperliche Züchtigung darf niemals bis zur +Mißhandlung+
ausgedehnt werden, die der Gesundheit des Kindes auch nur auf
entfernte Art schädlich werden kann.“

Am 31. Dezember 1825 erließ der König eine weitere Kabinettsordre,
wodurch er die Konsistorien in den Provinzen von der Verwaltung
des höheren Schulwesens entband und eine neue Behörde, die
+Provinzial-Schulkollegien+, schuf. Diesen wurde die Aufsicht und
Leitung der höheren Schulen und der Seminare einer Provinz übertragen,
während die Verwaltung des niederen Schulwesens den Königlichen
Regierungen für ihre Bezirke verblieb.

Am 1. Juli 1826 bestimmte der Minister, daß an allen Seminaren
der Monarchie +Entlassungsprüfungen+ zu halten seien. Der
Entlassungsprüfung sollte nach 3 Jahren eine zweite Prüfung folgen
behufs Erlangung der endgültigen Anstellung. Auch wurde die
Fortbildung der Lehrer durch Informationsreisen und Teilnahme an
Lehrkursen angeregt.

So gelangte das Volksschulwesen unter Altensteins 23jähriger
Verwaltung zu einer verhältnismäßig hohen +Blüte+, und der
französische Minister Cousin, welcher 1835 Preußen bereiste und auch
dessen Schulen kennen lernte, konnte an die französische Regierung
berichten: „Preußen ist das klassische Land der Kasernen und der
Schulen; der Schulen, um das Volk zu erziehen, der Kasernen, um es
zu verteidigen. Schulpflicht und Dienstpflicht, diese beiden Worte
bezeichnen das ganze Preußen, das ganze Geheimnis seiner Macht und
die Bürgschaft seiner Zukunft.“ Bei Altensteins Tode hatte Preußen 38
Lehrerseminare und gegen 30000 Volksschulen.


=2. Unter Friedrich Wilhelm IV.= (1840–1861).

Schon unter dem Ministerium Altenstein fehlte es nicht an Stimmen,
welche mit der neuen Pestalozzischen Schule unzufrieden waren.
Insbesondere tadelte man, daß sie 1. in dem Streben nach höheren
Bildungszielen nur oberflächlicher +Vielwisserei+ diene, und 2.
dem religiösen +Rationalismus+ huldige, wodurch die Grundlage der
Frömmigkeit untergraben werde. Diese Pestalozzi feindliche Richtung
erstarkte mehr und mehr und gewann unter Friedrich Wilhelm IV. die
Oberhand. Die Volksschule sollte nunmehr auf ein Maß von Kenntnissen
sich +beschränken+, das den wirklichen Bedürfnissen des Lebens
angepaßt wäre, und in der Pflege echter +Frömmigkeit+ und nationaler
Gesinnung ihr Ziel haben. Zur Durchführung dieses Grundsatzes berief
der König nach Altensteins Tode den Minister ~Dr.~ Eichhorn.


~A.~ Das Ministerium Eichhorn, 1840–1848.

Der Minister ~Dr.~ Eichhorn bestimmte durch den +Erlaß+ von 1841,
daß in den Seminaren und in der Volksschule der Unterricht auf das
praktisch notwendige Maß zu beschränken sei. In den Landschulen
sollte die Sprachlehre an den Leseunterricht angeknüpft werden.
Für Geschichte, Erdkunde und Naturkunde durften keine besonderen
Stunden angesetzt werden; die Lehrer sollten sich auf die Lektüre
und Erklärung dessen beschränken, was in dem Lesebuche mitgeteilt
werde. Gestattet wurde 1842 in den Seminaren der Unterricht im
Gartenbau, in der Volksschule der Unterricht im Turnen und in den
weiblichen Handarbeiten. Auf Grund dieses Min.-Erl. entwarf nun
der Ministerialrat Ferdinand Stiehl (1844–1872) im Jahre 1845 eine
„+Schulordnung für die Elementarschulen der Provinz Preußen+“.

  Diese Schulordnung handelt:

  1. von dem +Besuche+ der Schulen überhaupt (Schulpflicht, Dauer des
  Schulunterrichts, Schulversäumnisse und deren Bestrafung);

  2. von der Berufung, dem +Amte+, der Besoldung und Entlassung der
  Lehrer;

  3. von der +Aufsicht+ über die Elementarschulen;

  4. von der +Unterhaltung+ der Elementarschulen.

  (Die inneren Angelegenheiten der Schule, Lehrfächer, Lehrbücher,
  Methode, Stundenzahl, Ferien usw. werden nicht berührt. Auch wird
  der Zeitpunkt der Inkrafttretung der Bestimmungen nicht angegeben,
  daher sind dieselben erst 1848 gesetzlich eingeführt.)

Nach dem Muster dieser Schulordnung sollten auch für die sieben
anderen Provinzen[13], mit Berücksichtigung ihrer besonderen
Verhältnisse, Schulordnungen erlassen werden. Sie waren bereits den
einzelnen Landtagen vorgelegt, aber die Märzstürme des Jahres 1848
verhinderten deren Abschluß. Der Minister Eichhorn legte infolgedessen
sein Amt nieder.

  Auf Eichhorn folgte +Graf v. Schwerin+ (März bis Juni 1848).
  Derselbe berief die Kreis- und Provinzialkonferenzen der Lehrer zur
  Beratung der brennendsten Unterrichtsfragen. An diesen nahmen teil:
  Lehrer der Volksschulen, der Gymnasien und der Universitäten. Die
  Wünsche und Gutachten der Konferenzmitglieder gingen dann an das
  Ministerium, welches dieselben im Jahre 1849 in einer Konferenz von
  Seminardirektoren und Seminarlehrern (15. bis 29. Januar) beraten
  ließ. Stiehl führte den Vorsitz, die Eröffnungsrede hielt König
  Friedrich Wilhelm IV. Auf Schwerin folgte +Rodbertus+ (9 Tage im
  Juni 1848) und dann v. +Ladenberg+.


~B.~ Das Ministerium Ladenberg, 1848–1850.

Unter dem Minister v. Ladenberg kam die noch heute in Preußen geltende
sogenannte revidierte +Verfassungsurkunde+ vom 31. Januar 1850
zustande, in welcher auch das Schulwesen berücksichtigt wird. Die das
Schulwesen betreffenden Artikel der Verfassungsurkunde sind folgende:

  Art. 20. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist +frei+.

  Art. 21. Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen
  genügend +gesorgt+ werden. Eltern und deren Stellvertreter dürfen
  ihre Kinder oder Pflegebefohlenen nicht ohne den Unterricht lassen,
  welcher für die öffentlichen Volksschulen vorgeschrieben ist.

  Art. 22. Unterricht zu erteilen und Unterrichtsanstalten zu
  gründen und zu leiten steht jedem frei, wenn er seine sittliche,
  wissenschaftliche und technische +Befähigung+ den betreffenden
  Staatsbehörden nachgewiesen hat.

  Art. 23. Alle öffentlichen und privaten Unterrichts- und
  Erziehungsanstalten stehen unter der +Aufsicht+ vom Staate ernannter
  Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte und Pflichten der
  +Staatsdiener+.

  Art. 24. Bei der Einrichtung der öffentlichen Volksschulen sind die
  +konfessionellen+ Verhältnisse möglichst zu berücksichtigen. Den
  religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die betreffenden
  Religionsgesellschaften. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten
  der Volksschule steht der Gemeinde zu. Der Staat stellt, unter
  gesetzlich geordneter Beteiligung der Gemeinden, aus der Zahl der
  Befähigten die Lehrer der öffentlichen Volksschulen an.

  Art. 25. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der
  öffentlichen Volksschule werden von den +Gemeinden+ und im Falle des
  nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staate aufgebracht.
  Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen
  Dritter bleiben bestehen. Der Staat gewährleistet demnach den
  Volksschullehrern ein festes, den Lokalverhältnissen angemessenes
  Einkommen. In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht
  unentgeltlich erteilt.

  Art. 26. Ein +besonderes+ Gesetz regelt das ganze Unterrichtswesen.

  Art. 112. Bis zum Erlaß des im Artikel 26 vorgesehenen Gesetzes
  bewendet es hinsichtlich des Schul- und Unterrichtswesens bei den
  +jetzt+ geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

Der Minister v. Ladenberg wollte nun das in Artikel 26 verheißene
Gesetz zustandebringen und ließ einen ausführlichen +Entwurf+, der
das gesamte Schulwesen umfaßte, ausarbeiten. Er unterbreitete diesen
Entwurf den Provinzial- und den kirchlichen Behörden zur Begutachtung.
Doch bevor noch diese Gutachten alle eingegangen waren, legte er sein
Amt nieder.


~C.~ Das Ministerium Raumer, 1850–1858.

Der Minister Otto v. Raumer erklärte im Abgeordnetenhause, daß er
nicht imstande sei, ein allgemeines Unterrichtsgesetz vorzulegen,
und sich darauf beschränken müsse, auf dem Verwaltungswege das
Seminar- und Volksschulwesen einheitlich zu regeln. Zu dem Zwecke
erließ er die +drei Regulative vom+ 1., 2. +und+ 3. +Oktober+ 1854
über die Einrichtung des evangelischen Seminar-, Präparanden- und
Elementarunterrichts, die von dem Geheimen Ober-Regierungsrat Ferd.
Stiehl ausgearbeitet waren.

  Die Vorschriften über den Seminarunterricht +schließen+ sich an
  die Beschlüsse, welche in der Konferenz der Seminardirektoren und
  Seminarlehrer i. J. 1849 gefaßt waren; die Bestimmungen über den
  Präparandenunterricht lehnen sich an die bestehenden Verhältnisse
  an, und die Verordnungen für die Volksschule nehmen (namentlich
  inbezug auf den Unterrichtsbetrieb, Lehrfächer, Methode usw.) die
  Bestimmungen des Generallandschulreglements v. J. 1763 wieder auf.

  Die Regulative gaben der Volksschule und der Lehrerbildung ein
  bestimmtes, erreichbares Ziel, eine +einheitliche+ Grundlage
  und Richtschnur. In erziehlicher und methodischer Hinsicht
  +betonen+ sie: 1. die materielle Seite der Ausbildung, gegenüber
  der bloß formalen Bildung; 2. die Pflege des Gemütes, gegenüber
  der Verstandesbildung; 3. das positive Christentum und den
  konfessionellen Charakter der Volksschule, im Gegensatz zum
  Rationalismus; 4. die Beschränkung auf das praktisch Notwendige,
  gegenüber der Vielwisserei.

  Im einzelnen sind folgende +Vorzüge+ der Regulative hervorzuheben.
  ~a~) Für die Seminare: Festlegung des dreijährigen Seminarkursus,
  die Scheidung zwischen theoretischer und Fachbildung, das
  Verbot des Hefteschreibens nach Diktat und die Durchführung der
  Verbindung einer Übungsschule mit dem Seminar. ~b~) Für die
  Volksschule: Beschränkung der Schülerzahl der einklassigen Schule
  auf 80 Kinder, das Einrücken des Lesebuchs in den Mittelpunkt des
  Deutschunterrichts, das Verbot der Buchstabiermethode und die
  Bevorzugung des mündlichen Rechnens.

  Dagegen +tadelten+ die Gegner mit Recht an den Regulativen, daß
  sie 1. die Unterrichtsziele zu sehr herabminderten, namentlich
  die des Seminars durch Ausschließung der klassischen Literatur;
  2. den Religionsunterricht durch die Fülle von Memorierstoffen
  veräußerlichten und seiner erziehlichen Wirkung beraubten; 3. auf
  die katholischen Seminare und Schulen keine Rücksicht nähmen.

Die Kämpfe für und gegen die Regulative erreichten ihren Höhepunkt
unter dem folgenden Kultusminister v. Bethmann-Hollweg.


~D.~ Ministerium Bethmann-Hollweg, 1858–1862.

Der Minister v. Bethmann-Hollweg sah sich genötigt, die schroffsten
Seiten der Regulative durch Ferd. Stiehl selbst +mildern+ zu lassen.

  Die Verfügung vom 19. Nov. 1859 gestattet allgemein, daß im
  Oberkursus des Seminars die Verhältnisrechnung vorgenommen wird,
  ebenso das Rechnen mit Dezimalen und das Wurzelausziehen,
  während dies früher verboten war und nur ausnahmsweise von der
  Provinzialbehörde gestattet werden konnte.

  Die Verfügung vom 16. Febr. 1861 läßt Werke wie „Hermann und
  Dorothea“, „Wilhelm Tell“ für den Seminarunterricht zu und schließt
  nur solche Dichtungen aus, die wie „Tasso“ und „Iphigenie“
  klassische Studien erfordern. Auch wurde in den Lehrplan für den
  Oberkursus des Seminars je 1 Stunde Geographie, Naturbeschreibung
  und Zeichnen wieder aufgenommen.


=3. Unter Wilhelm I.= (1861–1888).

Unter seiner Regierung leitete das Schulwesen anfangs noch der Minister
v. Bethmann-Hollweg. Derselbe legte aber 1862 sein Amt nieder, als der
von ihm eingereichte Schulgesetzentwurf vom Abgeordnetenhause abgelehnt
worden war.


~A.~ Das Ministerium Mühler, 1862–1872.

  Der Minister Heinrich v. Mühler hielt an den Regulativen fest und
  betonte besonders die +Konfessionalität+ der Volksschule.

  Unter den Lehrfächern wandte er seine besondere Aufmerksamkeit
  dem +Turnunterricht+ zu, dessen obligatorische Einführung er 1862
  anordnete und für den er 1868 einen Neuen Leitfaden vorschrieb.

  Als das Volksschulwesen inzwischen über die Ziele der Regulative
  hinausgewachsen war und die Anforderungen an die Schule durch
  die Erwerbung von neuen Provinzen sich steigerten, versuchte der
  Minister die +weitere Förderung+ der Schule auf dem Wege der
  Einzelgesetzgebung. Nachdem dieser Plan gescheitert, legte er 1869
  dem Abgeordnetenhause ein allgemeines Unterrichtsgesetz vor, das
  aber das Schicksal der (3) früheren Entwürfe teilte und nicht zur
  Verabschiedung kam.


~B.~ Das Ministerium Falk, 1872–1879.

1. Der Minister Dr. Adalbert Falk begann die Reform des
Volksschulwesens damit, daß er das +Schulaufsichtsgesetz+ vom 11.
März 1872 zustandebrachte. Dasselbe bestimmt in seinen einzelnen
Paragraphen:

  § 1. Unter Aufhebung aller in den einzelnen Landesteilen
  entgegenstehenden Bestimmungen steht die Aufsicht über alle
  öffentlichen und privaten Unterrichts- und Erziehungsanstalten dem
  Staate zu. Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betrauten
  Behörden und Beamten im Auftrage des Staates.

  § 2. Die Ernennung der Lokal- und Kreis-Schulinspektoren und die
  Abgrenzung ihrer Aufsichtsbezirke gebührt dem Staate allein. Der
  vom Staate den Inspektoren der Volksschule erteilte Auftrag ist,
  sofern sie dies Amt als Neben- oder Ehrenamt verwalten, jederzeit
  widerruflich. Alle entgegenstehenden Bestimmungen sind aufgehoben.

  § 3. Unberührt durch dieses Gesetz bleibt die den Gemeinden und
  deren Organen zustehende Teilnahme an der Schulaufsicht, sowie der
  Artikel 24 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.

Nach diesem Gesetze wird die Schulaufsicht im Auftrage des Staates
durch Inspektoren teils im Neben-, teils im Hauptamt ausgeübt.

2. Einen weiteren Schritt zur Reform des Volksschulwesens unternahm
der Minister durch Aufhebung der Regulative, an deren Stelle er die
„+Allgemeinen Bestimmungen+ vom 15. Oktober 1872“ setzte. Dieselben
waren zuvor in einer Konferenz von namhaften Schulmännern (den
Ministerialräten: Stiehl, Stieve und Wätzoldt, dem Regierungs- und
Schulrat Kellner sowie den Seminardirektoren Fix und Schorn und dem
Lehrer Dörpfeld) beraten und von dem Seminardirektor ~Dr.~ Schneider
in Berlin verfaßt.

In den „Allg. Best.“ tritt den Regulativen gegenüber ein doppelter
+Fortschritt+ hervor: 1. äußerlich in ihrem Gang und Umfang, 2.
innerlich in didaktisch-methodischer Hinsicht.

  1. +Äußerlich.+ ~a~) Sie gehen nicht wie die Regulative vom
  Seminarwesen, sondern von der Volksschule aus, um eine sichere
  Grundlage für den weiteren Aufbau zu gewinnen; sie bauen also das
  Schulwesen in richtiger Weise von unten nach oben aus, und nicht
  umgekehrt. ~b~) Sie setzen nicht nur für die evangelischen, sondern
  auch für die katholischen Schulen, also für die Volksschule in
  ihrer Gesamtheit die didaktischen Richtlinien fest und beziehen
  sich dabei nicht nur auf die einklassige Schule, sondern auf alle
  Einrichtungen der preußischen Volksschule.

  2. +Innerlich.+ ~a~) Für die Volksschule erweitern sie den Lehrstoff
  durch die Realien und die Raumlehre, beschränken den religiösen
  Memorierstoff und vermehren die Zahl der Unterrichtsstunden.
  Auch geben sie für die einzelnen Unterrichtsfächer Lehrziele und
  Lehrverfahren klar und bestimmt an und betonen in erziehlicher
  Hinsicht mehr das nationale Moment. ~b~) Die Präparandenbildung wird
  gefördert, insbesondere durch Schaffung eigener Anstalten. ~c~)
  Die Lehrziele des Seminars werden durch Hinzunahme der Geschichte
  der Pädagogik und der Nationalliteratur erhöht. Dadurch wurde den
  Lehrern eine zeitgemäße, ihrem Stande entsprechendere Bildung
  ermöglicht. Ein reges Streben nach Weiterbildung wurde bei den
  Lehrern noch dadurch hervorgerufen, daß die neuen Prüfungsordnungen
  für Mittelschullehrer und Rektoren den Lehrern auch ein Anrecht auf
  die Schulleitung zugestehen.

Doch wurden auch einige +Bedenken+ gegen die „Allg. Best.“ erhoben.
Die für den Religionsunterricht angesetzte Stundenzahl sei zu gering;
die große Stofffülle gefährde die erziehliche Aufgabe der Schule
und das selbständige Können; die Forderung, daß in dem Schullokal
Riegel für Kleider und Mützen angebracht sein müssen, schädige die
Gesundheit. Nach dieser Richtung hin wurden die „Allg. Best.“ später
durch andere Verfügungen ergänzt und berichtigt.

Der Verfasser der „Allg. Best.“ wurde vom Minister an Stelle des
Geheimrats Stiehl ins Ministerium berufen. Fortan erfuhr das
Volksschulwesen eine weitere kräftige +Förderung+: viele neue
Schulen und Seminare wurden gegründet, die Lehrergehälter und
Witwenpensionen aufgebessert, im Jahre 1874 erschien das Impfgesetz
und wurde die Prüfungsordnung für Lehrerinnen und Schulvorsteherinnen
erlassen. Der Entwurf eines allgemeinen Schulgesetzes ist indes dem
Abgeordnetenhause nicht vorgelegt worden.


~C.~ Das Ministerium Puttkamer, 1879–1881.

Der Minister v. Puttkamer ließ im ganzen und großen die Anordnungen
seines Vorgängers bestehen, betonte aber mehr den +konfessionellen+
Charakter der Volksschule und beschränkte die Simultanschulen, deren
Zahl unter Falk von 60 auf 442 gestiegen war.

Weiterhin ordnete er durch Erlaß vom 21. Januar 1880 einheitlich die
+Rechtschreibung+ für die Schulen und erließ eine Prüfungsordnung für
Vorsteher an Taubstummenanstalten.

Seine Verordnung über die Lehrerkonferenzen an den Seminaren wurde
unter dem Ministerium Bosse wieder aufgehoben.


~D.~ Das Ministerium Goßler, 1881–1891.

Auch der Minister v. Goßler hielt fest an der Grundlage der „Allg.
Best.“ von 1872 und sorgte für den weiteren Ausbau der Volksschule
teils durch Verordnungen, teils durch Gesetze.

1. Die Verordnungen betrafen: ~a~) Einzelne +Lehrfächer+. Jugend- und
Turnspiele wurden warm empfohlen, der Zeichenunterricht in den Schulen
mit 3 und mehr aufsteigenden Klassen eingeführt, dem Religions- und
Geschichtsunterricht soziale Aufgaben zugewiesen. ~b~) Die höhere
+Mädchenschule+. Durch den Normallehrplan von 1886 hat der Minister
diese Schule von den anderen zuerst abgegrenzt. ~c~) Die Pflege der
+Gesundheit+. Bei ansteckenden Krankheiten sollte unbedingt die
Schließung der Schulen eintreten.

2. Die Gesetze, welche dem Minister zu verdanken sind, betreffen: ~a~)
Die +Pensionierung+ der Lehrer. Die Pensionsansprüche steigen bei
den Lehrern in derselben Weise wie bei den Staatsbeamten. ~b~) Die
Erleichterung der +Volksschullasten+. Das Schulgeld wird aufgehoben,
der Staat zahlt den Gemeinden Beiträge von 500, 300, 150 und 100 Mark.
~c~) Die Fürsorge für die +Waisen+ der Lehrer. Die Vollwaisen erhalten
84 Mark, die Halbwaisen 50 Mark Staatsunterstützung pro Jahr.


=4. Unter Friedrich III.= (9. März–15. Juni 1888).

Schon als Kronprinz bekundete Kaiser Friedrich ein lebhaftes Interesse
für alles, was die Schule betraf. Auf seinem Gute in Bornstedt bei
Potsdam besuchte er häufig die +Schule+ und errichtete dort ein
+Kinderheim+, das in Bau und Einrichtung als Muster für solche
Anstalten gelten kann.

Seine Gemahlin förderte in hervorragender Weise das deutsche
+Kunsthandwerk+: kunstgewerbliche Schulen wurden errichtet,
kunstgewerbliche Ausstellungen veranstaltet, ein Kunstgewerbemuseum
erbaut. Sodann sorgte sie für eine bessere Ausbildung der +weiblichen
Personen+: das Heimathaus für Töchter höherer Stände sowie der
„Lette-Verein“ (der die Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen
Geschlechtes bezweckt) verdanken der Kaiserin Friedrich ihre
Entstehung.


=5. Unter Wilhelm II.=, seit 15. Juni 1888.

Kaiser Wilhelm II. hat es sich als Lebensaufgabe gesetzt, das ererbte
Ansehen des Deutschen Reiches nach außen wie nach innen zu heben.
Als ein Hauptmittel dazu sieht er eine möglichst zweckentsprechende,
gesunde Volksbildung an. Daher hat er gleich in seinen ersten
Regierungsmaßnahmen kräftige Anregung gegeben, das Schulwesen weiter
auszugestalten.

  In seinem +Erlaß+ vom 1. Mai 1889 sagt er: „Schon längere Zeit
  hat mich der Gedanke beschäftigt, die Schule in ihren einzelnen
  Abstufungen nutzbar zu machen, um der Ausbreitung +sozialistischer+
  und kommunistischer Ideen entgegenzuwirken. In erster Linie wird
  die Schule durch Pflege der +Gottesfurcht+ und der Liebe zum
  +Vaterlande+ die Grundlage für eine gesunde Auffassung auch der
  staatlichen und gesetzlichen Verhältnisse zu legen haben.“

  In der +Konferenz+, die zur Beratung der neuen Ordnung im
  Dezember 1900 nach Berlin einberufen war, richtete er an die dort
  versammelten Schulmänner besondere pädagogische Ansprachen, in
  denen er seine Gedanken über Aufgabe und Ziel der höheren Schulen
  zum Ausdruck brachte. Aber auch dem niederen Schulwesen gegenüber
  bekundete der Kaiser sein hohes Interesse, so daß Volksschule
  und Lehrerbildung unter seiner Regierung manche Fortschritte zu
  verzeichnen haben.


~A.~ Das Ministerium Zedlitz, 1891–1892.

Der Minister Graf von Zedlitz-Trützschler veröffentlichte durch Erlaß
vom 6. Januar 1892 die neuen Lehrpläne und Prüfungsordnungen für
die +höheren Schulen+ (Gymnasien, Realgymnasien, Oberrealschulen;
Progymnasien, Realprogymnasien, Realschulen, Reformschulen nach
Frankfurter System), wodurch die bisherigen vom Jahre 1882 aufgehoben
wurden.

Auch das +Volksschulwesen+ wollte der Minister durch ein eigenes
Gesetz grundsätzlich regeln, aber der Entwurf zu diesem Gesetze mußte
noch während der Beratung im Abgeordnetenhause zurückgezogen werden.
Dieser Umstand veranlaßte ihn, sein Amt im März 1892 niederzulegen.

  (Vgl. die Entwürfe von Süvern, Ladenberg, Bethmann-Hollweg, Mühler,
  Falk und Goßler.)


~B.~ Das Ministerium Bosse, 1892–1899.

Der Minister ~Dr.~ Bosse wandte seine Fürsorge sowohl der Entwicklung
des +inneren+ Lebens der Schule zu, als auch der Förderung der
+äußeren+ Lage der Lehrer.

1. Im Jahre 1894 erschienen mehrere Bestimmungen, welche das
+Mädchenschulwesen+ betreffen. (So wird u. a. angeordnet, daß der
Unterricht in den weiblichen Handarbeiten auf die Arbeiten beschränkt
werden soll, die für das häusliche Leben unentbehrlich sind. Der
Handfertigkeits- und Haushaltungsunterricht wird anerkannt, doch darf
die Volksschule durch solche Bestrebungen in ihren Bildungszielen
keine Einbuße erleiden.) Im Jahre 1895 ließ der Minister einen neuen
+Turnleitfaden+ erscheinen und betonte die Jugend- und Volksspiele. Im
Jahre 1896 richtete er in Berlin wissenschaftliche +Fortbildungskurse+
für Lehrer ein, welche pädagogische, geschichtliche, wirtschaftliche
und hygienische Vorträge umfassen.

2. Durch den Min.-Erl. von 1896 wurde den staatlichen Seminaren das
Recht zuerkannt, Zeugnisse über die wissenschaftliche Befähigung für
den +einjährig-freiwilligen Militärdienst+ auszustellen. Im Jahre
1897 erschien das +Lehrerbesoldungsgesetz+. Als Grundgehalt wird
festgesetzt für Lehrer 900 Mk., für Lehrerinnen 700 Mk., das neben
freier Dienstwohnung oder Mietsentschädigung durch 9 Alterszulagen
von je 100 Mk. für Lehrer und 80 Mk. für Lehrerinnen vom achten
Dienstjahre an steigend bis zum 31. Dienstjahre sich verdoppelt. In
dem Erlaß vom Jahre 1898 erklärt der Minister es für erwünscht, daß in
den +Schulvorstand+ auch ein Lehrer gewählt werde.


=~C.~ Das Ministerium Studt=, seit =1899=.

Der Minister ~Dr.~ v. Studt hat die Reform der höheren Schulen
weitergeführt, indem er die drei höheren Lehranstalten grundsätzlich
als gleichwertig anerkannte. Dann aber hat er auch die Entwicklung des
Volksschulwesens in mannigfaltiger Weise gefördert.

1. Er wandte zunächst der Förderung einzelner +Lehrfächer+ seine
besondere Aufmerksamkeit zu.

  Er bestimmt im Erlaß vom 6. Mai 1901, daß im +Religionsunterricht+
  größere Rücksicht auf den Standpunkt Andersgläubiger genommen
  werde, auch bei den Unterscheidungslehren; überhaupt müsse mehr
  betont werden, was die Konfessionen eint als was sie trennt. Im
  Erlaß vom 28. Februar 1903 wird den Regierungen eine eingehende
  Prüfung der +Lesebücher+ vorgeschrieben, und von Ostern 1903 an
  wurde eine neue Rechtschreibung für die Schulen und den amtlichen
  Verkehr eingeführt. Für den +Zeichenunterricht+ wurde ein neuer
  Lehrplan vorgeschrieben und der +Pensenplan+ der Volksschule in
  bemerkenswerter Weise ergänzt. („Auch auf die Bekämpfung der
  Trunksucht, Gesundheitspflege, Nahrungsmittellehre, Tierschutz,
  Rechnungen des kaufmännischen Verkehrs und dazu gehörige Formulare,
  Einrichtung des Staates, Reichsversicherungswesen, Heer, Flotte,
  Kolonien u. dgl. ist gebührend Rücksicht zu nehmen“.)

2. Weiterhin betont er die Pflege der +Gesundheit+ und die Sorge
für die sittlich gefährdeten Kinder, sowie für die Hinterbliebenen der
Lehrer.

  Der Minister weist hin auf die hohe hygienische Bedeutung der
  Jugend- und Volksspiele, fordert Badeeinrichtungen bei Neubauten
  von Schulhäusern und ordnet die Beaufsichtigung der Schulen
  durch +Kreisärzte+ an (1901). Das Züchtigungsrecht wird weiter
  geregelt durch Einführung eines +Strafverzeichnisses+, in welches
  jede vollzogene Züchtigung nebst einer kurzen Begründung der
  Notwendigkeit sofort nach der Unterrichtsstunde einzutragen ist
  (1900). Das Gesetz über die +Fürsorgeerziehung+ Minderjähriger trat
  am 2. Juli 1900, das +Reliktengesetz+ am 1. April 1900 in Kraft.
  Die Ausbildung der Seminaristen und der Lehrer zur freiwilligen
  Krankenpflege im Kriege (sog. „+Samariterkurse+“) werden durch Erlaß
  von 1901 empfohlen.

3. Auch das +Prüfungswesen+ ist unter ihm in mannigfacher Weise
ausgebildet.

  Durch Min.-Erl. vom 15. Juni 1900 wurde „die +Wissenschaftliche
  Prüfung der Lehrerinnen+“ (Oberlehrerinnenprüfung) eingeführt
  und eine ausführliche Ordnung für dieselbe erlassen. Am 11.
  Januar 1902 erschien eine Prüfungsordnung für Lehrerinnen der
  +Hauswirtschaftskunde+, am 31. Januar 1902 die neue Prüfungsordnung
  für +Zeichenlehrer+ und Zeichenlehrerinnen. Am +1. Juli 1901+
  veröffentlichte der Minister neue +Bestimmungen+, betreffend
  +das Präparanden- und Seminarwesen, sowie die Prüfungen der
  Volksschullehrer, der Lehrer an Mittelschulen und der Rektoren+.
  Dieselben stellen einen bemerkenswerten Fortschritt in der
  Entwicklung des Lehrerbildungswesens dar. Im Aufbau auf die
  Volksschule werden die Lehraufgaben der Präparandenanstalt
  einheitlich festgesetzt, und der Lehrplan des Seminars ist wiederum
  mit dem der Präparandenanstalt in organischen Zusammenhang
  gebracht. Außerdem sind die Ziele der Lehrerbildung erhöht, der
  fremdsprachliche Unterricht ist für beide Anstalten obligatorisch
  gemacht und eine Trennung der allgemeinen von der Berufsbildung in
  den Seminaren herbeigeführt.

Sechs Minister vor ihm hatten sich vergebens bemüht, ein allgemeines
Schulgesetz zustandezubringen. Minister ~Dr.~ v. Studt hat dieses
Ziel wenigstens zum Teil erreicht: am 28. Juli 1906 wurde seine
Vorlage betreffend „die +Schulunterhaltungspflicht+“ zum Gesetz
erhoben.


  [10] Bedeutende Lehrer an dieser Anstalt waren u. a. Jahn, Friesen
      und Harnisch.

  [11] Staatsrat +Süvern+ verfaßte 1817 einen Entwurf zu einem
      allgemeinen Schulgesetze, der sich aber als nicht durchführbar
      erwies.

  [12] Im Regierungsbezirk +Aachen+ besuchten im Jahre 1824 von 66000
      schulpflichtigen Kindern +38000+ gar keine Schule.

  [13] Mit Ausnahme von Pommern; dort hatte schon Altenstein 1831
      ähnliche Bestimmungen erlassen.




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  Beobachtung der Regeln ausgeführten stilistischen Erläuterungen
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  erfreulicheres und bildenderes Geschenk machen, als dieses Buch,
  das als eine +sehr verdienstvolle Arbeit+ sehr geeignet ist, zum
  tieferen Verständnis von Webers herrlichem Epos beizutragen.

[Illustration]



*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK GRUNDZÜGE DER GESCHICHTE DER PÄDAGOGIK ***


    

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or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our website which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org.

This website includes information about Project Gutenberg™,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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