Der Weltkrieg, III. Band

By Karl Helfferich

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Title: Der Weltkrieg, III. Band
       Vom Eingreifen Amerikas bis zum Zusammenbruch

Author: Karl Helfferich

Release Date: May 25, 2016 [EBook #52159]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WELTKRIEG, III. BAND ***




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                              Der Weltkrieg

                                   von

                             Karl Helfferich

                                III. Band


                         Vom Eingreifen Amerikas
                          bis zum Zusammenbruch


                             [Illustration]

                                  1919

                   Verlegt bei Ullstein & Co in Berlin


  =Alle Rechte=, insbesondere das Recht der Übersetzung, =vorbehalten=.

        =Amerikanisches Copyright 1919 by Ullstein & Co, Berlin=

                    *       *       *       *       *




                                 Inhalt


  Vorwort                                                              11

  Vom U-Bootkrieg bis zur Friedensresolution des   Reichstags      15-135

   =Der U-Bootkrieg und die Neutralen=                              17-22
      Erklärung des Kriegszustandes mit Deutschland durch den
      amerikanischen Kongreß 17, 18. Druck auf die Neutralen 19,
      20. Kriegserklärungen Chinas, Siams und amerikanischer
      Staaten 21, 22.

   =Die russische Revolution=                                       23-27
      Das revolutionäre Rußland zwischen Krieg und Frieden 23,
      24. Erklärung der russischen Regierung 25. Umbildung des
      Kabinetts 26. Neue russische Offensive 27.

   =Der Fortgang der militärischen Operationen=                     28-30
      Offensivtätigkeit der Feinde im Westen 28, in Italien,
      Mazedonien, Palästina 29 und im Osten 30.

   =Der U-Bootkrieg im ersten Halbjahr= 1917                        30-43
      Aussichten des uneingeschränkten U-Bootkriegs 30-34. Die
      ersten Ergebnisse 35, 37. Englische Gegenmaßnahmen 38-39.
      Die Hilfe Amerikas 40, 41. Englands Bedrängnis 42.
      Enttäuschung 43.

   =Unser Verhältnis zu Österreich-Ungarn=                          44-74

   =Die Stellung Deutschlands und Österreich-Ungarns zum Krieg=     44-49
      Czernin über Österreich-Ungarns Beitritt zum U-Bootkrieg
      44, 45. Der Krieg ein »österreichisch-ungarischer
      Verteidigungskrieg für Deutschland« 46. Hilfsbedürftigkeit
      Österreich-Ungarns auf militärischem, wirtschaftlichem und
      finanziellem Gebiet 47, 48.

   =Die polnische Frage=                                            49-58
      Stellung der Polen in Österreich 49, 50. Österreichs
      polnische Wünsche 51, 52. Proklamation eines selbständigen
      Königreichs Polen 53, 54. Österreichische Absichten auf
      Angliederung 55, 56. Deutschlands entgegengesetzte
      Interessen 57, 58.

   =Die Bestrebungen auf wirtschaftliche Annäherung zwischen
    Deutschland und Österreich-Ungarn=                              58-60
      Naumanns »Mitteleuropa« 58. Schwierigkeiten der
      handelspolitischen Einigung 59. Verhandlungen 60.

   =Die österreichisch-ungarischen Friedensbestrebungen=            61-74
      Kriegsmüdigkeit Österreich-Ungarns 61. Handschreiben Kaiser
      Karls an Kaiser Wilhelm und Immediatbericht des Grafen
      Czernin 62-64. Brief Kaiser Karls an den Prinzen Sixtus von
      Parma 65-67. Erwiderung des Reichskanzlers auf den Bericht
      Czernins 68-73.

   =Die innere Lage=                                               74-102

   =Der Verfall des Burgfriedens=                                   74-85
      Politische Forderungen der Sozialdemokratie 75. Änderung
      des Vereinsgesetzes 76-78. Der Streit um die Kriegsziele
      79, 80. Ablehnung des Budgets durch die Sozialdemokratie
      81-84.

   =Innerpolitische Wünsche und Forderungen=                        85-92
      Schwierige Lage der Regierung 85-87. Milderung des
      Belagerungszustandes 88-90. Die »Neuorientierung« 91, 92.

   =Die Gestaltung der innerpolitischen Lage unter Einwirkung der
    russischen Revolution=                                         93-102
      Die Frage der innerpolitischen Reformen 93-95. Das
      preußische Wahlrecht 96, 97. Die Osterbotschaft des Kaisers
      98, 99. Forderung der Parlamentarisierung 100-102.

   =Die Julikrisis=                                               102-136
      Sozialdemokratische Angriffe im Hauptausschuß 103 bis 109.
      Vorstoß Erzbergers und Abwehr 110-113. Motive Erzbergers
      114, 115. Die Frage des gleichen Wahlrechts für Preußen
      116, 117. Kronrat vom 9. Juli 118, 119. »Reichsrat« 120.
      Das gleiche Wahlrecht durch königliche Order gesichert 121,
      122. Friedensresolution und Kanzlerkrisis 123-126.
      Hindenburg und Ludendorff gegen das Verbleiben Bethmanns
      127. Bethmanns Rücktritt, Michaelis Nachfolger 128-131. Die
      Friedensresolution vorzeitig veröffentlicht 132.
      Verhandlungen mit den Parteien 133. Antrittsrede des neuen
      Kanzlers 134, 135. Ergebnis der Krisis 135, 136.


  Die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis                           137-241

   =Die Friedensresolution des Reichstags und ihre Wirkungen=     139-153
      Wortlaut der Resolution und Wirkung auf unsere Feinde 139,
      140. Besprechungen des Prinzen Sixtus von Parma in Paris
      und London 141-144. Anzeichen aufkeimender Friedensneigung
      bei den Westmächten 145-147. Umschwung infolge der
      Erzberger-Aktion und der Julikrisis 148-151.
      Ergebnislosigkeit der Sozialistenkonferenz in Stockholm
      152, 153.

   =Die Bildung der Regierung des Herrn Michaelis=                153-161
      Mangelnde politische Erfahrung des neuen Kanzlers 153-155.
      Wechsel in den Reichsämtern 156-159. Kaiser und Reichstag
      160, 161.

   =Die militärische und politische Entwicklung unter der
    Kanzlerschaft Michaelis=                                      162-181
      Besprechungen mit Czernin 162, 163. Rundschreiben des
      Papstes vom 1. August 1917 164-167. Stellung des Kanzlers
      erschüttert 168. Siebenerkommission 169, 170. Kronrat über
      die belgische Frage 171, 172. Englands Friedensfühler ein
      Mißverständnis 172. Die Antwort auf die Papstnote 172-174.
      Wirkungen der Papstnote bei der Entente 175-177. Czernins
      Friedensprogramm 178. Kühlmann zur elsaß-lothringischen
      Frage 179. Tätigkeit an den Fronten 180, 181.

   =Die zweite Kanzlerkrisis=                                     181-202
      Die Vaterlandspartei 182, 183. Interpellationen im
      Reichstag gegen alldeutsche Propaganda 184-191. Agitation
      der Unabhängigen Sozialdemokraten in der Marine,
      Verschwörung unter den Mannschaften der Hochseeflotte
      192-195. Der Kanzler gegen die unabhängige
      sozialdemokratische Partei 196, 197. Die bürgerlichen
      Mittelparteien und Mehrheitssozialisten gegen den Kanzler
      198-202.

   =Von Michaelis zu Graf Hertling=                               202-216
      Die Mehrheitsparteien für das Mitbestimmungsrecht bei
      Ernennung eines neuen Kanzlers 202-206. Unhaltbarkeit der
      Stellung des Kanzlers Michaelis 207-209. Kandidatur des
      Grafen Hertling 210, 211. Mein Rücktrittsanerbieten 212,
      213. Ernennung des Grafen Hertling zum Reichskanzler
      214-216.

   =Die »Parlamentarisierung«=                                    217-234
      Fortdauer der Krisis 217, 218.
      Parlamentarisierungsforderungen 219-223. Der Posten des
      Vizekanzlers 224-226. Mein Entlassungsgesuch genehmigt 227.
      Von Payer Stellvertreter des Reichskanzlers 228. Der
      Übergang zum parlamentarischen Regime 229-233.

   =Die Anfänge des Grafen Hertling=                              234-241
      Stellung der Parteien zum neuen Kanzler 234-237. Tätigkeit
      an den Fronten 238, 239. Russisches
      Waffenstillstandsangebot 240, 241.


  Der Ost-Friede                                                  243-351

   =Der Waffenstillstand von Brest-Litowsk=                       245-252
      Funksprüche 245-248. Russische Forderungen 249.
      »Waffenruhe« 249, 250. Der Waffenstillstandsvertrag
      unterzeichnet 251, 252.

   =Die Vorbereitungen für die Friedensverhandlungen=             252-260
      Vorbereitung der wirtschaftlichen Verhandlungen 252 bis
      256. Die politischen und territorialen Fragen 257.
      Dualismus unserer Vertretung in Brest 258-260.

   =Die erste Phase der Brester Friedensverhandlungen=            260-272
      Eröffnungsansprache Kühlmanns 261, 262. Das Programm
      Czernins 263-266. Eingreifen der Obersten Heeresleitung
      267. Das Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten 268,
      269. Rußland gegen die deutsche Formulierung 270. Verlegung
      der Verhandlungen nach Stockholm abgelehnt 271, 272.

   =Die zweite Phase der Brester Friedensverhandlungen=           272-278
      Anerkennung der ukrainischen Delegation 272, 273.
      Diskussion Trotzki-Kühlmann 274, 275. Eingreifen des
      Generals Hoffmann 275, 276. Neue Vorschläge Deutschlands
      276, 278.

   =Spannung zwischen der politischen Leitung und der
    Heeresleitung=                                                278-280
      Meine Unterredungen mit dem deutschen Kronprinzen und
      General Ludendorff 279, 280.

   =Der Friedensvertrag mit der Ukraine=                          281-286
      Die Wünsche der Ukraine 281, 282. Die ostgalizische Frage
      283. Trotzki gegen einen Sonderfrieden der Ukraine 284,
      285. Unterzeichnung des Friedensvertrages 286.

   =Die letzte Phase der Brester Friedensverhandlungen=           286-297
      Rußland erklärt den Kriegszustand für beendet 287. Stellung
      der Verbündeten zu dieser Erklärung 288, 289. Kronrat in
      Homburg 290. Wiederaufnahme der Kriegshandlungen 290-292.
      Unterzeichnung der Verträge ohne Verhandlungen 293, 294.
      Bolschewistische Propaganda 295-297.

   =Der Friede von Bukarest=                                      298-316
      Haltung der rumänischen Regierung 298, 299.
      Österreichisch-ungarische Sonderinitiative 300-302.
      Interessenkonflikte der Vierverbandmächte 302-306. Die
      wirtschaftlichen Forderungen 307-309.
      Meinungsverschiedenheiten zwischen politischer Leitung und
      Oberster Heeresleitung 310-314. Unterzeichnung des
      rumänischen Friedensvertrages 315, 316.

   =Ergebnis und Folgen der östlichen Friedensschlüsse=           316-351
      Die Bestimmungen der Friedensverträge 317-319. Zerfall des
      russischen Reiches 320-324. Die Frage der Randstaaten
      325-331. Finnland, Ukraine 332, 333. Anschlußbestrebungen
      des Baltenlandes 334-338. Ein unabhängiges Litauen 339,
      340. Die polnische Frage 341, 342. Die Verhältnisse in der
      Ukraine 343-345. Finnland 345, 346. Kaukasusgebiete
      346-348. Unbefriedigende wirtschaftliche Ergebnisse
      349-351.


  Die Entscheidung                                                353-572

   =Diplomatisches Zwischenspiel=      355-396
      Brief Lansdownes 355, 356. Botschaft Wilsons vom 5.
      Dezember 1917 357-360. Dezemberreden Lloyd Georges 360,
      361. Die Entente gegen Friedensverhandlungen 362, 363.
      Lloyd George über die Kriegsziele 364, 365. Wilsons
      vierzehn Friedensprogrammpunkte 366-371. Für Deutschland
      unannehmbar 372. Rede Balfours 373, 374. Schwierigkeiten
      und Gegensätze bei den Alliierten 376-378. Czernins
      Erwiderung auf Wilson 378, 379. Graf Hertling über das
      Programm Wilsons 380-384. Note des Obersten Kriegsrates der
      Entente 385. Rede Wilsons vom 11. Februar 1918 386-389.
      Erklärung Hertlings 390. Rede Balfours 391. Neuer
      Verhandlungsversuch Czernins gescheitert 392, 393.
      Schiffsraumnot der Alliierten 394. Englische Vergewaltigung
      Hollands 395, 396.

   =Die große Offensive=                                          397-416
      Vorstoß auf Amiens 397, 398. Vorstoß an der Lys 399, 400.
      Zäher Widerstand der Feinde 400, 401. Hilfeleistung
      Amerikas 401-403. Energische Kriegsmaßnahmen in England und
      Frankreich 404, 405. Deutsche Offensive vom Damenweg bis
      zur Marne 406-408. Besorgnis in Paris 409. Eingreifen der
      amerikanischen Truppen 410, 411. Mißglückte österreichische
      Offensive am Piave 412, 413. Fortschreitende Paralysierung
      der Wirkungen des U-Bootkriegs 414-416.

   =Neue innere Krisen=                                           417-435
      Aussichtslosigkeit der rein militärischen Beendigung des
      Krieges 417, 418. Mangelnde militärisch-politische
      Zusammenarbeit 419, 420. Rede Kühlmanns vom 24. Juli 1918
      421-424. Wirkungen der Rede 424-427. Kühlmanns Abschied
      428. Zuspitzung der inneren Lage 428, 429. Das preußische
      Landtagswahlrecht 429. Opposition der Konservativen und
      eines Teiles der Nationalliberalen 430. Die
      Sozialdemokraten gegen den Etat 431-433. Von Hintze
      Staatssekretär des Auswärtigen 434, 435.

   =Der Wendepunkt=                                               436-441
      Neue Offensive an der Marne und beiderseits Reims 436, 437.
      Feindliche Gegenangriffe 438, 439. Erzwungener Rückzug 440,
      441.

   =Meine Moskauer Mission=                                       442-493
      Graf Mirbach, diplomatischer Vertreter in Moskau 442, 443.
      Die Lage in Sowjetrußland 444-446. Graf Mirbach ermordet
      446, 447. Meine Ernennung zu seinem Nachfolger 448-450.
      Zusatzverträge zum Brester Vertrage 451-453. Die Frage der
      Lostrennung Estlands und Livlands 454, 455. Bedrohte Lage
      der deutschen Vertretung 456-458. Meine Ankunft in Moskau
      459 bis 462. Erste Unterredung mit Tschitscherin 463, 464.
      Äußere und innere Krisis in Sowjetrußland 465-467.
      Bolschewikiherrschaft 468 bis 472. Indirekte Unterstützung
      der Bolschewisten durch Deutschland 473. Zwiespältigkeit
      der deutschen Ostpolitik 474-479. Meinungsverschiedenheit
      mit Berlin 480, 481. Ermordung Generalfeldmarschalls von
      Eichhorn 482. Geplante Anschläge auf die deutsche Mission
      483-485. Verlegung der deutschen Mission 486. Meine Abreise
      487, 488. Die Zusatzverträge gegen meinen Einspruch
      paraphiert 489, 490. Mein Rücktritt 491-493.

   =Der Zusammenbruch=                                            493-572

   =Unser Verhältnis zu Sowjetrußland und unseren Bundesgenossen= 493-499
      Konsolidierung der Bolschewikiherrschaft 493, 494. Joffes
      Tätigkeit in Berlin 495. Ratifikation der Brester
      Zusatzverträge 496. Mißstimmung bei unseren Bundesgenossen
      497, 498.

   =Die Entscheidungskämpfe im Westen=                            499-508
      Unsere militärische Lage 499-501. Weitere
      Rückzugsbewegungen 502, 503. Durchbrechung der
      Siegfriedstellung 504, 505. Neue Frontverkürzung erzwungen
      506-508.

   =Der Zusammenbruch Bulgariens und der Türkei=                  509-512
      Durchbruch der Alliierten zwischen Doiransee und Monastir
      509. Waffenstillstandsgesuch Bulgariens 510. Niederlage der
      Türken in Palästina 511 und in Mesopotamien 512.

   =Der österreichisch-ungarische Friedensschritt=                512-517
      Note Graf Burians an die Kriegführenden 512-514. Wirkung in
      Berlin 515, 516. Ablehnung bei den Feinden 516, 517.

   =Kritische Zuspitzung in Berlin=                               517-522
      Anklagen der Mehrheitsparteien gegen die Regierung 517-519.
      Ein »Systemwechsel« gefordert 520-522.

   =Die Lage im Großen Hauptquartier=                             522-527
      Kritische Zuspitzung 523. Notwendigkeit politischer
      Schritte 524. Die Oberste Heeresleitung für
      Waffenstillstandsverhandlungen 525-526. Rücktritt des
      Grafen Hertling 527.

   =Das Reichskabinett des Prinzen Max von Baden=                 527-533
      Prinz Max von Baden Reichskanzler 528, 529. Die
      Demokratisierung der Regierung 530, 531. Das Programm der
      neuen Regierung 532, 533.

   =Das Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden=                 533-541
      Die Verhandlungen über das Waffenstillstandsersuchen
      534-536. Note des Prinzen Max an Wilson 537-540.

   =Der Notenwechsel mit Wilson=                                  541-552
      Wilsons Forderungen präzisieren und steigern sich 541-544.
      Meine Stellung zu den Bedingungen 545. Die deutsche
      Antwortnote vom 20. Oktober, Einstellung des U-Bootkriegs
      546, 547. Wilson endlich zur Einleitung von
      Waffenstillstandsverhandlungen bereit 548. Deutschland
      sieht Vorschlägen entgegen 549. Abreise der
      Bevollmächtigten 551.

   =Die Kapitulation unserer Verbündeten=                         552-555
      Auflösung Österreich-Ungarns 552, 553. Waffenstillstand
      zwischen Österreich-Ungarn und den Alliierten 554.
      Kapitulation Bulgariens und der Türkei 555.

   =Das Ende=                                                     556-573
      Demokratische Reform 556, 557. Die Revolution im Anmarsch
      557, 558. Wirkung der Friedenspropaganda 559-561. Erlaß des
      Kaisers vom 28. Oktober 562, 563. Abdankung des Kaisers
      gefordert 563. Revolution in Kiel 564, in München und
      andern Städten 565, in Berlin 565-568. Kampfloser Sieg der
      Revolution 569. Der Waffenstillstand 569-571.
      Schlußbetrachtung 572, 573.


  Nachtrag

    Graf Czernins Geheimbericht und Erzbergers Aktion im
    Reichstag                                                     575-594


  Zeittafeln                                                      597-636

  Personenverzeichnis                                             637-646

  Sachverzeichnis                                                 647-658

                *       *       *       *       *




                             Vorwort


Mit diesem Bande führe ich meine Darstellung des Weltkrieges zu Ende: bis
zur Revolution und zum Abschluß des Waffenstillstandes.

In den Vorgängen, die das Buch schildert, liegt das Schicksal unseres
deutschen Vaterlandes umschlossen. Im Niederschreiben habe ich alles noch
einmal durchlebt, was in den beiden letzten Kriegsjahren mein ganzes Sein
ausgefüllt und mich in allem Denken und Fühlen tiefer ergriffen hat, als
das schwerste persönliche Schicksal den Menschen ergreifen kann.

Es ist die größte Tragödie der Völkergeschichte. Sie hat unser Volk aus
verzweifeltem Ringen zu aufatmendem Hoffen geführt, sie hat ihm das
Wunder der Selbstbehauptung gegen die Übermacht einer ganzen Welt zum
Greifen nahe gebracht, sie hat unser Volk schließlich aus der Gipfelnähe
des Sieges in den tiefsten Abgrund von Not und Schmach gestürzt.

Ich habe diese Tragödie geschrieben, wie ich sie erlebt habe. Mein
einziges Streben bei der Darstellung war, durch mein Zeugnis dem
deutschen Volke zu helfen, Klarheit über das ungeheure Geschehen zu
gewinnen, das wie ein furchtbares Naturereignis betäubend und
sinnverwirrend über das lebende Geschlecht niedergegangen ist. Was ich in
der Vorrede zum ersten Bande als meinen Leitsatz aufgestellt habe, ist
mein Leitsatz geblieben: der aufrichtige Wille zur Wahrheit. Zwar bin ich
mir darüber klar, daß der Einzelne, auch wenn er den Dingen noch so nahe
gestanden hat, heute nur ein Teilbild der gewaltigen Vorgänge zu geben
und nur eine subjektive Wahrheit zu erreichen vermag. Aber ich will
zufrieden sein, wenn es mir gelingen sollte, in dieser Begrenzung die
Erkenntnis der Ursachen und der inneren Zusammenhänge der großen
Völkertragödie zu fördern und damit der Gesundung unseres armen deutschen
Volkes zu dienen.

                *       *       *       *       *

Der vorliegende Band war abgeschlossen und bereits gesetzt, als die in
der Sitzung der Nationalversammlung vom 25. Juli 1919 vorgebrachten
»Enthüllungen« über das angebliche englische Friedensangebot vom Herbst
1917 den Anlaß zu einer eingehenden Erörterung der Vorgänge jener Zeit
gaben. Es war nicht mehr möglich, meine sehr kurze Darstellung jener
Vorgänge auf den Seiten 170 bis 172 so zu erweitern, wie es auf Grund der
jetzt veröffentlichten Aktenstücke und stattgehabten Diskussionen
erwünscht gewesen wäre. Ich gebe deshalb eine ausführlichere Darstellung
jener Episode in einem diesem Bande beigefügten Nachtrag.

Dagegen hat das von der Reichsregierung der Nationalversammlung am 31.
Juli 1919 vorgelegte Weißbuch über die Vorgänge zwischen dem 14. August
1918 und dem Abschluß des Waffenstillstandes meine Darstellung in allen
wesentlichen Punkten bestätigt und mir keinen Anlaß zu nennenswerten
Änderungen oder Ergänzungen gegeben.

    Berlin, im August 1919
                                                        =Karl Helfferich=

                *       *       *       *       *




   =Vom U-Bootkrieg bis zur Friedensresolution des Reichstags=

                Der U-Bootkrieg und die Neutralen


Mit dem Scheitern der Friedensbemühungen und der Erklärung des
uneingeschränkten U-Bootkriegs ist der Völkerkrieg in ein neues Stadium
eingetreten. Der Anschluß der Vereinigten Staaten an unsere Feinde, der
für eine Anzahl überseeischer Neutraler ein Vorbild zu gleichem Tun war,
hat den Krieg eigentlich erst zum »Weltkrieg« gemacht.

Wilson beantwortete die Mitteilung über die Eröffnung des
uneingeschränkten U-Bootkriegs nicht sofort mit einer Kriegserklärung;
dazu wäre er nach der Verfassung der Vereinigten Staaten ohne Zustimmung
des Kongresses nicht berechtigt gewesen. Er antwortete zunächst nur mit
dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Am 3. Februar 1917 machte er
in einer Botschaft dem Kongreß von diesem Schritt Mitteilung. Er fügte
hinzu, daß er sich bis zum Beweis des Gegenteils weigere, zu glauben, daß
Deutschland seine Ankündigung, die mit seinen in der Note vom 4. Mai 1916
gegebenen feierlichen Versprechungen in Widerspruch stehe, tatsächlich
wahr machen werde; sollte er sich darin irren, so werde er »den Kongreß
um die Ermächtigung ersuchen, die Mittel anwenden zu können, die
notwendig sind, um unsere Seeleute und Bürger bei der Verfolgung ihrer
friedlichen und legitimen Unternehmungen auf dem offenen Meer zu
schützen«.

Am 26. Februar richtete Wilson an den Kongreß eine Botschaft, die sich
auf den Boden der »bewaffneten Neutralität« stellte und die Bestätigung
seiner Vollmachten zur Bewaffnung der amerikanischen Handelsschiffe und
zur Inanspruchnahme der erforderlichen Kredite nachsuchte. In einer
weiteren Botschaft vom 3. April 1917 erklärte er die »bewaffnete
Neutralität« für »mehr als unnütz«. Es entspreche der gewöhnlichen
Klugheit, die deutschen U-Boote zu zerstören, ehe sie die Absicht eines
Angriffs erkennen ließen; zudem leugne die deutsche Regierung das Recht
der Neutralen, in der Sperrzone überhaupt Waffen anzuwenden, um die
Rechte zu verteidigen, die kein moderner Jurist jemals bestritten habe.
Er schlug vor, der Kongreß möge beschließen, »den Kriegszustand
anzunehmen«, der Amerika von Deutschland auferlegt sei, und sofort alle
Maßnahmen zu ergreifen, nicht nur um das Land in vollen
Verteidigungszustand zu setzen, sondern auch um Deutschland die
Bedingungen zur Beendigung des Krieges aufzuerlegen.

Die Erklärung des Kriegszustandes mit Deutschland wurde am 4. April vom
Senat mit 82 gegen 6, am 5. April vom Repräsentantenhaus mit 374 gegen
80 Stimmen beschlossen. Mit ähnlich starken Mehrheiten wurde am 29. April
von beiden Häusern des Kongresses ein Gesetz angenommen, das die
allgemeine Wehrpflicht einführte. Gleichzeitig wurde ein Kriegskredit von
7 Milliarden Dollar bewilligt, aus dem sowohl die eigenen Kriegsausgaben
gedeckt, wie auch die Alliierten finanziell unterstützt werden sollten.
Niemand konnte mehr im Zweifel sein, daß die Vereinigten Staaten ihre
volle Kraft aufbieten würden, um der Koalition unserer Feinde zu helfen,
uns niederzuzwingen.

So erfüllten sich die Befürchtungen derjenigen, die von der Eröffnung des
uneingeschränkten U-Bootkriegs nicht nur den Abbruch der diplomatischen
Beziehungen, sondern auch den Krieg mit Amerika, nicht nur eine
Unterstützung der Entente mit Geld und Waffen, sondern auch das Einsetzen
der ganzen amerikanischen Volkskraft erwartet hatten.

Aber Herr Wilson ging noch weiter: er machte den Versuch, die ganze
bisher noch neutrale Welt gegen die Mittelmächte mobil zu machen.

Schon in seiner Botschaft vom 3. Februar 1917 hatte er verkündet, er
nähme als ausgemacht an, daß alle neutralen Regierungen denselben Weg
einschlagen würden wie die Vereinigten Staaten. Alsbald nach dem Abbruch
der Beziehungen wandte sich die amerikanische Regierung an die
Regierungen der neutralen Länder mit der Aufforderung, sich ihrem
Vorgehen anzuschließen. Die europäischen Neutralen beschränkten sich
jedoch darauf, unmittelbar bei der deutschen Regierung gegen den
uneingeschränkten U-Bootkrieg Einspruch zu erheben, ohne weitere
Konsequenzen zu ziehen. Am meisten gefährdet erschienen unsere
Beziehungen zu Spanien; es gelang jedoch durch einige nicht unerhebliche
Zugeständnisse, auch dieses Land so weit zu beschwichtigen, daß ein Bruch
vermieden wurde.

Die Aufforderung der Vereinigten Staaten zu einem gemeinsamen Vorgehen
wurde am schärfsten von der schwedischen Regierung zurückgewiesen. Sie
erinnerte die Regierung in Washington daran, daß sie, die schwedische
Regierung, mehrfach Vorschläge zu einem Zusammenarbeiten der Neutralen
zwecks Aufrechterhaltung des Völkerrechts gemacht habe (Vorschläge, die
in der Hauptsache gegen die völkerrechtswidrige Seekriegführung Englands
gerichtet waren). Mit Bedauern habe sie aber feststellen müssen, »daß die
Interessen der Vereinigten Staaten ihnen nicht gestatteten, sich diesen
Vorschlägen anzuschließen«. In dem Ziel der Abkürzung der Übel des
Krieges sei die schwedische Regierung mit der amerikanischen einig. Aber
das von der amerikanischen Regierung gewählte Verfahren stehe durchaus im
Gegensatz zu den Prinzipien, die bisher die Politik der schwedischen
Regierung geleitet hätten; diese wolle in der Zukunft wie in der
Vergangenheit den Weg der Unparteilichkeit und Neutralität gegenüber den
beiden kriegführenden Gruppen weiter verfolgen und ihn nur dann
verlassen, wenn die Lebensinteressen des Landes und die Würde der Nation
dazu zwängen.

Auch in der Folgezeit bewahrten die europäischen Neutralen trotz der
schwierigen Lage, in die sie durch den doppelten Druck des Handelskrieges
unserer Feinde und des deutschen U-Bootkriegs gerieten, ihre Neutralität.

Dagegen folgten eine Reihe überseeischer Länder dem Beispiel der
Vereinigten Staaten. Den Reigen eröffnete China, das sich schon im
Februar 1917 auf den amerikanischen Standpunkt stellte, Mitte März auch
formell die Beziehungen zu Deutschland abbrach und uns später (Anfang Mai
1917) den Krieg erklärte. China wurde durch den U-Bootkrieg unmittelbar
kaum berührt. Es folgte lediglich dem Druck der Vereinigten Staaten, in
denen es gegenüber den Gefahren, die seinem Bestande von Japan und
anderen Angehörigen der uns feindlichen Koalition drohten, den einzigen
Beschützer sah. Eine unmittelbare Unterstützung konnten unsere Feinde aus
dem Beitritt Chinas kaum ziehen. Aber die Kriegserklärung Chinas an
Deutschland eröffnete die namentlich von England heiß gewünschte
Möglichkeit, alles, was die Tüchtigkeit und Intelligenz deutscher
Kaufleute in Jahrzehnten auf chinesischem Boden an Handelsniederlassungen
und geschäftlichen Beziehungen aufgebaut hatten, in Grund und Boden zu
zerstören.

Ähnlich zu beurteilen ist auch das Abschwenken weiterer überseeischer
Neutraler in das Lager unserer Feinde. Bolivia hatte sich schon gleich
nach dem 3. Februar 1917 den Vereinigten Staaten angeschlossen. Cuba und
Panama traten Anfang April der Erklärung des Kriegszustandes durch die
Union bei. Kurz darauf, am 11. April, brach Brasilien aus Anlaß der
Versenkung eines brasilianischen Dampfers die Beziehungen zu uns ab. Es
folgten eine Reihe mittel- und südamerikanischer Republiken, so daß auf
dem amerikanischen Erdteil schließlich nur noch Mexiko, Argentinien,
Chile, Paraguay, Columbia, Venezuela und Salvador in der Neutralität
verharrten. Auch das Königreich Siam, in dessen Häfen Deutschland seit
langem bedeutende Handelsniederlassungen gegründet und entwickelt hatte,
fügte sich dem Druck der Entente und erklärte uns ohne jeden Anlaß Ende
Juli den Krieg.

In Europa vermochte Griechenland der von der Entente ausgeübten
Erpressung nicht zu widerstehen. Am 11. Juni 1917 sah sich König
Konstantin, der mit bewundernswerter Unerschrockenheit an der Neutralität
festgehalten hatte, zur Abdankung und zum Verlassen des Landes gezwungen.
Damit war Griechenlands Übergang in das Lager unserer Feinde besiegelt.

So stand schließlich gegen uns und unsere drei Verbündeten die ganze Welt
im Kampf, bis auf die drei skandinavischen Staaten, die Niederlande, die
Schweiz, Spanien, Persien, Mexiko und einige südamerikanische
Republiken.


                    Die russische Revolution

Während die überseeische Welt mehr und mehr in den Krieg mit uns
hineingezogen wurde, eröffnete der Ausbruch der Revolution in Rußland im
März 1917 die Aussicht auf eine Durchbrechung der feindlichen Koalition.
Erinnerungen an den Siebenjährigen Krieg wurden wach, in dem in der
Stunde der höchsten Gefahr dem großen König die Kunde kam von dem Tod
seiner unversöhnlichen Feindin, der Kaiserin Elisabeth, und von dem
Entschluß des neuen Zaren, den Krieg mit Preußen alsbald einzustellen.

Solche Hoffnungen sollten sich jedoch fürs nächste nicht erfüllen. Zwar
waren die sozialistischen Massen, deren Aufstand das alte Regime gestürzt
hatte, Gegner des Krieges. Aber die Regierung des Fürsten Lwoff, die sich
auf den Trümmern der zaristischen Autokratie bildete, war eher eine
Regierung der imperialistischen Liberalen als eine Regierung der den
Frieden begehrenden Massen. Vor allem der neue Minister des Auswärtigen,
Herr Miljukow, versicherte gegenüber den Ententebotschaftern und in
öffentlichen Reden, daß Rußland den Krieg bis zum Endsieg über
Deutschland fortsetzen werde. Am 22. März 1917 erklärte er vor den
Vertretern der russischen Presse: »Für uns ist ein entscheidender Sieg
unerläßlich; die Liquidierung des Deutschen Reichs, ohne die eine
Festigung der Ideen, für die wir kämpfen, unmöglich ist, ist heute
notwendiger und wichtiger denn je.«

Die Entente suchte die Kriegsstimmung des revolutionären Rußland mit
allen Mitteln zu steigern. Der Präsident Wilson sprach in seiner
Kongreßbotschaft vom 2. April 1917 von den »wunderbaren und ermutigenden
Ereignissen in Rußland«, durch die ein neuer würdiger Teilnehmer an dem
»Ehrenbund« der Nationen entstanden sei. Jetzt, nachdem die
Zarenherrschaft gestürzt war, die weder das demokratische England noch
das republikanische Frankreich von dem Bündnis mit Rußland abgehalten
hatte, ertönte in den Reihen unserer Feinde noch lauter als zuvor das
heuchlerische Feldgeschrei »Demokratie gegen Autokratie«; den Russen
wurde eingeredet, daß ein Sieg Deutschlands den Verlust ihrer neuen
republikanischen Freiheit bedeute. Der Reichskanzler bezeichnete in
seiner Reichstagsrede vom 29. März 1917 diese Ausstreuungen als »eitel
Lüge und Verleumdung« und betonte, daß wir nicht beabsichtigten, uns in
die inneren Angelegenheiten Rußlands einzumengen. Er fügte hinzu, daß wir
nichts anderes begehrten, als möglichst bald wieder mit dem russischen
Volk in Frieden zu leben, »in einem Frieden, der auf einer für alle Teile
ehrenvollen Grundlage aufgebaut ist«.

Einen Augenblick lang schien es, als ob die Friedenssehnsucht in Rußland
die Oberhand gewinnen sollte. Unter dem Druck der in den Arbeiter- und
Soldatenräten organisierten Massen beschloß die russische Regierung am
10. April eine Erklärung, in der es hieß:

»Die Verteidigung unseres eigentlichen nationalen Vaterlandes bildet die
hauptsächlichste Aufgabe unseres Krieges. Die provisorische Regierung
überläßt es dem Willen des Volkes, in enger Gemeinsamkeit mit unseren
Verbündeten alle den Weltkrieg und seine Beendigung betreffenden Fragen
endgültig zu entscheiden, hält es aber für ihr Recht und ihre Pflicht,
schon jetzt zu erklären, daß das freie Rußland nicht das Ziel hat, andere
Völker zu beherrschen, ihnen ihr nationales Erbe wegzunehmen und
gewaltsam fremdes Gebiet zu besetzen, daß es vielmehr einen dauerhaften
Frieden auf Grund des Rechtes der Völker, ihr Schicksal selbst zu
bestimmen, herbeiführen will. Das russische Volk erstrebt nicht die
Steigerung seiner Macht auf Kosten anderer Völker, es hat nicht das Ziel,
irgendein Volk zu unterjochen oder zu erniedrigen.«

Aber obwohl die deutsche und die österreichisch-ungarische Regierung in
offiziösen Erklärungen alsbald von dieser Kundgebung Akt nahmen und deren
Übereinstimmung mit ihren eigenen Absichten feststellten, kam die Sache
des Friedens nicht vom Fleck. Auch daß die deutschen Sozialdemokraten
eine Resolution des russischen Kongresses der Arbeiter- und Soldatenräte,
die am 14. April zugunsten eines allgemeinen Friedens ohne Annexionen und
Entschädigungen gefaßt wurde, am 20. April mit einer Entschließung
beantworteten, die sich für das gleiche Ziel aussprach, blieb ohne
Wirkung; desgleichen die vom Reichskanzler am 15. Mai im Reichstag
abgegebene Erklärung:

»Wenn Rußland weiteres Blutvergießen von seinen Söhnen fernhalten will,
wenn es alle gewaltsamen Eroberungspläne für sich aufgibt, wenn es ein
dauerndes Verhältnis friedlichen Nebeneinanderlebens zu uns herstellen
will -- ja dann ist es doch eine Selbstverständlichkeit, daß wir, die wir
diesen Wunsch teilen, das dauernde Verhältnis der Zukunft nicht
zerstören, seine Entwicklung nicht durch Forderungen unmöglich machen
werden, die sich mit der Freiheit und dem Willen der Völker selbst nicht
vertragen und die in das russische Volk selbst nur den Keim zu neuer
Feindschaft legen würden.«

Zwar erzwang der Arbeiter- und Soldatenrat Mitte Mai eine Umbildung des
Kabinetts, bei der Miljukow ausschied und Kerenski das Kriegs- und
Marineministerium übernahm. Zwar stellte sich die neue Regierung
grundsätzlich auf den Boden eines Friedens ohne Annexionen und
Entschädigungen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Aber in
derselben Kundgebung, die diese Grundsätze proklamierte, lehnte das neue
russische Kabinett »jeden Gedanken an einen Sonderfrieden« ab und sprach
die Erwartung aus, daß »das revolutionäre Heer Rußlands nicht die
Vernichtung seiner westlichen Alliierten durch die deutschen Truppen
gestatten wird, damit sich diese dann mit ganzer Macht auf Rußland
werfen«.

Daß die neue russische Regierung gleichzeitig Schritte in Aussicht
stellte, um ihre Verbündeten für einen Frieden ohne Annexionen und
Entschädigungen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu gewinnen,
konnte die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß auch nach diesem
Umschwung an einen Sonderfrieden mit Rußland, und damit an Frieden
überhaupt, noch nicht zu denken war.

Eine in der ersten Maihälfte aus den Kreisen des russischen Arbeiter- und
Soldatenrates angeregte vertrauliche Aussprache mit deutschen Vertretern
an der Dünafront verlief unter diesen Umständen ergebnislos. Ja es gelang
dem Druck der Ententemächte, das neue russische Kabinett zu veranlassen,
gegen Ende Juni 1917 die russischen Heere zu einer neuen großen Offensive
gegen Deutschland vorzuschicken. Die Offensive war von Kerenski, der als
Vertreter der revolutionären Massen in das Kabinett eingetreten war,
vorbereitet und befohlen worden. Wenige Wochen nach ihrem Beginn ersetzte
Kerenski den Fürsten Lwoff als Ministerpräsident. Die Auflehnung der
Anhänger Lenins, der Bolschewisten, gegen die Kriegspolitik wurde blutig
unterdrückt, Lenin selbst mußte sich längere Zeit hindurch verborgen
halten.

So war es um die Mitte des Jahres 1917 offenkundig, daß der Friede mit
Rußland, den man von der Revolution erhofft hatte, nur durch einen neuen
Schlag gegen die russische Armee gebracht werden konnte.


           Der Fortgang der militärischen Operationen

Im Westen hatten sich unterdessen neue gewaltige Kämpfe abgespielt.

Hindenburg war dem erwarteten großen Offensivstoß der Feinde ausgewichen,
indem er unsere zwischen Arras und der Aisne in weitem Bogen
vorspringende Front auf eine fast gerade Linie zurückgenommen hatte, die
von der Gegend östlich Arras über St. Quentin nach den Höhen nördlich von
Vailly führte. Die Zurücknahme unserer Truppen auf diese neue, stark
befestigte Linie war Mitte März unbemerkt vom Gegner durchgeführt worden.
Durch planmäßige Zerstörung aller Verkehrswege und Stützpunkte in dem
geräumten Gebiet war für den Feind die Annäherung gegen die neue Front
außerordentlich erschwert worden. Dafür unternahmen Engländer und
Franzosen im April eine mit stärkstem Einsatz geführte Flügeloffensive.
Die Engländer stießen vom 9. April an bei Arras vor, während die
Franzosen etwa eine Woche später an der Aisne und in der Champagne nach
sechstägiger stärkster Artillerievorbereitung zum Angriff auf breiter
Front vorgingen. Die Offensiven hatten das Schicksal aller früheren: sie
kamen über bescheidene Anfangserfolge nicht hinaus, unsere Truppen
vermochten in heldenhafter Gegenwehr den Durchbruch zu verhindern.

Anfang Juni holten die Engländer zu einem neuen wuchtigen Stoße aus,
dieses Mal in Flandern. Ihr Ziel war, die Höhenkette um Ypern zu nehmen,
die flandrische Ebene zu gewinnen und damit unsere Stellung an der
flandrischen Küste, die als Basis für den U-Bootkrieg von der größten
Wichtigkeit war, unhaltbar zu machen. Auch hier errangen die Engländer,
vor allem durch gewaltige unterirdische Sprengungen im Wytschaetebogen,
Anfangserfolge, die jedoch bald an dem eisernen Widerstand unserer
Truppen ins Stocken kamen. Mit ungeheurer Zähigkeit setzten die Engländer
hier ihre Angriffe fort bis in den November hinein.

Gleichzeitig mit diesen schweren Kämpfen an der Westfront holten die
Gegner auf allen übrigen Kriegsschauplätzen zu neuen Vorstößen aus. Die
Italiener faßten ihre Kräfte zu neuen gewaltigen Angriffen am Isonzo
zusammen, die abermals an den österreichischen Stellungen sich brachen.
In Mazedonien versuchten die Verbündeten die bulgarisch-deutschen Linien
zu sprengen, um doch noch unsere Verbindung mit der Türkei zu
durchschneiden und den Rumänen, die sich in der Moldau noch tapfer
wehrten, Entlastung und Hilfe zu bringen. Über die Halbinsel Sinai hinaus
stießen die Engländer gegen Palästina vor, wurden jedoch im März und
April in Gefechten bei Gaza von den Türken zurückgewiesen. Dagegen gelang
ihnen die Erneuerung des im Jahre 1916 bei Kut-el-Amara so kläglich
gescheiterten mesopotamischen Feldzuges. Nach gründlicher Vorbereitung
nahmen sie mit Beginn des Winters 1916/17 den Vormarsch nach Norden
wieder auf, schlugen die an dem Mangel rückwärtiger Verbindungen
leidenden Türken in einer Anzahl von Gefechten, besetzten am 11. März
1917 Bagdad und drangen in den folgenden Wochen und Monaten weiter nach
Norden hin vor.

Dazu kam nun Ende Juni die neue Kerenskische Offensive, die sich in der
Hauptsache gegen die österreichischen Stellungen in Ostgalizien und
Wolhynien richtete. Mit Menschenopfern, die kaum hinter denjenigen der
Brussilow-Offensive vom Juni 1916 zurückblieben, gelang es den Russen,
nicht unerhebliche Anfangsvorteile zu erzielen, bis in der
zweiten Julihälfte ein wuchtiger Gegenstoß der deutschen und
österreichisch-ungarischen Truppen einsetzte.


             Der U-Bootkrieg im ersten Halbjahr 1917

Diese höchste Steigerung des Ringens der Landheere wurde begleitet durch
den Vernichtungskampf unserer U-Boote gegen die feindlichen
Handelsflotten.

Die Aussichten des U-Bootkrieges waren in wichtigen Punkten erheblich
günstigere als in irgendeinem früheren Zeitpunkt.

Am 1. Januar 1917 betrug die Anzahl der U-Boote (Torpedo- und
Minen-U-Boote) 148 gegen nur 62 ein Jahr zuvor. Die neu hinzugekommenen
Boote zeichneten sich vor dem alten Bestande aus einmal durch eine
stärkere Bewaffnung mit Torpedos und Artillerie, dann durch einen
erheblich größeren Aktionsradius. Die Leistungsfähigkeit unserer
Tauchbootflotte war also im Laufe des letztverflossenen Jahres in noch
weit stärkerem Maße als im Verhältnis von 62 zu 148 gestiegen. Für das
erste Halbjahr 1917 wurde die Fertigstellung von weiteren 50 U-Booten
erwartet.

Die guten Ergebnisse des seit dem Monat Oktober wieder aufgenommenen
Kreuzerkriegs der U-Boote in den britischen Gewässern waren ein Beweis
der erheblich gesteigerten Leistungsfähigkeit unserer Tauchboote. Die
monatlichen Versenkungen hatten seit dem November 1916 den Satz von
400000 Bruttotonnen überschritten. Das Ergebnis des U-Boot-Kreuzerkriegs
war damit ein wesentlich besseres, als es jemals zuvor in den schärferen
Formen des U-Bootkriegs erreicht worden war. Der »verschärfte
U-Bootkrieg« hatte eine monatliche Höchstleistung von nur 225000
Bruttotonnen im April 1916 zu verzeichnen gehabt.

Die im Dienst unserer Feinde fahrende Handelsflotte hatte im bisherigen
Verlauf des Krieges und namentlich in den letzten vier Monaten vor dem
Beginn des uneingeschränkten U-Bootkrieges eine immerhin merkbare
Schwächung erfahren. Nach den Angaben unseres Admiralstabs waren vom
Kriegsausbruch bis Ende Januar 1917 insgesamt etwa 5 Millionen
Bruttotonnen versenkt worden, davon 1660000 Tonnen in den letzten vier
Monaten. Der Bedarf an Handelstonnage für die Zwecke der Kriegführung war
unausgesetzt stark. Die Neubauten blieben weit hinter denjenigen des
Friedens zurück. Während England im letzten Friedensjahr rund 2 Millionen
Bruttotonnen Schiffsraum vom Stapel hatte laufen lassen, erreichten seine
Neubauten im Jahre 1916 nur etwa 580000 Tonnen. Der sich aus allen diesen
Umständen ergebende starke Druck auf den britischen Seeverkehr kam in
einem ansehnlichen Rückgang der in den Häfen Großbritanniens und Irlands
ein- und auslaufenden Schiffe zum Ausdruck. Im letzten Friedensjahr hatte
der Ein- und Ausgang beladener Schiffe in den britischen Häfen 117
Millionen Tonnen (netto) betragen, im Jahre 1916 stellte er sich nur noch
auf 66 Millionen Tonnen. Der Eingang war allein von 49 auf 30 Millionen
Tonnen gesunken. Insbesondere die letzten Monate zeigten einen scharfen
Rückgang, von 2787000 Tonnen im August auf 2214000 Tonnen im Dezember
1916 und 2221000 Tonnen im Januar 1917. Der Monatsdurchschnitt des
letzten Friedensjahres hatte 4090000 Tonnen betragen. Der Eingang
beladener Schiffe in den britischen Häfen war also gegenüber der
Friedenszeit um 45 vom Hundert abgedrosselt. Von dem uneingeschränkten
U-Bootkrieg durfte man eine weitere scharfe Einschränkung erwarten.

Dabei war, soweit es sich aus amtlichen Statistiken, Berichten von
Sachverständigen, der britischen Fachpresse und anderen Quellen
entnehmen ließ, die Versorgung der britischen Inseln mit Nahrungsmitteln,
insbesondere mit Brotgetreide, knapper als in irgendeinem der früheren
Kriegsjahre. Um die Mitte des Januar stellten sich nach dem ersten
englischen Fachblatte, dem »Grain Seed and Oil Reporter«, die sichtbaren
Bestände Englands an Weizen und Mehl auf 5258000 Quarters gegen 6336000
und 5882000 Quarters in den beiden Vorjahren. Infolge der schlechten
Welternte, über die ich bereits früher gesprochen habe, waren die
Zufuhren andauernd ungenügend. In den sechs Wochen von Anfang Dezember
bis Mitte Januar hatten die Einfuhren von Weizen nur 2,1 Millionen
Quarters erreicht, gegen 3,4 und 3,3 Millionen Quarters in den beiden
Vorjahren. Wenn diese an sich schon knappen Zufuhren durch den
uneingeschränkten U-Bootkrieg noch weiter eingeschränkt werden konnten,
dann trat der Hungerkrieg gegen England aus dem Bereich der Phantasie
heraus und wurde eine praktische Möglichkeit.

Trotz dieser erheblich gebesserten Aussichten hatte ich die Eröffnung des
uneingeschränkten U-Bootkriegs am 1. Februar 1917 bis zum letzten
Augenblick mit allem Nachdruck bekämpft. Ich hatte es für notwendig
gehalten, die volle Wirkung der Friedensaktion abzuwarten und nicht durch
Überstürzung eine noch so schwache Möglichkeit, doch noch zum Frieden zu
kommen, zu zerstören. Ich war ferner der Überzeugung, daß nichts
versäumt werden dürfe, um Amerika draußen zu halten, und ich konnte
schließlich die Befürchtung nicht überwinden, daß die allzurasch auf
unseren Friedensschritt und die Friedensanregung Wilsons folgende
Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs den falschen, aber in seiner
Wirkung auf die Neutralen für uns überaus nachteiligen Eindruck erwecken
werde, als seien unsere Friedensbemühungen nicht ernst gemeint, sondern
nur eine Maskierung unserer U-Bootkriegs-Absichten gewesen.

Nachdem nun einmal die Entscheidung gefallen war und es kein Zurück mehr
gab, stand unser Schicksal auf der Hoffnung, daß unter den
verhältnismäßig günstigen Vorbedingungen die Wirkungen des U-Bootkriegs
England innerhalb einer kürzeren Zeit friedensbereit machen würden, als
sie Amerika brauchte, um das volle Gewicht seiner gewaltigen Hilfskräfte
gegen uns in die Wagschale zu werfen. Ich konnte und wollte diese
Hoffnung, die in den geschilderten Verhältnissen unserer eignen
Tauchbootflotte, der Entwicklung des britischen Schiffsverkehrs und der
Welternte eine starke Begründung hatte, nicht von mir weisen. In den
Verhandlungen des Hauptausschusses des Reichstags vom 31. Januar und 1.
Februar 1917 habe ich dieser Hoffnung Ausdruck gegeben und sie mit dem
vorliegenden Tatsachenmaterial, das im wesentlichen oben wiedergegeben
worden ist, begründet. Einen Termin für die Niederkämpfung Englands habe
ich nicht genannt und hätte ich nach meiner Beurteilung der Sachlage
auch nicht nennen können. Vorwürfe, die später von nicht uninteressierter
Seite in diesem Punkte gegen mich erhoben worden sind, haben in meinen,
in dem Stenogramm des Hauptausschusses festliegenden Ausführungen keine
Begründung. Ich habe im Gegenteil dem Ausdruck meiner Hoffnung, daß es
uns gelingen werde, England friedensbereit zu machen, bevor Amerika in
der Lage sei, effektiv in den Krieg gegen uns einzutreten, im bewußten
Gegensatz zu den von anderer Seite in Aussicht gestellten bestimmten
Fristen den Zusatz hinzugefügt: »Eine Garantie kann natürlich niemand
übernehmen.«

Die Hoffnung wurde bestärkt durch die guten Anfänge des U-Bootkriegs.

Zunächst übertrafen die Leistungen der U-Boote die Schätzungen. Statt der
angenommenen 600000 Tonnen, die ja schon nach den Leistungen des
U-Bootkreuzerkriegs als zu gering erscheinen mußten, erreichte nach den
Angaben unseres Admiralstabs die Versenkung im Monat April 1091000 Tonnen
und im Monat Juni 1016000 Tonnen. Das Gesamtergebnis der ersten sechs
Monate des uneingeschränkten U-Bootkriegs war -- immer nach den Angaben
unseres Admiralstabs -- 5-1/2 Millionen Tonnen. Auch die Abschreckung der
neutralen Schiffahrt vom Verkehr mit England, auf die der Admiralstab so
stark gerechnet hatte, schien Tatsache zu werden. Die Schiffsbewegung im
»Neuen Wasserweg« (Rotterdam), die in der ersten Januarwoche 1917 noch
einen Eingang von 79000 Nettotonnen aufgewiesen hatte, ging auf 6000
Tonnen in der dritten Märzwoche zurück. Die Entwicklung des britischen
Schiffsverkehrs ließ sich leider nicht mehr unmittelbar verfolgen, da vom
Februar 1917 die Veröffentlichung der Schiffsstatistik eingestellt wurde.
Aber die starken Versenkungen, verbunden mit dem Fernbleiben eines großen
Teils der neutralen Handelsschiffe, konnten nicht ohne Wirkung bleiben.

Auch die Ziffern der britischen Einfuhr wurden vom Februar an nicht mehr
in der alten Vollständigkeit veröffentlicht. Vor allem wurden für die
Nahrungsmitteleinfuhr die Mengenangaben geheimgehalten. Aber die Daten,
die noch publiziert wurden, zeigten eine sehr erhebliche Einschränkung
fast auf der ganzen Linie. Die Einfuhr des Monats Februar 1917 betrug dem
Werte nach nur noch 70 Millionen £ gegen 90 Millionen im Januar. Die
Einfuhrmenge des Februar 1917 wies gegenüber derjenigen des Februar 1916
einen Rückgang auf: bei Wolle um 17%, bei Baumwolle um 27%, bei Eisen und
Stahl um 59%, bei Holz um 42%, bei Rindfleisch um 17%, bei Butter und
Schmalz um 21%, bei Eiern um 39%. Im März 1917 stellte sich der Rückgang
der Einfuhrmenge: bei Wolle auf 33%, bei Baumwolle auf 53%, bei Eisen und
Stahl auf 62%, bei Holz auf 64%. Über Fleisch, Butter und Eier wurden vom
März ab Mengenzahlen nicht mehr bekanntgegeben.

Die schwierige Lage der britischen Getreideversorgung ergab sich aus den
knappen Beständen in dem Hauptbezugslande, den Vereinigten Staaten. Das
Ackerbaudepartement schätzte am 1. März 1917 die noch in den Händen der
Farmer befindlichen Bestände an Weizen auf nur 101 Millionen Bushels (=
ca. 2-1/2 Millionen Tonnen) gegen 241 Millionen Bushels um die gleiche
Zeit des Vorjahres. Die Ernteaussichten auch für das Jahr 1917 waren
schlecht.

Alle diese Ziffern erhielten ihren Hintergrund durch Äußerungen der
britischen Staatsmänner und der britischen Zeitungen sowie durch
Informationen der verschiedensten Art über den Stand der Dinge in
England. Lloyd George hatte zu Anfang des Krieges als Schatzkanzler das
geflügelte Wort von den »silbernen Kugeln« gesprochen, mit denen England
siegen werde; er hatte dann als Munitionsminister alle Hoffnungen auf die
Massenherstellung von Kriegsmaterial und Munition gesetzt; als er jetzt
am 12. April 1917 eine Begrüßungsansprache an den neuen amerikanischen
Bundesgenossen hielt, da lautete sein Hilferuf: »Schiffe, Schiffe und
noch einmal Schiffe!« Schon im Februar 1917 hatte Lloyd George im
Unterhaus bekannt, die britischen Getreidebestände seien »geringer als
jemals seit Menschengedenken«. Im April erklärte der Unterstaatssekretär
des britischen Kriegsernährungsamts, Captain Bathurst, der Verbrauch an
Brotstoffen gehe um 50 vom Hundert über die noch vorhandenen und die
noch zu erwartenden Vorräte hinaus; er stellte außerdem in Aussicht, daß
die Kartoffelvorräte in vier Wochen aufgebraucht sein würden.

Die englische Regierung griff zu tief einschneidenden Maßnahmen. Um die
Zufuhr der für die Volksernährung und Kriegführung wichtigsten Güter nach
Möglichkeit zu sichern, stellte sie die Einfuhr aller irgendwie
entbehrlichen Dinge unter Verbot. Den gesamten britischen Schiffsraum
stellte sie unter eine einheitliche Kontrolle; aus den nicht unmittelbar
dem Verkehr mit England dienenden Linien zog sie so viel Schiffe für die
Versorgung Englands heraus, daß nach dem Ausspruch des britischen
Handelsministers von der internationalen Schiffahrt Großbritanniens nur
noch ein Skelett verblieb. Der stärkste Druck wurde auf die Neutralen
ausgeübt, um ihre Schiffahrt in den Dienst Großbritanniens zu zwingen.
Überall, wo es gelang, einen neutralen Staat zur Kriegserklärung an
Deutschland zu bewegen, wurden die in seinen Häfen liegenden deutschen
Schiffe konfisziert. Nach jeder Möglichkeit wurde auf eine Hebung der
Produktion im eigenen Lande hingearbeitet. Eine Steigerung der Förderung
einheimischer Eisenerze sollte den Ausfall an fremden Zufuhren decken;
gesteigerter Holzschlag in den eigenen, nicht sehr ausgedehnten Wäldern
sollte Ersatz schaffen für den Ausfall in der Zufuhr fremden
Grubenholzes; vor allem aber wurde ein großartiges landwirtschaftliches
Programm aufgestellt, das durch die Umwandlung von Grasland in Ackerland
die britischen Inseln von der ausländischen Getreidezufuhr unabhängig
machen sollte. Natürlich wurden auch die größten Anstrengungen gemacht,
um den während des Krieges so stark zusammengeschrumpften Bau von
Handelsschiffen wieder hochzubringen. Die vorhandenen Lebensmittel wurden
durch scharfe Vorschriften über die Ausmahlung und über Zusatzmittel
gestreckt, der Verbrauch wurde durch eine knapp zugemessene Verteilung
empfindlich eingeschränkt.

Amerika suchte nach Möglichkeit zu helfen. Vor allem im Schiffbau, der
nach anfänglichen Fehlschlägen, so mit dem massenhaften Bau von
Holzschiffen, in der Tat einen großen Aufschwung nahm; dann aber auch mit
der Zufuhr von Lebensmitteln. Hier geschah, was ich von Anfang an
gefürchtet hatte. Die amerikanische Regierung ließ sich weitgehende
Vollmachten für die Regelung der inneren Lebensmittelverteilung und der
Lebensmittelausfuhr erteilen. Auf Grund dieser Vollmachten gelang es
gegen die Mitte des Jahres 1917, für die Versorgung Englands größere
Mengen von Getreide verfügbar zu machen.

Von der zweiten Aprilhälfte an bis in den Juli hinein stieg die Besorgnis
in England auf ihren Höhepunkt. Wir erhielten in jener Zeit aus einer
unbedingt zuverlässigen Quelle Nachrichten, daß Lloyd George bei seinem
Besuch in Paris sich geradezu verzweifelt über die Ernährungslage
Englands ausgesprochen habe. Es schien in der Tat, als sei dem
U-Bootkrieg der Erfolg beschieden. Wie nahe er damals seinem Ziele war,
das werden wir zweifellos aus den englischen Darstellungen über die
Entwicklung des Krieges bestätigt erhalten.

Die amerikanische Hilfe brachte in letzter Stunde die Rettung. Es gelang,
für die kritischen Monate Juni und Juli genügende Mengen von Brotgetreide
im letzten Augenblick verfügbar zu machen. Amerika gab auf Grund der
Einschränkung seines eigenen Verbrauchs aus seinen knappen Beständen
Getreide für England ab und deckte die dadurch entstehende Lücke in der
eigenen Versorgung zum Teil durch Zufuhren aus Australien. Der vorhandene
Schiffsraum wurde unter Zurückstellung aller anderen Bedürfnisse auf die
Getreidezufuhr konzentriert; sogar Schiffe mit Gefriereinrichtungen für
den Fleischtransport wurden in die Getreidefahrt geworfen. Ziffern über
die Getreideeinfuhr sind, wie erwähnt, seit dem Februar 1917 nicht mehr
veröffentlicht worden; aber aus zuverlässigen Angaben privater Herkunft
läßt sich schließen, daß die Getreideeinfuhr Englands in dem einen Monat
Juni 1917 kaum viel niedriger gewesen sein muß, als in den fünf
vorhergehenden Monaten zusammen.

So gelang es England, den Zusammenbruch seiner Ernährungswirtschaft vor
dem Hereinkommen der neuen Ernte zu verhindern. Ebensowenig wie alle die
großen militärischen Aktionen zu Land hatte der U-Bootkrieg vermocht,
eine rasche Entscheidung herbeizuführen. Die von mir immer bezweifelten
und in den internen Beratungen wie in den Verhandlungen des
Hauptausschusses des Reichstages bekämpften Berechnungen der
wirtschaftlichen Sachverständigen des Admiralstabs, nach denen der
uneingeschränkte U-Bootkrieg in fünf Monaten zum Ziel führen sollte,
hatten sich als trügerisch erwiesen. So staunenswert die Leistungen
unserer U-Boote waren, so sehr der von ihnen versenkte Schiffsraum den
Voranschlag des Admiralstabs übertraf -- auch diese Leistungen genügten
nicht, die Versorgung Englands so weit einzuschränken, daß innerhalb der
fünf Monate seine Volksernährung oder seine Kriegstüchtigkeit
entscheidend getroffen worden wäre. Auch im U-Bootkrieg konnte nur auf
lange Sicht gearbeitet werden. Der U-Bootkrieg wurde zum aufregenden
Wettlauf zwischen Neubau von U-Booten und Vervollkommnung der Sicherungs-
und Abwehrmittel, zwischen Versenkung von Frachtraum und Neubau von
Handelsschiffen, zwischen Herabminderung der britischen Zufuhren und
Hebung der eigenen britischen Produktion, schließlich zwischen der
Organisation des amerikanischen Millionenheeres und der Vernichtung der
Widerstandsfähigkeit der feindlichen Armeen, denen wir an der Westfront
gegenüberstanden.

Es mußte ein zäher Kampf werden.

Daß unsere Aussichten in diesem Kampf nicht ungünstig waren, dafür war
eine Bestätigung eine halbamtliche Auslassung der britischen Regierung,
die Anfang August 1917 ausgegeben wurde. Sie besagte im wesentlichen
folgendes:

England hatte bei Kriegsausbruch eine Handelsflotte von Ozeandampfern im
Umfang von 17-18 Millionen Tonnen; davon waren über 15 Millionen Tonnen
regelmäßig für das Mutterland beschäftigt, der Rest diente dem Verkehr
zwischen fremden Ländern, Kolonien usw. Ein großer Teil dieses
internationalen Verkehrs mußte den unmittelbaren Bedürfnissen des
britischen Mutterlandes geopfert werden. Gegenwärtig besitzt
Großbritannien einschließlich der weggenommenen feindlichen Schiffe etwas
über 15 Millionen Tonnen, davon 14 Millionen im unmittelbaren Dienste des
Mutterlandes. Von diesen 14 Millionen Tonnen ist aber nur etwa die Hälfte
für den Handel verfügbar, da die andere Hälfte in den Dienst der Marine,
des Heeres, der Verbündeten und der Kolonien hat gestellt werden müssen.
-- Das bedeutete also, daß damals dem Handelsverkehr der britischen
Inseln nur noch etwa 7 Millionen Tonnen Schiffsraum gegen 15 in
Friedenszeiten zur Verfügung standen. -- Die britische Einfuhr im letzten
Jahr vor dem Kriege habe 58 Millionen Gewichtstonnen betragen; im Jahre
1916 sei die Einfuhrmenge auf 43 Millionen Tonnen zurückgegangen, und im
laufenden Jahre werde sie noch erheblich niedriger sein. Von den 58
Millionen Tonnen der Friedenseinfuhr seien weniger als ein Viertel auf
Nahrungsmittel entfallen, der ganze Rest auf Bedürfnisse des Handels und
der Industrie. Im Jahre 1916 dagegen habe die Einfuhr von
Nahrungsmitteln, Munition und Materialien für die Herstellung von
Kriegsbedarf nicht weniger als zwei Drittel der Gesamteinfuhr
beansprucht. Einer Einfuhr von Industrie- und Handelswaren in Höhe von 40
Millionen Tonnen im Jahre 1913 habe also im Jahr 1916 nur eine Einfuhr in
Höhe von 14 bis 15 Millionen Tonnen gegenübergestanden. Im laufenden
Jahre könne man in keiner Weise hoffen, auch nur annähernd diese
verkürzte Menge zu erhalten.

Die »Frankfurter Zeitung« bemerkte damals zu dieser Veröffentlichung:
»Was in aller Welt, so muß man sich fragen, will diese Offenheit? Damit
wird doch Punkt für Punkt das bestätigt, was von ruhigen Beobachtern der
englischen Verhältnisse längst gesagt, was aber fast in der ganzen
englischen Presse bis vor kurzem leidenschaftlich bestritten wurde. Was
will diese Darstellung? Will sie allmählich abbauen oder abwiegeln?«

Aber auch wenn man die Aussichten auf den schließlichen Erfolg des
U-Bootkriegs noch so hoffnungsvoll beurteilte -- die allzu bestimmten
Voraussagen, daß der uneingeschränkte U-Bootkrieg innerhalb von fünf oder
sechs Monaten zur Niederwerfung Englands führen werde, waren in zu weite
und zu tiefe Kreise gedrungen, als daß nach Ablauf der genannten Zeit das
Ausbleiben des entscheidenden Erfolges nicht eine Enttäuschung und einen
Stimmungsrückschlag hätte hervorrufen müssen.


              Unser Verhältnis zu Österreich-Ungarn

   Die Stellung Deutschlands und Österreich-Ungarns zum Krieg

Über den Beitritt Österreich-Ungarns zum uneingeschränkten U-Bootkrieg
hat sich Graf Czernin in einer öffentlichen Rede vom 11. Dezember 1918,
auf die ich in der weiteren Darstellung noch öfters zurückkommen werde,
wie folgt geäußert:

»Meine damaligen Ministerkollegen Tisza und Clam sowohl wie meine
Wenigkeit waren mit Kaiser Karl in der Ablehnung dieses Vorschlages
vollständig einig, und rückhaltlos zugestimmt hat dem Gedanken nur der
damalige Admiral Haus. Es muß hier konstatiert werden, daß die deutsche
Motivierung nicht so sehr darauf ging, England durch Hunger zu besiegen,
sondern darin gipfelte, daß die Westfront nur zu halten sei, wenn die
amerikanischen Munitionstransporte versenkt würden, daß also ein rein
technisch-militärisches Moment in den Vordergrund geschoben wurde. Ich
habe damals ernstlichst die Absicht ventiliert, uns in dieser Frage von
Deutschland zu trennen, und die geringe Zahl unserer U-Boote hätte unser
Nichtmitmachen kaum bemerkbar gemacht. Aber ein anderer Umstand fiel in
die Wagschale. Sollte der U-Bootkrieg in den nördlichen Gewässern mit
Erfolg geführt werden, dann mußte er gleichzeitig im Mittelmeer
einsetzen. Blieb dieses frei, so wären die Transporte über Italien,
Frankreich und Dover nach England gegangen und hätten den nördlichen
U-Bootkrieg paralysiert. Um aber den U-Bootkrieg in der Adria führen zu
können, mußten wir den Deutschen unsere Stützpunkte, wie Pola, Triest und
Cattaro, überlassen. Taten wir dies, so machten wir de facto den
U-Bootkrieg mit. Unterließen wir es, so fielen wir damit Deutschland in
den Rücken und verhinderten seinen U-Bootkrieg, d. h. wir kamen in
direkten Konflikt mit Deutschland. So gaben wir zu diesem Vorschlag mit
schwerem Herzen unsere Einwilligung, nicht gewonnen durch Argumente, aber
bezwungen durch die Ohnmacht, anders handeln zu können.«

Diese Äußerung zeigt, mit welchem Widerstreben man sich in Wien zur
Beteiligung an dem uneingeschränkten U-Bootkrieg entschloß; sie zeigt
aber noch mehr: Die Bemerkung des Grafen Czernin, daß er damals ernstlich
die Absicht ventiliert habe, sich in dieser Frage von Deutschland zu
trennen, wirft ein Streiflicht auf die Gestaltung der Beziehungen
zwischen den beiden Bundesgenossen.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn stand seit dem
Ausbruch des Krieges unter der Wirkung starker, sich teilweise
widerstreitender Einflüsse.

Der Krieg war entstanden aus einem Anlaß, der von den
österreichisch-ungarischen Staatsmännern als eine unmittelbare
Lebensfrage der Donaumonarchie aufgefaßt worden war, während er uns nur
mittelbar dadurch berührte, daß die Erhaltung Österreich-Ungarns von der
deutschen Politik als ein vitales Interesse auch für uns aufgefaßt
wurde. Aber die Koalition, die alsbald gegen uns auf den Plan trat,
richtete ihre Spitze in erster Linie gegen Deutschland, während sie
Österreich-Ungarn gewissermaßen als Feind zweiten Grades behandelte.

Graf Czernin sagte in seiner erwähnten Rede:

»Wir hatten öfters den Eindruck, einen Separatfrieden ohne Deutschland
schließen zu können, jedoch niemals wurden uns die Bedingungen genannt,
unter welchen Deutschland seinerseits Frieden schließen könne. Niemals
wurde uns vor allem erklärt, daß Deutschland seinen vorkriegerischen
Besitzstand würde behalten können, und immer wurden wir dadurch in der
Situation belassen, einen =Verteidigungskrieg für Deutschland= führen zu
müssen. Wir waren durch unseren Vertrag zur gemeinsamen Verteidigung des
vorkriegerischen Besitzstandes gezwungen; dadurch, daß die Entente
niemals erklären wollte, daß sie mit einem Deutschland sprechen wolle,
das keine Eroberungsabsichten habe, daß die Entente immer erklärte, sie
wolle Deutschland vernichten, zwang sie uns gewaltsam den
Verteidigungskrieg für Deutschland auf.«

Aus dem Krieg, in dem der deutsche Bundesgenosse der in ihren
Lebensgrundlagen bedrohten österreichisch-ungarischen Monarchie
beisprang, war also, nicht etwa nur in dem Kopf des Mannes auf der
Straße, sondern auch in der Vorstellung des die auswärtige Politik der
Monarchie leitenden Staatsmannes ein österreichisch-ungarischer
Verteidigungskrieg für Deutschland geworden!

Auf der anderen Seite stand die militärische Gestaltung mit dieser
politischen Auffassung des Krieges keineswegs im Einklang. Seit der
Hilfe, die österreichisch-ungarische Truppen uns im Herbst 1914 für den
Schutz von Schlesien geleistet hatten, war stets die deutsche Armee der
gebende und helfende Teil. Nicht österreichisch-ungarische Truppen
verteidigten die deutschen Grenzen, sondern deutsche Truppen wehrten
wiederholt das Äußerste von Österreich-Ungarn ab. Nur mit deutscher
Unterstützung wurden im Winter 1914/15 die Russen vom Einbruch über die
Karpathen in die ungarische Tiefebene abgehalten. Nur der Einsatz einer
großen deutschen Armee gewann im Frühjahr 1915 die Schlacht bei Gorlice
und befreite Galizien. Nur die Hilfe deutscher Truppen warf im Herbst
1915 die Serben nieder und machte damit Österreich-Ungarn nach Südosten
hin Luft. Nur deutsche Divisionen brachen im Sommer 1916 die
Brussilow-Offensive und bewahrten so wenigstens Mittel- und Westgalizien
vor erneuter Eroberung. Und schließlich hielt nur die aus den schwersten
Kämpfen im Westen herübergeholte deutsche Armee im September 1916 den
Vormarsch der Rumänen in Siebenbürgen auf, um dann das Land unseres
Bundesgenossen abermals zu befreien und den neuen Feind auf seinem
eigenen Boden niederzuwerfen.

Mochte es also auch politisch eine gewisse Berechtigung haben, von einem
Verteidigungskrieg Österreich-Ungarns für Deutschland zu sprechen,
militärisch blieb Deutschland der Verteidiger Österreich-Ungarns.

Die Hilfsbedürftigkeit der Donaumonarchie blieb nicht auf das
militärische Gebiet beschränkt. Von Anfang an und dauernd sah sich
Österreich-Ungarn auf die finanzielle Unterstützung Deutschlands
angewiesen. Zwar brachten die österreichischen und ungarischen
Kriegsanleihen recht gute Ergebnisse; aber für die Zahlungen an
Deutschland und das neutrale Ausland bedurfte Österreich-Ungarn
fortgesetzt erheblicher »Valutakredite«. Ebenso nahm auf dem Gebiet der
Volksernährung die österreichische Reichshälfte wiederholt unsere
Unterstützung in Anspruch, so knapp es auch mit uns selbst bestellt war.

Wir haben getan, was wir konnten, um unserem Bundesgenossen in seinen
Bedrängnissen zu helfen. Aber wir vermochten bei der bundesfreundlichsten
Gesinnung und beim besten Willen nicht alle seine Wünsche zu erfüllen,
und wir mußten im eigenen Interesse an unsere Hilfe Bedingungen knüpfen,
die nicht immer als angenehm empfunden wurden. So mußten wir die
Gewährung der Valutakredite davon abhängig machen, daß Österreich-Ungarn
für seinen Zahlungsverkehr mit dem Auslande eine ähnlich strenge
»Devisenordnung« erließ, wie wir sie erlassen hatten; ferner davon, daß
Österreich-Ungarn sich bei seinen Einkäufen im Ausland dieselben
Beschränkungen auferlegte wie wir; denn andernfalls wäre der von uns
erstrebte Zweck, den Rückgang des Kurses der Reichsmark auf den neutralen
Plätzen aufzuhalten, durch die österreichisch-ungarischen Verfügungen
über die von uns gewährten Markkredite geradezu vereitelt worden. Und
wenn in kritischen Augenblicken von den Österreichern unsere knappen
Bestände an Brotgetreide und Mehl in Anspruch genommen wurden, so mußten
wir darauf bestehen, daß in Österreich eine ähnlich straffe Organisation
der Volksernährung durchgeführt wurde wie bei uns; denn wir konnten es
vor dem eigenen Volke nicht verantworten, seine kargen Rationen noch
weiter zu kürzen, um die Österreicher vor den Folgen ihres Wirtschaftens
aus dem Vollen zu bewahren. Aber alles das ging natürlich nicht immer
ohne Reibung und Verstimmung.


                       Die polnische Frage

Kompliziert wurde das Verhältnis vor allem durch die polnische Frage.

An der Gestaltung der polnischen Dinge nahm Österreich-Ungarn ein ganz
besonders lebhaftes Interesse. Im österreichischen Staatsleben spielten
die Polen infolge des unüberbrückbaren Gegensatzes zwischen Deutschen und
Tschechen eine hervorragende Rolle: die Unterstützung des Polenklubs war
für jede verfassungsmäßige Führung der Staatsgeschäfte eine
Notwendigkeit. Darüber hinaus hatte man in Wien die klare Erkenntnis, daß
Erhaltung oder Verlust Galiziens von der Lösung der Frage abhänge, was
aus Russisch-Polen werden solle. Die Wiener Politik zog daraus die
Folgerung, daß sie sich für die Ordnung der polnischen Verhältnisse die
Vorhand sichern müsse; es schwebte ihr dabei wohl von Anfang an eine
Vereinigung Russisch-Polens mit Galizien und die Angliederung dieses
neuen Gebildes in einer mehr oder weniger losen Form an Österreich-Ungarn
vor. Als Baron Burian den Reichskanzler Mitte April 1916 in Berlin
besuchte, äußerte er halb im Scherz, halb im Ernst, er werde erst nach
Wien zurückreisen, wenn er Polen in seinem Handkoffer mitnehmen könne.
Sein Handkoffer war für Polen doch etwas zu klein, und er hat es nicht
mitgenommen. Die polnische Frage blieb zwischen Deutschland und
Österreich-Ungarn ungeklärt. Die Wiener Regierung benutzte diesen
Zustand, um in Polen selbst für ihr Ziel eine rege Propaganda zu
entfalten, und zwar nicht nur in dem von österreichisch-ungarischen
Truppen besetzten südlichen Teil, dem Bezirk von Lublin, sondern auch in
dem von unseren Truppen besetzten Generalgouvernement Warschau.

Die sich aus diesem Zustand ergebenden Verhältnisse wurden allmählich
unhaltbar.

Nach der schweren Niederlage der Österreicher in Wolhynien und Galizien
im Juni 1916 schien Herrn von Bethmann die Gelegenheit gekommen, eine
Klärung herbeizuführen. Der Kanzler reiste mit Herrn von Jagow am 10.
August 1916 nach Wien, um dort mit Baron Burian auf einer Grundlage ins
Reine zu kommen, die vor allem die von Österreich beanspruchte
Präponderanz in den polnischen Angelegenheiten beseitigen und uns
Bewegungsfreiheit geben sollte. Die beiden Herren kamen zurück mit einer
Vereinbarung, die ein autonomes Königreich Polen mit Anlehnung an die
beiden Zentralmächte ins Auge faßte. In den militärischen Dingen sollte
Deutschland den ausschlaggebenden Einfluß haben; über die Regelung der
wirtschaftlichen Beziehungen Polens zu den beiden Zentralmächten sollte
zunächst noch zwischen mir und der Wiener Regierung verhandelt werden.

Ich hatte, ebenso wie der Unterstaatssekretär Zimmermann, ernstliche
Bedenken gegen jede Festlegung auf die Errichtung eines autonomen und
selbständigen Polen. Ich fürchtete, daß ein solches Polen für uns ein
unzuverlässiger Nachbar sein werde, daß es seine Begehrlichkeit alsbald
auch auf unsere teilweise polnisch bevölkerten Ostmarken richten werde,
daß es notwendigerweise zum Zankapfel zwischen uns und unserem
Verbündeten werden müsse und daß die geplante Autonomieerklärung der
immerhin noch denkbaren Verständigung mit Rußland einen schweren Stein in
den Weg rollen könne. Von der Idee, daß ein autonomes Polen noch während
des Krieges für uns nutzbar gemacht werden könnte, die damals schon in
manchen Köpfen spukte, hielt ich nichts. Es war mir eine Beruhigung, daß
in Wien ein bestimmter Zeitpunkt für die Autonomieerklärung nicht
festgelegt worden war und daß der Kanzler den Wert der Wiener
Verständigung hauptsächlich in dem negativen Ergebnis sah, daß Polen der
Wiener Regierung aus den Zähnen gezogen sei und wir bei allen künftigen
Entschließungen an erster Stelle mitzusprechen hätten. Auch der Kaiser
sprach sich in jener Zeit in einem Telegramm an den Kanzler, später auch
persönlich mir gegenüber, sehr entschieden dahin aus, daß von jeder
Proklamation einer polnischen Autonomie vorläufig abzusehen sei,
hauptsächlich um nicht einen Frieden mit Rußland zu erschweren.

Dagegen drängte das Wiener Kabinett unausgesetzt auf einen baldigen Erlaß
der Autonomieerklärung. Es fand Unterstützung in deutschen politischen
und parlamentarischen Kreisen, so bei gewissen Abgeordneten des Zentrums
und der Freisinnigen Volkspartei -- ich nenne nur die Namen Freiherr von
Rechenberg, Erzberger und Friedrich Naumann --, vor allem aber bei dem
Generalgouverneur von Beseler. Der Generalgouverneur hoffte, auf Grund
einer Autonomieerklärung in kurzer Zeit eine ansehnliche polnische Armee
aufstellen, ausbilden und im Kampf für die Unabhängigkeit Polens Schulter
an Schulter mit den Zentralmächten ins Feld stellen zu können. Angesichts
der schweren Kämpfe, die uns für das kommende Frühjahr bevorstanden, war
diese Aussicht für die Oberste Heeresleitung eine große Verlockung; die
Oberste Heeresleitung schloß sich dem General Beseler an und forderte
eine schleunige Entscheidung.

Der Kanzler war zu der Überzeugung gekommen, daß ein Separatfriede mit
Rußland auch von Stürmer, der im Juli Ssasonoff als Minister des
Auswärtigen ersetzt hatte, nicht zu erlangen sei. Alle bisher dem Zaren
und der russischen Regierung auf den verschiedensten Wegen gemachten
Andeutungen, daß wir für einen billigen Frieden zu haben seien, auch die
Andeutung, daß eine dem russischen Interesse Rechnung tragende Regelung
der Meerengenfrage bei unserem türkischen Bundesgenossen zu erreichen
sei, hatten kein Ergebnis gehabt. Insbesondere war eine im Frühjahr 1916
durch Vermittlung eines deutschen Großindustriellen und des japanischen
Gesandten in Stockholm gemachte Sondierung entgegen der getroffenen
Abrede von der russischen Regierung alsbald den Ententeregierungen
mitgeteilt worden.

Außerdem war Herr von Bethmann von der Notwendigkeit und Möglichkeit der
Errichtung eines sich an die Mittelmächte anlehnenden polnischen
Pufferstaates überzeugt. Er sah die große Zukunftsgefahr für Deutschland
in der gewaltigen und auch künftighin weiter wachsenden russischen Masse,
gegen deren Ansturm wir ein politisches und militärisches Vorfeld
schaffen müßten.

Den Ausschlag dafür, daß die im Grundsatz Mitte August in Wien
vereinbarte Proklamation der beiden Kaiser über die Errichtung eines
selbständigen Königreichs Polen nicht länger hinausgeschoben, sondern am
5. November 1916 verkündet wurde, gab jedoch das Drängen der
militärischen Stellen. Mein Bestehen darauf, daß vorher zum mindesten
zwischen Österreich und uns, womöglich aber auch zwischen der
präsumptiven polnischen Regierung und den beiden Mittelmächten alle
grundsätzlichen Fragen politischer, militärischer und wirtschaftlicher
Art geregelt sein müßten, war erfolglos.

Die Proklamation der beiden Kaiser war zunächst nur ein Programm und
sollte nur ein Programm sein; sie schuf den polnischen Staat noch nicht,
sondern stellte seine Errichtung als Ziel auf. Die Durchführung sollte
zwischen den beiden Mittelmächten und einflußreichen polnischen Kreisen
erst noch vereinbart werden.

Die Wiener Regierung suchte sich sofort bei den Polen noch einen
besonderen Stein im Brett zu sichern, indem sie gleichzeitig mit dem
Zwei-Kaiser-Manifest über die Errichtung des polnischen Staates, aber
ohne vorherige Verständigung der deutschen Regierung, ein Kaiserliches
Manifest über die Gewährung einer erweiterten Autonomie an Galizien
veröffentlichte.

Auf der anderen Seite griff der Generalgouverneur von Beseler den
weiteren Verhandlungen vor; er erließ, ohne vorherige Verständigung mit
dem österreichisch-ungarischen Generalgouverneur in Lublin und mit den
Berliner Stellen, am 13. November 1916 eine Verordnung über die Bildung
eines Staatsrates und eines Vereinigten Landtages im Königreich Polen.
Mit diesem nicht mehr rückgängig zu machenden Schritte, den der General
von Beseler mit der Notwendigkeit erklärte, den Boden für die Werbung der
polnischen Freiwilligen-Armee vorzubereiten, war der polnische Staat aus
dem Stadium des Programms ohne weiteres in das Stadium der Durchführung
hinübergeführt worden.

Zu dem Nebeneinander der österreichischen Verwaltung im Lubliner Bezirk
und der deutschen Verwaltung im Warschauer Bezirk kam nun noch das
Kondominium der beiden Zentralmächte beim Staatsrat. Die Polen, die gar
nicht genug auf dem einmal betretenen Weg des Ausbaues ihres Staates
weiterdrängen konnten, hatten die schönste Gelegenheit, die deutschen und
die österreichischen Vertreter gegeneinander auszuspielen. Die
Verhältnisse waren bald so unerquicklich wie nur möglich.

Es wurde im weiteren Verlauf der Dinge immer klarer, daß Österreich,
trotz der bei den Verhandlungen vor dem Erlaß der Novemberproklamation
gegebenen Zusagen, auch weiterhin darauf ausging, sich Polen in
irgendeiner Form anzugliedern, und daß es für diese Lösung in Polen
selbst eine umfangreiche Agitation entfalten ließ.

Zunächst wurde von österreichischer Seite die Ernennung des Erzherzogs
Karl Stephan zum Regenten und späterhin zum König von Polen eifrig
propagiert.

Über diesen Gedanken wurde in den ersten Apriltagen 1917 im deutschen
Hauptquartier zwischen den beiden Kaisern eine Unterhaltung geführt. Nach
Wien zurückgekehrt, suchte Kaiser Karl auf dem Wege telegraphischer
Korrespondenz den Kaiser Wilhelm auf die alsbaldige Ernennung des
Erzherzogs zum Regenten und seine Designation zum König von Polen
festzulegen. Kaiser Wilhelm wiegelte jedoch ab mit dem Hinweis, daß nach
seiner Ansicht jeder weitere Schritt vermieden werden müsse, der eine
Verständigung mit dem neuen Rußland erschweren könne.

Späterhin wurde von österreichischer Seite die sogenannte
»austro-polnische Lösung« angeregt, nach der das neue aus Russisch-Polen
und Galizien bestehende Königreich zum mindesten durch Personalunion mit
der österreichisch-ungarischen Monarchie verbunden werden sollte; nachdem
die österreichische Regierung das Gefühl gewonnen hatte, daß die deutsche
Regierung diesen Gedanken nicht a limine abweisen würde, ging sie weiter
und verlangte auch die wirtschaftliche, insbesondere die zollpolitische
Angliederung Polens an die österreichisch-ungarische Monarchie. Die
großen deutschen Interessen, die in der polnischen Frage auf dem Spiel
standen, konnten bei aller Geneigtheit, dem Bundesgenossen in einer so
tief in seine staatlichen Verhältnisse einschneidenden Frage Verständnis
und Entgegenkommen zu zeigen, nicht mit einer leichten Handbewegung zur
Seite geschoben werden.

Österreich suchte seinen Wünschen den Boden zu bereiten vor allem durch
eine eifrige Unterstützung der polnischen Forderungen auf einen
beschleunigten Ausbau des polnischen Staatswesens.

Wir hatten klüglich das entgegengesetzte Interesse. Nicht nur, daß wir
uns die Möglichkeit einer Verständigung mit Rußland über Polen auch jetzt
noch offenhalten mußten -- wir durften auch nicht übersehen, daß Polen,
das für Österreich abseits seiner Etappenstraßen lag, für uns
Etappengebiet war, das, solange der Krieg mit Rußland dauerte, im
Interesse des Zentrums unserer Ostfront unter allen Umständen fest in
unserer Hand bleiben mußte; wir durften ebensowenig übersehen, daß die
Gesinnung der Polen gegenüber ihren deutschen »Befreiern« auch nach der
Zwei-Kaiser-Proklamation keineswegs eine solche war, daß wir unser Haupt
ruhig in ihren Schoß legen konnten. Die Werbung des Generals von Beseler
war mehr als kläglich gescheitert; die große Masse der polnischen
Bevölkerung sah in uns nach wie vor den Feind.

Trotzdem fand das polnische und österreichische Drängen auf einen
beschleunigten Ausbau des polnischen Staates im deutschen Reichstag
eifrige Befürworter. Im August 1917, in einem Augenblick, in dem der
polnische Staatsrat sich demonstrativ aufgelöst hatte, weil die zu mehr
als drei Vierteln aus österreichischen Staatsangehörigen bestehende
»Polnische Legion« Befehl zum Abmarsch an die russische Front erhalten
hatte, brachten Zentrum, Freisinnige und Sozialdemokraten im
Hauptausschuß des Reichstags einen Antrag ein, der u. a. die sofortige
Schaffung eines polnischen Ministeriums und die unverzügliche Umwandlung
des Staatsrates in eine Volksvertretung verlangte. Einer der Herren
Antragsteller verlangte in seiner Begründung sogar die Übertragung der
Polizei an die Polen; ein anderer, der heute ein hohes Staatsamt
bekleidet, hatte sogar die Naivität, uns vorzuhalten, ein hervorragendes
Mitglied des polnischen Staatsrates habe ihm gesagt, Graf Czernin habe
erklärt, die Wiener Regierung sei zur Erfüllung der polnischen Wünsche
bereit, wenn nur die deutsche Regierung nicht Widerstand leiste -- das
alles noch dazu in Gegenwart der führenden Mitglieder der polnischen
Fraktion des Reichstages!

Eine Einigung zwischen Berlin und Wien über die polnische Frage wurde
auch späterhin nicht erzielt. Die Meinungsverschiedenheiten erfuhren
vielmehr in der kritischen Zeit des Krieges, wie ich weiter unten
darstellen werde, eine erneute Zuspitzung.


    Die Bestrebungen auf wirtschaftliche Annäherung zwischen
                Deutschland und Österreich-Ungarn

Während die unselige polnische Frage eine Quelle von Reibungen und
Verstimmungen zwischen den beiden Verbündeten war, schienen die
Bestrebungen nach einem wirtschaftlichen Zusammenschluß ein neues und
starkes Band um Deutschland und Österreich schlingen zu wollen. Das
Naumannsche Buch über Mitteleuropa fand nicht nur in Deutschland, sondern
wohl noch mehr in Österreich eine begeisterte Leserschaft. Als Naumann in
Wien in einer großen Versammlung persönlich seine Gedanken entwickelte,
wurde er von den Zuhörern wie der Künder einer neuen Zeit gefeiert.

Der alte Kaiser Franz Joseph hat mir damals, im Februar 1916, über das
Wirtschaftsbündnis ein nachdenkliches Wort gesagt: »Es wird über die
Sache zu viel geredet, und das ist schade.« Das war in der Tat schade;
denn die großen Schwierigkeiten, die in der Sache lagen, konnten mit den
Mitteln der Beredsamkeit nicht überwunden, wohl aber gelegentlich noch
vergrößert werden.

Diese Schwierigkeiten erhellten schon aus der Tatsache, daß von dem
gesamten Außenhandel Deutschlands nur etwa 9 Prozent auf den Handel mit
Österreich-Ungarn kamen, von dem österreichisch-ungarischen Außenhandel
dagegen nicht weniger als 42 Prozent auf den Handel mit Deutschland. Eine
handelspolitische Einigung zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn
ließ also für Deutschland die Sorge für neun Zehntel seines Außenhandels
offen, für Österreich-Ungarn dagegen nur für zwei Fünftel. Für
Deutschland war infolgedessen eine Einigung auf Grundlagen, die seine
Handelsbeziehungen mit den übrigen Ländern erschweren mußten, also vor
allem eine Einigung auf Grund eines Systems von Vorzugszöllen,
schlechthin unannehmbar, während die österreichischen und ungarischen
Anhänger des Gedankens der wirtschaftlichen Annäherung gerade auf ein
System gegenseitiger Vorzugszölle hinarbeiteten.

Mein eigener Gedanke, den ich den österreichisch-ungarischen
Präferenzideen gegenüberstellte, kam hinaus auf die Schaffung einer
weitgehenden wirtschaftlichen Gemeinschaft zwischen den beiden Reichen,
die nicht nur das Zollwesen, sondern auch das Niederlassungsrecht, das
Handelsrecht (einschließlich des Rechtes der Handelsgesellschaften) und
das Verkehrswesen (Eisenbahnen und Binnenwasserstraßen) umfassen sollte.
Speziell auf dem Gebiet des Zollwesens erstrebte ich ein einheitliches
Zolltarifgesetz mit einem einheitlichen Zolltarifschema und mit im großen
ganzen einheitlichen Zollsätzen nach außen und wenigen Ausgleichszöllen
im Innern. Den starken Widerstand der österreichischen und der mit
künstlichen Mitteln großgezogenen ungarischen Industrie hoffte ich durch
Maßnahmen auf dem Gebiete der Syndizierung und Kartellierung überwinden
zu können. Es ist mir schließlich auch gelungen, den Grafen Tisza, der
vorher dem Gedanken der wirtschaftlichen Annäherung durchaus ablehnend
gegenübergestanden hatte, für Verhandlungen auf dieser Grundlage zu
gewinnen.

Die Verhandlungen, bei denen die österreichischen und ungarischen
Kommissare mit großer Hartnäckigkeit immer wieder auf das für uns
schlechterdings unannehmbare Präferenzsystem zurückkamen, zogen sich
lange über mein Ausscheiden aus meinen Ämtern hin und waren noch nicht
abgeschlossen, als im Herbst 1918 die Katastrophe eintrat.


       Die österreichisch-ungarischen Friedensbestrebungen

In diesem Nebeneinander von Interessengemeinschaften und
Interessengegensätzen trat eines immer klarer zutage: die
zunehmende Kriegsmüdigkeit unseres Verbündeten. Die Völker der
österreichisch-ungarischen Monarchie litten infolge der laxeren
Verwaltung und schlechteren Organisation noch stärker unter dem Druck des
Krieges als das deutsche Volk. Ihre moralische Widerstandskraft gegenüber
diesem Druck war geringer; denn für den Tschechen, Polen, Slowaken,
Rumänen war der Krieg nicht, wie für das deutsche Volk, ein Kampf um das
nationale Dasein. Dazu kam für die leitenden Kreise der Monarchie
zweifellos das durch die Entwicklung des Krieges ausgelöste drückende
Gefühl der Abhängigkeit von Deutschland. Der durch den U-Bootkrieg
veranlaßte Eintritt Amerikas in den Kampf gegen die Mittelmächte, ferner
die russische Revolution, die auf die österreichischen Slawen
unmittelbarer einwirkte als auf die deutschen Massen, mußten die
Kriegsmüdigkeit unseres Bundesgenossen noch steigern.

Gegen Ende März 1917 war Graf Czernin für zwei Tage in Berlin. Er sprach
bei dieser Gelegenheit sehr offen aus, daß Österreich-Ungarn den Krieg
nicht mehr lange werde fortsetzen können; ein weiterer Winterfeldzug sei
jedenfalls eine Unmöglichkeit.

In den ersten Apriltagen kam Graf Czernin in Begleitung des Kaisers Karl
und der Kaiserin Zita nach dem deutschen Hauptquartier, wohin sich auch
der Kanzler und der Staatssekretär Zimmermann begaben. Kaiser Karl gab
eine ähnliche Schilderung der Lage, wie sie Graf Czernin in Berlin
gegeben hatte. Bestimmte Vorschläge machte er jedoch ebensowenig wie sein
Minister des Äußern. Soweit ich unterrichtet bin, fiel nur in Form einer
sondierenden Andeutung die Bemerkung: am besten wäre es, wenn wir
Elsaß-Lothringen den Franzosen anböten, um auf diese Weise zum Frieden zu
kommen; Österreich-Ungarn sei an sich bereit, ganz Galizien und auch das
Trentino herzugeben, das habe aber keinen praktischen Zweck, denn der
Friede könne nur im Westen gemacht werden. Die Kriegslage wurde bei uns,
zumal da die russische Revolution uns die Befreiung von unserm großen
östlichen Feinde in Aussicht stellte, in keiner Weise als derartig
angesehen, daß die Preisgabe der Reichslande auch nur hätte in Erwägung
gezogen werden können.

Am 14. April ließ Kaiser Karl durch einen persönlichen Adjutanten an
Kaiser Wilhelm ein Handschreiben überbringen, dem ein Bericht des Grafen
Czernin vom 12. April beigefügt war.

In diesem Berichte führte Graf Czernin im wesentlichen aus:

Die militärische Kraft der Monarchie gehe ihrem Ende entgegen. Die
Rohmaterialien für die Munitionserzeugung gingen zur Neige. Dumpfe
Verzweiflung habe sich aller Volksschichten bemächtigt. Im Spätsommer
oder Herbst müsse um jeden Preis Schluß gemacht werden. Der Krieg, der in
der Weltgeschichte ohne Vorbild sei, habe für ganz Europa die
revolutionäre Gefahr heraufbeschworen. Auf die österreichischen Slawen
wirke die russische Revolution stärker als auf die Reichsdeutschen; aber
auch die innere Situation Deutschlands sei nicht wesentlich anders als
diejenige Österreich-Ungarns. Eine weitere Winterkampagne werde auch in
Deutschland Umwälzungen hervorrufen, die dem verantwortlichen Verteidiger
des dynastischen Prinzips viel ärger erscheinen müßten als ein von den
Monarchen geschlossener schlechter Friede. Die amerikanische
Kriegserklärung habe die Situation zweifellos wesentlich verschärft. Der
Fortgang der russischen Ereignisse lasse sich noch nicht übersehen. Eine
französisch-englische, wahrscheinlich auch eine italienische Offensive
ständen unmittelbar bevor. Wenn es gelungen sei, in etwa zwei bis drei
Monaten diese Angriffe abzuschlagen, »dann müssen wir, bevor Amerika das
militärische Bild neuerdings zu unseren Ungunsten verschiebt, einen
weitergehenden detaillierten Friedensvorschlag machen und uns nicht davor
scheuen, eventuell große und schwere Opfer zu bringen«. Die deutschen
Hoffnungen auf den U-Bootkrieg halte er für trügerisch. Admiral von
Holtzendorff habe vorausgesagt, der verschärfte U-Bootkrieg werde England
binnen sechs Monaten mattsetzen. Es seien seither zweieinhalb Monate
vergangen, und an einen Niederbruch Englands sei auch nicht einmal zu
denken. Auch in einigen Monaten werde England nicht gezwungen sein, die
Waffen niederzulegen, aber es werde sich dann vielleicht die Rechnung
stellen, »ob es klug und vernünftig sei, diesen Krieg à outrance zu
führen, oder ob es nicht staatsmännischer sei, goldene Brücken zu
betreten, wenn ihm dieselben von den Zentralmächten gebaut werden; dann
wäre der Augenblick gekommen für weitgehende schmerzliche Opfer der
Zentralmächte«. Der Kaiser Karl habe die wiederholten Versuche der
Feinde, ihn von seinem Bundesgenossen zu trennen, abgelehnt; aber
gleichzeitig habe der Kaiser ihn, den Grafen Czernin, beauftragt, den
deutschen Staatsmännern zu sagen, daß Österreich-Ungarn am Ende seiner
Kräfte sei und daß Deutschland über den Sommer hinaus nicht mehr auf
Österreich-Ungarn werde rechnen können. Er habe diesen Befehl ausgeführt,
und die deutschen Staatsmänner hätten ihm keinen Zweifel darüber
gelassen, daß auch für Deutschland eine weitere Winterkampagne ein Ding
der Unmöglichkeit sei. Wenn sich nicht in einigen Wochen die Möglichkeit
ergäbe, mit Paris oder Petersburg zu sprechen, dann müsse noch
rechtzeitig die letzte Karte ausgespielt und die angedeutete äußerste
Proposition gemacht werden.

Dieser Schritt des österreichischen Kaisers und des Grafen Czernin, der
wie die Drohung einer befristeten Aufkündigung der Waffenbrüderschaft
aussah, überraschte um so mehr, als die Befürwortung »weitgehender
schmerzlicher Opfer« Hand in Hand ging mit den österreichischen
Aspirationen auf Polen. Bei demselben Besuch im deutschen Großen
Hauptquartier, bei dem Kaiser Karl den Deutschen Kaiser auf die
sofortige Ernennung des Erzherzogs Karl Stephan zum Regenten und seine
Designierung zum König von Polen festzulegen suchte, machte er uns mit
dem Grafen Czernin die Zumutung, daß wir Elsaß-Lothringen herausgeben
sollten. Und an demselben 13. April, an dem der Kaiser Karl die
Denkschrift des Grafen Czernin an Kaiser Wilhelm abschickte, sandte er
ihm ein Telegramm, in dem er die Zustimmung des Deutschen Kaisers erbat,
dem Erzherzog Karl Stephan Mitteilung von den ihn betreffenden Absichten
machen zu dürfen!

Bekannt war uns ferner, daß seit einiger Zeit der frühere
österreichisch-ungarische Botschafter in London, Graf Mensdorff, in der
Schweiz weilte, um dort mit Vertrauensleuten der Entente Fühlung zu
nehmen.

Nicht bekannt dagegen war uns damals der im Frühjahr 1918 von der
französischen Regierung veröffentlichte Brief des Kaisers Karl an seinen
Schwager, den Prinzen Sixtus von Parma. In diesem Briefe hieß es nach der
französischen Version, die zunächst von der Wiener Regierung als
»verfälscht« bezeichnet worden ist, an deren Richtigkeit aber nach dem
Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Herrn Clemenceau und dem Grafen
Czernin ein Zweifel wohl kaum mehr möglich ist:

»Mein lieber Sixtus! -- Das Ende des dritten Jahres des Krieges, der so
viel Trauer und so viel Schmerzen in die Welt brachte, rückt heran. Alle
Völker meines Reiches sind enger als je vereint im gemeinsamen Willen,
die Integrität der Monarchie selbst um den Preis der schwersten Opfer zu
erhalten... Niemand dürfte die von meinen Truppen davongetragenen
militärischen Vorteile bestreiten, besonders die auf dem
Balkankriegsschauplatz. Seinerseits hat Frankreich eine prächtige
Widerstandskraft und Begeisterung gezeigt. Wir alle bewundern rückhaltlos
die wunderbare traditionelle Tapferkeit seiner Armeen und den Opfergeist
des ganzen französischen Volkes. Deshalb ist es mir besonders angenehm,
zu sehen, daß, obwohl wir augenblicklich Gegner sind, kein
Auseinandergehen der Gesichtspunkte oder Aspirationen mein Reich von
Frankreich trennt. Ich bin berechtigt, hoffen zu dürfen, daß meine
lebhaften Sympathien für Frankreich, vereint mit jenen, die in der
Monarchie herrschen, auf immerdar die Rückkehr eines Kriegszustandes
vermeiden werden, für den mir keine Verantwortung zufällt. Zu diesem
Zweck und um die Echtheit dieser Gefühle auf bestimmte Art kundzutun,
bitte ich Dich, geheim und inoffiziell Herrn Poincaré, dem Präsidenten
der französischen Republik, mitzuteilen, daß ich mit allen Mitteln und
unter Aufbietung alles meines persönlichen Einflusses bei meinem
Verbündeten die gerechten französischen Ansprüche hinsichtlich
Elsaß-Lothringens unterstützen werde.«

Der Brief sprach dann über Belgien, das wiederhergestellt und entschädigt
werden müsse, und über Serbien, das gleichfalls wiederhergestellt werden
und einen Ausgang nach der Adria erhalten solle, allerdings unter der
Bedingung, daß es sich unter Garantie der Ententemächte zur Unterdrückung
jeder gegen Österreich-Ungarn gerichteten Agitation verpflichte.
Vorschläge über Rußland müßten bis zur Konstituierung einer gesetzlichen
und endgültigen Regierung vorbehalten bleiben. Der Brief schloß:

»Nachdem ich meine Gedanken dargelegt habe, bitte ich Dich, mir
Deinerseits nach Besprechung mit den beiden Mächten zuerst die Meinung
Frankreichs, dann diejenige Englands auseinanderzusetzen, um dergestalt
eine Grundlage vorzubereiten, auf der offizielle Besprechungen begonnen
werden können.«

Dieser Brief wurde von dem Prinzen Sixtus dem Präsidenten Poincaré in
Urschrift vorgelegt; mit Zustimmung des Prinzen wurde eine Abschrift an
den französischen Ministerpräsidenten und Minister des Äußeren Herrn
Ribot weitergegeben; er war vom 31. März 1917 datiert, war also
geschrieben und abgesandt wenige Tage vor dem Besuch des österreichischen
Kaiserpaares im deutschen Hauptquartier, bei dem die polnische Krone für
den Erzherzog Karl Stephan gesichert werden sollte und bei dem Kaiser
Karl und Graf Czernin beiläufig die Abtretung Elsaß-Lothringens als
Mittel zur Beendigung des Krieges empfahlen; zwölf Tage vor der
Übersendung der Denkschrift des Grafen Czernin, in der von »weitgehenden
schmerzlichen Opfern« zwecks Herbeiführung des Friedens gesprochen
wurde.

Der Brief des Kaisers Karl läßt erkennen, daß dieser für sich die
»Integrität der Monarchie« erhalten wollte, »selbst um den Preis der
schwersten Opfer«; daß er sich andererseits gegenüber den Franzosen
bereit erklärte, auf uns wegen der Herausgabe Elsaß-Lothringens den
stärksten Druck auszuüben; dies, nachdem unsere Truppen ihm die Monarchie
vor den Russen und Rumänen gerettet, Galizien und Siebenbürgen
wiedererobert hatten!

Aber der Kaiserbrief war damals noch nicht bekannt. Bei allem Mißtrauen,
das auch schon aus dem für uns sichtbaren Verhalten des österreichischen
Kaisers und seiner Umgebung sich ergeben mußte, erforderte die
Denkschrift des Grafen Czernin eine sachliche Prüfung und eine sachliche
Erwiderung.

Auch bei uns war man von dem fortdauernden und zunehmenden Ernst der Lage
durchdrungen, und gerade das zweifelhafte Verhalten unseres
Bundesgenossen war dazu angetan, den Ernst der Lage noch zu verschärfen.
Aber man sah bei uns weder die militärische, noch die maritime, noch die
innere Lage so hoffnungslos an, wie Graf Czernin sie seinem Kaiser zum
Zwecke des Druckes auf Deutschland gemalt hatte. Ich glaube auch nicht,
daß irgendein deutscher Staatsmann dem Grafen Czernin gegenüber einen
weiteren Winterfeldzug für ein »Ding der Unmöglichkeit« erklärt haben
kann, so sehr wir alle mit dem Grafen Czernin darüber einig waren, daß
man, wenn irgend möglich, den Krieg vor dem Winter zu Ende bringen
müsse. Das erschien jedoch nur erreichbar, wenn es gelang, einen
moralischen Zusammenbruch sowohl des eigenen Volkes wie des
österreichisch-ungarischen Bundesgenossen zu verhindern und in der
entscheidenden Zeit die Zuversicht aufrechtzuerhalten.

Die oberste Heeresleitung hob in ihrer Stellungnahme zu der Denkschrift
des Grafen Czernin die starke militärische Entlastung hervor, die damals
schon die russische Revolution für die Ostfront bedeutete; im Westen sei
es gelungen, die große Offensive der Feinde aufzufangen, unsere Position
sei so stark und achtunggebietend, »daß wir jedem militärischen Ereignis
mit vollem Vertrauen entgegensehen können und auch in der Lage sein
werden, den Kampf auch ohne Österreich fortzusetzen«. Durch die
Entlastung im Osten werde aber auch Österreich-Ungarn genügende Truppen
für die Durchführung der Kämpfe an der italienischen Front bis zur
Beendigung des Krieges haben. Der Ausgang des Krieges sei mehr wie je
eine Nervenfrage geworden. Auch bei unseren Gegnern sei das
Friedensbedürfnis stark; zeigten wir jetzt zu viel Entgegenkommen, so
würden sie glauben, daß unser Friedensbedürfnis größer sei als das
ihrige, und sich ablehnend verhalten. Nur indem wir unseren Willen zum
Weiterkämpfen offen bekundeten, würden wir zu aussichtsvollen
Friedensverhandlungen gelangen.

Der Admiralstab wies auf die bis dahin erzielten großen Erfolge des
uneingeschränkten U-Bootkriegs hin; in den zweieinhalb Monaten seit
seiner Eröffnung seien 2 Millionen Tonnen, etwa ein Fünftel des auf
England fahrenden Schiffsraums, versenkt worden. Ein Monat U-Bootkrieg
vernichte mehr Tonnage, als England im ganzen Jahr 1916 ausgebaut habe.
Die angekündigten tausend amerikanischen Holzschiffe würden nur den
Verlust von vier Monaten decken, wenn sie schon da wären; sie würden aber
zu spät kommen. Die aus England vorliegenden Nachrichten zeigten, daß
Vorräte, die eine Lücke in der Zufuhr überbrücken könnten, nicht
vorhanden seien. Schon jetzt, nach zweieinhalb Monaten, müsse den
verantwortlichen Personen in England klar werden, daß der U-Bootkrieg die
Lebenshaltung der Bevölkerung auf ein unerträgliches Maß herabdrücken und
die Kriegsindustrie so beeinträchtigen werde, daß die Hoffnung,
Deutschland durch Übermacht an Munition und Geschützen zu schlagen,
aufgegeben werden müsse.

Die Erwiderung des Reichskanzlers auf die Denkschrift des Grafen Czernin
wurde am 4. Mai dem Kaiser vorgelegt. Sie stützte sich in ihren
Ausführungen über die militärische Lage und den U-Bootkrieg auf die
Äußerungen der Obersten Heeresleitung und des Admiralstabs und nahm
außerdem Bezug auf eine Rede, die ich am 28. April im Hauptausschuß des
Reichstages in Kenntnis der österreichischen Zweifel über die Wirkungen
des U-Bootkriegs und nicht zum wenigsten in der Absicht, diesen Zweifeln
entgegenzuwirken, gehalten hatte. Sie fügte hinzu:

»Geheimen, aber sicheren Nachrichten zufolge hat Ministerpräsident Ribot
kürzlich zum italienischen Botschafter in Paris geäußert, Frankreich
ginge der Erschöpfung entgegen.« Unsere eigene innere Lage sei infolge
des langen Krieges und der Abgeschlossenheit vom Weltmeer schwierig, aber
er, der Kanzler, habe das feste Vertrauen, daß es gelingen werde, die
Schwierigkeiten ohne dauernde Gefährdung der Volkskraft und ohne
Bedrohung des staatlichen Gefüges zu überwinden. Gleichwohl stimme er mit
dem Grafen Czernin voll überein in der Verfolgung des Zieles, »einen
ehrenvollen, den Interessen des Reiches und unserer Bundesgenossen
gerechtwerdenden Frieden so bald wie möglich herbeizuführen«. Er teile
auch die Ansicht, »daß das wichtige Moment der Schwächung Rußlands
ausgenutzt und daß eine erneute Friedensaktion zu einem Zeitpunkt
eingeleitet werden muß, an dem die militärische und politische Initiative
noch in unseren Händen ruht«. Graf Czernin selbst habe den Zeitpunkt
hierfür in zwei bis drei Monaten ins Auge gefaßt, an dem die feindlichen
Offensiven ihr Ende gefunden hätten. In der Tat würde gegenwärtig bei den
weitgespannten Erwartungen der Franzosen und Engländer eine zu stark
unterstrichene Friedensbereitschaft nicht nur zur Erfolglosigkeit
verdammt sein, sondern auch durch den in ihr ruhenden Schein der
hoffnungslosen Erschöpfung der Mittelmächte die Kräfte der Gegner neu
beleben. Augenblicklich wäre ein allgemeiner Friede nur durch
Unterwerfung unter den Willen unserer Feinde zu erkaufen. Ein solcher
Friede aber würde vom Volke nicht ertragen werden und verhängnisvolle
Gefahren für die Monarchie heraufbeschwören. Die Entwicklung der
Ereignisse in Rußland dränge den Kampf der (russischen) Parteien immer
mehr auf die Friedensfrage; diese Entwicklung müsse aufmerksam verfolgt
und begünstigt, kommende russische Sondierungsversuche müßten zwar ohne
zur Schau getragenes Empressement, aber doch sachlich so behandelt
werden, daß sie zu tatsächlichen Friedensverhandlungen führten.

Daß der hier gezeigte Weg -- unabhängig von der Frage des Erfolges des
U-Bootkriegs -- unter den damaligen Verhältnissen der einzig mögliche
war, hat die Entwicklung der nächsten Monate gezeigt; mehr noch die erst
später bekanntgewordene und auch heute in deutschen Kreisen noch
auffallend wenig bekannte Folge, die die französische Regierung mit ihren
Verbündeten dem Brief des Kaisers Karl gegeben hat. Davon später!

Graf Czernin selbst kam für längere Zeit nicht auf seine Anregung des mit
weitgehenden und schmerzlichen Opfern anzubietenden Friedens zurück. Im
Gegenteil, die Besprechungen, die er am 17. und 18. Mai 1917 erneut in
unserem Hauptquartier zu Kreuznach führte, bewegten sich auf ganz anderen
Grundlagen als denjenigen des Verzichtens und Opferns; es drehte sich bei
ihnen um politische Kompensationen von sehr erheblichem Umfang, die für
den Fall einer Erweiterung des deutschen Machtbereiches nach Osten die
österreichisch-ungarische Monarchie für sich in Rumänien beanspruchte.

Auch hat sowohl der Gang der militärischen Ereignisse wie die Entwicklung
der inneren Verhältnisse in Deutschland und Österreich-Ungarn gezeigt,
daß die Zentralmächte in ihren Heeren und Völkern damals noch sehr
erheblicher Leistungen fähig und noch nicht darauf angewiesen waren, Hals
über Kopf einen Frieden um jeden Preis zu schließen. Die militärische wie
die innere Lage, so schwer sie war, gestattete, die Entwicklung in
Rußland abzuwarten und die sich aus dieser ergebenden Vorteile
wahrzunehmen. Sie gestattete auch noch die glänzende Herbstoffensive in
Venetien, den von dem Grafen Czernin als Ding der Unmöglichkeit erklärten
Winterfeldzug und darüber hinaus die gewaltige deutsche
Frühjahrsoffensive im Westen.

Es war also im Frühjahr 1917 noch kein Grund zu der von dem Grafen
Czernin propagierten Panikstimmung vorhanden. Die Diplomatie hatte für
ihre Betätigung zur Herbeiführung des Friedens noch einen reichlich
bemessenen Spielraum. Es kam jetzt in der Tat alles darauf an, daß
Regierende und Regierte die Nerven behielten und daß die Politik die sich
ihr im weiteren Verlauf der Ereignisse bietenden Gelegenheiten klug und
besonnen zur Herbeiführung eines erträglichen Friedens ausnutzte.
Besonnenheit und Klugheit war für die deutsche Politik jetzt um so mehr
geboten, als der Schritt des Grafen Czernin vom April 1917 zeigte, daß
auf unseren österreichisch-ungarischen Bundesgenossen kein unbedingter
Verlaß mehr war.


                         Die innere Lage

                  Der Verfall des Burgfriedens

Als Ende Juli 1914 das gewaltige Schicksal des Krieges über Deutschland
hereinbrach, fand es ein einiges Volk. Die Überzeugung, daß es gelte,
Haus und Herd gegen einen frevelhaften Angriff zu verteidigen, war,
ebenso wie der entschlossene Wille zur Verteidigung, Gemeingut aller
Stände und Schichten. Alles Trennende trat hinter den einen Gedanken
zurück, daß es gelte, das Vaterland aus schwerster Bedrängnis zu retten.

Das Wort des Kaisers: »Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur
Deutsche« war der Ausdruck der Stimmung, die das ganze Volk erfüllte. Der
»Burgfriede« war das Kriegsgesetz der Heimat.

Auch diejenige Partei, die unsere Staats- und Gesellschaftsordnung
grundsätzlich bekämpfte und ihre Ziele auf internationaler Grundlage zu
erreichen suchte, die Sozialdemokratie, stellte sich schützend vor das
bedrohte Vaterland.

Am 4. August 1914 erklärte der Abgeordnete Haase als Sprecher der
Sozialdemokratischen Partei im Reichstag:

»Es gilt, die Kultur und die Unabhängigkeit des eigenen Landes
sicherzustellen. Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir
lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.«

Der Kriegskredit und alle Kriegsgesetze wurden in jener Reichstagssitzung
einstimmig angenommen.

Der große Aufschwung vaterländischer Gesinnung verlor jedoch mit der
Dauer des Krieges an Kraft. Die Enttäuschung der Hoffnungen auf ein
rasches und gutes Ende des Krieges, die schweren Verluste, von denen kaum
eine Familie verschont blieb, die Vernichtung zahlreicher Existenzen, die
wachsenden Schwierigkeiten der Volksernährung, der Druck des
Belagerungszustandes -- das alles wirkte zusammen, um die Geschlossenheit
der »inneren Front« zu lockern.

Als der Reichstag am 10. März 1915 den Etat für 1915 und den dritten
Kriegskredit beriet, da kündigte die Sozialdemokratie bereits eine Reihe
politischer Forderungen an; es kam auch aus Anlaß einer Rede des
Abgeordneten Ledebour zu einem heftigen Auftritt. Aber Etat und
Kriegskredit wurden schließlich dieses Mal noch ohne Widerspruch
angenommen.

Bei dieser Gelegenheit wurde vom Bundesratstisch aus zum erstenmal das
Wort »Neuorientierung« ausgesprochen. Gegenüber den aus dem Hause
geäußerten Wünschen nach politischen Reformen führte mein Vorgänger im
Reichsamt des Innern, der Staatssekretär Delbrück, aus, der
Reichskanzler und die verbündeten Regierungen erkannten an, »daß die
großen Ereignisse, die der Krieg gebracht hat, uns vor die Notwendigkeit
stellen werden, zu prüfen, inwieweit unsere innere Politik einer
Neuorientierung bedarf. Aber« -- fügte er hinzu -- »es ist auch
wiederholt darauf hingewiesen worden, daß der Herr Reichskanzler und die
Verbündeten Regierungen der Meinung sind, daß eine solche Prüfung nicht
wohl angängig ist während des Krieges, mit Rücksicht darauf, daß alle
Gegensätze, die die einzelnen Teile und Parteien unseres Volkes bewegen
und getrennt haben, soweit als möglich nicht diskutiert werden sollten,
solange unsere Heere an den Grenzen kämpfen; und an diesem Grundsatz
müssen die Verbündeten Regierungen festhalten.«

Eine »Neuorientierung« wurde also in Aussicht gestellt, aber erst für die
Zeit nach dem Kriege; solange der Krieg dauerte, sollte der »Burgfriede«
allem andern vorgehen.

Schon im Sommer 1915 verließ der Reichstag seinerseits diesen Standpunkt,
indem er einem Initiativantrag auf Änderung des Vereinsgesetzes seine
Zustimmung gab. Die Reichsleitung hatte sich gegen die bisherige
Gepflogenheit an den Verhandlungen über diesen Initiativantrag beteiligt.
Den Beschlüssen des Reichstages stimmten zwar die Verbündeten Regierungen
nicht zu; aber sie brachten im Frühjahr 1916 ihrerseits eine Novelle zum
Vereinsgesetz an den Reichstag, durch die vorgesehen wurde, daß die
Gewerkschaften und die entsprechenden Vereine der Arbeitgeber nicht den
für politische Vereine geltenden Beschränkungen unterliegen sollten. Die
Bedeutung der Novelle war in erster Linie eine »deklaratorische«; denn es
handelte sich darum, der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers
gegenüber einer zu engen Auslegung des Vereinsgesetzes durch die Gerichte
und Verwaltungsbehörden Geltung zu verschaffen.

Dieser Gesetzentwurf war in parlamentarischer Behandlung, als ich am 1.
Juni 1916 das Reichsamt des Innern übernahm. Ebenso war damals schon die
Zustimmung der Verbündeten Regierungen zu einem schon vor Jahren vom
Reichstag angenommenen Initiativantrag behufs Aufhebung des
Jesuitengesetzes in die Wege geleitet.

Der Reichstag drängte weiter. Ich kam schon am 5. Juni bei der zweiten
Lesung der Novelle zum Vereinsgesetz in die Lage, zu diesem Drängen
Stellung zu nehmen. Ich führte damals aus:

Die Verbündeten Regierungen hätten zwar geglaubt, berechtigten Wünschen
durch eine Deklaration des bestehenden Gesetzes Rechnung tragen zu
können, aber sie glaubten nicht, auf umstrittenem Boden Änderungen
bestehender Gesetze vornehmen zu sollen, solange der Krieg noch dauere.
Bis dahin gehörten alle unsere Kräfte der Verteidigung des Vaterlandes
und der Sicherstellung eines Friedens, der uns gestatte, unbehelligt von
außen unser Haus neu zu bestellen und die Arbeit an der Hebung des
gesamten Lebensstandes unseres Volkes wieder aufzunehmen. Die
Neubestellung unseres Hauses werde sich vollziehen auf der Grundlage des
Erlebnisses, das dieser Krieg für unser Volk und für jeden einzelnen von
uns bedeute. Im brüderlichen Zusammenhalten, in der Gemeinsamkeit der
Taten und Opfer müsse sich das gegenseitige Verhältnis der einzelnen
Berufsstände, Klassen und Konfessionen wandeln und klären. Dem neuen
Inhalt unseres militärischen und staatlichen Daseins würden sich neue
Formen anpassen. »Die Aufgaben, die uns hier bevorstehen, sind so
umfassend und so weitschichtig, sie hängen auch so eng miteinander
zusammen, daß es nicht angeht, die eine oder die andere Frage, mag sie
dem einzelnen auch noch so brennend und wichtig erscheinen, getrennt für
sich vorweg zu behandeln.«

Dieser Standpunkt wurde auch von der Mehrheit des Reichstags damals noch
geteilt.

Aber die großen Risse und Sprünge im »Burgfrieden« waren gleichwohl
unverkennbar. Nicht etwa nur auf dem Gebiet der inneren Politik, sondern
auch in der Frage der Kriegsziele und in der Frage der Kriegsmittel,
namentlich des U-Bootkriegs.

Von der einen Seite, die man sich gewöhnt hat als »alldeutsch« zu
bezeichnen, wurden weitgesteckte Kriegsziele proklamiert, große
territoriale Erwerbungen in West und Ost, zum mindesten die politische,
militärische und wirtschaftliche Beherrschung wichtiger, unseren Grenzen
vorgelagerter Gebiete. Vor allem wurde verlangt, daß wir, um uns zu
sichern und um England jederzeit in Schach setzen zu können, Belgien und
die flandrische Küste »fest in der Hand behalten« müßten; manche
verlangten darüber hinaus, daß wir durch die dauernde Festsetzung in
Calais und Boulogne die Ungunst der geographischen Lage Deutschlands zum
Weltmeer verbessern, aus dem »nassen Dreieck« herauskommen und den freien
Ausgang zum Kanal und Atlantischen Ozean gewinnen müßten. Es waren nicht
die Schlechtesten der Nation, die für solche Ziele sich einsetzten; ich
nenne nur den Grafen Zeppelin, der mir einmal sagte, der Krieg sei für
uns verloren, wenn er uns nicht zum mindesten die belgische und
französisch-flandrische Küste bis über Boulogne hinaus bringe. Es waren
auch nicht etwa nur die »Alldeutschen«, die sich für so weitgehende Ziele
einsetzten; unter anderen hat z. B. Herr Erzberger, später einer der
schärfsten Bekämpfer der alldeutschen Kriegsziele, im September 1914 in
einer an die Spitzen der Reichs- und Heeresleitung gerichteten
Denkschrift nicht nur die Annexion des Erzgebietes von Longwy und Briey,
die deutsche Oberherrschaft über Belgien und das französische
Küstengebiet bis nach Boulogne, sondern auch den Übergang der Cherbourg
vorgelagerten normannischen Inseln aus britischen in deutschen Besitz
verlangt!

Auf der anderen Seite wuchs in dem langen Krieg die Friedenssehnsucht.
Die pazifistische Propaganda fand von Monat zu Monat einen
aufnahmefähigeren Boden. Der einfache Mann aus dem Volke sah die
glänzenden Siege unserer Heere, er sah, daß unsere Feinde von unseren
Grenzen ferngehalten oder, wo sie eingebrochen waren, wieder vertrieben
wurden; er sah, daß wir in Ost und West weit in Feindesland standen.
Diese handgreiflichen Wahrnehmungen, die über unsere wirkliche Lage
hinwegtäuschten, führten auf der einen Seite zu der Überspannung der
Kriegsziele; auf der anderen Seite aber bereiteten sie den Boden für den
Eindruck, unser ursprüngliches Verteidigungsziel sei erreicht,
Deutschland könne jeden Augenblick einen ehrenvollen, seinen Bestand und
seine Zukunft sichernden Frieden haben, wenn nur auf Eroberungspläne
Verzicht geleistet werde. Der wahre Sachverhalt, daß unsere Feinde, trotz
unserer Abwehr- und Angriffserfolge auf den verschiedenen europäischen
Kriegsschauplätzen, in keinem Augenblick bereit waren, mit uns einen
Frieden auf Grund unseres Standes vor dem Krieg zu machen -- dieser auch
von dem Grafen Czernin in seiner bereits mehrfach angeführten Rede vom
Dezember 1918 ausdrücklich bestätigte Sachverhalt --, war bei uns nur
wenigen klar und wollte jedenfalls dem einfachen Manne aus dem Volke
nicht in den Kopf.

Verschärft wurde der Streit um die Kriegsziele unverkennbar dadurch, daß
der Gegensatz von Unternehmertum und Arbeiterschaft in diese
außenpolitische Frage stark hineinspielte. Die Führer und Verbände
unserer großen Industrien, vor allem der »Schwerindustrie«, setzten sich
mit Nachdruck für weitgespannte Kriegsziele ein, während die große Masse
der Arbeiter vor allem den Frieden herbeisehnte. Eine häßliche Agitation
brachte die Haltung des großindustriellen Unternehmertums in der Frage
der Kriegsziele in Zusammenhang mit den Gewinnen der Industrie aus
Kriegsaufträgen. Die Worte »Kriegsgewinnler« und »Kriegsverlängerer«
begannen die öffentliche Erörterung der Kriegsziele zu vergiften.

Der Streit um den U-Bootkrieg, der vom Frühjahr 1916 an immer schärfere
Formen annahm, tat ein übriges, um den »Burgfrieden« zu erledigen.

Diese Entwicklung mußte natürlich auch in den parlamentarischen
Verhandlungen zum Ausdruck kommen.

Das Jahr 1915 war auf diesem Felde im großen ganzen noch friedlich
verlaufen. Aber schon am 24. März 1916 richtete bei der Beratung des
Notetats für das Rechnungsjahr 1916 der Abgeordnete Haase -- wie im
Verlauf der Sitzung durch den Abgeordneten Scheidemann festgestellt
worden ist, ohne von der sozialdemokratischen Fraktion dazu beauftragt zu
sein und ohne dieser auch nur Kenntnis von seiner Absicht zu
geben -- die heftigsten Angriffe gegen die Reichsregierung und die
»Kriegsverlängerer«; er erklärte, daß er mit einer Anzahl von Freunden
den Notetat, ebenso wie später den Hauptetat, ablehnen werde. Das
Auftreten Haases führte zu einem großen Tumult. Das Haus entzog ihm, von
dem Präsidenten befragt, das Wort, und sein Fraktionskollege Scheidemann
schüttelte ihn unter Beifall und Händeklatschen ab. Es kam zur Spaltung
der sozialdemokratischen Fraktion: der linke Flügel, die heutigen
»Unabhängigen Sozialdemokraten« schieden aus und schlossen sich als
»Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft« zu einer besonderen Fraktion
zusammen.

Aber auch die alte sozialdemokratische Partei, die
»Mehrheitssozialdemokraten« machten eine wichtige Schwenkung. Sie hatten
schon gegen die Kriegssteuern gestimmt, soweit diese den Verbrauch und
Verkehr belasteten. Nun erklärte am 7. Juni 1916 bei der dritten Lesung
des Hauptetats für das Jahr 1916 der Abgeordnete Ebert namens der
sozialdemokratischen Fraktion, daß die Aufnahme der neuen Steuern in den
Etat sie veranlasse, gegen den Etat zu stimmen. Er fügte hinzu,
mitbestimmend für diesen Entschluß der Etatsverweigerung sei gewesen, daß
in der inneren Politik die notwendigsten Forderungen politischen und
sozialen Fortschritts unberücksichtigt geblieben seien. In der ersten
Periode des Krieges habe noch mit einem Schein von Berechtigung gesagt
werden können, daß ein Ausbau der politischen Zustände mitten im Krieg
allzu große Schwierigkeiten bereite. In den zweiundzwanzig Kriegsmonaten
sei es jedoch sehr wohl möglich gewesen, die Bahn zum Neuen frei zu
machen. Noch immer verlaute nichts von der Reform des Klassenwahlrechtes
in Preußen und in anderen Bundesstaaten. Auf dem Gebiet der
Volksernährung habe die Regierung nicht die nötige Entschlossenheit
aufgebracht. Statt durch die Aufhebung des Belagerungszustandes und der
Zensur dem deutschen Volke Vertrauen zu beweisen, dulde man Willkür und
Ausschreitungen der Behörden. In der Entwicklung von Recht und Freiheit
wie in der Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse müsse
dem Volke endlich ein weiteres Entgegenkommen bewiesen werden; da es die
Regierung bisher daran habe fehlen lassen, ergäbe sich für seine Fraktion
die Schlußfolgerung, den Etat abzulehnen.

Die Mehrheitssozialdemokraten haben in der Folgezeit zwar den
Kriegskrediten zugestimmt, freilich niemals mehr ohne Schwanken und ohne
Verhandlungen; aber bei der Etatsverweigerung sind sie geblieben. Sie
haben damit ihre grundsätzliche Oppositionsstellung wieder scharf
unterstrichen.

Diese Schwenkung der Sozialdemokratie mußte als ein ernstes
Symptom genommen werden, zumal da bei ihr die Führer der
Mehrheitssozialdemokraten allem Anschein nach weniger die Führenden als
die von der Masse ihrer Partei Geschobenen waren. Die Wirkungen der
Leiden und Entbehrungen des langen und sich immer weiter verlängernden
Krieges auf die breiten Schichten des Volkes äußerten sich in wachsender
Verdrossenheit und Unzufriedenheit. Wie immer in solchen Zeiten fanden
sich Leute, die ihren Beruf darin erblickten, unbekümmert um das Wohl des
Ganzen, die Mißstimmung zu schüren und die Massen aufzureizen. Die
Führer der Mehrheitssozialdemokraten gaben zwar durch ihre Haltung
gegenüber den Leuten um Haase und Ledebour zu erkennen, daß sie die
Politik der Aufreizung nicht mitmachen wollten; auch die Haltung der
sozialdemokratischen Gewerkschaften zeigte im großen ganzen Einsicht,
guten Willen und vaterländische Gesinnung. Aber die Verweigerung des
Budgets für 1916 und die von dem Abgeordneten Ebert gegebene Begründung
bestätigte, daß diese Kreise es für notwendig hielten, in ihrem Verhalten
zur Regierung und zu den anderen Parteien der Stimmung der den
Aufwiegelungen der Radikalen unterliegenden Massen Konzessionen zu
machen.

Ich brauche kein Wort darüber zu verlieren, wie wichtig es für den Gang
des Krieges und für das Schicksal Deutschlands war, die Millionen der
sozialdemokratischen Arbeiterschaft bei der Fahne des Vaterlandes
festzuhalten. Jedem denkenden Menschen mußte es als geradezu unmöglich
erscheinen, den Krieg zu einem guten Ende zu führen, wenn ein großer und
gut organisierter Teil des werktätigen Volkes grollend beiseite trat oder
gar dem Durchkämpfen des Krieges sich feindlich widersetzte. Hier lag
unsere größte Sorge. Vor allem Herr von Bethmann Hollweg war durchdrungen
davon, daß die Erhaltung des guten Willens der Sozialdemokratie die
Schicksalsfrage des deutschen Volkes sei.

Mit dem Festhalten an starren Formeln und der grundsätzlichen Ablehnung
einer jeden Forderung war diese große und entscheidende Aufgabe
ebensowenig zu lösen wie mit hemmungsloser Nachgiebigkeit. Die
Aufrechterhaltung des festen Gefüges unserer staatlichen Ordnung, die
Erhaltung der Disziplin und der Kampfesfreudigkeit unseres Heeres, die
Sicherung der Kriegsarbeit in der Heimat -- das waren die Grenzen, die
jeder Nachgiebigkeit gezogen waren. Darüber, was innerhalb dieser Grenzen
notwendig und möglich sei, konnten allerdings die Meinungen erheblich
auseinandergehen.


             Innerpolitische Wünsche und Forderungen

Als ich das Reichsamt des Innern übernahm und alsbald bei der Beratung
der Novelle zum Vereinsgesetz vor weitgehende Anträge gestellt wurde,
vertrat ich zwar den bisher von der Reichsleitung und den Verbündeten
Regierungen eingenommenen Standpunkt, daß die von meinem Vorgänger mit
dem ebenso unbestimmten wie verheißungsvoll klingenden Wort von der
»Neuorientierung der inneren Politik« in Aussicht gestellten Reformen
erst nach Sicherung des Friedens in Angriff genommen werden könnten. Aber
eine ernste Prüfung war unausweichlich geworden, ob dieser Standpunkt
sich bei einer längeren Dauer des Krieges aufrechterhalten lasse und was
geschehen könne, um die großen Massen des Volkes angesichts der
wachsenden Erschwerungen des täglichen Lebens und des immer zunehmenden
physischen und psychischen Druckes des Krieges fähig und willig zu Kampf
und Arbeit zu erhalten.

Dieses Ziel war nur erreichbar, wenn sich die breitesten Schichten des
Volkes davon überzeugten, daß der Friede nicht an uferlosen
Eroberungsplänen scheiterte, sondern an dem Vernichtungswillen unsrer
Gegner. Die Aufgabe war eine schwierige und heikle. Denn die Beruhigung
des deutschen Volkes darüber, daß seine besten Söhne nicht für
Eroberungs- und Unterjochungsziele bluteten, daß alle Leiden des Krieges
um unserer Verteidigung und Erhaltung willen getragen werden müßten,
durfte nicht zur Ermutigung des Feindes und zur Zermürbung der eigenen
Kampfkraft werden, wenn anders sie nicht gerad kriegsverlängernd wirken
sollte. Deshalb bedurfte das deutliche Abrücken von überspannten
Kriegszielen als Gegengewicht eine ebenso kräftige Abweisung der
übertriebenen Schwarzseherei und des Geistes der Niederlage. Die
schwierige Lage der Reichsleitung, deren an das eigene Volk sich
richtenden Worte stets auch vom Ausland gehört und dort geschickt
ausgenutzt wurden, fand weder rechts noch links volles Verständnis. Der
Kanzler sah sich bald in eine Kampfstellung gegenüber den ihn scharf
angreifenden »Alldeutschen« gedrängt, während ich als Stellvertreter des
Reichskanzlers in meinem Bestreben, hier ergänzend zu wirken, je länger
desto mehr die Angriffe der pazifistisch gerichteten Gruppen, namentlich
der Sozialdemokraten beider Richtungen, auf mich zog.

Auf dem Gebiet der Volksernährung war angesichts der in ihrer Wirksamkeit
sich steigernden Hungerblockade eine durchgreifende Verbesserung der
Verhältnisse nicht zu erhoffen. Durch die mit meiner Übernahme des
Reichsamts des Innern zusammenfallende Schaffung des Kriegsernährungsamts
sollte die Organisation der Volksversorgung nach Möglichkeit
vervollkommnet werden. In dem Oberpräsidenten von Batocki erhielt das
neue Amt einen ungewöhnlich ideen- und kenntnisreichen, beweglichen und
tätigen Mann als Leiter. Aber niemand machte sich eine Illusion darüber,
daß auch die beste Organisation und die trefflichste Leitung kein
Kornfeld auf der flachen Hand wachsen lassen kann und daß bis zum Ende
des Krieges und darüber hinaus die Knappheit der Lebensmittel die
Widerstandskraft unseres Volkes auf die härteste Probe stellen werde.

Blieb das Gebiet der inneren Politik.

Hier gingen die Beschwerden und Forderungen nach zwei verschiedenen
Richtungen: einmal auf Aufhebung oder Milderung der auf Grund des
Kriegszustandes verhängten Beschränkungen der persönlichen Freiheit und
des politischen Lebens; dann auf eine freiheitliche Ausgestaltung unserer
gesamten politischen und sozialen Verhältnisse.

In ersterer Beziehung war es die Handhabung des Belagerungszustandes auf
Grund des alten und veralteten preußischen Gesetzes von 1851, die starke
Unzufriedenheit erregte, nicht nur bei den Sozialdemokraten, sondern
auch bei den bürgerlichen Parteien. Besonders stark waren die Beschwerden
über die Handhabung der Schutzhaft und der Zensur. Ich mußte mich
überzeugen, daß hier in der Tat schwere Mißstände vorlagen, die
Abstellung verlangten. Auf der anderen Seite war das -- übrigens nur von
der äußersten Linken geforderte -- Radikalmittel der gänzlichen Aufhebung
des Belagerungszustandes nicht anwendbar. Kein kriegführendes Land ist in
diesem Weltkrieg, der alle nationalen Kräfte einspannte und auf alle
Gebiete des Lebens übergriff, ohne Beschränkungen der persönlichen
Freiheit und der politischen Rechte ausgekommen. Praktisch in Betracht
kamen also nur Milderungen in der Handhabung. Darüber waren recht
schwierige Verhandlungen mit den militärischen Stellen nötig, bei denen
so gut wie ausschließlich die Handhabung des Belagerungszustandes lag.
Solche Verhandlungen waren bereits unter meinen Vorgängern eingeleitet
worden. Ich habe mich bemüht, sie zu einem guten Abschluß zu bringen.

Schon in den ersten Tagen nach der Übernahme des Reichsamts des Innern
habe ich mich im Reichstag bereit erklärt, auf einen allmählichen Abbau
der Zensur hinzuwirken. Ich mußte mich allerdings bald überzeugen, wie
schwer es war, eine halbwegs vernünftige Handhabung der Zensur zu
erreichen. Bei allen Vorschriften über eine Einschränkung der Gebiete,
auf denen die Zensur ihres Amtes walten sollte, und bei allen
Verbesserungen der Organisation blieb die Durchführung abhängig von dem
oft mangelhaften Urteil und dem mitunter gleichfalls mangelhaften guten
Willen der zahlreichen ausführenden Organe.

Als im Herbst 1916 im Reichstag Initiativanträge auf Milderung des
Belagerungszustandes gestellt wurden, habe ich erklärt, daß die Tendenz
der Anträge in der Richtung der Absichten der Verbündeten Regierungen
liege. Zu den Ausschußberatungen über die Anträge habe ich Kommissare
entsandt, und schließlich habe ich die Annahme des vom Reichstag
beschlossenen Gesetzes über die Schutzhaft gegen starke Bedenken und
Widerstände der militärischen Stellen bei der preußischen Regierung und
im Bundesrat durchgesetzt. Aber auch nach dem Erlaß dieses Gesetzes
bedurfte es großer und fortgesetzter Anstrengungen, um die in dem Gesetz
gewährleistete mildere Handhabung und die neuen Rechtsgarantien auch
tatsächlich zu verwirklichen. Besonders schwierig lagen in dieser
Beziehung die Verhältnisse in Elsaß-Lothringen, das zum größten Teil
Operationsgebiet war; hier bestanden die für die Operationen
verantwortlichen militärischen Stellen auf unbedingter Bewegungsfreiheit
für die von ihnen im militärischen Interesse für notwendig gehaltenen
Maßnahmen.

Meine Bemühungen, auf dem Gebiet des Belagerungszustandes eine Besserung
herbeizuführen, wurden mir durch das Verhalten des Reichstags nicht
gerade erleichtert. Als Ende Oktober 1916 der Abgeordnete Dittmann von
der Unabhängigen Sozialdemokratie eine von Übertreibungen strotzende und
sichtlich auf agitatorische Zwecke und aufreizende Wirkung berechnete
Rede hielt und ich ihm mit einiger Schärfe entgegentrat, hielt es der
nationalliberale Abgeordnete Dr. Paasche für angezeigt, mir unter dem
Jubel der Sozialdemokraten und dem Beifall auch eines großen Teils der
bürgerlichen Parteien in den Rücken zu fallen, weil ich ihm nicht genug
Entrüstung über die unerwiesenen Vorgänge ausgesprochen und mich
geweigert hatte, die beteiligten Beamten ungehört zu verurteilen. Die
Unabhängigen Sozialdemokraten haben späterhin die Rede des Herrn Dittmann
und dessen Unterstützung durch Herrn Paasche in vielen Tausenden von
Druckheften für ihre Agitation verwendet, namentlich auch innerhalb der
Marine.

Hinter der zum Teil berechtigten Erregung über die Handhabung des
Belagerungszustandes traten noch in der ersten Zeit meiner Wirksamkeit
als Staatssekretär des Innern die Forderungen nach politischen und
sozialen Reformen zurück. Das Wort von der »Neuorientierung« war
allerdings zum Schlagwort geworden und spielte als solches in den
politischen Diskussionen eine große Rolle. Aber wenn ich in
Unterhaltungen mit politischen Persönlichkeiten zu ergründen versuchte,
was man sich an konkreten Reformen unter der »Neuorientierung« denke, so
stieß ich doch meistens auf ziemlich nebelhafte Vorstellungen. Der Krieg
hatte das deutsche Volk und das Deutsche Reich nicht im Zustand der
Stagnation und Verrottung, sondern im Zustand kräftigen Fortschritts auf
allen Gebieten des öffentlichen Lebens getroffen. Manche Schlacken der
Vergangenheit hafteten unseren innerpolitischen Zuständen noch an, die
abgestoßen werden mußten. Aber alles in allem erfreute sich bei uns der
Staatsbürger derselben Rechtsgarantien für seine persönliche Freiheit wie
der Franzose oder Engländer; wir hatten, wenigstens im Reich, ein
freieres Wahlrecht als unsere westlichen Nachbarn; wir hatten, wenn man
Reich, Einzelstaaten und Kommunen zusammennimmt, ein System der
Besteuerung, das dem französischen an Gerechtigkeit weit überlegen war
und dem England erst kurz vor dem Krieg durch die Reform seiner
Einkommenbesteuerung sich angenähert hatte; wir marschierten schließlich
in der Sozialpolitik unbestritten an der Spitze der europäischen Staaten.
Das Deutsche Reich von 1914 war ein anderes Gebilde als das Preußen von
1806. Der unklare Vergleich dessen, was da kommen müsse, mit den
Stein-Hardenbergschen Reformen hatte also keine innere Berechtigung.

Damit will ich nicht sagen, daß nicht vieles und Wichtiges in unserem
Staatsleben zu bessern gewesen wäre. Ein großer Teil davon lag auf dem
Weg der ruhigen Fortentwicklung des bereits Vorhandenen; das gilt
namentlich von den sozialpolitischen Problemen. In anderen Fragen waren
gesetzgeberische Eingriffe und Verfassungsänderungen notwendig; so
namentlich in der längst fälligen Reform des preußischen Wahlrechts. In
manchen und nicht den unwichtigsten Dingen konnten entscheidende
Besserungen auf Grund der geltenden Gesetze und Verfassungsbestimmungen
im Wege der Handhabung herbeigeführt werden; so vor allem in dem
Verhältnis von Regierung und Volksvertretung.

Aber unter den unmittelbar drückenden Sorgen und Aufgaben des Krieges
traten die nach diesen Richtungen gehenden Wünsche zunächst zurück, nicht
nur bei der Reichsleitung, sondern auch bei den Parteien. Vielleicht
sogar bei den Parteien noch mehr als bei der Reichsleitung. Wenigstens
hat der Kanzler schon frühzeitig Vorarbeiten für eine gründliche Reform
des preußischen Wahlrechts veranlaßt; ebenso hat er zum Zweck einer
engeren Fühlung zwischen Reichsleitung und Reichstag die Berufung
geeigneter Abgeordneter in die Regierung schon zu einer Zeit in Erwägung
gezogen, als aus der Mitte des Reichstags noch keine Wünsche nach dieser
Richtung hin laut geworden waren.

Erst mit der russischen Revolution im März 1917 traten die
innerpolitischen Fragen auch für Deutschland neben den bisher alles
beherrschenden Kriegsfragen in den Vordergrund.


  Die Gestaltung der innerpolitischen Lage unter der Einwirkung
                    der russischen Revolution

Ein Zufall wollte es, daß der Kanzler in seiner Eigenschaft als
preußischer Ministerpräsident am 14. März, an dem Tage, an dessen Abend
die ersten Nachrichten über den Ausbruch der russischen Revolution bei
uns eintrafen, und ehe er von diesem Ereignis Kenntnis hatte, im
Abgeordnetenhaus erschien und dort ein ebenso überzeugtes wie
überzeugendes Bekenntnis für die Notwendigkeit innerpolitischer Reformen
ablegte. Veranlaßt wurde er zu diesem Auftreten durch Erörterungen, die
kurz zuvor aus Anlaß der Diätenvorlage im Preußischen Herrenhaus
stattgefunden hatten; dabei hatten die Sprecher der Rechten mit großem
Nachdruck den altkonservativen Standpunkt hervorgekehrt, und zwar unter
scharfen Angriffen auf die Bestrebungen nach parlamentarischer
Machterweiterung und auf den Kanzler, der diesen Bestrebungen nicht den
nötigen Widerstand entgegensetze.

Der Kanzler sprach in seiner Erwiderung die unerschütterliche Überzeugung
aus, daß das Erleben des Krieges zu einer Umgestaltung unseres
politischen Lebens führen müsse, »allen Widerständen zum Trotz«. Er fügte
hinzu:

»Wären wir nicht gewillt, alle die Folgerungen, die sich aus dem Erleben
dieses Krieges ergeben, entschlossen zu ziehen in allen Fragen des
politischen Lebens, in der Regelung des Arbeitsrechtes, in der Regelung
des preußischen Wahlrechts, bei der Ordnung des Landtags im ganzen --
wenn wir nicht das tun, dann gehen wir inneren Erschütterungen entgegen,
deren Tragweite kein Mensch übersehen kann. Ich werde diese Schuld nicht
auf mich laden.«

Zwei Wochen später, am 29. März 1917, hatte der Reichstag seine erste
große innerpolitische Aussprache seit dem Beginn des Krieges. Die Debatte
stand sichtlich unter dem Eindruck der Vorgänge in Rußland. Nicht nur die
Sozialdemokraten forderten eine sofortige Inangriffnahme innerer Reformen
-- ihr Sprecher verlangte vor allem die Einführung des allgemeinen,
gleichen und geheimen Wahlrechts in den Bundesstaaten und eine
Neueinteilung der Wahlkreise im Reich --, sondern auch die Freisinnigen
und Nationalliberalen bekannten ihre Abkehr von der Ansicht, daß die
»Neuorientierung« erst nach dem Abschluß des Krieges verwirklicht werden
könne. Besonders fiel auf, daß der nationalliberale Abgeordnete Dr.
Stresemann das preußische Wahlrecht als eine deutsche Frage bezeichnete
und daß er sich, wenn auch nicht ausgesprochen für das parlamentarische
System, so doch sehr entschieden für die Herstellung eines engeren
Zusammenhanges zwischen Parlament und Regierung aussprach.

Der Kanzler lehnte es in jener Reichstagssitzung ab, die innerpolitischen
Reformen, und insbesondere die Reform des preußischen Wahlrechts, sofort
aufzunehmen. Er bezeichnete es als »ein eigenes Ding«, ein staatliches
Fundament wie das Wahlrecht in einer Zeit zu ändern, wo Millionen Männer,
deren Wahlrecht geändert werden soll, in den Schützengräben lägen. Ein
Wahlkampf um die Wahlreform sei unter diesen Verhältnissen praktisch
unmöglich. Die Oktroyierung eines neuen Wahlrechts wies er mit
Entschiedenheit zurück.

Der Reichstag beschloß am Ende der Diskussion mit 228 gegen 33 Stimmen
die Bildung eines aus 28 Mitgliedern bestehenden Verfassungsausschusses
zur »Prüfung verfassungsrechtlicher Fragen, insbesondere der
Zusammensetzung der Volksvertretung und ihres Verhältnisses zur
Regierung«. Dem Verfassungsausschuß wurden alle die Verfassung
berührenden Anträge überwiesen, darunter ein Antrag der Fortschrittlichen
Volkspartei, den Reichskanzler zu ersuchen, unverzüglich dahin zu wirken,
daß in allen deutschen Bundesstaaten eine konstitutionelle Verfassung
geschaffen werde mit einer Volksvertretung, die auf allgemeinem,
direktem, gleichem und geheimem Wahlrecht beruht.

Damit war die Frage des preußischen Wahlrechts beim Deutschen Reichstag
anhängig gemacht.

Inzwischen hatte unsere innere Lage eine neue Erschwerung erfahren: Die
Aufnahme der Getreidebestände hatte die Notwendigkeit ergeben, die
Brotration von Mitte April an nicht unerheblich herabzusetzen. Bei den
Beratungen über die zu treffenden Maßnahmen einigte man sich dahin, daß
der Bevölkerung ein Ausgleich in einer Erhöhung der Fleischration gegeben
werden müsse, und zwar zu Preisen, die durch Reichszuschüsse verbilligt
werden sollten. Trotzdem war zu erwarten, daß die Bekanntgabe der
Herabsetzung der Brotration die ohnedies vorhandene Erregung noch
erheblich steigern werde. Schon seit einiger Zeit flammten in den
Industriegebieten, bald hier, bald dort, lokale Streiks auf; stellenweise
kam es auch zu Lebensmittelkrawallen; politische Forderungen liefen mit
unter, und jedenfalls wurde überall unter der Arbeiterschaft mit
politischen Beschwerden, namentlich mit Angriffen auf das
Dreiklassenwahlrecht, agitiert.

Dazu kam nun am 3. April die Erklärung des Kriegszustandes durch die
Vereinigten Staaten, durch die der letzte Rest einer jeden Hoffnung auf
baldigen Frieden beseitigt wurde. Präsident Wilson schloß seine Botschaft
an den Kongreß über den Kriegszustand mit Wendungen, die bestimmt waren,
das deutsche Volk gegen seinen Kaiser und die Bundesfürsten mobil zu
machen. Der Krieg, so führte er aus, sei von den deutschen Machthabern
ohne Kenntnis und Billigung des deutschen Volkes im Interesse der
Dynastien und einer kleinen Gruppe ehrgeiziger Männer provoziert und
geführt worden; Amerika stehe im Begriff, den Kampf mit den natürlichen
Feinden der Freiheit aufzunehmen, um die Menschenrechte zu sichern. --
Bei der durch die russische Revolution hervorgerufenen Erregung der
Geister lag die Gefahr vor, daß die durchsichtige Absicht unserer Feinde,
unsere Widerstandskraft mit der Parole »Demokratie gegen Autokratie« von
innen heraus zu sprengen, Erfolg haben könnte.

Noch am Abend des 30. März 1917, an dem der Reichstag die Einsetzung des
Verfassungsausschusses beschlossen hatte, fand beim Reichskanzler eine
Besprechung mit den meistbeteiligten preußischen Ministern und
Staatssekretären statt, bei der Herr von Bethmann sich dahin aussprach,
daß angesichts der Zuspitzung der inneren Lage die nicht mehr zu
umgehende Reform des preußischen Wahlrechts, ehe der Krone durch
Parlamentsbeschlüsse die Initiative genommen werde, von dem König in
feierlicher Form verkündet werden müsse. Er hoffte, daß eine solche vom
König erlassene und vom Ministerpräsidenten gegengezeichnete Ankündigung
Beruhigung schaffen, die Lage entlasten und die Stellung des Kaisers und
Königs festigen werde.

In den nächsten Tagen reiste der Kanzler zu der schon erwähnten
Zusammenkunft mit dem Kaiser von Österreich in das Große Hauptquartier.
Bei dieser Gelegenheit hielt er dem Kaiser eingehenden Vortrag auch über
die innere Lage und schlug dem Kaiser den Erlaß einer Botschaft vor, die
neben anderen Reformen eine Umbildung des preußischen Landtags und eine
freiheitliche Gestaltung des Wahlrechts zum Abgeordnetenhaus ankündigen
sollte. Der Kaiser ließ sich von der Notwendigkeit überzeugen und
erfaßte den Gedanken der Ankündigung so lebhaft, daß er den Kanzler
beauftragte, die Vorbereitungen so zu beschleunigen, daß die Botschaft
bereits am Ostersonntag, den 8. April, veröffentlicht werden könne.

Das preußische Staatsministerium beriet die Angelegenheit am
Gründonnerstag und Karfreitag. Der Widerstand gegen die sofortige
Ankündigung des gleichen Wahlrechts war stark; aber darüber herrschte
Übereinstimmung, daß neben dem gleichen Wahlrecht nur ein sehr
demokratisches Pluralwahlrecht mit Zusatzstimmen, die für jedermann
erreichbar seien, in Frage kommen könne.

Am Sonnabend, den 7. April, unterzeichnete der Kaiser die sogenannte
»Osterbotschaft« an den Reichskanzler und Präsidenten des
Staatsministeriums. Sie bekundete den Entschluß des Kaisers und Königs,
»den Ausbau unseres inneren politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Lebens, sowie es die Kriegslage gestattet, ins Werk zu setzen«, und
sprach den Wunsch aus, daß in Erwartung des Friedens und der Heimkehr
unserer Krieger die Vorbereitungen unverweilt abgeschlossen würden. Der
Passus über den preußischen Landtag lautete:

»Mir liegt die Umbildung des Preußischen Landtags und die Befreiung
unseres gesamten innerpolitischen Lebens von dieser Frage besonders am
Herzen. Für die Änderung des Wahlrechts zum Abgeordnetenhause sind auf
meine Weisung schon zu Beginn des Krieges Vorarbeiten gemacht worden.
Ich beauftrage Sie nunmehr, mir bestimmte Vorschläge des
Staatsministeriums vorzulegen, damit bei der Rückkehr unserer Krieger
diese für die innere Gestaltung Preußens grundlegende Arbeit schnell im
Wege der Gesetzgebung durchgeführt werde. Nach den gewaltigen Leistungen
des =ganzen= Volkes in diesem furchtbaren Kriege ist nach meiner
Überzeugung für das Klassenwahlrecht in Preußen kein Raum mehr. Der
Gesetzentwurf wird ferner unmittelbare und geheime Wahl der Abgeordneten
vorzusehen haben. Die Verdienste des Herrenhauses und seine bleibende
Bedeutung für den Staat wird kein König verkennen. Das Herrenhaus wird
aber den gewaltigen Anforderungen der kommenden Zeit besser gerecht
werden können, wenn es in weiterem und gleichmäßigerem Umfange als bisher
aus den verschiedenen Kreisen und Berufen des Volkes führende, durch die
Achtung ihrer Mitbürger ausgezeichnete Männer in seiner Mitte vereinigt.
-- Ich handle nach den Überlieferungen großer Vorfahren, wenn ich bei
Erneuerung wichtiger Teile unseres festgefügten und sturmerprobten
Staatswesens einem treuen, tapferen, tüchtigen und hochentwickelten Volke
das Vertrauen entgegenbringe, das es verdient.«

Die Osterbotschaft fand im großen ganzen eine gute Aufnahme und
erreichte, wenigstens für den Augenblick, das Ziel, einige Beruhigung zu
schaffen. Zwar ließ sich der schon vorher für den 16. April, den Tag der
Herabsetzung der Brotration, beschlossene Streik nicht ganz verhindern;
aber schon nach zwei Tagen kehrten die feiernden Rüstungsarbeiter fast
vollzählig zur Arbeit zurück, ohne daß ein gewaltsames Einschreiten nötig
geworden wäre.

Bald jedoch spitzte sich die innerpolitische Lage von neuem zu.

Am 2. Mai konstituierte sich der Verfassungsausschuß. Die Vertreter des
Zentrums, der Nationalliberalen und der Fortschrittlichen Volkspartei,
mit denen ich am folgenden Tage eingehende Besprechungen hatte, gaben mir
beruhigende Zusicherungen. Man werde der Osterbotschaft Rechnung tragen
durch Zurückstellung der das preußische Wahlrecht berührenden Fragen und
zunächst nur einige Fragen von geringerer Bedeutung vornehmen.

Als ich jedoch am Tage darauf zu der Sitzung des Ausschusses kam, fand
ich einen langen gemeinschaftlichen Antrag des Zentrums, der
Nationalliberalen und der Freisinnigen Volkspartei vor, der eine Anzahl
von Punkten von grundsätzlicher Bedeutung enthielt, so den Ausbau der
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und seiner Staatssekretäre
gegenüber Bundesrat und Reichstag, die Errichtung eines
Staatsgerichtshofs und vor allem die Gegenzeichnung des Kriegsministers
für Offiziersernennungen, wodurch eine parlamentarische
Verantwortlichkeit für diese Ernennungen begründet werden sollte. Ich war
durch diesen Überfall der drei Parteien, mit deren Vertretern ich noch
tags zuvor eine ebenso eingehende wie offene Aussprache gehabt hatte, auf
das peinlichste berührt und beschränkte mich auf die Erklärung, daß ich
der Stellungnahme der Verbündeten Regierungen in Fragen, die an die
Grundmauern unserer Verfassung rührten und das Verhältnis der Verbündeten
Regierungen zu der Reichsleitung wie zum Reichstag so nahe angingen, in
keiner Weise vorgreifen könne; daß ich mich also für den Augenblick
darauf beschränken müsse, von den Meinungsäußerungen des Ausschusses
Kenntnis zu nehmen und durch meine Kommissare erforderlichenfalls
sachliche Aufklärungen geben zu lassen.

Den Parteiführern gegenüber machte ich aus meiner Beurteilung ihres
Verhaltens kein Hehl. Ich wies sie außerdem darauf hin, daß die gänzlich
überflüssige Aufrollung der die Kommandogewalt des Kaisers berührenden
Frage der Gegenzeichnung der Offiziersernennungen in weiten Kreisen des
Offizierkorps, das draußen vor dem Feinde sein Leben täglich in die
Schanze schlage, ernstliche Verstimmung hervorrufen werde; daß außerdem
durch diesen Antrag bekannte Empfindlichkeiten des Kaisers getroffen
würden, die ohne Not zu verletzen gerade nach der Osterbotschaft mir
wenig angebracht erscheine; daß schließlich die Stellung des Kanzlers,
dessen Verhältnis zur Obersten Heeresleitung sich neuerdings verschärft
hatte, durch solche Improvisationen ernstlich gefährdet werde.

Die drei Parteien gossen nun in der Tat etwas Wasser in den Wein des
Verfassungsausschusses. Als der Reichstag am 10. Mai für einige Zeit in
Ferien ging, waren seine Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Ich hatte den
Eindruck, daß bei den drei Mittelparteien die ernsthafte Absicht bestehe,
nichts zu überstürzen und den Verfassungswagen in ruhiger Fahrt zu
halten. Der Kanzler faßte seinerseits in jener Zeit die Aufnahme von
führenden Abgeordneten in die Reichsleitung ernstlich ins Auge und ließ
wegen der dem Kaiser in Vorschlag zu bringenden Persönlichkeiten
vertraulich sondieren. Ich konnte ihn in dieser Absicht nur bestärken.
Denn die schweren Zeiten, die uns unter allen Umständen noch
bevorstanden, waren nur von einer Regierung zu überwinden, die durch die
Herstellung eines engen Vertrauensverhältnisses zur Volksvertretung die
parlamentarischen Schwierigkeiten und Reibungen nach Möglichkeit
ausschaltete, die uns im letzten Jahre so viel Zeit und Kraft gekostet,
das Volk erregt und unseren Feinden die Hoffnung auf einen inneren
Konflikt und Zusammenbruch gegeben hatten.


                         Die Juli-Krisis

Um die Mitte des Jahres 1917 schien sich die ungeheure Woge des
Weltkriegs endlich überschlagen und brechen zu wollen. Die große
flandrische Offensive, die England vom Druck des U-Bootkriegs entlasten
sollte, war nach den ersten Anfangserfolgen steckengeblieben; die
Franzosen verhielten sich nach dem Scheitern ihrer Aisne- und
Champagne-Offensive verhältnismäßig ruhig; im Osten spielte die russische
Kriegspartei unter Kerenski ihre offensichtlich letzte Karte aus. Eine
wirksame Hilfe Amerikas war für die nächste Zeit noch nicht zu erwarten.
Der U-Bootkrieg begann, wie oben (S. 39ff.) gezeigt, einen ernstlichen
Druck auf England auszuüben. Unter der Wirkung dieser Verhältnisse schien
ein Umschwung in dem bisher starren Kriegswillen der Entente sich
vorzubereiten. Es wurden die ersten Fühler von dort zu uns und zu
Österreich-Ungarn ausgestreckt (S. 145ff.) Mehr denn je kam es in diesen
Wochen nach Hindenburgs Wort darauf an, die Nerven zu behalten und
unseren Feinden die durch die Lebensmittelschwierigkeiten, Streiks und
Krawalle im April erweckte Hoffnung auf unseren inneren Zusammenbruch zu
nehmen.

Es traf sich deshalb sehr unglücklich, daß der Reichsschatzsekretär Graf
Roedern infolge der enormen Steigerung der monatlichen Kriegsausgaben in
der zweiten Junihälfte erklären mußte, daß er mit seinen Kriegskrediten
etwa Mitte Juli zu Ende sein werde und daß infolgedessen der Reichstag
schon in der ersten Julihälfte wieder zusammenberufen werden müsse.
Gerade der Verlauf der letzten Tagung hatte gezeigt, wie sehr auch der
Reichstag und seine Parteien unter dem nervenzerrüttenden Einfluß der
allgemeinen Hochspannung standen und wie sehr man, trotz aller
Bemühungen um eine enge Fühlung, auf Unberechenbares gefaßt sein mußte.

In meinen Besprechungen mit den Parteiführern in den letzten Junitagen
setzte ich mich deshalb für eine möglichst kurze Tagung unter
Ausschaltung aller innerpolitischen Streitfragen ein. Ich fand dafür beim
Zentrum, bei den Nationalliberalen und der Rechten Verständnis. Dagegen
machten die Vertreter der Fortschrittlichen Volkspartei einige Bedenken
geltend, ob es möglich sein werde, sich einfach auf die Bewilligung des
neuen Kriegskredits zu beschränken. Die Sozialdemokraten schließlich
erklärten eine neue gründliche Erörterung sowohl der äußeren wie der
inneren Fragen für unerläßlich.

Was speziell den Verfassungsausschuß anlangt, so bestand bei den
bürgerlichen Parteien Geneigtheit, auf die Wiederaufnahme seiner
Beratungen während der Julitagung überhaupt zu verzichten. Die
Sozialdemokraten schufen jedoch, ohne sich mit den anderen Parteien in
Verbindung zu setzen, eine vollendete Tatsache: Der Abgeordnete
Scheidemann lud in seiner Eigenschaft als Vorsitzender den
Verfassungsausschuß für den 3. Juli zu einer Sitzung ein, auf deren
Tagesordnung er die verschiedenen Wahlrechtsanträge setzte; gleichzeitig
veröffentlichte er die Tatsache der Einberufung mit der Bezeichnung der
Tagesordnung im »Vorwärts«.

Es gelang mir nicht ohne Mühe, am Nachmittag des 2. Juli eine Einigung
darüber herbeizuführen, daß die Erörterung der einzelstaatlichen
Wahlrechte zurückgestellt werden sollte; dafür konnte ich auf Grund
meiner inzwischen mit den Bundesregierungen geführten Verhandlungen eine
entgegenkommende Erklärung hinsichtlich der Vermehrung der Mandate der
großen Reichstagswahlkreise in Aussicht stellen.

Der Hauptausschuß des Reichstags begann seine Beratungen über den neuen
Kriegskredit am 3. Juli mit einer allgemeinen Aussprache. Gleich am
ersten Tage machte der Abgeordnete Ebert Ausführungen, in denen er unsere
Lage schwarz in schwarz malte; er erklärte klipp und klar, das deutsche
Volk sei am Ende seiner Kraft, ein weiterer Winterfeldzug sei unmöglich,
es müsse jetzt Frieden gemacht werden. Er wurde unterstützt von dem
Abgeordneten Erzberger, der insbesondere den Nachweis zu erbringen
versuchte, daß der U-Bootkrieg ein Fehlschlag sei und nicht zum Ziele
führen könne. Die leider bekannt gewordenen Voraussagen des Admiralstabs,
daß der U-Bootkrieg innerhalb von fünf bis sechs Monaten England
friedensbereit machen würde, kamen ihm dabei zu Hilfe.

Ich muß hier erwähnen, daß der Abgeordnete Erzberger mir bei den
vertraulichen Vorbesprechungen seine Ansichten über den U-Bootkrieg
bereits entwickelt hatte. Ich hatte dabei die Bemerkung gemacht, ich
dürfe wohl annehmen, daß er nicht beabsichtige, seine Ansichten, die ich
für zu pessimistisch halten müßte, im Hauptausschuß oder gar im Plenum
des Reichstags zu entwickeln; denn solche Ausführungen müßten in einer
Zeit, wo alles auf die Nerven gestellt sei, bei uns die Zuversicht
erschüttern, bei unseren Gegnern die offenbar sinkende Stimmung neu
beleben und sie in der Absicht, den Krieg bis zum bitteren Ende
fortzusetzen, bestärken. Herr Erzberger hatte es weit von sich gewiesen,
seine Kritik in einem weiteren Kreise darzulegen. Er hätte um so leichter
auf seinen Vorstoß verzichten können, als ihm die Auffassung des
Reichskanzlers über die Notwendigkeit, wenn irgend möglich, vor dem
Winter zum Frieden zu kommen, genau bekannt war.

Der Kanzler blieb den Sitzungen des Hauptausschusses fern. Er hatte sich
in einer vertraulichen Besprechung mit den Fraktionsführern am Vormittag
des 2. Juli eingehend über die gesamte Lage ausgesprochen und wollte es
vermeiden, durch seine Anwesenheit im Hauptausschuß eine große politische
Debatte zu provozieren, die auch bei Proklamierung der Vertraulichkeit
angesichts der erfahrungsgemäß durchlässigen Wände des Sitzungssaals nur
inopportun und schädlich sein konnte. Leider hat er mit seinem
Fernbleiben diesen Zweck nicht erreicht.

Die Aufgabe der Abwehr lag auf dem Staatssekretär Zimmermann, dem
Staatssekretär v. Capelle und mir. Zimmermanns Position im Reichstag, die
früher recht gut gewesen war, hatte einen bedenklichen Stoß erhalten
durch den Optimismus, mit dem er die Möglichkeit eines Krieges mit den
Vereinigten Staaten aus Anlaß unseres uneingeschränkten U-Bootkrieges
behandelt hatte; ferner durch die unglückliche Affäre seines
Bündnisangebots an den mexikanischen Präsidenten Carranza, das von den
Amerikanern aufgefangen und dechiffriert worden war; schließlich durch
die Angelegenheit der durch einen Kurier des Auswärtigen Amtes, aber ohne
Vorwissen des Amtes, nach Christiania eingeschmuggelten Bomben.

Der Admiral von Capelle hatte sich, ähnlich wie der Admiralstab, in den
Voraussagen über die Wirkungen des U-Bootkriegs zu weit vorgewagt; er
hatte vor allem amerikanische Munitions- und Truppentransporte größeren
Stiles als unmöglich erklärt, »eine bessere Jagdbeute könnten sich unsere
U-Boote nicht wünschen«. Auch mir wurde der Vorwurf gemacht, daß ich die
für den Erfolg des U-Bootkriegs maßgebenden Verhältnisse falsch beurteilt
und durch mein Votum den Ausschlag für die Eröffnung des
uneingeschränkten U-Bootkriegs gegeben hätte. Ich konnte damals in
Rücksicht auf die Sache die von mir bis zur Entscheidung über den
U-Bootkrieg eingenommene Stellung nicht klarlegen. So hatte auch ich
gegenüber dem Ansturm dieser Tage einen doppelt schweren Stand.

Am 4. und 5. Juli wurden die von den Herren Ebert und Erzberger
eingeleiteten Vorstöße mit gesteigerter Heftigkeit von den
sozialdemokratischen Abgeordneten David, Noske und Hoch fortgesetzt,
während die Sprecher der bürgerlichen Parteien sich eine anerkennenswerte
Zurückhaltung auferlegten.

Ich versuchte den Ansturm abzuwehren und den Mitgliedern des Ausschusses
zum Bewußtsein zu bringen, daß nur Ruhe, Besonnenheit und
Entschlossenheit uns zu einem erträglichen Frieden helfen könnten, daß
dagegen ein Nervenzusammenbruch uns rettungslos dem Untergang ausliefern
müsse.

Schon am ersten Tage der Ausschußberatung führte ich gegenüber den
Abgeordneten Ebert und Erzberger aus:

»Wir sind nicht am Ende unserer Kraft. Wir sind es nicht, weil wir es
nicht sein dürfen. Es steht für uns alles auf dem Spiel. Daß wir heute
=keinen= Frieden haben können, keinen Hindenburg-Frieden und keinen
Scheidemann-Frieden, das wissen wir alle. Wenn wir heute Frieden
machen wollen, dann gibt es einen Kapitulationsfrieden, einen
Unterwerfungsfrieden, der uns für ein Jahrhundert zu Sklaven unserer
Feinde macht. Und weil das eine Unmöglichkeit ist, weil eine Nation eher
zugrundegehen als ein solches Schicksal auf sich nehmen kann, darum fehlt
uns die Kraft nicht, wenn es gilt, auch noch einen vierten Winter
durchzuhalten...«

Dem Abgeordneten Noske, der auf die schleunige Durchführung der inneren
Reformen drängte und dabei mich als die Seele des Widerstands scharf
angriff, entgegnete ich:

»Ich stehe auf dem Boden dessen, was der Kanzler bei den verschiedensten
Gelegenheiten wiederholt und eindringlich gesagt hat, und auf dem Boden
der Osterbotschaft des Kaisers und Königs. Der Kaiser hat die
Osterbotschaft mit den Worten geschlossen, er handele nach den
Überlieferungen großer Vorfahren, wenn er einem treuen, tapferen,
tüchtigen und hochentwickelten Volke das Vertrauen entgegenbringe, das es
verdient. Meine Herren, erwidern Sie Vertrauen mit Vertrauen! Suchen Sie
dazu beizutragen, daß dieses Vertrauen nicht erschüttert wird! Treten Sie
den Zweiflern entgegen! Auf diesem Wege kommen wir zusammen und wird es
uns gelingen, durch die schweren Zeiten, in denen wir leben,
hindurchzukommen und unser Vaterland über die schweren Gefahren
hinüberzuretten.«

Am Tage darauf hatte ich einen Vorstoß des sozialdemokratischen
Abgeordneten Hoch zu parieren, der noch schärfer als die Herren Ebert und
Noske ein weiteres Durchhalten für unmöglich erklärte und deutlich mit
der Revolution drohte. In meiner Antwort sagte ich:

»Die jetzige Generation trägt in diesen Monaten und in den Monaten, die
kommen werden, die Zukunft des deutschen Volkes für Jahrhunderte in ihrer
Hand, und die jetzige deutsche Generation muß sich dieser Stunde
gewachsen zeigen; sonst gehen wir unter... Unser Kaiser ist auch in
diesem Krieg der Friedenskaiser geblieben, der den Frieden erstrebt, wie
nur irgendeiner im deutschen Volk. Aber unser Kaiser wird nur einen
Frieden machen, der das deutsche Volk erhält und seine Zukunft sichert,
keinen Frieden, der unseren Untergang bedeutet. Weil die große Mehrheit
des deutschen Volkes von den Worten, die ich gesprochen habe, ebenso
durchdrungen ist wie ich selbst, schreckt es mich auch nicht, wenn der
Abgeordnete Hoch mehrfach die Revolution an die Wand gemalt hat. Dieses
Spielen mit der Revolution kann mich und die verantwortlichen Leute im
Reich in ihrer Pflichterfüllung auch nicht einen Augenblick irremachen.
Wir werden den schweren Weg gehen, den wir gehen müssen, mit der
Aufopferung unserer Persönlichkeit bis zum Letzten, und alles, was Sie
sagen, wird uns nur darin bestärken, unsere Pflicht zu tun.«

Es schien, als ob die Bemühungen, die aufgeregten Gemüter zu beruhigen,
Erfolg haben sollten. Da erhob sich in der Ausschußsitzung vom 6. Juli
der Abgeordnete Erzberger zu einem neuen Vorstoß. Er begann mit der
Behauptung, kein einziges Ausschußmitglied habe sich der Wucht der
Ausführungen des Abgeordneten Hoch entziehen können oder vermöge die
Richtigkeit seiner Ausführungen zu bestreiten. Unsere Lage schilderte er
als so gut wie aussichtslos. Die Fronten würden mit Mühe und Not
gehalten, aber auch das werde immer schwerer. Die Hoffnung auf den
U-Bootkrieg sei erledigt. Unsere Verbündeten würden wohl nicht mehr lange
mitmachen können. Auch er wolle keinen Unterwerfungsfrieden. Aber die
entscheidende Frage sei für ihn, ob wir übers Jahr einen besseren Frieden
bekommen könnten als jetzt, und diese Frage müsse er verneinen. Unter
diesen Umständen bleibe nur die Rückkehr auf den Ausgangspunkt des
Krieges, die Proklamierung des reinen Verteidigungskrieges und die
Abweisung eines jeden Eroberungszieles. Die große Mehrheit des Reichstags
müsse sich in einer Kundgebung auf den Boden des 4. August 1914 stellen.

Während der Vorsitzende des Ausschusses, der Zentrumsabgeordnete Dr.
Spahn, mich fragte, ob dieser Vorstoß seines Fraktionskollegen Erzberger
etwa mit dem Reichskanzler vereinbart sei, was ich natürlich nur
verneinen konnte, erhob sich der Abgeordnete Ebert und beantragte, die
Sitzung zu vertagen, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu dem
hochwichtigen Vorschlage des Abgeordneten Erzberger Stellung zu nehmen.

Im Ausschuß entstand eine ungeheure Erregung, da offenbar außer einigen
Sozialdemokraten niemand wußte, was den Abgeordneten Erzberger zu seinem
Vorgehen bestimmt hatte und worauf er hinauswollte. Angesichts der
bekannten Beziehungen Erzbergers zum Kanzler und zum Auswärtigen Amt
hielten es viele, ebenso wie der Vorsitzende Dr. Spahn, geradezu für
ausgeschlossen, daß Erzberger eine solche Aktion ohne vorherige
Verständigung mit dem Reichskanzler unternommen haben könnte; man sah
deshalb in seinen Ausführungen die Ankündigung eines vollständigen
Niederbruches aller Hoffnungen auf einen guten Ausgang des Krieges.

Ich hielt es für notwendig, dem Abgeordneten Erzberger sofort
entgegenzutreten, um den geradezu niederschmetternden Eindruck nach
Möglichkeit abzuschwächen. Zunächst wies ich darauf hin, daß der Boden
des 4. August, auf den uns der Abgeordnete Erzberger zurückführen wolle,
von der deutschen Politik niemals verlassen worden sei. Der Reichskanzler
habe stets sich auf den Standpunkt gestellt: wir führen einen
Verteidigungskrieg, keinen Eroberungskrieg. Niemals habe der
Reichskanzler von Eroberungen gesprochen. Allerdings von »Sicherheiten«.
Aber diese Sicherheiten seien eine Frage des Erreichbaren; sie würden
abgewogen werden müssen gegen die Opfer, die gebracht worden und noch zu
bringen seien. Ich wandte mich dann gegen Erzbergers Kritik der
Ergebnisse und Aussichten des U-Bootkriegs, den wir uns nicht selbst
entwerten dürften. Vor allem aber betonte ich, daß unsere Feinde das, was
sie durch Berennen von außen nicht erreichen könnten, jetzt durch
Sprengung von innen heraus zu erreichen suchten. Es gelte, die Engländer
von unserer Entschlossenheit zu überzeugen, den Krieg bis zu einem für
uns annehmbaren Frieden durchzukämpfen, ungeachtet aller inneren
Meinungsverschiedenheiten. Dies sei die Voraussetzung unserer Zukunft.
»Aber wenn das Umgekehrte eintritt, wenn die Engländer sehen: in
Deutschland kommt die alte Uneinigkeit zum Durchbruch; während das Haus
brennt, während der Feind vor den Toren steht, brechen in Deutschland
schwere innere Krisen aus; während sie, die Engländer, die schwere
Bedrohung, vor der sie stehen, mit einer bewunderungswürdigen Nervenkraft
ertragen, kommt man in Deutschland ins Wanken, fangen uns in Deutschland
die Knie an zu zittern und zu schlottern -- dann sind wir verloren. Dann
können Sie jetzt machen, was Sie wollen. Einerlei welche Aktionen jetzt
eingeleitet werden, einerlei welche Beschlüsse Sie jetzt fassen, -- keine
Beschlüsse und keine Aktionen werden den Erfolg haben, den wir alle
wünschen, wenn sie nicht nach außen von dem Bewußtsein der Stärke und dem
Entschluß, durchzuhalten, getragen werden.«

Die von dem Abgeordneten Ebert beantragte Vertagung wurde angenommen. Ich
begab mich mit den Staatssekretären Zimmermann, von Capelle und Graf
Roedern sofort zum Kanzler, um ihm über das Vorgefallene zu berichten und
die einzunehmende Haltung zu besprechen.

Der Kanzler war von Herrn Erzberger über die Absicht seines Vorstoßes,
der auf ein Friedenspronunciamiento des Reichstags hinauskam, ebensowenig
unterrichtet worden wie irgendein anderes Mitglied der Reichsleitung. Wir
alle fanden es geradezu ungeheuerlich, daß ein Abgeordneter, der seit
Beginn des Krieges fortgesetzt zu diplomatischen Aktionen herangezogen
worden und vom Kanzler wie vom Auswärtigen Amt eines geradezu
uneingeschränkten Vertrauens gewürdigt worden war -- übrigens gegen meine
immer wiederholten Warnungen --, in der auf das schärfste zugespitzten
internationalen Lage eine solche hochpolitische Aktion ohne Verständigung
mit dem Kanzler öffentlich in die Wege leiten konnte.

Über die Motive Erzbergers bestand damals Unklarheit. Glaubte er mit
seinem Vorstoß den ihm bekannten päpstlichen Friedensbemühungen zu
sekundieren? Oder waren es österreichische Einflüsse, die ihn zu seinem
Vorstoß bestimmt hatten? Inzwischen hat Graf Czernin ausdrücklich diesen
letzteren Zusammenhang bestätigt. In seiner Rede vom 11. Dezember 1918
sagte Graf Czernin:

»Einer meiner Freunde hatte auf mein Ersuchen mehrere Unterredungen mit
den Herren Südekum und Erzberger und bestärkte sie durch meine
Schilderung unserer Lage in ihren Bestrebungen zur Erreichung der
bekannten Friedensresolution. Es war auf Grund dieser Schilderungen, daß
die beiden genannten Herren die Reichstagsresolution für einen
Verständigungsfrieden durchsetzten... Ich hoffte damals einen Augenblick,
im Deutschen Reichstag einen dauernden und kräftigen Verbündeten gegen
die Eroberungspläne der Militärs zu finden.«

Herr Erzberger hatte sich also nicht gescheut, mit sozialdemokratischer
Unterstützung im Einvernehmen mit dem auswärtigen Minister der uns
verbündeten Donaumonarchie und ohne Kenntnis und Zustimmung der eigenen
Regierung eine große politische Aktion zu unternehmen, deren Tragweite zu
übersehen er trotz seiner Vielgeschäftigkeit gar nicht in der Lage war;
eine Aktion, die -- statt dem wankenden Verbündeten den Rücken zu stärken
-- Verwirrung in die eigenen Reihen tragen und die Hoffnungen der Feinde
auf unseren inneren Zusammenbruch neu beleben mußte.

Der nächste Erfolg des Erzbergerschen Vorgehens, das alsbald in einem
Teil unserer Presse zu einer großen Sensation aufgebauscht wurde, war --
gewollt oder ungewollt -- der Ausbruch der Kanzlerkrisis. Zwar besuchte
Herr Erzberger am Nachmittag des 6. Juli den Kanzler und bestritt jede
Spitze gegen diesen, ja behauptete, eine große Mehrheit auf eine dem
Kanzler genehme Friedensresolution vereinigen zu wollen. Das hinderte ihn
nicht, am Tag darauf einem führenden nationalliberalen Abgeordneten,
dessen Gegnerschaft zu Herrn von Bethmann bekannt war, auf dessen
Befragen zu erklären, daß er den Rücktritt Bethmanns für notwendig halte,
und mit diesem Abgeordneten sowie einem Offizier aus dem Stabe der
Obersten Heeresleitung in mehrfachen Zusammenkünften zu vereinbaren, daß
alles getan werden müsse, um Bethmanns Abdankung zu erzwingen. Herr
Erzberger sprach dabei die Zuversicht aus, bis zum nächsten Dienstag
werde Herr von Bethmann »besorgt« sein.

Der Kanzler empfing am Nachmittag des 6. Juli als Vertreter der
Mittelparteien die Herren Dr. Spahn, Dr. Schiffer und von Payer. Er
gewann aus der Unterhaltung mit den Herren den Eindruck, daß zur
Aufrechterhaltung der Geschlossenheit der inneren Front ein offenes
Bekenntnis des Kaisers zum gleichen Wahlrecht für Preußen unumgänglich
sei. Am Abend nach neun Uhr erschien bei ihm eine Delegation der
Mehrheitssozialdemokraten, bestehend aus den Herren Ebert, Scheidemann,
David, Hoch und Hoffmann (Kaiserslautern), um das Bekenntnis zu einem
Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen und das gleiche Wahlrecht für
Preußen zu verlangen. Der Kanzler erzählte mir, die Herren hätten nicht
von Bedingungen für die Bewilligung des anstehenden Kriegskredites
gesprochen, auch nicht die »Parlamentarisierung der Regierung«, von der
in den Kreisen der Mittelparteien wieder eifrig gesprochen wurde,
berührt; aber sie hätten keinen Zweifel daran gelassen, daß die
Nichtberücksichtigung ihrer Forderungen den Sozialdemokraten eine weitere
Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung unmöglich machen würde.

Am folgenden Tag, Sonnabend, den 7. Juli, beabsichtigte der Kaiser, von
einem Besuch in Wien kommend, zu kurzem Aufenthalt in Berlin
einzutreffen. Dort fanden sich auch der Generalfeldmarschall von
Hindenburg und General Ludendorff ein, die sich auf die Vorgänge im
Hauptausschusse hin zusammen mit dem Kriegsminister beim Kaiser zum
Vortrag angesagt hatten, wovon dem Kanzler durch den Kriegsminister
Mitteilung gemacht worden war. Der Kanzler bat den Kaiser telegraphisch
um seine Zuziehung. Der Kaiser kam nachmittags um dreieinhalb Uhr an und
fuhr vom Bahnhof direkt zum Kanzler, der ihm über die innerpolitische
Lage Vortrag hielt; der Kaiser behielt sich seine Stellungnahme vor. Dann
empfing der Kaiser im Schlosse Bellevue die Generale zur Entgegennahme
eines Vortrages, der sich jedoch auf militärische Angelegenheiten
beschränkte. Hindenburg und Ludendorff reisten am Abend nach dem
Hauptquartier zurück.

Auf einen weiteren Vortrag, den der Kanzler am Sonntag vormittag dem
Kaiser hielt, setzte dieser für den Montag abend einen Kronrat über die
Frage des gleichen Wahlrechts an. Am Abend fand im Kreise des
Staatsministeriums eine Vorbesprechung statt, in der Herr von Bethmann
erklärte, er halte die Notwendigkeit der Gewährung des gleichen
Wahlrechts für so zwingend, daß er, falls die Entscheidung der Krone
gegen das gleiche Wahlrecht ausfallen sollte, nicht mehr in der Lage sein
würde, die Geschäfte weiterzuführen.

Der Kronrat fand Montag, den 9. Juli, abends sechs Uhr, im Kongreßsaal
des Reichskanzlerhauses unter Vorsitz des Kaisers statt. Außer den
Staatsministern waren sämtliche Staatssekretäre des Reiches zugezogen
worden. Der Kaiser beschränkte sich auf eine kurze Ansprache, in der er
auf die Notwendigkeit einer ruhigen, von keiner Gewitterstimmung
beeinflußten Prüfung der für das preußische Staatsleben so wichtigen
Wahlrechtsfrage hinwies und von uns allen die offenste und
rückhaltloseste Meinungsäußerung verlangte. In der Aussprache, die bis
neuneinhalb Uhr dauerte, wurden alle Gründe für und gegen mit
Lebhaftigkeit und Nachdruck ins Feld geführt.

Ich trat mit dem Reichskanzler für die Ergänzung der Osterbotschaft durch
das gleiche Wahlrecht ein. Aus allen Diskussionen und Unterhaltungen der
letzten Zeit hatte ich den bestimmten Eindruck gewonnen, daß die
innerpolitische Atmosphäre dringend dieser Entspannung bedurfte, daß
ferner ein weiteres Zögern nur zur Folge haben werde, daß der Krone die
Initiative -- und dann nicht nur die Initiative in der Wahlrechtsfrage --
aus der Hand gleiten werde. Außerdem hatte meine Prüfung der
wahrscheinlichen Ergebnisse der verschiedenen Wahlsysteme mich zu dem
Schluß geführt, daß der praktische Unterschied zwischen dem gleichen
Wahlrecht und einem -- neben dem gleichen Wahlrecht allein in Frage
kommenden -- stark demokratischen Pluralwahlrecht nicht groß genug sei,
um in einer so entscheidungsschweren Zeit einen schweren inneren Konflikt
zu rechtfertigen.

Von den elf Staatsministern sprachen sechs für, fünf gegen die Gewährung
des gleichen Wahlrechts.

Der Kaiser folgte den Vorträgen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. Er
selbst nahm keine Stellung, sondern behielt sich seine Entscheidung vor.

In der auf den Kronrat folgenden zwanglosen Unterhaltung sagte mir der
Kaiser:

»Allen Respekt vor meinem Staatsministerium! Jeder einzelne von Ihnen hat
seine Sache ausgezeichnet vertreten. Aber man muß mir Zeit lassen, mit
mir selbst fertig zu werden.«

Er fügte hinzu, daß er eine Entscheidung auch nicht wohl treffen könne,
ohne in einer für das Staatsganze und die Dynastie so wichtigen
Angelegenheit dem Kronprinzen Gelegenheit gegeben zu haben, Stellung zu
nehmen. Der Kronprinz wurde noch in der Nacht telegraphisch aufgefordert,
alsbald nach Berlin zu kommen.

Der Hauptausschuß hatte Sonnabend und Montag in Gegenwart des Kanzlers
weitergetagt, ohne daß über die Fragen gesprochen wurde, die jetzt mit
einemmal ganz in den Vordergrund der Ereignisse gerückt waren. Der
Kanzler verteidigte seine Politik gegen Angriffe von den verschiedenen
Seiten, besonders gegen eine starke Offensive des Abgeordneten Dr.
Stresemann; er sprach gut, fand aber keine Resonanz. Am Dienstag
vormittag stellte zu Beginn der Sitzung der Abgeordnete Ebert die
Anfrage, ob der Kanzler Mitteilungen über das Ergebnis des Kronrats
machen könne; als der Kanzler verneinte, beantragte Herr Ebert die
Vertagung, die angenommen wurde. Meinerseits veranlaßte ich die Vertagung
des Verfassungsausschusses, der an dem gleichen Tage über die
Wahlrechtsanträge abstimmen sollte.

Die unterdessen geführten Besprechungen mit den Fraktionsführern über die
Herstellung einer besseren Fühlung zwischen Reichsleitung und Parlament
ergaben, daß die Besetzung wichtiger Reichsämter mit Vertrauensleuten der
Parteien sich nicht ohne weiteres in einer die verschiedenen Wünsche
befriedigenden und dabei der Sache gerecht werdenden Weise durchführen
ließ. Ich hatte mein Amt dem Kanzler zur Verfügung gestellt, um in keiner
Weise ein Hindernis für die Überwindung der inneren Schwierigkeiten zu
sein; das gleiche hatten einige meiner Kollegen getan. Aber im
allgemeinen zeigten die Parteiführer weder für sich selbst noch für ihre
Kollegen ein allzu heißes Begehren nach verantwortungs- und dornenvollen
Ämtern. Aus den Besprechungen ergab sich das Projekt der Errichtung eines
»Reichsrates«, dem außer dem Reichskanzler und den Staatssekretären
Vertrauensmänner der größeren Parteien und eine gleiche Anzahl von
Bundesratsmitgliedern angehören sollten; der »Reichsrat« sollte über die
wichtigeren Vorgänge der Politik auf dem Laufenden gehalten und vor
wichtigeren Entscheidungen in der äußeren und inneren Politik gehört
werden. Der »Reichsrat« wäre also ein Organ dauernder Fühlungnahme
zwischen Reichsleitung, Bundesrat und Reichstag gewesen. Die Berufung
einzelner geeigneter Parlamentarier in leitende Stellungen sollte dadurch
nicht ausgeschlossen werden.

Am Morgen des 11. Juli traf der Kronprinz in Berlin ein. Er hatte am
Vormittag eine lange Aussprache mit dem Kaiser. Von dort begab er sich
zum Kanzler. Während der Kronprinz noch unterwegs war, telephonierte der
Kaiser an den Kanzler, der Kronprinz habe sich von der Notwendigkeit der
Gewährung des gleichen Wahlrechts überzeugt, ebenso von der
Notwendigkeit, daß der Kanzler, der dem Kaiser sein Amt unabhängig von
der Entscheidung über die Wahlrechtsfrage zur Verfügung gestellt hatte,
im Amte bleibe. Er bitte ihn, die Order wegen des gleichen Wahlrechts
alsbald vorzulegen und die Geschäfte weiterzuführen.

In der am Nachmittag stattfindenden Staatsministerialsitzung berichtete
der Kanzler über die von dem Kaiser und König getroffenen Entscheidungen
und legte den Entwurf einer Königlichen Order vor, laut welcher der dem
Landtag vorzulegende Gesetzentwurf wegen Änderung des Wahlrechts zum
Abgeordnetenhaus auf der Grundlage des gleichen Wahlrechts aufgestellt
werden sollte. Der Vizepräsident des Staatsministeriums regte daraufhin
an, daß angesichts der Tragweite dieser Entscheidung für das
Verfassungsleben des Preußischen Staates die Staatsminister insgesamt
ihre Ämter zur Verfügung stellen möchten, um die schwierige Aufgabe der
kaum zu umgehenden Neugestaltung des Staatsministeriums zu erleichtern.
Die sämtlichen Staatsminister erklärten, dieser Anregung entsprechen zu
wollen, einige mit dem Hinzufügen, daß sie angesichts der von dem König
getroffenen Entscheidung sich nicht imstande fühlten, die Verantwortung
ihres Amtes weiterzutragen, und deshalb den König unter allen Umständen
um ihre Entlassung bitten wurden.

Die Order über das gleiche Wahlrecht wurde am Abend des 11. Juli vom
König unterzeichnet und dem Ministerpräsidenten zugestellt. Sie wurde am
nächsten Morgen veröffentlicht.

Damit war in dem wichtigsten und umstrittensten Punkt der
»Neuorientierung« das entscheidende Zugeständnis gemacht. Die große
innerpolitische Forderung, um die jahrzehntelang erbittert gekämpft
worden war, hatte ihre Erfüllung gefunden.

Schon vorher, am 6. Juli, hatte ich im Reichstag namens der
Verbündeten Regierungen die Vermehrung der Mandate für die großen
Reichstagswahlkreise in aller Form zugesagt.

Für die von allen Seiten als notwendig erkannte engere Fühlung zwischen
Reichsleitung und Volksvertretung schien in dem »Reichsrat« eine
praktische Lösung gefunden zu sein.

Aber die großen Zugeständnisse auf dem Gebiet der inneren Politik, groß
genug, um eine neue Ära heraufzuführen, genügten nicht mehr, um die
erregten Gemüter zu beschwichtigen und das Reichsschiff wieder in ruhiges
Fahrwasser zu steuern. Es blieb die Frage der »Friedensresolution« und
neben ihr die Frage des Kanzlers.

Über eine Resolution des Reichstags zur Friedensfrage beriet eine
»interfraktionelle Kommission«, zu der sich Vertreter der
Mehrheitssozialisten, der Fortschrittler und des Zentrums zusammengetan
hatten. Die Nationalliberalen waren anfangs gleichfalls vertreten,
schieden dann aber aus, da sie in Sachen der Friedensresolution sich mit
den anderen Parteien nicht einigen konnten. Die beiden Rechtsparteien
standen abseits. Auch Vertreter der Reichsleitung wurden nicht zugezogen.
Die Parteien wollten jetzt selbst die Politik machen.

Gleichzeitig wurde in allen Fraktionen, die bisher dem Kanzler ihr
Vertrauen gewährt hatten, gegen Herrn von Bethmann Sturm gelaufen. Auch
der sonst bei den Linksparteien nicht gerade beliebte »Militarismus«
wurde als Sturmbock benutzt: überall wurde unter Berufung auf »Offiziere
vom Großen Hauptquartier« verbreitet, daß Hindenburg und Ludendorff es
ablehnten, mit Bethmann Hollweg weiter zusammenzuarbeiten. Daneben
versicherte Herr Erzberger mit der Miene des Eingeweihten, daß Bethmann
für Friedensverhandlungen »unmöglich« sei.

In meinen Verhandlungen mit den Parteien suchte ich auch jetzt noch zu
verhindern, daß die nach unseren Wahrnehmungen heranreifende
Friedensmöglichkeit durch eine schwere innere Krisis und einen
Kanzlerwechsel zerstört würde. Fast schien es, als ob ich damit Erfolg
haben sollte. Noch am Mittwoch, 11. Juli, erklärten mir die Führer der
Fortschrittlichen Volkspartei und der Sozialdemokraten, kein Interesse an
einem Kanzlerwechsel zu haben. Für das Zentrum gab mir in Gegenwart des
Abgeordneten Dr. Spahn der Abgeordnete Fehrenbach ein Resumé wieder, in
dem er nach einer langen Aussprache in der Fraktion deren Meinung
zusammengefaßt habe. Das Resumé lautete etwa: Das Zentrum sähe in seiner
großen Mehrheit kein Bedenken gegen das Verbleiben des Kanzlers im Amte.
Die Fraktion vertraue jedoch darauf, daß der Kanzler, falls sich
herausstellen sollte, daß seine Person eine Erschwerung für
Friedensverhandlungen sei, daraus die Konsequenzen ziehen werde. Sogar
von den Konservativen, den erklärten Bethmann-Gegnern, gewann ich den
Eindruck, daß sie für eine geräuschlose Erledigung der Kriegskredite
unter Zurückstellung ihrer Wünsche nach einem Kanzlerwechsel zu haben
sein würden.

Mit den Vertretern der Nationalliberalen konnte ich erst am Donnerstag
vormittag sprechen. Als deren Vertreter besuchten mich die Herren Dr.
Schiffer, Dr. Stresemann und List (Eßlingen). Dr. Stresemann erklärte,
ein großer Teil seiner Partei betrachte Bethmanns Abgang als eine
Notwendigkeit. Dr. Schiffer machte nur den Einwand, daß nicht alle in der
Partei so dächten. Auf meinen Hinweis auf die außenpolitischen Umstände,
die im gegenwärtigen Moment gegen einen Kanzlerwechsel und für eine
glatte Bewilligung des Kriegskredits sprächen, machte Herr Dr.
Stresemann etwa folgende Bemerkung: Für die Haltung der nationalliberalen
Fraktion gegenüber Herrn von Bethmann müsse doch auch die Stellungnahme
der Obersten Heeresleitung von großer Bedeutung sein. Es könne auf seine
Fraktion nicht ohne Eindruck bleiben, wenn er heute genötigt sei, ihr
mitzuteilen, daß der General Ludendorff entschlossen sei, seinen Abschied
zu nehmen, wenn Bethmann Kanzler bleibe.

Jetzt sah ich allerdings jede Hoffnung schwinden, die Situation zu halten
und in einer Lage, in der alles auf innere Festigkeit und Geschlossenheit
ankam, einen Kanzlerwechsel zu vermeiden. Zunächst weigerte ich mich, an
die Richtigkeit der Information des Herrn Dr. Stresemann zu glauben; im
übrigen würde ich sofort den Kanzler veranlassen, sich mit dem General
Ludendorff unmittelbar in Verbindung zu setzen.

Als ich mich nach dieser Besprechung zum Kanzler begab, erfuhr ich, daß
der Kronprinz an demselben Vormittag zu früher Stunde die Abgeordneten
Graf Westarp, Mertin, Erzberger, Dr. Stresemann, von Payer und Dr. David
der Reihe nach empfangen und sie über die politische Lage und die
Stellung des Kanzlers eingehend befragt habe, ohne sich selbst zu äußern.
Die Wahl der Abgeordneten Erzberger und David, die in ihren Fraktionen in
der vordersten Reihe der Kanzlerstürzer standen, ließ eine geschickte
Regie erkennen. Der Kronprinz hatte im weiteren Verlauf des Vormittags
den österreichisch-ungarischen Botschafter Prinzen Hohenlohe und den
bulgarischen Gesandten Rizoff besucht, die beide mit größtem Nachdruck
für ein Verbleiben Bethmanns eintraten.

Ferner erfuhr ich beim Kanzler, daß Herr von Payer berichtet hatte, ein
»Offizier aus dem Großen Hauptquartier« habe einem seiner
Fraktionskollegen gesagt, er möge in der Fraktion verbreiten, Hindenburg
und Ludendorff könnten nicht länger mit Herrn von Bethmann
zusammenarbeiten; den gleichen Auftrag hätten Erzberger, Dr. Stresemann
und wohl auch Dr. David für ihre Fraktionen erhalten.

Auf die telegraphische Mitteilung dieser Behauptungen ließ General
Ludendorff am Abend desselben Tages an den Kanzler zurücktelegraphieren:

»Ich habe keinen Offizier beauftragt, einem Abgeordneten zu übermitteln,
daß ich mit dem Herrn Reichskanzler von Bethmann Hollweg nicht
weiterarbeiten könne.«

Das Dementi bezog sich jedoch nur auf die Beauftragung eines Offiziers
mit einer solchen Mitteilung, nicht auf die Sache selbst. Denn zu der
Stunde, als dieses Telegramm an die Reichskanzlei abgesandt wurde, war in
der Sache der entscheidende Schritt bereits geschehen und Herrn von
Bethmann bekannt: Generalfeldmarschall von Hindenburg und General
Ludendorff hatten den Kaiser für den Fall des Verbleibens des Herrn von
Bethmann im Laufe des Nachmittags telegraphisch um ihre Entlassung
gebeten. Der unheilvolle Gegensatz, in den die beiden Generale, je
länger desto mehr, zu Herrn von Bethmann geraten waren, kam so im
ungeeignetsten Augenblick zur Explosion.

Ohne Kenntnis von diesem Vorgang zu haben, verhandelte ich an demselben
Nachmittag im Reichstag über die »Friedensresolution«.

Dort erhielt ich ein Schreiben des Herrn Dr. Stresemann, der mir unter
Bezugnahme auf die Unterhaltung vom Vormittag mitteilte, daß die
nationalliberale Fraktion beschlossen habe, durch ihren stellvertretenden
Vorsitzenden, den Prinzen Schönaich-Carolath, dem Chef des Zivilkabinetts
des Kaisers mitteilen zu lassen, daß nach ihrer Ansicht eine Lösung der
Krisis ohne den Rücktritt des Reichskanzlers nicht denkbar sei.

Dann wurde mir durch den Abgeordneten Fehrenbach mitgeteilt, das Zentrum
habe seine Stellung von gestern unter der Einwirkung gewisser
Mitteilungen aus dem Großen Hauptquartier geändert und sich gegen eine
kleine Minderheit dahin ausgesprochen, der Kanzler sei ein
Friedenshindernis und müsse gehen. Der Fraktionsvorsitzende Dr. Spahn
hatte während der Sitzung einen schweren Ohnmachtsanfall erlitten und
mußte in ein Krankenhaus transportiert werden.

Die inzwischen in der interfraktionellen Fraktion fertiggestellte
Friedensresolution schickte ich an den Kanzler, der im Schloß Bellevue
beim Kaiser zum Vortrag war, mit der dringenden Bitte, sich nicht auf
diese Resolution festzulegen.

Der Abgeordnete von Payer, der von den Mehrheitsparteien beauftragt war,
die Resolution dem Kanzler zu überreichen, erklärte mir, es sei an der
Resolution kein Wort zu ändern. Auch habe er den Auftrag, vom Kanzler zu
verlangen, daß er in seiner im Reichstag abzugebenden Erklärung die
Resolution glatt annehme, ohne irgendeinen erklärenden oder
umschreibenden Zusatz, auch ohne jede Berufung auf seine bisherige
Politik. Ich antwortete Herrn von Payer: »Wenn ich Kanzler wäre, würde
ich unter keinen Umständen unter ein solches kaudinisches Joch gehen; da
ich nur Stellvertreter des Kanzlers bin, werde ich meinen ganzen Einfluß
bei dem Kanzler aufbieten, um ihn zu veranlassen, ein solches Ansinnen
kategorisch zurückzuweisen.«

Der Kanzler hatte sich Herrn von Payer für neun Uhr abends zur Verfügung
gestellt. Es war halb neun Uhr, als meine Unterhaltung mit Herrn von
Payer zu Ende war. Ich fuhr zum Kanzler. Dieser war gerade vom Kaiser
zurückgekommen. Er teilte mir mit: Der Kaiser habe den Wortlaut der
»Friedensresolution« an den Feldmarschall telephoniert. Dieser habe
geantwortet, die Oberste Heeresleitung müsse von dieser Resolution eine
Schädigung der Schlagkraft des Heeres befürchten, für die sie die
Verantwortung nicht übernehmen könne. Der Kaiser habe ihn, den Kanzler,
beauftragt, Herrn von Payer zu erklären, in der vorliegenden Fassung sei
die Resolution aus den von der Obersten Heeresleitung angegebenen
Gründen unannehmbar. Im übrigen habe der Kaiser Hindenburg und Ludendorff
zu weiteren Besprechungen nach Berlin befohlen; sie würden am nächsten
Vormittag eintreffen.

Der Kanzler fügte hinzu, er habe dem Kaiser die Unhaltbarkeit seiner
Stellung zu den Parteien und zur Obersten Heeresleitung
auseinandergesetzt und erneut um seine Entlassung gebeten. Während des
Vortrags habe der Chef des Militärkabinetts General von Lyncker
bestätigt, daß Hindenburg und Ludendorff telegraphisch um ihre Entlassung
nachgesucht hätten. Der Kaiser habe ihn zwar seines ungeminderten
Vertrauens versichert und erklärt, gegenüber den beiden Generalen werde
er die Sache am nächsten Tage in Ordnung bringen. Er sei aber unbedingt
entschlossen, auf seinem Rücktritt zu bestehen.

Ich konnte Herrn von Bethmann in diesem Entschluß nur bestärken. Man
mochte über die sachliche Berechtigung und die Zweckmäßigkeit der
Stellungnahme der Herren von der Obersten Heeresleitung gegen Herrn von
Bethmann denken, wie man wollte -- eine weitere Zusammenarbeit war jetzt
in der Tat unmöglich, und einen Rücktritt von Hindenburg und Ludendorff
hätte weder die Armee noch das Volk vertragen.

Inzwischen war Herr von Payer im Reichskanzlerhause eingetroffen, um sich
des Auftrags der Mehrheitsparteien zu entledigen. Der Kanzler teilte ihm
mit, daß die Resolution in der vorliegenden Fassung unannehmbar sei, und
daß sich am nächsten Tage Gelegenheit geben werde, die Sache in Berlin
unter Mitwirkung von Hindenburg und Ludendorff zu besprechen.

Am nächsten Morgen -- Freitag, 13. Juli -- übersandte der Kanzler in
aller Frühe dem Kaiser sein schriftliches Abschiedsgesuch, ohne die
Ankunft der beiden Generale abzuwarten.

Der Kaiser ließ mir im Lauf des Vormittags mitteilen, er habe Hindenburg
und Ludendorff ersucht, sich mit mir und dem Chef der Reichskanzlei wegen
einer Besprechung mit den führenden Abgeordneten in Verbindung zu setzen.
Um 4 Uhr nachmittags besprach ich zusammen mit dem Unterstaatssekretär
Wahnschaffe im Generalstabsgebäude mit den beiden Generalen die
parlamentarische Lage. Von fünf Uhr ab wurden der Reihe nach die
Vertreter der einzelnen Fraktionen empfangen. Der Feldmarschall machte
seine Ausstellungen an der Resolution und bezeichnete die Stellen, die
nach seiner Ansicht einer Änderung bedurften. Es wurde verabredet, daß
bei mir am nächsten Tage weiter verhandelt werden sollte. Der Abgeordnete
Scheidemann sagte mir beim Abschied: »Verhandeln können wir, aber
geändert kann nichts mehr werden.« Ich entgegnete: »Das ist nicht das
letzte Wort.«

Die Besprechungen dauerten bis neun Uhr abends. Während der Besprechungen
war Hindenburg abgerufen worden; er kam nach etwa einer halben Stunde
wieder. Er war im Schloß Bellevue gewesen, wo inzwischen über den
Kanzlerwechsel entschieden worden war.

Von Herrn von Bethmann, zu dem ich mich vom Generalstab begab, erfuhr ich
das Nähere. Der Kaiser hatte seine Entlassung genehmigt und den
bisherigen Unterstaatssekretär im preußischen Finanzministerium und
preußischen Staatskommissar für Volksernährung Herrn Dr. Georg Michaelis
zu seinem Nachfolger ernannt.

Herr Michaelis war mir als vorzüglicher Verwaltungsbeamter bekannt, aber
zum Leiter der Reichspolitik, zumal in dieser schwierigen Zeit, fehlten
ihm nach meiner Ansicht die wichtigsten Voraussetzungen. Ich fragte Herrn
von Bethmann, ob er etwa Herrn Michaelis als seinen Nachfolger
vorgeschlagen habe. Herr von Bethmann verneinte und fügte hinzu, er sei
über die Nachricht genau so erstaunt gewesen wie ich. Volle Klarheit
darüber, wer Herrn Michaelis beim Kaiser in Vorschlag gebracht hat, habe
ich nie gewinnen können. Nur so viel steht fest, daß der Kaiser wünschte,
in Zukunft die Reibungen zwischen der politischen Leitung und der
Obersten Heeresleitung nach Möglichkeit vermieden zu sehen, und
infolgedessen Wert darauf legte, einen auch der Obersten Heeresleitung
genehmen Mann in das Amt des Reichskanzlers zu berufen.

Ich fand das Vorgehen bei der Berufung des neuen Kanzlers unbegreiflich
und brachte dies gegenüber dem Chef des Zivilkabinetts, Herrn von
Valentini, der sich noch am späten Abend mit Herrn Michaelis im
Reichskanzlerpalais einfand, mit einiger Heftigkeit zum Ausdruck. Ich
sagte voraus, daß der neue Kanzler sich nicht bis Weihnachten werde im
Amte halten können, und ersuchte Herrn von Valentini, dem Kaiser meine
Bitte um Entlassung zu übermitteln. Auch dem neuen Kanzler, der mich bat,
ihm meine Mitarbeit zu gewähren, erklärte ich meinen Entschluß, meine
Entlassung zu nehmen; auf sein Drängen sagte ich ihm schließlich zu, für
eine Übergangszeit, bis er selbst eingearbeitet sei und für mich einen
geeigneten Nachfolger gefunden habe, die Geschäfte weiterzuführen.

Unterdessen hatte Wolffs Telegraphisches Bureau der Reichskanzlei
telephonisch mitgeteilt, es habe »aus dem Reichstag« den Wortlaut der
»Friedensresolution« zur sofortigen Verbreitung erhalten. Da mit den
Parteien verabredet worden war, daß am nächsten Tag über die Resolution
weiter verhandelt werden sollte, lag hier ein offensichtlich illoyaler
Akt und Gewaltstreich vor. Der neue Reichskanzler ordnete an, daß Wolff
ersucht werden solle, die Verbreitung zu unterlassen und durch Rundruf
die Presse zu bitten, von einer Veröffentlichung der Friedensresolution,
falls ihr diese von anderer Seite zugehen sollte, Abstand zu nehmen.
Trotzdem wurde der Text der Friedensresolution am nächsten Morgen im
»Vorwärts« publiziert.

In der Frühe des 14. Juli teilte mir der neue Kanzler mit, daß er
versuchen wolle, die Friedensresolution durch eine eigene Erklärung
überflüssig zu machen. Ebenso telephonierte mir der General Ludendorff,
daß er trotz der illoyalen Veröffentlichung der Resolution im »Vorwärts«
die für den Nachmittag in Aussicht genommene Besprechung mit den
Vertretern der Mehrheitsparteien für zweckmäßig halte, um einige
Änderungen durchzusetzen.

Die Besprechung fand in zwangloser Form bei mir im Garten des Reichsamts
des Innern statt. Ich suchte die Sache so zu führen, daß die Parteien im
Falle einer sie befriedigenden Erklärung des Kanzlers auf die
verschiedenen Resolutionen -- es lag auch eine der Konservativen und der
Nationalliberalen vor -- verzichteten. Es schien einen Augenblick lang,
als ob ich damit Erfolg haben sollte. Herr von Payer, der als
Vertrauensmann des Mehrheitsblockes durch die vorzeitige Veröffentlichung
der Resolution sich in einer sehr schiefen Position fühlte -- die
Veröffentlichung war übrigens ohne sein Wissen geschehen --, suchte
offensichtlich einen anständigen Ausweg; sogar Herr Erzberger schien für
einen Augenblick schwankend zu werden und es für einen gangbaren Weg zu
halten, nach der Rede des Kanzlers -- Verständigung über diese
vorausgesetzt -- über alle vorliegenden Resolutionen zur Tagesordnung
überzugehen. Aber die Sozialdemokraten blieben steif. Schließlich
erklärte Herr Michaelis, er sehe ein, daß kaum mehr etwas zu machen sei,
und er glaube sich mit der Resolution abfinden zu können.

Damit war die Angelegenheit erledigt. Die für den nächsten Nachmittag in
Aussicht genommene Zusammenkunft mit den Rechtsparteien und den
Nationalliberalen konnte sachlich nichts mehr ändern.

Am Donnerstag, 19. Juli, erschien der neue Kanzler zum erstenmal im
Reichstag. In seiner Antrittsrede gab er einen kurzen Überblick über die
Kriegslage und entwickelte dann in Sätzen, die den Mehrheitsparteien
durch den Chef der Reichskanzlei vorher mitgeteilt worden waren, seine
Stellung zur Friedensfrage. Deutschland habe den Krieg nicht gewollt. Es
strebe nicht nach Eroberungen, nicht nach gewaltsamer Vergrößerung seiner
Macht. Darum werde es nicht einen Tag länger Krieg führen, wenn ein
ehrenvoller Friede zu haben sei. Das Gebiet des Vaterlandes sei für uns
unantastbar. Der Friede müsse uns die Grenzen des Deutschen Reiches für
alle Zeit sicherstellen. Wir müßten im Wege der Verständigung und des
Ausgleichs die Lebensbedingungen des Deutschen Reiches auf dem Kontinent
und über See garantieren. Der Friede müsse die Grundlage für eine
dauernde Versöhnung der Völker bieten, der weiteren Verfeindung der
Völker durch wirtschaftliche Absperrung vorbeugen und uns davor sichern,
daß sich der Waffenbund unserer Gegner zu einem wirtschaftlichen
Trutzbunde gegen uns auswachse. »Diese Ziele lassen sich im Rahmen Ihrer
Resolution, wie ich sie auffasse, erreichen.«

Die Worte »wie ich sie auffasse« waren eine Improvisation; sie standen
nicht in dem vor der Sitzung den Mehrheitsparteien mitgeteilten Wortlaut
und wurden späterhin dem Kanzler zum großen Vorwurf gemacht.

                *       *       *       *       *

Wir hatten also einen neuen Kanzler, hatten die Friedensresolution und
überdies die Zusage des gleichen Wahlrechts in Preußen. Das waren die
sichtbaren Ergebnisse der Julikrisis. Sie waren in sich widerspruchsvoll,
wie die ganze Krisis selbst.

Die Koalition, der Herr von Bethmann Hollweg zum Opfer gefallen war,
hatte mit der andern Koalition, die für die Friedensresolution und das
gleiche Wahlrecht gekämpft hatte, nichts gemein als das der Führung
Erzbergers folgende Zentrum. Diejenigen Elemente und Faktoren, die in der
Frage des Kanzlerwechsels die Entscheidung herbeigeführt hatten, standen
innerlich im schärfsten Gegensatz zu denjenigen, die für die
Friedensresolution und das gleiche Wahlrecht eingetreten waren.

Deshalb konnte die Lösung der Krisis niemanden befriedigen.

Die Sozialdemokraten und Fortschrittler hatten zwar die Zusage des
gleichen Wahlrechts und die Friedensresolution durchgesetzt, aber der
neue Kanzler stand ihren außen- und innerpolitischen Auffassungen
wesentlich ferner als Herr von Bethmann.

Die Nationalliberalen, die Rechtsparteien und die Oberste Heeresleitung
waren zwar mit dem Kanzlerwechsel zufrieden; aber die Nationalliberalen
hatten infolge der Friedensresolution den Anschluß an den sich bildenden
Block der Mehrheitsparteien nicht erreicht, die Rechtsparteien waren in
den beiden Fragen des Wahlrechts und der Friedensresolution unterlegen,
und die Oberste Heeresleitung mußte schließlich nicht nur die von ihr als
schädlich erachtete Friedensresolution in Kauf nehmen, sondern mehr als
das: die Bildung des in der Friedensresolution sein Glaubensbekenntnis
findenden Mehrheitsblocks, der von nun an den Reichstag bis zu seinem
wenig ruhmvollen Ende am 9. November 1918 beherrschen und den Gegensatz
zwischen Heeresleitung und Reichskanzler mehr und mehr durch den
Gegensatz zwischen Heeresleitung und Reichstagsmehrheit ersetzen sollte.

Die Krisis hatte also nur eine Scheinlösung gefunden; die ihr zugrunde
liegenden Gegensätze waren nicht ausgeglichen worden. Die Krisis war
beendigt, aber der kritische Zustand dauerte fort.




              Die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis

    Die Friedensresolution des Reichstags und ihre Wirkungen


Die Friedensresolution des Reichstags, mit deren Annahme Herr Michaelis
das Kanzleramt antrat, lautete:

    »Wie am 4. August 1914 gilt für das deutsche Volk auch an der
    Schwelle des vierten Kriegsjahres das Wort der Thronrede: 'Uns treibt
    nicht Eroberungssucht.' Zur Verteidigung seiner Freiheit und
    Selbständigkeit, für die Unversehrtheit seines territorialen
    Besitzstandes hat Deutschland die Waffen ergriffen.

    Der Reichstag erstrebt einen Frieden der Verständigung und der
    dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frieden sind
    erzwungene Gebietserwerbungen und politische, wirtschaftliche und
    finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar. Der Reichstag weist auch
    alle Pläne ab, die auf eine wirtschaftliche Absperrung und
    Verfeindung der Völker nach dem Kriege ausgehen. Nur der
    Wirtschaftsfriede wird einem freundschaftlichen Zusammenleben der
    Völker den Boden bereiten. Der Reichstag wird die Schaffung
    internationaler Rechtsorganisationen tatkräftig fördern. Solange
    jedoch die feindlichen Regierungen auf einen solchen Frieden nicht
    eingehen, solange sie Deutschland und seine Verbündeten mit Eroberung
    und Vergewaltigung bedrohen, wird das deutsche Volk wie ein Mann
    zusammenstehen, unerschütterlich ausharren und kämpfen, bis sein und
    seiner Verbündeten Recht auf Leben und Entwicklung gesichert ist. In
    seiner Einigkeit ist das deutsche Volk unüberwindlich. Der Reichstag
    weiß sich darin eins mit den Männern, die in heldenhaftem Kampfe das
    Vaterland schützen. Der unvergängliche Dank des ganzen Volkes ist
    ihnen sicher.«

Die Resolution wurde mit 212 gegen 126 Stimmen bei 17 Stimmenthaltungen
angenommen. Dafür stimmten das Zentrum bis auf wenige Ausnahmen, die
Fortschrittliche Volkspartei und die Mehrheitssozialdemokraten; dagegen
die Konservativen, die Nationalliberalen und die unabhängigen
Sozialdemokraten; die deutsche Fraktion war geteilt; die
Stimmenthaltungen kamen in der Hauptsache auf die Polen. --

Die von den Vätern der Resolution gewünschte und erwartete Wirkung auf
unsere Feinde blieb aus, ja es trat das Gegenteil dieser Wirkung ein. Die
Resolution, und mehr noch die Begleiterscheinungen, unter denen sie
zustande gekommen war, erweckten bei unseren Feinden den Eindruck der
Kriegsmüdigkeit und der inneren Zerrüttung des deutschen Volkes.

Von einer hervorragenden, uns durchaus wohlgesinnten neutralen
Persönlichkeit fiel damals die Äußerung: »Die Entente kann Herrn
Erzberger zum Ehrenmitglied ernennen.«

Aus anderen neutralen Lagern wurde berichtet, daß die in unterrichteten
englischen Kreisen vor kurzem noch herrschende unsichere und
pessimistische Auffassung neuer Zuversicht gewichen sei; jetzt glaube
man, Deutschland werde durch innerpolitische Kämpfe um die Regierungsform
und durch eine zunehmende Kriegsmüdigkeit zum Frieden gezwungen sein, ehe
England sich in der gleichen Zwangslage sehe.

Was wir heute über gewisse tatsächliche Vorgänge im Lager unserer Feinde
wissen, bestätigt dieses Urteil.

Noch Anfang April 1917 war die Siegeszuversicht bei unseren Feinden,
namentlich in Frankreich, offenbar sehr hochgestimmt gewesen. Das ergibt
sich aus der Behandlung, die der Brief des Kaisers Karl von Österreich an
den Prinzen Sixtus von Parma durch den Präsidenten der Französischen
Republik und die französische Regierung erfuhr.

In diesem Briefe[1] hatte der österreichische Kaiser dem Präsidenten
Poincaré nicht mehr und nicht weniger angeboten, als daß er unter
Aufbietung seines ganzen persönlichen Einflusses bei seinen Verbündeten
die gerechten französischen Ansprüche hinsichtlich Elsaß-Lothringens
unterstützen wolle.

  [1] Siehe oben S. 65ff.

Herr Poincaré hatte über den Inhalt des Briefes mit dem Prinzen eine
Aussprache, über die er brieflich an den Ministerpräsidenten und Minister
des Äußern Herrn Ribot Mitteilung machte. Danach hat Herr Poincaré den
Prinzen ersucht, dem Kaiser Karl mitzuteilen, daß es sich für Frankreich
nicht um das Elsaß-Lothringen mit den Grenzen von 1870 handle, sondern um
das Elsaß-Lothringen von 1814, d. h. Elsaß-Lothringen einschließlich des
Saargebiets. Letzteres hatte im Lauf der letzten tausend Jahre nur
während zweier ganz kurzer Episoden zu Frankreich gehört, nämlich zur
Zeit des Hochstandes der französischen Eroberungspolitik Ludwigs XIV. von
1680 bis 1697 und Napoleons I. von 1801 bis 1815. Außerdem verlange
Frankreich Wiedergutmachung und Entschädigungen, ferner Garantien auf dem
linken Rheinufer.

Von Paris reiste Prinz Sixtus nach London. Lloyd George erschienen seine
Mitteilungen in hohem Maße beachtenswert, und er empfahl der
französischen Regierung, sie in wohlwollende Erwägung zu ziehen. Es kam
darüber zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem englischen Premier und
dem französischen Präsidenten. Die Angelegenheit wurde am 17. April in
der Konferenz der Ententemächte in St. Jean de Maurienne in persönlicher
Aussprache behandelt. An dieser Aussprache nahm auch der auswärtige
Minister Italiens, Herr Sonnino, teil. Er widersetzte sich auf das
äußerste einem Friedensschluß, der nicht die italienischen Wünsche auf
dem Boden der Londoner Abmachungen befriedige. Lloyd George vertrat
die Ansicht, daß in diesem Augenblick eine Diskussion der
österreichisch-italienischen Territorialfragen vermieden werden müsse,
weil sich sonst unvermeidlich die Verhandlungen zerschlagen würden. Die
Hauptsache sei, Deutschland zu erledigen; alles andere werde sich dann
schon finden. Schließlich aber gab Lloyd George dem Verlangen Frankreichs
auf Einbeziehung des Saargebiets und dem Drängen Italiens nach. Ob dann
Herr Poincaré, wie der »Manchester Guardian« nach anscheinend guten
Informationen später erzählte, dem österreichischen Kaiser in der Tat
vorgeschlagen hat, das Trentino und Triest an Italien abzutreten und sich
dafür an Schlesien schadlos zu halten, lasse ich dahingestellt; ebenso
die dem Kaiser Karl zugeschriebene Antwort, es bestehe gegen diese Lösung
das Bedenken, daß zwar die Monarchie das von ihr an Italien
herauszugebende Gebiet in Händen habe, nicht aber Frankreich Schlesien;
ebenso, ob Kaiser Karl, nachdem er den Bericht des Prinzen Sixtus über
das Ergebnis seiner Besprechungen in Paris und London erhalten hatte, an
diesen den von Wien aus später bestrittenen zweiten Brief geschrieben
hat, in dem er die Überzeugung aussprach, daß, falls Frankreich seine
territorialen Forderungen auf Elsaß-Lothringen beschränke, es ihm
gelingen werde, Deutschland zum Friedensschluß zu bewegen. Wesentlich für
die Beurteilung der Lage ist lediglich, daß Frankreich damals, Mitte
April 1917, die Möglichkeit eines Friedens, der ihm =nur=
Elsaß-Lothringen bringen sollte, zurückwies und die Erwerbung des
Saargebietes sowie »Garantien« auf dem linken Rheinufer zur Voraussetzung
von Friedensverhandlungen machte. Die Ablehnung der Anregung des Kaisers
Karl erfolgte, ohne daß das französische Kabinett mit dem Kaiserbrief
befaßt worden war; nur Herr Ribot wurde von Herrn Poincaré mit
ausdrücklicher Zustimmung des Prinzen Sixtus unterrichtet. Desgleichen
wurden weder Belgien, noch Rußland, noch die Vereinigten Staaten vor der
Ablehnung über die Angelegenheit orientiert oder befragt.

Was unter den »Garantien auf dem linken Rheinufer«, die Frankreich
forderte, zu verstehen war, ergibt sich aus der im Februar 1917
getroffenen, von der Bolschewistenregierung veröffentlichten Abmachung
zwischen der französischen und russischen Regierung. Nach dieser
Abmachung sollte Frankreich Elsaß-Lothringen und das Saargebiet erhalten;
der übrige Teil des linken Rheinufers sollte von Deutschland politisch
und wirtschaftlich abgetrennt und zu einem neutralen Pufferstaat gemacht
werden.

Nachdem an so unerhörten Forderungen, wie sie nur einem gänzlich
geschlagenen und wehrlos gemachten Deutschland zugemutet werden konnten,
der private, in seinem springenden Punkte vor dem eigenen Minister des
Auswärtigen geheimgehaltene Friedensversuch des österreichischen Kaisers
gescheitert war, scheint allerdings in Frankreich ein Stimmungsumschwung
eingetreten zu sein. Darauf deutet die oben (S. 71) erwähnte, schwer
besorgte Äußerung Ribots zu dem italienischen Botschafter; ferner die
Tatsache, daß nicht allzu lange nach der Ablehnung der kaiserlichen
Anregung von französischer Seite Versuche gemacht wurden, nicht nur
Unterhaltungen mit der österreichisch-ungarischen Regierung aufzunehmen,
sondern auch mit einem Vertrauensmann der deutschen Regierung in Fühlung
zu kommen.

Aus einer ein Jahr später zwischen Herrn Clemenceau und dem Grafen
Czernin entstandenen öffentlichen Polemik, auf die ich weiter unten noch
zu sprechen komme, wurde bekannt, daß im Juli 1917 der österreichische
Legationsrat Graf Revertera von einer neutralen Mittelsperson namens der
französischen Regierung befragt wurde, ob er in der Lage sei, Eröffnungen
dieser Regierung an die österreichisch-ungarische Regierung
entgegenzunehmen. Graf Revertera wurde vom Grafen Czernin ermächtigt, die
Besprechungen mit dem Vertrauensmann der französischen Regierung, dem
Major Grafen Armand, aufzunehmen, um festzustellen, ob Grundlagen für die
Herbeiführung eines allgemeinen Friedens geschaffen werden könnten.
Daraufhin trafen sich die beiderseitigen Vertrauensleute im Lauf des
Monats August -- also nach der Juliresolution -- in der Schweiz. Aber die
Besprechungen führten zu keinerlei Ergebnis.

Schon vorher hatte eine der ersten politischen Persönlichkeiten
Frankreichs durch eine neutrale Mittelsperson bei einer mit den
französischen Verhältnissen und Personen durch langjährige Tätigkeit in
Paris besonders genau vertrauten deutschen politischen Persönlichkeit die
Geneigtheit erkennen lassen, eine persönliche Aussprache über die
Friedensmöglichkeiten in der Schweiz zu arrangieren. Die über Ort und
Zeit des Zusammentreffens eingeleiteten Verhandlungen waren im Gang, als
die Kanzlerkrisis ausbrach. Um dieselbe Zeit war auch bei maßgebenden
belgischen Persönlichkeiten ein lebhaftes Interesse für die Aufnahme
einer vertraulichen Fühlung über die Friedensmöglichkeiten festzustellen.

Ich habe dem damaligen Führer der Zentrumspartei, Herrn Dr. Spahn, im
Laufe der Verhandlungen über die Friedensresolution und die Kanzlerfrage
-- soweit ich es angesichts des mir auf die Seele gebundenen Geheimnisses
tun konnte -- angedeutet, daß bei einem unserer westlichen Gegner gewisse
Zeichen des Einlenkens hervorgetreten seien, daß ich aber befürchten
müsse, daß durch den Erzbergerschen Vorstoß und die Vorgänge, die sich an
diesen anschlossen, sowie durch die sensationelle Behandlung dieser
Vorgänge in einem Teil der deutschen Presse diese Friedensgeneigtheit im
Keime erstickt und der Kriegswille unserer Gegner neu gestärkt werden
würde. Diese Andeutung an Herrn Dr. Spahn habe ich einige Tage später
Herrn Erzberger auf eine Anfrage schriftlich bestätigt.

Es unterliegt heute für mich keinem Zweifel, daß bei unseren westlichen
Gegnern auf die Ablehnung der Anregung des Kaisers Karl, der sich Lloyd
George ohnedies nur ungern gefügt hatte, eine Reaktion eingetreten war;
daß die großen Erfolge unseres U-Bootkriegs und namentlich die akute
Bedrängnis, in die England für die Zeit bis zur neuen Ernte sich versetzt
sah und der Lloyd George damals in Paris einen geradezu alarmierenden
Ausdruck gab, bei unseren westlichen Feinden der Neigung für einen
billigen Frieden der Verständigung Raum zu schaffen begannen. Auch die
Kurie sah gerade zu jener Zeit die Aussichten für Friedensverhandlungen
günstiger an. Der neuernannte Nuntius am Münchener Hof, Monsignore
Pacelli, kam Ende Juni nach Berlin und knüpfte mit Herrn von Bethmann
Besprechungen über eine Friedensaktion des Papstes an, wobei er
andeutete, daß der Papst Grund habe, eine solche Aktion nicht für
aussichtslos zu halten. Der Nuntius war von der Aussprache mit Herrn von
Bethmann, wie er mir selbst erzählte, in hohem Maße befriedigt.

Nach der Julikrisis und der Friedensresolution war die Lage merklich
verändert.

Die angebahnten Friedensgespräche kamen nicht zustande oder verliefen
ergebnislos.

Keine Hand rührte sich bei unseren Feinden, um in die vom Deutschen
Reichstag ausgestreckte Friedenshand einzuschlagen. Alles was vom
feindlichen Ausland zu uns herüberschallte, gab denjenigen recht, die als
Wirkung der Friedensresolution das Gegenteil von Friedensbereitschaft bei
unseren Feinden befürchtet hatten.

So erklärte der englische Minister Carson am 20. Juli in Dublin, daß
Verhandlungen mit Deutschland erst möglich seien, wenn die deutschen
Truppen hinter den Rhein zurückgezogen seien.

Am 25. Juli erklärte das britische Kabinett durch den Mund des Herrn
Bonar Law, meines Wissens zum erstenmal, daß England mit Frankreichs
Forderung der Rückgabe Elsaß-Lothringens solidarisch sei.

An demselben 25. Juli wurde im Britischen Unterhaus eine von Mac Donald
und Trevelyan eingebrachte »Friedensresolution« mit 148 gegen 19 Stimmen
abgelehnt.

Am 30. Juli bestätigte der französische Ministerpräsident Herr Ribot in
der Französischen Kammer die aus Petersburg kommende Enthüllung, daß die
französische Regierung nicht nur die Rückgabe Elsaß-Lothringens, sondern
auch die Errichtung eines linksrheinischen Pufferstaates erstrebe; die
Kammer selbst zeigte sich allerdings etwas bescheidener: sie wollte sich
mit Elsaß-Lothringen und einer Kriegsentschädigung begnügen.

An dem gleichen 30. Juli legte Balfour im Britischen Unterhaus England
erneut auf das elsaß-lothringische Kriegsziel der Franzosen fest;
außerdem verlangte er die Demokratisierung Deutschlands und sprach den
Satz aus, daß die Sicherheit Europas nicht eher garantiert sei, als bis
Deutschland machtlos oder frei gemacht sei.

Am 11. August zwang Lloyd George den Arbeiterführer Henderson, aus dem
Kabinett auszuscheiden, weil er sich für die Beschickung der Stockholmer
Friedenskonferenz durch Delegierte der britischen Arbeiterschaft
eingesetzt hatte.

Selbst der »Vorwärts« mußte damals zugestehen, »daß die Westmächte eben
die Entscheidung der Waffen wollen, und daß uns darum gar nichts anderes
übrig bleibt«.

Das war das Ergebnis der großen Friedensaktion des Deutschen Reichstags!

Dazu kam, daß der Rücktritt des Herrn von Bethmann Hollweg, der angeblich
das Friedenshindernis gewesen sein soll, von aufrichtigen
Friedensfreunden im Auslande sehr bedauert wurde. Mir ist eine Äußerung
des päpstlichen Nuntius in München, der -- wie erwähnt -- mit Herrn von
Bethmann kurz vor dessen Abgang Fühlung über die Friedensmöglichkeiten
genommen hatte, hinterbracht worden: ohne den Rücktritt des Kanzlers
seien die Friedensaussichten damals gute gewesen. Und Herr Gerard, der
Berliner Botschafter der Vereinigten Staaten, denen gegenüber Herr von
Bethmann die Sache des Friedens besonders schwer kompromittiert haben
soll, äußert in seinem Buche (S. 292):

»It would have been easier for Germany to make peace with von Bethmann
Hollweg at the helm. The whole world knows him and honours him for his
honesty.« Zu deutsch: »Es würde für Deutschland leichter gewesen sein,
Frieden zu machen mit Bethmann Hollweg an der Spitze. Die ganze Welt
kennt ihn und achtet ihn wegen seiner Ehrenhaftigkeit.«

Gerade diejenigen, welche am stärksten durchdrungen waren von dem Ernst
der Lage und am stärksten bemüht waren, so bald wie möglich einen
erträglichen Frieden herbeizuführen, mußten deshalb in dem von Herrn
Erzberger im Verein mit den Sozialdemokraten unternommenen Vorstoß, der
Bethmanns Kanzlerschaft ein Ende setzte und die »Friedensresolution«
zeitigte, eine Störung der Friedensbemühungen und eine Beeinträchtigung
der Friedensmöglichkeiten erblicken.

Auch innerpolitisch konnte ich die Friedensresolution nur für schädlich
halten. Die Resolution hatte ihren Boden in der falschen Meinung, daß
unsere Gegner lediglich durch die Furcht vor übertriebenen deutschen
Kriegszielen in ihrem Kriegswillen und ihrer Abneigung gegen
Friedensverhandlungen bestärkt würden. Dabei hätte jeder, der die Dinge
mit offenen Augen sah, sich darüber klar sein müssen, daß das einzige
Friedenshindernis die für uns schlechthin unerträglichen Kriegsziele
waren, von denen sich unsere Feinde nicht trennen wollten, es sei denn,
daß sie sich von der Unmöglichkeit ihres Sieges überzeugten. Dies mußte
in alle Köpfe gehämmert und der verhängnisvolle Irrtum mußte ausgerottet
werden, als ob es nur der Bekundung eines aufrichtigen Friedenswillens
von unserer Seite bedürfe, um den Frieden herbeizuführen. Ich habe mich
darum bemüht, soweit mir die Möglichkeit dazu gegeben war. Nicht nur in
geschlossenen Ausschußsitzungen, auch in den öffentlichen
Reichstagsverhandlungen habe ich immer und immer wieder, wo sich die
Gelegenheit dazu gab, das Meinige getan, um den Wahn von der
Friedensbereitschaft unserer Feinde zu bekämpfen und das wahre
Friedenshindernis ins Licht zu rücken. So habe ich am 5. Mai 1917 dem
Abgeordneten Cohn auf eine seiner Friedensreden mit dem Ruf nach
»Frieden, Freiheit und Brot« geantwortet:

»Glaubt jemand ernstlich, daß der Friedensschluß heute eine Frage der
Bedingungen ist? Nein! Er ist eine Frage des Siegeswillens, und der
Siegeswille ist bei den anderen noch nicht gebrochen. Einen Frieden, wie
=wir= ihn wollen und brauchen, schaffen Sie uns mit Ihren Reden nicht!
Und der Friede, den Sie möchten, der bedeutet nicht Brot, sondern Hunger
für unser Volk; er bedeutet nicht Freiheit, sondern er bedeutet
Knechtschaft. Das spreche nicht ich aus; das sind die Worte unserer
Feinde. Lesen Sie nur ihre Reden und Zeitungen! Ich habe neulich im
Ausschuß einen Artikel des französischen Senators Humbert verlesen, der
mit den Worten schließt: 'Zu Sklaven müssen wir diese Rasse von Sklaven
machen, die von Weltherrschaft träumte.' -- So sieht der Friede aus, den
unsere Feinde uns gönnen und geben wollen!«

Das Vorgehen des Reichstagsausschusses und dann des Reichstags unter der
Führung des Herrn Erzberger und der Sozialdemokraten mußte aber in
unserem Volk den Irrtum über das wahre Friedenshindernis verstärken,
statt ihn auszurotten. Es mußte den Eindruck erwecken, daß die
Volksvertretung und ihre erleuchteten Führer, darunter Männer, denen man
so viel Einblick in die Geheimnisse der internationalen Lage zutraute wie
dem Abgeordneten Erzberger, das wahre Friedenshindernis in der mangelnden
Friedensbereitschaft der deutschen Regierung erblickten; den Eindruck,
daß der Reichstag es für zwingend nötig gehalten habe, hier nach dem
Rechten zu sehen und die ungenügende Friedenswilligkeit der Regierung
durch eine dieser aufzuzwingende eigene Kundgebung zu ersetzen. Je
stärker dieser Eindruck wurde, desto größer wurde die Unzufriedenheit im
deutschen Volke, desto stärker wurde die Gefahr des Auseinanderbrechens
der inneren Front und die Lähmung des Kampfeswillens unserer Truppen.

Wenn irgend etwas, außer dem völligen Versagen der Reichstagsresolution
in ihrer Wirkung auf unsere Feinde, die Augen hätte öffnen können, dann
war es das Schicksal der Stockholmer Sozialistenkonferenz, das sich um
die gleiche Zeit erfüllte, in der im Reichstag um die Friedensresolution
gekämpft wurde. Es war ein großer Gedanke, die internationale Macht des
Sozialismus ins Feld zu rufen, um der leidenden und blutenden Menschheit
den Frieden zu bringen. Wir und unsere Verbündeten haben diesem Versuch
-- trotz mancher Bedenken -- kein Hindernis in den Weg gelegt. Die
demokratischen Regierungen der Westmächte und Amerikas waren es, die
ihren Sozialisten die Pässe nach Stockholm verweigerten; die Sozialisten
dieser Länder waren es, die sich wohl oder übel dieser Weigerung fügten.
Für jedermann, der Augen hatte zu sehen, erwies sich damit in diesen
demokratischen Ländern der sozialistische Friedensgedanke schwächer als
der nationale Kriegs- und Siegeswille.

Aber auch aus diesem völligen Versagen der »internationalen Solidarität
des Proletariats« hat man bei uns nichts gelernt. Immer eifriger wurde
unser Volk in die Suggestion versetzt, das Friedenshindernis sei der
Kriegswille der »Alldeutschen«, der »Militärpartei«, der »von den
Militärs abhängigen Regierung«. Immer weiter fraß der Wahnsinn um sich:
Wenn wir nur unsern Friedenswillen durch Handlungen zeigen, dann werden
auch unsere Feinde die Waffen niederlegen und uns in die Arme fliegen.

Die im Juli 1917 gelegte Saat ist im November 1918 fürchterlich
aufgegangen.


              Die Bildung der Regierung des Herrn Michaelis

Bei der ersten Besprechung mit führenden Reichstagsabgeordneten im Garten
des Reichsamts des Innern hatte der neue Kanzler die Bemerkung gemacht,
daß er »bisher als mehr oder weniger unbeteiligter Zeitgenosse neben dem
Wagen der Reichspolitik hergelaufen sei«. Das war ehrlich, aber es wurde
dem Kanzler, wie häufig im politischen Leben die Ehrlichkeit, von manchen
Seiten als Zeichen von Ungewandtheit verdacht. Es mag erstaunlich
erscheinen, daß ein Mann, der über seine mangelnde Erfahrung in
politischen Dingen sich selbst durchaus im klaren war, den Mut aufbringen
konnte, das Reichskanzleramt in jener schwierigen Zeit zu übernehmen. Ich
selbst habe in jener nächtlichen Besprechung im Reichskanzlerhause, die
unmittelbar auf seine Ernennung folgte, eine Andeutung meines Erstaunens
nicht unterdrücken können. Herr Michaelis antwortete mir darauf, der
Abgang des Herrn von Bethmann werde zweifellos eine starke Entspannung
herbeiführen und ihm die Arbeit erleichtern; im übrigen vertraue er auf
Gott, mit dessen Hilfe er die Aufgabe, zu der er berufen sei, auch
bewältigen werde.

Dieses starke Gottvertrauen mag es erklären, daß Herr Michaelis trotz
seiner unzureichenden Vertrautheit mit dem großen Felde, auf das er nun
gestellt war, von Anfang an eine große Selbständigkeit bei seinen
Entschlüssen und eine auffallende Neigung zu Improvisationen entwickelte.

Seine Mitarbeiter mußte er sich zu einem erheblichen Teil neu wählen.
Dazu zwang ihn schon das innerpolitische Programm, das er am 19. Juli im
Reichstag entwickelte. Er sagte damals nach einem kurzen Bekenntnis zu
der Königlichen Botschaft über das gleiche Wahlrecht:

»Ich halte es für nützlich und für notwendig, daß zwischen den großen
Parteien und der Regierung eine engere Fühlung herbeigeführt wird, und
bin bereit, soweit es möglich ist, ohne den bundesstaatlichen Charakter
und die konstitutionellen Grundlagen des Reiches zu schädigen, alles zu
tun, was dieses Zusammenarbeiten lebens- und wirkungsvoller machen kann.
Ich halte es auch für wünschenswert, daß das Vertrauensverhältnis
zwischen dem Parlament und der Regierung dadurch enger wird, daß Männer
in leitende Stellen berufen werden, die neben ihrer persönlichen Eignung
für den betreffenden Posten auch das volle Vertrauen der großen Parteien
in der Volksvertretung genießen. Selbstverständlich ist alles das nur
unter der Voraussetzung möglich, daß von der anderen Seite anerkannt
wird, daß das verfassungsmäßige Recht der Reichsleitung zur Führung der
Politik nicht geschmälert werden darf. Ich bin nicht willens, mir die
Führung aus der Hand nehmen zu lassen.«

Trotz des starken Wortes am Schluß war mit dieser Erklärung die
»Parlamentarisierung« der Regierung zugesagt. Der Rücktritt fast der
Hälfte der preußischen Staatsminister und die Bereitwilligkeit der
übrigen, wie der sämtlichen Staatssekretäre des Reiches, auf ihre Ämter
zu verzichten, gab Gelegenheit, mit der Parlamentarisierung einen Anfang
zu machen. Der Gedanke des »Reichsrats« wurde zunächst nicht
weiterverfolgt.

Ich selbst hatte am 14. Juli mein Entlassungsgesuch eingereicht. Ich
hatte es damit begründet, daß der neue Reichskanzler freie Hand brauche;
daß ferner das Reichsamt des Innern in seiner bisherigen Gestalt nicht
werde erhalten bleiben können und der Rücktritt des Staatssekretärs des
Innern für die Umgestaltung und Aufteilung des Amtes freie Bahn schaffe;
daß schließlich die Gegnerschaften in Parlament und Presse, die ich mir
im Kampf des letzten Jahres zugezogen hatte, den neuen Kanzler auch nicht
mittelbar belasten dürften.

Der Kaiser lehnte die Entgegennahme meines Entlassungsgesuches ab. Von
den verschiedensten Seiten, auch von den Vertretern der mit uns
verbündeten Regierungen, wurden bei mir Schritte unternommen, um mich zum
Bleiben zu bewegen; es wurde mir geradezu als Fahnenflucht ausgelegt,
wenn ich mich jetzt zurückziehen wollte. Auch Herr Michaelis insistierte
von neuem darauf, daß ich ihm meine Mitarbeit nicht vorenthalten dürfe.

Dem Kaiser wie dem Kanzler kam es in erster Linie darauf an, daß ich für
die Vorbereitungen der Friedensverhandlungen und später für die
Mitwirkung bei den Verhandlungen selbst verfügbar bliebe. Als ich auf
meinem Entschluß, unter keinen Umständen das Reichsamt des Innern oder
einen Teil davon zu behalten, gegenüber allen Einwirkungen bestehen
blieb, und als sich für die Besetzung des durch Zimmermanns Rücktritt
frei werdenden Auswärtigen Amtes Schwierigkeiten ergaben, ließ mich der
Kaiser fragen, ob ich bereit sei, das Auswärtige Amt zu übernehmen. Ich
bat mir Bedenkzeit aus, kam aber zu dem Schluß, daß mir die Annahme der
Friedensresolution durch den neuen Kanzler die Übernahme des Auswärtigen
Amtes so gut wie unmöglich mache; daß überdies der Staatssekretär des
Auswärtigen seiner schweren Aufgabe nur gerecht werden könne, wenn er in
Parlament und Presse über einen stärkeren und einheitlicheren Rückhalt
verfüge, als ich ihn erwarten durfte. Der Kanzler meinte zwar zu diesen
letzteren Bedenken in scherzhaftem Tone, vielleicht könne ich einiges
verbessern, wenn ich den Abgeordneten Erzberger darüber vergewissere, daß
das Auswärtige Amt auch unter meiner Leitung in derselben Weise wie
bisher von seinen Diensten Gebrauch machen werde; ich antwortete, und
zwar nicht im Scherz, meine erste Handlung als Staatssekretär des
Auswärtigen würde die Beseitigung des Herrn Erzberger aus allen
auswärtigen Geschäften sein.

Dies war am Montag, den 16. Juli.

Wie recht ich hatte, zeigte schon der folgende Tag. Es war bereits etwas
über die Absicht, mir das Auswärtige Amt zu übertragen, durchgesickert.
In der interfraktionellen Kommission, die in Permanenz tagte, entstand
große Erregung, als Herr Erzberger bestätigte, daß diese Absicht bestehe.
Noch am gleichen Tage begann gegen mich in der Presse ein wahres
Trommelfeuer.

Mein Entschluß, auf das Auswärtige Amt zu verzichten, war ohnedies
gefaßt. Die Kandidatur des Botschafters in Konstantinopel, Herrn von
Kühlmann, trat in den Vordergrund. Ich bat, mich an seiner Stelle als
Botschafter nach der mir wohlbekannten und vertrauten Türkei zu schicken.
Aber Kaiser und Kanzler wünschten mich in Berlin zu halten. Die
schließlich gefundene Lösung war, daß ich meinem Wunsche entsprechend von
der Leitung des Reichsamts des Innern, sobald dessen ins Auge gefaßte
Teilung durchgeführt sei, befreit werden, jedoch allgemeiner
Stellvertreter des Reichskanzlers und Mitglied des preußischen
Staatsministeriums bleiben sollte; als besondere Aufgabe war mir dabei
die einheitliche Leitung der Vorbereitungen für die Friedensverhandlungen
zugedacht.

Mit dieser Lösung habe ich mich abgefunden; Freude habe ich nicht an ihr
erlebt.

Während meine eigene Angelegenheit noch schwebte, wurde die Neubesetzung
der freigewordenen und freiwerdenden Reichsämter und preußischen
Ministerien verhandelt. Dabei erhielt der Zentrumsführer Dr. Spahn das
preußische Justizministerium, der nationalliberale Landtagsabgeordnete
Dr. v. Krause das Reichsjustizamt; der nationalliberale
Reichstagsabgeordnete Dr. Schiffer wurde Unterstaatssekretär im
Reichsschatzamt; der der Fortschrittlichen Volkspartei nahestehende und
ihr genehme Straßburger Bürgermeister Dr. Schwander wurde als
Staatssekretär des aus dem Reichsamt des Innern auszuscheidenden
Reichswirtschaftsamts ins Auge gefaßt, ebenso der dem Zentrum
nahestehende Kölner Oberbürgermeister Wallraf als Staatssekretär für das
verbleibende Reichsamt des Innern; der Sozialdemokrat August Müller
wurde zum Unterstaatssekretär im Kriegsernährungsamt ernannt. Auch
abgesehen von diesen mit der »Parlamentarisierung« zusammenhängenden
Ernennungen gab es einen starken Wechsel: Herr von Kühlmann
wurde Staatssekretär des Auswärtigen Amts; der Präsident des
Kriegsernährungsamts von Batocki wurde durch den bisherigen
Oberpräsidenten von Pommern, Herrn von Waldow, ersetzt; an die Stelle des
Herrn Krätke wurde der Eisenbahndirektionspräsident Rüdlin an die Spitze
des Reichspostamts berufen; das Finanzministerium übernahm an Stelle des
Herrn Lentze der Regierungspräsident Hergt.

Auch in seine allernächste Umgebung zog der Kanzler neue Leute. Vor allem
ernannte er zum Unterstaatssekretär in der Reichskanzlei an Stelle
des Herrn Wahnschaffe seinen früheren Mitarbeiter in der
Reichsgetreidestelle, Herrn von Grävenitz. Der Chef der Reichskanzlei hat
unter anderem die schwierige Aufgabe, den dauernden Kontakt zwischen dem
Reichskanzler und den Parteien des Reichstags aufrechtzuerhalten, den
Reichskanzler über Stimmungen und Verstimmungen; über Beschwerden und
Wünsche des Parlaments zu unterrichten und den Absichten des
Reichskanzlers bei den Parteien vorzuarbeiten. Für die Erfüllung dieser
Aufgabe ist eine genaue Kenntnis des parlamentarischen Parketts und der
parlamentarischen Persönlichkeiten erforderlich, zudem eine gute
diplomatische Veranlagung. Herr von Grävenitz war, wie sein Herr und
Meister selbst, ein guter preußischer Verwaltungsbeamter, brachte aber
nicht die Eigenschaften mit, die ihn zum Chef der Reichskanzlei
qualifiziert hätten. Dieser Mangel ist in der kurzen Zeit der
Kanzlerschaft des Herrn Michaelis sehr fühlbar gewesen.

Herr Michaelis stand mit dem Herzen zweifellos auf der Seite der
rechtsgerichteten Minderheit des Reichstags. Trotzdem war
er von dem ehrlichen Willen beseelt, loyal mit den aus Zentrum,
Freisinnigen und Sozialdemokraten bestehenden, gelegentlich durch den
Hinzutritt der Nationalliberalen verstärkten Mehrheitsparteien
zusammenzuarbeiten. Später, bei seiner Abschiedsrede an die
stimmführenden Bundesratsbevollmächtigten, hat er selbst bekannt, daß er
während seiner ganzen Kanzlerschaft schwer unter diesem Zwiespalt
gelitten habe.

Zunächst hatte er mit seiner Unterwerfung unter die Friedensresolution
und mit der Ankündigung der Parlamentarisierung einen gewissen Erfolg. Am
Tag nach seiner Antrittsrede, am 20. Juli, wurde der Kriegskredit, an
dessen Bewilligung sich alle die schweren Diskussionen angeknüpft hatten,
mit allen Stimmen gegen diejenigen der Unabhängigen Sozialdemokraten
bewilligt.

An demselben Tag sah der Kaiser bei mir im Reichsamt des Innern in
Gegenwart der Minister, Staatssekretäre und stimmführenden
Bundesratsbevollmächtigten die Führer der einzelnen Reichstagsfraktionen
einschließlich der Mehrheitssozialdemokraten. Es war das erstemal, daß
der Kaiser in dieser Weise mit dem Reichstag in Berührung trat. Er
unterhielt sich nahezu drei Stunden lang auf das angeregteste und
unbefangenste mit den einzelnen Abgeordneten, ohne jedoch die akuten
Fragen des Kanzlerwechsels, der Friedensresolution und der inneren
Politik zu berühren.

Es war das einzige Mal, daß der Kaiser mit dem heutigen Reichspräsidenten
Ebert zusammentraf. Ich hatte ihm erzählt, daß Herr Ebert vor kurzem
seinen zweiten Sohn auf dem Schlachtfelde verloren habe. Nach der
allgemeinen Begrüßung und Vorstellung sprach der Kaiser als einen der
ersten Abgeordneten Herrn Ebert an und drückte ihm in schlichten und
herzlichen Worten seine Teilnahme aus.

Nachträglich habe ich fast bedauert, dem Kaiser zu dieser Zusammenkunft
geraten zu haben, die eine persönliche Fühlung zwischen Kaiser und
Reichstag anbahnen und dadurch zum Ausgleich mancher Gegensätzlichkeiten
beitragen sollte; denn es kam mir zu Ohren, daß Teilnehmer an der
Zusammenkunft einige Äußerungen, die der Kaiser in seiner zwanglosen und
burschikosen Art getan hatte, in vergröberter und entstellter Form
verbreiteten, um Stimmung gegen den Kaiser zu machen.


          Die militärische und politische Entwicklung unter der
                         Kanzlerschaft Michaelis

In der Reichstagssitzung vom 19. Juli, in der Herr Michaelis sein
Einverständnis mit der Friedensresolution erklärte, konnte er ein
Telegramm des Feldmarschalls von Hindenburg vorlesen, in dem dieser über
den erfolgreichen Beginn des Gegenstoßes gegen die in Galizien und
Wolhynien vorgedrungenen Russen berichtete. In wenigen Tagen wuchs dieser
Gegenstoß zu einem großen Siege. Schon am 25. Juli verloren die Russen
Tarnopol, das sie ununterbrochen seit den ersten Wochen des Krieges
gehalten hatten. Am 3. August wurde Czernowitz zurückerobert. In den
folgenden Tagen und Wochen wurden die Russen fast überall über die
ehemalige Reichsgrenze zurückgeworfen. So endete die Kerenski-Offensive
in einer schweren Niederlage und in einer starken Demoralisation der
russischen Südarmee. Durch tatkräftige deutsche Hilfe war abermals eine
österreichische Niederlage gutgemacht, und die nordöstlichen Grenzlande
unseres Verbündeten waren bis auf schmale Streifen vom Feinde befreit.

In jener Zeit, am 14. August, erschien der Graf Czernin zu Besprechungen
über die Lage und die zu fassenden Beschlüsse in Berlin. Er brachte einen
neuen Vorschlag zur Beendigung des Krieges mit: Österreich sei bereit,
Galizien an Polen zu geben und sich an Gesamtpolen zugunsten Deutschlands
zu desinteressieren, in der Weise, daß Deutschland berechtigt sein solle,
sich Gesamtpolen politisch, militärisch und wirtschaftlich in jeder uns
gut scheinenden Form anzugliedern. Dafür sollte Österreich-Ungarn in
Rumänien die Vorhand haben -- ein Gedanke, der schon bei den Kreuznacher
Besprechungen im Monat Mai eine Rolle gespielt hatte --, und außerdem
sollte -- darauf lag der Nachdruck -- Deutschland zugunsten Frankreichs
auf Elsaß-Lothringen verzichten. Jedoch müsse eine solche Abmachung in
Rücksicht auf die österreichischen Polen vorläufig streng geheim bleiben.

Sowohl Herr Michaelis wie Herr von Kühlmann lehnten dieses quid pro quo
ab. Der Verzicht auf Elsaß-Lothringen erschien bei der damaligen
militärischen Lage als eine Ungeheuerlichkeit, für die kein Anlaß vorlag
und die dem deutschen Volk nicht zugemutet werden konnte. Auch die
polnische Versuchung, die uns Graf Czernin vorführte, konnte uns nicht
beeindrucken. Wir alle waren der Überzeugung, daß Polen für uns in keiner
Form eine wünschenswerte Erwerbung sein würde. Niemand gelüstete es
danach, im Westen altes deutsches Land mit einer fast ausschließlich
deutschen Bevölkerung preiszugeben, um dafür im Osten ein Mehrfaches an
nichtdeutschem Land mit einer nichtdeutschen Bevölkerung einzutauschen.

Graf Czernin war über die Ablehnung seines Vorschlags enttäuscht. Er
richtete am Schlusse dieser Aussprache an uns die Frage, wie Deutschland
sich stellen werde, wenn unsere Feinde uns den Status quo anbieten
sollten. Der Reichskanzler erklärte seine Bereitwilligkeit, alsbald mit
jedem feindlichen Staate in Verhandlungen einzutreten, der seine
Forderungen auf deutsche Gebietsteile oder auf Gebietsteile unserer
Bundesgenossen fallen lasse. Graf Czernin nahm von dieser Erklärung Akt.

Am Tage der Ankunft des Grafen Czernin in Berlin war dort das vom 1.
August 1917 datierte Rundschreiben des Papstes Benedikt XV. an die
Staatsoberhäupter der kriegführenden Völker übergeben worden. Das war
offenbar die Aktion, wegen der Monsignore Pacelli schon Ende Juni Herrn
von Bethmann sondiert hatte.

In diesem Rundschreiben richtete der Papst an »diejenigen, welche die
Geschicke der Nationen in ihren Händen halten«, unter Berufung auf seine
politische Uninteressiertheit eine dringende Mahnung zum Frieden. Seine
Aufforderung beschränkte sich nicht auf allgemeine Wendungen; sie
bezeichnete vielmehr bestimmte Punkte, deren Klärung ihm als notwendige
Grundlage für einen gerechten und dauerhaften Frieden erschien.

Voran stellte er den Grundgedanken, daß an die Stelle der materiellen
Kraft der Waffen die moralische Kraft des Rechtes treten müsse; daraus
folge ein billiges Einvernehmen zum Zweck gleichzeitiger und
gegenseitiger Verminderung der Rüstungen, ferner die Einführung einer
internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Auf Grund dieser Vorherrschaft
des Rechts sei jedes Hindernis für den Verkehr der Völker durch Sicherung
der Freiheit und Gemeinsamkeit der Meere zu beseitigen. -- Von diesem
Programm für das künftige Zusammenleben der Völker auf die Beendigung des
gegenwärtigen Krieges übergehend, schlug das Rundschreiben vor, in der
Frage der Kriegskosten den Grundsatz eines vollständigen und
gegenseitigen Verzichts aufzustellen; ferner die beiderseitige Herausgabe
der besetzten Gebiete zuzugestehen, was für Deutschland die Herausgabe
Belgiens »mit Garantie seiner vollen politischen, militärischen und
wirtschaftlichen Unabhängigkeit gegenüber gleichviel welcher Macht«
bedeute, desgleichen die Räumung von Nordfrankreich; ebenso für die
anderen kriegführenden Parteien »eine ähnliche Herausgabe der deutschen
Kolonien«. Das Rundschreiben wandte sich dann zu den »strittigen
territorialen Fragen«, die zwischen Italien und Österreich, Deutschland
und Frankreich schwebten; hier sprach es die Hoffnung aus, »daß die
streitenden Parteien in Anbetracht der unermeßlichen Vorteile, die ein
mit Abrüstung verbundener, dauerhafter Friede bringt, gewillt seien,
diese Fragen aus einer versöhnlichen Gesinnung heraus zu prüfen, dabei
den Bestrebungen der Völker nach Maßgabe des Gerechten und Möglichen
Rechnung zu tragen und die Sonderinteressen dem Allgemeinwohl der großen
menschlichen Gemeinschaft einzuordnen«. Derselbe Geist der Billigkeit und
Gerechtigkeit werde die Prüfung der anderen territorialen und
politischen Fragen leiten müssen, namentlich der armenischen, der
balkanischen und der polnischen Frage; insbesondere dem ehemaligen
Königreich Polen müßten seine edlen geschichtlichen Überlieferungen und
die von ihm während des Krieges erduldeten Leiden gerechterweise das
Mitgefühl der Nationen gewinnen.

Das Rundschreiben war gewiß nicht von Parteinahme für den Bund der
Mittelmächte eingegeben. Denn die Wiederherstellung des Status quo wurde
nur zugunsten der Westmächte in der Forderung der unbedingten und
vollständigen Rückgabe des von uns besetzten belgischen und
nordfranzösischen Gebietes in vollem Umfang erhoben. Dagegen wurden
Elsaß-Lothringen und das von Italien geforderte österreichische Gebiet
als »strittige Fragen« behandelt, in denen ein versöhnliches und
versöhnendes Entgegenkommen empfohlen wurde. Auch die polnischen Wünsche,
die ohne Beeinträchtigung des österreichischen und auch des deutschen
Besitzstandes nicht zu erfüllen waren, erhielten eine vorsichtige, aber
unverkennbare Unterstützung. Im übrigen erwähnte das päpstliche
Rundschreiben die Ostfragen nicht; das konnte als eine stillschweigende
Andeutung aufgefaßt werden, daß Deutschland sich für Opfer im Westen
Kompensationen im Osten suchen möchte.

Trotz des für Deutschland und Österreich nicht unbedenklichen Inhalts der
päpstlichen Vorschläge bestand in den Berliner Besprechungen mit dem
Grafen Czernin Übereinstimmung darüber, daß man versuchen müsse, auf
Grund der päpstlichen Vorschläge zu Friedensverhandlungen zu kommen. Es
wurde vereinbart, daß eine Verständigung über Inhalt und Zeitpunkt der zu
erteilenden Antwort zwischen den beiden Regierungen stattfinden sollte.

Noch ehe die in Aussicht genommenen weiteren Besprechungen mit Wien über
die Beantwortung der Papstnote eingeleitet werden konnten, bemächtigte
sich der Hauptausschuß des Reichstags der Angelegenheit. Herr Dr.
Südekum, der damals den Vorsitz führte, berief den Hauptausschuß --
soviel ich weiß, ohne vorherige Verständigung mit dem Reichskanzler --
auf den 22. August 1917. Ich erinnere daran, daß Graf Czernin in seiner
Rede vom 11. Dezember 1918 Herrn Dr. Südekum neben Herrn Erzberger als
denjenigen deutschen Abgeordneten bezeichnet hat, mit dem er vor der
Friedensresolution des Reichstags Fühlung genommen hatte, um im Deutschen
Reichstag einen »dauernden und kräftigen Verbündeten gegen die
Eroberungspläne der Militärs« zu gewinnen.

In der vertraulichen Vorbesprechung, die am 21. August stattfand, war die
Papstnote und die auf sie von der deutschen Regierung zu erteilende
Antwort natürlich der wichtigste Gegenstand. In der Ablehnung einer
Preisgabe Elsaß-Lothringens bestand Einigkeit. Dagegen gingen die
Meinungen in der belgischen Frage erheblich auseinander. Die
Mehrheitsparteien stellten ferner den Kanzler wegen der Worte »wie ich
sie auffasse« in seiner Reichstagserklärung vom 19. Juli zur Rede. Der
Kanzler erklärte, daß diese Worte eine Augenblickseingebung gewesen seien
und daß es ihm ferngelegen habe, die Loyalität gegenüber den
Mehrheitsparteien zu verletzen.

In der Sitzung des Hauptausschusses vom 21. August kam der Kanzler ohne
zwingenden Anlaß auf diese Angelegenheit zurück, und zwar in Wendungen,
die dahin verstanden wurden, er habe sich niemals vorbehaltlos auf den
Boden der Friedensresolution des Reichstags gestellt und habe sich für
verpflichtet gehalten, dies in seiner Erklärung zum Ausdruck zu bringen.
Da er beim Verlesen seiner Erklärung das Gefühl gehabt habe, daß der den
Mehrheitsparteien mitgeteilte Text dies vielleicht nicht genügend
erkennen lasse, habe er jene beanstandeten Worte hinzugefügt.

Von diesem Augenblick an war die Stellung des neuen Kanzlers bei den
Mehrheitsparteien so schwer erschüttert, daß man die neue Kanzlerkrisis
vom 22. August datieren kann. Mit Mühe und Not wurde die Angelegenheit am
Nachmittag durch einen Austausch von Erklärungen für den Augenblick
zurechtgezogen. Dagegen fand der neue Staatssekretär des Auswärtigen
Amts, Herr von Kühlmann, mit einer sehr geschickten und formgewandten
Rede bei den Mehrheitsparteien großen Beifall. Sein in Anlehnung an die
Papstnote formulierter Satz, daß in der Politik nicht nur die Macht,
sondern auch das Recht eine Rolle spiele, und daß eine nur auf Macht
begründete Politik zum Scheitern verurteilt sei, offenbarte zwar keine
neue Weisheit, wurde aber von den Mehrheitsparteien als eine
programmatische Absage an einen »Gewaltfrieden« und als ein
grundsätzliches und klares Bekenntnis zu dem »Frieden der Verständigung
und des Ausgleichs« der Reichstagsresolution aufgefaßt.

An demselben 22. August machte der Reichskanzler dem Reichstag ein
weitgehendes Zugeständnis: Er kündigte an, daß er beabsichtige, zum Zweck
der Herstellung einer engeren Fühlung und eines besseren
Vertrauensverhältnisses zwischen Reichsleitung und Reichstag in den
Fragen der auswärtigen Politik einen aus Vertretern der Parteien
bestehenden Beirat zu berufen, dessen Aufgabe es sein sollte, mit der
Reichsleitung »Dinge, die im Werden sind, durchzuberaten und zu einer
Lösung zu führen, die der Öffentlichkeit übergeben werden kann«. Als
erste Aufgabe sollte diesem Beirat die Feststellung der Antwort auf die
Papstnote zugewiesen werden. In dieser nicht unbedenklichen Form nahm
also der Kanzler den Gedanken des »Reichsrats«, den er zunächst hatte
fallen lassen, wieder auf. Den Parteien des Reichstags wurde damit auf
die Leitung der auswärtigen Politik des Reiches grundsätzlich ein
bestimmender Einfluß eingeräumt.

Auf Grund dieser Zusage des Reichskanzlers wurde von den
Reichstagsparteien die sogenannte »Siebenerkommission« eingesetzt, in der
das Zentrum und die Sozialdemokraten durch je zwei, die Konservativen,
Nationalliberalen und Freisinnigen durch je ein Mitglied vertreten waren.
Zur dauernden Einrichtung ist die »Siebenerkommission« nicht geworden.
Soviel ich weiß, wurde sie nur ein einziges Mal, eben zur Feststellung
der Antwort auf die Papstnote, einberufen, und zwar auf Montag, 10.
September 1917.

Ich habe dieser Sitzung nicht beigewohnt, da ich am 5. September -- zum
erstenmal, seit ich Anfang 1915 das Reichsschatzamt übernommen hatte --
in Urlaub gegangen war und das Telegramm des Kanzlers, das mich zu der
Sitzung zurückrief, nicht mehr rechtzeitig erhalten hatte.

Ich kam erst am Abend des 10. September in Berlin an und erfuhr, daß die
Erörterung sich hauptsächlich um die Frage gedreht habe, ob in der
Antwort an den Papst ein ausdrücklicher Verzicht auf Belgien
ausgesprochen werden solle oder nicht. Der Kanzler und der Staatssekretär
des Auswärtigen hatten erneut erklärt, und zwar auf Grund eines Vortrages
beim Kaiser, daß keinerlei Erwerbung belgischer Gebietsteile beabsichtigt
sei; aus taktischen Gründen empfahlen sie jedoch, von einer
ausdrücklichen Erklärung dieses Standpunktes in der im übrigen allgemein
gehaltenen Antwort an den Papst abzusehen, und sie fanden hierfür die
Zustimmung der Mehrheit des Siebenerausschusses. Entscheidendes Gewicht
legten dagegen die Mehrheitsparteien darauf, daß in der Antwort auf die
Papstnote ausdrücklich auf die Friedensresolution des Reichstags Bezug
genommen werde.

Für den nächsten Tag hatte der Kaiser im Schloß Bellevue eine Beratung
über die allgemeine Lage und insbesondere über die belgische
Angelegenheit angesetzt, zu der außer dem Reichskanzler und mir die
Staatssekretäre von Kühlmann und Graf Roedern, die Staatsminister von
Breitenbach und von Waldow, der Generalfeldmarschall von Hindenburg, der
General Ludendorff, der Chef des Admiralstabs von Holtzendorff, der
Staatssekretär des Reichsmarineamts von Capelle und der Generalgouverneur
von Belgien Generaloberst von Falkenhausen befohlen waren. Auch der
Kronprinz nahm an der Beratung teil. Der Reichskanzler und
Herr von Kühlmann machten geheimnisvolle Andeutungen über eine
Friedensmöglichkeit, die sich neuerdings eröffnet habe, und zwar durch
Mitteilungen eines von England beauftragten neutralen Vertreters.
Voraussetzung für Friedensverhandlungen sei unser völliger und
bedingungsloser Verzicht auf Belgien; sie befürworteten diesen Verzicht.
Demgegenüber setzte sich der Chef des Admiralstabs dafür ein, daß jeder
Friede uns die flandrische Küste bringen müsse. Die Herren von der
Obersten Heeresleitung gaben zwar die flandrische Küste preis, General
Ludendorff betonte jedoch die militärische Wichtigkeit einer Angliederung
der Festung Lüttich und ihrer Umgegend. Der Kaiser entschied schließlich
im Sinne des Kanzlers, mit dem Vorbehalt, daß die belgische Frage erneut
geprüft werden müsse, wenn der Verzicht auf Belgien nicht bis zum
Jahresende den Friedensschluß ermögliche. Der Kronprinz, der in der
Sitzung selbst nicht das Wort ergriff, sprach sich nach der Beratung mir
gegenüber dahin aus, daß nach seiner Ansicht jede Möglichkeit, zu einem
anständigen Frieden zu kommen, ergriffen werden müsse, und daß der Friede
an keiner an sich noch so wichtigen Einzelforderung scheitern dürfe.

Die angebliche Friedensbereitschaft Englands entpuppte sich bald als ein
»Mißverständnis«. Es entspann sich später ein Streit darüber, ob
Deutschland oder England die Initiative zu einem neuen Friedensschritt
ergriffen habe. Die englische Regierung lehnte es kategorisch
ab, irgendeiner neutralen Regierung Andeutungen über ihre
Friedensbereitschaft gemacht zu haben[2].

  [2] Siehe die Mitteilungen von Wolffs Telegraphischem Bureau vom 13.
      und 17. Dezember 1917. -- Im =Nachtrag= komme ich eingehender auf
      diese Angelegenheit zurück.

Unsere Antwort auf die Papstnote wurde am 21. September veröffentlicht.
Sie betonte die in 26 Jahren segensreicher Regierung bewährte
Friedensliebe des Deutschen Kaisers und den »werktätigen Willen zum
Frieden« des deutschen Volkes; eine »unheilvolle Verkettung von
Ereignissen« habe im Jahre 1914 einen hoffnungsvollen Entwicklungsgang
jäh unterbrochen und Europa in einen blutigen Kampfplatz umgewandelt. Die
Kaiserliche Regierung habe die in der Kundgebung des Papstes gegebenen
Anregungen einer ernsten und gewissenhaften Prüfung unterzogen; die
besonderen Maßnahmen, die sie in engster Fühlung mit der Vertretung des
deutschen Volkes für die Beratung und Beantwortung der aufgeworfenen
Frage getroffen habe -- gemeint war die Heranziehung des
Siebenerausschusses --, legten davon Zeugnis ab, wie sehr es ihr am
Herzen liege, im Einklang mit den Wünschen des Papstes und der
Friedenskundgebung des Reichstags vom 19. Juli brauchbare Grundlagen für
einen gerechten und dauerhaften Frieden zu finden. Mit besonderer Wärme
eignete sich die Antwort die in der Note des Papstes ausgesprochene
Überzeugung an, daß künftig an die Stelle der materiellen Macht der
Waffen die moralische Macht des Rechts treten müsse. »Wir teilen die
Auffassung Seiner Heiligkeit,« so hieß es weiter, »daß bestimmte Regeln
und gewisse Sicherheiten für eine gleichzeitige und gegenseitige
Begrenzung der Rüstungen zu Wasser, zu Land und in der Luft sowie für die
wahre Freiheit und Gemeinsamkeit der hohen See diejenigen Gegenstände
darstellen, bei deren Behandlung der neue Geist, der künftig im
Verhältnis der Staaten zueinander herrschen soll, den ersten
verheißungsvollen Ausdruck finden müßte. Es würde sich sodann ohne
weiteres die Aufgabe ergeben, auftauchende internationale
Meinungsverschiedenheiten nicht durch das Aufgebot der Streitkräfte,
sondern durch friedliche Mittel, insbesondere auf dem Wege des
Schiedsverfahrens, entscheiden zu lassen, dessen hohe friedenstiftende
Wirkung wir mit Seiner Heiligkeit voll anerkennen. Die Kaiserliche
Regierung wird dabei jeden Vorschlag unterstützen, der mit den
Lebensinteressen des Deutschen Reiches und Volkes vereinbar ist.« Wenn
die Völker zu ihrem Heil erkannt haben würden, daß es gelte, mehr das
Einigende als das Trennende in ihren Beziehungen zu betonen, werde es
ihnen gelingen, auch die einzelnen noch offenen Streitpunkte so zu
regeln, daß jedem Volke befriedigende Daseinsbedingungen geschaffen
würden und damit eine Wiederkehr der großen Völkerkatastrophe
ausgeschlossen erscheine. »Diese ernste und aufrichtige Überzeugung« --
so schloß die Note -- »ermutigt uns zu der Zuversicht, daß auch unsere
Gegner in den von Seiner Heiligkeit zur Erwägung unterbreiteten Gedanken
eine geeignete Unterlage sehen möchten, um unter Bedingungen, die dem
Geiste der Billigkeit und der Lage Europas entsprechen, der Vorbereitung
eines künftigen Friedens näherzutreten.«

Die deutsche Regierung nahm also, ohne in eine Erörterung der
Einzelheiten einzutreten, die in der päpstlichen Note ausgesprochenen
Gedanken als eine »geeignete Unterlage« für Verhandlungen über den
Frieden an, obwohl die Vorschläge des Papstes in der elsaß-lothringischen
Frage die Integrität des Deutschen Reiches, in der Südtiroler und
Triestiner Frage die Integrität der österreichisch-ungarischen Monarchie
als offene Fragen behandelten. Ja, indem unsere Antwortnote mit
Bezugnahme auf das päpstliche Rundschreiben ausdrücklich von »noch
offenen Streitpunkten« sprach, setzte sie sich der Deutung aus, daß sie
ihrerseits die elsaß-lothringischen Forderungen Frankreichs und die
Aspirationen Italiens auf österreichische Gebietsteile als offene Fragen
anerkenne. Im übrigen wurde durch die Bezugnahme dieses diplomatischen
Dokuments auf die Friedenskundgebung des Reichstags vom 19. Juli diese
von der Reichsregierung in betonter Weise als maßgebend für ihre
Friedenspolitik bestätigt.

Trotzdem blieb die Papstnote, und ebenso unsere Antwort, ohne Widerhall
bei den Regierungen unserer Feinde. Nur der Präsident Wilson gab -- schon
Ende August -- eine formelle Antwort, die aber lediglich in einer
heftigen Polemik gegen die deutschen »Machthaber« bestand. Diese
Machthaber hätten erst heimlich ein Komplott der Unterjochung geschmiedet
und dann ohne Achtung für Verträge, Recht und Ehre seine Durchführung
versucht. Diese Macht könne nicht nach den Vorschlägen des Papstes
behandelt werden. Das Wort der gegenwärtigen Machthaber Deutschlands
könne keine Grundlage für einen dauernden Frieden der Gerechtigkeit und
Menschlichkeit sein. »Wir müssen irgendeinen neuen Beweis der Ziele der
großen Völker der Mittelmächte abwarten. Gott gebe, daß dieser Beweis
bald erbracht werde!«

Die Ententeregierungen gaben dem Papst überhaupt keine Antwort. In
Frankreich lehnten die Herren Painlevé, der neue Ministerpräsident, und
Ribot, der das Auswärtige in dem neuen Kabinett erhalten hatte, am 18.
und 19. September jede Äußerung zur Papstnote ab, da die Ententemächte
seinerzeit Wilsons Frage nach ihren Kriegszielen ausführlich beantwortet
hätten, während die Antwort der Zentralmächte noch ausstehe. Im übrigen
sprachen sie viel von der »Desannexion von Elsaß-Lothringen«, der neuen
Formel, die das französische Begehren nach den Reichslanden mit der
russischen Formel von dem »Frieden ohne Annexionen« in Einklang bringen
sollte. In England äußerte sich zu der Papstnote nur der frühere
Premierminister Asquith in einer Rede vom 26. September, die in ihrem
positiven Inhalt kaum etwas anderes war als eine Umschreibung der
Ententenote an den Präsidenten Wilson vom 10. Januar 1917. In Rußland
wies der neue Minister des Auswärtigen, Herr Tereschtschenko, am 28.
September in einer Erklärung an die Presse die deutsche Antwort auf die
Papstnote als ungenügend zurück und sprach Deutschland den ehrlichen
Willen zum Frieden ab.

So führte der Schritt des Papstes nur zur Bestätigung der mit der
Friedensresolution des Reichstags gemachten Erfahrung: Unsere eifrig
dokumentierte Bereitwilligkeit, auf der vom Papst vorgeschlagenen, für
uns nichts weniger als günstigen Grundlage in Friedensverhandlungen
einzutreten, hatte auf der Gegenseite nur verstärkte Ablehnung und
gesteigerten Kriegswillen zur Folge.

Der Reichskanzler und auch der Staatssekretär des Auswärtigen hatten für
die Gefahren dieser Wirkung noch ein gewisses Gefühl. Ihre Äußerungen in
dem Ende September abermals zusammengetretenen Hauptausschuß des
Reichstags zeigten immerhin insofern eine gewisse Zurückhaltung, als sie
sich auf Einzelheiten nicht festlegten und es ausdrücklich ablehnten, daß
unsere Antwort auf die Papstnote etwa ein neues Friedensangebot bedeuten
solle. Der Reichskanzler erklärte in der Sitzung vom 28. September, daß
die Reichsleitung für mögliche Friedensverhandlungen, auch hinsichtlich
Belgiens, in jeder Weise freie Hand habe. Dies war ein Versuch, die
unerwünschte Wirkung abzuschwächen, die das rückhaltlose Bekenntnis zur
Friedensresolution des Reichstags bei unseren Feinden auslöste. Aber ein
Versuch mit untauglichen Mitteln. Die Vorgänge in der Beratung mit dem
Siebenerausschuß vom 10. September, ja sogar die wesentlichen Punkte aus
der Beratung beim Kaiser am 11. September, waren sehr bald der deutschen
und der internationalen Öffentlichkeit bekannt geworden. Jedermann, der
sich mit den politischen Dingen beschäftigte, wußte, daß die »freie
Hand«, von der Herr Michaelis sprach, im Falle ernsthafter Verhandlungen
von dieser Freiheit nur den Gebrauch des Nachgebens gemacht hätte.

Solche taktischen Vorbehalte konnten unsere Feinde um so weniger
beeindrucken, als am 2. Oktober, wenige Tage nach den Ausführungen der
Herren Michaelis und von Kühlmann im Hauptausschuß des Deutschen
Reichstags, der österreichisch-ungarische Minister des Auswärtigen Graf
Czernin in Budapest in Gegenwart des neuernannten ungarischen
Ministerpräsidenten Dr. Wekerle in einer großes Aufsehen erregenden
Tischrede ein Friedensprogramm entwickelte, das ein uneingeschränktes
Bekenntnis zu einer neuen, auf internationalen Schiedsgerichten,
Abrüstung und Freiheit der Meere aufgebauten Weltordnung und den
erklärten Verzicht auf alle territorialen Sicherungen enthielt, und zwar
in Formen, die nur als ein neues Friedensangebot aufgefaßt werden
konnten.

In alldem trat immer mehr das Fehlen einer klaren Linie in unserer
eigenen Politik und das Abhandenkommen der einheitlichen Marschroute mit
unserem größten Bundesgenossen hervor. Es konnte gar nicht anders sein,
als daß unsere Feinde aus diesen Anzeichen der Unsicherheit und
Uneinigkeit immer neuen Mut schöpften.

Darin wurde auch nichts gebessert durch die Rede über unsere auswärtige
Politik, die Herr von Kühlmann acht Tage nach der Czerninschen
Kundgebung, am 9. Oktober 1917, im Plenum des Deutschen Reichstags hielt.
Diese Rede war zunächst bemerkenswert durch das, was Herr von Kühlmann
nicht sagte. Er sprach mit keinem Wort von den östlichen Fragen;
ebensowenig von den Kriegszielen unserer Bundesgenossen. Scharf pointiert
bezeichnete er die elsaß-lothringische Frage als das einzige
Friedenshindernis, und in dieser Frage rief er ein stark betontes
»Niemals!« in die Welt. Alle anderen Fragen, die in dem weitschichtigen
Koalitionskrieg eine Rolle spielten, mochten sie uns angehen oder unseren
Bundesgenossen, wurden damit als diskutabel bezeichnet, und gleichzeitig
wurde der deutsch-französische Gegensatz für uns und unsere Mächtegruppe
als der entscheidende Grund für die Fortführung des Krieges hingestellt.
Herr von Kühlmann stellte sich also in der Beurteilung des entscheidenden
Friedenshindernisses auf den seit dem Frühjahr 1917 von dem Grafen
Czernin vertretenen Standpunkt, lehnte aber die von diesem gezogene
Konsequenz des Verzichts auf Elsaß-Lothringen kategorisch ab. Frankreich,
das um die Mitte des Jahres Zeichen von Verhandlungsbereitschaft gegeben
hatte, wies jetzt jede Preisgabe seiner elsaß-lothringischen Forderungen
weit von sich, England hatte sich auf Frankreichs elsaß-lothringische
Forderung festgelegt, und auch die Vereinigten Staaten ließen erkennen,
daß die Wiederangliederung Elsaß-Lothringens an Frankreich auch für sie
eines der wesentlichen Kriegsziele sei.

Ein Versuch, der elsaß-lothringischen Frage durch Zugeständnisse an die
elsaß-lothringische Bevölkerung, etwa durch die Gewährung der
bundesstaatlichen Autonomie die Spitze abzubrechen, lag nahe. Die
Mehrheitsparteien des Reichstags drängten auf eine solche Lösung, und
Herr Michaelis hatte auch bereits gegen Ende August zugesagt, daß er sich
über diese Frage mit den Verbündeten Regierungen ins Benehmen setzen
werde. Die in einem früheren Stadium des Krieges erörterte Aufteilung
der Reichslande unter Preußen, Bayern und vielleicht einige anderen
Bundesstaaten war damals abgetan. Herr von Kühlmann schien der
Autonomiegewährung zuzuneigen. Die gesamte Kriegslage hatte sich so
zugespitzt, daß in dieser Frage alle die nicht geringen Bedenken
innerpolitischer und militärischer Natur hinter den Erfordernissen der
auswärtigen Politik hätten zurücktreten müssen, wenn solche Erfordernisse
mit Entschiedenheit geltend gemacht worden wären. Aber daran fehlte es,
und so blieb auch diese Frage in Schwebe, nicht nur während der kurzen
Kanzlerschaft des Herrn Michaelis, sondern darüber hinaus auch während
der ganzen Regierung des Grafen Hertling.

Unterdessen erneuerten die Westmächte ihre militärischen Anstrengungen.
Die Anfang Juni eingeleitete, aber nach verhältnismäßig geringen
Anfangserfolgen ins Stocken geratene Schlacht in Flandern lebte von neuem
auf und erreichte Mitte August einen Höhepunkt. Um die gleiche Zeit
setzte eine starke französische Offensive bei Verdun ein, in der die
Franzosen örtliche Erfolge errangen. In Flandern ließen die englischen
Angriffe vorübergehend nach. Die Offensive begann in der zweiten
Septemberhälfte von neuem und dauerte mit kurzen Pausen bis in den
November. Die Engländer gewannen in unsagbar blutigem Ringen Schritt für
Schritt Boden, kamen aber schließlich auf den Höhen von Paschendaele zum
Stehen. Um die Mitte des Oktober erfolgten starke französische Angriffe
bei Soissons und am Chemin des Dames. Auch hier gelang es den Franzosen,
in unsere Linien einzubrechen und uns vom Rücken des Damenweges
herabzudrücken; aber unser System der »elastischen Verteidigung«
vereitelte jeden entscheidenden Erfolg.

In der gleichen Zeit erneuerte unser Ostheer den Druck auf die Russen.
Anfang September wurden die russischen Truppen an der Düna geworfen; am
3. September fiel Riga in unsere Hand. Um die Mitte des Oktober wurden
Ösel und die benachbarten Inseln des Rigaischen Meerbusens besetzt. Die
russische Front zeigte eine fortschreitende Auflösung. Auch die aus dem
Innern Rußlands kommenden Nachrichten ließen einen baldigen Zusammenbruch
der russischen Widerstandskraft erwarten.


                        Die zweite Kanzlerkrisis

Ehe der russische Zusammenbruch eintrat, kam die in Deutschland seit dem
22. August unter der Oberfläche schwelende Kanzlerkrisis zum offenen
Ausbruch.

Schon in den Sitzungen des Hauptausschusses in den letzten Septembertagen
hatten die Mehrheitsparteien zwar die Ausführungen des Staatssekretärs
von Kühlmann mit großem und demonstrativem Beifall begrüßt, diejenigen
des Reichskanzlers dagegen mit bemerkenswerter Kälte aufgenommen. Nicht
nur, daß die Mehrheitsparteien Herrn Michaelis den mißglückten Versuch
vom 22. August nachtrugen, die Fesseln der Friedensresolution zu lockern,
-- es kam vielmehr hinzu, daß sie aus seinem bisherigen Auftreten den
Schluß zogen, daß er dem schweren Amte des Reichskanzlers nicht gewachsen
sei, und weiter, daß sich bei ihnen das zutreffende Gefühl verstärkt
hatte, daß Herr Michaelis im Grunde seines Herzens den Rechtsparteien
näherstehe als der Reichstagsmehrheit, mit der zu regieren er übernommen
hatte.

Die hieraus sich ergebenden Konfliktsmöglichkeiten wurden verschärft
durch die Gegenwirkung, die sich gegen die in der Friedensresolution des
Reichstags zum Ausdruck gekommene Politik eingestellt hatte. Die Gründung
der »Vaterlandspartei«, die den Kampf gegen die »Resolutionsmehrheit« und
den »Verzichtfrieden« auf ihre Fahnen schrieb, der starke Zulauf, den die
Vaterlandspartei gleich nach ihrer Gründung zu verzeichnen hatte, ihre
eifrige Propaganda und ihre scharfen Angriffe gegen die Träger der
Mehrheitspolitik, -- das alles erhitzte die Gemüter. Der Verdacht der
Begünstigung der Vaterlandspartei durch die Reichsleitung und die
preußische Staatsregierung oder zum mindesten durch deren Organe, vor
allem aber durch die oberste Heeresleitung und die Militärverwaltung gab
der täglich heißer werdenden Kampfstimmung eine Richtung gegen den für
die Leitung der Reichspolitik verantwortlichen und ohnedies in seiner
Gesinnung nicht unverdächtigen Reichskanzler.

In der Erregung der Mehrheitsparteien über die Agitation der
Vaterlandspartei zeigte sich wieder einmal der unpolitische Sinn des
Deutschen. Einer jeden Regierung, auch einer solchen, die einen
Verständigungsfrieden, ja einen Verzichtfrieden zu machen entschlossen
ist, kann eine starke nationale Bewegung nur willkommen sein. Sie steht
bei allen Verhandlungen ungleich besser da, wenn sie dem anderen Teil
vorhalten kann, wie schwer es ihr werden wird, Zugeständnisse vor dem
eigenen Volke zu vertreten und zu rechtfertigen, als wenn der andere Teil
in der Lage ist, sie darauf hinzuweisen, daß ihr Volk sich längst mit
jedem Zugeständnis abgefunden habe, ja um des Friedens willen die
weitestgehenden Zugeständnisse verlange. Angriffe, die aus einer, sei es
auch überspannten nationalen Gesinnung kommen, müssen in solchen
entscheidungsschweren Lagen hingenommen und ertragen werden, wenn sie die
eigene Position gegenüber dem Verhandlungsgegner stärken; sie müssen
hingenommen und ertragen werden nicht nur von den leitenden
Staatsmännern, sondern auch von den Parteiführern, die den Ehrgeiz haben,
die Politik mitzubestimmen. Darüber habe ich mich in den kritischen Tagen
des Herrn Michaelis mehrfach mit leitenden Persönlichkeiten der
Mehrheitsparteien ausgesprochen, um ihre Erregung gegen die
Vaterlandspartei zu mildern und um ihnen begreiflich zu machen, daß der
Kanzler, ohne der deutschen Sache zu schaden, gar nicht in der Lage sei,
in der von ihnen gewünschten Weise gegen die Vaterlandspartei Stellung
zu nehmen.

Für den 6. Oktober 1917 waren auf die Tagesordnung des Reichstags zwei
Interpellationen gesetzt worden, die sich auf die angebliche »Agitation
durch Vorgesetzte im Heer zugunsten alldeutscher Politik« und auf
Verordnungen von Stellvertretenden Generalkommandos bezogen, »durch die
das Vereins- und Versammlungsrecht einseitig zugunsten alldeutscher
Propaganda gehandhabt wird«.

Es war zu erwarten, daß diese Interpellationen zu einer großen
politischen Auseinandersetzung Anlaß geben würden, deren Ausgang für die
Stellung des Reichskanzlers von entscheidender Bedeutung werden würde.
Ich riet deshalb dem Reichskanzler auf das dringendste, die Beantwortung
der Interpellationen selbst zu übernehmen. Herr Michaelis zeigte dafür
keine Neigung. Er beabsichtigte, in der folgenden Woche über die
auswärtige Politik zu sprechen, und blieb dabei, daß die Beantwortung der
Interpellationen sich streng im Rahmen ihres lediglich das Verhalten
militärischer Stellen betreffenden Wortlautes zu halten habe; deshalb
müsse die Beantwortung in erster Linie durch den Kriegsminister erfolgen;
nötigenfalls könne durch den als Staatssekretär des Innern in Aussicht
genommenen, zunächst als Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern
fungierenden Herrn Wallraf eine kurze ergänzende Erklärung abgegeben
werden. Es gelang mir nicht, den Reichskanzler zu überzeugen, daß sich
die Debatte nicht im Rahmen des Wortlauts der Interpellation werde halten
lassen und daß sein persönliches Eingreifen um der Sache und um seiner
selbst willen sich als notwendig herausstellen werde. Ich erreichte nur,
daß Herr Michaelis zusagte, sich für alle Fälle während der Sitzung in
seinem Arbeitszimmer im Reichstag bereithalten zu wollen.

Es kam, wie ich vorausgesehen hatte. Der sozialdemokratische Abgeordnete
Landsberg begründete die Interpellationen in einer langen Rede. Gegen die
leitenden Männer der Vaterlandspartei richtete er Vorwürfe, wie den, daß
sie »sich von einem Eintreten für Verlängerung des Krieges nicht dadurch
abhalten lassen, daß der Krieg ihnen materielle Vorteile bringt«; daß sie
ungeheure Mittel aufwendeten, »um diejenige Atmosphäre in Deutschland zu
erzeugen, in der der richtige Kriegsgewinnler sich erst wohl fühlt«; er
gestatte sich, die Männer, deren Vermögensverhältnisse durch eine
Verlängerung des Krieges günstig beeinflußt würden, »zur Scham zu rufen«;
es gelte diesen Herren, »dem Volke die Parteien zu verekeln, die erkannt
haben, daß Staat und Volk eine Einheit bilden müssen«. Nach längeren
Ausführungen über die Kriegsziele und über den Streit um die
Friedensresolution des Deutschen Reichstags stellte er die Behauptung
auf, daß die Agitation der Vaterlandspartei und ähnlicher Gebilde durch
die militärischen und zivilen Behörden begünstigt werde. An einer Reihe
von Einzelfällen, in denen tatsächlich Übergriffe und Verstöße
vorgekommen sein mochten, versuchte er diese Behauptung zu begründen. Mit
besonderer Schärfe wandte er sich gegen den seit längerer Zeit von der
obersten Heeresleitung organisierten vaterländischen Aufklärungsdienst in
der Armee, den er zu Unrecht mit der Agitation der Vaterlandspartei in
Verbindung brachte. Als später im Hauptausschuß des Reichstags die für
diesen Aufklärungsdienst ausgegebenen Richtlinien in ihrem vollen Umfang
mitgeteilt und erläutert wurden, wurde diese Organisation bis in die
Reihen der Sozialdemokraten hinein als zweckmäßig, ja als notwendig
anerkannt; jede politische Agitation war in diesen Richtlinien
ausdrücklich verboten. Aber der Abgeordnete Landsberg hielt sich auch
hier an Einzelfälle, die im Augenblick größtenteils nicht nachzuprüfen
waren. Zum Schluß wendete er sich an den abwesenden Reichskanzler, der
sich durch die Antwort auf die Papstnote, die »gute Arbeit« gewesen sei,
auf die Politik der Reichstagsmehrheit festgelegt habe; das Schwert dürfe
nicht verderben, was die Feder gutgemacht habe. Die Wirkung der
alldeutschen Agitation könne sein, daß man den Noten des Reichskanzlers
jeden Wert abspreche und ihn der Zweideutigkeit beschuldige. Deshalb
müsse der Reichskanzler in seinem Interesse und im Interesse des Reiches
gegen diese Agitation einschreiten. Der Reichskanzler habe gesagt, daß er
sich die Führung nicht aus der Hand nehmen lasse; jetzt möge und müsse
er beweisen, daß er führen wolle und führen könne.

Schon während der Rede des Abgeordneten Landsberg zeigte die Linke eine
starke Erregung; mehrfach ertönten Rufe nach dem Reichskanzler. Während
der Beantwortung der Interpellation durch den Kriegsminister von Stein
wuchs die Erregung der Linken zu einem wahren Sturm an. General von Stein
sprach in seiner kurzen, soldatischen, etwas barsch klingenden Art.
Wiederholt wurde er minutenlang unterbrochen. Der Präsident mußte während
seiner kurzen Darlegungen das Haus nicht weniger als achtmal zur Ruhe
mahnen und zwei Ordnungsrufe an sozialdemokratische Zwischenrufer
erteilen. Dabei sagte der Kriegsminister nichts, was auf eine normale
Hörerschaft hätte herausfordernd wirken können. Aber der See raste wieder
einmal. Den Höhepunkt erreichte die Szene, als der Kriegsminister von
einem Flugblatt sprach, in dem selbst unsere toten Helden aus dem
Deutsch-Französischen Kriege mit Schmutz beworfen würden. Als er über
einen Zuruf, er solle das Flugblatt vorzeigen, mit Achselzucken
hinwegging -- einfach weil er das Flugblatt im Augenblick nicht zur Hand
hatte --, ertönten aus den sozialdemokratischen Reihen Rufe: »Er kneift!
Er kneift!«

Schon gegen Schluß der Rede des Abgeordneten Landsberg hatte ich dem
Reichskanzler sagen lassen, daß die Notwendigkeit seines persönlichen
Eintretens vorliege. Während der Rede des Kriegsministers ließ ich diese
Mitteilung durch den Chef der Reichskanzlei wiederholen. Aber als der
General von Stein unter allgemeinem Aufruhr seine kurzen Ausführungen
beendet hatte, war weder der Reichskanzler erschienen noch der Chef der
Reichskanzlei zurückgekommen. Ich hatte den Eindruck, daß es ganz
unmöglich sei, in dieser Lage durch den Unterstaatssekretär Wallraf die
vereinbarte Erklärung verlesen zu lassen. Wenn der Kanzler nicht kam,
mußte sein Stellvertreter einspringen und den allerdings kaum
aussichtsvollen Versuch machen, der Besinnung wieder zu ihrem Rechte zu
verhelfen.

Ich bat also an Stelle des bereits gemeldeten Herrn Wallraf ums Wort.
Noch ehe ich anfing zu sprechen, wurde ich von der Linken mit lärmenden
Zurufen und mit erneuten Rufen nach dem Reichskanzler begrüßt. Ich
stellte in Kürze fest, daß der Reichskanzler mit dem Kriegsminister und
allen militärischen Stellen darüber einig sei, daß die Politik nicht in
die Armee hineingetragen werden dürfe; ich setzte aus gutem Grunde hinzu:
»von keiner Seite, weder von rechts noch von links! Das unterstreiche ich
mit allem Nachdruck.« Damit sei der Rahmen für den Aufklärungsdienst in
der Armee gegeben; wo die Grenze überschritten werde, sei es Sache der
vorgesetzten Stellen, einzuschreiten; daß dies geschehen solle, habe der
Kriegsminister ausdrücklich und bestimmt zugesagt. Was die Beamten
anlange, so wolle ich den Begründer der Interpellation nicht dahin
verstehen, daß er beabsichtige, den Beamten die Freiheit der politischen
Gesinnung und Betätigung abzusprechen; das würde ja auch im Widerspruch
stehen zu den Traditionen seiner Partei. Den Beamten müsse es freistehen,
innerhalb der Grenzen, die ihnen durch ihren Treueid, ihre
Beamtenpflicht, ihren Takt und ihre Zugehörigkeit zu unserer
staatsbürgerlichen Gemeinschaft gezogen seien, ihre politische Gesinnung
zu betätigen. Eine weitere Grenze sei dieser Betätigung darin gezogen,
daß kein Beamter seine amtliche Stellung durch Ausübung eines politischen
Druckes auf die ihm unterstellten oder sonstwie von ihm abhängigen
Personen mißbrauchen dürfe. Wo ein solcher Mißbrauch sich zeige, sei der
Reichskanzler entschlossen, für Remedur zu sorgen. In dieser seiner
Auffassung wisse sich der Reichskanzler einig auch mit den
Bundesregierungen, speziell mit der preußischen Regierung. Zu der
Stellung des Reichskanzlers gegenüber der Vaterlandspartei übergehend,
lehnte ich es gemäß den Intentionen des Reichskanzlers ab, aus Anlaß der
Interpellation in eine große politische Debatte über die Kriegsziele usw.
einzutreten; zu dieser Debatte werde in der kommenden Woche in Gegenwart
des Reichskanzlers Gelegenheit sein. Als ich am Schluß meiner fortgesetzt
von Zwischenrufen unterbrochenen Ausführungen die Hoffnung aussprach, daß
meine Erklärungen die Interpellanten beruhigen könnten, umtoste mich
lärmender Widerspruch. Ich antwortete:

»Meine Herren, wenn Sie in die Männer, die an der Spitze der
Heeresverwaltung und an der Spitze der Reichsleitung stehen, nicht das
Vertrauen haben, daß sie ihre Worte wahrmachen« -- abermals ertönten
heftige »Nein!«-Rufe -- »dann hat es keinen Zweck, daß ich vor Ihnen
Worte mache.«

Ich hatte gegen meine Gewohnheit nicht von meinem Platz am
Bundesratstische, sondern von der Tribüne aus gesprochen, wohin ich mich
während der Rede des Kriegsministers begeben hatte, um in der
herrschenden Unruhe besser verstehen zu können. Nachdem ich unter
lebhaftem Beifall von rechts und lärmenden Zurufen von links geschlossen
hatte, ging ich an meinen Platz zurück. Es wurde mir später nachgesagt,
mein Abgang von der Tribüne sei mit einer Geste erfolgt, die an Götz von
Berlichingen erinnert habe. Einer solchen Geste bin ich mir nicht bewußt;
aber allerdings verließ ich die Tribüne stark degoutiert. Die
Beschimpfungen des Kriegsministers, der als Heerführer in der
Somme-Schlacht unter den schwierigsten Verhältnissen seinen Mann
gestanden hatte und der als gerader und aufrechter Charakter auch
gegenüber dem schärfsten politischen Gegner Anspruch auf persönliche
Achtung hatte; die Unmöglichkeit einer sachlichen und ruhigen Behandlung
innerer Fragen im Angesicht der äußeren Feinde und in einem Zeitpunkt, in
dem draußen an der Flandernfront neue Kämpfe schwerster Art entbrannt
waren; das wüste Schreien und Toben bei meinen in der Sache
entgegenkommenden, in der Form ruhigen und in keiner Weise
herausfordernden Ausführungen; die erbärmliche Heuchelei der
linkssozialistischen Lärmmacher, die -- wie mir bekannt war -- in Heer
und Flotte eine skrupellose Agitation betrieben und sich nun über die
angebliche Förderung der alldeutschen Propaganda entrüsteten, -- das
alles erfüllte mich mit Bitterkeit und Widerwillen.

Der Vorfall wurde von den zahlreichen Gegnern, die ich auch außerhalb der
Sozialdemokratie im Reichstag hatte, eifrig ausgenutzt; dazu kam, daß man
die Diskussion in Gegenwart des Reichskanzlers zu Ende zu führen
wünschte. Die Debatte über die Interpellation wurde deshalb nicht zu Ende
geführt, sondern in verhältnismäßig früher Stunde vertagt.

In der nächsten Sitzung am Montag, 8. Oktober, wurde der zur dritten
Lesung anstehende Nachtragsetat, der die Teilung des Reichsamts des
Innern und die Schaffung einer besonderen Stelle für mich als
Stellvertreter des Reichskanzlers vorsah, an den Hauptausschuß
zurückverwiesen. Man wollte sich dort darüber unterhalten, ob man nach
dem Vorgefallenen die für mich bestimmte Stelle nun doch noch ablehnen
sollte, und außerdem wollte man vor einer Fortsetzung der
Interpellationsdebatte im Plenum weitere Mitteilungen vom Kriegsminister
über den Aufklärungsdienst im Heer, vom Reichskanzler über seine Stellung
zur alldeutschen Agitation.

Die Aussprache in der Kommission verlief befriedigend. In meiner
persönlichen Angelegenheit wurde anerkannt, daß sachlich an meiner
Beantwortung der Interpellation kaum etwas auszustellen sei; aber es sei
der Ton, der die Musik mache. Ich konnte meinerseits nur darauf
hinweisen, daß in diesem Fall die von einem Teil des Reichstags gemachte
Musik nicht ganz ohne Einfluß auf meinen Ton habe bleiben können. Der
Nachtragsetat mit dem Vizekanzlerposten wurde schließlich vom
Hauptausschuß erneut mit allen Stimmen gegen diejenigen der
Sozialdemokraten angenommen. Der Weg für die Erledigung der
Interpellation und des Nachtragsetats im Plenum schien auf das beste
vorbereitet.

Aber die Plenarverhandlung des folgenden Tages brachte einen neuen
unerwarteten Zwischenfall, der für die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis
verhängnisvoll werden sollte.

Zum Verständnis dieses Zwischenfalles muß ich vorausschicken, daß im Juli
oder August unter den Mannschaften der Hochseeflotte eine Verschwörung
entdeckt worden war, die darauf hinausging, in einem noch zu bestimmenden
Augenblicke durch gemeinschaftliche Gehorsamsverweigerung die Flotte
lahmzulegen und dadurch den Frieden zu erzwingen. Von den Rädelsführern
wurden einige zum Tode verurteilt -- wenn ich mich recht erinnere, sechs,
wovon drei begnadigt wurden; andere erhielten schwere Freiheitsstrafen.
Die Untersuchung ergab, daß die Rädelsführer dieses Komplotts sämtlich
Mitglieder der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei waren, und daß
ihre Werbung für das Komplott Hand in Hand ging mit der Werbung für die
Unabhängige Sozialdemokratie; daß ferner die Rädelsführer des Komplotts
in persönliche Beziehungen zu führenden Mitgliedern der Unabhängigen
Sozialdemokratie, insbesondere den Abgeordneten Haase, Dittmann und
Vogtherr getreten waren und von diesen reichlich mit Agitationsmaterial
versehen worden waren. Nicht schlüssig erwiesen war, daß die Rädelsführer
des Marinekomplotts die genannten sozialistischen Abgeordneten auch in
ihre aufrührerischen und landesverräterischen Pläne eingeweiht hatten und
von diesen nicht nur für die Werbetätigkeit zugunsten der Unabhängigen
Sozialdemokratischen Partei, sondern auch für jene verbrecherischen Pläne
Aufmunterung und Unterstützung erhalten hatten. Der Reichsanwalt war
infolgedessen zu der Ansicht gekommen, daß das Material zu einem
strafrechtlichen Einschreiten gegen die drei Reichstagsabgeordneten nicht
ausreiche.

Der Reichskanzler hatte im Laufe des September Vertrauensleuten der
Reichstagsfraktionen von den Vorkommnissen eingehende Mitteilungen
gemacht und ihnen durch den Reichsanwalt die Akten vortragen lassen. Man
war zu der Ansicht gekommen, daß vor allem Weiteren eine
Vervollständigung der Untersuchung und bis zu deren Abschluß -- schon in
Rücksicht auf das Ausland -- die strengste Geheimhaltung notwendig sei.
Die Vervollständigung der Untersuchung stieß insofern auf große
Schwierigkeiten, als die Todesurteile an den Haupträdelsführern, die mit
den drei Abgeordneten in Verbindung getreten waren, bereits vollstreckt
waren. Bis zu der Tagung des Reichstags im Oktober war neues belastendes
Material jedenfalls nicht zutage gefördert worden.

Für die Sitzung des Reichstags vom 9. Oktober war als erster Redner in
der Fortsetzung der Interpellationsdebatte der Abgeordnete Dittmann
vorgemerkt. Es war zu erwarten, daß er in der von ihm gewohnten scharfen
Weise gegen das Hineintragen der alldeutschen Agitation in das Heer
vorgehen werde, ohne sich dadurch beirren zu lassen, daß er selbst und
seine Parteigenossen eine zum mindesten auf die Erschütterung der
Disziplin und die Lähmung der Kampfeskraft gerichtete Agitation in die
Marine hineingetragen hatten. Um hier vorzubeugen und zu warnen, hatte
ich in meinen Ausführungen vom 6. Oktober ausdrücklich betont, daß die
Politik von keiner Seite in die Armee hineingetragen werden dürfe, weder
von rechts noch von links. Der Reichskanzler, der beabsichtigte, bei der
Fortsetzung der Debatte seine in dem Hauptausschuß abgegebenen und dort
als befriedigend anerkannten Erklärungen zu wiederholen, wollte nicht als
erster das Wort ergreifen, sondern erst nach dem Abgeordneten Dittmann
sprechen und diesem gegenüber den Standpunkt mit Nachdruck vertreten, daß
der Abgeordnete Dittmann und seine Parteigenossen am allerwenigsten
berechtigt seien, über politische Agitation im Heer Klage zu führen, und
daß er, der Reichskanzler, am allerwenigsten eine politische Agitation in
der bewaffneten Macht dulden werde, die auf eine Erschütterung des festen
Gefüges und des guten Geistes von Heer und Flotte hinausgehe.

Hätte der Kanzler sich darauf beschränkt, so wäre er sowohl von den
Unabhängigen Sozialdemokraten wie auch von den übrigen Parteien, deren
Führer ja über die Vorkommnisse in der Marine und die Rolle des Herrn
Dittmann bei diesen Vorkommnissen unterrichtet waren, verstanden worden
und der allgemeinen Zustimmung sicher gewesen. Der Kanzler ging jedoch
über diese Linie hinaus. Dem Abgeordneten Dittmann, der in seiner Rede
außer den erwarteten Maßlosigkeiten auch die Todesurteile und
Zuchthausstrafen gegen Matrosen, die angeblich »wegen Bekundung ihrer
politischen Gesinnung« gefällt worden seien, vorgebracht hatte,
antwortete er, indem er einmal Mitteilungen des Staatssekretärs von
Capelle ankündigte, die begründen sollten, daß Herr Dittmann der letzte
sei, der über Agitation im Heer und in der Marine sprechen dürfe; dann,
indem er erklärte, sein Wort, daß er allen Parteien mit voller
Objektivität gegenüberstehen wolle, gelte nur mit der Einschränkung,
sofern diese Parteien nicht staatsgefährdende Ziele verfolgten; die
Partei der Unabhängigen Sozialdemokratie stehe für ihn »jenseits dieser
Linie«.

Nach dem Kanzler erhob sich der Staatssekretär von Capelle, um über die
Vorkommnisse in der Marine zu sprechen. Er enthüllte die geplante
Verschwörung und fügte hinzu:

»Es ist eine Tatsache, daß diese Leute Beziehungen mit der Unabhängigen
Sozialdemokratischen Partei angeknüpft haben. Es steht aktenmäßig fest,
daß der Hauptagitator hier im Reichstag im Fraktionszimmer der
Unabhängigen Sozialdemokraten den Abgeordneten Dittmann, Haase und
Vogtherr seine Pläne vorgetragen und Billigung gefunden hat. Die
Abgeordneten haben zwar auf das äußerst Gefährliche des Vorgehens
hingewiesen und zur größten Vorsicht gemahnt, aber ihre volle
Unterstützung durch Übermittlung von Agitationsmaterial zur Aufreizung
der Flotte zugesagt.«

Diese Erklärung mußte dahin verstanden werden, daß die Rädelsführer der
Matrosenverschwörung den drei Abgeordneten ihren Plan der Lahmlegung der
Flotte durch gemeinschaftliche Gehorsamsverweigerung mitgeteilt und für
die Ausführung dieses Planes deren Billigung und Unterstützung erhalten
hätten. Das war aber gerade der Punkt, für den auch jetzt noch ein
schlüssiger Beweis nicht vorlag.

Des Reichstags bemächtigte sich eine gewaltige Aufregung, die sich
zunächst gegen die Unabhängigen Sozialdemokraten richtete, dann aber, als
sich herausstellte, daß für den Hauptpunkt der schlüssige Beweis fehlte,
gegen den Kanzler und den Staatssekretär des Reichsmarineamts. Die
Erregung wurde dadurch verschärft, daß Herr Michaelis die von ihm im
September über die Vorfälle in der Marine orientierten Parteien mit
keinem Wort davon unterrichtet hatte, daß er im Gegensatz zu der damals
mit ihnen vereinbarten Linie die Angelegenheit im Plenum des Reichstags
vorbringen wolle. Es war wieder einmal eine unglückliche Improvisation.
Der Kanzler hatte auch mir gegenüber, der ich noch unmittelbar vor der
Sitzung mit ihm über die Entgegnung auf die zu erwartenden Dittmannschen
Angriffe gesprochen hatte, kein Wort von einer Absicht gesagt, die
Marineangelegenheit jetzt zu einem Vorstoß gegen die Unabhängigen
Sozialdemokraten zu benutzen. Anderenfalls hätte ich ihm dringend
abgeraten, die Angelegenheit in dieser Form und überhaupt ohne
Vereinbarung mit den Parteien über eine gemeinschaftliche Stellungnahme
im Reichstag zur Sprache zu bringen. Auf meine erstaunte Frage über den
Anlaß zu diesem doch offenbar mit dem Staatssekretär des Reichsmarineamts
verabredeten Vorstoß antwortete mir der Kanzler, auf dem Wege zu dem
Sitzungssaale habe er Herrn von Capelle getroffen, der ihm gesagt habe,
der Abgeordnete Dittmann werde die Verurteilungen in der Marine
vorbringen, da müsse er doch klaren Wein einschenken; er habe sich damit
einverstanden erklärt; seinerseits habe er es für richtig gehalten, in
seiner Erwiderung auf die Dittmannsche Rede im voraus auf die
Erklärungen des Herrn von Capelle hinzuweisen.

Ich tat während des Fortgangs der Sitzung in Unterhaltungen mit Führern
der bürgerlichen Parteien mein möglichstes, um diese davon abzuhalten,
aus dem vorliegenden Anlaß einen neuen Sturm gegen den Reichskanzler zu
inszenieren. Man mochte das Vorgehen des Reichskanzlers und des
Staatssekretärs des Reichsmarineamts vom Standpunkt der Taktik, der
Zweckmäßigkeit und der Rücksicht auf die Reichstagsparteien beurteilen
wie man wollte, -- über die schweren Gefahren der Agitation der
Unabhängigen Sozialdemokraten in der Marine und im Heer konnte sich kein
politisch denkender Mensch einem Zweifel hingeben. Zudem sprach im
vorliegenden Fall, wenn auch das letzte Glied in der Beweiskette fehlte,
ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit mindestens für eine moralische
Mitschuld der Unabhängigen Sozialdemokraten an der Marineverschwörung,
daß es mir geradezu ungeheuerlich erschien, wenn jetzt ein großer Teil
der bürgerlichen Parteien sich anschickte, die Unabhängigen
Sozialdemokraten als die gekränkte Unschuld zu schützen und sich gegen
den Reichskanzler und Herrn von Capelle zu wenden. Und doch ließ die
Mehrheit des Reichstags auch diesen Anlaß, ihre politische Unreife zu
zeigen, nicht vorübergehen.

Den Reigen eröffnete namens des Zentrums Herr Trimborn, der es in noch
verhältnismäßig milder Form als recht »bedenklich und nicht angängig«
bezeichnete, die Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten in ihrer
Gesamtheit ohne weiteres mit den gegen die drei Abgeordneten erhobenen
Beschuldigungen in Zusammenhang zu bringen; er sprach ferner die
Erwartung aus, daß für diese Beschuldigungen hinreichend schlüssiges
Material vorliege, das die Möglichkeit gebe, gegen die drei Abgeordneten
wegen Hoch- und Landesverrats vorzugehen. Auch der Führer der
Nationalliberalen, Dr. Stresemann, verlangte, daß gegen die drei
Abgeordneten ein strafrechtliches Verfahren eingeleitet werde. Der
Abgeordnete Naumann, der für die Fortschrittliche Volkspartei sprach,
ging erheblich weiter. Er protestierte feierlich dagegen, »daß man aus
einem nicht vollzogenen Verfahren hier entehrende Folgerungen gegen
jemand zieht, der zur deutschen Reichs- und Volksvertretung gehört«, und
daß ein Vorgehen einzelner, selbst wenn es bewiesen sei, auf eine ganze
Partei ausgedehnt werde; er fügte hinzu: »Durch das, was der Herr
Reichskanzler vorhin gesagt hat, sind wir alle genötigt worden, nun für
diese Partei und ihre Existenz recht einzutreten.«

Der Sprecher einer bürgerlichen Partei brachte es also zuwege, aus falsch
verstandener Gerechtigkeit zu verlangen, daß der Reichstag, weil vom
Regierungstisch eine Ungeschicklichkeit begangen worden war, für die
Unabhängige Sozialdemokratische Partei eintreten müsse, deren Agitation
in Heer und Flotte, wie die Marineverschwörung gezeigt hatte, zum
mindesten den Boden bereitete für eine Bewegung, die uns mitten im Krieg
wehrlos machen mußte. Vergeblich bemühte sich der Reichskanzler, der in
jener Sitzung noch zweimal das Wort nahm, seine mißverständlichen und
mißverstandenen Worte von der »außerhalb der Linie stehenden«
Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei auf den ihnen zugedachten Sinn
zurückzuführen; vergeblich hob er hervor, daß es sich bei der ganzen
Debatte um die Frage der politischen Agitation in der bewaffneten Macht
handele, und daß er angesichts des Nebeneinandergehens der Werbung für
den Aufruhr und Kriegsverrat und der Werbung für die Unabhängige
Sozialdemokratische Partei eine Agitation der Unabhängigen
Sozialdemokraten in Heer und Flotte nicht dulden könne, -- es blieb
dabei, daß die Reichstagsmehrheit den von der Regierungsbank gemachten
taktischen Fehler weit übertrumpfte, indem sie, statt der Regierung
beizuspringen, den Unabhängigen Sozialdemokraten als den zu Unrecht
Angegriffenen Deckung gegen die Reichsregierung gewährte. Die, wenn auch
der Mitwisserschaft und Mittäterschaft an dem Verbrechen des
militärischen Aufruhrs und des Landesverrats nicht überführten, so doch
immerhin schwer bloßgestellten und in ihrer Gefährlichkeit entlarvten
Führer der Unabhängigen Sozialdemokratie standen dank des Versagens der
bürgerlichen Mehrheitsparteien am Schluß jener verhängnisvollen
Reichstagssitzung als die Triumphatoren da.

Daß bei diesem Verhalten der bürgerlichen Mehrheitsparteien die
Mehrheitssozialisten einen doppelten Eifer zeigten, für die gekränkte
Unschuld ihrer feindlichen Brüder einzutreten, konnte nicht wundernehmen.
Der Abgeordnete Ebert ging mit ungewöhnlicher Schärfe mit dem
Reichskanzler ins Gericht. Es sei unerhört, ohne die Angeschuldigten
vorher zu unterrichten, plötzlich mit so schweren Anklagen vor aller
Öffentlichkeit im Parlament hervorzutreten. Nach dem vorgetragenen
Material seien die erhobenen Anklagen nicht gerechtfertigt. Wenn die
Heeresleitung selbst die Politik in das Heer hineintrage, dann dürfe sie
sich nicht beschweren, wenn »andere Parteigruppen« ebenfalls im Heer
Propaganda trieben. Der Reichskanzler habe mit seiner Erklärung der
ganzen Sache die Krone aufgesetzt: er habe kurzerhand eine ganze Partei
außerhalb des Rechts gestellt (wovon gar keine Rede war). Dies sei ein
Rückfall in die Ausnahmegesetzgebung. Eine solche Erklärung habe nur von
einer Regierung erfolgen können, die sich ihrer großen Verantwortung
nicht bewußt und ihrer großen Aufgabe in keiner Weise gewachsen sei; »und
ich spreche es weiter offen aus,« fügte er hinzu, »jeder Tag, der das
deutsche Volk früher von dieser Regierung befreit, wird von uns begrüßt
werden.«

Das war eine Kampfansage in aller Form. Wer das Bestreben der
bürgerlichen Mehrheitsparteien kannte, unter allen Umständen die
geschlossene Front mit den Mehrheitssozialisten aufrechtzuerhalten, wer
außerdem Bescheid wußte über die starken Kräfte, die in den bürgerlichen
Mehrheitsparteien gegen die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis am Werke
waren, der konnte nicht im Zweifel sein, welche Stunde geschlagen hatte.

Zwar wurde ein von den Sozialdemokraten beider Richtungen beantragtes
Mißtrauensvotum gegen den Kanzler von den bürgerlichen Parteien
abgelehnt, jedoch nur, weil man einen Kanzlersturz in offener
Reichstagssitzung zu vermeiden wünschte; aber die bürgerlichen
Mehrheitsparteien, einschließlich der Nationalliberalen, kamen überein,
nach der unmittelbar bevorstehenden Vertagung des Reichstags Herrn
Michaelis zu eröffnen, daß er nach ihrer Ansicht nicht Kanzler bleiben
könne.


                     Von Michaelis zu Graf Hertling

Im November sollte der Reichstag zur Bewilligung eines neuen
Kriegskredits abermals zusammentreten. Schon am 22. Oktober versammelte
sich die interfraktionelle Kommission der Mehrheitsparteien, diesmal
unter Hinzutritt der Nationalliberalen, um über die Kanzlerkrisis zu
beraten. Am folgenden Tag besuchten die Vertreter der Mehrheitsparteien
den Chef des Zivilkabinetts des Kaisers, Herrn von Valentini, um diesem
ihre Auffassung über die Lage darzulegen. Der Rücktritt des Herrn
Michaelis wurde dabei als etwas Unvermeidliches behandelt. Die Herren
ließen Herrn von Valentini ein Schriftstück zurück, das folgendermaßen
lautete:

    »Nach Rücksprache von Vertretern verschiedener Parteien des
    Reichstags mit dem Herrn Reichskanzler über die gesamte äußere und
    innere Lage sind wir gemeinschaftlich zu folgender Auffassung
    gelangt:

    Sollte Seine Majestät der Kaiser zu dem Entschlusse kommen, einen
    Kanzlerwechsel eintreten zu lassen, so dient es dem höchsten
    Staatsinteresse, für ruhige innerpolitische Entwicklung bis
    Kriegsende volle Gewähr zu schaffen. Nur hierdurch kann diejenige
    Geschlossenheit hergestellt werden, deren das Volk in Waffen und in
    der Heimat dringend bedarf.

    Der Weg zu diesem Ziel ist eine vertrauensvolle Verständigung über
    die äußere und innere Politik des Reiches bis zum Kriegsende. Die
    innerpolitischen Schwierigkeiten der letzten Monate sind auf den
    Mangel einer solchen Verständigung zurückzuführen.

    Seine Majestät den Kaiser bitten wir daher, vor der von ihm zu
    treffenden Entschließung die zur Leitung der Reichsgeschäfte in
    Aussicht genommene Persönlichkeit zu beauftragen, sich mit dem
    Reichstag zu besprechen.«

In diesem Schriftstück wie in den mündlichen Unterhaltungen der
Parteiführer mit Herrn von Valentini wurde der Versuch gemacht, die
Personenfrage, die in dem Sinn der Verabschiedung des Herrn Michaelis
ohne weiteres als entschieden angenommen wurde, gleichzeitig zu einer
verfassungsrechtlichen Frage zu machen: Die Parteien wünschten bei der
bevorstehenden Ernennung des neuen Reichskanzlers vor der Kaiserlichen
Entscheidung mitsprechen zu dürfen, und zwar in Form einer Verhandlung
mit dem neuen Reichskanzler über eine »vertrauensvolle Verständigung über
die äußere und innere Politik des Reiches bis zum Kriegsende«. Dieser
Wunsch war in die Form einer Bitte an den Kaiser gekleidet und trug so
dem verfassungsmäßigen Rechte des Kaisers zur Ernennung des
Reichskanzlers Rechnung. Auch sachlich war gegen den Wunsch, daß der neue
Reichskanzler vor seiner endgültigen Ernennung mit den Parteien des
Reichstags Fühlung nehmen möchte, nichts einzuwenden. Jeder, der in
voller Kenntnis der Verhältnisse sich vor den Entschluß gestellt sah, die
Leitung der Reichsgeschäfte zu übernehmen, mußte ohnedies aus sich heraus
das Bedürfnis fühlen, vor seiner eigenen Entschließung über die Annahme
des Kanzlerpostens sich darüber zu vergewissern, ob er mit dem Reichstag
werde zusammenarbeiten können oder nicht. Immerhin wurde, wenn der Kaiser
dem Wunsche der Führer der Mehrheitsparteien des Reichstags entsprechend
die als neuen Reichskanzler in Aussicht genommene Persönlichkeit
beauftragte, sich vor ihrer endgültigen Ernennung »mit dem Reichstag zu
besprechen«, ein Vorgang geschaffen, der angesichts der großen Rolle, die
Tradition und Übung im Verfassungsleben aller Völker spielen, künftighin
als neues Recht in Anspruch genommen werden würde. Insofern war die
Angelegenheit von nicht geringer Tragweite. Außerdem aber hatte der
Kaiser sich erst noch zu entscheiden, ob er Herrn Michaelis, der noch
kein Entlassungsgesuch eingereicht hatte und dazu auch keine Neigung
zeigte, veranlassen wollte, um seinen Abschied zu bitten.

Und auch diese letztere Frage lag keineswegs einfach. Es handelte sich
nicht nur um die Eignung des Herrn Michaelis zur Führung der
Reichsgeschäfte, sondern auch um die Frage, ob der Anlaß für die
Verabschiedung des Herrn Michaelis ein geeigneter war. Ich vertrat
gegenüber Herrn von Valentini, der mich am 24. Oktober besuchte, den
Standpunkt, daß der Anlaß der denkbar ungeeignetste sei. Die »Krisis« war
unmittelbar veranlaßt durch das Auftreten des Reichskanzlers gegen die in
ihrer Gefährlichkeit gar nicht hoch genug einzuschätzende Agitation der
Unabhängigen Sozialdemokraten in Heer und Flotte. Es war schon schlimm
genug, daß die bürgerlichen Mehrheitsparteien, verstärkt durch die
Nationalliberalen, zusammen mit den Mehrheitssozialisten in dieser Frage
gegen den Reichskanzler Stellung genommen hatten; schon das war eine
unverantwortliche Förderung dieser unsere nationale Existenz
untergrabenden Wühlarbeit. Der Schaden mußte aber ins Unermeßliche
gesteigert werden, wenn der Kaiser einen Kanzler in die Wüste schickte,
weil dieser es gewagt hatte -- wenn auch in nicht ganz geschickter Form
--, gegen diese Wühlarbeit aufzutreten. Bei aller Loyalität, die ich dem
Reichskanzler schuldete, konnte ich Herrn von Valentini nicht verhehlen,
was ich auch gegenüber dem Kanzler selbst offen ausgesprochen hatte, daß
auf die Dauer Herr Michaelis als Kanzler nicht zu halten sein werde; aber
ebenso bestimmt sprach ich mich dahin aus, daß Herr Michaelis nicht vor
den Triumphwagen der Unabhängigen Sozialdemokraten gespannt werden dürfe.
Bei einiger Besonnenheit auf seiten der Reichstagsparteien hätte sich ein
erträglicher Ausweg finden lassen müssen.

An der nötigen Besonnenheit aber fehlte es ganz und gar.

Schon zwei Tage nach dem ersten Schritt der Mehrheitsparteien bei Herrn
von Valentini erschien dort der Zentrumsabgeordnete Trimborn als
Beauftragter der Mehrheitsparteien von neuem, um das Erstaunen
auszusprechen, daß trotz der bei Herrn von Valentini erhobenen
Vorstellungen behauptet werde, Herr Michaelis solle bleiben, und um zu
fragen, ob und wann die Mehrheitsparteien überhaupt eine Antwort zu
erwarten hätten. Herr von Valentini zeigte sich seinerseits erstaunt über
das Drängen; nachdem man zwei Tage zuvor ausdrücklich betont habe, man
wolle dem Kaiser die Freiheit der Entschließung lassen, müsse man ihm
auch die Zeit für eine Entschließung gewähren.

An dem Nachmittag desselben 25. Oktober besuchte mich der Abgeordnete
Conrad Haußmann im Auftrag seiner in der interfraktionellen Besprechung
vereinigten Kollegen, um folgende Anfragen an mich zu richten:

1. ob es richtig sei, daß ich mich dem Abgang des Herrn Michaelis
widersetze, oder daß ich ihn jedenfalls noch bis zum Dezember halten
wolle;

2. ob es richtig sei, daß ich einen Plan entworfen habe oder wenigstens
befördere, der bezwecke, die Mehrheitssozialdemokraten aus Anlaß des
nächsten Kriegskredits in die Opposition zu drängen und dann eine neue
Mehrheit mit scharfer Frontstellung nach links zu bilden.

Ich habe Herrn Haußmann, der diese Fragen sehr offiziell an mich
richtete, zunächst privatim und persönlich -- ich stand mit ihm
persönlich stets auf einem guten Fuß -- meine Meinung über den Takt und
die Klugheit solcher Fragen gesagt und ihm dann offiziell erklärt:

1. daß ich es ablehnen müßte, als Stellvertreter des Reichskanzlers und
Staatssekretär irgendwelche Erklärungen über meine Stellung zu dem
Bleiben oder Gehen des Reichskanzlers abzugeben;

2. daß ich es stets als einen wesentlichen Erfolg der Politik des Herrn
von Bethmann Hollweg angesehen hätte, daß es gelungen sei, die Massen der
sozialdemokratischen Arbeiterschaft und ihre parlamentarische Vertretung
in der vaterländischen Front zu halten; ich hoffte, daß dieses auch
weiterhin möglich sein werde.

Herr Haußmann gab sich die erdenklichste Mühe, mir die Unhaltbarkeit der
Stellung des Herrn Michaelis und die unbedingte Einigkeit der
Mehrheitsparteien und der Nationalliberalen in diesem Punkte
klarzumachen. Als Reichskanzler empfahl er -- damals schon! -- in erster
Reihe den Prinzen Max von Baden, an zweiter Stelle den Staatssekretär von
Kühlmann. Gegen den Fürsten Bülow, für den von den Herren Erzberger und
Stresemann starke Propaganda gemacht werde, seien der größte Teil des
Zentrums, seine eigenen Parteifreunde und mit der größten Entschiedenheit
die Sozialdemokraten.

Herr Michaelis hielt unterdessen an der Hoffnung fest, daß es ihm
gelingen werde, einen Umschwung in der Stimmung der Parteien
herbeizuführen. Er rechnete dabei auf die Unterstützung
sozialdemokratischer Gewerkschaftskreise, mit denen er glaubte in guter
Fühlung zu stehen.

Für Freitag, 26. Oktober, vormittag, wurden der Vizepräsident des
Staatsministeriums von Breitenbach und ich zum Kaiser nach Potsdam zum
Vortrag befohlen. Ich war auch jetzt noch entschlossen, dem Kaiser zu
raten, Herrn Michaelis aus dem vorliegenden Anlaß nicht zu verabschieden,
sich vielmehr Zeitpunkt und Umstände nach den Erfordernissen der äußeren
und inneren Politik auszusuchen.

Vor der Fahrt nach Potsdam besuchte ich den Reichskanzler, um diesen von
der Tatsache, daß der Kaiser mich zum Vortrag befohlen habe, zu
unterrichten. Ich fand Herrn Michaelis in seiner bisherigen
Zuversichtlichkeit stark erschüttert. Dazu hatte beigetragen eine
Zeitungsmeldung über eine Audienz des bayrischen Gesandten Grafen
Lerchenfeld beim Kaiser, die in Wirklichkeit überhaupt nicht
stattgefunden hatte. Herr Michaelis sagte mir, daß er kürzlich bei einer
Unterredung mit dem Grafen Lerchenfeld den bestimmten Eindruck gehabt
habe, daß auch dieser ihn für reif zum Abgang halte. Das war keine
Täuschung; auch mir gegenüber hatte sich Graf Lerchenfeld sehr
entschieden in diesem Sinne ausgesprochen. Herr Michaelis nahm an, daß
Graf Lerchenfeld auch dem Kaiser in diesem Sinne vorgetragen haben werde.
Vor allem aber war Herr Michaelis zu der Überzeugung von der
Unhaltbarkeit seiner Stellung dadurch gekommen, daß seine Verhandlungen
mit den Gewerkschaftlern sich zerschlagen hatten. Diese hatten ihm eine
Liste von Forderungen präsentiert, die, wie Herr Michaelis mir sagte,
außerordentlich weit gingen und auch, soweit sie an sich vielleicht
annehmbar wären, nicht als Bedingung für das Verbleiben des Kanzlers
aufgestellt werden dürften.

Aus dieser Lage zog Herr Michaelis die Folgerung, indem er mich
beauftragte, dem Kaiser den Vorschlag zu unterbreiten, daß der bayrische
Ministerpräsident Graf Hertling zum Reichskanzler ernannt werden solle,
während er, Herr Michaelis, als preußischer Ministerpräsident, wenigstens
bis zur Erledigung der Wahlreform, auf seinem Posten bliebe.

Ich hob gegenüber Herrn Michaelis die Bedenken der Trennung des
Reichskanzleramtes und des preußischen Ministerpräsidiums hervor; aber
ich konnte mich dem Argument nicht ganz verschließen, daß die Trennung
als eine vorübergehende Ausnahmemaßregel, um den durch die Reichspolitik
voll in Anspruch genommenen Kanzler von der Last der Durchbringung der
preußischen Wahlreform zu befreien, schließlich hingenommen werden könne.
Gegen den Grafen Hertling, der schon bei Bethmanns Abgang an erster
Stelle in Betracht gezogen worden war, damals aber abgelehnt hatte,
sprach sein hohes Alter. Für ihn sprach, daß er als Vorsitzender des
Bundesratsausschusses für auswärtige Angelegenheiten in der auswärtigen
Politik kein Neuling war; ferner daß er in den parlamentarischen Kreisen
als alter und erfahrener Parlamentarier ein hohes Ansehen genoß und in
dem Zentrum, der stärksten Partei des Reichstags, auf einen sicheren
Rückhalt rechnen konnte, ein Umstand, der die dringend nötige Wiederkehr
einigermaßen stabiler innerpolitischer Verhältnisse erhoffen ließ. Wenn
Herr Michaelis als preußischer Ministerpräsident im Amte blieb, so war
überdies der fatale Eindruck, als ob er den Unabhängigen Sozialdemokraten
geopfert werde, wenigstens einigermaßen abgeschwächt.

Der Kaiser erklärte sich nach einer Erörterung der inneren und äußeren
Lage mit dieser Lösung einverstanden und beauftragte mich, Herrn
Michaelis davon zu verständigen, während er Herrn von Valentini den
Auftrag gab, durch den Grafen Lerchenfeld den Grafen Hertling alsbald
nach Berlin bitten zu lassen.

Graf Hertling kam am Sonntag, 28. Oktober, in Berlin an und hatte
zunächst eine eingehende Aussprache mit Herrn Michaelis. Für den
Nachmittag war er zum Kaiser befohlen. Ich sprach ihn vor der Audienz
beim Grafen Lerchenfeld. Er war geneigt, den Kanzlerposten anzunehmen.
Wegen der Fühlungnahme mit den Parteien riet ich ihm, sich beim Kaiser
Bedenkzeit für seine endgültige Entschließung auszubitten und dann den
Parteiführern zu sagen: Der Kaiser beabsichtigt, mich zum Reichskanzler
zu ernennen; ich bin geneigt, anzunehmen, lege aber Wert darauf, mich vor
meiner endgültigen Antwort an den Kaiser mit Ihnen über die Linien der zu
verfolgenden Politik auszusprechen.

Um dem Grafen Hertling keinen Zweifel daran zu lassen, daß ich nicht
wünschte, ihm mit meiner Person irgendwie ein Hindernis zu sein, schrieb
ich ihm den nachstehenden Brief, den er bei der Rückkehr von der Audienz
beim Kaiser vorfand:

                                            Berlin, den 28. Oktober 1917.

    Euer Exzellenz bitte ich, in dem Augenblick, in dem Sie im Begriffe
    sind, sich über die Annahme des Reichskanzleramtes zu entscheiden,
    nachstehendes vortragen zu dürfen.

    Angesichts der schweren Euer Exzellenz bevorstehenden Aufgabe halte
    ich es für meine Pflicht, soweit es an mir liegt, jedes Hindernis,
    das einer gedeihlichen Wirksamkeit Eurer Exzellenz im Wege stehen
    könnte, beseitigen zu helfen. Meine Person in der Stellung als
    Stellvertreter des Reichskanzlers kann ein solches Hindernis sein. In
    den fast drei Jahren meiner Tätigkeit im Reichsdienst und namentlich
    in den siebzehn Monaten meiner Tätigkeit als Staatssekretär des
    Innern und allgemeiner Stellvertreter des Reichskanzlers habe ich mir
    in Parlament und Presse Gegnerschaften zugezogen, die bei meinem
    Verbleiben im Amte für Euer Exzellenz eine ebenso unerwünschte wie
    vermeidbare Belastung bilden können. Euer Exzellenz brauchen außerdem
    in der Auswahl Ihrer Mitarbeiter und namentlich Ihres ersten
    Mitarbeiters volle Bewegungsfreiheit. Ich stelle deshalb mein Amt
    Euer Exzellenz zur Verfügung und erkläre mich bereit, Seiner Majestät
    dem Kaiser mein Entlassungsgesuch einzureichen, sobald Euer Exzellenz
    sich überzeugt haben sollten, daß mein Ausscheiden im Interesse der
    Sache liegt und Euer Exzellenz die Bewältigung der neuen großen
    Aufgabe erleichtert.

    In der ausgezeichnetsten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein

                       Euer Exzellenz ergebenster

                                                           Helfferich.

Graf Hertling antwortete mir noch am gleichen Abend mit folgendem
Schreiben:

                                                Berlin, 28. Oktober 1917.

    Euer Exzellenz hochgeschätztes Schreiben vom Heutigen habe ich zu
    erhalten die Ehre gehabt und beeile mich, Euer Exzellenz meinen
    herzlichsten Dank dafür auszusprechen. Die von Euer Exzellenz zum
    Ausdruck gebrachte Absicht, mir für den Fall der Übernahme des
    Reichskanzlerpostens die meiner harrenden Aufgaben in jeder Weise zu
    erleichtern, weiß ich im vollsten Maße aufs dankbarste zu würdigen.
    Wenn Euer Exzellenz dabei sogar an ein Ausscheiden aus Ihrer jetzigen
    Stellung denken, um dadurch etwaige Schwierigkeiten zu beheben, so
    möchte ich nicht säumen, Euer Exzellenz zu versichern, wie
    außerordentlich Wert ich darauf legen würde, die hervorragende
    Arbeitskraft Eurer Exzellenz nicht missen zu müssen oder sie jedoch
    für alle Fälle mir im Interesse des Reiches in irgendeiner Form
    erhalten zu wissen. In dem jetzigen Zeitpunkt, in dem die zur
    Entscheidung stehenden Fragen auch für mich noch vollkommen ungeklärt
    sind, bitte ich Euer Exzellenz nur nochmals, meinen
    alleraufrichtigsten Dank für die mir bezeugte wahrhaft
    freundschaftliche Gesinnung entgegenzunehmen.

    In der ausgezeichnetsten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein

                       Euer Exzellenz ergebenster

                                                             Hertling.

Ich sah den Grafen Hertling auf seinen Wunsch noch einmal an demselben
Abend und wiederholte ihm nicht nur meine Bereitwilligkeit, sondern
sprach ihm jetzt meinen dringenden Wunsch aus, von jeder amtlichen
Stellung befreit zu werden. Sein Antwortschreiben hatte mich in dieser
Absicht nur bestärkt. Er seinerseits ersuchte mich angelegentlich, keinen
vorzeitigen Entschluß zu fassen und meine Geschäfte so weiterzuführen,
als ob eine Änderung nicht in Betracht käme.

Die Audienz beim Kaiser hatte den erwarteten Verlauf genommen.
Insbesondere hatte Graf Hertling die Erlaubnis erhalten, sich vor seiner
endgültigen Entscheidung mit den Parteiführern in Verbindung zu setzen.

Die Unterhaltung mit den Parteiführern stieß zunächst auf die
Schwierigkeit, daß die Vertreter der Mehrheitsparteien, trotz der von
ihnen heraufbeschworenen Kanzlerkrisis, zum Teil von Berlin abwesend
waren; vor allem war für das Zentrum nur der Abgeordnete Erzberger
anwesend, dessen Verhältnis zu dem Grafen Hertling kein ungetrübtes war
und der bisher offen für die Kandidatur des Fürsten Bülow eingetreten
war. Die Nachteile der Trennung des Kanzlerpostens und des preußischen
Ministerpräsidiums wurden in den Vordergrund geschoben. Am Dienstag, 30.
Oktober, erklärte deshalb Graf Hertling Herrn von Valentini und mir, daß
er seine Mission als gescheitert ansehe und am Abend nach München
zurückreisen wolle. Die Berliner Abendblätter erklärten die Kandidatur
Hertling auf Grund seiner Besprechungen mit den Parteiführern für
erledigt.

Graf Hertling ließ sich jedoch dazu bestimmen, zunächst noch die für den
nächsten Tag in Aussicht genommene Unterredung mit dem Zentrumsführer
Trimborn abzuwarten; außerdem übernahm es der Staatssekretär von Kühlmann
im Einverständnis mit den Herren Michaelis und Graf Hertling, auf die
Führer der Mehrheitsparteien einzuwirken.

Herr Trimborn sagte dem Grafen Hertling die volle Unterstützung des
Zentrums zu, sprach sich aber dabei mit Entschiedenheit gegen die
Trennung des preußischen Ministerpräsidiums vom Amte des Reichskanzlers
aus. Graf Hertling, der mir ursprünglich gesagt hatte, daß gerade die
Entlastung von den Geschäften und Verantwortlichkeiten des preußischen
Ministerpräsidiums ihm die Annahme des Reichskanzleramtes ermögliche,
erklärte sich jetzt nach der Unterhaltung mit Herrn Trimborn bereit,
Reichskanzler zu werden, wenn der Stein des Anstoßes beseitigt und ihm
entsprechend den Wünschen der Mehrheitsparteien auch das preußische
Ministerpräsidium übertragen werde. Sehr schweren Herzens entschloß sich
der Kaiser, der angesichts der bevorstehenden Verfassungskämpfe in
Preußen das Ministerpräsidium in preußische Hände zu legen wünschte, im
Interesse einer glatten Erledigung der Kanzlerkrisis das Opfer seiner
Überzeugung zu bringen und den Grafen Hertling auch als preußischen
Ministerpräsidenten in Aussicht zu nehmen.

Die Position des Grafen Hertling war nun sehr stark. Er hatte das Zentrum
hinter sich, ohne das die »Mehrheitsparteien« keine Mehrheit mehr waren;
Herrn Erzberger, der die Kandidatur Hertling nicht offen bekämpfen konnte
und der zu den eifrigsten Vertretern der Unmöglichkeit der »Trennung der
Gewalten« gehörte, war mit der Entschließung des Kaisers und Königs, dem
Grafen Hertling auch das preußische Ministerpräsidium zu übertragen, der
Wind aus den Segeln genommen. Den anderen Mehrheitsparteien hatte Graf
Hertling die Erfüllung ihrer sachlichen Forderungen zugesagt, vor allem
die alsbaldige Einbringung der preußischen Wahlrechtsvorlage, die
Milderung der Handhabung des Belagerungszustandes in bezug auf Zensur und
Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, die Wiedereinbringung des vor
einigen Jahren gescheiterten Arbeitskammergesetzes und die Aufhebung des
den Gewerkschaften anstößigen § 153 der Gewerbeordnung; dazu in der
äußeren Politik die Innehaltung der in der Antwortnote an den Papst
festgesetzten Richtlinien.

Am 1. November wurden mir die Allerhöchsten Orders über die
Verabschiedung des Herrn Michaelis und die Ernennung des Grafen Hertling
zum Reichskanzler zur Gegenzeichnung vorgelegt. Am gleichen Tage wurde
die Ernennung des Grafen Hertling zum Präsidenten des Preußischen
Staatsministeriums vollzogen.


                        Die »Parlamentarisierung«

Mit der Ernennung des Grafen Hertling war jedoch die Krisis nicht zu
Ende. Denn nun präsentierten die Mehrheitsparteien, einschließlich der
Nationalliberalen, mit großem Nachdruck ihre Forderungen auf
»Parlamentarisierung« der Regierungen im Reich und in Preußen, indem sie
sich auf Zusicherungen beriefen, die ihnen in den Verhandlungen über die
Kandidatur des Grafen Hertling, insbesondere in den Besprechungen mit dem
Staatssekretär von Kühlmann, gemacht worden seien.

Herr von Kühlmann hatte allerdings am 30. Oktober den Auftrag erhalten,
den Führern der Mehrheitsparteien die in der auswärtigen Politik
liegenden Gründe für eine glatte und rasche Erledigung der Kanzlerkrisis
und speziell für die Kanzlerschaft des Grafen Hertling klarzumachen. Er
hatte keinerlei Auftrag, Fragen der inneren Politik und Fragen der
Besetzung von Minister- und Staatssekretärsposten mit den Parteiführern
zu besprechen. Es stellte sich heraus, daß Herr von Kühlmann sich
gleichwohl in eine solche Erörterung eingelassen hatte, und zwar so weit,
daß die Mehrheitsparteien behaupteten, von ihm bestimmte Zusicherungen
empfangen zu haben. So beriefen sich die Nationalliberalen darauf, daß
ihnen die Ernennung des preußischen Abgeordneten Dr. Friedberg zum
Vizepräsidenten des Preußischen Staatsministeriums zugesagt worden sei,
und die Sozialdemokraten wie die Fortschrittler wollten verstanden haben,
daß der Wunsch, den Abgeordneten von Payer zum Vizekanzler ernannt zu
sehen, auf keine Schwierigkeiten stoßen werde. Als mir das zu Ohren kam,
bat ich erneut den Grafen Hertling, mein Abschiedsgesuch dem Kaiser zu
unterbreiten, erhielt aber noch am 31. Oktober abends vom Grafen Hertling
die Antwort, von meinem Rücktritt könne gar keine Rede sein; in seinen
Verhandlungen mit den Parteiführern sei von meiner Person und einem
Wechsel in dem Posten des Vizekanzlers überhaupt mit keinem Wort
gesprochen worden. Auch der Kaiser ließ mich wissen, daß er fest auf mein
Verbleiben in meinem Amt als Stellvertreter des Reichskanzlers rechne und
nur in dieser Voraussetzung sich mit der Kombination Hertling
einverstanden erklärt habe.

In den folgenden Tagen beauftragte mich der nun zum Reichskanzler
ernannte Graf Hertling mit der Leitung der Besprechungen über die
östlichen Kriegsziele, die für den 2. und 3. November angesetzt waren und
an denen außer den Chefs der sämtlichen Reichsämter und preußischen
Ministerien auch der Generalfeldmarschall von Hindenburg und General
Ludendorff teilnahmen. Die Besprechungen waren um so wichtiger, als für
den 5. November Graf Czernin seinen Besuch angesagt hatte, um in erneute
Verhandlungen über die polnische Frage, und zwar im Sinne der
Angliederung Polens an die habsburgische Monarchie, einzutreten. Ebenso
übertrug mir der Reichskanzler die Leitung der Besprechungen mit dem
Grafen Czernin, die am 6. November im Beisein des Feldmarschalls von
Hindenburg und des Generals Ludendorff stattfanden.

Diese Verhandlungen führten zu keinem endgültigen Ergebnis. Zwar hatte
der Kaiser in einem am Montag, 5. November, im Schloß Bellevue
stattgehabten Kronrat unter gewissen Voraussetzungen, die sich auf
Grenzregulierung und Sicherung unserer Wirtschafts- und
Verkehrsinteressen in Polen bezogen, seine grundsätzliche Zustimmung zu
der sogenannten austro-polnischen Lösung gegeben, in der Absicht, dadurch
ernste Friktionen mit der Donaumonarchie zu vermeiden und
Österreich-Ungarn für das herannahende letzte und schwerste Stadium des
Krieges so fest wie möglich an uns zu binden. Aber über diese
Voraussetzungen ließ sich in den Besprechungen mit dem Grafen Czernin, da
dieser weder in den Fragen der militärischen Grenzsicherung noch in den
Wirtschafts- und Verkehrsangelegenheiten eine endgültige Stellung nehmen
konnte, eine Einigung nicht erzielen. Es wurden vielmehr weitere
Verhandlungen unter Zuziehung auch der österreichisch-ungarischen
militärischen Stellen und der Ministerpräsidenten der beiden
Reichshälften ins Auge gefaßt.

Unterdessen versteiften sich die Mehrheitsparteien immer mehr auf ihre
Parlamentarisierungsforderungen. Schon am Sonntag, 4. November, teilte
mir der Abgeordnete Haußmann mit, diese Wünsche, die auf Grund der
Unterhaltungen mit Herrn von Kühlmann Gestalt angenommen hätten, müßten
im Interesse eines ruhigen Zusammenarbeitens von Reichsleitung und
Reichstag erfüllt werden. Die Fortschrittler hätten ursprünglich dem
Verlangen nach Ministerposten kühl gegenübergestanden; als aber Dr.
Friedberg nach Kühlmanns Erklärungen ernstlich als Vizepräsident des
Preußischen Staatsministeriums in Betracht gekommen sei, und nachdem die
Sozialdemokraten, für sich selbst auf einen Ministerposten verzichtend,
den Fortschrittlern ihre Unterstützung für die Forderung nach einem
preußischen Ministerposten und dem Posten des Vizekanzlers angeboten
hätten, könne die Fortschrittliche Volkspartei nicht bei ihrer
Zurückhaltung bleiben; seine Freunde wünschten aber, daß ich dem
Reichsdienst erhalten bliebe, und ich müsse helfen, eine Lösung zu
finden.

Am Montag, 5. November, ermächtigte der Kaiser den Grafen Hertling, mit
Herrn Dr. Friedberg wegen Übernahme des Vizepräsidiums des Preußischen
Staatsministeriums in Verbindung zu treten. Am Abend des folgenden Tages
teilte Graf Hertling in einer Besprechung, an der die meisten
Staatssekretäre und preußischen Minister teilnahmen, mit, daß Herr
Friedberg abgelehnt habe, und zwar weil ihm die inzwischen angemeldeten
Ansprüche der Mehrheitsparteien zu weit zu gehen schienen und er sich
nicht als Druckmittel für übertriebene Forderungen mißbrauchen lassen
wolle. In dieser Besprechung erklärte ich dem Kanzler erneut, daß ich
nichts sehnlicher wünschte als meinen Rücktritt; ich fügte aber hinzu,
daß ich nicht daran dächte, ihn oder gar die Krone im Stich zu lassen;
wenn man glaube, mich zu brauchen, stehe ich zur Verfügung; dann aber
müßte ich für mich die ungeminderte Autorität meiner bisherigen Stellung
als Vizekanzler beanspruchen.

Einen Augenblick schien es so, als ob die Ablehnung des preußischen
Ministerpräsidiums durch Herrn Friedberg und die scharf gegen links Front
nehmende Begründung dieses Schrittes durch die »Nationalliberale
Korrespondenz« ein Abrücken der Nationalliberalen von den
Mehrheitsparteien zur Folge haben würde. Aber den Bemühungen einiger
Parteifreunde des Herrn Friedberg, die unter allen Umständen die
»Parlamentarisierung« herbeiführen wollten, gelang es, einen neuen
Umschwung herbeizuführen. Am Tag nach seiner Ablehnung war Herr Friedberg
bereit, das Vizepräsidium, falls die anderen schwebenden Fragen
befriedigend erledigt würden, doch noch anzunehmen.

Ich hatte am Nachmittag des gleichen Tages, des 7. November, abermals den
Besuch des Abgeordneten Haußmann, der mir u. a. berichtete, daß in der
interfraktionellen Kommission eine von ihm veranlaßte Erörterung über
meine Person stattgefunden habe; dabei sei von allen Seiten, auch von den
Sozialdemokraten, zum Ausdruck gebracht worden, daß keinerlei
persönliche Animosität gegen mich vorliege, daß man meine Leistungen
anerkenne und wünsche, daß ich auch unter der neuen Ordnung der Dinge an
leitender Stelle im Reichsdienst bleibe. Da nun aber einmal
Übereinstimmung darüber bestehe, daß Herr von Payer Vizekanzler werden
müsse, sei man auf den Gedanken der Schaffung eines neuen Reichsamtes
gekommen, dem die Bearbeitung der Angelegenheiten der besetzten Gebiete
und der auf die Friedensverhandlungen bezüglichen Fragen zugewiesen
werden solle. Dieses neue Reichsamt solle mir angeboten werden, und
gleichzeitig sollte ich die Mitgliedschaft des Preußischen
Staatsministeriums behalten. Die Mitglieder der interfraktionellen
Kommission seien ausnahmslos mit diesem Vorschlage einverstanden gewesen,
und der Vorschlag solle am Abend den vom Reichskanzler mit den weiteren
Verhandlungen beauftragten Staatssekretären Graf Roedern und von Kühlmann
überbracht werden.

Ich antwortete Herrn Haußmann, daß mir das Einverständnis derjenigen
Person zu fehlen scheine, auf die es doch in erster Linie ankomme, und
das sei ich selbst. Ich sei bereit, zu gehen, wenn Kanzler und Kaiser
mich gehen ließen; aber ich sei nicht bereit, ein anderes Amt zu
übernehmen.

Nach dem Besuch des Herrn Haußmann begab ich mich zum Grafen Hertling;
ich bestand darauf, daß im Interesse der Sache wie auch meiner Person
endlich in dem einen oder anderen Sinne Klarheit geschaffen werden
müsse. Ich hätte nach wie vor in erster Linie den Wunsch, meinen Abschied
zu erhalten; aber ich hätte keine Neigung, mich weiterhin in
parlamentarischen Besprechungen und Verhandlungen zwischen meinen
Kollegen und den Parteiführern als »corpus vile« behandeln und mich
täglich dreimal in der Berliner Presse als lästigen Kleber hinstellen zu
lassen. Ich könne mir auch nicht denken, daß die Autorität des Kanzlers
und der Krone aus dieser Art der Behandlung der Besetzung wichtiger
Reichs- und Staatsämter ohne starke Einbuße hervorgehen könne. Graf
Hertling antwortete mir, er teile vollkommen meine Ansicht; es müsse
unter allen Umständen jetzt Schluß gemacht werden; um sechs Uhr abends
sollten die Staatssekretäre Graf Roedern und von Kühlmann die
Parteiführer empfangen, aber lediglich, um sie anzuhören und ihnen für
den nächsten Tag die endgültigen Entschließungen in Aussicht zu stellen.
Ich möchte mich durch keine Zeitungsangriffe und Zwischenträgereien
irremachen lassen; er wie der Kaiser rechneten unbedingt darauf, daß ich
in meinem Amte ausharrte.

Um sechs Uhr eröffneten die Vertreter der Mehrheitsparteien und der
Nationalliberalen den Staatssekretären Graf Roedern und von Kühlmann, sie
wünschten die Ernennung Friedbergs zum preußischen Vizepräsidenten und
Payers zum Vizekanzler; beide Herren seien zur Übernahme dieser Posten
bereit; die Besetzung eines preußischen Ministerpostens mit einem
Fortschrittler sei einstweilen zurückgestellt, aber nicht aufgegeben;
ich solle Staatssekretär für die besetzten Gebiete und die
Friedensvorbereitungen werden. In diesen Forderungen seien
Nationalliberale, Fortschrittler, Zentrum und Mehrheitssozialdemokraten
solidarisch.

Am Abend teilte mir Graf Roedern mit, der Kanzler habe ihn und Herrn von
Kühlmann beauftragt, am nächsten Vormittag den Parteiführern folgende
Lösung als endgültig mitzuteilen: Friedberg wird Vizepräsident des
Preußischen Staatsministeriums; Helfferich bleibt Vizekanzler; von Payer
wird Staatssekretär ohne Portefeuille mit der speziellen Aufgabe der
Pflege der Beziehungen zwischen Reichsleitung und Parlament. Wenn die
Fraktionsführer sich damit nicht befriedigt erklärten, so solle ihnen
gesagt werden, daß der Kanzler die Wünsche des Parlaments nicht über die
sachlichen Erwägungen stellen könne, die schließlich bei der Besetzung
der wichtigsten Reichs- und Staatsämter ausschlaggebend bleiben müßten,
und daß er unter den obwaltenden Umständen darauf verzichten müsse, jetzt
überhaupt irgendwelche Personalveränderungen dem Kaiser und König
vorzuschlagen. Graf Roedern schloß an diese Mitteilung die erneute
dringende Bitte, ich möchte von der Einreichung eines Abschiedsgesuchs
Abstand nehmen.

Über Nacht jedoch besann sich Graf Hertling eines andern. Am nächsten
Morgen ließ er mich zu sich bitten und sagte mir, es falle ihm furchtbar
schwer, aber nach reiflicher Überlegung aller Umstände müsse er sich doch
dazu entschließen, von meinem wiederholten Anerbieten, den Posten des
Vizekanzlers freizugeben, Gebrauch zu machen. Er müsse, wenn wieder Ruhe
einkehren solle, den Mehrheitsparteien das Zugeständnis machen, den
Vizekanzlerposten an Herrn von Payer zu geben. Meine Person müsse aber
dem Reiche erhalten bleiben, und er bitte mich deshalb, alle Bedenken und
Empfindlichkeiten zurückzustellen und das neu zu schaffende Reichsamt für
die besetzten Gebiete und die Friedensvorbereitungen zu übernehmen.

Ich erklärte mich bereit zur sofortigen Einreichung meines
Abschiedsgesuchs, das ich bisher nur auf den bestimmten Wunsch des Grafen
Hertling zurückgehalten hatte, lehnte es aber ab, ein neues Amt zu
übernehmen. Speziell die Vorbereitung der Friedensverhandlungen müsse
angesichts des alle Ressorts umfassenden Arbeitsbereichs in den Händen
des Kanzlers selbst oder des Vizekanzlers liegen; wenn ersterer durch
seine anderen Geschäfte an der Wahrnehmung dieser Aufgabe verhindert sei
und der Vizekanzler wegfalle oder aus anderen Gründen für die
Vorbereitung der Friedensverhandlungen nicht in Betracht komme, so bliebe
nach meiner Ansicht nur übrig, diese Aufgabe einer dem Auswärtigen Amt zu
attachierenden Stelle zu übertragen. Als ich bei meiner bestimmten
Ablehnung blieb, bat mich Graf Hertling, als Minister ohne Portefeuille
Mitglied des Preußischen Staatsministeriums zu bleiben. Ich glaubte auch
dieses Angebot ablehnen zu müssen, da eine Persönlichkeit, die weder ein
preußisches Ressort noch ein Reichsamt vertritt, nach meiner Ansicht in
dem Preußischen Staatsministerium nichts zu suchen und zu sagen habe.
Außerdem aber gehe die jetzt vom Reichskanzler und Ministerpräsidenten
ins Auge gefaßte Beendigung der über fast zwei Wochen hingeschleppten
Verhandlungen so sehr gegen meine konstitutionelle Staatsauffassung, daß
ich es ablehnen müsse, durch mein Verbleiben im Preußischen
Staatsministerium eine Mitverantwortung für den Weg zu übernehmen, den
die Krone geführt worden sei.

Graf Hertling war etwas betroffen. Er bekannte, die Erledigung der Sache
gehe auch gegen seine Staatsauffassung. Aber er sehe keinen anderen Weg
als diesen, oder seinen Rücktritt mit der Konsequenz der Militärdiktatur.
Deshalb glaube er, zu einem »sacrificio dell'intelletto« gezwungen zu
sein. Er kam dann auf meine Person zurück und stellte die Form, in der
ich bleiben wolle, ganz in meine freie Wahl. Ich bat erneut, mich rein
und glatt gehen zu lassen. Er fragte, ob ich bereit sei, den
Botschafterposten in Konstantinopel oder in Wien anzunehmen. Ich lehnte
auch dieses ab mit dem Hinweis darauf, daß beide Posten besetzt seien und
ich niemand verdrängen wolle. Ich könne nur wiederholen, daß, wie die
Dinge sich entwickelt hätten, mein einziger Wunsch sei, ins Privatleben
zurückzukehren; als freier Privatmann würde ich meinen Rat und meine
Mitwirkung, wo sie verlangt würden, nicht versagen.

Graf Hertling bat mich schließlich um die Ermächtigung, meinen an ihn
gerichteten Brief vom 28. Oktober dem Kaiser vorlegen zu dürfen. Ich
erklärte mich nicht nur damit einverstanden, sondern erklärte mich
bereit, soviel an mir liege, den Kaiser von der Unhaltbarkeit meiner
Stellung zu überzeugen.

Eine halbe Stunde später hatte der Reichskanzler mein an den Kaiser
gerichtetes Gesuch um Entlassung aus meinen Ämtern als Stellvertreter des
Reichskanzlers und Mitglied des Preußischen Staatsministeriums in Händen.

Dem Kaiser, der den Grafen Hertling am Nachmittag empfing, stellte dieser
vor, daß er, falls Seine Majestät mein Gesuch um Enthebung von dem Amte
des Vizekanzlers und die Berufung des Herrn von Payer auf diesen Posten
ablehne, seine Mission als gescheitert ansehen und sein Amt als
Reichskanzler niederlegen müsse. Graf Hertling hat mir später erzählt,
der Kaiser habe erst, nachdem er von meinem Brief vom 28. Oktober
Kenntnis genommen hatte, sich zu der Bewilligung meines Abschieds bereit
gefunden. Der Kaiser teilte mir die Genehmigung meines Abschiedsgesuches
in einem ungewöhnlich herzlichen Handschreiben mit, an dessen Schluß er
die Erwartung ausdrückte, daß ich mich zur Erfüllung besonderer Aufgaben
zu seiner Verfügung halten würde. Er hat mir diese Erwartung auch
persönlich ausgesprochen mit dem ausdrücklichen Hinzufügen, daß er
insbesondere für die Friedensverhandlungen auf meine Dienste rechne.

Mit meiner Entlassung und der Ernennung des Herrn von Payer zu meinem
Nachfolger als Stellvertreter des Reichskanzlers war die Krisis
abgeschlossen. Der Übergang von dem sogenannten »konstitutionellen
Regime« zum »parlamentarischen Regime« war in der Sache vollzogen. An der
Spitze der Regierung des Reiches und Preußens stand als Reichskanzler und
Ministerpräsident nunmehr ein Mann, der lange Jahre hindurch als
Abgeordneter der Führer der Zentrumspartei gewesen war. Sein Vertreter im
Reich war der anerkannte Führer der Fortschrittlichen Volkspartei und
gleichzeitig der Mann des Vertrauens der Mehrheitssozialisten, die mehr
noch als seine eigenen Parteigenossen auf seiner Ernennung zum
Vizekanzler bestanden hatten. Vizepräsident des Preußischen
Staatsministeriums war der nationalliberale Parteiführer Dr. Friedberg.
Soweit das Reich in Betracht kam, stellte diese Kombination eine
Vertretung der parlamentarischen Mehrheitsgruppierung dar, wie sie sich
seit dem Beginn der Julikrisis entwickelt hatte. Für Preußen allerdings
stand hinter dem »Kabinett Hertling« keine parlamentarische Mehrheit,
zumal da weder die Nationalliberalen noch das Zentrum des Preußischen
Abgeordnetenhauses geschlossen hinter dem wichtigsten Programmpunkte der
neuen Regierung, dem gleichen Wahlrecht, standen. Die das
parlamentarische System vertretenden Parteien gingen hier über das auf
Grund des Dreiklassenwahlrechts gewählte Parlament zur Tagesordnung über
und antizipierten die künftige, auf Grund des gleichen Wahlrechts zu
wählende Volksvertretung, in der sie für sich die Mehrheit glaubten
erwarten zu können.

Ich weiß mich frei von persönlicher Empfindlichkeit und stehe nicht an zu
bekennen, daß in den mehr als drei Kriegsjahren das alte
»konstitutionelle Regime« versagt hatte. Mehr als jemals in
Friedenszeiten war die Regierung in diesem Kriege, der vom deutschen
Volke das Höchste und Letzte verlangte, auf die gutwillige und
verständnisvolle Unterstützung durch die Volksvertretung angewiesen. In
den ersten Kriegsjahren wurde ihr diese Unterstützung in dem Schwunge
vaterländischer Begeisterung und in der Erkenntnis der Hochgefahr für
Reich und Volk ohne Mäkeln und Markten gewährt. Aber allmählich wurde in
der Empfindung des Volkes und seiner Vertretung das Außerordentliche zum
Alltäglichen. Der erste Grundsatz des Burgfriedens, daß während des
Krieges von keiner Seite eine Veränderung des innerpolitischen Status quo
verlangt, geschweige denn erzwungen werden sollte, wurde preisgegeben,
und damit wurde neben dem Krieg nach außen der Kampf im Innern
entfesselt. Ein Kampf unter ungleichen Bedingungen. Denn in ihm waren
diejenigen Volksteile und Parteien die stärkeren, die sich nicht
scheuten, für die Durchsetzung ihrer Forderungen die Not- und Zwangslage
auszunutzen, die der Krieg über das Reich verhängte. Die Sozialdemokratie
war es, die -- treibend und getrieben -- hier voranging. Ihre Führer
haben schon frühzeitig in dringlicher Form innerpolitische Forderungen
präsentiert, sicherlich zum Teil in der guten und ehrlichen Absicht, die
unter dem Druck des Krieges immer schwerer leidenden Massen gegenüber der
gefährlichen Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten nicht nur bei
der Partei, sondern auch bei der Sache des Vaterlandes festzuhalten. Die
Fortschrittliche Volkspartei, das Zentrum und die Nationalliberalen
folgten mehr oder minder zögernd, teils in der Überzeugung, daß nur eine
Erweiterung der Volksrechte unser Volk moralisch zum Durchhalten
befähigen könne, teils aber auch aus Parteikonkurrenz, vor allem aber aus
dem Gesichtspunkt heraus, daß der Krieg verloren sei, wenn die
Sozialdemokratie mit ihrer Gefolgschaft abschwenke und etwa die
Kriegskredite verweigere.

Mit dem Aufwerfen der innerpolitischen Streitfragen und dem
Wiederaufleben des Parteikampfes hörte auch die reibungslose
Unterstützung der Regierung durch den Reichstag auf. Die alte Übung der
Friedenszeit trat wieder in Kraft, nach der die Reichstagsparteien in der
Reichsleitung den natürlichen Gegner sahen, nach der jede Kritik und
jeder Angriff gegen die Regierungsvertreter eine lobenswerte
parlamentarische Tat war und der Abgeordnete es fast als eine
Verlegenheit empfand, für die Regierung als »freiwilliger
Regierungskommissar« eintreten zu müssen. Schon im Frieden ließ sich mit
diesem System nur schwer regieren, im Krieg wurde es zur Unmöglichkeit.
Eine Regierung, die den größten Krieg der Weltgeschichte zu führen hatte,
durfte nicht durch Reibungen mit dem Parlament, oft der kleinlichsten
Art, bis nahezu an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit in Anspruch
genommen werden; sie durfte nicht fortgesetzt durch Angriffe aus der
Volksvertretung heraus und von der an den Vorgängen in der
Volksvertretung sich erregenden Presse und öffentlichen Meinung gegenüber
dem Ausland in ihrer Autorität geschwächt werden. Beides aber trat mit
der zunehmenden Dauer des Krieges in steigendem Maße ein. Es wurde mir
mitunter als Unfreundlichkeit gegenüber dem Reichstag verdacht, wenn ich
mir erlaubte, darauf aufmerksam zu machen, daß die Reichsleitung, und
namentlich die Herren des wirtschaftlichen Reichsressorts, in diesem
Kriege noch etwas anderes zu tun hätten, als tagaus tagein in meist recht
fruchtlosen Verhandlungen im Reichstag und seinen Ausschüssen ihre Zeit
zu verbringen. In Wirklichkeit ist durch die Zeit und Kraft, die der
Reichstag mir und meinen Mitarbeitern überflüssigerweise entzogen hat,
die wirtschaftliche Kriegführung immer empfindlicher geschädigt und
beeinträchtigt worden. Und das gewohnheitsmäßige Betonen und
Unterstreichen eines jeden Gegensatzes zur Reichsleitung, dazu der mit
der Dauer des Krieges immer fühlbarer werdende Mangel an
Selbstbeherrschung seitens großer Teile der Volksvertretung mußten dazu
führen, im feindlichen Auslande nicht nur das Wort und die Handlungen
unserer leitenden Staatsmänner zu entwerten, sondern auch das Bild
unserer inneren Zerrüttung hervorzurufen und die Hoffnung zu erwecken,
daß sich das deutsche Volk gegen seinen Kaiser, gegen seine Regierung und
gegen eine angeblich herrschende Kaste werde ausspielen lassen. Wir haben
dem Präsidenten Wilson sein gefährlichstes Stichwort selbst geliefert.

Ich habe persönlich unter diesen Zuständen seit der Übernahme des
Reichsamts des Innern auf das schwerste gelitten, zumal da für mich die
Reibungen mit dem Parlament durch die im Verlauf dieser Darstellung
angedeuteten Reibungen mit der Obersten Heeresleitung empfindlich
verschärft wurden. Es war deshalb nicht eine Redensart, sondern mein
bitterer Ernst, wenn ich schon gelegentlich der Verabschiedung des Herrn
von Bethmann Hollweg den Kaiser bat, mir in Rücksicht auf die
Gegnerschaften in Parlament und Presse, die ich mir zugezogen hatte,
meine Entlassung zu gewähren, und wenn ich dem Grafen Hertling, als er
zur Übernahme des Reichskanzleramtes nach Berlin berufen wurde, mündlich
und schriftlich diese Gegnerschaft als eine für ihn ebenso unerwünschte
wie vermeidbare Belastung bezeichnete.

Es gab in der Tat nur zwei Wege: entweder den Konflikt mit der Mehrheit
des Reichstags entschlossen aufzunehmen, oder den Versuch zu machen,
durch die persönliche Zusammensetzung der Regierung ein möglichst
reibungsloses Hand-in-Hand-Arbeiten von Reichsleitung und Volksvertretung
zu sichern.

Es mag sein, daß es überhaupt nicht zum Konflikt gekommen wäre, wenn es
Kaiser und Kanzler ernstlich auf einen Konflikt hätten ankommen lassen.
Aber das Wagnis eines ernstlichen Konfliktes in einem Krieg, in dem wir
nicht nur auf die unbedingte Pflichterfüllung des Heeres, sondern auch
auf die gutwillige Mitarbeit aller schaffenden Hände in der Heimat
angewiesen waren, erschien zu groß.

Man beschritt also den zweiten Weg.

Von Anfang an habe ich auf das tiefste bedauert, daß sich die als
notwendig erkannte Fortbildung unserer verfassungsmäßigen Zustände in
Formen und unter Begleitumständen vollzogen hat, die unwürdig waren und
die geradezu demoralisierend wirken mußten. Graf Hertlings Position war
durch den Rückhalt, den er beim Zentrum hatte, stark genug, um die
Möglichkeit zu haben, die Führung bei der parlamentarischen Ausgestaltung
seiner Regierung in die eigene Hand zu nehmen. Er hatte es nicht nötig,
sich und die Krone nach langem Hin und Her einfach dem Diktat der
interfraktionellen Kommission zu unterwerfen. Aber zur eigenen Führung in
schwierigen Lagen reichte die Kraft des alten Herrn offenbar nicht mehr
aus.

So wurde Entstehung, Verlauf und Ende dieser zweiten Kanzlerkrisis zu
einer schweren Erschütterung der Staatsautorität, zu einer Ermutigung der
radikalen, ja umstürzlerischen Elemente im eigenen Lande und zu einer
neuen Hoffnung für unsere Feinde.


                     Die Anfänge des Grafen Hertling

Gleichwohl schien der Kanzlerschaft des Grafen Hertling in ihren Anfängen
ein guter Stern zu leuchten.

Innerpolitisch war nach der nahezu restlosen Befriedigung der sachlichen
und persönlichen Wünsche der Mehrheitsparteien eine Beruhigung
eingetreten. Als Graf Hertling am 29. November 1917 zum erstenmal als
Reichskanzler im Reichstag erschien und sein mit den Mehrheitsparteien
vereinbartes Programm entwickelte, da hörte er von allen Seiten
freundliche Worte. Zwar betonte er, daß an den Grundlagen der
Reichsverfassung, die recht eigentlich aus dem historisch gewordenen
Charakter des deutschen Volkes und seiner verschiedenen Stämme
hervorgewachsen sei, nichts geändert werden könne und solle. Aber man
nahm seine Handlungen für gewichtiger als seine Worte. Zwar beachtete er
in der Form die Grenzen der Kompetenz von Reich und Einzelstaaten so
genau, daß er die preußische Wahlreform, die nach wie vor im Brennpunkte
des innerpolitischen Interesses stand, überhaupt nicht beim Namen
nannte, sondern vorsichtig umschrieb: »Sie alle wissen, in welch
großzügiger Weise in dem mächtigsten deutschen Bundesstaat die Initiative
zu einer weitgreifenden Reform von der höchsten Stelle aus ergriffen
worden ist; ich habe jetzt und hier über diesen Gegenstand weiter nichts
zu sagen.« Die Linksparteien konnten diese formelle Korrektheit
hinnehmen; denn inzwischen hatten sie auf Grund der ihnen in den
Verhandlungen über die Hertlingsche Kanzlerschaft gegebenen Zusagen den
Erfolg erreicht, daß dem Preußischen Landtag das Gesetz über die
Wahlreform zugegangen war.

Aber nicht nur bei den Sprechern der Mehrheitsparteien fand Graf Hertling
ein freundliches Willkommen, sondern auch der Wortführer der
Konservativen, Graf Westarp, gab, bei allen Vorbehalten gegenüber den
Vorgängen bei der Ernennung des Grafen Hertling, namens seiner
politischen Freunde »der uneingeschränkten Wertschätzung für die Person
des jetzigen Reichskanzlers« Ausdruck.

Auffallend und bezeichnend war die Haltung der Mehrheitssozialdemokraten.
Sie hatten am stärksten auf die »Parlamentarisierung« der Regierung
gedrückt und, wenn sie auch für sich selbst auf eine Vertretung in der
neuen Regierung verzichteten, darauf bestanden, daß Herr von Payer als
Vertrauensmann der Mehrheitsparteien zum Vizekanzler ernannt wurde. Schon
der Verzicht auf den Eintritt eines ihrer Führer in die neue Regierung
hatte klar gezeigt, daß die Sozialdemokratie zwar einen entscheidenden
Einfluß ausüben, jedoch keine Verantwortung für die neue Regierung
mitübernehmen und sich für alles Weitere die Hände frei halten wollte.
Wer das nicht begriffen hatte, dem wurde es jetzt durch die Rede des
Herrn Scheidemann klar vor Augen geführt. Herr Scheidemann war so gütig,
die neue Regierung als einen »Fortschritt« zu bezeichnen, mit dem Zusatz:
»vorausgesetzt, daß sie ihr Programm hält«. Daß die neue Regierung die
erste in der Hauptsache parlamentarische Regierung sei, das sei für die
Sozialdemokratie ein Grund gewesen, ihr Zustandekommen zu fördern. Er
fügte jedoch hinzu:

»Es wäre aber sehr inkonsequent, wenn wir sagen würden, diese Regierung
unterstützen wir, mit ihr gehen wir durch dick und dünn, weil sie in der
Hauptsache eine parlamentarische Regierung ist. Gerade im Wesen des
parlamentarischen Systems liegt es, daß eine Regierung in erster Linie
aus den Parteien unterstützt wird, aus denen sie gebildet worden ist, und
erst in zweiter Linie vielleicht auch von solchen Parteien, die an dem
Fortbestand einer solchen Regierung ein sachliches Interesse haben, weil
das Regierungsprogramm bis zu einem gewissen Grade mit ihren eigenen
Wünschen und Auffassungen übereinstimmt.« Die Sozialdemokratie habe nicht
die Absicht, der neuen Regierung Opposition um jeden Preis zu machen;
sollten sich aber unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten
herausstellen, so werde sie die Regierung entschieden bekämpfen müssen.
»Wir wollen diesen Kampf gewiß nicht unnötigerweise suchen, und wenn die
Politik der Regierung sich so gestaltet, daß wir ihn vermeiden können,
dann wird das für unser Land zweifellos das Beste sein.«

Die Sozialdemokratie, die den stärksten Druck auf die Umbildung der
Regierung und den Übergang zum parlamentarischen System ausgeübt hatte,
behielt sich also ihre Stellung zu der neuen, nach ihren Wünschen
gebildeten parlamentarischen Regierung vor. Bei den Forderungen hatte sie
sich den Mehrheitsparteien, die ohne sie überhaupt keine Mehrheit
darstellten, zugezählt; bei der Übernahme von Verpflichtungen stellte sie
sich außerhalb der Mehrheitsparteien. Das war der hippokratische Zug, der
dem neuen parlamentarischen Regime von Anfang an aufs Gesicht geschrieben
war.

                    *       *       *       *       *

Militärisch erhielt die Lage zur Zeit der zweiten Kanzlerkrisis und der
ersten Wochen der Hertlingschen Kanzlerschaft ihr Gepräge durch die von
uns und unserem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen vereint
durchgeführte glänzende Offensive an der italienischen Front. Am 24.
Oktober hatte der Angriff an der Isonzofront begonnen. In wenigen Tagen
waren den Italienern wieder alle Vorteile entrissen, die sie in
zweiundeinhalb Kriegsjahren und in den elf blutigen Isonzoschlachten
errungen hatten. Es folgte der Einbruch unserer Truppen in die
italienische Ebene. Am 30. Oktober fiel Udine, am 5. November wurde der
Tagliamento überschritten. Wenige Tage später standen unsere Truppen am
Piave. Die italienische Armee war auf das schwerste erschüttert und durch
große Verluste an Menschen und Material geschwächt. Italien mußte sich an
seine Verbündeten um Hilfe wenden.

Im Westen boten Engländer, Franzosen und ihre Hilfsvölker alle Kraft auf,
um den Krieg vor dem Winter zur Entscheidung zu bringen. Aber die
gewaltigen Vorstöße in Flandern, am Chemin des Dames und vor Verdun kamen
über örtliche Erfolge nicht hinaus und liefen sich im Laufe des November
tot. Die nicht unwesentlichen Vorteile, die gegen Ende November die
Engländer in einem überraschend angesetzten, mit zahlreichen Tanks
arbeitenden Angriff bei Cambrai errangen, wurden ihnen durch einen
mächtigen deutschen Gegenstoß wieder entrissen. Als der Winter kam, hatte
sich überall im Westen der gewaltige Anprall der feindlichen Massen und
Maschinen unter den schwersten Verlusten an dem elastischen System
unserer Verteidigung gebrochen. Wie unsere Oberste Heeresleitung die Lage
im Westen beurteilte, ergab sich für mich aus einer Äußerung, die General
Ludendorff, als ich im Laufe der zweiten Novemberhälfte das Große
Hauptquartier besuchte, mir gegenüber tat. Er bezeichnete es als möglich,
daß der Augenblick kommen werde, wo wir an der Westfront aus der
Verteidigung zum Angriff übergehen und dadurch vielleicht die
Entscheidung des Krieges herbeiführen könnten.

In Frankreich äußerte sich die Erregung über die italienische Niederlage
und die Erfolglosigkeit der gewaltigen eigenen Anstrengungen und Opfer in
einer neuen Ministerkrisis, die an Stelle des Herrn Painlevé Herrn
Clemenceau ans Ruder brachte. Bei der bekannten Stellung Clemenceaus zu
den Kriegs- und Friedensfragen mußte man in diesem Wechsel den Ausdruck
des zum Äußersten entschlossenen Willens der Franzosen sehen, den Krieg
ohne Rücksicht auf Opfer und Gefahren mit allen Mitteln bis zum Äußersten
durchzukämpfen.

Ausgesprochen ungünstig war die Entwicklung der Dinge bei unserem
türkischen Bundesgenossen, namentlich an der sogenannten »Sinaifront«.
Noch im Frühjahr 1917 hatten die Türken starke englische Angriffe bei
Gaza, an der Grenze zwischen der Halbinsel Sinai und Palästina, siegreich
zurückgeschlagen. Jetzt, mit Beginn der günstigen Jahreszeit, griffen die
Engländer nach großen Vorbereitungen erneut an. Schon Anfang November
mußte die Sinaifront zurückgenommen werden. Die Engländer drängten scharf
nach. Am 10. Dezember 1917 besetzten sie das von den Türken aufgegebene
Jerusalem.

Das wichtigste Ereignis jener Zeit spielte sich jedoch in Rußland ab.
Dort war in den ersten Novembertagen die zweite Revolution, die
Revolution der Bolschewisten, ausgebrochen. Am 8. November war Kerenski
gestürzt und geflohen; der Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte konnte
von Petersburg aus verkünden, daß er alle Gewalt in seine Hand genommen
habe. Am Tage darauf veröffentlichte die neue Regierung ihr Programm, an
dessen Spitze die sofortige Herbeiführung eines Waffenstillstands an
allen Fronten und der Abschluß eines »demokratischen Friedens« stand. Die
folgenden Wochen waren mit inneren Kämpfen ausgefüllt, in denen sich die
Bolschewikiregierung mit Lenin als Präsident und Trotzki als
Volkskommissar für die auswärtigen Angelegenheiten behauptete. Am 23.
November teilte Trotzki den russischen Botschaftern telegraphisch,
gleichzeitig mit der Konstituierung des »Rates der Volksbeauftragten« als
der neuen Regierung, den Vorschlag mit, daß alle kriegführenden Völker
sofort einen Waffenstillstand schließen und in Friedensverhandlungen
eintreten möchten; als Grundlage für die Verhandlungen wurde bezeichnet
die Unabhängigkeit der Völker und ihr Recht, ihre Entwicklung selbst zu
bestimmen, sowie der Ausschluß von Annexionen und Kontributionen. An
demselben Tage begann die neue russische Regierung die Geheimverträge
zwischen Rußland und seinen Verbündeten zu veröffentlichen zugleich mit
der Erklärung, daß diese Verträge für das russische Volk unverbindlich
seien. Das war ein deutlicher Beweis der Entschlossenheit der neuen
russischen Regierung, den Weg zum Frieden nötigenfalls ohne Rücksicht auf
die Ententegenossen zu gehen.

Am 29. November konnte Graf Hertling in seiner Antrittsrede dem Reichstag
mitteilen:

»Die russische Regierung hat gestern von Zarskoje-Selo aus ein von dem
Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, Herrn Trotzki, und dem
Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare, Herrn Lenin, unterzeichnetes
Funkentelegramm an die Regierungen und Völker der kriegführenden Länder
gerichtet, worin sie vorschlägt, zu einem nahen Termin in Verhandlungen
über einen Waffenstillstand und einen allgemeinen Frieden einzutreten.
Ich stehe nicht an zu erklären, daß in den bisher bekannt gewordenen
Vorschlägen der russischen Regierung diskutable Grundlagen für die
Aufnahme von Verhandlungen erblickt werden können, und daß ich bereit
bin, in solche einzutreten, sobald die russische Regierung hierzu
bevollmächtigte Vertreter entsendet. Ich hoffe und wünsche, daß diese
Bestrebungen bald festere Gestalt annehmen und uns den Frieden bringen
werden.«




                             Der Ost-Friede


In jenen Novembertagen des Jahres 1917, in denen die Frieden heischenden
Funksprüche der neuen Männer Rußlands in die Welt hinausgingen, schien
sich endlich die Hoffnung zu erfüllen, die acht Monate zuvor mit dem
Ausbruch der russischen Revolution aufgedämmert war: die Hoffnung auf das
Zurückebben der blutigen Hochflut des Krieges. Damals war diese Hoffnung
gescheitert. Das Rußland der Miljukow und Kerenski vermochte sich ebenso
wenig von den Ideen des panslawistischen Imperialismus zu trennen, wie
sich von der Furcht vor dem deutschen Imperialismus zu befreien und sich
aus der Gebundenheit an die Entente zu lösen. Der Krieg nach Osten ging
weiter, und der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg, der kurz
auf den Ausbruch der russischen Revolution folgte, kündigte die größte
Ausdehnung und höchste Steigerung des Völkerringens an.

Jetzt aber sprachen alle Zeichen dafür, daß die Rückbildung des Krieges
Ernst werden solle, daß zum erstenmal eine der ganz großen Mächte, dazu
die Macht, die damals im Juli 1914 die Brandfackel in das Haus der
Völker geschleudert hatte, die Waffen niederlegen werde. Alle Nachrichten
von der russischen Front und aus dem Inneren Rußlands stimmten dahin
überein, daß des russischen Volkes Kraft und Wille zum Krieg endgültig
gebrochen sei, und daß nur eine Regierung sich werde halten und
durchsetzen können, die dem russischen Volke den Frieden bringe.

Endlich wurde die Aussicht auf die Sprengung des feindlichen Ringes, die
Aussicht auf die Befreiung von dem ungeheuren russischen Druck und auf
die Beendigung des »Zweifrontenkrieges« in greifbare Nähe gerückt. Und
mehr als das! Nach dem furchtbaren Schlage, den unsere und unseres
österreichisch-ungarischen Verbündeten Herbstoffensive dem italienischen
Heere in Venetien versetzt hatte, war für uns auch an der Südfront die
seit zweieinhalb Jahren drohende Gefahr abgewendet und freiere Hand
gewonnen. Zum erstenmal seit Kriegsausbruch zeigte sich für uns die
Möglichkeit, unsere Kraft im wesentlichen auf dem für das Schicksal des
Krieges entscheidenden westlichen Kriegsschauplatz zu konzentrieren, wo
uns fast die gesamte Macht der Franzosen und Briten mit ihren
Hilfsvölkern gegenüberstand und wo wir das Eingreifen der Amerikaner zu
erwarten hatten. Dazu versprach der Friede im Osten endgültig die
Hungerblockade zu brechen, die immer schwerer auf unserem Volke lastete
und unsere Kraft zum Kämpfen und Durchhalten empfindlich zu schwächen
drohte. Diese Möglichkeiten mußten nicht nur unsere Aussichten für einen
militärischen Endkampf erheblich verbessern; sie erschienen auch
geeignet, unsere westlichen Feinde zum Nachdenken zu veranlassen und
ihnen das Betreten des Weges einer billigen Verständigung nahezulegen.

Der gute Geist unseres Volkes und der Menschheit schien den Weg zu
weisen, der aus dem völkerzermalmenden Elend des Krieges herausführte.


                 Der Waffenstillstand von Brest-Litowsk

In dem Funkspruch der neuen russischen Regierung vom 28. November 1917
hieß es:

»Der Friede, den wir beantragt haben, soll ein Völkerfriede sein, er soll
ein Ehrenfriede des Einverständnisses sein, der einem jeden Volke die
Freiheit der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung sichert... Wir
haben die Geheimverträge des Zaren und der Bourgeoisie mit den
Verbündeten veröffentlicht und diese Verträge für unverbindlich für das
russische Volk erklärt. Wir beantragen, mit allen Völkern öffentlich
einen neuen Vertrag auf der Grundlage des Einverständnisses und der
Zusammenarbeit zu schließen. Unseren Antrag haben die offiziellen und
offiziösen Vertreter der regierenden Klassen der verbündeten Länder mit
der Weigerung beantwortet, die Räteregierung anzuerkennen und sich mit
ihr ins Einvernehmen über die Friedensverhandlungen zu setzen. Die
Regierung der siegreichen Revolution entbehrt die Anerkennung der
professionellen Diplomatie; aber wir fragen die Völker, ob die
reaktionäre Diplomatie ihre Gedanken und Bestrebungen zum Ausdruck
bringt, ob die Völker ihrer Diplomatie erlauben, die große
Friedensmöglichkeit, die durch die russische Revolution eröffnet wurde,
fallen zu lassen.«

Hierauf antwortete die österreichisch-ungarische Regierung am 29.
November mit einem Telegramm, in dem sie die von der russischen Regierung
bekanntgegebenen Richtlinien für den abzuschließenden Waffenstillstand
und Friedensvertrag als geeignete Grundlagen für die Einleitung von
Verhandlungen bezeichnete und sich bereit erklärte, in Verhandlungen über
einen sofortigen Waffenstillstand und allgemeinen Frieden einzutreten.
Die deutsche Regierung ließ die am gleichen Tage vom Reichskanzler im
Reichstag abgegebene Erklärung gleichen Sinnes durch Funkspruch
verbreiten.

Bereits am 3. Dezember begannen in Brest-Litowsk, dem Hauptquartier des
Oberbefehlshabers-Ost, des Prinzen Leopold von Bayern, die Verhandlungen
zwischen Vertretern der Mächte des Vierbundes und der russischen
Sowjetrepublik.

Die russische Delegation versuchte zunächst, eine Diskussion über einen
allgemeinen Frieden und einen Waffenstillstand an allen Fronten
herbeizuführen. Da die Verbündeten Rußlands überhaupt nicht vertreten
waren, konnte eine solche Diskussion kein praktisches Ergebnis haben. Die
Delegationen des Vierbundes, deren Vollmachten nur auf den Abschluß eines
Waffenstillstandes mit Rußland lauteten, bestanden deshalb auf dieser
Beschränkung des Verhandlungsgebietes, die allein Erfolg versprach. Die
russische Delegation fügte sich widerstrebend. Schon jene erste
Besprechung ließ den Verdacht aufkommen, daß es den Russen mindestens
ebenso sehr auf eine Propaganda für ihre revolutionäre Weltanschauung wie
auf die Erzielung eines unmittelbar praktischen Ergebnisses im Sinne
des Friedens ankam. Sie behielten sich das Recht vor, die
Verhandlungsprotokolle unverkürzt zu veröffentlichen. Von diesem Recht
haben sie den ausgiebigsten Gebrauch gemacht und ihre Ausführungen bei
den Verhandlungen von vornherein weniger auf den unmittelbaren
Verhandlungszweck als auf die propagandistische Wirkung zugeschnitten.

In der Frage des Waffenstillstands selbst stellten die Russen zunächst
übertriebene Bedingungen. Vor allem verlangten sie die Erstreckung des
Waffenstillstands auf sechs Monate, womit ihnen jedes Interesse an dem
baldigen Abschluß eines endgültigen Friedens genommen gewesen wäre.
Außerdem forderten sie die Räumung der Inseln des Rigaischen Meerbusens
durch unsere Truppen. Als sie mit diesen Forderungen bei unseren
Verhändlern auf unüberwindlichen Widerstand stießen, begnügten sie sich
zunächst mit dem Abschluß einer »Waffenruhe«, die vom 7. bis zum 17.
Dezember laufen sollte, und reisten zur Einholung weiterer Instruktionen
nach Petersburg zurück.

Auch an der rumänischen Front wurde Waffenruhe vereinbart.

Die Verhandlungspause wurde von der russischen Regierung ausgiebig
benutzt, um im Weg der Funkspruchpropaganda die Arbeiter und Soldaten der
kriegführenden Mächte zu bearbeiten. In einem Funkspruch »An Alle« vom
12. Dezember 1917 führte sie aus: Die Verantwortung für den
Sondercharakter des Waffenstillstands treffe die Regierungen, die sich
weigerten, sich an den Verhandlungen zu beteiligen. Der Friede dürfe
keine gewaltsamen Annexionen bringen. Alle Völker, die sich unterdrückt
fühlten, müßten die Möglichkeit erhalten, in freier Volksabstimmung über
ihr ferneres Schicksal Bestimmung zu treffen. Dieser Grundsatz müsse auf
die Gebiete aller kriegführenden Staaten ausgedehnt werden, sowohl auf
die Mutterländer wie auch auf die Kolonien. Die Gebiete, die besonders
schwer unter dem Krieg gelitten hätten, müßten aus einem internationalen
Fonds entschädigt werden, der von den kapitalistischen Klassen der
kriegführenden Länder aufzubringen sei. Die arbeitenden Klassen der mit
Rußland verbündeten Länder seien jetzt durch die Geschichte berufen, ihre
ganze Kraft in die Wagschale zu werfen, um ihre Teilnahme an den
Friedensverhandlungen zu sichern. Eine nicht minder hohe Pflicht des
Proletariats Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei
sei die Schaffung solcher Bedingungen, welche die tatsächliche
Anerkennung der Grundlagen des demokratischen Friedens durch die
Vertreter dieser Länder sicherten. Jetzt habe die Stunde geschlagen, in
der die Völker selbst den Vertrag unterzeichnen sollten, der auf
allgemeiner Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung begründet sei. Für
die sozialistischen Parteien sei die Stunde gekommen, den vor siebzig
Jahren verkündeten großen Ruf zu verwirklichen: Proletarier aller Länder,
vereinigt euch!

Am 13. Dezember wurden in Brest-Litowsk die
Waffenstillstandsverhandlungen wieder aufgenommen. Die Russen kamen auf
die Räumung der Rigaischen Inseln nicht mehr zurück. Hinsichtlich der
Friedensfrage teilten sie lediglich mit, daß ihre Regierung
wünsche, sofort nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes in
Friedensverhandlungen einzutreten, was sich mit unseren eigenen Wünschen
durchaus deckte. In der Frage der Truppenverschiebungen während des
Waffenstillstands, die bei den ersten Verhandlungen einige
Schwierigkeiten gemacht hatte, wurde die Formel vereinbart, daß keine
operativen Truppenverschiebungen stattfinden sollten, es sei denn, daß
diese Verschiebungen im Augenblick der Unterzeichnung des
Waffenstillstands bereits eingeleitet seien.

In der Nacht vom 16. zum 17. Dezember wurde der Waffenstillstandsvertrag
unterzeichnet. Der Waffenstillstand erstreckte sich danach auf die
gesamte Landfront von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer sowie auf den
türkisch-russischen Kriegsschauplatz in Asien, ferner auf das Schwarze
Meer und auf die Ostsee östlich des 15. Längengrades. Der
Waffenstillstand sollte vom 17. Dezember 1917, mittags 12 Uhr, bis zum
14. Januar 1918 dauern, vom 21. Tag an mit siebentägiger Frist kündbar
sein und mangels Kündigung automatisch weiterlaufen. Die
Friedensverhandlungen sollten sofort aufgenommen werden.


            Die Vorbereitungen für die Friedensverhandlungen

Nachdem mein Abschiedsgesuch am 9. November bewilligt worden war, hatte
ich mich als bayrischer Reserveoffizier a. D. dem bayrischen
Kriegsministerium für eine militärische Verwendung zur Verfügung
gestellt. Ehe jedoch hierüber eine Bestimmung getroffen war, trat Anfang
Dezember der Reichskanzler Graf Hertling an mich heran und ersuchte mich,
angesichts der durch die Novemberrevolution in Rußland in nahe Sicht
gerückten Friedensverhandlungen die einheitliche Zusammenfassung der
Vorarbeiten der einzelnen Ressorts für den wirtschaftlichen Teil der
Friedensverhandlungen zu übernehmen. Ich stellte meine Bedenken gegen die
Übernahme einer solchen Aufgabe durch eine nicht mit der Autorität des
Reichskanzlers oder seines Vertreters ausgestattete Persönlichkeit
zurück, nachdem mir auch von denjenigen meiner früheren Kollegen in der
Reichsleitung und im Preußischen Staatsministerium, die am stärksten an
den Vorarbeiten für die Friedensverhandlungen beteiligt waren, der
dringende Wunsch ausgesprochen worden war, daß ich mich dem Ruf des
Reichskanzlers nicht entziehen möchte, und nachdem ich mich überzeugt
hatte, daß seit meinem Ausscheiden nichts mehr für die einheitliche
Leitung dieser Vorarbeiten geschehen war. Ich sprach meinerseits den
Wunsch aus, den neuen Auftrag im Ehrenamt und ohne irgendwelche Besoldung
oder Vergütung übernehmen zu dürfen.

Am 4. Dezember wurde mir der Auftrag der Zusammenfassung der
wirtschaftlichen Friedensvorarbeiten der Ressorts durch einen Erlaß des
Reichskanzlers erteilt.

Auf Grund mündlicher Besprechungen mit den Ressortchefs machte ich dem
Reichskanzler am 10. Dezember für die Gestaltung meiner Tätigkeit
folgenden Vorschlag:

»Ich denke mir die Ausführung des Auftrags so, daß ich mich über das in
den einzelnen Ressorts vorliegende Material unterrichte, dieses Material
bei mir sammle und ordne, daß ich ferner die Vorarbeiten auf ihre
Vollständigkeit sowie daraufhin einer Durchsicht unterziehe, ob zwischen
den Absichten und Wünschen der einzelnen Ressorts Übereinstimmung
besteht. Anregungen und Vorschläge, die ich zur Erwägung nach beiden
Richtungen hin etwa für notwendig erachte oder die sich sonst aus der
sachlichen Zusammenfassung ergeben, beabsichtige ich dann, sei es im Wege
des Schriftverkehrs, sei es im Wege der mündlichen Erörterung, mit den
Herren Ressortchefs oder ihren Vertretern zur Erledigung zu bringen.
Dadurch, daß ich mich auf Anregungen und Vorschläge dieser Art
beschränke, wird von vornherein überflüssige Doppelarbeit und ein
Eingriff in die sachliche Bearbeitung, die ausschließlich den beteiligten
Ressorts gemäß ihrer Zuständigkeit überlassen bleibt, vermieden werden.«

Ebenso wie die Vorbereitung der wirtschaftlichen Verhandlungen mit
Rußland wurde mir später (25. Dezember 1917) der gleiche Auftrag für
die Gesamtheit der Wirtschaftsfragen erteilt, die bei den
Friedensverhandlungen mit allen gegen uns im Kriege stehenden Staaten zu
regeln sein würden.

Die Zeit, die von der Erteilung des Auftrags für Rußland bis zum Beginn
der Friedensverhandlungen zur Verfügung stand, war außerordentlich knapp
bemessen. Trotzdem gelang es, vor der Abreise unserer Unterhändler eine
Einigung der Ressorts auf ein Programm für die Regelung der
deutsch-russischen Wirtschafts- und Rechtsfragen herbeizuführen, das den
schwierigen durch den Wirtschaftskrieg und die sozialistische Revolution
in Rußland geschaffenen Verhältnissen Rechnung tragen sollte. Es war
dies keine leichte Aufgabe; denn die Wiederherstellung der deutschen
Rechte und des deutschen Eigentums und die Vereinbarung der Entschädigung
für den Fall der Unmöglichkeit oder Untunlichkeit dieser
Wiederherstellung, ferner die Wiederherstellung der vertragsmäßigen
Grundlagen für die beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen erforderte
angesichts der von der bolschewistischen Regierung Rußlands erstrebten
und teilweise bereits in Angriff genommenen Sozialisierung von
Unternehmungen sowie von Produktions- und Betriebsmitteln auf dem Gebiete
der Landwirtschaft, des Bergbaues, der Industrie und des Handels das
Einschlagen neuer Wege, für die es bisher kein Vorbild gab. Unser
Programm fand in den wesentlichen Punkten die Zustimmung und später bei
den Verhandlungen die Unterstützung unserer Bundesgenossen, namentlich
Österreich-Ungarns.

Dagegen stimmte es mich sehr bedenklich, als ich kurz vor der Abreise
unserer Delegation gelegentlich einer am 17. Dezember beim Reichskanzler
abgehaltenen Besprechung mich überzeugen mußte, daß in den wichtigsten
politischen und territorialen Fragen eine klare Übereinstimmung weder
zwischen uns und unseren Bundesgenossen, noch auch zwischen unserer
politischen Leitung und der Obersten Heeresleitung vorlag.

Die Anfang November noch von mir geleiteten Besprechungen mit dem Grafen
Czernin, bei denen Polen im Vordergrund stand, hatten zu keinem Ergebnis
geführt. Graf Czernin hatte damals die alsbaldige Mitteilung von
Gegenvorschlägen und die Wiederaufnahme der Besprechungen im Beisein des
österreichischen und des ungarischen Ministerpräsidenten und
sachverständiger Berater für eine nahe Frist in bestimmte Aussicht
gestellt. Ich erhielt nunmehr auf meine Anfrage die Auskunft, daß die
Besprechungen bisher nicht wieder aufgenommen worden seien, da Graf
Czernin einen geplanten weiteren Besuch in Berlin im letzten Augenblick
infolge einer Erkrankung habe aufgeben müssen. Auch auf anderem Wege war
eine Verständigung mit unserem Bundesgenossen über die Ostfragen und die
Festlegung einer einheitlichen Marschroute für die Verhandlungen mit der
russischen Regierung nicht erzielt worden. Wir hatten also damit zu
rechnen, daß Österreich die Erreichung seines Zieles, das ehemals
russische Polen für den Anschluß an die Donaumonarchie in irgendeiner
Form zu gewinnen, durch ein Zusammenspielen mit den Russen und eventuell
auch den Polen versuchen würde, ohne uns die von uns für nötig gehaltenen
Sicherungen zu gewähren.

Die Gefahr eines Zusammenspielens der österreichischen Diplomatie mit den
Russen und Polen war um so größer, als die Österreicher davon überzeugt
waren, ihr polnisches Ziel auf dem Wege der vorbehaltlosen Anerkennung
des von den Russen wie von den Polen gewünschten Selbstbestimmungsrechts
der Völkerschaften der besetzten russischen Gebiete erreichen zu können;
denn man war in Österreich sicher, daß um den Preis Galiziens der
Anschluß des neuen Polen an das Reich der Habsburger zu haben sein werde.

Ich habe die undefinierte und damit uneingeschränkte Anerkennung des
Selbstbestimmungsrechts der Nationalitäten stets für eine Gefahr
gehalten, nicht nur für das Deutsche Reich hinsichtlich seiner
Grenzmarken im Osten, Westen und Norden, sondern vor allem auch für die
habsburgische Monarchie, für die es kein stärkeres Sprengpulver geben
konnte. Der Gedanke, daß man die Anwendung des einmal in der Sache
uneingeschränkt anerkannten Grundsatzes territorial auf die von uns und
unseren Verbündeten besetzten russischen Gebiete werde beschränken
können, war angesichts der Kundgebungen der neuen russischen Regierung
und auch gewisser von dem Präsidenten Wilson aufgestellter Thesen, vor
allem aber angesichts der in unverhüllter Deutlichkeit zutage tretenden
Bestrebungen der Polen, der Tschechen und Slowenen, geradezu naiv.

Unsere deutsche Politik hatte sich in ihrer Praxis auch nur mit starken
Vorbehalten zu dem Selbstbestimmungsrecht der Völkerschaften der
besetzten russischen Gebiete bekannt, indem sie das Recht, an der
Gestaltung der Neuordnung der unmittelbar vor unserer Haustür liegenden
Gebiete mitzusprechen, tatsächlich ausübte und in den Staatsräten,
Landesversammlungen und Landesräten Polens, Litauens und Kurlands hatte
Organe schaffen helfen, deren Beschlüsse sie als Ausübung des
Selbstbestimmungsrechts der Bewohner jener Gebiete anzusehen gewillt war.

Man mag diese von unserer Regierung befolgte Politik hinsichtlich der
russischen »Randstaaten« für richtig oder für falsch halten,
-- falsch war es auf jeden Fall, in die Friedensverhandlungen mit
Rußland hineinzugehen, ohne daß vorher wenigstens mit unserem
österreichisch-ungarischen Bundesgenossen eine nochmalige Aussprache
stattgefunden hatte und mit ihm eine klare Einigung über die in den
Verhandlungen einzunehmende Haltung erzielt war.

Auch zwischen dem Kanzler und dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
auf der einen Seite, der Obersten Heeresleitung auf der anderen Seite
war, als am 17. Dezember die Besprechung im Reichskanzlerpalais
stattfand, ein festes Einverständnis über die Linie, die bei den
Verhandlungen über den Ostfrieden innegehalten werden sollte, noch nicht
vorhanden. Kanzler und Staatssekretär reisten am Abend desselben Tages
nach dem Großen Hauptquartier, um dort, unmittelbar vor der Abreise des
Herrn von Kühlmann nach Brest-Litowsk, noch einmal die wichtigsten Fragen
zu besprechen. Ich habe späterhin nicht den Eindruck gewonnen, daß in
jener letzten Aussprache vor den Verhandlungen die nötige Klarheit und
Einigkeit herbeigeführt worden wäre.

Der Dualismus der Auffassungen und Ziele, der hier fortbestand, kam schon
in einer Besonderheit unserer Vertretung bei der Friedenskonferenz in
Brest zum Ausdruck. Der Kaiser erteilte dem Reichskanzler das Mandat zum
Abschluß der Friedensverhandlungen und bestellte Herrn von Kühlmann zum
bevollmächtigten Unterhändler. Neben Herrn von Kühlmann nahm aber an den
Verhandlungen als »Vertreter der Obersten Heeresleitung« der Chef des
Generalstabs des Oberbefehlshabers Ost, Generalmajor Hoffmann, teil, der
mitunter ausdrücklich namens der Obersten Heeresleitung in die
Verhandlungen eingriff und auch die Verträge als »Vertreter der Obersten
Heeresleitung« unterzeichnete. Dieses Verhältnis ist sowohl bei den
Verhandlungen selbst von dem Chef der russischen Delegation wie auch
späterhin im Reichstag beanstandet worden, zweifellos mit Recht; denn bei
Friedensverhandlungen zwischen zwei Staaten gibt es als zur Abgabe von
Erklärungen und zur Unterzeichnung der Verträge berechtigte Personen nur
bevollmächtigte Vertreter der einheitlichen Staatsgewalt. Es hätte nichts
im Wege gestanden, daß der Kaiser neben Herrn von Kühlmann den
Generalmajor Hoffmann als Unterhändler bevollmächtigt hätte; für einen
»Vertreter der Obersten Heeresleitung« war jedoch bei der Verhandlung und
bei der Unterzeichnung der Friedensverträge kein Raum. Aber diese kleine
formale Unkorrektheit, infolge deren das Deutsche Reich bei den
Verhandlungen in Brest zwiespältig vertreten war, hatte ihren tieferen
Grund in der Zwiespältigkeit, die zwischen der politischen Leitung und
der Obersten Heeresleitung nun einmal bestand und deren Ausgleich nicht
restlos gelungen war.

Mir blieb nichts übrig, als eindringlich auf die Gefahren des Fehlens
einer einheitlichen Linie hinzuweisen. Ich überschritt damit, da die
unausgeglichenen Meinungsverschiedenheiten auf politischem und
territorialem Gebiet lagen, ohnedies schon den Rahmen meiner auf die
wirtschaftlichen Vorbereitungen beschränkten Befugnisse. Zu meiner Sorge
mußte ich auch hier wieder die Beobachtung machen, daß der Graf Hertling
nicht mehr über die Kraft verfügte, um solcher Situationen Herr zu werden
und das von ihm als richtig Erkannte durchzusetzen. Von Herrn von
Kühlmann gewann ich den Eindruck, daß er sich zu sehr auf seinen guten
Stern verließ und darauf rechnete, es werde sich schließlich doch alles
zurechtziehen.


            Die erste Phase der Brester Friedensverhandlungen

Am 22. Dezember 1917 fand in Brest die erste Verhandlung über den Frieden
statt. Die Leiter der auswärtigen Politik sämtlicher beteiligten Staaten
waren, abgesehen von dem russischen Volkskommissar für die auswärtigen
Angelegenheiten, der sich durch Herrn Joffe, den späteren russischen
»Botschafter« in Berlin, vertreten ließ, persönlich anwesend.

In seiner Eröffnungsansprache führte Herr von Kühlmann u. a. aus:

»Unsere Verhandlungen werden erfüllt sein von dem Geist versöhnlicher
Menschenfreundlichkeit und gegenseitiger Achtung. Sie müssen Rechnung
tragen einerseits dem historisch Gegebenen und Gewordenen, um nicht den
festen Boden der Tatsachen unter den Füßen zu verlieren, andererseits
aber auch getragen sein von jenen neuen und großen Leitgedanken, auf
deren Boden die hier Versammelten zusammentreffen.«

Mit dem Hinweis auf das »historisch Gegebene und Gewordene« waren die
Vorbehalte angedeutet, die unsere Unterhändler in der Frage des
Selbstbestimmungsrechts der Nationalitäten machen mußten, sobald die
praktische Anwendung dieses Prinzips in Frage kam.

Schon in jener ersten Sitzung entwickelte die russische Delegation ihr
Programm. Sie schlug vor, folgende sechs Punkte den Verhandlungen
zugrundezulegen:

1. Keine gewaltsame Angliederung von eroberten Gebieten; die Truppen
werden die von ihnen besetzten Gebiete alsbald räumen.

2. Volle Wiederherstellung der politischen Selbständigkeit der Völker,
die ihre Selbständigkeit im Kriege verloren haben.

3. Den nationalen Gruppen, die vor dem Kriege keine politische
Selbständigkeit besaßen, wird die Möglichkeit gewährleistet, die Frage
ihrer Zugehörigkeit zu diesem oder jenem Staat oder ihrer staatlichen
Selbständigkeit durch freie Volksabstimmung zu entscheiden.

4. Gewährleistung der Rechte der nationalen Minderheiten in national
gemischten Gebieten.

5. Keine Kriegsentschädigung. Privatschäden sind aus einem besonderen
Fonds, zu dem alle kriegführenden Länder proportional beisteuern, zu
entschädigen.

6. Die kolonialen Fragen werden unter Beachtung der in den Punkten 1-4
enthaltenen Grundsätze entschieden.

Die russische Delegation schlug weiter vor, jede Art versteckter
Bekämpfung der Freiheit schwächerer Nationen durch stärkere
auszuschließen, so den wirtschaftlichen Boykott, die wirtschaftliche
Unterjochung eines Landes durch ein anderes im Wege aufgezwungener
Handelsverträge, die Verhängung von Seeblockaden, die nicht unmittelbare
Kriegszwecke verfolgen.

Die Vertreter der Mächte des Vierbundes erklärten ihre Bereitwilligkeit,
in eine Prüfung der russischen Vorschläge einzutreten.

Auch Graf Czernin hatte sein Programm für die Verhandlungen mitgebracht.
Es kam demjenigen der russischen Delegation sehr nahe, insbesondere auch
in der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Bewohner Polens,
Litauens und des Baltikums und in der Frage der Räumung der besetzten
Gebiete. Jetzt war also die Zwangslage da, in der die Vertreter des
Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns in der allerkürzesten Frist
angesichts des Verhandlungsgegners die bisher versäumte Einigung
wenigstens insoweit nachholen mußten, daß eine einheitliche Antwort auf
die russischen Vorschläge formuliert werden konnte.

Graf Czernin selbst hat in seiner Rede vom 11. Dezember 1918 über diese
Lage wie folgt berichtet:

»Bei Besprechung dieses (des österreichisch-ungarischen) Entwurfs mit den
deutschen Unterhändlern ergaben sich besonders in zwei Punkten große
Schwierigkeiten. Die eine betraf die Räumungsfrage. Die deutsche
Heeresleitung erklärte kategorisch, daß sie einer Räumung der besetzten
Gebiete vor Abschluß des allgemeinen Friedens unter keinen Umständen
zustimmen könne. Der zweite Gegensatz tauchte in der Behandlung der
besetzten Gebiete auf. Deutschland bestand nämlich darauf, es solle im
Friedensvertrag mit Rußland bloß festgestellt werden, daß Rußland den
Völkerschaften auf seinen Gebieten das Selbstbestimmungsrecht gewährt
habe, und daß diese Nationen von diesem Rechte bereits Gebrauch gemacht
hätten. Den in unserem Entwurf eingenommenen klaren Standpunkt vermochten
wir nicht durchzusetzen, obwohl dieser auch von den anderen Verbündeten
geteilt wurde. Immerhin kam bei Redigierung der dann am 25. Dezember 1917
auf die russischen Friedensvorschläge erteilten Antwort unter unserem
beharrlichen Drängen eine Kompromißlösung zustande, die wenigstens
vorerst den ablehnenden deutschen Standpunkt in diesen beiden Fragen
nicht zum Durchbruch kommen ließ. In der Frage der Räumung der besetzten
Gebiete wurde deutscherseits das Zugeständnis gemacht, daß über die
Zurückziehung einzelner Truppenteile eventuell schon vor dem allgemeinen
Frieden Vereinbarungen getroffen werden könnten. In der Annexionsfrage
konnte eine befriedigende Formulierung dadurch erzielt werden, daß sie
auf den Fall des allgemeinen Friedens abgestellt wurde. Wäre damals die
Entente zu einem allgemeinen Frieden bereit gewesen, so wäre das Prinzip
'keine Annexionen' vollkommen durchgedrungen.«

Am 25. Dezember 1917 verlas Graf Czernin in der Besprechung mit den
russischen Bevollmächtigten namens des Vierbundes die also
zustandegekommene Kompromißerklärung. Sie stellte voran die
Bereitwilligkeit der Mächte des Vierbundes, unverzüglich einen
allgemeinen Frieden ohne gewaltsame Gebietserwerbungen und ohne
Kriegsentschädigungen zu unterschreiben; es müsse aber ausdrücklich
darauf hingewiesen werden, daß sich sämtliche jetzt am Kriege beteiligten
Mächte innerhalb einer angemessenen Frist ausnahmslos ohne jeden Rückhalt
zur genauesten Beachtung der alle Völker in gleicher Weise bindenden
Bedingungen verpflichten müßten, wenn die Voraussetzungen der russischen
Delegation erfüllt sein sollten.

Im einzelnen erklärte Graf Czernin zu den sechs Punkten des russischen
Vorschlags:

1. Gewaltsame Aneignung von Gebieten, die während des Krieges besetzt
worden sind, liege nicht in der Absicht der verbündeten Regierungen. Über
die Truppen in den zurzeit besetzten Gebieten werde im Friedensvertrage
Bestimmung getroffen werden, soweit nicht über die Zurückziehung an
einigen Stellen vorher Einigkeit erzielt wird.

2. Es liege nicht in der Absicht der Verbündeten, eines der Völker, die
in diesem Kriege ihre politische Selbständigkeit verloren haben, dieser
Selbständigkeit zu berauben.

3. Die staatliche Zugehörigkeit nationaler Gruppen, die keine staatliche
Selbständigkeit besitzen, könne nicht zwischenstaatlich geregelt werden,
sondern sei von jedem Staat mit seinen Völkern selbständig auf
verfassungsmäßigem Wege zu lösen.

4. Der Schutz des Rechtes der nationalen Minderheiten bilde einen
wesentlichen Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts der Völker.

5. Die verbündeten Mächte hätten mehrfach die Möglichkeit eines
wechselseitigen Verzichtes auf Ersatz sowohl von Kriegskosten als auch
von Kriegsschäden betont. Hiernach würden von jeder kriegführenden Macht
nur die Aufwendungen für ihre in Kriegsgefangenschaft geratenen
Angehörigen sowie die im eigenen Gebiet durch völkerrechtswidrige
Gewaltakte den Zivilangehörigen des Gegners zugefügten Schäden zu
ersetzen sein.

6. Die Rückgabe der während des Krieges besetzten Kolonialgebiete sei ein
wesentlicher Bestandteil der deutschen Forderungen. Dagegen sei die
Anwendung des Selbstbestimmungsrechts der Bewohner auf die Kolonien in
den von der russischen Delegation vorgeschlagenen Formen zurzeit nicht
durchführbar.

Außerdem erklärte Graf Czernin die uneingeschränkte Zustimmung der
Vierbundmächte zu den von der russischen Delegation vorgeschlagenen
Grundsätzen der Ausschließung jedweder wirtschaftlichen Vergewaltigung.

In Erwiderung auf diese Erklärung machte der Führer der russischen
Delegation zwar einige Vorbehalte, erklärte jedoch zum Schluß, daß die in
der Antwort der Vierbundmächte enthaltene offene Ablehnung aller
aggressiven Absichten die Möglichkeit biete, sofort zu Verhandlungen über
einen allgemeinen Frieden unter allen kriegführenden Staaten zu
schreiten. Mit Rücksicht hierauf schlage er vor, eine zehntägige
Unterbrechung der Verhandlungen eintreten zu lassen, um den übrigen
kriegführenden Völkern die Möglichkeit zu geben, sich auf der jetzt
gewonnenen Grundlage den Verhandlungen anzuschließen. Nach Ablauf dieser
Frist müßten die Verhandlungen unter allen Umständen fortgesetzt werden.
Auf den Vorschlag des Grafen Czernin und des Herrn von Kühlmann erklärte
er sich jedoch bereit, sogleich in die Besprechung der Einzelfragen
einzutreten, die auch im Falle eines allgemeinen Friedens zwischen
Rußland und den vier Verbündeten zu regeln wären.

Durch die von dem Grafen Czernin abgegebene Erklärung waren, soweit das
Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten der besetzten Gebiete in Frage
kam, die Meinungsverschiedenheiten nicht beseitigt, sondern nur verdeckt.
Die künstlich aufgerichtete Kulisse mußte spätestens fallen, wenn -- wie
vorauszusehen war -- aus den allgemeinen Friedensverhandlungen nichts
wurde. Sie fiel aber schon vorher, und zwar auf Grund des Eingreifens der
Obersten Heeresleitung. Diese fand die von dem Grafen Czernin abgegebene
Erklärung nicht im Einklang mit den im Großen Hauptquartier mit dem
Reichskanzler und Herrn von Kühlmann getroffenen Absprachen und übersah
wohl auch nicht ganz die taktische Verhandlungslage. Sie remonstrierte
scharf.

»Der Leiter der deutschen Friedensdelegation,« so berichtet Graf Czernin,
»geriet in Gefahr, gestürzt zu werden, in welchem Falle wahrscheinlich
ein Exponent der schärfsten militärischen Auffassung die Leitung der
deutschen auswärtigen Politik in die Hand bekommen hätte. Da dies aber
auf den weiteren Gang der Friedensverhandlungen nur eine ungünstige
Wirkung ausüben konnte, mußte unsererseits alles aufgeboten werden, Herrn
von Kühlmann zu halten. Zu diesem Zweck wurde ihm zur Weitergabe nach
Berlin mitgeteilt, daß, wenn Deutschland bei seiner scharfen Politik
beharren werde, Österreich-Ungarn sich veranlaßt sehen würde, mit Rußland
einen Separatfrieden abzuschließen. Diese Erklärung ist in Berlin nicht
ohne Eindruck geblieben und hat wesentlich dazu beigetragen, daß Kühlmann
sich damals behaupten konnte.«

Die Wirkung des Eingreifens der Obersten Heeresleitung war, daß bei der
Beratung über die mit Rußland zu regelnden Einzelfragen Herr von Kühlmann
im Einverständnis mit dem Grafen Czernin am 27. Dezember 1917 einen
Vorschlag für die Artikel 1 und 2 des mit Rußland abzuschließenden
Friedensvertrages machte, der im wesentlichen besagte:

1. Rußland und Deutschland erklären die Beendigung des Kriegszustandes.
Deutschland würde bereit sein, sobald der Frieden mit Rußland geschlossen
und die Demobilisierung der russischen Streitkräfte durchgeführt ist, die
besetzten russischen Gebiete zu räumen, soweit sich nicht aus 2 ein
anderes ergibt.

2. Nachdem die russische Regierung für alle im Verband des Russischen
Reiches lebenden Völker ein bis zur völligen Absonderung gehendes
Selbstbestimmungsrecht proklamiert hat, nimmt sie Kenntnis von den
Beschlüssen, worin der Volkswille ausgedrückt ist, für Polen, sowie für
Litauen, Kurland, Teile von Estland und Livland die volle staatliche
Selbständigkeit in Anspruch zu nehmen und aus dem russischen
Reichsverbande auszuscheiden. Da in diesen Gebieten die Räumung nicht
gemäß den Bestimmungen unter 1 vorgenommen werden kann, so werden
Zeitpunkt und Modalitäten der nach russischer Auffassung nötigen
Bekräftigung der schon vorliegenden Lostrennungserklärungen durch ein
Volksvotum auf breiter Grundlage, bei dem irgendein militärischer Druck
in jeder Weise auszuschalten ist, der Beratung und Festsetzung durch eine
besondere Kommission vorbehalten.

Demgegenüber hielt die russische Regierung an ihrem Standpunkt fest, daß
als Ausdruck des Volkswillens nur das Ergebnis einer gänzlich freien, in
Abwesenheit jeglicher fremden Truppen erfolgenden Volksabstimmung
angesehen werden könne; sie erklärte sich jedoch damit einverstanden, daß
zur Prüfung der technischen Bedingungen für die Verwirklichung eines
derartigen Referendums sowie zur Festsetzung bestimmter Räumungsfristen
eine Spezialkommission eingesetzt werde.

Sodann wurde entsprechend dem russischen Vorschlage die Vertagung bis zum
4. Januar ausgesprochen, um Rußlands Verbündeten die Möglichkeit des
Beitritts zu den Verhandlungen zu geben.

Die sachliche Meinungsverschiedenheit zwischen dem deutschen und dem
russischen Standpunkt in der Frage der Räumung des besetzten Gebietes und
der Selbstbestimmung der Nationalitäten, die durch die vom Grafen Czernin
am 25. Dezember vorgetragene allgemeine Formulierung verdeckt worden war,
hatte nunmehr durch den Kühlmannschen Vorschlag vom 27. Dezember eine
scharfe Beleuchtung erfahren. Immerhin war die Verhandlung bis zu dem am
28. Dezember gefaßten Vertagungsbeschluß in guten Formen geführt worden.

In Petersburg dagegen schlug man sofort eine andere Tonart an. Durch die
offiziöse Petersburger Telegraphenagentur wurde über die Sitzung vom 28.
Dezember ein Bericht verbreitet, der dem Vorsitzenden der russischen
Delegation im Wege freier Erfindung die schärfsten Worte der Kritik und
des Protestes gegen die Kühlmannsche Formulierung in den Mund legte, in
der Absicht, die deutsche Vertretung eines illoyalen und unanständigen
Vorgehens zu beschuldigen. Außerdem ließ die Petersburger Regierung eine
wahre Flut von Funksprüchen und Aufrufen los, die gröbliche
Beschimpfungen der deutschen Heerführer und Heereseinrichtungen sowie
Aufforderungen revolutionären Charakters an die deutschen Truppen und
Arbeitermassen enthielten.

Der schon bei Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen durch das
Verhalten der russischen Delegation und, mehr noch, der russischen
Regierung entstandene Verdacht, daß es den führenden Männern des
bolschewistischen Rußland in erster Linie auf die Propaganda für die
Revolutionierung der breiten Massen und der Armeen der anderen
kriegführenden Länder ankomme, wurde jetzt zur unabweisbaren Gewißheit.
Wenn irgend etwas diese Gewißheit weiter verstärken konnte, so war es der
am 2. Januar 1918, zwei Tage vor dem für den Wiederbeginn der
Verhandlungen in Brest-Litowsk vereinbarten Termin, an die Regierungen
der Vierbundmächte gefunkte Vorschlag, die Friedensverhandlungen nach
Stockholm zu verlegen, zumal da dieser Vorschlag von der summarischen
Feststellung begleitet war, daß die russische Regierung den vom Grafen
Czernin am 25. Dezember 1917 gemachten Vorschlag -- also nicht etwa erst
die Kühlmannsche Formulierung vom 27. Dezember -- als dem Grundsatz der
freien Selbstbestimmung der Völker widersprechend ansehe.

Graf Hertling teilte daraufhin in dem am 4. Januar 1918
zusammengetretenen Hauptausschuß des Reichstags mit, er habe Herrn von
Kühlmann ermächtigt, die Verlegung der Friedensverhandlungen nach
Stockholm abzulehnen; abgesehen davon, daß wir nicht in der Lage seien,
uns von den Russen den Ort der Verhandlungen vorschreiben zu lassen,
sprächen gegen Stockholm technische Schwierigkeiten der telegraphischen
Verbindung mit den Hauptstädten der beteiligten Staaten sowie die Gefahr
von Machenschaften der Entente. Graf Hertling konnte seiner Mitteilung
hinzufügen, daß inzwischen bevollmächtigte Vertreter der Ukraine, die
sich am 19. Dezember 1917 zur selbständigen Volksrepublik erklärt hatte,
in Brest-Litowsk eingetroffen seien, und daß wir ganz ruhig mit den
Vertretern der Ukraine weiterverhandeln würden.

Die feste Haltung Deutschlands und seiner Verbündeten hatte zur Folge,
daß bereits am 5. Januar die Petersburger Regierung mitteilte, daß
angesichts des Eintreffens der Delegationen des Vierbundes am alten
Verhandlungsort auch die russische Delegation, dieses Mal unter der
Führung des Volkskommissars für die auswärtigen Angelegenheiten, des
Herrn Trotzki selbst, nach Brest-Litowsk kommen werde in der Überzeugung,
daß man sich dort über die Verlegung der Verhandlungen auf neutralen
Boden unschwer einigen werde.


           Die zweite Phase der Brester Friedensverhandlungen

In Erwartung der Ankunft Trotzkis und seiner Delegation wurden in
Brest-Litowsk zunächst mit den Vertretern der ukrainischen Volksrepublik
die Verhandlungen begonnen.

Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der russischen Delegation am
9. Januar erklärte Trotzki zunächst, angesichts der grundsätzlichen
Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts jeder Nation bis zur völligen
Lostrennung kein Hindernis für die Teilnahme der ukrainischen Delegation
an den Friedensverhandlungen zu sehen. Die Frage, ob die ukrainische
Delegation eine Unterabteilung der russischen Delegation darstelle oder
ob sie in diplomatischer Beziehung als Vertretung eines selbständigen
Staates zu behandeln sei, erklärte Herr Trotzki als erledigt, da die
ukrainische Delegation als eine selbständige Vertretung erschienen sei,
da diese Vertretung von der russischen Delegation anerkannt und von
keiner Seite ein anderer Vorschlag gemacht worden sei.

Am 12. Januar erklärte Graf Czernin namens der Vierbundmächte: »Wir
erkennen die ukrainische Delegation als selbständige Delegation und als
bevollmächtigte Vertretung der selbständigen ukrainischen Volksrepublik
an. Die formelle Anerkennung der ukrainischen Volksrepublik als
selbständiger Staat durch die vier verbündeten Mächte bleibt dem
Friedensvertrag vorbehalten.«

Herr Trotzki erklärte in der Sitzung vom 10. Januar ferner, daß Rußland
die Friedensverhandlungen weiterführen werde, unabhängig davon, ob die
Entente sich anschließe oder nicht. Er nahm Akt von einer Erklärung
Kühlmanns, daß mit dem Nichtbeitritt der Entente die Erklärung des Grafen
Czernin vom 25. Dezember 1917 hinfällig sei, und stellte dem das
unbedingte Festhalten der russischen Delegation an den von ihr
dargelegten Grundlagen eines »demokratischen Friedens« entgegen. Auf die
Verlegung der Verhandlungen nach einem neutralen Platz verzichtete er,
»um den Mächten des Vierbundes den Vorwand eines Abbruchs der
Verhandlungen aus technischen Gründen zu entziehen«.

In den folgenden Tagen entwickelte sich in der für die politischen
territorialen Fragen gebildeten Kommission, an deren Sitzungen die
Vorsitzenden der einzelnen Delegationen persönlich teilnahmen, ein
hartnäckiger Zweikampf Kühlmann-Trotzki um die Fragen der Räumung und des
Selbstbestimmungsrechts der besetzten Gebiete.

Die Diskussion wurde von Herrn Trotzki in einer unverkennbar für die
Außenwelt bestimmten aufreizend-agitatorischen Weise, dabei dialektisch
sehr gewandt und in vollendeter Rabulistik geführt. Die innere
Unaufrichtigkeit seines Eintretens für die reine und unverfälschte, vor
jeder Beeinflussung und jedem Druck zu behütende, nur in freier und
allgemeiner Volksabstimmung zu verwirklichende Selbstbestimmung der
Nationalitäten der besetzten Gebiete wurde in das hellste Licht gesetzt
durch das Verhalten des bolschewistischen Rußland gegenüber den dem
Bolschewismus abgeneigten eigenen Landes- und Bevölkerungsteilen. Während
Herr Trotzki in Brest-Litowsk den in freier Abstimmung sich bekundenden
Volkswillen als die höchste Norm im Völkerleben proklamierte, jagte seine
Regierung in Petersburg die aus freien Volkswahlen hervorgegangene
verfassunggebende Nationalversammlung mit bewaffneter Hand am Tage nach
ihrem Zusammentritt auseinander (20. Januar 1918). Abgesehen von dem
unerhörten Terror, den die bolschewistischen Machthaber im Sowjetrußland
selbst ausübten, versuchten sie in denjenigen Gebieten, die -- wie die
russische Regierung selbst anerkennen mußte -- auf Grund einwandfreier
Ausübung des Selbstbestimmungsrechts sich von dem bolschewistischen
Rußland zu trennen wünschten, so in Finnland und der Ukraine, mit Feuer
und Schwert, mit jedem Schrecken und jeder Gewalttat die Selbstbestimmung
zu unterdrücken und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung die
bolschewistische Herrschaft aufrechtzuerhalten oder herzustellen. Am
entsetzlichsten wüteten die Roten Garden und bolschewistischen Banden in
den jenseits der deutschen Stellungen liegenden Teilen Livlands und
Estlands. Ununterbrochen kamen von dort die herzergreifenden Hilferufe
der auf das schwerste bedrückten und mißhandelten Einwohnerschaft,
insbesondere des deutschstämmigen Teiles der Bevölkerung, auf dessen
völlige Vernichtung und Ausrottung die bolschewistischen Machthaber
Rußlands auszugehen schienen. Und inmitten der bedrohten und
vergewaltigten Nationalitäten wagte es einer der Urheber aller dieser
Schrecken, das Selbstbestimmungsrecht der Völkerschaften der von uns
besetzten Gebiete Tag für Tag in stundenlangen Agitationsreden für seine
weltrevolutionäre Propaganda auszuschlachten!

Während Herr von Kühlmann mit Zähigkeit und einer geradezu phlegmatischen
Ausdauer Herrn Trotzki an der Klinge blieb, riß dem General Hoffmann die
Geduld. In der Sitzung vom 12. Januar ergriff er, nachdem die russische
Delegation in reichlich anmaßendem Ton abermals ihre Forderungen
formuliert hatte, das Wort und führte aus: Die russische Delegation
spreche, als ob sie siegreich in unserem Lande stehe und uns die
Bedingungen diktieren könne; die Tatsachen lägen umgekehrt. Die russische
Delegation fordere für die besetzten Gebiete die Anwendung eines
Selbstbestimmungsrechts, wie sie es im eigenen Lande nicht anwende. Die
russische Regierung sei lediglich begründet auf Gewalt, die rücksichtslos
jeden Andersdenkenden unterdrücke. Die deutsche Oberste Heeresleitung
müsse eine Einmischung in die Angelegenheiten der besetzten Gebiete
ablehnen. Für uns hätten deren Völker ihrem Wunsch der Lostrennung von
Rußland bereits klar und unzweideutig Ausdruck gegeben.

Am nächsten Tag versuchte Herr von Kühlmann auf Grund einer Verständigung
mit dem Grafen Czernin, der nichts mehr fürchtete als den Abbruch, die
Verhandlungen wieder in ein ruhigeres Geleise zu bringen. Er lehnte zwar
namens der deutschen und der österreichisch-ungarischen Delegation die
russischen Vorschläge als unannehmbar ab, machte jedoch Gegenvorschläge,
die dem russischen Standpunkt immerhin entgegenkamen. Vor allem stellte
die neue Formulierung fest, daß Deutschland und Österreich-Ungarn nicht
die Absicht hätten, sich die jetzt von ihnen besetzten Gebiete
einzuverleiben oder sie zur Annahme einer bestimmten Staatsform zu
zwingen; allerdings müßten sie für sich und die Völker jener Gebiete
freie Hand für den Abschluß von Verträgen aller Art behalten. Die
Zurückziehung der Truppen sei zwar, solange der Weltkrieg andauere,
unmöglich; aber die Verminderung der Truppen auf eine für die
Aufrechterhaltung der Ordnung und die Weiterführung der technischen
Betriebe nötige Zahl könne angestrebt werden. Außerdem wurde zugestanden,
daß den gewählten Vertretern der Bevölkerung der besetzten Gebiete mit
fortschreitender Annäherung an den allgemeinen Frieden in steigendem
Umfang die Mitwirkung an den Verwaltungsaufgaben eingeräumt werden, sowie
daß ein »Volksvotum auf breiter Grundlage« die Beschlüsse über die
staatliche Zugehörigkeit der Bevölkerung der besetzten Gebiete
sanktionieren solle. -- Diese Vorschläge wurden als der »äußerste Rahmen
für eine friedliche Verständigung« bezeichnet.

Die Verhandlungen waren mit diesen Vorschlägen auf einem toten Punkt
angekommen. Graf Czernin hätte unsere Vertretung gern zu weitergehenden
Zugeständnissen gedrängt, dies um so mehr, als es ihm, wie er selbst
bekannt hat, »im allgemeinen und speziell auch wegen Polens durchaus
erwünscht gewesen wäre, die Territorialfragen auf Grund des vollständigen
Selbstbestimmungsrechts zu lösen«. Er wurde jedoch an der Ausübung eines
stärkeren Druckes auf Deutschland durch den Ausbruch einer akuten
Ernährungskrisis in Österreich verhindert, die ihn zwang, von Deutschland
eine Ausfuhr an Lebensmitteln zur Errettung Wiens vor einer
Hungerkatastrophe zu erbitten. »Unter diesen Verhältnissen,« so hat Graf
Czernin ausgeführt, »konnte in diesem Zeitpunkt den deutschen
Unterhändlern gegenüber der Gedanke nicht mehr ausgespielt werden, daß
Österreich-Ungarn gegebenenfalls mit Rußland einen Separatfrieden
schließen würde, wollte man nicht die deutsche Lebensmittelhilfe
gefährden; dies um so weniger, als der Vertreter der deutschen Obersten
Heeresleitung damals erklärte, es sei gleichgültig, ob Österreich-Ungarn
Frieden mache oder nicht; Deutschland werde unter allen Umständen nach
Petersburg marschieren, falls die russische Regierung nicht nachgebe.«
Auf der anderen Seite will Graf Czernin damals Herrn Trotzki bewogen
haben, die Ausführung der Absicht seiner Regierung, die russische
Delegation wegen mangelnder Aufrichtigkeit auf deutscher und
österreichisch-ungarischer Seite abzuberufen, in Schwebe zu lassen.


     Spannung zwischen der politischen Leitung und der Heeresleitung

Das Auftreten des Generals Hoffmann am 12. Januar hat den Zustand
schwerer Spannung bloßgelegt, die sich im Laufe der Verhandlungen mehr
und mehr zwischen unserer politischen und militärischen Leitung
herausentwickelt hatte. Eine unter dem Vorsitz des Kaisers am 2. Januar
im Schloß Bellevue abgehaltene Beratung hatte die Gegensätze nicht
ausgeglichen, sondern nur für den Augenblick überkleistert. Damals schon
schwirrten Gerüchte über eine ernstliche Krisis durch die Luft, die sich
bis zur Nachricht von dem Entlassungsgesuch des Generals Ludendorff
verdichteten. Der Verlauf, den die Verhandlungen in Brest nach dem
Eintreffen Trotzkis nahmen, entsprach in keiner Weise den Wünschen der
Obersten Heeresleitung, die wegen der Notwendigkeit, für die
Frühjahrsoperationen auf dem westlichen Kriegsschauplatz ihre
Dispositionen zu treffen, auf eine rasche Entscheidung drängte und in der
Trotzkischen Verhandlungsmethode nur den Versuch der Verschleppung und
der revolutionären Propaganda erblickte.

Am Sonntag, 13. Januar, am Tag nach der Hoffmannschen Erklärung in Brest,
besuchte mich in der Frühe vor neun Uhr unangesagt der Kronprinz, der --
ebenso wie Hindenburg und Ludendorff -- in Berlin eingetroffen war. Er
wollte offen und ungeschminkt meine Meinung über Herrn von Kühlmann
hören, dem von der Obersten Heeresleitung die schwersten Vorwürfe wegen
seiner Verhandlungsleitung gemacht würden. Ich legte dem Kronprinzen die
außerordentlichen Schwierigkeiten dar, unter denen Kühlmann zu verhandeln
hatte und die meines Erachtens von der Obersten Heeresleitung nicht in
vollem Umfang erkannt und gewürdigt würden. Kühlmann habe im Kampf mit
einem so gerissenen, skrupellosen und zielbewußten Gegner wie Trotzki
stets auch unsere Bundesgenossen und unsere eigene innere Lage im Auge zu
behalten. Ich machte kein Hehl daraus, daß nach meiner Ansicht der
Kardinalfehler darin liege, daß wir in diese schwierigen Verhandlungen
hineingegangen seien, ohne daß vorher eine klare Verständigung zwischen
unserer politischen und militärischen Leitung und zwischen uns und
Österreich-Ungarn herbeigeführt worden sei. Daraus müsse man für künftige
Verhandlungen lernen; ich könne aber nur auf das dringendste widerraten,
jetzt Herrn von Kühlmann abzuhalftern. Das Wesentlichste sei, daß
Reichskanzler und Oberste Heeresleitung sich endlich aufrichtig und
vollständig über das verständigten, was sie von den Russen wollten;
nötigenfalls müsse der Kaiser ein Machtwort sprechen und eine klare
Parole ausgeben.

Der Kronprinz sagte mir am Schluß der zweistündigen Unterhaltung, er
halte es für dringend geboten, daß ich mit Ludendorff über die Sache
spräche. Als ich es ablehnte, meinerseits in einer Angelegenheit, die
außerhalb meines Aufgabenkreises liege, einen Schritt bei dem General
Ludendorff zu tun, antwortete er, dann werde er Ludendorff veranlassen,
sich an mich zu wenden. Auf diese Weise hatte ich Gelegenheit, noch an
dem gleichen Nachmittag dem General Ludendorff meine Ansichten über Sache
und Personen darzulegen und so dazu beizutragen, daß damals in der
kritischen Zuspitzung der Brester Verhandlungen ein Wechsel in der
Leitung unserer auswärtigen Politik und in der Führung der
Friedensdelegation vermieden wurde.


                   Der Friedensvertrag mit der Ukraine

In Brest-Litowsk wurden angesichts der Stockung, die in den Verhandlungen
mit der russischen Delegation infolge der Unvereinbarkeit der
beiderseitigen Formulierungen eintrat, Sonderverhandlungen mit der
ukrainischen Delegation geführt.

Eine am 13. Januar stattgehabte vertrauliche Aussprache zwischen der
deutschen und der ukrainischen Delegation ergab, daß die ukrainische
Delegation in Anwendung des Selbstbestimmungsrechts des ukrainischen
Volkes auf die Regelung zweier Fragen einen besonders großen Wert legte:
auf die Einbeziehung des früher zu Kongreßpolen gehörigen und erst im
Jahre 1911 von der russischen Regierung aus dem Generalgouvernement
Warschau ausgesonderten Gouvernements Cholm in das Gebiet der
ukrainischen Volksrepublik; ferner auf Autonomie für den ganz vorwiegend
von Ukrainern (Ruthenen) bevölkerten östlichen Teil Galiziens und
nördlichen Teil der Bukowina.

Hinsichtlich Ostgaliziens verlangte in jener Unterredung der ukrainische
Staatssekretär Holubowitsch in erster Linie sogar eine Volksabstimmung
über die Zugehörigkeit zum österreichischen oder zum ukrainischen Staat.
Herr von Kühlmann behielt sich seine Stellungnahme zur Cholmer Frage vor;
hinsichtlich Ostgaliziens erklärte er, jede Macht, die nicht die
territoriale Integrität unserer Bundesgenossen als erste Voraussetzung
jeder Verhandlung unbedingt annehme, erkläre damit, daß sie nicht den
Frieden, sondern den Krieg wünsche.

Die ukrainische Delegation kam bei den weiteren Verhandlungen auf den
Wunsch einer Angliederung österreichischer Gebiete nicht zurück, bestand
aber auf der Angliederung des größtenteils von Ukrainern bewohnten
Gouvernements Cholm und auf besonderen Sicherungen für die nationalen und
politischen Rechte der ukrainischen Bevölkerung des österreichischen
Staatsgebietes. Graf Czernin lehnte zwar anfangs jede Einmischung in die
inneren Verhältnisse der Monarchie ab, zeigte auch Neigung, das Cholmer
Gouvernement für das künftige Polen zu beanspruchen, gab aber dann in
beiden Punkten nach. Ausschlaggebend war offenbar für ihm die Hoffnung,
durch einen raschen Friedensschluß mit der Ukraine der schwierigen
Ernährungslage Österreichs wirksam abhelfen zu können. Dieser
Gesichtspunkt war für ihn so wichtig, daß er um seinetwillen die sicher
zu erwartende tödliche Feindschaft der in Österreich so einflußreichen
Polen in Kauf nahm.

Hinsichtlich des Gouvernements Cholm begnügte er sich mit der Kautel, daß
die Grenze zwischen der Ukraine und Polen im einzelnen nach den
ethnographischen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der Wünsche der
Bevölkerung durch eine gemischte Kommission festgesetzt werden solle.

Hinsichtlich der ostgalizischen Frage schlug Graf Czernin eine
Deklaration vor, nach der Österreich der innerhalb seiner Grenzen
wohnenden ukrainischen Bevölkerung und die Ukraine den in ihren Grenzen
bleibenden polnischen Minoritäten die freie nationale und kulturelle
Entwicklung gewährleisteten. Er fügte hinzu, daß er sich diese
Gewährleistung so denke, daß die Ukrainer Ostgaliziens eine eigene
Provinz innerhalb Österreichs bilden würden.

Auf dieser Grundlage kam die Einigung zustande. Die Vereinbarung über die
Gewährung der Autonomie an die österreichischen Ukrainer sollte in
Rücksicht auf den zu erwartenden heftigen Widerstand der galizischen
Polen einstweilen geheimgehalten werden; sie wurde deshalb auch nicht in
den öffentlichen Friedensvertrag aufgenommen. Außerdem wurde dieses
Zugeständnis an einige wichtige Bedingungen gebunden, vor allem an das
Zustandekommen des Friedensvertrages innerhalb einer kurzbemessenen Frist
und an die Lieferung von mindestens einer Million Tonnen Getreide durch
die Ukraine bis zum 1. August 1918. Das Wort »Brotfriede«, das Graf
Czernin später für den Frieden mit der Ukraine prägte, war bezeichnend;
denn soweit Österreich in Betracht kam, ging dieser Friede in der Tat
nach Brot.

Im übrigen war für den Friedensvertrag mit der Ukraine, namentlich für
seinen wirtschaftlichen und seinen rechtlichen Teil, in den
Kommissionsverhandlungen über den russischen Friedensvertrag bereits
wertvolle technische Vorarbeit geleistet worden. Da außerdem auf beiden
Seiten der gute Wille vorhanden war, rasch zu einem Abschluß zu kommen,
wurde in der kurzen Zeit bis zum 20. Januar so weit Übereinstimmung über
die Grundlagen des abzuschließenden Friedens erzielt, daß die
Delegationen zur letzten Besprechung mit ihren Regierungen nach Hause
reisen konnten.

Als Ende Januar die Chefs der Delegationen nach Brest zurückgekehrt waren
und die Verhandlungen wieder aufgenommen wurden, bot Trotzki alles auf,
um das Zustandekommen des Friedens mit der Ukraine zu verhindern. Er
führte zwei Vertreter der ukrainischen Arbeiter-, Bauern- und
Soldatendeputierten, die sich inzwischen in Charkow als Gegenregierung
gegen die Zentralrada in Kiew konstituiert hatten, als Mitglieder der
russischen Delegation ein und erklärte, nachdem der größte Teil der
Kiewer Garnison zur ukrainischen Sowjetregierung übergegangen sei, werde
die Kiewer Rada, mit deren Delegierten die Vertreter des Vierbundes
bisher verhandelt hatten, überhaupt nur noch wenige Tage existieren.
Jedenfalls könnten nur solche mit der Ukraine getroffenen Abmachungen
anerkannt werden, die durch die Regierung der föderativen russischen
Republik ihre formelle Bestätigung erhielten.

Demgegenüber erklärte die ukrainische Delegation, daß die ukrainische
Volksrepublik sich ursprünglich bemüht habe, eine Föderation der
verschiedenen auf dem Gebiet des früheren russischen Kaiserreiches
entstandenen Republiken zu schaffen, daß aber, nachdem diese Versuche
gescheitert seien, die ukrainische Zentralrada die ukrainische
Volksrepublik am 24. Januar zu einem ganz selbständigen und von niemand
abhängigen Staat proklamiert habe. Die Differenzen mit den ukrainischen
Bolschewisten seien eine innere Angelegenheit der ukrainischen
Volksrepublik, die auf deren völkerrechtliche Stellung keinen Einfluß
haben könne. Die Unruhen in der Ukraine seien von der Petersburger
bolschewistischen Regierung mit Hilfe nichtukrainischer Soldaten, die in
einzelnen Städten Soldatenräte gebildet hätten, hervorgerufen worden. Die
Wahlen zur russischen Konstituierenden Nationalversammlung hätten in der
Ukraine eine Mehrheit von mehr als drei Vierteln zugunsten der
ukrainischen Zentralrada ergeben, und eine Minderheit von nur zehn
Prozent für die Bolschewisten.

Graf Czernin erklärte im Namen der Delegationen der vier verbündeten
Mächte, daß für diese kein Anlaß vorliege, die am 12. Januar
ausgesprochene Anerkennung der ukrainischen Delegation als einer
selbständigen Delegation und als einer bevollmächtigten Vertretung der
ukrainischen Volksrepublik zurückzunehmen oder einzuschränken; die
Regierungen des Vierbundes sähen sich vielmehr weiter veranlaßt, die
ukrainische Volksrepublik schon jetzt als unabhängigen, freien,
souveränen Staat anzuerkennen, der in der Lage sei, selbständig
internationale Abmachungen zu treffen.

Am 9. Februar morgens zwei Uhr wurde der Friedensvertrag zwischen den
Regierungen des Vierbundes und der ukrainischen Volksrepublik
unterzeichnet. Es war der erste Friedensschluß im Weltkrieg. Er betraf
den wirtschaftlich wichtigsten Teil des Russischen Reiches; denn die
Ukraine hatte in Friedenszeiten von der Getreideausfuhr Rußlands 40 vom
Hundert, von seiner Zuckerausfuhr sogar 80 vom Hundert aufgebracht, und
von der russischen Kohlenförderung und Eisengewinnung entfielen etwa zwei
Drittel auf die ukrainischen Gruben und Werke.


           Die letzte Phase der Brester Friedensverhandlungen

An dem gleichen Tag, in dessen ersten Morgenstunden der ukrainische
Friedensvertrag unterzeichnet worden war, erklärte Herr Trotzki: Vom
russischen Standpunkt sei die Anwendung, die von der Gegenseite dem
Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker gegeben werde, gleichbedeutend
mit der Ablehnung dieses Grundsatzes. Außerdem sei eine neue
Schwierigkeit entstanden durch die Stellungnahme des Vierbundes gegenüber
der Ukraine. Er protestierte gegen den Abschluß des ukrainischen
Friedensvertrages und bemerkte, die Handlungsweise des Vierbundes müsse
Zweifel hervorrufen, ob die Mittelmächte zu einer Verständigung mit der
Regierung des föderativen Rußland gelangen wollten.

Noch einmal versuchte Graf Czernin durch einen Kompromißvorschlag die
Fortsetzung der Verhandlungen zu retten. Aber auch die neue Formulierung,
die Herr von Kühlmann im Einverständnis mit dem Grafen Czernin den
russischen Delegierten vorschlug, fand nur Ablehnung.

Schließlich führte Herr Trotzki in der Sitzung vom 10. Februar aus, daß
nach Ansicht seiner Delegation jetzt die Entscheidungsstunde gekommen
sei. Rußland wolle keinen Teil mehr am Krieg haben; deshalb führe Rußland
sein Heer und Volk aus dem Kriege heraus. Unter Verzicht auf die
Unterzeichnung eines Friedensvertrages erkläre Rußland den Kriegszustand
mit Deutschland, Österreich-Ungarn, der Türkei und Bulgarien für beendigt
und erteile gleichzeitig den Befehl zur völligen Demobilisation der
russischen Streitkräfte an allen Fronten. Für die aus dieser Lage sich
ergebenden weiteren Besprechungen zwischen den Mächten des Vierbundes und
Rußland über die Gestaltung der wechselseitigen diplomatischen,
konsularischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen verwies Herr
Trotzki auf den Weg unmittelbaren Verkehrs zwischen den beteiligten
Regierungen und auf die bereits in Petersburg befindlichen Kommissionen
des Vierbundes.

Herr von Kühlmann hatte die Geistesgegenwart, sofort die durch diese
überraschende Erklärung geschaffene Situation zu präzisieren. Er stellte
fest, daß der Vierbund mit der russischen Regierung im Kriege stehe, daß
die Kriegshandlungen zwar durch den Waffenstillstand eingestellt seien,
bei Wegfall dieses Vertrages aber wieder aufleben würden. Der
Waffenstillstandsvertrag bezeichne als seinen Zweck den Abschluß des
Friedens. Komme dieser Zweck des Waffenstillstandsvertrages in Wegfall,
so würden die Kriegshandlungen nach Ablauf der vorgesehenen Frist wieder
aufleben. Die Tatsache, daß die eine von den beiden Parteien
demobilisiere, würde hieran weder tatsächlich noch rechtlich etwas
ändern. Im Anschluß an diese Feststellung schlug er für den nächsten Tag
eine Vollsitzung vor, in der die Stellungnahme der Verbündeten zu den
neuesten Mitteilungen der russischen Delegation bekanntgegeben werden
sollte.

Herr Trotzki erwiderte, die russische Delegation habe jetzt alle ihre
Vollmachten erschöpft und halte es für notwendig, nach Petersburg
zurückzukehren. Die Mitteilungen, welche die Delegationen des Vierbundes
machen würden, werde die Regierung der föderativen russischen Republik
beraten und darauf die Antwort erteilen.

Bei der auf diese Sitzung folgenden Aussprache zwischen den
diplomatischen und militärischen Unterhändlern Deutschlands und
Österreich-Ungarns stellte sich Graf Czernin auf den Standpunkt, daß der
durch die Erklärung Trotzkis geschaffene Zustand, der den Frieden »via
facti« herbeiführe, akzeptiert werden müsse. Er behauptete später, daß
auch Herr von Kühlmann, trotz seines vorsichtigen Vorbehaltes in der
Sitzung selbst, sich dieser Auffassung angeschlossen habe, und daß einzig
und allein der General Hoffmann eine abweichende Haltung eingenommen und
die Kündigung des Waffenstillstandes, den Vormarsch nach Petersburg und
die militärische Unterstützung der Ukraine gefordert habe.

In der Tat vertrat Herr von Kühlmann, der alsbald nach Deutschland
zurückkehrte, gegenüber den Forderungen der Obersten Heeresleitung einen
Standpunkt, der sich demjenigen des Grafen Czernin näherte. Demgegenüber
verlangte das Große Hauptquartier, daß Trotzkis Erklärung als Kündigung
des Waffenstillstandes behandelt und sofort nach Ablauf der siebentägigen
Frist mit dem Vormarsch der deutschen Heere in Estland und Livland und
dem Einmarsch in die von den Sowjettruppen auf das äußerste bedrängte
Ukraine beantwortet werden müsse. Die offiziöse »Norddeutsche
Allgemeine Zeitung« dagegen veröffentlichte eine Zuschrift eines
Staatsrechtslehrers, in der ausgeführt wurde, die Erklärung Trotzkis habe
hinsichtlich des Waffenstillstandes zur Folge, daß die Feindseligkeiten
erst wieder aufgenommen werden könnten, wenn der Waffenstillstand unter
Einhaltung der vertragsmäßigen Fristen ausdrücklich gekündigt worden
sei.

Die Entscheidung wurde in einer Beratung herbeigeführt, die am 13.
Februar unter Vorsitz des Kaisers im Großen Hauptquartier zu Homburg
stattfand. Sie fiel zugunsten der Auffassung und des Programms der
Obersten Heeresleitung, nachdem auch der Reichskanzler Graf Hertling sich
schließlich auf deren Standpunkt gestellt hatte. Herr von Kühlmann, der
ursprünglich die Kabinettsfrage gestellt hatte, entschloß sich auf
Drängen des Reichskanzlers zum Bleiben.

Am 16. Februar veröffentlichte das Wolffsche Bureau eine offiziöse Note,
die besagte: Durch die einseitige Erklärung Trotzkis sei
selbstverständlich der Kriegszustand nicht beseitigt; vielmehr habe die
Weigerung Trotzkis, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, die
Herstellung des Friedens unmöglich gemacht. Gerade zur Herbeiführung des
Friedens aber sei der Waffenstillstandsvertrag, wie seine Einleitung
ausdrücklich hervorhebe, abgeschlossen worden. Der Verzicht auf den
Frieden sei deshalb der Kündigung des Waffenstillstandes gleichzuachten;
die Kündigung sei als am 10. Februar erfolgt anzusehen. Die deutsche
Regierung müsse sich deshalb nach Ablauf der vertraglich vorgesehenen
siebentägigen Frist freie Hand nach jeder Richtung vorbehalten.

Am gleichen Tag überreichte die ukrainische Delegation in Brest-Litowsk
der deutschen Regierung eine Botschaft an das deutsche Volk, in der sie
die Hilfe des deutschen Heeres gegen die russischen Bolschewisten erbat,
die in die Ukraine eingerückt waren.

Ebenfalls an demselben Tag verließen die Kommissionen der verbündeten
Regierungen, die nach Abschluß des Waffenstillstandes im Dezember 1917
zur Regelung des Austausches der Zivilgefangenen und dienstuntauglichen
Kriegsgefangenen sowie zur Wiederherstellung des wirtschaftlichen
Verkehrs nach Petersburg entsandt worden waren, die russische Hauptstadt.
Bezeichnend war, daß ein Wiener Communiqué diesen Schritt mit der »durch
die Anarchie bedingten Unsicherheit« begründete und hinzufügte: »Sobald
die Sicherheitsverhältnisse in Petersburg es gestatten, wird sich die
Kommission wieder dorthin zurückbegeben.«

Am 17. Februar begannen die deutschen Truppen im Baltikum und in
Wolhynien ihren Vormarsch. In wenigen Tagen war ganz Livland, fast ganz
Estland und ein großer Teil Wolhyniens besetzt.

Am 20. Februar ließ die russische Regierung einen Funkspruch ergehen,
lautend: »Der Rat der Volkskommissare sieht sich veranlaßt, in Anbetracht
der geschaffenen Lage sein Einverständnis zu erklären, den Frieden unter
den Bedingungen zu unterzeichnen, die von den Delegierten des Vierbundes
in Brest-Litowsk gestellt wurden.«

Nun schwenkte auch Graf Czernin ein und ließ erklären: Die neue Wendung
sei ausschließlich dem ohne Zögern erfolgten militärischen Vorgehen gegen
die großrussische Republik zu danken; es sei selbstverständlich, daß
diese Aktion auf dem Einvernehmen der beiden Mittelmächte beruhe; wenn
bisher nur das Vorgehen deutscher Kräfte gemeldet werde, so
ergebe sich das aus der Tatsache, daß das Schwergewicht der
österreichisch-ungarischen Streitkräfte an dem südlichen Teil der
Ostfront liege. -- Diese Begründung war natürlich nur ein durchsichtiger
Vorwand; denn für die österreichisch-ungarischen Truppen hatte durchaus
die Möglichkeit bestanden, sich an dem Einmarsch in die Ukraine zu
beteiligen.

Die deutsche Regierung beantwortete den russischen Funkspruch mit einem
achtundvierzigstündigen Ultimatum, das die in Brest-Litowsk gestellten
Bedingungen ergänzte und in einigen wesentlichen Punkten verschärfte.
Insbesondere wurde neu verlangt, daß die aus der russischen
Territorialhoheit ausscheidenden Gebiete in der Gegend von Dünaburg bis
zur Ostgrenze Kurlands erweitert würden; ferner daß Livland und Estland
von den russischen Truppen geräumt und von deutscher Polizeimacht besetzt
werden sollten, bis Landeseinrichtungen die Sicherheit gewährleisteten
und die staatliche Ordnung hergestellt sei. Außerdem hatte sich Rußland
zu verpflichten, sofort Frieden mit der ukrainischen Volksrepublik zu
schließen und sofort seine Truppen sowohl aus der Ukraine wie aus
Finnland zurückzuziehen.

Dieses Ultimatum wurde am 24. Februar von dem Vollzugsrat
der großrussischen Sowjets mit 126 gegen 85 Stimmen bei 26
Stimmenthaltungen angenommen. Dagegen stimmten insbesondere die »linken
Sozialrevolutionäre«.

Am 2. März trafen die Delegationen Rußlands und der Vierbundmächte in
Brest-Litowsk wieder zusammen.

Bereits am folgenden Tag unterzeichneten die russischen Bevollmächtigten
die ihnen vorgelegten Verträge unter ausdrücklichem Verzicht auf eine
Durchberatung und auf Abänderungsanträge. Einen förmlichen Protest
erhoben sie gegen einen von der türkischen Delegation mit Unterstützung
der übrigen Vierbunddelegationen erst bei dieser neuen Zusammenkunft
verlangten Zusatz, nach dem die kaukasischen Bezirke Erdehan, Kars und
Batum ohne Verzug von den russischen Truppen geräumt werden sollten und
Rußland sich zu verpflichten hatte, sich in die Neuordnung der
staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Verhältnisse dieser Bezirke nicht
einzumischen, sondern es der Bevölkerung dieser Bezirke zu überlassen,
die Neuordnung im Einvernehmen mit den Nachbarstaaten, namentlich der
Türkei, durchzuführen. Aber die russische Delegation ließ es bei dem
Protest bewenden und unterzeichnete auch diese Bestimmung. Der Führer der
russischen Delegation, Herr Sokolnikow, erklärte: Rußland weiche der
Gewalt, der Friede sei kein Verständigungsfriede. Die Randvölker würden
unter dem Vorwand des Selbstbestimmungsrechts dem Einfluß des Gegners
unterstellt, um die dort herrschenden Klassen gegen die Revolution zu
schützen und die Kräfte der Gegenrevolution zu stärken. Auch in Finnland
und der Ukraine schütze der Vierbund die revolutionsfeindlichen
Bestrebungen. Rußland, durch den Bruch des Waffenstillstandes
vergewaltigt, unterzeichne den Friedensvertrag ohne Verhandlung, nachdem
es vergeblich an die deutschen Arbeiter appelliert habe.

Der letzte Satz bestätigte erneut die Taktik Trotzkis und seiner Genossen
in der russischen Regierung. Die bolschewistischen Machthaber brauchten
den Frieden; denn durch das Friedensbedürfnis des völlig zerrütteten und
erschöpften russischen Volkes waren sie zur Macht gekommen, und nur durch
die -- wenigstens scheinbare -- Erfüllung des Friedensbedürfnisses
konnten sie sich an der Macht halten. Das russische Heer lief ihnen unter
den Händen auseinander. Es demobilisierte von selbst, längst ehe Trotzki
am 10. Februar die Demobilisation ankündigte. Aber die Lenin und Trotzki
hofften die Friedensverhandlungen so führen zu können, daß ihnen in den
deutschen Mannschaften und Arbeitermassen eine Hilfstruppe erwüchse und
daß die von ihnen erstrebte Weltrevolution Deutschland erfasse. Später,
Anfang Juli 1918, hat Lenin auf dem Sowjetkongreß in Moskau gesagt:
»Zwischen dem Sieg der Oktoberrevolution und der internationalen
sozialistischen Revolution ist ein weiter Weg. Die Ausbrüche müssen in
anderen Ländern beginnen. Wir haben während der Verhandlungen von Brest
alles Mögliche getan, um diese Ausbrüche zu beschleunigen.«

Die Bolschewisten sind in ihrer Hoffnung durch gewisse Vorgänge in
Deutschland und Österreich-Ungarn zweifellos bestärkt worden. Die
»Sozialistische Korrespondenz« berichtete Anfang Januar 1918, es sei ihr
aus Stockholm aus einer vollkommen unanfechtbaren Quelle die Mitteilung
zugegangen, daß die Bolschewiki in den Tagen vor Weihnachten von Führern
der deutschen Unabhängigen Sozialdemokratie die dringende Mahnung
erhalten hätten, die Friedensverhandlungen zu verschleppen, da die
Entwicklung in Deutschland sich in ihrem, d. h. im revolutionären Sinn
vollziehe; der Abschluß eines Separatfriedens zwischen Deutschland und
Rußland wäre verwerflich, weil er diese Entwicklung in Deutschland
beeinträchtigen und die herrschenden Schichten stärken würde. -- Eine
Bestätigung solcher Aussichten mochten die Bolschewistenführer vor allem
in der Streikbewegung erblicken, die in der letzten Januarwoche zuerst in
Wien und den österreichischen Industriegebieten zum Ausbruch kam und
alsbald auf Berlin übersprang. Der Streik in Berlin entstand gegen den
Willen der Gewerkschaften und der alten Sozialdemokratie; aber die
Sozialdemokraten traten in die Streikleitung ein, um die Führung zu
gewinnen und den Streik »in geordnete Bahnen zu leiten«. Die Streikenden
erhoben nicht nur wirtschaftliche, sondern auch weitgehende politische
Forderungen. Die Reichsleitung, vertreten durch den Staatssekretär des
Innern Wallraf, erklärte sich bereit, über die politischen Forderungen
der Streikenden zwar mit den sozialdemokratischen Abgeordneten, nicht
aber mit der »Streikleitung« oder dem »Arbeiterrat« zu verhandeln, und
hielt diesen Standpunkt auch aufrecht. Der verschärfte Belagerungszustand
wurde verfügt, ein Verbot von Versammlungen, auch von solchen der
Streikleitung und des Arbeiterrats, wurde erlassen. Eine Anzahl von
Agitatoren wurde verhaftet, darunter auch der Reichstagsabgeordnete
Dittmann. Die Provinz verhielt sich in der Hauptsache ablehnend. Am 4.
Februar war der Streik im wesentlichen zu Ende.

Auch in Österreich, wo auf Grund der Nahrungsmittelkrisis die
Streikbewegung einen größeren Umfang und einen bedenklicheren Charakter
annahm, gelang es, ihrer Herr zu werden.

Als Trotzki am 10. Februar die Verhandlungen abbrach, hatte er wohl noch
eine letzte Hoffnung, daß die deutschen Truppen gegen das revolutionäre
Rußland nicht marschieren würden. Der rasche Vormarsch belehrte die
Petersburger Machthaber eines anderen. Die bisher für unmöglich gehaltene
Besetzung Petersburgs rückte mit einemmal in nahe Sicht. Sie hätte, wie
die Dinge damals lagen, voraussichtlich den Zusammenbruch der
Bolschewistenherrschaft gebracht und damit die Hoffnungen auf die
Weltrevolution vernichtet. Unter diesem Druck entschlossen sich die
Bolschewisten auf das Drängen Lenins, auf jede Bedingung hin
einzulenken, nicht in der Absicht, zu einem dauernden Frieden zu kommen,
sondern um, wie Lenin selbst sich ausdrückte, eine »Atempause« zu
gewinnen.

Auch der schärfste Gegner der Bolschewisten kann der Politik der Lenin
und Trotzki starkes Zielbewußtsein, zähe Tatkraft und verschlagene
Gewandtheit nicht absprechen. Inmitten des katastrophalen russischen
Zusammenbruchs vermochten sie in den Verhandlungen mit den militärisch
siegreichen Gegnern sich zunächst die Initiative zu sichern. Sie
vermochten ihr Programm zur Grundlage der Brester Verhandlungen zu machen
und damit ihre siegreichen Gegner von vornherein in eine
Verteidigungsstellung zu zwingen. Ja, sie fanden die Kraft zu einer
aggressiven Bedrohung des Rückens ihrer Verhandlungsgegner, indem sie
deren Völker zum Kampf gegen deren Staats- und Gesellschaftsordnung
aufriefen und indem sie den Versuch machten, den Krieg zwischen den
Völkern durch den Klassenkampf des internationalen Proletariats gegen den
»Kapitalismus« zu beendigen. Wenn auch dieser kühne Versuch im Augenblick
durch den Gegenzug des Friedensschlusses mit der Ukraine und unser
entschlossenes militärisches Vorgehen durchkreuzt wurde, so war dieser
Versuch doch keineswegs vereitelt. Er wurde vielmehr auch während der
»Atempause« mit Zähigkeit und in stiller Arbeit weitergeführt; die
Ereignisse seit dem November 1918 haben gezeigt, mit welchem Erfolg.


                         Der Friede von Bukarest

An den Schlußverhandlungen in Brest-Litowsk hatten Herr von Kühlmann und
Graf Czernin nicht mehr teilgenommen. Sie hatten sich noch im Februar
nach Bukarest begeben, um dort in Friedensverhandlungen mit der
rumänischen Regierung einzutreten.

Die rumänische Armee hatte gleichzeitig mit der russischen Anfang
Dezember 1917 Waffenruhe und Waffenstillstand mit der Heeresleitung der
Vierbundmächte abgeschlossen. Aber bald war es zwischen den rumänischen
Truppen, denen sich der russische Oberbefehlshaber an der rumänischen
Front, General Tscherbatscheff, mit einem Teil seiner Truppen anschloß,
und den bolschewistisch gesinnten, nach der Heimat zurückflutenden
russischen Verbänden zu Streitigkeiten und Feindseligkeiten gekommen, die
zu scharfen russischen Noten an die rumänische Regierung, vorübergehend
zur Verhaftung des rumänischen Gesandten in Petersburg, schließlich zu
Ultimaten und Ende Januar 1918 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen
zwischen Sowjetrußland und Rumänien führten. General Tscherbatscheff
wurde zum »Feind des Volkes« erklärt und außerhalb des Gesetzes gestellt.

Die Haltung der rumänischen Regierung und des rumänischen Heeres zu
Deutschland und seinen Verbündeten war in jener Zeit undurchsichtig. Eine
Zeitlang schien es, als ob die auf die Moldau zusammengedrängte,
zwischen die Heere des Vierbundes und Rußlands eingekeilte rumänische
Armee den Kampf wieder aufnehmen wolle. Nach dieser Richtung arbeitete
insbesondere die rumänische Königin, unterstützt von General
Tscherbatscheff und den Militärmissionen der Entente. Gegen diese Politik
machte sich in Rumänien selbst eine starke Gegenströmung geltend. Eine
Gruppe angesehener rumänischer Politiker, die sich um den alten Peter
Carp und den langjährigen Gesandten in Berlin, Herrn Beldiman, scharte,
hatte das Eintreten Rumäniens in den Krieg gegen Deutschland stets
verurteilt und nahm jetzt scharfe Front gegen das rumänische Königshaus,
dessen verräterische Politik all das Unglück über das Land gebracht
hatte. Diese Gruppe trat mit der deutschen Regierung in Fühlung, um sich
darüber zu vergewissern, ob Deutschland geneigt sei, mit einer neuen
rumänischen Regierung, die den König und sein Haus für des Thrones
verlustig erklären würde, in Verhandlungen einzutreten und einen für
Rumänien erträglichen Frieden abzuschließen.

Die nach dieser Richtung gehenden Pläne wurden jedoch durchkreuzt durch
einen Schritt der österreichisch-ungarischen Politik. Kaiser Karl
schickte, soviel ich weiß, ohne die Berliner Regierung zu befragen oder
auch nur zu benachrichtigen, Ende Januar 1918 den früheren Militärattaché
in Bukarest, den Obersten Randa, in geheimer Mission zu dem König von
Rumänien und ließ diesen seiner Bereitwilligkeit versichern, Rumänien
einen ehrenvollen Frieden zu bewilligen.

Graf Czernin hat in seiner Rede vom 11. Dezember 1918 den Versuch
gemacht, diesen auffallenden Schritt wie folgt zu begründen:

»Mit der Möglichkeit, zu Friedensverhandlungen mit Rumänien zu gelangen,
wurde schon damals gerechnet, als die Verhandlungen mit der russischen
Friedensdelegation in Brest-Litowsk ihren Anfang nahmen. Um zu
verhindern, daß auch Rumänien sich diesen Verhandlungen anschließe, ließ
man deutscherseits die rumänische Regierung wissen, daß man mit dem
gegenwärtigen König und der gegenwärtigen Regierung nicht verhandeln
wolle. Dieser Schritt hatte jedoch nur den Zweck, gesonderte
Verhandlungen mit Rumänien zu ermöglichen, da Deutschland befürchtete,
daß die Einbeziehung Rumäniens in die Brester Verhandlungen die Chancen
des Friedens gefährden könnte. Daraufhin schien der Gedanke Rumäniens,
den Krieg dennoch fortführen zu wollen, die Oberhand zu gewinnen. Ende
Januar wurde daher seitens Österreich-Ungarns die Initiative ergriffen,
um die Verhandlungen mit Rumänien zu ermöglichen.«

Diese Darstellung ist durchaus schief. Das ergibt sich schon daraus, daß
bei dem sich bis zum Abbruch der Beziehungen und Kriegsdrohungen
steigernden schlechten Verhältnis zwischen Sowjetrußland und dem
offiziellen Rumänien eine gemeinschaftliche Verhandlung in
Brest-Litowsk, auf deren Verhinderung es der deutschen Regierung
angeblich ankam, außerhalb des Bereiches der Möglichkeit lag. Die Frage
der rumänischen Dynastie und der rumänischen Regierung wurde von der
deutschen Regierung lediglich von dem sachlichen Gesichtspunkte aus
behandelt, ob eine aufrichtige Verständigung und ein dauernder Friede mit
Rumänien unter der schwer kompromittierten Dynastie und der
verräterischen, von Grund aus deutschfeindlichen Regierung der Bratianu
und Take Jonescu überhaupt möglich sei. Die österreichisch-ungarische
Politik hatte es um so weniger nötig, deutsche Verschleppungsabsichten zu
durchkreuzen, als -- wie Graf Czernin feststellt -- die deutsche Oberste
Heeresleitung in Rücksicht auf ihre geplante Offensive auf dem westlichen
Kriegsschauplatz auf einen raschen Abschluß mit Rumänien drängte. Die
wirklichen Motive der österreichisch-ungarischen »Initiative« bei König
Ferdinand mögen einmal in gewissen dynastischen Erwägungen bestanden
haben; man sprach damals von der Befürchtung, daß die Absetzung des
rumänischen Königs eine weitere Erschütterung des monarchischen Gedankens
zur Folge haben und nicht ohne Rückwirkung auf die Stellung der Dynastien
in den Mittelmächten bleiben werde. Ferner mag mitgespielt haben die alte
Eifersucht Österreich-Ungarns auf Deutschlands Position in Rumänien, die
durch eine neue Regierung einer ausgesprochen deutschfreundlichen Gruppe
und durch die Einsetzung einer neuen, Deutschland zugeneigten Dynastie
eine Stärkung hätte erfahren müssen.

Wie dem aber auch sei -- nachdem der Kaiser von Österreich und mit ihm
die österreichisch-ungarische Politik sich auf die Erhaltung der
rumänischen Dynastie festgelegt hatte, ließ man auf deutscher Seite --
zur großen Enttäuschung und Verstimmung, ja Erbitterung der
deutschfreundlichen rumänischen Politiker, die sich bereits stark gegen
die Dynastie engagiert hatten -- die Bedingung der Abdankung des Königs
fallen. Ein Boden für aussichtsreiche Verhandlungen war aber erst
vorhanden, nachdem am 10. Februar das Kabinett Bratianu demissioniert
hatte und durch eine neue Regierung unter dem Vorsitz des Generals
Avarescu ersetzt worden war; und erst, nachdem späterhin, am 19. März,
der den Mittelmächten zuneigende konservative Führer Marghiloman als
Ministerpräsident an die Stelle von Avarescu getreten war, kamen die
Verhandlungen in rascheren Fluß.

Die Verhandlungslage war von Anfang an eine äußerst schwierige, da
deutsche, österreichisch-ungarische, bulgarische und türkische Interessen
kreuz und quer durcheinanderliefen und vielfach miteinander in
Widerstreit standen.

Deutschland war territorial nicht interessiert. Dagegen war es für uns
von Wichtigkeit, uns sowohl für die Fortdauer des Krieges mit den
Westmächten und Amerika, wie auch für die Eventualität eines
»Wirtschaftskrieges nach dem Kriege« den Bezug von Getreide und
Futtermitteln sowie von Petroleum aus Rumänien nach jeder Möglichkeit zu
sichern. Außerdem mußte unserem Interesse an den durch Rumänien nach der
Levante führenden Verkehrswegen, sowohl an den Eisenbahnen wie an dem
Donauwege, Rechnung getragen werden. Die Frage der Bahn von Cernavoda
nach Constantza und der dem Zug dieser Bahn folgenden Röhrenleitung für
Petroleum, ebenso die Frage des Hafens von Constantza waren in dieser
Beziehung besonders wichtig, und zwar sowohl für Deutschland und
Österreich-Ungarn als auch für Rumänien. Denn wenn die Dobrudscha, wie
Bulgarien dies wünschte, an Bulgarien kam, beherrschte dieses die
gesamten Eisenbahnwege der Mittelmächte nach dem Schwarzen Meer und war
Rumänien von jeder eigenen Bahnverbindung nach dem Meere abgeschlossen.
Es mußten deshalb hier besondere Abmachungen zur Sicherung des
Verkehrsinteresses der Mittelmächte und Rumäniens vorgesehen werden.

Österreich-Ungarn war an den rumänischen Verkehrswegen sowie an der
Sicherung des Bezugs von rumänischem Getreide in ähnlicher Weise
interessiert wie wir. In der Petroleumfrage war die Position der
Donaumonarchie insofern von der unsrigen verschieden, als
Österreich-Ungarn in Galizien über eigene große Petroleumvorkommen
verfügte, die mit den rumänischen in Konkurrenz standen, und als
österreichisch-ungarisches Kapital in der rumänischen Petroleumindustrie,
in der große deutsche Kapitalien investiert waren, bisher nicht
interessiert war. Aber die österreichisch-ungarische Regierung suchte die
Friedensverhandlungen zu benutzen, um auch ihrerseits einen starken
Einfluß in der Gewinnung und Verwertung des rumänischen Petroleums zu
gewinnen. Ihre Wünsche und Interessen und diejenigen Deutschlands gingen
in nicht unwesentlichen Punkten auseinander. Außerdem aber erschien
Österreich-Ungarn, dessen Staatsmänner Deutschland gegenüber nie genug
Enthaltsamkeit predigen konnten, mit sehr erheblichen territorialen
Wünschen auf dem Plan. Die ungarische Regierung, das ungarische Parlament
und die ungarische öffentliche Meinung verlangten, angeblich aus
strategischen Gründen, sehr umfangreiche »Grenzrektifikationen«, durch
die eine Anzahl von Städten, wie Turn-Severin, Sinaia und Ocna, außerdem
wertvolle Erdölgebiete in der Moldau an Ungarn gekommen wären. Graf
Czernin erhob zwar gegen diese außerordentlich weitgehenden Forderungen
Widerspruch, sah sich aber infolge des starken ungarischen Druckes
genötigt, diese Forderungen zu präsentieren und zu vertreten. Erst
nachdem Marghiloman, der vorher dem Grafen Czernin befriedigende Zusagen
über seine Politik gegenüber der Donaumonarchie gegeben hatte, an die
Spitze der rumänischen Regierung getreten war, ließ Czernin einen großen
Teil seiner territorialen Forderungen gegen das Zugeständnis des immer
noch erheblichen Restes fallen. Für dieses Zugeständnis sicherte Graf
Czernin der rumänischen Regierung seine diplomatische Unterstützung der
rumänischen Wünsche auf Bessarabien zu.

Bulgariens Forderungen gingen auf Angliederung der ganzen Dobrudscha.
Zugesagt worden war Bulgarien von den beiden Mittelmächten vor seinem
Eintritt in den Krieg gegen Rumänien, daß es den ihm von Rumänien im
zweiten Balkankrieg abgenommenen südlichen Teil der Dobrudscha mit einer
Grenzberichtigung zurückerhalten solle. Deutschland und Österreich-Ungarn
waren nun bereit, für die Überlassung der ganzen Dobrudscha an Bulgarien
einzutreten; die deutsche Regierung knüpfte jedoch daran die Bedingung,
daß eine befriedigende Einigung über die Eisenbahn Cernavoda-Constantza
und den Häfen Constantza erfolge, sowie daß die deutschen
wirtschaftlichen Interessen in den Bulgarien auf Kosten Serbiens
zufallenden Gebieten berücksichtigt und sichergestellt würden.

Durch den Anspruch Bulgariens auf die Dobrudscha entstanden ferner
erhebliche Schwierigkeiten mit der Türkei. Die Türkei hatte ein nicht
unbeträchtliches Kontingent zu der Armee gestellt, die im Laufe des
rumänischen Feldzuges die Dobrudscha erobert hatte. Darauf gestützt,
verlangte die türkische Regierung für den Fall der Überlassung der
Dobrudscha an Bulgarien nicht nur die Rückgabe des Gebietes, das sie im
Jahre 1915 an Bulgarien als Preis für dessen Eintreten in den Krieg hatte
herausgeben müssen, sondern darüber hinaus noch einen Teil der Bezirke,
die sie in den Balkankriegen an Bulgarien verloren hatte. Bulgarien
seinerseits setzte diesen Forderungen den stärksten Widerstand entgegen.

Diese Lage barg so starke und gefährliche Konfliktsmöglichkeiten, daß mir
angesichts des Fortganges des Krieges mit der Koalition unserer Feinde,
die auch nach dem Ausscheiden Rußlands und Rumäniens eine erdrückende
Übermacht darstellte, die rasche und glatte Beilegung der rumänischen
Fragen als eine zwingende Notwendigkeit erschien. Dazu kam, daß einmal
die Oberste Heeresleitung die noch an der rumänischen Front stehenden
Truppen für die Durchführung der von ihr im Westen geplanten Offensive
dringend benötigte und auf einen raschen Abschluß mit Rumänien
hindrängte; daß ferner die Vorteile, die man sich für Deutschland und
namentlich auch für Österreich-Ungarn auf dem Gebiet der Volksernährung
von dem Friedensschluß mit der Ukraine versprach, nur dann voll
ausgenutzt werden konnten, wenn durch den Friedensschluß mit Rumänien der
Weg über die Moldau nach den wichtigsten ukrainischen Getreidebezirken
freigemacht wurde.

Außerdem schien es mir geboten, den Frieden so zu gestalten, daß für die
Zukunft ein gutes Verhältnis zwischen Deutschland und Rumänien wieder
möglich gemacht würde. Wir hatten, wenn erst der Friede wiederhergestellt
war, mangels direkter Grenzen mit Rumänien keine Möglichkeit, mit
militärischen Machtmitteln auf Rumänien zu drücken, und waren deshalb,
mehr als Österreich-Ungarn, darauf angewiesen, die Sicherung unserer
großen wirtschaftlichen und auch politischen Interessen in Rumänien in
der Herstellung von Beziehungen zu suchen, bei denen auch Rumänien seinen
Vorteil finden konnte.

Mit diesen Gesichtspunkten schien mir ein erheblicher Teil der
Forderungen, die für die Friedensverhandlungen mit Rumänien aufgestellt
worden waren, nicht in Einklang zu stehen. Vor allem schienen mir die
teilweise von dem Auswärtigen Amt, teilweise von der Obersten
Heeresleitung ausgearbeiteten Vertragsbestimmungen über die
Petroleumfrage und das Eisenbahnwesen über das Ziel hinauszuschießen. Der
Entwurf der handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes verlangte
nichts weniger als die Überlassung des gesamten Bergregals, natürlich
einschließlich der Schürf- und Ausbeuteberechtigungen auf Petroleum, an
das Deutsche Reich. Außerdem sollte Rumänien sein ganzes Eisenbahnnetz an
eine von Deutschland zu kontrollierende Gesellschaft abtreten. Wenn
daneben die Oberste Heeresleitung die heikle Frage der Bahn
Cernavoda-Constantza und des Hafens Constantza durch den territorialen
Erwerb der Bahn und des Hafens und eines Geländestreifens zu beiden
Seiten der Bahn regeln wollte, so mußte das einen schweren Konflikt mit
Bulgarien und, wenn wir für den Augenblick diese Forderung durchsetzten,
eine dauernd schwere Belastung unseres Verhältnisses zu diesem
Balkanstaat bilden.

Nachdem ich mir eine Übersicht über die Wünsche der einzelnen deutschen
Stellen hinsichtlich des rumänischen Friedens verschafft hatte,
veranlaßte ich deshalb den Reichskanzler, die Ressortchefs zu einer
Besprechung der beim Friedensschluß mit Rumänien zu verfolgenden
Richtlinien einzuladen. Ich erklärte in dieser Besprechung, die mir
übertragene Aufgabe der einheitlichen Zusammenfassung der Vorarbeiten für
den wirtschaftlichen Teil der Verhandlungen nicht durchführen zu können,
wenn nicht der Reichskanzler eine klare Parole ausgebe. Meinerseits
sprach ich mich mit den oben angedeuteten Gründen für eine billige
Verständigung unter Vermeidung jeder überflüssigen Härte aus.

Der Reichskanzler schloß sich meinem Standpunkt an. Infolgedessen wurden
die Absichten, Rumänien seine Bodenschätze und seine Eisenbahnen
wegzunehmen und den Verkehrsweg Cernavoda-Constantza mit dem Hafen
Constantza durch eine territoriale Erwerbung zu sichern, aufgegeben und
vereinbart, daß die Sicherung unserer sehr wichtigen Petroleuminteressen
durch ein Petroleumhandelsmonopol erfolgen solle, an dem die rumänische
Regierung uns eine maßgebende Mitwirkung und Beteiligung zuzugestehen
hätte; daß hinsichtlich der rumänischen Eisenbahnen lediglich
vertragsmäßige Abmachungen über die Tarifpolitik usw. getroffen werden
sollten; daß schließlich der Hafen von Constantza zum Freihafen gemacht
und der Betrieb dieses Freihafens sowie der Betrieb der Eisenbahn
Cernavoda-Constantza an eine das Durchfuhrinteresse der Mittelmächte und
Rumäniens sichernde Betriebsgesellschaft übertragen werden sollte.

Die für die Verhandlungen mit Rumänien bestimmten Vertreter reisten ab,
ehe die neuen Richtlinien im einzelnen durchgearbeitet waren. Das galt
insbesondere für die schwierige Regelung der Petroleumfrage. Da auch die
Vertreter der an der rumänischen Petroleumindustrie beteiligten deutschen
Unternehmungen sich nach Bukarest begaben, wurde vereinbart, daß die
weitere Durcharbeitung und endgültige Feststellung unserer in Sachen des
Petroleums zu machenden Vorschläge in Bukarest in Fühlungnahme mit den
deutschen Interessenten und Sachverständigen erfolgen solle. Leider hat
diese Fühlungnahme nicht, oder jedenfalls nicht in dem im Interesse der
Sache gebotenen Umfange, stattgefunden. Meine eigene Einwirkung auf das,
was in Bukarest vorging, war -- ebenso wie das schon bei den Brester
Verhandlungen der Fall war -- nur gering. Ich sah mich im Laufe der
Verhandlungen genötigt, bei dem Reichskanzler nachdrücklich darauf
hinzuweisen, daß die von mir im Rahmen meines Auftrages geleistete Arbeit
durch die ungenügende Art der Berichterstattung über den Gang der
Verhandlungen und die mangelhafte Beachtung der in Berlin unter meiner
Leitung getroffenen Vereinbarungen größtenteils entwertet werde und daß
ich für meine Person eine Verantwortung für das Ergebnis der
Verhandlungen ablehnen müsse.

Vor allem aber litten die Bukarester Verhandlungen unter dem gleichen
Fehler, der vor dem Beginn der Verhandlungen mit Rußland gemacht worden
war: es war auch hier versäumt worden, vor dem Eintritt in die
Verhandlungen mit Rumänien eine Einigung mit unseren Verbündeten
herbeizuführen. Die Folge war, daß die Bukarester Verhandlungen auf das
schwerste beeinträchtigt wurden durch die unausgeglichen gebliebenen
starken Interessenkonflikte zwischen den Bundesgenossen. Insbesondere die
bulgarisch-türkischen Differenzen spitzten sich in einer für den Bestand
des Bündnisses geradezu gefährlichen Weise zu. Die Lage wurde dadurch
verschärft, daß auch hier zwischen unserer politischen Leitung und der
Obersten Heeresleitung keine Übereinstimmung bestand; die Oberste
Heeresleitung trat für eine sehr weitgehende Unterstützung der türkischen
Wünsche auf Herausgabe bulgarischen Gebiets gegen Überlassung der
Dobrudscha an Bulgarien ein, während das Auswärtige Amt der Überzeugung
war, daß der von der Obersten Heeresleitung gewünschte Druck auf
Bulgarien den Rücktritt des Ministeriums Radoslawow und seine Ersetzung
durch ein deutschfeindliches Kabinett, damit die unmittelbare Gefahr
eines Ausscheidens Bulgariens aus dem Vierbund zur Folge haben werde.
Diese Gefahr wurde dadurch erhöht, daß die Oberste Heeresleitung auch in
anderen Punkten die Überlassung der Dobrudscha an Bulgarien an
Bedingungen knüpfen wollte, gegen die sich in Bulgarien eine starke
Opposition regte. Auf der anderen Seite wollten die Bulgaren die Lage
benutzen, um sich von der Rückzahlungspflicht für die von uns gewährten
sehr erheblichen Vorschüsse ganz oder wenigstens zu einem großen Teil zu
befreien. In diesem Punkt entstanden Meinungsverschiedenheiten zwischen
dem Auswärtigen Amt, dem Reichsschatzamt und der Obersten Heeresleitung.

Die Lage hatte sich gegen Ostern so stark verwirrt und verschärft, daß
Herr von Kühlmann, um eine Klärung zu versuchen, nach Berlin zurückreiste
und die Ankunft des bulgarischen Finanzministers Tontschew ankündigte,
der von seiner Regierung beauftragt wurde, in Berlin in direkter
Verhandlung mit der Reichsregierung eine Verständigung herbeizuführen.

Zu meiner Überraschung übertrug mir der Reichskanzler am Ostersamstag,
30. März, auf Antrag des Staatssekretärs von Kühlmann schriftlich die
Leitung der Verhandlungen mit dem bulgarischen Bevollmächtigten, dessen
Eintreffen bereits für die nächsten Tage erwartet wurde: Ich begab mich
alsbald zum Kanzler und erklärte ihm zunächst, diesen Auftrag nicht
übernehmen zu können, da ich in die mit Bulgarien streitigen Fragen nur
teilweise eingeweiht sei. Der Kanzler bestand darauf, daß ich mich nicht
versagen dürfe, zumal da die maßgebenden Männer der bulgarischen
Regierung, denen ich von früheren Verhandlungen her bekannt war, auf
meine Person ein besonderes Vertrauen setzten und eine durch mich
herbeigeführte Vermittlung auch auf die gleichfalls in mich Vertrauen
setzende türkische Regierung nicht ohne Einfluß bleiben werde. Ich
erklärte mich schließlich bereit, den Auftrag zu übernehmen, jedoch unter
der ausdrücklichen Voraussetzung, daß mir in den Stand der Streitfragen
alsbald voller Einblick gegeben werde und daß ferner vor dem Beginn
meiner Verhandlungen mit Herrn Tontschew eine klare politische Direktive
festgestellt und ein einheitliches Verhalten sämtlicher an den
Streitfragen mit Bulgarien beteiligten deutschen Stellen, einschließlich
der Obersten Heeresleitung, gesichert werde.

Die Prüfung der Sachlage zeigte, wie scharf die Meinungsverschiedenheiten
zwischen Reichskanzler und Auswärtigem Amt einerseits, der Obersten
Heeresleitung andererseits sich zugespitzt hatten. Unglücklicherweise
wurde der Kanzler am Ostersonntag von einem Unwohlsein befallen, das ihn
für einige Tage von allen Geschäften ausschaltete; der Staatssekretär des
Auswärtigen hatte sich zu einem Vortrag beim Kaiser nach Süddeutschland
begeben. Als gegen Ende der Woche nach Ostern ein gemeinschaftlicher
Vortrag beim Kanzler wieder möglich wurde, empfahl ich auf das
dringendste, vor der Einleitung irgendwelcher materieller Verhandlungen
mit dem inzwischen in Berlin eingetroffenen Herrn Tontschew die zu
verfolgende Linie durch eine persönliche Aussprache mit Hindenburg und
Ludendorff herbeizuführen, eventuell Herrn Tontschew gleich mit nach dem
Großen Hauptquartier zu nehmen. Nach meiner Erfahrung war in solchen
Lagen die unmittelbare Aussprache der einzige Weg zur Einigung; mit mehr
oder weniger gereizten Telegrammen verhandelte man sich nur immer weiter
auseinander. Man stimmte mir zu; aber weder der Kanzler, der ohnedies im
Lauf der folgenden Woche nach Spa reisen wollte, noch auch Herr von
Kühlmann zeigten Neigung, ihrerseits die notwendige Besprechung mit den
Herren von der Obersten Heeresleitung zu führen; Herr von Kühlmann meinte
resigniert, wenn er einen Vorschlag mache, sei dies für die andere Seite
schon ein genügender Grund zur Ablehnung. Unter diesen Umständen bestand
der Kanzler darauf, daß ich zu Hindenburg und Ludendorff reisen und eine
Einigung versuchen solle.

Dieser Vorgang beleuchtete mir grell die Unhaltbarkeit der Verhältnisse
in unserer politischen Leitung: Wir hatten in der schwersten Zeit unserer
Geschichte einen Kanzler, der zum mindesten körperlich seinem Amte in
keiner Weise mehr gewachsen war und der geistig jedenfalls nicht mehr die
Spannkraft besaß, schwierige Fragen aufzunehmen und durchzukämpfen. Wir
hatten einen Staatssekretär des Auswärtigen, der resigniert den Kampf mit
der Obersten Heeresleitung für die von ihm für richtig gehaltene Politik
aufgegeben hatte. Die taktisch geschickte Behandlung der
Reichstagsparteien, in der Graf Hertling Meister geblieben war, und
Kühlmanns wiederholte Bekenntnisse zu den Ideen der Reichstagsmehrheit
täuschten die deutsche Öffentlichkeit über diesen unmöglichen Zustand
hinweg; ja ich habe aus den Kreisen unserer Volksvertreter mitunter die
lobende Feststellung gehört, daß unter dem Grafen Hertling die unter
Herrn von Bethmann nie aufhörenden ärgerlichen Reibereien mit der
Obersten Heeresleitung glücklicherweise ein Ende gefunden hätten, und daß
jetzt eine erfreuliche Harmonie zwischen den drei großen politischen
Faktoren, Reichsleitung, Reichstag und Oberster Heeresleitung bestehe!
Diese »Harmonie« bestand nur auf der Oberfläche, und auch da nur um einen
allzu hohen Preis.

Ich kam im Großen Hauptquartier mit Hindenburg und Ludendorff zu einer
nach meiner Ansicht sowohl für Bulgarien, wie für die Türkei und auch für
uns erträglichen Einigung. Aber der Mangel an Einheitlichkeit in unserer
Politik hatte bei den Bulgaren und bei den Türken Hoffnungen geweckt, die
miteinander schlechthin unausgleichbar waren; und in dem wochenlangen
Hin- und Herzerren hatten sich beide Teile so sehr auf ihre Forderungen
festgerannt, daß der Vermittlungsversuch jetzt auf beiden Seiten eine
starke Unnachgiebigkeit fand. Zwar konnte unser Gesandter in Sofia
berichten, daß die Darlegungen des Herrn Tontschew über seine Berliner
Verhandlungen im bulgarischen Ministerrat eine gewisse Entspannung der
Lage herbeigeführt hätten; aber in Rücksicht auf die erregte öffentliche
Meinung lehnten schließlich Herr Radoslawow und sein Kabinett in der mit
den Türken streitigen territorialen Frage auch das bescheidene Maß von
Entgegenkommen ab, das unser Vermittlungsvorschlag ihnen zumutete,
während auf der anderen Seite der türkische Widerstand gegen jede
Einschränkung der territorialen Forderungen sich erheblich versteift
hatte.

Bei der Fortsetzung der Verhandlungen in Bukarest gelang es unserem
Staatssekretär des Auswärtigen nicht, diese Widerstände zu überwinden. So
mußte der Friedensvertrag mit Rumänien schließlich am 7. Mai 1918
unterzeichnet werden, ohne daß die Streitfrage zwischen Bulgarien und der
Türkei geregelt war. Infolgedessen konnte der bulgarische Wunsch, die
ganze Dobrudscha im Friedensvertrag zu erhalten, nicht erfüllt werden.
Der Vertrag gab vielmehr Bulgarien nur die von ihm im zweiten
Balkankriege an Rumänien verlorene Süddobrudscha mit einer ansehnlichen
Grenzberichtigung nach Norden hin, also das, was Bulgarien auf Grund der
im September 1915 getroffenen Vereinbarungen zu beanspruchen berechtigt
war. Der nördliche Teil der Dobrudscha mit Constantza und Cernavoda wurde
an die vier verbündeten Mächte zu gemeinsamer Hand abgetreten, wobei mit
Bulgarien Einverständnis darüber bestand, daß alsbald nach Behebung des
türkischen Widerstands auch dieser Teil mit den für Constantza-Cernavoda
vereinbarten Sicherungen an Bulgarien übergeben werden sollte.

Sachlich konnte sich Bulgarien mit dieser Lösung abfinden. Aber während
des unglücklichen Laufes der Verhandlungen hatte die Forderung der
sofortigen Überlassung der ganzen Dobrudscha sich so fest in den
bulgarischen Gemütern als nationale Ehrensache festgesetzt, daß jetzt die
öffentliche Meinung Bulgariens in der vorläufigen Lösung nur einen
enttäuschenden Mißerfolg sah. Als auch in den auf die Unterzeichnung des
rumänischen Friedensvertrags folgenden Wochen die Zustimmung der Türkei
zur Überlassung der nördlichen Dobrudscha an Bulgarien nicht
herbeigeführt wurde und als zudem die Unzufriedenheit in Bulgarien durch
ernstliche Ernährungsschwierigkeiten vermehrt wurde, sah sich das
Kabinett Radoslawow genötigt, zurückzutreten. Radoslawow wurde Mitte Juni
1918 durch den in seinen Gesinnungen für Deutschland zum mindesten
zweifelhaften Führer der Opposition Malinow ersetzt.

So fanden die Bukarester Verhandlungen ihren Ausklang in einer
offenkundigen Erschütterung der bulgarischen Bundesfreundschaft, die für
den Ausgang des Krieges verhängnisvoll werden sollte.


           Ergebnis und Folgen der östlichen Friedensschlüsse

Die Friedensverträge mit der ukrainischen Volksrepublik vom 9. Februar
1918, mit Rußland vom 3. März 1918 und mit Rumänien vom 7. Mai 1918, die
durch einen am 7. März 1918 zu Berlin unterzeichneten Friedensvertrag
mit Finnland ergänzt wurden, brachten die offizielle Beendigung des
Kriegszustandes auf unserer ganzen Ostfront.

Die Verträge verkündigten den Grundsatz, daß die vertragschließenden
Nationen fortan miteinander »in Frieden und Freundschaft« leben wollten.
Sie trafen Bestimmung über die Demobilmachung der feindlichen
Streitkräfte, über die Wiederaufnahme der diplomatischen und
konsularischen Beziehungen, über das Wiederaufleben der durch den
Kriegszustand außer Kraft gesetzten Staatsverträge, über die
Wiederherstellung der während des Krieges aufgehobenen oder
beeinträchtigten Privatrechte, über die Herausgabe der während des
Krieges in die Gewalt des Gegners geratenen Handelsschiffe, über den
Austausch der Kriegsgefangenen und der Zivilinternierten. Sie stellten
fest, daß mit der Beendigung der Feindseligkeiten der Krieg auch auf dem
Gebiet der Wirtschaft und der Finanzen sein Ende gefunden habe,
untersagten jede direkte oder indirekte wirtschaftliche oder finanzielle
Kriegsmaßnahme und vereinbarten die sofortige Wiederaufnahme des
Handelsverkehrs. Um diesem eine feste Grundlage zu geben, wurden die
alten Handelsverträge mit gewissen Änderungen und Ergänzungen
wiederhergestellt, und zwar für die Ukraine, für Rußland und Finnland für
eine Übergangszeit, für Rumänien unter Verlängerung der ursprünglichen
Geltungsdauer bis zum Ende des Jahres 1930. Über den Rahmen der bisher
üblichen Handelsverträge hinaus wurden Vereinbarungen über
Warenaustausch und Warenlieferung getroffen, durch die uns gegenüber dem
Wirtschaftskrieg der Entente eine Erleichterung verschafft werden sollte.
Hierher gehörten insbesondere die von der ukrainischen Volksrepublik in
dem Geheimabkommen übernommene Verpflichtung, an die Mittelmächte bis
Ende Juli 1918 mindestens eine Million Tonnen Getreide zu liefern, ferner
einige wichtige Bestimmungen in dem Friedensvertrag mit Rumänien, die uns
die Verfügung über die rumänische Petroleumproduktion und die rumänischen
Überschüsse der Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln geben sollten.
Abmachungen über die Verkehrsmittel (Eisenbahnen, Post und Telegraph,
Donauschiffahrt usw.) ergänzten die handelspolitischen Vereinbarungen.

Von einer eigentlichen Kriegskostenentschädigung wurde abgesehen. Die
Frage der Kriegsschäden wurde verschieden behandelt. Mit der Ukraine,
Rußland und Finnland wurde neben dem Verzicht auf den Ersatz der
Kriegskosten auch ein gegenseitiger Verzicht auf den Ersatz der
Kriegsschäden vereinbart, wobei die Kriegsschäden als solche Schäden
definiert wurden, die den kriegführenden Staaten und ihren Angehörigen in
den Kriegsgebieten durch militärische Maßnahmen mit Einschluß aller in
Feindesland vorgenommenen Requisitionen entstanden sind. Vorbehalten
blieb jedoch einmal die Erstattung der Kosten des Unterhalts der
Kriegsgefangenen; ferner der Ersatz der Schäden, die den beiderseitigen
Angehörigen aus der Durchführung von Kriegsgesetzen erwachsen waren;
desgleichen der Schäden, die Zivilangehörigen jedes Teiles während des
Krieges außerhalb der Kriegsgebiete von den staatlichen Organen oder der
Bevölkerung des anderen Teiles durch völkerrechtswidrige Gewaltakte an
Leben, Gesundheit oder Vermögen zugefügt worden waren. Rußland gegenüber
wurde außerdem eine weitere Vereinbarung über den Ersatz der deutschen
Vermögenswerte, die nicht durch Kriegsgesetze, sondern durch
revolutionäre Enteignungsgesetze geschädigt worden waren, ausdrücklich
vorbehalten. Während der grundsätzliche Verzicht auf Erstattung der
Kriegskosten und Kriegsschäden gegenüber der Ukraine, Rußland und
Finnland ein gegenseitiger war, verzichtete Rumänien im Bukarester
Frieden einseitig auf den Ersatz der auf seinem Gebiet durch militärische
Maßnahmen der Gegenpartei mit Einschluß aller Requisitionen und
Kontributionen verursachten Schäden, während es sich gleichzeitig
verpflichtete, den Angehörigen der anderen Parteien alle Schäden zu
ersetzen, die ihnen auf seinem Gebiet durch militärische Maßnahmen eines
der kriegführenden Staaten entstanden waren. Ebenso übernahm Rumänien die
Einlösung der Noten der Banca Generala Romana, deren Ausgabe in der
Hauptsache durch die in Rumänien zu deckenden Bedürfnisse der Operations-
und Besetzungstruppen notwendig geworden war.

Über die territorialen Fragen habe ich bereits bei der Darstellung der
Friedensverhandlungen ausführlich gesprochen.

Rumänien mußte Österreich-Ungarn eine nicht unerhebliche
»Grenzregulierung« zugestehen und verlor die ganze Dobrudscha; dafür
suchte es Ersatz durch die Angliederung Bessarabiens, deren Förderung ihm
bei den Friedensverhandlungen von den Mittelmächten in Aussicht gestellt
worden war.

Aber diese Gebietsveränderung trat in den Hintergrund gegenüber dem
gewaltigen Ereignis des Auseinanderbrechens des in mehrhundertjähriger
Politik und Kriegführung aufgebauten russischen Kolosses. Es ist nicht
der Brester Friede, der den russischen Koloß zerschlagen hat. Das
ursächliche Verhältnis ist umgekehrt: Der Brester Friede ist in seinen
die territorialen Fragen behandelnden Teilen erst möglich geworden und in
seinem wichtigsten Inhalt bestimmt worden durch das Auseinanderfallen des
Russenreiches. Und dieser Zerfall hat sich von innen heraus vollzogen als
Wirkung der Revolution. Wenn irgendein staatliches Gebilde, dann war das
Rußland, wie es bis zum März 1917 bestand, ein Gebilde der Autokratie und
des Militarismus, deren eiserne Reifen alle die Rand- und Fremdvölker,
die den großrussischen Kern umgeben, mit schwerem Druck zusammenhielten.
Die Revolution, die das zaristische Selbstherrschertum zertrümmerte und
das unter den deutschen Schlägen zusammenbrechende russische Heer
vollends auflöste, hat die zentrifugalen Kräfte freigemacht, die der
russische Reichskörper trotz aller zusammenhaltenden geographischen
Momente in sich barg. Der Sieg des Bolschewismus in Petersburg und Moskau
hat die zentrifugalen Kräfte um einen wichtigen Faktor vermehrt: um die
Auflehnung der nicht großrussischen Reichsteile gegen das
bolschewistische Gewalt- und Schreckensregiment. Die bolschewistische
Herrschaft in Großrußland erwies sich als das stärkste Hindernis für den
Neuaufbau des Russischen Reiches auf föderativer Grundlage. Ein solcher
Neuaufbau lag ursprünglich ebensosehr in der Absicht der
bolschewistischen Machthaber in Petersburg und Moskau, wie in der Absicht
wichtiger Reichsteile, insbesondere der ukrainischen Volksrepublik. Aber
die terroristische Unduldsamkeit des großrussischen Bolschewismus, der
trotz aller schönen Redensarten von der »Selbstbestimmung der Völker bis
zur völligen Absonderung« überall gewaltsam die »Diktatur des
Proletariats«, in Wirklichkeit die Gewaltherrschaft bolschewistischer
Minderheiten, aufzurichten suchte, dazu die Zerstörung der
wirtschaftlichen Organisation und der wirtschaftlichen Arbeit, die sich
aus der Anwendung der bolschewistischen Grundsätze ergab, haben den
föderativen Gedanken im Keim erstickt, vielleicht nicht für alle Zeiten,
aber jedenfalls für den Zeitraum, mit dem wir für die Fortsetzung und
Beendigung des Krieges zu rechnen hatten.

Wir haben gesehen, wie die ukrainische Zentralrada, die ursprünglich den
bundesstaatlichen Zusammenschluß der auf dem Boden des früheren
russischen Kaiserreichs entstandenen Freistaaten angestrebt hatte,
während der Brester Verhandlungen in der Gegenwehr gegen die
bolschewistischen Machenschaften sich zur völligen Lossagung von
Großrußland und zur Proklamation ihrer uneingeschränkten staatlichen
Selbständigkeit entschloß.

Ein ähnlicher Prozeß spielte sich in Finnland ab. Die Unabhängigkeit
Finnlands wurde von seiner Volksvertretung im Dezember 1917 proklamiert
und zunächst auch von der bolschewistischen Regierung in Petersburg
formell anerkannt; in Wirklichkeit aber griff die Petersburger Regierung
alsbald in die inneren Verhältnisse Finnlands ein und suchte mit
militärischer Gewalt den Bolschewismus auch dort zur Herrschaft zu
bringen mit dem Erfolg, daß in Finnland selbst Bürgerkrieg und Anarchie
genährt wurden und daß zwischen der sich auf die Mehrheit der
Volksvertretung stützenden finnischen Regierung und Sowjetrußland der
Kriegszustand eintrat.

Im Süden und Südosten Rußlands setzte sich das Dongebiet unter der
Führung von Kosakengeneralen gegen das bolschewistische Großrußland zur
Wehr und erklärten die Völkerschaften des Kaukasus ihre Unabhängigkeit.
Im Osten weigerte sich Sibirien, die Herrschaft der großrussischen
Bolschewisten anzuerkennen; auch hier kam es schließlich zur
Autonomieerklärung und zur Bildung einer eigenen Regierung.

Der Zerfall des Russischen Reiches war also ein allgemeiner.

In diesem Zusammenhange muß die Frage der westlichen Randstaaten
betrachtet werden, an denen Deutschland als unmittelbarer Angrenzer ein
besonderes Interesse nehmen mußte. Die deutsche Politik konnte an der
Tatsache des allgemeinen Zerfalls des Russischen Reiches unmöglich
achtlos vorübergehen; auch solche Politiker, denen nichts ferner lag als
ein Eintreten für gewaltsame Gebietserwerbungen und die Angliederung
fremdstämmiger Bevölkerungsteile an das Deutsche Reich, verschlossen sich
nicht der Notwendigkeit, bei der Neugestaltung der Verhältnisse in den
unserer Ostgrenze vorgelagerten Gebieten der Tatsache des
Auseinanderfallens des Russischen Reiches Rechnung zu tragen. So schrieb
die »Frankfurter Zeitung«, die gewiß annexionistischer Bestrebungen
unverdächtig ist, unmittelbar nach Unterzeichnung des Brester Friedens am
3. März 1918:

»Sieht man genauer zu, so ergibt sich, daß der Zerfall Rußlands sich
vollzogen hat zwar unter der Einwirkung des Krieges, aber doch von innen
heraus als eine Wirkung der Revolution. Worauf die russische Regierung
jetzt verzichtet, das haben nicht die Mittelmächte weggenommen, das hat
sich von selbst losgelöst im Verlauf eines Prozesses, den vermutlich die
gleiche Revolution auch ohne diesen Krieg ausgelöst hätte. Ein Rußland,
das auf den Imperialismus des Zarenreiches verzichtet, braucht die
Loslösung der Außengebiete nicht als eine Verstümmelung anzusehen.«

Und weiter in demselben Artikel:

»Was Deutschland braucht, ist Ruhe und Stetigkeit an seinen Ostgrenzen.
Eine Zone unruhiger und miteinander hadernder Völker wäre die denkbar
unglücklichste Lösung der großen Probleme, die an diesen Gebieten hängen.
Die Klärung und Beruhigung wird sich erst allmählich vollziehen können.
Es wird wesentlich von unserer künftigen Ostpolitik abhängen, ob sie sich
rasch und sicher vollzieht.«

In ähnlicher Richtung bewegten sich die Ausführungen des Abgeordneten
Friedrich Naumann bei der ersten Beratung des Brester Friedensvertrags im
Reichstag am 18. März 1918. Er führte aus:

»... Nachdem in Rußland einmal der Zustand der Zerbröckelung und Anarchie
vorhanden ist, jener Zustand des Kampfes aller gegen alle, muß irgendwo
eine Linie gezogen sein, an der dieser anarchistische Zustand aufhört und
ein Zustand der Ordnung -- ganz gleichgültig ob sozialistischer oder
bürgerlicher Ordnung usw. -- eintritt. Es ist eine unmittelbar zwingende
Notwendigkeit, eine solche Grenze zu setzen... Wenn wir uns um die neue
Lage der russischen Hinterlassenschaft nicht kümmern, so wird damit die
Entwicklung nicht stillstehen. Wohin wir nicht kommen, dahin kommt
England. Beispielsweise werden ohne unser Eingreifen die Ostseeküsten
englisch oder amerikanisch besetzt. Erst wenn man sich diesen Zustand des
allgemeinen Drängens der menschlichen Energie an den Platz der
ausgeschalteten Energie ganz verdeutlicht hat, dann wird man ohne
Rücksicht auf Parteistandpunkte, die unter uns vertreten sind, den Boden
einer reellen Zustimmung gegenüber dem Frieden bekommen können, der hier
geschieht. Wir verwahren uns gegen diejenigen Meinungen, als ob wir etwa
bloß aus beliebiger Annexionslust alldeutscher Färbung zur Aneignung von
Land übergegangen sind, nur weil es uns so gefällt und weil es der
Machttradition entspricht. Nein, diese Organisationsaufgabe, die heute
drüben vor uns liegt, wird als unentrinnbare Entwicklung später auch von
den Russen instinktiv begriffen werden.«

Auch die Sozialdemokraten stellten sich bei aller Kritik der bei den
Brester Verhandlungen angewandten Methoden und der im Brester
Friedensvertrag vereinbarten Abmachungen über die Randstaaten nicht auf
den Standpunkt, daß Deutschland sich an der künftigen Gestaltung der
Randstaaten völlig hätte desinteressieren können.

Allerdings ist es richtig, daß die deutsche Politik schon vor der
russischen Revolution und der durch diese herbeigeführten Sprengung des
Russischen Reiches auf eine aktive Anteilnahme an der künftigen
Gestaltung der im Laufe des Krieges von unseren Truppen besetzten
westrussischen Randgebiete gerichtet war. Schon am 5. April 1916 hatte
der Reichskanzler von Bethmann Hollweg im Reichstag unter Berufung auf
das damals von Herrn Asquith verkündigte Prinzip der Nationalitäten die
Frage gestellt, ob Herr Asquith annehmen könne, »Deutschland würde jemals
freiwillig die von ihm und seinen Bundesgenossen befreiten Völker
zwischen der Baltischen See und den Wolhynischen Sümpfen der Herrschaft
des reaktionären Rußland wieder ausliefern, -- mögen sie nun Polen,
Litauer, Balten oder Letten sein«. Und am 5. November war mit der
Zweikaiserproklamation über die Errichtung eines selbständigen polnischen
Staates ein positiver Eingriff in die Verhältnisse der westrussischen
Randvölker geschehen. Auf dieser Grundlage konnte später, am 25. Januar
1918, Herr von Kühlmann mit einem gewissen Recht von der
»Zwangsläufigkeit und Bedingtheit« der deutschen Ostpolitik »durch das,
was vorher geschaffen und getan worden ist«, sprechen. Aber abgesehen von
Polen, hinsichtlich dessen wir durch offizielle Akte und durch
Vereinbarung mit unserem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen
festgelegt waren, hatte die deutsche Politik bis zum Beginn der
russischen Revolution sich ihrer Bewegungsfreiheit nicht entäußert; das
ausschlaggebende Moment war hier die Auflösung des Russischen Reiches,
die uns die schon bisher von der deutschen Politik beabsichtigte
Anteilnahme an der künftigen Gestaltung der Randgebiete geradezu als
Notwendigkeit auferlegte. Die Frage der Randstaaten war, als wir in die
Brester Verhandlungen eintraten, zu einem für uns besonders wichtigen
Teil, aber immerhin zu einem Teil des weit größeren Problems geworden,
wie sich die deutsche Politik zu verhalten habe zu dem Auseinanderfallen
Rußlands, zu den Kräften und Strömungen, die in dem Chaos des russischen
Zusammenbruchs zutage traten, zu den neuen Gebilden, die sich auf den
Trümmern des alten Russischen Reiches zu formen begannen.

Die Lage war äußerst schwierig und verwickelt. Nicht nur, daß die
Entwicklung der Dinge in Rußland selbst undurchsichtig und unübersehbar
war, daß die Nachrichten über die tatsächlichen Vorgänge und die Urteile
über die für die weitere Gestaltung bestimmenden Kräfte auseinandergingen
und sich in den wichtigsten Punkten widersprachen, -- auch unsere eigenen
Interessen an den russischen Fragen waren vielgestaltig und schwer auf
eine einheitliche Linie zu bringen.

Das dringende Gebot, das sich aus der Fortdauer des Krieges gegen unsere
westlichen Feinde ergab, war die möglichst ausgiebige militärische
Entlastung im Osten und die möglichst wirksame wirtschaftliche Hilfe aus
dem Osten. Eine über den Krieg hinausdenkende Politik mußte auf die
künftige Sicherung unserer Ostgrenzen und gleichzeitig auf ein politisch
und wirtschaftlich gutes Verhältnis zu Rußland oder den an seiner Stelle
entstehenden Gebilden Bedacht nehmen; in welchem Maße, darüber gingen die
Meinungen allerdings erheblich auseinander: Die Anhänger der »östlichen
Orientierung«, die in einem starken, zu Deutschland in freundschaftlichen
Beziehungen stehenden Rußland für die Zukunft ein notwendiges
Gegengewicht gegen das Angelsachsentum erblickten, standen zu der Frage,
ob wir das Auseinanderfallen des Russischen Reiches und die innere
Schwächung Großrußlands begünstigen oder hemmen sollten, naturgemäß
anders als diejenigen Politiker, die in dem Wiedererstehen des russischen
Kolosses die größte Gefahr für Deutschland erblickten und die Solidarität
der westeuropäischen Kultur gegenüber dem halbasiatischen Russentum
hochhielten. Dazu kamen die völkischen Verpflichtungen, die uns die
Stammesverwandtschaft der Deutschbalten auferlegte. Außerdem hatte unsere
Politik in den russischen Fragen Rücksichten zu nehmen auf unsere
Bundesgenossen, von denen vor allem Österreich-Ungarn, aber auch die
Türkei ihre eigenen unmittelbaren Interessen an der Lösung des russischen
Problems wahrnahmen. Schließlich wurden die Ostfragen überschattet von
dem ganz neuen Problem des russischen Bolschewismus, der nach seinen
eigenen Kundgebungen sich in seiner Auswirkung nicht auf Rußland
beschränken wollte, sondern die Revolutionierung der Welt erstrebte.

Der Brester Friede hat nichts weniger als eine endgültige Lösung dieser
Probleme gebracht. Er konnte sie nicht bringen, weil für eine endgültige
Lösung die Entwicklung der Dinge in Rußland selbst noch nicht reif war
und weil die endgültige Lösung der östlichen Fragen nicht außer
Zusammenhang gestellt werden konnte mit der noch ausstehenden
Entscheidung nach Westen hin und mit der Gestaltung unseres künftigen
Verhältnisses zu den übrigen Großmächten. Er konnte sie aber auch nicht
bringen, weil -- wie ich an einer anderen Stelle ausgeführt habe --
unsere Verhändler, als sie in die Brester Verhandlungen hineingingen,
mangels einer Einigung sowohl zwischen den maßgebenden Faktoren in
Deutschland, als auch zwischen den einzelnen Teilhabern des Vierbundes,
ein klares Programm überhaupt nicht mitbrachten, auch nicht in den
konkreten Punkten, in denen ein solches einheitliches Programm möglich
und notwendig gewesen wäre.

So schuf der Brester Friede gerade in denjenigen territorialen Fragen,
die Deutschland am nächsten angingen, nur einen unfertigen
Übergangszustand. Er beschränkte sich auf die Feststellung, daß die
Gebiete westlich einer genauer bezeichneten Linie -- es handelte sich um
Polen, Litauen, Kurland und einen Teil von Livland -- der russischen
Staatshoheit nicht mehr unterstehen und daß diesen Gebieten aus der
ehemaligen Zugehörigkeit zu Rußland keinerlei Verpflichtungen gegenüber
Rußland erwachsen sollten. Rußland verzichtete auf jede Einmischung in
die inneren Verhältnisse dieser Gebiete. Über das Verhältnis der
Mittelmächte zu den so von Rußland abgetrennten Gebieten wurde lediglich
gesagt: »Deutschland und Österreich-Ungarn beabsichtigen, das künftige
Schicksal dieser Gebiete im Benehmen mit deren Bevölkerung zu bestimmen.«
Außerdem verpflichtete sich Rußland auf Grund der Bedingungen, die nach
Abbruch der Verhandlungen durch Trotzki in dem deutschen Ultimatum
gestellt wurden, das gesamte Gebiet von Estland und Livland, dessen
Grenze näher bezeichnet wurde, ohne Verzug durch Zurückziehung der
russischen Truppen und der Roten Garde zu räumen. Estland und Livland
sollten von einer deutschen Polizeimacht besetzt werden, bis dort die
Sicherheit durch eigene Landeseinrichtungen gewährleistet und die
staatliche Ordnung wiederhergestellt sein würde.

Polen, Litauen und Kurland wurden also endgültig von Rußland abgetrennt;
aber über die künftige Gestaltung dieser Gebiete wurde im Friedensvertrag
nur festgesetzt, daß sie durch die Mittelmächte im Benehmen mit der
Bevölkerung dieser Gebiete bestimmt werden sollte. Das »Wie?« der
künftigen Gestaltung ließ der Friedensvertrag offen. Estland und Livland
wurden, im Gegensatz zu Polen, Litauen und Kurland, nicht von dem
russischen Staatsgebiet abgetrennt. Diese Gebiete sollten nur für einen
Übergangszustand von deutschen Polizeitruppen besetzt werden. Mit der
Schaffung »eigener Landeseinrichtungen« und der Wiederherstellung der
staatlichen Ordnung sollte dieser Übergangszustand sein Ende finden. Wie
die »eigenen Landeseinrichtungen« gedacht waren, vor allem, wie sie sich
zu der russischen Staatsgewalt verhalten sollten, darüber enthielt der
Friedensvertrag nichts. Jedenfalls blieb hinsichtlich Estlands und
Livlands die russische Regierung als Inhaberin der Staatshoheit über jene
Gebiete berechtigt, bei der künftigen Gestaltung mitzusprechen, während
das Recht Deutschlands auf eine Mitwirkung bei dieser Gestaltung nicht
vorgesehen war; allerdings mußte in einem künftigen Zeitpunkt eine
Verständigung zwischen Rußland und Deutschland darüber nötig werden, ob
die Voraussetzungen der Räumung Estlands und Livlands von der deutschen
»Polizeimacht« gegeben seien.

Der Brester Vertrag schuf also für die uns benachbarten Randgebiete nur
einen Rahmen, der vorläufig noch des Bildes entbehrte. Die Politik der
Mittelmächte und insbesondere Deutschlands hatte es in der Hand, wann und
wie sie diesen Rahmen ausfüllen wollte; sie hatte durchaus die
Möglichkeit, sich dabei der weiteren Gestaltung der Dinge in Rußland und
der weiteren Entwicklung des Krieges anzupassen.

Über die uns benachbarten Randgebiete hinaus nahm die deutsche Politik
während der Brester Verhandlungen positiv Stellung zu der Frage der
Lostrennung Finnlands und der Ukraine vom russischen Reichskörper.

Schon Ende Dezember 1917 hatte der Reichskanzler eine finnische
Delegation empfangen, die um die Anerkennung der Unabhängigkeit Finnlands
nachsuchte. Der Reichskanzler hatte bei diesem Empfang sich darauf
beschränkt, die Sympathien des deutschen Volkes und der deutschen
Regierung für die Bestrebungen des finnländischen Volkes zum Ausdruck zu
bringen und darauf aufmerksam zu machen, daß die Anerkennung der
Selbständigkeit Finnlands durch Deutschland von der Verständigung
Finnlands mit der russischen Regierung abhängig sei, mit der Deutschland
sich in Friedensverhandlungen befinde. Er konnte dabei hinzufügen, daß
der russische Volkskommissar für das Auswärtige den deutschen Delegierten
in Brest-Litowsk auf eine Anfrage hin habe erklären lassen, daß Rußland
den finnischen Wünschen entgegenkommen werde, wenn sich Finnland an die
russische Regierung wenden würde. Nachdem die finnische Regierung den
erforderlichen Schritt in Petersburg unternommen hatte und nachdem die
französische Regierung mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Finnlands
vorausgegangen war, erklärte der Reichskanzler der finnischen Delegation
bei einem erneuten Empfang am 6. Januar 1918 im Namen des Deutschen
Reiches die Anerkennung der Unabhängigkeit. Der Abschluß eines besonderen
Friedensvertrags mit Finnland war die notwendige Konsequenz dieser
Anerkennung.

Unter welchen Umständen während der Verhandlungen in Brest-Litowsk die
Anerkennung der Unabhängigkeit der ukrainischen Volksrepublik durch die
Mächte des Vierbundes und der Abschluß des Friedens zwischen Vierbund und
Ukraine erfolgte, ist bei der Schilderung der Brester Verhandlungen
bereits dargelegt worden. Die Anerkennung der Selbständigkeit der
ukrainischen Volksrepublik und der Abschluß des Friedens mit deren
Regierung erfolgte nicht zum wenigsten als taktische Kampfmaßnahme gegen
die Regierung Sowjetrußlands in einem Augenblick, als Trotzki die
ursprüngliche Anerkennung der Selbständigkeit der Delegation der Kiewer
Zentralrada bereits zurückgezogen hatte, und gegen den erklärten
Einspruch der russischen Vertreter. Bei der Ukraine handelte es sich
nicht mehr um ein »Randgebiet«, sondern um ein an Bevölkerung und mehr
noch an natürlichen Hilfsquellen hochbedeutendes Stück des Zentrums des
Russischen Reiches. Deshalb war die Anerkennung der Selbständigkeit der
Ukraine und der Abschluß eines Sonderfriedens mit diesem neuen
Staatswesen in viel höherem Maße als die Abtrennung der westlichen
Randländer einschließlich Polens eine aktive Beteiligung der Mittelmächte
an der Zertrümmerung des russischen Kolosses.

Der russischen Regierung selbst wurde die Anerkennung der also
geschaffenen Rechts- und Sachlage in dem Brester Vertrag ausdrücklich
auferlegt. Rußland mußte sich verpflichten, sofort Frieden mit der
ukrainischen Volksrepublik zu schließen, den Friedensvertrag zwischen der
Ukraine und den Mächten des Vierbundes anzuerkennen, das ukrainische
Gebiet unverzüglich zu räumen und jede Agitation oder Propaganda gegen
die Regierung oder die öffentlichen Einrichtungen der ukrainischen
Volksrepublik einzustellen. Die gleiche Verpflichtung der Räumung und des
Unterlassens jeder Propaganda wurde der russischen Regierung hinsichtlich
Finnlands auferlegt.

                    *       *       *       *       *

Aber die Entwicklung blieb nicht bei diesen vertragsmäßigen Abmachungen
stehen. Die Bevölkerung des Baltikums und Litauens drängte auf die
Schaffung endgültiger Verhältnisse, und weder die Ukraine noch auch
Finnland vermochten aus eigener Kraft die von ihnen verkündigte
Unabhängigkeit zu erhalten.

Wenige Tage nach Abschluß des deutsch-russischen Friedensvertrags, am 8.
März 1918, faßte der kurländische Landesrat einen Beschluß, der unter
Bezugnahme auf frühere Beschlüsse der allgemeinen Landesversammlung vom
21. September 1917 folgende Wünsche aussprach:

1. Der Deutsche Kaiser und König von Preußen möchte für sich und seine
Nachfolger die Herzogskrone Kurlands annehmen.

2. Durch Konventionen über Militär-, Zoll-, Verkehrs-, Maß- und
Gewichtswesen und weitere Verträge möchte eine möglichst enge
militärische und wirtschaftliche Verbindung Kurlands mit dem Deutschen
Reiche hergestellt werden.

3. Das gesamte Baltenland, also Kurland, Estland und Livland, möchte zu
einer staatlichen Einheit zusammengefaßt und dem Deutschen Reiche dauernd
angegliedert werden.

Der Beschluß wurde durch eine Delegation des Landesrats am 15. März 1918
dem Reichskanzler Grafen von Hertling überreicht. In seiner Antwort
äußerte sich dieser zur Frage der Personalunion dahin, daß die
Allerhöchste Entscheidung nach Anhörung der zur Mitwirkung berufenen
Stellen getroffen werden würde. Er sprach ferner namens des Kaisers die
Anerkennung der Freiheit und Unabhängigkeit Kurlands aus, sagte Schutz
und Beistand des Deutschen Reiches bei der Einrichtung des Staatswesens
und dem Ausbau der Verfassung Kurlands zu, wobei er ausdrücklich
erwähnte, daß die Verfassung eine »Landesvertretung auf breiter
Grundlage« vorsehen müsse; wegen der Festlegung und Formulierung der vom
Landesrat beschlossenen engen Verbindung mit dem Deutschen Reiche sei er
vom Kaiser beauftragt, das Weitere zu veranlassen. Hinsichtlich des
dritten Punktes, der Zusammenfassung des gesamten Baltenlandes zu einer
an das Deutsche Reich anzugliedernden staatlichen Einheit, drückte sich
der Kanzler sehr vorsichtig aus: er wies darauf hin, daß die deutsche
Anteilnahme an dem Schicksal der übrigen baltischen Gebiete bereits im
deutsch-russischen Friedensvertrag zum Ausdruck gekommen sei, und
versicherte, »daß die Gestaltung der Verhältnisse in diesen Gebieten auch
weiterhin von der ganzen Anteilnahme Seiner Majestät des Kaisers und
Königs getragen sein werde«.

Diese vorsichtige Zurückhaltung hinsichtlich der Lostrennung des ganzen
Baltenlandes bis hinauf nach Narwa von Rußland und seiner Angliederung
an Deutschland war geboten nicht nur durch den Brester Friedensvertrag,
der Estland und den größten Teil von Livland bei Rußland beließ, sondern
auch durch die Erwägung, daß Rußland zwar die Abtrennung Kurlands würde
verschmerzen können, daß aber die Abtrennung des gesamten Baltenlandes
dem russischen Hinterland den Zugang zur Ostsee in einer kaum
erträglichen Weise blockieren würde. Noch am 25. Februar 1918 hatte Graf
Hertling im Reichstag mit der größten Bestimmtheit erklärt: »Wir denken
nicht daran, uns in Estland oder Livland festzusetzen.«

Aber die einmal ausgelöste Bewegung drängte weiter. Nationale
Bestrebungen, wirtschaftliche Bedürfnisse und der bolschewistische
Schrecken wirkten zusammen in der Richtung der Erhaltung der Einheit des
Baltenlandes und der Anlehnung an Deutschland. In Deutschland fanden
diese Bestrebungen einen lebhaften Widerhall. Im April trat zu Riga ein
Vereinigter Landesrat von Livland, Estland, Riga und Ösel zusammen und
faßte den Beschluß, an das Deutsche Reich die Bitte zu richten, die
baltischen Länder dauernd unter seinem militärischen Schutz zu behalten
und sie bei der endgültigen Durchführung ihrer Loslösung von Rußland zu
unterstützen. Der Beschluß sprach ferner den Wunsch aus, daß
die sämtlichen baltischen Gebiete zu einem einheitlichen
monarchisch-konstitutionellen Staat zusammengeschlossen, durch
Personalunion mit Preußen und durch militärische und wirtschaftliche
Konventionen mit dem Deutschen Reiche verbunden werden möchten.

Der Kaiser antwortete dem Vorsitzenden des Vereinigten Landesrats auf die
Mitteilung dieses Beschlusses am 14. April 1918, die Bitte um Anschluß an
das Deutsche Reich unter seinem Zepter werde mit Wohlwollen geprüft
werden; er nehme sie als ein Zeichen des Vertrauens zu seiner Person, zu
seinem Hause und zu Deutschlands Zukunft.

Am 21. April 1918 wurde eine Deputation des Vereinigten Landesrates vom
Grafen Hertling empfangen. Graf Hertling teilte mit, der Kaiser sei
bereit, den baltischen Ländern den Schutz des Deutschen Reiches zu
gewähren, sie bei der Durchführung ihrer Loslösung von Rußland wirksam zu
unterstützen und sie nachher auch formell als selbständige Staaten
anzuerkennen. Die kaiserliche Zusage einer wohlwollenden Prüfung des
Wunsches nach Anschluß an das Deutsche Reich und Preußen wurde durch den
Mund des Reichskanzlers wiederholt.

Diese Antwort trug dem Umstande Rechnung, daß eine Anerkennung der
Selbständigkeit Estlands und Livlands und die Durchführung des
Anschlusses dieser Gebiete an das Deutsche Reich ohne Verletzung des
Brester Friedens so lange nicht möglich war, als Rußland sich nicht mit
dem Ausscheiden dieser Gebiete aus dem Verband des Russischen Reiches
einverstanden erklärt hatte. Die Unterstützung, die Kaiser und Kanzler
dem Vereinigten Landesrat für die Durchführung seiner Bestrebungen
zugesagt hatten, mußte also in erster Linie eine diplomatische
Unterstützung bei der russischen Regierung sein, an die sich die Balten
verwiesen sahen. Für diese Unterstützung ergab sich bald eine
Gelegenheit. Am 13. Mai 1918 erschienen Vertreter der baltischen
Provinzen bei dem diplomatischen Vertreter der russischen Sowjetrepublik
in Berlin, Herrn Joffe, um ihm eine Note zu übergeben, in der mitgeteilt
wurde, daß die Bevölkerung Livlands und Estlands durch die Erklärung
ihrer Vertretungen von dem Recht der Selbstbestimmung Gebrauch gemacht
und die Loslösung von Rußland vollzogen hätten. Herr Joffe verweigerte
die Entgegennahme dieser Note und verwies die Abordnung auf den Weg einer
direkten Mitteilung nach Moskau oder auf die Vermittlung des deutschen
Auswärtigen Amtes. Die Abordnung wählte den letzteren Weg, und das
Auswärtige Amt fand sich bereit, die Note der baltischen Abordnung Herrn
Joffe amtlich zu übermitteln. In seiner Antwort an den Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes erinnerte Herr Joffe an einen bereits früher erhobenen
Einspruch dagegen, daß über das Schicksal Estlands und Livlands ohne
vorheriges Einvernehmen mit der russischen Regierung entschieden werden
könne; er sprach außerdem der baltischen Delegation, die er als
»Vertreter der Ritterschaft« bezeichnete, das Recht ab, im Namen des
estnischen und lettischen Volkes zu sprechen. Unter voller Wahrung
dieses Standpunktes habe er seiner Regierung die ihm vom Auswärtigen Amt
zugestellten Schriftstücke übermittelt.

Im weiteren Verlauf wurde die Angelegenheit in die Ende Mai von der
russischen Regierung angeregten Verhandlungen über gewisse mit der
Auslegung und Durchführung des Brester Friedens zusammenhängende Fragen
einbezogen, auf die ich weiter unten zu sprechen kommen werde.

In Litauen hatte der Landesrat schon am 11. Dezember 1917 die
Wiederherstellung eines unabhängigen litauischen Staates mit der
Hauptstadt Wilna proklamiert und den Schutz und die Hilfe des Deutschen
Reiches erbeten. Der Beschluß hatte sich ferner für ein ewiges, festes
Bundesverhältnis des litauischen Staates mit dem Deutschen Reiche
ausgesprochen, das seine Verwirklichung hauptsächlich in einer Militär-
und einer Verkehrskonvention sowie in einer Zoll- und Münzgemeinschaft
finden sollte. Mitte Februar 1918 befaßte sich der litauische Landesrat
abermals mit der Errichtung des litauischen Staates. Er proklamierte
erneut »die Wiederherstellung eines auf demokratischer Grundlage
aufgebauten unabhängigen litauischen Staates mit der Hauptstadt Wilna und
seine Abtrennung von allen staatlichen Verbindungen, die mit anderen
Völkern bestanden haben«. Die Grundlagen dieses Staates und seine
Beziehungen zu den anderen Staaten sollten durch eine von allen
Einwohnern auf demokratischer Basis zu wählende konstituierende
Versammlung endgültig festgelegt werden. Der Beschluß wurde durch den
obersten Litauischen Nationalrat in Bern allen in der Schweiz
beglaubigten diplomatischen Vertretungen übermittelt.

Auf deutscher Seite vermißte man in diesem Beschluß die ausdrückliche
Wiederholung des Wunsches einer engeren militärischen und
wirtschaftlichen Verbindung mit dem Deutschen Reiche. Nachdem von
litauischer Seite anerkannt worden war, daß der Beschluß vom Februar
denjenigen vom Dezember nicht aufhebe, empfing der Reichskanzler am 23.
März 1918 eine Abordnung des litauischen Landesrats und sprach vor dieser
auf Grundlage der Erklärung des Landesrats vom 11. Dezember 1917 namens
des Deutschen Reiches die Anerkennung Litauens als eines freien und
unabhängigen Staates aus. Mit dieser Formulierung war die enge
militärische und wirtschaftliche Verbindung des neuen litauischen
Staatswesens mit dem Deutschen Reiche zur Voraussetzung der Anerkennung
der litauischen Unabhängigkeit gemacht.

Die deutsche Politik arbeitete also im Anschluß an den Brester Frieden
auf eine militärische und wirtschaftliche Angliederung sowohl Litauens
als auch der baltischen Provinzen an das Deutsche Reich. Man ging dabei
über die Widerstände hinweg, die sich sowohl in Litauen wie auch
teilweise bei den Letten und Esten gegen eine solche Lösung zeigten. Die
Angliederung dieser Randstaaten wurde bei uns namentlich auch von den
militärischen Stellen betrieben, die in dieser Lösung am einfachsten
einen besseren Grenzschutz nach Osten hin zu erreichen hofften und für
den Fall des Unterbleibens der Angliederung nicht unerhebliche
Grenzregulierungen zugunsten Deutschlands für notwendig erklärten.

Gleichzeitig gestalteten sich die Dinge in Polen sehr unerfreulich. Die
Selbständigkeit Polens mit Anlehnung an die beiden Kaiserreiche war seit
dem Zwei-Kaiser-Manifest vom 5. November 1916 ein erklärter Grundsatz der
deutschen und österreichisch-ungarischen Politik. Aber während die Polen
immer stürmischer auf den Ausbau ihrer Selbständigkeit und ihrer eigenen
staatlichen Einrichtungen noch während des Krieges drängten und dabei von
der Wiener Politik wie von der deutschen Reichstagsmehrheit unterstützt
wurden, verflüchtigte sich die Anlehnung an die Mittelmächte mehr und
mehr. Noch unter der Kanzlerschaft des Herrn Michaelis war den Polen in
dem Patent vom 12. September 1917 ein Regentschaftsrat, ein Ministerium
und ein erweiterter Staatsrat mit gesetzgeberischen Befugnissen
zugestanden worden; dagegen blieb das künftige Verhältnis Polens zu den
Zentralmächten nach wie vor ungeklärt. Während Berlin und Wien sich über
die Gestaltung dieses Verhältnisses nicht einigen konnten und die von
Wien nach wie vor mit Hartnäckigkeit vertretene austro-polnische Lösung
diskutierten, entfachte der Abschluß des Friedens mit der Ukraine bei den
Polen einen Sturm der Entrüstung, der deutlicher, als es bisher
geschehen war, deren wahres Gesicht zeigte. Die Bestimmungen des
Friedensvertrags über das Gouvernement Cholm veranlaßten das polnische
Ministerium zur Demission und den polnischen Regentschaftsrat zu einem
Manifest an das polnische Volk, das in heftigen Worten gegen die »neue
Teilung« protestierte und verkündete, daß der Regentschaftsrat das Recht
zur Ausübung der obersten Staatsgewalt, das er wenige Monate zuvor aus
den Händen der beiden Kaiser entgegengenommen hatte, aus dem Willen des
Volkes herleite in der Überzeugung, daß das polnische Volk ein Symbol der
Unabhängigkeit haben wolle und sich um dieses zu scharen beabsichtige.
Schon kurz zuvor, am 22. Januar, hatte der Polenklub im österreichischen
Abgeordnetenhaus eine Resolution eingebracht, die erklärte, daß sich das
Selbstbestimmungsrecht der Polen auf alle Polen ohne Rücksicht auf die
politischen Grenzen beziehen müsse und daß die einzig mögliche Lösung der
polnischen Frage die Vereinigung aller polnischen Gebiete mit Zutritt zum
Meere sei. Jetzt, nach dem Abschluß des Friedens mit der Ukraine,
erklärte das Präsidium des Polenklubs, daß der ganze Polenklub sich
genötigt sehe, im Reichsrat und in der österreichischen Delegation zur
Opposition überzugehen. Auch eine nachträgliche für Polen günstige
Modifikation der das Cholmer Gebiet betreffenden Bestimmung des
Friedensvertrags brachte keine Beschwichtigung der kochenden polnischen
Volksseele. Dieses edle Volk, das lediglich den Waffenerfolgen
Deutschlands und seiner Verbündeten und dem Blute vieler Tausender von
Deutschen und Österreichern die Aussicht auf seine staatliche
Wiederauferstehung verdankte, das für dieses große nationale Ziel keine
Hand gerührt und keinen Tropfen Blut vergossen, sondern in diesem größten
Krieg aller Zeiten abwartend beiseitegestanden hatte, wandte sich,
nachdem es von Rußland nichts mehr zu befürchten hatte, immer deutlicher
gegen seine Befreier. Die polnische Frage, das schwierigste aller
östlichen Probleme, wurde also durch die Brester Friedensverträge nicht
nur nicht gelöst, sondern geradezu verschärft.

Auch hinsichtlich der Ukraine und Finnlands schuf der Brester Friede
keine endgültigen Verhältnisse.

Die Ukraine hatte, wie oben dargestellt ist, alsbald nach Abschluß ihres
Friedens mit den Mittelmächten diese um Hilfe gegen Sowjetrußland bitten
müssen. Deutschland hatte seine Truppen sofort in die Ukraine einrücken
lassen; österreichisch-ungarische Truppen waren gefolgt, nachdem der
deutsche Vormarsch und das deutsche Ultimatum die russische Regierung
gezwungen hatten, ihre Vertreter wieder nach Brest-Litowsk zu schicken.
Aber auch nach Abschluß des Friedens mit Rußland hörten die Kämpfe in der
Ukraine nicht auf, obwohl Rußland sich zur Zurückziehung seiner Truppen,
einschließlich der Roten Garden, hatte verpflichten müssen. Unsere
Militärs vertraten nachdrücklich die Ansicht, daß die Ukraine den von
ihr übernommenen Verpflichtungen wirtschaftlicher Art, von deren
Erfüllung die Mittelmächte eine wesentliche Entlastung ihrer schwierigen
Ernährungslage erwarteten, wenn überhaupt, so nur dann würde nachkommen
können, wenn durch eine Säuberung des Landes von den bolschewistischen
Unruhestiftern Ordnung und Sicherheit wiederhergestellt werden würden. Im
Laufe der Monate März, April und Mai wurde in häufigen Kämpfen mit
bolschewistischen Truppen und Banden das ganze Gebiet der Ukraine bis zum
Don, einschließlich der Halbinsel Krim, von unseren Truppen, zu deren
Oberbefehlshaber Anfang April der Feldmarschall von Eichhorn ernannt
wurde, durchzogen und besetzt.

Schließlich sah sich der deutsche Oberbefehlshaber veranlaßt, auch in die
inneren Verhältnisse der Ukraine mit bewaffneter Hand einzugreifen. Die
Zentralrada erwies sich immer mehr als unfähig, ihre Autorität
durchzusetzen; vor allem gelang es ihr weder die von ihr übernommenen
Getreidelieferungen sicherzustellen noch auch für eine ausreichende
Frühjahrsbestellung zu sorgen. Es kam zu starken Reibungen mit der
Zentralrada, ja zu Anschlägen gegen das Leben der deutschen Offiziere und
zu scharfen Maßnahmen des deutschen Oberbefehlshabers, unter anderem zur
Verhaftung einzelner kompromittierter Radamitglieder aus einer Sitzung
dieser Körperschaft heraus. Gleichzeitig kam es zu einer Auflehnung der
Bauernschaft, die mit den kommunistischen Enteignungsgesetzen der Rada,
nicht einverstanden war. Eine Versammlung von Bauerndelegierten in Kiew
sagte sich von der Rada los und rief den General Skoropadski zum Hetman
und Diktator der Ukraine aus. Der Hetman erhielt die deutsche Anerkennung
und die tatkräftige Unterstützung des in der Ukraine stehenden deutschen
Militärs.

Für unser Verhältnis zu Sowjetrußland war dieser Umschwung in der Ukraine
von großer Bedeutung. Der russische General und ehemalige Flügeladjutant
des Zaren Skoropadski galt dort als Vorkämpfer der großrussischen
Gegenrevolution; die ihm von Deutschland gewährte Unterstützung wurde
namentlich von den »Linken Sozialrevolutionären«, die in der Ukraine den
Hauptteil ihrer Anhängerschaft hatten, voller Erbitterung als eine
feindselige Handlung Deutschlands gegen die russische Revolution
hingestellt und zu einer erneuten Aufpeitschung der Volksstimmung gegen
Deutschland benutzt.

Ebensowenig wie in der Ukraine fanden in Finnland die Kämpfe der von den
Mittelmächten anerkannten einheimischen Regierung mit den russischen
Truppen und Roten Garden durch den Abschluß des Friedensvertrags ein
Ende. Wenige Tage vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen
den Vierbundmächten und Sowjetrußland, der diesem die sofortige Räumung
Finnlands auferlegte, hatte die finnische Regierung durch ihre Berliner
Bevollmächtigten ein offizielles Hilfegesuch an die deutsche Regierung
gerichtet. Nachdem trotz der von Rußland im Brester Frieden
übernommenen Verpflichtung die Kämpfe in Finnland unter Mitwirkung
russisch-bolschewistischer Truppen fortdauerten, landeten Anfang April
deutsche Truppen in Hangö. Mit deren Unterstützung gelang es der
finnischen Regierung, der Rotgardisten Herr zu werden. Mitte Mai waren
alle wichtigen Plätze Finnlands in den Händen der von den Deutschen
unterstützten finnischen Regierungstruppen; aber an eine völlige
Zurückziehung der deutschen Truppen war hier, wenn nicht der erzielte
Erfolg sofort wieder aufs Spiel gesetzt werden sollte, ebensowenig zu
denken wie in der Ukraine.

Ganz besonders schwierig gestalteten sich die Verhältnisse im
Kaukasusgebiet. Türkische Truppen bemächtigten sich alsbald nach dem
Abschluß des Friedens der nach dem Brester Vertrag von den russischen
Truppen zu räumenden Bezirke Erdehan, Kars und Batum. Sie machten auch an
den Grenzen dieser Bezirke nicht halt; es bedurfte eines fortgesetzten
starken Druckes von deutscher Seite, um die türkischen Armeeführer, die
sich auf strategische Notwendigkeiten, namentlich in Rücksicht auf den
Fortgang der Kämpfe mit den Engländern im mittleren Mesopotamien,
beriefen, einigermaßen zurückzuhalten. Aus dem Völkergewirr des Kaukasus
entstanden nach der Auflösung der russischen Herrschaft neue Gebilde.
Georgier, Armenier und Tataren suchten eigene Freistaaten zu bilden und
sich dann zu einer transkaukasischen Republik zusammenzuschließen. Eine
festere Form nahm jedoch von diesen Gebilden nur Georgien an,
dessen Unabhängigkeit gegen Ende Mai 1918 durch den in Tiflis
zusammengetretenen georgischen Landtag proklamiert wurde. Der neue
georgische Staat suchte alsbald durch die Entsendung seines auswärtigen
Ministers nach Berlin freundschaftliche Beziehungen mit Deutschland
anzuknüpfen, die deutsche Anerkennung seiner Unabhängigkeit zu erlangen
und sich die deutsche Unterstützung zu sichern. Herr von Kühlmann teilte
am 24. Juni 1918 im Reichstag mit, daß das Deutsche Reich den Staat
Georgien »durch diplomatischen Notenwechsel als de facto bestehend
anerkannt« habe; für seine »juristisch-diplomatische Anerkennung« gälten
dieselben Grundsätze wie hinsichtlich Estlands und Livlands. Das deutsche
Interesse an Georgien wurde dadurch betont, daß der General von Kreß mit
einer starken Schutzwache in diplomatischer Mission nach Tiflis entsandt
wurde. In der Tat waren die Petroleumvorkommen von Baku, die durch eine
durch Georgien führende Röhrenleitung mit Batum am Schwarzen Meer in
Verbindung standen, vor allem aber die reichen georgischen Lager von
Manganerz sowohl unmittelbar für die Fortsetzung des Krieges wie auch
späterhin für die Übergangs- und Friedenszeit für Deutschlands Versorgung
mit diesen beiden wichtigen Produkten von besonderer Bedeutung.

Das Interesse, das unsere Regierung und Heeresleitung an den kaukasischen
Dingen nahm, brachte uns Reibungen nicht nur mit Sowjetrußland, sondern
auch mit unserem türkischen Bundesgenossen, der geneigt war, das ganze
Gebiet Kaukasiens als seine besondere Interessensphäre zu betrachten und
zu behandeln. Der ganze mit den kaukasischen Angelegenheiten
zusammenhängende Fragenkomplex wurde schließlich einer Konferenz
überwiesen, die im Juni in Konstantinopel zusammentreten sollte.

Nimmt man hinzu, daß der Bukarester Friede die Dobrudschafrage und die
Maritzafrage offengelassen hatte und daß die Durchführung wichtiger
seiner Bedingungen die Fortdauer der Besetzung der Walachei durch eine
ansehnliche Truppenmacht zur Voraussetzung hatte, so liegt zutage, daß
die östlichen Friedensschlüsse den Krieg nach Osten weder diplomatisch
noch militärisch vollständig liquidiert hatten. Schwierige Fragen, die
nicht nur unser Verhältnis zu den bisherigen Feinden, sondern auch zu den
neu entstehenden staatlichen Gebilden und vor allem auch zu unseren
Bundesgenossen betrafen, blieben offen, wurden zum Teil erheblich
verschärft oder tauchten neu auf. Wenn auch die kriegerischen Aktionen
großen Ausmaßes ihr Ende gefunden hatten, so nahm doch der Kleinkrieg
seinen Fortgang und erstreckte sich von Finnland bis zur Krim und dem
Kaukasus, über erheblich weitere Gebiete als vorher die eigentlichen
Feldzüge. Wohl konnte schon vor den Waffenstillstands- und
Friedensverhandlungen und erst recht nach den Friedensschlüssen die große
Masse der bisher im Osten kämpfenden Truppen für die Entscheidungskämpfe
im Westen freigemacht werden; aber was in den weit ausholenden
Expeditionen zu Kampfzwecken und in den kaum übersehbaren Gebieten zu
Besatzungszwecken gebunden blieb, stellte immer noch eine stattliche
Armee dar. Dazu kam, daß auch jetzt noch, nach dem Ausscheiden Rumäniens
aus der Reihe unserer kriegführenden Feinde, das durch die griechische
Armee verstärkte Ententeheer in Saloniki als dauernde Bedrohung unseres
in hohem Maße erschöpften und auf unsere Hilfe angewiesenen bulgarischen
Bundesgenossen verblieb und daß die gleichfalls stark erschöpfte
türkische Armee in Syrien wie in Mesopotamien einen schweren Stand gegen
die Engländer hatte und, ebenso wie das bulgarische Heer, auf unsere
Hilfe Anspruch machte.

Auch wirtschaftlich brachten uns die östlichen Friedensschlüsse
keineswegs in vollem Umfang die erwartete Entlastung. Die Ukraine blieb
mit den vertragsmäßig zugesagten Getreidelieferungen erheblich im
Rückstand. Nicht nur, daß die von der Zentralrada mit Hartnäckigkeit
versuchte Verstaatlichung des Handels es nahezu unmöglich machte, das bei
den Bauern noch vorhandene Getreide herauszuholen, daß die Zeit in
endlosen Verhandlungen über die Gestaltung des Austausches verloren
wurde, daß die Wiederherstellung der Verkehrsmittel große Schwierigkeiten
machte und daß die politischen und sozialen Unruhen einen geregelten
Wirtschaftsverkehr nicht aufkommen ließen, -- es stellte sich auch
heraus, daß die ukrainischen Vertreter bei den Friedensverhandlungen die
noch vorhandenen Bestände an Lebensmitteln bedeutend überschätzt hatten.
Der vierjährige Krieg und schließlich die Revolution hatten die
landwirtschaftliche Erzeugung selbst der wunderbaren »Schwarzen Erde«
stark herabgedrückt. Der ukrainische »Brotfriede« erwies sich als eine
Illusion.

In Rumänien standen die Dinge nicht viel günstiger. Der Feldzug hatte die
Ernte des Jahres 1916 großenteils aufgebraucht und die Bestellung für das
Jahr 1917 beeinträchtigt. Die Ernteaussichten für 1918 waren infolge
anhaltender Trockenheit ausgesprochen schlecht. Die andere große Hilfe,
auf die wir bei Rumänien rechneten, das Petroleum und seine Erzeugnisse,
stand zunächst auch nur in beschränktem Umfang zur Verfügung; denn die
Rumänen hatten die Anlagen und Vorrichtungen zur Gewinnung und
Verarbeitung des Petroleums mit Hilfe englischer und amerikanischer
Fachleute mit einem solchen Raffinement und einer solchen Gründlichkeit
zerstört, daß die Wiederherstellung lange Zeit erforderte.

Am wenigsten befriedigend gestalteten sich die wirtschaftlichen
Beziehungen zu Sowjetrußland. Die von dort erwartete Hilfe in Nahrungs-
und Futtermitteln wie in kriegswichtigen Rohstoffen blieb völlig aus. Es
gelang nicht, auch nur den bescheidensten Warenaustausch in Gang zu
bringen. Die inneren, in den Verhältnissen selbst begründeten
Schwierigkeiten wurden gesteigert durch eine passive Obstruktion, die
unverkennbar von den Männern der bolschewistischen Regierung, so sehr
diese fortgesetzt ihren guten Willen betonte, unterstützt und geleitet
wurde.

Die weitere Entwicklung der Dinge in Rußland erforderte unsere größte
Aufmerksamkeit. Die Friedensschlüsse im Osten hatten zwar den
militärischen Zusammenbruch unseres auf dem Kontinent stärksten Gegners
besiegelt. Aber an Stelle der gewaltigen Militärmacht des Zaren war uns
ein neuer gefährlicher Feind erstanden: der Bolschewismus. In Finnland
und der Ukraine standen wir mit ihm in offenem Kampf, in Sowjet-Rußland
verhinderte er die Auswirkung des Friedensschlusses, im eigenen Lande
zehrte er als schleichendes Gift an den Wurzeln unserer Kraft. Mit diesem
Feinde im Rücken hatten wir im Westen die Entscheidung herbeizuführen.




                            Die Entscheidung

                      Diplomatisches Zwischenspiel


Zu derselben Zeit, als Rußland endgültig zusammenbrach und die
bolschewistische Regierung sich zu Friedensverhandlungen bereit erklärte,
richtete Lord Lansdowne, der Leiter der britischen Außenpolitik in dem
letzten konservativen Kabinett, einen Brief über Krieg und Frieden an die
»Times«, der einen Umschwung in der Gesinnung der politischen Kreise
Englands anzukündigen schien. Die »Times« verweigerten den Abdruck des
Briefes. Lord Lansdowne ließ ihn daraufhin im »Daily Telegraph«
veröffentlichen. Der Brief war eine besorgte Warnung vor der Überspannung
der Kriegsziele und der Parole des Krieges bis zum Äußersten. Der
Wirtschaftskrieg sei als Kriegsmittel gerechtfertigt; aber kein
Vernünftiger könne auf die Dauer die feindlichen Mächte vom Welthandel
ausschließen wollen. Von den territorialen Kriegszielen sei manches, was
früher an erster Stelle gestanden habe, in die zweite Reihe gerückt; an
erster Stelle stehe die Wiederherstellung Belgiens. »Wir werden den
Krieg nicht verlieren, aber seine Weiterführung würde den Untergang der
Kulturwelt herbeiführen. Der Krieg muß zu Ende gebracht werden, um die
Welt vor einer Katastrophe zu bewahren.«

Solche Worte aus der Feder eines britischen konservativen Führers,
eines Mannes, dem pazifistische Gedankengänge fernlagen, der
auf den Grundsätzen des britischen Imperialismus stand und
praktisch-imperialistische Politik gemacht hatte, erregten natürlich in
der ganzen Welt das größte Aufsehen. Beifall und Widerspruch waren in den
alliierten Ländern geteilt. Am heftigsten griff die französische Presse
Lord Lansdowne an, da sie ein Abrücken der britischen Politik von den
französischen Eroberungszielen befürchtete. Bei uns und unseren
Verbündeten erweckten die Äußerungen des Lords neue Hoffnung auf einen
gerechten Verständigungsfrieden. Der Staatssekretär von Kühlmann äußerte
im Hauptausschuß des Reichstags am 30. November 1917, vielleicht könne
der Lansdowne-Brief »als ein hoffnungsvolles Zeichen dafür aufgefaßt
werden, daß auch in England gemäßigte Stimmen Boden gewinnen«.

Aber bald erwies sich der Brief Lansdownes als die Stimme eines Predigers
in der Wüste. In England selbst wurde er, ohne Widerspruch bei seinem
Urheber zu finden, in einer Weise zurechtkommentiert, die den
ursprünglichen Eindruck nahezu in sein Gegenteil verkehrte. Am 15.
Dezember erklärte Lloyd George in öffentlicher Rede, der Brief
Lansdownes sei bei Freund und Feind mißverstanden worden und habe auf der
Pariser Konferenz der Alliierten, die zur Zeit seiner Veröffentlichung
tagte, eine peinliche Überraschung hervorgerufen. In Wirklichkeit habe
Lord Lansdowne nichts anderes sagen wollen als etwa Asquith oder Wilson.

Der Hinweis auf Wilson zielte auf die Botschaft, die Wilson am 5.
Dezember 1917 an den Kongreß gerichtet hatte mit dem Antrag, der Kongreß
möge auch gegenüber Österreich-Ungarn, mit dem bisher nur die
diplomatischen Beziehungen abgebrochen worden waren, den Kriegszustand
erklären. Dieser Schritt, für den ein besonderer Anlaß auf der Seite
Österreich-Ungarns nicht vorlag, war offenbar auf das Drängen Frankreichs
und Italiens zurückzuführen, die durch eine solche amerikanische
Demonstration -- mehr war die formelle Erklärung des Kriegszustandes
seitens der Union an die Adresse der Donaumonarchie nicht -- ein
moralisches Gegengewicht gegen den bedenklichen Eindruck der
italienischen Niederlage in Venetien und des russischen Friedensschrittes
schaffen wollten. Als unmittelbare Begründung für seinen Antrag gab
Wilson an, es sei eine unbestreitbare Tatsache, daß Österreich-Ungarn im
Augenblick nicht Herr seiner selbst, sondern lediglich ein Vasall der
deutschen Regierung sei.

In derselben Botschaft machte der Präsident Ausführungen allgemeiner Art,
die sich in der schon in seiner Kundgebung aus Anlaß der Erklärung des
Kriegszustandes gegen Deutschland und in seiner Antwort auf die
Friedensnote des Papstes eingeschlagenen Richtung bewegten und für die
Auffassungen und Ziele dieses für die weitere Entwicklung des Krieges so
wichtigen Mannes in hohem Maße bezeichnend waren. Er sprach von der
»unerträglichen Erscheinung, deren häßliches Gesicht die Herren
Deutschlands uns zeigen«, von der »Drohung durch Intrige, verbunden mit
Gewalt, als welche wir die deutsche Macht jetzt deutlich sehen, ohne
Gewissen, Ehre oder Eignung für einen durch Vertrag geschlossenen
Frieden«. Es gelte, diese Macht zu Boden zu schlagen und, wenn nicht
völlig aus der Welt zu schaffen, so doch von dem friedlichen Verkehr der
Völker auszuschließen. Wenn aber diese Erscheinung besiegt sei und das
deutsche Volk Sprecher habe, deren Worten man trauen könne, wenn ferner
diese Sprecher bereit sein würden, namens ihres Volkes ein allgemeines
Urteil der Nationen darüber anzunehmen, was künftig Grundlage für Gesetz
und Verträge unter den Völkern sein solle, dann werde man freudig bereit
sein müssen, den vollen Preis für den Frieden zu zahlen. Dieser Preis sei
»die volle und unparteiische Gerechtigkeit, Gerechtigkeit in jeder
Beziehung und für jedes Volk«. Er ergänzte diese Ausführungen durch den
Ausdruck der Bewunderung für Deutschlands Wissenschaft und Industrie und
durch die Versicherung, niemand wolle sich in Deutschlands innere
Angelegenheiten einmischen, niemand bedrohe Deutschlands Existenz,
Unabhängigkeit und friedliche Entwicklung. Aber für die edle und
gerechte Sache, für die Amerika seinen Traditionen gemäß in den Krieg
eingetreten sei, werde es sich schlagen, bis der letzte Schuß verhallt
sei.

Wie schon in seiner Antwort auf den Friedensvorschlag des Papstes, so
suchte der Präsident Wilson bei dem deutschen Volke, für dessen Ohren
diese Botschaft mindestens ebensosehr bestimmt war wie für die Ohren
seiner unmittelbaren Zuhörerschaft, den Eindruck zu erwecken, als gelte
der Krieg Amerikas nur den »Herren Deutschlands«, und diesen in aller
Unerbittlichkeit, nicht aber dem deutschen Volke selbst, für das er seine
Sympathie und Bewunderung ausdrückte; als hänge es nur von dem deutschen
Volk ab -- in dessen innere Angelegenheiten er sich beileibe nicht
einmischen wolle! --, durch Davonjagen seiner »Herren« zu einem Frieden
der unparteiischen, Freund und Feind mit gleichem Maße messenden
Gerechtigkeit zu kommen. In späteren Reden und Botschaften hat er
denselben Faden weitergesponnen. Das hart geprüfte, unter den Opfern und
der Last des Krieges schwer leidende deutsche Volk horchte allmählich
auf. Nicht nur in einfältigen Gemütern fanden die verführerischen Worte
Wilsons Eingang; auch ein großer Teil der »Intelligenz« und derjenigen
Leute, die bei uns die Rolle von Politikern spielten, sich selbst für
Politiker hielten und dafür halten ließen, kam allmählich dazu, in
Wilsons Worten Offenbarungen zu hören. Mit besonderer Aufdringlichkeit
spielte sich Herr Maximilian Harden, einer der schlimmsten Verderber des
deutschen Geistes, als Wilsons Prophet auf. Immer kleiner wurde die Schar
derjenigen, die in Wilsons Ausführungen nichts anderes erblickten als den
entschlossenen Willen der Fortsetzung des Krieges bis zur Niederwerfung
Deutschlands und die mit Doktrinarismus und Unkenntnis europäischer
Verhältnisse gepaarte Absicht der Bemäntelung dieses Kriegswillens mit
völkerbeglückenden Ideen, dazu den Versuch, das deutsche Volk in sich
selbst zu entzweien und es gegen die Monarchie und ihre Träger
aufzuwiegeln.

Nichts anderes als dieser Wilson hatte nach Lloyd Georges Bekundung Lord
Lansdowne in seinem Briefe sagen wollen. Und Lloyd George selbst? -- Er
machte in seiner Rede vom 15. Dezember aus seinem Herzen wahrhaft keine
Mördergrube. Er warnte eindringlich vor den Pazifisten, die auf allerhand
Schleichwegen England zu einem voreiligen Frieden zu bewegen suchten. Er
erklärte es für einen Wahn, man könne den Krieg durch einen Völkerbund
beenden. Das sei zwar eine gute Sache nach dem Siege, aber jetzt klinge
der Vorschlag wie ein Scherz. Wolle man ohne Sicherheit gegen die
Wiederholung des von Deutschland begangenen Vertragsbruches ein neues
Abkommen schaffen, so sei das aber kein Witz mehr, sondern ein
Trauerspiel. Er gebe nichts auf Worte ohne die Kraft und Macht des
Sieges. Die »Preußen« -- er sprach mit Absicht nicht von den »Deutschen«
-- bezeichnete er als »Verbrecher und Banditen«. Die sichere Hoffnung
auf den Sieg trotz des Ausscheidens Rußlands begründete er mit dem
Hinweis darauf, daß an die Stelle Rußlands, das sich als der am
schlechtesten organisierte Staat erwiesen habe, jetzt die Vereinigten
Staaten mit ihrer ganzen Kraft getreten seien.

Einige Tage später, am 21. Dezember, nahm Lloyd George Gelegenheit, sich
im Unterhaus in einer großen Rede über die Lage auszusprechen. Er
verhehlte nicht die Gefahren: Der Lebensmittelmangel bei den Alliierten
sei größer als erwartet. Die zu Anfang des Jahres gehegten militärischen
Hoffnungen seien nicht in Erfüllung gegangen; zwar hätten die Deutschen
auf dem westlichen Kriegsschauplatz Niederlagen erlitten und hätten die
Engländer Bagdad und Jerusalem erobert; aber die Lage sei bedrohlicher
geworden durch die unerwartete Niederlage Italiens, dem seine Verbündeten
hätten zu Hilfe kommen müssen, und durch Rußlands Eintritt in
Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen. Die kommenden Wochen würden
die sorgenvollsten des ganzen Krieges sein. Auf Grund dieser Lage
kündigte er Maßregeln zur Vergrößerung des Heeres an. Von
Friedensbereitschaft war auch aus dieser Rede nicht der leiseste Klang
herauszuhören. Zwar wies er den Gedanken als lächerlich weit von sich,
England habe am Krieg teilgenommen, um Gebietsteile zu erwerben. Aber er
blieb dabei, der Krieg sei verursacht worden durch die »ruchlose Arroganz
der deutschen Militärkaste«, und solange der Geist dieser Kaste nicht
gebrochen sei, werde kein Friede in der Welt sein. Der Sieg sei das
einzige Mittel, den Friedensbedingungen Kraft zu verleihen.

Nun kam die Unterbrechung der Brester Friedensverhandlungen auf zehn Tage
mit der ausdrücklichen Begründung, daß Rußlands Verbündeten Gelegenheit
gegeben werden solle, den Verhandlungen beizutreten und so den Weg zum
allgemeinen Frieden zu öffnen. Für diesen Fall hatten die Mächte des
Vierbundes ausdrücklich die Grundlage: »Keine gewaltsamen
Gebietserwerbungen, keine Kriegsentschädigungen, Selbstbestimmungsrecht
der Völker« durch die Erklärung des Grafen Czernin vom 25. Dezember als
maßgebend angenommen. Die russische Regierung wandte sich mit ihrer
Aufforderung, den allgemeinen Frieden auf diesem Boden herbeizuführen, an
die Völker. Es konnte kaum mehr zweifelhaft sein, daß im Falle einer
Weigerung der alliierten Regierungen, den Friedensverhandlungen
beizutreten, Rußland mit den Mächten des Vierbundes in kürzester Zeit
einen Sonderfrieden abschließen würde.

Wir wissen bereits, daß die Ententeregierungen es ablehnten, sich auf
Friedensverhandlungen einzulassen.

Am meisten beeilte man sich mit der Ablehnung in Paris. Der Minister des
Auswärtigen, Herr Pichon, teilte bereits am 27. Dezember in der Kammer
mit, daß die Vertreter der Alliierten in Petersburg erklärt hätten, an
dem Tage, an dem in Rußland eine regelrecht konstituierte Regierung
bestehen werde, seien sie bereit, mit dieser ihre Kriegsziele und die
eventuellen Bedingungen eines dauerhaften und gerechten Friedens zu
besprechen. Herr Pichon erging sich dann auf eigene Rechnung in
Beschuldigungen gegen Deutschland, das Rußland von seinen Verbündeten
trennen, es zerstückeln und berauben, schließlich die Revolution
niederwerfen und das autokratische Regime unter preußischer Hegemonie
wieder aufrichten wolle. Er wiederholte ferner Frankreichs Ansprüche auf
Elsaß-Lothringen und schloß mit Clemenceaus Parole: »Zuerst siegen!«

In Rom lehnte der Ministerpräsident Orlando in einer Rede vor dem Senat
die Friedensgrundlagen, wie sie in Brest-Litowsk präzisiert worden waren,
ab, da sie Frankreich Elsaß-Lothringen und Italien die unerlösten
Provinzen vorenthielten. Es handle sich bei den Mittelmächten nicht um
ein aufrichtiges Streben nach Frieden, sondern um eine hinterlistige
Friedensoffensive, die den Geist der kriegführenden Völker zersetzen und
vergiften wolle.

Nicht ganz einfach war die Lage für die britische Regierung. Der Ernst
der Situation, von dem Lloyd George am 21. Dezember im Unterhause offen
und freimütig gesprochen hatte, und die Notwendigkeit noch stärkerer
Anstrengungen, gegen die in der Arbeiterschaft sich Widerstände geltend
machten, verstärkten sichtlich die Geneigtheit großer Teile der
Bevölkerung, einen billigen Frieden anzunehmen. Hochfahrende Worte, wie
sie Lloyd George noch vor kurzem gegen Deutschland, das Land der
»Verbrecher und Banditen«, gebraucht hatte, waren in dieser Lage nicht
ganz angebracht. Der Reichskanzler hatte in einem Interview geantwortet,
nach jenen Schmähungen des britischen Premiers sei klar, daß für uns ein
Verhandeln mit Männern derartiger Gesinnung ausgeschlossen sei. Lloyd
George mußte sich in Rücksicht auf Strömungen in seinem eigenen Lande
hüten, den Bogen zu überspannen.

Als er am 5. Januar vor den Vertretern der Gewerkschaften erschien, um
bei diesen Stimmung für die geplanten großen militärischen Neuforderungen
zu machen, dämpfte er merklich den Ton. Seiner Rede gab er besonderen
Nachdruck durch die Erklärung, daß sie das Ergebnis von Besprechungen mit
Vertretern der Arbeiterpartei, ferner mit Asquith und Grey sowie mit
Vertretern der großen Dominions sei, also nicht nur die Meinung der
Regierung, sondern des ganzen Britischen Reiches wiedergebe. Er führte
aus: Mit dem größten Widerstreben sei England in den Krieg eingetreten,
nur um die Verträge aufrechtzuerhalten, auf denen die Ordnung Europas
beruhe und die Deutschland zertreten habe. Es sei nicht Englands Absicht,
Deutschlands Stellung in der Welt zu erschüttern und zu vernichten; nur
Deutschlands Streben nach einer militärischen Vorherrschaft müsse
gebrochen werden. Auch sei England nicht in den Krieg gegangen, um die
monarchische Verfassung Deutschlands zu zerstören; es sei allerdings
seine Meinung, daß die Annahme eines wahrhaft demokratischen Systems
durch Deutschland der überzeugendste Beweis vom Verschwinden des alten
Geistes militärischer Vorherrschaft wäre und es leichter machen würde,
einen auf breiter demokratischer Grundlage beruhenden Frieden zu
schließen. -- Lloyd George blies also in diesem Punkte dieselbe Melodie
wie Wilson. -- Als Kriegsziele bezeichnete er: die vollkommene
Wiederherstellung Belgiens und Schadenersatz für seine verwüsteten Städte
und Provinzen; die Wiederherstellung Serbiens, Montenegros und der
besetzten Teile Frankreichs, Italiens und Rumäniens. Er fügte hinzu,
England werde die französische Demokratie bis in den Tod unterstützen bei
ihrer Forderung auf eine »reconsideration« (Wiedererwägung oder
Wiedergutmachung?) des großen Unrechtes von 1871. Er sprach sich ferner
für ein unabhängiges Polen aus, das alle Gebiete umfasse, die sich ihm
anzuschließen wünschten. Österreich-Ungarn solle nicht zerrissen werden,
müsse aber seinen Nationalitäten Selbstregierung gewähren. Das Türkische
Reich mit Konstantinopel als Hauptstadt könne bleiben, aber die Meerengen
müßten neutralisiert werden, und Armenien, Arabien, Mesopotamien und
Syrien müßten das Recht auf Anerkennung ihrer besonderen nationalen
Verhältnisse erhalten. Über die deutschen Kolonien müsse eine Konferenz
entscheiden, die in erster Linie die Wünsche und Interessen der
Eingeborenen zu berücksichtigen habe. Schließlich müsse ein ernsthafter
Versuch gemacht werden, eine friedliche Regelung internationaler Fragen
an die Stelle des Krieges, dieses Restes alter Barbarei, zu setzen.

Auf diese Rede Lloyd Georges erfolgte am 8. Januar eine Botschaft des
Präsidenten Wilson an den Kongreß, die in ihrem Gedankengang eine
auffallende Übereinstimmung mit der drei Tage zuvor gehaltenen Rede Lloyd
Georges zeigt. Diese Botschaft sollte späterhin dadurch eine besondere
historische Bedeutung erlangen, daß die deutsche Regierung Anfang Oktober
1918 bei ihrem Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden auf die in ihr
entwickelten 14 Programmpunkte des Weltfriedens zurückgriff und daß die
alliierten Regierungen diese 14 Punkte mit zwei Vorbehalten als Grundlage
des abzuschließenden Friedens annahmen.

Wilson ging sehr geschickt aus von den inneren Unstimmigkeiten, die aus
dem Verhalten der Vertreter der Zentralmächte bei den Brester
Verhandlungen zutage traten. Er stellte die Frage: »Wem haben wir nun
eigentlich zugehört? Denen, die den Geist und die Absicht der Resolution
des Deutschen Reichstags vom 19. Juli 1917, den Geist und die Absicht der
liberalen Führer Deutschlands verkündeten, oder denen, die diesem Geist
und dieser Absicht Widerstand leisten, sie verachten und auf Eroberung
und Unterwerfung bestehen? Oder hören wir am Ende beide unversöhnt und in
offenem und hoffnungslosem Widerspruch?« Aber einerlei, wie diese Frage
sich beantworte, es bestehe kein Grund, die Aufforderung der
Mittelmächte nach Bekanntgabe der Kriegsziele nicht mit der äußersten
Offenheit zu beantworten. Die Vereinigten Staaten seien in den Krieg
eingetreten, weil Rechtsverletzungen vorgekommen seien, die an ihren
Lebensnerv rührten. Sie verlangten in diesem Kriege nichts für sich
selbst; sie verlangten nur, daß das Leben in der Welt würdig und sicher
gemacht werde, und dieses Interesse sei allen Völkern gemeinsam. Das
Programm der Vereinigten Staaten sei daher das Programm des Weltfriedens,
und dieses einzig mögliche Programm enthalte die folgenden Punkte:

1. Offene und öffentlich zustandegekommene Friedensverträge, nach deren
Zustandekommen es keine geheimen internationalen Abmachungen
irgendwelcher Art mehr geben solle; vielmehr solle die Diplomatie immer
offen und vor aller Welt getrieben werden.

2. Vollkommene Freiheit der Schiffahrt auf den Meeren außerhalb der
territorialen Gewässer sowohl im Frieden wie im Krieg, soweit nicht etwa
die Meere durch eine internationale Aktion zwecks Durchsetzung
internationaler Verträge ganz oder teilweise geschlossen werden sollten.

3. Die Beseitigung, soweit sie möglich ist, aller wirtschaftlichen
Schranken und die Errichtung einer Gleichheit der Handelsbedingungen
unter allen Nationen, die sich dem Frieden anschließen und sich zu seiner
Aufrechterhaltung zusammenfinden.

4. Es sollen geeignete Garantien gegeben und genommen werden, daß die
nationalen Rüstungen auf das niedrigste mit der inneren Sicherheit
verträgliche Maß herabgesetzt werden.

5. Eine freie, offenherzige und unbedingt unparteiische Regelung aller
kolonialen Ansprüche, beruhend auf der strikten Beobachtung des
Grundsatzes, daß bei der Entscheidung solcher Souveränitätsfragen die
Interessen der betroffenen Bevölkerung ein ebensolches Gewicht haben
sollen wie die berechtigten Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel
bestimmt werden sollen.

6. Räumung aller russischen Gebiete und eine Regelung aller Rußland
betreffenden Fragen, die Rußland die beste und freieste Mitwirkung aller
anderen Nationen der Welt zum Zweck der Erlangung einer unbehinderten und
unbeeinträchtigten Möglichkeit der unabhängigen Bestimmung der eigenen
politischen Geschicke und der nationalen Politik sichert und Rußland eine
herzliche Aufnahme in die Gesellschaft der freien Nationen gewährleistet,
desgleichen jede Hilfe, die Rußland nötig haben und wünschen sollte.

7. Belgien muß geräumt und wiederhergestellt werden, und zwar ohne jeden
Versuch der Beschränkung seiner Souveränität, deren es sich in gleicher
Weise wie alle anderen freien Nationen erfreuen soll.

8. Alles französische Gebiet müßte befreit werden, und das besetzte
Gebiet und das im Jahre 1871 Frankreich in Sachen Elsaß-Lothringens von
Preußen zugefügte Unrecht, das nahezu fünfzig Jahre lang den Weltfrieden
in Frage gestellt hat, müßte in Ordnung gebracht werden, damit im
Interesse aller noch einmal Friede gemacht werden kann[3].

  [3] Der englische Text lautet reichlich unklar:

      All french territory should be freed, and the invaded portions and
      the wrong done to France by Germany in 1871 in the matter of
      Alsace-Lorraine -- which has unsettled the peace of the world
      nearly fifty years -- should be righted in order that peace may
      once more be made in the interest of all.

9. Eine Berichtigung der italienischen Grenzen sollte bewirkt werden nach
den klar erkennbaren Linien der Nationalität.

10. Den Völkern Österreich-Ungarns, dessen Platz wir unter den Nationen
gewahrt und gesichert zu sehen wünschen, müßte die erste Gelegenheit
einer autonomen Entwicklung gegeben werden.

11. Rumänien, Serbien und Montenegro müßten geräumt, die besetzten
Gebiete wiederhergestellt werden, Serbien müßte einen freien und sicheren
Zugang zum Meere erhalten, und die gegenseitigen Beziehungen der
Balkanstaaten müßten durch freundschaftliche Beratung gemäß den
geschichtlich gewordenen Grundlinien von Zusammengehörigkeit und
Nationalität bestimmt werden; außerdem müßten internationale Garantien
für die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und die
territoriale Integrität der einzelnen Balkanstaaten geschaffen werden.

12. Den türkischen Teilen des gegenwärtigen Ottomanischen Reiches müßte
eine sichere Souveränität gewährleistet werden. Aber die anderen
Nationalitäten, die jetzt unter türkischer Herrschaft stehen, müßten eine
unzweifelhafte Sicherheit des Lebens und eine vollkommen
unbeeinträchtigte Möglichkeit der autonomen Entwicklung erhalten; die
Dardanellen müßten unter internationalen Garantien dauernd als freie
Durchfahrt für die Schiffe und den Handel aller Nationen geöffnet werden.

13. Ein unabhängiger polnischer Staat müßte errichtet werden, der die von
einer unbestreitbar polnischen Bevölkerung bewohnten Gebiete
einschließen, einen freien und gesicherten Zugang zum Meer erhalten und
dessen politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und territoriale
Integrität durch internationalen Vertrag garantiert werden sollte[4].

  [4] Englischer Text: An independent Polish State should be erected
      which should include territories inhabited by indisputably Polish
      population, which should be assured a free and secure access to
      sea, and whose political and economic independance and territorial
      integrity should be garanteed by international covenant.

14. Es muß eine allgemeine Vereinigung der Nationen unter bestimmten
Vertragsbedingungen gebildet werden zum Zweck gegenseitiger Garantie
politischer und territorialer Unabhängigkeit auch für kleine Staaten.

Wilson erklärte, daß die Vereinigten Staaten mit ihren Verbündeten bis
zur Erfüllung dieser Forderungen kämpfen würden, lediglich aus dem
Wunsche, das Recht zum Siege zu führen und einen gerechten und
dauerhaften Frieden herbeizuführen. Er betonte erneut, daß den
Vereinigten Staaten jede Eifersucht auf Deutschlands Größe fernliege und
daß diese durch nichts in seinem Programm beeinträchtigt werde. »Wir
neiden Deutschland keine Errungenschaft oder Auszeichnung in der
Wissenschaft oder in friedlichen Unternehmungen. Wir wollen Deutschland
nicht schädigen oder irgendwie seinen rechtmäßigen Einfluß oder seine
Macht beschränken. Wir wünschen nicht, Deutschland zu bekämpfen, sei es
mit den Waffen, sei es mit wirtschaftlichen Kriegsmaßnahmen, wenn es
bereit ist, sich mit uns und anderen friedliebenden Nationen der Welt in
Verträgen über Recht, Gerechtigkeit und anständigen Handel (fair trading)
zu einigen. Wir wünschen nur, daß Deutschland einen Platz der
Gleichberechtigung unter den Völkern der Welt einnimmt -- der neuen Welt,
in der wir leben -- statt eines Herrscherplatzes. Ebensowenig vermessen
wir uns, Deutschland irgendeine Änderung seiner Staatseinrichtungen
vorzuschlagen; aber es ist notwendig -- wir müssen das offen aussprechen
-- und notwendig als Voraussetzung für jedes vertrauensvolle Verhandeln
von unserer Seite, daß wir wissen, für wen seine Wortführer sprechen,
wenn sie mit uns reden, ob für die Reichstagsmehrheit oder für die
Militärpartei und die Leute, deren Credo imperialistische Herrschaft
ist.«

Ebenso wie die Rede Lloyd Georges vom 5. Januar unterschied sich diese
Botschaft Wilsons im Ton vorteilhaft von früheren Kundgebungen. Dem
Inhalt nach mußte jedoch das Wilsonsche Programm bei dem damaligen Stande
des Krieges in wichtigen Punkten unannehmbar, ja undiskutierbar
erscheinen. Deutschland, das jetzt gerade mit seinem unter gewaltigen
Anstrengungen und Opfern zu Boden geworfenen russischen Nachbarn
verhandelte, sollte seine Ostmarken, die durch mehr als ein Jahrhundert
deutscher Kulturarbeit zur Blüte gebracht und mit dem Reiche
zusammengewachsen waren, an den durch die deutschen Siege erst wieder
möglich gewordenen und durch die Proklamation der beiden verbündeten
Kaiser erst wieder ins Leben gerufenen polnischen Staat herausgeben?
Deutschland, das einen großen Teil von Nordfrankreich besetzt hielt, das
jetzt nach dem Ostfrieden ein Heer von nie gesehener Stärke auf dem
westlichen Kriegsschauplatz vereinigte, sollte Elsaß-Lothringen, ein Land
mit 87% deutschsprechender Bevölkerung, an Frankreich ausliefern? Ein
unbesiegtes Deutschland sollte seine Bundesgenossen treulos im Stich
lassen, sich mit der Zertrümmerung der Türkei und der Einmischung der
Westmächte in die inneren Verhältnisse der Donaumonarchie einverstanden
erklären? Das alles angesichts der Tatsache, daß der Grundsatz des
Selbstbestimmungsrechts der Nationalitäten in dem Wilson-Programm
lediglich zum Nachteil Deutschlands und seiner Verbündeten angewendet
wurde, nicht aber auf das britische Weltreich, für das seine Anwendung
ebenso verhängnisvoll wirken mußte wie für Österreich-Ungarn und die
Türkei, und angesichts Irlands jedenfalls verhängnisvoller als für das im
großen ganzen national geschlossene Deutschland.

Die Erkenntnis der gewaltigen Kluft, die auch bei gutem Willen zwischen
den beiden Mächtegruppen lag, fehlte auch auf der anderen Seite nicht.
Balfour sprach am 11. Januar in Edinburgh aus, die Kriegsziele der beiden
Parteien seien offenbar nicht miteinander zu versöhnen. Deutschland führe
seine Jugend zur Schlachtbank, nur um zu verhindern, daß das Unrecht von
1871 rückgängig gemacht, daß Belgien wieder in seinen früheren Zustand
gebracht, daß das Werk der Einheit Italiens vollendet, daß die Missetat
der Teilung Polens wieder gutgemacht werde; Deutschland wolle, daß
Mesopotamien, Arabien und Jerusalem wieder unter die Gewalt der Türken
kämen; die Wunden Serbiens, Montenegros und Rumäniens sollten nicht
geheilt, und Griechenland solle denen ausgeliefert werden, die es
verraten hätten. -- Das war durch die britische Brille gesehen und für
den Gebrauch der öffentlichen Meinung der Ententestaaten gefärbt. Aber
wenn man von den tendenziösen Behauptungen über Belgien und die
Balkanstaaten absieht -- Fragen, über die wir zu verhandeln bereit waren
und an denen von uns aus, wie Balfour wissen konnte, niemals der Friede
gescheitert wäre --, was blieb dann als die Feststellung, daß
Deutschland und seine Verbündeten einen Verteidigungskrieg für ihren
Bestand führten, daß aber die Alliierten Elsaß-Lothringen und die Ostmark
vom Deutschen Reich, die Gebiete der Irredenta und Galizien von
Österreich, Mesopotamien, Arabien und Syrien von der Türkei losreißen
wollten? Und dabei gestand Balfour nur einen Teil der wirklichen
Kriegsziele der Alliierten ein. Von Englands Absicht der Zerstörung aller
weltwirtschaftlichen Beziehungen und Stützpunkte Deutschlands -- einer
Absicht, die es seit dem ersten Tag des Krieges überall, wohin sein Arm
reichte, hatte zur Tat werden lassen, -- war mit keinem Wort die Rede. In
diesem Konflikt zwischen den Verteidigungszielen des Vierbundes und den
Eroberungs- und Vernichtungszielen der Alliierten lag immer und immer
wieder das Friedenshindernis!

War dieser Konflikt unlösbar? Durfte auf den Versuch verzichtet werden,
den Frieden vor neuen furchtbaren Kämpfen durch eine Fortsetzung der
Friedensgespräche anzubahnen?

Die neuesten Kundgebungen Lloyd Georges, Balfours und Wilsons schienen
wenigstens in ihrem Ton nicht alle Aussichten zu verschließen. Außerdem
sprachen gewisse Anzeichen für eine weitere Zunahme der Schwierigkeiten
der Alliierten, Schwierigkeiten, von denen man eine Förderung der
friedensfreundlichen Tendenzen vielleicht erwarten konnte.

Vor allem steigerten sich infolge des U-Bootkriegs auch für die Entente
erneut die Ernährungssorgen, die nach der Einbringung der neuen Ernte
zunächst behoben schienen. Die amerikanische Regierung sah sich genötigt,
unerwartet starken Anforderungen ihrer Verbündeten zu entsprechen. Reuter
meldete am 12. Januar 1918 aus Washington, daß die Höchstmenge der
normalen Weizenausfuhr der Union schon gegen Ende Dezember verladen
gewesen sei, daß aber gleichwohl die Unionsregierung angesichts des bei
den Alliierten herrschenden Mangels Vorbereitungen für die Lieferung von
weiteren 90 Millionen Bushels (gleich 2-1/2 Millionen Tonnen) treffe. Zu
diesem Zweck seien weitere Einschränkungen des amerikanischen Verbrauches
geplant. Reuter fügte hinzu: »Die Entscheidung, ob das Abkommen mit den
Alliierten über den Transport amerikanischer Truppen nach Europa dadurch
berührt wird, bleibt den Alliierten überlassen. Einzelne amerikanische
Beamte sind der Ansicht, daß die Alliierten vorerst der Lieferung von
Getreide den Vorzug geben werden.«

Daneben machte der Heeresersatz der britischen Regierung fortgesetzt
große Schwierigkeiten. Sir Auckland Geddes teilte am 15. Januar dem
Unterhause mit, daß die Mittelmächte durch das Ausscheiden Rußlands einen
Kräftezuwachs von mindestens 1-1/2 Millionen Mann erhalten hätten, von
denen sie die Mehrzahl an die Westfront werfen könnten; demgegenüber
müsse England sofort 400-500000 Mann aus denjenigen Gruppen ausheben,
die jetzt noch im bürgerlichen Leben ständen. Lloyd George sah sich
genötigt, an die Gewerkschaften, deren Zustimmung und Mitwirkung für das
Aufbringen des Heeresersatzes unerläßlich war, am 19. Januar einen neuen
dringenden Appell zu richten. »Wir stehen vor der Alternative,« sagte er,
»entweder den Kampf mit allen Kräften fortzusetzen, oder es zu machen wie
das russische Heer und nach Hause zu gehen... Wenn wir nicht bereit sind,
mit aller Macht Widerstand zu leisten, werden die Deutschen die
Herrschaft über die Welt antreten, und die Demokratie Englands,
Frankreichs, ja ganz Europas wäre der grausamsten Militärautokratie
ausgeliefert. Resolutionen machen auf Hindenburg keinen Eindruck; das
tuen nur Kanonen.« Der Kampf gegen die preußische Militärkaste, so fuhr
Lloyd George fort, sei derselbe, den er mit den Arbeitern in England
gegen die Aristokratie und die Privilegierten geführt habe, und er hoffe,
daß sie auch in Zukunft zusammen gegen alle Privilegien kämpfen würden.
Er schloß mit den Worten: »Wenn jemand irgendeine gerechte und ehrenhafte
Lösung zu finden weiß, um aus diesem Krieg ohne weiteren Kampf
herauszukommen, so mag er dies um Gottes willen sagen. Meine Überzeugung
ist, daß wir nur die eine Wahl haben: Weiterkämpfen oder unterliegen.«

Noch niemals hatte man bisher im Laufe des Krieges solche Worte von dem
den Mund leicht etwas voll nehmenden Walliser gehört.

Bemerkenswert wie diese Rede war auch die sich daran anschließende
Debatte. So erklärte Lloyd George auf eine Anfrage, die
elsaß-lothringische Frage müsse Frankreich entscheiden, aber England
müsse auf der Seite Frankreichs stehen. Das war eine etwas mattherzige
Unterstützung des französischen Kriegsziels. Auf eine weitere Anfrage
erklärte er, sobald die Deutschen die geringste Geneigtheit zeigten, über
einen Frieden auf billiger Grundlage zu verhandeln, werde auf englischer
Seite nicht der geringste Widerspruch gegen die Anbahnung von
Friedensverhandlungen vorhanden sein. Das klang wesentlich weicher als
die harten Worte des Hohnes, mit denen die britische Regierung den
deutschen Friedensvorschlag zurückgewiesen hatte.

Dazu kamen Anzeichen von Meinungsverschiedenheiten zwischen den
Alliierten. Während die Kundgebungen Wilsons und Lloyd Georges genau
aufeinander abgestimmt waren, kamen aus Frankreich andersklingende Töne.
Am 12. Januar hatte Herr Pichon in der französischen Kammer eine
Interpellation über die Kriegsziele der Alliierten und über die
Verweigerung der Pässe an die französischen Sozialisten, die in
Petersburg mit der Sowjetregierung Fühlung nehmen wollten, zu
beantworten. Während Herr Wilson Worte hoher Sympathie für Sowjetrußland
und die von Trotzki proklamierten Friedensgrundsätze gesprochen hatte,
erklärte Herr Pichon, die bolschewistische Regierung werde von den
Alliierten nicht anerkannt; sie habe die Verträge mit ihren Verbündeten
für nichtig erklärt und Friedensbedingungen aufgestellt, denen
zuzustimmen sowohl Pflicht wie Interesse verböten. Weiter teilte er mit,
er habe nach seiner -- obenerwähnten -- Rede vom 27. Dezember bei den
Alliierten angefragt, ob es nicht angezeigt sei, eine zu vereinbarende
gemeinschaftliche Erklärung über die Kriegsziele abzugeben. Die Antwort
habe verneinend gelautet. Die Forderung auf Veröffentlichung der
Antworten könne er nicht erfüllen. --

Die feindlichen Staatsmänner hatten gesprochen. Jetzt hatten die Leiter
unserer politischen Geschicke das Wort.

An einem und demselben Tag, am 24. Januar, sprachen Graf Czernin in Wien
vor dem österreichischen Delegationsausschuß, Graf Hertling in Berlin vor
dem Hauptausschuß des Reichstags.

Graf Czernin sprach die Überzeugung aus, daß nicht nur die Brester
Verhandlungen zu einem guten Ende kommen würden, sondern daß auch der
allgemeine Friede im Reifen sei. In dieser Überzeugung sei er bestärkt
worden durch Wilsons Friedensangebot, in dem er eine bedeutende
Annäherung an den österreichisch-ungarischen Standpunkt erblicke.
Allerdings werde die Donaumonarchie ihre Bündnispflichten getreu erfüllen
und den vorkriegerischen Besitzstand ihrer Bundesgenossen verteidigen wie
den eigenen; ferner lehne er Ratschläge, wie Österreich im Innern zu
regieren sei, höflich, aber entschieden, ab. Er äußerte sich dann
großenteils zustimmend zu den einzelnen Punkten des Wilsonschen
Programms. Hinsichtlich der auf Italien und die Balkanstaaten bezüglichen
Punkte bemerkte er, daß er sich weigere, als Assekuranz für feindliche
Kriegsabenteuer zu figurieren und einseitig Konzessionen zu machen, die
nur den Feinden ermöglichten, den Krieg ins Endlose fortzuschleppen.
Italien habe vor seinem Eintritt in den Krieg Gelegenheit gehabt, ohne
Schwertstreich einen großen territorialen Erwerb zu machen; es habe
abgelehnt und Hunderttausende an Toten und Milliarden an Werten verloren,
nur um das, was es umsonst haben konnte, auf immer zu verlieren. In bezug
auf das polnische Problem nähere er sich den Auffassungen Wilsons, ebenso
in anderen Punkten, so daß die Erwägung nahe liege, ob nicht ein
»Gedankenaustausch zwischen Österreich-Ungarn und den Vereinigten Staaten
den Ausgangspunkt für eine allgemeine versöhnliche Aussprache bilden
könne«.

Graf Hertling erkannte in seiner Rede an, daß sowohl Lloyd George als
auch Wilson den Ton ihrer Ausführungen geändert hätten. Aber dem
Optimismus, wie er sich daraufhin namentlich in manchen Stimmen des
neutralen Auslandes zeige, könne er nicht ganz folgen. Nach allgemeinen
Ausführungen über die Friedfertigkeit der deutschen Politik besprach er
der Reihe nach die 14 Punkte des Wilson-Programms.

Mit den Punkten 1, 2, 3 und 4 -- Ausschluß der Geheimdiplomatie, Freiheit
der Meere, Wirtschaftsfreiheit, Rüstungsbeschränkung -- erklärte er sich
grundsätzlich einverstanden.

Zu Punkt 5, betreffend die kolonialen Fragen, bemerkte er, daß die
praktische Durchführung des von Wilson aufgestellten Grundsatzes in der
Welt der Wirklichkeit einigen Schwierigkeiten begegnen werde; zunächst
könne es jedenfalls dem großen Kolonialreiche England überlassen bleiben,
wie es sich mit dem Vorschlage seines Verbündeten abfinden wolle. Bei der
unbedingt auch von Deutschland geforderten Neugestaltung des
Weltkolonialbesitzes werde von diesem Programmpunkt seinerzeit die Rede
sein.

Zu Punkt 6, der Räumung der besetzten russischen Gebiete, stellte er
fest, daß die Ententestaaten es abgelehnt hätten, sich den Verhandlungen
zwischen den Vierbundmächten und Rußland anzuschließen, und daß er
deshalb eine nachträgliche Einmischung ablehnen müsse; er halte an der
Hoffnung fest, daß es unter Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der
westlichen Randvölker des ehemaligen russischen Kaiserreiches gelingen
werde, zu einem guten Verhältnis sowohl mit den neuen Randstaaten als
auch mit dem übrigen Rußland zu gelangen.

Zu Punkt 7, der belgischen Frage, sei von seinen Amtsvorgängern
wiederholt erklärt worden, daß zu keiner Zeit während des Krieges die
gewaltsame Angliederung Belgiens an Deutschland einen Programmpunkt der
deutschen Politik gebildet habe. Die belgische Frage gehöre zu dem
Komplex der Fragen, deren Einzelheiten durch die Friedensverhandlungen
zu ordnen sein würden. Solange unsere Gegner sich nicht rückhaltlos auf
den Boden stellten, daß die Integrität des Gebietes der Verbündeten die
einzig mögliche Grundlage von Friedensverhandlungen bilden könne, müsse
er an dem bisher stets eingenommenen Standpunkt festhalten und eine
Vorwegnahme der belgischen Angelegenheit aus der Gesamtdiskussion
ablehnen.

Punkt 8. Die besetzten Teile Frankreichs seien ein wertvolles Tauschpfand
in unserer Hand. Auch hier bilde die gewaltsame Angliederung keinen Teil
der deutschen Politik. Die Bedingungen und Modalitäten der Räumung, die
den vitalen Interessen Deutschlands Rechnung tragen müßten, seien
zwischen Deutschland und Frankreich zu vereinbaren. Er könne nur nochmals
ausdrücklich betonen, daß von einer Abtretung von Reichsgebiet nie und
nimmer die Rede sein könne.

Die Punkte 9, 10 und 11 -- italienische Grenzen, Nationalitätsfragen der
Donaumonarchie, Balkanstaaten -- berührten Fragen, bei denen zum größten
Teil die politischen Interessen Österreich-Ungarns überwögen; er möchte
deshalb die Beantwortung dieser Punkte in erster Linie dem auswärtigen
Minister Österreich-Ungarns überlassen. Ebensowenig wolle er hinsichtlich
der in Punkt 12 behandelten türkischen Angelegenheiten der Stellungnahme
der türkischen Staatsmänner vorgreifen. Unsere Verbündeten könnten bei
der Wahrnehmung ihrer berechtigten Ansprüche auf unsern nachdrücklichsten
Beistand rechnen.

Zu Punkt 13, Polen, führte der Reichskanzler aus, nicht die Entente,
sondern das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn hätten Polen von dem
seine nationale Eigenart unterdrückenden zaristischen Regiment befreit;
so möge man denn auch Deutschland, Österreich-Ungarn und Polen es
überlassen, sich über die zukünftige Gestaltung dieses Landes zu einigen.

Zu Punkt 14, Völkerbund, erklärte er, daß er jedem Gedanken sympathisch
gegenüberstehe, der für die Zukunft die Möglichkeit und
Wahrscheinlichkeit von Kriegen ausschalte. Wenn der vom Präsidenten
Wilson stammende Gedanke des Völkerbundes bei näherer Ausführung
und Prüfung ergebe, daß er wirklich im Geiste vollkommener
Vorurteilslosigkeit gefaßt sei, so sei die Kaiserliche Regierung gern
bereit, wenn alle anderen schwebenden Fragen geregelt sein würden, einer
Prüfung der Grundlagen eines solchen Völkerbundes näherzutreten.

Im Anschluß an diese Stellungnahme zu den Einzelpunkten des
Wilson-Programms erkannte Graf Hertling an, daß Wilsons und Lloyd Georges
Ausführungen Grundsätze für einen allgemeinen Weltfrieden enthielten,
denen wir zustimmen und die Ausgangs- und Zielpunkte für Verhandlungen
bilden könnten; aber in den konkreten Punkten sei der Friedenswille
weniger bemerkbar. Unsere Gegner erklärten zwar, sie wollten Deutschland
nicht vernichten, aber sie schielten begehrlich nach Teilen des Reichs
und unserer Verbündeten; sie sprächen mit Achtung von Deutschlands
Stellung, aber dazwischen dringe immer wieder die Auffassung durch, als
seien wir die Schuldigen, die Buße tun und Besserung geloben müßten. »So
spricht der Sieger zum Besiegten; so spricht derjenige, der alle unsere
früheren Äußerungen von Friedensbereitschaft als bloße Zeichen der
Schwäche deutet.« Von dieser Täuschung müßten sich die Führer der Entente
frei machen. »Unsere militärische Lage war niemals so günstig, wie sie
jetzt ist. Unsere genialen Heerführer sehen mit unverminderter Zuversicht
in die Zukunft. Durch die ganze Armee, durch Offiziere und Mannschaften
geht ungebrochene Kampfesfreude.« Wenn die Führer der feindlichen Mächte
wirklich zum Frieden geneigt seien, so möchten sie ihr Programm nochmals
revidieren. »Wenn sie mit neuen Vorschlägen kommen, dann werden wir sie
auch ernstlich prüfen; denn unser Ziel ist kein anderes als die
Wiederherstellung eines dauernden allgemeinen Friedens. Aber dieser
dauernde allgemeine Friede ist so lange nicht möglich, als die Integrität
des Deutschen Reiches, als die Sicherung unserer Lebensinteressen und die
Würde unseres Vaterlandes nicht gewahrt bleibt.«

Die Ausführungen der beiden leitenden Staatsmänner des Zweibundes
stellten also den Programmpunkten Wilsons nur dort ein glattes Nein
entgegen, wo diese mit der Erhaltung der territorialen Integrität und der
Souveränität unverträglich waren. In allen anderen Punkten stimmten sie
ausdrücklich zu oder wiesen sie wenigstens eine Erörterung nicht von
vornherein ab. Das gilt namentlich auch von Hertlings Erklärung zur
belgischen Frage. Der Reichskanzler stellte fest, daß die gewaltsame
Angliederung Belgiens an Deutschland niemals Ziel der deutschen Politik
gewesen sei. Die positive Ordnung der belgischen Frage wollte er aber
nicht aus dem Gesamtkomplex der Friedensfragen herausnehmen lassen,
solange die Gegner die Integrität des Gebietes der Vierbundmächte nicht
ihrerseits als Grundlage für die Friedensverhandlungen anerkannten.

Damit war wieder einmal für jeden, der hören wollte, hinreichend
klargestellt, daß einer ernsthaften und konkreten Friedensdiskussion als
einziges Hindernis die Eroberungs- und Zerstückelungswünsche unserer
Feinde entgegenstanden. Es handelte sich darum, ob unsere Feinde sich
würden entschließen können, auf diese gegen den Bestand und die
Unabhängigkeit der Vierbundmächte gerichteten Wünsche zu verzichten, oder
ob Deutschland und seine Verbündeten, die gerade jetzt die russische
Flanke frei bekamen, nach dreieinhalb Jahren heldenhafter Gegenwehr in
dem Augenblick der stärksten Erleichterung, die ihnen der Krieg bisher
gebracht hatte, die Waffen niederlegen, alle errungenen Vorteile aufgeben
und freiwillig Gebiete ausliefern würden, die unsere Feinde uns mit der
Gewalt der Waffen nicht hatten entreißen können.

Letzteres war eine offensichtliche Unmöglichkeit.

Aber auch unsere Feinde konnten sich nicht entschließen, ihre Kriegsziele
einzuschränken. Vom 30. Januar bis 2. Februar 1918 tagte in Versailles
der Oberste Kriegsrat der Entente. Über das Ergebnis seiner Beratungen
wurde eine amtliche Note veröffentlicht, in der es hieß:

Der Oberste Kriegsrat habe die jüngsten Erklärungen des deutschen
Reichskanzlers und des österreichisch-ungarischen Ministers des Äußern
sorgfältig geprüft; er habe in diesen Erklärungen keinerlei Annäherung an
die von sämtlichen Regierungen der Alliierten formulierten maßvollen
Bedingungen zu erkennen vermocht. Der Eindruck, den der Kontrast zwischen
den angeblich idealen Zielen, zu deren Verwirklichung die Mittelmächte
die Verhandlungen von Brest-Litowsk eröffnet haben, und ihrem nun offen
zutage liegenden Streben nach Raub und Eroberung hervorrufe -- wie soll
man heute nach diesen Worten die Versailler Friedensbedingungen der
Alliierten kennzeichnen? --, sei nur geeignet, diese Überzeugung zu
befestigen. Unter diesen Umständen erachte es der Oberste Kriegsrat als
seine unmittelbare Pflicht, die Fortdauer des Krieges mit äußerster
Energie und durch die straffste und wirksamste Vereinheitlichung der
militärischen Aktion der Alliierten sicherzustellen.

»Diese Kundgebung bedeutet die denkbar schroffste Abweisung jedes
Friedensgedankens,« schrieb damals die demokratische »Frankfurter
Zeitung«, und sie hatte recht. Die Intransigenten hatten in Versailles
triumphiert.

Der Präsident Wilson antwortete auf die Reden des Grafen Czernin und des
Grafen Hertling am 11. Februar in einer neuen Ansprache an den Kongreß.
Da auch diese Ansprache als eine der von uns und den Feinden angenommenen
Grundlagen des abzuschließenden Friedens von Bedeutung ist, sei das
Wesentliche ihres Inhalts wiedergegeben.

Er machte zunächst eine Unterscheidung zwischen den beiden gegnerischen
Staatsmännern. Graf Czernin bekam eine gute Zensur: Er habe in
freundlichem Ton gesprochen, scheine die Grundlagen des Friedens mit
klarem Blick zu erkennen und fühle offenbar, daß Österreich auf die von
den Vereinigten Staaten aufgestellten Kriegsziele leichter als
Deutschland eingehen könne; er würde wahrscheinlich noch weitergegangen
sein, wenn er nicht auf Österreichs Bündnis und seine Abhängigkeit von
Deutschland Rücksicht hätte nehmen müssen. Graf Hertling bekam eine
schlechte Zensur: Seine Antwort sei sehr unbestimmt und sehr verwirrend;
sie sei voll von zweideutigen Sätzen; es sei unklar, worauf sie
hinauswolle; aber sicher sei, daß sie in einem ganz anderen Ton als
diejenige des Grafen Czernin gehalten sei, und offensichtlich verfolge
sie auch einen entgegengesetzten Zweck. Die Rede bestätige den
unglücklichen Eindruck der Brester Verhandlungen. Hertlings Erörterung
und Annahme von Wilsons allgemeinen Grundsätzen führe ihn nirgends zu
einer greifbaren Folgerung; er weigere sich, sie auf die wesentlichen
Punkte anzuwenden, die den Inhalt einer jeden endgültigen Regelung bilden
müßten. Er sei mißtrauisch gegenüber einer internationalen Aktion und
einer internationalen Beratung. Die von dem Kanzler vorgeschlagenen
Methoden seien diejenigen des Wiener Kongresses. Dahin gebe es keine
Rückkehr. Der Kampf gehe um eine neue internationale Ordnung, aufgebaut
auf den weiten und allumfassenden Grundsätzen von Recht und
Gerechtigkeit, nicht um einen bloßen Flickfrieden. Der Weltfrieden hänge
von der gerechten Schlichtung eines jeden der verschiedenen von ihm
formulierten Probleme ab. Diese Probleme könnten nicht getrennt für sich
und in verschiedenen Ecken behandelt werden; was den Frieden berühre, das
berühre die Menschheit. Auf die Reichstagsresolution vom 19. Juli 1917
hinweisend, erklärte er: Es soll keine Annexionen geben, keine
Kriegsentschädigungen, keinen strafweisen Schadenersatz. Kein Volk soll
durch eine internationale Konferenz oder durch Abmachungen zwischen
Rivalen und Gegnern von einer Staatshoheit an eine andere ausgeliefert
werden. Nationale Ansprüche müssen beachtet werden, die Völker dürfen nur
noch mit ihrer eigenen Zustimmung beherrscht und regiert werden. Das
»Selbstbestimmungsrecht« ist nicht eine bloße Redensart. Es ist ein
gebieterischer Grundsatz des Handelns, den die Staatsmänner künftig nur
noch auf eigene Gefahr mißachten werden.

Auf die auffallende Anregung des Grafen Czernin, ob nicht ein
Meinungsaustausch zwischen Österreich-Ungarn und der Union den Weg zu
allgemeinen Friedensverhandlungen bereiten könne, antwortete Präsident
Wilson: Die Prüfung, ob es für die beiden Regierungen möglich sein werde,
in dem Austausch der Meinungen irgendwie weiter zu gehen, sei einfach und
klar. Die anzuwendenden Grundsätze seien folgende:

1. Jeder Teil der endgültigen Regelung müsse beruhen auf der wesentlichen
Gerechtigkeit des besonderen Falles und auf einem solchen Ausgleich, von
dem es am wahrscheinlichsten sei, daß er einen dauerhaften Frieden
bringen werde.

2. Völker und Provinzen dürften nicht von einer Staatshoheit in die
andere herumgeschoben werden, als wenn es sich um Figuren oder Steine in
einem Spiel handle, auch wenn dieses Spiel das große, aber jetzt für
immer diskreditierte Spiel des Gleichgewichts der Kräfte sei; vielmehr
müßte.

3. jede Gebietsfrage, die durch diesen Krieg aufgeworfen worden sei, im
Interesse und zum Vorteil der betreffenden Bevölkerung gelöst werden und
nicht als ein Teil eines bloßen Ausgleichs oder Kompromisses zwischen
rivalisierenden Staaten.

4. Allen klar umschriebenen nationalen Ansprüchen müsse die
weitestgehende Befriedigung gewährt werden, die ihnen gegeben werden
könne, ohne Elemente der Zwietracht und Feindschaft zu verewigen oder neu
einzuführen, die geeignet wären, den Frieden Europas und damit den
Frieden der Welt bald wieder zu stören.

Diese als fundamental zu betrachtenden Grundsätze seien, soweit er sehe,
bereits überall als zwingend anerkannt außer von den Wortführern der
deutschen Annexionisten und Militaristen. Der tragische Zustand sei, daß
diese eine Partei in Deutschland gewillt und imstande sei, Millionen von
Männern in den Tod zu senden, um zu verhindern, was alle Welt jetzt als
gerecht anerkenne. Die Union sei in den Krieg nicht wegen eines geringen
Anlasses eingetreten und könne auf dem eingeschlagenen Wege nicht
umkehren. Die ganze Kraft der Vereinigten Staaten würde eingesetzt werden
in diesem Krieg der Befreiung von der Drohung der Herrschaftsgelüste
selbstsüchtiger Gruppen und autokratischer Herrscher.

Auch diese Kundgebung war ein merkwürdiges Gemisch von Doktrinarismus und
Parteilichkeit, von Unkenntnis europäischer Verhältnisse und
Verschlagenheit. Sie stellte allgemeine Grundsätze auf und verlangte
deren Anwendung nur zu Lasten der Vierbundmächte. Sie ignorierte die
historisch gewordenen Verhältnisse und die Gemengelage der Nationalitäten
im deutschen Osten, in Österreich-Ungarn, auf dem Balkan und in der
Türkei, die eine praktische Anwendung der Grundsätze unmöglich machten.
Sie suchte die in höchstem Maße selbstsüchtigen Ziele der Ententemächte
mit dem Mantel eines großen menschenfreundlichen Prinzips zu verhüllen.
Sie bewies alles in allem den Mangel an gutem Willen und an Fähigkeit,
den Auffassungen und Lebensnotwendigkeiten der Mittelmächte Verständnis
zu zeigen und ihnen gerecht zu werden. Erneut zeigte sich, daß der
»arbiter mundi« trotz seiner hohen Worte dem hohen Beruf nicht gewachsen
war, zu dem ihn das Schicksal geführt hatte.

Was wollte es angesichts der Sachlage bedeuten, wenn vereinzelte Stimmen
bei unseren Gegnern sich für einen Frieden im Wege der Verständigung
erhoben, wenn nach Lansdowne z. B. der frühere britische Minister
Runciman sich für einen unmittelbaren Gedankenaustausch zwischen
Vertretern der kriegführenden Parteien als den einzigen Weg aussprach,
der den Weg zum Frieden erschließen könne!

An der Sachlage wurde auch nichts dadurch geändert, daß Graf Hertling am
25. Februar im Reichstag den vier von dem Präsidenten Wilson in seiner
Kongreßansprache vom 11. Februar formulierten Sätzen ausdrücklich und
grundsätzlich beistimmte und unter Bewegung des Hauses erklärte, daß ein
allgemeiner Friede auf solchen Grundlagen erörtert werden könne. Er
machte allerdings einen Vorbehalt, daß diese Grundsätze nicht nur von dem
Präsidenten der Union vorgeschlagen, sondern von allen Staaten und
Völkern tatsächlich anerkannt werden müßten.

Die Aussichtslosigkeit der Sache des Friedens wurde drei Tage nach dieser
Erklärung durch eine Erörterung im britischen Unterhaus bestätigt. Auf
eine Anfrage aus dem Hause, die von der grundsätzlichen Zustimmung des
Grafen Czernin zu den vierzehn Punkten des Wilson-Programms ausging,
erklärte Balfour, die Rede des Grafen Czernin sei offenbar mißverstanden
worden; man könne sich kein Polen denken ohne die ihm von Deutschland
entrissenen Provinzen, aber deren Rückgabe werde sicherlich nicht in den
Absichten des Grafen Czernin liegen. -- Mit dieser Wendung erkannte
Balfour an, daß für gewisse Punkte des Wilson-Programms eine Annahme
seitens der Mittelmächte überhaupt nicht erwartet werden konnte. --
Weiter führte Balfour aus, daß auch die letzte Rede des Grafen Hertling
keine Grundlage für Verhandlungen biete. Wenn man Verhandlungen beginnen
wolle, bevor man die Aussicht auf ihre erfolgreiche Durchführung habe, so
wäre das das größte Verbrechen gegen den Weltfrieden.

Mit anderen Worten, die Entente-Staatsmänner waren sich klar darüber, daß
ihre Kriegsziele nicht durch Verhandeln mit einem unbesiegten Gegner,
sondern nur durch Diktieren nach errungenem Siege erreichbar seien; und
deshalb waren sie entschlossen, in dem Vertrauen auf die allmählich
wirksam werdende amerikanische Hilfe weiterzukämpfen.

Kein anderes Ergebnis als die öffentlichen Friedensgespräche der
leitenden Staatsmänner hatten vertrauliche Sondierungen und
Unterhaltungen.

Durch spätere Mitteilungen des Grafen Czernin -- in einer Rede vom 2.
April 1918 -- ist bekannt geworden, daß die im August 1917 ergebnislos
verlaufenen Besprechungen zwischen dem Major Grafen Armand und dem
Grafen Revertera[5] im Februar 1918 in der Schweiz wiederaufgenommen
worden sind; Graf Czernin hat behauptet, auf Initiative des Herrn
Clemenceau. Herr Clemenceau hat nicht die Tatsache dieser neuen
Verhandlungen und deren vom Grafen Czernin dargestellten Verlauf, aber
seine Initiative auf das heftigste bestritten und den Grafen Czernin
einen Lügner genannt. Im weiteren Verlauf dieses Streites hat dann Herr
Clemenceau den Brief des Kaisers Karl an den Prinzen Sixtus von Parma vom
31. März 1917 veröffentlicht und dadurch den kaiserlichen Herrn des
Grafen Czernin und diesen selbst in eine so schwierige Lage gebracht, daß
Graf Czernin sich genötigt sah, am 14. April 1918 seinen Abschied zu
nehmen.

  [5] Siehe oben S. 145.

Aber die Frage der Initiative ist hier gleichgültig. Wesentlich ist
lediglich die nicht bestrittene Tatsache, daß Graf Czernin im
Einvernehmen mit der deutschen Regierung die Anfrage des Grafen Armand,
die er als im Auftrage Clemenceaus gestellt ansah, in den letzten Tagen
des Februar 1918 zum Zweck der Mitteilung an Herrn Clemenceau dahin
beantworten ließ, Graf Czernin sei zu einer Aussprache mit einem
Vertreter Frankreichs bereit und halte ein Gespräch mit Aussicht auf
Erfolg für möglich, sobald Frankreich nur auf seine Eroberungsabsicht
betreffs Elsaß-Lothringens verzichte. Dem Grafen Revertera wurde hierauf
namens des Herrn Clemenceau erwidert, dieser sei nicht in der Lage, die
vorgeschlagene Verzichtleistung Frankreichs auf die »Desannexion«
anzunehmen. Unter diesen Umständen erschien auf beiden Seiten jede
weitere Verhandlung zwecklos.

So hatte sich abermals das Wort als ohnmächtig erwiesen, dem Kriege ein
Ziel zu setzen, sowohl das öffentliche Wort der leitenden Staatsmänner,
wie die vertrauliche Aussprache von Mittelspersonen. Nun lag die letzte
Entscheidung beim Schwert. Auf beiden Seiten wurden alle Kräfte
angespannt zu dem größten und schwersten Völkerringen, unter dessen Wucht
jemals die Erde erzitterte.

Deutschlands Heerführer vermochten, wenn auch eine nicht unbeträchtliche
Truppenmacht infolge der mangelhaft geklärten Verhältnisse im Osten
gebunden blieb, auf dem westlichen Kriegsschauplatz ein Heer zu
versammeln, wie es niemals in der Geschichte ein einziges Volk ins Feld
gestellt hat. Lloyd George hat später -- am 10. April 1918 -- im
Unterhaus erklärt, noch im Spätherbst sei das Verhältnis der deutschen
Truppen zu denen der Alliierten auf dem westlichen Kriegsschauplatz wie
2:3 gewesen; diese zahlenmäßige Überlegenheit der Alliierten sei infolge
der Heranziehung deutscher Truppen aus dem Osten nahezu ausgeglichen
worden.

Seit der Marneschlacht hatten wir in Frankreich einem weit überlegenen
Gegner in der Verteidigung standhalten müssen. Zum erstenmal stand jetzt
wieder die Partie auf dem westlichen Kriegsschauplatz zahlenmäßig
annähernd gleich auf gleich.

Auch in der Ausrüstung mit Kriegsgerät aller Art waren wir aus dem
Zustand unbedingter Unterlegenheit herausgekommen; einmal dadurch, daß
das Hindenburg-Programm, nach den anfänglichen Übertreibungen, der
Leistungsfähigkeit der deutschen Arbeit und der deutschen Hilfsquellen
besser angepaßt worden war; ferner ohne Zweifel auch dadurch, daß der
U-Bootkrieg die Ausstattung der feindlichen Heere mit Kriegsgerät
empfindlich beeinträchtigte. Die Nahrungssorgen konkurrierten scharf mit
dem Heeresbedarf an Munition. Die britischen Staatsmänner richteten
dringende Hilferufe an Amerika, zur Ersparung von Frachtraum »Stahl statt
Erz und Granaten statt Stahl« zu schicken.

Wie weit damals, unmittelbar vor unserer großen Offensive, die
Schiffsraumnot bei unseren Feinden gestiegen war, das zeigte sich in dem
Verhalten der Entente und der Vereinigten Staaten gegen die Niederlande.
In der ersten Märzhälfte verlangte die Entente von den Niederlanden, daß
sie ihren Schiffsraum den Zwecken der Alliierten dienstbar machen
sollten. Es wurde nicht nur die Auslieferung der sämtlichen in den Häfen
Amerikas und der Ententeländer liegenden niederländischen Schiffe
verlangt, sondern darüber hinaus noch die Auslieferung von 300000
Bruttotonnen in Schiffen, die in den Niederlanden selbst aufgelegt worden
waren. Um dieser unerhörten Forderung Nachdruck zu geben, drohten die
Alliierten den Niederlanden mit der Requisition aller in ihren Häfen
liegenden und auf hoher See befindlichen holländischen Schiffe sowie mit
einer Sperrung der Zufuhr von Lebensmitteln für die niederländische
Bevölkerung.

Die niederländische Regierung zeigte sich zunächst entschlossen, sich
diesem Zwang nicht zu fügen. Die Knappheit von Brotgetreide und die
dadurch bedingte Abhängigkeit von auswärtigen Zufuhren erschwerten ihr
jedoch ihre Stellung im höchsten Maße. Sie wandte sich an die deutsche
Regierung mit der Anfrage, ob Deutschland in der Lage und bereit sei, mit
Getreide auszuhelfen. Die Zusage von 100000 Tonnen Getreide hätte damals
genügt, um Holland das Durchhalten gegenüber dem Druck der Alliierten zu
ermöglichen. Zwar wären auch in diesem Fall die in den feindlichen Häfen
liegenden und die auf hoher See schwimmenden holländischen Schiffe in der
Gewalt der Alliierten gewesen; aber die 300000 Bruttotonnen Schiffsraum,
die in den Niederlanden selbst lagen, wären unseren Feinden vorenthalten
worden. Die 100000 Tonnen Getreide, die Holland als Rückendeckung von uns
verlangte, hätten für unsere Bevölkerung, verteilt auf die nahezu fünf
Monate bis zur neuen Ernte, etwa 10 g auf den Kopf und Tag ausgemacht.
Gewiß angesichts der ohnehin schmalen Kopfrate eine empfindliche
Einschränkung. Aber auf der anderen Seite stand die Möglichkeit, unseren
Feinden in jener entscheidenden Zeit den Schiffsraum vorzuenthalten,
dessen Wichtigkeit, ja Unentbehrlichkeit sie gerade durch ihr brutales
Vorgehen gegen die Niederlande anerkannten. Ich habe mich damals an den
Reichskanzler gewendet und ihm auf das dringendste geraten, die von den
Niederlanden erbetene Zusage zu geben. Sie wurde jedoch nach Befragen des
Kriegsernährungsamts abgelehnt, und nun blieb den Niederlanden nichts
anderes übrig, als vor den Alliierten unter Protest zu kapitulieren. Am
18. März nahm die holländische Regierung das von den Alliierten gestellte
Ultimatum an und gab den von diesen verlangten Schiffsraum für deren
Zwecke frei. Zwar machte sie dabei den Vorbehalt, daß die Schiffe keine
Truppen oder Kriegsmaterial transportieren dürften und nicht bewaffnet
werden sollten; aber die englische und amerikanische Regierung gingen
auch über diesen Vorbehalt zur Tagesordnung über.

So schloß der letzte Versuch, vor dem Anheben des großen Endkampfes
vielleicht doch noch zu einem Frieden des Ausgleiches und der
Verständigung zu kommen, mit der brutalen Vergewaltigung eines Staates,
der in diesem Kriege keinen anderen Wunsch hatte, als seine Neutralität
auf das peinlichste zu bewahren. Dieser Gewaltakt bekundete und
bestätigte mit einer Deutlichkeit, die alle Reden übertönte, die
unbeugsame, vor keinem Opfer und keiner Gewalttat zurückschreckende
Entschlossenheit unserer Feinde, bis ans Ende zu gehen und alles an den
Sieg ihrer Sache zu setzen. Nur die Verderber der öffentlichen Meinung in
Deutschland wollten nicht sehen noch hören.


                           Die große Offensive

Während die Staatsmänner beider Parteien über Land und Meer hinweg von
Krieg und Frieden redeten, rollten im Westen auf beiden Seiten der großen
Grabenlinien Tag und Nacht die Eisenbahnzüge zur Front mit
Hunderttausenden von Kriegern und mit ungezähltem Material. In gespannter
Erwartung, wie kaum je seit Kriegsbeginn, harrten die Armeen und harrten
die Völker des Erdenrundes des gewaltigen Sturmes. Tiefes Geheimnis lag
über den Plänen derer, die berufen waren, die größte Schlacht aller
Zeiten zu lenken. Zwar stand das deutsche Heer allein -- nur hier und
dort stand österreichische Artillerie zwischen seinen Reihen -- fast der
gesamten Macht der Franzosen, Engländer, Belgier mit ihren Hilfsvölkern
und den sich allmählich in größerer Zahl einfindenden Amerikanern
gegenüber. Aber niemand bei Freund und Feind, der nicht gefühlt hätte,
daß dieses Mal der Deutsche auf dem weiten Kampfgelände Frankreichs nach
dreieinhalb Jahren des Abwartens und der Verteidigung den ersten Schlag
führen und das Gesetz des Handelns vorschreiben würde.

In der Nacht zum 21. März begannen zwischen Scarpe und Oise auf der 80
Kilometer langen Front gegenüber den Engländern die deutschen Geschütze
zu donnern. Es war nicht die Einleitung zu einem tage- und wochenlangen
Trommelfeuer, wie es unsere Gegner ihren Angriffen vorauszuschicken
liebten; es war ein einziger ungeheuerer Feuerschlag, der acht Stunden
lang die Erde schüttelte. Inzwischen war es Tag geworden. Aber in dichten
Schwaden lag der Nebel noch über der bebenden Erde, als kurz vor zehn Uhr
von Arras bis La Fère die deutschen Sturmkolonnen aus ihren Gräben
aufstanden und gegen die zerfetzten feindlichen Linien losbrachen. Die
ersten Stellungen wurden genommen und überrannt. Unsere Batterien folgten
der vorwärtsstürmenden Infanterie. Zäher Kampf um die zweiten Stellungen.
Auch hier wurden die Engländer geworfen. Die folgenden Tage ließen den
Einbruch zum Durchbruch werden. Die in aller Eile herangeholten
englischen und französischen Reserven wurden geschlagen. Im Fluge wurde
das ein Jahr zuvor im Rückzug preisgegebene Schlachtgelände an der Somme
zurückgewonnen. Péronne und Bapaume, Ham und Nesle, Roye und Noyon,
Albert und Montdidier wurden mit stürmender Hand genommen. Bis 20
Kilometer vor Amiens wurde der Angriff vorgetragen. Gegen 100000
Gefangene und mehr als 1300 Geschütze wurden erbeutet. Der Bann des
Stellungskriegs schien nun auch im Westen gebrochen, die feindlichen
Verbände schienen auf das schwerste erschüttert. Durch das deutsche Volk
ging ein großes Aufatmen von langem und starkem Druck. Auch die Zweifler
begannen zu glauben, nun könne es möglich werden, den langen und
überlangen Krieg mit kurzen und wuchtigen Schlägen dem Ende zuzuführen.

Nach einigen Tagen des Vorwärtsstürmens kam jedoch die Bewegung ins
Stocken. Die Kräfte von Mann und Roß begannen nach der ungeheueren
Anspannung zu ermüden, die Schwierigkeiten des Nachschubs von Material,
Munition und Proviant wuchsen mit jeder Meile, die nach vorwärts gewonnen
wurde. Die Eignung der modernen Waffen, namentlich des Maschinengewehrs,
zur Verteidigung und zum Aufhalten eines nachdrängenden Feindes, bewährte
sich aufs neue. So gelang es Engländern und Franzosen, sich in dem weiten
Bogen Arras-Montdidier-La Fère zu setzen. Ein am 28. März von unseren
Truppen gegen die starken englischen Stellungen bei Arras unternommener
Vorstoß, der diesen wichtigen Stützpunkt dem Feinde entreißen und damit
den nördlichen Flügel der feindlichen Stellung aus den Angeln heben
sollte, schlug fehl und wurde alsbald abgebrochen.

Die Pause, die unsere Heeresleitung den Gegnern gönnte, war nicht von
langer Dauer. Schon am 6. April wurde ein Angriff auf die feindlichen
Stellungen südlich der Oise angesetzt, der uns in kurzer Zeit in den
Besitz der Höhen zwischen Oise und Aisne mit dem festungsartig
ausgebauten Schloß von Coucy brachte. Der Hauptschlag wurde jedoch dieses
Mal im Norden an der Front gegenüber Lille geführt. Am 9. April warfen
unsere Truppen nach kurzer Artillerievorbereitung in überraschendem
Angriff die Engländer und Portugiesen aus ihren Stellungen zwischen
Armentières und dem La-Bassée-Kanal und drängten ihnen über die von der
Lys durchströmte wasserreiche Niederung nach. Bereits am 11. April mußte
Armentières, von drei Seiten eingeschlossen, kapitulieren. Am 16. April
wurden die Höhen des Wytschaetebogens und Paeschendaele gestürmt und die
wichtige Stadt Bailleul genommen. In wenigen Tagen war die ganze Gegend
um Ypern, die uns Engländer und Belgier in den fünfmonatigen Kämpfen der
zweiten Hälfte des Jahres 1917 mit ungeheuren Opfern Schritt für Schritt
abgerungen hatten, wieder in unseren Händen. Am 25. April stürmten
preußische und bayrische Truppen die beherrschende Höhe des Kemmelberges
und das Dorf Kemmel.

Aber auch hier kam jetzt in dem schwierigen Gelände die Bewegung ins
Stocken. Es gelang den Feinden, den Bogen Ypern-Hazebrouck-Béthune zu
halten. Die überschwenglichen Hoffnungen, die nach dem glänzenden
Anfangserfolge auf einen Durchbruch bis zur Küste und ein Aufrollen der
flandrischen Front gesetzt wurden, erfüllten sich nicht. Auch eine
Flankierung der feindlichen Stellungen bei Arras, wie sie wohl im Plane
unserer Obersten Heeresleitung gelegen haben mag, mit der Wirkung, daß
dieser Frontteil ins Wanken gebracht und damit die Einheit der Aktion mit
dem großen Vorstoß zwischen Scarpe und Oise hergestellt worden wäre,
wurde nicht erreicht. Auch hier gelang es dem Feind, sich in rückwärtigen
Stellungen festzusetzen und rechtzeitig ausreichende Reserven
heranzuholen. Abermals zeigte sich, daß die Masse unserer Feinde noch
stark genug war, um mit Hilfe der Verteidigungskraft der modernen Waffen
auch eine schwere Zerreißung der Front auszugleichen und den beginnenden
Bewegungskrieg wieder in die starren Formen des Stellungskriegs zu
zwingen. Alles spitzte sich darauf zu, ob die moralische Widerstandskraft
und die Reserven des Feindes einem neuen wuchtigen Schlag gewachsen
seien, und ob die Offensivkraft des deutschen Heeres ausreichen werde, um
in neuen Schlägen die Lockerung des Gefüges der feindlichen Front zur
völligen Zerreißung, die Schwächung der feindlichen Verbände zur
Zertrümmerung auszugestalten.

In dieser schweren Bedrängnis wandte sich der Appell der englischen und
französischen Staatsmänner in erster Linie an die amerikanische Hilfe. Am
28. März gab der britische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Lord
Reading, ein Telegramm Lloyd Georges bekannt, in dem es hieß:

»Wir wurden in der Krisis des Krieges von einer überwältigenden Überzahl
deutscher Truppen angegriffen und gezwungen, uns zurückzuziehen. Der
Rückzug geht planmäßig vor sich unter dem ununterbrochenen Druck immer
frischer deutscher Reserven, die gewaltige Verluste erleiden.« Der
Sturmlauf der Deutschen sei augenblicklich zum Stillstand gebracht. Aber
die Schlacht, die größte und wichtigste der Weltgeschichte, stehe erst in
ihrem Anfang; denn England und Frankreich wüßten, daß die große Republik
im Westen keinen Kraftaufwand sparen werde, um Truppen und Schiffe so
rasch wie möglich nach Europa zu senden. »Zeit ist alles in diesem Krieg.
Es ist unmöglich, die Bedeutung zu überschätzen, die das Heranführen
amerikanischer Verstärkungen über den Atlantischen Ozean in der
kürzestmöglichen Zeit hat.«

Anfang April konnte als Ergebnis der Verhandlungen zwischen den
Staatsmännern und Generalen der Westmächte und der Vereinigten Staaten
mitgeteilt werden: Amerika werde nicht nur eine große Anzahl von
Bataillonen während der nächsten Monate auf den europäischen
Kriegsschauplatz werfen, sondern es sollten auch die amerikanischen
Regimenter, die nicht zu eigenen Divisionen vereinigt werden könnten, als
Brigaden in die französischen und englischen Formationen eingereiht
werden. Dies solle geschehen vor allem mit denjenigen amerikanischen
Truppen, die für ein selbständiges Auftreten noch nicht hinlänglich
geschult seien.

Wilson erklärte sich zu jeder möglichen moralischen und materiellen Hilfe
bereit. Schärfer denn jemals bisher betonte er die Entschlossenheit
Amerikas, Deutschland niederzuwerfen. In einem Brief an den
methodistischen Bischof Henderson, der in allen methodistischen Kirchen
der Union verlesen wurde, sagte Wilson: »Die deutsche Macht, ohne
Gewissen, Ehre und Verständnis für einen Verständigungsfrieden, muß
zerschmettert werden. Unsere dringendste und brennendste Pflicht ist es,
den Krieg zu gewinnen, und nichts wird uns erlahmen lassen, ehe dieses
Ziel erreicht ist.« Und am 6. April hielt er in Baltimore bei der
Jahresfeier des Eintritts der Vereinigten Staaten in den Krieg jene Rede,
die mit den Worten schloß:

»Deutschland hat noch einmal gesagt (wer, wo und wann?), daß die Macht
allein entscheiden soll, ob das Recht, wie Amerika es auffaßt, die
Geschicke der Menschheit bestimmen soll, oder die Oberherrschaft, wie
Deutschland sie auffaßt. Wir können deshalb nur eine Antwort geben, und
die ist: Gewalt, Gewalt bis zum Äußersten, Gewalt ohne Maß und Grenzen,
triumphierende Gewalt, die die Gesetze der Welt wieder zur Geltung bringt
und jede selbstsüchtige Oberherrschaft in den Staub schleudert.«

Aber England und Frankreich verließen sich nicht nur auf die
amerikanische Hilfe, sie spannten auch ihre eigenen Kräfte bis zum
Äußersten an.

Zunächst wurde unter dem Druck der höchsten Gefahr die seit langem
angestrebte, schon oft angekündigte, aber niemals wirklich durchgeführte
Einheit des Oberbefehls endlich verwirklicht. Die französische und
britische Regierung kamen dahin überein, den General Foch zum
Oberbefehlshaber ihrer Heere an der Westfront »für die Dauer der jetzigen
Operationen«, wie es in der Bekanntgabe einschränkend hieß, zu ernennen.
Die amerikanische Regierung trat für ihre Truppen diesem Beschlusse bei.

Ferner wurden sowohl in England wie in Frankreich energische Maßnahmen
zur Schaffung neuer Reserven ergriffen. Die britische Regierung machte
Ernst mit ihren Plänen, durch »Auskämmen« der Betriebe neue Reserven
verfügbar zu machen. Sie benutzte die durch die Niederlage zwischen
Scarpe und Oise plötzlich handgreiflich gewordene Gefahr, um die
Arbeiterorganisationen für ihre Pläne zu gewinnen.

Die britische Regierung beantragte ferner die Erhöhung der Altersgrenze
für die Dienstpflicht auf 50 und in besonderen Fällen auf 55 Jahre, sowie
die Ausdehnung der Dienstpflicht auf Irland unter gleichzeitiger
Gewährung von Home-Rule. In der Begründung dieses Antrags, die Lloyd
George am 10. April im Unterhaus gab, führte er u. a. aus: Die Amerikaner
hätten erwartet, im Frühjahr ein großes Heer in Europa einsetzen zu
können; die Ausbildung habe aber mehr Zeit gekostet, als man angenommen
habe. »Wir wurden von einem starken Bundesgenossen verlassen, und ein
anderer noch stärkerer Bundesgenosse ist noch nicht bereit, alle seine
Kräfte einzusetzen. Wenn wir künftige Kriege vermeiden wollen, müssen wir
diesen Krieg gewinnen. Dazu müssen wir aber die notwendigen Opfer auf uns
nehmen.«

Der Antrag auf Ausdehnung der Dienstpflicht auf Irland stieß auf starken
Widerstand, nicht nur bei den Iren selbst, sondern auch bei den
Liberalen. Asquith und seine Anhänger enthielten sich der Abstimmung.
Trotzdem wurde das Gesetz im Unterhaus mit großer Majorität, im Oberhaus
sogar einstimmig angenommen. Der Widerstand in Irland war jedoch über
alle Erwartungen stark. Die irischen Bischöfe beschlossen, ihren
Gemeinden das Gelöbnis abzunehmen, daß sie sich mit den stärksten Mitteln
der Dienstpflicht widersetzen würden. Schließlich wurde Ende April die
Ausführung des Dienstpflichtgesetzes für Irland durch ein königliches
Dekret aufgeschoben. Man wollte ein Home-Rule-Gesetz vorlegen und
zunächst dessen Wirkung abwarten; inzwischen wollte man durch Werbung
Freiwilliger die Kräfte Irlands ausnutzen, was nur in engen Grenzen
gelang.

Immerhin erwartete die englische Regierung von der Ausdehnung der
Dienstpflicht einen Zugang von rund 500000 Mann.

In Frankreich hatten die Erfolge der deutschen Offensive die Wirkung, daß
die Deputiertenkammer am 29. März unter Zurückstellung aller
Interpellationen und aller anderen Vorlagen das von der Regierung
eingebrachte Gesetz über die sofortige Einstellung des Rekrutenjahrgangs
1919 annahm. Die Sozialisten erklärten, daß sie im Gegensatz zu ihrer
früheren Haltung dieses Mal für die vorzeitige Einstellung der Rekruten
stimmen würden, weil sie anerkennen müßten, daß diese Maßnahme für die
Rettung des Vaterlands nötig sei. Das Gesetz wurde mit 490 gegen 7
Stimmen angenommen.

In diesem Maße schärfte der Rückschlag und die Gefahr unseren Feinden das
nationale Gewissen und die Tatkraft.

Natürlich konnten auch die größten Kraftanstrengungen der Franzosen,
Engländer und Amerikaner die Lage auf dem Kriegsschauplatz nicht sofort
entscheidend beeinflussen. Sie brauchten Zeit für ihre Auswirkung.
Zunächst waren jedenfalls die Heere unserer Feinde so stark mitgenommen,
daß sie in der langen Pause, die nach dem Festlaufen unserer flandrischen
Offensive eintrat, keinen ernstlichen Versuch machten, die Initiative
wieder an sich zu reißen oder wenigstens durch stärkere Angriffsaktionen
die deutsche Heeresleitung in der Vorbereitung eines neuen
Offensivschlages ernstlich zu stören.

Auch die deutschen Heere waren durch die beiden großen Angriffe
geschwächt. Die Verbände mußten aufgefüllt werden und sich erholen,
Material und Munition mußten ergänzt werden. Jeder neue Schlag bedurfte
zudem der sorgfältigsten Vorbereitung, um einen dem großen Aufwand und
den unvermeidlich großen Opfern entsprechenden Erfolg nach Möglichkeit zu
sichern.

So kam das Ende des Monats Mai heran, ohne daß seit der Erstürmung des
Kemmelbergs eine der beiden Parteien eine größere Kampfhandlung
unternommen hätte.

Dann aber brach der Sturm von neuem los, dieses Mal mit einer Wucht, die
selbst den furchtbaren Anprall der Märzoffensive übertraf.

In der Frühe des 27. Mai zerhämmerten die deutschen Geschütze mit
gewaltigem Feuerschlag die französisch-englischen Stellungen zwischen
Laon und Reims. Dem Feuerschlag folgte unmittelbar der Angriff unserer
Infanterie. Der Feind wurde im ersten Ansturm überrannt. Der Ailettegrund
wurde überschritten, der langgestreckte Rücken des Chemin des Dames, um
den jahrelang gekämpft worden war, wurde in wenigen Stunden gestürmt, der
Übergang über die Aisne erzwungen, die südlichen Höhen genommen und der
Feind bis an den Veslebach zurückgeworfen. Das alles in einem einzigen
Tag. Die folgenden Tage erweiterten den Erfolg. Schon am 29. Mai wurde
Soissons genommen, ebenso die Forts der Nordwestfront von Reims. Am 30.
Mai erreichten unsere Truppen südlich von Fère-en-Tardenois die Marne. Am
1. Juni wurde der auf dem Nordufer der Marne gelegene Teil von
Château-Thierry vom Feinde gesäubert. Der Kampf dehnte sich nach Westen
hin bis in die Gegend von Noyon aus. Auch hier wurde der sich tapfer
wehrende Feind zurückgedrückt: am 2. Juni standen unsere Truppen am
Ostrand des Waldes von Villers-Cotterets.

Ergänzt wurde der Erfolg durch einen am 9. und 10. Juni durchgeführten
Angriff auf der west-östlich verlaufenden Front zwischen Montdidier und
Noyon, der die wichtigen Höhenstellungen zwischen Oise und Matz in unsere
Hand brachte und uns bis auf 9 Kilometer an Compiègne heranführte.

Abermals war es gelungen, einen großen und während des Krieges geradezu
festungsartig ausgebauten Teil des feindlichen Stellungssystems zu
zertrümmern und zu durchbrechen, in wenigen Tagen eine klaffende Lücke
in die feindliche Front zu schlagen und in raschem Vordringen großen
Raumgewinn zu erzielen, dem Feinde schwere Verluste an Toten, Verwundeten
und Gefangenen zuzufügen und ihm nahezu unübersehbare Mengen an Material,
Munition und Vorräten aller Art abzunehmen. Von der 250 Kilometer langen
Frontlinie zwischen Dünkirchen und Reims hatten jetzt die deutschen
Offensiven seit dem 21. März etwa vier Fünftel zerschlagen. Nur noch die
kurzen Linien zwischen Arras und dem Kanal von La Bassée und von der See
bis nördlich Ypern waren intakt. Tausende von Quadratkilometern an
Bodenfläche, teilweise vom Krieg bisher noch unberührtes Land von großer
Fruchtbarkeit, waren dem Feinde entrissen, wichtige Straßen und
Eisenbahnen waren durchbrochen oder lagen unter dem Feuer unserer
Geschütze; bei Château-Thierry war unsere Stellung auf wenig mehr als 60
Kilometer an Paris herangerückt, das schon seit dem Beginn unserer
Frühjahrsoffensive aus einem weittragenden Geschütz beschossen wurde.
Allein an Gefangenen hatten unsere Feinde seit Beginn der Offensive mehr
als 200000 Mann eingebüßt; die von uns eroberten Geschütze erreichten die
Zahl von 2800.

In Paris stieg die Erregung auf einen Siedepunkt, wie er seit den ersten
Septembertagen des Jahres 1914 nicht mehr erreicht worden war. Zum
erstenmal wieder hörten die Pariser das dumpfe Rollen des
Schlachtendonners, zum erstenmal wieder brachten Tausende von
Flüchtlingen aus den neuen Kriegsgebieten den Jammer des Krieges und die
Nähe der Gefahr unmittelbar vor die Augen der Pariser Bevölkerung. Aber
gegenüber dem Sturm tödlicher Besorgnis bewahrte die französische
Regierung und, ihr folgend, die große Mehrheit des Parlaments und des
Volkes auch in dieser schweren Lage ruhige Nerven und feste
Entschlossenheit. Clemenceau selbst reiste sofort nach Eingang der ersten
Hiobsbotschaften zur Front und entging mit knapper Mühe der Gefangennahme
durch eine deutsche Kavalleriepatrouille. Von der Kammer, die ihn über
die militärische Lage interpellieren wollte, verlangte er Mut und
Vertrauen. Er könne keine Erklärungen über die militärische Lage abgeben.
Der Augenblick sei furchtbar, aber der Heldenmut der französischen
Soldaten stehe auf der Höhe der Lage. Die Regierung werde nicht die
Feigheit begehen, Befehlshaber zu strafen, die sich für das Vaterland
verdient gemacht hätten. Die französischen und englischen Kräfte
erschöpften sich, aber das gleiche gelte auch von den Deutschen. Die
amerikanische Hilfe sei jetzt der entscheidende Faktor, und die
Amerikaner seien entschlossen, ihre ganze Kraft an den Sieg zu setzen.
Clemenceau schloß mit den Worten:

»Wenn ich meine Pflicht nicht getan habe, dann jagen Sie mich fort. Wenn
ich aber Ihr Vertrauen besitze, dann lassen Sie mich das Werk unserer
Toten vollenden!«

Die Kammer bestätigte ihm ihr Vertrauen und beschloß mit 377 gegen 110
Stimmen, die Interpellation auf unbestimmte Zeit zu vertagen.

An der Front selbst begann die amerikanische Hilfe sich fühlbar zu
machen. Marschall Foch hat später einige interessante Zahlen über das
Eintreffen der amerikanischen Truppen in Frankreich gegeben. Danach
zählte die in Frankreich stehende amerikanische Armee Anfang März 1918
erst etwa 300000 Mann, die größtenteils noch in der Ausbildung begriffen
waren. Im März kamen 69000 Mann, im April 94000 Mann hinzu. Der eine
Monat Mai brachte jedoch bereits einen Zugang von nicht weniger als
200000 Mann, der Juni sogar einen solchen von 245000 Mann. In den vier
Monaten von Anfang März bis Ende Juni wurde also das in Frankreich
stehende amerikanische Heer von 300000 Mann auf rund 900000 Mann
verstärkt! Soweit die amerikanischen Truppen noch nicht unmittelbar an
der Front verwendet werden konnten, machten sie hinter der Front bisher
gebundene Kräfte der Franzosen und Engländer frei. Zum großen Teil aber
konnten sie jetzt bereits in die Front eingesetzt werden, nicht nur
eingesprengt in englische und französische Divisionen, sondern bereits
als selbständige Formationen. Wenn ihre Ausbildung auch nicht auf der
Höhe war, so zeichneten sie sich doch durch unverbrauchtes Draufgängertum
aus und schlugen sich vorzüglich.

Der amerikanischen Hilfe hatte die Entente schon damals ihre Rettung zu
verdanken. Sie allein machte es dem General Foch möglich, dem deutschen
Vordringen nach den überraschenden Erfolgen der ersten Angriffstage in
dem Bogen Noyon-Château-Thierry-Reims nicht nur zähen Widerstand
entgegenzustellen, sondern auch zu energischen, wenn auch zunächst
erfolglosen Gegenangriffen zu schreiten. Bei diesen Gegenangriffen trat
an der neuen Front nordwestlich von Château-Thierry am 7. Juni zum
erstenmal eine geschlossene amerikanische Division in Erscheinung.

Die Gegenangriffe des Feindes verstärkten sich nach unserem Vorstoß vom
9. Juni südlich von Noyon. Schon am 11. Juni führten hier die Franzosen
mit starkem Aufgebot und großem Einsatz auch von Tanks und
Schlachtfliegern einen wuchtigen Gegenschlag, der uns am 12. Juni
stellenweise zurückdrängte und uns Gefangene und Geschütze abnahm, jedoch
alsbald zum Stocken gebracht wurde.

Die Lage blieb also auch nach dem gewaltigen Schlag der dritten Offensive
unentschieden. Das Ziel und der Zweck unseres Angriffs -- Ziel und Zweck,
die allein dieser größten militärischen Aktion aller Zeiten und den
ungeheuren Opfern, die sie uns auferlegte, Sinn und Berechtigung geben
konnten -- waren auch mit der Erstürmung des Damenweges und unserem
Vorstoß von der Ailette bis zur Marne nicht erreicht. Weder war die
moralische Widerstandskraft unserer Gegner gebrochen, noch war es
gelungen, ihre Reserven aufzuzehren, das langgestreckte Band der
feindlichen Linien endgültig zu zerreißen und die feindlichen Heere zu
Paaren zu treiben. Im Gegenteil, ein Vergleich des Auslaufens der neuen
Offensive mit derjenigen vom März zeigte bei unseren Feinden eher eine
verstärkte Kraft in Abwehr und Gegenstoß.

Diese trotz der großen Einzelerfolge für uns schwierig gewordene Lage
wurde nicht verbessert durch die Angriffsunternehmung, die von der
österreichisch-ungarischen Armee am 15. Juni gegen die Italiener begonnen
wurde. Zwar gelang es den Truppen unseres Bundesgenossen, den Piave zu
überschreiten und sich in dem Höhenblock des Montello festzusetzen; aber
die gleichzeitigen Angriffe an der Gebirgsfront beiderseits der Brenta
und in den »Sieben Gemeinden« blieben in den Anfängen stecken und lösten
Gegenangriffe der Italiener aus, deren sich die österreichischen Truppen
nur mit Mühe erwehrten. Bald setzten auch an der Piavefront heftige
Gegenangriffe ein. Am 23. Juni mußte der Wiener Heeresbericht melden, daß
der durch gewaltige Wolkenbrüche zu einem reißenden Strom gewordene Piave
den Verkehr zwischen den beiden Ufern auf das schwerste behindere und den
Nachschub an Proviant und Munition zu den jenseits des Flusses im Kampfe
stehenden Truppen nahezu unmöglich mache. Am folgenden Tage wurde die
Räumung des Montello und der anderen auf dem rechten Piaveufer erkämpften
Stellungen mitgeteilt. Die Italiener gingen ihrerseits zum Angriff
an der ganzen Piave- und Gebirgsfront über und fügten den
österreichisch-ungarischen Truppen große Verluste an Menschen und
Material zu. Wenn auch der italienische Gegenstoß ohne nennenswerten
Geländegewinn östlich des Piave und am Gebirgsrand zum Stehen kam, so war
doch der moralische Eindruck der Niederlage bei unseren Bundesgenossen
doppelt stark angesichts des Zusammentreffens der Unglücksnachricht mit
einer sehr schweren Zuspitzung der Ernährungslage. Der Aufschwung an Mut
und Vertrauen, den der große Erfolg der Isonzo-Offensive in der
Donaumonarchie herbeigeführt hatte, war schon längst verblaßt; er brach
jetzt, beim ersten Rückschlag, gänzlich in sich zusammen.

Die Gestaltung der militärischen Lage mußte ernstliche Zweifel daran
erwecken, ob das Ziel unserer großen Angriffsaktion, die Niederkämpfung
der feindlichen Armeen, mit den uns zur Verfügung stehenden Kräften
überhaupt erreichbar sei. Unsere Truppen waren stark gelichtet und
ermüdet. Vor allem war ein großer Teil unserer besten Offiziere und
Unteroffiziere gefallen oder verwundet, ohne daß ausreichender und
gleichwertiger Ersatz hätte beschafft werden können. Auch der
Mannschaftsersatz machte immer größere Schwierigkeiten; außerdem waren
die jetzt von Osten herübergeholten Truppen zum Teil bolschewistisch
verseucht, und auch der Ersatz aus der Heimat ließ in seinem Geiste sehr
zu wünschen übrig. Unseren Feinden dagegen führte Amerika ständig neue,
unverbrauchte und kampflustige Kräfte zu, deren Zahlen man zwar bei uns
nicht kannte und wohl auch unterschätzte, deren Anwesenheit und
Eingreifen auf den Schlachtfeldern sich aber für die militärischen
Operationen bereits fühlbar machte. Jedenfalls mußten wir mit weiteren
erheblichen Verstärkungen des Feindes durch amerikanischen Zuzug rechnen,
nachdem sich gezeigt hatte, daß die U-Boote, entgegen den Voraussagungen
der Marineautoritäten, nicht in der Lage waren, den gut gesicherten
Truppen- und Materialtransporten nennenswerten Eintrag zu tun.

Auch abgesehen von dem Versagen in der Verhinderung amerikanischer
Militärtransporte hatte der U-Bootkrieg enttäuscht. Die Monatsleistung an
versenkter Tonnage hatte in den Monaten April und Juni 1917 mit mehr als
1 Million Bruttotonnen ihren Höhepunkt erreicht. Die Vervollkommnung der
Abwehrmaßnahmen verringerte die monatliche Versenkung erheblich. Im Juni
1918 wurden nach den Angaben unseres Admiralstabs nur noch wenig mehr als
600000 Bruttotonnen versenkt, im Juli 1918 nur noch 550000 Tonnen. Nach
den britischen Angaben waren die Versenkungen noch erheblich niedriger.
Dagegen nahm die Fertigstellung von Schiffen auf den Werften unserer
Gegner jetzt sehr beträchtlich zu. Während in den Jahren 1915 und 1916 in
England nur 651000 und 542000 Bruttotonnen neu gebaut wurden, stiegen
die Ablieferungen im Jahre 1917 auf 1123000 Tonnen und im ersten
Halbjahr 1918 allein auf 763000 Tonnen. Noch viel stärker war die
Steigerung des Schiffsbaues in den Vereinigten Staaten. Das dort
aufgestellte Schiffsbauprogramm sah nicht weniger als 2693 Einheiten mit
einem Raumgehalt von insgesamt 16305000 Bruttotonnen vor. Davon wurden in
den ersten acht Monaten des Jahres 1918 277 Schiffe mit 1637000
Bruttotonnen abgeliefert, während der gesamte Schiffsbau der Vereinigten
Staaten im Jahre 1913 erst 31 Schiffe mit 190000 Bruttotonnen geliefert
hatte. Im ganzen Jahr 1918 lieferten die Werften der Welt 1866 Schiffe
mit einem Raumgehalt von 5557000 Bruttotonnen ab, also eine Flotte, die
derjenigen Deutschlands vor Kriegsausbruch gleichkam. Von den Neubauten
des Jahres 1918 kamen mehr als 3 Millionen Tonnen auf die amerikanischen
Werften und 1628000 Tonnen auf die englischen Werften. Nachdem der
U-Bootkrieg nicht innerhalb des ersten Jahres die von ihm erwartete
Wirkung herbeigeführt hatte, war es unseren Gegnern gelungen, mit diesen
gewaltigen Anstrengungen der Schiffsbautätigkeit ein beachtenswertes
Gegengewicht zu schaffen. Die Behinderung und Schädigung, die Wirtschaft
und Kriegführung unserer Feinde durch den U-Bootkrieg erlitten, fiel auch
jetzt noch schwer ins Gewicht; abgesehen von der empfindlichen
Einschränkung der Zufuhren an Nahrungsmitteln, Rohstoffen und
Kriegsmaterial jeder Art für England und seine europäischen Verbündeten,
nahm die durch den U-Bootkrieg erzwungene Steigerung des Schiffsbaues
gewaltige Mengen von Material und Hunderttausende von Arbeitskräften in
Anspruch, die sonst der Herstellung von Kriegsgerät und der kämpfenden
Front unmittelbar zugutegekommen wären und die Überlegenheit unserer
Feinde noch weiter gesteigert hätten; ebenso band die Notwendigkeit der
immer weiteren Ausdehnung der U-Boot-Abwehr ungezählte Fahrzeuge,
Flugzeuge, Geschütze und sonstiges Gerät aller Art, nicht zum mindesten
auch ein umfangreiches Personal, das der unmittelbaren Verwendung auf den
Schlachtfeldern entzogen wurde. Niemand kann sagen, wie die Dinge
gelaufen wären, wenn nicht der U-Bootkrieg seit dem Beginn des Jahres
1917 diese einschränkende und brachlegende Wirkung auf die Kräfte unserer
Feinde ausgeübt hätte. Aber alle diese Erwägungen konnten die Tatsache
nicht aus der Welt schaffen, daß der U-Bootkrieg die von ihm erwartete
kriegsentscheidende Wirkung nicht gebracht hatte und daß sich nach der
Entwicklung der technischen Momente des U-Boot-Neubaues und der
U-Boot-Verluste, des Neubaues von Handelsschiffen und der Versenkung von
Handelsschiffen, von dem U-Bootkrieg eine kriegsentscheidende Wirkung
kaum mehr erwarten ließ.

Die Entwicklung der militärischen Aktionen zu Lande und zu Wasser stellte
also sowohl unsere Kriegführung wie auch unsere Politik gegen die Mitte
des Jahres 1918 vor neue Erwägungen und Entscheidungen schwerster Art.


                           Neue innere Krisen

Im Juni 1918, gleich nach der Offensive vom Damenwege bis zur Marne,
veröffentlichte die »Kreuzzeitung« einige L. H. gezeichnete Artikel, in
denen zur Unterstützung der militärischen Operationen von der deutschen
politischen Leitung eine »Friedensoffensive« gefordert wurde. Die Artikel
erregten erhebliches Aufsehen schon deshalb, weil sie in einem Blatte
erschienen, das bisher sich in scharfer Kampfstellung gegen jede Art von
Friedensaktionen und Friedensangeboten befunden hatte. Die Redaktion der
»Kreuzzeitung« betonte allerdings, daß die Artikel nicht redaktionellen
Ursprungs seien, aber sie unterstrich damit nur, daß sie von einer auch
für die »Kreuzzeitung« und ihren Kreis hochangesehenen Seite herrührten.
Das Aufsehen wurde gesteigert durch einen schweren Angriff, den die
»Kölnische Zeitung« gegen die »Lethargie« der politischen Leitung
richtete, die auf dem diplomatischen Kampffelde die Initiative nach wie
vor den Feinden überlasse.

Ich hatte am 17. Juni zufällig Gelegenheit zu einer Unterhaltung mit
einem der Obersten Heeresleitung nahestehenden höheren Offizier. Ganz im
Sinne der Kreuzzeitungsartikel setzte mir dieser auseinander, die
politische Ausnutzung unserer militärischen Erfolge sei gleich Null; wir
würden den Krieg nie beendigen, geschweige denn gewinnen können, wenn in
diesem unmöglichen Zustand nicht Wandel geschaffen werde. Die für die
Sicherung eines guten Friedens unbedingt notwendige Zusammenarbeit
zwischen der militärischen und politischen Leitung habe aber einen
Personenwechsel zur Voraussetzung. Graf Hertling sei infolge seines
Alters und seiner Kränklichkeit aktionsunfähig, und zwischen Herrn von
Kühlmann, dem damit die politische Leitung zufalle, und den Herren von
der Obersten Heeresleitung sei ein vertrauensvolles und enges
Zusammenarbeiten, wie es die Lage mehr denn je erfordere, von beiden
Seiten her unmöglich. Wie mehrfach in der letzten Zeit, so trat mir auch
bei dieser Unterhaltung die Frage entgegen, ob ich nicht geneigt sein
würde, gegebenenfalls das Auswärtige Amt zu übernehmen.

Auf diese letztere Frage antwortete ich mit dem Hinweis darauf, daß
Parlament und Presse bei der Gegnerschaft, die sich seit meinem Rücktritt
nicht abgeschwächt, sondern eher noch verstärkt hatte, mir eine
gedeihliche Führung der auswärtigen Politik unmöglich machen würden. Über
den Inhalt der Unterhaltung selbst erstattete ich am folgenden Tage dem
Grafen Hertling Bericht, ohne in dem springenden Punkte, daß die Oberste
Heeresleitung selbst die Hoffnung auf eine rein militärische Beendigung
des Krieges offenbar aufgegeben habe, und daß diese neue Lage alsbald
eine auf den Grund der Dinge gehende Aussprache zwischen den beiden
Faktoren erfordere, auf volles Verständnis zu stoßen.

Ein von der Obersten Heeresleitung dem Auswärtigen Amt zugeteilter
Offizier hatte in diesen Tagen dem Staatssekretär von Kühlmann eine
schriftliche Ausarbeitung übergeben, in der er die Aussichtslosigkeit
einer rein militärischen Beendigung des Krieges und die Notwendigkeit
einer die Kriegführung unterstützenden diplomatischen Aktion darlegte. Es
liegt auf der Hand, daß diese Denkschrift nicht ohne die Billigung der
Obersten Heeresleitung, insbesondere auch des Generals Ludendorff,
überreicht wurde.

Die Kritik an der Passivität unserer politischen Leitung war berechtigt.
Seit den diplomatischen Distanzgesprächen in den ersten beiden Monaten
des Jahres 1918 war, soweit ich sehen kann, nach Westen hin von unserer
Diplomatie überhaupt nichts mehr geschehen. Das lag zum großen Teil
daran, daß die Leiter der politischen Geschicke der Zentralmächte vom
Dezember an bis in den Mai hinein sich so gut wie ausschließlich durch
die Verhandlungen über die östlichen Friedensschlüsse in Anspruch nehmen
ließen und in jener Zeit nur zu seltenen und kurzen Besuchen aus
Brest-Litowsk und Bukarest an dem Sitz der politischen Leitung
erschienen. Ich habe es von Anfang an für einen Fehler gehalten, daß die
Herren von Kühlmann und Graf Czernin, statt sich auf die Erteilung
allgemeiner Direktiven und Instruktionen für die östlichen
Friedensverhandlungen zu beschränken, sich persönlich als Unterhändler
nach Brest und Bukarest begaben und sich dort für viele Monate in
langwierigen Einzelverhandlungen festhalten ließen. Obwohl ich mich dem
Verdacht aussetzte, die Leitung der Friedensdelegationen für mich selbst
zu erstreben, habe ich diese meine Bedenken schon im Dezember 1917 sowohl
dem Grafen Hertling wie Herrn von Kühlmann dargelegt. Als die
Friedensverhandlungen mit Rumänien im Februar 1918 in Fluß kamen, habe
ich bei beiden Herren angeregt, die Rumänen und die anderen Beteiligten
nach Berlin kommen zu lassen. Aber ich drang nicht durch; man setzte mir
vor allem entgegen, daß Graf Czernin fest entschlossen sei, die
Verhandlungen für Österreich-Ungarn persönlich zu leiten und zu diesem
Zweck nach Brest und Bukarest zu gehen, was uns keine Wahl lasse, als den
Staatssekretär des Auswärtigen gleichfalls dorthin zu entsenden. Wie
erschwerend überdies die Zuspitzung des persönlichen Verhältnisses
zwischen Herrn von Kühlmann und den maßgebenden Männern der Obersten
Heeresleitung für jede intimere Aussprache war, hatte sich schon
anläßlich der türkisch-bulgarischen Schwierigkeiten gezeigt.

Auch jetzt, nachdem der Reichskanzler und der Staatssekretär des
Auswärtigen deutlich auf die Notwendigkeit einer militärisch-politischen
Zusammenarbeit hingewiesen worden waren, geschah nicht das einzige, was
in dieser Lage hätte geschehen müssen: eine sofortige Aussprache zwischen
den leitenden militärischen und politischen Persönlichkeiten über den
Stand des Krieges und die zu fassenden Entschlüsse.

Dagegen löste die Herrn von Kühlmann übergebene Denkschrift eine andere
Wirkung aus: die Reichstagsrede des Staatssekretärs vom 24. Juni, die
den Anlaß zu seiner Verabschiedung gab.

Für Montag, den 24. Juni, war der Etat des Reichskanzlers und des
Auswärtigen Amtes auf die Tagesordnung des Reichstags gesetzt worden. In
der Woche zuvor hatte die erste Beratung des Friedensvertrags von
Bukarest stattgefunden; es hatte dabei in den Kreisen der
Reichstagsabgeordneten einiges Mißfallen erregt, daß weder Graf Hertling
noch Herr von Kühlmann den Vertrag in einer einleitenden Rede dem Hause
präsentiert hatten, daß vielmehr Herr von Kühlmann erst, nachdem die
Vertreter der Parteien gesprochen hatten, einige Ausführungen machte. Die
Parteiführer legten nun dem Grafen Hertling nahe, er möchte am 24. Juni
bei der Beratung seines Etats Gelegenheit nehmen, über die politische
Lage, wie sie durch die östlichen Friedensschlüsse und die militärischen
Operationen sich gestaltet habe, sich auszusprechen. Der Reichskanzler
hatte für seine Person keine Neigung, diesem Wunsche zu entsprechen; als
jedoch die Parteiführer auf ihrem Verlangen bestanden, beauftragte er im
letzten Augenblick Herrn von Kühlmann, an seiner Stelle zu sprechen, und
zwar -- wie mir damals gesagt wurde -- unter Beschränkung auf
Tatsächliches und unter Vermeidung irgendwelcher allgemeiner und
programmatischer Ausführungen.

Kühlmann gab in seiner sichtlich zum großen Teil improvisierten Rede
zunächst eine kurze Darlegung unserer Beziehungen zu unseren Verbündeten
sowie zu Rußland und den sich auf dem Boden des alten Kaiserreichs neu
entwickelnden Staatswesen und ging dann mit wenigen Worten auf unser
Verhältnis zu den europäischen Neutralen ein. Im Anschluß daran sagte er
über die militärische Lage, daß infolge des glänzenden Verlaufs der
Operationen in Frankreich die Initiative vollkommen bei unserer Obersten
Heeresleitung liege, und daß wir hoffen könnten, der Sommer und der
Herbst würden unseren Waffen neue Erfolge bringen. An dieses
zuversichtliche Urteil knüpfte er eine Bemerkung, die Bewegung und großes
Aufsehen erregte: Man müsse sich fragen, ob der Krieg noch über den
Herbst und Winter und über das nächste Jahr hinaus dauern werde. Der
Feldmarschall Graf Moltke habe im Jahre 1890 ausgeführt, der nächste
Krieg könne ein siebenjähriger, ja ein dreißigjähriger Krieg werden; nach
seiner -- Kühlmanns -- Ansicht sei es unmöglich, mit Sicherheit
irgendeinen Augenblick für das Ende des Krieges ins Auge zu fassen. »Das
Auge muß nach den politischen Motiven ausspähen, welche eventuell
Friedensmöglichkeiten eröffnen könnten, und nach dieser Richtung hin muß
ich sagen, daß trotz der glänzenden Erfolge unserer Waffen auf seiten
unserer Gegner Friedenswilligkeit, an maßgeblichen Stellen
Friedensbereitschaft noch nirgends klar erkennbar hervorgetreten sind.«
Er ließ eine Polemik mit Balfour folgen, der kurz zuvor wieder einmal die
»alte Legende erneuert habe, daß Deutschland den Krieg entfesselt habe,
um die Weltherrschaft an sich zu reißen«. Diese Legende werde durch
fortgesetzte Wiederholung nicht wahrer. Der Krieg zeichne sich immer
deutlicher ab »als das Werk Rußlands«; daß Frankreich dabei »als
Kriegshetzer auf das schlimmste mitgespielt«, daß die englische Politik
»sehr dunkle Seiten in dieser Beziehung aufzuweisen habe«, dafür gebe es
Beweise genug. Er halte es für nützlich und notwendig, gegenüber den
feindlichen Behauptungen über Deutschlands angebliche Kriegsziele nicht
in der Negation zu verharren, sondern »ganz einfach und leicht
verständlich für alle« zu sagen, was wir positiv wollten: »wir wollen auf
der Welt für das deutsche Volk -- und das gilt mutatis mutandis auch für
unsere Verbündeten -- innerhalb der Grenzen, die uns die Geschichte
gezogen hat, sicher, frei, stark und unabhängig leben, wir wollen über
See den Besitz haben, welcher unserer Größe, unserem Reichtum und unseren
bewiesenen kolonialen Fähigkeiten entspricht, wir wollen die Möglichkeit
und die Freiheit haben, auf freier See unseren Handel und unseren Verkehr
in alle Weltteile zu tragen.« Die Unversehrtheit des Grundgebiets des
Deutschen Reiches und seiner Verbündeten sei nach wie vor eine notwendige
Voraussetzung für die Aufnahme irgendwelcher Friedensgespräche oder
Friedensverhandlungen; darüber hinaus könnten sämtliche Fragen Gegenstand
der Beratung und Einigung sein. Der englische Vorwurf, daß wir nicht
bereit seien, in der belgischen Frage öffentlich Stellung zu nehmen, sei
unberechtigt, wir betrachteten aber im Gegensatz zu der englischen
Auffassung Belgien als eine der Fragen im Gesamtkomplex der Fragen und
müßten es ablehnen, in der belgischen Frage, »sozusagen als Vorleistung«,
Erklärungen abzugeben, die uns binden würden, ohne die Gegner auch nur im
geringsten festzulegen. Was unsere Friedensbereitschaft anlange, so
könnten wir uns genau die Worte des Herrn Asquith zu eigen machen, daß
die Tür für Schritte in der Richtung eines ehrenvollen Friedens nicht
zugeschlagen sei. Aber die Vorbedingung für einen Gedankenaustausch sei
ein gewisses Maß von Vertrauen in die gegenseitige Anständigkeit und
Ritterlichkeit; solange jede Eröffnung von der anderen Seite als
»Friedensoffensive« und als Falle aufgefaßt und denunziert werde, sei
nicht abzusehen, wie ein zum Frieden führender Gedankenaustausch
eingeleitet werden könne. »Ohne solchen Gedankenaustausch wird bei der
ungeheuren Größe dieses Koalitionskrieges und bei der Zahl der in ihm
begriffenen auch überseeischen Mächte durch rein militärische
Entscheidungen allein ohne alle diplomatischen Verhandlungen ein
absolutes Ende kaum erwartet werden können.«

Der aus dieser Rede haftenbleibende Eindruck war: Der Staatssekretär hat
bekannt, daß trotz der glänzenden Erfolge unserer Offensive ein Ende des
Krieges nicht abzusehen ist, daß rein militärisch der Krieg überhaupt
nicht zu Ende geführt werden könne, daß hierzu vielmehr diplomatische
Verhandlungen notwendig seien, zu denen aber auf der anderen Seite bisher
noch keinerlei Geneigtheit sich zeige. Ein Bekenntnis von vollständiger
Trostlosigkeit und Resignation ohne die leiseste Andeutung, was die
deutsche Politik tun wolle, um sich einen Weg zu bahnen.

Nach dem Staatssekretär sprachen die Herren Gröber und Dr. David,
letzterer an die zwei Stunden lang. Sie hielten, wie das im Reichstag
üblich war, ihre vorbereiteten Monologe, die an Kühlmanns Äußerungen
vorübergingen, wie wenn der Staatssekretär überhaupt nicht gesprochen
hätte. Dagegen ging der Führer der Konservativen zum Angriff gegen Herrn
von Kühlmann vor, dessen Ausführungen unser Vertrauen in den Sieg, die
erste Voraussetzung für ein gutes Ende, in Zweifel zu stellen und den
Geist unserer Truppen nachteilig zu beeinflussen geeignet seien.

Am nächsten Vormittag ließ mich Graf Hertling aus einer anderen
Veranlassung zu sich bitten. Er äußerte sich ungehalten über Kühlmanns
Rede; er selbst habe nichts von Kühlmanns Absicht gewußt, Ausführungen
dieser Art zu machen; ebensowenig habe sich Kühlmann mit der Obersten
Heeresleitung über seine das militärische Interesse doch stark
berührenden Ausführungen in Verbindung gesetzt; die Oberste Heeresleitung
habe bereits einen scharfen Protest erhoben. -- In der Pressekonferenz
desselben Vormittags ließ die Oberste Heeresleitung auf Anfrage erklären,
daß sie durch die Rede des Staatssekretärs »auf das peinlichste
überrascht« worden sei.

Am Nachmittag erschien Graf Hertling zur Fortsetzung der Debatte im
Reichstag und nahm alsbald das Wort. Er habe zunächst nicht die Absicht
gehabt, unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu sprechen, und zwar wegen
der Erfahrungen mit dem Erfolg der bisherigen Reden bei den feindlichen
Staatsmännern. Am 25. Februar habe er seine grundsätzliche Zustimmung zu
den in der Botschaft des Präsidenten Wilson vom 11. Februar aufgestellten
vier Punkten erteilt; irgendeine Antwort sei darauf nicht erfolgt; ja die
aus Amerika herübergedrungenen Auslassungen hätten erkennen lassen, daß
der wahre Zweck des propagierten Völkerbundes sei, das unbequeme,
aufstrebende Deutschland zu isolieren und ihm durch wirtschaftliche
Abschnürung den Lebensodem auszulöschen. Es habe also keinen Zweck
gehabt, den damals angesponnenen Faden weiterzuspinnen. Dagegen habe er
es für angemessen gehalten, daß der Staatssekretär des Auswärtigen
Mitteilungen über die Einzelheiten unserer politischen Lage im Osten
machen möge; dieser Aufgabe habe sich der Staatssekretär nach seiner
Ansicht in durchaus sachgemäßer Weise unterzogen; dagegen hätten einige
seiner Äußerungen zu seinem, des Kanzlers, Bedauern in weiten Kreisen
eine mehr oder minder unfreundliche Aufnahme erfahren. Auf die von dem
Staatssekretär gestreifte Schuldfrage wolle er nicht eingehen; man könne
diese getrost der Geschichte überlassen. Er wolle ein Mißverständnis
ausräumen, das in der Auffassung des zweiten Teiles der Ausführungen des
Staatssekretärs augenscheinlich obgewaltet habe. Die Tendenz dieser
Ausführungen sei lediglich gewesen, die Verantwortung für die Fortsetzung
und unabsehbare Verlängerung des entsetzlichen Krieges den Feinden
zuzuschieben; denn von einem Erlahmen unseres energischen Abwehrwillens,
von einer Erschütterung unserer Siegeszuversicht könne doch
selbstverständlich nicht die Rede sein.

Nach dem Kanzler erhob sich Herr von Kühlmann zu einer Abwehr der
Angriffe, die Graf Westarp tags zuvor gegen ihn gerichtet hatte; auch er
habe den Schwerpunkt auf die militärischen Entscheidungen gelegt und die
diplomatischen Verhandlungen als das Sekundäre und Nachfolgende klar
gekennzeichnet. Der Verlauf werde immer sein: der militärische Erfolg ist
die Voraussetzung und Grundlage der diplomatischen Verhandlungen.

Herr von Kühlmann war nach der Rede des Kanzlers und nach seinen eigenen
Ausführungen als Staatssekretär des Auswärtigen erledigt. Was im
Reichstag und in der Presse weiter folgte, war nur noch ein Kampf um
seine politische Leiche.

Herr von Kühlmann selbst gab sich über die Unhaltbarkeit seiner Stellung
keiner Täuschung hin; aber er wünschte noch den Bukarester Frieden im
Reichstag unter Dach und Fach zu bringen. Am 6. Juli wurde er jedoch
nach dem Hauptquartier gerufen, wohin der Kanzler bereits vorher gereist
war. Dort fiel am 8. Juli die Entscheidung. Der Kaiser nahm Herrn von
Kühlmann gegenüber die Initiative, indem er ihm rundheraus erklärte, nach
dem Vorgefallenen werde man sich wohl trennen müssen. Daraufhin stellte
Herr von Kühlmann natürlich sofort sein Amt zur Verfügung. Der Admiral a.
D. von Hintze, zuletzt Gesandter in Norwegen, der sich bereits im Großen
Hauptquartier befand, wurde zu seinem Nachfolger ernannt.

                    *       *       *       *       *

Diese Vorgänge fielen zusammen mit einer ohnedies nicht unbedenklichen
Zuspitzung der inneren Lage.

Graf Hertling hatte bei den Verhandlungen, die er vor der endgültigen
Annahme des Kanzleramts mit den Mehrheitsparteien geführt hatte,
bestimmte Zusagen innerpolitischer Art gemacht: vor allem die Milderung
des Belagerungszustandes und der Zensur, die Beseitigung des § 153 der
Gewerbeordnung und die Einbringung eines Gesetzes über Arbeitskammern,
die Vermehrung der Mandate der großen Reichstagswahlkreise und
schließlich die alsbaldige Einbringung einer Vorlage über das allgemeine,
direkte, geheime und gleiche Wahlrecht in Preußen.

Die Versprechungen waren weniger leicht zu verwirklichen, als sie gemacht
worden waren.

Einigermaßen glatt vonstatten ging nur die Aufhebung des § 153 der
Gewerbeordnung und das Gesetz über die großen Reichtagswahlkreise.
Dagegen stieß das Arbeitskammergesetz schon im preußischen
Staatsministerium und dann im Bundesrat auf große Schwierigkeiten; als es
glücklich an den Reichstag kam, wurde es zum Gegenstand scharfer
Auseinandersetzungen, die den Entwurf schließlich auf ein totes Gleis
brachten.

Ganz unerquicklich gestaltete sich die Frage des preußischen Wahlrechts.

Zwar wurden die Vorlagen, die an Stelle des Dreiklassenwahlrechts das
allgemeine und gleiche Wahlrecht setzen und in Verbindung damit auch das
Herrenhaus reformieren sollten, im Herbst 1917 an den Landtag gebracht.
Aber der Erledigung dieser Vorlagen türmten sich Hemmnisse entgegen, die
zu überwinden die Regierung nicht stark genug war. Ich hatte, als im
Staatsministerium die Reform des preußischen Wahlrechts vor der
Osterbotschaft des Kaisers und Königs diskutiert wurde, mich dahin
ausgesprochen, daß das gleiche Wahlrecht, wenn es jetzt von König und
Regierung als Ziel aufgestellt werde, auch so bald wie möglich
durchgesetzt werden müsse; denn es erschien mir im höchsten Maße
bedenklich, bei einer längeren Dauer des Krieges diese einmal von oben
aufgenommene Frage auf unabsehbare Zeit den Gegenstand scharfer
innerpolitischer Kämpfe bilden zu lassen. Die Richtigkeit dieser
Empfindung ist leider durch den Verlauf der Dinge bestätigt worden. In
endlosen Verhandlungen beschäftigten sich erst das Abgeordnetenhaus und
seine Kommission, dann auch das Herrenhaus mit den Reformvorlagen, ohne
zu einem Schluß zu kommen. Nicht nur die Konservativen und der größte
Teil der Freikonservativen, sondern auch ein Teil des Zentrums und der
Nationalliberalen, die man durch die Ernennung des Herrn Dr. Friedberg
zum Vizepräsidenten des Staatsministeriums hatte gewinnen wollen, blieben
in der Opposition gegen das gleiche Wahlrecht. Als die zweite Lesung im
Abgeordnetenhause zu einem ungünstigen Schluß zu kommen schien, empfing
der Kanzler eine Delegation von Vertretern der Arbeiterorganisationen und
gab ihnen die beruhigende Zusicherung, daß er mit dem gleichen Wahlrecht
stehe und falle. Das war am 27. April. Am 2. Mai lehnte das
Abgeordnetenhaus das gleiche Wahlrecht ab. Die dritte Lesung hatte kein
besseres Ergebnis; sie kam mit 236 gegen 185 Stimmen zur Ablehnung,
brachte aber auch keine Mehrheit für irgendeinen anderen Antrag, so daß
der wichtigste Punkt der Vorlage offen blieb. Herr Dr. Friedberg
erklärte, die Staatsregierung halte am gleichen Wahlrecht unverrückbar
fest und sei entschlossen, zu seiner Durchführung alle verfassungsmäßigen
Mittel in Anwendung zu bringen; aber auch das Herrenhaus müsse noch
Stellung nehmen; sollte dieses dem Gang der Gesetzgebung entsprechende
Verfahren innerhalb angemessener Frist nicht zum Ziel führen, so werde
die Auflösung des Abgeordnetenhauses zu dem ersten Zeitpunkt erfolgen, zu
dem dies nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Staatsregierung mit der
Kriegslage vereinbar sei.

Auch diese Erklärung brachte die Sache nicht vorwärts. Am 11. Juni wurde
das gleiche Wahlrecht in vierter Lesung abermals abgelehnt; und zwar war
dieses Mal die Minderheit für das gleiche Wahlrecht noch weiter -- von
185 auf 164 Stimmen -- zusammengeschmolzen.

Es war den Männern des Kabinetts Hertling nicht gegeben, die
widerstrebenden Parteien und Parteigruppen davon zu überzeugen, daß das
einmal auf Grund einer feierlichen Ankündigung der Krone eingebrachte
gleiche Wahlrecht unter keinen Umständen abgelehnt werden könne und daß
jede Verzögerung in seiner Annahme die ohnedies schwierige innere Lage
noch weiter belasten müsse.

Zu alldem kam der immer schwerer werdende Druck der Knappheit an den
Gegenständen des dringendsten Bedarfs und der immer krasser
zutagetretende Unfug des Schleichhandels und des Preiswuchers.

Die Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten fand in diesen
Verhältnissen einen günstigen Boden. Sie nahm nicht nur in der heimischen
Bevölkerung überhand, sondern griff auch mehr und mehr auf die Armee und
Marine über. Die Regierung hätte durch die Vorkommnisse in der Flotte im
August 1917 gewarnt sein können. Aber sie ließ die Dinge gehen, offenbar
nicht nur in einer Unterschätzung der tatsächlichen Gefahr, sondern auch
weil sie die Harmonie mit den Mehrheitsparteien als ein politisches
Aktivum ansah, das nicht durch ein scharfes Zugreifen auf Grund des
ohnedies so stark angefochtenen Belagerungszustandes gefährdet werden
sollte.

Aber auch das Ziel, die Mehrheitsparteien zusammenzuhalten und damit den
Burgfrieden auf einer neuen Grundlage zu sichern, wurde nicht erreicht.
Die Mehrheitssozialisten hatten sich, wie ich oben dargestellt habe,
trotz ihrer intensiven Mitwirkung bei der Bildung des »Kabinetts
Hertling« freie Hand vorbehalten. Von dieser freien Hand machten sie
jetzt Gebrauch. Die Konkurrenz mit ihren »unabhängigen« Brüdern um die
Seele der Massen drängte sie erneut in die Opposition.

Noch vor dem Rücktritt Kühlmanns hielt Herr Scheidemann bei der dritten
Lesung des Reichsetats am 3. Juli eine Rede, die nur als eine Absage an
die Regierung Hertling-Payer aufgefaßt werden konnte.

Er richtete heftige Beschwerden gegen die Handhabung der Zensur und des
Belagerungszustandes; der Verfassungszustand, in dem wir lebten, sei doch
nur »der militärische Absolutismus, gemildert durch die Furcht vor dem
parlamentarischen Skandal«. Das darbende Volk fühle sich im Zustand der
allerbittersten Not und Knechtschaft. In den kritischsten Wochen der
Volksernährung erlebten wir das Trauerspiel der preußischen Wahlreform;
dieses Zusammentreffen nicht durch rechtzeitige Auflösung des
Abgeordnetenhauses verhindert zu haben, sei einer der schwersten
Vorwürfe, die sich gegen die Regierung richteten. »Einer Regierung, die
den Belagerungszustand nach vier Kriegsjahren immer noch nicht hat
beseitigen können, vermögen wir nicht einmal den Etat zu bewilligen.«

Für Herrn von Payer, der auf das kategorische Verlangen der
Sozialdemokraten die Stellvertretung des Reichskanzlers übernommen hatte,
entstand nun die Aufgabe, dem Wortführer dieser selben Sozialdemokraten
entgegenzutreten. Er tat das mit tapferen und aufrichtigen Worten. Aber
es blieb dabei: die erste parlamentarische Regierung Deutschlands sah
sich bei der Durchbringung des Reichsetats von der zweitgrößten Partei
der »Mehrheit«, die ihre parlamentarische Existenzgrundlage bildete,
verlassen; und zwar wurde die Ablehnung des Etats von dem Wortführer
dieser Partei in einer Weise begründet, die nichts anderes als ein
Mißtrauensvotum darstellte. Das Zustandekommen des Etats war abhängig
geworden von der Zustimmung der rechtsstehenden Parteien, die gegen die
Regierung in der Opposition standen und von der Regierung ängstlich in
der Opposition gehalten worden waren. In jedem wirklich parlamentarisch
regierten Lande hätte ein solcher Vorgang zum Rücktritt und zur
Neubildung der Regierung geführt. Bei uns nicht. Denn die Regierung
Hertling-Payer war entschlossen, die Fiktion der »Mehrheitsparteien« auch
gegen die handgreifliche Tatsache der Etatsverweigerung durch die
Sozialdemokraten aufrechtzuerhalten.

In diese Lage fiel der Rücktritt Kühlmanns, desjenigen Mitglieds der
Regierung Hertling, das in den kritischen Tagen des November 1917 mehr
als jedes andere die Herrschaft der Mehrheitsparteien hatte errichten
helfen und das nicht nur als erster Vorkämpfer des parlamentarischen
Regimes, sondern auch als erster Vorkämpfer des »Verständigungsfriedens«
galt.

Die Nachricht von der Entlassung des Herrn von Kühlmann und seiner
Ersetzung durch Herrn von Hintze, dem alldeutsche Neigungen nachgesagt
wurden, schlug in den Kreisen der Mehrheitsparteien wie eine Bombe ein.
Man erregte sich nicht nur über den Wechsel an sich, sondern auch
darüber, daß die Mehrheitsparteien vor der Ernennung des neuen
Staatssekretärs nicht gehört worden seien. Diesen Verstoß gegen den Geist
des Parlamentarismus versuchte man zu reparieren, indem man in der
offiziellen Ankündigung des Wechsels die endgültige Entscheidung über die
Ernennung des Herrn von Hintze als noch nicht erfolgt bezeichnete. Die
Ernennung wurde in der Tat formell erst vollzogen, nachdem Herr von
Hintze den Parteiführern vorgestellt worden war und der Reichskanzler im
Hauptausschuß des Reichstags Aufklärungen gegeben hatte.

Der Reichskanzler führte bei dieser Gelegenheit aus, er habe sich von
Herrn von Kühlmann, dessen politische Erfahrung und diplomatische
Gewandtheit er lobend anerkannte, trennen müssen, da das notwendige
Vertrauensverhältnis zwischen Kühlmann und »anderen Faktoren« nicht
bestanden habe, ein Vertrauensverhältnis, das für eine reibungslose
Führung der Geschäfte nicht entbehrt werden könne. Herr von Hintze sei
ein sehr genauer Kenner der russischen Verhältnisse, sei lange als
Militärbevollmächtigter in Petersburg gewesen und habe große Reisen durch
Rußland gemacht. »Aber es versteht sich von selbst,« so fuhr der Kanzler
fort, »daß ich meine Gegenzeichnung zu der Ernennung des Herrn von Hintze
nur gebe, wenn Herr von Hintze =meine= Politik und nicht seine eigene
verfolgt. Dafür habe ich aber bereits in den Zusagen des Herrn von Hintze
-- die Ernennung ist noch nicht erfolgt -- meinerseits die feste
Bürgschaft. =Ich= mache die Politik.«

Stolze Worte. Die Auguren lächelten und gaben sich zufrieden. Nur Herr
Scheidemann erklärte, er könne nach den Ausführungen des Reichskanzlers,
nach denen sich in unserer Politik nichts geändert habe, nicht verstehen,
warum Herr von Kühlmann den Abschied erhalten habe. Aber die
Mehrheitsparteien, einschließlich der Mehrheitssozialisten, wollten keine
offene Krisis. Sie wollten, ebenso wie die Regierung, trotz der
Etatsverweigerung seitens der Sozialdemokraten und der Verabschiedung
Kühlmanns, die ihnen erwünschte und bequeme Fiktion einer
Mehrheitsregierung aufrechterhalten und ließen infolgedessen einen
Zustand bestehen, der in sich selbst unmöglich geworden war.


                             Der Wendepunkt

Die durch die drei Offensiven an der Westfront geschaffene Lage drängte
auf eine Klärung. Unsere Front, die vor dem 21. März von der Nordsee bis
Verdun einen gleichmäßig geschwungenen flachen Bogen gezeigt hatte,
verlief jetzt in grotesken Kurven. Keilartig markierten sich die Erfolge
unserer Offensiven gegen Hazebrouck, gegen Amiens, gegen die Marne, und
keilartig sprangen die von den Feinden gehaltenen Stellungsteile in
unsere neue Front hinein, zusammengehalten von wichtigen und starken
Stützpunkten, wie Ypern, Arras, Compiègne, Reims. Schon daß unseren
Frontkeilen solche Stützpunkte und die nach diesen zusammenlaufenden
günstigen Eisenbahnverbindungen fehlten, gab dem Feind einen Vorsprung.
Außerdem aber mußte die Verlängerung der Front für uns ungünstig wirken
angesichts der Tatsache, daß die zahlenmäßige Überlegenheit des Feindes,
die wir niemals ganz hatten ausgleichen können, durch die amerikanischen
Verstärkungen immer größer wurde.

Untätiges Abwarten verbot sich in dieser Lage von selbst. Die Oberste
Heeresleitung stand vor der Wahl, entweder den Versuch zu machen, durch
einen neuen großen Angriff eine Verbesserung der Front nach vorwärts
herbeizuführen und womöglich die Entscheidung zu erzwingen; oder die
Offensiven abzubrechen, durch Verkürzung der Front nach rückwärts in die
Defensive überzugehen, in günstigeren Stellungen den Feind anlaufen und
womöglich verbluten zu lassen.

Die Oberste Heeresleitung entschloß sich für die Fortsetzung der
Offensive.

Der neue Angriff wurde am frühen Morgen des 15. Juli auf langgestreckten
Frontteilen beiderseits Reims angesetzt, von unseren Stellungen an der
Marne an bis westlich Reims und von dem Fort La Pompelle im Südosten von
Reims bis zu den seit Jahren heftig umstrittenen Höhen von Massiges.

Die Überraschung glückte dieses Mal nicht. Der Feind hatte den Angriff
erwartet und umfangreiche Maßnahmen zur Abwehr getroffen.

Vor allem hatte die feindliche Heeresleitung, die in den drei Offensiven
des Frühjahrs die Unwiderstehlichkeit unserer Feuerwalze kennengelernt
hatte, den Schwerpunkt ihrer Verteidigung von vornherein in ihre zweiten
Stellungen verlegt und die ersten Stellungen nur schwach besetzt. So
stieß unser Angriff auf die erste feindliche Linie gewissermaßen in die
Luft, während der Feind in seinen durch unser Zerstörungsfeuer nur wenig
mitgenommenen zweiten Stellungen unserem weiteren Vordringen die ganze
Wucht seiner Verteidigungsmittel entgegenstellte.

Es gelang uns zwar, im ersten Anlauf einige wichtige Stellungen der
Fronten östlich und südwestlich von Reims zu nehmen und die Marne an
mehreren Stellen zu überschreiten; aber die Versuche, den Angriff
weiterzutragen, scheiterten und wurden in richtiger Erkenntnis der
Sachlage nicht fortgesetzt. Die nach umfangreichen Vorbereitungen und mit
großen Mitteln unternommene Operation, von deren Gelingen so unendlich
viel abhing, endete mit einem unverkennbaren und empfindlichen Mißerfolg.

Drei Tage nach dieser mißlungenen Offensive holte der Feind zu einem
gewaltigen Gegenschlag aus. Aus dem Waldgebiet von Villers-Cotterets
heraus brachen am 18. Juli Franzosen, Engländer, Amerikaner und Italiener
auf der etwa 45 Kilometer langen Front zwischen Aisne und Marne zum
Angriff gegen den nord-südlich verlaufenden Teil des durch unsere dritte
Offensive geschaffenen Stellungsbogens vor. Gegen ihre sonstige
Gewohnheit hatte die feindliche Heeresleitung dieses Mal auf eine
langwierige Artillerievorbereitung verzichtet; dagegen wurde der Vorstoß
ihrer Infanteriemassen gedeckt und begleitet von bisher unerhörten Massen
von Schlachtfliegern und leichtbeweglichen Tanks.

Der Angriff traf mit voller Wucht die nicht sehr starke rechte Flanke
unserer Angriffsfront vom 15. Juli. Unsere vordersten Linien wurden im
ersten Anlauf überrannt, und der Feind gelangte bis in unsere
Artilleriestellungen. In zähem Ringen gelang es hier, ihn aufzuhalten.
Aber die folgenden Tage brachten nicht nur eine unverminderte Fortsetzung
des Ansturms auf dem Frontteil Soissons--Château-Thierry, sondern auch
heftige Angriffe auf unsere Stellungen südwestlich von Reims. Unser über
die Marne hinausreichender Stellungskeil wurde so auf beiden Seiten an
seinen Wurzeln zwischen die Zange genommen.

Unter dem Druck dieser gewaltigen Angriffsaktion entschloß sich unsere
Oberste Heeresleitung, in dem gefährdeten Marnebogen die Front zu
verkürzen. Erst wurden in der Nacht auf den 20. Juli die über die Marne
vorgedrungenen Truppenteile über den Fluß zurückgenommen. Dann wurde noch
im Verlauf des 20. Juli Château-Thierry preisgegeben. Vor den Angriffen,
die auch in der folgenden Woche mit ungebrochenem Nachdruck weitergeführt
wurden, gingen wir auf die Linie Fère-en-Tardenois--Ville-en-Tardenois
zurück. Am 3. August mußte Soissons aufgegeben werden. Die Zurücknahme
unserer Front hinter den Vesle-Abschnitt war damit zur Notwendigkeit
geworden.

Damit war an diesem Teil der Front unsere Rückwärtsbewegung zunächst
abgeschlossen. Der Feind hatte in rücksichtslosem Einsatz seiner
Truppenmassen zweifellos beträchtliche Einbußen erlitten; aber auch
unsere Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen sowie an
Kriegsmaterial waren groß. Noch größer aber war der moralische Eindruck
auf Front und Heimat bei Freund und Feind. Unsere in den ersten Anfängen
steckengebliebene Offensive und der mit furchtbarer Wucht angesetzte und
mit großer Zähigkeit in dreiwöchigen Kämpfen durchgeführte feindliche
Gegenangriff machten aller Welt deutlich, daß es den Feinden gelungen
sei, unsere unwiderstehlich scheinende Angriffskraft zu brechen und die
Initiative an sich zu reißen.

Jedem deutschen Herzen mußte sich die bange Frage aufdrängen, ob es dem
Genie unserer großen Heerführer und der Spannkraft unserer Truppen
gelingen werde, noch einmal das Schicksal zu wenden, oder ob wir an der
ganzen Westfront aufs neue in eine die Hoffnungen auf ein baldiges
Kriegsende gänzlich zerstörende Defensive zurückgeworfen werden würden.

Diese bange Frage erhielt eine niederschmetternde Antwort, als zwei Tage
nach der Zurücknahme unserer Truppen hinter die Vesle, am 8. August, die
Engländer beiderseits der Somme in einem wuchtigen Überraschungsangriff,
der durch dichten Morgennebel begünstigt wurde, in unsere Stellungen
eindrangen und den ganzen in der Märzoffensive gewonnenen, gegen Amiens
vorspringenden Frontbogen zwischen Arras und Soissons ins Wanken
brachten. Mit ungezählten Panzerwagen überrannte der Feind unsere Linien.
Eine ganze Anzahl von Stäben wurde weit hinter den Gräben von Tanks
überrascht und gefangengenommen; die planmäßige Leitung der
Abwehroperationen wurde dadurch unmöglich gemacht, schwere Verwirrung
wurde in unsere Reihen getragen. Der Feind schlug gleich am ersten Tage
eine klaffende Lücke von großer Breite und Tiefe in unsere Front südlich
der Somme. Zahlreiche Gefangene und große Mengen von Geschützen und
sonstigem Kriegsmaterial fielen in seine Hand. Sein Erfolg wurde
vervollständigt, als am folgenden Tage der Franzose auf der Front
südöstlich des von uns bereits geräumten Montdidier gleichfalls zum
Angriff überging. Erst in der geraden Linie Albert--Roye--Lassigny, die
bis zu 30 Kilometer hinter unserer ursprünglichen Stellung lag, gelang
es, die Schlacht einigermaßen zum Stehen zu bringen und die Verteidigung
wieder zu organisieren. Aber die Notwendigkeit einer weiteren
Rückwärtsbewegung, etwa auf die alte Siegfriedstellung, von der unsere
Märzoffensive ausgegangen war, wurde schon um die Mitte des Monats August
von der Obersten Heeresleitung als unvermeidlich ins Auge gefaßt.

Im ganzen bisherigen Verlauf des Krieges hatten die Ereignisse, die sich
vom 18. Juli bis etwa 12. August 1918 zwischen Arras und Reims
abspielten, nur in der Marneschlacht vom September 1914 annähernd
ihresgleichen. Der im März 1918 mit dem stärksten Aufgebot an
Mannschaften und Material so glänzend eingeleitete Feldzug war verloren.
Wir waren nach übermenschlichen Anstrengungen und beispiellosen
Waffentaten unter maßlos erschwerten Verhältnissen in die Verteidigung
zurückgeworfen. Die Wagschale des Schicksals hatte sich gegen uns
geneigt.


                         Meine Moskauer Mission

Auch im Osten hatten sich inzwischen die Dinge äußerst unerfreulich
gestaltet.

Nach der Ratifikation des Friedens von Brest-Litowsk war Herr Joffe als
»Diplomatischer Vertreter der Russischen Sozialistischen Föderativen
Sowjetrepublik« in Berlin eingezogen und hatte nach einigem Hin und Her
in dem Palast der ehemals Kaiserlich Russischen Botschaft Unter den
Linden sein Quartier aufgeschlagen. Eine große blutrote Fahne wehte über
dem Gebäude, dessen neue Bewohner alsbald im intimsten Verkehr mit
unseren ihre revolutionären Absichten kaum mehr verhüllenden Unabhängigen
Sozialdemokraten und Liebknecht-Anhängern standen.

Als »Diplomatischer Vertreter des Deutschen Reiches« wurde Graf Mirbach
nach Moskau entsandt. Der Graf war vor dem Krieg lange Jahre hindurch
Botschaftsrat in Petersburg gewesen, und er hatte nach Abschluß des
Waffenstillstandes an der Spitze der Kommission für die Wiederherstellung
des wirtschaftlichen Verkehrs, den Austausch der Zivilinternierten usw.
in Petersburg gewirkt. Es wurde ihm jetzt ein umfangreicher Stab von
Mitarbeitern, Sachverständigen, Kommissaren und Kommissionen beigegeben.
Seine Aufgabe war nicht nur die Wiederherstellung normaler diplomatischer
Beziehungen, die Beobachtung der weiteren Entwicklung und die
Wahrnehmung der deutschen politischen Interessen, sondern auch die Sorge
für die möglichst rasche Zurückführung unserer Kriegsgefangenen und
Zivilinternierten, für die Sammlung und den Abtransport der
»Rückwanderer« aus den zahlreichen deutschen Niederlassungen in Rußland,
schließlich die Sorge für die Herstellung guter, für Deutschland wie für
Rußland vorteilhafter wirtschaftlicher Beziehungen und die Nutzbarmachung
der Warenbestände und Hilfsquellen Rußlands für das wirtschaftlich schwer
kämpfende Deutschland.

Die Lage, die Graf Mirbach vorfand, als er Ende April 1918 in Moskau
eintraf, war äußerst schwierig und verworren.

Die Bolschewikiregierung konnte, wie der Ausfall der Wahlen zu der
Konstituierenden Duma gezeigt hatte, nur auf eine bescheidene Minderheit
der russischen Bevölkerung -- auch der großrussischen -- als ihre
unmittelbare Anhängerschaft zählen. Allerdings leistete ihr auch die
Partei der »Linken Sozialrevolutionäre« zunächst Gefolgschaft. Aber schon
in der Frage: Annahme oder Ablehnung des Brester Friedens? war es
zwischen den beiden verbündeten Parteien zu Meinungsverschiedenheiten
gekommen, die sich in der Folgezeit verschärften.

An Machtmitteln standen der Sowjetregierung zur Verfügung vor allem eine
Anzahl gut disziplinierter und kampferprobter lettischer Regimenter; die
sogenannte »Rote Garde« war in der Hauptsache noch ein bunt
zusammengewürfelter Haufen, der erst noch organisiert und ausgebildet
werden mußte.

Nach außen stand die Sowjetrepublik im Kampf mit Finnland, mit der
Ukraine, mit den Donkosaken, den Stämmen des Kaukasus und einem
großen Teil Sibiriens. Außerdem tauchten als neue Gefahr die
tschecho-slowakischen Truppen auf, Kriegsgefangene und Überläufer, die im
März 1918 von der russischen Regierung die Erlaubnis erhalten hatten,
bewaffnet über Wladiwostok zur französischen Front zu gehen, es dann aber
-- im Laufe des Mai -- unter der Einwirkung von Entente-Einflüssen
vorzogen, sich an der Sibirischen Bahn festzusetzen und ihre Waffen gegen
Sowjetrußland zu kehren. Ferner drangen die Türken im Kaukasusgebiet weit
über die Grenzen der Kreise von Kars, Erdehan und Batum vor; sie
bedrohten vor allem das für die Versorgung Rußlands mit Brennstoff
außerordentlich wichtige Erdölgebiet von Baku. Schließlich zeigten sich
im Laufe des Monats Juni Ententetruppen an der Murmanküste.

Deutschland hatte gegenüber Sowjetrußland für die Finnen und Ukrainer
offen Partei genommen und diesen Waffenhilfe geleistet; auch durch den
offiziellen Friedensschluß, der Rußland die Anerkennung Finnlands und der
Ukraine auferlegte, waren diese Kämpfe nicht beendet. Denn im Innern
dieser Länder ging der Kampf zwischen Regierungsgewalt und Bolschewisten
weiter, wobei wir der Regierungsgewalt, Sowjetrußland den Bolschewisten
Hilfe gewährten. Außerdem unterstützten die in Südrußland stehenden
deutschen Truppen die unter dem General Krasnow gegen Sowjetrußland
kämpfenden Donkosaken. Schließlich förderte Deutschland die
Selbständigkeitsbestrebungen der Georgier und Grusinier.

Die Tatsache, daß wir mit den Bolschewiki und ihrer Roten Garde außerhalb
der noch ganz flüssigen territorialen Grenzen Großrußlands nach wie vor
die Waffen kreuzten, mußte natürlich die Aufgabe, gute Beziehungen zu dem
unter der Sowjetregierung stehenden Großrußland zu schaffen und dadurch
die Nutzbarmachung seiner Hilfsquellen und Vorräte für Deutschland zu
ermöglichen, in einer ganz besonderen Weise erschweren. Aber abgesehen
von dieser Komplikation mußte es von Anfang an zweifelhaft erscheinen, ob
die Erreichung unseres Zieles in Großrußland überhaupt möglich wäre mit
einer Regierung, die den von ihr mit uns abgeschlossenen Frieden ganz
offen nur als »Atempause« bezeichnete und immer wieder die
Weltrevolution, beginnend mit der Revolutionierung Deutschlands, als ihr
Ziel proklamierte.

Jedenfalls zeigte sich bald, daß die Durchführung des Brester Vertrages
und die erstrebte Anbahnung von wirtschaftlichen Beziehungen auf die
größten Schwierigkeiten stieß. Unser Bestreben, die russischen
Warenvorräte für uns nutzbar zu machen, scheiterte, und zwar nicht nur
hinsichtlich der Nahrungsmittel, die in Sowjetrußland selbst
außerordentlich knapp waren, sondern auch hinsichtlich der tatsächlich
vorhandenen und brachliegenden kriegswichtigen Rohstoffe, wie Kupfer,
Nickel, Gummi, Öle usw. Nach außen erschienen die Schwierigkeiten in der
Hauptsache als Folge der von den Bolschewiki in Angriff genommenen
»Sozialisierung« der Betriebe und Warenvorräte, durch die der freie
Handel so gut wie unmöglich gemacht wurde. Die inneren Widerstände aber
zeigten sich in der Tatsache, daß die geschäftlichen Verhandlungen mit
der Bolschewikiregierung, die für sich die Verfügung über die in Rußland
vorhandenen Bestände in Anspruch nahm, von dieser ausnahmslos dilatorisch
behandelt wurden und steckenblieben.

In diesem ungeklärten und unerquicklichen Stand der Dinge kam am 6. Juli
1918 die Nachricht, daß Graf Mirbach in dem Hause der deutschen
Vertretung ermordet worden sei und daß im unmittelbaren Anschluß an das
Attentat die Linken Sozialrevolutionäre versucht hätten, durch einen
Aufstand, der indessen rasch niedergeworfen wurde, sich der Gewalt zu
bemächtigen. Die Nachrichten aus den verschiedenen Quellen über die
Zusammenhänge lauteten zunächst widerspruchsvoll und gaben kein klares
Bild; aber die Tatsache des Verbrechens warf für sich allein schon ein
blitzartiges Licht auf die prekären, ja unhaltbaren Verhältnisse, mit
denen wir in Rußland zu rechnen hatten.

Mich hatte die Sorge um die Gestaltung unserer Beziehungen zu dem Osten
seit den Brester Verhandlungen nicht einen Augenblick verlassen. Sie war
gesteigert worden durch alle Nachrichten, die von unseren Missionen in
Moskau, in Helsingfors, in Kiew und im Kaukasus zu uns herüberkamen; noch
mehr durch die Beobachtung, daß unserer Politik nach dem Osten jede
einheitliche Linie fehlte, daß sie in sich widerspruchsvoll war und nur
zu einer Festlegung und Zersplitterung wertvoller Kräfte, dagegen zu
keinem irgendwie gearteten positiven Nutzen führte. Der alte Fehler, der
die Verhandlungen in Brest-Litowsk so maßlos erschwert und den Brester
Frieden so unglücklich beeinflußt hatte -- der Mangel an Übereinstimmung
zwischen der politischen und der militärischen Leitung --, erwies sich
auch weiterhin als das Grundübel. Graf Mirbach und seine Mitarbeiter
hatten nach allem, was ich damals wahrnehmen konnte und später auch
bestätigt fand, sich für die richtige Politik eingesetzt und versucht,
für eine einheitliche Marschroute im Sinne der Vorbereitung eines
allmählichen Umschwenkens und Abbauens zu wirken. Das Auswärtige Amt,
dessen Chef wohl die Auffassungen des Grafen Mirbach teilte, vermochte
jedoch nicht, diesen Standpunkt durchzusetzen, ja es hat schließlich
selbst die Hand zu einer wesentlichen Verschärfung des Brester Friedens
geboten. Die Klärung der östlichen Fragen erschien mir in doppeltem Maße
als eine gebieterische Notwendigkeit, seitdem der Verlauf unserer
militärischen Operationen im Westen die Hoffnung auf den entscheidenden
Sieg auf dem westlichen Kriegsschauplatz schwinden ließ und seitdem ich
wußte, daß unsere Oberste Heeresleitung für die Beendigung des Krieges
diplomatischen Sukkurs verlangte.

Das Bedürfnis, über die Ostfragen durch eigenen Augenschein Klarheit zu
gewinnen und meine Person für eine uns nach Osten hin Luft und
Rückendeckung schaffende Politik einzusetzen, war in mir so stark, daß
ich mich dem Reichskanzler als Nachfolger für den Grafen Mirbach zur
Verfügung stellte.

Dieser Schritt wurde mir um so leichter, als ich nach den bisherigen
Erfahrungen, namentlich während der Verhandlungen in Brest-Litowsk und
Bukarest, wenig Neigung hatte, die mir übertragene Aufgabe der
Zusammenfassung der Vorarbeiten für die wirtschaftlichen
Friedensverhandlungen fortzusetzen. Ich hatte noch einen Versuch gemacht,
den künftigen Verhandlungen eine bessere Grundlage zu geben durch eine
planmäßige Heranziehung der sachverständigen Kreise unseres
Wirtschaftslebens. Zu diesem Zweck hatte ich die Veranstaltung einer
umfassenden Enquete beantragt. Auf Grund sorgfältig ausgearbeiteter
Fragebogen sollten kompetente Vertreter der einzelnen Zweige unserer
Volkswirtschaft über ihre bei den kommenden Friedensschlüssen zu
berücksichtigenden Wünsche und Bedürfnisse in kontradiktorischem
Verfahren gehört werden, und zwar in Gegenwart und unter Mitwirkung der
für die wirtschaftlichen Friedensverhandlungen in Aussicht zu nehmenden
Persönlichkeiten. Im Vordergrund standen dabei die Bestimmungen und
Maßnahmen, die zur Sicherung unseres Bezuges von ausländischen
Rohstoffen und Nahrungsmitteln und zur Wiederherstellung unserer
Ausfuhrmöglichkeiten angesichts der sowohl durch die selbsttätigen
Wirkungen des Krieges, als auch durch die Kriegsmaßnahmen unserer Gegner
geschaffenen Verhältnisse getroffen werden mußten. Nachdem ich die
Veranstaltung dieser Enquete durchgesetzt und das Reichswirtschaftsamt
als das zuständige Ressort deren Durchführung übernommen hatte, schien
mir eine sachliche Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung des mir
erteilten besonderen Auftrages nicht mehr zu bestehen. Es erschien mir im
Gegenteil zweckmäßig, die Aufgabe der Zusammenfassung der Vorarbeiten für
die Friedensverhandlungen derjenigen Behörde zu übertragen, in deren Hand
die Friedensverhandlungen selbst lagen und künftig liegen sollten. Nur
auf diese Weise ließen sich die Schwierigkeiten und Reibungen vermeiden,
die während der Brester und Bukarester Verhandlungen zum Schaden der
Sache entstanden waren. Ich empfahl deshalb die Eingliederung des von mir
geschaffenen Bureaus mit seinem Personal in das Auswärtige Amt.

Mein Angebot, den Moskauer Posten zu übernehmen, wurde vom Reichskanzler
beim Kaiser befürwortet und von diesem angenommen, nachdem auch der
neuernannte Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Herr von Hintze, nach
seiner Rückkehr aus Christiania, wo er sein Abberufungsschreiben
überreicht hatte, am 20. Juli seine Zustimmung erklärt hatte.

Die Lage hatte sich inzwischen weiter kompliziert.

Auf Veranlassung des russischen Volkskommissars für das Auswärtige waren
in Berlin Besprechungen eingeleitet worden, um gewisse mit dem Brester
Frieden zusammenhängende Fragen zu klären. Die Verhandlungen waren von
deutscher Seite von dem Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes,
Ministerialdirektor Dr. Kriege, geführt worden, den ich als
scharfsinnigen und unübertroffen kenntnisreichen Völkerrechtler stets
ebensosehr geschätzt habe, wie ich in die Sicherheit seines politischen
Blickes Zweifel setzen mußte. Soweit es sich um rein finanzielle
Angelegenheiten handelte, hatte mich Herr Kriege, schon ehe meine
Entsendung nach Moskau in Betracht kam, in großen Zügen unterrichtet. In
die Gesamtheit der geplanten Abmachungen, die neben finanziellen und
wirtschaftlichen Vereinbarungen auch sehr wichtige politische und
territoriale Abänderungen des Brester Friedensvertrags enthielten, bekam
ich erst jetzt Einblick.

Der wesentliche Inhalt dieser »=Zusatzverträge=« war der folgende:

               1. Politische und territoriale Bestimmungen

Deutschland sollte sich verpflichten, sich künftighin in die Beziehungen
zwischen Rußland und seinen Teilgebieten in keiner Weise einzumischen,
also insbesondere die Bildung selbständiger Staatswesen in diesen
Gebieten weder zu veranlassen noch zu unterstützen.

An Ausnahmen wurden jedoch vorgesehen:

Rußland, das im Brester Vertrag auf die Staatshoheit über Kurland,
Litauen und Polen verzichtet hatte, sollte nunmehr den gleichen Verzicht
auch für ganz Livland und Estland aussprechen. Das künftige Schicksal von
Estland und Livland sollte von Deutschland im Einvernehmen mit der
Bevölkerung bestimmt werden.

Rußland sollte sich mit der Anerkennung Georgiens als selbständiges
Staatswesen einverstanden erklären.

Dafür sollte sich Deutschland verpflichten, die von seinen Truppen
besetzten Gebiete östlich von Estland und Livland alsbald nach Festlegung
der Grenzen dieser Länder zu räumen; desgleichen die Gebiete östlich der
Beresina nach Maßgabe der Leistung der Barzahlungen, die Rußland in den
Zusatzverträgen übernehmen sollte. Ebenso sollte Deutschland seine
Truppen aus den russischen Schwarzmeergebieten nach der Ratifikation des
zwischen Rußland und der Ukraine abzuschließenden Friedensvertrags
zurückziehen. Deutschland sollte sich ferner verpflichten, Operationen
der türkischen Streitkräfte in Kaukasien außerhalb des im Brester
Vertrag von Rußland preisgegebenen Gebietes nicht zu unterstützen, und es
sollte die Gewähr übernehmen, daß türkische Truppen in einen gewissen um
Baku gezogenen Kreis nicht einmarschierten.

             2. Finanzielle und wirtschaftliche Bestimmungen

Rußland sollte seine sämtlichen aus dem Brester Vertrag sich gegenüber
dem Deutschen Reich und deutschen Staatsangehörigen ergebenden
finanziellen Verpflichtungen durch die Zahlung einer festen Pauschalsumme
von sechs Milliarden Mark abgelten, die teilweise in Gold, in Rubeln und
in Warenlieferungen, teilweise durch eine neue von Deutschland an Rußland
zu gewährende Anleihe beglichen werden sollte. Eingeschlossen in die auf
diese Weise abzugeltenden russischen Verpflichtungen sollten sein die
Zins- und Amortisationsraten der in deutschem Besitz befindlichen
russischen Anleihen, deren grundsätzliche Annullierung von der
Sowjetregierung gleich nach der Novemberrevolution ausgesprochen worden
war; ferner die Entschädigungen für die vor einem bestimmten Termin
erfolgte Enteignung deutschen Vermögens irgendwelcher Art. Die bis dahin
erfolgten Enteignungen wurden damit von uns anerkannt; weitere
Enteignungen sollten nur in der gleichen Weise wie gegen russische
Landeseinwohner und dritte Staatsangehörige und nur gegen bare
Entschädigung erfolgen dürfen.

Außerdem sollten Bestimmungen getroffen werden über die Herausgabe der
beiderseitigen Bankdepots und Bankguthaben, über die Rechtsverhältnisse
aus Wechseln, Schecks und Valutageschäften, über gewerbliche
Schutzrechte, über Verjährungsfristen und über die Errichtung eines
Schiedsgerichts für zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten.

In der juristischen Technik zeichneten sich die in der Rechtsabteilung
des Auswärtigen Amtes ausgearbeiteten Entwürfe durch sorgfältige
Genauigkeit und Präzision aus. Auch materiell konnte ich mich mit einem
wesentlichen Teil ihres Inhalts einverstanden erklären. Insbesondere
erschien mir die Pauschalierung der russischen finanziellen
Verpflichtungen, die unendliche Einzelverhandlungen mit der russischen
Regierung und damit eine unabsehbare Verzögerung der Abwicklung in
glücklicher Weise vermied, als ein guter Gedanke, soweit sich die
Pauschalierung auf Verpflichtungen bezog, die zur Zeit des Beginns der
Verhandlungen bereits bestanden oder durch bereits durchgeführte
Maßnahmen der russischen Regierung auf dem Gebiet der Enteignung bereits
begründet waren. Ich warnte damals schon vor der von den russischen
Unterhändlern angeregten Ausdehnung der Pauschalierung auf die
Entschädigungspflicht auch für solche Enteignungen deutscher Betriebe
oder Vermögenswerte, die =künftighin= bis zu einem noch festzusetzenden
Zeitpunkt etwa noch durchgeführt werden sollten; denn eine solche
Pauschalierung =pro futuro= erschien mir geradezu als eine Prämie auf
die radikale und überstürzte Enteignung der in Rußland noch vorhandenen
deutschen Unternehmungen und Werte.

Bedenklich erschienen mir aber vor allem die Bestimmungen über die
endgültige Lostrennung Livlands und Estlands vom Russischen Reich.

In Verbindung mit der Unabhängigkeitserklärung Finnlands mußte der
Verlust von Livland und Estland das Russische Reich bis auf den schmalen,
im Winter nicht schiffbaren Zugang bei Petersburg gänzlich von der Ostsee
abschnüren. Keine Vereinbarung über freie Durchfahrt auf den baltischen
Eisenbahnen und über freie Benutzung der baltischen Häfen konnte nach
meiner Ansicht das künftige Rußland, einerlei welche Gestalt es annehmen
sollte, diesen Verlust verschmerzen lassen. Mit Naturnotwendigkeit hätte
das künftige Rußland auf die Gebiete, die es von der Ostsee abriegelten,
und auf Deutschland, das diesen Riegel in der Hand hielt, den stärksten
Druck ausüben müssen. Die Herstellung eines guten Verhältnisses zu dem
künftigen Rußland, die durch den Brester Frieden schon stark erschwert
war, mußte durch die Lostrennung von Estland und Livland geradezu
unmöglich gemacht werden. Ich konnte eine solche Führung unserer Politik
nur für verhängnisvoll halten. Die notwendige Sicherung der deutschen
Bewohner jener Gebiete und ihrer materiellen, nationalen und kulturellen
Interessen ließ sich nach meiner Ansicht auch auf anderen Wegen
erreichen.

Bei der einzigen Besprechung über den Inhalt der geplanten
Zusatzverträge, die ich -- kurz vor meiner Abreise nach Moskau -- mit dem
neuen Staatssekretär hatte, gewann ich den Eindruck, daß Herr von Hintze
in diesem wichtigen Punkte im Grunde seines Herzens der gleichen Meinung
sei wie ich, und daß die Angelegenheit nur auf Wunsch der Obersten
Heeresleitung betrieben werde. Da alles noch im Flusse war, brauchte ich
die Hoffnung nicht aufzugeben, von Moskau aus im Sinne meiner Auffassung
einen entscheidenden Einfluß auf die endgültige Gestaltung der
Zusatzverträge ausüben zu können. Ich habe mir nachträglich allerdings
den Vorwurf gemacht, daß ich den Moskauer Posten überhaupt angetreten
habe, ehe dieser Punkt einwandfrei im Sinne meiner Auffassung geklärt und
entschieden war.

Nicht minder bedenklich wie die Lostrennung von Estland und Livland
erschien mir die Gewähr, die das Deutsche Reich Rußland gegenüber für das
Fernhalten türkischer Streitkräfte von dem Gebiet um Baku übernehmen
sollte. Ich machte darauf aufmerksam, daß die Übernahme dieser Gewähr,
falls sie ohne vorherige Verständigung mit der Türkei und ohne deren
ausdrückliche Zustimmung erfolge, uns gegebenenfalls zu einem aktiven
Vorgehen gegen unsere türkischen Bundesgenossen im Bunde mit dem
bisherigen gemeinsamen Feinde zwingen könne. Auch abgesehen von der
ausdrücklichen Garantieübernahme für Baku erschien es mir bedenklich, in
den kaukasischen Angelegenheiten mit Rußland irgendwelche Abmachungen
hinter dem Rücken der Türkei und mit einer Spitze gegen die Türkei zu
treffen. Ich bezweifelte, ob unser Bündnis mit der Türkei nach all dem
Druck, den wir in der bulgarisch-türkischen Streitfrage hatten ausüben
müssen, einer solchen Belastung gewachsen sein würde.

Diesen Bedenken ist bei den weiteren Verhandlungen des Auswärtigen Amtes
mit der russischen Delegation wenigstens insoweit Rechnung getragen
worden, als in dem endgültigen Text von der Übernahme einer »Gewähr«
nicht mehr gesprochen, sondern die mildere Form gewählt wurde:
Deutschland wird »dafür eintreten«, daß in Kaukasien Streitkräfte einer
dritten Macht die näher bezeichnete Linie nicht überschreiten. Aber auch
in dieser Fassung blieb die Vereinbarung nach meiner Ansicht, die sich
späterhin bestätigen sollte, eine bedenkliche Belastung unseres
Bundesverhältnisses mit der Türkei.

Während in Berlin zwischen dem Auswärtigen Amt und der russischen
Delegation friedlich über die Zusatzverträge verhandelt wurde, hatten
sich in Moskau, wo nach der Ermordung des Grafen Mirbach die Geschäfte
unserer diplomatischen Vertretung von dem Geheimen Legationsrat Dr.
Riezler geführt wurden, die Verhältnisse einigermaßen zugespitzt.

Die beiden Personen, die den Grafen Mirbach ermordet hatten, Blumkin und
Andrejew, waren bekannte Mitglieder der Partei der Linken
Sozialrevolutionäre und Angestellte der »Außerordentlichen Kommission
zur Bekämpfung der Gegenrevolution«, die stark mit Anhängern dieser
Partei durchsetzt war. Unmittelbar vor dem Attentat war in Versammlungen
der Linken Sozialrevolutionäre unter Berufung auf die Unterstützung, die
Deutschland in der Ukraine dem gegenrevolutionären Hetman Skoropadski
gewähre, sowie auf die Lebensmittel- und Warenlieferungen, die
Deutschland dem russischen Volke abpresse, stark gegen die deutsche
Vertretung gehetzt worden. Am Tage vor dem Attentat hatten auf dem
allrussischen Rätekongreß namhafte Führer der Partei, vor allem Frau
Spiridonowa, leidenschaftliche und aufreizende Reden gegen Deutschland
gehalten und tosende Kundgebungen gegen den Grafen Mirbach hervorgerufen.
Jetzt, nach dem Attentat hatten sich die Mörder des Grafen Mirbach in das
Hauptquartier der Linken Sozialrevolutionäre, in die große Kaserne am
Pokrowski-Boulevard, geflüchtet, waren dort mit einer Anzahl ihrer
Gesinnungsgenossen eingeschlossen und belagert worden, aber schließlich
unter einigermaßen rätselhaften Begleitumständen entkommen. Die russische
Regierung zeigte zwar großen Eifer in der Entschuldigung für das
Attentat, jedoch wesentlich geringeren Eifer in der Verfolgung der Täter
und der Anstifter. Zwar überreichte sie schließlich unserem
Geschäftsträger eine Liste von mehr als hundert Leuten, die wegen
angeblicher Beteiligung an dem Attentat erschossen worden seien; aber die
Täter und Hauptanstifter waren nicht darunter.

Die Lage erfuhr eine weitere Verschärfung durch Vorgänge an der
tschecho-slowakischen Front. Dort hatte der Oberbefehlshaber der Roten
Garden, General Murawiew, den Versuch gemacht, seine Truppen zum Abfall
von der Sowjetregierung und zum Übertritt auf die Seite der Gegner zu
veranlassen. Eine Zeitlang schien es, als ob dieser Versuch Erfolg haben
sollte. Murawiew wandte sich mit einem Teil seiner Truppen gegen Moskau
und proklamierte den Wiederbeginn des Krieges gegen Deutschland. An der
Front entstand eine heillose Verwirrung, unter deren Eindruck auch die
Sowjetregierung in Moskau ihre letzte Stunde gekommen glaubte. Der
Versuch scheiterte jedoch schließlich an der Haltung der lettischen
Truppen, und Murawiew wurde von seinen eigenen Leuten am 8. Juli
erschossen. Aber immerhin zeigte auch dieser Vorfall, wie die
Verhältnisse auf des Messers Schneide standen.

Angesichts der ungeklärten Lage und der fortdauernden Bedrohung des
Personals der deutschen Vertretung stellte der deutsche Geschäftsträger
im Einverständnis mit dem Auswärtigen Amt bei der russischen Regierung
den Antrag auf Zulassung eines kriegsstarken deutschen Bataillons als
Gesandtschaftswache. Die russische Regierung zeigte über diesen Antrag
große Erregung. Herr Joffe intervenierte beim Auswärtigen Amt in Berlin,
das den Antrag fallen ließ und sich mit der Zusage der Zulassung von
dreihundert deutschen Soldaten -- aber in Zivil! -- als Schutzwache für
die Gesandtschaft begnügte. Dem geschickten und energischen Auftreten des
deutschen Geschäftsträgers gelang es, bei dieser Gelegenheit wenigstens
die Entfernung der Militärmissionen der Entente, die bisher immer noch in
Moskau ihr Unwesen getrieben hatten, durchzusetzen.

Das alles war geschehen, ehe über meine Ernennung entschieden war; ich
habe von diesen Vorgängen das Wesentliche erst erfahren, als ich in den
wenigen Tagen von meiner Ernennung bis zu meiner Abreise nach Moskau mich
im Auswärtigen Amt zu informieren suchte. Dabei erfuhr ich auch, daß
während der durch den Abfall Murawiews entstandenen Krise der
Geschäftsträger mit Unterstützung des Militärattachés die Ermächtigung
erbeten hatte, im Falle der Not mit dem gesamten Personal der Mission
Moskau zu verlassen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat damals
diese Ermächtigung erteilt und, als die Moskauer Vertretung angesichts
der raschen Niederwerfung der Murawiewschen Revolte keinen Gebrauch von
ihr machte, sie für künftige Eventualitäten aufrechterhalten. Dagegen
erfuhr ich erst in Moskau aus den Mitteilungen des Geschäftsträgers, daß
die Moskauer Vertretung in der Ermordung des Grafen Mirbach den wichtigen
Anlaß hatte sehen wollen, um uns aus der doch unhaltbaren Verbindung mit
dem Bolschewismus zu befreien und den Weg zu einer einheitlichen Politik
der Verständigung mit dem nichtbolschewistischen Rußland freizumachen.
Diese Politik hatte in Berlin kein Verständnis gefunden. Der
Staatssekretär von Hintze suchte mir gegenüber die offenbar schwebenden
Differenzen durch eine übertriebene Nervosität der Moskauer Herren zu
erklären; die anderen an den Zusatzverträgen mit besonderem Eifer
arbeitenden Herren erweckten mir indessen schon damals den Eindruck, daß
sie in den Moskauer Berichten nur eine unerwünschte und lästige Störung
ihrer Verhandlungen über die Zusatzverträge sahen. Die Verträge selbst
waren, wie ich später in Moskau feststellte, der dortigen Vertretung
trotz mehrfach wiederholter Reklamationen nicht mitgeteilt worden. Das
Exemplar der Entwürfe, das ich nach Moskau mitbrachte, war das erste, das
die dortigen Herren überhaupt zu sehen bekamen. Über die schweren
Bedenken, die bei der Moskauer Vertretung gegen wesentliche Punkte der
Zusatzverträge bestanden, konnte man im Berliner Auswärtigen Amt nicht im
Zweifel sein.

Jedenfalls wünschte der Staatssekretär, daß ich meine Abreise nach Moskau
nach jeder Möglichkeit beschleunigen möchte, um mir so bald wie möglich
an Ort und Stelle ein Urteil zu bilden. Die über die Verlegung des Sitzes
der deutschen Vertretung zu treffende Entscheidung gab er dabei ganz in
meine Hand.

So reiste ich bereits wenige Tage nach meiner Ernennung, am 26. Juli, von
Berlin nach Moskau ab. Ich hatte mir vorbehalten, nach Gewinnung eines
Überblicks zur Berichterstattung und zur Ordnung meiner persönlichen
Verhältnisse nach Berlin zurückkommen zu dürfen.

An der Militärgrenze, Bahnhof Orscha, erwartete mich ein Vertreter des
Volkskommissariats für das Auswärtige mit einem Extrazug und einer schwer
bewaffneten lettischen Schutzwache. Die Reise auf russischem Gebiet ging
glatt und rasch vonstatten. Wir hätten bequem zwischen sieben und acht
Uhr abends in Moskau sein können: Etwa hundert Kilometer vor Moskau
erhielt jedoch der Zugführer die Weisung, der Zug dürfe unter keinen
Umständen vor zehn Uhr in Moskau einlaufen. Wir fuhren dementsprechend im
Schneckentempo. Kurz vor Kunzewo, etwa vierzehn Kilometer vor Moskau,
erhielt der Zug Haltesignal. Dr. Riezler erschien an meinem Wagen und
forderte mich auf, mit meinem Begleiter, dem der Moskauer Vertretung
zugeteilten Legationsrat Grafen Bassewitz, den Zug zu verlassen. Man
wolle es vermeiden, mich im Moskauer Bahnhof aussteigen zu lassen. Auf
der Straße erwartete uns Herr Radek, damals Chef der mitteleuropäischen
Sektion des Volkskommissariats für das Auswärtige, mit seinem Auto und
brachte uns unbemerkt nach der Stadt hinein zu der am Djeneshnij, einer
ruhigen Seitenstraße des Arbat, gelegenen Villa Berg, in der unsere
Vertretung ihren Sitz genommen hatte. Herr Radek erwähnte, es liege zwar
nichts Besonderes vor, aber meine Ankunft könne bekannt geworden sein,
und Vorsicht könne nichts schaden.

Ich hatte noch am gleichen Abend und am nächsten Vormittag Gelegenheit,
meine wichtigsten Mitarbeiter kennenzulernen, mir von ihnen über den
Stand ihrer Geschäfte berichten zu lassen und ihre Ansicht über die Lage
zu hören. Alle, Militär und Zivil, stimmten darin überein, daß die
Bolschewikiregierung von innen und außen schwer bedroht sei; daß es ihr
an jeder Spur von gutem Willen fehle, aufrichtig mit Deutschland
zusammenzugehen; daß sie zwar in der ernsten Lage, in der sie sich
befinde, einen Bruch mit uns vermeiden, ja nach Möglichkeit sich unsere
moralische und materielle Unterstützung sichern wolle, jedoch jede
Deutschland zugutekommende Maßnahme unter dem Anschein und dem
Versprechen des Entgegenkommens durch den zähesten passiven Widerstand
vereitele; daß das offensichtliche Bestreben gewisser im Auswärtigen Amt
einflußreicher Leute, mit der Bolschewikiregierung intim
zusammenzuarbeiten und namentlich mit ihr die Zusatzverträge
abzuschließen, das ganze nichtbolschewistische Rußland geradezu gegen
Deutschland aufpeitsche, ohne uns den geringsten greifbaren Vorteil zu
bringen; daß schließlich die deutsche Vertretung in Moskau, trotz
verstärkter Bewachung durch ein Lettenkommando, nach wie vor ernstlich
bedroht und ein gedeihliches Arbeiten nicht möglich sei. Die von Berlin
in Aussicht genommene Entsendung von dreihundert Mann in Zivil wurde von
den Militärs als ein gänzlich unzureichender Schutz bezeichnet.

Mein erster Besuch galt dem Volkskommissar für das Auswärtige, Herrn
Tschitscherin, der sein Quartier im Hotel Metropol am Theaterplatz
aufgeschlagen hatte. Dem Drängen meiner Berater folgend, besuchte ich ihn
unangesagt; auch benutzte ich nicht das Gesandtschaftsauto, sondern ein
Dogcart. Nach wenigen Minuten verlor das Pferd ein Eisen. Ich ging mit
Dr. Riezler, der mich begleitete, unerkannt und unbeobachtet zu Fuß durch
die gefährliche Stadt, die kaum einen anderen Eindruck machte als später
das revolutionäre Berlin.

Herr Tschitscherin, in seinem Äußeren ein verhärmter und verschüchterter
Gelehrter mit schwermütigen, traurigen Augen, sprach mir sofort von
seinen Sorgen um Baku, das von den türkischen Truppen unmittelbar bedroht
sei, und berief sich auf die Zusagen, die von unserer Regierung Herrn
Joffe wegen des Schutzes von Baku gemacht worden seien. Ich bezweifelte
auf Grund meiner Berliner Informationen, daß die Türken einen Schlag
gegen Baku beabsichtigen könnten, und gab die Versicherung, daß die
deutsche Regierung von den mit ihrem Bundesverhältnis zur Türkei
verträglichen Mitteln Gebrauch machen werde, um die Türken zur
Zurückhaltung zu veranlassen. Über die Zusatzverträge sagte
Tschitscherin, daß er noch nicht im Besitz der in Berlin zwischen den
beiderseitigen Delegationen vereinbarten Redaktion sei; daß nach deren
Eingang die Verträge von dem Rat der Volkskommissare einer eingehenden
Prüfung unterzogen werden müßten, bevor er Stellung nehmen könne. Warm
wurde er, als er auf die inneren Verhältnisse zu sprechen kam. Die
Industrieproletarier hätten die Revolution gemacht; aber sie seien in
Rußland der Zahl nach eine geringe Minderheit. Deshalb hänge das
Schicksal der Revolution vom Dorfe ab, das sich bisher indolent oder gar
feindlich gezeigt habe. Sie seien jetzt dabei, die »Dorfarmen« gegen die
»Dorfreichen« zu mobilisieren. Überall auf dem Dorfe würden jetzt Sowjets
gebildet und in die Macht eingesetzt. Zu diesen Sowjets dürften natürlich
nur die Besitzlosen wählen. Auf diese Weise werde es der Sowjetregierung
gelingen, auch das Land in ihre Gewalt zu bekommen.

In den folgenden Tagen suchte ich mir in intensivster Arbeit und in
Besprechungen mit meinen Mitarbeitern wie mit anderen für mich
erreichbaren landeskundigen Personen ein genaues Bild von der Lage und
den sich aus ihr für die deutsche Politik eröffnenden Möglichkeiten zu
machen. Das Bild, das sich für mich ergab, war folgendes:

Sowjetrußland stand in einer schweren äußeren und inneren Krisis.

Im Osten machten die Tschecho-Slowaken und die mit ihnen kooperierenden
Sibirier bedrohliche Fortschritte. Sie bemächtigten sich der mittleren
Wolga mit den wichtigen Städten Kasan, Simbirsk, Samara, Sysran und
bedrohten Saratow. Gerade in der Zeit, in der ich in Moskau eintraf, kam
von der Ostfront eine Hiobspost nach der anderen.

Im Südosten waren die Kosaken unter Alexejew, Dutow, Denikin und Krasnow
im Vordringen. Die Gefahr war groß, daß sie sich bei Zarizyn am Wolgaknie
mit den Tschecho-Slowaken vereinigen und so das bolschewistische Rußland
von der Verbindung mit dem Kaspischen Meer und Baku abschneiden könnten.
Mit Baku selbst waren die Verbindungen unterbrochen. Genaues über das
Schicksal der Stadt war nicht zu erfahren. Bald hieß es, die Armenier
hätten sich der Herrschaft bemächtigt und die Engländer, die in Rescht,
an dem persischen Südufer des Kaspischen Meeres standen, herbeigerufen,
bald sollten die Türken unmittelbar vor Baku stehen oder gar Baku bereits
genommen haben.

Im Norden rückten Ententetruppen von der Murmanküste aus in Richtung
Petrosawodsk und Petersburg vor. Anfang August besetzten die Engländer
Archangelsk am Weißen Meer und setzten sich von dort in Marsch gegen
Wologda.

Die Rote Garde schlug sich fast überall schlecht. Aus Petersburg und
Moskau wurden die Lettenregimenter abgezogen und als »Korsettstangen«
zwischen den Rotgardisten eingesetzt. Unter den Letten selbst herrschte
zunehmende Unzufriedenheit mit dem bolschewistischen Regiment, dessen
stärkste und treueste Stütze sie bisher gewesen waren. Die
Unzufriedenheit ging so weit, daß angesehene Lettenführer bei uns Fühlung
suchten und sich bereit erklärten sich mit ihren Truppen zu unserer
Verfügung zu stellen, wenn wir ihnen für später die Rückkehr in das von
uns besetzte Lettland gestatteten und sie in ihren Grundbesitz wieder
einsetzten.

Wie ernst die Sowjetregierung selbst die Lage ansah, ergab sich mir aus
Eröffnungen, die mir Herr Tschitscherin, unangesagt und direkt aus einer
Beratung im Kreml kommend, am Abend des 1. August im Auftrag des Rates
der Volkskommissare machte.

Zunächst teilte er mir mit, daß angesichts des Vormarschs der
Ententetruppen von Murmansk und der Landung der Engländer in Archangelsk
seine Regierung kein Interesse mehr an ihrem in Berlin ausgesprochenen
Wunsch habe, ein deutsch-finnisches Eingreifen in Karelien gegen die
Murmanküste möchte aufgeschoben werden. Ein offenes militärisches Bündnis
mit uns sei allerdings in Rücksicht auf die öffentliche Meinung
unmöglich; möglich aber sei eine tatsächliche Parallelaktion. Seine
Regierung beabsichtige, ihre Truppen um Wologda zu konzentrieren, um
Moskau zu decken. Bedingung für eine Parallelaktion sei allerdings, daß
wir Petersburg nicht besetzten; auch Petrosawodsk sei besser zu
vermeiden. -- Tatsächlich bedeutete diese Eröffnung, daß die
Sowjetregierung, um Moskau zu schützen, genötigt war, uns um die Deckung
von Petersburg zu bitten. Das wurde bestätigt, als mir Tschitscherin am
5. August mitteilte, daß seine Regierung ihre Truppen auch von
Petrosawodsk nach Wologda abziehen müsse, so daß der Weg von Murman nach
Petersburg frei und ein schleuniges Eingreifen unsererseits erwünscht
sei; daß ferner in Wologda der Kriegszustand erklärt sei und er mich
bitten müsse, unsere Unterkommission für Kriegsgefangene von dort
zurückzuziehen.

Nicht minder Sorge machte ihm der Südosten. Seine Regierung habe sich
entschlossen, auf der bisher von ihr mit allem Nachdruck verlangten
Räumung von Rostow und Taganrog durch unsere Truppen nicht zu bestehen,
sondern sich mit der von uns angebotenen freien Benutzung der Bahnlinien
zu begnügen, vorausgesetzt, daß sie durch uns »von Krasnow und Alexejew
befreit« würde. Beide Generale spielten unter einer Decke, obwohl
Alexejew ententefreundlich sei und Krasnow sich den Anschein gebe, zu uns
zu halten, und von uns Unterstützung annehme. Auf meine Fragen
präzisierte er schließlich unser von ihm gewünschtes Eingreifen dahin:
»Aktives Eingreifen gegen Alexejew, keine weitere Unterstützung an
Krasnow.« Auch hier komme aus denselben Gründen wie im Norden kein
offenes Bündnis, sondern nur eine tatsächliche Kooperation in Frage;
diese aber sei notwendig. -- Mit diesem Schritt erbat also die
Bolschewikiregierung die bewaffnete deutsche Intervention auf
großrussischem Gebiet. Ein schlagender Beweis dafür, wie hoch ihr das
Wasser stand.

Nicht tröstlicher war die Lage für die Sowjetregierung im Innern.

Die kommunistischen Experimente der Bolschewikiregierung hatten zu einer
völligen Desorganisation und Lähmung des russischen Wirtschaftslebens
geführt. Eine neue Ordnung zu schaffen war den Bolschewiki nicht
gelungen. Ein großer Teil der industriellen Betriebe stand still. Die
Weiterarbeitenden konnten sich nur mit Hilfe großer Zuschüsse des Staates
halten. Auch die landwirtschaftliche Produktion war schwer
beeinträchtigt. Außerdem machten die Bauern schon seit langer Zeit
Schwierigkeiten, ihre Erzeugnisse gegen das entwertete Papiergeld
abzugeben. Der Versuch der Einrichtung eines systematischen Austauschs
von gewerblichen Erzeugnissen gegen landwirtschaftliche Produkte war
gescheitert. Zwischen den hungernden Städten und dem Land, das seine
keineswegs reichlichen Nahrungsmittel zurückhielt, bestand eine starke
Spannung. Vielfach zog das Industrieproletariat nach dem Lande, um sich
dort gewaltsam in den Besitz von Nahrungsmitteln zu setzen. Das Land
setzte sich zur Wehr; an zahlreichen Stellen flammten Bauernunruhen auf.
Die Bolschewisierung des Landes durch die Organisation der »Dorfarmen«
hatte erst begonnen.

Der alte Verwaltungsapparat war zerbrochen. Ein neuer war noch nicht
aufgebaut. Die Macht der Moskauer Zentralregierung war eng begrenzt. Die
lokalen Sowjets, die sich überall gebildet hatten, taten und ließen, was
ihnen gefiel.

In Moskau selbst stand die Bolschewikiherrschaft auf schwachen Füßen. Das
Verhältnis der Bolschewiki zu den Linken Sozialrevolutionären war nach
wie vor ungeklärt. Die Sowjetregierung wagte augenscheinlich nicht, gegen
diese Gruppe vorzugehen. In der Verfolgung der an dem Attentat gegen den
Grafen Mirbach beteiligten Personen dieses Kreises blieb sie trotz meines
Drängens untätig. In Deutschland wurde allerdings aus den Kreisen des
Herrn Joffe verbreitet, die Sowjetregierung habe auf Verlangen
Deutschlands Kamkow und Frau Spiridonowa, die öffentlich zu dem Attentat
aufgefordert hatten, verhaften und erschießen lassen. Graf Harry Keßler,
der mit Herrn Joffe intime Beziehungen unterhielt, hatte mich noch am
Abend vor meiner Abreise in Berlin besucht und mir diese angebliche
Tatsache als Beweis des guten Willens der Sowjetregierung vorgeführt. Als
aber deutsche Zeitungen diese Nachricht brachten, ließ das
Volkskommissariat für das Auswärtige in der russischen Presse eine Note
veröffentlichen, diese Nachricht sei selbstverständlich erfunden, die
deutschen Zeitungen weigerten sich aber, unter dem Druck der deutschen
Zensur, ein Dementi zu bringen. Ich teilte diese Note nach Berlin mit und
bat um Aufklärung. Das Auswärtige Amt antwortete, daß keine deutsche
Stelle ein solches Dementi verhindert habe. Als ich nun Herrn Radek auf
diese merkwürdige Sache stellte, bekannte er sich als Verfasser der Note;
auf eine Verhinderung des Dementis durch die deutsche Zensur habe er
daraus geschlossen, daß auf den nach Berlin gerichteten Auftrag, die
Nachricht von der Erschießung des Kamkow und der Spiridonowa zu
dementieren, die Antwort gekommen sei, dem Dementi ständen
»unüberwindliche Hindernisse« entgegen. Nach meiner Rückkehr nach Berlin
habe ich von deutschen Journalisten erfahren, daß Herr Joffe selbst
ersucht habe, die Nachricht nicht zu dementieren, und daß auch von einer
Stelle des Auswärtigen Amtes ein Dementi als unerwünscht bezeichnet
worden war! Man wollte bei uns im Interesse des Zustandekommens der
Zusatzverträge augenscheinlich die durch die Nichtverfolgung der
Attentäter gegen die Bolschewikiregierung erregte öffentliche Meinung
beschwichtigen. Erst auf mein Eingreifen hat das Wolffsche
Telegraphenbureau ein Dementi veröffentlicht.

Die Sowjetregierung nahm aber nicht nur Abstand von jedem
ernsthaften Schritt gegen die in das Attentat verwickelten Linken
Sozialrevolutionäre, sondern sie nahm auch in den ersten Tagen meines
Moskauer Aufenthalts die Mitglieder dieser Gruppe, die sie unmittelbar
nach dem Attentat und dem Putsch aus der »Außerordentlichen Kommission«
und anderen wichtigen Körperschaften entfernt hatte, wieder in Gnaden
auf.

Dagegen übte sie gegen alle weiter rechts stehenden Parteien und Gruppen
eine wahre Schreckensherrschaft aus. An Zeitungen wurden nur
bolschewistische und links-sozialrevolutionäre Organe geduldet; alle
anderen wurden schonungslos unterdrückt. Jede Art von Versammlungen, die
nicht von Bolschewisten oder Linken Sozialrevolutionären veranstaltet
wurden, waren verboten. Die »Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung
der Gegenrevolution«, deren Befugnisse über Leib und Leben unbeschränkt
waren, wütete gegen alles, was nicht zur Partei der Bolschewisten und der
Linken Sozialrevolutionäre gehörte, in einer geradezu entsetzlichen
Weise. In der Provinz waren es die lokalen »Sowjets«, die den Terror
ausübten. Die Mitte Juli erfolgte Hinrichtung des Zaren durch den Sowjet
von Jekaterinburg, die von dem Zentralexekutivkomitee in Moskau
nachträglich gebilligt wurde, war nur ein durch die Person des
Betroffenen Aufsehen erregender Einzelfall.

Trotzdem, oder vielleicht gerade infolge dieses unerträglichen Terrors,
machten die gemäßigteren Elemente einen letzten Versuch, sich
zusammenzuschließen. Es hatte damals den Anschein, als ob es einer
Koalition der bürgerlichen Parteien bei der zweifelhaften Haltung der
bolschewistischen Kerntruppen, der tiefgehenden Erbitterung der
hungernden Arbeiter in den Städten und der von gewaltsamen Requisitionen
bedrohten Bauernschaft gelingen könnte, die zersprengten Ordnungselemente
um sich zu sammeln.

Die Sowjetregierung selbst war ernstlich in Sorge. Sie traf in den ersten
Augusttagen umfassende Vorkehrungen gegen eine gegenrevolutionäre
Erhebung. Die oberen Stockwerke in den Quartieren um den Kreml, in dem
Lenin und der Rat der Volkskommissare ihren Sitz hatten, wurden
größtenteils geräumt und mit Maschinengewehren zur Verteidigung
eingerichtet. Die Razzias nach gegenrevolutionären Elementen, vor allem
nach Offizieren, wurden Tag und Nacht mit verdoppeltem Eifer betrieben.
Schließlich wurde für den 7. August eine Registration der sämtlichen
Offiziere angeordnet; bei dieser Gelegenheit wurden Tausende der sich
Meldenden in Haft genommen. Wie viele von diesen erschossen worden sind,
wird man wohl niemals erfahren.

Die Sowjetregierung hatte allen Grund, ihre Lage für gefährdet zu halten;
denn ihre eigenen Machtmittel in Moskau waren in jenen Tagen schwach und
die Bevölkerung war gleichgültig oder schwankend. Um den äußeren Feind
abzuwehren, hatte die Regierung die Lettenregimenter fast restlos zu den
Fronten schicken müssen; auch meine Lettenwache, deren Belassung mir
ausdrücklich zugesagt worden war, wurde vorübergehend abgezogen und durch
ziemlich übel aussehende Rotgardisten ersetzt. Die Bevölkerung litt auf
das schwerste unter dem Mangel an Lebensmitteln. Es herrschte in Moskau
die nackte Hungersnot. Was an Nahrungsmitteln überhaupt hereinkam, wurde
großenteils von der Roten Garde für sich in Anspruch genommen. Brot gab
es überhaupt nicht mehr. Das Brot für das Personal der deutschen
Vertretung mußten wir uns durch den Kurier aus Kowno bringen lassen.

Die stärkste Stütze der Bolschewikiregierung in jener kritischen Zeit
war, wenn auch unbewußt und unbeabsichtigt -- die deutsche Regierung.
Schon die Tatsache, daß die deutsche Regierung mit den Bolschewisten den
Frieden abgeschlossen und die diplomatischen Beziehungen aufgenommen
hatte, war in den nichtbolschewistischen Kreisen Rußlands als eine
moralische Unterstützung des bolschewistischen Regiments aufgefaßt
worden. Das offenkundige Bestreben der Berliner Politik, in Großrußland
mit den Bolschewisten loyal zusammenzuarbeiten, die Leichtigkeit, mit der
die Herren, die in Berlin mit Herrn Joffe verhandelten, sich mit der
Schädigung und Vernichtung deutschen Eigentums und deutscher Betriebe
durch die kommunistischen Maßnahmen der Bolschewisten abfanden, die
Leichtfertigkeit, mit der gewisse deutsche Publizisten den Gedanken
propagierten, Deutschland müsse durch Förderung des Bolschewismus das
Russische Reich endgültig zertrümmern und ohnmächtig machen, das alles
erzeugte und verstärkte in Rußland den an sich unzutreffenden Eindruck,
daß Deutschland entschlossen sei, das bolschewistische Regime in
Großrußland zum Zwecke der endgültigen Zerstörung der russischen Kraft
aufrechtzuerhalten. Man hielt in den russischen Kreisen diese Politik im
eigensten Interesse Deutschlands für verkehrt; denn man sah als ihre
Folge an, daß der Bolschewismus schließlich gegen uns selbst schlagen
werde -- eine Warnung, die ich während meines kurzen Aufenthalts in
Moskau wiederholt und eindringlich von russischer Seite gehört habe --;
aber man rechnete mit unserer Unterstützung des bolschewistischen Regimes
als mit einer Tatsache, die schwer auf jeden Gedanken einer eigenen
Erhebung drückte.

Die Ermordung des Grafen Mirbach und die daraufhin von dem deutschen
Geschäftsträger unternommenen Schritte erweckten die Hoffnung auf ein
Umschwenken der deutschen Politik. Die antibolschewistischen, und zwar
nicht nur die reaktionären Elemente suchten Anlehnung und Ermutigung bei
uns. Herr Miljukow, der früher zu den schärfsten Gegnern Deutschlands
gehört und noch als Minister des Auswärtigen in der revolutionären
Regierung des Fürsten Lwoff in der entschiedensten Weise Stellung gegen
jede Verständigung mit Deutschland genommen hatte, sprach sich jetzt
öffentlich für ein Zusammengehen mit Deutschland aus.

Die Enttäuschung war groß, als die Berliner Regierung die Forderung auf
Zulassung eines kriegsstarken deutschen Bataillons fallen ließ und sich
mit dem laxen Vorgehen gegen die Mörder des Grafen Mirbach zufriedengab.
Sie wurde noch größer, als in Rußland Einzelheiten über die Berliner
Verhandlungen zwischen dem Auswärtigen Amt und Herrn Joffe bekannt
wurden. In der geplanten Abtrennung Estlands und Livlands vom russischen
Reichskörper sah man eine Bestätigung dafür, daß Deutschland zur
Ausführung seines Vernichtungswillens gegen Rußland sich mit den
Bolschewisten verbündet habe. Die gleiche Bestätigung sah man in den
wirtschaftlichen und finanziellen Vereinbarungen, die der
Bolschewikiregierung, auch soweit deutsches Eigentum und deutsche Rechte
in Betracht kamen, gegen eine Pauschalvergütung freie Hand für die
Durchführung ihrer ruinösen Enteignungs- und Sozialisierungsideen gaben.
Dieser Anschein mußte um so mehr erweckt werden, als seit meiner Abreise
von Berlin Herr Joffe durchgesetzt hatte, daß die uns zu gewährende
Pauschalsumme auch die Entschädigung für diejenigen Enteignungen
enthalten sollte, die durch ein nach Beginn der Verhandlungen rasch noch
erlassenes Gesetz vom 28. Juni 1918 zwar generell angeordnet, aber im
einzelnen noch nicht durchgeführt waren. Das Zugeständnis, das der
Sowjetregierung gestattete, mit der Enteignung deutschen Besitzes =à
discretion= zu schalten, war gegen meine ausdrückliche, schon in Berlin
ausgesprochene und von Moskau aus telegraphisch wiederholte Warnung vor
einer solchen Pauschalierung =pro futuro= gemacht worden. Es wurde in
Rußland geradezu als eine Ermunterung der Enteignungs- und
Sozialisierungspolitik der Bolschewisten aufgefaßt.

Darüber habe ich in Moskau nur eine Stimme gehört, daß der Abschluß der
Zusatzverträge auf der in Berlin in Aussicht genommenen Grundlage uns das
ganze nichtbolschewistische Rußland für absehbare Zeit zum bittersten
Feinde machen müsse.

Hatten wir mit dem nichtbolschewistischen Rußland ernsthaft zu rechnen,
oder konnten wir es für unsere Politik als =quantité négligeable=
behandeln?

Die Bolschewikiherrschaft stand gerade damals sichtbarlich auf zu
schwachen Füßen, als daß die Möglichkeit eines Umschwungs, auch eines
nahen Umschwungs, als nicht vorhanden betrachtet werden durfte. Auch
heute noch, nachdem gegen alles Erwarten und auch gegen meine damals
gewonnene Ansicht die Lenin und Trotzki -- nicht zuletzt dank der von den
maßgebenden Personen in Berlin verfolgten Politik! -- sich an der
Herrschaft gehalten haben, kann ich eine Politik nicht für richtig
halten, die Rußland und den Bolschewismus identifizierte und das im
Augenblick unterdrückte nicht bolschewistische Rußland glaubte ignorieren
zu können. Kam aber der Umschwung, ohne daß wir vorher das Tischtuch
zwischen uns und den Bolschewiki zerschnitten hatten, dann kam er gegen
uns, und zwar unter unmittelbarer Führung der Entente, die offensichtlich
auf eine solche Entwicklung hinarbeitete, um uns vor eine neue Ostfront
zu stellen.

Die Meinung von der schwer gefährdeten Stellung der Bolschewikiherrschaft
erfuhr für mich eine Bestätigung in dem Ersuchen Tschitscherins um unsere
bewaffnete Hilfe. Nur wenn die Sowjetregierung selbst zu der Ansicht
gekommen war, daß sie ohne unsere Hilfe verloren sei, konnte sie sich zu
einem solchen Schritt entschlossen haben.

Sollten wir ihr diese Hilfe leihen, nicht nur gegen die Entente im
Norden, sondern auch gegen die Kosaken im Südosten, und uns damit auf
Gedeih und Verderb mit den Bolschewiki verbinden? Oder sollten wir sie
fallen lassen und den Anschluß, der von dem nichtbolschewistischen
Rußland bei uns gesucht wurde, gewähren?

Die weit überwiegenden Gründe schienen mir für die letztere Alternative
zu sprechen.

Wir mußten endlich aus der Zwiespältigkeit heraus, daß wir in den von uns
besetzten baltischen Gebieten, in Finnland, in der Ukraine, im Dongebiet
und im Kaukasus die Bolschewiki bekämpften und in Großrußland
gemeinschaftliche Sache mit ihnen machten.

Wir durften unser Verhältnis zu dem künftigen Rußland nicht durch ein
Kleben an den Bolschewiki aufs Spiel setzen.

Nur wenn es gelang, in Großrußland selbst die Bolschewikiherrschaft zu
überwinden, konnten wir auf ruhigere Verhältnisse im Osten und auf das
Freiwerden eines großen Teiles der dort verzettelten Divisionen rechnen.

Nur wenn an die Stelle des Bolschewikiregiments eine neue Ordnung der
Dinge trat, die das von den Bolschewiki in Grund und Boden ruinierte
russische Wirtschaftsleben wieder aufrichtete und uns die von den
Bolschewiki fortgesetzt sabotierte Möglichkeit der Anknüpfung von
Handelsbeziehungen gab, konnten wir hoffen, aus den russischen
Hilfsquellen und Vorräten Erleichterungen für unsere Wirtschaft und
unsere Kriegführung zu gewinnen. Bisher war alle Arbeit der zahlreichen
wirtschaftlichen Sachverständigen, die unserer Vertretung in Moskau
zugeteilt waren, ebenso alle Bemühungen der Kaufleute, die wir
herangeholt oder zugelassen hatten, in allen den Monaten seit dem
Abschluß des Brester Friedens gänzlich fruchtlos gewesen. Nicht eine
einzige Sendung von Nahrungsmitteln, Rohstoffen oder sonstigen Waren
irgendwelcher Art war für Deutschland frei zu bekommen. Die ganze
Tätigkeit unseres großen Wirtschaftsstabes war nichts als ein
Leeres-Stroh-Dreschen. Niemand sah eine Aussicht, daß sich unter der
Herrschaft der Bolschewiki hieran etwas ändern würde.

Dazu kam schließlich, daß die Bolschewiki nach wie vor mit einer kaum zu
übertreffenden Offenheit ihre Absicht verkündigten -- auch mir persönlich
gegenüber --, Deutschland mit allen Mitteln zu revolutionieren, und daß
wir nach den bisherigen Proben, die Lenin, Trotzki, Radek und Konsorten
an Zielbewußtsein und Tatkraft abgelegt hatten, in keiner Weise
berechtigt waren, diese Ankündigungen in den Wind zu schlagen.

Freilich, wenn wir von den Bolschewiki abrücken und nicht ins Leere
fallen wollten, dann mußten wir uns rechtzeitig mit den Elementen
verständigen, die für den Aufbau der neuen Ordnung in Betracht kamen.

Voraussetzung dafür war allerdings -- das trat uns überall entgegen --,
daß wir nicht nur diejenigen Teile der Zusatzverträge fallen ließen, die
eine weitere territoriale Verstümmelung Rußlands bedeuteten und als eine
wirtschaftliche Ausplünderung und Sabotierung Rußlands aufgefaßt wurden,
sondern daß wir darüber hinaus unsere grundsätzliche Bereitwilligkeit
aussprachen, über einzelne Bestimmungen des Friedens von Brest-Litowsk
mit uns reden zu lassen. Vor allem wurde die Loslösung von Estland und
Livland sowie die Aufrechterhaltung der Trennung der Ukraine von
Großrußland als unmöglich, dagegen eine Verständigung über Polen, Litauen
und Kurland als möglich bezeichnet.

Im übrigen war man der Ansicht, daß bei der akuten Zuspitzung der Lage
ein deutliches Abrücken unsererseits von den Bolschewiki genügen werde,
um die Bewegung in Fluß zu bringen; gegebenenfalls würde eine
militärische Demonstration unserer Streitkräfte in der von den
Bolschewikitruppen fast gänzlich geräumten Gegend von Petersburg genügen,
um den Sturz der Bolschewiki zu besiegeln.

Ich berichtete über meine Eindrücke und meine Auffassung an das
Auswärtige Amt und bat um die Ermächtigung, mit den Letten, Sibiriern und
den Anschluß an uns suchenden politischen Gruppen auf Grund der von
diesen als notwendig angedeuteten Zugeständnissen Verhandlungen zu führen
und der Sowjetregierung zu dem mir als richtig erscheinenden Zeitpunkt
die Verlegung der deutschen Vertretung nach Petersburg oder einem anderen
nahe an der Grenze gelegenen Platz anzukündigen.

Ich hielt es für notwendig, die Ermächtigung für die Verlegung unserer
Vertretung von Moskau in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich zu
erbitten, obwohl mir der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes vor meiner
Abreise von Berlin in diesem Punkt freie Hand gegeben hatte. Denn damals
wurde in der Besprechung zwischen dem Staatssekretär und mir die Frage
der Wegverlegung nur vom Standpunkt der persönlichen Sicherheit des
Personals der Mission betrachtet, während nunmehr der politische Zweck
eines solchen Schrittes -- das demonstrative Abrücken von den Bolschewiki
--, der bei den Anträgen der Moskauer Mission in Berlin bisher überhört
worden war, wieder in den Vordergrund rückte.

Das Auswärtige Amt erteilte mir die nachgesuchte Ermächtigung zu den von
mir empfohlenen Verhandlungen nicht, machte vielmehr das rasche
Zustandekommen der Zusatzverträge zum Angelpunkt seiner Politik; ferner
wiederholte es das Anheimstellen, Moskau mit dem Personal der Vertretung
zu verlassen, wenn mir das aus Sicherheitsgründen angezeigt erscheine.

Ich antwortete, daß nach meiner Ansicht die Zusatzverträge mitsamt dem
Brester Friedensvertrag bei der Fortsetzung der von Berlin befohlenen
Politik Makulatur werden würden; ein Verlassen Moskaus durch mich und das
engere Personal der Mission werde, auch wenn mit Sicherheitsgründen
motiviert, als Abrücken von den Bolschewiki wirken; nur aus persönlichen
Sicherheitsgründen würde ich deshalb Moskau nicht verlassen.

Auch gegenüber meinen erneuten Vorstellungen beharrte das Auswärtige Amt
auf seinem Standpunkt; in der Frage des Wegganges von Moskau erteilte es
mir jedoch jetzt die formelle Weisung, im Falle der Lebensgefahr für mich
oder das Personal der Mission Moskau zu verlassen und einen gesicherteren
Ort aufzusuchen. Schließlich erhielt ich am 5. August die telegraphische
Weisung, alsbald zur mündlichen Berichterstattung nach Berlin zu kommen
und die Geschäfte an Dr. Riezler zu übertragen, für den hinsichtlich des
weiteren Verbleibens oder des Verlassens von Moskau die in dem
obenerwähnten Telegramm erteilte Weisung in Kraft bleibe.

Durch meine Berufung nach Berlin war die Frage meiner persönlichen
Sicherheit ausgeschaltet. Es blieb mir aber die mir durch das Auswärtige
Amt ausdrücklich auferlegte Verantwortung für die Sicherheit meines
umfangreichen Personals.

Bisher hätte man mir bei einer Wegverlegung der Mission von Moskau den
Vorwurf machen können, daß ich mich bei einem Entschluß von politischer
Tragweite durch Gründe meiner persönlichen Sicherheit hätte beeinflussen
lassen. Allein schon dieser Gedanke hatte mich bestimmt, dem Drängen
meiner Mitarbeiter, sowohl der Offiziere wie auch der Zivilbeamten,
ebenso den gutgemeinten Ratschlägen anderer Personen, wie meines mit den
Moskauer Verhältnissen gut vertrauten bulgarischen Kollegen
Tschapratschikoff, zu widerstehen, obwohl die Dinge, wie sich aus
folgender Tagesübersicht ergibt, sich stark zugespitzt hatten.

Am Montag, 29. Juli, dem Tag nach meiner Ankunft in Moskau, beschloß das
Zentralkomitee der Linken Sozialrevolutionäre in öffentlicher Versammlung
eine Resolution, die die Ermordung des Grafen Mirbach billigte und zur
Nachahmung aufforderte; die Resolution wurde am folgenden Tage in dem
Moskauer Organ der Linken Sozialrevolutionäre, der »Znamja Borby«,
veröffentlicht.

Am Mittwoch, 31. Juli, erhielt ich am frühen Morgen die Nachricht von der
Ermordung des Generalfeldmarschalls von Eichhorn in Kiew mit dem Zusatz,
daß der unmittelbar nach der Tat festgenommene Mörder angebe, von dem
Moskauer Komitee der Linken Sozialrevolutionäre zu der Tat bestimmt
worden zu sein.

Ich besuchte am Mittwoch nachmittag Herrn Tschitscherin, um ihn auf den
unerhörten Beschluß der Linken Sozialrevolutionäre aufmerksam zu machen
sowie um ihm von der Aussage des Mörders Eichhorns Kenntnis zu geben
und ihm die notwendigen Konsequenzen anheimzustellen. Herr
Tschitscherin sprach zunächst formell sein Bedauern über
den Tod des Generalfeldmarschalls aus. Im übrigen hatte er nur ein
Achselzucken: Rußland sei ein revolutionärer Staat mit Preß- und
Versammlungsfreiheit; er habe keine Mittel, um gegen Resolutionen der
Linken Sozialrevolutionäre einzuschreiten. Er konnte sich dabei nicht die
Bemerkung versagen, es habe dem Generalfeldmarschall von Eichhorn nichts
genützt, daß in Kiew eine große deutsche Garnison stehe; ich könne daraus
entnehmen, was das von uns ursprünglich verlangte Bataillon für Moskau
bedeute.

Am Vormittag des gleichen Tages hatte ich meinen türkischen Kollegen
Ghalib Kemal Bey besucht und ihm zugesagt, daß ich den Abend bei ihm in
einem kleineren Kreise verbringen werde. Wir hatten auf seinen Vorschlag
verabredet, die Tatsache, daß ich zu ihm kommen würde, geheimzuhalten.
Kurz vor der verabredeten Zeit erhielt ich von einer russischen Seite die
Mitteilung, es sei bekannt, daß ich zur türkischen Gesandtschaft fahren
wolle; unterwegs werde ein Anschlag auf mich verübt werden. Die Herren
meiner Umgebung baten mich dringend, die Warnung ernst zu nehmen. Ich
fügte mich widerstrebend und blieb zu Hause. Gleich nach elf Uhr knallten
Gewehrschüsse und wurde Alarm geschlagen. Es war ein Überfall auf den
Lettenposten am Garteneingang unseres Gebäudes versucht worden. Etwa eine
Stunde später wurde aus der gleichen Ursache nochmals alarmiert.

In den nächsten Tagen häuften sich die Mitteilungen, daß ein Anschlag auf
mich persönlich und auf das Gebäude der deutschen Vertretung geplant sei.
Die Sowjetregierung verstärkte nicht nur ihre Wachen -- allerdings durch
zweifelhafte Rotgardisten, da die Lettenregimenter nach der Front
abgezogen wurden --, sondern entzog mir auch mit peinlicher Sorgfalt jede
Veranlassung, dienstlich meinen Bau zu verlassen. Herr Tschitscherin
besuchte mich, sooft ein Anlaß zu einer Besprechung vorlag, statt -- wie
es der Übung entspricht -- meinen Besuch zu erwarten oder zu erbitten.
Als ich ihm vorstellte, daß mir dies nicht konveniere, entgegnete er:
»Ich denke, Sie sind gewarnt worden.« Die Überreichung meines
Beglaubigungsschreibens an den Vorsitzenden des Vollzugsausschusses der
Sowjets, Swerdloff, sollte nach der bei meinem ersten Besuch getroffenen
Verabredung im Kreml in Gegenwart der sämtlichen Volksbeauftragten
stattfinden. Die Zeremonie wurde schließlich auf Montag, 5. August,
verschoben; im letzten Augenblick jedoch ließ mich Herr Tschitscherin
bitten, mich mit der Überreichung noch weiter zu gedulden. Die
Sowjetregierung getraue sich nicht, die Verantwortung zu übernehmen, daß
ich von meiner Wohnung nach dem Kreml führe!

Die Lage fing an, unwürdig und unmöglich zu werden.

Sie wurde verschärft dadurch, daß die »Znamja Borby« ungehindert die
Ermordung des Feldmarschalls von Eichhorn in fetten Lettern als eine
Großtat der Moskauer Linken Sozialrevolutionäre feiern konnte. Ich
remonstrierte bei Herrn Tschitscherin gegen diesen Zustand auf das
nachdrücklichste. Ich tat dies auf meine eigene Initiative und
Verantwortung; denn von Berlin erhielt ich trotz meiner Berichte
keinerlei Auftrag, wegen der auf Moskau zurückweisenden Bluttat und ihrer
offenen Glorifikation irgendwelche Schritte zu unternehmen. Die
Ermordung eines österreichischen Erzherzogs hatte die Veranlassung zu dem
Krieg gegeben. Der Ermordung eines deutschen Feldmarschalls durften sich
jetzt die Täter ungestraft rühmen!

Wenn ich jetzt nach Berlin berufen wurde, so vermochte ich nicht den von
allen meinen Beratern als notwendig erachteten Entschluß der Verlegung
unserer diplomatischen Vertretung meinem Vertreter zu überlassen. Ich
wäre mir vor mir selbst als Feigling erschienen, wenn ich die
Verantwortung für diesen Entschluß nicht auf mich selbst genommen hätte,
gerade weil für mich persönlich jetzt mit meiner Abreise das Moment der
persönlichen Sicherheit wegfiel. Ich habe später in Berlin mit einigem
Erstaunen den Vorwurf gehört: »Nachdem Sie nach Berlin gerufen waren,
hätten Sie die Sache doch ruhig in Schwebe lassen können.« Ich habe
darauf geantwortet, daß ich nicht gewohnt sei, nach dem Vers zu handeln:
»Wär' ich mit guter Art davon, könnt' Euch der Teufel holen.«

Ich betrachtete es allerdings nicht nur als meine Pflicht, entsprechend
der mir vom Auswärtigen Amt ausdrücklich erteilten Weisung für die
Sicherheit meines Personals zu sorgen, sondern es kam mir auch darauf an,
unserer Regierung für alle etwa von ihr zu fassenden Entschlüsse dadurch
freie Hand zu schaffen, daß ich die zahlreichen bei unserer Vertretung
beschäftigten Personen aus der Moskauer Mausefalle, in der sie einfach
Geiseln der Bolschewiki waren und aus der es im Ernstfall kein Entrinnen
gab, rechtzeitig entfernte.

Dagegen lag mir der mir später vielfach zugeschriebene Gedanke fern,
einen »Staatsstreich« zu machen und den Entschlüssen meiner Regierung
durch die Schaffung der vollendeten Tatsache eines Bruches mit der
Sowjetregierung vorzugreifen. Ich einigte mich deshalb mit Herrn
Tschitscherin in aller Güte über die Verlegung der Mission nach
Petersburg, die ich mit der offenkundigen Unhaltbarkeit der Situation des
deutschen Vertreters in Moskau begründete; auch wies ich auf die Tatsache
hin, daß die sämtlichen Botschafter und Gesandten der neutralen Mächte
nach wie vor ihren Sitz in Petersburg hätten. Ich verständigte mich
ferner mit ihm über die zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs zwischen
Petersburg und Moskau zu treffenden Maßnahmen und Einrichtungen. Herr
Tschitscherin nahm meine Eröffnung ohne Überraschung auf und äußerte nur
einigen Zweifel, ob die Sicherheitsverhältnisse in Petersburg besser
seien als in Moskau. Darin mag er recht gehabt haben, soweit die
Attentatsgefahr für einen Einzelnen in Betracht kam; dagegen war für die
Gesamtheit des Personals die unmittelbare Nähe unserer Grenzposten an der
auf eine Autostunde an Petersburg heranreichenden finnischen und
estländischen Grenze gegenüber der sechshundert Kilometer langen
Entfernung, die Moskau von der deutschen Militärgrenze trennte, eine
entschiedene Erleichterung.

Ich reiste am Abend des 6. August von Moskau mit dem Kurierzug ab. Es war
mir ein besonderer Wagen zur Verfügung gestellt und ein Kommando von
Rotgardisten beigegeben worden.

Die Reise verlief nicht ganz programmgemäß. Am Nachmittag des 7. August
hatte der Zug in Jarzewo, der Station vor Smolensk, einen langen
Aufenthalt. Plötzlich machten sich Eisenbahnarbeiter daran, meinen Wagen,
den Wagen der Bedeckungsmannschaft und den Kurierwagen, die als letzte
dem langen Zug angehängt waren, abzukoppeln. Auf meine Anfrage erhielt
ich vom Stationsvorstand die Antwort, es sei aus Smolensk der Befehl
gekommen, diese Wagen zurückzuhalten. Als ich über die Gründe keine
Auskunft erhielt, erhob ich Einspruch. Der Kommandant meiner Wache
stellte sich auf meine Seite und erklärte, er werde das Abkoppeln der
Wagen mit Gewalt verhindern. Nach längerem Parlamentieren und einer
telegraphischen Anfrage in Moskau erhielt der Stationsvorstand ein
Telegramm des Volkskommissars für Eisenbahnen, die Wagen seien
abzukoppeln und nach Wiasma zurückzubringen; dort würden sie weitere
Befehle zu erwarten haben. Ich bestand nun darauf, durch den
Bahntelegraphen mit dem Volkskommissar für das Auswärtige in Verbindung
gesetzt zu werden. Nach längerem Warten erschien der Stellvertreter
Tschitscherins, Herr Karachan, am Telegraphen und teilte mir mit: der
Befehl zur Zurückführung der Wagen sei im Einverständnis mit dem
deutschen Geschäftsträger erteilt worden, da in Orscha, der Grenzstation,
Militärunruhen ausgebrochen seien, die eine Weiterfahrt gefährlich
erscheinen ließen; in Wiasma werde mich Radek erwarten, mit dem ich das
Weitere besprechen könne.

In der Tat hatte die russische Garnison von Orscha, die Befehl zum
Abmarsch nach der Tschecho-Slowaken-Front erhalten hatte, gemeutert, die
bolschewistischen Behörden teils erschossen, teils verjagt, eine
sozialrevolutionäre Republik erklärt und den deutschen Grenztruppen
mitgeteilt, sie betrachte sich als mit Deutschland im Kriegszustand
befindlich. Die Sowjetregierung sandte sofort Truppen aus Smolensk und
Witebsk, um die Ordnung wiederherzustellen. Über die weitere Entwicklung
der Dinge lagen angeblich Nachrichten noch nicht vor. Ich verlangte von
Herrn Radek, gleichwohl nach Orscha gebracht zu werden. Bei unserer
Ankunft hatten sich die meuternden Truppen aus der Stadt zurückgezogen
und auf einer benachbarten Höhe eingegraben. Auf der deutschen Seite
hatte man sich über mein Verbleiben beunruhigt und bereits Vorkehrungen
getroffen, um mich nötigenfalls herauszuhauen.

Als ich am Morgen des 10. August in Berlin eintraf, erfuhr ich zu meinem
nicht geringen Erstaunen, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes,
ohne meine Ankunft abzuwarten, die Weiterverlegung unserer Vertretung von
Petersburg nach dem hinter der deutschen Militärgrenze liegenden und von
unseren Truppen besetzten Pleskau angeordnet hatte, da nach seiner
Ansicht auch Petersburg keine Gewähr für größere Sicherheit als Moskau
biete. Auf meine Meldung ließ mir der Staatssekretär sagen, daß er mich,
da er unwohl sei, erst am nächsten Nachmittag um fünf Uhr empfangen
könne. Im Amt erfuhr ich, daß der Staatssekretär beabsichtigte, am
nächsten Abend nach Spa zum Vortrag beim Kaiser und Reichskanzler zu
reisen. Ich teilte daraufhin dem Staatssekretär mit, daß ich mich
gleichfalls nach Spa begeben würde.

Ich erfuhr ferner, daß die Zusatzverträge fertiggestellt seien und daß
Herr Kriege beabsichtige, sie im Laufe des Nachmittags mit Herrn Joffe zu
paraphieren. Der Weggang der deutschen Vertretung von Moskau hatte
offenbar die russische Delegation stark beunruhigt und sie bestimmt,
alles zu tun, um durch das sofortige Zustandekommen der Zusatzverträge
den anscheinend wankenden Rückhalt bei der deutschen Regierung neu zu
befestigen. Herr Joffe übernahm es, alsbald nach der Paraphierung mit den
Verträgen nach Moskau zu reisen, um dort ihre sofortige und unveränderte
Annahme durchzusetzen. Auch der Sowjetregierung in Moskau, die
ursprünglich den Weggang der deutschen Vertretung von Moskau ruhig
aufgenommen hatte, kamen die ernstlichsten Sorgen wegen der
Aufrechterhaltung der damals für sie unentbehrlichen Rückendeckung durch
die deutsche Politik. Sie entschloß sich, Herrn Radek in besonderer
Mission nach Berlin zu entsenden, um jedes etwa mögliche Mißverständnis
zu beseitigen. Nachdem jedoch Herr Radek auf der Fahrt nach Berlin in
Orscha mit Herrn Joffe zusammengetroffen war, der mit den paraphierten
Zusatzverträgen in der Tasche seine Besorgnisse ohne weiteres zerstreuen
konnte, brauchte sich Herr Radek nicht weiter zu bemühen und konnte mit
Herrn Joffe nach Moskau zurückreisen. Mein Einspruch gegen die
Paraphierung, ehe ich Gelegenheit gehabt hätte, meinen Standpunkt zu
vertreten, war vergeblich gewesen. Die Verträge waren in der Tat am Abend
des 10. August paraphiert worden.

Meine Unterhaltung mit Herrn von Hintze am nächsten Nachmittag war
gleichfalls ergebnislos. Der Staatssekretär blieb auf seinem Standpunkt,
daß die Zusatzverträge unter allen Umständen zustandekommen und daß wir
uns mit den Bolschewiki verhalten müßten. Dieses »Verhalten mit den
Bolschewiki« ging so weit, daß das Auswärtige Amt Berichte deutscher
Korrespondenten über die Zustände in Rußland und über das wahre Gesicht
des Bolschewismus unterdrückte.

Ebensowenig gelang es mir, im Großen Hauptquartier meinen Standpunkt
durchzusetzen, obwohl der General Ludendorff erklärte, er nehme an dem
Zustandekommen der Zusatzverträge und insbesondere auch an der Abtrennung
Estlands und Livlands nach der Entwicklung der Gesamtlage kein Interesse
mehr. Der Kanzler behielt sich formell seine Entscheidung vor bis zu
seiner für den 26. August in Aussicht genommenen Rückkehr nach Berlin.
Ich ließ keinen Zweifel daran, daß ich bei der -- kaum mehr zweifelhaften
-- Entscheidung gegen mich meinen Abschied nehmen würde. Den Kaiser bat
ich, eine schriftliche Darlegung meiner Gesichtspunkte geben zu dürfen.
Ich sandte diese Denkschrift am 20. August an den Kanzler mit der Bitte
um Weitergabe an Seine Majestät, habe aber Grund zu der Annahme, daß die
Denkschrift dem Kaiser niemals vorgelegt worden ist.

Der Kanzler kam erst am 29. August nach Berlin zurück. Am Tage vorher
waren die am 10. August paraphierten Verträge unterschrieben worden. Ich
übergab dem Kanzler am 30. August mein eingehend begründetes
Abschiedsgesuch. In diesem hob ich noch einmal die Gefahren hervor, die
ich in wichtigen Punkten der entgegen meinem dringenden Abraten
unterzeichneten Zusatzverträge für die Gestaltung unseres künftigen
Verhältnisses zu Rußland und für unser eigenes Bündnissystem erblicken
müsse. Ich begründete ferner die Unmöglichkeit eines gedeihlichen, uns
tatsächliche Entlastung und Erleichterung verschaffenden Zusammengehens
mit der Bolschewikiherrschaft und fügte hinzu:

»Ich sehe die Rückschläge kommen, nicht nur in außenpolitischer
Beziehung, sondern auch innerpolitisch. Die systematisch-
schönfärberischen Darstellungen des in seinen Ausschreitungen kaum von
den Jakobinern übertroffenen Bolschewistenregimes in der deutschen
Presse, die ostensible Behandlung dieses Regimes auf gleichem Fuße, die
Solidarisierung oder mindestens der Anschein der Solidarisierung mit
diesem Regime bis zur Duldung der laxen Verfolgung, richtiger
Nichtverfolgung der an der Ermordung des Grafen Mirbach und des
Feldmarschalls von Eichhorn beteiligten Personen und Gruppen, -- das
alles kann auf die deutsche Volksseele und unsere eigenen
innerpolitischen Verhältnisse nicht ohne gefährlichen Einfluß bleiben.«

Die Genehmigung meines am 30. August eingereichten Entlassungsgesuchs
wurde mir erst am 22. September zugestellt. Aus bestimmten Andeutungen
hatte ich den Eindruck, daß man es für zweckmäßig hielt, mich solange wie
möglich unter dem Druck des »Arnim-Paragraphen« zu halten, um mir eine
öffentliche Bekämpfung der von mir für verhängnisvoll gehaltenen
Regierungspolitik unmöglich zu machen. Meinem Wunsch, daß bei der
Veröffentlichung meiner Verabschiedung offen die unüberbrückbare
Meinungsverschiedenheit über die Fragen unserer Ostpolitik als Grund
angegeben werden möchte, wurde nicht entsprochen.

Gleichzeitig wurden vom Auswärtigen Amt den führenden
Reichstagsabgeordneten und der Presse Informationen über die Vorgänge in
Moskau erteilt, die geeignet waren, mein Verhalten in ein falsches Licht
zu setzen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes äußerte in einer
Besprechung mit Journalisten unter anderem, ich hätte ihn zum »Verrat« an
der Bolschewikiregierung anstiften wollen! In einer Anzahl von
Zeitungen, die sich offen auf Mitteilungen der zuständigen Stelle
beriefen, wurde mir vorgeworfen, ich hätte aus Gründen meiner
persönlichen Sicherheit den Moskauer »Schützengraben« verlassen. Das
Stichwort wurde von Blättern, die mir von meiner früheren Tätigkeit her
ihr Wohlwollen bewahrt hatten, mit Behagen aufgenommen.

Die persönlichen Angriffe berührten mich nicht; ich war abgebrüht. Aber
ich litt auf das schwerste unter dem Verhängnis, das ich kommen sah und
das ich mit allen meinen Warnungen nicht abwenden konnte.

So endete meine Moskauer Mission für mich nicht nur mit einer starken
persönlichen Enttäuschung, sondern mit dem niederdrückenden Gefühl, daß
die Götter unser Verderben wollten.


                            Der Zusammenbruch

      Unser Verhältnis zu Sowjetrußland und unseren Bundesgenossen

Die deutsche Politik hatte in eigensinniger Verkennung der Sachlage dem
Bolschewismus über seine schwerste Krisis hinausgeholfen. In Rußland
begriff jedermann, daß die deutsche Regierung ihren Moskauer Vertreter
der Freundschaft mit dem Bolschewistenregime geopfert hatte. Das gab der
wankenden Sowjetregierung einen starken Rückhalt und schmetterte im
Lager der Nichtbolschewisten alle Hoffnungen nieder. Die
»Außerordentliche Kommission« konnte jetzt ungestört ihres Amtes walten
und die Träger des Gedankens einer Erhebung gegen den Bolschewismus
einzeln ausrotten. Der Terror erfuhr eine grauenhafte Steigerung nach dem
mißglückten Attentat auf Lenin und der Ermordung des Petersburger
Sowjetgewaltigen Uritzky Ende August 1918.

Das bolschewistische Heer, das einen Augenblick lang der Auflösung nahe
zu sein schien, konsolidierte sich. Nachdem die Lettenführer bei uns den
gesuchten Rückhalt nicht gefunden hatten, betrachteten sie sich erneut
als mit den Bolschewiki auf Gedeih und Verderb verbunden. Trotzki
entfaltete als Kriegsminister eine gewaltige Werbetätigkeit, und mehr als
das: es gelang ihm, Organisation und Disziplin in die Rote Armee zu
bringen. Die Gefahr des Ententevormarschs von Norden her trat in den
Hintergrund, und die Tschecho-Slowaken erlitten einige Rückschläge. Kurz,
die Bolschewikiherrschaft, zu deren Sturz es Anfang August nur eines
leichten Anstoßes zu bedürfen schien, war aufs neue befestigt.

In Berlin legte man augenscheinlich Wert darauf, die Trübung, die durch
mich dem guten Verhältnis zu der Bolschewikiregierung gedroht hatte,
durch eine demonstrativ-freundschaftliche Behandlung des Herrn Joffe und
seiner Leute wieder gutzumachen. Die bisher noch geübte gesellschaftliche
Zurückhaltung gegenüber den Herren der russischen Vertretung wurde
aufgegeben; Herr Joffe wurde durch Frühstücke und Diners gefeiert. Mehr
denn je hielt man sich an das Wort, das Graf Hertling im Hauptausschuß
des Reichstags ausgesprochen hatte: »Wir sind geneigt, an die Loyalität
der russischen Regierung uns gegenüber zu glauben; wir sind insbesondere
geneigt, an die Loyalität des Vertreters der russischen Regierung hier in
Berlin zu glauben.«

Vergeblich mahnte ich zur Vorsicht. Vergeblich brachte ich zum Ausdruck,
daß ich nach meinen Wahrnehmungen nicht daran zweifeln könne, daß unter
Herrn Joffe die russische Botschaft Unter den Linden das exterritoriale
Hauptquartier unserer deutschen Revolutionäre geworden sei. Vergeblich
bat ich, den auffallend starken Kurierverkehr der russischen Vertretung
zu überwachen. Das alles galt nur als Gespensterseherei. Erst kurz vor
Ausbruch der Berliner Revolution gab die mit revolutionären Aufrufen und
Flugschriften gefüllte Kiste des russischen Kuriergepäcks, die im Bahnhof
Friedrichstraße den Aufzug hinunterfiel und platzte, den Anlaß, Herrn
Joffe zu entlarven und mit der Sowjetregierung die Beziehungen
abzubrechen. Es war zu spät.

Wir wissen heute, daß in der Tat in der Berliner russischen Botschaft von
dem »loyalen« Herrn Joffe alles geschehen ist, um die deutsche Revolution
vorzubereiten und zu organisieren, daß dort unsere Unabhängigen und
Spartakisten sich Rat, Belehrung und Geld holten, daß dort erfahrene
russische Agitatoren und Konspiratoren zur Verfügung gestellt wurden.
Unter der blinden und unbegreiflich vertrauensseligen Duldung der
deutschen Regierung ist so das bolschewistische Gift, das schließlich
unsern Zusammenbruch so verhängnisvoll beeinflußt hat, durch die
russische Botschaft in den deutschen Volkskörper planmäßig eingeführt
worden. Der russische Bolschewismus hat sich für die rettende Hilfe der
deutschen Regierung durch die revolutionäre Unterwühlung Deutschlands
bedankt.

Aber nicht nur, daß wir um der Zusatzverträge und des guten Verhältnisses
zu der Bolschewikiregierung willen achtlos über die uns von dem
Bolschewismus drohenden inneren Gefahren hinweggingen, -- wir gefährdeten
auch ernstlich unsere Beziehungen zu unseren Bundesgenossen.

An sich schon erschien mir die Übertreibung des Brester Friedens durch
die Zusatzverträge geradezu als eine verblendete Hybris, als eine
unverantwortliche Herausforderung des Schicksals zu einer Zeit, in der
die Entwicklung der Dinge im Westen die dringlichste Mahnung war,
abzubauen, sich in den Zielen zu bescheiden und die Kräfte zu
konzentrieren. Diese Herausforderung des Schicksals wurde in einer mir
geradezu unbegreiflichen Weise gesteigert durch die Behandlung, die das
Auswärtige Amt in Ansehung der Zusatzverträge unseren Bundesgenossen
zuteil werden ließ, mit denen wir nun doch einmal den Brester Frieden
gemeinschaftlich abgeschlossen hatten. Das Auswärtige Amt hielt es
zunächst nicht für nötig, den Bundesgenossen von den Verhandlungen über
die Ergänzung und Abänderung des gemeinschaftlich abgeschlossenen Brester
Vertrags irgendwelche Kenntnis zu geben. Ja, als Österreich-Ungarn und
die Türkei gegen gewisse Bestimmungen der trotzdem zu ihrer Kenntnis
gekommenen Verträge Bedenken erhoben, glaubte man, über diese ohne
weiteres hinweggehen zu können.

Die Türkei, die an den Kaukasien berührenden Punkten der Zusatzverträge
ein großes Interesse hatte, nahm die Angelegenheit so ernst und wichtig,
daß der Großwesir Talaat Pascha seinen Besuch in Berlin ankündigte, um
die Dinge vor der Ratifikation der Verträge persönlich zu besprechen. Als
er am Morgen des 7. September in Berlin eintraf, las er in den Zeitungen,
daß die Ratifikationsurkunden der Zusatzverträge am Abend vorher
ausgetauscht worden waren. Er wollte sofort, ohne den Kanzler und den
Staatssekretär des Auswärtigen überhaupt zu besuchen, nach Konstantinopel
zurückreisen und konnte nur mit großer Mühe bewogen werden, von diesem
einen offenen Bruch markierenden Schritt Abstand zu nehmen. Aber eine
schwere Verstimmung blieb.

Auch der österreichisch-ungarische Botschafter hatte noch unmittelbar vor
dem Austausch der Ratifikation gegen die Zusatzverträge beim Auswärtigen
Amt remonstriert. Daß man darüber glaubte hinweggehen zu können, ist um
so unbegreiflicher, als schon bei den Besprechungen, die Mitte August
gelegentlich des Besuchs des Kaisers Karl und des Grafen Burian im
Großen Hauptquartier stattgefunden hatten, es nur mit Mühe gelungen war,
Österreich-Ungarn noch einmal bei der Stange zu halten und ihm einen
gesonderten Friedensschritt auszureden; als ferner unsere abermalige
Ablehnung der polnischen Wünsche des österreichischen Kaisers eine
sichtliche Verstimmung hervorgerufen hatte.

Noch bedenklicher standen unsere Beziehungen zu Bulgarien. Die
Verärgerung über die Vorenthaltung der nördlichen Dobrudscha wirkte fort
und richtete sich -- ebenso wie die Verstimmung über die Ansprüche der
Türken auf das Maritzagebiet, die wir nicht rechtzeitig eingedämmt hatten
-- in der Hauptsache gegen uns. Die bedenkliche Zuspitzung der
Ernährungsverhältnisse verstärkte die Kriegsmüdigkeit. Die Armee wurde
unter der Duldung des unzuverlässigen Kabinetts Malinoff
parteipolitischer Zersetzung preisgegeben, während sich der Druck der
durch die griechischen Truppen verstärkten Ententestreitkräfte an der
Saloniker Front immer mehr steigerte. Die bulgarischen Hilferufe um Brot
und Truppen glaubte man bei uns nicht erfüllen zu können. Als am 12.
September der Vizekanzler von Payer in einer öffentlichen Rede die
Wiederherstellung des territorialen Standes vom 1. August 1914 nicht nur
für uns, sondern ausdrücklich auch für alle unsere Bundesgenossen als
Kriegsziel erklärte, bemächtigte sich das bulgarische Mißtrauen auch
dieser Äußerung, in der es ein Abrücken Deutschlands von den Bulgarien
vor seinem Eintritt in den Krieg gemachten Zusicherungen territorialer
Art (Bulgarisch-Mazedonien und Morawatal) erblicken wollte.


                    Die Entscheidungskämpfe im Westen

Wir hielten und hätschelten unsern Todfeind, den Bolschewismus, und
verprellten in jeder Weise unsere eigenen ohnedies kriegsmüden und
schwankenden Bundesgenossen zu einer Zeit, in der auf dem
Hauptkriegsschauplatz des Westens die Aussicht auf den Sieg endgültig
verlorenging, die Übermacht der Feinde immer schwerer auf uns drückte und
die Widerstandskraft von Heer und Volk bedrohliche Zeichen des Verfalls
verriet.

Ich hatte in Spa am 15. August eine Unterhaltung mit dem Feldmarschall
von Hindenburg und im Anschluß daran eine lange Aussprache mit dem
General Ludendorff. Die unmittelbare Gefahr der Katastrophe, die aus der
schweren Niederlage des 8. August zu erwachsen drohte, war fürs nächste
abgewehrt. Der beginnenden Desorganisation unserer Verbände war Einhalt
geboten, unsere Truppen standen wieder, und die Oberste Heeresleitung
hatte die Zügel wieder in die Hand bekommen. Aber die Generale rechneten
mit neuen schweren Anstürmen der Feinde und vermochten diesen nicht die
alte Zuversicht gegenüberzustellen. Weitere Rückwärtsbewegungen waren
notwendig, um eine einigermaßen gesicherte Verteidigungsfront
wiederherzustellen, Rückwärtsbewegungen unter dem unmittelbaren Druck
des Feindes. Und wenn diese Bewegungen ohne allzu großen Verlust an
Menschen und Material gelangen, so war damit nach den Erfahrungen des 8.
August noch keineswegs eine Garantie gegen die Wiederholung eines solchen
überraschenden Einbruchs geschaffen. Ludendorff machte mir die
bezeichnende Bemerkung: »Es war am 8. August, wie wenn alles sich gegen
uns verschworen hätte. Wir haben alles getan, was wir können, damit so
etwas sich so leicht nicht wiederholen kann. Aber -- was einmal möglich
war, wer sagt mir, daß das nicht auch ein zweites Mal passieren kann!«

An den beiden vorhergehenden Tagen hatten eingehende Besprechungen
zwischen den beiden Generalen, dem Reichskanzler und Herrn von Hintze
stattgefunden, am 14. August unter Vorsitz des Kaisers. Ich war, obwohl
in diesen Konferenzen die gesamte militärische und politische Lage
einschließlich der Ostfragen erörtert werden sollte, ebensowenig
zugezogen worden, wie der gleichfalls in Spa anwesende Staatssekretär des
Reichswirtschaftsamts Freiherr von Stein. Ich bin damals auch weder von
dem Grafen Hertling oder Herrn von Hintze, noch von den beiden Generalen
über den Verlauf der Besprechungen unterrichtet worden. Nach den
inzwischen erfolgten amtlichen Veröffentlichungen haben in jenen
Besprechungen die beiden Generale dargelegt, daß es nicht mehr möglich
erscheine, den Krieg militärisch zu gewinnen, und daß daher eine
Verständigung mit den Feinden herbeigeführt werden müsse. Der Kaiser hat
damals entschieden: »es müsse auf einen geeigneten Zeitpunkt geachtet
werden, wo wir uns mit dem Feinde zu verständigen hätten«. (Weißbuch über
die Vorgeschichte des Waffenstillstands.)

Ohne Kenntnis von diesen Eröffnungen unserer Heerführer zu haben, hielt
ich mich für verpflichtet, unmittelbar nach meiner Unterhaltung mit
General Ludendorff zum Reichskanzler zu fahren und ihm über diese
Unterhaltung zu berichten, mit dem eindringlichen Hinzufügen, daß ich
nach meiner Kenntnis der Art Ludendorffs, sich über solche Dinge zu
äußern, den Eindruck gewonnen habe, daß die militärische Lage
außerordentlich ernst sei. Mein Eindruck war, daß Graf Hertling meine
Auffassung für übertrieben hielt.

Die von der Obersten Heeresleitung erwarteten neuen Angriffe setzten am
16. August beiderseits Roye ein. Der Feind vermochte hier in mehrtägigen
erbitterten Kämpfen keine nennenswerten Vorteile zu erzielen.

Den Erfolg, der ihm bei diesem Frontalangriff versagt blieb, erkämpfte er
sich jedoch am 20. August in den zwischen der Oise und Aisne und tags
darauf in der Gegend Bapaume--Arras einsetzenden Flügelangriffen. An
beiden Stellen wurden wir in schweren Kämpfen zurückgedrückt. Der flache
Frontbogen Bapaume--Chaulnes--Roye--Noyon kam dadurch in Gefahr. Unsere
Heeresleitung entschloß sich, um dieser Gefahr vorzubeugen, diesen
Frontteil zurückzunehmen. In den letzten Augusttagen wurden deshalb die
viel umkämpften Städte Roye, Noyon, Bapaume und Péronne dem
nachdrängenden Feinde überlassen. Gleichzeitig wurde der in der
Apriloffensive gewonnene, auf Hazebrouck vorspringende Keil zwischen
Ypern und La Bassée, mit ihm auch der Kemmelberg, aufgegeben.

Während diese Rückwärtsbewegungen in leidlicher Ordnung vor sich gingen,
gelang den Engländern am 2. September ein mit großer Wucht geführter
Schlag gegen unsere Front an der Straße Arras--Cambrai. Sie drangen hier
in das nördliche Schulterstück der alten Siegfriedstellung ein, um das
sie im Jahre 1917 vergeblich mit dem stärksten Einsatz gekämpft hatten.
Der Keil, den sie nördlich des Senséebaches vortrieben, war eine
empfindliche Flankendrohung sowohl für die sich nördlich anschließende,
zunächst unverändert gebliebene Front Arras--Lens--La Bassée als auch für
die sich nach Süden erstreckende Siegfriedstellung, in die unsere Truppen
im Begriff waren einzurücken.

Am 8. September meldete der Bericht der Obersten Heeresleitung, daß
unsere Truppen an der Schlachtfront überall ihre neuen Stellungen bezogen
hätten. Seit dem unheilvollen 8. August, der die Zurücknahme unserer
Streitkräfte veranlaßt hatte, war also genau ein Monat vergangen.
Engländer, Franzosen und Amerikaner hatten, trotz ihrer gewaltigen
Überlegenheit an Menschen und Material, einen vollen Monat gebraucht, um
uns über das Gelände zurückzudrängen, das wir im März im Lauf von sechs
Tagen ihnen abgenommen hatten. Rückzug bleibt Rückzug, und die
Notwendigkeit der Preisgabe des in den Märzoffensiven erstrittenen
Gewinnes wurde in Heer und Heimat als ein großes Unglück empfunden. Der
Rückzug vollzog sich auch nicht ohne große Verluste an Menschen und
Material. Aber die Tatsache, daß es gelang, diesen Rückzug unter dem
ständigen Druck eines weit überlegenen Feindes Schritt für Schritt und
planmäßig durchzuführen, war ein glänzendes Zeugnis für Truppe und
Führung.

Während aber unsere Feinde in den Amerikanern immer neuen und frischen
Zuzug erhielten -- im August kamen allein 335000 amerikanische Soldaten
in Frankreich an --, wurde bei uns der Ersatz für die großen Lücken, die
durch die schweren Angriffe in unsere Verbände gerissen wurden, immer
spärlicher und immer schlechter. Die große zahlenmäßige Überlegenheit an
Menschen und Material hatte dem Marschall Foch eine Möglichkeit in die
Hand gegeben, die unseren Heerführern, die mit beschränkteren Mitteln
rechnen mußten, nie gewährt worden ist: eine große Offensive gleichzeitig
an mehreren Stellen anzusetzen. Die Ausnutzung dieser Möglichkeit -- die
gleichzeitige Offensive im Raume zwischen der Oise und der Aisne und im
Raume Arras--Bapaume -- hatte ihm den Erfolg unseres Rückzugs auf die
Siegfriedlinie eingebracht. Jetzt gab ihm die Fülle seiner Reserven an
Menschen und Material eine zweite Möglichkeit, die gleichfalls den
deutschen Heerführern in ihrer Offensive auf dem westlichen
Kriegsschauplatz nie zuteil geworden ist: die Möglichkeit, einem kaum
abgeschlossenen Angriff alsbald neue Schläge von nicht geringerer Wucht
folgen zu lassen.

Schon wenige Tage, nachdem wir in die Siegfriedstellung eingerückt waren,
ging der Engländer beiderseits der von Arras und Péronne nach Cambrai
führenden Straßen mit neuen Angriffen schwerster Art vor und machte der
Franzose einen neuen heftigen Vorstoß zwischen Ailette und Aisne in der
Richtung auf Allemant, der einen Keil zwischen die Siegfriedstellung und
unsere Linien am Chemin des Dames zu treiben drohte. Gleichzeitig führten
-- am 12. September -- Amerikaner und Franzosen einen starken Angriff
gegen unseren östlich der Maas auf St. Mihiel vorspringenden Frontteil
aus. Die feindlichen Berichte sprachen hier zum erstenmal von einer
Beteiligung einer »amerikanischen Armee«; nicht weniger als tausend Tanks
sollen hier gegen uns eingesetzt worden sein. Die schon seit langer Zeit
von unserer Heeresleitung ins Auge gefaßte Räumung der vorspringenden
»Michelstellung« erfolgte nun unter dem Druck dieses Angriffs, und wenn
auch der feindliche Plan, die in dem Bogen von St. Mihiel stehenden
Truppen durch den Angriff von beiden Seiten her in die Zange zu nehmen
und abzukneifen, nicht gelang, so konnten die Feinde die Eroberung dieser
seit dem September 1914 von uns gehaltenen Stellung als großen Sieg
verkünden und sich einer großen Beute an Gefangenen und an Material
rühmen.

Am 18. September begannen dann die entscheidenden Kämpfe um die
Siegfriedstellung in ihrer ganzen Ausdehnung zwischen Cambrai und La
Fère. In immer wiederholtem Ansturm trieben Engländer und Franzosen,
verstärkt durch amerikanische Truppenteile, ihre von ungezählten Tanks
und Kampfflugzeugen begleiteten Massen gegen unsere Linien vor. In dem
ununterbrochenen Ringen, bei dem der Feind immer wieder frische Reserven
einsetzen konnte, erlahmte allmählich die Widerstandskraft der
Verteidiger. In den letzten Tagen des September erzielte der Feind den
entscheidenden Erfolg: es gelang ihm, unmittelbar südlich von Cambrai und
nördlich von St. Quentin den Scheldekanal zu forcieren und damit schwere
Breschen in unsere Stellung zu schlagen. St. Quentin wurde in der Nacht
zum 1. Oktober geräumt. In den folgenden Tagen erweiterten die Engländer
den Einbruch durch neue wuchtige Vorstöße in Richtung Le Cateau. Sie
durchbrachen das ganze ausgebaute Stellungssystem und gewannen das freie
Feld. So wurde in zwei Wochen der schwersten Kämpfe das Hauptstück
unserer Westfront, die Siegfriedstellung, zerbrochen, die während des
ganzen Jahres 1917 allen feindlichen Anstürmen getrotzt hatte.

Als dieses Ringen um unsere Zentralstellung seinen Höhepunkt noch nicht
erreicht hatte, holten unsere Feinde zu Flügelangriffen größten Stiles
aus. Am 26. September kam die ganze Front zwischen Reims und der Mosel in
Bewegung. Der Schwerpunkt des Angriffs lag an der alten Champagnefront in
der Gegend Somme-Py bis Tahure und nordwestlich von Verdun zwischen
Argonnen und Maas. Hier setzten die Amerikaner, dort die Franzosen die
volle Wucht ihrer Massen und Kriegsmittel ein. Gleichzeitig erneuerten
die Franzosen ihren Angriff zwischen Ailette und Aisne gegen die
Westflanke des Chemin des Dames und begannen im Norden Engländer und
Belgier einen neuen Ansturm gegen unsere flandrische Front. Von der
Nordsee bis zu den Vogesen schüttelte jetzt ein einziger Orkan die in
ihrem Mittel- und Hauptstück bereits wankenden deutschen Stellungen.

Unsere zum großen Teil übermüdeten, vielfach auch bereits in ihrem Geist
erschütterten Truppen schlugen sich ungleichmäßig. Zwischen den Argonnen
und der Maas gelang es, die Amerikaner nach einigen nicht unerheblichen
Anfangserfolgen zum Stehen zu bringen; ebenso die Franzosen in der
Champagne. Dagegen gelang es den Engländern und Belgiern in den letzten
Septembertagen, unsere flandrische Front im Ypernbogen zu überrennen.
Zwei Kampftage brachten ihnen hier den Erfolg, den sie während des Jahres
1917 in fünf Monaten des schwersten und opferreichsten Ringens nicht zu
erreichen vermochten: den Durchbruch durch unsere Höhenstellungen um
Ypern bis in die flandrische Ebene.

Wenn durch diese Einbrüche und Durchbrüche im Zentrum und auf den Flügeln
unsere Front nicht in hilflose Teile auseinandergerissen und unser Heer
nicht zersprengt und zertrümmert werden sollte, war jetzt eine
energische Konzentration nach rückwärts notwendig. Diese wurde in den
ersten drei Oktoberwochen Schritt für Schritt durchgeführt.

Zunächst wurde der infolge des Einbruchs im Ypernbogen im Norden und in
der Gegend Cambrai im Süden weit vorspringende Bogen Armentières--Lens in
der Nacht zum 2. Oktober geräumt und unsere Front in jener Gegend hart an
Lille herangelegt. Dann wurden vom 3. Oktober ab unsere Stellungen bei
Reims, in der Champagne, am Damenwege, bei La Fère und Laon
zurückgenommen. Um den 9. Oktober wurde das zur Deckung der
Rückwärtsbewegung lange zäh verteidigte Cambrai geräumt und unsere Front
auf Le Cateau zurückgelegt. Nachdem Engländer und Belgier um die Mitte
des Oktober ihre Angriffe östlich Ypern erneut aufgenommen und über
Roussellaere hinaus vorgestoßen waren, wurde in den folgenden Tagen die
seit längerer Zeit vorbereitete Räumung sowohl des flandrischen
Küstengebietes mit Ostende, Zeebrügge und Brügge, als auch des Gebietes
von Lille und Douai durchgeführt. Um den 20. Oktober verlief unsere Front
von Ecloo an der belgisch-holländischen Grenze in südlicher Richtung über
Tournai, Valenciennes, Le Cateau, dann in flachem Bogen nach Rethel, von
da östlich mit leichter Abbiegung nach Süden über Vouziers nach Sivry an
der Maas, um schließlich nach Südosten an Verdun vorbei in der Gegend von
Pont-à-Mousson Anschluß an unsere alte Vogesenlinie zu gewinnen.

In diesem gegenüber der alten Front stark verkürzten flachen Bogen kam
die Bewegung zu einer Ruhepause. Auch dem Laien leuchtete ein, daß sie
damit nicht abgeschlossen war, daß vielmehr eine weitere Zurücknahme --
zunächst auf die Linie Antwerpen--Namur--Maas, später vielleicht auf die
noch wesentlich kürzere Linie Lüttich--Metz -- in der Konsequenz der
strategischen Entwicklung lag, die uns die Verteidigung des
vaterländischen Bodens auf einer möglichst kurzen Front zum Gebot machte.
Daß die Durchführung einer solchen Verteidigung auf absehbare Zeit hinaus
auch jetzt noch keineswegs aussichtslos war, uns vielmehr noch immer die
Möglichkeit bot, das Schlimmste von unserm Vaterland abzuwenden, hatte
die Tatsache gezeigt, daß es gelungen war, unsere Truppen, die um die
Wende des September und Oktober auseinandergerissen und
durcheinandergeworfen waren, auf einer einheitlichen Linie zu ordnen und
zum Stehen zu bringen.

Die weitere Rückwärtsbewegung auf die Antwerpen-Maas-Linie wurde Anfang
November eingeleitet, nachdem die Engländer und Belgier mit neuen
Angriffen gegen unsere Scheldestellung zwischen Gent und Tournai einige
Erfolge erzielt hatten und den Amerikanern und Franzosen am 31. Oktober
ein Schlag gegen unsere Stellungen zwischen Aisne und Maas gelungen war.
Als am 11. November der Waffenstillstand in Kraft trat, verlief unsere
Front die Maas entlang von nördlich Verdun bis Charleville, dann weiter
nordwestlich nach dem Gebiet von Mons, von dort nördlich über Gent nach
der holländischen Grenze.


               Der Zusammenbruch Bulgariens und der Türkei

Um die Mitte des September, als im Westen die entscheidenden Kämpfe um
die Siegfriedstellung neu einsetzten und sich zu unseren Ungunsten
wandten, verließ das Kriegsglück auch unsere östlichen Bundesgenossen.

Die bulgarische Armee hatte nach der Niederwerfung Rumäniens und dem
Abschluß des Bukarester Friedens nur noch einen Feind zu bekämpfen: die
durch Serben und Griechen verstärkte Ententearmee, der sie seit langer
Zeit in wenig veränderten Stellungen in der Linie Struma--
Doiransee--nördlich Monastir--Ochridasee gegenüberstand. Die bulgarische
Stellung war von Natur stark und in den wichtigsten Punkten gut
ausgebaut. Dagegen war der Kampfwert und die Widerstandskraft des
bulgarischen Heeres unterwühlt; die Zersetzung des Geistes der Truppen
hatte seit der Übernahme der Regierung durch Malinoff zweifellos starke
Fortschritte gemacht.

Am 15. September begannen die Alliierten einen wuchtigen Vorstoß gegen
die starke Zentralstellung der Bulgaren auf den hohen Bergen zwischen dem
Doiransee und Monastir in dem durch den Zusammenfluß der Tscherna und des
Vardar gebildeten Dreieck. Die Bulgaren hielten dem überraschend
geführten Schlage nicht stand. Die schwachen zwischen den bulgarischen
Truppen noch eingesetzten deutschen Bataillone versuchten vergeblich,
die Lage zu retten. In wenigen Tagen wurde der Einbruch zum Durchbruch.
Unter Zurücklassung ihres Kriegsmaterials gaben die Bulgaren in
ungeordnetem Rückzug den ganzen Tscherna-Vardar-Bogen preis. Die
Ententetruppen rissen den östlichen und westlichen Teil der bulgarischen
Front auseinander; sie durchschnitten talaufwärts der Vardar-Enge von
Demirkapu die wichtigste rückwärtige Verbindung der östlich von Doiran
stehenden Struma-Armee, desgleichen in der Gegend von Prilep die
wichtigsten nach dem westlichen Frontteil führenden Straßen. Die
bulgarische Armee, deren Oberbefehlshaber Schekow um jene Zeit krank in
Wien lag, geriet in völlige Auflösung. Im Laufe einer Woche war, obwohl
die deutsche Heeresleitung auf die ersten Nachrichten von der Niederlage
sieben Divisionen nach der bedrohten Front auf den Weg brachte, der
Zusammenbruch besiegelt. Die Ententetruppen drangen bis zu der
mazedonischen Hauptstadt Ueskueb vor und brachen in altbulgarisches
Gebiet ein. Im bulgarischen Hauptquartier selbst kam es zu revolutionären
Ausbrüchen.

Die bulgarische Regierung sah sich durch diese Gestaltung der Dinge am
25. September, also zehn Tage nach Beginn der Offensive, veranlaßt, ein
Gesuch um Waffenstillstand und Einleitung von Friedensverhandlungen an
den Oberbefehlshaber der Entente-Streitkräfte in Saloniki zu richten, und
zwar ohne sich über diesen Schritt mit ihren Verbündeten ins Benehmen zu
setzen.

Eine kaum minder schwere Katastrophe als das bulgarische Heer traf die
türkische Armee in Syrien.

Nach der Einnahme Jerusalems im Dezember 1917 waren die britischen
Operationen im Laufe des Frühjahrs 1918 etwa in der Linie von Jaffa
östlich nach dem Jordan zum Stehen gekommen. Die heiße Jahreszeit
benutzten die Engländer zu Vorbereitungen eines neuen großen Schlages.

In der Nacht zum 19. September gingen die britischen Truppen auf der
ganzen Linie zum Angriff vor. Während das türkische Zentrum und der sich
an den Jordan anlehnende linke Flügel standhielten, brach der an der
Küste stehende rechte Flügel zusammen. Britische Kavallerie drängte
scharf nach und schwenkte südlich des Sees Tiberias nach Osten ein, um
das Zentrum der türkischen Armee im Rücken zu fassen. Dazu wurde die Lage
im Ostjordanland durch Aufstände der Araberstämme gefährdet. Ende
September erzwangen die Engländer den Übergang über den oberen Jordan und
vereinigten sich mit den Arabertruppen des von ihnen zum König von
Hedschas ausgerufenen Scheiks Hussein. Die türkische Niederlage wurde zum
Zusammenbruch. Während sich die deutschen Abteilungen zum großen Teil mit
Aufgebot aller Kraft durchschlugen, ergab sich der größte Teil der
türkischen Verbände in sein Schicksal und kapitulierte. Am 2. Oktober
konnten die Engländer die Einnahme von Damaskus melden. Dem weiteren
Vormarsch nach Norden stand kein Hindernis mehr entgegen. In der letzten
Oktoberwoche besetzten die Engländer ohne Kampf Aleppo und
durchschnitten damit die einzige Eisenbahnverbindung zwischen Kleinasien
und Mesopotamien. Auch die in Mesopotamien stehenden türkischen Truppen
erlitten gleichzeitig eine vernichtende Niederlage.

Unter der Wirkung der Katastrophe war schon am 9. Oktober der
deutschfreundliche Großwesir Talaat Pascha mit seinem Kabinett
zurückgetreten und hatte dadurch den Weg für Verhandlungen mit der
Entente freigemacht.


              Der österreichisch-ungarische Friedensschritt

Unser nächster und stärkster Bundesgenosse, Österreich-Ungarn, hatte in
den schicksalsschweren Wochen des August und September an seiner einzigen
Front, der venezianischen, keine Großkämpfe zu bestehen. Zwar griffen die
Italiener immer wieder sowohl an der Gebirgsfront als am Piave an, ohne
jedoch ihren Vorstößen einen besonderen Nachdruck zu geben. Die
österreichisch-ungarische Armee stand seit ihrer verunglückten
Piave-Offensive auf dem Ostufer des Flusses in guten Stellungen und
konnte -- ebenso wie dies seitens der Italiener geschah -- einzelne
Verbände für den westlichen Kriegsschauplatz abgeben. Dort haben sich
österreichisch-ungarische Regimenter namentlich in den Kämpfen vom 12.
September um den Stellungskeil bei St. Mihiel ausgezeichnet.

Trotz seiner verhältnismäßig gesicherten und günstigen militärischen Lage
nahm Österreich-Ungarn mit einem aufsehenerregenden Schritt für sich
allein und ohne Verbindung mit seinen Bundesgenossen die Initiative zu
einer neuen Friedensaktion.

Am 14. September richtete der österreichisch-ungarische Minister des
Auswärtigen, Graf Burian, an die Regierungen der sämtlichen
Kriegführenden, Freund wie Feind, eine gleichlautende Note, in der er
vorschlug, »zu einer vertraulichen und unverbindlichen Aussprache über
die Grundprinzipien des Friedensschlusses an einem Ort des neutralen
Auslandes und zu einem nahen Zeitpunkt, über den man noch Vereinbarungen
zu treffen hätte, Delegierte zu entsenden, die beauftragt wären, die
Auffassungen ihrer Regierungen über ihre Prinzipien bekanntzugeben,
analoge Mitteilungen entgegenzunehmen, sowie offene und freimütige
Aufklärungen über alle jene Punkte, die der Präzisierung bedürfen, zu
erbitten und zu erteilen«. Mit einer besonderen Note wurde dieser
Friedensschritt auch zur Kenntnis des Papstes gebracht; ebenso wurden die
Regierungen der neutralen Staaten verständigt.

Die Note wurde am gleichen Tage von der Wiener Regierung veröffentlicht,
zugleich mit einem umfangreichen Promemoria, dessen Gedankengang war:

Alle Völker ersehnten das baldige Ende des blutigen Kampfes. Trotzdem sei
es bisher nicht gelungen, die Kluft, die die Kriegführenden noch trenne,
zu überwinden. Der Friedensschritt der Mittelmächte vom Dezember 1916
habe nicht zu dem erhofften Erfolg geführt, habe aber wenigstens bewirkt,
daß die Friedensfrage seither nicht mehr von der Tagesordnung
verschwunden sei. Wenn auch die seither vor dem Tribunal der
Öffentlichkeit geführte Diskussion die Gegensätzlichkeit bewiesen habe,
die jetzt noch die Auffassung der kriegführenden Mächte von den
Friedensbedingungen trenne, so habe sich doch eine Atmosphäre gebildet,
welche die Erörterung des Friedensproblems nicht mehr ausschließe. Ohne
übertriebenen Optimismus könne man aus den Äußerungen verantwortlicher
Staatsmänner mindestens so viel konstatieren, daß der Wille, zu einer
Verständigung zu gelangen und den Krieg nicht ausschließlich durch die
Macht der Waffen zur Entscheidung zu bringen, auch bei den alliierten
Staaten allmählich doch durchzudringen beginne.

Der Schritt des Grafen Burian wirkte als Sensation. Er wurde allgemein
dahin gedeutet, daß Österreich-Ungarn nicht mehr in der Lage oder nicht
mehr gewillt sei, weiterzukämpfen, und daß es sich, um zum Frieden zu
kommen, entschlossen habe, ohne Rücksicht auf seine Bundesgenossen
selbständig den Weg zum Frieden zu gehen.

Der Staatssekretär von Hintze war noch in der Woche zuvor zu
Besprechungen mit dem Grafen Burian in Wien gewesen. Es war ihm weder
gelungen, den Sonderschritt, den Graf Burian schon Mitte August in Spa
angekündigt hatte, abermals zu verhindern, noch ihm eine für Deutschland
erträglichere Form zu geben. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß
der von uns bei dem Abschluß der Zusatzverträge mit Rußland gezeigte
Mangel an Rücksicht auf unsere österreichisch-ungarischen Bundesgenossen
nicht ganz ohne Rückwirkung auf das Verhalten der Wiener Regierung uns
gegenüber in dieser Frage geblieben ist. Am 6. September war der
Austausch der Ratifikationen der Zusatzverträge über die Wiener
Vorstellungen hinaus erfolgt; am 14. September ließ Graf Burian seine
Note ergehen.

                    *       *       *       *       *

In Berlin hatten sich einige Tage vor der Veröffentlichung der
Burianschen Note die Führer der Mehrheitsparteien erneut zu
interfraktionellen Besprechungen zusammengefunden. Es wehte wieder einmal
ausgesprochene Krisenluft. Außerhalb des Zentrums war die Empfindung, daß
die Regierung des Grafen Hertling der schwierigen Lage des Reiches nicht
gewachsen sei, wohl allgemein. Im Zentrum selbst hatte Graf Hertling nach
wie vor einen starken Rückhalt; aber der Einfluß der Erzbergerschen
Gegenarbeit war doch auch hier unverkennbar. In diese Krisenstimmung
hinein fiel die Buriansche Note. Die Parteiführer wurden, noch ehe die
Note in den deutschen Blättern zur Veröffentlichung freigegeben wurde, am
Abend des 14. September nach dem Auswärtigen Amt eingeladen, wo der
Staatssekretär von Hintze ihnen vom Text der Note Kenntnis gab und sie zu
beruhigen versuchte. Die Beruhigung gelang nur mangelhaft. Die Tatsache,
daß es in der schweren Lage, in die wir durch die militärischen
Rückschläge versetzt waren, zu einem die Festigkeit unseres
Bündnissystems diskreditierenden Sonderschritt hatte kommen können, gab
dem wankenden Vertrauen in die Reichsleitung einen neuen Stoß.

Zunächst begnügte man sich mit dem Beschluß der alsbaldigen Einberufung
des Hauptausschusses des Reichstags.

Noch ehe der Hauptausschuß zusammentrat, gab die Reichsregierung eine
offizielle Antwort auf die Wiener Friedensnote; sie ging dahin, daß die
Aufnahme früherer Friedensschritte bei unseren Gegnern nicht ermutigend
sei, daß aber die Kaiserliche Regierung den neuen Versuch mit dem
aufrichtigen Wunsch begleite, daß er dieses Mal den erhofften Erfolg
finden möchte; Deutschland sei bereit, an dem vorgeschlagenen
Gedankenaustausch teilzunehmen.

Sehr eilig mit seiner Stellungnahme hatte es der Präsident Wilson. Schon
am 17. September ließ er durch den Staatssekretär Lansing die Antwort an
die Wiener Regierung veröffentlichen. Sie lautete: Er habe wiederholt die
Bedingungen bekanntgegeben, auf Grund deren die Vereinigten Staaten einen
Frieden in Erwägung ziehen wollten. Die Unions-Regierung könne und wolle
keinen Vorschlag zur Abhaltung einer Konferenz annehmen in einer
Angelegenheit, in der sie ihre Haltung und ihre Absichten deutlich zu
erkennen gegeben habe.

Auch Herr Clemenceau säumte nicht. Er hielt am 18. September im Senat
eine Rede, in der er erklärte, es gebe keine Straffreiheit für die von
den Mittelmächten begangenen Verbrechen; eine schreckliche Rechnung sei
aufgelaufen und müsse bezahlt werden. Dem schweizerischen Gesandten in
Paris stellte Herr Pichon eine Nummer des »Journal Officiel«, das diese
Rede enthielt, mit dem Bemerken zu, das sei die Antwort der Republik auf
die Note des Wiener Kabinetts.

In London hatte Herr Balfour schon am 17. September in öffentlicher Rede
erklärt, die Buriansche Note sei nichts als ein Versuch, die Alliierten
zu spalten und zu schwächen, sie bringe den Frieden um keinen Schritt
näher.

Der gänzliche Mißerfolg des von dem Wiener Kabinett unternommenen
Sonderschrittes stand also bereits fest, als sich der Hauptausschuß des
Reichstags am 24. September versammelte.


                     Kritische Zuspitzung in Berlin

Es war bezeichnend, daß der Ausschuß, der wegen der so bedrohlich
gewordenen auswärtigen Lage des Reiches früher als geplant
zusammengerufen worden war, nach den einleitenden Erklärungen und
Mitteilungen des Reichskanzlers, des Vizekanzlers, des Staatssekretärs
des Auswärtigen und eines Vertreters des Kriegsministers den Schwerpunkt
seiner Erörterungen alsbald auf das Gebiet der inneren Politik verlegte.
Schon am Tage vor seinem Zusammentritt hatte die Fortschrittliche
Volkspartei eine Fraktionssitzung abgehalten, deren wesentliches Ergebnis
Übereinstimmung darüber war, daß der Eintritt der Sozialdemokratie in die
Regierung, von dem seit einiger Zeit viel gesprochen wurde, zu begrüßen
sei, daß eine weitere Verschleppung der preußischen Wahlreform nicht mehr
geduldet werden dürfe und daß der Artikel 9 der Reichsverfassung, der
verbot, daß jemand gleichzeitig Mitglied des Bundesrats und Mitglied des
Reichstags sein dürfe, aufzuheben sei. Die sozialdemokratische
Reichstagsfraktion hatte am gleichen Tag beschlossen, den Eintritt von
Sozialdemokraten in eine etwa neu zu bildende Regierung unter einer Reihe
von Bedingungen zu billigen, die zu einem großen Teil gleichfalls auf dem
Gebiet der inneren Politik lagen.

In diesem Rahmen bewegte sich auch, was die Fraktionsführer im
Hauptausschuß vorbrachten. Die Reden der Wortführer der Mehrheitsparteien
waren, bei aller Schonung der Person des Grafen Hertling, eine einzige
Anklage gegen die Versäumnisse, namentlich die innerpolitischen
Versäumnisse, der von ihnen selbst vor nicht ganz einem Jahr gekürten und
mit ihren Vertrauensmännern durchsetzten Regierung. Der Einfluß der
Militärs auf die Politik, die Handhabung der Zensur und des Vereinsrechts
unter dem Belagerungszustand, die Verschleppung der preußischen
Wahlreform waren die wichtigsten Beschwerdepunkte. Von derjenigen
inneren Frage, die in Wirklichkeit alles Interesse in Anspruch nahm, von
der Bildung einer neuen Regierung durch die Mehrheitsparteien, sprach man
im Hauptausschuß auffallenderweise nicht, wohl deshalb, weil über das Los
des Grafen Hertling zwischen dem Zentrum, das ihn halten wollte, und den
anderen Mehrheitsparteien, die seinen Kopf verlangten, noch keine
Übereinstimmung bestand.

Da traf am 26. September die Nachricht von dem Ersuchen Bulgariens an die
Entente um Waffenstillstand und Einleitung von Friedensverhandlungen in
Berlin ein. Die Bestürzung über diesen offenen Abfall des bulgarischen
Verbündeten war groß. Herr von Hintze gab zwar im Hauptausschuß am 27.
September Erklärungen ab, daß weder für Bulgarien noch für uns ein Anlaß
vorliege, das Spiel bereits verlorenzugeben; die militärische Lage in
Mazedonien lasse sich durch die alsbald entsandten deutschen und
österreichisch-ungarischen Verstärkungen nach dem Urteil der
militärischen Sachverständigen wiederherstellen; auch stehe noch nicht
fest, ob Herr Malinoff den König, die bulgarische Heeresleitung und die
Sobranje hinter sich habe, oder ob er auf eigene Faust vorgegangen sei;
eine Gegenaktion der bundestreuen Elemente in Sofia scheine
bevorzustehen. -- Aber die Klarheit ließ nicht lange auf sich warten.
König Ferdinand, der gewillt war, an dem Bündnis festzuhalten, sah sich
gezwungen, zugunsten seines Sohnes abzudanken und den Dingen ihren Lauf
zu lassen.

Der Abfall des bulgarischen Bundesgenossen gab der Kanzlerschaft des
Grafen Hertling den Gnadenstoß. Auch das Zentrum gab ihn preis. Der
Reichstagspräsident Fehrenbach gab dem Kanzler am 28. September,
unmittelbar ehe dieser mit Herrn von Hintze zur Besprechung der Lage nach
dem Großen Hauptquartier reiste, zu verstehen, daß auch im Zentrum die
Auffassung an Boden gewonnen habe, daß die Lösung der Krisis durch seinen
freiwilligen Rücktritt erleichtert werden könne.

Aber dieses Mal wollten die Mehrheitsparteien gründliche Arbeit machen.
Ein Personenwechsel genügte ihnen nicht mehr, sie wollten einen
Systemwechsel: die volle Verwirklichung des parlamentarischen Regimes.

Es ist eine Gewohnheit der Völker, daß sie für schwere Schicksale
Sündenböcke brauchen. Zum Sündenbock machte man jetzt bei uns nicht nur
Personen, nicht einmal in erster Linie Personen, sondern das »System«.
Darin kam das große Maß der vom Persönlichen abstrahierenden Objektivität
des Deutschen zum Ausdruck, und gleichzeitig auch das große Maß des dem
Deutschen eigenen Doktrinarismus. Denn der Systemwechsel wurde jetzt als
Allheilmittel und als Rettung aus der Not des Vaterlands von denselben
Mehrheitsparteien -- und ihnen folgend von ihren Anhängern im Lande --
verlangt, die seit einem Jahr in der Reichsregierung durch ihre
Vertrauensmänner vertreten waren und die Sünden der Reichsregierung im
Begehen und Unterlassen mitgemacht, geduldet und gedeckt hatten. Der
»Obrigkeitsstaat« sollte jetzt durch den »Volksstaat« ersetzt werden. Vom
Volksstaat und seiner »Volksregierung« erwartete der Idealismus der
deutschen Demokratie das große Wunder. Ich setze, um diesen Gedankengang
deutlich zu machen, eine bezeichnende Stelle aus einem Artikel der
»Frankfurter Zeitung« vom 27. September 1918 hierher:

»Die Lage Deutschlands, unseres Staates und unseres Volkes, ist heute so
ernst und so schwer wie niemals zuvor. Niemand darf sich darüber
täuschen, niemand auch die Pflicht verkennen, die ihm daraus erwächst.
Spannen wir jetzt nicht alle Kräfte bis zum Äußersten, in stoischem
Ertragen und in heroischer Leistung, dann kann es kommen, daß die Gegner
doch noch ihr Ziel erreichen. Was bringt unser Volk jetzt zu so höchster
Krafthergabe? -- Nur das Volk selbst aus eigenem, innerstem Impulse kann
sich dazu erheben! Nur indem es endgültig sein Schicksal in die eigene
Hand nimmt, wird es das ungeheure Maß von Verantwortungsgefühl und
Opferbereitschaft finden, das jetzt nottut. Der Masse, der eine Obrigkeit
zuredet und befiehlt, wird das nicht abzuringen sein; dem Volke, das die
Entscheidung über seine Gegenwart und seine ganze Zukunft sich selbst
anvertraut fühlt, wird und muß es gelingen. Das ist der gewaltige Sinn
der Demokratie und der ungeheure Kraftstrom, der aus ihr fließt. Und
diesen Kraftstrom gilt es jetzt zu entfesseln.«

Von diesem Gedanken waren jetzt manche durchdrungen, die an sich der
demokratischen Weltanschauung fernerstanden. Zu seinem Anwalt machten
sich jetzt im Großen Hauptquartier nicht nur Graf Hertling selbst, der
dem Kaiser seine Entlassung anbot, sondern auch der Staatssekretär des
Auswärtigen von Hintze und der gleichfalls zu den Beratungen zugezogene
Reichsschatzsekretär Graf Roedern. Auch die Generale der Obersten
Heeresleitung schlossen sich diesem Gedanken an. Und in der Tat, wer
wollte leugnen, daß jetzt, wo die schwersten Stunden des Vaterlandes
nahten, alles darauf ankam, alle Kraft des deutschen Volkes aufzurufen
und der einen großen Sache dienstbar zu machen? Nur genügt es in solchen
Zeiten der höchsten Not nicht, Kräfte zu entfesseln; die Kräfte müssen
auch geführt werden. Dazu gehören Persönlichkeiten. Persönlichkeiten aber
haben die Parteien, die sich jetzt anschickten, als Mandatare des
deutschen Volkes die Regierung in die Hand zu nehmen, weder
hervorgebracht noch vertragen.


                    Die Lage im Großen Hauptquartier

Im Großen Hauptquartier trafen die am Vormittag des 29. September aus
Berlin ankommenden Herren eine überaus schwere Lage. Die Entwicklung der
letzten Wochen hatte die Aussicht auf eine siegreiche Beendigung des
Krieges zerstört. Eine neue Wendung des Kriegsglücks zu unseren Gunsten
war nicht mehr zu erwarten. Das sich immer mehr verstärkende Übergewicht
unserer Feinde war nicht mehr auszugleichen. Unter dem Druck dieser
Erkenntnis, der auch der letzte Mann sich nicht verschließen konnte, und
unter den üblen Einwirkungen aus der Heimat, die durch eine mit den
raffiniertesten Mitteln betriebene Propaganda des Feindes in unseren
Reihen verstärkt wurden, begann der Geist der Truppe sich greifbar zu
verschlechtern. Die Fälle, daß unsere Leute auch gegenüber schwachen
Angriffen nicht mehr hielten oder gar kampflos zum Feinde überliefen,
hatten sich gemehrt; ja es kam vor, daß den neu eingesetzten Verbänden
aus den Reihen der zurückflutenden Truppen das böse Wort »Streikbrecher«
zugerufen wurde.

Gerade in jenen letzten Septembertagen war die militärische Lage in einer
akuten Krisis. Der Kampf um die Siegfriedstellung war auf seinem
Höhepunkt: es ging um die Kanalstellungen, die wir vergeblich vor einem
Durchbruch zu bewahren suchten. Außerdem hatte am 28. September die
englisch-belgische Offensive in Flandern unsere Stellungen um Ypern
durchbrochen und damit eine schwere Bedrohung für unsere Positionen an
der flandrischen Küste und in der Gegend von Lille geschaffen.
Schließlich nötigte uns die Offensive der Franzosen und Amerikaner,
unsere Stellungen zwischen Reims und der Maas nicht unerheblich
zurückzunehmen. Die ganze Front, die wir vom Herbst 1914 an bis zum
Beginn unserer eigenen Offensive im Frühjahr 1918 gegen die stärksten
Angriffe gehalten hatten, war auf das schwerste erschüttert und drohte
zusammenzubrechen. Dazu kam der Abfall Bulgariens, der den Zusammenbruch
der Türkei beschleunigen mußte, und die zweifelhafte Haltung
Österreich-Ungarns.

Die Heeresleitung stand vor den schwersten Entschlüssen. Sie stand
gleichzeitig vor der Frage, ob die Fortsetzung eines nicht mehr zu
gewinnenden Krieges noch zu verantworten sei und ob die Lage nicht dazu
zwinge, die sofortige Herbeiführung des Friedens selbst unter großen
Opfern zu versuchen.

Die ersten Hinweise der Obersten Heeresleitung auf die Notwendigkeit
politischen Handelns zur Herbeiführung des Friedens gehen, wie ich oben
dargestellt habe, auf den Monat Juni 1918 zurück. Sie hatten leider nur
die Wirkung gehabt, daß Herr von Kühlmann von der Tribüne des Reichstags
herab erklärte, der Krieg könne rein militärisch nicht zu Ende gebracht
werden. Zum zweitenmal hatte die Oberste Heeresleitung bei den
Besprechungen im Großen Hauptquartier Mitte August auf den Ernst der
militärischen Lage hingewiesen und die Aussichtslosigkeit einer rein
militärischen Beendigung des Krieges betont. Es ist mir nicht bekannt,
was darauf unsere politische Leitung zur Herbeiführung eines Friedens
getan hat, der allerdings auch damals schon, wie überhaupt während des
ganzen Krieges, nur um den Preis empfindlicher Zugeständnisse
unsererseits, namentlich in der elsaß-lothringischen Frage, zu haben
gewesen wäre. Auch für den Nahestehenden trat sichtbar nur in
Erscheinung die Forcierung der Zusatzverträge zum Brester Frieden, damit
verbunden die Markierung unseres guten Verhältnisses zur
Bolschewikiregierung und die Belastung unseres Bundesverhältnisses zu
Österreich-Ungarn und der Türkei. Auch das Weißbuch über die
Vorgeschichte des Waffenstillstands gibt keinen genauen Aufschluß. Unter
dem österreichischen Druck und angesichts der immer bedenklicher
werdenden militärischen Lage wurde am 11. September im Großen
Hauptquartier die sofortige Einleitung einer Friedensdemarche bei einer
neutralen Macht beschlossen. Es wurde der Versuch gemacht,
Österreich-Ungarn und die anderen Bundesgenossen zum Anschluß an einen
solchen Schritt zu gewinnen. Dieser Versuch wurde durch den
österreichisch-ungarischen Sonderschritt vom 14. September erledigt.

Nun waren seit jener Besprechung am 13. und 14. August sechs schwere
Wochen in die Welt gegangen; wir waren militärisch und politisch an den
Rand des Abgrundes gedrängt. In dieser Lage trug General Ludendorff am
28. September dem Feldmarschall von Hindenburg vor, daß der Zeitpunkt
gekommen sei, an die Reichsregierung die Forderung zu stellen, in
sofortige Friedensverhandlungen einzutreten und zu diesem Zweck der
Entente einen Waffenstillstand vorzuschlagen.

Als Graf Hertling und die Staatssekretäre Graf Roedern und von Hintze am
29. September im Großen Hauptquartier mit ihren Sorgen eintrafen, sahen
sie sich vor den Antrag der Obersten Heeresleitung auf sofortige
Herbeiführung eines Waffenstillstands und Einleitung von
Friedensverhandlungen gestellt.

Graf Hertling, der mit dem Entschluß angekommen war, vom Kaiser seinen
Abschied zu erbitten, trat bei den weiteren Besprechungen nicht mehr in
Tätigkeit.

Die beiden Staatssekretäre, die den Reichskanzler begleitet hatten, um
den Kaiser von der Notwendigkeit der Neubildung der Regierung auf
breitester parlamentarischer Grundlage sowie der Reform der
Reichsverfassung im Sinne der demokratischen Forderungen zu überzeugen,
wurden in ihrer Auffassung und Absicht durch die Eröffnungen der Obersten
Heeresleitung nur bestärkt. Sie erklärten, daß ein Friedensangebot, wie
es die Oberste Heeresleitung verlangte, nur von einer neuen Regierung,
die vom Vertrauen des ganzen Volkes und seiner Vertretung, des
Reichstages, getragen sei, gemacht werden könne; der verhängnisvolle
Rückschlag, den dies von niemand in Deutschland erwartete plötzliche
Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden in der Stimmung des deutschen
Volkes hervorrufen werde, könne nur ausgeglichen werden durch weitgehende
demokratische Reformen, die »Revolution von unten« könne nur vermieden
werden durch eine »Revolution von oben«.

Die Oberste Heeresleitung und der Kaiser schlossen sich dieser Auffassung
an.

Am Montag, 30. September, wurde ein an Graf Hertling gerichteter Erlaß
des Kaisers bekanntgegeben, in dem der Kaiser den Rücktritt des Grafen
Hertling genehmigte und dann fortfuhr:

»Ich wünsche, daß das deutsche Volk wirksamer als bisher an der
Bestimmung der Geschicke des Vaterlands mitarbeite. Es ist daher mein
Wille, daß Männer, die von dem Vertrauen des Volkes getragen sind, in
weiterem Umfang teilnehmen an den Rechten und Pflichten der Regierung.«


              Das Reichskabinett des Prinzen Max von Baden

Graf Roedern, der am Abend des 29. September zusammen mit Herrn von
Hintze und einem Vertreter der Obersten Heeresleitung nach Berlin
zurückreiste, erhielt vom Kaiser den Auftrag, in Berlin die für die
Bildung der neuen Regierung erforderlichen Schritte zu tun.

Die Initiative ging jedoch sofort in die Hände der »Mehrheitsparteien«
des Reichstags über. Die den Intentionen des Kaisers entsprechende
Anregung des Grafen Roedern, in der äußersten Not des Vaterlands alle
Parteigegensätze zurückzustellen und durch die Bildung eines die
sämtlichen großen Parteien umfassenden Koalitionskabinetts die Einheit
des deutschen Volkes zum Ausdruck zu bringen, wurde kurzerhand und
schroff abgelehnt. Die Mehrheitsparteien machten sich daran, ein
Kabinett aus ihren Mitgliedern zu bilden.

Als neuer Kanzler wurde von ihnen zunächst der bisherige Vizekanzler von
Payer in Aussicht genommen. Dieser lehnte jedoch ab, sei es, weil er sich
der ungeheuren Aufgabe nicht gewachsen fühlte, sei es, weil aus den
Reihen seiner eigenen Parteifreunde heraus Stimmung für einen anderen
Kandidaten gemacht wurde: für den Prinzen Max von Baden. Dieser war mir
schon in den letzten Tagen der Kanzlerschaft des Herrn Michaelis von dem
Abgeordneten Conrad Haußmann als der gegebene Reichskanzler bezeichnet
worden. Er war inzwischen durch einige Reden, die er als Präsident der
Badischen Ersten Kammer gehalten hatte, in der politischen Welt als ein
Anhänger eines Versöhnungsfriedens und als ein Mann von liberalen
Anschauungen bekannt geworden. Schon im Dezember 1917 hatte er das Wort
von dem »Weltgewissen« gesprochen, das hinter unserer Kraft stehen müsse,
um die Welt mit uns zu versöhnen. In einer seiner späteren Reden rief er
das »Verantwortungsgefühl gegenüber der Menschheit« an, das erfordert
hätte, »daß man die Hölle dieses Krieges nicht noch einmal losließ, bevor
der ehrliche Versuch gemacht wurde, ob nicht die Differenzen zwischen den
Kriegführenden schon so weit geschwunden sind, daß Verhandlungen sie
überbrücken könnten«. Und in seiner Rede aus Anlaß der Jahrhundertfeier
der badischen Verfassung bezeichnete er die »Demokratisierung« als das
Ziel unserer politischen Entwicklung, mit dem Hinzufügen: »Heute enthält
die Forderung nach äußerer Kraftentfaltung zugleich die Forderung nach
innerer Freiheit.«

Solche Worte waren eine starke Empfehlung bei den Führern der
Mehrheitsparteien, die hier Geist von ihrem Geist zu spüren glaubten. In
den persönlichen Unterhaltungen, die der alsbald nach Berlin gerufene
Prinz mit den Parteiführern hatte, verstärkte er diesen Eindruck durch
seine gewinnende Liebenswürdigkeit. Sogar die Sozialdemokraten setzten
sich über ihre anfänglichen Bedenken gegen die Inaugurierung der
demokratischen Epoche durch einen Prinzen und Thronfolger hinweg. Ob der
Prinz die Kraftnatur sei, der allein in dem schwersten Sturm das
Steuerruder des Vaterlands anvertraut werden durfte, danach fragte
niemand; im Gegenteil, die sich beim ersten Gespräch aufdrängende
Wahrnehmung, daß der liebenswürdige und wohlmeinende Prinz alles eher sei
als eine Kraftnatur, hat wohl nicht unwesentlich dazu beigetragen, die
Begeisterung für seine Kandidatur bei gewissen Führern der
Mehrheitsparteien zu erhöhen.

Am 3. Oktober wurde Prinz Max von Baden zum Reichskanzler und zum
preußischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Der Posten
des preußischen Ministerpräsidenten blieb unbesetzt! Beigegeben wurden
ihm als Staatssekretäre ohne Portefeuille die Zentrumsführer Gröber und
Erzberger sowie der Sozialdemokrat Scheidemann, derselbe, der vor Jahren
den Verrat als die Familientradition der Hohenzollern bezeichnet hatte.
Einige Tage später wurde auch der fortschrittliche Abgeordnete Conrad
Haußmann, nachdem er den Posten des Unterstaatssekretärs in der
Reichskanzlei abgelehnt hatte, zum Staatssekretär ohne Portefeuille
ernannt.

Die Staatssekretäre ohne Portefeuille, die kein bestimmtes Arbeitsbereich
und damit um so mehr Zeit zum Reden und Raten hatten, bildeten zusammen
mit dem Vizekanzler von Payer und dem Vizepräsidenten des preußischen
Staatsministeriums, Dr. Friedberg, die ihre Ämter beibehielten, unter dem
Vorsitz des Reichskanzlers das »Kriegskabinett«, das jetzt in dunkler
Stunde das Schicksal Deutschlands in seine Hand nahm.

Auch sonst gab es einigen Wechsel. Vor allem wurde in der Leitung des
Auswärtigen Amtes Herr von Hintze, der auch durch die lebhafte
Befürwortung der »Demokratisierung« in den entscheidenden Besprechungen
im Großen Hauptquartier das nun einmal gegen ihn bestehende Mißtrauen
nicht hatte überwinden können, durch den bisherigen Staatssekretär des
Reichskolonialamts, Dr. Solf, ersetzt, der für dieses Amt manche Qualität
mitbrachte, nur die eine nicht, die zur Ergänzung des neuen Kanzlers für
den deutschen Außenminister in dieser Zeit doppelt nötig gewesen wäre:
harte Kraft. Herrn Dr. Solf wurde als Unterstaatssekretär der
sozialdemokratische Abgeordnete Dr. David beigegeben. Der Kriegsminister
von Stein räumte seinen Platz dem General Scheüch. Das Reichsamt des
Innern übernahm an Stelle des zurücktretenden Herrn Wallraf der
Zentrumsführer Trimborn. An die Spitze des von dem Reichswirtschaftsamt
abgetrennten Reichsarbeitsamts wurde ein Sozialdemokrat gestellt, der
heutige Reichsministerpräsident Bauer. Zum Statthalter von
Elsaß-Lothringen, dessen bundesstaatliche Autonomie einen der Punkte des
zwischen dem Prinzen Max und den Mehrheitsparteien vereinbarten Programms
bildete, wurde der altelsässische Bürgermeister von Straßburg, Dr.
Schwander, zum Staatssekretär von Elsaß-Lothringen der elsässische
Abgeordnete Hauß ernannt. Wo noch ein Nichtparlamentarier an der Spitze
eines Reichsamts blieb, wurde ihm ein parlamentarischer
Unterstaatssekretär zur Seite gestellt.

Zu dem Programm der neuen Regierung hatten die Sozialdemokraten
vorausschauend schon am 23. September das Konzept gemacht, als sie die
Bedingungen festlegten, unter denen sie den Eintritt ihrer
Parteimitglieder in die Regierung billigen wollten. Das Programm, zu dem
Prinz Max in seiner ersten Rede vor dem Reichstag sich Punkt für Punkt
ausdrücklich bekannte, enthielt:

1. Das Festhalten an der Antwort der Reichsregierung auf die Papstnote
vom 1. August 1917 und das uneingeschränkte Bekenntnis zur
Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli 1917.

2. Erklärung der Bereitschaft, einem Völkerbund beizutreten, dessen Zweck
die Sicherung eines dauernden Friedens und der freien wirtschaftlichen
Entfaltung der Völker sein sollte.

3. Einwandfreie Erklärung über die Wiederherstellung Belgiens und
Verständigung über Entschädigung.

4. Die bisher geschlossenen Friedensverträge (Brest-Litowsk und Bukarest)
dürfen kein Hindernis für den allgemeinen Friedensschluß bilden. Im
Baltikum, in Litauen und Polen sind alsbald Volksvertretungen auf
breitester Grundlage zu schaffen, die ihre Verfassung und ihre
Beziehungen zu den Nachbarstaaten regeln.

5. Schaffung eines selbständigen Bundesstaates Elsaß-Lothringen.

6. Unverzügliche Durchführung der Wahlreform in Preußen; gleiches
Anstreben solcher Reformen in denjenigen Bundesstaaten, die sie noch
entbehren.

7. Einheitlichkeit der Reichsleitung, Berufung von Regierungsvertretern
aus dem Parlament zur Durchführung einer einheitlichen Reichspolitik,
strenge Einhaltung aller verfassungsmäßigen Verantwortlichkeiten,
Beseitigung aller militärischen Einrichtungen, die der politischen
Beeinflussung dienen.

8. Zum Schutze der persönlichen Freiheit, des Versammlungsrechts und der
Pressefreiheit sofortige Änderung der Bestimmungen über den
Belagerungszustand, Beschränkung der Zensur, Einrichtung einer
politischen Kontrolle für alle Maßnahmen, welche auf Grund des
Belagerungszustandes verhängt werden.

Diesem Programm trat auch die nationalliberale Reichstagsfraktion
nachträglich bei und gewann damit wieder ihren zeitweilig unterbrochenen
Anschluß an die »Mehrheitsparteien«. Abseits standen die Konservativen
und die Deutsche Fraktion auf der Rechten, die Unabhängigen
Sozialdemokraten auf der Linken und schließlich die polnische Fraktion,
die sich in Erwartung der kommenden Dinge alles vorbehielt.

Die Bildung der neuen Regierung aus der Initiative und nach dem Willen
der Reichstagsmehrheit und der Inhalt des zwischen Reichsregierung und
Mehrheitsparteien festgelegten Programms sind als eine »unblutige
Revolution« bezeichnet worden. Der Umschwung war in der Tat gewaltig: die
Krone hatte auf die Ausübung ihrer wichtigsten politischen Befugnisse zu
Händen der Parlamentsmehrheit verzichtet. Eine »Revolution« war der
Umschwung zwar nicht; denn er hielt sich noch in den Bahnen des Gesetzes.
Aber er war das unmittelbare Vorspiel zur wirklichen Revolution; denn er
brachte Männer an die Spitze der Reichsgeschäfte, von denen ein
ernstlicher Widerstand gegen den drohenden Aufruhr und Umsturz nicht zu
erwarten war.


              Das Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden

Für den deutschen Patrioten trat jedoch dieser gewaltige Umschwung im
Innern, so bedeutungsvoll und folgenschwer er sich darstellte, noch
zurück hinter der alles überschattenden Schicksalsfrage: Wie sichern wir
in der furchtbaren Zwangslage, in die wir durch die militärischen
Ereignisse gebracht worden sind, annehmbare Bedingungen für
Waffenstillstand und Frieden?

Ich kam am 1. Oktober von einer kurzen Reise nach Berlin zurück. Was ich
am Vormittag im Auswärtigen Amt, am Nachmittag vom Grafen Roedern über
die militärische und politische Lage und über die im Werden begriffenen
Entschlüsse hörte, erschütterte mich auf das tiefste. Die Darstellung
ging dahin, daß wir nach den Erklärungen der Obersten Heeresleitung auf
dem westlichen Kriegsschauplatz vor einer Katastrophe stünden, daß jeder
Augenblick den Durchbruch des Feindes und die völlige Zertrümmerung
unseres Heeres bringen könne. Unter diesen Umständen bleibe nur das von
Ludendorff ungestüm verlangte sofortige Ersuchen um Waffenstillstand. Der
Zusammenbruch im Innern könne nur durch die sofortige und völlige
Demokratisierung unserer staatlichen Einrichtungen verhindert werden. Um
auf dem sichersten und raschesten Wege den Waffenstillstand
herbeizuführen, sei ein Schritt bei dem Präsidenten Wilson geplant, der
unter grundsätzlicher Annahme der 14 Programmpunkte seiner Rede vom 8.
Januar 1918 um seine Vermittlung gebeten werden solle.

Alles in mir lehnte sich gegen den Gedanken auf, daß Hindenburg und
Ludendorff mit ihrem Stab es dahin hätten kommen lassen können, daß wir
jetzt unter dem Druck eines unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs
zum Ersuchen um sofortigen Waffenstillstand, das unter diesen
Verhältnissen nur die Einleitung zur schmählichsten Kapitulation sein
konnte, gezwungen sein sollten. Ich verwies auf Ludendorffs heftiges
Temperament, dem er starken und mitunter übertreibenden Ausdruck zu geben
liebe. Ich beschwor meine Freunde, dahin zu wirken, daß nicht unter einem
vielleicht falschen Eindruck, wie ihn Ludendorffs Art bei Leuten, die ihn
nicht genau kannten, leicht hervorrufen könne, in einer Panikstimmung
Entschlüsse gefaßt würden, die das Verderben unentrinnbar machten. Wenn
aber Ludendorff es wirklich habe dahin kommen lassen, daß wir jetzt mit
dem Rücken am Abgrund um sofortigen Waffenstillstand betteln müßten, dann
habe er einen solchen Mangel an Augenmaß gezeigt, daß auch sein Urteil
über die jetzige Situation nicht maßgebend sein könne für die schwersten
Entschlüsse, die je von der Reichspolitik zu fassen waren; dann müßten
sofort und vor allem weiteren die Armeeführer darüber gehört werden, wie
sie die Möglichkeit einer weiteren schrittweisen Verteidigung während der
für die Verhandlungen nötigen Zeit beurteilten.

Auch heute noch bin ich der Meinung, daß eine Politik, die uns vor dem
Schlimmsten bewahrt hätte, damals noch möglich gewesen wäre. Der
Feldmarschall von Hindenburg hat sich nach den Mitteilungen des Obersten
Bauer -- was das Weißbuch vom 31. Juli 1919 nicht erwähnt -- bei den am
3. Oktober 1918 in Berlin stattgehabten Beratungen dahin ausgesprochen:
»Gegenwärtig steht das deutsche Heer fest. Gezwungen wird es von
Abschnitt zu Abschnitt, sich zäh an den feindlichen Boden klammernd,
ausweichen. Die Dauer solcher Rückwärtsbewegungen ist nicht genau vorher
zu bestimmen. Man kann aber hoffen, daß sie bis zum nächsten Frühjahr
deutsches Gebiet schützen werden.« Gleichwohl blieb auch der
Feldmarschall auf der Forderung der »sofortigen Herausgabe eines
Friedensangebotes« bestehen; es sei keine Aussicht mehr, den Feinden den
Frieden aufzuzwingen; die Lage verschärfe sich täglich und könne die
Oberste Heeresleitung zu schwerwiegenden Beschlüssen zwingen; unter
diesen Umständen sei es geboten, den Kampf abzubrechen, um dem deutschen
Volke nutzlose Opfer zu ersparen; jeder versäumte Tag koste Tausenden von
tapferen Soldaten das Leben. --

Vor allem warnte ich vor der Anrufung der Vermittlung des Präsidenten
Wilson. Ich konnte diesem Manne nach allen bisher mit ihm gemachten
Erfahrungen nicht das für eine solche Rolle erforderliche Maß von
Unvoreingenommenheit und gutem Willen zutrauen; die 14 Punkte bedeuteten
zudem für uns die sofortige Opferung Elsaß-Lothringens und unserer
Ostmarken, ohne daß diese Opfer wirksam zugunsten eines sofortigen
Waffenstillstandes oder Friedensschlusses ins Spiel gesetzt wurden. Im
Gegenteil, die geplante Form des Ersuchens an Wilson mußte
notwendigerweise Rückfragen bei uns und Rückfragen bei den Ententestaaten
veranlassen und so gerade das Ziel, das die Oberste Heeresleitung
anscheinend in allererster Linie erstrebte, den Abschluß eines
Waffenstillstandes in den allernächsten Tagen, vereiteln. Wenn die Lage
tatsächlich so aussichtslos sei, daß sie schmerzliche Opfer von uns
erfordere, z. B. Zugeständnisse in bezug auf Elsaß-Lothringen, so müsse
ich es für den einzig richtigen Weg halten, diese Opfer unmittelbar
gegenüber den an erster Stelle interessierten Kriegführenden möglichst
wirksam ins Spiel zu setzen; das habe allerdings zur Voraussetzung, daß
hinter das Angebot solcher Zugeständnisse von vornherein die unbeugsame
Entschlossenheit gestellt werde, nötigenfalls auf jede Gefahr hin
weiterzukämpfen und unsere Feinde für alles, was sie über unsere
Zugeständnisse hinaus von uns erkämpfen wollten, einen Preis von Blut und
Trümmern zahlen zu lassen, dessen Höhe ihren Völkern die Augen öffnen
müsse.

In der Nacht zum 4. Oktober ließ der neue Reichskanzler an die Schweizer
Regierung folgende Note zur Übermittlung an die Regierung der Vereinigten
Staaten abgehen:

    »Die deutsche Regierung ersucht den Präsidenten der Vereinigten
    Staaten von Amerika, die Herstellung des Friedens in die Hand zu
    nehmen, alle kriegführenden Staaten von diesem Ersuchen in Kenntnis
    zu setzen und sie zur Entsendung von Bevollmächtigten zwecks Aufnahme
    der Verhandlungen einzuladen. Sie nimmt das von dem Präsidenten der
    Vereinigten Staaten von Amerika in der Kongreßbotschaft vom 8. Januar
    1918 und in seinen späteren Kundgebungen, namentlich vom 27.
    September, aufgestellte Programm als Grundlage für die
    Friedensverhandlungen an.

    Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, ersucht die deutsche
    Regierung, den sofortigen Abschluß eines allgemeinen
    Waffenstillstandes zu Lande, zu Wasser und in der Luft
    herbeizuführen.«

Die besondere Bezugnahme auf Wilsons Rede vom 27. September 1918 in der
um Waffenstillstand und Friedensverhandlungen bittenden Note macht es
nötig, darauf hinzuweisen, daß der Präsident in dieser Rede unter anderem
gesagt hatte:

»Wir sind uns alle einig darüber, daß es keinen Frieden geben darf, der
durch irgendeine Art von Handel oder Kompromiß mit den Regierungen der
Mittelmächte erreicht wird... Sie haben uns davon überzeugt, daß sie ohne
Ehre sind und nicht Gerechtigkeit wollen. Sie beobachten keine Verträge
und erkennen keinen Grundsatz an als den der Gewalt und ihres eigenen
Interesses... Dem deutschen Volk muß jetzt klar geworden sein, daß wir
nicht den Worten derjenigen trauen können, die uns diesen Krieg
aufgezwungen haben.«

Faustschläge in das deutsche Gesicht! Aber die neue deutsche Regierung
nahm in ihrer Note an den Mann, der diese Faustschläge ausgeteilt hatte,
ausdrücklich auch die Rede vom 27. September als »Grundlage für
Friedensverhandlungen« an. Man kann sich ausmalen, in welchen Respekt sie
sich damit bei dem Empfänger der Note setzte!

Prinz Max brachte die Note an den Präsidenten Wilson in seiner Rede vom
5. Oktober zur Kenntnis des Reichstags und des deutschen Volkes.

Zur Begründung führte er aus, er habe diesen Schritt bei dem Präsidenten
Wilson getan, weil das von diesem aufgestellte Programm für den
allgemeinen Frieden von uns als Verhandlungsgrundlage angenommen werden
könne, und weil die »auf das künftige Glück der Völker« gerichteten
Gedanken, die Herr Wilson verkünde, »sich völlig mit den allgemeinen
Vorstellungen im Einklang befinden, in denen sich auch die neue deutsche
Regierung und mit ihr die weit überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes
bewegt«.

Er machte einen Versuch, mit dem Ersuchen an Wilson einen Anschein der
Entschlossenheit zu verbinden: Er wisse, daß das Ergebnis seiner ersten
Handlung, wie es auch ausfallen möge, Deutschland fest entschlossen und
einig finden werde sowohl zu einem redlichen Frieden als auch zu dem
Endkampf auf Leben und Tod, zu dem unser Volk ohne eigenes Verschulden
gezwungen wäre, wenn die Antwort der mit uns im Kriege stehenden Mächte
von dem Willen, uns zu vernichten, diktiert sein sollte.

Noch am 22. Oktober sprach der Reichskanzler Prinz Max im Reichstag die
Worte:

»Wer sich ehrlich auf den Boden des Rechtsfriedens gestellt hat, der hat
zugleich die Pflicht übernommen, sich nicht kampflos einem Gewaltfrieden
zu beugen. Eine Regierung, die hierfür kein Empfinden hat, wäre der
Verachtung des kämpfenden und arbeitenden Volkes preisgegeben.«

Auch der Führer der Sozialdemokraten, Herr Ebert, bekannte sich in der
gleichen Reichstagssitzung angesichts der Möglichkeit, daß »die
Herrschenden der feindlichen Länder uns einen bedingungslosen Frieden
aufzwingen wollten«, zu der »Politik der Landesverteidigung, heute, wie
am 4. August 1914, getreu uns selbst, getreu unserem Volke und seiner
Zukunft«.

Aber hinter diesen Worten des Kanzlers und des Sozialistenführers wie
hinter ähnlichen Worten der anderen Mehrheitsparteiler stand keine Kraft
und keine Tat. Alle die wunderbaren Volkskräfte, die nach den Worten der
»Frankfurter Zeitung« durch die demokratischen Reformen entfesselt werden
sollten, entfesselt zur Rettung des Vaterlandes, blieben ungenutzt. Die
neue Volksregierung tat nichts, um das Volk aufzurütteln, nichts, um das
Volk zur Verteidigung seiner höchsten Güter zu führen. Im Gegenteil! Die
neuen Herren wendeten ihr ganzes Interesse den »inneren Reformen« zu, und
die Leitung unserer auswärtigen Politik tat das Schlimmste, was sie tun
konnte: in einer Lage, in der nur eine rasche Entscheidung uns die
Möglichkeit wahren konnte, Volk und Heer zusammenzuhalten und zu einem
letzten Kampf um Freiheit und Dasein zu entflammen, setzte sie Volk und
Heer fünf lange Wochen hindurch der Zermürbung aus, indem sie mit Wilson
einen Notenaustausch führte, der an Kläglichkeit in der Weltgeschichte
wohl kaum seinesgleichen hat. Die unerhörtesten Demütigungen wurden
höflich quittiert und Schritt für Schritt wurde in ständigem
Zurückweichen als Voraussetzung für Waffenstillstands-Verhandlungen alles
zugestanden, was äußerstenfalls Inhalt des Waffenstillstandsvertrages
hätte sein dürfen; ja mehr als das! Ganz besonders verheerend auf die
moralische Kraft des Volkes mußte die Tatsache wirken, daß die Organe der
jetzt die Geschicke des Reiches lenkenden Mehrheitsparteien sich zur
eigenen Deckung öffentlich darauf beriefen, daß die Oberste Heeresleitung
die militärische Lage als aussichtslos ansehe und mit allem Nachdruck auf
der sofortigen Herbeiführung des Waffenstillstandes bestehe.


                       Der Notenwechsel mit Wilson

Schon in seiner ersten Antwort auf unser Ersuchen, die am 8. Oktober
erteilt wurde, verlangte Herr Wilson die Bestätigung dafür, daß die
deutsche Regierung die in seiner Kongreßbotschaft vom 8. Januar 1918 und
seinen folgenden Kundgebungen aufgestellten Bedingungen in dem Sinne
annehme, daß der Zweck der Verhandlungen nur die Verständigung über die
praktischen Einzelheiten ihrer Anwendung sein würde.

Diese Bestätigung wurde von der deutschen Regierung in ihrer Antwort vom
12. Oktober gegeben. Damit war die Illusion zerstört, daß Herr Wilson mit
der Benutzung seines Programms als »Grundlage der Friedensverhandlungen«
zufrieden sein und über einzelne Punkte mit sich reden lassen werde. Ja,
nach der von Herrn Wilson verlangten Bestätigung mußte man damit rechnen,
daß er auch das Recht der Auslegung seiner sich keineswegs durch
kristallene Klarheit auszeichnenden Leitsätze für sich allein
beanspruchen werde.

Der Präsident verlangte ferner in seiner Antwort vom 8. Oktober als
Voraussetzung für die Weitergabe des Vorschlags eines Waffenstillstandes
an seine Verbündeten die Räumung der sämtlichen von den Truppen der
Mittelmächte noch besetzten Gebiete. Die deutsche Regierung erklärte sich
auch hierzu bereit. Die elementarste Klugheit hätte erfordert, diese
Räumung nicht als Voraussetzung für Waffenstillstandsverhandlungen,
sondern höchstens als Bedingung des Waffenstillstandes zuzugestehen.
Hätten wir unsere Feinde damals noch vor die Wahl zwischen der kampflosen
Preisgabe der besetzten Gebiete und deren Verwüstung durch einen im
zähesten Ringen erfolgenden Rückzug gestellt, so hätte sich auch bei
unseren Feinden manche Stimme für einen billigen Waffenstillstand geregt,
die sich jetzt gestatten konnte, zu schweigen.

Der Präsident fragte schließlich an, ob der Kanzler nur für diejenigen
Gewalten des Reiches spreche, die bisher den Krieg geführt hätten.
Gemeint waren offenbar der Kaiser und die Oberste Heeresleitung. Die
deutsche Antwort verwies auf den parlamentarischen Charakter der
Regierung des Prinzen Max. Der Reichskanzler spreche im Namen der
deutschen Regierung und des deutschen Volkes. Der Deutsche Kaiser, der
doch immerhin auch noch ein Faktor im deutschen Verfassungsleben war,
wurde unterschlagen.

Herr Wilson nahm zu der deutschen Antwort vom 12. Oktober in einer
weiteren Note seines Staatsdepartements vom 14. Oktober Stellung. Er
stellte zunächst die »uneingeschränkte Annahme« der von ihm in seinen
Botschaften niedergelegten Bedingungen fest. Er erklärte ferner, daß die
Modalitäten der Räumung der besetzten Gebiete sowie die Bedingungen des
Waffenstillstandes Angelegenheiten seien, die »dem Urteil und dem Rat der
militärischen Berater der Regierung der Vereinigten Staaten und der
Alliierten überlassen werden müßten« und daß er und die mit ihm
verbündeten Regierungen keine Regelung annehmen würden, »die nicht völlig
befriedigende Sicherheiten und Bürgschaften für die Fortdauer der
gegenwärtigen militärischen Überlegenheit der Armeen der Vereinigten
Staaten und der Alliierten an der Front schafft«. Weiter verlangte er als
Voraussetzung für einen Waffenstillstand die Einstellung des U-Bootkriegs
und das Unterlassen der angeblichen »unmenschlichen Handlungen,
Plünderungen und Verwüstungen«, die sich die deutschen Heere auf ihrem
Rückzuge in Flandern und Frankreich zuschulden kommen ließen. Schließlich
wurde der Präsident deutlicher in seinen den Deutschen Kaiser und die
deutsche Verfassung betreffenden Forderungen. Er verwies auf seine Worte
vom 4. Juli 1918, in denen er als Programmpunkt für den Frieden
aufgestellt hatte:

»Die Vernichtung jeder willkürlichen Macht überall, die für sich, geheim
und nach eigenem Belieben den Frieden der Welt stören kann, oder -- wenn
sie jetzt nicht vernichtet werden kann -- mindestens ihre Herabminderung
zu tatsächlicher Machtlosigkeit.«

Die Macht, die bisher die deutsche Nation beherrscht habe, so führte er
jetzt aus, sei von der hier beschriebenen Art. Die deutsche Nation habe
die Wahl, dies zu ändern. Das sei natürlich eine Bedingung, die vor dem
Frieden erfüllt sein müsse, wenn der Friede durch das Vorgehen des
deutschen Volkes selbst kommen solle.

Diese Note erklärte uns also klipp und klar, daß uns die
Waffenstillstandsbedingungen von den militärischen Autoritäten unserer
Feinde diktiert werden würden, und zwar in einem Sinne, daß sie uns
wehrlos machten. Als weitere Vorleistung unsererseits neben der bereits
zugesagten Räumung der besetzten Gebiete verlangte sie die Einstellung
des U-Bootkriegs, natürlich ohne dafür die Einstellung der
völkerrechtswidrigen Handels- und Hungerblockade, die den U-Bootkrieg
herausgefordert hatte, in Aussicht zu stellen. Schließlich verlangte sie
die Abschaffung oder völlige Entrechtung der kaiserlichen Gewalt; dies
als Forderungen eines Präsidenten, der erheblich mehr an Machtbefugnissen
besaß, als dem Deutschen Kaiser nach den inzwischen durchgeführten oder
eingeleiteten Verfassungsänderungen noch verblieb.

Wir standen vor dem Biegen oder Brechen. Wenn jetzt die deutsche
Regierung weiter nachgab und sich weiter demütigte, dann war Volk und
Heer nicht mehr zu halten, dann mußte auch der Tapferste sich fragen:
Wofür noch kämpfen und wofür noch leiden?

Ich versuchte in jenen entscheidenden Tagen wiederholt, den Prinzen Max
und den Staatssekretär des Auswärtigen zu sprechen und ihnen meine
Ansicht vorzutragen. Als mir dies nicht gelang, wandte ich mich
schriftlich an Herrn Dr. Solf und schlug ihm vor, Herrn Wilson etwa in
folgendem Sinn zu antworten:

Nachdem über die Friedensbedingungen auf Grund des von Herrn Wilson
selbst verkündeten Programms eine grundsätzliche Einigung erzielt sei,
habe die Fortsetzung des Menschenmordens jede Rechtfertigung verloren;
sie sei unsinnig und verbrecherisch. Der deutschen Regierung, die ihre
Hände frei von diesem Verbrechen zu halten wünsche, komme es darauf an,
zu erfahren, ob die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten auf Grund
der über die Friedensbedingungen erzielten Einigung und der sonstigen von
der deutschen Regierung gegebenen Zusagen und Aufklärungen bereit seien,
alsbald in Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten oder nicht. Sie
müsse Wert darauf legen, auf diese Frage ohne Verzug eine klare Antwort
zu erhalten, um danach ihre Dispositionen zu treffen.

Über die an Herrn Wilson zu erteilende Antwort wurden im Kriegskabinett
unter Zuziehung des Generals Ludendorff und des Chefs des Admiralstabs,
des Admirals Scheer, eingehende Beratungen gepflogen. Bei diesen
Beratungen erklärte General Ludendorff, daß sich die militärische Lage
gebessert habe, daß er die Gefahr einer unmittelbaren Katastrophe nicht
als gegeben erachte, daß die Verteidigung mit Aussichten auf Erfolg
fortgesetzt werden könne und daß eine bedingungslose Unterwerfung unter
allen Umständen abgelehnt werden müsse. Gegen die von Wilson verlangte
Einstellung des U-Bootkriegs sprach sich Ludendorff mit Entschiedenheit
aus; ebenso der Admiral Scheer.

Aber von der Mehrzahl der Mitglieder des Kriegskabinetts wurde die
Besserung der militärischen Lage, die übrigens auch von unseren Feinden
zugegeben werden mußte, mit starken Zweifeln aufgenommen. Noch lange
hinterher wurde gegen den General Ludendorff der Vorwurf erhoben, daß er
bei jenen Beratungen nun mit einem Mal die Situation an der Westfront
günstiger dargestellt habe als drei Wochen zuvor.

Jedenfalls kam das Kriegskabinett über das Votum Ludendorffs und Scheers
hinaus zu dem Beschluß, auch den neuen Forderungen Wilsons zu
entsprechen. Auch eine eindringliche Vorstellung, die der Feldmarschall
von Hindenburg noch in der Nacht zum 20. Oktober unternahm und in der er
insbesondere seine Zustimmung zu der Einstellung des U-Bootkriegs
ausdrücklich verweigerte, vermochte den Entschluß des Kriegskabinetts
nicht zu ändern. Vergeblich hatte Hindenburg die Frage gestellt: »Will
das deutsche Volk um seine Ehre nicht nur in Worten, sondern tatsächlich
bis zum letzten Mann kämpfen und sich damit die Möglichkeit des
Widerstehens sichern, oder will es sich zu der Kapitulation und damit zum
Untergang =vor= der äußersten Kraftanstrengung drängen lassen?«

Die deutsche Antwortnote vom 20. Oktober enthielt die erneute Bitte, Herr
Wilson möchte zur Regelung der Einzelheiten der Räumung der besetzten
Gebiete Gelegenheit schaffen, und sprach dabei das Vertrauen aus, der
Präsident werde keine Forderung gutheißen, »die mit der Ehre des
deutschen Volkes und der Anbahnung eines Friedens der Gerechtigkeit
unvereinbar sein würde«. Daß die =deutsche Regierung= keine solche
Forderung gutheißen würde, wagte man bereits nicht mehr auszusprechen.
Die Note enthielt ferner eine lahme Verwahrung gegen den von Wilson gegen
die deutschen Land- und Seestreitkräfte erhobenen Vorwurf ungesetzlicher
und unmenschlicher Handlungen. »Wo trotzdem Ausschreitungen vorkommen,
werden die Schuldigen bestraft.« Die deutsche Regierung schlage vor, den
Sachverhalt durch neutrale Kommissionen aufklären zu lassen. »Um alles zu
verhüten, was das Friedenswerk erschweren könnte, sind auf Veranlassung
der deutschen Regierung an sämtliche U-Bootkommandanten Befehle
ergangen, die eine Torpedierung von Passagierschiffen ausschließen.« --
In Wirklichkeit war die völlige Einstellung des U-Bootkriegs gegen
Handelsschiffe angeordnet worden. -- Die Note machte ferner dem
Präsidenten Wilson Mitteilungen über den »grundlegenden Wandel«, der im
deutschen Verfassungsleben eingetreten sei; die neue Regierung sei in
völliger Übereinstimmung mit den Wünschen der Volksvertretung aus den
Führern der großen Reichstagsparteien gebildet, und auch künftig werde
keine Regierung ihr Amt antreten oder weiterführen können, ohne das
Vertrauen der Mehrheit des Reichstags zu besitzen. Die Verantwortung des
Reichskanzlers gegenüber der Volksvertretung werde gesetzlich ausgebaut
und sichergestellt. Die erste Tat der neuen Regierung sei eine Vorlage
gewesen, die zur Entscheidung über Krieg und Frieden die Zustimmung
der Volksvertretung erforderlich mache. Das Friedens- und
Waffenstillstandsangebot gehe also aus von einer Regierung, die, frei von
jedem willkürlichen und unverantwortlichen Einfluß, getragen werde von
der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes.

Nun endlich erklärte der Präsident Wilson in einer weiteren Note vom 23.
Oktober, daß er auf Grund der von der deutschen Regierung abgegebenen
Erklärungen glaube, es nicht ablehnen zu können, mit den Regierungen
seiner Verbündeten die Frage eines Waffenstillstandes aufzunehmen. Mit
Zugeständnissen von kaum hoch genug zu veranschlagendem Gewicht, die
wertvolle Trümpfe in den Verhandlungen über die Bedingungen eines
Waffenstillstandes hätten sein können, und um den Preis von Demütigungen,
die im deutschen Volk die letzte Widerstandskraft zerstören mußten, hatte
die deutsche Regierung nun also erreicht, was sie am ersten Tage hätte
haben können, wenn sie sich mit bestimmten Vorschlägen direkt an die
Kriegführenden gewandt hätte. Aber Herr Wilson legte Wert darauf, jede
Illusion gründlich zu zerstören. Er eröffnete uns, daß nur ein
Waffenstillstand in Frage kommen könne, der unsere Feinde »in der Lage
beließe, jede zu treffende Vereinbarung zu erzwingen und eine Erneuerung
der Feindseligkeiten deutscherseits unmöglich zu machen«. Das hieß
Übergabe auf Gnade und Ungnade. Es war bitterer Hohn, wenn der Präsident
hinzufügte, die Annahme eines solchen Waffenstillstandes durch
Deutschland werde der beste Beweis dafür sein, daß Deutschland die
Grundbedingungen und Grundsätze der ganzen Friedensaktion unzweideutig
annehme. Im übrigen zeigte sich der Präsident mit den ihm notifizierten
deutschen Verfassungsänderungen noch nicht befriedigt; er müsse es offen
aussprechen, daß die Völker der Welt kein Vertrauen in die Worte
derjenigen setzten, die bisher die Herren der deutschen Politik gewesen
seien, und daß beim Friedensschluß die Vertreter der Vereinigten Staaten
einzig und allein mit echten Vertretern des deutschen Volkes würden
verhandeln können. »Wenn die Vereinigten Staaten jetzt mit den
militärischen Beherrschern Deutschlands und monarchischen Autokraten
verhandeln sollen, werden sie nicht Friedensverhandlungen, sondern
Übergabe verlangen.«

Als Antwort schlugen Hindenburg und Ludendorff den Abbruch der
Verhandlungen vor. Unser Heer stehe unbesiegt auf feindlichem Boden und
dürfe nicht kapitulieren. Hindenburg erklärte in einer Besprechung am 25.
Oktober: »Wir sind über den Berg gekommen.«

Die deutsche Antwort vom 27. Oktober lautete jedoch:

»Der Präsident kennt die tiefgreifenden Wandlungen, die sich in dem
deutschen Verfassungsleben vollzogen haben und vollziehen. Die
Friedensverhandlungen werden von einer Volksregierung geführt, in deren
Händen die entscheidenden Machtbefugnisse tatsächlich und
verfassungsmäßig ruhen. Ihr sind auch die militärischen Gewalten
unterstellt. Die deutsche Regierung sieht nunmehr den Vorschlägen für
einen Waffenstillstand entgegen, der einen Frieden der Gerechtigkeit
einleitet, wie ihn der Präsident in seinen Kundgebungen gekennzeichnet
hat.«

Das Schlußstück in diesem Notenwechsel war die Rückäußerung des
Präsidenten Wilson in der Note vom 5. November. Der Präsident teilte mit,
daß er den Notenwechsel den mit den Vereinigten Staaten verbundenen
Regierungen mitgeteilt habe; darauf habe er ein Memorandum der alliierten
Regierungen erhalten, in dem es heiße:

»Die alliierten Regierungen erklären mit den folgenden Einschränkungen
ihre Bereitschaft zum Friedensschluß mit der deutschen Regierung auf
Grund der Friedensbedingungen, die in der Ansprache des Präsidenten
Wilson an den Kongreß vom 8. Januar 1918, sowie der Grundsätze, die in
seinen späteren Ansprachen niedergelegt sind.«

Die Einschränkungen bezogen sich auf Wilsons Forderung der Freiheit der
Meere, hinsichtlich deren sich die alliierten Mächte alles vorbehalten
müßten; ferner auf die Wiederherstellung der besetzten Gebiete, worunter
sie verstehen wollten, »daß Deutschland für allen durch seinen Angriff zu
Land, zu Wasser und in der Luft der Zivilbevölkerung und ihrem Eigentum
zugefügten Schaden Ersatz leisten soll«.

Der Präsident fügte hinzu, daß nunmehr der Marschall Foch von der
Regierung der Vereinigten Staaten und den alliierten Regierungen
ermächtigt worden sei, »Vertretern der deutschen Regierung die
Waffenstillstandsbedingungen mitzuteilen«.

Am 6. November reisten die deutschen Bevollmächtigten unter Führung des
Staatssekretärs Erzberger nach dem Großen Hauptquartier, um sich von dort
an den von dem General Foch zu bestimmenden Verhandlungsort zu begeben.

Inzwischen hatte der General Ludendorff seinen Abschied eingereicht und
war am 26. Oktober zur Disposition gestellt worden. Zu seinem Nachfolger
war der General Gröner ernannt worden, der sich bei den Beratungen über
das Hilfsdienstgesetz das besondere Wohlwollen der Mehrheitsparteien
erworben hatte.


                  Die Kapitulation unserer Verbündeten

Österreich-Ungarn und die Türkei hatten sich unserm Schritt vom 5.
Oktober bei dem Präsidenten Wilson angeschlossen. Herr Wilson hatte
jedoch den weiteren Notenwechsel ausschließlich mit Deutschland geführt
und bekanntgeben lassen, daß er mit unseren Bundesgenossen einzeln und
für sich die Friedensangelegenheit behandeln werde.

Ehe Herr Wilson überhaupt an Österreich-Ungarn eine Antwort erteilte,
hatte Kaiser Karl sich veranlaßt gesehen, einen Schritt zu tun, der die
Auflösung der Donaumonarchie einleitete. Am 17. Oktober hatte er ein
Manifest erlassen, überschrieben: »An meine getreuen österreichischen
Völker.« In diesem Manifest führte er aus, der Neuaufbau Österreichs
müsse auf zuverlässigen Grundlagen in Angriff genommen und dabei müßten
die Wünsche der Völker untereinander in Einklang gebracht werden; er sei
entschlossen, dieses Werk unter Mitwirkung der Völker und im Geiste des
Friedensangebots der Mittelmächte durchzuführen. Demgemäß solle
Österreich in einen Bundesstaat umgewandelt werden; dem Anschluß der
polnischen Gebiete an ein unabhängiges Polen solle damit nicht
vorgegriffen werden; Triest mit seinem Gebiet werde eine Sonderstellung
erhalten.

Der österreichische Kaiser beeilte sich also, Herrn Wilsons möglichen
Wünschen in bezug auf die Selbstbestimmung der Völker zuvorzukommen. Aber
er wurde grausam enttäuscht.

Einmal waren seine »getreuen Völker« so wenig mehr getreu, daß ihre
Vertreter zu der Obmännerkonferenz, in der das Programm des Manifestes
durch den Ministerpräsidenten erläutert werden sollte, größtenteils
überhaupt nicht erschienen: die Tschechen, Polen und Südslawen blieben
fern. Dann aber sandte der Präsident Wilson um dieselbe Zeit, in der
Kaiser Karl sein Manifest erließ, endlich seine Antwortnote auf das
österreichisch-ungarische Friedensersuchen ab: das Todesurteil für die
Donaumonarchie. Er, der Präsident Wilson, könne auf die Vorschläge der
Wiener Regierung nicht eingehen; denn seit seiner Kongreßbotschaft vom 8.
Januar habe die Regierung der Vereinigten Staaten die Tschecho-Slowaken
als kriegführende Macht und den tschecho-slowakischen Nationalrat als
kriegführende Regierung anerkannt; desgleichen habe sie in der
weitestgehenden Weise die Gerechtigkeit der nationalen Bestrebungen der
Jugoslawen anerkannt. Die bloße Autonomie der österreichischen Völker sei
mithin als Grundlage für den Frieden überholt. Diese Völker selbst müßten
jetzt Richter darüber sein, wie ihre Aspirationen als Mitglieder der
Familie der Nationen befriedigt werden könnten.

Die folgenden Tage brachten die Proklamation selbständiger Staaten
der Tschecho-Slowaken, der Südslawen und der Ruthenen. Die
Deutsch-Österreicher folgten dem Beispiel und proklamierten in einer
Vollversammlung aller deutschen Reichsratsabgeordneten am 21. Oktober den
Staat Deutsch-Österreich. Die Auflösung und das Chaos waren da. In
Budapest legte Herr Wekerle, in Wien Herr von Hussarek das
Ministerpräsidium nieder. Ebenso trat Graf Burian als Minister des
Auswärtigen zurück. Zu seinem Nachfolger ernannte der Kaiser den Grafen
Julius Andrassy, obwohl für einen »gemeinsamen Minister des Äußeren« bei
dem offenkundigen Zerfall der Monarchie kein Raum mehr war.

Die einzige Amtshandlung des Grafen Andrassy war der Verrat an dem
deutschen Bundesgenossen. In einer Note vom 28. Oktober an die
Regierung der Vereinigten Staaten teilte er die Zustimmung der
»österreichisch-ungarischen Regierung« zu der Auffassung Wilsons über die
Rechte der Völker Österreich-Ungarns, speziell der Tschecho-Slowaken und
der Jugoslawen, mit und schloß daran die Erklärung der Bereitwilligkeit,
»ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen abzuwarten«, in Verhandlungen
über den Frieden und über einen sofortigen Waffenstillstand an allen
Fronten Österreich-Ungarns einzutreten. Dieses Angebot eines
Sonderfriedens und eines Sonderwaffenstillstandes wurde ohne vorherige
Vereinbarung mit Deutschland, ja ohne vorherige Verständigung des
deutschen Botschafters und der Reichsregierung abgesandt. So wurde das
von dem Vater Andrassy gezeichnete Bündnis zwischen den beiden Reichen
durch den Sohn Andrassy in der Stunde höchster Not, die höchste Treue
gefordert hätte, zerrissen. Die Donaumonarchie wurde durch diesen Verrat
nicht gerettet, ihr Untergang wurde nur besiegelt. Überall flammte die
Revolution auf. Arbeiter- und Soldatenräte wurden gebildet, die sich der
öffentlichen Gewalt zu bemächtigen suchten. In Budapest wurde am 31.
Oktober die Republik ausgerufen und der frühere Ministerpräsident Graf
Tisza, der stärkste Mann der ehemaligen Donaumonarchie, ermordet.

Am 3. November kam der von dem Grafen Andrassy nachgesuchte
Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und den Alliierten zustande.
Er war in der Sache eine bedingungslose Kapitulation. Die Unterwerfung
ging so weit, daß den Alliierten das unbedingte Recht eingeräumt wurde,
alle Straßen, Wasserwege, Eisenbahnen und Transportmittel
Österreich-Ungarns für die freie Bewegung ihrer Truppen zu benutzen, also
auch zu einem Aufmarsch gegen Deutschland; daß ferner die Internierung
der deutschen Truppen zugestanden wurde, die Österreich-Ungarn nicht
innerhalb der unmöglich einzuhaltenden Frist von fünfzehn Tagen verlassen
haben sollten.

Die Türkei war mit der Kapitulation um drei Tage, Bulgarien um mehrere
Wochen vorangegangen.


                                Das Ende

Deutschland war jetzt auf sich allein gestellt.

Aber auch Deutschland war in seinen Grundfesten erschüttert.

Die seit den schwarzen Tagen am Ende des September verflossenen fünf
Wochen hatten im deutschen Volke in Heer und Heimat den letzten Rest von
Widerstandskraft gebrochen.

Zwar wurden jetzt im Sturmwind der Zeit alle Blütenträume der Demokraten
Wirklichkeit. Das gleiche Wahlrecht in Preußen war gesichert, nachdem
auch die konservativen Parteien in Rücksicht auf die Lage des Vaterlands
ihren Widerstand aufgegeben hatten. Die Reichstagsabgeordneten durften
ohne Verlust ihres Mandats Mitglieder der Reichsleitung werden. Die
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und seiner Stellvertreter, der
Staatssekretäre, gegenüber dem Reichstag wurde unzweideutig und
einwandfrei festgelegt. Dem Reichstag wurde das volle Mitbestimmungsrecht
bei den Entscheidungen über Krieg und Frieden gegeben. Die mit der
Handhabung des Belagerungszustandes betrauten militärischen Befehlshaber
wurden in ihren Maßnahmen und Anordnungen an die Zustimmung des
Reichskanzlers oder dessen für diese Geschäfte bestellten Stellvertreters
gebunden. Die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der Kriegsminister für
die Verwaltung ihrer Kontingente wurde festgelegt. Darüber hinaus wurde
eine weitgehende Amnestie für die wegen politischer Verbrechen oder
Vergehen verurteilten Personen erlassen. Unter anderen wurden Karl
Liebknecht und der Abgeordnete Dittmann in Freiheit gesetzt. »Manchem von
ihnen« -- sagte der Prinz Max am 22. Oktober im Reichstag -- »hat die
Regierung die Gnade erst nach Überwindung ernster vaterländischer Sorgen
vermittelt. Die Überzeugung von der Heilkraft einer Politik des
Vertrauens hat den Ausschlag gegeben.«

Diese »Politik des Vertrauens« hat nach innen nicht minder Schiffbruch
gelitten wie nach außen. Denn diese »Politik des Vertrauens« war nach
innen wie nach außen nichts anderes als eine Politik der Schwäche und der
Illusionen.

Für die nationale Verteidigung, das höchste Gebot der Stunde, wurde durch
alle diese Volksrechte nichts gewonnen; ja es wurde von den neuen
Machthabern durch ihre Behandlung der innen- und außenpolitischen Dinge
geradezu jeder patriotische Aufschwung im Keim erstickt. Dagegen wurden
die letzten Dämme gegen die revolutionäre Flut, die bereits die
Grundmauern des Reiches unterspülte, hinweggeräumt und allen zerstörenden
Kräften die Bahn freigemacht. Die aus den Gefängnissen befreiten
Propheten des gewaltsamen Umsturzes begaben sich, umstrahlt von der
Glorie des Märtyrertums, erneut an ihre Arbeit und predigten öffentlich
die Revolution. Der rote Generalstab in der russischen Botschaft
entfaltete mit russischen Agitatoren und russischem Gelde eine
fieberhafte Tätigkeit. Das Bewußtsein, daß niemand mehr es wagen würde,
einem revolutionären Ausbruch tatkräftig entgegenzutreten, drang in die
Massen des Volkes und der bewaffneten Macht.

Der Boden war für die revolutionäre Saat auf das beste bereitet. Die
schweren Opfer und Leiden des Krieges, die Überspannung der Kräfte gegen
eine Welt hatten das Volk moralisch und physisch mehr und mehr zermürbt.
Das Vertrauen in die staatlichen Autoritäten, die sich den unerhört
schweren Anforderungen der Zeit nicht gewachsen gezeigt hatten, war
schwer erschüttert. Die bewußt revolutionäre Wühlarbeit hatte auch bei
Parteien, die auf dem Boden der Staatsordnung standen, allzu bereite
Unterstützung gefunden. Die allzu oft deutlich herausgekehrte scharfe
Kritik der Männer der Obersten Heeresleitung an den Personen und
Maßnahmen der Zivilregierung hatte zweifellos dazu beigetragen, die
Achtung vor den staatlichen Behörden zu untergraben. Nun kam, für die
große Masse des Volkes wie der Blitz aus heiterem Himmel, der Sturz von
der Höhe unserer militärischen Erfolge in den Abgrund der Niederlage.
Volk und Heer waren gegenüber diesem Sturz völlig unvorbereitet. Die
Heeresberichte hatten zwar für den Urteilsfähigen, der sie Tag für Tag in
Kenntnis der Verhältnisse auf der Karte verfolgte, nicht aber für die
große Masse des Volkes den verhängnisvollen Umschwung in seiner ganzen
Schwere erkennen lassen. Die große Masse des Volkes aber lebte noch in
den Hoffnungen der großen Siege des Frühjahrs, und es klangen jedermann
noch die stolzen und zuversichtlichen Worte im Ohr, die er bis in die
letzte Zeit von unseren Heerführern gehört hatte. Mit dem plötzlichen und
furchtbaren Rückschlage sank die einzige große Autorität in den Staub,
auf die das Volk während des ganzen Krieges ein unbeschränktes Vertrauen
gesetzt hatte.

Dazu machte sich jetzt die verheerende Wirkung der Friedenspropaganda
geltend, wie sie unter der Führung der Mehrheitsparteien des Reichstags
-- von den Unabhängigen Sozialdemokraten ganz zu schweigen! -- seit der
Mitte des Jahres 1917 betrieben worden war. Mit allen Mitteln war in Volk
und Heer der Wahn großgezüchtet worden, wir könnten längst einen
ehrenhaften Frieden haben, wenn nicht die übertriebenen Kriegsziele der
Alldeutschen und der Militärs, denen der Kaiser sich anschließe und die
Reichsleitung sich unterwerfe, hindernd im Wege ständen. Ein Erzberger,
dessen Kredit durch den militärischen Rückschlag stark gehoben wurde,
hatte sich anheischig gemacht, in einer kurzen Unterredung mit Lloyd
George den Frieden herbeizuführen. Da mußte es doch wohl an der
Untüchtigkeit oder dem bösen Willen der Regierenden liegen, wenn der
Friede trotzdem nicht gekommen war! Der ganze Groll des leidenden und
hungernden Volkes war von den Einbläsern der öffentlichen Meinung, statt
gegen die Unerbittlichkeit unserer Feinde, gegen die Unersättlichkeit der
Annexionisten und Kriegsgewinnler des eigenen Landes gelenkt worden.
Diese verhängnisvolle Stimmung wurde dadurch noch gesteigert, daß
gewissenlose Agitatoren und verblendete Flagellanten das Gift des
Zweifels an der Reinheit und Gerechtigkeit unserer Sache in die Herzen
des Volkes träufelten. In Handzetteln und Flugblättern, in durchsichtigen
Andeutungen und allmählich auch in offener Rede wurde die deutsche
Regierung und wurde vor allem der Kaiser beschuldigt, den Krieg
herbeigeführt zu haben. Der Elende, der bald nach Kriegsbeginn in feiger
Anonymität und im sicheren Schutz eines neutralen Landes mit seinem
»J'accuse« als falscher Ankläger gegen das eigene Vaterland aufgetreten
war, fand immer mehr Nachahmer und Gläubige.

Das alles erzeugte den verhängnisvollen Wahn, daß wir uns nur zur
deutschen »Schuld« zu bekennen, die Hand gegen die »Schuldigen« zu
erheben und die Waffen niederzulegen brauchten, um unsere Feinde zu
versöhnen und einen gerechten Frieden herbeizuführen.

Die feindlichen Staatsmänner und die feindliche Presse wußten diesen Wahn
vortrefflich zu nähren und zu züchten. Vor allem waren die Worte des
Präsidenten Wilson raffiniert darauf berechnet, das deutsche Volk gegen
seine »Machthaber« aufzureizen und ihm den Frieden der Völkerversöhnung
zu verheißen, wenn es sich nur seiner »militärischen Herren und
monarchischen Autokraten« entledigen, seine Waffen niederlegen und seine
Sache vertrauensvoll dem hohen Gerechtigkeitssinn seiner Feinde
übergeben wollte. Es verschlug nichts, daß die Taten mit diesen
gleißenden Worten nicht im Einklang standen; es verschlug nichts, daß
seit unserem Ersuchen um Waffenstillstand vom 5. Oktober Woche auf Woche
verging, ohne daß unsere Feinde sich beeilten, dem sinnlos gewordenen
Morden ein Ende zu machen; es verschlug nichts, daß jene edlen
Menschenfreunde das deutsche Heer, dessen kampfloser Rückzug hinter die
Reichsgrenze ihnen angeboten war, Stunde für Stunde mit einem
unaufhörlich niederprasselnden Hagel von Geschossen aller Kaliber
überschütteten, daß sie Woche auf Woche durch hinhaltende Rückfragen den
Zeitpunkt hinausschoben, der den verderbenspeienden Feuerschlünden
Einhalt gebieten sollte. Unser Volk war in seinen blind gewordenen Massen
auch durch diesen handgreiflichen Beweis des Kriegs- und
Vernichtungswillens unserer Feinde nicht mehr zu belehren. Im
Gegenteil, statt daß jenes Hinauszögern von Waffenstillstand und
Friedensverhandlungen und die offenbar absichtliche Verlängerung des
Menschenmordens unserem Volk die Augen über die wahre Gesinnung und die
wahren Pläne unserer Feinde geöffnet hätte, vollendete der über Heimat
und Heer verhängte Druck der Ungewißheit im Verein mit der hilflosen und
jammervollen Haltung unserer »Volksregierung« gegenüber den uns von Herrn
Wilson mit jeder seiner Noten angesonnenen Demütigungen das Werk der
Zermürbung und des Zusammenbruchs.

Der Kaiser, der alsbald nach der Verabschiedung des Grafen Hertling zur
Beratung des Weiteren in Berlin eingetroffen war, hatte gegenüber dem
stürmischen Verlangen der Mehrheitsparteien und ihrer Regierung nach
Änderungen der Verfassung, die den größten und wichtigsten Teil der
Kronrechte auf die Volksvertretung übertrugen und das Deutsche
Reich aus einem konstitutionell-monarchischen Staate zu einer
radikal-demokratischen Schattenmonarchie machten, keinerlei Widerstand
geleistet. Er hatte die Verfassungsänderungen nicht nur hingenommen und
gebilligt, er war auch -- niemand zweifelte daran -- gewillt und
entschlossen, sie loyal durchzuführen und sich ehrlich und aufrichtig dem
neuen Zustand anzupassen. Bei der Vollziehung der Reformgesetze am 28.
Oktober richtete er an den Prinzen Max einen Erlaß, in dem er dies zum
Ausdruck brachte. In diesem Erlaß sagte er:

»Vorbereitet durch eine Reihe von Regierungsakten tritt jetzt eine neue
Ordnung in Kraft, welche grundlegende Rechte von der Person des Kaisers
auf das Volk überträgt. Damit wird eine Periode abgeschlossen, die vor
den Augen künftiger Geschlechter in Ehren bestehen wird. Trotz aller
Kämpfe zwischen überkommenen Gewalten und emporstrebenden Kräften hat sie
unserem Volke jene gewaltige Entwicklung ermöglicht, die sich in den
wunderbaren Leistungen dieses Krieges unvergänglich offenbart. In den
furchtbaren Stürmen der vier Kriegsjahre aber sind alte Formen
zerbrochen, nicht um Trümmer zu hinterlassen, sondern um neuen
Lebensgestaltungen Platz zu machen. Nach dem Vollbringen dieser Zeit hat
das deutsche Volk den Anspruch, daß ihm kein Recht vorenthalten wird, das
ihm eine freie und glückliche Zukunft verbürgt. Dieser Überzeugung
verdanken die jetzt vom Reichstag angenommenen und erweiterten Vorlagen
der verbündeten Regierungen ihre Entstehung. Ich aber trete diesen
Beschlüssen der Volksvertretung mit meinen hohen Verbündeten bei, in dem
festen Willen, was an mir liegt, an ihrer vollen Auswirkung
mitzuarbeiten, überzeugt, daß ich damit dem Wohle des deutschen Volkes
diene. Das Kaiseramt ist Dienst am Volke.«

Dieser am 28. Oktober vom Kaiser unterzeichnete Erlaß ist aus Gründen,
die noch der Aufklärung bedürfen, erst fünf Tage später, am 2. November,
veröffentlicht worden, in einem Zeitpunkt, zu dem sich der Kaiser wieder
in das Große Hauptquartier begeben hatte und zu dem im Anschluß an die
nicht mehr verhüllten Ausführungen der Wilsonschen Note vom 23. Oktober
die Frage der Abdankung des Kaisers unter Duldung der Reichsregierung
bereits zum Gegenstand einer heftigen Erörterung in voller Öffentlichkeit
geworden war. Die Abdankung des Kaisers und der Thronverzicht des
Kronprinzen wurden mit der Begründung verlangt, daß durch einen solchen
Schritt die dem deutschen Volke drohenden Friedensbedingungen erleichtert
werden würden. Die Frage der Staatsform wurde geflissentlich
beiseitegelassen; ja die Befürworter der Abdankung des Kaisers
behaupteten, daß allein die Erfüllung ihrer Forderung die Dynastie der
Hohenzollern und die Monarchie retten könne.

Es waren nicht einmal die Sozialdemokraten gewesen, die mit der
öffentlichen Behandlung der Kaiserfrage vorangegangen waren, sondern
demokratische Blätter, wie die »Frankfurter Zeitung« und das »Berliner
Tageblatt«. Die Mehrheitssozialisten scheinen sogar anfänglich
geschwankt zu haben, ob eine Abdankung des Kaisers unter den
obwaltenden Verhältnissen erwünscht und nützlich sei. Erst nachdem
bürgerlich-demokratische Blätter und bürgerlich-demokratische
Versammlungen -- so am 31. Oktober in München -- laut und ungestraft nach
der Abdankung des Kaisers und des Kronprinzen gerufen hatten, scheint der
Sozialdemokratie voll zum Bewußtsein gekommen zu sein, was sie jetzt
wagen könne. Sie übernahm nun in dieser neuen Umsturzbewegung die
Führung. Herr Scheidemann brachte die Abdankungsfrage vor das
Kriegskabinett.

Ehe noch das Kriegskabinett zu einem Entschluß kam, vollzogen sich in der
Flotte die Ereignisse, die zur offenen Revolution führten.

In den letzten Oktobertagen sollte die Hochseeflotte auslaufen, um die
durch die Einstellung des U-Bootkriegs gegen Handelsschiffe für rein
militärische Zwecke freigewordene Tauchbootflotte bei einer Aktion gegen
die britische Kriegsflotte zu unterstützen. Auf einem Teil der Schiffe
verweigerten die durch die revolutionäre Propaganda aufgewiegelten
Mannschaften die Ausfahrt. Es war die Ausführung des Programms, das schon
dem Komplott vom Sommer 1917 zugrundegelegen hatte. Der Versuch, gegen
die meuternden Mannschaften vorzugehen, führte zu dem Aufruhr in Kiel,
der alsbald auch auf andere Seestädte, vor allem auf Hamburg und Bremen,
übersprang. Nach russischem Muster wurden Soldaten- und Arbeiterräte
gebildet, die sich der politischen Gewalt bemächtigten. Auch die in jenen
Städten garnisonierenden Landtruppen erwiesen sich als unzuverlässig. Die
Regierung verlegte sich gegenüber den Meuterern und Aufständischen auf
das Verhandeln; sie wählte damit den sichersten Weg, um aus Revolten die
Revolution entstehen zu lassen.

Am 7. November kam es in München zum gewaltsamen Umsturz. Soldaten-,
Arbeiter- und Bauernräte proklamierten die Absetzung des Königs und die
Errichtung einer demokratisch-sozialistischen Republik. Auch aus anderen
Städten des Reiches kamen Nachrichten von Tumulten und Revolten.

Berlin selbst war verhältnismäßig ruhig. Der Oberstkommandierende in den
Marken suchte die Bewegung durch seine Maßnahmen -- Verbot der für den 7.
November von den Unabhängigen Sozialdemokraten angekündigten
Massenversammlung und Verbot der Bildung von Arbeiterräten -- im Keim zu
ersticken. Die Zivilregierung, der er seit Inkraftsetzung der neuen
Ordnung unterstellt war, desavouierte ihn jedoch.

Die Parteileitung der Mehrheitssozialisten fürchtete jetzt offenbar, den
Anschluß an die Revolution zu versäumen. Sie beauftragte am 7. November
den Staatssekretär Scheidemann, im Kriegskabinett zu fordern, daß die
Versammlungsverbote aufgehoben und daß Polizei und Militär zur äußersten
Zurückhaltung angehalten würden; ferner verlangte sie die sofortige
Umbildung der preußischen Regierung im Sinne der Reichstagsmehrheit, die
Verstärkung des sozialdemokratischen Einflusses in der Reichsregierung
und die Abdankung des Kaisers sowie den Thronverzicht des Kronprinzen bis
zum nächsten Mittag. Dieses Ultimatum, bei dessen Nichterfüllung die
Mehrheitssozialisten mit ihrem »Austritt aus der Regierung«, d. h. ihrem
Übergang zur Revolution drohten, wurde am folgenden Tage verlängert, und
zwar bis zum Abschluß des Waffenstillstandes, dessen Unterzeichnung für
die nächsten Tage erwartet wurde und dessen Zustandekommen die
Sozialdemokraten durch ihren Austritt aus der Regierung zu gefährden
fürchteten.

Ein Zufall ließ mich dem Staatssekretär Scheidemann am Abend des 8.
November im Vestibül des Reichskanzlerhauses begegnen. In sichtlicher
Erregung sagte er mir: »Wenn nur der Kaiser endlich einen Entschluß faßt
und abdankt -- heute noch! Sonst kann ich keine Garantie übernehmen.« Auf
meine Frage: »Und wenn der Kaiser abdankt, welche Garantie können Sie
dann übernehmen?« -- war ein Achselzucken die einzige Antwort.

Der nächste Tag brachte die Revolution in Berlin.

Als am Vormittag des 9. November die Nachricht an das unter dem Vorsitz
des Prinzen Max im Reichskanzlerhaus versammelte Kriegskabinett gelangte,
daß sich demonstrierende Arbeiterzüge nach dem Innern der Stadt bewegten
und daß ein Teil der in Berlin garnisonierenden Truppen, vorwiegend
Ersatzbataillone, sich der revolutionären Bewegung angeschlossen habe, da
ließ der Reichskanzler Prinz Max von Baden die Abdankung des Kaisers und
Königs und den Thronverzicht des Kronprinzen öffentlich bekanntmachen,
obwohl die Verhandlungen mit dem Kaiser über seine Abdankung noch nicht
abgeschlossen waren und eine Abdankungserklärung noch nicht vorlag, und
obwohl mit dem Kronprinzen wegen eines Thronverzichtes überhaupt noch
nicht Fühlung genommen worden war. Gleichzeitig faßte das Kriegskabinett,
wie mir von einem seiner Mitglieder am Nachmittag mitgeteilt worden ist,
den später angezweifelten Beschluß, daß den Demonstranten und Aufrührern
kein bewaffneter Widerstand entgegengesetzt werden dürfe. Schon vorher
hatte der Oberstkommandierende in den Marken aus eigener Initiative einen
ähnlichen Befehl ausgegeben.

So kapitulierten die bürgerlichen und militärischen Behörden kampflos, ja
ohne jeden Versuch eines Widerstandes.

Prinz Max hatte noch in seiner Bekanntmachung über die angebliche
Verzichtleistung des Kaisers und des Kronprinzen erklärt, er werde als
Reichskanzler so lange im Amte bleiben, bis die mit dieser
Verzichtleistung und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen
geregelt seien; er beabsichtige, dem Regenten die Ernennung des
Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfs
wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine
verfassunggebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es
obliegen würde, die künftige Staatsform des Deutschen Reiches endgültig
festzustellen. Der Vizekanzler von Payer, den ich am Nachmittag besuchte,
sprach sich mir gegenüber dahin aus, daß eine Änderung der
Reichsverfassung nicht beabsichtigt sei und nur die Ernennung eines
Regenten und die Bildung eines neuen Reichskabinetts unter
sozialdemokratischer Führung in Frage komme; es sei nur noch die Frage
offen, ob in dem neuen Kabinett auch die Unabhängigen Sozialdemokraten
vertreten sein würden, die ihren Eintritt von der Bedingung abhängig zu
machen schienen, daß die Regierung unter Ausschluß aller bürgerlichen
Elemente lediglich aus Sozialdemokraten zusammengesetzt werden solle.

Inzwischen aber hatte Herr Scheidemann um zwei Uhr nachmittags von der
großen Freitreppe des Reichstags herab die Republik proklamiert. Prinz
Max hatte die Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskanzlers, ohne die
Einsetzung der am Vormittag von ihm angekündigten Regentschaft zu
betreiben, dem Abgeordneten Ebert übertragen und schickte sich an, Berlin
zu verlassen, um sich nach seiner badischen Heimat zu begeben. Die
beiden sozialdemokratischen Gruppen einigten sich und bildeten für die
Regierung des Reiches einen »Rat der Volksbeauftragten«, der aus je drei
Mehrheitssozialisten und Unabhängigen zusammengesetzt wurde.

Der »Sieg der Revolution« wurde durch den offiziellen Telegraphen alsbald
der Welt mitgeteilt; vor allem dem deutschen Heer in der Heimat, in den
Etappen und an der Front, und zwar mit der Aufforderung, sofort überall
Soldatenräte zu bilden. Während die Fronttruppen in ihrer überwiegenden
Mehrzahl den Nachrichten aus der Heimat verständnislos gegenüberstanden
und sich gegenüber der Aufforderung zur Zertrümmerung der militärischen
Organisation und Disziplin ablehnend verhielten, gingen die in den
Etappen stehenden, durch die sozialistische und bolschewistische
Agitation zersetzten Verbände alsbald mit fliegenden Fahnen zur
Revolution über. Was in jenen Tagen in den besetzten Gebieten des Ostens
und Westens angesichts von Polen, Belgiern und Franzosen an
Kopflosigkeit, an Feigheit, an nationaler Gesinnungs- und Würdelosigkeit
geleistet worden ist, wird für alle Zeiten ein Schandfleck auf dem
deutschen Namen sein.

So wurde in dem Augenblick, in dem die deutschen Unterhändler im
Walde von Compiègne aus den Händen des Marschalls Foch die
Waffenstillstandsbedingungen unserer Feinde entgegennahmen, das Gefüge
des deutschen Heeres zerschlagen und damit die letzte Möglichkeit eines
Widerstandes gegen die von unseren Feinden uns zugedachte Knebelung und
Vernichtung zerstört.

Der Kaiser, dessen Abdankung über seinen Kopf hinaus von dem Prinzen Max
veröffentlicht und von den revolutionären Machthabern in Berlin dem Heere
mitgeteilt worden war, fügte sich dem Drängen seiner Umgebung; um dem
deutschen Volke in seiner schwersten Stunde den Bürgerkrieg zu ersparen,
verzichtete er auf jeden Versuch eines Widerstandes und begab sich am
Abend des 9. November nach Holland. Der Kronprinz, dessen Anerbieten,
auch unter der neuen Regierung weiterzudienen und seine Armee nach der
Heimat zu führen, von der revolutionären Berliner Regierung abgelehnt
wurde, folgte dem Beispiel seines kaiserlichen Vaters.

Inzwischen waren die Waffenstillstandsbedingungen in Berlin eingetroffen.
Sie verlangten von uns innerhalb kurzbemessener Fristen die Räumung der
von unseren Truppen besetzten Gebiete und des linken Rheinufers sowie der
mit einem Halbkreis von 30 Kilometer Halbmesser auf das rechte Rheinufer
hinüberreichenden Brückenköpfe von Mainz, Koblenz und Köln; ferner die
Räumung Ostafrikas von unserer Schutztruppe, die sich dort in dem mehr
als vierjährigen Kampfe gegen eine vielfache Übermacht ehrenvoll
behauptet hatte; weiter die Auslieferung eines großen Teils unseres
Kriegsmaterials an Geschützen, Maschinengewehren, Minenwerfern,
Flugzeugen; desgleichen die Auslieferung eines großen Teils unserer
Kriegsflotte einschließlich sämtlicher U-Boote, und die Desarmierung des
uns zunächst belassenen Restes von Kriegsschiffen; außerdem die
Auslieferung eines ansehnlichen Teiles unseres Bestandes an Lokomotiven,
Güterwagen und Lastautomobilen. Dabei wurde die gegen Deutschland
verfügte Handels- und Hungerblockade aufrechterhalten und die Versorgung
Deutschlands mit Lebensmitteln während des Waffenstillstandes »in dem für
notwendig erachteten Maße« in die Hände unserer Feinde gelegt.

Was von uns verlangt wurde, war nichts anderes als eine bedingungslose
Unterwerfung. Der Ausbruch der Revolution, die Entthronung des Kaisers
und die Beseitigung der Hohenzollerndynastie haben uns weder damals noch
späterhin die von unseren Pazifisten und Illusionisten erhofften
Milderungen gebracht.

Die erste Tat des »Rates der Volksbeauftragten« war ein offenes Telegramm
an die deutsche Waffenstillstandsdelegation, daß die Bedingungen des
Marschalls Foch anzunehmen seien.

Um die Mittagszeit des 11. November 1918 trat der Waffenstillstand in
Kraft. Die Geschütze, die bis zum letzten Augenblick mit ungeschwächter
Wut ihr Vernichtungswerk verrichtet hatten, verstummten auf allen
Fronten. Der größte und blutigste Krieg der Weltgeschichte war zu Ende.

                    *       *       *       *       *

Länger als vier Jahre hindurch hatte das deutsche Volk, von fremder Hilfe
fast völlig abgeschnitten, die ungeheure Last des Krieges getragen, hatte
das deutsche Heer, nur von wenigen und schwächeren Bundesgenossen
unterstützt, in wunderbaren Waffentaten sich der erdrückenden Übermacht
an Menschen und Kriegsmaterial erwehrt. Das Aufgebot und die Anspannung
aller Tugenden des deutschen Volkstums waren nahe daran, das Wunder des
siegreichen Widerstandes gegen eine Welt zu verwirklichen.

Unsere physischen und moralischen Kräfte haben nicht ausgereicht, um das
Höchste zu vollbringen. Sie haben uns vor dem Ziel im Stich gelassen. So
ist das deutsche Volk von den Höhen, die es in Jahrzehnten und
Jahrhunderten friedlicher Arbeit erklommen, die es in dem Ringen des
Krieges in unvergleichlicher Gegenwehr behauptet hatte, hinabgestürzt in
den dunklen Abgrund, in dem es jetzt wehrlos in den Klauen
erbarmungsloser Feinde um Sein oder Nichtsein ringt.

Und doch, so schwer uns das Schicksal geschlagen hat, durch unsere Feinde
und mehr noch durch uns selbst -- die Hoffnung will uns nicht verlassen.
Besiegt und gedemütigt, entwaffnet und verarmt gehen wir aus der
Völkerdämmerung hervor, sehen wir uns in eine Welt gestellt, die ihr
Angesicht von Grund aus verändert hat. Aber wir können in uns das
Bewußtsein tragen, daß keine der Nationen, die sich des Sieges rühmen, in
diesem Kriege ein solches Maß von innerer Kraft und Tüchtigkeit entfaltet
hat wie unser deutsches Volk. Ein ungeheurer Druck von Zahl und Masse,
wie er niemals in der Geschichte aller Zeiten von einem einzelnen Volk zu
tragen war, hat schließlich unsere Kraft erlahmen lassen, hat uns gebeugt
und allen bösen Geistern Gewalt über uns gegeben. Aber dieser Niederbruch
kann nicht das Ende sein. Wir denken zurück an die schwersten Zeiten
unserer Geschichte. Wir denken an die grauenhafte Verwüstung des
Dreißigjährigen Krieges, die nach dem Worte Treitschkes den Untergang des
deutschen Namens anzukündigen schien und der Anfang eines neuen Lebens
geworden ist. Wir denken an die Wiedergeburt deutscher Gesittung und
deutscher Macht, in der unser Volk sich mehr als einmal aus tiefstem
Elend und niedrigster Schmach erhoben hat. In aller Not und Bedrückung
des Tages richten wir den Blick auf den weiten Horizont der Zukunft,
glauben wir an die Unzerstörbarkeit des deutschen Wesens und den
unveräußerlichen Beruf des deutschen Volkes in dem Aufstieg der
Menschheit.




                                Nachtrag


Veranlaßt durch die Rede des Reichsfinanzministers Erzberger in der
Nationalversammlung vom 25. Juli 1919 ist eine Erörterung über die auf
den Seiten 171 und 172 dieses Bandes kurz behandelte Episode eines
vermeintlichen englischen Friedensfühlers im September 1917 entstanden,
die über die diplomatischen Vorgänge jener Zeit und darüber hinaus auch
auf den Hintergrund der Aktion des damaligen Abgeordneten Erzberger vom
Juli 1917 genauere Aufklärung gebracht hat. Diese Aufklärung hat die von
mir in diesem Bande gegebene Darstellung vollauf bestätigt. Sie hat sie
aber gleichzeitig durch so wichtige Einzelheiten ergänzt, daß es mir
notwendig erscheint, in Form dieses Nachtrags die wichtigsten Ergebnisse
zusammenzufassen.

Ich habe oben auf den Seiten von 144 an die Anzeichen erwähnt, die vom
Mai 1917 an eine aufkeimende Geneigtheit der Westmächte zu
Friedensgesprächen erkennen ließen:

die Äußerung des französischen Außenministers Ribot zu dem italienischen
Botschafter in Paris, daß Frankreich der Erschöpfung entgegengehe;

die französischen Versuche, Besprechungen mit Vertrauensleuten der
Zentralmächte aufzunehmen;

die alarmierenden Mitteilungen, die Lloyd George in Paris über die
Wirkungen des U-Bootkriegs auf die Ernährungslage Englands machte.

Diese meine Mitteilungen haben jetzt eine Bestätigung erfahren in den
Veröffentlichungen des früheren deutschen Botschafters in Wien, Grafen
Botho Wedel. Dieser berichtet, daß nach den Mitteilungen eines
französischen Diplomaten in jener kritischen Zeit Lloyd George und Ribot
drauf und dran waren, nach Rom zu reisen, um mit der italienischen
Regierung wegen Einleitung von Friedensschritten zu verhandeln.

Desgleichen hat sich bestätigt, daß diese aufkeimende Friedensneigung bei
unsern Feinden zerstört wurde durch die Aktion, die der Abgeordnete
Erzberger mit einem scharfen Vorstoß im Hauptausschuß des Reichstags am
6. Juli 1917 einleitete und die in ihrem Ergebnis zum Rücktritt des
Reichskanzlers von Bethmann Hollweg und zur Friedensresolution des
Reichstags vom 19. Juli 1917 führte.

Wir sehen heute tiefer in die Zusammenhänge dieser Erzbergerschen Aktion.
Wir wissen durch den Grafen Czernin, daß Herr Erzberger in den Besitz des
Geheimberichts des Grafen an den Kaiser Karl vom 12. April 1917 (S. 62
ff.) gelangte, der von seinem Verfasser ausschließlich für die beiden
Kaiser und den deutschen Reichskanzler bestimmt war. Dieser Bericht, der
den Zweck verfolgte, den deutschen Kaiser für einen Verzicht auf
Elsaß-Lothringen geneigt zu machen, stellte die Lage Österreich-Ungarns
in den schwärzesten Farben dar. Jede Indiskretion mußte deshalb besonders
gefährlich wirken.

Herr Erzberger hat diesen Geheimbericht, wie Graf Czernin sagt, von einer
»nichtverantwortlichen Seite« erhalten, und zwar hinter dem Rücken des
für die österreichisch-ungarische Außenpolitik verantwortlichen Grafen.
Wir wissen heute, daß die »nichtverantwortliche Seite« Kaiser Karl selbst
war, derselbe, der wenige Wochen zuvor jenen mit dem Bundesverhältnis
zwischen den beiden Reichen nicht zu vereinbarenden Brief an seinen
Schwager, den Prinzen Sixtus von Parma, gleichfalls hinter dem Rücken
seines Außenministers, geschrieben hatte. Herr Erzberger behauptet, den
Bericht ohne einen andern Auftrag als den der Geheimhaltung seiner
Herkunft erhalten zu haben. Das hat offenbar seine Richtigkeit; denn auch
Graf Czernin, der in Übereinstimmung mit dem Grafen Wedel feststellt, daß
Herr Erzberger den Geheimbericht nicht geheimgehalten habe, sagt
ausdrücklich, daß Herr Erzberger dabei »im Sinne seiner Auftraggeber«
gehandelt habe.

Insbesondere hat Herr Erzberger den Geheimbericht des Grafen Czernin in
einer Sitzung des Reichsausschusses der Zentrumspartei, die unmittelbar
nach der Beschlußfassung des Reichstags über die Juliresolution in
Frankfurt a. M. stattfand, zur Verlesung gebracht. Graf Wedel und Graf
Czernin sagen aus, daß durch die Erzbergersche Indiskretion der
Geheimbericht zur Kenntnis unserer Feinde kam. Mit Recht sagt Graf
Czernin:

»Ein jeder, der meinen Bericht liest, kann sich eine Vorstellung von den
Folgen machen.«

Die Folgen waren handgreiflich.

Die durch die Kenntnis des Czerninschen Geheimberichts verstärkte Wirkung
der Erzbergerschen Aktion im deutschen Reichstag war, daß bei unsern
Feinden die Überzeugung hervorgerufen wurde, die Zentralmächte ständen
unmittelbar vor dem inneren Zusammenbruch. Man habe es infolgedessen
nicht mehr nötig, mit ihnen zu verhandeln, der volle Sieg werde der
Entente in kurzer Zeit als reife Frucht in den Schoß fallen.

Unter diesen Umständen unterblieb die Romreise der Herren Lloyd George
und Ribot, und es folgten unmittelbar auf die Friedensresolution des
Reichstags die oben (S. 147 und 148) aufgezählten Erklärungen der
Ententeminister, die jeden Verständigungsfrieden auf Grund des
Besitzstandes vor dem Krieg weit von sich wiesen.

Die neu bekanntgewordenen Tatsachen haben also die Auffassung bestätigt,
daß die Aktion des Herrn Erzberger im Sommer 1917 die damals aufkeimende
Friedensgeneigtheit unserer westlichen Feinde zerstörte und in ihr
Gegenteil, in den entschlossenen Willen zum Durchkämpfen des Krieges,
verkehrte.

Offenbar, um den Eindruck dieser Feststellungen abzuschwächen, hat Herr
Erzberger als Reichsfinanzminister und stellvertretender Vorsitzender des
Reichsministeriums in der Sitzung der Nationalversammlung vom 25. Juli
1919 den Versuch gemacht, nachzuweisen:

daß eine ernste Friedensmöglichkeit, geschaffen durch ein die Vermittlung
des Vatikans benutzendes englisches »Angebot«[6], noch im August und
September 1917 an die deutsche Regierung herangekommen sei,

daß aber dieses englische, angeblich nur an die Wiederherstellung der
territorialen Integrität und der Souveränität Belgiens geknüpfte
Friedensangebot von der politischen Leitung des Reichs unter dem Druck
der obersten Heeresleitung, der Schwerindustrie und der Alldeutschen
ausgeschlagen worden sei.

  [6] Herr Erzberger hat später bestritten, von einem englischen
      »Friedensangebot« gesprochen zu haben. Nach dem im Reichsanzeiger
      veröffentlichten ersten Bericht über seine Rede hat er ausdrücklich
      von einem »Angebot Englands« gesprochen, dem die französische
      Regierung sich angeschlossen habe. Im amtlichen stenographischen
      Bericht, der erst etwa 10 Tage später ausgegeben wurde, sind diese
      Worte allerdings nicht enthalten; wohl aber ist dort an einer
      späteren Stelle die Rede von der »von England mit Vermittlung des
      Heiligen Stuhles eingeleiteten Friedensaktion«.

Es handelt sich hier um die oben (S. 171 und 172) behandelten Vorgänge.

Die inzwischen veröffentlichten Dokumente geben ein vollständiges Bild,
das sich folgendermaßen darstellt:

Die angebliche englische Friedensaktion steht im engsten Zusammenhang mit
der vom 1. August 1917 datierten, an alle kriegführenden Mächte
gerichteten Friedensnote des Papstes und kann nur im Zusammenhang mit
der päpstlichen Friedensaktion betrachtet und verstanden werden.

Die Anfänge der päpstlichen Friedensaktion reichen in den Monat Juni 1917
zurück. Die Seite 147 von mir erwähnten Besprechungen des apostolischen
Nuntius Pacelli mit dem Reichskanzler von Bethmann Hollweg, denen eine
Audienz des Nuntius beim Kaiser im Großen Hauptquartier folgte, dienten
offensichtlich dem Zweck, den Boden für die damals schon geplante
päpstliche Friedensaktion zu sondieren. Es kann nicht zweifelhaft sein,
daß um die gleiche Zeit ähnliche Sondierungen von vatikanischer Seite
auch bei unsern Gegnern vorgenommen wurden.

Das Ergebnis seiner Sondierung bei den für die deutsche Politik
maßgebenden Männern beurteilte der Nuntius Pacelli günstig; er selbst hat
sich mir gegenüber, wie oben (S. 147) erwähnt, in hohem Maße befriedigt
über seine Unterhaltungen mit Herrn von Bethmann ausgesprochen und hat
späterhin, wie gleichfalls oben (S. 149) erwähnt, sich dahin geäußert,
daß ohne den -- durch die Erzbergersche Aktion herbeigeführten -- Abgang
des Herrn von Bethmann die Friedensaussichten gute gewesen seien.

Es ist anzunehmen, daß auch die Sondierungen des Vatikans bei unsern
Gegnern damals ein günstiges Ergebnis hatten; andernfalls wäre der
päpstliche Friedensschritt wohl unterblieben. Es deckt sich auch ganz
mit meiner Auffassung über die damals bei unsern Feinden aufkeimende
Friedensneigung, daß die Ende Juni erfolgenden päpstlichen Sondierungen
auch bei unsern Gegnern auf Ermunterung stoßen mußten.

Vom Ende des Monats Juni bis zu dem offiziellen Vorgehen des Papstes mit
seiner Friedensnote ist dann ein längerer Zeitraum vergangen. Die
päpstliche Note ist vom 1. August datiert und ist am 14. August in Berlin
und um dieselbe Zeit in sämtlichen Hauptstädten der kriegführenden
Großmächte überreicht worden. Der Aufschub dürfte seine Erklärung wohl in
der durch den Erzbergerschen Vorstoß vom 6. Juli heraufbeschworenen
inneren Krisis in Deutschland und dem Kanzlerwechsel finden. Die Kurie
mußte sich nun erst darüber vergewissern, ob auch unter der Kanzlerschaft
des Herrn Michaelis in Deutschland dieselbe Friedensbereitschaft wie
unter Herrn von Bethmann fortbestehe.

Das war der Fall.

Aber inzwischen hatte sich gerade infolge der krisenhaften Vorgänge in
Deutschland und infolge der Erzbergerschen Indiskretion mit dem
Geheimbericht des Grafen Czernin bei unsern westlichen Feinden die
Auffassung geändert: Als die päpstliche Note Mitte August überreicht
wurde, war die Verhandlungsbereitschaft, die einige Wochen vorher bei der
vorbereitenden Sondierung noch bestanden hatte, infolge der
Erzbergerschen Aktion verschwunden.

Es läßt sich denken, daß die britische Regierung bei dieser veränderten
Sachlage durch den offiziellen Friedensschritt des Papstes in eine
gewisse Verlegenheit gesetzt wurde: sie hatte vor wenigen Wochen zu einem
solchen Schritt ermuntert oder sich jedenfalls nicht abgeneigt gezeigt,
ihn mit Sympathie aufzunehmen; jetzt war sie entschlossen, an ihren
alten, nur von einem niedergeworfenen Deutschland erzwingbaren
Kriegszielen festzuhalten und infolgedessen dem päpstlichen Schritt keine
Folge zu geben.

Diese Verlegenheit der britischen Regierung hat die Mitteilung des
Foreign Office an den britischen Gesandten beim Vatikan, den Grafen
Salis, vom 21. August 1917, die später als »Friedensangebot« ausgegeben
worden ist, offensichtlich diktiert. Hier der Wortlaut:[7]

    »Wir haben noch keine Gelegenheit gehabt, unsere Verbündeten über die
    Note seiner Heiligkeit zu befragen, und sind nicht in der Lage, uns
    über eine Beantwortung der Vorschläge Seiner Heiligkeit betreffend
    Bedingungen eines dauernden Friedens zu äußern. Unserer Ansicht nach
    besteht keine Wahrscheinlichkeit dafür, diesem Ziele näherzukommen,
    solange sich nicht die Zentralmächte und ihre Verbündeten in
    offizieller Form über ihre Kriegsziele und darüber geäußert haben, zu
    welchen Wiederherstellungen und Entschädigungen sie bereit sind,
    durch welche Mittel in Zukunft die Welt vor der Wiederholung der
    Greuel, unter denen sie jetzt leidet, bewahrt werden könnte: Selbst
    hinsichtlich Belgiens (und in diesem Punkte haben die Zentralmächte
    anerkannt, im Unrecht zu sein) ist uns niemals eine bestimmte
    Erklärung über ihre Absicht bekannt geworden, die völlige
    Unabhängigkeit wiederherzustellen und die Schäden wieder gutzumachen,
    die sie es hat erdulden lassen. Seiner Eminenz dürften zweifellos die
    Erklärungen gegenwärtig sein, die von den Alliierten in Beantwortung
    der Note des Präsidenten Wilson abgegeben worden sind. Weder von
    Österreich noch von Deutschland ist jemals eine solche (equivalent)
    Erklärung erfolgt. Ein Versuch, die Kriegführenden in Übereinstimmung
    zu bringen, erscheint so lange vergeblich, als wir nicht über die
    Punkte im klaren sind, in denen ihre Ansichten auseinandergehen.«

  [7] Der nachstehend wiedergegebene Wortlaut ist der von der deutschen
      Regierung bekanntgegebene und entspricht nach einer
      Veröffentlichung der Kurie in der Florentiner »Unità Cattolica« dem
      von dem Grafen Salis dem Kardinalstaatssekretär überlassenen Text.
      Der von der britischen Regierung in dem Weißbuch vom 12. August
      1918 wiedergegebene englische Text zeigt nicht unerhebliche
      Abweichungen. So lautet dort der Eingang:

        »Da die Regierung Seiner Majestät noch nicht in der Lage war,
        ihre Verbündeten über die Vorschläge Seiner Heiligkeit zu
        befragen, kann sie nicht sagen, ob es irgendeinen Zweck hat, eine
        Antwort darauf zu geben, oder, bejahendenfalls, welche Form einer
        solchen Antwort zu geben sein würde.«

      Am Schluß steht der bezeichnende Satz:

        »Sie wollen, wenn sich eine geeignete Gelegenheit bietet, dies
        Seiner Eminenz auseinandersetzen.«

In ihrem Wortlaut und in ihrem Sinn ist diese Instruktion des Foreign
Office an seinen vatikanischen Gesandten das Gegenteil eines
Friedensangebots. Es ist die in höfliche Form gekleidete Ablehnung einer
Beantwortung der päpstlichen Friedensnote unter dem durchsichtigen
Vorwand, daß die Alliierten ja ihre Kriegsziele bereits in ihrer
Antwortnote vom 10. Januar 1917 an den Präsidenten Wilson (Band II, S.
375-378) niedergelegt hätten, von Deutschland aber äquivalente
Erklärungen bisher nicht erfolgt seien. Allein schon der Hinweis auf jene
Antwortnote an den Präsidenten Wilson, die den Versailler Vertrag bereits
=in nuce= enthielt -- mitsamt dem Schuldbekenntnis Deutschlands und
mitsamt der Weigerung, mit Deutschland auf gleichem Fuß zu verkehren --,
stellt den Charakter der Depesche außer Zweifel.

Gerade weil die Depesche diesen Sinn hatte, sprach die französische
Regierung den Wunsch aus, sich gegenüber dem Vatikan den in der Depesche
enthaltenen Gesichtspunkten anschließen zu dürfen. Auch hiervon wurde der
Graf Salis benachrichtigt.

Der Papst und sein Kardinalstaatssekretär, geleitet von dem brennenden
Wunsch, der Welt zum Frieden zu verhelfen, sahen die Depesche, die der
britische Gesandte dem Kardinalstaatssekretär vorzeigte, mit andern Augen
an. Sie wollten in dem Hinweis auf Belgien, der bestimmt war, die Anklage
gegen Deutschland besonders zu unterstreichen, eine Möglichkeit der
Anknüpfung sehen. Der Kardinalstaatssekretär erbat sich von dem
britischen Gesandten das Dechiffré des Telegramms, und der Gesandte
überließ es ihm, nachdem er, wie italienische Zeitungen berichtet haben,
Kopf und Unterschrift weggeschnitten und es so in ein »Aide-Memoire«, wie
der diplomatische Fachausdruck heißt, verwandelt hatte.

Dieses Aide-Memoire wurde nun der deutschen Regierung mitgeteilt, und
zwar mit dem Schreiben des Nuntius Pacelli vom 30. August, das erwähnte,
daß die französische Regierung sich den Darlegungen des Telegramms
angeschlossen habe, die Aufmerksamkeit des Reichskanzlers in besonderer
Weise auf den Belgien betreffenden Passus hinlenkte und zum Ausdruck
brachte, daß nach der Meinung des Kardinalstaatssekretärs »durch eine
befriedigende Erklärung der deutschen Regierung zu diesem Punkte ein
bedeutender Schritt zur weiteren Entwicklung der Verhandlungen gemacht
würde«.

Nach den von dem Unterstaatssekretär im Foreign Office, Herrn Harmsworth,
Anfang August 1919 abgegebenen Erklärungen und nach dem britischen
Weißbuch vom 12. August 1919 hat der Kardinalstaatssekretär dem
britischen Gesandten mitgeteilt, er werde antworten, wenn er von der
deutschen Regierung die von dieser erbetene Erklärung über Belgien
erhalten habe. Um seine Meinung befragt, äußerte sich der Gesandte rein
persönlich dahin, daß eine solche Erklärung über Belgien wünschenswert
sei, aber immerhin sei dieser Punkt nur einer unter vielen Streitpunkten
zwischen den Kriegführenden. Das Foreign Office jedoch ließ seinen
Gesandten wissen, »daß es inopportun sei, sich in eine Teildiskussion
dieser Frage einzulassen«. Der Gesandte erhielt am 26. August den
Auftrag, »in keiner Weise in die Verhandlungen zwischen dem Vatikan und
Deutschland einzugreifen und seine Meinung zurückzuhalten, wenn man ihn
von neuem danach frage«. -- Der britische Gesandte wurde also vom Foreign
Office in aller Form »zurückgepfiffen«. Vorausgegangen war ein dringender
Schritt des französischen Geschäftsträgers, der erklärte: Seine Regierung
habe sich der von dem Grafen Salis dem Vatikan zu machenden Mitteilung
angeschlossen, in der Annahme, daß diese Mitteilung eine mündliche sei
und eine ausführlichere Antwort auf die Papstnote überflüssig machen
werde. Jetzt habe Graf Salis dem Papst ein schriftliches Dokument in die
Hand gegeben, und seine Aktion habe eine Diskussion über das Schicksal
Belgiens eröffnet. Das sei nicht, was die französische Regierung wünsche.
Herr Ribot vertraue, daß die britische Regierung seine Ansicht teile und
dem Grafen Salis Instruktionen geben werde, die alle weiteren Versuche
des Kardinalstaatssekretärs zu einer halboffiziellen Intervention
zwischen den Kriegführenden entmutigen würden. -- Am 30. August -- also
unter dem Datum des Pacelli-Briefs -- teilte das Foreign Office den
britischen Vertretungen bei den verbündeten Regierungen mit, daß nach
seiner Ansicht in Rücksicht auf die -- gänzlich ablehnende -- Note
Wilsons an den Papst keinerlei weitere Antwort irgendwelcher Art an den
Vatikan nötig sei.

Die päpstliche Anfrage an Deutschland ist mithin nicht nur nicht auf
Veranlassung des Foreign Office und der französischen Regierung, sondern
gegen deren Willen erfolgt.

Das Schreiben des Nuntius Pacelli erweckte im Auswärtigen Amte in Berlin
den Eindruck, daß hier immerhin die Möglichkeit eines von der
französischen Regierung ausdrücklich gebilligten Friedensfühlers der
britischen Regierung vorliege. Da aber der Inhalt des dem Schreiben
beigefügten britischen Telegramms sowie andere Wahrnehmungen dem zu
widersprechen und zu beweisen schienen, daß die britische Regierung und
ihre Verbündeten zu ihrem in der Antwortnote an den Präsidenten Wilson
vom 10. Januar 1917 eingenommenen Standpunkt, der jede Verhandlung
ausschloß, zurückgekehrt seien, hielt es der Reichskanzler, dem Rate des
Staatssekretärs von Kühlmann folgend, für geboten, zunächst einmal durch
einen absolut vertrauenswürdigen spanischen Diplomaten, der über
ausgezeichnete Beziehungen zur englischen Regierung verfügte, in London
sondieren zu lassen, ob dort überhaupt Geneigtheit zu Verhandlungen auf
einer für uns annehmbaren Grundlage bestehe. Wie berechtigt diese
Vorsicht war, ergibt die oben geschilderte Haltung des Foreign Office und
der französischen Regierung gegenüber dem vatikanischen Schritt.

Um sich die notwendige Bewegungsfreiheit für die weitere Aktion zu
sichern, hielt der Reichskanzler eine für alle Instanzen bindende
Entscheidung des Kaisers über Belgien für notwendig. Diese Entscheidung
wurde in dem Kronrat vom 11. September 1917 herbeigeführt, der so
verlief, wie ich das oben (S. 171) geschildert habe. Der Kaiser entschied
zugunsten des Antrags des Reichskanzlers und entgegen den von dem Chef
des Admiralstabs und den beiden Vertretern der Obersten Heeresleitung
dargelegten Wünschen dahin, daß die politische Leitung ermächtigt sei,
gegebenenfalls die Wiederherstellung der territorialen Integrität und der
Souveränität Belgiens zuzugestehen, mit dem Vorbehalt einer erneuten
Prüfung, falls der Verzicht auf Belgien nicht bis zum Jahresschluß den
Frieden sichere und so einen neuen Kriegswinter erspare.

Auf der Grundlage dieser kaiserlichen Entscheidung ist der spanische
Vertrauensmann des Herrn von Kühlmann informiert worden. Es wurde ihm
weiter mitgeteilt, daß unsrerseits Voraussetzung für Verhandlungen sei:

1. die Erhaltung unsres vorkriegerischen Besitzstandes einschließlich der
Kolonien,

2. der Verzicht auf Entschädigungen,

3. die Abstandnahme von dem Wirtschaftskrieg nach dem Krieg.

Der später von der Reichsregierung veröffentlichte Briefwechsel zwischen
dem Reichskanzler Michaelis und dem Feldmarschall von Hindenburg vom 12.
und 15. September 1917 ist eine innere deutsche Angelegenheit, die mit
den Aufträgen des spanischen Vertrauensmanns und der ihm gegebenen
Information nicht das mindeste zu tun hatte. Es handelte sich hierbei um
militärische Wünsche, die ebenso wie die wirtschaftlichen Wünsche, die
hinsichtlich Belgiens bestanden, nicht als Vorbehalte gegenüber England
in Betracht kamen, sondern lediglich als Ziele, die in Verhandlungen mit
Belgien angestrebt werden sollten. Die Aktion des neutralen
Vertrauensmanns bei der britischen Regierung ist jedenfalls durch diese
Wünsche in keiner Weise eingeengt oder erschwert worden.

Dagegen stellten sich dieser Aktion andere Hindernisse in den Weg, die
außerhalb des guten Willens der deutschen Stellen lagen und die entgegen
der ursprünglichen Absicht dazu führten, daß die Sondierung des
britischen Kabinetts nicht unmittelbar erfolgte, sondern ihren Weg über
Madrid nahm. Wir wissen aus dem durch die Sowjetregierung
veröffentlichten Geheimbericht des russischen Geschäftsträgers in London
vom 6. Oktober 1917, daß damals der spanische Minister des Auswärtigen
dem britischen Botschafter in Madrid Eröffnungen über Deutschlands
Geneigtheit zu Friedensverhandlungen machte und daß Balfour diese
Eröffnung am 6. Oktober den diplomatischen Vertretern der verbündeten
Großmächte zur Kenntnis brachte. Die Eröffnung des spanischen Ministers
wurde dabei als eine deutsche Friedens-Initiative -- um nicht zu sagen
»Friedens-Offensive« -- aufgefaßt, in einer Weise, die jeden Gedanken an
eine wenige Wochen zuvor versuchte englische Friedens-Initiative
vollkommen ausschließt. Der Bericht des russischen Geschäftsträgers
ergibt weiter, daß man dem deutschen Schritt mit großem Unbehagen und
starkem Mißtrauen gegenüberstand. Man stand unter dem Eindruck,
Deutschlands Absicht sei, »die Alliierten in eine Prüfung der
Friedensbedingungen Deutschlands hineinzuziehen«. Das wollte man
vermeiden. Auf der andern Seite glaubte man, »die deutsche Anfrage nicht
gänzlich unbeantwortet lassen zu können, da man befürchtete, dadurch die
Stellung der deutschen Regierung im eignen Lande zu befestigen und, was
noch wichtiger ist, die schon ohnehin reichlich verwerfliche Agitation in
Rußland zu stärken, in dem Sinn, daß England direkt die völlige
Vernichtung Deutschlands wünsche und Rußland und die andern Verbündeten
mitziehe«. Aus diesen taktischen Erwägungen heraus wurde beschlossen, daß
die englische Regierung durch ihren Botschafter in Madrid folgende
Antwort geben solle:

»Die Regierung Seiner Majestät wäre bereit, eine =Mitteilung=
entgegenzunehmen, welche die deutsche Regierung ihr über den Frieden
abzugeben wünsche, und diese Mitteilung mit ihren Verbündeten zu
beraten.«

Das war weniger als nichts. Es war die Bestätigung dafür, daß auf der
Seite Englands und seiner Verbündeten keine Geneigtheit bestand, in
zweiseitige Verhandlungen einzutreten oder irgendwelche Bedingungen zu
präzisieren, unter denen es zu solchen zweiseitigen Verhandlungen, die
allein Aussicht auf Erfolg boten, bereit sei.

Auch auf spanischer Seite hatte man offenbar sehr stark diesen Eindruck.
Die britische Antwort auf die spanische Eröffnung wurde dort so wenig als
eine Antwort empfunden, daß später, als Balfour im Unterhaus auf eine
Anfrage des Abgeordneten King diese Antwort bekanntgab, Herr von Kühlmann
erklären mußte, die deutsche Reichsregierung habe von der
Bereitwilligkeit des britischen Kabinetts, eine deutsche Mitteilung über
den Frieden entgegenzunehmen, überhaupt erst durch die Erklärung Balfours
im Unterhaus Kenntnis erhalten. Der spanische Vertrauensmann hatte sich
darauf beschränkt, Herrn von Kühlmann wissen zu lassen, daß seine
Sondierung des britischen Kabinetts auf die vermutete Bereitschaft zu
Friedensverhandlungen ein gänzlich negatives Ergebnis gehabt habe.

Damit steht fest, daß die von Herrn Erzberger späterhin konstruierte
englische »Friedensaktion«, die mit Ermächtigung der französischen
Regierung und durch Vermittlung des Heiligen Stuhles eingeleitet worden
sein soll, mit den wirklichen Vorgängen in vollendetem Widerspruch steht.
Auch der Vatikan hat in der bereits erwähnten Veröffentlichung in der
»Unità Cattolica« ausdrücklich festgestellt, daß es sich damals nicht um
»von England oder anderen Ententestaaten ausgehende Friedensvorschläge«
handelte. Eine Bereitschaft Englands, mit uns auf der Grundlage
der Freigabe Belgiens von gleich zu gleich in Verhandlungen
über einen »Verständigungsfrieden« einzutreten, war in jener
Zeit nicht mehr vorhanden. Die im Frühsommer 1917 möglicherweise
vorhandene Friedensbereitschaft Englands war kurz zuvor durch die
habsburgisch-bourbonisch beeinflußten Quertreibereien des Herrn Erzberger
im Keime erstickt worden. Seit dieser Zeit rechnete England auf den Sieg,
wollte England den Sieg und war England entschlossen, allen Verhandlungen
aus dem Wege zu gehen, die ihm die Früchte des Sieges hätten verkümmern
können. Und seine Verbündeten dachten und handelten genau ebenso.

Es ist das Verhängnis Deutschlands geworden, daß unser Volk diese Lage
nicht erkannt hat, daß es vielmehr unter der Einwirkung parteipolitischer
Agitation das Friedenshindernis, statt in dem Vernichtungswillen des
Feindes, im eignen Lande gesucht hat.

                    *       *       *       *       *




                 Zeittafeln und Schlagwortverzeichnisse

                        Zeittafel zum ersten Band


  1878 Berliner Kongreß

  1879 Deutsch-österreichisches Bündnis

  1880 Madrider Konvention (Internation. Marokko-Konferenz)

  1881 Tunis von Frankreich okkupiert

  1882 Ägypten von England okkupiert

  1882 Zustandekommen des Dreibundes durch Hinzutritt Italiens

  1884 Neutralitätsverträge zwisch. Deutschland, Rußland und
       Österreich-Ungarn

  1884 Beginn der deutschen kolonialen Erwerbungen -- Kongo-Konferenz

  1887 Erste Erneuerung des Dreibundes

  1887 Deutsch-russischer Rückversicherungsvertrag

  1887 Englisches Markenschutz-Gesetz (Made in Germany)

  1887 Septennats-Vorlage

  1888 Tod Kaiser Wilhelms I. und Kaiser Friedrichs III., Wilhelms II.
       Thronbesteigung und Romreise

  1888 Suezkanal-Vertrag

  1888 Erste Eisenbahn-Konzession in Kleinasien an eine deutsche
       Gesellschaft (Deutsche Bank)

  1889 Erste russisch-französische Anleihe

  1890 Bismarcks Rücktritt -- Caprivi Reichskanzler
       -- Helgoland-Sansibar-Vertrag

  1890 Deutsch-marokkanischer Handelsvertrag

  1892 Französisch-russische Militärkonvention

  1893 Einführung der zweijährigen Dienstzeit in der deutschen Armee

  1894 Französisch-russisches Bündnis

  1894/95 Japanisch-chinesischer Krieg

  1895 Eröffnung des Nordostseekanals

  1895 Jameson-Reid

  1896/97 Burenkrieg

  1896 Bahnstrecke Eskischehir--Konia (Anatolische Bahn) eröffnet

  1897 Tirpitz Staatssekretär des Reichsmarineamts

  1897 Griechisch-türkischer Krieg

  1897 Deutsche Festsetzung in Kiautschou -- Russische Festsetzung in
       Port Arthur

  1898 Englische Festsetzung in Wei-hai-wei -- Französische
       Festsetzung in Huangtschouwan

  1898 Erstes Flottengesetz

  1898 »Schmach von Faschoda«

  1898 Spanisch-amerikanisch. Krieg

  1898 Deutsch-englisches Geheimabkommen über den portugiesischen
       Kolonialbesitz

  1899 Samoa-Vertrag

  1899 Windsor-Vertrag (englisch-portugiesisches Geheimabkommen)

  1899 Einvernehmen zwischen der Deutschen Bank und der französischen
       Gruppe der Ottomanischen Bank über die kleinasiatischen
       Eisenbahnfragen

  1899/1902 Burenkrieg

  1899 Erste Haager Friedenskonferenz

  1900 Boxer-Krieg -- Yangtse-Abkommen

  1900 Zweites Flottengesetz

  1901 Königin Viktoria [gestorben] -- Eduards VII. Thronbesteigung
       -- Reise nach Portugal

  1902 Dreibund erneuert

  1902 Englisch-japanisch. Bündnis

  1902/03 Venezuela-Affäre

  1903 Beginn der Einkreisungspolitik -- Viktor Emanuel in Paris

  1903 Deutschland überflügelt England in der Roheisenproduktion

  1904 Entente cordiale

  1904 8. 4. Englisch-französisches Marokko-Abkommen
       7. 10. Französisch-spanisches Marokko-Abkommen

  1904 Eduard VII. in Kiel

  1904/05 Neuorganisation der englischen Flotte (1905 »Dreadnought« im
       Bau)

  1904/05 Russisch-japanisch. Krieg

  1905/08 Russische Revolution

  1905 Französische Sondergesandtschaft nach Marokko -- Kaiser Wilhelm
       in Tanger -- Delcassés Sturz -- Algeciras-Konferenz

  1907 Englisch-russisches Abkommen über Mittelasien

  1907 Zweite Haager Friedenskonferenz

  1907 Optanten-Vertrag

  1908 Revaler  Zusammenkunft zwischen Eduard VII. und Nikolaus II.
       -- Vollendung des »dreifachen Einverständnisses« -- Nordsee- und
       Ostsee-Abkommen

  1908 Türkische Revolution

  1908 Österreich-Ungarn verkündigt die formelle Annexion von Bosnien und
       der Herzegowina

  1908 Bulgariens Unabhängigkeitserklärung

  1908 Japanisch-amerikanischer Vertrag über den Stillen Ozean

  1908 Zwischenfall von Casablanca

  1909 Londoner Seerechts-Konferenz

  1909 Österreichisch-türkische Verständigung über die bosnische Frage

  1909 Deutsch-französisches Marokko-Abkommen

  1909 Bethmann Hollweg Reichskanzler, Kiderlen-Wächter Staatssekretär
       des Auswärtigen

  1909 Nikolaus II. bei Viktor Emanuel in Racconigi (Balkanfrage)

  1910 Nikolaus II. und Ssasonow in Potsdam (Bagdadbahn- und Persische
       Frage)

  1910 Eduard VII. [gestorben], Georgs V. Thronbesteigung

  1911 Marokkokrisis -- 21. 5. Fez von den Franzosen besetzt
       -- 1. 7. »Panther« vor Agadir -- 21. 7. Rede des englischen
       Schatzkanzlers Lloyd George über Englands Stellung in Europa
       -- 4. 11. Deutsch-französischer Marokko-Vertrag

  1911/12 Türk.-italienischer Krieg

  1912 Lord Haldanes Sendung

  1912 Entstehung d. Balkanbundes

  1912 Dreibund erneuert -- Kaiser Wilhelm in Venedig bei Viktor Emanuel

  1912/13 Deutsch-englische und deutsch-französische Verhandlungen über
       die vorderasiatischen Eisenbahn- und Wirtschaftsfragen

  1912 (November) Briefwechsel zwischen Sir Edward Grey und M. Paul
       Cambon über englisch-französische Waffenhilfe

  1912 Französisch-russisch. Marine-Konvention

  1912/13 Balkankrieg

  1913 Deutsche Militärvorlage

  1913 Frankreich führt die dreijährige Dienstzeit ein

  1913 Deutsche Militärmission nach Konstantinopel

  1914 (April) König Georg in Paris

  1914 28. 6. Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgerpaares
       -- 23. 7. Österreichisch-ungarisches Ultimatum an Serbien
       -- 25. 7. Serbische Antwort -- 28. 7. Kriegserklärung
       Österreich-Ungarns an Serbien -- 30. bis 31. 7. Russische
       Generalmobilmachung zu Land und zur See


                 Zeittafel zum zweiten und dritten Band

      =Militärische     |     =Politische       |   =Wirtschaftliche
       Ereignisse=      |     Ereignisse=       |      Ereignisse=
          1914          |        1914           |         1914
                        |                       |
  =August=              |  =August=             |  =August=
                        |                       |
   1. Deutsche          |  1. Jaurès ermordet   |  3. Schließung der
      Mobilmachung      |                       |     deutschen Börsen
                        |  2. Kriegserklärung   |     -- Der französische
   3. Luxemburg besetzt |     Deutschlands an   |     Finanzminister
                        |     Rußland           |     verfügt ein
   6. Durchbruch der    |                       |     Moratorium für
      »Goeben« und      |  3. Kriegserklärung   |     Kontokorrent- und
      »Breslau«         |     Deutschlands an   |     Lombarddarlehen
                        |     Frankreich        |     bis zum 31. August
   7. Einnahme von      |                       |
      Lüttich           |  4. Kriegstagung      |  7. Bundesratsbeschlüsse
                        |     des Reichstages   |     zur Vorbeugung
  10. Sieg bei          |     -- Erklärung des  |     eines allgemeinen
      Mülhausen --      |     Burgfriedens --   |     Moratoriums
      Schlacht bei      |     Ermächtigungs-    |
      Lagarde           |     gesetz            |  9. Gründung der
                        |     -- Bewilligung    |     Reichszentrale
  14. Einmarsch nach    |     eines Fünf-       |     für
      Serbien           |     Milliarden-       |     Arbeitsnachweise
                        |     Kredits           |
                        |                       | 10. Englisches Gesetz
  20. Besetzung von     |  5. Kriegserklärungen |     zur Bekämpfung der
      Brüssel           |     Englands und      |     Lebensmittelpanik
                        |     Belgiens an       |
  20.-27. Schlacht in   |     Deutschland       | 11. Die serbische
      Deutsch-          |                       |     Skuptschina
      Lothringen, Siege |  6. Kriegserklärung   |     nimmt ein
      bei Charleroi,    |     Österreich-       |     zweimonatiges
      Valenciennes und  |     Ungarnsan Rußland |     Moratorium an
      Longwy            |     u. Serbiens       |
  23. Sieg bei Krasnik  |     an Deutschland    | 13. Errichtung der
                        |                       |     Kriegsrohstoff-
  26. Einnahme von      |  7. Kriegserklärung   |     Abteilung --
      Namur und Longwy  |     Montenegros an    |     Zentralstelle für
      -- Sieg bei       |     Österr.-Ungarn    |     Heeresverpflegung
      Komarów-Samostje  |                       |     gegründet
      -- Sieg bei       | 11. bzw. 12.          |
      Tannenberg        |     Kriegserklärungen | 15. Panamakanal für
                        |     Frankreichs       |     den Verkehr von
  26. 27. Sieg bei      |     und Englands an   |     Schiffen mit
      Maubeuge u.       |     Österreich-Ungarn |     nicht mehr als
      Cambrai           |                       |     30 Fuß Tiefgang
                        | 13. Belgien lehnt     |     freigegeben
  26.-30. Schlacht bei  |     deutsche          |
      Lemberg           |     Vorschläge wegen  |
                        |     friedlich.        |
  27. Teilweise         |     Durchmarsches ab  |
      Einäscherung von  |                       |
      Löwen             | 18. Die belgische     |
                        |     Regierung         |
  28.-30. Sieg bei St.  |     übersiedelt       |
      Quentin           |     nach Le Havre     |
                        |                       |
                        | 19. Ultimatum Japans  |
                        |     an Deutschland    |
                        |                       |
                        | 20. Papst Pius X.     |
                        |     [gestorben].      |
                        |     Nachfolger        |
                        |     Benedikt XIV.     |
                        |                       |
                        | 23. Kriegserklärung   |
                        |     Japans an         |
                        |     Deutschland       |
                        |                       |
                        | 25. Kriegserklärung   |
                        |     Österreich-Ungarns|
                        |     an Japan --       |
                        |     Generalfeldmar-   |
                        |     schall von der    |
                        |     Goltz General-    |
                        |     gouverneur von    |
                        |     Belgien           |
                        |                       |
                        | 27. Kriegserklärung   |
                        |     Österreich-Ungarns|
                        |     an Belgien        |
                        |     -- Neues          |
                        |     Ministerium       |
                        |     Viviani           |
                        |                       |
  =September=           |  =September=          |  =September=
                        |                       |
   1. Sieg in der       |  3. Die französische  |  1. Verlängerung
      Champagne -- Sieg |     Regierung         |     des bestehenden
      der Armee         |     übersiedelt       |     englischen
      Auffenberg bei    |     nach Bordeaux     |     Moratoriums
      Komarów           |                       |
                        |  6. Abkommen Englands,| 10. Gesetz über
   4. Einnahme von      |     Frankreichs und   |     vorübergehende
      Reims             |     Rußlands, keinen  |     Erleichterungen
   5.-9. Marneschlacht  |     Sonderfrieden zu  |     auf dem Gebiete
                        |     schließen         |     des Patent-,
   7. Einnahme von      |                       |     Gebrauchsmuster- u.
      Maubeuge          |  7. Telegrammwechsel  |     Warenzeichenrechts
                        |     zwischen Kaiser   |
   9. Zweite Schlacht   |     Wilh. II. und     | 17. Verlängerung
      bei Lemberg       |     Präsident Wilson  |     des bestehenden
                        |     wegen der         |     belgischen
   8.-11. Sieg bei      |     Verwendung von    |     Moratoriums durch
      Goldap-Angerburg- |     Dumdumgeschossen  |     das deutsche
      Gerdauen          |     durch die         |     Generalgouvernement
                        |     Franzosen         |
  15. Zweit. Vormarsch  |                       | 30. Deutsches
      nach Serbien      | 13. Bethmann Hollwegs |     Zahlungsverbot
                        |     Veröffentlichung  |     an England
  22. Weddigen versenkt |     durch Ritzaus     |
      »Aboukir«,        |     Telegraphenbureau |
      »Hogue« und       |     gegen England als |
      »Cressy«          |     »Beschützer der   |
                        |     kleineren Staaten«|
                        |                       |
  =Oktober=             |  =Oktober=            |  =Oktober=
                        |                       |
   2. Kämpfe bei Suwalki|  5. u. 7.             |  8. Ergebnis
                        |     Kriegserklärungen |     der 1. deutschen
   3. Sieg bei Augustowo|     Englands und      |     Kriegsanleihe:
                        |     und Belgiens      |     4460701400 M.,
   9. Einnahme von      |     an die Türkei     |     bei 1177235
      Antwerpen         |                       |     Einzelzeichnungen
                        | 10. König Karol von   |
  11. Befreiung         |     Rumänien          | 20. Deutsches
      Przemysls         |     [gestorben]       |     Zahlungsverbot
      -- Vormarsch auf  |                       |     geg. Frankreich
      Warschau und      | 13. Veröffentlichung  |
      Iwangorod         |     der Brüsseler     | 28. Bundesratsverordnung
                        |     Dokumente über    |     über die
  14. Einnahme von      |     den belgischen    |     Höchstpreise
      Lille             |     Neutralitätsbruch |
                        |                       |
  20.-Ende Dezember     | 25. Deutsche          |
      Kämpfe in Flandern|     Denkschrift über  |
                        |     die Stellung      |
  23.-31. Kämpfe bei    |     Englands und      |
      Arras-Soissons-   |     Frankreichs zu    |
      Reims             |     der Londoner      |
                        |     Seekriegserklärung|
                        |                       |
  =November=            |  =November=           |  =November=
                        |                       |
   1. Seeschlacht an    |  3. England erklärt   |  Gründung der
     der Coronelküste   |     die ganze Nordsee |  Kriegsgetreide-
                        |     als Kriegsgebiet  |  gesellschaft
   4. Niederlage der    |     -- Einsetzung des |  (endgültige
      Engländer bei     |     Khediven Hussein  |  Form 28. 6. 1915
      Tanga in Ostafrika|     Kemal durch       |  als
                        |     England           |  Reichsgetreide
   7. Tsingtau gefallen |     -- Kriegserklärung|  -stelle)
                        |     Rußlands an die   |
  10. Dixmuiden genommen|     Türkei            |  5. Festsetzung von
                        |                       |     Höchstpreisen
  13. u. 14. Sieg bei   |  5. Kriegserklärung   |     für Hafer
      Wloclawek         |     Frankreichs an    |
                        |     die Türkei        | 23. Festsetzung von
  15. Besetzung von     |                       |     Höchstpreisen
      Valjevo           | 14. Verkündung des    |     für Kartoffeln
                        |     Heiligen Krieges  |     -- Ergebnis der
  16.-23. Kämpfe an     |     i. Konstantinopel |     1. österreichisch-
      der Yser          | 19. Der ungarische    |     ungarischen
                        |     Ministerpräsident |     Kriegsanleihe:
  23. Durchbruch bei    |     Graf Tisza        |     3376 Millionen
      Bresiny           |     im deutschen      |     Kronen
                        |     Hauptquartier     |
  26. Mackensens Sieg   |                       |
      bei Lodz und      | 28. Freiherr von      |
      Lowicz            |     Bissing           |
                        |     Generalgouverneur |
  26.-30. Kämpfe um     |     von Belgien       |
      La-Bassée         |                       |
                        | 28. Ernennung         |
                        |     Hindenburgs zum   |
                        |     Generalfeld-      |
                        |     marschall         |
                        |                       |
  =Dezember=            |  =Dezember=           |  =Dezember=
                        |                       |
   2. Einnahme von      |  1. Veröffentlichung  |  Ergebnis der 1.
      Belgrad           |     des französ.      |  Kriegsanleihe: engl.
                        |     Gelbbuches üb. d. |  400 Mill. Pfund
   6. Einnahme von      |     Anfänge d. Krieges|  Sterling
      Lodz              |                       |
      Seeschlacht bei   |  2. Zweite            |  Verträge des Reichs
      den               |     Kriegstagung      |  mit den
      Falklandsinseln   |     des 8. Deutsch.   |  Stickstoffwerken
                        |     Reichstags;       |  Ludwigshafen und
   9.-12. Schlacht bei  |     der zweite        |  Knapsack
      Limanowa          |     Fünf-Milliarden-  |
                        |     Kredit bewilligt  | 10. Festsetzung von
  14. Räumung von       |     -- Erörterung der |     Höchstpreisen
      Belgrad           |     dem Reichstage    |     für Metalle
                        |     von den           |
  16.-23. Kämpfe in     |     verbündeten       | 19. Vereinheitlichung
      Westflandern      |     Regierungen       |     d. Höchstpreise
                        |     vorgelegten       |     für Gerste
  19. Beginn d. Kämpfe  |     Denkschrift über  |     -- Der belgischen
      an der Bzura,     |     wirtschaftliche   |     Nationalbank
      Rawka, Pilica,    |     Maßregeln  aus    |     wird das Recht,
      Nida              |     Anlaß d. Krieges  |     Noten auszugeben,
                        |                       |     vom
  21.-26. Kämpfe in     | 17. England erklärt   |     Generalgouverneur
      der Champagne     |     das Protektorat   |     entzogen
                        |     über Ägypten      |
  27.-31. Kämpfe bei    |                       |
      Ypern             | 18. Malmöer           |
                        |     Zusammenkunft     |
                        |                       |
                        |                       |
          1915          |        1915           |         1915
                        |                       |
  =Januar=              |  =Januar=             |  =Januar=
                        |                       |
   2. Beginn der        | 13. Baron Burian statt| 13. Zentraleinkaufs-
      Dardanellenkämpfe |     Graf Berchtold    |     gesellschaft
                        |     österreich.-      |     gegründet
  12.-14. Schlacht bei  |     ungarischer       |
      Soissons          |     Minister des      | 26. Beschlagnahme
                        |     Äußern            |     der Getreidevorräte
  19. Hartmannsweiler-  |                       |     in Deutschland
      kopf genomm.      | 17. Eröffnung der     |     durch
                        |     internationalen   |     Bundesratsbeschluß
  24. Seetreffen  bei   |     sozial-           |
      Helgoland         |     demokratischen    | 31. Verordnung über
                        |     Friedenskonferenz |     die Verwendung
  28. Versenkung des    |     in Kopenhagen     |     der Mehlvorräte
      amerikanischen    |                       |
      Schiffes »William |                       |
      P. Freye«         |                       |
                        |                       |
  Mitte Januar -- Ende  |                       |
  April: Winterschlacht |                       |
  in den Karpathen      |                       |
                        |                       |
  =Februar=             |  =Februar=            |  =Februar=
                        |                       |
  Belfort beschossen    |  1. Dr. Helfferich    |  Errichtung d.
                        |     Reichsschatz-     |  Reichsstickstoffwerke
   7.-15. Winterschlacht|     sekretär          |
      in Masuren        |                       |  Verträge mit
                        |  4. Denkschrift mit   |  den bayrischen
  18. Beginn der        |     Bekanntmachung    |  Stickstoffwerken
      U-Bootsblockade   |     des U-Boot-       |  und den Lonzawerken
      gegen England     |     Handelskriegs an  |
                        |     die neutralen     |  Unterbindung der
  19.-28. März:         |     und feindlichen   |  Wollausfuhr aus
      Winterschlacht    |     Mächte gesandt    |  Amerika nach
      in der Champagne  |                       |  Deutschland
                        | 12. Amerikanische     |
  24. Einnahme von      |     Protestnote gegen | 15. Bundesratsverordnung
      Prasznysz         |     den U-Boot-       |     über Einschränkung
                        |     Handelskrieg      |     der Malzverwendung
                        |                       |     in den
                        | 16. Deutsche Antwort  |     Bierbrauereien
                        |     auf den           |
                        |     amerik. Protest   | 23. Beschlagnahme
                        |                       |     der  Getreide-
                        | 22. Amerik. Note an   |     und Mehlvorräte in
                        |     Deutschland und   |     Österreich-Ungarn
                        |     Engl. z. U-Boot-  |
                        |     Handelskrieg      |
                        |                       |
                        | 28. Deutsche Antwort  |
                        |                       |
  =März=                |  =März=               |  =März=
                        |                       |
   1. Französische      |  1. England und       |  9. Beschlagnahme
      Angriffe in der   |     Frankreich        |     der Gerstevorräte,
      Champagne         |     erklären, daß sie |     die bei dem
                        |     alle verdächtigen |     einzelnen Besitzer
   9. u. 10. Sieg am    |     Handelsschiffe    |     10 Doppelzentner
      Augustower Wald   |     anhalten würden   |     übersteigen
                        |                       |
  10.-14. Vergeblicher  | 10. Dritte Kriegs-    | 21. Ergebnis der
      Durchbruchs-      |     tagung d.         |     2. deutsch.
      versuch d.        |     Reichstags        |     Kriegsanleihe:
      Neuve Chapelle    |                       |     9060 Millionen Mark
      Engländer bei     | 13. Englische Antwort |     bei 2691060
      -- Mitte März     |     auf die           |     Einzelzeichnungen
      bis Mitte April:  |     amerikanische Note|
      Osterschlacht in  |     v. 22. Februar    | 25. Verlängerung
      den Karpathen     |                       |     des bestehenden
                        | 23. Greys Rede über   |     ungarischen
  18.-21. Besetzung     |     den Ursprung      |     Moratoriums
      Memels durch die  |     des Krieges       |
      Russen und deren  |                       | 26. Einführung
      Vertreibung       | 30. Note der Neutralen|     eines schärferen
                        |     gegen die         |     Schutzzolltarifes
  20. Karpathenschlacht |     Erklärung Englands|     in Rußland
                        |     und Frankreichs   |
  22. Fall von Przemysl |     v. 1. März 1915   |
                        |                       |
  28. »Falaba« versenkt |                       |
                        |                       |
  =April=               |  =April=              |  =April=
                        |                       |
   6.-11. Kämpfe um     |  4. Deutsche Note mit | 17. Verlängerung
      die Combreshöhe   |     einer Denkschrift |     des französischen
                        |     über die          |     Moratoriums auf
  22. Deutscher Vorstoß |     Handhabung der    |     Handelspapiere
      über den          |     Neutralität       |
      Yserkanal         |     Amerikas in       | 27. Englisches
                        |     Washington        |     Ausfuhrverbot
  25. Englisch-         |     überreicht        |     für Rohbaumwolle
      französische      |                       |     und Maschine
      Truppen landen    | 22. Amerikanische     |     zur Bearbeitung
      auf Gallipoli     |     Antwortnote:      |     von Metallen
                        |     Staatssekretär    |
  28. »Cushing«         |     des Auswärtigen   |
      (amerikanisch.    |     Bryan lehnt das   |
      Schiff)           |     vom deutschen     |
      durch Flugzeug    |     Botschafter       |
      angegriffen       |     geforderte        |
                        |     Ausfuhrverbot ab  |
  30. Vorstoß nach      |                       |
      Kurland           |                       |
      -- Schlacht       |                       |
      bei Schaulen      |                       |
                        |                       |
  =Mai=                 |  =Mai=                |  =Mai=
                        |                       |
   1. »Gulflight«       |  4. Italien kündigt d.|  Schaffung  einer
      (amerikanisches   |     Dreibundvertrag   |  »Wirtschafts-
      Schiff) versenkt  |                       |  kommission«
                        |  8. Österreich-Ungarn |  durch den
   2.-12. Durch-        |     bietet Italien    |  Generalgouverneur
      bruchsschlacht    |     weitgehende       |  von Belgien
      bei               |     Gebietsabtretungen|
      Gorlice-Tarnow    |     an                |
                        |                       |
   7. »Lusitania«       | 15. Überreichung d.   |
      versenkt          |     amerikanischen    |
                        |     »Lusitania«-Note  |
   8. Einnahme von      |     in Berlin         |
      Libau             |                       |
                        | 18. Vierte            |
  10.-21. Loretto-      |     Kriegstagung      |
      Schlacht.         |     d. Reichstags     |
      Englisch-         |                       |
      französische      | 23. Kriegserklärung   |
      Durch-            |     Italiens an       |
      bruchsversuche    |     Österreich-Ungarn |
                        |                       |
  20.-Ende Juli         | 26. Österreich-Ungarn |
      Schlacht b.       |     veröffentlicht    |
      Sedd-ul-Bahr und  |     diplomat.         |
      Ari Burun -- Ende |     Aktenstücke       |
      Mai bis Anfang    |     nebst Denkschrift |
      Juni Schlacht bei |     über die          |
      Stryj             |     Verhandlungen     |
                        |     mit Italien vor d.|
                        |     Kriegserklärung   |
                        |                       |
                        | 28. Deutsche Antwort  |
                        |     auf die           |
                        |     amerikanische     |
                        |     Note vom 15. Mai  |
                        |                       |
  =Juni=                |  =Juni=               |  =Juni=
                        |                       |
   1.-6. Kämpfe bei     |  9. Rücktritt Bryans; | 24. Bundesratsver-
      Arras             |     Lansing           |     ordnung über den
                        |     Staatssekretär    |     Verkauf von Fleisch
   3. Einnahme von      |     des Auswärtigen   |     und Fettwaren
      Przemysl          |                       |     durch die
                        | 10. Zweite            |     Gemeinden
  15.-21. Kämpfe um     |     amerikanische     |
      die               |     »Lusitania«-Note  | 26. Anordnung einer
      Grodekstellung    |                       |     Bestandsaufnahme
                        | 24. Englisches        |     von
  22. Einnahme von      |     Munitionsgesetz   |     Verbrauchszucker
      Lemberg           |                       |
                        |                       |
  30.-5. Juli. Erste    |                       |
      Isonzoschlacht    |                       |
                        |                       |
  =Juli=                |  =Juli=               |  =Juli=
                        |                       |
   9. Kapitulation der  |  8. Deutsche Antw. auf| 12. Bekanntmachung über
      deutschen Truppen |     d. zweite         |     d. Errichtung von
      in Deutsch-       |     »Lusitania«-Note  |     Vertriebsgesell-
      Südwestafrika     |                       |     schaften für den
                        | 20. Englisches Regi-  |     Steinkohlen- und
  13. u. 14. Argonnen-  |     strierungsgesetz  |     Braunkohlenbergbau
      kämpfe            |                       |
                        | 23. Amerikanische     | 14. Ergebnis der 2.
  15. Beginn der        |     Note betreffend   |     englisch. Kriegs-
      deutschen         |     U-Bootkrieg       |     anleihe: 600
      Offensive in      |                       |     Millionen Pfd.
      Polen             | 29. Österreichisch-   |     Sterl. -- Ergebnis
                        |     ungarische Note   |     der 2. österr.-
  18. Windau besetzt    |     an Amerika wegen  |     ungar.
                        |     der amerikanischen|     Kriegsanleihe:
  18.-27. Zweite        |     Waffenlieferung   |     3820 Mill. Kron.
      Isonzoschlacht    |                       |
                        | 29. u. 31. Veröffent- | 23. Festsetzung von
  23. Schlacht bei      |     lichungen der     |     Höchstpreisen für
      Schaulen          |     Nordd. Allg. Ztg. |     Brotgetreide, Gerste
                        |     aus belgischen    |     u. Hafer --
  28. Weichselübergang  |     Archiven zur      |     Errichtung einer
      zwischen          |     Vorgeschichte des |     Reichsfutter-
      Iwangorod         |     Krieges           |     mittelstelle
      und Warschau --   |                       |
      Kämpfe bei        | 31. Rücktritt d.      |
      Souchez           |     Kabinetts Okuma   |
                        |                       |
  30. Lublin besetzt    |                       |
                        |                       |
  =August=              |  =August=             |  =August=
                        |                       |
   4. Einnahme von      |  4. Fortsetzung der   |  Russisch. Städtetag
      Warschau          |     Veröffentlichung  |  beschließt
                        |     von Aktenstücken  |  Einsetzung eines
   5. Einnahme von      |     aus belgischen    |  Hauptausschusses f.
      Iwangorod         |     Archiven durch die|  d. Versorgung
                        |     Nordd. Allg. Ztg. |  des Landes
  10. Einnahme von      |                       |
      Lomza             | 16. Venizelos wieder  | 20. Reichstagsverhandl.
                        |     Ministerpräsident |     über Stickstoff-
  18. Einnahme von      |                       |     handelsmonopol --
      Kowno -- »Arabic« | 19. Fünfte            |     Ausmahlungs-
      versenkt          |     Kriegstagung      |     verhältnisse
                        |     d. Reichstags     |     für Brotgetreide
  19. Ermordung der     |                       |     auf 75 v. H.
      Besatzung  des    | 21. Italiens          |     festges.
      deutschen         |     Kriegserklärung   |
      U-Bootes          |     an die Türkei     | 21. Österr.-ungar.
      »U. 27« durch die |                       |     Moratorium für
      Mannschaften des  | 27. General von       |     Zahlungen nach
      »Baralong«        |     Beseler           |     d. Ausl. verläng.
                        |     Generalgouverneur |
  20. Einnahme von      |     in Warschau       | 22. Engl. erkl.
      Nowogeorgiewsk    |                       |     Baumwolle z. Bannw.
                        |                       |
  26. Einnahme von      |                       | 31. Ablauf des inneren
      Brest-Litowsk     |                       |     Moratoriums
                        |                       |     i. Österr.-Ungarn
  31. Einnahme von      |                       |
      Luck              |                       |
                        |                       |
  =September=           |  =September=          |  =September=
                        |                       |
  Fehlschlagen der      |  1. Bericht Greys     | 22. Ergebnis der 3.
  russischen            |     über die deutsch- |     deutsch.
  Durchbruchsversuche   |     englischen        |     Kriegsanleihe:
  in Wolhynien          |     Verhandlungen     |     12030 Mill. Mark
                        |     vom Jahre 1912    |     bei 3966418
   3. Einnahme von      |                       |     Einzelzeichnungen
      Grodno            | 23. Wilson verlangt   |
                        |     Abberufung des    | 25. Bundesratsver-
   8. Einnahme von      |     k. u. k.          |     ordnung zur
      Dubno             |     Botschafters Dumba|     Errichtung von
                        |                       |     Preisprüfungs-
  15. Einnahme von      | 28. Grey sagt         |     stellen
      Pinsk             |     unbedingte und    |
                        |     unbeschränkte     | 28. Aufnahme einer
  18. Einnahme von      |     Hilfe             |     englisch-
      Wilna             |     für Serbien zu    |     französischen
                        |                       |     Anleihe von
  25. Beginn d.         |                       |     2 Milliarden
      Herbstschlacht    |                       |     in Amerika
      im Artois und in  |                       |
      der Champagne     |                       |
                        |                       |
  =Oktober=             |  =Oktober=            |  =Oktober=
                        |                       |
   4.-30. Engl.         |  6. Venizelos tritt   |  1. Verlängerung
      Durchbruchs-      |     zurück; Zaimis    |     des bestehenden
      versuch           |     Ministerpräsid.   |     russischen
      bei Ypern und     |                       |     Moratoriums
      Loos -- Vorstöße  |  7. Bulgarien lehnt   |     auf ein
      der Franzosen     |     das russische     |     weiteres Jahr
      bei Souchez       |     Ultimatum ab      |
                        |                       |  2. Verbot des
   5. Landung englisch- | 14. Bulgariens        |     Verschrotens von
      französischer     |     Kriegserklärung   |     Getreide zu
      Truppen in        |     an Serbien        |     Futterzwecken
      Saloniki          |                       |
                        | 15., 16. u. 20.       |  9. Errichtung der
   6. Beginn des neuen  |     Englands,         |     Reichskartoffel-
      Feldzuges gegen   |     Frankreichs,      |     stelle
      Serbien           |     Italiens u.       |
                        |     Rußlands          | 21. Festsetzung von
   8. Einnahme von      |     Kriegserklärungen |     Grundpreisen für
      Belgrad           |     an Bulgarien      |     Butter
                        |                       |
  10.-15. Zurückwerfung | 25. Botschafter von   | 28. Bundesrats-
      der Russen        |     Wangenheim in     |     verordnung zur
      in Ostgalizien    |     Konstantinopel    |     Beschränkung des
      und Wolhynien     |                       |     Fleisch- u.
                        | 29. In Frankreich     |     Fettverbrauchs
  14. Zeppelinangriff   |     Ministerium       |
      auf London        |     Briand            |
                        |                       |
  18. Beginn der dritt. |                       |
      Isonzoschlacht    |                       |
                        |                       |
  26. Verbindung der    |                       |
      deutsch-          |                       |
      österreichischen  |                       |
      mit den           |                       |
      bulgarischen      |                       |
      Truppen           |                       |
                        |                       |
  =November=            |  =November=           |  =November=
                        |                       |
  Kämpfe bei Riga       |  5. Amerikanische     |  4. Bundesratsver-
  u. Dünaburg --        |     Note an die       |     ordnungen über
  Schlacht an der       |     Entente gegen     |     Milchpreise und
  Strypa                |     deren             |     Milchverbrauch,
                        |     Seekriegführung   |     über Preise für
   1.-4. Kämpfe bei     |                       |     Schlachtschweine
      Czartorysk        |  6. Skuludis          |     und Schweinefleisch
      (Wolhynien)       |     griechischer      |
                        |     Ministerpräsident | 19. Ergebnis der 3.
   5. Einn. von Nisch   |                       |     österreich.-ung.
                        |                       |     Kriegsanleihe:
  10. Beginn d. vierten | 15. Graf Wolff        |     6173 Millionen
      Isonzoschlacht    |     Metternich        |     Kronen
                        |     deutscher         |
  19. Die Serben vom    |     Botschafter in    |
      letzten Stück     |     Konstantinopel    |
      serbischen Bodens |     -- Eröffnung der  |
      vertrieben        |     Warschauer        |
                        |     Hochschule        |
  22. Schwere Kämpfe    |                       |
      bei Ktesiphon     | 20. Italien tritt dem |
                        |     Londoner Abkommen |
  23. u. 24. Schlacht   |     bei, keinen       |
      a. d. Amselfelde  |     Sonderfrieden     |
      -- Einnahme von   |     zu schließen      |
      Mitrowitza und    |                       |
      Pristina          |                       |
                        |                       |
  =Dezember=            |  =Dezember=           |  =Dezember=
                        |                       |
   4. Einnahme von      |  9. Sechste           |  8. Einführung von
      Monastir          |     Kriegstagung      |     Butter- und
                        |     d. Reichstages.   |     Fettkarten.
   7. Einn. von Ipek    |     Reichskanzlerrede |     Ergebnis der
                        |     über die Friedens-|     1. französischen
  13. Beendigung des    |     möglichkeiten     |     Kriegsanleihe
      serb. Feldzuges   |                       |     (Emprunt de la
                        | 10. Deutschland beruft|     victoire): 15139
  19. Räumung der       |     den Militär-      |     Milliarden Frcs.
      Nordseite von     |     und Marineattaché |
      Gallipoli durch   |     auf Ersuchen      | 16. Verordnung über
      die Engländer     |     Amerikas ab       |     die Bereitung
      und Franzosen     |                       |     von Kuchen und
                        | 22. Zehn-Milliarden-  |     über die
  24.-5. Jan. 1916.     |     Kredit v.         |     Herstellung
      Neujahrsschlacht  |     Reichstag         |     von Süßigkeiten
      in Ostgalizien    |     bewilligt         |     und Schokolade
      und der Bukowina  |                       |
                        |                       |
  30. Feindl.           |                       |
      Fliegerangriff    |                       |
      a. Ostende        |                       |
                        |                       |
                        |                       |
          1916          |         1916          |          1916
                        |                       |
  =Januar=              |  =Januar=             |  =Januar=
                        |                       |
   8. u. 9. Räumung     |  4. Englisches        |  8. 1. Sitzg. d. Beirats
      Gallipolis durch  |     Weißbuch über die |     f. Volksernährg.
      die Engländer     |     Maßregeln im      |
      und Franzosen     |     Wirtschaftskrieg  | 15. Abfahrt des ersten
                        |     gegen Deutschland |     Balkanzuges
  10. Erstürmung des    |                       |     von Berlin und
      Lowtschen         | 16. Kapitulation      |     München
                        |     Montenegros       | 17. u. 18. Mittel-
  13. Unterwerfung      |                       |     europäische
      Montenegros       | 18. Kaiser Wilhelm    |     Wirtschafts-
                        |     und Zar Ferdinand |     konferenz
  29.-31. Luftangriffe  |     von Bulgarien     |     in Dresden
      auf Paris und     |     in Nisch          |
      das englische     |                       | 25. Festsetzung von
      Industriegebiet   |                       |     Höchstpreisen
                        |                       |     für Gemüse
                        |                       |
  =Februar=             |  =Februar=            |  =Februar=
                        |                       |
   6. Ganz Kamerun      |  1. Reichsratsmitglied|  1. Beschlagnahme der
      vom Feinde        |     Stürmer statt     |     Bekleidungsstoffe
      besetzt           |     Goremkyin russ.   |
                        |     Ministerpräsident |  7. Verordnung über
   9. Kämpfe bei        |                       |     die Einfuhr von
      Souchez           |  8. Denkschrift       |     Kartoffeln
                        |     Deutschlands u.   |
  10.-11. Seegefecht    |     Österreich-Ungarns|  9. Neuregelung
      an der Doggerbank |     an die            |     der Preise für
                        |     Neutralen über    |     Schlachtschweine und
  16. Einnahme von      |     die Behandlung    |     Schweinefleisch
      Erzerum durch     |     bewaffneter       |     und der Versorgung
      die Russen        |     Handelsschiffe    |     m. frischem
                        |                       |     Schweinefleisch
  19. Burengeneral      | 23. Asquiths Rede     |
      Smuts beginnt     |     über englische    |
      den Angriff auf   |     Friedensziele im  |
      Deutsch-Ostafrika |     Unterhaus:        |
                        |     Vernichtung       |
  21. Beginn des        |     der militärischen |
      Angriffs          |     Herrschaft        |
      auf Verdun        |     Preußens          |
                        |                       |
  26. Erstürmung der    |                       |
      Panzerfeste       |                       |
      Douaumont         |                       |
                        |                       |
  =März=                |  =März=               |  =März=
                        |                       |
   2. Dorf Douaumont    |  3. Resolution Gore   |  2. Bekanntmachg.
      genommen          |     im amerikanischen |     über die
                        |     Senat             |     Preisfestsetzung bei
   6. Luftangriff auf   |                       |     Enteignung von
      die englische     |  9. Deutschlands      |     Kartoffeln
      Ostküste          |     Kriegserklärung   |
                        |     an Portugal       | 20. Errichtung der
  14. Erstürmung des    |                       |     Reichsbeklei-
      »Toten Mann«      | 11. Admiral von       |     dungsstelle
                        |     Capelle statt von |
  15.-20. Fünfte        |     Tirpitz           | 22. Ergebnis der 4.
      Isonzoschlacht -- |     Reichsmarine-     |     deutschen
      Frühjahrsschlacht |     sekretär          |     Kriegsanleihe:
      1916              |                       |     10767 Milliarden
      auf der Ostfront  | 15. Siebente          |     bei 5279645
                        |     Kriegstagung      |     Einzelzeichnungen
  16.-30. Durch-        |     d. Reichstages    |
      bruchsversuch d.  |                       | 27. Errichtung der
      Russen zwischen   | 23. Englische         |     Reichsfleischstelle
      Jakobstadt und    |     Ablehnung         |
      der Beresina      |     des Lansingschen  |
                        |     Vorschlags        |
  20. Seegefecht bei    |                       |
      Zeebrügge         | 24. Spaltung der      |
                        |     sozial-           |
  24. »Sussex« versenkt |     demokratischen    |
                        |     Reichstagsfraktion|
  27. Sprengung der     |                       |
      deutschen         | 25. Amerikanisches    |
      Stellung          |     Memorandum        |
      bei St. Eloi      |     zur Frage der     |
      -- Deutscher      |     Behandlung        |
      Luftangriff auf   |     bewaffneter       |
      Saloniki          |     Handelsschiffe    |
                        |                       |
  =April=               |  =April=              |  =April=
                        |                       |
   1.-6. Luftangriffe   |  5. Kriegszielrede    |  4. Verordnungen
      auf England und   |     Bethmann Hollwegs |     über die Benutzung
      die Kanalküste    |     im Reichstag      |     von Grundstücken
                        |                       |     städtischen
   2. Brussilow statt   |  7. Deutsches         |     Charakters
      Iwanow Ober-      |     Handelsvertrags-  |     zu landwirtschaftl.
      befehlshaber an   |     abkommen mit      |     u. gärtnerischen
      der wolhynisch-   |     Rumänien          |     Zwecken
      galizischen Front |                       |
                        | 14. Österreichisch-   | 12. Festsetzung von
  18. Einnahme          |     ungarischer       |     Höchstpreisen
      Trapezunts        |     Minister des      |     für die Kriegsdauer
      durch die Russen  |     Äußern            |     in Frankreich
                        |     Burian in Berlin  |     beschlossen
  24.-25. Luftangriff   |     (Polnische Frage) |
      auf London        |                       | 15. Errichtung der
                        | 20. Sussex-Note       |     Reichsbrannt-
  28. Kapitulation      |     Amerikas an       |     weinstelle
      Townshends in     |     Deutschland       |
      Kut-el-Amara      |                       | 18. Errichtung der
                        | 24. Englische Antwort |     Kriegswirt-
                        |     auf die           |     schaftsstelle
                        |     amerikanische Note|     für das deutsche
                        |     vom 5. Nov. 1915  |     Zeitungsgewerbe
                        |                       |
  =Mai=                 |  =Mai=                |  =Mai=
                        |                       |
   4. Luftangriffe auf  |  4. Deutsche          |  1. Preisfestsetzung
      die englische     |     Antwortnote       |     für Fische
      Ostküste          |     zum Sussex-Fall   | 22. Errichtung des
                        |     macht äußerstes   |     Kriegsernährungs-
  15. Beginn der        |     Zugeständnis      |     amts -- Ergebn.
      österreichisch-   |                       |     d. 4. österr.-
      ungarischen       | 10. Amerikas Antwort  |     ungar.
      Offensive         |     nimmt die         |     Kriegsanleihe:
      in Südtirol       |     deutsche Erklärung|     6520 Millionen
                        |     v. 4. Mai an      |     Kronen
  24. Erstürmung von    |                       |
      Cumières          | 17. Englisches        | 29. Runderlaß an die
                        |     Wehrpflichtgesetz |     Regierungs-
  30. Einnahme von      |     im Unterhaus      |     präsidenten gegen
      Asiago und        |     angenommen        |     die ausschließliche
      Arsiero           |                       |     Versorgung
      -- Erstürmung     | 22. Dr. Helfferich    |     einzelner
      der Höhe 304      |     Staatssekretär    |     Landesteile
                        |     des Innern und    |     mit Lebensmitteln
  31. Seeschlacht am    |     Stellvertreter des|     zuungunsten
      Skagerrak         |     Reichskanzlers    |     d. Großstädte u.
                        |                       |     Industriegebiete
                        |                       |
                        |  =Mai-Juli=           |
                        |                       |
                        |  Novelle zum          |
                        |  Vereinsgesetz        |
                        |                       |
  =Juni=                |  =Juni=               |  =Juni=
                        |                       |
   4. Beginn der großen |  5. Annahme der       |  8. Verbot des Abteufens
      russischen        |     Kriegssteuervor-  |     v. neuen
      Offensive in      |     lagen             |     Kalischächten
      Wolhynien und     |                       |
      Galizien          |  7. Neuer Kriegskredit| 14.-17. Wirtschafts-
                        |     von 12 Milliarden |     konferenz des
  12. Räumung der       |     bewilligt         |     Vierverbands in
      Linie Asiago und  |                       |     Paris
      Arsiero           | 11. Rücktritt         |
                        |     Salandras; Boselli| 29. Beschränkung
  16. Beginn von        |     italienischer     |     von Neu- und
      Linsingens        |     Ministerpräsident |     Erweiterungsbauten
      Gegenoffensive    |                       |     von Zementfabriken
      in Wolhynien      | 18. Stellvertretender |
                        |     Generalstabschef  |
  23. Erstürmung des    |     Helmut Moltke     |
      Panzerwerks       |     [gestorben]       |
      Thiaumont         |                       |
                        | 22. Ultimatum des     |
                        |     Vierverbands an   |
                        |     Griechenland      |
                        |                       |
  =Juli=                |  =Juli=               |  =Juli=
                        |                       |
   1. Beginn der        |  6. Lloyd  George     |  6. Verbot der Einfuhr
      englisch-         |     englischer        |     entbehrlicher
      französischen     |     Kriegsminister    |     Gegenstände
      Offensive         |                       |
      an der Somme      |  7. Bündnisvertrag    | 10. U-»Deutschland«
      -- Fortdauer der  |     zwischen  Rußland |     in Baltimore
      Kämpfe vor Verdun |     und Japan         |     angekommen
      und der           |     -- England und    |
      Russenangriffe    |     Frankreich teilen | 21. Verordnung
      in Wolhynien      |     den Neutralen mit,|     betreffend
      und an der        |     daß sie sich nicht|     Seifenfabrikation
      nördlichen Front  |     mehr an die       |     und -handel
      -- Kämpfe bei     |     Londoner          |
      Kolomea           |     Deklaration       |
                        |     halten gebunden   |
                        |                       |
  =August=              |  =August=             |  =August=
                        |                       |
   6.-9. Sechste        | 10.-13. Reichskanzler |  3. Bestellung eines
      Isonzoschlacht    |     Bethmann          |     Reichskommissars
                        |     Hollweg und       |     für Übergangs-
   8. Die Italiener     |     Staatssekretär    |     wirtschaft
      besetzen Görz     |     des Auswärtigen   |     (Senator
                        |     Jagow in Wien     |     Dr. Sthamer)
   9. Russki Oberbe-    |     (Polnische Frage) |
      fehlshaber an der |                       |  7. Einfuhrverbot
      russischen        | 26. Italiens          |     für Tabak
      Nordfront         |     Kriegserklärung an|
                        |     Deutschland       | 23. Denkschrift des
  29. Hindenburg        |                       |     Vereins deutscher
      Generalstabschef, | 27. Rumäniens         |     Eisenhüttenleute
      Ludendorff Erster |     Kriegserklärung an|     (Munitionserzeugung
      General-          |     Österreich-Ungarn |     betreffend)
      quartiermeister   |                       |     -- U-»Deutschland«
                        | 28. u. 31. Kriegser-  |     zurückgekehrt
  31. Hermannstadt      |     klärungen         |
      geräumt           |     Deutschlands      | 26. Einführung der
                        |     und der Türkei    |     Reichsfleischkarte
                        |    an Rumänien        |
                        |                       |
  =September=           |  =September=          |  =September=
                        |                       |
   1. Fortdauer der     |  1. Kriegserklärung   | 20. Deutsch-
      Sommeschlacht     |     Bulgariens  an    |     schweizerisches
      -- Beginn der     |     Rumänien          |     Warenaustausch-
      Dobrudscha-       |                       |     abkommen
      offensive         | 28. Achte             |
                        |     Kriegstagung      | 25. Gründung des
   6. Einnahme von      |     d. Reichstages    |     russischen
      Tutrakan          |                       |     Zentralkomitees für
                        | 29. von Kühlmann      |     Lebensmittelver-
   9. Einnahme von      |     Botschafter in    |     sorgung in
      Silistria         |     Konstantinopel    |     Petersburg
                        |                       |
  14.-19.  Siebente     |                       |
      Isonzoschlacht    |                       |
                        |                       |
  29. Sieg bei          |                       |
      Hermannstadt      |                       |
                        |                       |
  =Oktober=             |  =Oktober=            |  =Oktober=
                        |                       |
  Fortdauer d. Somme-   |  8. Japanisches       |  5. Ergebnis der 5.
  schlacht              |     Kabinett Terauchi |     deutsch. Kriegs-
                        |                       |     anleihe: 10699
  Anfang Oktober:       | 21. Österreichischer  |     Milliarden Mark
  Achte                 |     Ministerpräsid.   |     bei 3809976
  Isonzoschlacht        |     Graf Stürgkh      |     Einzelzeichnungen
                        |     ermordet          |
   8. Einnahme von      |                       | 12. Erricht. v.
      Kronstadt         | 23. Greys Presserede  |     Ernährungsämtern in
                        |                       |     Österr. u. Ungarn
  23. Einnahme von      | 27. Der  Reichstag    |
      Constantza        |     bewilligt weitere | 21. Bespr. d. Staats-
                        |     12 Milliarden     |     sekr. Dr. Helffe-
  25. Einnahme von      |     Kriegskredite     |     rich m. d. bundes-
      Czernavoda        |                       |     staatlich. Regier.
                        | 30. Generalmajor      |     über d. Fragen d.
                        |     Gröner Leiter des |     Volksernährung
                        |     neuen  Kriegsamtes|
                        |                       |
  =November=            |  =November=           |  =November=
                        |                       |
   1. Fortdauer  der    |  5. Zwei-Kaiser-      |  1. Errichtung des
      Sommeschlacht     |     Proklamation      |     Kriegsamts
                        |     erklärt Polen für |
  Anfang Nov.: Neunte   |     autonomen Staat   |  9. Ergebnis der 2.
  Isonzoschlacht        |                       |     französischen
                        |  6. Neuwahl Wilsons   |     Kriegsanleihe:
  11. Durchbruch bei    |     zum Präsidenten   |     11-1/3 Milliarden
      Targu Jui         |     der Vereinigten   |     Francs.
                        |     Staaten           |
  15. Alle Luftkriegs-  |                       | 15. u. 16. Lebens-
      mittel werden     | 13. Generalgouverneur |     mitteldebatte im
      einem »Kommand.   |     Beselers          |     englischen
      General der       |     Verordnung über   |     Unterhause
      Luftstreit-       |     die Bildung eines |
      kräfte«           |     Staatsrats und    |
      unterstellt       |     eines Vereinigten |
                        |     Landtags im       |
  18. Räumung  von      |     Königreich Polen  |
      Monastir          |                       |
                        |                       |
  21. Einn. v. Kraiova  | 21. Kaiser Franz      |
                        |     Josef [gestorben] |
  23. Donauübergang     |                       |
      bei Swistow --    | 24. Zimmermann        |
      Flottenvorstoß    |     Staatssekretär d. |
      geg. die          |     Auswärtigen an    |
      Themsemündung     |     Stelle von Jagow  |
                        |                       |
  29. Russisch-         | 29. Admiral Jellicoe  |
      rumänische        |     Erster Seelord    |
      Gegenoffensive    |                       |
      an der            |                       |
      siebenb. Ostfront |                       |
                        |                       |
  =Dezember=            |  =Dezember=           |  =Dezember=
                        |                       |
  Vormarsch in der      |  6. Asquith u. Grey   |  2. Annahme  des
  Dobrudscha --         |     treten zurück     |     Hilfsdienstgesetzes
  Kämpfe an der         |                       |     im Reichstag
  Maas und bei          | 10. Lloyd George      |     -- Erhöhung der
  Verdun                |     englischer        |     Mindestsätze der
                        |    Ministerpräsident  |     Unterstützung
   1.-3. Schlacht am    |                       |     von Familien in den
      Argesul           | 12. Friedensnote der  |     Dienst eingetretener
                        |     Mittelmächte an   |     Mannschaften
   6. Einnahme von      |     die Alliierten    |     -- Ergebnis der
      Bukarest          |                       |  5. österreichisch-
                        | 13.-19. Antworten     |     ungarischen
  13. Nivelle Oberbe-   |     der Alliierten    |     Kriegsanleihe:
      fehlshaber an     |                       |     6767 Millionen
      Stelle Joffres    | 21. Amerikanische     |     Kronen
                        |     Friedensnote      |
  22.-27. Durch-        |                       | 14. Verordnung
      bruchsschlacht    | 22. Graf Czernin      |     betreffend
      von Rimnicu-      |     österreichisch-   |     Stempelpflicht
      Sarat             |     ungarischer       |     ausländischer
      -- Artillerie-    |     Minister des      |     Wertpapiere
      kämpfe bei Ypern  |     Auswärtigen       |
      und im            |     -- Neue Denk-     |
      Wytschaetebogen   |     schrift des       |
                        |     Admiralstabs      |
                        |     zum U-Bootkrieg   |
                        |     -- Wilsons        |
                        |     Senatsbotschaft zu|
                        |     den Antworten d.  |
                        |     kriegführenden    |
                        |     Gruppen           |
                        |                       |
                        | 26. Deutsche Antwort  |
                        |     auf die           |
                        |     amerikanische     |
                        |     Friedensnote      |
                        |                       |
                        | 30. Gemeinsame Antwort|
                        |     der Entente       |
                        |     auf die deutsche  |
                        |     Friedensnote v.   |
                        |     12. Dezember      |
                        |                       |
                        |                       |
          1917          |         1917          |         1917
                        |                       |
  =Januar=              |  =Januar=             |  =Januar=
                        |                       |
  Kämpfe an der Ancre   |  6. Festmahl  der     | 15. Bundesratsbeschluß
  und Somme und bei     |     amerikanischen    |     über Festsetzung
  bei Verdun            |     Handelskammer     |     v. Kursen
                        |     in Berlin         |     für Wertpapiere
   4. Einnahme von      |                       |
      Braila            |  6.-7. Graf Czernin   | 18. Der österr.
                        |     in Berlin         |     Ministerpräs.
   4.-8. Schlacht an    |                       |     Clam. Martinitz
      der Putna         | 10. Gemeinsame Antwort|     und der ungar.
                        |     der Entente auf   |     Ministerpräs.
   6. Einnahme von      |     die amerikanische |     Graf Tisza         |
      Focsani           |     Friedensnote      |     in Berlin zur Be-
                        |                       |     sprech. kriegs-
  24. Deutscher Vorstoß | 31. Überreichung      |     wirtsch. Fragen
      bei Mitau         |     der deutschen     |     -- Ernennung
                        |     U-Bootnote        |     eines Reichskom-
  Im Januar             |     -- Telegramm      |     missars für Stick-
  439500 Tonnen         |     an Bernstorff     |     stoffwirtschaft
  versenkt (insgesamt   |                       |
  5 Millionen Tonnen)   |                       |
                        |                       |
  =Februar=             |  =Februar=            |  =Februar=
                        |                       |
  Kämpfe an der Ancre   |  3. Abbruch der       | 16. Ergebnis der 3.
  und Somme und         |     diplomatischen    |     englischen
  bei Verdun            |     Beziehungen       |     Kriegsanleihe:
                        |     Amerikas          |     1000312950
  12. Niederlage der    |     zu Deutschland    |     Lstr. neues Geld
      Italiener im      |                       |
      Czernabogen       | 19. Unterstaats-      | 17. Staatssekretär
                        |     sekretär          |     Dr. Helfferichs
  14. Fliegerangriff    |     Michaelis         |     Rede in der 45.
      auf Dünkirchen    |     preußischer       |     Vollvers. d. Deut-
                        |     Ernährungs-       |     schen Landwirt-
  25. Kämpfe a. d. Aa   |     kommissar         |     schaftsrats über
                        |                       |     die Bedeutung
  26. Deutsch. Vorst.   | 23. Der  Reichstag    |     der Landwirtschaft
      i. d. Themsemünd. |     bewilligt weitere |     im Kriege
                        |     15 Milliarden     |
  27. Kut-el-Amara      |     Kriegskredite     | 24. Bekanntm. üb. d.
      von den           |                       |     Regelung d.
      Engländern        | 26. Botschaft Wilsons |     Verkehrs
      besetzt           |     an den Senat      |     mit Kohle
                        |                       |
  Im Februar            |                       |
  781500 Tonnen         |                       |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =März=                |  =März=               |  =März=
                        |                       |
  11. Einnahme von      | 12. Ausbruch  der     |  2. Beginn der Debatte
      Bagdad durch      |     Revolution  in    |     der italienischen
      die Engländer     |     Petersburg        |     Kammer über die
                        |                       |     wirtschaftliche
  15. Strategischer     | 13. Provisorische     |     Notlage Italiens
      Rückzug auf die   |     russische         |
      Siegfriedstellung |     Regierung         |  5. Interpellation im
                        |     -- Fürst Lwoff    |     russisch. Reichsrat
  15.-26. Kämpfe bei    |     Ministerpräsident |     über die
      Monastir          |                       |     katastrophale
                        | 14. Rede Bethmann     |     Verkehrsnot
  27. Alexejew          |     Hollwegs im       |
      russischer        |     Abgeordnetenhaus  | 13. Einführung von
      Oberbefehlshaber  |     über innerpoli-   |     Fleisch-, Fett-,
      -- Englische      |     tische Reformen   |     Zucker-, Mehl-
      Niederlage bei    |                       |     und Brotkarten
      Gaza              | 22. In Frankreich     |     in Italien
                        |     Ministerium Ribot |
  Im März 885000        |                       | 24. Verbot der Einf.
  Tonnen versenkt       | 31. Brief Karls I. an |     von Auslandswaren
                        |     seinen Schwager   |     in Frankr.
                        |     Sixtus            |
                        |                       |
  =April=               |  =April=              |  =April=
                        |                       |
   3. Einnahme des      |  2. Wilsons           |  2. Beratung in der
      Brückenkopfes     |     Kongreßbotschaft  |     französischen
      von Topoly        |     über die russische|     Kammer  über
      (Stochod)         |     Revolution        |     die Einführung
                        |                       |     von Höchstpreisen
   9. Beginn der engl.- |  2.-3. Das österrei-  |     für Getreide
      französ.          |     chische Kaiserpaar|
      Frühjahrs-        |     und Czernin       |  5. Verbot der Einfuhr
      offensive         |     im deutschen      |     von Auslandswaren
      im Westen --      |     Hauptquartier     |     in Italien
      Schlacht b. Arras |                       |
                        |  5. Amerikanische     |  9. Einführung des
  14. Englischer        |     Erklärung des     |     Staatsmonopols für
      Fliegerangriff    |     Kriegszustandes   |     den Getreidehandel
      auf Freiburg      |     mit Deutschland   |     in Rußland
      i. B.             |                       |
                        |  7. »Osterbotsch.«    | 10. Plan des
  16.-21. Schlacht an   |     des Kaisers       |     amerikanischen
      der Aisne und in  |                       |     Schiffahrts-
      der Champagne     | 11. u. 14. Brasilien  |     departements,
                        |     u. Bolivia brech. |     eine Flotte von
  19. Beendigung des    |     die diplomatischen|     1000 Holzschiffen
      Rückzuges auf d.  |     Beziehungen zu    |     zu 3000 Tonnen
      Siegfriedstellung |     Deutschland ab    |     zu bauen
      -- Englische      |                       |
      Niederlage bei    | 14. Russische         | 15. Bestandsaufnahme
      Gaza              |     Arbeiter-         |     des Brotgetreides
                        |     u. Soldatenräte   |     in Frankreich
  21. Deutsch. Vorstoß  |     für allgemeinen   |
      in den Kanal u.   |     Frieden ohne      | 18. Ergebnis der 6.
      die Themsemündung |     Annexionen und    |     deutschen
                        |     Entschädigungen   |     Kriegsanleihe:
  22. Deutsche          |     -- Handschreiben  |     13122069600
      Torpedoboote      |     Karls I.          |     Mark bei 6768082
      beschießen        |     an Wilhelm II.    |     Einzelzeichnungen
      Dünkirchen        |     -- Geheimbericht  |
                        |     d. Graf. Czernin  |
  23.-25. Zweite        |                       |
      Arrasschlacht     | 20. Resolution der    |
                        |     deutsch. Sozial-  |
  27. Deutscher Vorstoß |     demokraten        |
      in die            |     entsprechend der  |
      Themsemündung     |     russischen vom    |
                        |     14. dieses Monats |
  28. Dritte            |                       |
      Arrasschlacht     | 26. Aufruf General    |
                        |     Gröners an die    |
                        |     Rüstungsarbeiter  |
  Im April 1091000      |                       |
  Tonnen versenkt       | 29. Einführung der    |
                        |     allgemeinen       |
                        |     Wehrpflicht in    |
                        |     Amerika --        |
                        |     Sieben-Milliard.- |
                        |     Dollar-Kredit     |
                        |                       |
  =Mai=                 |  =Mai=                |  =Mai=
                        |                       |
   3. Vierter englisch. |  2. Konstituierung    |  Debatte in der
      Durchbruchs-      |     des Verfassungs-  |  französischen
      versuch           |     ausschusses       |  Kammer über die
      bei Arras         |                       |  Lebensmittel-
                        |  4. Erwiderung des    |  versorgung
  14.-29. Zehnte        |     Reichskanzlers    |
      Isonzoschlacht    |     auf den Czernin-  |  2. Aufruf d. Königs
                        |     schen             |     von England an
  24.-25. Luftangriffe  |     Geheimbericht     |     das Volk zur
      auf England       |                       |     Verringerung des
                        | 17. Czernin im        |     Brotverbrauchs
  Im Mai 869000         |     deutschen         |
  Tonnen versenkt       |     Hauptquartier     |  4. Bestandsaufnahme
                        |     in Kreuznach      |     der Getreide-, Mais-
                        |                       |     und Mehlvorräte
                        |                       |     in Italien
                        |                       |
  =Juni=                |  =Juni=               |  =Juni=
                        |                       |
   7. Durchbruchs-      |  5. u. 7. San Domingo |  Ergebnis der 6. öster-
      versuch der       |     u. Haïti brechen  |  reichisch.-ungar.
      Engländer am      |     die Beziehgn. zu  |  Kriegsanleihe:
      Wytschaetebogen   |     Deutschland ab    |  7689 Millionen
                        |                       |  Kronen
  10. Italien.          | 11. König Konstantin  |
      Offensive bei     |     dankt ab --       | 23. Ergebnis der
      Asiago und im     |     In Spanien konser-|     amerikanischen
      Suganatal         |     vatives           |     Freiheitsanleihe:
                        |     Ministerium Dato  |     3035226850 Doll.
  Ende Juni             |                       |
  Kerenski-             | 22. In Österreich     |
  Offensive             |     provisorisch.     |
                        |     Beamtenkabinett   |
  Im Juni               |     Seidler           |
  1016000 Tonnen        |                       |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =Juli=                |  =Juli=               |  =Juli=
                        |                       |
   1.-11. Kornilows     |  6. Erzbergers Vorstoß|  7. Erörterung über
      Offensive in      |     im Hauptausschuß  |     das Ernährungswesen
      Ostgalizien       |                       |     im österreichischen
                        |  9. u. 11. Kronrat    |     Abgeordnetenhause
   7. Luftangriff auf   |     und Order über das|
      London            |     gleiche Wahlrecht |  8. Die amerikanische
                        |                       |     Ausfuhr wird unter
  19. Durchbruch der    | 14. Dr.  Michaelis    |     Regierungskontrolle
      russischen Front  |     Reichskanzler     |     gestellt
      zwischen Sereth   |                       |
      und Slota Lipa    | 18. v. Kühlmann       |
                        |     Staatssekretär    |
  25. Einnahme von      |     des Auswärtigen   |
      Tarnopol          |                       |
                        | 19. Friedensresolution|
  26. Einnahme von      |     des Reichstags    |
      Kolomea           |                       |
                        | 25. England tritt für |
  31. Beginn der ersten |     Frankreichs An-   |
      Flandernschlacht  |     sprüche auf Elsaß-|
                        |     Lothringen ein -- |
  Im Juli               |     Ablehnung einer   |
  811000 Tonnen         |     englischen        |
  versenkt              |     Friedensresolution|
                        |     im Unterhaus      |
                        |                       |
  =August=              |  =August=             |  =August=
                        |                       |
   1. Kornilow russ.    | 14. Czernin in Berlin | 14. Erhöhung der
      Oberbefehlshab.   |     -- Österreich     |     Lebensmittelrationen
                        |     erklärt sich      |     (Mehlprodukte)
   3. Befreiung von     |     desinteressiert   |     in Österr.
      Czernowitz        |     an Polen          |
                        |     (einschließlich   | 16. Lloyd George
   6.-14. Schlacht in   |     Galiziens), falls |     weist im Unterhause
      der Moldau        |     Deutschland       |     auf die
                        |     bereit, auf       |     Notwendigkeit
  14. Österreichisch-   |     Elsaß-Lothringen  |     größter Sparsamkeit
      ungarischer       |     zu verzichten --  |     im Verbrauch der
      Fliegerangriff    |     Chinas Kriegs-    |     Lebensmittel hin
      auf Venedig       |     erklärung an      |
                        |     Deutschland       | 22. Gründung einer
  15.-25. Englische     |                       |     schwedisch-
      Massenstürme      | 21. Graf Bernstorff   |     russischen
      bei Lens          |     Botschafter  in   |     Handelskammer
                        |     Konstantinopel    |
  16. Beginn der        |                       | 25. Der russische
      zweiten           | 22. Beginn der neuen  |     Finanzminister
      Flandernschlacht  |     Kanzlerkrise      |     Bernatzki verlangt
                        |     (Michaelis) --    |     Arbeit bis
  16.-25. Schlacht bei  |     »Siebener-        |     zum Höchstmaß
      Verdun            |     Kommission« des   |     aller Kräfte,
                        |     Reichstags        |     Rußland sei für
  19. Beginn der elften |     eingesetzt        |     das sozialistische
      Isonzoschlacht    |                       |     Regime noch
                        | 31. Wilsons Ablehnung |     nicht reif
  Im August             |     der Papstnote     |
  808000 Tonnen         |                       |
  versenkt              |                        |
                        |                       |
  =September=           |  =September=          |  =September=
                        |                       |
   3. Einnahme v. Riga  |  Anfang: Gründung der |  4. Beschluß des
                        |  Vaterlandspartei     |     englischen
   8. Kornilow          |                       |     Gewerkschafts-
      abgesetzt         | 12. Deutschland       |     kongresses zugunst.
                        |     gesteht den Polen |     des Freihandels
  20. Beginn d. Herbst- |     einen Regent-     |     nach dem Kriege
      schlachten in     |     schaftsrat, ein   |
      Flandern          |     Ministerium und   |  5. Einführung der
                        |     einen erweiterten |     Kohlenkarte in
  29. Luftangriff auf   |     Staatsrat zu      |     Österreich-Ungarn
      Dünkirchen        |                       |
                        |                       | 28. Die russische
  Im September          | 21. Deutsche Antwort  |     Regierung nimmt
  672000 Tonnen         |     auf die Papstnote |     den Entwurf eines
  versenkt              |     vom 1. August --  |     Zuckermonopols an
                        |     Stockholmer       |
                        |     Sozialisten-      |
                        |     Konferenz         |
                        |                       |
  =Oktober=             |  =Oktober=            |  =Oktober=
                        |                       |
  12.-16. Besetzung     |  2. Friedensrede      | 20. Ergebnis der 7.
      der Inseln Ösel   |     Czernins          |     deutsch.
      und Moon          |     in Budapest       |     Kriegsanleihe:
                        |                       |     12,5 Milliarden
  19.-21. Besetzung     |  6. Interpellation    |     Mark bei
      der Insel Dagö    |     über alldeutsche  |     5213373 Einzel-
                        |     Agitation i. Heer |     zeichnungen
  22. Schlacht am       |                       |
      Chemin des Dames  |  9. Michaelis und     |
                        |     Capelle über das  |
  24. Beginn der        |     Komplott in der   |
      deutsch-          |     Marine u. die     |
      österreichisch.   |     Unabhängigen      |
      Offensive am      |     Sozialdemokraten  |
      oberen Isonzo     |     -- Kühlmanns Rede |
                        |     im Reichstag      |
  28. Görz              |     (Elsaß-Lothringen:|
      zurückerobert     |     Niemals!)         |
                        |                       |
  29. Einnahme von      | 23. Vertreter der     |
      Udine             |     Mehrheitsparteien |
                        |     beim Chef         |
  31. Umfassungs-       |     d. Zivilkabinetts |
      schlacht          |     wegen Kanzler-    |
      am Tagliamento    |     wechsels          |
                        |                       |
  Im Oktober            | 26. Entlassungsgesuch |
  674000 Tonnen         |     des Reichskanzl.  |
  versenkt              |     Michaelis         |
                        |                       |
  =November=            |  =November=           |  =November=
                        |                       |
   2. Zurücknahme       |  1. Entlassung        |  8. Ergebnis der 2.
      der deutschen     |     Michaelis'        |     amerikanischen
      Front am Chemin   |     genehmigt         |     Anleihe:
      des Dames         |     -- Graf Hertling  |     4617 Millionen
                        |     Reichskanzler     |     Dollars
   7. Einnahme von      |                       |
      Gaza durch die    |  5. Kronrat über die  | 20. Herabsetzung d.+
      Engländer         |     Polnische Frage   |     Malzkontingents
                        |                       |     der Bierbrauereien
   9. Deutsche und      |  6. Czernin in Berlin |     auf 10 Prozent
      Österreicher am   |                       |
      Piave             |  7. Neue russische    |
                        |     Revolution        |
  10. Der italienische  |     (Regierung        |
      Oberbefehlshab.   |      des Rates der    |
      Cadorna durch     |     Volkskommissare)  |
      General Diaz      |                       |
      ersetzt           |  8. Kerenski          |
                        |     gestürzt          |
  17. Englischer        |                       |
      Flottenvorstoß    |  9. Helfferichs       |
      in die Deutsche   |     Abschied genehmigt|
      Bucht             |     -- von Payer      |
                        |     stellv. Reichs-   |
  20.-29. Englischer    |     kanzler           |
      Durchbruchs-      |                       |
      versuch           | 16. Ministerium       |
      bei Cambrai       |     Clemenceau        |
                        |                       |
  Im November           | 23. Veröffentlichung  |
  607000 Tonnen         |     der Geheimverträge|
  versenkt              |     Rußlands mit      |
                        |     seinen Verbündeten|
                        |                       |
                        | 30. Landsdownes       |
                        |     Brief             |
                        |                       |
  =Dezember=            |  =Dezember=           |  =Dezember=
                        |                       |
   4.-6. Eroberung d.   |  1. Fünfzehn          |  Ergebnis der
      Meletta-Massivs   |     Milliarden        |  3. französischen
                        |     Kriegskredite     |  Kriegsanleihe: 10276
   5. Erfolgreicher     |     v. Reichstag      |  Milliard. Francs.
      deutscher         |     bewilligt         |
      Gegenstoß         |                       |  4. Festsetzung der
      bei Cambrai       |  3. Beginn der Waffen-|     Brotration in
                        |     stillstands-      |     Frankreich
   9. Jerusalem von     |     verhandlungen     |
      den Türken        |     in Brest-Litowsk  | 21. Beratung des
      geräumt           |  7. Amerikas Kriegs-  |     Ernährungsamts
                        |     erklärung an      |     über Maßregeln
  Im Dezember           |     Österreich-Ungarn |     zur Bekämpfung des
  702000 Tonnen         |                       |     Schleichhandels
  versenkt              | 11. Litauen           |
                        |     proklamiert seine |
                        |     Selbständigkeit   |
                        |                       |
                        | 16. Waffenstillstand  |
                        |     mit Rußland       |
                        |     unterzeichnet     |
                        |                       |
                        | 22. Beginn der        |
                        |     Friedens-         |
                        |     verhandlungen     |
                        |     in Brest-Litowsk  |
                        |                       |
                        |                       |
          1918          |         1918          |          1918
                        |                       |
  =Januar=              |  =Januar=             |  =Januar=
                        |                       |
   5. Ergänzung der     |  5. Lloyd Georges     |  Ergebnis der 7.
      deutschen Sperr-  |     Rede vor den      |  österr.-ungar.
      gebietserklärung  |     englischen        |  Kriegsanleihe:
      vom 31. Januar    |     Gewerkschafts-    |  9644 Millionen
      1917              |     vertretern        |  Kronen
                        |                       |
  29. Italienische      |  8. Wilsons Botschaft | 18. Hungerrevolten
      Angriffe im       |     an den Kongreß    |     in Petersburg
      Gebiet der Sieben |     (Die 14 Punkte)   |     und Moskau
      Gemeinden         |                       |
                        |  9. Wiederaufnahme    | 24. Ernennung des
  29.-31. Luftangriffe  |     der Friedensver-  |     Reichsausschusses
      auf London und    |     handlungen in     |     zur Wieder-
      Paris             |     Brest-Litowsk     |     herstellung der
                        |     (Trotzki)         |     deutschen
  Im Januar             |                       |     Handelsflotte
  632000 Tonnen         | 11. Wilsons Kongreß-  |
  versenkt              |     rede (14 Punkte)  |
                        |                       |
                        | 22. Sprengung der     |
                        |     russischen        |
                        |     Nationalver-      |
                        |     sammlung durch    |
                        |     die Bolschewiki   |
                        |                       |
                        | 27. Streik in         |
                        |     Groß-Berlin       |
                        |                       |
  =Februar=             |  =Februar=            |  =Februar=
                        |                       |
  17. Luftangriff auf   |  9. Friedensvertrag   |  3. Der Zentralexe-
      London u. Dover   |     des Vierbundes    |     kutivausschuß
      -- Beginn d.      |     mit der Ukraine   |     in Petersburg
      deutschen         |                       |     beschließt die
      Vormarsches in    | 10. Einseitige        |     Annullierung der
       Großrußland      |     Friedenserklärung |     Kriegsanleihen
      u. d. Ukraine     |     Trotzkis          |
                        |     -- Abbruch der    | 16. Alle Ein- und
  19. Einnahme von      |     Verhandlungen     |     Ausfuhr in Amerika
      Dünaburg und      |                       |     unterliegt
      Luck              | 13. Kronrat in        |     ab 16. Februar
                        |     Homburg           |     der Kontrolle des
  23. Rückkehr des      |                       |     Kriegshandelsamts
      Hilfskreuzers     | 19. 10. Kriegstagung  |
      »Wolf«            |     des Reichstages   | 25. Einführung der
                        |                       |     Fleischkarte in
  25. Pernau, Dorpat,   | 20. Russischer        |     London
      Reval und Pleskau |     Funkspruch:       |
      besetzt           |     Annahme der       |
                        |     Friedens-         |
  Im Februar            |     bedingungen des   |
  680000 Tonnen         |     Vierbundes        |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =März=                |  =März=               |  =März=
                        |                       |
   1. Befreiung von     |  3. Der Friedens-     |  Beschlagnahme der
      Kiew              |     vertragm. Rußland |  holländischen
                        |     unterzeichnet     |  Handelsschiffflotte
   4. Einnahme von      |                       |  durch den
      Narwa             |  5. Neuer Friedens-   |  Vierverband
      -- Einstellung    |     brief             |
      des deutschen     |     Lord Landsdownes  |
      Vormarsches in    |                       |
      Großrußland       |  7. Friedensvertrag   |
                        |     mit Finnland      |
  12. Luftangriff auf   |                       |
      England           |  8. Der kurländische  |
                        |     Landesrat wünscht |
  13. Einnahme von      |     Anschluß an       |
      Odessa            |     Deutschland       |
                        |                       |
  21. Beginn der        | 15. Hofrat Lammaschs  |
      deutschen         |     Herrenhausrede    |
      Offensive im      |     gegen das Bündnis |
      Westen zwischen   |     mit Deutschland   |
      Scarpe und Oise   |                       |
                        | 16. Der Hauptausschuß |
  22. Beginn der        |     des Reichstags    |
      Fernbeschießung   |     beschäftigt sich  |
      von Paris         |     mit der           |
                        |     Denkschrift des   |
  23. Einnahme von      |     Fürsten Lichnowsky|
      Péronne           |                       |
                        | 19. Neuer 15-Milliar- |
  24. Einnahme von      |     denkredit vom     |
      Bapaume           |     Reichstag         |
                        |     bewilligt         |
  26. Einnahme von      |                       |
      Albert u. Noyon   | 23. Anerkennung       |
                        |     Litauens          |
  27. Einnahme von      |     als freier        |
      Montdidier        |     und unabhängiger  |
                        |     Staat durch       |
  31. Englische Nie-    |     Deutschland       |
      derlage am Jordan |                       |
                        |                       |
  Im März               |                       |
  689000 Tonnen         |                       |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =April=               |  =April=              |  =April=
                        |                       |
   2. Landung deutscher |  6. Joffe diploma-    |
      Truppen           |     tischerVertreter  |
      in Finnland       |     der russischen    |
                        |     Sowjetrepublik    |
  11. Einnahme von      |     in Berlin         |
      Armentières       |                       |
                        | 14. Graf Czernins     |
  22.-23. Erfolgloser   |     Rücktritt         |
      englischer        |                       |
      Sperrangriff      | 18. Graf Mirbach      |
      auf Ostende       |     deutscher diplo-  |
      und Zeebrügge     |     matisher Vertreter|
                        |     in Moskau         |
  25. Erstürmung des    |                       |
      Kemmelberges      | 21. Der vereinigte    |
                        |     Landesrat von     |
  Im April              |     Livland, Estland, |
  652000 Tonnen         |     Riga und Ösel     |
  versenkt              |     wünscht Anschluß  |
                        |     an Deutschland    |
                        |                       |
  =Mai=                 |  =Mai=                |  =Mai=
                        |                       |
   3. Niederlage der    | 22. Friedensoffensive-|  Ergebnis der 3.
      finnischen Roten  |     Artikel in        |  amerikanischen
      Garde bei         |     der Kreuzzeitung  |  Freiheitsanleihe:
      Tawastehus        |                       |  4170019659
                        |                       |  Dollar
   4. Neue Niederlage   |                       |
      der Engländer     |                       |  4. Deutsch-
      am Jordan         |                       |     holländisches
                        |                       |     Wirtschafts-Abkommen
  27. Beginn der        |                       |
      Schlacht zwischen |                       | 18. Ergebnis der 8.
      Aisne und Marne   |                       |     deutsch.
      -- Erstürmung des |                       |     Kriegsanleihe:
      Damenweges        |                       |     15001425400
                        |                       |     Mark
  29. Einnahme von      |                       |
      Soissons          |                       | 22. Deutsch-
                        |                       |     schweizerisch.
  Im Mai                |                       |     Wirtsch.-Abkommen
  614000 Tonnen         |                       |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =Juni=                |  =Juni=               |  =Juni=
                        |                       |
  15. Österreichische   | 24. Kühlmanns Rede    |
      Offensive in      |     im Reichstag über |
      Norditalien und   |     die Unmöglichkeit |
      Rückzug           |     der rein          |
                        |     militärischen     |
  Im Juni               |     Beendigung des    |
  521000 Tonnen         |     Kriegs            |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =Juli=                |  =Juli=               |  =Juli=
                        |                       |
  15. Neue Offensive    |  4. Bukarester        | 18. Ergebnis der 8.
      an der Marne und  |      Friedensvertrag  |     österr.-ungar.
      in der Champagne  |      unterzeichnet    |     Kriegsanleihe:
                        |                       |     5763,4 Millionen
  18. Beginn der        |  6. Graf Mirbach      |     Kronen
      Gegenoffensive    |     ermordet          |
      der Entente       |                       |  Ergebnis der
      Aisne-Marne       |  8. Admiral von Hintze|  englischen
                        |     Staatssekretär    |  Siegesanleihe:
  30. Feldmarschall     |     des Auswärtigen   |  708 Mill.
      von Eichhorn in   |                       |  Pfund Sterling
      Kiew ermordet     | 25. Helfferich        |
                        |      Nachfolger des   |
  Im Juli               |     Grafen Mirbach    |
  550000 Tonnen         |     in Moskau         |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =August=              |  =August=             |  =August=
                        |                       |
   2. Soissons geräumt  |  6. Verlegung der     |
                        |     deutschen         |
   8. Erfolgreiche      |     Botschaft         |
      englische         |     von Moskau        |
      Offensive         |     nach Petersburg   |
      zwischen Ancre    |     -- Helfferich     |
      und Oise --       |     zur mündlichen    |
      Montdidier        |     Berichterstattung |
      geräumt           |     nach              |
                        |     Berlin gerufen    |
  18. Ententeoffensive  |                       |
      zwischen Oise     | 27. Deutsch-russ.     |
      und Aisne         |     Zusatzverträge    |
                        |     unterzeichnet     |
  20. Englische         |                       |
      Offensive         | 30. Helfferich ersucht|
      b. Bapaume        |     um seine          |
                        |     Entlassung        |
  31. Der Kemmelberg    |     von dem Posten des|
      geräumt           |     diplomatischen    |
                        |     Vertreters b. d.  |
  Im August             |     Sowjetregierung   |
  420000 Tonnen         |                       |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =September=           |  =September=          |  =September=
                        |                       |
  12. Amerikanische     |  7. Talaat Pascha in  |
      Offensive bei     |     Berlin            |
      Verdun            |                       |
                        | 14. Friedensnote des  |
  15. Ententeoffensive  |     Grafen Burian     |
      in Mazedonien     |                       |
                        | 17. Wilsons u.        |
  19. Englische         |     Balfours Antwort  |
      Offensive in      |                       |
      Palästina         | 18. Clemenceaus       |
                        |     Antwort           |
  26. Ententeoffensive  |                       |
      Champagne-        | 26. Bulgarien bittet  |
      Argonnen          |     um Waffenstill-   |
                        |     stand             |
  29. Waffenstillstand  |                       |
      zwisch. d.        | 30. Graf Hertlings    |
      Entente und       |     Rücktritt -- Erlaß|
      Bulgarien         |     des Kaisers       |
                        |     (Demokratisierung)|
  Im September          |                       |
  440000 Tonnen         |                       |
  versenkt              |                       |
                        |                       |
  =Oktober=             |  =Oktober=            |  =Oktober=
                        |                       |
   2. Damaskus          |  3. Prinz Max v. Baden|
      gefallen          |     Reichskanzl.      |
      -- Armentières    |                       |
      und Lens geräumt  |  5. Deutsche Friedens-|
                        |     und Waffenstill-  |
   3. Cambrai und St.   |     standsnote an     |
      Quentin geräumt   |     Wilson            |
                        |                       |
  14. Die Italiener in  |  8. Wilsons Antwort   |
      Durazzo           |                       |
                        | 12. Deutsche Note     |
  19. Flandrische       |     an Wilson         |
      Küste u. Brügge   |     (uneingeschränkte |
      geräumt           |     Annahme der       |
                        |     14 Punkte)        |
  24. Italienische      |                       |
      Angriffe im       | 14. Weitere Note      |
      Gebirge und am    |     Wilsons, Forderung|
      Piave             |     der Einstellung   |
                        |     des U-Bootkriegs, |
  26. Aleppo besetzt    |     deutliche         |
                        |     Anspielung auf    |
  30. Österreich-Ungarn |     Abdankung des     |
      räumt das         |     Kaisers           |
      besetzte Gebiet   |                       |
                        | 17. Manifest Karls I. |
  31. Waffenstillstand  |     »An meine getreuen|
      zwischen der      |     Völker«           |
      Entente und der   |                       |
      Türkei            | 20. Deutsche Antwort  |
                        |     an Wilson:        |
                        |     Einstellung       |
                        |     des U-Bootkriegs, |
                        |     Hinweis auf die   |
                        |     grundlegenden     |
                        |     innern Reformen   |
                        |                       |
                        | 23. Note Wilsons:     |
                        |     Bereitschaft,     |
                        |     Frage des         |
                        |     Waffenstillstands |
                        |     mit seinen        |
                        |     Verbündeten       |
                        |     zu beraten        |
                        |                       |
                        | 26. Ludendorff zur    |
                        |     Disposition       |
                        |     gestellt          |
                        |                       |
                        | 27. Deutsche          |
                        |     Antwortnote       |
                        |                       |
                        | 28. Andrassys Sonder- |
                        |     friedensangebot   |
                        |     an Wilson --      |
                        |     Kaiser Wilhelms   |
                        |     Erlaß über die    |
                        |     neue Regierung    |
                        |                       |
                        | 30. Zerfall           |
                        |     Österreich-Ungarns|
                        |     in Teilstaaten    |
                        |                       |
                        | 31. Kapitulation der  |
                        |     Türkei            |
                        |                       |
  =November=            |  =November=           |  =November=
                        |                       |
   1. Gröner an Stelle  |  3. Waffenstillstand  |  Ergebnis der 9.
      Ludendorffs       |     Österreich-Ungarns|  deutschen
      Erster General-   |     mit den           |  Kriegsanleihe:
      quartiermeister   |     Alliierten --     |  10434 Millionen
                        |     Aufruhr in Kiel   |  Mark bei 2717657
   7. Beginn der        |                       |  Einzelzeichnungen
      Waffenstill-      |  5. Wilsons  Antwort: |
      zwischenstands-   |     Die Alliierten zu |
      verhandl.         |     Waffenstillstands-|
      Deutschland und   |     verhandlungen     |
      der Entente       |     bereit            |
                        |                       |
  11. Unterzeichnung    |  6. Abreise der       |
      des Waffenstill-  |     deutschen         |
      stands            |     Waffenstillstands-|
                        |     bevollmächtigten  |
                        |                       |
                        |  7. Revolution in     |
                        |     München           |
                        |                       |
                        |  9. Verkündigung      |
                        |     der Abdankung     |
                        |     des Kaisers und   |
                        |     des Kronprinzen   |
                        |     -- Sieg der       |
                        |     Revolution        |
                        |     in Berlin         |

                    *       *       *       *       *




                           Personenverzeichnis


  Abdul Hamid, Sultan. I, 66, 125.

  Aehrenthal, Graf, österreichisch-ungarischer Minister des Auswärtigen.
    I, 67f.

  Alexejew, russischer General. III, 465ff.

  Andrassy, Graf, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. II, 102,
    III, 554ff.

  Armand, Graf, Major. III, 145, 391f.

  Asquith, engl. Premierminister. I, 23, 100f., 207.

  Auguste Viktoria, Deutsche Kaiserin. II, 176.

  Avarescu, rumänischer General und Ministerpräsident. III, 302.


  Bachmann, Admiral, Chef des Admiralstabs. II, 322, 325.

  Balfour, engl. Minister des Auswärtigen. I, 130, III, 148, 373, 391,
    517, 591ff.

  Bassermann, Abgeordneter. II, 161.

  Bassewitz, Graf, Legationsrat. III, 461.

  Bathurst, Unterstaatssekretär des englisch. Kriegsernährungsamtes. III,
    37.

  von Batocki, Präsident des Kriegsernährungsamtes. II, 179ff., III, 87.

  Bauer, Staatssekretär des Reichsarbeitsamtes. III, 531.

  Beldiman, rumänischer Gesandter. III, 299.

  Benckendorff, Graf, russischer Botschafter. I, 94, 158.

  Benedikt XV., Papst. III, 147, 164, 581ff.

  Berchtold, Graf, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. I, 105,
    107f., 202, 204f.

  Bernstorff, Graf, deutscher Botschafter. II, 323, 350, 359, 417ff.,
    421ff.

  von Beseler, General, Generalgouverneur in Warschau. III, 52ff.

  von Bethmann Hollweg, Reichskanzler. I, 74f., 88f., 204ff., II, 58,
    68, 82ff., 95, 100, 103f., 112ff., 162f., 176, 179, 254f., 258,
    261, 266, 290f., 294ff., 302ff., 329f., 335ff., 341ff., 349ff.,
    359ff., 383, 388ff., 396ff., 408ff., III, 24, 50, 70f., 84,
    97, 110, 117ff., 123ff., 130ff., 578, 582.

  Beyens, Baron, belgischer Gesandter. I, 161.

  Bismarck, Reichskanzler. I, 13ff., 32f., 47ff., II, 392.

  Bonar Law, konservativer Führer. I, 220; engl. Schatzkanzler. III, 148.

  Botkin, Sekretär der russischen Botschaft. I, 103.

  Bratianu, rumänischer Ministerpräsident. II, 78, 102.

  Breitenbach, Eisenbahnminister. II, 176, 262, 269; Vizepräsident des
    preußischen Staatsministeriums. III, 171, 208.

  Briand, französischer Ministerpräsident. II, 368, 372, 375.

  Buchanan, engl. Botschafter. I, 201, 210.

  Bülow, Fürst, Reichskanzler. I, 18, 33, 35f., 52, 60, 68, II, 67f.,
    70f., III, 208, 214.

  Burian, Baron, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. II, 268,
    357, III, 50, 513f.


  Cambon, Jules, französischer Botschafter. I, 79, 157.

  Cambon, Paul, französ. Botschafter. I, 80, 157, 202, 219ff.

  Campbell-Bannermann, Sir Henry, engl. Ministerpräsident. I, 23.

  Canevaro, italienischer Minister des Auswärtigen. I, 28.

  von Capelle, Admiral, Staatssekretär des Reichsmarineamts. II, 337,
    341, 380ff., III, 106f., 110, 161, 195ff.

  Carol, König von Rumänien. II, 13, 77f.

  Carp, Peter, rumänischer Staatsmann. III, 299.

  Carranza, Präsident von Mexiko. II, 362, III, 107.

  Carson, engl. Marineminister. III, 147.

  Cassel, Sir Ernest. I, 134f.

  Chamberlain, Josef, engl. Kolonialminister. I, 17, 127.

  Churchill, Erster Seelord. I, 207; Marineminister. II, 61.

  Clausewitz, General von. II, 285.

  Clemenceau, franz. Ministerpräsident. III, 65, 145, 239, 392, 409, 516.

  Cohn, Abgeordneter. I, 183, III, 151.

  Conrad von Hötzendorff, österreich.-ungar. Generalstabschef. I, 177,
    II, 101.

  Constans, französ. Botschafter. I, 124, 127.

  Czernin, Graf, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. II, 88,
    398, III, 44f., 61ff., 67ff., 114, 145, 162ff., 178, 218ff., 245ff.,
    281ff., 304, 378ff., 578ff.


  Dr. David, Abgeordneter. III, 108f., 116, 125, 425;
    Unterstaatssekretär. III, 530.

  Davydoff, Präsident der Russischen Bank. I, 103f., 189ff.

  Delbrück, Staatssekretär des Innern. II, 175f., III, 75.

  Delcassé, franz. Minister des Auswärtigen. I, 19, 21f., 79, 130.

  Denikin, russischer General. III, 465ff.

  Dernburg, Staatssekretär. II, 150.

  Dittmann, Abgeordneter. III, 90, 193ff., 557.

  Djavid Bey, türkischer Finanzminister. II, 88, 174.

  Doumergue, franz. Minister des Auswärtigen. I, 157.

  von Dusch, badischer Ministerpräsident. II, 168.

  Dutow, russischer General. III, 465.


  Ebert, Abgeordneter. III, 82, 105ff., 116, 119, 161, 199, 540, 568.

  Eduard VII., König von England. I, 20, 26f., 74, 118.

  von Eichhorn, Feldmarschall. III, 344, 482ff.

  von Einem, General, Kriegsminister. II, 136.

  Eisner, Kurt, bayr. Ministerpräsident. I, 177.

  Enver Pascha, türkischer Kriegsminister. I, 110, II, 60, 88.

  Erzberger, Abgeordneter. II, 163, III, 52, 79, 105ff., 146, 157;
    Staatssekretär. III, 551, 559, 577ff.

  de L'Escaille, belgischer Geschäftsträger. I, 210.


  von Falkenhausen, Generaloberst, Generalgouverneur von Belgien. III,
    171.

  Falkenhayn, Generalstabschef. II, 58f., 71, 82f., 89, 95f., 100ff.,
    105, 254, 330, 336, 343.

  Fehrenbach, Abgeordneter. III, 124, 127.

  Ferdinand, König von Bulgarien. II, 89, III, 519.

  Ferdinand, König von Rumänien. III, 301.

  Fisher, Lord John, Erster Seelord. II, 61.

  Foch, französischer Marschall. III, 403, 551, 569.

  Franz Ferdinand, Erzherzog. I, 169.

  Franz Joseph, Kaiser von Österreich-Ungarn. I, 179, 182.

  Dr. Friedberg, Abgeordneter. III, 217ff., Vizepräsident des Preuß.
    Staatsministeriums. III, 430.

  Friedrich Wilhelm, Deutscher Kronprinz. III, 119ff., 171f., 279f.,
    563, 566f., 570.

  Friedrich, Erzherzog. I, 177.


  Geddes, Sir Auckland, englisch. Rekrutierungsminister. III, 375.

  Georg V., König von England. I, 156f., 182.

  Gerard, amerikanischer Botschafter. II, 81, 307, II, 338f., 342ff.,
    350ff., 359f., 401ff., III, 149.

  von der Goltz, Generalfeldmarschall. I, 160; Generalgouverneur. II,
    112.

  Gore, amerikanischer Senator. II, 333.

  von Grävenitz, Unterstaatssekretär in der Reichskanzlei. III, 159f.

  Greindl, Baron, belgischer Gesandter. I, 27.

  Grew, amerikanischer Geschäftsträger. II, 353.

  Grey, Sir Edward, Abgeordneter. I, 19; Staatssekretär des Auswärtigen.
    I, 21ff., 55, 71, 79, 85, 89, 96, 100, 120, 143, 156f., 163f., 201ff.,
    210ff., 218ff., II, 355f.

  Dr. Gröber, Abgeordneter. III, 425.

  Gröner, General. II, 258, 260ff., 268f., 278; Generalquartiermeister.
    III, 552.

  van Grootven, belgischer Gesandter. I, 21.

  Guillaume, Baron, belgischer Gesandter. I, 162f.

  von Gwinner, Direktor der Deutschen Bank. I, 106, 137.


  Haase, Abgeordneter. III, 74, 81, 193.

  Haber, Geheimrat. II, 117.

  Haimerle, Baron, österr.-ungar. Botschaftsrat. I, 176.

  Hakki Pascha, Großwesir. I, 137, 143, 148f.

  Haldane, Lord, englischer Kriegsminister. I, 23, 87ff., 142.

  Harden, Maximilian. III, 361.

  Harmsworth, engl. Unterstaatssekretär d. Auswärtigen. III, 587.

  Hartwich, russischer Gesandter. I, 96.

  Harwey, Sir Paul, englischer Diplomat. I, 109.

  Haußmann, Abgeordneter. III, 207, 220ff.; Staatssekretär, III, 530.

  Havenstein, Reichsbankpräsident. II, 22, 33, 113, 142.

  Henderson, englischer Arbeiterführer. III, 148.

  Hergt, preußischer Finanzminister. III, 159.

  Hertling, Graf, bayrischer Ministerpräsident. II, 167; Reichskanzler.
    III, 202ff., 234ff., 335, 378ff., 390ff., 418ff., 514ff., 525f., 562.

  Hindenburg, General. II, 20, 75, 99ff., 105f.; Chef des Generalstabs
    des Feldheeres. II, 254f., 258f., 357, 381f., 392ff., 397, 403ff.,
    III, 116, 123, 129ff., 171, 218, 279, 499, 525, 536ff., 546f., 550,
    590.

  von Hintze, Staatssekretär des Auswärtigen. III, 428, 434f., 450, 460,
    476, 488f., 514ff., 525f.

  Hoch, Abgeordneter. III, 108ff., 116.

  Hoffmann, Generalmajor. III, 259, 275f., 278f., 289.

  Hoffmann, Abgeordneter. III, 116.

  Hohenlohe, Prinz, österreichisch-ungarischer Botschafter. III, 126.

  von Holtzendorff, Admiral, Chef des Admiralstabs. II, 325, 336, 341,
    381, III, 171.

  Holubowitsch, ukrainischer Staatssekretär. III, 281.

  House, Oberst. II, 417.

  Humbert, französischer Senator. III, 151.

  Hussarek, österreichischer Ministerpräsident. III, 554.


  Ickler, Abgeordneter. II, 269ff.

  Iswolski, russischer Minister des Auswärtigen. I, 26, 96, 109, 157,
    161, 163f., 190, 203.


  von Jagow, Staatssekretär des Auswärtigen. I, 106, II, 83, 106, 351
   ff., III, 50f.

  Januschkewitsch, russischer Generalstabschef. I, 198, 209.

  Joffe, russischer diplomatischer Vertreter. III, 260, 338, 442, 448,
    469, 489, 494f.

  Joffre, Marschall, französischer Oberbefehlshaber. II, 73, 92.

  Johann Albrecht, Herzog. II, 89.


  Kamkow, russischer Sozialrevolutionär. III, 469.

  Karachan, russischer Volkskommissar. III, 487.

  Karl I., Kaiser von Österreich-Ungarn. III, 55, 61, 65, 141ff., 299,
    552, 578ff.

  Karl Stefan, Erzherzog. III, 55, 65, 67.

  Kemal Bey, Ghalib, türkischer Diplomat. III, 483.

  Kerenski, russischer Kriegs- und Marineminister. III, 26f., 239.

  Keßler, Graf Harry. III, 469.

  Kiderlen-Wächter, Staatssekretär des Auswärtigen. I, 73f., 79ff., 93f.,
    96ff., 105.

  von Koch, Admiral. II, 381.

  Kokowzoff, russischer Minister des Innern. I, 198.

  Konstantin, König von Griechenland. II, 79f., 95, III, 22.

  Krasnow, russischer General. III, 445, 465ff.

  Dr. von Krause, preußischer Justizminister. III, 158.

  von Kreß, General. III, 347.

  Dr. Kriege, Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt. III, 476, 489.

  Krupp von Bohlen und Halbach. II, 254.

  von Kühlmann, Botschafter. I, 143; Staatssekretär des Auswärtigen. III,
    157, 159, 163, 168ff., 178f., 208, 215, 217ff., 258ff., 279f., 356,
    418ff., 433f., 589f., 593.

  Kühn, Reichsschatzsekretär. II, 113.


  von Lancken-Wakenitz, Freiherr, Botschaftsrat. I, 106.

  Landsberg, Abgeordneter. III, 185ff.

  Landsdowne, Lord. I, 220, III, 355ff.

  Lansing, amerikanischer Staatssekretär des Auswärtigen. II, 323, 325
   ff., 334.

  Lee, Arthur, Zivillord der britischen Admiralität. I, 54.

  Legien, Abgeordneter. II, 270.

  Lenin, Präsident der Bolschewikiregierung. III, 240f., 294.

  Lentze, preußischer Finanzminister. II, 119.

  Leopold von Bayern, Prinz, Oberbefehlshaber Ost. III, 248.

  Lerchenfeld, Graf, bayrischer Gesandter. II, 101, III, 209.

  Lichnowsky, Fürst, deutscher Botschafter. I, 143, 177, 203, 213ff.

  Liebknecht, Abgeordneter. III, 557.

  Liman von Sanders, General. I, 160.

  List, Abgeordneter. III, 124.

  Lloyd George, englischer Ministerpräsident. I, 55ff., 83ff., 220, II,
    368, III, 142ff., 356ff., 376ff., 578.

  Lohmann, Bremer Großkaufmann. II, 129ff.

  Ludendorff, General. II, 20, 99; 1. Generalquartiermeister. II, 103,
    106, 255, 260, 265, 280, 381, 392ff., 397, III, 116, 123, 125ff.,
    171, 218, 238, 279, 421, 499ff., 525, 534ff., 546, 550ff.

  Ludwig, König von Bayern. II, 101.

  Lwoff, Fürst, russischer Ministerpräsident. III, 23.

  von Lyncker, General, Chef des Militärkabinetts. III, 129.


  Mac Donald, englischer Abgeordneter. III, 148.

  Majorescu, rumänischer Politiker. II, 88.

  Malinoff, bulgarischer Ministerpräsident. III, 509, 521.

  Mankiewitz, Direktor der Deutschen Bank. I, 189.

  Marghiloman, rumänischer Ministerpräsident. III, 302ff.

  Marschall von Bieberstein, Freiherr, Deutscher Botschafter. I, 66ff.,
    93, 127, 142f.

  Max von Baden, Prinz. III, 208; Reichskanzler und preußischer Minister
    des Auswärtigen. III, 527ff., 545, 557, 567ff., 570.

  Mensdorff, Graf, österreich.-ungarischer Botschafter. III, 65.

  Mertin, Abgeordneter. III, 125.

  Michaelis, Reichskanzler. II, 182, III, 131ff., 153ff., 162ff.,
    181ff., 194ff., 590.

  Miljukow, russischer Minister des Auswärtigen. III, 23, 474.

  Mirbach, Graf, deutscher Gesandter. III, 442ff., 446ff., 456ff.

  von Moltke, Generaloberst. II, 17ff., 58.

  Dr. Mühlon, Direktor bei Krupp. I, 177.

  von Müller, Admiral, Chef des Marinekabinetts. II, 409.

  Müller, August, Unterstaatssekretär im Kriegsernährungsamt. III, 159.

  Murawiew, russischer General, Oberbefehlshaber der Roten Garde. III,
    458.


  Naumann, Abgeordneter. III, 52, 199, 324.

  Nicolai Nikolajewitsch, Großfürst. I, 97.

  Nicolson, Sir Arthur, englischer Botschafter. I, 70, 96, 221.

  Nikolas O'Conor, englischer Botschafter. I, 128.

  Nikolaus II., Zar von Rußland. I, 27, 74, 95, 182ff., 199, 209.

  Noske, Abgeordneter. III, 108.


  Oberndorff, Graf, deutscher Gesandter. II, 89.

  Orlando, italienischer Ministerpräsident. III, 363.


  Pacelli, Nuntius. III, 147, 149, 582, 586ff.

  Painlevé, französischer Ministerpräsident. III, 175.

  Dr. Pasche, Abgeordneter. III, 90.

  von Payer, Abgeordneter. II, 273ff., III, 116, 125ff., 133, 218ff.,
    433, 498; Vizekanzler. III, 528ff., 568.

  Pichon, französischer Minister des Auswärtigen. I, 139, III, 362, 377,
    517.

  Poincaré, französischer Ministerpräsident. I, 99f.; französischer
    Präsident. I, 156, III, 66f., 141ff.

  Pokrowsky, russischer Minister des Auswärtigen. II, 368.

  Pourtalès, Graf, deutscher Botschafter. I, 197ff.

  Pritsch, Generalkonsul. I, 106.


  Radek, russischer Volkskommissar. III, 461, 469, 488ff.

  Randa, Oberst. III, 299.

  Reading, Lord, englischer Botschafter. III, 401.

  von Rechenberg, Freiherr, Abgeordneter. III, 52.

  Revertera, Graf, österreichischer Legationsrat. III, 145, 392.

  Revoil, Generaldirektor der Ottomanischen Bank. I, 139ff.

  Ribot, französischer Minister des Auswärtigen. III, 67, 71, 142ff.,
    148, 176, 577ff.

  Dr. Riezler, Geheimer Legationsrat. III, 456, 461, 481.

  Rizoff, bulgarischer Gesandter. III, 126.

  Roedern, Graf, Reichsschatzsekretär. III, 103, 113, 161, 220ff., 522,
    525ff., 534.

  Rosebery, Lord, englischer Staatssekretär des Auswärtigen. I, 46f.

  von Rosenberg, Gesandter. II, 89.

  Rudini, italienischer Ministerpräsident. I, 29.

  Rüdlin, Staatssekretär des Reichspostamts. III, 159.

  Runciman, englischer Handelsminister. III, 390.

  Rupprecht, Kronprinz von Bayern. II, 17.


  Salandra, italienischer Ministerpräsident. II, 66.

  Salis, Graf, englischer Gesandter. III, 584, 586, 588.

  Salisbury, Lord, englischer Staatssekretär des Auswärtigen. I, 18, II,
    187.

  Sanderson, englischer Unterstaatssekretär des Auswärtigen. I, 128.

  San Giuliano, italienischer Minister des Auswärtigen. I, 99, II, 66.

  Schebeko, russischer Botschafter. I, 206.

  Scheer, Admiral, Chef des Admiralstabs. III, 546.

  Scheidemann, Abgeordneter. III, 81, 104, 116, 130, 236, 432, 435, 564,
    566, 568.

  Schekow, General, bulgarischer Oberbefehlshaber. III, 510.

  Scheüch, General, preußischer Kriegsminister. III, 531.

  Dr. Schiffer, Abgeordneter. II, 166f., 273, 281, III, 116, 124, 158.

  von Schlieffen, Graf, Generalfeldmarschall. II, 288f.

  Dr. von Schön, bayrischer Legationsrat. I, 177.

  Schönaich-Carolath, Prinz, Abgeordneter. III, 127.

  von Schorlemer, Freiherr, preußischer Landwirtschaftsminister. II, 119.

  Dr. von Schwabach. I, 106.

  Dr. Schwander, Staatssekretär des Reichswirtschaftsamts. III, 158;
    Statthalter von Elsaß-Lothringen. III, 531.

  Dr. von Siemens, Direktor der Deutschen Bank. I, 128.

  Sixtus von Parma, Prinz. III, 65ff., 141ff., 392.

  Skoropadski, General, Hetman. III, 345, 457.

  Sokolnikow, russischer Friedensdelegierter. III, 293.

  Dr. Solf, Minister des Auswärtigen. III, 530, 545.

  Sonnino, italienischer Minister des Auswärtigen. II, 66, 69, 368, III,
    142.

  Dr. Spahn, Abgeordneter. II, 162f., 270, III, 111, 116, 127, 146;
    preußischer Justizminister. III, 158.

  Spiridonowa, russische Sozialrevolutionärin. III, 469.

  Ssasonoff, russischer Minister des Auswärtigen. I, 74, 94, 97, 158,
    197f., 201ff.

  Ssuchomlinoff, russischer Kriegsminister. I, 166, 198, 208f.

  von Stein, General, preuß. Kriegsminister. II, 260, III, 187f.

  Stone, amerikanischer Senator. II, 333.

  Dr. Stresemann, Abgeordneter. III, 94, 119, 124ff., 199.

  von Stumm, Dirigent der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes. I,
    207, II, 357.

  Stürmer, russischer Ministerpräsident und Minister des Auswärtigen.
    III, 52.

  Dr. Südekum, Abgeordneter. III, 114, 167.

  von Sydow, preußischer Handelsminister. II, 262.

  Szögieny, Graf, österreichisch-ungarischer Botschafter. I, 179.


  Take Jonescu, rumänischer Staatsmann. II, 78.

  Talaat Pascha, türkischer Großwesir. III, 497, 512.

  Tereschtschenko, russischer Minister des Auswärtigen. III, 176.

  von Tirpitz, Großadmiral. I, 89, II, 129, 300, 325, 337.

  Tisza, Graf, ungarischer Ministerpräsident. II, 101.

  Tontschew, bulgarischer Finanzminister. III, 311f.

  Trevelyan, engl. Abgeordneter. III, 148.

  Trimborn, Abgeordneter. III, 198, 206, 215; Staatssekretär des
    Reichsamts des Innern. III, 531.

  Trotzki, russischer Volkskommissar. III, 240f., 272ff.;
    Kriegsminister. III, 494.

  Tscharikoff, russischer Botschafter. I, 94.

  Tscherbatscheff, russischer General. III, 298f.

  Tschitscherin, russischer Volkskommissar. III, 463, 466, 482ff.


  Uritzky, russischer Volkskommissar. III, 494.


  von Valentini, Chef des Zivilkabinetts. III, 131, 202ff.

  Venizelos, griechischer Ministerpräsident. II, 79f., 93.

  Viktor Emanuel, König von Italien. I, 29.

  Viktoria, Königin von England. I, 20.

  Vogtherr, Abgeordneter. III, 199.

  Volpi, italienischer Diplomat. I, 109.


  Wahnschaffe, Unterstaatssekretär. II, 409, III, 130.

  von Waldow, Staatsminister, Präsident des Kriegsernährungsamts. II,
    182, III, 159, 171.

  Wallraf, Staatssekretär des Reichsamts des Innern. III, 158, 184, 188.

  von Wangenheim, Freiherr, deutscher Botschafter. II, 53.

  Weddigen, Kapitänleutnant. II, 16, 300.

  Wedel, Graf, deutscher Botschafter. III, 61f., 578f.

  Weizsäcker, württembergischer Ministerpräsident. II, 102.

  Wekerle, ungarischer Ministerpräsident. III, 554.

  Westarp, Graf, Abgeordneter. III, 125, 235, 427.

  Whitman, Sidney. I, 49.

  Wied, Prinz zu, Fürst von Albanien. I, 112.

  Wild von Hohenborn, General. II, 58f., 251, 260, 381.

  Wilhelm II., Deutscher Kaiser. I, 21, 74, 102, 127, 171, 173, 177,
    180ff., 189, 204, 225ff., II, 68, 102, 264f., 272, 299, 302f.,
    342ff., 356ff., 392, III, 55, 65, 101, 116ff., 160f., 227f.,
    337, 543f., 561ff., 570, 589.

  Wilhelm II., König von Württemberg. II, 101.

  Willcox, Sir William, englischer Ingenieur. I, 153.

  Williams, Mr. Robert. I, 120.

  Wilson, Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika. II, 320ff.,
    332ff., 344, 350ff., 359ff., 369ff., 414ff., 421ff., III, 17ff., 24,
    357ff., 366ff. (14 Punkte), 385ff., 402ff., 514, 536ff., 560ff., 570.

  Witte, Graf, russischer Finanzminister. I, 26.

  Wyckenburg, Graf, Sektionschef im österreichisch-ungarischen
    Ministerium des Auswärtigen. I, 107.


  Zimmermann, Unterstaatssekretär des Auswärtigen. I, 195ff., II, 58, 83,
    307, 328; Staatssekretär des Auswärtigen. II, 369, 398ff., 418ff.,
    III, 51, 61, 106, 110.

                    *       *       *       *       *




                             Sachverzeichnis


  Abgeordnetenhaus. III, 93, 98f., 430.

  Abkehrschein. II, 273.

  Abrüstungsfrage. I, 35f.

  »Abukir«, englischer Kreuzer. II, 300.

  Adana. I, 133.

  Adlon-Hotel. II, 399.

  Admiralstab. II, 95, 329ff., 395, III, 69.

  Adrianopel. II, 79, 88f.

  Adriatische Frage. I, 104f.

  Afghanistan. I, 26.

  »Agamemnon«, englisches Kriegsschiff. II, 62.

  Agitation im Heere. III, 184ff.

  Ägypten. I, 20, II, 60.

  Aidin. I, 150.

  Ailettegrund. III, 407.

  Albanische Frage. I, 98f., 106f., 112.

  Aleppo. I, 132, III, 512.

  Alexandrette. I, 35, 133, 137.

  Algeciras-Konferenz. I, 22, 29, 79.

  Alldeutsche. III, 78, 86, 153, 559, 581.

  Aluminium. II, 128, 220, 224.

  Amanus. I, 133.

  Amerika. Verhältnis zu Deutschland. I, 31f., II, 150f., 307ff.,
    314ff., 320ff., 332ff., 348ff., 361f., 414ff., III, 17ff.;
    Verhältnis zur Entente, II, 191, 324; Waffenausfuhr, II, 310f.;
    Krieg mit Spanien, I, 31; Eintritt in den Weltkrieg,
    Truppentransporte, III, 39ff., 96f., 402, 410, 503ff.;
    Staatswirtschaft, III, 19.

  Amerikanische Handelskammer. II, 399ff.

  Amiens. III, 398.

  Amnestie. III, 547.

  Anatolische Eisenbahngesellschaft. I, 123, 154.

  Angora. I, 123.

  Antwerpen. II, 19, 197.

  »Arabic«, englischer Passagierdampfer. II, 323ff.

  Arbeiter- und Soldatenräte, russische. III, 239; deutsche, III, 565.

  Arbeitskammergesetz. III, 216.

  Arbeitslosigkeit. II, 228f.

  Arbeitspflicht. II, 256f., 261ff.

  Archangelsk. III, 465f.

  Argentinien. III, 22.

  Arges-Fluß, Schlacht am. II, 107.

  Armeebefehl. II, 365.

  Armentières. III, 399f., 507.

  Arras. III, 28, 399, 502ff.

  Arsiero. II, 97.

  Asiago. II, 97.

  »Audacious«, englisches Kriegsschiff. II, 303.

  Austro-polnische Lösung. III, 56, 219.


  Badische Anilin- und Sodafabrik. II, 217f.

  Bagdad. III, 30.

  Bagdadbahn. I, 34, 50, 75, 120ff., 137, 144, 150f., II, 44.

  Baku. III, 444, 452, 455, 463ff.

  Balkanbund. I, 95ff., II, 77.

  Balkanfrage. I, 15, 29, 38, 74, 95ff., 98.

  Balkankriege. I, 32, 95ff., 106, 171.

  Balkanpolitik im Weltkriege. II, 77ff., 83ff.

  Banken, Berliner. II, 26ff.

  Bannware. II, 187f., 310f.

  Bapaume. III, 398, 501ff.

  Basra. I, 144, 150f.

  Batum. III, 293, 346, 444.

  Baumwolle. II, 45, 192f., 319f.

  Bauxit. II, 102.

  Bayrische Stickstoffwerke. II, 119ff.

  Belagerungszustand. III, 83, 87ff., 216, 432, 556.

  Belgien: Militärisches Abkommen mit der Entente, I, 24f.; englische
    Landung, I, 24, 85; Neutralität, I, 213f., 217ff.; Deutscher
    Vormarsch, II, 16ff.; Besetztes Gebiet, II, 196ff.

  Belgische Frage. III, 167ff., 380f.

  Belgrad. II, 59, 91, 94.

  Benguella-Eisenbahn. I, 119f.

  Berliner Kongreß. I, 15, 70.

  Berliner Tageblatt. III, 564.

  Bessarabien. III, 305, 320.

  Blaubuch, englisches. I, 193, 203, 214.

  Blockade. II, 38ff., 157, 184ff., 202ff., III, 571.

  Bolivia. III, 22.

  Bolschewisten. III, 239f.

  Bosnien. I, 67.

  Bosnische Krisis. I. 32, 171.

  Brasilien. III, 22.

  Bremen. III, 565.

  »Breslau«, deutsches Kriegsschiff. II, 54.

  Brest-Litowsker Verhandlungen. III, 247ff.

  Briey. II, 197.

  British India Steamship Navigation Company. I, 145.

  Brotfriede. III, 283.

  Brotgetreide. II, 234ff.

  Bukarest. II, 108.

  Bukarester Friede. I, 110f., III, 298ff., 348.

  Bukowina. II, 21, 97.

  Bulgarien: Unabhängigkeitserklärung, I, 67; Balkanbund, I, 95; Äußere
    Politik, III, 305ff., 498; Finanzen, II, 169; Wirtschaft, II, 199;
    Verhältnis zu den Mittelmächten, I, 179, II, 57, 77ff., 82ff., 399;
    Eintritt in den Krieg, II, 91ff.; Zusammenbruch, III, 509ff.

  Bulgurlu. I, 131.

  Bundesrat. II, 167, 177f.

  Bunkerkohle, englische. II, 190.

  Burenkrieg. I, 17, 19.

  Burgfriede. II, 156, 162f., III, 74ff.


  Cambrai. III, 238, 507.

  »Cauchemar des coalitions«. I, 13, 33.

  Cavalla. II, 79, 90.

  Cernavoda. II, 107.

  Champagne. II, 73, 93, III, 28, 506f.

  Château-Thierry. III, 408, 439.

  Chemin des Dames. III, 181, 238, 407.

  Chile. III, 22.

  China. III, 21.

  China-Abkommen. I, 18.

  Cholm, Gouvernement. III, 281f., 342.

  Columbia. III, 22.

  Compiègne. III, 407.

  Constantza. III, 303ff.

  Coronel-Küste, Schlacht an der. II, 184.

  »Cressy«, englischer Kreuzer. II, 300.

  Cuba. III, 22.

  »Cushing«, amerikanisches Schiff. II, 314.

  Czernowitz. II, 97, III, 162.


  »Daily Chronicle«. I, 54, 56.

  Damaskus. III, 511.

  Dänemark. II, 219f.

  Dardanellen. I, 93, II, 54, 61ff., 81, 84.

  Demokratisierung. III, 528ff.

  Denkschriften des Admiralstabs. II, 301, 335f., 403ff.

  Deutsche Bank. I, 127, II, 23, 32.

  Deutsche Ozean-Rheederei G. m. b. H. II, 130.

  Deutschland: Innere Politik, III, 85ff., 520ff.; äußere Politik, I,
    13ff., 34, 41, 53, 68f., 74f., 77ff., 115f., 155f., 183ff., 216ff.,
    III, 241, 325ff., 417ff., 447, 472ff., 493ff.; Marokko-Frage, I,
    20ff., 72ff., 87ff.; Verhältnis zu Japan, I, 29f.; Verhältnis zu
    England, I, 18f., 43, 155; Kolonien, I, 37ff., 81ff.; Armee, I,
    57ff.,; Flotte, I, 20, 50ff., 88f.; Keine Kriegsvorbereitungen, I,
    183ff.; Mobilmachung, I, 216, II, 15; Verhältnis zu den Verbündeten,
    I, 172f., 177f., 180f., 204ff., III, 44ff.; Finanzen, II, 22ff.,
    139ff., 149f., 153ff., 164f.; Kriegsanleihen, II, 33f.;
    Wirtschaftsleben, I, 20, 44ff., II, 39 f., III, 448;
    Kriegswirtschaft, II, 34ff., 202ff., 221ff., III, 95 f.;
    Weltwirtschaft, II, 38f., 200f.; Handelspolitik, II, 177;
    Wirtschaftsbündnis mit Österreich-Ungarn, III, 58ff.; Ein- und
    Ausfuhr, II, 209ff.; Verhältnis zu den Neutralen, II, 200ff., 301 f.;
    Revolution, III, 557ff.; Republik, III, 568.

  Deutsch-Österreich. III, 553.

  Devisenordnung. II, 213.

  Diarbekir. I, 133.

  Diplomatie. II, 285ff.

  Dobrudscha. I, 79, 110, III, 107, 303ff., 315f., 399.

  Donauübergang. II, 107.

  Donauweg. II, 37ff., 63, 200, 208f.

  Douaumont. II, 96, 357.

  Drama. II, 79, 90.

  Dreibund. I, 13ff., 27ff., 32ff., 65, 92, 94, 99f., II, 65ff.

  Dreiverband. I, 19, 27, 30, 33, 61, 65, 74, 76, 157f.


  Einkreisungspolitik. I, 61f., 156.

  Elsaß-Lothringen. I, 38, 60, 161, III, 62f., 89, 142, 148, 162f.,
    179f., 363, 377, 531f., 536f.

  England: Äußere Politik, I, 14ff., 33f., 70f., 76f., 83f., 87,
    100f., 156f., 165, 218ff., II, 53, III, 147; Bündnis mit Japan, I,
    25, 31; englisch-russische Marine-Konvention, I, 157ff.;
    Annäherungsversuch an Deutschland, I, 17, 88ff., 117;
    Handelseifersucht, I, 17, 20, 44ff., 60, III, 21; Bagdadbahn, I, 127
    ff., 142ff.; Konferenzidee, I, 201, 206; Finanzen, II, 27ff., 143 f.,
    148, 154ff.; Wirtschaft, II, 304ff., 336, 384f., 404; Verbot des
    Handels mit dem Feinde, II, 191f.; Schiffsraum und Ernährungsfrage,
    II, 385f., III, 32ff., 375, 394, 415; Dienstpflicht, III, 404f.;
    Friedensfühler, III, 577ff.

  Ententepolitik. II, 90, 368ff.

  Erfindungen. II, 224ff.

  Ermächtigungsgesetz. II, 177.

  Ersatzstoffe. II, 224ff.

  Eskischehir. I, 123.

  Estland. III, 275, 334, 451, 454f.


  »Falaba«, englischer Passagierdampfer. II, 314.

  Farbstoffe. II, 131.

  Faschoda. I, 16, 19, 26.

  Fez, I, 78f.

  Finnland. III, 316f., 322, 331f., 345f.

  Flaggenmißbrauch. II, 301, 313.

  Flandern. II, 19, III, 29, 238, 507, 523.

  Fortschrittliche Volkspartei. III, 95, 124.

  Frank-Carosches Verfahren. II, 117, 123.

  Frankfurter Zeitung. III, 564.

  Frankreich: Festsetzung in Tunis, I, 15, 28; Bündnis mit Rußland, I, 16,
    97; Revanchebedürfnis, I, 13, 19, 32, 38, 60, 162, 166; Kolonien, I,
    39; Marokkopolitik, I, 20ff., 39f.; Tripoliskrieg, I, 93; in
    Kleinasien, I, 122ff.; Bagdadbahn, I, 135f., 138ff.; Kriegsausbruch
    und Mobilmachung, I, 200, 216; Armee, I, 57ff.; Finanzen, II, 27ff.,
    149f.; Besetztes Gebiet, II, 196f.

  Frauenarbeit, II, 231ff.

  Frauendienstpflicht, II, 256ff.

  »Freiheit der Meere«. II, 318ff., 341f., 346f., 417, III, 551.

  Friedensangebot Österreich-Ungarns. III, 533ff.

  Friedensbedingungen, deutsche. II, 366, 371, 419f.

  Friedensbemühungen. II, 288ff., 349ff., 362f., 369f., III, 60ff.,
    164ff., 240, 512ff., 525f., 581ff.

  Friedensoffensiveartikel in der Kreuzzeitung. III, 417.

  Friedenspropaganda. III, 559ff.

  Friedensresolution. III, 123ff., 139ff., 578.

  Friedensschlüsse. III, 316f.

  Futtermittel. II, 225f.


  Galizien. II, 21.

  Gallipoli. II, 62f., 81.

  Geldentwertung. II, 140f.

  Generalkommandos. II, 177.

  Gent. II, 197.

  Georgien. III, 346f., 445, 451.

  Gewerkschaften. III, 84.

  »Goeben«, deutsches Kriegsschiff. II, 54.

  Gorlice. II, 71, 74.

  Görz. II, 98.

  Griechenland. II, 79f., III, 22.

  Grosserer Societät. II, 195.

  Großes Hauptquartier. II, 43, 58, 83, 102, 104ff., 112, 136, 254f.,
    266, 277, 303, 341f., 350ff., 357, 381, 396ff., 403ff., 418ff., III,
    97, 290, 312ff., 490, 522ff.

  »Gulflight«, amerikanisches Schiff. II, 314.

  Gummi. II, 192, 224f.


  Haager Landkriegsakte. II, 37.

  Haidar Pascha. I, 35, 123.

  Hamburg. III, 565.

  Hamburg-Amerika-Linie. I, 145.

  Handelsschiffe, bewaffnete. II, 326ff.

  Handels-U-Boote. II, 128ff.

  Hanekin. I, 147.

  Hauptausschuß des Reichstages. II, 138, 266ff., 383ff., III, 578.

  Heeresbedarf. II, 133ff., 205ff.

  Heiliger Krieg. II, 55.

  Helgoland-Sansibar-Vertrag. I, 16.

  Hermannstadt. II, 107.

  Herrenhaus. III, 93, 98f., 430.

  Herzegowina. I, 67.

  Hilfsdienstgesetz. II, 249ff., 262, 265.

  Hindenburgprogramm. II, 244, 249ff., 261f., 277ff.

  Höchstpreise. II, 233.

  »Hogue«, englisch. Kreuzer. II, 300.

  Holland: Äußere Politik, III, 22; Handelskontrolle, II, 194; Ausfuhr nach
    Deutschland, II, 218f.; Abgabe von Handelsschiffen, III, 394ff.


  Indien. I, 15.

  Inflation. II, 140f., 159.

  Irland. III, 404f.

  Isonzofront. II, 98, III, 29, 237.

  Italien: Äußere Politik, I, 14ff., 27f., 33, 65; Irredentismus, I,
    42f., 60; Neutralität, II, 13, 64ff.; Forderungen, II, 67ff.;
    Kriegserklärung, II, 69ff., 81.

  Iwangorod. II, 21, 75.


  Japan. I, 25, 29f., 31, 34.

  Jerusalem. III, 239.

  Julikrisis. III, 102ff.


  Kalibergbau. II, 244.

  Karpathenfront. II, 72, 74, 81.

  Kartoffeln. II, 237.

  Katanga. I, 119.

  Kaukasus. II, 60, III, 346.

  Kautschuk. II, 129ff., 192.

  Kemmelberg. III, 400, 502.

  Kiautschou. I, 30, 34f.

  Kiel. III, 565.

  Knapsacker Stickstoffwerk. II, 117f.

  Kohlenausgleich. II, 278.

  Kohlenförderung. II, 279.

  Kohlenkrisis. II, 277ff.

  Kolonialfragen, afrikanische. I, 17, 116ff.

  Kolonien, deutsche. I, 37f., 81ff.

  Kommissionen der verbündeten Regierungen in Petersburg. III, 291.

  Kompensationsgeschäfte. II, 210ff.

  Kongo-Staat. I, 119.

  Konia. I, 123.

  Konservative Partei. II, 167, 337, 421, III, 556.

  Kontinentalsperre. II, 196.

  Kontrolle des neutralen Handels. II, 185ff., 192ff.

  Kontrollgesellschaften. II, 194ff.

  Kosaken. III, 445, 465.

  Koweit. I, 129.

  Kowno. II, 75.

  Kreditvereinbarungen mit den Neutralen. II, 212f.

  Kreuzerkrieg. II, 15, 184f.

  Kriegsamt. II, 259, 275f.

  Kriegsanleihen. II, 133, 139ff., 152f.

  Kriegsausgaben. II, 132ff., 139f., 146f., 152, 281.

  Kriegsdauer. II, 42ff., 288ff.

  Kriegsernährungsamt. II, 279ff., III, 87.

  Kriegsgetreidegesellschaft. II, 235.

  Kriegsgewinnsteuer. II, 161, 165.

  Kriegskredite. III, 103ff.

  Kriegsministerium. II, 253, 260.

  Kriegsrohstoffabteilung. II, 127f., 177, 240ff.

  Kriegsschuld. II, 354f., 359, 373.

  Kriegssteuern. II, 140ff., 153ff., 160.

  Kriegssteuervorlagen. II, 161f.

  Kriegswirtschaft. II, 45ff., 180.

  Kriegswirtschaftsstellefür das deutsche Zeitungsgewerbe. II, 247.

  Kriegswucheramt. II, 238.

  Kriegsziele, deutsche. II, 290ff., 296f., III, 78ff.; bulgarische,
    III, 305; feindliche, II, 292f., 363, 366ff., 374ff.

  Kronrat. I, 177f., 183, III, 117, 219, 589.

  Kronstadt. II, 107.

  Krügerdepesche. I, 17.

  Krupp. II, 130.

  Kupfer. II, 193, 220.

  Kurland. II, 75f., 197, III, 329ff, 451.

  Kursbewegung. II, 27ff.

  Kut-el-Amara. III, 29.


  Le Cateau. III. 505.

  Leder. II, 242.

  Lemberg. II, 75.

  Lettische Truppen. III, 465.

  Liautung. I, 30.

  Lille. II, 197.

  Litauen. II, 76, 197, 329ff., III, 451.

  Livland. III, 275, 329ff., 451, 454f.

  Lohntreiberei. II, 275.

  Londoner Deklaration. II, 185ff., 320ff., 349.

  Londoner Konferenz 1912. I, 98, 106.

  Longwy. II, 197.

  Lonzawerke. II, 121.

  Loos. II, 93.

  Lorettohöhe. II, 74.

  »Lusitania«, engl. Passagierschiff. II, 81, 314ff., 328f.

  Lüttich. II, 16.

  Luxemburg. II, 17.


  Madrider Konvention. I, 20f.

  »Majestic«, englisches Kriegsschiff. II, 62.

  Mandschurei. I, 18.

  Marneschlacht. II, 18f.

  Marneübergang. III, 439.

  Marokkofrage. I, 20ff., 32, 39f., 77ff., 87, 171.

  Masurenschlacht. II, 21, 61, 72f.

  Mazedonien. II, 97, 90, 329.

  Mazedonische Frage. I, 27, 95.

  Mehrheitssozialdemokraten, Partei der. III, 82, 161, 201, 235, 432, 566.

  Mersina. I, 133.

  Mesopotamien. I, 144, 148f., 151f., II, 60.

  Mexiko. III, 22.

  Militärvorlage 1913. I, 59.

  Mitteleuropa. III, 58ff.

  Monastir. II, 94, 108, III, 509.

  Montdidier. III, 398f.

  Montenegro. I, 95, II, 94.

  Moratorien. II, 29ff.

  »Möwe«, deutscher Hilfskreuzer. II, 185.

  München. III, 565.

  Munitionserzeugung. II, 138, 249ff.

  Murmanküste. III, 465f.


  Narewlinie. II, 75.

  Nationalliberale Partei. II, 166, 269ff., 337, 421, III, 100, 104, 124.

  Nationalversammlung. III, 568, 577, 581.

  Nederlandsche Overzee Trust Maatschappy. II, 194.

  Negotiner Zipfel. II, 57, 81.

  Neuorientierung. III, 75f., 85f.

  Neutrale Staaten, Haltung der. II, 189ff., 306ff., III, 19ff.

  Nibelungentreue. I, 71f.

  Nickel. II, 129ff., 220.

  Nisch. II, 94.

  Nordd. Allgem. Zeitung. I, 104, 174.

  Nordsee zum Kriegsgebiet erklärt. II, 300.

  Norwegen. II, 195.

  Novibazar. I. 98.

  Nowogeorgiewsk. II, 75.

  Nyassa Compagny. I, 119.


  Oberste Heeresleitung. II, 57, 81, 83, 89, 101, 255, 257f., 261, 277,
    389ff., III, 259f., 267, 278ff., 312ff., 420f., 425f., 436f., 524ff.,
    558, 581, 590.

  Oberster Kriegsrat der Entente. III, 385.

  »Oceanic«, englischer Passagierdampfer. II, 303.

  Offensive Brussilows. II, 97.

  Offensive der Entente im Westen. II, 73, 91ff.

  Offensive, Große, 1918. III, 397ff., 437ff.

  Offensive, Kerenskische. III, 30, 162.

  Orscha. III, 461, 488.

  Ösel. III, 181.

  Ostende. II, 19.

  Osterbotschaft. III, 98ff., 109.

  Österreich-Ungarn: Äußere Politik, I, 14ff., 66ff., 95ff., III, 44f.;
    Konflikt mit Serbien, I, 169ff., 175ff., 199; Finanzen, II, 169;
    Wirtschaft, II, 198f., III, 48ff.; Friedensbestrebungen, III, 60 ff.,
    248, 554f.; Auflösung der Monarchie, III, 552f.; Revolution, III,
    555.

  Ostpolitik, deutsche. III, 323ff.

  Ostpreußen. II, 20f.

  Ottomanische Bank. I, 127, II, 170.


  Palästina. III, 511.

  Panama. III, 22.

  »Panther«, deutsches Kriegsschiff. I, 81f., 140.

  Papierfabrikation. II, 245ff.

  Papstnote. III, 164ff., 172ff.

  Paraguay. III, 22.

  Pariser Finanzkonferenz. I, 109, 147.

  Parlamentarisierung. III, 120, 155, 203ff., 217ff., 235, 530ff.

  Paschendaele. III, 180.

  Péronne. III, 398.

  Persien. I, 26, 75f., III, 22.

  Petrosawodsk. III, 466.

  Philippinen. I, 31.

  Piavefront. III, 412f.

  Piesteritzer Stickstoffwerk. II. 122f.

  Polen: Kämpfe, II, 21; besetztes Gebiet, II, 197; Unabhängigkeit, II,
    416; Bildung eines Staatsrates und vereinigten Landtages, III, 54f.

  Polnische Frage. III, 49ff., 162ff., 218ff., 255f., 341f., 451.

  Polnische Legion. III, 57.

  Port Arthur. I, 30.

  Portugal. I, 117f.

  Postkontrolle. II, 195.

  Potsdamer Entrevue 1910. I, 75, 148.

  Preisprüfungsstelle. II, 238.

  Przemysl. II, 72, 75.


  Quittungsstempel. II, 164f.


  Randstaatenpolitik. III, 258, 275f., 323ff., 451, 454f.

  Rat der Volksbeauftragten. III, 569, 571.

  Rationierung der Nahrungsmittel und Rohstoffe. II, 234ff.

  Reichsamt des Innern. II. 175ff.

  Reichsbank, Deutsche. I, 22ff., II, 23, 133, 152, 174.

  Reichsbekleidungsstelle. II, 242.

  Reichserbschaftssteuer. II, 163.

  Reichsgetreidestelle. II, 235f.

  Reichshauptkasse. II, 132.

  Reichskommissarfür Kohle. II, 278.

  Reichsmarineamt. II, 137, 337.

  Reichsrat. III, 120, 155, 169.

  Reichsschatzamt. II, 114f.

  Reichsschatzsekretär. II, 111.

  Reichsstellen für verschiedene Nahrungsmittel. II, 238.

  Reichsstickstoffwerke. II, 121ff.

  Reichstag, Deutscher. II, 125ff., 160ff., 267ff., 337f., III, 76f.,
    94ff., 103, 161, 231, 516ff.

  Reichszentrale für Arbeitsnachweise. II, 229.

  Reims. III, 407, 437.

  Relief Commission. II, 198.

  Resolution zum uneingeschränkten U-Bootkrieg. II, 337.

  Revaler Zusammenkunft. I, 27.

  Revolution, Deutsche. III, 557ff.

  Riga. III, 181.

  Rohstoffe. II, 196f., 240ff.

  Rostow. III, 467.

  Rote Garde, russische. III, 444f., 465.

  Roubaix-Tourcoing. II, 197.

  Roye. III, 501.

  Rückversicherungsvertrag. I, 14ff., 30, 32.

  Rückzug. III, 28, 441, 502.

  Rumänien: Äußere Politik, I, 179, II, 13, 57, 77ff., 82ff., 96, 102,
    III, 298ff.; Kriegserklärung, II, 104; Getreidelieferung, II, 206;
    Dynastie, III, 299ff.; Friedensbedingungen, III, 302ff.

  Rußland: Äußere Politik, I, 14ff., 71, 103, 110, 160ff., II, 53;
    Panslawismus, I, 15, 161, 166; Ausdehnungsbestrebungen, I, 15, 18, 25
    f., 40f., 60; Bündnis mit Frankreich, I, 16, 203; Schwächung
    Rußlands, I, 22, 25, 72; Krieg mit Japan, I, 27; Armee, I, 57ff.;
    Serbisches Ultimatum, I, 187, 191f.; Mobilmachung, I, 183, 192f.,
    198f., 207ff.; Verluste, II, 76; Revolution, III, 23ff., 239ff.,
    320f.; Bolschewikiregierung, III, 274f., 294f., 443, 462ff., 494ff.

  Ruthenen. III, 553.


  Saargebiet. III, 142ff.

  Saloniki. II, 79, 93, 105, 108.

  Salvador. III, 22.

  Samoa-Abkommen. I, 31.

  »Saturday Review«. I, 46f.

  Schatzanweisungen. II, 133, 141.

  Schiedsgerichte. II, 353.

  Schleichhandel. II, 239.

  Schlesien. II, 21.

  Schutzhaft. III, 88.

  Schwarze Listen. II, 195f.

  Schweden. II, 195, III, 20.

  Schweiz. II, 194f., 211f.

  Seifenindustrie. II, 245.

  Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten. III, 257, 262ff. 276f., 281,
    286f., 293, 387, 553.

  Semendria. II, 91, 94.

  Serajewo. I, 169ff., II, 25.

  Serbien: Großserbische Bewegung; I, 69f., 99, 107, 111f., 169f.;
    Balkanbund, I, 95; äußere Politik, I, 187f., II, 90;
    Kriegsschauplatz, II, 59, 63, 94.

  Serres. II, 79, 90.

  Shatt el Arab. I, 145, 151.

  Shimonoseki, Friede von. I, 30, 40.

  Siam. III, 22.

  Sibirien. III, 322.

  Siebenbürgen. II, 78, 106.

  »Siebenerkommission«. III, 169.

  Siegfriedstellung. III, 502ff., 523.

  Sinaifront. III, 29, 239.

  Skagerrak, Schlacht am. II, 184.

  Smyrna. I, 150, II, 90.

  Smyrna-Aidin-Eisenbahngesellschaft. I, 153f.

  Société Suisse de Surveillance Economique. II, 195.

  Soissons. III, 181, 407, 439.

  Somme. II, 98f., 106, 251, III, 440f.

  Sonderfriedensangebot Österreich-Ungarns. III, 553f.

  Sozialdemokratische Partei. II, 163, 167, 177, 269ff., 420f., III, 25,
    74ff., 81ff., 104, 124, 230, 325, 433, 518, 531f., 564.

  Sozialisierung. II, 126.

  Sozialrevolutionäre. III, 345, 443, 446, 457, 482.

  Spanien. I, 21, III, 22.

  Sparmetalle. II, 240.

  Spartakisten. III, 495.

  »Spectator«. I, 223.

  Sperrgebiet im U-Bootkriege. II, 413.

  Sprengstoffindustrie. II, 116.

  Staatsgerichtshof. III, 100.

  Stahlindustrie. II, 252f.

  Status quo der Mittelmächte. I, 37f., 61.

  Stellungskrieg. II, 19f., 51.

  Stempelvereinigung. II, 25.

  Stickstoff-Frage. II, 115ff.

  Stickstoff-Handelsmonopol. II, 120ff.

  St. Jean de Maurienne. III, 142.

  Stockholmer Friedenskonferenz. III, 148, 152.

  St. Quentin. III, 505.

  Streik, Berliner. III, 295f.

  Südslawen. III, 553.

  Suezkanal. II, 61.

  »Sussex«-Fall. II, 338ff.

  Syndizierung des Handels. II, 238.

  Syrien. I, 132.


  Tagliamento. III, 238.

  Tanganyika Concession Ltd. I, 120.

  Tannenberg. II, 21.

  Tarnopol. III, 162.

  Taurus. I, 132.

  Tel Helif. I, 133.

  »Temps«. I, 223.

  Textilindustrie. II, 224, 240ff.

  Tibet. I, 26.

  Tigerbai. I, 119.

  Trajanswall. II, 107.

  Transito. II, 195.

  Transportkrisis. II, 277ff.

  Trentino. III, 143.

  Triest. III, 143.

  Tripolis. I, 28, 91ff.

  »Triumph«, englisches Kriegsschiff. II, 62.

  Trostberger Stickstoffwerk. II, 117.

  Tschechen. III, 553.

  Tschecho-Slowaken. III, 444, 464f., 553f.

  Tschernabogen. III, 510.

  Tunis. I, 15, 28.

  Türkei: Äußere Politik, I, 34f., 42, 67; Revolution, I, 66, 135;
    Balkankrieg, I, 95ff.; Krieg mit Italien, I, 32, 91ff.; Bagdadbahn,
    I, 120ff.; Finanzen, I, 126, 128, 133ff., 147, II, 169f.; Wirtschaft,
    II, 197f.; als Bundesgenosse, II, 52ff.; Munitionsmangel, II, 63;
    Zusammenbruch, III, 509ff.; Kapitulation, III, 552, 555.


  U-Boote, deutsche. II, 62, 30f.

  U-Bootkrieg: Allgemeines, II, 287f., 299, III, 17; Ergebnisse, II, 300,
    381, 395, III, 31ff., 414f.; Handelskrieg, II, 300f.;
    Deutsch-Amerikanischer Notenwechsel, II, 307ff., 314ff.; verschärfter
    U-Bootkrieg, II, 325ff.; uneingeschränkter U-Bootkrieg, II, 95,
    335ff., 379ff., 395ff., 403ff., III, 17f., 30ff.; Einstellung, III,
    546ff.

  »U-Bremen«. II, 128.

  »U-Deutschland«. II, 128ff.

  Udine. III, 237.

  Ukraine. III, 271ff., 281ff., 316ff., 321f., 333, 343f.

  Ultimatum, serbisches. II, 25.

  Umsatzstempel. II, 164f.

  Unabhängige Sozialdemokraten. III, 82, 196f., 431f., 442, 495, 565,
  568.

  Ungarn. III, 554.

  Unternehmertum im Kriege. II, 227f.


  Valutakredite. II, 169.

  Vaterlandspartei. III, 182f.

  Venezuela. I, 31, III, 22.

  Verbrauchssteuern. II, 161ff.

  Verdun. II, 95ff., 180, 343ff.

  Verein Deutscher Eisenhüttenleute. II, 251ff., 254.

  Vereinsgesetznovelle. III, 76f.

  Verfassungsänderung. III, 562f.

  Verfassungsausschuß. III, 95ff., 100, 104, 119.

  Verkehrssteuern. II, 161ff.

  Verschwörung unter den Flottenmannschaften. III, 192, 564f.

  Verständigungsfrieden. II, 294.

  Verviers. II, 197.

  Vierzehn Punkte Wilsons. III, 366ff.

  Villers-Cotterets. III, 407, 438.

  Völkerbund. II, 355, 416, III, 370, 382.

  Völkerrecht. II, 41, 184ff., 301f., 307ff., 315f., 332, 336,
    III, 20.

  Volksernährung. II, 232ff.

  »Vorwärts«. III, 132f., 149.


  Waffenruhe. III, 250.

  Waffenstillstand. III, 247ff., 533ff., 570f.

  Wahlrecht, preußisches. III, 92, 97, 117ff., 154, 429ff., 518, 556.

  Warschau. II, 21, 75.

  Wehrpflicht. II, 256.

  Wei-hai-wei. I, 30.

  Weißrußland. II, 76.

  »Wirtschaftlicher Generalstab«. II, 36.

  Wirtschaftskrieg. II, 37ff.

  »Wolf«, deutscher Hilfskreuzer. II, 185.

  Wolffs Telegraphen-Bureau. III, 130.

  Wolhynien. II, 76, 97.

  Wologda. III, 466f.

  Wytschaetebogen. III, 29.


  Yangtse-Abkommen. I, 18.

  Ypern. II, 74, III, 506f.


  Zeitungsgewerbe. II, 246ff.

  Zementindustrie. II, 245.

  Zensur. III, 88, 216, 432.

  Zentraleinkaufsgesellschaft. II. 207f.

  Zentralisation des Einkaufs. II, 204ff.

  Zentralrada. III, 284f.

  Zentralstelle für Heeresverpflegung. II, 135.

  Zentrums-Partei. II, 166f., 270ff., 382, 390ff., 421, III, 100, 104,
    124, 579.

  Zusatzverträge zum Brester Frieden. III, 450ff., 497ff.

  Zwangswirtschaft. II, 239.

  Zwei-Kaiser-Manifest. III, 53f.

                    *       *       *       *       *




                Mit dem vorliegenden Band liegt das Werk

                              Der Weltkrieg

                                   von

                           Dr. Karl Helfferich

                             vollständig vor


                           Die vorhergehenden
                            Bände enthielten:


                                 Band I

                    Die Vorgeschichte des Weltkrieges
                           Gebunden 7.50 Mark


                                 Band II

                       Vom Kriegsausbruch bis zum
                      uneingeschränkten U-Bootkrieg
                            Gebunden 15 Mark


                      Verlag Ullstein & Co / Berlin





End of Project Gutenberg's Der Weltkrieg, III. Band, by Karl Helfferich

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agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
remaining provisions.

1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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