The Project Gutenberg EBook of Der Kollektivismus und die soziale Monarchie, by Joseph von Neupauer This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Der Kollektivismus und die soziale Monarchie Author: Joseph von Neupauer Release Date: May 21, 2016 [EBook #52117] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KOLLEKTIVISMUS *** Produced by Jana Srna, Franz L Kuhlmann, Norbert H. Langkau and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net +--------------------------------------------------------------------+ | Anmerkungen zur Transkription | | | | Die Markierung mit Gleichheitszeichen ( = ) zeigt eine "gesperrte" | | Phrase zur Hervorhebung an, das Einfassen mit Unterstrichen ( _ ) | | die Verwendung einer anderen Schriftart (Antiqua) für Phrasen in | | einer Fremdsprache (lateinisch, englisch, französisch) im Original.| | Tilden ( ~ ) markieren fettgedruckte Passagen. Zur Kennzeichnung | | hochgestellter Zeichen wurde das Caret-Symbol ( ^ ) verwendet. | | | | Die Zeichenfolge [+] steht für das Sonderzeichen für "verstorben". | | | | Bei großen Zahlen im fortlaufenden Text sind die Leerstellen | | zwischen Million und Tausend durch Punkt und Komma ersetzt, so zum | | Beispiel 20-25,000 statt 20-25 000 und 1.900,000 statt 1 900 000. | | | | Im Inhaltsverzeichnis wird auf Kapitel VIII, Abschnitt 4. d) auf | | den Punkt "2. Poesie und schöne Literatur" auf S. 77 verwiesen. Im | | Original fehlt diese Überschrift. | | | | In Kapitel VI, Abschnitt 8. e) ist die Verteilung des fortlaufenden| | Textes und der Tabellen geringfügig verändert, indem wenige | | Textzeilen zwischen einem Seitenkopf oder -fuß und Tabelle der | | vorhergehenden oder folgenden Seite zugeordnet sind. | | | | Zeichensetzung und typographische Fehler wurden stillschweigend | | korrigiert | +--------------------------------------------------------------------+ [Illustration: It is better to fight for the good, than to rail at the ill. Neupauer] Der Kollektivismus und die soziale Monarchie Dr. Joseph R. v. Neupauer Der Kollektivismus und die soziale Monarchie =Motto:= Nach Sidney Whitman sagte Bismarck einmal: Wenn ich die Gestalt wählen könnte, in der ich noch einmal leben möchte, weiß ich nicht, ob ich nicht ganz gerne eine Ameise sein würde. Jede Ameise muß arbeiten, ein nützliches Leben führen, jede Ameise ist fleißig. Da gibt es vollkommene Subordination, Disziplin und Ordnung. Sie sind glücklich, denn sie arbeiten. [Illustration] Dresden 1909 -- Richard Lincke =Alle Rechte vorbehalten.= Unbefugter Nachdruck wird gerichtlich verfolgt. _Copyright 1909 by E. Pierson's Verlag._ Druck von E. Pierson's Verlag (Richard Lincke), Dresden. Inhaltsverzeichnis. Seite =Einleitung= IX I. Die kollektivistische Gesellschaftsordnung in ihren allgemeinsten Umrissen und die Rechtsgrundsätze, nach welchen sie ins Leben einzuführen und nach ihrer Einführung die Verwaltung zu führen sein wird 1 II. Das kollektivistische Rechtssubjekt 16 III. Die Verfassung eines kollektivistischen Staates 20 1. Allgemeines 20 2. Das souveräne Volk 21 3. Das Stimm- und Wahlrecht. Form der Ausübung 24 4. Wahlen 28 5. Das Objekt der Volksbeschlüsse 30 6. Die Erhaltung der Staatseinheit 32 IV. Die Monarchie und der Adel 34 V. Die Beamtenorganisation 41 1. Der Verwaltungsorganismus. Detailverwaltungsämter 41 2. Der ärztliche Dienst 50 3. a) Der Erziehungs- und Unterrichtsdienst 58 b) Höherer Unterricht 61 c) Die Akademie 64 VI. Dauernde Einrichtungen und Verwaltungsbehelfe 67 1. Die Wohnungsansiedelungen 67 a) Urgemeinden oder Dörfer 67 b) Die Bezirksvororte 70 c) Die städtischen Ansiedlungen 71 2. Die Verteilung der Bevölkerung 73 3. Die Evidenthaltung der Bevölkerung 77 4. Die Kommunikationen 78 a) Eisenbahnen, Schiffahrt 78 1. Ihre Benützung für allgemeine Zwecke 79 2. Ihre Benützung für Zwecke des Einzelnen 81 b) Automobile 84 5. Telegraph und Telephon 85 a) Ihre Einrichtung und Benützung für allgemeine Zwecke 85 b) Ihre Benützung für die Zwecke des Einzelnen 88 6. Die Post 89 7. Tagesblätter der Verwaltung 91 8. Die Verrechnung und Statistik 94 a) Ihre Aufgabe 94 b) Die Bevölkerungsstatistik 95 c) Die Güter- und Verkehrsstatistik 96 d) Zustandekommen und Einrichtung der Verrechnung und Statistik 98 e) Beispiele von statistischen Tabellen 100 VII. Der Kollektivismus und die Erhaltung, Vermehrung und natürliche Veredlung des Volkes 126 1. Die Bevölkerungspolitik 126 2. Ehe, Familie, Elternrecht, Wahlmütter, Anteil des Staates an der Erziehung 136 3. Geschlechtliche Sittlichkeit. Freie Liebe 146 4. Die Frauenkurie 155 5. Die Erziehung 158 a) Pflichten des Staates der Jugend gegenüber 158 b) Erziehungsorgane 161 c) Die physische Erziehung 166 d) Intellektuelle Erziehung 169 e) Der Unterricht im vorschulpflichtigen Alter 171 f) Der Elementarunterricht. In Österreich der Unterricht in einer zweiten Sprache des Reiches 172 g) Fachschulen niederer Ordnung und für fremde Sprachen 175 h) Andere Anstalten zur Volkserziehung. 1.-13. 176 i) Ethische Erziehung. 1.-10. 183 6. Die Rechtspflege 191 VIII. Der Kollektivismus und der allgemeine Fortschritt 194 1. Fortbildung 194 2. Das Vereinswesen 196 3. Die Sammlungen 202 4. Zeitschriften, Bücher, Bibliotheken 203 a) Die Presse für Staats- und allgemeine Angelegenheiten 204 b) Die Fachpresse 207 c) Die Unterhaltungspresse und schöne Literatur 208 d) Bücher 209 1. Die wissenschaftliche Literatur 209 2. Poesie und schöne Literatur 211 e) Bibliotheken 215 5. Die Verteilung der Konsumtibilien 217 6. Die Forschung 221 7. Die Kunst 221 a) Schöpferische Kunst 222 b) Kunstreproduktion 224 c) Das Kunstgewerbe 224 8. Die technische Erfindung 225 9. Die Anerkennung der Verdienste höheren Grades im Kollektivstaate 231 a) Das Arbeitsleitungsrecht 233 b) Ehrenvorzüge 234 c) Das Vorrecht der Wahl 235 d) Vorzüge in Beziehung auf die Wohnung 236 e) Vorzüge in Beziehung auf Kleidung 237 f) Vorzüge in Beziehung auf Nahrung 237 g) Das Vorrecht in Beziehung auf einen eigenen Hausstand 238 h) Vorrechte in Beziehung auf Geselligkeit 239 i) Vorrechte in Beziehung auf Konzerte, Theater 240 k) Reisen im In- und Auslande 240 l) Das Vorrecht in Beziehung auf die in VIII, 5, geschilderten Verteilungen 240 m) Das Vorrecht der Arbeitsfreiheit 240 n) Das Vorrecht der freien Wahl des Domizils 241 o) Andere berufsmäßige Vorrechte 242 p) Das Vorrecht, Pferde, Wagen und Automobile zu halten 242 10. Religion, Kultus, Festlichkeiten 247 11. Die Wettbewerbungen, Glücksspiele 254 12. Nachweis der Ökonomie der in diesem Werke vorgeschlagenen Organisation des Verteilungs-, Sanitäts- und Unterrichtsdienstes 255 IX. Darstellung der Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse des Volkes im Kollektivstaat 262 1. Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses 262 2. Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses 273 3. Bekleidung 275 4. Die sonstigen Bedürfnisse außer Wohnung, Nahrung und Kleidung 276 X. Die Sachproduktion im Kollektivstaate 278 1. Die Kultur der Zerealien 281 2. Der Futterbau 283 3. Die Viehzucht 284 4. Kleinvieh und Geflügelzucht 288 5. Wasserwirtschaft 289 XI. Die Verteilung im Kollektivstaate 292 1. Die Verteilung der Arbeit 292 a) Der Arbeitstag 293 b) Sonntag, Feiertage, Ferien 296 c) Arbeitsbefreiung 297 d) Arbeitszuweisung 298 2. Die Verteilung der Güter 301 XII. Die Beziehungen des Kollektivstaates zum Auslande 303 1. Der Güteraustausch 303 2. Der Reiseverkehr 305 3. Die Aus- und Einwanderung 307 4. Politische Beziehungen und Landesverteidigung 311 XIII. Vorteile und Nachteile des Kollektivismus 317 XIV. Umwandlung der Staaten zur Einführung der kollektivistischen Gesellschaftsordnung 333 Einleitung. In einer Rede des österreichischen Ministerpräsidenten Baron Beck im österreichischen Herrenhause vom 24. Juli 1907 sagt derselbe: »Damit hat sich eines der wichtigsten Staatsprobleme auf die Tagesordnung gestellt. Dieses Problem ist: ein richtiges Gleichgewicht herzustellen zwischen dem erwachten Selbstbewußtsein breiter Volksschichten und den unerläßlichen Forderungen, die im Interesse kraftvoller Durchführung des Staatswillens und der sicheren Erreichung der Staatszwecke erhoben werden müssen. Das sind die zwei Pole, zwischen denen sich das öffentliche Leben bewegt und zwischen denen die Ausgleichung gefunden werden muß. Soll die Monarchie ihrer geschichtlichen Stellung gerecht werden, dann muß sie unter ihre Aufgaben an oberster Stelle die soziale Fürsorge für die breiten Schichten der Bevölkerung aufnehmen. Ich für meinen Teil glaube, daß ein gesunder sozialer Fortschritt und die ruhige Entwickelung zu einem wahrhaft modernen Staat, =der seinem Wesen nach Wirtschaftsstaat und soziale Fürsorgeanstalt sein muß, nicht nur neben einer starken monarchischen Gewalt, sondern gerade mit ihr und durch sie möglich ist=. Ich begrüße es, daß unserem alten, ehrwürdigen Staatsgebilde die Aufgabe geworden ist, den hervorragenden Beruf der Monarchie für die modernen sozialen Aufgaben darzutun. Mit Zuversicht in die Zukunft blickend, dürfen wir die neue Bahn betreten in der festen Überzeugung, daß unser geliebtes Vaterland nicht nur den gewaltigen Problemen der Neuzeit sich gewachsen zeigen, sondern gerade an diesen gesteigerten Aufgaben wieder seine unverwüstliche, ewig blühende Lebenskraft erweisen wird. Für diese Aufgaben erbitte ich mir die Autorität des hohen Hauses und da ich mich mit ihm eins weiß in dem Gedanken an eine machtvolle Monarchie, so hoffe ich, daß meiner Bitte die Erfüllung nicht versagt bleiben wird.« Nicht irre machen darf uns, daß der ehemalige Ministerpräsident Baron Beck so große Ideen angekündet, dann aber nicht das Geringste getan hat, um die Verwirklichung dieser Ideen vorzubereiten und um den Staat in einen »wahrhaft modernen Staat«, in einen »Wirtschaftsstaat«, in eine »soziale Fürsorgeanstalt« umzugestalten. Denn die österreichischen Staatsmänner vermögen gar wenig. Da aber Österreich auf keine Weise zur Ruhe kommen kann, so lange es sich in den ausgefahrenen Geleisen der Individualwirtschaft fortbewegt, können wir mit Sicherheit darauf rechnen, daß die österreichische Staatskunst sich doch eines Tages dieses Ideals bemächtigen wird. Diese Worte zeigen, daß die österreichische Regierung der Monarchie und insbesondere den Habsburgern die Sendung vindiziert, neue staatliche Grundlagen zu schaffen und Aufgaben zu lösen, die ohne Staatsomnipotenz nicht gelöst werden können. Diese Ideen sind in belletristischer Form bereits in meinem Romane »Österreich im Jahre 2020« zum Ausdrucke gekommen und in diesem Werke werden sie philosophisch, volkswirtschaftlich und staatspolitisch dargelegt. Die Intelligenz muß sich derselben bemächtigen, weil sie nur durch Mitarbeit an der bevorstehenden Umgestaltung sicherstellen kann, daß diese Umgestaltung auch den höheren Interessen, der Kunst, der Forschung und dem technischen Fortschritte zugute kommen wird, während die sozialdemokratische Partei, in dogmatische Irrtümer verrannt, uns der sozialen Revolution und damit der Anarchie entgegentreibt und, wenngleich gegen ihren Willen, die ganze Kultur in Frage stellt. I. Die kollektivistische Gesellschaftsordnung in ihren allgemeinsten Umrissen und die Rechtsgrundsätze, nach welchen sie ins Leben einzuführen und nach ihrer Einführung die Verwaltung zu führen sein wird. Ich bin bei meinen Untersuchungen des sozialen Problems folgenden Weg gegangen. Ich habe mir vorgestellt, daß der Staat wirtschaftlich allmächtig geworden sei. Er sei Alleineigentümer allen Besitzes, er allein =kann= Arbeit geben, er allein produziert und wird Eigentümer der durch Arbeit erzeugten Güter, von ihm allein kann man Güter, also vor allem den Unterhalt, aber auch alles andere, was wir brauchen, erlangen, und nun stellte ich mir vor, wie er die vorhandenen Arbeitskräfte verteilen, was er produzieren und wie er über die von der Natur freiwillig gebotenen und die durch Arbeit erzeugten Güter verfügen würde. Ich betrachtete den Umsatz von Arbeitskräften und Gütern =so=, wie er sich bei gänzlicher Aufhebung des Privateigentums und der Geldwirtschaft, also bei ausnahmsloser Naturalwirtschaft gestalten müßte, und indem ich dieses Prinzip auf die ganze Produktion und auf die ganze Güterverteilung anwendete, mußte offenbar jeder Übelstand, der damit verbunden wäre, und jede Undurchführbarkeit einer Anwendung des Prinzips auf irgend einen Teil der Produktion oder Verteilung an den Tag kommen. Da der Staat zunächst Eigentümer aller Güter wird und die Einzelnen nur von ihm etwas erlangen können, mußte die Frage immer zur Untersuchung kommen, in welchen Fällen der Staat das Eigentum zu gunsten des Einzelnen aufgeben müsse, damit der Verteilungszweck erreicht werden kann und es ergab sich, daß nur dann das Staatseigentum aufgegeben werden muß, wenn die Güter dem Einzelnen zum Verbrauche für seine Person überlassen werden müssen. Das ist bei der Nahrung unzweifelhaft der Fall, niemals aber beim Verbrauche für die Zwecke der Gütererzeugung, welche ja der Staat für seine eigene Rechnung betreibt, wodurch sich also Güter der einen Art in Güter der andern Art verwandeln, wobei aber darum doch die einen und die anderen Staatseigentum bleiben. Würde man Teile der Produktion den Einzelnen für ihre persönlichen Zwecke überlassen, wie beim Verkochen von Nahrungsmitteln im Familienhaushalte, so würde eine Eigentumsübertragung zu diesem Ende stattfinden müssen. Allein ich nahm als die Regel an, daß der Staat auch die Speisenbereitung für Rechnung der Gesamtheit betreibt und daß also erst beim Verzehren der gekochten Speisen das Staatseigentum aufgegeben werden muß. Ausnahmen zugunsten Einzelner kommen vorläufig nicht in Betracht. Gegenstände, die nicht durch Verbrauch sondern durch Benützung dem Einzelnen dienstbar gemacht werden, wie Kleider, Wäsche, Mobilien, Bücher, Instrumente, bedürfen keiner Eigentumsübertragung, um in =diese= Art der Konsumtion überzugehen und so wurde zunächst der Grundsatz aufrecht erhalten, daß diese Gegenstände Staatseigentum bleiben, also der Reihe nach mehreren Personen zum Gebrauche dienen können, und, wenn sie unbrauchbar werden, wieder Material für die Staatsproduktion liefern. Damit ist die =dauernde= Gebrauchszuweisung immerhin vereinbar. Doch zeigt sich da, daß es Fälle gibt, in welchen der Einzelne bei Gebrauchsgütern, ja selbst bei Produktionsmitteln das Recht haben muß, nach seinem Gutdünken damit zu verfahren, weil er sonst in seiner Freiheit zu sehr beschränkt wäre und weil sonst der Verteilungszweck, die Wohlfahrt Aller, nicht erreicht würde. So ist es mir offenbar nicht erlaubt, ein Stück Papier zu beschreiben, oder mit Zeichnungen zu bedecken, welches fremdes Eigentum ist. Man könnte also keinen Brief schreiben und viele andere persönliche Zwecke nicht erreichen, wenn man immer nur über das verfügen dürfte, was man zu seiner Ernährung verzehrt. Daraus folgt nun, daß eine gewisse Menge von sehr mannigfaltigen Gütern zur Verteilung unter die Bevölkerung zu dem Ende gelangen muß, damit der Einzelne damit machen kann, was er für gut hält. Doch soll der Staat auch an diesen Stoffen und den daraus hergestellten Dingen eine Art von Obereigentum behalten, damit keine dem Staatswohl zuwiderlaufenden Zwecke verfolgt werden können und damit der Staat in die Lage kommen soll, höhere Zwecke des Gemeinwesens auch mit diesen Gütern zu verfolgen, wenn ein Anlaß vorliegt. So soll er auf Briefe, die von einer historisch berühmten Persönlichkeit herrühren, eine Art von Vorrecht haben, desgleichen auf Bilder, Statuen, Manuskripte, die von einem Einzelnen nicht berufsmäßig, also für Rechnung des Staates, sondern im freien Schaffen gemalt, modelliert und verfaßt worden sind, insofern es im Gesamtinteresse liegt, daß selbe erhalten, verwahrt und Allen zugänglich gemacht werden können, was immerhin nicht ausschließt, daß das Privat=gebrauchs=recht auf eine oder mehrere Generationen unbeschadet jenes Obereigentums geduldet werden kann. Nur das Recht der Zerstörung könnte der Staat verwehren, wenn ein wirklicher Wert geschaffen wurde und die Staatsverwaltung das Obereigentum geltend zu machen erklärt hat. Auch ist es unzweifelhaft, daß auf dem oben bezeichneten Wege auch Stoffe zur Verteilung gelangen werden, welche man außerberuflich zu chemischen Versuchen verwendet. Würden aber Gifte oder Explosivstoffe auf diese Art hergestellt werden und ein schädlicher Gebrauch zu besorgen sein, so muß dem Staate das Recht der Konfiskation der verteilten Stoffe und der daraus hergestellten Produkte auf Grund seines Obereigentums zustehen. Für die zur Verteilung gelangenden Stoffe, Mal- und Zeichen- oder Schreibrequisiten, Gespinnste, Gewebe, Holz, Metalle, gesammelte Naturprodukte, auch selbstgesammelte, schlage ich den Ausdruck Konsumtibilien vor, weil den damit Beteiligten der Verbrauch freisteht, obschon das Staatseigentum nie erlischt. Von dieser Verteilung wird in VIII, 5, ausführlicher gesprochen. Diese Art des Staatseigentums und beziehungsweise Staatsobereigentums bietet eine große Menge von Vorteilen. Der Eigentümer einer Sache ist in einem solchen Staate nie zweifelhaft und darum ist Diebstahl und Veruntreuung, außer zum persönlichen Verbrauche in ganz kleinen Mengen, unmöglich. Der ganze Handelsumsatz -- nämlich durch Kauf und Verkauf -- ist überflüssig und dadurch werden viele hunderttausende, ja Millionen von Arbeitskräften für wichtigere Zwecke frei. Die Benützung materieller Mittel zu verbrecherischen Zwecken wird außerordentlich erschwert, wenn sie gleich nicht ganz unmöglich gemacht werden kann. Endlich trifft jeder Zufall den Eigentümer, daher dieser Grundsatz des ausnahmslosen Staatseigentums als Versicherung für den Gebrauchsberechtigten wirkt, ein zufälliger Gewinn aber immer der Gesamtheit zustatten kommt. Es wird sehr genau gezeigt werden, daß keine Art von wünschenswerter Verteilung für Gebrauchs- und Verbrauchszwecke durch diese Grundsätze erschwert oder vereitelt wird, vielmehr ist alles viel beweglicher, jeder nicht gemeinschädliche Privatzweck viel leichter erreichbar als dort, wo jeder Gebrauch oder Verbrauch eine Erwerbung und Eigentumsübertragung voraussetzt. Eine besondere Sorgfalt wurde der Untersuchung der Frage gewidmet, wie die Rechnungslegung und die Sicherstellung der gesetzmäßigen Gebarung mit dem Staatseigentum und dem Staatseinkommen durchzuführen wäre und es ist dieser Gegenstand in einem besonderen Kapitel erörtert worden. Mit dem Geldverkehre hört auch die Geldverrechnung auf und es vertritt die statistische Tabelle die Stelle unserer heutigen Kassenjournale. Doch ist eine tägliche Statistik, wie sie von mir vorgeschlagen und in VI, 8, e, exemplifiziert wird, nicht =nur= Statistik, also Feststellung wirtschaftlicher Werte bei Ablauf einer längeren Periode, sondern zugleich Ermittlung der kleinsten Bewegungsstufen. Sie verhält sich zur heutigen Statistik wie das Journal zur Bilanz. Es wurde geprüft, ob die Statistik aller schnell verbrauchten Güter, wie Milchprodukte, Eier und das Fleisch geschlachteter Tiere, durch statistische Tabellen, und zwar im Zusammenhange mit einer Statistik der Verteilung der Bevölkerung dergestalt durch den Druck veröffentlicht werden könnte, daß alle Produktion und Verbrauch dieser Güter =täglich allgemein bekannt gemacht wird= und zwar in einem solchen Zusammenhange mit dem Nachweise des Verpflegstandes einer jeden Gemeinde und eines jeden Quartiers, daß jeder Volksgenosse sich über die Rechtmäßigkeit dieser Verteilung jederzeit orientieren kann. Doch hat eine genaue Prüfung, die ich mir jederzeit habe angelegen sein lassen, ergeben, daß eine solche =tägliche= Veröffentlichung in einem Maße, daß jeder Volksgenosse die Verteilung selbst prüfen kann, wahrscheinlich doch einen zu großen Papierverbrauch zur Folge hätte. Man kann nämlich ziemlich genau statistisch feststellen, wieviel das Volk pro Kopf und Jahr im Ganzen an Papier verbraucht und wieviel davon durch solche Veröffentlichungen verbraucht würde. Da zeigt sich nun, daß eine solche Veröffentlichung in jenem Ausmaße, wie es wünschenswert erschiene, vielleicht eine allzu große Belastung des Papierbudgets ergeben könnte, daher zwar vorgeschlagen wird, daß für die Verwaltung und die Bevölkerung eines jeden Bezirkes die statistischen Ausweise dieser Art täglich abgeschlossen und schriftlich zur Prüfung aufgelegt werden sollen, daß aber, wenn eine tägliche Veröffentlichung dieser Statistik des Papierverbrauches wegen sich als untunlich erweisen sollte, nur die Kreis-, Provinz- und Reichsstatistik täglich, die Bezirksstatistik aber nur von Woche zu Woche allgemein und durch den Druck veröffentlicht werden sollen. Das Nähere hierüber enthalten die Abschnitte VI, 7 und 8 über das Zeitungswesen und die Statistik. Zum Zwecke der Beurteilung der Administration und des Arbeitsaufwandes für Verwaltung, Erziehung, Volksunterricht und das Sanitätswesen wurde angenommen, daß die Landgemeinden auf einen Bevölkerungsstand von beiläufig tausend Köpfen gebracht, größere Gemeinden und Städte aber in Quartiere von einer Bevölkerungszahl von beiläufig tausend Köpfen geteilt werden sollen. Diese Verteilung der Bevölkerung und die Verringerung der eigentlichen städtischen Bevölkerung auf höchstens 2-3% der Gesamtbevölkerung ist von unermeßlichen Vorteilen für die Hygiene, die Landwirtschaft, die Verwaltung, die Volkserziehung, den Volksunterricht und die Ökonomie. Und daraus ergibt sich nun auch eine sehr genaue Übersicht, wieviele Personen in jenen Berufen anzustellen sein werden und wie groß die Arbeitslast für die einzelnen Angestellten sein wird. Nun ist zwar der angenommene Bevölkerungsstand der Gemeinden und Quartiere keineswegs pedantisch festzuhalten, und er wird auch innerhalb gewisser Grenzen schwanken, allein es wird sich ergeben, daß der Verwaltung vielerlei Auswege zu Gebote stehen, um eine sehr empfindliche Verschiebung hintanzuhalten. Die Aufhebung des Privateigentums, welches den Domizilwechsel sehr erschwert, der gemeinsame Staatsbetrieb und die leichtere Versetzbarkeit der nicht produktiven Bevölkerung, dann die Notwendigkeit, in einem Staate von 45 Millionen Bewohnern (ich nehme die Verhältnisse Österreichs zur Grundlage) alljährlich dem Volkszuwachse entsprechend mindestens 200-300 Ortsgemeinden neu aufzubauen, werden immer eine Ausgleichung des Bevölkerungsstandes der einzelnen Gemeinden und Quartiere ermöglichen, wo es für die Verwaltung =ein Bedürfnis= ist. Die Notwendigkeit, alle Wohnungsansiedelungen nach und nach für die Zwecke der Kollektivwirtschaft umzubauen, muß ins Auge gefaßt werden und es ist davon in VI, 2, die Rede. Die Versorgung eines großen Bruchteiles der Bevölkerung, welcher heute verkümmert und bei uns mehr in Ställen haust, als in menschlichen Wohnungen, mit Wohnhäusern, die Anpassung der Landwirtschaft an den Kollektivbetrieb, die Assanierung vieler vernachlässigter Gemeinden, macht ohnehin viele Neubauten notwendig und, da die Umwandlung unserer Gesellschaftsordnung auch nur nach und nach erfolgen und die Übergangsperiode auf 40-100 Jahre veranschlagt werden kann, so ist der notwendige Bauaufwand wohl zu bestreiten, besonders da viele verwendbare Baumaterialien und Baubestandteile beim Abbruche der alten Bauten gewonnen werden. Hat Nordamerika in weniger als hundert Jahren Wohnungen für 70 Millionen Menschen bei rasch steigender Volkszahl und ohne Abbruchmaterialien schaffen können, so muß ein Staat von 45 Millionen bei verhältnismäßig stationärem Bevölkerungsstande den Bauaufwand für die notwendige Umgestaltung in ein bis zwei Generationen aufzubringen vermögen. Der Bauaufwand wird im kollektivistischen Staate dann aufzubringen sein, wenn die Verwaltung ohne Vernachlässigung anderer Produktionszweige so viele Prozente der verfügbaren Arbeitskräfte im Bauwesen verwenden kann, als zur Bewältigung der festgesetzten Bauarbeiten innerhalb der angenommenen Umgestaltungsperiode erforderlich sind. Die Forderung, daß der Staat zum Kollektivismus übergehe, wird nicht aus Gefühlsduselei und Mitleid, aus Gerechtigkeitsgründen, aufgestellt, =sondern aus volkswirtschaftlichen und staatspolitischen Erwägungen und im Interesse der Kultur und des Fortschrittes=. Es wird nur die Aufopferung eingebildeter Interessen gefordert und ich erwarte sie nicht von der Güte der Einzelnen. Der Staat soll nur die wirtschaftliche Macht schonungslos gebrauchen, die er bereits besitzt, und er wird ohne Rechtsbruch zur Omnipotenz gelangen. Die Rechtskontinuität muß gewahrt, die revolutionäre Umgestaltung muß verhindert, jede Gewalt ohne Schwäche unterdrückt werden, aber Aufgabe der Regierungen ist es, die hier angegebenen Ziele anzustreben. Die Staatsmänner, welche diesen Zielen zustreben, werden sich ebenso sicher finden, wie es nicht fehlen konnte, daß sich Staatsmänner fanden, die, den Fürsten zum Trotze, die Einheit der deutschen Nation herbeiführten. Wer dieses Buch liest, wird sich überzeugen, daß unsere Gesellschaftsordnung eine Maschine mit einem lächerlich hohen Reibungskoeffizienten ist. Die Rechtsgrundsätze, von welchen ich für die =Umgestaltung= ausgehe, sind folgende: Die Besitzenden, welche durch Mißbrauch ihres wirtschaftlichen Übergewichtes Reichtümer angesammelt und die Besitzlosigkeit der Massen herbeigeführt haben, können sich nicht darüber beschweren, wenn der Staat seinerseits ihnen gegenüber sein wirtschaftliches Übergewicht zur Geltung bringt und sie so expropriert, wie sie andere expropriert haben. Ihr wirtschaftliches Übergewicht konnten sie niemals erlangen, ohne Gesetze, welche die Staatsgewalt zu gunsten des freien Vermögenserwerbes[1], zum Schutze des Privateigentumes und zur Begründung eines Erbrechtes erlassen hat. Diese Gesetze zu ändern, ist der Staat jederzeit berechtigt und dadurch kann der Prozeß der Verstaatlichung des Besitzes beschleunigt werden. Wenn damit nur stufenweise und langsam vorgegangen wird, so hat das nicht darin seinen Grund, daß in einer sofortigen Einziehung des Besitzes gegen zeitlich beschränkte Renten eine Rechtsverletzung läge, sondern daß es nicht im Interesse des Staatswohles gelegen wäre, den Umbildungsprozeß zu übereilen. Jede Art von Besteuerung bildet eine Verkürzung von Privatinteressen und Privatbesitzrechten. Im öffentlichen Interesse wurde das Besteuerungsrecht doch seit Jahrtausenden geübt und die progressive Einkommensteuer, welche man längst für statthaft erkannt hat, zeigt einen der vielen Wege, welche zur Erreichung des angestrebten Zieles, die wirtschaftliche Macht des Staates auf Kosten der Besitzenden zu erweitern, führen können. [1] Plato fordert die Beschränkung des freien Vermögenserwerbes als eine erste Forderung der sozialen Wohlfahrt. Aber auch viele Gesetze, welche die Beherrschten in Griechenland und in Rom ertrotzten, waren auf Beschränkung des Rechtes des Bodenerwerbs, auf Neuverteilung des mobilen Besitzes, auf Schuldentilgung gerichtet und Julius Cäsar erließ durch ein Gesetz den ärmeren Bürgern die Miete, welche sie für ihre Wohnungen den Hausbesitzern schuldeten. Das sind die Rechtsgrundsätze, welche für die Umwandlung der sozialen Zustände maßgebend sind. Diese Umwandlung ist kein Bruch mit der Vergangenheit, sondern eine Entwickelung und Fortbildung der bestehenden Zustände. Sie führt auch nicht im eigentlichen Sinne zur =Aufhebung= des Privateigentums, wohl aber zu dessen =Aufsaugung= zugunsten des wirtschaftlich Stärksten, des Staates und zur Erreichung der höchsten ethischen Ziele und der Erfolg dieser Aufsaugung ist die Zurückgewinnung eines verhältnismäßigen Anteiles am Volksvermögen für jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft. Die Rechtsgrundsätze für die kommende Zeit der Staatsomnipotenz, welche der Verteilung von Arbeit und Gütern zugrunde liegen, sind folgende: Wer Mitglied der staatlichen Gesellschaft werden und bleiben will, und für die der staatlichen Erziehungsgewalt unterworfene Jugend wird das vorausgesetzt, muß die Grundlagen dieser Gesellschaft anerkennen und sich ihnen unterordnen. Wer aufhören will, dieser Gesellschaft anzugehören, muß entweder auswandern, oder seinen Anteil am staatlichen Gesamtbesitze absondern. Letzteres kann er nicht wünschen, weil er neben einem so mächtigen wirtschaftlichen Körper eine Sonderexistenz umsoweniger führen kann, als er von Jugend auf an das Wohlleben des Kollektivismus gewöhnt ist. Eine Frage wäre, ob man Auswanderern eine ihrem Anteil am Gesamtvermögen entsprechende Summe hinauszahlen solle. Das Maß dieser Abfertigung könnte nach Altersstufen und Berufskategorien in einen Tarif gebracht werden. Diese Auseinandersetzung würde aber gesetzlich geregelt und ein privatrechtlicher Anspruch niemals anerkannt werden. Die Hinauszahlung einer Summe an =Auswanderer= wäre kein Bruch mit dem Prinzipe der Naturalwirtschaft, die nur auf dem Territorium des Kollektivstaates, nicht für seinen Verkehr mit auswärtigen Staaten gilt. Die Geldmittel erwirbt der Kollektivstaat durch den Warenhandel mit Staaten, welche Geldwirtschaft haben und durch den Fremdenverkehr mit Angehörigen solcher Staaten. Wird es in Zukunft solche Staaten überhaupt nicht mehr geben oder mit solchen kein auf Erwerb gerichteter Verkehr mehr unterhalten, so könnte eine Abfertigung von Auswanderern nie anders, als durch Zuweisung beweglicher Sachen erfolgen. Unter solchen Umständen, welche sowohl die Absonderung in vermögensrechtlicher Beziehung als die Auswanderung mit Anspruch auf Abfertigung ermöglichen, kann von einer Vergewaltigung oder unbilligen Abhängigkeit, wie sie heute der Besitzlose zu tragen hat, niemals die Rede sein. Für jene, die Staatsbürger sind und bleiben wollen, gelten folgende Verteilungsgrundsätze: Da der verhältnismäßige Anteil des Einzelnen am Gesamtvermögen ohne Arbeit zur Deckung des Lebensunterhaltes weitaus ungenügend ist, ist jeder zur Arbeit verpflichtet, um zur Deckung des Gesamtaufwandes beizutragen. An die Stelle der Steuerpflicht tritt im Kollektivstaat die Arbeitspflicht. Die Erfüllung dieser Arbeitspflicht wird erzwungen, wie der Militärdienst. Das Ausmaß der Minimalarbeitsschuldigkeit, sagen wir achtstündige Arbeit an 300 Tagen im Jahre, und die Verteilung der verschiedenen Arbeiten nach den Kräften und der Befähigung der Arbeitsfähigen erfolgt nach dem Gesamtwillen. Der Einzelne wird, da er nicht Eigentümer der Produktionsmittel, insbesondere der Naturquellen ist, auch nicht Eigentümer der durch seine Arbeit hervorgebrachten Güter. Diese fallen dem Staate zu, der sie zum Verbrauche, beziehungsweise zum Gebrauche unter die Mitglieder der Gesellschaft verteilt. Auch diese Verteilung erfolgt nach dem Gesamtwillen. Alle Glieder der Gesellschaft haben zunächst, ob sie arbeiten können oder nicht können, auch wenn sie von der Arbeit befreit sind, ein Recht auf naturalwirtschaftliche Befriedigung aller ihrer Bedürfnisse nach dem durch den Gesamtwillen festgesetzten Maßstabe. Ebenso werden alle jene Kategorien von Arbeiten festgesetzt, welche der Staat von jedermann zu beanspruchen berechtigt ist und jene, welche ein Sonderübereinkommen zwischen dem Staat und den Arbeitern voraussetzen, sei es, daß die Gefahren und Belästigungen einer Arbeit Anspruch auf Begünstigungen gewähren, oder daß sich nicht jeder zu einem Berufe eignet. Im ersten Falle werden den Berufen solche Begünstigungen eingeräumt, daß sich eine genügende Anzahl von Freiwilligen meldet, im zweiten Falle setzt der Staat die Bedingungen fest, unter welchen man die Zulassung zu einem bestimmten Berufe erlangen kann, so z. B. Prüfungen, längere erfolgreiche Vorbereitung oder Befähigungsnachweis. Von der staatlich geregelten Arbeit befreit sind folgende Kategorien von Volksgenossen: 1. =Die Arbeitsunfähigen.= Arbeitsunfähig sind die Kinder, die Kranken und die Gebrechlichen aller Altersstufen. Diese Arbeitsbefreiung ist aber eine begrenzte, denn der Kollektivstaat wird Viele in seiner großen Organisation verwenden können, die in unserer Gesellschaftsordnung wegen Gebrechen keine Arbeit finden. 2. =Die Pensionierten.= Von der staatlich geregelten Arbeit befreit sind nach dem vom Gesamtwillen festgesetzten Maßstab alle jene, welche in ihrem Beruf die vorgeschriebene Altersgrenze erreicht haben, wenngleich sie noch arbeitsfähig sind. 3. Auch =durch Geburt oder Verdienst= kann die Befreiung von jeder staatlich geregelten Arbeit erlangt werden. Nach besonderen Gesetzen können hervorragende Verdienste um das Volk auch vor Erreichung der Altersgrenze mit Befreiung von aller staatlich geregelten Arbeit belohnt werden. Das gilt insbesondere von sehr erfolgreichen Dichtern, Künstlern, Forschern und Erfindern. Die Einräumung dieser Befreiung erfolgt in der Regel durch die Staatsverwaltung, aber die Gesetze können auch anders darüber verfügen und nach einem gewissen Turnus den Gemeinden, oder Bezirken oder Kreisen die Befugnis einräumen, solche Begünstigungen von Zeit zu Zeit je einer Person zu erteilen. Wer von Geburt aus von jeder geregelten Arbeit befreit ist, wird gleichfalls durch die Gesetze bestimmt. Diese Begünstigung kann durch die Gesetze eingeräumt werden den Mitgliedern einer Dynastie, den Mitgliedern einer Anzahl von adeligen Familien, den Personen, welche zur Beschleunigung des Umwandlungsprozesses ihr Vermögen von einer gewissen Ausdehnung vor der Zeit abgetreten haben und ihren Nachkommen. Die Gesetze können bestimmen, daß die durch Geburt erworbene Arbeitsbefreiung an gewisse Beschränkungen gebunden ist und daß sie nur einer beschränkten Anzahl von Nachkommen zustatten kommt, sodaß z. B., wenn die Familienmitglieder der Dynastie über eine gewisse Anzahl anwachsen, den überzähligen Mitgliedern diese Begünstigung entzogen wird, sowie, daß nur jene Nachkommen der dynastischen Familie diese Begünstigung genießen können, die einer monogamen Ehe zwischen besonders geeigenschafteten Personen entspringen und dergl. Die Monarchie ist mit dem Kollektivismus durchaus vereinbar, vorausgesetzt, daß auch die Dynastie dem allgemeinen Gesetze der Eigentumslosigkeit und der Naturalwirtschaft unterworfen ist und daß ihre verfassungsmäßige Stellung der Volkssouveränität keinen Abbruch tut. Die Aufrechterhaltung der Monarchie wird sich insbesondere dort empfehlen, wo sie zur Aufrechterhaltung der staatlichen Einheit notwendig erscheint. Damit im Zusammenhange kann auch der Fortbestand einer Anzahl hochadeliger Familien entsprechend erscheinen, besonders dann, wenn die Dynastie und jene Familien, welchen die Adelsqualität zuerkannt wird, den Übergang in die neue Ordnung begünstigen, Staat und Volk zu repräsentieren geeignet und sie den sozialen Frieden zu schirmen bereit sind. Die ihnen zukommenden sozialen Funktionen werden verfassungsgemäß zu ordnen sein. Die Gesetze können auch da verhindern, daß die dem hohen Adel angehörigen Personen eine gewisse Anzahl entweder in den einzelnen Familien oder im Ganzen übersteigen, wenn sie bestimmen, daß die über diese Zahl geborenen Nachkommen der Adelsvorzüge nicht teilhaftig werden. Daß der Dynastie und dem Hochadel in einem Kollektivstaate ästhetische Aufgaben und eine soziale Stellung eingeräumt werden können, welche im Interesse des gesamten Volkes liegen und weder seiner Wohlfahrt noch seiner Freiheit abträglich werden können, glaube ich in meinem Roman »Österreich im Jahre 2020« klar gezeigt zu haben. Was die Personen und die Nachkommen jener Personen anbelangt, die nach obigen Grundsätzen sich die Arbeitsbefreiung und demnach auch einen prozentualen Anteil an Gütern und Genüssen für sich und ihre Nachkommen gewissermaßen erkaufen, so wird diese wohl nur für eine gewisse Zahl von Generationen bewilligt werden und dann erlöschen. Ihre Stellung und die der monarchischen Familie und der Familien des Hochadels zum Volke wäre eine verschiedene. Die letztgedachten Familien hätten eine soziale Funktion zu erfüllen, die Nachkommen der Geldaristokraten aber nicht, ihre Freiheit wäre absoluter. Darum würde diese Freiheit immer unerträglicher werden, während die Ausnahmsstellung jener Familien, wenn sie ihren Aufgaben gewachsen sind, immer mehr gerechtfertigt scheinen wird. Der Rechtsgrundsatz der Festsetzung eines sehr hoch gegriffenen (etwa 90%igen) Versorgungsminimums für alle, auch die Arbeitsunfähigen, rechtfertigt sich aus einem Versicherungsbedürfnisse der Arbeitsfähigen, welche den Verlust ihrer Arbeitsfähigkeit jederzeit zu fürchten haben. Die Opfer, die sie aus dem Ertrage ihrer Arbeit für Arbeitsunfähige zu bringen haben, dienen also als Versicherungsprämie. Aus demselben Grundsatze ist die Versorgung der Kinder und Alten gerechtfertigt, denn die Arbeitsfähigen haben Ersatz zu leisten für den eigenen Unterhalt und Erziehung in der Jugend durch die Tragung des Versorgungs- und Erziehungsaufwandes für die nachwachsende Generation und in der Versorgung der Alten leisten sie die Prämie für die eigene Altersversorgung. Zur Versorgung der heranwachsenden Jugend haben nicht nur die Eltern, sondern gleichermaßen die Kinderlosen beizutragen, weil auch diese von der heranwachsenden Generation Altersversorgung beanspruchen werden. Noch mehr Grund haben die Massen zur Entlohnung der Hochverdienten, da sie die Früchte ihrer Leistungen genießen. =Darum ist aber auch von einer Ausbeutung der Starken durch die Schwachen keine Rede.= Trotz des sehr hoch gegriffenen Versorgungsminimums ist die Verteilung so einzurichten, daß ein prozentuell zu bestimmender Teil des Jahresproduktes und der persönlichen Dienstleistungen zur Entlohnung höherer Verdienste, auch gemeiner Art, verwendet wird. Das wird am besten in der Form der Schaffung von Dienstkategorien geschehen, in welche man im Beförderungswege einrücken kann. Da keine anderen Verdienste anerkannt werden, als solche, die dem gesamten Volke zum Vorteil gereichen, so hat jeder Einzelne ein egoistisches Interesse, zu dieser Entlohnung beizutragen. Es ist demnach auch keine Rede von einer mechanischen Gleichheit zwischen allen Gliedern der Gesellschaft und diese gehört auch nicht zum Wesen des Kollektivismus und zwar gerade aus dem Grunde, weil die geplante Vermögensverwaltung das Wohl =Aller= zu verwirklichen hat. Der Kollektivismus beschränkt sich nicht auf die Produktion und Verteilung von Sachgütern, sondern er hat auch die Aufgabe, alle Arten persönlicher Dienstleistungen sicher zu stellen und die Sachgüterproduzenten und jene, die persönliche Dienste zu leisten haben, in ein richtiges gegenseitiges Verhältnis zu bringen. Da jeder Einzelne von allen Berufsklassen Vorteile empfängt, wenn ihm das auch oft nicht zum Bewußtsein kommt, so ist er auch allen verpflichtet und den Austausch von Gütern und Dienstleistungen in einem richtigen Verhältnisse zu ordnen, ist eine Hauptaufgabe der staatlichen Verteilung. Das richtige Maß der Verteilung festzustellen dient als Hauptgrundlage die ununterbrochene Ermittelung der Sterblichkeit in den verschiedenen Berufsklassen. Da der Staat alle Kinder versorgt, steht ihm auch das Recht zu, auf Ehe und Kindererzeugung gesetzgeberischen Einfluß zu üben und die Fortpflanzung degenerierter und krankhafter Individuen zu unterdrücken. Das wird in jenem Ausmaße zu geschehen haben, welches einer mäßigen Vermehrung der Bevölkerung nicht im Wege steht. Es ist hier kein Grundsatz aufgestellt, der richtig angewendet nicht im Interesse eines jeden einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft läge. Da alle Güter an den Staat abgeliefert und alle Güter von ihm verteilt werden und nirgends die vermeintliche Äquivalenz im Austausche zwischen den Einzelnen, sondern allgemeine Verteilungsgrundsätze für den Gütertausch maßgebend sind, entsteht eine enorme Vereinfachung der Umsatz=arbeit=, wie insbesondere bei der Betrachtung der Funktionen der Verteilungsbeamten und bei der Erörterung der statistischen Verrechnung zur Evidenz gebracht werden wird. (Siehe V. 1, _Alinea_ »Dieser Beamte« und VI. 8.) Das Schlagwort Utopie hat hier keine Berechtigung. Insofern es sich um Zustände handelt, die nirgends und niemals waren, ist zwar, was ich fordere, ein Nirgendwo, allein das gilt von allem, was die Entwicklung bringt. Seit noch nicht hundert Jahren haben wir Eisenbahnen, Telegraphen, elektrische Wunderwerke, die niemals vorher waren. Darum wurde das Alles doch verwirklicht. Wer aber dergleichen hundert Jahre vorher versprochen hätte, wäre ein Utopist gewesen, weil er nicht wissen konnte, welche damals noch geheimen Kräfte die Erde birgt und wie sie den Menschen dienstbar gemacht werden können. Allein was ich verspreche, ist lediglich vom Willen der Menschen abhängig. Es setzt keine neuen Wunder der Erfindung voraus, und rechnet auf nichts, was nicht durchführbar wäre und es handelt sich nur um die Frage, ob wir Grund haben, die Ausführung alles dessen, was ich empfehle, zu wollen und ob es möglich sein wird, die widerstrebenden Elemente, welche heute allerdings die Macht in der Hand haben, zu überwinden. Diese Frage wird dort beleuchtet werden, wo die Wege besprochen werden, die in das neue Land führen. Die großen Verbrechen unserer Zeit, die politische Zersetzung, die sich überall, am stärksten in Österreich, bemerkbar macht, die furchtbaren Hilfsmittel, welche staatsfeindliche Elemente zur Verfügung haben, ich erinnere nur an die Zerstörungen in Salonichi im April 1903, beweisen, daß neue Organisationen notwendig sind, will man die heutige Kultur beschützen. So werden die Gedanken der Staatsmänner auf das gebracht werden, was in dem von mir angedeuteten Sinne liegt. Zuerst folgt eine Besprechung der Verfassung und der Regierungsform, der dauernden Einrichtungen mit Inbegriff der Populationsgesetze, der Volkserziehung und des Volksunterrichtes, dann aller Zweige der Verteilung der Arbeit, Güter und persönlichen Dienstleistungen. Sohin erst sollen Vorteile und Nachteile des Kollektivismus erörtert werden und zuletzt werden die schon jetzt erkennbaren Mittel vorgeschlagen, welche die Umwandlung der Zustände bezwecken. Die umständliche Erörterung der dem Kollektivismus angepaßten Organisation ist darum erforderlich, weil man sich klar werden muß, ob ein so großer Wirtschaftskomplex rationell verwaltet werden kann. Ist der Kollektivismus ausführbar und welche Umgestaltungen müssen vorausgehen? II. Das kollektivistische Rechtssubjekt. Nicht leicht gibt es auf irgend einem Gebiete des menschlichen Lebens so viel Unklarheit, wie auf dem Gebiete des Sozialismus. Die Sozialisten wollen offenbar Produktion und Verteilung andere Grundlagen geben, aber bestimmte Formen hat die Vorstellung von der zukünftigen Gesellschaftsordnung nicht angenommen. Besonders ist der Begriff der »Gesellschaft«, den man mit dem Begriffe »Staat« in Gegensatz setzt, etwas ganz Nebelhaftes. Eine bestimmte Gestaltung hat die Gesellschaft nur in den Köpfen der Freiländer angenommen. Sie fordern die Fortdauer des Staates und sagen, der Staat müsse alle Produktionsmittel in seine Gewalt bringen, Eigentümer aller Produktionsmittel werden, er dürfe aber nicht selbst produzieren, sondern müsse die Produktionsmittel den frei gebildeten Assoziationen zur Bewirtschaftung überlassen. Nur für einige Produktionszweige gestatten die Freiländer die staatliche Produktion und das Charakteristische der Freilandstheorie ist der freie Anschluß eines jeden Individuums an eine oder mehrere der bestehenden Genossenschaften. Solche Ideen haben auch manche Anhänger des Anarchismus und manche sozialdemokratischen Theoretiker scheinen auch an eine genossenschaftliche Organisation der Bewirtschaftung der Produktionsmittel zu denken. Andere wieder scheinen sich die Kommune oder Ortsgemeinde als souveräne wirtschaftliche Einheit zu denken. Menger[2] geht von der Anschauung aus, die Vertreter der Ersetzung des Staates durch die Gesellschaft meinten, daß alle Arbeitsorganisationen aus Verträgen hervorgehen, und daß also die Gesetze durch Verträge ersetzt werden sollen. [2] »Menger, Neue Staatslehre« pag. 226. Er spricht zwar an dieser Stelle nur von den Anarchisten, aber es ist klar, daß das von allen Wirtschaftsformen gilt, welche genossenschaftliche Organisation zur Grundlage haben. Dieser Ruf, der Staat solle durch die Gesellschaft ersetzt werden, beruht auf einem Grundirrtum der Sozialisten. Sie wollen dadurch die Freiheit allen Gliedern des Volkes sichern. Allein solange es ein Staatsterritorium, das heißt ein begrenztes Gebiet, auf dem sich das wirtschaftliche Leben abspielt, gibt, gibt es einen Staat. Der Staat hat Grenzen, er hat heimatsberechtigte Bewohner, er hat eine Gesetzgebung, welche sich auf das Staatsgebiet und dessen Bewohner erstreckt und dann ist der Staat in der Regel unabhängig von allen äußeren Mächten. Obgleich für eine sehr ferne Zukunft die Möglichkeit eines Allerweltskommunismus nicht geleugnet werden soll, kann zunächst an nichts anderes gedacht werden, als an eine Veränderung der Gesellschaftsordnung und der Eigentumsordnung auf dem Gebiete eines oder mehrerer Staaten und darum ist die Erhaltung der Staaten im Interesse des sozialistischen Ideals und der vernünftige Sozialist bekämpft die vom Staate unabhängige wirtschaftliche Macht, nicht den Staat, der dazu berufen ist, in Zukunft den Sozialismus zu verwirklichen und die sozialistische Wirtschaft zu betreiben. Die unklaren Köpfe, die über Sozialismus reden und schreiben, wollen den Staat abschaffen, weil sie sehen, daß die Gesetze nicht für Alle, sondern nur für die herrschenden Klassen gemacht sind. Darum glauben viele, die Anarchisten, daß die Abschaffung der Gesetze genüge, um der Ungerechtigkeit ein Ende zu machen. Die Gesetze sollen nun allerdings nicht im Interesse der herrschenden Klassen und Individuen gemacht werden, aber auch die Freiheit Aller hat die Herrschaft von Gesetzen, wenn auch anderer Gesetze zur Voraussetzung. Absolute Freiheit Aller, Anarchismus, ist schon wirtschaftlich unmöglich. Bebel und andere Sozialisten meinen, der Staat sei bloß im Interesse des Privateigentums geschaffen worden und habe nur ihm zu dienen, daher er gegenstandslos sei, sobald das Privateigentum aufhöre. Allein der Staat hat schon lange aufgehört, =nur= dem Privateigentum zu dienen. Er ist auch schon zu einem Viertel kollektivistisch und hat auch die Geschäfte der kollektivistischen Einrichtungen zu besorgen. Gar nichts steht dem im Wege, durch den Staat selbst Alles in Gemeineigentum zu verwandeln. Schon Aristoteles sagt, es sei eine falsche Auffassung vom Staat, daß er keinen anderen Beruf habe, als die Privatrechte zu beschützen und selbst Napoleon sagte: _Les lois ont pour but le bonheur de touts._ Andere wieder glauben, die künftige Gesellschaftsordnung könne nur international zur Herrschaft gelangen und das sei der Grund, weshalb der Staat, eben weil er ein begrenztes Gebiet hat, verschwinden müsse. Diese Anschauung ist aber falsch. Daß der internationale Verkehr auch zwischen Staaten verschiedener Gesellschaftsordnung möglich ist, wird in diesem Werke nachzuweisen sein. Ebenso gewiß ist, daß auch zwei Staaten der gleichen Gesellschaftsordnung, zwei Kollektivstaaten, sich verschiedene Wirtschaftsziele setzen können. Darum unterliegt es keinem Zweifel, daß mit der kollektivistischen Gesellschaftsform die Trennung der Völker in mehrere Staaten nicht nur nicht unvereinbar, sondern für die nächste Zeit sogar unvermeidlich ist. Müßten alle Völker der Erde, oder alle Völker eines Kontinentes, oder selbst nur alle Individuen auf einem Staatsgebiete gleichzeitig zur kollektivistischen Gesellschaftsordnung übergehen, so wäre dieser Übergang für alle Zeiten unmöglich, weil die Änderung der Gesellschaftsordnung sich dann nicht evolutionistisch vollzöge. Ich spreche demnach von Kollektivstaaten, vom Übergange einzelner Staaten aus der heutigen Gesellschaftsordnung in die kollektivistische Gesellschaftsordnung und werde dabei insbesondere das österreichische Staatsgebiet und dessen besondere Verhältnisse ins Auge fassen. Daß ich zunächst an Österreich denke, hat nicht nur seinen Grund darin, daß ich Österreicher bin und das Gute zuerst für mein Vaterland wünsche, noch darin, daß ich mit österreichischen Verhältnissen besser vertraut bin, als mit denen anderer Länder und Völker, sondern ich wende das kollektivistische Staatsideal deshalb zuerst auf Österreich an, weil ich glaube, daß Österreich und die habsburgische Dynastie nur durch den Kollektivstaat vor dem Untergange gerettet werden können, daß also der Selbsterhaltungstrieb, der dem österreichischen Staatsgebilde innewohnt, mit Notwendigkeit den Gedanken reifen muß, gewissermaßen _in extremis_ dieses letzte Heilmittel zu versuchen. Die Krankheit Österreichs wurzelt im Privateigentum, um welches sich in letzter Auflösung alle politischen Kämpfe drehen. Meines Erachtens ist die politische Zersetzung Österreichs als Bankerott der herrschenden Klassen in Österreich aufzufassen, diese Klassen müssen als Gegner der Dynastie, als Gegner des Staatsganzen, aber vor Allem als Gegner des produktiven Volkes erkannt werden. Sie sind das zwar in allen Ländern,[3] aber nirgends sind sie in ihrer gemeinschädlichen Tätigkeit so weit vorgeschritten als in Österreich und nirgends halten sie sich so sehr gegenseitig das Gleichgewicht, nirgends ist ihre Politik so festgefahren, wie bei uns, nirgends ist ihre Gemeinschädlichkeit so für Jedermann evident. Der Kampf der politischen Parteien frißt am Mark des Staates, führt zur Frechheit gegen den Träger der Krone, bedroht die Dynastie und =zugleich= schädigt er Bürger, Bauern und Proletarier durch Unterbindung der Produktion, =daher Österreich nur gerettet werden kann durch eine Allianz der Krone mit den beherrschten Klassen gegen die herrschenden Klassen=, welche ihrer politischen Macht beraubt werden müssen, was natürlich zur Untergrabung der wirtschaftlichen Macht dieser Klassen führen muß.[4] [3] In einer zu Provincetown am 20. August 1907 gehaltenen Rede sagte Präsident Roosevelt: Es muß entschieden werden, wer unsere freie Regierung beherrschen soll, das Volk oder ein paar rücksichtslose Männer, =deren Reichtum sie besonders gefährlich macht=. [4] Diese Anschauungen waren längst im Manuskripte dieses Werkes niedergelegt, als im Jahre 1906 sich die Allianz zwischen Kaiser Franz Josef und der Masse des Volkes vollzog. III. Die Verfassung eines kollektivistischen Staates. 1. Allgemeines. Das natürliche Ziel der Entwickelung der Gesellschaft ist die Volkssouveränität, von welcher man heute nur theoretisch spricht. Sobald das Privateigentum und der Reichtum, also das wirtschaftliche Übergewicht, Einzelner unterdrückt ist, gibt es keine Macht mehr, welche sich dem Volke gegenüber behaupten könnte. Mit der Volkssouveränität ist aber die Monarchie recht wohl vereinbar. Sie würde bedeuten, daß die oberste Leitung der Staatsgeschäfte, wie sie heute dem Staatsoberhaupte in den Kulturstaaten, seien diese Monarchien oder Republiken, zusteht, einer Familie erblich übertragen ist und vom Oberhaupt dieser Familie ohne persönliche Verantwortlichkeit ausgeübt wird. Selbstverständlich wird die Regierungsgewalt des Staatsoberhauptes in einem Kollektivstaate eine wesentlich andere sein, als in einem Staate unserer Gesellschaftsordnung und auch das Staatsoberhaupt wird, wie jeder andere Volksgenosse, mehr Freiheit zu nützen, aber viel weniger Freiheit zu schaden haben, als heute. Vereinbar mit der Volkssouveränität ist die Monarchie dann, wenn die monarchische Gewalt namens des Volkes ausgeübt, von ihm abhängig erklärt wird und wenn das Volk das Recht hat, die Monarchie abzuschaffen, den Monarchen abzusetzen, die Successionsordnung abzuändern. Es ist höchst wahrscheinlich, daß sich die Monarchie, wo sie heute besteht, wenigstens für eine Reihe von Generationen auch in der neuen Gesellschaftsordnung dann erhalten wird, wenn die Dynastie der Umwandlung der Gesellschaftsordnung Vorschub geleistet hat. Die Befugnisse des Monarchen werden nach mancher Richtung sehr beschränkt sein und die Hauptaufgabe des Monarchen wird nicht sein Anteil an der Gesetzgebung und Verwaltung, sondern die soziale Repräsentation des Volkes und Staates sein. Der Monarch wird die Personifikation des Volkes und Staates darstellen und diese Stellung wird vorzüglich zum Ausdrucke kommen bei großen Festlichkeiten und bei den obersten und prächtigsten geselligen Vereinigungen, deren Mittelpunkt regelmäßig der Monarch sein wird. Er und seine Familie werden eine oberste Stellung einnehmen und damit er imstande sein soll, die umfassenden repräsentativen Aufgaben zu lösen, welche der Monarchie gestellt sind, wird zu prüfen sein, ob nicht eine kleine Zahl adeliger Familien fortbestehen soll, die den Monarchen dabei unterstützen. Der Monarch, seine Familie und der Adel, wenn ein solcher forterhalten wird, können ebensowenig Privateigentum haben, wie irgend ein anderer Volksgenosse und den Aufwand der Hofhaltung bestreiten sie aus den ihnen vom Volke jährlich naturalwirtschaftlich angewiesenen Mitteln an Arbeitskräften und Naturalien. Über diese Hofhaltung wird in IV, Näheres gesagt werden. 2. Das souveräne Volk. Die bloße Erklärung, das Volk sei souverän, ist ohne allen Wert. Man muß erst wissen, wer das Volk ist, da doch mindestens Säuglinge keinen Anteil an der Souveränität haben können und man sich über die Grenzen des Alters der Unselbständigkeit erst einigen muß. Auch braucht jede Vereinigung von Menschen, die gemeinsame Zwecke verfolgen soll, bestimmte Organisationsformen, die umso schwieriger zustande kommen, je zahlreicher die Glieder einer solchen sind. Verfassungen müssen daher immer oktroyiert werden und zwar entweder von einem Monarchen, oder einer provisorischen Regierung, einem Diktator oder einer konstitutionellen Versammlung. Darum kann hier dieser Gegenstand nur theoretisch besprochen werden und die Verwirklichung der Volkssouveränität wird einen Teil der Umgestaltungsarbeiten bilden, welche die neue Gesellschaftsordnung herbeiführen sollen. Vor allem entsteht die Frage, wer bei der Fassung von Volksbeschlüssen eine Stimme haben soll, und es scheint für den Zukunftsstaat das Natürlichste, das Stimmrecht jedem männlichen und weiblichen Volksgenossen einzuräumen, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Gesetze bestimmen, daß mit dem vollendeten 18. Lebensjahre die Erziehungsgewalt der Familie und des Staates beendet und der junge Mensch, sei es Mann oder Weib, selbständig ist. Bezüglich der Jugend, welche dieses Alter noch nicht erreicht hat, könnten verschiedene Grundsätze angenommen werden, sie könnte 1. ganz unvertreten bleiben, 2. ihre Vertretung könnte dem Monarchen oder sonstigem Staatsoberhaupte eingeräumt werden, endlich 3. könnte man sie in die Hände der Eltern, vielleicht nur der Mutter oder Wahlmutter legen. Dann hätten diese Personen für sie die Stimme abzugeben. Pluralstimme. 1. Die unselbständige Jugend könnte ganz unvertreten bleiben, weil sie, noch ohne genügende Arbeitsleistung, dem Staate zur Last fällt und weil sie, der Natur der Sache nach nicht jene Reife des Urteils besitzt, die zur Ausübung des Stimmrechtes erforderlich ist. Nehme man auch an, daß viele schon in einem früheren Lebensalter als mit 18 Jahren verstandesreif sind, so müßte doch jedenfalls für den Beginn der Selbständigkeit und des Stimmrechtes eine natürliche, leicht erkennbare Grenze gezogen werden. Die Beschränkung der Erziehung auf das Alter unter 18 Jahren wird in VII, 5, a, begründet werden. 2. Wenn aber auch eine selbständige Ausübung des Stimmrechtes vor vollendetem 18. Lebensjahre nicht zugestanden werden könnte, so käme noch immer eine stellvertretende Ausübung des Stimmrechtes zur Wahrung der Interessen der Jugend in Frage und eine solche könnte in zwei Formen zur Einführung gelangen. Den modernen Monarchen hat man in der Regel als den Vertreter aller jener Volksschichten zu betrachten, welche in der Gesetzgebung nicht vertreten sind. Darum könnte auch im Kollektivstaate diese Vertretung der Jugend dem Monarchen oder dem sonstigen Staatsoberhaupte eingeräumt werden. Beträgt die erziehungsbedürftige Jugend 40% der Bevölkerung und setzt man sie der Bedeutung nach dem 10. Teile des Gesamtvolkes gleich, so könnte man dem Monarchen oder Staatsoberhaupte zur Geltendmachung der Interessen der Jugend gewisse, jener Bedeutung angemessene Vertretungsrechte einräumen. Es wäre nicht zu empfehlen, ihm ein effektives Stimmrecht, etwa in der Form einzuräumen, daß er bei Volksabstimmungen ein Zehntel aller Stimmen abgeben könnte, weil eine solche Macht in einer einzigen Hand vereiniget gefährlich wäre. Wohl aber könnte zur Geltendmachung dieser Interessen ein beschränktes Vetorecht eingeräumt werden, etwa so, daß ein Beschluß auf beschränkte Zeit sistiert werden könnte, oder daß dem Monarchen ein Vetorecht dann zustände, wenn die Majorität nicht mehr als fünf Neuntel aller Stimmen oder aller abgegebenen Stimmen betrüge. 3. Den Müttern oder Wahlmüttern, siehe darüber VII, 2, könnte, wie gesagt, auch die Abgabe einer Stimme für ihre Kinder nach Art der Pluralvoten unserer Zeit eingeräumt werden. Nachdem den Frauen aber ohnehin schon die Hälfte aller Stimmen, ja bei den heutigen Bevölkerungszahlen der männlichen und der weiblichen Bevölkerung, erheblich mehr als die Hälfte aller Stimmen gebührt, so würden solche Pluralvoten der Mütter, wenn sie für alle Abstimmungen zugestanden würden, zu einer gefährlichen Überstimmung der männlichen Bevölkerung führen. Man könnte sich aber wohl denken, daß ein proportional berechneter Teil des Volkseinkommens für die Jugend ausgeschieden würde und wenn es sich nur um Verteilungsbeschlüsse in Beziehung auf diesen Anteil am Volkseinkommen handelte, wäre ein solches Übergewicht der Frauenstimmen ganz unbedenklich. Vielleicht würde ein so mächtiger Einfluß, der vorwiegend doch nur den verheirateten Frauen zustatten käme, etwas dazu beitragen, um die Eheflucht, die nach VII, 3, zu fürchten wäre, einzudämmen und den verheirateten Frauen den Kindersegen erwünscht scheinen zu lassen. Da aber die ganze Bevölkerung, auch die Männer und die unverheirateten Personen, ein großes Interesse daran haben, daß die neue Generation aufgezogen und zu einem tüchtigen Geschlechte herangebildet werde, scheint ein Bedürfnis, die Jugend als solche besonders vertreten zu sehen, nicht gerade evident zu sein und nachdem in allen Dingen, insbesondere auch in Verfassungsfragen die größte Einfachheit erwünscht ist, dürfte man von allen solche Künsteleien absehen. Auch den Männern könnte die Verfassung ein Übergewicht über die Frauen verschaffen, wenn das Pluralvotum den Vätern statt den Müttern zugestanden würde. Doch scheint es für die künftige Gesellschaftsordnung so natürlich, daß die väterliche Gewalt durch eine mütterliche Gewalt ersetzt werde, wie in VII, 2, gezeigt wird, daß ein solcher Vorschlag kaum begründet erscheinen könnte. 3. Das Stimm- und Wahlrecht. Form der Ausübung. Das souveräne Volk kann so wenig durch Verfassungsformen gebunden werden, wie früher der absolute Monarch durch Gesetze oder selbst durch seinen eigenen Willen dauernd in seiner Freiheit beschränkt werden konnte. Das Volk wird demnach nicht verpflichtet werden können, Abgeordnete zu wählen und ihnen die gesetzgebende Gewalt zu übertragen. Die Regel wird die Volksabstimmung sein, welche allerdings auch darauf gerichtet sein kann, für einen bestimmten Fall oder für eine bestimmte Zeit Vertreter zu wählen, welche als Vollmachtsträger zu betrachten sind. So könnten auch zur Vorberatung der jährlichen Beschlüsse über Produktion und Verteilung, oder neuer Gesetze Deputierte gewählt werden mit Vorbehalt der Volksabstimmung zur Ratifizierung ihres Operates. Im Kollektivstaate ist die Trennung der gesetzgebenden und der ausübenden Gewalt viel notwendiger, als im heutigen Staate, wo die Gegenstände der staatlichen Kompetenz viel weniger ausgedehnt sind, und wo die gesetzgebenden Körper nur über dasjenige entscheiden, was die Besitzenden ihnen überlassen. Im Kollektivstaate würde das Volk die ganze Zeit mit gesetzgeberischen und Verwaltungsakten zubringen müssen, wenn es der Verwaltung keine ausübende Gewalt einräumen wollte. Aber nicht die Notwendigkeit oder das Verlangen, die Volkssouveränität zu beschränken, sondern die Macht der Tatsachen zwingt dazu, der Verwaltung ausgedehnte Befugnisse einzuräumen. Das Volk schreibt nur allgemeine Grundsätze vor, deren Anwendung der Staatsverwaltung übertragen ist. In Betreff des Volkshaushaltes bestimmt das Volk nur, =was= und in welcher Ausdehnung es produziert werden soll und nach welchen =Grundsätzen= die Verteilung von Arbeit und Gütern erfolgt. Die Durchführung der Beschlüsse ist die Aufgabe der Staatsverwaltung. Wie die mit diesen Geschäften betrauten Personen bestellt werden, ist selbst wieder Gegenstand der Gesetzgebung und davon wird in V, 1, gehandelt. Wenn ein Analogon der heutigen Budgetierung im Kollektivstaate fortbestünde, so würden jährlich Beschlüsse gefaßt über den Staatshaushalt in dem Sinne, daß für das kommende Jahr bestimmt würde, was und in welcher Ausdehnung es produziert und wie die Güter verteilt werden sollen. Man kann sich aber auch recht wohl denken, daß man von solchen jährlichen Festsetzungen der ganzen Staatswirtschaft absehen und ohne Festsetzung von Terminen oder Zeitabschnitten nach Bedarf Beschlüsse über Abänderung der Produktion und Verteilung fassen würde. Ein einzelner Verteilungsbeschluß wird in einer Note zu VIII, 4, zur Anschauung gebracht, wo es sich um die Verteilung von Druckpapier zu verschiedenen Zwecken handelt. Außer den Beschlüssen über den Volkshaushalt gibt es noch andere Gegenstände der Gesetzgebung. So über Beschränkungen der Einzelnen auch in anderen Dingen als in Beziehung auf Arbeit und Güter. Besonders sind Gegenstand der Gesetzgebung die Ehe, das Recht der Zeugung, die Erziehung und das Familienrecht, der außereheliche Geschlechtsverkehr, das Strafrecht, die Disziplin und auch sonst alles, was das Volk in den Kreis seiner Gesetzgebung ziehen will. Auch für diese Gesetzgebungsgegenstände kann der Staatsverwaltung ein sehr weitgehendes Verordnungsrecht eingeräumt werden, aber selbstverständlich mit dem Rechte des Widerrufes durch Volksbeschlüsse und der Einschränkung in Beziehung auf eine Reihe von bestimmten Gegenständen. Da die Volksabstimmung nur mit »Ja« oder »Nein« erfolgen kann, ist es notwendig, Vorlagen zu machen, auf welche sich die Volksabstimmung bezieht. Diese Vorlagen einzubringen, ist die Aufgabe der Staatsverwaltung. Das Volk kann aber nicht darauf beschränkt werden, bloß über das abzustimmen, was die Staatsverwaltung vorschlägt, weil das einer Konfiskation der Volkssouveränität zugunsten der Staatsverwaltung gleichkäme. Es muß also ein genau definiertes Recht der Einbringung von freien Anträgen oder von Abänderungsanträgen eingeräumt werden. Beschränkt muß dieses Recht der Einzelnen werden, weil sonst die Abstimmungen ins ungemessene gingen. Demgemäß wird einmal nicht bloß der Staatsverwaltung, wie auch dem Volksbeamtentum, wovon in V, 1, die Rede ist, die Pflicht, beziehungsweise das Recht übertragen werden, Gesetzesvorschläge und Abänderungsanträge einzubringen, sondern auch eine gewisse Anzahl von Kreisen, Bezirken oder Gemeinden, welche sich auf Abänderung eines Gesetzes- oder Abänderungsvorschlages einigen, wird dieses Recht zustehen. Hat also die Staatsverwaltung ihre Vorlagen für den Jahreshaushalt oder ein Gesetz veröffentlicht, so kann jeder beantragen, daß diese oder jene von der Staatsverwaltung in Antrag gebrachte oder bisher nach den Gesetzen geübte Produktion oder Verteilung eingeschränkt oder erweitert werde, zur Abstimmung kann ein solcher Antrag aber nur gelangen, wenn entweder die Staatsverwaltung, oder das Volksbeamtentum, oder etwa zwei Kreise oder tausend Gemeinden dem Antrage beitreten. Da alle solche Anträge veröffentlicht werden, so steht es nämlich jeder Gemeinde zu, darüber probeweise abzustimmen und den Antrag, wie man sich heute ausdrücken würde, zu unterstützen, und wird ein Antrag genügend unterstützt, so wird darüber allgemein abzustimmen sein. Wie leicht ein Gemeindebeschluß zustande kommt, wird weiter unten, _Alinea_ »Die Gemeinden sind«, gezeigt werden. Die Vorlagen der Staatsverwaltung werden vom Ministerium beraten und beschlossen. Die untergeordnete Beamtenschaft hat das Recht, über eine Anfrage der Regierung oder aus eigenem Entschlusse Anträge zu stellen, über welche das Ministerium zu beraten hat, die aber auch, wenn sie nicht als Regierungsanträge eingebracht werden, jeder Beamte und jede Beamtenkorporation einzubringen berechtigt ist, insofern sie die erforderliche Unterstützung finden. Hat das Volk Beschlüsse gefaßt, wonach bestimmte Entscheidungen über Fragen des Volkshaushaltes oder der Gesetzgebung nicht im ganzen Staat einheitlich geregelt werden, sondern nur mit Gültigkeit innerhalb einer Provinz, eines Kreises oder für einen Bezirk oder eine Gemeinde beschlossen werden sollen, so hat die Bevölkerung jenes Gebietes darüber zu entscheiden, für welche das Gesetz oder die Maßregel Gültigkeit haben soll. Doch muß ein allgemeiner Volksbeschluß immer die Kraft haben, solche Gesetze oder Volksbeschlüsse kleinerer Gebiete aufzuheben, weil sonst der Staat nach und nach in Gemeinden zerfiele und der Besitz des gesamten Volkes zum Gemeindebesitze gemacht werden könnte. Dadurch würde man sich dem Individualismus wieder nähern. Die Verfassung wird bestimmen, wie lange vor dem Tage einer Abstimmung Vorlagen der Regierung veröffentlicht werden müssen. Die Veröffentlichung von Vorlagen für eine allgemeine Abstimmung geschieht durch das Reichsblatt. Kann eine Provinz oder ein Kreis für deren Gebiet ein Spezialgesetz beschließen, so geschieht die Veröffentlichung der Vorlage durch das Provinzblatt beziehungsweise das Kreisblatt. Der Kundmachung der Vorlagen wird der Tag der Abstimmung beizufügen sein. Die Vorlagen werden der Gegenstand der Erörterung in den Blättern sein und Für und Wider in dem der Staatsverwaltung und dem den Volksorganen vorbehaltenen Teile der Blätter, siehe VI, 7, _Alinea_: »Die genannten amtlichen Blätter«, besprochen werden. Gemeinden und Bezirke können Redner beauftragen, die Vorlage zu prüfen und in den Versammlungen der Gemeinde oder des Bezirkes darüber zu referieren. In den Gemeinden können die Versammlungen täglich abgehalten werden, für den ganzen Bezirk aber an jedem Sonntage. Die stimmfähigen Mitglieder der Gemeinde werden sich in Sektionen teilen, in welchen alle Vorlagen beraten werden, damit jeder Stimmberechtigte auch an der Beratung teilnehmen und in engerem Kreise zu Worte kommen kann. Probeabstimmungen werden der endgültigen Abstimmung vorhergehen und das Ergebnis der Probeabstimmung wird zu veröffentlichen sein. Die Gemeinden sind als verfassungsmäßige Körperschaft in Permanenz. Bei jeder Mahlzeit kann jeder, dem es beliebt, beantragen, zu einer bestimmten Stunde abends zusammenzutreten, um einen Gegenstand zu beraten und darüber und mit Beschränkung der Wirksamkeit auf die Gemeinde, soweit allgemeine Beschlüsse nicht im Wege stehen, zu beschließen, oder Gegenstände allgemeiner Geltung zu beraten und Probeabstimmungen einzuleiten. Auf solche Art werden auch selbständige Anträge oder Abänderungsanträge der Gemeinden zu stande kommen, welche, um die Unterstützung anderer Gemeinden zu erlangen, durch das Kreisblatt oder Provinzblatt zu veröffentlichen sind. Für autonome Gemeindebeschlüsse wird ein Quorum festgesetzt werden, für Finalabstimmungen des Reiches wird man darauf halten, daß jeder Stimmberechtigte seine Stimme abgibt und die Stimmenthaltung wird als Pflichtverletzung betrachtet werden. Das Stimmrecht kann an jedem Aufenthaltsorte innerhalb des Reiches, nicht bloß am Wohnorte des Abstimmenden, ausgeübt werden, wenn es sich um Reichsabstimmungen handelt. Durch Festsetzung der Abstimmung auf eine genau bestimmte Zeit wird die Abgabe von Doppelvoten unmöglich gemacht. Gegen die Abgabe von Stimmen durch Unbefugte schützt die Legitimationskarte, ohne welche Niemand sich außerhalb des Bezirkes aufhalten kann. An Abstimmungen und Wahlen für ein begrenztes Wirksamkeitsgebiet werden nur stimmberechtigte Angehörige jenes Gebietes und wenn sie sich, obschon außerhalb ihrer Gemeinde, doch innerhalb jenes Gebietes, für welche Abstimmung oder Wahl wirksam ist, aufhalten, teilnehmen können. 4. Die Wahlen. Das Wahlrecht kann nach besonderem Volksbeschlusse ausgeübt werden, um Abgeordnete mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten mit oder ohne Vorbehalt der Ratifikation zu betrauen. Es kann solchen Abgeordneten die Beschlußfassung über größere Arbeiten übertragen werden, welche vorgeschlagen wurden; über Monumental-, Eisenbahn- und Kanal-Straßen- oder Brückenbauten, deren Zweckmäßigkeit nur von Personen beurteilt werden kann, welche die Vorlagen eingehend prüfen. Das Wahlrecht kann ferner ausgeübt werden, um Beamte für die Führung der Geschäfte zu ernennen. In einem anderen Abschnitte, V, 1, wird erörtert werden, weshalb sich die Bestellung der Verwaltungsbeamten, Unterrichtspersonen und Ärzte durch Volkswahlen nicht empfiehlt, daß es aber zweckmäßig erscheint, den staatlich bestellten Verwaltungsbeamten zur Mitarbeit und zur Wahrnehmung der Rechte der Einzelnen vom Volke gewählte Überwachungsorgane, »Volksbeamte«, beizugeben. Diese Wahl hat das Volk, nämlich die stimmberechtigte Bevölkerung des Gebietes, für das die Wahl Geltung hat, zu vollziehen. Die Volksbeamten wird man aber nicht nur den Beamten untersten Ranges, sondern auch den übergeordneten Beamten und den Ministern an die Seite stellen müssen, vielleicht auch als Mitberater des Monarchen und der Hofämter bestellen, und da entsteht die Frage, ob es zweckmäßig ist, auch die Volksbeamten höherer Ordnung durch das Volk wählen zu lassen. Innerhalb der Gemeinden und innerhalb des Bezirkes wird es viele Personen geben, welche allen Gemeindegenossen und allen Bezirksgenossen sehr genau persönlich bekannt sind und darum kann die Wahl von Volksbeamten für die Gemeinden und Bezirke durch das Volk ohne Zweifel gutgeheißen werden. Allein ein Kreis hat schon eine so große Ausdehnung, daß die Wahl nicht leicht auf Jemand fallen könnte, der der Mehrzahl der Stimmberechtigten bekannt wäre. Es könnte also die Wahl der Volksbeamten höherer Ordnung den Volksbeamten selbst überlassen werden, wenn anzunehmen ist, daß sie durch die Geschäftsführung und infolge der Zusammenkünfte eine genauere Kenntnis der Männer erlangen, welche ihrem Berufe angehören und sich für einen höheren Rang eignen. Dieses Wahlrecht wäre immer nur ein stellvertretendes. Daß die Gemeinden für die eigenen, die Allgemeinheit nicht berührenden autonomen Angelegenheiten geschäftsführende Vertreter wählen werden, ist nicht wahrscheinlich, weil es geringe Schwierigkeiten macht, zu einer Vollversammlung zusammenzutreten, und eines der stimmführenden Mitglieder jeweilig zur Leitung der Verhandlung zu bestimmen. Doch setzt das die Gemeindeeinrichtungen voraus, welche in diesem Werke zur Grundlage genommen sind, nämlich mit Gemeindehaushalt statt des Familienhaushaltes und mit eng zentralisierten Wohnbauten. Alle durch Wahl bestellten Vertreter und Organe des Volkes wird das Volk auch wieder abzurufen berechtigt sein. So oft ein darauf bezüglicher Antrag eingebracht wird, wird er sofort in Verhandlung gezogen und nur Beschlußfassungen dieser Art, an welchen sich das ganze Volk oder ganze Provinzen oder Kreise beteiligen müssen, werden einen in den Zeitungen veröffentlichten Antrag voraussetzen, der die Zustimmung weiterer Kreise hat. Bestünden keine solchen Beschränkungen, so würde das Volk durch zahllose Abstimmungen belästigt werden. Wahlen werden daher am besten auf unbestimmte Zeit, bis zur Abberufung vollzogen werden und eine im vorhinein bestimmte Dauer der Mandate ist in einem Staate mit Volkssouveränität nicht zu empfehlen. Der Zwang, einem Gewählten das Mandat vor Ablauf einer gesetzlich bestimmten Periode nicht zu entziehen, nach deren Ablauf aber neuerlich zu einer Wahl zu schreiten, ist eine Einschränkung der Souveränität.[5] [5] Die hier vorgeschlagenen ultrademokratischen Einrichtungen werden nicht von allem Anfang an in Geltung sein, sondern den Abschluß der Verfassungsentwicklung bilden. Es werden schon feste bewährte Grundlagen des Kollektivismus bestehen, die Umwandlung des Staates beendet sein und jene Erziehung sich eingelebt haben, wie in VII, 5 geschildert ist, ehe die so weitgehende demokratische Verfassung möglich sein wird. 5. Das Objekt der Volksbeschlüsse. Was das Verfassungsleben im Kollektivstaate anbelangt, so ist leicht einzusehen, daß die organisatorischen Arbeiten während der Umgestaltungsperiode sehr mannigfaltig und schwierig wären, daß aber, wenn einmal das richtige Gleichgewicht gefunden ist, die gesetzgeberischen Aufgaben, wenngleich der Volkswille für jede Produktion und jede Verteilung maßgebend ist, viel einfacher sind als heute, dafür allerdings von weit größerer Tragweite. Die Unterschiede des Berufes, der Klassen und des Besitzes zwischen den Bürgern der heutigen Staaten schaffen eine ungeheuere Menge von Verwickelungen, eine Menge höchst schädlicher Reibungsflächen, welche im Kollektivstaat entfallen. Man denke nur an die Zollgesetzgebung und an die Handelsverträge, welche wir von Zeit zu Zeit schließen müssen und deren Zustandekommen deshalb so schwierig ist, weil jede einzelne Bestimmung dieser Gesetze und Verträge für viele Tausende ein Vorteil, dafür für viele Tausende ein Schaden ist. Meist werden ganze Gewerbe zugrunde gerichtet, andere zur Blüte gebracht und es ist ganz unmöglich, die Folgen einer Änderung in den Zöllen und Handelsverträgen für das Ganze und für die Einzelnen zu berechnen. Hat man doch in Österreich durch ein Menschenalter Ausfuhrprämien für den Zucker bewilligt, und als diese durch die Brüsseler Konvention beseitigt wurden, wurde der Zucker in Österreich für die Konsumenten um 10% billiger und außerdem stieg die Zuckerausfuhr beträchtlich. Im Kollektivstaat gehen die Volksbeschlüsse für den internationalen Güteraustausch dahin, die Staatsverwaltung zum Verkaufe oder Austausche der ihr namhaft gemachten Überschüsse an Gütern der einen Art an das Ausland und zum Einkauf und Eintausch anderer Güter vom Auslande zu ermächtigen und die Verwaltung hat nur darauf zu sehen, die günstigsten Bedingungen zu erzielen. Aller Schaden und Vorteil des internationalen Güteraustausches verteilt sich verhältnismäßig auf Alle und nicht ein einziges Gewerbe, nicht ein einziger Beruf, insofern man darunter die Angehörigen dieser Berufe und ihre Einzelinteressen versteht, kann darunter leiden, niemand sich daran bereichern, niemand dadurch ruiniert werden, so daß auch hier die Totalversicherung, als welche sich der Kollektivismus darstellt, sich automatisch vollzieht. Eine rasche Entscheidung solcher Fragen, wie über Aus- und Einfuhr, oder über Produktion und Verteilung, oder über Ehe, Zeugung, Familienrechte usw., kann aber nur dann im Kollektivstaate erwartet werden, wenn das Volk sich damit begnügt, der Staatsverwaltung grundsätzliche Direktiven zu erteilen, allgemeine Weisungen, und dazu wird das Volk von selbst gedrängt werden. Man lese die Gefechtsdispositionen eines Feldherrn und man wird erkennen, daß die schwerwiegendsten Entscheidungen in wenige Worte zusammengefaßt werden müssen, welche dem Untergebenen einen weiten Spielraum der Initiative überlassen. Im Kollektivstaate kann es mit den Volksbeschlüssen auch nicht anders gehalten werden. Um das aber in seiner Durchführbarkeit zu erkennen, ist es notwendig, die Einfachheit der Verteilung und der öffentlichen Rechnungslegung zu erfassen, welche im Abschnitte über die Statistik VI, 8, dargelegt werden wird. Auch bedarf diese Art der Verwaltung einen wohlgefügten und gutgeschulten Beamtenkörper. Würde man, was ich für durchaus fehlerhaft hielte, die Verwaltungsbeamten wählen, so würde sich eine solche Abhängigkeit der Beamten von den Wählern geltend machen, daß es niemals das allgemeine Wohl wäre, das die Beamten im Auge hätten und wegen des häufigen Wechsels und der mangelnden Schulung wäre auch zu besorgen, daß gewählte Beamte sich nicht zu helfen wüßten und aus Mangel an Erfahrung Fehler auf Fehler machen, insbesondere, daß sie nicht organisch zusammen wirken würden. Der Beamtenberuf setzt, wie jeder andere Beruf, eine bestimmte Vorbildung, Schulung und Erfahrung voraus, weshalb in V, 1, die Ergänzung des Beamtenkörpers nicht durch Wahl, sondern durch Ernennung vorgeschlagen wird. 6. Die Erhaltung der Staatseinheit. Es entsteht die Frage, wie dem Übel vorgebeugt werden soll, daß die Staaten wieder zerfallen und fort und fort sich in kleinere Teile auflösen. Gegen den Willen der Gesamtheit würde sich eine im Innern des Staatsgebietes gelegenen Gemeinde oder ein solcher Bezirk nicht leicht von dem größeren Körper lostrennen können. Der Gütertausch ist ein so starkes Bedürfnis, daß die Gemeinden kein Interesse haben können, sich loszusagen. Eine solche Gemeinde würde sofort boykottiert werden und käme in einigen Tagen in große Verlegenheiten, ohne einen erdenklichen Vorteil dagegen zu erlangen. Auch würde der Grundsatz des ausnahmslosen Staatseigentumes den Staat berechtigen, das ganze mobile Eigentum aus einer solchen Gemeinde wegzuschaffen und diese könnte es auf keine Weise sich ersetzen. Es gilt dies nicht nur von Städten, die auf den Bezug von Nahrungsmitteln aus dem flachen Lande angewiesen sind, sondern auch von den kleinsten Gemeinden. Aber an der Grenze gelegene Gemeinden könnten leicht ein Interesse haben, sich von dem Staate loszusagen und sich dem Nachbarstaat, falls er ein Kollektivstaat wäre, anzuschließen. Geht man von der Anschauung aus, und hätte sich diese vollkommen eingelebt, daß aller Besitz Eigentum des ganzen Volkes sei, so würde sich eine solche Sezession als eine Rechtsverletzung darstellen, die freilich deshalb von sehr geringem Belang wäre, weil eine solche Lostrennung zugleich eine Verzichtleistung auf den Mitbesitz der außerhalb der Gemeinde befindlichen Güter und auf alle persönlichen Ansprüche der Gemeindemitglieder gegen den Staat (z. B. auf Altersversorgung) mit sich brächte. Auch könnte ohne Mitwirkung der Nachbarstaaten eine solche Lostrennung niemals stattfinden und selbst mit ihrer Zustimmung nur dann, wenn es Kollektivstaaten sind, und dagegen würde man sich wohl durch internationale Verträge schützen. Es wäre aber sonderbar, wenn solche Fragen mit Gewalt entschieden würden und man wird nur darauf hoffen müssen, daß ein organisches Ganzes eine große Anziehungskraft auf alle Teile ausüben müsse und daher ist anzunehmen, daß, wo es an einer solchen Anziehungskraft fehlt, ein Gebrechen an der Gerechtigkeit und an der zweckmäßigen Verwaltung vorliegen muß. Plato nennt ein Gemeinwesen, in dem eine wahre Solidarität besteht, ein königliches Geflecht und ein solches zusammenzuweben, muß jeder Staatsmann als seine Aufgabe betrachten. Auch setzte die Sezession voraus, daß der Nachbarstaat das neue Glied als gleichberechtigten Bestandteil aufzunehmen einwilligte, und es ist nicht anzunehmen, daß das so leicht geschehen wird, weil zwischen den Bürgern verschiedener Staaten sich immer Verschiedenheiten herausbilden werden, welche den bestehenden Zusammenhang verstärken, neue Angliederungen erschweren. Im Einvernehmen mit den beteiligten Staaten würde sich aber auch eine solche Veränderung schmerzlos vollziehen, vorausgesetzt, daß beide beteiligten Staaten die kollektivistische Gesellschaftsordnung angenommen haben. Ist der Nachbarstaat noch nicht zum Kollektivismus übergegangen, so ist eine solche Sezession wohl undenkbar, weil die Mitglieder der Grenzgemeinde in dem neuen Verbande ihre Rechnung nicht finden könnten, der Nachbarstaat aber das kollektivistische Ferment fürchten würde, welches die neuen Bürger einschleppen müßten. IV. Die Monarchie und der Adel. Ist ein Volk nüchtern und sein Sinn nur auf das Nützliche gerichtet, so wird ihm die Monarchie im Kollektivstaate etwas sehr Überflüssiges erscheinen, ist ein Volk aber prachtliebend und von sehr reicher Phantasie, so wird ihm die Hofhaltung eines Monarchen, die glänzende Repräsentation nach außen und der stärkere Aufwand für das Schöne und Kostbare willkommen sein. Im kollektivistischen Staate ist eine Gefahr für die Volksfreiheit mit der Institution der Monarchie und des Adels nicht verbunden. Der Monarch besorgt die ihm durch die Verfassung und den Volkswillen übertragenen Geschäfte als Mandatar und besitzt keine Autorität als jene, die ihm das Volk auf jeweiligen Widerruf überträgt. Er ist nicht König von Gottesgnaden, sondern von Volkes Gnaden. Er ist ebenso eigentumslos, wie ein anderer Volksgenosse, aber er hat einen zwar genau umschriebenen, aber immerhin ausgedehnten Wirkungskreis, ist unverantwortlich und für seine Person dem Gesetze nicht unterworfen. Er ist das oberste Organ des Volkes und arbeitet mit Ministern, die die Verantwortlichkeit für seine Regierungshandlungen tragen, er ernennt die Minister und die obersten Beamten, es mag ihm das Recht eingeräumt werden, zu begnadigen und gewisse Ehrenvorzüge zu verleihen, er vertritt das Reich nach außen, empfängt die angesehensten Gäste des Volkes und ist -- doch immer ohne für seine Person zur Verantwortung gezogen werden zu können oder einem Tadel unterworfen zu sein -- schuldig, die ihm vom Volke anvertrauten Mittel zur Verherrlichung des Volkes zu verwenden und zu diesem Ende Kunst und Forschung zu fördern. Seine großen Mittel dienen vorzüglich zur Pflege der edelsten Geselligkeit, an welcher das =gesamte Volk= Anteil zu nehmen berechtigt ist.[6] Seine Gehilfen für gesellige Veranstaltungen sind die Mitglieder des hohen Adels wenn ein solcher noch fortbesteht. Wie immer auch seine Befugnisse in militärischen und auswärtigen Angelegenheiten festgesetzt werden, so ist es doch seine Aufgabe, nicht nur den Frieden zu erhalten, sondern auch auf Schaffung solcher internationaler Einrichtungen hinzuwirken, die das stehende Heer und die Kriegsmarine entbehrlich machen können. Diese Verteidigungsanstalten werden übrigens ganz überflüssig werden, sobald der Kollektivismus sich über ganz Europa ausgedehnt haben wird, denn auch der Krieg ist nur eine Krankheit unserer Gesellschaftsordnung. [6] Anfänge zu allen zukünftigen Gestaltungen, die auf den Kollektivismus hinauslaufen, können schon heute beobachtet werden. In Österreich werden die Abgeordneten, wenn sie auch Bauern oder Arbeiter sind, zu den Hoffesten herangezogen, was noch vor 50 Jahren unmöglich schien und in Dänemark soll es Hofsitte sein, zu jeder Hoftafel einen Gewerbsmann zu laden. Die dem Monarchen für seine Person, seine Familie und allenfalls den hohen Adel und für die Erfüllung all seiner Aufgaben eingeräumten Mittel wird das Volk bestimmen. Man setze den Fall, daß das Volk hierfür den hundertsten Teil des Besitzes und des Volkseinkommens widmet, so mag es die Schlösser, Burgen und Wohnbauten, die Parke und Anlagen, vielleicht auch einen bestimmten Teil des Gebietes der Hauptstadt, dann Juwelen, Stoffe, Hausrat, Tiere und Kostbarkeiten bezeichnen, welche, jedoch mit Vorbehalt des dem Staate oder Volke zustehenden Eigentumsrechtes, der Hofhaltung gewidmet sind und welche die Monarchie zu erhalten, zu pflegen, beziehungsweise zu vollenden hat. Es werden ihr außerdem Arbeitskräfte und ein Teil der jährlich geschaffenen Güter zugewiesen. Von den Arbeitskräften werden dem Hofe insbesondere Hausgenossen, Handwerker, Künstler, Gelehrte, Forscher und Erziehungs- und Unterrichtspersonen zugewiesen. Bezüglich der Auswahl der Personen und Sachen wird sich der Hof mit der Regierung und den obersten Volksbeamten zu verständigen haben. Als Rechtssubjekt steht der Monarch hierin dem Volke nicht gegenüber, es ist nur von anvertrauten, auf Widerruf gewidmeten Sachen die Rede, wie ja auch heute die Zivilliste immer nur auf ein einziges Jahr bewilligt wird. Der Monarch ist nur Verwalter. Die Hausgenossen, welche für die Bedienung der Gäste, für Küche und Keller, für Gebäude, Stallungen und Tiere, und für die Verwaltung der mobilen und immobilen Güter der dynastischen Familie und des Adels zu sorgen haben, werden nicht den dienenden Personen der heutigen Zeit zu vergleichen sein, sondern als Familienglieder behandelt werden. Die schönsten Mädchen und jungen Männer werden ausgewählt werden, damit sie auch durch ihre persönlichen Vorzüge die Schönheit der Hofhaltung erhöhen. Den Mädchen und Jünglingen dieser Art wird es obliegen, bei Tisch und den Abendunterhaltungen die Glieder der Dynastie und der Adelsfamilien und deren Gäste zu bedienen, sie werden aber, wenn sie dienstlos sind, selbst auch Gäste des Hofes sein, wie in unseren Familien jüngere Schwestern und Brüder den Gästen aufwarten und mit ihnen trotzdem auf gleichem Fuße verkehren. Auch aus den Reihen der Alten mögen manche dem Hofe zugewiesen werden, wenn sie es wünschen und sie werden nur zu bequemen Dienstleistungen verwendet werden, die sie gerne freiwillig übernehmen. So wird ihnen die Überwachung der Kostbarkeiten übertragen und sie werden dafür sorgen, daß alles, was aus der Schatzkammer entlehnt wird, wieder an seinen Platz kommt. Auch die Wagenlenker, Pferdewärter, Jäger, Türsteher und Boten werden nur wie Familienmitglieder behandelt werden dürfen, auch können sie nicht gezwungen werden, gegen ihren Wunsch in diesen Stellungen zu dienen. Die Natur dieser Beziehungen gehört zur Ästhetik der Gesellschaftsordnung und diese Ästhetik ist wieder ein wesentlicher Vorzug der künftigen Gesellschaftsordnung. Hof und Adel haben in den Repräsentationspalästen und -Schlössern Empfang zu halten und für eine angemessene Verteilung der Einladungen zu sorgen, von welchen Niemand ganz ausgeschlossen werden soll. Außer den bevorzugten Gästen, den Künstlern, Gelehrten, Forschern, Erfindern, den angesehensten Besuchern aus dem Auslande, den hohen Beamten, schönsten Frauen usw. werden alle Volksgenossen, welche in die Nähe des Hofes kommen, heranzuziehen sein und so werden auch hier alle Glieder des Volkes mitinteressiert werden, wie an Kunst und Forschung. In den Sommermonaten wird das Hofleben sich vorzüglich in den Schlössern und Burgen entfalten, im Winter in der Residenz, aber die Hofbaulichkeiten werden das ganze Jahr in Benutzung stehen, um soviel als möglich Freude zu schaffen. So wie jedes Dorf, so wird auch die Hauptstadt nach und nach niedergerissen und nach einem grandiosen Plane neu aufgebaut werden. Darum wird ein neuer Stadtplan für die Reichshauptstadt (vielleicht in Österreich für zwei Reichshauptstädte) zu entwerfen sein, aber nicht für eine Bevölkerung von Millionen, sondern höchstens zur Aufnahme von etwa 400,000 Menschen, die Reisenden inbegriffen. Diese Neubauten werden aber verschoben werden, bis die Masse des Volkes reichlich mit Wohnungen versorgt ist, denn allem anderen geht die Aufgabe vor, die Sünden der Vergangenheit zu tilgen. Dem Volke gebührt ein entsprechender Einfluß auf die Erziehung der Jugend in der kaiserlichen Familie und den adeligen Familien. Wie derselbe geltend zu machen sei, bestimmen die Gesetze. Diese Familien müssen im Bewußtsein erhalten werden, daß sie dem Volke zu dienen berufen seien und niemals den Dienst in Herrschaft verwandeln dürfen. Die Erziehung muß eine vorzugsweise ästhetische sein, weil es der Beruf dieser Familien ist, das Schöne zu pflegen. Die Kenntnis der lebenden Sprachen besonders der größeren Kulturvölker und der im Reiche verbreiteten Idiome ist in in diesen Familien einheimisch zu machen, weil sie berufen sind, das heimatliche Volk den fremden Völkern gegenüber zu repräsentieren und den nationalen Frieden im Lande zu erhalten. Die Mitglieder des Adels unterstehen den allgemeinen Strafgerichten, die Mitglieder der dynastischen Familie mögen der Strafgewalt des Monarchen unterstehen, aber unter der Bedingung, daß die Straferkenntnisse und deren Vollzug veröffentlicht werden und daß über die Mitschuldigen die ordentlichen Gerichte erkennen. Zu den wichtigsten Angelegenheiten gehört die Ehe in diesen Familien und das Familienleben Jener, die man bisher die Großen zu nennen gewöhnt war. Der Gebrauch in den souveränen Familien, ihre Glieder nur mit den Angehörigen anderer souveräner Familien zu verheiraten, ist verwerflich, weil er zur Verwandtschaftsehe und zur Dekadenz führt.[7] Auch soll sie die Ehe nicht an auswärtige Familien knüpfen. Es scheint daher das Zweckmäßigste zu sein, daß die Mitglieder der Familie des Monarchen sich mit Angehörigen der Familien des einheimischen Adels ehelich verbinden und daß diese ihre anderweitigen Ehen mit Volksgenossen der anderen Schichten schließen, um so einen gesunden Blutumlauf im sozialen Körper herbeizuführen. Der Krone wäre das Recht einzuräumen, gegen unvernünftige Ehen in diesen Familien Verbot einzulegen. Die Vernünftigkeit dieser Ehen ist vom Standpunkte der wahrscheinlichen Fortpflanzungserwartungen zu beurteilen. Handelt es sich um Ehen, die nach der vom Volke genehmigten Ehegesetzgebung, VII, 2, überhaupt unstatthaft sind, so können sie überhaupt nicht geschlossen werden, sind sie aber deshalb nicht zu billigen, weil sie nicht nach der Richtung nützlich erscheinen, das Geschlecht vom biologischen Gesichtspunkte zu veredeln, so würde die Versagung der Ehegenehmigung seitens des Monarchen die Wirkung haben, daß die eheschließenden Teile, welche dem Willen der Krone entgegen sich verbinden, und ihre Nachkommen von der dynastischen Familie und den adeligen Familien ausgeschlossen werden. Die Frauen folgen den Männern, das heißt, die nichtadeligen Frauen werden durch die regelmäßige Verbindung mit Adeligen in die Adelsfamilie, die weiblichen Glieder des Adels durch ihre Ehe mit Männern aus dem Volke in die Volksschichten aufgenommen. Dadurch wird einerseits eine fortgesetzte Auffrischung des adeligen Blutes sichergestellt, andererseits die Krone und der Adel an dem Wohle des Volkes auch durch verwandtschaftliche Bande interessiert. So dürfte es gelingen, den Kastengeist zu unterdrücken und die Eigentumslosigkeit der monarchischen Familie und des Adels verknüpfen sie auch sonst mit dem Volkswohle. Es würde so jenes königliche Geflecht geschaffen, das Plato vorschwebte. Übrigens wird hier, wenngleich die Vermählung der Adeligen mit Töchtern des Volkes beantragt wird, der Rassenfrage nicht vorgegriffen, da auch im Volke die Urrassen nicht ganz erloschen sind und, wenn z. B. die blonde Rasse als die vom vorwiegend ästhetischen Gesichtspunkte edlere sich bewährte, deren Bevorzugung für diese Ehen umsoweniger Bedenken erregen könnte, als der Individualismus, die Erbkrankheit der blonden Rasse, in einem solchen Staate nicht zu fürchten ist. [7] Die Rassenfanatiker empfehlen zuweilen für solche Familien sogenannte krasse Inzucht, nämlich ganz nahe Verwandtschaftsehen. Allein sie führt zur Verblödung und diese Anschauung beruht auf einer grundfalschen Anschauung über den Wert der Rassen. Man beruft sich auf die Erfahrungen der Tierzüchter, aber auch sie müssen meistens in der 3. oder 4. Generation von diesem System Abstand nehmen. Die Zahl der adeligen Familien müßte eine sehr geringe sein und dürfte wohl auch in einem großen Reiche 200 nicht überschreiten. Dem Adel wären alle Stellungen in der Verwaltung oder den allgemeinen Berufen vorenthalten, weil von ihren Mitgliedern praktische Einsicht nicht vorauszusetzen ist und, weil sie sonst danach streben würden, höhere Rangstufen zu erklimmen, ohne sich darum verdient zu machen. Bei Volksabstimmungen und Wahlen mögen sie ihre Stimme abgeben, welche aber nicht mehr gilt, als die eines anderen Volksgenossen. Wenn in vielen Beziehungen die Einrichtungen, welche hier für die Familien des Monarchen und des Adels vorgeschlagen werden, jenen gerade entgegengesetzt sind, welche heute bestehen, und noch vielmehr jenen, welche in früheren Jahrhunderten bestanden, so ist das eine Folge davon, daß im Kollektivstaate es das Volk ist, welches Herr im Lande ist, und es ist in Übereinstimmung mit der Evolution, die wir in den sozialen Verhältnissen der letzten 200 Jahre beobachten können. Die geschlechtlichen Beziehungen der Glieder der kaiserlichen Familie und des Adels außerhalb der Ehe werden vom Gesichtspunkte der allgemeinen Grundsätze der Sexualethik zu beurteilen sein. Daß wir wirklich einer Periode so großen Rigorismus entgegengehen, wie viele meinen, ist doch zu bezweifeln, aber abgesehen von allgemeinen Gesetzen sexualethischer Natur wird man darauf sehen, daß die Stellung jener Familien nicht dazu mißbraucht werde, um Liebesgunst zu erringen und daß sich keine Tochter des Volkes ohne Liebe wegwirft an jenen, der ihr eine bevorzugte Stellung bei Hof und reichlichere Genüsse bietet. Darum wird der Volkswille jedes Mädchen oder Frau in ihre Heimatsgemeinde zurückrufen können, die sich in diesem Sinne vergeht und die Prinzen oder Grafen, welche an Maitressenwirtschaft denken, werden zu befürchten haben, die bevorzugte Stellung zu verlieren, deren sie sich unwürdig machen. Daß aber von der Ehe ausgeschlossene Glieder des Volkes, der dynastischen Familie und des Adels, von verächtlichen Nebenabsichten abgesehen, die Freuden der Liebe nicht wie alle anderen sollten genießen dürfen, wäre wohl kaum gerechtfertigt und davon handelt der Abschnitt VII, 3. V. Die Beamtenorganisation. 1. Der Verwaltungsorganismus. Was ist die Aufgabe des sozialen Staates? In letzter Instanz ist es die Verteilung von Arbeit und Genuß. Die Grundsätze und Ziele bestimmt das Volk, aber die Verwirklichung dieser Grundsätze und Ziele liegt einem Organe des Volkes, der Regierung und ihren Beamten ob und zwar nach dem Prinzipe der Arbeitsteilung, welche jede menschliche Leistung besonders dafür geschulten Personen überträgt, die nur ein und dieselbe Arbeit zu besorgen haben. In allen Zweigen der menschlichen Arbeit, wozu auch die der Verwaltungsbeamten gehört, findet man eine hierarchische Gliederung, deren unterste Ausläufer am meisten auf einfache Handgriffe angewiesen sind und gewissermaßen die kleinste Spalte der Gesamtleistung besorgen. Über diesen sind jene, die diese Teilleistungen verbinden und Höhere, die sie zu einem Ganzen vereinigen, während noch höhere Organe die Leistungen vergleichen, die Tätigkeiten überwachen und Pläne entwerfen, bis endlich die Oberleitung des Ganzen in den Händen eines Einzigen oder eines obersten beratenden Körpers vereinigt ist. Diese Organisation ist vergleichbar dem Nervensystem im tierischen Körper. Aber so wie in jedem einzelnen Berufe alle Teilnehmer zu einer Einheit zusammengefaßt sind und in viele Stufen zerfallen, in welchen die Angehörigen des Berufes vom Einzelnen zu immer Allgemeinerem aufsteigen und in welchen auch die Träger der einzelnen Stellen der Autorität und dem Ansehen nach abgestuft sind, so sind auch die einzelnen Berufe untereinander hierarchisch gegliedert und im Ansehen und der Autorität abgestuft. Da kommt man nun zur Einsicht, daß ein eigener Verwaltungsdienst eingerichtet werden muß, welcher die Hauptaufgabe des Staates, die Verteilung von Arbeit und Genuß in letzter Instanz zu lösen hat. Diese Aufgabe ist die oberste, zusammenfassendste und es ist niemand im Staate, der nicht von dieser Körperschaft abhinge, während sie nur vom Volke abhängt. Denn es handelt sich darum, das Gesamtleben des Volkes in eine wirkliche Einheit zusammenzufassen, wie das Herz mit dem ganzen Apparate von Arterien und Venen das Blut bis in die äußersten Körperteile treibt und von dort wieder zurückerhält, um es wieder in die Arterien zu treiben. Die spezielle Aufgabe des Verwaltungsbeamten setzt nicht die Einseitigkeit eines Fachmenschen voraus, sondern einen Überblick über das Ganze, die Aufeinanderbeziehung aller Teile, die Bewertung aller Leistungen und aller Güter, die ununterbrochene Evidenthaltung aller wirtschaftlichen Faktoren und aller Produkte. Der Verwaltungskörper hat auch alljährlich (?) dem Volke einen Vorschlag über den Volkshaushalt und Gesetzesvorlagen zu machen, welche die Gegenstände seines Berufes betreffen. Dieser Volkshaushalt hat aber mit Geldsummen nichts zu tun, sondern mit Arbeitskräften und materiellen Gütern, welche in Anspruch genommen werden, um gewisse Mengen von Gütern herzustellen oder gewisse Dienste zu leisten. Jemehr jemand zum Fachmann herangebildet und geeignet ist, umsoweniger meistens taugt er zu allgemeinen Aufgaben zusammenfassender Natur; universelle Köpfe, das heißt philosophische Talente, die auch philosophisch geschult sind, werden dem Verwaltungsdienste zuzuweisen sein und da sie alles zu vergleichen, alles abzuwägen und jeden an seine Stelle zu bringen haben, wird ihnen auch überall innerhalb ihrer streng territorial abgegrenzten Kompetenz jeder dienstlich untergeordnet sein. Dienstliche Unterordnung braucht aber Kameradschaftlichkeit außer Dienst nicht auszuschließen. Doch muß ich bemerken, daß ich glaube, es könne der Verwaltungsbeamte außer der obersten allgemeinen Leitung seines Gebietes auch die oberste Leitung für einzelne Produktionszweige eines weiteren Sprengels besorgen, wenn er außer der allgemeinen Schulung für den Verwaltungsdienst auch Fachkenntnisse für ein besonderes Produktionsgebiet erworben hätte. Der eigentliche Verwaltungsdienst beansprucht nämlich schwerlich die ganze Zeit des Verwaltungsbeamten, denn, wenn sich die Verteilungsgrundsätze einmal eingelebt haben und es sich nur um Überwachung und Verbesserung handelt, wird die im bloßen Verwaltungsdienste zu leistende Arbeit selbst für einen einzigen Beamten in einer Gemeinde von tausend Köpfen nicht erheblich sein. Und doch ersetzt dieser eine Beamte die Tätigkeit der Richter, politischen und Finanzbeamten, und überdies die der Kaufleute und wenn irgendwelche richterlichen Geschäfte, insbesondere eine Strafjustiz noch fortdauern müßten, so würden keine eigentlichen Strafbehörden eingesetzt, sondern eine Art von Volksjustiz geübt werden, wie die Schöffen und Geschworenen und zwar ohne fachjuristische Leitung. Um also die erforderliche Einheit in die Verwaltung zu bringen, wird der Verwaltungsbeamte niedersten Ranges Vorstand einer Gemeinde und ihres Territoriums oder eines städtischen Quartiers werden und zwar derart, daß alle Menschen und Sachen auf diesem Territorium ihm unterstehen und ihm die oberste Leitung aller Arbeit und die oberste Verteilung aller Genüsse und Güter auf diesem Gebiete zusteht. In jeder Ansiedlung und in jedem städtischen Quartier regiert ein solcher Beamter. Die weitere Gliederung des Verwaltungsdienstes baut sich nun so auf, daß etwa 20 Gemeinden unter einem Bezirksbeamten, etwa 20 Bezirke unter einem Kreisbeamten, etwa 10 Kreise unter einem Provinzialbeamten stehen und die Provinzialbeamten der Zentralregierung direkt untergeordnet sind. Es ist sorgfältig zu erwägen, welche Verteilungsgeschäfte den Verwaltungsbeamten innerhalb ihrer örtlichen Kompetenz =persönlich= zuzuweisen und welche von ihren Organen unter ihrer Oberleitung und =Mitverantwortung= zu besorgen sind. Daß nun diese Verteilungsgeschäfte keineswegs eine ganze Tagesarbeit eines Beamten in Anspruch nehmen, ist leicht zu zeigen, wenn man die Zahl von 1000 Köpfen als Grundlage der Berechnung annimmt. Es ist im Auge zu behalten, daß der Beamte nach den natürlichen Verhältnissen des Kollektivismus mit allen Gliedern seiner Gemeinde lebt, jeden persönlich kennt, auch zahlreiche Interessen mit ihnen gemein hat. Dieser Beamte hat auf Grund der Berichte des Arztes und nach anderen Daten die Geburten, Trauungen und Sterbefälle in Evidenz zu halten, allerdings mit der genauesten Angabe der näheren Umstände. So sollen Geburten und Sterbefälle mit Angabe von Stunde, Minute und Sekunde verzeichnet werden, soweit sie bekannt sind oder in Fällen unvorhergesehener Ereignisse abgeschätzt werden können. Alle Geburten und Sterbefälle zusammen werden 30-36 im Jahre kaum übersteigen und wenn sie selbst die doppelte Zahl erreichen, fiele nur ein solches Ereignis in =fünf= Tagen. Die Verfügungen über die dienstlichen Veränderungen innerhalb der Gemeinde und die an den Bezirksbeamten zu erstattenden Anträge in Fällen einer Versetzung außerhalb der Gemeinde oder der Besetzung einer Stelle durch gemeindefremde Personen stehen dem Verwaltungsbeamten zu, aber wenn jeder Einzelne 10 solche Veränderungen, Versetzungen und Beförderungen in seinem Leben zu erwarten hätte, eine Ziffer, die ohnehin hoch gegriffen ist, so würden bei 550 in regelmäßigen Arbeitsalter stehenden Gemeindegenossen im Jahre 120 solche Veränderungen vorfallen oder 10 im Monate. Beurlaubungen kämen täglich zwei zur Behandlung. Disziplinäre und friedensrichterliche Erkenntnisse höchstens zwei oder drei in der Woche. Außerdem hat der Beamte von Zeit zu Zeit jede Betriebsstelle, Fabrik, Schule, Spital usw. zu inspizieren und dafür zu sorgen, daß täglich der erforderliche Güteraustausch zwischen Gemeinde und Bezirk richtig abgewickelt wird. Dabei sind aber immer andere mitverantwortliche Personen beteiligt und die Beispiele im Abschnitte über die Statistik VI, 8, e, insbesondere die Tabelle über Milchproduktion und Verteilung zeigen klar, daß es sich da immer um beinahe automatisch sich vollziehende Bewegungen handelt, die dem Beamten mehr Aufsicht, als Arbeit zur Aufgabe machen. Die Angaben über die tägliche Arbeitsleistung des Einzelnen und über den Verbrauch der Gemeinde im Tage empfängt der Beamte von den unteren Organen und er wird für deren Richtigkeit und genaue Buchung zu sorgen haben, wobei die Summierung und die Ermittelung von Verhältniszahlen, sofern sie von der vorgesetzten Behörde gefordert werden, von Lehrern, hauswirtschaftlichen Personen, Schulkindern, hauptsächlich aber auch vom Volksbeamten, der ja auch als Gehilfe gedacht wird, unter gegenseitiger Kontrolle besorgt werden können. Alle diese Arbeit ist, soweit sie der Gemeindebeamte persönlich leisten muß, gering. In einem Staate von 45 Millionen Einwohnern würde der ganze Verwaltungsbeamtenstab mit Inbegriff der hierarchisch übergeordneten Beamten 50-60,000 Köpfe und wenn, nach den unten entwickelten Vorschlägen, neben jedem Staatsbeamten ein gewählter Volksbeamter als Gehilfe und Kontrollorgan säße, 100-120,000 Köpfe betragen, nur ein kleiner Bruchteil des Handelspersonals, das eine gleich zahlreiche Bevölkerung heute beschäftigt. Der Beamte hätte überdies den regelmäßigen Versammlungen der Beamten des Bezirks unter dem Vorsitze des Bezirksbeamten beizuwohnen und einen geselligen Verkehr mit den Gemeindegenossen einerseits und am Sitze des Bezirks- und des Kreisbeamten mit Gleichgestellten und höher gestellten Personen andererseits zu unterhalten. Man merke, daß die statistische Arbeit, wenn sie gehörig veröffentlicht wird, das Volk in die Lage setzt, Fortschritt und Rückschritt auf allen Gebieten der Produktion und Verteilung zu verfolgen und daß diese Arbeit es möglich macht, die Krankheits- und Sterbestatistik von Tag zu Tag mit Genauigkeit festzustellen, und das Durchschnittsalter auf Minuten zu ermitteln und wie das gemacht wird, wird in dem Abschnitte über Statistik VI, 8, genau aufgezeigt werden. Freilich hat der Verwaltungsbeamte auch eine Verteilungsarbeit zu besorgen bezüglich der Instrumente und Apparate, welche zum Inventar seines Bezirkes gehören und bezüglich der Benützung der Gesellschaftsräume zu besonderen Zwecken. So kann es vorkommen, daß die Benutzung der musikalischen Instrumente von so vielen Personen beansprucht wird, daß der Vorrat nicht reicht, oder daß sich viele Gesellschaften in der Gemeinde bilden, welche Räume für ihre Übungen und Verhandlungen beanspruchen und daß die Gesellschaften sich wechselseitig im Wege stehen. Ordnung zu schaffen, ist Aufgabe des Verwaltungsbeamten. Mit Rücksicht auf diese Natur des Verwaltungsdienstes, die zwar ein scharfes Auge und richtiges Urteil voraussetzt, aber wenig Arbeit verursacht, scheint es nun, daß dem Beamten außer dieser leitenden Tätigkeit noch irgend welche andere Arbeit aufgebürdet werden sollte und darum scheint es zweckmäßig, daß mit der Ausbildung im Verwaltungsdienste auch anderer Fachunterricht verbunden werden sollte, damit jeder der Gemeindeverwaltungsbeamten noch einen Produktionszweig für den ganzen Bezirk solle überwachen können. Das gilt besonders für solche Aufgaben, die ihrer Natur nach zusammenfassend für größere Territorien zu lösen sind, so Straßen- und Wasserbau, Forstwesen, Kulturtechnik, die Abfassung von landwirtschaftlichen Betriebs- und Anbauplänen, chemische Untersuchungen und dergl., wobei dann die Gemeindebeamten immer mit dem fachtechnisch gebildeten Kollegen in Fühlung zu stehen hätten. Ist bei der Anstellung von Verwaltungsbeamten auf dieses Bedürfnis Rücksicht genommen, so bildet das Beamtenkollegium eines Bezirkes eine Körperschaft, deren Mitglieder über die mannigfaltigsten Fachkenntnisse verfügen. Das sind Ideen, die sich bei der Untersuchung unseres Problemes von selbst aufdrängen, aber es wird erst die Erfahrung während der Umwandlung unserer Gesellschaftsordnung lehren, ob eine so beschaffene Organisation die beste ist. Sie wird nur dann gut sein, wenn der unterste Beamte, der eigentlich das wichtigste Glied der Organisation ist, nicht überbürdet, aber so beschäftigt ist, daß er sich mit allen Zweigen der Produktion und Verteilung auf seinem Gebiete vertraut machen und dort alles, soweit als die Einheitlichkeit des Dienstes es erfordert, durch seine Hand gehen muß. Übrigens muß ihm das Recht zustehen, sich seine Organe zu wählen, und jedem Einzelnen Hilfeleistungen aufzutragen, zu welchen er befähigt ist und welche mit seinem eigenen Berufe vereinbar sind, oder zu welchen er sich freiwillig erbietet. Die Vereinigung der ganzen Verteilungsarbeit in =einer= leitenden Hand löst alle Kompetenzkonflikte, welche die heute übliche Trennung der Ressorts mit sich bringt, die im Betriebe der Kollektivwirtschaft wenig Sinn hätte. Übrigens vertreten die dem Verwaltungsbeamten untergebenen Organe die einander gegenüberstehenden sachlichen und persönlichen Interessen. Die Belastung der Beamten im gleichen Range wird so ziemlich gleich sein, wenn die Glieder einer Gemeinde, oder eines Quartiers der Zahl nach nicht sehr verschieden sind. Aber die Verwaltungsbeamten der Quartiere in den Städten dürften etwas weniger belastet sein, weil sie ein kleineres Gebiet haben und weil in den Städten weniger Produktion ist. Darum eignen sich diese Posten, die auch sonst größere Annehmlichkeiten bieten, als Ruheposten für ältere, verdiente Beamte. Ich bemerke noch, daß ich nicht für die Wahl der Verwaltungsbeamten durch das Volk bin, weil das zu einer gefährlichen Dezentralisation führen müßte, und dadurch einerseits das Parteiwesen wieder großgezogen, andererseits eine Desorganisation in der Wirtschaft herbeigeführt würde. Es würde dann überall nach verschiedenen Grundsätzen produziert und damit ein großer Teil der Vorteile des Gesamtbetriebes aufs Spiel gesetzt werden. Auch wären die Angaben der Verwaltungsbeamten über die Produktionsergebnisse, welche die Hauptgrundlage der Verteilung bilden, nicht mehr verläßlich, wenn die Beamten von der Gemeinde gewählt würden. Der Grundgedanke des Kollektivismus ist die Zentralisation, die Wahl der Beamten aber hätte immer eine dezentralisierende Tendenz. Es ist auch besser, das Staatsinteresse den Staatsbeamten, das Interesse der Gemeinde und des Einzelnen immer dem Volksbeamten anzuvertrauen und so einen möglichst genauen Gleichgewichtszustand herbeizuführen, wobei aber immer noch im Zweifel das Staatsinteresse überwiegen müßte, daher auch nur der Staatsbeamte eine =entscheidende= Stimme hätte, der Volksbeamte nur zu hören wäre, zu beaufsichtigen hätte und bei den vorgesetzten Behörden Einspruch oder Berufung einlegen könnte. Diese Verwaltungsbeamten wären also wie heute durch die Zentralstelle zu ernennen und so ist es ja auch mit dem Unterrichtspersonale, den Ärzten und den technischen Beamten und Vorständen. Um nun jedem Einzelnen aus den kleinen Volksgruppen der Gemeinde, des Bezirkes, Kreises usw. den größten Schutz zu verleihen, scheint es mir, wie schon gesagt, zweckmäßig, daß das Volk in diesen Gruppen je einen Volksbeamten wählen sollte, der vom Gemeindebeamten bis zum Minister dem Verwaltungsbeamten beigegeben werden soll, der in allen mechanischen Arbeiten Gehilfe des Verwaltungsbeamten wäre und dem Staatsinteresse gegenüber das Teil- und Einzelinteresse wahrzunehmen hätte. Nicht =er=, sondern der Staatsbeamte hätte zu dezernieren, der Volksbeamte aber müßte immer vorher gehört werden und er könnte an den Bezirksbeamten berufen oder vielleicht auch in wichtigen Fällen eine Sistierung der angefochtenen Entscheidung erwirken. Durch Vermittelung des Fernsprechers, der alle Ämter verbindet, kann das in wenigen Minuten geschehen. Diese Volksbeamten würden von der Gemeinde und dem Bezirke durch das Votum aller stimmberechtigten Volksgenossen gewählt und es scheint, daß es vernünftiger wäre, auf unbestimmte Zeit zu wählen als auf eine bestimmte Zeit, wie der Amerikaner sagt, _during good behaviour_. Die periodischen Wahlen haben gar keinen vernünftigen Sinn. Eine Neuwahl wird stattfinden, so oft sie begehrt wird und sobald ein anderer Volksbeamter für eine Stelle gewählt ist, hat der frühere abzutreten. Sehr zweckmäßig wäre es auch, den Kreis- und Provinzialverwaltungsbeamten, sowie auch den Ministern einen solchen Vertreter des Volkes mit gleicher Kompetenz beizugeben und selbst dem Monarchen würde es die Geschäfte erleichtern, wenn er einen solchen Vertrauensmann des Volkes, oder in Österreich etwa Vertrauensmänner aller Nationalitäten an der Seite hätte, die er hören könnte, aber es scheint nicht zweckmäßig, daß diese höheren Organe durch das Volk unmittelbar gewählt werden, weil die wählbaren Personen in diesen großen Sprengeln nicht so allgemein bekannt sind, daß das Volk selbst wählen könnte. Besser würde es sich empfehlen, daß die Volksbeamten des Kreises den dem Kreisbeamten beizugebenden Volksbeamten und so weiter die Volksbeamten der ganzen Provinz der ganzen Nation oder des ganzen Reiches diese höheren Organe des Volkswillens wählen würden. Dies ist die wünschenswerte Organisation des Verwaltungsdienstes und es scheint nicht notwendig zu erwähnen, daß die Kreis- und Provinzialbeamten und die Minister eine Reihe von geringeren Beamten als Mitarbeiter haben müßten. ~Detailverwaltungsämter.~ Zur unmittelbaren Leitung von Produktionszweigen und Fabriken werden in jeder Gemeinde oder Quartier nach Art unserer Verwalter und Direktoren Leute, erforderlichen Falles von höherer Ausbildung und dann auch von angemessen höherem Range, zu bestellen sein, welchen die erforderlichen Hilfsorgane zur Seite zu stellen sind und welche dem Verwaltungsbeamten untergeordnet sind. So wird für die Futterwirtschaft, die Viehzucht, eine industrielle Anstalt und für die gesamte Hauswirtschaft ein oberster Leiter in jeder Gemeinde, für manche andere Betriebe, so die Forstwirtschaft, wo sie einen größeren Umfang hat, für einen etwaigen Bergbau, den Hochbau, Straßen- und Wasserbauten in jedem Bezirke ein Produktionsleiter oder Direktor anzustellen sein, welche Personen wieder höheren Ämtern ihres Faches unterzuordnen sind. Sie haben die Arbeits-, Materials- und Produktionsstatistik für ihren Produktionszweig herzustellen, die rechtzeitige Anschaffung aller Maschinen, Werkzeuge und Stoffe, die Einstellung und Ausbildung der Arbeitskräfte, die Einrichtung und Instandhaltung der Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen, die zweckmäßige Verteilung der verschiedenen Arbeiten unter ihre Arbeiter, dann die Beförderung der geeigneten Personen zu besorgen und Anträge wegen Verbesserung der Produktion zu stellen. Besonders jene Statistik, die den organischen Einrichtungen zufolge nicht täglich abzuschließen und zu veröffentlichen ist, ist von ihnen für ihren Betrieb doch so viel als möglich täglich zu journalisieren, so beim Empfange von Stoffen, bei der Hinausgabe von Stoffen und anderen Verbrauchsartikeln an den einzelnen Arbeiter, bei der Abgabe der Produkte von einer Werkstätte zur anderen, von einem Arbeiter an den anderen und schließlich bei der Ablieferung fertiger Erzeugnisse an die Magazine und aus den Magazinen an die Frächter und alle diese Verrechnungsarbeiten, wofür in jeder Betriebsstätte Instruktionen bestehen, sind von den untergeordneten Organen gegenzuzeichnen, vom Verwaltungsbeamten zu überwachen und zu revidieren. Da doch alles, was durch die Produktionsverwaltungen an andere Verwaltungen abgegeben wird, von diesen wieder in Empfang zu stellen ist, und so doppelte Buchungen geschehen, so ist eine genaue Verrechnung sichergestellt und es ist auch der Gesamterfolg einer Betriebsanstalt leicht zu beurteilen, da ein Vergleich mit Betrieben gleicher Art ergibt, ob für eine bestimmte Gesamtleistung mehr als anderwärts an Material oder Arbeit verrechnet wurde, wie auch die Verwendung aller Stoffe, Werkzeuge, Halbfabrikate und Erzeugnisse immer feststellbar sein muß. Bei absoluter Naturalwirtschaft kann in den Betrieben nicht leicht ein Unterschleif vorkommen. Kassegebarung gibt es nicht, falsche Buchungen sind der Gegenbuchungen wegen nicht wohl möglich, würden aber auch keinen ersichtlichen Zweck haben und wer Material oder Fabrikate defraudieren wollte, fände keinen Frächter und Abnehmer, hätte viele Mitwisser, daher die sichere Entdeckung zu fürchten und so wäre nur ein rechtswidriger Verbrauch von Dingen, die man unmittelbar verzehren kann, von Milch, Eiern, Obst zu fürchten und auch das könnte nicht lange verborgen bleiben, keinesfalls aber könnte sich jemand daran bereichern. Alle Arten von Betrieben haben ihre hierarchisch abgestuften Oberleitungen, deren Zentralorgane wieder Fachorgane der Ministerien bilden. Von der Verwaltung der Hauswirtschaft und der Bekleidungsindustrie wird noch im Abschnitte IX, besonders zu sprechen sein, weil sie von unmittelbarem Interesse für die Einzelnen sind. 2. Der ärztliche Dienst. Der ärztliche Dienst im Kollektivstaate hat die Aufgabe, für alles zu sorgen, was zur Verlängerung des Lebens eines jeden Einzelnen dienen kann. Die Heilung von Krankheiten kommt weniger in Betracht, als die Verhütung von Krankheiten und die Sammlung aller jener Erfahrungen, welche der Vervollkommnung des Sanitätswesens förderlich sein können. Die Aufgabe, Krankheiten zu verhüten, bedingt auch, daß der Arzt auf die Gestattung von Ehen, die Propagation und die Berufswahl als Fachmann Einfluß nimmt. Es ist unbedingt notwendig, in jeder Gemeinde und jedem städtischen Quartier einen Arzt anzustellen, dem innerhalb des Gemeindegebietes für alles zu sorgen obliegt, was in die Kompetenz des Sanitätsdienstes fällt. Ich halte es aber auch für notwendig, daß ein weiblicher Arzt dem Gemeindearzte beigegeben werde. Es scheint der Natur der Sache zu entsprechen, daß der weibliche Arzt dem als Sanitätsbeamten fungierenden männlichen Arzte untergeordnet werde. Hat der weibliche Arzt im eigentlich ärztlichen Berufe mit Einschluß der Öffnung der weiblichen Leichen zu wenig Beschäftigung, um die Arbeitszeit auszufüllen, so ist der Ärztin Heilmittelbereitung (Apotheke), Leitung der Krankenpflege, Mitwirkung bei Aufstellung der Sanitätsstatistik zuzuweisen, bis ihre Arbeitskraft genügend ausgenützt ist. Die Ärztin muß genau denselben ärztlichen Unterricht, wenngleich vorzüglich gynäkologischer und vorwiegend frauen-physiologischer und weiblich anatomischer Art und etwa von weiblichen Professoren empfangen, wie der Arzt und es ist übrigens die Meinung, daß der Arzt der Ärztin übergeordnet sein solle, nichts weniger als ein Dogma; erweist sich das Gegenteil als zweckmäßiger, so ist bald abgeholfen. Die Fürsorge für den Einzelnen bringt es mit sich, daß schon während der Schwangerschaft der Frau alles vorgekehrt werde, was vom ärztlichen Standpunkte im Interesse nicht nur der Mutter, sondern auch der Frucht notwendig erscheint. Der Arzt wird also dafür zu sorgen haben, daß der Schwangeren und Wöchnerin keine Berufsgeschäfte aufgebürdet werden, die nachteilige Folgen für Mutter und Kind haben könnten und er wird auch sonst seinen Einfluß geltend machen, daß die Lebensweise der schwangeren Frau zweckentsprechend geregelt werde. Lebt sie mit ihrem Manne etwa außerhalb einer Gemeinde in einem einzelnen Gehöfte oder auf einer Alpe, so wird der Arzt darauf dringen, daß sie in die Gemeinde übersiedelt. Dem Ehemanne wird er jede Schonung der Frau auferlegen, die ihrem Zustande entspricht. Nötigenfalls wird er auch bei der Geburt die Hilfe leisten, welche zu leisten die Ärztin nicht vermag. Nach der Geburt wird der Arzt, wenn ich vom Arzte spreche, so setze ich immer eine zweckmäßige Arbeitsteilung zwischen dem Arzte und der Ärztin voraus, die richtige Pflege des Neugeborenen überwachen und das um so sorgfältiger, je unerfahrener die Mutter ist. Er wird das Kind anfangs häufiger sehen müssen, als später und dafür sorgen, daß alle jene Beobachtungen regelmäßig gemacht und notiert werden, die für die Wissenschaft und Statistik sowohl, als auch direkt für den individuellen Pflegezweck dienlich erscheinen. Er wird ferner mitwirken bei der physischen Erziehung und im Vereine mit dem Pädagogen bei der intellektuellen und moralischen Erziehung, er wird sowohl beim Eintritte in die Schule, als bei der Zuweisung zu einem bestimmten Berufe seine Stimme erheben gegen alles, was das Leben des jungen Menschen gefährden könnte. Auch liegt ihm die Begutachtung ob, ob die jungen Leute sich für die Fortpflanzung eignen oder nicht, insoferne die Gesetze gestatten, zur Fortpflanzung ungeeigneten Individuen die Ehe zu versagen. VII, 1, _Alinea_: »Bei dem heutigen«. Seine Aufgabe wird es sein, auch anscheinend ganz gesunde Menschen in bestimmten Intervallen nach der ihm vorgeschriebenen Methode zu untersuchen und alles schriftlich zu fixieren, was in späteren Jahren zu wissen von Wichtigkeit sein mag, oder die wissenschaftlichen Interessen fördern kann. In Krankheitsfällen hat der Lokalarzt zu ordinieren und sich auch dann an der Diagnostizierung und Behandlung zu beteiligen, wenn etwa auf Wunsch des Kranken oder seiner Angehörigen ein anderer als der =kompetente= Arzt die eigentliche Behandlung leitet. Kranke, die das Bett hüten müssen, werden am Besten in gemeinsamen oder nahe der Wohnung des Arztes gelegenen Gemächern untergebracht werden, um dem Arzte ein häufiges Erscheinen am Krankenbette zu ermöglichen. Die Wartung der Kranken, an der sich unterstützend auch Angehörige beteiligen können, erfolgt unter Oberleitung des Arztes durch geeignete -- wahrscheinlich weibliche -- Personen, die einen =Beruf= daraus machen. In Fällen, welche besondere Erfahrungen voraussetzen oder eine Operation erforderlich machen, wird der Arzt durch Vermittlung des Bezirksarztes schleunigst für Beiziehung eines Spezialarztes und, wo Ansteckung zu besorgen ist, für Separierung, und zwar nötigenfalls durch Unterbringung in besonderen Spitälern, die nach Bedarf zu errichten sind, sorgen. Alle Leichen hat er zu sezieren und er wird alles das durch Beschreibung, Photographieren und durch Präparate fixieren, was für die Wissenschaft, vielleicht auch für die ärztliche Behandlung der Nachkommen und für die Vererbung von Bedeutung sein kann. Für jeden Bewohner seines Bezirkes wird er einen Akt anlegen, in dem alles notiert wird, was für eine spätere Behandlung von Interesse ist und dieser Akt wird im Falle eines Domizilwechsels an jenen Arzt übersendet werden, in dessen Kompetenz die fernere Behandlung übergeht. Die Aufgabe des Arztes ist auch, die Sanitätsstatistik nach den erteilten Vorschriften zusammenzustellen und er wird verpflichtet sein, regelmäßig mit seinen Fachgenossen im Bezirke zu gemeinsamen Beratungen zusammenzukommen. Er untersteht in allgemeiner disziplinärer Hinsicht dem Verwaltungsbeamten, in Ausübung seines Amtes aber untersteht er auch der fachwissenschaftlichen Kontrolle des Bezirksarztes, durch den ihm auch die Aufträge der Regierung und der wissenschaftlichen Institute zukommen. Durch Vorträge im Versammlungslokale der Gemeinden wird der Arzt alles zu verbreiten suchen, was der Einzelne selbst für seine Gesundheit tun soll. Er hat alles zu prüfen, was zur Assanierung der Ansiedlung zu geschehen hat, Abhilfe zu fordern, wo es not tut und die Ausführung der beschlossenen Maßregeln zu überwachen. Die Mitwirkung eines anderen Arztes aus einer benachbarten Gemeinde oder Quartier wird, wie schon angedeutet, der Kranke oder seine Familie beantragen können. Außerdem hat der Bezirksarzt persönlich oder durch ärztliche Inspektionsbeamte die Gemeindeärzte zu überwachen. Die höheren Sanitätsbehörden haben dafür zu sorgen, daß das notwendige Material für Spitalszwecke, Diagnostizierung von Krankheiten, an Heilmitteln und Apparaten für alle Fälle überall ausreichend vorhanden sei und das Material ebenso wie das Personal an Spezialärzten zweckmäßig über das ganze Reich verteilt werde, um tunlichst rasche Hilfe zu ermöglichen. Jeder zur Heilung von Krankheiten und vollkommenen Wiederherstellung der Kranken erforderliche Aufwand ist ohne Ansehen der Person auf Kosten der Gesamtheit zu machen und sofern bestimmte ärztliche Personen Reisen zu dem Kranken zu machen haben, ist ihnen das schnellste Beförderungsmittel und auf den Eisenbahnen ein Separatzug zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinden werden aber auch für den klinischen Unterricht und die Anatomie das erforderliche Material an Kranken, Leichen und Präparaten beizustellen haben. Jeder Arzt erhält alle erforderlichen Fachblätter zugestellt und hat bemerkenswerte Krankheitsfälle und Heilerfolge genau zu beschreiben und den Fachblättern einen Bericht zuzusenden. Auch die jedem Arzte unentbehrliche Bibliothek für alles, was das Sanitätswesen betrifft, ebenso die Sanitätsstatistik aller auswärtiger Staaten findet er am Bezirksorte. Es ist zu bemerken, daß die gesamte Bevölkerung an den Gedanken gewöhnt werden muß, daß jede Leiche geöffnet und wissenschaftlich durchforscht werden muß. Wenn religiöse Vorurteile dagegen sprechen, so müssen sie bekämpft werden. Denn im Kollektivstaate gibt es keine Leichen degradierter Auswürflinge, welchen man die Sezierung gewissermaßen strafweise zufügt und so würden, wenn solche Vorurteile fortbeständen, die Anatomiesäle gar kein Material haben. Die ununterbrochene Arbeit des gesamten Sanitätspersonales ist darauf zu wenden, mit Benützung des statistischen Materiales die Schädlichkeiten aller Berufe dergestalt zu ermitteln, daß, insofern sie nicht unterdrückt werden können, durch Anpassung der Verteilungsgrundsätze ausreichender Ersatz geboten werde. Wie das geschehen kann, ist in XI, d, entwickelt worden. Der Sanitätsdienst hat dabei mitzuwirken. Allgemeiner Grundsatz ist, daß jedes zur Welt gekommene menschliche Wesen Anspruch auf alle jene Fürsorge hat, die ihm angeborener oder erworbener Gebrechen wegen zur Erlangung eines gewissen Grades von Lebensglück nötig ist.[8] In Nordamerika allein sind erfolgreiche Versuche gemacht worden, jene Unglücklichen zum geistigen Verkehre mit den Mitmenschen zu erwecken, die schon in früher Jugend Gesicht =und= Gehör verloren haben. Ist es notwendig, daß eine oder mehrere Personen ihr ganzes Leben in den Dienst einer solchen besonderen Aufgabe stellen, so hat der Staat diese Personen zu bestellen und überdies so viel als möglich die Bevölkerung zu ermuntern, daß sie freiwillig ihre Tätigkeit diesem Zwecke widme, wodurch sich die Last auf viele verteilen wird. [8] Das widerspricht scheinbar den Ideen Nietzsches und Darwins, aber statt ihrer brutalen Ideen lehre ich, das Aussterben der Schwächeren im Wege der Unterdrückung der Fortpflanzung erblich Belasteter herbeizuführen. Der Staat darf seine Absicht nicht darauf richten, Schwächlinge zu Grunde gehen zu lassen, sondern hat durch fortgesetzte Wirksamkeit zu verhüten, daß degeneriertes Menschenmaterial gezeugt wird. Der Grundsatz, Unbrauchbares zu Grunde gehen zu lassen, würde zu dem Grundsatze führen, den die alten Germanen beobachteten, die Alten, die nicht mehr arbeiten konnten, zu töten oder im Walde hilflos auszusetzen. Diesem Grundsatze zufolge müßten auch ganz normale Menschen, die verunglückt sind, dem gänzlichen Untergange preisgegeben werden. Jeder Mensch ist gleichmäßig daran interessiert, daß dieser Grundsatz nicht zur Geltung kommt. Das Leben =hoffnungslos= Leidender =gegen ihren Willen= zu erhalten, ist darum noch keine evidente soziale Pflicht. Nietzsche hat das Törichte seiner Lehre am eigenen Leibe erfahren, nach dieser Lehre hätte man ihn töten, statt an die Irrenanstalt abgeben müssen. Zu den Aufgaben der Ärzte, die sie im Einvernehmen mit den Pädagogen zu lösen haben, gehört auch die Ermittlung der Vererbungsgesetze nicht nur in Beziehung auf normale physische Konstitution, sondern auch auf ethische und intellektuelle Anlagen und auf Geschicklichkeiten. Dementsprechend werden sie die zur Fortpflanzung bestimmten Personen auswählen und auch für die zweckmäßige Paarung Gesetze zu ermitteln trachten. In wieferne der Staat schwächliche oder erblich belastete Individuen von der Fortpflanzung auszuschließen und auf die Gattenwahl Einfluß zu nehmen berechtigt ist, wird in VII, 1, besprochen. Zunächst handelt es sich um Aufklärung und Rat; Gesetze und Gewalt können erst dann in Betracht gezogen werden, wenn das Volk zur Überzeugung ihrer Notwendigkeit und Gerechtigkeit gelangt ist. Als Hilfsorgane der Ärzte werden Zahnärzte, zugleich Zahntechniker, zu bestellen sein, welche die Gebisse aller Bewohner eines Bezirkes regelmäßig zu untersuchen und die erforderlichen Operationen teils selbständig, teils unter Aufsicht des Arztes vorzunehmen haben. Es handelt sich aber nicht bloß um Verhütung des Verlustes und der Krankheit der Zähne und eventuell ihren Ersatz, sondern auch die Vererbung guter Zähne kommt in Betracht, weil ein gutes Gebiß der schönste Schmuck des Menschen und gewiß auch ein Zeichen einer guten Konstitution ist. Eine Statistik der vorhandenen und der fehlenden gesunden und kranken Zähne und der verschiedenen Zahnleiden wäre sehr interessant und könnte leicht beschafft werden. Der Arzt untersteht in fachwissenschaftlicher Hinsicht dem Bezirksarzte, dieser dem Provinzialarzte und dieser dem Chefarzte des Reiches. In den höheren Instanzen werden selbstverständlich zahlreiche Körperschaften dem Chefarzte beigeordnet sein. Die Hierarchie dient dazu, um verdienten Ärzten eine Beförderung zu eröffnen und um eine Organisation zu schaffen, durch welche die sanitären Beobachtungen auf Grund der Statistik und der Berichte der ausübenden Ärzte zur Sammlung und Verarbeitung gelangen. Instruktionen werden erlassen werden, inwieferne der Gemeindearzt seinen Vorgesetzten über jeden einzelnen Krankheitsfall durch Bulletin auf dem Laufenden zu erhalten hat. Diese Berichterstattung kann so eingerichtet werden, daß der Bezirksarzt daraus sofort erkennen kann, ob Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose oder der Behandlung bestehen, in welchem Falle er selbst zur Überprüfung schreiten, oder einen anderen Arzt seines Bezirkes damit beauftragen kann. Diese Überwachung der Gemeindeärzte erstreckt sich auch auf Gutachten über Krankheitsurlaube, den Besuch von Thermen, Berufseignung oder Fortpflanzungstauglichkeit, dann auf Spitalsverwaltung und sanitäre Anstalten. Spezialärzte verschiedener Fächer werden zu bestellen und über das Land zweckmäßig zu verteilen sein. Vorzüglich kommt da das Fach der Operateure in Betracht. Wahrscheinlich wird sich auch das Fach der operativen Heilkunde in viele Zweige spalten. Weiter wird es Fachärzte für die Erkrankungen einzelner Organe, wie heute, für Infektionskrankheiten, gewisse Arten von Diagnosen, chemische Untersuchungen und besondere Heilverfahren, wie Kaltwasser, Elektrizität, Pneumatik, Massage, Belichtung, Heißluftbehandlung usw. geben. Die Sanitätsverwaltung wird verfügen, inwieferne sich solche Ärzte an Ort und Stelle zu begeben haben, oder die Kranken zum Arzte geschickt oder in Sanatorien aufgenommen werden sollen und insbesondere wie weit die Kompetenz des Gemeindearztes in weniger bedeutenden oder besonders dringenden Spezialfällen geht. Die Sanitätsverwaltung hat auch die Einrichtung von Kurorten und die Verfügung der Aufnahme der einzelnen Kranken in dieselben über sich. Was die Unterbringung von Kranken und die Krankenpflege anbelangt, so wird man eigentliche Spitäler tunlichst vermeiden. Nur insoferne die Isolierung von Kranken geboten erscheint, oder wo es der klinische Unterricht erfordert, wird man eigentliche Krankenhäuser errichten. In einem Staate von 45 Millionen Einwohnern erfordert der ärztliche Dienst nach obigen Grundsätzen mit Inbegriff der Spezialisten und der übergeordneten Organe etwa 60 Tausend Ärzte und ebensoviele weibliche Ärzte, somit 120 Tausend Personen. In Österreich ist gegenwärtig die Zahl der wissenschaftlich gebildeten Ärzte sehr gering, somit ist eine große Vermehrung erforderlich. Auch das Wartepersonal, welches in Österreich gegenwärtig nicht zahlreich ist, wird sehr vermehrt werden müssen. Die Untersuchung, welche Berufe im Sozialstaate ganz entfallen, oder geringere Arbeitskräfte beanspruchen, wird in VIII, 11, folgen und daraus sich ergeben, wie der höhere Arbeitsaufwand in manchen Berufen, somit auch im ärztlichen und Wärterberuf hereingebracht werden wird. Für die Verhinderung der Einschleppung von Kontagien oder ansteckenden Krankheiten, insbesondere auch von Geschlechtskrankheiten, kann in einem so stramm organisierten Staate leicht gesorgt werden. Personen, welche nicht aus einem ebenso gut verwalteten Gebiete kommen, können beim Überschreiten der Grenzen einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden. =Der Warenverkehr über die Grenze kann jederzeit auf längere Zeit gänzlich abgesperrt werden=, weil der Staat immer für Vorräte solcher Waren sorgen wird, für die man auf das Ausland angewiesen ist. Prüft man diese Organisation des ärztlichen Dienstes, so gewinnt man die Überzeugung, daß damit alles für den Einzelnen und die Gesamtheit erreicht werden kann, was man heute für notwendig erkennt, aber in der individualistischen Gesellschaftsordnung undurchführbar ist. Die Ärzte drängen sich in den großen Städten zusammen, in den ländlichen Gemeinden fehlt es oft an aller Hilfe für Kranke und Verunglückte und jedenfalls an den Anstalten, die für besondere Fälle notwendig sind. Nun aber alle anderen Dienste, die ein so eingerichteter ärztlicher Körper dem Einzelnen und der Gesamtheit und der Wissenschaft leisten könnte. Der Arzt wird bei obiger Organisation nicht gerufen, er sucht diejenigen, für deren Gesundheit er verantwortlich ist, auf. Er ist ihnen Freund, Berater für das Leben und ersetzt ihnen auch Priester und Beichtvater. Er fördert die wahre Moral in viel höherem Maße, als es heute die Kirche vermag. Keinerlei entstehendes Leiden, erbliche Belastung, Disqualifikation zu bestimmten Berufen, zur Zeugung oder für die Ertragung der Schwangerschaft und Entbindung kann dem Arzte oder seiner Gehilfin entgehen. Sie können die Weitervererbung von Krankheiten und deren Übertragung auf kommende Generationen verhindern. Nur im Kollektivstaate kann man Lues, Tuberkulose und Alkoholismus unterdrücken oder in der ersten Zeit wenigstens für Dritte völlig unschädlich machen. Jeder Arzt ist zugleich Anthropologe und im Dienst der anthropologischen Forschung. In seinem Berufe liegt es nicht nur, die Degeneration des Volkes zu verhindern, sondern von Generation zu Generation ein immer herrlicheres Geschlecht heranzubilden. Das alles ist zum Teile allerdings von der Menge der anzustellenden Ärzte, ebensosehr aber von der Verteilung der Ärzte und der Verteilung der Bevölkerung und von der Organisation des Dienstes abhängig. Nicht nur diese Verteilung, sondern auch die Anstellung der erforderlichen Anzahl von Ärzten ist ohne Kollektivismus nicht denkbar. Noch sei bemerkt, daß in Deutschland bei den Krankenkassen statistisch ermittelt wurde, daß auf ein Kassenmitglied im Durchschnitt 6 Krankheitstage im Jahre kommen. Obwohl bei den hygienisch vorzüglichen Einrichtungen des Kollektivstaates und bei der Verminderung aller Berufsschädlichkeiten und anderer günstiger Umstände wegen der Krankenstand beträchtlich sinken müßte, wäre selbst nach diesem Verhältnisse der Durchschnitt in einer Gemeinde von Tausend Köpfen nicht mehr als etwa 6000 Krankheitstage im Jahre. Das gibt einen Tagesdurchschnitt von 16-18 Kranken, zu deren Behandlung zwei Ärzte zur Verfügung ständen. Es blieben also dem ärztlichen Personale viele Stunden des Tages für andere Aufgaben als die Behandlung der Kranken übrig, für Überwachung der Kinderpflege, für Untersuchungen der Gesunden, Beeinflussung der Lebensweise, Statistik und andere Amtsgeschäfte, wissenschaftliche Beobachtungen und Gutachten. Da in jeder Wohnansiedlung eine besondere Abteilung für Krankenzimmer einzurichten wäre, und immerhin einige von den Kranken ambulant, andere in ihren Wohngemächern behandelt würden, so wären etwa 16 Krankenzimmer unbedingt ausreichend für Spitalzwecke. 3. a) Der Erziehungs- und Volksschul-Unterrichtsdienst. Das Erziehungs- und Unterrichtswesen der Gemeinde und des Quartiers untersteht einem Pädagogen. Er wird selbst am Unterricht sich beteiligen, vorzüglich aber die Oberaufsicht jener Geschäfte führen, die das Erziehungs- und Unterrichtswesen betreffen. Er stellt die Erziehungs- und Unterrichtsstatistik zusammen, hat für die Beobachtung der Gesetze und eventuell deren Ergänzung zu sorgen, in den Disziplinarfällen des ihm untergeordneten Personals dem Verwaltungsbeamten Vortrag zu halten und den leitenden Einfluß auf die gesamte geistige Bewegung in der Gemeinde (dem Quartier) zu nehmen. Außer ihm werden in jeder Gemeinde (Quartier) mit volksschulpflichtigen Kindern sieben oder acht Fachlehrer für die acht oberen Klassen bestellt werden und der Unterricht in den ersten vier Klassen wird vier Personen des weiblichen Erziehungspersonales überlassen werden können. Der Pädagoge und die Lehrer werden sich verdient machen, wenn sie sich ab und zu an den Vorträgen beteiligen, die vor der gesamten Gemeinde über die Fortschritte in den einzelnen Wissenszweigen nach Art der _university extension_ gehalten werden sollen, wobei übrigens auch auf Gelehrte, Forscher, Akademiker, höhere Lehrpersonen und Erfinder gerechnet werden wird und wobei tunlichst viele Demonstrationen vorgeführt werden sollen. Da man annehmen kann, daß die Volksschullehrer der acht oberen Klassen in wissenschaftlicher Beziehung auf der Höhe unserer heutigen Mittelschulprofessoren stehen werden, kann der populärwissenschaftliche Vortrag an mindestens einem Tage in der Woche für jede Urgemeinde gewiß sichergestellt werden. Sind besondere Klassen für Mädchen eingerichtet, so werden für selbe weibliche Fachkräfte zu bestellen sein. Für die Überwachung des Erziehungs- und Schuldienstes werden im Bezirke, Kreise, der Provinz höhere Lehrpersonen, Einzelne oder Kollegien, zu bestellen sein, welche den Geschäftsgang zwischen den untersten Organen und der Zentralverwaltung zu vermitteln haben. Wir wissen, welches Interesse unsere Universitäten für die psychologischen Versuchsanstalten in neuerer Zeit gezeigt haben. Sie werden nützliche Vorarbeiten leisten, welche dem künftigen Erziehungs- und Verwaltungsdienste zustatten kommen werden. Doch wird man sich dann mit vereinzelten Beobachtungen nicht begnügen, sondern soviel als möglich Beobachtungen an jedem einzelnen Individuum machen und die einzelnen Personen zu Selbstbeobachtungen heranbilden. Die Unterrichtspersonen werden 4 oder 5 Lehrstunden im Tage geben können, nachdem die Zahl der Schüler 25 in einer Klasse nicht übersteigen soll und demnach auch die Revision der Aufgabenhefte weniger Arbeit macht.[9] Die Ferien werden wohl etwas kürzer bemessen werden als heute. [9] Da in einer Gemeinde von 1000 Köpfen nicht mehr als 240 Kinder und junge Leute von 6-18 Jahren wohnen und eine beträchtliche Abweichung von dieser Durchschnittsziffer nach VI, 2, leicht vermieden werden kann, diese Anzahl von Schülern sich aber auf zwölf Jahrgänge verteilt, davon die oberen Klassen nicht stärker, sondern schwächer besetzt sind, ist die Maximalzahl von 25 unüberschreitbar. Dem Lehrer arbeiten auch jene begabten Schüler in die Hand, welchen die Korrepetition überlassen werden kann. Der Volksunterricht ohne Spezialschulen und höhere Unterrichtsanstalten wird in einem Staate von 45 Millionen für die acht höheren Jahrgänge 360,000 Personen in Anspruch nehmen, nämlich 8 Lehrpersonen für 1000 Bewohner. Vom untergeordneten Erziehungspersonale ist in VII, b, die Rede. Es haben sich die Lehrkräfte an der Erziehung selbstverständlich mit zu beteiligen und besonders die Oberaufsicht im Verein mit den Pädagogen zu besorgen. Es werden ferner auch die Lehrkräfte vorzüglich zu Hilfsarbeiten für die Verwaltungsbeamten herangezogen werden und die statistischen Kalkulationsarbeiten besorgen oder, sofern die Menge dieser Arbeiten so groß wäre, daß Schulkinder zu deren Bewältigung herangezogen werden müßten, diese Arbeiten organisieren und leiten. Außerdem erwartet man von den Lehrpersonen nicht nur, daß sie sich in den Fortschritten ihrer wissenschaftlichen Fächer auf dem Laufenden erhalten, zu welchem Ende ihnen die Verwaltung entsprechende Wochenschriften zusenden und mindestens in den Bezirksvororten vollständige Sammlungen der wissenschaftlichen Behelfe einrichten und fortlaufend ergänzen wird, sondern es wird auch vorausgesetzt, daß sie sich an der Forschung beteiligen, in welcher Richtung durch Vermittelung der Akademie eine gewisse Art von Organisierung stattfinden könnte, daß nämlich jedem gewisse Forschungsprobleme zugewiesen würden. Auch den Lehrpersonen würden regelmäßige Zusammenkünfte am Bezirksvororte und den Vertretern der einzelnen Fächer am Kreisvororte zur Pflicht gemacht. Zeigt es sich, daß die Frauen für den Betrieb der Wissenschaften als Schüler, Lehrer und Forscher eine der der Männer ebenbürtige Veranlagung haben, so wird es sich empfehlen, ihnen die Hälfte aller Lehrkanzeln offen zu halten. b) Höherer Unterricht. Zur Pflege der eigentlichen Wissenschaft und Kunst und der Technik in allen ihren Zweigen dienen die Hochschulen, welche in der Reichshauptstadt vereiniget werden. Die Gründe dieser Konzentrierung sind folgende: Da die Reichshauptstadt in einem monarchischen Staate, wir haben hier Österreich im Auge, das eine habsburgische Monarchie bleiben oder zerfallen muß, der regelmäßige Wohnsitz der Familien des höchsten Adels ist, so entwickelt sich naturgemäß dort die höchste Blüte geselligen Lebens, also jene Atmosphäre, in welcher, wenn sie der richtige Geist erfüllt, das geistige Leben die meisten Anregungen empfängt. So wohl angebracht der Individualismus auf dem Gebiete der Forschung und der Kunst ist, so hat sich auch für dieses Gebiet des menschlichen Schaffens die Organisation zum Teile bewährt, wie die organisierte Kooperation der Sternwarten sich längst als förderlich erwiesen hat. Gerade jene großen Geister, die an der Spitze der geistigen Bewegung wirken, bedürfen auch ihrerseits der mannigfaltigsten Anregungen, sind dafür am meisten empfänglich und verbreiten auch wieder die mannigfaltigsten Anregungen, die gerade bei den hervorragendsten Männern und Frauen ihres Kreises am befruchtendsten wirken. Es hat also kaum einen Zweck, diese Personen zu trennen und in eine größere Anzahl von Orten zu zerstreuen, sie werden sich am wohlsten fühlen in einer großen Zentrale, welche alles umfaßt, was groß und herrlich ist, an Geist, schöpferischer Kraft und andererseits wieder an Schönheit und äußeren Vorzügen. Damit ist nur gesagt, daß ein solcher Mittelpunkt des geistigen Lebens gegeben sein wird, nicht daß die geistigen Größen dorthin gebannt werden müssen, da sie, sofern sie ihr Beruf daran nicht hindert, sich auch in die Stille der Einsamkeit zurückziehen mögen. Der Staat könnte einem Virchow auch auf jeder Alpe ein wissenschaftliches Institut ersten Ranges einrichten und ihm einen Stab von Hilfsarbeitern beigeben. Aber das sind jedenfalls Ausnahmsfälle und es wird schwerlich ein Rufer im Streit der Wissenschaft ein solches Bedürfnis empfinden. Diese Schicht der Bevölkerung bedarf für ihre Wirksamkeit eines unermeßlichen Schatzes an Gütern, Sammlungen, Bibliotheken, Maschinen, Stoffen und Instrumenten, ein Schatz, der in seiner ganzen Vollständigkeit nur an einem Orte vereinigt sein kann, dort aber Allen zugänglich sein wird, die seiner bedürfen. Es gibt im kollektivistischen Staate keinen Grund, der eine Dezentralisation dieser Anstalten wünschenswert machen würde. Im kollektivistischen Staate sind Provinzen, Kreise, Bezirke keine sogenannten historischen Individualitäten, sondern ihre Hauptorte Knotenpunkte für Administration, Reiseverkehr, Umsatz von Gütern und diese Städte haben keinen Grund, auf die Reichshauptstadt eifersüchtig zu sein. Denn in diesen Städten gibt es keine Eigentümer von Häusern und Grundstücken, die, auf die Erhöhung des Wertes ihres Besitzes bedacht, einen Anlaß hätten, die Errichtung einer Anstalt innerhalb des Weichbildes ihrer Stadt zu verlangen, ein Begehren, das sich in der heutigen Gesellschaftsordnung als politischer Faktor geltend macht. In unserer Gesellschaftsordnung macht sich der Besitz immer zum Schaden des Gemeinwohles geltend. So wie die Unbewohnbarkeit der Dörfer für Menschen, die eine höhere Kultur beanspruchen, demnach auch die ungesunde Verteilung der Bevölkerung auf die einzelnen Ortschaften, so ist auch wieder die Dezentralisation, wo sie nicht am Platze ist, lediglich eine Folge unserer Gesellschaftsordnung und demnach können die Erfahrungen unserer Tage keinen Beweis dafür liefern, daß die Verlegung der Universitäten in kleinere Städte irgendwie von Vorteil ist. Übrigens wird es von der politischen Geschichte, die Österreich bis zum Übergange zum Kollektivismus durchzumachen haben wird, abhängen, ob eine gleichberechtigte Metropole für Ungarn in Budapest aufrecht zu erhalten sein wird. Die heutige Gestaltung der Universitäten wird in einer vernünftigen staatlichen Einrichtung kaum noch mehr einen Bestand haben können, ja es scheint, als hätten sie sich auch für die heutige Gesellschaftsordnung überlebt. Das Überwiegen der theologischen und juristischen Studien, obwohl diese beiden Fakultäten nichts als Abrichtungsanstalten für den praktischen Dienst der Kirche und der heutigen Staatsverwaltung sind und sie als wissenschaftliche Forschungszentren gar keinen Wert haben, ist ebenso unnatürlich, wie das Zusammenpferchen mannigfaltiger und unendlich reicher wissenschaftlicher Disziplinen in einer einzigen philosophischen Fakultät und der Ausschluß der Technik, Bodenkultur und Forstwirtschaft, dann der Kunst aus dem Bereiche der Universitäten, wonach viele ebenbürtige Gebiete geistigen Schaffens an der Universität gar nicht vertreten, viele kümmerlich vertreten, dafür aber die rückständigen Disziplinen in den Vordergrund geschoben sind. Brutanstalten des Aberglaubens stehen wahrem Wissen nicht nur gleichberechtigt an der Seite, sondern sie überwuchern und dominieren, und so wird Vieles an den künftigen Universitäten zu hohem Ansehen gelangen und als gleichwertiger Teil einer wahren _universitas scientiarium et artium_ am Hochschulleben teilnehmen, während Vieles nach und nach absterben wird, was vor 800 Jahren in Bologna oder Padua, oder in Paris eine hervorragende Rolle spielte. Es verdienten diese Wissenschaften schon heute keinen hervorragenden Platz mehr, und sie werden im Kollektivstaat nur kulturgeschichtlich in Betracht kommen. Die Universität wird als Forschungsanstalt im organischen Verbande mit der Akademie stehen und über unermeßliche Mittel für Forschungszwecke verfügen. Da der gesamte Verwaltungs-, Sanitäts- und Unterrichtsdienst mit wissenschaftlich gebildeten Personen besetzt sein soll, wird ein jährlicher Ersatz von 20,000 Abiturienten der Hochschulen erforderlich sein und es werden demnach an 100,000 Universitätshörer die Hochschule frequentieren, zu deren Ausbildung eine Anzahl von etwa 10,000 Professoren erforderlich sein wird, welche in einem Staat, wie Österreich in den verschiedenen Landessprachen zu dozieren haben werden. Die staatliche Organisation verträgt im allgemeinen keine Überproduktion auf irgend einem Gebiete. Man wird daher den Hochschulunterricht in jedem Fache auf eine gewisse, nicht allzu eng bemessene Zahl von Hörern beschränken und wird wenigstens für einen bestimmten Teil von Lehrfächern vorschreiben, welche Kollegien die Studierenden zur Ausbildung für einen bestimmten Beruf zu hören und welche Seminare sie zu besuchen haben werden. Da der Staat die Absolventen auch zu versorgen und auch Jene zu erhalten hat, die keine wissenschaftliche Tauglichkeit erlangen, wird der Staat nicht nur die Berufung an die Universität auf jene beschränken, welche sich am besten dafür eignen, sondern es wird auch zu den Obliegenheiten der Professoren und ihrer Assistenten gehören, sich von den Fortschritten der Hörer in ihren Studien zu überzeugen, wozu eben die Seminare die Gelegenheit bieten. Als stimmfähigen Bürgern des Reiches, eine Eigenschaft, die man wahrscheinlich mit dem zurückgelegten achtzehnten Jahre, also vor Eintritt in die Universitätsstudien, erlangen wird, wird den Studierenden Anteil an den öffentlichen Angelegenheiten natürlich freistehen, ja Pflicht sein, aber die politische Demonstration, wie sie in unserer Zeit betrieben wird, wird man der studierenden Jugend ganz verwehren. An den geselligen Vereinigungen sollen sich die Lehrkräfte tunlichst beteiligen. Renitente Hörer wird man heimschicken und zu Sense und Sichel greifen lassen. Auch am höheren gesellschaftlichen Leben werden die Studierenden Anteil nehmen und sie werden daher Einladungen zu Hof und von Seite des Hochadels erhalten und ebenso werden ihnen die Bildungsanstalten offen stehen, welche dem ästhetischen Bedürfnisse entgegenkommen; Theater und musikalische Veranstaltungen u. dergl. Der Wechsel der Unterrichtsfächer und des wissenschaftlichen Berufes, für den sich die Hörer ausbilden, wird zu gestatten sein, wenn es sich nicht bloß um eine Laune handelt und dabei wird es nicht darauf ankommen, ob die Studienzeit verlängert wird. Mädchen werden als gleichberechtigte Hörer zu den Universitätsstudien zugelassen werden, nach Maßgabe jedoch des Bedarfes für jene wissenschaftlichen Berufe, die den Frauen eröffnet werden. c. Die Akademie. Es wurde bereits hervorgehoben, daß die Akademie als oberste Vereinigung aller Jener, die auf dem Gebiete des geistigen Vermögens über alle hervorragen, in einem organischen Verband mit der Zentralhochschule stehen soll. Der Akademiker bekleidet den höchsten Rang im Staate, wird in der Regel aus der Reihe der Hochschulprofessoren hervorgehen, entweder durch die Wahl der Akademie selbst, mit oder ohne Bestätigung des Monarchen, seinen Platz einnehmen oder von der Unterrichtsverwaltung ernannt werden, er wird unabsetzbar sein und die größten Ehrenvorzüge und materiellen Vorteile, immer mit Ausschluß jeden Eigentums, genießen. Inwiefern seine Familie an jenen Vorteilen, so lange er lebt, teilnimmt, wird zu erwägen sein. Wenn zu den materiellen Vorteilen auch ein reicher Hausstand, ausgedehnte Wohnungs- und Repräsentationsräume gehören, werden Frau und Töchter allerdings die oberste Leitung des Hauswesens und der Hausgenossen über sich haben können, aber im allgemeinen ist der Grundsatz zu beobachten, daß Verdienste nicht vererbbar sind und der Lohn sich auf denjenigen zu beschränken hat, der sich verdient gemacht hat. Es gibt nur einen Erben, den Staat, und so erbt er auch die Verdienste. Der Akademiker kann auch zugleich Professor sein, jedenfalls werden ihm alle wissenschaftlichen Institute seines Faches für seine eigenen Forschungsarbeiten und die seiner Hilfsarbeiter zu Gebote stehen und, so wie die Zahl der Akademiker eine unbeschränkte ist, da mit der Ausdehnung und fortgesetzten Spaltung und Differenzierung der verschiedenen Wissenschaften sich immer neue Lücken auftun werden, die man auszufüllen genötigt sein wird, so wird sich auch die Akademie nach den jeweiligen Bedürfnissen in Sektionen und Unterabteilungen gliedern, welche gesonderte und Einzelberatungen möglich machen. Die Aufgabe der Akademie wird es sein, jeweilig die wichtigsten Forschungs- und Kunstziele für die nächste Zeit festzustellen und bekannt zu machen. Die Akademie wird nicht nur Forscher, sondern auch Techniker und Künstler jeder Art, welche einen alle überwiegenden Rang erklommen haben, als gleichberechtigte Mitglieder aufnehmen und sich nicht auf jene wissenschaftlichen Zweige beschränken, die heutzutage in den Akademien vertreten sind. Der naturwissenschaftlichen und astronomischen Forschungen wegen wird sich das Reich nicht mit dem vaterländischen Boden allein begnügen können, sondern wissenschaftliche Stationen in allen Teilen der Erde zu errichten trachten, welche unter der obersten Leitung der Akademie stehen. So wird der Kollektivismus auf allen Gebieten einen Fortschritt entfesseln, welcher alles übertrifft, was bisher bekannt war und für dessen Befruchtung die heutige Gesellschaftsordnung die Mittel nicht schaffen kann. Noch sei erwähnt, daß das weibliche Geschlecht von den Lehrkanzeln der Hochschulen und von den curulischen Stühlen der Akademie keineswegs ausgeschlossen sein wird, vielmehr die Lehrkanzeln für Frauenkrankheiten und das weibliche Geschlechtsleben mit Inbegriff der anatomischen, pathologischen und physiologischen Hilfsinstitute der Gynäkologie geradezu den Frauen als Forschern, Lehrern und Schülern reserviert sein werden. Die Fachabteilungen der Akademie werden auch der Verwaltung Anfragen zu beantworten und Anträge und Gutachten zu erstatten haben. Sie werden auch literarische Arbeiten begutachten. VI. Dauernde Einrichtungen und Verwaltungsbehelfe. 1. Die Wohnungsansiedelungen. Die heutigen Wohnungsansiedelungen sind für den kollektivistischen Staat ziemlich ungeeignet und nur weil eine völlige Umgestaltung innerhalb kurzer Zeit unmöglich ist, wird man sich anfangs mit den vorhandenen Wohnbauten und Ortschaften behelfen müssen. Im nachfolgenden werden die Wohnungsansiedelungen verschiedener Ordnung besprochen, wie sie mit Rücksicht auf Produktion, Verwaltung, Erziehung, Unterricht, Geselligkeit, die Bedürfnisse des Einzelnen und der Gesamtheit im Kollektivstaate einzurichten wären. Insbesondere wird man Wohnungsansiedelungen irgend welcher Art nicht in solchen Gegenden dulden oder errichten, wo erfahrungsmäßig größere Gefahren von Elementarereignissen drohen, Lawinen, Eruptionen von Vulkanen, Erdbeben, Überschwemmungen usw. a) Urgemeinden und Dörfer. Die Gemeinden niederster Ordnung, welche man bisher Dörfer oder Weiler nannte, wollen wir die Urgemeinden nennen. Sie sollen die gesamte produktive Bevölkerung beherbergen, nicht nur die der Urproduktion sich widmende, wesentlich bäuerliche Bevölkerung, sondern auch die gesamte Industrie- und gewerbliche Bevölkerung wird ausschließlich in diesen Urgemeinden und den Bezirksvororten, welche schon um eine Stufe höherer Ordnung sind, angesiedelt und dadurch dem Übelstande abgeholfen, daß der Bildungs- und Kulturstand der Bauern und der Industriebevölkerung ein wesentlich verschiedener ist. Die Dorfbewohner können unter den heutigen Verhältnissen nur eine sehr unvollkommene Schulbildung erlangen, während die in den Städten angesiedelte industrielle und gewerbliche Bevölkerung in den städtischen Volks- und Bürgerschulen eine viel höhere Ausbildung erlangen kann. Auch die Weltanschauung dieser beiden Bevölkerungsschichten ist heute eine wesentlich verschiedene. In den Dörfern hat Klerus und Religion eine viel größere Bedeutung als in der Industriebevölkerung der Städte. Und wenn diese beiden Volksschichten in den Urgemeinden und Bezirksvororten angesiedelt und die Städte nur einer ausgewählten Bevölkerung höherer wissenschaftlicher Ausbildung, dann den Hochschulen und dem Reiseverkehr vorbehalten werden sollen, so soll das nicht geschehen, um die Ausbildung der Industriebevölkerung zu verkümmern, sondern vielmehr um sie beträchtlich über das heutige Niveau hinauszuheben, aber die heutige bäuerliche oder Dorfbevölkerung ihr in der Ausbildung vollkommen gleichzustellen. Aber nicht nur dieses wesentlich soziale Bedürfnis soll durch die hier vorgeschlagene Ausdehnung der Urgemeinden und die damit zusammenhängende Verteilung der Bevölkerung befriediget werden, auch zahlreiche wirtschaftliche Vorteile hängen damit zusammen und die Ermöglichung einer, das ganze Volk umfassenden staatlichen Erziehung, ein intensiverer Landbau, eine größere Frachtökonomie und vieles andere ist davon abhängig. Auch eine wirkliche Assanierung der ländlichen =und= der städtischen Ansiedlungen ist anders, als wie die Ansiedlungen hier gedacht sind, kaum möglich. Durch diese Verteilung der Bevölkerung und die Einrichtung der Urgemeinden, welchen im Wesentlichen die nächst höhere Stufe der Wohnungsansiedelungen, die Bezirksvororte, beizuzählen sind, soll die Besiedelung der Urgemeinden auf rund 1000 Köpfe gebracht werden, welche höchstens 240 Kinder im schulpflichtigen Alter, das für den kollektivistischen Staat vom 6. bis zum 18. Jahre, also zwölf Jahre dauern soll, enthalten wird. Das gibt eine entsprechende Anzahl von durchschnittlich 20 Schulkindern in jedem der Schuljahrgänge und ermöglicht einen außerordentlich vollkommenen Volksschulunterricht, welchem entsprechend der Unterrichtsdienst, wie in V, 3, a, dargestellt, organisiert sein soll. Alle Altersstufen sind in einer solchen Urgemeinde genügend besetzt, die Geselligkeit wird eine reichhaltige sein und, hält man sich an eine solche Maximalzahl von 1000 Köpfen, so kann man die Urgemeinden nach einem gewissen Schema erbauen, hat nicht nötig der Volksvermehrung wegen die bestehenden Ansiedlungen zu erweitern, sondern wird für sie immer wieder neue Urgemeinden erbauen. Ein solches Schema für die Urgemeinden, wie es in seinen Hauptzügen nachfolgend geschildert wird, steht doch einer großen Mannigfaltigkeit und Individualisierung der einzelnen Urgemeinden, insbesondere in der Architektur, der dekorativen Ausschmückung und in der Benützung der Terrainverhältnisse nicht im Wege. Wie der Bevölkerungsstand der Urgemeinden, nicht pedantisch aber innerhalb gewisser, durch die Verwaltungsinteressen gezogener Grenzen, konstant erhalten werden kann, ist in VI, 2, genau angegeben. In der Urgemeinde wird es sich empfehlen, die eigentliche Wohnungsansiedlung von den Wirtschaftsgebäuden und Betriebsstätten zu trennen, besonders weil die Stallungen einen schlechten Geruch verbreiten und sich dort Ungeziefer und Insekten aufhalten, welche lästig werden. Auch andere Betriebsstätten verderben die Luft, daher es am besten wäre, wenn sie von der eigentlichen Wohnungsansiedlung durch einen breiten Streifen dichten Waldes getrennt wären. Die Landstraße (oder Eisenbahn, Kanal usw.) wird an den Wirtschaftsgebäuden und Betriebsstätten vorbeiführen und zwischen ihnen und der Wohnungsansiedlung eine Zweigstraße, vielleicht mit einer Geleisanlage, hergestellt werden. Die Mitte der eigentlichen Wohnungsansiedlung wird ein großer Bau -- den ich Gemeindepalast nennen will -- einnehmen, in welchem sich Küchen, Wäscherei, Keller, gewisse Arten von Bädern, dann die Versammlungssäle für die gemeinsamen Mahlzeiten und Geselligkeit, Schulzimmer, Amtsräume und Bibliothek befinden. In vier großen Gebäuden, welche den Gemeindepalast umgeben, könnten je 256, zusammen 1024 Schlafzellen (richtiger Wohnungseinheiten für die Nachtruhe) erbaut werden, nämlich in 4 Gebäuden, jedes mit 4 Flügeln, die von einer Zentralstiege aus zugänglich sind, und in jedem der vier Stockwerke, einem Hochparterre, 1., 2. und 3. Stock, je 16 Wohnungseinheiten, 8 zu beiden Seiten des Kommunikationsganges, enthalten. Diese Wohnungseinheiten würden nach Wunsch der Ortsinsassen in Wohnzellen zum Alleinbewohnen, oder größere und kleinere gemeinschaftliche Schlafgemächer, oder auch Familienwohnungen abgeteilt. Zwischen diesen fünf großen Gebäuden wären Gärten anzulegen, Freibäder und Eislaufplätze einzurichten und Verbindungen durch gedeckte Gänge herzustellen. Für gewisse Arten von Bädern wäre in jedem Stockwerke der Schlafhäuser Vorsorge zu treffen. Um die Fäkalien jeden Tag entfernen zu können, wird es sich empfehlen, die Abortgruben durch unterirdische Gänge zu verbinden und diese an einer entsprechenden Stelle ins Freie münden zu lassen. Nach bestimmten Typen wäre für Beheizung, Beleuchtung, Ventilation, gesundes Wasser, Spaziergänge usw. vorzusorgen. In manchen Beziehungen können auch Verschiedenheiten in den Gemeinden zugestanden werden, daher es sich empfehlen würde, jeder Gemeinde ein bestimmtes Maß von Aufwand, ausgedrückt in Material und Arbeit, zu dem Zwecke einzuräumen, um Gemeindeanstalten nach dem Wunsche der Ortsbewohner zu errichten, welche ihnen besondere Annehmlichkeiten bieten und eine Individualisierung der Ansiedlungen ermöglichen sollen. Man könnte an Wintergärten, Volieren, Glashäuser, Aussichtstürme, Parkwege denken. In diesen Urgemeinden, mit Einschluß der Bezirksvororte, von welchen sofort die Rede sein wird, sollen 95-98% der Bevölkerung angesiedelt sein, ja mehr noch, da in den städtischen Ansiedlungen der größere Teil der Besiedelung die Reisenden sind, wovon wieder die meisten beurlaubte Bewohner der Urgemeinde sein werden. Der allgemeine Charakter der Urgemeinden wäre also: Besiedelung nicht nur durch jene Bevölkerung, die wir heute die bäuerliche nennen und durch die Arbeiter der Urproduktion, sondern auch durch die Industrie- und gewerbliche Bevölkerung und eine große Zahl wissenschaftlich gebildeter Personen, Trennung der Wirtschaftsgebäude und Betriebsstätten von der eigentlichen Wohnungsansiedlung, in dieser Trennung der Schlafhäuser vom Gemeindepalaste und Einrichtung der Bauten für eine Gesamthauswirtschaft, welche gemeinsame Speisebereitung und die Zentralisierung aller heute familienweise betriebenen hauswirtschaftlichen Arbeiten ermöglicht. b) Die Bezirksvororte. Nach einem bestimmten Verhältnisse und teilweise dem Charakter des Landes angemessen wären nach Art der heutigen Märkte Ortschaften, die zu den Urgemeinden gehören, zu Bezirksvororten zu erweitern und sie werden etwa zwei Gemeindepaläste und sechs Schlafhäuser enthalten und Raum für 1500 Bewohner bieten. Hier werden Verwaltungsbeamte, Ärzte und Unterrichtspersonen von höherem Range ihren Sitz haben, etwa eine Fachlehranstalt für Gewerbe, Landbau, Gartenbau, Bergbau oder für Musik, bildende Kunst, Kunstgewerbe errichtet, eine größere Fabrik betrieben, größere Magazine eingerichtet und schon für Fremdenbeherbergung gesorgt, da die Reisenden, welche das Land zu Fuß durchziehen, oder sich eines Fahrrades oder Reitpferdes bedienen, nur in sehr geringer Zahl in den Urgemeinden Unterkunft finden können. Auch eine große Zahl von arbeitsbefreiten Alten, XI, 1, e, wird in den Bezirksvororten Platz finden. Hier werden größere Bücherbestände und Sammlungen untergebracht, Versammlungen der Verwaltungsbeamten, Ärzte und Lehrpersonen, dann Volksversammlungen des ganzen Bezirkes abgehalten und kleine Bühnen eingerichtet für Vorstellungen fliegender Truppen oder von Dilettanten und für größere Konzertaufführungen. Wo es ökonomische Verhältnisse gebieterisch fordern, daß viele Tausende von Arbeitern an einem Orte vereiniget werden, um in Bergwerken oder großen Fabriken zu arbeiten, wird man das vorstehende Schema der Ansiedlungen verlassen müssen. Aber das wird so viel als möglich zu vermeiden sein. c) Die städtischen Ansiedlungen. Hierher gehören nur die Kreisstädte, etwa hundert für einen Staat wie Österreich, die Provinzialstädte, etwa 10-15 für einen solchen Staat, und die Reichshauptstadt. Doch sollen, die Reisenden eingeschlossen, die Kreisstädte nur je 4000 Personen, die Provinzstädte je 15-20,000 Personen, die Reichshauptstadt nur 400,000 Personen beherbergen können. Die stabile Bevölkerung werden nur die höheren Behörden und Unterrichtsanstalten mit einem kleinen Stabe von Handwerkern und hauswirtschaftlichen Arbeitern (Köchinnen, Wäscherinnen, Stubenmädchen u. dergl.) bilden und in der Reichshauptstadt außer der kaiserlichen Familie und dem hohen Adel, wenn ein solcher fortbesteht, die Beamten der Zentralbehörden, die Akademiker, Universitätsprofessoren und Hochschüler bleibend wohnen. Die städtischen Ansiedlungen sollen in Quartiere zerlegt werden, deren jedes tausend Personen beherbergen und verpflegen kann. Ein solches Quartier untersteht der Leitung eines Verwaltungsbeamten untersten Ranges und verfügt über dasselbe ärztliche Personal, wie eine Urgemeinde. Ob aber auch das Erziehungs- und Unterrichtspersonal für ein Quartier aufgestellt wird, wie für eine Urgemeinde, hängt von Umständen ab. Es mag eines der Quartiere einer Kreisstadt eine Volksschule haben für die Kinder der wenigen dauernd angesiedelten Familien. Aber Quartiere, welche nur Studenten oder Reisende aufnehmen, brauchen keine Volksschule. Ähnliche Verhältnisse werden für die Provinzialstädte und die Reichshauptstadt gelten. Eine ganze Reihe von Quartieren solcher Städte brauchen keine Volksschulen und kein Volkserziehungspersonal. Die Urgemeinden eines Bezirkes würden mit dem Bezirksvororte und dieser mit der Kreisstadt durch Telephone verbunden, welche von den Amtslokalitäten direkt zu den Amtslokalitäten gingen; weiterhin würde eine telephonische und eine telegraphische Verbindung von den Kreisstädten zu den Provinzstädten und von hier zur Reichshauptstadt führen. Diese Verteilung der Ansiedlungen und ihre hier vorgeschlagene Einrichtung muß man sich vor Augen halten, um die sonstigen organischen Einrichtungen, wie sie im nachfolgenden entworfen sind, zu verstehen, wobei kein einziger Vorschlag als etwas Unabänderliches oder das Beste gedacht ist, aber die Orientierung bieten soll, welche Vorteile die Zentralisation von Produktion und Verteilung und die Naturalwirtschaft der individualistischen Gesellschaftsordnung gegenüber für Ökonomie, Kultur und die höchsten Gesellschaftszwecke haben würde. Während im Kollektivismus das allgemeine Interesse immer den Vorrang hat und der Individualismus nur geduldet wird, wo er sich als nützlich erweist, also nicht in wirtschaftlichen Dingen, ist in unserer Gesellschaftsordnung der Staat von den Individuen abhängig, welche sich im Besitze der politischen Macht befinden. In unserer Gesellschaftsordnung ist der Staat nur geduldet und er wird von den herrschenden Parteien für ihre Zwecke ausgebeutet. Der Kollektivismus macht dem ein Ende. Je genauer und ausschließlicher die gesamten Wohnungseinrichtungen den hier geschilderten kollektivistischen Charakter an sich tragen werden, um so schwieriger werden sie es machen, wieder zum Individualismus zurückzukehren, daher revolutionäre Angriffe, weil gegenstandslos, nicht mehr zu fürchten sind. 2. Die Verteilung der Bevölkerung. Nach den in VI, 1, a, entwickelten Grundsätzen wären die Urgemeinden für je 1000 Bewohner einzurichten und die eigentlich städtische Bevölkerung in den Kreisstädten, Provinzialstädten und der Reichshauptstadt würde selbst in einem großen Reiche weniger als eine Million betragen. Ein großer Teil der städtischen Quartiere würde zur Beherbergung von Reisenden dienen. Wenn in unserer Zeit es zahlreiche Städte mit einer Bevölkerung von mehr als 100,000 Bewohnern gibt und die Reichshauptstädte Millionen von Bewohnern zählen, so ist das eine offenbare Krankheit, welche im innigsten Zusammenhange mit der Gesellschaftsordnung steht. Die sanitären Übelstände der Riesenstädte sind schon oft erörtert worden, aber hier werden die sozialen und volkswirtschaftlichen Vorteile einer anderen Verteilung der Bevölkerung zur Sprache kommen. Im allgemeinen hätte jeder Volksgenosse das Recht, im Lande zu wohnen, ohne eigentlich ein Heimatsrecht in einer bestimmten Gemeinde zu haben. Als Grundsatz hätte zwar zu gelten, daß jeder in der Gemeinde dauernd bleibe, wo er geboren wurde, aber davon würde eine Reihe von Ausnahmen gemacht werden. Zunächst würde sich ein solches Recht, im Geburtsorte dauernd zu wohnen, nicht auf die städtischen Quartiere erstrecken, in welche nur ausgewählte Personen zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder Einzelne ohne Beruf zur Belohnung ihrer persönlichen Verdienste aufgenommen würden, wodurch aber ihre Ehegenossen und Kinder kein eigenes Recht erlangen würden, vielmehr einer Urgemeinde zugeschrieben blieben. Bis zu einem gewissen Alter würden die Kinder von ihrer Heimatszugehörigkeit abgesehen, den Eltern in ihren Wohnsitz zu folgen haben und ebenso in der Regel die Frau dem Manne. Letztere Regel könnte eine Ausnahme erleiden, wenn die Frau eine hervorragende Stellung einnehmen würde, wodurch sie an einen bestimmten Ort gebunden ist, während der Mann eine untergeordnete Stellung einnähme, für welche das Domizil weniger entscheidend wäre. Eine Veränderung des Domizils wäre teils mit Einwilligung der Staatsverwaltung gestattet, teils mit dem Wechsel des Berufes oder einer Anstellung von selbst gegeben. Besonders liberal würde die Veränderung des Wohnsitzes jenen zugestanden werden, die von der geregelten Arbeit befreit sind, sei es wegen Erreichung der Altersgrenze, oder erblich, oder als Lohn für hervorragende Dienste, oder weil ihnen vom Staate die Ausübung eines Berufes gestattet wäre, der naturgemäß an einen bestimmten Wohnsitz nicht gebunden ist. Siehe VIII, 9, n. Da die Wohnstätten gleicher Art nicht so vollständig gleiche Annehmlichkeiten bieten,[10] daß es jemand ganz gleichgültig sein könnte, in welcher Gemeinde oder in welchem Quartier er wohnt, und da auch die Nachbarschaft von Freunden, Verwandten oder von gleichstrebigen Personen den Wunsch, da oder dort zu wohnen, bestimmen kann, wird innerhalb der Grenzen der Verwaltungsinteressen die freie Wahl des Wohnortes als Lohn bewilligt, die unerwünschte Versetzung als Strafe verhängt werden, wie es auch heute mit Offizieren und Staatsbeamten gehalten wird. Dabei wird aber auch das Mitinteresse der Familienmitglieder in Betracht kommen. Verwaltungsinteressen können in Frage kommen, welche aus der Verteilung der Betriebsstätten oder aus der Stellung eines Individuums im Amte oder an einer Betriebsstätte hergeleitet werden. Ein qualifizierter Arbeiter einer bestimmten Art von Fabriken wird immer nur in einer Fabrik gleicher Art Verwendung finden können, und vorausgesetzt, daß dort eine Stelle für ihn frei wird. Das Verwaltungsinteresse kann auch bedingen, daß jemand von einem Orte wegversetzt wird, der übervölkert ist, oder nach einem Ort versetzt wird, der neu erbaut wird, oder entvölkert ist, oder wo eine freie Stelle besetzt werden muß. [10] Hier wird schon eine Frage der Verteilung von Genüssen besprochen. Ob es im Interesse der Produktion gelegen sein wird, auch in Zukunft vereinzelte Wohnstätten außerhalb der geschlossenen Ortschaften, z. B. auf einer Alpe anzulegen, wird die Erfahrung lehren. Auch hier wird die Versetzung an solche einsame Gehöfte als Lohn oder als Strafe zu gelten haben. Eine Familie aber, welcher erziehungs- und schulpflichtige Kinder angehören, wird nur in geschlossenen Ortschaften wohnen können. Ein junges Ehepaar wird vielleicht recht gern die Honigwochen auf einer Alpe oder in einem einsamen Gehöfte verbringen. Im Interesse der gleichmäßigen Verteilung der Bevölkerung auf die Gemeinden und im Interesse einer gleichmäßigen Besetzung der Schulklassen wird es liegen, zeitweilig kleine, unmerkliche Verschiebungen der Bevölkerung vorzunehmen, wobei vor allem die Zustimmung der Beteiligten entscheidend sein wird. Da aber vielen Menschen der Veränderungstrieb angeboren ist, so wird dies ohne große Reibung möglich sein. Wenn auch die Gewöhnung an eine bestimmte Gegend und Gemeinde, an Freunde und Verwandte die meisten Bewohner einer Gemeinde fesseln wird, so wird sich bei einigen auch ein entgegengesetztes Bestreben geltend machen und dieses kann benützt werden, um eine unmerkliche Verschiebung von einer Gemeinde zur Nachbargemeinde und so fort vorzunehmen, damit die Verteilung der Bevölkerung tunlichst konstant erhalten bleibe. Dabei werden am meisten Personen in Frage kommen, die einem geeigneten Berufe angehören, landwirtschaftliche Arbeiter und Fabrikarbeiter.[11] [11] Hier wird es klar, welche enormen Vorteile die Aufhebung des Privateigentums bietet, da das Eigentum an Häusern und Grundstücken auch eine sehr erwünschte Beweglichkeit der Einzelnen verhindert. Da bei einer Bevölkerung von 45 Millionen und einem Jahreszuwachse der Bevölkerung von 5 vom Tausend die Bevölkerung in Österreich jährlich im ganzen um 200,000 bis 250,000 Köpfe zunimmt, so wird es sich empfehlen die Urgemeinden jährlich um 2-300 zu vermehren und so viele Urgemeinden jährlich neu aufzubauen, welche zur Aufnahme des zu erwartenden nächsten Jahreszuwachses erforderlich sind. Es ist das bei konstanten Verhältnissen leicht auf Jahre hinaus zu berechnen. Ob die Staatsverwaltung darüber und über die Verlegung gewisser Betriebsstätten nach der neuen Gemeinde und über die Zuweisung von Grund und Boden, Nutztieren usw. an dieselben, selbständig zu entscheiden haben wird, oder ob darüber Volksbeschlüsse einzuholen sind, wird die Verfassung oder der jeweilige Volkswille bestimmen. Auch die Besiedlung der Gemeinden wird Gelegenheit geben, eine Verschiebung der Bevölkerung in der oben angedeuteten Richtung vorzunehmen, da es die Natur der Sache mit sich bringt, daß die Bewohner der neuen Urgemeinden vorzüglich aus übervölkerten Gemeinden genommen werden. Da durchschnittlich in jedem Kreise jährlich 2-3 neue Urgemeinden aufgebaut werden, dürfte die Entscheidung, welche Familien und Einzelpersonen dahin übersiedeln sollen, den Kreisbehörden überlassen werden, nur insofern jemand aus anderen Kreisen oder Provinzen dahin verpflanzt werden soll, wird die Verfügung von der Provinzialbehörde oder den Zentralstellen zu erlassen sein. Da anzunehmen ist, daß diese Urgemeinden von Jahr zu Jahr reicher ausgestattet werden, weil das dem Fortschritte der Erfindungen entspricht, muß man vermuten, daß sich immer mehr Personen zur Übersiedlung anmelden, als neue Wohnstellen frei werden und die administrativen Interessen werden bei der Auswahl unter den Bewerbern den Ausschlag geben. Im Ganzen gibt es also Hilfsmittel genug, um eine im großen und ganzen den staatlichen Interessen entsprechende Verteilung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Eine absolute Freizügigkeit kann natürlich nicht zugestanden werden, schon deshalb nicht, weil der Staat Alleineigentümer aller Wohnbauten ist, also niemand ohne Erlaubnis des Staates sich irgendwo niederlassen kann. Aber praktisch wird die freie Beweglichkeit von Ort zu Ort viel größer sein, als in den heutigen Verhältnissen. Wenn, allen Vorsichten bei der Anlage zum Trotze, durch Brände, Erdbeben, Bergrutschungen und andere Elementarschäden dieser Art Wohnungen zerstört werden, werden die obdachlosen Bewohner sofort in anderen Häusern, erforderlichenfalls in anderen Gemeinden untergebracht werden nach dem Grundsatze, daß alle Güter für alle Volksgenossen bestimmt sind. In unserer Gesellschaftsordnung ist das mit der größten Schwierigkeit verbunden. 3. Die Evidenthaltung der Bevölkerung. Die Wohngemeinde eines Kollektivisten ist in der Regel auch seine Aufenthaltsgemeinde, wobei aber die tunlichst freie Bewegung innerhalb des ganzen Bezirkes gestattet werden soll, sodaß nicht nur am Sonntag der freie Verkehr im ganzen Bezirke wird stattfinden können, sondern auch den Erwachsenen freigestellt werden kann, das Abendmahl gegen rechtzeitige Meldung in einer anderen Gemeinde des Bezirks einzunehmen oder selbst dort die Nacht zu verbringen, wenn nur die Arbeit nicht versäumt wird. Außerdem aber kann ein Kollektivist auch sonst dauernd oder vorübergehend den Aufenthalt außerhalb der Wohngemeinde und des Wohnbezirkes nehmen. So dauernd ein noch in der Erziehung stehendes Kind oder ein junger Mensch, wenn er fern von seiner Familie in eine Unterrichtsanstalt aufgenommen wird, in welchem Falle seine Mutter oder Wahlmutter eine Pflegemutter zu bestellen hat, die nebst dem Erziehungspersonal die Aufsicht führt, und Erwachsene können durch ihren Beruf genötigt werden, auf längere Zeit außerhalb des Wohnbezirkes Aufenthalt zu nehmen, so Bedienstete der Verkehrsanstalten, oder bei einem Bau Beschäftigte, Abgeordnete, III, 3, _1. Alinea_ oder auch Arbeitsbefreite, welche auswärts Besuche machen. Vorübergehend ist der auswärtige Aufenthalt der Reisenden, sei es, daß sie beurlaubt sind, oder daß Arbeitsbefreite eine Reise unternehmen, ohne ihren Wohnsitz aufzugeben. In der Wohngemeinde und im Wohnbezirke soll jedermann sobald als möglich mit der ganzen Bevölkerung bekannt gemacht werden, wenn er seine Wohngemeinde wechselt. Er ist schon vorher vom Verwaltungsbeamten der verlassenen Gemeinde (Quartier) dem Verwaltungsbeamten der neuen Wohngemeinde (Quartier) angemeldet und es ist ihm Herberge und Verpflegung bereits bereitet. Er muß sich zunächst dem Verwaltungsbeamten, dem Arzt und dem Haushaltungsvorstand und wenn er in Arbeit steht, dem Arbeitsvorstande, vorstellen und sich dann mit dem Aufsichtspersonale des Schlafhauses bekannt machen, wo ihm sein Zimmer angewiesen wird. Man wird darauf halten, daß er bei der ersten gemeinsamen Mahlzeit von einer kleinen Tribüne aus die neue Wohngemeinde (Quartier) begrüßt und Namen, Beruf und frühere Wohngemeinde bekannt gibt. Näher wird er sofort mit den Tischgenossen bekannt. Am nächsten Sonntag soll er sich mit der Beamtenschaft des Bezirksortes und nach und nach mit der Bevölkerung der anderen Gemeinden des Wohnbezirkes bekannt machen. Gehört der Neuangekommene der Beamtenschaft an, so wird er sich auch im Kreisorte beim Abendempfang des Kreisbeamten diesem vorstellen und soviel als möglich mit anderen Personen von Stellung persönlich bekannt machen, soweit er noch fremd ist. Wer sich außerhalb des Wohnbezirkes begibt, sei es, daß er beurlaubt ist und reist, oder sonst dauernd oder vorübergehend Aufenthalt nimmt, hat seine Legitimationskarte, eventuell Reisebewilligung mitzubringen. Die Legitimationskarte enthält die Photographie des Trägers, Namen, Beruf und Wohngemeinde, zur Identifizierung die anthropometrischen Maße und eventuell geheime Mitteilungen, so über ansteckende Krankheiten, Verlust des Stimm- und Wahlrechtes, besondere Diätanweisungen u. dergl. Es soll sich kein Unberufener einer fremden Legitimationsurkunde bedienen können. Einheimische Reisende sollen angehalten werden, die Aufenthaltsgemeinde, wo sie übernachten, täglich mittels Postkarte dem Verwaltungsbeamten der Wohngemeinde bekannt zu geben. Legitimationen der Ausländer werden in XII, 2, _Alinea_: »Es wird« besprochen. Es soll kein Einheimischer verloren gehen, kein Ausländer sich einschleichen können. So kann man sich vor auswärtigen Verbrechern schützen und gegen diesen Vorteil haben die Annehmlichkeiten der Anonymität keine Bedeutung. 4. Die Kommunikationen. a) Eisenbahnen, Schiffahrt. Der heutige Staat wird dem Kollektivstaat auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues nicht viel zu tun übrig lassen. Selbst Kleinbahnen zu bauen wird dieser kaum einen Anlaß haben. Vielleicht wird es sich eher um fliegende Bahnen handeln, welche in bestimmten Fällen von Vorteil sein mögen. So beim Aufbau ganzer Ortschaften, bei der Abholzung ganzer Waldstrecken usw. Dagegen wird es immer an den Einrichtungen der bestehenden Eisenbahnen, an ihrer Ausrüstung und der Ausnützung etwas zu verbessern und zu ergänzen geben. 1. Ihre Benützung für allgemeine Zwecke. Für allgemeine Zwecke dient der Personentransport der Eisenbahnen beinahe gar nicht, der Gütertransport aber kommt wieder beinahe ausschließlich für die Zwecke der Gesamtheit in Betracht. Es kann sein, daß der Personen- und der Gütertransport zeitlich getrennt werden, daß nämlich Lastzüge nur zur Nachtzeit, Personenzüge nur zur Tageszeit verkehren, wie vormals in der Schweiz. Das würde nicht ausschließen, daß jeder Personenzug auch eine geringe Menge von Gütern, das Reisegepäck ungerechnet, und daß der Lastzug auch eine kleine Anzahl von Personen mit befördert, letztere besonders, wenn sie in Amtsgeschäften reisen. Was den Gütertransport anbelangt, so wird er beinahe nur Massentransport sein und es werden beinahe nur ganze Wagenladungen, oft ganze Züge von einer Betriebsstätte zur anderen oder an eine oder mehrere nahe gelegene Abladestellen abgehen. Eine Papierfabrik, eine Weberei, eine Gießerei, eine Holzwarenerzeugungsstätte wird immer trachten, nur ganze Wagen zu verladen, oder nur für einen bestimmten Ort Güter zu verfrachten. Eigene Züge werden die wenigen kleinen Sendungen aufnehmen, welche in verschiedenen Orten abzuladen sind. Besonders wichtig ist die rasche Beförderung der Zeitungen VI, 7. Diese kann durch eigene Blitzzüge geschehen, welche in keiner Station anhalten. In diesem Falle werden die an den Stationen abzuladenden Zeitungspakete entweder ausgeworfen, oder auf bewegliche Behälter, die der Zug streckenweise mitnimmt, abgeladen. Das Auswerfen von Sendungen ist auch heute im Gebrauche, aber nur, wo die Eisenbahnverwaltung an ihre eigenen Organe versendet. Ebenso kann es mit kleinen Sendungen gehalten werden, die ausnahmsweise eine besonders dringende Beförderung notwendig machen. Solche Blitzzüge würden selbst nach den heutigen Einrichtungen der Dampfeisenbahnen in Österreich den Transport vom Mittelpunkt des Reiches bis an die entfernteste Grenze in 6-8 Stunden bewerkstelligen können, so daß Zeitungen, die um Mitternacht von der Reichshauptstadt abgeschickt werden, zwischen 8 und 10 Uhr morgens in allen, auch von der Eisenbahn entfernten Urgemeinden eintreffen können. Die Beförderung der Transporte wird also viel ökonomischer und rascher sein als heute. Aber auch der Betrieb der Eisenbahnen im Kollektivstaat ergibt eine große Menge von Ersparnissen. Absender und Empfänger ist immer derselbe, Staatsorgane senden Güter an Staatsorgane und auch wo es sich um Einzelne handelt, sind die Staatsorgane ihre Mandatare. Kassen und Kontrolle entfallen, Verrechnungen und Ersätze werden erspart und das Begleitungspersonal könnte gewiß sehr vermindert werden, wenn nicht die übertriebene Ausnützung des Personals in der heutigen Gesellschaftsordnung einer humaneren Behandlung der geringeren Eisenbahnbediensteten Platz machen und aus diesem Grunde eine Vermehrung des Personals nach anderer Richtung wieder stattfinden müßte. Dabei kommt nun weiters in Betracht, daß im Kollektivstaat, wenn obige Vorschläge für die Verteilung der Bevölkerung angenommen werden, die Gütertransporte der Eisenbahnen im Verhältnisse zur Gesamtmenge der Produkte vermindert werden. Es wird ein viel größerer Bruchteil der Produkte am Produktionsort oder in dessen Nähe konsumiert und im letzteren Falle der Transport mit Pferden betrieben und auch die Pferde verfrachten wieder mit geringerem Aufwand an Zugkraft und geringerer Begleitung. Inwiefern die Straßengüterfrachten durch Automobile statt der Pferde werden befördert werden, ist eine bloße Frage der ökonomischen Berechnung, wofür der Staatsverwaltung alle entscheidenden Daten vorliegen. Dabei wird in Betracht kommen, ob nicht die Pferdezucht zu anderen Zwecken und nicht bloß für den Transport, volkswirtschaftliches und militärisches Bedürfnis sein wird, wobei sich vielleicht ergeben wird, daß ein bestimmter Pferdestand unbedingt erhalten werden muß, dessen Ausnützung für Transportzwecke aus diesem Grunde ökonomischer ist, als ein Automobiltransport, der vielleicht dann ökonomischer wäre, wenn man die Pferde ganz eingehen lassen könnte. Der Kollektivismus hat in vielen Einzelheiten eine ökonomische Berechnung, die für unsere Verhältnisse nicht zutreffend wäre. 2. Ihre Benützung für die Zwecke des Einzelnen. Hier kommt vorwiegend der Personentransport in Betracht. Geschäftsreisen werden im Kollektivstaate nur wenige und nur als Dienstreisen vorkommen. In unseren Verhältnissen sind es Agenten, Kaufleute, Marktfahrer, Anwälte, Zeugen und Streitparteien, welche die Waggons füllen. Mit dem Wegfallen des Handels und der Verminderung der Streitigkeiten wird das anders. Im Kollektivstaat ist es das Vergnügen und die Belehrung, welchen die Bahnen als Personentransportanstalten dienstbar sind. Man wird für Österreich annehmen können, daß es zur Zeit der Errichtung des Kollektivstaates mehr als 6000 deutsche Meilen Vollbahnen und ebensoviel Kleinbahnen haben wird, deren Erweiterung sich für die geänderten Verhältnisse kaum als wünschenswert erweisen wird, wenn auch die Verteilung der Bevölkerung in Zukunft eine andere sein wird. Diese geänderte Verteilung wird übrigens die Wirkung haben, daß die Personenzüge eine gleichmäßigere und nicht eine so schwankende Besetzung haben werden. Denn wo ungeheure Bevölkerungszentren mit kleinsten Orten abwechseln, bemerkt man ein plötzliches Gedränge, das mit völliger Entlastung abwechselt. Es ist sehr fraglich, ob der Kollektivstaat etwaige Lücken, welche sich in den Eisenbahnen vorfinden mögen, ergänzen, und nicht lieber andere Beförderungsarten einschieben wird. Die Beförderungsmengen sind im Kollektivstaat viel konstanter als heute, und sie sind viel leichter und vollständiger zu ermitteln, daher die ökonomische Berechtigung neuer Bahnen mit absoluter Sicherheit im vorhinein festzustellen sein wird. Eher als eine Vermehrung der Vollbahnen wird für die Reisen innerhalb der Bezirke und von den Urgemeinden zur Bahn das Fahrrad, dann das Automobil, unter Umständen der Automobilomnibus, und für die gebirgigen Gegenden die elektrische Kleinbahn in Betracht kommen. Wenn im Kollektivstaate Eisenbahnen oder neue Straßen oder ähnliche große Anstalten ausgeführt werden, ist der Arbeitsaufwand viel geringer als heute. Aller Besitz ist in =einer= Hand und es entfallen alle jene Geschäfte die notwendig sind, um die Geldmittel zu beschaffen, Arbeitsleute anzuwerben, Grund und Boden anzukaufen und die vielen Schwierigkeiten zu beheben, die entgegenstehende Privatinteressen verursachen. Die Volksbeschlüsse, welche sich auf den Bau neuer Eisenbahnen, Kanäle und anderer solcher Kommunikationen beziehen, werden wahrscheinlich zu jenen gehören, welche nach III, 3, _Alinea_ »Das souveräne Volk« Anlaß geben, ausnahmsweise Abgeordnete zu wählen, obwohl auch solche Fragen in der Schweiz heute schon durch das Referendum entschieden werden, wenigstens insofern es sich um den Ankauf solcher Unternehmungen für den Staat handelt, wobei wir allerdings in Betracht ziehen müssen, daß ein fertiges, seit langem betriebenes Unternehmen leichter vom Volke beurteilt werden kann, als ein Projekt für die Neuschöpfung solcher gewaltigen Unternehmungen. Die Volksbeschlüsse aber, welche sich auf den für den Personentransport bestimmten =Betrieb= der Eisenbahnen und wohl auch anderer großen Kommunikationsanstalten beziehen, werden in der Art erfolgen, daß der Staatsverwaltung vorgeschrieben wird, wie viele Personenzüge regelmäßig jede Strecke zu befahren haben und unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaße Sonderzüge einzuleiten sind. Auch die Geschwindigkeiten der Züge und die Zahl der bei den einzelnen Zügen einzustellenden Personenwagen werden durch Volksbeschlüsse vorgeschrieben werden. Dem entsprechend wird dann die Verwaltung alles einzuleiten haben, was dieser Verkehr bedingt. Ist die Gesamtlänge der Eisenbahnen z. B. für Österreich-Ungarn 12,000 deutsche Meilen, welche viermal, zweimal hin und zweimal zurück mit je soviel Sitzplätzen zu befahren sind, so ergibt das 48,000 Zugsmeilen täglich, wodurch die Produktionsmenge festgestellt erscheint. Andererseits würden für die Verteilung der Plätze auf den Zügen allgemeine Normen erlassen. Der Staatsverwaltung Vorschriften wegen des Betriebes der Transporte zu machen, wird weder notwendig noch zweckmäßig sein, weil die Transportbewegung von Produktion und Konsumtion (im weiteren Sinne, wonach auch Bezug von Sachen zur Benützung als Konsum gerechnet wird) abhängt und es sich nur um Ökonomie in der =Disposition= über die Güterverfrachtung handelt. Das ist nun offenbar Verwaltungssache und diese Dispositionen hängen auch von Umständen ab, die nicht vorauszubestimmen sind, so von Ernteergebnissen und von Elementarereignissen. Der Gütertransport ist übrigens ein integrierender Bestandteil des Produktionsbetriebes, weil die Produktion erst beendet ist, wenn die Güter am Verbrauchs- beziehungsweise am Benützungsorte angelangt sind. Daher geht jeder Warentransport für Rechnung des ganzen Volkes, nicht für Rechnung des Konsumenten, während heute die größere Entfernung vom Erzeugungsorte größere Kosten für den Konsumenten verursacht. Hierin liegt einerseits eine Versicherung des Einzelnen gegen den Zufall, der in der Ortsansässigkeit begründet ist, andererseits aber der große wirtschaftliche Nutzen, der in der Ersparung einer großen und wichtigen Arbeit für Spekulation, Verträge und Verrechnung begründet ist, wie auch andererseits die Verfrachtung ausschließlich für Rechnung des Staates allen Aufwand an Arbeit für Frachtversicherung entbehrlich macht. Übrigens werden diese volkswirtschaftlichen Vorteile des Kollektivismus zum größten Teile dort in Anschlag kommen, wo die Kosten der heutigen Gesellschaftsordnung an Handelsarbeit erörtert werden.[12] [12] Was die Lage des Domizils heute für Wirkungen hat, empfinden die Beamten und Offiziere, die an manchem Orte um 20-30 Prozent teurer leben, als am andern, daher das durch Teuerungsbeiträge ausgeglichen wird. So gewährt der Staat =seinen= Organen heute in etwas roher Art das, was er als Kollektivstaat =allen= gewähren muß. Die Preisdifferenz zwischen verschiedenen Provinzen Österreichs in den Jahren 1830-1880, allerdings =vor= Entwickelung des Eisenbahnwesens, beträgt beispielsweise für Roggen 1832 2.11, gegen 4.33, 1833 1.65, gegen 5.16, 1845 3.02, gegen 6.24, 1848 3.76, gegen 7.50, 1879 3.98, gegen 8.80, und für Gerste 1830 1.51, gegen 5.50, 1839 2.28, gegen 5.79, 1848 2.85, gegen 6.27, 1880 4.37, gegen 9.36, also von 1 : 2 bis 1 : 3. Wie einfach löst der Kollektivstaat diese Frage und zugleich erspart er die Arbeit in den Administrationen. So wie die Eisenbahnen, werden auch die Kanäle und die Schiffahrt auf Seen und Meeren für Rechnung des Staates und vorzüglich zur Frachtenbeförderung betrieben werden. Aber alle diese Kommunikationen dienen auch zur Personenbeförderung und zwar für Inländer mit Ausschluß der Geldwirtschaft. Daher werden die Anweisungen auf Beförderung von Reisenden nicht von den Verwaltungsämtern der Kommunikationsanstalten, sondern von den Verwaltungsbeamten des Domizils des Reisenden ausgefertigt. Der beurlaubte Arbeiter, der in eine andere Gemeinde versetzte Arbeiter erhält die erforderliche Anweisung auf Beförderung von seinem Verwaltungsbeamten. Fremde erhalten sie von den Verwaltungsbeamten der Einbruchstationen; Pensionisten gleichfalls von dem Verwaltungsbeamten des Domizils. Die Bewohner von Ortschaften, die an der Bahn, oder an Kanälen, Seen oder Meeresufern gelegen sind, können für beschränkte Entfernungen Anweisungen auf Beförderung für jeden Tag oder gewisse Wochentage erhalten, insofern dadurch der Dienst nicht gefährdet wird, und diese Anweisungen ersetzen die heutigen Abonnements. Das kann für Zusammenkünfte mit Verwandten und Freunden oder Versammlungen von größtem Interesse sein. Wer auf solche Anweisungen Anspruch hat, bestimmen die Verteilungsgesetze. Ebenso bestimmen sie, wem Pferd und Wagen zu überlassen ist. Wahrscheinlich wird man eine Anzahl von Wagen, dann auch Reittiere, den Beamten, Ärzten und Lehrpersonen in jeder Gemeinde und Quartier nicht nur für Dienstfahrten, sondern auch für Lustfahrten und als Reitgelegenheit zuweisen. In größerem Maße wird man natürlich in den Städten Reitpferde und Wagen aufstellen. b) Automobile. Ob solche zum Transport von Waren und zum Massentransport von Personen zur Verwendung gelangen, wird ein Gegenstand ökonomischer Berechnung sein. Es ist wahrscheinlich, daß für größere Städte, die aber weniger besiedelt sind, als heute, das Automobil als allgemeines Verkehrsmittel gute Dienste leisten könnte. Als Sport wird das Volk die Automobilfahrt schwerlich betreiben können. Was den Aufwand für Automobile anbelangt, so würden die dynastische Familie und der Adel denselben aus den ihnen angewiesenen Mitteln bestreiten können und ebenso werden die Verteilungsgesetze bestimmen, welchen Personen, die die höchsten Stellen erklommen haben, Akademikern, Künstlern, Erfindern usw. Automobile und die Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen sind. Allein die Gefährdung von Personen und Sachen durch diesen Sport wird man nicht dulden. Was den Transport und nicht nur den Transport auf den Eisenbahnen und mit Maschinenbetrieb, sondern auch den Transport mit Zugtieren anbelangt, so ist er im Kollektivstaat schon deshalb viel ökonomischer, weil er durchaus Massentransport ist. Die Versorgung der Produktionsstätten, die nicht an einer Eisenbahn liegen, mit Material wird auch nicht in geringen Mengen, sondern auch nach Tunlichkeit in Wagenladungen erfolgen. So braucht eine Schuhmacherwerkstätte viele Hunderte von Zentnern Leder, die Bekleidungsindustrie und Wäschefabrikation viele Tausende von Metern Stoff in einem Jahre, wobei übrigens zu bemerken ist, daß höchstwahrscheinlich Stoffe und Leder schon in den Webereien und Gerbereien zugeschnitten, auch Holz im Walde nahezu fertig bearbeitet werden wird, was bei der Massenfabrikation im Kollektivstaate das natürlichste ist.[13] [13] Aus Pohlmanns »Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialismus«, II. Seite, 165, ersehen wir, daß schon im griechischen Altertum die Arbeitsteilung soweit vorgeschritten war, daß es ein besonderes Zuschneidegewerbe gab und wie es scheint, nicht bloß für Schuhwerk, sondern auch für Kleider. Die enge Zentralisation der Pferdetransporte ergibt auch bei diesen eine große Ersparnis an Begleitpersonen. 5. Telegraph und Telephon. Beide Einrichtungen haben allgemeinen und privaten Zwecken zu dienen und, da die ersteren die wichtigeren sind, ist bei der Anlage beider vor allem den Bedürfnissen der Verwaltung Rechnung zu tragen. a) Ihre Einrichtung und Benützung für allgemeine Zwecke. Telegraph und Telephon haben sich der staatlichen Organisation anzuschließen, daher sie die Reichshauptstadt mit allen Provinzialstädten, diese mit den Kreisstädten, die Kreisstädte mit den Bezirksorten und die Bezirksorte mit den Urgemeinden zu verbinden haben. Bei den Verbindungen auf größere Entfernungen hat der Telegraph, in den kleineren Verzweigungen das Telephon, die größere Bedeutung. Inwiefern in den Gemeinden wieder eine Verzweigung des Telephons einzurichten wäre, ist eine Frage der Ökonomie. Selbstverständlich ist eine solche Verzweigung in den städtischen Gemeinden, aber auch in den Urgemeinden wird eine Abzweigung vom Gemeindepalast nach den Wirtschaftsgebäuden, vielleicht auch nach verschiedenen Teilen des Gemeindepalastes und nach den Schlafhäusern sich empfehlen. Ebenso könnte man an fliegende Leitungen nach einzelnen Arbeitsstellen denken, so nach den Feldern, Wiesen, und Wäldern, wenn die Entfernung dafür spricht, daß dadurch ökonomische Vorteile erzielt werden. Die Verzweigung des Telephons bis in die Gemeinden erfordert keinen Aufwand, der größer wäre, als man schon heute macht, denn es würden dadurch im Ganzen nur 50-60,000 Sprechstellen für einen Staat mit 45 Millionen Einwohnern bedingt. Für die Verwaltung hat eine solche Verzweigung, vorzüglich des Telephons, die allergrößte Bedeutung, da sich diese Bedeutung für alle größeren Produktionsstätten längst erwiesen hat und jede Urgemeinde eine Produktionsstätte im großen Maßstabe ist. Alle Mitteilungen öffentlicher Natur werden so in kürzester Zeit allgemein verbreitet und es würde im Falle einer Kriegserklärung möglich sein, innerhalb einer Stunde das ganze Volk aufzurufen.[14] [14] Die Fernsprechleitung zur Verbindung aller Gemeinden mit den Bezirksvororten, dieser mit den Kreisstädten, der Kreisorte mit den Provinzialorten und dieser mit der Zentrale würde in Österreich-Ungarn zirka 50,000 Kilometer Leitungsdrähte und 60,000 Sprechstellen erfordern. Deutschland aber hatte schon 1899 195,000 Sprechstellen, aber allerdings viel geringere Leitungslänge. Jedes Verwaltungsamt würde in die unmittelbarste Verbindung mit jenen Kommunikationen gebracht. Besonders die Verwaltungsbeamten für Urgemeinden, Bezirke und Kreise würden das Telephon entweder in ihrem Arbeitszimmer, oder in einem ganz nahe gelegenen Raume haben, und keiner Hilfskräfte bedürfen, um untereinander zu verkehren. Da im Bezirksorte und den Kreisstädten oft Verbindungen des Telephons herzustellen sein werden, wird eine Bedienung des Telephons zu diesem Ende allerdings notwendig sein, aber man wird darum keine Beamten anstellen, sondern den Dienst durch das hauswirtschaftliche Personal versehen lassen. Besonders würde sich dazu jener Mann oder jene Frau eignen, welche im Bibliotheksaale ohnehin zu schaffen hat und in diesem Falle würde auch dort die Telephonzentrale ihren Platz haben. Es gibt auch noch andere Dienstleistungen, die an einen bestimmten Raum im Gemeindepalaste gebunden sind. So würde die Besorgung und Verwaltung der Vorräte an Kleidern und Wäsche und Konsumtibilien, VIII, 5, eine Frau den ganzen Tag über beschäftigen und an einen bestimmten Raum binden, wohin die Telephonzentrale verlegt werden könnte. Es ist zu beachten, daß sowohl die Bezirkszentrale als die Kreiszentrale, wenn keine Doppelleitungen bestehen, nur je zirka zwanzig Sprechstellen zu bedienen hat. Eine ökonomische Frage ist die, ob sich nebst den oben geschilderten Verzweigungen der elektrischen Leitungen auch Transversalleitungen empfehlen, so daß man von einer Gemeinde auch mit Umgehung der Kreiszentrale mit Gemeinden anderer Kreise oder selbst anderer Provinzen in Verbindung treten könnte. Wesentlich ist die Organisation der Verwaltung so gedacht, daß die hierarchische Ordnung nicht umgangen werden und der Verwaltungsbeamte nur mit seinem Bezirksvorsteher, der Bezirksvorsteher nur mit seinem Kreisvorsteher verkehren soll. Aber eine Umgehung dieser Vorschrift wird sich durch den Mangel an Transversalleitungen nicht verhindern lassen. Für den Privatverkehr aber wären Transversalleitungen sehr wünschenswert, damit die Sperrung der wenigen Linien nicht zu oft eintreten und zu lange dauern soll. Für die Kreis- und Provinzialstädte, welche nur 5,000 und 20,000 Bewohner und Fremde im Maximum beherbergen sollen,[15] wäre je eine Telephonzentrale und ihre Bedienung durch Angehörige des hauswirtschaftlichen Personalstandes für die Lokalgespräche vollkommen ausreichend und es wären der geringen Leitungslänge wegen vier- und fünffache Verbindungen der einzelnen Quartiere mit der Zentrale ohne erheblichen Aufwand herzustellen. Was aber die Reichshauptstadt mit einem Stande von 400,000 Köpfen an Bewohnern und Fremden anbelangt, so wäre vielleicht die Anlage von Zwischenzentralen zu empfehlen. Die Natur der Sache wird es mit sich bringen, daß auch in der Reichshauptstadt je zwanzig Quartiere zu einem Bezirke vereinigt und der ganzen Stadt ein Kreisbeamter vorgesetzt werde. Die Quartiere werden der Urgemeinde sehr ähnlich eingerichtet sein und einen von Schlafhäusern umgebenen Palast für Geselligkeiten und Mahlzeiten enthalten, in welchem der Quartierverwaltungsbeamte die Verwaltungsgeschäfte besorgt. So hätten auch die Bezirksbeamten und der Kreisbeamte in der Hauptstadt ihre besonderen Paläste für Verwaltungs- und Repräsentationszwecke und die Telephonzentralen wären in den, den Verwaltungskanzleien zunächstgelegenen Räumen dieser Paläste unterzubringen. Da diese Beamten höchst wahrscheinlich Kanzleidiener und Hilfsbeamte zur Verfügung hätten, so wäre für die Herstellung von Verbindungen der einzelnen Sprechstellen kaum ein besonderes Personal anzustellen. [15] Uns erscheinen heute solche Normierungen sonderbar, da aber der Staat es ist, der Eigentümer von Grund und Boden und von allen Häusern ist und Jeden mit Wohnung zu versorgen hat, ist er in der Lage, die Bewohnerzahl aller Ortschaften zu normieren und er kann damit sehr wichtige Zwecke verfolgen. Es scheint, daß nur der telegraphische Korrespondenzdienst der Kreisämter, Provinzämter und der Zentralverwaltung die Anstellung von eigentlichen Telegraphenbeamten, welche ausschließlich für den telegraphischen Depeschendienst angestellt werden, notwendig machen würde, und so dürfte auch das Bedienungspersonal für Telephone und Telegraphen außerordentlich vermindert werden können, bei viel intensiverer Ausnützung dieser Anstalten sowohl für Verwaltung, als für Privatgespräche und Privatdepeschen. Die Verwaltungsgeschäfte werden bei kollektivistischer Organisation der Produktion und Verteilung viel einfacher und doch viel rascher und wirksamer abgewickelt, als die Verwaltungsgeschäfte der Privatunternehmer und Kaufleute. Vielleicht wird dem Leser das überzeugend dargetan durch den Abschnitt VI, 8, über die Statistik, welche die Grundlage für die Verfügungen der Verwaltungsbeamten bietet. Freilich werden allabendlich stattliche und enorm viele Zahlenreihen durch die elektrische Kommunikation von Amt zu Amt befördert, aber diese Telegramme ersetzen auch eine Unzahl von Telegrammen, welche heute die Kaufleute austauschen müssen. b) Ihre Benützung für die Zwecke der Einzelnen. Wenn auch die amtlichen Gespräche den Vorrang vor Privatgesprächen haben, so dient doch der telephonische und telegraphische Verkehr auch für die Gespräche und Mitteilungen der Einzelnen. Schon bei einer Einschränkung der telephonischen Verbindungen auf ihre Fortsetzung bis in den Gemeindepalast, somit bei der Einschränkung des Telephons auf etwa 60,000 Sprechstellen für einen Staat wie Österreich ist doch =jeder= Staatsbürger des Reichs mit =jedem= anderen Reichsgenossen telephonisch verbunden, wenn er sich nur in den Gemeindepalast bemüht und eine Zeit wählt, wo wahrscheinlich auch der Angesprochene im Gemeindepalaste seiner Urgemeinde sich aufhält, oder einer seiner Gemeindegenossen ihm die Botschaft zu bringen übernimmt. Letzteres wird vielleicht die Regel sein. Naturgemäß wird das Privatgespräch mit Bewohnern desselben Bezirkes die Regel sein, seltener werden Privatgespräche mit anderen Bezirken desselben Reiches und sehr selten solche auf größere Entfernungen sein. Es wird wohl auch die Wichtigkeit der Mitteilung entscheidend sein und es genügt wohl, daß für besondere Fälle jeder mit jedem telephonisch verbunden werden kann. Verbindungen mit dem Auslande sind auch möglich und das Vorrecht auf Benutzung des Telephons auf größere Entfernungen ist eine Verteilungsfrage. Es werden auch Sammelgespräche vorkommen. So kann eine Person zu einer Zeit, wo das Telephon für dienstliche Zwecke nicht beansprucht wird, Mitteilungen und Fragen für zehn oder zwanzig Gemeindegenossen an zehn oder zwanzig Angehörige einer bestimmten Gemeinde richten, welche dort wieder von einer einzigen Person für viele übernommen werden. So kann das Telephon für Privatzwecke stärker ausgenützt werden. Dem Zwecke dieser Untersuchungen entsprechend wird hier keinerlei Fortschritt in den heute bekannten Einrichtungen des elektrischen Verkehrs vorausgesetzt, nicht einmal die Einführung des Ferndruckers, der schon heute in Berlin in Verwendung steht, noch das Verfahren für beschleunigtes Telegraphieren von Viragh & Pollack, noch die drahtlose Telegraphie, die übrigens schwerlich je für eine Massenbenutzung brauchbar sein wird. Es handelt sich nur um organisatorische Fragen und darauf bezügliche Anregungen sind hier oben gegeben worden. 6. Die Post. Sie wird auch zunächst der Verwaltung zu dienen haben und im Felleisen alles befördern, was von Amt zu Amt geht. Über diesen Gegenstand ist nichts weiter zu sagen, als daß die Post keine Geldsendungen befördert und für den Privatverkehr auch keine sogenannten eingeschriebenen Briefe oder Pakete. Sollte man doch etwas Ähnliches in Ausnahmefällen zulassen, so würden eingeschriebene Privatbriefe in die amtliche Korrespondenz aufgenommen und die Aufgabe vom Verwaltungsbeamten bestätigt werden. So könnten auch Wertsendungen, die nach dem, was über die Konsumtibilien in VIII, 5, gesagt wird, auch zwischen Privaten denkbar, aber jedenfalls sehr selten wären, befördert werden. Es wird nichts verschlagen, wenn solche Privatsendungen einen halben Tag länger als heute unterwegs sind, denn viel wichtiger, als die Beschleunigung von Privatsendungen dieser Art ist die Ersparnis im Aufwande für die Post, von der sofort die Rede sein wird. Es bedarf nämlich im Kollektivstaate keiner besonderen Postämter mehr; der Briefkasten nimmt die abgehenden Briefe auf und die ankommenden kann man sich in der Gemeindekanzlei beheben oder bei den Mahlzeiten durch eine Frau des hauswirtschaftlichen Personals verteilen lassen. Die Briefkästen können mit Abteilungen versehen sein, wodurch schon der Absender eine erste Sortierung nach den Hauptrichtungen, die die Eisenbahnbeförderung einschließt, vornimmt. Dabei handelt es sich meist nur um zwei Richtungen der den nächsten Eisenbahnort durchfahrenden Eisenbahn, selten um drei oder vier Richtungen und ist einmal der Brief so in den richtigen Weg geleitet, so ist die weitere Instradierung vom Zugsbegleitungspersonale zu besorgen, wobei eine zweckmäßige Adressierung diese Arbeit sehr erleichtert. Man könnte vom Absender verlangen, daß er die Adressen mit Angaben versieht, die dem Zugbegleitungs- und Frachtpersonale die Instradierung erleichtern. Nur in der Reichshauptstadt und den Provinzorten wird ein eigenes Postdienstpersonal anzustellen sein, um die Briefpost so rasch als möglich, etwa von Stunde zu Stunde, zuzustellen und die nach auswärts gehende Post zu sortieren. Selbstverständlich ist die Post unentgeltlich und es kann jeder Bewohner des Reiches -- auch jeder Fremde -- Briefe und Karten aufgeben, so viel ihm beliebt. Beschränkt ist er nur insofern, als er nur eine bestimmte Menge von Papier, Kouverts und Briefkarten zur Verfügung hat, welche nach VIII, 5, als Konsumtibilien verteilt werden. Man wird daher sparen, um das Jahr über mit seinem Vorrate auszukommen, man wird aber auch von solchen Gemeindegenossen, die einen Überschuß haben, leicht Papier und Kuverts überlassen erhalten, wenn man alles verbraucht hat. Man wird übrigens nur eine kleine Ecke der Adreßseite einer Karte oder eines Kuverts mit der Adresse beschreiben und kann den Rest für Korrespondenz benützen, da alle heute bestehenden Beschränkungen entfallen können. Es muß nur erkenntlich sein, daß das Schriftstück als Postsendung zu behandeln ist. Poststempel sind ganz unnötig. Ein ganzer Pack Zeitungen, welcher auf der Adreßschleife die Zahlen einer Gemeinde trägt, kommt in die betreffende Gemeinde und wird dort den Lesern zur Verfügung gestellt und es entfallen auch hier wieder eine große Menge von Adressen und die Adressenregister. Es ist nicht uninteressant, daß die Post in einem Staat wie Österreich bei ganz ungenügender Entlohnung ihrer niederen Organe einen Aufwand von beinahe 180 Millionen Kronen im Jahre macht und daß der damit ausgedrückte Aufwand im Kollektivstaat beinahe ganz in Ersparung gebracht wird durch die Vereinfachung in der Verteilung, durch die Beseitigung der Geldwirtschaft, der Wertsendungen an Einzelne und durch Ausnutzung der Arbeitskräfte in der Hauswirtschaft und Zugsbegleitung. Es zeigt sich hierin der ökonomische Wert der durch den Kollektivismus bedingten und ermöglichten Organisation. 7. Tagesblätter der Verwaltung. Wenn auch das Zeitungswesen, soweit es den Vereinszwecken, der Unterhaltung, der Kunst und Wissenschaft zu dienen hat, an einem anderen Orte zu behandeln ist, so muß doch hier noch das Zeitungswesen besprochen werden, insofern es der Verwaltung, der Statistik und der Erörterung der öffentlichen Angelegenheiten zu dienen hat, weil das zum Verständnisse des Verwaltungsapparates erforderlich ist. In seiner Gesamtheit zerfällt das Zeitungswesen a) in die periodischen Veröffentlichungen der Staatsverwaltung, die öffentliche Erörterung der Gesetzesvorlagen und Wahlvorschläge und in die statistischen Publikationen, welcher Teil des Zeitungswesens hier besprochen wird, und b) in die der Vereinspublikationen, der schönen Literatur, der Kunst und Wissenschaft gewidmeten Zeitungsorgane, die in VIII, 4, a, b, und c, behandelt werden. Die Tagesblätter der Verwaltung zerfallen in die Bezirks-, Kreis- und Provinzialblätter und das Reichsblatt. Sie erscheinen täglich und enthalten -- wenn es ökonomisch ausführbar ist -- tägliche, monatliche und jährliche statistische Ausweise, worüber im folgenden Abschnitte VIII, das Nähere enthalten ist. Man würde insbesondere von den statistischen Ausweisen auf diese Art nicht nur die Reichssummarien, sondern auch die Provinzial-, Kreis- und Bezirkssummarien, welch letztere sich aus den statistischen Ausweisen der Urgemeinden aufbauen, veröffentlichen und die Richtigkeit der Ausweise der Urgemeinden können nicht nur die Verwaltungsbeamten einerseits der Urgemeinden, andererseits der Bezirke und alle ihre Hilfsorgane nachprüfen, sondern auch jeder Bewohner der betreffenden Urgemeinde und jeder Besucher aus anderen Gemeinden. =Hier werden die offiziellen Blätter nur nebenher besprochen, Ausführliches ist in= VIII, 4, a, =enthalten=. Man kann sich gerade von der Ökonomie der Druckindustrie besonders der Papierproduktion, welche für die Beurteilung, ob die hier erwähnten Publikationen in dem Maße veröffentlicht werden können, wie ich verspreche, entscheidend ist, eine ziemlich genaue Vorstellung machen, da man eine verläßliche Statistik der Papierproduktion besitzt. Man schätzt den heutigen Verbrauch von Papier in Österreich auf 3-1/2 bis 4 Kilo pro Kopf und Jahr, das macht 10 Gramm pro Kopf und Tag. Demnach entfallen auf eine Gemeinde von 1000 Köpfen 10 Kilo Papiererzeugnisse für den Tag, wovon man die Hälfte auf Druckpapier rechnen kann. Doch ist schon heute der Verbrauch in Nordamerika doppelt so groß wie in Österreich, man berechnet ihn auf 8 Kilo Papiererzeugnisse für den Kopf, und es würde sich die Ökonomie der Papierproduktion ebenso, wie die des Verbrauches im Kollektivstaat günstiger stellen. Was die Erzeugung anbelangt, so gestattet der Kollektivismus eine viel vollkommenere und raschere Sammlung aller jener Abfälle, die als Lumpen zur Papiererzeugung verwendet werden und ebenso die vollständige und rasche Sammlung der Papierabfälle, wovon heute der größte Teil gänzlich verwüstet wird. Und was die Ökonomie des Verbrauches anbelangt, so ist in Betracht zu ziehen, daß eine Unmasse von Packpapier und Enveloppen in der geschilderten Kollektivwirtschaft dadurch in Ersparung gebracht würde, daß die Güter nicht an die einzelnen Familien, sondern an die Urgemeinden geliefert werden. Da man heute auf Papier und dergleichen im Handel verbrauchte Papierprodukte, allerdings mit Inbegriff von Tapeten, 15 Vierzigstel der Papierprodukte dem Gewichte nach rechnet, so wird im Kollektivstaate ein großer Teil davon erspart und verhältnismäßig mehr Druckpapier erzeugt werden können. Die Verteilung der erwähnten Tagesblätter würde in der Weise erfolgen, daß eine =allgemeine= Verlautbarung der Publikationen der Bezirksblätter nur in den Gemeinden des Bezirkes und der Publikation der Kreisblätter nur in den Gemeinden des Kreises u. s. f. stattfinden, eine Verlautbarung, welche wohl nicht mehr voraussetzte, als daß zehn Exemplare eines solchen Blattes in jeder Urgemeinde der betreffenden Zirkumskription durch eine Woche öffentlich aufliegen. Doch würde man in jeder Kreis- und Provinzstadt und in der Reichshauptstadt je ein oder zwei Exemplare =aller= Bezirks-, Kreis- und Provinzialblätter in einer bestimmten Bibliothek öffentlich auslegen, damit jene, die sich darum interessieren, dort alles finden können, was veröffentlicht wird. Da übrigens neun Zehntel der aufgelegten Exemplare nach einer Woche wieder in die Papiermühlen wandern, könnten sie vorher noch Vereinen oder einzelnen Personen zur Einsicht zugemittelt werden, die sich entweder um die Kontrolle der Staatsverwaltung verdient machen, oder die wissenschaftliche Zwecke verfolgen und diese Publikationen als Quellen benützen wollen. Das Provinz- und Reichsblatt braucht wohl nur in je 5 Exemplaren den Urgemeinden zugesandt zu werden. Die genannten amtlichen Blätter würden außer den statistischen Nachweisen noch andere Verlautbarungen bringen, so neue Verordnungen, Erledigungen, Besetzungen, Erörterung von Fragen allgemeiner Natur, dann insbesondere die Bekanntgabe und Erörterung von Wahlvorschlägen und Vorschläge für neue Gesetze. Die Wahlen gingen die Staatsverwaltung nichts an, aber die Erörterung der Fragen des öffentlichen Wohles und neuer Gesetzes-Vorschläge sollte zwischen den Verwaltungs- und den Volksbeamten und eventuell den von ihnen bestellten Redakteuren polemisch geführt werden, dergestalt, daß Erstere alle Gründe der Staatsverwaltung für ihre Vorschläge und zwar mit beständiger Hinweisung auf das allgemein bekannte ungeheure statistische Material dem Volke mitteilen, und daß die aus dem Volke laut werdenden Stimmen von der Organisation der Volksbeamten und ihren Redakteuren verwertet und von ihnen nötigenfalls die Gründe der Staatsverwaltung bekämpft werden. Das wird bei der hohen Bildung und Urteilsfähigkeit des Volkes mit viel weniger Worten und viel eindringlicher geschehen können, als heute in den Parlamenten. 8. Die Verrechnung und Statistik. a) Ihre Aufgabe. Die Statistik im Sozialstaate dient nicht nur für wissenschaftliche und Verwaltungszwecke, sondern auch der nicht nur der Staatsverwaltung, sondern auch =dem gesamten Volke und jedem Einzelnen zustehenden Kontrolle der Verteilung=, nämlich, ob den Gesetzen gemäß verwaltet wurde. Sie umfaßt alle Veränderungen, die mit Personen und Sachen vor sich gehen und zerfällt in eine tägliche, eine wöchentliche, monatsweise und Jahresstatistik. Welche Veränderungen täglich zu erheben und zu fixieren sind, wird von den Volksbeschlüssen abhängen, man kann aber schon jetzt als Grundsatz aufstellen, daß die Bevölkerungsstatistik, die Statistik über die Arbeitsverteilung in ihren Hauptgruppen, der Verbrauch gewisser Nahrungsmittel, der Güterverkehr zwischen Staat, Provinzen, Kreisen, Bezirken und Gemeinden täglich zu erheben, amtlich zu prüfen und zu veröffentlichen ist. Im Gegensatze dazu wird die Statistik über das Inventar und die Wohnungsbauten und über die Wirtschafts- und Industriebauten nur einmal im Jahre aufzustellen und zu veröffentlichen sein. Doch ist hier nur von dem Bestand an Wirtschafts-, Industrie- und Wohnbauten und ihren Bestandteilen selbst, nicht von der Arbeitsverteilung und dem Güterverkehre für die Zwecke der Bauerhaltung und Bauherstellung die Rede, welche in kürzeren Intervallen statistisch zu bearbeiten sind. Wöchentlich oder monatlich mögen Sanitäts- und Schulstatistik u. dergl. zu veröffentlichen sein. Bezüglich der Statistik sind die städtischen Quartiere den Urgemeinden als unterste Einheiten gleichzuhalten. Als Zeitabschnitt für die Statistik ist die geeignetste Stunde am Tage, z. B. 6 Uhr abends, zu bestimmen. b) Die Bevölkerungsstatistik. Die Bevölkerungsstatistik umfaßt das genaue Alter einer jeden Person und alle wichtigen persönlichen Verhältnisse und die Verteilung der Bevölkerung auf die einzelnen Wohnungsansiedelungen. Die Feststellung des Alters soll womöglich bis auf Minute und Sekunde erfolgen. Insofern in einzelnen Fällen bei Geburts- und Sterbefällen die erforderliche Genauigkeit der Zeitangabe untunlich ist, sind Schätzungen vorzunehmen, welche im Gesetzes- oder Verordnungswege vorzuschreiben sind. Anfang und Ende eines Menschenlebens am Geburts- und Sterbetage kann in wenigen Fällen und innerhalb sehr enger Grenzen zweifelhaft sein. Der Alterszuwachs der in den Gemeinden und Quartieren versorgten Personen ist aber leicht in Evidenz zu halten, da dem Gesamtalter dieser Personen nur täglich so viele Lebenstage zuzurechnen sind, als der Gemeinde oder dem Quartiere Personen angehören. Dagegen wird bei Geburts- oder Sterbefällen nur die entsprechende Anzahl von Stunden, Minuten und Sekunden hinzugerechnet. Entdeckte Irrtümer z. B. bei der Auffindung der Leiche eines Vermißten werden in der Statistik jeweilig als Zuwachs oder Abfall eingestellt. Diese Genauigkeit der Feststellung betrifft aber nur die Beschreibung der einzelnen Individuen; für die zu veröffentlichende Statistik wird weiter unten eine Vereinfachung vorgeschlagen. Der Verwaltungsbeamte hat mit dieser Statistik, wenn sie täglich gemacht wird, nur wenig zu tun, da in der Woche kaum =eine= Veränderung durch Geburt oder Sterbefall unter tausend Menschen eintritt. Die Bevölkerungsstatistik hat ferner zum Gegenstande: Berufszuweisung, Beurlaubung, Domizilsveränderung, Berufsänderung, Abwesenheit von Gemeindegliedern, Anwesenheit Fremder, Anthropologie, Unterricht, Erziehungsergebnisse, Arbeitsbefreiung, Arbeitsverteilung, z. B. in der Landwirtschaft, und nicht alle Teile dieser Statistik erfordern eine tägliche Veröffentlichung. Es kann auch für gewisse Betriebe, abgesehen von der allgemeinen Ziffer der täglich darin beschäftigten Personen eine wöchentliche oder monatliche statistische Feststellung der Arbeitsverteilung innerhalb des Betriebes stattfinden, um z. B. im Glasfabriksbetriebe oder in Maschinenfabriken den veränderlichen Arbeitsaufwand für verschiedene Produkte, oder Bestandteile eines Produktes zu ermitteln. Demnach können auch für solche Betriebe Betriebsstatistiken in bestimmten Perioden veröffentlicht werden. c) Die Güter- und Verkehrsstatistik. Die Güter- und Verkehrsstatistik hat festzustellen Produktion und Verbrauch der Güter und wie die Güter örtlich verteilt und welche Veränderung mit ihrer Verteilung im Laufe des Tages vorgegangen sind. Das gilt besonders von Gütern, die, wie Fleisch, Eier, Milch, einem baldigen Verderben ausgesetzt wären, daher rasch verbraucht werden. Vorrat, Zuwachs und Abfall der Verbrauchsgüter (nicht aber der Gebrauchsgüter) sind täglich zu ermitteln und die Statistik behördlich zu prüfen.[16] Dasselbe gilt vom Güterverkehr von einer Gemeinde in die andere, so von Holz, Cerealien, Leder, Tuch, Werkzeugen, Maschinen, Mobilien, dann auch von anderen, als den oben bezeichneten Arten von Lebensmitteln, als Mehl, Gewürzen usw. Da aller Verkehr im Großen ausgeführt wird, werden die großen Fabriken täglich ganze Wagen- und Lastzugsladungen an die Bezirksvororte versenden, von wo die Verteilung an die Urgemeinden erfolgt. Es können aber auch mehrere an der Bahn gelegene Gemeinden als Ablade- und Lagerstellen bestimmt werden, wenn dadurch der Verteilungstransport vereinfacht werden kann. Die Disposition darüber bliebe aber dem Bezirksbeamten vorbehalten und es würde zunächst die Bezirksgemeinde damit, wie der Kaufmann sagt, belastet. Ob die Abschreibung in der Gemeinde der absendenden Fabrik erfolgt am Tage der Versendung oder erst beim Eintreffen in der Gemeinde, welche empfängt, oder ob eine Belastung und Entlastung der Transportanstalten für die Dauer der Fahrt zu geschehen hat, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, worüber die Erfahrung entscheiden wird. Im allgemeinen wird man Großmagazinage soviel als möglich vermeiden und alle Vorräte so rasch als möglich in die Verbrauchsorte abzustoßen suchen. So werden die ganzen Auflagen neuer Werke der Literatur sofort in die Bibliotheken verteilt. Die Güterstatistik hat also täglich festzustellen, in welchen Gemeinden oder Quartieren die Urstoffe, Halbfabrikate und die zum Verbrauche bestimmten Ganzprodukte sich befinden. Der Vorstand der Gemeinde oder Quartier, das ist der Verwaltungsbeamte untersten Ranges, hat wieder in Evidenz zu halten, wer =in der Gemeinde= die Verantwortung für die einzelnen Werte hat, und auch da wird ein unter Umständen in der Gemeindeverrechnung festzustellender Verkehr stattfinden, z. B. vom Viehzuchtbetriebe an die Fleischhauerei, von dieser an die Küchen- oder Hausverwaltung. Diese nur innerhalb der einzelnen Gemeinden vollzogenen Verschiebungen werden aber bei Gütern in der Regel nicht veröffentlicht, weil sie nur zur Orientierung der Gemeindeglieder dienen, welchen alle Gemeindeausweise zur Einsicht offen stehen müssen und die gedruckten oder sonst veröffentlichten statistischen Ausweise nur für die wechselseitige Verrechnung zwischen Gemeinden, Bezirken, Kreisen, Provinzen und dem Staate bestimmt sind. [16] Es wird sich zeigen, daß die Güterstatistik ein vortrefflicher Ersatz der heutigen Geldverrechnung, angepaßt der Naturalwirtschaft, ist. Es wird also zu unterscheiden sein, ob die in einer Gemeinde befindlichen Güter schon definitiv der Gemeindeverwaltung zum eigenen Verbrauche zugewiesen sind, oder ob sich in der Gemeinde Güter befinden, welche sie noch dem Bezirke zu verrechnen hat. Im ersteren Falle sind sie in der Statistik des Bezirkes nicht mehr zu buchen, sondern es ist darüber nur den Gemeindegliedern Rechnung zu legen, im anderen Falle sind die Güter so lange gewissermaßen als anvertrautes, dem Staate zu verrechnendes Vermögen zu führen, bis die Zuweisung für die Gemeindezwecke erfolgt. d) Zustandekommen und Einrichtung der Verrechnung und Statistik. Die nachfolgende Untersuchung soll dartun, daß die Vollständigkeit der Rechnungslegung auch in der Naturalwirtschaft gesichert werden kann und wie sie in Absicht auf diesen Zweck eingerichtet werden muß, wie die Kontrolle nicht nur der unteren Organe durch die höheren Organe der Staatsverwaltung, sondern auch der Staatsverwaltung durch die Öffentlichkeit ermöglicht wird und zwar in täglichen Zeitabschnitten, wo die Güter rasch verzehrt werden, also sich der späteren Feststellung entziehen würden, und weiteres dartun, daß die dadurch bedingte Arbeit von der Verwaltung leicht geleistet werden kann. Dem Verwaltungsbeamten der Gemeinde beziehungsweise des Quartiers haben die verschiedenen Abteilungsvorstände die für die statistische Verrechnung erforderlichen Angaben in der vorgeschriebenen Form schriftlich zu machen und die von allen Produktions- und Verteilungsstellen einlaufenden und gesammelten Daten hat der Beamte oder eine von ihm dazu bestimmte Person zur bestimmten Zeit dem Bezirksbeamten, wo es der raschen Veröffentlichung wegen dringend ist, durch den Telegraphen oder das Telephon, sonst schriftlich bekannt zu geben und dieser hat die Hauptsummen der unterstehenden Gemeinden und Quartiere samt den daraus ermittelten Hauptsummen des Bezirkes auf dieselbe Art dem Kreisbeamten mitzuteilen, der wieder die Hauptsummen der Bezirke als Einzelposten und die daraus ermittelten Hauptsummen des Kreises dem Provinzbeamten zu übermitteln hat, der wieder Kreis- und Provinzsummarien an die Zentralregierung weitergibt. Die täglich aufzustellende Gemeinde- und Bezirksstatistik ist dann zunächst vom Bezirks- und in Stichproben auch vom Kreisbeamten persönlich oder erforderlichenfalles durch Vertrauenspersonen an Ort und Stelle zu überprüfen. Hieraus ergibt sich, daß Überschüsse und Abgänge, die eine Ausgleichung und Güterbewegung notwendig machen, nicht nur dem Gemeindebeamten, sondern auch den Bezirks- und Kreisbeamten =täglich= bekannt werden und daß Provinzialverwaltung und Zentralregierung sich auch über Abgänge und Überschüsse in Kreisen und Provinzen täglich orientieren, aus den ihnen zugehenden Bezirksausweisen aber auch die Vorräte bis in jedes Quartier und in jede Gemeinde verfolgen können. Die Provinz- und die Zentralverwaltung hat immer eine Detailaufstellung der Verteilung der Bevölkerung und der Güter vor sich und dem entsprechend verfügt jeder Verwaltungsbeamte innerhalb seiner Kompetenz die für den nächsten Tag erforderlichen Veränderungen. Zunächst wird jeder Abgang, den man ja auf Wochen vorhersehen kann, und zwar tunlichst mit Ausnützung von Hin- und Rückfracht, aus den Überschüssen im Bezirke gedeckt und der Kreisbeamte hat nur eine Änderung zu verfügen, wenn die Vorräte im ganzen Bezirke nicht ausreichen. Allein es kann sich als zweckmäßig erweisen, daß auch vor Erschöpfung der Gesamtvorräte des Bezirkes ein Abgang aus einem Nachbarbezirke oder Nachbarkreise gedeckt wird, sei es, daß der Transport dadurch weniger belastet wird, oder daß andere Rücksichten dafür sprechen. Darüber haben sich die Verwaltungsbeamten zu verständigen. Das Volk ist in der Lage, die Zweckmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Verteilungsarbeit aus den veröffentlichten Ausweisen Tag für Tag und Woche für Woche zu ermitteln und auch festzustellen, ob alle Summen richtig übertragen und in Hauptsummen zusammengezogen wurden. Das wird am besten geschehen, wenn sich vorzugsweise die Arbeitsbefreiten, also die Alten, dieser Arbeit annehmen und sich nach einer zwischen ihnen angenommenen Ordnung in die Aufgabe teilen, so daß einer die richtige Aufnahme der Gemeindestatistik in die Bezirksstatistik, ein anderer die Richtigkeit der Gemeindestatistik, andere die richtige Summierung im Kreis-, Provinz- und Reichsblatte prüfen, wieder ein anderer Stichproben über die Richtigkeit in anderen Kreisen und Provinzen machen wird. Da in einem Staate wie Österreich mindestens ein und eine halbe Million männlicher und weiblicher Personen zu den Alten gerechnet werden müssen, ist die Last dieser Kontrolle eine sehr geringe, wenn man sie vernünftig aufteilt. In VIII, 2, ist auch von der Schaffung eines Vereins für die Zwecke dieser Kontrolle die Rede. Es ist aber ganz offenbar, daß, wollte man nach Art unserer Jahresrechnungen nur jährlich eine Gesamtabrechnung verfassen und wenigen zur Prüfung übergeben, von einer wirksamen Kontrolle keine Rede wäre. Diese fortlaufenden Ermittlungen und Veröffentlichungen sind für die Verwaltung unentbehrlich, für die Wissenschaft von unermeßlichem Werte und geben dem Volke Gelegenheit, eine Mitkontrolle zu üben. Die Bevölkerungsstatistik ist wesentlich auch die Grundlage für die Vervollkommnung der Verteilung. Die Gerechtigkeit der Verteilung, XI, wird dann am vollkommensten sein, wenn jeder die gleiche Hoffnung hat, das höchste Alter zu erreichen. Ein Beruf, der eine größere Sterblichkeit zu tragen hat, als ein anderer, ist zu stark belastet. Es muß ihm durch Erleichterung der Arbeit oder größeren Aufwand zur Beseitigung der Schädlichkeiten eine Begünstigung geboten werden. Die Bevölkerung selbst und der Beamtenkörper werden sich ununterbrochen die Erfahrungen zu nutze machen, welche sich aus der Verarbeitung des statistischen Materials ergeben. Die Bevölkerungs- und Sanitätsstatistik wird insbesondere der Verwaltung als Wegweiser dienen, wo Gebrechen vorliegen, welche Abhilfe erfordern. Ein größerer Krankenstand oder größere Sterblichkeit sind sofort erkennbar und zwar nicht nur für den zunächst verantwortlichen Beamten, sondern auch für die höheren Organe der Staatsverwaltung, freilich für die höheren Behörden weniger, weil sie ihre Aufmerksamkeit zunächst den höheren Summarien zuzuwenden haben, in welchen sich eine sehr große Sterblichkeit in der einen oder anderen Gemeinde leicht im Durchschnitt verlieren kann. Man wird übrigens auch den Kreisämtern, welchen die Verhältnisse aller ihrer Gemeinden bekannt sein müssen, zur Pflicht machen, gewisse Überschreitungen des mittleren Kranken- und Todesfallstandes unter Namhaftmachung der betreffenden Gemeinden der vorgesetzten Behörde besonders anzuzeigen, damit sie ihrer Aufmerksamkeit nicht entgehen können. Den genauen Sachverhalt entnimmt dann selbst die Zentralbehörde dem betreffenden Bezirksblatte. So wird die Aufmerksamkeit der Behörden immer in kürzester Frist dorthin gelenkt, wo Abhilfe am dringendsten ist. e) Beispiele der statistischen Tabellen. Es folgen nun hier einige Beispiele der täglich festzustellenden und den Bezirks- und Kreisbeamten vorzulegenden, wenn möglich auch täglich zu veröffentlichenden Statistiken, wobei bemerkt wird, daß für die Altersangaben der Menschen der Geburtstag als ein ganzer Tag gerechnet, der Todestag aber =nicht= gerechnet wird. Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Lebensalters in der Gemeinde werden Ortsabwesende mitgerechnet, aber Fremde nicht gerechnet. Dafür werden bei Ermittlung des Verpflegstandes wieder die Fremden mitgerechnet und die Ortsabwesenden nicht gerechnet. Es ist wohl möglich, daß man bald von dieser allzupeinlichen Genauigkeit Umgang nehmen wird, wenn das Vertrauen in die staatliche Organisation sich einmal eingelebt hat, aber so lange man das Bedürfnis fühlt, den Beamten auf die Finger zu sehen, wird man wissen wollen, wie der Verpflegstand, welcher auf den Aufwand von Nahrungsmitteln Einfluß hat, von Tag zu Tag hin und her schwankt. Obwohl es nun dabei nicht bloß auf die Zahl der Personen ankommen wird, sondern auch auf Alterskategorien, Geschlecht, Krankenstand und möglicherweise auch auf Rangstufen, insofern zu den den verdienten Personen einzuräumenden Vorzügen auch die Anweisung verfeinerter und seltener Speisen und Getränke gehören wird, so wird man das einer Ausgleichung zwischen Gemeinden und zwischen Bezirken, vielleicht auch zwischen Kreisen überlassen und nur in längeren Intervallen etwas darüber veröffentlichen. (Siehe Seite 102.) Eine vollkommen gleichartige Tabelle stellt den Personenstand der Mädchen im ersten Lebensjahre für den Bezirk dar. Die erste Kolonne in _A 1_ gibt die Ordnungszahl der Gemeinde an. Die 2. und 3. Kolonne bringt die Zahl der Knaben im ersten Lebensjahre und die Zahl ihrer Lebenstage am Vortage des Rechnungstages. Dabei ist, wie oben erwähnt, der Geburtstag zwar als voller Tag gerechnet, aber es wird der Todestag dafür =nicht= gerechnet. Es wird sich das im Durchschnitte aller Geborenen und Gestorbenen ziemlich ausgleichen. Für die Veröffentlichung ist diese unbedeutende Ungenauigkeit offenbar belanglos und sie könnte übrigens auch von Zeit zu Zeit, wenigstens für das Reichssummarium, durch eine besondere Rektifikationstabelle ausgeglichen werden. Denn für wissenschaftliche Zwecke und, um alles so genau als möglich festzustellen, wird es sich empfehlen, Geburts- und Todeszeit in jedem Falle auf Minute und Sekunde zu notieren. Allein zuweilen, obwohl in seltenen Fällen, wird das unmöglich sein. Bevölkerungsstatistik des Bezirkes 8, 7, 19. vom 10. Juli 2001 A 1. Knaben bis einschließlich ein Jahr. ===================================================================== | Am Vortage | Zuwachs | Abfall | Am Schluß des Ordnungs-| | | | Verrechnungs- zahl der | | Tage am | | Tage am | | Tage am | tages Gemeinde |Zahl| Vortage |Zahl| Vortage |Zahl| Vortage | Zahl | Tage ---------+----+---------+----+---------+----+---------+------+------- | | | | | | | | 1 | 9 | 1485 | 1 | 0 | -- | -- | 10 | 1495 2 | 10 | 1822 | -- | -- | -- | -- | 10 | 1832 3 | 7 | 1370 | 2 | 403 | -- | -- | 9 | 1782 4 | 8 | 1511 | -- | -- | -- | -- | 8 | 1519 5 | 9 | 1288 | -- | -- | -- | -- | 9 | 1297 6 | 11 | 1911 | -- | -- | -- | -- | 11 | 1922 7 | 10 | 1799 | -- | -- | -- | -- | 10 | 1809 8 | 8 | 1489 | -- | -- | -- | -- | 8 | 1497 9 | 9 | 1255 | -- | -- | -- | -- | 9 | 1264 10 | 7 | 1304 | 1 | 352 | -- | -- | 8 | 1664 11 | 9 | 1377 | -- | -- | -- | -- | 9 | 1386 12 | 8 | 1389 | -- | -- | -- | -- | 8 | 1397 13 | 11 | 1917 | -- | -- | 3 | 755 | 8 | 1170 14 | 10 | 1785 | -- | -- |1-A-| 365 | 9 | 1429 15 | 11 | 1889 | -- | -- |1-B-| 312 | 10 | 1587 16 | 9 | 1412 | -- | -- | -- | -- | 9 | 1421 17 | 8 | 1203 | -- | -- | -- | -- | 8 | 1211 18 | 10 | 1706 | -- | -- | -- | -- | 10 | 1716 19 | 9 | 1376 | -- | -- | -- | -- | 9 | 1385 20 | 9 | 1354 | -- | -- | -- | -- | 9 | 1363 | | | | | | | | ---------+----+---------+----+---------+----+---------+------+------- Summa |182 | 30642 | 4 | 755 | 5 | 1432 | 181 |30146 _A_ Der in der Gemeinde 14 in Abfall gebrachte Knabe wurde am Vortage ein Jahr alt und ist daher am Verrechnungstage in die Tabelle A 2. übertragen worden. _B_ Der in der 15. Gemeinde abgeschriebene Knabe wurde in den Bezirk 8, 7, 20 versetzt. Eine Frau kann von der Geburt überrascht werden und ein Reisender kann an einem einsamen Orte sterben; auch im Auslande, wo genaue Feststellungen überhaupt nicht gemacht werden, kann ein Geburts- oder Sterbefall von Reichsangehörigen vorkommen. Ist eine Person im Inlande unbeobachtet gestorben, so wird sich jedenfalls der Tag feststellen lassen, weil ermittelt werden kann, wo und wann sie zuletzt gesehen wurde. Werden Geburts- und Sterbefälle erst nach längerer Zeit bekannt, so wird nach tunlichster Feststellung des genauen Zeitpunktes eine nachträgliche Richtigstellung der Statistik erfolgen. Zu bemerken ist, daß in der Gemeinde die Bevölkerungsstatistik nur zur Zählung der Gemeindeglieder gemacht wird. Stirbt ein Gemeindeglied in einer fremden Gemeinde, so wird die Verwaltung dieser Gemeinde es der Heimatsgemeinde telegraphisch melden, damit die Statistik vollständig sei. Stirbt in der Gemeinde ein Fremder, so erscheint das nicht in ihrer Bevölkerungsstatistik. Die Zugehörigkeit ist, wie in VI, 3, gezeigt, niemals zweifelhaft, weil jedermann in seiner bisherigen Heimatsgemeinde so lange geführt wird, bis die Abschreibung hier und zugleich die Zuschreibung in der neuen Heimatsgemeinde geschieht. Eine spezielle Konstatierung der Sterbefälle Fremder kann in besonderen Ausweisen immerhin auch für die Aufenthaltsgemeinden erfolgen. In der 4. und 5. Kolonne weist jede Gemeinde den Zuwachs -- hier an erstjährigen Knaben -- aus und in der obigen Tabelle liegt in der Gemeinde 1 ein Zuwachs durch Geburt vor. Das am Verrechnungstage neugeborene Kind wird in der 5. Kolonne nach den oben entwickelten Grundsätzen für den Vortag mit 0 Tagen angeführt. Es ist ferner aus diesem Beispiel ersichtlich, daß weiters in der 4. und 5. Kolonne für die 3. und 10. Gemeinde ein Zuwachs von 3 Knaben, beziehungsweise 2 und 1 Knaben ausgewiesen erscheint, welche aus der Gemeinde 13 stammen und in jenen Gemeinden bleibend aufgenommen wurden. Die Abschreibungen kommen in den Kolonnen 6 und 7 nach Zahl und Alter am Vortage vor und Kolonnen 8 und 9 geben Zahl und Alter sämtlicher Gemeindegenossen dieses Alters in jeder einzelnen Gemeinde und im ganzen Bezirke am Schluß des Verrechnungstages an. Da in 9 dem Alter vom Vortage für jeden Kopf ein Lebenstag zugerechnet ist, weil Kolonne 3 nur die Alterstage des Vortages angibt, daher so viele Tage, als Kolonne 8 als Bevölkerungsstand angibt, in Kolonne 9 zugerechnet werden, so erscheint auch das neugeborene Kind am Schlusse des Verrechnungstages mit einem Lebenstage angegeben, was dem Grundsatze, der hierfür aufgestellt wurde, entspricht. In den Kolonnen 6 und 7 ist in den Gemeinden 14 und 16 noch je ein Knabe abgeschrieben, wovon ersterer am Vortage 365 Tage zählte, also -- da es kein Schaltjahr war -- das erste Lebensjahr vollendete. Deshalb mußte er am Verrechnungstage in die Tabelle der Knaben des höheren Alters übertragen werden, wie wir im nächstfolgenden Beispiele sehen werden. Hier ist eine Fußnote der Tabelle angefügt, woraus dies zu entnehmen ist. Für einen Sachkundigen wäre diese Note nicht erforderlich, da die Zahl der Alterstage, das Jahr vom 10. Juli 2000 bis 10. Juli 2001 enthält keinen Schalttag, und der Vergleich der Tabellen _A 1_ und _A 2_ vollkommen klar machen, was die Note besagt. In der 15. Gemeinde liegt der Fall vor, daß ein erstjähriger Knabe in Abfall gebracht ist, der in keiner Gemeinde des Bezirkes als Zuwachs erscheint, daher er entweder gestorben, oder in eine Gemeinde eines anderen Bezirkes aufgenommen worden wäre, was in einer Fußnote der Tabelle anzufügen sein wird. Diese Fußnote wird immer notwendig sein, weil sonst nicht ersichtlich wäre, ob die Abschreibung wegen Todesfalles oder Auswanderung aus dem Bezirke erfolgte, noch wohin der Knabe versetzt wurde. Vergleicht man die Kolonnen 3 und 9, so bemerkt man, daß die Zahl der Alterstage am Schlusse des Verrechnungstages auch in jenen Gemeinden größer angegeben ist, in welchen die Zahl der erstjährigen Knaben gleich geblieben ist. So waren am Vortage in der 2. Gemeinde 10 Knaben mit 1822 Alterstagen verzeichnet, welche gemäß der in der Kolonne 8 angeführten Gesamtzahl in der 9. Kolonne mit 1832 Alterstagen angegeben erscheinen. Da nämlich jeder Knabe um einen Tag älter wurde, ist die Gesamtzahl der Tage um 10 Tage gewachsen und so erscheint auch der in der 1. Gemeinde Geborene in der 9. Kolonne mit einem Tage angerechnet, wogegen für einen Gestorbenen ein Zuwachs nicht mehr berechnet würde, weil er in der 8. Kolonne nicht mehr gezählt erscheint. Abgesehen von dieser Lebenstagezuschreibung aus der Zahl in Kolonne 8 wird die Gesamtzahl der Lebenstage durch die Zahl der Lebenstage der in Zuwachs oder Abfall gekommenen Individuen beeinflußt, die in der in die Kolonne 9 aufgenommene Zahl entweder zugeschrieben oder abgeschrieben werden. Aus dem Bezirkssummarium unter dem Striche der Tabelle ersieht man die Bewegung im ganzen Bezirke. Vergleicht man die Zahl der Abgeschriebenen und der Zugeschriebenen, so muß die sich dabei ergebende Differenz auch in den Summen der Kolonnen 2 und 8 zum Ausdrucke kommen. Rechnet man in der Summe der Tage zur Summe der Lebenstage am Vortage die Summe der Lebenstage der Zugewachsenen und den Tageszuwachs der Alterstage, hier für den ganzen Bezirk 181 Tage, und rechnet man davon ab die Lebenstage der Abgeschriebenen, so gelangt man zu den Einzelziffern und zur Summe der 9. Kolonne und die Übereinstimmung der Additionen in der vertikalen und horizontalen Summierung ist zugleich eine Probe für die Richtigkeit der Summen in den einzelnen Gemeinden. Es ist zwar diese Tabelle nur ein Teil der täglichen Statistik und das Ganze beträgt etwa das dreißig- oder fünfzigfache, allein wie gering die =ganze= Arbeit ist, ist ganz evident. Jeder der zwanzig Verwaltungsbeamten der Gemeinden eines Bezirkes hat nur eine Zeile dieser Tabelle zu liefern und selbst diese Zeile hat der Sanitätsbeamte zu bearbeiten, wie die später zu erwähnenden Tabellen der Milchgebarung von den Vorständen des betreffenden Produktionszweiges einzuliefern sind. Der Verwaltungsbeamte, der überdies wahrscheinlich die Hilfe eines Volksbeamten nach V, 1, _Alinea_: »Um aber jeden« zu beanspruchen hat, hat nur die richtige Berechnung zu prüfen und in die Bevölkerungstabellen etwa Zu- und Abschreibungen durch Wanderung einzutragen, weil diese, über welche ja dem Verwaltungsbeamten das unmittelbare Verfügungsrecht zusteht, nicht in die Kompetenz eines Fachvorstandes fällt. Nimmt man an, daß genau um 6 Uhr abends die tägliche Statistik abgeschlossen wird, so muß spätestens 30 Minuten später jede schriftliche Feststellung der statistischen Daten in den einzelnen Gemeinden abgeschlossen sein und sie wird dann telegraphisch oder telephonisch dem Bezirksbeamten bekannt gegeben. Dieser kann die Richtigkeit der Angaben später prüfen oder prüfen lassen oder sich mit Stichproben begnügen. Seine weitere Arbeit aber besteht für jetzt nur darin, daß er für die Summierung der Posten sorgt, die Schlußziffern, welche in der obigen Tabelle 25 Ziffern umfaßt, überprüft und die Tabelle zum Drucke vorbereitet. Nun ist aber das Bezirksblatt bis auf die fehlenden Ziffern schon gesetzt und zwar, es ist nicht nur der sonstige Inhalt schon gesetzt, vieles vielleicht schon gedruckt, sondern es sind auch der Kopf und die drei ersten Kolonnen der Tabelle schon gesetzt und es sind nur die Ziffern der fünf folgenden zu setzen, daher man sagen kann, daß das Bezirksblatt im Laufe des nächstfolgenden Vormittags, hier im Laufe des Vormittags des 11. Juli 2001, schon verschickt werden kann. Aus den beim Kreisbeamten einlaufenden Bezirksblättern stellt dieser dann die Kreistabellen zusammen und so wird das Kreisblatt mit den Kreistabellen für den 10. Juli am 12. Juli vormittags gedruckt und versendet, das Provinzblatt mit der Provinztabelle für den 10. Juli am 13. Juli vormittags gedruckt und versendet und das Reichsblatt mit den Reichstabellen für den 10. Juli am 14. Juli vormittags gedruckt und versendet.[17] [17] Ich dachte einmal daran, durch telephonische Mitteilung der Ziffern an den Kreisbeamten und von diesem telegraphisch an den Provinzbeamten und weiter an die Zentralbehörde zu ermöglichen, daß auch diese Tabellen für den 10. schon am 11. gedruckt versendet werden, allein das würde eine ungeheure Belastung der Telegraphenämter mit sich bringen und es wäre kein großes Interesse, das dazu zwänge, denn die Bezirksstatistik ist schon eine alles umfassende Statistik, welche in den Kreis-, Provinz- und Reichsblättern nur verarbeitet wird und es ist frühzeitig genug, wenn deren Tabellen in den folgenden Tagen versandt werden und darum können sie auf Grund der gedruckten Bezirkstabellen vom 10. bearbeitet werden. Es ist nun aber noch der besondere Nachweis zu liefern, daß die ganze Verrechnungs- und statistische Arbeit in jeder ihrer Stufen in verhältnismäßig kurzer Zeit hergestellt werden kann, was für Bezirke, Kreis, Provinz und Reich wegen der Arbeit, welche die Summierung erfordert, bei dem stetig anschwellenden Material viel schwieriger ist, als in den Gemeinden, wo keine größeren Summierungen stattfinden. Müßten nun die Verwaltungsbeamten der Bezirke, Kreise, der Provinzen und der Zentralstellen die mechanische Rechnungsarbeit selbst leisten oder hätten sie nur die Unterstützung der ihnen beigegebenen Volksbeamten, so könnte diese Arbeit allerdings in wenigen Stunden des nächstfolgenden Vormittags nicht bewältigt werden. Allein es wurde schon in V, 3, a, _Alinea_: »Die Unterrichtspersonen«, bemerkt, daß die Schuljugend jeder Gemeinde zu gewissen Arbeiten herangezogen werden kann und dazu eignen sich besonders die einfachen, mechanischen Rechnungsarbeiten. Nachdem sich in jeder Urgemeinde und im Bezirksvororte eine Schule mit einem Schülerstande von je etwa 240 Köpfen, in städtischen Ansiedlungen ist diese Zahl natürlich größer, befindet, wovon mindestens 200 im Rechnen vollkommen sicher sein müssen, so ist die erforderliche Rechnungsarbeit in den Bezirks-, Kreis- und Provinzstädten und in der Reichshauptstadt, die lediglich in der Laterierung einer stattlichen Anzahl von Ziffernreihen besteht, durch die Schuljugend leicht zu besorgen. Man teilt sie in 6 oder 7 Serien von 30 oder 25 Schülern, deren jede an einem Wochentage Dienst hat und verteilt unter sie die aus den Gemeinden einlaufenden Telegramme und die Exemplare der Blätter, aus welchen die Tabellen zusammengestellt werden müssen, woraus jeder Schüler zwei oder drei Tabellen wie die oben aufgeführte zusammenstellt und dann die Summen zieht, wobei sich dann die Schüler gegenseitig kontrollieren. Wo sich Differenzen ergeben, sind diese sofort zu beheben und so ist nun die Arbeit in 20-30 Minuten leicht zu bewältigen. Mit einiger Gewandtheit ist die Tabelle _A_ in fünf Minuten zu bearbeiten und durch die Summierung, beziehungsweise Subtraktion der Summe in den Kolonnen 2-8 und Vergleichung des Ergebnisses mit der Summe in Kolonne 9 die Selbstkontrolle zu besorgen. Davon kann sich der Leser selbst überzeugen. Hier ist übrigens der Gebrauch von Rechenmaschinen und anderen Erleichterungen gar nicht in Betracht gezogen, die bei den Kreis-, Provinz- und Reichsämtern sicher in Anwendung kommen werden. Diese Verwendung der Volksschüler bei einer sehr wichtigen, aber mechanischen Arbeit wäre auch von großem erziehlichem Werte. Man würde die geistigen Kräfte der jungen Leute kennen lernen, denn die Schnelligkeit und Sicherheit in der dauernden Bewältigung solcher mechanischen Arbeiten bildet einen Maßstab zur Feststellung einer sehr wertvollen Anlage. Der junge Mensch fühlt sich überdies als ein Glied der Organisation, er lernt früh den Amtseifer kennen, er lernt den Wert und die Leistungen des Beamtenapparates schätzen, er fühlt, daß er einen wichtigen Platz ausfüllt, daß er pünktlich am Arbeitsorte erscheinen muß, und er wird auch nach und nach mit dem Sinne und der Wichtigkeit dieser Arbeit vertraut. Dabei wird sich sofort der Eifer zeigen, der durch Arbeiten geweckt wird, die in größerer Gesellschaft geleistet werden. Der zeitweilige Ausschluß von der Mitarbeit könnte als Strafe besonders dann verhängt werden, wenn ein Fehler nachträglich aufgedeckt oder eine Verzögerung der Arbeiten verschuldet wird. Es ist noch zu bemerken, daß die vorgesetzten Beamten die Angaben der Verwaltungsbeamten der Urgemeinden und städtischen Quartiere über die Produktion keineswegs so auf Treu und Glauben hinzunehmen, sondern sie zum Teile nachträglich zu prüfen haben. Die Urgemeinden und Quartiere haben nämlich nicht nur statistische Tabellen für die Veröffentlichung zu liefern, sondern auch Bücher zu führen, welche genaue und individuelle Angaben über den ganzen Personalstand und auch über Tiere, Vorräte, Maschinen, Werkzeuge usw. enthalten, wie auch die Gebarung der Hausverwaltung zum Gegenstande haben. Diese Bücher enthalten von jedem Menschen genaue Angaben der Geburtszeit und aller Arten von Veränderungen, die mit ihm vor sich gehen. So werden auch bei Tieren Abkunft, Unterscheidungsmerkmale, Rasse und Namen, bei Kühen Belegung, Zeit des Trockenstehens, die Zeit des Kälberns, des Säugens, ferner die Schwankungen im Gewichtsstande, Milchertrag, Krankheiten usw. eingetragen, vom Bezirks- und Kreisbeamten gleichförmige Bücher zu führen und sie über alles, was Gegenstand der Eintragung ist, auf dem Laufenden zu erhalten sein. Aus diesen Büchern werden die vorgesetzten Beamten genau, beziehungsweise wenigstens schätzungsweise entnehmen können, ob die Angaben der statistischen Tabellen, z. B. über den Milchertrag, richtig sind. Um aber Irrungen in der Wiedergabe der statistischen Daten zu verhindern, werden alle nötigen Vorsichten beobachtet werden. Der Empfänger telegraphischer oder telephonischer Angaben wird sie zurücktelephonieren, damit ein etwaiger Irrtum berichtigt werde. Die Selbstkontrolle der statistischen Tabellen -- in Horizontal- und Vertikalreihen -- wird gleichfalls auf etwaige Irrungen führen. Außerdem wird man Vorsorge treffen, daß alle Rechnungen und Ermittelungen schon in den Urgemeinden und Quartieren doppelt gemacht werden. Auch sind alle bloßen Verschiebungen von Personen oder Sachen nicht bloß vom übergebenden Teile anzugeben, sondern auch vom empfangenden Teile zu bestätigen. Dieser Gegenstand wurde aus dem Grunde so umständlich dargestellt, weil die Frage von der größten Tragweite ist, ob es möglich ist, Jedem Einblick in die Verteilung zu gewähren, deren erste Grundlage ja die Bevölkerungsstatistik und die Statistik der rasch dem Verbrauche zugeführten Nahrungsmittel ist. Die später folgenden Tabellen über die Erzeugung und Verteilung der Milchprodukte und über den Verpflegstand der einzelnen Gemeinden, welche mit dem Bevölkerungsstande nicht übereinstimmt, und noch andere Erörterungen werden überzeugend dartun, daß die Administration eines solchen Staates sehr einfach und unendlich erfolgreich ist. Man kann hier auch die Überzeugung schöpfen, daß die Tagesstatistik, wenn man selbst annimmt, daß sie aus 50 Tabellen gleicher Art besteht, keinen allzugroßen Raum der in VI, 7, geschilderten Blätter einnehmen wird, nur etwa 4 große Folioseiten. Die Natur der Sache bringt es mit sich, daß die äußerste Ökonomie im Raume angestrebt wird. Außer der oben exemplifizierten Tabelle über die erstjährigen Knaben werden noch Tabellen aufgestellt werden 2. für die Knaben, welche mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 6 Jahre alt sind, ferner 3. für die Knaben, welche mehr als 6 Jahre, aber nicht mehr als 18 Jahre alt, also schulpflichtig sind, dann 4. die arbeitspflichtigen Männer, endlich 5. für die von der geregelten Arbeit befreiten Männer. Endlich werden 6. von den arbeitspflichtigen Männern jene ausgewiesen, welche derzeit vorübergehend von der Arbeit befreit sind, so Kranke und Beurlaubte. Da jede dieser Tabellen auch für den weiblichen Teil der Bevölkerung zu machen ist, so gibt das zwölf Tabellen für die Bevölkerungsstatistik und dazu noch eine oder zwei alle Tabellen zusammenziehende Gesamttabellen. Es folgt nun die Tabelle für die Knaben, welche älter als 1 Jahr, aber nicht älter als 6 Jahre, also noch nicht schulpflichtig sind. Bevölkerungsstatistik des Bezirkes 8, 7, 19, vom 10. Juli 2001. A 2. Knaben über 1 Jahr bis einschließlich 6 Jahre. ===================================================================== Ordnungs-| Vom Vortage | Zuwachs | Abfall |Am Tagesschlusse zahl der | | Alters-| |Alters-| |Alters-| | Alters- Gemeinde |Köpfe| tage |Köpfe| tage |Köpfe| tage | Köpfe| tage ---------+-----+--------+-----+-------+-----+-------+------+--------- 1 | 65 | 78000 | | | | | 65 | 78065 2 | 66 | 78015 | | |1-A- | 1190 | 65 | 76890 3 | 59 | 77233 |5-B- | 6124 | | | 64 | 83421 4 | 68 | 79001 | | | | | 68 | 79069 5 | 70 | 80236 | | | | | 70 | 80306 6 | 69 | 79012 | | | 2 | 2405 | 67 | 76674 7 | 63 | 77230 | | | | | 63 | 77293 8 | 64 | 76819 | | | | | 64 | 76883 9 | 67 | 77344 | | | | | 67 | 77411 10 | 59 | 72561 | | | | | 59 | 72620 11 | 62 | 77344 | | | | | 62 | 77406 12 | 60 | 72304 | | | | | 60 | 72364 13 | 68 | 79105 | | | | | 68 | 79173 14 | 66 | 78158 |1-C- | 365 | | | 67 | 78590 15 | 67 | 78556 | | | | | 67 | 78623 16 | 69 | 81137 | | | 1 | 1213 | 68 | 79992 17 | 71 | 83115 | | | 2 | 2506 | 69 | 80678 18 | 62 | 77722 | | |2-D- | 1865 | 60 | 75917 19 | 65 | 77204 | | | | | 65 | 77269 20 | 68 | 80123 | | | | | 68 | 80191 ---------+-----+--------+-----+-------+-----+-------+------+--------- |1308 |1560219 | 6 | 6489 | 8 | 9179 | 1306 | 1558835 -A- Zugeschrieben dem Bezirke 8, 7, 20. -B- Zugewandert aus den Gemeinden 6, 16 und 17. -C- Aus der Tabelle A 1. übertragen. -D- Zugeschrieben dem Bezirke 8, 7, 20. Es erscheint nicht notwendig die Nachweisungen der höheren Altersstufen und des weiblichen Geschlechtes zu exemplifizieren und es folgen noch Beispiele der Molkereistatistik und der Verpflegstandsausweise. So wie die Einwohner dürften auch die wichtigsten Tiere fortlaufend gezählt werden, besonders Rinder und Pferde, dann aber auch Schweine und Schafe; es wird aber genügen, wenn der Stand nach Gemeinden, Bezirken, Kreisen und Provinzen alle Wochen einmal veröffentlicht wird. Dabei dürfte es sich empfehlen, Jungvieh, Nutztiere und männliche und weibliche Tiere zu sondern. Es dürfte sich empfehlen auch von Woche zu Woche das Gewicht der Rinder, Schweine und Schafe festzustellen und statistisch zu veröffentlichen. Davon zu unterscheiden ist die Ermittlung und Verlautbarung des Gewichtes der geschlachteten Tiere an Fleisch, Fett, Blut, Knochen und Fellen. Es entsteht nun die Frage, ob Bienenstöcke, Geflügel, Gemüse und Obst nicht aus dem Staatseigentum ausgeschieden und zu Gemeindeeigentum erklärt werden sollten, weil eine Verrechnung dem Staate gegenüber eine allzu umständliche Sache wäre. Es könnte das so geschehen, daß den Gemeinden eine gewisse Menge von Futter, eine gewisse Anzahl von Arbeitskräften, Bodenflächen und baulichen Anlagen für diese Produktionszweige zugewiesen würden, wogegen die Gemeinden die Ergebnisse dieser Produktion nicht zu verrechnen hätten. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß die staatliche Kontrolle dieser Art von Produktion und die Verteilung dieser Produkte durch die Staatsverwaltung zu umständlich und zeitraubend wäre. Es blieben dann der Ertrag von Honig, Wachs, Eiern, Fleisch, Geflügel und Federn, an Gemüsen und Obst den Gemeinden zur freien Verfügung und in diesem Falle könnte auch entweder den Städten der Betrieb einer eigenen Geflügelzucht, Gemüse und Obstproduktion in verhältnismäßigem Umfange ermöglicht, oder den Dorfgemeinden die Lieferung von Eiern, Geflügel, Gemüse und Obst wie eine Art von Giebigkeit an die Städte auferlegt werden. Denn der Bedarf an diesen Produkten kann regelmäßig durch die Gemeinden selbst gedeckt werden und ein Gütertausch scheint nicht notwendig zu sein.[18] Es würde sich aus dieser Einrichtung eine Entlastung der staatlichen Verwaltung und Statistik ergeben ohne die geringste Gefahr für die Gesellschaftsordnung. Doch hätte der Staat immer das Recht auch solche Produktionen zurückzunehmen und ausschließlich oder neben den Gemeinden für Staatsrechnung zu betreiben, so wenn die Obstproduktion im Großen betrieben wird und nicht bloß zur Versorgung der Gemeinde mit ihrem Bedarf. [18] Übrigens ist ein solcher Güteraustausch durch Vermittlung der Staatsverwaltung recht wohl möglich. So könnte eine Gemeinde oder ein Bezirk des Südens 100 Meterzentner Feigen an eine Gemeinde oder Bezirk Böhmens liefern in Tausch gegen 100 Meterzentner Zwetschen. Die Staatsverwaltung stellt den Transport und besorgt, wenn nicht Bevollmächtigte aufgestellt werden, Übernahme und Ablieferung. Was die Versorgung der Gemeinden mit Kalb-, Schweine- und Schaffleisch anbelangt, so wird eine Großschlächterei wie für die Rindviehschlachtung sich für diese Tiere kaum empfehlen. Durch die Bezirksverwaltung würden den Gemeinden die zu schlachtenden Tiere nach dem Lebendgewichte und den Verpflegständen zur Schlachtung und zum Verbrauche des Fleisches zugewiesen und die Gemeinden hätten nur die Häute und gewisse Knochen, dann die Wolle der Schafe, abzuliefern. Zur Versorgung der Städte mit dieser Art von Fleisch würde durch Abfuhr von Kleinvieh oder von Fleisch geschlachteten Kleinviehs an selbe gesorgt werden. Je nach der Verteilungsart wäre auch die Statistik einzurichten. Die tägliche Feststellung der Verteilung des Fleisches des Großviehes wäre von der größten Wichtigkeit, weil es rasch verbraucht wird und Art und Gewicht nach längerer Zeit nicht mehr ermittelt werden könnte. Dasselbe gilt von der Milch und den Milchprodukten und darum soll ein Beispiel der statistischen Erhebung der Produktion und des Verbrauches von Milch und Milchprodukten hier vorgeführt werden. Die Rindviehschlächterei könnte für einen ganzen Bezirk in einer einzigen Gemeinde betrieben werden. Vor der Schlachtung wäre das Lebendgewicht der Tiere zu ermitteln. Die Statistik hätte ferner das Ergebnis jeder einzelnen Schlachtung in Gewichtsmengen von Fleisch, Fett, Herz, Nieren, Leber, Gehirn, Gedärmen, Blut, Knochen und Haut, und den gänzlich wertlosen Nebenprodukten darzustellen. Fleischer behaupten, daß bei vollständiger Ermittelung des Gewichtes aller dieser Teile Lebendgewicht und Schlachtgewicht sich bis auf eine geringe Differenz gleichstellen müsse, und diese Differenz erkläre sich nur aus verspritztem Blute. Statistische Tabelle über Erzeugung und Verteilung der Milchprodukte im Bezirke 8, 7, 19, am 10. Juli 2001. ======================================================================= || | | | | ~Gemeinde~ || ~1~ | ~2~ | ~3~ | ~4~ | =========================++==========+==========+==========+==========+ | || | | | | | | | | Milch 1.| Ermolken || 1305| 6| 805|--| 1436| 7| 1509|10| | || | | | | | | | | 2.| Zu- u. Abf. || + 213| 8| - 70|62| - 714|10| - 705|37| | || | | | | | | | | 3.| Deren || | | | | | | | | | Verbr. i. G. || 803|--| 734|38| 721|97| 803|73| | || | | | | | | | | 4.| Buttererz. || 31|72| -- |--| -- |--| -- |--| | || | | | | | | | | 5.| Käseerz. || 80|78| -- |--| -- |--| -- |--| | || | | | | | | | | 6.| Abfall || 603|64| -- |--| -- |--| -- |--| | || | | | | | | | | 7.| Dessen || | | | | | | | | | Zu- u. Abf. || - 219|44| + 379|--| + 380|--| + 385|--| | || | | | | | | | | Butter 8.| Dessen || | | | | | | | | | Zu- u. Abf. || - 11|92| + 18|11| + 17|88| + 19|90| | || | | | | | | | | 9.| Verbrauch || | | | | | | | | | i. d. Gem. || 19|80| 18|11| 17|88| 19|90| | || | | | | | | | | Käse 10.| Vorrat || | | | | | | | | | am 9. 7. || 15677|--| -- |--| -- |--| -- |--| | || | | | | | | | | 11.| Summa || | | | | | | | | | aus 5, 10 || 15757|78| -- |--| -- |--| -- |--| | || | | | | | | | | 12.| Verpflegs- || | | | | | | | | | stand || 1100|--| 1006|--| 989|--| 1101|--| Verpflegstandsstatistik im Bezirke 8, 7, 19, am 10. Juli 2001. ============================================================== ~Ordnungszahl || | | | | | der Gemeinde~ || ~1~ | ~2~ | ~3~ | ~4~ | ~5~ | ~6~ ===================++=======+======+======+======+======+===== Bevölkerungsstand || 1003 | 999 | 1010 | 1020 | 1005 | 1007 Abwesend || 23 | 19 | 21 | 20 | 25 | 25 Fremd || 120 | 26 | -- | 101 | 72 | 13 Verpflegungsstand || 1100 | 1006 | 989 | 1101 | 1052 | 995 Verteilungsschlüssel: 73 Zentiliter Vollmilch und 18 Gramm Butter pro Kopf. Das vorstehende ist die naturalwirtschaftliche Abrechnung über eine Tagesproduktion und den Verbrauch eines Wertes von 4016 Statistische Tabelle über Erzeugung und Verteilung der Milchprodukte im Bezirke 8, 7, 19, am 10. Juli 2001. =================================================================+ | | | | | | ~5~ | ~6~ | ~7~ | ~8~ | ~9~ | ~10~ | =======+==+=======+==+=======+==+=======+==+=======+==+=======+==+ | | | | | | | | | | | | 1307|12| 1601| 3| 703|14| 1632| 5| 1105| 4| 1206| 8| | | | | | | | | | | | | + 2151|69| - 874|68| + 72|85| - 884|53| - 323|94| - 400|16| | | | | | | | | | | | | 767|96| 726|35| 775|99| 747|52| 781|10| 805|92| | | | | | | | | | | | | 121| 8| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| | | | | | | | | | | | | 308|49| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| | | | | | | | | | | | | 2261|28| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| | | | | | | | | | | | | - 1877|--| + 387|--| + 384|--| + 383|--| + 385|--| + 385|--| | | | | | | | | | | | | - 102|10| + 17|91| + 19|13| + 18|43| + 19|26| + 19|87| | | | | | | | | | | | | 18|98| 17|91| 19|13| 18|43| 19|26| 19|87| | | | | | | | | | | | | 63007|--| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| | | | | | | | | | | | | 63315|49| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| -- |--| | | | | | | | | | | | | 1052|--| 995|--| 1063|--| 1024|--| 1070|--| 1104|--| Verpflegstandsstatistik im Bezirke 8, 7, 19, am 10. Juli 2001. =============================================================+ | | | | | | | | | ~7~ | ~8~ | ~9~ | ~10~ | ~11~ | ~12~ | ~13~ | ~14~ | ~15~ | =====+======+======+======+======+======+======+======+======+ 1011 | 1007 | 1009 | 1001 | 1013 | 1015 | 1004 | 1008 | 1580 | 27 | 25 | 29 | 18 | 24 | 25 | 26 | 23 | 35 | 79 | 42 | 90 | 121 | 87 | 51 | 34 | 30 | 57 | 1063 | 1024 | 1070 | 1104 | 1076 | 1041 | 1012 | 1015 | 1002 | Verteilungsschlüssel: 73 Zentiliter Vollmilch und 18 Gramm Butter pro Kopf. Kronen nach der gegenwärtigen Verrechnung in den Molkereien in der Nähe von Innsbruck, welche den Bauern 16 Heller pro Liter Statistische Tabelle über Erzeugung und Verteilung der Milchprodukte im Bezirke 8, 7, 19, am 10. Juli 2001. ================================================================ | | | | | | ~11~ | ~12~ | ~13~ | ~14~ | ~15~ | ~16~ | =====+==+=======+==+=======+==+=======+==+=======+==+=======+==+ | | | | | | | | | | | | 1305| 2| 1145| 4| 1620| 3| 907|12| 1436| 5| 1527| 6| | | | | | | | | | | | | 519|54| + 2056|72| - 881|27| - 166|17| - 266|59| + 1488|76| | | | | | | | | | | | | 785|48| 759|93| 738|76| 740|95| 1169|46| 745|33| | | | | | | | | | | | | -- |--| 109|88| -- |--| -- |--| -- |--| 101|55| | | | | | | | | | | | | -- |--| 290|12| -- |--| -- |--| -- |--| 275|45| | | | | | | | | | | | | -- |--| 2041|83| -- |--| -- |--| -- |--| 1893|49| | | | | | | | | | | | | + 385|--| - 1650|63| + 381|--| + 381|--| + 420|19| - 1520|--| | | | | | | | | | | | | + 19|53| - 91|14| + 18|22| + 18|27| + 29|84| - 83|17| | | | | | | | | | | | | 19|53| 18|74| 18|22| 18|27| 28|84| 18|38| | | | | | | | | | | | | -- |--| 54402|--| -- |--| -- |--| -- |--| 50301|--| | | | | | | | | | | | | -- |--| 54692|12| -- |--| -- |--| -- |--| 50576|45| | | | | | | | | | | | | 1076|--| 1041|--| 1012| | 1015|--| 1602|--| 1021|--| Verpflegstandsstatistik im Bezirke 8, 7, 19, am 10. Juli 2001. ========================================== | | | | || ~16~ | ~17~ | ~18~ | ~19~ | ~20~ || Summe =====+======+======+======+======++======= 1001 | 1003 | 1009 | 1003 | 1002 || 20710 27 | 29 | 25 | 27 | 28 || 501 47 | 36 | 28 | 130 | 28 || 1192 1021 | 1010 | 1012 | 1106 | 1002 || 21401 Verteilungsschlüssel: 73 Zentiliter Vollmilch und 18 Gramm Butter pro Kopf. abgelieferter Milch bezahlen. Diese Tagesproduktion entspricht der Anzahl der im Bezirke eingestellten Kühe, welche unter dem Durchschnitte Statistische Tabelle über Erzeugung und Verteilung der Milchprodukte im Bezirke 8, 7, 19, am 10. Juli 2001. ===================================================================== | | | || Summe oder | Verkehr | ~17~ | ~18~ | ~19~ | ~20~ || Differenz | nach außen | =====+==+=======+==+=======+==+=======+==++=========+==+=========+==+ | | | | | | | || | | | | 1231| 8| 1306|15| 1108|17| 906|17|| 25101|58| -- |--| | | | | | | | || | | | | - 493|78| + 493|78| - 300|79| - 174|73|| - 300|29| + 300|29| | | | | | | | || | | | | 737|30| 738|76| 807|38| 731|46|| 15622|73| -- |--| | | | | | | | || | | | | -- |--| 47|75| -- |--| -- |--|| 411|98| -- |--| | | | | | | | || | | | | -- |--| 127|34| -- |--| -- |--|| 1082|18| -- |--| | | | | | | | || | | | | -- |--| 886| 8| -- |--| -- |--|| 7686|32| -- |--| | | | | | | | || | | | | + 382|--|- 503|12| + 387|--| + 381|--|| -- |--| -- |--| | | | | | | | || | | | | + 18|18|- 29|53| + 19|91| + 18| 4|| -- |--| + 26|38| | | | | | | | || | | | | 18|18| 18|22| 19|91| 18| 4|| 385|60| -- |--| | | | | | | | || | | | | -- |--| 22503|--| -- |--| -- |--|| 205890|--| -- |--| | | | | | | | || | | | | -- |--| 22630|34| -- |--| -- |--|| 206972|18| -- |--| | | | | | | | || | | | | 1010|--| 1012|--| 1106|--| 1002|--|| 21401|--| -- |--| Verteilungsschlüssel: 73 Zentiliter Vollmilch und 18 Gramm Butter pro Kopf. mit 3550 Stück angenommen wurde. Nach einem mäßigen Durchschnittsertrag von 7,5 Liter pro Kuh würden diese Kühe 26632 Liter geben und es sind also um 1500 Liter Milch weniger angenommen, als zu erwarten wäre. Danach kann man den Wert der Tagesproduktion in 2000 Bezirken auf 8 Millionen Kronen täglich oder nahezu 3 Milliarden Kronen im Jahr veranschlagen und mit diesen kleinen Tabellen wird ein so großer Wert nach Produktionsmenge und Verteilung verrechnet.[19] [19] In Deutschland rechnet man den Wert der Milchproduktion ohne Butter und Käse und zum offenbar zu geringen Preise von 9 Pfennig pro Liter auf 1700 Millionen Mark gegen 986 Millionen Mark Roheisen und 1170 Millionen Mark Kohlenproduktion, es ist also die Milch offenbar der wertvollste Produktionsgegenstand und dadurch die Wahl der Milch zur Exemplifikation der Produktions- und Güterverteilungsstatistik gerechtfertigt. Freilich ist der Wert dieses Produktes in der Nähe der Städte auch für den Bauer etwas höher, als im Gesamtdurchschnitt, aber bei den heutigen Verhältnissen sind noch erhebliche Handelsunkosten und Transportkosten für die städtische Verproviantierung hinzuzurechnen. Die Käse- und Butterproduktion ist meinen Erkundigungen zufolge erheblich zu hoch angenommen, was aber, weil für unsere Zwecke unwesentlich, eine Neuberechnung der Tabelle nicht notwendig gemacht hat. Noch ist zu bemerken, daß die ganze Magermilch wohl kaum auf Käse verarbeitet würde, wie da angenommen ist, auch sind an 1000 Liter Buttermilch, die hier entfallen dürften, als Getränk nicht ganz wertlos, hier aber als Abfall eingestellt.[20] [20] Die Buttererzeugung ist um 56 Kilo, die Käseerzeugung um 506 Kilo zu hoch angegeben. Die Käseverteilung dürfte nur monatlich erfolgen und auch nur monatlich verrechnet werden, daher sie in die vorstehende Tabelle nicht eingetragen wurde. Am Ende der Horizontalkolonne 8 ist eingetragen, daß 26,38 Kilo Butter aus dem Bezirke ausgingen und zufolge Horizontalkolonne 9 wurden im Bezirk 385,60 Kilo Butter verbraucht, welche Summen zusammen die Menge der laut Horizontalkolonne 2 an diesem Tage erzeugten Butter ergeben. Es wird in den vorstehenden statistischen Tabellen angenommen, daß die Gemeinde 15 die Bezirksgemeinde ist, welche einen höheren Bevölkerungs- und Verpflegstand und daher einen höheren Verbrauch an Milch hat. Als Regel könnte gelten, daß der Quotient an Milch und Butter und etwa auch an Käse und Fleisch, für längere Zeit bestimmt würde, sodaß die Verwaltung der Molkerei und eventuell auch der Fleischerei zum Verbrauche in den Gemeinden täglich das aus dem bestimmten Verpflegstande der Gemeinde sich ergebende Quantum an die Hausverwaltungen abzugeben hätte. Da am Schlusse der Verpflegstand eingesetzt ist, für dessen Ausweisung übrigens eine besondere, unten angefügte, aber eigentlich zu den Bevölkerungstabellen gehörige Tabelle dient, so kann jedermann berechnen, ob die in den Horizontalkolonnen 3 und 9 erfolgte Zuweisung von Milch und Butter, eventuell nach einer anderen Tabelle auch die Zuweisung von Fleisch, dem Verpflegstande genau entspricht. Es ist nur für Milch, Butter und Fleisch eine tägliche Ausweisung notwendig, dagegen braucht sich die Verteilung von Käse in nichts von anderen Verteilungen, wie von Mehl, Zucker, Gewürzen, Feuerungs- und Beleuchtungsstoffen usw. zu unterscheiden, welche in ungleichen Intervallen und größeren Posten je nach der Frachtgelegenheit geschehen könnte. Zur Erklärung der Tabelle über die Milchprodukte dient folgendes: Die erste und zweite Horizontalkolonne weist aus, wieviel Milch die Produktion der einzelnen Gemeinden nach Empfang von Milch aus anderen Gemeinden, beziehungsweise nach Abfuhr von Milch an andere Gemeinden erübrigt. In 15 Gemeinden bleibt nur die Menge zurück, welche an die Hausverwaltung abgegeben wird, weil diese Gemeinden -- der Annahme zufolge -- keine Molkereien haben. Die Menge, welche an die Hausverwaltung abgegeben wird, wird in Horizontalkolonne 3 ausgewiesen und was in den Gemeinden 1, 5, 12, 16 und 18 nach Abrechnung des Verbrauches erübrigt, wird zu Butter und Käse verarbeitet und die Horizontalkolonnen 4, 5 und 6 weisen das Produktionsergebnis aus. Der Abfall wird nicht, wie hier aufgeführt ist, einen genauen Ausgleich der vorausgegangenen Ziffern ergeben, das umsoweniger, als Milch und Abfall in Litern, Butter und Käse in Kilo angesetzt sind, allein mit Rücksicht auf den geringen Wert des nach der Verkäsung verbleibenden, nur als Futter verwendbaren Produktes wird diese Art der Verrechnung sich am meisten empfehlen und als bekannt angenommen werden, daß ein Hektoliter Abfall um so viel Prozente von der ausgewiesenen Menge differiert. Milch und Butter wird jedenfalls täglich vollkommen aufgeteilt und es ist daher niemals ein Rest vom Vortage auszuweisen. Wenn in den einzelnen Hausverwaltungen Reste von einem Tag auf den andern bleiben, so kommt das in der staatlichen Verrechnung nicht zum Ausdruck. Anders bei Käse, der erst nach längerer Ablagerung in Verwendung genommen wird. Hier muß Empfang vom Vortage und verbleibender Vorrat nach jeder Verteilung ausgewiesen werden. Zweifelhaft ist, ob der bloße Verpflegstand nach Köpfen für diese Verteilungen maßgebend ist. Die verhältnismäßige Anzahl der Kinder und Kranken und die Anwesenheit in der Verteilung bevorzugter Personen kann auf die Verteilung von Einfluß sein. Dann müßte für die Verteilung eine andere Grundlage als die bloße Kopfzahl der zu verpflegenden Personen angenommen werden, wie ja auch der Umstand von Einfluß ist, wenn die Fremden sich nur kurz an einem Orte aufhalten und etwa nur eine einzige Mahlzeit einnehmen. Aber da solche genauen Konstatierungen sehr verwickelte Nachweisungen voraussetzen und bei einem Verpflegstand von 1000-1100 Köpfen kleine Differenzen nicht empfindlich sind, wird man sich darüber hinaussetzen und bloß bestimmen, in welcher Gemeinde ein Fremder für den Verpflegstand zu rechnen sei, der unter Tags von einer Gemeinde in die andere übersiedelt. Man wird kleinliche Konstatierungen lieber vermeiden. Sollte das Volk aber die größte Genauigkeit fordern, so läge in den nicht veröffentlichten Aufstellungen der Hausverwaltungen der Gemeinden das Material für die genauesten Konstatierungen vor und man könnte dann von Woche zu Woche Ausgleichungen machen, die der Bezirksbeamte zu verfügen hätte. Da aber diese Ausgleichungen nur eine Art von Virement innerhalb der einzelnen Gemeinde von Tag zu Tag, dann erst von Gemeinde zu Gemeinde und von Bezirk zu Bezirk zur Folge hätte, und nur sehr große Schwankungen, die wohl sehr selten vorkommen würden, auch Ausgleichungen zwischen den Kreisen erforderlich machen würden, so wird davon in den öffentlichen Rechnungen und in der betreffenden Statistik nur in letzteren Ausnahmefällen Notiz zu nehmen sein. In der 2. 7. und 8. Horizontalkolonne ist Zu- und Abfuhr zwischen den Gemeinden dargestellt und um die Zeilen nicht zu vermehren, sind die Zeichen + und - eingeführt. Es ist nun zu bemerken, daß, wenn die Gemeinden eines Bezirkes nur unter sich eine Güterbewegung haben, aber weder von fremden Bezirken empfangen noch an fremde Bezirke abgeben, in der Bezirksstatistik Zu- und Abfuhr sich ausgleichen müssen. Das ist in der 7. Horizontalkolonne der Fall. In der 22. Vertikalkolonne wird die Güterbewegung nach oder von auswärtigen Bezirken ausgewiesen und weil Zu- und Abfuhr auf einer Zeile stehen, mit + und - unterschieden. So wird es auch dann gehalten werden, wenn eine andere Gemeinde als die Bezirksgemeinde direkt mit auswärtigen Gemeinden tauscht. Jeder Güterverkehr zwischen zwei Gemeinden desselben Bezirks muß in jeder von dieser entweder als Zufuhr oder als Abfuhr zur Buchung gelangen, ganz nach Art der doppelten Buchhaltung. Ihre Übereinstimmung bietet dem Bezirksbeamten eine Sicherheit, daß diese Angaben der Gemeinden richtig sind. Würde der Ausgleich fehlen und der Ausgleich auch nicht im Verkehr mit anderen Bezirken liegen, so wäre das ein Beweis, daß eine Irrung vorliegt, welche der Bezirksbeamte durch telephonische Anfrage aufklären wird, ehe man zur Drucklegung der Verrechnung schreitet. Bei einer unmittelbaren Lieferung an eine auswärtige Gemeinde, kann der Bezirksbeamte bei dieser direkt anfragen oder es ist in anderer Form für dessen Orientierung zu sorgen.[21] [21] Ein Statistiker von heute mag für unglaublich halten, daß diese statistischen Arbeiten bewältigt werden können, allein es arbeiten daran im Kollektivstaate viele hunderttausende von Personen mit und sie sind keine volkswirtschaftliche Last, weil dafür alle Geldverrechnung aufhört, an der heute jede Hausfrau und Köchin, jeder Schuster, Schneider, Kaufmann mitarbeiten muß. Aus den Vertikalkolonnen 21 und 22 ist ersichtlich, daß im Bezirk um 300 Liter 79 Zentiliter mehr Vollmilch und um 26 Kilo 38 Deka mehr Butter abgeführt, als zugeführt wurde. Die Kreistabelle wird zeigen, wohin selbe gelangten. Das wird der Beitrag des Bezirks zur Versorgung der großen Städte sein. Die Richtigkeit der Angaben, welche nur einseitig erfolgen, nämlich der Produktionsmenge, muß kontrolliert werden. Es liegen dem Bezirksbeamten genaue Ausweise vor, woraus sich die Richtigkeit jener Angaben wenigstens mit ziemlicher Genauigkeit erschließen läßt, wie aus dem obigen Absatze, _Alinea_: »Es ist noch zu bemerken«, Seite 109 zu entnehmen ist. So ersieht der Bezirksbeamte aus dem genauen Viehstandsverzeichnisse alles, was zur Beurteilung der Richtigkeit der Angaben über den Milchertrag erforderlich ist, wann jede einzelne Kuh aufgenommen und wann sie gekalbt hat, seit wann sie trocken steht usw. Er kann ab und zu selbst kontrollieren oder abwechselnd diese oder jene Person damit beauftragen. Auch haben schon dem Gemeindeverwaltungsbeamten die einzelnen Verwaltungszweige von mehreren Personen unterfertigte schriftliche Angaben einzuliefern. Es ist ersichtlich, daß bei der Naturalwirtschaft nicht der Beamte es ist, der sich einer Hinterziehung schuldig machen könnte, sondern nur die ihm unterstehenden Organe und auch das ist in Betracht zu ziehen, daß der aus etwaigen Unregelmäßigkeiten entstehende Schaden nicht einzelne Personen, sondern den Staat benachteiligt, daß sich der Schaden auf alle verteilt, was als Versicherung wirkt. Bedenklich wäre nur, wenn ganze Gemeinden als solche falsche Angaben machten, um sich eine günstigere Verteilung zu sichern. Denn wenn das zu besorgen wäre, so würde bald eine allgemeine Demoralisation einreißen und andere Gemeinden würden sich selbst Recht zu verschaffen suchen durch gleiche Unlauterkeit. Allein es scheint das nicht wohl möglich, es müßte immer eine Verschwörung einer großen Anzahl von Personen vorausgehen, der Staatsbeamte müßte im Einverständnis sein und es wird nicht leicht eine Gemeinde geben, in der nicht Fremde weilen, die ja auch das Recht haben, Konstatierungen vorzunehmen, was aus der Natur des Kollektivismus hervorgeht, da alles für alle geerntet wird. Die Hausverwaltung hat dann wieder für ihre Gebarung eine genaue Rechnung zu führen, welche nicht durch den Druck veröffentlicht wird, weil sie nur die Gemeindegenossen angeht. Wenn bei der Verteilung von Fleisch an die Gemeinden, nicht im Gewichte, aber in der Qualität eine Benachteiligung von Gemeinde zu Gemeinde stattfände, so wäre das durch Vermittlung des Bezirksbeamten von Zeit zu Zeit auszugleichen. Noch sei bemerkt, daß bei Entwerfung obiger statistischer Tabelle über die Milchprodukte angenommen wurde, daß nicht jede Gemeinde ihre eigene Molkerei zur Verarbeitung der Milch hat. Ob das ökonomischer ist, als das Prinzip, diese Arbeit in jeder Gemeinde besorgen zu lassen, wird die Erfahrung lehren. Es ist anzunehmen, daß jede Urgemeinde einen Viehstand hat, durch den ihr Bedarf an Milch nicht nur voll gedeckt, sondern auch ein beträchtlicher Überschuß zur Butter- und Käseerzeugung erübrigt wird. Nach der Annahme in obiger Tabelle würde aus der Zentralisierung der Milchverarbeitung in wenigen Gemeinden eine Transportbewegung von mehr als 120 Meterzentnern täglich, allerdings nur auf eine durchschnittliche Entfernung von weniger als eine Stunde entstehen. Diese würde sich sehr beträchtlich, vielleicht auf weniger als 20 Meterzentner vermindern, wenn die Gemeinden nur Überschüsse von Käse, Butter und Abfall, ausnahmsweise zur Städteversorgung auch von Milch, austauschen und jede Gemeinde die Verarbeitung der Milch auch selbst betreiben würde. Es ist nicht die Aufgabe dieser Untersuchungen, diese Frage zu lösen, sondern nur zu zeigen, daß in der kollektivistischen Wirtschaft jede ökonomische Aufgabe auf das vollkommenste und rascheste gelöst werden kann. Bei den in diesem Abschnitte entwickelten Vorschlägen wird von der Statistik das Äußerste an Genauigkeit vor ihrer Veröffentlichung die größte Schnelligkeit und Allgemeinheit gefordert und es wurde gezeigt, daß diesen Anforderungen mit spielender Leichtigkeit entsprochen werden kann. Sich über die Verteilung von Produkten, die ihrer Natur nach sofort konsumiert werden müssen, so rasch als möglich zu orientieren, ist für den Kollektivismus offenbar ein Bedürfnis. Niemand würde es aber für möglich halten, daß das ohne erheblichen Arbeitsaufwand an einem dem Verrechnungstage nächstfolgenden Tage =und zwar zur Orientierung eines jeden Einzelnen= möglich sein wird, wenn ich mir nicht die Mühe genommen hätte, diese Arbeit zu unternehmen. Das durfte aber nicht bloß in allgemeinen Sätzen behandelt werden, sondern erforderte eine anschauliche Darstellung, die jeden Zweifel ausschließt. In abstrakten Sätzen ist schon Unsinn genug gegen und für den Kollektivismus geschrieben worden, daß ich mich davon ferne halte. Freilich wirken bei der Verrechnung auch die Art der Verteilung der Bevölkerung, die Beamtenorganisation, und die Ersetzung des Familienhaushaltes durch den Gemeindehaushalt mit, aber diese Einrichtungen entsprechen so sehr zugleich dem Fortschritte im Volksunterrichte, in der Volkserziehung, im geselligen Leben und nach vielen anderen Richtungen, daß die hier erörterten Vorteile keineswegs erkauft werden durch irgend welche Übelstände anderer Art, =sondern die Organisation ist gleich fruchtbar für alle Arten von Produktion und Verteilung=, ganz insbesondere zwar für die idealsten Interessen, aber, wie gezeigt werden wird, auch in hohem Maße für die materiellen Interessen. Für die hauptstädtischen Verteilungen wäre die Statistik noch viel einfacher. Die Reichshauptstadt würde einen Bevölkerungs- und Verpflegstand haben, der dem eines Kreises vergleichbar wäre. Für Milchprodukte wäre die Hauptstadt eine Konsum-, nicht aber, oder jedenfalls nur im geringsten Maße auch eine Produktionsstätte, für Fleisch eine Produktionsstätte nur dann, wenn Mastanstalten und dem entsprechend auch Schlachthäuser in die Hauptstadt verlegt würden. Zu untersuchen, ob das ökonomisch wäre, ist nicht Aufgabe dieser Arbeit und wahrscheinlich würden verläßliche Beobachtungen über die ökonomischen Vorteile und Nachteile erst im Kollektivstaate möglich sein. Die ökonomische Statistik der Hauptstadt würde, abgesehen eventuell von der Auseinandersetzung mit dem Hofhaushalte nach dem Kapitel IV, wenn die Monarchie fortbestände, in einem Kreisblatte veröffentlicht werden, da die Reichshauptstadt ihres Umfanges wegen einen eigenen Kreis zu bilden hätte. Die Bevölkerungs- und Verpflegstandsstatistik dieses Kreises wäre allerdings einigermaßen kompliziert, wegen des beständigen Wechsels der Fremden und des Verpflegstandes. Dagegen hätte diese Statistik wenig mit der Güterproduktion zu schaffen, da die Reichshauptstadt ihren Bedarf an Gütern größtenteils vom flachen Lande bezöge und nur Finalproduktion betreiben würde. Für den Hofhaushalt wäre eine besondere Statistik aufzustellen. Diese hätte zunächst auszuweisen, daß der Hofhaushalt nicht mehr an Gütern vom Gesamthaushalt bezieht, als das Volk bewilligt hat. Außerdem wäre auch eine innere Verwaltungsrechnung aufzustellen und in angemessenen Formen zu veröffentlichen, nachdem auch diese Gebarung das Volk ebenso angeht wie jede andere, und weil nicht das Privatinteresse der Familien des Monarchen und des Adels, sondern das allgemeine Volksinteresse allein für diese Gebarung maßgebend sein darf. Was den Verbrauch anderer Güter für die Ernährung anbelangt, welche nicht wie Fleisch, Milch, Eier u. dergl. dem raschen Verderben unterliegen, insbesondere den Verbrauch von Mehl und den verschiedenen Gewürzen, so werden diese Güter auch den einzelnen Gemeinden und Quartieren im Verhältnisse zum Verpflegstande zuzuweisen sein, ähnlich wie es oben bezüglich der Zuweisung von Milch gezeigt wurde. Allein es wird sich da nicht um tägliche Zuweisungen handeln, es wird genügen, wenn die Zuweisung reichlich für einen Monat im vorhinein erfolgt und die Monatsstatistik den Verbrauch nach Maßgabe des Verpflegstandes feststellt und den Überschuß ausweist, wonach dann eine neuerliche Zuweisung zur Deckung des Monatsbedarfs zu erfolgen hätte. Ebenso wäre es mit den Heiz- und Beleuchtungsstoffen zu halten. Für den Verbrauch dieser Stoffe wäre der Verpflegstand wohl nicht maßgebend. Insoweit Heiz- und Beleuchtungsstoffe in den Betriebsstätten verbraucht werden, kommen sie nicht als Aufwand für die Einzelnen, sondern als Aufwand in der Produktion in Betracht. Insofern es sich aber um den Aufwand zur Beheizung und Beleuchtung der Schlafhäuser und der dem geselligen Leben gewidmeten Räume handelt, würden für die Verteilung der Rauminhalt und das Klima maßgebend sein. Auch hier wird ein statistischer Monatsausweis vollkommen genügen. Was die Wohnbauten und die Nutzbauten für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke anbelangt, so werden sie getrennt auszuweisen sein. Für die Bauten genügt eine Jahresstatistik. Diese wird für die Wohnbauten insbesondere den Rauminhalt der Schlafstuben, der Kommunikationen, Treppenhäuser, Aborte und Bodenräume, dann der dem geselligen Leben, der Schule und dem Amte gewidmeten Räume ausweisen. Dieser statistische Ausweis hat zunächst nach Gemeinden und Quartieren zu erfolgen, woraus die Bezirkssummarien, Kreis-, Provinz- und Reichssummarien zu bilden sind. Das Verhältnis der Bevölkerungsziffer und der Wohnbautenstatistik wird ergeben, ob überall gleichmäßig für das Wohnbedürfnis gesorgt ist und worin die Vorteile der nach den Verteilungsgesetzen bevorzugten Personen bestehen. Dabei wird aber auch der Aufwand für die Ausstattung der Wohn- und Gesellschaftsräume in Betracht kommen. Dieser Aufwand findet seinen Ausdruck in der Anzahl der aufgewendeten Arbeitstage, jede Art von Arbeit reduziert auf einen gemeinen Arbeitstag, und in der Menge und Art der aufgewendeten Materialien. Aber auch für die Bauerhaltung und die Instandhaltung der Ausstattung wird ein statistischer Jahresausweis zu liefern sein. Analog ist der Bestand, die Neuerrichtung und die Instandhaltung der Nutzbauten statistisch nachzuweisen. Ebenso ist es mit dem Inventar zu halten. Es ist zu trennen das Inventar für die Wohn- und Gesellschaftsräume vom Inventar an Werkzeugen und Maschinen für den Betrieb der Urproduktion und der Industrie. Das Kücheninventar gehört ebenso wie das Kellerinventar zu dem Inventar der ersten Kategorie. Auch bezüglich des Inventars handelt es sich um den Bestand vom Vorjahr, um Neuanschaffungen, um Erhaltungsaufwand und um Abschreibungen. Noch eine dritte Art von Inventar wird man aufzustellen haben, nämlich von Gegenständen, die für die Zwecke der Kunst und Wissenschaft dienen. Dahin gehören Bücher und den Büchern verwandte Gegenstände, wie Atlanten, Sammlungen von Käfern u. dergl. Dann Medikamente und andere Bedürfnisse des ärztlichen Dienstes, Instrumente und Apparate und die örtliche Verteilung aller dieser Sachen. Für die Zwecke des Sanitäts- und Unterrichtsdienstes und der Kunst und Wissenschaft werden auch Verbrauchsgüter gewidmet werden müssen, worüber eine besondere Nachweisung zu liefern sein wird. Was musikalische Instrumente und sonstige Behelfe für diese Kunstübung anbelangt, so könnte wohl die Nachfrage größer sein, als mit dem Vorrat zu befriedigen wäre. Darum soll für diese Verteilung die Mitwirkung der Vereine, VIII, 2, _Alinea:_ »Sehr zu fördern« mitbestimmend sein. Am Schlusse des Jahres wird eine eigentliche Statistik aufgestellt werden, umfassend die Bevölkerung, den Gesamtbesitz an unbeweglichen und beweglichen Sachen, die Gesamtproduktion, den Gesamtverbrauch im Laufe des Jahres und den Gesamtvorrat an verbrauchbaren Gütern, welcher auf das kommende Jahr zu übertragen ist. Diese Statistik aber baut sich auf aus der Statistik der Gemeinden, Bezirke, Kreise und Provinzen, welche im Reichssummarium zusammengefaßt werden. Ebenso wird es mit der Bevölkerungsstatistik, der Sanitäts- und Erziehungs- und Unterrichtsstatistik zu halten sein. VII. Der Kollektivismus und die Erhaltung, Vermehrung und Veredlung des Volkes. 1. Die Bevölkerungspolitik. Der Kollektivstaat hat nicht nur die Aufgabe der Produktion und Verteilung der Sachgüter und der persönlichen Dienstleistungen im weitesten Sinne des Wortes, sondern er hat, da unser größtes Gut die Mitmenschen sind, besonders auch Einfluß auf die Propagation und Veredlung des Volkes zu nehmen. Dem Lande gehört jeder an, der von seinen im Lande heimatsberechtigten Bewohnern gezeugt wurde. Wie sonst die Staatsbürgerschaft erworben wird und wie sie verloren geht, bestimmen die Gesetze, auch, inwiefern von Inländern mit Ausländern erzeugten Kinder als Inländer zu betrachten sind. Es scheint der Natur der Sache zu entsprechen, daß die Kinder der Staatsbürgerschaft der Mutter folgen. _Mater certa, pater incertus._ Die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts beweist, daß ein Steigen der heimatsberechtigten Bevölkerung innerhalb gewisser Grenzen erträglich ist. Dagegen ist nicht zu bezweifeln, daß eine allzu rasche Vermehrung der Bevölkerung von Übel wäre, weil die Pflege, Ernährung und der Unterricht einer allzu zahlreichen Nachkommenschaft eine zu große Anzahl von Arbeitskräften in Anspruch nehmen würde und demgemäß auch die Wohnungsbauten zu rasch vermehrt werden müßten. Auch beweist die Erfahrung, daß kein Volk der Erde sich in dem Maße vermehrt, als nach der Zeugungskraft der Menschen möglich wäre. Ein Geburtenüberschuß von eins vom Hundert im Jahre würde schon in siebzig Jahren zur Verdoppelung der Bevölkerung führen, und das müßte schon in zwei- bis dreihundert Jahren eine Übervölkerung zur Folge haben. Die Meinung, daß dem durch Auswanderung leicht abgeholfen werden könnte, wäre falsch, weil man, insofern für die Zeugung nur das Recht des Einzelnen, nicht das öffentliche Interesse in Betracht kommt, nicht leicht ein Gesetz aufstellen könnte, =wer= auszuwandern hat, und es auch, sobald die Überproduktion von Menschen in Europa allgemein würde, unmöglich wäre, den Transport des Überschusses in überseeische Länder zu bewältigen. Auch bringt es die Natur der Sache mit sich und lehrt die Erfahrung, daß durch die Auswanderung die besseren und tüchtigeren, insbesondere die arbeitsfähigeren Elemente außer Land geführt werden, während die kinderreichen Familien zurückbleiben. Bei allgemeiner Übervölkerung müßten sich die benachbarten Völker wechselseitig gefährlich werden, da es viel näher liegt, den Nachbarn den Boden streitig zu machen, als den Menschenexport im Großen zu betreiben. Trotzdem könnte man im =Kollektivstaat= an eine solche zwangsweise Expatriierung denken und jene, die die bevölkerungspolitischen Gesetze nicht beobachten, des Staatsbürgerrechtes berauben und gewaltsam außer Landes schaffen, zu welchem Ende man Kolonien in unbewohnten oder schwachbevölkerten, aber fruchtbaren überseeischen Ländern errichten oder sonst einen Ausweg, wovon später die Rede sein wird, finden müßte. Das setzt aber eben voraus, daß man zwischen legitimen, den heimischen bevölkerungspolitischen Gesetzen entsprechenden, und illegitimen Zeugungen unterscheide, daß man also doch bevölkerungspolitische Gesetze erließe und die Expatriierung als Strafe verhängte. Dann aber ist die Zeugung kein gleiches Recht für alle mehr. Es ist ein großer Irrtum, wenn man die tatsächliche Zahl der Geburten in unserer heutigen Gesellschaftsordnung für das Ergebnis der natürlichen Fruchtbarkeit der Menschen hält. Die Zahl der Geburten wäre aber eine viel größere, wenn die Menschen sich in der Propagation lediglich von den Gesetzen der Natur beherrschen ließen. Die mannigfaltigsten Lebensgrundsätze, die mehr oder weniger mit der Sittlichkeit vereinbar sind, nehmen Einfluß auf die Verminderung der Zeugungen. Scheinbar einwandfrei ist die Enthaltsamkeit jungfräulicher Frauenspersonen, welche sich der Ehe enthalten oder keine entsprechende Ehe einzugehen Gelegenheit finden. Es ist aber immer noch die Frage, ob diese Enthaltsamkeit nicht große Übel im Gefolge hat. Die nicht befriedigte Natur fällt oft dafür weit größeren Verirrungen anheim. Wir wissen, daß Unzucht mit geschlechtsunreifen Kindern, mit Tieren und andere Verirrungen sehr häufig vorkommen und wahrscheinlich viel häufiger, als beobachtet wird. Noch viel größer als der Einfluß der völligen geschlechtlichen Enthaltsamkeit ist der Einfluß der oft als unsittlich verworfenen Maßnahmen, welche auf Unfruchtbarkeit der Umarmungen abzielen oder die Frucht zu beseitigen berechnet sind. Die abscheulichste Ursache der Verminderung der Geburten ist die Prostitution. Bekanntlich ist die Geburtenziffer in Tirol eine auffallend niedere, und in diesem Lande kann man folgendes beobachten. Unter den Bauern findet man häufig, daß die Mädchen das Alter von 45 Jahren und darüber erreicht haben, ehe sie zur Heirat schreiten, und oft verzögert sich die wirkliche Eheschließung bei Bräuten in diesem vorgeschrittenen Alter noch um ein oder zwei Jahre, so daß die Absicht, von welcher sie geleitet werden, unverkennbar ist. Es scheint, daß diese Ehen widerlicher sind als manche andere Verirrung ähnlicher Art. So viel ist gewiß, daß für die Menschen zwingende Verhältnisse vorliegen müssen, die eine natürliche Vermehrung als unheilvoll erscheinen lassen, wenn sie zu so mannigfaltigen und oft auch abscheulichen Mitteln greifen, die natürliche Vermehrung einzuschränken. Es ist gewiß, daß die mit der Kultur vereinbare Regelung der Volksvermehrung das schwierigste Problem ist, das den Menschen gestellt ist, und man kann nur wünschen, daß es im Kollektivstaat eine richtige Lösung finde, wenn auch vielleicht erst nach Generationen. Man muß annehmen, daß unter 100 Menschen mindestens 20 Frauenspersonen leben, die sich im zeugungsfähigen Alter befinden. Sinkt trotzdem die Zahl der Geburten bei allen Völkern unter fünf vom Hundert, bei vielen bis auf nahezu zwei vom Hundert im Jahre, so kann man sich vorstellen, welchem Zwange der Verhältnisse die Menschen ausgesetzt sein müssen. Und selbst rohe Völker verhalten sich der Propagation gegenüber nicht anders als die Kulturvölker. So hat der spanische Reisende Azarra bei wilden Völkern in Südamerika Gewohnheiten konstatiert, die offenbar darauf berechnet waren, Totgeburten herbeizuführen und die Kindersterblichkeit zu vermehren. Die klassischen Völker haben die Aussetzung neugeborener Kinder für erlaubt gehalten, sie scheint auch bei Juden vorgekommen zu sein, ebenso bei den Germanen. Was die Juden anbelangt, ist die Aussetzung des Moses ein klassisches Beispiel. Der Geburtenüberschuß, welcher für die Propagation entscheidend ist, hängt nicht allein von der Zahl der Geburten ab, sondern vom Verhältnisse der Geburten zu den Todesfällen, und wird in einem Lande die Versorgung des ganzen Volkes durch den Kollektivstaat nach den Grundsätzen geleistet, welche hier entwickelt worden, so muß man annehmen, daß die Todesfälle auf viel weniger als 1,5 vom Hundert im Jahre herabgingen, weil ein so niederer Prozentsatz der Sterbefälle schon heute in vielen sanitär gut eingerichteten Städten beobachtet wird. Nimmt man nun an, daß die Sterbefälle auf 1,2 vom Hundert im Jahre herabgingen, so wäre die wünschenswerte Maximalzahl der Geburten auf 17 bis 20 vom Tausend im Jahre zu veranschlagen. Eine Geburtenziffer von wenig über 2 Prozent wird auch heute schon tatsächlich in Frankreich, Tirol und manchen Staaten von Nordamerika beobachtet, obwohl gerade in Nordamerika Platz genug wäre, sich im Lande auszubreiten. Es wird demnach im Kollektivstaat Gegenstand der jeweiligen Volksbeschlüsse sein, die Grundsätze für die Bevölkerungspolitik festzusetzen, die Verhältniszahl der Geburten zu normieren und der Staatsverwaltung die Maßregeln vorzuschreiben, durch welche auf die Einhaltung dieser Verhältniszahl hingewirkt werden soll. Vorausgesetzt, daß solche Gesetze und Maßregeln für zulässig erachtet werden, entsteht die Frage, wem die Zeugung verwehrt werden soll und wie diesen Gesetzen Achtung zu verschaffen ist. Dabei wird die weibliche Bevölkerung zuerst in Betracht kommen, weil es nur darauf ankommt, wie die Frauen, nicht wie die Männer sich zu diesen Gesetzen verhalten. Nach dem, was wir in VII, 3, über die freie Liebe entwickeln werden, ist übrigens kaum zu erwarten, daß sich jemand den staatlichen Vorschriften wegen der Ehe und Zeugung nicht fügen wird, und es wäre eher zu besorgen, daß eine Eheflucht einrisse, die ihrerseits dem Staate gefährlich werden müßte, daher man daran wird denken müssen, die Ehe den dazu Berufenen wünschenswert zu machen. Doch wollen wir zunächst prüfen, wie der Übervölkerungsgefahr vorgebeugt werden könnte. Man könnte die Einschränkung der Zeugungen nach zwei verschiedenen Richtungen normieren. Entweder würde man zwar jeder Frauensperson die Zeugung gestatten, aber nur bis zu einer bestimmten Anzahl von Kindern, also für etwa zwei Kinder, oder man würde eine größere Anzahl von Frauenspersonen von der Zeugung ganz ausschließen, den anderen aber die Zeugung von Kindern ohne jede Einschränkung freigeben. In beiden Fällen würden jene Geburten, welche im Widerspruche mit den Gesetzen stattfänden, als illegitim anzusehen sein. Bei dem heutigen Stande der Dinge wäre der zweite Weg der bessere. Er würde uns die Möglichkeit bieten, die gesündesten Frauen und, wenn die Ehe beibehalten würde, die gesündesten Männer auszuwählen und ihnen die Propagation freizugeben, diese aber den anderen ganz zu verwehren.[22] Da die Gestattung der Zeugung noch nicht bedingen würde, daß von der Erlaubnis Gebrauch gemacht und welcher Erfolg erzielt wird, so müßte durch ununterbrochen fortgesetzte Beobachtung des Verhältnisses der Geburten zu den Todesfällen festgestellt werden, ob die Verehelichungsbewilligungen vermehrt oder vermindert werden sollen. Auch dazu würden die Bevölkerungstabellen dienen, die in VI, 8, e, angeführt worden sind. [22] Nach einem Berichte der »Politisch anthropologischen Revue« III S. 398 hat ein russischer Großgrundbesitzer eine Züchtung besonders schöner Menschen mit großem Erfolge versucht, indem er unter seine Arbeiter nur schöne Menschen aufnahm und die Ehen der Schönsten unter ihnen begünstigte. So kamen 40 besonders viel versprechende Paare zustande, von welchen schon 100 außerordentlich schöne Kinder gezeugt wurden, unter welchen wieder die erste Ehe geschlossen wurde zwischen einem reizenden Mädchen und einem Antinous von einem Jüngling. Man könnte nun dagegen sagen, daß niemand das Recht habe, jemand das Zeugen von Kindern zu verwehren. Es scheint aber, daß man mit diesem Rechtsgrundsatze den Kollektivismus unmöglich machen würde. Darum hat auch der Liberalismus, dem der Kollektivismus verhaßt war, jenes Recht der freien Selbstbestimmung in der Liebe und Ehe verbunden mit dem sozialen Gesetze, daß niemand als die Erzeuger für die Kinder, welche geboren werden, zu sorgen habe, vertreten, und diese Grundsätze konnten nur die Folge haben, daß die Übervölkerung zwar keine allgemeine, wohl aber eine Plage für die einzelnen Familien wurde. Man tröstete sich damit, daß jeder schlafe, wie er sich bettet. Allein es waren ja nicht bloß die Eltern, die die Lasten der allzu zahlreichen Geburten zu tragen hatten, vielmehr die erzeugten Kinder selbst und mittelbar doch auch die Gesellschaft, welche keineswegs unberührt bleibt von dem Elend und der Verkümmerung eines großen Teiles der Mitbürger und von der Verwahrlosung der Jugend. Darum gerät die Gesellschaft auch wieder mit sich selbst in Widerspruch, denn es werden Werke der Mildtätigkeit eingeleitet, um dem Elende, das die Gesetze verschuldet haben, abzuhelfen, und so schwankt man hin und her und macht wieder teilweise gut, was der Theorie nach nur die Eltern, aber nicht die Gesellschaft angeht. Allein wirklich interessiert sind weder die Eltern noch die Gesellschaft, sondern vor allem jene, die gezeugt werden und von der Erde, auf die man sie pflanzt, doch nicht Besitz ergreifen dürfen und, wenn sie ihren Platz auf Erden fordern, grausam bestraft werden. Sie sind nicht im Unrecht, wenn sie ihren Eltern und der Gesellschaft fluchen, denn so rechtlos, wie der Besitzlose, ist kein Tier. Die Besitzlosigkeit ist die ärgste Sklaverei, und wenn man den Enterbten zuruft, »so arbeitet doch«, ein Ruf, den am frechsten jene erschallen lassen, die nicht arbeiten und welche aus der Zwangslage der Besitzlosen wucherischen Gewinn ziehen, so vergißt man doch, daß das Leben nicht mit der Arbeitstüchtigkeit beginnt, daß der Ärmste auch zur Arbeitstüchtigkeit und zur Arbeitsfreude nicht erzogen wird und daß die Arbeit auch nur für jenen ist, der Arbeitsgelegenheit hat. Das ist ja eigentlich der Sinn der Armut, daß der Arme von dem =Rechte=, zu arbeiten, ausgeschlossen ist und daß er, was zweifellos ein angeborenes Recht ist, den Boden zu bebauen und sich von seinen Früchten zu ernähren, als Recht nicht geltend machen darf, weil man ihn einen Dieb nennt und als solchen bestraft, wenn er nach den von der Erde freiwillig hervorgebrachten Früchten greift oder er sich anmaßt, die Früchte in Anspruch zu nehmen, die er selbst der Erde abgewinnt. Bei solchen Umständen und bei solchen Rechten der Gesellschaft gegenüber hat der Überschüssige offenbar das Recht, ihr zuzurufen: »Ihr habt uns nicht zeugen lassen dürfen!« Es wird übrigens in der künftigen Gesellschaft das gesellschaftliche Recht, die Zeugung zu beschränken, um so weniger bezweifelt werden, als dem Kollektivstaate durch die Zeugung von Kindern Verpflichtungen auferlegt werden, nämlich die Kinder zu erhalten und zu erziehen. Denn wenn der Staat allein über alle Früchte verfügt und alles Nationaleinkommen verteilt, von wem könnten die Kinder Versorgung und Erziehung beanspruchen, als eben vom Staate? Und auch in der heutigen Gesellschaftsordnung anerkennt man ein Recht des Staates, die Erzeugung von Kindern zu erschweren oder zu begünstigen. Das Recht steht dem Staate ohne Zweifel zu, wenn er auch nach den Grundsätzen des Liberalismus gegenwärtig davon keinen Gebrauch macht. Es hat bis in die neuste Zeit hinein Gesetze gegeben, welche die Ehe erschweren, oder, im Falle eines Rückganges der Bevölkerung, sie begünstigen. Ebenso maßen sich in vielen Gegenden, wo das Zweikindersystem volkstümlich ist, die älteren Kinder das Recht an, den Eltern bittere Vorwürfe zu machen oder sie dem Spotte preiszugeben, wenn sie von weiterer Zeugung nicht abstehen. Ein Interessenkonflikt innerhalb der Familie liegt zweifellos vor und wenn es uns verletzt, den Streit ausbrechen zu sehen, so ist es doch sicherlich eine natürliche Quelle der häßlichsten Familienstreitigkeiten, oft der Anlaß zu Verbrechen und Mordtaten, sobald die Zeugung über eine gewisse Grenze hinaus fortgesetzt wird, oder verwitwete Personen, die schon erwachsene Kinder haben und noch zeugungsfähig sind, zu einer zweiten Ehe schreiten. Man kann es wohl in Zweifel ziehen, ob einer oft lächerlicher Begierde wegen der Anteil älterer Kinder am Erdenglücke so ganz mit Recht geschmälert werden darf, besonders dann, wenn es sich um das Schicksal erwerbsunfähiger Kinder handelt. Und wie häßlich ist es, wenn solche Fragen zwischen sich nahestehenden Verwandten aufgeworfen werden. Jedenfalls ist es besser, wenn sie, wie im Kollektivstaate, nur zwischen den Einzelnen und dem Staate zum Austrage kommen, da es hier nur vernünftige Grundsätze sein können, nach welchen sie ausgetragen werden. In wieferne der Staat in einer kollektivistischen Gesellschaftsordnung berechtigt ist, die Freiheit der Volksgenossen in der Propagation einzuschränken, mag unerörtert bleiben. Denn abstrakte Rechtsgrundsätze haben die Menschen niemals geleitet. Vergleichen wir aber die heutigen Zustände mit jenen, welche im Kollektivstaate in Beziehung auf die Zeugung zur Geltung kommen mögen, so erscheinen uns letztere vernünftiger, gerechter und mit dem Wohlwollen vereinbarer. Wer =heute= von Besitzlosen gezeugt wird, ist ausgeschlossen von jedem Mitbesitz, auf den doch jeder ein unveräußerliches Recht hat, der in die Welt gesetzt wird. Denken wir uns nun, in der ~künftigen~ kollektivistischen Gesellschaftsordnung würde gegen den Willen des Staates ein Kind erzeugt, so würde der Staat zwar solche Kinder nicht den legitimen Kindern gleichstellen und ihnen gegenüber die Versorgungspflicht nicht übernehmen, die er den mit seiner Zustimmung gezeugten Kindern gegenüber übernimmt, er würde sie aber nicht zur Besitzlosigkeit verdammen. =Er würde ihnen und ihren Erzeugern nur die Rechte der Mitgliedschaft am Kollektivbesitze vorenthalten, er würde sie aber nicht von allem Besitze ausschließen.= Er könnte die Eltern und die von ihnen unrechtmäßigerweise gezeugten Kinder auf einer dazu bestimmten Insel aussetzen, auf eine Kolonie verpflanzen, wo dem Staate eine Versorgungspflicht nicht obliegt, oder eine solche Familie nur von den Rechten am kollektiven Mitbesitze ausschließen. =Nicht eines jeden Anteiles an der Mutter Erde würden sie beraubt, nur aus der kollektivistischen Vergesellschaftung würden sie ausgeschlossen.= Diese Vergesellschaftung wird nur begründet für jene, welche sich den staatlichen Gesetzen unterwerfen und insbesondere jenen Gesetzen, welche die Propagation zum Gegenstande haben. Wir haben im Abschnitte I, _Alinea_: »Die Rechtsgrundsätze für die kommende Zeit« bereits darauf hingewiesen, daß die kollektivistische Gesellschaftsregel niemand aufgezwungen werden soll, daß es jedem freigestellt bleibe, =seinen Anteil am Gesamtbesitze abzusondern=, aus der kollektivistischen Gesellschaft auszutreten und eine Abfertigung in beweglichen und unbeweglichen Sachen zu verlangen. Das, was jenen, die sich den Gesetzen unterwerfen, als Recht zugestanden wird, wird den Kontravenienten gegen die Propagationsgesetze als Strafe auferlegt, ~sie werden aber nicht zur Besitzlosigkeit verdammt~. So verstanden kann das Verbot, Kinder zu zeugen, offenbar nicht als ungerecht verurteilt werden. Der Kollektivismus ist im wahren Sinne des Wortes ein _Contrat social_, weil er fort und fort auf der Zustimmung aller Teilnehmer beruht. Die Ausscheidung, welche jedem Erwachsenen freigestellt, den Sündern gegen die Propagationsgesetze aber strafweise auferlegt würde, würde bedeuten, daß einer solchen Familie ein Gebiet im Staate selbst mit einem Anteil an Gebäuden und beweglichen Sachen von einem solchen Werte als Privateigentum angewiesen würde, der beiläufig ihren Anteil am Kollektivvermögen ausmacht, aber mit Ausschluß von allen weiteren Vorteilen, die der Bürger aus dem Kollektivismus zieht. Sie erhielten Privateigentum in einem Ausmaße, das dem gesellschaftlichen Anteile entspricht, der ihnen zukommt, aber nicht mehr und sie könnten nun nach ihrem Belieben Kinder zeugen, so viele sie wollten, aber auf ihre Rechnung und Gefahr. In einem Punkte wären sie besser daran, als der Besitzlose von heute, in einem anderen Punkte schlimmer, aber nur dann schlimmer, wenn der Staat im Austausche von Gütern mit ihnen hart verführe. Denken wir, es wäre ein Gärtner und seine Geliebte, die geboren hat, oder Frau, die er ohne staatliche Erlaubnis geheiratet hat. Der Staat =könnte= ihn beim Güteraustausch, den der Ausgeschlossene nicht entbehren könnte, hart behandeln, so wie heute der Besitzende den Arbeiter bewuchert. Es wäre aber gar nicht notwendig, daß man seine Arbeitskraft wucherisch ausnutze, man könnte ihm für seine Arbeitsprodukte das volle Äquivalent geben, er würde nur die ohne Zustimmung der Gesellschaft erzeugten Kinder, seien es, so viele es immer wären, selbst zu erziehen und zu erhalten haben. Wenn er auch in keinem Stücke verkürzt würde, er würde diese Art von Ausschluß aus den Vorteilen des kollektivistischen Lebens doch gewiß hart empfinden. Die praktischen Grundsätze für eine solche Absonderung wollen wir nicht näher erörtern. Zu den gesetzlichen Folgen der Nichtbeachtung der Populationsgesetze könnte auch die zwangsweise Verbannung in Kolonien gerechnet werden, die noch nach den Grundsätzen der alten Gesellschaftsordnung verwaltet werden. Man könnte aber auch einem Gesetzesübertreter ein Patrimonium in barem Gelde geben und ihn mit der Sündigen in einen fremden Staat, der ihn aufnehmen will, einzuwandern zwingen. Er könnte nun wählen, was von alledem ihm das mindest Beschwerliche erschiene. Schwerlich würde irgend ein Bürger eines Kollektivstaates eine dieser Lagen verbunden mit der vollen Freiheit der Zeugung dem Anspruche auf die Rechte eines Kollektivbürgers unter Verzichtleistung auf das Zeugungsrecht vorziehen. Jedenfalls würden doch er und seine Kinder weit weniger Grund haben, sich zu beschweren, als der Arme von heute, der von allzureichem Kindersegen bedrückt ist und die Kinder, die sich an den armen Erzeuger halten müssen. Aus Vorstehendem kann man nun schon ableiten, welche Gesetze gegen gesellschaftswidrige Zeugungen in Betracht kommen könnten. Gewiß hat der Staat kein Recht, jene, die keine gesunde Nachkommenschaft erwarten können, gegen ihren Willen der Zeugungskraft zu berauben,[23] noch die von ihnen gezeugten Kinder zu töten, noch gegen den Willen der Mutter eine Totgeburt herbeizuführen, noch die Kinder auszusetzen, ein Recht, das sich die Griechen und Römer gegen ihre eigenen Kinder anmaßten. Aber eine der oben erwähnten Beraubungen von den gesellschaftlichen Rechten, unter welchen dem Betroffenen die Wahl freistünde, müßte dem Kollektivstaate eingeräumt werden, wenn Jemand Kinder zeugt, ohne die Einwilligung des Staates vorher erwirkt zu haben, sei es, daß die Zeugung zu früh, in allzu jugendlichem Alter der Eltern, oder zu spät, in einem Alter, in dem die Zeugung nicht mehr gestattet wird, erfolgt, oder daß die Zeugenden wegen vererblicher Krankheiten oder Gebrechen von dem Rechte der Zeugung ausgeschlossen werden. =Den größten Vorteil für die Sicherstellung der gesellschaftlichen Interessen in den die Propagation betreffenden Einrichtungen erwarte ich von der Frauenkurie, von der in= VII, 4, =die Rede ist, da die Frauen vom Urteil ihrer Geschlechtsgenossen sehr abhängig sind und sich in der Frauenkurie bald eine öffentliche Meinung bilden wird.= [23] Wir können nicht wissen, welche Wandlungen die Anschauungen der Völker im Zukunftsstaate durchmachen werden und ob sie der Anregung in Matthäus 19, 12. nicht doch Folge geben werden, wenn die Erfahrungen dafür sprechen. Doch hätte das nur auf weibliche Kinder von besonders schlechten Anlagen, z. B. Kretins, Anwendung. 2. Ehe, Familie, Elternrecht, Wahlmütter, Anteil des Staates an der Erziehung. Man hat die Frage der Liebe von der Frage der Zeugung zu trennen. Man kann die Liebesfreuden genießen, ohne zu zeugen, und in einer unglücklichen Ehe kann man ohne Zweifel zeugen, ohne Liebesfreuden zu genießen. Vielen Frauen ist die eheliche Umarmung eine Qual und eine Schande. Wir wollen zunächst untersuchen, wie sich der Kollektivstaat zur Zeugung zu verhalten hätte. Sein Interesse geböte offenbar, daß die tüchtigsten Frauen, gesund, kräftig, schön und frohgemut, mit den tüchtigsten Männern gleicher Vollkommenheit Kinder zeugten und zwar in einer Anzahl, welche eine angemessene, nicht zu rasche Vermehrung der Bevölkerung von 5-10 vom Tausend im Jahre herbeiführen würde. Mit dem Zurückgehen der Sterblichkeit müßte das Zurückgehen der Geburten Schritt halten. Die Erfahrung würde darüber belehren, ob die Zeugung in der Ehe und beschränkt auf die Ehe, unter strenger Beobachtung der ehelichen Zeugung, besser den gesellschaftlichen Zwecken entspräche, oder ob die fallweise Verbindung zwischen zwei Personen, die sich jeweilig zur Zeugung vereinigen, und demnach wechselnd von einer Zeugung zur anderen, wie die Erfahrungen und die Neigungen der Frau ihre Wahl beeinflussen mögen, vorzuziehen sei. Von vorn herein hat man keinen Grund, der Ehe allein unbedingt den Vorzug zu geben, weil in allem jene Erfahrungen entscheiden müssen, welche erst der Kollektivstaat machen wird. Kärnten in Österreich ist, so viel ich weiß, das einzige Land, welches beinahe ebenso viele uneheliche als eheliche Geburten hat und eines scheint gewiß zu sein, daß der Menschenschlag in Kärnten kräftig und schön ist, wie auch die Statistik zu beweisen scheint, daß die sozialen Verhältnisse dort um nichts schlechter sind, als in Ländern, wo die unehelichen Geburten nur 10, ja nur 5 vom Hundert der Geburten betragen. Setzen wir den Fall, daß die Ehe nicht als die edlere und in Beziehung auf die Zeugung einer veredelten Nachkommenschaft nicht als die für die Gesellschaft nützlichere Form des Liebeslebens erkannt würde, so könnte sie im Kollektivstaate aufgegeben oder dem Belieben der Einzelnen freigegeben werden. Denn die Beschränkung der Zeugung auf die Ehe ist heute nur deshalb von Vorteil, weil die Ehe den Kindern in unseren Verhältnissen eine größere Sicherheit der Erziehung und Versorgung gewährt, als die außereheliche Zeugung. Schon das ununterbrochene Zusammenleben der Eheleute und ihrer Kinder ist heute von großem Einfluß auf das Wohl der Kinder, abgesehen davon, daß die uneheliche Mutter weder in hinreichendem Maße die Versorgung leisten, noch in Beziehung auf das Erwerbsleben, welches nach den Grundlagen unserer heutigen Zustände mehr in die Kompetenz des Vaters gehört, die Interessen ihrer unehelichen Kinder so gut wahrnehmen, wie der Vater für die ehelichen Kinder sorgen kann. Allein gerade dort, wo die unehelichen Geburten beinahe vorwiegen, in Kärnten,[24] hat sich auch in diesem Belange die außereheliche Zeugung mit dem Versorgungs- und Erziehungsbedürfnisse ins Gleichgewicht gesetzt, indem dort der Bauer recht gern Dirnen in den Dienst nehmen soll, so hat man mir mitgeteilt, welche ein oder zwei uneheliche Kinder mit ins Haus bringen. Diese fremden Kinder werden dann vom Bauer in der Hausgemeinschaft aufgezogen und zur Arbeit verwendet, so weit es tunlich ist. [24] Der Prozentsatz der unehelichen Geburten ist in Kärnten seit 1890 nicht unerheblich herabgegangen, übersteigt aber immer noch 40 Prozent. Da nun, wie wir sehen werden, die Natur der Dinge es mit sich bringt, daß im Kollektivstaat der Staat die Kinder, soweit durch die Zeugung seine Gesetze nicht verletzt werden, versorgt, die Mutter allein für die Familienerziehung vorzugsweise in Betracht kommt und ihre Stelle nötigenfalls von einer Wahlmutter vertreten werden soll, besteht ein Bedürfnis, die Zeugung auf die Ehe zu beschränken, gewiß nicht in dem Maße, wie heute, auch in der kollektivistischen Gesellschaft. Und doch wäre die Aufgebung der Ehe für die erste Zeit der neuen Gesellschaftsordnung nicht zu empfehlen. Einerseits weil man sich hüten muß, so altehrwürdige Einrichtungen voreilig abzuschaffen, wodurch man der neuen Ordnung nur Feinde schaffen könnte. Dann aber auch, weil diese Einrichtung der neuen Ordnung wichtige Dienste leisten kann. Beschränkt man nämlich das Recht der Zeugung auf die verheirateten Personen, so kann der Staat die Auswahl gesunder Männer und Frauen für die Zeugung leichter sichern, als in einer Verfassung ohne Ehe. Der Staat kann dann Einfluß nehmen auf eine vernünftige Gattenwahl, die aber unter allen befähigten Männern der Frau freistehen muß. Ohne Beeinträchtigung dieser Freiheit können die staatlichen Organe immerhin einen mäßigen Einfluß auf diese Wahl ausüben, wenn die Zeugung auf die Ehe beschränkt wird. Auch darauf kann der Staat unter dieser Voraussetzung Einfluß nehmen, daß die Zeugung durch noch allzu jugendliche Personen oder, selbst in der Ehe, über eine gewisse Altersgrenze hinaus, welche ein günstiges Zeugungsergebnis nicht mehr erwarten läßt, verhindert werde. Aus diesen Gründen wird zunächst die Fortdauer der unlöslichen oder schwer löslichen Ehe und die Unterdrückung der unehelichen Geburten sich empfehlen. Es wird aber ununterbrochen darüber zu beraten und zu verhandeln und es werden mit besonderer Rücksicht darauf Untersuchungen anzustellen sein, ob der Kollektivismus eine Änderung der geschlechtlichen Verhältnisse wünschenswert macht. Daß er sich mit jeder Form des Liebeslebens leichter verträgt, als die heutige Gesellschaftsordnung, ist gewiß. Zunächst können wir, wie gesagt, nur zu dem Ergebnisse kommen, daß der Kollektivstaat unter vorläufiger Aufrechterhaltung der Ehe und mit tunlichster Unterdrückung der unehelichen Geburten, oder auch, wenn die Ehe jedermann freigestellt wird, =nicht aber in der Ehe die Zeugung=, mit tunlichster Unterdrückung jener Zeugungen, welche den Populationsgesetzen zuwiderlaufen, eine entsprechende Einschränkung der Zeugungen unter Bevorzugung jener Zeugungspersonen, von welchen die gesündesten, kräftigsten, schönsten und begabtesten Kinder zu erhoffen sind, herbeizuführen haben wird. Was die Ehe anbelangt, so wird der Staat nur jene Ehen als gültig anerkennen, die mit seiner Einwilligung und unter Mitwirkung der damit betrauten staatlichen Organe geschlossen werden. Da aber eine Auswahl der zur Zeugung, beziehungsweise zur Ehe berufenen Personen stattfinden soll, werden nicht nur die Kinder mit Rücksicht auf die später aufzuwerfende Frage, ob sie zur Ehe zugelassen werden sollen, häufig zu untersuchen sein, sondern auch die Beobachtungen an ihren Eltern und die noch weiter zurückgehenden Beobachtungen an den Voreltern und die Sektionsergebnisse, so hoch hinauf, als sie vorliegen und vernünftigerweise noch in Betracht kommen können, in Berücksichtigung gezogen werden müssen und es wird sich vielleicht sehr empfehlen, durch irgend eine Feierlichkeit oder sonst auf eine Art, die zur Ehe Berufenen schon im frühen Alter als zur Ehe prädestinierte junge Leute zu proklamieren, um nicht nur ihre Phantasie auf den künftigen Beruf zu lenken, sondern auch bei den anderen die Resignation sich zu einer Zeit einwurzeln zu lassen, wo das Geschlechtsleben noch keine Bedeutung hat. Die Folge der Annahme dieser Grundsätze wird es sein, daß man auf mancherlei Art die wechselseitige Aufmerksamkeit solcher junger Männer und Mädchen erregen wird, die nach ärztlichem Gutachten nicht nur im allgemeinen zur Ehe geeignet, sondern auch wechselseitig ganz besonders für einander zu passen scheinen. Natürlich könnte man nicht daran denken, nach den brutalen Vorschlägen Platos die eigensinnig festgesetzten Paare wie die Haustiere zusammenzugeben, allein man wird guttun, eine voreilige Wahl möglichst zu verhindern und zur geeigneten Zeit, nämlich wenn Mädchen und junge Männer nach den Beobachtungen der Ärzte (beziehungsweise der Ärztin) den Grad der vollendetsten Reife erlangt haben, zu veranstalten, daß sie sich ungezwungen sehen können. Ob die Veranstaltung von Tanzfesten für solche junge Leute das beste Mittel wäre, vernünftige Wahlen herbeizuführen, mag die Erfahrung lehren. Man sollte meinen, es wäre vernünftiger, daß das Mädchen den Bräutigam wählt, als umgekehrt, da man voraussetzen muß, daß das Weib den echten Sexualinstinkt sicherer besitzt, als der Mann, eben weil es das Weib ist, das empfängt. Daß heute der Mann wählt, ist nur die Folge der Herrschaft der Männer über die Frauen, welche schon jetzt als eine Unnatur empfunden wird, und welche im Kollektivstaate gar keinen Sinn mehr hätte, da nicht der Ehemann, sondern der Staat die Frau und die Kinder versorgt. Übrigens wird, wenn der Staat die Kinder ernährt und die Eltern versorgt, das Mädchen, wenn auch der Antrag des jungen Mannes abgewartet wird, von dem Zwange befreit sein, einen unwillkommenen Antrag aus Versorgungsrücksichten anzunehmen. Was nun die Ehebewilligung anbelangt, so können auch andere, als durch die Gesundheit bedingte Einschränkungen und selbst Erweiterungen ins Auge gefaßt werden. Nationalgemischte Ehen können an die Bedingung geknüpft werden, daß sich die Brautleute vorher über das Ansiedlungsgebiet einigen und daß der nach seiner Nationalität diesem Gebiete nicht angehörige Teil sich verpflichtet, die Kinder in der diesem Gebiete angehörigen Sprache zu erziehen. Wir haben in unseren Verhältnissen ein Analogon. Die katholische Kirche erlaubt ihren Angehörigen die Ehe mit Angehörigen anderer Konfessionen nur gegen einen Revers, daß alle Kinder dieser Ehe im katholischen Glauben erzogen werden. Allerdings kann die Erfüllung dieser Verpflichtung, da sie keinen staatlichen Schutz genießt, nicht erzwungen werden, während die vorhin erwähnte Verpflichtung durch das dem Staate vorbehaltene Miterziehungsrecht und die Volksschule garantiert ist. Was aber die nationalen Interessen anbelangt, so liegt eine Gefahr vor, die wir uns nicht verhehlen dürfen. Daß nämlich aus nationalem Chauvinismus die Zahl der Ehebewilligungen zum Gegenstand des Kampfes gemacht würde. Freilich könnte auch da ein Verteilungsgesetz gedacht werden, wonach die Aufrechterhaltung der numerischen Verhältnisse der Nationalitäten der Verwaltung zur Pflicht gemacht werde. Noch wichtiger wäre folgender Fall der Erweiterung der Ehebewilligungen, nämlich die Ausdehnung auf solche, die in gesundheitlicher Beziehung nicht ganz entsprechen, wenn sie nämlich einem schwerer belasteten Beruf angehören und sich verpflichten, die Kinder in diesem Berufe zu erziehen und ihm zu widmen, eine Verpflichtung, die dann ihre Ergänzung fände in den Gesetzen über die Verteilung der Arbeit. Selbstverständlich würde diese durch Erbschaft überkommene Belastung der Erhebung in bevorzugte Berufe dann nicht im Wege stehen, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Es ist hier der Ort, einiges über die angeborenen Anlagen der Menschen, spricht man doch von geborenen Verbrechern, und über die Vererbung innerhalb der menschlichen Rasse zu sagen. Die Anschauung, daß es geborene Verbrecher gebe, teile ich nicht. Es mag gewisse angeborene Eigenschaften geben, welche es dem damit behafteten Individuum schwerer machen, sich den Gesetzen und den gegebenen Umständen anzupassen, aber ein angeborener Hang zu =bestimmten= Verbrechen ist nicht erweislich. Die Eigenschaften der Menschen bestimmen ihre Handlungen nicht allein, sondern nur im Zusammenwirken mit den Umständen und Verhältnissen im allgemeinen und mit einzelnen Vorkommnissen im besonderen. Bismarck hätte nie eine zur Einigung Deutschlands führende Handlung gesetzt, wenn er nicht in den preußischen Staatsdienst berufen worden wäre, den er nicht gesucht hat. Mancher Selbstmörder hätte nie einen Selbstmord begangen, wenn nicht etwa die Betrachtung einer Waffe eine Ideenassoziation ausgelöst hätte, die zu Selbstmordgedanken führte. Jeder Mensch birgt eine Welt der verschiedensten, sich oft widersprechenden Anlagen und Neigungen und welche davon ins Spiel kommen, hängt von der Geschichte des Individuums und sehr häufig von unberechenbaren Zufällen ab. Der große Vorzug des Kollektivismus, der zur Staatsomnipotenz führt, ist es, daß er die nützlichen Anregungen, Anregungen, sich der Gesamtheit nützlich zu erweisen, außerordentlich vermehrt, die gegenteiligen Anregungen nicht nur an und für sich vermindert, sondern auch, sofern sie potentiell im Gesellschaftsleben noch vorhanden sind, durch Anregungen sozialer Natur verdrängt.[25] [25] Ich war vor etwa dreißig Jahren allein in meiner Kanzlei, als ein Mann bei mir eintrat, der Tränen in den Augen hatte und vor Bewegung kein Wort sprechen konnte. Er überreichte mir einen Zettel, worauf stand, daß er soeben aus einer Strafanstalt komme, wo er ein Jahr wegen Veruntreuung abzubüßen hatte. Er suche einen Erwerb. Ich ließ ihn Platz nehmen und Schriften kopieren und da er brauchbar war, gab ich ihm zunächst ein Tagegeld, später einen Monatlohn und niemand erfuhr etwas von seinem Vorleben. Bald fand er auf Grund meines Zeugnisses über seine Verwendung in meiner Kanzlei einen Posten in einem Handlungshause und dann als Korrespondent in einer Bank. Er hat nie Anlaß zu einer Klage gegeben. Eine ähnliche Erfahrung machte ich mit einem anderen Beamten meiner Kanzlei, dessen Vorbestrafung mir erst nach seinem Austritte bekannt wurde. Allein angeborene gute Eigenschaften -- abgesehen von deren erziehlichen Entwickelung -- sind selbstverständlich im Interesse der Gesellschaft gelegen, weil auch der wohlerzogene Mensch mehr leistet, wenn er über gute Anlagen verfügt. So hat also die Gesellschaft ein Interesse daran, daß nur gut veranlagte Individuen geboren werden. Doch ist auf Beeinflussung der Zeugungsprodukte durch das Zusammenwählen der Eltern von Gesellschaftswegen nicht viel zu geben, wenigstens nach dem heutigen Stande der uns zu Gebote stehenden Kenntnisse. Nur das fortgesetzte Ausschalten der schlecht veranlagten Individuen von der Zeugung scheint etwas für die Veredlung der menschlichen Rasse zu versprechen, nicht aber die positive Auswahl der zu paarenden Individuen. Jedes Kind erbt einen Teil der Eigenschaften des Vaters und einen Teil der Eigenschaften der Mutter und in welcher Proportion, auf welchem Gebiete der physischen und psychischen Anlagen diese Vererbung erfolgt, ist, derzeit wenigstens nicht bestimmbar. Die Vereinigung des väterlichen und mütterlichen Naturells in den Kindern verhält sich, wie die Legierungen verschiedener Metalle oder die chemischen Verbindungen von Stoffen in verschiedenen Proportionen. Verbindungen von Kupfer und Zink in verschiedenen prozentuellen Verhältnissen geben Produkte, welche keineswegs im gleichen prozentuellen Verhältnisse die Eigenschaften der verbundenen Metalle zeigen. Aber während wir bestimmen können, wie viele Teile der Metalle wir zusammengeben, können wir nicht beherrschen, wie viele und welche Teile des väterlichen und mütterlichen Naturells auf die Kinder übertragen werden. Darum kann das Kind eines schönen Vaters und einer schönen Mutter grundhäßlich sein und es scheint darum, wenigstens heute, am meisten von einer Paarungswahl erhofft werden zu können, welche durch den Sexualinstinkt des Weibes bestimmt wird.[26] [26] Auf der Jahresversammlung des deutschen Vereins für Volkshygiene in München sprach sich Professor M. Gruber-München dahin aus, daß der Kampf ums Dasein unter den Menschen nicht immer rasseveredelnd wirke, daher er sagte, wir könnten, indem wir die äußeren Hindernisse einer gesunden körperlichen und geistigen Entwicklung beseitigen =und den Kampf ums Dasein durch eine vernunftgemäße Zuchtwahl ersetzen, ungeheure Fortschritte= anbahnen. Ganz im Sinne dieser Mahnung soll der sanitäre Dienst im Zukunftsstaate wirken. Auf das Eheleben der jungen Eheleute werden die Ärzte belehrend und aufklärend Einfluß zu nehmen suchen. Die Ärztin wird die junge Frau in den ersten Monaten auf das Beste beraten. Der junge Mann wird sich mehr beherrschen müssen als heute, die Frau wird sich auch dem geliebten Manne entziehen dürfen, wenn immer es ihr Wohl und das Wohl der Frucht ihrer Liebe erfordert. Wenn man die Lehren des Alphons von Liguori über die Pflichten der Frau kennt, so wird man sagen müssen, daß das Eheleben der Zukunft gerade das Widerspiel von dem sein wird, welches jener Moralist vorschreibt. Die Ärztin wird vielleicht durch ihren männlichen Kollegen auch auf den jungen Ehemann einwirken, wenn die Umstände es erfordern und die Ehe wird gewiß an Schönheit und Vernünftigkeit gewinnen, das Los der Frauen sich viel günstiger gestalten als es heute ist. Auch hierin muß man einen Fortschritt begünstigen und man kann nicht von allem Anfange an vom Kollektivismus das Vollkommenste erwarten. Die Kohabitation der Eheleute wird ein Privilegium bilden, es ist aber nicht ausgemacht, daß diese Kohabitation in bestimmten Perioden der Schwangerschaft nicht wird aufzuheben sein.[27] [27] Ein Wiener Professor der Anatomie hielt im Februar 1902 in Wien einen öffentlichen Vortrag über die physische Veredlung des Menschen und stellte so ziemlich dieselben Forderungen auf, wie sie hier aufgestellt werden, aber er machte sich keine Gedanken darüber, daß diese Forderungen in unserer Gesellschaftsordnung nicht erfüllt werden können. Er ist für Aufrechterhaltung der Ehe, Schonung der schwangeren Frau bis zur Entbindung, Beseitigung des Mieders während der Schwangerschaft, gewiß sehr bescheiden, Vermeidung heftiger Bewegungen während dieser Epoche mit Inbegriff des Reitens und Schwimmens, Schaffung eigener Stätten, wo arme Frauen gebären können. Er ist gegen die Auswahl der Paare durch behördlichen Einfluß, aber, wie es scheint, für den Ausschluß aller schwächlichen und kränklichen Zeugungspersonen. Um alles das allgemein durchzuführen, braucht man den Kollektivismus und eine gesellschaftliche Macht über die Einzelnen, die nur der Kollektivismus bieten kann. Die Lösung der Ehe wird zu ermöglichen, aber wahrscheinlich nicht zu begünstigen sein. Wenn sich heute schon Stimmen dafür erheben, die Ehe überhaupt nur auf Zeit und etwa für einen einzelnen Zeugungsakt zuzulassen, so kann davon zunächst gewiß nicht die Rede sein. Später mag man vielleicht zur Überzeugung gelangen, daß eine Scheidung, vorzüglich auf Verlangen der Frau, etwa nach der ersten Geburt, sehr leicht soll gestattet werden. Allein zunächst muß das System der Scheidung und eventuellen Trennung wie bei Akatholiken unter manchen Erschwerungen als das Vernünftigste gelten. Von der Frau ist die eheliche Treue auf das Strengste zu fordern und zwar nicht so sehr als ein Recht des Gatten als der staatlichen Interessen wegen, damit nicht unter dem Deckmantel der Ehe die Zeugung durch solche Männer ermöglicht werde, die von der Zeugung ausgeschlossen wurden. Die Ehe wird beiden Teilen einige Beschränkungen auferlegen, die Unvermählten erspart sind. Daher ist manche Kompensation zu gewähren. Trauungsfeierlichkeiten, vielleicht größere Wohnungsbequemlichkeiten, gewisse Begünstigungen in den Honigwochen, vielleicht, aber doch nicht wahrscheinlich, Hochzeitsreisen, eher aber Urlaub für die erste Zeit der Ehe mit ruhigem Dahinleben an einem stillen Orte, der das engste und vertraulichste Zusammenleben in schöner Umgebung gestattet, mag einen Ausgleich gewähren für längeres Zuwarten, die Gebundenheit der Ehe und vor allem der jungen Frau für die Last der Schwangerschaft und Geburt. Ist die Auswahl zur Ehe eine besonders strenge, so wird man von einer verheirateten Frau mehrere Kinder erwarten, etwa vier. Wenn gleich die Erfüllung dieser Erwartung den Frauen gegenüber nicht erzwungen werden kann, da der Vorschlag Platos, dies in der Form auszuführen, daß man die zur Begattung bestimmten Paare am bestimmten Tage in die Tempel führt und in Gegenwart von Priestern zur Zeugung anhält, als brutal und absurd verworfen werden muß, so ist doch anzunehmen, daß es dem Einflusse der Frauenkurie, VII, 4, deren Hauptaufgabe es wäre, dafür zu sorgen, daß Frauen und Mädchen sich den gesellschaftlichen Bedürfnissen unterordnen, und dem Einflusse des weiblichen Arztes gelingen wird, den Widerstand jener verheirateten Frauen zu besiegen, welche den Liebesfreuden huldigen, aber nicht zeugen wollen, ein Gedanke, der in einer Gesellschaft wohl keimen kann, in welcher den von der Ehe ausgeschlossenen Mädchen nach den im Abschnitt VII, 3, entwickelten Vorschlägen, dieser Ausweg freigestellt wird. Es bedarf offenbar eines wohlorganisierten staatlichen Einflusses, um den einen das Zeugen zu verwehren und den anderen als Pflicht darzustellen. Theoretisch werden alle anerkennen, daß wegen des offenbaren sozialen Interesses die untauglichen Personen die Zeugung meiden, die tauglichen aber ihr nicht aus dem Wege gehen sollen. Aber der Einzelne wird nicht immer gelten lassen wollen, daß das Gesetz auf ihn Anwendung habe, schon deshalb, weil die Sachverständigen sehr oft fehlgreifen werden und Jene, welchen sie die Ehe gestatten, Krüppel oder Idioten zeugen und illegitime Geburten gesunden Kindern das Leben geben werden. Und aus diesem Grunde muß man auf die Mitwirkung der oben erwähnten Faktoren bauen.[28] Heute bleiben diese offenbaren gesellschaftlichen Interessen unberücksichtigt, insofern nicht vielleicht in einzelnen Fällen der priesterliche Einfluß sich =vorteilhaft= geltend macht. [28] Ich machte in meinem Roman »Österreich im Jahre 2020« Seite 318, 319, 332 und 333 einen Versuch, den Einfluß der Frauen in einem Falle dieser Art zu schildern. Die katholische Moral stimmt mit unseren Anschauungen nicht überein. Nach Alphons von Liguori soll sich die verheiratete Frau den Begierden ihres Mannes jederzeit opfern, selbst während einer Krankheit, und den maßlosesten Forderungen soll sie sich wie eine Sklavin hingeben. Die Wahrscheinlichkeit, einem siechen Geschöpfe das Leben zu geben, ist kein Grund, der Enthaltsamkeit rechtfertigen würde, denn Alles ist Gottes Wille. Für die künftige Gesellschaftsordnung kann man sich übrigens recht wohl denken, daß nach einer Reihe von Jahren und nach der Geburt einer gewissen Anzahl von Kindern der eheliche Zwang aufhört und auch das Zusammenwohnen ein Ende nimmt. Unter gewissen Umständen wird man dann auch auf Gattentreue keinen Wert mehr legen, immer vorausgesetzt, daß keine Kinder mehr gezeugt werden. Zu den Freuden der Ehe gehört auch das Zusammenleben mit den Kindern in den Stunden, die nicht der Arbeit gewidmet sind. An die Stelle der väterlichen Gewalt soll die mütterliche Gewalt treten, doch soll der Vater trachten, sich einen Einfluß auf die Entscheidungen der Mutter zu sichern und zwar durch Liebe und Weisheit. Im Falle der Scheidung oder Trennung folgen die Kinder der Mutter, insofern nicht der in VII, 5, b, erwähnte Fall des Verlustes der mütterlichen Rechte eintritt und eine Wahlmutter die Stelle der natürlichen Mutter einnimmt. Der Staat wird die Autorität der Mutter den Kindern gegenüber wahren und ein darauf berechnetes Zusammengehen der staatlichen Erziehungsorgane mit der Mutter fordern. Da im Falle der Verwaisung von Kindern, wie auch im Falle des Verlustes des mütterlichen Erziehungsrechtes für einen Ersatz durch Bestellung einer Wahlmutter gesorgt werden soll, wird der natürlichen Mutter das Recht zuzugestehen sein, für den Fall ihres Todes oder für den Fall ihrer Abwesenheit die Frau zu wählen, welche, wenn sie den Auftrag annimmt, zeitlich oder dauernd ihre Stelle als Wahlmutter zu vertreten hat. Aber weder Frau noch Mädchen darf gezwungen werden, die Stelle einer Wahlmutter überhaupt oder einem bestimmten Kinde gegenüber zu übernehmen. Näheres über diesen Gegenstand enthält der Abschnitt VII, 5, b, _Alinea_: »In der Regel wird man.« Daß der Staat einen Anteil an der Erziehung zu nehmen hat, ist eine selbstverständliche Sache und es ist dem der Abschnitt VII, 5, a, über die Erziehung gewidmet. 3. Geschlechtliche Sittlichkeit. -- Freie Liebe. Die Forderung der geschlechtlichen Enthaltsamkeit außer der Ehe wird heute den Mädchen aus zwei Gründen mit größter Strenge auferlegt. Der erste Grund ist eben der, daß man einer Übervölkerung vorbeugen will, die am ehesten dadurch hintangehalten wird, daß die Männer die Freuden der Liebe infolge der Enthaltsamkeit der unverheirateten Frauenspersonen nur in der Ehe genießen können, welche dem Ehemanne die Erhaltung der von seiner Frau geborenen Kinder auferlegt, daher er die Ehe solange meidet, solange er nicht wirtschaftlich in der Lage ist, für die Familie zu sorgen. Alle diese Gesetze und Einrichtungen erschweren die Zeugung in dem Maße, als es die Gesellschaft braucht. Der zweite Grund für jene Forderung der Frauenehre ist die Oberherrschaft der Männer über die Frauen und die Anforderung, welche demnach erstere stellen, daß die Braut dem Gatten unberührt in die Arme geführt werde, obgleich den Mädchen ein gleicher Anspruch nicht zuerkannt wird. Zu den Einrichtungen, welche die Geburten vermindern, gehört auch die Prostitution, wodurch die Triebe der unverheirateten Männer im ausgiebigsten Maße durch verhältnismäßig wenige der Schande preisgegebene Frauenspersonen befriediget werden sollen und zwar ohne Wahrscheinlichkeit der Zeugung, welche diese Frauen zu umgehen wissen und der sie aus geschäftlichem Interesse entgehen wollen. Diese Zustände sind im höchsten Grade verächtlich, nicht deshalb, weil die Begattung außerhalb der Ehe stattfindet, sondern weil sie rein mechanisch, ohne gemütliche Neigung, ja ohne alle Achtung des Mannes vor dem Weibe, das er umarmt, mit der tiefsten Erniedrigung des Weibes vor sich geht, wenngleich manche Ehen in dieser Hinsicht sich von der Prostitution kaum unterscheiden. Wir sehen, daß in unserer Zeit die sinnlichen Begierden in sehr hohem Grade die Mehrheit der Männer und Frauen beherrschen und es scheint, daß diese Vergeudung von Kräften im Geschlechtsleben der Tiere ganz unbekannt ist. Dagegen ist es allerdings zweifellos, daß es auch in unserer Zeit viele Männer und Frauen gibt, die sehr leicht enthaltsam leben könnten, aber man muß annehmen daß sie eine geringe Minderheit bilden. Es kann nun sein, daß diese hochgradige Sinnlichkeit entweder eine Folge des Kulturbedürfnisses der Einschränkung der Geburten oder eine Folge der durch die Gesellschaftsordnung bedingten Zustände ist. Wir sehen bei allen Tieren, daß sie die Liebesakte einstellen, sobald der Zeugungszweck erreicht ist. Dafür aber vermehren sich alle Tiere ohne irgendwelche Grenzen und sie drängen zur Überproduktion, die nur durch wechselseitige Ausrottung unterdrückt wird. Die Menschen beschränken die Umarmungen nicht auf die Zeugungsakte und zwar in der Ehe so wenig, als außer der Ehe. Da nun der Kollektivstaat die Zeugungen auch beschränken müßte, so wird dieser Grund eines vielleicht unnatürlichen Kultus der Geschlechtsliebe nicht wegfallen. Diese Beschränkung ist ein offenbares Bedürfnis der Kultur und Kultur ist ja auch nicht wirklich natürlich, wenn auch nicht naturwidrig. Sie kann nur dann als vernünftig gelten, wenn sie eine Vervollkommnung der Natur in sich schließt und das setzt voraus, daß die Kultur den Naturzweck der Selbsthaltung besser erreicht, als die ursprüngliche Natur, wenn sie also ein längeres Leben verspricht. Die heutige Gesellschaftsordnung ist auch insofern schuld an jener wahrscheinlich schädlichen Übertreibung des Liebesgenusses, als sie Gelegenheit zu großer Bereicherung Einzelner gibt, welche naturgemäß ein bloßes Genußleben führen und nur daran denken, neue Freuden zu ersinnen, während andere durch ihre Armut veranlaßt werden, dieser Genußsucht zu dienen und sie noch anzustacheln, um aus dem Reichtum anderer Vorteil zu ziehen. Es sind das Maitressen, Prostituierte und Kupplerinnen. Es ist zu vermuten, daß der Kollektivismus durch verhältnismäßige Verteilung der Arbeit und der Güter sowie durch größere Förderung der edleren Genüsse des Lebens zu einer Herabsetzung des ausschweifenden Geschlechtstriebes führen werde. Große und leicht erregbare erotische Sinnlichkeit wird man bald als eine Krankheit erkennen, die wie jede andere Krankheit durch die Ärzte zu bekämpfen sein wird. Nach ihren Erfahrungen wird man die Erweckung der Sinnlichkeit zu vermindern trachten, und sobald man die Sinnlichkeit nicht als sündhaft, sondern als krankhaft zu bekämpfen unternehmen wird, wird es auch von selbst gegeben sein, daß die jungen Leute aufhören, aus ihren Begierden ein Geheimnis zu machen. Dabei wird sich aber die Bestellung von weiblichen Ärzten als besonders wohltätig erweisen, weil die Mädchen und Frauen solche Bekenntnisse einem Manne weder ablegen mögen noch sollen.[29] [29] In Tirol wird sich nicht leicht ein Bauernmädchen oder Bauernbursche der Beichte entziehen, aber zahllos sind die mir bekannt gewordenen Äußerungen von Bauernburschen und Mädchen der Landbevölkerung, daß man geschlechtliche Sünden nicht zu beichten brauche, weil sie natürlich seien. Nach dem, was ich selbst aus dem Munde der Leute vernahm, ist mir alles glaubwürdig, was andere drüber berichten. Adolph Pichler, aus Tagebüchern 1850-1899, Seite 311. In welchem Maße nun Enthaltsamkeit sittlich geboten ist, kann nur auf Grund jener allgemeinen Beobachtungen beurteilt werden, die nur im Kollektivstaat möglich sind und welche die Hauptaufgabe der Sanitätspersonen bilden. Wenn in einem Volke eine naturgemäße Befriedigung des Geschlechtstriebes und eine naturgemäße Herabsetzung der erotischen Begierden allgemein verbreitet wird, so muß sich die Richtigkeit der Grundsätze, nach denen man verfährt, in einer größeren Langlebigkeit zu erkennen geben, und =einzig und allein der Einfluß einer gewissen Lebensweise auf die Verlängerung des Lebens ist der Maßstab ihrer sittlichen Berechtigung=. Im einzelnen Falle aber wird sich der Arzt schon aus gewissen Erscheinungen, die Zeiten der Ausschweifung oder der Enthaltsamkeit nachfolgen, ein Bild machen können, was zerstörend und was förderlich wirkt. Die sichersten Merkmale für die ärztliche Beobachtung werden psychische Erscheinungen sein, Herabsetzung bestimmter geistiger Kräfte, insbesondere Gedächtnisschwäche, Arbeitsunlust und anderes werden darauf deuten, daß der Natur Schädliches zugemutet wurde. Allein naturwidrige Enthaltsamkeit wird nicht minder schädlich wirken, wenn auch vielleicht andere Wirkungen hervorbringen. Aufgabe der Ärzte wird es sein, nach Maßgabe ihrer Erfahrungen auch jene Erziehungsgrundsätze festzustellen, welche im allgemeinen oder individuell zur Hebung der Sexualethik führen können, wobei ich unter Sexualethik keineswegs sexuelle Enthaltsamkeit allein verstehe, sondern auch innerhalb der natürlichen Grenzen vernünftige Hingabe an die Genüsse des Liebeslebens. Diesen kommt ja nicht nur ein Wert für das Individuum zu, sondern die Liebe zwischen Mann und Weib ist der Anfang und die Quelle aller sozialen Ethik, weil die auf =wechselseitige= Befriedigung gerichtete Liebesbegierde vor allen anderen Freuden das Zusammensein der Menschen fordert und fördert. Darum müssen wir es als zweifelhaft betrachten, ob, wenn die Zeugung beschränkt werden muß, die Einschränkung des Liebesgenusses auf die Zeugungsakte vom Standpunkte des gesellschaftlichen Interesses erwünscht wäre. Die Lösung der eben erwähnten Aufgabe der Ärzte wird aber durch die Mitwirkung der Lehr- und Erziehungspersonen ohne Zweifel gefördert werden, da die Erfahrung auf dem Gebiete der psychologischen Tatsachen in die Kompetenz allerdings des Arztes, aber auch in die Kompetenz der Lehrer und Erzieher fällt. Während nämlich die Fachkompetenz der Ärzte sich darauf beschränkt, zu erkennen, welche Lebensgrundsätze der Erreichung des Naturzweckes, nämlich ein hohes Alter sicherzustellen, förderlich sind, welche ihm schaden, ist es der Erzieher, dessen Aufgabe es ist, zu ermitteln, wie der Mensch zur Annahme dieser Lebensgrundsätze und dazu bestimmt werden kann, ihnen gemäß zu leben. Für diese Organe der Gesellschaft würde zunächst in Frage kommen, inwiefern die zu frühe oder zu starke Erregung der geschlechtlichen Phantasie für die Sexualethik schädlich zu wirken geeignet ist. Diese Frage beschäftigte in den letzten Jahren den deutschen Reichstag. Eine allzu starke Erregung der Phantasie junger Leute kann die Folge des Betrachtens von Statuen oder Bildern sein, welche die nackten Menschen darstellen. Dabei kommt aber wesentlich in Betracht, daß infolge der Notwendigkeit der Bekleidung und der auf Schamhaftigkeit gerichteten Sitten ein solcher Anblick des Gegensatzes wegen viel stärker wirkt und unter gegebenen Umständen wirken kann, als er wirken könnte, wenn die Menschen sich, wie in heißen Klimaten, von Jugend auf an den Anblick unbekleideter Menschen gewöhnen würden. So ziemlich allgemein ist übrigens die Meinung, daß der Anblick von Statuen des nackten menschlichen Körpers viel weniger die Phantasie beeinflußt, als der Anblick von Gemälden, die denselben Gegenstand behandeln. Dabei ist von Belang die Farbe des Materials, sei es Stein, Bronze oder Holz, dann auch, daß Statuen in der Regel einzelne Menschen darstellen, auf den Bildern aber zumeist mehrere Menschen, auch verschiedenen Geschlechtes, zur Darstellung kommen. Zu bemerken ist, daß im kollektivistischen Staat infolge der alle Bewohner umfassenden Organisation eine Möglichkeit besteht, die Jugend bis zu einem gewissen Alter von jedem Anblicke von Bildwerken und Schaustellungen gewisser Art unbedingt fernzuhalten, was in unserer individualistischen Gesellschaftsordnung nicht möglich ist. Es scheint ferner, daß mit Rücksicht auf die Einwirkungen auf die Jugend auch den Erwachsenen gewisse Beschränkungen auferlegt werden können. So wird ihnen der Genuß der Liebesfreuden nur verstattet sein, wo sie des Alleinseins versichert sind und nicht beobachtet werden können. Man wird Liebesleuten auch andere Vertraulichkeiten, das Küssen, Berühren, dort verwehren, wo es dritte gewahr werden können. Diese Beschränkungen dienen aber auch anderen gesellschaftlichen Zwecken. Der Anblick verliebten Gebarens hat für den Unbeteiligten etwas Anwiderndes, somit ist es rücksichtslos gegen andere, sie zu Zeugen selbst der geringeren Liebesfreuden zu machen. Wird sich aber der Liebende bewußt, daß dem so sei, so muß ihn die Gegenwart anderer stören, wenn er gesellschaftlich normal empfindet. Die Liebesfreuden werden durch die Einschränkung nach Zeit und Ort auch naturgemäß erhöht, daher auch die Liebenden von jenen Einschränkungen einen Vorteil haben. Endlich führt die schrankenlose Hingabe an die Liebesfreuden zur Trivialisierung oder zu krankhafter Ausschweifung. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß der Kollektivismus vom Staate nicht nur Produktion und Verteilung materieller Güter fordert, sondern auch eine dem Gesamtinteresse förderliche Regelung des Liebeslebens und der Propagation der Rasse. Die heutige Jugend neigt nun zwar zu einer anderen Meinung und erwartet vom Sozialismus Aufhebung aller Schranken des Liebeslebens, auch in der Ehe. Auch viele Frauen huldigen dieser Anschauung, zum mindesten solche, die zu den Schriftstellerinnen zählen. Man glaubt sich dadurch der Natur zu nähern. Allein die ursprüngliche Natur des Menschen war die Kulturlosigkeit, und zu dieser wollen wir ja nicht zurückkehren. Nur das müssen wir verwerfen, was mit der Herrschaft der Wenigen zusammenhängt; ist durch Herstellung der wahren Volksherrschaft diese Herrschaft Weniger abgeschüttelt, dann wird der Einzelne sich den Interessen der Gesamtheit unterwerfen müssen. Nun entsteht die Frage, ob die freie Liebe zu dulden sein wird. Unter freier Liebe verstehen wir Anteil an den naturgemäßen Freuden der Liebe zwischen Personen verschiedenen Geschlechtes, die nicht durch die Ehe verbunden sind. Daß die außereheliche Liebe aus religiösen Gründen verwerflich sei, Gott beleidige und im Jenseits gestraft werde, ist eine Anschauung, die Wenige teilen, und diese Wenigen haben kein Recht, anderen Gesetze vorzuschreiben oder sie zu kränken. Die Strenge der Grundsätze der katholischen Kirche in ihren Lehren über diesen Gegenstand ist in einem sonderbaren Widerspruche mit den tatsächlichen Verhältnissen in den katholischen Ländern von heute, welche durch 1200 Jahre vor dem Trienterkonzil noch viel schlimmer waren als heute. Und die heutige Kirche ist sehr nachsichtig mit den vielen Konkubinariern in der Priesterschaft, die in Kärnten, in Niederösterreich und in den slavischen Ländern einen sehr großen Prozentsatz betragen sollen. Hier kommt ja noch dazu die Eidbrüchigkeit und das Sakrilegium, welches nach den Lehren der katholischen Kirche mit diesen Priestersünden verbunden ist. Und da der Kanzler Gerson auf dem Konstanzer Konzil schon mahnte, man solle Nachsicht üben mit den pflichtvergessenen Priestern, da sonst nach den Erfahrungen von Jahrhunderten noch weit größere Übel zu erwarten sind, so läßt es auch die Kirche von heute nicht an Nachsicht fehlen, denn es ist mir in meinem Leben nur ein einziger Fall zu Ohren gekommen, daß ein solcher Priester von der geistlichen Autorität amoviert worden wäre, und das erst, nachdem bei einem gerichtlichen Falle die Verderbtheit dieses Priesters erörtert und allgemein bekannt geworden ist. Die Beschuldigung ging nicht nur auf einfaches Konkubinat, sondern auch auf Ehebruch und Blutschande. Ist nun aber nach den in VII, 2, entwickelten Grundsätzen die Ehe eingeführt als ein zweckmäßiges Mittel, die Propagation im öffentlichen Interesse zu regeln, so ergibt sich daraus, daß die freie Liebe nur insofern geduldet werden kann, als sie unfruchtbar bleibt, und wir wissen, daß das nur von dem Willen der Liebenden abhängig ist. Dieser Art von Verbindungen das Unästhetische, Gesundheitswidrige und die Unsicherheit zu benehmen, wird die Aufgabe einer fortschrittlichen Entwicklung sein, aber wohl kaum je in vollkommen befriedigender Weise erreicht werden. Die Frauen in Indien, welche sehr kinderscheu sein sollen, sollen diesen Zweck ohne mechanische Hilfsmittel zu erreichen wissen. Jedenfalls sollte das von der Frau allein abhängen und der Mann weder Einfluß darauf nehmen können, noch darum wissen.[30] [30] Diese Vorsichtsmaßregeln werden zumeist verworfen, und Adolph Pichler »Aus Tagebüchern« 1850-1899, Seite 310 nennt sie geradezu ekelhaft, was auch Schäffle dagegen einwendete. Diese Kritik ist aber in Anbetracht der unermeßlichen Interessen, die damit zusammenhängen, u. z. im Kollektivstaat öffentliche Interessen, keineswegs ausschlaggebend, und da wäre Duldsamkeit viel berechtigter als dem Konkubinat der Priester gegenüber. Dasselbe könnte man ja auch vom regelmäßigen Zeugungsakt sagen. Er setzt auf beiden Seiten Unterdrückung der Schamhaftigkeit voraus und in diesem Opfer, aus Liebe gebracht, liegt gerade der Zauber der Liebe. Daß die Unterdrückung der Fruchtbarkeit der Umarmungen allein den Vorwurf der Ekelhaftigkeit verdient und daß sie, wie Pichler meint, die wechselseitige Achtung untergrabe und der Treue Eintrag tue, ist ein offenbarer Irrtum; wäre aber auch in den Verhältnissen, die ich hier im Auge habe, nicht entscheidend. Ja, wenn der Ehemann nicht viel genügsamer wird, als er heute ist, wird -- ausnahmsweise oder vorübergehend -- auch in der Ehe die Unterdrückung der Fruchtbarkeit der Umarmungen wegen Schwäche, Krankheit oder besonderer Gefährlichkeit der Entbindung sich rechtfertigen lassen. Wird dem staatlichen Zwecke nicht zuwidergehandelt, so hat die Staatsverwaltung keinen Anlaß, die freie Liebe zu erschweren oder zu unterdrücken und sie wird alle, die von dieser Freiheit Gebrauch machen, gegen Verunglimpfung in Schutz nehmen. Damit ist aber nicht gesagt, daß das Konkubinat zu dulden wäre. Auch will ich hier noch bemerken, daß mir von ärztlicher Seite vorgeschlagen wurde, auch den von der Zeugung Ausgeschlossenen die Ehe, welche aber unfruchtbar bleiben müßte, zu gestatten. Ich bezweifle, daß das unseren Zwecken besser entsprechen würde, als was ich vorschlage. Dagegen werden widernatürliche Geschlechtssünden Gegenstand der Bestrafung sein. Sie beleidigen zumeist, so insbesondere beim Geschlechtsverkehr mit Tieren, den Adel der menschlichen Natur und nachdem dieser ein gemeinsamer Schatz aller Menschen ist, muß jede Widernatürlichkeit als gesellschaftswidrig gelten. Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob den unverheirateten Frauenspersonen nicht die Abtreibung der Leibesfrucht unter gewissen Einschränkungen zu gestatten wäre.[31] Es werden dabei zahlreiche Rücksichten in Betracht kommen, deren Gewicht man heute kaum zu beurteilen vermag. Würde sie gestattet, so wäre man gewiß, daß manche schlimme Tat dadurch verhindert und daß sie in der der Gesundheit am wenigsten abträglichen Form und unter ärztlichem Beistande erfolgen würde. Streng würden andere Handlungen bestraft, welche auf Beseitigung der bereits lebenden Frucht gerichtet wären. Es scheint übrigens nicht wohl möglich, daß solche Handlungen verheimlicht werden können, wenn die Einrichtungen beständen, welche hier zur Feststellung gekommen sind. Es wäre dann unmöglich, daß eine Schwangerschaft dem kompetenten Arzte ein Geheimnis bliebe, oder daß sich die Schwangere vor der Entbindung der Aufmerksamkeit des Arztes entzöge. Schon die Unterdrückung der Geschlechtskrankheiten macht es wünschenswert, daß der Einzelne sich auch im geheimsten Gebiete des Lebens der ärztlichen Beobachtung nicht soll unbedingt entziehen dürfen. Das wird am besten dadurch erreicht, daß schon von frühester Jugend an jeder daran gewöhnt wird, sich regelmäßig der Untersuchung eines Arztes seines Geschlechts zu unterwerfen. Diese Untersuchungen werden sich zur Zeit der Geschlechtsreife auch auf die Feststellung geschlechtlicher Unordnungen und Krankheiten erstrecken und in je früherem Alter die jungen Menschen daran gewöhnt werden, um so weniger anstößig und beleidigend wird die Untersuchung ihnen erscheinen. [31] Thomas von Aquin, der einen Kommentar zu den Büchern über Politik von Aristoteles geschrieben hat, worin er zwar die Anschauungen =dieses= Philosophen mitteilt, aber offenbar in allem billigt, sagt im Band XXI der Ausgabe Parma Seite 600 u. f. daß, wo die Gesetze die Tötung der überzähligen Kinder dulden, es besser sei, zu abortieren, welches das geringere Übel wäre. Auch manche vernünftige Anschauungen Aristoteles über das Alter, in dem man zeugen soll, führt der Äquinate an und er scheint zu billigen, daß man verkrüppelte Kinder nicht aufziehen solle. Es ist klar, daß hier Fragen als Probleme behandelt werden, die man längst entschieden glaubt. Allein der Grundgedanke des Verfassers, =sittlich ist jenes Leben, das dem Menschen die Erreichung des höchsten Alters am wahrscheinlichsten macht=, führt zu der Überzeugung, daß der Zusammenhang zwischen unseren Handlungen und jenem Ziele nur in einer Gesellschaftsordnung festgestellt werden kann, welche, was nach diesem Grundsatze das Richtige ist, mit der größten Verläßlichkeit zu erkennen möglich macht. Daß das nur vom Kollektivismus erwartet werden kann, lehrt unsere Untersuchung auf Schritt und Tritt. Der sittliche Skeptizismus hat seine Berechtigung nicht darin, daß es an einem Maßstabe der Sittlichkeit mangelt, sondern darin, daß unsere gesellschaftlichen Zustände eine Verwirrung mit sich bringen, welche es unmöglich macht, die Anwendung des leitenden sittlichen Grundsatzes, =lebe jenes Leben, das dir die größte Sicherheit bietet, das höchste Alter zu erreichen=, auf die einzelnen Lebensfragen zu finden. 4. Die Frauenkurie. Die Frauen haben Interessen, an welchen die Männer keinen Teil haben. Das Geschlechtsleben der Frauen ist so geartet, daß die Liebe ihnen Gefahren, Lasten und Schäden bringt, die den Männern fremd sind. Es entstehen daraus Bedürfnisse, die die Frauen allein angehen, auf einem Gebiete, worauf ihnen allein Erfahrungen zu sammeln möglich ist und in welches den Männern Einblick zu gewähren keinen Zweck hätte, den Frauen aber höchst peinlich wäre. Wie sie in gewissen Fällen nur den Rat und die Hilfe eines weiblichen Arztes annehmen mögen, wenn es an kompetenten Frauen nicht mangelt, so werden sie auch nur mit Frauen ihre Erfahrungen über die geheimsten Seiten des Liebeslebens austauschen und sich beraten wollen. Darum muß ihnen Gelegenheit gegeben werden, Versammlungen abzuhalten, die den Männern verschlossen bleiben, geheime Korrespondenzen zu führen und Zeitschriften für Frauen herauszugeben, welche den Männern ein Geheimnis bleiben müssen. Man könnte diesen Verband der Frauen und Mädchen »Frauenkurie« nennen und demselben korporative Rechte einräumen. Die Verfassung könnte ihnen das Recht einräumen, über gewisse Gegenstände als besonderer gesetzgebender Körper abzustimmen. Die Kurie würde sich in Lokalgruppen und diese in Sektionen abteilen und durch Delegierte würden die Lokalgruppen, Kreis- und Provinzialausschüsse bilden und einen Zentralausschuß für das ganze Reich einsetzen. So wären die Frauen auch in der Lage, einen entscheidenden Einfluß auf die Sexualmoral zu üben. Die weiblichen Ärzte würden so auch ein Selbstbeobachtungsmaterial von unermeßlichem Umfange gewinnen und es würden die Zwecke einer vernunftgemäßen und eingeschränkten Fortpflanzung durch die Frauen ebenso gefördert werden, wie das allgemeine Verhältnis zwischen Männern und Frauen veredelte Formen annehmen. Eine Zurücksetzung und Unterdrückung der Frauen wäre dann nicht mehr zu besorgen. Wenn die Frauen dahin gelangen würden, die Fortpflanzung bloß durch den Willen und die Phantasie vollkommen zu beherrschen, was nicht ganz ausgeschlossen ist, dann würde die Geschlechtsliebe erst eine Quelle wahrer Lebensfreude werden. Nur der Austausch vertraulicher Mitteilungen über alle im Liebesleben gemachten Erfahrungen zwischen Frauen und Mädchen kann zu einer solchen Beherrschung der Fortpflanzung führen und der entscheidende Teil ist sicherlich das Weib und nicht der Mann. Man darf nicht gelten lassen, daß der =Mann= das Recht habe, zu sagen, ich will Kinder haben, wodurch das Weib zum unfreien Werkzeug gemacht wird, wohl aber hat das Weib das Recht, sich zu entscheiden, ob es Kinder gebären will, oder nicht. Die Erfahrung beweist uns heute, daß die Kinder ein und derselben Ehe in Gestalt, Größe, im Verhältnisse der Glieder, in den Eigenschaften des Gemütes und der Intelligenz so weit von einander abweichen, daß man gar nicht an eine gemeinsame Abstammung glauben sollte. Die große Verschiedenheit erklärt sich zweifellos daraus, daß die Eigenschaften der Eltern und Voreltern in dem verschiedensten Verhältnisse auf die Kinder übergehen. Wie erklärt sich aber die verschiedene Mischung ererbter Eigenschaften in jedem einzelnen Zeugungsfalle? Dafür fehlt noch jede Einsicht. Ein Wiener Arzt glaubte eine Methode erfunden zu haben, wie man auf das Geschlecht der Nachkommen einwirken und mit ziemlicher Sicherheit bewirken könne, daß Knaben oder daß Mädchen geboren werden. Er behauptet, es hänge das von der Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft ab. Die Theorie dieses Arztes ist allerdings verworfen worden, aber darum ist es doch nicht ausgeschlossen, daß eine sehr große Zahl von Erfahrungen, welche systematisch gesammelt und verglichen würden, es den Frauen möglich machen könnte, dahin zu wirken, daß gewisse üble Eigenschaften des einen oder des andern Elternteils auf die Kinder nicht übergehen, daß mehr die Eigenschaften der Mutter oder jene des Vaters erhalten blieben, wie es ja, wie schon erwähnt, auch sehr wünschenswert wäre, wenn die Empfängnis vom Willen der Frau allein abhängig wäre. Formen wir doch alles nach unseren Bedürfnissen, weshalb soll es nicht auch auf diesem Gebiete gelingen, unsere Zwecke zu erreichen? Aber wenn auch diese Bestrebungen erfolglos blieben, von Vorteil wäre es gewiß, wenn die Frauen alles, was sie allein oder doch näher als die Männer angeht, nach ihren besonderen Bedürfnissen gestalten könnten und dazu würde ein solcher Verband unter den Frauen sicherlich dienen können. Auch sonst wird man nicht die Rechnung ohne den Wirt machen, wenn man darauf rechnet, daß die Frauenkurie den richtigen Instinkt für alle gesellschaftlichen Interessen an der Propagation haben und fortentwickeln wird und daß sie einen mächtigen Einfluß dem Einzelnen gegenüber mit Erfolg geltend machen wird, wie am Schlusse von VII, 1, ausgesprochen wurde. Was die Frage anbelangt, welche Berufe den Frauen verschlossen bleiben sollen, so kann man nur sagen, es sollen zu jedem Berufe die dazu Tauglichsten ausgewählt werden, seien es Männer oder Frauen. Die Meinung, daß es den Frauen an geistigen Kräften und Energie fehle, ist ganz falsch. Was nur den begabtesten Männern erreichbar ist, ist natürlich nur den begabtesten Frauen erreichbar und der Versuch, sie von irgend einem Berufe unter dem Vorwande auszuschließen, daß Frauen weniger begabt seien als Männer, ist ein ganz ungerechtfertigter Kampf um ein Privilegium, das mit dem Wohl des Ganzen nicht vereinbar ist und dem Fortschritte nur hinderlich sein kann. Die Meinung, die weiblichen Glieder der Gesellschaft sollen nur der Familie leben, hat für oberflächliche Menschen etwas sehr Bestechendes, aber sie ist schon heute nicht begründet, wo doch die Familie viel umfassendere Aufgaben hat, als im Sozialstaate. Zunächst gibt es zahlreiche Frauenspersonen, die sich nicht verehelichen können, und, wenn sie kränklich sind, nicht verehelichen sollten. Es kann also jener Grundsatz schon reichlich für ein Drittel der Frauenspersonen keine Anwendung haben. Zum Teil nun mögen solche zwar als dienende Personen in eine Familie eintreten, aber es besteht sicher kein Grund, des Familienberufes wegen alle Frauen von höheren Studien auszuschließen, wie es ja andererseits auch nur einem kleinen Bruchteile der Männer bestimmt ist, sich für einen gelehrten Beruf vorzubereiten. Ferner gilt jener Grundsatz auch heute nicht für die bäuerlichen Kreise, in welchen die weiblichen Glieder und insbesondere auch die Ehefrauen, wenn auch nicht in allen, doch in den meisten Arbeiten der Männer mitwirken. Ebensowenig können die Frauen der Arbeiter sich vom Erwerbe außer dem Hause ganz freimachen, weil die Erhaltung der Familie davon abhängt. Endlich führt die Beschränkung der Frauen auf ihren Beruf in der Familie zu einer höchst ungleichen Belastung der Frauen und zur ungleichen Ausnützung ihrer Kräfte. Frauen, die keine Kinder haben und oft ihren Mann den Tag über nicht zu Hause sehen, führen ein ödes, beinahe nutzloses Leben, andere sollen für zehn und zwölf Kinder sorgen und Kranke pflegen und können sich schon aus diesem Grunde nicht schonen, wenn sie ein Kind unter dem Herzen tragen. Wie pharisäisch die Mahnung unserer Gelehrten ist, man solle den Frauen den Beruf in der Familie erhalten, geht daraus hervor, daß man bei jedem größeren Bau hochschwangere Frauen sehen kann, die mit Ziegeln und Mörtel belastet die Gerüste auf und ab klettern müssen, was aber jene Gelehrten geduldig mit ansehen und wogegen sie keine Bücher schreiben, wohl aber dagegen, daß sie statt des Familienberufes einen =gelehrten= Beruf wählen. Im Sozialstaate werden alle Zufälle tunlichst ausgeglichen und darum wird eine ungleiche Belastung der Frauen nicht in erheblichem Maße vorkommen. Es entfällt die wirtschaftliche Familientätigkeit, wenn die gemeindeweise Hauswirtschaft eingeführt wird. Auch die staatliche Anteilnahme an Unterricht und Erziehung entlastet die Frauen von einem großen Teil ihrer heutigen Berufsarbeit und da auch in der Hauswirtschaft die Arbeitsteilung durchgeführt werden wird, ist im Sozialstaate noch weniger als heute davon die Rede, daß die Tätigkeit der Frauen, oder gar die der unverehelichten weiblichen Glieder der Gesellschaft auf die Familie beschränkt werden müßten. Die Familie wäre eine Blutgemeinschaft, aber keine wirtschaftliche Einheit mehr. 5. Die Erziehung. a) Pflichten des Staates der Jugend gegenüber. Dem Kollektivstaate liegt, da er alle Bedürfnisse zu befriedigen hat, wenn er sich in den Besitz aller Mittel setzt, ob, für die Erziehung aller Kinder zu sorgen. Wie vieles der Staat auch heute als Rechtsstaat zu leisten hätte und in Wirklichkeit vernachlässigt und welchen Schaden er dadurch der Kultur und dem Fortschritte, der ganzen Menschheit, zufügt, entnimmt man den neuesten Erfahrungen über das Elend der Jugend. Nicht nur die empörendste Grausamkeit haben zahlreiche Kinder zu erdulden, sie sind nicht allein physischem Verkümmern ausgesetzt, sondern sie werden der sittlichen Verderbnis in die Arme geführt, zu unbrauchbaren Gliedern der menschlichen Gesellschaft, ja zu Feinden ihrer Mitmenschen herangezogen und der Staat sieht zu, ohne sie gegen solchen verderblichen Einfluß zu schützen, obwohl die Gesetze ein Recht der Kinder auf Versorgung und Erziehung normieren und es Sache des Staates ist, dieses Recht zu verwirklichen und Einrichtungen zu treffen, welche den bestehenden Rechtsanspruch geltend zu machen ermöglichen. In Wien wurde eine Mutter, die ihr Kind systematisch zu Tode quälte, als Mörderin hingerichtet, aber durch viele Jahre hat sich niemand darum gekümmert, was in dieser Familie vorgeht und hätten die Behörden davon erfahren, so wären sie in Verlegenheit gewesen, abzuhelfen. Denn man hat jene Anstalten nicht, die man braucht, um die Kinder aus der Gewalt solcher Eltern zu befreien. Wie das im preußischen Landrechte anerkannte Recht auf Arbeit, ist auch das im österreichischen bürgerlichen Gesetzbuche anerkannte Recht auf Erziehung ein leeres Wort. Die Zeitungen berichten, daß in England Mitte der achtziger Jahre eine »_National Society for the Prevention of Cruelty to children_« gegründet worden sei, welche sich die Aufgabe setzte, diesem Übel des Kinderelends zu steuern. In 15 Jahren wurden auf Betreiben dieser Gesellschaft, welche ein Gebiet umfaßt, das von 22 Millionen Menschen bewohnt wird, 6500 Elternpaare gerichtlich verurteilt, auf 1108 Jahre Gefängnis erkannt, 2023 Pfund Geldbußen eingetrieben. Es haben 109 364 Kinder die Wohltaten des Schutzes dieser Gesellschaft erfahren und auf Betreiben dieser letzteren sind Gesetze erlassen worden, die das Übel mildern. Die Grausamkeit vieler Eltern wird als grauenerregend geschildert und man fand, daß ihnen jedes Werkzeug willkommen war, womit sie den Kindern Schmerzen verursachen konnten. Obwohl sicher nur die gröbsten Versündigungen der Eltern gegen ihre Kinder ins Auge gefaßt werden konnten, ermittelte die Gesellschaft: 25 437 Kinder, die grausam mißhandelt wurden, 62 887 Kinder, die verkümmert und halb verhungert waren, 712 seien ganz zu Grunde gegangen, 12 663 zum Betteln angehalten, 4 460 Mädchen zum Opfer widernatürlicher Wollust gemacht und 3 205 Kinder durch harte und gefährliche Arbeit im Wachstum geschädigt, durch Mißhandlungen verstümmelt, verrenkt, an Seiltänzer und Akrobaten verkauft worden, ------- 109 364 in allem. Bis 1885 wurde in solchen Fällen gar nichts vorgekehrt, der Staat überließ diese hilfreiche Tätigkeit einer Privatgesellschaft, erst durch sie erfuhr er diese Übelstände. Und wenn solche Kinder heranwuchsen, wurden sie Gegenstand des Abscheus und der Verachtung, während es die Autoritäten sind, welche Abscheu und Verachtung verdienen, weil sie trotz eines unermeßlichen Aufwandes für staatliche Zwecke gar nichts davon aufwendeten, einem solchen Elende zu steuern und solcher Schädigung der wichtigsten staatlichen und Gesellschaftsinteressen abzuhelfen. Die Statistik der von dieser Gesellschaft ermittelten Fälle von Pflichtwidrigkeit der Eltern ergab, daß Armut, Mangel an Bildung der Eltern und eigenes Verschulden der Kinder =ohne allen Einfluß= auf diese tyrannische und verbrecherische Pflichtwidrigkeit war. Sie kommt in allen Schichten der Bevölkerung vor und pflanzt sich wahrscheinlich von den Eltern auf die Kinder und Kindeskinder fort. Wir wollen nun untersuchen, was der Staat nach dem heutigen Stande der Kultur zu tun schuldig wäre, und im Falle der Einrichtung einer kollektivistischen Gesellschaftsordnung zu tun vermöchte, um nicht nur solchem Kinderelende vorzubeugen, sondern um die Menschen auf eine nie geahnte Höhe der Vollkommenheit des Einzelnen und der Gesellschaft zu erheben. Daß der Kollektivismus die Aufgabe, aber auch die Macht hätte, sich eines allzureichen Anwachsens der Bevölkerung zu erwehren, und daß die Mittel vorhanden wären, diese Aufgabe des Staates zu erfüllen, wurde in VII, 1, gezeigt, hier soll nur der Einfluß erörtert werden, den der kollektivistische Staat auf die Erziehung zu nehmen hätte. Der Vorschlag, den Plato macht und der bei vielen sozialistisch gesinnten Arbeitern Anklang gefunden haben soll, daß die Kinder von den Eltern zu trennen seien und in eigenen staatlichen Anstalten erzogen werden sollen, ist zu verwerfen, weil er das Kind mit dem Bade verschüttet und nicht nur pflichtvergessene Eltern trifft, sondern auch das Gute unterdrückt, das die Familienerziehung sehr häufig hat. Auch bringt er den Staat um Leistungen, welche gute Eltern freudig ohne Gegenleistung der Kindererziehung widmen. Der Staat soll nun von der Geburt der Kinder an sich an der Erziehung mit beteiligen, die Eltern unterweisen, belehren und überwachen, sie für die Erziehung verantwortlich machen und für Ersatz sorgen, wenn die Eltern pflichtvergessen, untüchtig, durch Arbeit oder Krankheit verhindert sind oder den Kindern durch den Tod geraubt werden. Einen wichtigen Einfluß muß der Kollektivstaat ohnehin durch die ihm obliegende Versorgung der Kinder mit Wohnung, Kleidung, Nahrung und Unterricht ausüben und so handelt es sich immer nur um einen verhältnismäßig nicht sehr großen Aufwand, der überdies auch der Erziehung der Eltern selbst zu Gute kommt, da sie, als Organe des Staates veredelnd auf die Kinder einwirkend, auch selbst an dieser Veredelung teilnehmen, denn sie werden gezwungen sein, jene Forderungen im Leben selbst zu erfüllen, deren Erfüllung sie von den Kindern fordern müssen! Sie können ja doch nur beispielgebend wirken. b) Erziehungsorgane. Für die Zeit, in welcher die Eltern der Arbeit obliegen, sich also von den Kindern entfernen müssen oder ihnen die notwendige Aufmerksamkeit nicht widmen können, hat der Staat Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen zu bestellen, während die Kinder der breitesten Schichten der Bevölkerung in dieser Zeit heute sich selbst überlassen werden müssen und verwahrlost bleiben, zumeist ohne Verschulden der Eltern infolge sozialer Übelstände, die der Kollektivismus ja eben zu heilen berufen ist. Wenn aber jener Teil der Erziehung, der auch im Kollektivismus unter normalen Umständen den Eltern selbst überlassen bleibt, von ihnen nicht besorgt wird oder werden kann, soll der Staat für einen Ersatz, für Pflegeeltern, zunächst wohl für eine Pflegemutter sorgen, welche den Kindern jene Obsorge zu Teil werden läßt, die sie sonst von den Eltern zu erwarten hätten. Die Untersuchung wünschenswerter Verhältnisse der Propagation ergibt, daß eine sehr große Anzahl der Frauen sich der Ehe und Kindererzeugung werden enthalten müssen, darum aber doch zur Kindererziehung im besten Sinne des Wortes tauglich sein mögen. Besonders diese sollen zum Ersatze der Eltern herangezogen werden und die Erfahrung beweist, daß solche Pflegemütter ganz vortrefflich geeignet sein können, die Erziehung zu leiten, daß sie nach kurzer Angewöhnung, besonders wenn ihnen sehr junge Kinder anvertraut werden, wahre Mutterliebe empfinden, und daß ihnen das Übernehmen der Mutterpflichten besonders dann willkommen sein wird, wenn der Staat für die materiellen Kosten der Versorgung aufkommt und solche Lasten mit der Pflegemutterschaft nicht verbunden sind. Es sind aber auch andere Frauen zur Übernahme dieser Aufgabe geeignet, so ältere Frauen, welche keine eigenen Kinder mehr zu erziehen haben, besonders die Großmütter der betreffenden Kinder, kinderlose Ehepaare, Eltern, die nur ein einziges Kind haben, dem sie gern einen Gespielen an die Seite geben möchten, auch junge kinderlose Witwen, welche sich nicht wieder verehelichen wollen, und es unterliegt keinem Zweifel, daß dem Staate eine große Auswahl freiwilliger Kräfte zur Verfügung stünden, die ganz hervorragend geeignet wären, die häusliche Erziehung zu leiten. Die Eltern aber sollen die Erziehung nicht =allein= leiten, der Staat soll durch seine Organe mitwirken, wodurch diese in die Kenntnis aller Irrtümer und Nachlässigkeiten der Eltern kommen müssen. Es ist in V, 2, _Alinea_: »Nach der Geburt,« gezeigt worden, daß der Arzt schon den Neugeborenen seine Aufmerksamkeit zu widmen hat, und auch der Pädagoge, welcher für die geistige Vervollkommnung der ganzen Gemeinde verantwortlich ist, wird die Eltern schon bei den ersten Zeichen der beginnenden Seelentätigkeit zu beraten haben, wie die Intelligenz zu fördern, Untugenden vorzubeugen, ethische Vollkommenheit früh zu wecken ist. Viele Eltern wissen, welches Ziel sie anzustreben haben, es fehlt ihnen aber Geduld und Kenntnis der Kinderseele und sie wissen sich nicht zu benehmen, wenn mehrere Kinder derselben Familie eine verschiedene Behandlung fordern. Daß es möglich ist, selbst begangene Fehler gut zu machen und wieder einzulenken, wenn man falsche Wege eingeschlagen hat, hat die obengedachte Gesellschaft in England erfahren. Es ist vorgekommen, daß pflichtvergessene Eltern zu längerer Gefangenschaft verurteilt und mittlerweile ihre Kinder in gute Pflege und Erziehung genommen wurden und daß die Eltern, als sie ihre nun wohlaussehenden und fröhlichen Kinder wiedersahen, wirkliche Elternliebe erwachen fühlten und ein normales Verhältnis zu den Kindern hergestellt wurde. Um so sicherer werden geringere Verirrungen ohne Schaden bleiben, wenn sie frühzeitig entdeckt und abgestellt werden. In der Regel wird man die Mutter als die wichtigste Person in der Erziehung anzusehen haben und die Kinder in Allem an sie weisen müssen. Ihr wird die Verhängung größerer Strafen, die Zuerkennung von Belohnungen, die Erfüllung kleiner Bitten vorzubehalten sein und die staatliche Erziehung sich so wenig als möglich zwischen Mutter und Kind drängen dürfen, zum mindesten erkennbar für die Kinder. Darum wird auch der Abnahme der Erziehung eine öftere Verwarnung und Beratung der Mutter vorangehen und dazu nur gegriffen werden, wenn es unbedingt notwendig und ein vorteilhafter Ersatz möglich ist. In einem solchen Falle wird die Verwaltung zu prüfen haben, ob das Kind in eine andere Gemeinde zu versetzen sei, um einen verderblichen Einfluß der Mutter zu verhindern, wogegen wieder in Betracht kommt, das die Konstanz der Verhältnisse, die Fortsetzung des Zusammenseins mit Kindern, mit welchen jene aufgewachsen sind, die Fortdauer der sonstigen Erziehungsumstände, die Einwirkung der bisherigen Lehrer und Erzieherinnen, sich als wünschenswert erweisen und daß die gänzliche und dauernde Trennung von Mutter und Kind auch dadurch, wenn es notwendig, gesichert werden kann, daß die Mutter, beziehungsweise die Eltern in einen entfernteren Ort versetzt werden, was bei drei Vierteln der Bevölkerung gar keine Schwierigkeiten bietet. Da die Eltern den größten Teil des Tages aber der Arbeit widmen müssen, sollen die Kinder in dieser Zeit den Kinderpflegerinnen überlassen werden, welche mit ihnen spielen, sie spazieren führen, ihnen Märchen erzählen, Rätsel aufgeben, sie auf die Schönheiten der Natur, die Nützlichkeit der Pflanzen und Tiere aufmerksam machen, sie Gedichte memorieren lehren und auf das intensivste erzieherischen Einfluß üben und sie scharf überwachen sollen. Damit gemeinsame Spiele und allerhand Übungen der Geschicklichkeit, der Tugend, sowie der Intelligenz zu verbinden, frühzeitig gesellige Vollkommenheit zu entwickeln, ist eine Hauptaufgabe der Pflegerinnen, wobei der Grundsatz zu beobachten ist, die Kinder den ganzen Tag über soviel als möglich im Freien und in gesunder Bewegung zu halten. Eine Pflegerin wird für 20 solcher Kinder ausreichen und es wird zu prüfen sein, inwiefern die beiden Geschlechter und die verschiedenen Jahrgänge getrennt, oder vereint zu führen seien, wobei die Pflegerinnen auch darauf zu achten haben, die intelligenteren und besseren Kinder der älteren Jahrgänge selbst wieder als Erziehungsorgane zu gebrauchen, sie alles das versuchen zu lassen, was ihnen selbst obliegt, sie die Jüngeren zurechtweisen, belehren, ihnen erklären und erzählen zu lassen, wodurch wieder nützliche Talente entdeckt und gefördert werden können. Mit dem Schulunterricht soll so eine spielende und daher weniger ermüdende Unterweisung und Ausbildung verbunden, früh aber jede Art von Tätigkeitstrieb entwickelt werden. Insbesondere auch wirkliche Arbeiten soll man von den Kindern von früh auf in steigendem Maße und als Vorbereitung für die späteren Aufgaben fordern. Zu diesen gehört das Sammeln von Beeren, Schwämmen, Früchten aller Art, das Auslesen genießbarer Dinge, Enthülsen von Früchten, Dienstleistungen in der Küche, im Hauswesen, bei Tische, weibliche Handarbeiten aller Art, das Verrichten von Botengängen, das Auflesen von Kartoffeln, das Jäten der Felder und tausend andere Dinge soll man von Kindern fordern, welche den Geist und Körper nicht ermüden, sondern anregen und früh das Gefühl erwecken, daß man nützlich ist. Berichten die statistischen Ausweise, wie viele Zentner von Beeren, Schwämmen, Kartoffeln, Äpfeln und Birnen die Kinder im ganzen Reiche gesammelt, wie viele nützliche Dinge sie geschaffen haben, so wird früh der soziale Instinkt geweckt, daß der Mensch auf der Welt ist, um dem Mitmenschen nützlich zu sein. Mit steigendem Alter muß immer größere Beharrlichkeit und Selbstüberwindung, mehr Mut und Opferwilligkeit gefordert werden und nützliche Arbeit ist die beste Erziehung.[32] [32] Es werden in Österreich alljährlich viele Hunderte von Millionen für Kinderspielzeug vergeudet und die Eltern spielen dabei eine recht alberne Rolle. Spielende Arbeit macht diesen Aufwand unnötig. Begabten Kindern, die schon mehr erwachsen sind, sind auch in dieser Hinsicht immer schwierigere Aufgaben zu stellen. So wie die besten Schüler älterer Jahrgänge die jüngeren überhören, ihnen vieles erklären, ihre Aufgabenhefte einer ersten Durchsicht unterziehen sollen, um so ihren Beruf zum Unterrichte zu erweisen und selbstlehrend zu lernen, so sollen sie auch dem Beamten, den Lehrern, der Bibliothekarin mit Hilfsleistungen an die Hand gehen, statistische Tabellen berechnen, Schriften kopieren, Bücher ordnen und dergleichen mehr. Kinder müssen immer beschäftigt, immer angeregt, in allem Geringsten, nicht verletzend und ungeduldig aber fördernd getadelt werden, nichts Unvollkommenes, so gering es auch sei, darf man ungerügt hingehen lassen und darum müssen sie immer sich unter Aufsicht wissen. Schon beim ersten Erwachen der Intelligenz und bei den ersten Worten, hat man auf richtige Aussprache und richtigen Gebrauch eines jeden Wortes zu dringen, nicht ein einziges Mal darf man ungerügt hingehen lassen, daß sie l für r sagen, Wörter falsch anwenden, Satzverbindungen verfehlen, es genügt, das Richtige statt des Verkehrten zu setzen und man braucht sich dabei nicht lange aufzuhalten. Welche Summe von Erziehungstätigkeit kann eine solche Kinderpflegerin leisten! Für ihre Ausbildung werden besondere Unterrichtsanstalten eingerichtet werden und man wird für eine Gemeinde von 1000 Köpfen etwa 20-25 solche Pflegerinnen bestellen müssen. Dieser scheinbar große Arbeitsaufwand wird leicht hereingebracht durch unermeßliche Arbeitsersparnis anderer Art, die der Kollektivismus ermöglicht. Den Pädagogen und den Lehrern wird die Überwachung und oberste Leitung des Erziehungsdienstes obliegen. Hier will ich bemerken, daß ich das erziehungsbedürftige Alter bis zum vollendeten 18. Lebensjahre ausgedehnt wissen möchte. So lange soll auch das unselbständige Alter dauern. Es ist die Frage, ob der Entgang der Arbeit zu ertragen wäre, der dadurch entsteht, daß der Volksunterricht erst mit diesem Alter eingestellt wird, da bei uns die Masse der Jugend mit 14 Jahren, ja unter den Bauern in Österreich mit 12 Jahren vom Unterricht befreit und zur Arbeit herangezogen wird. Allein die Organisation der Arbeit dürfte eine solche Ausdehnung des Volksunterrichts möglich machen. Mehr möchte ich aber nicht vorzuschlagen wagen. Daß die jungen Leute vom vollendeten 18. Lebensjahre an aber ganz selbständig sein sollen, kann für kollektivistische Staaten wohl empfohlen werden. Denn geschäftskundig braucht der Kollektivbürger nicht zu sein und da er vom 19. Lebensjahre ganz zur Arbeit herangezogen wird, die Arbeit aber die einzige Steuer ist, die der Kollektivbürger zu entrichten hat, so soll er auch von diesem Alter an stimmfähig und der Erziehungsgewalt nicht mehr unterworfen sein. Wenn in den folgenden Zeilen die Erziehung im Kollektivstaat besonders eingehend behandelt wird, so veranlassen mich dazu verschiedene Rücksichten. Zunächst muß die Erziehung der Gesellschaftsordnung angepaßt werden und man wird in meiner Darstellung finden, daß überall darauf Rücksicht genommen wird, die Jugend in diesem Sinne zu erziehen. Dann gewinnt der Staat durch den Kollektivismus so unermeßliche Mittel, daß ihm viel höhere Erziehungsaufgaben gestellt werden können, als heute dem Einzelnen, wobei gleichfalls jene Vorzüge in der Erziehung zutage treten, die die Großproduktion für die Sachproduktion gewährt. Endlich wird man überall fühlen, welche Erleichterung einer vernünftigen Erziehung und selbst dem Unterrichte die Unterdrückung der Großstädte bietet. c) Die physische Erziehung. Diese fällt zumeist mit der Versorgung zusammen, die der Staat zu leisten und wobei er sich nach den durch den Sanitätsdienst gemachten Erfahrungen zu richten hat. In unserer Gesellschaftsordnung erleiden viele Hunderttausende von Kindern einen dauernden Schaden durch die Unvernunft, die Unwissenheit und auch durch die Armut der Eltern. In einem Bezirke Niederösterreichs bemerkte der Arzt, der sich dort niederließ, daß die meisten Kinder der Bauern rachitisch waren. Er gab die Schuld nur der unzweckmäßigen Nahrung. Man entwöhnt die Kinder zu früh der reinen Milchnahrung und füttert sie mit einem Mehlbrei, der der Ansicht des Arztes zufolge diese schädliche Wirkung hervorbrachte. In Steiermark richten die Bauern ihre Kinder mit einem Mohnköpfeabsud, den sie ihnen verabreichen, um sie einzuschläfern, oder durch Anstopfen mit Sterz zu Grunde, ohne daß sie jemand über das Verderbliche ihrer Einschläferungspraxis oder Ernährungsmethode aufklärte. Dort soll es dahin kommen, daß die Kinder auf diese Weise geradezu verblödet werden. Bis in die neueste Zeit kümmerte sich niemand darum und man ließ dem Übel freien Lauf. Daß auch aus verbrecherischer Absicht gleiches Unheil herbeigeführt wird, daß selbst in den gebildeten Klassen den Kindern im frühesten Alter Bier und Wein gereicht wird, der Vater seinen 3-jährigen Sohn zum Frühschoppen mitnimmt und sich nicht wenig darauf zu Gute tut, daß der kleine Kerl trinkt wie ein Bürstenbinder, ist ebenso außer Zweifel, wie daß oft der leichtsinnige Vater das vertrinkt, was er zum Unterhalt von Frau und Kind nötig hätte. Dagegen leistet der Kollektivismus unbedingten Schutz. Erst in Zukunft wird übrigens die medizinische Wissenschaft die Gesetze einer richtigen Ernährung der Kinder genauer erkennen und darauf hinarbeiten, daß die Mütter wieder den Kindern die Brust reichen können, wie es die Natur fordert, und daß andererseits alles aus der Ernährung ausgeschieden wird, was im Geringsten von schädlichen Folgen sein kann, Alles gereicht, was die Jugend braucht, und daß jene genaue Regelmäßigkeit in der Ernährung beobachtet wird, die am heilsamsten ist und eine richtige Verwertung der Nahrung sichert. Wie jede zu geringe Ernährung, so ist auch die Überfütterung verderblich und die Ärzte behaupten in neuerer Zeit sogar, daß die Rindsuppe den Kindern schädlich sei, die man bisher nicht früh genug reichen zu können glaubte. Nur der Kollektivismus ermöglicht es, =allgemeine Erfahrungen zu machen und selbe allgemein auszunützen=. Was man in der heutigen Gesellschaftsordnung nicht in zwanzig Jahren allgemein durchsetzen könnte, kann der Kollektivstaat in kürzester Frist einführen. Freilich soll man mit Neuerungen auch nicht voreilig sein, und solange etwas zweifelhaft ist, wird man die Zustimmung der Eltern, auf die der Arzt übrigens belehrend einwirken wird, nicht umgehen dürfen. Die Zukunft wird aber auch erst eine Aufklärung darüber bieten, ob nicht bloß Alkohol, sondern auch Kaffee, Tee, vielleicht sogar bis zu einem gewissen Grade Fleischnahrung zu vermeiden ist, ganz gewiß aber wird man auf Unterdrückung des Tabakgenusses bedacht sein, der nur schädlich wirken kann und überdies einen sehr großen Aufwand verursacht. Man kann für ein Land wie Österreich-Ungarn die Ersparung von mehr als der Arbeit von 200,000 Menschen durch den Wegfall des Tabakgenusses erwarten, wenn man auch das in Rechnung bringt, was zum Ankauf von Tabak ins Ausland geht und noch ungerechnet die mit dem Tabakgenusse verbundenen Nebenauslagen für Zündhölzchen, Pfeifen, Zigarrenspitzen, Zigarrentaschen und dergleichen. Auch hier wird der Kollektivstaat bei den Kindern den Anfang machen und wenig Wert darauf legen, die Erwachsenen von üblen Gewohnheiten zu heilen. Ebenso wie in der Nahrung, wird der Staat auch in der Versorgung mit Kleidung, Wohnung, Wärme, Luft, gutem Trinkwasser, in der Versorgung mit Bädern und sonstigen Reinigungsmitteln der Jugend das Vollkommenste bieten und erziehlich dahin wirken, daß den Kindern auch alles angewöhnt wird, was sie zu ihrem eignen Nutzen sich angewöhnen sollen. Was die Zahnpflege anbelangt, ist an anderem Ort schon das Erforderliche bemerkt, VII, 2, _Alinea_: »Als Hilfsorgane«. Zur physischen Erziehung gehört auch die Gewöhnung an frische Luft, ausreichende Bewegung im Freien, ausdauernde Bewegung auf Spaziergängen und Fußreisen, Höhenbesteigung, Schlittschuhlaufen, Bewegungsspiele, Turnen, Schwimmen, vielleicht auch Reiten, und auch darüber wird an anderem Ort mehreres zu sagen sein. Der Staat wird auch darauf dringen, daß die Jugend innerhalb vernünftiger Grenzen abgehärtet werde, und die Grenzen wird die Erfahrung ziehen lehren, nachdem es sich nur darum handelt, gegen solche Gefahren zu stählen, die man nach dem jeweiligen Stande der Kultur zu bestehen haben mag. Was die Kleidung der Kinder anbelangt, so soll sie die Bewegungsfreiheit und die Ventilation nicht hemmen, den Hals im Winter und Sommer frei lassen, jederzeit rein gehalten werden, den ästhetischen Sinn zufrieden stellen, ohne die Eitelkeit und Putzsucht zu entwickeln, die Mädchen sollen vom Mieder befreit und demonstriert werden, daß schöne und gesunde Menschen keinen Kleiderluxus zu treiben nötig haben. Die Wohn- und Schulräume müssen ausreichend ventiliert sein und niemals überheizt werden, und der leichteren Aufsicht und des geselligen Zusammenlebens wegen soll die Jugend einige größere Versammlungsräume zur Verfügung haben. Ob Kinder der älteren Jahrgänge, etwa über das zehnte Jahr hinaus, bei den Eltern wohnen sollen und ihnen nicht vielleicht gemeinsame Schlafräume anzuweisen wären, welche eine scharfe Überwachung durch das Erziehungspersonal möglich machen, sei der Erwägung empfohlen. Man hat schon bei der Anlage der Wohnansiedlungen darauf Rücksicht zu nehmen. Daß auch für Kinder im ersten Lebensalter und bis zur erlangten Sicherheit im Gehen für einen Teil des Tages gemeinsame Kinderstuben einzurichten, wenngleich auch sie regelmäßig mehrere Stunden ins Freie zu fahren sind, daß also das Beispiel der Krippen und für später auch die Spielschule allgemein nachzuahmen sein wird, ist gewiß. Solange die Mütter ihre Kinder säugen, werden sie unter Aufsicht einer Vorsteherin in diesen Räumen den Dienst haben, was sie nicht hindern wird, nebenbei weibliche Handarbeiten und allerlei Wäscheausbesserungsarbeiten zu besorgen, also produktive Arbeit zu leisten. So wird der Jugend durch den Staat gesichert werden, was ihr in der heutigen Gesellschaftsordnung beinahe immer fehlt. d) Intellektuelle Erziehung. Dem Staate obliegt auch die Überwachung und teilweise direkte Leitung einer intellektuellen Erziehung. Sobald Kinder anfangen Aufmerksamkeit zu zeigen, ist alles zu tun, um dieser Aufmerksamkeit entgegenzukommen und so den Geist zu entwickeln. Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß das Kind viel hilfloser und geistig untätiger auf die Welt kommt, als das Tier. Das Kalb ist, kaum zur Welt gekommen, auf den Beinen und geht der Mutterkuh zu, es wendet den Kopf nach jedem Besucher und zeigt dieselbe Aufmerksamkeit wie ein erwachsenes Rind. Es kommt fertiger auf die Welt als das Menschenkind, das kaum in einem Alter von vier Monaten das neugeborene Kalb in geistiger Beziehung einholt. So fordert die Natur von der Mutter eine viel größere Sorgfalt für das Kind, als das junge Tier von den Eltern beansprucht. Daß es von sehr verderblichen Folgen sein muß, wenn die Kinder von den Eltern der Arbeit und des Erwerbes wegen in der Wohnung allein gelassen werden müssen und oft den ganzen Tag über jene Anregungen entbehren, welche wir unseren Kindern bieten, ist leicht einzusehen. Was an der Entwicklung des Seelenlebens und an Anregung im ersten Jahre und besonders in den Jahren der Entwicklung der Sprache versäumt wird, ist nie wieder gut zu machen. Arzt und Pädagoge haben die Eltern und das Erziehungspersonal zu belehren und zu überwachen. Daß man darin auch zu viel und Unnötiges tun kann, daß man Kinder auch nicht aufregen, nervös machen, erschrecken, sie nicht zu früh ins helle Tageslicht schauen lassen darf, in der allerersten Zeit für genügenden Schlaf zu sorgen hat, daß man ihnen später keine Schauergeschichten oder Gespenstermärchen erzählen, insbesondere nichts Übernatürliches oder Abergläubisches in die jugendliche Seele impfen darf, ist gewiß, und eine Kinderseele, welche nur irgend etwas Törichtes gläubig aufgenommen hat, ist intellektuell für immer verdorben. Ebenso ist auch die Heranbildung von Wunderkindern nichts weniger als rationell. =Das Erziehungsziel muß sein, die heranwachsenden jungen Leute beiderlei Geschlechts zur größten Tüchtigkeit in jenem Berufe heranzubilden, wozu jeder die größte Befähigung hat und in jedem die mannigfaltigste und stärkste Genußfähigkeit besonders auf jenen Gebieten zu entwickeln, auf welchen die Genüsse am meisten vom materiellen Aufwande unabhängig sind. Die Berufsausbildung soll den Menschen in den Stand setzen, der menschlichen Gesellschaft das Beste, was er vermag, zu geben, die Entwicklung der Genußfähigkeit soll ihn in den Stand setzen, für das Gegebene reichlich und von allen Seiten zu empfangen. Die Mannigfaltigkeit der Gabe, zu genießen, macht jeden seinen Mitmenschen tributär, sie interessiert ihn an dem, was die Gesellschaft auch den anderen bietet.= e) Der Unterricht im vorschulpflichtigen Alter. Daß man dem Unterricht nicht allzusehr vorgreifen soll, ist wohl kaum zu bezweifeln. Aber trotzdem wird es sich empfehlen, wenn Kindern frühzeitig ein genügender Wortschatz beigebracht, sie im richtigen Aussprechen und Gebrauche der Worte, später der Satzfügungen, nicht theoretisch, wohl aber praktisch unterwiesen und zu einer gewählten und artigen Sprache und einem auch den Gebildetsten angemessenen Dialekte, einer reinen, der Schriftsprache entsprechenden Redeweise angehalten werden. Es hat gar keinen Sinn, daß die Kinder der Bauern und Arbeiter sich in der Sprache von den Kindern der sogenannten höheren Stände unterscheiden, und man findet in manchen Teilen von Norddeutschland Bauernkinder, die ein ganz tadelloses, reines Deutsch ohne verdorbenen oder landschaftlichen Dialekt sprechen. Man kann darum doch in der Schule und neben dem reinen Schriftdeutsch, besonders für heimische Poesie, einen Dialekt auch einüben, und der schwäbische und der steierische Dialekt eignen sich vortrefflich zur Lokalfärbung poetischer Produkte. Aber die reinste Schriftsprache kann und soll jedem Kinde beigebracht werden, so schwer es auch auf dem Lande mit der Familienerziehung vereinbart werden kann. Bei Aufstellung eines pädagogischen Stabes, wie er auch sonst aus erziehlichen Gründen unentbehrlich ist, ist das gewiß erreichbar. Ist sich das Kind bewußt, daß es den Dialekt nur =neben= der reinen Schriftsprache -- wobei nur die allerschönste Aussprache zu dulden ist -- sprechen dürfe, so wird es letztere nie verlernen und in Schule und Gesellschaft ungezwungen und ganz natürlich gebrauchen. Dazu ist Übung und ein streng richtiges Vorlesen von Jugendschriften notwendig. Auch logische Schnitzer darf man Kindern nie hingehen lassen. Dreijährige Kinder sind in der Handhabung der Logik oft sicherer und schlagfertiger als große Leute, welche sich oft erst auf eine logische Formel besinnen müssen. Früh müssen Kinder auf die mehrfache Bedeutung der Wörter, auf Synonyme und auf die Bildersprache aufmerksam gemacht werden, ohne daß ein methodischer Unterricht erlaubt wäre. Es ist ihnen ein Reichtum von Wörtern und Bezeichnungen, von Pflanzen- und Tiernamen in jenem frühen Alter zuzuführen, wo der Geist rasch erfaßt und behält. Kinder müssen viel reden hören und viel zu sprechen veranlaßt werden, es ist fehlerhaft, ihnen immer in die Rede zu fallen, sie zum Schweigen anzuhalten und zu entmutigen. f) Der Elementarunterricht, in Österreich der Unterricht in einer zweiten Sprache des Reiches. Der Elementarunterricht soll mit dem vollendeten sechsten Lebensjahre beginnen und bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre dauern. Er umfaßt die gründliche Kenntnis der Muttersprache, und in Österreich vielleicht auch einer zweiten Sprache in Wort und Schrift, mit Inbegriff einer tadellosen Rechtschreibung und der Gewandtheit im Ausdruck und Stil, die Grundzüge der Vaterlandskunde, Geographie, Erdkunde und Geschichte, der exakten Wissenschaften, Naturkunde, Chemie und Physik in allen Verzweigungen. Religion wird nur einen geringen Platz im Lehrplane einnehmen. So wohl auch Ethik, welche nicht theoretisch zu lehren, sondern praktisch anzuerziehen ist und welche bereits in Fleisch und Blut übergegangen sein muß, ehe der Unterricht erteilt werden könnte. Es ist ja dasselbe mit der Logik. Dagegen soll in den höheren Jahrgängen etwas über Philosophie und Geisteswissenschaften, dann Volkswirtschaft, den Mädchen über Physiologie, Hygiene und das Geschlechtsleben des Weibes beigebracht werden. Zeichnen, Modellieren und Gesang werden nicht zu vernachlässigen sein. Sehr wichtig ist es, alle Schulen mit Lehrmitteln auszustatten. Beim Unterricht in der Muttersprache und dem schriftlichen Aufsatz und bei anderen schriftlichen Schulaufgaben soll, wie oben erwähnt, auch eine Verwendung der begabteren Schüler der nächsthöheren Klasse zur Korrepetition und zur ersten Durchsicht der Hefte stattfinden, teils um diese selbst zu fördern, teils um den Lehrern die Aufgabe zu erleichtern. Diese werden, wie schon erwähnt, schon deshalb weniger belastet sein, weil ein Jahrgang der Volksschule kaum jemals mehr als 25 Schüler zählen wird. Inwiefern es wünschenswert sein mag, in den Schulen vom 10. Jahre aufwärts die Geschlechter zu trennen, wird die Erfahrung lehren. In diesem Falle wird es sich mehr empfehlen, einerseits die Mädchen, andererseits die Knaben zum Unterrichte in die Nachbargemeinden wandern zu lassen, als Doppelschulen in jeder Gemeinde zu errichten. Diese Wanderungen sind in sehr gebirgigen Gegenden heute mit nicht geringen Übelständen verbunden, wo die Gemeinden sehr zerstreut sind und die Schulkinder von entfernten Gehöften in die Schule wandern müssen, oft auf gefährlichen Wegen. Im Zukunftsstaat handelt es sich aber nur um die Wanderung halber Klassen unter Aufsicht und auf vortrefflichen, gefahrlosen Wegen. Es ist auch das ein Teil der dem Kollektivstaate obliegenden Fürsorge, daß er dort, wo es notwendig ist, auf Kosten des ganzen Volkes Abhilfe gegen lokale Übelstände trifft. Verhält er also die Schuljugend zu solchen Wanderungen an gefährlichen Orten, so wird er sichere und gangbare Wege herstellen, die in der heutigen Gesellschaftsordnung manche Gemeinde nicht herzustellen vermag, weil sie zu arm ist, und wohl auch deshalb, weil es sich dabei zumeist nur um das Interesse einer einzelnen Familie handelt. Der Kollektivstaat hilft ebenso der Armut einer Gemeinde, wie der Armut des Einzelnen ab. Was das Bewohnen einzelner Gehöfte anbelangt, so ist davon in V, 2, _Alinea_: »Die Fürsorge für«, die Rede. Wo solche vorkommen, werden in selben Familien, welchen schulpflichtige Kinder angehören, nicht wohnen, weil das unzweckmäßig wäre und keine Familie durch Eigentum an die Scholle gebunden ist. Es gibt in jeder Gemeinde Unverheiratete und Kinderlose genug, um solche Gehöfte mit Bewohnern zu besetzen, welche sich leichter, vielleicht auch gerne von der großen Gemeinde, zum mindesten zeitweilig, trennen oder etwa strafweise dazu verhalten werden. Was nun den Personalstand der Volksschulen anbelangt, so scheint es, daß die vier ersten Klassen dem Unterrichte von Frauen und Mädchen anvertraut werden könnten, die dem Erziehungspersonale angehören. Die acht oberen Klassen wären mit Lehrern und Lehrerinnen, einen für jede Klasse gerechnet, zu besetzen, welche die Ausbildung unserer Mittelschulprofessoren für bestimmte Fächer besäßen. Einer von ihnen würde als Pädagoge die Oberleitung haben und das ganze Erziehungs- und Bildungswesen einer Gemeinde leiten. Er müßte jedem, der sich selbst weiterbilden oder seinen Kindern durch eigene Bemühung eine höhere Bildung vermitteln will, mit Rat und Tat beistehen können, und er würde dafür zu sorgen haben, denjenigen Bedürfnissen zu genügen, welche aus einer besonderen geistigen Richtung einer Gemeinde entspringen. Denn daß sich solche Richtungen herausbilden werden, ist mit Gewißheit anzunehmen, weil der Kollektivismus die Gelegenheit dazu bietet, Teilnehmer bestimmter Spezialrichtungen in besonderen Gemeinden zu vereinigen. So Anhänger eines bestimmten Sportes, einer bestimmten Richtung der naturwissenschaftlichen oder historischen Forschung, einer bestimmten Kunst. Denken wir nur an Orchestermusik. Wir sehen hier, daß ein so geartetes Volksschulwesen für einen Staat mit 45,000 Gemeinden 180,000 Lehrerinnen geringerer Ausbildung, die dem Erziehungspersonal angehören, und 360,000 Lehrer oder Lehrerinnen mit Hochschulbildung erfordert. Dem Lehrpersonal, das auch an der wissenschaftlichen Erforschung pädagogisch wichtiger Tatsachen und an der Schulstatistik teilzunehmen, vielleicht dem Verwaltungsbeamten Hilfsarbeiten zu leisten hat, sich immer auf der Höhe der Wissenschaft halten und sich auch an der allgemeinen Fortbildung der ganzen Bevölkerung beteiligen muß, sind alle wünschenswerten Fachorgane und neuen wissenschaftlichen Werke vom Staate beizustellen. Die Eigenart Österreichs scheint es zu bedingen, daß in diesem Lande die lebenden Sprachen mehr gepflegt werden als anderwärts und dieser Staat kann gerade dadurch auf die höchste Stufe der Kultur gehoben werden. Österreich braucht die Doppelsprachigkeit und liefert den Beweis, daß es kaum eine nennenswerte Belastung der geistigen Kräfte ist, wenn auch den Massen die Erlernung zweier lebender Sprachen auferlegt wird. In Österreich sind Arbeiter, Dienstleute, selbst Bauern, die zwei österreichische Idiome gut sprechen, gar nichts seltenes und sie zählen nach Hunderttausenden, vielleicht nach Millionen. Da sie diese Sprachenkenntnis erwerben, ohne vom Staate die geringste Unterstützung zu genießen, so muß man annehmen, daß ein darauf eingerichteter Volksschulunterricht die Doppelsprachigkeit zu einer allgemein verbreiteten Eigentümlichkeit machen könnte. Daraus würde sich ohne Zweifel eine nationale Eigentümlichkeit entwickeln, die ganz eminent kulturförderlich sein und die Intelligenz wesentlich erhöhen müßte. In diesem Falle würde man es durchzusetzen trachten, daß jeder Nichtdeutsche als zweite Sprache die deutsche erlernt, und umgekehrt jeder Deutsche eine der anderen Sprachen des Reiches sich zu eigen macht. Der Friede im Lande scheint das zu bedingen und inwieferne dadurch die Intelligenz erhöht würde, müßte die Erfahrung lehren. Um das zu erreichen, müßten sich die Eltern entschließen, ihre Kinder in bestimmten Altersepochen aus dem Hause zu entlassen und einer entfernten Gemeinde und in dieser bestimmten Personen zur Pflege und Erziehung zu überlassen. Das wäre übrigens an sich vielleicht ein Vorteil für die Erziehung, wenn eine besonders gute Wahl getroffen wird. Das System, welches in Österreich gerade von der bäuerlichen Bevölkerung früher ziemlich begünstigt wurde, nennt man dort den »Wechsel«, weil es meistens durch Kindertausch zwischen zwei Familien in Ausführung gebracht wurde. In neuerer Zeit soll es weniger Anwendung finden, weil die Regierungen es nicht begünstigt haben und die nationalen Heißsporne es zu unterdrücken suchen. Hier verweise ich übrigens auch auf VII, 2, _Alinea_: »Was nun die Ehebewilligung usw.« g) Fachschulen niederer Ordnung und für fremde Sprachen. Außer den Elementarschulen und den Hochschulen, in welch' letztere die vorzüglichsten Schüler der Elementarschulen entweder unmittelbar oder nach Absolvierung einer Vorbereitungsschule übertreten können, braucht man Fachschulen der verschiedensten Art, welche auf Bezirksorte und Kreisstädte zu verteilen wären. Es würden dort die tüchtigsten Arbeiter in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und den Gewerben für leitende Stellen ausgebildet werden, abgesehen davon, daß ihnen vielleicht auch Gelegenheit zu Informationsreisen im Auslande geboten würde. Weitere Fachschulen werden für Musik, bildende Künste, Dichtkunst und das Schauspiel errichtet und ebenso für auswärtige Sprachen. h) Andere Anstalten der Volkserziehung. Der Jugenderziehung wird nicht nur das Erziehungspersonal und der Elementarunterricht zu widmen sein, sondern es wird auch an anderen Anstalten, die zur Entwickelung von körperlichen und geistigen Anlagen dienen, nicht fehlen dürfen. 1. Schwimmen. Vor allem wird man die Kinder so früh als möglich zum Schwimmen anhalten und von den für diesen Zweck in jeder Gemeinde und jedem städtischen Quartier zu errichtenden Schwimm- und anderen Badeanstalten ist in IX, 1, _Alinea_: »Eine solche Gemeinde« die Rede. 2. Schlittschuhlaufen. Dasselbe gilt vom Schlittschuhlaufen, wozu gleichfalls überall Gelegenheit geboten werden soll. 3. Reiten. Minder allgemein wird das Reiten gelehrt werden, weil die Anzahl der Reitpferde, die der Staat halten kann, kaum dafür ausreichen könnte. Nach dem für solche Fälle geltenden Verteilungsgrundsatz wird das Reiten nur jenen gelehrt und gestattet werden, welche dazu am meisten Geschicklichkeit an den Tag legen. So lange der Krieg nicht ganz aus der Welt geschafft werden kann, wird das Reiten immer eine wichtige Stelle unter den zu pflegenden Geschicklichkeiten einnehmen, weil die Kavallerie immer mehr an Wichtigkeit gewinnt. 4. Turnen. Die Wichtigkeit des Turnens für die Zwecke der Jugenderziehung ist längst anerkannt. Es wird also in keiner Gemeinde an dem vollständigen Geräte fehlen dürfen. 5. Radfahren. Ob das anstrengende Radfahren sich als nützlich für die Jugend erweisen wird, wird wohl erst zu erproben sein. So weit es förderlich ist, wird auch diese Kunst der Jugend beigebracht werden müssen. Von jeder Art Geräte zu Sportzwecken und anderer Art gilt, daß es zum gemeinschaftlichen Gebrauch aller dient, die davon Gebrauch machen können, daher ein Verteilungsgrundsatz aufgestellt werden muß, wie sich die Benützer in den Gebrauch zu teilen haben. Ist das Geräte verhältnismäßig auf die Gemeinden und Quartiere aufgeteilt, so kann es den letzteren überlassen werden, sich diesfalls selbst Gesetze zu geben. 6. Bewegungsspiele und Kindersport. Daß neben dem Turnen und Schlittschuhlaufen auch Bewegungsspiele aller Art gepflegt werden sollen, versteht sich von selbst und man wird immer neue erfinden. Wahrscheinlich werden es die nützlichsten sein, welche am meisten geübt werden und sich auch am längsten erhalten, für den Rudersport ist nicht überall Gelegenheit. 7. Verstandes- und Gesellschaftsspiele. Eine große Bedeutung haben die Verstandes- und Gesellschaftsspiele. Dabei kann der Jugend auch die Anregung zu Spielen in größerem Umfange gegeben werden, zum Besuch- und Konversationsspiel, Kriegsspiel und Parlamentspiel und manche Spiele von heute können ersetzt werden durch Anteil an wirklicher Arbeit, statt der Puppen werden die Mädchen kleine Kinder pflegen helfen, statt des Küchespielens an der Speisebereitung teilnehmen. 8. Reisen der Jugend. Zu den wichtigsten Bildungsmitteln gehört das Reisen. Schon in frühester Jugend können Ausflüge auf ein oder zwei Meilen Entfernung unternommen werden und wenn so zwei oder drei Gemeinden eine gleiche Anzahl von Köpfen sich zuschicken, so werden diese Kinder eben in Nachbargemeinden ihre Mahlzeiten einnehmen, ohne die Wirtschaften irgendwie zu belasten und der ganze damit verbundene Aufwand wird in der Abnützung des Schuhwerks bestehen. Dabei werden die Kinder andere Personen kennen lernen, Werkstätten und Fabriken sehen, die ihnen noch nicht bekannt waren, Bergwerke kennen, landschaftliche Schönheiten genießen lernen, irgendwelche Merkwürdigkeiten sehen und die jungen Leute sollen, ehe sie in die Schule kommen, im ganzen Bezirke zuhause sein, Wege und Stege, die Wasserläufe und Gebirge kennen und alle Ortschaften nennen können zur Vorbereitung ihrer später immer ausgedehnteren Ortskenntnis. In späteren Jahrgängen soll sich die genaueste Ortskenntnis auf die ganze Provinz erstrecken und als Lohn für hervorragende Verdienste kann sich die Erlaubnis darstellen, entfernte Städte zu besuchen oder Gebirge in anderen Provinzen zu besteigen, wobei gleichfalls jeder Aufwand für die Volkswirtschaft vermieden wird, wenn die jungen Leute die ohnehin leeren Plätze auf den Eisenbahnen, in den Wohnhäusern fremder Gemeinden, an ihren Tischen einnehmen und es wird gar nicht notwendig sein, ihnen eine Begleitung mitzugeben, da sie unter Aufsicht des Eisenbahnpersonals und der Mitreisenden, dann des Unterrichtspersonals der besuchten Städte und Gemeinden stehen. Das kann der Jugend zu statten kommen durch zwölf Jahre an schulfreien Tagen und in den Ferien, also an etwa 100 Tagen im Jahre und die Ferialreisen können mit einer großartigen Zirkulation der Jugend von Kreis zu Kreis, von Provinz zu Provinz verbunden werden, wobei sie zahllose höchst bildende Anregungen empfangen wird, welche minimale oder gar keine Kosten verursachen. Die begabtesten Volksschüler der höheren Jahrgänge werden gegen Ende der Schulzeit ihr ganzes Vaterland gesehen haben und die Geographie ihres Reiches, das ja auch ihr Besitz ist, nicht nur aus den Büchern, sondern aus der Anschauung kennen und es wird ihnen zur Aufgabe gestellt werden, überall dem Zusammenhang der Wasserläufe und der großen Gebirgszüge ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. 9. Touristik der Jugend. Daß viele der Ferienreisen zu Fuß zurückgelegt werden müssen, wobei man besondere Ausdauer und Schnelligkeit vielleicht zum Gegenstand einer Preiszuerkennung machen wird, da sich ja Zeitpunkt des Abganges und der Ankunft durch amtliche Bestätigungen der Verwaltungsorgane leicht kontrollieren läßt, ist selbstverständlich. Dabei soll aber auch die nicht weniger kühne Bergbesteigung mit zu den Freuden und Übungen der Schuljugend gerechnet werden. Die Natur der Aufgaben des Kollektivstaates bringt es mit sich, daß alle Gebirge für die Touristik aufgeschlossen werden, was der Staat nicht leistet, werden die Nachbargemeinden aus eigenen Kräften besorgen. Auch da kann ein Wettbewerb nach demselben Grundsatze ermöglicht werden für jene, welche innerhalb eines Jahres am meisten hohe Berge besteigen und dabei die größte Kühnheit und Ausdauer an den Tag legen. Doch soll man hierin vernünftige Grenzen einhalten und tollkühne Unternehmungen eher unterdrücken, als fördern. Alle Jugendfreuden sollen zur Veredelung der Menschenrasse dienen und jeder soll einen Schatz froher Jugenderinnerungen angesammelt haben, ehe er in die Periode der Arbeit eintritt, in der er dem Staate rückerstattet, was er empfangen hat und das Kapital ansammelt, aus welchem ihm eine gleich frohe Zeit des hohen Alters gewährt wird, das er in Rüstigkeit verbringen und genießen soll, vielleicht wieder im Anschlusse an jene Jugend, die mittlerweile herangewachsen ist. 10. Lektüre, Unterhaltungslektüre und Lektüre zur fachlichen Ausbildung. Ein wichtiges Förderungsmittel der Jugend ist die Lektüre, welche ihr zwar mit Auswahl, aber reichlich zur Verfügung gestellt wird. Literatur und Bibliothekswesen werden an anderem Orte, VIII, 4, erörtert werden. Der Staat ist ja auch die großartigste Leihbibliothek, die man sich denken kann, und jedes Buch der in- und ausländischen Literatur von einigem Wert ist in einem kollektivistischen Staate =jedem= zugänglich, nicht bloß in Städten, sondern in jedem Dorfe und Einödhofe und selbst auf den Alpen. Bücher zirkulieren wie die Menschen in einem ununterbrochenen Strome. Bloße Unterhaltungslektüre soll besonders zum Gegenstande des Vorlesens in größeren Versammlungen junger Leute gemacht und dann eine kritische Besprechung daran geknüpft werden. Dadurch wird der Vortrag und die Zungenfertigkeit geübt, Zeit erspart und die weiteste Verbreitung der besten Werke sichergestellt. Wenn die Unterrichtspersonen, die besonderes Urteil in der schönen Literatur haben, eine kritische Besprechung einleiten und die Kunst, mit Verständnis zu lesen, lehren, so wird dieser Genuß wieder außerordentlich fruchtbringend und förderlich wirken, wie es keinem Zweifel unterliegt, daß uns die hohe Kultur unsrer Zeit es möglich macht, durch den Genuß Arbeit zu schaffen und in der Arbeit zu genießen, so daß das ganze Leben mit Lebensfreuden ausgefüllt werden kann. Allein viele jungen Leute werden sich mit Lektüre nicht nur im gewöhnlichen Wortverstande unterhalten, sondern irgend einen Zweig des Wissens neben dem allgemeinen Unterrichte zu einem Lieblingsstudium machen und die Lehrpersonen werden Jedem, der solche Privatstudien betreibt, die Quellen nachweisen und zugänglich machen, aus welchen er fortschreitende Belehrung schöpfen kann. Bemerkt man einen Erfolg, so wird man seinem Wissensdrang immer intensivere Nahrung zuführen, ihm Sammlungen, Zeichnungen und andere Darstellungen, Instrumente und Apparate, selbst Chemikalien und andere Stoffe zugänglich machen, so daß jene, die man zur Aufnahme in die Hochschulen empfiehlt, schon langjährige Studien betrieben, wissenschaftliche Aufsätze geliefert, Forschungen verfolgt und für die Zwecke der Hochschulen Beobachtungen angestellt und Naturprodukte gesammelt und auf diese Art den Beweis geliefert haben müssen, daß sie unter allen Altersgenossen die hervorragendste Eignung für die wissenschaftliche oder eine künstlerische Laufbahn besitzen. Dabei wird man Konzentrierung und Spezialisierung verlangen und in irgend einem kleinen Zweiglein des Wissens oder Könnens das Eindringen bis in die tiefsten Falten des Studiums, die Kenntnis einer Pflanzenfamilie bis in alle ihre Spielarten, einer Raupe in allen Abarten, ihre Lebensbedingungen, Anatomie und Physiologie und Umwandlungsbedingungen fordern. Alle Wanderungen, Reisen und Bemühungen dieser Anwärter auf eine höhere Laufbahn werden immer ein und demselben Ziele dienstbar zu machen sein; etwas Neues zu erforschen, etwas neu darzustellen, eine vollständige Sammlung zustande zu bringen, einen mechanischen Gegenstand von offenbarer Nützlichkeit zu erfinden, ein neues chemisches Präparat, eine neue Anwendungsart oder -Form der elektrischen Kräfte zu entdecken, wird man sich beeilen, ehe man das 18. Lebensjahr vollendet, um unter der großen Zahl von Berufenen auserwählt zu werden und den Ruf an die Universität zu erlangen, an welche nicht die Söhne reicher Bürger, hoher Beamter, des alten Adels oder der Professoren, sondern nur jene berufen werden, die schon in diesem noch jungen Alter ihren Beruf erwiesen haben werden. 11. Handfertigkeitsunterricht und Haushaltungskunde. Daß Handfertigkeitsunterricht mit dem Schulunterrichte zu verbinden ist, ist längst dargetan und dazu ist in einer kollektivistischen Gemeinde die beste Gelegenheit geboten. Es wird ohnehin in jeder Gemeinde eine mit allen Werkzeugen und einfacheren Apparaten ausgerüstete, mit Wasserkraft, Dampf oder Elektrizität betriebene mechanische Werkstätte zu finden sein, wo man die dringenden Ausbesserungen geringerer Art von Werkzeugen, Apparaten, Maschinen und Hausgeräten besorgen kann und dort wird man den Handfertigkeitsunterricht erteilen, um jene herauszufinden, welche sich für die Industrie und Technik eignen, während die weniger Tauglichen sich der Landwirtschaft, den geringeren industriellen Arbeiten und dem Bergbau widmen müssen. Ebenso werden die Mädchen praktischen und auch theoretischen Unterricht für weibliche Handarbeiten, Haushaltungsarbeiten, Küche, Viehzucht und Gartenkultur empfangen. Man macht jetzt eben überall Versuche, solchen Unterricht auch auf dem Lande einzubürgern, aber es fehlt zumeist an Geld und somit auch an Lehrkräften. So werden alle jene begabteren Kinder ermittelt werden, die man in die landwirtschaftlichen, gewerblichen, forstlichen oder Haushaltungsfachschulen aufnehmen und dann als Vorarbeiter, Werkführer, Haushaltungsvorsteherinnen, Köchinnen usw. oder für das Erziehungs- und niedere Lehrfach ausbilden wird. Auch für Zeichnen, Modellieren oder Musik hervorragend befähigte Kinder werden in Vorbereitungsschulen aufgenommen, vielleicht noch in den Jahren der Volksschulpflicht und müssen sie deshalb an einen Bezirks- oder Kreisvorort versetzt werden, so werden ihre Eltern entweder auch versetzt oder sie werden von diesen an dort domizilierende Freunde oder Verwandte verwiesen, welche die Stelle der Eltern vertreten. Die Mitbeschäftigung an den wirklichen Arbeiten in Feld und Stall, Küche und Hauswesen, Kinderwartung und Krankenpflege wird der beste Handfertigkeits- und Haushaltungsunterricht sein oder wenigstens als Vorbereitung der Tüchtigsten für Fachschulen dienen. 12. Vereine und Selbstzucht der Jugend. Die Erfahrung wird erweisen, ob der Jugend die Bildung von Vereinen und die, wenigstens versuchsweise, Übernahme der Selbstzucht gestattet werden soll. Man sagt, man habe in Amerika mit einer Art von Jugendrepublik sehr gute Erfahrungen gemacht, in welche verwahrloste Kinder aufgenommen und der Zucht ihrer schon gebesserten Altersgenossen überlassen und so geheilt und für die Gesellschaft brauchbar gemacht wurden. Die Behandlung der jugendlichen Übeltäter soll eine sehr harte gewesen sein, aber gute Früchte getragen haben. Bewähren sich solche Versuche, so mögen sie fortgesetzt werden, andernfalls sind die Vereine aufzulösen, die Selbstzucht wieder einzustellen und die unmittelbare Wirksamkeit der Erziehungs- und Lehrpersonen und der Mütter wieder herzustellen. Von der Förderung des Vereinswesens ist in VIII, 2, die Rede, und es wird in der Regel keinem Bedenken unterliegen, auch der Jugend den Beitritt zu den Vereinen der Erwachsenen, wenn auch vielleicht ohne Stimmrecht, zu gestatten. Nur dürfen sie dadurch vom Unterricht nicht abgelenkt werden. 13. Sicherstellung einer gleichmäßigen Jugenderziehung. Da es wünschenswert ist, daß das ganze Volk ohne Ausnahme einen gleichmäßigen Elementarunterricht und Erziehung empfange, ohne irgend eine Bevorzugung oder Zurücksetzung, soweit nicht die Eltern durch ihre eigene Bemühung, Unterrichts- und Erziehungsarbeit ihre Kinder mehr fördern, und nachdem es den Anschein hat, als ob die Kinder der Personen, die in den Städten und der Hauptstadt angesiedelt sind, einen Vorzug genössen oder zu anderen Vergnügungen Gelegenheit hätten und vom Landleben ihrerseits ausgeschlossen wären, so ist es von Belang, hier einige Worte darüber zu sagen. Jene Eltern in den Städten, die erziehungspflichtige Kinder haben, werden am besten ihre Wohnungen an der Peripherie angewiesen erhalten, wo die Städte ans Freie stoßen und mit den nächstgelegenen Dörfern zusammengrenzen. Erziehungs- und Lehrpersonen werden dieselben sein wie in den Dörfern, Lehrmittel ebenfalls, das Zusammenkommen dieser Kinder mit den Dorfkindern, die Spaziergänge und Ausflüge in der freien Landschaft, die Berührung mit den landwirtschaftlichen Anstalten wird ihnen gleichfalls geboten werden, so daß sie keine andere Erziehung empfangen als die anderen Kinder. Eine Ausnahme bilden vielleicht die Kinder der monarchischen Familie und des hohen Adels, welchen man die Erziehung im Hause und mehr abgeschlossen von der übrigen Bevölkerung wird sichern wollen. Es scheint das zum Teil nicht unbegründet, weil dieser Teil der Jugend eine viel mannigfaltigere Ausbildung in einheimischen und fremden Sprachen empfangen soll, die manche Änderung in der Erziehung und im Lehrplane nötig machen könnte. Auch wird bei ihnen das Hauptgewicht auf gesellige Talente zu legen sein. Aber trotzdem wird man erwägen, ob nicht auch solche Kinder ihren Unterricht und die Erziehung wenigstens bis zum 12. Jahre mit den anderen Kindern auf dem Lande empfangen sollten. i) Ethische Erziehung. Obwohl die ethische Erziehung von der physischen und intellektuellen nicht zu trennen ist, so soll darüber doch noch einiges besonders bemerkt werden. Den hier entwickelten Gesichtspunkten gemäß wird eben auch die materielle Versorgung der Kinder und ihre intellektuelle Erziehung einzurichten sein. 1. Mäßigkeit. Diese ist mit der streng geregelten Versorgung bereits zum Gegenstande der Erziehung gemacht. Die Nahrung darf nie übermäßig zugeführt werden, gieriges und hastiges Essen ist zu verhindern, Alkohol und manches andere auszuschließen. Auch in anderen Dingen ist Mäßigkeit und etwas Abhärtung anzugewöhnen. Kinder sollen in allem mit Geduld warten, bis sie an die Reihe kommen, Arbeit, Lernen und Spiel sollen entsprechend abwechseln und ein rasches Übergehen von dem einen zum andern, die sofortige Hingabe an das jetzt Vorliegende eingeübt werden. Das Verlangen nach Dingen, die ihnen nicht ohnehin geboten werden, ist zu unterdrücken, nichts darf man sich abtrotzen lassen; will man ab und zu besonderen Wünschen Gehör geben, so sind Tage und Stunden zu bestimmen, wo sie vorgebracht werden und im Falle der Ablehnung wäre die Wiederholung oder Eigensinn strafbar. Was das Essen anbelangt, so kann man Kinder beobachten, die im frühsten Alter über die Sättigung nicht hinausgehen und einen Rest übrig lassen, wenn ihnen gleich nicht allzuviel vorgesetzt worden ist. Verweichlichung im Nachtlager, der Kleidung, planloses Herumlungern oder untätiges Ausruhen darf man nicht dulden. 2. Schamhaftigkeit, geschlechtliche Moral. Schamhaftigkeit ist von der allerfrühesten Jugend an zu pflegen. Mienen und Gebärden, Reden sind auf das sorgfältigste zu überwachen, die Phantasie nie auf Dinge zu richten, die kennen zu lernen nicht an der Zeit ist. Dann aber ist es wahrscheinlich, die Erfahrung wird das lehren, besser, der Neugierde zuvorzukommen und in ernsten Worten die geschlechtlichen Fragen wie andere Gegenstände des Unterrichtes darzulegen und die notwendigen Selbstbeschränkungen zu erklären. Unter welchen Umständen der junge Mensch zur Besiegung unzeitiger Triebe sich dem Arzte anvertrauen soll, wäre beizeiten zu lehren, und vor den Folgen der Ausschweifungen zu warnen. Die Frage, wie das Geschlechtsleben überhaupt einzurichten wäre, läßt sich heute nicht ermessen, und davon war in VII, 3, die Rede. Danach wird sich aber die Erziehung der Jugend in Beziehung auf geschlechtliche Dinge zu richten haben. 3. Reinlichkeit und Körperpflege. Auch Reinlichkeit und Körperpflege ist von der frühesten Jugend an einzuimpfen. Alle dazu erforderlichen Behelfe müssen vorhanden sein, der Gebrauch der Bäder in reichlichem Maße ununterbrochen gefordert werden. Zähne, Haare, Nägel müssen auf das sorgfältigste gepflegt, die Kleidung reingehalten werden, auch darf man es nicht hingehen lassen, daß junge Leute sich unordentlich gekleidet blicken lassen. 4. Ordnung und Pünktlichkeit. Auch auf strengste Ordnung muß man sehen. Die jungen Leute müssen verhalten werden, alles in Ordnung zu bringen, ehe sie den Waschtisch, das Spiel, die Lernstube verlassen. Der Erzieher braucht nicht ungeduldig zu werden, man führe nur den Übeltäter sofort zurück und lasse nicht ab, bis Ordnung gemacht ist, und der junge Mensch wird bald seine Fehler ablegen. Ebenso ist Pünktlichkeit in der Erfüllung aller Aufgaben, auch wo sie nur durch das Spiel bedingt sind, unnachsichtlich zu erzwingen. Kein Zögern oder Widerstreben ist zu dulden. Daß Anordnungen sofort und ohne Zaudern zu erfüllen sind, muß so selbstverständlich sein, daß gar kein Widerstand aufkommt. Man darf sich auch durch passiven Widerstand nie, nicht ein einziges Mal irre machen lassen, sobald etwas angeordnet ist, und im übrigen lasse man Freiheit walten, wo sie unschädlich ist. Pünktlichkeit ist auch dann zu fordern, wenn etwas freiwillig übernommen wurde. 5. Wahrhaftigkeit muß gleichfalls gefordert werden. Ganze, volle, rückhaltslose Wahrhaftigkeit. Noch schlimmer als die Unwahrheit ist die hinterlistige Zweideutigkeit, die Verdrehung der Wahrheit durch Einseitigkeit. Wer von dem einen das Gute, von dem andern das Schlechte verschweigt, dagegen den ersteren tadelt, den anderen lobt, ist ein Lügner. Man nennt das Parteilichkeit, es ist aber Lüge und soll strenger geahndet werden als die einfache Unwahrheit. Diese Wahrhaftigkeit hat sich auch auf das Bekenntnis eigenen Verschuldens und auf die Anzeige fremden Verschuldens zu erstrecken. Inwiefern die letztere nur über Befragen der berufenen Personen oder auf eigenen Antrieb zu geschehen hat, wird durch Vorschriften zu regeln sein. In der heutigen Gesellschaftsordnung gilt die Denunziation als diffamierend. Das bezieht sich aber nur auf Denunziationen zum Nachteil der eigenen Partei und Gesellschaftsklasse und zum Vorteile einer mißliebigen politischen Gewalt, oder fremder Parteien und Gesellschaftsklassen. Da im Sozialstaate die volle Souveränität beim Volke, nicht in den Händen eines Tyrannen ist, da ferner die Strafen selten und außerordentlich milde sind, und alle Strafen auch das Wohl des Bestraften bezwecken, kann im Kollektivstaat ein Recht, eigenes oder fremdes Verschulden zu verheimlichen, nicht anerkannt werden. Übrigens können anfangs Ausnahmen für schwerere Fälle von Delikten gemacht werden, insofern Verwandte näheren Grades zur Anzeige zu bringen wären. Auch Geheimnisse des Liebeslebens sind als berechtigt anzusehen. Mit wahrheitsgemäßer Informierung der =kompetenten= Personen hat aber Splitterrichterei nichts gemein. 6. Freimut. Mit der Wahrhaftigkeit hängt der Freimut zusammen, es soll niemand seine Anschauungen über Dinge, welche im engeren oder weiteren Sinne das Allgemeine betreffen, absichtlich verbergen, sondern bei schicklichem Anlasse ohne Aufdringlichkeit bekannt geben. Tadelsucht ist übrigens zu unterdrücken. Nur jenem gegenüber, der sich im Irrtum befindet und fehlt oder an Fehlern krankt, ist freimütiger Tadel ohne Kränkung oder Herausforderung und ohne unnötige Bloßstellung vor anderen nicht nur gestattet, sondern, wo es nützlich scheint, sittlich geboten. Der Tadel unheilbarer oder geringfügiger Gebrechen, Splitterrichterei, absichtliche Herabsetzung anderer und offenbare Ungerechtigkeit sind zu unterdrücken. 7. Höflichkeit und Nachgiebigkeit. Höflichkeit gehört zu den wichtigsten Tugenden der Jugend im Kollektivstaat.[33] Sie muß allgemein gegen jedermann geübt werden, etwas entgegenkommender gegen Vorgesetzte, Ältere, und gegen das weibliche Geschlecht. Sie umfaßt Dienstbereitwilligkeit, Gruß, Ersuchen, Dank, aufmerksames Entgegennehmen von Aufträgen, Ersuchen oder Mitteilungen, freimütiges aber höfliches Ablehnen unerfüllbarer oder ungerechtfertigter Zumutungen, Vermeidung der Unterbrechung der Rede anderer und Bereitwilligkeit, andere zum Worte kommen zu lassen. Die Höflichkeit macht sich in Reden, Mienen, Gebärden, in Zeichen der Zustimmung und des Beifalls, in der Anerkennung anderer, in Blicken, im Ausweichen bei der Begegnung, in der Sorgfalt um andere geltend. [33] Schon vor 2500 Jahren war die Volksschule in China allgemein eingeführt und sehr vollkommen. Kein Dorf war ohne Volksschule, und der Unterricht der mit dem achten Jahre in selbe eintretenden Kinder umfaßte folgende Übungen: Das Begießen von Blumen, das Auskehren der Wohnräume, die Gebräuche der Welt, Zeremonien, Musik, Pfeilwerfen, Wagenlenken, Schreiben und Rechnen. Aber auch Höflichkeit wurde gelehrt, die Kinder sollten rasch und bescheiden antworten, mit Anstand eintreten und hinausgehen, Gäste höflich empfangen und hinausgeleiten. Diesen Unterricht empfing der Sohn des Kaisers wie der des Bauern, und so ist der Chinese heute noch höflich. Der seit mehreren hundert Jahren eingetretene Stillstand in der Kulturentwicklung Chinas ist der Herrschaft der barbarischen Mandschu zur Last zu schreiben, und die Volksschule ist verfallen. Mit der Höflichkeit ist auch gegeben, daß man niemand beleidigt, niemand verdächtigt oder anderen Nebenabsichten unterschiebt, daß man zartfühlend allem ausweicht, was andere beschämen oder kränken könnte, oder an Herzeleid, vergangenes Verschulden erinnert oder lächerlich erscheinen läßt. Gegen die Beleidigungen und Verdächtigungen dritter soll man nur maßvolle Abwehr für genügend erachten und sich überhaupt nie in Wortwechsel einlassen oder nach Feststellung einer Meinungsverschiedenheit schreiend, verletzend oder hartnäckig behaupten, was, solange man eine Meinung nicht zurückzieht, ohnehin als festgehalten zu betrachten ist. Irrtümer soll man sich beeilen einzugestehen und aus einem Meinungsstreit immer mit Gleichmut und ohne Unfreundlichkeit hervorgehen. Kränkungen muß man sich beeilen gut zu machen, sie anderen leicht und von Herzen vergeben und niemand auch nur eine Stunde lang etwas nachtragen. Das soll man auch jederzeit deutlich zu erkennen geben. 8. Lebensart, Essen, Bewegungen, Konversation, Tanzen. Lebensart muß den Kindern von frühester Jugend an angewöhnt und förmlich eingeübt werden. Dazu gehört nebst Höflichkeit und Bescheidenheit auch die Körperhaltung. Die Lebensart erfordert ein passendes Benehmen in allen Lagen des Lebens, ein Gefühl für das, was anderen gebührt, ein richtiges Benehmen bei Tische und in der Konversation, mit einem Worte Schicklichkeitsgefühl, vor allem den Frauen gegenüber. Wahrscheinlich wird man auch in Zukunft den Tanz pflegen und die jungen Leute darin unterrichten. Die Konversation ist in unserer Zeit verwildert. Die Gegensätze sind so scharf, daß viele gar nicht miteinander verkehren wollen, andere über gewisse Themen keine Gedanken friedlich austauschen können. Die Erziehung im Kollektivstaat wird darauf gerichtet sein, zu lehren, daß man geduldig hören, niemand unterbrechen, entgegenstehende Ansichten mit wenigen Worten zu erkennen geben soll, daß niemand das Gespräch an sich reißen, niemand sich ganz davon ausschließen darf, und das ist in der Erziehung praktisch zu üben. Der Gebrauch unserer Frauen, mit der Konversation allerhand Handarbeiten zu verbinden, ist zu loben. 9. Hilfsbereitschaft. Die Haupttugend, zu welcher der junge Mensch erzogen werden soll, ist Hilfsbereitschaft, der Wille, jedem in Gefahren und Leiden beizustehen, wo die staatliche Fürsorge fehlt oder zu spät käme. Ein Teil des Unterrichts wird der Kenntnis und Übung solcher Hilfe gewidmet sein, welche man zu leisten am wahrscheinlichsten wird in die Lage kommen. Es handelt sich nicht nur um den guten Willen, sondern um das Geschick und das Urteil, wie in vorkommenden Fällen zu helfen sei. Die Bedürftigkeit der Mitmenschen in jener vernünftigen Ordnung ist viel geringer als in der heutigen Ordnung der Dinge, darum werden es viel geringere Übel sein, welche uns veranlassen werden, anderen beizuspringen, zumeist solche, die heute kaum beachtet werden. 10. Pflichtgefühl. Die wichtigste Tugend ist die gewissenhafte Erfüllung aller Pflichten gegen den Staat und die Gesellschaft. Sie fordert völlige Hingabe an den Beruf, gewissenhafte Schonung des gesellschaftlichen Eigentums und tunlichste Verhinderung jeder Beschädigung der gesellschaftlichen Interessen. Die Gewissenhaftigkeit wird auch bei Wahlen und Abstimmungen geübt werden müssen, bei welchen nicht Privatinteressen, sondern das öffentliche Wohl allein entscheiden soll. Die Geschichte unserer Tage wird reichliches Material bieten zum Beweise der Verächtlichkeit und Schädlichkeit des Parteitreibens. In allen vorbezeichneten Richtungen wird die =ganze= Jugend erzogen und zur Selbsterziehung und wechselseitigen Erziehung angehalten werden. Die Frage, welcher Zwangsmittel sich die Erziehung bedienen dürfe, kann auch nur die Zukunft beantworten. Die gelindesten Zwangsmittel sind die besten und nur, insofern mildere Strafen versagen, kann man zu härteren übergehen. Ununterbrochene Einwirkung, Beaufsichtigung und Beharrlichkeit sind die besten Erziehungsmittel. Der erfahrene Erzieher wird nach allgemeinen Grundsätzen verfahren und doch der Eigenart des Einzelnen gerecht werden. Die eingehende Erörterung des Erziehungswesens war deshalb geboten, weil sie klar ergibt, daß der Kollektivismus durch seine Organisation vieles ermöglicht, was der Individualismus zu leisten nicht vermag. Die hier geschilderten Erziehungsaufgaben sind besonders darauf gerichtet, =alle= für das kollektive Leben geeignet zu machen. Die »Neue, freie Presse« vom 20. September 1903 Seite 17 beschreibt die »Gemeinsame Erziehung von Mädchen und Knaben im Landeserziehungsheim« wie folgt. »Ein eigenes Heim auf dem Lande vereinigt Schüler und Lehrer zu einem freien und kräftigen, gesunden und frohen Leben. Die Einfachheit ländlicher Verhältnisse erhellt den Geist des Kindes und macht ihn aufnahmefähig für alles Große und Schöne. Doch wird die erreichbare Nähe einer großen Stadt mit ihren mannigfachen Bildungsstätten ein wünschenswerter Vorteil sein. Das Leben auf dem Lande bietet auch die Freiheit der Bewegung -- Spiel, Laufen, Turnen, Wandern -- und die Arbeit im Garten, im Haushalte, in der Werkstätte, die den Körper stärkt und stählt. Das Bewußtsein der körperlichen Tüchtigkeit und der rege Wetteifer, wie ihn das Leben in der Gemeinschaft erzeugt, gibt gesundes Selbstvertrauen, gibt Ausdauer, Entschlossenheit und Mut. Und dieses Zusammenleben wird alle sozialen Tugenden natürlich und ohne Zwang um so leichter entstehen lassen, als zu dieser Gemeinschaft auch Lehrer gehören mit ihrer ganzen Persönlichkeit und in vertrautem Verkehr, als Kameraden und Freunde, darum als Leiter und Berater des jugendlichen Lebens. Welche Vorteile sich aus diesem Zusammenleben für den Unterricht ergeben, ist offenbar. Daß auf Grund des persönlichen Verhältnisses eine Disziplin ohne Strenge und Rauhigkeit möglich ist, ist ein selbstverständliches Ergebnis des Gesamtgeistes, der Unterricht ist ein Teil des gesamten Lebens. Die Klassen sind sehr klein und ermöglichen das Eingehen auf die Eigenart des Einzelnen. Der Lehrer kennt genau den Vorstellungskreis seines Schülers und die Eindrücke, die ihn bewegen. So bieten sich ihm mannigfache Anknüpfungspunkte, die den Unterricht in steter Beziehung mit dem Leben erhalten.« So ein Organ des wirtschaftlichen Individualismus. Ihm ist eine Erziehung ein Ideal, welche doch gerade in unserer Gesellschaftsordnung unmöglich ist. Und wie viel tiefer kann man das Problem erfassen im Kollektivismus, wo das System allgemein durchgeführt wird und selbst wieder nur einen Teil des gesamten Organismus bildet, in welchem alle Teile aufeinander berechnet sind. Hätte der Staat immer so, wie es hier gefordert wird, seine Verpflichtungen gegen die Jugend erfüllt, =so wäre die Kaiserin Elisabeth nicht ermordet worden=, denn Luchenie war ein _outcast_, von frühester Jugend an hilflos, ohne Familie, Erziehung, genügenden Unterricht, auf den Umgang mit Elenden und Feinden der Gesellschaft angewiesen. Feinde der Gesellschaft! Ist nicht die Gesellschaft eine Feindin jener Armen? Tut denn =sie= ihre Pflicht? Hören wir. Im August 1902 wurde über eine Verhandlung gegen eine einarmige Einbrecherin berichtet. Franziska Machelek war das Kind armer Eltern und vom 7. Jahre an verwaist. Vom Knochenfraß befallen, mit 21 Wunden am Rücken kam sie in ein Spital, wurde aber von da, =weil sie unheilbar war=, entlassen und heimgeschickt. Die Gemeinde wies sie fort und der Bürgermeister sagte. »Du mußt betteln«. Sie kam in eine Schule, aber nach 6 Wochen wurde sie krank und wohnte -- wie eine Aussätzige -- in einem verfallenen und unbewohnten Hause, und niemand kam zu ihr, =denn sie hatte eine ansteckende Krankheit=. Sie bettelte, aber sie stahl dann auch und wurde eingesperrt. »Das war ein Glück für mich, wenn ich im Arrest war, war ich froh.« Dreizehnjährig kam sie wieder in ein Spital und da =wurde ihr der linke Arm abgenommen= und erst mit 28 Jahren wurde sie gesund und lebte dann einige Zeit bei einer Tante, bis diese starb. Jetzt war sie wieder angewiesen zu betteln und zu stehlen. In der Strafanstalt erwarb sie etwas mit Sticken. Da sie einarmig war, mußte sie die Nadel mit dem Munde herausziehen und so stickte sie, =bis ihr der Mund geschwollen war=. Auf =diese= Art erwarb sie sich im Zuchthause einen Überverdienst von 5 fl 25 Kr. Als ihre Strafzeit um war, gab ihr die Strafanstalt von jenen 5 fl 25 Kr. nur 25 Kr. auf die Hand und ließ sie vom Schubführer nach Hause befördern. Dort angekommen, sagte der Bürgermeister, =die Strafanstalt habe für sie 5 fl eingesandt, damit seien die Schubkosten bezahlt=. Bald darauf wurde die Einarmige verführt und =als sie ein Kind gebar=, verlassen. Sollte eine solche Gesellschaft keine Feinde haben? Gibt es denn Pflichten gegen eine Gesellschaft, die keine Pflichten gegen uns hat? 6. Die Rechtspflege. Eine Ziviljustiz im heutigen Sinne des Wortes gibt es im Kollektivstaate nicht. Da es weder Privateigentum, noch Vertrag zwischen Individuen, noch Erbrecht gibt, so entfällt auch jede Art von Rechten, die einen Anlaß zu Rechtsstreitigkeiten geben könnten. Dagegen wird es allerdings eine Strafjustiz geben, die in der Regel disziplinarisch gehandhabt werden wird. Geringere Kontraventionen gegen die Gesetze, Beschädigungen des Staatseigentums oder des Lebens und der Gesundheit der Mitmenschen, werden je nach dem Grade der Beschädigung und der Entstehung aus Nachlässigkeit, Mutwille oder Bosheit entweder disziplinariter vom Verwaltungsbeamten, an den der Erziehung noch unterworfenen Personen vom Erziehungspersonale, geahndet, oder einer gerichtlichen Bestrafung unterzogen werden. Die Grenzen der dem Verwaltungsbeamten und dem Erziehungspersonale zustehenden Strafgewalt werden ziemlich eng gezogen werden. Es wird sich dabei nur um Verweise unter vier Augen oder vor größerer oder geringerer Öffentlichkeit, um Entziehung von Genüssen und um Strafarbeiten handeln. So kann einem Straffälligen der Urlaub eines oder mehrerer Jahre, oder ein Teil der gesetzlichen Arbeitsbefreiung nach Ableistung der regelmäßigen Arbeitsjahre, oder das Recht, die Arbeitsgemeinde am Sonntag zu verlassen, die Reisefreiheit, das Recht, an den öffentlichen Mahlzeiten und Festlichkeiten teilzunehmen, entzogen werden. Körperliche Strafen können bei jugendlichen Personen Anwendung finden, wenn alle sonstigen Erziehungsmittel versagen. Bei Erwachsenen können Gefängnis- oder Todesstrafe nur dann verhängt werden, wenn es sich um sehr schwere, aus Roheit und Grausamkeit hervorgegangene Verbrechen handelt. Mißbrauch der Amtsgewalt wird meistens durch Verlust der Amtsstellung und Einreihung unter die Arbeiter einfachster Art geahndet werden, wenn es sich um große und böswillige Vergehen handelt. Schwerere Strafen werden nicht von ständigen Gerichten, die aus rechtsgelehrten Richtern zusammengesetzt sind, sondern von Volksgenossen, welchen vielleicht die Verwaltungsbeamten präsidieren werden, verhängt werden. Die Zahl der verbrecherischen Delikte wird sehr beträchtlich abnehmen und mit der Vereinfachung der rechtlichen Beziehungen unter den Menschen, werden auch die Delikte einfacher, ihr Tatbestand leichter festzustellen und die Anwendung der Gesetze von Fachkenntnissen weniger abhängig werden. Statt der heutigen Gefängnisse würde es sich empfehlen, Strafgemeinden einzurichten, in welchen die Arbeitslast größer, die Genüsse vermindert und eine harte Disziplin eingeführt würde. Die Todesstrafe würde wohl sobald als möglich abgeschafft werden. Denn so harte Strafen sind nur in unserer Gesellschaftsordnung erforderlich, um von verbrecherischen Handlungen abzuschrecken, zu welchen unsere Gesellschaftsordnung viel mehr Gelegenheit und Anregung bietet, als der Kollektivismus, der den unrechtmäßigen Erwerb erschwert, den rechtmäßigen Erwerb erleichtert und den Lohn erhöht. Hier sei noch besonders darauf verwiesen, daß die strafbaren Handlungen bald auf ein Zehntel oder Zwanzigstel herabgehen werden. Unter den Motiven zu strafbaren Handlungen werden fortbestehen: Sinnlichkeit, Liebe, Eifersucht, Zorn, aber auch diese Motive werden weniger schwer wiegen, weil die sorgfältige Erziehung die Sitten mildert und weil die ganze Einrichtung der Gesellschaft darauf gerichtet ist, der menschlichen Seele einen anderen Inhalt zu geben. Verbrechen aus Habsucht werden nicht vorkommen, weil es unmöglich sein wird, diesen Hang durch verbrecherische Handlungen zu befriedigen. Die Naturalwirtschaft und das ausnahmslose Staatseigentum machen das unmöglich. Das Geld ist das beste Werkzeug der Diebe. Sachen trägt man nicht davon, könnte man das aber auch, man könnte sie nicht verbergen, nicht verwerten, nicht genießen, ja man wäre der Entdeckung beinahe sicher. Eben deshalb wären auch politische Verbrechen ohne Reiz. Denn, mag man auch Blut vergießen und Bomben werfen, Schätze dadurch erwerben kann man doch nicht, wenn man das Prinzip des unveräußerlichen Staatseigentums nicht aufgibt. So werden strafbare Handlungen selten werden. VIII. Der Kollektivismus und der allgemeine Fortschritt. 1. Die Fortbildung. Wenn auch der regelmäßige Volksunterricht mit dem vollendeten achtzehnten Lebensjahre abschließt, so wird damit die erziehliche und belehrende Beeinflußung der Staatsbürger nicht eingestellt werden. Zunächst werden diesem Zwecke die Vorträge dienen, die regelmäßig von Zeit zu Zeit in den Abendstunden werden abgehalten werden und von welchen bereits in V, 3, a, _Alinea_: »Außer ihm« die Rede war. Die Auswahl der Gegenstände und die Auswahl der Personen zu treffen, die zu Vorträgen werden eingeladen werden, wird Sache des Pädagogen sein, der sich mit den Ärzten und Unterrichtspersonen zu beraten und die Wünsche, die im Schoße der Gemeinde laut werden, in Erwägung zu ziehen haben wird. Die Richtung, welche die geistige Entwicklung jeder Gemeinde nehmen wird, wird dafür maßgebend sein. Ebenso werden bedenkliche Neigungen, welche überhand zu nehmen drohen, auf diesem Wege zu bekämpfen sein. Vorträge dieser Art, analog den heutigen populären Vorlesungen der Universitätsprofessoren, aber in jeder Gemeinde und in jedem Quartier, und viel eingehender und im Anschlusse an den Schulunterricht, werden vor allem die Pädagogen und Fachlehrer zu halten haben, besonders zu dem Ende, um die Erwachsenen mit jenen Fortschritten bekannt zu machen, welche die Gegenstände des Volksunterrichtes seit dessen Abschlusse gemacht haben, wodurch ja auch das Erlernte immer wieder eingeprägt wird. Das wird es ja auch den Eltern erleichtern, mit der Schule Hand in Hand zu gehen. Auch die Ärzte werden sich an diesen Vorträgen beteiligen und alles bekämpfen, was dem sanitären Fortschritte und der Veredelung des Menschentums gefährlich werden könnte. Insofern es sich um technische und wissenschaftliche Erfindungen handelt, wird man es nicht an Demonstrationen und an Berichten über praktische Einführungen und deren Erfolg fehlen lassen, um die gesamte Bevölkerung an der Verbreitung der Erfindungen zu interessieren. Dabei wird man es aber nicht bewenden lassen, sondern auch Personen von hohem wissenschaftlichen Range zu Vorlesungen einladen, um das Wissen nach ein und der anderen Richtung, wie dies in den besonderen geistigen Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung liegt, zu vertiefen, besonders dann, wenn die Bevölkerung an der Erforschung gewisser historischer Fragen oder gewisser Gebiete der Naturschätze einen besonderen Anteil nimmt und diese Vorträge neue Impulse zur Mitarbeit bieten können. Immer sind die Rückwirkungen hervorzuheben, die die neuen Forschungen, Erfindungen und Entdeckungen auf die Verlängerung, Verschönerung und Bereicherung des Lebens nehmen können und auch der wirtschaftliche Wert der Erfindungen darzulegen. Ferner werden künstlerische Vorführungen in Gesang, Musik, Deklamation, die nicht geradezu ein Theater voraussetzen, in jeder Gemeinde stattfinden, um die Sitten zu veredeln und an das Schöne zu gewöhnen. So auch wird man Wanderausstellungen von Bildern und plastischen Werken veranstalten und Vorträge über ihren ästhetischen Wert damit verbinden. Die Zahl der zu diesen Darbietungen und Belehrungen befähigten Personen wird so groß sein, daß es keine Schwierigkeiten bieten wird, allwöchentlich einen Abend solchen edleren Vergnügungen zu widmen. Einen erziehlichen Einfluß werden auch die Reisen bieten, welche jedem ermöglicht werden sollen. In XI, 1, b, _Alinea_: »Nimmt man nun«, wird der Vorschlag gemacht, jedem Arbeiter einen jährlichen Urlaub von 14 Tagen zu erteilen und in dieser Zeit soll es dem Beurlaubten freistehen, die heimatliche Gemeinde zu verlassen und Reisen innerhalb des Staatsgebietes zu unternehmen. Diese Reisen sollen einen ununterbrochenen Verkehr mit allen Reichsgenossen ermöglichen und Belehrungen aller Art vermitteln und diese Reisen, welche zu Fuß, auf dem Fahrrad und mit den Eisenbahnen und Schiffen unternommen werden, werden viel dazu beitragen, alle Bewohner des Reiches in jenen engen Verband zu bringen, den Plato ein »Königliches Geflecht« nennt. Alles Mißtrauen, aller Neid, alle Mißgunst werden ertötet werden, wenn man sieht, wie auch andere schaffen und daß auch andere, insoferne sie nicht verdienter um das Volk sind, nichts genießen, was man nicht selbst hat oder haben kann. Auch diese Reisen wirken fortbildend. 2. Das Vereinswesen. Das Vereinswesen hat der Staat zu fördern, so weit es sich um Vereinszwecke handelt, die im öffentlichen Interesse gelegen sind und insoferne diese Vereine eine materielle Unterstützung brauchen. Die Vereinsmitglieder haben dem Vereinszwecke ihre freie Zeit zu widmen und die Erfüllung ihrer Arbeitsverpflichtung dem Staate gegenüber unvermindert einzuhalten. In Anbetracht der Wichtigkeit der Vereinszwecke kann es sich darum handeln, den Vereinen solche materielle Mittel zuzuwenden, welche die Vereinsmitglieder nicht schaffen können. In einem beschränkten Maße können sie allerdings auch die materiellen Mittel aufbringen, insofern es sich nur darum handelt, einen Teil der zur Verteilung gelangenden Konsumtibilien beizutragen. Die staatliche Förderung wird verschiedenes umfassen. Die Regierung wird, spontan oder auf Antrag die Statuten entwerfen und die Bedingungen feststellen, unter welchen sie ihre Unterstützung zusagt, sie wird die Werbung von Mitgliedern erleichtern durch Ankündigungen in den Blättern und durch Versendung von Prospekten an die Gemeinden, sie wird unter der Bedingung einer lebhaften Beteiligung von Mitgliedern Behelfe bereitstellen, so Noten und Instrumente für musikalische Vereine, Chemikalien und Apparate für Vereine zur Förderung der Chemie, Instrumente und Apparate für Beobachtungen in der Meteorologie, Astronomie und für biologische Untersuchungen, zur Herstellung von Präparaten u. dergl., sie wird den Sportvereinen Boote, Automobile, Pferde, Hunde zur Verfügung stellen und Prämien zur Aneiferung der Mitglieder bewilligen, dem literarischen Vereine nach Maßgabe seiner Bedeutung vielleicht eine Druckerei einrichten, Werke aus dem Auslande besorgen; für Zusammenkünfte können Reisebewilligungen und Urlaub koncediert werden und unter Umständen können sogar Gebäude aufgeführt werden, um besonders wichtigen Vereinen die Erreichung des Vereinszweckes zu erleichtern, oder den Eifer der Mitglieder anzuspornen. Es sei nun gestattet, einige besonders wichtige Vereinszwecke zu erwähnen. Außer dem in VI, 8, d, Bemerkten dient ein Reichsverein für =Rechnungskontrolle=, =Statistik= und =Volkswirtschaft=. Die Verrechnung der gesamten Verteilung der Arbeit und der Produkte erfolgt nach VI, 8, durch regelmäßig publizierte statistische Ausweise. Obwohl nun dieselben jedermann zugänglich und in öffentlichen Blättern enthalten sind, ist doch anzunehmen, daß diese Publizität nicht genügen wird, um eine genaue Kontrolle durch das Volk sicherzustellen. Das Material ist so massenhaft, daß man annehmen kann, es werde sich schließlich niemand um die Verrechnung kümmern, als die berufenen Organe der Staatsverwaltung, wobei allerdings die niederen Ämter von den höheren, aber auch letztere von den niederen überwacht werden. Um eine sichere und intensive Kontrolle durch das Volk zu veranlassen, wird das Zustandekommen eines Vereins erwünscht sein, welcher aus vielen tausenden von Mitgliedern bestehen müßte, die sich nach einem von ihnen angenommenen Plane in die Arbeit der Überprüfung zu teilen und die Zusammenstellungen nachzurechnen, sowie die ersten Aufstellungen mit den in den Gemeinden aufliegenden Originalrechnungen zu vergleichen hätten. Es wird dann nicht leicht ein Irrtum oder gar eine Falschbuchung übersehen werden, besonders, wenn für die Entdeckung von Irrtümern oder Fälschungen Prämien ausgeworfen würden, welche die Staatsverwaltung dem Vereine zu bewilligen hätte. Im Zusammenhang damit hätte der Verein die Aufgabe, die Zweckmäßigkeit der statistischen Tabellen zu prüfen und auf neue Kombinationen und Methoden der Aufstellung und Summierung zu dringen. Die statistischen Tabellen sollen nämlich auch über die Richtigkeit der Verteilungsgesetze Aufschluß geben. Es ist denkbar, daß die Tabellen, richtig zusammengestellt, dartun können, ob die Ärzte, die Lehrer, die Grubenarbeiter mit Rücksicht auf den Rechtsgrundsatz der Verteilung, XI, 1, d, _Alinea_: »Der oberste Verteilungsgrundsatz« begünstigt oder zurückgesetzt sind. Obwohl jede einzelne Gruppe ein Interesse hat, nachzurechnen und ihre Interessen wahrzunehmen, würde sich doch jener Verein besonders dazu eignen. Es wird sich dabei besonders darum handeln, in den Gruppen neue Teilungen oder Zusammenordnungen vorzunehmen. Wenn alle Grubenarbeiter bezüglich der Sterblichkeit zusammengeworfen sind und nach der Gesamtsterblichkeit bei der Verteilung der Arbeit und der Genüsse nach demselben Maßstabe behandelt werden, so kann es sich als notwendig erweisen, die Kohlengräber auszuscheiden, wonach sich herausstellen kann, daß sie ungünstiger gestellt sind, als die anderen Grubenarbeiter, diese aber besser, als andere Berufe. Das zu entdecken und klar zu legen, wäre eine Aufgabe eines solchen Vereins. Dabei ist aber im Auge zu behalten, daß eine all zu kleinliche Spaltung der Arbeitergruppen deshalb nicht zweckmäßig ist, weil die statistische Tabelle nur als Material für Massenbeobachtungen einen Wert hat. Dadurch nun, daß der Verein in letzterer Hinsicht sich nützlich erweist, fördert er zugleich die Volkswirtschaft, weil die Zweckmäßigkeit der Volkswirtschaft mit der Gerechtigkeit der Verteilung zusammenfällt. Die Begünstigung einer Gruppe ist eine Vergeudung im Verbrauche und die Zurücksetzung einer Gruppe beeinträchtigt deren produktiven Wert. Von großer Wichtigkeit werden ferner =literarische Vereine= sein, weshalb auf diesem Gebiete die Gründung von Vereinen sehr wünschenswert sein wird. Selbe werden sich national und nach Gegenständen gliedern. Es hat zwar die Staatsverwaltung zunächst die Aufgabe, welche heute die Verleger haben, nämlich die literarischen Produkte, welche sie für geeignet hält, zu veröffentlichen. Die Verleger treten heute als Unternehmer zwischen die Schriftsteller und die Leser für die literarischen Erzeugnisse. Bei dem großen Umfange von kaufmännischer Arbeit, die der Verleger zu bewältigen hat, kann er nur wenig Zeit der Prüfung von Manuskripten widmen und in keinem Fall kann er ein hervorragendes kritisches Verständnis für den Wert der ihm angebotenen Werke haben. Er ist demnach gezwungen, das Gutachten von Kritikern einzuholen. Der Verleger hat aber auch ein anderes Mittel, um gewinnbringende Geschäfte zu machen, wenngleich er die Manuskripte nicht zu beurteilen vermag. Er hält sich an Namen, sei es, daß der Schriftsteller schon bekannt ist und man darauf rechnen kann, daß seine Werke gesucht werden, oder daß der Verfasser ein Professor ist, der viele Zuhörer hat, daher man auf einen Absatz bei seinen Schülern hoffen kann. So bietet das Verlegerwesen, so unentbehrlich es in unserer Gesellschaftsordnung ist, weder eine Gewähr, daß alle guten Werke gedruckt, noch daß recht erbärmliche Arbeiten zurückgewiesen werden, da ja der Kolportageroman am ehesten Gewinn verspricht. Freilich wird der angesehene deutsche Verleger es verschmähen, diese Schundliteratur zu pflegen, aber sie findet doch ihre Verleger und darum wirkt das Verlegerwesen eher schädlich als veredelnd. Der rücksichtslose Spekulant wird beinahe sicher vermögend, während der ehrenvolle Verleger, der sich der Literatur verpflichtet hält, oft große Verluste erleidet. Die Ursache der großen Kosten der Bücher ist, daß die Bücher, welche Absatz finden, auch die Verluste hereinbringen müssen, welche der Verleger ohne sein Verschulden an anderen Werken erleidet. Trotzdem nun das Verlegerwesen, wie überhaupt das Unternehmerwesen, eine sehr mangelhafte Einrichtung ist, so schrickt doch jeder Schriftsteller vor dem Gedanken zurück, daß der Staat der alleinige Verleger werden soll. Man glaubt, daß es nur Protektionskindern gelingen wird, das Erscheinen ihrer Werke zu erleben und das ist ein Hauptgrund, weshalb die Schriftsteller den Sozialstaat perhorreszieren. Das hat nun auch einigen Grund. Würde nur die Staatsverwaltung darüber entscheiden können, ob ein Werk gedruckt werden soll, so würde das Verlagswesen nicht viel gewinnen. Die Gesamtheit der Einrichtungen, welche den Schriftstellern im Sozialstaat eine Gewähr bieten, daß ihnen mit mehr Wahrscheinlichkeit als heute Gerechtigkeit widerfahren wird, wird in VIII, 4, d, 2, _Alinea_: »Der Anlaß« dargestellt, allein für die schöne Literatur werden die literarischen Vereine und für die wissenschaftliche Literatur die zahlreichen wissenschaftlichen Fachvereine an der Sichtung der Manuskripte sich beteiligen. Wenn die Manuskripte, die den Vereinen entweder von den Schriftstellern direkt eingesendet oder ihnen als einer Art Beirat von der Staatsverwaltung oder anderen verlagsberechtigten Körperschaften (VIII, ebenda) zugewiesen werden, unter die Vereinsmitglieder zur Prüfung verteilt und von ihnen darüber in Versammlungen referiert wird, so kann man annehmen, daß manches brauchbare Werk gerettet wird, das heute von einem Verleger zum anderen wandert. Allein man kann diese Vereine nicht bloß mit der Begutachtung betrauen, man kann ihnen auch das Verlagsrecht für eine gewisse Anzahl von Werken einräumen, nicht in dem Sinne, daß sie einen Unternehmergewinn erzielen, was der Natur der Gesellschaftsordnung, aber auch der Natur des Vereinswesens widerstreben würde, wohl aber in dem Sinne, daß sie die besten jener Werke in den staatlichen Druckereien zum Drucke zu befördern oder in ihrer eigenen Druckerei drucken zu lassen berechtigt werden, welche ihrem Rat entgegen zurückgewiesen wurden. Die literarischen Vereine werden sich wahrscheinlich auch bemühen, der schönen Literatur eine bestimmte Richtung zu geben, sie werden den Schriftstellern vielleicht Winke geben können, wie die Werke zu verbessern seien und sie werden Vorleseabende veranstalten, um auch solche Manuskripte bekannt zu machen, die von Bedeutung erscheinen, obwohl sie nicht zum Drucke gelangen konnten. Auch in einer anderen Richtung werden diese Vereine sich nützlich machen, wenn sie eine genügende Anzahl von Mitgliedern haben. Sie werden die Auslandsliteratur kennen lernen und Einfluß darauf nehmen, welche Werke in größerer Zahl vom Auslande angeschafft oder von welchen Übersetzungen veranstaltet werden sollen, denn wenn auch selbst dafür Verwaltungsorgane bestellt werden müssen, so wird es doch einer großen Zahl freiwilliger Kräfte bedürfen, um nur einen erheblichen Teil der Auslandsliteratur durchzuprüfen. Daß also literarische Vereine ganz außerordentliches durch Begutachtung von Werken, durch Ermunterung zum Schaffen und Genießen und durch Beeinflussung der Richtung leisten können, welche die Literatur von Zeit zu Zeit einschlägt, ist nicht zu bezweifeln. Ebenso ist gewiß, daß der Staat sehr viel zur Förderung solcher Vereine tun kann und daß das Volk der Staatsverwaltung zu diesem Ende nach Maßgabe der Nützlichkeit solcher Vereine die erforderlichen Mittel bewilligen wird. Außer diesen beiden Gattungen von Vereinen, den literarischen Vereinen und dem Verein zur Prüfung der statistischen Ausweise, werden für alle Zweige der Naturwissenschaft, der Produktion, der Geschichte, des Spiels und Sports, für Erforschung und Fortbildung der Sprache und für alle Arten von Künsten, vor allem die Musik und die bildenden Künste, Vereine zu schaffen sein, welchen gleichfalls ein Einfluß, analog demjenigen, einzuräumen sein wird, welchen man den literarischen Vereinen nach obigen Erörterungen einräumen wird. Der Vereine für Musik und Kunst wird man sich besonders als Beirat für die Verwaltung bedienen bei streitigen Fragen der Verteilung, ob man diesen oder jenen in eine Fachschule aufnehmen soll, wem man Behelfe (Farben, Musikinstrumente oder Noten) zur Verfügung stellen, welche Werke man zur Ausführung bringen soll. Hier wäre noch der =Vereinstätigkeit im Bibliothekswesen= zu gedenken. Auch im Bibliothekswesen wird sich freiwillige Kooperation nützlich machen. Der Staatsverwaltung obliegt es zwar, für die Vermehrung, Verteilung, Ordnung, den Schutz und die Versendung der Bücher Sorge zu tragen, je mehr freiwillige Mitarbeiter sie aber findet, um so vollkommener wird das alles geleistet werden. Man wird besonders die Studierenden der Hochschulen heranzuziehen trachten, um in recht kurzer Zeit Neuaufstellungen durchzuführen, Kataloge zu ergänzen und andere Arbeiten für Bibliothekszwecke durchzuführen. Eine besondere Aufgabe der staatlichen Bibliotheksverwaltung wird es aber sein, jedem für seinen besonderen Zweck die Literatur nachzuweisen. Da wird nun diese Aufgabe gründlicher und mehr ins Einzelne gehend gelöst werden, wenn sich an diesen Literaturnachweisungen auch die Vereine beteiligen. Ein Privatunternehmen dieser Art, welches solche Nachweisungen gegen Entgelt lieferte, bald aber einging, ist vor Jahren in Berlin gegründet worden. 3. Die Sammlungen. Die Sammlungen von Kunst- und Naturprodukten, welche heute nur zum Teil öffentliches Gut, zum größten Teile aber Privateigentum sind, haben heute schon einen sehr großen Umfang erreicht, werden aber im Kollektivstaat ins Unermeßliche anwachsen und ins Kollektiveigentum übergehen. Diesen Sammlungen gehören zwar auch die Bibliotheken an, von welchen aber hier nicht die Rede ist, weil sie anderen Zwecken zu dienen haben, als die Sammlungen von Gegenständen, welche Objekt der Betrachtung sind und meistens nur in einem oder wenigstens nur in wenigen Exemplaren vorhanden sind. Im Kollektivstaat ist es Aufgabe der Verwaltung, die Sammlungen so aufzustellen, daß sie ihrem Zwecke am Besten dienen. Der Sammler von heute hütet seine Schätze und verbirgt sie zumeist vor seinen Mitmenschen und nur wenige adelige Häuser haben sich verpflichtet gehalten, einige solche Sammlungen, besonders Bildersammlungen, dem Publikum zugänglich zu machen. Der Kollektivstaat wird alle Sammlungen so aufzustellen haben, daß sie allen, vorzüglich aber jenen leicht zugänglich gemacht werden, welche ihrer für ihre Studien bedürfen. Da nun in Zukunft alle Bauten umgestaltet werden müssen, wird man darauf bedacht sein, ein System anzunehmen, nach welchem die Sammlungen zu verteilen sein werden, wie ja auch die Weltausstellungen nach vorher angenommenen Plänen eingerichtet werden, damit Gleiches und Gleiches vereiniget, Verwandtes nebeneinander geordnet werde. Es wird nun weder möglich noch zweckmäßig sein, alle Sammlungen an einem Orte, etwa in der Hauptstadt, oder überhaupt in den städtischen Ansiedlungen, die nicht allzusehr ausgedehnt werden sollen, zu vereinigen und so scheint folgender Vorschlag als der annehmbarste. In der Hauptstadt sollen Sammlungen aller Art aber nur in hervorragenden Typen aufgestellt werden. Ein kunsthistorisches Museum sollte Kunstprodukte aller Art aus allen Zeiten und erzeugt von allen Völkern der Erde zur Anschauung bringen, aber es können in der Zentralsammlung der Hauptstadt für jede Schule, jede Periode, jedes Volk nur einige wenige hervorragende Werke aufgestellt werden. Ebenso wird es mit der hauptstädtischen Sammlung technischer Erzeugnisse und der Naturprodukte zu halten sein. Ins einzelne gehende Sammlungen sollen aber dann nach Gebieten systematisch aufgeteilt werden, so daß, wenn jemand alle Sammlungen bis in ihre kleinsten Verzweigungen besichtigen wollte, er das ganze Reich bereisen müßte. Es würden also einige Provinzen vollständige Bildersammlungen, und Sammlungen anderer Kunstwerke, andere vollständige Sammlungen der Werkzeuge, Apparate und Maschinen, oder kunstgewerblicher Erzeugnisse, andere Pflanzen, wieder andere der Tiere beherbergen und das Alles würde auch auf Bezirks- und Urgemeinden aufgeteilt werden. Dazu kommen dann die Präparate der Biologen und Embryologen und Histologen, welche dereinst einen solchen Schatz bilden werden, daß man am Sitze der Universität gewiß nur Typen zur Vergleichung aufstellen kann, wer aber alle vorhandenen Präparate kennen lernen will, sich die Mühe wird nehmen müssen, irgend einen Teil des Reiches zu bereisen, wo er, von Ort zu Ort wandernd, alles was jeweilig vorhanden ist, finden wird und zwar nicht nur die Präparate, sondern die gesamte darauf bezügliche Literatur und die Mikroskope und sonstigen Apparate, ohne welche die Sammlung von Sachkundigen nicht benützt werden könnte. Diese Sammlungen werden von Jahr zu Jahr bereichert werden und nur in dieser Anordnung und Verteilung werden sie den größten Nutzen schaffen. Das ganze Reich wird eine vollständige Weltausstellung sein. Übrigens wird in der Metropole eine permanente Weltausstellung der neuesten Erzeugnisse des Menschengeistes errichtet werden, welche im jährlichen Wechsel immer das Neueste zur Anschauung bringen wird und nach Ablauf des Jahres werden die Ausstellungsobjekte in die stabilen Sammlungen wandern. 4. Zeitschriften, Bücher, Bibliotheken. Dem Zeitungswesen muß man eine eingehende Betrachtung widmen, weil das Zeitungswesen auch in der künftigen Gesellschaftsordnung eine wichtige Rolle spielen wird und weil es einiges Nachdenken kostet, sich die Befriedigung jener Bedürfnisse im künftigen Staate klar zu machen, die heute durch die Zeitungspresse befriedigt werden. Dabei wird vor allem die Preßfreiheit in Betracht kommen, für welche man sich einen Platz in einer Gesellschaftsordnung nicht leicht denken kann, in welcher der Staat alleiniger Produzent ist. Es soll gar nicht darauf verwiesen werden, daß die politische Partei in der künftigen Verfassung keine Rolle spielen soll. Es wird vielmehr zu zeigen sein, daß im sozialen Staate Interessengegensätze und Opposition mit voller Freiheit zu Worte kommen können und außerdem ist zu zeigen, was die künftige Zeitung zu leisten haben und wie sie zu verbreiten sein wird. Es wird also zu unterscheiden sein: a) die Presse für Staats- und allgemeine Angelegenheiten, b) die Fachpresse, 1. für Wissenschaft, 2. für Kunst und 3. für Technik und c) die Presse für Unterhaltung und schöne Literatur. a) Die Presse für Staats- und allgemeine Angelegenheiten. Hier wird es sich besonders darum handeln, der Opposition und den Interessengegensätzen eine Gelegenheit zu bieten, sich geltend zu machen und davon wird auch die Rede sein, doch sollen vorher in großen Zügen die Aufgaben, die Einrichtung und die Verbreitung dieser Presse geschildert werden. Diese Presse wird sich gliedern in das Reichs-, Provinz-, Kreis- und Bezirksblatt. Während das Reichsblatt, das in Österreich in einer großen Zahl von Landessprachen zu erscheinen hätte, an jede Gemeinde zu senden ist, ist das Provinz-, Kreis- und Bezirksblatt hauptsächlich nur für die Gemeinden bestimmt, welche in der betreffenden Provinz, dem betreffenden Kreise oder Bezirke liegen. Allein trotzdem diese Blätter ein allgemeines Interesse nur für einen Teil der Gemeinden haben, so müssen sie doch in einer beschränkten Anzahl von Exemplaren überall hindringen. Es wird genügen, wenn nur wenigstens in jeder Kreisstadt mindestens einige Exemplare auch der fremden Blätter aufliegen. Sämtliche Provinz-, Kreis- und Bezirksblätter müßten also wenigstens in jeder Kreisstadt zu finden und von dort leihweise zu beziehen sein. Ebenso ist es einleuchtend, daß ein größeres Bedürfnis besteht, das heimische Bezirksblatt und das heimische Kreisblatt als das Provinz- und Reichsblatt zu lesen und daß demnach die Gemeinden und Quartiere eine größere Anzahl von Exemplaren des einheimischen Kreis- und Bezirksblattes beanspruchen werden. Nachdem aber unter 1000 Einwohnern überhaupt nur etwa 600 eigenberechtigte Personen zu rechnen sind, davon auch nur ein Teil die Blätter lesen will und Wert darauf legen wird, sie am Tage des Erscheinens zu lesen, die meisten aber es sich genügen lassen, sie einmal in der Woche zu durchfliegen, so kann man schätzen, daß es genügt, wenn jede Gemeinde und Quartier je 10 Exemplare des heimischen Kreis- und Bezirksblattes und je 5 Exemplare des Provinz- und Reichsblattes erhält, die eine Woche lang im Lesesaal aufliegen. Nur ein Exemplar aller Blätter wird in jeder Gemeinde und Quartier, vielleicht nur eines im Bezirke, dauernd aufbewahrt und gebunden. Die Sammlung der übrigen Exemplare zur Wiederverwertung des Papierstoffes wird sich im Kollektivstaat mit einer Sicherheit und Vollständigkeit vollziehen, welche in unseren anarchischen Zuständen nicht denkbar wäre. Demnach wird die Versorgung =aller= Bewohner mit dieser Art von Blättern im Kollektivstaat schwerlich einen größeren in Arbeit ausgedrückten Aufwand verursachen, als heute die Versorgung einiger hunderttausend Zeitungsleser. Man erspart aber auch unendlich viel an journalistischer Administrationsarbeit, weil diese im Kollektivstaat in nichts anderem besteht, als im Abzählen der Exemplare und deren Ausfolgung an das Zugbegleitungspersonal und die Frächter. Der damit betraute Schaffner hat nach einem ihm vorliegenden Schema in jeder Station in der er anhält oder die er durchfliegt, nur eine gewisse Anzahl Exemplare auszufolgen. Nicht einmal eine einzige Adresse zu schreiben ist notwendig. Nachdem nun ersichtlich ist, daß die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit diesen Blättern gar keine Schwierigkeiten macht, handelt es sich darum, zu erörtern, was in denselben Aufnahme zu finden hat. Den wichtigsten Inhalt bildet die Statistik der Bevölkerungs-, Güter- und Arbeitsbewegung, soweit sie nach VI, 8, täglich fixiert wird und in Beilagen auch jene, die wöchentlich oder monatlich fixiert wird. Letztere kann in 6, beziehungsweise 25 Tagespublikationen aufgeteilt werden, welche verschiedene Gebiete der Statistik umfassen und der Bevölkerung successive geliefert werden. Diese Blätter bringen weiter die Kundmachung der Verordnungen und Gesetze, Personalveränderungen, Ausschreibung von Stellen, welche an Bewerber zu vergeben sind, Geburts-, Trauungs- und Todesanzeigen, dann Nekrologe und die Verleihung von Auszeichnungen, endlich gewisse Vereinsnachrichten. Weiter nun sind diese Blätter der Erörterung von Gesetzes- und Verfassungsvorschlägen und der Kritik der Verwaltung gewidmet. Hierin hat diese Presse die heutige Parteipresse zu ersetzen. Darum erscheint es notwendig, für jedes solche Blatt außer dem staatlich bestellten Schriftleiter auch einen oder mehrere Schriftleiter zu bestellen, die von der Bevölkerung nach einem zu bestimmenden Modus zu wählen sind und es muß ihnen ein bestimmter Raum des Blattes für ihre eigenen Erörterungen, wie auch für die Reproduktion jener Meinungsäußerungen eingeräumt werden, welche den einlaufenden Briefen zu entnehmen sind. Besteht noch irgend etwas den heutigen Parteien Verwandtes fort, so kann man sich recht gut denken, daß bei den Blättern höherer Ordnung fünf bis zehn solche Redakteure, die zu wählen sind, angestellt werden. Es ist evident, daß es zur Aufklärung viel mehr dient, wenn die verschiedensten Richtungen in ein und demselben Blatte vertreten sind, als wenn man verschiedene Anschauungen in verschiedenen Blättern aufsuchen muß. Auch ermöglicht diese Einrichtung, daß Rede und Gegenrede, Kritik und Gegenkritik gleichzeitig erscheinen. Bezüglich der Verteilung des Benützungsrechtes der Zeitungen und des Rechtes, seine Anschauungen in diesen Blättern zu veröffentlichen, wird das Erforderliche in VIII, 9, c, gesagt. Der der Statistik einzuräumende Teil eines solchen Blattes wird sehr umfangreich sein, am geringsten im Bezirksblatte, am ausgedehntesten im Reichsblatte. Denn im ganzen Reiche ist Produktion, dann Verteilung von Gütern und Arbeit viel mannigfaltiger, als in den einzelnen Bezirken. Es ist wohl nicht notwendig zu sagen, und geht aus VI, 8, hervor, daß das Bezirksblatt an statistischen Daten die Ortssummarien als Einzelposten und als Ergebnis das Bezirkssummarium, das Kreisblatt die Bezirkssummarien als Einzelposten und das Ergebnis als Kreissummarium bringen wird u. s. f., daß aber die Gesamtpublikation alle =statistischen= Einzelaufnahmen bringen wird mit Ausnahme der Einzelposten in den Gemeinden und Quartieren. Allein die Originalaufnahmen und Detailrechnungen der Gemeinden und Quartiere werden immerhin in vier oder fünf Exemplaren ausgefertigt, wovon eins im Gemeindepalast ausgehängt wird, während je ein Exemplar dem Bezirks- und dem Kreisbeamten zugestellt wird und so scheint eine genügende Kontrolle auch für Gemeinden und Quartiere gesichert zu sein. In besonders erregten Zeiten, wo die Bevölkerung sich über Zeitungsberichte auf das Schnellste unterrichten will, so bei Wahlen, verfassungsmäßigen Beschlüssen, in Kriegsfällen, bei wichtigen Ereignissen im Leben hervorragender Personen, wird sich die Gemeinde im Bibliothekssaale versammeln und sich die Berichte vorlesen lassen. b) Die Fachpresse. Diese umfaßt alle Zweige der Wissenschaft, Kunst und Technik. Es werden demnach sicherlich sehr zahlreiche Blätter dieser Art, und wahrscheinlich als Wochen- oder Monatsschriften erscheinen. Die Herausgabe erfolgt von staatswegen von den betreffenden staatlichen Anstalten, aber es kann auch Vereinen das Recht der Herausgabe von Fachblättern eingeräumt und ihnen zu diesem Ende alles Erforderliche zur Verfügung gestellt werden. Die staatlichen Verteilungsgrundsätze bestimmen, wieviel Papier, Satz, Druckarbeit und welche Verteilung der Blätter an Einzelne und Gemeinden ihnen zugestanden wird. So zum Beispiel 16 Oktavdruckseiten in wöchentlicher Auflage von 2100 Exemplaren, wovon 2000 für jeden Bezirk und 100 als Freiexemplare für bestimmte, vom Vereine zu bezeichnende Personen zu rechnen wären. Bestehen in irgend einem Zweige der Wissenschaft, Kunst und Technik verschiedene Richtungen, zum Beispiel Theorien medizinischer Schulen, Neuerungen in der Malerei usw., so wäre denselben das Wort zu erteilen, analog den Andeutungen, welche darüber in dem Abschnitte VIII, 4, a, über die Presse für Staats- und allgemeine Angelegenheiten gemacht werden. Man könnte die Aufsätze, welche aufgenommen werden, vor der Veröffentlichung im Bürstenabzug einem Gegner des Verfassers, einem oppositionellen Vereine, einem Schriftsteller oder Künstler, gegen den sich die Kritik ausspricht, zusenden, damit entgegenstehende Anschauungen oder eine kurze Verteidigung in Fußnoten zur Geltung gebracht, oder eine Antikritik vorbereitet werden könne. Was die Fachpresse auf technischem Gebiete anbelangt, so spalten sich die Fächer auch in sehr viele Zweige. Nicht nur die Technik im engeren Sinne, die Landwirtschaft, Forstkultur, Bergbau und die großen Industrien brauchen diese Presse, sondern nach den heutigen Erfahrungen wird man eine Fachpresse für jedes Gewerbe, für Gerberei, Textilindustrie, Keramik- und Brauindustrie ebenso, wie für Kleidermacher, Schuhmacher, Tischler und Gelbgießer schaffen müssen und es wird sich überall ebenso um die eigentliche Technik der Herstellung, wie um schöne Formen handeln, daher die meisten gewerblichen Fachblätter ihre Illustrationen ebenso haben werden, wie heute, nur viel reichlicher und eine allgemeinere Verbreitung. c) Die Unterhaltungspresse und schöne Literatur. Sie wird nicht wie heute die Zeitungen Romane und Novellen in Abschnitten bringen, weil diese Schöpfungen Gegenstand der Veröffentlichung in Buchform bilden und der heutige Gebrauch nicht den Bedürfnissen der Leser, sondern der Zeitungsunternehmer entspricht. Allein kleine Aufsätze, Gelegenheitsgedichte, Anekdoten, witzige und satirische Produkte kleinen Umfangs, Kritiken, Reiseberichte und dergleichen werden wohl ihr Unterkommen in periodischen, wahrscheinlich illustrierten Blättern finden, welche entweder allen Gemeinden, oder allen Bezirken zugemittelt werden. In einem vielsprachigen Lande wird jede Nationalität ihre schöne Literatur haben. Wie die Annahme von Beiträgen zur Veröffentlichung erfolgen wird, ist eine Verteilungsfrage und es ist darum immer neben den staatlichen Blättern auch besonders in diesem für die allgemeine Volksbildung so wichtigen Zweige der Literatur, wozu auch populärwissenschaftliche Nachrichten gehören, größeren und verdienteren Vereinen ein begrenztes Publikationsrecht nach den oben VIII, 4, b, bei der Fachpresse erörterten Grundsätzen einzuräumen. Sind doch gespielte Schachpartien und Schachprobleme gewiß auch in Zukunft Gegenstand der literarischen Verbreitung und Besprechung. d) Bücher. Außer der periodischen Presse wird der Staat auch für jene Literatur zu sorgen haben, welche in Buchform erscheint. 1. Die wissenschaftliche Literatur. Sie zu schaffen, wird zunächst die Aufgabe der Gelehrten und Forscher sein. Für alle Zweige der Wissenschaft wird sich von Zeit zu Zeit das Bedürfnis herausstellen, Neubearbeitungen der besten der bestehenden Werke oder ganz neue Darstellungen herauszugeben. Die Neubearbeitungen sollen Irrtümer berichtigen und alles, was neu entdeckt wurde, bringen, auch erforderlichenfalls das System oder die Darstellung verbessern. Erbieten sich mehrere qualifizierte Fachmänner, die zu den Unterrichtspersonen gehören, zu einer solchen Arbeit, so können mehrere Bearbeitungen angenommen, oder etwa nach Einholung des Gutachtens der Akademie oder irgend einer anerkannten Autorität, der Universität oder eines Vereins eine Wahl getroffen werden. Zum Zwecke der Verfassung solcher Werke können den Autoren Urlaub erteilt, Behelfe herbeigeschafft und Reisekosten bewilligt werden, wenn es der Gegenstand erfordert. Melden sich keine geeigneten Personen, so kann man solche aussuchen und sich mit ihnen über die Bedingungen einigen, unter welchen sie sich der Aufgabe unterziehen und dem Staate das geistige Eigentum überlassen wollen. Immer, auch wenn man staatlich angestellte Fachmänner zur Verfügung hat, wird man auch Bearbeitern, die nicht dem Kreise der offiziellen Organe angehören, Gehör schenken, und ihnen staatliche Unterstützung gewähren, wenn sie entweder einen neuen Plan der Bearbeitung, ein neues System, die Bearbeitung eines Abschnittes vorlegen, wodurch eine hervorragende Befähigung dargetan wird, oder ein fertiges Manuskript bereits vorliegt, das der Annahme würdig befunden wird. In allen Fällen, wo der Staat einen Autor zur Verfassung gewinnt, befindet er sich in derselben Lage, in der er sich heute befindet, wenn er einen Monumentalbau, ein Denkmal oder sonst etwas Großes schaffen will und wenn der Staat für die Zustandebringung einer solchen Arbeit Opfer bringt, wird er das vollendete Werk, wenn es nicht entspricht, ablehnen und er wird sich auch vorher von dem Fortgange der Arbeit überzeugen können. Es muß ihm auch das Recht zuerkannt werden, Änderungen oder Umarbeitungen zu fordern, oder als Herausgeber in Fußnoten einen gegnerischen Standpunkt zu vertreten. Jedenfalls wird dem Drucke eine sorgfältige Revision durch zwei oder drei Fachmänner, besonders solche, die einen wissenschaftlich entgegengesetzten Standpunkt einnehmen, vorhergehen, deren Gutachten entweder zur unbedingten Annahme oder Verwerfung oder zur Umarbeitung führen wird. Reicht ein Schriftsteller ein fertiges in den Mußestunden verfaßtes Manuskript ein, so wird eine gleich sorgfältige Überprüfung eingeleitet. Die Staatsverwaltung wird, wenn sie das Werk annimmt, eine angemessene Anzahl von Exemplaren drucken und an die Bibliotheken verteilen, kann aber auch dem Verfasser eine Anzahl von Exemplaren zugestehen, welche nach den in VIII, 4, d, 2, _Alinea_: »Der Anlaß«, entwickelten Grundsätzen an die vom Verfasser namhaft gemachten Personen verschickt werden. Eine besondere Belohnung nicht in Geld, sondern nach VIII, 9, wird die Verwaltung entweder innerhalb ihrer Vollmachten zuerkennen oder einem Volksbeschlusse vorbehalten. Um aber die Schaffung der neuen wissenschaftlichen Literatur nicht von der Staatsverwaltung allein abhängig zu machen, gibt es eine Menge Wege. Besteht die Monarchie fort, so liegt in der Anweisung der Mittel für die Hofhaltung auch die Ermöglichung der Herausgabe von Werken für Rechnung dieser Mittel. Es kann weiters eine Dezentralisation des Verlagsrechtes in der Weise angeordnet werden, daß ein Teil des Verlagsrechtes den Provinzial- und Kreisbeamten überlassen wird, was besonders auf historische und nationale Werke Anwendung haben dürfte. Es könnte auch das Verlagsrecht, das Recht Bücher drucken zu lassen und zu diesem Ende die staatlichen Druckereien in Anspruch zu nehmen, in einem gewissen Umfange der Bevölkerung der Kreise dergestalt eingeräumt werden, daß die gesamte Bevölkerung eines Kreises über die Annahme der ihr angebotenen Werke abzustimmen hätte. Wenn dieses Recht der Bevölkerung je eines Kreises für ein oder mehrere Werke etwa im Gesamtumfange von 20 Bogen und 1000 Exemplaren alljährlich zustände, so würden jährlich 100-200 Werke geschaffen werden können, die nicht von der Staatsverwaltung ausgewählt würden. Endlich kann ein beschränktes Verlagsrecht auch jedem Vereine eingeräumt werden, wenn er viele Mitglieder zählt und er einiges Ansehen genießt und wenn er eine für diesen Zweck geeignete Organisation besitzt. 2. Poesie und schöne Literatur. Ähnlich, wie mit wissenschaftlichen Werken, wird es auch mit Werken der Poesie und der schönen Literatur gehalten werden, nur ist hier eine Monopolisierung des Verlagsrechtes seitens der Staatsverwaltung noch weniger zweckmäßig, wie bei der Herausgabe der wissenschaftlichen Werke. Der Anlaß zur Verfassung eines Buches kann also von der Staatsverwaltung oder einem anderen von der Verfassung dazu berechtigten Subjekte, oder er kann vom Verfasser ausgehen. Das Verlagsrecht, das Recht ein Werk zu veröffentlichen, kann der Staatsverwaltung, es kann aber auch der Zivilliste des Hofes, einer Kreis- oder Provinzialverwaltung, dem Volksbeamtentum, einer Fraktion der Bevölkerung oder einem Vereine zustehen und wem das Verlagsrecht zusteht, der kann innerhalb der seinem Verlagsrechte gezogenen Grenzen auch die Auflage und die Ausstattung sowie die Verwendung einer gewissen Anzahl von Exemplaren bestimmen. Das Eigentum an den gedruckten Exemplaren steht zwar dem Staate zu, bezüglich der Freiexemplare aber begnügt er sich mit dem Obereigentum im Sinne des Abschnittes VIII, 5, _Alinea_: »Da die Erzeugnisse«[34], während den Empfängern das freie Verfügungsrecht mit den sonst dafür geltenden Beschränkungen zusteht.[35] Die Verfassung solcher Werke ist in der Regel freie Betätigung des Autors, sie kann aber auch zu den berufsmäßigen Pflichten von Lehrpersonen gehören. Sind Dichter von jeder geregelten Arbeit losgezählt worden, um ihnen das freie Schaffen in größerem Maße zu ermöglichen, so kann dies mit der Einschränkung geschehen, daß die Arbeitsbefreiung wieder entzogen werden kann, wenn sie zu schaffen aufhören oder sonst die Erwartungen, die man in sie setzt, nicht rechtfertigen. Ist die Verfassung Berufspflicht des Autors gewesen, so hat er in der Regel keinen Anspruch auf besondere Entlohnung. Wer ein Werk aus freien Stücken verfaßt hat, wird in der Regel keinen Lohn vorausbedingen, sondern abwarten, welchen Beifall das Werk findet. Nach Maßgabe des Erfolges kann der Lohn in früherer Arbeitsbefreiung und Zuerkennung eines Ranges bestehen, mit welchem höhere Genüsse verbunden sind. Die Zuerkennung steht entweder der Staatsverwaltung, oder einer Fraktion des Volkes und auch der Dynastie zu, wenn damit nur über die der Dynastie zugewiesenen Mittel verfügt wird, sie kann aber auch Volksbeschlüssen vorbehalten werden. [34] Freiexemplare können auch Ausländern zugesandt werden, in welchem Falle, wenn sie noch einem Staate mit Privateigentum angehören, sie dadurch Privateigentum an diesen Exemplaren erwerben, wie ja auch sonst in solchen Ländern Privateigentum an Produkten des Kollektivstaates erworben werden kann. Es wird nur zweckmäßig sein, solche Gegenstände, deren Eigentum der Kollektivstaat aufgibt, mit einer Bestätigung zu versehen. [35] Ein Bücherwurm verwarf meine Pläne, weil dem Leser verwehrt wäre, Randbemerkungen in die Bücher zu schreiben. Wenngleich da von einer Absonderlichkeit eines Sonderlings die Rede ist, so sei doch bemerkt, daß das Verbot, Bücher zu beschädigen und mit Anmerkungen zu besudeln, das ja auch jede Leihbibliothek in Erinnerung bringt, zwar allgemein gelten würde, daß aber davon doch mancherlei Ausnahmen zu machen wären, so insbesondere gegenüber von Besitzern von Freiexemplaren oder von Gelehrten und durch Anmerkungen bedeutender Männer könnte ein Exemplar an Wert sehr gewinnen. Es ist recht wohl denkbar, daß der Staatsverwaltung für alle im Lande erscheinenden Werke ein ästhetisches Zensurrecht eingeräumt wird, wenn eine Gefahr der Verwilderung, der Verbreitung von Geschmacklosigkeiten oder Aberglauben oder die Verwirrung des Urteils oder der Sprache zu besorgen ist. Aber in solchen Fällen bliebe immer das Recht der Berufung an den Volkswillen offen und das Volk würde gewiß das Zensurrecht der Staatsverwaltung aufheben, wenn davon ein engherziger, oder gar ein politischer Gebrauch gemacht würde. Das Zensurrecht würde aber nicht so geübt werden, daß die Veröffentlichung -- soweit sie nicht lediglich vom Gutdünken der Staatsverwaltung abhinge -- unterdrückt würde, sondern die Staatsverwaltung übt =im Einvernehmen mit dem Autor= eine Redaktion, oder spricht in Anmerkungen einen motivierten Tadel aus, was hinreichen dürfte, der Gefahr vorzubeugen, die man befürchtet. Es ist ersichtlich, daß trotz Naturalwirtschaft eine jährliche Budgetierung der Mittel, wie für alles andere, auch für die Presse denkbar ist. Der Staatsverwaltung wird alljährlich im vorhinein die Zahl der Setzer und der Drucker, sowie der Arbeiter für Schriftguß und die Verteilung dieser Arbeitskräfte für die verschiedenen Satz- und Druckarbeiten vorgeschrieben, ebenso die Verwendung der Papiererzeugnisse für die verschiedenen Bedürfnisse normiert: nämlich für Schulzwecke, für Kanzleizwecke, zur Verteilung unter die Bevölkerung, zu technischen Zwecken, zur Verpackung, endlich zum Druck und allenfalls zum Verkaufe an das Ausland. Das Druckpapier wird nun aufgeteilt für die verschiedenen, in diesem Abschnitte besprochenen Produkte. Ebenso werden Volksbeschlüsse gefaßt über die Verteilung des Verlagsrechtes, nämlich des Rechtes, zu bestimmen, welche Manuskripte zum Druck angenommen und in welchem Umfange sie gedruckt werden sollen und so wird für diesen Zweig der Produktion alles verfassungsmäßig festgesetzt, genau nach Analogie der verfassungsmäßigen Bewilligung der Geldmittel für bestimmte öffentliche Zwecke. Nur erfolgt die Bewilligung nicht in Geldsummen, sondern in Arbeitskräften und Stoffen[36] und was hier vom Druck gesagt wird, gibt auch Aufschluß über andere naturalwirtschaftliche Budgetierungen. [36] Man rechnet in Österreich den Verbrauch von Druckpapier, die Hälfte des Gesamtverbrauches an Papierprodukten, auf 2 Kilo pro Kopf und Jahr, somit bei 45 Millionen Einwohnern auf 900,000 Meterzentner und da der Druckbogen zirka 15 Gramm wiegt, ist der Gesamtverbrauch pro Jahr rund 6000 Millionen Bogen Druckpapier. Weist man davon je 600 Millionen Bogen dem Reichsblatte, den Provinzblättern, den Kreisblättern und den Bezirksblättern, zusammen also 2400 Millionen Bogen zu, wobei z. B. vom Reichsblatte 300,000 Exemplare à 5 Bogen täglich erscheinen, so blieben noch 1800 Millionen Bogen für Fachblätter und 1800 Millionen Bogen für Bücherdruck, wonach man den Jahreszuwachs an Bänden für die Bibliotheken berechnen kann. Innerhalb des obigen Rahmens würden sich also die Volksbeschlüsse bezüglich der Ausdehnung der Produktion, der Einrichtung der Amtsblätter und des Verlagsrechtes bewegen. Ebenso müßte der Aufwand von Satz verteilt werden, wahrscheinlich nach Arbeitstagen der Setzer. In einem vielsprachigen Lande wie Österreich wird es sich auch darum handeln, das Ausmaß des für jedes Idiom bewilligten Verlagsaufwandes festzusetzen. Erfolgt dieser nach der Kopfzahl, so wird man annehmen können, daß jede Nationalität für ihre Literatur aus eigenen Mitteln sorgt, weil auch der Arbeitsertrag nach der Kopfzahl zu berechnen ist. Welchen Werken einer Nationalität die Ehre der Übersetzung in andere Sprachen zuzuerkennen ist, wird von jenen Faktoren abhängen, welchen nach obigen Grundzügen ein Verlagsrecht überhaupt zusteht. Man kann sich recht wohl denken, daß für einen Teil des Verlags auch nach Nationen abgestimmt wird, in welchem Falle jedem Eigenberechtigten das Recht zustände, sich zu einer Nationalität zu bekennen. Doch wird in diesem Falle das Stimmrecht immer nur in einer Nation ausgeübt werden können. Was die Größe der Auflagen anbelangt, so wird man gewisse Stufen festsetzen. Werke von der allgemeinsten Bedeutung in der Wissenschaft wird man in einer solchen Auflage veröffentlichen, daß für jede Gemeinde des Reiches oder jede Gemeinde einer bestimmten Sprache ein Exemplar bestimmt wird und ein gewisser Überschuß für besondere Zwecke, besonders für den internationalen Büchertausch verfügbar bleibt. Jedes Werk wird mindestens in einer solchen Auflage gedruckt, daß jede Bezirksbibliothek der betreffenden Nationalität beteilt werden kann. Was eine solche Verbreitung nicht verdient, mag ungedruckt bleiben. Der internationale Büchertausch mit Ländern der =alten= Gesellschaftsordnung wird durch Kauf und Verkauf erfolgen. Mit Kollektivstaaten wird man einen Büchertausch einleiten, wie ihn heute Zeitungen und Museen üben, nur in viel größerem Umfange, da man selten auf weniger als 150 Exemplare eines ausländischen Werkes von Interesse rechnen wird, um wenigstens alle Kreisbibliotheken zu beteiligen. Dabei wird man nichts weniger als kleinlich vorgehen und nur nach der Zahl von Bänden, oder selbst nach Papiergewicht handeln, weil die Herstellung eines gewissen Überschusses von Exemplaren für das Ausland tatsächlich nicht viel mehr als eine Papierfrage ist. Länder gleicher Sprache und Gesellschaftsordnung können auch Vereinbarungen nach Fächern treffen, z. B. daß sie sich in die Bearbeitung und Veröffentlichung gewisser Abschnitte der Geschichte teilen, in welchem Falle die Auflagen wachsen und der Arbeitsaufwand verringert würde. Es ist ersichtlich, daß in diesem Abschnitte auch die wesentlichen Grundlagen der Ausführung und Vervielfältigung von Kunstwerken der bildenden Kunst angedeutet sind, von welchen der Abschnitt VIII, 7, handelt. e) Bibliotheken. Auch hier soll vor allem der Bedürfnisse der kleinsten Gemeinden gedacht werden, da es sich von selbst versteht, daß in den Städten auch die Bibliotheken viel großartiger eingerichtet werden, als das heute der Fall ist. Jede kleinste Gemeinde, Urgemeinde und jedes städtische Quartier, wird ohne Zweifel einen Gemeindepalast haben, dessen oberster Aufbau einen geräumigen Saal bildet, welcher als Versammlungs- und Lesesaal dient, in welchem dann auch die Bücherei und solche Sammlungen aufgestellt werden, die nach VIII, 3, in die kleinsten Gemeinden aufgeteilt werden. Wenn auch die Wände eines solchen Saales genügen, um eine Hausbibliothek von 50-60,000 Bänden aufzustellen, so wird die Bücherei im Beginn doch sehr dürftig sein, erst wenn die Wissenschaften für die Zwecke des Kollektivismus, der sich die allgemeinste Verbreitung des Wissens zur Aufgabe macht, neu bearbeitet sein werden, wird die Bücherei der Gemeinden und Quartiere auf viele tausende Bände anwachsen. Sie sollen vollständige Bearbeitungen aller Wissenschaften, die nationalen Klassiker und einen reichen Vorrat von Unterhaltungslektüre, ferner enzyklopädische Werke, Wörterbücher und Grammatiken aller europäischen und der wichtigsten alten Sprachen, andere Nachschlagewerke und besonders einen vollständigen Katalog des gesamten Bücherschatzes des Reiches mit Angabe der Aufstellung enthalten und außerdem Atlasse, Kartenwerke und Stiche als Hilfswerke für sämtliche Wissenschaften. Außerdem wird alljährlich je ein Exemplar der in den Gemeinden aufliegenden Zeitungen gebunden und in den Gemeinde-Bibliotheken aufgestellt, wenn man nicht finden sollte, daß es genügt, ein Exemplar in der Bezirksbibliothek für den ganzen Bezirk aufzustellen, und es wird der Jahreszuwachs für jede kleinste Gemeinde und Quartier ohne Zweifel auf mehr als 1000 Bände sich belaufen und selbst nach Einführung einer jährlichen Ausmusterung der veralteten Werke, welche aber niemals zur völligen Ausrottung führen darf, werden auch die kleinsten Büchereien nach 100 und 200 Jahren mit Büchern überfüllt und selbst in den Dachräumen Bücherdepositorien eingerichtet sein. Monographien, besonders solche, welche auf die Heimat bezug haben, werden in der Bezirksbibliothek zu finden sein samt gebundenen Exemplaren jener Fachzeitschriften und Illustrationswerke älterer Jahrgänge, die in die kleinsten Gemeindebibliotheken nicht aufgenommen wurden, und so wird man nur Spezialwerke, seltene und veraltete Werke und insbesondere die Auslandswerke aus den Kreisbibliotheken und aus den Zentralbibliotheken der Reichshauptstadt zu entlehnen haben, wobei das allerliberalste Versendungssystem zu gelten hat, freilich mit Bevorzugung jener Leser, die in Kunst und Wissenschaft eine hervorragende Stellung einnehmen oder sonst ein berufliches Interesse haben. Jeder Bibliotheksaal ist zugleich Lesesaal, aber an größeren Bibliotheken wird es sich empfehlen, für Gelehrte und Forscher Arbeitszellen einzurichten, in welchen sie sich für ihre Zwecke vorübergehend eine Büchersammlung zusammenstellen können, welche sie für ihre Arbeit zur Hand haben wollen. Die Verfassung eines vollständigen Katalogs aller in den Bibliotheken des Staates vorhandenen Werke und Manuskripte ist zwar eine Riesenarbeit, und ein solcher Katalog wäre ein bändereiches Werk. Allein soll die ganze Bücherei wirklich jedem leicht zugänglich sein, eine nur billige Forderung, da jeder Reichsgenosse Miteigentümer aller Bücher ist, so muß ein solcher Katalog in jeder Gemeinde- oder mindestens in jeder Bezirksbibliothek zur Aufstellung gelangen. Für die Katalogisierung und Aufstellung von Büchern in den Bibliotheken wird sich ohnehin bald ein internationales System herausbilden, weil dergleichen auf Kongressen von Bibliothekarbeamten schon oft vorgeschlagen wurde. Man hat auch vorgeschlagen, es solle in Zukunft bei jedem Werke, das neu verlegt wird, ein Katalogzettel, ähnlich wie das Titelblatt, mitgedruckt werden. Das wird sich, wenn einmal ein festes und allgemeines Katalogisierungssystem angenommen sein wird, auch für heute, mehr noch für Kollektivstaaten empfehlen und es könnte dieser Katalogzettel auf einem Blatte in drei Exemplaren mitgedruckt werden, um ihn nach Autornamen, Realschlagworten und anderen Merkmalen in der Bibliothek alphabetisch einzuordnen. Übrigens sind die Gelehrten und Forscher, die Bibliotheksbeamten und Unterrichtspersonen innerhalb bescheidener Grenzen schuldig, jedem durch Literaturnachweise behilflich zu sein und wenn sie sich in diese Arbeit zweckmäßig teilen und zu diesem Ende organisieren, werden sie ohne allzugroße Belastung der Bevölkerung sehr nützen können. In der Gemeindebibliothek wird eine Frau, die zum Stande des hauswirtschaftlichen Personals gehört, Ordnung zu halten, erforderlichen Falles Bücher auszufolgen, die Benützung zu überwachen, Zettelkataloge zu ergänzen, Entlehnungen zu verbuchen, leihweise eingesendete Werke zu übernehmen und nach gemachtem Gebrauche wieder zurückzusenden haben und es wird ihre Arbeitszeit auch zu anderen damit vereinbarten Dienstleistungen auszunützen sein. In den größeren Bibliotheken werden zahlreiche Bibliotheksbeamte und Diener beiderlei Geschlechts Verwendung finden. 5. Die Verteilung der Konsumtibilien. Ich habe im I. Abschnitte im 4. _Alinea_: »Doch zeigt sich« bereits darauf verwiesen, daß es nicht vernünftig wäre, alle freie Tätigkeit zu unterbinden, was dann eintreten würde, wenn der Staat alles Eigentum an Sachen, die zu produktiven Zwecken verbraucht werden, festhalten wollte. Es wurde darauf verwiesen, daß man dann keine Briefe schreiben, keine Zeichnung entwerfen könnte und es würde auch niemand, als der vom Staate dazu Beauftragte, ein Manuskript verfassen können. Daraus müßte also eine unerträgliche Unfreiheit entstehen und es wäre auch kein so großer Fortschritt denkbar, wenn man alle freie und schöpferische Tätigkeit der Menschen dergestalt unterbinden wollte. Dem soll nun mit Aufrechterhaltung der Hauptgrundsätze des Kollektivismus dadurch abgeholfen werden, daß der Staat Stoffe aller Art zu produktiven Zwecken unter die Bevölkerung verteilt und den Einzelnen die Verarbeitung in den freien Stunden überläßt, jedoch mit Vorbehalt des staatlichen Obereigentums an den Stoffen sowohl, als an den Erzeugnissen. Dieses Obereigentum wäre aber nur aus wichtigen Gründen geltend zu machen, um einen gefährlichen Mißbrauch zu verhüten und um ein allgemeines Interesse zu wahren. So, wenn es gälte, Kunstwerke von dauerndem Werte für den Staat zu retten oder Briefe und Manuskripte dauernd zu erhalten, die einen offenbaren Wert haben. Es soll also verhindert werden können, daß etwa ein Chemiker Gifte oder Explosivstoffe zu einem verbrecherischen Zwecke herstelle, oder daß man aus einem Stück Eisen Waffen schmiede, um sie gegen die Gesellschaft zu brauchen und ebenso soll der Staat das Recht haben, nach dem Hingange eines bedeutenden Mannes Reliquien für den Staat in Anspruch zu nehmen, seien es Briefe, oder Manuskripte, oder Kunstwerke, denn der Staat ist der alleinige Erbe aller Güter. Doch soll von diesem Obereigentum ein bescheidener Gebrauch gemacht werden und es sollen Verwandte in einem temporären Besitze nicht gestört werden. So würden die Kinder Göthes im Besitze der Briefe des Verstorbenen geblieben sein, aber dem Staate gegenüber für die Verwahrung verantwortlich, dem -- ausgenommen in Fällen, welche Diskretion erheischen -- Abschriften zu überlassen wären. Erst in der 3. oder 4. Generation würde der Staat solche Gegenstände in eigene Verwahrung nehmen und die Nachkommen auf jenen Mitgenuß beschränken, den jeder Volksgenosse hat. Ich bin der Meinung, daß man diese für die allgemeine Verteilung bestimmten Stoffe Konsumtibilien nennen könnte, weil sie nicht nur zum freien Gebrauche, sondern zum freien Verbrauche dienen sollen. Allein man müßte dann den Verbrauch in der freien Produktion vom Verbrauche zum Lebensunterhalte (im weitesten Sinne auch für persönliche Reinigungszwecke usw.) unterscheiden, denn letztere werden ohne Vorbehalt des staatlichen Obereigentums zugewiesen. Der Verbrauch, von dem hier die Rede ist, ist ein produktiver, eine Umgestaltung, wie sie in der Produktion vorkommt, aber nach freiem Ermessen der Individuen und nicht staatlich geregelt. Nur in diesem Sinne ist der Ausdruck »Konsumtibilien« gemeint. Gegenstand dieser Verteilung können alle Arten von Stoffen sein. Vor allem Zeichen- und Schreibrequisiten samt allen Arten von Papieren und Papiererzeugnissen, dann Farben, Gespinnste, Gewebe, Bänder und dergleichen, ferner alle Arten von Holz, Metallen, Chemikalien, Pflanzen und Sämereien. Da alle diese Stoffe Staatseigentum sind, bestimmt der Staat, wie viel davon zur Verteilung gelangt. Sie werden ferner an die Einzelnen oder mindestens an die Gemeinden verteilt, also in geringeren Mengen, vor allem zur Ermöglichung einer freien Tätigkeit der Einzelnen. Auf diese Art z. B. werden Briefpapier, Kuverts und Korrespondenzkarten verteilt, die Frauen können so Stoffe und Gespinnste für Herstellung ihres Tandes erhalten. Da die Bedürfnisse sehr verschieden sind, werden alljährlich von den Einzelnen bei der Gemeindeverwaltung Anmeldungen erfolgen und reduziert auf den Verteilungsquotienten werden den Anmeldungen entsprechend die Stoffe geliefert, welche beansprucht werden. Im allgemeinen soll zwar eine Verteilung an die Individuen erfolgen. Mit Vorwissen der Staatsverwaltung können aber auch größere Quantitäten zur gemeinsamen Verarbeitung an Vereinigungen von Individuen erfolgen, wenn es evident ist, daß kein gemeingefährliches Unternehmen beabsichtigt ist, und größere Mengen werden auch an Vereine geliefert. Wegen Unterdrückung einer gemeinschädlichen Verwendung wird der Vorbehalt des Obereigentums des Staates an den verteilten Stoffen und an den daraus hergestellten Produkten vorgeschlagen. Hier ist nur von der Verteilung jenes Minimums die Rede, auf das jeder Anspruch hat. Bevorzugten und Hochverdienten, dann solchen Personen, welchen der Staat die Ausübung eines freien Berufs einräumt, wie Malern und Bildhauern, können im allgemeinen oder von Stoffen für ihren Beruf größere Mengen bis zum 10, 20 oder 100fachen des Verteilungsquotienten, VIII, 9, l, zugewiesen werden, immer mit der Einschränkung, die der Staatszweck erfordert. Die Verteilung soll nämlich dem Fortschritte dienen, also der Erfindungsgabe eine Betätigung ermöglichen, aber nicht etwa zu einer Winkelproduktion führen, da die ausnahmslose Staatsproduktion und das ausnahmslose Staatseigentum, hier reduziert auf den Begriff des Obereigentums, nicht beeinträchtigt werden darf. Welche Stoffe und in welchem Gesamtausmaße sie verteilt werden können, ist Gegenstand der jährlichen Volksbeschlüsse. Da die Erzeugnisse dieser freien Tätigkeit noch immer im Obereigentum des Staates stehen, ist eine eigenmächtige Außerlandesschaffung seitens der Erzeuger nicht statthaft, allein mit Erlaubnis der Staatsverwaltung können die Erzeuger dieser Produkte sie als Geschenk an Ausländer veräußern. Es wäre nur zu wünschen, daß das in einer unzweifelhaften Form erkennbar gemacht werden könnte. So wird in der Note zu VIII, 4, d, 2, darauf verwiesen, daß auf Verlangen der Verfasser literarischer Werke Freiexemplare davon an Ausländer gesandt werden können. Da sollte nun auf den Freiexemplaren ersichtlich gemacht werden, daß sie mit Einwilligung der Staatsverwaltung auf Wunsch des Verfassers dem zu benennenden Empfänger ins Eigentum übertragen werden. Von diesen Konsumtibilien wird das Meiste vertrödelt werden, wie das ja auch heute der Fall ist. Aber so wird auch vieles Originelle hervorgebracht werden, was dann wieder Gegenstand der regelmäßigen Produktion wird. Nur um etwas Neues zu produzieren, brauchen wir Schaffensfreiheit, denn zur =Reproduktion= von Gegenständen, die der Begabte erfunden hat, ist organisierte Arbeit nicht nur brauchbar, sondern ökonomischer als die freie Tätigkeit. Die Organisation der Arbeit darf aber nicht so weit gehen, daß dadurch alle erfinderische Initiative unterdrückt würde und wie das mit der ausschließlichen staatlichen Produktion vereinbar ist, ist in diesem Abschnitte dargestellt worden. Innerhalb der engen Grenzen einer Gemeinde oder eines Quartiers ist eine Kontrolle zur Verhütung von Unfug leicht ausführbar. Sollte aber jemand sich eines Mißbrauches schuldig machen, so hätte er zu besorgen, daß er von solchen Verteilungen in Zukunft ausgeschlossen würde. Da im Kollektivstaate diese Verteilungen so eingerichtet werden sollen, daß jedermann beteiligt wird, werden die Anteile des Einzelnen ziemlich klein ausfallen. Das wird dann zur Folge haben, daß man mit diesen Dingen haushält und sich vor Verwüstungen hütet. Darauf muß übrigens auch die Erziehung gerichtet sein. Um eine gleichmäßige Verteilung zu sichern, obschon jeder Einzelne andere Dinge in Anspruch nehmen kann, wird es sich empfehlen, für alle zur Verteilung gelangenden Stoffe einen Vergleichswert zu ermitteln. 6. Die Forschung. Die Voraussetzung jedes Fortschrittes ist die Forschung und der Staat hat sie zu begünstigen. Zunächst ist es Aufgabe aller wissenschaftlich gebildeten Organe, sich der Forschung zu widmen, besonders aller Unterrichtspersonen. Den Lehrkräften an der Universität ist ebenso wie den Akademikern alles zu bieten, was sie zur Forschung brauchen. Die Bereitwilligkeit wird ebenso groß sein, wie heute, die Mittel aber werden viel reichlicher zu Gebote stehen. Ärzte und Pädagogen werden die ihnen vorgeschriebenen Beobachtungen zu sammeln haben und so werden sie sich der Forschung dienstbar machen. Außerdem wird der Staat durch Gründung wissenschaftlicher Vereine und durch Ermunterung der ganzen Bevölkerung zur Beteiligung an Forschungsarbeiten die Forschung fördern. Auch die Verteilung von Stoffen, wovon im vorhergehenden Abschnitte die Rede war, wird vielen Gelegenheit bieten, Entdeckungen zu machen und Personen, die Interesse und Geschick an den Tag legen, werden unterwiesen werden, wie Forschungen angestellt werden und man wird ihnen soweit als tunlich Apparate und Instrumente zur Verfügung stellen. 7. Die Kunst. Aufgabe des Kollektivstaates ist es, jede Art von Kunst zu pflegen und zu fördern, dazu selbst Anregungen zu geben und gegebene Anregungen willig aufzunehmen. Es sind zu unterscheiden: a) schöpferische Kunst, b) Kunstreproduktion und c) Kunstgewerbe. a) Die schöpferische Kunst verträgt am wenigsten eine Beeinflussung, wenngleich die höhere Architektur sich eine solche immer auch hat gefallen lassen. Für Monumentalbauten und Denkmäler, aber auch für Dramen hat man wiederholt bestimmte Aufgaben gestellt und zu Preisbewerbungen aufgefordert, und den Preisbewerbern wurden mehr oder weniger beengende Vorschriften gemacht, ihnen ein Rahmen vorgezeichnet, an den sie sich zu halten hatten, und manches angeordnet, was in der Regel nur von der freien Wahl des Künstlers abhängt. Im allgemeinen aber gehört das Kunstwerk zu jenen freien Schöpfungen, die den Individualismus zur Voraussetzung haben. Der Staat nun fördert die schöpferische Kunst durch Spezialunterricht, durch Ausstellungen und Vorführung von Werken der Kunst, wodurch die Phantasie begabter Menschen befruchtet und angeregt, sie zur Entdeckung ihrer Gaben hingeleitet werden. Die Kunst wird gefördert durch die den Unterrichtspersonen gestellte Aufgabe, begabte Leute zu ermuntern und zur staatlichen Förderung vorzuschlagen. Sie wird ferner gefördert dadurch, daß den Begabtesten durch vermehrte Zugänglichmachung von Ausstellungen und Aufführungen, durch Beurlaubungen zum Zwecke höherer Ausbildung und durch Reisebewilligungen noch besondere Anregungen geboten werden. Die Beurlaubungen werden zunächst zeitlich begrenzt sein und nur in dem Maße ausgedehnt werden, als Begabung, Schaffenslust und schöpferische Anlagen klarer hervortreten. Sie kann aber bis zur dauernden Befreiung von jeder geregelten Arbeit ausgedehnt werden. Eine weitere Förderung erfährt der Dichter und Musiker durch Drucklegung beziehungsweise Aufführung seiner Werke. Die bildenden Künstler brauchen zur Ausübung ihrer Kunst vielerlei Stoffe und Geräte, welche gleichfalls der Staat zu liefern haben wird, soweit die Verteilungen allgemeiner Art nach VIII, 9, e, nicht hinreichen. Endlich ist es der Lohn, der für =ausgezeichnete= Leistungen bewilligt wird, der die Kunst fördert. Über die Art, wie hervorragende Dienste belohnt werden, siehe VIII, 9. In all dem aber wird sich der Staat hüten, das Urteil über künstlerische Leistungen zu monopolisieren, und es mag hier auf das verwiesen werden, was in VIII, 4, d, 1, _Alinea_: »Um aber die«, gesagt worden ist. Zu den edelsten Künsten müssen wir die Plastik und die Architektur rechnen, erstere insbesondere deshalb, weil sie die Phantasie mit allem befruchtet, was zur Veredlung der menschlichen Rasse dienen kann. Die Architekten werden besonders in den Städten Meisterwerke schaffen und der Staat dafür einen beträchtlichen Aufwand machen. Die Bildhauerkunst bedarf gar wenig Stoff; etwas Ton genügt, um ein Meisterwerk hervorzubringen, aber auch zur Ausführung plastischer Werke in edleren Stoffen kann ein sehr weitgehender Aufwand gemacht werden. Vom einfachen Tonprodukt bis zum kostbaren Marmor- und Bronzewerk gibt es viele Abstufungen materieller Kostbarkeit. Die edelsten Werke der Plastik nun wird die Staatsverwaltung oder sonst eine hierzu berufene Körperschaft oder eine Fraktion des Volkes in kostbarster Ausführung herstellen lassen. Gerade bei plastischen Werken ist eine mehrfache Reproduktion in mehr oder weniger kostbarer Ausführung möglich, und ehe viele Dezennien des Kollektivismus ins Land gegangen sein werden, wird nicht nur die Reichshauptstadt mit dem Rom des 4. Jahrhunderts, das ein Volk in Marmor beherbergte, wetteifern, sondern zahlreiche Nachbildungen werden in die kleinsten Ortschaften und die Wohnungen der Geringsten dringen, um jeden an das Schöne zu erinnern und den ästhetischen Sinn zu wecken, der nach und nach alles umgestalten und auf die =völlige Verdrängung alles Häßlichen= hinarbeiten soll. Ist doch die heutige Gesellschaftsordnung das Häßlichste von allem! Soll dereinst ein Geschlecht von Halbgöttern die Erde bewohnen, so wird die Kunst der Bildhauer nicht am wenigsten dazu beitragen. Die Reichshauptstadt soll dann ein großer Tempel werden, gemischt aus prachtvollen Bauten, Statuen, Hainen und Gartenanlagen, in welchen eine Fülle von Wasser sprudelt und in welchen jede Bodenerhebung benutzt ist, um den Reichtum der Formen zu vermehren. Nicht jenes sonderbare Gemisch von Protzentum und Elend wird man finden, das in unseren Großstädten einen widerlichen Eindruck macht, noch werden sich die Häuser aneinanderdrängen und von staubigen Straßen begleitet werden. Geleisanlagen und elektrische Fuhrwerke werden es möglich machen, auch die größten Verkehrsadern mit Vegetation zu schmücken, in die nur Kieswege für die Fußgänger eingelegt sind. Und jeder Raum soll zur Aufnahme von Skulpturen benutzt werden. Nicht nur die Statue, sondern auch das Basrelief und die Medaille werden ihre Pflege finden und in großer Anzahl vervielfältigt werden. Auch Gemälde und Stiche sollen nicht bloß in großen Sammlungen zu finden sein, sondern in die kleinsten Orte dringen, und die herrlichsten Zeichnungen nicht nur die Bücher schmücken, sondern Briefpapiere, Umschläge und das zu Umhüllungen bestimmte Papier bedecken. Für das Rohe und Gemeine soll kein Platz übrig bleiben und alle Materie in Verkörperung des Schönen aufgebraucht werden. Besondere Unterstützung wird der Staat der musikalischen Komposition und der Pflege der Musik zuteil werden lassen, welche zu fördern er gleichermaßen die größten Mittel hat. b) Kunstreproduktion. Abgesehen von der Reproduktion der Werke der bildenden Künste in Abgüssen und Stichen wird der Staat die Aufführung von Werken der Musik und Dichtkunst vor großen Versammlungen zu veranstalten haben, und alle großen Säle werden dazu dienen. Besondere Schulen werden für die Ausbildung der darstellenden Künstler errichtet werden, und diese werden sich dann berufsmäßig der Ausübung ihrer Kunst widmen, eine besondere Gattung der geregelten Arbeit, wenn auch edlerer Art. c) Das Kunstgewerbe. Das Gewerbe zu veredeln ist eine der wichtigsten Aufgaben des Kollektivstaates, und so wird er auch das Kunstgewerbe pflegen durch Schulen, Ausstellungen, Prämiierungen und Aufträge. Doch wird es in monarchischen Staaten insbesondere die Dynastie sein, welche dem Kunstgewerbe Anregungen geben und Aufträge zuwenden wird. Es handelt sich dabei hauptsächlich um die Ausschmückung von Bauten höherer Ordnung und insofern es Mobilien betrifft, um die Wohnungen der Bevorzugten, insofern es Stoffe angeht, um die Huldigung an die weibliche Schönheit. 8. Die technische Erfindung. Im 19. Jahrhundert hat sich das Genie der Menschen vorzüglich der technischen Erfindung zugewendet, welche die Entdeckungen der Wissenschaft der Wohlfahrt der Menschen dienstbar macht. Es war lange ein Gerede der Gelehrten, die Wissenschaft sei sich selbst genug, und es handle sich für sie nur um das Wissen, nicht darum, daß die Wissenschaft den Menschen irgend einen Nutzen schaffe. Daran ist nur so viel wahr, daß der Forscher sich nicht von irgend einem bestimmten Nützlichkeitsziele leiten lassen muß, daß er sich nicht damit zu rechtfertigen braucht, daß seine Forschung diesen oder jenen Nutzen schaffen werde. Niemand konnte wissen, was die Elektrizität einmal leisten werde, als man zuerst bemerkte, daß das geriebene Siegellack ein Stückchen Papier anzieht. Niemand konnte ahnen, wohin die Chemie gelangen werde, und wenn man den Forschern jener Zeit verwehrt hätte, ihre Zeit diesen Wissenschaften zu widmen, so wäre das sehr verkehrt gewesen. Aber der Wissenstrieb wird doch von der Erwartung geleitet, daß alles Wissen sich den Menschen auch nützlich machen wird. Erst im neunzehnten Jahrhundert hat man sich Mühe gegeben, die Ergebnisse der Wissenschaften in der Technik zu verwerten, und ohne die Arbeit der Forscher hätten die Techniker nicht erfinden können. Diese Erfindungen aber haben wieder unermeßliche Reichtümer geschaffen, wovon ein Teil wieder der Forschung geopfert wurde. Die Erfindung ist im letzten Jahrhundert vorzüglich durch die Erfinderpatente gefördert worden, welche dem Erfinder oder wenigstens seinem Förderer, dem Kapitalisten, einen großen Nutzen versprachen. Viele erfolgreiche Erfinder hätten ihre Zeit dem Nachdenken nicht gewidmet, wenn ihnen die Patente keinen Vorteil gesichert hätten, gewiß aber hätte kein Kapitalist die Mittel zu den Versuchen geboten, wenn es keine Privilegien gegeben hätte. Es wird nun zu untersuchen sein, wie im Kollektivstaat die technische Erfindung zu ermöglichen und zu belohnen sei. Der Kollektivstaat hätte es zwar nicht nötig, technische Erfindungen im Lande zu unterstützen, um am technischen Fortschritt teilzunehmen. Ja er wird schon darum allen Staaten der alten Gesellschaftsordnung im technischen Fortschritt voraneilen, weil er eben seiner Organisation wegen die im Auslande gemachten Erfindungen viel rascher einführen und viel intensiver ausnützen kann, als jene. Ob er nun ausländische Erfinder belohnt oder nicht, immer wird der Kollektivstaat auch von ausländischen Erfindungen mehr Nutzen ziehen, als das Ursprungsland. Auch die Belohnung der ausländischen Erfinder würde ihm kaum große Opfer auferlegen, weil er dem Erfinder eine Pauschalabfertigung ein- für allemal bieten würde und solche Abfertigungen immer niedriger bemessen werden als die Vorteile, die sich der Erfinder erst in langjährigem Kampfe durch den Absatz erobern muß. Dabei soll gar nicht in Betracht kommen, daß der auswärtige Erfinder nicht die Macht hätte, dem Staate die Einführung der Erfindung, soweit es sich nicht um eine Erfindung handelt, deren Wesenheit geheim gehalten werden kann, zu verwehren. Der Kollektivstaat soll sich dieses Vorteiles nicht bedienen. Er macht ja ohnehin den Gewinn, welchen im anderen Falle der Kapitalist macht, da er im Lande das ganze Kapital besitzt, überdies immer für einen gesicherten Absatz produziert. Allein der Kollektivstaat wird auch die Erfindung im Innern fördern, weil es der Ehrgeiz des modernen Staates ist, daß das Land sich in allem hervortue, und weil er den erfinderischen Köpfen im Lande es schuldig ist, daß er ihnen die Versuche ermöglicht und einen Vorteil sichert, der im Verhältnisse zu ihrem Einsatz an geistiger Arbeit und zu dem von ihnen geschaffenen öffentlichen Nutzen steht. So wird der Kollektivstaat jedem einheimischen (gewiß auch dem ausländischen) Erfinder, der eine Idee verfolgt, die auf Erfolg hoffen läßt, und der erfinderische Begabung an den Tag legt, die Mittel an die Hand geben, um Versuche zu machen, und hierin wird der Staat leisten, was heute der Kapitalist leistet. Er wird den Erfinder an eine Produktionsanstalt weisen, welche über das Erforderliche verfügt, und wird die Idee prüfen lassen. Handelt es sich um etwas, was bereits erfolglos versucht wurde, so wird man den Erfinder auf die gemachten Erfahrungen verweisen, unsinnige Projekte, wie die Herstellung des Perpetuum mobile, verwerfen und im übrigen erwägen, ob alte Ideen mit neuen originellen Mitteln angestrebt werden, oder neue fruchtbare Gedanken gefunden wurden. Gelingt eine Erfindung unter Beihilfe der Staatsverwaltung, so erwirbt der Staat das geistige Eigentum, weil es im Kollektivstaat kein Privateigentum gibt, weil ohne die materielle Unterstützung des Staates die Erfindung nicht hätte durchgeführt werden können, und weil von der Erfindung im Staate kein Gebrauch gemacht werben könnte, wenn der Staat sie nicht einführte, da er allein im Besitze der dazu erforderlichen materiellen Mittel ist. Dagegen würde der Staat dem Erfinder zu Dank verpflichtet sein, da er aus der Erfindung großen Nutzen zieht, und darum würde der Staat dem Erfinder eine Entlohnung zubilligen, die im Verhältnisse zu dessen Verdienst steht, und in welcher Form das geschehen kann, ohne das kollektivistische Prinzip zu verletzen, wird im Abschnitte VIII, 9, dargestellt werden. Da nun dem Staate das geistige Eigentum an der Erfindung zufällt, so erlangt er auch das Recht in den Staaten, welche noch Geldwirtschaft und Privateigentum haben, ein Patent in Anspruch zu nehmen, und wenn auswärtige Staaten dem Schwierigkeiten entgegensetzen würden, weil im Kollektivstaat kein Patentschutz gewährt wird, so könnte der Kollektivstaat einen Vertrag mit einem solchen Staate dahin abschließen, daß er auf das Recht verzichtet, Erfindungen, die im anderen Staate Patentschutz genießen, ohne Erwerbung des Lizenzrechtes vom Patentinhaber einzuführen, wogegen der andere Staat sich verpflichtete, dem Kollektivstaate Patente unter denselben Bedingungen zu gewähren, wie einem Privaten. In dieser Form könnte im Kollektivstaat etwas den Privilegienpatenten Analoges, angepaßt dem Wesen des Kollektivismus, geschaffen werden. Wenn nun aber ein Staatsbürger bei der Bearbeitung einer Erfindung entweder gar keine Unterstützung des Staates notwendig hätte, da er entweder gar keiner materiellen Mittel bedürfte oder die nach Absatz VIII, 5, zur Verteilung gelangenden Konsumtibilien ihm für seine Erfindungszwecke genügten, oder er durch Freunde und Genossen aus diesen Mitteln in den Stand gesetzt wurde, seine Erfindung zu vervollkommnen, so wäre doch der Grundsatz zu rechtfertigen, daß der Staat das geistige Eigentum in Anspruch nähme. Denn er behält sich bei Verteilung von Konsumtibilien das Obereigentum bevor und das Recht, den mit solchen Mitteln geschaffenen Nutzen für sich zu begehren. Denn die Verteilung der Konsumtibilien ist ja eben =deshalb= produktiv, weil das meiste zwar vertrödelt, in einigen Fällen aber doch nützliche Dinge geschaffen werden, auf die der Staat Anspruch machen kann. Und haben die Konsumtibilien dabei überhaupt gar nicht mitgewirkt, ist wirklich nur der geniale Gedanke hinreichend gewesen, um sofort und ohne den Umweg kostspieliger Versuche Nutzen zu schaffen, so ist es doch der Staat, der den Erfinder in der Jugend versorgt, erzogen, unterrichtet, ihm alle erdenklichen Anregungen vermittelt hat, auf die Gefahr hin, einen Krüppel durch viele Dezennien versorgen zu müssen, und hat der Staat jede Gefahr eines Menschenlebens auf sich genommen, so hat er offenbar Anspruch auf Anteil an dem Gewinne, den die menschliche Gesellschaft aus den Schöpfungen eines Menschen ziehen kann. Auch ist der erfinderische Gedanke nur ein letztes Glied in der Kette von unermeßlicher geistiger Arbeit vergangener Geschlechter. So wären ja die Maschinen unserer Zeit nicht denkbar, wenn nicht zahllose Erfindungen in vergangenen Jahrhunderten gemacht worden wären, die die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen und Stahl ermöglichten. Der Erbe aller dieser geistigen Schätze, welche unsere Kultur ausmachen, ist für das Staatsgebiet der Kollektivstaat, und darum ist der Anteil an dem neuen Gute, den der Erfinder hat, doch immer nur ein winziger. Würde der Kollektivstaat das geistige Eigentum an den Erfindungen nicht in Anspruch zu nehmen oder wenigstens durch Anweisung von Vorteilen zu expropriieren berechtigt sein, so könnten neben ihm wirtschaftliche Mächte im Staate selbst entstehen, die die kollektivistische Gesellschaftsordnung in Frage stellen, und wenn diese Gesellschaftsordnung ein so großes Gut ist, wie ich dafür halte, so muß der Staat sie gegen jedes Privatinteresse verteidigen können. Wollte aber der Erfinder sich diesen Gesetzen nicht fügen und lieber auswandern, um im Auslande jene pekuniären Vorteile zu erwerben, die dem Erfinder in so reichem Maße zufallen können, so wäre das zwar ein Beweis von Undankbarkeit, man könnte aber die Auswanderung nicht hindern, würde den Erfinder aber dann als Ausländer betrachten, dem man die Rückkehr in die Heimat verwehren kann. Es entsteht noch die Frage, ob dem Erfinder, wenn der Staat ausländische Patente nicht erwerben kann, oder nicht erwerben will, gestattet werden könnte, für sich ausländische Patente und so Privateigentum im Auslande zu erwerben. Dem steht offenbar nichts im Wege, weil der Kollektivbesitz des Staates dadurch nicht berührt wird. Das Geld, das der Erfinder im Auslande erwirbt, hat im Inlande keinen Wert, er kann damit auch nichts von alledem erwerben, was der Kollektivstaat besitzt. Weshalb aber soll der Kollektivbürger nicht im Auslande auch Privateigentum haben und dort Güter und Häuser besitzen, Gelder anlegen und Gewerbe betreiben? Im Inlande müßte er für das, was er bezieht, Arbeit leisten, oder er müßte, wie jeder im Kollektivstaate reisende Fremde dafür aus den im Auslande gewonnenen Mitteln Ersatz in Geld leisten und er wäre dann ganz im Verhältnisse eines Ausländers nur mit Vorbehalt seines Heimatsrechtes, wenn er desselben nicht verlustig erklärt wird. Man muß aber erwarten, daß die Vaterlandsliebe des Kollektivbürgers groß genug sein wird, ihn zu bestimmen, in dem ursprünglichen Verhältnisse zum Staate zu bleiben und sich mit jener Form des Lohnes zu begnügen, den der Kollektivstaat bietet und der im größten Ausmaße ein voller Ersatz für alles Einkommen sein muß, das man aus dem unermeßlichsten Vermögen zu ziehen vermöchte. Anfangs werden viele auswandern, wenn sie große Vermögen erwerben können. Aber ist damit der Verzicht auf die Staatsbürgerschaft verbunden, so werden viele solcher Abenteurer im Auslande verkommen und sie werden anderen ein warnendes Beispiel geben. Wie sich zwei Kollektivstaaten mit einander über Erfindungen verstehen, die im Bereiche des einen gemacht werden und wovon der andere Gebrauch machen will, wird von Abmachungen zwischen ihnen abhängen. Es ist aber anzunehmen, daß sie sich wechselseitig freie und kostenlose Einführung gestatten, weil dabei bald der eine bald der andere Staat im Vorteil sein wird und es nicht dafür steht, diesen Vorteil festzustellen und auszugleichen. Diese internationalen Beziehungen werden hier erörtert, weil das Erfinderwesen am ehesten eine Möglichkeit eröffnet, auch im Auslande große und plötzliche Erfolge zu erringen. Allein jeder sehr bedeutende Mann wird sich die Fähigkeit zutrauen, auch in einem Staate anderer Gesellschaftsordnung sein Fortkommen zu finden. Und so mag auch der Forscher und Künstler oder das Verwaltungstalent sich die Frage vorlegen, ob er nicht größeren Lohn für seine Leistungen fände, wenn er in ein Land der alten Gesellschaftsordnung übersiedelte. Er würde zwar unangenehm berührt werden vom geschäftlichen Leben im Geldlande, von dem Schacher um alles, von den Gefahren für Eigentum, Leben und Gesundheit, von dem Elende, das ihn abstößt, von den vielen Beispielen, daß auch die Tüchtigsten nach kurzem Glücke versinken und in Schande untergehen. Allein wir können nicht leugnen, daß an die Tüchtigsten die Versuchung herantreten muß, das beschränkte Leben im Kollektivstaate aufzugeben und daß gerade die Krüppel und Kranken hübsch zu Hause bleiben werden. Allein daran ist doch nicht zu denken, daß alle Tüchtigen auswandern, nur etwa einige besonders geniale Menschen können daran denken und die Mittel, die Verpflichtungen gegen die Versicherten einzuhalten, werden dadurch nicht beeinträchtigt. Und was die Schöpfungen dieser Großen anbelangt, so sind sie zumeist von der Art, daß sie allen Ländern nützen und es sind wesentlich internationale Werte, welche diese Menschen schaffen. Der Kollektivstaat wird an dem größeren Nutzen, den solche Menschen schaffen, immer auch einen Anteil erlangen und er wird so viele hervorragende Talente heranbilden, daß es ganz unmöglich wäre, ihnen allen im Auslande Stellen zu schaffen. Und selbst solche, die auf geschäftliche Vorteile im Auslande mit Sicherheit rechnen könnten, werden doch durch Liebe zum Vaterlande, durch verwandtschaftliche Verbindungen und durch Gewohnheit im Lande festgehalten werden. Gewöhnt, überall sich zu Hause zu fühlen, überall Zutritt zu haben, an allem mitinteressiert zu sein, wird dem Kollektivisten das Leben im Geldstaate verwunderlich erscheinen. Gebannt in seine vier Mauern, fremd unter Fremden, von allen beneidet und angefeindet, von Intriguen verfolgt, wird sich jeder wieder nach Hause sehnen und die Auswanderungslust wird gewiß nicht sehr um sich greifen. Wer Nachkommen hat, wird sich auch wohl bedenken, sie all' den Gefahren auszusetzen, denen sie im Auslande begegnen. Er hat zu besorgen, daß sie allem Laster verfallen, in schlechte Gesellschaft geraten, geheime Krankheiten erben und ein Leben ohne Arbeit suchen, ein Leben, das ihm verächtlich scheinen muß. Es ist jetzt an der Zeit zu prüfen, was der Kollektivstaat den Tüchtigsten seiner Bürger zu bieten hat und daraus wird sich ergeben, daß sie keinen Grund haben, hinauszustreben. 9. Die Anerkennung der Verdienste höheren Grades im Kollektivstaate. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, daß der Kollektivismus eine mechanisch gleiche Verteilung der Genüsse zur Folge haben müsse. Das ist durchaus nicht richtig. Man kann nur eine verhältnismäßige Gleichheit fordern. Nun behauptet man zwar, diese bestehe ja ohnehin schon in unserer Gesellschaftsordnung, da der Begabte, Fleißige und Leistungsfähige immer im Staate vorwärts komme. Diese Anschauung ist aber grundfalsch. Zunächst ist der Erbe eines Vermögens von jener Regel ausgenommen. Er genießt nicht nur ohne hervorragende Verdienste weit mehr als ein Minister, sondern sogar ohne jede Arbeit, _fructus consumere =natus=_. Aber auch unter jenen, die arbeiten und nur Lohn empfangen, erhält nicht jener einen Vorzug, der größere Verdienste um das Volk hat, sondern jener, der größere Verdienste um die Erbgesessenen sich erwirbt. Da aber diese Drohnen sind, welche ohne Arbeit genießen, so sind Verdienste um solche Leute im =volkswirtschaftlichen= Sinne ganz wertlos. Zwei Ärzte von gleicher Geschicklichkeit werden geholt, zwei Verunglückten das gebrochene Bein einzurichten. Beide machen sich um ihren Patienten gleich verdient, brauchen dieselben Kenntnisse, legen dieselbe Mühe, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit an den Tag. Der eine wird mit 10 Mark, der andere mit 1000 Mark belohnt. Wäre bei gleicher Begabung, Fleiß und Leistung der Lohn, den die heutige Gesellschaft bezahlt, gleich, so müßten beide Ärzte den gleichen Lohn empfangen. Warum erhält der eine Arzt den hundertfachen Lohn von jenem, den sein ebenso verdienter Kollege erhält? Weil er Hausarzt eines Börsenjobbers ist, der andere ein Kassenarzt. Es ist also eine Lüge, wenn man sagt, unsere Gesellschaftsordnung entlohnt nach Verhältnis des Verdienstes. Man fordert in der heutigen Gesellschaftsordnung Parteinahme, Parteinahme gegen die Armen, für die Kirche, für den Adel, für die reichen Bürger, für eine einflußreiche Partei; wer nur an das Volk denkt, wird selbst verfehmt, ob er Talent hat, oder nicht. Es ist also unwahr, daß in unserer Gesellschaftsordnung die Güter nach Verdienst und Begabung verteilt werden. Auf alle Fälle kann es sich nur um Verdienste um die herrschenden Klassen handeln und auch da wird der Knecht eines Wucherers, Arbeitsschinders, Hochstaplers immer noch besser fahren, als selbst derjenige, der einem ächten Aristokraten oder gewissenhaften Monarchen seine Dienste weiht, wie wir im Falle Humbert und in vielen anderen Fällen erlebt haben. Selbst redliche Leute verdienen, wenn auch im guten Glauben, am leichtesten, wenn sie das Wohlgefallen verbrecherischer Naturen erwerben und wenn sie, obgleich unbewußt, den abscheulichsten Betrügereien Vorschub leisten. Wir wollen nur auf jene Erfahrungen hinweisen, die man in den letzten Dezennien gemacht hat, auf den Panamaschwindel, auf zahllose Eisenbahnschwindeleien, auf die Trebertrocknungsaktiengesellschaften, auf Jauner, Jellineck, Drozd, Alberti, auf Börsenschwindeleien, in welchen viele Milliarden von unlauteren Menschen eingesackt wurden und an allen diesen betrügerisch erworbenen Vermögen bereicherten sich indirekt ganze Scharen von Gelehrten, Anwälten, Verwaltern, Ärzten, Baumeistern, Malern, Architekten, Bildhauern, Juwelieren und Kleidermachern um die Wette mit Lustdirnen, mit welchen man erstere auf ein und dieselbe Stufe stellen müßte, denn sie waren ebenso käuflich.[37] [37] Es sei mir erlaubt, hier auf einen Satz zu verweisen, den wir in Adolph Pichlers »Aus Tagebüchern 1850-1899« finden. »Wenn man berechnen könnte, wie viele Menschen wissentlich oder unwissentlich vom Betruge anderer leben!« Aber wir brauchen, um die Ungerechtigkeit und die ökonomische Verkehrtheit der Verteilungen in unserer Gesellschaftsordnung zu kennzeichnen, gar nicht auf solche angeblich anormale, in Wirklichkeit doch für diese Gesellschaftsordnung normale Verhältnisse hinzuweisen. Denken wir nur an den gemeinen Taglohn, der in Böhmen, Mähren und Galizien, und insbesondere in Italien 30, 50 bis 70 Heller, in Steiermark, Kärnten, Krain und Tirol, wo Bauernwirtschaft vorherrscht, von 1 Krone 50 Heller bis 3 Kronen, in Nordamerika 3 Kronen bis 6 Kronen beträgt, wobei allerdings der arme Pole, bis zum Skelett abgemagert, etwa um ein Drittel weniger als ein Tiroler Bauernknecht, dieser aber nicht viel weniger als ein nordamerikanischer Knecht leistet, worin sich aber wieder nur die soziale und ökonomische Verderblichkeit unserer heutigen Gesellschaftsordnung erweist, denn der Pole erhält nicht weniger Lohn, weil er weniger arbeitet, sondern er kann nicht viel leisten, weil er verelendet ist. Die Meinung nun, daß Lohn und Entgelt im Kollektivstaate mechanisch gleich sein müsse, ist offenbar irrig, aber die große Verdienstlichkeit der Individuen wird nach keinem anderen Maßstabe bemessen werden, als nach dem Verhältnisse des Nutzens, den eines Menschen Leistungen für das gesamte Volk haben. Davon wird auch dort keine Ausnahme zu machen sein, wo noch die Monarchie und etwa eine Anzahl adeliger Familien fortbestehen werden, weil Monarch und Adel nur des Volkes wegen, nicht aber wegen ihrer persönlichen Interessen fortbestehen dürfen. Die Vorteile, welche für größere Verdienste und für größere Nützlichkeit bewilligt werden können, sind verschiedener Art und sollen hier der Gattung nach zur Erörterung kommen, ihre Verteilung und ihr Gesamtmaß wird von den Volksbeschlüssen abhängen. a) Das Arbeitsleitungsrecht. Es ist natürlich, daß der Tüchtigere damit betraut wird, die Arbeit der minder Tüchtigen zu leiten und diese Leitung, welche im Interesse des Volkes zu handhaben ist, ist ein Vorrecht, welches an und für sich schon als ein Teil des Lohnes für größere Leistung in Betracht kommt. Bei den gemeinsten Arbeiten des Feldbauers und in der Fabrik wird man einer Organisation bedürfen, welche Abstufung des Leitungsrechtes einzelner Personen voraussetzt. Dieses Leitungsrecht wird den Tüchtigeren und Verdienteren übertragen, sei es, daß dabei Körperkraft und Ausdauer, oder Aufmerksamkeit, Umsicht und Geschicklichkeit, oder Selbstverleugnung mehr in Anschlag zu bringen sein wird. Daß nun eine Person zur Arbeitsleitung in irgend einem Grade berufen wird, wird immer als Lohn in Betracht kommen. So wird der Tüchtigere als Vorarbeiter (Oberknecht, Partieführer, Werkführer), Abteilungsleiter, technischer Verwaltungsbeamter in den verschiedensten Abstufungen ein von Stufe zu Stufe ausgedehnteres Verwaltungsrecht haben und schon in diesem Amte als solchem eine Anerkennung seiner größeren Verdienstlichkeit mit finden. Das Verwaltungsbefugnis bringt das Recht der Arbeitszuteilung, der Begutachtung der Leistungen und innerhalb gewisser Grenzen auch das Recht Begünstigungen zuzuerkennen, mit sich. Das Leitungsrecht erstreckt sich in den untersten Stufen auf wenige Untergebene und befreit den damit Betrauten nicht von den gemeinen Arbeiten, wird aber beim Verwaltungsbeamten höherer Ordnung zu einer Verteilungsarbeit mit immer wachsender Zahl der Untergebenen, welche auch nach Hunderttausenden und Millionen zählen können. Für die zur Verwaltung Berufenen ist mit einem solchen Amte das Gefühl größerer Verantwortung, mit der erfolgreichen Lösung der Aufgabe das Gefühl der edelsten Befriedigung verbunden. b) Ehrenvorzüge. Das Recht innerhalb genau umschriebener Grenzen von Untergebenen Gehorsam beanspruchen zu können, ist ein Vorzug, den der Tüchtigere an sich zu schätzen weiß. Darum wird es sich aber doch auch empfehlen, jedem Vorgesetzten, in verschiedenen Abstufungen zur Verwaltung Berechtigten (oben a), Ehrenvorzüge einzuräumen, weil es sonst auch an Gehorsam fehlen wird. Der erste Ehrenvorzug niederster Art wird das Recht in sich schließen, den Gruß und Vortritt in Anspruch zu nehmen und ein unterscheidendes Merkmal in der Kleidung zu tragen, welches die Rangstufe auch dem Fremden anzeigt, wobei man aber nicht an Pfauenfeder und Roßschweif zu denken hat. Es soll möglichst einfach, aber weithin erkennbar sein. Es ist auch nicht einzusehen, weshalb ein solcher Staat auf Ehrenzeichen anderer Art, analog den Orden unserer Tage ganz verzichten sollte. Das Lächerliche unserer Orden liegt nicht im Wesen des Ehrenzeichens, sondern in der Art der Verdienste, welche damit belohnt werden. Ehrenvorzüge höherer Art können in einem gewissen Zeremoniell ihre Bestimmung finden. Die Päpste haben in den ältesten Zeiten nach allgemeiner Anerkennung ihres Primates Forderungen zeremonieller Art gestellt, welche als Ehrenvorzüge zu betrachten sind. Sie erschienen allerdings verwerflich, weil auch der beste Papst keine Verdienste um Volk und Menschheit hatte und weil auch Mörder, Betrüger und Diebe, deren sich viele unter den Päpsten fanden, auf dieselben Ehrenvorzüge Anspruch erhoben und sie auch heute noch zugestanden erhalten würden, wenn ein solcher Verbrecher wieder, wie im Mittelalter und in der ersten Hälfte der neueren Zeit, zur Papstwürde gelangte. Wenn nun auch von Kniebeugungen und solchen mit der Menschenwürde ganz unvereinbaren Ehrenbezeigungen und von lächerlichen Titulaturen keine Rede sein dürfte, so wird es sich doch empfehlen, gewisse Höflichkeitsbezeigungen der Untergebenen ihren Vorgesetzten gegenüber sowohl individuell, wie auch korporativ einzuführen. Ich möchte nur erwähnen den Empfang bei Antritt eines Amtes, bei der Rückkehr nach längerer Abwesenheit, bei der Jahreswende, nach zehnjähriger oder mehrjähriger Amtsführung und für ganz besondere Verdienste, wenn auch außerhalb der reinen amtlichen Tätigkeit, bei Todesfällen Trauerfeierlichkeiten besonderer Art, Nekrologe und selbst die Stiftung von Anniversarien, wovon aber die feierlichsten durch Volksbeschluß zuerkannt werden sollen. Ehrenvorzüge, die einen Aufwand verursachen, muß das Volk entweder im einzelnen oder im allgemeinen genehmigen, im allgemeinen durch Erteilung einer Vollmacht an die Verwaltung. c) Das Vorrecht der Wahl. Zu den Vorzügen, welche den Verdienten eingeräumt werden können, gehört das Vorrecht der Wahl und des Zuvorkommens. Schon in den kleinsten Verteilungen wird sich Gelegenheit bieten, es geltend zu machen. So sehr auch die Stuben in den Schlafhäusern sich gleichen mögen, werden sie doch einen verschiedenen Wert haben, Nachbarschaft, Aussicht, Schatten- und Sonnenlage werden darauf Einfluß haben, aber auch sonst wird sich mit der Zeit eine Verschiedenheit herausbilden, die nicht beabsichtiget war. Zimmerschmuck, Mobiliar und anderes werden dazu beitragen. So ist es mit Stoffen für die Kleidung und vielem anderen. Wer nun einen Vorrang hat, wird andern gegenüber wählen können. Ebenso den Platz bei Tisch zu wählen wird sich als ein schätzenswertes Vorrecht erweisen. Inwiefern der Besitz, dieses Wort nicht im Sinne von vermutetem Eigentum gebraucht, stärker ist, als das Wahlrecht, wird die Verteilungsnorm bestimmen. Bei Versetzungen wird auch dieses Wahlrecht der Verdienteren entscheiden. Ebenso wird, wenn Verwaltungsinteressen nicht im Wege stehen, es das Vorrecht des Verdienteren sein, sich die Zeit zu wählen für den Antritt des jährlichen Urlaubs, die Wahl der Reiserichtung, der Theaterstücke und dergleichen zu beanspruchen. Auch das Recht Zeitungen früher zur Hand zu nehmen, neu erschienene Bücher früher zu lesen usw. gehört hierher und das Vorrecht, seine Ansicht in öffentlichen Blättern geltend zu machen, wenn nicht alle gehört werden können. Auch dieses Wahlrecht wird es wünschenswert erscheinen lassen, auf der Stufenleiter der Verdienten vorwärts zu kommen. Und hier ist noch immer von keinem =Aufwande= für die Belohnung größerer Dienste die Rede. d) Vorzüge in Beziehung auf die Wohnung. Wenn diese Vorzüge auch nicht beträchtlich sein werden, so wird man doch den Personen von höherem Beamtenrang eine Wohnung einräumen, welche mehr Behagen und ästhetischen Genuß bietet, wenngleich zu bedenken ist, daß an diesen Vorzügen auch die Familienglieder teilnehmen, welche sich darum nicht verdient gemacht haben. Jedenfalls wird schon in den untersten Gemeinden dem Verwaltungsbeamten, dem Arzte, Pädagogen und den Lehrern eine Amtswohnung zuzumessen sein, die sich vorteilhaft von den Wohnungen der Feld- und Industriearbeiter unterscheidet, sowohl was den Raum als was die Ausschmückung und das Mobiliar anbelangt. Der Verwaltungsbeamte soll auch besondere Empfangsräume haben, wie ihm auch Einladungen zu erlassen die Gelegenheit geboten werden soll. Dieser Vorzug in der Wohnung steigert sich sehr erheblich durch alle Stufen der Hierarchie, und nicht nur für Verwaltungsbeamte, sondern auch für andere Kategorien hervorragender Männer und Frauen, Ärzte, Gelehrte, Künstler, Erfinder, welchen auch der Vorzug zufallen wird, in Wohnansiedlungen höherer Art oder in der Residenz bleibend zu wohnen. Auch da handelt es sich kaum um einen großen Aufwand, weil am meisten wohl die Zuweisung von bereits bestehenden Prachtwohnungen und Mobilien in Betracht kommen wird, welche ihrer Natur nach nicht unter alle verteilt werden =können=. e) Vorzüge in Beziehung auf Kleidung. Auch in Beziehung auf Kleidung kann man den Verdienten große Vorzüge einräumen. Das gilt besonders von Männern, denn bei Frauen und Mädchen wird man vielleicht Jugend und strahlende Schönheit für Verdienst müssen gelten lassen, wo die Verteilung von Kleiderstoffen und Zier in Frage kommt. Ein größerer Aufwand wird gewiß gemacht werden für Bekleidung derjenigen, die sich hervortun, als der Geringere wird beanspruchen können. Besondere Pracht der Festgewänder wird man den Hervorragendsten, den höchsten Staatsbeamten, Akademikern und Professoren und Jenen, die durch Erfindung in Kunst, Wissenschaft und Technik ihnen gleich geworden sind, zugestehen, wobei aber wohl mehr an die Tracht eines Dogen von Venedig als an eine Uniform unserer Tage wird zu denken sein. Es wird niemand daran Anstoß nehmen, wenn die Verteilungsgesetze bestimmen, daß die Kleider der männlichen Bevölkerung aus Loden, die der Verwaltungsbeamten, Ärzte und Lehrer aus feinstem Kammgarn zu machen seien und das wäre eine Ungleichheit, die mit dem heutigen Unterschiede zwischen arm und reich gar keine Ähnlichkeit hätte. f) Vorzüge in Beziehung auf Nahrung. Die trivialste Gier ist Genäschigkeit und Sucht nach Trüffeln und Austern und Bordeau. So lange die Menschen aber danach jagen, wird man auch Gelehrte wie Fettgänse zu stopfen nicht anstehen. Es wird aber die Zeit wohl kommen, wo man sich dieses Vorzuges schämen wird. Wünschen muß man, daß der Geschmack sich ändere und daß Jedermann, auch der berühmte Künstler nur ißt und trinkt, was ihm bekommt und das kann nichts anderes sein, als was auch dem Feldarbeiter bekommt. Dazu gehören schwere Weine gewiß nicht und Austern auch nicht. Doch braucht man im ersten Jahrhundert der neuen Zeit sich daran nicht zu stoßen, wenn es Leute gibt, die ihren Lohn in Tokaier und Kaviar ausbezahlt erhalten wollen, wenn sie ihn nur nicht in Barem verlangen. Die Frage, ob geistige Arbeit mehr Fleischnahrung als körperliche Arbeit und den Genuß von Spirituosen und anderer Stimulantien bedinge, soll hier nicht gelöst werden. Man hört auch ganz entgegengesetzte Urteile und fordert Askese für diejenigen, welche der größten geistigen Anstrengung gewachsen sein sollen. Die staatlichen Verteilungsgrundsätze werden Niemand versagen, was sein Beruf erfordert. g) Das Vorrecht in Beziehung auf einen eigenen Hausstand. Wenn die allgemeine Regel gilt, daß in Gemeinde und Quartier Jedermann für den Staat arbeitet, auch die Ehefrau und die Mädchen in der Familie, so wird man es zu den größten Vorrechten für hervorragende Personen, zu welchen auch die Erfinder gehören, rechnen, einen eigenen Hausstand zu halten, den man sich unter Umständen auch wandernd denken kann, von Stadt zu Stadt und von Schloß zu Schloß. Dabei allerdings sollen die in der Familie heranwachsenden Kinder nicht daran gewöhnt werden, sich für Kinder besserer Leute zu halten. Es wird dafür zu sorgen sein, daß der Glanz, in dem der Vater lebt, nicht auch die Kinder bestrahlt, welche sich Verdienste erst erwerben müssen und eine solche Unterscheidung der Familienglieder wird sich sehr leicht durchführen lassen. Auf die Begünstigung des besonderen Hausstandes dürfen aber nur Wenige, einige Tausende, aber nicht Hunderttausende Anspruch machen und man wird bald bemerken, daß das Verlangen danach ausstirbt und daß die absolute Freiheit des Kollektivismus mehr Bestechendes hat, als die Sorge für einen Hausstand und viele Gäste, die man in monarchischen Staaten recht gerne dem Hofe und dem berufsmäßig dafür bestimmten Adel wird überlassen wollen. Man wird lieber ein überall gern gesehener Gast sein, denn als Gastgeber -- besonders als Gastgeber auf Staatskosten -- geknechtet sein und auch auf das Vorrecht des eigenen Hausstandes wird man nach und nach weniger Gewicht legen. h) Vorrechte in Beziehung auf Geselligkeit. Dieses Vorrecht hängt mit dem oben besprochenen zusammen, insofern man unter Geselligkeit das Vorrecht versteht, ein geselliges Haus zu führen, wozu ja auch der Staat den Größten, sagen wir einem Akademiker oder Minister, die Mittel bieten kann. Viel wichtiger als dieses Recht wird das so mannigfaltig abgestufte Recht sein, an geselligen Vereinigungen als Gast Anteil zu nehmen. Dieses Recht kann in Städten und in der Residenz in einem viel größeren Umfange genossen werden, als in den kleinen Orten, wo die überwiegende Masse des Volkes und die unteren Organe der Staatsverwaltung wohnen. Wenngleich jeder Bergknappe und Weber das Recht haben muß, überall Zutritt zu finden, um seinem Könige die Hand zu drücken (das _shake-hands_ im Weißen Hause) und dem Treiben in den Sälen der Hochadeligen anzuwohnen, so wird ihm das nicht oft zuteil werden können, da sich zeigen wird, daß er nur 3 oder 4 Mal im Leben nach der Hauptstadt kommen kann und seine 14tägigen Urlaube ihm noch andere Vergnügungen bieten müssen, als bloß den Besuch großer Gesellschaften. Anders ist die Lage der bedeutendsten Männer und Frauen, die in der Residenz und den größten Städten wohnen und welche dort heimisch werden, wo jene nur selten den Fuß hinsetzen können. Und man darf wohl sagen, daß Schönheit, Grazie und Geist den Frauen ebenso Bedeutung verleihen kann, wie Kunst und Wissenschaft den Männern. Denn wer könnte sich einen in Licht erstrahlenden Saal denken, in dem das weibliche Element nur durch bleiche Schriftstellerinnen oder kurzsichtige Mikroskopforscherinnen vertreten und das weiblich-ästhetische Element nur geduldet wäre? Aber darum wird man doch nirgends das degradierte Weib, die Pompadour oder Dubarry finden, denn Schönheit wird keine »Kupplerin« sein. Immerhin ist es offenbar daß besonders hervorragende Verdienste auf den Wohnsitz bestimmenden Einfluß haben werden, womit schon an und für sich Vieles gegeben ist, was als sozialer Vorzug wird gelten müssen. i) Vorrechte in Beziehung auf Konzerte, Theater und andere Schaustellungen. Auch nach dieser Richtung werden die Genüsse nicht gleich verteilt sein, wie sich wohl von selbst versteht. Wir können uns ein Bild machen von der Verteilung der Anteilnahme an den Wettspielen als Zuseher. Vor allem werden Personen, die sich selbst schon auf dem Gebiete der Wettspiele hervorgetan haben, wenngleich sie nicht zum Mitbewerb zugelassen werden können, weil Größere da sind, als Zuschauer geladen werden und demnach Urlaub und Reisebewilligung erhalten. Dann werden Experten, welche den Sieg zuzuerkennen berufen sind, eingeladen werden. Endlich wird man Anmeldungen der Höchstverdienten entgegennehmen und sie nach Maßgabe der verfügbaren Plätze beteiligen. Noch mehr gilt die ungleiche Verteilung für k) Reisen im In- und Auslande. Im größten Umfange werden diese nur den Verdientesten und außerdem allerdings auch für Lehrzwecke zugestanden werden. Über Auslandsreisen ist nun Mehreres in XII, 2, zu finden. l) Das Vorrecht in Beziehung auf die in VIII, 5, geschilderten Verteilungen zum Behufe freien Schaffens. Man könnte nach Maßgabe der Rangstufen doppelte, zehnfache und hundertfache Portionen nach Menge und Wert zuerkennen, aber unter der Bedingung der eigenen Verwendung. Nehmen wir an, daß in der Regel auf jeden Erwachsenen 12 Briefe und 25 Korrespondenzkarten fallen, so wird man hochgestellten Künstlern und Gelehrten selbe nach Tausenden und in kostbarer Ausstattung zuteilen. Dieses Recht, in größerem Umfange mit Konsumtibilien beteilt zu werden, hat für bildende Künstler, Schauspieler, Sänger, Gelehrte oder Erfinder einen hohen Wert. m) Das Vorrecht der Arbeitsfreiheit. Diese wird zwar jedem nach Erreichung eines gewissen Alters eingeräumt werden. Man mag die Zurücklegung des 65. Lebensjahres als Grenze des Arbeitszwanges für alle Volksgenossen zum Mindesten annehmen. Freilich wollen das Arbeiter, wenn sie befragt werden, nicht gelten lassen und selbst Bauern wollen eine Arbeitspflicht für den kollektivistischen Betrieb über 60 Jahre hinaus nicht gutheißen und französische Bergleute wollen mit 50 Jahren schon in den Genuß einer Pension von 2 Francs treten. Doch wird die Erkenntnis, wie groß die Zahl dieser Pensionäre wäre, wohl bestimmend sein, für eine Mäßigung dieser Ansprüche. Schon die Altersbefreiung im Alter vom vollendeten 65. Jahre wird für jede Gemeinde von 1000 Köpfen 40-50 Arbeitsbefreite ergeben, die Kinder und Kranken ungerechnet. Dagegen hindert gar nichts, besonders verdienten Personen, also Wenigen, gewiß auch jenen, die sich einem sehr gefährlichen und abschreckenden Berufe widmen, die Arbeitsbefreiung schon mit 50 Jahren, ja in frühester Jugend, wenn sie eine epochale Erfindung gemacht haben, zuzugestehen. So mag es auch mit Beamten, Ärzten und Professoren gehalten werden, welchen man schwerlich mehr als 30-35 Dienstjahre zumuten wird. n) Das Vorrecht der freien Wahl des Domizils. Dieses Recht steht zwar in einem eingeschränkten Maße jedem Arbeitsbefreiten zu. Denn nur mit der geregelten Arbeit ist ein Domizilszwang verbunden und auch für solche, die noch arbeitspflichtig sind, kann nach der Natur ihres Berufes, so Dichtern, Malern, Bildhauern, Wahl des Domizils gestattet werden. In dieser Freiheit aber können zahllose Abstufungen nach dem Grade der Verdienste gemacht werden. Während der arbeitsbefreite Fabrikarbeiter oder Bergknappe vielleicht auf Gemeinden untersten Ranges, mindestens auf Bezirksvororte beschränkt sein wird und ihm ein Domizilwechsel etwa nur einmal im Jahre zugestanden werden kann, er in größeren Städten sich ohne Zweifel nur niederlassen kann, wenn er sich zu mäßigen Diensten, etwa einmal in der Woche, versteht, so zur Reinigung von Straßen und Wegen, Briefbotendiensten, Aufsicht in Sammlungen und Ausstellungen, wird es den Verdientesten freistehen, nicht nur täglich das Domizil zu verändern, sondern auch überallhin sich von Gehilfen, Möbeln, Büchern, Instrumenten und anderen Erfordernissen ihres freigewählten Berufes begleiten zu lassen, wären auch ganze Waggons zur Beförderung notwendig, und sie mögen so reisen, wie heute nur Monarchen oder Staatsmänner reisen. Ihnen natürlich steht jede Stadt des Reiches und jedes Dorf gleichermaßen offen und der mit diesen Domizilsveränderungen verbundene Aufwand wird nicht ins Gewicht fallen, da es nur Wenige sind, die darauf Anspruch haben. o) Andere berufsmäßige Vorrechte. Es ist selbstverständlich, daß neuerschienene Werke vor allem den Fachgelehrten und Fachschriftstellern, neue Poesien den Dichtern, neuentdeckte Stoffe den Forschern und Technikern, Fachschriften den Fachleuten, künstlerische Vorführungen den Künstlern zu Gebote stehen müssen und daß Andere, wenn das Verlangen aller nicht befriedigt werden kann, warten müssen. Auch hieraus ergeben sich Privilegien, welche heute zumeist erkauft werden müssen, deren Befriedigung also nur durch Einräumung eines größeren Gehaltes ermöglicht werden kann. Insoferne aber heute Einrichtungen bestehen, wodurch gewissen Kategorien von Beamten unentgeltliche Genüsse zugewendet werden, ist ja nur eine kollektivistische Einrichtung in unserer privatwirtschaftlichen Welt vorweg eingeführt. So bewilliget man höheren Eisenbahnbeamten Freikarten für unbeschränkte Reisen in ganz Europa mit Ausnahme von Rußland. Das ist ein Stück Kollektivismus und Naturalwirtschaft. p) Das Vorrecht, Pferde und Wagen und Automobile zu halten, kann mit mehr oder weniger Aufwand als Lohn eingeräumt werden. Jedenfalls wird in jeder Gemeinde der Beamtenschaft gestattet werden, drei oder vier Wagen zu halten. Das alles beweist, daß die Naturalwirtschaft nicht nur kein Hindernis bildet, alle Verdienste um Volk und Staat in munifizentester Art zu belohnen, sondern, daß dem Staat dazu auch unermeßliche Hilfsquellen zu Gebote stehen. Es entsteht die Frage, ob diese Ungleichheit der Verteilung nicht besondere Verrechnungsschwierigkeiten bilden könnte. Um sich darüber ein Urteil zu bilden, wäre VI, 8, über Statistik nachzulesen. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß viele oben erwähnte Vorrechte der Verdienten, so a, b, c, g, h, i, überhaupt nicht Gegenstand der statistischen Nachweisungen sind, andere wohl einmal nur im Jahre zur Verrechnung gelangen, so d, e, k, l, m. Diese Verrechnung wird nachzuweisen haben, wie viele Bruchteile der Gesamtproduktion zu solchen Begünstigungen verwendet wurden und daß damit die Verteilungsgrundsätze nicht verletzt wurden. Was aber die Begünstigung in Beziehung auf Nahrung f anbelangt, so wird wohl auch ein Ausweg zu finden sein, um die Verrechnung zu erleichtern. Es könnte der Verwaltung eine gewisse Menge von Gütern verschiedener Art, von besonderen Nahrungsmitteln und Getränken zugewiesen und auf die Gemeinden und Quartiere und zwar mit Bevorzugung der Provinzstädte und der Hauptstadt aufgeteilt werden, worüber sich die Verwaltungsbeamten nur untereinander und einmal im Jahre mit den Begünstigten zu verrechnen hätten. Wird die bewilligte Menge nicht überschritten, so werden die Nichtbegünstigten von der Verteilung nicht berührt. Ebenso ist es ja auch mit der Verrechnung mit Hof und Adel zu halten. Die Frage, ob das souveräne Volk denn in solche Begünstigungen einwilligen wird, kann wohl bejaht werden. Zunächst ist zu bedenken, daß eine lange Periode der Umgestaltung der Alleinherrschaft des Kollektivismus vorausgehen muß, und daß während dieser Periode die Volkssouveränität noch nicht in Wirksamkeit treten kann. Ist die Zeit dazu gekommen, die Volkssouveränität mit dem ausgedehntesten Stimmrechte einzuführen, so werden sich die Verteilungsgrundsätze, welche eine Begünstigung zulassen, bereits eingelebt haben und da sich junge Leute meist mit der Hoffnung tragen, im Leben vorwärts zu kommen, werden sie wenigstens einer solchen Ungleichheit der Verteilung nicht entgegen sein. Hat man dabei aber die größte Ökonomie walten lassen, so wird sich jeder berechnen, wie wenig die Lage der Nichtbegünstigten dadurch gewinnen würde, wenn man alle Begünstigungen aufheben wollte. Weiter muß diese Begünstigung in der Verteilung lediglich in Absicht auf das öffentliche Wohl eingerichtet werden und darf den diesem Zwecke entsprechenden Aufwand nicht überschreiten und darin muß auch die Gewähr liegen, daß der gesunde Volksinstinkt diese Verteilung billigen wird. Wirkliche Verdienste imponieren immer den Massen und sie begreifen sehr wohl, daß die Begabten durch diese Begünstigungen nur angeeifert werden sollen, dem =Volke= mit größtem Eifer und Redlichkeit zu dienen. Bei der Entlohnung von Erfindern kann sich das Volk ja auch leicht berechnen, daß der Nutzen für das Volk immer weit größer ist, als die Vorteile, welche man den Erfindern einräumt. Was das System anbelangt, nach welchem die Vorrechte der Verdienten zuzumessen sind, so wird zunächst vom Volke, wenn es im Besitze der souveränen Gewalt sein wird, in den Verteilungsgesetzen bestimmt werden, welche Art von Vorrechten eingeräumt werden darf und welche Mittel dazu ausgeworfen werden, das heißt in welchem Ausmaße im Verhältnis zur Gesamtarbeitsmenge die Arbeitsbefreiung im Ganzen gerechnet als Lohn eingeräumt werden darf und nach welchem Quotienten der Gesamtgüter allen Begünstigten zusammen bei der Verteilung mehr, als den Nichtbegünstigten zugemessen werden darf. Auch wird bestimmt werden, auf welche Güter und sonstige Genüsse das Recht, Begünstigungen zu gewähren, Anwendung hat. Das wird in derselben Art geschehen, wie sich das Volk mit dem Hof und Adel in Beziehung auf die ihnen zu bewilligenden Mittel auseinandersetzt. Was Wohnräumlichkeiten anbelangt, so werden die Wohnungen und die Gebäude bezeichnet, welche für beständig oder regelmäßig diesem Zwecke gewidmet werden sollen und an großartigen Bauten in den Städten, an Schlössern und Villen hat die frühere Gesellschaft dem Kollektivstaat ebenso wie an Kunstwerken Mobilien und Juwelen so unermeßliche Schätze hinterlassen, daß man sagen kann, die Begünstigung in der Beteiligung mit solchen Gütern, die ja nur zum Gebrauch dienen, geschieht nicht auf Kosten der gegenwärtigen Generation, sondern auf die längst dahingegangener Geschlechter von Ausgebeuteten, welchen man, was sie erlitten haben, nicht mehr gut machen kann. Was Nahrungsmittel und Getränke, von welchen man das allerdings nicht sagen kann, anbelangt, so können bestimmte Weine, das Wild, oder sonst welche Arten von Gütern, z. B. bestimmte kostbare Obstsorten, wenn deren allgemeine Verteilung ohnehin keinen Sinn hätte, wie die allgemeine Verteilung des Tokaiers, den Begünstigten, oder gewisse Kategorien von Begünstigten ausschließlich vorbehalten werden. Dasselbe könnte von dem Rechte zu jagen, gelten. Was nun die Plätze bei Schaustellungen, auf den Eisenbahnen, den Zutritt bei den Festen des Hofes und Adels und in den Schlössern anbelangt, so werden sie den Begünstigten verhältnismäßig ausgeworfen, sagen wir, der zehnte Teil werde dieser Bestimmung gewidmet. Bezüglich der Kleidung kann man ähnlich verfahren und einen Quotienten der dafür gewidmeten Stoffe und Arbeit von der streng gleichmäßigen Verteilung ausnehmen. Hieraus ergibt sich dann das, was der Nordamerikaner _appropriation_, die Widmung nennt, nur erfolgt sie nicht in Geld, sondern in Naturalien. Das Volk wird dann in den Verteilungsgesetzen auch bestimmen, wem die Zuerkennung der Vorzüge zusteht. Für die regelmäßigen Posten im Staatsdienste, für Beamte, Ärzte, Lehr- und Erziehungspersonen, höhere Techniker und Industriedirektoren wird der Grundsatz unserer Beamtenhierarchie angenommen werden. Man wird Kategorien schaffen, welche einander übergeordnet sind. Wie bereits in V, 1, _Alinea_: »Ich bemerke noch« erwähnt wurde, wird es am besten sein, der Staatsverwaltung die Beförderung innerhalb dieser Ämter zu überlassen, jene ausgenommen, die, wie die Volksbeamtenstellen, durch Wahl besetzt werden, womit gleichfalls genau definierte Vorteile verbunden sein werden. Die unterste Stufe der Begünstigten wird die der Werkführer (Partieführer der Vorarbeiten) die nächste Stufe die der geringeren Abteilungsleiter, etwa für Hauswirtschaft, Milchwirtschaft, Kleinviehzucht und dergleichen sein, welchen das unterste Erziehungspersonal gleichgestellt werden mag. Sohin würden die untersten Stufen der Verwaltungsbeamten, Ärzte und Lehrpersonen folgen, während die Bezirks-, Kreis- und Provinzialfunktionäre, dann eine bestimmte Reihe von Organen der Zentralverwaltung, endlich die Minister, die fünf höheren Stufen bilden werden. Wohin nun höhere Techniker und Fabrikdirektoren, Gelehrte, Forscher, Künstler und Erfinder eingereiht werden, wird zu erwägen sein, ebenso, ob obige Stufen in Unterabteilungen zu gliedern seien. Für alle so gebildeten Kategorien wird das Ausmaß der mit der Stellung verbundenen Vorteile festgesetzt werden. Da Künstler und Erfinder, zum Teile auch Forscher, die nicht dem Lehrkörper angehören, nicht Mitglieder dieser Organisation sind, so wird es auch der Verwaltung, oder wer sonst zur Ernennung berufen ist, zugestanden werden, solchen Personen einen Rang gleicher Art, wie er für diese Organisation bestimmt ist, zu verleihen, z. B. den 4. 5. Rang oder selbst der Vorrang vor den Ministern. Alles das möglichst sparsam einzurichten, gerade nur so, daß etwas Ehrgeiz und viel Amtseifer geweckt wird, ist zum Grundsatz zu machen, wobei immer dem Volke gewisse Befugnisse vorbehalten werden mögen, zum Beispiel, Personen der freien Berufe, Erfindern, Künstlern und Forschern einen höheren Rang zu verleihen.[38] Auch da kann den Kreisen oder Bezirken das Recht eingeräumt werden in gewissen Perioden eine oder zwei Stellen außerhalb der Organisation zu verleihen. [38] Man hat in Österreich in neuerer Zeit den Gebrauch eingeführt, den Beamten, die besonders verdient sind und die man doch in ihren Posten belassen will, einen höheren Rang und Bezüge zu gewähren, als mit ihren Posten regelmäßig verbunden ist. Das wird wohl nachzuahmen sein. Es ist somit keinem Zweifel unterworfen, daß der Kollektivismus und die Naturalwirtschaft gar kein Hindernis bilden, alle jene Mannigfaltigkeit unserer Zustände nachzuahmen, die dem Volke und dem Fortschritte nützlich sein mag. Dagegen hängt es niemals vom Einzelnen ab, sich Vorteile zuzueignen, welche ihm nicht gebühren, wozu in unserer Gesellschaftsordnung der Geldwirtschaft wegen Gewalt, Diebstahl, Betrug, Veruntreuung und politischer oder wirtschaftlicher Schwindel Gelegenheit bieten, durch welche man alles leichter erreichen kann, als durch Verdienste um das Volk und den Staat. Als politischen Schwindel betrachte ich auch jene Wohldienerei gegen Souveräne und Machthaber, durch welche man in früheren Zeiten große Güter erlangen konnte, und welche für Verdienste um den Staat ausgegeben wurden, in Wirklichkeit Versündigungen am Volke genannt werden sollte. Plato sagt mit Beziehung auf die herrschende Gesellschaftsordnung, daß man durch Recht mit Unrecht größere Vorteile erlangen könne, als durch Gerechtigkeit allein. Der Kollektivismus gewährt nur Vorteile für gerechte Ansprüche. Ich will nun gelegentlich hier noch erwähnen, daß die gesetzlich normierten Vorrechte zwar budgetmäßig im Gesamtausmaße begrenzt sein müssen, soweit sie nämlich die Verteilung berühren, daß es aber gar keinem Anstande unterliegt, der Bewegungsfreiheit der Verwaltung und den Begünstigten allerhand Spielraum einzuräumen. Es können die Begünstigten untereinander gewisse Tauschgeschäfte machen, welche die Verwaltung zur Kenntnis nimmt und bei der Vornahme der Verteilung berücksichtigt. So kann ein eitler Mensch auf Reisen und Theater oder auf Wohnungsvorteile Verzicht leisten, wenn ihm großer Kleiderluxus eingeräumt wird und umgekehrt. Wenn die Gesamtziffern nicht verrückt werden, hat das Volk keinerlei Interesse, sich in solche Abweichungen von der Verteilung einzumengen. Der in Geld bezahlte Lohn kann auf das verschiedenste verausgabt, oder auch erspart werden. Letzteres soll der Kollektivstaat nicht zulassen, das heißt, das nicht in Anspruch genommene für die Gesamtheit verwerten, aber die Naturalwirtschaft bietet im Kollektivstaat, wo nur =ein= Produzent, der Staat, Genüsse bieten kann, kein Hindernis, den Begünstigten die Wahl einzuräumen, welche Genüsse er in Anspruch nehmen mag. Das wird nur eine vergleichende Bewertung der Genüsse voraussetzen. Diejenigen, von welchen in I, _Alinea_: »Was die Personen und« die Rede ist, werden auch einen prozentuell höheren Aufwand als die Masse der Bevölkerung verursachen, aber auch zur Auseinandersetzung dieser Personen mit dem Volke wird ein prozentueller Maßstab insgesamt in Anschlag kommen. Es werden in diese Kategorie nur wenige Menschen fallen, da die kleinen Besitzer in ihrem Anteil am Gesamtvermögen reichlichen Ersatz finden. 10. Religion, Kultus, Festlichkeiten. Zu den wesentlichsten Grundlagen der Gesittung rechnet man die Religion. Man ging von jeher von der Anschauung aus, daß ein Volk ohne Religion nicht regiert werden könne, daß das Volk eine Religion verlange und ein Bedürfnis nach religiösen Vorstellungen und Feierlichkeiten habe, und die größten Monarchen haben die Religion beschützt und der Macht der Kirche Vorschub geleistet. So hat Karl der Große nicht nur die Sachsen mit Feuer und Schwert der katholischen Kirche unterworfen, sondern dem Fastengebot staatlichen Schutz gewährt und jeden Fastenbrecher mit schweren Strafen, ja in gewissen Fällen mit dem Feuertode bedroht. Er ging ohne Zweifel von der Meinung aus, die königliche Gewalt werde immer stärker sein als die kirchliche Gewalt, und so sah er ohne Argwohn zu, wie die Kirche durch Lehre, Kultus und Strafe das Volk unterjochte, denn er sah in der Kirche nur ein Werkzeug des Kaisers. Damit bereitete Karl die Schmach des Kaisertums vor, das in immer größere Abhängigkeit vom Papsttum verfiel. Auch die Hohenstaufen gingen von derselben Anschauung aus. Friedrich Barbarossa lieferte Arnold von Bresnia dem Feuertode aus und hieß es gut, daß Lucius III. den Bannstrahl gegen die Ketzer schleuderte, indem er den Glaubensrichtern den staatlichen Beistand versprach. Friedrich II. erließ 1224 ein Gesetz, worin er die Ketzer mit dem Feuertode bedrohte und die Errichtung von Ketzergerichten anordnete. Dadurch wurde die Macht des Papsttums so erhöht, daß es die Hohenstaufen erniedrigen und vertilgen konnte. Es war immer ein verfehlter Herrscherinstinkt, welcher die Monarchen bestimmte, der Religion ihre Unterstützung zu leihen, und darum ist es zweifellos, daß die Religion nur als ein Mittel, die Herrschaft der Tyrannen zu befestigen, angesehen und aus diesem Grunde verbreitet und staatlich beschützt wurde. In einer vollkommen demokratischen Gesellschaft hängt die Gesittung keineswegs von der Aufrechterhaltung der Religion ab, und ebensowenig bedarf man ihrer zum Schutze der Autorität, die man ja dem Volke nicht aufdrängen will. Doch wird der Kultus so lange aufrecht erhalten werden müssen, als er dem ästhetischen Sinne des Volkes ein Bedürfnis ist. Übrigens wird der Staat, sobald er den Wert des Kollektivismus erkannt, zu den Grundsätzen der nordamerikanischen Staaten übergehen, die jede konfessionelle Lehre aus den Schulen ausschließen. Aber auch den Eltern wird man solche konfessionelle Lehren in der Familienerziehung nicht gestatten, die mit der staatlichen Erziehung und dem Unterrichte im Widerspruch stünden. Die Zeit wird kommen, wo man von den Dienern der Kirche ebenso wie von jedem Anderen Anteil an der geregelten Arbeit fordern wird, da die freie Zeit reicht, religiöse Übungen und Kultusfeste zu halten. Aber auch vom religiösen Kultus abgesehen, besteht ein Bedürfnis nach Unterbrechung des Alltagslebens durch Festlichkeiten im engeren und weiteren Kreise. Die Gesetzgebung stellt die allgemeinen Grundsätze auf, welche Feierlichkeiten und Festlichkeiten zu veranstalten sind, welcher Aufwand dabei stattfinden soll, wem die Anteilnahme dabei zu gestatten ist. Die Ausführung dieser Gesetze steht der Staatsverwaltung zu. Die Anlässe können individuelle und allgemeine sein. =Die Geburt.= Die Geburt eines Kindes, zum mindesten die legitime Geburt eines Kindes, VII, 2, ist ein natürlicher Anlaß zur Veranstaltung einer Feierlichkeit. Sie wird stattfinden, sobald die Mutter daran Anteil nehmen kann, also etwa vier Wochen nach der Entbindung. Die Festlichkeit wird darin bestehen, daß dem Neugeborenen ein Name gegeben wird, entweder nach der Wahl der Mutter allein oder nach der Wahl beider Eltern oder, falls die natürliche Mutter schon vorher gestorben ist, nach der Wahl der Wahlmutter, VII, 5, b. Es wird dabei Sorge zu tragen sein, daß die Familiennamen genau unterschieden werden, innerhalb der Familien aber kein Personenname gewählt wird, der von einem anderen noch lebenden Mitgliede derselben Familie getragen wird. Es wird der Natur der Sache entsprechen, daß der Verwaltungsbeamte oder sein Delegierter zur Feierlichkeit erscheint, den gewählten Namen, der in die Standesregister eingetragen wird, proklamiert, eine Ansprache hält und den neuen Bürger in den Schutz des Staates mit allen jenen Rechten übernimmt, die ihm kraft der Verfassung zustehen. Namens des Neugebornen mag die Mutter oder Wahlmutter die Versicherung geben, daß derselbe sich dem Staate dankbar erweisen und ein nützliches Glied der Gesellschaft zu werden sich bemühen wird. Es wäre das eine Nachahmung der Aufnahme der Neugebornen durch die Taufe in die Kirche. Aber der Staat wird sein besseres Recht auf die Jugend sich nicht nehmen lassen. Daran wird sich eine Festtafel schließen, an welcher außer dem Verwaltungsbeamten und einigen Verwandten eine Zahl von geladenen Gästen teilnehmen mögen. Der Aufwand wird nun darin bestehen, daß den Teilnehmern kostbarere Gerichte und Getränke als täglich geboten werden. Nachdem die Zahl der Geburten im kommenden Jahre mit ziemlicher Genauigkeit vorausberechnet werden kann, wird der Gesamtaufwand leicht vorauszubestimmen sein. Er wird nach dem Prinzip der Naturalwirtschaft bestimmt werden, ausgedrückt in einer für das ganze Reich festgesetzten Menge von Wein, Bier und anderen Getränken, insofern der Alkohol noch nicht aus der Volkswirtschaft verdrängt ist, und von ausgewählten Gerichten, nämlich Wild, Fischen, Fleisch, Geflügel usw. Die Staatsverwaltung hat dann den genehmigten Aufwand auf die Provinzen, Kreise und Bezirke aufzuteilen, und die Verwaltungsbeamten haben die Bestimmungen für die einzelnen Fälle innerhalb der ihnen von der Verfassung gezogenen Grenzen zu treffen. Für die Verteilung kann die Gesetzgebung auch noch weiters gewisse Vorschriften machen, so daß eine gewisse Abstufung vorgeschrieben wird für Geburtsfestlichkeiten in den Familien von Lehrern, Ärzten, Beamten und aufwärts bis zu den höchstgestellten Personen, Unterschiede, die auf die Zahl der Gäste und die Menge und Kostbarkeit der Speisen und Getränke und den anderen Aufwand Bezug haben. Die Verteilung nach diesem Grundsatze für die einzelnen Fälle liegt der Staatsverwaltung ob. =Aufnahme in die Schule.= Ob auch diese mit einer Festlichkeit verbunden werden soll und welcher Aufwand dafür gestattet wird, hängt gleichfalls von der Gesetzgebung ab. Doch scheint es, daß die Zahl der Festlichkeiten zu sehr vermehrt würde, wenn auch dieser Anlaß gefeiert würde. Da die Gesamtmittel gegeben sind, wird der Aufwand im einzelnen Falle um so geringer sein müssen, je mehr Festlichkeiten veranstaltet werden. =Aufnahme unter die volljährigen und eigenberechtigten Bürger.= Mit Eintritt des Bürgers in das 19. Lebensjahr wird ein Lebensabschnitt bezeichnet, der gleichfalls Anlaß zu einer Festlichkeit bietet. Es wird eine Ansprache des Verwaltungsbeamten oder seines Delegierten und eine Antwort des Gefeierten am Platze sein und sich daran gleichfalls eine Festtafel schließen. Bezüglich des besonderen Aufwandes und dessen Abstufung gilt dasselbe, wie oben; vielleicht wird die Höhe des Aufwands schon nicht mehr von den Verdiensten der Eltern, sondern von dem Charakter und den bisherigen Verdiensten des Gefeierten abhängig sein. =Vermählung.= Auch die Vermählung eines Bürgers ist ein Anlaß zur Feier einer Festlichkeit, und dafür gelten dieselben Bestimmungen, wie für die vorhin erwähnten Feste. Das Gesetz bestimmt die zur Gültigkeit der Ehe erforderlichen Förmlichkeiten. Die Trauung wird wohl vom Verwaltungsbeamten zu vollziehen sein, der eine entsprechende Rede halten mag. Auch zu dieser Funktion kann er Vollmacht zu erteilen berechtigt werden. Der Aufwand wird etwas größer sein für die Vermählungsfeierlichkeiten, als für andere Privatfeste. Auch die Abstufung mag sich innerhalb weiter gesteckter Grenzen bewegen. Es kann sich an die Festtafel ein Tanzfest anschließen, es kann der Bezirksvorort, der Kreisvorort oder der Provinzvorort zu diesen Feierlichkeiten als Festort bestimmt und ein gewisser Aufwand an Reisen, Beurlaubungen, Festkleidern, Aufzügen genehmigt und den Neuvermählten eine Zeit der Befreiung von jeder Arbeit und dergleichen bewilligt werden. Diese reicheren Feierlichkeiten und sonstigen Annehmlichkeiten sollen denjenigen, die die Pflichten und Sorgen der Ehe auf sich nehmen, ein Äquivalent bieten. Insofern nicht allen Gliedern der Gesellschaft die Ehe bewilligt wird, wird die Versagung der Geburtsfeierlichkeiten für die illegitimen Geburten einen Teil jener Übel bilden, welche der Staat verhängt, um illegitime Geburten zu verhindern. =Der Geburtstag der Alten=, die das neunzigste oder fünfundneunzigste Jahr erreicht haben, wäre ein sehr geeigneter Anlaß für Festlichkeiten. Man hätte allen Grund, die Volksgenossen, welche ein besonders hohes Alter erreicht haben, zu ehren. =Bestattungsfeierlichkeiten.= Daß die Bestattung der Verstorbenen den Anlaß zu gewissen Feierlichkeiten bietet, ist offenbar. Auch die Trauer soll einen ästhetischen Ausdruck finden. Ob die Toten begraben oder verbrannt werden, kann Gegenstand der Gesetzgebung sein oder der freien Verfügung der Einzelnen oder den Hinterbliebenen überlassen werden. Daß den Verstorbenen von allen Bewohnern der Gemeinde oder des Quartiers und außerdem von Verwandten und Freunden das Geleite zur Ruhestätte gegeben wird, ist vorauszusetzen. Insofern aber auch ortsfremden Personen dazu Urlaub und Reise bewilligt werden sollen, ist Sache der Verteilungsbeschlüsse. Zur Bestattung hervorragender Personen, die das Volk besonders ehrt, werden die Bezirke und Kreise Abordnungen entsenden, welchen der Staat Urlaub und Reise zu bewilligen hat. Auch hierin und in Hinsicht auf den Trauerpomp wird eine Abstufung in sehr weit gesteckten Grenzen gutzuheißen sein. Die Totenmahle sollten außer Übung kommen, weil sie nicht zur Trauerstimmung passen. Eher würde sich empfehlen, den nahestehenden Personen, insbesondere der Witwe oder Mutter Urlaub zu gewähren und ihnen das Fernbleiben von den gemeinsamen Mahlzeiten, eine Reise oder sonst etwas zu gestatten, was dem Gemüte Trost gewähren kann. Jeder damit verbundene Aufwand, nämlich Urlaub, Reisen u. dergl., bedarf der Genehmigung durch die Verteilungsgesetze. Der Tod besonders verdienter Menschen kann Anlaß zu besonderen Feierlichkeiten geben, so daß der Leichnam nach einem größeren Orte gebracht oder in mehreren Orten Trauerfeierlichkeiten gehalten werden, daß hervorragende Redner Gedächtnisreden halten, zum Gedächtnisse selbst eigne Werke herausgegeben und in allen Bibliotheken aufgestellt werden, daß man Denkmäler setzt oder Gedächtnistage für jedes Jahr, jedes Dezennium oder Jahrhundert stiftet. Auch hier wird die Verteilung nach den vom Volke genehmigten Grundsätzen in der Regel durch die Staatsverwaltung vorgenommen, es können aber auch bei ganz ungewöhnlichen Verdiensten der Verstorbenen besondere Volksbeschlüsse eingeholt werden. =Besondere Anlässe zur Feier von Individuen.= Solche besondere Anlässe können sein, der Amtsantritt von Lehrern, Ärzten, Beamten nach ihrem Range, sowie die Jahresfeier oder der Gedenktag nach 10, 25 Jahren, hierher gehören auch die Abiturientenfeiern und ihre Gedenktage für die Studierenden höherer Schulen. =Anlässe allgemeiner Natur.= Solche Anlässe sind die Gründung von neuen Gemeinden, Gebäuden und größerer Anstalten und die Gedenktage daran, die Erlassung gewisser Gesetze usw. Ebenso eignen sich Frühjahrsanfang, Sonnenwende und Ernte zur Veranstaltung von Festlichkeiten, so auch Weihnacht und Ostern. Dabei kann der Aufwand naturgemäß bei ganz besonderen Anlässen viel weiter gesteigert werden als unter den heutigen Verhältnissen, nachdem der Reichtum und dessen Konzentrierung weit über das hinausgeht, was in der heutigen Gesellschaftsordnung zu erreichen möglich ist. Die Ansammlung von Menschen, Gefährten, Pferden und anderen Tieren und die Vereinigung von Künstlern und Künstlerinnen aller Art in Theatern und Arenen kann eine Ausdehnung annehmen, für die uns heute jeder Maßstab fehlt. Der Staat braucht sich zu diesem Zweck nichts zusammenzubetteln, da alle Güter im Staate und alle Personen ihm zur Verfügung stehen. Er ordnet nur an, daß ein bestimmtes Festprogramm durchgeführt werden soll und wer daran Anteil nehmen kann, nämlich nach Kategorien und anderen allgemeinen Kennzeichen. Gegen solche Feierlichkeiten kann das Herrlichste, was selbst Rom unter den Kaisern gesehen hat, nicht in Betracht kommen. Zu mehr oder weniger großartigen Feierlichkeiten können die Wettbewerbungen in allerlei Geschicklichkeiten und Kunstaufführungen Anlaß geben, und diese Wettbewerbungen werden bezirksweise, unter den Preisgekrönten der Bezirke nach Provinzen oder für das Reich veranstaltet werden. So wie aber großartige Festlichkeiten aus allgemeinen Mitteln veranstaltet werden können, ist es auch denkbar, daß der Aufwand von einzelnen bestritten wird. Wenn jeder Bewohner des Staates für einen solchen bestimmten Zweck eine Stunde seiner Muße und einen Teil der auf ihn entfallenden Konsumtibilien widmet und an der Herstellung herrlicher, dem Feste gewidmeten Gegenstände, nach einem vorher angenommenen Plane im organischen Verbande mit anderen mitarbeitet, so kann etwas Staunenerregendes geschaffen werden. Die Verfassung und der Druck von Werken, die Schaffung von Kunstwerken aus kostbarem Material, der Bau von Häusern und deren Ausstattung und Einrichtung kann solchergestalt zustande kommen. So zur Feier des siebzigsten Geburtstages eines Virchow oder Röntgen. Die allgemeinen Feierlichkeiten zeichnen sich dadurch aus, daß niemand prinzipiell und gänzlich davon ausgeschlossen ist, wenn auch nur wenige berechtigt sein mögen, ganz nach Belieben an =allen= Feierlichkeiten teilzunehmen. Es gibt keine Unglücklichen -- es wäre denn jemand, der harte Strafe verdient hätte -- der nur mit Neid sehen könnte, wenn andere genießen, was er selbst ganz und gar entbehren muß. Heute ist die Freude der einen der Kummer und die Entbehrung, ja der Hungertod anderer. Das ist dem Kollektivismus fremd, der nur Zufriedene machen will. Und die Abstufung in den Genüssen soll ihren Grund immer nur im öffentlichen Interesse haben, so daß auch der an den Festlichkeiten nicht Beteiligte einen indirekten Anteil an den Freuden anderer hat. Die Bevorzugung der wenigen soll immer nur der Lohn von Diensten sein, die allen geleistet wurden. Diese Festlichkeiten werden zur Veredlung des Volkes viel beitragen, und sie werden höchstwahrscheinlich ein vortrefflicher Ersatz für die in Verfall geratenden religiösen Kulte sein. Denn während der religiöse Kult eine Gottheit verherrlicht, =werden die Festlichkeiten des Kollektivstaats das Menschentum verherrlichen=. Sie werden dazu anregen, dem wahrhaft Großen, den großen Geistern nachzustreben und in ihnen die Menschheit zu verehren, aus der sie hervorgegangen. 11. Die Wettbewerbungen, Glücksspiele. Die olympischen Spiele der Griechen haben vielleicht das meiste zur Entwicklung der griechischen Kultur beigetragen, und es würde zu den Aufgaben des Kollektivstaates gehören, etwas Ähnliches ins Leben zu rufen, nur viel großartiger, mannigfaltiger und in rascherer Aufeinanderfolge. Die heutigen Großstaaten umfassen eine viel zahlreichere Bevölkerung, sie sind viel reicher und der allgemeine Fortschritt entwickelt sich viel rascher. Es würden auch die Wettspiele und andere Wettbewerbungen spezialisiert und nicht, wie die olympischen Spiele, geistige und körperliche Übungen zusammenfassen. Auch würden sie nicht auf =einen= Ort beschränkt, sondern Bewerber, Schiedsrichter und Schaulustige in den verschiedensten Städten des Reiches versammeln. Die meisten Wettspiele würden allen Nationalitäten des Reiches gemeinsam eröffnet werden, Poesie und Drama aber wohl national geschieden. Endlich würden diese Wettbewerbungen abgestuft und zuerst nach Kreisen, und für die Sieger in den einzelnen Kreisen die Wettbewerbungen im ganzen Reiche veranstaltet. Der Preis, um den man sich bewerben würde, wäre nicht nur der Ruhm des Sieges, sondern es könnten auch Prämien der verschiedensten Art zuerkannt werden, zumeist bestehend im lebenslänglichen Gebrauche gewisser kostbarer Güter. So die edelsten Pferde zu reiten für den Sieger in der Reitkunst, die besten und berühmtesten Geigen zu spielen für den Sieger im Violinspiel u. a. Die Sieger würden wieder auf Kosten des Staates zu auswärtigen Veranstaltungen gleicher Art entsendet werden, wie man auch die berühmtesten Ausländer einladen würde, an unseren Wettbewerbungen teilzunehmen. Hier wäre noch zu bemerken, inwiefern man das Glücksspiel dulden könnte, wenn die Spielwut nicht ganz erlöschen würde, obgleich der Sinn des Kollektivismus ist, dem Zufall keinen Einfluß mehr zu gestatten. Da der Staat alle Güter verwaltet, kann ohne seine Zustimmung nichts mehr aufs Spiel gesetzt werden. Doch könnte man der Spielwut immerhin kleine Zugeständnisse machen. Weshalb sollte man nicht, solange noch Bier gebraut wird, einen Krug Bier ausspielen, oder gewisse Reiseberechtigungen dem Sieger im Kartenspiel oder Domino oder Schach überlassen dürfen? Das Schachspiel könnte sogar in die Reihe jener Künste aufgenommen werden, die von Staats wegen zu fördern und für welche Wettbewerbungen im größten Maßstab eröffnet werden sollten. Auch ist der Sieg im Schachspiel nicht vom Zufall abhängig, daher es auf staatliche Förderung Anspruch hat. 12. Nachweis der Ökonomie der in diesem Werk vorgeschlagenen Organisation des Verteilungs-, Sanitäts- und Unterrichtsdienstes. Um zu beurteilen, ob der Kollektivstaat alles das für die Veredelung des Volkes, für Sanität, Erziehung und Unterricht leisten könnte, was in diesem Werke versprochen wird, ist es vor allem notwendig, daß man prüft, ob es richtig ist, daß die Verteilung im Kollektivstaat mit so geringem Arbeitsaufwand besorgt werden kann, wie hier behauptet wird. Ich glaube, daß der Abschnitt VI, 8, über die Statistik, das ziemlich klar macht. Wenn man nun aus unserer heutigen Statistik ermittelt, wie viele Menschen heute mit dem Umsatze der Güter zu tun haben, so kann man die Ersparnis an Arbeitskräften für den Güterumsatz ermitteln und zeigen, daß dadurch viel mehr Personen für Sanität und Unterricht frei werden, als der Staat braucht, um die von mir geforderten Leistungen zu bestreiten. Es gibt verschiedene Berufe und soziale Schichten, in welchen die Einführung des Kollektivismus mit Aufhebung des Handels und der Geldwirtschaft eine Veränderung herbeiführen muß, indem manche Berufe, so insbesondere der Handelsberuf und der durch den Handel verursachte Arbeitsaufwand erlöschen, andere Berufe neu organisiert werden und neue Funktionen übernehmen, daher die dafür gewidmeten Arbeitskräfte vermehrt werden müssen. Andererseits werden auch neue Kategorien von Arbeitsbefreiten geschaffen, die der Staat zu erhalten hat, wogegen die heutige Gesellschaft die Besitzenden ohne Arbeitsgegenleistung erhalten muß, welche, wenigstens der Mehrzahl nach, in der künftigen Gesellschaftsordnung in einen der dann bestehenden Berufe eintreten müssen. Was die Verschiebungen in den Berufen anbelangt, so handelt es sich vorzüglich um den Handel, den öffentlichen Dienst, den Unterricht und den Sanitätsdienst; was die Verschiebungen in den arbeitsbefreiten (unproduktiven) Gesellschaftsschichten anbelangt, so handelt es sich vorzüglich um eine menschenwürdige Altersversorgung in der künftigen Gesellschaftsordnung einerseits und um Ausgedingler, Haus- und Rentenbesitzer, Pensionäre und Almosenempfänger, Pfründner und andere unproduktive Personen in der heutigen Gesellschaftsordnung. Von der Altersversorgung wird in XI, 1, c, die Rede sein. Die Ermittlung der oben erwähnten Berufe wird nach den Volkszählungen des Jahres 1900 in Österreich und Ungarn gemacht und es werden die beiderseitigen Ziffern zusammengezogen, wobei die Ziffern für Ungarn in manchen Punkten schätzungsweise mit der Hälfte der für Österreich gültigen Ziffern eingestellt werden, weil die ungarische Statistik manches, was in Österreich gesondert nachgewiesen wird, zusammenfaßt und diese Veranschlagung jedenfalls der Wahrheit so nahe kommt, als man für diese Arbeit braucht. Der Handel beschäftigte in beiden Reichsteilen, Österreich und Ungarn, zusammen 665 949 Pers. der öffentliche Dienst XXVI, 1 u. 2 des 98 260 " Volkszählungsoperates der Unterricht XXVI, 3 " 141 681 " der h. Sanitätsdienst XXVI, 4 " 18 812 " der n. Sanitätsdienst XXVI, 5 " 26 625 " Advokaten und Notariat XXVI, 8 " 21 439 " ------------- in Summa 972 766 Pers. Es handelt sich hier um einen Bevölkerungsstand von rund 45 Millionen oder, nach der von mir angenommenen Verteilung der Bevölkerung um 45,000 Gemeinden und Quartiere von durchschnittlich 1000 Bewohnern. Hierbei sind Post- und Telegraphenbetrieb, obwohl dabei große Ersparnisse an Arbeit wahrscheinlich sind, dann einige kleine Nebenberufe des Handels und selbstverständlich der Transport nicht in Rechnung gestellt. Da nun in der künftigen Gesellschaftsordnung die Verteilung im Großbetriebe von den Verwaltungsbeamten besorgt wird, welche den Handelsstand entbehrlich machen, so beansprucht der Kollektivstaat für jede Gemeinde und Quartier einen Verwaltungsbeamten, dem eventuell ein Volksbeamter beigegeben wird, das macht für 45,000 Gemeinden und Quartiere 90 000 Personen mit einem Zuschlage von 18 000 " für übergeordnete Beamte und Zentralstellen, es beansprucht ferner der Unterrichtsdienst je 8 Volksschullehrer für 45,000 Gemeinden und Quartiere 360 000 " mit einem Zuschlage von 180 000-A- " für übergeordnete Organe des Unterrichts, der Zentralstelle, der Hochschulen, Universität und Akademie, ferner zwei Ärzte, einen männlichen und einen weiblichen für je eine Gemeinde oder Quartier 90 000 " mit einem Zuschlage von 18 000 " für übergeordnete Organe des Sanitätsdienstes, die Zentralstelle und Spezialärzte ----------------- in Summa 756 000 Personen oder rund um 220,000 Personen weniger als oben für das Jahr 1900 in Österreich-Ungarn ausgewiesen wurde. Das ist wesentlich die Folge davon, daß durch die Pauschalversorgung der Bevölkerung und den Umsatz von Gemeinde zu Gemeinde, statt von Individuum zu Individuum, sowie durch Naturalwirtschaft und durch Vereinheitlichung des Umsatzes in der Hand des Staates dieselben ökonomischen Vorteile erzielt werden, wie durch das Clearingsystem. -A- Hierbei ist auch die Vermehrung der Hochschulstudierenden in Anschlag gebracht. Freilich wird das niedere Sanitätspersonal, dann das Erziehungspersonal und der Unterricht in den vier ersten Volksschulklassen zu Lasten des Haushaltungspersonals gerechnet, allein auch heute beteiligt sich die Familie an der Krankenpflege, der Erziehung und dem Unterrichte und es wird das in Zukunft mit weit größerem Erfolge geschehen, weil die Bildung der weiblichen Bevölkerung im Kollektivstaate eine weit größere ist. Außerdem wird erwartet, daß die Zentralisation der hauswirtschaftlichen Arbeiten eine Ersparnis an Arbeitskräften mit sich bringen wird, wodurch der Mehraufwand an Erziehungs- und Krankenpflege wettgemacht werden dürfte. Eine Vergleichung zeigt also, daß die Verteilung (der Gütertausch), der Unterricht und das Sanitätswesen zusammengenommen eine geringere Belastung der Volkswirtschaft beanspruchen wird, als in der heutigen Gesellschaftsordnung, obgleich der Kollektivismus in allen diesen Zweigen der Volkswirtschaft mindestens dreimal mehr leistet, als die heutige Gesellschaft. Das gilt nicht nur vom Unterrichts- und Sanitätsdienst, sondern auch von der Güter- und Arbeitsverteilung, welche zugleich -- =ohne Verwaltungskosten= -- die beste Versicherung für alle ökonomischen Wechselfälle des Lebens bietet. Nicht nur wird der Sanitätsdienst die Aufgabe haben, den allgemeinen Gesundheitszustand zu heben, sondern auch auf die Verteilung der Arbeit, die Berufswahl und die Erteilung der Ehebewilligung und im weiteren auf die psychische und physische Veredelung des Volkes Einfluß zu nehmen. Die heutige Güterteilung wirkt zugleich indirekt als Zwang zur Arbeit. Diese Art des Zwanges wird aber im Kollektivismus durch direkten Zwang ersetzt, wie er beim Militärdienst geübt wird. Mit dem Hinwegfalle der Arbeits=kräfte=, welche heute im Handel verbraucht werden, welche Ersparung allein als Handelsunkosten veranschlagt wurden, wird in Zukunft auch ein großer sachlicher Aufwand in Ersparung gebracht, den der Handel verursacht, ein Aufwand für Geschäftsräume, für Lagerräume, für Annoncen und Reisen, mit einem Worte alles, was in den Betriebsrechnungen der Kaufleute außer dem Salär an Spesen verrechnet wird. Ferner gehört zum Aufwande für die Verteilung durch Kauf und Verkauf auch mancherlei Arbeit der selbständigen Unternehmer, nämlich der Bauern und Gewerbsleute -- in Österreich mehr als 4 Millionen Personen -- welche in der Berufsstatistik nicht als Handelsarbeit ausgewiesen wird, so das Marktfahren, die Gänge zu Behörden und Anwälten, das Handeln und Schachern beim Verkauf von Kälbern und Schweinen, beim Ankauf von Saatgut, beim Verkauf von Kartoffeln, Ackerfrüchten und Milchprodukten, von Eiern, beim Ankauf von Werkzeugen und beim Anwerben von Dienstleuten. Ferner sind noch viele Gewerbe in unserer heutigen Gesellschaftsordnung mindestens zur Hälfte als Handelsgewerbe zu rechnen und zwar: Fleischer, Selcher, Bäcker, Zuckerbäcker, Kaffeesieder, Ausschänker, Gasthöfe und Wirte. Von den in diesen Gewerben Tätigen wurden 1900 in Österreich-Ungarn 317 731 gezählt und zwar mit Ausschluß der Arbeiter in den vier ersten Gewerben, daher reichlich die Hälfte, nämlich 159,000 auf Verteilungsarbeit (in den Gast- und Kaffeehäusern Bedienung) zu rechnen sind. Mit dem Handel entfällt auch die Handelsarbeit der Kundschaft, welche statistisch nicht ausgewiesen werden kann. Da die Kundschaft zum Kaufmann geht, der sie erwartet,[39] die Kundschaft auch im Laden die Abfertigung abwarten muß, kann man wohl annehmen, daß der Zeitverlust und Arbeitsaufwand der Kundschaft im Handel ein und einhalbmal soviel beträgt, wie der Arbeitsaufwand der im Handelsberufe tätigen Personen oder die Jahresarbeit von 998 924 Personen dazu Tätige im Handelsberufe 665 949 " ------------------ Gesamthandelsarbeit 1 664 883 Personen nahezu 1,7 Millionen Menschen von 45.000,000 Einwohnern. [39] Das gilt nur nicht vom Hausierhandel, der aber nur den 24. Teil der im Handelsberufe beschäftigten Personen in Anspruch nimmt. So wie der Geldhandel eine vielfach vollkommenere Güterumsatzform ist, als der Tauschhandel, zwischen einzelnen Personen, so ist der Güterumsatz im Kollektivstaat vielmal vollkommener und ökonomischer als der Geldhandel. Ebenso ist der Familienhaushalt eine durchaus rückständige Wirtschaftsform für das Volk. Er ermangelt aller Vorteile des Großbetriebes, dessen Vorzüge in den vorstehenden Berechnungen zum Ausdruck kommen. Wenn man die Familie als Einheit für die Wirtschaft betrachtet, so findet heute der Austausch zwischen 6 bis 8 Millionen solcher Einheiten in Österreich-Ungarn statt, während diese Einheiten im Kollektivstaate auf 45,000 vermindert würden. Aber abgesehen von der Arbeitsverminderung, welche das zur Folge hat, ist ja unser Gütertausch auch die Quelle so zahlreicher Zufälle, die das menschliche Leben zu einem tollen Spiel machen. In Vorstehendem ist der Nachweis erbracht worden, daß die Ersetzung des Privateigentums durch Kollektiveigentum, die direkte Verteilung der Güter an Stelle der Verteilung durch Kauf und Verkauf, somit die absolute Naturalwirtschaft an Stelle der Geldherrschaft, eine so außerordentliche Vereinfachung des Güterumsatzes zur Folge hat, daß die dadurch bedingte Arbeitsersparnis hinreicht, Unermeßliches für die Vervollkommnung der Rasse und die Erziehung und Unterricht, für Kunst und Wissenschaft zu tun. Außerdem bewirkt der Kollektivismus eine Totalversicherung jedes einzelnen Individuums, er macht alle jene Verbrechen unmöglich, deren Triebfeder der Eigennutz ist und er begründet eine Ära des inneren Friedens und bereitet damit den internationalen Frieden vor. Unerledigt bleibt die Frage, ob die Volkswirtschaft die Arbeit von vier Jahrgängen, vom 14. bis zum 18. Lebensjahre entbehren kann, um den Unterricht bis zum vollendeten 18. Lebensjahre auszudehnen. Es ist zwar nicht zu bezweifeln, daß zu frühe körperliche Anstrengung den Arbeitswert der Menschen für das ganze Leben herabsetzt und daß eine intensivere geistige Ausbildung den künftigen Arbeitswert der Individuen erhöht, aber einen ziffernmäßigen Nachweis, daß diese Einrichtung ohne Schaden für die Gesamtproduktion verwirklicht werden kann, ist nicht zu erbringen. Man wird darum auch nicht von allem Anfang die ganze Jugend bis zum vollendeten 18. Lebensjahre in der Schule halten und von der physischen Arbeit befreien, sondern nur die intelligentesten Schüler des 8. Schuljahres in die vier letzten Jahrgänge aufsteigen lassen, die minderbefähigten aber zur Arbeit einstellen, wobei man aber dafür sorgen wird, ihnen nur die leichtesten Arbeiten zuzuweisen, welche der Entwicklung nicht hinderlich sind. In einer gut organisierten zentralisierten Produktion können übrigens viele Kräfte zur Arbeit verwendet werden, welche heute brach liegen müssen, und darum wird es möglich sein, auch schon zweijährige Kinder zu gewissen Arbeiten zu verwenden, welche Kraft und Geschicklichkeit nur steigern. So gehe ich von der Meinung aus, daß Erziehung und Unterricht nicht darunter leiden würden, wenn die Kinder und jungen Leute schon vom dritten Jahr an 2-3 Stunden des Tages produktiv beschäftigt würden und auch dadurch würde ein Teil des Arbeitsverlustes hereingebracht werden, der mit der Ausdehnung des Volksschulunterrichtes auf zwölf Jahre verbunden wäre. IX. Die Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse des Volkes im Kollektivstaate. 1. Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses. Wie hätte der Kollektivstaat die Wohnungsbauten einzurichten und für das Wohnungsbedürfnis des Volkes zu sorgen? Ich bespreche hier nur das Bedürfnis des Volkes, der Masse, nicht derjenigen, die durch höhere Verdienste Ansprüche auf Bevorzugung haben. Ich spreche von dem Bedürfnisse des geringsten Arbeiters und der Arbeitsunfähigen, vom Wohnungsminimum in den Urgemeinden. Ich befürworte vor allen die völlige Trennung der Wirtschafts- und Industriebauten von den eigentlichen Wohnbauten, es sollen nicht nur mit den einzelnen Wohnungen, von Küchen und von den Räumen für die Wäsche und andere hauswirtschaftliche Arbeiten abgesehen, keine Werkstätten in unmittelbarer Verbindung stehen, sondern auch in der unmittelbaren Nähe der Wohnungsansiedlungen soll es weder Werkstätten, noch Stallungen, Scheunen oder Fabriken geben und ich halte es nicht für nötig, dafür Gründe anzuführen. Die Wohnungsansiedlung soll nur der Ruhe, dem Genusse und der Geselligkeit dienen und auch danach eingerichtet sein. Doch ist vor allem eine Frage zu lösen, soll das Küchenwesen und die hauswirtschaftliche Arbeit zentralisiert, oder nach Familien eingerichtet sein? Ich bin für ersteres und zwar aus folgenden Gründen. Die Großwirtschaft ist auch hier außerordentlich ökonomisch und sie ist nirgends so ökonomisch, als gerade in der Hauswirtschaft. Die Hauswirtschaft mit der Speisenbereitung, Wäsche, Beheizung, Reinhaltung und Lüftung der Wohnungen und der Ausbesserung von Kleidern, Wäsche und Utensilien, dann Kinder- und Krankenpflege und häuslichen Erziehung beansprucht reichlich ein Fünftel der ganzen nationalen Arbeit. Es handelt sich also um einen Produktionszweig, der in Österreich-Ungarn etwa 4,5 Millionen Menschen beschäftigt. Die Zentralisierung dieser Arbeiten nach Gemeinden von beiläufig 1000 Köpfen gestattet bei besserer Herstellung dieser Arbeiten eine Ersparnis von reichlich 1-1,5 Millionen Arbeitskräften, welche der Erziehung und dem Unterrichte zu statten käme und unsere Frauen vor Überbürdung schützen würde. Die durch Zentralisierung der hauswirtschaftlichen Arbeiten erzielte Ökonomie hat in Kopenhagen zur Errichtung von Einküchenhäusern geführt, welche Küche und Bedienung für 25 Familien liefern, aber nicht für gemeinsame Speisesäle eingerichtet sind. Diese Absonderung der Familien vermindert zwar den ökonomischen Erfolg, ist aber beim beständigen Wechsel in der heutigen Gesellschaftsordnung ebenso notwendig, wie sie in der kollektivistischen Gemeinde unökonomisch, und den sozialen Zwecken hinderlich wäre. Dagegen nun steht die vermeintliche Forderung des Gemütes und die Voraussetzung, daß nur liebende Frauen das alles mit gewissenhafter Aufopferung und so besorgen, daß die Familienglieder befriedigt werden. Nun meine ich zwar, daß die Familie ihre abgeschlossene Wohnung braucht, wo sie ungestört die wahren Freuden des Familienlebens genießen kann, daß aber mehr die gesellige Vereinigung der Eltern mit den Kindern, als die persönliche Bemühung der Hausfrau mit allen Einzelheiten der Familienwirtschaft das Familienglück ausmacht und daß vielmehr gerade die Belastung der Hausfrau mit so vielerlei Geschäften, welchen allen sie unmöglich gleichmäßig gewachsen sein kann, die Quelle zahlreicher Mißhelligkeiten ist, und daß gerade deshalb so wenig wahres Familienglück angetroffen wird. Am ehesten noch allerdings bei Arbeitern, wo diese Geschäfte niemals gut besorgt werden, noch gut besorgt werden können; bei ihnen nur, weil elende Menschen nach jedem Strohhalm von Glück haschen und gemeinsames Leid die Menschen verträglich macht. Wo nur etwas Wohlhabenheit ist, werden ohnehin fremde Hilfskräfte gedungen, ohne dadurch das Familienglück immer zu gefährden. Und auch bei zentralisierter Wirtschaft ist ja die Familienmutter in der Lage, fehlendes zu ergänzen und auf Erfüllung der dem Staate obliegenden Verpflichtungen zu dringen und so sich ihrer Kinder anzunehmen, für sie besorgt zu sein. Ein weiterer Grund, der für Gemeindewirtschaft spricht, ist die Forderung einer über die Grenzen der Familie erweiterten Geselligkeit, die dort vernünftig gepflegt werden kann, während sie heute gerade auf Kosten der Kinder geht. Wir finden, daß zumeist der Hausvater ins Wirtshaus, die Hausfrau auf Besuch geht, ja auch das Dienstmädchen mit dem Liebhaber läuft und die Kinder, die man nicht mitnehmen kann, entweder eingesperrt werden oder auf der Gasse tausend Gefahren ausgesetzt sind. Diesen Übelständen und den Rechtsverletzungen des Mannes der Frau und der Eltern den Kindern gegenüber kann der kollektivistische Staat ein Ende bereiten, aber nur dann, wenn er es vermag, die Familienglieder nötigenfalls auch zu trennen und ihnen gesonderte Unterkunft zu verschaffen, in gewöhnlichen Zeiten aber die Eltern, wenn sie abwesend sein müssen, zu ersetzen. Das wird durch die Zentralstation der Wohnungen in großen Gebäuden sehr erleichtert, würde aber durch das Villensystem erschwert werden. In diesen zentralisierten Ansiedlungen ergibt sich zwischen allen Gliedern der Gemeinde, den Männern, den Frauen und den Kindern, eine umfassende Geselligkeit, welche den Frieden fördert, die Anschauungen bereichert, die Intelligenz erhöht. Doch soll auf diesem Gebiete kein Doktrinarismus aufkommen und da man mit dem Kollektivismus nur im kleinen beginnen kann, wird das Experiment uns belehren, ob der gemeindeweise Haushalt den Bedürfnissen der Menschen mehr entspricht und so wird die Erfahrung den Ausschlag geben. Nehmen wir an, die Entscheidung wäre für den gemeindeweisen Hauswirtschaftsbetrieb gefallen, so wäre für folgende Bedürfnisse zu sorgen. Jedem muß es möglich sein, sich abzuschließen, oder sich anderen im engeren Kreise anzuschließen oder endlich der Geselligkeit im Großen zu erfreuen. Es muß also jedem, der es wünscht, ein genügender, abgesonderter Schlaf- und Wohnraum zugewiesen werden, es muß aber auch die Gelegenheit geboten sein, mehrere Schlafräume zu einem Ganzen zu gemeinschaftlicher Benutzung zu vereinen und außer diesen Schlafräumen muß es große Säle und kleinere Säle geben, in welchen sich die ganze Gemeinde und kleinere Gesellschaften versammeln können. Die Mahlzeiten sollen die Glieder der Gemeinde so viel als möglich gemeinsam einnehmen, es soll aber auch gestattet sein, sich das Essen auf seine Stube bringen zu lassen, damit die Gemeinsamkeit nicht zur Last wird. Anfangs werden sich aus diesem Zusammenleben vielleicht manche ärgerliche Streitigkeiten ergeben, aber je weiter die Volkserziehung schreitet, je mehr sich die Staatsangehörigen in die Verhältnisse einleben und wenn einmal die Zeiten kommen, wo die überwiegende Mehrzahl der Gemeindegenossen von Jugend auf zusammen aufgewachsen ist, endlich, wenn es der kollektivistische Charakter des Staates ermöglicht, störende Elemente, die sich in einer Gemeinde nicht einzufügen vermögen, in andere Gemeinden zu versetzen, wird ein herzliches Einvernehmen der Bewohner einer Gemeinde gewiß sich entwickeln. Man denke an die kameradschaftliche Gesinnung der Mannschaft eines Regiments, der Offiziere einer Garnison und daran, daß man im ältesten Griechenland so hohen Wert auf gemeinsame Mahlzeiten legte. Doch wird hier vieles abhängen von dem Takt und der Menschenkenntnis der Verwaltungsbeamten. Diesen Grundsätzen würde nun ein Bau entsprechen, der nach VI, 1, a, wie unten beschrieben eingerichtet wäre. Der Mittelbau, ein Oblongum von etwa 1600 Quadratmeter Baufläche, würde als Gemeindepalast dienen, im Untergeschoß Küche, Keller, Wäscherei, geschlossene Bäder, Turnsaal und Spielräume, im Hochparterre einen den ganzen Raum umfassenden Speisesaal, im oberen Stockwerke den Bibliotheks- und Versammlungssaal, das Amtszimmer, die Schulzimmer, Spielsäle und Vorratsräume enthalten. Im Bibliothekssaale könnten auch Sonntags religiöse Feierlichkeiten abgehalten werden, wenn das Vorurteil unterdrückt sein wird, daß solche Feierlichkeiten nur in geweihten Räumen stattfinden dürfen. Dieser Bau würde von einem Garten umschlossen, an den vier Wohnbauten in Kreuzform mit Erdgeschoß und drei Stockwerken grenzen würden. Jedes dieser vier Häuser würde 256 Wohnungseinheiten enthalten und nach Bedarf in einfenstrige Stuben und größere, gemeinsame Gemächer eingeteilt werden. Diese 1024 Wohnungseinheiten wären ausreichend für Beherbergung von 1000 ständigen oder vorübergehenden Bewohnern, für Kranken- und Fremdenzimmer und für Einräumung größerer Wohnungen für die Verwaltungsbeamten, Ärzte und Lehrer und einige sonstige bevorzugte Gemeindeglieder. Dabei ist zu beachten, daß die erstjährigen Kinder wohl kein eigenes Schlafzimmer zugewiesen erhielten, daß auch einige Erwachsene, welche einem Turnus nach mit Schmutzarbeiten befaßt wären, aus dem Gemeindeleben auszuscheiden hätten und im Wirtschaftsgebäude zu schlafen hätten, wodurch Räume in den Schlafgebäuden frei würden. Eine solche Gemeinde besäße Bäder jeder Art, im Freien, im Souterrain und in allen Stockwerken, so daß für Reinlichkeit und Gesundheit auf das beste gesorgt wäre. Wollte man familienweise für die Wohnung sorgen, mit den beliebten »Familienhäusern«, so wäre das nicht nur ungesellig, sondern man müßte etwa zweihundert solcher Häuschen bauen. Und wollte man drei oder vier Familien zusammensperren, also bloß 50 Häuser für 1000 Bewohner bauen, so wären Kosten und Übelstände immer noch groß, und der Vorteil bestünde nur darin, daß man sich der Zentralisation genähert hätte. Die Familienhäuser würden ein weit größeres Baukapital und einen vier- bis fünffach größeren Raum erfordern, eine Menge Straßen und Wege beanspruchen und einen weit umfassenderen Dienst für Beseitigung der Fäkalien und Straßenreinigung notwendig machen, und man kann sagen, daß durch Annahme dieses Systems der Aufwand für Wohnungsbauten mindestens um ein Drittel erhöht würde[40], bei gleicher Bequemlichkeit. Vorteile und Nachteile gegeneinander gehalten, wird der überwiegende Vorteil auf Seite entsprechend zentralisierter Wohnungsansiedlungen sein. Zudem erschwert die Zerstreuung der Gemeindeinsassen die Aufsicht[41], die Verteilung, die Unterdrückung des Vagabundenwesens und die Evidenthaltung der Bevölkerung und ihrer Verteilung, die nach VI, 8, eine wesentliche Grundlage einer vollkommenen Versorgung aller Volksgenossen bildet. Es würde von allem, was ich mir vom Kollektivismus verspreche, kaum etwas realisiert werden können, wenn man das Villensystem annähme.[42] [40] Die Familienhäuser bieten auch den Nachteil, daß sie sich den wechselnden Bedürfnissen der Familien nicht anpassen können. Eine Familie kann kinderlos bleiben oder rasch sich vermehren, dann wieder rasch abnehmen. In einem kollektivistischen Schlafhause ist es möglich, sich dem jederzeit anzupassen. [41] Wenn ich von Aufsicht rede, die anarchistisch veranlagte Arbeiter nicht dulden wollen, so bemerke ich nur, daß Kinder den Eltern und Frauen den Männern viel mehr preisgegeben sind, wenn sie in abgesonderten Häusern wohnen, und daß gerade der Kollektivbürger ein Interesse daran hat, daß sich niemand der Arbeit entzieht und niemand sich aneignet, was ihm nicht gebührt. Übrigens ist der Kollektivismus der Gegensatz des Anarchismus. [42] Man hat im Interesse der Arbeiter in England der Wohnungsfrage die Aufmerksamkeit zugewendet und in Port Sunlight bei Liverpool und in Ansiedlungen bei Birmingham Musterhäuser nach dem System der Wohnungshäuser erbaut, die vermietet werden. Man rühmt besonders Port Sunlight und behauptet, daß dort die Sterblichkeit auf 9/1000 (!) gesunken sei. Das wird wohl noch andere Gründe als bloß das verbesserte Wohnungswesen haben. Doch sind das Privatunternehmungen, sie vermehren nur die Städte und erschweren die Einrichtung für den kollektivistischen Betrieb. Um die Ansiedlung recht wohnlich zu machen, würde man die Gebäude durch gedeckte Gänge und Veranden verbinden und, wenn möglich, schattige Wege in den nahen Wald führen. Da drei Viertel der Fenster der Wohnstuben ins Freie führen, das letzte Viertel aber nach den Gärten sähe, welche zwischen den Wohnhäusern und dem Gemeindepalaste liegen, so wäre genügend für gute Luft gesorgt. Ganz besondere Rücksicht wäre auf Vermeidung der Gefährdung der Bevölkerung durch Elementarereignisse zu nehmen. Wo Überschwemmungen, Vulkaneruptionen, Lawinen oder Erdbeben zu fürchten sind, sind keine Wohnungsansiedlungen anzulegen und die etwa vorhandenen abzutragen. Gegen Feuer hat man nicht nur alle Löschgeräte bereit zu halten, sondern auch alle Hilfsmittel zur Flüchtung der Bewohner aus allen Teilen der bewohnten Gebäude. Es wird sich empfehlen, von Zeit zu Zeit Übungen für die Flüchtung der Insassen aus brennenden Gebäuden zu veranstalten. Die Vermeidung der Anlage von Wohnbauten an Orten, welche erfahrungsgemäß sehr gefährdet sind, ist im Kollektivstaate sehr leicht ausführbar; in unserer Gesellschaftsordnung werden sich immer einzelne in der Zwangslage befinden, sich an solchen Orten anzusiedeln, weil der andere Boden besetzt ist. Der Kollektivismus kann also auch nach dieser Richtung einem Bedürfnisse der allgemeinen Wohlfahrt besser genügen, als unsere Gesellschaftsordnung. Laibach, St. Pierre und andere Beispiele lehren, wie auch gegen solche Schrecknisse der Kollektivismus allein abhelfen kann. Es hätte die Bevölkerung von Martinique gerettet werden können, wenn Amerika kollektivistisch organisiert wäre. Innerhalb gewisser Grenzen wird der Staat in jeder Gemeinde für Ästhetik und Annehmlichkeiten im Wohnwesen sorgen. Allein über diese Grenzen hinaus wird es den Gemeindemitgliedern überlassen bleiben, größere Annehmlichkeiten zu schaffen. Die jährlich zur Verteilung gelangenden Konsumtibilien, VIII, 5, und die freie Zeit der Bewohner können dazu verwendet werden, um Wege und Aussichtswarten anzulegen, die Wohnräume zu schmücken, die Gartenanlagen zu zieren u. dergl., und nur insofern dadurch Flächen dem Anbau entzogen würden, wird die Zustimmung der Staatsverwaltung erforderlich sein. Ja, wenn sich unter den Gemeindegenossen wirkliche Künstler befinden, kann sich eine kleine Gemeinde im Laufe von Dezennien in ein kleines Athen verwandeln, der große Saal mit herrlichen Bildwerken und Gemälden geschmückt werden, die Eingangspforten mit Bronzen und Holzplastik ausgestattet, die Außenwände der Gebäude mit architektonischem Schmucke verkleidet, das Hausinventar veredelt werden, und so ist es möglich, daß die Gemeinden sich individualisieren und eine Art von Gemeindeeigentum geschaffen wird. Dadurch kann sich eine Gemeinde auch Anspruch auf Privilegien erwerben, so daß ihr ein Einspruchsrecht eingeräumt wird gegen Aufnahme neuer Gemeindegenossen, welche des Vorzuges, solche Herrlichkeiten zu genießen, unwürdig erscheinen. Für die Ausstattung der Wohnräume und des Gemeindepalastes, soweit sie vom Staate bestritten wird, wird ein allgemeines System anzunehmen sein, um bei tunlichster Mannigfaltigkeit eine gleichmäßige Verteilung des staatlichen Aufwandes zu sichern. Bei der Neuanlage von Gemeinden nach VI, 2, _Alinea_: »Da bei einer Bevölkerung«, kann den künftigen Bewohnern, insofern sie bekannt sind, eine gewisse Wahl eingeräumt werden, vorausgesetzt, daß die zugestandene Menge an Material und Arbeit nicht überschritten wird. So mögen die einen den Wunsch haben, daß große Glashäuser angelegt werden, andere wünschen, einen Wintergarten zu besitzen oder ein großes Atelier für Photographie, selbst eine kleine Sternwarte oder eine ausgedehnte Telephonanlage im Innern der Gemeinde zur Verbindung aller Räume zu erlangen. Was hier vom Wohnungsschmucke gesagt wurde, hat auch Anwendung auf das Mobiliar der Wohnhäuser und des Gemeindepalastes und alles, was zum Betriebe der Hauswirtschaft erforderlich ist. Auch im Mobiliar ist in einem Kollektivstaate eine viel größere Mannigfaltigkeit als in unseren Verhältnissen möglich, weil selbst bei der Annahme vieler Tausender von Formen doch jedes Erzeugnis zum Massenartikel wird. Nur Luxusformen bleiben von der Verallgemeinerung ausgeschlossen und bevorzugten Ortschaften und bevorzugten Bevölkerungsschichten[43] vorbehalten. [43] Wenn von Bevölkerungsschichten die Rede ist, so sind darunter weder Stände noch Klassen verstanden, weil es sich weder um erbliche noch um eigenmächtig erkämpfte Vorteile handelt, sie vielmehr im einzelnen nach dem Volkswillen einzelnen Personen zugestanden werden und sie in jedem Augenblick auf dem Volkswillen beruhen, der sie jederzeit entziehen kann. Diese zentralisierten Wohnansiedlungen entsprechen am besten dem Charakter des Kollektivismus. Die Lage der großen Mehrzahl des Volkes ist von der Art, daß die Familien das häusliche Glück nur während weniger Stunden genießen können, Arbeit und Beruf halten die Eltern den größten Teil des Tages hindurch von den Kindern fern, bis auch diese wieder, durch ihren Beruf in Anspruch genommen, das Haus verlassen müssen oder wenigstens nur für wenige Stunden dahin zurückkehren. Selbst wo die Mutter den Tag über zu Hause bleiben kann, wird sie von vielerlei Geschäften in Anspruch genommen, und sie kann den Kindern eine ununterbrochene Aufmerksamkeit nicht zuwenden. Das Ideal des Familienlebens, das man den Arbeitern so verlockend darstellt, damit sie dessen Verlust durch den Sozialismus für ein großes Unglück halten sollen, besteht nicht. Sie müssen ihre Kinder in die Krippen, Spielschulen und Schulen senden und sich so auch heute von ihnen trennen. Aber diese Anstalten gewähren nur einen ungenügenden Ersatz der häuslichen Erziehung, weil sie oft weit entlegen und die den Kindern gewidmeten Stunden beschränkt sind. Auch spielen in allen solchen Dingen die Entfernungen eine große Rolle. In großen Städten sind selbst Familien des höheren Mittelstandes in Verlegenheit, wenn zwei oder drei Kinder in verschiedene Schulen geschickt werden müssen. In einer zentralisierten Gemeinde können die Kinder auf dem kurzen Wege zur Schule im Gemeindepalast vom Fenster der Wohnung aus überwacht oder von den Erziehungspersonen abgeholt und geleitet werden. Da unser Erziehungswesen viele Mängel hat, die von Plato aufgestellte Forderung, alle Kinder von den Eltern zu trennen, ebenso absurd ist, wie es verwerflich wäre, verwahrloste, verwaiste oder mißhandelte Kinder nicht zu schützen, so sind in VII, 2, und 5, a und b jene Grundsätze dargestellt, welche eine Verbindung der Familienerziehung mit der staatlichen Erziehung ermöglichen und im Kollektivstaat leicht durchzuführen sind. Diesem Bedürfnisse, den Eltern für die Zeit ihrer berufsmäßigen Arbeit die Sorge für die Kinder abzunehmen und einen Erziehungseinfluß von Staats wegen auszuüben, entspricht der hier dargestellte Charakter der Ansiedlungen. Derselbe ermöglicht ferner die arbeitsteilige Besorgung der hauswirtschaftlichen Geschäfte, die Zentralisierung der Speisenbereitung und die ausgiebigste Ausnützung aller Räumlichkeiten. Er erleichtert demnach auch die Verwaltung und jene Überwachung der Bevölkerung, welche alle Vagabundage unmöglich macht. In dieser Ansiedlung können gemeinsame Beratungen und Abstimmungen leicht vorgenommen werden, und ohne die Absonderung unmöglich zu machen, wird doch der staatliche Einfluß dahin geltend gemacht, die Geselligkeit im weitesten Sinne zu fördern, welche das erreichen soll, was Plato für die höchste Aufgabe der Staatskunst erklärt, alle Teile des Volkes wie in ein »königliches Geflecht« zu vereinigen. Die vielfach gegliederten, zum Teil allen Bewohnern und Fremden zugänglichen, zum Teil nach Bedarf und in einem Turnus einzelnen Schichten, Geschlechtern und Altersstufen geöffneten Räume lassen jede einzelne Ansiedlung als eine der großen Toynbeehalls erscheinen, welche wegen des zwanglosen Zusammenkommens der Arbeiterfamilien mit den Gebildeten sich in England und Amerika so besonders kulturförderlich erwiesen haben und als Fortsetzung des Volksunterrichtes anzusehen sind. So werden auch die in allen Gemeinden periodisch veranstalteten Vorträge populär wissenschaftlicher Art die Zwecke der _university-extension_ im umfassendsten Maßstabe anstreben und in weit vollkommener Art das leisten, was die Bemühungen der Gebildeten in den Landgemeinden Dänemarks bereits heute leisten. Aber auch der Besuch dieser Vorträge würde viel schwächer sein, wenn jede Familie ihr abgesondertes Wohnhaus hätte. =Reinigung, Beheizung, Ventilation, Beleuchtung.= Auch für viele hauswirtschaftliche Arbeiten und hygienische Anstalten ist die Zentralisierung der Wohnbauten sehr förderlich. Das gilt nicht nur für die Speisenbereitung, sondern auch für die Reinigung der Wäsche, der Kleider, der Wohnungen und des Mobiliars. Der Vakuum Cleaner, der jede Art von Reinigung von Staub und Bakterien auf das gründlichste besorgt, kann nicht für kleine Familien angeschafft werden, wohl aber für eine Ansiedlung, wie sie hier geschildert wird. Dadurch wird die Wohltat einer vollkommenen Reinigung der Zimmer, Betten, Kleider, Möbel und Teppiche auch dem Geringsten gesichert. Wenn die Wohnungsbauten danach eingerichtet sind, kann die Versorgung mit gut gereinigter, entsprechend angefeuchteter warmer oder abgekühlter Luft durch in der Tiefe angelegte Heizvorrichtungen oder in den Dachräumen untergebrachte Kühlanlagen mit geringen Kosten besorgt werden, vorausgesetzt, daß die Wohnungsbauten nicht zerstreut, sondern zentralisiert erbaut werden und schon die ursprüngliche Bauanlage dafür eingerichtet ist. Was die größeren Ansiedlungen anbelangt, so ist folgendes zu bemerken. Schon die Anlage eines Bezirksvorortes wird sich einigermaßen von der der Urgemeinden unterscheiden. Denn es wird dort nicht nur ein größerer Stab von Beamten, Lehrern und Ärzten unterzubringen sein, sondern auch irgend eine Schule höherer Ordnung, ein ausgedehnterer gewerblicher Betrieb, eine größere Zentralbibliothek für den ganzen Bezirk, eine größere Sammlung, eine Druckerei zur Herausgabe des Bezirksblattes, und es soll sich die Möglichkeit bieten, wenigstens einen namhaften Teil der stimmberechtigten Bevölkerung des ganzen Bezirkes von beiläufig 12,000 Personen in einem großen Saale zu versammeln. Auch eine Bühne einfacherer Art für kleinere Produktionen und Dilettantenvorstellungen wird man im Bezirksvororte errichten wollen. Endlich wird zwar der größte Teil der arbeitsbefreiten Bevölkerung aus den Arbeiterschichten in den Urgemeinden unterzubringen sein, aber die arbeitsbefreiten Alten werden doch nach den Bezirksvororten streben, weil dort mehr Geselligkeit, geistige Anregung und Gelegenheit zu freiem Schaffen zu finden ist. Trotzdem wird man trachten, den Bevölkerungsstand eines Bezirksvorortes nicht über 1500 Köpfe anwachsen zu lassen und in sinngemäßer Anpassung der Grundanlage einer Gemeinde unterster Ordnung wird man also etwa sechs Wohnhäuser und zwei Paläste anordnen. Jedenfalls werden in den Bezirksvorort Anstalten für solche Heilmethoden verlegt werden, die größere bauliche Anlagen voraussetzen, sowie auch Isolierspitäler, wenn sie in so großer Zahl nötig sein sollten. Schon die Bezirksvororte werden als Knotenpunkte nicht nur des Güterumsatzes, sondern auch des Reiseverkehrs dienen, welchem in ausgedehnterem Maße die Kreisstädte dienen. In den Kreisstädten werden die Kreisbehörden ihren Sitz haben, Fremdenhäuser erbaut werden, Prachttheater erstehen und ausgedehnte Bibliotheken, Sammlungen, Luxusbäder, dann Speziallehranstalten eingerichtet und solche Industrien betrieben werden, die eine größere Arbeiterzahl bedingen. Doch soll man auch diese Städte nicht über 4000 oder 5000 Bewohner, die Reisenden inbegriffen, anwachsen lassen, weil die Bevölkerung nur so weit in einzelnen Orten angehäuft werden soll, als es durch bestimmte volkswirtschaftliche Zwecke unbedingt geboten erscheint. Für einen Staat von 45 Millionen Einwohnern, wie Österreich, werden 2000 bis 2200 Bezirksvororte und 100 bis 120 Kreisstädte genügen, welche in 10 bis 20 Provinzen verteilt werden. Städte höherer Ordnung sind dann die Provinzstädte und die Reichshauptstadt. Die Provinzstädte würden in Österreich besonders national unterschieden werden und je eine das geistige Leben einer Nationalität ausschließlich zum Ausdruck bringen, auch die nationalen Bücherschätze in größter Vollständigkeit beherbergen. Auch die nationale Kunst, Musik und das nationale Schauspiel wird da gepflegt werden, wenngleich auch Theater in den Provinzstädten errichtet werden, an welchen in einer weitverbreiteten Sprache gespielt wird. Doch soll auch eine Provinzstadt nicht für mehr als etwa 20,000 Bewohner, die Reisenden mit inbegriffen, eingerichtet werden, nachdem nur eine ausgewählte Bevölkerung, zumeist von höherer Bildung und ein wechselndes Reisepublikum dort beherbergt werden. Auch in den Kreis- und Provinzstädten wird der Typus der Urgemeinde mit Wohnhäusern und einem gemeinsamen Palaste für je 1000 Bewohner zur Geltung kommen und diese Städte werden sich aus einer größeren Zahl solcher Quartiere zusammensetzen. Daneben aber werden große Hotels für Reisende und hervorragende Inländer errichtet werden, welche vom allgemeinen Wohnungscharakter abweichen und eine große Pracht an Wohnräumen und Mobiliar zeigen sollen. In diesen Hotels wird auch die Verpflegung der Insassen, seien es Reisende oder ständige Bewohner, eine kostbarere sein. Die Verwaltung auch dieser Häuser wird übrigens den Verwaltungsbeamten der Quartiere untergeben sein, die den Hauptstock der Bewohner beherbergen. Diese Quartiere werden auch die Masse der Bevölkerung der Reichshauptstadt aufnehmen. Für Hof und Adel und die geringe Anzahl sehr bevorzugter Personen werden prächtige Wohnungen in den von Alters her bestehenden Palästen genug vorhanden sein. Doch sollen auch diese Paläste in den Verwaltungsbezirk eines Quartiers einbezogen werden. Auch die Reichshauptstadt wird eines gänzlichen Umbaues bedürfen, doch wird vorher für die Masse der Bevölkerung vorgesorgt werden müssen, weil ein Überfluß von Wohnungen in den großen Städten vorhanden ist und dort die Bauten bei weitem nicht so sehr dem kollektivistischen Betriebe unangemessen sind, wie in den Dörfern. 2. Die Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses. Die Verwendung der nach den Verteilungsgrundsätzen auf die Gemeinden entfallenden Nahrungsmittel zur Speisebereitung wird Sache der Vorsteherin der Küche sein. Es dürfte sich empfehlen, die Wahl dieser Vorsteherin den Gemeindemitgliedern zu überlassen. Ohne Zweifel wird man Kochschulen errichten, um eine größere Anzahl von Kochkünstlerinnen heranzubilden. Der Arzt wird sein Augenmerk darauf richten, daß nur vollkommen unverdorbene Materialien in der Küche in Verwendung genommen werden. Auch sonst hat er auf Beobachtung aller Rücksichten auf die Hygiene zu dringen und alle Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß die Kost genügend, aber nicht übermäßig sei. Die Ernährungswissenschaft ist noch sehr unentwickelt und wird im Kollektivstaat große Fortschritte machen. Mancherlei wird der Beschlußfassung der Gemeinde vorbehalten werden. So die Speisestunden und die Verteilung der Nahrung auf die einzelnen Mahlzeiten. Ebenso die Abwechslung der Gerichte und die Reihenfolge, sowie inwieferne an Sonntagen oder an gewissen Festtagen reichlichere Mahlzeiten geboten werden sollen. Ist die Menge der verbrauchten Nahrungsmittel im Durchschnitt den Verteilungsgrundsätzen entsprechend, so wird der Staat kein Interesse haben, den Gemeinden in diesen Dingen Vorschriften zu machen. Nur wird die Einteilung der Stunden für die Mahlzeiten dem Fortgange der Arbeit nicht hinderlich sein dürfen. Die Einzelnen werden ziemlich freie Hand haben in der Wahl der Gerichte und es wird darin mehr Freiheit herrschen, als heute in der Familie. Wenn die Ernährungswissenschaft sehr ausgebildet sein wird, wird man in der Nahrung auf Alter, Geschlecht, Beruf und auf den jeweiligen Kräfteverbrauch Rücksicht nehmen und die Nahrungsvorschriften zu individualisieren suchen. Bei der hier angenommenen Organisation der Gesellschaft wird die Staatsverwaltung Einfluß genug gewinnen, um auf Vermeidung des Alkohol- und Tabakgenusses hinzuwirken und wenigstens die heranwachsende Jugend davor zu bewahren. Auch der Verwaltungsbeamte wird dafür zu sorgen haben, daß in der Küche die größte Reinlichkeit beobachtet und keine verdorbenen Nahrungsmittel verkocht werden. Die französische Kriegsverwaltung hat für die Mannschaft ein Kochbuch verfassen lassen und dadurch Hygiene, Reinlichkeit, ökonomische Verwertung der Materialien und tunlichste Rücksicht auf den Wohlgeschmack zu fördern gesucht. 3. Die Bekleidung. Die ganze Bevölkerung ist mit Arbeitskleidern, Gesellschaftskleidern und Festkleidern zu versorgen. Der Aufwand wird ein abgestufter sein nach Kategorien. Die Massenproduktion wird einer gewissen Mannigfaltigkeit nicht im Wege stehen. Bei den Stoffen wird das in VIII, 9, e, erwähnte Wahlrecht zur Geltung kommen. In jedem Bezirke oder wenigstens in jedem Kreise werden Produktionsanstalten errichtet werden, welche für Wäsche, Kleider, Hüte und Beschuhung zu sorgen haben und die fabrikmäßig hergestellten Erzeugnisse jedem Einzelnen anpassen sollen. Da der Staat für so viele Millionen von Individuen zu sorgen hat, kann die fabrikmäßige Erzeugung mit größter Berücksichtigung der individuellen Körperverhältnisse vereinbart werden. Die abgetragenen Kleider fallen wieder der staatlichen Produktion zu, welche das Brauchbare wieder verwendet und die gänzlich abgenützten Stoffe einer Umarbeitung, die Hadern der Papierbereitung zuführt. Gesellschafts- und Festkleider werden in gewissen Zeitintervallen geliefert, so daß die tunlichste Schonung der Kleider im Interesse des Trägers liegt. Die Arbeitskleider sollen besonders dem Berufe angepaßt sein und vollkommen Schutz gegen Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und die mit der Arbeit verbundenen Gefahren bieten. Man wird darauf halten, daß jeder nach beendeter Arbeit sich vollkommen reinigt und badet und dann die Gesellschaftskleider anlegt. Insofern jemand dauernd mit Schmutzarbeiten zu tun hätte, oder durch die Art der Arbeit, der er sich widmet, gehindert wäre, sich jeden Tag vollkommen zu reinigen, würde er wohl für diese Zeit aus dem geselligen Leben ausscheiden. Die Statistik der Stoffeproduktion gibt einen genauen Maßstab für die Grenzen des Verbrauches. Wer unter sonst gleichen Umständen kostbarere Stoffe wählt, wird die Kleider entsprechend länger tragen müssen. In der Bekleidung wird ein weiter Spielraum gezogen werden zwischen dem einfachsten Arbeiter der Rohproduktion und den Höchstverdienten. Letzteren werden die kostbarsten Stoffe und die sorgfältigste Arbeit zugestanden und man mag ihnen auch zugestehen, daß sie die Gesellschaftskleider nach einem halben Jahre, einem Monate, ja einer Woche gegen neue Kleider vertauschen. Den Frauen wird man erlauben können, sich die Gesellschaftskleider nach ihrem individuellen Geschmacke aufzuputzen. Sie werden bei der Verteilung der Konsumtibilien, VIII, 5, besonders auf solche Gespinnste und Stoffe reflektieren, welche ihnen gestatten, etwas für Putz zu tun. Ob man der hervorragenden Frauenschönheit gewissermaßen von Staatswegen wird huldigen dürfen durch Zuweisung besonders prächtigem Kleidungsstoffe, ist eine ebenso heikle Frage wie die, ob es statthaft ist, hervorragend schöne Mädchen und Frauen in größerem Maße an Festlichkeiten und geselligen Vereinigungen höherer Art teilnehmen zu lassen. Es ist anzunehmen, daß Frauenschönheit einen Anspruch geben wird, eine Stellung in den städtischen Ansiedlungen zu erhalten und so mag dem ästhetischen Bedürfnisse, schöne Frauen in den Vordergrund zu schieben, Genüge geschehen. Hier mag eingeschaltet werden, daß die Juwelen und sonstiger kostbarer Frauenschmuck ebenso Kollektiveigentum sein müssen, wie alles andere. Dieser Schmuck wird in Schatzkammern verwahrt und bald diesen, bald jenen Hals zieren. Bei Hochzeiten, imposanten Festlichkeiten höherer Ordnung werden die Frauen und Mädchen, welche daran teilnehmen, nicht bloß nach anderen sozialen Rücksichten gewählt als heute, sondern insbesondere auch nach körperlichen Vorzügen und bei solcher Gelegenheit werden die Schönsten nach künstlerischen Rücksichten gekleidet und geschmückt und es wird der kostbare, seit tausenden von Jahren aufgespeicherte Schmuck eher den Hals einer schönen Volksschullehrerin, als einer häßlichen Gräfin zieren. 4. Die sonstigen Bedürfnisse, außer Wohnung, Nahrung und Kleidung. Wie es damit gehalten wird, ist aus obigen Schilderungen zu entnehmen. Von Erziehung und Unterricht, Krankenpflege und ärztlicher Hilfe war in V, 2, und 3, c und VII, 5, die Rede; um jedermann Reisen zu ermöglichen, sollen nach XI, 1, b _Alinea_: »Nimmt man nur« jährliche Urlaube erteilt werden und die Reiselegitimation würde die Anweisung auf die gewählten und bewilligten Beförderungsstrecken enthalten. Man könnte 100 Eisenbahnmeilen im Jahre als Minimum verteilen und etwa in der Form anweisen: Innsbruck -- Salzburg -- Salzburg -- Innsbruck -- Innsbruck -- Bludenz -- Bludenz -- Innsbruck. Die Reisebewilligung würde mitinbegreifen freie Station in allen Urgemeinden und Bezirksgemeinden des namhaft gemachten und in der Reiselegitimation zu limitierenden Reisegebietes, in den Städten und der Reichshauptstadt nur, wenn sie ausdrücklich namhaft gemacht sind. Analog wäre die Verteilung der Benützung anderer Reisegelegenheiten einzurichten und die Benützung unbesetzter Velocipedes wäre jedermann frei. Der Besuch von Theatern und Konzerten usw. würde das Recht voraussetzen, sich in der betreffenden Stadt aufzuhalten. Andere Erlustigungen würden nur die reichliche Verteilung der Behelfe voraussetzen. Das Lesebedürfnis wird durch Verleihung befriediget, wobei bei Neuerscheinungen der höhere Rang Anspruch auf frühere Zuweisung begründen würde. Auch die Gestattung des Domizilwechsels würde einem Bedürfnisse der Arbeitsbefreiten entgegenkommen, wobei aber die Wahl des Aufenthaltes in Städten einzuschränken wäre. Besonders bei dem Domizilwechsel sind die Arbeitsbefreiten der höheren Berufe zu bevorzugen. Man könnte den Arbeitsbefreiten des niedersten Berufes den Domizilwechsel in Urgemeinden und Bezirksgemeinden ein oder zweimal im Jahre, denen der höchsten Berufe ohne Beschränkung der Zahl und der Orte einräumen. Die Einräumung von Auslandsreisen, XII, 2, wäre wohl nur für Bevorzugte oder zu Ausbildungszwecken tunlich. Im Verkehr mit ähnlich organisierten Nachbarstaaten würde ein Austausch von Reisebewilligungen vertragsmäßig geregelt. X. Die Sachproduktion im Kollektivstaat. Von den Zweigen der Sachproduktion soll hier nur die Landwirtschaft besprochen werden, weil in derselben der Kleinbetrieb heute noch vorwiegt und weil die kollektivistische Organisation der Produktion gerade auf die Landwirtschaft am meisten umgestaltend wirkt. Es ist nicht nur die Produktionsweise, welche dabei in Betracht kommt, sondern auch die örtliche Verteilung der Bevölkerung. Es ist ein Gebrechen unserer Zeit, daß man, auf den internationalen Gütertausch rechnend, sich nicht den Kopf darüber zerbricht, ob die heimische Landwirtschaft soviel Nahrungsmittel zu erzeugen vermag, als zur Erhaltung der heimischen Bevölkerung notwendig ist. Ein Land, das der Zufuhren von Nahrungsmitteln aus Rußland und Amerika bedarf, um seine Bewohner zu ernähren, kann einmal bittere Erfahrungen machen. Die russische Bevölkerung vermehrt sich in solchem Maße, daß sie bald auf eine Ausfuhr von Nahrungsmitteln wird verzichten müssen und auch Nordamerika, dessen Bevölkerung sich in 100 Jahren verfünfzehnfacht hat, wird in wenigen Dezennien den Export von Nahrungsmitteln einschränken müssen. Ja, die Nahrungsmittel sind ein so unentbehrliches Produkt, daß die Länder, welche im Überflusse produzieren, sich bald dahin einigen werden, sie mit einem Ausfuhrzolle zu belegen. Bekannt ist, daß die bäuerlichen Arbeiter immer mehr nach den Städten gravitieren, daß die gewerbliche Bevölkerung sich immer mehr vermehrt und die bäuerliche abnimmt. Daß das auf die Ausdehnung der Lebensmittelproduktion von Einfluß sein muß, ist auf der Hand liegend. Der Kollektivstaat kann diesem Übel abhelfen und meine organisatorischen Vorschläge sind darauf berechnet. In der Landwirtschaft macht sich die von mir vorgeschlagene Verteilung der Bevölkerung, die nur im kollektivistischen Staate durchgeführt werden kann, nach zwei Richtungen nützlich. Da nämlich, sobald die Verteilung der Bevölkerung über das Land nach den Bedürfnissen des öffentlichen Wohles, des Volkswohles, stattfindet, ein viel größerer Prozentsatz der Bevölkerung in den ackerbautreibenden Landgemeinden angesiedelt wird, wird den landwirtschaftlichen Flächen beinahe alles wiedererstattet, was ihnen in der menschlichen Nahrung entzogen wird. Die der Landwirtschaft wieder zugeführten menschlichen Fäkalien werden um die Hälfte mehr betragen als heute, wo ein großer Teil durch die Schwemmkanäle der großen Städte in die Flüsse abgeleitet wird. Aus der für den Kollektivstaat brauchbaren Verteilung der Bevölkerung wird aber noch ein anderer ausschlaggebender Vorteil für die Landwirtschaft entspringen. Nachdem die Industriebevölkerung, die heute zum überwiegenden Teile in den Städten wohnt, im Kollektivstaate beinahe ausnahmslos in den Dörfern angesiedelt wird, sind zur Zeit der Ernte und in anderen Perioden, wo die Landwirtschaft plötzlich vieler Hände bedarf, viel mehr Arbeitskräfte zur Verfügung, als heute. Die Industriebevölkerung kann in dringenden Fällen aufgeboten werden, der landwirtschaftlichen Bevölkerung ihre Unterstützung zu gewähren und ebenso werden die landwirtschaftlichen Arbeiter im Winter der Industriebevölkerung zu Hilfe kommen können. In der Landwirtschaft ist es von der größten Wichtigkeit, daß jede Arbeit genau zur richtigen Zeit vor sich geht. Man darf nicht zu früh noch zu spät säen, pflanzen und ernten und oft hängt die Rettung der Feldfrüchte davon ab, ob eine Arbeit einen Tag früher oder später vorgenommen wird. In katholischen Ländern machen die vielen Feiertage und die strenge Beobachtung der Sonntagsruhe oft Schaden, wenn schon die katholische Geistlichkeit im Interesse der Landwirtschaft manche Konzession macht. Der Kollektivismus gestattet in dieser Hinsicht eine größere Anpassung der Arbeit nach Zeit und Umständen. Wenn in den benachbarten Gemeinden A, B und C die Höhenlage so verschieden ist, daß die Zeit der Reife von Gemeinde zu Gemeinde um 3 bis 4 Tage variiert, so ist in Betracht zu ziehen, ob es sich nicht empfiehlt, die Arbeitskräfte je zweier Gemeinden mit denen der dritten zu vereinigen, wenn in dieser allein der günstige Zeitpunkt für die Ernte gekommen ist. Dabei wird man aber auch die dadurch bedingte Wanderung der Arbeiter als ökonomischen Verlust in Rechnung zu stellen haben, insofern sie größere Wegestrecken zur Arbeitsstelle zurücklegen müssen. Es entsteht die Frage, ob die Staatsverwaltung in der Lage sein wird, eine intensive, gleichmäßige und rationelle Bearbeitung des Bodens zu erzielen, wenn das Eigentumsinteresse der Bauern wegfällt, das umsomehr, nachdem der Großgrundbesitz mit der Ausnützung der Arbeitskräfte keineswegs die besten Erfahrungen macht, kleinere Grundbesitzer aber, die nicht der bäuerlichen Bevölkerung angehören, in der Regel gar keinen Ertrag zu erzielen vermögen, ihre Arbeiter wenig leisten, viel verzehren und sie auch wohl bestehlen. Der Kollektivismus ist aber mit solcher Bewirtschaftung nicht zu vergleichen. Ein Spekulant, der ohne Kenntnis der Landwirtschaft ein Gut erwirbt und selbst bewirtschaftet, selbst nicht mitarbeitet, die Morgenstunden verschläft, und in allem von einem Knechte abhängig ist, der umso besser fährt, je mehr der Eigentümer Schaden leidet, wird natürlich schlimme Erfahrungen machen und die Arbeitskräfte nicht so ausnützen können, wie sie im Kollektivstaat ausgenützt werden können und sollen. Auch wird ein solcher Gutsbesitzer unzufrieden sein, wenn ihm das Gut keine entsprechende Verzinsung des Kapitals abwirft, das in der Regel unverhältnismäßig hoch ist, weil unsere Gutspreise viel zu hoch sind. Solche Güter wechseln auch den Eigentümer sehr oft und auf einen unkundigen Besitzer kommt zumeist ein anderer, der ebenso wenig von der Verwaltung versteht. Die Verwaltung im Kollektivstaat ist eine stabile, es liegen die Erfahrungen früherer Jahre vor, man weiß, was man den Arbeitern zumuten kann, der Verwaltungsbeamte und seine Organe müssen schon vom frühen Morgen Dienst machen, wenn die Arbeiten beginnen und so wird es nicht fehlen, daß eine richtige Bearbeitung erzielt wird, wobei auch in Anschlag zu bringen ist, daß zur unrechtmäßigen Zueignung der Früchte in der zukünftigen Ordnung weder eine Gelegenheit noch eine Versuchung vorliegt. 1. Die Kultur der Zerealien. Sie wird einen eigenen Zweig der landwirtschaftlichen Produktion bilden und der Verwaltungsbeamte wird daher einen dazu geeigneten landwirtschaftlichen Arbeiter mit dessen Oberleitung betrauen. Der Leiter wird Abteilungsführer bestellen, die ihn unterstützen. Für den Anbau der verschiedenen Feldfrüchte im Staate wird die Eignung des Bodens und der durch die Verteilung bedingte Transport der Erzeugnisse vom Erzeugungsorte zur Verkaufsstelle in Betracht kommen. Es mag sein, daß bestimmte Gebiete in Ungarn sich so zum Weizenbau eignen, daß man in Österreich auf mehr und gehaltreicheren Weizen rechnen kann, wenn er nur in Ungarn angebaut wird. Das bedingt aber wieder die Notwendigkeit, den Weizen oder das Weizenmehl von dort nach allen anderen Teilen des Reiches zu verfrachten, insoferne es nicht ökonomischer erscheint, den Weizen zum Teil über die westlichen Grenzen nach dem Auslande zu liefern und eine gleiche Menge aus Rumänien und Südrußland einzuführen. Dabei wird aber die Verwaltung noch eine Frage zu prüfen haben, ob nämlich eine völlige Vereinigung der Kultur einer Frucht auf einem engbegrenzten Gebiete nicht eine größere Gefahr einer totalen Mißernte bringt, als die Verteilung des Anbaues auf das ganze Reich, wenngleich mit geringerer Rücksicht auf die Vorzüge des Bodens. Die oben erwähnten merkantilen Vorteile werden beim Anbau schwerlich in Rechnung gezogen werden können, weil zur Anbauzeit die wahrscheinlichen Ernteergebnisse noch nicht übersehen werden können, welche einen internationalen Ausgleich mit verschiedenen Auslandsstaaten zur Folge haben müssen. Eher wird man trachten, sich vom Auslandshandel unabhängig zu machen und dabei wird eine rationelle Einlagerung der verschiedenen Körnerfrüchte von Vorteil sein. Diese Einlagerung ist tunlichst zu dezentralisieren, ganz im Gegensatze zur heutigen Methode, Zentrallagerhäuser anzulegen. In alledem ist ersichtlich, daß eine zentralisierte Wirtschaft viel unabhängiger von Zufällen ist, alle maßgebenden Verhältnisse besser übersehen und die Arbeitskräfte mit weit größerer Bewegungsfreiheit dorthin lenken kann, wo der dringendste Bedarf danach ist. Der Gesamtplan für den Anbau der Zerealien wird alljährlich auf folgende Art zustande kommen. Jeder Verwaltungsbeamte in den Landgemeinden wird mit Rücksicht auf frühere Erfahrungen, auf die Bodenbeschaffenheit, die Fruchtfolge und die wahrscheinlichen Witterungsverhältnisse angeben, welche Flächen für den Anbau überhaupt und zum Anbau der einzelnen Fruchtgattungen zur Verfügung stehen und welches der wahrscheinliche Ernteertrag sein mag. Da auf manchen Flächen zweierlei Fruchtgattungen angebaut werden können, wird er entsprechende Alternativvorschläge machen, aber das Gutachten dahin abgeben, welche Fruchtgattungen auf diesen Lagen das beste Erträgnis versprechen, und dieses Gutachten wird er genau begründen und mit den statistischen Ausweisen belegen. Dabei können auch die meteorologischen Beobachtungen einer Reihe früherer Jahre von Belang sein. Diese Vorschläge der einzelnen Gemeindeverwaltungsbeamten werden in einer Kommission, die der Bezirksbeamte einberuft, überprüft und aus den ihm vorliegenden Vorschlägen setzt der Letztere seine Alternativvorschläge für den ganzen Bezirk, der Kreisbeamte für den ganzen Kreis, der Provinzbeamte für die ganze Provinz zusammen und nachdem selbe bei der Zentralregierung eingelangt sind, erfolgt von dort die definitive Aufteilung des Anbaues der Zerealien. Dabei mögen auch die restlichen Vorräte der verschiedenen Fruchtarten in Betracht kommen. Die Kreis- und Provinzbeamten werden schwerlich so, wie die Bezirksbeamten eine Überprüfung der Vorschläge vornehmen können, während der Bezirksbeamte wohl so mit den Lokalverhältnissen und den sachverständigen Personen vertraut ist, daß ihm ein Urteil zugetraut werden kann. Die Zentralverwaltung teilt den Anbau der einzelnen Fruchtgattungen auf die Provinzen, die Provinzialverwaltung auf die Kreise, die Kreisverwaltung auf die Bezirke, der Bezirksbeamte auf die Gemeinden auf. Selbstverständlich wird die Staatsverwaltung bedacht sein, den Bodenertrag durch künstliche Düngung zu erhöhen. Auch für Ersatz der menschlichen Arbeit in der Landwirtschaft durch Maschinen wird nach Tunlichkeit zu sorgen sein, wenn auch die wichtigsten landwirtschaftlichen Maschinen nur in den ebenen Landstrichen Verwendung finden. Die Arbeitsersparnis durch Maschinen kommt im Kollektivstaat nicht einer Arbeiter- oder Unternehmergruppe, sondern dem ganzen Volke zugute, daher jeder gleichmäßig daran interessiert ist, daß die Maschinen überhaupt und daß sie vorzugsweise dort zur Anwendung kommen, wo der Erfolg am größten ist. Es ist klar, daß beim Betriebe der Landwirtschaft alle Ergebnisse der Wissenschaft ausgenützt werden müssen, aber man darf darum die Erfahrungen der Ungelehrten nicht gering anschlagen. Es ist noch nicht erwiesen, daß der heutige Großbetrieb dem bäuerlichen landwirtschaftlichen Betrieb, was die Ausbeute anbelangt, überlegen ist, obgleich dort in der Regel nach theoretischen Prinzipien verfahren wird. Die finanziellen Erfolge der heutigen Ökonomen kommen für uns deshalb nicht in Betracht, weil sie meist auf Kosten des Menschenmaterials erzielt werden. Der landwirtschaftliche Arbeiter im bäuerlichen Dienste ist viel besser gehalten als der im herrschaftlichen Dienste angestellte Knecht. Dafür versumpft der Letztere. 2. Der Futterbau. Dem Futterbau ist die größte Sorgfalt zuzuwenden, weil die Vermehrung des Viehstandes davon abhängt und diese für die Volksernährung von hervorragender Bedeutung ist. Auch für diesen Zweig des Landbaus wird aus den Reihen der landwirtschaftlichen Arbeiter in jeder Gemeinde ein Leiter bestellt werden. Es liegen aus Nordamerika Nachrichten vor über die Erfindung der Züchtung von Mikroben, welche die Fruchtbarkeit des Klees und verwandter Pflanzen außerordentlich erhöhen sollen. Diese Erfindung müßte man so schnell als möglich einführen. 3. Die Viehzucht. Dieser Zweig der Landwirtschaft ist besonders wichtig und wird die Bestellung mehrerer Produktionsleiter in jeder Gemeinde bedingen. Für die Wartung der Tiere wird im Vergleiche zum bäuerlichen Betriebe einesteils zwar eine Ersparnis an Arbeit durch die Anlage von Zentralstallungen erzielt werden, andererseits aber durch allgemeine Einführung des Achtstundentags und durch Bestellung einer Stallwache für die Nachtzeit ein erhöhter Aufwand an Arbeitskräften stattfinden, da in unserem bäuerlichen Betriebe die mit der Wartung des Rindviehes betrauten Personen das ganze Jahr hindurch einen acht Stunden weit übersteigenden Dienst haben. Andererseits scheint eine völlige Zentralisation der Stallungen in den Gemeinden auch eine größere Gefahr für Seuchen zu bedingen, daher man schon bei der Anlage von Stallungen zu erwägen hat, was vorteilhafter ist, die Anlage mehrerer Stallungen, oder deren Vereinigung in einem Bau. Vielleicht genügt es, die Stallungen durch mehrere Scheidewände in isolierte Abteilungen zu zerlegen oder eine gut abgemauerte Abteilung zu errichten, welche vorkommendenfalls als Kontumazstall zu dienen hat, eine Vorsicht, die der Bauer nicht beobachten kann. Im Falle von Viehseuchen wird auch das Wartepersonal der kranken Tiere vollkommen zu isolieren sein, was auch nur im Kollektivstaat ausführbar ist. Sind nun die in der Viehzucht verwendeten Arbeitskräfte gründlich in der Erkennung der Krankheitssymptome der ansteckenden Viehkrankheiten unterrichtet, und ist eine nächtliche Stallwache eingeführt, so scheint der Kollektivismus ganz besondere Vorteile für die Unterdrückung der Viehseuchen zu bieten. Dabei kommt ja auch in Betracht, daß alle jene Gefahren für die Verschleppung von Viehseuchen hinwegfallen, welche durch den Marktauftrieb herbeigeführt werden. Endlich kann man sich im Kollektivstaat bei Ausbruch von Viehseuchen viel leichter zur Keulung auch bloß verdächtiger Tiere entschließen, als in unseren Verhältnissen, wo den Schaden der Einzelne zu tragen hat, oder die Entschädigung im öffentlichen Interesse zwar zugesagt, voller Ersatz aber immerhin zweifelhaft ist und dessen Erlangung Zeitverlust verursacht. Für die Reinhaltung und rationelle Wartung der Tiere, besonders der Rinder, kann im Großbetriebe viel mehr geschehen, als im bäuerlichen Betriebe. Auch die Aufzucht der Tiere wird im Großbetriebe viel erfolgreicher sein. Die Pferdezucht wird vielleicht eingeschränkt werden. Der maschinelle Transport und der Maschinenbetrieb in der Landwirtschaft wird, wenn er sich als ökonomisch erweist, vermehrt werden, und auch die Ausnützung der Pferde im Transport gewinnt durch die Zentralisation sehr erheblich. Gerade jener Transport, welcher heute vorzugsweise mit Pferden betrieben wird, der Transport von Landwirtschaftsprodukten aus den Dörfern nach den Städten, wird im Kollektivstaat, wenn die Bevölkerung nur im geringen Maß in Städten angesiedelt wird, bedeutend eingeschränkt werden, und es ist wahrscheinlich, daß in einem Bezirke von 20,000 Einwohnern der ganze regelmäßige Transport zwischen den Gemeinden und dem Bezirksort und zurück durch zehn Paar Pferde und eine Reserve von etwa ebensoviel Pferden sehr leicht wird bestritten werden können, und Ausnahmen werden vorübergehend nur dort vorkommen, wo größere Bauten durchzuführen sind. Was durch das Sammeln von Transporten an Ökonomie gewonnen werden kann, zeigen die Frachtbegünstigungen, welche die Eisenbahnen für Massentransporte bewilligen. Das System der Sammeltransporte ist aber für den Bauer nicht durchführbar, und darum braucht eine Dorfschaft für den Frachtentransport heute viel mehr Zugtiere, als nach Verhältnis der zu bewältigenden Lasten notwendig wäre. Auch Frächter braucht der Transport im Kollektivbetriebe viel weniger, wobei man für heute auch annehmen kann, daß mancher Bauer wenig danach frägt, ob er seine Fahrten nach der Stadt einschränken könnte, wenn er sich das Vergnügen einer Stadtfahrt machen will. Eine beträchtliche Ersparung bringt im Kollektivstaat das Wegfallen der Märkte, insbesondere der Viehmärkte, mit sich. Da kein Kauf und Verkauf von Nutztieren im Inlandsverkehr stattfindet, erspart man alle damit verbundene Arbeit. Nur ein Teil der Umsatzarbeit im Viehhandel kommt als Handelsberufsarbeit in der Statistik in Rechnung, insofern nämlich Kaufleute und Agenten sich bloß mit dem Kaufe und Verkaufe von Tieren befassen. Wo aber der Bauer an Bauern verkauft oder von ihnen kauft, ist nicht von Handel als Beruf die Rede. Die Viehmärkte kommen auch nicht bloß als Zeitverlust in Betracht, welchen der Auftrieb der Tiere, das Schachern und der Heimweg verursachen, sondern es entsteht durch die Viehmärkte auch ein Verlust an Milch und Fleischgewicht, der im Umfange eines großen Reiches sehr viel beträgt. Es ist nicht uninteressant, sich mit den Kniffen vertraut zu machen, deren sich die Bauern bedienen, um sich wechselseitig zu hintergehen. So werden die Kühe am Tage vor dem Markte, auf welchen sie aufgetrieben werden, nicht ausgemolken, damit sie mit strotzendem Euter zum Verkauf kommen sollen. Selbstverständlich muß auch im Kollektivstaat ein Austausch von Tieren zwischen den Ortschaften stattfinden, sie wechseln aber nur den Standort, nicht den Eigentümer, daher es nur einer Verwaltungsverfügung bedarf. Dabei entsteht allerdings auch ein Teil der mit den Märkten verbundenen Arbeit und Verlust am Werte der Tiere. Da es sich aber nur um die wirklich notwendige Veränderung und um die kürzesten Wege handelt, wird doch ein sehr großer Teil des Aufwandes, den unsere Märkte verursachen, erspart. Viele Bauern bringen die Tiere, die sie viele Stunden weit auf den Markt getrieben haben, wieder zurück, um sie dann an einen Nachbar in der Heimatsgemeinde oder sonst in der Nähe zu verkaufen. Für den Austausch der Tiere im Kollektivstaat ist auch nur der Abtrieb nach dem Bestimmungsort erforderlich, während auf dem Markte das Feilschen und Besichtigen von Tieren den ganzen Tag kostet. Kann man im Kollektivstaat die in andere Stallungen zu versetzenden Tiere an die täglich im Bezirk kursierenden Frachtwagen binden, so erspart man auch die Begleitung, und ist ein Austausch zwischen sehr entfernten Orten erforderlich, so hat die Verwaltung je nach der Zweckmäßigkeit die Wahl, die Tiere den ganzen Weg zurücklegen zu lassen, oder bloß eine Verschiebung von Gemeinde zu Gemeinde einzuleiten. Ein Beispiel mag den Aufwand, den die Viehmärkte verursachen, deutlich machen. In Ungarn und Kroatien wurden im Jahre 1900 in 72 Ortschaften 313 Viehmärkte abgehalten und aufgetrieben verkauft % Hornvieh 1.147,361 452,761 40 Pferde 402,193 131,557 32 Schafe 428,589 208,606 48 Schweine 263,923 115,029 44 ------------------------------------ in Summa: 2.242,066 907,953 40 Es wurden also 1.335,000 Stück Vieh auf den Markt aufgetrieben und unverkauft zurückgebracht. Da im Kollektivstaat nur die wirklich in andere Ställe zu versetzenden Tiere abgetrieben werden, =so wären alle diese Tiere in ihren Ställen geblieben, und die= 907,000 =verkauften Stücke wären nur von Stall zu Stall, nicht aber auf dem Umwege über den Markt getrieben worden=. Für ganz Österreich-Ungarn kann man die Zahl der zwecklos auf den Markt gebrachten und unverkauft gebliebenen Tiere im Jahr mit 3,5 Millionen veranschlagen, wovon die Hälfte Hornvieh ist. Alle diese Betrachtungen sollen nur dartun, welche ökonomischen Vorteile der Kollektivismus bietet, man wird aber gut tun, auch in Betracht zu ziehen, daß ein Staat wie Österreich nicht bloß zwei Millionen Arbeitstage oder 7000 Arbeitsjahre im Marktfahren verliert, sondern daß auch die Märkte eine Schule der Unlauterkeit und der Trunksucht sind. Nachstehende Betrachtung zeigt auch einen andern Vorteil des Kollektivismus gerade in Beziehung auf die Milchversorgung der Städte, also in Beziehung auf den Produktionszweig der Viehzucht. Man könnte den ganzen Milchbedarf einer Kreisstadt mit einem Bevölkerungsstande von 4000-5000 Seelen, die Reisenden inbegriffen, durch eine einzige nächstgelegene Dorfgemeinde decken, wenn man folgendermaßen verführe. Der durchschnittliche Milchertrag einer Dorfgemeinde ist bei einem Viehstande von 360 Stück Rindvieh, und darunter 180 Kühen, etwa 1400 Liter. Stellt man nun in einer der Kreisstadt zunächst gelegenen Gemeinde nur Kühe, also etwa 350 Kühe, und zwar in der Periode der größten Milchergiebigkeit, also nach dem Absetzen des Kalbes ein, wo man auf 15 Liter Milch rechnen kann, so ergibt das eine Tagesproduktion von mindestens 5000 Liter Milch, welche reichlich genügt, um das Dorf und die Kreisstadt mit Milch zu versorgen. Vier bis fünf Gemeinden dieser Art könnten eine Provinzstadt mit Milch versorgen, und nur eine Großstadt würde den Milchbedarf aus größeren Entfernungen decken müssen. Zum Teil wird allerdings auch heute so verfahren. In den Vorstädten der großen Städte werden überall Kühe gehalten, welchen das Futter zugeführt werden muß, und die Natur der Sache bringt es mit sich, daß die Eigentümer die trocken stehenden oder schon wenig Milch gebenden Kühe verkaufen und dafür solche, welche im höchsten Milchertrage stehen, einhandeln. Aber in dem Maße, wie im Kollektivstaate, kann das nicht durchgeführt werden, weil immer Kauf und Verkauf notwendig ist und die Spekulation dadurch erschwert wird, auch wird in Wien z. B. wohl schwerlich der fünfte Teil des Milchbedarfs in dieser Weise gedeckt. Der Güterumsatz, welcher in Milch und Milchprodukten und in Fleisch in einem Staate von 45 Millionen Einwohnern unter den Verhältnissen der heutigen Gesellschaftsordnung das Jahr hindurch zu bewältigen ist, ist von sehr beträchtlichem Umfange, und er hängt von dem Prozentualverhältnisse der städtischen zur ländlichen Bevölkerung ab. In den Dörfern erfolgt die Versorgung der Bewohner mit Milch auch heute beinahe ausschließlich naturalwirtschaftlich und ohne Vermittlung des Handels, was aber die Versorgung der Städte anbelangt, so bedarf der Umsatz an Milch, Milchprodukten und Fleisch der Vermittlung des Handels, der einen beträchtlichen Teil des Erlöses in Anspruch nimmt, beziehungsweise eine erhebliche Belastung der Konsumenten mit sich bringt. Man kann den täglichen Handelsumsatz an Milch, Milchprodukten und Fleisch in einem Staate von 45 Millionen Einwohnern mit 30 Prozent städtischer Bevölkerung auf mindestens 4 Millionen Kronen, in Deutschland aber auf mindestens 5 Millionen Mark im Tage berechnen, wenn man nämlich den Verbrauch mit nur 30 Heller für den Kopf und Tag veranschlagt. Der Jahresumsatz beträgt demnach in Österreich über 1400 Millionen Kronen und in Deutschland über 1700 Millionen Mark im Jahre. Außer den eigentlichen Handelskosten, die man gerade bei Milch auf reichlich 20 Prozent des Gesamterlöses veranschlagen kann, ist bei starker Besiedlung der Städte, welche Zufuhren aus ziemlich fernen Bezirken notwendig macht, auch der Aufwand an Transportkosten in Rechnung zu ziehen. Es ist ersichtlich, welche enorme Ersparnisse in diesen Artikeln gemacht würden, wenn die Bevölkerung so, wie hier vorgeschlagen wird, über das Land verteilt würde. 4. Kleinvieh und Geflügelzucht. Auch dieser Produktionszweig wird im Kollektivstaat auf das vorteilhafteste betrieben werden. Die vollkommenste Ausnutzung aller Abfälle für die Fütterung von Tieren und die Verwertung aller Erfahrungen im ganzen Reich werden dazu beitragen. Ob die künstliche Fischzucht ökonomisch gerechtfertigt ist, wird leicht festgestellt werden können, und was die Jagd anbelangt, so wird sich erst zeigen, ob die Erhaltung eines mäßigen Wildstandes volkswirtschaftlich von Vorteil ist. Wenn nicht, kann das Volk die Ausrottung des Wildes beschließen. Es ist zu vermuten, daß das Wild, wenigstens in den Niederungen, viel mehr Schaden tut, als nach Abrechnung des Jagdaufwandes der Wert des Fleisches und der sonstigen Produkte ausmacht. Nachdem aber die Jagd als Vergnügen, nicht aber als Erwerb betrieben wird, kann man heute zu einem richtigen Urteile nicht gelangen. Auch bei der Produktion von Geflügel und Eiern wird, wie schon mehrfach hervorgehoben wurde, das Staatseigentum vielleicht mit Vorteil durch Gemeindeeigentum ersetzt werden. Man erntet dann für die Gemeinde und legt der Staatsverwaltung keine Rechenschaft über Erzeugung und Verbrauch ab. Bei der Geflügelzucht, dann beim Obstbau und der Bienenzucht wird die freie Tätigkeit von Liebhabern sich sehr nützlich erweisen, daher selbe von Staats wegen zu ermuntern ist. 5. Wasserwirtschaft. Die Wasserwirtschaft im Kollektivstaate verdient eine besondere Betrachtung, weil sich dabei die Vorteile des Kollektivismus recht anschaulich zeigen. Es scheint, daß hier, bei der Erörterung des kollektivistischen Betriebes der Landwirtschaft, der Ort ist, über diesen Gegenstand zu sprechen, weil das Wasser zwar für die verschiedensten Bedürfnisse in Betracht kommt, die Bewässerung aber die wichtigste Verwendung des Wassers ist. In unserer Zeit des wirtschaftlichen Individualismus sind wir in der Wasserwirtschaft weit hinter dem Altertum und selbst hinter der Zeit der maurischen Herrschaft in Spanien, ja hinter der Zeit der Herrschaft der Inkas in Peru zurück. Das beweist, daß man dem Kollektivismus in allen Zeiten schon wiederholt näher gestanden ist als heute. Es scheint, daß man ein Privateigentum an Grund und Boden in alten Zeiten nicht anerkannte und daß sich der Landesherr auch als Eigentümer von Grund und Boden betrachtete. Das erleichterte in Mesopotamien und Ägypten die großen Wasseranlagen, welche in unserer Zeit kaum zustande gebracht werden könnten. Das Wasser kommt in Betracht als Förderer der Landwirtschaft, als Förderer der Gesundheit, Reinlichkeit und der Lebenshaltung der Einzelnen, als Transportmittel, als Kraftquelle und als Grundlage der Fischzucht, endlich im Gegensatze zu alle dem als Zerstörer. In Gebirgsländern wie Österreich ist das Wasser wegen seines Gefälles wichtiger als anderswo, sowohl nützlicher als gefährlicher. Es drängt sich demnach der Gedanke auf, welche Aufgabe der Staatsverwaltung in Beziehung auf die Wasserwirtschaft gestellt würde, wenn die ganze Wirtschaft verstaatlicht wäre. Der Staat hätte nicht nur allen Wasserschäden vorzubeugen, sondern auch alle natürlichen und regelmäßigen Wasserläufe und alle erforderlichen künstlichen Ansammlungen und Abläufe für die nützlichste Verwertung einzurichten und die gesamten Gewässer dem größten Nutzeffekte dienstbar zu machen. In unserer Zeit kann man oft bemerken, daß der Vorteil des einen zugleich der Schaden des andern ist. Man behauptet, daß die Abfuhr der Industriewässer oft zu großen Beschädigungen der Fischzucht und selbst der Hygiene führt. Das kann im Kollektivismus der Staat verhüten, und außerdem verteilt sich Nutzen und Schaden auf alle. Was andere Produktionszweige anbelangt, so wird der Kollektivismus auf ihren Betrieb nicht besonders einwirken. Die Industrie wird nur den Vorteil haben, der aus dem ausnahmslosen Großbetriebe entsteht, und der Kollektivstaat hat ein Generalmonopol, aber nicht zur Bereicherung von Unternehmern, sondern zur Bereicherung des ganzen Volkes. Doch ist hier zu bemerken, daß dem Erfindungsgeiste für Maschinen und Werkzeuge, Arbeitsmethoden und Verwaltung im Kollektivstaate dieselbe Betätigung, ja vielleicht eine größere eröffnet wird, als in unserer industriellen Wirtschaft den Fabrikdirektoren und Unternehmern. Denn wer immer eine Verbesserung vorzuschlagen hat, wird Gelegenheit haben, seine Vorschläge zu veröffentlichen, wenn ihm die Staatsverwaltung kein Gehör schenkt, und so wird er es zu Versuchen bringen und, wenn sein Vorschlag sich bewährt, auch reichlichen Lohn ernten. XI. Die Verteilung im Kollektivstaat. Nachdem der Kollektivstaat allein besitzt, steht es ihm zu, die Güter zu verteilen. Der Besitzende sucht von den Früchten seines Besitzes so viel als möglich für sich zu erhalten und für die Bewirtschaftung seines Besitzes so wenig als möglich Opfer zu bringen. So wird der Staat auch nur sein egoistisches Interesse im Auge behalten und das öffentliche Wohl über jedes Einzelinteresse stellen. Da aber der Staat unpersönlich ist, wird der Erfolg seiner Wirtschaft immer der Gesamtheit zu statten kommen. Die Verteilung erfolgt nach den Volksbeschlüssen, welche in der Regel nur allgemeine Gesetze aufstellen, und Sache der Staatsverwaltung ist es, die Gesetze auf die einzelnen Fälle anzuwenden. Die Verteilung hat zum Gegenstande die Arbeit und die Güter. 1. Die Verteilung der Arbeit. Jeder Arbeitsfähige, der nicht nach den Gesetzen von geregelter Arbeit befreit ist, ist zur Arbeitsleistung verpflichtet. Die Verteilung der vorhandenen Arbeitskräfte auf die einzelnen Produktionszweige erfolgt nach den Volksbeschlüssen betreffend die Ausdehnung der Produktion auf den verschiedenen wirtschaftlichen Gebieten. Es ist klar, daß z. B. mit der Vermehrung des Betriebes der Eisenbahnen eine Vermehrung des Betriebspersonals gegeben ist. Ebenso gilt das von einer Vermehrung der Papierproduktion oder der Produktion von Büchern und Zeitschriften. Würde die Unterdrückung einer gewissen Industrie, z. B. der Biererzeugung, verfügt, so entfiele die darauf bisher aufgewendete Arbeit. Übersteigt die geforderte Produktion die Menge der verfügbaren Arbeitskräfte, so wird die Staatsverwaltung eine verhältnismäßige Reduktion aller Produktionen, oder jener Produktionen verfügen, für welche der Staatsverwaltung eine Latitude eingeräumt ist. Die Staatsverwaltung ist hinreichend über die Fähigkeiten aller Individuen informiert, daß sie dafür verantwortlich gemacht werden kann, zu jedem Geschäfte den Brauchbarsten zu bestellen. a) Der Arbeitstag. Man wird ohne Zweifel einen Normalarbeitstag für durchschnittliche Arbeit gemeiner Art annehmen. Ich bin jetzt geneigt, den achtstündigen Arbeitstag als Regel gelten zu lassen, während ich früher zweifelte, daß damit in Europa, nämlich bei unserer großen Bevölkerungsdichte, eine genügende Produktion bestritten werden könnte, weil man bei den Bauern im Sommer eine 14-15 stündige Arbeitszeit antrifft. Allein ich habe mich überzeugt, daß das nur etwa 5 Monate dauert und daß bei den Bauern in der übrigen Zeit die Arbeit weit unter acht Stunden im Durchschnitte herabsinkt. Dem Sozialismus ist nicht leicht durch jemand so geschadet worden, wie durch sozialistische Schriftsteller, welche durchwegs die Lehre aufstellen, daß, wenn wir unsere Gesellschaftsordnung verließen, wir nicht nur im Reichtum schwimmen würden, sondern auch die Arbeitszeit auf ein Minimum zusammenschrumpfen könnte. Man spricht nach Belieben von einer 4 oder 5 stündigen Arbeitszeit und Bebel, der übrigens durch einen gelehrten Herrn irre geführt wurde, verficht in seinem Buche: »Der Sozialismus und die Frau« die Lehre, daß im Sozialstaate -- oder, wie er es vorzieht zu sagen, in der sozialistischen Gesellschaft -- die Arbeit auf 2-1/2 Stunden im Tage für die Altersstufen zwischen 16 und 50 Jahren herabgesetzt werden könnte, wenngleich die Gesellschaftsmitglieder Anspruch hätten auf ein reiches Leben. Er ist irre geführt durch Hertzka, den er für einen Volkswirt hält, der aber ein Schwärmer ist, der die unglaublichsten Versprechungen macht, um seine Freilandprojekte zu propagieren. Er wollte durch die sorgfältigsten Erhebungen festgestellt haben, daß in Österreich diesseits der Leitha der Bedarf für 22 Millionen Menschen durch 650,000 Arbeitskräfte -- wahrscheinlich wurden sie mit 10 stündiger Arbeitszeit in Anschlag gebracht -- hergestellt werden könnte und daß die Erzeugung ihrer Luxusbedürfnisse nur die Arbeit von weiteren 315,000 Arbeitern erheischen würde, das alles bei reichlicher Versorgung und dem Bau von Familienhäusern, welche nur für die Dauer von 50 Jahren hergestellt werden sollten. Das wollte Hertzka durch eine Korrespondenz mit Unternehmern und Verwaltern ermittelt haben. Man kann sich denken, wie oberflächlich diese Ermittelungen waren. Organisation und Maschinen, worin man in Nordamerika wohl schon das Äußerste erreicht hat, können uns noch vieles erleichtern, aber es ist genug, wenn sie uns Befriedigung aller Bedürfnisse bei achtstündiger Arbeitszeit gewähren und uns noch manche Anstrengungen und Widerwärtigkeiten abnehmen. Von solchen Irrtümern müssen wir uns frei machen und wir dürfen den Arbeitern keine Versprechungen machen, die sich nicht erfüllen lassen. Da sie an 10 und 11 Stunden Arbeit gewöhnt sind, werden ihnen 8 Stunden Arbeit an 300 Tagen nicht zu schwer werden und da jede Verminderung der Arbeitszeit eine Verminderung der Genüsse mit Notwendigkeit zur Folge hat, so kann die richtige Festsetzung der Normalarbeitszeit als die wichtigste ökonomische Frage im Kollektivismus betrachtet werden. Eine achtstündige Arbeit erschöpft gewiß nicht so, daß die dadurch gewonnenen Güter nicht hinreichten, dem Körper alles wiederzugeben, was er in der Arbeit zugesetzt hat. Würde die Arbeitszeit noch beträchtlich herabgesetzt, so bedürfte man noch vermehrter Luxusgüter, um die freie Zeit auszufüllen und gerade, wo die Produktion der Güter zurückgeht, würde der Bedarf nach Gütern steigen. Wenn Bebel auch noch möglichste Abwechslung in der Arbeit verlangt, so ist dagegen wohl auch zu bemerken, daß bei allen Arbeiten, die einige Geschicklichkeit fordern, Abwechslung nur auf Kosten der Produktivität zugestanden werden kann. Der Arbeiter würde also bei diesem Wechsel, wenn er häufig stattfände und nicht bloß zu dem Ende, um eine dem Individuum besser passende Beschäftigung zu finden, viel weniger leisten, und da im Kollektivismus jeder Schade die Gesamtheit trifft, würde das ganze Volk weniger genießen können, wenn der Grundsatz zur Anwendung käme, daß man mit der Arbeit beliebig wechseln kann. Zum Teile aber würde der Wechsel auch ökonomisch gerechtfertigt sein. Denn bei den bäuerlichen Arbeiten ist eine besondere Qualifikation nicht erforderlich und dort ist eine Abwechslung ohnehin gegeben und da auch die gewerblichen Arbeiter in den Sommermonaten zu den bäuerlichen Arbeiten herangezogen werden müssen, so ist einige Abwechslung ohnehin dort geboten, wo sie nicht ökonomisch verwerflich ist. Auch in den hauswirtschaftlichen Arbeiten dürfte ein Wechsel wohl statthaft sein, wenngleich die Leitung des Küchenwesens nur besonders begabten Frauen überlassen werden kann. Ebenso unmöglich wäre es, jeden sich seine Arbeit vollkommen frei wählen zu lassen. Es darf sich niemand eine Arbeit wählen, zu der ihm die Geschicklichkeit oder die intellektuelle Fähigkeit mangelt, es können ferner zu keinem Berufe[44] und zu keiner Arbeit mehr Arbeiter zugelassen werden, als die festgesetzte Produktion erheischt und die wissenschaftlichen und künstlerischen Berufe müssen von materieller Arbeit befreien. Eben darum aber kann es niemand freistehen, sich einen wissenschaftlichen oder künstlerischen Beruf frei zu wählen, dazu können nur die als vorzüglich befähigt Erkannten zugelassen werden, weil das das Interesse des Volkes gebieterisch fordert. [44] Unter Beruf verstehe ich jene Arbeit, die der Staat als Entgelt für die Versorgung annimmt. Die achtstündige Arbeit gilt für die Durchschnittsarbeit; für Arbeiten, welche große Anstrengung erfordern oder sonst eine höhere Belastung der Arbeiter herbeiführen, werden andere Normen angenommen werden. Nach Maßgabe der Volksbeschlüsse wird der Normalarbeitstag entweder unveränderlich festgehalten, oder nur für den Jahresdurchschnitt angenommen, so daß eine Mehrleistung in der einen Jahreszeit durch eine Herabsetzung in den anderen Monaten wettgemacht wird. Außer dem Normalarbeitstage wird auch eine Normalzahl der Arbeitstage für das Jahr festgesetzt werden, wahrscheinlich 300 Arbeitstage im Jahre. Die landwirtschaftlichen Arbeiten werden eine genaue Feststellung der geleisteten Arbeitsstunden erschweren. b) Sonntage, Feiertage, Ferien. Es ist höchst wahrscheinlich, daß man die Sonntagsruhe aufrechterhalten wird. Nur aus überwiegenden wirtschaftlichen Gründen wird man manche Industrien kontinuierlich betreiben und demnach die Sonntagsruhe versagen. Dann sind zwei Auswege möglich, man kann nach Einstellung einer Überzahl von einem Sechstel der erforderlichen Arbeiter je ein Siebentel der Arbeiterschaft ruhen lassen, und zwar an jedem Tage in der Woche, oder man kann irgend eine Entschädigung für die Mehrarbeit bewilligen. Eine solche Entschädigung wäre die Herabsetzung des Normalarbeitstages von acht Stunden auf 6 Stunden 50 Minuten, oder längere Ferien, das wären 65 Ferialtage nach beendeten 300 Arbeitstagen, oder sonst irgend ein Benefizium. Es wird dabei immer in irgend einer Form darauf hinausgehen, Ersatzarbeiter einzustellen. Allein man wird nicht bloß die Ausgleichung der mehr verwendeten Arbeitszeit zu bewilligen haben, eine Verlegung der Ruhe auf einen anderen Tag, als den Sonntag, den echtesten Freudentag, den jeder mit den andern feiern möchte, oder längere Ferien nach längerer Arbeit, werden niemals als ein Äquivalent gelten können. Man könnte noch einen Ausweg finden und in solchen Industrien eine frühere dauernde Arbeitsbefreiung gegen dem gewähren, daß der Befreite sich verpflichtet, sich zur Sonntagsarbeit einstellen zu lassen. Daß außer den Sonntagen auch gewisse Feiertage gehalten werden, ist sehr wahrscheinlich, aber es wäre doch zweckmäßiger, diese Feiertage auf einen Sonntag zu verlegen, da die Aufeinanderfolge von sechs Arbeitstagen und einem Ruhetage sehr zweckmäßig scheint und eine neuerliche Unterbrechung der Arbeit durch einen Feiertag eher langweilig ist. Nimmt man nun 300 Arbeitstage im Jahre, so ergibt das nach Abrechnung von 52 Sonntagen noch 13 oder 14 freie Tage und es erscheint zweckmäßig, dieselben mit 2 oder 3 sich daran schließenden Sonntagen zu einer Ferialzeit zusammenzulegen, welche dem Arbeiter Gelegenheit gibt, den Arbeitsort zu verlassen und sich in der Welt umzusehen. Für diese Zeit wird dann eine Reisebewilligung erteilt und der Urlaub fällt nicht auf eine bestimmte Zeit, sondern er wird das ganze Jahr über auf die Arbeitspflichtigen aufgeteilt, wobei den Tüchtigeren und Älteren die Wahl der Zeit einzuräumen ist. Für manche Berufe wird man von diesen Grundsätzen abweichen. Der Verwaltungsbeamte, der ohnehin ein Recht auf frühere Arbeitsbefreiung hat und dessen Dienst sonst verhältnismäßig leicht ist, wird weder auf Sonntagsruhe noch auf Urlaub Anspruch haben, weil er keinen Ersatzmann stellen kann und eine ununterbrochene Amtsführung zweckmäßig scheint. Fraglich wäre nur, ob er die Führung der Geschäfte auf ganz kurze Zeit dem vom Volke bestellten Kontrollbeamten oder dem Arzte oder einem Lehrer überlassen könnte. Dagegen wieder werden die Lehrer vielleicht auf längere Ferien als solche von 15 Tagen Anspruch machen, wogegen man von ihnen unter dem Jahre anstrengenderen Dienst fordern wird. c) Arbeitsbefreiung. Die Befreiung von geregelter, erzwungener Arbeit kann, wie in I, _Alinea_: »Von der staatlichen« erwähnt wurde, bestimmten Familien verfassungsgemäß eingeräumt werden. Außerdem wird sie von einem gewissen Alter an jedem, ohne Rücksicht auf eine Altersgrenze aber solchen eingeräumt, welche ein großes Verdienst für den Staat erworben haben oder welchen man nach Maßgabe ihrer erwiesenen Begabung und Schaffenslust, Gelegenheit zum schöpferischen Arbeiten geben will. Letztere Arbeitsbefreiung wird widerruflich sein. Das Normalalter für die Arbeitsbefreiung wird das zurückgelegte 65. Lebensjahr sein, es kann aber nach dem Berufe erheblich herabgesetzt werden, so für Verwaltungsbeamte und Lehrer auf 55 Jahre, für Ärzte, wenn sich die Annahme bewähren sollte, daß der Arzt kein hohes Alter erreicht, auf 45 Jahre usw. Es mag die Frage aufgeworfen werden, ob es ohne Schaden für die Produktion möglich sein wird, das 65. Lebensjahr als Maximalgrenze für die geregelte Arbeit festzusetzen, denn der Statistik zufolge gäbe das 45 Arbeitsbefreite für eine Gemeinde von 1000 Köpfen, während heute an Ausgedingleuten, Rentnern und Hausbesitzern, Pensionisten, Pfründnern und Almosenempfängern nur 23,5 Köpfe auf tausend gezählt werden. Allein es ist offenbar, daß in einer Küchenwirtschaft für 1000 Personen es gar nicht empfindlich ist, ob 23,5 oder 45 Mitesser mithalten und die anderen Bedürfnisse fallen nicht sehr in die Waagschale, wenn Wohnungen genug vorhanden sind. Daß der Arbeitstag für manche Berufe, wie insbesondere für die Bergarbeit, unter 8 Stunden herabgesetzt werden kann, ist evident, aber es ist davon hier nicht weiter die Rede, weil die Verminderung der Arbeitszeit zu jenen Benefizien gehört, von welchen in VIII, 9, m, gesprochen wird. Wenn auch Kinder und junge Leute unter 18 Jahren von der geregelten Arbeit befreit sein sollen, so wird man ihnen doch, wie in VII, 5, bemerkt wurde, aus erziehlichen Gründen eine mäßige Arbeit auferlegen. d) Arbeitszuweisung. Bei der Arbeitszuweisung wird man in jedem Berufe auf Geschlecht und Alter Rücksicht nehmen. Eine ganze Reihe von Arbeiten leichterer Art, wie Hauswirtschaft, Erziehung, Krankenpflege, Gartenarbeit, Milchwirtschaft und gewisse landwirtschaftliche Arbeiten wird man den Frauen vorbehalten. Zum größten Teil ist das auch heute schon durchgeführt. Man wird nicht leicht ein Bauernmädchen die Sense schwingen sehen, wohl aber gehen die Mädchen neben den Mähern her und breiten das geschnittene Gras aus. Im Lehrberufe und als Ärztin kann sich die begabte Frau ebenso nützlich machen, wie der gleichbegabte Mann. Auch in der Industrie sind viele Arbeiten durchaus passend für die Frauen, so die Kleiderverfertigung und die Bedienung der Spinn- und Webemaschinen. Man soll ferner bei den ungelernten Arbeitern auf das Alter Rücksicht nehmen und den älteren Männern und Frauen das Lästige und Beschwerliche ersparen und es den Jüngeren aufladen. Bei der Zuweisung der verschiedenen Arbeiten wird man zwei Gattungen von Arbeiten unterscheiden. Die meisten Arbeiten sind von der Art, daß sie niemand ablehnen, der Staat sie niemand verwehren kann. Das sind die landwirtschaftlichen, die hauswirtschaftlichen Arbeiten und die einfacheren gewerblichen Arbeiten. Dagegen gibt es Arbeiten, welche eine größere Belastung der Arbeiter mit sich bringen und solche, welche größere Vorstudien oder besondere Talente voraussetzen. Zu ersteren, so zur Bergarbeit, darf niemand gezwungen werden, zu letzteren wird niemand zugelassen, der nicht die Bedingungen erfüllt, welche der Staat daran knüpft und unter Personen, die qualifiziert sind, wird jener bestellt, welcher als tüchtiger erkannt wird. Bei der Berufswahl wird auch das Gutachten der Ärzte eingeholt. Es gibt junge Leute, die sich nicht für den Tischlerberuf eignen, weil sie zur Tuberkulose hinneigen. Solche werden diesem Berufe nicht zugewiesen und, wenn ihnen das Gutachten mitgeteilt wird, werden sie sicher einverstanden sein, einen Beruf zu meiden, der ihnen größere Gefahr bringt. Es ist bekannt, daß die Arbeiten in Zündhölzchenfabriken ungefährlich sind, wenn gewisse Phosphorarten verwendet werden. Wegen der erbärmlichen sozialen Zustände in Österreich war es bisher nicht möglich, das Verbot durchzusetzen, anderen Phosphor zu verwenden. Im allgemeinen wird jeder für den landwirtschaftlichen oder hauswirtschaftlichen =und= irgend einen gewerblichen Beruf ausgebildet, weil die Landwirtschaft im Sommer viele Arbeitskräfte, im Winter aber wenig Arbeitskräfte erheischt. So wird dann jeder landwirtschaftliche Arbeiter im Winter in irgend einer Industrie beschäftigt werden. Es gibt keine Gewerbe, in welchem nicht ein Drittel der Arbeiten von ungelernten Personen verrichtet werden kann. Bei den schwierigeren Arbeiten sind die Abstufungen sehr groß. Vom Mechaniker geringster Art bis zum Monteur oder zum Verfertiger optischer Apparate ist ein weiter Weg. Darum wird im Gewerbe auch ein Vorwärtskommen eröffnet werden für jene, die sich zu den feinsten Arbeiten qualifizieren. Für die höheren Berufe werden die Begabtesten in der Schule ermittelt werden. Der Pädagoge und die Lehrer werden alle Talentierten schon in der Schule ermuntern, sich durch hervorragende Leistungen auszuzeichnen und eine solche Betätigung wird der einzige Weg zum Verwaltungs-, Lehr- oder Sanitätsdienst sein. Doch soll die höhere Schulbildung nicht der einzige Weg sein, um zu hohen Ehren und glänzender Stellung zu gelangen. Auch aus den Arbeiterkreisen werden Forscher, Künstler und Erfinder hervorgehen, welche niemals eine höhere Schule absolviert haben. Dagegen soll Geburt niemals einen Anspruch auf höhere Stellen gewähren und die Glieder der monarchischen und adeligen Familien sollen von allen Stellen im Staatsdienst ausgeschlossen sein, wenn sie nicht auf ihre erbliche Stellung für sich und ihre Nachkommen verzichten. Auch soll jedem Hochbegabten gestattet werden, die Hochschule nachzuholen, wenn seine Begabung erst nach seiner Einstellung in den landwirtschaftlichen oder gewerblichen Beruf erkannt wird. =Der oberste Verteilungsgrundsatz soll sein, daß jedem in seinem Berufe die Möglichkeit geboten werden soll, das höchste Alter zu erreichen, das ihm nach seiner Konstitution zu erreichen möglich ist.= Darum muß bei der Arbeitsverteilung dahin gewirkt werden, daß kein Beruf überlastet wird und wenn in einem Berufe eine größere Sterblichkeit konstant beobachtet wird, sollen solche Erleichterungen im Dienste und solche Vermehrung der Genüsse gestattet werden, daß ein Ausgleich erzielt wird. Selbstverständlich hat die Verwaltung die größten Anstrengungen zu machen, alle Schädlichkeiten der Berufe zu bekämpfen. Es wurde oben bemerkt, daß es Berufe gibt, zu welchen niemand gezwungen werden kann, wie zum Bergbau. Findet sich nun niemand zu einem solche Berufe, so wird es in der Regel Sache der Staatsverwaltung sein, einem solchen Berufe solche Begünstigungen zuzuwenden, daß sich Bewerber melden. In der Regel werden diese Begünstigungen in einer Verkürzung der Arbeitszeit bestehen. Hat nun jemand sich zu einem solche Berufe bereit erklärt, so entsteht ein Vertragsverhältnis, welches nicht willkürlich gestört werden kann. Doch wäre das nicht der einzige Weg, um die Erzeugung der Güter sicherzustellen, welche in solchen Berufen erzeugt werden. Man könnte Ausländer dingen, welchen man das Staatsbürgerrecht nicht erteilt und welche nur auf Naturalverpflegung und kleinen Lohn Anspruch haben und man könnte solche Güter auch vom Auslande im Handel erwerben, oder die Bergwerke gegen einen in Produkten zu entrichtenden Pachtschilling an Ausländer verpachten, was aber schwer ausführbar wäre. Endlich verweise ich auf VII, 2, _Alinea_: »Noch wichtiger wäre«. Ob einem Arbeiter die Zeit der Krankheit in die Arbeitszeit eingerechnet wird, hängt davon ab, ob ihm ein Verschulden an seiner Krankheit nachgewiesen werden kann oder nicht. Im Falle der Einstellung einer Produktion, sei der Anlaß welcher immer, hat der Staat für andere Arbeit zu sorgen. Insofern ein Ersatz nicht sofort möglich ist, wird man die unbeschäftigten Arbeiter beurlauben und ihnen diesen Urlaub später anrechnen. Sie werden dann in verwandten Berufen beschäftigt, z. B. Metallarbeiter in einem anderen Produktionszweige der Metallindustrie, und bei den sich so ergebenden Verschiebungen können Arbeitskräfte der geringsten Art aus der gewerblichen Produktion in die landwirtschaftliche Produktion versetzt werden. So trägt der Staat die Gefahr der Arbeitslosigkeit allein. Strike, nämlich völlige Arbeitsverweigerung, werden nicht geduldet, die Arbeit ist Pflicht, und wer nicht aus dem Kollektivverbande ausscheiden will, I, _Alinea_: »Die Rechtsgrundsätze für die kommende Zeit«, wird zur Arbeit gezwungen. Remonstrationen über unverhältnismäßige Belastung in einem Produktionszweige müssen auf das gewissenhafteste geprüft und gerechten Beschwerden abgeholfen werden. Inwiefern die Arbeit in einem bestimmten Berufe verweigert werden kann, bestimmen die Gesetze. Wer sich zu beschwerlichen Berufen bedingungsweise verstanden hat, wird wenigstens auf eine bestimmte Zeit gebunden sein und nicht ganz willkürlich ausstehen dürfen. 2. Die Verteilung der Güter. Hier ist nicht nur von Sachgütern die Rede, sondern auch vom Genusse der persönlichen Dienstleistungen. Ich verstehe hier unter persönlichen Dienstleistungen jede Arbeit, welche nicht auf Erzeugung oder Wiederherstellung von Sachen gerichtet ist. Auch für die Verteilung der Güter ist der allgemeine Grundsatz maßgebend, daß jedem in seinem Berufe die Möglichkeit geboten werde, das höchste Alter zu erreichen, das ihm nach seiner Konstitution zu erreichen möglich ist. Wenn nun hierzu irgend ein Aufwand von Sachen erforderlich ist, muß er gemacht werden. Insbesondere muß die Nahrung darauf berechnet sein, dem Körper einen vollkommenen Ersatz für die in der Arbeit eingesetzten Kräfte zu bieten. Nach diesem Grundsatze könnte etwa der Bauer mehr Fett, der geistige Arbeiter mehr Fleischnahrung oder Stimulantien beanspruchen. Es ist bereits wiederholt bemerkt worden, daß es volkswirtschaftlich begründet ist, einen Teil des jährlichen Volkseinkommens zur Entlohnung größerer und höherer Verdienste, besonders in wissenschaftlichen und künstlerischen Berufen auszuscheiden. Es wird sich da einerseits um bestimmte Arten von Gütern, andererseits um einen prozentuell höheren Anteil an den für die allgemeine Verteilung bestimmten Gütern handeln. Alle übrigen Güter sollen gleichmäßig, nach Köpfen, verteilt werden, aber mit Rücksicht auf Alter, Geschlecht und im Berufe gelegene Bedürfnisse und auf Klima. Gewisse Gebrauchsgegenstände, wie wissenschaftliche Apparate und musikalische Instrumente, werden zunächst zur Ausrüstung der Personen, die davon berufsmäßig Gebrauch machen müssen, also im staatlichen Organismus angestellter Forscher, Künstler und Musiker, dann nach Verhältnis des Interesses der Bevölkerung für Kunst und Wissenschaft in den einzelnen Bezirken verteilt. Die Bedeutung der berufsmäßigen Forscher und Künstler wird darüber entscheiden, wem die kostbarsten Instrumente, z. B. alte berühmte Geigen, zum Gebrauche überlassen werden, und ebenso wird die Verwaltung[45] seltene Apparate und Instrumente nur jenen zum Gebrauche überlassen, welchen eine nützliche Verwendung zugetraut werden kann. Dabei wird man auf die Gutachten der staatlich anerkannten Vereine und der Fachunterrichtspersonen Rücksicht nehmen, und wenn man sich getäuscht hat, die Instrumente anderen überlassen. [45] Da es seltene Instrumente gibt, die nicht in so großen Mengen erzeugt werden, daß sie in jeder Gemeinde zur Verteilung gelangen können, wird deren Zuweisung den Bezirks- oder Kreisbeamten zu überlassen sein. Auf die Minimalversorgung hat auch der Arbeitsunfähige Anspruch. XII. Die Beziehungen des Kollektivstaates zum Auslande. Diese Beziehungen werden hier nur insofern näher untersucht, als es sich um Auslandsstaaten handelt, welche noch die Geldwirtschaft aufrecht erhalten; denn der erste Staat, der sich kollektivistisch organisiert, hat es nur mit solchen Staaten zu tun. Bilden sich nach und nach auch andre Kollektivstaaten, so werden sie internationale Vereinbarungen treffen, welche den Reiseverkehr, den Austausch von Gütern und die Auswanderung, vielleicht auch Versicherung gegen Mißwachs betreffen. Dieser Abschnitt behandelt den Gütertausch mit Auslandsstaaten der heutigen Gesellschaftsordnung, den Reiseverkehr, die Aus- und Einwanderung und die territoriale Integrität. 1. Der Güteraustausch mit ausländischen Staaten. Da der Kollektivstaat Alleineigentümer aller Güter im Staate ist, kann er den Nachbarstaaten gegenüber wie eine ausländische Privatperson angesehen werden. Nur er kann österreichische Güter an das Ausland verkaufen und, von einigen Ausnahmen, die unten erwähnt werden, abgesehen, nur für ihn können im Auslande Güter erworben werden. Obwohl er selbst im Inlande keine Geldwirtschaft kennt, kann er aus geldwirtschaftlichen Staaten nur gegen Zahlung Güter erwerben, und darum kann er nach solchen Staaten auch nur gegen Zahlung Güter überlassen. Er kann sich hierbei irgend einer ausländischen Währung bedienen, und er wird keine heimatliche Währung einführen. Würde er von jedem Staate nur so viel Güter erwerben, als er dem Werte nach dahin verkauft, so würden die Forderungen, die er in dieser Währung erwirbt, zur Berichtigung seiner Schuld an die Bürger dieses Staates gerade hinreichen. Allein es ist nicht möglich, den Güterverkehr mit ausländischen Staaten so einzurichten, daß sich Schuld und Forderung in jedem Lande ausgleichen. Die Handelsbilanz wird in der Regel einem Staate gegenüber aktiv, einem anderen Staate gegenüber passiv sein. Das bedingt dann auch, daß seine Forderungen und Schulden aus dem Güterverkehr in den verschiedensten Währungen kontrahiert werden. Allein das macht es nur notwendig, daß die erworbenen Valuten, soweit es zum Ausgleich notwendig ist, verwertet werden. Dabei wird der Staat ein Jahr etwas gewinnen, das andere vielleicht etwas verlieren, was aber von keinem Belange ist. Die Verwaltung wird hierbei wahrscheinlich im Vorteil sein, weil bei dem Überblicke über so ungeheure Mengen von Transaktionen ein Urteil gewonnen wird, das ein kleiner Händler nie erwirbt. Die Frage, welche Art von Gütern verkauft und erworben werden dürfen, ist Gegenstand der Volksbeschlüsse. Dabei wird man nicht so engherzig vorgehen, daß man mit ganz offenen Karten spielte und das Ausland genau wüßte, was der Kollektivstaat kaufen und verkaufen muß. Man wird aber den ausländischen Geschäftsleuten gegenüber im Vorteil sein, weil der Kollektivstaat die »stärkste Hand« ist. Der Kollektivstaat wird niemals ein Zollgesetz erlassen, weil er damit nur sich selbst besteuern würde und die Einfuhrserschwernis der Zölle dadurch aufgewogen wird, daß nur er als Käufer für sein Staatsgebiet auftreten kann, also keine Einfuhr denkbar ist, welche ihm nicht bequem wäre. Ob der Kollektivstaat den internationalen Kauf und Verkauf durch Agenten oder Staatsbeamte besorgen läßt, ist eine Frage, die wohl hier nicht zur Entscheidung zu bringen ist. Wenn Kunstgegenstände des freien, nicht berufsmäßigen Schaffens, VIII, 5, oder den Schriftstellern zugestandene Freiexemplare auf Verlangen der Schöpfer und Schriftsteller und mit Einwilligung der Staatsverwaltung geschenkweise ins Ausland gehen, so soll die Einwilligung der Staatsverwaltung auf diesen Gegenständen ersichtlich gemacht werden. 2. Der Reiseverkehr mit dem Auslande. Mit dem Reiseverkehr wird es ebenso gehalten, wie mit dem Gütertausch. Der Ausländer, der in Österreich reist, muß dafür in der Währung seiner Heimat zahlen, und so erwirbt der Staat die Mittel, um die Reisen seiner Bürger im Auslande zu bestreiten. Für die Fremden gelten folgende Rücksichten. Der Staat hat sich dagegen sicherzustellen, daß die im Inlande reisenden Ausländer keine ansteckenden Krankheiten einschleppen und sonst keinen Schaden anrichten. Praktisch wäre es durchaus tunlich, alle Fremden an der Grenze einer genauen ärztlichen Untersuchung zu unterwerfen. Allein Fremden von einigem Ansehen gegenüber wird man davon absehen, um den Reiseverkehr nicht zu erschweren. Arbeiter und andere Personen, welche minder anspruchsvoll sind, mögen wohl einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden. Fremde, die keine volle Sicherheit in dieser Hinsicht gewähren, werden in den Orten ihres Aufenthaltes so behandelt werden, daß die Gefahr der Übertragung einer Krankheit abgewendet wird. Es könnte auch ein Gesetz erlassen und in allen Auslandsstaaten verlautbart werden, daß Reisende, die sich einer ansteckenden Krankheit bewußt sind und eine Ansteckung im Inlande verschulden, einer strengen Bestrafung unterzogen werden. Es wird genau vorgeschrieben werden, auf welche Art die Ausländer, welche im Kollektivstaate reisen, sich zu legitimieren haben, und man wird wahrscheinlich Legitimationskarten fordern, welche die Photographie des Reisenden enthalten, und dasselbe wird von seiner Begleitung gelten. Man würde vielleicht gut tun, Fremde, welche im Inlande reisen, an der Grenze zu verhalten, ihre Barschaft und Kostbarkeiten zu deponieren. Doch scheint es, daß die Furcht vor dem ausländischen Gelde nicht begründet wäre und daß die Kontrolle über die Güter des Kollektivbesitzes jede unredliche Veräußerung unmöglich machte. Auch eine Bestechung wird man aus diesem Grunde nicht zu fürchten haben, und es ist zu bedenken, daß die Ausnahmslosigkeit des Staatseigentumes das Recht geben würde, das Geld, das man im Besitze eines Inländers findet, zu konfiszieren. Für den Reiseverkehr im Inlande könnte man Kategorien einführen. Die geringste Kategorie wäre für Fußgänger, welche nur in Urgemeinden oder Bezirksvororten Unterkunft nehmen, und die Kreisstädte, Provinzstädte und die Reichshauptstadt nicht betreten würden. Sie hätten auf alles Anspruch, was die Masse der inländischen Bevölkerung zu genießen befugt ist. Da diese aber durch Arbeit dafür bezahlt hat, muß der Ausländer für Unterkunft und Verpflegung in Geld bezahlen. Die Schuld würde, da es sich um Kategorien handelt, durch eine nach Tagen berechnete Summe berichtigt werden. Eine nächste Kategorie würde die Benützung der Eisenbahn und Dampfschiffe und den Aufenthalt in Kreisstädten mit dem Anspruche auf den Besuch von Theatern und Konzerten gewähren und gleichfalls nach Tagen berechnet werden. Natürlich schlösse das Recht der höheren Kategorie auch alles in sich, was mit der niederen Kategorie verbunden ist. So ließen sich noch etwa zwei oder drei höhere Kategorien schaffen. Indessen scheint es, daß man für besonders anspruchsvolle Fremde, die auf großem Fuße zu reisen gewöhnt sind, einen anderen Weg als den der Pauschalierung der Reisekosten wählen könnte, und daß man ihnen die Möglichkeit eröffnen sollte, à la carte zu speisen, Kunstgegenstände zu kaufen und nach allem nach Belieben zu verlangen, in welchem Falle die Preise bestimmt werden müßten. Ob nun die Rechnung in Barem an bestimmte Personen, z. B. den Verwaltungsbeamten, oder durch Anweisungen auf das Depot, wovon oben die Rede war, berichtigt werden soll, wäre zu prüfen. Selbstverständlich würden Fremde unter Umständen auch als Gäste zu empfangen sein. Wenn ein wissenschaftlicher Kongreß im Kollektivstaat abgehalten wird, werden die Teilnehmer von der Grenze an als Gäste des Staatsoberhauptes, also des Staates reisen. Die durch die Reisen der Ausländer im Inlande erworbenen Mittel werden in der Regel wieder dazu verwendet, um Österreicher im Auslande reisen zu lassen. Cook hat uns bereits darüber belehrt, daß es auch eine Unternehmung für Reisen gibt. Der Staat würde die meisten Reisen der Inländer im Auslande als Unternehmer in Regie nehmen. Es können solche Reisen in den verschiedensten Formen als Belohnung, zur Belehrung und zu Unterrichtszwecken ermöglicht werden, und dabei wird der Staat als Unternehmer auftreten. Personen von höchstem Range, Akademikern, Ministern, Hochschulprofessoren, wird, wenn sie im Auslande reisen, eine Summe Geldes angewiesen, nur mit der Einschränkung, daß das nicht Verwendete wieder zurückerstattet wird, und daß die Verwendung nur für Reisezwecke erfolgen dürfe. Man wird für inländische Studierende in mehreren großen Städten des Auslandes Konvikte einrichten, wo sie volle Verpflegung erhalten. So in Rom für Maler und Bildhauer, in Berlin, Paris, London für Ärzte und Naturforscher usw., und ebenso kann man im Inlande für auswärtige Studierende Pensionen einrichten. Es wäre wohl möglich, daß man eine Erziehungs- und Unterrichtsindustrie für Ausländer betriebe. Was nun die jeweiligen Kassenvorräte anbelangt, so würden vielleicht Kassen im Inlande eingerichtet werden, und zwar an den Einbruchstationen. Die Zahl dieser Kassen würde eine kleine sein. Außerdem würde man sich der ausländischen Banken bedienen, die das Inkasso halten und Anweisungen honorieren würden. Man könnte auch für diese Geldgebung eine öffentliche Rechnungslegung in nachstehender Form einführen. Die Einnahmen der Einbruchstationen würden für jeden Tag in einer Liste im Reichsblatt veröffentlicht und dann gleichfalls getrennt nach den Kassaorten die Rückzahlungen und die Abführung an die Staatszentralkasse tabellarisch verzeichnet. 3. Die Aus- und Einwanderung. Der Kollektivstaat würde eine überseeische Kolonie zu erwerben trachten, welche er speziell für seine Zwecke einrichten, worin aber Individualwirtschaft betrieben würde. Diese Kolonie würde besonders dazu dienen, Inländer strafweise zu verbannen, so, wenn sie die Propagationsgesetze, VII, 1, _Alinea_: »Zu den gesetzlichen Folgen«, nicht beobachten. Auch soll solchen, die sich dem Kollektivzwang nicht unterwerfen wollen, aber das Leben in der Kolonie der Auswanderung vorziehen würden, die Möglichkeit eröffnet werden, in die Kolonie zu übersiedeln. Wollen sie sich Altersversicherung vorbehalten, so müßten sie eine Prämie bezahlen, weil sie in der Kolonie nur für eigene Rechnung arbeiten. Inländern soll die Auswanderung freigestellt werden, nur vielleicht mit der Beschränkung der vorherigen Erreichung eines bestimmten Alters, wenn man annähme, daß mit dem dreißigsten oder fünfunddreißigsten Jahre die Erziehungsschuld abgetragen ist. In sehr vorgeschrittenem Alter könnte auch eine Auswanderungsprämie bezahlt werden, weil die Auswanderung eine Verzichtleistung auf Altersversicherung in sich schließt. Für die Einwanderung von Ausländern sind gesetzliche Bestimmungen aufzustellen. Es werden gewisse körperliche und psychische Eigenschaften zur Bedingung gemacht. Ob ein Einkauf stattfinden müsse, wird auch zu bestimmen sein. Ob man gestatten soll, daß jemand zugleich Kollektivbürger im Inlande und Besitzer eines Vermögens in einem auswärtigen Staate sei, ein Fall, der bei Erfindern und großen Künstlern und Schriftstellern sehr wohl vorkommen könnte, denn wenn jemand ein epochemachendes Werk im Auslande auflegt, können ihm wohl recht große Summen im Auslande zufallen, ist zwar zu erwägen, allein eine engherzige Entscheidung wäre zu verwerfen. Nur wenn zu befürchten wäre, daß ein Inländer eine solche im Auslande erworbene wirtschaftliche Macht dazu mißbrauchen könnte, die Kollektivordnung zu untergraben, müßte man sich dagegen schützen. Es wäre ein schlechtes Zeugnis für den Kollektivismus, wenn so etwas möglich wäre. Wollte man die Grundsätze über das Staatseigentum und das staatliche Obereigentum an den zu freiem Schaffen überlassenen Konsumtibilien auf das strengste anwenden, so könnte man allerdings verlangen, daß alles, was mit solchen Stoffen produziert wurde, dem Staate verbliebe, ja, man könnte ein Manuskript, das auf Papier des Kollektivstaates geschrieben ist, wenn ein Kollektivbürger es im Auslande verwerten wollte, als veruntreut vindizieren, aber das wäre eine engherzige Tiftelei und würde einer Sklaverei sehr ähnlich sehen. Der Sklave erwirbt immer für seinen Herrn. Doch könnte man den Grundsatz einprägen, daß der Bürger alles, was er schafft, seinem Vaterlande überlassen und daß, wer damit nicht einverstanden ist, vorher auswandern solle, ehe er für seine Person erwirbt. Denken wir, ein Inländer sendet Aufsätze an auswärtige Zeitschriften, für welche ihm ein Honorar zugesendet wird, ein Inländer beteiligt sich an einer ausländischen Konkurrenz für Monumentalbauten, für Eisenbahnprojekte, für die Einrichtung einer Fabrik und er würde mit einem Preise bedacht oder ein Inländer nähme, was während der arbeitspflichtigen Zeit die Beurlaubung voraussetzen würde, eine auswärtige Professur oder ein Engagement für eine Konzerttournee an, er schaffe im Auslande Meisterwerke der Malerei oder Skulptur; sollte er den Lohn nicht für sich behalten? Allerdings kann man sagen, das Vaterland hat dich ausgebildet, dir die Mittel gegeben, Künstler zu werden, du bist ein Teil des Ganzen. Aber das dürfte doch nur als sittliche Erwägung, als Dankbarkeit und als Patriotismus in Betracht kommen. Vielleicht könnte man fordern, daß der Erwerbssüchtige zwar den Lohn, der in barem erworben wird, dem Kollektivstaate überlasse, aber sich ein Äquivalent in Genüssen bedinge. Doch man wird immer zu fürchten haben, daß ein Inländer von diesen Grundsätzen abweicht und sich insgeheim direkt mit dem Auslande abfindet, wenngleich er nichts, weder Kunstwerke noch Manuskripte, anders, als durch Vermittlung der staatlichen Verkehrsanstalten, ins Ausland senden kann. Jedenfalls ist der Besitz von Geld, wenn damit kein Mißbrauch gemacht wird, und die Verwertung der in freiem Schaffen hervorgebrachten Werte für egoistische Zwecke vielleicht als Schmutzerei zu betrachten, aber doch nicht als Rechtsverletzung. Etwas anderes wäre, wenn man mit dem Gelde Mißbrauch machte, jemand zur diebischen Veräußerung von Staatsgut verleitete oder das Geld sonst zu einer Bestechung verwendete. Dann würde allerdings ein Verbrechen begangen, das Strafe und Konfiskation rechtfertigen würde, wie auch wenn sich jemand des Zeitdiebstahls schuldig machte, um fürs Ausland zu arbeiten. Daß aber die Summe der dadurch veranlaßten Beschädigungen des Staates auch nur im Entferntesten jene Vorteile aufwiegen könnte, die der Kollektivismus im Gefolge hätte, ist doch undenkbar. Und darum kann man niemals behaupten, solche Schwierigkeiten bewiesen, daß ein Staat nicht allein zum Kollektivismus übergehen könne, oder er müsse sich vom Auslande abschließen. Will man vernünftig maßhalten, so wird man vor Manchem ein Auge zumachen. Würde man aber solche Egoisten ins Ausland verbannen, so würde das wahrscheinlich als schwere Strafe empfunden, denn das würde Trennung von vielen Freunden und Verwandten und von so viel Schönem und Herrlichem bedeuten und einem solchen Ausgeschlossenen würde man auch das Reisen im Inlande verwehren, wenn er auch dafür bezahlen wollte. Es ist übrigens zu erwarten, daß, wenn der Kollektivismus einmal in einem Staate durchgeführt wäre, diese Wirtschaftsform bald auch auf die Nachbarländer übergreifen würde und so werden die kleinen Schwierigkeiten, welche das Nebeneinanderbestehen von Ländern verschiedener Gesellschaftsordnungen verursachen kann, nicht lange währen. Abgesehen von der Einwanderung und vom Reiseverkehr der Ausländer im Inlande ist noch eine dritte Beziehung zu Ausländern ins Auge zu fassen. Es können auch Ausländer in ein Arbeits- oder Dienstverhältnis zum Kollektivstaat treten. Man kann sowohl Arbeiten der geringsten Art Ausländern überlassen, als auch Arbeitsleistungen der höchsten Art Ausländern übertragen. Handelt es sich um Arbeiten, die den Aufenthalt im Kollektivstaat nicht bedingen, wie die Veredlung von Waren, z. B. das Bedrucken österreichischer Webwaren, oder die Ausarbeitung von Projekten, die Herstellung von Kunstwerken, oder schriftstellerische Arbeiten, so wäre das der Kauf einer Arbeit im Auslande, wofür vereinbarte Zahlungen zu leisten sein werden. Hierbei kann es vorkommen, daß der Kollektivstaat der ausländischen Jurisdiktion unterworfen wird. Dieser hat er sich zu fügen, wenn auch keine Exekutionsobjekte sich im Jurisdiktionslande befinden. Das wäre eine Frage des Kredits, den der Kollektivstaat aufrechterhalten muß. Ist aber die Arbeit im Inlande zu leisten, zum Beispiele, wenn Ausländer eine Erd- oder Maurerarbeit im Kollektivstaat übernehmen, oder sich als Bergleute verdingen, oder wenn ausländische Ärzte im Kollektivstaate an ein Krankenbett gerufen werden, wenn ausländische Gelehrte im Kollektivstaate eine Kanzel annehmen, wenn ein Ausländer die Leitung einer österreichischen Fabrik übernähme usw., so wird man Verträge schließen, welche Art von Verpflegung man den Ausländern zu gewähren hat und welche Restzahlung sie zu beanspruchen haben. Für die daraus entstehenden wechselseitigen privatrechtlichen Ansprüche könnte ein Schiedsgericht bestellt werden, wenn die ausländischen Gerichte, die über solche privatrechtliche Beziehungen zu urteilen hätten, als befangen angesehen würden. Es ist sehr wohl möglich, daß diese Art der Verwendung von Ausländern sich als sehr nützlich erwiese, besonders für Arbeiten, welche sehr gesundheitsschädlich sind und welche sich Inländer zu übernehmen scheuen. Auch kann dadurch die ausländische Intelligenz für Inlandszwecke verwertet werden. Doch verwickelt das die Verhältnisse, da ausländische Erdarbeiter vielleicht eine polizeiliche Überwachung nötig machen würden. Freilich erleichterte der staatliche Organismus diese Überwachung außerordentlich. 4. Politische Beziehungen zum Auslande und Landesverteidigung. Der Kollektivstaat würde sich vor allem neutral erklären und die Anerkennung dieser Neutralität im Auslande anstreben. Er würde nur Verträge wirtschaftlicher Natur mit Auslandsstaaten abschließen und es wird auf eine Bemerkung über das Patentwesen in VIII, 8, _Alinea_: »Da nun dem Staate« verwiesen, welche ein solches wirtschaftliches Interesse berührt, das Gegenstand eines internationalen Vertrages werden könnte. Allianzverträge könnten mit Auslandsstaaten nur zum Schutze der Reichsintegrität geschlossen werden und es würde kaum möglich sein, dafür auch bewaffneten Schutz des Kontrahenten zu versprechen. Man kann kaum annehmen, daß irgend ein Allianzvertrag, der dem Kontrahenten das Recht bewaffneten Einschreitens auf inländischem Gebiete gewährte, im Interesse eines Kollektivstaates gelegen sein könnte. Noch viel weniger könnte ein solcher Staat an eine Offensivallianz denken. Ein Interesse könnte der Kollektivstaat haben, seine Waren, die er zu exportieren wünscht, gegen hohe Einfuhrzölle zu schützen, aber da er selbst keine Zölle hat, auf die er im Kompensationswege verzichten könnte, fehlt es ihm an einem Gegenwerte, welcher geboten werden könnte. Es wird also die Herabsetzung von Zöllen nur von dem Interesse der Bürger des Auslandsstaates abhängen und von dem Gedanken eingegeben werden können, den Absatz von Waren an den Kollektivstaat zu erleichtern. Aber auch diesen Absatz kann der Kollektivstaat nicht vertragsmäßig zugestehen, daher Zollverträge kaum zustande kommen werden. Selbstverständlich wird ein solcher Staat, der nur an die Volkswohlfahrt denkt, sich beeilen, Schiedsgerichtsverträge mit auswärtigen Staaten abzuschließen und auch solche Fälle nicht vorbehalten, wo die Nationalehre in Betracht kommt. Und so werden die Gefahren eines auswärtigen Krieges tunlichst beschworen. Bezüglich des Schutzes seines Eigentums und seiner Vertragsrechte im Auslande wird der Kollektivstaat einem Privaten gleichzuhalten sein. So wenn ein Dieb oder ein ungetreuer Beamter Staatseigentum ins Ausland verschleppte. Ist die Vindikation nach der Natur der entwendeten Sachen möglich, so wird der Eigentumsanspruch geltend gemacht. Bei vertretbaren Sachen wird der Kollektivstaat auf den Schadenersatz angewiesen sein. Es muß noch die Landesverteidigung besprochen werden für den Fall, als trotz der Neutralitätserklärung, und trotz der Verzichtleistung auf politische Ansprüche im Auslande ein Angriff auf das Reichsgebiet von Seiten eines Auslandsstaates stattfände. Es ist zwar anzunehmen, daß der Kollektivstaat die Habsucht und den Neid der herrschenden Klassen in den Nachbarstaaten weniger herausfordert, als ein Staatswesen, welches nicht kollektivistisch organisiert ist, weil sie, um im eroberten Gebiete nach ihrem Sinne zu wirtschaften, gewaltige Umgestaltungen vornehmen müßten und diese Wiederherstellung veralteter Zustände gewaltige Schwierigkeiten böte. Auch ist, wie sich zeigen wird, nicht nur der Sieg über einen kollektivistisch organisierten und auf den Krieg vorbereiteten Staat viel unwahrscheinlicher, als der Sieg über einen Staat der alten Gesellschaftsordnung, sondern auch die Gefahr gerade für die kriegslustigen Bewohner des angreifenden Staates für den Fall des Unterliegens viel größer. Denn wenn der Kollektivstaat angegriffen wird und den Angreifer überwindet, so liegt es in der Natur der Sache, daß der Sieger im unterliegenden Staatswesen den Kollektivismus zwangsweise durchführt und die herrschenden Klassen ihrer Vorrechte beraubt. Auch kann er die am Ausbruche des Krieges schuldtragenden Personen wie Räuber und Diebe bestrafen. Trotzdem wird bei einem Nebeneinanderleben zweier Völker, von welchen nur eines kollektivistisch organisiert ist, für dieses erst recht der Grundsatz gelten: _Si vis pacem para bellum_. Der Kollektivstaat wird also alles vorzubereiten haben, was im Kriegsfalle nicht binnen wenigen Tagen hergestellt werden kann. Es ist zweifelhaft, ob stabile Befestigungen hierher zu rechnen sind, da deren Wert nicht groß zu sein scheint und im Zukunftskriege passagere Befestigungen vielleicht eine größere Rolle spielen werden, haben sie aber noch einen Wert, so wird man es daran nicht fehlen lassen. Aber unzweifelhaft müssen Waffen bester Art und Munition reichlich vorhanden und die waffenfähigen Bewohner des Staates mit deren Gebrauch auf das Beste vertraut gemacht werden. Das Menschenmaterial ist tüchtiger und widerstandsfähiger, die Kriegstüchtigen zahlreicher. Sie haben mehr Vaterlandsliebe und ihre Interessen sind mit dem Bestande des Staates enger verknüpft. Auch die hohe Intelligenz eines solchen Volkes erhöht seine Wehrfähigkeit. Es wird nicht notwendig sein, ein Heer im Frieden auf den Beinen zu halten, wenn man auch jährliche Waffenübungen abhalten wird. Das Milizsystem wird sich für solche Staaten jedenfalls besser empfehlen, als ein stehendes Heer. Kriegsschulen zu halten, wird sich wohl empfehlen, obschon die Erfahrung im Burenkriege zu beweisen scheint, daß für die Führung im Kriege angeborene Begabung wichtiger ist, als die Ausbildung in den Kriegsschulen. Auch der amerikanisch-spanische Krieg, mehr noch der nationale Krieg in Frankreich unter Napoleon I., der zwar selbst ein wissenschaftlich Gebildeter war, aber eine Reihe ganz ungebildeter Leute ihrer angeborenen Begabung wegen zu Marschällen gemacht hat, spricht nicht für einen hohen Wert der Kriegswissenschaft. Da sich aber kriegerische Talente erst im Kriege bemerkbar machen können, braucht man wenigstens für die Einleitung des Kriegs kriegswissenschaftlich ausgebildete Führer, die erst nach und nach durch geniale Neophyten ersetzt werden können. Vor allem hat der Kollektivstaat vor anderen Staaten für den Krieg voraus, daß er Alleineigentümer aller Güter ist, also keine Zeit damit zu verlieren braucht, Lieferungsverträge abzuschließen und sich nicht in die Hand von Lieferanten zu geben braucht, die nicht nur den Staat bewuchern, sondern auch durch Verzögerungen und Unpünktlichkeit großes Unheil anrichten können. Die Zentralverwaltung kennt genau die Lagerorte aller Kriegserfordernisse und kann innerhalb weniger Stunden telegraphische Anweisung geben, wohin sie zu schaffen sind. Der ganze Verwaltungsapparat ist auch im Frieden ein großer Intendanzdienst und ehe drei Stunden ablaufen, ist jeder Mann im Lande von der Kriegserklärung verständigt und auf dem Wege zu den Sammelplätzen, wo zugleich mit den Marschbefehlen die Transportmittel eintreffen. Es ist nicht einzusehen, was in einem solchen Lande hindern sollte, am zweiten Tage der Mobilisierung einen Teil der Armee über die Grenze gehen und den Rest in den nächsten Tagen staffelweise nachrücken zu lassen. Es ist ganz unmöglich, daß ein Staat, der nach der alten Gesellschaftsordnung verwaltet wird, in der Mobilisierung mit einem Kollektivstaate Schritt halten könnte, es wird also immer der letztere sein, der in das Feindesland eindringt. Dort kann er zwar nicht mit Hartgeld bezahlen, aber nichts kann ihn hindern, dort Zwangspapiergeld auf die im Feindeslande kursierende Währung lautend in Umlauf zu setzen und auch das dort in Umlauf befindliche Geld gegen sein Papiergeld zwangsweise einzutauschen. Er braucht demnach kein Anlehen aufzunehmen, um die Requisitionen bar zu bezahlen, denn mit dem durch den Einmarsch erworbenen Verwaltungsrechte ist auch die Geldhoheit verbunden, welche das Recht gibt, das Zahlungsmittel, welches gesetzlichen Umlauf hat, zu bestimmen. Im Falle des Sieges wird dem Überwundenen die Einlösung dieses Papiergeldes oder dessen Anerkennung als gesetzliches Zahlungsmittel auferlegt. Freilich hat in einem solchen Kriege auch der Feind den Vorteil, daß er im Kollektivstaat alles, was er findet, als gute Beute nehmen kann, weil alles Staatseigentum ist, wobei aber das Nachfolgende zu berücksichtigen ist. Ein anderer Vorteil, nämlich auf Seite des Kollektivstaates, ist die Möglichkeit, die gefährdeten Grenzdistrikte vollständig zu räumen und auch von allen im Kriege erforderlichen Gütern so zu entblößen, daß der Feind, wenn er den Verteidiger doch zu werfen und in sein Land einzudringen vermöchte, gezwungen wäre, sich bloß aus den eigenen Nachschüben zu verproviantieren, was ihm enorme Schwierigkeiten verursacht und rasches Vordringen unmöglich macht. Da nämlich alle Güter Staatseigentum sind und alle Produktionszweige vom Staate betrieben werden, so kann die Verwaltung alle Frauen und Kinder, sowie die nicht streitbaren Männer, aber auch alle Vorräte und das Vieh in das Innere des Reiches zurückziehen, wo jeder sofort Unterkunft, Nahrung und Arbeit findet. Wer diese Reise zu Fuß machen kann, marschiert nach dem Innern und wer auf Transportmittel angewiesen ist, wird um so leichter nach dem Innern befördert werden können, als die Transportmittel, welche Truppen und Kriegsmaterial nach der Grenze bringen, sonst leer zurückgehen müßten. Auf dieselbe Art wird man alles nach dem Inneren bringen, was nicht zum Unterhalte der eigenen Armee nötig ist und der Feind im Falle seines Einmarsches für seine Zwecke brauchen könnte. Kann das Grenzgebiet von der nicht streitbaren Bevölkerung ganz geräumt werden, so wird der einbrechende Feind keinen Führer finden und den Kundschafterdienst nicht organisieren können, wofür übrigens der Bürger eines Kollektivstaates auch nicht zu gewinnen wäre. So hat es den Anschein, als ob im Kriegsfalle zwischen Kollektivstaaten und anders organisierten Staaten alle Vorteile auf Seiten der ersteren wäre, abgesehen davon, daß der Kollektivstaat die Sympathien der Bevölkerung des angreifenden Nachbarstaates auf seiner Seite hätte, die im Siege des Kollektivismus ihre Erlösung sehen muß. Siegt der Kollektivismus, so wird er das bezwungene Land so lange verwalten, bis auch dort das Kollektivprinzip durchgeführt ist und er wird sich aus den Vorräten des Gegners alles ersetzen, was er für den Krieg hat aufwenden müssen. Die Kriegsentschädigung wird auch für allen jenen Schaden zu leisten sein, der aus der Verminderung der arbeitsfähigen männlichen Bevölkerung durch Tod oder Verwundung entstanden ist. Freilich rechtfertigt diese Betrachtung von dem Machtzuwachs, den der Staat durch den Übergang zum Kollektivismus erlangen würde, die Befürchtung, daß die Nachbarstaaten diese Umwandlung zum Anlasse eines Krieges machen könnten. Allein dagegen wäre wieder eine Hoffnung darauf zu setzen, daß diese Macht, weil sie nur für die Verteidigung ins Spiel gebracht würde, nichts Herausforderndes hat und daß kein Nachbar einen Angriff von Seiten des Kollektivstaates zu fürchten hätte. Auch läge es für auswärtige Staaten näher, das, was dem Nachbar einen Machtzuwachs bringen muß, nachzuahmen, als ihn zu bekriegen. XIII. Vorteile und Nachteile des Kollektivismus. Nach dem, was in diesem Werke dargelegt wurde, scheint es gewiß zu sein, daß der Kollektivismus, so gehandhabt, wie hier vorgeschlagen wurde, nur Vorteile für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen hätte. Freilich kann der Kollektivismus, wenn der kollektivistische Staat anders eingerichtet wird, ebenso verderblich sein, wie ja auch das Privatvermögen in den Händen eines Weisen sich sehr nützlich machen kann, in den Händen eines Wüstlings oder Fanatikers aber verderblich wirken wird. Wird der Kollektivismus ins Leben gerufen durch Toren oder Betrüger, welche dem Arbeiter das Ideal einer zweistündigen Arbeitsdauer vorschwindeln, so wird allerdings das allgemeine Elend die Folge sein und bemächtigen sich die Jesuiten, Paraguays gedenkend, des kollektivistischen Ideals, so kann geistloser Pietismus an die Stelle unserer Kultur treten. Ich suche durch den Kollektivismus den modernen Staat auszugestalten, der mir von allen Einrichtungen, von welchen uns die Geschichte berichtet, das Herrlichste scheint, derzeit nur eingeschnürt in die Fesseln einer veralteten Gesellschaftsordnung und darum an der Erfüllung seiner Mission gehindert. Alles, was ich anstrebe, strebt der moderne Staat an, aber in Anbetracht seiner beschränkten Mittel unvollkommen und schwächlich. Der Kollektivstaat würde Kunst und Wissenschaft viel großartiger pflegen, als der heutige Staat vermag, er würde das Elend beseitigen, das Volk veredeln, die sanitären Verhältnisse vervollkommnen, Verbrechen, Vagabundage, erbliche und ansteckende Krankheiten unterdrücken und es ist kein Zweifel, daß von der Einführung des Kollektivismus ein neuer, großartiger Aufschwung der Kultur datieren müßte. Wir haben gesehen, daß von den Anklagen, die gegen die Veränderung der Gesellschaftsordnung erhoben werden, keine sich als stichhaltig erweisen wird. Der Kollektivismus widerspricht nicht nur dem Christentum nicht, er ist vielmehr dessen Erfüllung, er ist das Wesen dessen, was Christus das Gottesreich nannte. Wer seinen Nächsten liebt, wie sich selbst, muß den Kollektivismus herbeiwünschen und wünschen, daß davon in der Hauptsache jener Gebrauch gemacht werde, der in diesem Buche vorgeschlagen wurde. Wie sehr das richtig ist, geht schon aus den Zitaten hervor, die Bebel in seinem Buche: »Die Frau und der Sozialismus« in der Anmerkung auf Seite 294 aus den Kirchenvätern bringt. Danach sagte Papst Klemens I., [+] 102: »Der Gebrauch aller Dinge auf dieser Welt soll allen gemeinsam sein. Es ist eine =Ungerechtigkeit= zu sagen, das gehört mein eigen, das gehört mir, das dem anderen. Daher ist die Zwietracht unter die Leute gekommen.« _Sanct Clem. act. concil._ Ambrosius, [+] 397, sagt: »Die Natur (also Gott) gibt alle Güter allen Menschen gemeinsam, denn Gott hat alle Dinge geschaffen, damit der Genuß für alle gemeinsam sei und damit die Erde zum gemeinsamen Besitztum werde. Die Natur hat also das Recht der Gemeinschaft erzeugt und es ist nur die ungerechte Anmaßung, welche das Eigentum erzeugt.« _Ambrosius Sermo 64, Expositio in Lucam caput XVI._ Chrysostomus, [+] 407, erklärte in seinen gegen die Sittenlosigkeit und Verderbnis der Bevölkerung in Konstantinopel gerichteten Homilien: =Nenne niemand etwas sein eigen=, von Gott haben wir Jegliches zum gemeinsamen Genuß empfangen und »Mein und Dein« =sind Werke der Lüge=. _Chrysostomus Homilia 11^{ma} concio de Lazaro. Homilia 57^{ma} in Matthäum._ Augustin, [+] 430, sprach sich folgendermaßen aus: »Weil das individuelle Eigentum existiert, existieren auch die Prozesse, die Feindschaften, =die Kriege=, die Aufstände, die Sünden, die Ungerechtigkeit, die Mordtaten. Woher kommen alle diese Geiseln? =Einzig vom Eigentum.= Enthalten wir uns also, meine Brüder, =es zu lieben=.« _Augustinus: De civitate Dei._ Papst Gregor der Große, [+] 600, endlich sagt: »Sie sollen es wissen, =daß die Erde, wovon sie ja herstammen und gemacht sind, allen Menschen gemeinschaftlich ist= und daß daher die Früchte, welche die Erde erzeugt, =allen ohne Unterschied gehören sollen=.« _Gregorius, Regula pastoralis, admonito 22._ Alle diese Kirchenväter verdammen unsere Gesellschaftsordnung, =die aber der Einzelne nicht aus der Angel heben kann=, das kann nur das Werk der Staatskunst sein. Aber so vernünftig ein Kollektivismus ist, der den gemeinsamen Gebrauch aller Güter nach gerechten Grundsätzen verwaltet, so absurd ist Tolstojs christlicher Anarchismus. Auch beinahe alle griechischen Philosophen, wie Plato und Aristoteles, leiteten alle Ungerechtigkeit und alles Unheil von der Gesellschaftsordnung ab. Sie nannten unsere wirtschaftlichen Zustände =den Krieg aller gegen alle=, und daß das Verwüstung von Gütern bedeuten muß, ist doch klar. Weil wir aber diesen Krieg im Innern täglich vor Augen haben, scheint uns auch der Krieg mit Nachbarn nicht verwerflich. Hätten wir Frieden in der Wirtschaft, so müßte auch der Krieg mit Nachbarn ein Ende nehmen. Es ist auch offenbar, daß der kategorische Imperativ Kants =nur im Kollektivstaat= zur Herrschaft gelangen kann, und darum sind seine Anschauungen von der Notwendigkeit des Privateigentums und der Berechtigung der gewaltsamen Aneignung schon an und für sich absurd, aber völlig im Widerspruche mit seinem ethischen Grundgesetze. Plato bezeichnet als das oberste Ziel aller Politik Frieden und wechselseitiges Wohlwollen, was den Staat zusammenhält, müsse gepflegt, der Staat müsse ein =in sich Befreundetes= werden, er sei zu gestalten nach den Interessen und Bedürfnissen aller, die Interessen der Einzelnen müssen den Interessen der Gesamtheit weichen. Es bedürfe eines königlichen Ineinanderwebens der Gemüter, einer Lebensgemeinschaft, es sei jenes allerköstlichste Geflecht zustande zu bringen, welches alle Glieder des Staates miteinander verbindet. Die Selbstsucht, der unersättliche Egoismus hebe alle Gemeinschaft auf und lasse Recht und Ordnung gar nicht mehr zu. Der Egoismus mache die Gesellschaft naturwidrig, =man müsse nach verhältnismäßiger Gleichheit streben=. Jeder solle so handeln, daß seine Tätigkeit auch der Gesamtheit zugute komme, der Staat sei ein Mensch im Großen, nicht aber bloß eine Summe von Individuen. Der Einzelne solle lieber Unrecht leiden als tun. Er tadelt die bestehende Gesellschaftsordnung, wo statt sozialer Motive zersetzender Egoismus und Jagd nach Geld die Triebfeder ist. Selbst die Aristokraten werden geldsüchtig und genußsüchtig. Sie werden erfinderisch in neuen Formen des Aufwandes. Damit wird nach und nach alles angesteckt, der Wettkampf dreht sich nur um Erwerbgier, höhere Güter verlieren an Wert. Alles wird nach Geldsummen taxiert, =der Staat zerfällt in Arme und Reiche=, die sich bekämpfen, so werden die Staaten nach außen schwach. Das größte Übel ist die Geldwirtschaft und absolute Freiheit des Erwerbes und der Veräußerung, wodurch übermäßiger Reichtum und völlige Armut entstehen. Plato findet, =daß das positive Recht von Unwissenheit und Selbstsucht diktiert sei und daß das Privateigentum ein Auseinanderreißen der bürgerlichen Gesellschaft herbeiführe, durch Gütergemeinschaft werde Schmerz und Freude gemeinsam=, sie bringe Befreiung von Streit und Kampf. Plato sucht neue Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft, gelangt aber zu keinem brauchbaren Ergebnisse. Daß man aber damals keine Abhilfe wußte, ist nicht verwunderlich, denn es fehlte alles, was in unserer Zeit die Verwaltung großer Besitztümer erleichtert, insbesondere Druck, Telegraphen und Eisenbahnen. Auch Aristoteles fordert von jedermann eine solche Mäßigung im Erwerbe und im Genießen, daß niemand in der Aufrichtung des Kollektivstaats etwas Beengendes sehen könnte. Napoleon sagt: _Les lois ont pour but le bonheur de touts._ Nur durch den Kollektivstaat können sie es aber erreichen. Die Freiheit wird durch den Kollektivismus nicht vermindert, sondern vermehrt, und das größte Maß von Freiheit wird nicht den durch Geburt, sondern den durch Verdienst dazu berufenen Personen zuteil. Ebenso falsch ist, daß der Kollektivismus nur die materiellen Interessen fördere. Der moderne Staat, wenn er die Mittel zur Verfügung hätte, die ihm der Kollektivismus bieten würde, würde den idealen Interessen viel mehr Vorschub leisten, als heute möglich wäre. Der Kollektivismus ist die Ordnung selbst und somit der Antipode des Anarchismus. Aber er ist nur die Ordnung in den Dingen, »die sich im Raume stoßen«, den Ideen kann er weit größeren Spielraum gewähren, als der heutige Staat. Hier verweise ich auf einen als Motto zitierten Ausspruch Bismarcks. Sidney Whitman erzählt in seinem Buche: »Fürst Bismarck. Persönliche Erinnerungen aus seinen letzten Lebensjahren«, daß Bismarck einmal sagte: »Wenn ich die Gestalt wählen könnte, in der ich noch einmal leben möchte, so weiß ich nicht, ob ich nicht ganz gern eine Ameise sein würde. Sehen Sie, dieses kleine Insekt lebt in einem vollständig organisierten Staate. Jede Ameise muß arbeiten, ein nützliches Leben führen, jede Ameise ist fleißig. Da gibt es vollkommene Subordination, Disziplin und Ordnung. Sie sind glücklich, denn sie arbeiten.« Dieses Ideal verwirklicht für Menschen der Kollektivstaat, und die Zeit ist nicht mehr fern, wo es eine Schande sein wird, etwas zu genießen, was man nicht durch Arbeit verdient hat. Ich kann nur sehen, daß meine Freiheit im Kollektivstaat größer wäre, als sie heute tatsächlich ist, obwohl ich den herrschenden Klassen angehöre. Meinen Enkeln kann ich nur wünschen, daß sie den Sieg des Kollektivismus erleben. Die Gleichheit wird in den Genüssen wie im Ansehen nicht so exzessiv durchgeführt werden, daß sie zu absurden Konsequenzen führen müßte. Die Menschenwürde wird jedem Geringsten gewährt, die Vorzüge, welche aus den natürlichen Unterschieden der Menschen fließen, bleiben nicht unbeachtet. Nur die =künstlichen= Unterschiede werden unterdrückt, und gerade das ist die Voraussetzung der gerechten Würdigung =wirklicher= Verdienste. Alle Anklagen gegen den Kollektivismus sind Eingebungen des Parteigeistes. Freilich gibt es Berufe, welche sich durch den Kollektivismus bedroht sehen, so insbesondere die der Juristen, Kaufleute, Unternehmer, Priester. Allein es wird gezeigt, daß die Umwandlung viele Dezennien dauern wird und mittlerweile werden diese Berufe nach und nach aussterben, keiner aber, der ihnen angehört, wird Schaden leiden. Dafür aber eröffnen sich neue Erwerbszweige, und es wird der künftige Verwaltungs-, Sanitäts-, Unterrichts- und Erziehungsdienst vorbereitet. Der Kollektivismus ist aber vorzüglich volkswirtschaftlich vollkommener als die heutige, auf dem Privateigentum aufgebaute Wirtschaftsform, und seine volkswirtschaftlichen Vorzüge sind es, welche die Mittel bieten, die Kultur zu erhöhen. Es haben schon früher alle Vertreter des Kollektivismus darauf verwiesen, daß derselbe den Handel und somit die Handelsarbeit entbehrlich mache, allein man ist doch immer die Erklärung schuldig geblieben, wie dann der Güterumsatz vollzogen werden solle. Es blieb bei abstrakten Sätzen und es ließ sich nie ein Bild gewinnen, wie denn die kollektivistische Wirtschaft aussehen würde. Ich befürworte die absolute Naturalwirtschaft und die Befriedigung aller Bedürfnisse der Kollektivisten durch Gewährung einer Pauschalversorgung, welche bei Festhaltung eines sehr hohen Minimums doch eine sehr hoch ansteigende Abstufung gestattet. Die Vereinfachung des Güterumsatzes aber wäre nicht möglich, wenn man das Existenzminimum nicht auch den arbeitsunfähig Geborenen gewähren würde, und dafür läßt sich auch ein Rechtsgrund aufstellen. Denn die Zeugung der Kinder setzt im Kollektivstaat gewissermaßen ein Einvernehmen voraus zwischen der Frau, die empfangen und gebären will, und dem Staate, der dies von ihr wünscht, weil er den Fortbestand des Volkes sichern will. Es ist nun ganz klar, daß diese Frau ein Interesse daran hat, ihr künftiges Kind auch für den Fall versichert zu wissen, daß es arbeitsunfähig zur Welt kommt. Dagegen ist es klar, daß der Staat von dieser Verpflichtung dann enthoben sein muß, wenn er Grund hat, einen arbeitsunfähigen Nachwuchs zu besorgen, und wenn er deshalb die Ehe versagt. Einer solchen Mutter hat er nichts versprochen. Wie brutal müssen uns unsere Zustände scheinen, wenn wir eindringen in die Verhältnisse, die der Kollektivstaat schaffen könnte, und wie verrucht muß uns der Egoismus jener erscheinen, die, um ein arbeitsloses Leben führen zu können, den Kollektivismus verwerfen und unmöglich machen. Das sind jene Menschen, von welchen Christus sagt, daß sie selbst ins Gottesreich nicht hineingehen, und jene, welche hineingehen wollen, nicht lassen. Sie lassen das Gottesreich -- den Kollektivstaat -- nicht zustande kommen. Es ist übrigens gewiß, daß im Kollektivismus, trotz der vollständigen Ausrottung des Elendes, doch für jeden Begabten Anreiz genug bleibt, seine Gaben in den Dienst des Ganzen zu stellen und sich hervorzutun, weil dadurch ganz Außerordentliches erreicht werden kann und weil es der einzige Weg ist, der mechanischen Arbeit zu entgehen. Es gibt aber auch heute keine Familie, welche nicht daran interessiert wäre, daß der Kollektivismus ins Leben trete. Denn unsere Gesellschaftsordnung bedroht auch die Reichsten und Mächtigsten. Die Kaiserin Elisabeth ist ein schreckliches Beispiel, und wir haben allen Grund, zu besorgen, daß, wenn wir die heutigen Zustände fortbestehen lassen, die soziale Revolution hereinbricht, welche diesmal zu Schrecknissen führen wird, die noch niemals erlebt wurden. Auch der gewöhnliche internationale Krieg kann die Reichen wie die Armen ins Elend stürzen. Und auch in ruhigen Zeiten bietet der Reichtum wenig Schutz. Wir können durch Verbrechen und Zufall verarmen, unsere Kinder von gewissenlosen Kindermädchen ins Verderben gestürzt werden, unsere Söhne in schlechte Gesellschaft geraten und dem Spiele verfallen, und wie oft erleben wir, daß unsere Töchter in einer unglücklichen Ehe zugrunde gehen. Wir haben also allen Grund, zu verlangen, daß alle, auch des Nachbars Kinder, erzogen werden, daß der Staat für erprobte Personen sorgt, denen die Wartung der Kinder anvertraut werden kann, daß verbrecherische Naturen keinen Nutzen aus schädlichen Handlungen ziehen können, daß die Frauen und Kinder wirtschaftlich unabhängig von den Familienhäuptern werden.[46] [46] Ein Wiener Polizeipräsident ist am Flecktyphus gestorben, nachdem er, durch sein Amt dazu genötigt, mit angesteckten Armen in Berührung getreten war. Einige Richter brachten Ungeziefer aller Art heim, weil sich im Gerichtssaale Tausende von Armen und Elenden umtrieben. Nichts ist alberner, als die Meinung, jeder brauche nur für sich zu sorgen. Man sorgt am besten für sich, wenn man dahin wirkt, daß für alle gesorgt werde. Wenn auch der Zusammenhang der wirtschaftlichen Dinge im Einzelnen nicht verfolgt werden kann, so ist es doch gewiß, daß die Herrschenden von allem Elende ihren Teil erhalten, das die Beherrschten zu tragen haben. Sagen wir doch so oft den Armen, daß Reichtum nicht glücklich macht. So handeln wir danach und machen wir dem Kriege Aller gegen Alle ein Ende, dem Kriege, den Plato und Christus verurteilten, dem Elisabeth und Sergius, Carnot und Rudolph, so viele Millionen geopfert wurden ohne Sinn und Verstand. Wir sagen nicht, daß die Gesellschaftsordnung dazu nötigt, aber sie ermöglicht, was eine weise Ordnung unmöglich gemacht hätte. Wenn Augustin recht hat, da er sagt, woher kommen alle diese Geißeln, die Prozesse, der Krieg, die Aufstände, die Laster, Verbrechen, der Mord? Einzig und allein vom individuellen Eigentum! dann sind Solferino, wo Franz Josef zuerst eine Provinz, Queretaro, wo er den Bruder, Meyerling, wo er den Sohn, Genf, wo er die Gemahlin verloren hat, eine furchtbare Mahnung an die Monarchen, der Quelle aller Verbrechen und zugleich allen Elends ein Ende zu machen. =Es bedroht die Gesellschaftsordnung ebenso den Kaiser, wie den geringsten Arbeiter.= Sehen wir um uns, was in wenigen Wochen in einem engen Gebiete die Besitzenden, nicht allein die Armen, unter der Gesellschaftsordnung leiden, nicht in Jahren, sondern in Monaten, und nicht in Provinzen, sondern in der nächsten Umgebung von Innsbruck. Im Juni brennt das Dorf Zirl ab und in vier Stunden sind 1300 Menschen, Arme und Reiche, obdachlos und für lange dem Hunger verfallen, im April wird das Dorf Götzens, im Juli Tulfes, Volders und ein Teil vom Zillertal von angeschwollenen Bächen vernichtet, viele Felder verwüstet, Häuser unter Wasser gesetzt, 16 Menschen gehen in den Wellen unter, eine alte Frau wird um wenige Kostbarkeiten von Räubern ermordet, andere werden angefallen und nur durch Zufall gerettet. Was davon durch den Kollektivismus nicht verhindert worden wäre, wäre vom ganzen Staate getragen worden. Daß die Verwaltungsfrage lösbar ist, meine ich erwiesen zu haben. Die Schattenseiten des Kollektivismus sind 1. die Notwendigkeit des Umbaues aller Ortschaften, 2. das Nebeneinanderleben der ersten Staaten der neuen Ordnung mit anderen, die noch die alte Ordnung beibehalten haben, 3. die Unmöglichkeit, das Prinzip des Kollektivismus in kurzer Frist zur Durchführung zu bringen. Aber die Wohnungsfrage ist selbst in den Städten eine brennende geworden, in neun Zehntel aller Dorfschaften ist sie auch von jenen zugestanden, die der heutigen Gesellschaftsordnung huldigen. Muß schon so viel gebaut werden, um sanitäre Zustände zu schaffen, um die Armen menschenwürdig unterzubringen und um den nachwachsenden Volkszuwachs mit Wohnung zu versorgen, weshalb sollte man nicht auch unter einem dem Kollektivismus dienen? Wird endlich der Kollektivismus in irgend einem Staate zum Durchbruche kommen, so wird das Ideal bald in allen Staaten Europas sich einen Boden bereiten und der natürliche Hemmschuh der Unmöglichkeit, die Umwandlung in kurzem durchzuführen, wird den Widerstand abschwächen, den die Interessen der einen den Interessen der anderen naturgemäß entgegensetzen. Die gebildeten Klassen sind heute eine Macht, und sie haben allen Grund, die Umwandlung in die Hände zu nehmen, weil es dann gewiß ist, daß der Kollektivismus den Kulturinteressen zum Segen gereichen wird. =Bringen andere Mächte, Tyrannen, Pietisten oder Anarchisten den Kollektivismus, wie sie ihn sich denken, so gehen wir einer schlimmen Zukunft entgegen.= Es sind noch einige vermeintliche Übelstände des Kollektivismus zu besprechen. Der Mangel des Privateigentums wird von Vielen als ein großer Übelstand betrachtet, aber ohne Grund. Die gänzliche Überführung des Eigentums an Gebrauchsgegenständen in Staatseigentum ist keine notwendige Konsequenz des Kollektivismus. Ich stehe vielleicht allein mit dem Vorschlage dieser Einführung, aber es sind damit unermeßliche Vorteile verbunden. In unseren Verhältnissen hat das Eigentum, das Privateigentum, eine hervorragende Bedeutung als Vermögen. Da aber nur Wenige ein Vermögen haben, die Mehrzahl aber davon ausgeschlossen ist, so kann es kein allgemeines Bedürfnis sein, Vermögen zu besitzen. Die Vermögenslosen aber haben ein Interesse, daß das Vermögen nicht im Besitze von Privatpersonen stehe, sondern Staatseigentum werde. Das Vermögen bezweckt die wirtschaftliche Herrschaft der Wenigen über die Vielen, und diese ist freiheitsfeindlich. Denn die wirtschaftliche Herrschaft der Wenigen ist zugleich absolutistisch und unverantwortlich, während der Staat, wenn er an die Stelle der Privatbesitzer träte, über Verwaltung und Verteilung Rechnung legen müßte. Es ist also eine offenbare Freiheitsfrage, um die es sich handelt, und wie seit 120 Jahren die Bourgeois gegen die Herrschaft des Adels kämpften, so wird jetzt das Volk gegen die Herrschaft der Bourgeois kämpfen. Die Beseitigung des Privateigentums durch Verstaatlichung des Besitzes ist im Interesse der großen Mehrheit. Übrigens wäre die Inventarisierung des gesamten Mobiliarbesitzes für den Kollektivstaat der Schlußpunkt der gesamten Umwandlung, und davon trennen uns mehr als 50 Jahre. Trotzdem wird es sich empfehlen, deren Vorteile zu diskutieren. Verderblich wäre nur die anarchische Herrenlosigkeit der Güter, und diese wird durch den Kollektivismus gerade unterdrückt. Die Besitzenden von heute sind, jeder so weit sein Besitz reicht, Anarchisten. Sie haben schrankenlose Freiheit, damit zu schalten und zu walten. =Und auch diesen Anarchismus aus der Welt zu schaffen, ist der Zweck der Einführung des Kollektivismus.= Er ist das gerade Gegenteil des Anarchismus, der an die Stelle des Anarchismus der Besitzenden den Anarchismus aller setzen will, während umgekehrt der Kollektivismus alle, auch die Besitzenden von heute, der wirtschaftlichen Ordnung unterwirft. Der Anarchismus als Wirtschaftsform ist ein Unding, weil er zum Stillstand einer jeden Arbeit führen muß. Die menschliche Arbeit ist durch die Arbeitsteilung so sehr wechselweise bedingt, eine Arbeit von der anderen abhängig, daß die Volkswirtschaft unbedingt eine Ordnung voraussetzt, durch welche verbürgt wird, daß =alle= Arbeiten, und zwar in ihrer verhältnismäßigen Ausdehnung, besorgt werden. Der Drucker braucht Setzer, der Setzer Schriftgießer, alle zusammen brauchen Schriftsteller, und diese wieder eine Autorität, welche die von den Schriftstellern gelieferten Manuskripte sichtet und die zum Drucke zu befördernden auswählt. So ist es in allen Zweigen der menschlichen Arbeit. Es ist eine verhältnismäßige Produktion auf allen Gebieten menschlichen Schaffens ein Bedürfnis, und zwar in dem Maße, daß, sobald diese Verhältnismäßigkeit gestört wird, ein wirtschaftlicher Krach eintreten muß. Darum ist der wirtschaftliche Anarchismus eine Unmöglichkeit. Das Privateigentum kann demnach nur durch Kollektiveigentum verdrängt werden, welches Produktion und Verteilung von Staats wegen zur Folge haben muß. In der heutigen Wirtschaftsordnung ist es die Preissteigerung der zu wenig produzierten Güter, welche alle vernachlässigten Produktionen wieder belebt, im Kollektivstaate ist es der seinen Organen, aber auch jedem Einzelnen, der sich darum bemüht, gewährte Überblick über Produktion und Verbrauch, der eine verhältnismäßige Produktion aller Güter sichert. Ich bin aber auch für die Ersetzung des Privateigentums an Gebrauchsgütern, an Kleidung, Mobiliar &c. durch Staatseigentum, und es wird das gewiß sehr heftig, und auch von Sozialisten, bestritten werden. Aber mit Unrecht. Wir wohnen in Häusern, die nicht uns gehören, und es gilt als etwas Alltägliches, daß auch Leute, die ein Wohnhaus besitzen, es nicht selbst bewohnen, sondern sich in einem fremden Hause einmieten. Sie betrachten ihr eigenes Haus als Vermögensanlage, aber nicht als ein Gebrauchsgut, welches ihnen zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses dient. Dieses Bedürfnis kann man auch durch Sachen befriedigen, die fremdes Eigentum sind, also auch durch solche, die Staatseigentum sind. Kleider und Wäsche trägt man heute nur eine Reihe von Jahren, und wenn sie abgenützt sind, verschenkt oder veräußert man sie. Es kann uns nun gar nichts daran liegen, wenn der Staat uns Kleider und Wäsche nur zum dauernden und ausschließlichen Gebrauch überläßt und sich das Eigentum vorbehält, was zur Folge hat, daß er für den Zufall haftet und das nicht mehr Gebrauchsfähige zu neuerlicher Verarbeitung zurücknimmt. Dasselbe gilt vom Mobiliar unserer Wohn- und Schlafgemächer, welches der Kollektivist zum dauernden Gebrauch, oft auf Lebensdauer, angewiesen erhält, er aber nicht zu versichern nötig hat, weil er nicht Eigentümer, sondern nur gebrauchsberechtigt ist, es darum auch, Ausnahmsfälle abgerechnet, nicht mit sich herumschleppt, wenn er sein Domizil verändert. Benützen wir doch solche Dinge so oft, ohne ein Eigentumsrecht darauf zu haben, in Theatern, Kirchen, Gasthäusern, auf Bibliotheken und Eisenbahnen, und so haben wir längst die Erfahrung gemacht, daß ein Eigentum an Gebrauchsgütern kein Bedürfnis ist, ein Luxusbedürfnis für Viele allerdings, aber solche Launen zu befriedigen, ist nicht die Aufgabe einer Wirtschaftsordnung. Wo es ein Bedürfnis ist, daß uns ein freies Schaffen gestattet und zu diesem Ende ein Eigentum an Stoffen zugestanden werde, die wir zum Zwecke solchen Schaffens umgestalten dürfen, habe ich ohnehin die Verteilung solcher Stoffe als Konsumtibilien in Vorschlag gebracht. Was aber das Privateigentum an Produktionsmitteln anbelangt, so gibt es natürlich »Volkswirte« genug, welche behaupten, es bestehe ein volkswirtschaftliches Interesse, daß die Produktionsmittel immer Privateigentum bleiben, damit sie immer ein Vermögen der Tüchtigsten bilden, wodurch die Produktion nur gewinnen könne, daher die heutige Wirtschaftsordnung viel heilsamer, auch für die Armen, sei, als die Produktion von Staats wegen. Über diesen Gegenstand wird bei Erörterung der Bedenken gegen die staatliche Produktion zu sprechen sein. Hier möchte ich aber noch bemerken, daß der Kollektivismus, streng genommen, nicht jedes Privateigentum aufhebt, sondern ein Eigentum des Einzelnen fortbestehen läßt, welches unserm Eigentum an Aktienbesitz ganz analog ist. Das Recht des Einzelnen auf die staatlichen Verteilungen ist ein solches Eigentum, denn auch der Aktionär hat nur einen Anspruch auf die Ausschüttungen, während ihm keinerlei Eigentum an den Sachen zusteht, die das Vermögen der Aktiengesellschaft ausmachen. Freilich ist dieses Eigentum des Kollektivisten nach mehreren Richtungen beschränkt. Er kann es nicht verschenken, verkaufen noch vererben, er kann nur durch Auswanderung darauf verzichten, aber ähnliche Beschränkungen kommen bei Fideikommissen, Heimstätten und bei manchen Aktiengesellschaften, deren Statuten die Veräußerung der Aktien verbieten, vor, ohne den Charakter des Privateigentums auszulöschen. Es ist also gar nicht einmal richtig, daß der Kollektivismus das Privateigentum, oder gar das Eigentum, gänzlich aufhebt, er bedeutet nur die Vereinigung alles Eigentums an Sachen zum Zwecke der Befriedigung aller Bedürfnisse des gesamten Volkes. Nur der Anarchismus hebt den Begriff des Eigentums ganz auf und fordert das Recht des freien Zugriffs; durch den Kollektivismus wird der Begriff des Eigentums befestigt und geheiligt, denn der Eigentümer -- der Staat allein ist Eigentümer -- ist nie zweifelhaft, und da das Eigentum zur Befriedigung der Bedürfnisse aller dient, ist jeder Mitbürger Garant und Wächter. Dieses Eigentum ist ebenso heilig, als es heute Gegenstand der Verachtung ist, wenn wir den rechtmäßigen Erwerb bezweifeln, und Gegenstand des Hasses, wenn sich erwucherter Reichtum breit macht. Ich komme nun zur Besprechung eines weiteren Irrtumes, nämlich, daß die staatliche Produktion nicht so ergiebig sei wie die Privatproduktion. Man folgert das daraus, daß in einigen Fällen, wo ein oder die andere Fabrik von Staats wegen betrieben wurde, ein Aufschwung ihres Betriebes erst dann eintrat, als die Fabrik in Privatbesitz überging. Die Erfahrung, die man mit der Post, der Telegraphie und dem Eisenbahnbetrieb machte, worin sich der Staatsbetrieb bewährte, fertigt man damit ab, diese Erfahrungen seien nicht beweismachend für andere Produktionen, weil es sich da nur um Verkehrsanstalten handle. Niemand hat aber je versucht, aus der Natur des Staates abzuleiten, weshalb er zum Betriebe der Produktionsanstalten unbrauchbar sein soll. Man spielt gerade den Egoismus des Privatunternehmers als so unendlich förderlich aus und bedenkt nicht, daß im Kollektivstaat der Egoismus des ganzen Volkes sich in derselben Richtung geltend machen würde, da jede Verbesserung im Produktionsbetriebe dem ganzen Volke zum Vorteile gereicht, sei es, daß in einem Produktionszweige Arbeit oder Material erspart, oder ein besseres Produkt erzeugt, oder die Fruchtbarkeit des Bodens erhöht wird. Der Erfindungsgeist wird im Kollektivstaat außerordentlich gefördert, und so kann es nicht fehlen, daß das Sinnen und Trachten Aller darauf gelenkt wird, die Produktion zu fördern. Man wird die Erfolge der einzelnen inländischen Produktionsanstalten untereinander und mit ausländischen Anstalten gleicher Art vergleichen, und so auf beständigen Fortschritt bedacht sein. Dabei kann es nur von Vorteil sein, daß die allgemeine Volksbildung so weit über die gegenwärtige entwickelt wird und daß die heutigen Schäden der Produktion ganz in Wegfall kommen. Diese Schäden sind zwiefacher Art. Erstens die Versuchung, aus einem gemeinschädlichen Betriebe der Produktion Vorteil zu ziehen, Nahrungsmittelfälschung, Förderung der Unsittlichkeit, Betrug usw., und zweitens die Gefahr, daß ganz unberufene Leute ein Unternehmen gründen, das zugrunde gehen muß, ja, daß blühende Unternehmungen nach dem Tode des Gründers in die Hände eines unfähigen oder leichtsinnigen Erben kommen und dann wieder verfallen. Bilanziert man diese Gebrechen der Privatunternehmung mit ihren vermeintlichen Vorzügen, so wird sich der kollektivistische Staatsbetrieb, vielleicht nach einer kurzen Übergangszeit, immer als der bessere erweisen. Der Kollektivismus verteilt aber auch ökonomischer und besser. Ökonomischer, weil er die Handelsarbeit erspart und besser, weil er alle Volksbedürfnisse verhältnismäßig befriedigt, worauf die Privatunternehmer ihr Augenmerk nicht richten. In letzterer Beziehung ist der Kollektivismus auch wieder schon durch seine Verteilung produktiv. Denn, da er alle geistigen und physischen Kräfte des Volkes entwickelt, fördert er das wichtigste Betriebsmittel der Produktion, die Menschenkraft. Die Lobredner der Privatunternehmungen sind vor allem die Privatunternehmer und dann ihre Soldschreiber. Aber auch jene, die die reine Wahrheit suchen, argumentieren doch nur aus einzelnen Fällen, die keine allgemeinen Schlüsse gestatten und würden sie die notleidenden Privatunternehmungen mit in Rechnung ziehen, so würden sie zu ganz anderen Ergebnissen gelangen. Daß der Staatsbetrieb der ökonomisch beste wäre, folgt aus den Erfolgen der Trusts, welche einzig und allein des unermeßlichen Umfanges der Kapitalien und Betriebe wegen ökonomischer produzieren, als die Kleinbetriebe und da dem Umfange nach der riesigste Trust sich zum Staatskollektivismus verhält, wie das Kleingewerbe zum Trust, so sind die ökonomischen Vorteile unermeßlich. Nicht das Talent der Trustteilnehmer ist volkswirtschaftlich entscheidend, sondern das Talent des Trust=beamten=. Und dann ist ja der ganze Apparat eines judizierenden Staates ein ganz anderer, als es der eines produzierenden Staates wäre. Die Organe des heutigen Staates sind Juristen, die Organe des Kollektivstaates werden wirtschaftliche Talente sein und wenn man auch in der Gegenwart für einzelne Staatsfabriken technische Leiter bestellt hat, so waren sie doch immer abhängig von Hofräten und Ministern, die von technischen Fragen nichts verstehen und das hat die Tätigkeit der Techniker und der merkantilen Leiter immer lahmgelegt. Es ist also ein ganz unbegründetes Bedenken, das so oft gegen den Staatsbetrieb ausgesprochen wird, daß er volkswirtschaftlich schlechter erzeugen würde und in keinem Falle kann es sich um einen solchen Vorzug der Privatunternehmung handeln, dessen wirtschaftlicher Effekt gegen die großen, auch ökonomischen Vorzüge des Kollektivismus in Betracht käme, die ich an vielen Stellen dieses Werkes dargetan habe. Wir hören nur allgemeine Phrasen, abstrakte Sätze, nirgends einen Versuch, das angebliche Unvermögen des Staates, mit Ökonomie zu produzieren, aus dem Wesen des Staates zu erklären, wo das Gebrechen aber in den Personen oder in der Organisation liegt, handelt es sich nur um einen Wechsel der Personen oder der Organisation. Die lautesten Schreier gegen den Staatsbetrieb sind die Unternehmer selbst und dann die politischen Agitatoren, welche im Solde der herrschenden Klassen stehen. Einen wissenschaftlichen Wert haben diese Redensarten nicht. Die geringere Ertragsfähigkeit eines staatlichen Betriebes bei Geldwirtschaft ist nicht beweismachend für den geringeren volkswirtschaftlichen Betriebswert. Denn der Staat verwendet das geringere Einkommen für allgemeine Zwecke, der Privatunternehmer die größeren Einnahmen für die Befriedigung seiner Launen. Auch kann der scheinbar erfolgreichere Privatunternehmer die Arbeiter mehr bedrückt, oder den Abnehmern ein schlechteres Produkt geliefert, oder seine Kontrahenten hintergangen oder wie Rockefeller[47] durch unerlaubte Kunstgriffe vermehrt haben. Würde man also bestimmte Privat- und Staatsunternehmungen in einer für unseren Zweck brauchbaren Weise vergleichen, so müßte über jedes Vergleichsobjekt ein ganzes Werk geschrieben werden. [47] Man sagt übrigens, daß Rockefeller nur durch den wirtschaftlichen Effekt des Massenbetriebes Erstaunliches geleistet habe. Dann ist die Staatsproduktion seit einem halben Jahrhundert kaum mehr betrieben worden, in früherer Zeit aber war der Staat viel schlechter organisiert als heute, Unterschleife waren leichter und man war gewöhnt, den unbrauchbaren Verwalter, der Staatsbeamter war, im Amte zu behalten wie den unabsetzbaren Richter und den Brauchbaren bei den größten finanziellen Erfolgen abzulohnen, wie den Dutzendbeamten, während der Privatunternehmer ihm den zehnfachen Lohn bot. Hat doch Krupp einem Finanzgenie einen so hohen Gehalt geboten, daß er den Privatdienst der Stellung eines sächsischen Finanzministers vorzog, welche viel geringer dotiert war. Ich werde mich durch das Parteigeschrei gegen den Staatsbetrieb nicht irre machen lassen. XIV. Die Umwandlung der Staaten unserer Gesellschaftsordnung in Kollektivstaaten. Der erste Schritt zur Einleitung der Umwandlung ist die Fortführung der hier versuchten Untersuchung und die Vervollkommnung der von mir gemachten Vorschläge. Diese Vorschläge betreffen nicht nur das Wesen des Kollektivismus, sondern auch die Organisation des Kollektivstaates und den Gebrauch, den der Staat von der ihm zustehenden wirtschaftlichen Macht machen soll. Es könnte sich daraus eine volkswirtschaftliche Schule entwickeln, welche für dieses größte aller Ideale Propaganda machen wird und wenn es in der Entwicklung der menschlichen Dinge liegt, daß wir zum Kollektivismus gelangen, so wird sich ein Umschlag in den Anschauungen vollziehen, der der Umwandlung vorhergehen muß. Wie der Liberalismus durch die Universitäten verbreitet wurde, so wird der Kollektivismus bald das Ideal der Universitäten werden. Es gibt allerdings Schichten unter den Gebildeten, welche sich, wie schon im vorhergehenden Abschnitte erwähnt wurde, durch das kollektivistische Ideal bedroht fühlen, so Juristen und Theologen. Allein wenn sie zur Überzeugung gelangen, daß die Umwandlung sich nur langsam vollziehen kann, so werden sie sich beruhigen und wir werden unsere Söhne eben nicht mehr Jurisprudenz oder Theologie, sondern Medizin oder Naturwissenschaften oder Technik studieren lassen. Statt der Juristen werden in Zukunft der Arzt und der Naturforscher im Staate herrschen und wenn das Ideal Feinde hat, so hat es naturgemäß auch Anhänger, welche den Kampf dafür aufnehmen und =die heute so schimpfliche Lage der Ärzte wird sie zu Aposteln der neuen Lehre machen=. Die Gegner sind einer Bewegung, die sich so Gewaltiges zum Ziele setzt, erwünscht, denn nur was sich im Kampfe durchringen muß, wird etwas Rechtes. Habe ich nicht mehr erreicht, als daß der Kollektivismus nicht mehr totgeschwiegen werden kann, so habe ich genug erreicht. Und ist es noch niemand aufgefallen, daß die menschliche Gesellschaft alle Richtung verloren hat, daß sie seit dreißig Jahren vergeblich nach einem Ziele sucht: Wir wissen nicht, wo aus. Der Liberalismus hat sich überlebt, das _laissez faire, laissez aller_ hat ausgespielt, es muß einer schöpferischen Staatskunst Platz machen. Wir haben nur die Wahl, eine neue Gesellschaftsordnung zu suchen oder zu veralteten Zuständen zurückzukehren. Der Adel drängt sich wieder vor und die religiösen Fanatiker drängen nach der Wiederherstellung jener Kirchenmacht, die sich bis vor 200 Jahren so außerordentlich verderblich erwiesen hat. Ihre Verdrängung durch den Aufklärungsstaat war eine Erlösung, ein Sieg für alle Menschen. Dulden wir keine religiöse und keine ständische Reaktion, sie führen wieder zu allen Übeln, die die mit vielen Verbrechen befleckte, aber doch so glorreiche französische Revolution überwunden hat. Eine kollektivistische Schule, eine kollektivistische Partei, die sich aus den Gebildeten rekrutiert und sich die Universitäten, Hochschulen und Mittelschulen erobert, wird vorausgehen. Die Wirksamkeit der sozialdemokratischen Partei wird ihr in die Hände arbeiten, wenngleich ich meine, die kollektivistische Partei müsse, zunächst wenigstens, nicht in ihr aufgehen, sondern parallel mit ihr arbeiten. =Daß das Proletariat allein berufen sei, den Klassenstaat zu stürzen und den Kollektivismus ins Leben zu rufen, ist für mich kein Evangelium, aber mich zu bekämpfen, hat die Sozialdemokratie keinen Grund.= Die praktischen Maßregeln zur Verbreitung des Kollektivismus sind leicht zu erkennen. Es handelt sich um die Fortsetzung der Verstaatlichung, Verstaatlichung der Eisenbahnen, Verstaatlichung des Geldwesens, Verstaatlichung des Kreditwesens, Verstaatlichung der Volksschule, Inanspruchnahme einer Mitwirkung an der Erziehung für den Staat, Verstaatlichung des Großgrundbesitzes und aller jener Industrien, auf welchen heute die großen Konsumsteuern lasten, das sind die ersten Etappen der Umwandlung. Weiter handelt es sich darum, den Staat in ein Erwerbsinstitut umzuwandeln. Er muß zu einem entsprechenden Vermögenseinkommen gelangen und dazu ist der erste Schritt die Schaffung eines Nationalvermögens, welches im Zusammenhange mit der Staatskreditreform und den verstaatlichten Kommunikationen zu einem wirtschaftlichen Übergewichte des Staates führen muß. Auch die Rechtsanschauungen müssen sich ändern und darum muß man die Rechtsanschauung der in XIII erwähnten 5 Kirchenväter in die Gesellschaft einführen. Die Anschauung, daß reiche Leute einen Besitz innehaben, wofür sie dem Volke verantwortlich sind, gibt dem Staate das Recht, ihnen Lasten für diese Interessen aufzubürden. Man wird das Beispiel Englands nachahmen und in alle Ortschaften und Gebiete, wo die Sterblichkeit 25, 20, 15 per Tausend übersteigt, Kommissionen entsenden, die die Ursache, weshalb diese Sterblichkeit vorwaltet, ermitteln und Mittel zur Abhilfe vorschlagen. Man wird des ferneren von Großgrundbesitzern und Großindustriellen fordern, daß sie für einen ihrem Besitz entsprechenden Teil der Bevölkerung Wohnungen in richtig angelegten Niederlassungen herstellen, welche dem kollektivistischen Bedürfnisse entsprechen. Späterhin wird das Erbrecht auf direkte Nachkommen einzuschränken und das Testaterbrecht, ausgenommen das Recht zugunsten des Staates zu testieren, aufzuheben sein und endlich werden die Geldstrafen und die Strafe der Vermögenskonfiskation zur Bekämpfung der besitzenden Klassen dienen. Die Geldstrafen für die Verbaldelikte, aber Geldstrafen bis zu einem vielfachen des Jahreseinkommens, würden bald zu einer Unterwerfung der Besitzenden führen, welche heute die Herren im Staate sind. Auch Verfassungsänderungen, wonach das Abgeordnetenhaus die produktiven Klassen allein zu vertreten und die herrschenden Klassen ihre Vertretung im Herrenhause hätten, werden sich empfehlen. Endlich müßte man recht bald das stehende Heer durch ein Milizsystem zu ersetzen suchen, um die ungeheuren Geldmittel, welche dem stehenden Heere gewidmet werden, für Erziehung und Unterricht und für Altersversorgung frei zu machen. Wenn das kollektivistische Ideal verständige Apologeten findet, werden es gerade die Monarchen sein, welche sich zuerst dazu bekennen. Das Gefühl der Verantwortung für all das Elend unserer Gesellschaftsordnung wird ihnen bald zu drückend werden, wenn es klar wird, daß es nur Privatinteressen sind, welche den wichtigsten Interessen des Volkes und der Kultur im Wege stehen. Endlich kann es nicht fehlen, daß auch religiöse Anschauungen uns bald zuhilfe kommen werden. Doch wäre es nicht erwünscht, daß die religiös-kollektivistische Bewegung zu früh in Gang käme. Die größten Schwierigkeiten werden sich darbieten, sobald man die Umbauten in Angriff nimmt, welche mit der Umgestaltung der Gesellschaftsordnung Hand in Hand gehen müssen und wenn der Staat selbst kollektivistische Gemeinden ins Leben ruft, obgleich noch eine völlige Verdrängung der alten Gesellschaftsordnung nicht stattgefunden hat. Eine Form zu finden, wie kollektivistisch organisierte Volksschichten mit nicht kollektivistisch organisierten neben einander leben können, ist sicherlich schwierig. Und doch haben wir für die Lösung dieses Problems Anhaltspunkte in den Mönchsorden, welche kollektivistisch organisiert sind und inmitten von Völkern leben, welche nichts vom Kollektivismus wissen. Denken wir uns die =wirtschaftliche= Organisation der Mönchsorden auf eine Bevölkerung, die keine religiösen Zwecke verfolgt, die Askese verwirft und die Zeugung pflegt, welche also Männer und Weiber, Erwachsene und Kinder umfaßt und welche die Produktion betreibt, also die Beschaulichkeit durch Arbeit ersetzt, so haben wir die Grundlagen einer kollektivistisch organisierten Bevölkerung, die mitten unter einer Bevölkerung lebt, die noch der heutigen Gesellschaftsordnung angehört. Doch sollen diese kollektivistischen Organisationen schon von allem Anfange an sich als Ortsgemeinden organisieren und nicht als bloße Gesellschaften innerhalb von Ortsgemeinden mit Privateigentum. Man würde demnächst mit Urgemeinden kollektivistischer Wirtschaftsreform beginnen. Der Staat hätte ein Kapital von vielen Millionen zu widmen, eine oder mehrere, etwa zwanzig neben einander gelegene Urgemeinden aufzubauen und sie zu besiedeln. Diese Besiedelung könnte zum größten Teil mit proletarischen Arbeitern, aber von hervorragend körperlicher Tüchtigkeit und Gesundheit, geschehen, aber sie könnte auch nicht produktive Volksschichten umfassen, Waisenkinder, Altersversorgungsberechtigte, welche für Rechnung der versorgungspflichtigen Gemeinden aufgenommen würden oder mit welchen ein Versorgungsvertrag geschlossen würde. So könnte auch die Aufnahme pensionierter Staatsbediensteter erfolgen, sagen wir von arbeitsunfähig gewordenen Arbeitern des Tabakmonopols, in die Altersversorgung aufgenommenen Staatseisenbahnbediensteten, Militärinvaliden, welche für Rechnung der versorgungspflichtigen Institute verpflegt würden, oder auch mit Geldpensionen versorgte Leute, welche sich mit ihrer Pension in die kollektivistische Versorgung einkaufen. Mit den in die Besiedelung aufgenommenen proletarischen Arbeitskräften müßte zunächst ein Vertrag abgeschlossen werden, wonach sie naturalwirtschaftliche Versorgung als Lohn zu empfangen hätten mit dem Anspruch auf einen kollektivistischen Vermögensanteil nach Ablauf einer Reihe von Jahren, während welcher jeder Teil den Vertrag lösen könnte. Nach Ablauf jener Probezeit würde der Arbeiter wie ein kollektivistischer Bürger das Recht auf jede Art von Versorgung für sich und seine aus einer von der Verwaltung gebilligten Ehe entspringenden Nachkommen haben, freilich in der ersten Zeit nicht in jenem Ausmaße, wie der Anteil eines Kollektivbürgers nach vollendeter Umwandlung sich gestalten würde. So wie der Kollektivstaat späterhin inmitten von Staaten der alten Gesellschaftsordnung wird leben müssen, werden auch die so entstandenen kollektivistischen Volksschichten inmitten einer Bevölkerung leben müssen, welche noch der alten Gesellschaftsordnung angehört. Diese Kollektivgemeinden werden bald die Kirchengüter und den Großgrundbesitz, deren Erwerb der Staat sich zuerst wird angelegen sein lassen, umgestalten und zugleich als Erziehungs- und Versorgungsanstalten und als große Hotels Erwerbsinstitute darstellen. Es werden kollektivistische Versuchsanstalten sein, welche aber nur einen Teil der Vorteile bieten können, die der siegreiche Kollektivismus nach Niederringung der alten Gesellschaftsordnung bieten wird. Man darf von solchen Versuchsgemeinden nicht fordern, was wir vom Kollektivismus eines großen Reiches erhoffen, aber einen großen Fortschritt wird man sicher erkennen. * * * * * Es ist hier die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß die Verdrängung des Privatkredits durch den Staatskredit und der Geldwirtschaft durch die Naturalwirtschaft sich nur langsam vollziehen kann, und daß demnach die Verstaatlichung des Großbesitzes sich anfangs in derselben Form vollziehen muß, wie die Verstaatlichung der Eisenbahnen. Da sich aber die Rechtsanschauungen nach und nach auch verändern müssen, besonders sobald die Forderung nach erhöhtem Aufwande für die arbeitende Klasse auf Grund der von den Kirchenvätern verkündeten Rechtsgrundsätze zu einer religiösen Forderung des Christentums gemacht wird, müssen die Verstaatlichungsprinzipien immer ungünstiger für die Besitzenden werden. So ist es offenbar, daß der Großgrundbesitz in österreichisch Polen mit der Verpflichtung belastet werden wird, das Wohnungswesen der bäuerlichen Bevölkerung auf Kosten der Besitzenden umzugestalten. So werden auch der Großindustrie Verpflichtungen im Interesse der Arbeiterschaft auferlegt werden, welche die Verstaatlichung sehr erleichtern müssen. Der Sozialreform wird auch der, wie es scheint, uns bevorstehende Weltkrieg sehr zustatten kommen, denn er wird einen allgemeinem Bankrott, nicht nur der Staaten, sondern auch der Großbesitzer im Gefolge haben, daher ich in meinem Roman »Österreich im Jahre 2020« auf Seite 59 prophezeit habe, daß der Weltkrieg zur Staatsomnipotenz führen muß. Besser freilich wäre es, die Umgestaltung würde früher in Angriff genommen und dadurch die Phantasie der Völker von jenen Interessen abgelenkt, die zum allgemeinen Kriege drängen. End of the Project Gutenberg EBook of Der Kollektivismus und die soziale Monarchie, by Joseph von Neupauer *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KOLLEKTIVISMUS *** ***** This file should be named 52117-8.txt or 52117-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/2/1/1/52117/ Produced by Jana Srna, Franz L Kuhlmann, Norbert H. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director [email protected] Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. 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