The Project Gutenberg EBook of Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften und Aufsätze, by Johann Gottlieb Fichte This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften und Aufsätze Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen / Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt / Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks und andere Aufsätze / Recensionen / Poesien und metrische Uebersetzungen Author: Johann Gottlieb Fichte Editor: Immanuel Hermann Fichte Release Date: March 5, 2016 [EBook #51359] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÄMMTLICHE WERKE 8: *** Produced by Karl Eichwalder, Jens Sadowski, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project. Johann Gottlieb Fichte's sämmtliche Werke. Herausgegeben von I. H. FICHTE. Achter Band. Berlin, 1846. Verlag von Veit und Comp. Johann Gottlieb Fichte's sämmtliche Werke. Herausgegeben von I. H. FICHTE. Dritte Abtheilung. Populärphilosophische Schriften. Dritter Band: Vermischte Schriften und Aufsätze. Berlin, 1846. Verlag von Veit und Comp. Inhaltsanzeige des achten Bandes. Seite 1) Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen, 1801 3-93 2) Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren 97-204 Lehranstalt, 1807 Beilagen zum Universitätsplane (ungedruckt): a. Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke 207-216 an einer deutschen Universität, 1805 b. Rede bei einer Ehrenpromotion an der Universität zu 216-219 Berlin, am 16. April 1811 3) Vermischte Aufsätze: A. Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks, 223-244 ein Räsonnement und eine Parabel, 1791 B. Zwei Predigten aus dem Jahre 1791 (ungedruckt) 245-269 C. Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie, 1794 270-300 D. Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der 301-341 Sprache, 1795 E. Ueber Belebung und Erhöhung des Interesse an 342-352 Wahrheit, 1795 F. Aphorismen über Erziehung, 1804 (ungedruckt) 353-360 G. Bericht über die Wissenschaftslehre und die 361-407 bisherigen Schicksale derselben, 1806 (ungedruckt) 4) Recensionen: A. Von Creuzers skeptischen Betrachtungen über die 411-417 Freiheit des Willens, 1793 B. Von Gebhard über sittliche Güte, 1793 418-426 C. Von Kant zum ewigen Frieden, 1796 427-436 5) Poesien und metrische Uebersetzungen: A. Das Thal der Liebenden, Novelle, 1786 (ungedruckt) 439-459 B. Kleinere Gedichte (meist ungedruckt) 460-471 C. Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen 472-479 und Italiänischen (meist ungedruckt) Vorrede des Herausgebers. Der vorliegende achte Band der Werke enthält Alles, was von gedruckten und von ungedruckten Aufsätzen vermischten Inhaltes der Aufbewahrung werthgehalten wurde, und was im dritten Theile der »Nachgelassenen Werke« noch nicht erschienen ist. Diese beiden Bände stehen daher in nächster ergänzender Beziehung zueinander. Die Schrift, welche hier die Reihe eröffnet: »Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen« (1801), wird bei ihrem Wiedererscheinen, da ihr Gegenstand unserer unmittelbaren Erinnerung und unserem parteinehmenden Interesse entrückt ist, wohl so heiter und so objectiv aufgenommen werden, als sie ursprünglich entworfen ward. Gleichwie wir aus den Selbstbekenntnissen des Dichters wissen, dass er sich mit dem ihm Feindlichen am Sichersten versöhnt habe, indem er es zum Gegenstande poetischer Darstellung machte: so ist es die ächte, überwindende und abschliessende Polemik des Denkers, wenn er das Gegnerische aus seinem Principe begreift und in der unwillkürlichen Consequenz seiner Verkehrtheit erschöpfend darlegt. Als Beispiel dieses Humors der Gründlichkeit wird das kleine Werk eine eigenthümliche Stelle behaupten neben den wenigen polemischen Musterstücken unserer Literatur. Das dreizehnte oder Schlusscapitel aus demselben: »Von den letzten Thaten, dem Tode und der wunderbaren Wiederbelebung unseres Helden,« (Bd. VIII. S. 89 ff.) welches der ursprüngliche Abdruck nur bruchstückweise enthält (S. 128 ff.), ist zwar im Manuscripte noch vollständig vorhanden; doch bleibt es, aristophanischer Derbheiten voll, auch jetzt kaum mitzutheilen. Der »Universitätsplan« gehört in jene Reihe von Entwürfen zur Umgestaltung der gesammten Nationalbildung, von denen wir in der Vorrede zum siebenten Bande Bericht erstattet. Er schrieb ihn auf Anregung des damaligen preussischen Cabinetsraths Beyme, der in Betreff desselben »sein ganzes Vertrauen auf ihn setzte« und bei dem Entwurfe selbst ihn davon lossprach, »an das Alte und Ueberlieferte sich zu binden« (Worte aus einem ungedruckten Briefe des Letzteren). So entstand jener Plan auf einer völlig neuen Grundlage des Begriffes einer Universität, und war ebenso auf ein neues Ziel gerichtet. In ersterer Beziehung wurde geltend gemacht, dass die Universität weit weniger Lehranstalt seyn solle, als Bildungsschule des freien Verstandesgebrauches: leitender Grundsatz sey, durchaus nichts mündlich zu lehren, was auch im Drucke vorliege und auf diese Weise weit besser und sicherer an den Zögling gebracht werden könne; vielmehr solle der akademische Unterricht nur in dem ununterbrochenen und innigen Wechselverkehr zwischen Lehrer und Lernenden bestehen, in Modificationen, welche der Plan ausführlich darlegt, um eben dadurch zur »Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches« sich zu erheben. Als Ziel aber wurde gezeigt, dass dem Zöglinge dieser Kunstschule nach dem Eigenthümlichen seines Talentes und nach dem Ergebnisse seines Fleisses und seiner Ausbildung, auch die sichere Aussicht auf die höchsten Staatsämter eröffnet werde, ohne dass dabei, wie bisher, dem Stande oder sonstigen zufälligen Unterschieden der geringste Einfluss bleibe, damit der auch von daher neu umgestalteten Staatsverwaltung (auf Preussen wurde nemlich dabei zuerst gerechnet) die höchste Blüthe der Wissenschaft und des Talentes zu steter Erfrischung und Selbsterneuerung immerfort zu Gute komme. Es ist leicht erklärbar, nachdem zugleich die oberste Leitung der Universitätsangelegenheiten in andere Hände gekommen war, warum unter den damaligen Umständen, die guten Theiles noch jetzt fortdauern, ein solcher Plan, sowohl in seinem Ausgangspuncte, als in seiner letzten Absicht, unausführbar befunden werden musste. Berlin wurde eine Hochschule, wie jede andere auch; und was ihr höheren Glanz verlieh, war nicht das Vollkommene oder Rationellere ihrer ursprünglichen Organisation, sondern der Ruf einzelner Lehrer, die verschwenderische Fülle der Lehrmittel, welche sie darbot, endlich das äussere Ansehen, das ihre eigenthümliche Stellung in der Nähe der obersten Regierungsgewalten ihr verlieh. Dies Verhältniss erzeugte jedoch im weiteren Verlaufe eine andere, also noch nie dagewesene Erscheinung. Man sah vor Augen, wie mächtig der Einfluss der Wissenschaft sey auf die geistigen Bewegungen der Zeit, und so empfahl es sich als höchste Maxime der Staatsklugheit, eine Universität vor allen Dingen zur Bildungsanstalt künftiger Beamten zu stempeln, und den Geist derselben den jedesmal herrschenden Wünschen und Absichten der Regierung anzupassen. Hätte man bedacht, was eigentlich in diesem Grundsatze liegt, und könnte es gelingen, consequent ihn durchzuführen, so würde ans Licht kommen, dass er in Wahrheit nichts Geringeres fordert, als jeden Keim der Zukunft der jedesmaligen Gegenwart aufzuopfern und so den Stillstand zu verewigen! Wird nun irgend einmal unter den Gegenständen, welche in unserem Vaterlande einer nothwendigen Umgestaltung entgegengehen, die Reihe auch an unsere Universitäten kommen; wird man sich sodann die Frage zur klaren Entscheidung bringen müssen, ob sie auch künftig bloss Pflanzschulen für Beamte seyn sollen, oder wirklich und ungeschmälert freie Pflegerinnen der Wissenschaft, von denen der erste Antrieb zu jedem Weiterschreiten im Staate selber ausgehen müsse: so wird man gewiss auf denselben höchsten Grundsatz und wenigstens auf ähnliche Einrichtungen zurückkommen müssen, wie sie in Fichte's Universitätsplane vorgeschlagen sind, und dieser näheren oder ferneren Zukunft mag dann eine erneuerte Erwägung desselben vorbehalten bleiben. -- Von den nun folgenden »vermischten Aufsätzen« schien uns jeder beachtenswerth in verschiedener Beziehung, als Zeugniss von den Interessen, welchen sich Fichte's Geist zu verschiedenen Zeiten zugewandt. Ehe er ganz von der Kantschen Philosophie dahingenommen wurde, war es sein höchstes Ziel, sich zum Kanzelredner zu bilden: was er darin erstrebte und für das Rechte hielt, mögen die abgedruckten Predigten zeigen, zusammengehalten mit der schon früher, im dritten Bande der »Nachgelassenen Werke« (S. 209.), mitgetheilten. Alle drei scheinen uns nicht ohne urkundliche Kraft und Eigenthümlichkeit, den künftigen wissenschaftlich-popularen Redner ankündigend. Von den weiteren Abhandlungen müssen wir »die Briefe über Geist und Buchstab in der Philosophie« (1794, ursprünglich für Schillers Horen bestimmt) auszeichnen. Sie stammen aus der ersten, frischesten Zeit der Erfindung seines Systemes, und geben zugleich am Ausführlichsten von seinen ästhetischen Principien Kunde. Der ästhetische Trieb wird darin als das Mittlere zwischen dem Erkenntniss- und dem praktischen Triebe bezeichnet, als das Ideelle, die Vernunft, aber in Form der Natur, der ^Unmittelbarkeit^ des Bewusstseyns, wodurch der ästhetische Sinn, beiden Welten angehörend, beide eben vermitteln kann, weil Vernunft und Natur in ihm auf ursprüngliche Weise als Eins gesetzt sind. So hätte, diesem unmittelbarsten Entwurfe seines Systemes nach, die Aesthetik die dritte vermittelnde Disciplin zwischen den beiden Theilen der Wissenschaftslehre, dem theoretischen und dem praktischen, seyn sollen, -- eine Auffassung, welcher indess keine weitere Folge gegeben worden ist, wiewohl sie auch in Fichte's Sittenlehre (Bd. IV. S. 353.) noch dem Begriffe des Schönen und der Kunst zu Grunde gelegt wird, indem er das Princip derselben dort also bezeichnet: »dass die schöne Kunst den ^transscendentalen Gesichtspunct^« (den der Vernunft) »zum gemeinen« (unmittelbaren) »mache.« Wir finden in dieser Bestimmung keinen wesentlichen Unterschied von der in den späteren Systemen, das Schöne sey die Idee in sinnlicher Unmittelbarkeit, vielmehr dasselbe, wiewohl noch unausgeführt und in unbestimmtem Umrisse. Nur dies hinderte bei Fichte die fruchtbare Entfaltung dieses Gedankens, dass ihm das eigentlich nächste und unmittelbarste Gebiet dieses Sinnlichwerdens der Idee, die Natur, fortwährend ^blosse^ Sinnenwelt, ein schematisches, der Idee untheilhaftes Bewusstseyn blieb. Er konnte kein ^Naturschönes^ anerkennen, und ^deshalb^ musste er auf die Frage, wo die Welt des schönen Geistes sey, antworten: »Innerlich in der Menschheit, ^und sonst nirgends^« (S. 354.). Diese Ausschliesslichkeit gegen die Natur tritt nun in jener Abhandlung noch nicht hervor: das neue Princip sucht noch das Reich der Wahrheit sich zu gewinnen, ohne genau die Grenzen abzustecken oder Etwas von sich auszuschliessen, und solche ursprünglichen Urtheile müssen immer für die bezeichnendsten und dem eigentlichen Sinne des Principes gemässesten gehalten werden.[1] Vielleicht auch eines Kunsturtheils wegen kann der Aufsatz für merkwürdig gelten. In jener Zeit, als ganz andere Dichter das Publicum beherrschten, verkündete er, als einer der frühesten, die Grösse des Goetheschen Dichtergeistes, nicht in seinen damals allein etwa beliebten Jugendwerken, sondern in seinen späteren Dichtungen, indem es ihnen gelungen sey, gerade durch Mässigung der höchsten Kraft, die in sich harmonische Schönheit darzustellen. -- Die Abhandlung: »über Sprachfähigkeit und Ursprung der Sprache« wird auf den ersten Anblick vielleicht merkwürdig erscheinen durch das befremdliche Resultat, auf welches sie hinausgeht. Entschieden ist wenigstens, dass Fichte späterhin die Sprache nicht bloss mehr für freies Erzeugniss einer schon ausgebildeten Vernunftthätigkeit hielt, wiewohl zuzugeben ist, dass er die volle Bedeutung der Sprache überhaupt zur Verwirklichung des Vernunftbewusstseyns im ^Einzelsubjecte^, in keiner von seinen wissenschaftlichen Darstellungen vollständig gewürdigt hat. [Fußnote 1: Bekanntlich hat Solger im Erwin (I. S. 77.) Fichte's ästhetisches Princip einer Kritik unterworfen; ebenso ist es neuerdings von Th. W. Danzel charakterisirt worden in einer sehr beachtenswerthen Abhandlung: »über den gegenwärtigen Zustand der Philosophie der Kunst« (in des Herausgebers Zeitschrift für Philosophie etc. Bd. XIV. S. 165 ff.). Das Obenangedeutete und Fichte's hier wiederabgedruckte Abhandlung mögen dafür zur Ergänzung und Berichtigung dienen.] Dennoch war der Grund von diesem Allem, wie eben aus jener Abhandlung deutlich erhellt, ein tiefer und ächt idealistischer. Die Vernunft ist das Ursprünglichste, Selbstständigste, Unabhängigste im Menschen; sie bedarf zu ihrer Wirklichkeit nicht, sich an Tonbildern zu befestigen, die sie vielmehr -- (so sah man überhaupt damals dies Verhältniss an) -- nur in zufällig willkürlicher Gestaltung aus sich hervorbringt. Statt sprechend, kann sie sich daher auch in der stolzen Innerlichkeit des Schweigens genügen. Deshalb behauptete er, dass man die Tonsprache für viel zu wichtig gehalten habe, wenn geglaubt worden sey, dass ohne sie kein Vernunftgebrauch habe stattfinden können. So war er auch bei anderer Gelegenheit auf die Frage: ob man nur in Worten zu denken vermöge, geneigt, darauf mit Nein zu antworten, wo jedoch die genauere Selbstbeobachtung ihn im Stiche lässt. Es sey daher gestattet auf den gegenwärtigen Standpunct dieser Frage einen Blick zu werfen, um das Verhältniss jener Abhandlung zur philosophischen Sprachwissenschaft der Gegenwart bestimmter festzustellen. Seit W. von Humboldts Untersuchungen über diesen Gegenstand steht fest, dass von der Vorstellung, die auch Fichte hier vertritt, die Tonsprache sey erst ein Product des Bedürfnisses bei schon erwachter Vernunftthätigkeit gewesen, völlig abgesehen werden müsse. Das tonbildende Vermögen, so zeigte Humboldt, ist ein durchaus ursprüngliches, vom Seyn des Menschen unabtrennliches, mit unwillkürlicher Kraft, aber in tiefer Gesetzlichkeit, sich Luft machend: -- was er nun an einer vergleichenden Physiologie und Semiotik der Laute weiter durchführt und mit grossem Reichthume der Beobachtung im Einzelnen begründet. Bis so weit nun, als Humboldt hierin führt, und von dieser Seite, ist der Grund und Ursprung der Sprachbildung aufgedeckt; aber die eigentliche Mitte des Problems ist damit noch nicht erreicht worden. Dies zum Bewusstseyn zu bringen, ist Fichte's Abhandlung geeignet, die zugleich noch eine andere, von jener unabtrennliche Frage anregt, die Frage über das Verhältniss der Zeichen- zur Tonsprache. Die erstere macht er zur ^Ursprache^, und fügt hinzu, dass sich diese vielleicht erst nach Jahrtausenden in Gehörsprache verwandelt habe, weil für Ausbildung der letzteren schon eine wirkliche Thätigkeit der Vernunft vorauszusetzen sey, wie er dies im weiteren Verlaufe der Abhandlung an der Erzeugung der grammatischen Formen ausführlich nachweist. Dies ist ein bedeutender Wink, der nur weiter auszubilden wäre, und auch der dabei geforderte Zeitverlauf ist ein wichtiges, wohl zu beachtendes Moment. Zunächst jedoch muss es als ungerechtfertigt erscheinen, Zeichen- und Tonsprache in ihrem unmittelbaren Ursprunge überhaupt von einander zu trennen, und diese später entstehen zu lassen. Unstreitig treten beide ursprünglich ^mit^ einander hervor, und gehen sogar noch immer, wie wir täglich bei lebhaft Sprechenden bemerken können, sich ergänzend und unterstützend nebeneinander her; ja bei Armuth der Tonsprache (wie im Chinesischen), oder bei dem Mangel derselben (wie in Taubstummheit), kann die Zeichensprache durch Reflexion und Absicht ebenso zur articulirten gesteigert werden, wie jene. Dennoch hat Fichte recht: nur allmählig, im Zeitverlaufe, wird die Tonsprache zum gegliederten Sprachorganismus, indem die bewusstwerdende Vernunft, das Denken, immer reicher in sie sich einbildet. Hier sind wir nun, dem unmittelbaren Anscheine nach, in einen Cirkel gerathen, zu dessen Vermeidung Fichte eben seine Hypothese von dem allmähligen Uebergange der Zeichen- in Tonsprache ersann. Ohne Vernunftgebrauch keine Sprache; aber wie vermag umgekehrt die Vernunft sich auszubilden, wenn sie nicht eine Sprache vorfindet, als das gefügige Element ihrer eigenen Verwirklichung? Was ist hier das Erste, was das Letzte? Fichte hat, seinem Principe gemäss, der Vernunft den Primat gegeben, und was schon seine nächsten Vorgänger behaupteten, in der Abhandlung mit neuen, in ihrer Begrenzung schwer zu widerlegenden Gründen durchgeführt: die Sprache kann nur allmählig entwickelt seyn durch die steigende Vernunftthätigkeit. Die entgegengesetzte Ansicht (Bonalds, Franz Baders, Fr. Schlegels u. A.) legt den Nachdruck auf die andere Seite: die Sprache kann dem Menschen nur verliehen seyn, weil erst durch sie vermittelt die eigene Vernunft ihm objectiv, er ihrer bewusst wird. Am Sprechen lernt der Mensch erst zu denken; -- was nicht minder richtig und unstreitig bleibt. Humboldt endlich hat die natürliche Grundlage hervorgehoben, aus deren unmittelbarer, aber tief gesetzmässiger Wirksamkeit alle Lautsprache hervorgeht, das ursprünglich tonbildende Vermögen des Menschen. Und so kann jetzt abschliessend ausgesprochen werden, dass zwischen jenen beiden Gegensätzen gar kein Widerstreit obwaltet, dass beide Geltung haben, aber in gegenseitig sich beschränkendem Sinne, der jedem daher seine scharfbegrenzte Wahrheit giebt. Die Sprache ist ebenso »eingeboren,« -- ^Ursprache^, äusserlich bedingt durch das tonbildende Vermögen des Menschen, innerlich durch die Immanenz der Vernunft im Menschengeiste -- als sie zu ihrer Ausbildung und Gliederung doch des steten Fortwirkens jener beiden Factoren bedarf. Es ist derselbe Process, nur energischer und reicher, der sich auch in den schon gebildeten Sprachen fortwährend entdecken lässt, indem die Denkweise eines Zeitalters unwillkürlich in den Veränderungen der Sprache sich abbildet, sie erweiternd oder verengend, vergeistigend oder entgeistend. Ebenso scheint von hier aus die Frage nach der Einheit und Verwandtschaft aller Sprachen von selbst sich zu lösen. Jene »Ursprache« ist als vollendete und für sich bestehende, nicht geredet worden bei irgend einem Volke oder in einer bestimmten Zeit: sie wird noch immer geredet und spricht sich hinein in alle individuellen Sprachen, deren grössere oder geringere Verwandtschaft von daher stammt; denn sie ist nur jene im tonbildenden Vermögen liegende Gesetzmässigkeit alles Sprechens. -- Das philosophische Fragment endlich, »Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben« (1806), dessen erster Abschnitt bereits in den »Nachgelassenen Werken« erschienen war, glaubten wir jetzt, trotz seines polemischen Inhaltes, in seiner Vollständigkeit nicht mehr zurückhalten zu dürfen, indem es als Actenstück in der Geschichte des Fichteschen und Schellingschen Systemes eine wesentliche Stelle einnimmt. Wenn es aber überhaupt mitgetheilt wurde, so musste dies in ungeschmälerter Ursprünglichkeit geschehen. Was dagegen zu erinnern wäre, verschwindet grossentheils vor der Betrachtung, dass hierbei die Erneuerung alter Kämpfe nicht zu besorgen steht: beide Systeme in ihrer damaligen Gestalt gehören der Geschichte an, und sind uns zu parteilosem Urtheile schon in eine so bedeutende Ferne gerückt, dass der Kundige, nach der einen wie der anderen Seite hin des Rechten nicht verfehlen oder aus anderen Quellen es leicht sich aneignen kann. * * * * * Unter den wiederabgedruckten Recensionen machen wir namentlich auf die beiden letzten aufmerksam. Die eine (von Gebhards Schrift über sittliche Güte, 1793) stellt an ihrem Schlusse, hier am Frühesten und zum Erstenmale, das neue Princip auf, mit welchem Fichte über Kants Idealismus hinausging. Es wird in der Wendung ausgedrückt: die praktische Vernunft habe nicht bloss, wie bei Kant, den Primat über die theoretische, sondern das Praktische, die That, sey als die Eine Grundbestimmung aller Vernunft und als Fundament alles ^Wissens^ zu bezeichnen. -- Ebenso ist die kurze Recension von Kants Schrift »zum ewigen Frieden« (1796), gedankenreich und bedeutend: sie enthält in gedrängter Darstellung das Unterscheidende der eigenen Rechtslehre von der Kantischen, und kann so zur Ergänzung des dritten Bandes der Werke und unserer Vorrede desselben dienen. Aber sie erhebt sich auch zu weiteren Fragen über die Zukunft der Geschichte; und hier werden Ansichten über die nothwendige Fortbildung der Gegenwart zum wahren Staate angedeutet, welche schon im Keime die Ideen seiner späteren Staatslehre zeigen. * * * * * In Betreff der am Schlusse des Bandes mitgetheilten poetischen Versuche sind wir nicht frei von der Besorgniss, dass mancher Leser einen anderen Maassstab des Urtheiles zu ihnen hinzubringe, als hier zulässig wäre. Nicht eigentlich als dichterische Erzeugnisse sind sie aufzufassen, -- ob überhaupt nemlich poetische Productivität zum Talente des Denkers sich gesellen könne, welcher in der bildlosen Reine des Begriffes und in der Virtuosität der Abstraction waltet, ist durchaus zu bezweifeln, -- sondern um das Bild von Fichte's Charakter nach einer Seite hin zu vollenden, die in diesen Werken bisher am Wenigsten hervortreten konnte; -- wir meinen die gesammte Gemüthsweise, welche in solchen Productionen am Unverkennbarsten sich darstellt, und die in ihm allezeit ebenso entschieden zur Einheit ausgeprägt war, wie seine wissenschaftliche Denkart, ja in dieser nur ihr übereinstimmendes Gegenbild fand. Jene nun, der tief religiöse Ernst, das kraftvolle Erfassen des Lebens auch in seinen äusseren und scheinbar gleichgültigen Spitzen, aus diesem höchsten Mittelpuncte, ist der gemeinsame Faden, der sich auch durch seine Poesien zieht, selbst bis in den Humor hinein; darum schienen sie uns charakteristisch und aufbehaltenswerth, und so möge auch die Aufnahme seines ältesten poetischen Versuches (einer »Novelle« aus dem Jahre 1786, überhaupt des Frühesten, was im Nachlasse übriggeblieben ist) erklärt und gerechtfertigt seyn. Vielleicht verdient sie als literarische Merkwürdigkeit selbst einige Beachtung, wenn man sie mit dem damals herrschenden Geiste in solchen Erzählungen vergleichen will. Von hier aus können wir zugleich auf seine ästhetischen Neigungen noch einen Blick werfen. Wie er in der neueren Poesie dem objectiven Werthe nach Goethe unbedingt am Höchsten stellte und unter seinen Werken, gegen die gewöhnliche, auch bis jetzt noch geltende Annahme, seine »natürliche Tochter,« könnte aus seinem Briefwechsel bekannt seyn (Leben und Briefwechsel, Bd. II. S. 326 ff.). Dennoch war er auch der Romantik, namentlich der religiösen, bis in ihre Nebenabsenker mit Vorliebe zugethan, während ihm Jean Pauls Gefühlsweichheit ebenso, wie sein geschraubter Humor, ungeniessbar blieb. In Novalis, besonders seinen geistlichen Liedern, sah er neue Quellen ächter, tieferfrischender Poesie seinem Zeitalter geöffnet, und Tiecks »heilige Genoveva« erregte bei ihrem ersten Erscheinen ein so nachhaltiges Interesse in ihm, dass er diese Gattung romantisch religiöser Dramen selbst zur Darstellung philosophischer Ideen glaubte erheben zu können. Es ist noch von ihm der ausführliche Entwurf eines romantischen Trauerspiels: »der Tod des heiligen Bonifacius« vorhanden, in welchem er den Sieg der Idee eben dadurch, dass sie äusserlich sich opfert und in sinnlicher Gegenwart untergeht, zu schildern gedachte. -- In späteren Jahren endlich, als ihn das Studium des Italiänischen, Spanischen und Portugiesischen beschäftigte, war es besonders Dante, der ihn mächtig ergriff und zu dessen Betrachtung er mit immer neuem Interesse zurückkehrte. Von seinem ^Purgatorio^ ist eine zum Theil metrische Uebersetzung mit Commentar im Nachlasse vorhanden (wovon ein Fragment in der Zeitschrift: »Vesta, Königsberg 1807« abgedruckt ist). Die anderen grossen Dichter jener Nationen, Petrarca, Cervantes, Calderon, Camoens schlossen sich in diesen Studien an, und von vielen Uebersetzungsversuchen aus ihren Werken haben wir einige zum Abdruck ausgewählt, welche uns die nach Wahl eigenthümlichsten, nach Ausführung gelungensten schienen. Friedrich Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen. Ein Beitrag zur Literargeschichte des vergangenen und zur Pädagogik des angehenden Jahrhunderts. Von Johann Gottlieb Fichte. Herausgegeben von A. W. Schlegel. Erste Ausgabe: Tübingen, in der J. G. Cottaschen Buchhandlung. 1801. Vorrede des Herausgebers. Der Verfasser dieser Schrift hatte anfänglich die Absicht, sie unter seinen Augen dem Drucke zu übergeben. Da hiebei zufällige Hindernisse eintraten, und der nächste Zweck derselben durch die Unterhaltung, welche er bei ihrer Abfassung gefunden und seinen Freunden durch die Mittheilung verschafft hatte, eigentlich schon erreicht war, so wollte er von keiner weiteren Bemühung damit etwas wissen und zog seine Hand gänzlich von ihr ab. Das Manuscript kam in dem Kreise seiner Freunde auch an mich; ich bin durch keine Bevorwortung des Verfassers bei dem Gebrauche, den ich etwa davon möchte machen wollen, eingeschränkt, und so gestehe ich, dass ich mir ein Gewissen daraus machen würde, diese bündige und erschöpfende Charakteristik eines in seiner Art merkwürdigen Individuums dem Publicum vorzuenthalten. Der Würde Fichte's wäre es vielleicht angemessener, sein bisheriges verachtendes Stillschweigen auch jetzt nicht zu brechen: allein da er einmal die gutgelaunte Grossmuth gehabt hat, so viel Worte und Federzüge an Nicolai zu wenden, so muthe ich ihm auf meine Gefahr auch die zweite zu, die Welt seine ausgeübte Herablassung erfahren zu lassen. Was Nicolai betrifft, so weiss ich wohl, dass ich ihm durch die Herausgabe dieser Schrift die grösste Wohlthat erweise. Was könnte ihm, der seine hauptsächlichen Gegner nicht einmal dahin bringen kann, seine weitläufigen Streitschriften zu lesen, geschweige denn zu beantworten, der ihnen höchstens nur einige hingeworfene Sarkasmen abgelockt, glorreicheres begegnen, als dass Fichte auf ihn, als auf ein wirklich existirendes Wesen, sich förmlich einlässt, ihn aus Principien construirt, und ihn wo möglich sich selbst begreiflich macht? Der Tag, wo diese Schrift erscheint, ist unstreitig der ruhmbekrönteste seines langen Lebens, und man könnte besorgen, er werde bei seinem ohnehin schon schwachen Alter ein solches Uebermaass von Freude und Herrlichkeit nicht überleben. Verdient hat er es ganz und gar nicht um mich, dass ich ihm ein solches Fest bereite, da er mir die Schmach angethan, mich in früheren Schriften ordentlich zu loben, und noch in den letzten mir Kenntnisse und Talente zuzugestehen. Indessen die Lesung der folgenden Schrift hat mich in die darin herrschende grossmüthige Stimmung versetzt, und wenn er sich diese Anmaassung nicht wieder zu Schulden kommen lassen will, so sey das bisherige vergeben und vergessen. Einleitung. Ich habe zu Friedrich Nicolai's zahllosen Schmähungen und Verdrehungen meiner Schriften stillgeschwiegen, so lange es lediglich die Schriften traf; indem ich in demjenigen Theile des Publicums, wenn es einen solchen noch giebt, in welchem Nicolai über literarische Angelegenheiten eine Stimme hat, keine zu haben begehre. Nunmehro hat Nicolai auch meine persönliche Ehre angegriffen; -- denn dass er der Verfasser sey von der in der neuen deutschen Bibliothek, 56. B. 1. St. zu Ende des zweiten und zu Anfange des dritten Heftes befindlichen Anzeige, in welcher jene Angriffe geschehen, leidet keinen Zweifel und bedarf keines Beweises. Selbst auf den unerwarteten Fall, dass Nicolai seine Autorschaft abläugnete, werde ich diesen Beweis nicht führen; denn es ist jedem, der die lebenden Schriftsteller kennt, unmittelbar klar, dass nur Einer, nur Friedrich Nicolai, dies schreiben konnte. -- Ich bin es zwar nicht dem Herrn Nicolai, der die gegen mich vorgebrachten Beschuldigungen entweder selbst nicht glaubt, oder durch den Leichtsinn, mit welchem er sie vorbringt, auf alle persönliche Achtung Verzicht thut, -- wohl aber dem Publicum, welches dieselben ganz oder halb glauben dürfte, schuldig, mich vor ihm zu stellen und mich zu verantworten. -- Nachdem es nun Nicolai endlich erzwungen, dass ich noch während seines Lebens von ihm spreche, so führe ich hiebei zugleich, früher als ich gerechnet hatte, einen alten Vorsatz aus. Nemlich ich scheue mich nicht zu gestehen, dass, seitdem ich die mich umgebende Welt kenne und selbst eine Meinung habe, nichts mir verhasster und verächtlicher gewesen ist, als die elende Behandlung der Wissenschaften, da man allerlei ^Facta^ und Meinungen, wie sie uns unter die Hände kommen, zusammenrafft, ohne irgend einen Zusammenhang oder einen Zweck, ausser dem, sie zusammenzuraffen und über sie hin und her zu schwatzen; da man über alles für und wider disputirt, ohne sich für irgend etwas zu interessiren, oder es ergründen auch nur zu wollen, und in allen menschlichen Kenntnissen nichts erblickt, als den Stoff für ein müssiges Geplauder, dessen Haupterforderniss dies ist, dass es ebenso verständlich sey am Putztische, als auf dem Katheder; jene schaale Wisserei und Stümperei, Eklekticismus genannt, die ehemals beinahe allgemein waren, und auch gegenwärtig noch sehr häufig angetroffen werden. -- Ausser eignen Arbeiten und Untersuchungen, die für einen ernsthaften Zweck unternommen, und mit einem bessern Geiste geführt würden, und die immer das Gegenmittel gegen jenen verderblichen Hang bleiben müssen, schien mir auch noch ein zweites Gegenmittel sehr zweckmässig zu seyn: die lebendige Darstellung der unausbleiblichen Folgen jener Behandlung der Wissenschaft zur absoluten Ertödtung alles Sinnes für Wahrheit, Ernst und Gründlichkeit, und zur radicalen Verkehrung und Zerrüttung des Geistes. Das vollendetste Beispiel einer solchen radicalen Geisteszerrüttung und Verrückung in unserm Zeitalter war mir, seitdem ich ihn gekannt habe -- ich lernte ihn in dem Streite zwischen Mendelssohn und Jacobi kennen -- Friedrich Nicolai. Sein Bild wollte ich, wenn er seine verkehrte Laufbahn geschlossen haben würde, welches er freilich nur mit seinem Tode thun wird, allen studirenden Jünglingen, in denen ein Hang seyn könnte, seine Bahn zu betreten, und allen, die auf die Bildung dieser Jünglinge Einfluss hätten, zum warnenden Beispiele hinstellen. Diesen alten Vorsatz werde ich gleich bei der gegenwärtigen Gelegenheit ausführen; und dadurch einem Geschäfte, an welches ich, wenn es für eine blosse Vertheidigung meiner selbst gegen Nicolai angesehen würde, nicht ohne tiefe Beschämung gehen könnte, eine liberalere und allgemeinere Richtung zu geben suchen. Nicolai selbst, wenn darnach gefragt werden könnte, kann dies nicht übelnehmen. Er hat Zeit seines Lebens die grössten und verdientesten Männer der Nation auf eine Weise behandelt, dass er selbst, wenn er nur fähig wäre einen Augenblick lang andern dieselben Rechte gegen sich zuzuschreiben, die er sich gegen andere zuschreibt, es ganz billig finden müsste, dass man eine Rücksicht, die er nie gekannt hat, auch gegen ihn nicht beobachtet, keine Notiz davon nimmt, dass er noch unter den Lebendigen existirt, und ohne Bedenken eine Untersuchung, die ihn zum blossen Thema macht, unter seinen Augen anstellt. Zwar sehe ich bei diesem Unternehmen den Tadel zweier durchaus entgegengesetzter Parteien voraus. Zuvörderst den Tadel derjenigen, welche über Kunst und Wissenschaft im Wesentlichen mit mir gleich denken. Ihnen ist, so viel ich habe bemerken können, Nicolai ein so unbedeutender und verächtlicher Gegenstand, dass man in ihren Augen nur sich selbst herabsetzt, wenn man ihn einer Erwähnung und Beachtung würdigt. Sie haben vollkommen recht, und ich bin ganz ihrer Meinung, wenn von Nicolai als von einer Person geredet werden sollte. Als Object aber, als vollendete Darstellung einer absoluten Geistesverkehrtheit ist er, meines Erachtens, dem Literarhistoriker und Pädagogen wichtig, und so interessant, als dem Psychologen ein origineller Narr, oder dem Physiologen eine seltene Misgeburt nur immer seyn kann. Ich bekenne, dass es meine Schuld seyn würde, wenn ich dieses Interesse für meinen Gegenstand nicht zu erregen vermöchte. Sodann habe ich mich auf den Tadel der gutmüthigen Mittelmässigkeit gefasst zu halten, welche, seit die Urtheile der grössten deutschen Männer, eines Kant, Goethe, Schiller, über jenen Gegenstand in das Publicum gekommen, aus mehrern Winkeln der Literatur uns erinnern, denn doch auch die bedeutenden Verdienste des Mannes nicht zu vergessen. Ich werde tiefer unten meine Ueberzeugung, dass Nicolai für seine Person sein ganzes Leben hindurch nie etwas Kluges, sondern eitel Verkehrtes und Thörichtes angefangen habe, und dass auf ihm nicht das mindeste Verdienst, sondern eitel Schuld ruhe, weder verläugnen, noch sie zu begründen vergessen. Dass jene Stimmführer der Mittelmässigkeit wirklich zu wissen wähnen, was sie von jenen Verdiensten sagen, will ich glauben. Nicolai und sein Anhang haben es ja über ein Vierteljahrhundert lang genugsam wiederholt, dass Nicolai Verdienste habe, so dass endlich in dem Gedächtnisse jener wohl hangengeblieben seyn mag, dass so etwas gesagt worden. Sollten sie dieselbe Behauptung auch bei der gegenwärtigen Veranlassung wiederholen wollen, so ersuche ich sie, nur diesmal nicht so, wie sie immer zu thun pflegen, bloss ins unbestimmte hin zu versichern, sondern mir eines jener Verdienste namentlich anzugeben; mir irgend ein richtiges, treffendes Urtheil, das Nicolai gefällt, irgend eine gründliche Abhandlung, die er über etwas, das des Wissens werth ist, geschrieben, nachzuweisen, damit ich sie auch kennen lerne. Ich ersuche jene Stimmführer bei dieser Gelegenheit, sich zugleich vor sich selbst die Frage zu beantworten, welche Geisteskraft, oder welches Talent sie denn etwa Herrn Nicolai in einem vorzüglichen Grade zuschreiben möchten, ob Phantasie, oder Witz, oder Scharfsinn, oder Tiefsinn, oder, ich sage nicht eine vorzügliche, sondern auch nur richtige Schreibart; ob sie irgend etwas Eigenthümliches an ihm finden, als ein unversiegbares Geschwätz und die Kunstfertigkeit, alles, was ihm unter die Hände kommt, zu verdrehen; ich ersuche sie, diese Frage zuvörderst sich selbst, und sodann auch mir zu beantworten. Da ich sehr wohl wusste, dass sie keins von beiden befriedigend leisten würden, so mögen sie mir immer verzeihen, dass ich so gethan, als ob sie gar nichts sagen würden, und als ob sie überhaupt nicht vorhanden wären. Wir gehen an unser Vorhaben. Sollen das Leben und die sonderbaren Meinungen unsers Helden nicht rhapsodisch, so wie jedes uns in den Wurf kommt, oder chronologisch, sondern systematisch, in einer festen Charakterschilderung dargestellt werden: so müssen wir ein Grundprincip dieses Charakters nachweisen, aus welchem, und aus welchem allein, alle Phänomene in dem Leben unsers Helden sich befriedigend erklären lassen. Es kommt hierbei nicht auf Häufung der Phänomene an. Ein einziges, das sich durchaus nicht erklären lässt, ausser aus dem vorausgesetzten Princip, beweist so gut, wie tausende, dass dieses Princip und kein anderes dem zu erklärenden Leben zum Grunde gelegen habe. Jedem nur festen und ausgebildeten Charakter liegt ein solches Princip der Einheit zum Grunde; und der Unterschied dabei ist nur der: ob der Besitzer dieses Charakters wisse, dass dies sein Princip sey, oder ob er es nicht wisse. Ist der Charakter mit Freiheit und Bewusstseyn nach jenem Grundsatze gebildet, so ist dieser Grundsatz freilich dem Besitzer des Charakters bekannt; ist er ihm durch das Ungefähr, durch Natur und Schicksal angebildet, so ist ihm dieses Princip nicht bekannt. Unser Held befand sich in dem letztern Falle; es ist daher gar nicht zu glauben, dass ihm der Grundsatz alles seines Denkens und Handelns je bekannt geworden. Wir haben nach allem Gesagten zuvörderst das Grundprincip von unsers Helden intellectuellem Charakter (denn von diesem allein soll hier die Rede seyn) aufzustellen, und von gewissen Phänomenen zu zeigen, dass sie durchaus nur aus jenem Princip erschöpfend und vollkommen hinreichend zu erklären sind. Auf diesem Puncte der absoluten Unmöglichkeit jeder andern Erklärung beruht die Richtigkeit unserer Angabe des Princips; wir ersuchen daher unsere Leser, darauf vorzüglich ihre Aufmerksamkeit zu richten. Wir werden sodann noch einige originelle Grundzüge des Charakters unsers Helden, die sich nur aus jenem Princip erklären lassen, anführen, sie mit ihren Phänomenen belegen, und so den Beweis der Richtigkeit unsers Grundprincips vollenden. Wir werden in dieser ganzen Schilderung unsern Helden betrachten als einen todten Mann, und von ihm reden, wie von einer Person aus der vergangenen Zeit. Dies ist jeder Charakterschilderung eigen. Der Grund, warum anderwärts man den Charakter eines Mannes während seines noch fortdauernden Lebens nicht zu schildern vermag, -- weil nemlich die Reihe der Erscheinungen noch nicht geschlossen und es nie sicher ist, dass nicht neue Phänomene eintreten, die auf ein anderes Princip der Erklärung führen dürften, auch man nicht wissen kann, ob nicht etwa die Person noch durch Freiheit ihre Maximen ändern werde -- fällt bei Nicolai ganz weg. Es wird sich hoffentlich in der folgenden Schilderung zeigen, dass das Princip seiner Denkweise die Unabänderlichkeit unmittelbar in sich selbst enthält. Unser Held ist befestigt, er kann sich nicht mehr ändern oder geändert werden; ist auch die Reihe der Phänomene seines Lebens nicht beschlossen, so ist es doch der Charakter. Der Verfasser dieser Beschreibung ist dessen so innig überzeugt, dass er sehr gern allen seinen Anspruch auf Menschenkenntniss aufgeben will, wenn sich finden sollte, dass Friedrich Nicolai vor seinem Ende noch irgend einen der ihm hier als charakteristisch beigelegten Grundzüge und Handelsweisen abänderte. Erstes Capitel. Höchster Grundsatz, von welchem alle Geistesoperationen unsers Helden ausgegangen sind. Unser Held war seit seinen reifen Jahren der festen Meinung, dass alles mögliche menschliche Wissen in seinem Gemüthe umfasst, erschöpft und aufbewahrt sey, dass sein Urtheil über die Ansicht, die Behandlung, den Inhalt und den Werth aller Wissenschaft untrüglich und unfehlbar sey, und dem Urtheile aller andern vernünftigen Wesen zur Richtschnur und zum Kriterium ihrer eignen Vernünftigkeit dienen müsse; mit Einem Worte, dass er alles, was in irgend einem Fache richtig und nützlich sey, gedacht habe, und alles dasjenige unrichtig und unnütz sey, was er nicht gedacht hätte, oder nicht denken würde. Diese Meinung setzte ihn nicht nur vor sich selbst über alle Zweifel, alle spätere Untersuchung und alle Besorgniss hinweg, dass er sich doch etwa über dieses oder jenes im Irrthume befinden möchte; sondern er war noch überdies von allen andern Menschen ebenso fest überzeugt, und muthete es ihnen an, dass sie über alle Zweifel hinausseyn müssten, sobald sie nur recht wüssten, wie er selbst eine Sache fände. Alle seine Widerlegungen gingen von dem Hauptsatze aus: ich bin anderer Meinung; daher er denn zu diesem Hauptgrunde noch andre Nebengründe hinzuzufügen gewöhnlich unterliess. Die Gegner, glaubte er, könnten schon daraus sattsam ersehen, dass sie unrecht hätten. Bei allen Verweisen und Züchtigungen, die er in seinen spätern Jahren an das ausser der Art schlagende Zeitalter ergehen zu lassen genöthigt wurde, hob er nur immer davon an, dass er zeigte, man habe nicht nach seinem Rathe gehandelt; dies allein, glaubte er, würde sie schon dahin bringen, dass sie sich schämten und in sich gingen. In dieser Voraussetzung liess er sich denn auch durch keinen noch so sonderbaren Vorfall, der sich etwa ereignen mochte, irre machen. Sogar wenn ihm, wie dies in seinem spätern Alter häufig begegnete, von allen Seiten her einmüthig zugerufen wurde: er werde wohl selbst eines Urtheils über gewisse Dinge sich bescheiden, oder auch -- er sey ein geborner Dummkopf, ein Salbader, ein alter Geck, und was man noch alles für Freiheiten sich mit ihm herausnahm, mochte er doch immer lieber voraussetzen, man sage dies bloss aus Schalkheit, und um sich für die empfangenen Züchtigungen zu rächen, als dass er irgend einem Menschen die Verkehrtheit zugetraut hätte, dass er fähig wäre, in allem Ernste und im Herzen einen Nicolai nicht anzuerkennen. Diese Meinung von ihm selbst war ihm nach und nach so zur fixen Idee geworden, hatte sich so mit seinem Selbst verwebt und war selbst zu seinem innersten eigensten Selbst geworden, dass man keine Spur hat, er habe dieselbe je deutlich in sich wahrgenommen und sie zum bestimmten Bewusstseyn erhoben. Er räsonnirte, urtheilte, richtete ^von ihr aus^, als seinem einzig möglichen Standpuncte, niemals ^über sie^. Er starb daher alt und lebenssatt, ohne je mit seinem Denken, auch nur in sich selbst zu Ende gekommen zu seyn. Zweites Capitel. Wie unser Held zu diesem sonderbaren höchsten Grundsatze gekommen seyn möge. Gleiche Ursachen bringen allenthalben die gleichen Wirkungen hervor. Nun haben die ausser unserm Helden selbst liegenden Umstände, welche unsers Erachtens die beschriebene sonderbare Meinung in ihm erzeugt, sich auch bei andern Menschen gefunden, und haben auch bei ihnen in einem gewissen Grade denselben Erfolg gehabt. Aber so unerschütterlich auf jenem Princip beharrt, so allumfassend und so consequent durchgeführt hat es, so viel uns bekannt ist, keiner, ausser unserm Helden; und dies eben ist es, was ihm die Ehre erwirbt, als Muster seiner Gattung aufgestellt und der Nachwelt überliefert zu werden. Es muss sonach bei ihm, zu jenen anzuführenden äussern Umständen der Entwickelung jenes Princips, noch eine vorzügliche innere Empfänglichkeit seiner Natur dafür hinzugekommen seyn. Zum grössten Glücke für die Menschheit hat unser Held selbst -- denn warum sollte ich nicht ebensowohl wie Klopstock, in seiner Zueignungsschrift vor Herrmanns Schlacht, als schon geschehen ankündigen, was geschehen wird, und weit sicherer geschehen wird, als das durch Klopstock Verkündigte geschehen konnte -- er selbst hat, nachdem im Jahre 1803 sein letzter Feind, der transscendentale Idealismus, ausgetilgt, und die A. D. B. wiederum gehörig in den Gang gebracht war[2], seine glorreich errungene Musse dazu angewendet, die Geschichte seiner Bildung bis in seine Knaben- und Kindesjahre, und bis zu seiner Wiege zurückzuführen; hat diese Krone seiner Werke vollendet, und dann seinen Geist dem Himmel wiedergegeben. In den ersten drei Bänden dieses klassischen Werks können die Leser sich unterrichten, wie der erste Schrei des Neugebornen die Schriftstellerwelt erschütterte und alle Sünder in ihr erbeben machte, und wie schon seine Windeln von dem attischen Salze dufteten, das er seitdem in unsterblichen Worten ausgehaucht und angesetzt hat, so dass alle Umstehenden sich verwunderten, und sprachen: was will aus dem Kindlein werden? In den folgenden Bänden können sie finden, wie er, seitdem er sich seiner erinnern kann -- und er kann sich seiner seit den frühesten Jahren erinnern -- durch seine lebhafte Phantasie, einen Trieb zu lernen und eine Fassungskraft, weit über alle Kinder seiner Gesellschaft und seines Alters in sich verspürt, so dass er von seinen Eltern und seinen Lehrern als ein wahres Wunderkind ausgerufen worden. Aber wir überlassen den Lesern, dieses in der ausführlichen und grazienvollen Beschreibung des Helden selbst nachzulesen, und schränken uns, sowohl hier als ins künftige, auf dasjenige ein, was der berühmte Verfasser übergeht, und was wir nur aus andern Denkmälern jenes Zeitalters schöpfen können. Ich will hier nicht untersuchen, ob es nothwendig sey, dass der Uebergang der Schriftstellerei einer Nation aus der gelehrten in die lebende Sprache eine Epoche des Verfalls der wahren gründlichen Gelehrsamkeit bei sich führe. Bei den Deutschen wenigstens war dies der Erfolg. Man bildete sich etwas ein darauf, endlich deutsch schreiben gelernt zu haben; man wollte, dass es auch für Deutsch anerkannt würde, und bemühte sich daher, über alle Gegenstände so zu schreiben, dass denn auch in der That nichts weiter zum Verstehen gehöre, als die Kenntniss der deutschen Sprache. Der Vortrag wurde die Hauptsache, das Vorzutragende mochte sich bequemen; was sich nicht so sagen liess, dass die halbschlummernde Schöne an ihrem Putztische es auch verstände, wurde eben nicht gesagt; -- und da man nur um sagen zu können lernte, auch nicht weiter gelernt, -- späterhin verachtet, als elende Spitzfindigkeit und Pedanterie: kurz, das elende Popularisiren kam an die Tagesordnung und von nun an wurde Popularität der Maassstab des Wahren, des Nützlichen und des Wissenswürdigen. In diese Epoche fiel unsers Helden erste Bildung. Er wollte schon früh etwas bedeuten, und dünkte sich schon früh etwas zu bedeuten; ohne alle klassische Gelehrsamkeit, wie er damals war, und trotz des Anscheins derselben, mit dem er späterhin sich behängte, immer blieb, musste dieser Dünkel bei ihm um so verderblicher werden. Zu seinem Unglücke kam er in die Bekanntschaft zweier Männer, deren erster ohne Zweifel weit mehr Ernst und Reinheit der Gesinnung hatte, als Nicolai; aber dieselbe Beschränktheit des Geistes, der Einsicht und des Zwecks. -- Hatte wohl im Grunde einer von diesen beiden anfangs eine höhere Tendenz, als die, dieses und jenes Aberglaubens ihrer Kirchen sich zu erwehren, ihre Confessionen so vernünftig zu machen, als sie selbst wären, und, wenn das Glück gut wäre, sich eine natürliche Religion zu bauen, bei der sie jener Confessionen ganz entbehren könnten; nur dass es der Andere auch hierin ernstlicher und herzlicher meinte, als unser Held? -- Der zweite dieser Männer, in deren Bekanntschaft unser Held kam, war ein allumfassender, lebendiger, rastloser Geist, und ein Charakter, für das Wahre, Rechte und Gute gebildet; nur dass er damals in der Unendlichkeit seines Wesens noch nichts Bestimmtes zu ergreifen und festzuhalten vermochte. Unser Held, der damals noch nicht alle Fähigkeit verloren hatte, eine Superiorität ausser sich anzuerkennen, anerkannte die dieses gewaltigen Geistes; aber nachdem er sich mit Mühe und Noth einiges Vermögen erworben hatte, mitzutreiben, womit dieser noch nicht fixirte Geist sein Spiel trieb, hielt er dieses Spielwerk für das Höchste, und sich selbst für jenes Geistes gleichen. Mit diesem Augenblicke war er vollendet und fiel. Er ist seitdem nicht weiter gekommen, und nicht zur Besinnung. Später hat er sich noch für einen weit höhern Geist gehalten als jenen, den er nun für ein, gutem Rathe nicht folgendes, überspanntes Genie ausgab. Unser Held hatte, mit jenen vereinigt, einen kritischen Kreuzzug gethan; entscheidend gegen einige schlechte Reimer, in andern Fächern, z. B. dem der Philosophie, nicht ganz so glorreich. Sein grosser Mitkämpfer wurde allmählig inne, dass dies ein schlechtes Geschäft sey, und dass er es nicht in der besten Gesellschaft treibe. Er zog sich zurück, und unser Held beschloss nunmehro, die Sache in das Weitere zu treiben, und sich selbst, sich allein, zum Mittelpuncte der deutschen Literatur und Kunst zu constituiren. Die allgemeine deutsche Bibliothek entstand, schon an sich ein widersinniges Unternehmen, verderblich durch die Art, wie es ausgeführt wurde, am allerverderblichsten für den Urheber selbst. Unser Held mag von dem sehr richtigen Vordersatze ausgegangen seyn: der Redacteur eines die ganze Literatur und Kunst umfassenden periodischen Werks muss selbst die ganze Literatur und Kunst umfassen; muss, und zwar in jedem besonderen Fache, höher stehen und alles besser wissen, als irgend einer seiner Zeitgenossen. Er muss in jedem Fache die grössten Meister, zu Beurtheilung derer, die unter ihnen sind, wählen, sie zu finden, sie sich zu verbinden wissen; er muss aber sogar diese grössten Meister der Fächer übersehen, um ihre eingesendeten Beurtheilungen zu prüfen und ersehen zu können, ob sie mit dem gewohnten Fleisse und Gründlichkeit bearbeitet sind, ob nicht etwa diese Männer sinken, ob nicht jüngere grössere neben ihnen aufkommen. Anstatt nun von diesem richtigen Vordersatze aus weiter so zu folgern: Ich wenigstens habe diese notwendigen Erfordernisse nicht an mir, und von mir wird jene Idee einer allgemeinen deutschen Bibliothek wohl unausgeführt bleiben; schloss er umgekehrt: da ich nun jene Idee ausführen will, so muss ich annehmen und mich betragen, als ob ich alle jene Erfordernisse an mir hätte; als ob ich ein allumfassender Polyhistor und der geistreichste und geschmackvollste Mann meines Zeitalters und aller vergangenen und künftigen Zeitalter wäre. Ich muss Untrüglichkeit mir kräftigst zueignen. Da ein Ausführer jener Idee die grössten Männer aller Fächer erkennen, wählen und mit sich verbinden muss, so muss ich den Satz umkehren und annehmen, dass diejenigen, die ich erkennen, wählen und mit mir verbinden werde, die grössten Männer in ihren Fächern sind. Es ist schwer auszumachen, ob unser Held schon damals im ganzen Ernste von sich selbst geglaubt, was er von nun an freilich gegen alle Welt behaupten und unerschütterlich voraussetzen musste. Das Wahrscheinlichste ist, dass es ihm ergangen, wie allen, die in die Lage kommen, unaufhörlich eine Aussage zu wiederholen, von der sie selbst nicht recht überzeugt sind. Am Ende glauben sie selbst an ihre Wahrheit. Für möglich konnte Nicolai jene Voraussetzung von sich immer halten; er fand nirgends ausser sich eine höhere Weisheit, als die seinige, indem er nur die seinige begriff, derjenigen Seelenkraft aber, die da Ahnung eines Höhern heisst, von jeher gänzlich ermangelte. Auf die Wirklichkeit dieser Voraussetzung hätte er damals vielleicht noch nicht geschworen. Aber seitdem er die Redaction seiner Bibliothek ergriff, musste er alle Stunden seines Lebens jene Meinung voraussetzen, sie behaupten, jeden Zweifel dagegen kräftigst niederschlagen, und kam von dieser Arbeit nie zur ruhigen Besinnung; so dass es durchaus begreiflich wird, wie dieser Glaube diese langen Jahre hindurch sich ihm fest einverleiben und mit ihm zusammenwachsen musste. Das Unternehmen jener Bibliothek ergriff das Zeitalter. Die leichte Weisheit und die wohlfeile Gelehrsamkeit, welche durch das grosse Werk herbeigeführt, und schnell von einem Ende Deutschlands bis zum andern verbreitet wurden, fand Beifall. Der geringste unter den Lesern glaubte sich selbst zu lesen; gerade so hatte er die Sache sich auch von jeher gedacht, und nur nicht den Muth gehabt, es sich laut zu gestehen. Die Unmündigen erhielten die Sprache, und das gefiel ihnen. Unser Held sahe diese grosse Revolution, deren Stifter, die schnelle allgemeine Erleuchtung, deren Urheber er war. Warum hätte nicht der Glaube andrer an sein Werk seinen eignen Glauben an sich bestärken sollen? Schriftsteller, denen an dem Beifalle des grossen Volks gelegen war, versammelten sich um den Ausspender dieses Beifalls, gaben ihm Beiträge, liessen sich von ihm berathen und erziehen, und schmeichelten auf jede Weise seiner Eitelkeit[3]. Man glaubt leicht, was man wünscht; Nicolai nahm in aller Unbefangenheit alles für baare Münze, und ihm fiel nicht bei, dass diese Lobeserhebungen vielleicht nur dem Redacteur der allgemeinen deutschen Bibliothek, keinesweges aber seinen persönlichen Verdiensten gelten möchten. Jene Männer waren seinem Princip nach ohnehin, als Mitarbeiter an der Bibliothek, die ersten Köpfe der Nation. Er fand sich sonach von den ersten Männern der Nation gelobt, anerkannt, zu ihrem Meister erhoben. Wer konnte es ihm verargen, dass er ihnen glaubte? Und so verschmolz allmählig in seiner Seele der Begriff von deutscher Literatur und Kunst mit dem Begriffe seiner Bibliothek; diese mit dem Begriffe von ihm selbst. Die Bibliothek wurde ihm zum Mittelpuncte des deutschen Geistes, er selbst zur innersten Seele dieses Mittelpuncts. An den Recensionen dieser Bibliothek mussten alle literarische und artistische Bestrebungen der Nation, und hinwiederum an seiner Einsicht -- diese Recensionen sich orientiren. Ausser jener Bibliothek war ihm jetzt und zu ewigen Zeiten kein Heil und keine Wahrheit für die Wissenschaft; und für die Bibliothek selbst kein Heil und keine Wahrheit ausser ihm. Jene war seine Welt, und er die Seele dieser Welt; was er erblickte, erblickte er durch jene hindurch, jene aber erblickte er durch sich hindurch. In dieser beruhigenden Stimmung lebte er und starb im frohen Glauben an die Unsterblichkeit seines Werks. Anmerkungen. [Fußnote 2: Mit dem im Texte erwähnten Jahre 1803 verhält es sich so: Nicolai hatte im 11. Bande seiner Reisebeschreibung vorher verkündigt, dass Fichte und alle seine Schriften im Jahre 1840 rein vergessen seyn würden. Er wurde hierüber, wie über so manches andere, in gewissen ^Briefen über die Guckkastenphilosophie des ewigen Juden^ verspottet. In dem Aerger hierüber decretirte und enuncirte er, -- in der Schrift gegen die Xenien, wo ich nicht irre, -- es solle nunmehr mit Fichte nicht einmal bis zum Jahre 1840 Frist haben, sondern schon Anno 1804 solle er vergessen seyn. Das Jahr 1800 ist verflossen, das 1801 angebrochen; das fatale Jahr der Vorhersagung tritt näher, und noch zeigen sich keine Spuren, dass die Weissagung anfange in Erfüllung zu gehen. Dies fiel unserem Helden bei Abfassung der im Eingange erwähnten Anzeige aufs Gewissen; er fand nun doch, »dass ^andere^ Gelehrte wohl etwa glauben möchten, hinter den Spitzfindigkeiten der neuen Philosophie u. s. w. stecke etwas, dass ^er^ aber sagen könne, dass es durchaus eine Nullität sey, und dass i. J. 1803 sich darüber mehr werde reden lassen.« Freilich, wenn i. J. 1804 diese Philosophie rein vergessen seyn sollte, so müsste wenigstens i. J. 1803 die Nullität derselben dargethan werden.] [Fußnote 3: Damit ja niemand in Zweifel stelle, ob deutsche Gelehrte sich so weit herabgelassen, unserm Helden zu schmeicheln, hat er selbst, in seiner Schrift gegen die Xenien, bezeugt: »ihm sey von jeher sehr geschmeichelt worden.«] Drittes Capitel. Wie im allgemeinen dieser höchste Grundsatz im Leben unsers Helden sich geäussert habe. Theils nach den öffentlichen Handlungen und Aeusserungen unsers Helden, theils nach mehreren Anekdoten von ihm, die zu seiner Zeit im allgemeinen Umlaufe waren, schrieb er sich selbst ausschliessend die Fähigkeit zu, alle Gegenstände des menschlichen Wissens mustermässig zu bearbeiten. Er pflegte, so oft in seiner Gegenwart das Gespräch auf irgend einen solchen Gegenstand fiel, nur das zu beklagen, dass seine übrigen Geschäfte ihm nicht Zeit liessen, ein Muster der Behandlung desselben zu liefern. Alles, zu dessen Bearbeitung er ohnerachtet dieser überhäuften Geschäfte denn doch noch Zeit fand, bearbeitete er auch wirklich mustermässig. So war seine Topographie von Berlin das Muster, wornach alle Arbeiten dieser Art gemacht werden sollten, und er ergriff jede Gelegenheit, sie als solches zu empfehlen; keinesweges, wie er hinzuzusetzen pflegte, aus Eigenlob, sondern weil sich die Sache wirklich so verhielt[4]. Wozu er nicht Zeit fand, mochten seine Zeitgenossen bearbeiten. Dass sie ihr Muster nie erreichen, dass sie nie es so machen würden, wie unser Held es gemacht hätte, wenn er nur die Zeit dazu gefunden, das verstand sich. Aber sie hatten ja ihn bei sich; und er ertheilte gern Rath, wenn man ihn bescheiden darum ersuchte. Diesen Rath sollten sie lehrbegierig und folgsam annehmen, fortarbeiten und sich bestreben, seine Idee immer besser zu treffen. Sie sollten ja nur die Zeit zur Ausführung hergeben, die ihm mangelte; den Geist und die Uebersicht wollte er hergeben. So würden sie immer höher steigen, und ihm, ihrem Muster, stets näher kommen. Auf diese Weise hatte er in der Schule seiner Bibliothek und seines handschriftlichen Rathes die grössten Schriftsteller der Nation gebildet: einen Lessing, der nur leider in seinen spätern Jahren umschlug, rechthaberisch und unfolgsam wurde, und dafür zur wohlverdienten Strafe in Zweifel an der Gründlichkeit der bibliothekarischen Aufklärung und an der Evidenz der Mendelssohnschen Demonstrationen verfiel; einen Mendelssohn; einen Justus Möser, und so viele noch Lebende, deren Bescheidenheit mir verbietet, sie zu nennen: -- hat er nicht Schriftsteller allein, sondern durch die vortrefflichen Bildnisse deutscher Gelehrten vor der Bibliothek und der Berliner Monatsschrift in seinem Verlage, welche, wie ich als Augenzeuge betheuren kann, in Berlin noch immer regelmässig ausgegeben wird -- hat er dadurch auch junge bildende Künstler herangezogen, ermuntert und unterstützt. Die Bildung ging von ihm aus, als ihrem Centrum, und verbreitete sich regelmässig umher. Dieser gesetzte, geordnete, gemässigte Gang wurde nun durch einige excentrische Köpfe gestört. In der Kunst erschien Goethe, Schiller, in der Philosophie Jacobi, Kant, die transscendentalen Idealisten. Was hätte an ihnen daran seyn können? -- Hatten sie sich denn erst in der A. D. B. unter Nicolai's Aufsicht im Schreiben geübt? Oder hatten sie ihm ihre Pläne vor der Ausführung vorher vorgelegt, und mit ihm darüber correspondirt, wie Lessing in seiner guten Zeit, und Mendelssohn, und alle die, welche Meisterwerke geliefert haben? Keins von diesen allen hatten sie gethan; sie hatten ein so böses Gewissen gehabt, dass sie ihm ihre Arbeiten nicht einmal zum Verlage angeboten; die letzte Gelegenheit, bei der sie hätten erfahren können, wie sie mit denselben daran wären, und was sie darüber zu urtheilen hätten. Dass an ihren vermeinten Kunstwerken und Entdeckungen durchaus nichts seyn konnte, war sonach ohne weitere Untersuchung und Prüfung, mit der man nur die ohnedies so beschränkte Zeit verloren haben würde, unmittelbar klar; und man konnte ohne weiteres mit den Waffen des Lächerlichen, welche unser Held zu führen glaubte, wie kein andrer, dagegen vorschreiten. So entstanden Freuden Werthers, die witzige Schrift gegen die Xenien, der dicke Mann, Sempronius Gundibert, die spasshaften Theile der Reisebeschreibung; und was weiss ich, was noch alles entstand. Zwar liess sich einigen jener excentrischen Subjecte und Querköpfe nicht alles Talent und alle Kenntniss ganz absprechen, nur verhinderte sie ihre eigenliebige Meinung, dass sie ausser dem Umkreise der richtigen Schule für sich allein fortkommen könnten, daran, diesem Talente die wahre Richtung zu geben. Man musste suchen, diese etwanigen Gaben doch noch nützlich zu machen und sie der deutschen Literatur, d. i. dem Umkreise der allgemeinen deutschen Bibliothek, wiederzugeben. Unser Held fand sich sonach in der Nothwendigkeit, jene Menschen scharf zu züchtigen, ob sie nicht etwa in sich gehen und den rechten Weg einschlagen möchten. Man sah es ihm -- sein Geschichtsschreiber sagt dies an seiner Urne mit der vollsten Ueberzeugung -- man sah es ihm an, dass nie persönlicher Hass oder Feindschaft, sondern immer der redlichste Eifer für die Literatur ihn trieb; dass er mit einer Art von Wehmuth an das Amtsgeschäft einer solennen und ausführlichen Ausstäupung ging (mit kleinen beiläufigen Hieben nahm er freilich es etwas leichter); man bemerkte, wie ein geheimes väterliches Wohlwollen gegen die Bestraften selbst seinem Feuereifer für die Literatur eine gewisse rührende Milde beimischte, und wie er schon ein Vorgefühl von dem Danke hatte, den ihm die Gezüchtigten selbst, wenn sie einst zu Verstande kämen, bringen würden. Er war daher nicht leicht zu bewegen, alle Hoffnung an einem Menschen aufzugeben, und er wusste geschickt diese Hoffnung zu zeigen, um dem Sünder nicht allen Muth zur Besserung zu benehmen. Traf es sich nun, dass einer wirklich sich besserte, so war die Milde rührend, mit der er ihn wieder zu Gnaden annahm. So gab es in diesen Tagen einen gewissen höchst perfectibeln Krug, welcher freilich in der allgemeinen Achtserklärung gegen die philosophischen Querköpfe mitbegriffen war. Dieser ging in sich und gab unserm Helden eine Aehrenlese von den Feldern anderer Philosophen zum Verlage, worüber er vermuthlich auch Nicolai's Rath eingezogen; -- denn den pflegte dieser keinem, der bei ihm verlegen liess, vorzuenthalten. Dafür segnete auch Gott diesen Krug, dass ihm auf eignem Boden eine Rechtslehre erwuchs, die einem philosophischen Recensenten an der allgemeinen deutschen Bibliothek wie aus der Seele geschrieben ist[5]. Jederman war damals der Meinung, dass wenn der junge Mann nur so fortführe, er es mit der Zeit wohl selbst bis zum ordentlichen Recensenten an der allgemeinen deutschen Bibliothek unter Nicolai's eigener Redaction bringen könnte. Anmerkungen. [Fußnote 4: M. s. z. B. den 6ten Band der Nicolai'schen Reisen. S. 337 ff.] [Fußnote 5: M. s. in demselben Hefte der N. D. B., in welchem die Eingangs erwähnte Anzeige sich befindet (56. B. St. 1. Heft 2.), kurz vor derselben die Recension des Krugschen Buches.] Viertes Capitel. Worauf es, zufolge dieses höchsten Grundsatzes, unserm Helden bei allen seinen Disputen angekommen sey. So oft unser Held im Begriff war, seinen Mund öffentlich aufzuthun, um dem Zeitalter einen Rath zu geben, oder eine Thorheit zu misbilligen und zu züchtigen, so trieb ihn seine liebenswürdige Bescheidenheit immer an, zuvörderst sich zu entschuldigen, dass er gerade die Sache zur Sprache bringe, dass er sie jetzt, in diesem Zeitpuncte, bei dieser Veranlassung zur Sprache bringe. Hierüber gab er immer seine guten Gründe an. Dass er aber die Sache, wovon die Rede war, verstehe, und dass er die Wahrheit, die pure lautere Wahrheit sagen könne, darüber gab er nie einen Beweis, indem es ihm gar nicht beikam, dass über diesen Punct irgend ein Leser oder Gegner den mindesten Zweifel hegen würde. So hub er, als er im 11. Bande seiner Reisebeschreibung von Tübingen aus auf die Horen, und von diesen aus auf die neue Philosophie schmälen wollte, damit an, dass er beklagte: es scheine nun einmal sein Beruf, dem Zeitalter unangenehme Wahrheiten zu sagen; und fuhr dann fort und sagte seine unangenehme Wahrheit; und alle Leser waren überzeugt und alle Gegner beschämt. Entweder hatten die letzten bisher, mit dem eignen guten Bewusstseyn, dass sie unrecht hatten, ihr Wesen getrieben, lediglich um etwas Neues, in der allgemeinen deutschen Bibliothek Unerhörtes anzubringen und Aufsehen zu erregen, und Nicolai wollte dies nun offenbaren; oder, wenn sie wirklich geglaubt hatten, recht zu haben, so sollten sie jetzt aus Nicolai's Versicherung, dass er ihnen die wahrste Wahrheit sage, vernehmen, dass sie denn also doch unrecht hätten. So sagt man, dass er allen mündlich geäusserten Vorstellungen und Bedenklichkeiten seiner Freunde, besonders wegen seiner spätern philosophischen Streitigkeiten, immer so zu begegnen gepflegt habe: man müsse überall mit der Sprache gerade herausgehn und die Wahrheit sagen. Ob sie gefalle oder nicht, ob man sich dadurch Feinde mache oder nicht, darnach könne nicht gefragt werden. Wenn die entgegengesetzte Maxime gelten solle, so hätten auch die Literaturbriefe nicht geschrieben werden müssen. So war er auf ewig gegen die Vermuthung befestigt und gesichert, dass irgend jemand glauben könne, er habe in der Sache selbst unrecht, und hielt jene Warnungen für nichts weiter, als für die zärtlichen Besorgnisse seiner schüchternen Freunde, durch die sie ihn verleiten wollten, aus Sorgfalt für seine persönliche Ruhe die Sache der Wahrheit zu verläugnen. Fünftes Capitel. Wirkliche Disputirmethode unsers Helden, aus diesem höchsten Grundsatze. Kam es nun wirklich zum Dispute, so machte unser Held es sich zum einzigen Augenmerk, die Wahrheit des Factums zu constatiren und dem Gegner den Ausweg des Abläugnens seiner That oder seiner Aeusserung abzuschneiden. Hierbei verfuhr er mit seiner gewöhnlichen Sorgfalt und Genauigkeit. Hatte er nur diesen Punct erst ins Reine gebracht, so schritt er ohne weiteres zum Endurtheile; denn er konnte den Glauben an den gesunden Menschenverstand seiner Gegner nie so weit aufgeben, um anzunehmen, dass sie der Thaten oder Aeusserungen, die sie aus seinem Munde wieder hören müssten, und von denen sie leicht abnehmen könnten, dass er sie misbillige, nicht sogleich sich innigst schämen, die Unrichtigkeit derselben einsehen und sie bereuen sollten. So kam in jenen Tagen zu Jena eine gewisse auch allgemeine Literaturzeitung heraus, welche sogleich in ihr Nichts verschwand, nachdem unser Held die Zügel der allgemeinen deutschen Bibliothek mit starken Händen wieder ergriffen hatte, und jener Zeitung die, bei Gelegenheit des Schellingschen und Schlegelschen Streits mit ihr zu Tage gekommene Abhängigkeit vorrückte. Dieser Zeitung sagte er in der oben angeführten unsterblichen Besitzergreifungsacte[6], zwar mit grossmüthigem Bedauern, dass dieses ihr Factum gewesen, jedoch übrigens kurz, fest und entschlossen, auf den Kopf zu, dass sie Kant gelobt hätte, und Reinhold gelobt hätte, er fügte jedesmal in Schwabacher hinzu, ^dass dies nicht zu läugnen wäre^. Freilich hatte jene Zeitung gehofft und geglaubt, dass kein Mensch als Nicolai jenen Verstoss entdeckt habe, und dass dieser es nicht weitersagen werde. So muss in jenen Tagen ein gewisser Fichte, von dem seit dem Jahre 1804 alle Nachrichten verschwinden, sein Wesen getrieben haben. Diesem führt unser Held in derselben klassischen Acte mehrere seiner höchststräflichen Aeusserungen kurz und gut zu Gemüthe; dass z. B. dieser Fichte, und noch dazu vom Anfange an, und noch dazu ganz laut gesagt habe, kein einziger von Kants zahlreichen Nachfolgern habe verstanden, wovon eigentlich die Rede sey, -- ausser er, Fichte, wie sich verstehe, setzt unser Held dazu. (Wenn dieser Fichte nur die gemeinste Logik hatte, so versteht sich dies freilich; wie hätte er urtheilen können, dass alle übrigen es nicht verständen, wenn er nicht selbst es zu verstehen geglaubt hätte?) Um allen Zweifel über die Sträflichkeit und Absurdität dieser Aeusserungen zu heben, versichert er, ^es seyen dies wirklich Fichte's eigne Worte^, und citirt allenthalben Buch und Seite; und in einigen Blättern, welche dem allgemeinen Austilgungskriege gegen Fichte vom Jahre 1803 entgangen, findet sich auch wirklich, dass diese Citationen richtig sind. Unser Held war ein unbarmherziger Gegner. Wie muss es den armen Fichte niedergedrückt haben, durch Nicolai an den Tag gebracht zu sehen, was von ihm zum Drucke befördert sey. Anmerkung. [Fußnote 6: Wir nennen die oft erwähnte Anzeige eine Besitzergreifungsacte; denn lasst uns nur in einer Note, die mancher Leser vielleicht auch nicht liest, bekennen, dass alle die getroffenen Anstalten nicht lediglich um der Herren Schelling, W. und F. Schlegel, Tieck, Fichte, und wie die Gezüchtigten noch alle heissen, unternommen sind; dass diese nur das Mittel sind zum höhern Zwecke, und die gegen sie aufgestellten Truppen nur dazu dienen, den Punct des eigentlichen Angriffs zu verdecken. Dieser geht, dass wir es nur zu unsrer eigenen Demüthigung gerade heraussagen, eigentlich -- ^gegen die Jenaische Literaturzeitung^. Nicht von den anzuzeigenden Schriften -- eigentlich den zwischen Schelling, A. W. Schlegel und der A. L. Z. gewechselten Streitschriften -- nein, vom unsterblichen Stifter der A. D. B. hebt die Rede an, wie dieser zuerst die Idee gefasst, zur Verhütung aller Einseitigkeit und Parteilichkeit (!) Mitarbeiter aus allen deutschen Ländern und Provinzen einzuladen. S. 145. lässt sich zwar nicht läugnen, dass ^auch die Redactoren der A. L. Z. dieser Idee gefolgt^. S. 150 aber sind bei ihr gerade die unangenehmen Fälle eingetreten, »^welche der Stifter der A. D. B. eben durch die Einladung von Mitarbeitern aus allen deutschen Ländern und Provinzen -- vom Anfange an -- so vorsichtig zu vermeiden wusste^.« Es bekamen nemlich ^nun^ -- wie denn ^nun^? folgten denn nun die Redactoren der ^A. L. Z.^ nicht mehr der Idee des unsterblichen Stifters der A. D. B.? Ei, was weiss ichs: kurz -- »es bekamen ^nun^ durch die individuelle Lage der Redactoren der ^A. L. Z.^ gegen Mitarbeiter, die mit ihnen in zu naher Verbindung an Einem Orte lebten, und gegen deren Freunde, persönliche Rücksichten einen merklichen Einfluss auf das Werk, welcher demselben sicher nicht vortheilhaft war, und -- ^bei unparteiischen Lesern _das Vertrauen zu demselben sicher verminderte_^.« -- In der ganzen Anzeige kann man weiter ersehen, wie eben durch jene Streitschriften der ^A. L. Z.^ und ihrer Gegner, »die freilich keinem von beiden Theilen vortheilhaft sind« und deren ^deswegen^, »gegen die sonstige Gewohnheit der D. B., in anderen gelehrten Zeitschriften erhobene Streitigkeiten aufzunehmen und fortzuführen,« allerdings erwähnt werden musste -- wie, sage ich, durch jene Streitschriften so recht an den Tag gekommen, dass die Schlegel und Schelling in die ^L. Z.^ Einfluss gehabt, dass diese von ihnen ^abgehangen^. Nun kann der scharfsinnige Leser selbst ermessen, welch' ein erbärmlicher Wicht die ^L. Z.^ seyn möge, da sie von so erbärmlichen Wichten, deren und ihrer Freunde Personalien eben deswegen hier wieder in frisches und geschärftes Gedächtniss gebracht werden mussten, abgehangen; -- diese ^L. Z.^, von der sich ohnedies nicht läugnen lässt, dass sie Kant gelobt, und Reinhold gelobt. Dagegen kann jeder Leser wissen, dass die D. B. der neuen und neusten Philosophie von jeher im Wege gestanden; die unartigen Schleifwege, auf denen sich doch einmal ein gutes Wörtchen über sie in diese B. eingeschlichen, sind nun auch entdeckt und, besonders seit Nicolai wieder das Regiment führt, sicherlich verhauen. Es ist der Bescheidenheit, die alles Selbstlob verschmäht, angemessen, dieses anonym in den letzten Heften der bei Bohn herauskommenden neuen B. zu der Zeit, da die ersten Bände der wieder alt gewordenen B. bei Nicolai erscheinen, und das Vertrauen der Leser zur ^A. L. Z.^ durch den Schellingschen Streit in frischer Verminderung begriffen ist, gehörig auseinanderzusetzen, damit die Leser wissen, wohin sie sich nun mit ihrem Vertrauen zu wenden haben. Jene Anzeige ist sonach, ihrer wahren Bestimmung nach, eine Besitzergreifungsacte des alten Vertrauens für die alte Bibliothek, von dessen Verminderung der alte Herausgeber doch einige Spur haben muss. Wir wünschen sehr, dass der scharfsinnige und scharftreffende Herr Hofrath Schütz diese wahre Tendenz jener Anzeige ja nicht merke, sondern sie unbefangen als eine blosse Ausstäupung dieser Schlegel, dieses Schellings, dieses Fichte hinunterschlucke; auch, dass nicht etwa diese unsere Note ihm zu Gesichte komme: denn sonst -- möchten wir nicht an Herrn Nicolai's Stelle seyn. Auch dürfte sodann vielleicht uns selbst unser Eifer für die Ehre und den Flor jenes grossen literarischen Instituts nicht zum Besten bekommen.] Sechstes Capitel. Eine der allersonderbarsten Meinungen unsers Helden, zufolge jenes höchsten Grundsatzes. Mag der Grund in einer ursprünglichen Unfähigkeit der Natur unsers Helden, oder in einer frühern Verbildung desselben gelegen haben, kurz, es war unter seinen grössten Verehrern und wärmsten Freunden darüber nur Eine Stimme, dass er für die Philosophie ganz untauglich sey. Sein Geist war ein dürrer Chronikengeist. Nie vermochte er sich über die Erfahrung, und zwar über die Erfahrung im allerniedrigsten Sinne des Worts, über das blosse Aneinanderknüpfen von Sinneseindrücken und den Erzählungen davon hinweg, bis zum Begriffe eines allgemeinen Gesetzes, nach dem jene Erscheinungen erfolgten, oder erfolgen sollten, als dem ^Materiale^ aller Philosophie, zu erheben. Doch was rede ich von dem Begriffe eines Gesetzes? Nicht einmal zu dem Begriffe eines Vordersatzes wusste er sich zu erheben; wie hätte er sonach jemals die leiseste Ahnung, auch nur von dem ^Formalen^ der Philosophie, von dem Zusammenhange der Gedanken in einer philosophischen Untersuchung, von dem Werthe und der Bestimmung, die sie von der Stelle erhalten, da sie stehen, von einem organischen Ganzen des Denkens, haben können? Jeden möglichen Gedanken, den er äusserte, trug er vor als unmittelbar gewiss, und durch sich selbst klar; ob, weil er ihn sagte, oder durch die Art, wie er ihn sagte, lassen wir an seinen Ort gestellt. Diese alle gleich unmittelbar gewissen Gedanken setzte er nun zusammen, wie sie ihm unter die Hände kamen, jeden möglichen an jeden andern möglichen, und so verwandelte sich ihm alles menschliche Denken in einen grossen Sandhaufen, in welchem jedes Körnchen für sich besteht, und alle durcheinander geworfen werden können, ohne dass in dem Einzelnen etwas verändert wird. Wir werden tiefer unten Belege dieses Verfahrens anführen. Nun ist zwar demjenigen, der zu einer gewissen Sache absolut unfähig ist, nicht füglich anzumuthen, dass er diese seine Unfähigkeit erkenne; denn gerade dasselbe, was ihn zur Sache unfähig macht, macht ihn auch unfähig, seine Fähigkeit zur Sache zu beurtheilen. Aber bei gewöhnlichen Menschen wird durch ein dunkles Gefühl ersetzt, was ihnen an klarem Urtheil abgeht. So ist es in Absicht des Faches, wovon wir hier sprechen, nichts Seltenes, Personen, wenn sie nur nicht als Professoren der Metaphysik, oder als philosophische Recensenten an der A. D. B. ihr Brot verdienen müssen, gestehen zu hören, dass Metaphysik ihr wahres Kreuz sey, dass es ihnen damit noch nie recht habe gelingen wollen, oder wenn sie mehr Eigendünkel haben, dass dies leere Spitzfindigkeiten seyen, mit denen sie sich den Kopf zerbrechen, -- nur nicht möchten. -- Ferner hat ja jeder Mensch irgend einen vertrautern Bekannten oder Freund; und Nicolai hatte deren so viele unter seinen Zeitgenossen, die sich doch auch ein Urtheil über Philosophie zuschrieben. Sollte denn niemals einer von diesen unserm Helden mit aller Bescheidenheit zu verstehen gegeben haben, dass er zwar in andern Geschäften des menschlichen Scharfsinns, in der Fähigkeit, die feinsten Machinationen der Jesuiten zu wittern, den seltensten Zuschnitt eines Predigerüberschlags oder einer Perrücke auszuspüren, seines Gleichen nicht habe; dass er aber in der eigentlich sogenannten höhern Philosophie nicht dieselbe Stärke besitze? Setzte nicht Kant, dem unser Held doch auch nicht allen Scharfsinn absprach, zutrauungsvoll von ihm voraus, er werde wohl selbst eines Urtheils über Gegenstände der höhern Speculation sich bescheiden? Was that unser Held? Leistete er etwa, durch jenes dunkle Gefühl gewarnt, gleich von vornherein Verzicht auf dieses ihm durch seine Natur verschlossene Fach, oder achtete er auf jene Warnungen, und gab späterhin seine Theilnahme an demselben auf? Wie konnte er? Gehört denn nicht die Philosophie zum Umfange der menschlichen Kenntnisse, und ist sie nicht von jeher von allen Besitzern dieser Kenntnisse sogar an die Spitze derselben gestellt worden? Hatte nicht die Bibliothek von jeher auch das Fach der Philosophie umfasst? War es denn möglich, dass jemand Redacteur dieser Bibliothek, sonach die Seele derselben, sonach die Seele aller Geistesbildung wäre, der nicht eben darum der erste untrüglichste und allumfassendste aller Philosophen sey? Das Höchste, was er aus Herablassung gegen den alten Mann, den Kant, thun konnte, war, dass er einen historischen Bericht über seine philosophische Bildung abstattete. Aber gerade das, dass man fähig gewesen war, jenen Zweifel über unsers Helden Fähigkeit zu erheben, zeigte am deutlichsten den tiefen Verfall und die schreckliche Verwilderung in diesem Fache, und machte es ihm zur dringendsten Pflicht, von nun an alle seine Kräfte der Wiederherstellung desselben zu widmen. Auch hier, so wie allenthalben ging unser Held von dem Princip aus: ich, Friedrich Nicolai, bin anderer Meinung als ihr; und daraus könnt ihr ersehen, dass ihr unrecht habt. Er hat diesen höchsten Grundsatz seines speculativen Systems mehrere Male in bestimmten Worten ausgesprochen, ohnerachtet er sonst mehr für den rhapsodischen als für den systematischen Gang war. Es gehört zur Geschichte des Helden, wenigstens einige jener Aussprüche anzuführen. Jacobi hatte geäussert, und durch eine mit Lessing gehabte Unterredung belegt, dass der letztere in der höhern Speculation den Spinozischen Principien zugethan gewesen. Jene Aeusserung Jacobi's musste -- so wollten es die Freunde und -- Ehrenretter des Verstorbenen -- nicht wahr seyn; Lessing musste von den gesunden und moderaten Begriffen eines Nicolai und Mendelssohn nicht abgewichen seyn. Auch unser Held brachte seinen Beweis gegen Jacobi an. Und was für einen Beweis brachte er an? -- ^Er, Nicolai, könne am gewissesten sagen, dass Jacobi Lessing sicherlich misverstanden hätte, indem er sagen könne, dass -- _Er selbst mit Lessing über jene Materie disserirt hätte_^[7]. Freilich war Jacobi nun hinlänglich beschämt. Welcher Leser hätte nach einem solchen Zeugnisse noch ein Wort von ihm angehört; und was hätte er auch vorbringen können, ohne vor sich ^selbst^ bis in die innerste Seele zu erröthen? -- Auf dieselbe Weise fürchtete er in der erwähnten berühmten Acte, dass freilich wohl ^andere^ Gelehrte glauben möchten, hinter den spitzfindigen Grübeleien der Ichphilosophie und der daraus gefolgerten speculativen Physik und Poetik stecke vielleicht etwas Wichtiges verborgen. ^Er^ aber, ^Er Nicolai^ wusste sehr wohl und verkündigte laut, dass die Nullität jener Philosophie nur immer deutlicher erhellen werde, und dass man im Jahre 1803 darüber mehr würde sprechen können[8]. Aus diesem hier und da deutlich ausgesprochenen Princip führte nun unser Held unverrückt sein Richteramt in der Philosophie; auch da, wo er jenes Princip nicht deutlich aussprach. Alle seine Beweise beruhten allein darauf. Er hatte, seiner ^Bildung^ zufolge, einst gleichfalls Philosophie studirt, die philosophische Wahrheit ausgemessen, umfasst und in sich aufgenommen. Was damit übereinstimmte, -- war freilich nie so stark, so durchgeführt, so trefflich gesagt, als er es gesagt haben würde, wenn er nur Zeit dazu gehabt hätte, aber da er diese nun einmal nicht hatte -- mochte es doch existiren! Was damit nicht übereinstimmte, bei jener allgemeinen Ausmessung des philosophischen Gebiets von Nicolai nicht mit ermessen war, -- Jacobi's, Kants, der transscendentalen Idealisten Philosopheme -- welche Frage, ob sie falsch seyen? Wie konnten sie anders? -- indem ja, wenn sie wahr wären, Nicolai sie schon ehedem, eh' von allen diesen Menschen etwas gehört wurde, gefunden haben müsste. Falsch waren sie, das verstand sich, und unser Held musste, seinem beständigen Kriegsplane nach, ohne weiteres mit den Waffen des Lächerlichen dagegen vorschreiten. Kant war, als er mit seinem Systeme hervortrat, schon bejahrt, und dieses Verdienst blieb in den reifern Jahren unsers Helden nie ohne Wirkung auf ihn. Auch mochte vielleicht jener Philosoph, der bekanntlich sehr verschiedene Stufen der Bildung durchgegangen war, auf einer der frühern dieser Stufen einigen Wohlgefallen an der Aufklärerei der Bibliothekare gefunden und geäussert haben. Kant war daher ein übrigens (inwiefern er Nicolai's Grundprincip anzuerkennen schien) vernünftiger und gelehrter Mann, an welchem es umsomehr zu bewundern war, dass er Sätze als wahr behaupten könne, die Nicolai nicht aufgefunden. Die Streiche des Lächerlichen konnten ihm freilich nicht geschenkt, sondern mussten vielmehr, gerade weil er ein übrigens vernünftiger Mann war, von dem noch am ersten Besserung sich hoffen liess, wo möglich geschärft werden. Jacobi, als er als Schriftsteller auftrat, eben so die transscendentalen Idealisten, waren jünger als Nicolai; und in Rücksicht des jungen Anwuchses hatte unser Held die Maxime, sie scharf zu züchtigen, damit er in reiferen Jahren Ehre und Freude an ihnen erlebe. Daher war Jacobi einer jener mittelmässigen Köpfe, die alles drucken lassen, was sie etwa im Discurs gehört haben, oder vielmehr halb gehört haben, um sich ein Ansehn zu geben, ein Mann, der seine Materie nie recht durchdacht hatte, der nicht einmal schreiben konnte[9]. Die transscendentalen Idealisten waren Querköpfe, und wer weiss was sie noch alles waren. Und so benahm unserm Helden bis an sein Ende niemand die selige Ueberzeugung, dass im Umrütteln des oben erwähnten Sandhaufens das wahre Philosophiren bestehe; dass dies keiner besser könne, als er; und dass er sonach nicht nur der erste Philosoph aller Zeiten, sondern zugleich auch der gewaltigste philosophische Streiter sey. Die in seinen letzten Jahren häufiger an ihn ergehenden Zurufe, dass er in diesem Fache gar nichts verstehe, und hierüber am wenigsten eine Stimme habe, dienten ihm zum äussern, seiner innern Ueberzeugung freilich entbehrlichen Beweise, dass jene seine Meinung, von seiner philosophischen Superiorität, von jederman im Herzen anerkannt werde. Denn, sagte er bei sich selbst, wenn sie hoffen könnten, gegen meine Gründe etwas auszurichten, so würden sie ja diese zu entkräften suchen. Aber, da der blosse Anblick dieser Gründe sie zur Verzweiflung bringt (welches sich auch allerdings also verhielt): so bleibt ihnen nichts übrig, als einen Machtspruch zu thun, und zu sagen: ich verstehe nichts von der Sache. Dies aber beweist mir, dass sie wohl einsehen, ich allein verstehe die Sache. Anmerkungen. [Fußnote 7: M. s. ^Jacobi wider Mendelssohns Beschuldigungen etc.^ (Leipzig bei Goeschen 1786, eine Schrift, deren Inhalt noch immer zur Tagesordnung gehört) S. 99., wo Jacobi die A. D. B. 65. B. 2. St. S. 630. citirt. -- Eben daselbst sind die Beschuldigungen nachgewiesen, dass Jacobi nicht schreiben könne, seiner Materie nie mächtig sey, u. s. w.] [Fußnote 8: M. s. S. 167 der oft angeführten Anzeige in der N. D. B.] [Fußnote 9: In dem von ihm selbst herausgegebenen Lessingschen Briefwechsel mit Ramler, Eschenburg, Ihm (bei Ihm 1794) sagt Nicolai in der Vorrede, nachdem er beklagt, dass Mendelssohn Lessings Charakteristik nicht herausgegeben, -- woran bekanntermaassen diesen Freunden Lessings zufolge Jacobi's Notiz über Lessings wahres speculatives System ihn verhindert haben sollte: »dies ist nicht der erste Schaden, den die in Deutschland so übliche Anekdotenjägerei« -- oder vielmehr Klatscherei (gab es in Deutschland wohl je eine ärgere Klatsche, als der Verfasser der bekannten Reisen?) »angerichtet hat, ^da^ jeder mittelmässige Kopf, was er etwa im Discurse hört, -- oder halb hört, ^gleich^ drucken lässt -- um (Nicolai's bekannte pragmatische Methode) sich ein Ansehen zu geben.« Jacobi eben sollte nur halb gehört haben; er war es, durch dessen Druckenlassen die allein heilbringende Philosophie so aufgebracht war. Er war dieser Eine unter den mittelmässigen Köpfen. Armer Wicht, ahnete dir denn gar nicht von den Versuchungen des Teufels, als du diese Stelle niederschriebst? Hattest du denn gar keinen Freund, der dir in die Ohren geraunt hätte, dass wenn die Geisteskraft dieses mittelmässigen Kopfes, Friedrich Heinrich Jacobi, unter zehnmalzehnmal zehn Nicolai zu gleichen Theilen vertheilt würde, jeder dieser Nicolai seinen Kopf doch noch mit weit mehr Ehre durch die Welt tragen würde, als du, allererbärmlichster Friedrich Nicolai? * * * * * Und hiebei denn für mehrere Stellen dieser Schrift folgende Bemerkung. Ohnerachtet zwischen Jacobi und mir sich merkliche Differenzen erhoben haben, deren Hauptgrund ich darin finde, dass Jacobi über sehr wesentliche Puncte mich nicht genug verstanden, oder, wenn der Fehler an meinem Ausdrucke liegt, diese Puncte nicht in den Zusammenhang hineindenkt, aus welchem sie in meinem Denken hervorgehen, und in welchen ich sie sobald als möglich für alle Denker deutlich hineinsetzen werde -- vielleicht auch mit darin, dass Jacobi in seinem Kriege gegen den Nicolaismus sich gewöhnt hat, bei jedem seiner Gegner wenigstens eine kleine Portion dieses Nicolaismus, d. i. der leeren zwecklosen Denkerei, vorauszusetzen; -- ferner, wie Jacobi über mich und meine Unternehmungen auch je sich äussern, und ich nöthig finden möchte, diesen Aeusserungen zu begegnen; endlich, wenn es sich auch zutragen sollte, dass Jacobi nach dem allgemeinen menschlichen Schicksale späterhin durch Altersschwäche herabsänke, es selbst nicht bemerkte, keinen Freund hätte, der ihn warnte, und so vor dem Publicum seinem ehemaligen Selbst unähnlich erschiene: so soll mich doch dieses alles nicht abhalten, ihn für das Vergangene für einen der ersten Männer seines Zeitalters, für eines der wenigen Glieder in der Ueberlieferungskette der wahren Gründlichkeit, laut anzuerkennen: und dies nicht, um irgend jemandes Neigung mir zu erhalten, sondern weil es sich so gebührt. Hochachtung vor Männern gründet sich nicht auf zufällige Beziehungen, sondern auf Erkenntniss ihrer Verdienste; und es giebt des Achtungswürdigen wahrlich nicht so viel, dass man Ursache hätte, selbst dieses noch um kleiner Verstösse, oder wohl gar aus persönlichen Gründen, herabzusetzen. Ich erinnere dieses einmal für immer für diesen und ähnliche Fälle zur Vermeidung alles Anstosses und Misverständnisses, in unserm Zeitalter der Parteien. Es giebt nur Eine Partei, die man zu ergreifen hat, die für das Talent und die Gründlichkeit, und gegen die Dummheit und die Bosheit; von dieser Partei zu seyn, hat der Verfasser immer gewünscht.] Siebentes Capitel. Eine andere fast noch unglaublichere Meinung unsers Helden von sich selbst, zufolge jenes höchsten Grundsatzes. Ein anderes, beinahe unerklärliches Misgeschick unsers Helden war dies, dass, obgleich er allein mehr Papier beschrieben, als ein Dutzend seiner schreibseligsten Zeitgenossen, er doch bis an sein Ende nicht schreiben lernte. Man fand keine Zeile bei ihm, in welcher nicht ein oder ein paar unrecht angewendete Wörter und einige überflüssige vorgekommen wären. Am deutlichsten konnte man dies sehen, wenn man etwa das Unglück hatte, einiges aus seinen Druckschriften abschreiben zu müssen. Der Verfasser dieser seiner Geschichte sieht mit Schrecken vorher, dass tiefer unten diese Nothwendigkeit ohnedies ihn treffen werde. Er könnte es über das Herz bringen, grausamen Lesern, die ihm wohl gar anmuthen dürften, auch hier besondere Belege für seine Behauptung beizubringen, dafür anzuwünschen, dass sie selbst ein paar Seiten von Nicolai abschreiben müssten. Das Ganze seines Vortrages aber war so beschaffen: Es lag ihm stets innig am Herzen, dass seine Leser ihn doch ganz vernehmen und recht verstehen möchten. Es kam ihm daher, so wie er den ersten Perioden geendet hatte, immer so vor, als ob er noch was vergessen und noch nicht deutlich genug geredet hatte. Er fing sonach in einem zweiten wieder von vorn an, um zu sehen, ob ihm nicht im Reden das Vergessene beifallen, und ob es ihm mit der Deutlichkeit diesmal nicht noch besser gelingen möchte. Da es ihm nun aber mit dem zweiten Perioden eben so ergangen seyn könnte, wie bei dem erstern, so musste er nun freilich in einem dritten, und nach Endigung dieses in einem vierten wiederum von vorn anfangen, und so immerfort. So rang er rastlos nach immer höherer Deutlichkeit und Vollständigkeit; und wenn er endlich doch einmal aufhörte, wie er denn wirklich zuletzt noch immer aufgehört hat, so geschah dies lediglich darum, weil seine übrigen wichtigen Geschäfte ihn abriefen und ihm die nöthige Zeit zur vollkommenen Ausführung seines Themas nicht verstatteten. Dabei hatte er eine grosse Liebhaberei zum Witze, und seinen Geist schon früh bei den geistreichen Engländern, den Shaftsbury, Buttler, Smollet, den Verfassern des John Bunkel u. a. in die Nahrung gethan. Dennoch behielten bis in sein goldenstes Zeitalter, -- das der Gundiberte und der witzigen Theile von den Reisen -- seine Spässe eine gewisse dicke Zähheit, Plattheit und Gemeinheit. -- Da man in Nicolai's Witze den grössten Theil des polemischen Witzes seines Zeitalters zugleich mit charakterisirt, so dürfte vielleicht eine kurze Classification dieses Witzes hier nicht an der unrechten Stelle stehen. Wir theilen diesen Witz trichotomisch ein, und finden an ihm eine vollständige Synthesis. Die erstere Art ist der ^repetirende^ Witz; wenn am Markte einer aus dem Pöbel vor dem ganzen herumstehenden Haufen einer Hökerin sagt: du bist eine Diebin; und diese sich zu dem Haufen wendet und schreit: »Ich bin eine Diebin; sagt er:« ^Absolute Thesis des Witzes.^ Mit dieser Art pflegte unser Held seinen Widersachern die tiefsten Wunden zu schlagen; und die Schule der transscendentalen Philosophen soll allein daran sich zu Tode geblutet haben. -- Die zweite Art des Witzes ist die ^der einfachen Retorsion^; wenn jener sein Wort: »du bist eine Diebin« wiederholt, und die Hökerin ihm nun antwortet: »nein du, du bist ein Dieb:« ^Antithesis des Witzes.^ Auch diese Art wusste unser Held vortrefflich zu handhaben, und bediente sich derselben häufig. Endlich, die dritte Sorte ist die ^der spöttischen Retorsion^; wenn unser Mann sein Wort nochmals wiederholt, und die Hökerin ihm antwortet: »ja du wärst mir der Rechte, dass du mir das sagen solltest, du sähst mir so aus, du hättest es auf dem Leibe:« ^Synthesis des Witzes.^ Man muss es unserm Helden zum Ruhme nachsagen, dass er dieser letzten beissenden Sorte, ohnerachtet er auch sie sehr geschickt zu behandeln verstand, sich doch nur selten, und nur gegen sehr eingewurzelte Schäden bediente. Dies war der Umfang seiner Schalkheit, und andere Sorten haben in seinen zahlreichen Schriften sich nicht gefunden. So war es mit Nicolai's Talent zur Schriftstellerei nach der Wahrheit beschaffen. Was glaubte nun er selbst über dieses Talent? -- Lasset uns auch hier billig seyn. Wenn ein alter, misgeschaffener, von Gicht und Podagra zerrissener Faun, der in einem vorüberfliessenden Bache seine Gestalt erblickte, dieselbe männlich anständig und ehrwürdig fände: wer würde es ihm so sehr verdenken? Gehören doch die Augen, durch welche er sieht, auch zu ihm selbst. Wenn aber derselbe die krampfhaften Zuckungen der Gicht in seinem behaarten Gesichte für ein Lächeln der himmlischen Venus, und das Schlottern seiner verdorrten Schenkel und die Bebungen seiner spitzigen Bocksfüsse für die Tanzübung einer Grazie ansähe: so würde dies doch zu sehr das Mittelmaass der einem Faun allenfalls zu verstattenden Eigenliebe überschreiten. Es erging unserm Helden nicht viel besser als diesem Faune. Dass er sich für einen Richter und Meister über Sachen des Stils gehalten, beweisen theils der Tadel, den er so oft gegen anderer Schreibart ergehen lassen, wenn er z. B. Jacobi, ohne Zweifel einem der besten Stilisten seines Zeitalters, vorrückte: er könne nicht schreiben; theils die Liebkosungen, die er von Zeit zu Zeit ganz unverhohlen seinem eignen Vortrage machte, indem er sagte: die blossen Büchergelehrten wüssten gar nicht, wie man dem Publicum etwas vortragen müsse; er aber, ein Mann, der in der Welt gelebt, wisse es, und darauf Proben von dieser Fertigkeit gab[10]. Für welchen satirischen Kopf und durchtriebenen Schalk er sich gehalten, ist daraus zu ersehen, dass er die Horazisch-Shaftsburysche Maxime, durch das Lächerliche die Thorheit an den Tag zu bringen, zu der seinigen gemacht, und bis an sein Ende geglaubt, dass er der geborne und bestellte Verfolger aller Thorheit durch jene Waffen des Lächerlichen sey. Diese Meinung, da sie durchaus ohne alle äussere Veranlassung und von aller Wahrscheinlichkeit entblösst war, konnte durch nichts Anderes entstanden und befestigt seyn, ausser durch die Begriffe, welche unser Held von seinen Talenten überhaupt hatte. Anmerkung. [Fußnote 10: In sehr vielen Stellen der Nicolaischen Reisebeschreibung.] Achtes Capitel. Sonderbare Begriffe unsers Helden über seine und seiner Gegner gegenseitige Rechte, aus jenem höchsten Grundsatze. Da, wie gesagt, unser Held voraussetzte, dass er nie anders als recht haben könnte, und dass alle Welt gleichfalls, wenigstens im Herzen, derselben Ueberzeugung wäre, dass er nie unrecht haben könnte: so begegnete es ihm nicht selten, dass er seinem Gegner gerade dasselbe ernstlich verwies, was er selbst immer that, und vielleicht in demselben Augenblicke that, da er es jenem verwies. Sie sollten nemlich denken: ja dem Nicolai ist das wohl erlaubt, denn der hat recht; uns aber ist es nicht erlaubt, denn wir haben ja unrecht. So, nachdem er in der berühmten Acte mit grossmüthigem Bedauern gemeldet, dass es das Schicksal der Jenaischen allgemeinen Literatur geworden, Kant zu loben, und Reinhold: sagt er einige Seiten später ohne Bedauern, vielmehr mit Ruhme, dass seine allgemeine Literatur der neuen und neuesten Philosophie stets im Wege gewesen[11]. Man sollte meinen, Parteilichkeit ^für^ und Parteilichkeit ^wider^ sey doch immer beides Parteilichkeit, und eine der andern werth. -- Ja, aber die neue und neueste Philosophie ist ja falsch, denn sonst könnte die alte Nicolaische nicht wahr seyn; und es ist sonach allerdings ruhmwürdig, der ersten im Wege zu stehen, und sehr tadelnswürdig, sie zu loben. In derselben Acte beschuldigte er die Herren Schelling, A. W. Schlegel, Fichte, dass sie günstige Beurtheilungen ihrer Schriften in die Jenaische Allgemeinheit zu bringen, ja, dass der letztere sogar die bibliothekarische Allgemeinheit sich geneigt zu machen gesucht habe. Wenn sich dies auch nun so verhalten hätte (mikrologische Geschichtsforscher jener Zeiten, die ihren Fleiss sogar über die Lebensumstände jener nun vergessenen Schriftsteller verbreiten, versichern einstimmig, diese hätten die Wahrheit jener Beschuldigung beständig abgeläugnet), wenn es sich nun auch so verhalten hätte, hätte es ihnen denn Nicolai so sehr verdenken sollen, der sich rühmt, in seiner Bibliothek nur ungünstige Recensionen jener Philosophie, die eben darum seiner eigenen günstig sind, zuzulassen; und von welchem es in jenen Tagen bekannt war, dass er auch der Jenaischen allgemeinen Literatur dasselbe Princip angemuthet, und einem der Statthalter jener Literatur derb den Kopf dafür gewaschen, dass man ein paar Schriften von Fichte durch Reinhold habe recensiren lassen, und nicht vielmehr durch einen Mann, -- »der die Blössen jener Fichteschen Philosophie so recht an den Tag gebracht hätte?« -- Aber, war es denn jenen Männern noch nicht gesagt worden, dass sie unrecht hätten, von Nicolai selbst gesagt worden? War es nicht eine Schande, dass sie das Gift ihrer verworfenen Meinungen, mit dem sie für ihre Person leider angesteckt waren, nun auch durch die geheiligten Quellen der öffentlichen Literaturen in das Publicum zu bringen suchten, anstatt in die Einsamkeit sich zurückzuziehen und sich selbst heilen zu lassen? Dem Fichte besonders wird in jener Acte ein schweres Sündenregister zu Gemüthe geführt[11]. »Er habe sich in Jena auf Reinholds Stuhl gesetzt« (man hat mehrere Erklärungen der Antiquitätenkenner von dieser wichtigen Stelle, keine aber befriedigt uns, und wir müssen daher sie, die sehr leicht das grösste Verbrechen jenes Mannes enthalten mag, als unverständlich übergehen); »er habe gewusst, diesen so ungemein verehrten Lehrer bei den Studenten in Jena in kurzer Zeit fast in Vergessenheit zu bringen.« Unser Held hat nicht hinzugesetzt, welcher Mittel sich hierbei der Mann bedient; auf jeden Fall aber sollte man hieraus beinahe schliessen, dass es demselben nicht an allem Lehrertalente gefehlt haben müsse. Dies ist doch wohl nicht sein Vergehen? -- Vielleicht nur der üble Gebrauch, den er von jenem Talente machte? Aber der Reinhold, den er in Vergessenheit brachte, war ja, nach den Nachrichten der besten Geschichtschreiber, selbst ein Kantianer, und weit davon entfernt, in den Umkreis der allein wahren Bibliothek zu gehören. Diesen in Vergessenheit gebracht zu haben, kann Fichte's Vergehen nicht seyn. -- Lesen wir weiter. »^Nun^« (hier mildert der grossmüthige Mann ganz offenbar die Schuld des Angeklagten. Nach den besten Nachrichten hatte Fichte nicht erst, nachdem es ihm bei den Studenten gelungen war, Reinhold in Vergessenheit zu bringen, sondern sogar schon vor seiner Ankunft in Jena eine Schrift verfasst und dem Drucke übergeben, in welcher er geradezu die Kantische Philosophie für unvollendet erklärt, von den Reinholdschen Bemühungen bloss schonend gesprochen, und seinen Vorsatz, die Sache zu vollenden, bestimmt angekündigt.) -- »^nun^ habe es jenem Manne ein Leichtes geschienen, auch Kant von dem hohen Stuhle, der ihm als dem ^ersten Philosophen Deutschlands^ gesetzt worden, herunterzustossen.« Unser Held sprach nie und spricht auch hier nicht mit Billigung davon, dass Kant dieser hohe Stuhl gesetzt worden. Es war das unablässige Bestreben aller literarischen Thätigkeit seiner letzten Tage, ihn von diesem Stuhle herunterzustossen. Sonach wären ja Nicolai und Fichte einiger gewesen, als man glaubt, und der erstere hätte den letztern nimmermehr darüber tadeln können, dass er mit ihm für Einen Zweck arbeite. Lesen wir also weiter -- »^und sich selbst darauf zu setzen^.« Ja so, dies wollte Fichte, und hierin liegt sein Verbrechen! Dass er Reinhold in Vergessenheit brachte, war brav: dass er Kant vom hohen Stuhle herunterzustossen suchte, verdienstlich. Nur hätte er von da an in die Gemeine der Bibliothek, wo der wahre hohe Stuhl mit dem wahren ersten Philosophen Deutschlands schon längst besetzt war, selbst zurückkehren und die Seinigen dahin leiten sollen. Dann hätte man ihm seinen akademischen Beifall wohl gönnen mögen; er wäre vor seinen verderblichen Irrthümern bewahrt geblieben, hätte Reinholds Stuhl behalten bis an sein Ende, und sein Name lebte noch jetzt unter den andern berühmten Namen der Bibliothekare. In derselben Acte, und sonst noch an mehreren Orten, verweist Nicolai Schelling und Fichte die Unanständigkeit sehr ernstlich, dass ihnen zuweilen ihren Gegnern gegenüber so ein Wort von Halbköpfigkeit entschlüpft sey. Zwar war dieses, so viel man weiss, immer nur geschehen, wenn sie im Allgemeinen sprachen, und nie gegen bestimmte genannte Personen. Zwar hatten diese Schriftsteller seit Jahren ein System dem Publicum vorgelegt, das seinen Grundtheilen nach vollendet und vollständig bewiesen und begründet war. Warum man nun auf dasselbe sich nicht ernstlich einlasse, darüber hatten sie bis zu jener Epoche noch das erste vernünftige Wort aus dem Publicum zu vernehmen. Keiner ihrer Gegner verstand sie, und alles schwatzte, und muthete ihnen an, zehnmal abgewiesene Misverständnisse zum eilftenmale abzuweisen. Es wäre ihnen vielleicht zu verzeihen gewesen, wenn ihnen im Unwillen zuweilen etwas Menschliches begegnete. Nicolai hatte sie unter ihrem Namen, und mit ihnen zugleich noch eine Menge anderer genannter Männer in öffentlichen Schriften Querköpfe genannt, und noch mancherlei andere Schimpfworte ihnen angeworfen. Man hätte denken sollen, eine Zusammensetzung mit Kopf sey der andern werth, und die Benennung des Halbkopfs, der ja wohl noch wachsen kann, sey immer milder, als die eines völlig in die Quere gedrehten Kopfes; und Nicolai hätte sonach recht gut gleiches mit gleichem aufgehen lassen können. Aber wie können wir uns auch nur einfallen lassen, hier eine Gleichheit des Verhältnisses zu setzen? Hatte nicht zuvörderst Nicolai recht, und die Wahrheit auf seiner Seite? und war es an ihm zu tadeln, wenn im hohen Eifer für die Wahrheit ihm auch wohl ein derbes Scheltwort entfuhr? Vertheidigten die Gegner nicht den Irrthum, und war ihnen dies nicht etwa gesagt? Jemanden auch noch dazu zu schimpfen, weil er unsern Irrthum nicht gegen die Wahrheit vertauschen will: welche Verkehrtheit und Impertinenz! War nicht ferner Nicolai ein alter Mann, und jene Schriftsteller junge Leute; und ist es nicht eine ausgemachte Wahrheit unter allen alten Schriftstellern des Nicolaischen Kreises, dass die Alten auf die Jungen schimpfen dürfen, so viel sie wollen, diese aber nicht wiederschimpfen, sondern sich ziehen lassen müssen? Respect für das Alter! heisst es in dieser Schule; sogar wenn der alte Mann ein alter Narr ist. -- War Nicolai nicht der angestellte Altmeister aller Schriftsteller, und war es nicht sein ausdrücklicher besonderer Beruf, die Jugend durch jedes Mittel zum Guten zu ziehen; und konnten nicht auch harte Scheltworte unter diese Mittel gehören? Und diese Jugend, statt sich weisen zu lassen, schimpfte wieder. Welche Insubordination! Kurz, wenn Nicolai schimpfte, so that er es immer am rechten Orte, zu rechter Zeit, und schimpfte mit Grazie. Wenn andere schimpften, so war es gemein und pöbelhaft. Nicolai allein verstand zu schimpfen, und darum musste man es ihm allein überlassen. Anmerkung. [Fußnote 11: M. s. S. 147 der angeführten Anzeige in der N. D. B.] Neuntes Capitel. Wie unser Held, zufolge seines höchsten Grundsatzes, sich zu nehmen gepflegt, wenn derselbe angefochten worden. So fest und unerschütterlich unsers Helden Meinung war, dass ihn jederman für den ersten Menschen des Zeitalters anerkenne, so beharrlich war, wie jeder andere bemerken musste, sein Misgeschick, dass man ihn nicht einmal so recht im Mittelschlage mit wollte gelten lassen. So beliebt auch sehr bald seine Bibliothek wurde, so wusste man doch im grössern Publicum nicht viel anderes darüber, als dass er sie eben drucken liesse. Man hielt ihn höchstens für einen industriösen Buchhändler, und für einen Dilettanten in der Wissenschaft, der, weil viele Bücher durch seine Hände gingen, glaubte, wie eben jeder andere Buchhändler auch, über Bücher mitsprechen zu können. Für einen unstudirten Buchhändler, meinte man, möchten seine Räsonnements noch so hingehen. Er hat es in seinen alten Tagen dem Publicum oft genug in die Ohren rufen müssen, dass er sich wirklich und in der That nicht für einen blossen unstudirten Buchhändler, sondern in allem Ernste für einen wirklichen und wahren Gelehrten gehalten. Dennoch hat er es in keinem Zeitpuncte seines Lebens im Publicum zu derjenigen Reputation gebracht, welche in seinem Zeitalter jeder Gelehrte sich erwarb, der nur ungefähr ein Jahrzehend hindurch fleissig und anhaltend Bücher schrieb. Dies war wohl zum Theil Misgeschick, zum Theil aber auch eigene Schuld. Hätte er, nachdem er den Verstoss des Publicums merkte, nur mit seiner Emphase in der Welt verbreitet, dass er die Bibliothek nicht nur drucke, dass er auch an ihr recensire, ja, dass er sie redigire; hätte er sich vor aller eigenen Schreiberei unter seinem Namen sorgfältig gehütet: so würde er bald in dasselbe Ansehen gekommen seyn, welches so mancher andere höchst mittelmässige Redacteur berühmter gelehrter Zeitschriften geniesst, der der eigenen Autorschaft sorgfältiger aus dem Wege geht; und wir, sein Geschichtschreiber, wären der Hinzufügung des gegenwärtigen Capitels überhoben. Unser Held aber schrieb Bücher, dicke Bücher, unter eignem Namen, und dadurch verdarb er alles. Sein Sebaldus zwar hätte hingehen mögen. Dieser war dem Zeitalter seiner Erscheinung so angemessen, dass man ihn der Fähigkeit unsers Helden sogar nicht zutrauen wollte. Es sind wohl nicht viel unter meinen Lesern, denen ein zu jener Zeit ziemlich allgemein verbreitetes Gerücht nicht zu Ohren gekommen seyn sollte: Nicolai sey gar nicht der Verfasser des Sebaldus, er habe sich unrechtmässigerweise dafür ausgegeben; der wahre Verfasser, ein immer Geld bedürfender Gelehrter, bediene sich dieses Nicolaischen Plagiats, um durch die Drohung, es bekannt zu machen, in jedem Bedürfnisse Geld von ihm zu erpressen. -- Wir haben dieses Gerücht nicht angeführt, als ob wir selbst ihm Glauben zustellten; jenes Werk trägt zu unverkennbar das Gepräge der Nicolaischen Feder; sondern um zu zeigen, wie das Publicum von jeher über unsern Helden gedacht. Es folgte John Bunkel. Diesen hatte unser Held, seiner eigenen Versicherung nach, nicht selbst gemacht, sondern übersetzt. Aber das Buch fiel auf als schlecht; und darum stritt man ihm hier die Autorschaft auf, die man dort ihm abstritt; er sollte und musste mit aller Gewalt nicht der blosse Uebersetzer, sondern der Urheber selbst seyn. Und als man nun nicht länger läugnen konnte, dass er es übersetzt habe, war er darum um nichts gebessert. Der Verfasser der durchaus originellen, leider nicht sehr bekannt gewordenen ^Geschichte einiger Esel^ fing schon damals an, treffliche Beiträge zur Geschichte unsers Helden zu liefern. Jetzt trat unser Held seine Reisen an. Sein Weg führte den Berliner, der bisher zwischen dem protestantischen Berlin und dem protestantischen Leipzig und seiner Buchhändlermesse sein Wesen getrieben hatte, durch katholische Provinzen. Da sahe er Crucifixe an den Strassen, Heiligenbilder, Amulete, Votivtafeln; hörte, dass gewisse Heilige die Schutzpatrone gegen gewisse Landplagen oder Krankheiten wären; hörte, dass ein wohlmeinender Katholik, da seine Religion ihm allein seligmachend ist, jeden Menschen in den Schooss derselben zu bringen suchen müsse u. s. w. -- Dergleichen hatte er in Berlin und Leipzig nicht gesehen; hatte er ja von andern, die es gesehen hatten, etwas der Art erzählen gehört, so hatte er es für Aufschneiderei und für schlechten Spass gehalten; denn wie könnte doch irgendwo etwas anders seyn, als zu Berlin oder zu Leipzig; wie in aller Welt könnte man doch ein katholischer Katholik seyn? Jetzt sah er es mit seinen Augen, und rief athemlos durch das heilige römische Reich: hörts, Deutsche hörts, das Unglück -- die Entdeckung meines Scharfsinns; es giebt, o es giebt Katholiken, die da katholisch sind -- und damit man es ihm doch ja glauben möchte, brachte er alle Bilder und Gebetzettel aus allen Gegenden zu Hauf, und gab sie in den Kauf obenein. Nicht lange nachher begegnete ihm ein Verdruss mit seiner Bibliothek. Sie sollte -- welches, dass ich es im Vorbeigehen sage, nur zu wahr, offenbar und klar ist -- sie sollte ein der ^Religion^ gefährliches Werk seyn. Das war ihm zu hoch. Athmete doch dieses Werk seinem besten Wissen nach durchaus das, was er den reinsten Protestantismus nannte. Nur dem nunmehro seit seinen Reisen an den Tag gekommenen Antiprotestantismus, nur der ^katholischen^ Religion konnte es gefährlich seyn. Beide Visionen vermengten sich in seinem schwachen Kopfe, und dazu mischte sich noch eine dritte, die allein schon fähig gewesen wäre, ihn zu verwirren, die der geheimen Orden, der Gold- und Rosenkreuzerei. Nun konnten die Gegner seiner Bibliothek nichts Anderes seyn, als Kryptokatholiken, welche durch geheime Orden und andere Machinationen die Protestanten in den Schooss der römischen Kirche zurückzuführen suchten, und denen er durch seine Bibliothek und durch die wichtigen Entdeckungen seiner Reisen im Wege stand: und es musste von nun an alles von solchen Machinationen wimmeln. Noch im Jahre 1800 erzählte Nicolai in der Vorrede zum ersten Stück der von ihm wieder herausgegebenen Bibliothek sehr ernsthaft das alte Mährchen, und verrieth in aller Unbefangenheit den wahren Grund, der ihn auf diese Vision gebracht, die Anfechtungen nemlich, welche er und seine Bibliothek von einem Minister und einigen geistlichen Räthen unter der vorigen Regierung erdulden müssen. Jene vorgeblichen Verbreiter des Katholicismus thaten unserem Helden nur nicht die Liebe an, dass sie selbst katholisch geworden wären, geschweige, dass sie andere bedeutende Personen dazu gemacht hätten. Diejenigen, welche vielleicht anfangs durch das heftige Geschrei mit fortgerissen wurden, mussten sich denn doch nun, nachdem von allem Prophezeiten nichts erfolgte, und sie kälter wurden, erinnern, dass sie ja alles, was Nicolai ihnen erzählt, schon vorher auch gewusst und gesehen hätten, und dass beinahe alle Welt es gewusst und gesehen hätte, sie mussten sich wundern, dass es unserm Helden allein vorbehalten gewesen, diese Sachen so bedeutend zu nehmen, und so scharfsinnige Schlüsse daraus zu entwickeln, sich fragen, warum sie denn nicht selbst auch von denselben Prämissen aus auf dieselben Entdeckungen gekommen, und das Ganze konnte sich nur durch ein lautes und allgemeines Gelächter über unsern Helden beschliessen. Noch stand ihm eine andere traurige Epoche seines Lebens bevor: seine Feldzüge gegen die neuere Philosophie. Zwar waren seine Einwendungen gegen diese Philosophie, -- etwa, dass ja die Erscheinung der Sinnenwelt so gar nicht vor Blutigeln weiche, vor denen doch sonst jede Erscheinung verschwinde, oder dass, wenn alles, was da ist, das Ich selbst sey, ein Mensch, der eine wilde Schweinskeule ässe, sich selbst ässe, -- diese Einwendungen waren sämmtlich von der Art, dass jeder Knecht und jede Magd im römischen Reiche, die sie vernahmen, finden mussten, sie hätten dieselben wohl auch vorbringen können. Aber dadurch, dass unser Held sie ihnen so vor dem Munde wegnahm, empfahl er sich schlecht ihrer Zuneigung. Ueberdies hörten sie auch nicht, dass man jene Philosophen von Obrigkeitswegen in die Tollhäuser gebracht, welches doch, wenn ihre Behauptungen durch jene Einwendungen getroffen würden, nothwendig hätte geschehen müssen. Sie blieben also immer geneigter, anzunehmen, dass jene Sätze wohl noch einen andern Sinn haben dürften, den Nicolai nur nicht verstände, oder hämischerweise verdrehe; und so that selbst bei den gemeinsten Lesern diese Art der Polemik der Ehre unsers Helden weit grössern Abbruch, als der Ehre jener Philosophen. Diese zusammenhängende Reihe von Unglücksfällen musste nothwendig unsern Helden, der nie einen befestigten Credit besessen, immer verächtlicher und lächerlicher machen. Er kam in seinen letzten Tagen nach dem Jahre 1803 so herab, dass jeder Muthwillige, der gerade keinen spasshaftern Zeitvertreib hatte, den alten Steinbock zu Berlin neckte und am Barte zupfte, um sich an seinen Capriolen zu belustigen. Wie benahm sich nun unser Held dabei? Ging ihm denn noch kein Licht darüber auf, dass das Zeitalter ihn nicht für seinen ersten Mann hielte? Keinesweges. Gegen diese Ahnung hatte er schon früher sich befestigt gezeigt. War es irgend möglich zu hoffen, dass man eine gegen ihn ergangene Schmähung überhört habe, so pflegte er derselben lieber gar nicht zu erwähnen, sondern sie mit grossmüthigem Stillschweigen zu übergehen. So hatten allerdings mehrere aus der Schule der transscendentalen Idealisten ihn oft etwas respectwidrig behandelt. Fichte hatte das einzige Mal, da er seiner erwähnt, ihn als die ^seufzende Creatur^ charakterisirt; Schelling hatte ihn einmal ^einen alten Californier^, und ein andermal ^einen alten Geck^ gescholten; Niethammer hatte gar die -- zwar ungegründete, und tiefer unten zu widerlegende Hypothese geäussert: Nicolai sey nun wirklich übergeschnappt, und er sey der Gott Vater zu Bedlam, der gegen seinen Nachbar Jesus Christus, -- etwa den Ritter Zimmermann, die Zähne fletsche. Dennoch hat Nicolai, so oft er auch hinterher veranlasst worden, diesen Männern ihr übriges Unrecht hart zu verweisen, dieser ihm selbst widerfahrenen Beleidigungen nie auch nur erwähnen mögen. Er hat vielmehr immer standhaft vorausgesetzt, dass jene Männer seiner Weisungen allerdings achteten, und lehrbegierig darauf hörten, und durch dieselben schon noch zur Besinnung gebracht werden würden. Tieck hatte ihn beinahe in allen seinen Schriften auf eine sehr empfindliche Weise durch wahren, tief eingreifenden Witz angezapft; besonders aber erschien im ersten Hefte seines poetischen Journals ein alter Mann, der unserm Helden wie aus den Augen geschnitten war; auch stellte im jüngsten Gerichte desselben Hefts Nicolai namentlich sich in einer höchst possirlichen Gestalt dar. Dadurch wurde unser Held so wenig beleidigt, dass er Kaltblütigkeit genug beibehielt, in eigner Person jenes Heft zu recensiren[12]. Zwar konnte er es nicht verbergen, dass die beiden Aufsätze, in denen er angegriffen war, nichts taugten; war aber schonend genug, den eigentlichen faulen Fleck in denselben nur ganz leise, wie wir unten sehen werden, zu berühren. War aber der Verstoss in zu grosser und guter Gesellschaft gemacht, und liess sich nicht annehmen, dass er auf die Erde gefallen sey, so wusste unser Held immer gut nachzuweisen, warum die Gegner so sprechen müssten, wie sie sprachen. Es fand sich immer, dass er sie schon früher angegriffen, und ihre Eigenliebe gekränkt habe, dass sie nur dafür sich rächen wollten, und deswegen Dinge vorbrächten, denen ihre wahre Herzensmeinung widerspräche. So war in den bekannten Xenien der Spass mit unserm Nicolai wirklich weit gegangen, auch liess sich die Kunde davon nicht gut abläugnen. Unser Held aber zeigte, dass die Verfasser jene Gedichte nur deswegen publicirt hätten, um die tiefen Wunden, die er ihnen durch den 11. Band seiner Reisen geschlagen, zu rächen. »Freilich höre niemand gern die Wahrheiten, die er ihnen dort sage, es sey ihnen eben nicht zu verdenken, dass sie sich rächten, so gut sie vermöchten.« Uebrigens wusste er, dass sie ihn im Herzen doch verehrten, ihn für einen Meister anerkannten, und gewaltige Furcht vor ihm hatten[13]. So sagte er von den transscendentalen Idealisten, dass sie die D. B. zu verachten nur affectirten[14]. Freilich waren sie eine rohe, ungeschlachte Rotte, jene Idealisten, die für manches Geachtete wenig Achtung bezeigten. Aber die Bibliothek, dieses grösste Werk unsers Helden, wirklich und in der That nicht zu achten -- diese Verkehrtheit konnte selbst ihnen Nicolai nicht zutrauen. Nein, sie stellten sich nur so, sie affectirten nur Nichtachtung, weil ihnen die Trauben des schmackhaften Lobes jener Bibliothek zu hoch hingen. So setzte er bei der oben erwähnten Recension des Tieckschen Journals hinzu: »Tieck äussere da sein Misfallen an einigen Personen, denen er selbst und seine Verse wohl auch nicht gefallen haben möchten.« -- Mochte doch diese Stelle denjenigen, die dieses Journal nicht gelesen hatten, dunkel bleiben. Was sollte doch er selbst durch seine Bibliothek das leider erhobene Skandal weiter verbreiten? Waren aber welche unter den Lesern, die jenes Journal gesehen hatten, so konnten diese nur glauben, Nicolai möchte Herrn Tieck früher etwas zu Leide gethan haben, dieser habe dafür sein Müthchen an ihm kühlen wollen; nicht, als ob er im Herzen nicht voller Achtung und Respect für ihn sey, sondern lediglich aus dem boshaften Grunde, sich an ihm zu rächen. Auf diese Weise entging unser Held dem, was in jedem andern Falle sicher zu erwarten gewesen wäre, dem sichtbar erscheinenden und im bürgerlichen Leben sich äussernden Wahnsinne. Mit dem Ritter Zimmermann, welchem Nicolai seine Eitelkeit nicht verzeihen konnte, ohnerachtet er selbst daran einen grössern Antheil hatte, und mit demselben Wohlgefallen von seinem Schachspielen mit dem Minister Wöllner, und von der witzigen Abfertigung, die er ihm gegeben, erzählte, als jener von seinen Unterredungen mit Friedrich dem Zweiten erzählt hatte -- mit dem armen Ritter endete es traurig, und auch dem unglücklichen Wetzel bekam seine Göttlichkeit übel. Es glaubten deswegen viele, dass es auch mit unserm Helden auf dieselbe Weise enden würde; und der oben angeführte Gelehrte glaubte sogar einstmals, dass dieser Fall wirklich eingetreten sey. Diesen Männern entging nur folgendes, dass man, um wahnsinnig werden zu können, doch noch irgend einen wahren und richtigen Gedanken unaustilgbar in sich haben muss, welcher mit den ebenso fest eingewurzelten unrichtigen und falschen in einen nie zu entscheidenden Widerstreit geräth, und dadurch das Phänomen der Geistesverwirrung erzeugt. Totale und radicale Verkehrtheit aber, mit welcher auch nicht Ein richtiger Gedanke verbunden ist, stimmt mit sich selbst innig zusammen, und macht das Verfahren ebenso fest und unerschütterlich und gleichmässig, als die Wahrheit. Ein solcher ist in seinem Ideenkreise beschlossen, und kein Gott würde einen Gedanken in denselben hineinbringen, der nicht darein passte. -- Hierzu kommt, dass besonders diejenige Art der Verrücktheit, welche aus Eigendünkel entsteht, und in welcher die Menschen sich für ganz etwas Anderes halten, als sie sind, eigentlich nur durch den Widerspruch anderer erhitzt, erbittert, und zu den wilden Aeusserungen, in die sie öfters ausbricht, bewogen wird. Bete man nur jenen Gott Vater zu Bedlam, und seinen Sohn Jesus Christus gläubig an; lasse man sie nur ruhig bei der Meinung, dass sie die Welt regieren und alle Tage das Wetter machen, und sie werden sehr sanfte wohlthätige Gottheiten bleiben. Nur der Widerspruch reizt sie. Gegen diese Reizung war unser Gott Vater durch ein in seiner Narrheit selbst liegendes Mittel gesichert: er glaubte nie, dass der Widerspruch ernstlich gemeint sey. Die Schnippchen, die man gegen seinen papiernen Olymp heraufschlug, hielt er für eigen gestaltete Dämpfe des Weihrauchs. Handelten die Sterblichen unter ihm nicht nach seinem Sinne, so griff er zu etwas, das er treuherzig für seinen Donnerkeil hielt, schleuderte es, und war nun fest überzeugt, dass alles um ihn herum zerschmettert und vernichtet wäre. Ein Narr war er freilich; denn es ist ohne Zweifel ebenso närrisch, wenn ein einfältiger unstudirter Buchhändler, der nie eines systematischen Unterrichts genossen, und nie die entfernteste Idee davon gehabt, was eine Wissenschaft sey, sich für den ersten aller Gelehrten, ein geborner stumpfer Kopf, der es nie dahin bringen können, auch nur einen Perioden sprachrichtig und logisch zu schreiben, sich für einen Mann von allgemeinem und ausserordentlichem Talent, und ein ausgemachter Berliner Badaud[15] und ungezogener tölpelhafter Schwätzer sich für einen grossen Weltkenner und Weltmann hält: als es närrisch ist, wenn ein armer Schuhflicker sich für den König von Jerusalem ansieht. Aber in dieser Verrücktheit blieb er sich so unerschütterlich gleich und alles sein Handeln, Glauben und Denken stimmte mit ihr, und unter sich so wohl überein, dass, wenn man bloss seine Aeusserungen unter einander verglich, und mit der ungeheuren Falschheit der ersten Voraussetzung nicht bekannt war, man bis an sein Ende nicht die geringste Spur einer Verstandesverwirrung an ihm entdecken konnte. Anmerkungen. [Fußnote 12: M. s. 3. Heft. 1. St. 56. B. der neuen deutschen Bibliothek.] [Fußnote 13: M. s. Nicolai's Schrift gegen die Xenien.] [Fußnote 14: M. s. das 2. Heft des oben angeführten Stücks der N. D. B.] [Fußnote 15: Wir erklären uns über diese Benennung in der 4ten Beilage.] Zehntes Capitel. Ein Grundzug des Geistescharakters unsers Helden, der aus jenem höchsten Grundsatze natürlich folgte. Wer bei aller Geistesthätigkeit keinen andern Zweck hat, als den, sich geltend zu machen und sein Uebergewicht zu zeigen, weil er ein solches Uebergewicht zu haben vermeint, der verliert sehr bald durchaus allen Sinn für jeden möglichen andern Zweck der Geistesthätigkeit. Ihm ist alles Forschen und Nachdenken lediglich Mittel zum Disputiren, keinesweges aber zur Auffindung einer bleibenden Wahrheit, die allem weitern Disput ein Ende mache. Eine solche Wahrheit, die da nun wahr sey und bleibe, ist ihm ein Greuel, er hasst sie und wüthet gegen ihre Idee; denn wenn sie gefunden würde, so müsste ja auch er sich ihr unterwerfen und dürfte nichts gegen sie sagen. Dieser Hass gegen alle positive bleibende Wahrheit musste also ein Grundzug unsers Helden seyn, der von dem nun sattsam beschriebenen Princip ausging. Gab er ja eine für sich bestehende und bleibende Wahrheit zu, so war es die der Anekdote; und sogar das ist zweifelhaft, ob er auch diese zugab. In allem, was über diesen Standpunct hinauslag, und ganz besonders in philosophischen und religiösen Materien, erblickte er nichts weiter, als einen Gegenstand des Disputs, wo jede Meinung so viel werth wäre, als jede andere, und der überall keinen Gebrauch hätte, als den, den Scharfsinn zu üben. Seine Maxime war: man müsse jedem, was über dergleichen Gegenstände zuletzt vorgebracht wäre, widersprechen, damit es nicht etwa dabei sein Bewenden behielte, und die einzige wahre Bestimmung des menschlichen Geistes, der Disput, ins Stocken geriethe. Darum waren ^Protestantismus^, ^Denkfreiheit^, ^Freiheit des Urtheils^ seine beständigen Stichworte. Sein ^Protestantismus^ nemlich war die Protestation gegen alle Wahrheit, die da Wahrheit bleiben wollte; gegen alles Uebersinnliche und alle Religion, die durch Glauben dem Dispute ein Ende machte. Nach ihm war das eben der Zweck der Kirchenverbesserung, jeden Laien in den Stand zu setzen, über religiöse Gegenstände ins unbedingte hin und her zu disputiren, wie ein allgemeiner Bibliothekar, keinesweges aber irgend etwas gläubig zu ergreifen und in diesem Glauben zu handeln. Ihm war alle Religion nur Bildungsmittel des Kopfs zum unversiegbaren Geschwätz, keinesweges aber Sache des Herzens und des Wandels. Seine ^Denkfreiheit^ war die Befreiung von allem ^Gedachten^; die Ungezähmtheit des leeren Denkens, ohne Inhalt und Ziel. ^Freiheit des Urtheils^ war ihm die Berechtigung für jeden Stümper und Ignoranten, über alles sein Urtheil abzugeben, er mochte etwas davon verstehen oder nicht, und was er vorbrachte, mochte gehauen seyn oder gestochen. So fragt er in jener berühmten Acte Schelling, der sich über die Aufnahme zweier ungeschickten Recensionen einer seiner naturphilosophischen Schriften in die Jenaische gelehrte Zeitung beschwerte: »ob denn der Mann gar keinen Begriff von der Freiheit des Urtheils der Gelehrten habe?« Wohl mochte Schelling und alle seines Gleichen keinen Begriff haben von der Unverschämtheit, mit welcher jeder Stümper in Dinge hineintappte, von denen er recht wohl wusste, dass er sie nie gelernt hätte, und jeder Esel seinen Mund zur Antwort öffnete, ohne gefragt zu seyn. Und so brachte Nicolai sein Leben hin, gegen Papismus, ebenso wie gegen Kriticismus und Idealismus zu disputiren; denn gegen beides disputirte er aus demselben Grunde, -- als gegen eine fremde Autorität, die sich den Menschen aufdringen wollte, zum Nachtheil der unbegrenzten Disputirfreiheit, genannt Protestantismus, und seiner eigenen wohlerworbenen Autorität. Mit der eklektischen Philosophie hatte er sich wohl vertragen können; diese hatte auch sein protestantisches Princip, über alles hin und her zu meinen, nichts aber zu ergründen und auszumachen. Die neuere Philosophie aber wollte ergründen und ausmachen und entscheiden; es war ihr Ernst, das Zeitalter zum Redestehen und zur Entscheidung zwischen Ja oder Nein zu bringen, und dass es dabei sein Bewenden habe. Diese Anmuthung erschien unserem Helden als eine sträfliche Anmaassung. Dass jemand in allem Ernste an eine für sich bestehende Wahrheit glauben und überzeugt seyn könne, derselben auf die Spur gekommen zu seyn, setzte er nur nicht voraus. Diese Verkehrtheit selbst seinem verhasstesten Gegner zuzutrauen, war er doch zu grossmüthig. Er sahe sonach in den Sätzen jener Philosophen nichts als Meinungen, ihrem eigenen guten Bewusstseyn nach nur Meinungen, die nicht besser seyn wollen dürften, als andere Meinungen; und in dem Ernste und dem entscheidenden Tone, mit dem sie dieselben vortrugen, nichts, als die Bemühung, dem Publicum zu imponiren. Drum schrie er über Autorität. Für den, der keine Kraft hat, selbstständig aus sich Wahrheit zu erzeugen, giebt es auch wirklich nirgend etwas Anderes als Autorität. Eilftes Capitel. Ein paar andere Grundzüge, welche aus dem ersten Grundzuge und höchsten Grundsatze unseres Helden erfolgt sind. Wer die Rede des anderen hört, oder seine Schrift liest, lediglich um etwas daran auszusetzen und ihm zu widersprechen, und dem es, da er gar nichts Anderes zu thun hat, leid thun würde, jenen noch einen Augenblick fortreden zu lassen, nachdem er Gelegenheit zum Widerspruche gefunden, ergreift immer die nächste Gelegenheit. Diese aber kann jeder, dem es nur ernstlich um das Widersprechen zu thun ist, immer auf der Oberfläche finden. Da es ihm nun nur darum zu thun ist, so hat er nie ein Bedürfniss, über diese Oberfläche hinauszugehen; es wird ihm habituell, nie über sie hinauszugehen, und so entsteht in ihm und verwächst mit seinem Selbst das Phänomen ^der absoluten Oberflächlichkeit und totalen Seichtigkeit^. Dies war das Schicksal unseres Helden. Es war schlechterdings unmöglich, bei irgend einem Gegenstande ihn auch nur um eine Linie unter die Oberfläche in das Innere zu bringen. Die absolute Oberfläche ist das nackte abgerissene Factum, als solches. Daher war der Kreis, in welchen das Nicolaische Vermögen gebannt blieb, der der Anekdote und der Curiosität. Es war ihm Herzensfreude, wenn die Untersuchung sich dahin lenkte. Welch ein Fest für ihn, als Friedrich der zweite starb, und Anekdoten in Fülle über ihn erschienen! Da war er in seinem Felde; da gab es zu widerlegen, zu berichtigen, zu ergänzen. Das blosse Wissen der geringfügigsten Anekdote war ihm Zweck an sich: durch dergleichen Wisserei erfüllte er, seiner Meinung nach, den Zweck des menschlichen Daseyns, und stillte sein unendliches Sehnen nach Wahrheit. Je seltener diese Wisserei war, desto lieber war sie ihm, denn dann konnte er am meisten damit prahlen; und diese Seltenheit der Wisserei war die einzige Art der Gründlichkeit, die er kannte. Daher sein Hang nach Curiositäten, nach Predigerüberschlägen, Perrücken und Haartouren, den leichtesten Angelhaken; -- und wer möchte die Kleinigkeiten alle aufzählen, mit denen er seinen Forschungsgeist nährte. -- Dass er die entfernteste Ahnung gehabt, wozu die genaue Erforschung dieser einzelnen an sich geringfügig erscheinenden Dinge im ^Ganzen^ gebraucht werden könnte; -- dass dieser Anekdotengeist sich je auch nur zum dunkelsten Begriffe von Geschichte erhoben habe, davon findet in seinen Schriften sich nicht die geringste Spur. Vor dieses ihm allein sichtbare Forum der Anekdote zog er nun alles andere, was ihm unter die Hände kam, und selbst die Philosophie. Die seinige, bei der es, ihm zufolge, eben sein Bewenden haben sollte, war selbst nichts Anderes, als eine Sammlung von Anekdoten über die Sprüche und Meinungen ehemaliger Philosophen. Und so widerlegte er denn auch die Speculation anderer durch Anekdoten, wahre oder erfundene Geschichte; und ein Sempronius Gundibert schlug eine Kritik der reinen Vernunft. Gegen den kategorischen Imperativ erinnerte er, und erinnerte wieder, dass es nach demselben im Leben nicht herginge, und glaubte bis an sein Ende, jenem Imperativ dadurch den Garaus gemacht zu haben. Dies ist die absolute Seichtigkeit, welche man die ^materiale^ nennen könnte. Ebenso innig mit unserem Helden verwachsen, und aus demselben Grundzuge hervorgegangen, war eine zweite, die wir die Seichtigkeit ^in der Form^ nennen wollen. Wem es nur darum zu thun ist, den anderen in die Rede zu fallen, und mit seinem Widerspruche schnell anzukommen, dem ist jeder Gedanke, der ihm zuerst in den Sinn kommt, recht. In welchem Zusammenhange des Denkens der Andere seine Meinung vortrage, ^woraus^ er sie beweise, und ^was^ er hinwiederum aus ihr erweisen wolle, wie sie daher durch dieses Vorhergehende und Nachfolgende bestimmt, und dieser Bestimmung nach eigentlich zu verstehen sey, -- dies zu bedenken, hat er nicht Zeit; und wenn er überhaupt nur hört, und von jeher nur gehört hat, um zu widersprechen, kommt er nie zu dem Begriffe von einem solchen Zusammenhange. Ihm hängt absolut alles Denkbare unmittelbar zusammen, weil man mit jedem jedem widersprechen kann; und es entsteht ihm das schon oben beschriebene System des aus unmittelbar gewissen Körpern bestehenden grossen Sandhaufens; denn dieses ist das tauglichste zum eilfertigen Widerspruche. So war es unserem Helden ein Leichtes, dem Princip des transscendentalen Idealismus ein halbes Dutzend Blutigel, eine Schweinskeule, eine ^chaise percée^ in den Weg zu werfen, sowie eins dieser Dinge ihm zuerst unter die Hände kam; ohne abzuwarten, wie es etwa jenes System machen würde, um den Blutigeln und den Schweinskeulen auszuweichen. Bei ihm entstand durchaus kein Zweifel, ob diese Einwürfe auch wohl passen möchten. Warum sollten sie denn nicht passen? Hatte er sie doch angepasst. Aus dieser absoluten Seichtigkeit entsteht nun schon an und für sich ^Schiefheit^ für alles, was da höher liegt, als die blosse Anekdote, oder durch seinen Zusammenhang bestimmt wird. -- Aber zu dieser aus der Seichtigkeit natürlich erfolgenden Schiefheit hatte Nicolai noch eine andere durch Kunst sich erworben, und durch Uebung sich angebildet und zur zweiten Natur gemacht. Damit verhielt es sich so. Wer den anderen bloss darum anhört, um ihm zu widersprechen, dem ist es immer Hauptaugenmerk, die Dinge nicht in dem Lichte zu sehen, in welchem der andere sie zeigen will, denn dann dürfte er einig mit ihm seyn, sondern in dem, in welchem der andere sie nicht zeigen will; sonach alles zu verdrehen, aus seiner natürlichen Lage zu richten und auf den Kopf zu stellen. Wer dieses Handwerk eine Zeitlang treibt, dessen Sehorgane wird durch die beständige schiefe Richtung, die man ihm giebt, diese Richtung endlich natürlich: sein Auge wird zum Schalke. Er will nicht mehr verdrehen und schief sehen; es stellt sich ihm schon von selbst alles verkehrt, verdreht und auf dem Kopfe stehend dar. So war es unserem Helden ergangen, und daher entstanden die zusammengesetzten Schiefheiten, die Schiefheiten der Schiefen von den Schiefen, die sich in allen seinen Ansichten befanden. Die einfache und ihm natürliche: dass er die Dinge aus ihrem Standpuncte und dem Zusammenhange des Denkens riss; die zweite künstliche: dass er, sogar in dieser Lage, sie noch ein oder einige Male verrückte. Es lässt sich ihm nachweisen, dass er z. B. in seinen philosophischen Streiten weit plausiblere Dinge gegen die angegriffenen Systeme hätte vorbringen können, wenn er, wie andere seiner Zeitgenossen, sich mit dem ersten einfachen, jedem unphilosophischen Kopfe natürlichen und jedem anderen unphilosophischen Kopfe leicht mitzutheilenden Misverständnisse hätte begnügen wollen. Aber das war ihm zu einfach, zu wenig originell; es musste mannigfaltiger und künstlicher verdreht werden; und so arbeitete er oft selbst seinem Zwecke entgegen. -- Es gereicht vielleicht zur Ergötzung des Lesers, diese Grundschiefheit unseres Helden in einem Beispiele dargestellt zu sehen. Wir wählen das erste, das uns unter die Hände fällt. Nicolai unternimmt in jener berühmten Acte, das Fichtesche System aus seinen Gründen zu prüfen und zu widerlegen. Wie mag er zuvörderst wohl bei der historischen Aufstellung des Inhalts dieses Systems zu Werke gegangen seyn? Nun, ohne Zweifel hat er eine speculative Schrift jenes Schriftstellers, in der dieser die Principien seiner Philosophie am deutlichsten vorzutragen behauptet, -- etwa die ersten §§. der Grundlage der Wissenschaftslehre, oder das erste Capitel einer neuen Darstellung dieser Wissenschaft im philosophischen Journale, angeführt und einen wörtlichen Auszug davon seiner Prüfung zu Grunde gelegt? -- Falsch gerathen! Aus abgerissenen Sätzen sehr vieler Schriften jenes Schriftstellers hat er seinen Bericht zusammengeflickt. -- Nun so wird er bei dieser Arbeit sich doch wenigstens auf eigentlich strenge scientifische Schriften des Mannes eingeschränkt haben? -- Wiederum falsch gerathen. Dann bliebe es ja bei der einfachen Schiefheit. -- Oder hat er die angeführten Stellen aus populären Schriften des Verfassers herausgerissen? -- Nun das wäre allerdings etwas; aber doch noch nicht genug für unseren Helden. Aus populären und scientifischen Schriften, aus abgerissenen Phrasen der Appellation, der Wissenschaftslehre, der Bestimmung des Menschen, des Naturrechts des Verfassers, im buntesten Gemisch nebeneinandergestellt, hat er seinen Bericht zusammengeflickt; und hat so wenig Ahnung, dass jemand gegen dieses Verfahren etwas haben könne, dass er höchst pünktlich über historische Wahrheit zu wachen glaubt, indem er bei jedem Citat hinzusetzt: es seyen Fichte's eigene Worte, und die Seitenzahl angiebt. Und wie geht es mit der Prüfung und Widerlegung des Systems? -- Wir wollen unsere Leser nicht vergeblich mit Rathen auf die Folter spannen; indem wir sehr wohl wissen, dass schlechthin keiner, und sey er der wiedererwachte Oedipus, fähig ist zu errathen, wie es damit geht. Wer möchte auf den Grad der Schiefheit rathen, dass unser Held in einem Athemzuge die Wahrheit und Richtigkeit des Systems durchaus anerkennt, und in demselben Athemzuge sie wieder abläugnet? Und doch hat es sich wirklich also begeben. Er lässt sich vernehmen: -- »Das Ich ist Subject und Object zugleich; nun dies ist richtig und giebt eine gute Beschreibung des Bewusstseyns.« -- So? wenn dies richtig ist, so richtig ist, als F. es nahm, als ein absolut identischer Satz, so dass man ihn auch umkehren könne: Identität des Subjects und Objects = dem Ich, oder auf die gewöhnlichere Weise ausgedrückt, das Ich ist durchaus nichts anderes, als Identität des Subjects und Objects: so ist das ganze System richtig, denn dieses System besteht durchaus in nichts anderem, als in einer vollständigen Analyse des zugestandenen Satzes. Wie fängt es denn nun Nicolai an, um in demselben Athemzuge wieder zurückzunehmen, was er hier zugesteht? Auch hier sind wir sicher, dass kein Leser auf das räth, was sich wirklich zuträgt. Es trägt sich nemlich nichts geringeres zu, als dies, dass Nicolai den ^eigentlichen Inhalt^ dieser Philosophie, in dessen vollständigem und durchgeführtem Beweise eben jenes System bestand, für eine der ^Prämissen^ dieses Systems, und zwar für eine willkürlich und ohne allen Beweis vorgebrachte Prämisse ansieht; das Gebäude selbst für die Kelle, womit das Gebäude gemauert worden, die Erde für die Schildkröte, von welcher die Erde getragen wird. Denn so lässt er sich vernehmen: »^der Satz, dass das Ich die Intelligenz, und die Intelligenz das Ich sey, sey lediglich eine willkürliche Terminologie: es werde nichts für den Beweis dieses Satzes vorgebracht, auf welchen doch der ganze transscendentale Idealismus sich gründe^« -- schreibe: ^sich gründe^. -- Damit ja kein Zweifel übrig bleibe, wie dies zu nehmen sey, setzt er tiefer unten hinzu: ^man (nemlich Nicolai) wende gegen jenen Satz ein: mein Ich ist nicht blosse Intelligenz, sondern Vernunft, Sinnlichkeit, Denkkraft, körperliche Kraft gehört dazu^, schreibe: ^gehört dazu^. Also: die lediglich auf eine willkürliche Terminologie sich gründende, durch nichts bewiesene Prämisse des Fichteschen Idealismus ist der Satz: Ich, ^oder^ Intelligenz, ^oder^ Vernunft, Sinnlichkeit, Denkkraft, körperliche Kraft sind durchaus identisch. -- Diesem Satze stellt Nicolai als unmittelbar gewissen Satz entgegen: ^Mein Ich ist freilich unter anderen auch Intelligenz^ (denn indem er sagt, dass es nicht ^blosse^ Intelligenz sey, sagt er ohne Zweifel, dass es diese doch auch mit sey); aber es gehören noch ausser der ^Intelligenz^ mit dazu, ^Vernunft^, ^Sinnlichkeit^, ^Denkkraft^, ^körperliche Kraft^. -- Durch diese Gegensetzung nun hebt er jene Fichtesche Prämisse auf, und sprengt, da ganz allein auf diese sich der ganze transscendentale Idealismus gründet, diesen zugleich mit in die Luft; denn ^cessante fundamento cessat fundatum^. Es ist zu beklagen, dass Nicolai nicht unmittelbar darauf, als er diese Widerlegung zu Ende gebracht hatte, aufgehenkt worden, damit er im Bewusstseyn dieses glorreichen Arguments seine speculative Laufbahn beschlossen hätte, und die Nachkommen hierbei seiner gedenken möchten. Zuvörderst ist sehr merkwürdig, dass in jenem Gegensatze, ausser und neben der ^Intelligenz^, auch noch ^Vernunft^, ^Denkkraft^, ^Sinnlichkeit^ (denn die körperliche Kraft können wir ihm hier erlassen) aufgezählt wird. Hätte Nicolai seinen Fleiss auf eine Beschreibung der preussischen Armee gerichtet, so würde er bemerkt haben, dass der König ausser seiner Armee auch noch Infanterie gehalten hätte, und Husaren und Pfeifer. Ferner stellt Nicolai, wie er immer thut, seinen Gegensatz so hin, als ob sich die Wahrheit desselben von selbst verstände. Also er führt ihn als eine Thatsache des unmittelbaren Bewusstseyns. Hatte denn Nicolai gar keinen philosophischen Freund -- er selbst freilich konnte dies nicht wissen, ohnerachtet er sich zum Richter in Sachen der Philosophie aufwarf -- der ihm gesagt hätte, dass es wohl etwa Thatsache genannt werden könne, dass man in einem bestimmten Falle vernehme, denke, empfinde, sinnlich wirke, dass aber Vernunft in Bausch und Bogen, und die Sinnlichkeit, und die Denk- oder körperliche Kraft, ^als Kraft^, für Thatsachen des Bewusstseyns auszugeben, in jenem Zeitalter nur noch einem durchaus unkritischen Ignoranten zu verzeihen war? Endlich war der Satz, dass das Ich, inwiefern es Subject-Object sey, die Intelligenz selbst, also Vernunft, Denkkraft, Willensvermögen, sinnliche Anschauung, physische Kraft sey, so wenig eine Prämisse jenes Systems, dass er vielmehr das System selbst war; und dieses in seinem ganzen Umfange nichts anderes zu thun hatte, als zu zeigen, dass alle jene Erscheinungen im Gemüthe nichts wären, denn die verschieden gebrochene und sich zu einander verhaltende Subject-Objectivität selbst. Auf diese Beweise und Ableitungen musste sich ein Gegner dieses Systems einlassen, und sie zu entkräften, oder Lücken und Mängel in ihnen zu entdecken suchen. Statt dessen zu widersprechen, wie unser Held es that, war gerade so, als ob ein Physiker aufgetreten wäre, und gesagt hätte: mir ist es ausgemacht, dass alle mögliche Farben nichts sind, als verschiedene Brechungen des Einen farblosen Lichtstrahls; und Euch anderen will ich dieses durch eine Reihe von Experimenten beweisen, indem ich durch bestimmte Brechungen desselben farblosen Lichtstrahls alle andere Farben vor euren eigenen Augen entstehen lasse; und einer aus dem Pöbel, ohne nach seinen Experimenten nur zu sehen, die Zunge herausgesteckt, dem Physiker Esel gebohrt, und geschrien hätte: der Narr denkt, alle Kühe sind weiss, er weiss noch nicht, dass es auch schwarze und gefleckte Kühe giebt. So wurde beim Hindurchgehen durch das Sehorgan unseres Helden alles schief, verzerrt und gar wunderlich. Es ist ihm während seines Lebens sehr häufig vorgeworfen worden, dass er alles, was er unter die Hände bekäme, hämischerweise verdrehe, und schmutzigerweise besudle. Wir nehmen ihn gegen diese Beschuldigung in Schutz. Es war sehr wahr, dass aus seinen Händen alles beschmutzt und verdreht herausging; aber es war nicht wahr, dass er es beschmutzen und verdrehen wollte. Es ward ihm nur so durch die Eigenschaft seiner Natur. Wer möchte ein Stinkthier beschuldigen, dass es boshafterweise alles, was es zu sich nehme, in Gestank, -- oder die Natter, dass sie es in Gift verwandle. Diese Thiere sind daran sehr unschuldig; sie folgen nur ihrer Natur. Ebenso unser Held, der nun einmal zum literarischen Stinkthiere und der Natter des achtzehnten Jahrhunderts bestimmt war, verbreitete Stank um sich, und spritzte Gift, nicht aus Bosheit, sondern lediglich durch seine Bestimmung getrieben. Zwölftes Capitel. Wie es zugegangen, dass unser Held unter allen diesen Umständen dennoch einigen Einfluss auf sein Zeitalter gehabt. Wir würden ein grosses Mistrauen in die Penetration unseres Lesers setzen, wenn wir nöthig fänden, nach allem Gesagten hinzuzusetzen, dass wir Friedrich Nicolai für den einfältigsten Menschen seines Zeitalters halten, und nicht glauben, dass irgend etwas recht Menschliches an ihm gewesen, ausser der Sprache. Dass er nun von dieser seiner grossen Geistesgebrechlichkeit selbst durchaus nichts gespürt, und mit der Meinung aus der Welt gegangen, er, der allereinfältigste, sey gerade der allerklügste, ist kein Wunder; denn diese Meinung von sich selbst, und diese totale Unerschütterlichkeit durch irgend ein fremdes Urtheil, folgte aus seiner extremen Dummheit selbst, und er hätte um ein gutes Theil weniger dumm seyn können, ehe er begriffen hätte, dass er dumm sey. Aber er hat auf seine Zeitgenossen gewirkt, und ist, zwar nicht öffentlich anerkannt, aber wie der unparteiische Forscher gestehen wird, wirklich und in der That, der Urheber eines grossen Theils des Meinungssystems gewesen, welches in seinem Zeitalter die Mittelmässigkeit zu dem ihrigen gemacht hatte. Wir geben wohl etwa in einer Beilage nähere Nachweisung über dieses Meinungssystem[16]. Wie in aller Welt ging es nun zu, dass diesmal die Armuth ihr Eigenthum beim Bettel, die Einfalt ihre Weisheit bei der Dummheit, die Schielenden ihre Einsichten beim Stockblinden holten, da sie doch dieses alles auf eigenem Boden, und durch ihre eigenen Augen weit besser hätten erzeugen können? Den Menschenkenner kann dies sonderbare Phänomen nicht befremden, wenn er nur weiss, dass unser Held bei seiner extremen Dummheit zugleich einer der rührigsten und der allerunverschämteste unter seinen Zeitgenossen war. Er trug kein Bedenken, alles, was ihm durch den Kopf ging, sogleich auf allen Dächern zu predigen, und es unaufhörlich an allen Ecken den Leuten in die Ohren zu rufen; und liess sich schlechthin durch nichts irre machen oder aus der Rede bringen. Das Volk, das nicht selbst arbeiten mag, und dem von allen Seelenkräften beinahe nur das Gedächtniss zu Theil geworden, konnte nicht umhin, jene Weisheit sich endlich zu merken. Sie hatten nun längst vergessen, von wem sie dieses alles zuerst gehört hätten, sie erinnerten sich nur noch dunkel, dass sie es einmal gewusst, und glaubten nach und nach, sie hätten es selbst entdeckt und wahr befunden. Es fiel ihnen in den Gemeinschatz der ausgemachten Wahrheiten und Thatsachen: und es war allerdings Thatsache, dass sie es oft genug gehört hatten. Und so ward unser Held der Urheber eines grossen Theils der Denkart seines Zeitalters, ohne dass eben jemand ihm sonderlich dafür dankte, noch wusste, woher diese Denkart eigentlich wäre. Er aber wusste es; und die schreiende Unerkenntlichkeit der Zeitgenossen, um die er sich doch so sehr verdient gemacht, mag sehr viel zu der üblen Laune seines höheren Alters beigetragen haben. Es ist kein Zweifel, dass auch ein Hund, wenn man ihm nur das Vermögen der Sprache und Schrift beibringen könnte, und die Nicolaische Unverschämtheit und das Nicolaische Lebensalter ihm garantiren könnte, mit demselben Erfolge arbeiten würde, als unser Held. Möchte man sich immer anfangs an seiner Hundenatur stossen, wie man sich eben auch an die Nicolainatur unseres Helden stiess. Wenn er sich nur nicht irre und schüchtern machen liesse, dieser Hund, wenn er nur das Gesagte immer wieder sagte und fest dabei bliebe, und unermüdet schrie und schriebe, er habe doch recht, und alle Andern hätten unrecht; wenn er sich wohl gar noch durch den Gedanken begeistern liesse, und sich damit brüstete, dass er schon als ein blosser unstudirter Hund dies einsähe, wie Nicolai sich auch immer damit gebrüstet, dass er als ein unstudirter Bürgersmann alles dies wisse: so wäre uns gar nicht bange, dass nicht dieser Hund sich einen sehr verbreiteten Einfluss verschaffen sollte. Seine Theorien würden das Zeitalter ergreifen, ohne dass man sich eben erinnerte, dass sie von unserem Hunde herkämen; es würde eine Aesthetik entstehen, nach welcher jeder Spitz die Schönheit einer Emilia Galotti kunstmässig zerlegen, und die Fehler in Herrmann und Dorothea so fertig nachweisen könnte, als es jetzt nur Gottfried Merkel vermag; und die Bibel würde endlich von allem noch übrigen Aberglauben gereinigt und so ausgelegt werden, wie ein aufgeklärter Pudel sie verständig finden, und wie er selbst sie geschrieben haben könnte. Anmerkung. [Fußnote 16: Der Leser kann die in der dritten Beilage gelieferte Charakteristik des Geistes der deutschen Bibliothek zugleich für eine solche Nachweisung nehmen.] Erste Beilage. (Zur Einleitung.) Angriffe Nicolai's auf die persönliche Ehre und den Charakter des Verfassers enthalten die folgenden Stellen: 1. Nachdem Nicolai die Herren Schelling und Schlegel beschuldigt, dass sie günstige Beurtheilungen ihrer Schriften in die Jenaische Literaturzeitung zu bringen gesucht, fährt er (S. 159. der oben angeführten Anzeige) so fort: »Es ist der Schule der Ich-Philosophen schon länger« (dem Zusammenhange nach ^früher^, ehe die obengenannten gethan, dessen Nicolai sie beschuldigt, und ehe sie zu dieser Schule zu rechnen gewesen) »eigen gewesen, dass sie, wenn es nicht anders zu beschaffen war« (welch ekelhaftes Geschäft, dergleichen Schreiberei abschreiben zu müssen!), »für ihren transscendentalen Idealismus Anpreisung zu ^erschleichen^ suchte. Sie affectirten zwar bei aller Gelegenheit, die allgemeine deutsche Bibliothek zu verachten, ^aber arbeiteten nicht wenig unter der Hand^, sie sich geneigt zu machen (1). Sie versuchten Mitarbeiter anzubieten, welche eben Herrn Fichte's Schule verlassen hatten, und da dieses nicht ging, so (2) suchten sie durch einen Mitarbeiter der allgemeinen deutschen Bibliothek, der gar nicht im philosophischen Fache arbeitete, ^unverlangt^ solche Recensionen einzuschicken, wie sie ihren Absichten dienten, die, wie allenfalls durch gewisse Kennzeichen zu zeigen wäre, aus ^Jena^ kamen. Die damalige Direction der neuen deutschen Bibliothek war auf solchen ^unartigen Schleifweg^ nicht gleich aufmerksam genug u. s. w. (3). Man sahe nun also wirklich in der neuen deutschen Bibliothek XVIII. B. S. 355. eine solche heimlich eingeschwärzte Recension von Fichte's Grundriss der gesammten Wissenschaftslehre, in welcher ein in die allgemeine deutsche Bibliothek sich unverlangt eingeschlichener Fichtianer schlau so anhebt« u. s. w. Wer sind denn diese ^Sie^ aus der ichphilosophischen ^Schule^ (der verständige Leser verzeiht mir wohl, dass ich, sowohl hier als im folgenden, um der Kürze willen, die Ausdrücke dieses Schulmeisters beibehalte, der allenthalben nur Schulen erblickt, so innig auch mir diese Ausdrücke zuwider sind), wer sind, sage ich, diese Sie, die ^früher^ noch, als Schelling an dieser Art des Philosophirens öffentlich Theil nahm, ^früher^, als jene Recension des Fichteschen Grundrisses eingeschwärzt wurde, -- der erste Streich, nach Herrn Nicolai, der ihnen gelang, -- offenbar ^um ein beträchtliches früher^, denn durch die vorhergegangenen vereitelten Machinationen müssen sie doch auch Zeit verloren haben -- welche, sage ich, zu dieser Zeit das thaten, dessen Nicolai sie unter (1) und (2) beschuldigt; diese ^Sie^ von der Ichschule, die damals die allgemeine deutsche Bibliothek zu verachten affectirten, -- ohne Zweifel ^öffentlich^, da ihre entgegengesetzten Bestrebungen ^unter der Hand^ geschahen, in ^öffentlichen Schriften^ also (wie könnte auch sonst Nicolai um jene Affectationen wissen?), diese Sie also, die schon damals in öffentlichen Schriften sich als Ichphilosophen zeigten? Wer können sie seyn, diese Sie? Weiss Nicolai aus diesem Zeitalter irgend einen Schriftsteller mir zu nennen, der sich für das System der Wissenschaftslehre erklärt hätte, ausser mir selbst? Kann er aus jenem Zeitpuncte irgend jemand zu seiner Ichschule rechnen, ausser mir und meinen Zuhörern, deren keiner Schriftsteller war, und die wohl nur durch mich literarische Connexionen hätten erhalten können? Will etwa Nicolai insinuiren, dass ich an der Spitze der vorgegebenen geheimen Machinationen gestanden, oder wenigstens an ihnen Theil genommen? Das muss er wohl wollen; denn seine Beschuldigung muss doch irgend jemanden treffen sollen; sie muss doch einen von den früher genannten und angegriffenen Männern treffen sollen, und da sie die anderen, den Herrn Prof. Schelling, die beiden Schlegel, Herrn Tieck nicht treffen soll, indem das Factum in eine frühere Zeit gesetzt wird, -- sie muss den einzigen, welcher noch übrig bleibt, sie muss ^mich^ treffen sollen. Auf mich wird sie auch jeder Leser, der die Stelle in ihrem Zusammenhange liest, beziehen. Dies musste Nicolai vorhersehen; und da er es vorhersah, und doch redete, wie er geredet hat, musste er beabsichtigen, dass es geschehen möchte. Oder, wollte er nicht, dass jene Beschuldigung auf mich bezogen würde, wollte er nur überhaupt in das blaue Feld hin, so dass kein bestimmter Mensch getroffen würde, beschuldigen, so musste er ausdrücklich erklären, dass er mich nicht meine, dass er keinen Grund habe zu glauben, dass ich für meine Person an jenem Getreibe Theil genommen, von demselben gewusst habe und dergleichen. Dies hat Nicolai nicht gethan; er hat sonach gewollt, dass die Beschuldigung auf mich bezogen werde. Das Betragen, dessen er mich beschuldigt, ist Nicolai's eigenem guten Bewusstseyn, Vortrage und Sinne nach, ein höchst verächtliches und nichtswürdiges Betragen; er will, dass die Leser es ebenso ansehen, und bedient sich der Ausdrücke, die es als ein solches beschreiben. Er redet von ^Erschleichungen^, ^unartigen Schleifwegen, heimlichem Einschwärzen^, von Versuchen, ^unter der Hand sich geneigt zu machen, was man öffentlich zu verachten affectirt^. Dasselbe Betragen ist nach meinen Begriffen und nach den Begriffen aller Leser, deren Achtung Werth für mich hat, noch unendlich nichtswürdiger, verächtlicher -- und dümmer dazu, als Nicolai verstehen und begreifen kann. Denn ich und alle die, mit welchen und auf welche zu wirken ich wünschen kann, haben überhaupt gar wenig Respect für die gewöhnlichen gelehrten Zeitungen, ihre Urtheile, und das Urtheil derer, die auf jene Urtheile etwas geben. Was aber insbesondere die allgemeine deutsche Bibliothek anbelangt, ob sie in Bohns oder in Nicolai's Verlage herauskomme, so affectire ich nicht dieselbe zu verachten, sondern ich verachte sie wirklich und im ganzen Ernste, wegen ihrer allgemeinen Tendenz, und in dem besonderen Fache, in welchem ich mir ein Urtheil zuschreiben darf, in dem der Philosophie.[17] [Fußnote 17: Und wie könnte ich anders, als sie verachten, von der Seite ihres Geistes versteht sich, diese Recensenten, denen nicht einmal der Nicolaische Kunsttrieb zu Theil wurde, miszuverstehen, zu verdrehen, und sodann sich das Ansehen zu geben, als ob sie widerlegten; sondern die sich geradezu hinstellen, bekennen und bejammern, wie der Schulknabe, der seine Lection aufsagen soll, und sie nicht gelernt hat, dass sie das Vorgebrachte denn doch gar nicht verstehen und klar kriegen könnten; dass philosophische Schriften denn doch zum allerwenigsten so deutlich seyn sollten, dass sie ^von Philosophen^ (sie sind wohl auch welche, diese Recensenten? ein Philosoph ist wohl ein Mensch, der im philosophischen Fache an der A. D. B. recensirt?), dass sie, sage ich, von Philosophen verstanden werden könnten; die denn doch bei alle dem ihre Abneigung gegen das, was sie nicht zu verstehen bekennen, nicht bergen können, und zuletzt mit dem Troste für ihren Redacteur, ihre Leser und sich selbst, abtreten, dass noch zeitig genug die Zeit kommen werde, da diese verzweifelte neueste Philosophie widerlegt seyn werde; diese Recensenten, mit deren Belesenheit es so beschaffen ist, dass sie aus Citaten Druckfehler abdrucken lassen, und sich hinterher über den sonderbaren Ausdruck verwundern. So lässt neulich einer aus Heydenreichs Vesta unbefangen folgenden Satz als den meinigen abdrucken: »Das eheliche Verhältniss ist die von der Natur geforderte ^Masse^ (^Weise^ steht in meinem Texte, m. s. mein Naturrecht Bd. III. 316. [2. Th. 174]) des erwachsenen Menschen von beiden Geschlechtern zu existiren.« Allerdings eine sonderbare Art sich auszudrücken, ruft der Recensent in einer Parenthese aus. Jeder, der in den neuesten Stücken der N. D. B. unter den philosophischen Recensionen herumblättern will, wird auf die oben angeführten Aeusserungen stossen. Nun wird zwar Nicolai, der bei der Wiederübernehmung der Herausgabe jener Bibliothek die bisherigen Recensenten beizubehalten verspricht (auch nimmermehr andere bekommen würde), versichern, dass jene Recensenten unter die ersten deutschen Schriftsteller gehörten, wie er dies von dem Recensenten der Schellingschen Weltseele in der Jenaischen Literaturzeitung versichert, und wohl gar so grossmüthig seyn, sich in meine Seele, ebenso wie in Schellings zu schämen, dass ich von diesen Männern spreche, wie von einfältigen Schulknaben; wie ich denn auch allerdings thue.] Dieselbe Verachtung habe ich ohne Ausnahme bei allen angetroffen, deren Gesinnungen über diesen Punct ich zu erfahren Gelegenheit hatte. Und nun will Nicolai, dass man von mir glaube, ich habe dieses Blatt, dessen Verächtlichkeit unter die gemeingeltenden Dinge gehört, mir geneigt zu machen gesucht. Ein solches Betragen wäre, sagte ich unter anderen, auch dümmer, als Nicolai begreifen kann. In der Gegend, in welcher ich damals mich aufhielt und in dem noch südlicheren Deutschlande ist die Verachtung gegen die allgemeine deutsche Bibliothek, selbst bei den gemeinsten Lesern, sogar zum Vorurtheile geworden; sieht man sie ja noch an, so thut man es in den Stunden der Verdauung, um sich an den wunderlichen Wendungen und Renkungen der Trivialität und Nullität, die es selbst zu merken anfängt, dass sie Nullität ist, zu belustigen. Wer in jenen Gegenden lebt, hält ein Lob in dieser Bibliothek für eine schlechte Empfehlung. Auf dieses Blatt giebt man nur noch in einigen finsteren Provinzen Deutschlands etwas, wo man im Ganzen noch auf der Stufe der Bildung steht, auf der wir vor 40 Jahren standen, und noch aus dem Grundtexte berichtet zu seyn wünscht, ob in einer Stelle des neuen Testaments vom Teufel wirklich die Rede sey, oder nicht, oder gegen die Furcht vor dem Umsturze der theuren protestantischen Denkfreiheit durch die Machinationen der Jesuiten Beruhigung sucht. Also das Betragen, dessen Nicolai mich beschuldigt, ist nichtswürdig, verächtlich, dumm. Er führt nichts an, um seine Beschuldigung zu beweisen. Ich kann einen nicht geführten Beweis nicht widerlegen. -- Da ich im Ernste nicht wieder zu Nicolai zurückkommen mag, so muss ich mich begnügen, ehrliebende Leser zu versichern, dass die ganze Beschuldigung rein erdichtet ist, dass ich nie in freundschaftlichem Umgange oder Verbindung mit irgend einem Menschen gestanden, der mir als Mitarbeiter an der allgemeinen deutschen Bibliothek oder als zusammenhängend mit der Redaction derselben bekannt gewesen, dass ich um die Urtheile in der allgemeinen deutschen Bibliothek mich nie bekümmert, und nie das Geringste gethan habe, um auf dieselben einen Einfluss zu erhalten. -- Der Verweis, den ich dem damaligen Verleger derselben, Herrn Bohn, zu geben genöthigt wurde, wegen der Imbecillität, mit welcher er Pasquille auf mich im Intelligenzblatte jener Zeitschrift abdrucken liess, und als ich hierüber Nachfrage anstellte, nicht wusste, wovon die Rede war, war doch ohne Zweifel keine Gunstbewerbung. Es ist jetzt an den Lesern, die meiner Versicherung nicht glauben, Nicolai zum öffentlichen Beweise seiner Beschuldigung anzuhalten. Ich weiss sicher, dass er nichts als Erdichtungen und Lügen wird vorbringen können, und diese werden hoffentlich von der Art seyn, dass man, ohne vor dem Publicum sich mit ihm abzugeben, ihn vor dem bürgerlichen Gerichtshofe belangen, und diesem das Urtheil übergeben könne. Jedoch, ist es denn nicht Factum, was Nicolai Nr. 3 anführt, dass eine, wie Nicolai meint, lobpreisende Recension meiner Grundlage der Wissenschaftslehre in der neuen deutschen Bibliothek abgedruckt worden? Für Nr. 1 und 2 hat Nicolai vielleicht gar keine Beweise; er hat es vielleicht aus Nr. 3 durch seine bekannte Conjecturalkritik nur gefolgert, und kein Bedenken getragen, seine Folgerungen als historische Thatsachen hinzustellen. Welche Folgerungen! Weil eine Anzeige, die meine Gedanken nur nicht sogleich weggeworfen haben will, sondern sie einem weiteren Nachdenken empfiehlt, in die neue deutsche Bibliothek, deren Grundmaxime es ist, alles Neue ohne weiteres wegzuwerfen, sich verläuft; muss sie von einem ausgemachten Fichtianer seyn, muss sie in Jena verfertigt seyn, muss ich an der Einsendung derselben Theil haben, muss ich schon seit langem ähnliche Versuche vergebens gemacht haben? Wäre denn nicht auch etwa ^der^ Fall möglich, dass jene Anzeige von einem Gelehrten herkäme, der ^nicht^ zu Jena lebte, der mich nie persönlich gekannt, und bis diese Stunde mich nicht persönlich kennt, der kein Interesse für mich haben konnte, als das, welches ihm die angezeigte Schrift einflösste, und von dessen Existenz sogar ich erst durch die Existenz jener Anzeige unterrichtet wurde? Wäre es nicht möglich, dass dieser Gelehrte diese Anzeige ohne alle Bestellung irgend eines Redacteurs, lediglich aus Interesse für die Sache, und in der gutmüthigen Meinung, dass dieser durch eine Recension nachgeholfen werden könnte, abgefasst, und sie zuerst an eine andere wirklich gangbare gelehrte Zeitschrift eingesendet; dass sie von da aus, etwa weil man sie, wofür auch Nicolai sie erkannt haben will, für einen blossen trockenen Auszug gehalten, zurückgesendet worden, und nun erst -- Nicolai mag wissen auf welchem Wege, ich weiss es nicht -- an die N. D. B. gekommen, bloss damit sie nicht vergebens geschrieben wäre; dass ich von diesem letztern Schicksale jener Anzeige durchaus nichts vorher gewusst oder erfahren, und mit einer ähnlichen Befremdung, als Nicolai, sie in dem angeführten Hefte der N. D. B. abgedruckt gefunden? Wäre dieser Fall nicht ebenso möglich? Aber warum soll ich es nicht gerade heraussagen: durch ein Ungefähr bin ich hierin besser unterrichtet, als der sonst immer so wohl unterrichtete Nicolai; -- der als möglich vorausgesetzte Fall ist wirklich; gerade so, wie ich es oben angegeben, hat es sich zugetragen. Nicolai will wissen, dass jene Anzeige durch einen Mitarbeiter an der A. D. B., der gar nicht im philosophischen Fache arbeitete, der ihm sonach sehr wohl bekannt seyn muss, eingesandt worden; und hierin weiss er mehr, als ich. Er hatte sonach einen festen Punct, um seine sorgfältigen und wichtigen Untersuchungen anzuknüpfen. Hätte er doch, er, der auf manchem Blatte[18] seinen Lesern erzählt, wie weit herum er correspondire, um gründlichen Bericht abstatten zu können, wo die leichtesten Angelhaken verfertigt würden, -- hätte er doch auch hier ein paar Briefe sich nicht gereuen lassen! Oder ist er vielleicht auch über diesen Gegenstand besser unterrichtet, als er sichs will abmerken lassen, und diente es nur nicht in seinen Kram, zu verrathen, dass die von ihm wieder aufgenommene A. D. B. fürlieb genommen, was eine andere gelehrte Zeitschrift abgewiesen, und auf mein eigenes Anrathen abgewiesen hatte? 2. Ich komme zu Nicolai's zweitem ehrenrührigen Angriffe. Er beschuldigt mich (S. 176), ich habe, in Beziehung auf einen Gegner, »^der mir gezeigt habe, was offenbar aus meinen Sätzen folge^,« von Schurkerei und Büberei gesprochen. Ich weiss nicht, ob Nicolai selbst begreift, wessen er dadurch mich beschuldigt, und ich zweifle, dass er es begreift. Er wirft diese Schmähung zusammen, und bringt sie in Einem Athemzuge vor mit einer anderen Anklage, mit der, dass ich von gewissen Gegnern als von Halbköpfen gesprochen. Dünkt ihm etwa dieses letztere und jenes erstere so ohngefähr gleich? Dünke ihm, was da wolle, es kommt nicht darauf an, was Er von mir glaubt, sondern darauf, was er andere von mir glauben machen will. In den Augen desjenigen Theils des Publicums, an dessen Achtung mir etwas liegt, und in meinen eigenen Augen, ist dieses letztere und jenes erstere nicht gleich. Einen literarischen Angriff durch einen Angriff auf die persönliche moralische Ehre des Gegners erwiedern, und die Anführung von Gründen Schurkerei und Büberei nennen, ist nach meinem Urtheile, und wie ich hoffe nach dem Urtheile aller verständigen und ehrliebenden Männer, nur das Betragen eines wüthenden Narren, oder tückischen und hämischen Wahrheitsfeindes und Bösewichts. [Fußnote 18: S. die Vorrede zum XI. Theile seiner Reisebeschreibung.] Hätte der Gegner nur wirklich aus ^meinen^ Sätzen gefolgert, gesetzt auch, er hätte diese Sätze falsch verstanden, oder er hätte unrichtig aus ihnen gefolgert, und ich hätte ihm das Misverständniss oder die Fehlschlüsse handgreiflich darthun können, so hätte ich ihm allerdings Unverstand, Inconsequenz und dergleichen Verstandesgebrechen vorrücken, aber ich hätte nimmermehr von Schurkerei und Büberei sprechen dürfen, so lange noch die mindeste Möglichkeit übrig gewesen, anzunehmen, dass er ehrlicherweise ^selbst glaube^, was er behauptet. Wie verhält sich denn nun die Sache? Zum Glücke lässt in diesem Handel das Factum, worauf Nicolai seine Beschuldigung baut, sich zu Tage liefern. Er giebt die Stelle richtig an (Philos. Journal v. J. 1798, Heft 8, S. 386.[19] --) Hier ist sie im Zusammenhange. [Fußnote 19: Sämmtliche Werke Bd. V. S. 394. -- Die im Folgenden erwähnte Note ist dort weggelassen worden, als längst vergessenen polemischen Beziehungen angehörig. (Anmerk. des Herausgebers.)] Ich sage S. 385 oben im Texte: »ich habe die lügenhaften Verdrehungen, die z. B. Hr. Heusinger mit dem Gesagten vornimmt, weder verdient, noch veranlasst;« und setze in einer Note hinzu: »Ich sage (S. 10 meines Aufsatzes über den Grund unseres Glaubens an eine moralische Weltregierung, im 1. Hefte des Phil. Journals desselben Jahrganges), um die nothwendige Consequenz beider Gedanken auszudrücken: Ich muss, wenn ich nicht mein eigenes Wesen verläugnen will, die Ausführung jenes Zwecks (der Moralität) mir vorsetzen; -- habe diesen Satz zu analysiren, wiederhole ihn daher auf der folgenden Seite ^verkürzt^ mit Hinweglassung der Merkmale, die keiner Analyse bedürfen, so: ich muss schlechthin den Zweck der Moralität mir vorsetzen, ^heisst^: u. s. w. -- Die Rede ist sonach gleich der folgenden: In einem rechtwinkligen Triangel ist das Quadrat der Hypotenuse gleich dem Quadrate der beiden Katheten. In ^einem Triangel^ ist das Quadrat der Hypotenuse etc. ^heisst^: u. s. w. -- Hr. Heusinger aber[20] hält sich an den letzten Ausdruck des Satzes, als den ^directen^, erklärt meine ganze Theorie aus diesem unbedingt gesetzten ^Muss^, um mich eines Fatalismus zu bezüchtigen (da doch jedem, der nur eine Sylbe von mir gelesen, bekannt seyn muss, dass auf die Freiheit des Willens mein ganzes Denken aufgebaut ist), und es recht klar darzulegen, wie nach mir die moralische Ordnung ^sich selbst mache^, und wie ich mit meinem guten Bewusstseyn ein offenbarer Atheist sey. -- Im gemeinen Leben nennt jeder Ehrliebende ein solches Benehmen Schurkerei, Büberei, Lüge. Wie soll man es in der Literatur nennen?« -- Dies ists, was ich geschrieben hatte. Ich bitte den verständigen und ehrliebenden Leser sich folgende Fragen zu beantworten: 1) Heisst das, ^aus meinen Sätzen folgern^, wie Nicolai es nennt, wenn man mir einen ^bedingten Satz^ in einen ^unbedingten^ verwandelt, um mir eine Meinung anzudichten, von welcher jeder, der in der neuen philosophischen Literatur bewandert ist, wissen muss, und Hr. Heusinger sicher wusste, dass ich mich von jeher auf das stärkste gegen sie erklärt habe? Es ist also nicht von ^Folgerungen^, es ist von ^Verdrehungen und Erdichtungen^ die Rede. 2) Kann man umhin, anzunehmen, dass diese Verdrehung nicht aus Irrthum, sondern mit gutem Wissen und Bedacht gemacht worden, wenn der Verfasser seinen Zweck, eine dem Gegner gemachte Beschuldigung (die des Atheismus) als gegründet zu erweisen, gleich von vornherein angiebt, und wenn dieser Zweck ^nur durch dieses Mittel^ zu erreichen ist? 3) Wie würde man ein ähnliches Benehmen im bürgerlichen Leben nennen? Wenn ich z. B. im Gespräche gesagt hätte: wenn Nicolai nicht ein grundschiefer und zerrütteter Kopf ist, so ist er ein hämischer Bösewicht: und Nicolai hätte mehr zu bedeuten, als er hat, und es ginge einer zu ihm, und erzählte ihm, ich, Fichte, habe gesagt, er, Nicolai, sey ein hämischer Bösewicht; und dieser Erzähler thäte es in der laut zugestandenen Absicht, einer Anklage, durch welche ein unauslöschliches Brandmal auf meinen Charakter gebracht werden sollte, und durch deren Erfolg ich aus meiner Laufbahn geworfen worden, die öffentliche Beistimmung zu verschaffen: würde man dieses Benehmen anders bezeichnen können, ausser durch die Benennung der Lüge, der Schurkerei und Büberei? 4) Ist die Anfrage: im bürgerlichen Leben nennt man dies Schurkerei, Büberei, Lüge, wie soll man es in der Literatur nennen? -- gleich ^dem^ Satze: man soll es in der Literatur ebenso nennen, und ich will es hiermit also genannt haben? Zwar bin ich, damit nicht etwa jemand glaube, dass ich mich zurückziehen wolle, ich bin allerdings der Ueberzeugung, dass man es auch in der Literatur so nennen solle, wenn es nur über literarische Rechtlichkeit eine ebenso befestigte und verbreitete allgemeine Meinung gäbe, wie über bürgerliche Ehre. Ich bin allerdings der Ueberzeugung, und scheue mich nicht, es laut zu erklären, dass dieser Herr Heusinger sehr nichtswürdig gehandelt hat. 5) Nicolai's Betragen, der, wenn er nicht von so immensem Gedächtnisse ist, dass er darin sogar die Seitenzahlen unseres philosophischen Journals gegenwärtig hat, die oben angeführte Stelle, welche er richtig citirt, aufgeschlagen und vor Augen haben musste, und dennoch fähig war niederzuschreiben: ich habe darüber, dass ^ein Gegner mir gezeigt, was aus meinen Sätzen folge^, von Schurkerei und Büberei gesprochen, -- dieses Betragen Nicolai's zu beurtheilen und zu benennen, überlasse ich ganz allein dem ehrliebenden Leser. [Fußnote 20: In seiner Schrift: über das idealistisch-atheistische System des Herrn Prof. Fichte.] Soviel über diese ehrenrührigen Angriffe Nicolai's, die auf erdichtete Thatsachen sich gründen. Was er (S. 154 u. S. 177) über mein Benehmen bei der Niederlegung meines Lehramtes an der Universität Jena urtheilt, übergehe ich mit Stillschweigen, indem er hierin wenigstens nicht offenbar falsche Thatsachen erdichtet, obgleich er mir Empfindungen und Gesinnungen zuschreibt, welche nie die meinigen waren. Das Urtheil eines Nicolai ist mir zu unbedeutend und zu verächtlich, als dass ich mich dagegen vertheidigen oder annehmen sollte, dass irgend jemand, an dessen Achtung mir liegen könnte, dieses Urtheil theilte. Es dürfte vielleicht, ausser dem, was über jene Sache bekannt worden, noch andere Umstände geben, die da unbekannt geblieben, und welche mein Betragen dabei in ein anderes Licht stellen würden, als dasjenige ist, in welchem Nicolai zweckmässig findet, dieses Betragen erscheinen zu lassen; aber Nicolai gerade ist der letzte, der über diese Dinge mich zur Rede bringen soll. Zweite Beilage. (Zum zweiten Capitel.) Gegen die Schilderung Mendelssohns im Texte, dass er ein Mann von dem besten Willen, aber von eingeschränkten Einsichten und Zwecken gewesen sey, wird ohne Zweifel niemand etwas einwenden, der diesen Mann aus seinen Schriften und öffentlichen Verhandlungen, aus dem Lessingschen Briefwechsel, und etwa auch aus mündlichen Erzählungen kennt; -- wenn nemlich der Beurtheiler nicht etwa selbst von eingeschränkten Einsichten und Zwecken ist. Mit Beurtheilern der Art aber wollen wir hier nicht die Zeit verlieren. Dass Lessing -- wir beziehen uns hier allenthalben auf die früheren Schriften desselben und die von seinem Bruder herausgegebene Lebensbeschreibung und Briefwechsel, und wünschten, dass der Leser, der ein Urtheil in dieser Sache begehrt, damit sehr bekannt wäre, -- dass, sage ich, Lessing in seiner frühen Jugend sich in einer unbestimmten literarischen Thätigkeit herumgeworfen, dass alles ihm recht war, was nur seinen Geist beschäftigte und übte, und dass er hierbei zuweilen auf unrechte Bahnen gekommen, wird kein Verständiger läugnen. Die eigentliche Epoche der Bestimmung und Befestigung seines Geistes scheint in seinen Aufenthalt in Breslau zu fallen, während dessen dieser Geist, ohne literarische Richtung nach aussen, unter durchaus heterogenen Amtsgeschäften, die bei ihm nur auf der Oberfläche hingleiteten, sich auf sich selbst besann, und in sich selbst Wurzel schlug. Von da an wurde ein rastloses Hinstreben nach der Tiefe und dem Bleibenden in allem menschlichen Wissen an ihm sichtbar; und eine der deutlichsten Erscheinungen dieser Veränderung war eine sich durchaus nicht verbergende Verachtung gegen Nicolai's Person, und ganzes Werk und Wesen, indess er die gutmüthige Beschränktheit Mendelssohns fortdauernd mit schonendem Stillschweigen trug. Schon früher hatte er unserem Helden die Verweise seiner Unwissenheit, Ungeschicktheit und Suffisance nicht erlassen. (M. s. S. 98 ff. u. S. 109 ff. des von Nicolai selbst edirten Briefwechsels.) Von jetzt an correspondirte er mit ihm nur noch über Verlagsangelegenheiten, um ihm Aufträge zu geben, z. B. dass er ihm Schuhe überschicken solle, und um Neuigkeiten von der Buchhändlermesse durch ihn zu erhalten. Sein Vertrauen hatte Nicolai so wenig, dass Lessing unverhohlen über einen gewissen Plan ihm schrieb: den könne er ihm nicht mittheilen, der müsse unter ^den Freunden^ (Klopstock, Bode u. a.) bleiben; ohnerachtet er freilich fürchtete, dass ihm beim Herumgehen um das Thor zu Leipzig ein Wink darüber entschlüpft seyn möchte (S. 177 des angeführten Briefwechsels); seine literarische Unterstützung und Billigung der Unternehmungen so wenig, dass Lessing nie eine Recension in die D. B. verfertigt, so sehr auch Nicolai suchte, ihm dergleichen abzuschmeicheln (S. 147), und sich genöthigt fand, dies öffentlich zu erklären (S. 255), und dass er nicht dazu zu bringen war, ihm Beiträge aus der Wolfenbüttelschen Bibliothek für seine (Nicolai's) Volkslieder zu senden, »indem doch der ganze Spass nur auf Verwechselung des Pöbels mit dem Volke hinauslaufe« (S. 393). Man sehe dagegen, mit welcher Dienstfertigkeit und innigen Achtung derselbe Mann Conrad Arnold Schmid (29. Theil der Lessingschen Schriften) und den fleissigen, biederen Reiske (28. Theil) behandelte. Einen Zug in einer Nicolaischen Recension nannte Lessing, kurz und gut, sowie er es wirklich war, ihm unter die Augen ^hämisch^ (S. 213 d. a. Briefwechsels). Nicht nur Nicolai's Person, sein ganzes Werk und Wesen verachtete er. So war ihm die Aufklärerei und der Neologismus in der Theologie, wie er in der D. B. getrieben wurde, ein wahrer Gräuel, und er drückte unter vier Augen sich oft kräftig darüber aus. So schreibt er seinem Bruder (30. Theil S. 286): »was ist sie anders, unsere neumodische Theologie gegen die Orthodoxie, als Mistjauche gegen unreines Wasser?« Und auf der folgenden Seite: »Flickwerk von Stümpern und Halbphilosophen ist das Religionssystem, welches man jetzt (wo anders als in der D. B.?) an die Stelle des alten setzen will, und mit weit mehr Einfluss auf Vernunft und Philosophie, als sich das alte anmaasst.« Wielands Pläsanterie über den Bunkel findet er so gerecht als lustig (29. Theil S. 495). Was er daselbst noch weiter hinzusetzt, -- ohnerachtet es auf eine unseres Erachtens sehr unrichtige Voraussetzung sich gründet, -- um Nicolai zu entschuldigen, zeigt doch wenigstens an, zu welcherlei Handwerk Lessing diesen Mann allenfalls noch tauglich gefunden: »zu Verbreitung -- ^solcher^ Ideen, die für ein gewisses Publicum, das doch auch mit diese Stufe besteigen müsse, wenn es weiter kommen solle, ihren Werth hätten, durch -- ^so einen Roman^.« Und Nicolai, der sich mit Lessings Freundschaft brüstete, der die Ehre des Todten gegen den Vorwurf vertheidigte, dass er -- kein so seichter Kopf gewesen sey, als ein Nicolai, hat die Stirn, seinen Briefwechsel mit Lessing, aus dem wir oben Auszüge geliefert, selbst herauszugeben? Warum nicht? Er hat lange Noten dazu gemacht, in denen er sich herausredet, Lessing für einen wunderlichen Kopf, für einen übellaunigen Brummer, für ein überspanntes Genie ausgiebt, und seine ihm (dem Nicolai) selbst ungelegenen Meinungen aus der leidigen Paradoxie und Disputirsucht erklärt. Heiliger Schatten, vergieb uns, dass wir in demselben Zusammenhange von dir redeten und von ihm. Wenn auch keine deiner Behauptungen, wie du sie in Worte fasstest, die Probe halten, keines deiner Werke bestehen sollte, so bleibe doch dein Geist des Eindringens in das innere Mark der Wissenschaft, deine Ahnung einer Wahrheit, die da Wahrheit bleibt, dein tiefer inniger Sinn, deine Freimüthigkeit, dein feuriger Hass gegen alle Oberflächlichkeit und leichtfertige Absprecherei unvertilgbar unter deiner Nation! Dritte Beilage. (Zum zweiten Capitel.) Ich nenne die deutsche Bibliothek ^ein an sich widersinniges Unternehmen^. Dies ist unter einer Nation, die in ihrer eigenen Sprache schreibt, ihre eigene Literatur und einen sehr verbreiteten Buchhandel hat, und viel liest, der Strenge nach ^jedes allgemeine Recensionswerk^. Es ist zu beklagen, dass ich daran ein Paradoxon sage; denn dies ist jede einem jedem gerade vor den Füssen liegende Wahrheit jedem verkünstelten Zeitalter. Könnte ich nur einige Augenblicke auf unbefangene Leser rechnen, so würde ich sie bitten, folgendes mit mir zu überlegen. Der Leser will doch ohne Zweifel ein richtiges Urtheil über die Producte der Kunst und der Wissenschaft, auf das er sich auch verlassen könne. Wer kann denn nun, und wer soll diese Urtheile fällen? Doch wohl die ersten Meister in jedem Fache der Kunst und der Wissenschaft? Wenn nun zuvörderst der einige grösste Meister in einem Fache -- denn es ist doch wohl nicht anzunehmen, dass die Grossen wie Pilze aus der Erde wachsen -- etwas schriebe, wer soll denn diesem sein Urtheil fällen? Wer soll gegenwärtig in der Kunst über Goethe, wer sollte zu seiner Zeit in der Philosophie über Leibnitz, wer sollte, als Kant mit seiner Kritik der reinen Vernunft hervortrat, über Kant urtheilen? Ueber den letzten etwa die Garve, die Eberharde? Nun, sie haben es gethan, und es ist darnach. Diesen Fall aber abgerechnet: sollten denn die grössten Meister die Geneigtheit haben, dieses Richteramt über die Schriften zu übernehmen; sollten sie nicht etwas Besseres thun können, das dem gemeinen Wesen noch erspriesslicher sey? -- Der Lebenslauf jedes wahrhaften Künstlers oder wissenschaftlichen Kopfs ist eine fortgehende Entwickelung seiner eigenen Originalität. Seine Kunst oder seine Wissenschaft erlernt, und auf den Punct sich erhoben, wo das Zeitalter stand, hat er; das versteht sich, und dies ist nun vorbei. Er geht ^seinen^ Gang, entwickelt sich selbst in eigenen Schriften, die er bei der vorausgesetzten Ausbreitung des Buchhandels leicht ins Publicum bringen kann; von den Arbeiten anderer nimmt er Notiz, nur inwiefern sie gerade seinen Gang berühren, und ihm im oder am Wege liegen, und er wird ohne Zweifel in seinen eigenen Werken die nöthige Rücksicht darauf nehmen. Sollte er sich wohl in diesem Kreise unterbrechen lassen, um sich alle Wochen in einen ganz anderen Kreis eines ihm zur Recension zugesandten Buches zu versetzen? Es ist nicht wahrscheinlich. Oder hat etwa das deutsche Publicum bis jetzt in allem Ernste geglaubt, dass es zwei Klassen grosser Gelehrten habe: die eine, deren Namen es kennt, und die die Bücher schreiben; und die zweite, wohl ebenso bedeutende, deren Namen es nicht kennt, und die die Recensionen schreiben? Wer selbst ein Buch schreiben kann, der schreibt ein Buch und keine Recension, und für die Recensionen bleiben ^in der Regel^ nur diejenigen übrig, die kein Buch schreiben können: hinter ihrem Zeitalter zurückgebliebene ^Invaliden^, deren Bücher keinen Absatz, und also keinen Verleger finden, und ^Schüler^, die zwar ein Aufsätzchen in Grösse einer Recension zusammenbringen, aber nicht den Plan eines Buchs entwerfen können. Dafür, meine Leser, dafür ist die Anonymität der Recensenten. Das Publicum würde ein schönes Schauspiel erhalten, wenn die Redactoren der recensirenden Institute plötzlich genöthigt würden, die Verfasser aller seit 5 Jahren erschienenen Recensionen zu nennen. -- ^In der Regel^ ist es so, habe ich gesagt: denn es ist möglich, dass ein wirklicher Schriftsteller etwas in seinen gegenwärtigen Gedankenkreis Fallendes beurtheile, und da er gerade kein Buch unter der Feder hat, in welches diese Beurtheilung passe, sie vorläufig in einem recensirenden Blatte abdrucken lasse. Auf dergleichen Beiträge aber rechnet ganz gewiss kein Redacteur, der seinen Messkatalog herunterrecensiren lassen, und sein Blatt alle Tage voll haben muss: er muss bestellte, pünctliche Arbeiter haben. Oder es dürfte sich, ^da das leidige Vorurtheil für Recensionen einmal in der Welt ist, und vor der Hand wohl nicht leicht auszurotten seyn dürfte^, eine Gesellschaft von Männern, die allerdings selbst Meisterwerke liefern könnten, verbinden, sich selbst zu verläugnen, und auf dem Wege des Recensirens in das Zeitalter einzugreifen. Die Redaction der Erlanger Literaturzeitung leistet in einer neuerlichen Ankündigung Versprechungen dieser Art, und zeigt, dass sie durchaus wisse, worauf es dabei ankomme; so dass sich billigerweise annehmen lässt, sie sey im Besitze des Mittels, diese Versprechungen zu halten, und gründe sich auf eine solche patriotische Verbindung; auch berechtigt der Anfang zu immer grösseren Hoffnungen auf die Zukunft. Diese Zeitung würde sodann eine höchst seltene und höchst ehrenvolle Ausnahme von dem obigen allgemeinen Urtheile machen. Ein ^Invalid^ also, oder ein ^Schüler^ wird in den ^8 oder 14 Tagen^, da er das Buch flüchtig durchläuft, und recensirt, sich über den Autor erheben, der ^Jahre lang^, oder vielmehr, da jede seiner Arbeiten doch immer Resultat seines ganzen Lebenslaufes ist, ^sein ganzes Leben^ an diese Materie ausschliessend verwendete? Es ist nicht wahrscheinlich. Der ^Invalid^ -- mit ihnen sind diejenigen literarischen Institute, die auf Reputation halten, am meisten besetzt, damit sie im Falle der Noth sich mit einem Namen decken können, der vor 20 Jahren galt -- der Invalid wird das Zeitalter, in welchem er etwas bedeutete, in seinen Recensionen zurückzuführen suchen, und alles neue verurtheilen, weil es neu ist. Der ^Schüler^ wird, wenn er noch am unbefangensten ist, auf seinem Richterstuhle herumtappen, und vor den Lesern, die ein Urtheil von ihm erwarten, zu begreifen suchen, worüber er richtet. Seine Recension wird eine seiner Schulübungen werden.[21] [Fußnote 21: Ein Beispiel aus tausenden, um es dem Leser recht vor die Augen zu stellen, in welche Verlegenheiten heutzutage ein ehrlicher Redacteur kommen kann, und wie kläglich sich dieselben oftmals behelfen müssen! Die Jenasche Literaturzeitung fand sich genöthiget, noch ein Ergänzungsblatt, gleichsam einen Beiwagen zu der immer zu stark besetzten ordinären Landkutsche, anzulegen. Es wurde ausdrücklich und namentlich angekündigt, dass dieses Ergänzungsblatt unter anderen auch einen Bericht über die durch die Fichteschen Religionslehren entstandenen Bewegungen enthalten würde. Jeder Leser musste glauben, dass dieser Bericht ein vorzügliches Meisterwerk, und ein wahres Bravourstück des Recensionswesens seyn würde, von dessen Vortrefflichkeit er auf das Ganze schliessen könnte, da es ihm schon im voraus so bedeutend angekündigt wurde; und höchstwahrscheinlich hatte der Herr Hofrath Schütz wirklich auf ein solches Meisterstück Bestellung gemacht und erwartete täglich die Ankunft desselben. Und was hat er erhalten! Zwar so lange der Recensent Gefahr ahnt und deswegen auf seiner Hut ist, zieht er sich listig genug aus dem Handel. Statt irgend eine Eigenthümlichkeit der angefochtenen Lehre anzugeben, sagt er nur kurz: was im Forbergschen Aufsatze richtig sey, sey Kantisch, und auch Fichte's Lehre sey Kantisch, ausser dass der letztere diese Lehre an seine Wissenschaftslehre anzuknüpfen suche. Nun thue ihm einer etwas! Fragt ihr, was denn nun richtig sey in diesen Aufsätzen, so ist die Antwort: das Kantische; und fragt ihr wiederum, was denn das Kantische sey, so ist die Antwort: dasjenige was richtig ist. Dagegen aber fällt ihn sein Unglück da an, wo er keine Gefahr weiter ahnet. Von der Substanz, meint er, habe noch kein Philosoph einen bestimmten Begriff aufgestellt. -- Welcher Philosoph weiss nicht, dass seit Locke eine sehr bestimmte Nominalerklärung der Substanz vorhanden ist: die, dass sie sey ^der Träger der Accidenzen^? Auch würde der Recensent gerade in dieser Wissenschaftslehre, von welcher er zu sagen weiss, dass Fichte sein Religionssystem daran anzuknüpfen suche, eine, wie wir glauben, sehr bestimmte Real- und genetische Erklärung der Substanz gefunden haben; dass sie nemlich sey ^die^ (allein im Denken geschiedenen) ^Accidenzen selbst, in sinnlicher Anschauung zusammen- und als Eins aufgefasst^, wenn er diese Wissenschaftslehre jemals durchblättert hätte: und er hätte sodann den Lesern der ^A. L. Z.^ berichten können, warum Gott, der in sinnlicher Anschauung nicht vorkomme, das Prädicat der Substanz sich nicht beilegen lasse; welches den Lesern zu grosser Erbauung, und der Literaturzeitung zu grossem Ruhme gereicht haben würde. Von diesem allen hat er nichts gethan und nichts gewusst. Man sieht, die Philosophie ist dieses Recensenten Fach nicht. Nun, was ist er denn also, und welches ist sein Fach? Er fürchtet, Fichte möge sich im Ausdrucke vergriffen haben, und geht daran herum, ihm denselben zu verbessern. Man sieht, dass er gewohnt ist, ^exercitia stili^ zu corrigiren. Ein Sprachmeister ist er. Und was für ein Sprachmeister! -- Fichte hat gesagt, dass man Gott das Prädicat der Substanz nicht beilegen könne, und fährt darauf fort: »es ist erlaubt, dieses aufrichtig zu sagen, und das Schulgeschwätz niederzuschlagen, damit die Religion des freudigen Rechtthuns ^sich erhebe^.« Unser Sprachmeister nimmt von diesem letzteren Ausdrucke die Gelegenheit, Fichte dem Verfasser des ^Schreibens eines Vaters etc.^, welcher Verfasser Forberg und Fichte zuerst öffentlich des Atheismus bezüchtigt, -- so ungefähr gleichzustellen (denn dieser Sprachmeister hat zugleich ein sehr gutes Gemüth gegen Fichte, und zeigt es in diesem einzigen Blatte, das die Langweiligkeit des Ganzen uns zugelassen hat, durchzulaufen, auch noch an anderen Stellen), indem auch Fichte, nur freilich etwas feiner, in der Speculation anders Denkende ohne weiteres der Irreligiosität beschuldige, und hier insinuire, dass der Begriff von Gott als Substanz erst niedergeschlagen werden müsse, ehe die wahre Religion stattfinde. Ihm sind sonach ^sich erheben^ (über Hindernisse und Zweifel) und ^entstehen^ Synonyme. Forbergs Benehmen, das er höher oben als petulant, und der Wichtigkeit der Sache nicht angemessen beschreibt, nennt er tiefer unten, um doch auch seine Kenntniss des Französischen zu zeigen, ^niaiserie^. Er mag wohl dieses Wort in seinem Dictionnäre durch ^läppisches Wesen^ übersetzt finden, und es seinen Schülern immer so übersetzt haben, ohne einen Unterschied zu bemerken zwischen einem ^unschicklichen^ Betragen aus Muthwillen (dessen er ohne Zweifel Forberg beschuldigen will) und einem ^ungeschickten^ und täppischen aus Unbeholfenheit, dessen weder er noch irgend jemand Forberg beschuldigen wird, und welches allein doch durch das Wort ^niaiserie^ bezeichnet wird. (^Niais^, höchst wahrscheinlich von ^nidus^, eigentlich, ein junger Vogel, der, noch ehe er fliegen konnte, aus dem Neste genommen worden und dessen Flug daher unbeholfen bleibt.) Der Recensent ist sonach ein verdorbener, heruntergekommener Sprachmeister, der bei dieser Unwissenheit freilich seine Kunden verlieren musste, und nun durch Recensionen an der Literaturzeitung sich seinen Unterhalt zu erwerben sucht. Kein Mensch, und am allerwenigsten der Verfasser, wird glauben, dass ein so berühmter Philolog, als der Herr Hofrath Schütz, diese argen Verstösse nicht bemerkt habe. Aber was konnte er machen? Der Abgang des Beiwagens war angekündigt, die Stunde war da, und kein anderes Gut vorhanden. Er musste eben aufladen, was er hatte.] Und welche verächtliche Leidenschaften werden durch diese ganze Verfassung erregt und genährt! Welcher Eigendünkel bei guten Jünglingen, welche grösstentheils dergleichen Einrichtungen wirklich für das halten, was sie seyn müssten, wenn sie überhaupt seyn sollten! Der Wahl tappender und schielender Redactoren vertrauend, glauben sie vom Tage ihrer Einladung zur Mitgliedschaft einer berühmten Recensentengilde wirklich die Fähigkeiten zu besitzen, die sie in ihrer Unbefangenheit den Recensenten zuschreiben, zürnen auf ihre redlichen Lehrer, welche vielleicht diese Fähigkeiten in ihnen noch nicht bemerken wollten, und ergreifen die Gelegenheit, diesen ihre Uebermacht fühlbar werden zu lassen![22] Welche schöne Aussichten für Literaten aller Art, ihre gelehrte Eifersucht, ihren Neid, ihre Rachsucht gegen jeden, der ihnen irgendwo im Wege gestanden, zu befriedigen, ohne dass jemand wisse, woher die Streiche kommen! Jeder Gedrückte tröstet sich in aller Stille damit: ei, ich will ihm schon einmal in einer Recension eins versetzen; und er hält Wort. -- Welches Schauspiel würde das Publicum auch in dieser Rücksicht erhalten, wenn die Redactoren plötzlich genöthigt würden, die Verfasser der bisher erschienenen Recensionen anzugeben; und die recensirten oder gelegentlich angezapften Schriftsteller hierauf anfingen, Particularia und Personalia zu erzählen! Welch ein ganz eigener Ton, der besonders in den Verantwortungen angefochtener Redactoren und noch stärker in den Antworten der durch die Anonymität gedeckten Recensenten auf Antikritiken, in seiner ganzen Originalität erscheint! Da stösst ein Mann, der im Grunde weder witzig noch hitzig ist, und es sehr gut weiss, dass er unrecht hat, sich bei jedem Athemzuge in die Rippen, um die Langmüthigkeit seiner Natur zum Zorne, zur Grobheit, zur Pöbelhaftigkeit zu reizen; jener lediglich, um sein Blatt beim Publicum, dieser, um sich beim Redacteur, der allein ihn kennt, in Respect zu erhalten. »Ei, die verstehns; die wissen recht einem jeden eins zu versetzen,« soll der Lesepöbel denken. [Fußnote 22: Der Verfasser kann zwar nicht ganz in der beschriebenen, aber doch in einer ähnlichen Weise aus eigener Erfahrung sprechen. Nachdem er ein -- von ihm selbst schon damals dafür erkanntes -- schlechtes Buch geschrieben hatte, dafür in einer berühmten Zeitung mächtig gelobt, und gleich darauf zur Mitarbeit an dieser Zeitung eingeladen wurde -- ei, dachte er, gehört dazu nichts weiter? und hatte einige Freude, und wurde auch wirklich, so lange er selbst in seiner Wissenschaft noch keinen festen Standpunct hatte, zum Ritter an ein paar jungen Schriftstellern, die noch weniger feststanden als er selbst. Seitdem er diesen Standpunct gefunden und bessere Schriften schreiben zu können glaubte, hat er jene Mitgliedschaft aufgegeben. Er kann nicht dafür stehen, dass er nicht einst, wenn er etwa durch Altersschwäche herunterkommen sollte, wieder zu derselben greifen werde, und will für diesen Fall jener berühmten Zeitung, und ihrem berühmten Redacteur, welche ohne Zweifel dann noch fortdauern werden, sich hiermit schon im voraus zu gutem Andenken und zu brüderlicher Schonung empfohlen haben. --] Welch ein abenteuerliches System von Begriffen und Meinungen, das aus dieser Einrichtung hervorgegangen ist! Zuvörderst der Begriff einer ^Kritik^, die ausserhalb der Meister und der Meisterschaft und von ihnen abgesondert wohnen soll! Eine Partei, die die Werke liefert, ohne Kritik; eine andere Partei, die die Kritik besitzt, und sie über die Werke anderer hingiesst, ohne selbst Werke hervorzubringen. Dann der Begriff von einer ^Urtheilsfreiheit der Gelehrten^: d. h. dass es jedem, der einige Perioden deutsch zu schreiben vermag, erlaubt seyn müsse, über alles Geschriebene in den Tag hineinzuschreiben, ob er davon etwas gelernt habe, oder nicht, und dass über sein Geschwätz kein anderer lachen dürfe. Dann die Meinung, dass jedes erscheinende Buch ein ^corpus delicti^ sey, das sogleich vor den Richterstuhl gezogen werden müsse; dass die Bücher eigentlich nur darum geschrieben würden, um recensirt zu werden; und dass die Recensenten weit vornehmere Wesen seyen, als die Schriftsteller; dass nur schlechte Schriftsteller sich gegen die -- Kritik, verstehe die Recensenten, auflehnen, gute aber sich ihr demüthig unterwerfen und sich bessern. -- Armes Publicum, dass du dir dergleichen Dinge aufbinden lassen! Wisse, dass jedes Werk, das da werth war zu erscheinen, sogleich bei seiner Erscheinung gar keinen Richter finden kann; es soll sich erst sein Publicum erziehen, und einen Richterstuhl für sich bilden; es ist eine Lection an dich, gutes Publicum, und kein ^corpus delicti^. Spinoza hat über ein Jahrhundert gelegen, ehe ein treffendes Wort über ihn gesagt wurde; über Leibnitz ist vielleicht das erste treffende Wort noch zu erwarten, über Kant ganz gewiss. Findet ein Buch sogleich bei seiner Erscheinung seinen competenten Richter, so ist dies der treffendste Beweis, dass dieses Buch ebensowohl auch ungeschrieben hätte bleiben können. So mit den ^allgemeinen^ Recensionsanstalten, die auf Universalität der Wissenschaft und auf Mitarbeiter aus allen Provinzen des deutschen Vaterlandes Anspruch machen. Ein wenig unschuldiger sind die kleinen Particular-Recensionsfabriken. Mit diesen will man entweder den Ort, wo sie erscheinen, ehren, und beweisen, dass derselbe auch Gelehrte habe, die ein Wort mitsprechen können. Unseres Erachtens ein sehr mislicher Beweis; es wäre dem Orte mehr Ehre, er hätte viele Gelehrte, die etwas besseres zu thun hätten, als zu recensiren. Oder dergleichen kleine Zeitungen enthalten die Ausreden der vornehmen Herren Professoren an die gelehrten Mitbürger, denen durch alle Mühe, die man sich darum giebt, doch das Lesen auswärtiger Schriftsteller sich nicht ganz verkümmern lässt, warum sie von ihren Kathedern herab nicht ebenso belehrt werden, als es in dieser eingeführten literarischen Contrebande geschieht; auch kräftige Anpreisungen der eigenen Producte dieser vornehmen Professoren. Solche Recensionen zeichnen sich durch die Formeln aus: »Rec. trug dies immer so vor;« oder: »was der Verfasser da sagt, ist zwar wahr, doch aber sind wir auch der Ueberzeugung, dass auch die entgegengesetzte Ansicht, welche der Rec. immer gegeben hat, richtig ist;« oder: »wie kann der Mann nur das rühmen, wovon wir immer gesagt haben, dass es nichts tauge; so er etwas rühmen will, so rühme er unsere Apodiktik.« Das unsterbliche Muster in dieser Art werden immer die Gelehrtenanzeigen der Göttingischen Universität bleiben, deren Lehrer sehr oft mit auswärtigen Schriftstellern in Collision kommen mögen. Sie sind lediglich auf die gelehrten Mitbürger berechnet; und wer sie für mehr hält, auf dessen Kopf falle der Schade! Aber es ist doch so bequem für das grössere Publicum, und selbst für die wirklichen Gelehrten, beim Durchblättern einer einzigen Zeitschrift zu erfahren, was in jedem Fache Neues erschienen, welches der Inhalt desselben sey, und nun zu beurtheilen, ob sie das Buch sich selbst anzuschaffen haben, oder ob sie es entbehren können. -- Ohne Zweifel; und dieser Vortheil soll beibehalten werden; nur die unbefugte Richterei und Urtheilerei soll wegfallen. Wie man Petersilie, Pilze und Bücklinge auf den Strassen ausruft, ebenso sollen auch die Bücher ausgerufen werden; nicht durch die ersten Erzeuger, wie sich versteht, sondern durch die Verkäufer, die Buchhändler. Das Verfahren hierbei ist durch die Natur der Sache bestimmt und ist sehr einfach. Vereinigen sich die deutschen Buchhändler, und übertragen einem aus ihrer Mitte, ebenso wie sie ehemals der Weidmannschen Buchhandlung die Herausgabe des Messkatalogs überliessen, die Herausgabe eines ausführlichen Messkatalogs; -- oder sey dabei auch durchaus freie Concurrenz. Dieser Messkatalog enthalte den Titel des Buches, die Verlagshandlung, den Ladenpreis, einen verhältnissmässigen Auszug des Inhalts, -- wo es hingehört, Proben der Schreibart. Um dergleichen Anzeigen zu verfertigen, bedarf es nur einiger Commis, die da lesen können und schreiben, höchstens auf einer lateinischen Schule bis in Secunda gekommen sind. Man hat ja überdies in einer jeden wohl eingerichteten Druckerei einen Corrector, der ein Literatus ist; dieser sey der Redacteur des Blattes; ihm gebe man mit dem Correcturbogen zugleich das angezeigte Buch mit ein, damit er urtheilen könne, ob der Auszug richtig und zweckmässig ist. Es mag ihm auch verstattet werden, sich als Herausgeber auf dem Titelblatte zu nennen. -- Alles eigenen Urtheils enthalten diese Commis und dieser Corrector sich gänzlich; oder wollen sie ja etwas von ihrem Eigenen hinzuthun, so loben sie ^alle^ Bücher, die sie anzeigen, aus gleich vollen Backen. Sie schreiben im Namen der sämmtlichen Verleger, und es ist sehr natürlich und sehr unschuldig, dass ein Verkäufer seine Waare lobt. Wer dadurch getäuscht wird, der schreibe es lediglich seiner eigenen Unerfahrenheit zu. Mehrere Buchhändler, welche die Fertigkeiten der beschriebenen Commis in sich vereinigen, haben dies schon recht gut angefangen, und es könnte den Verfassern solcher Anzeigen, wie wir sie meinen, keinesweges an Mustern fehlen. ^Zweitens^ habe ich gesagt, die allgemeine deutsche Bibliothek sey verderblich geworden -- durch die Art ihrer Ausführung. Jene Bibliothek wurde nemlich, wie wir jedem, der nicht selbst zu den Seichten gehört, zu finden anmuthen -- sie wurde der Mittelpunct der Seichtigkeit, der Popularität, des leeren Geschwätzes. Eine Philosophie, die hinüber und herüberschwatzte, ohne Regel und feste Bahn, eine Theologie, deren Hauptzweck war, die Bibel so vernünftig zu machen, als diese seichten philosophischen Schwätzer selbst waren, eine Kunstkritik, die auf nichts sah, als auf die Wahrscheinlichkeit der Fabel, und die moralische Erbaulichkeit, eine Gelehrsamkeit, die im Zusammenschleppen seltener Raritäten auf einen confusen Haufen bestand, eine flache breite Schreiberei: dies war von jeher der Geist dieses Werkes. Dieser Geist hat der Cultur der Wissenschaften in unserem Vaterlande unendlich geschadet; er lebt noch und fährt noch fort zu schaden. -- Man irrt sich sehr über den eigentlichen Zweck derer, die Nicolai und seinem Anhange so sehr zuwider sind. Sie wollen nicht gerade diese oder jene Philosophie herrschend machen. Nur den Geist der Seichtigkeit und Popularität möchten sie durch den Geist wahrer Gründlichkeit und Wissenschaftlichkeit verdrängen; -- durch den Geist, der durch die Lessinge, die Jacobi, die Kante, aus der besseren alten Welt durch die Zeit der Ueberschwemmung hindurch in die neue Welt herüber gerettet worden. Sodann mag auch über Philosophie, Aesthetik, Naturlehre etwas ausgemacht werden. Dass, wie ich ^drittens^ gesagt habe, dieses Unternehmen der Bibliothek keinem verderblicher gewesen, als dem Urheber selbst, ist in dieser Schrift zur Genüge erwiesen. Vierte Beilage. (Zum neunten Capitel.) Das im Texte erwähnte Geschwätz über Katholicismus und Kryptokatholicismus ist ein trauriger Beweis, was dem guten deutschen Volke jeder Schwätzer anmuthen kann, wenn er nur kräftig schreit. Möchte es doch auch ein abschreckender Beweis für die Zukunft seyn! Nicolai war und ist eigentlich seines Zeichens ein ausgemachter Berliner ^Badaud^, so sehr er sich auch für einen Weltkenner hält. Es gehört eben mit zum Charakter eines ^Badaud^, dass er sich für einen Weltkenner halte. Ein ^Berliner Badaud^, habe ich gesagt; nicht, als ob man nicht ebensowohl ein Wiener, oder Pariser, oder auch ein Golitzer und Kohlgartenscher ^Badaud^ seyn könnte, oder als ob die Berliner mehr Hang hätten, es zu seyn, als die Bewohner anderer grossen Städte, sondern weil ^der Badaud^, von welchem ich hier rede, nun einmal aus Berlin ist. Ein ^Badaud^ ist nemlich ein Mensch, der, um ganz populär davon zu sprechen, nie hinter seinem Backofen hervorgekommen ist, daher sich einbildet, es müsse allenthalben in der Welt so aussehen, wie hinter seinem Backofen, und, wenn er doch einmal hervorkommt, alles, was er erblickt, maulaufsperrend bewundert. Mein Dictionnäre übersetzt dieses Wort durch ^Maulaffe^. Nicolai's ganze Reise ist die Reise eines solchen Maulaffen. Alles, von den heiligen Bildern an bis zu den geflochtenen Zöpfen der Tübinger Mädchen begafft er voll Verwunderung. Und lediglich aus dieser bewundernden Gafferei des Berliner ^Badaud^ entstand das Geschrei über Katholicismus, und hinterher, da seine Bibliothek angefochten wurde, über Kryptokatholicismus. Was hat man denn durch alles dieses Geschrei der Welt entdeckt, das nicht jeder, der weitergekommen als Nicolai, oder der auch nur die Geschichte und einige Reisebeschreibungen gelesen, oder einige Fremde gesprochen, schon vorher auch gewusst hätte? »Es sey mit der Aufklärung (es war immer nur von der Nicolaischen negativen Aufklärung, der Befreiung von diesem oder jenem Aberglauben, die Rede) der Katholiken noch gar nicht so weit gekommen, als etwa gutmüthige Protestanten glauben dürften.« Ei, wer waren denn diese gutmüthigen Protestanten? Doch wohl nur Nicolai und seine Bibliothekare, welche ^ihr^ Licht in jene Länder verbreitet zu haben hofften. »Es werde in den katholischen Ländern durch die Mönche noch immer der alte Aberglauben aufrechterhalten, auch wohl noch neuer hinzugebracht.« Wer hatte es denn je anders gewusst oder gesagt? »Der Papst nehme seine Behauptungen in der Regel nie zurück; er rechne auch die protestantischen Länder gewissermaassen noch immer unter seinen Sprengel, und suche sie besonders durch Bekehrungen in den deutschen fürstlichen Familien in den Schooss der Kirche zurückzuführen.« Wer hat denn die Geschichte gelesen und dies nicht gewusst; wer hat aber auch nicht gewusst, dass in Absicht der Unterthanen dies nichts fruchtet, und sie sich ihre Religionsprivilegien nur noch fester versichern lassen? Woher denn nun jetzt auf einmal der Lärm, nachdem Friedrich Nicolai auf Reisen ging? War denn alles dies etwas Neues, erst jetzt Entdecktes? Ich könnte nicht sagen; ausser etwa für Nicolai und seines Gleichen. Oder wurden etwa jetzt jene Bemühungen kräftiger und glücklicher? Keinesweges, vielmehr geschah ihnen gerade in diesem Zeitpuncte durch die Unternehmungen Kaiser Josephs des Zweiten grosser Abbruch. Ja; aber die eifrige Verbreitung der geheimen Orden, die Ceremonien in denselben, das Räuchern, Salben, Händeauflegen! Sind dies nicht offenbar katholische Ceremonien? Sieht man da nicht -- so nemlich connectirt Nicolai -- offenbar die Tendenz der Katholiken, die Protestanten an ihre kirchlichen Gebräuche zu gewöhnen, und dadurch u. s. w.? -- Jedes Zeitalter hat sein besonderes Steckenpferd. Das des abgelaufenen Jahrhunderts waren geheime Ordensverbindungen. Es ist aus tausend Gründen begreiflich, dass höhere Grade entstanden, und dass diese durch besondere Ceremonien ausgezeichnet wurden. Warum sollen diese Ceremonien denn gerade katholisch seyn; warum nicht ebensowohl jüdisch und heidnisch? denn von daher sind sie erst in die christliche Kirche gekommen. Kurz, sie sind aus dem Alterthume. -- Hätte Nicolai diesen Lärm erhoben, als der Baron Hund, der in Frankreich wirklich katholisch geworden, sein Tempelherrnsystem einführte, als Stark mit seinem allerdings sonderbaren Klerikate auftrat, so hätte die Sache einigen Anschein für sich gehabt. Aber zu ^der^ Zeit ihn zu erheben, da er ihn erhob, so lange nach dem Mittagsessen mit seinem Senfe zu kommen! Zeige er doch aus diesen Zeiten Ein Beispiel, dass jemand in geheimen Orden zur katholischen Religion gebracht worden! Nicolai ist zwar stets bereit, jedem Gelehrten, der ihm in dieser Sache widerspricht, zu antworten: auf der Studirstube freilich erfahre man so etwas nicht, und durch Schlüsse ^a priori^ lasse es sich nicht herausbringen: das erführen nur Weltleute seiner Art; denn für einen solchen hält er sich, weil er über Wien und München nach Zürich gereist, und mit dem Minister von Wöllner Schach gespielt. Der Verfasser dieses hat über acht Jahre in Ländern, wo Protestanten und Katholiken vermischt sind, gelebt, und ist in ihnen gereist: in der Lausitz, im südlichen Deutschlande, in der Schweiz, in Polen, in Westpreussen. Er ist diese Länder nicht durchflogen, um sie in der Eile zu beschreiben, zu lauern und, wie es Leuten dieser Art geht, zu sehen und sich aufbinden zu lassen, was man gern sehen und hören will; er hat in ihnen gelebt, Geschäfte gehabt, und selbst mitgehandelt, wo man ohne Zweifel besser sieht, als wenn man nur durchreiset; hat Umgang gehabt mit Leuten von allerlei Confessionen und Meinungen, und glaubt seine Augen eben auch offen gehabt zu haben, ob er gleich keine seiner Beobachtungen so neu und so interessant gefunden, um sie dem Publicum vorzulegen. Das Sichtbare, was Nicolai gesehen, hat er eben auch gesehen; aber er hat keine Veranlassung gefunden, darauf die Schlüsse zu bauen, die Nicolai aufbaut. Ebenso ist er mit dem Innern der geheimen Orden vielleicht so gut bekannt, als Nicolai, vielleicht besser. Er würde nie darauf gefallen seyn, ihnen die Wichtigkeit und die Tendenz zuzuschreiben, die Nicolai ihnen zuschreibt. Halte doch Nicolai sich nicht so sehr auf über den Abt Barruel! Die Jacobinerriecherei ist das ächte Gegenstück zur Jesuitenriecherei, und Barruel ist in der erstern ganz dasselbe, was Nicolai in der zweiten war. Fünfte Beilage. (Zum neunten Capitel.) Die A. d. B. war allerdings ein der Religiosität der Nation höchst schädliches Unternehmen. Religiosität ist Tiefe des Sinns, und geht aus ihr hervor; die ganze Tendenz jenes Unternehmens geht auf Oberflächlichkeit; Religion deutet auf das übersinnliche höhere Leben; der ganze Zweck jenes Unternehmens ist unmittelbare Brauchbarkeit und Nützlichkeit für das Gröbste dieses Lebens. Die von dieser Clique haben die Religionsaufklärung und einen Volkslehrer sattsam gelobt, wenn sie erzählt haben, dass die Bauern weniger Processe führen, sich seltener betrinken, und die Stallfütterung eingeführt haben. Doch was soll ich hier noch viel Worte über diesen Gegenstand machen? Jene ^Appellation an das Publicum^ etc., die Nicolai auch so zuwider ist, und von der er glaubt, dass sie nur im Zorne geschrieben seyn könne (der arme Mann!), redet, indem sie von wahren Gottesläugnern, Götzendienern, Dienern eines bösen Weltgeistes spricht, ganz eigentlich von Nicolai und denen, die ihm gleichen. Wem diese nicht bewiesen hat, was hier zu beweisen wäre, für den ist jeder andere Beweis verloren. Noch eine Beilage oder Dreizehntes Capitel. Von den letzten Thaten, dem Tode und der wunderbaren Wiederbelebung unsers Helden. Die Betriebsamkeit gewisser Buchhändler ging in jenen Tagen so weit, dass sie, nachdem beim Nachdrucken nicht genug mehr zu gewinnen war, die Kunst erfanden, Vordrucke zu veranstalten. Auf diese Weise erschien noch bei Nicolai's Lebzeiten ein unrechtmässiger Vordruck der gegenwärtigen Lebensbeschreibung unsers Helden, die wir jetzt in der ersten, einzig rechtmässigen Ausgabe den rechtlichen und gewissenhaften Lesern mitgetheilt haben. Nicolai verwendete gegen diese also erschienene Lebensbeschreibung seine ganze polemische Taktik. Zuerst versuchte er, dieselbe zu ignoriren, und an der Erziehung Fichte's und seiner Genossen so unbefangen, wie bisher, fortzuarbeiten. Als dieses sich nicht thun liess, griff er zum Fache des Erhabenen, verbreitete selbst die Schrift durch seinen Buchhandel, erklärte öffentlich, dass der Spass so übel nicht sey, und dass er selbst bei mehreren Stellen gelacht habe; -- nur hätte, fügte er hinzu, der Autor sich kürzer fassen sollen. Hierauf begab er sich mitten in das Gründliche und Ausführliche hinein; erzählte, zur Widerlegung des Vorgebens, dass er nie eines gelehrten Unterrichts genossen, seine ganze Jugendgeschichte, wie er erst die Buchstaben kennen gelernt, darauf buchstabiren, dann lesen, sodann schreiben; wiederholte alle Lectionen, die er von Jugend auf erhalten, vollständig, legte zum Beweise seiner Wahrhaftigkeit seine Schreibebücher, in einem saubern Holzschnitte nachgestochen, und abgedruckt, und alle seine ^exercitia stili^ bei. Dies gab 4 Alphabete; Format und Druck, wie in den Beilagen zu seinen Reisen. Er setzte hierauf sein wahres Verhältniss mit Lessing durch ausführlichere und deutlichere Noten zu dem schon gedruckten Briefwechsel, und durch die Erzählung aller »Discurse,« die er in seinem Leben mit jenem geführt, auseinander; ebenso bewies er durch die vollständige und ausführliche Aufführung aller Discurse, die er mit Moses Mendelssohn geführt, dass derselbe keinesweges ein Mann von eingeschränkten Begriffen und Zwecken gewesen. Dies gab abermals 4 Alphabete, in besagtem Format und Druck. Er erzählte ferner alle die Gedanken, die er so bei sich geführt, als er mit der Stiftung der allgemeinen deutschen Bibliothek umgegangen; erzählte die pragmatische Geschichte jeder in dieser Bibliothek befindlichen Recension, so wie jeder seiner eignen Schriften; brachte, um zu beweisen, wie er ehedessen geschätzt worden sey, alle Briefe der Gelehrten an ihn bei; bewies nochmals, noch einleuchtender als ehemals, die für den Kryptokatholicismus beigebrachten Facta; zählte, um zu zeigen, dass er kein Badaud und Tölpel, sondern ein Mann von Welt und Lebensart sey, alle königliche und fürstliche Personen, Minister, Generale, Gesandte u. s. w. auf, die er in seinem Leben gesehen, und mit ihnen gesprochen, erzählte, was er mit ihnen gesprochen, bei ihnen gegessen und getrunken, welche witzige Einfälle er gehabt, legte alle die Schachpartien vor, die er in seinem Leben mit hohen Personen gespielt: -- und wir müssten die Geduld haben, die er hatte, oder die Inhaltsanzeige seines Werks nachdrucken lassen, um vollständig zu verzeichnen, was er alles beibrachte. Das Ganze belief sich auf 16 Alphabete, in besagtem Format und Druck, und war um einen äusserst civilen Preis in seiner Handlung zu haben. Kein Mensch las oder kaufte diese 16 Alphabete. Unser Held stutzte; aber bescheiden, wie er immer gewesen, sahe er bald ein, wo der Fehler läge, und war aufrichtig genug gegen sich selbst, sich denselben zu gestehen. Er fand, dass er noch nicht deutlich, ausführlich, kräftig, lebhaft und witzig genug geschrieben habe. Er verfasste daher 32 Alphabete in demselben Format, um auf die ersten 16 aufmerksam zu machen; erläuterte, ergänzte, verstärkte, und brachte noch weit mehr Spässe an. Diese 32 Alphabete waren um einen noch civilern Preis in seiner Buchhandlung zu haben; aber kein Mensch kaufte oder las diese 32 Alphabete, ebensowenig, als die sechszehn. »^Noch^ nicht deutlich genug! sagte er bei sich selbst. Das sind die fatalen Geschäfte, die einem alle Zeit rauben. Aber ich will mich endlich frei machen.« So übergab er seine Handlung und die Redaction seiner geliebten allgemeinen Bibliothek in treue Verwaltung, zog auf das Land, schloss sich ein, und dictirte unablässig Tag und Nacht fort einem Dutzend Schreibern. Aber auch die nunmehrige Deutlichkeit und Vollständigkeit genügte ihm nicht, und sein Stündlein überfiel ihn, ehe er vollendet hatte und mit sich selbst zufrieden war.[23] Sein alter Freund hatte die Besorgung der Verlassenschaft übernommen. Gern hätte er den schriftstellerischen Nachlass des Vollendeten durch den Druck der Welt mitgetheilt; aber es fand sich, dass das Unternehmen einiger Tausende von starken Bänden die Kräfte des Zeitalters übersteige, er beschloss daher auf einem ganz andern Wege diesen kostbaren Nachlass aufzulösen, den Geist desselben zu entbinden und in das Universum hineinströmen zu lassen. [Fußnote 23: Es findet sich hier ein Dissensus der Geschichtschreiber. Einige sagen, dass auch das gegenwärtige dreizehnte Capitel in dem erwähnten diebischen Vordrucke mit abgedruckt gewesen, Nicolai daher unmöglich habe thun können, wovon ihm vorhergesagt worden, dass er es thun werde. Er habe bloss kurz gesagt: der zukünftige Verfasser dieser vorgedruckten Schrift müsse sehr eitel und einbildisch seyn, um zu glauben, dass man gegen seine leidenschaftliche und schmutzige Broschüre sich ernsthaft vertheidigen werde; so etwas übergehe ein Ehrenmann, wie er sey, mit stillschweigender Verachtung. -- Die 48 Alphabete, das unablässige Dictiren und der Tod, welches alles an sich wohl guten Grund habe, habe sich auf eine andere Veranlassung begeben. Ein anderer Theil der Geschichtschreiber berichtet, dass entweder das gegenwärtige dreizehnte Capitel nicht mit vorgedruckt worden, oder dass Nicolai doch gethan, was er nicht lassen können, unerachtet man es ihm vorausgesagt, und dass alles sich durchaus so zugetragen habe, wie wir es oben erzählen. Hieraus ersieht sonach der geliebte Leser, dass das letztere die allein wahre und richtige Meinung ist; und wir wollen keinem rathen, das Gegentheil anzunehmen, widrigenfalls es ihm in der nächsten Recension, die wir verfertigen, übel ergehen soll. Der erste einzig wahre Verfasser dieser Lebensbeschreibung im Jahre 1840 -- zugleich Recensent an der weltberühmten allgemeinen Literaturzeitung.] Es wurde auf seinen Befehl unter freiem Himmel folgendes Denkmal errichtet. Man gab den hinterlassenen Handschriften die Form eines ruhenden Kolossen, dessen äussere Gestalt und Bildung dem Seligen so nahe kam, als möglich. Zur Unterlage diente ihm die allgemeine deutsche Bibliothek, zum Kopfkissen die alte und neue Berliner Monatsschrift, die Backenseiten waren durch die neuern Hefte der Jenaischen Literaturzeitung unterstützt. Der alte Freund hatte von allen Parteien einige zur Einweihung des Denkmals eingeladen, damit sie unter der Beschattung desselben sich brüderlich vereinigen möchten. Da standen, durch das gemeinschaftliche Leid endlich verträglich gemacht, und insgesammt Ein Herz und Eine Seele, Reinhard und Zöllner, Gedike, die beiden Schlegel, Biester, Tieck, Jacobi, der Hofrath Schütz, Reinhold, die Jesuiten, die Bibliothekare, und die Grossen alle. Durch eine wunderbare Fügung hatten Fichte und Schelling, die unter den Eingeladenen sich befanden, und mit den Rücken an das papierne Denkmal sich angelehnt hatten, sich gerade,[24] »jener mit Hasenbraten, dieser mit einer wilden Schweinskeule ^allzuvoll gestopft^, -- wie denn dies dem ernsthaftesten Philosophen unvermerkt begegnen kann -- und der eine konnte nun schlechterdings nicht, er mochte sich anstrengen, wie er wollte, an der Bestimmung des Menschen, noch der andere an der Deduction der Kategorien der Physik weiter fortarbeiten, sondern sie mussten endlich die Feder wegwerfen und zum Rhabarber greifen.« -- -- -- -- [Fußnote 24: Das Folgende sind Herrn Nicolai's eigne Worte, S. 174. f. der angeführten Anzeige; und selbst diese Citation geschieht in Nicolai's eignen Worten.] * * * * * O, nie genug zu beweinender Schade! Gerade von dieser Stelle an, wo man nun das Interessanteste erwartet, ist unsre Handschrift so zerfressen, dass wir mit aller Conjecturalkritik keinen Sinn herausbringen können, und uns durchaus ausser Stand befinden, anzugeben, was es mit der in der Aufschrift gemeldeten Wiederbelebung unsers Helden für eine Bewandtniss gehabt, durch welches wunderbare Mittel sie erfolgt, und ob es der eigentliche wahre fleischliche Leib desselben, oder der beschriebne papierne gewesen, in welchen die Seele zurückgekehrt. So viel wird uns aus einigen übriggebliebenen Sylben wahrscheinlich, dass alle die genannten, und noch mehrere an dem Wunder Antheil gehabt; und nach manchen ganz unleserlichen Seiten bringen wir gegen das Ende der Schrift noch folgendes heraus: -- »vordere Mund, den der Freund so inbrünstig küsste. -- Indessen dehnten und reckten sich die zwei fest umschlungenen Heroen aus über das ganze Land, die Umrisse ihrer Glieder verschwanden, so wie sie selbst, und es blieb an ihrer Stelle nur eine lieblich dämmernde Aufklärung übrig. Alle Umste« -- -- Von da an ist das Manuscript wieder völlig zerfressen und unleserlich. Es wäre gewiss eine interessante Untersuchung anzustellen, wie dieses kostbare Ueberbleibsel des Alterthums in einen solchen Zustand gekommen, und wir muntern alle unsere jungen Kritikbeflissenen auf, an dieser Untersuchung ihre Kräfte zu üben. Zwar behauptet ein grosser Gelehrter, dessen wir mit hoher Ehrerbietung erwähnen, dass diese Handschrift von den berühmten Blutigeln, welche Friedrich Nicolai von aller Geisteserscheinung auf immer geheilt, so zerfressen worden: eine höchst scharfsinnige Muthmaassung. Jederman aber sieht ein, dass dieselbe ungereimt ist; denn die Blutigel fressen kein Papier. Indessen gebe ich dem Leser mein Wort, dass ich dieses Capitel aus Handschriften sicher wiederherstellen, und es zu seiner Zeit durch den Druck bekannt machen werde. Ich schlage dafür den Weg der Pränumeration ein. Liebhaber haben die Güte sich im Comptoir der Allgemeinen Literaturzeitung zu melden. Der erste wahre Autor dieser Lebensbeschreibung im Jahre 1840. Inhalt Seite Einleitung 4 Erstes Capitel. Höchster Grundsatz, von welchem alle 10 Geistesoperationen unsers Helden ausgegangen sind Zweites Capitel. Wie unser Held zu diesem sonderbaren höchsten 11 Grundsatze gekommen seyn möge Drittes Capitel. Wie im allgemeinen dieser höchste Grundsatz 18 im Leben unsers Helden sich geäussert habe Viertes Capitel. Worauf es, zufolge dieses höchsten 21 Grundsatzes, unserm Helden bei allen seinen Disputen angekommen sey Fünftes Capitel. Wirkliche Disputirmethode unsers Helden, aus 23 diesem höchsten Grundsatze Sechstes Capitel. Eine der allersonderbarsten Meinungen unsers 26 Helden, zufolge jenes höchsten Grundsatzes Siebentes Capitel. Eine andere fast noch unglaublichere 32 Meinung unsers Helden von sich selbst, zufolge jenes höchsten Grundsatzes Achtes Capitel. Sonderbare Begriffe unsers Helden über seine 36 und seiner Gegner gegenseitige Rechte, aus jenem höchsten Grundsatze Neuntes Capitel. Wie unser Held, zufolge seines höchsten 40 Grundsatzes, sich zu nehmen gepflegt, wenn derselbe angefochten worden Zehntes Capitel. Ein Grundzug des Geistescharakters unsers 49 Helden, der aus jenem höchsten Grundsatze natürlich folgte Eilftes Capitel. Ein paar andere Grundzüge, welche aus dem 51 ersten Grundzuge und höchsten Grundsatze unsers Helden erfolgt sind Zwölftes Capitel. Wie es zugegangen, dass unser Held unter 59 allen diesen Umständen dennoch einigen Einfluss auf sein Zeitalter gehabt Beilagen 61 Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt. Geschrieben im Jahre 1807 von Johann Gottlieb Fichte. Erste Ausgabe: Stuttgart und Tübingen, in der Cottaschen Buchhandlung. 1817. Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, die in gehöriger Verbindung mit einer Akademie der Wissenschaften stehe. Erster Abschnitt. Begriff einer durch die Zeitbedürfnisse geforderten höheren Lehranstalt überhaupt. §. 1. Als die Universitäten zuerst entstanden, war das wissenschaftliche Gebäude der neueren Welt grossentheils noch erst zu errichten. ^Bücher^ gab es überhaupt nicht viel; die ^wenigen^, die es gab, waren selten, und schwer zu erhalten; und wer etwas Neues mitzutheilen hatte, kam zunächst in Versuchung, es auf dem schwierigeren Wege der Schriftstellerei zu thun. So wurde die ^mündliche Fortpflanzung^ das allgemein brauchbarste Mittel zu der Erbauung, der Aufrechterhaltung und der Bereicherung des wissenschaftlichen Gebäudes, und die Universitäten wurden der Ersatz der nicht vorhandenen oder seltenen Bücher. §. 2. Auch nachdem durch Erfindung der Buchdruckerkunst die Bücher höchst gemein worden, und die Ausbreitung des Buchhandels jedwedem es sogar weit leichter gemacht hat, durch Schriften sich mitzutheilen, als durch mündliche Lehrvorträge; nachdem es keinen Zweig der Wissenschaft mehr giebt, über welchen nicht sogar ein Ueberfluss von Büchern vorhanden sey, hält man dennoch noch immer sich für verbunden, durch Universitäten dieses gesammte Buchwesen der Welt ^noch einmal zu setzen^, und ebendasselbe, was schon ^gedruckt^ vor jedermans Augen liegt, auch noch durch Professoren ^recitiren^ zu lassen. Da auf diese Weise dasselbe Eine in zwei verschiedenen Formen vorhanden ist, so ermangelt die Trägheit nicht, sowohl den ^mündlichen^ Unterricht zu versäumen, indem sie ja dasselbe irgend einmal auch aus dem Buche werde lernen können, als den durch ^Bücher^ zu vernachlässigen, indem sie dasselbige ja auch ^hören^ könne, wodurch es denn dahin gekommen, dass, wenige Ausnahmen abgerechnet, gar nichts mehr gelernt worden, als was durch das Ohngefähr auf einem der beiden Wege an uns hängen geblieben, sonach überhaupt nichts im Ganzen, sondern nur abgerissene Bruchstücke; zuletzt hat es sich zugetragen, dass die Wissenschaft, -- als etwas nach Belieben immerfort auf die leichteste Weise an sich zu bringendes, bei der Menge der Halbgelehrten, die auf diese Weise entstanden, in tiefe Verachtung gerathen. Nun ist von den genannten zwei Mitteln der Belehrung das eigene Studiren der Bücher sogar das vorzüglichere, indem das Buch der frei zu richtenden Aufmerksamkeit Stand hält, und das, wobei diese sich zerstreute, noch einmal ^gelesen^, das aber, was man nicht sogleich versteht, bis zum erfolgten Verständnisse hin und her überlegt werden, auch die Lectüre nach Belieben fortgesetzt werden kann, so lange man Kraft fühlt, oder abgebrochen werden, wo diese uns verlässt; dagegen in der Regel der Professor seine Stunde lang seinen Spruch fortredet, ohne zu achten, ob irgend jemand ihm folge, ihn abbricht, da wo die Stunde schlägt, und ihn nicht eher wieder anknüpft, als bis abermals seine Stunde geschlagen. Es wird durch diese Lage des Schülers, in der es ihm unmöglich ist, in den Fluss der Rede seines Lehrers auf irgend eine Weise einzugreifen und ihn nach seinem Bedürfnisse zum Stehen zu bringen, das leidende Hingeben als Regel eingeführt, der Trieb der eigenen Thätigkeit vernichtet, und so dem Jünglinge sogar die Möglichkeit genommen, des zweiten Mittels der Belehrung, der Bücher, mit freithätiger Aufmerksamkeit sich zu bedienen. Und so sind wir denn, um von der Kostspieligkeit dieser Einrichtung für das gemeine und das Privatwesen, und von der dadurch bewirkten Verwilderung der Sitten hier zu schweigen, durch die Beibehaltung des ^Nothmittels^, nachdem die Noth längst aufgehoben, auch noch für den Gebrauch des ^wahren und besseren Mittels^ verdorben worden. §. 3. Um nicht ungerecht, zugleich auch oberflächlich zu seyn, müssen wir jedoch hinzusetzen, dass die neueren Universitäten ^mehr^ oder ^weniger^ ausser dieser blossen ^Wiederholung^ des vorhandenen Buchinhalts noch einen anderen edleren Bestandtheil gehabt haben, nemlich das Princip der Verbesserung dieses Buchinhalts. Es gab selbstthätige Geister, welche in irgend einem Fache des Wissens durch den ihnen wohlbekannten Bücherinhalt nicht befriedigt wurden, ohne doch das Befriedigende hierin sogleich bei der Hand zu haben, und es in einem neuen und besseren Buche, als die bisherigen waren, niederlegen zu können. Diese theilten ihr Ringen nach dem Vollkommneren vorläufig mündlich mit, um entweder in dieser Wechselwirkung mit anderen in sich selber bis zu dem beabsichtigten Buche klar zu werden, oder, falls auch sie selbst in diesem Streben von geistiger Kraft oder dem Leben verlassen würden, Stellvertreter hinter sich zu lassen, welche das beabsichtigte Buch, oder auch statt desselben, und aus diesen Prämissen, ein noch besseres hinstellten. Aber selbst in Absicht dieses Bestandtheiles lässt sich nicht läugnen, dass er von jeher der bei weitem kleinere auf allen Universitäten gewesen, dass keine Verwaltung ein Mittel in den Händen gehabt, auch nur überhaupt den Besitz eines solchen Bestandtheiles sich zu garantiren, oder auch nur deutlich zu wissen, ob sie ihn habe, oder nicht, und dass selbst dieser kleine Bestandtheil, wenn er durch gutes Glück irgendwo vorhanden gewesen, selten mit einiger klaren Erkenntniss seines Strebens und der Regeln, nach denen er zu verfahren hätte, gewirkt und gewaltet. §. 4. Eine solche zunächst überflüssige, sodann in ihren Folgen auch schädliche Wiederholung desselben, was in einer anderen Form weit besser da ist, soll nun gar nicht existiren; es müssten daher die Universitäten, wenn sie nichts Anderes zu seyn vermöchten, sofort abgeschafft, und die Lehrbedürftigen an das Studium der vorhandenen Schriften gewiesen werden. Auch könnte es diesen Instituten zu keinem Schutze gereichen, dass sie den soeben berührten edleren Bestandtheil für sich anführten, indem in keinem bestimmten Falle (auf keiner gegebenen Universität) dieser edlere Theil Rechenschaft von sich zu geben, noch sein Daseyn zu beweisen, noch die Fortdauer desselben zu garantiren vermag; und sogar, wenn dies nicht so wäre, doch immer der schlechtere Theil, die blosse Wiederholung des Buchwesens, weggeworfen werden müsste. Sowie Alles, was auf das Recht der Existenz Anspruch macht, ^seyn^ und ^leisten^ muss, was ^nichts^ ausser ihm zu seyn und zu leisten vermag, zugleich sein Beharren in diesem seinem Wesen, und seine unvergängliche Fortdauer verbürgend: so muss dies auch die Universität, oder wie wir vorläufig im antiken Sinne des Wortes sagen wollen, die ^Akademie^, oder sie muss vergehen. §. 5. Was, im Sinne dieser höheren Anforderung an ihre Existenz, die Akademie seyn könne, und, falls sie seyn soll, seyn müsse, geht sogleich hervor, wenn man die Beziehung der Wissenschaft auf das wirkliche Leben betrachtet. Man studirt ja nicht, um lebenslänglich und stets dem Examen bereit das Erlernte in Worten wieder von sich zu geben, sondern um dasselbe auf die vorkommenden Fälle des Lebens anzuwenden, und so es in ^Werke^ zu verwandeln; es nicht bloss zu wiederholen, sondern etwas Anderes daraus und damit zu machen: es ist demnach auch hier letzter Zweck keinesweges das Wissen, sondern vielmehr die Kunst, das Wissen zu gebrauchen. Nun setzt diese Kunst der Anwendung der Wissenschaft im Leben noch andere der Akademie fremde Bestandtheile voraus, Kenntniss des Lebens nemlich und Uebung der Beurtheilungsfähigkeit der Fälle der Anwendung, und es ist demnach von ihr zunächst nicht die Rede. Wohl aber gehört hierher die Frage, auf welche Weise man denn die Wissenschaft selbst so zum freien und auf unendliche Weise zu gestaltenden Eigenthume und Werkzeuge erhalte, dass eine fertige Anwendung derselben auf das, freilich auf anderem Wege zu erkennende, Leben möglich werde? Offenbar geschieht dies nur dadurch, dass man jene Wissenschaft gleich anfangs mit klarem und freiem Bewusstseyn erhalte. Man verstehe uns also. Es macht sich vieles von selbst in unserem Geiste, und legt sich demselben gleichsam an durch einen blinden und uns selber verborgen bleibenden Mechanismus. Was also entstanden, ist nicht mit klarem und freiem Bewusstseyn durchdrungen, es ist auch nicht unser sicheres und stets wieder herbeizurufendes Eigenthum, sondern es kommt wieder oder verschwindet nach den Gesetzen desselben verborgenen Mechanismus, nach welchem es sich erst in uns anlegte. Was wir hingegen mit dem Bewusstseyn, ^dass^ wir es thätig erlernen, und dem Bewusstseyn der ^Regeln^ dieser erlernenden Thätigkeit, auffassen: das wird, zufolge dieser eigenen Thätigkeit und des Bewusstseyns ihrer Regeln, ein eigenthümlicher Bestandtheil unserer Persönlichkeit, und unseres frei und beliebig zu entwickelnden Lebens. Die freie Thätigkeit des Auffassens heisst Verstand. Bei dem zuerst erwähnten mechanischen Erlernen wird der Verstand gar nicht angewendet, sondern es waltet allein die blinde Natur. Wenn jene Thätigkeit des Verstandes und die bestimmten Weisen, wie dieselbe verfährt, um etwas aufzufassen, ^wiederum zu klarem Bewusstseyn erhoben^ werden, so wird dadurch entstehen eine besonnene Kunst des Verstandesgebrauches im Erlernen. Eine kunstmässige Entwickelung jenes Bewusstseyns der Weise des Erlernens -- im Erlernen irgend eines Gegebenen -- würde somit, unbeschadet des jetzt aufgegebenen Lernens, zunächst nicht auf das Lernen, sondern auf die Bildung des Vermögens zum Lernen ausgehen. Unbeschadet des jetzt aufgegebenen Lernens, habe ich gesagt, vielmehr zu seinem grossen Vortheile; denn man weiss gründlich und unvergesslich nur das, wovon man weiss, wie man dazu gelangt ist. Sodann wird, indem nicht bloss das zuerst Gegebene gelernt, sondern an ihm zugleich die Kunst des Erlernens überhaupt gelernt und geübt wird, die ^Fertigkeit^ entwickelt, ins Unendliche fort nach Belieben leicht und sicher alles Andere zu lernen; und es entstehen ^Künstler^ im Lernen. Endlich wird dadurch alles Erlernte oder zu Erlernende ein sicheres Eigenthum des Menschen, womit er nach Belieben schalten könne, und es ist somit die erste und ausschliessende Bedingung des praktischen Kunstgebrauches der Wissenschaft im Leben herbeigeführt und erfüllet. Eine Anstalt, in welcher mit Besonnenheit und nach Regeln das beschriebene Bewusstseyn entwickelt, und die dabei beabsichtigte Kunst geübt würde, wäre, was folgende Benennung ausspricht: ^eine Schule der Kunst des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches^. Ohnerachtet auf den bisherigen Universitäten von ohngefähr zuweilen geistreiche Männer aufgetreten, die im Geiste des obigen Begriffes in einem besonderen Fache des Wissens Schüler gezogen, so hat doch sehr viel gefehlt, dass die Realisirung dieses Begriffes im Allgemeinen mit Sicherheit, Festigkeit und nach unfehlbaren Gesetzen auch nur deutlich gedacht und vorgeschlagen, geschweige denn, dass sie irgendwo ausgeführt worden. Dadurch aber ist die Erhaltung und Steigerung der wissenschaftlichen Bildung im Menschengeschlechte dem guten Glücke und blinden Zufalle preisgegeben gewesen, aus dessen Händen sie unter die Aufsicht des klaren Bewusstseyns lediglich durch die Darstellung des erwähnten Begriffes gebracht werden könnte. Und so ist es die Ausführung dieses Begriffes, die in Beziehung auf das wissenschaftliche Wesen in dem Abfluss der Zeit dermalen an der Tagesordnung ist, und die sogar in ihrer Existenz angegriffene Akademie würde wohlthun, diese Ausführung zu übernehmen, da das, was sie bis jetzt gewesen, gar nicht länger das Recht hat, dazuseyn. §. 6. Aber sogar dieses Anspruches alleinigen und ausschliessenden Besitz wird etwas Anderes der Akademie streitig machen, die niedere Gelehrtenschule nemlich. Diese, vielleicht selbst erst bei dieser Gelegenheit über ihr wahres Wesen klar geworden, wird anführen, dass sie, bis auf die Zeiten der neueren verseichtenden Pädagogik, weit besser und vorzüglicher eine solche Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches gewesen, denn irgend eine Universität. Somit wird die Akademie zuvörderst mit dieser niederen Gelehrtenschule eine Grenzberichtigung treffen müssen. Diese Grenzberichtigung wird ohne Zweifel zur Zufriedenheit beider Theile dahin zu Stande kommen, dass der niederen Schule die Kunstübung des allgemeinen Instrumentes aller Verständigung, der Sprache, und von dem wissenschaftlichen Gebäude das allgemeine Gerüst und Geripp des vorhandenen Stoffes, ohne Kritik, anheimfalle; dagegen die höhere Gelehrtenschule die Kunst der Kritik, des Sichtens des Wahren vom Falschen, des Nützlichen vom Unnützen, und das Unterordnen des minder Wichtigen unter das Wichtige, zum ausschliessenden Eigenthum erhalte; somit die erste: Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches, als blossen Auffassungsvermögens oder Gedächtnisses, die letzte: Kunstschule des Verstandesgebrauches, als Beurtheilungsvermögens, würde. §. 7. Kunstfertigkeit kann nur also gebildet werden, dass der Lehrling nach einem bestimmten Plane des Lehrers unter desselben Augen selber arbeite, und die Kunst, in der er Meister werden soll, auf ihren verschiedenen Stufen von ihren ersten Anfängen an bis zur Meisterschaft, ohne Ueberspringen regelmässig fortschreitend, ausübe. Bei unserer Aufgabe ist es die Kunst wissenschaftlichen Verstandesgebrauches, welche geübt werden soll. Der Lehrer giebt nur den Stoff und regt an die Thätigkeit; diesen Stoff bearbeite der Lehrling selbst; der Lehrer muss aber in der Lage bleiben, zusehen zu können, ob und wie der Lehrling diesen Stoff bearbeite, damit er aus dieser Art der Bearbeitung ermesse, auf welcher Stufe der Fertigkeit jener stehe, und auf diese den neuen Stoff, den er geben wird, berechnen könne. Nicht bloss der Lehrer, sondern auch der Schüler muss fortdauernd sich äussern und mittheilen, so dass ihr gegenseitiges Lehrverhältniss werde eine fortlaufende Unterredung, in welcher jedes Wort des Lehrers sey Beantwortung einer durch das unmittelbar Vorhergegangene aufgeworfenen Frage des Lehrlings, und Vorlegung einer neuen Frage des Lehrers an diesen, die er durch seine nächstfolgende Aeusserung beantworte; und so der Lehrer seine Rede nicht richte an ein ihm völlig unbekanntes Subject, sondern an ein solches, das sich ihm immerfort bis zur völligen Durchschauung enthüllt; dass er wahrnehme dessen unmittelbares Bedürfniss, verweilend und in anderen und wieder anderen Formen sich aussprechend, wo der Lehrling ihn nicht gefasst hat, ohne Verzug zum nächsten Gliede schreitend, wenn dieser ihn gefasst hat; wodurch denn der wissenschaftliche Unterricht aus der Form einfach fortfliessender Rede, die er im Buchwesen auch hat, sich verwandelt in die dialogische Form, und eine wahrhafte Akademie im Sinne der Sokratischen Schule, an welche zu erinnern wir gerade dieses Wortes uns bedienen wollten, errichtet werde. §. 8. Der Lehrer muss ein ihm immer bekannt bleibendes festes und bestimmtes Subject im Auge behalten, sagten wir. Falls nun, wie zu erwarten, dieses Subject nicht zugleich auch aus Einem Individuum, sondern aus mehreren bestände, so müssen, da das Subject des Lehrers Eins und ein bestimmtes seyn muss, diese Individuen selber zu einer geistigen Einheit und zu einem bestimmten organischen Lehrlingskörper zusammenschmelzen. Sie müssen darum auch unter sich in fortgesetzter Mittheilung und in einem wissenschaftlichen Wechselleben verbleiben, in welchem jeder allen die Wissenschaft von derjenigen Seite zeige, von welcher er, als Individuum, sie erfasst, der leichtere Kopf dem schwerfälligeren etwas von seiner Schnelligkeit, und der letzte dem ersten etwas von seiner ruhigen Schwerkraft abtrete. §. 9. Um unsern Grundbegriff durch weitere Auseinandersetzung noch anschaulicher zu machen: -- Der Stoff, welchen der Meister dem Zöglinge seiner Kunst giebt, sind theils seine eigenen Lehrvorträge, theils gedruckte Bücher, deren geordnetes und kunstmässiges Studium er ihm aufgiebt; indem in Absicht des letzteren es ja ein Haupttheil der wissenschaftlichen Kunst ist, durch den Gebrauch von Büchern sich belehren zu können, und es sonach eine Anführung auch zu dieser Kunst geben muss; sodann aber auf einer solchen Akademie der bei weitem grösste Theil des wissenschaftlichen Stoffes aus Büchern wird erlernt werden müssen, wie dies an seinem Orte sich finden wird. Die Weisen aber, wie der Meister seinem Lehrlinge sich enthüllt, sind folgende: ^Examina^, nicht jedoch im Geiste des Wissens, sondern in dem der Kunst. In diesem letztern Geiste ist jede Frage des Examinators, wodurch das Wiedergeben dessen, was der Lehrling gehört oder gelesen hat, als Antwort begehrt wird, ungeschickt und zweckwidrig. Vielmehr muss die Frage das Erlernte zur Prämisse machen, und eine Anwendung dieser Prämisse in irgend einer Folgerung als Antwort begehren. ^Conversatoria^, in denen der Lehrling fragt, und der Meister zurückfragt über die Frage, und so ein expresser Sokratischer Dialog entstehe, innerhalb des unsichtbar immer fortgehenden Dialogs des ganzen akademischen Lebens. ^Durch schriftliche Ausarbeitungen zu lösende _Aufgaben_ an den Lehrling^, immer im Geiste der Kunst, und also, dass nicht das Gelernte wiedergegeben, sondern etwas Anderes damit und daraus gemacht werden solle, also, dass erhelle, ob und inwieweit der Lehrling jenes zu seinem Eigenthum und zu seinem Werkzeuge für allerlei Gebrauch bekommen habe. Der natürliche Erfinder solcher Aufgaben ist zwar der Meister; es soll aber auch der geübtere Lehrling aufgefordert werden, dergleichen sich auszusinnen, und sie für sich oder für andere in Vorschlag zu bringen. -- Es wird durch diese schriftlichen Ausarbeitungen zugleich die Kunst des schriftlichen Vortrages eines wissenschaftlichen Stoffes geübt, und es soll darum der Meister in der Beurtheilung auch über die Ordnung, die Bestimmtheit und die sinnliche Klarheit der Darstellung sich äussern.[25] §. 10. Vom Lehrlinge einer solchen Anstalt. Die äussern Bedingungen, wodurch derselbe theils zu Stande kommt, theils in seinem Zustande verharrt, sind die folgenden: 1) ^Gehörige Vorbereitung auf der niederen Gelehrtenschule für die höhere.^ Welche Leistungen für die Bildung des Kopfs zur Wissenschaft der niederen Schule anzumuthen sind, haben wir schon oben (§. 6.) ersehen. Dies muss nun, wenn die höhere Schule mit sicherm Schritt einhergehen soll, von der niedern nicht wie bisher, wie gutes Glück und Ohngefähr es geben, sondern nach einem festen Plane, und so, dass man immer wisse, was gelungen sey und was nicht, geschehen. Die Verbesserung der höheren Lehranstalten setzt sonach die der niedern nothwendig voraus, wiewohl wiederum auch umgekehrt eine gründliche Verbesserung der letzten nur durch die Verbesserung der ersten, und indem auf ihnen die Lehrer der niedern Schule die ihnen jetzt grossentheils abgehende Kunst des Lehrens erlernen, möglich wird; dass daher schon hier erhellet, dass wir nicht mit Einem Schlage das Vollkommene werden hinstellen können, sondern uns demselben nur allmählig und in mancherlei Vorschritten werden annähern müssen. [Fußnote 25: Es dürfte vielleicht nicht überflüssig seyn, der Erwähnung solcher Aufgaben noch ausdrücklich die Bemerkung hinzuzufügen, dass nicht bloss in dem apriorischen Theile der Wissenschaft, sondern auch in ganz empirischen Scienzen solche, die Selbstthätigkeit des Auffassens erkundende, Aufgaben möglich seyen. In der Philologie, der Theologie u. s. w. ist ja wohlbekannt, dass diese Fächer der eignen Combinationsgabe und Conjecturalkritik ein fast unermessliches Feld darbieten, wobei, gesetzt auch die Ausbeute wäre nicht von Bedeutung, dennoch die Selbstthätigkeit des Geistes geübt und documentirt wird. Aber auch der Lehrer der Universalgeschichte könnte, meines Erachtens, ein nicht wirklich eingetretenes Ereigniss fingiren, mit der Aufgabe an sein Auditorium, zu zeigen, was bei diesem oder diesem von ihnen erlernten Zustande der Welt daraus am wahrscheinlichsten erfolgt seyn würde; oder der des römischen Rechts irgend einen Fall, mit der Aufgabe an sein Auditorium, das aus dem Ganzen der römischen Gesetzgebung hervorgehende, und in dasselbe organisch einpassende Gesetz für diesen Fall anzugeben. Es würde aus dem Versuche der Lösung dieser Aufgaben ohne Zweifel klar hervorgehen, zuvörderst, ob seine Zuhörer die Geschichte oder das römische Recht wirklich wüssten, sodann, ob und inwieweit sie diese Scienzen in ihrem Geiste durchdrungen, oder dieselben nur mechanisch auswendig gelernt hätten.] Zur Verbreitung höherer Klarheit über unsern Grundbegriff füge ich hier noch folgendes hinzu. Dass der für ein wissenschaftliches Leben bestimmte Jüngling zuvörderst mit dem allgemeinen Sprachschatze der wissenschaftlichen Welt, als dem Werkzeuge, vermittelst dessen allein er, so zu verstehen, wie sich verständlich zu machen vermag, vertraut werden müsse, ist unmittelbar klar. Diese positive Kenntniss der Sprache aber, so unentbehrlich sie auch ist, erscheint als leichte Zugabe, wenn wir bedenken, dass besonders durch Erlernung der Sprachen einer andern Welt, welche die Merkmale ganz anders zu Wortbegriffen gestaltet, der Jüngling über den Mechanismus, womit die angeborne moderne Sprache, gleichsam als ob es nicht anders seyn könnte, ihn fesselt, unvermerkt hinweggehoben, und im leichten Spiele zur Freiheit der Begriffebildung angeführt wird; ferner, dass beim Interpretiren der Schriftsteller er an dem leichtesten und schon fertig ihm hingelegten Stoffe lernt, seine Betrachtung willkürlich zu bewegen, dahin und dorthin zu richten für einen ihm bekannten Zweck, und nicht eher abzulassen in dieser Arbeit, als bis der Zweck erreicht dastehe. Es wird nun, um dieses Verhältnisses willen der ^niedern^ Kunst des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches zu der ^höhern^, nothwendig seyn, dass die Schule in ihrem Sprachunterrichte also verfahre, dass nicht bloss der erste Zweck der historischen Sprachkenntniss, sondern zugleich auch der letzte der Verstandesbildung an ihr sicher, allgemein und für klare Documentation ausreichend erfüllt werde; dass z. B. der Schüler auf jeder Stufe des Unterrichts verstehen lerne, was er verstehen soll, vollkommen und bis zum Ende, und wissen lerne, ^ob^ er also verstanden, und den Beweis davon führen lerne; keinesweges aber, wie es bisher so oft geschehen, hierüber vom guten Glücke abhänge, und im Dunkeln tappe, indem sehr oft sein Lehrer selbst keinen rechten Begriff vom Verstehen überhaupt hat, und gar nicht weiss, welche Fragen alle müssen beantwortet werden können, wenn man sagen will, man habe z. B. eine Stelle eines Autors verstanden. Betreffend das Grundgerüst des vorhandenen wissenschaftlichen Stoffes, als das zweite Stück der nöthigen Vorbereitung, die der Schule zukommt, mache ich durch folgende Wendung mich klarer. Man hat wohl, um den Forderungen einer solchen geistigen Kunstbildung, wie sie auch in diesem Aufsatze gemacht werden, auszuweichen, die Bemerkung gemacht: eine solche besonnene Ausbildung der Geistesvermögen sey wohl bei den alten klassischen Völkern möglich gewesen, weil das sehr beschränkte Feld der positiven Kenntnisse, die sie zu erlernen gehabt, ihnen Zeit genug übriggelassen hätte; dagegen unsere Zeit und Vermögen durch das unermessliche Gebiet des zu Erlernenden gänzlich aufgezehrt werde, und für keine anderen Zwecke uns ein Theil derselben übrigbleibe. Als ob nicht vielmehr gerade darum, weil wir mit ihm weit mehr zu leisten haben, eine kunstmässige Ausbildung des Vermögens um so nöthiger würde, und wir nicht um so mehr auf Fertigkeit und Gewandtheit im Lernen bedacht seyn müssten, da wir eine so grosse Aufgabe des Lernens vor uns haben. In der That kommt jenes Erschrecken vor der Unermesslichkeit unsers wissenschaftlichen Stoffes daher, dass man ihn ohne einen ordnenden Geist und ohne eine mit Besonnenheit geübte Gedächtnisskunst, deren Hauptmittel jener ordnende Geist ist, erfasset; vielmehr blind sich hineinstürzt in das Chaos, und ohne Leitfaden in das Labyrinth, und so im Herumirren bei jedem Schritte Zeit verliert; also, dass die wenigen, welche in diesem ungeheuren Oceane, vom Versinken gerettet, noch oben schwimmen, beim Rückblicke auf ihren Weg erschrecken vor der eigenen Arbeit und dem gehabten Glücke, und, die noch immer vorhandenen Lücken in ihrem Wissen entdeckend, glauben, es habe ihnen nichts weiter gemangelt, denn ^Zeit^, -- da doch die ordnende Kunst, die sie nicht kennen, indem sie keinen Schritt vergebens thut, die Zeit ins Unendliche vervielfältigt und eine kurze Spanne von Menschenleben ausdehnt zu einer Ewigkeit. Wenn schon die erste Schule für den Anfänger nicht länger das fähige Gedächtniss des einen Knaben für einen glücklichen Zufall, das langsamere eines andern für ein unabwendbares Naturunglück halten, sondern lernen wird, das Gedächtniss sowohl überhaupt, als in seinen besonderen, für besondere Zweige passenden, Fertigkeiten kunstmässig zu entwickeln und zu bilden; wenn sie diesem Gedächtnisse erst ein ganz ins Kurze und Kleine gezogenes, aber lebendiges und klares Bild des Ganzen eines bestimmten wissenschaftlichen Stoffes (z. B. für die Geschichte ein allgemeines Bild der Umwandlungen im Menschengeschlechte durch die Hauptbegebenheiten der herrschenden Völker, neben einem Bilde von der allgemeinen Gestalt der Oberfläche des Erdbodens, als dem Schauplatze jener Umwandlungen 1) hingeben, und unaustilgbar fest in die innere Anschauung einprägen wird; sodann diese Bilder Tag für Tag wieder hervorrufen lassen, und sie allmählig, aber verhältnissmässig nach allen ihren Theilen, nach einer gewissen Regel der nothwendigen Folge der ^Gesichtspuncte^, und so, dass kein einzelner zum Schaden der übrigen ungebührlich anwachse, vergrössern wird: so wird jenes Entsetzen vor der Unermesslichkeit gänzlich verschwinden, und die also gebildeten Köpfe werden leicht und sicher alles, was ihnen vorkommt, auf jene mit ihrer Persönlichkeit verwachsenen Grundbilder, jedes an seiner Stelle auftragen, nicht auf ein unbekanntes Weltmeer versprengt, sondern in ihrer väterlichen Wohnung die ihnen wohlbekannten Kammern mit Schätzen ausfüllend, die sie nach jedesmaligem Bedürfnisse wieder da hinwegnehmen können, wo sie dieselben vorher hingestellt. Somit fällt die Vorbereitung, welche der Lehrling einer höhern Kunstschule auf der niedern erhalten haben muss, die Rechenschaft, die er vor der Aufnahme von seiner Tüchtigkeit zu geben hat, und die Vollkommenheit, bis zu welcher die niedere Schule verbessert werden muss, zu folgenden zwei Stücken zusammen. Zuvörderst muss der Adspirant eine seinen Fähigkeiten angemessene, ihm vorgelegte Stelle eines Autors in gegebener Zeit gründlich verstehen lernen, und den Beweis führen können, dass er sie recht verstehe, indem sie gar nicht anders verstanden werden könne. Sodann muss er zeigen, dass er ein allgemeines Bild des gesammten wissenschaftlichen Stoffes, erhoben und bereichert bis zu derjenigen Potenz des Gesichtspunctes, an welche die höhere Schule ihren Unterricht anknüpft, in freier Gewalt und zu beliebigem Gebrauche als sein Eigenthum besitze. 2) ^Aufgehen seines gesammten Lebens in seinem Zwecke, darum Absonderung desselben von aller andern Lebensweise, und vollkommene Isolirung.^ Der Sohn eines Bürgers, welcher ein bürgerliches Gewerbe treibt, besucht vielleicht auch des Tages mehrere Stunden eine gute Bürgerschule, worin mancherlei gelehrt wird, das die gelehrte Schule gleichfalls vorträgt. Dennoch ist die Schule nicht der Sitz seines wahren, eigentlichen Lebens, und er ist nicht daselbst zu Hause, sondern sein wahres Leben ist sein Familienleben, und der Beistand, den er seinen Eltern in ihrem Gewerbe leistet; die Schule aber ist Nebensache und blosses Mittel für den bessern Fortgang des bürgerlichen Gewerbes, als den eigentlichen Zweck. Dem Gelehrten aber muss die Wissenschaft nicht Mittel für irgend einen Zweck, sondern sie muss ihm selbst Zweck werden; er wird einst, als vollendeter Gelehrter, in welcher Weise er auch künftig seine wissenschaftliche Bildung im Leben anwende, in jedem Falle allein in der Idee die Wurzel seines Lebens haben, und nur von ihr aus die Wirklichkeit erblicken, und nach ihr sie gestalten und fügen, keinesweges aber zugeben, dass die Idee nach der Wirklichkeit sich füge; und er kann nicht zu früh in dieses sein eigenthümliches Element sich hineinleben und das widerwärtige Element abstossen. Es ist eine bekannte Bemerkung, dass bisher auf Universitäten, die in einer kleinern Stadt errichtet waren, bei einigem Talente der Lehrer, sehr leicht ein allgemeiner wissenschaftlicher Geist und Ton unter den Studirenden sich erzeugt habe, was in grössern Städten selten oder niemals also gelungen. Sollten wir davon den Grund angeben, so würden wir sagen, dass es deswegen also erfolge, weil in dem ersten Falle die Studirenden auf den Umgang unter sich selber, und den Stoff, den dieser zu gewähren vermag, eingeschränkt werden; dagegen sie im zweiten Falle immerfort verfliessen in die allgemeine Masse des Bürgerthums, und zerstreut werden über den gesammten Stoff, den dieses liefert, und so das Studiren ihnen niemals zum eigentlichen Leben, ausser welchem man ein anderes gar nicht an sich zu bringen vermag, sondern wo es noch am besten ist, zu einer Berufspflicht wird. Jener bekannte Einwurf gegen grosse Universitätsstädte, dass in ihnen die Studirenden von einem Hörsaale zum andern weit zu gehen hätten, möchte sonach nicht der tiefste seyn, den man vorbringen könnte, und er möchte sich eher beseitigen lassen, als das höhere Uebel der Verschmelzung des studirenden Theiles des gemeinen Wesens mit der allgemeinen Masse des gewerbtreibenden oder dumpfgeniessenden Bürgerthumes; indem, ganz davon abgesehen, dass bei einem solchen nur als Nebensache getriebenen Studiren wenig oder nichts gelernt wird, auf diese Weise die ganze Welt verbürgern, und eine über die Wirklichkeit hinausliegende Ansicht der Wirklichkeit, bei welcher allein die Menschheit Heilung finden kann gegen jedes ihrer Uebel, ausgetilgt werden würde in dem Menschengeschlechte; und mehr als jemals würde hierauf Rücksicht zu nehmen seyn in einem solchen Zeitalter, welches in dringendem Verdachte einer beinahe allgemeinen Verbürgerung steht. 3) ^Sicherung vor jeder Sorge um das Aeussere, vermittelst einer angemessenen Unterhaltung fürs Gegenwärtige, und Garantie einer gehörigen Versorgung in der Zukunft.^ Dass das Detail der kleinen Sorgfältigkeiten um die täglichen Bedürfnisse des Lebens zum Studiren nicht passt; dass Nahrungssorgen den Geist niederdrücken; Nebenarbeiten ums Brot die Thätigkeit zerstreuen, und die Wissenschaft als einen Broterwerb hinstellen; Zurücksetzung von Begüterten Dürftigkeits halber, oder die Demuth, der man sich unterzieht, um jener Zurücksetzung auszuweichen, den Charakter herabwürdigen: dieses alles ist, wenn auch nicht allenthalben sattsam erwogen, denn doch ziemlich allgemein zugestanden. Aber man kann von demselben Gegenstande auch noch eine tiefere Ansicht nehmen. Es wird nemlich ohnedies gar bald sehr klar die Nothwendigkeit sich zeigen, dass im Staate, und besonders bei den höheren Dienern desselben, recht fest einwurzele die Denkart, nach welcher man nicht der Gesellschaft dienen will, um leben zu können, sondern leben mag, allein um der Gesellschaft dienen zu können, und in welcher man durch kein Erbarmen mit dem eigenen, oder irgend eines Anderen, Lebensgenusse bewegt wird, zu thun, zu rathen, oder, wo man hindern könnte, zuzulassen, was nicht auch gänzlich ohne diese Rücksicht durch sich selber sich gebührt; aber es kann diese Denkart Wurzel fassen nur in einem durch das Leben in der Wissenschaft veredelten Geiste. Mächtig aber wird dieser Veredelung und dieser Unabhängigkeit von der erwähnten Rücksicht vorgearbeitet werden, wenn die künftigen Gelehrten, aus deren Mitte ja wohl die Staatsämter werden besetzt werden, von früher Jugend an gewöhnt werden, die Bedürfnisse des Lebens nicht als Beweggrund irgend einer Thätigkeit, sondern als etwas, das für sich selbst seinen eigenen Weg geht, anzusehen, indem es ihnen, sogar ohne Rücksicht auf ihren gegenwärtigen zweckmässigen Fleiss, der aus der Liebe zur Sache hervorgehen soll, zugesichert ist. §. 11. Wie muss der Lehrer an einer solchen Anstalt beschaffen seyn, und ausgestattet? Zuvörderst, wie sich von selbst versteht, indem keiner lehren kann, was er selbst nicht weiss, muss er sich im Besitze der Wissenschaft befinden, und zwar auf die oben angegebene Weise, als freier Künstler, so dass er sie zu jedem gegebenen Zwecke anzuwenden und in jede mögliche Gestalt hinüberzubilden vermöge. Aber auch diese Kunstfertigkeit muss ihn nicht etwa mechanisch leiten, und bloss als natürliches Talent und Gabe ihm beiwohnen, sondern er muss auch sie wiederum mit klarem Bewusstseyn durchdrungen haben, bis zur Erkenntniss im Allgemeinen sowohl, als in den besonderen individuellen Bestimmungen, die sie bei Einzelnen annimmt, indem er ja jeden Schüler dieser Kunst soll beobachten, beurtheilen und leiten können. Aber sogar dieses klare Bewusstseyn und dieses Auffassen der wissenschaftlichen Kunst, als eines organischen Ganzen, reicht ihm noch nicht hin, denn auch dieses könnte, wie alles blosse Wissen, todt seyn, höchstens bis zur historischen Niederlegung in einem Buche ausgebildet. Er bedarf noch überdies für die wirkliche Ausübung der Fertigkeit, jeden Augenblick diejenige Regel, die hier Anwendung findet, hervorzurufen, und der Kunst, das Mittel ihrer Anwendung auf der Stelle zu finden. Zu diesem hohen Grade der Klarheit und Freiheit muss die wissenschaftliche Kunst sich in ihm gesteigert haben. Sein Wesen ist die Kunst, den wissenschaftlichen Künstler selber zu bilden, welche Kunst eine Wissenschaft der wissenschaftlichen Kunst auf ihrer ersten Stufe voraussetzt, für deren Möglichkeit wiederum der eigene Besitz dieser Kunst auf der ersten Stufe vorausgesetzt wird; in dieser Vereinigung und Folge sonach besteht das Wesen eines Lehrers an einer Kunstschule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauchs. Das Princip, durch welches die wissenschaftliche Kunst zu dieser Höhe sich steigert, ist die Liebe zur Kunst. Dieselbe Liebe ist es auch, die die wirklich entstandene Kunst der Künstlerbildung immerfort von neuem beleben, und in jedem besonderen Falle sie anregen und sie auf das Rechte leiten muss. Sie ist, wie alle Liebe, göttlichen Ursprungs und genialischer Natur, und erzeugt sich frei aus sich selber; für sie ist die übrige wissenschaftliche Kunstbildung ein sicher zu berechnendes Product, sie selbst aber, die Kunst dieser Kunstbildung, lässt sich nicht jederman anmuthen, noch lässt sie selbst da, wo sie war, sich erhalten, falls ihr freier Geniusflügel sich hinwegwendet. Diese Liebe jedoch pflanzt auf eine unsichtbare Weise sich fort, und regt unbegreiflich den Umkreis an. Nichts gewährt höheres Vergnügen, als das Gefühl der Freiheit und zweckmässigen Regsamkeit des Geistes, und des Wachsthums dieser Freiheit, und so entsteht das liebevollste und freudenvollste Leben des Lehrlings in diesen Uebungen, und in dem Stoffe derselben. Diese Liebe für die Kunst ist in Beziehung auf andere ^achtend^, und richtet vom Lehrer, als dem eigentlichen Focus, ausgegangen mit dieser Achtung aus dem Individuum heraus sich auf die anderen, welche gemeinschaftlich mit ihm diese Kunst treiben, und zieht jeden hin zu allen übrigen, wodurch die §. 8 geforderte wechselseitige Mittheilung Aller, und die Verschmelzung der Einzelnen zu einem lernenden organischen Ganzen, wie es gerade nur aus diesen lernenden Individuen sich bilden kann, entstehet, deren Möglichkeit noch zu erklären war. (Ein geistiges Zusammenleben, das ^zunächst^ der schnelleren, fruchtbareren und in den Formen sehr vielseitigen Geistesentwickelung, ^später^ im bürgerlichen Leben der Entstehung eines Corps von Geschäftsleuten dient, in welchem nicht, wie bisher, der eigentliche Gelehrte, der dem Geschäftsmanne für einen Quer- und verrückenden Kopf gilt, diesem meist mit Recht den stumpfen Kopf und den empirischen Stümper zurückgiebt, -- sondern, die einander frühzeitig durchaus kennen und achten gelernt haben, und die von einer Allen gleichbekannten und unter ihnen gar nicht streitigen Basis in allen ihren Berathungen ausgehen.) §. 12. Diese Kunst der wissenschaftlichen Künstlerbildung, falls sie etwa in irgend einem Zeitalter zum deutlichen Bewusstseyn hervorbrechen und zu irgend einem Grade der Ausübung gedeihen sollte, muss, in Absicht ihrer Fortdauer und ihres Erwachsens zu höherer Vollkommenheit, keinesweges dem blinden Ohngefähr überlassen werden; sondern es muss, und dieses am schicklichsten an der schon bestehenden Kunstschule selbst, eine feste Einrichtung getroffen werden, dieselbe mit Besonnenheit und nach einer festen Regel zu erhalten, und zu höherer Vollkommenheit zu bilden; wodurch diese Kunstschule, so wie jedes mit wahrhaftem Leben existirende Wesen soll, ihre ewige Fortdauer verbürgen würde. Sie ist, wie oben gesagt, selbst der höchste Grad der wissenschaftlichen Kunst, erfordernd die höchste Liebe und die höchste Fertigkeit und Geistesgewandtheit. Es ist darum klar, dass sie nicht allen angemuthet werden könne, wie man denn auch nur weniger, die sie ausüben, bedarf; aber sie muss allen angeboten und mit ihnen der Versuch gemacht werden, damit man sicher sey, dass nirgends dieses seltene Talent, aus Mangel an Kunde seiner, ungebraucht verloren gehe. Für diesen Zweck wäre demnach der Lehrling, doch ohne Ueberspringen und nach erlangter hinlänglicher Gewandtheit in den niederen Graden der Kunst, zur Ausübung aller der oben erwähnten Geschäfte des Lehrers anzuhalten, unter Aufsicht und mit der Beurtheilung des eigentlichen Lehrers, so wie der anderen, in demselben Grade befindlichen Lehrlinge. So denselben Weg zurücklegend unter der Leitung des schon geübten Lehrers, und vertraut gemacht mit dessen Kunstgriffen, welchen Weg der Lehrer selbst, von keinem geholfen und im Dunkeln tappend, gehen musste, wird dieser Lehrling es ohne Zweifel noch viel weiter bringen in geübter und klarer Kunst, denn sein Lehrer, und einst selber nach demselben Gesetze eine noch geübtere und klarere Generation hinterlassen. (Es geht hieraus hervor, dass eine solche Pflanzschule wissenschaftlicher Künstler überhaupt, nach den verschiedenen Graden dieser Kunst, auf ihrer höchsten Spitze ein Professor-Seminarium seyn würde, und also genannt werden könnte. Man hat homiletische Uebungen gehabt, um zur Kunst des Vortrages für das Volk, man hat Schullehrer-Seminaria gehabt, um den Vortrag für die niedere Schule zu bilden; an eine besondere Uebung oder Prüfung in der Kunst des akademischen Vortrages aber hat unseres Wissens niemand gedacht, gleich als ob es sich von selbst verstände, dass man, was man nur wisse, auch werde sagen können: zum schlagenden Beweise, dass man mit deutlichem Bewusstseyn, so weit dieses in dieser Region gedrungen, mit der Universität durchaus nichts mehr beabsichtigt, als dem gedruckten Buchwesen noch ein zweites redendes Buchwesen an die Seite zu setzen; wodurch unsere Rede wieder in ihren Ausgangspunct hineinfällt, zum Beweise, dass sie ihren Kreis durchlaufen hat. §. 13. Corollarium. Der bis hierher entwickelte Begriff, selbst angesehen in einem wissenschaftlichen Ganzen, giebt der Kunst der Menschenbildung oder der Pädagogik den Gipfel, dessen sie bisher ermangelte. Ein anderer Mann hat in unserem Zeitalter die ebenfalls vorher ermangelnde Wurzel derselben Pädagogik gefunden. Jener Gipfel macht möglich die höchste und letzte Schule der wissenschaftlichen Kunst; diese Wurzel macht möglich die erste und allgemeine Schule des Volks, das letzte Wort nicht für Pöbel genommen, sondern für die Nation. Der mittlere Stamm der Pädagogik ist die niedere Gelehrtenschule. Aber der Gipfel ruht fest nur auf dem Stamme, und dieser zieht seinen Lebenssaft nur aus der Wurzel; alle insgesammt haben nur an-, in- und durcheinander Leben und versicherte Dauer. Ebenso verhält es sich auch mit der höheren und der niederen Gelehrtenschule, und mit der Volksschule. Wir unseres Ortes, die wir die erstere beabsichtigen, gehen, so gut wir es unter diesen Umständen vermögen, aus unserem besonderen und abgeschnittenen Mittelpuncte aus, unseren Weg fort, nur auf die niedere Gelehrtenschule, mit der wir allernächst zusammenhängen, und ohne deren Beihülfe wir nicht füglich auch nur einen Anfang machen können, die nöthige Rücksicht nehmend. Ebenso geht ihres Orts, und unser, die wir nur selbst erst unser eigenes Daseyn suchen, unserer Hülfe und unseres leitenden Lichtes entbehrend, die allgemeine Pädagogik ihren Weg fort, so gut sie es vermag. Aber arbeiten wir nur redlich fort, jeder an seinem Ende: wir werden mit der Zeit zusammenkommen, und insgesammt in einander eingreifen; denn jedweder Theil, der nur in sich selber etwas Rechtes ist, ist Theil zu einem grösseren ewigen Ganzen, das in der Erscheinung nur aus der Zusammenfügung der einzelnen Theile zusammentritt. Da aber, wo wir zusammenkommen werden, wird der armen, jetzt in ihrer ganzen Hülfslosigkeit dastehenden Menschheit Hülfe und Rettung bereit seyn; denn diese Rettung hängt lediglich davon ab, dass die Menschenbildung im Grossen und Ganzen aus den Händen des blinden Ohngefährs unter das leuchtende Auge einer besonnenen Kunst komme. Diese Einsicht und das Bewusstseyn, dass uns ein grosser Moment gegeben ist, der, ungenutzt verstrichen, nicht leicht wiederkehrt, bringe heiligen Ernst und Andacht in unsere Berathungen. Anmerkung. Da man oft unerwartet auf Verkennung jenes höchsten Grundsatzes alles unseres Lebens und Treibens stösst, so ist es vielleicht nicht überflüssig, hierüber noch einige Worte hinzuzufügen. Ein blindes Geschick hat die menschlichen Angelegenheiten erträglich, und obgleich langsam, dennoch zu einiger Verbesserung des ganzen Zustandes geleitet, so lange in diese Dunkelheit das gute und böse Princip in der Menschheit gemeinschaftlich und mit einander verwachsen eingehüllt war. Diese Lage der Dinge hat sich verändert, durch diese Veränderung ist eben ein durchaus neues Zeitalter, gegen dessen Anerkenntniss man sich noch so häufig sträubt, und es sind durchaus neue Aufgaben an die Zeit entstanden. Das böse Princip hat nemlich aus jener Mischung sich entbunden zum Lichte; es ist sich selbst vollkommen klar geworden, und schreitet frei und besonnen und ohne alle Scheu und Scham vorwärts. Klarheit siegt allemal über die Dunkelheit; und so wird denn das böse Princip ohne Zweifel Sieger bleiben so lange, bis auch das gute sich zur Klarheit und besonnenen Kunst erhebt. In allen menschlichen Verhältnissen, besonders aber in der Menschenbildung, ist das Alte und Hergebrachte das Dunkele; eine Region, die mit dem klaren Begriffe zu durchdringen und mit besonnener Kunst zu bearbeiten man Verzicht leistet, und aus welcher herab man den Segen Gottes ohne sein eigenes Zuthun erwartet. Setzt man in diesem Glaubenssysteme jenem göttlichen Segen etwa noch eine menschliche Direction und Oberaufsicht an die Seite, so ist das eine blosse Inconsequenz. Das Alte ist ja jedermänniglich bekannt, diesem soll gefolgt werden, es giebt darum keine Pläne auszudenken; der Erfolg kommt von oben herab, und keine menschliche Klugheit kann hier etwas ausrichten; es giebt darum auch nichts zu leiten, und die Oberaufsicht ist ein völlig überflüssiges Glied. Nur in dem Falle, dass Behauptungen, wie die unsrige, von freier und besonnener Kunst sich vernehmen liessen und einen Einfluss begehrten, erhielte sie eine Bestimmung, die, der Neuerung sich kräftig zu widersetzen, und festzuhalten über dem alten hergebrachten Dunkel. Es ist nicht zu hören, wenn die Sicherheit dieses alten und ausgetretenen Weges gepriesen, dagegen das Unsichere und Gewagte aller Neuerungen gefürchtet wird. Bleibt man beim Alten, so wird der Erfolg schlecht seyn, darauf kann man sich verlassen; denn es kann, nachdem die Welt einmal ist, wie sie ist, aus dem Dunkeln nichts Anderes mehr hervorgehen, denn Böses. Hofft man etwa dabei das zu gewinnen, dass man sich sagen könne, man habe das Böse wenigstens nicht durch sein thätiges Handeln herbeigeführt, es sey eben von selbst gekommen, und man würde nichts dagegen gehabt haben, wenn statt dessen das Gute gekommen wäre? Man muss leicht zu trösten seyn, wenn man damit sich beruhigt. Und warum sollte es denn ein so grosses Wagstück seyn, nach einem klaren und festen Begriffe einherzugehen? Wagen wird man allein in den beiden Fällen, wenn man entweder seines Begriffes nicht Meister ist, oder nicht schon im voraus entschlossen, sein Alles an die Ausführung desselben zu setzen. Aber nichts nöthigt uns, uns in einem dieser beiden Fälle zu befinden. Am wenigsten würden wir den Grundbegriff von einer Universität gelten lassen, dass dieselbe sey keinesweges eine Erziehungsanstalt, deren unfehlbaren Erfolg man soviel möglich sichern müsse, sondern eine im Grunde überflüssige und nur als freie Gabe zu betrachtende Bildungsanstalt, die jeder, der in der Lage sey, mit Freiheit gebrauchen könne, wie er eben wolle. Giebt es solche Anstalten, als da etwa wäre das Werkmeistersche Museum u. dergl., so können dieselben nur seyn für weise Männer und gemachte Bürger, die in Absicht einer persönlichen Bestimmung und eines festen Berufes mit dem Staate sich schon abgefunden haben, keinesweges für Jünglinge, die einen Beruf noch suchen. Auch hat bisher der Staat, -- und dies ist auch ein Altes und Wohlhergebrachtes, bei welchem es ohne Zweifel sein Bewenden wird haben müssen, -- es hat der Staat allerdings auf die Universitäten gerechnet, als eine nothwendige und bisher durch nichts Anderes ersetzte Erziehungsanstalt eines Standes, an dem ihm viel gelegen ist: und es wäre zu erwarten, was erfolgen würde, wenn nur drei Jahre hintereinander es der Freiheit aller Studirenden gefiele, die Universität nicht auf die rechte Weise zu benutzen. Oder soll man voraussetzen, dass es mitten in unseren gebildeten Staaten noch einen Haufen von Menschen gebe, deren angeborenes Privilegium dies ist, dass kein Mensch Anspruch auf ihre Kräfte und die Bildung derselben habe, und denen es freistehen muss, ob sie zu etwas oder zu nichts taugen wollen, weil sie ausserdem zu leben haben? Soll für diese vielleicht jene freie und auf gar nichts rechnende Bildungsanstalt angelegt werden, damit sie, wenn sie wollen, hier die Mittel erwerben, ihr einstiges müssiges Leben mit weniger Langeweile hinzubringen? Alles zugegeben, möchten wenigstens diese Klassen selbst für die Befriedigung dieses ihres Bedürfnisses sorgen; aber dem Staate liessen die Kosten einer solchen Anstalt sich keinesweges aufbürden. Zweiter Abschnitt. Wie unter den gegebenen Bedingungen der Zeit und des Orts der aufgegebene Begriff realisirt werden könne. §. 14. Soll unsere Lehranstalt keinesweges etwa eine in sich selbst abgeschlossene Welt bilden, sondern soll sie eingreifen in die wirklich vorhandene Welt, und soll sie insbesondere das gelehrte Erziehungswesen dieser Welt umbilden, so muss sie sich anschliessen an dasselbe, so wie es ist und sie dasselbe vorfindet. Dieses muss ihr erster Standpunct seyn; dies der von ihr anzueignende und durch sie zu organisirende Stoff; sie aber das geistige Ferment dieses Stoffes. Sie muss sich erzeugen und sich fortbilden innerhalb einer gewöhnlichen Universität, weil wir dies nicht vermeiden können, so lange bis die letztere in die erste aufgehend gänzlich verschwinde: keinesweges aber müssen wir von dem Gedanken ausgehen, dass wir eine ganz gewöhnliche Universität und nichts weiter bilden wollen. §. 15. Diese nothwendige Stätigkeit des Fortgangs in der Zeit sogar abgerechnet, vermögen wir in dieses Vorhabens Ausführung um so weniger anders, denn also zu verfahren, da die freie ^Kunst der besonderen Wissenschaft sowohl überhaupt, als in ihren einzelnen Fächern^ dermalen noch gar nicht also vorhanden ist, dass sie sicher und nach einer Regel aufbehalten und fortgepflanzt werden könnte; sondern diese freie Kunst der ^besonderen^ Wissenschaft erst selber in der schon vorhandenen Kunstschule zu deutlichem Bewusstseyn und zu geübter Fertigkeit erhoben werden, und so die Kunstschule einem ihrer wesentlichen Theile nach sich selber erst erschaffen muss. So nun nicht wenigstens der Ausgangspunct dieser Kunst in der Wissenschaft überhaupt, und unabhängig von dem Vorhandenseyn der Schule, irgendwo und irgendwann zu existiren vermöchte, so würde es niemals zu einer solchen Kunstschule, ja sogar nicht zu dem Gedanken und der Aufgabe derselben kommen. §. 16. Mit diesem Ausgangspuncte der wissenschaftlichen Kunst verhält es sich nun also. Kunst wird (§. 4) dadurch erzeugt, dass man deutlich versteht, ^was^ man und ^wie^ man es macht. Die besondere Wissenschaft aber ist in allen ihren einzelnen Fächern ein besonderes Machen und Verfahren mit dem Geistesvermögen; und man hat dies von jeher anerkannt, wenn man z. B. vom historischen Genie, Tact und Sinne, oder von Beobachtungsgabe u. dergl., als von besonderen, ihren eigenthümlichen Charakter tragenden Talenten gesprochen. Nun ist ein solches Talent allemal Naturgabe, und da es ein besonderes Talent ist, so ist der Besitzer desselben eine besondere und auf diesen Standpunct beschränkte Natur, die nicht wiederum über diesen Punct sich erheben, ihn frei anschauen, ihn mit dem Begriffe durchdringen und so aus der blossen Naturgabe eine freie Kunst machen könnte. Und so würde denn die besondere Wissenschaft entweder gar nicht getrieben werden können, weil es an Talent fehlte, oder, wo sie getrieben würde, könnte es, eben weil dazu Talent, das eben nur Talent sey, gehört, niemals zu einer besonnenen Kunst derselben kommen. So ist es denn auch wirklich. Der Geist jeder besonderen Wissenschaft ist ein beschränkter und beschränkender Geist, der zwar in sich selber lebt und treibet, und köstliche Früchte gewährt, der aber weder sich selbst, noch andere Geister ausser ihm zu verstehen vermag. Sollte es nun doch zu einer solchen Kunst in der besonderen Wissenschaft kommen, so müsste dieselbe, unabhängig von ihrer Ausübung, und noch ehe sie getrieben würde, verstanden, d. i. die Art und Weise der geistigen Thätigkeit, deren es dazu bedarf, erkannt werden, und so der allgemeine ^Begriff^ ihrer Kunst der ^Ausübung^ dieser Kunst selbst vorhergehen können. Nun ist dasjenige, was die ^gesammte^ geistige Thätigkeit, mithin auch alle besonderen und weiter bestimmten Aeusserungen derselben wissenschaftlich erfasst, die Philosophie: von philosophischer Kunstbildung aus müsste sonach den besonderen Wissenschaften ihre Kunst gegeben, und das, was in ihnen bisher blosse, vom guten Glücke abhängende Naturgabe war, zu besonnenem Können und Treiben erhoben werden; der Geist der Philosophie wäre derjenige, welcher zuerst sich selbst, und sodann in sich selber alle anderen Geister verstände; der Künstler in einer besonderen Wissenschaft müsste vor allen Dingen ein philosophischer Künstler werden, und seine besondere Kunst wäre lediglich eine weitere Bestimmung und einzelne Anwendung seiner allgemeinen philosophischen Kunst. (Dies dunkel fühlend hat man, wenigstens bis auf die letzten durch und durch verworrenen und seichten Zeiten, geglaubt, dass alle höhere wissenschaftliche Bildung von der Philosophie ausgehen, und dass auf Universitäten die philosophischen Vorlesungen von Allen und zuerst gehört werden müssten. Ferner hat man in den besonderen Wissenschaften z. B. von philosophischen Juristen oder Geschichtsforschern oder Aerzten gesprochen, und man wird finden, dass von denen, welche sich selber verstanden, immer diejenigen mit dieser Benennung bezeichnet wurden, die mit der grössten Fertigkeit und Gewandtheit ihre Wissenschaft vielseitig anzuwenden wussten, sonach die ^Künstler^ in der Wissenschaft. Denn diejenigen, welche ^a priori^ phantasirten, wo es galt Facta beizubringen, sind ebenso, wie diejenigen, die sich auf die wirkliche Beschaffenheit der Dinge beriefen, wo das apriorische Ideal dargestellt werden sollte, von den Verständigen mit der gebührenden Verachtung angesehen worden.) §. 17. Die erste und ausschliessende Bedingung der Möglichkeit, eine wissenschaftliche Kunstschule zu errichten, würde demnach diese seyn, dass man einen Lehrer fände, der da fähig wäre, das Philosophiren selber als eine Kunst zu treiben, und der es verstände, eine Anzahl seiner Schüler zu einer bedeutenden Fertigkeit in dieser Kunst zu erheben, mit welcher nun einige dieser wiederum den ihnen anderwärts herzugebenden positiven Stoff der besonderen Wissenschaften durchdrängen, und sich auch in diesen zu Künstlern bildeten; von welchen letzteren wiederum diejenigen, die es zu dem Grade der Klarheit dieser Kunst gebracht hätten, dass sie selbst Künstler zu bilden vermöchten, ihre Kunst fortpflanzten. Nachdem dieses Letztere über das ganze Gebiet der Wissenschaften möglich geworden, in einer solchen Ausdehnung, dass man auf die sichere Fortpflanzung der gesammten wissenschaftlichen Kunst bis ans Ende der Tage rechnen könnte: alsdann stände die beabsichtigte wissenschaftliche Kunstschule da, und wäre errichtet. §. 18. Dieser philosophische Künstler muss, beim Beginnen der Anstalt, ein einziger seyn, ausser welchem durchaus kein anderer auf die Entwickelung des Lehrlings zum Philosophiren Einfluss habe. Wer dagegen einwenden wollte, dass es, um die Jünglinge vor Einseitigkeit und blindem Glauben an Einen Lehrer zu verwahren, auf einer höheren Lehranstalt vielmehr eine Mannigfaltigkeit der Ansichten und Systeme, und eben darum der Lehrer geben müsse, würde dadurch verrathen, dass er weder von der Philosophie überhaupt, noch vom Philosophiren, als einer Kunst, einen Begriff habe. Denn obwohl, falls es Gewissheit giebt und dieselbe dem Menschen erreichbar ist (wer über diesen Punct sich noch in Zweifel befände, der wäre nicht ausgestattet, um mit uns über die Einrichtung eines ^wissenschaftlichen^ Instituts zu berathschlagen), der Lehrer, den wir suchen, selber in sich seiner Sache gewiss seyn und ein System haben muss, indem im entgegengesetzten Falle er mit seinem Philosophiren nicht zu Ende gekommen wäre, mithin die ganze Kunst des Philosophirens nicht einmal selber ausgeübt hätte und so durchaus unfähig wäre, dieselbe in ihrem ganzen Umfange mit Bewusstseyn zu durchdringen, und sie anderen mitzutheilen, und wir uns daher in der Wahl der Person vergriffen hätten -- obwohl, sage ich, dies also ist, so wird er dennoch in seinem Bestreben, selbstthätige, die Gewissheit in sich selbst erzeugende und das System selbst erfindende Künstler zu bilden, nicht von seinem Systeme, noch überhaupt von irgend einer positiven Behauptung ^ausgehen^; sondern nur ihr systematisches Denken anregen, freilich in der sehr natürlichen Voraussetzung, dass sie am Ende desselben bei demselben Resultate ankommen werden, bei dem auch er angekommen, und dass, wenn sie bei einem anderen ankommen, irgendwo in der Ausübung der Kunst ein Fehler begangen worden. Wäre irgend ein anderer neben ihm, der ihm widerspräche, so müsste dieser etwas ^behaupten^; liesse er sich verleiten, dem Widerspruche zu widersprechen, so müsste nun auch er behaupten, und es entstände Polemik. Wo aber Polemik ist, da ist Thesis, und wo Thesis ist, da wird nicht mehr thätig philosophirt, sondern es wird nur das Resultat des, so Gott will, vorher ausgeübten thätigen Philosophirens historisch erzählt; somit hebt die Polemik das Wesen einer philosophischen Kunstschule gänzlich auf, und es ist ihr darum aller Eingang in diese abzuschneiden. -- (Dieselbe Unbekanntschaft mit dem Wesen der Philosophie würde verrathen eine andere Bemerkung, die folgende: es müsse auf einer solchen Anstalt die Vollständigkeit der sogenannten philosophischen Wissenschaften beabsichtigt werden, und dies, da sie einem Einzigen nicht wohl anzumuthen sey, werde eine Mehrheit der Lehrer der Philosophie verlangen. Denn wenn nur wirklich der philosophische Geist und die Kunst des Philosophirens entwickelt ist, so wird ganz von selbst diese sich über die gesammte Sphäre des Philosophirens ausbreiten, und diese in Besitz nehmen; sollte aber für andere, an welchen das Streben, sie in diese Kunst einzuweihen, mislingt, die wir aber dennoch, aus Mangel besserer Subjecte, in den bürgerlichen Geschäften anstellen und brauchen müssten, irgend ein historisch zu erlernender ^philosophischer Katechismus^, als Rechtslehre, Moral u. dergl. nöthig seyn, so wird ja wohl dieser in gedruckten Büchern irgendwo vorliegen, an deren eigenes Studium auch hier, so wie in den anderen Fächern, dergleichen Subjecte vom Lehrer der Philosophie hingewiesen, und erforderlichenfalles darüber examinirt würden.) §. 19. Mit diesem also entwickelten philosophischen Geiste, als der reinen Form des Wissens, ^müsste nun der gesammte wissenschaftliche Stoff in seiner organischen Einheit^ auf der höheren Lehranstalt aufgefasst und durchdrungen werden, also dass man genau wüsste, was zu ihm gehöre oder nicht, und so die strenge Grenze zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft gezogen würde; dass man ferner das organische Eingreifen der Theile dieses Stoffes ineinander, und das gegenseitige Verhältniss derselben unter sich allseitig verstände, damit man daraus ermessen könnte, ob dieser Stoff am Lehrinstitute vollständig bearbeitet werde, oder nicht; in welcher ^Folge^ oder ^Gleichzeitigkeit^ am vortheilhaftesten diese einzelnen Theile zu bearbeiten seyen; bis zu welcher Potenz die ^niedere^ Schule denselben zu erheben, und wo eigentlich die höhere einzugreifen habe; ferner, bis zu welcher Potenz auch auf der letzteren ^alle^, die auf den Titel eines wissenschaftlichen Künstlers Anspruch machen wollten, ihn auszubilden hätten, und wie viel dagegen der ^besonderen^ Ausbildung für ein ^bestimmtes praktisches^ Fach anheimfiele und vorbehalten bleiben müsse. Dies gäbe eine philosophische Encyklopädie der gesammten Wissenschaft, als stehendes Regulativ für die Bearbeitung aller besonderen Wissenschaften. (Wenn auch allenfalls die Philosophie schon jetzt fähig seyn sollte, zu einer solchen encyklopädischen Ansicht der gesammten Wissenschaft in ihrer organischen Einheit einige Auskunft zu geben, so ist doch die übrige wissenschaftliche Welt viel zu abgeneigt, der Philosophie die Gesetzgebung, die sie dadurch in Anspruch nähme, zuzugestehen, oder dieselbe in dergleichen Aeusserungen auch nur nothdürftig zu begreifen, als dass sich hiervon einiger Erfolg sollte erwarten lassen. Auch müssten, da es hier nicht um theoretische Behauptung einiger Sätze, sondern um Einführung einer Kunst zu thun ist, erst eine beträchtliche Anzahl von Männern gebildet werden, die da fähig wären, eine solche Encyklopädie nicht bloss zu verstehen und wahr zu finden, sondern auch nach den Regeln derselben die besonderen Fächer der Wissenschaft wirklich zu bearbeiten; dass es daher am schicklichsten seyn wird, hierüber sich vorläufig gar nicht auszusprechen, sondern jene Encyklopädie durch das wechselseitige Eingreifen der Philosophie und der philosophisch kunstmässigen Bearbeitung der nun eben vorhandenen besonderen Fächer der Wissenschaft, allmählig von selber erwachsen zu lassen; dass mithin in Absicht dieses ihr sehr wesentlichen Bestandtheiles die Kunstschule sich selbst innerhalb ihrer selbst erschaffen müsste.) §. 20. Beim Anfange und so lange, bis es dahin gekommen, müssen wir uns begnügen, die vorliegenden Fächer ohne organischen Einheitspunct bloss historisch aufzufassen, nur dasjenige, wovon wir schon bei dem gegenwärtigen Grade der allgemeinen philosophischen Bildung darthun können, dass es dem wissenschaftlichen Verstandesgebrauche entweder geradezu widerspreche, oder nicht zu demselben gehöre, von uns ausscheidend, das Uebrige aufnehmend, und es in seiner Würde und an seinem Platze bis zur besseren allgemeinen Verständigung stehen lassend; ferner in diesen Fächern die am meisten ^philosophischen^, d. i. die mit der grössten Freiheit, Kunstmässigkeit und Selbstständigkeit in denselben verfahrenden unter den Zeitgenossen, zu Lehrern uns anzueignen; endlich, diese zu der am meisten philosophischen, d. i. zu der, Selbstthätigkeit und Klarheit am sichersten entwickelnden, Mittheilung ihres Faches anzuhalten und sie darauf zu verpflichten. §. 21. Ueber den ersten Punct, betreffend die Ausscheidung, werden wir demnächst beim Durchgehen der vorhandenen wissenschaftlichen Fächer uns erklären. Ueber den zweiten merke ich hier im allgemeinen nur das an, dass wir den Vortheil haben, in einigen der Hauptfächer diejenigen, welche als die freisten und selbstthätigsten allgemein anerkannt sind, schon jetzt die unserigen zu nennen, und dass, falls nicht etwa einige für die Herablassung und für das Wechselleben mit ihren Schülern, das dieser Plan ihnen anmuthet, sich zu vornehm dünken, wir hoffen dürfen, sie für unseren Zweck zu gewinnen, und dass in anderen Fächern, in denen wir nicht mit derselben Zuversichtlichkeit dasselbe rühmen können, der Unterschied zwischen den Zeitgenossen in Absicht des angegebenen Gesichtspunctes überhaupt nicht sehr gross ist, und wir darum hoffen dürfen, ohne grosse Schwierigkeit die nothwendigen Stellen so gut zu besetzen, als sie unter den gegenwärtigen Umständen überhaupt besetzt werden können; dass es aber ausschliessende Bedingung sey, dass dieselben schon vor ihrer Berufung und Anstellung sowohl über unseren Hauptplan, als über den dritten Punct in Absicht des zu wählenden Vortrages unterrichtet, und aufrichtig mit uns einverstanden seyen. In Absicht dieses dritten Punctes endlich, stellen wir als eine Folge aus allem Bisherigen fest, dass -- die oben erwähnten Examina, Conversatorien und Aufgaben, als die erste charakteristische Eigenheit unserer Methode, deren Anwendung im besonderen Falle am gehörigen Orte näher wird beschrieben werden, noch abgerechnet, -- alle mündliche Mittheilung über ein besonderes Fach ausgehen müsse von der ^Encyklopädie^ dieses Faches, und dass dieses die allererste Vorlesung jedes bei uns anzustellenden Lehrers seyn und von jedem Schüler zu allererst gehört werden müsse. Denn die bis zur höchsten Klarheit gesteigerten einzelnen Encyklopädien der besonderen Fächer, besonders wenn sie alle zusammen den Lehrern und Zöglingen der Anstalt bekannt sind, sind das zunächst in die von der Philosophie ausgehen sollende ^allgemeine Encyklopädie^ (§. 19. am Schlusse) eingreifende Glied, arbeiten derselben mächtig vor, und werden der letzteren, wenn sie entstehen wird, die vollkommene Verständlichkeit ertheilen müssen, indem auch sie selber umgekehrt von ihr neue Festigkeit und Klarheit erhalten werden. Sodann ist Einheit und Ansicht der Sache aus Einem Gesichtspuncte heraus der Charakter der Philosophie und der freien Kunstmässigkeit, die wir anstreben; dagegen unverbundene Mannigfaltigkeit und mit nichts zusammenhängende Einzelheit der Charakter der Unphilosophie, der Verworrenheit und der Unbehülflichkeit, welche wir eben aus der ganzen Welt austilgen möchten, und sie darum nicht in uns selbst aufnehmen müssen. Endlich, wenn auch dieses alles nicht so wäre, können wir aus Mangelhaftigkeit der niederen Schule zu Anfange bei unseren Schülern nicht auf ein solches schon fertiges Gerüst des gesammten wissenschaftlichen Stoffes, wie es oben (§. 10.) beschrieben worden, rechnen, und müssen zu allererst diesen Mangel in unseren besonderen Encyklopädien ersetzen. Die Hauptgesichtspuncte einer solchen auf eine wissenschaftliche Kunstschule berechneten Encyklopädie sind die folgenden: ^dass sie zuvörderst die eigentliche charakteristische Unterscheidung des Verstandesgebrauches^ in diesem Fache, und die besonderen Kunstgriffe oder Vorsichtsregeln in ihm mit aller dem Lehrer selbst beiwohnenden Klarheit angebe, und sie mit Beispielen belege (und so eben z. B. das ^historische Talent^, oder die ^Beobachtungsgabe^ mit dem Begriffe durchdringe); dass sie die Theile dieser Wissenschaft vollständig und umfassend vorlege, und zeige, auf welche besondere Weise jeder, und in welcher Zeitfolge sie studirt werden müssen; endlich, dass sie die für den Zweck des Lehrlings nöthige Literaturkenntniss des Faches gebe, und ihn berathe, ^was^, und in ^welcher Ordnung^ und etwa mit welchen Vorsichtsmaassregeln, er zu lesen habe. Besonders in der letzten Rücksicht ist der Lehrer dem Lehrlinge ein allgemeines Register und Repertorium des ^gesammten Buchwesens^ in diesem Fache, inwieweit dasselbe dem Lehrlinge nöthig ist, schuldig; welches nun der Lehrling selber, nach der ihm gegebenen Anleitung, zu lesen, keinesweges aber vom Lehrer zu erwarten hat, dass auch dieser es ihm noch einmal recitire. Gehört nun ferner, wie wir hoffen, der Lehrer zu dem oben erwähnten edleren Bestandtheile der bisherigen Universitäten, dass er mit dem gesammten Buchwesen seines Faches nicht allerdings zufrieden und fähig sey, dasselbe hier und da zu verbessern, so zeige er in seiner Encyklopädie diese fehlerhaften Stellen des grossen Buches an, und lege dar seinen Plan, wie er in besonderen Vorlesungen diese fehlerhaften Stellen verbessern wolle, und in welcher Ordnung diese besonderen Vorlesungen, die insgesammt auf der festen Unterlage seiner Encyklopädie ruhen, und auf ihr geordnet sind, zu hören seyen. Ist dessen so viel, dass er es allein nicht bestreiten kann, so wähle er sich einen Unterlehrer, der verbunden ist, in seinem Plane zu arbeiten. Nur sage er nicht, was im Buche auch steht, sondern nur das, was in keinem Buche steht. (Als Beispiel: dass in den Schüler der niederen Schule sehr früh ein Inbegriff der Universalgeschichte hineingebildet werden müsse, versteht sich, und ist oben gesagt; wozu aber, ausser der Anweisung, wie man die gesammte Menschengeschichte zu ^verstehen^ habe, welche wohl am schicklichsten dem Philosophen anheimfallen dürfte, auf der höheren Schule ein Cursus der Universalgeschichte solle, bekenne ich nicht zu begreifen; dagegen aber würde ich es für sehr schicklich und alles Dankes werth halten, wenn ein Professor der Geschichte ein Collegium ankündigte über besondere Data aus der Weltgeschichte, ^die keiner vor ihm so richtig gewusst habe, wie er^, und er mit diesem Versprechen Wort hielte.) (Wir setzen der Erwähnung dieser von vielen so sehr angefeindeten Encyklopädien, zur Vorbauung möglichen Misverständnisses, noch folgendes hinzu. Mit derselben vollkommenen Ueberzeugung, mit welcher wir zugeben, dass das Bestreben, bei solchen allgemeinen Uebersichten und Resultaten ^stehenzubleiben^, von Seichtigkeit, Trägheit und Sucht nach wohlfeilem Glanze zeuge, und diese Schlechtigkeiten befördere, sehen wir zugleich auch ein, dass das Widerstreben, ^von ihnen auszugehen^, den Lehrling ohne Steuerruder und Compass in den verworrenen Ocean stürze, dass, obwohl einige sich rühmen hierbei ohne Ertrinken davongekommen zu seyn, man darum doch nicht das Recht habe, jederman derselben Gefahr auszusetzen, dass selbst die Geretteten gesunder seyn würden, wenn sie der Gefahr sich nicht ausgesetzt hätten; und dass die Quellen dieses Widerstrebens keinesweges aus einer besseren Einsicht, sondern dass sie grösstentheils aus dem persönlichen Unvermögen hervorgehen, solche encyklopädische Rechenschaft über das eigene Fach zu geben, indem diese, nur gross im Einzelnen, niemals zur Ansicht eines Ganzen sich erhoben haben. Wer nun eine solche Encyklopädie seines Faches geben nicht könnte oder nicht wollte, der wäre für uns nicht bloss unbrauchbar, sondern sogar verderblich, indem durch seine Wirksamkeit der Geist unseres Institutes sogleich im Beginne getödtet würde.) §. 22. Wir gehen an die historische Auffassung des auf den bisherigen Universitäten vorliegenden Stoffes, und schicken folgende zwei allgemeine Bemerkungen voraus. Eine Schule des wissenschaftlichen Verstandesgebrauches setzt voraus, dass verstanden und bis in seinen letzten Grund durchdrungen werden könne, was sie sich aufgiebt; sonach wäre ein solches, das den Verstandesgebrauch sich verbittet, und sich als ein unbegreifliches Geheimniss gleich von vornherein aufstellt, durch das Wesen derselben von ihr ausgeschlossen. Wollte also etwa die Theologie noch fernerhin auf einem Gotte bestehen, der etwas wollte ohne allen Grund; welches Willens Inhalt kein Mensch durch sich selber begreifen, sondern Gott selbst unmittelbar durch besondere Abgesandte ihm mittheilen müsste; dass eine solche Mittheilung geschehen sey, und das Resultat derselben in gewissen heiligen Büchern, die übrigens in einer sehr dunklen Sprache geschrieben sind, vorliege, von deren richtigem Verständnisse die Seligkeit des Menschen abhange: so könnte wenigstens eine Schule des Verstandesgebrauches sich mit ihr nicht befassen. Nur wenn sie diesen Anspruch auf ihr allein bekannte Geheimnisse und Zaubermittel durch eine unumwundene Erklärung aufgiebt, laut bekennend, dass der Wille Gottes ohne alle besondere Offenbarung erkannt werden könne, und dass jene Bücher durchaus nicht ^Erkenntnissquelle^, sondern nur ^Vehiculum des Volksunterrichtes^ seyen, welche, ganz unabhängig von dem, was die Verfasser etwa wirklich gesagt haben, beim wirklichen Gebrauche also erklärt werden müssen, wie die Verfasser hätten sagen sollen; welches letztere, wie sie hätten sagen sollen, darum schon vor ihrer Erklärung anderwärtsher bekannt seyn müsse: nur unter dieser Bedingung kann der Stoff, den sie bisher besessen hat, von unserer Anstalt aufgenommen und jener Voraussetzung gemäss bearbeitet werden. Ferner haben mehrere bisher auf den Universitäten bearbeitete Fächer (als die soeben erwähnte Theologie, die Jurisprudenz, die Medicin) einen Theil, der nicht zur wissenschaftlichen Kunst, sondern zu der sehr verschiedenen praktischen Kunst der Anwendung im Leben gehört. Es gereicht sowohl einestheils zum Vortheile dieser praktischen Kunst, die am besten in unmittelbarer und ernstlich gemeinter Ausübung unter dem Auge des schon geübten Meisters erlernt wird, als anderentheils zum Vortheile der wissenschaftlichen Kunst selbst, welche zu möglichster Reinheit sich abzusondern und in sich selbst sich zu concentriren hat: dass jener Theil von unserer Kunstschule abgesondert, und in Beziehung auf ihn andere für sich bestehende Einrichtungen gemacht werden. Was inzwischen auch in dieser Rücksicht von der wissenschaftlichen Kunstschule zu beobachten sey, werden wir bei Erwähnung der einzelnen Fälle beibringen. §. 23. Nächst der Philosophie macht die ^Philologie^, als das allgemeine Kunstmittel aller Verständigung, mit Recht den meisten Anspruch auf Universalität. Ob auch wohl überhaupt ^für das gesammte studirende Publicum^ auf der höheren Schule es eines philologischen Unterrichtes bedürfen, oder vielmehr dieser schon auf der niederen Schule beendigt seyn solle, ob insbesondere für diejenigen, ^die sich zu Schullehrern^ bestimmen, und für die es allerdings einer weiteren Anführung bedarf, die dahingehörigen Anstalten nicht schicklicher mit den niederen Schulen selbst vereinigt werden würden: -- die Beantwortung dieser Frage können wir für jetzt ^dem^ Zeitalter, da die allgemeine Encyklopädie geltend gemacht seyn, und die niedere Schule seyn wird, was sie soll, anheimgeben, und vorläufig es beim Alten lassen. §. 24. Von der ^Mathematik^ sollte unseres Erachtens der reine Theil bis zu einer gewissen Potenz schon auf der niederen Schule vollkommen abgethan seyn; und es wäre hierdurch das, was oben über das Pensum dieser Schule gesagt worden, zu ergänzen. Da auch hierauf im Anfange nicht zu rechnen ist, so wäre vorläufig ein auf diesen gegenwärtigen Zustand der niederen Schule berechneter Plan des mathematischen Studiums zu entwerfen. -- Auf allen Fall ist mein Vorschlag, dass ein ^Comité^ aus unseren tüchtigsten Mathematikern ernannt, diesen unser Plan im Ganzen vorgelegt, und ihnen aufgegeben würde, die Beziehung ihrer Wissenschaft auf denselben zu ermessen, und demzufolge durch allgemeine Uebereinkunft ^Einen^ aus ihrer Mitte zu ernennen, oder auch einen Fremden zur Vocation vorzuschlagen, dem die Encyklopädie, der Plan und die Direction dieses ganzen Studiums übertragen würde. §. 25. Die gesammte Geschichte theilt sich in die Geschichte der ^fliessenden^ Erscheinung, und in die der ^dauernden^. Die erste ist die vorzüglich also genannte Geschichte oder Historie, mit ihren Hülfswissenschaften; die zweite die Naturgeschichte, -- welche ihren theoretischen Theil hat, die Naturlehre. In der ersten ist der zu berufende Ober- und encyklopädische Lehrer über unseren Grundplan zu verständigen; worüber er vorläufig mit uns einig seyn muss. Das ausgedehnte Fach der ^Naturwissenschaft^ betreffend, welche durchaus als ein organisches Ganze behandelt werden muss, kann ich nur ein ^Comité^, so wie oben bei der Mathematik, in Vorschlag bringen, das aus seiner Mitte, oder auch einen Fremden rufend, den Encyklopädisten, Entwerfer des Lehrplans, und Director des ganzen Studiums erwähle, und falls es so nöthig befunden würde, nach seinem Plane den Vortrag desselben, auch hier mit der beständigen Rücksicht, dass nicht mündlich mitgetheilt werde, was so gut oder besser sich aus dem Buche lernen lässt, ^unter sich vertheile^. Das Haupterforderniss eines solchen Planes ist Vollständigkeit und organische Ganzheit der Encyklopädie. Zugleich hat sie für ihr Fach sich mit der niederen Schule über die Grenze zu berichtigen, und dieser die Potenz, die sie hervorbringen soll, als ihr künftiges Pensum aufzugeben, welches auch für die oben erwähnten, sowie für alle folgenden Fächer gilt, und hier einmal für immer erinnert wird. Bloss die Philosophie verbittet die directe Vorbereitung der niederen Schule, und ist nur ausschliessend eine Kunst der höheren. §. 26. Die drei sogenannten höheren Facultäten würden schon früher wohlgethan haben, wenn sie sich, in Absicht ihres wahren Wesens, in dem ganzen Zusammenhange des Wissens deutlich erkannt, und sich darum nicht, pochend auf ihre praktische Unentbehrlichkeit und ihre Gültigkeit beim Haufen, als ein abgesondertes und vornehmeres Wesen hingestellt, sondern lieber jenem Zusammenhange sich untergeordnet und mit schuldiger Demuth ihre Abhängigkeit erkannt hätten; indem sie nemlich verachteten, wurden sie verachtet, und die Studirenden anderer Fächer nahmen keine Notiz von dem, was jene ausschliessend für sich zu besitzen begehrten, wodurch sowohl ihrem Studium, als der Wissenschaft im Grossen und Ganzen sehr geschadet wurde. Wir werden auf Belege dieser Angabe stossen. Eine wissenschaftliche Kunstschule muthet ihnen sogleich bei ihrem Eintritte in ihren Umkreis diese Bescheidenheit zu. Der wissenschaftliche Stoff der ^Jurisprudenz^ ist ein Capitel aus der Geschichte; sogar nur ein Fragment dieses Capitels, wie sie bisher behandelt worden. Sie sollte seyn ^eine Geschichte der Ausbildung und Fortgestaltung des Rechtsbegriffes unter den Menschen^, welcher ^Rechtsbegriff^ selber, unabhängig von dieser Geschichte, und als ^Herrscher^, keinesweges als ^Diener^, schon vorher durch Philosophiren gefunden seyn müsste. In ihrer gewöhnlichen ersten, lediglich praktischen Absicht, -- nur ^Richter^, welches ein untergeordnetes Geschäft ist, zu bilden, wird sie Geschichte jener Ausbildung in dem Lande, in welchem wir leben, und wenn es hoch geht, unter den Römern, und so Fragment; aber ihr letzter praktischer Zweck ist der, den ^Gesetzgeber^ zu bilden; und für diesen Behuf möchte ihr wohl das ganze Capitel rathsam seyn; denn obwohl, was überhaupt Gesetz seyn solle, schlechthin ^a priori^ erkannt wird, so dürfte doch die Kunst, die besondere Gestalt dieses Gesetzes für jede gegebene Zeit zu finden und es ihr anzuschmiegen, der Erfahrung der gesammten bekannten Zeit in demselben Geschäfte bedürfen. Richteramt sowohl als Gesetzgebung sind praktische Anwendung ^der Geschichte^; und so hat die Jurisprudenz zu ihrer ersten Encyklopädie die Encyklopädie der Geschichte, indem dieses der Boden ist, auf welchem sie und der wissenschaftliche Verstandesgebrauch in ihr ruhet, und die Ausübung derselben in ihrer höchsten Potenz eigentlich die Kunst ist, eine Geschichte, und zwar eine erfreulichere, als die bisherige, hervorzubringen. Die Anführung aber zur praktischen Anwendung im Leben fällt ganz ausser den Umkreis der Schule, und wären hierin die Schüler an die ausübenden Collegia zu verweisen, unter deren Augen, aber auf die ^Verantwortung^ der Beamten, denen sie anvertraut worden, sie für die künftige Geschäftsführung sich vorbereiteten. Ich schlage daher für dieses Fach ein ^Comité^ vor, in welchem aber der oben beschriebene Encyklopädist der Geschichte Sitz, und für seinen Antheil entscheidende Stimme hätte. Dieses hätte einen besonderen Encyklopädisten für die ^Theile^ und die Literatur des beschriebenen Capitels anzustellen, den Studienplan vorzuzeichnen, und die Anstalten für praktische Bildung unabhängig von der wissenschaftlichen Kunstschule zu organisiren. Ich hoffe, dass bei entschiedener Durchführung des Satzes, nicht mündlich zu lehren, was im Buche steht, der Lectionskatalog dieser Facultät kürzer werden wird, als er bisher war; wiewohl durch unsere Grundsätze des zu Erlernenden mehr geworden ist. Die ^Heilkunde^ ruht auf dem zweiten Theile des positiv zu Erlernenden, der ^Naturwissenschaft^; jedoch erlaubt ihr gegenwärtiger Zustand den Zweifel, in welchem auch der Schreiber dieses sich zu befinden gern bekennt, ob aus jener unstreitig wissenschaftlichen Basis in der wirklichen Heilkunde auch nur ein einziger ^positiver Schluss^ zu machen, und somit, ob diese Basis ^Leiterin^ sey in der Ausübung, wie in der Jurisprudenz dies offenbar der Fall ist, oder ob nur gewissen allgemeinen Resultaten jener Basis bloss nicht ^widersprochen werden dürfe^ durch die Ausübung; jene daher (die Wissenschaft) für diese (die Ausübung) nur ^negatives Regulativ^ und ^Correctiv^ wäre? Sollte, wie wir befürchten, das Letzte der Fall seyn, und wie wir gleichfalls befürchten, immerfort bleiben müssen, so gäbe es von der Wissenschaft in irgend einem ihrer Zweige zu der ausübenden Heilkunde gar keinen stätigen positiven Uebergang, sondern die letztere hätte ihren eigenthümlichen Boden in einer ^besonderen^, niemals auf ^positive Principien zurückzuführenden Beobachtung^; sie wäre somit von der wissenschaftlichen Schule, welche alle Zweige der Naturwissenschaft bis zu Anatomie, Botanik u. dergl. ohne alle Rücksicht auf Heilkunde, und als jedem wissenschaftlich gebildeten Menschen überhaupt durchaus anzumuthende Kenntnisse, sorgfältig triebe, abzusondern, und in einem für sich bestehenden Institute, rein und ohne wissenschaftliche Beimischung, die als in der Schule erlernt vorausgesetzt wird, von der ^materia medica^ z. B. an, die ja nichts ist, als die Anwendung der ärztlichen Empirie auf die Botanik und dergl., zu treiben. Welche unermesslichen Vortheile eine solche Verselbstständigung der Naturwissenschaft, die bisher häufig nur als Magd der Heilkunde betrachtet und bearbeitet wurde, und an ihrem Theile auch der Heilkunde, dadurch aber dem ganzen wissenschaftlichen Gemeinwesen bringen würde, leuchtet wohl von selbst ein. Es wäre daher aus Sachkundigen ein Comité zu Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage und zu Organisirung derjenigen Anstalten, welche das Resultat dieser Beantwortung erforderte, zu ernennen. Dass ein solches selbstständiges Institut der Heilkunde den ihm anheimgefallenen Stoff nach einem festen, auf seine Encyklopädie begründeten Plane, nach der Maxime, nicht zu lehren, was im Buche schon steht, behandelte, wäre auch ihm zu wünschen, und es würde sich von selbst verstehen. Nun aber, welches ja nicht aus der Acht zu lassen, haben auch die wichtigsten Resultate der fortgesetzten ärztlichen Beobachtung, deren wirkliche Vollziehung ihr allein überlassen wird, als ein Theil der gesammten Naturbeobachtung, Einfluss auf den Fortgang der ganzen Naturwissenschaft, und so muss auch die wissenschaftliche Schule sie keinesweges verschmähen, sondern sich in den Stand setzen, fortdauernd von ihr Notiz zu haben und bei ihr zu lernen. Jedoch wird die Ausbeute davon niemals sofort und auf der Stelle eingreifen in das Ganze, und so in den encyklopädischen Unterricht gehören; es wird drum eine andere, an ihrem Orte anzugebende Maassregel getroffen werden müssen, dieselbe aufzunehmen, und sie bis zur Eintragung in die Encyklopädie aufzubewahren. Dass die ^Theologie^, falls sie nicht den ehemals laut gemachten und auch neuerlich nie förmlich zurückgenommenen Anspruch auf ein Geheimniss feierlich aufgeben wollte, in eine Schule der Wissenschaft nicht aufgenommen werden könne, ist schon oben gezeigt. Giebt sie ihn auf, so bequemt sie sich dadurch zugleich zu der bisher auch nicht so recht zugegebenen Trennung ihres praktischen Theiles von ihrem wissenschaftlichen. Um zuvörderst den ersten abzuhandeln: der Volkslehrer, den sie bisher zu bilden sich vorsetzte, ist in seinem Wesen der Vermittler zwischen dem höheren, dem wissenschaftlich ausgebildeten Stande (denn einen anderen höheren Stand giebt es nicht, und was nicht wissenschaftlich ausgebildet ist, ist Volk), und dem niederen, oder dem Volke. Zunächst zwar, und dies mit vollem Rechte, knüpft er sein Bildungsgeschäft an die Wurzel und das Allgemeinste aller höheren menschlichen Bildung, an die Religion an; aber nicht bloss diese, sondern alles, was von der höheren Bildung an das Volk zu bringen und seinem Zustande anzupassen ist, soll er immerfort demselben zuführen. Nichts verhindert, dass er nicht noch neben diesem Berufe ein die Wissenschaft selbst in ihrer Wurzel selbstthätig bearbeitender und sie weiter bringender Gelehrter sey, wenn er ^will^ und ^kann^; aber es ist ihm für diesen Beruf nicht nothwendig, und drum ihm nicht anzumuthen. Es ist für ihn hinlänglich, dass er überhaupt die Kunst besitze, wissenschaftliche Gegenstände zu ^verstehen^ und sich über sie ^verständlich zu machen^, die er ja schon in der niederen Schule, welche er auf alle Fälle durchzumachen hat, gelernt haben wird; ferner von dem gesammten wissenschaftlichen Umfange die allgemeinsten Resultate, und das Vermögen, erforderlichen Falles durch Nachlesen sich weiter zu belehren, worin ihm die an der wissenschaftlichen Schule eingeführten Encyklopädien den Unterricht und die nöthigen Literaturkenntnisse geben. Die nöthige Anführung zum Philosophiren hat er beim Philosophen zu holen. Für sein nächstes Geschäft der religiösen Volksbildung hat er zu allererst sein Religionssystem in der Schule des Philosophen zu bilden. Für das Anknüpfen seines Unterrichtes an die biblischen Bücher wird es vollkommen hinreichen, dass ein Buch geschrieben und ihm in die Hände gegeben werde, in welchem aus diesen Büchern der Inhalt ächter Religion und Moral entwickelt werde, wobei nun weder die Verfasser dieses Buches, noch der dadurch zur Bibel^anwendung^ anzuleitende künftige Volkslehrer sehr bekümmert zu seyn brauchen über die Frage, ob die biblischen Schriftsteller es wirklich also gemeint haben, wie sie dieselben erklären; das Volk aber vor dieser, durchaus nicht in seinen Gesichtskreis gehörigen Frage sorgfältig zu bewahren ist. Der Volkslehrer hat darum durchaus nicht nöthig, die biblischen Schriftsteller nach ^ihrem wahren, von ihnen beabsichtigten Sinne^ zu verstehen; wie denn ohne Zweifel auch bisher, ohngeachtet es beabsichtiget und häufig vorgegeben worden, weder bei ihm, noch auch oft bei seinem Professor in der Exegese, dies der Fall gewesen; und wir somit nicht einmal eine Neuerung, sondern nur das Geständniss der wahren Beschaffenheit der Sache, und das besonnene Aufgeben eines unnöthigen und vergeblichen Strebens begehren. Ueber ^Pastoralklugheit^, d. i. über seine eigentliche Bestimmung als Volkslehrer im Ganzen eines Menschengeschlechts, und die Kunstmittel, dieselbe zu erfüllen, wird er ohne Zweifel auch beim Philosophen einige Auskunft finden können. Sein eigenthümlich ihm anzumuthender Charakter, die ^Kunst^ der ^Popularität^, und die Uebungen derselben durch katechetische, homiletische, auch ^Umgangsinstitute^ mit Gliedern aus dem Volke, sind der wissenschaftlichen Schule, welche den scientifischen Vortrag beabsichtigt, entgegengesetzt, drum von ihm abzusondern, und am schicklichsten den ausübenden Volkslehrern, wie bei den Juristen, zu übertragen. Das eigentliche Genie für den künftigen Volkslehrer ist ein frommes, Menschen und besonders das Volk liebendes Herz; hierauf wäre bei der Zulassung zu diesem Berufe hauptsächlich zu sehen, und besonders bei Besetzung der Consistorien, als etwa der künftigen Schulen solcher Lehrer, würde weit mehr auf diese Eigenschaften, als auf andere glänzende Talente oder auf ausgebreitete Kenntnisse Rücksicht genommen werden müssen. Der wissenschaftliche Nachlass dieser, als einer priesterlichen Vermittlerin zwischen Gott und den Menschen mit Tode abgegangenen Theologie an die wissenschaftliche Schule würde durch eine solche Veränderung seine ganze bisherige Natur ausziehen und eine neue anlegen. Es hat derselbe zwei Theile: ein von der Philologie abgerissenes Stück, und ein Capitel aus der Geschichte. Die morgenländischen Sprachen, zu denen der den Theologen bis jetzt fast ausschliessend überlassene hebräische Dialekt einen leichten und schicklichen Eingang darbietet, machen einen sehr wesentlichen Theil der Sprachentwickelung des menschlichen Geschlechts aus, und sind bei einer einst zu hoffenden organischen Uebersicht derselben ja nicht auszulassen; die hellenistische Form nun vollends der griechischen biblischen Schriftsteller gehört zur Kenntniss der griechischen Sprache im Ganzen, welche Sprache ja auf unseren Schulen getrieben wird. Beide erhalten gegen den aufgegebenen höchst zweideutigen Anspruch, heilige Sprachen zu seyn, den weit bedeutenderen, dass sie menschliche Sprachen sind, zurück, und fallen der niederen Schule, die sich ja der Trägheit schämen wird, die beschränkte hebräische Sprache nicht allgemein bearbeiten zu können, da sie die sehr reiche griechische Sprache mit Glück bearbeitet, wiederum anheim. Ferner sind die biblischen Schriftsteller ja höchst bedeutende Formen der Entwickelung des menschlichen Geistes, deren wahrer Werth bloss darum nicht beachtet worden, weil ein erdichteter falscher alle Aufmerksamkeit der einen Partei anzog, und den Hass und die unbedingte Nichtbeachtung der anderen Partei erregte. Von nun an, ^sine ira et studio^ in dieser Sache urtheilend, werden wir es ebenso belehrend und ergötzend finden, den Jesaias zu lesen, als den Aeschylos, und den Johannes als den Plato, und es wird uns mit dem richtigen Wortverständnisse derselben, ^welches das gelehrte Studium allerdings anstreben wird^, weit besser gelingen, wenn auch die ersten ebensowohl als die zweiten zuweilen auch ^unrecht^ haben dürften, als vorher, da sie immer, und für die besondere Ansicht jedes neuen Exegeten, recht haben sollten, welches ohne mancherlei Zwang und ohne nie endenden Streit nicht zu bewerkstelligen war. Diese Exegese wird redlich seyn, auch redlich gestehen, was sie nicht versteht, dagegen die vom theologischen Principe ausgehende höchst unredlich war; (das oben Vorgeschlagene aber gleichfalls keine unredliche Exegese ist, da es überhaupt nicht Exegese ist, noch sich dafür giebt, indem eine solche eine gelehrte Aufgabe ist, die durchaus vor das Volk nicht gehört). Das Capitel aus der Historie, wovon die bisherige Theologie einen Haupttheil sich fast ausschliessend zugeeignet, ist die ^Geschichte der Entwickelung der religiösen Begriffe unter den Menschen^. Es geht aus dem gebrauchten Ausdrucke hervor, dass die Aufgabe umfassender ist, als die Theologie sie genommen, indem auch über die Religionsbegriffe der sogenannten Heiden Auskunft gegeben werden müsste, und dass die wissenschaftliche Schule sie in dieser Ausdehnung nehmen wird. Mit diesen zu ihr gehörigen und sie erklärenden Bestandtheilen versehen, ferner ohne alles Interesse für irgend ein Resultat, und mit redlicher Wahrheitsliebe bearbeitet, wird auch die eigentliche Kirchengeschichte eine ganz andere Gestalt gewinnen, und man wird der Lösung mehrerer Probleme (z. B. über die wahren Verfasser mancher biblischen Schriften, über die ächten oder unächten Theile derselben, die Geschichte des Kanon, u. s. w.), die dem Unbefangenen noch immer nicht gründlich gelöst zu seyn scheinen könnten, näher kommen, oder auch genau finden und bekennen, was in dieser Region sich ausmitteln lasse, und was nicht. Es wäre, wie sich versteht, dieser Theil der Geschichte dem Encyklopädisten der gesammten Geschichte, zur Verflechtung in seinen Studienplan, anheimzugeben. -- Zur Entscheidung über die oben vorgelegte Hauptfrage, und falls die Antwort darauf befriedigend ausfiele, zur Entwerfung eines festen Planes und Errichtung eines besonderen Institutes zur Bildung künftiger Volkslehrer wäre ein aus sachverständigen und guten Theologen und Predigern bestehendes Comité niederzusetzen. §. 27. Diesen zu beauftragenden einzelnen Männern und Comités wäre, ausser den schon angeführten Geschäften, auch noch folgendes aufzugeben, dass sie vollständig untersuchten, was an gelehrtem Apparate für jedes Fach (Bücher, Kunst- und Naturaliensammlungen, physikalische Instrumente, und dergl.) vorhanden sey, welche Notwendigkeiten dagegen uns abgingen und angeschafft werden müssten; für vollständige Kataloge und Repertorien dieser Schätze sorgten; und in ihre Studienpläne den zweckmässigen, folgegemässen Gebrauch derselben aufnähmen. Falls die beauftragten einzelnen Männer neben ihrem ersten Geschäfte zu diesem nicht Zeit fänden, so wären sie zu ersuchen, einen anderen tüchtigen Mann für dasselbe zu ernennen. In diesem Geschäfte hätten sie von einer Seite sich sorgfältig zu hüten, dass sie, etwa um nichts umkommen zu lassen, oder aus Streben nach äusserem Glanze und Rivalität mit anderen gelehrten Anstalten, durch Beibehaltung überflüssiger Dinge der Reinheit und Einfachheit unserer Anstalt Abbruch thäten; sowie von der anderen Seite nichts zu sparen am wirklich Nöthigen. Was den äusseren Glanz betrifft, so wird uns dieser, falls wir nur das innere Wesen redlich ausbilden, von selbst zufallen; die bedachte Beachtung desselben aber, und die Nachahmung anderer, von denen wir nicht Beispiele annehmen, sondern sie ihnen geben wollen, würde uns wiederum in die Verworrenheit hineinwerfen, welche ja von uns abzuhalten unser erstes Bestreben seyn muss. §. 28. Durch die allseitige Lösung der aufgestellten Aufgaben wäre nun fürs erste zu Stande gebracht das ^lehrende Subject^ der wissenschaftlichen Kunstschule. Wir könnten mit den encyklopädischen Vorlesungen eine, fürs erste in ihren übrigen Bestimmungen ^ganz gewöhnliche Universität^ eröffnen. Es wären jedoch diese gesammten Vorlesungen, in denen, immer nach dem Ermessen des Lehrers, der fortfliessende Vortrag mit Examinibus und Conversatorien, deren Besuchung jedem Studirenden ^freistände^, keiner aber dazu ^verbunden^ wäre, abwechselte, über das erste Unterrichtsjahr also zu vertheilen, dass die Studenten, und wenn sie es wollten, auch die Lehrer, diese Vorlesungen alle hören könnten, dennoch aber den ersteren zum aufgegebenen Bücherlesen und zur Ausarbeitung der Aufsätze, -- von welchem demnächst, -- den letzteren zu Beurtheilung dieser Aufsätze Zeit übrig bliebe. Es möchte in dieser Zeitberechnung bei beiden Theilen in Gottes Namen auf noch mehr als den üblichen Fleiss und Berufstreue gerechnet werden; indem diese Eigenschaften ohnedies an unserer Schule an die Tagesordnung kommen sollen, und drum nicht zu früh eingeführt werden können. §. 29. ^Während^ dieser encyklopädischen Vorlesungen des ersten Lehrjahres stellen der philosophische Lehrer sowohl, als die übrigen encyklopädischen eine ^Aufgabe^ an ihr Auditorium, in dem oben sattsam charakterisirten Geiste; so dass das aus dem mündlichen Vortrage oder dem Buche Erlernte nicht bloss wiedergegeben, sondern dass es zur Prämisse gemacht werde, damit sich zeige, ob der Jüngling es zu seinem freien Eigenthume erhalten habe, und als anhebender Künstler etwas Anderes daraus zu gestalten vermöge. Diese Aufgabe bearbeitet jeder Studirende, der da will, in einem Aufsatze, den er zu einem bestimmten Termine vor Beendigung des Lehrjahres, mit einem versiegelten Zettel, der den Namen des Verfassers enthalte, bei dem aufgebenden Lehrer einsendet. Der Lehrer prüft diese Aufsätze und hebt die vorzüglichsten heraus. In dieser Beurtheilung der Aufsätze ist bei rein philosophischem Inhalte der Lehrer der Philosophie unbeschränkt: zur Krönung anderer aber, die einen positiv wissenschaftlichen Stoff haben, müssen der encyklopädische Lehrer des Faches und der Philosoph (später, wenn wir eine solche haben werden, die philosophische Klasse) sich vereinigen, der ^erstere^ entscheidend über die Richtigkeit und die auf dieser Stufe des Unterrichts anzumuthende Tiefe und Vollständigkeit der historischen Erkenntniss, der zweite über den philosophischen und Künstlergeist, mit welchem jener Stoff verarbeitet worden. Ein von ^Einem^ dieser beiden verworfener Aufsatz bleibt verworfen, obschon der andere Theil ihn billigte. Die Nothwendigkeit dieser Mitwirkung der philosophischen Klasse liegt im Wesen einer Kunstschule: die Mitwirkung des historischen Wissens aber soll uns dagegen verwahren, dass nicht in empirischen Fächern ^a priori^ phantasirt werde, statt gründlicher Gelehrsamkeit. Am ^Schlusse^ des ersten Lehrjahres wird das Resultat der also vollzogenen Beurtheilung der eingegebenen Aufsätze, und die Namen derer, deren Ausarbeitungen gebilligt sind, bekannt gemacht; und es treten von ihnen diejenigen, ^welche wollen^, zusammen, als der erste Anfang eines ^lernenden Subjects^, in höherem und vorzüglicherem Sinne, an unserer wissenschaftlichen Kunstschule. Welche wollen, sagte ich; denn obwohl die Ausfertigung eines Aufsatzes, und die Unterwerfung desselben unter die Beurtheilung des lehrenden Corps, diesen Willen vorauszusetzen scheint: so können mit dem ersten doch auch mancherlei andere Zwecke beabsichtigt werden, von denen zu seiner Zeit; alle Studirenden an unserer Universität können auch für diese Zwecke berechtiget werden; und es muss darum jedem, der sogar beitreten ^dürfte^, überlassen werden, ob er ^will^. Inzwischen wird die Fortsetzung unseres Entwurfes ohne Zweifel die sichere Vermuthung begründen, dass jeder wollen werde, der da dürfe. §. 30. Sie treten zusammen zu einer einzigen grossen Haushaltung, zu gemeinschaftlicher Wohnung und Kost, unter einer angemessenen liberalen Aufsicht. Ihre Bedürfnisse ohne alle Ausnahme, nicht ausgeschlossen Bücher, Kleider, Schreibmaterialien u. s. f. werden ihnen von der Oekonomieverwaltung in Natur gereicht, und sie haben, die Verwaltung eines mässigen Taschengeldes abgerechnet, wofür ein Maximum festgesetzt werden könnte, während ihrer Studienjahre mit keinem anderen ökonomischen Geschäfte zu thun. (Der Grund dieser Einrichtung ist schon oben angegeben worden; und auf die Einwendung, dass junge Leute auf der Universität zugleich das Haushalten mitlernen müssten, ist zu erwiedern, dass, falls dieselben bei uns das Ehrgefühl, die Gewissenhaftigkeit und die intellectuelle Bildung erhalten, die wir anstreben, es sich mit dem künftigen Haushalten von selbst finden werde; erhalten sie aber bei dem Grade der Sorgfalt, den wir anwenden werden, dieselbe nicht, so ist gar kein Schaden dabei, dass sie auch äusserlich verderben, und mag dies immer je eher je lieber geschehen.) Inwiefern aber diese Verpflegung ^ihnen frei auf Kosten des Staates^, oder auf ihre eigenen Kosten gereicht werden solle, davon behalten wir uns vor, tiefer unten zu sprechen; und wollen wir mit dem Gesagten keinesweges unbedingt das Erste gesagt haben. Mit diesem also zu Stande gebrachten Stamme tritt nun das lehrende Corps in das oben beschriebene innige Wechselleben. Sie werden fortdauernd erforscht und in ihrem Geistesgange beobachtet, sie haben den ersten Zutritt zu den Examinibus, Conversatorien, dem Umgange und der Berathung der Lehrer, und stehen in der Benutzung der vorhandenen literarischen Hülfsmittel jedem Anderen vor; auf ihre nächsten unmittelbaren und wohlbekannten Bedürfnisse rechnet immerfort der gesammte mündliche Vortrag der Kunstschule. Im Falle der würdigen Benutzung dieser Schule, die durch eine tiefer unten zu beschreibende Prüfung documentirt wird, stehen sie bei Besetzung der höchsten Aemter des Staates allen Anderen vor (und tragen den von Gottes Gnaden durch ein vorzügliches Talent ihnen geschenkten, und durch würdige Ausbildung jenes ersteren verdienten Adel). Immerhin mögen neben ihnen andere Studirende an den vorhandenen Bildungsmitteln der Anstalt, welche recht eigentlich doch nur für jene sind, nach allem ihren Vermögen theilnehmen, und in freier Bildung jenen den Rang abzulaufen suchen, welches, falls es ihnen gelänge, auch nicht unanerkannt bleiben soll. Diese wachsen gewissermaassen wild, wie im Walde; jene sind eine sorgfältig gepflegte Baumschule, welche in alle Wege doch auch seyn soll, und aus welcher sogar dem Walde manches edlere Saamenkorn zufliegen wird. Jene sind ^regulares^, und es wird wohl auch eine anständige deutsche Benennung für sie sich finden lassen; diese sind ^irregulares^, blosse ^Socii^ und ^Zugewandte^; und dies wären die beiden Hauptklassen, in die unser studirendes Publicum zerfiele. §. 31. Es würde auch fernerhin nach jedem abgelaufenen Lehrjahre denen, die bis jetzt noch unter den Zugewandten sich befänden, freistehen, durch gelungene Ausarbeitungen (indem gegen das Ende jedes Lehrjahres Aufgaben für dergleichen gegeben werden) ihre Aufnahme unter die Regularen nachzusuchen. Ausserdem würden diejenigen der jungen Inländer, welche vorzügliches Talent und Progressen von der niederen Schule zu documentiren vermöchten (über deren Grad und die Art der Beweisführung später etwas Festes bestimmt werden kann), gleich bei ihrem Eintritte auf die Universität ein Recht haben auf einen Platz unter den Regularen. §. 32. Es wäre zu veranlassen, dass gleich bei der Eröffnung der Universität, da es noch keine Regulare giebt, diejenigen, welche die Aufnahme unter sie durch Ausarbeitungen zu suchen gedächten, ebenso wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem gemeinschaftlichen Haushalt zusammenträten. Diese, obwohl unter besonderer Aufsicht des Lehrinstituts stehend, wäre dennoch keine eigentliche öffentliche, sondern eine Privatanstalt, und die Mitglieder lebten nicht, wie es mit den Regularen unter gewissen Bedingungen wohl der Fall seyn kann, auf Kosten des Staates, sondern auf die eigenen, die jedoch, ganz wie bei den Regularen, gemeinschaftlich verwaltet würden. Es könnte auch denjenigen unter diesen Vereinigten, welche beim Anfange des zweiten Lehrjahres nicht unter die Regularen aufgenommen, und so aus dieser ersten Verbindung in eine neue hinübergenommen würden, nicht verwehrt werden, in dieser ihrer ersten Verbindung fortzuleben, indem sie zufolge des vorhergehenden §. beim Anfange des künftigen Lehrjahres glücklicher seyn können, und so ^Candidaten^ der ^Regel^ zu bleiben. Es könnten zu ihnen hinzutreten, um denselben Anspruch zu bezeichnen, andere, die bisher unter den Zugewandten sich befanden, desgleichen die von der niederen Schule Kommenden, die nicht schon von daher das Recht, unmittelbar unter die Regularen zu treten, mitbringen. Diese machen nun eine dritte Klasse der bei uns Studirenden, ein Verbindungsglied zwischen den Regularen und den Zugewandten: ^Novizen^. Sie sind schon durch die Natur der Sache, indem die Lehrer wissen, dass vorzüglich aus ihrer Mitte beim Anfange des neuen Lehrjahres sie das Collegium der Regularen zu ergänzen haben werden, der besonderen Beachtung derselben empfohlen. §. 33. Damit nun nicht etwa die Zugewandten, -- denn von den Novizen, die ihren Anspruch auf die Regel durch ihr Zusammenleben bekennen, ist dies nicht zu befürchten -- um der grösseren Licenz willen, jemals versucht werden, sich für vornehmer zu halten, denn die Regularen, soll der Vorzug der letzteren sogar äusserlich anschaubar gemacht werden durch eine ^Uniform^, die kein Anderer zu tragen berechtigt sey, denn sie und ihre ordentlichen Lehrer. Damit dieser Rock gleich anfangs die rechte Bedeutung erhalte, sollen sogleich von Eröffnung der Universität an die ordentlichen Lehrer diese Uniform gewöhnlich tragen, also dass im ersten Lehrjahre nur sie, und diejenigen, die in demselben Verhältnisse mit ihnen zur Universität stehen, damit bekleidet seyen; später, nach Ernennung des ersten Collegiums von Regularen, sie auf diese fortgehe, und so ferner bei allen folgenden Ergänzungen des letzteren. -- §. 34. Diese Einrichtung soll zugleich die äussere sittliche Bildung unserer Zöglinge unterstützen, und die Achtung derselben bei dem übrigen Publicum befördern und sicherstellen. Gründliches und geistreiches Treiben der Wissenschaft veredelt ohnedies ganz von sich selbst; überdies wird für die Entwickelung der Ehrliebe und des Gefühls für das Erhabene, als das eigentliche Vehiculum der sittlichen Bildung des Jünglings, durch Beispiel und Lehre gesorgt werden; die Ordnung aber kommt durch die getroffene Einrichtung von selber in seinen Lebenslauf: und so ist für die innere Bildung gesorgt. Die äussere wird, bei entwickelter Ehrliebe, der Gedanke unterstützen, dass sein Rock ihn bezeichne, und dass dieses Kleid nicht im Müssiggange auf den Strassen sich herumtreiben, oder wohl gar an gemeinen Orten und bei Zusammenläufen sichtbar werden, sondern dass es, als Mitglied der Gesellschaft, nur in Ehrenhäusern erscheinen dürfe. Was aber Ehrenhäuser sind, wird man ihm sagen, und auf alle Weise die Erlaubniss, in solchen Häusern ihn zu empfehlen, zu verdienen suchen. (Z. B. mag immerhin beim jetzigen Zustande der Dinge unter gewissen Umständen ein ehrliebender Jüngling, der in ein Duell verflochten worden, Entschuldigung verdienen, so soll doch unser Zögling durchaus keine finden ^darüber^, dass er sich erst unter Pöbel, von welcher Geburt derselbe auch übrigens seyn möge, begeben, wo dergleichen möglich war. Dahin werde der ^point d'honneur^ des ganzen Corps gerichtet. Feige übrigens sollen sie nicht werden.) Nach aussen hin ist gegen die Hauptquelle der Verachtung im Leben, Unordnung im Haushalt und Schuldenmachen, unser Zögling gesichert. Dass bei Excessen, deren Urheber unbekannt bleiben sollten, nicht auch unschuldig, wie dies in den Universitätsstädten wohl zu geschehen pflegt, dies Corps als der stets vorauszusetzende allgemeine Sünder aufgestellt werde, dagegen werden die Lehrer sich durch die Vorstellung schützen: Habt ihr unsern Ehrenrock bei dem Excesse gesehen? Habt ihr dies nun nicht, so verleumdet nicht unsere Zöglinge, denn diese gehen nie aus, ausser in diesem Rocke: und sie (diese Lehrer) werden überhaupt alles Ernstes auf die Ehre ihrer Zöglinge und auf alle die Einrichtungen halten, die ihnen möglich machen, dies mit ihrer eigenen Ehre zu thun. §. 35. Die ^Zugewandten^ stehen, da sie weder eigentliche Mitglieder unserer Anstalt, noch eigentliche angesessene Bürger sind, unter der allgemeinen Polizei, und es muss diese, ohne alle Mitwirkung von Seiten der Anstalt, und ganz auf ihre eigene Verantwortung, die Einrichtungen, wodurch den übrigen Bürgern die gehörige Garantie in Hinsicht dieser Fremden geleistet werde, treffen. Nicht anders würde es sich mit den Novizen verhalten; welche jedoch, da sie eine Einheit bilden, und ein sichtbares Band dieser Einheit an ihrer ökonomischen Verwaltung haben, eine tüchtigere Garantie zu geben, auch durch diesen ihren Repräsentanten in Unterhandlung mit der Polizei zu treten vermögen, und so, in Absicht der Individuen, einer liberaleren Gesetzgebung unterworfen werden können, als die ersteren. Nun aber steht die Lehranstalt mit diesen beiden Klassen noch in einem engeren Verhältnisse, denn die übrigen Bürger, und es ist der allgemeinen Polizei völlig fremd, dasjenige, was aus diesem engeren Verhältnisse hervorgeht, zu ordnen. Demnach fielen die dahin gehörigen Anordnungen dem Institute, als dem einen und vorzüglichsten Theilnehmer des abzuschliessenden Contractes anheim. -- Diese Klassen haben zu allen von der Schule getroffenen Lehranstalten den Zutritt; da aber ferner die Schule weder um ihre wissenschaftlichen Fortschritte, noch um ihre Aufführung sich im mindesten bekümmert, so beschränkt sich ihr Recht an diese lediglich auf den Punct, ^sich gegen die Verletzungen, welche aus der Ertheilung dieses Zutrittes entstehen könnten^ (denn gegen andere Verletzungen schützt auch sie die allgemeine Polizei), ^zu schützen^. Dergleichen Verletzungen würden seyn: Störung der Ruhe und Ordnung in den Lehrübungen, zu denen sie den Zutritt erhalten; Verletzung der Achtung, die das Verhältniss des Lernenden zum Lehrer, oder der Zugewandten zu denen, um deren willen die Anstalt eigentlich da ist, erfordert; endlich könnten, bei dem bekannten Eigendünkel und der verkehrten Reizbarkeit der gewöhnlichen Studirenden, aus dem, Dingen der ersten und zweiten Art entgegengesetzten Widerstande der Lehrer andere gröblichere Beleidigungen und Angriffe erfolgen, welche, als erfolgt lediglich aus dem verstatteten Zutritte, nicht nach allgemeinen polizeilichen Grundsätzen, sondern nach strengeren beurtheilt werden müssten. Es müsste demzufolge zwischen der Lehranstalt und jedem Individuum der Contract, durch den das letztere das Recht des Zutrittes erhält und sich auf die Bedingungen, unter denen es dasselbe erhält, verpflichtet, durch einen ausdrücklichen Act abgemacht werden. Dieser Act ist die ^Inscription^; die Bedingungen aber sind die ^Gesetzgebung^ für den Zugewandten, welche, da das übrige Verhältniss desselben zu anderen Bürgern eine Sache der Polizei ist, durchaus nur sein Verhältniss zur Lehranstalt, ^als solcher^, zu bestimmen hat. Die Novizen können, aus dem schon der Polizei gegenüber angegebenen Grunde, auch in dieser Beziehung unter eine mildere Gesetzgebung gesetzt werden. Der Act der Inscription und Verpflichtung auf die Gesetze ist ein juridischer, und wird drum am schicklichsten, sowie die unten zu bezeichnenden Justizgeschäfte einem besonders zu ernennenden ^Justitiarius^ der Lehranstalt anheimfallen. Da die Anstalt in gar kein anderes Verhältniss mit den Zugewandten eingeht, als auf die Erlaubniss des Zutrittes, so bleibt ihr auch kein anderes Zwangsmittel übrig, als die Zurücknahme dieser Erlaubniss. Dieses kann geschehen im ^Besonderen^ oder im ^Allgemeinen^. In Absicht des ersteren muss es jedem einzelnen Lehrer, auf seine eigene Verantwortung vor seinem Gewissen, freistehen, einen Zugewandten, dessen Unruhe und Zerstreutheit ihn oder sein Auditorium stört, oder der ihn oder seine mit ihm enger verbundenen Schüler beleidigt hat, den Zutritt zu seinen Lehrübungen für eine gewisse Zeit, oder auch auf immer, zu untersagen; und das ganze lehrende Corps muss ihn hiebei, durch die Verwarnung vor grösserem Uebel, auf seine blosse Anzeige unterstützen. Das zweite erklärt sich selbst; und sind die Fälle, -- unter die der, dass jemand der Verweisung eines einzelnen Lehrers aus seinem Auditorium nicht Folge geleistet hätte, mit gehört, -- durch das Gesetz festzustellen. Sollte, bei Verborgenheit der Urheber beleidigender Attentate, etwas erst ausgemittelt werden müssen, so fällt diese Untersuchung dem Justitiarius der Universität anheim, vor dessen Gericht sich der Inscribirte, bei Strafe der Relegation ^in contumaciam^, zu stellen hat. Bisherige Universitäten, z. B. die Nutritoren der Jenaischen Universität und derselben Senat, haben angenommen, dass es in solchen Fällen für die Verurtheilung keinesweges des strengen juridischen Beweises bedürfe, sondern dass ein dringender Verdacht dazu hinreiche; indem ja nicht irgend eine Strafe zugefügt, sondern nur eine frei ertheilte Erlaubniss wiederum zurückgenommen werde, weil deren Fortdauer gefährlich scheine; und der Verfasser dieses ist der Meinung, dass diese recht haben, und dass auch wir denselben Grundsatz aufzunehmen hätten. Der Justitiarius ist in dieser Qualität, als Verwalter des Rechtes des Institutes, sich selbst zu schützen, demselben verantwortlich. Mit der Zurücknehmung der Inscription ist, theils um die Mitglieder der Universität gegen den ferneren Ueberlauf und die Rache der Entlassenen zu sichern, theils, weil ein solcher gar keinen Grund mehr aufweisen kann, seinen Aufenthalt an diesem Orte fortzusetzen, die Verweisung aus der Universitätsstadt und ihrer nächsten Nachbarschaft, oder die ^Relegation^ natürlich verknüpft. Die Pflicht, über diese zu halten, fällt der Polizei, die in dieser Rücksicht gar nicht Richter oder Revisor des Urtheils, sondern lediglich Executor des schon gesprochenen Urtheils ist, anheim; und müsste gegen diese, falls sie ihre Pflicht lässig betriebe, die Universität als Kläger auftreten. (Sollte in dieser Ansicht einige Richtigkeit seyn, so würde daraus auch erhellen, wie die bisherige Justizverwaltung auf Universitäten, bald in der Voraussetzung, dass die Universität nicht mehr dürfe, als eine Erlaubniss zurücknehmen, die sie selbst gegeben, bald, indem sie zugleich das ihr fremde Geschäft der Polizei und der Civiljustiz ausüben sollte, endlich, indem ihr auch ein Gefühl ihrer Vater- und Erzieherpflichten entstand, geschwankt, und bald zu viel, bald zu wenig gethan habe. Hier ist durch die Trennung zwei sehr verschiedener Klassen von Studirenden der Widerspruch gelöst; und durch die anheimgegebene Freiheit, zu welcher Klasse jemand gehören wolle, das persönliche Recht behauptet.) §. 36. In Absicht der Verknüpfung der Relegation mit der Zurücknahme der Inscription, die bei Fremden ganz unbedenklich ist, dürfte in dem Falle, da die zu Relegirenden ihren elterlichen Wohnplatz in der Universitätsstadt hätten, billig das Bedenken eintreten, ob die Universität, sowie sie ohne Zweifel das Recht hat, diese aus ihren Hörsälen zu verweisen, auch das Recht habe, sie aus ihrem väterlichen Hause zu vertreiben. Da inzwischen, falls man ihr dieses Recht absprechen müsste, sie gegen diese durchaus nicht weniger gefährlichen Jünglinge ohne eine besondere Einrichtung nicht gesichert werden könnte, so wäre als eine solche besondere Einrichtung vorzuschlagen: 1) dass Söhne aus der Universitätsstadt, falls sie nicht etwa schon als Mitglieder einer niederen Schule das gute Zeugniss dieser ihrer Lehrer für sich hätten, sich einige Zeit vor der Inscription zu derselben anmelden müssten, und von da an beobachtet würden, und dass man ihnen, falls diese Beobachtung Bedenklichkeit gegen sie einflösste, die Inscription verweigern könne. 2) Dass ihre Eltern eine namhafte Summe als Caution für sie stellten, deren erste Hälfte im Falle der Zurücknahme der Inscription, statt der Relegationsstrafe, mit der sie dermalen verschont blieben, verfiele; dass aber, falls sie hinführo von neuem sich einiger Excesse gegen die Lehranstalt schuldig machten, auch die andere Hälfte verfiele, und sie dennoch relegirt würden. Sollten Eltern diese Caution stellen nicht können oder wollen, so müssen sie sich es eben gefallen lassen, dass auch ihre Söhne im Falle der Verschuldung relegirt werden; sowie bisher zuweilen sogar Professoren sich haben gefallen lassen müssen, dass ihren unfertigen Söhnen dieses begegnet; indem es gänzlich in dem freien Vermögen aller Studenten in der Welt beruhet, diejenigen Handlungen, welche Relegation nach sich ziehen, und deren Katalog bei uns, die wir der Polizei und dem Civilgerichte überlassen würden, was ihres Amtes ist, gar nicht gross seyn würde, zu unterlassen. §. 37. Die Regularen werden vom Staate und seinem Organe, der allgemeinen Polizei (denn mit der Civiljustiz könnte wohl die Oekonomieverwaltung derselben, keinesweges aber ein Einzelner von ihnen zu thun bekommen), betrachtet als ein Familienganzes, das als solches für seine Mitglieder einsteht. Wäre von den letzteren gesündigt, so ist freilich das Ganze zur Verantwortung und Strafe zu ziehen; dagegen bleibt die Bestrafung des einzelnen Mitgliedes der Familie selbst überlassen und wird im Schoosse derselben vollzogen, und ist väterlich und brüderlich, und soll dienen als Erziehungs-, keinesweges aber als schreckendes Mittel. Nur wenn ein Individuum vom Körper abgesondert und ausgestossen werden müsste, könnte es wieder als Einzelner dastehen, und dem Forum, für welches es sodann gehörte, anheimfallen. Es erhellt, dass ohne vorhergegangene Degradation und Ausstossung keine der bisher aufgestellten gesetzlichen Verfügungen auf die Regularen passen, und dass für sie weder Justitiarius oder Relegation, oder dass etwas stattfinde. Durch die blosse Ausstossung könnten sie doch nicht weniger werden, als das, was sie ohne Einverleibung in das Corps der Regularen gewesen seyn würden, ^Zugewandte^, und erst als solche müssten sie von neuem sich vergehen, um der Polizei oder dem Justitiarius, welchem sie ja von nun an erst anheimfallen, verantwortlich zu werden. Dass die Fälle, in denen ein Familienganzes seine Mitglieder nicht vertreten kann, z. B. Criminalfälle, ausgenommen sind, dass aber auch sodann die Degradation der Auslieferung an den Richter vorhergehen müsse, ist unmittelbar klar. Die Regularen hätten sonach zuvörderst für sich eine Regel zu finden, nach der die Möglichkeit solcher Fälle so gut als aufgehoben, und überhaupt alle Vorkehrungen so getroffen würden, dass die Polizei keine Gelegenheit fände, von ihnen Notiz zu nehmen: sodann ein Ephorat und Gericht zu errichten, das über die Ausübung dieser Regel hielte. Ohne dies würde in dem Hause, in welchem sie beisammen wohnten, ein alter ehrwürdiger Gelehrter, der selbst einst mit Ruhm und Verdienst Lehrer am Institut gewesen wäre, als der unmittelbarste Hausvater der Familie, mit ihnen wohnen und leben. (Sollte späterhin die Gesellschaft also anwachsen, dass sie in mehrere Häuser vertheilt werden müsste, so müsste diese nicht etwa durch die Benennung verschiedener Collegia getrennt, sondern das Einheitsband müsste durch die Gemeinschaftlichkeit Eines Hausvaters und durch andere Mittel auch äusserlich sichtbar bleiben.) Dieser wäre der natürliche Präsident dieses Familiengerichts. Ferner sind natürliche Beisitzer desselben alle ordentlichen Lehrer an der Anstalt, indem ja deren eigene Ehre von der Ehre ihres Zöglings abhängt; und könnten dieselben, zur Sparung ihrer Zeit, ^abwechselnd^ in demselben sitzen. Endlich wären, damit ein wahrhaftes Familien- und Brudergericht entstände, aus den Regularen selbst, nach einer leicht zu findenden Regel, Beisitzer zu ernennen. Deren richterliche Verwaltung trüge nun den oben angegebenen Grundcharakter, die Verhandlungen aber und Richtersprüche derselben blieben durchaus im Schoosse dieses Corps; hierüber anderen etwas mitzutheilen, würde betrachtet als eine Ehrlosigkeit, die unmittelbar die Ausstossung nach sich ziehen müsste. Eine ähnliche Einrichtung können die Novizen, falls sie eine Verwaltung finden, deren Garantie die Polizei annehmen will, treffen. Nur haben sie keinen Anspruch auf den Beisitz der ordentlichen Lehrer in ihrem Familiengerichte; es kann ihnen aber erlaubt werden, ausserordentliche Professoren, von denen zu seiner Zeit, oder auch andere brave Gelehrte, zu diesem Beisitze einzuladen. Ueberhaupt, so ähnlich auch das Noviziat jetzt oder künftig dem Collegium der Regularen werden möchte, so bleibt doch immer der Hauptunterschied, dass das letztere unter öffentlicher Autorität und Garantie steht, das erste aber ein mit Privatfreiheit zu Stande gebrachtes Institut ist, dessen Mitglieder von Rechtswegen keinen grösseren Anspruch haben, denn die Zugewandten, und die die Begünstigungen, welche Polizei und Universität ihnen etwa geben, nur anzusehen haben als ein freies Geschenk, das ihnen auch wieder entzogen werden kann. §. 38. Durch das Bisherige ist nun auch die Entstehung des ^lernenden Subjectes^ in seinen verschiedenen Abstufungen, und wie dasselbe immerfort ergänzt und erneuert werden solle, beschrieben. Wir können nunmehro auch an eine weitere Bestimmung des schon oben im Allgemeinen aufgestellten lehrenden Subjectes gehen. Auf den bisherigen Universitäten war es Doctoren und ausserordentlichen Professoren erlaubt, sich im Lesen zu versuchen und zu erwarten, ob ein Publicum sich um sie herum versammeln werde. Haben dieselben schon auf einer anderen Universität das Recht, Vorlesungen zu halten, gehabt, so können auch wir es ihnen erlauben. Im entgegengesetzten Falle mögen sie das anderwärts Gebräuchliche auch bei uns leisten. Die eigentlichen Lehrer für die Regularen und die, so es zu werden streben, sind freilich die encyklopädischen Lehrer, die ja auch die entscheidenden Aufgaben geben, sowie die von diesen etwa eingesetzten Lehrer des Theils eines Faches, welche, obwohl Unterlehrer, dennoch ^ordentliche^ Lehrer sind. Für diese, die wir immer insgesammt ^ausserordentliche^ Professoren nennen könnten, blieben demnach die Zugewandten übrig, an denen sie sich versuchen könnten. Dennoch sollen auch nicht nur Regulare, und zwar die geübtesten und befestigtsten, von dem encyklopädischen Lehrer des Faches zur Besuchung ihrer Vorlesungen ernannt werden, sondern auch dieser Lehrer selbst und andere Lehrer befugt seyn, denselben insoweit beizuwohnen, bis sie einen bestimmten Begriff von den Kenntnissen und dem Lehrertalent des Mannes sich erworben. Die erste Erlaubniss zu lesen geht nur auf Ein Lehrjahr. Nach Verfluss desselben muss abermals um dieselbe eingekommen werden, und es kann diese nach Befinden der Umstände erneuert oder verweigert werden; oder auch der zweckmässig befundene Lehrer kann als ordentlicher Unterlehrer oder auch als Encyklopädist, wenn der vorherige abgehen will, ernannt werden. Die Entscheidung über beide Gegenstände hängt, wie bei Beurtheilung der Aufsätze, ab von der Klasse des Faches, so wie von der philosophischen Klasse, wo die erstere über die Gründlichkeit der empirischen Erkenntniss, die zweite über die philosophische Freiheit und Klarheit entscheidet. Auch hier müssen für ein bejahendes Urtheil beide Stimmen sich vereinigen, indem jede Klasse erst unter sich und für sich einig seyn muss, und ihre Stimme hier nur für eine gezählt wird. Da jedoch, so wie das Alter beschuldigt wird, jeder Neuerung zuweilen sich feindselig zu zeigen, ebenso die kräftigere Jugend von Eifersucht gegen fremdes Verdienst nicht immer ganz frei zu sprechen ist, so müsste bei einem die Erlaubniss zu lesen, oder die Anstellung eines Lehrers betreffenden Falle fürs erste jede besondere Klasse (die hier requirirte empirische, so wie die philosophische) zuvörderst in sich selber in zwei Theile getheilt werden, den ^Rath der Alten^, und den ^der ausübenden Lehrer^, und nur wenn diese beiden Theile Nein sagten, hätte die Klasse Nein gesagt, dagegen auch das einseitige Ja des einen Rathes zum Ja der Klasse würde. Dadurch würde hervorgebracht, dass weder die Neuerungsfurcht des einen, noch die Eifersucht des anderen Theiles den Fortschritt zum Besseren hindern könnte, und diesen beiden Dingen an einander selber ein wirksames Gegengewicht gegeben; wo aber beide Theile Nein sagten, da würde wohl ohne Zweifel das Nein die richtige Antwort seyn. (Uebrigens wird eine solche Eintheilung unseres gelehrten Corps in einen Senat der Alten und der Lehrer zu seiner Zeit aus dem Wesen des Ganzen, ganz ohne Rücksicht auf das soeben erwähnte besondere Bedürfniss, sich sehr natürlich ergeben.) §. 39. Eine Auswahl der Regularen in jedem Fache wird beim Fortgange der Anstalt, als ein Professorseminarium, ohnedies unter der Aufsicht der ordentlichen Lehrer zu den Geschäften des Lehrers angehalten werden. Diesen könnte, wenn sie aus der Klasse der Studirenden herausgetreten und zu ^Meistern^ ernannt worden, das Recht zu lesen auf dieselbe Weise ertheilt werden, so wie aus ihnen die Lehrstellen nach derselben Regel sehr leicht besetzt werden. Doch würden uns immerfort auf jeder Stufe unserer Vollendung zu uns kommende fremde Lehrer, auf die §. ^praeced.^ erwähnte Weise, willkommen seyn, und wir dadurch gegen jede Einseitigkeit des Tones uns zu verwahren suchen. §. 40. Die Verwaltung des Lehramtes, besonders nach unseren Grundsätzen, erfordert jugendliche Kraft und Gewandtheit. Nun ist wenigen die Fortdauer dieser jugendlichen Frischheit bis in ein höheres Alter hinein zugesichert; auch fällt die Neigung der meisten originellen Bearbeiter der Wissenschaft in reiferen Jahren dahin, ihre Bildung in einer festen und vollendeten Gestalt niederzulegen in das Archiv des allgemeinen Buchwesens, und es ist sehr zu wünschen, dass dies geschehe, und ihnen die Zeit und Ruhe dazu zu gönnen. Wir müssen darum nicht anders rechnen, als dass wir die Lehrer an unserer Anstalt nur auf eine bestimmte Zeit beibehalten wollen. Alle diejenigen, mit denen das Institut zuerst beginnt, werden sich bald nach der ehrenvoll verdienten Ruhe sehnen, und gern den Zeitpunct ergreifen, da unter ihnen ein jüngeres Talent sich gebildet hat, das ihren Platz würdig besetze. Alle während des Fortganges des Instituts neu angestellte Lehrer sind nur auf einen bestimmten Zeitraum (etwa für die Periode, innerhalb welcher das studirende Publicum sich zu erneuern pflegt) anzunehmen, nach dessen Ablaufe beide Theile, die Universität und der Lehrer, auf die §. 38 beschriebene Weise, den Contract erneuern oder auch aufheben können. §. 41. Um im ökonomischen Theile solcher Verhandlungen dem bisher oft stattgefundenen anstössigen Markten zwischen Regierungen und Gelehrten, indem die ersteren zuweilen von der Verlegenheit eines wackeren Mannes Vortheil zu ziehen suchten, um seine Kraft und sein Talent wohlfeilen Kaufes an sich zu bringen, die letzteren zuweilen auch mit dem Gehörigen sich nicht begnügen mochten, und ihre übertriebenen Forderungen durch theils mit List an sich gebrachte auswärtige Vocationen unterstützen, in der Zukunft und für unser Lehrinstitut vorzubauen, mache ich folgenden Vorschlag: Entweder sind diese Lehrer Inländer, und auf unserem Institute, wohl gar als Regulare, wie zu erwarten, gebildet, so hat das Vaterland ohnedies den ersten Anspruch auf ihre Kräfte, so wie ^sie^ Anspruch auf die Fürsorge desselben, in jedem Falle und ihr ganzes Leben hindurch, haben; oder sie sind Fremde, welche bei uns auch ihre Bildung nicht erhalten haben. Im letzten Falle fordere man von ihnen, dass sie, beim Eingehen irgend eines Verhältnisses mit uns, oder bei der Erneuerung eines solchen, sich erklären, ob sie ihr Fremdenrecht beibehalten, oder ob sie das völlige Bürgerrecht haben (sich ^nostrificiren^ lassen) wollen. Im ersten Falle müssen wir uns freilich gefallen lassen, dass, falls sie uns unentbehrlich sind, sie sich uns so theuer verkaufen, als sie irgend können; jedoch wird diese Verbindung immer nur auf einen Zeitraum eingegangen; und können wir etwa nach dessen Abfluss sie entbehren, so sollen sie wissen, dass wir uns sodann um sie durchaus nicht weiter kümmern werden, und sie gehen können, wohin es ihnen gefällt. Im zweiten Falle erhält der Staat an sie, und sie an den Staat alle Ansprüche, die zwischen ihm und den bei uns gebildeten Eingebornen stattfinden. Um nun in diesem letzteren Verhältnisse zugleich die persönliche Freiheit des Individuums sicher zu stellen, zugleich eine rechtliche Gleichheit des Individuums mit dem Staate, der bisher seinem Diener lebenslänglichen Unterhalt zusichern, von ihm aber zu jeder Stunde sich den Dienst aufkündigen lassen musste, hervorzubringen, und besonders, um dem Gelehrtenstande zu grösserer Moralität und Ehrliebe in Dingen dieser Art zu verhelfen, setze man den Anspruch auf lebenslange Versorgung, verhältnissmässig nach dem Fache, als ^gleich einem gewissen bestimmten Capital^, das der des vollkommenen Bürgerrechts Theilhaftige dem Staate zurückzahle, wenn er dessen bisherige Dienste verlassen will. Ist er nun dem auswärtigen Berufer dieser Summe werth, so mag derselbe sie bezahlen, und er ist frei; aber es ist zu hoffen, dass dieser Fall nicht sehr häufig eintreten, und auf diese Weise wir mit der Beseitigung so mannigfacher Vocationen verschont bleiben werden. §. 42. Es ist, in der Voraussetzung dieser Einrichtung, bei der Frage, wie abgetretene Professoren zu versorgen seyen, nur von solchen die Rede, denen das vollkommene Bürgerrecht angeboren, oder von ihnen angenommen ist; indem diejenigen, welche dasselbe abgelehnt, nach ihrem Austritte nicht nur nicht versorgt werden, sondern es sogar eine feste Maxime unserer Politik seyn soll, dieselben sobald wie möglich entbehrlich zu machen. Die bei uns erzogenen und beim Austritte aus den Studirenden des ^Meisterthums^ würdig befundenen Regularen haben ohnedies den ersten Anspruch auf die ersten Aemter des Staats, und man könnte auch immerhin den Lehrern, die das Institut beginnen werden, denselben Anspruch ertheilen, den man ihren späteren Zöglingen nicht wird versagen können. Dieser Anspruch und die Fähigkeit, dergleichen Aemter zu bekleiden, werden dadurch ohne Zweifel nicht vermindert, dass der Mann durch einige Jahre Lehramt es zu noch grösserer Gewandtheit in demjenigen wissenschaftlichen Fache, dessen Anwendung im Leben das erledigte Staatsamt fordert, und nebenbei zu grösserer Reife des Alters und der Erfahrung gebracht hat; es wäre vielmehr zu wünschen, dass alle diesen Weg gingen, und das Leben der ersten Bürger in der Regel in die drei Epochen des lernenden, des lehrenden und des ausübenden wissenschaftlichen Künstlers zerfiele. Weit entfernt daher, um die Anstellung ausgetretener Lehrer verlegen zu seyn, müssten wir, wenn wir auch sonst keines Corps der Lehrer bedürften, ein solches schon als Pflanzschule und Repertorium höherer Geschäftsmänner errichten, und bei eintretendem Bedürfnisse aus diesem Behälter zuweilen sogar den, der lieber darin bliebe, herausheben. Dieses Bedürfniss austretender Lehrer für den Staat und den höheren Geschäftskreis desselben noch abgerechnet, bedarf auch für sich selbst als literarisches Institut solcher Männer. -- Es giebt sehr weit von der Wurzel des wissenschaftlichen Systems abliegende, in ein sehr genaues Detail eines Faches gehende Kenntnisse, welche in die allgemeine Encyklopädie und den gewöhnlichen Kreis des Unterrichts an der wissenschaftlichen Schule nicht eingreifen, und ohne deren Kenntniss jemand ein sehr trefflicher Lehrer seyn kann. Doch kann das Bedürfniss auch dieser Kenntniss für Lehrer und Lernende eintreten; es muss daher das Mittel vorhanden seyn, sie irgendwo zu schöpfen. Dies seyen fürs erste die ausgetretenen Lehrer. Vielleicht arbeiten sie ohnedies an einem Werke, in welchem sie ihre individuelle Bildung in das allgemeine Archiv des Buches niederlegen wollen, zu dem ihnen die Musse zu gönnen ist. Nebenbei mögen auch Lehrer und Lernende sich bei ihnen Raths erholen über das, worin sie vorzüglich stark sind; oder auch vorkommenden Falles beide sie um einige Vorlesungen ersuchen, in Gottes Namen über ein orientalisches Wurzelwort, oder die Naturgeschichte eines einzelnen Mooses. Sie sind mit einem Worte Rath und Hülfe der jüngeren bei eintretenden Nothfällen im Wissen sowohl als der Kunst. Indem sie nun doch nicht mehr eigentliche und ordentliche Lehrer an der Universität, und ihre noch fortdauernden Leistungen nur frei begehrte und frei gewährte Gaben sind, sind sie eine ^Akademie der Wissenschaft^, im ^modernen^ (eigentlich französischen) Sinne dieses Wortes; und für die Universitätsangelegenheiten der oben erwähnte ^Rath^ der ^Alten^. Mit ihnen tritt bei dergleichen Berathschlagungen das Corps der wirklichen Lehrer, als ^Rath der ausübenden Lehrer^ zusammen; daher sind auch die letzteren natürliche Mitglieder der Akademie; und die gesammte Akademie ist, in Beziehung auf die Universität, der ^Senat^ derselben, nach den erwähnten beiden Haupttheilen in allen festzusetzenden besonderen Klassen. Freie Mitglieder der Akademie bleiben auch die zu anderen Staatsämtern beförderten ausgetretenen Lehrer, und sie sind befugt, und, inwiefern es ihre anderen Geschäfte erlauben, ersucht an den Berathschlagungen derselben, als Mitglieder des Rathes der Alten, Theil zu nehmen (und sie werden gebeten werden, welche Decorationen auch sonst ihnen zu Theil geworden seyn dürften, dennoch zuweilen auch unsere Uniform, welche überhaupt jeder Akademiker trägt, mit ihren Personen zu beehren). In dieser Akademie Schooss bleibt ihnen auch immer, welche Schicksale auch sonst auf ihrer politischen Laufbahn sie betroffen haben möchten, der ehrenvolle Rückzug, und ist ihnen da ein sorgenfreies, geehrtes Alter bereitet, indem der Charakter eines Akademikers ^character indelebilis^ wird. §. 43. Noch wäre, in derselben Rücksicht, um sichern Rath und Hülfe in jeder literarischen Noth zu finden, eine andere Art von Akademikern, die sogar niemals ordentliche Lehrer gewesen, anzustellen; ich meine jene lebendigen Repertorien der Bücherwelt, und die, welche gross und einzig sind in irgend einer seltenen Wisserei, obwohl sie es niemals zu einer encyklopädischen Einheit der Ansicht ihres Faches, oder zu einer lebendigen Kunst in demselben, gebracht haben, und darum als ordentliche Lehrer für uns nicht taugen. Wir wollen sie nur dazu, dass unser ordentlicher Lehrer diese lebendigen Bücher zuweilen nachschlage; die Klarheit und Kunstmässigkeit wird er dem bei ihm geschöpften Stoffe für die Mittheilung an seine Schüler schon selber geben. (So starb vor mehreren Jahren zu Jena ein gewisser B.[26], der mehrere Hunderte von Sprachen zu wissen sich rühmte, und von dem andere, auch nicht mit Unrecht, sagten, er besitze keine einzige. Dessenohnerachtet, glaube ich, würde auch der Besitz eines solchen uns wünschenswürdig seyn. Denn falls etwa, wie es denn in der That dergleichen Leute giebt, jemand glaubte, das gesammte menschliche Sprachvermögen sey im Grunde Eins, und die mancherlei besonderen Sprachen seyen nur, nach einem gewissen Naturgesetze, ohne einige Einmischung der Willkür fortschreitende weitere Bestimmungen und Ausbildungen jener Einen Wurzel, und es lasse sich sowohl diese Wurzel, als jenes Naturgesetz finden; und etwa einer unserer Akademiker an die Lösung dieser Aufgabe ginge, so würde diesem aus anderen Gründen nicht füglich anzumuthen seyn, dass er alle Sprachen der Welt wisse; es möchte sie aber neben ihm und für seinen Gebrauch ein solcher B. wissen, der wiederum immer unfähig seyn möchte, ein solches Problem zu denken und sein Wissen für die Lösung desselben zu gebrauchen. -- So müssen wir denn den ganzen vorhandenen historischen Schatz aller Wissenschaft bei uns aufzuspeichern suchen, nicht um ihn todt liegen zu lassen, sondern um ihn einst mit organisirendem Geiste zu bearbeiten. Ist dies geschehen, dann wird es Zeit seyn, das ^caput mortuum^ wegzuschaffen; bis dahin wollen wir nichts wegwerfen oder verschmähen.) [Fußnote 26: Büttner (?).] So ist, nachdem der Theologie der Alleinbesitz der orientalischen Sprachkunde und der der Kirchengeschichte abgenommen worden, kaum zu erwarten, dass beides, bis auf seinen letzten bekannten Detail, in den gesammten encyklopädischen Unterricht der Philologie oder der Geschichte an unserer Kunstschule werde aufgenommen werden; dass wir sonach eines ordentlichen Lehrers der orientalischen Sprachen oder der Kirchengeschichte kaum bedürfen werden. Dennoch müssen immerfort Männer in unserer Mitte seyn, bei welchen jeder, der aus irgend einem Grunde das Bedürfniss hat, über das Encyklopädische hinaus bis zu dem äussersten Detail dieser Fächer fortzugehen, sein durch das blosse Buch nicht also zu befriedigendes Bedürfniss zu befriedigen vermag. Uebrigens sind diese Anführungen nur als Beispiele zu verstehen. Eine systematische Uebersicht der Summe unserer Bedürfnisse in dieser Rücksicht, so wie die Angabe der bestimmten Männer, die wir zu diesem Behuf für den Anfang mit uns zu vereinigen hätten, werden die Berathschlagungen der oben erwähnten einzelnen Männer und Comités, welche auch über diesen Theil unseres Plans zu instruiren wären, an die Hand geben. Auch diese Art von Akademikern besitzt alle Rechte eines solchen, und sitzt im ^Rathe der Alten^. §. 44. Betreffend den Uebergang aus dem Corps der Lehrlinge in das der Lehrenden oder praktisch Ausübenden: Der Regulare müsse am Ende seines Studirens documentiren, dass der Zweck desselben bei ihm erreicht worden, sagten wir oben. Da nun der letzte Zweck unserer Anstalt keinesweges die Mittheilung eines Wissens, sondern die Entwicklung einer Kunst ist, der in einer Kunst Vollendete aber Meister heisst, so würde jene Documentation darin bestehen, dass er sich als Meister bewähre. Das Meisterstück würde am schicklichsten in einer zu liefernden Probeschrift bestehen, nicht über ein Thema freier Wahl, sondern über ein vom Lehrer seines Faches ihm gegebenes und ^darauf^ berechnetes, dass daran sich zeigen müsse, ^ob der Lehrling die in seiner individuellen Natur liegende grösste Schwierigkeit^, die dem Lehrer ja wohlbekannt seyn muss, durch die kunstmässige Bildung seines Selbst besiegt habe. (Wählt er selbst, so wählt er das, wozu er am meisten Leichtigkeit und Lust hat; daran aber zeigt sich nicht der Triumph der Kunst; der Lehrer soll ihm das aufgeben, was für seine Natur das Schwerste ist, denn das Schwere mit Leichtigkeit thun, ist Sache des Meisters.) Ueber diese seine eigene Schrift nun, und auf den Grund derselben werde er, bis zur völligen Genüge des Lehrers, öffentlich examinirt. Es sind zwei Fälle. Entweder wird in einem besonderen empirischen Fache das Meisterthum begehrt. In diesem Falle giebt der Lehrer dieses Fachs das Thema; die Prüfung aber, und das ^tentamen^ zerfällt in zwei Theile, von denen, wie auch bei den früheren Beurtheilungen der Aufsätze der Studenten, der Lehrer des Faches nach der Erkenntniss, und beim Candidaten des Meisterthums insbesondere darnach forscht, ob er sie in der Vollständigkeit und bis zu demjenigen Detail, bis zu welchem der mündliche und Bücherunterricht an der Kunstschule fortgeht, gefasst habe; die philosophische Klasse aber über die lebendige Klarheit dieser Erkenntniss die Prüfung nach allen Seiten hinwendet und versucht. Oder der Candidat begehrte bloss in der Philosophie das Meisterthum: so würde er in Absicht des Themas sowohl, als der Prüfung auf den ersten Anblick lediglich der philosophischen Klasse anheimfallen, und die Empirie an ihn keine Ansprüche haben. Da inzwischen die Philosophie gar keinen eigentlichen Stoff hat, sondern nur das allen Stoff der Wissenschaft und des Lebens in Klarheit und Besonnenheit auflösende Mittel ist; und derjenige, der sich für einen grossen Philosophen ausgäbe, dabei aber bekennte, dass er weder etwas Anderes gelernt, vermittelst dessen, als eines Mittelgliedes, er seinen philosophischen Geist ins Leben einzuführen vermöchte, noch auch seine Philosophie unmittelbar von sich zu geben und sie anderen mitzutheilen verstände, ohne Zweifel der Gesellschaft völlig unbrauchbar, und keinesweges ein Künstler, sondern ein todtes Stück Gut seyn würde: so muss der, der sich auf die Philosophie beschränkt, wenigstens sein Vermögen sie mitzutheilen, und einen kunstmässigen Lehrer in derselben abzugeben, documentiren. Und so kann keiner als Meister in der Philosophie anerkannt werden, der sich nicht auch zugleich als ^Doctor^ derselben bewährt hat. Nun ist es ferner gar nicht hinlänglich, dass er in dieser Fertigkeit des Vortrages seiner Klasse genüge; er soll auch Nichtphilosophen, dergleichen ja, wenn er das Lehramt einst im Ernste verwaltet, alle seine Lehrlinge anfangs seyn werden, verständlich werden können; und so fällt denn in dieser Rücksicht das Endurtheil von seiner eigenen Klasse an die empirischen Klassen insgesammt, die es durch aus ihrer Mitte ernannte Stellvertreter verwalten können. Hier also entscheidet umgekehrt die philosophische Klasse über die Richtigkeit des Inhalts, als Resultat der erlernten Kunst, die Gesetze des Denkens im Philosophiren frei zu befolgen, die empirischen über die Gewandtheit und Klarheit in dieser Kunst, die er durch den Vortrag darlegt. Mögen diese immerhin über das Vorgetragene kein Urtheil haben; der Vortrag selbst wenigstens muss ihnen als meistermässig einleuchten. -- Es werden darum diejenigen, welche um das Meisterthum in der Philosophie nachzusuchen gedenken, sich schon früher in dem Lehrerseminarium geübt haben, da der philosophische Vortrag ohnedies der vollkommenste und das Vorbild alles anderen Vortrages bleiben muss, und darüber an unserer Kunstschule alles Ernstes zu halten ist. Dagegen kann der empirische Gelehrte, der seine Kenntnisse vielleicht nur praktisch anzuwenden gedenkt, Meister seyn, ohne gerade Doctor seyn zu können. Macht er auch auf das Letztere Anspruch, und begehrt er an unserem Institute zu lehren, so muss er seine Fertigkeit darin noch besonders darthun, und hat er hierüber beiden, sowohl der philosophischen Klasse, als der seines Faches, Genüge zu leisten. Es lässt sich auch den Zugewandten das Recht, das Meisterthum in Anspruch zu nehmen, nicht durchaus versagen. Da jedoch hierbei die, den Lehrern auch von allen schwachen Seiten ihrer individuellen Natur oder Erkenntniss weit besser bekannten, Regularen in Nachtheil kommen würden, so wäre von den Zugewandten in diesem Falle, für Herstellung der Gleichheit, zu fordern, dass sie wenigstens Ein Lehrjahr vor ihrer Erhebung zu Meistern ihren Anspruch dem Lehrer des Faches, so wie dem der Philosophie, bekannt machten, und dieses Jahr hindurch sich dem allseitigen Studium dieser Lehrer blossstellten. Könnten nicht diese beiden Lehrer am Ende des Jahres mit gutem Gewissen erklären, dass ihnen diese jungen Männer für die Absicht hinlänglich erkundet seyen, so müsste die Berathung über ihr Gesuch abermals ein Lehrjahr hinausgesetzt werden, während dessen sie zu diesen beiden in demselben Verhältnisse blieben, wie im ersten Jahre. Sie möchten auch an diese Lehrer für diese eigentlich nicht im Kreise ihres Berufs liegende Mühe einen Ersatz auszahlen, der in jedem Falle, ob sie nun des Meisterthums würdig befunden wären oder nicht, verfiele. Erst durch die Erlangung des Meisterthums beweist der Regulare seine würdige Benutzung des Instituts, und tritt ein in sein Recht des ersten Anspruchs auf die ersten Würden des Staats. Ganz gleich lässt sich ihm hierin nun einmal nicht setzen der Meister aus den Zugewandten, der uns die nähere Bekanntschaft mit seinem moralischen Charakter und seiner bisherigen sittlichen Aufführung versagt hat. Jedoch auch hierüber das Beste hoffend, und da er denn doch auch der Kunst Meister ist, könnte man ihm den ersten Anspruch da, wo kein Meister aus den Regularen sich gemeldet, zugestehen. Den Regularen, die etwa in dem Gesuche des Meisterthums durchfielen, so wie Zugewandten, die keinen Anspruch darauf machten, möchte man immerhin den gewöhnlichen ^Doctor^grad ertheilen, und mögen die empirischen Klassen über die dabei nöthigen Leistungen etwas festsetzen. Ein gewöhnlicher und gemeiner Doctor nemlich ist derjenige, der nicht zugleich auch, wie die früher oben angeführten, Meister ist; und es ist in diesem Falle mit den beiden letzten Buchstaben nicht eigentlich Ernst, indem wirklich Doctor zu seyn nur derjenige vermag, der Meister ist, sondern es ist jenes Wort nur euphemistisch gesetzt, statt ^doctus^, einer der etwas erlernt hat. Die rechten heissen Meister schlechtweg, und kann man den Doctor weglassen; wiewohl man auch, um den Unterschied noch schärfer zu bezeichnen, die letzten Titular-Doctoren nennen könnte. Die philosophische Klasse hat bei dergleichen Promotionen gar kein Geschäft; denn in ihr selber giebt es nur Meister und Doctor in Vereinigung; um die anderen Klassen aber bekümmert sie sich nur, wenn diese Anspruch auf den Rang des Künstlers machen, dessen diese letzte Art der Doctoren sich bescheidet. Aus ihnen werden im Staate die subalternen Aemter besetzt. (Man creirte ^magistros artium^, und in den neueren Zeiten, da der Magistertitel in Verachtung gerathen, hat man nur noch den für vornehmer geachteten Doctortitel führen mögen, da es doch offenbar weit mehr bedeutet ein Meister zu seyn, denn ein Lehrer. Wir haben mit jenen ^magistris artium^ gar nicht zu thun, da wir keinesweges ^Künste^ annehmen, und in denselben etwa bis auf Sieben zählen, sondern nur Eine, die Kunst schlechtweg, und diese zwar als unendlich, kennen; sondern unser Meister ist ^artis magister^ schlechtweg, der Kunst Meister, und es ist zu erwarten, dass die, die dieses Namens werth sind, sich seiner nicht schämen werden. Und so mögen sie denn immer Meister, schlechtweg ohne Beisatz und ohne das, auch nur verringernde, Herr, angeredet werden, und sich schreiben: der Kunst Meister. Vor der Neuerung haben wir uns auch nicht zu fürchten, denn auch andere Universitäten machen Neuerungen, wie die Jenaische, die anfing gar keine ^magistros artium^ mehr, sondern nur Doctoren der Philosophie, zu creiren, oder die zu Landshut, die dermalen Doctoren der Aesthetik creirt. Nun ist dieser ^gradus magistri^ dermalen nirgends vorhanden, und wir können uns denselben nicht ertheilen lassen. Ohne Zweifel aber wird das Meisterstück der die Kunstschule anfangenden Lehrer dann geliefert seyn, wenn sie andere Künstler gebildet haben. Indem sie nun mit gutem Gewissen diese für Meister erklären dürfen, erklären sie zugleich sich selbst dafür; sie erhalten den Grad, indem sie ihn ertheilen, und können ihn darum von da an auch führen.) §. 45. In allen den erwähnten Aufsätzen, so wie in denen über das Meisterthum und den damit zusammenhängenden ^tentaminibus^ wird die ^deutsche^ Sprache gebraucht, keinesweges etwa die lateinische. Der in diesem oft angeregten Streite dennoch niemals deutlich ausgesprochene entscheidende Grund ist der: Lebendige Kunst kann ausgeübt und documentirt werden lediglich in einer Sprache, die nicht schon durch sich den Kreis einengt, sondern in welcher man ^neu^ und ^schöpferisch^ seyn darf, einer lebendigen, und in welche, als unsere Muttersprache, unser eigenes Leben verwebt ist. Als die Scholastiker in der lateinischen Sprache mit freiem und originellem Denken sich regen wollten, mussten sie eben die Grenzen dieser Sprache erweitern, wodurch es nun nicht mehr dieselbe Sprache blieb, und ihr Latein eigentlich nicht Latein, sondern eine der mehreren im Mittelalter entstehenden neulateinischen Sprachen wurde. Wir haben für diese freie Regung unsere vortreffliche deutsche Sprache: das Latein studiren wir ausdrücklich als das abgeschlossene Resultat der Sprachbildung eines untergegangenen Volkes, und wir müssen es darum in dieser Abgeschlossenheit lassen. Der Philolog, eben weil er sein Geschäft in diesem fest abgeschlossenen Kreise treibt, kann bei Interpretation der Klassiker sich der römischen, und, wie in Gottes Namen zu wünschen wäre, auch der griechischen Sprache bedienen; und es wäre den Zöglingen unseres Institutes anzumuthen, dass sie schon beim Austritte aus der niederen Schule diese Fertigkeit, auch lateinisch zu reden und sich zu unterreden, gelernt hätten. Sollte man in gewissen Fällen, z. B. wo der Anspruch auf ein Schulamt ginge, nöthig finden, dass auch der Candidat des Meisterthums die Fortdauer und noch höhere Ausbildung dieser Fertigkeit zeigte, so könnte er dies thun, aber nur an Gegenständen jenes historisch geschlossenen Cyklus; wo aber ursprünglich schöpferisches Denken gezeigt werden soll, da wird die schon fertige Phrasis bald für uns denken, bald unser Denken hemmen; und darum bleibe bei diesem Geschäfte die todte Sprache ferne von uns. §. 46. Wir gehen über zur Oekonomieverwaltung unseres Instituts. Es ist vor allem klar, dass ein zu ^fester Einheit^ organisirtes Verwaltungscorps dieser Geschäfte eingesetzt werden müsse, dessen höchste Mitglieder wenigstens aus dem Schoosse der Akademie selbst seyen, etwa ausgetretene Lehrer, indem nur diesen die gebührende Liebe sich zutrauen lässt, die übrigen aber diesen und der gesammten Akademie verantwortlich sind. Um den Folgen aus der Veränderlichkeit des Geldwerthes für ewige Tage vorzubeugen, wären die Einkünfte des Institutes nicht auf Geld, sondern auf Naturalien festzusetzen, also, dass es z. B. zu einem bestimmten Termine von einem bestimmten Bezahler so und so viel Scheffel Korn zu ziehen hätte, die allerdings nicht in Natur, sondern in klingender Münze abgeliefert würden; nicht jedoch nach einem für immer festgesetzten Preise, sondern nach dem, den dieses Korn am Termine der Zahlung auf dem Markte wirklich hätte. Ebenso hätte es nun auch an seine Besoldeten terminlich so und so viel Scheffel Korn zu bezahlen. §. 47. Die beiden Hauptquellen von Einkünften, auf die wir fürs erste zu rechnen hätten, wären die Einkünfte des Kalenderstempels von der Akademie, sodann die der eingegangenen Universität Halle, inwiefern dieselben uns verbleiben, wozu noch die Verwaltung der ^Zahlstellen^ im Corps der Regularen, und späterhin andere, tiefer unten zu erwähnende, Hülfsquellen kommen würden. Nicht bloss darum, weil die Nation zahlt, sondern aus noch weit tieferen Gründen, soll dieselbe innigst mit dieser Angelegenheit verflochten werden, und unser Institut sehr deutlich als ein Nationalinstitut dastehen. Wir werden dies auf folgende Weise erreichen. Da den eigentlichen wesentlichen Theil unserer Anstalt, um dessenwillen alles Andere da ist, das Corps der Regularen bildet, so werden die Stellen in diesem Corps vertheilt auf die ^Kreise^ und ^Städte^ der Monarchie,[27] nach dem Maassstabe, wie jeder, gezwungen oder freiwillig, beiträgt. ^Stellen^, nicht in dem Sinne, dass nur der aus dem Kreise oder der Stadt Gebürtige diese Stelle haben könne, sondern jeder, dem eine solche Stelle zukommt und sie begehrt, erhält sie ohne Verzug; sondern also, dass zwischen dem Besitzer der Stelle und dem Kreise oder der Stadt, dem sie zufällt, ein Verhältniss entstehe, wie zwischen Clienten und Patron; dass der Erstere glaube, so wie sein eigentlicher Geburtsort ihm zu dem natürlichen Leben, so habe dieser Kreis oder diese Stadt ihm zu dem höheren wissenschaftlichen Leben verholfen; dass die letztere an den Successen dieses ihres Alumnus den Antheil von Ruhm nehme, den die griechischen Städte an den aus ihnen stammenden Siegern in den olympischen Wettkämpfen nahmen; endlich, dass der Erstere, wie hoch er auch jemals emporsteige, dennoch zeitlebens zu dankbarem Gegendienste bei jeder Gelegenheit bereit sey, und aus dem Clienten ein Patron werde. Mehrere zarte sittliche Verhältnisse, die daher entspringen, abgerechnet, wird sich auch ein Interesse und eine Achtung für Wissenschaft durch die Nation als ein sie ehrenvoll auszeichnender Charakterzug verbreiten, der wiederum die Quelle grosser Ereignisse werden kann. Stellen ferner, nicht in dem Sinne, dass die Zahl derselben jemals geschlossen sey, vielmehr soll jeder, der es werth ist und es begehrt, aufgenommen werden; sondern dass die vorhandenen und besetzten nach diesem bestimmten Maassstabe unter die Kreise u. s. w. vertheilt werden. Auch dem ^deutschen^ Ausländer (wer von anderer Nation wäre, qualificirt sich wegen Abgang der Sprache nicht zum Wechselleben mit uns) soll, wenn er würdig ist, besonders wenn er beim Eintritte zugleich der Verpflichtung, die das vollkommene Bürgerrecht (§. 40.) mit sich führt, sich unterwürfe, die Aufnahme unter die Regularen nicht abgeschlagen werden. Doch würde, nach dem Grundsatze, dass mit dem Auslande nur der Repräsentant der Einheit des Staates zu verhandeln hätte, diese Erlaubniss nur der König ertheilen können, und wären somit alle an Ausländer gegebene Plätze ^königliche^, keinesweges aber ^Landes^-Stellen. Doch wäre der König zu ersuchen, diese Erlaubniss den von dem Lehrercorps vorgeschlagenen nicht leicht, und nicht ohne höchst bewegende Gründe zu versagen; indem, anderer Rücksichten zu schweigen, hierdurch die preussische Nation recht laut ihre Anerkennung des allgemeinen deutschen Bruderthumes documentirt, und auch dies in der Zukunft wichtige Ereignisse nach sich ziehen kann. [Fußnote 27: Wie es z. B. mit den Stellen an den sächsischen Fürstenschulen die Einrichtung ist; auch mit den weiterhin beschriebenen Modificationen.] §. 48. Nach Maassgabe, wie jeder Theil des Landes beiträgt, sollten auf ihn die Stellen vertheilt werden, sagte ich. So möchte, ohne alle Rücksicht, ob dadurch die Verwaltung vereinfacht werde oder nicht, indem weit höhere Dinge (die wirkliche Beschäftigung der Nation mit diesem Gegenstande und derselben Folgen) zu beabsichtigen sind, der bisherige Kalenderpacht ganz aufgehoben werden, dagegen aber die Kreise und Städte sich selber taxiren, wie viele Scheffel Korn für diesen Stempel sie zahlen wollten, die sie hernach durch eigene Distribution der Kalender wieder beitrieben; wobei ihnen vorbehalten bleiben müsste, die Stempelgebühr nach Steigen oder Fallen der Kornpreise zu steigern oder zu verringern. Nach dieser ihrer Quote am Beitrage zum Ganzen richtete sich ihr Antheil an der Berechtigung auf Stellen. Falls nicht, was der Schreiber dieses in seiner dermaligen Lage nicht erkunden kann, dadurch eine andere, schon eingeführte Stempeltaxe aufgehoben würde, so könnte diese Einnahme noch auf folgende Weise vermehrt werden: dass durch alle Theile der Monarchie dasselbe Eine Maass und Gewicht eingeführt werde, was ohnedies seit langem sehr zu wünschen war. Die Bestimmung eines solchen, und des Mittels, es unwandelbar zu erhalten, ist ein natürlich einer Akademie der Wissenschaften anheimfallendes Geschäft. Die Uebereinstimmung mit diesem Grundmaasse und Gewicht wäre nun allen Maassen und Gewichten durch einen Stempel zu attestiren, dessen Ertrag dem Institute zu gut käme, und auf dieselbe Weise beigetrieben würde. Ebenso würde das, woraus der bisherige Fonds der Universität Halle bestanden, auf Naturalien gesetzt, und denen, die es abzutragen schuldig sind, als Quote ihrer Berechtigung zur Besetzung der Stellen angerechnet. §. 49. Da die bei uns gebildeten Regularen den ersten Anspruch auf die ersten Stellen des Staates haben sollen, so würden, wenn noch andere Universitäten ausser uns in der Monarchie bestehen sollten, dieselben entweder auch sich zur Kunstschule, und zu diesem Behufe ein Corps von Regularen in ihrer Mitte bilden müssen; oder sie würden als reine Zugewandtheiten, in denen auch nicht einmal ein besserer Kern wirkte, zu betrachten seyn, und derselben Zöglinge ebenso am Verdienste wie am Rechte den unserigen nachstehen. Es ist zu befürchten, dass das erstere ihnen nicht sonderlich gelingen werde, indem wir, die wir ohnedies im Anfange nicht einmal auf Vollständigkeit für unseren Bedarf rechnen können, ihnen ohne Zweifel weder im Inlande noch im Auslande etwas für eine Kunstschule Taugliches übriglassen werden; dass sie sonach, bei dem besten Bestreben, dennoch in die zweite höchst nachtheilige Lage kommen würden. Und so dürfte denn vielleicht das in Anregung Gebrachte zugleich die Veranlassung werden, um über eine tiefere, bisher mannigfaltig verkannte Wahrheit die Augen zu öffnen. Das Bestreben, die Schule und Universität recht nahe am väterlichen Hause zu haben, und in dem Kreise, in welchem man dumpf und bewusstlos aufwuchs, ebenso dumpf fortzuwachsen und in ihm sein Leben hinzubringen, ist unseres Erachtens zuvörderst entwürdigend für den Menschen; -- denn dieser soll einmal herausgehoben werden aus allen den Gängelbändern, mit denen die Familien-, Nachbar- und Landsmannsverhältnisse ihn immerfort tragen und heben, und in einem Kreise von Fremden, denen er durchaus nichts mehr gilt, als was er persönlich werth ist, ein neues und eigenes Leben beginnen, und dieses Recht, das Leben einmal selbstständig von vorn anzufangen, soll keinem geschmälert werden; -- sodann streitet es insbesondere mit dem Charakter des wissenschaftlichen Mannes, dem freier, über Zeit und Ort erhabener Ueberblick zukommt, den das Kleben an der Scholle aber, das höchstens dem gewerbtreibenden Bürger zu verzeihen, entehrt; endlich wird dadurch sogar die organische Verwachsung aller zu Einem und demselben Bürgerthume gehindert, und lediglich daher entstehen die Absonderungen einzelner Provinzen und Städte vom grossen Ganzen des Staates; daher, dass z. B. der Ostpreusse dem Brandenburger, der Thüringer dem Meissner, als etwas für sich bedeuten wollend, gegenübertritt, und man sich nicht wundern muss, dass z. B. der Baier dem Preussen gegenüber sich der gemeinsamen Deutschheit nicht entsinnt, da ja sogar der Ostpreusse zuweilen des gemeinsamen Preussens vergisst. Aus keinem in solcher Beschränktheit Aufgewachsenen ist jemals ein tüchtiger Mensch oder ein umfassender Staatsmann geworden. Wäre dieses Bestreben einmal in seiner wahren Natur erkannt, und so eingesehen, dass dasselbe keinesweges geschont, sondern ohne Barmherzigkeit weggeworfen werden müsse: so wäre auch kein Grund mehr vorhanden, warum mehrere Universitäten in derselben Staatseinheit bestehen sollten; es würde erhellen, dass der Ausdruck »^Provincialuniversität^« einen Widerspruch enthalte, indem die Universalität das Besondere aufhebt, und dass Ein Staat von Rechtswegen auch nur Eine Universität haben sollte. Sollen und müssen einmal diejenigen Bürger des gemeinsamen Staates, die nicht bestimmt sind, aus der unbeweglichen Scholle den Nahrungsstoff zu ziehen, durcheinandergerüttelt werden zu allseitiger Belebung: so ist dazu die Universität der einzig schickliche Ort, und mögen sie von da an wiederum nach allen Richtungen verbreitet werden, jeder, nicht dahin, wo er geboren ist, sondern wohin er passt, damit wenigstens an dieser edleren Klasse ein Geschlecht entstehe, das nichts weiter ist, denn Bürger, und das auf der ganzen Oberfläche des Staates zu Hause ist. Nach diesen Principien müssten die anderen in der preussischen Monarchie vorhandenen Universitäten eingehen, und die Fonds derselben zu unserer Anstalt gezogen werden. Die in die neue Anstalt nicht herübergezogenen Lehrer könnten ihre Gehalte fortziehen, oder auch nach Maassgabe ihrer Brauchbarkeit anderwärts versorgt werden. (Einen Theil derselben würden wir, als die §. 42. beschriebene Art von Mitgliedern des Rathes der Alten, sogar nothwendig brauchen.) Diese herübergezogenen Fonds würden auf die Provinzen der eingegangenen Universitäten, als Quoten ihrer Berechtigung auf Stellen, vertheilt, zum Ersatze des verlorenen Rechtes im Schoosse der Familie den gelehrten Hausbedarf an sich zu bringen. Ueber unseren Plan gehörig verständiget, ist sogar zu hoffen, dass sie sich diese Abänderung gern werden gefallen lassen. (Als Einwürfe dagegen erwähne ich zuvörderst einen, den man kaum für möglich halten würde, wenn er nicht wirklich gemacht würde, den ^von der weiten Reise^. Gerade die Möglichkeit, junge Menschen vorauszusetzen, welche die Unbequemlichkeit eines Transportes scheuen, wie Bäume, oder vor den Gefährlichkeiten einer Reise, z. B. von Königsberg nach Berlin, sich fürchten, beweiset, wie nothwendig es seyn möge, dem Muthe mancher in der Nation hierin ein wenig zu Hülfe zu kommen. Oder ist der Kostenaufwand für ordinäre Post und Zehrung auf dieser kurzen Reise ihnen so fürchterlich, so könnte man ja den sich berechtigt glaubenden Provinzen aus den Fonds eine Reisestipendienkasse zugestehen, aus denen sie für die gar zu Dürftigen diese kleine Ausgabe bezahlten. Sodann meint man: es könnte doch etwa einmal auf einer solchen Universität ein besonderer und interessanter Geist und Ton entstehen, den wir durch eine Aufhebung dieser Universität ganz unschuldig viele Jahre vor seiner Geburt morden würden, und man befürchtet, dass wir der Entwickelung der herrlichen Originalität innerhalb solcher kleinen Beschränkungen Eintrag thun würden. Hierauf dienet zur Antwort: dass zufolge der Zeit, in welcher die Wissenschaft steht, es in derselben nicht mehr Legionen Geister, die jeder für sich ihr Wesen treiben, sondern nur Einen, in seiner Einheit klar zu durchdringenden Geist giebt, für dessen ewige allseitige Anfrischung gerade an unserem Institute durch die sehr häufige Erneuerung des lehrenden Corps, und durch den offen geführten edlen Wettstreit aller miteinander, vorzüglich gesorgt ist; dass aber diese vorgebliche Originalität innerhalb localer Beschränkung nicht Originalität, sondern vielmehr ^Caricatur^ sey, welche, so wie den schlechten Geschmack, der an ihr sich labt, immermehr verschwinden zu machen, auch ein Zweck unserer Anstalt ist. Es bliebe nach Beseitigung dieser sich aussprechenden Einwürfe kein anderer übrig, als das dunkle Gefühl des Strebens, doch ja nichts umkommen zu lassen, indem allerhand, uns freilich nicht bekanntes Heil durch irgend eine Zauberkraft daraus sich entwickeln könne, mit welchem, als selbst nicht auf deutliche Begriffe zu Bringendem, man in der Region deutlicher Begriffe nicht reden kann.) §. 50. Die Stellen der Kanoniker an den Hochstiften waren ursprünglich für den Unterricht eingesetzt, und die Einkünfte könnten diesem ersten Zwecke füglich zurückgegeben werden. Auf die gleiche Weise ist der Streit gegen die Ungläubigen, wozu die Johanniter-Maltheserritter gestiftet worden, nicht mehr an der Tagesordnung, wohl aber der geistige Krieg gegen Unwissenheit, Unverstand und alle die traurigen Folgen derselben; und könnten so auch diese Güter diesem Zwecke gewidmet werden. Sie würden auf dieselbe Weise, wie die früher erwähnten Einkünfte, als Recht auf Stellen unter die Beitragenden vertheilt. Ich sage nicht, dass unser einiges Institut diese ohne Zweifel sehr grossen Hülfsquellen verschlingen solle. Dieses Institut muss für sich den Grundsatz der Verwaltung haben, dass ihm alles dasjenige, dessen es für die Erreichung seiner Zwecke bedarf, unfehlbar werde, dass es aber auch durchaus nichts begehre, dessen es nicht bedarf; noch kann es einen anderen haben, ohne durch überflüssiges Geschlepp und Gepäck sich selbst zur Last zu werden. Sodann wird zu bedenken seyn, dass auch der, demnächst sogleich zu reformirenden niederen Schule ihr Antheil zukomme; ferner, dass wenn es über kurz oder lang zu einer ernstlichen Reform der Volkserziehung kommen sollte, auch für die Unterstützung dieses Zweckes das Nöthige vorhanden seyn müsse. Wir wollen nur sagen, dass gerade die gegenwärtige Zeit der Verlegenheit benutzt werden könne, um jene bisher anders angewendete Güter für diesen grösseren Zweck des gesammten Erziehungswesens in Beschlag zu nehmen, und dass es unter anderen auch der Kunstschule freistehen müsste, von ihnen Gebrauch zu machen, falls einmal ihre anderen Quellen nicht ausreichend befunden würden. Selbst auf den Fall, dass zunächst, oder irgend ein andermal, der Staat für eigene Zwecke dieser Einkünfte bedürfe, worüber tiefer unten: so würde es immer ein freundlicheres Ansehen haben, wenn er sie zuerst für diesen, als Zweck der Nation unmittelbar einleuchtenden Zweck der Nationalerziehung in Beschlag genommen hätte. §. 51. Wie in Absicht der regularen Stellen überhaupt der Grundsatz feststeht, dass jedwedes Individuum, das zu einer solchen sich qualificirt, und sie begehrt, sie haben müsse, so steht in Absicht ^der Zahlung^ der Grundsatz fest, dass, wer zahlen könne, zahlen müsse, wer aber nicht zahlen könne, dieselbe, ^inwiefern er nicht zahlen kann^, unweigerlich frei erhalte. Nicht die Zahlung qualificirt, sondern die anderweitige Leistung; und so soll auch der doppelt oder dreifach Zahlende dennoch, als Ausländer, bei dem Könige, als Inländer, bei einem Kreise, eine Stelle als freie Gunst nachsuchen, damit er wisse, dass es in unserer Anstalt noch etwas giebt, das für Geld nicht zu haben ist, und soll der etwanigen ökonomischen Rücksicht, dass man den Zahlung Anbietenden in Absicht der Proben der Würdigkeit gelinder behandle, durchaus kein Einfluss gestattet werden. Ebenso schliesst auch nicht das Unvermögen zu zahlen aus, sondern das geistige Unvermögen. Die zu leistende Zahlung ist zu berechnen im Durchschnitte (am besten auch nach Scheffeln Getreide) auf die eben erwähnten, dem Zöglinge in Natur zu liefernden Bedürfnisse, auf Honorar an die Lehrer für Unterricht und Prüfung bei Ertheilung des Meisterthums, auf Gebrauch der öffentlichen literarischen Schätze u. s. w., und haben die Eltern oder Vormünder des zahlenden Zöglings der Oekonomieverwaltung Caution zu leisten auf die Zeit, für welche der Zögling in das Institut aufgenommen wird, indem man ihn, um späterhin ausbleibender Zahlung willen, ja nicht ausstossen könnte, dennoch aber die Verwaltung auf ihn als Zahler rechnet. Die Form dieser Sicherstellung wird leicht sich finden lassen. Und zwar werden alle jene in Rechnung kommende Gegenstände also berechnet, wie sie dem Zöglinge zu stehen kommen würden, wenn er einen Privathaushalt führte, keinesweges aber also, wie sie der alles im Ganzen an sich bringenden Verwaltung zu stehen kommen: wie denn dies, da dieser grosse Haushalt ohne Zutritt des Einzelnen als eine Einrichtung des Staates besteht, ganz billig ist, und schon dadurch zu Deckung der Freistellen ein Beträchtliches gewonnen werden kann. Es ist zu hoffen, dass unsere reichen Häuser, deren Glanz ja sonst bei also getroffenen Einrichtungen in ihrer Nachkommenschaft erlöschen würde, den Zutritt zu unseren Regularen fleissig nachsuchen, und dass besonders unser Adel diese Gelegenheit mit Freuden ergreifen werde, um zu zeigen, dass es nicht bloss die versagte Concurrenz war, die ihn bei seinem bisherigen Range erhielt, sondern dass er auch bei eröffneter freier Concurrenz mit dem Bürgerstande denselben zu behaupten vermöge. Es könnte hierbei festgesetzt werden, dass die ^Grafen^ doppelte Zahlung leisteten, wie dies in Absicht der Collegienhonorarien auch bisher also gehalten worden; andere Adelige noch die Hälfte des ganzen Quantums zuschössen. Freistellen müssen nicht nothwendig ^ganze^ Freistellen seyn, indem eine Familie, die zwar nicht alle diese Kosten zu tragen vermöchte, doch vielleicht einen Theil derselben tragen kann. Es kann also Viertel-, Halbe-, Dreiviertelfreistellen geben, nach Maassgabe des Vermögens der Familie. Doch sollen ganz Unvermögende auch ganz freie Station erhalten; und es soll in Rücksicht dieser sogar eine Veranstaltung getroffen werden, wodurch sie beim einstigen Austritte aus dem Collegium der Regularen, wie dieser auch übrigens ausfallen möge, für die erste Zeit und bis zu einiger Anstellung gedeckt seyen. Die Entscheidung über diese theilweisen oder ganzen Befreiungen fällt der ökonomischen Verwaltung des Institutes zu, welchem zu diesem Behufe die Eltern oder Vormünder des Zöglings genügende Einsicht in die Vermögensumstände desselben zu geben haben. Es muss bei dieser Einsicht Genauigkeit stattfinden, indem hierüber das Ehrgefühl der Nation selbst geschärft werden soll, und so, wie Armuth keine Schande, das Sicharmstellen und die Raubgier, welche den Ertrag milder Stiftungen wirklich Unvermögenden wegzunehmen sucht, zur grossen Schande werden sollen. Hinwiederum ist mild und freundlich dem wirklichen Unvermögen das Gebührende zu erlassen, und es ist darum klar, dass diese Verwalter für den Fortgang der Wissenschaften redlich interessirte, und talentvolle Jünglinge, auch wenn sie arm sind, herzlich liebende Männer, und also selbst ^Akademiker^, wo möglich ^ausgetretene Lehrer^ seyn müssen. Welcher nun unter den Zöglingen seine Stelle ganz, oder theilweise frei habe, braucht niemand zu wissen, ausser die Eltern oder Vormünder eines solchen und die erwähnten Verwalter; indem dieses die beiden Theile sind, welche die Abkunft geschlossen, und sind diese allerseits zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Denn obwohl Armuth fernerhin keine Schande seyn soll, so soll doch so lange, bis es allgemein dahingekommen, dem zahlenden Zöglinge auch die Versuchung erspart werden, sich über den ihm bekannten Nichtzahler neben ihm zu erheben. Alle sollen in solche Gleichheit gesetzt werden, dass dem Reichsten das wenige, Anständigkeitshalber vielleicht nöthige Taschengeld von der Verwaltung nicht reichlicher gereicht werde, als dem ganz freien Armen. Nicht einmal der freigehaltene Zögling selbst braucht diesen Umstand zu wissen; denn obwohl wir für das Daseyn der Anstalt überhaupt die Dankbarkeit Aller, Zahler oder Nichtzahler, in Anspruch nehmen, so wollen wir doch dafür, dass jedes Talent, auch ohne Aequivalent in Gelde, bei uns Entwickelung findet, keinen besonderen Dank, indem wir dies für Pflicht, so wie für den eigenen Vortheil des Vaterlandes erkennen. Und so sind denn die an die Kreise zu vertheilenden Stellen keinesweges Kost- oder Freistellen, sondern es sind Stellen überhaupt. Jede mögliche Stelle kann auch Freistelle werden; nur weiss der Kreis selber nicht, wie es sich damit verhält, sondern nimmt unbefangen Antheil an den wissenschaftlichen Fortschritten seines Clienten, ohne zu wissen, auf welche besondere ökonomischen Bedingungen er dieses ist. §. 52. Indem der Ausfall, der durch diese ertheilten Befreiungen in der Oekonomie des Regulats entsteht, aus der Gesammtheit der oben verzeichneten Quellen bestritten werden muss, dieser Ausfall aber, jenachdem das vorzüglichere Talent aus den reichen oder aus den unbegüterten Klassen der Nation hervorgeht, sehr wandelbar und veränderlich seyn dürfte: so ist klar, dass in diesem Haupttheile der Ausgaben keine Fixirung stattfinde, dass der Verwaltung grosse Hülfsmittel zur Disposition stehen müssen, dass dieselbe durchaus kein Interesse hat, dieselben ohne Noth zu verschwenden, dass sie demnach die etwanigen Ersparnisse getreulich den Händen der Regierung zurückliefern wird, welche über die Wahrhaftigkeit des Resultates der geführten Verwaltung durch eine, gleichfalls auf Stillschweigen zu verpflichtende Behörde Einsicht nehmen kann; endlich, dass dieser ganze Theil der Verwaltung dem übrigen Publicum ein dasselbe nicht angehendes und ihm undurchdringliches Geheimniss bleibe. Das lehrende Corps ist es eigentlich, das nach den gelieferten Aufsätzen oder der von der niederen Schule gebrachten Tüchtigkeit, ohne alle Rücksicht oder Notiz von den Vermögensumständen, das Regulat ertheilt: dies ist das Erste und Wesentliche. In dieser Ertheilung können sie, nach dem aufgestellten Grundsatze, dass durchaus kein vorzügliches Talent ausgeschlossen werden solle, nicht beschränkt werden. Wie es mit dem also zum Regularen unwiederbringlich Ernannten in ökonomischer Rücksicht gehalten werden solle, ist die zweite ausserwesentliche Frage, deren Beantwortung der Oekonomieverwaltung anheimfällt. Dieser verbietet Gerechtigkeitsgefühl und Rücksicht auf Ehrliebe der Nation, Befreiung ohne Noth zu begünstigen; die Natur der ganzen Einrichtung aber, sie der dargelegten Noth zu versagen; und so kann auch diese auf keine Weise eingeschränkt werden. Ebensowenig findet im zweiten Haupttheile der Ausgaben, der Besoldung der Lehrer und anderer Akademiker, der Erhaltung oder neuen Anschaffung von Literaturschätzen, und anderer den Fortgang der Wissenschaften befördern sollender Einrichtungen, eine Fixirung statt. Denn obwohl sich auch etwa ein Maximum des Gehaltes für einen einzigen festsetzen liesse, so lässt sich doch durchaus nichts festsetzen über die Anzahl der zu Besoldenden, von so höchst verschiedenen Arten und Klassen, sondern es richtet sich diese, sowie die anderen angegebenen Veranlassungen von Ausgaben, nach dem jedesmaligen Zustande der Wissenschaft, und ist wandelbar wie dieser. Die Mitglieder der Anstalt können in diesen Beurtheilungen nur das Heil der Wissenschaft und ihrer Anstalt als höchstes Gesetz anerkennen, und sie sind diejenigen, denen gründliche Durchschauung desselben, sowie herzliche Liebe dafür sich am vorzüglichsten zutrauen lässt; auch verbietet die Erwägung dieses Heils selbst ihnen ebenso unnöthige Verschwendung in allen den erwähnten Zweigen, als schädliche und unwürdige Sucht zu sparen. Und so geht denn auch für diesen Theil dasselbe Resultat hervor, das wir oben für den ersten Theil aufstellten; es gilt dasselbe demnach fürs Ganze. §. 53. In Absicht des Besoldungssystems möchte festgesetzt werden 1) ein Gehalt, der dem Akademiker, als solchem, gereicht wird, und der dem des vollkommenen Bürgerrechtes Theilhaftigen unter keiner Bedingung entzogen werden kann. Da nicht so leicht jemand bloss Akademiker seyn wird, so ist dieser Gehalt nur als ein Beitrag, keinesweges aber als das, woraus der ganze anständige Unterhalt des Mannes zu bestreiten sey, zu betrachten. 2) Das Mitglied des Rathes der Alten hat entweder ein anderweitiges Staatsamt, oder eine von den mannigfaltigen ökonomischen oder Aufseherstellen, die aus der Natur unseres Instituts hervorgehen, wofür er besonders besoldet wird; auch wäre er für die Weisen, wie er durch vorübergehende Vorlesungen oder andere Leistungen uns nützlich wird, durch vorübergehende Remunerationen zu entschädigen. Arbeitet er an einem gelehrten Werke, so könnte ihm auch für diesen Behuf die Oekonomieverwaltung Unterstützung oder Vorschüsse leisten. 3) Der ausübende Lehrer wird nach Maassgabe seiner Arbeit an Vorlesungen und anderen Uebungen und Prüfungen besonders besoldet. Die Zugewandten zahlen für alle diese Gegenstände, inwiefern sie an denselben Antheil nehmen wollen, ein festzusetzendes Honorar, und zwar ^voraus^. Denn es wird dadurch eines solchen Zugewandten, der sein vorausbezahltes Geld nun auch wiederum abhören will, Fleiss und Regelmässigkeit sehr befördert; und mögen wir ihm diese Art der Ermunterung gern gönnen. Der Regulare ist hierin frei, und wird eben der Gehalt des Lehrers als sein von der Verwaltung für ihn bezahlter Beitrag, der ja bei Zahlstellen auch angerechnet wird, betrachtet. Dieses von den Zugewandten zu ziehende Honorar ist jedoch dem Lehrer bei Fixirung seines Gehaltes nicht eben in Rechnung zu bringen, sondern derselbe also zu setzen, als ob er neben seinem Gehalte als Akademiker von diesem leben müsste; um ihn von dem Beifalle dieser Zugewandten ganz unabhängig zu erhalten. Dasselbe Honorar von den Zugewandten haben auch die ausserordentlichen Professoren zu beziehen. Eigentlich ist es die Akademie selbst, welche als unumschränkte Oekonomieverwaltung (§. 52.) sich selbst aus ihrer Mitte besoldet. So wie die anderen Stände nicht verlangen sollen, dass diese in Anständigkeit des Auskommens ihnen nachstehen, so wird auch ihnen von ihrer Seite gerade jenes nicht zu vermeidende Verhältniss die Pflicht auflegen, vor den Augen der Nation nicht als unersättliche und habsüchtige, sondern als edle und sich bescheidende Männer dazustehen; und ist diese Denkart auf alle Weise in sie hineinzubringen. §. 54. Für das erste Lehrjahr möchte es zweckmässig seyn, den encyklopädischen Lehrern, sowie etwa den anderen nöthig befundenen Unterlehrern, wenn, wie es grösstentheils der Fall seyn dürfte, sie schon ausserdem, als Akademiker oder dergl., einen fixirten lebenslänglichen Gehalt haben, eine besondere Remuneration für die Arbeiten dieses ersten Lehrjahres zuzugestehen, und für die folgenden Lehrjahre sich ein weiteres Bedenken vorzubehalten; unter anderen auch, damit man erst sähe, wie sich jedes machte, und ob nicht indessen etwas Anderes sich findet, das sich noch besser macht. In Bestimmung dieser Remuneration wäre, inwiefern nicht etwa der Mann schon sonst ausreichend besoldet ist, und man in dieser Rücksicht schon ohnedies einen Anspruch hat auf seine ganze Kraft, billig als Maassstab unterzulegen, was in dieser Zeit durch Schriftstellerei hätte erworben werden können. Denn obwohl das bisweilen auch übliche Ablesen eines vor langen Jahren angefertigten Heftes etwas höchst Bequemes ist, und kaum eine andere Kraft fordert, als die der Lunge, so dürfte doch eine solche Verwaltung des Lehramts, wie wir sie gefordert haben, und die unter anderen auch den grössten Theil der alten Hefte unbrauchbar macht, alle Kraft und Zeit des Lehrers in Anspruch nehmen; und wer diese Verhältnisse kennt, weiss, dass Collegienlesen auf die gewöhnlichen Bedingungen für einen nicht ungewandten Schriftsteller in ökonomischer Rücksicht ein Opfer ist, das zwar der wackere Mann gern bringt, der auch wackere aber nicht ohne Noth fordert. §. 55. Für dieses erste Jahr könnte nun der Universität vom Staate ein öffentlicher Hörsaal eingegeben werden. Die Studirenden löseten gegen ihr Honorar, etwa bei dem, um der Inscriptionen willen auch gleich anfangs anzustellenden Justitiarius der Universität, ^Belege^ (Zutrittskarten), nach welchen ihnen, durch einen gleichfalls anzustellenden ^famulus communis^, auf eine zu Jena seit 1790 übliche, dem Schreiber dieses wohlbekannte Weise, ihre Plätze im Auditorium angewiesen werden. Da wir im ersten Jahre noch keine Regulare haben (Novizen können wir haben, die aber doch immer nur als Zugewandte zu betrachten sind), sonach diese etwa künftigen Regularen, denen vielleicht auch künftig Freistellen gegeben werden, in der allgemeinen Masse der Zugewandten noch unentdeckt liegen: so soll der Justitiarius, nach einem ihm etwa anzugebenden Kanon, diese erwähnten Belege auch frei geben können, worüber er sich hernach mit dem Lehrer, der das Collegium liest, zu berechnen hat. Ebenso wäre ein Plan zu entwerfen, wie man während dieses ersten Jahres unvermögende Studirende durch Stipendien, Freitische und dergl. unterstützen könnte. Doch ist die Einführung des gewöhnlichen Convictoren-, Stipendiaten-Examens und dergl., durch welche der Unvermögende herausgehoben und bezeichnet wird, als mit unserm allerersten Grundsatze über diesen Gegenstand streitend, auch im ersten Jahre zu vermeiden. Sollte man nicht etwa späterhin über den Grundsatz sich einverständigen, ^dass bei solchen, die da Regulare werden weder könnten, noch wollten^ (wo bei Bejahung des letzten Falles die einigermaassen frei zu haltenden wenigstens ^Novizen^ seyn müssten, und es im Noviziate über diesen Punct eben also gehalten werden könnte, wie oben (§. 51.) für das Regulat vorgeschlagen worden), und da die zu subalternen Geschäften nöthigen Handwerksfertigkeiten weit sicherer und schicklicher ausserhalb der Universität erlernt werden, ^das Studiren ein blosser Luxus sey, der, wenn er ja statthaben solle, aus eigenen Mitteln, keinesweges aber auf Kosten des Staates, bestritten werden müsse^; sondern sollte man darauf bestehen, die milden Stiftungen der über diese Dinge freilich nicht so scharf sehenden Vorwelt, auf die bisherige Weise zu verwenden: so kann man freilich nichts dagegen haben, dass dergleichen Beneficiaten unter den blossen Zugewandten auf alle Weise bezeichnet werden, und, so Gott will, ihnen sogar eine metallene Nummer an den Aermel geheftet werde, damit die Liebeswerke doch auch recht in die Augen fallen! Nur soll man den nicht also behandeln, der einmal ein Ehrenjüngling und Regularer werden könnte. §. 56. Diese also zu einem organischen Ganzen verwachsene Akademie der Wissenschaften, wissenschaftliche Kunstschule und Universität muss ein Jahresfest haben, an welchem sie sich dem übrigen Publicum in ihrer Existenz und Gesammtheit darstelle. Der natürlich sich ergebende Act dieses Festes ist die Ablegung der Rechenschaft über ihre Verhandlungen das ganze Jahr über; und es sollten hiebei zugegen seyn Repräsentanten der Nation, gewählt aus den zu den Stellen Berechtigten, und des Königs, beider, als der Behörde, der die Rechenschaft abgelegt wird. Zu diesem Feste wäre der Geburtstag Friedrich Wilhelms des Dritten, als dessen Stiftung jener Körper existiren wird, falls er jemals zur Existenz kommt, unabänderlich und auf ewige Zeiten festzusetzen. §. 57. Corollarium. Die einzelnen Vorschläge dieses Entwurfes sind keineswegs unerhörte Neuerungen; sondern sie sind, wie sich bei einem so viele Jahrhunderte hindurch in so vielen Ländern bearbeiteten Gegenstande erwarten lässt, insgesammt einzeln irgendwo wirklich dagewesen, und lassen sich bis diesen Augenblick in mehreren Einrichtungen der Universitäten Tübingen, Oxford, Cambridge, der sächsischen Fürstenschulen, in ihrem sehr guten, das Gewöhnliche weit übertreffenden Erfolge, darlegen. Lediglich darin könnte der gegenwärtige Entwurf auf Originalität Anspruch machen, dass er alle diese einzelnen Einrichtungen durch einen klaren Begriff in ihrer eigentlichen Absicht verstanden, sie aus diesem Begriffe heraus wiederum vollständig abgeleitet, und sie so zu einem organischen Ganzen verwebt habe; welches, wenn es sich also verhielte, demselben keinesweges zum Tadel gereichen würde. Den Haupteinwurf betreffend, den derselbe zu befürchten hat, den der Unausführbarkeit, muss in der Berathschlagung hierüber nur nicht die im Verlaufe von allen Seiten hinlänglich charakterisirte, übrigens ehrenwerthe und von uns herzlich geehrte Klasse gefragt werden, welche, wenn nur sie allein in der Welt vorhanden wäre, mit ihrer Behauptung der absoluten Unausführbarkeit recht behalten würde. Wir selbst geben zu, dass im Anfange die Ausführung am allerunvollkommensten ausfallen werde, glauben aber sicher rechnen zu dürfen, dass, wenn es überhaupt nur zu einigem Anfange kommen könne, der Fortgang immer besser gerathen werde; selbst aber auf den Fall, dass wir befürchten müssten, es werde sogar nicht zu einem rechten Anfange kommen, müssten wir dennoch den Versuch nicht unterlassen, indem im allerschlimmsten Falle wir doch nichts Schlimmeres werden können, denn eine Universität nach hergebrachtem deutschem Schlage. Die allgemeinen Merkmale der Gründlichkeit eines Planes, der sich nicht bescheiden mag, ein blosser schöner Traum zu seyn, sondern der auf wirkliche und alsbaldige Ausführung Anspruch macht, sind diese: dass er zuvörderst nicht etwa die wirkliche Welt liegen lasse und für sich seinen Weg fortzugehen begehre, sondern dass er durchaus auf sie Rücksicht nehme, wiewohl allerdings nicht in der Voraussetzung, dass sie bleiben solle, wie sie ist, sondern dass sie anders werden solle, und dass im Fortgange nicht Er sich ihr, sondern Sie sich ihm bequeme; und dass er, nach Maassgabe der Verwandtschaft, eingreife auch in die übrigen Verhältnisse des Lebens, und wiederum von diesen getragen und gehoben werde; sodann, dass er, einmal in Gang gebracht, nicht der immer fortgesetzten neuen Anstösse seines Meisters bedürfe, sondern für sich selbst fortgehe, und, so ers braucht, zu höherer Vollkommenheit sich bilde. Nach diesen Merkmalen sonach ist jeder Entwurf zu prüfen, wenn die Frage über seine Ausführbarkeit entschieden werden soll. Dritter Abschnitt. Von den Mitteln, durch welche unsere wissenschaftliche Anstalt auf ein wissenschaftliches Universum Einfluss gewinnen solle. §. 58. Das in unserer Kunstschule einmal begonnene wissenschaftliche Leben soll nicht etwa in jeder künftigen Generation, sowie es schon da war, nur sich ^wiederholen^, viel weniger noch soll es ungewiss herumtappen, und so selbst Rückfällen ins Schlimmere ausgesetzt seyn; sondern es soll mit sicherem Bewusstseyn und nach einer Regel zu höherer Vollkommenheit fortschreiten. Damit dies möglich werde, muss die Schule die in einem gewissen Zeitpuncte errungene Vollkommenheit irgendwo deutlich und verständlich niederlegen; an welche also niedergelegte Stufe der Vollkommenheit dieses Zeitpunctes das beginnende frische Leben sich selber und seine Entwickelung anknüpfe. Am besten wird diese Aufbewahrung geschehen vermittelst eines ^Buches^. §. 59. Da aber das wirkliche, in unmittelbarer Ausübung befindliche Leben der wissenschaftlichen Kunst fortschreitet von jeder errungenen Entwickelung zu einer neuen, jede dieser Entwickelungen aber, als die feste Grundlage der auf sie folgenden neuen, niedergelegt werden soll im Buche: so folgt daraus, dass dieses Buch selbst ein fortschreitendes, ein ^periodisches^ Werk seyn werde. Es sind ^Jahrbücher^ der Fortschritte der wissenschaftlichen Kunst an der Kunstschule; welche Jahrbücher, wie ein solcher Fortschritt erfolgt ist, ihn bestimmt bezeichnet niederlegen für die nächste und alle folgende Zeit, und welche, wenn die wissenschaftliche Kunst nicht unendlich wäre, einst nach Vollendung derselben begründen würden eine ^Geschichte^ dieser -- sodann vollendeten Kunst. §. 60. Die Kunst schreitet fort auf zwiefache Weise: theils überhaupt, wie alles Leben, dass sie eben lebendig bleibe, und niemals erstarre oder versteine; theils dass dieses überhaupt also fort^gehende^ Leben auch fort^schreite^ zu höherer Kraft und Entwickelung. Dies Letztere geschieht wiederum auf doppelte Weise: nemlich zuerst in ihm selber und intensive, in Absicht des ^Grades^, sodann nach aussen hin und extensive, indem es immer mehr des ihm angemessenen Stoffes in sich aufnimmt, und ihn mit sich ihn durchdringend organisirt, also in Absicht der Ausdehnung. -- Todt ist ein wissenschaftlicher Stoff, so lange er einzeln und ohne sichtbares Band mit einem Ganzen des Wissens dasteht, und lediglich dem Gedächtnisse, in Hoffnung eines künftigen Gebrauches, anheimgegeben wird. Belebt und organisirt wird er, wenn er mit einem andern verknüpft, und so zu einem unentbehrlichen Theile eines entdeckten grösseren Ganzen wird; und jetzt erst ist er der Kunst anheimgefallen. Wird dieses schon entdeckte und in den Jahrbüchern vorliegende Ganze mit einem klaren Begriffe durchdrungen (die Klarheit ist aber ein ins Unendliche zu steigerndes), dass die Theile sich noch enger an einander anschliessen und durch einander verwachsen: so hat die Kunst intensiv gewonnen; greift der vorhandene Einheitsbegriff weiter, und erfasst ein bis jetzt noch einzeln dastehendes Glied, so gewinnt sie extensive. Beide Arten des Fortschrittes unterstützen sich wechselseitig, und arbeiten einander vor. Die ^Erweiterung^ des Begriffes macht seine ^Verklärung^, seine ^Verklärung^ seine ^Erweiterung^ leichter. In Absicht der zuerst erwähnten periodischen ^Anfrischung^ des wissenschaftlichen Lebens aber, die an sich kein Fortschreiten ist weder intensiv noch extensiv, verhält es sich also: -- Unabhängig in Absicht der Materie von der besonnenen und kunstmässigen Entwickelung, und gerade um so mehr, in je höherem Grade die letztere vorhanden ist, schreitet das geistige Leben des Menschengeschlechtes durch sich selber, wie nach einem unbewussten Naturgesetze fort. Die Sprache concentrirt, die Phantasie erhöht sich, die Schnelligkeit des Fassungsvermögens steigt, der Geschmack wird zarter; und so ^ersterben^ in einem späteren Zeitalter Formen, die der wahrhafte Ausdruck des Lebens eines früheren waren, und so muss oft das, dem in keiner Weise eine höhere innere Vollkommenheit sich geben liesse, dennoch aus der erstorbenen äusseren Form in die des dermaligen Menschengeschlechtes aufgenommen werden. (Wir machen an folgendem Beispiele unseren Gedanken klarer. -- Selber die Philosophie, als die reinste, stoffloseste Form, die auch im mündlichen Vortrage immer also, als reines Entwickelungsmittel der Kunst des Philosophirens, sich behandelt, geht dennoch in Beziehung auf stätigen Fortschritt der Wissenschaft auf ^ein Buch^ aus, welches ^die durchgeführte richtige Anwendung der Denkgesetze^, als festes und stehendes Resultat, absetze. Fürs erste nun, was nicht unmittelbar dasjenige ist, was wir sagen wollen, sondern wodurch wir uns vorbereiten: -- wäre nun ein solches Buch vorhanden, so würde bis ans Ende der Tage jedwedes Individuum, das ein Philosoph seyn wollte, vielleicht jenes Buch als Leitfaden brauchend, dennoch jene Anwendung der Denkgesetze ^selbst^ und in eigener ^Person^ durchführen müssen, und von dieser Arbeit jenes Buch ihn auf keine Weise entbinden. Dagegen hätte er davon folgenden Vortheil: führte sein Denken ihn auf ein anderes Resultat, als in jenem Buche vorliegt, so müsste er entweder deutlich und bestimmt nachweisen können, welcher Fehler in Anwendung der Denkgesetze im Buche begangen worden, der dieses von dem seinigen verschiedene Resultat hervorgebracht hätte; oder er wüsste, so lange er dies nicht könnte, sicher, dass er mit seinem eigenen Denken noch nicht im Klaren sey, er müsste annehmen, dass sein Resultat ebensowohl irrig seyn könnte, als das im Buche vorliegende, und hätte kein Recht, seinen Satz, der möglicherweise irrig seyn könnte, an die Stelle eines andern, der freilich auch irrig seyn kann, in dem allgemeinen Buchwesen zu setzen. Möchte er höchstens diesen seinen Satz, ausdrücklich als nicht sattsam begründet, für die weitere Untersuchung eines künftigen klareren Denkers aufbewahren. Und dies wäre denn in dem ersten, wie in dem zweiten Falle der Erfolg des vorhandenen Buches für die Wissenschaft, dort sichere Erweiterung, hier Verwahrung vor blindem Herumtappen und dem Eigendünkel, der da will, dass seine unbewiesenen Behauptungen mehr seyen, als anderer vielleicht bewiesene Behauptungen, indem er nur unfähig ist, den Beweis zu fassen. Hiervon reden wir nun zunächst nicht, sondern davon. Ob nun wohl auch jenes niedergelegte philosophische Buch also beschaffen wäre, dass es weder in seinem Inhalte, noch im Grade der Klarheit überhaupt eine Verbesserung erhalten könnte, so möchte es doch immer einer ^Erfrischung^ durch das neue Leben der Zeit bedürfen.) §. 61. Das bisher beschriebene gäbe nun das ^Kunstbuch^ der Schule. Nun zeigt sich diese Kunst, und ihr Leben schreitet fort, in Organisation eines Stoffes. Inwiefern dieser Stoff wirklich schon organisirt ist, ist er aufgenommen in die Kunst und in derselben Buch, und es bedarf für ihn keines besonderen Buches; inwiefern er aber noch nicht durchdrungen ist, und er also die weitere Aufgabe für die Kunstschule enthält, muss diese Aufgabe irgendwo in fester Gestalt niedergelegt seyn, und die Schule bedarf, ausser ihrem Kunstbuche, auch eines ^Stoffbuches^. Dies ist nun zum Theil schon vorhanden an dem ganzen vorliegenden Buchwesen, und muss nur die Schule dieses ^kennen^. Die dahin gehörigen Einrichtungen sind schon im vorigen Abschnitte angegeben, und es lässt in dieser Kenntniss ein Fortschritt nur so sich denken, dass diese Kenntniss des vorhandenen Buchwesens vervollständiget, und das allgemeine Repertorium desselben besser geordnet und einer leichteren Uebersicht im Ganzen zugänglicher gemacht werde, auf welchen Zweck auch unsere Schule in alle Wege anzuweisen ist. Jenes auf diese Weise schon vorhandene grosse Stoffbuch selber soll nun fortschreiten: zuvörderst, indem es seiner äusseren Form nach erfrischt und erneuert wird, sodann, indem in Absicht des Inhaltes es theils berichtigt und von den darin vorhandenen Fehlern gereinigt, theils immerfort ergänzt und erweitert wird. Das Letzte geschieht durch neue Entdeckungen auf dem Gebiete der Geschichte und der Naturkunde; welche Entdeckungen immerhin bei ihrer ersten Erscheinung zur Aufnahme in die Einheit sich nicht qualificiren mögen, dennoch aber, bis ein Mehreres zu ihnen hinzukommt, aufbehalten werden müssen. Durch diese neuen Entdeckungen verlängert sich wiederum das Stoffbuch nach der Peripherie hin, das nach der Seite seines Centrums immer mehr verkürzt und von dem Kunstbuche aufgenommen wird. Dieser Fortschritt, des Stoffbuches sowohl wie auch des Kunstbuches, kann sich nun begeben entweder ^bei uns^, oder ^bei anderen^; wo wir im letztern Falle die Ausbeute in unsere Schule und unser Buch aufzunehmen haben, damit das gesammte Buch des Menschengeschlechtes und sein wissenschaftlicher Fortschritt Einheit behalte. Zum Fortschritte dieses gesammten Buches gehören auch diejenigen Bestrebungen, dasselbe zu verbessern, die nur noch Versuche und noch nicht zu der Festigkeit gediehen sind, dass man sie in einem Buche niederlegen könne. Auch diese Versuche, wenn sie bei anderen angestellt werden, kennen zu lernen, wenn wir sie anstellen, uns dabei der Beobachtung anderer nicht zu entziehen, müssen wir Anstalt treffen. §. 62. Um über den Fortschritt der wissenschaftlichen Kunst, die im Kunstbuche dargelegt werden soll, ganz verständlich zu werden, legen wir unsere Gedanken dar an einem Beispiele. Wenn also z. B. mit der Universalgeschichte es dahin zu kommen bestimmt wäre, dass man einsähe, sie sey nicht ein Zufälliges, das auch entbehrt werden könne, sondern sie habe eine bestimmte, dem Menschengeschlechte sich aufdringende Frage nach bestimmten gleichfalls im menschlichen Geiste schon vorliegenden Frageartikeln zu beantworten, als etwa: wie unser Geschlecht zu menschlicher Lebensweise, zu Gesetzlichkeit, zu Weisheit, zur Religion, und worin noch etwa sonst die Ausbildung zum wahren Menschen bestehen mag, sich allmählig erhoben habe, -- hier einseitig, dann zurückfallend, um auch andere, bisher vernachlässigte Bildungsweisen in sich aufzunehmen; -- und man über diese Fragen zu einigen bestimmten und unveränderlichen Resultaten gekommen wäre: so würde man sodann auch einsehen, dass die bisher abgesteckten Epochen nach Entstehung oder Untergang grosser Reiche, nach Schlachten und Friedensschlüssen, die Regententafeln u. dergl. nur provisorische Hülfsmittel, berechnet auf eine Denkart, die nur durch die Erschütterung des äusseren Sinnes berührt wird, gewesen seyen, um die Sphäre jener besseren Ausbeute indessen zu erhalten; und man würde nur an jene, inniger an das Interesse der menschlichen Wissbegier sich anschmiegenden Epochen die Geschichte anknüpfen, welche nun allerdings auch jene ersten weniger bedeutenden mit sich fortführen würden, damit das Gemälde sein vollkommenes Leben bis auf den wirklichen Boden herab bekäme. Man würde z. B. nicht mehr sagen: unter der Regierung des und des wurde der Pflug erfunden, sondern umgekehrt: als der Pflug erfunden wurde, regierte der und der, dessen Leben vielleicht auf die weiteren Begebenheiten des Pfluges, auf welches letzteren Geschichte es hier doch allein ankommt, Einfluss hatte. Die Kunst der Geschichte wäre dadurch ohne Zweifel fortgeschritten, indem man nunmehro erst recht wüsste, wonach man in derselben zu fragen, und worauf in ihr zu sehen habe; sie wäre mit einem klaren Begriffe durchdrungen. Dadurch wäre auch die ganze Bearbeitung derselben an unserer Kunstschule verändert. Vorher bestand ihre eigentliche Aufgabe darin, jenen klaren Begriff und die festen Data, die eine Uebersicht der Begebenheiten nach seiner Leitung giebt, ^zu finden^, und in diesem Finden bestand die gemeinschaftliche Arbeit unserer Kunstschule. Jetzt ist dies da: es wird abgesetzt im Buche, das unser Zögling selber lesen mag. Vorher musste er ein nach anderen Epochen eingetheiltes Buch lesen, das ihm jetzt auch in alle Wege nicht ganz erlassen werden kann, das aber ihm, der einen Leitfaden von höherer Potenz hat, weit leichter haften wird, als seinem früheren Vorgänger. Die unmittelbar zu treibende Kunst an unserer Schule erhält in Beziehung auf die Geschichte eine andere Aufgabe; ohne Zweifel die, jene Data weiter auszuarbeiten und zu verbinden, und so mehr des bisher noch nicht durchdrungenen Stoffes der Facta durch den Grundbegriff zu durchdringen. So in allen anderen Fächern. Die Kunst gräbt fortgehend sich tiefer in bisher unsichtbare Welten; die in dem nunmehr ausgegrabenen Schachte gewonnene Ausbeute legt sie im Kunstbuche nieder, als Ausgangspunct und als Instrument ihres weiteren Verfahrens. Und so wäre denn 1) in unseren Jahrbüchern des Fortschrittes der Kunst an unserer Schule, als Hauptbestandtheile und als Epoche machend, niederzulegen die encyklopädischen Ansichten jedes unserer Lehrer von seinem Fache; kurz, versteht sich, und im Grossen und Ganzen. Sollte ihm, wie dies also zu erwarten, diese klare und ewig dauernde Rechenschaft auch nicht während der Ausübung seines Lehramtes angemuthet werden können, so kann sie dennoch nach dem Austritte ihm nicht füglich erlassen werden, und hat er darauf schon während der Ausübung zu rechnen. 2) Da unsere Schüler auch Bücher lesen sollen, und wir ihnen überhaupt nichts zu sagen gedenken, was ebenso gut im Buche steht, so gehört zu jener encyklopädischen Rechenschaft eines Lehrers allerdings auch die Angabe, welche Lectüre er vorschreibe. Diese Lectüre mag für den Anfang in schon vorhandenen Büchern bestehen, und es wird in diesem Falle genug seyn, diese zu citiren. Späterhin aber werden wir, theils um die allenfalls veraltete äussere Form anzufrischen, theils aber und vorzüglich, wegen des durch den Fortschritt der Kunst ganz veränderten Ausgangspunctes der von uns wirklich zu ^treibenden^ Kunst, Lesebücher für unsere Zöglinge (ein ^corpus^ jedes einzelnen Faches, wie es bisher nur ein ^corpus juris^ gab) eigens drucken lassen müssen. In Absicht des ersten -- des Auffrischens -- wird zu beachten seyn, dass dies nicht von dem Ermessen des Einzelnen abhängen könne, sondern mehrere die Tüchtigkeit eines Einzelnen für diesen Behuf anerkennen müssen, indem nicht in jedem der gesammte lebendige Zeitgeist sich ausspricht, und mancher versucht wird, seinen individuellen Geist für jenen zu halten. In Absicht des zweiten haben wir, sowie im Lehren, den Grundsatz, nicht zu sagen, was schon gedruckt ist, im Schreiben den, nicht zum zweitenmale drucken zu lassen, was einmal gedruckt ist. -- Wird einmal das Bedürfniss solcher eigenen Lesebücher eintreten, so werden uns die Mittel nicht abgehen, demselben abzuhelfen, und können wir recht füglich von denen, die bei uns Meister oder Doctor zu werden verlangen, dergleichen Probestücke begehren. Wir erhielten an jenen encyklopädischen Rechenschaften, von denen jede künftige die vorhergegangene entweder ^formaliter^, durch Klarheit und Leichtigkeit, oder ^materialiter^, durch weitere Umfassung des Stoffes, übertreffen müsste, -- oder sie könnte nicht aufgenommen werden, und dies wäre ein Beweis, dass die Kunst dermalen bei uns stille stände -- eine ^fortgehende und eng zusammenhängende Reihe^ von Fortschritten in der Wissenschaft, welche der Nachwelt, die einen beträchtlichen Theil derselben übersehen, und vielleicht das ^Gesetz^ dieses Fortschrittes entdecken könnte, wiederum als Mittel weit höherer Fortschritte dienen könnte. Wir erhielten an dem, mit jener und ihrem Gesetze gemäss fortschreitenden ^Lesebuche^, das nicht gerade in den Context jener Jahrbücher eingewoben seyn müsste, sondern selbstständig existiren könnte, ein äusserliches Document und einen Exponenten der Jahrbücher. Dieses Lesebuch würde, sowie es von einer Seite durch Steigerung der Gesichtspuncte anwüchse, von der anderen durch Auswerfung des sattsam bearbeiteten Stoffes abnehmen. Wir machen dies deutlich an demselben Beispiele der Geschichte. Wenn man durch Erfassung etwa des angegebenen Standpunctes für diese -- die Geschichte -- vielleicht auch den Zweck aufgeben wird, in derselben ^Psychologie^ oder ^Staatswissenschaft^ zu lernen -- Zwecke, die man leicht für Vorspiegelungen halten dürfte, um dem Philosophen gegenüber sich aus der Verlegenheit zu ziehen, einen Zweck ihres Studiums deutlich anzugeben, -- begreifend, dass man diese Zwecke weit wohlfeileren Kaufes mit der Philosophie erreichen könne; dass aber die Regierungs^kunst^, die durchaus etwas Anderes ist, denn die durch Philosophiren zu schöpfende Regierungs^wissenschaft^, eine leichte und sich von selbst findende Zugabe des rechten Studiums der Geschichte sey: -- wenn man, sage ich, diese Zwecke aufgeben wird, alsdann wird man einer Menge Untersuchungen, die nur dem psychologischen oder politischen Zwecke unter die Arme greifen sollen, sich gern überheben. -- (So lange es, um über die Aechtheit eines gewissen Documents urtheilen zu können, auf die Untersuchung, welchen Zuschnitt der Bart eines gewissen Kaisers gehabt habe, ankommt, muss man in alle Wege diese Untersuchung gründlich treiben. Sollte aber durch einstige Vollendung dieser Untersuchung die Aechtheit oder Unächtheit des Documents, gemeingültig für alle künftige Zeit, ausgemittelt seyn, so mag man nun den Bart immer fahren lassen; ja dieses um so mehr, wenn sogar an der Aechtheit oder Unächtheit des Documents selber uns nichts mehr liegen sollte, indem, was dadurch entschieden werden soll, indess anderwärtsher entschieden worden. Freilich müsste man zu diesem Behufe auch darüber mit sich einig seyn, dass es in allen Fächern Gewissheit und eine feste, unwidersprechliche Beweisführung gebe, und nicht etwa gerade in das blinde Herumtappen, und in die Wiederholung desselben Kreislaufes durch jegliche Generation, die Perfectibilität des Menschengeschlechtes setzen.) So, wenn nun jemand durchaus kein anderes Mittel hat, um über den Werth einer gewissen Meinung zu entscheiden, ausser daraus, dass sie die Meinung eines gewissen alten Philosophen gewesen, dabei aber doch noch immer Zweifel hegt, ob dieselbe nicht vielmehr die Folge der Gesundheitsbeschaffenheit dieses Philosophen, als seiner Speculation gewesen: so ist diesem die Frage über die Hypochondrie oder Nichthypochondrie des Mannes allerdings höchst bedeutend; wer aber auf anderem Wege über den in Frage gestellten Werth Bescheid hätte, der könnte jenen Philosophen sammt seinem Gesundheitszustande ruhig an seinen Ort gestellt seyn lassen. §. 63. Neben diesem ersten und wesentlichen Theile der Jahrbücher, den encyklopädischen Rechenschaften der Lehrer, giebt es noch einen zweiten, zum ersten nothwendig gehörenden Theil, die Ausarbeitungen der Schüler. Denn es soll ja nicht bloss die Kunst der gesammten Schule in Bearbeitung des wissenschaftlichen Stoffes, es soll auch die besondere Kunst der Lehrer gezeigt werden, selber Künstler aus dem ihnen gegebenen Stoffe der Zöglinge zu bilden, und, so Gott will, der Fortgang auch dieser Kunst. Ueber die Lehrmethode derselben wird schon ihre encyklopädische Rechenschaft, auch ohne ausdrückliches Vermelden, die nöthige Auskunft geben. Ueber so viele andere, in Worten auch nicht füglich zu beschreibende Kunstmittel mögen sie schweigen, und dieselben eben üben; aber ihr ^Werk^, den Künstler, der aus ihren Händen hervorgeht, mögen sie vorzeigen. Im Anfange zwar, und in den ersten Jahren werden wir noch nichts dieser Art vorzuweisen haben; einen sicheren Anfang aber müssen dennoch auch die Jahrbücher sich setzen, indem es ausserdem wohl immer bei dem Versprechen bleiben könnte. Dieser Anfang könnte erscheinen zu Anfang des zweiten Lehrjahres, und er müsste enthalten: 1) die encyklopädischen Ansichten der angestellten Lehrer jedes Faches, die sie ja ohne Zweifel bei der Vorbereitung auf dieses ihnen grossentheils neue Collegium schriftlich entworfen, und während des mündlichen Vortrages und der mit den Lehrlingen angestellten Uebungen verbessert haben werden. 2) Die Probeaufsätze der Studirenden, welche gebilligt, und deren Verfassern die Befugniss, das Regulat nachzusuchen, gegeben worden. Sollte das Letztere zu weitläufig ausfallen, so könnten aus den gelungenen nur die gelungensten ausgewählt, der anderen aber nur im allgemeinen mit dem gebührenden Lobe gedacht werden. (Der zweite Punct wäre zugleich die den Lehrern, die das Regulat zuerst besetzen, allerdings nicht zu erlassende öffentliche Rechenschaft, dass sie hierbei nach festen Grundsätzen und keinesweges willkürlich verfahren; ingleichen die Weisung an Studirende und deren Eltern, was bei künftigem Anspruche auf dasselbe Regulat von ihnen ^wenigstens^ gefordert werden würde. Wenigstens; denn es könnte so kommen, dass das erstemal, um denn doch überhaupt ein an Personal nicht gar zu schwaches Regulat einzusetzen, nach ein wenig milderen Grundsätzen verfahren werden müsste, denn späterhin.) Aus denselben Bestandtheilen, Nachträgen der Lehrer zu ihren encyklopädischen Ansichten, und Probeaufsätzen neuer Candidaten des Regulats würden die Jahrbücher auch zu Anfange des dritten, vierten etc. Lehrjahres bestehen, so lange bis wir Aufsätze von solchen, die bei uns das Meisterthum erhalten hätten, mittheilen und so die Aufsätze der Schüler ungedruckt lassen könnten. Erst mit diesen ginge die eigentliche Rechenschaftsablegung des Lehrers über seine Lehrkunst an. Hier auch hebt die eigentliche Rechenschaft der gesammten Kunstschule über den Fortschritt des Lehrtalentes und der Künstlerbildung an ihr an. Werden, noch abgerechnet die Steigerung des Begriffes selbst (wovon in §. ^praeced.^), in der ^Form^ die Aufsätze der künftigen Meister klarer, gewandter, freier, leichter, denn die der früheren, so steigt die Kunst; das Gegentheil davon wäre ein Beweis, dass sie wenigstens in dieser Rücksicht fiele, und die gesammte Akademie hätte zusammenzutreten und Anstalten zu treffen, ^ne detrimenti quid capiat respublica^. Schon in den anderen mit den Lehrlingen anzustellenden Uebungen, recht eigentlich aber, und auch andern sichtbar in diesen Jahrbüchern, kann ein Lehrer sehen, ob ein anderes, jugendlicheres und gewandteres Lehrertalent neben ihm aufkomme, und er hat sodann ohne Säumen auszutreten, und diesem seinen Lehrstuhl zu überlassen. Der eigentliche Vater dieses Studiums, und der fortdauernde Berather und Warner in demselben bleibt er immerfort. Der hier entworfene Begriff solcher Jahrbücher wäre dem ersten anhebenden Theile derselben in einer, das grosse Publicum befriedigenden Deutlichkeit voranzusetzen, und hätten wir in dieser Einleitung uns auf alle hier aufgestellten Grundsätze für uns und unsere Nachkommen, vor Welt und Nachwelt, auf ewig zu verpflichten. §. 64. Betreffend den Fortgang insbesondere des Stoffbuches durch uns, geht dieser, wie sich versteht, auch bei uns, sowie in der übrigen Welt, seinen Weg fort. Es wäre hierbei nur folgendes anzumerken. Zuvörderst ist wohl von keinem unserer Akademiker zu erwarten, dass er, entweder um das Daseyn seiner Person kund zu thun, oder um an den Ehrensold irgend eines schlecht unterrichteten Buchhändlers zu kommen, Geschriebenes schreibe, und compilirend aus zehn Büchern ein eilftes mache, und hätte, falls dergleichen doch einem beikäme, die gesammte Akademie die gemeinschaftliche Ehre zu retten, und die Schmach des Einzelnen von sich abzuwehren. Sodann: dergleichen Vermehrungen des Stoffbuches von Seiten unserer Akademiker müssten zunächst auf das gegenwärtige Bedürfniss unserer Kunstschule gehen und bestimmt seyn, diesem abzuhelfen; und es wäre den Arbeiten von dieser Beziehung der Vorzug vor anderen zu geben. Im Falle eines solchen Bedürfnisses könnten wir auch Auswärtige zur Mithülfe durch Aussetzung eines ^Preises^ auffordern; der Akademiker selbst ist für den Preis zu hoch; dem Bedürfnisse der Familie abzuhelfen, wenn er kann, ist ihm ohnedies Pflicht wie Freude, und sind die vom Rathe der Alten recht eigentlich für dieses Geschäft, auch in Absicht des Buchwesens, eingesetzt. Einen Theil des fortschreitenden Stoffbuches jedoch müssen wir als ein nothwendiges Glied in unseren Plan aufnehmen, und die regelmässige Fortsetzung desselben organisiren; ich meine die Niederlegung der an unserer Akademie gemachten neuen Entdeckungen für Geschichte und Naturwissenschaft, zu welcher letzteren auch das in der ärztlichen Praxis Entdeckte, das einen wissenschaftlichen Aufschluss über die Natur verspricht, gehört, und wir deswegen auch, ohnerachtet wir die ärztliche Praxis ganz von uns auszuschliessen gedenken, für diesen letzteren Behuf einen, oder etliche Männer unter unseren Akademikern haben müssen. Es ist unsere Pflicht sowohl, als unser Vortheil, dass diese Entdeckungen, sobald sie zu einer bestimmten schriftlichen Relation haltbar genug geworden, nicht innerhalb unserer Gesellschaft bleiben, sondern auch das auswärtige Publicum, das uns ja auch diesen neuen Stoff bearbeiten helfen soll, Kunde davon erhalte. Es müssten drum angelegt werden ^Jahrbücher der Wissenschaftlichen Entdeckungen an unserer Akademie^. Ob der Stoff so reich ausfalle, dass er einer selbstständigen periodischen Schrift bedürfe, oder ob diese Jahrbücher mit dem tiefer unten zu erwähnenden Werke, der Bibliothek der Akademie, vereinigt werden sollten, mag entschieden werden, wenn es an die wirkliche Ausführung geht. So viel ist klar, dass wir kein Bändchen der Fortsetzung solcher Jahrbücher liefern können, wenn wir innerhalb der Zeit nichts Neues entdeckt haben, dass sie somit keinesweges bestimmte Termine ihrer Erscheinung halten können. §. 65. Noch ein Hauptgegenstand der Beachtung unserer Akademie ist die Benutzung des ausserhalb unser, und anderwärts fortschreitenden ^Stoff^-, sowie auch ^Kunstbuches^; und die Nutzbarmachung desselben für diejenigen unserer Mitglieder, die wegen anderer Geschäfte nicht Zeit haben aufs blosse Gerathewohl zu lesen (die ausübenden Lehrer und Studirenden), von denjenigen aus uns, die diese Zeit haben (dem Rathe der Alten). Es ist dazu erforderlich zuvörderst, dass man diesen Fortschritt, d. h. die neu erschienenen Schriften historisch kenne. Für diesen Behuf erscheint nun zu Leipzig der bekannte Messkatalog, als das Verzeichniss ihrer zu Markte gebrachten Waare, dessen Besorgung, wie sich versteht, eine Sache des Verkäufers der Waare ist. Es mochte gut seyn, dass sich fertigere Federn fanden, welche diesen Messkatalog paraphrasirten; doch war und blieb dies immer eine rein mercantilische Sache, zum Dienste des Käufers und Verkäufers; und eine allgemeine Literaturzeitung kann durchaus auf keinen höheren Werth Anspruch machen, als auf den eines Journals des Luxus und der Moden. Dass diese subalternen Handarbeiter durch schlecht unterrichtete Schmeichler sich überreden liessen, sie verwalteten zugleich das Geschäft der Kritik, und dieses lasse sich eben mit der durchaus mercantilischen Rücksicht, ^den ganzen Messkatalog herunter zu recensiren^, vereinigen; dass, nachdem die Meinung einmal entstanden, sogar solche, die da wohl fähig gewesen wären, das Amt der Kritik zu verwalten, sich verleiten liessen, zuweilen ein treffenderes Wort in jenen unwürdigen Context hineinzuwerfen, ist in unseren Tagen eine der ergiebigsten Quellen des literarischen und anderen Verderbens geworden, und es ist darüber auf Handlanger und Unternehmer solcher Paraphrasen des Messkatalogs ein grösseres Maass von Spott gefallen, als sie Kraft hatten, zu verdienen. Da die Liebhaberei unserer Leser noch immer nach dergleichen Literaturzeitungen sich hinzuwenden scheint, und, so viel dem Schreiber dieses bekannt ist, der eigentliche Grund ihrer Verwerflichkeit selten rein ausgesprochen und ins Auge gefasst wird, so sagen wir noch bestimmt, dass dieser unser Entwurf anmuthe, zu begreifen folgendes: dass, wenn auch etwa überhaupt, was wir hier an seinen Ort gestellt seyn lassen, die Zeit sich herausnehmen dürfe, die Zeit zu kritisiren, diese Kritik wenigstens nicht an ^der Allheit der erscheinenden Bücher^, sowie die einzelnen uns unter die Hände fallen, geübt werden könne, indem ein solcher Vorsatz selbst einen absolut unkritischen, unphilosophischen, der Einheit unempfänglichen, planlosen Geist voraussetzt, und nur eine planlose und verworrene Geburt erzeugen kann; sondern dass sie an ^ganzen Klassen und Arten von Büchern^, die nach inneren Kriterien schon vorher unterschieden worden, geübt werden müsse; dass jener Vorsatz, alles aus der Presse Hervorgegangene zu recensiren, offenbar die Rücksicht auf gleiche Gerechtigkeit gegen alle Verleger, als Waarenlieferanten, darthue, wie es denn auch die Verleger sind, welche auf die Vollständigkeit der Literaturzeitungen am meisten dringen, und über Vergewaltigung laut klagen, wenn einer ihrer Artikel unangezeigt geblieben; dass demnach der mercantilische Zweck der wesentliche, den Plan und das Grundgesetz solcher Unternehmungen bestimmende, der kritische aber nur hinterher als Vorwand hinzugekommen ist, und dass man sogar auch darüber sich niemals ernsthaft berathschlagt, ob eine Vereinigung dieser beiden Zwecke auch wohl möglich sey. Möge wenigstens von unserer Akademie eine solche Verwirrung, welche ihr und der Kunstschule Wesen sogleich im Beginn zerstören würde, fern bleiben! Uebrigens mag in Gottes Namen, und es wäre dieses sogar höchst rathsam, in der Hauptstadt unserer Monarchie, neben dem Sitze der Akademie, auch eine solche vollständige Paraphrase des Messkatalogs erscheinen; wäre es auch nur darum, um die anderwärts erscheinenden aufgeblasenen Zwitternaturen von unseren weniger unterrichteten Mitbürgern abzuhalten. Es sey dies ein Privatunternehmen eines, etwa des akademischen Buchhändlers. Die Sache ist Handarbeit, welcher der Leipziger unparaphrasirte Messkatalog zur Basis diene. Der Referent versichert als Augenzeuge, dass das Buch wirklich erschienen sey, und er es unter den Augen gehabt habe; das sey sein Titel, so viel koste es, und hierauf lässt er die Inhaltsanzeige und irgend eine Stelle aus dem Buche abdrucken. Ueber die Wahl dieser Stellen, auch etwa über ganz auszulassende Schriften, mag er die Akademie derjenigen Klassen, die ohnedies aus anderen Gründen diese Bücher durchzulaufen haben, befragen dürfen, und wäre diesen eine allgemeine Aufsicht und Censur dieses Messcatalogus, jedem in seinem Fache, zu übertragen. -- Halte zu diesem Behuf der Unternehmer sich einige Zugewandte, wiewohl auch ganz unstudirte Kaufmannsbursche das Geschäft versehen könnten. Was dagegen der Akademie als solcher in Beziehung auf die auswärtige Vermehrung des Buchwesens recht eigentlich zukommen würde, wäre folgendes: 1) Die Mitglieder des Rathes der Alten nehmen, jeder für sein Fach, die durch die letzte Messe erfolgte Vermehrung des Buches für dieses Fach vollständig in Augenschein, welches, wenn die Literatur der Deutschen ihren bisherigen Charakter noch lange behält, grossentheils mit Durchsicht der Inhaltsanzeigen, der Register, der Vorreden, und einigem Durchblättern sich wird abthun lassen. Sollte in dieser Durchsicht dem Einen etwas vor die Augen kommen, das nicht eigentlich zur Competenz seines Faches gehörte, und hier sich nur in dasselbe verloren hätte, so macht er den, in dessen Fach es eigentlich gehört, aufmerksam. 2) Was nun in dieser dermaligen Vermehrung des Buches sich findet als Fortschritt, d. i. als Verbesserung oder Erweiterung des Stoffbuches in diesem Fache, oder auch als Erhöhung des Kunstbuches, nach dem oben angegebenen Maassstabe einer solchen Erhöhung, wird niedergelegt in einem anderen periodischen Werke, welches man ^Jahrbücher der Fortschritte des Buchwesens^, oder auch die ^Bibliothek der Akademie^, nennen könnte. Was blosse Wiederholung des schon Bekannten ist, wird mit Stillschweigen übergangen. Rückfälle in schon widerlegte Irrthümer mögen, falls nemlich zu befürchten wäre, dass ein Mitglied unserer Akademie dadurch geirrt werden könnte, angezeigt werden. Da eine solche Uebersicht ausgeht von der bisherigen Literatur des Faches, die ihre feststehenden Abtheilungen schon haben wird, so kann sie recht füglich an diese, als den Grundleitfaden sich halten, zeigend, wie jeder dieser Theile bereichert worden sey, und so das Buch, wo diese Bereicherung sich vorfindet, auf Veranlassung des Inhalts, keinesweges aber den Inhalt auf Veranlassung des Buches, wie dies die Paraphrase des Messkatalogs thut, anführen. Bücher, in denen gar nichts Neues steht, ohne dass sie doch auch als eine Auffrischung des bisherigen Buchwesens in diesem Fache gelten könnten, und die daher gar nicht existiren sollten, werden in dieser Bibliothek ganz übergangen. Es würde ganz zweckmässig seyn, dass dergleichen, nach Angabe dieser Referenten in der Bibliothek, die man darüber zu befragen hätte, auch in dem Messkatalog übergangen würden, damit, sowie wir selbst auf die blosse Buchmacherei Verzicht thun, wir auch die Unterstützung der auswärtigen Buchfabriken durch den Ankauf unserer weniger unterrichteten Mitbürger verhindern. Das Publicum wisse, dass es desjenigen, das sogar unser Messkatalog übergeht, sicherlich nicht bedarf. Diese Bibliothek ist ^unserer Akademie^ Bibliothek, und zunächst für deren Gebrauch geschrieben. Mit dem ersterwähnten Durchwühlen des ganzen, durch die Messe herbeigeführten Schuttes braucht keiner unserer Lehrer oder unserer Schüler sich zu bemühen; selber der alte Akademiker und Mitarbeiter an der Bibliothek braucht es nur mit dem, der auf seinen Theil gefallen ist; die übrigen Theile haben andere für ihn übernommen. Und so hat denn unser Akademiker nur diese Bibliothek zu lesen, und findet in ihr die bestimmte Nachweisung, was er etwa noch ausserdem neu Erschienenes zu lesen habe. Für ihn ist daher diese Bibliothek allerdings ^Kritik^, Scheidung des zu Lesenden von dem nicht zu Lesenden, des ganzen neuesten Buches. Will auch das auswärtige Publicum, und unter ihnen die Verfasser und Verleger dieses gesammten neuesten Buches, diese Bibliothek, die durchaus nicht ihnen zu Liebe geschrieben ist, dennoch lesen, so steht ihnen dies ganz frei. Wollen sie ferner dieselbe als allgemeine und so auch für sie geltende Kritik ansehen, so thun sie das auf ihre eigene Verantwortung. Wir wenigstens uns auf die unsrigen beschränkend, haben niemals einen solchen arroganten Anspruch gemacht, unsern Richterspruch der ganzen Welt aufzudringen; dringt er sich ihnen aber etwa von selbst in ihrem eigenen Bewusstseyn auf, so ist dies ein desto ehrenvolleres Zeugniss für uns. Was daraus entstehen möge, so haben wir mit Verfassern oder Verlegern nichts abzuthun, indem wir uns diesen niemals für etwas verbunden haben. (Dass, weil wir nicht blind herumtappen, sondern nach einem festen Plane einhergehen, wir gar bald zu grossem Ansehen gelangen werden und dass dies mächtig zur Verbesserung des ganzen Literaturwesens wirken werde, lässt sich voraussehen. Jedoch ist sogar diese grosse Folge nur eine zufällige, die wir nicht beabsichtigen; denn zu bescheiden, das Heil der ganzen Welt auf unsere Schultern laden zu wollen, denken wir zunächst nur auf unser eigenes Heil.) §. 66. Noch sind allein übrig die oben erwähnten Anstalten, wodurch wir von den Bemühungen anderer wissenschaftlicher Körper, welche Bemühungen noch nicht Festigkeit genug erhalten haben, um im Buche niedergelegt zu werden, zeitig Notiz erhalten, und diese Körper in die Lage setzen, von den gleichen Bemühungen bei uns Notiz zu nehmen. Es wäre in dieser Rücksicht vorzuschlagen: 1) dass wir an allen bedeutenden Akademien und Universitäten des deutschen Vaterlandes sowohl, als des Auslandes, uns einen besonderen Freund und Repräsentanten erwählten aus den Mitgliedern eines solchen Corps; gegenseitig diesen erlaubend und sie einladend, dasselbe bei uns zu thun. Diese Repräsentanten wären ersucht, alles, was an ihrem Orte von der eben erwähnten Art sich zutrüge, davon sie glaubten, dass es die befreundete Akademie interessiren könnte, derselben durch Correspondenz zu melden. 2) Damit wir jedoch, tiefer denn diese fremden Berichte, die nur die erste Aufmerksamkeit erregen sollen, und selbst dasjenige, was diese etwa mit Stillschweigen übergehen, mit eigenen Augen zu sehen uns in den Stand setzen, sollen, wo möglich ununterbrochen, junge Männer aus unserer Mitte zu ihnen gesendet werden und bei ihnen einige Zeit sich aufhalten; die nach erfolgter Rückkehr uns mündlichen Bericht abstatten, wie sie alles befunden. Diese sind zu allernächst an unseren Repräsentanten adressirt, der ihnen mit Rath und That an die Hand gehe. Es versteht sich, dass wir dasselbe den verbündeten Gesellschaften zugestehen, und die ihrigen also behandeln, wie wir wollen, dass die unsrigen von ihnen behandelt werden. So wünschen wir ohne Zweifel, dass die unsrigen den unbeschränktesten Zutritt zu allen wissenschaftlichen Uebungen der Auswärtigen erhalten, und müssen drum diesen denselben Zutritt bei uns geben. Keinesweges aber wünschen wir, dass den unsern bei diesen Besuchen etwa das Sehwerkzeug des Auslandes untergeschoben werde, sondern dass sie sich ihres eigenen Auges, sowie es bei uns gebildet worden, bedienen; wir sind darum ebensowenig befugt, oder, falls wir unseren Augpunct für besser zu halten berechtigt seyn sollten, verpflichtet, ihn unseren Gästen zu leihen, sondern mögen sie das Vermögen zu sehen eben schon mitgebracht haben. Der hierüber nöthigen Politik mögen sich sowohl unsere zu diesen Gesandtschaften gebrauchten Mitbürger, als alle unsere Akademiker befleissigen; und es haben z. B. die ersten nicht gerade nöthig, dem Ausländer gegenüber laut über ihn zu denken, sondern sie mögen sich berichten lassen, ihres Herzens wahre Gedanken aber, bis zu ihrer Rückkehr in unsere Mitte, für sich behalten. Die zu diesen wissenschaftlichen Gesandtschaften am besten sich qualificirenden Subjecte wären bei uns gezogene und gelungene Regulare, und könnten sie damit sehr füglich die Zeit zwischen ihrem Austritte aus dem Regulat und ihrem Eintritte in die Akademie ausfüllen. Vorzüglich würden zu diesen Geschäften gebraucht werden und, falls sie nur gerade so gut wie andere sich dazu qualificirten, diesen sogar vorgezogen werden müssen die Söhne aus der Universitätsstadt, und besonders die unserer Akademiker; es versteht sich, wenn die Hauptbedingung, dass sie gelungene Regulare wären, von ihnen erfüllt wäre. Dieses zwar keinesweges als ein ^persönliches Vorrecht^, dergleichen bei uns keine Geburt giebt, sondern vielmehr als ^Gleichstellung^ mit den übrigen, und ^Entschädigung^ dafür, dass sie die Universitätsstadt an ihrem Geburtsorte finden, und im Grunde aus dem Umkreise der Ihrigen zu einem völlig selbstständigen Leben noch niemals herausgekommen sind, und so die hiermit verknüpften, oben erwähnten Vortheile bisher verloren haben. §. 67. Corollarium. Unsere Akademie, an und für sich betrachtet, giebt in der von uns angegebenen Ausführung das Bild eines vollkommenen Staates: redliches Ineinandergreifen der verschiedensten Kräfte, die zu organischer Einheit und Vollständigkeit verschmolzen sind, zur Beförderung eines gemeinsamen Zweckes. An ihr sieht der wirkliche Staatskünstler immerfort dieselbe Form gegenwärtig und vorhanden, welche er auch seinem Stoffe zu geben strebt, und er gewöhnt an sie sein, von nun an durch nichts Anderes zu befriedigendes Auge. Dieselbe Akademie stellt in ihrer Verbindung mit den übrigen, ausser ihr vorhandenen wissenschaftlichen Körpern dar das Bild des vollendet rechtlichen Staatenverhältnisses. Alle, in sich übrigens allein, geschlossen und selbstständig bleibend, kämpfen aus aller ihrer Kraft um denselben Preis, die Beförderung der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Kunst; aber ihr Wettkampf ist nothwendig redlich, und keiner kann den errungenen Sieg verkennen oder schmälern, ohne sich selbst der, allen gemeinschaftlichen und bei unendlicher Theilung dennoch immer ganz bleibenden Ausbeute des Sieges zu berauben. Ihr Wettkampf ist liebend; das beleidigte Selbstgefühl des Ueberwundenen hebt sogleich sich wieder empor an der Freude über den gemeinsamen Gewinn, und die augenblickliche Eifersucht geht schnell über in Dank an den Förderer des gemeinen Wesens. Diese Form einer organischen Vereinigung der aus lauter verschiedenen Individuen bestehenden Menschheit vermag in ihrer Sphäre die Wissenschaft zu allererst, und dem Kreise der übrigen menschlichen Angelegenheiten lange zuvorkommend, zu realisiren. Als einzelne Republik darum, weil zuvörderst das Interesse, das in dieser Sphäre scheiden, trennen und das zu Vereinigende voneinanderhalten könnte, hier bei weitem nicht so dringend und gebieterisch herrscht, als das der sinnlichen Selbsterhaltung, welches im Gebiete des Staates entzweiet und sich befeindet; sodann weil selber das Element, das die Wissenschaft bearbeitet, die Denkart veredelt und die Selbstsucht schmählich macht. Als ein Verein von Republiken darum, weil alle genau wissen und verstehen, was sie eigentlich wollen; dagegen die politischen Entzweiungen der Völker und weltverheerende Kriege sich sehr oft auf die verworrensten und finstersten unter allen möglichen Vorstellungen gründen. In dieser früheren Realisirung der für alle menschlichen Verhältnisse eben also angestrebten Form ist sie Weissagung, Bürge und Unterpfand, dass auch das Uebrige einst also gestaltet seyn werde, der strahlende Bogen des Bundes, der in lichten Höhen über den Häuptern der bangen Völker sich wölbt. Aber selbst, indem sie noch verheisset, erfüllet sie schon und ist gedrungen zu erfüllen. Die einzige Quelle aller menschlichen Schuld, wie alles Uebels, ist die Verworrenheit derselben über den eigentlichen Gegenstand ihres Wollens; ihr einiges Rettungsmittel daher Klarheit über denselben Gegenstand; eine Klarheit, welche, da sie nicht uns fremd bleibende Dinge erfasst, sondern die innerste Wurzel unseres Lebens, unser Wollen ergreift, auch unmittelbar einfliesst in das Leben. Diese Klarheit muss nun jeder wissenschaftliche Körper rund um sich herum, schon um seines eigenen Interesse willen, wollen und aus aller Kraft befördern; er muss daher, sowie er nur in sich selbst einige Consistenz bekommen, unaufhaltsam fortfliessen zu Organisation einer Erziehung der Nation, als seines eigenen Bodens, zu Klarheit und Geistesfreiheit, und so die Erneuerung aller menschlichen Verhältnisse vorbereiten und möglich machen; durch welche Erwähnung der Nationalerziehung wir wieder am Schlusse unseres ersten Abschnittes niedergesetzt werden, und so den bis ans Ende durchlaufenen Kreis schliessen. Beilagen zum Universitätsplane. (Ungedruckt.) I. Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an einer deutschen Universität.[28] 1) Soll ein solches Werk der Universität Ehre machen und zugleich den steigenden Flor derselben befördern, so muss dasselbe auf dem Gipfel der wissenschaftlichen Bildung der deutschen Nation anheben, und seine Fortsetzung kann nichts Anderes seyn, als das fortlaufende Document des ununterbrochenen Fortschreitens jener Bildung auf der vorausgesetzten Universität. 2) Es muss wirklich das Werk der Lehrer und Mitglieder dieser Universität, und das Resultat des wissenschaftlichen Geistes und seiner Leistungen auf derselben seyn, und das öffentliche Urtheil muss darüber nicht in Zweifel bleiben können. Es ist daher nicht hinlänglich, dass jenes Werk etwa nur in der Stadt, wo auch die Universität sich befindet, gedruckt oder auch von Gelehrten, die zugleich Lehrer an derselben sind, geschrieben werde: es muss die Rechenschaftsablegung enthalten über den Geist und die Resultate ihres Treibens. Die Ehre, welche bei Vernünftigen dadurch der Universität zu Theil würde, dürfte sonst vielleicht der jenes Glockenziehers, der zu einer vortrefflichen Predigt eingeläutet zu haben sich rühmte, nicht ungleich seyn: die Rechnung auf das Vorurtheil der Unvernünftigen aber ist, wenn man sich auch herablassen wollte, darauf Rücksicht zu nehmen, nicht sicher auf die Dauer. [Fußnote 28: Geschrieben im Jahre 1805, mit Bezug auf die Universität Erlangen. Vergl. Nachgelassene Werke Bd. III. S. 277. ff.] 3) Der dadurch zu liefernde Beweis der Superiorität des wissenschaftlichen Geistes auf der vorausgesetzten Universität muss nicht ^indirect^ geführt werden, so dass man sich nur zeige, als fähig die Schwächen oder auch die Vorzüge Anderer einzusehen, durch welche unabhängig von uns die Wissenschaften bearbeitet werden; denn das ist seinem Wesen nach untergeordnete und Schülerarbeit. (Dergleichen sind alle Recensiranstalten, Bibliotheken, Literaturzeitungen, und wie sie Namen haben mögen. Sie tragen das Gepräge ihrer Unselbstständigkeit und Inferiorität dadurch an sich, dass sie für die Möglichkeit ihrer eigenen Existenz Bücher voraussetzen, und gründen sich auf den Wahn des Zeitalters, dass die einzige und rechte Bearbeitung der Wissenschaften die Buchmacherei sey. Entweder das Buch wird herabgesetzt in der Recension: welche Ehre aber ist es für den vorauszusetzenden Professor-Recensenten, dass er mehr ist, als der arme Stümper, den er uns vorführt? Oder es wird erhoben: entweder der Verfasser ist ein Fremder. Welche Ehre erwächst sodann durch sein gutes Buch unserer Universität, als die sehr untergeordnete der Anerkennung fremden Verdienstes? Oder er ist einer unser gelehrten Mitbürger: wer wird uns recht glauben? In Deutschland waren diese Unternehmungen in neueren Zeiten gar nicht für den Flor der Universitäten ersonnen, sondern bloss ein mercantilisches Institut, das den Buchführern zum Absatz ihrer Waare verhelfen sollte, zuerst selbst von einem Buchführer, sodann von einem bekannten industriösen Schriftsteller, der einen dürftig besoldeten Professor für seinen Plan gewonnen. Von ohngefähr und durch ganz andere Ursachen -- die Lehrer, denen Jena vorzüglich seinen Ruf verdankt, sind nie fleissige Recensenten, noch die Redactoren der Literaturzeitung je vorzügliche Lehrer gewesen, -- gewann die verfallene Universität, an deren Spitze das letzterwähnte Werk dieser Art gedruckt wurde, eine neue Blüthe; und nun machte der grosse Haufen den gewöhnlichen Fehlschluss vom Zugleichseyenden auf das Verhältniss von Ursache und Wirkung; welcher Fehlschluss denn auch, da ihn der grosse Haufen gemacht, einige Zeitlang gute Dienste geleistet hat. Dennoch fing Jena schon vorher an zu verfallen, ehe es die Schützsche Literaturzeitung verlor, und jetzt hilft es ihm nichts, dass es sogleich wieder eine andere errichtet hat, welche unstreitig an innerem Werthe die alte bei weitem übertrifft. Auch hat zu Leipzig, Erlangen u. s. w. durch den Abdruck von Recensionen, die meist von Lehrern dieser Universitäten verfasst sind, wie in den Göttinger Anzeigen, sich kein grösserer Flor dieser Universitäten ergeben wollen, als wie sie ohne dergleichen Literaturzeitungen auch besitzen würden. Ueberdies, falls wir uns auch auf das Alte und Mittelmässige bescheiden wollten, ist sogar dies nicht einmal mehr uns zugänglich. Aus unseren eigenen Mitteln, ohne fremde Beiträge, vermögen wir eine Literaturzeitung nicht einmal auch nur zum Scheine anzufüllen: durch den Conflict der alten und der neuen Jenaischen Literaturzeitung aber sind alle Federn schon in Beschlag genommen, und es giebt gewiss keinen Gelehrten von einigem Verdienste, welcher zu Arbeiten dieser Art sich nicht für zu gut hält, der nicht bei einer dieser beiden, oder auch wohl bei beiden in Diensten stehe. Ahmen wir lieber dies Bestreben in dem einzigen Puncte nach, dass wir, so wie jene zu ihrer Zeit, etwas Neues unternehmen, wobei sie uns meines Erachtens zugleich den Vortheil gelassen haben, dass das Rechte noch neu ist.) 4) Der zu führende Beweis muss ^direct^ geführt werden, -- sagten wir: also, dass das periodische Werk der Universität den steten Fortschritt der Wissenschaft und des wissenschaftlichen Geistes auf derselben, unmittelbar und aus der ersten Hand darlege. Jenes Werk enthalte ganz eigentlich, was die ältere Benennung: ^acta literaria Universitatis N. N.^ ausdrückt. Den Fortschritt der ^Wissenschaft^ und des ^wissenschaftlichen Geistes^ aus der ersten Hand, sagten wir ferner. Die Wissenschaft ist ja nicht zunächst das Buch, noch lebt sie im Buche, sondern sie lebt in dem, was im wirklichen Forschen, im Conflicte der Geister und im Vortrage sich ergiebt. Dieses nun werde zum Buche und Buchstaben zunächst in jener Relation. Die akademischen Lehrer sind ja als Lehrer angestellt, und nichts verhindert, dass sie nicht auch überdies noch unter sich selber, gleich einer Akademie, in geistigen Wechselverkehr treten; nicht aber werden sie vom Staate dazu besoldet, dass sie in die weite Welt hinein Bücher schreiben. Jene literarischen Acten der Universität würden nun ihr gemeinschaftliches Buch, wenn sie von Amtswegen zu schreiben hätten, und wohin Alles, was sie des Druckes für würdig achteten, zunächst gehörte. (Es bliebe ihnen dabei unbenommen, auch noch auf eigene Hand Bücher zu ediren. Vom ehrenvollen Falle tiefer unten. Als Buchfabricanten oder Compilatoren aber im Dienste von betriebsamen Verlegern Sachen drucken zu lassen, die nur die Masse des bedruckten Papieres, keinesweges aber die Wissenschaft vermehren, ist ohnedies unter der Würde eines Lehrers an einer solchen Universität, und wäre durchaus den sogenannten Privatgelehrten zu überlassen.) Den ^Fortschritt^ der Wissenschaften sollten diese literarischen Acten documentiren. Es gehörte daher in sie nur das ^Neue, Weiterbringende^, keinesweges aber blosse Wiederholungen oder neue Aufstutzungen des Alten, Bekannten. Die Wissenschaft kann fortschreiten, theils in der ^Materie^ durch neue Entdeckungen und Ansichten, theils in der ^Form^ durch bessere Lehrmethoden und immer begriffsmässige Beherrschung und Durchdringung des Lehrstoffes. Alles dieser Art von den Lehrern Erfundene in allen Zweigen der Wissenschaften, welche auf dieser Universität bearbeitet werden, wäre in den Acten niederzulegen. Ausgezeichnete und den Standpunct des wissenschaftlichen Unterrichts an der Universität durch den Erfolg bezeichnende Arbeiten der Zöglinge des Instituts wären nicht auszuschliessen. Bringen sie auch die Wissenschaft nicht weiter, so können sie doch einen bei Jünglingen nicht gewöhnlichen Grad der wissenschaftlichen Ausbildung documentiren, und sollen es. Keiner derselben müsste der gelehrten Würden der Universität theilhaftig werden, welcher nicht einen, nach jenem Grundsatze wenigstens ^aufnehmbaren^ Beitrag zu den Acten geliefert hätte; wodurch die von dieser Universität ertheilten Würden Achtung gewinnen würden vor denen anderer Universitäten, wo dieser Maassstab nicht angelegt werden kann. Es würde solchen Acten nicht zum Vorwurfe gereichen, wenn selbst widerstreitende Ansichten derselben Gegenstände von verschiedenen Verfassern in ihnen nebeneinander ständen. Denn es kommt hierbei fürs Erste nicht darauf an, ob die Ansichten wahr, sondern nur ob sie neu sind, und ob man sich von ihnen versprechen kann, dass sie auch zu einer neuen Wahrheit führen könnten. Ueber die Wahrheit soll erst die Zukunft und die fortgesetzte Forschung entscheiden, und so kann selbst ein neuer Irrthum ein Fortschritt auf einem wissenschaftlichen Gebiete werden, wenn er auf eine neue Wahrheit leitet, welche allein ihn zu widerlegen vermag. Aus demselben Grunde würde es dem Werke auch nicht zum Vorwurfe gereichen, wenn etwa die Fortsetzung die früheren Lieferungen zum Theil widerlegte; denn dadurch würde ja gerade der Fortschritt bewiesen. 5) Zur Lieferung von Beiträgen wären die Lehrer nur insofern zu verbinden: ^a.^ dass sie ihre auf Erweiterung der Wissenschaften gerichteten Bestrebungen, die so weit gereift sind, dass sie einer Berichterstattung durch den Druck fähig geworden, zuerst den Acten anböten; ^b.^ dass jeder Lehrer im Verlaufe seines Wirkens denn doch etwas liefere und dadurch seine Berechtigung, an diesem Platze zu stehen, darthäte. Späterhin, nach Einführung der Acten, könnte es ausschliessende Bedingung der Berufung zu einer Stelle an dieser Universität werden, dass man einen bedeutenden, im Geiste des Instituts verfassten Beitrag geliefert hätte. Wer seinen fortschreitenden Geist nicht schon bewährt hat, der taugt nicht zum Mitgliede einer Gesellschaft, die lediglich für den Fortschritt der Wissenschaft arbeitet. Keinesweges aber wären sie ^c.^ also zu verbinden, dass sie binnen halbjähriger oder Jahresfrist so viel Neues in ihrer Wissenschaft entdeckt haben müssten, dass der zweckmässige Bericht darüber so und so viel gedruckte Bogen füllen könne. Vielmehr liegt es in dem Begriffe solcher Acten, dass ihr Erscheinen durchaus an keine bestimmten Zeiträume gebunden ist: sie mögen fortgesetzt werden, sobald Stoff dazu sich gesammelt hat; keinesweges aber soll ihre Erscheinung an das Kalenderdatum oder an die Buchhändlermessen gebunden seyn. 6) Unter den, keinesweges von den Beitragenden selbst, sondern von Anderen, die sodann für diesen Fall eine Direction bildeten, zu entscheidenden Fragen ist die erste: ob eine Ansicht oder eine Verbesserung wirklich neu sey und der Wissenschaft einen Fortschritt verspreche? (Was keinesweges gleichbedeutend mit der Frage ist: ob sie wahr sey?) Die Beantwortung dieser Frage würde für jeden besonderen Beitrag der Facultät (dem bestimmten Lehr- und Erkenntnissfache) des Beitragenden anheimfallen. Diese hätte ihre verneinende Antwort mit Gründen zu belegen und diese dem Beitragenden zu eigener reifer Ueberlegung schriftlich mitzutheilen. Dies wäre die erste Instanz. Würde er durch diese Gründe nicht überzeugt und zur Rücknahme bewogen, so sollte es noch eine höhere Instanz für Entscheidung dieser Frage geben, wofür in einem grossen Staate eine zweckmässig besetzte Akademie der Wissenschaften in der Hauptstadt sich am besten qualificiren würde. Es möchte im Falle der Billigung des Beitrags in dieser Instanz, im öffentlichen Drucke bemerkt werden, dass die locale Facultät des Beitragenden denselben verworfen, die Akademie der Wissenschaften aber ihn gebilligt habe. Im Falle der Verwerfung auch in dieser Instanz hätte die Akademie ihre Gründe dem Beitragenden gleichfalls schriftlich mitzutheilen. Von dieser Instanz verworfen, könnte sein Aufsatz nun freilich nicht in den Acten der Universität erscheinen; es müsste ihm aber erlaubt bleiben, denselben nebst den angeführten Gründen der Verwerfung in beiden Instanzen, auf eigene Verantwortung vor das Publicum zu bringen, und die Mit- und Nachwelt zum Richter des erhobenen Streites zu machen. Selbst seine Verhältnisse zur Universität und zu den Acten derselben bei anderen, den Streitpunct nicht berührenden Gegenständen müssten dadurch nicht gestört, vielmehr seine bürgerliche und persönliche Sicherheit, sein öffentlicher guter Name, seine Schrift- und Lehrfreiheit unter den besonderen Schutz des Staates genommen werden; denn das gelehrte Publicum seines Staates in seiner sichtbaren Repräsentation ist ihm gegenüber zur Partei geworden, und das Richteramt zwischen ihnen ist einer höheren Instanz übergeben, welche zu ihrer Zeit Ehre und Schande austheilen wird. Und insbesondere halte die öffentliche Gewalt sich fern von der Möglichkeit der Berührung mit dieser Schande. Man sage nicht, dass durch dieses Hindurchgehen durch verschiedene Instanzen Zeit verloren gehe. Der einem respectabelen Corps anderer Gelehrten einzeln gegenüberstehende Gelehrte soll Veranlassung und Zeit gewinnen, seine Sache reiflich zu überlegen; auch bedarf es bei wahrhaft originalen Ansichten keiner Eile, etwa aus Furcht, dass etwa Andere sie uns vorweg nehmen dürften. 7) Eine zweite von einer Direction zu entscheidende Frage wird seyn über die Form des Vortrages; denn auch der Vortrag eines solchen Werkes muss mustermässig seyn und auf der Spitze der Kunst des Vortrages im Zeitalter stehen. Zur Entscheidung darüber müsste ein bewährter und zwar philosophischer Schriftsteller herbeigezogen werden, welcher mit dem ursprünglich Beitragenden so lange den Aufsatz verbesserte, bis dieser seine Gedanken durchaus als wiedergegeben anerkennte, und jener mit der Form zufrieden wäre. Ohne die Approbation der Form durch diesen Schriftsteller, welcher über diesen Punct ganz allein dem Curatorium und dem Publicum verantwortlich wäre, dürfte kein Aufsatz in den Acten abgedruckt werden. 8) Die Unterstützung, deren ein solches Werk von der Regierung bedürfte, würde, falls nur das Personal der Lehrer richtig gewählt wäre, sich auf den ersten Vorschuss zum Verlage, und auf die Direction der Verlags- und Debitsgeschäfte, mit denen die Gelehrten durchaus nichts zu thun haben müssten, ferner auf den Schutz derselben gegen Nachdruck überhaupt und gegen Wiederabdruck einzelner Aufsätze, beschränken. Ein solches Werk würde in kurzer Zeit eine Abnahme finden, die die Zurücknahme des vorgeschossenen Capitals mit den Interessen erlaubte, die Kosten des mercantilischen Geschäfts dabei deckte, und dennoch einen ansehnlichen Ueberschuss zur Vertheilung an die Beitragenden übrig liesse. Dieser Ueberschuss wäre, nach Abzug der Correctionsgebühren, welche bei jedem besonderen Aufsatze nach Verhältniss der aufgewendeten Mühe besonders zu bestimmen wären, nach der Bogenzahl der gelieferten Beiträge an die Beitragenden gleich zu vertheilen, und ihnen und ihren Erben und Erbnehmern, auf ewige Zeiten, so lange noch ein Exemplar des Bandes, in welchem ihre Beiträge stehen, verkauft wird, als unantastbares Eigenthum zuzusichern. Dass die Regierung diesen Gegenstand zu einer Finanzoperation mache, wäre unter ihrer Würde. Wiederum lässt von der anderen Seite von anständig besoldeten und an einer zahlreich besuchten Universität, deren Studirende auf eine zweckmässige Weise angehalten werden, die gebührenden Honorarien zu entrichten, arbeitenden Gelehrten sich nicht erwarten, dass sie nach dem Schriftstellersolde eilen werden, so wie der Bogen abgedruckt ist. Vielmehr würden sie das allmählige Eingehen ihres Antheils ruhig abwarten; auch wohl dieses Nebeneinkommen gern für die Ihrigen, die sie möglicherweise doch als unversorgte Wittwen und Waisen hinterlassen könnten, stehen lassen. Schlussanmerkung. 1) Vor diesem Plane möchte mancher Bescheidene erschrecken und das Ziel zu hoch gesteckt finden. Es ist dabei zu erwägen, dass, wie bei allen im blossen Begriffe vorgezeichneten Plänen, also auch hier, die Ausführung hinter dem Vorsatze zurückbleiben werde, und dass dieses ohne alles unser Vorhaben sich schon von selbst findet. Es ist daher um so nöthiger, sich sogleich den einzig rechten Zweck in seiner ganzen Klarheit zu setzen, weil man sodann doch immer hoffen kann, mehr zu erreichen, als wenn man sich gleich von vornherein vornimmt, mit dem Mittelmässigen oder Falschen sich abfinden zu lassen. 2) Besonders könnte bei Erwähnung des Neuen und des Erfindens nach Inhalt oder nach Form gesagt werden: wenn nun aber auf der vorausgesetzten Universität nichts Neues in beiderlei Richtung erfunden wird? Ich antworte, dass jene Acten dadurch desto nöthiger werden, um über die eigentliche Beschaffenheit des Gelehrtenpersonals an der Universität aufzuklären. Sie können dem Curatorium derselben deutlich einen Maassstab geben, an welcher Stelle es eigentlich fehle, und wo nachgeholfen werden müsse. Ein solcher nicht mehr fortstrebender, weder in Erweiterung des Inhaltes seiner Wissenschaft, noch in Bewältigung ihres Stoffes zu geistigerer Form Neues leistender Gelehrter kann auch nicht mehr zu den guten Universitätslehrern gezählt werden; er müsste durch einen anderen ersetzt werden. Im Ganzen aber müsste einer Universität, welche dergleichen Acten herausgäbe, kein einziges, im gemeinsamen Vaterlande aufblühendes Talent entgehen, welches sie nicht wenigstens für die Zeit seiner besten Blüthe sich aneignete. Ein Curatorium könnte auch sodann besser beurtheilen und dem Zweifelnden augenscheinlich nachweisen, welche Personen in den ehrwürdigen Rang der Veteranen zu versetzen wären, die von nun an entweder bloss zur Tradition des Erlernten oder zur Anwendung desselben im praktischen Wirken zu gebrauchen, aus dem Umkreise des wachsenden Lebens aber zu entfernen sind. Ueberhaupt hängt dieser Plan zusammen mit einem grösseren Plane zur Errichtung einer wahrhaft deutschen Nationaluniversität, durch welchen er, und welcher wiederum durch ihn, erklärt und die Ausführung erleichtert würde. II. Rede von Fichte, als Decan der philosophischen Facultät, bei Gelegenheit einer Ehrenpromotion an der Universität zu Berlin, am 16. April 1811. Hochgeehrte Herren! Ich weiss nicht, ob es der Universität anständig seyn würde, sich zu verwundern, dass sie in Berlin ist, so wie viele ausser ihr dermaassen darüber erstaunt sind, dass sie um der Wunderbarkeit willen die Wahrheit der Sache noch immer nicht recht glauben können. Einer Facultät inzwischen, die nun gar allhier Doctoren creirt, wird diese Verwunderung über sich selbst oft so aufgedrungen, dass es in der That sehr nöthig wird, sich wohl zu besinnen, was man eigentlich thue, und, so man kann, in sich selbst Fuss zu fassen, um ernsthafte Haltung zu gewinnen nach Aussen. Erlauben Sie mir daher, dass, ehe wir zu dem angesetzten Promotionsact gehen, ich diese nöthige Selbstbesinnung laut vor Ihnen vollziehe. Als im neueren Europa zuerst Universitäten entstanden, stellten sich diese eine Aufgabe, welche ihnen keinesweges von der Gesellschaft oder vom Staate, welche dafür blind waren, übertragen wurde, sondern die sie allein erblickten und mit hochherziger Freiwilligkeit auf sich nahmen, -- die Aufgabe, den menschlichen Geist zu befreien und ihn nach allen Richtungen hin und durch alle Mittel, die ihnen bekannt werden möchten, zu bilden. Wem diese akademische Würden ertheilten, den erklärten sie dadurch für tüchtig, an der Erreichung dieses Zweckes mitzuarbeiten und nahmen ihn auf in ihren grossen, freien Bund. Von ihnen sind die akademischen Würden aus Hand in Hand bis auf uns herabgekommen, und es giebt Keinen unter den jetzt lebenden Graduirten, auf den sie nicht durch eine stete Reihe der Ueberlieferung von jenem ersten Bunde aus gekommen sey. Auch dauert das Bedürfniss eines solchen freien Bundes noch immer fort. Uncultur und Barbarei umgiebt uns noch allenthalben; wie derselben beizukommen sey, welcher Punct jedesmal in dem Fortgange der geistigen Menschenbildung an die Tagesordnung komme, wer ein tauglicher Mitgehülfe sey an dieser grossen Arbeit: dieses Alles zu bestimmen möchte wohl noch immer der Staat ebenso unfähig seyn, als er es vor Jahrhunderten war, und es möchte die Lösung dieser Fragen wohl noch immer anheimfallen jenem grossen Bunde. Unser Staat, bei der Stellung unserer Universität in die höchste Leichtigkeit versetzt, von allem Althergebrachten abzugehen, und von Stimmungen umgeben, die nicht geneigt sind, irgend eine Auszeichnung anzuerkennen, welche nicht unmittelbar vom Staate herkommt, -- hat dennoch, zu seinem ewigen Ruhme, durch die trefflichen Männer, die ihn hierin vertreten, jenen Grundsatz ausdrücklich anerkannt, indem er die vorhergegangene feierliche Aufnahme in den grossen europäischen Gelehrtenbund zur Bedingung der öffentlichen Anstellung an der Universität gemacht hat, die freilich nur Er ertheilt. Tiefer bekennt er sich daher auch zu dem Grundsatz, dass die neue Universität ihm nicht bloss eine Pflanzschule seyn soll für künftige Beamte, sondern eine freie Pflegerin in jeglicher Richtung und im weitesten, von ihm ungeschmälerten Sinne. Die akademische Würde ist darum noch immer, was sie ursprünglich war: feierliches Symbol der Aufnahme in den grossen Bund der Veredlung des Menschengeschlechts durch wissenschaftliche Bildung; und wer sie annimmt, übernimmt dadurch feierlich vor Gott und Menschen die Verpflichtung, dieser Bestimmung allein sein Leben zu widmen, und alle andern Zwecke desselben aufzugeben. Mag doch nun immer diese Würde oft an Unwürdige ertheilt worden seyn! Der Unwürdige hat sie in der That nicht empfangen, sondern nur die äussere Benennung. Es kann sie Keiner erhalten, der sie nicht schon trägt in sich selbst. Der Promotionsact fügt bloss die äussere Anerkennung hinzu: es kann aber Keiner anerkannt werden für das, was er nicht ist. Auch wird der Würdige von dem, der selber würdig ist, sicherlich anerkannt. Was der, der Ideen unfähige, Pöbel dazu sage, und ob dieser unseren Grad auch ehre oder seiner zu spotten sich bestrebe, darnach fragt der Eingeweihte nicht; denn dieser Pöbel ist für ihn überhaupt nur da, als ein Gegenstand, der entpöbelt werden soll. Der rechte Doctor, der von seiner akademischen Würde, von der Würde eines geistigen Bildners der Menschheit innig durchdrungene, würde sich sogar entehrt finden, wenn er auf einmal anfinge, dem Pöbel wohlzugefallen: er würde in sich gehen und sich ernstlich prüfen, ob ihm nicht etwa eine Leichtfertigkeit angeflogen sey. Dass es der Eine grosse, im neueren Europa zur Verbreitung der Wissenschaften geschlossene Bund ist, welcher die akademischen Würden ertheilt, spricht sich auch dadurch aus, dass jede dieser Würden in ihrer Art nur Eine ist und dieselbige, die auch überall als die Eine und selbige anerkannt wird. Die besonderen Universitäten und Facultäten sind in dieser Beziehung nur Glieder und Bevollmächtigte des ganzen Bundes, und übertragen die Würde in seinem Namen. Um dies deutlich auszusprechen und den Promovirenden sogar zu nöthigen, nicht etwa den örtlichen Grad des Doctors, sondern den Grad schlechthin zu ertheilen, haben die Universitäten eine gemeinsame Form dieser Ertheilung verfügt und auch die Sprache als die gemeinsame aller Gelehrten dabei gewählt, u. s. w. Joannes Friderice Guilelme Himly, Joannes Alberte Eytelwein, Sigismunde Friderice Hermbstaedt, Auguste Ferdinande Bernhardi, ^etc. etc.^ ^creo, creatum renuncio, renunciatum proclamo, et publice confirmo!^ Vermischte Aufsätze. A. Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks. Ein Räsonnement und eine Parabel. (Berliner Monatsschrift Bd. 21. S. 443-483.) Wer schlechte Gründe verdrängt, macht bessern Platz. So urtheilte unlängst ein durch seinen Rang, und mehr noch durch seine Gerechtigkeit ehrwürdiges Gericht; und so dachte der Verfasser des Aufsatzes: »Der Bücherverlag in Betrachtung der Schriftsteller, der Verleger und des Publicums, nochmals erwogen« im Deutschen Magaz., April 1791. Die Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks schien nemlich Herrn Reimarus durch die bis jetzt angeführten Gründe noch nicht erwiesen; und er wollte durch eine scheinbare Vertheidigung desselben die Gelehrten auffordern, auf bessere gegen denselben zu denken. Denn unmöglich konnte es ihm dabei Ernst seyn; unmöglich konnte er wollen, dass die Vertheidigung eines Verfahrens sich behaupte, gegen welches jeder Wohldenkende einen inneren Abscheu fühlt. Seine Abhandlung theilt sich, der Natur der Sache gemäss, in die zwei Fragen: über die ^Rechtmässigkeit^, und über die ^Nützlichkeit^ des Büchernachdrucks. In Absicht der ersteren behauptet er: dass bis jetzt noch kein, offenbar nur aus einem fortdauernden Eigenthume des Gelehrten an seinem Buche abzuleitendes Recht desselben, oder seines Stellvertreters, des rechtmässigen Verlegers, den Nachdruck zu verhindern, nachgewiesen sey; woraus natürlich eine Befugniss zum Nachdrucke folgen würde: mithin die Frage: ob der Nachdruck in policirten Staaten zu dulden sey? nach ihrer Abweisung vom Richterstuhle der vollkommenen Rechte, von der Beantwortung der weiteren Frage abhängen würde: ob er nützlich sey? Herr Reimarus beantwortet diese Frage bejahend, mithin auch die erste; schlägt jedoch zum Vortheile des Verfassers und seines rechtmässigen Verlegers einige Einschränkungen der allgemeinen Erlaubniss des Büchernachdruckes vor. Herr Reimarus -- denn wir gestehen, dass wir nicht nöthig gefunden haben, die Verfasser, welche er für eben diese Meinung anführt, nachzulesen, da wir natürlicherweise voraussetzen konnten, dass er ihre Gründe benutzt, und dass die letzte Schrift dafür, die seinige, auch die stärkste seyn werde, -- Herr Reimarus also hat nicht erwiesen, noch zu erweisen gesucht, dass überhaupt kein dergleichen fortdauerndes Eigenthum des Verfassers möglich sey; sondern nur gesagt, dass man bis jetzt es noch nicht klar dargelegt habe, und einige Instanzen angeführt, die seiner Meinung nach gegen die Allgemeinheit, und mithin auch Vollkommenheit eines solchen vom Eigenthume abgeleiteten Rechts streiten würden. Wir haben also gar nicht nöthig ihm Schritt vor Schritt zu folgen, und uns auf seine Gründe einzulassen. Können wir nur ein dergleichen fortdauerndes Eigenthum des Verfassers an seine Schrift wirklich beweisen, so ist geschehen, was er verlangte, und er mag nun seine Instanzen selbst mit demselben zu vereinigen suchen. Ferner haben wir dann auch seinen Erweis der Nützlichkeit des Büchernachdrucks nicht zu beantworten; denn es kömmt sodann darauf gar nicht mehr an, da nie geschehen darf, was schlechthin unrecht ist; sey es so nützlich es wolle. Die Schwierigkeit, welche man fand, ein fortdauerndes Eigenthum des Verfassers an sein Buch zu beweisen, kam daher, weil wir gar nichts ähnliches haben, und das, was demselben einigermaassen ähnlich zu seyn scheint, wieder in Vielem sich gar sehr davon unterscheidet. Ebendaher kömmt es, dass unser Beweis ein etwas spitzfindiges Ansehen bekommen muss, welches wir aber so gut als möglich zu poliren suchen werden. Aber der Leser lasse sich ihn dadurch nicht verdächtig werden; denn es wird sehr leicht möglich seyn, ihn ^in concreto^ klarzumachen und zu erhärten. -- Es sind nemlich eine Menge Maximen über diesen Gegenstand im Umlaufe, welche jeder von der Sache Unterrichtete, Wohldenkende und für das Gegentheil nicht Interessirte annimmt, anderer Verhalten in Dingen der Art darnach beurtheilt, und das seinige selbst einrichtet. Lassen sich diese alle leicht und natürlich auf unseren als Princip aufgestellten Satz zurückführen, so ist dies gleichsam seine Probe; und es wird dadurch klar, dass er der Grundsatz ist, welcher allen unseren Urtheilen über diesen Gegenstand, obgleich dunkel und unentwickelt, zum Grunde lag. Zuerst der Grundsatz: Wir behalten nothwendig das Eigenthum eines Dinges, dessen Zueignung durch einen Anderen physisch unmöglich ist. Ein Satz, der unmittelbar gewiss ist und keines weiteren Beweises bedarf. Und jetzt die Frage: Giebt es etwas von der Art in einem Buche? Wir können an einem Buche zweierlei unterscheiden: das ^Körperliche^ desselben, das bedruckte Papier; und sein ^Geistiges^. Das Eigenthum des ersteren geht durch den Verkauf des Buches unwidersprechlich auf den Käufer über. Er kann es lesen und es verleihen so oft er will, wiederverkaufen an wen er will, und so theuer oder so wohlfeil er will oder kann, es zerreissen, verbrennen: wer könnte darüber mit ihm streiten? Da man jedoch ein Buch selten auch darum, am seltensten bloss darum kauft, um mit seinem Papier und Drucke Staat zu machen, und damit die Wände zu tapeziren: so muss man durch den Ankauf doch auch ein Recht auf sein Geistiges zu überkommen meinen. Dieses Geistige ist nemlich wieder einzutheilen: in das ^Materielle^, den Inhalt des Buches, die Gedanken, die es vorträgt; und in die ^Form^ dieser Gedanken, die Art wie, die Verbindung in welcher, die Wendungen und die Worte, mit denen es sie vorträgt. Das erste wird durch die blosse Uebergabe des Buches an uns offenbar noch nicht unser Eigenthum. Gedanken übergeben sich nicht von Hand in Hand, werden nicht durch klingende Münze bezahlt, und nicht dadurch unser, dass wir ein Buch, worin sie stehen, an uns nehmen, es nach Hause tragen und in unserem Bücherschranke aufstellen. Um sie uns zuzueignen, gehört noch eine Handlung dazu: wir müssen das Buch lesen, seinen Inhalt, wofern er nur nicht ganz gemein ist, durchdenken, ihn von mehreren Seiten ansehen, und so ihn in unsere eigene Ideenverbindung aufnehmen. Da man indess, ohne das Buch zu besitzen, dies nicht konnte, und um des blossen Papiers willen dasselbe nicht kaufte, so muss der Ankauf desselben uns doch auch hierzu ein Recht geben: wir erkauften uns nemlich dadurch die Möglichkeit, uns die Gedanken des Verfassers zu eigen zu machen; diese Möglichkeit aber zur Wirklichkeit zu erheben, dazu bedurfte es unserer eigenen Arbeit. -- So waren die Gedanken des ersten Denkers dieses und der vergangenen Jahrhunderte, und höchstwahrscheinlich eines der ersten aller künftigen, vor der Bekanntmachung seiner merkwürdigen Werke, und noch eine geraume Zeit nachher sein ausschliessendes Eigenthum; und kein Käufer bekam für das Geld, welches er für die Kritik der reinen Vernunft hingab, ihren Geist. Jetzt aber hat mancher hellsehende Mann sich denselben zugeeignet, und das wahrlich nicht durch Ankauf des Buches, sondern durch fleissiges und vernünftiges Studium desselben. Dieses Mitdenken ist denn auch, im Vorbeigehen sey es gesagt, das einzig passende Aequivalent für Geistesunterricht, sey er mündlich oder schriftlich. Der menschliche Geist hat einen ihm angeborenen Hang, Uebereinstimmung mit seiner Denkungsart hervorzubringen; und jeder Anschein der Befriedigung desselben ist ihm die süsseste Belohnung aller angewandten Mühe. Wer wollte lehren vor leeren Wänden, oder Bücher schreiben, die niemand läse? Das, was für dergleichen Unterricht an Gelde entrichtet wird, für Aequivalent anzusehen, wäre widersinnig. Es ist nur Ersatz dessen, was der Lehrer denen geben muss, die während der Zeit, dass er für andere denkt, für ihn jagen, fischen, säen und ernten. Was also fürs erste durch die Bekanntmachung eines Buches sicherlich feilgeboten wird, ist ^das bedruckte Papier^, für jeden, der Geld hat es zu bezahlen, oder einen Freund, es von ihm zu borgen; und der Inhalt desselben, für jeden, der Kopf und Fleiss genug hat, sich desselben zu bemächtigen. Das erstere hört durch den Verkauf unmittelbar auf, ein Eigenthum des Verfassers (den wir hier noch immer als Verkäufer betrachten können) zu seyn, und wird ausschliessendes des Käufers, weil es nicht mehrere Herren haben kann; das letztere aber, dessen Eigenthum vermöge seiner geistigen Natur Vielen gemein seyn kann, so, dass doch jeder es ganz besitze, hört durch die Bekanntmachung eines Buches freilich auf, ^ausschliessendes^ Eigenthum des ersten Herrn zu seyn (wenn es dasselbe nur vorher war, wie dies mit manchem heurigen Buche der Fall nicht ist), bleibt aber sein mit Vielen gemeinschaftliches Eigenthum. -- Was aber schlechterdings nie jemand sich zueignen kann, weil dies physisch unmöglich bleibt, ist die ^Form^ dieser Gedanken, die Ideenverbindung, in der, und die Zeichen, mit denen sie vorgetragen werden. Jeder hat seinen eigenen Ideengang, seine besondere Art, sich Begriffe zu machen und sie untereinander zu verbinden: dies wird, als allgemein anerkannt, und von jedem, der es versteht, sogleich anzuerkennend, von uns vorausgesetzt, da wir hier keine empirische Seelenlehre schreiben. Alles, was wir uns denken sollen, müssen wir uns nach der Analogie unserer übrigen Denkart denken; und bloss durch dieses Verarbeiten fremder Gedanken, nach der Analogie unserer Denkart, werden sie die unsrigen: ohne dies sind sie etwas Fremdartiges in unserem Geiste, das mit nichts zusammenhängt und auf nichts wirkt. Es ist unwahrscheinlicher als das Unwahrscheinlichste, dass zwei Menschen über einen Gegenstand völlig das Gleiche, in eben der Ideenreihe und unter eben den Bildern, denken sollen, wenn sie nichts voneinander wissen, doch ist es nicht absolut unmöglich; dass aber der eine, welchem die Gedanken erst durch einen anderen gegeben werden müssen, sie in eben der Form in sein Gedankensystem aufnehme, ist absolut unmöglich. Da nun reine Ideen ohne sinnliche Bilder sich nicht einmal denken, vielweniger anderen darstellen lassen, so muss freilich jeder Schriftsteller seinen Gedanken eine gewisse Form geben, und kann ihnen keine andere geben als die seinige, weil er keine andere hat; aber er kann durch die Bekanntmachung seiner Gedanken gar nicht Willens seyn, auch diese ^Form^ gemein zu machen: denn niemand kann seine Gedanken sich zueignen, ohne dadurch, dass er ihre Form verändere. Die letztere also bleibt auf immer sein ausschliessendes Eigenthum. Hieraus fliessen zwei Rechte der Schriftsteller: nemlich nicht bloss, wie Herr R. will, das Recht zu verhindern, dass niemand ihm überhaupt das Eigenthum dieser Form abspreche (zu fordern, dass jeder ihn für den Verfasser des Buches anerkenne); sondern auch das Recht, zu verhindern, dass niemand in sein ausschliessendes Eigenthum dieser Form Eingriffe thue und sich des Besitzes derselben bemächtige. Doch ehe wir weitere Folgerungen aus diesen Prämissen ziehen, lasst sie uns erst ihrer Probe unterwerfen! -- Noch bis jetzt haben die Schriftsteller es nicht übel empfunden, dass wir ihre Schriften verbrauchen, dass wir sie anderen zum Gebrauch mittheilen, dass wir sogar Leihbibliotheken davon errichten, ungeachtet dies (denn wir sehen sie hier noch immer als Verkäufer an) offenbar zu ihrem Schaden gereichet; und wenn wir sie zerreissen oder verbrennen, so beleidigt dies den Vernünftigen nur alsdann, wenn es wahrscheinlich in der Absicht geschieht, ihm dadurch Verachtung zu bezeugen. Noch haben sie uns also bis jetzt durchgängig das völlige Eigenthum des ^Körperlichen^ ihrer Schriften zugestanden. -- Ebensowenig sind sie dadurch beleidigt worden, wenn man, bei wissenschaftlichen Werken, sich ihre Grundsätze eigen machte, sie aus verschiedenen Gesichtspuncten darstellte und auf verschiedene Gegenstände anwendete; oder bei Werken des Geschmackes ihre Manier, welches ganz etwas anderes ist als ihre Form, nachahmte. Sie haben dadurch eingestanden, dass das ^Gedankeneigenthum^ auf andere übergehen könne. Aber immer ist es allgemein für verächtlich angesehen worden, wörtlich auszuschreiben, ohne den eigentlichen Verfasser zu nennen; und man hat dergleichen Schriftsteller mit dem entehrenden Namen eines Plagiars gebrandmarkt. Dass diese allgemeine Misbilligung nicht auf die Geistesarmuth des Plagiars, sondern auf etwas in seiner Handlung liegendes Unmoralisches gehe: ist daraus klar, weil wir im ersten Falle ihn bloss bemitleiden, aber nicht verachten würden. Dass dieses Unmoralische, und der Grund des Namens, den man ihm giebt, gar nicht darin gesetzt werde, weil er durch den Verkauf eines Dinges, welches Käufer schon besitzt, diesen um sein Geld bringt: ergiebt sich daraus, dass unsere schlechte Meinung von ihm nicht um das Geringste gemildert wird, wenn er ein höchstseltenes, etwa nur auf grossen Bibliotheken vorzufindendes Buch ausgeschrieben hat. Dass endlich diese Ungerechtigkeit nicht etwa darin bestehe, dass er, wie Herr R. meinen könnte, dem Verfasser seine Autorschaft abspreche: folgt daraus, weil er diese gar nicht läugnet, sondern sie nur ignorirt. Auch würde man sie vergeblich darauf zurückführen, dass er dem Verfasser die rechtmässige Ehre nicht erzeige, indem er ihn nicht nenne, wo er ihn hätte nennen sollen: indem der Plagiar nicht weniger Plagiar genannt wird, wenn er auch das Buch eines Anonymus ausgeschrieben hat. Wir können sicher jeden ehrliebenden Mann fragen: ob er sich nicht in sich selbst schämen würde, wenn er es sich nur als möglich dächte, dass er etwa eines unbekannten verstorbenen Mannes Handschrift, oder ein Buch, dessen einziger Besitzer er wäre, ausschreiben könnte? ... Diese Empfindungen können, nach allem Gesagten, in nichts, als in dem Gedanken liegen: dass der Plagiar sich eines Dinges bemächtiget, welches nicht sein ist. -- Warum denkt man nun über den Gebrauch der ^eigenen Worte^ eines Schriftstellers ganz anders, als über die Anwendung seiner ^Gedanken^? Im letzteren Falle bedienen wir uns dessen, was unser mit ihm gemeinschaftliches Eigenthum seyn kann, und beweisen, dass es dieses sey, dadurch, dass wir ihm unsere Form geben; im ersten Falle bemächtigen wir uns seiner Form, welche nicht unser, sondern sein ausschliessendes Eigenthum ist. Eine Ausnahme macht man mit den Citaten: nemlich nicht nur solchen, wo von einem Verfasser bloss gesagt wird, dass er irgend etwas entdeckt, erwiesen, dargestellt habe, wobei man sich weder seiner Form bemächtigt, noch eigentlich seine Gedanken vorträgt, sondern auf sie nur weiter fortbaut; sondern auch solchen, wo die eigenen Worte des Verfassers angeführt werden. Im letzten Falle bemächtigt man sich wirklich der Form des Verfassers, die man zwar nicht für die seinige ausgiebt, welches jedoch hier nichts zur Sache thut. Diese Befugniss scheint sich auf einen stillschweigenden Vertrag der Schriftsteller untereinander zu gründen, einander gegenseitig mit Anführung der eigenen Worte zu citiren; doch würde auch hier es niemand billigen, wenn ein anderer, ohne sichtbares Bedürfniss, besonders grosse Stellen ausschriebe. Mit nur halbem Rechte stehen unter den Ausnahmen die Blumenlesen, die ^Geiste (esprits)^, zu deren Verfertigung gemeinhin nicht viel Geist gehört, und dergleichen kleine Diebereien, die niemand sehr bemerkt, weil sie niemandem viel helfen, noch viel schaden. Kein Docent duldet es, dass jemand seine Vorlesungen abdrucken lasse; noch nie aber hat einer etwas dagegen gehabt, wenn seine Zuhörer sich seinen Geist und seine Grundsätze eigen zu machen gesucht, und sie mündlich oder schriftlich weiter verbreitet haben. -- Worauf gründet sich dieser Unterschied? Im letzten Falle tragen sie seine Gedanken vor, die durch ihr eigenes Nachdenken, und die Aufnahme derselben in ihre Ideenreihe, die ihrigen geworden sind; im ersteren bemächtigen sie sich seiner Form, die nie ihr Eigenthum werden kann, kränken ihn also in seinem vollkommenen Rechte. Und jetzt diese ^a priori^ erwiesenen und ^a posteriori^ durch die aus ihnen mögliche Erklärbarkeit dessen, was in Sachen der Art für recht gehalten wird, erprobten Grundsätze auf das Verhältniss des Verfassers und des Verlegers angewandt! Was überträgt der Erstere an den Letzteren, indem er ihm seine Handschrift übergiebt? ... Ein Eigenthum: etwa das der ^Handschrift^? Aber die Gelehrten werden gestehen, dass diese grösstentheils des Geldes nicht werth sey; und warum verzeihen sie es sich denn nicht, mehrere von eben der Schrift an mehrere Verleger zu verkaufen? Das Eigenthum der darin enthaltenen Gedanken: dies überträgt sich nicht durch eine blosse Uebergabe; und selten würde dem Verleger viel damit gedient seyn. -- Noch weniger das der ^Form^ dieser Gedanken: denn diese ist und bleibt auf immer ausschliessendes Eigenthum des Verfassers. -- Der Verleger bekommt also durch den Contract mit dem Verfasser überhaupt kein Eigenthum, sondern unter gewissen Bedingungen nur das Recht eines gewissen ^Niessbrauches^ des Eigenthums des Verfassers, d. i. seiner Gedanken in ihre bestimmte Form eingekleidet. Er darf, an wen er will und kann, verkaufen -- nicht die Gedanken des Verfassers und ihre Form, sondern nur die durch den Druck derselben hervorgebrachte ^Möglichkeit^, sich die ersteren zuzueignen. Er handelt also allenthalben nicht in seinem Namen, sondern im Namen und aus Auftrag des Verfassers. Auch diese Begriffe zeigen sich in allgemein angenommenen Maximen. Warum wird selbst der rechtmässige Verleger allgemein getadelt, wenn er eine grössere Anzahl Exemplare abdrucken lässt, als er mit dem Verfasser verabredet hat? Das Recht des Verfassers, dies zu hindern, gründet sich zwar auf einen Contract, der aber nicht über das Eigenthum, sondern den Niessbrauch abgeschlossen ist. Der Verleger kann höchstens Eigenthümer dieses Niessbrauchs heissen. -- Warum dann, wenn er eine zweite Auflage besorgt, ohne Erlaubniss des Verfassers? Wie kann der Verfasser bei einer zweiten Auflage, wenn er nichts Neues hinzusetzt noch umarbeitet, von neuem Honorar vom Verleger für die blosse Erlaubniss der neuen Auflage fordern? Wären diese Maximen nicht widersprechend, wenn man annähme, dass das Buch ein Eigenthum des Verlegers würde, und nicht beständiges Eigenthum des Verfassers bliebe, so dass der Verleger fortdauernd nichts ist, als sein Stellvertreter? Wäre es nicht widersprechend, dass das Publicum, wenn es, durch einen prächtigen Titel getäuscht, ein Buch gekauft hat, in welchem es nichts, als das Längstbekannte, aus den bekanntesten Büchern ärmlich zusammengestoppelt, findet, an dem Verfasser des Buches Regress nimmt, und nicht an seinen Verleger sich hält? Ein Recht, uns zu beklagen, haben wir allerdings; wir wollten nicht bloss ein paar Alphabete gedrucktes Papier, wir wollten zugleich die ^Möglichkeit^ erkaufen, uns über gewisse Gegenstände zu belehren. Diese ward uns versprochen, und nicht gegeben. Wir sind getäuscht, wir sind um unser Geld. Aber gaben wir dies nicht dem Verleger? War er es nicht, der uns das leere Buch dagegen gab? Warum halten wir uns nicht an ihn, als an den letzten Verkäufer, wie wir es sonst bei jedem Kaufe thun? Was sündigte der arme Verfasser? ... So müssten wir nothwendig denken, wenn wir den erstern nicht als blossen Stellvertreter des letztern betrachteten, der bloss in jenes Namen mit uns handelte, und, wenn wir betrogen wurden, in jenes Namen, auf jenes Geheiss, und oft ohne selbst das geringste Arge daraus zu haben, uns betrog. -- So verhalten sich Schriftsteller, Verleger und Publicum. Und wie verhält sich zu ihnen der ^Nachdrucker^? Er bemächtigt sich -- nicht des Eigenthums des Verfassers, nicht seiner Gedanken (das kann er grösstentheils nicht; denn wenn er kein Ignorant wäre, so würde er eine ehrlichere Handthierung treiben), nicht der Form derselben (das könnte er nicht; auch wenn er kein Ignorant wäre); -- sondern des ^Niessbrauches^ seines Eigenthums. Er handelt im Namen des Verfassers, ohne von ihm Aufträge zu haben, ohne mit ihm übereingekommen zu seyn, und bemächtigt sich der Vortheile, die aus dieser Stellvertretung entstehen; er maasset sich dadurch ein Recht an, das ihm nicht zusteht, und stört den Verfasser in der Ausübung seines vollkommenen Rechtes. Ehe wir das endliche Resultat ziehen, müssen wir noch ausdrücklich erinnern, dass die Frage gar nicht von dem ^Schaden^ ist, welchen der Nachdrucker hierdurch dem Verfasser entweder unmittelbar, oder mittelbar in der Person seines Stellvertreters zufüge. Man zeige, soviel man will, dass dadurch weder dem Verfasser, noch dem Verleger ein Nachtheil entstehe; dass es sogar der Vortheil des Schriftstellers sey, recht viel nachgedruckt zu werden, dass dadurch sein Ruhm über alle Staaten Deutschlands, von der Stapelstadt der Gelehrsamkeit bis in das entfernteste Dörfchen der Provinz, und von der Studirstube des Gelehrten bis in die Werkstätte des Handwerkers verbreitet werde: wird dadurch ^recht^, was einmal unrecht ist? Darf man jemandem wider seinen Willen und sein Recht Gutes thun? Ein jeder hat die vollkommene Befugniss, seinem Rechte nichts zu vergeben; sey es ihm auch so schädlich als es wolle. Wann wird man doch ein Gefühl für die erhabene Idee des Rechts, ohne alle Rücksicht auf Nutzen, bekommen? -- Man merke ferner, dass dieses Recht des Verfassers, welches der Nachdrucker kränkt, sich nicht, wie Herr Reimarus glaubt, auf einen vermeinten Contract desselben mit dem Publicum und auf eine jesuitische Mentalreservation in demselben gründet; sondern dass es sein natürliches, angebornes, unzuveräusserndes Eigenthumsrecht ist. Dass man ein solches Recht nicht verletzt sehen wolle, wird wohl ohne ausdrückliche Erinnerung vorausgesetzt; vielmehr müsste man dann es sagen, wenn man auf die Ausübung desselben Verzicht thun wollte. Dies alles als erwiesen vorausgesetzt, muss, wenn jeder ein Dieb ist, der um Gewinnstes willen den Genuss des Eigenthums anderer an sich reisst, der Nachdrucker ohne Zweifel einer seyn. Wenn ferner jeder Diebstahl dadurch, dass er an Dingen geschieht, die ihrer Natur nach nicht unter Verwahrung gehalten werden können, sträflicher wird, so ist der des Nachdruckers, welcher an einer Sache verübt wird, die jedem offenstehen muss, wie Luft und Aether, einer der sträflichsten. Wird er es endlich dadurch noch mehr, an je edleren Dingen er geschieht, so ist der an Dingen, die zur Geistescultur gehören, der allersträflichste: daher man denn auch schon den Namen des Plagiats, der zuerst Diebstahl an Menschen bedeutete, auf Bücherdiebereien übertragen hat. Und jetzt zu einigen Instanzen des Herrn Reimarus! »Wer es denn sey, der den Niessbrauch des fortdauernden Eigenthums der Verfasser bei den alten Autoren, der es bei Luthers Bibelübersetzung habe?« fragt derselbe. -- Wenn der Eigenthümer einer Sache, und seine Erben und Erbnehmer ausgestorben, oder nicht auszumitteln sind, so erbt die Gesellschaft. Will diese ihr Recht aufgeben, und es gemein werden lassen; will es der Eigenthümer selbst: -- wer kann es wehren? »Ob das auch ein Raub des Büchereigenthums seyn würde,« fragt Herr R. weiter, »wenn jemand ein Buch einzeln oder in grösserer Anzahl abschreiben und die Abschriften verkaufen wolle?« Da die Liebhaber, welche ein Buch lieber in Handschrift, als gedruckt besitzen wollten, selten seyn, mithin durch diese Vervielfältigung der Exemplare weder dem Verfasser noch dem Verleger grosser Nachtheil entstehen möchte; da der Gewinn bei dieser mühsamen Arbeit nicht gross, und der Verkaufswerth wohl grösstentheils kümmerliche Bezahlung der angewandten Mühe seyn, mithin die ungerechte Habsucht des Abschreibers weniger auffallen würde: so möchten vielleicht der Erstere und der Zweite dazu schweigen. Sind aber unsere eben ausgeführten Sätze erwiesen, so bleibt an sich jeder Niessbrauch des Buches, sey er so wenig einträglich als er wolle, ungerecht; und diejenigen, welche das Buch in Abschrift zu besitzen wünschten, oder der Abschreiber, müssten darüber in Unterhandlung mit dem Verfasser treten. -- Wenn die alten Schriftsteller über den möglichen Niessbrauch der Autorschaft nicht nachgedacht hatten, oder, weil sie sein nicht begehrten, das Abschreiben ihrer Bücher jedem freistellten, dem es beliebte, und durch ihr Stillschweigen die Einwilligung dazu gaben: so hatten sie das vollkommenste Recht, -- wie jeder es hat -- ihr Recht aufzugeben; wenn sie aber gewollt hätten, so hätten sie es ebensowohl geltend machen können, als die unsrigen: denn was heute recht ist, war es ewig. Diese Grundsätze werden durch Anwendung auf Dinge, die man oft mit ihnen verglichen und verwechselt hat, noch deutlicher werden. So hat man ^Producte der mechanischen Kunst^ mit Büchern, und das Nachmachen derselben zum Nachtheil des Erfinders mit dem Nachdrucke verglichen; -- wie passend oder unpassend, werden wir sogleich sehen. Auch ein solches Werk hat etwas Körperliches: die Materie, aus der es verfertigt ist, Stahl, Gold, Holz und dergleichen; und etwas Geistiges: den Begriff, der ihm zum Grunde liegt (die Regel, nach der es verfertigt ist). Von diesem Geistigen kann man nicht sagen, dass es eine dem Verfertiger eigenthümliche Form habe, weil es selbst ein Begriff einer ^bestimmten^ Form ist -- die Form der Materie, das Verhältniss ihrer einzelnen Theile zur Hervorbringung des beabsichtigten Zwecks; -- welches folglich nur auf einerlei Art, einem deutlich gedachten Begriffe gemäss, bestimmt seyn kann. Hier ist es das Körperliche, welches, ^insofern es nicht durch den Begriff bestimmt wird^, eine besondere Form annimmt, von welcher die Nettigkeit, die Eleganz, die Schönheit des Kunstwerkes, insofern sie nicht auf den hervorzubringenden Zweck bezogen wird, abhängt: an welcher man z. B. die Arbeiten der Engländer, die Arbeiten eines gewissen bestimmten Meisters, von jeder andern unterscheidet, ohne eigentlich und deutlich angeben zu können, worin der Unterschied liege. Diese Form des Körperlichen kann auch ein Buch haben, und durch sie wird die Reinheit und Eleganz des Druckes bestimmt; in dieser Rücksicht ist es Product der mechanischen Kunst, und gehört unter die nun leicht zu entwickelnden Regeln derselben. Angenommen, was allgemein anzunehmen ist, dass durch den Verkauf einer Sache dem Käufer das Eigenthum alles desjenigen übertragen werde, dessen Zueignung physisch möglich ist: was wird durch den Verkauf eines solchen Kunstwerkes dem Käufer übertragen? Jedem ohne Zweifel das Eigenthum des materiellen Körperlichen, nebst der Möglichkeit, das Werk zu dem verlangten Zwecke zu gebrauchen, wenn er will, ihn kennt und ihn dadurch zu erreichen weiss. Die Möglichkeit, sich den dem Werke zu Grunde liegenden Begriff (nemlich die Regel, nach der es verfertigt ist) zuzueignen, ist nicht die Absicht des Verkaufs, und gemeinhin auch nicht des Kaufs, wie bei einem Buche, wo dies offenbar die Absicht ist. Auch wird sie durch den Verkauf nicht jedem, sondern bloss dem, der dazu die nöthigen Kenntnisse hat, übergeben. Das Eigenthum dieses Begriffs aber wird durch den Verkauf gar nicht übergeben; sondern zur Zueignung desselben gehört noch die Handlung des Käufers, dass er das Werk untersuche, es vielleicht zerlege, darüber nachdenke u. s. w. Aber dennoch ist es nicht nur physisch möglich, sondern auch oft sehr leicht, die Regel der Verfertigung des Werkes zu finden. Diesen Begriffen nun seine Form zu geben, muss man selbst Künstler, und zwar Künstler in dieser Kunst seyn. Die Form des ersten Verfertigers wird man dem Körperlichen nie geben; aber es kommt darauf nicht an, der Unterschied ist meistens ganz unbemerkbar, und oft wird der zweite Verfertiger ihm eine weit schönere geben. Man kann folglich nicht nur das Eigenthum der Materie, sondern unter gewissen Bedingungen auch das des Begriffs, nach welchem sie bearbeitet ist, sich erwerben; und da man das Recht hat, sein Eigenthum auf jede beliebige Art zu benutzen, so hat man ohne Zweifel auch das, dies Kunstwerk nachzumachen. Allein, die Ausübung dieses Rechtes ist nicht billig: es ist nicht billig, dass der Mann, welcher Jahre lang Fleiss, Mühe und Kosten aufwendete, durch die erste Bekanntmachung des Resultats seiner jahrelangen Arbeit, welches von der Art, dass jeder desselben sich bemächtigen kann, der es siehet, um alle Frucht dieser Arbeit gebracht werde. Da aber in Sachen des Gewinnstes auf die Billigkeit anderer nicht sehr zu rechnen ist, so tritt der Staat ins Mittel, und macht durch ein ausdrückliches Gesetz, genannt ^Privilegium^, dasjenige Rechtens, was vorher nur Sache der Billigkeit war. Weil indess durch ein solches Gesetz das natürliche Recht anderer allerdings eingeschränkt, und sie dessen beraubt werden, besonders dadurch beraubt werden, dass man das, was von ihrem guten Willen abhing, und ihnen ein Verdienst geben konnte, ihnen abnöthigt, und sie dadurch wenigstens der Entdeckung dieses Verdienstes beraubt: so hebt der Staat dieses Gesetz wieder auf, sobald seine Absicht, den ersten Erfinder zu entschädigen, erreicht ist, und giebt den Menschen ihr angebornes und durch Nachdenken und Studium behauptetes Recht wieder. Ein solches Privilegium geht also auf den Gebrauch des erworbenen Begriffs; und nur dasjenige Bücherprivilegium würde mit ihm zu vergleichen seyn, welches verböte, innerhalb zehn Jahren nichts über ^gewisse Materien^, als z. B. keine Metaphysik, keine Naturlehre, zu schreiben. -- Verwechselte etwa Herr R., dessen Vorschläge bei Bücherprivilegien eben dahin auslaufen, Bücher mit mechanischen Kunstwerken, als ob zu ihrer Verfertigung nichts weiter gehöre, als etwa ein Recept, ein Buch zu machen im Kopfe, und übrigens gelenke Finger, Papier und Dinte? Das Recht des Käufers, das Gekaufte nachzumachen, geht, soweit die physische Möglichkeit geht, es sich zuzueignen; und diese nimmt ab, je mehr das Werk von der Form abhängt, welche wir uns nie eigen machen können. Diese Gradation geht in unmerklichen Abstufungen von der gemeinen Studirlampe bis zu Correggio's Nacht. Letztere hat nie um ein Privilegium nachgesucht, und ist darum doch nicht nachgemacht worden. Zwar Farben auftragen, Licht und Schatten, und ein Kind und eine junge Frau malen, kann jeder Pinsler; aber es ist uns nicht darum, es ist uns um die nicht zu beschreibende, aber zu fühlende Form des Vortrags zu thun. -- Kupferstiche von Gemälden sind keine Nachdrücke: sie verändern die Form. Sie liefern Kupferstiche, und keine Gemälde; und wem sie den letzteren gleich gelten, dem bleibt es unbenommen. Auch Nachstechen schon abgestochener Gemälde ist nicht Nachdruck; denn jeder giebt seinem Stiche seine eigene Form. Nachdruck wäre nur das, wenn jemand sich der Platte des Andern bemächtigte und sie abdruckte. Und nach dieser Unterscheidung nun die Frage: Was ist ein Bücherprivilegium? Ein Privilegium überhaupt ist Ausnahme von einem allgemein geltenden Gesetze der natürlichen oder der bürgerlichen Gesetzgebung. Ueber Büchereigenthum ist bis jetzt kein bürgerliches Gesetz vorhanden; also muss ein Bücherprivilegium eine Ausnahme von einem Naturgesetze seyn sollen. Ein dergleichen Privilegium sagt, ein gewisses Buch solle nicht nachgedruckt werden; es setzt mithin ein Gesetz der Natur voraus, welches so lauten müsste: Jeder hat ein Recht, jedes Buch nachzudrucken. -- Es ist also doch wahr, dass das Nachdruckerrecht selbst von denen, in deren Hände die Menschheit alle ihre Rechte zur Aufbewahrung überlieferte, von den Regenten, als ein allgemein gültiges Naturrecht anerkannt werde? Doch wahr, dass selbst die Gelehrten es dafür anerkennen; denn was kann die Bitte um ein Privilegium anders heissen, als: Ich erkenne an, dass vom Tage der Publication meines Werkes jeder, wer will, das unbezweifelte Recht hat, sich das Eigenthum und jeden möglichen Nutzen desselben anzumaassen, bitte aber um meines Vortheils willen, die Rechte der Menschheit einzuschränken. -- Hat man sich je einen Freibrief gegen Strassenräuber geben lassen? -- »Aber ein Bücherprivilegium ist kein Freibrief gegen Strassenräuber; es ist eine Bedeckung von Husaren«, sagt man mir. Wenn dies wahr wäre, wenn es in Ländern wahr seyn könnte, wo die Strassenräuber nicht, wie in Arabien, ungebändigt in den Wäldern herumstreifen, sondern zu jeder Stunde durch die obrigkeitliche Gewalt abgelangt werden können: so ständen wir vor einer andern Untersuchung. Die Tr... nemlich, Sch..., die W... sind freilich Räuber; aber sie sind privilegirte Räuber. Sie haben -- denn die Bemerkung, dass eins von beiden, entweder das Privilegium, welches den Nachdruck verbietet, oder das, welches ihn erlaubt, widersinnig seyn muss, wollen wir schenken -- sie, sage ich, haben nicht die mindeste Schuld. Unbekannt mit dem, was Recht oder Unrecht sey, weil es für sie zu tief lag, fragten sie die, welche es wissen sollten. Man sagte es ihnen, und sie glaubten. Freilich gefiel es dem englischen Kaufmanne nie wohl, wenn ein französischer Kaper ihm sein Schiff und seine Waaren wegnahm. Er beklagte sich über diese Ungerechtigkeit. »Das ist nicht Unrecht, das ist Kriegsrecht«, sagte der Kaper, und zeigte ihm seinen Kaperschein vor; und während der Engländer diesen untersuchte, um sich von der Rechtmässigkeit der Behandlung, die er erfuhr, zu überzeugen, durchsuchte ihm jener die Taschen, und er hatte darin recht. Aber, mit welchem Rechte nur überhaupt die Hummeln den Bienen den Krieg ankündigen? ... Welcher Vertheidiger des Büchernachdrucks wird uns dies erklären? -- »Es würde doch von einem Staate viel verlangt heissen, sagt man, dass er befehlen solle, fremde theure Waare in sein Land einzuführen.« Das würde allerdings viel verlangt heissen; aber die Forderung, dass er sich dann, wann sie ihm zu theuer ist, ganz ohne sie behelfen möge, wäre so unbillig eben nicht. Joseph II. hatte allerdings das vollkommene Recht, die Einfuhr der holländischen Häringe in seine Staaten zu verbieten: wer könnte ihm dies abstreiten? Aber hätte er darum auch wohl das Recht gehabt -- da holländische Häringe sich nun einmal nicht nachdrucken lassen -- Kaper auszusenden, welche den Holländern aufpassen und ihnen ihre Häringe abnähmen? Und wenn diese fremde theure Waare -- denn Bücher sind in diesem System freilich nicht mehr und nicht weniger Waare, als Häringe und Käse -- überhaupt nicht eingeführt werden soll, wovon soll man sie denn im Lande abdrucken? ... Ei ja! wir werden uns wohl hüten, die Einfuhr fremder Bücher eher zu verbieten, als bis wir sie erst nachgedruckt haben. »Es sey ja für den Vortheil des Verfassers völlig gleichgültig, ob in einem Lande, wo die Einfuhr seiner rechtmässigen Ausgabe verboten sey, ein Nachdruck verkauft werde oder nicht, da er aus diesem Lande einmal keinen Gewinn ziehen könne«, sagt man auch noch. Und man hat recht, und übrig recht, in einem Systeme, in welchem nichts unrecht ist, als das was schadet. Ist jetzt Alles klärlich erwiesen, was erwiesen werden sollte: -- dass der Verfasser ein fortdauerndes Eigenthum an sein Buch behalte, und das vollkommene Recht habe, jeden zu verhindern, wider seinen Willen Nutzen aus dem, was der Natur der Sache nach sein bleibt, zu ziehen; dass mithin der Nachdruck eine offenbare, und zwar eine der sträflichsten Ungerechtigkeiten sey, -- so ist bei Untersuchung seiner Zulässigkeit davon gar nicht mehr die Frage, ob er nützlich sey; und wir können uns gänzlich enthalten, sie zu beantworten. Weder Herr R. noch das Publicum wird also etwas dagegen haben, wenn wir statt dieser Untersuchung eine ^Parabel^ erzählen. Was sie, da wir nach obiger Erinnerung mit Büchern gar nichts Aehnliches haben, erläutern könne, was sie nach allem schon Erwiesenen noch zu erläutern habe, wird jeder einsehen. Zur Zeit des Khalifen Harun al Raschid, der wegen seiner Weisheit in der Tausend und Einen Nacht und sonst berühmt ist, lebte, oder könnte gelebt haben, ein Mann, der wer weiss aus welchen Salzen und Kräutern einen Extract verfertigte, der gegen alle Krankheiten, ja gegen den Tod selbst helfen sollte. Ohne nun eben alle die Wirkungen zu haben, welche sein Verfertiger von ihm rühmte, -- er war selbst ein wenig kränklich -- war er doch immer eine treffliche Arznei. Um in seinen chemischen Arbeiten durch nichts gestört zu werden, wollte er sich nicht selbst mit dem Handel befassen, sondern gab ihn in die Hände eines Kaufmanns, der allein im ganzen Lande damit handelte und einen beträchtlichen Gewinn dadurch erwarb. Darüber wurden nun seine Mitbrüder, die übrigen Arzneihändler, neidisch, und verschrien ihn und seinen Extract. Ganz anders aber benahm sich dabei Einer unter ihnen. Dieser passte den Leuten des Alleinhändlers auf, wenn sie das Arcanum vom Chemiker brachten, nahm es ihnen ab, raubte es wohl gar aus dem Waarenlager selbst; und das vermochte er, denn er war ein handfester Kerl. Er vereinzelte es darauf auf allen Jahrmärkten, in allen Flecken und Dörfern, und weil er es wohlfeil gab und den Leuten sehr einlobte, so hatte er reissenden Abgang. Darüber erhob dann der Alleinhändler ein Geschrei im ganzen Lande; und es fielen mitunter auch wohl Diebe, Räuber und dergleichen Benennungen, die bei solchen Gelegenheiten zu fallen pflegen und die dem Andern auch richtig überbracht wurden. Gern hätte der Alleinhändler ihm wieder etwas abgenommen, aber jener hatte nichts, das der Mühe des Nehmens werth war. Schon lange hatte er ihm nachgestellt, um seiner habhaft zu werden; aber jener war schlauer als er und entging allen seinen Schlingen. Endlich, wie denn das stete Glück unvorsichtig macht, fiel er doch noch durch Unachtsamkeit in die Hände seines Feindes, und ward von ihm vor den Khalifen geführt. Hier brachte der Arzneihändler seine Klage gegen jenen an, die mit der Klage unserer Buchhändler gegen die Nachdrucker ziemlich gleichlautend war. Jener, ohne sich bange werden zu lassen, -- er hatte bei seinem Marktschreiergewerbe seine Dreistigkeit vermehrt und eine gewisse Beredsamkeit sich eigen gemacht -- führte seine Verteidigung folgendermaassen: Glorwürdigster Nachfolger des Propheten! ich liebe nach Principien zu verfahren. Der einzig richtige Maassstab der Güte unserer Handlungen ist bekanntermaassen ihre Nützlichkeit. Je ausgebreitetere und je wichtigere Vortheile eine Handlung stiftet, desto besser ist sie. Es giebt zwar noch einige finstere Köpfe, die sich etwas erkünsteln, was sie, glaub ich, Recht nennen: ein Hirngespinnst, das sich im Leben nicht realisiren lässt; denn kann man nicht bei aller Rechtschaffenheit verhungern? Doch fern sey es, dass dergleichen altfränkische Ideen die aufgeklärten Zeiten von Eurer Majestät glorwürdiger Regierung entweihen sollten! -- Wenn ich mithin beweise, dass mein Verfahren den ausgebreitetsten Nutzen stiftet, so beweise ich dadurch ohne Zweifel, dass es lobenswürdig ist; und dies ist so leicht zu erweisen. Dass meine Handlung von den vortheilhaftesten Folgen für das Publicum sey, sollte man das erst zeigen müssen? Ich verkaufe das Arcanum weit wohlfeiler, als der Kläger; der gemeinste Mann wird also dadurch in den Stand gesetzt, es sich anzuschaffen, was er bei dem hohen Preise des Alleinhändlers nicht kann; ich nöthige es dem unaufgeklärten Haufen durch meine Betriebsamkeit und durch alle Künste der Beredsamkeit auf, und brenne so von Eifer für das Beste Anderer, dass ich sie fast zwinge, sich durch diese heilsame Arznei gesund zu machen. Welch ein Verdienst um die leidende Menschheit! Könnte ich doch Eurer Majestät das Aechzen der Leidenden, das Röcheln der Sterbenden recht lebhaft malen, die durch die von mir gekaufte Arznei gerettet worden sind! Wie vielen Kindern habe ich ihre Väter, die bereits in den Händen des Todes waren, wieder zurückgegeben, ihnen selbst aber die Möglichkeit, zu guten Staatsbürgern gebildet zu werden, und einst wieder ihre Kinder, und vermittelst dieser ihre ganze Nachkommenschaft zu guten Staatsbürgern zu bilden, dadurch erhalten! Man berechne die Arbeiten, welche jeder, dem durch diese wunderthätige Arznei einige Jahre zu seinem Leben hinzugesetzt werden, in diesen Jahren noch zur Cultur des Landes verrichten kann; die noch grössere Cultur desselben, die hierdurch wieder möglich wird, und so ins Unendliche fort; berechne die Menge der Kinder, die er in diesen Jahren noch zeugen kann, und die Kinder dieser Kinder: und ziehe das Resultat der vergrösserten Volksmenge und Cultur, die dadurch erfolgt, und welche schlechterdings nicht möglich war, wenn ich nicht dem Kläger seine wohlthätigen Tropfen raubte. Es sagen zwar freilich verleumderische Zungen, dass das Arcanum gemeinhin ein wenig verdorben bei mir gekauft worden; und wenn ich ihnen auch -- ich liebe die Wahrheit -- sollte zugestehen müssen, dass an der Sache etwas sey: so ist das wahrlich nicht meine Schuld. Ich würde lieber, wenn ich könnte, ihm noch grössere Kraft geben, damit man es allein bei mir kaufte, und mein Kläger alle seine Kunden verlöre; und das bloss aus Liebe zum allgemeinen Besten. Aber wie sollte es mir bei der beständigen Flucht, auf der ich vor meinem Gegner seyn muss, und bei der Beschimpfung, die er meiner Handthierung anthut, und die mich nöthigt, die lockersten Gesellen anzunehmen, möglich seyn, es mit der gehörigen Sorgfalt aufzubewahren? Wenn nur einmal meinem Gewerbe völlige Ehre und Sicherheit zugesprochen seyn wird, wie ich um der grossen Nützlichkeit desselben hoffe, so werde ich dadurch zugleich in Stand gesetzt werden, auf die Conservation desselben mehr Sorgfalt zu wenden. Ich werde angeklagt, dem Verfertiger des Arcanums, und dadurch mittelbar dem Publicum zu schaden, weil Kläger, wenn ich in die Länge fortfahre, ihm seine Tropfen wegzunehmen, nothwendig verarmen und ausser Stand gesetzt werden müsse, den Chemiker weiter zu bezahlen, weshalb denn dieser nothwendig die Arbeit werde einstellen müssen. -- Allein, da kennt man den Mann nicht. Er wird sie darum nicht einstellen; denn es ist einmal seine Liebhaberei, und er arbeitet ja so nur um der Ehre willen. Im Gegentheil, je mehr ich seinem Unterhändler wegnehme, und je weniger dieser ihm für die Arznei wird bezahlen können; desto mehr wird er arbeiten müssen, um kümmerlich zu leben: desto mehr wird folglich diese heilsame Arznei vervielfältiget werden. Und wird nicht sein Ruhm durch mich in die entferntesten Dörfer verbreitet? posaune ich ihn nicht mit lauter Stimme an jedem Jahrmarkte aus meiner Bude? steht nicht sein Name auf allen meinen Büchsen und Gläsern mit grossen Buchstaben in Golde? Ist ihm das nicht Ehre genug? braucht er dazu noch Brot? Er mag von der Ehre leben! Endlich soll ich Klägern Nachtheil verursachen. -- Aber ich muss gestehen, dass hier mich mein kaltes Blut verlässt. Ich muss Ihnen sagen, mein Herr, dass Sie sich der Unbilligkeit dieser Anklage schämen sollten. Haben Sie nicht schon genug durch Ihren Alleinhandel gewonnen? Ach! dürfte ich doch den Verlust, den Sie zu haben vorgeben, mit Ihnen theilen! Warum wollen Sie mir denn nicht erlauben, Ihnen zu stehlen, was ich fortbringen kann? Warum wollen Sie mir denn nicht erlauben, eine kleine Nachlese zu halten? Giebt es nicht noch jetzt, seitdem ich diese reichlich halte, Leute genug, die entweder um der vermeinten grösseren Güte Ihrer Arznei willen, die doch wenig betragen kann, oder aus einem altfränkischen Vorurtheile für rechtmässigen Besitz, und vermeinter Theilnahme an der Dieberei Anderer, lieber Ihre theure Waare kaufen, als meine wohlfeile; -- als ob ich nicht auch, wenn man denn einmal von Rechtmässigkeit reden will, dadurch das rechtmässige Eigenthum Ihrer Waare erhielte, dass ich mir die Mühe gebe, sie zu stehlen? Vielmehr habe ich, wenn Sie kalt darüber nachdenken wollen, eben um Sie selbst das grösste Verdienst. Sie kennen noch Ihren Chemiker nicht. Schon längst dachte er, voll Neid über den Gewinn, den Sie durch sein Arcanum machen, darauf, sich des Handels mit demselben selbst zu bemächtigen. Er hat zwar seine Zeit weit nöthiger zur Verfertigung desselben; er versteht zwar nichts vom Arzneihandel; er ist zwar bei einigen Versuchen im Kleinen schon sehr übel angekommen: aber dennoch -- glauben Sie mirs auf mein Wort -- er hätte Sie des Handels beraubt. Nur, schlau wie er ist, merkte er meinen Anschlag auf Ihren Waarenkasten, und wollte lieber Sie, als sich selbst bestehlen lassen. Wenn Sie also überhaupt noch in einigem Besitze des Handels sind, so haben Sie es mir zu verdanken. Dies sind die beträchtlichen Dienste, Glorwürdigster Nachfolger des Propheten, die ich dem gläubigen Volke, die ich dem nützlichen Verfertiger des Extracts, die ich dem Kläger selbst leiste. Und ich nun, was habe ich dafür? Wenn man den geringen Preis, um den ich das Arcanum verkaufe, gegen die Kosten, die ich auf desselben Conservation doch wende, die Reisen, die ich mache, berechnen will; so wird man finden, dass mir die Mühe, sie zu stehlen, sehr gering bezahlt wird, und dass ich die Verleumdungen meines Gegners, die Schurken und Diebe, die er gegen mich ausstösst, fast ganz umsonst hinnehmen, oder nur sehr niedrig in Anschlag bringen muss. Durch diese Verunglimpfungen wird mir nun mein ehrlicher Name, auf welchen die Menschen einen so grossen Werth setzen sollen, jämmerlich abgeschnitten, so dass rechtliche Leute schon anfangen, sich sehr zu bedenken, ob sie mir abkaufen wollen. Ich bin also ein Märtyrer für das Beste der Welt; und wenn eine Handlung dadurch gewinnt, dass man recht viel bei ihr aufopfert, so ist die meinige eine der verdienstlichsten. Dies Verdienst möchte ich mir nun nicht gern rauben lassen, wenn nicht durch die Ehrlosigkeit, die dadurch auf mein Gewerbe fällt, der Fortgang desselben gehindert, und dem allgemeinen Besten Abbruch gethan würde. Ich bitte demnach Eure Majestät anzubefehlen, dass hinfüro jeder mein Gewerbe für ein ehrliches halte, bei namhafter Strafe; und dass Kläger gehalten sey, mir nicht nur Abbitte und Ehrenerklärung zu thun, und öffentlichen Dank für den geleisteten Dienst abzustatten, sondern auch inskünftige sich von mir bestehlen zu lassen, so viel ich will. So redete der Marktschreier. Wie würde Herr Reimarus, wie würde jeder Gerechtigkeitsliebende hierbei geurtheilt haben? -- Ebenso urtheilte der Khalif. Er liess den nützlichen Mann aufhängen. B. Zwei Predigten aus dem Jahre 1791. Statt der Vorrede. Der Verfasser und sein Freund. D. V. Sie bringen die Handschrift zurück? Haben Sie sie durchgelesen? D. Fr. Ja. D. V. Und Ihr Urtheil? D. Fr. Sie haben Ihre Zeit nicht ganz übel angewendet. Es übt die Feder, wenn man sich bemüht, etwas gründlicher, als gewöhnlich, und doch plan, wie es für die Kanzel seyn soll, zu arbeiten; es macht unsere eigene Erkenntniss lebendiger, wenn man sie überdies mit einiger Wärme vorträgt. D. V. Ich verstehe. -- Und ein Exercitium hat seine Bestimmung erreicht, wenn es unsere eigenen Kräfte geübt hat. Es gehört vor die Augen des Lehrmeisters, oder des gutmüthigen Freundes, wenn man über die Jahre hinaus ist, einen Lehrmeister zu haben; nicht vor das Publicum. D. Fr. Wenn Sie es so nehmen wollen! -- Doch erlauben Sie mir eine Frage: auf welche Art der Leser rechnen Sie? D. V. Auf Leser aller Art, welche moralische und religiöse Wahrheit, und das Nachdenken darüber lieben. D. Fr. -- Die das Nachdenken lieben, mithin dasselbe kennen, aus Erfahrung kennen, die in einem Stande leben, der ihnen ehemals Unterricht, jetzt Musse gewährt. -- Vielleicht finden diese etwas noch Besseres zu lesen, als Ihre Predigten. D. V. Und warum sollten sie nicht auch in Ständen gelesen werden, die auf einer tieferen Stufe der Cultur stehen, die ihnen weniger Quellen eröffnet? -- Sie haben doch nicht vergessen, was ich Ihnen sagte, dass der grösste Theil dieser Predigten in mancherlei Ländern, vor sehr gemischten Zuhörern, nicht ohne merklichen Eindruck gehalten worden? D. Fr. Abgerechnet, dass Sie allenthalben Fremder und Gastprediger waren -- angenommen, dass Ihre Eigenliebe diesen merklichen Eindruck sich nicht um eines Haares Breite grösser vorgestellt habe -- alles, was Sie wollen, abgerechnet und angenommen: so wissen Sie doch gewiss, welch ein Unterschied es ist, Predigten hören oder Predigten lesen. D. V. Aber es werden doch darum noch häufig Predigten gelesen, in höheren und niederen Ständen. D. Fr. Welcher innere Unterschied zwischen jenen häufig gelesenen Predigten und den Ihrigen sey, werden Ihnen die Recensenten sagen; auf den Unterschied in den Personen übernehme ich es, Sie aufmerksam zu machen. -- Gehen Sie hin, und werden der Lieblingsprediger des feineren Publicums in einer volkreichen, Ton angebenden, von Fremden häufig besuchten Stadt; dann sammeln Sie Ihre Predigten und setzen Ihren Namen vor. Wird man sie auch nicht immer lesen, so wird man sie doch kaufen, sauber binden und in seine Bücherschränke aufstellen. Aber -- anonyme Predigten -- das ist unerhört! Oder wollen Sie Ihren unbekannten Namen vorsetzen? D. V. Und wäre er berühmt, so würde ich desto mehr Anstand nehmen, ihn zu nennen. Ich möchte die Aufmerksamkeit dem Inhalte verdanken, und nicht dem Namen. D. Fr. Dem Inhalte? So hätten Sie entweder weniger gewöhnliche Gegenstände behandeln, oder die behandelten gewöhnlichen von einer gewöhnlichen Seite darstellen sollen! Sie haben der Sache beides, zu wenig und zu viel, gethan. Wer Ihre Predigten verstehen, beurtheilen, schätzen könnte, liest keine Predigten; und wer Predigten liest, versteht die Ihrigen nicht. D. V. Wenn nicht etwa hier und da ein Prediger. D. Fr. -- Welche Predigten lesen, um entweder sie für die ihrigen zu gebrauchen, oder sich darnach zu bilden. Sie gestehen mir wohl zu, dass derjenige, der der Bildung fähig ist, bessere Muster findet. -- Wegen des Gebrauchens -- wer Ihre Predigten desselben werth findet, macht bessere; und wer keine besseren macht, hält die Ihrigen für schlecht und völlig unbrauchbar. -- Noch habe ich Ihnen geschenkt, dass sich dieselben sehr ungleich sind; gleichsam eine bunte Musterkarte der Veränderung Ihres Systems seit zehn Jahren, oder länger. D. V. Nach allem also wäre Ihr Rath? D. Fr. Mein aufrichtiger Rath, dass Sie sie ruhen liessen, wo sie zum Theil schon lange genug geruht zu haben scheinen. D. V. Sie haben mir die Sache nach Ihrer Art vorgestellt; ich zeige sie Ihnen jetzt nach der meinigen. -- Gesetzt nun, ich hätte einen Versuch machen wollen, Darstellungsarten, die bis jetzt nur für die Schule gewöhnlich waren, auf die Kanzel zu bringen; und ich legte diese Versuche darum dem Publicum vor, um zu erfahren, ob es der Mühe lohnte, sie fortzusetzen? D. Fr. Aber so hätten Sie diesen Versuchen wenigstens die Predigtform nehmen sollen, die doch einmal nicht die einladendste ist; und dann sind noch einige Predigten beibehalten, die diese Entschuldigung nicht für sich haben. D. V. Und wenn ich nun anderweitige, vielleicht persönliche Gründe gehabt hätte, eben die Predigtform, und eben jene Predigten, auf die Sie zielen, beizubehalten? D. Fr. Dann müsste freilich das gutwillige Publicum, das etwa noch Predigten kauft, Ihre Ankündigung, dass Sie unter andern auch predigen, mit seinem Gelde bezahlen. -- Und wie wollen Sie das, was Sie zu Ihrer Entschuldigung mir jetzt gesagt haben, dem Publicum auf eine schickliche Art sagen? D. V. Ich darf nur gerade unser Gespräch vordrucken lassen. D. Fr. Mit allem, was ich zum Nachtheile Ihrer Predigten gesagt habe? D. V. Mit allem. Dann bin ich wenigstens sicher, dass nichts Schlimmeres über sie gesagt werden könne, als schon gesagt ist. D. Fr. Aber einen schöngeisterischen Dialog vor Predigten! Das ist wieder unerhört. Sie sind nicht Rousseau, und schrieben keine Heloise. D. V. So muss ich denn auch schon diesen Uebelstand mit den übrigen verantworten. Ueber die Pflichten gegen Feinde. Eingang. Die Auswege, die das menschliche Herz nimmt, m. th. Fr., um der Pflicht auszuweichen, sind unzählbar, in ihren Wendungen verschieden, und nur darin kommen sie überein, dass alle auf irgend eine Art die Strenge des Gesetzes zu umgehen suchen. -- Man zieht die Pflicht zu seinen Neigungen herab, wie wir einst an dieser Stelle an dem Beispiele der Ehrlichkeit und der Menschenliebe zeigten: man übertreibt sie auch wohl im Gegentheile zu einer Höhe, auf der sie der menschlichen Natur widerstreitet, um nur, wenn einmal zugestanden ist, dass in der erdichteten Vollkommenheit sie dem Menschen unmöglich sey, gar nichts thun zu dürfen, sondern unter dem geräumigen, viel fassenden Mantel der menschlichen Schwachheit seinen Mangel an gutem Willen verbergen zu können. So ist es mit der durch das Christenthum gebotenen Pflicht der Feindesliebe ergangen. Zu bequem, oder unfähig nachzudenken, was durch diesen Ausdruck gefordert werden ^könne^, hat man das Wort in seiner ersten scheinbarsten Bedeutung genommen, und nun, wie zu erwarten war, die Ausübung dieser Pflicht unmöglich gefunden, weil es der menschlichen Natur widerstreitet, sich über Beleidigungen zu freuen, wie über Wohlthaten, und bei dem Anblicke des Feindes eben das Vergnügen zu empfinden, wie bei dem des Freundes. -- Des ^Handelns^ überhoben, meinte man sich nun durchs ^Reden^ hervorzuthun, und wollte sich gegen ein Gebot, dem man den Gehorsam versagte, durch Lobeserhebungen abfinden. Daher die prahlenden Lobpreisungen so vieler Christen über die Erhabenheit ihrer Sittenlehre, als der einzigen, welche Feindesliebe empfehle; so vieler Christen, welche noch wenig Neigung zeigen, ihr Vaterland, ihre Freunde, ihre Wohlthäter zu lieben -- Lobpreisungen, welche, wenn auch die Anempfehlung dieser Pflicht der christlichen Sittenlehre ausschliessend eigen wäre, doch immer eine sehr zweideutige Schmeichelei seyn würden. Viel verlangen ist keine so grosse Kunst, und es gereicht keiner Sittenlehre zur Empfehlung, Dinge zu fordern, die der menschlichen Natur widerstreiten. Wir, m. Br., wollen unsere vortreffliche Religion nicht so verfänglich loben, sondern lieber mit Lernbegierde und Folgsamkeit ihre Vorschriften anhören, und sie zu ihrer wahreren Ehre in unserem Leben darzustellen suchen. In gegenwärtiger Stunde werden wir uns von den Pflichten gegen Feinde unterrichten. ^Text.^ Die gewöhnliche Epistel am ersten Advents-Sonntage, Röm. 12, v. 17-21. Abhandlung. Das zwölfte Capitel des Briefes an die Römer, woraus unsere Epistel genommen ist, enthält christliche Sittenlehren mancherlei Gehalts in einer leichten Verbindung. Auf die Pflichten gegen Feinde wird der Apostel zweimal gebracht: einmal durch ein Wortspiel[29] v. 14. ^Segnet, die euch verfolgen^ u. s. w., einmal bei Gelegenheit der allgemeinen Menschenliebe, v. 19. 20. 21. Wir wollen jetzo, ohne seinen Ausdrücken genau zu folgen, im allgemeinen sehen, welche Pflichten gegen die Feinde Gewissen und christliche Religion uns auflege. [Fußnote 29: Nemlich im Grundtexte: »Die Ausübung der Gastfreiheit verfolget; die ^Euch^ verfolgen, segnet.«] Wenn man eine so grosse Menge von Menschen über eine so grosse Menge von Feinden klagen hört, so sollte man glauben, der Hass der Widersacher sey eines der grössten Erdenleiden, und die Pflichten gegen Feinde seyen nicht nur an sich die schwersten, sondern auch ihre Ausübung sey von der weitesten Ausdehnung. Es scheint also unserem Vorhaben nicht unangemessen, zuvörderst zu untersuchen: ^Wen wir einen Feind zu nennen berechtiget sind^, um zu finden, ob von der Summe dieses Leidens nicht ebensowohl, wie von der Summe mancher anderen Leiden etwas abgehe, und ob die Pflichten, die es uns auflegt, -- wenn sie auch so schwer seyn sollten, als man glaubt -- in der Ausübung oft vorkommen. In der allgemeinsten Bedeutung nennen wir alle diejenigen unsere Feinde, die an der Ausführung unserer Unternehmungen uns hinderlich sind. Dies aber kann aus zweierlei Ursachen entstehen, nemlich, entweder weil ^unsere Unternehmungen^, oder weil ^wir selbst^ ihnen misfällig sind; der dritte mögliche Fall, dass sie beiden abgeneigt seyen, gehört mit unter die zwei ersten. -- Unser Vorhaben kann Anderen zuwider seyn, entweder weil es ungerecht ^ist^, oder weil es ihnen nur so ^scheint^. -- Im ^ersteren Falle^ also wollen wir ungerecht seyn; wollen handeln, als ob die ganze Schöpfung nur für uns, und ihre vernünftigen Bewohner nur zu Werkzeugen unserer Einfälle da seyen: und wenn dann Einer sich unterfängt, zu glauben, dass es noch etwas gebe, was er von uns nicht ertragen müsse -- Einer sich nur in den Weg stellt, und unseren Anmaassungen Grenzen setzt: so schreien wir über Verfolgung, und nennen jenen muthigen Vertheidiger des Rechts unseren Feind. -- Und mit welchem Rechte? Wollen wir ihn bloss ^an sich^ seinem persönlichen Werthe nach betrachten, so nöthigt unser Herz, sey es so verdorben es wolle, uns das Bekenntniss ab, dass ^der^ Mann -- fordere es nun bloss die allgemeine Menschenpflicht, oder fordere es überdies noch seine besondere Pflicht in der Gesellschaft von ihm -- dass ^der^ Mann, der ohne Kummer um unseren Verdruss und unsere Feindschaft sich der Ungerechtigkeit muthig entgegenstellt, und dem die unvertheidigte Sache des heiligen Rechtes theurer ist, als unsere Freundschaft, unendlich mehr werth ist, als wir, und dass wir nicht viel Ehre haben, unsere Klagen über ihn laut werden zu lassen; -- oder wollen wir ihn ^in Beziehung auf uns^ betrachten, so werden wir in dem Manne, der uns die unvertilgbare Schande, und die blutige Reue, und das unauslöschbare Andenken, und die nie endenden Folgen einer ungerechten That erspart, und uns zwingt, besser und glückseliger zu seyn, als wir wollten, unseren wahrsten Wohlthäter anerkennen müssen. Solche Gegner also gehören gar nicht in die Zahl unserer Feinde. In ^dem zweiten Falle^ waren die Feinde der Jünger Jesu, und überhaupt der ersten Christen, an welche die Ermahnungen des Apostels gerichtet sind. Sie widersetzten sich dem Vorhaben der Apostel und ihrer Anhänger, weil es ihnen ungerecht schien. -- Es war damals eben wie jetzt. Die Juden, deren grösster Beweis für die Wahrheit ihrer Religionsgrundsätze der war, dass ihre Väter und Grossväter auch so geglaubt, auch so geopfert, auch mit den Formeln gebetet hatten, hassten, verfolgten, tödteten, wenn sie konnten, die ersten Christen, weil sie eine aufgeklärtere Gottesverehrung einführen wollten, welches jene für ein sehr sträfliches Unternehmen hielten. -- So wurde das Vorhaben der ersten Christen verkannt, und darum angefeindet, und so kann es auch das unsrige werden, von welcher Natur es auch sey. -- Auch solche Gegner können wir nicht mit Recht Feinde nennen; ihr Widerstand entsteht nicht aus boshaften Absichten gegen unsere Personen; sie meinen für das Recht zu kämpfen, und ihre Triebfeder wenigstens ist edel. Sollten wir uns darüber erzürnen, dass wir erleuchteter sind, als sie? Diese Gegner sinds, von denen der Apostel sagt: ^segnet sie^ -- wünscht ihnen von ganzer Seele alles Gute, und besonders dasjenige Gute, dessen sie am meisten bedürfen -- Erleuchtung. Wünscht sie ihnen nicht bloss, sondern sucht werkthätig durch weise Belehrung und durch das, was kräftiger wirkt als alle Belehrung, durch einen reinen Wandel ihre Begriffe zu berichtigen. Führet einen guten Wandel unter den Heiden, auf dass die, so von euch afterreden, als von Uebelthätern, eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Endlich kann Jemand, ohne unser persönlicher Feind zu seyn, unser Widersacher auch bloss darum werden, weil wir seinem Eigennutzen im Wege stehen, weil ^unsere^ Erniedrigung ^ihn^ heben soll. Wir finden uns einmal auf seinem Wege, und er rennt uns nieder -- nicht etwa -- aus besonderer Abneigung gegen uns; er hätte jeden anderen, der auf unserem Platze gestanden hätte, auch niedergerannt. Er schreitet seinen Schritt einher -- es kommt ein Wurm unter seine Füsse -- er zertritt ihn. Aber warum musste auch der Wurm unter seinen Fuss kommen; er hätte ihm sonst sein Leben wohl gönnen mögen. -- -- Ohne das Fürchterliche einer solchen Sinnesart mildern zu wollen, dürfen wir doch sagen, dass auch ein solcher Gegner nicht unser Feind zu nennen sey. Er ist freilich auch nicht unser Freund: er ist Niemandes Freund, als der seiner eigenen geliebten Person. Er ist freilich ein Feind des Rechts und der Menschheit, und der unsrige, weil wir zu ihr gehören; aber er hasst doch keinen weniger, als uns, und das, was uns trifft, ist nichts, als das allgemeine Loos. Wir haben freilich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht ihn zu behandeln, wie jeden Feind der Gerechtigkeit; aber wenn wir ihn mit persönlicher Erbitterung hassen wollten, so würden wir selbst ungerecht und ihm ähnlich werden. Es ist also Niemand übrig, den wir mit Recht unseren Feind nennen könnten, als derjenige, der eine persönliche Abneigung gegen uns hat, und unser Vorhaben hindert, bloss darum, weil es das ^unsrige^ ist. Solche Gegner eigentlich, und nur in einem gewissen Sinne die der beiden letzteren Klassen, sind der Gegenstand der Pflichten gegen Feinde. Da nichts in der Welt ganz ohne Ursache geschieht, und folglich auch der Hass unserer persönlichen Feinde nicht völlig ohne Grund seyn möchte, so ist es hierbei die erste Regel der Sittenlehre, sich sorgfältig und unparteiisch zu prüfen, ^ob^ man, und ^wodurch^ man Gelegenheit zu dieser Abneigung gegeben habe. Die Menge der Freunde oder Feinde ist zwar nie ein richtiger Maassstab zur Schätzung des sittlichen Charakters eines Menschen; wenn aber so gar viele aus dem Haufen treten und sagen: du habest sie gedrückt, so kannst du mit hoher Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass du eine harte Seite habest. Jede uns bekannt gewordene Abneigung legt uns die Pflicht auf, uns sorgfältig zu prüfen, ob wir vielleicht durch unsere Ungerechtigkeit, durch unsere Unterdrückungssucht uns hassenswürdig gemacht haben; -- und dann wären wir ja wahrlich nicht werth, unsere Augen gegen unsere Gegner aufzuheben; -- oder ob wir vielleicht bei wirklich guten Absichten durch unser unzweckmässiges Benehmen, durch eine rauhe, unfreundliche Steifigkeit, durch einen Mangel der Schonung gegen Anderer Schwachheiten ihnen einen Verdacht gegen den Baum beigebracht haben, der so herbe Früchte trägt. Sollten wir in dieser Prüfung, bei der wir uns ja nicht schmeicheln müssen, etwas von der Art finden, so bleibt uns nichts übrig, als die Folgen unserer eigenen Unklugheit geduldig zu tragen, hinzugehen und uns zu bessern. Finden wir aber an uns keine Schuld, so tritt unsere erste heiligste Pflicht ein: die, dem Unrechte zu widerstehen, insoweit wir können, ohne selbst ungerecht zu werden, und die Ordnung zu zerstören. -- Irret euch nicht, m. Br.: alles sich gefallen zu lassen, alles gut zu heissen, alles zu dulden, fordert kein Christenthum; und die Vernunft erklärt dies für Unverstand und Mangel an wahrer Abneigung gegen das Böse, wenn sie es bloss an sich -- und für Unterstützung und Verewigung der Unordnung, wenn sie es in Rücksicht seiner Folgen für das Ganze betrachtet. Wer das Böse an Anderen nicht hasst, der hasst es gewiss auch nicht an sich selbst; und wer keiner Empfindlichkeit gegen zugefügtes Unrecht fähig ist, ist ebensowenig der Dankbarkeit für erzeugte Wohlthaten fähig. -- Zwar sagt Jesus: ^Ich sage euch, dass ihr allerdings nicht^, überhaupt und in keinem Falle nicht, ^widerstreben sollt dem Uebel^. ^Nimmt dir jemand den Rock, dem lass auch den Mantel^, u. s. w. Aber es ist bei diesen und ähnlichen Stellen zu bemerken, dass die Evangelisten uns nicht nur diejenigen Aussprüche Jesu, welche er als Dolmetscher des Willens der Gottheit an die Menschen zu gültigen Gesetzen für alle Zeiten und Völker aufstellte, sondern auch solche Reden aufbehalten haben, in denen er als klügerer Freund, bloss seinen Jüngern einen guten Rath für ihre besondere Lage giebt. Ob eine Vorschrift zu der ersteren oder zu der letzteren Art gehöre, ist nur daraus zu ersehen, ob sie durch unsere Vernunft, als ein allgemeingültiges Gesetz bestätigt werde oder nicht. Die Jünger Jesu würden vor jüdischen oder heidnischen Richterstühlen nicht nur keine Genugthuung erlangt haben, sondern auch dadurch in ihrem ersten Berufe, die christliche Religion zu predigen, gestört, und vielleicht weit eher, als es für ihre Bestimmung seyn sollte, getödtet worden seyn. Ihnen blieb also kein Mittel übrig, um sich ihren mühseligen Zustand erträglicher zu machen, als alles geduldig zu ertragen, und durch die höchste Sanftmuth ihre Feinde wenigstens zu einiger Schonung zu erweichen. Späterhin, nachdem ganze christliche Gemeinen errichtet waren, sagt schon Johannes: ^Sündigt dein Bruder an dir, so strafe ihn alleine^; so verweise es ihm unter vier Augen; ^höret er dich nicht, so sage es der Gemeine; höret er die Gemeine nicht, so halte ihn als einen Zöllner und Sünder^. Für uns aber, die wir in ganzen christlichen Staaten leben, tritt die allgemeingültige, durch die Vernunft bestätigte Bemerkung Paulus in ihre volle Wirksamkeit ein: ^dass die Obrigkeit^, als Stellvertreterin der ganzen Gesellschaft, ^das Schwert nicht umsonst tragen, sondern dass sie des allvergeltenden Gottes Dienerin auf der Erde, und eine Rächerin seyn müsse über jeden, der Uebeles thut^; dass wir mithin, wenn dieser Satz nicht aufgehoben werden, und unseren übrigen Pflichten nicht widersprechen soll, sie zur Ausübung dieser Stellvertretung Gottes bei uns zugefügtem Unrechte auffordern müssen, mit dem Zutrauen, dass sie stets bereit seyn werde, das unterdrückte Recht zu rächen; ein Zutrauen, das sie, und Gott, dessen Bild sie ist, ehrt. -- Eben daraus aber, dass wir unsere Sache ihr übertragen sollen, folgt, dass wir uns nicht selbst rächen dürfen; sondern es lediglich ihr, ^als ihre eigene Sache^ überlassen müssen. Diese Genugthuung aber werde gesucht ^mit^ und ^aus Liebe^. Nicht das sey unser Zweck, dem Feinde wieder Böses zuzufügen, sondern bloss und einzig das, das Böse in ihm, und durch das Beispiel seiner Bestrafung auch in anderen kräftigst zu hindern. Wer irgend einer anderen Absicht sich bewusst ist; wer in seinem Herzen den geringsten Zug von Lieblosigkeit, die leiseste Freude über die gehoffte Bestrafung seines Beleidigers aufspürt; wer nicht sogar Schmerz empfindet, dass seine Pflicht ihn nöthigt, um desselben Bestrafung anzusuchen, verliert jenes Recht gänzlich, weil er durch Bestrafung seines Widersachers die Obrigkeit nicht zur Dienerin des Rechts, sondern zum Werkzeuge seiner Rachsucht und seiner Feindseligkeit machen, und in ihr Gott, dessen Bild sie ist, entweihen würde: -- durch welche Regel denn jene Erlaubniss Genugthuung zu suchen, wieder genau in ihre gehörigen Grenzen eingeschlossen wird. -- Man sey der Sache Feind, und der Person Freund. Man arbeite, kämpfe, ringe, das Unrecht zu verhindern; aber man sey in allen übrigen gerechten Dingen dem Gegner zu jedem Dienste und jeder Aufopferung bereit. Man ringe darnach, ihm zu dienen: -- zwar nicht ausgezeichnet vor allen anderen Menschen, und ebendarum, ^weil^ er der Feind ist; eine Warnung, die nur für wenige seltene Menschen noth thut. -- Es giebt nemlich Menschen, die, mit einer Anlage zur Erhabenheit und Stärke der Seele geboren, dieselbe durch harte Selbstkämpfe erhöht haben, und aus diesem Kraftgefühl eben das Schwerste in ihren Pflichten begierig an sich reissen, und die unter zweien ihrer Hülfe gleich bedürfenden Gegenständen eben den Feind, und das eben um seiner Beleidigungen willen gegen sie, vorziehen würden; bloss um das erhabene Gefühl zu empfinden, die Bitterkeit in ihrer Seele besiegt zu haben. So edel und erhaben diese Triebfeder auch ist, so verbietet doch eine reine Sittenlehre, die Wahl der Gegenstände unserer Wohlthätigkeit dadurch bestimmen zu lassen. -- Die einzige allgemeingeltende Regel der Sittenlehre hierüber ist die: der Feind werde in völlige Gleichheit mit allen bedürftigen Gegenständen gesetzt; der ^Feind^ werde ^im Bedürfniss^ vergessen; unser hülfsbedürftiger, hungernder, unbekleideter Feind sey nicht mehr Feind, sey bloss hülfsbedürftig, hungernd, unbekleidet. Alle jene Ausdrücke von Verzeihung, von Versöhnlichkeit gegen den Feind sagen viel zu wenig; wo wir helfen und dienen können, müssen wir unserem Feinde nicht verzeihen; wir müssen keinen Feind haben, wir müssen nur den Hülfsbedürftigen sehen. Jeder Dienst, der sich auf etwas Anderes gründet, hat kein Verdienst. Die Liebenswürdigkeit solcher Gesinnungen brauche ich nicht erst zu zeigen: aber den Einwurf befürchte ich von vielen, dass dies nur schöne Gemälde seyen, die sich zwar gut darstellen und beschauen, aber nie ins menschliche Leben einführen liessen; und dass man die Welt und das menschliche Herz schlecht kenne, wenn man ihnen im Ernste so etwas anmuthen wolle. Wenn es hierbei bloss aufs Widerlegen ankäme, so dürfte ich nur das Beispiel Jesu, der im Angesichte des ungerechtesten und schmerzhaftesten Todes für seine Verfolger betete; oder, wenn euch das zu erhaben dünkte, das Beispiel seiner Jünger anführen, die gewiss schwache Menschen waren, wie wir, und eben das thaten. Zweckmässiger aber würde es seyn, die Mittel zu entwickeln, durch deren Gebrauch es leicht, sehr leicht wird, so gegen seine Feinde zu handeln. Sie sind -- sorgfältige Selbstprüfung und lebhafte Erkenntniss seiner eigenen Schwachheiten, das daraus entstehende Gefühl der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur überhaupt, und besonders die Ueberzeugung, dass das wenigste Böse in der Welt erweislich aus Bosheit, und bei weitem das meiste aus Unverstand geschehe: eine Betrachtung, die vor jetzt die Kürze der Zeit mir verbietet. Dies sind die allgemeinen Pflichten, die wir gegen unsern Feind, so wie gegen alle Menschen haben. Es giebt aber noch eine besondere gegen den ersteren, die: sie zu bessern und zu unseren Freunden zu machen; welche gleichsam die Probe enthält, ob wir alle unsere übrige Pflichten gegen sie redlich erfüllt haben. Haben wir alles weggeräumt, was dem Feinde Veranlassung geben könnte, uns zu hassen; haben wir ihn stets mit Liebe und Edelmuth behandelt, so kann es nicht fehlen, er wird endlich -- sey es so spät, als es wolle -- er wird endlich gewiss unser Freund werden. Und welch Vergnügen wird uns dann überströmen! Ich habe, theure Freunde, durch eine Schilderung der Ruhe und Heiterkeit, und des wahrsten Selbstgenusses, den solche Gesinnungen unserer Seele geben, ebensowenig, als durch eine Darstellung der Bitterkeit und der unangenehmen Empfindungen, welche Hass und Unduldsamkeit über unser Herz verbreiten, diese Betrachtung unterbrechen wollen, um nicht durch Vorstellung eures eigenen Nutzens euch zur Anerkennung eurer Pflicht zu bestechen zu scheinen. Jetzt aber, nach vollendeter Untersuchung, erlaubt mir einige Fragen an euer Herz zu legen. Ich will euch nicht fragen, ob ihr persönliche Feinde, -- solche Feinde habt, denen alles zuwider ist, was von euch kommt, die alle eure Unternehmungen zu hintertreiben suchen, die euer Unglück und euren Untergang geschworen zu haben scheinen? Solche Feinde sind überhaupt selten, und sind es besonders gegen eine stille, anspruchslose Lebensart. Aber das lasst euch fragen, ob ihr nie beleidigt worden seyd? und wer unter uns möchte wohl diese Frage mit Nein beantworten, da das menschliche Herz überhaupt nur zu leicht beleidigt wird? Ich mag auch nicht untersuchen, ob ihr euch nicht vielleicht durch eure eigene Schuld diese Beleidigung zuzoget -- ihr sollt völlig recht, euer Beleidiger völlig unrecht haben. Denkt euch jetzt einmal diese Beleidigung mit allen ihren Umständen; denkt euch den Beleidiger gegenwärtig; oder vielleicht ist er es, vielleicht ist er mit euch in diesem Gotteshause, und ihr könnt ihn erblicken. Wie wird euch bei seinem Anblick zu Muthe? was wünscht ihr ihm? wenn ihr ihm in diesem Augenblicke einen beträchtlichen Schaden zufügen könntet, würdet ihrs thun? wenn ihr in diesem Augenblicke ihm einen sehr wesentlichen Dienst erzeigen könntet, würdet ihr eilen? würdet ihrs willig und mit Freuden thun, oder würde es euch einen grossen Kampf kosten? würdet ihr vielleicht vorher eure Bitterkeit gegen ihn auslassen müssen? Wie? ihr hättet Feindschaft mit euch in dieses Haus des Friedens gebracht? indem ihr eure Stimmen mit den Stimmen eurer übrigen Mitchristen zur Anbetung Gottes vereinigtet, hätte in einem der geheimsten Winkel eures Herzens sich Abneigung gegen diejenigen verborgen, die ihre Stimmen mit den eurigen vereinigten? unter den Wünschen, die aus eurem Herzen zum Vater aller emporwallten, hätte sein allsehendes Auge Wünsche für das Elend derer entdeckt, die seine Kinder sind, wie ihr? Müsset ihr euch dann nicht vor Gott, dessen Auge wahrlich in diesem Augenblicke das Innerste eurer Herzen durchschaut, schämen? Seyd ihr bei diesen Gesinnungen bisher glücklich gewesen? Habt ihr euch nie der Schwachheit geschämt, eure Ruhe von gewissen Anblicken, gewissen Erinnerungen abhangen lassen zu müssen? eure ganze Seele als einen Schauplatz der niedrigsten Empfindungen erblicken zu müssen, sobald eure Gedanken auf gewisse Begebenheiten eures Lebens fielen? Empfindet ihr diese Scham -- fühlt ihr diese Unannehmlichkeit eures bisherigen Lebens -- o möchte es dann doch in dieser Stunde in allen Seelen, in denen es bisher trübe war, helle werden; möchte doch allen Freude aufgehen! Ihr könnt in diesem Augenblicke nicht hingehen zu eurem Beleidiger, ihm nicht die Hand drücken, und ihn versichern, dass aller Hass aus eurer Seele rein weggetilgt ist; -- dies ist nicht in eurer Macht, aber euer Herz ist in eurer Macht. -- O möchten sie doch, diese eure Herzen, in dieser Minute sich vereinigen, so wie ihr hier vereinigt vor Gott sitzt; möchten sie doch in dieser Minute, Gott, und alle seligen Geister, die uns hier umringen, zu Zeugen, den unzertrennlichsten Bund des Friedens schliessen! Du aber, o Gott, der du wahrlich hier zugegen bist, und unser aller Herz siehst -- sey unser Zeuge -- wir wollen uns lieben, und nie hassen, wir wollen von nun an allen Hass und Bitterkeit aus unserer Seele tilgen. Amen. Ueber die Wahrheitsliebe. Eingang. ^A. Z.^ Das Wort ^Wahrheit^ wird in einer doppelten Bedeutung gebraucht, und bezieht sich entweder auf die Erkenntnisse unseres Verstandes, oder auf die Gesinnungen unseres Herzens. Wenn in Absicht unseres Verstandes unsere Vorstellungen von den Dingen mit den Dingen an sich übereinstimmen,[30] wenn z. B. dasjenige, was wir für ein Glück halten, wirklich ein Glück, und dasjenige, was wir für ein Unglück halten, wirklich ein Unglück ist, so ist Wahrheit in unserer ^Erkenntniss^, und dieser Wahrheit Gegentheil heisst ^Irrthum^. -- Wenn in Absicht unseres Herzens alle unsere Aeusserungen mit unseren inneren Gesinnungen übereinkommen, so ist dies Wahrheit in der zweiten Bedeutung, welcher wir ^Falschheit^ und ^Lüge^ entgegensetzen. Wenn man von Wahrhaftigkeit, von der Pflicht sich der Wahrheit zu befleissigen u. s. w. redet, so wird dies Wort in der letzteren Bedeutung gebraucht; denn Wahrheit in der ersteren, oder die Richtigkeit unserer Vorstellungen von den Dingen hängt von dem Maasse unserer Fähigkeiten und unserer Bildung, nicht aber von unserem freien Willen ab, und lässt sich mithin weder durch göttliche, noch durch menschliche Gesetze anbefehlen. Wer wissentlich falsch und ein Lügner ist, wird dadurch nicht nur ein sehr schädlicher Gegenstand für die Gesellschaft, sondern auch ein sehr schändlicher für sich selbst: denn wie niederträchtig feige muss sich derjenige erscheinen, der sich nie getrauen darf, seines Herzens Meinung zu entdecken, und der im Innern seines Herzens ohne Unterlass eine Schande sieht, die er vor jedes Anderen Auge sorgfältig verbergen muss! Diese Pein der Selbstverachtung, oft um eines sehr geringen Vortheils willen, auf sich zu nehmen -- dazu, sollte man meinen, würden die wenigsten Menschen Entschlossenheit genug haben; und es müsste mithin der Falschheit und der Lügen weit weniger unter ihnen seyn, wenn sie nicht meistentheils damit angefangen hätten, sich selbst zu betrügen, ehe sie andere betrogen, wenn ihr Herz in der Falschheit gegen andere sich nicht erst an ihnen selbst geübt, und dieser unselige Selbstbetrug sie nicht gegen die Schande, Betrüger Anderer zu seyn, abgehärtet hätte. -- Ich habe jetzt, a. Z., ich habe die giftige Quelle genannt, aus welcher unser ganzes sittliches Verderben herfliesst. Nur diese lasst uns, wenigstens in uns selbst, zu verstopfen suchen. Hört mich deswegen aufmerksam an, wenn ich heute von der Gemüthsverfassung, welche vor jenem unseligen Selbstbetruge verwahrt -- wenn ich von ^Wahrheitsliebe^ mit euch rede. [Fußnote 30: Man wird mir für die Kanzel diese Namenerklärung verzeihen, und die Untersuchung, ob so etwas sich überhaupt nicht etwa widerspreche und nichts gesagt sey, schenken. -- Wenigstens ist das hier Gesagte nicht aus Unwissenheit gesagt.] Du aber, o Gott, lautere Quelle aller Wahrheit, erwärme mich heute mit einem Strahle deines Lichtes, da ich zu deinem Ebenbilde von dem, was dein Wesen ausmacht, und wodurch allein der Sterbliche dir ähnlich wird, von Wahrheitsliebe, reden soll. Geuss Licht und Wärme über meinen Vortrag, und Verstand über den Geist meiner Zuhörer herab, die sich mit mir vereinigen Dich darum anzurufen, u. s. w. ^Text.^ Das Evangelium am Sonntage Exaudi, besonders Joh. 15. v. 26. Abhandlung. Die verlesenen Worte sind aus der Abschiedsrede Jesu an seine Jünger. Jesus, der sorgfältige Führer derselben, sollte sie, eben im Begriffe ihr für die Menschheit so wichtiges, für sie selbst so schwieriges Lehramt anzutreten, noch überhäuft von Vorurtheilen des Verstandes, und noch grosser Schwachheiten des Herzens fähig, verlassen. Um sie hierüber zu beruhigen, versprach er ihnen einen anderen Tröster, oder richtiger ^Führer^, der ihre Vorurtheile ebenso berichtige, und sie vor Schwachheiten ebenso sorgfältig warne, als er selbst es bisher gethan hatte, den ^Geist der Wahrheit^. Ich lasse ununtersucht, was man in diesen Worten etwa alles finden kann, wenn man recht begierig etwas recht Wunderbares sucht. Ungekünstelt erklärt sagen sie das, was ein zärtlicher Vater sagen würde, wenn er in der Todesstunde seine noch nicht völlig ausgebildeten Kinder um sich her versammelte, und zu ihnen spräche: Bisher habe ich eure Handlungen geleitet; jetzt muss ich euch verlassen, und das ist gut für euch, damit ihr endlich euch selbst regieren lernt.[31] Statt meiner verweise ich euch an einen erhabenern Führer, ^an euer Gewissen^. Wie ihr bisher auf meine Warnungen horchtet, ebenso horcht hinführo auf die Warnungen dieses; und wie bisher mein Beifall euer höchstes Ziel war, ebenso sey es hinführo der Beifall eures eigenen Herzens: und dass dieses euch nie täuschen werde, dafür bürgt mir die ^Wahrheitsliebe^, die ich in euch bemerkt und gepflegt habe. -- Jesus sagt, dass er ihnen diesen Wahrheitsgeist ^senden^ wolle, nicht als ob sie etwa erst jetzt durch irgend ein Wunderwerk umgeschaffen die Wahrheit würden lieben lernen, -- die Jünger Jesu, die an sich weder besser unterrichtet, noch tugendhafter waren, als die übrigen Juden ihrer Zeit, zeichneten sich eben durch Wahrheitsliebe, und bloss durch sie von anderen aus, und wurden bloss um dieser willen Schüler Jesu -- sondern, weil sie erst jetzt, nach dem Verluste ihres äusseren Führers, dieses inneren Führers bedürfen würden. Wir alle, meine th. Fr., sind eben so, wie die Jünger Jesu, an unser Gewissen gewiesen, und eben so nöthig, als Jene, bedürfen wir ^der Wahrheitsliebe^, um seine Stimme zu hören. Es ist also der Mühe werth, diese Wahrheitsliebe genauer kennen zu lernen. Die Wahrheitsliebe, ^von der wir hier und heute reden^, besteht kürzlich darin: ^dass man sich in seiner Meinung von seiner eigenen Tugend nicht betrügen wolle^. Dies nun scheint Anfangs widersprechend; denn es scheint auf den ersten Anblick unmöglich, ^sich selbst^ zu hintergehen, und hintergehen zu ^wollen^. [Fußnote 31: Joh. 16, 7.] Wenn man aber daran denkt, dass der menschliche Wille durch zwei sehr verschiedene Haupttriebe in Bewegung gesetzt wird, deren einer ihn antreibt, sich vor Beschädigungen seines Leibes und Lebens zu sichern, und die Mittel aufzusuchen, dieses Leben unter so vielen angenehmen Empfindungen hinzubringen, als möglich; -- ein Trieb, den wir ^Eigenliebe^ nennen, und den wir mit den Thieren des Feldes gemein haben: -- deren zweiter aber ihn drängt, das Gute zu verehren und das Laster zu verabscheuen; -- ein Trieb, der uns in den Rang höherer Geister und zum Ebenbilde der Gottheit erhebt, und den wir das ^Gewissen^ nennen; -- -- Triebe, die so verschieden sind, dass daher einige zwei Seelen im Menschen angenommen haben; eine Bemerkung, welche allein es schon hinreichend erklärt, wie Jesus von dem verheissenen Geiste der Wahrheit, als von etwas ^ausser den Jüngern^ reden konnte, so wie auch schon ein Weiser einer anderen Nation das Gute und Edle, das er that oder sagte, den Eingebungen eines höheren Geistes zugeschrieben hatte: -- wenn man ferner bedenkt, dass diese beiden Antriebe, -- der der Eigenliebe und der des Gewissens -- sich oft geradezu widerstreiten, indem der erstere den Menschen antreibt, etwas als angenehm und nützlich zu begehren, was der zweite als schändlich und ungerecht ihn zu verabscheuen nöthigt: wenn man dieses beides bedenkt, so lässt sich sehr leicht einsehen, wie der Mensch, dem die Tugend nicht lieb genug ist, um alles für sie aufzuopfern, in dem Gedränge, in welches er bei diesem Widerstreite geräth, und in der Wahl, entweder die Befriedigung seiner liebsten Neigungen aufzugeben, oder sich selbst für einen ungerechten und schändlichen Menschen zu halten, einen Ausweg suchen und ihn darin finden werde, dass er sich überrede, sein Vergehen sey so gross noch nicht, und er könne demohngeachtet doch noch ein guter Mensch seyn. Solche Menschen sind nicht einmal stark genug, um ganz Bösewichter zu seyn, und begierig, die Lust des Lasters und die Freuden des guten Gewissens mit einander zu vereinigen, betrügen sie sich selbst, oder die schlechtere Seele in ihnen verfälscht die Aussagen der besseren. Der trüglichen Vorspiegelungen, deren sie sich dazu bedienen, sind unzählige. Jetzt überreden sie sich, andere ^Bewegungsgründe^ bei ihren Handlungen gehabt zu haben, als sie wirklich hatten, und glauben es sich z. B. im Ernste, dass Gerechtigkeits- und Pflichtliebe, oder Wohlthätigkeit sie da geleitet habe, wo sie doch ihrer angeborenen Härte oder ihrer Eitelkeit fröhnten. -- So waren die, von denen Jesus in unserem Evangelium sagt (Cap. 16, 2): sie werden, indem sie euch tödten, Gott einen Dienst damit zu thun meinen. -- Eigentlich war wohl beleidigter Stolz und Rechthaberei dasjenige, was die verfolgungssüchtigen Juden, so wie die Verfolger aller Zeiten und Völker, trieb, nicht aber die Begierde, Gott einen Dienst zu thun. Das letztere banden sie sich wohl nur so auf; denn es ist sehr zweifelhaft, ob sie, wenn ^sie^ an ihrer Seite die Gemarterten, und ^ihre Gegner^ die Marterer gewesen wären, unter den Qualen des schmerzlichsten Todes gerufen haben würden: o, was für liebe fromme Leute sind doch unsere Mörder! Es ist wahr, dass uns der Tod schwer, und die Qualen desselben schmerzhaft ankommen; aber sie meinen es dabei doch so herzlich gut, und martern uns aus brennender Andacht und sehr thätiger Menschenliebe zu Tode. Jetzt rechnen sie sich gewisse gute Handlungen, die sie darum thaten, weil sie ihnen die wenigste Aufopferung kosteten, so hoch als möglich an, und meinen damit alle ihre übrigen Vergehungen zu vergütigen. So soll etwa ein schweres Almosen, mit langsamer widerstrebender Hand dargereicht, für alle Ausbrüche unreiner Lüste, oder für eine Menge schreiender Ungerechtigkeiten genugthun. Das ist Selbstbetrug in der ^Anwendung^ der Aussprüche unseres Gewissens auf ^unsere Handlungen^; ein Betrug, der sich Keinem, dem es ein Ernst ist, sich selbst recht kennen zu lernen, lange verbergen kann; denn aus ihm entstehen die schreiendsten Widersprüche in den Grundsätzen, wonach wir ^uns^, und in denen, wonach wir ^andere^ beurtheilen. Wir wollen dann immer die Ausnahme von allen übrigen Menschen seyn, und was für alle andere ungerecht ist, soll für uns erlaubt, was bei allen anderen höchst zweideutig ist, soll bei uns schön und edel seyn. Da nun bei einem so groben Selbstbetruge unser Herz immer in der Gefahr ist, auf seiner Falschheit ergriffen zu werden; da ferner gewisse Handlungen nach allen möglichen Milderungen und Beschönigungen doch noch immer ein sehr hässliches Aussehen behalten, so fällt der Mensch aus diesem gefährlichen Selbstbetruge leicht in einen noch gefährlicheren: er sucht sich nemlich des einzigen höchsten Gesetzes für seine Handlungen, seines Gewissens, das ihm so lästig geworden ist, ganz zu entledigen, und beruft sich, -- ein Jeder nach Maassgabe seines Scharfsinnes -- auf ein anderes: der Schwache auf das Beispiel der grösseren, oder der vom Schicksale begünstigteren Menge; der Scharfsinnigere geradezu auf seine Neigung, die er statt des zum Vorurtheile herabgewürdigten inneren Gefühls durch tausend Spitzfindigkeiten als höchstes Gesetz für die freien Handlungen vernünftiger Wesen aufzustellen sucht; endlich ganze Zeitalter -- o unseligste Ausgeburt des menschlichen Verderbens! -- auf erdichtete oder verfälschte Offenbarungen der Gottheit, die, unter der Gewährleistung eben des Gottes, der seinen Willen unauslöschlich in unser Herz schrieb, diesem in unser Herz geschriebenen Willen geradezu widersprechen und in seinem Namen das Laster in Tugend verwandeln. -- Sehet da, m. Br., in dem Verderben der Menschen, und in ihrer Begierde, dieses Verderben vor sich selbst zu verbergen, die wahre Urquelle Jenes: »andere, die es doch besser verstehen sollten, machen es eben so« -- das man so oft hört; jener Gebäude von Sittenvorschriften, die jetzt feiner, jetzt gröber unsere Neigung als höchstes Sittengesetz aufstellen, und nach denen nichts unerlaubt ist, als wozu es uns an Kraft fehlt; jener Religionsgrundsätze, die uns dort durch Tausender, hier durch Eines fremdes Verdienst -- nicht etwa ^das Fehlende^ eigener Verdienste bei dem möglichst thätigen guten Willen -- eine solche Hoffnung bietet die Religion, und verstattet die Vernunft Jedem, der ihrer bedarf -- sondern den gänzlichen Mangel an eigenem guten Willen ersetzen lehren, und uns am Ende eines gemisbrauchten Lebens dort in eine Mönchskutte, und hier an ein kaltes: Herr, ich glaube, verweisen! Dies sind die Wege, die das menschliche Herz nimmt, um sich der Erkenntniss der Wahrheit zu entziehen. Um allen diesen Fallstricken, die der schlauste Verführer, unser eigenes Ich, uns legt, zu entgehen, bedarf es der ^Wahrheitsliebe: -- der entschiedenen vorherrschenden Neigung, die Wahrheit _bloss um ihrer selbst willen_ -- sie falle für uns auch aus, wie sie wolle -- anzuerkennen^. -- Diese Wahrheitsliebe, oder mit Jesu zu reden, dieser Geist der Wahrheit treibt uns fürs erste, unser Gewissen als den einzigen Richter über das, was recht oder unrecht ist, und als das höchste Gesetz anzuerkennen, dem wir immer und ohne Ausnahme zu gehorchen, schlechterdings schuldig sind. -- Die schönste Uebersetzung des allgemeinen Ausspruchs dieses Gesetzes ist die, welche Jesus gegeben hat: ^Was ihr nicht wollt, dass es euch die Leute thun, das thut auch ihr ihnen nicht^, oder allgemeiner: ^was euch an anderen ungerecht und schändlich vorkommt, das ists gewiss auch an euch; denn ebendieselbe Stimme in euch, die es an andern verdammt, verdammt es auch an euch^. Es ist also der erste und der Hauptgrundsatz der Wahrheitsliebe: ^nichts sich für erlaubt zu halten, was man nicht allen anderen stets und immer erlauben möchte^. -- Die Vernunftmässigkeit dieses Grundsatzes ist ^so^ einleuchtend, und es ist ^so^ unvernünftig, zu glauben, dass ein Einziger eine Ausnahme vom ganzen Menschengeschlechte und allen vernünftigen Wesen machen solle; dass Ihm allein erlaubt seyn solle, was er allen anderen nicht erlaubt, und für ihn allein gerecht und edel seyn solle, was er an allen anderen ungerecht und schändlich findet: dass es schwer wird, es zu glauben, dass der grösste Haufen der Menschen sein eigenes geliebtes Ich in diesen Rang setze, und diesem Gedanken gemäss handele. Diese Wahrheitsliebe treibt fürs zweite den, in welchem sie herrschend geworden ist, ^sich nach den Vorschriften seines Gewissens unparteiisch zu prüfen^. -- Es ist ihm nur um die Wahrheit zu thun; nur sie ist ihm werth und willkommen; sie ist ihm weit theurer als Er sich selbst; laute sie, wie sie wolle, wenn es nur Wahrheit ist. Er wird also, weit entfernt nach Entschuldigungen und Beschönigungen zu haschen, vielmehr sehr sorgfältig über sein betrügerisches Herz wachen. Er wird seine Fehler nicht geringer, seine Tugenden nicht grösser machen wollen, als sie sind. Er wird sich, wenn die Stimme der Wahrheit, -- das heiligste, was er kennt -- ihn verurtheilt, dem Schmerze der Reue und dem Gefühle der Scham vor sich selbst edelmüthig unterwerfen. Diese Wahrheitsliebe nun treibt unwiderstehlich zur Tugend. Anerkennt man das Gewissen für sein höchstes Gesetz; prüft man sich unparteiisch nach demselben, so wird man die Pein, sich selbst verachten zu müssen, nicht länger ertragen, sich nicht entschliessen können, sich selbst für ungerecht und böse zu halten, und -- es bleiben zu wollen. So ein Zustand ist wider die menschliche Natur. Sich für verdorben halten, und sich entschliessen, es zu bleiben, ist widernatürlich. Dieser Wahrheitsgeist zeugt, laut unseres Textes, von Jesu. Er überzeugt Jeden, in dem er herrschend geworden, durch eigene Erfahrung, dass die Sittenlehre Jesu die reinste Darstellung der Aussprüche unseres Gewissens sey. ^So jemand will den Willen thun des, der mich gesandt hat, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sey, oder ob ich von mir selber rede^, konnte er mit seinem vollen Rechte sagen. Doch hört noch, a. Z., die eigenen Worte dieses Jesus über Wahrheitsliebe, damit ihr euch noch mehr überzeugt, dass ich euch jetzt nicht etwa philosophische Untersuchungen, sondern reine Bibellehre vorgetragen habe, die jeden Christen angeht. So sagt Jesus Joh. 3, 19-21. ^Das ist das Gericht^, d. h. das ist der wesentliche Unterschied, der zwei sehr verschiedene Arten von Menschen ihrer Denkungsart, und ihren damit genau verbundenen Schicksalen nach unterscheidet, dass einige, ^obgleich das Licht in die Welt gekommen ist, die Finsterniss mehr lieben, als das Licht^, d. h. dass sie, obgleich die Stimme der Wahrheit laut genug in ihrem Gewissen redet, und sie auch von aussen aufmerksam auf dieselbe gemacht werden, dennoch die Wahrheit nicht anerkennen ^wollen^, sie hassen und meiden, und nur den Betrug lieben, der ihnen schmeichelt, ^da ihre Werke böse sind^. -- ^Wer Arges thut, hasset das Licht^, oder die Wahrheit, ^und er kömmt nicht an das Licht^, er weicht der Erkenntniss der Wahrheit sorgfältig aus, ^damit seine Werke nicht gestraft werden^, damit er nicht von seiner Verdorbenheit überführt, und vor sich selbst beschämt werde. -- -- Die von dieser Menschenklasse sehr Verschiedenen sind diejenigen, ^welche die Wahrheit thun^, welche ihr Gewissen für das höchste Gesetz ihres Verhaltens anerkennen, und fest entschlossen sind, der Stimme desselben in allem zu gehorchen: -- ^diese kommen an das Licht^, sie mögen sich gern in ihrer wahren Gestalt erblicken, ^damit ihre Werke offenbar werden^, und sie dadurch sich selbst kennen lernen, wie weit sie in der Tugend gekommen sind, und was ihnen zu thun noch übrig ist. Dieser Geist der Wahrheit ^geht^, nach den Worten Jesu in unserem Texte, ^vom Vater aus^; er ist ein Geschenk der Gottheit, von welcher alle gute Gaben kommen, und das Edelste, was sie der Menschheit gab. Aber Gott gab dieses Geschenk nicht etwa nur einigen, und versagte es anderen, er gab die Anlage dazu allen; gab sie gewiss auch Jedem, der hier gegenwärtig ist. -- -- O, m. Br., warum kann ich nicht mit Jedem unter euch in die geheime Geschichte seines Herzens zurückgehen; warum kann ich nicht Jedem, Schritt vor Schritt, die Vorfälle aufzählen, bei denen die bessere Seele in ihm lauter wurde? -- Denkt zurück an die innige Bewegung, mit der die meisten unter euch das erste Mal beim Nachtmahle erschienen; an die Thränen der Rührung, mit denen ihr damals vor den Augen Gottes und den Augen der Gemeine angelobtet, der Stimme eures Gewissens stets zu gehorchen; an die ernsthaften Vorsätze der Besserung, mit denen ihr diese Handlung oft wiederholt habt; an die noch ernsthafteren Vorsätze, die ihr fasstet, wenn Krankheit oder eine andere Noth euch veranlasste, einen Blick in euer Innerstes zu thun; an den Schauder und das Herzklopfen, das auch den Verdorbensten unter uns übermannte, wenn er eine Sünde thun wollte, die ihm neu und grösser war, als seine vorhergehenden; an das Entsetzen, das uns alle befällt, wenn wir von einer harten Ungerechtigkeit, von einer grossen Schandthat hören -- alles das waren und sind Spuren dieser besseren Seele in uns. Und nun ist es unsere Sache, uns zu prüfen, wie viel von dieser ursprünglichen Wahrheitsliebe wir in uns übriggelassen haben. Und diese Prüfung, m. Br., ist nicht schwer; auf der Stelle können wir unser Herz auf dem Betruge ergreifen, wenn es uns betrügt. Der gemeinste Begriff, den selbst der unausgebildetste von seiner Bestimmung hat, ist der, ^Gott zu gefallen und in den Himmel zu kommen^. Wer ist unter uns, der das nicht hoffe? Worauf gründen wir nun diese Hoffnung, -- nicht von ^Gottes^ Seite, davon ist hier nicht die Rede, -- sondern von ^der unsrigen^, oder, was denken ^wir^ zu thun, um in den Himmel zu kommen? Tröstet ihr euch etwa eures Kirchen- und eures Nachtmahlsgehens -- oder wohl gar einer kalten Reue, die ihr einst auf eurem Sterbebette empfinden wollt -- tröstet ihr euch irgend eines Dinges, ausser der gewissenhaften Erfüllung aller eurer Pflichten, und des ernstesten Entschlusses nichts zu thun, was ihr für unrecht haltet: so hat euch bisher euer Herz betrogen, denn es hat euch an ein ander Gesetz angewiesen, als an euer Gewissen. Ihr habt alle irgend ein Vorhaben; ihr habt vielleicht ohnlängst irgend ein anderes ausgeführt. -- Könnt ihr im Ernste wünschen, dass jeder eurer Nebenmenschen stets und immer so handle, dass er auch gegen euch so handle, wie ihr gehandelt habt, oder zu handeln im Begriffe steht; könnt ihr wünschen, in einer Welt zu leben, wo jeder so handelt? Solltet ihr dieses nicht wünschen können, -- haltet ihr demohngeachtet eure Handlung noch für gerecht und billig? Haltet ihr sie dafür, so seyd versichert, dass euer Herz euch betrügt, und dass die Entschuldigungen, die es euch darbietet, eitel Täuschungen sind. Es ist, wenn wir in dieser Prüfung unser Herz nicht ganz lauter befunden haben sollten, nun unsere Sache, zu sehen, wie wir diese Wahrheitsliebe in uns wieder herstellen wollen, -- wenn wir anders nicht länger jeden Blick, den wir in unseren Busen werfen, mit Erröthen wieder zurückreissen wollen; nicht länger von dem Auge des ehrlichen Mannes uns gedrückt fühlen, und schüchtern suchen wollen, unser Herz vor ihm zu verbergen, dass er nicht durch irgend eine Spalte desselben unsere Schande entdecke; nicht länger dem Gedanken an Gott, den Herzenskündiger, und an die Zukunft, mit Angst ausweichen wollen. Dazu giebt es nun leider kein Mittel, was nicht wenigstens einen Theil dieser Wahrheitsliebe voraussetzte, die dadurch erst hervorgebracht werden soll. Wer gar keine mehr hat, der ist ohne Rettung verloren; treibt ihn in die Enge, soviel ihr wollt, -- er wird stets recht haben, und nie wird es ihm an Entschuldigungen und Ausflüchten fehlen; er wird, wie Jesus sagt, nicht glauben, und wenn die Todten auferständen, und ihm die Wahrheit predigten; daher denn auch die Gottesgelehrten diesen Zustand sehr passend das ^Gericht der Verstockung^ genannt haben. -- Aber sollte es viele, sollte es überhaupt Menschen geben, die ^so^ tief verfallen seyen? Auf das verdorbenste Herz geschehen zuweilen noch gute Eindrücke; wenn ihnen ihr ganzer trauriger Zustand recht nach dem Leben vor Augen gemalt wird; oder, wenn sie in ein grosses Unglück verfallen, aus dem sie mit ihrer ganzen Kraft sich nicht retten können; oder wenn sie das Schauspiel einer grossen Unthat erblicken, und sich gestehen müssen, dass sie auf dem geraden Wege zu dem gleichen Verbrechen sind; oder, welches das letzte und härteste Rettungsmittel in der Hand der Vorsehung ist, -- wenn sie selbst in eine grosse Missethat fallen, über die sie hinterher sich selbst entsetzen. Gott gebe, dass keiner in unserer Mitte sey, der solcher Mittel bedürfe; er gebe, dass keiner, der ihrer bedarf, auch diese ungenützt lasse. Amen. C. Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie. In einer Reihe von Briefen. 1794.[32] (Phil. Journal 1798. Bd. IX. S. 199-232. S. 292-305.) Erster Brief. Sie haben Ihre Erwartungen von der Philosophie noch nicht aufgegeben, mein theurer Freund; Sie fahren fort, an unseren Bemühungen um dieselbe Antheil zu nehmen, und füllen noch immer einen Theil Ihrer Erholungsstunden mit philosophischer Lectüre. Aber, so schreiben Sie mir, der Nachbar dürfte fast durch die Vorstellung einer neuen Gefahr Sie beunruhigen. Ihn macht der Unterschied bedenklich, den ein oder zwei neuere Schriftsteller zwischen Geist und Buchstaben in der Philosophie überhaupt, und insbesondere einer gewissen Philosophie und gewisser philosophischer Werke gemacht haben. Wo es hinauswolle, und was aus dem unermüdetsten Studiren werden könne, wenn es dem ersten dem besten erlaubt seyn solle, die mit saurer Mühe zusammengebrachten Kenntnisse im ersten Andrange des Kraftgenies zu streichen: unter dem Vorwande, dass dies doch nur der Buchstabe sey, und nicht der Geist? -- Der Nachbar denkt auf Sicherheit, und Sie wünschen eine klare Einsicht in die Beruhigungsgründe, die Sie schon jetzt dunkel fühlen. Sie haben bemerkt, dass ich auch mit für diese Unterscheidung stimme, und verlangen von mir eine gründliche und gemeinfassliche Auseinandersetzung: was Geist ^der^ Philosophie, und Geist ^in^ der Philosophie heisse, und wie sich derselbe vom Buchstaben, und vom blossen Buchstaben unterscheide. [Fußnote 32: Die folgenden drei Briefe, deren Fortsetzung in einem der künftigen Hefte erscheinen wird, sind schon vor vier Jahren abgefasst worden. -- Ich erinnere dies, um das Stillschweigen über neuere Vorfälle und Aeusserungen, an die man durch diese Ueberschrift erinnert wird, zu erklären. (Anm. des Verfassers.)] Ich hoffe, dass Sie durch die Forderung der Gründlichkeit mich nicht über Vermögen verpflichten wollen: dass Sie durch dieselbe nicht mehr andeuten, als dass ich nach bestem Wissen und Gewissen, soweit ich selbst auf den Grund sehe, jenen Unterschied aus ihm ableite. Das würde denn auch in der Kürze geschehen können, wenn ich alles, was die unmittelbare Beantwortung Ihrer Frage voraussetzt, voraussetzen dürfte. Da dies aber Ihre Rechnung nicht zu seyn scheint, indem Sie zugleich Gemeinfasslichkeit fordern, so muss ich Sie einen längeren Weg führen, von welchem ich wünsche, dass er Ihnen nie als ein Umweg erscheinen möge. Sie sollen auf demselben langsam gehen, und zuweilen ruhen und Aussicht nehmen; aber mit ein wenig Geduld hoffe ich Sie an das Ziel zu bringen und ihre Besorgnisse zu heben. -- Was die Belehrung des Nachbars anbelangt -- doch, die Erfahrung, die Sie dabei zu machen haben, kann wenigstens für Sie selbst belehrend seyn. Ehe ich Ihnen deutlich machen kann, was ich unter Geist in der Philosophie verstehe, müssen wir uns darüber vereinigen, was wir überhaupt Geist nennen. Sie erinnern sich der Klagen, die Sie führten, als Sie ein gewisses, von einigen hochgepriesenes Buch lasen. Sie konnten sich in dasselbe nicht hineinlesen. Sie hatten es vor sich und Ihre Augen fest darauf geheftet; aber Sie fanden, so oft Sie auf sich selbst reflectirten, sich weit von dem Buche; jeder Ihrer Angriffe auf den Inhalt und den Gang desselben gleitete ab, und so oft auch Sie den spröden Geist desselben ergriffen zu haben glaubten, entschlüpfte er Ihnen unter den Händen. Sie hatten nöthig, immer und immer wieder sich selbst zu erinnern, dass Sie dieses Buch studiren wollten, es studiren müssten; und es bedurfte der oft wiederholten Vorstellung des Nutzens und der Belehrung, die Sie daraus erwarteten, um den fortdauernden Widerstand auszuhalten; bis Sie endlich aus anderen Gründen überzeugt wurden, dass Sie es ebensowohl ungelesen lassen könnten, und dass selbst die Ausbeute nur geringe und der aufgewandten Mühe nicht werth seyn werde. -- Lag dabei die Schuld lediglich an Ihnen, an Ihrem Mangel an Aufmerksamkeit, an dem Nichtverhältnisse Ihres Talents gegen die Tiefe und Gründlichkeit jenes Buches? Sie schienen das nicht zu glauben; die Stimmung, in der Sie sich bei der Lectüre anderer, nicht minder gründlicher Schriften fanden, erlaubte Ihnen, eine günstigere Meinung von sich zu fassen. Sie fühlten von diesen sich angezogen und gefesselt; es bedurfte keiner Erinnerung an Ihren Vorsatz, das Buch zu studiren, und an den Vortheil, den Sie sich aus dem Studium desselben versprachen. Sie brauchten bei einer Lectüre, die allein Ihren ganzen Geist ausfüllte, keinen Zweck ausserhalb derselben aufzusuchen, und nur das kostete Ihnen Mühe, sich davon loszureissen, wenn andere Geschäfte Sie abriefen. Sie waren vielleicht mehrmals in einem ähnlichen Falle, wie eine gewisse französische Frau. Die Stunde, da der Hofball eröffnet wurde, traf dieselbe bei der Lectüre der neuen Heloise. Man meldete ihr, dass angespannt sey; aber es war noch zu früh, nach Hofe zu fahren. Nach zwei Stunden, da man sie wieder erinnerte, war es noch immer Zeit genug; und zwei Stunden darauf fand sie es zu spät. Sie las die ganze Nacht durch, und opferte für dieses Mal den Ball auf. So gehts mit Büchern, so geht es mit anderen Producten der Kunst sowohl, als der Natur. Das eine lässt uns kalt und ohne Interesse, oder stösst uns wohl gar zurück; ein anderes zieht uns an, ladet uns ein, bei seiner Betrachtung zu verweilen und uns selbst in ihm zu vergessen. Diese Erfahrung ist um so merkwürdiger, da die Gründe, aus denen man sie etwa auf den ersten Anblick dürfte erklären wollen, nicht auslangen. Der weniger ernsthafte und oberflächliche Leser, der nur Vergnügen sucht, und an den die Belehrung fast nur durch einen feinen Betrug unter der Gestalt des ersten gelangen kann, mag im ganzen freilich lieber durch Erzählungen unterhalten seyn, als mit dem Schriftsteller nachdenken und forschen. Aber oft gelingt es der reichsten Erzählung, wo Begebenheiten auf Begebenheiten folgen, die eine immer abenteuerlicher als die andere, nicht, die Aufmerksamkeit des Lesers anzuziehen; und es giebt ihrer in Menge, die, ohne alle Rücksicht auf Belehrung, lieber mit Voltaire räsonniren, oder mit Lessing polemisiren, als die Begebenheiten der schwedischen Gräfin sich erzählen lassen. Es scheint daher allerdings der Mühe werth, und liegt vielleicht auf unserem Wege, zu untersuchen: was es doch eigentlich seyn möge, das uns hier, es sey zu Frivolitäten oder zu ernsthaften und wichtigen Untersuchungen, so mächtig hinzieht; dort, so wichtig und nützlich auch der abgehandelte Gegenstand sey, so unwiderstehlich zurückstösst? So viel ist klar, dass ein Werk der erstern Art unsern Sinn selbst für seinen Gegenstand anregen, beleben, stärken möge; dass ein solches Werk uns nicht bloss das Object unserer geistigen Beschäftigung, sondern zugleich das Talent gebe, uns mit demselben zu beschäftigen, uns nicht das Geschenk allein, sondern sogar die Hand darreiche, mit der wir es ergreifen sollen; dass es das Schauspiel und die Zuschauer zugleich erschaffe, und, wie die Lebenskraft im Weltall, mit demselben Hauche der todten Materie Bewegung und Organisation, und der organisirten geistiges Leben mittheile: da hingegen ein Product von der letztern Klasse gerade denjenigen Sinn, dessen man zu seinem Genusse bedürfte, aufhält und hemmt, und durch den fortdauernden Widerstand ermüdet und tödtet; so dass der in jedem Augenblicke abgelaufene Mechanismus des Geistes durch einen neuen Druck der Haupttriebfeder in ihm, der absoluten Selbstthätigkeit, wieder hergestellt werden muss, um im nächsten Augenblicke wieder unterbrochen zu werden. Im ersten Falle denkt unser Verstand, oder dichtet unsere Einbildungskraft von selbst mit dem Künstler zugleich, und sowie er es will, ohne dass wir ihr gebieten; die gehörigen Begriffe, oder die beabsichtigten Gestalten bilden und ordnen sich vor unserem geistigen Auge, ohne dass wir die Hand daran gelegt zu haben glauben. Im zweiten Falle müssen wir immer über uns selbst wachen und uns in strenger Aufsicht haben, stets das Gebot der Aufmerksamkeit wiederholen und über seine Beobachtung halten. Wie wir unser geistiges Auge wegwenden, entfleucht unsere Aufmerksamkeit vom Ziele, die unbewachte Phantasie sucht wieder ihre gewohnte Bahn, oder auch der Geist fällt in sein dumpfes Hinbrüten zurück. Mit einem Worte: Producte der erstern Art scheinen eine belebende Kraft zu haben für den innern Sinn, und insbesondere jedesmal für denjenigen besonderen Sinn, für den ihre Auffassung gehört; Producte der letztern Art mögen Ordnung und Gründlichkeit und Nutzbarkeit, sie mögen alles haben, was man will, jene Kraft haben sie nicht. Wir nennen diese belebende Kraft an einem Kunstproducte Geist, den Mangel derselben Geistlosigkeit, und stehen sonach gerade vor dem Gegenstande, welchen wir zu untersuchen haben. Wie erhält ein menschliches Product jene belebende Kraft, und woher hat der geistvolle Künstler das Geheimniss, sie ihm einzuhauchen? Mit angenehmem Befremden entdecke ich bei Betrachtung seines Werkes Anlagen und Talente in mir, die ich selbst nicht kannte. Hat er auf diese Anlagen in mir die Wirkung seiner Kunst berechnet? Ohne Zweifel; denn woher sonst dieser Erfolg? Aber wer hat ihm mein Inneres aufgedeckt, in welchem ich selbst ein Fremdling war? Wenn er noch allenfalls durch hohe Vorstellungen aus der Religion mich in überirdische Welten erhöbe, oder durch die Schrecken des Weltgerichts erschütterte, oder durch die Leiden der sanftduldenden Unschuld mir Thränen entlockte, möchte es seyn; unerachtet es noch immer wunderbar bliebe, wie er es dahin bringt, dass ich auf seine Dichtungen, die ich für nichts als Dichtungen halte, mich nur einlasse und ihnen Empfindungen widme, die nur zu wahr sind. Aber mit der gleichen Zuversicht schildert sein Griffel einen ländlichen Tanz, wirft sein Pinsel eine Feldblume auf die Leinwand, und mein Herz ist immer seine gewisse Beute. Wo liegt der unbegreifliche Zusammenhang dieser Mittel mit jenem Zwecke, und durch welche Kunst hat er errathen, was durch kein Nachdenken sich dürfte finden lassen? Zweiter Brief. Sie nehmen die am Ende meines vorigen Briefes hingeworfene Frage auf, und beantworten sie folgendermaassen: »Nirgends als in der Tiefe seiner eigenen Brust kann der geistvolle Künstler aufgefunden haben, was meinen und Aller Augen verborgen in der meinigen liegt. Er rechnet auf die Uebereinstimmung anderer mit ihm; und rechnet richtig. Wir sehen, dass unter seinem Einflusse die Menge, wenn sie nur ein wenig gebildet ist, wirklich in Eine Seele zusammenfliesst, dass alle individuelle Unterschiede der Sinnesart verschwinden, dass die gleiche Furcht, oder das gleiche Mitleid, oder das gleiche geistige Vergnügen Aller Herzen hebt und bewegt. Er muss demnach, inwiefern er Künstler ist, dasjenige, was allen gebildeten Seelen gemein ist, in sich haben, und anstatt des individuellen Sinnes, der uns andere trennt und unterscheidet, muss in der Stunde der Begeisterung gleichsam der Universalsinn der gesammten Menschheit, und nur dieser, in ihm wohnen. -- Wir alle sind auf mannigfaltige Weise von einander verschieden; kein Einzelner ist irgend einem andern Einzelnen, dem Geistescharakter so wenig, als dem körperlichen nach, vollkommen gleich.« »Dennoch müssen wir alle, näher oder entfernter, nach Maassgabe der Gleichförmigkeit oder der Verschiedenheit unserer Ausbildung, schon auf der Oberfläche unseres Geistes, oder in seinen geheimeren Tiefen gewisse Vereinigungspuncte haben; denn wir verstehen uns, wir können uns einander mittheilen, und aller menschliche Umgang ist von Anbeginn an nichts anderes gewesen, als ein ununterbrochener Wechselkampf aller Einzelnen, jeden Einzelnen, mit dem sie im Gange des Lebens Berührungspuncte bekamen, mit sich selbst übereinstimmig zu machen. Was keinem so leicht, und keinem ganz gelingt, gelingt dem Künstler, indem er das Ziel verändert, und es aufgiebt, seine Individualität in andern darzustellen; vielmehr diese selbst aufopfert, und statt ihrer jene Vereinigungspuncte, die in allen Einzelnen sich wiederfinden, zum individuellen Charakter seines Geistes und seines Werkes macht. Daher heisst das, was ihn begeistert, Genius, und hoher Genius: ein Wesen aus einer höheren Sphäre, in welcher alle niedere und irdische Grenzlinien, die den individuellen Charakter der Erdenmenschen bestimmen, nicht mehr unterschieden werden und in einen leichten Nebel zusammenfliessen.« »Da die Mittel, deren er sich bedient, um jenen Gemeinsinn in uns anzuregen und zu beschäftigen, und die Individualität, so lange er uns unter seinem Einflusse hält, verstummen zu machen, -- da diese Mittel und ihr nothwendiger Zusammenhang mit der Wirkung durch kein Nachdenken, durch keine Beziehung auf ihren Zweck durch Begriffe, so leicht dürften aufgefunden werden, wenigstens alle bisherigen Bemühungen, sie auf diese Art aufzufinden, gescheitert sind: so kann er nur durch Erfahrung, durch eigene innere Erfahrung an sich selbst, zur Kenntniss derselben gelangt seyn. Er hat einst selbst empfunden, was er uns nachempfinden lässt, und dieselben Gestalten, die er jetzt vor unser Auge hinzaubert, -- ununtersucht, auf welchem Wege sie vor das seinige kamen, -- haben ihn einst selbst in jene süsse Trunkenheit, in jenen holden Wahnsinn eingewiegt, der uns alle bei seinem Gesange, oder vor seiner belebten Leinwand, oder bei dem Tone seiner Flöte ergreift. Er ist wieder zur kalten Besonnenheit gekommen, und stellt mit nüchterner Kunst dar, was er in der Entzückung erblickte, um in seine Verirrung, deren geliebtes Andenken ihn noch mit sanfter Rührung erfüllt, das ganze Geschlecht hineinzuziehen, und die Schuld, welche die Einrichtung seiner Gattung auf ihn lud, unter die ganze Gattung zu vertheilen. Wo gebildete Menschen wohnen, wird bis an das Ende der Tage das Andenken seiner längst erloschenen Begeisterung durch ihre Wiederholung gefeiert werden.« So lösen Sie die vorgelegte Aufgabe; und ich glaube, Sie haben recht. Aber erlauben Sie, dass wir gemeinschaftlich uns Ihre Meinung weiter aufklären, sie in ihre feineren Bestandtheile zerlegen, sie aus ihren Gründen entwickeln, um uns etwas Bestimmtes zu denken unter jenem Universalsinne, den Sie Ihrer Erklärung zum Grunde legen; um klar einzusehen, wie jener Eindruck entstehe, den sie auf diesen Sinn in der Seele des Künstlers geschehen lassen; um zu begreifen, so gut es sich begreifen lässt, warum sich derselbe so leicht und so allgemein mittheile. Vollkommen unabhängig von aller äusseren Erfahrung, und ohne alles fremde Hinzuthun soll der Künstler aus der Tiefe seines eigenen Gemüthes entwickeln, was, Aller Augen verborgen, in der menschlichen Seele liegt; er soll nur unter Anleitung seines Divinationsvermögens Vereinigungspuncte für die gesammte Menschheit aufstellen, die sich in keiner bisherigen Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das einzige Unabhängige und aller Bestimmung von aussen völlig Unfähige im Menschen nennen wir den Trieb. Dieser, und dieser allein ist das höchste und einzige Princip der Selbstthätigkeit in uns; er allein ist es, der uns zu selbstständigen, beobachtenden und handelnden Wesen macht. -- So weit der Einfluss der äusseren Dinge auf uns sich auch immer erstrecken möge, so erstreckt er sicher sich doch nicht so weit, dass er dasjenige in uns hervorbringe, was jene selbst nicht haben, und dass in ihrer Einwirkung gerade das Gegentheil von demjenigen liege, was in ihnen selbst, als in der Ursache, enthalten ist. Die Selbstthätigkeit im Menschen, die seinen Charakter ausmacht, ihn von der gesammten Natur unterscheidet und ausserhalb ihrer Grenzen setzt, muss sich auf etwas ihm Eigenthümliches gründen; und dieses Eigenthümliche eben ist der Trieb. Durch seinen Trieb ist der Mensch überhaupt Mensch, und von der grössern oder geringern Kraft und Wirksamkeit des Triebes, des innern Lebens und Strebens, hängt es ab, was für ein Mensch jeder ist. Lediglich durch den Trieb ist der Mensch vorstellendes Wesen. Könnten wir ihm auch, wie einige Philosophen wollen, den Stoff seiner Vorstellung durch die Objecte geben, die Bilder durch die Dinge von allen Seiten her ihm zuströmen lassen: so bedürfte es doch immer der Selbstthätigkeit, um dieselben aufzufassen und sie auszubilden zu einer Vorstellung, dergleichen die leblosen Geschöpfe im Raume um uns herum, denen die durch das ganze Weltall herumschweifenden Bilder so wohl als uns zuströmen müssen, nicht besitzen. Es bedarf dieser Selbstthätigkeit, um diese Vorstellungen nach willkürlichen Gesichtspuncten zu ordnen: jetzt die äussere Gestalt einer Pflanze zu betrachten, um sie wiederzuerkennen und von allen ähnlichen zu unterscheiden; jetzt den Gesetzen nachzuspüren, nach denen die Natur diese Bildung bewirkt haben mag; jetzt zu untersuchen, wie man jene Pflanze etwa zur Speise, oder zur Kleidung, oder zur Arznei gebrauchen könne. Es bedarf der Selbstthätigkeit, um unsere Erkenntniss von den Gegenständen unaufhörlich zu steigern und zu erweitern; und lediglich durch sie wird derselbe Stern für den Astronomen ein grosser, fester, in unermesslicher Entfernung nach unverbrüchlichen Gesetzen sich bewegender Weltkörper, der für den unbelehrten Naturmenschen immerfort ein Lämpchen bleibt, bei dessen Scheine er sein Ackergeräth zusammensuche. Inwiefern der Trieb solchergestalt auf Erzeugung einer Erkenntniss ausgeht, in welcher Rücksicht wir ihn auch um der Deutlichkeit und der Kürze willen den Erkenntnisstrieb nennen können, gleichsam, als ob er ein besonderer ^Grundtrieb^ wäre -- welches er doch nicht ist; sondern er und alle besonderen Triebe und Kräfte, die wir noch so nennen dürften, sind lediglich besondere Anwendungen der einzigen untheilbaren Grundkraft im Menschen, und man hat sich sorgfältig zu hüten, dergleichen Ausdrücke in dieser oder in irgend einer philosophischen Schrift anders, als so zu deuten; -- der Erkenntnisstrieb demnach wird in gewissem Maasse immer befriedigt; in jedem Menschen sind Erkenntnisse, und ohne sie wäre er kein Mensch, sondern etwas anderes. Dieser Trieb äussert also im allgemeinen sich durch seine Wirkung; von dieser schliessen wir auf die Ursache im selbstthätigen Subject zurück, und lediglich auf diese Weise gelangen wir sowohl zur Idee vom Daseyn jenes Triebes, als zur Erkenntniss seiner Gesetze. Nicht immer befriedigt wird der Trieb, inwiefern er nicht auf blosse Erkenntniss des Dinges, wie es ist, sondern auf Bestimmung, Veränderung und Ausbildung desselben, wie es seyn sollte, ausgeht, und praktisch heisst; dieses in engster Bedeutung, denn der Strenge nach ist aller Trieb praktisch, da er zur Selbstthätigkeit treibt, und in diesem Sinne gründet alles im Menschen sich auf den praktischen Trieb, da nichts in ihm ist, ausser durch Selbstthätigkeit: -- oder, inwiefern er ausgeht auf eine gewisse bestimmte Vorstellung, bloss um der Vorstellung willen, keinesweges aber um eines Dinges willen, das ihr entspreche, oder auch nur um der Erkenntniss dieses Dinges willen; welchen letzteren Trieb, da er in seiner Allgemeinheit noch keinen Namen hat, wir vorläufig so bezeichnen wollen, wie man bisher einen Zweig desselben bezeichnet hat, und ihn den ästhetischen nennen. Es ist klar, dass man zur Kenntniss dieser Triebe nicht auf dem gleichen Wege, wie zu der des Erkenntnisstriebes, durch eine Folgerung von der Wirkung auf die Ursache, gelangen könne; und es fragt sich demnach, wie man zu derselben gelangt sey. Aber ehe wir diese Frage beantworten, lassen Sie uns die soeben aufgestellten Triebe noch ein wenig schärfer unterscheiden. Der Erkenntnisstrieb zielt ab auf Erkenntniss, als solche, um der Erkenntniss willen. Ueber das Wesen, die äusseren oder inneren Beschaffenheiten des Dinges lässt er uns völlig uninteressirt; unter seiner Leitung wollen wir nichts, als wissen, welches diese Beschaffenheiten sind: wir wissen es und sind befriedigt. Auf seinem Gebiete hat die Vorstellung keinen andern Werth und kein anderes Verdienst, als das, dass sie der Sache vollkommen angemessen sey. Der praktische Trieb geht auf die Beschaffenheit des Dinges selbst, um seiner Beschaffenheit willen. Wir kennen dieselbe, wenn eine Anregung jenes Triebes eintritt, nur zu wohl; aber wir sind mit ihr nicht zufrieden: sie sollte anders und auf eine gewisse bestimmte Art anders seyn. Im erstern Falle wird ein durch sich selbst und ohne alles unser Zuthun vollständig bestimmtes Ding vorausgesetzt, und der Trieb geht darauf, es mit diesen Bestimmungen, und schlechterdings mit keinen andern, in unserem Geiste durch freie Selbstthätigkeit nachzubilden. Im zweiten Falle liegt eine, nicht nur ihrem Daseyn, sondern auch ihrem Inhalte nach durch freie Selbstthätigkeit erschaffene Vorstellung in der Seele zum Grunde, und der Trieb geht darauf aus, ein ihr entsprechendes Product in der Sinnenwelt hervorzubringen. In beiden Fällen geht der Trieb weder auf die Vorstellung allein, noch auf das Ding allein, sondern auf eine Harmonie zwischen beiden; nur dass im ersten Falle die Vorstellung sich nach dem Dinge, und im zweiten das Ding sich nach der Vorstellung richten soll. Ganz anders verhält es sich mit dem Triebe, den wir soeben den ästhetischen nannten. Er zielt auf eine Vorstellung, und auf eine bestimmte Vorstellung, lediglich um ihrer Bestimmung und um ihrer Bestimmung als blosser Vorstellung willen. Auf dem Gebiete dieses Triebes ist die Vorstellung ihr eigner Zweck: sie entlehnt ihren Werth nicht von ihrer Uebereinstimmung mit dem Gegenstande, auf welchen hierbei nicht gesehen wird, sondern sie hat ihn in sich selbst; es wird nicht nach dem Abgebildeten, sondern nach der freien unabhängigen Form des Bildes selbst gefragt. Ohne alle Wechselbestimmung mit einem Objecte steht eine solche Vorstellung isolirt, als letztes Ziel des Triebes, da, und wird auf kein Ding bezogen, nach welchem sie, oder welches nach ihr sich richte. Wie der praktischen Bestimmung eine Vorstellung zum Grunde liegt, die selbst ihrem Gehalte nach durch absolute Selbstthätigkeit entworfen ist, so liegt der ästhetischen Bestimmung eine auf die gleiche Weise entworfene Vorstellung zum Grunde; nur mit dem Unterschiede, dass der letztern, nicht so wie der erstern, etwas Entsprechendes in der Sinnenwelt gegeben werden soll. Wie der Erkenntnisstrieb eine Vorstellung zu seinem letzten Ziele hat, und befriedigt ist, nachdem diese gebildet worden, so der ästhetische; nur mit dem Unterschiede, dass die Vorstellung der ersteren Art mit dem Dinge übereinkommen, die der letztern Art mit gar nichts übereinkommen soll. -- Es ist möglich, dass eine Darstellung des ästhetischen Bildes in der Sinnenwelt gefordert werde; aber das geschieht nicht durch den ästhetischen Trieb, dessen Geschäft mit der blossen Entwerfung des Bildes in der Seele vollkommen geschlossen ist, sondern durch den praktischen, der dann aus irgend einem Grunde in die Reihenfolge der Vorstellungen eingreift, und einen möglichen äusserlichen und fremden Zweck jener Nachbildung in der Wirklichkeit aufstellt. So kann es gleichfalls geschehen, dass die Vorstellung eines wirklich vorhandenen Gegenstandes dem ästhetischen Triebe vollkommen angemessen sey; nur bezieht sich die dann eintretende Befriedigung dieses Triebes schlechterdings nicht auf die äussere Wahrheit der Vorstellung; das entworfene Bild würde nicht minder gefallen, wenn es leer wäre, und es gefällt nicht mehr, weil es zufälligerweise zugleich Erkenntniss enthält. -- So musste es denn auch seyn -- woran ich Sie hier nur im Vorbeigehen erinnere, und um mich noch deutlicher zu machen, nicht aber um daraus vorläufig weiter zu folgern -- so musste es denn auch seyn, wenn beide unverträgliche Triebe, der, die Dinge zu lassen, wie sie sind, und der, sie überall und ins Unendliche hinaus umzuschaffen, sich vereinigen und einen einzigen untheilbaren Menschen darstellen sollten, nach unserer gegenwärtigen Ansicht der Sache; oder auch nach unserer obigen Weise sie anzusehen, welche der Strenge nach die einzig richtige ist, -- wenn beide Triebe Ein und ebenderselbe Trieb seyn, und nur die Bedingungen seiner Aeusserung verschieden seyn sollten. Der Trieb konnte nicht auf die Vorstellung des Dinges gehen, ohne überhaupt auf die Vorstellung um ihrer selbst willen zu gehen, und ebenso unmöglich war ein Trieb, auf das Ding selbst einzuwirken und es umzuarbeiten, nach einer Vorstellung, die ausser aller Erfahrung, und über alle mögliche Erfahrung hinausliegen sollte, wenn es nicht überhaupt Trieb und Vermögen gab, unabhängig von der wirklichen Beschaffenheit der Dinge Vorstellungen zu entwerfen. Wie mögen nun diese beiden zuletzt genannten Triebe sich äussern, wenn der ästhetische Trieb gar nicht, der praktische wenigstens nicht immer Handlungen hervorbringt, in denen sie der Beobachtung dargestellt würden? Auch dann noch bleibt folgendes Mittel übrig, um ihnen auf die Spur zu kommen. Da der Trieb, so wie sein Wirken im Menschen eintritt und überwiegend wird, die gesammte Selbstthätigkeit desselben anregen und aufreizen, und dieselbe auf etwas Bestimmtes, es sey nun ein Ding ausser ihm, oder eine Vorstellung in ihm, gänzlich hinrichten soll: so muss nothwendig die zufällige Harmonie des Gegebenen mit jener Richtung des Selbstthätigen, in einem fühlenden Wesen, wie der Mensch doch wohl seyn soll, sich durch ein überwiegendes Gefühl seiner selbst, seiner Kraft und Ausbreitung, welches man ein Gefühl der Lust nennt; die zufällige Disharmonie des Gegebenen mit jener Richtung sich durch ein ebenso überwiegendes Gefühl seiner Ohnmacht und Einengung offenbaren, welches letztere man ein Gefühl der Unlust nennt. So denken wir uns im Magnete eine Kraft, und als Grund dieser Kraft einen Trieb, alles Eisen anzuziehen, das in seine Wirkungssphäre kommt. Lassen wir ihn wirklich ein Stück Eisen anziehen -- sein Trieb äussert sich, er ist befriedigt, und geben wir dem Magnete das Gefühlsvermögen, so wird in ihm nothwendig ein Gefühl dieser Befriedigung, d. i. ein Gefühl der Lust entstehen. Lassen wir dagegen das Gewicht des Eisens seine Kraft überwiegen, so bleibt darum in ihm noch immer der vorige Trieb; denn er würde dasselbe Stück Eisen wirklich anziehen, wenn wir vom Gewichte desselben so viel wegnähmen, als seine Kraft überwiegt; aber er wird nicht befriedigt; und wenn wir dem Magnete das Gefühlsvermögen zuschreiben, so müsste er nothwendig einen Widerstand, eine Einschränkung und Einengung seiner Kraft, mit Einem Worte, Unlust empfinden. Dieses ist die einzige Quelle aller Lust und Unlust. Beide Triebe, der praktische sowohl, als der ästhetische, äussern sich auf diese Weise, nur mit Unterschied. Der praktische Trieb geht, wie gesagt worden, auf einen Gegenstand ausser dem Menschen, dessen Daseyn, inwiefern keine Handlung erfolgt, noch erfolgen kann, als unabhängig von ihm betrachtet werden muss. Der freilich leere Begriff von diesem Gegenstande ist in der Seele vorhanden. Es kommt demnach allerdings etwas im Gemüthe vor, wodurch der Trieb für das Bewusstseyn ausgedrückt und bezeichnet wird, nemlich der Begriff dessen, worauf er geht: die Bestimmung des Triebes ist dadurch charakterisirt, sie kann gefühlt werden, und wird gefühlt, und heisst in diesem Falle ein Begehren -- ein Begehren, inwiefern die Bedingungen, unter denen der Gegenstand wirklich werden kann, als nicht in unserer Gewalt stehend betrachtet werden. Kommen sie in unsere Gewalt, und wir entschliessen uns zu der Mühe und zu den Aufopferungen, die es uns etwa kosten wird, sie wirklich zu machen, so erhebt sich das Begehren zum Wollen. -- Man kann hier vor dem Daseyn des Gegenstandes vorherwissen, was Lust oder Unlust erregen werde, denn nur das wirkliche Daseyn des Gegenstandes erregt ein solches Gefühl; man kann daher die Bestimmung des praktischen Triebes von dem Gegenstande, und mithin von der Befriedigung oder Nichtbefriedigung desselben unterscheiden; der menschliche Geist bekommt gleichsam etwas ihm Angehöriges, einen Ausdruck seines eigenen Handelns ausser sich, und sieht mit Leichtigkeit in den Gegenständen, wie in einem Spiegel, seine eigene Gestalt. Ganz anders verhält es sich mit dem ästhetischen Triebe. Er geht auf nichts ausser dem Menschen, sondern auf etwas, das lediglich in ihm selbst ist. Es ist keine Vorstellung von seinem Gegenstande vor dem Gegenstande vorher möglich, denn sein Gegenstand ist selbst nur eine Vorstellung. Die Bestimmung des Triebes wird also durch nichts bezeichnet, als lediglich durch die Befriedigung oder Nichtbefriedigung. Die erstere lässt von der letztern sich durch nichts unterscheiden, sondern beide fallen zusammen. Das, was durch den ästhetischen Trieb in uns ist, entdeckt sich durch kein Begehren, sondern lediglich durch ein uns unerwartet überraschendes, in keinem begreiflichen Zusammenhange mit den übrigen Verrichtungen unseres Gemüthes stehendes, sondern völlig zweckloses und absichtloses Behagen oder Misbehagen. So gebe man dem Magnete zu dem Triebe, ein bestimmtes, seine Kraft überwiegendes, Stück Eisen anzuziehen, die Vorstellung dieses Eisens: so wird er ^begehren^, dasselbe anzuziehen; und wenn er sich über seine Anziehungskraft auch noch die Kraft zuschreiben kann, so viel, als sein Anziehungsvermögen überwiegt, von dem Gewichte des Eisens hinwegzunehmen, und der Trieb, jenes Eisen anzuziehen, stärker ist, als etwa seine Abneigung, die Last desselben zu verringern: so wird er es anziehen ^wollen^.[45] Nehmen Sie dem Magnete das Vermögen, sich das Eisen ausser sich, mithin auch sein Anziehen dieses Eisens vorzustellen, und lassen ihm lediglich Trieb, Kraft und Selbstgefühl: er wird, wenn die Schwere des Eisens seine Kraft überwiegt, eine Unlust; wenn Sie die Last wegnehmen, und er, sich selbst unbewusst, das Eisen selbst anzieht, eine Lust empfinden, die er sich durch nichts erklären kann, die für ihn mit nichts zusammenhängt, und die unserm ästhetischen Behagen oder Misbehagen völlig ähnlich ist -- aber nicht aus dem gleichen Grunde entstanden. Aber, denken Sie sich, um ein passendes Bild der ästhetischen Stimmung zu haben, die liebliche Sängerin der Nacht; denken Sie sich, wie Sie es mit dem Dichter gar wohl können, die Seele derselben als reinen Gesang, ihren Geist als ein Streben, den vollkommensten Accord zu bilden, und ihre einzelnen Töne als die Vorstellungen dieser Seele. Durch die ganze Tonleiter herauf und herab treibt die Sängerin, ihr selbst unbewusst, die Richtung ihres Geistes, und er entwickelt durch die mannigfaltigsten Accorde hindurch allmählig sein ganzes Vermögen. Jeder neue Accord liegt auf der Stufenleiter dieser Entwickelung, und stimmt mit dem Urtriebe der Sängerin zusammen, den sie nicht kennt, weil wir ihr keine anderen Vorstellungen als Töne gegeben haben, und dessen Zusammenhang mit dem für sie zufälligen Accorde sie nicht beurtheilen kann; gerade so, wie unserem Auge die Richtung des ästhetischen Triebes verborgen liegt, und wie wir die -- ganz anderen Gesetzen zufolge sich in uns entwickelnden Vorstellungen nicht mit derselben vergleichen können. Doch muss jene Zusammenstimmung eine Lust in ihr erwecken, die ihr ganzes Wesen ausfüllt, und deren Gründe sie sich auch schon darum nicht angeben könnte. -- Aber ihr inneres und verborgenes Leben treibt sie weiter zum folgenden Tone; die Entwickelung desselben ist also noch nicht vollendet, dieser Accord drückt noch nicht ihr ganzes Wesen aus, und jene Lust wird daher blitzschnell durch eine Unlust aufgefasst, welche mit dem nächsten Tone sich in höhere Lust auflösen, aber wiederkehren, und die Sängerin abermals weiter treiben wird. Ihr Leben schwebt hin auf den sich drängenden Wellen des ästhetischen Gefühls, wie das Künstlerleben jedes wahren Genies. So kommt der praktische Trieb gar leicht und auf mancherlei Weise in seinen mannigfaltigen Bestimmungen zum Bewusstseyn, und es scheint sehr möglich, ihn selbst von der inneren Erfahrung aus vollständig kennen zu lernen und zu erschöpfen. In Absicht des ästhetischen Triebes zeigen sich mehrere Schwierigkeiten, und es scheint kein Mittel zu seyn, um bis zu ihm in die Tiefe unseres Geistes einzudringen, als dass man entweder ohne alle Rücksicht auf ihn in der äusseren Erfahrung fortschreite, und abwarte, ^ob^ er sich etwa, und ^wie^ er sich unter derselben zufällig äussern werde, oder dass man auf gut Glück und blindlings sich seiner Einbildungskraft überlasse, und erwarte, wie die mannigfaltigen Ausgeburten derselben auf uns wirken werden. In beiden Fällen ist man überdies noch in der Gefahr, eine Lust, die sich auf ein dunkles, unentwickeltes, vielleicht völlig empirisches und individuelles praktisches Bewusstseyn gründet, mit einem ästhetischen zu verwechseln. Und so blieben wir denn immer in der Ungewissheit, ob es auch überhaupt einen solchen Trieb gebe, wie wir den ästhetischen beschrieben haben, oder ob nicht alles, was wir für Aeusserungen desselben halten, auf einer feinen Täuschung beruhe; vor der wirklichen Erfahrung vorher könnten wir nie mit Sicherheit ahnen, was gefallen werde, und die Folgerung, dass das, was uns gefallen habe, allen gefallen müsse, bliebe ganz grundlos. Bedenken Sie hierbei noch den Umstand, dass ästhetische Vorstellungen zuvorderst nur in und vermittelst der Erfahrung, die auf Erkenntniss ausgeht, sich entwickeln können, so sehen Sie eine neue Schwierigkeit; von der anderen Seite aber eine Erleichterung, und die einzige, die den Uebergang aus dem Gebiete der Erkenntniss in das Feld der ästhetischen Gefühle öffnet. Sie sehen eine neue Schwierigkeit. -- Selbst die Erkenntniss wird zunächst nicht um ihrer selbst willen, sondern für einen Zweck ausser ihr gesucht. Auf der ersten Stufe der Bildung, des Individuums sowohl, als der Gattung, überschreit der praktische Trieb, und zwar in seiner niederen, auf die Erhaltung und das äussere Wohlseyn des animalischen Lebens gehenden Aeusserung, alle übrigen Triebe; und so fängt denn auch der Erkenntnisstrieb damit an, bei jenem zu dienen, um in diesem Dienste sich zum Vermögen einer selbstständigen Subsistenz auszubilden. Mit der Kargheit der Natur, oder mit dem Andringen unseres eigenen Geschlechtes gegen uns im Kampfe, haben wir nicht Zeit, bei der Betrachtung der Dinge um uns herum zu verweilen; emsig fassen wir die brauchbaren Beschaffenheiten derselben auf, um Nutzen von ihnen zu ziehen, unter unaufhörlicher Besorgniss der Nachtheile in der Ausübung, die uns eine unrichtige Ansicht derselben zuziehen möchte; mit Hastigkeit eilen wir fort von dieser erstürmten Erkenntniss zur Bearbeitung der Dinge, und hüten uns sehr, einen Augenblick bei der Erwerbung des Mittels zu verlieren, den wir zur unmittelbaren Erreichung des Zweckes anwenden könnten. Das Menschengeschlecht muss erst zu einem gewissen äusseren Wohlstande und zur Ruhe gekommen, die Stimme des Bedürfnisses von innen, und der Krieg von aussen muss erst beschwichtigt und beigelegt seyn, ehe dasselbe auch nur mit Kaltblütigkeit, ohne Absicht auf das gegenwärtige Bedürfniss und selbst mit der Gefahr sich zu irren, beobachten, bei seinen Betrachtungen verweilen, und unter dieser müssigen und liberalen Betrachtung den ästhetischen Eindrücken sich hingeben kann. So fasst die ruhige Fläche des Wassers das schöne Bild der Sonne; auf der bewegten werden die mit reinem Lichte gezeichneten Umrisse desselben untereinander geworfen und verschlungen in die gewaltsame Figur der unsteten Wellen. Daher sind die Zeitalter und Länderstriche der Knechtschaft zugleich die der Geschmacklosigkeit; und wenn es von der einen Seite nicht rathsam ist, die Menschen, frei zu lassen, ehe ihr ästhetischer Sinn entwickelt ist, so ist es von der anderen Seite unmöglich, diesen zu entwickeln, ehe sie frei sind; und die Idee, durch ästhetische Erziehung die Menschen zur Würdigkeit der Freiheit, und mit ihr zur Freiheit selbst zu erheben, führt uns in einem Kreise herum, wenn wir nicht vorher ein Mittel finden, in Einzelnen von der grossen Menge den Muth zu erwecken, Niemandes Herren und Niemandes Knechte zu seyn. In einem solchen Zeitalter hat der Unterdrückte zu thun, um unter dem Fusse des Unterdrückers sich lebendig zu erhalten, die nothwendige Luft zu schöpfen und nicht völlig zertreten zu werden, und der Unterdrücker, bei den mannigfaltigen Krümmungen und Wendungen des ersteren im Gleichgewichte zu bleiben und nicht umgeworfen zu werden; durch die gezwungene und unbehülfliche Lage des letzteren vermehrt sich noch seine Last und sein Druck; dadurch werden die Wendungen des ersteren nur noch ängstlicher und gewagter, und der Druck des letzteren abermals lastender, und so steigt durch eine sehr begreifliche Wechselwirkung das Uebel in einer unseligen Progression; keiner von beiden behält Zeit, und er wird sie immer weniger behalten, zu athmen, ruhig um sich zu sehen, und seine Sinne dem schönen Einflusse der freundlichen Natur offen zu lassen. Beide behalten lebenslänglich den Geschmack, den sie damals annahmen, als noch nichts, denn ihre Windeln sie fesselte: den Geschmack an greller, das stumpfe Auge gewaltsam reizender Farbe, und am Glanze reicher Metalle; und der dürftige Handarbeiter eilt, dies dem einzigen Vermögenden zu fertigen, um den kärglichen Lohn, dessen er zum Leben bedarf, bald einzunehmen. So sank im römischen Reiche die Kunst mit der Freiheit zu gleichen Schritten, bis sie unter Constantin dem barbarischen Gepränge fröhnen lernte. So werden die Elephanten der Kaiser von China mit schweren Goldstoffen bekleidet, und die Pferde der Könige von Persien trinken aus gediegenem Golde. Nur nicht niederdrückender, aber widerlicher und beunruhigender für die Kunst ist der Anblick, wenn unter freieren Himmelsstrichen und milderen Gewalthabern diejenigen, welche in der Mitte zwischen beiden Enden stehen, und denen alle Welt erlaubt, frei zu seyn, dieses letzten Restes der Freiheit, welchen ein über die Menschheit waltender Genius als ein Saatkorn für die Ernte künftiger Generationen in die Verfassung geworfen zu haben scheint, sich nicht bedienen; sondern den der ewigen Einförmigkeit müden Herrschern wider ihren Dank ihre Dienste aufdringen, und sich grämen, dass ihre wunderlichen Verbeugungen und Adorationen keiner zu Herzen nimmt, und dass es ihnen nicht gelingen will, denselben eine politische Wichtigkeit zu geben, die sie an sich nicht haben. Dann wiegt man mit haarscharfer Richtigkeit alle Art der Bildung gegen den künftigen Dienst ab; fragt die harmlos lustwandelnde Speculation, ehe sie uns über die Schwelle tritt, was sie mitbringe; durchsucht Romane und Schauspiele nach ihrer schönen Moral; hat kein Arges daraus, öffentlich zu bekennen, dass man eine Iphigenie, oder eine Epistel in derselben Stimmung, unpoetisch finde; und würde muthmaasslich den Homer einen schaalen Reimer nennen, wenn man ihm nicht um seines reinen Griechischen willen verziehe. Aber gerade der angeführte Umstand, dass wir mit der Erfahrung unser Leben anfangen müssen, eröffnet uns, wie oben gesagt worden, den einzig möglichen Uebergang zum geistigen Leben. Sowie jene dringende Noth gehoben ist, und nichts mehr uns treibt, den möglichen Geisteserwerb gierig zusammenzuraffen, um ihn sogleich wieder für den nothwendigen Gebrauch ausgeben zu können, erwacht der Trieb nach Erkenntniss um der Erkenntniss willen. Wir fangen an, unser geistiges Auge auf den Gegenständen hingleiten zu lassen, und erlauben ihm dabei zu verweilen; wir betrachten sie von mehreren Seiten, ohne gerade auf einen möglichen Gebrauch derselben zu rechnen; wir wagen die Gefahr einer zweifelhaften Voraussetzung, um in Ruhe den richtigen Aufschluss abzuwarten. Es bemächtigt sich unser der einzige Geiz, der edel ist, Geistesschätze zu sammeln, bloss um sie zu haben, und uns an ihrem Anblicke zu ergötzen, gesetzt auch, wir bedürften ihrer nicht zum Leben, oder sie wären nicht mit dem Stempel ausgeprägt, welcher allein Cours hat; wir wagen es, bei unserem Reichthume gleichgültiger gegen den möglichen Verlust, etwas anzulegen an Versuche, die uns mislingen können. Wir haben den ersten Schritt gethan, uns von der Thierheit in uns zu trennen. Es entsteht Liberalität der Gesinnungen, -- die erste Stufe der Humanität. Unter dieser ruhigen und absichtslosen Betrachtung der Gegenstände, indess unser Geist sicher ist und nicht über sich wacht, entwickelt sich ohne alles unser Zuthun unser ästhetischer Sinn an dem Leitfaden der Wirklichkeit. Aber nachdem der Pfad beider eine Strecke weit zusammengegangen ist, reisst sich am Scheidewege wohl auch der erstere los, und geht seinen Gang unabhängig und ungeleitet von der Wirklichkeit. So ruhte oft Ihr Auge auf der Gegend an der Abendseite Ihrer ländlichen Wohnung. Wenn Sie dieselbe, nicht um zu sehen, wie Sie den nächtlichen Anfällen des Raubgesindels entfliehen könnten, sondern ohne alle Absicht betrachteten, erkannten Sie nicht bloss die grüne Saat, und hinter ihr die mancherlei Kleearten, und hinter diesen das hohe Korn, und fassten in das Gedächtniss, was da wäre; sondern Ihre Betrachtung verweilte mit Vergnügen auf dem frischen Grün des ersteren, und verbreitete sich über die mannigfaltigen Blüthen des zweiten, und gleitete sanft über die kräuselnden Wellen des dritten die Anhöhe hinan. Es sollte, sagten Sie dann, dort auf der Höhe ein Dörfchen unter Bäumen oder ein Hain liegen. Sie begehrten nicht in dem ersteren eine Wohnung zu haben, oder in dem Schatten des letzteren zu wandern; und es würde Ihnen gerade so viel gewesen seyn, wenn man, ohne dass Sie es eben wüssten, durch ein optisches Kunststück Ihnen nur den Anschein dessen hervorgebracht hätte, was Sie wünschten. Woher kam das? Ihr ästhetischer Sinn war unter dem Anblicke der ersteren Gegenstände, indem ihn dieselben unvermuthet befriedigten, schon geweckt worden; aber es beleidigte ihn, dass diese Aussicht sich so plötzlich abreissen, und Ihr Auge hinter der Anhöhe in den leeren Raum versinken sollte. Nach seiner Forderung hätte sich die Ansicht in ein passendes Ende schliessen sollen, um das angefangene schöne Ganze zu vollenden und abzurunden: und Ihre bis jetzt an seiner Hand geleitete Einbildungskraft war vermögend, diese Forderung desselben aufzufassen. Sehen Sie in diesem Beispiele eine kurze Geschichte der Entwickelung unseres ganzen ästhetischen Vermögens. Während der ruhigen Betrachtung, die nicht mehr auf die Erkenntniss dessen, was längst erkannt ist, absieht, sondern die gleichsam noch einmal zum Ueberflusse an den Gegenstand geht, -- entwickelt, unter der Ruhe der Wissbegierde und des befriedigten Erkenntnisstriebes, in der unbeschäftigten Seele sich der ästhetische Sinn. Der eine Gegenstand hat unsere Billigung ohne alles Interesse, d. i. wir urtheilen alle, dass er so recht, und einer gewissen Regel, der wir nicht weiter nachspüren, gemäss sey, ohne dass wir darum gerade einen grösseren Werth auf ihn legen; ein anderer erhält diese Billigung nicht, ohne dass wir gerade viel Mühe anwenden würden, um ihn anders zu machen. Es scheint uns lediglich darum zu thun, zu zeigen, dass wir einen gewissen Sinn gleichfalls besitzen, und dass wir einer gewissen Kenntniss mächtig sind, die nichts weiter ist, denn Kenntniss, und die zu nichts führen und zu nichts gebraucht werden soll. Dieses Vermögen heisst Geschmack; auch die Fertigkeit, richtig und gemeingültig in dieser Rücksicht zu urtheilen, wird vorzugsweise Geschmack genannt: und das Gegentheil desselben heisst Geschmacklosigkeit. Von dieser noch an dem Faden der Wirklichkeit fortlaufenden Betrachtung, wo es uns schon nicht mehr um die wirkliche Beschaffenheit der Dinge, sondern um ihre Uebereinstimmung mit unserem Geiste zu thun ist, erhebt sich denn bald die dadurch zur Freiheit erzogene Einbildungskraft zur völligen Freiheit; einmal im Gebiete des ästhetischen Triebes angelangt, bleibt sie in demselben, auch da, wo er von der Natur abweicht, und stellt Gestalten dar, wie sie gar nicht sind, aber nach der Forderung jenes Triebes seyn sollten: und dieses freie Schöpfungsvermögen heisst Geist. Der Geschmack beurtheilt das Gegebene, der Geist erschafft. Der Geschmack ist die Ergänzung der Liberalität, der Geist die des Geschmackes. Man kann Geschmack haben ohne Geist, nicht aber Geist ohne Geschmack. Durch den Geist wird die an sich in die Grenzen der Natur eingeschlossene Sphäre des Geschmacks erweitert; seine Producte erschaffen ihm durch Kunst neue Gegenstände, und entwickeln ihn weiter, ohne ihn darum allemal zu sich emporzuheben. Seinen Geschmack bilden kann jeder; ob aber jeder sich zur Geistigkeit erheben könne, ist zweifelhaft. Das unendliche, unbeschränkte Ziel unseres Triebes heisst Idee, und inwiefern ein Theil desselben in einem sinnlichen Bilde dargestellt wird, heisst dasselbe ein Ideal. Der Geist ist demnach ein Vermögen der Ideale. Der Geist lässt die Grenzen der Wirklichkeit hinter sich zurück, und in seiner eigenthümlichen Sphäre giebt es keine Grenzen. Der Trieb, dem er überlassen ist, geht ins Unendliche; durch ihn wird er fortgeführt von Aussicht zu Aussicht, und wie er das Ziel erreicht hat, das er im Gesichte hatte, eröffnen sich ihm neue Felder. Im reinen ungetrübten Aether seines Geburtslandes giebt es keine anderen Schwingungen, als die er selbst durch seinen Fittig erregt. Dritter Brief.[46] Nur der Sinn für das Aesthetische ist es, der in unserem Innern uns den ersten festen Standpunct giebt; das Genie kehrt darin ein, und deckt durch die Kunst, die dasselbe begleitet, auch uns anderen die verborgenen Tiefen desselben auf. Derselbe Sinn ist es auch, der zugleich dem wohlerkannten und gebildeten Innern den lebendigen Ausdruck giebt. Der Geist geht auf die Entwickelung eines Innern in dem Menschen, des Triebes, und zwar eines Triebes, der ihn als Intelligenz über die ganze Sinnenwelt erhebt, und von dem Einflusse derselben losreisst. Aber die Sinnenwelt allein ist mannigfaltig, und nur inwiefern wir durch einen uns schlechterdings unsichtbaren Berührungspunct mit derselben zusammenhangen und ihren Einwirkungen offen stehen, sind wir als Individuen verschieden; der Geist ist Einer, und was durch das Wesen der Vernunft gesetzt ist, ist in allen vernünftigen Individuen dasselbe. Dem einen mag diese Speise besser schmecken, dem anderen eine andere; der eine mag diese, der andere jene Farbe vorzüglich lieben. Aber die Wirkungen der Geistesproducte sind für alle Menschen, in allen Zeitaltern, und unter allen Himmelsstrichen gemeingültig, wenn auch nicht immer gemeingeltend. Für alle liegt auf der Stufenleiter ihrer Geistesbildung ein Punct, auf welchen dieses Werk den beabsichtigten Eindruck machen würde, und nothwendig machen müsste; wenn sie auch etwa bis jetzt diesen Punct noch nicht erstiegen hätten, oder ihn, wegen der niedrigen Stufe, auf der sie anheben, bei der Kürze des menschlichen Lebens, diesseits des Grabes gar nicht ersteigen könnten. Was der Begeisterte in seinem Busen findet, liegt in jeder menschlichen Brust, und sein Sinn ist der Gemeinsinn des gesammten Geschlechts. Theils um diesen Sinn an anderen zu versuchen, theils um ihnen mitzutheilen, was für ihn selbst so anziehend ist, kleidet das Genie die Gestalten, die sich seinem geistigen Auge unverhüllt zeigten, in festere Körper, und stellt sie so auf vor seinen Zeitgenossen. Um seinen Sinn zu ^versuchen^ zuvörderst: nicht, als ob er der Beistimmung der Menge bedürfte, um in der Stunde der Begeisterung zu glauben, was sich ihm durch ein unwiderstehliches Gefühl, -- so unwiderstehlich als das seines Daseyns, -- offenbart; sondern um auf die Stunde der Erkältung und des Zweifels sich seines Glaubens im voraus zu versichern. Mein Werk ist aus der Fülle der menschlichen Natur geschöpft, darum muss und soll es Allen gefallen, die derselben theilhaftig sind, und wird unsterblich seyn wie sie: so schliesst er; der geistlose Schreiber, der nicht die leiseste Ahnung seines hohen Berufes hat, kehrt es um, und folgert: mein Product wird von der Menge gelesen, es bereichert die Buchhändler, und die Recensenten wetteifern, dasselbe zu lobpreisen, darum ist es vortrefflich: aber dennoch wird der Glaube des ersteren an sich selbst den Beifall gebildeter Menschen, als eine Zugabe, nicht verschmähen. So ist der Gläubige sicher, dass das Auge der Fürsehung über ihm walte, und dass jenseits des Grabes ein besseres Leben seiner warte; und in gewissen Stimmungen würde der Widerspruch des gesammten Reichs der vernünftigen Wesen ihn nicht um eines Haares Breite bewegen: denn sein Glaube kömmt ihm nicht von aussen, sondern er hat ihn in seinem eigenen Herzen gefunden. Dennoch fragt und forscht er sorgsam, ob andere dasselbe glauben, in dunklem Vorgefühle banger Stunden, wo er einer sonst so gering geschätzten Stütze, als die Beistimmung anderer ist, doch bedürfen könnte. So wird das wahre Genie durch die kaltsinnige Aufnahme seiner Meisterwerke oder durch den lautesten Tadel derselben nie aus seiner Fassung gebracht: er ist seiner Sache sicher und gewiss des Geistes, der ohne sein Verdienst in ihm wohnt; aber er will aus Achtung für denselben ihn auch von anderen anerkannt und geehrt wissen. -- Es verhält sich so mit allem, was wir bloss zufolge unseres Gefühls annehmen und nur glauben können. Wenn alle Anwesende einstimmig versichern, dass ein Gegenstand, den wir zu erblicken glauben, nicht vorhanden sey, so werden wir, wenn wir nur ein wenig mit den Täuschungen unserer Sinne und unserer Einbildungskraft bekannt sind, leicht irre, und fangen an, den Grund der Erscheinung in uns selbst zu suchen. An unser inneres Gefühl glauben wir schon weit fester; doch sehen wir auch dieses gern durch das Gefühl anderer unterstützt. Um seine Stimmung ^mitzutheilen^. Es ist, wie Sie selbst angemerkt haben, in allen Menschen der Trieb, andere um sich herum sich selbst so ähnlich zu machen, als möglich, und sich selbst in ihnen, so vollkommen als es gehen will, zu wiederholen; und dies um desto mehr, je mehr wir zu diesem Wunsche durch eigene höhere Bildung berechtigt sind. Nur der ungerechte Egoist will der einzige seiner Art seyn, und kann seines Gleichen ausser sich nicht dulden; aber der edle Mensch möchte, dass alle ihm glichen, und thut, so viel an ihm ist, um es dahin zu bringen. So der begeisterte Liebling der Natur. Er möchte, dass aus allen Seelen sein eigenes liebliches Bild ihm zurückstrahlte. Drum drückt er die Stimmung seines Geistes ein in eine körperliche Gestalt. Was in der Seele des Künstlers vorgeht, die mannigfaltigen Biegungen und Schwingungen seines inneren Lebens und seiner selbstthätigen Kraft sind nicht zu beschreiben; keine Sprache hat Worte dafür gefunden, und wenn sie gefunden wären, so würde die gedrungene Fülle des Lebens in der allmähligen, und zu einem einfachen Faden ausgedehnten Beschreibung verhauchen. Leben wird nur in lebendigem Handeln dargestellt; und sowie alle gesetzmässige Thätigkeit des menschlichen Geistes, so muss auch diese freie Geschäftigkeit desselben einen Gegenstand bekommen, den sie bearbeite, und in welchem durch die Weise ihres Verfahrens sie ihre innere Natur verrathe. So besteht das Wesen, das Grundprincip des ^Tons^ in den harmonischen Bebungen und Schwingungen der Saite, die im luftleeren Raume nicht minder einander hervorbringen und bestimmen, ihre innere Wirksamkeit erfüllen, und für die Saite selbst den Ton bilden würden; aber nur in der umgebenden Luft bekommen dieselben einen äusseren Wirkungskreis, drücken sich selbst in sie ein, und pflanzen sich fort bis zum Ohre des entzückten Hörers, und lediglich aus jener Vermählung wird der Ton geboren, der in unserer Seele wiederhallt. So drückt der begeisterte Künstler die Stimmung seines Gemüthes aus in einem beweglichen Körper, und die Bewegung, der Gang, der Fortfluss seiner Gestalten ist der Ausdruck der inneren Schwingungen seiner Seele. Diese Bewegung soll in uns die gleiche Stimmung hervorbringen, welche in ihm war; er lieh der todten Masse seine Seele, dass diese sie auf uns übertragen möchte; unser Geist ist das letzte Ziel seiner Kunst, und jene Gestalten sind die Vermittler zwischen ihm und uns, wie die Luft es ist zwischen unserem Ohre und der Saite. Diese innere Stimmung des Künstlers ist der Geist seines Products; und die zufälligen Gestalten, in denen er sie ausdrückt, sind der Körper oder der Buchstabe desselben. Hier ist es, wo das Bedürfniss der mechanischen Kunst eintritt. Wer die Dinge einer gewissen Stimmung gemäss bearbeiten will, der muss es überhaupt verstehen, sie zu bearbeiten, und sie mit Leichtigkeit zu bearbeiten, so dass kein Widerstand sichtbar sey, und dass die todte Masse unter seinen Händen von selbst Bildung und Organisation angenommen zu haben scheine. Sobald die Materie widerstrebt, und es der Anstrengung bedarf, sie zu besiegen, ist die ästhetische Stimmung abgebrochen, und es bleibt uns anderen nichts übrig, als der Anblick des Arbeiters, der seinen Zweck zu erreichen strebt; ein nicht unwürdiger Anblick, den wir aber nur hier nicht haben wollten. Man hat diese Leichtigkeit der mechanischen Kunst sehr oft mit dem Geiste selbst verwechselt; und sie ist allerdings die ausschliessende Bedingung seiner Aeusserung, und jeder, der an das Werk geht, muss sie schon erworben haben; aber sie ist nicht der Geist selbst. Durch sie allein wird nichts hervorgebracht, als ein leeres Geklimper, -- ein Spiel, das auch nichts weiter ist, denn Spiel, -- das nicht zu Ideen erhebt, und höchstens einen Muthwillen und eine verschwendete Kraft ausdrückt, der man in der Stille eine bessere Anwendung wünscht. Zwar wird der leichteste und muthwilligste Pinselstrich des wahren Genies einen Anstrich von den Ideen haben; aber der blosse Mechaniker wird durch seine höchste Kunst nie etwas anderes hervorbringen, als ein mechanisches Werk, über dessen Bau man höchstens sich wundern wird. So ist in den letzten Meisterwerken des begünstigten Lieblings der Natur unter unserer Nation, -- im Tasso, in der Iphigenie, und in den leichtesten Pinselstrichen desselben Künstlers seitdem, -- es ist in ihnen, sage ich, nicht die so einfache Erzählung, nicht die ohne allen Schwulst so sanft hingleitende Sprache, durch welche der gebildete Leser so mächtig angezogen wird. Es ist nicht der Buchstabe, sondern der Geist. Mit der gleichen Einfachheit der Fabel, der gleichen Leichtigkeit, dem gleichen Adel der Sprache ist es möglich, ein sehr schaales, sehr schmackloses, sehr unkräftiges Werk zu verfertigen. Die Stimmung ist es, welche in diesen Werken herrscht: diese edelste Blüthe der Humanität, welche durch die Natur nur einmal unter dem griechischen Himmel hervorgetrieben und durch eins ihrer Wunder im Norden wiederholt wurde. Es schmiegt sich an unsere Seele das lebendige Bild jener geendigten Cultur, die den Angriffen des Schicksals nicht mehr mit gewaltsamen Anstrengungen und Renkungen entgegengeht, und die eher alles, als die reine Ebenheit ihres Charakters und die leichte Grazie in den Bewegungen ihres Gemüths, verliert: jenes Beruhens in sich selbst und auf sich selbst, das es nicht mehr bedarf, durch Anstrengung seine Kraft aufzuregen und gegen den Widerstand anzustemmen, sondern das auf seiner eigenen natürlichen Last sicher steht; jener Unbefangenheit des Geistes, welche die Dinge, auch bei ihrem gewaltsamsten Andringen auf uns, dennoch keiner anderen Schätzung würdigt, als der, die ihnen gebührt, dass sie Gegenstände unserer Betrachtung sind, und welche auch dann noch den gefälligen Formen derselben ein ästhetisches Vergnügen, den Verzerrungen derselben ein leichtes Lächeln, wie Grazien lächeln, abzugewinnen vermag; jener Vollendung der Menschheit, die sich von der Sinnenwelt nicht losgerissen, sondern abgelöst fühlt, und die mit gleicher Leichtigkeit derselben ohne Misvergnügen entbehren, oder ihrer mit Freude auf ihre Weise geniessen kann. Wir finden uns mit Vergnügen in eine Welt versetzt, in der allein eine solche Stimmung möglich ist, unter eine Gesellschaft, deren Mitglieder alle gerecht und wohlwollend sind, und deren Trennungen nicht durch bösen Willen verursacht, sondern selbst nur Stürme des widrigen Schicksals sind; -- (denn Ungerechtigkeiten freier Wesen können uns nie gleichgültig seyn, und werden immer ernste Misbilligung, keinesweges aber das leichte Lächeln erregen, wie die Verstösse der vernunftlosen Natur). Wir entdecken mit befriedigter Selbstliebe unter dem Einflusse des Künstlers eine Fassung in uns, die wir im Laufe des Lebens gewöhnlich nicht behalten; wir fühlen uns höher gehoben und veredelt, und innige Liebe ist der Lohn des Dichters, der uns so sanft schmeichelt, um uns zu bessern. Jeder hat den feinsten Sinn für diejenige Art der Ausbildung, der er zunächst bedürfte, und mag in der Stunde der Täuschung am liebsten das an sich finden, wovon eine leise Ahnung ihm sagt, dass es auf der nächsten Stufe der Cultur liege, die er zu ersteigen hat. Ein beträchtlicher Theil unseres Publicums ist noch nicht so weit, dass ihm nichts mehr, als die Grazie in seinen Bewegungen, die Leichtigkeit und Ungezwungenheit in seiner Kraftäusserung abgehe. Vielen fehlt es an der Kraft selbst. Für diese sind Darstellungen, wie die, von welchen wir redeten, unschmackhaft; sie verwechseln die durch die Fülle der Kraft gehaltene Kraft, die sie nicht kennen, mit der Kraftlosigkeit, die sie nur zu wohl kennen. Diese mögen im Bilde lieber die rohe, aber kraftvolle Sitte unserer Urahnen sich angetäuscht sehen -- eine Art, die so vorzüglich ist, als jede andere, wenn sie mit Geist behandelt wird -- oder vergnügen sich wohl auch an den wunderlichen Renkungen in unsern gewöhnlichen Ritterromanen, und an hochtönenden und vermessenen Reden. Dem Dichter, von dem ich rede, war es gegeben, zwei verschiedene Epochen der menschlichen Cultur mit allen ihren Abstufungen auszumessen. Er nahm sein Zeitalter bei der letzteren Stufe auf, um es bei der ersteren niederzusetzen. Aber sein Genius überflog, wie es seyn musste, den langsamen Gang desselben. Er bildete, wie jeder wahre Künstler soll, sein Publicum selbst, arbeitete für die Nachwelt, und wenn unser Geschlecht höher steigt, so ist es nicht ohne sein Zuthun. Jene beiden Zustände, der der ersten ursprünglichen Begeisterung, und der der Darstellung derselben in körperlicher Hülle, sind in der Seele des Künstlers nicht immer verschieden, obwohl sie durch den genauen Forscher sorgfältig unterschieden werden müssen. Es giebt Künstler, die ihre Begeisterung auffassen und festhalten, unter den Materialien um sich herumsuchen, und das geschickteste für den Ausdruck wählen; die unter der Arbeit sorgfältig über sich wachen; die zuerst den Geist fassen, und dann den Erdkloss suchen, dem sie die lebendige Seele einhauchen. Es giebt andere, in denen der Geist zugleich mit der körperlichen Hülle geboren wird, und aus deren Seele zugleich das ganze volle Leben sich losreisst. Die ersteren erzeugen die gebildetsten, berechnetsten Producte, deren Theile alle das feinste Ebenmaass unter sich und zum Ganzen halten: aber das feinere Auge kann in der Zusammenfügung des Geistes und des Körpers hier und da die Hand des Künstlers bemerken. In den Werken der letzteren sind Geist und Körper, wie in der Werkstätte der Natur, innigst zusammengeflossen, und das volle Leben geht bis in die äussersten Theile; aber wie an den Werken der Natur entdeckt man hier und da kleine Auswüchse, deren Absicht man nicht angeben kann, die man aber nicht wegnehmen könnte, ohne dem Ganzen zu schaden. Von beiden Arten hat unsere Nation Meister. Gewisse höhere Stimmungen sind, wie soeben gesagt worden, nicht für gemeine Augen, und lassen sich denselben nicht mittheilen; bei anderen, die mittheilbar sind, ist wenigstens unsichtbar, woher es komme, dass das Werk zu ihnen erhebe; und nicht sehr feine Beobachter sind daher versucht, der Gestalt und dem Baue des Körpers die bewegende Kraft zuzuschreiben, die nur der Geist hat. Die Verhältnisse dieses Körpers und die Regeln, nach denen er gebildet ist, sind zu berechnen, zu lernen und durch Kunst auszuüben, da, wie oben zugestanden worden, der Körper des geistreichsten Werkes selbst nur durch Kunst hervorgebracht ist. Es giebt mancherlei Ursachen, die den geistlosesten Menschen bewegen können, auf diese Weise den mechanischen Theil eines geistvollen Products nachzubilden; und da auch dieser sein Gutes hat, verlieren manche Zuschauer nichts dabei. Solche Arbeiter sind Buchstäbler. Derjenige, der ohne Geist selbst der mechanischen Kunst nicht mächtig ist, heisst ein Stümper. -- Stelle Pygmalion seine beseelte Bildsäule hin vor die Augen des jauchzenden Volkes; er soll ihr, -- da nichts uns verhindert, die Fabel zu ergänzen, -- mit dem Leben zugleich den geheimen Vorzug ertheilt haben, nur von geistvollen Augen als lebend erblickt zu werden, für gemeine und stumpfe aber kalt und todt zu bleiben. Kostet es nicht mehr, um berühmt zu werden? denkt, -- indess das ganze Volk dem Künstler huldigt, ein Mann, der seinen Meissel auch zu führen versteht, misst mit Cirkel und Lineal genau die Verhältnisse der Bildsäule, geht hin, fertigt sein Werk, stellt es neben das Werk des Künstlers, und es sind viele, die keinen Unterschied zwischen beiden finden können. Die Regeln der Kunst, die sich in den Lehrbüchern finden, beziehen sich meist auf das Mechanische der Kunst. Sie müssen im Geiste gedeutet werden, und nicht nach dem Buchstaben. So lehren sie uns, wie wir die Fabel erfinden, mittheilen, allmählig entwickeln sollen, und es thut dem Künstler allerdings noth, dies zu verstehen. Versteht er aber auch nichts weiter, als die Beobachtung dieser Regeln, so hat er am Ende eine gute Fabel, die die Neugier reizt, unterhält, befriedigt; aber wir forderten noch etwas mehr von ihm. Die Einheit der geistigen Stimmung, die in seinem Werke herrscht, und die dem Gemüthe des Lesers mitgetheilt werden soll, ist die Seele des Werkes; ist diese Stimmung angedeutet, entwickelt, durchaus gehalten und siegend, dann ist das Werk vollendet, ob die äussere Begebenheit für die leere Neugier geschlossen sey, oder nicht; der Triumph dieser Stimmung über die mannigfaltigen Störungen derselben ist die wahre Entwickelung, obschon der gedankenlose Leser, der ein Mährchen hören wollte, frage, wie es nun weiter geworden sey. Sie rathen uns, zu täuschen; durch die Erzählung, meint der Buchstäbler, bietet er alle seine Künste auf, um uns sein Mährchen für eine wirkliche Begebenheit aufzubinden, und wenn alles mislingt, versichert er uns auf sein Ehrenwort, dass er eine wahre Geschichte erzähle. Nun wohl, so erzähle er, bis alle Gaffer sich wundern; aber er glaube nicht ein Kunstwerk geliefert zu haben. Unsere Erhebung zu einer ganz anderen, uns fremden Stimmung, in welcher wir unsere Individualität vergessen: -- das ist die wahre Täuschung, und für diesen Endzweck reicht diejenige Wahrheit der Geschichte, die er allein als Wahrheit kennt, nicht hin. In dieser handeln Erdenmenschen, wie wir unter den gleichen Umständen ungefähr auch handeln würden. Sie halten über reine Moral; und so thue denn wer kann und will das gute Werk, uns wichtige moralische Lehren durch Erzählungen anschaulich und eindringend zu machen. Er will uns dahin bringen, dass wir durch eigenen freien Entschluss das Bessere wählen; er ist unseres Dankes werth, und seine Bemühungen sind nicht allemal an uns verloren. Nur wisse er, was er ist, und stelle sich nicht in eine ihm fremde Klasse. Der begeisterte Künstler wendet sich gar nicht an unsere Freiheit, er rechnet auf dieselbe so wenig, dass vielmehr sein Zauber erst anfängt, nachdem wir sie aufgegeben haben. Er hebt durch seine Kunst uns ohne alles unser Zuthun auf Augenblicke in eine höhere Sphäre. Wir werden um nichts besser; aber die unangebauten Felder unseres Gemüths werden doch geöffnet, und wenn wir einst aus anderen Gründen uns mit Freiheit entschliessen, sie in Besitz zu nehmen, so finden wir die Hälfte des Widerstandes gehoben, die Hälfte der Arbeit gethan.[33] [Fußnote 33: Die Fortsetzung ist nicht erschienen.] D. Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache. (Philos. Journal Bd. I. S. 255-273, S. 287-326. 1795.) In einer Untersuchung über den Ursprung der Sprache darf man sich nicht mit Hypothesen, nicht mit willkürlicher Aufstellung besonderer Umstände, unter welchen etwa eine Sprache entstehen ^konnte^, behelfen; denn da der Fälle, welche den Menschen bei Erfindung und Ausbildung der Sprache leiten konnten, so mancherlei sind, dass sie keine Forschung ganz erschöpfen kann: so würden wir auf diesem Wege ebensoviel halbwahre Erklärungen des Problems erhalten, als Untersuchungen darüber angestellt würden. Man darf sich daher nicht damit begnügen, zu zeigen, dass und wie etwa eine Sprache erfunden werden ^konnte^: man muss aus der Natur der menschlichen Vernunft die Nothwendigkeit dieser Erfindung ableiten; man muss darthun, dass und wie die Sprache erfunden werden ^musste^. Man hüte sich insbesondere bei dieser Untersuchung, so wie bei jeder anderen, das Resultat, das man etwa zu finden hofft, schon zum voraus im Auge zu haben. Man denke sich in den Gesichtspunct der Menschen hinein, welche noch überhaupt keine Sprache hatten, sondern sie erst erfinden sollten; welche noch nicht wussten, wie die Sprache gebaut seyn müsse, sondern die Regeln darüber erst aus sich selbst schöpfen mussten. Jedem, der dem Ursprunge der Sprache nachforscht, muss die Sprache so gut als nicht erfunden seyn: er muss sich denken, dass er sie erst durch seine Untersuchung erfinden soll. Ferner hat man bei allen Untersuchungen über Entstehung der Sprache es auch darin versehen, dass man zuviel auf willkürliche Verabredung baute; dass man z. B. meinte: da ich ein Buch ^liber^, [Griechisch: biblion], book u. s. w. nennen kann, so müssen die Nationen einig geworden seyn, die eine, dieser bestimmte Gegenstand solle ^Buch^ -- die andere, er solle ^liber^, u. s. w. heissen. Aber auf eine solche Uebereinkunft dürfen wir wenig rechnen, da sie sich nur mit der grössten Unwahrscheinlichkeit denken lässt, und wir müssen daher selbst den Gebrauch der willkürlichen Zeichen aus den wesentlichen Anlagen der menschlichen Natur ableiten. ^Sprache^, im weitesten Sinne des Wortes, ist der ^Ausdruck unserer Gedanken durch willkürliche Zeichen^. Durch ^Zeichen^, sage ich, also nicht durch Handlungen. -- Allerdings offenbaren sich unsere Gedanken auch durch die Folgen, welche sie in der Sinnenwelt haben: ich denke und handle nach den Resultaten dieses Denkens. Ein vernünftiges Wesen kann aus diesen meinen Handlungen auf das, was ich gedacht habe, schliessen. Dies heisst aber nicht ^Sprache^. Bei allem, was ^Sprache^ heissen soll, wird schlechterdings nichts weiter beabsichtigt, als die Bezeichnung des Gedankens; und die Sprache hat ausser dieser Bezeichnung ganz und gar keinen Zweck. Bei einer Handlung hingegen ist der Ausdruck des Gedankens nur zufällig, ist durchaus nicht Zweck. Ich handle nicht, um anderen meine Gedanken zu eröffnen; ich esse z. B. nicht, um anderen anzudeuten, dass ich Hunger fühle. Jede Handlung ist selbst Zweck: ich handle, weil ich handeln will. Ich habe mich bei der Erklärung der Sprache des Ausdruckes: »^willkürliche Zeichen^« bedient. Darunter verstehe ich hier solche Zeichen, welche ausdrücklich dazu bestimmt sind, diesen oder jenen Begriff anzudeuten. Ob dieselben mit dem Bezeichneten natürliche Aehnlichkeit haben, oder nicht, das ist hier völlig gleichgültig. Ich mag zu dem anderen das Wort ^Fisch^ sagen -- ein Zeichen, das mit dem Gegenstande, welchen es ausdrücken soll, gar keine Aehnlichkeit hat -- oder ich mag ihm einen Fisch vorzeichnen; ein Zeichen, das mit dem Bezeichneten allerdings Aehnlichkeit hat -- in beiden Fällen habe ich keinen Zweck, als den, die Vorstellung eines bestimmten Gegenstandes bei dem anderen zu veranlassen; -- folglich kommen beide Zeichen darin überein, dass sie ^willkürlich^ sind. ^Sprachfähigkeit^ ist das Vermögen, seine Gedanken willkürlich zu bezeichnen. Ich drücke mich absichtlich so allgemein aus, damit man nicht gleich an eine ^Sprache für das Gehör^ denke. Von der ^Ursprache^ lässt sich gar nicht behaupten, dass sie bloss aus Tönen bestanden habe, bloss Gehörsprache gewesen sey. Diese letztere kann erst weit später entstanden seyn, und lässt sich nur unter Voraussetzung der Ursprache und auf eine weit verwickeltere Art deduciren. Die Frage, die sich uns zunächst darbietet, ist folgende: ^Wie ist der Mensch auf die Idee gekommen, seine Gedanken durch willkürliche Zeichen anzudeuten?^ Diese enthält unter sich folgende zwei: 1) Was brachte den Menschen überhaupt auf den Gedanken, eine Sprache zu erfinden? 2) In welchen Naturgesetzen liegt der Grund, dass diese Idee gerade ^so^ und nicht anders ausgeführt wurde? Lassen sich Gesetze auffinden, welche den Menschen bei der Ausführung leiteten? Ich mache mich deutlicher. Die Sprache ist das Vermögen, seine Gedanken ^willkürlich^ zu bezeichnen. Sie setzt demnach eine Willkür voraus. Unwillkürliche Erfindung, unwillkürlicher Gebrauch der Sprache enthält einen inneren Widerspruch. Man hat sich zwar auf unwillkürliche Töne beim Ausbruche der Freude, des Schmerzes u. s. w. berufen, und daraus gar manches über Erfindung und Gesetze der Sprache ableiten wollen; aber beides ist völlig verschieden. Unwillkürlicher Ausbruch der Empfindung ist nicht ^Sprache^. Um die Willkür zur Erfindung einer Sprache zu bestimmen, wurde eine Idee derselben vorausgesetzt. Daher die Frage: wie entwickelte sich in den Menschen die Idee, ihre Gedanken sich gegenseitig durch Zeichen mitzutheilen? Allein daraus, dass sie sich die Aufgabe aufstellten, eine Sprache zu erfinden, folgt noch nicht, dass ihnen überhaupt, und durch welche Mittel ihnen die Ausführung gelang. Daher die zweite schon angeführte Frage: giebt es in der menschlichen Natur Mittel, welche man nothwendig ergreifen musste, um die Idee einer Sprache zu realisiren? Kann man diesen Mitteln nachspüren, und wie mussten sie gebraucht werden, wenn durch sie der Zweck erreicht werden sollte? Fänden sich solche Mittel, so liesse sich wohl eine Geschichte der Sprache ^a priori^ entwerfen. Und sie finden sich allerdings. Zuvörderst: auf welchem Wege wurde die Idee von einer Sprache in dem Menschen entwickelt? -- Es ist im Wesen des Menschen gegründet, dass er sich die Naturkraft zu unterwerfen sucht. Die erste Aeusserung seiner Kraft ist gerichtet auf die Natur, um sie für seine Zwecke zu bilden. Selbst der roheste Mensch trifft irgend eine Vorkehrung für seine Bequemlichkeit und seine Sicherheit; er gräbt sich Höhlen, bedeckt sich mit Laub, und wenn er des Feuers etwa habhaft werden kann, zündet er Holz an, um sich so gegen den Frost zu schützen. Er wird von allen Seiten arbeiten, die feindselige Natur zu bezwingen, und wo er das nicht kann, wird er sie scheuen. So fürchtet der Mensch den Donner, weil er sich ausser Stande sieht, die Natur in dieser Aeusserung ihrer Kraft zu beherrschen. Sollten wir Mittel finden, dieselbe auch hier zu bezwingen, so würde sich jene Furcht bald verlieren. Der Mensch macht sich die Thiere dienstbar, oder flieht sie, wenn er das erstere nicht vermag. So war gewiss, ehe man die Kunst erfand, Pferde zu zähmen, dieses grosse starke Thier dem Menschen ein Gegenstand des Schreckens: jetzt, da er es sich unterworfen hat, fürchtet er es nicht mehr. In diesem Verhältnisse steht der Mensch mit der belebten und leblosen ^Natur^: er geht darauf aus, sie nach seinen Zwecken zu modificiren; aber diese widerstrebt der Einwirkung, und nimmt oft genug sie gar nicht an. Daher sind wir mit der Natur in stetem Kampfe, sind bald Sieger, bald Besiegte, -- unterjochen oder fliehen. Wie verhält sich dagegen der Mensch ursprünglich gegen den ^Menschen selbst^? Sollte wohl zwischen ihnen im rohen Naturzustande dasselbe Verhältniss stattfinden, welches zwischen dem Menschen und der Natur ist? Sollten sie wohl darauf ausgehen, sich selbst untereinander zu unterjochen, oder, wenn sie sich dazu nicht Kraft genug zutrauen, einander gegenseitig fliehen? Wir wollen annehmen, es wäre so: so würden gewiss nicht zwei Menschen nebeneinander leben können; der Stärkere würde den Schwächeren bezwingen, wenn dieser nicht flöhe, sobald er jenen erblickte. Würden sie aber auf solche Art wohl jemals in Gesellschaft getreten, würde durch sie die Erde bevölkert worden seyn? Ihr Verhältniss würde ganz so gewesen seyn, wie es Hobbes im Naturstande schildert: Krieg aller gegen alle. Und doch finden wir, dass die Menschen sich miteinander vertragen, dass sie sich gegenseitig unterstützen, dass sie in gesellschaftlicher Verbindung miteinander stehen. Der Grund dieser Erscheinung muss wohl in dem Menschen selbst liegen: in dem ursprünglichen Wesen desselben muss sich ein Princip aufzeigen lassen, welches ihn bestimmt, sich gegen seinesgleichen anders zu betragen, als gegen die Natur. Ich weiss recht wohl, dass viele behaupten, die Menschen gingen von Natur darauf aus, einander zu unterjochen. Was auch immer gegen diese Behauptung sich einwenden lassen möge, so ist doch soviel gewiss: dass sich aus der Erfahrung mancherlei scheinbare Gründe für dieselbe auffinden lassen, und dass sie folglich der entgegengesetzten Behauptung, wiefern diese auch nur als Erfahrungssatz aufgestellt würde, in Rücksicht auf Gültigkeit gleichgesetzt werden könnte. Diese entgegengesetzte Behauptung muss also eben darum, damit ihre Gültigkeit entschieden sey, aus einem in der Natur des Menschen selbst liegenden Principe abgeleitet werden. Wir wollen dieses Princip aufsuchen. Der Mensch geht darauf aus, die rohe oder thierische Natur nach seinen Zwecken zu modificiren. Dieser Trieb muss untergeordnet seyn dem höchsten Principe im Menschen, dem: sey immer einig mit dir selbst; nach welchem Principe er in den allgemeinsten Aeusserungen seiner Kraft beständig forthandelt, auch ohne sich desselben bewusst zu seyn. Der Mensch sucht also -- nicht gerade aus einem deutlich gedachten, aber aus einem durch sein ganzes Wesen verwebten, und dasselbe ohne alles Hinzuthun seines freien Willens bestimmenden Princip -- die nicht vernünftige Natur sich deswegen zu unterwerfen, damit alles mit seiner Vernunft übereinstimme, weil nur unter dieser Bedingung er selbst mit sich selbst übereinstimmen kann. Denn da er ein vorstellendes Wesen ist, und in einer gewissen Rücksicht, die wir hier nicht zu bestimmen haben, die Dinge vorstellen muss, wie sie sind: so geräth er dadurch, dass die Dinge, die er vorstellt, mit seinem Triebe nicht übereinstimmen, in einen Widerspruch mit sich selbst. Daher der Trieb, die Dinge so zu bearbeiten, dass sie mit unseren Neigungen übereinstimmen, dass die Wirklichkeit dem Ideale entspreche. Der Mensch geht nothwendig darauf aus, alles, so gut er es weiss, ^vernunftmässig^ zu machen. Wenn er nun in diesen Versuchen auf einen Gegenstand stossen sollte, an welchem sich die gesuchte Vernunftmässigkeit ohne seine Mitwirkung schon äusserte, so wird er sich in Rücksicht auf diesen aller Bearbeitung wohl enthalten, da er dasjenige, was einzig und allein durch sie hervorgebracht werden soll, an dem entdeckten Gegenstande schon findet. Er hat etwas gefunden, was mit ihm übereinstimmt; würde es nicht ungereimt seyn, einen Gegenstand seinem Triebe entsprechend machen zu wollen, der schon, ohne sein Zuthun, demselben entspricht? Das Gefundene wird ihm ein Gegenstand des Wohlgefallens seyn: er wird sich freuen, ein mit ihm gleichgestimmtes Wesen -- einen ^Menschen^ angetroffen zu haben. Aber woran soll er diese Vernunftmässigkeit des gefundenen Gegenstandes erkennen? An nichts anderem, als woran er seine eigene Vernunftmässigkeit erkennt -- am ^Handeln nach Zwecken^. -- Die blosse Zweckmässigkeit des Handelns aber an sich allein würde zu einer solchen Beurtheilung noch nicht hinreichen; sondern es bedarf noch der Idee des Handelns nach veränderter Zweckmässigkeit, und zwar von einem Handeln, das verändert ist nach unserer eigenen Zweckmässigkeit. Gesetzt, der Naturmensch handle auf einen Gegenstand, der entweder nach gewissen Regeln aufwächst, Früchte trägt u. s. w., oder einen, der nach einem gewissen Instincte auf Nahrung ausgeht, schläft, erwacht u. s. w., und den er deshalb als nach Zwecken handelnd beurtheilt. Sobald ein solcher Gegenstand, auf den der Naturmensch seinen Zwecken gemäss gehandelt hat, seinen Gang fortgeht, ohne nach Maassgabe jener Einwirkung eine Veränderung in seinem Zwecke anzunehmen, so erkennt er ihn nicht für vernünftig. Als zweckmässig und freihandelnd werde ich nur das Wesen ansehen, das seinen Zweck, nachdem ich meinen Zweck auf dasselbe anwende, auch ändert. Z. B., ich brauche Gewalt auf ein Wesen, und es braucht sie auch, ich erzeige ihm eine Wohlthat, es erwiedert sie; so ist immer Veränderung des Zweckes nach dem Zwecke, den ich für dasselbe habe: mit anderen Worten, es ist eine ^Wechselwirkung^ zwischen mir und diesem Wesen. Nur ein Wesen, das, nachdem ich meinen Zweck auf dasselbe äusserte, den seinigen in Beziehung auf diese Aeusserung ändert, das z. B. Gewalt braucht, wenn ich gegen dasselbe Gewalt brauche, das mir wohlthut, wenn ich ihm wohlthue: nur ein solches Wesen kann ich als vernünftig erkennen. Denn ich kann aus der Wechselwirkung, welche zwischen ihm und mir eingetreten ist, schliessen, dass dasselbe eine Vorstellung von meiner Handlungsweise gefasst, sie seinem eigenen Zwecke angepasst habe, und nun nach dem Resultate dieser Vergleichung seinen Handlungen durch Freiheit eine andere Richtung gebe. Hier zeigt sich offenbar ein Wechsel zwischen Freiheit und Zweckmässigkeit, und an diesem Wechsel erkennen wir die Vernunft. Der Mensch geht also nothwendig darauf aus, Vernunftmässigkeit ausser sich zu finden; er hat einen Trieb dazu, der sich deutlich genug dadurch offenbart, dass der Mensch sogar geneigt ist, leblosen Dingen Leben und Vernunft zuzuschreiben. Beweise davon finden sich häufig genug in den Mythologien und den Religionsmeinungen aller Völker u. s. w. Wie wir gesehen haben, ist es der Trieb nach Uebereinstimmung mit sich selbst, welcher den Menschen anleitet, Vernunftmässigkeit ausser sich aufzusuchen. Eben dieser Trieb musste in dem Menschen, sobald er wirklich mit Wesen seiner Art in Wechselwirkung getreten war, den Wunsch erzeugen, seine Gedanken dem anderen, der sich mit ihm verbunden hatte, auf eine bestimmte Weise andeuten, und dagegen von demselben eine deutliche Mittheilung seiner Gedanken erhalten zu können. Denn ohne diese Auskunft musste es sich häufig ereignen, dass der eine die Handlung des anderen misverstand und auf eine Art erwiederte, die ganz gegen die Erwartung des Handelnden war; ein Fall, der den Menschen in offenbaren Widerspruch mit seinen Zwecken versetzte, und folglich geradezu gegen die Uebereinstimmung mit sich selbst stritt, welche er bei der Aufsuchung vernünftiger Wesen beabsichtigte. -- Ich meine es vielleicht mit jemand gut, und will ihm mein Wohlwollen durch Handlungen zu erkennen geben. Allein jener deutet diese Handlungen unrichtig und erwiedert sie durch Feindseligkeiten. Ein solches Betragen muss nothwendig bei mir den Gedanken veranlassen, dass der andere meine Absichten verkenne; und diesem Gedanken muss bald der Wunsch folgen, ihm meine Gesinnungen auf eine weniger zweideutige Art ankündigen zu können. So wie es mir mit anderen geht, so anderen mit mir. Wie leicht kann ich die wohlmeinende Handlung eines anderen misverstehen und mit Undank vergelten? So wie ich aber seine Absicht besser einsehe, so werde ich wünschen mein Vergehen wieder gut zu machen, und um deswillen von seinen Gedanken künftig besser unterrichtet zu seyn. -- Ich wünsche also, dass der andere meine Absicht wissen möge, damit er mir nicht zuwiderhandle, und aus gleichem Grunde wünsche ich, die Absichten des anderen zu wissen. Daher die Aufgabe zur Erfindung gewisser Zeichen, wodurch wir anderen unsere Gedanken mittheilen können. Bei diesen Zeichen wird indessen einzig und allein der ^Ausdruck^ unserer Gedanken beabsichtiget. Wenn ich auf jemand erzürnt bin, so zeigt sich ihm dieser Zorn allerdings durch feindliche Behandlung. Aber da ist die Absicht bloss, meine Gedanken ^auszuführen^, nicht aber, ihm ein ^Zeichen^ davon zu geben. Bei der Sprache aber ist lediglich die ^Bezeichnung^ Absicht, nicht als Ausdruck der Leidenschaft, sondern zum Behufe einer gegenseitigen Wechselwirkung unserer Gedanken, ohne welche, wie soeben bemerkt wurde, eine unserem Triebe angemessene Wechselwirkung der Handlungen nicht bestehen kann. Durch die Verbindung mit Menschen wird also in uns die Idee geweckt, unsere Gedanken einander durch willkürliche Zeichen anzudeuten -- mit Einem Worte: ^die Idee der Sprache^. Demnach liegt in dem, in der Natur des Menschen gegründeten Triebe, Vernunftmässigkeit ausser sich zu finden, der besondere ^Trieb, eine Sprache zu realisiren^, und die Nothwendigkeit, ihn zu befriedigen, tritt ein, wenn vernünftige Wesen miteinander in Wechselwirkung treten. Wir denken uns bei der Sprache gewöhnlich nur ^Zeichen fürs Gehör^. Wie es gekommen ist, dass wir uns mit unserer Sprache eben an diesen Sinn wenden, wird in der Folge erklärt werden. ^Hier^ ist kein mögliches Zeichen ausgeschlossen; so wie in der Ursprache sicher ebensowenig irgend eins ausgeschlossen war.[34] Die Aufgabe zur Sprache ist jetzt vorhanden: wie soll ihr aber nun Genüge geschehen? Die Natur offenbart sich uns besonders durch Gesicht und Gehör. Zwar kündigt sie sich uns auch durch Gefühl, Geschmack und Geruch an: aber die Eindrücke, welche wir auf diesen Wegen erhalten, sind theils nicht lebhaft, theils nicht bestimmt genug, und wir lassen uns daher bei äusseren Wahrnehmungen vorzüglich durch Gesicht und Gehör leiten, wenn und wo uns der Gebrauch dieser Sinne nicht versagt ist. So wie die Natur den Menschen etwas durch Gehör und Gesicht bezeichnete, gerade so mussten sie es einander durch Freiheit bezeichnen. -- Man könnte eine auf diese Grundregel aufgebaute Sprache die ^Ur-^ oder ^Hieroglyphensprache^ nennen. [Fußnote 34: Ich beweise hier nicht, dass der Mensch ohne Sprache nicht denken, und ohne sie keine allgemeinen abstracten Begriffe haben könne. Das kann er allerdings vermittelst der Bilder, die er durch die Phantasie sich entwirft. Die Sprache ist meiner Ueberzeugung nach für viel zu wichtig gehalten worden, wenn man geglaubt hat, dass ohne sie überhaupt kein Vernunftgebrauch stattgefunden haben würde.] Die ersten Zeichen der Dinge waren, nach diesen Grundsätzen, hergenommen von den Wirkungen der Natur: sie waren nichts weiter, als eine Nachahmung derselben. Hier war die Mittheilung der Gedanken selbst willkürlich, wie sie es bei jeder Sprache seyn muss, aber nicht die Art dieser Mittheilung: es stand in meiner Willkür, ob ich dem anderen meine Gedanken bezeichnen wollte, oder nicht; aber im Zeichen selbst war keine Willkür. Diese Bezeichnung der Dinge durch die Nachahmung ihrer in die Sinne fallenden Eigenschaften gab sich leicht. Der Löwe wurde z. B. durch die Nachahmung seines Gebrülles, der Wind durch die Nachahmung seines Sausens ausgedrückt. So wurden Gegenstände, die sich durch das Gehör offenbaren, durch Töne ausgedrückt: andere, die sich durchs Gesicht ankündigen, konnten im leichten Umriss etwa im Sande nachgebildet werden. Z. B. Fische, Netze, mit einigen Gesticulationen und Winken gegen das Ufer hin begleitet, waren für den, an welchen diese Zeichen gerichtet waren, eine Aufforderung zum Fischen. Diese Sprache war leicht erfunden, und hinreichend, wenn etwa zwei beisammen waren, um sich zu unterhalten, oder in der Nähe zusammen arbeiteten. Jeder giebt auf des anderen Zeichen Acht: der eine ahmt einen Ton nach, der andere auch; der eine zeichnet etwas mit dem Finger, der andere auch. So verstehen sie einander: der eine weiss, was der andere denkt, und dieser weiss, was jener will, dass er denken solle. Man stelle sich aber vor, dass diese zwei für sich arbeiten und entfernt von einander sind, z. B. auf der Jagd. Einer will dem anderen einen Gedanken mittheilen, der sich nur durch ein Zeichen fürs Gesicht ausdrücken lässt; aber zum Unglück richtet der andere seine Blicke nicht auf ihn, oder kann seine Zeichen wegen der grossen Entfernung nicht bestimmt erkennen. Hier ist die Unterredung unmöglich. Ferner: man denke sich mehrere, die um sich zu berathschlagen versammelt sind. -- Dies wird bei rohen und uncultivirten Menschen, wie wir hier sie uns denken, oft der Fall seyn, weil sie oft des gegenseitigen Rathes bedürfen. -- Man erwäge, ob die angenommene Hieroglyphensprache für eine so grosse Gesellschaft bequem seyn werde. Gesetzt, es sind ihrer zehn beisammen; während einer redet und acht zuhören, fällt es dem zehnten ein, auch etwas vorzutragen. Aber alle seine Zeichen werden nicht beobachtet, weil die übrigen auf den ersten merken. Wie soll er es anfangen, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen? Man erinnere sich einer Bemerkung, welche die tägliche Erfahrung bestätigt. -- Das Gehör leitet unwillkürlich die Augen: man richtet sich nach der Gegend, wo ein Schall herkam, selbst ohne sich mit Bewusstseyn die Absicht zu denken, der Ursache dieses Schalles nachzuspüren; ja, man hat oft Mühe, sich des Hinsehens zu erwehren. Da es der vorausgesetzten Person in der Ursprache freisteht, sich sowohl fürs Gesicht, als fürs Gehör auszudrücken, so wird er, unserer, nicht gerade deutlich gedachten, aber dunkel gefühlten Bemerkung zufolge, auf den letzteren Sinn zu wirken suchen, um die Gesellschaft fürs erste nur aufmerksam auf sich zu machen, und mag vielleicht zuerst einen unarticulirten Ton, etwa ein ^Hm!^ von sich geben. Jetzt werden die anderen ihre Blicke auf ihn richten, und er kann durch Zeichen für das Gesicht mit ihnen sprechen. Aber sie sind vielleicht in den Gedankenkreis desjenigen, der zuerst zu ihnen sprach, und der jetzt unterbrochen ist, unwiderstehlich hineingerissen, er allein interessirt sie, und sie wenden ihre Blicke von dem Zehnten wieder hinweg. Dies wird demselben nicht gleichgültig seyn. Er ist überzeugt, dass das, was er vortragen will, von der grössten Bedeutung sey, -- und wird sich nicht so ruhig gefallen lassen, dass seine Rede so wenig Eingang findet. Je stärker in ihm das Verlangen ist, sich mitzutheilen, desto lebhafter muss er auch sein Unvermögen fühlen, durch Zeichen fürs Gesicht der Versammlung seine Gedanken bemerkbar zu machen: und dieses Unvermögen, verbunden mit der Erinnerung an die Wirkung, welche der Laut, den er gleich anfangs von sich gab, auf die Gesellschaft machte, muss nothwendig die Vorstellung in ihm veranlassen, dass er die Gesellschaft nöthigen würde, auf seine ganze Rede zu achten, wenn sein Vortrag aus blossen Gehörzeichen bestehen würde. Noch mehr. Man verwandle die vorausgesetzte Gesellschaft in eine solche, wo jeder reden will -- jeder wird wünschen, dass er die Hieroglyphensprache, in welcher Zeichen fürs Gesicht mit Gehörzeichen abwechseln, in eine blosse Gehörsprache umschaffen könnte, um mehr Eingang und Aufmerksamkeit zu finden. Durch eine solche Auskunft würde auch derjenige, der sich in dem zuerst angeführten Falle befand, in den Stand gesetzt werden, dem anderen auch in der Entfernung, oder in der Dunkelheit seine Gedanken anzuzeigen. Durch diese Mängel der Ursprache, dass sie die Aufmerksamkeit nicht erregt, sondern sie schon voraussetzt, dass sie nur in der Nähe und am Tage anwendbar ist, entstand nothwendig ^die Aufgabe, dieselbe in eine blosse Gehörsprache zu verwandeln^. Wie soll nun aber diese Aufgabe gelöst werden? Wie soll der Mensch Gegenstände, die sich durch den Ton nicht charakterisiren, durch Töne bezeichnen? Der Hirt wird sein Vieh, und die Feinde desselben, den Löwen, den Tiger, den Wolf, durch die Nachahmung ihrer Stimmen bezeichnen. Aber wie soll er einen Fisch, Vegetabilien und andere Gegenstände, welche uns die Natur nicht durch Töne ankündigt, fürs Gehör bezeichnen? Dazu kommt noch, dass, so wie sich allmählig die Bedürfnisse der Menschen vermehren, auch immer mehr Dinge in Gebrauch kommen, z. B. Zelte, Netze und andere Werkzeuge, die, ihrer Natur nach, keinen Ton von sich geben. Und doch soll auch für diese ein bezeichnender Laut gefunden werden. Man beruft sich gewöhnlich, um die Erfindung solcher Bezeichnungen zu erklären, auf Verabredung: man nimmt an, die Menschen, in einer Lage, die ihnen eine Gehörsprache nothwendig machte, wären übereingekommen, diesen Gegenstand ^Fisch^, jenen ^Netz^ zu nennen u. s. w. Allein dies ist grundlos. Denn erstlich: wie sollte man auch nur auf den Einfall gekommen seyn, Gegenstände durch willkürliche Töne bezeichnen zu wollen, nachdem man sie bisher immerfort durch natürliche Zeichen ausgedrückt hatte? Dann: wie kam es, dass derjenige, welcher die Töne vorschlug, sie selbst nicht wieder vergass, oder noch mehr -- dass sie von der ganzen Horde behalten wurden? Endlich: wie wäre es denkbar, dass eine Menge ungebundener Menschen sich dem Ansehen eines Einzigen unbedingt unterworfen -- dass sie einen Vorschlag, der sich auf nichts, als die Willkür dieses Einzigen gründete, so willig angenommen hätten? Noch ist bei der ganzen Deduction der Sprache, und insbesondere bei der gegenwärtigen Untersuchung, wohl zu merken, dass die verschiedenen Momente der Erfindung und Modification einer Sprache nicht so schnell auf einander gefolgt sind, als sie hier erzählt werden. Wer weiss, wie viel tausend Jahre verflossen sind, ehe die Ursprache Sprache fürs Gehör wurde? Ferner ist es durch die Erfahrung bestätigt, dass die Sprachen sich immer ändern, immer neue Modificationen annehmen; dass aber diese Veränderlichkeit nach Maassgabe der Cultur, welche eine bestimmte Sprache hat, sich stärker oder schwächer äussert. Vorzüglich zeigt sich durch Erfahrung, dass die Sprache sich am meisten bei einem Volk ändert, das noch nicht schreibt, sondern bloss spricht; weil der ursprüngliche Ton eines Zeichens, wenn er einmal verloren gegangen ist, nirgends wieder aufgefunden werden kann. Wo aber geschrieben wird, da wird der Ton festgehalten, und es lässt sich immer wieder bestimmen, wie ein Wort ausgesprochen werden muss. Durch Erfindung der Buchstaben wurde also die Sprache sehr befestigt. Eine lebende Sprache verändert sich demnach immer im umgekehrten Verhältniss mit ihrer Cultur: je mehr Ausbildung sie erhalten hat, desto weniger rückt sie vorwärts, je uncultivirter sie noch ist, desto mehr modificirt sie sich; und sie verändert sich am stärksten, wenn ihre Laute noch nicht durch Schriftzeichen festgehalten werden. Diese Bemerkung brauchen wir, um uns zu erklären, wie die Ursprache sich in Gehörsprache verwandelt hat. Nach diesen Vorerinnerungen kommen wir zur Beantwortung der Frage selbst: wie liess sich ^Hieroglyphensprache^ in ^Gehörsprache^ umschaffen? In der Ursprache mussten bald die Zeichen fürs Gehör, welche Nachahmung natürlicher Töne waren, z. B. die Bezeichnung des Löwen, des Tigers u. s. w., die durch das ihnen eigenthümliche Gebrüll ausgedrückt wurden, merkliche Veränderungen leiden. Bei einem Volke, das -- wie von den Stämmen der Wilden bekannt ist -- die Zusammenkünfte liebt, in Gesellschaft arbeitet und schmaust u. s. w., wird es leicht dahin kommen, dass Ein Mensch durch die Ueberlegenheit seines Geistes einen Vorzug vor den übrigen behauptet, und, ohne durch Stimmen dazu erwählt zu werden, den Heerführer im Kriege, und in ihren Versammlungen den Sprecher vorstellt. Ein solcher Mensch, auf dessen Reden man vorzüglich achtet, wird sich durch Gewohnheit eine Geläufigkeit im Sprechen erwerben, und durch diese Geläufigkeit bald dahin kommen, dass er die Dinge nur flüchtig bezeichnet, sich es nicht übel nimmt, den oder jenen Ton im Reden zu überspringen. Man wird sich an diese Abweichung bald gewöhnen, und diese flüchtigere Bezeichnung leicht verstehen lernen. Allmählig wird er sich von der eigentlichen Nachahmung der natürlichen Töne immer mehr entfernen, seine Bezeichnung wird nach und nach flüchtiger, kürzer und leichter werden; so dass sich -- vielleicht nach einem Zeitraum von einigen Jahrzehnden schon -- zwischen seiner Bezeichnung eines Gegenstandes und dem natürlichen Ton, durch welchen sich dieser dem Gehör ankündigt, kaum noch eine Aehnlichkeit wird entdecken lassen. Die Anderen, die sich bemühen, diese leichteren Gehörzeichen verstehen zu lernen, werden es bald bequemer finden, diese Art zu sprechen, die sich durch ihre grössere Leichtigkeit empfiehlt, auch nachzuahmen. Je weiter nun die Menschen in dieser von der Natur sich entfernenden Bezeichnungsart fortgingen, desto lebhafter musste sich ihnen, selbst bei der flüchtigsten Aufmerksamkeit auf sich selbst und ihre Art, sich auszudrücken, die Bemerkung aufdringen, dass, da man Dinge fürs Gehör auf eine andere Art, als sie von Natur tönen, ausdrücken könne, man vielleicht auch Dinge, die an sich tonlos sind, durch einen Ton bezeichnen könnte. -- Welchen Weg musste man nun einschlagen, um diesen Gedanken zu realisiren? Wenn auch gewisse Dinge sich nicht ausdrücklich unserem Ohr ankündigen, so kömmt ihnen doch zufälligerweise, unter besonderen Umständen, ein Ton zu. Z. B. der ^Reif^ hat an sich keinen Ton, wenn man aber über denselben weggeht, so entsteht ein gewisses charakteristisches Rauschen, von welchem er leicht benannt werden konnte: der ^Wald^ tönt an sich nicht, wohl aber, wenn man durchs Gesträuche geht, u. s. w. Oft konnte auch ein Zufall, welcher sich ereignete, als gerade ein Mensch mit der Betrachtung eines Gegenstandes sich beschäftigte, die Erfindung eines Tons für denselben veranlassen. Z. B. jemand sah eine Blume, indem flog eine Biene, welche Honig aus derselben gesaugt hatte, sumsend davon; er sah beides noch nie, in seiner Phantasie vereinigte sich jetzt das Sumsen mit dem Gedanken an die Blume, und diese Verbindung leitete ihn sehr natürlich darauf, für die Blume und Biene eine Bezeichnung zu finden. Auf diese Weise kam man darauf, Dinge nach gewissen, zufällig mit ihnen verbundenen, oder auf sie bezogenen Tönen zu benennen. Man denke sich nun den Trieb, eine Zeichensprache in Gehörsprache umzuschaffen, selbst dann noch in fortdauernder Wirksamkeit, als schon die bekanntesten Gegenstände -- diejenigen, die im Kreise der täglichen Beschäftigungen des Menschen lagen, für das Ohr bezeichnet waren: so ist es sehr begreiflich, wie man endlich darauf geleitet wurde, auch Töne zu Bezeichnung eines Gegenstandes festzusetzen, zu welchen auch nicht einmal ein zufälliger Laut Veranlassung gab. Um die Bedeutung eines solchen Tones zu erklären, musste der Erfinder ihn durch andere schon bekannte Töne erläutern, durch deren Zusammensetzung er selbst neue Worte bilden konnte. So war es ihm leicht möglich, durch Zusammenstellung mehrerer Töne, deren Gegenstände mit dem zu bezeichnenden Objecte in gewisser Beziehung standen, seine Sprache mit neuen Bezeichnungen zu ^bereichern^. Aber wer war es denn, der für die Erfindung und Ausbildung einer Gehörsprache zu sorgen hatte? und wie konnte eine solche willkürliche Bezeichnung, die von einem Individuum aufgestellt wurde und wozu in dem Gegenstande entweder gar keine oder nur eine zufällige Veranlassung war, als ein allgemeinverständlicher Ausdruck in Umlauf gebracht werden? Der Natur der Sache nach musste dieses Geschäft vorzüglich dem Hausvater und der Hausmutter einer Familie angehören, die bei ihren häuslichen Geschäften oft Gelegenheit hatten, mancherlei neue Töne zu erfinden, womit sie ihren Hausgenossen die Bearbeitung eines Gegenstandes in einem Ausdrucke auftragen konnten, den sie anfänglich durch Vorzeigung des Gegenstandes erklärten. Durch den häufigen Gebrauch wurden diese Ausdrücke dem Vater und der Mutter selbst geläufiger. Allein, wenn auch der Hausvater sich durch die von ihm erfundenen Bezeichnungen seiner Familie verständlich machte; wenn ihm auch z. B. sein Sohn, wenn er eine ^Rose^ verlangt hatte, die Blume brachte, welche er mit diesem Ausdruck meinte: wie sollte dies Wort in der ganzen Horde gemeinbekannt werden? Warum sollte doch der zweite und dritte Nachbar nicht die Freiheit gehabt haben, die ^Rose^ anders zu benennen? Mithin liesse sich aus dem Vorgetragenen nur erklären, wie die ^Sprache der Familie^ gebildet und erweitert wurde; nicht aber, wie die Sprache der ganzen Horde sich entwickeln konnte. -- Dieser Einwurf lässt sich auf folgende Art auflösen. Es wird unter uncultivirten Völkern immer wenige geben, welche Kopf und Lust genug besitzen, sich mit Ausbildung der Sprache vorzüglich zu beschäftigen. Daher werden diejenigen, welche Fähigkeit und Neigung zu diesem mühsamen Geschäfte zeigen, schon dadurch bald über die Horde grossen Einfluss gewinnen. Wenn nun dieselbigen Menschen ausser diesem Verdienste auch noch andere Talente besitzen, die sie zur Besorgung der öffentlichen Angelegenheiten ihres Volkes geschickt machen (und dies lässt sich um so leichter annehmen, da die Menschen, wie wir sie hier uns denken, noch nicht durch äussere Verhältnisse zu einer einseitigen Bildung verleitet, leicht von mehreren Seiten zugleich sich auszeichnen konnten): so werden sie bald an der Spitze der Horde stehen, und in ihren Rathsversammlungen das Wort führen. Diese werden nun die Bezeichnungen, die sie für die Bedürfnisse ihrer Familie erfunden hatten, in die Volksversammlung bringen; man wird sie annehmen und fortbrauchen. Auf diese Art wird sich die Erfindung eines Hausvaters bald durch die ganze Horde verbreiten. Aber wie sollte man diese Ausdrücke immer verstehen und behalten? -- Man muss sich nur nicht vorstellen, dass dies alles auf einmal und plötzlich geschehen sey. Der Sprecher brachte nicht etwa ganze Reihen neuer Töne vor, die er auf einmal zu behalten ausdrücklich aufgab; sondern die Ausdrücke kamen im Fluss der Rede einzeln vor, und waren, wenn auch nicht an sich, doch durch den Zusammenhang mit anderen bekannten Worten verständlich. Aller Augen und Ohren sind auf den Redner gerichtet; man merkt genau auf ihn, prägt sich das Gehörte sorgfältig ein, und gebraucht die gelernten Zeichen nachher auch in seiner Familie. Bisher waren wir beschäftigt, zu zeigen, wie ^einzelne Gegenstände^ fürs Gehör bezeichnet wurden. Mit mehreren Schwierigkeiten wird die uns nun bevorstehende Untersuchung über Bezeichnung ^allgemeiner Begriffe^ verbunden seyn. Es giebt in der Wirklichkeit keinen Gegenstand, der, ausser dem Merkmale seines Geschlechts, nicht auch das Merkmal einer besonderen Gattung dieses Geschlechts an sich trüge. Es giebt zum Beispiel keinen Gegenstand, von welchem sich weiter nichts sagen liesse, als dass er ein ^Baum^, und nicht zugleich, dass er etwa eine ^Birke^, ^Eiche^, ^Linde^ u. s. w. sey. Wie kam man demnach darauf, ^allgemeine Begriffe^, z. B. den des Baumes, auszudrücken? Zu Bezeichnungen der ^Gattungsbegriffe^ gelangte man sehr leicht. Ein Hausvater zeigte einem seiner Kinder eine Blume, die er ^Rose^ nannte. Bald darauf schickt er es, ihm die Rose zu holen. Das Kind hatte mit diesem Tone gewiss den Begriff jener bestimmten individuellen Blume verbunden, welche ihm der Vater gezeigt hatte. Es findet aber die bestimmte Blume nicht mehr, doch erblickt es daneben eine Blume von gleicher Gestalt, welche dem Kinde nun auch Rose heisst. Es reisst sie ab und bringt sie dem Vater, der die Blume als Rose anerkennt. So kommen beide überein, dass der Schall Rose nicht bloss jenen einzelnen Gegenstand auf jener bestimmten Stelle, sondern überhaupt alle Blumen von derselben Gestalt, derselben Farbe, demselben Geruche bedeute. -- So war vielleicht in der gleichen Zeitreihe mit dem ersten Versuche einer Gehörsprache die Bezeichnung der Gattungsbegriffe möglich. -- Richtig ist überhaupt, dass die Gattungsbegriffe sich eher entwickelten, als die des Geschlechts, weil, um sich die letzteren zu denken, ein höherer Grad von Abstraction erfordert wird. Folglich mussten auch wohl die Bezeichnungen für jene früher entstanden seyn, als die Bezeichnungen für die letzteren. Auch ist kein so dringendes Bedürfniss da, den ^Geschlechtsbegriff^ -- z. B. den des ^Baums^ zu bezeichnen, als etwa die ^Gattungsbegriffe Birke, Eiche^ u. s. w. Diejenigen Namen von ^Gattungsbegriffen^, denen das Zeichen des Geschlechtsbegriffs, zu welchem sie gehören, nicht angehängt ist, sind gewiss früher erfunden worden, als die Namen ihrer ^Geschlechtsbegriffe^; hingegen, wo man den Ausdrucke eines Gattungsbegriffs die Bezeichnung seines Geschlechts beigefügt findet, da ist der erstere gewiss später erfunden worden. So sagt man nicht Birken^baum^, Fichten^baum^, weil die Namen dieser Gattungen von Bäumen früher waren, als die Bezeichnung des Geschlechts. Hingegen sagt man Birn^baum^, Apfel^baum^, Nuss^baum^ u. s. w., weil hier der Gattungsbegriff später zu unserer Kenntniss kam, als der seines Geschlechts. Denn es ist bekannt, dass diese Gattungen von Bäumen in Deutschland nicht einheimisch, sondern erst zu uns gebracht worden sind, da schon die wilden Baumarten, und das Geschlecht selbst bezeichnet war. Man nannte demnach die nun eingeführten fremden Bäume, ehe man einen bestimmten Namen für sie wusste, mit dem Geschlechtsworte: ^Bäume^. Die Frucht hatte indess schon vorher einen Namen, den man vielleicht durch die Kaufleute erfahren hatte, und so entstand denn der Ausdruck: Apfelbaum, Birnbaum u. s. w. Sehr abstracte Begriffe wurden erst ganz spät benannt, und die Zeichen derselben sind öfters vorher Zeichen der Gattung gewesen. -- Einer der allerabstractesten Begriffe ist der eines ^Dinges^; durch welches Wort ein ^Seyendes überhaupt^ bezeichnet wird. Im Deutschen ist die Ableitung dieses Wortes weniger verwickelt, als im Lateinischen, da das Wort ^Ens^ in dieser Sprache nicht das Existiren, sondern den reinen Begriff des Seyns ausdrückt. Im Deutschen hiess wohl anfänglich alles, was als Werkzeug zu etwas gebraucht wird, ein ^Ding^. Dies sieht man bei Kindern und ungebildeten Menschen, die anstatt des eigentlichen Ausdrucks (wenn sie etwas entweder noch nicht kennen, oder sich dessen nicht sogleich entsinnen können) z. B. für ^Feder^ sagen: ein ^Ding^, womit man schreibt. -- Diese Bedeutung des Wortes ^Ding^ bestätigt sich dadurch, dass es sehr nahe mit ^Düng^ und ^Dung^ zusammenhängt, und auch sonst oft damit verwechselt wurde. Z. B. bei Luther kommt das Wort Ding häufig als Endung eines Wortes vor; als, statt ^Deutung^ -- ^Deutding^ u. s. w., und wenn man in den älteren Denkmälern unserer Sprache nachforschen wollte, so würde man es noch öfter in dieser Gestalt finden. Nach und nach schob man nun diesem Worte einen höheren Sinn unter, und so wurde endlich aus der Bezeichnung eines Gattungsbegriffs, aus dem Ausdrucke für ein Etwas, das zum Behuf eines anderen da ist, die Bezeichnung eines der allgemeinsten Begriffe, die Bezeichnung eines ^Etwas überhaupt^. Noch mehr Schwierigkeit findet sich bei der Erklärung des Wortes ^seyn^. ^Seyn^ drückt den höchsten Charakter der Vernunft aus, und der Mensch muss sehr ausgebildet seyn, um sich zu der reinen Vorstellung desselben erheben zu können. Da wir indess die Worte: ^seyn^, ich ^bin^, du ^bist^ u. s. w. auch in den Sprachen uncultivirter Völker antreffen, so kann es wohl jene hohe, nur der schärfsten Abstraction zugängliche Idee nicht seyn, was ursprünglich durch diese Zeichen ausgedrückt wurde. Sie bezeichnen in jenen früheren Perioden einer Sprache -- was sie auch uns in den meisten Fällen, wo wir uns ihrer bedienen, bedeuten -- das ^Dauernde^ im Gegensatz des ^Wandelbaren^, oder den ^sinnlichen Begriff der Substanz^. Es versteht sich, dass ich dieses Wort hier in dem Sinne nehme, in welchem man es vor der Wissenschaftslehre genommen hat, und nehmen musste. Ich erkläre den Begriff der ^Substanz^ transscendental nicht durch das ^Dauernde^, sondern durch ^synthetische Vereinigung aller Accidenzen^. Die Dauer ist nur ein sinnliches Merkmal der Substanz, welches man aus dem Zeitbegriff hineinträgt. Offenbar ist nicht das Dauernde, sondern nur das Wandelbare Gegenstand unserer Wahrnehmungen. Denn da jede äussere Vorstellung nur durch ein Afficirtwerden entsteht, welches nur dadurch möglich ist, dass ein Eindruck auf unser Gefühl geschieht, folglich eine Veränderung in uns veranlasst wird: so ist klar, dass jeder Gegenstand, dessen wir uns bewusst werden sollen, sich uns durch und in einer Veränderung ankündigen müsse. Etwas Bleibendes ist demnach nicht wahrnehmbar; aber wir müssen alle Verwandlung auf etwas Bleibendes beziehen -- auf ein dauerndes Substrat, welches aber nur ein Product der Einbildungskraft ist. Auf dieses Substrat wird nun das Wort ^seyn^ oder ^ist^ angewendet. Keine Handlung unseres Geistes wäre ohne ein solches Substrat, und ohne eine Bezeichnung für dasselbe keine Sprache möglich. Daher kömmt das Wort ^seyn^ in einer Sprache vor, sobald sie nur anfängt, sich zu entwickeln. Aber es kömmt unter keiner anderen Bedeutung vor, als dass es das ^Dauernde^, welches allem Wechsel zum Grunde liegt, anzeigt. Eine andere noch schwierigere Untersuchung, welche wir anzustellen haben, betrifft die Erfindung von Zeichen für ^geistige Begriffe^. Zuvor muss der Begriff dagewesen seyn, ehe man eine Bezeichnung für ihn suchen konnte. Wir wollen also zuerst versuchen, den Weg, auf welchem jene Ideen sich entwickelten, ausfindig zu machen. So lange der Mensch, durch Nothdurft getrieben, nur um Befriedigung sinnlicher Bedürfnisse bekümmert ist, wird er zum Nachdenken, und insbesondere zur Entwickelung geistiger Begriffe keine Zeit haben. Sobald aber die Sinnlichkeit bis zu einem gewissen Grade ausgebildet ist, und der Mensch sich eine Geschicklichkeit erworben hat, sich seine Bedürfnisse leicht zu verschaffen, wird er auch durch den der Seele einwohnenden Trieb des Fortschreitens angeleitet werden, geistigen Ideen nachzuforschen. Er wird gewohnt, eine sinnliche Erscheinung sich aus einer anderen, und diese wieder aus einer dritten zu erklären. Wenn ihm nun bei diesem Erklärungsgeschäft eine und dieselbe Erscheinung sehr oft vorkommt, so wird er diese, als die letzte Ursache aller übrigen, annehmen. Hier wird seine Forschung vielleicht eine Zeitlang befriedigt stillestehen; aber bald wird er auch von der Erscheinung, welche ihm bis jetzt letzte Ursache war, wieder den Grund aufsuchen, und so zuletzt aus dem Sinnlichen zum Uebersinnlichen übergehen müssen. -- So ist nach und nach das Urtheil entstanden: es ^ist^ eine Welt, mithin ^auch^ ein Gott.[35] [Fußnote 35: Dieses Urtheil ist durch die kritische Philosophie angefochten worden, als eine Täuschung. -- Aus dem Gesichtspuncte des philosophischen Räsonnements können wir nicht sagen: es ^ist^ eine Welt. Das, was ausser mir ist, kann ich bloss fühlen, und in dieser Rücksicht nur ^glauben^. Dass Dinge ausser mir sind, ist also blosser Glaubensartikel; und wie will man aus etwas, das bloss geglaubt werden kann, etwas Erweisbares, einen demonstrativen Vernunftsatz machen? -- Dieser Einwurf geht aber nur gegen den Philosophen, der -- anstatt, wie er sollte, das Theoretische von dem Praktischen, das, was innerhalb der Grenzen des Gefühls geglaubt wird, von dem was über diese Grenzen hinaus, im Gebiete des Verstandes erkannt wird, scharf zu unterscheiden -- etwas bloss zu ^Glaubendes^ für etwas ^Erkennbares^ annimmt, und auf dieses vermeintlich Erkennbare einen Beweis gründen will, der ^seinem Gehalte nach^ für den Verstand gültig seyn soll. Dass Dinge ausser uns sind, ^erkennen^ wir nicht; das Daseyn dieser Dinge wird uns nur ^durchs Gefühl^ und im Gefühl gegeben, und ist also bloss Gegenstand des ^Glaubens^. Nun ist es wohl ein einleuchtender Widerspruch, aus einem solchen ^Glauben^ die Existenz irgend eines Uebersinnlichen ^erweisen^, aus etwas Geglaubtem auf ein Uebersinnliches einen Schluss machen zu wollen, der für den Verstand, und nicht bloss für das Gefühl überzeugende Kraft hätte. Ein solcher Schluss würde die Forderung enthalten: entweder, dass der ^Verstand^, der, inwiefern er Verstand ist, nur erkennen, und nur durch Erkanntes überzeugt werden kann, ^glauben^; oder, dass das ^Gefühl^, welches, als Gefühl, uns nur etwas zum glauben geben kann, ^erkennen^ soll. -- Also aus dem bloss gefühlten Daseyn der Dinge ausser uns können wir nicht erweisen, dass ein Gott ^sey^. Aber aus einem Gefühle lässt sich leicht ein anderes entwickeln: wir können von einem Gefühle auf die Annehmbarkeit eines anderen, mithin von dem Glauben an die Dinge ausser uns, auf die Glaubwürdigkeit des Daseyns eines höchsten übersinnlichen Wesens schliessen. Diesen Schluss macht der ^gemeine Menschenverstand^; und, da es ihm nicht obliegt, Gefühl und Erkenntniss streng zu unterscheiden, er auch gar nicht vorgiebt, sie unterschieden zu haben: so wäre es ein blosser Misverstand, wenn man gegen das Urtheil des gemeinen Verstandes, »dass ein Gott ^sey^,« jenen Einwurf der Kritik geltend machen wollte.] Hat sich aber der gemeine Verstand einmal zu der Idee einer übersinnlichen Ursache der Welt erhoben, so entdeckt er von diesem hohen Gesichtspuncte aus bald auch die übrigen geistigen Ideen: der ^Seele^, ^Unsterblichkeit^, u. s. w. So wie sich nun bei einem Menschen diese Ideen mehr und mehr aufklärten, regte sich auch in ihm der Trieb, andere mit dem, was er erforscht hatte, bekannt zu machen; denn nie ist der Trieb, sich mitzutheilen, lebhafter, als bei neuen und erhabenen Gedanken. Es mussten also auch Zeichen für jene Vorstellungen aufgefunden werden. Diese Zeichen finden sich bei übersinnlichen Ideen aus einem in der Seele des Menschen liegenden Grunde sehr leicht. Es giebt nemlich in uns eine Vereinigung sinnlicher und geistiger Vorstellungen durch die Schemata, welche von der Einbildungskraft hervorgebracht werden. Von diesen Schematen wurden Bezeichnungen für geistige Begriffe entlehnt. Nemlich das Zeichen, das der sinnliche Gegenstand, von welchem das Schema hergenommen wurde, in der Sprache schon hatte, wurde auf den übersinnlichen Begriff selbst übergetragen. Diesem Zeichen lag nun freilich eine Täuschung zum Grunde, aber durch dieselbe Täuschung wurde es auch verstanden, weil bei dem anderen, welchem der geistige Begriff mitgetheilt wurde, an dem gleichen Schema auch der gleiche Gedanke hing. -- So muss, um ein recht auffallendes Beispiel zu geben, die Seele, das Ich, als unkörperlich gedacht werden, insofern es der Körperwelt entgegengesetzt ist. Wenn es aber vorgestellt werden soll, so muss es ausser uns gesetzt, folglich unter die Gesetze, nach welchen Gegenstände ausser uns vorgestellt werden, unter die Formen der Sinnlichkeit gebracht, und mithin im Raume vorgestellt werden. Hier ist ein offenbarer Widerstreit des Ich mit sich selbst: die Vernunft will, dass das Ich als unkörperlich vorgestellt werde, und die Einbildungskraft will, dass es nur als den Raum erfüllend, als körperlich erscheine. Diesen Widerspruch sucht der menschliche Geist dadurch zu heben, dass er etwas, als Substrat des Ich, annimmt, das er allem, was er als grobkörperlich kennt, entgegensetzt. Also wird der Mensch, wenn er noch gewohnt ist, Materialien zu seinen Vorstellungen vorzüglich durch den Sinn des Gesichts zu erhalten, zu einer Vorstellung des Ich einen solchen Stoff wählen, der nicht in die Augen fällt, den er aber sonst wohl spürt, z. B. die ^Luft^, und wird die Seele ^Spiritus^ nennen. Diese Art der Bezeichnung verfeinert sich nach Maassgabe der Verfeinerung der Begriffe. Eine Philosophie, die alles aus Wasser entstehen lässt, und folglich Wasser für das erste und feinste Element hält, würde die Seele durch ^Wasser^ bezeichnen. Bei zunehmender Verfeinerung der Begriffe wird sie durch Luft, ^anima^, ^spiritus^, ausgedrückt; und bei noch höherer Cultur, wenn man schon von Aether hört, wird man sie durch ^Aether^ bezeichnen. -- Auf diese Art werden für geistige Begriffe Bezeichnungen gefunden. Die Uebertragung sinnlicher Zeichen auf übersinnliche Begriffe ist indess Ursache einer Täuschung. Der Mensch wird nemlich durch diese Bezeichnungsart leicht veranlasst, den geistigen Begriff, welcher auf eine solche Weise ausgedrückt worden ist, mit dem sinnlichen Gegenstande, von welchem das Zeichen entlehnt wird, zu verwechseln. Der Geist wurde z. B. durch ein Wort bezeichnet, welches den ^Schatten^ ausdrückt: sogleich denkt sich der ungebildete Mensch den Geist als etwas, das aus Schatten bestehe. Daher der Glaube an Gespenster, und vielleicht die ganze Mythologie von ^Schatten im Orcus^. Die Täuschung war aber unvermeidlich; man konnte jene Begriffe nicht anders bezeichnen. Wer demnach seine Denkkraft noch nicht genug geübt hatte, um dem gebildeten Geiste des Forschers, der zuerst jene geistigen Ideen in sich entwickelte, in seinen schärferen Abstractionen folgen zu können, der konnte auch unmöglich den Sinn fassen, in welchem jener die bildlichen Ausdrücke verstand. Ein solcher glaubte also, es wäre bloss von den sinnlichen Gegenständen, von welchen die vorgetragenen Zeichen entlehnt waren, die Rede, und dachte sich also die geistigen Gegenstände sehr materiell. -- Daher entsteht auch nicht aller Aberglaube durch Betrügerei, sondern dadurch, dass geistige Ideen nicht anders, als durch sinnliche Worte ausgedrückt werden konnten, und dass derjenige, der sich nicht bis zum Bezeichneten erheben konnte, bei dem ersten rohen Zeichen stehen blieb. Bisher beschäftigte sich unsere Untersuchung bloss mit der Frage: wie kamen die Menschen darauf, einzelne Gegenstände durch in die Sinne fallende Zeichen auszudrücken? Wir haben also bloss die Entstehung der ^Worte^ untersucht. Aber Worte allein machen noch keine Sprache aus. Sprache besteht aus der Zusammenfügung mehrerer Worte zur Bezeichnung eines bestimmten Sinnes. Auch erhalten die einzelnen Worte erst durch diese Zusammenfügung, durch den Ort, welchen sie in der Verbindung mit mehreren anderen einnehmen, völlige Verständlichkeit und Brauchbarkeit zur Bezeichnung unserer Gedanken. Wenn ich zu jemand sage: ^Rose^ -- so wird bei ihm nichts, als die blosse Vorstellung der Rose hervorgebracht werden. Wenn ich ihm aber sage: ^bringe mir die Rose^; so weiss er bestimmt, was ich gedacht habe, und was ich will, dass er thun soll. -- Zu einer vollständigen Erklärung des Ursprungs der Sprache ist daher auch erforderlich, die Entstehung jener Zusammenfügung mehrerer Worte, d. h. der ^Grammatik^ zu zeigen. So irrig es ist, zu glauben, dass die willkürlichen Bezeichnungen der Gegenstände durch eine besondere Uebereinkunft der miteinander vereinigten Menschen gebildet worden seyen, so irrig ist es auch, anzunehmen, dass Grammatik durch Verabredung entstanden sey. Eine Verabredung zu einem solchen Zweck setzt einen Grad von Geistesbildung, und insbesondere von Philosophie der Sprache voraus, der bei den Menschen auf der Stufe der Cultur, auf der wir sie hier uns denken müssen, gar nicht stattfinden konnte. -- Vielmehr muss die Ableitung der Grammatik ebenfalls von einem, in dem Wesen des Menschen liegenden Grunde, von der natürlichen Anlage zum Sprechen ausgehen, und zeigen, wie diese Anlage durch das Bedürfniss geweckt, und nach und nach auf die Erfindung der verschiedenen Arten der Wortfügung geleitet wurde. Die ersten Wörter waren gewiss ganze Sätze: sie fassten, vielleicht in einer einzigen Sylbe, welche wiederholt werden konnte, ein Substantiv und ein Zeitwort in sich. Z. B. die Nachahmung des Löwengebrülls deutete der Horde an, es komme ein Löwe. -- Man hat behauptet: die ersten Worte seyen ^Zeichen des Vergangenen^ gewesen. Dies lässt sich aber nicht wohl annehmen: denn, wenn diese Worte das Geschehene hätten bezeichnen sollen, so müssten vergangene und gegenwärtige Zeit schon genau von einander abgesondert gewesen seyn, und zum Behuf dieser Unterscheidung beide ein bestimmtes Zeichen gehabt haben. Die ersten Worte waren vielmehr so unbestimmt als möglich; sie bezeichneten keine bestimmte Zeit, sondern waren bloss ^aoristisch^: es wurde das Vergangene und Gegenwärtige zugleich ausgedrückt. Z. B. ein Löwe will eine Horde anfallen. Dies kündigt der, welcher es sieht, durch ein Geschrei an, und drückt dadurch die ^vergangene^, ^gegenwärtige^ und ^zukünftige^ Zeit zugleich aus; denn er zeigt dadurch an, dass er den Löwen gesehen habe, dass er sie darauf aufmerksam machen, und ihnen die Folgen von dessen Annäherung anzeigen wolle, damit sie sich zu gemeinschaftlicher Vertheidigung rüsten können. Also die ersten Worte fassten in sich ein Substantiv und ein Zeitwort: das Tempus war der Aorist, die Person ganz gewiss die dritte; denn die Ursprache fängt an mit dem Erzählen, und der Ton der Erzählung redet in der dritten Person. -- Die ersten Zeitwörter waren weder Activa, noch Passiva, sondern Neutra. Denn das Neutrum bezeichnet einen Zustand, der durch sich selbst bestimmt ist, der folglich auch, seiner Einfachheit wegen, am frühesten zum Bewusstseyn und zur Bezeichnung kommen musste. Für alles das, was wir hier über die ursprüngliche Gestalt der Zeitwörter sagen, können die Wurzelwörter der orientalischen Sprachen zur Bestätigung dienen; diese sind Neutra, haben aoristische Zeitbedeutung, und gehen von der dritten Person aus. Jedes Ding wurde in der Ursprache durch seine höchste Eigenthümlichkeit ausgedrückt. Diese höchste Eigenthümlichkeit eines Gegenstandes bestand wohl in demjenigen, wodurch sich dieser Gegenstand dem Bewusstseyn der rohen Naturmenschen am lebhaftesten ankündigte. Dieses Auffallende an einem Dinge konnte nun schon an sich ein Ton seyn, und dann ahmte man denselben nach, um den Gegenstand, dem er angehörte, zu bezeichnen. Wenn es sich aber ursprünglich einem anderen Sinne, als dem Gehör entdeckte, so suchte man auf die oben beschriebene Art einen Ton, welcher mit jener ausgezeichneten Eigenschaft in Beziehung stand, um auf diese Art wenigstens mittelbar den Gegenstand durch seine Eigenthümlichkeit zu bezeichnen. Nun sollten aber noch andere Eigenschaften, die einem Gegenstande zukommen, auf Veranlassung der Umstände, auch ausgedrückt, als demselben zugehörig dargestellt werden. So wurde der ^Löwe^ durch Nachahmung seines Gebrülls angedeutet. Jetzt sollte ihm aber noch ein anderes Prädicat zugeschrieben werden, welches ihm zufällig zukam. In diesem Falle musste der Ton, welcher den Löwen bezeichnete, verbunden werden mit einem anderen, durch welchen die zweite Eigenschaft bezeichnet werden sollte. Z. B. es sollte ausgedrückt werden: ^der Löwe schläft^: hier musste das Zeichen des Löwen mit dem des Schlafs (etwa mit dem Tone des Schnarchens) zusammengesetzt werden; und dies hiess denn: »der Löwe, der sonst brüllet, schläft.« -- Bei dieser Zusammensetzung konnte aber nicht so lange auf dem Tone des Löwen in der Aussprache verweilt werden, als sonst geschah, da man, unserer Voraussetzung zufolge, durch den Ton des Löwen den ganzen Satz: ^der Löwe kömmt^, ausgedrückt hatte, wo freilich der Ton, welcher hier den ganzen mitzutheilenden Gedanken bezeichnete, gedehnt und mit Nachdruck ausgesprochen werden musste. Allein wenn dieses Zeichen mit einem anderen, auf welchem der Hauptsinn des ganzen vorzutragenden Satzes liegt, und welches also auch in der Aussprache durch einen längeren und stärkeren Ton unterschieden werden musste, verbunden werden sollte, so musste jenes erste Zeichen kürzer und leichter ausgedrückt werden, so dass es mit dem folgenden gleichsam in Ein Wort zusammenfloss. Auf diese Art entsteht aus einem Zeitworte ein Particip, das durch öfteren Gebrauch, vielleicht auch durch Hinzukunft einiger äusserer Zeichen sich leicht in ein Substantiv verwandeln kann. Es gehört also zum ursprünglichen Charakter des Substantivs, dass ein solches Wort kürzer und zusammenfliessend mit dem folgenden Worte vorgetragen wurde. Daraus erhellt auch -- was man sonst ebenfalls aus einer besonderen Verabredung erklären zu müssen glaubte -- wie man darauf kommen musste, die Zeitwörter durch bestimmte Endsylben zu bezeichnen, und durch andere Endungen, z. B. ^us^, ^os^ u. s. w., die Substantive zu charakterisiren. Nach unserer Deduction musste ein Wort, welches als Substantiv gebraucht werden sollte, den Satz eröffnen: und da das Wort, welches den Satz schloss, durchgängig den stärksten Ton erhielt, weil es denjenigen Begriff ausdrückte, auf dessen Mittheilung es hauptsächlich abgesehen war; so musste, weil unsere Kehle bei mehreren zugleich vorzutragenden Tönen nur Einen stärker aussprechen kann, nothwendig das Substantiv, als das vorangehende Wort, leichter und mit dem folgenden zusammenfliessend ausgedrückt werden; da hingegen das Zeitwort, welches, unserer Theorie gemäss, immer das letzte Wort in einem Satze war, sich dadurch auszeichnete, dass auf ihm der volle Ton ruhte. Wir gehen jetzt zu einer anderen Untersuchung fort, bei welcher uns, wie bei allen folgenden über die verschiedenen Arten der Wortfügung, die Aufschlüsse leiten werden, welche das soeben gefundene Resultat uns über die Entstehungsart fast aller Formen der Wortverbindung giebt. In dem vorher angeführten Falle sollte ein Gegenstand durch zwei Bestimmungen bezeichnet werden. Gesetzt nun aber, ein Gegenstand soll mit drei oder mehreren Bestimmungen zugleich ausgedrückt werden, es soll z. B. angedeutet werden: der schlafende Löwe ruht aus, so muss hier nach der von uns aufgestellten Regel der ^Löwe^, als der Hauptbegriff im ganzen Satze, zuerst bezeichnet werden: hierauf folgt die nähere Bestimmung des Löwen, nemlich, dass er ^schläft^: und zuletzt kömmt eine besondere Bestimmung dieses Schlafs -- das ^Ausruhen^. In dieser Verbindung muss demnach das Zeichen des Schlafs, welches in der vorher angeführten Zusammensetzung als das Hauptwort einen starken und gedehnten Ton hatte, abgekürzt, und zusammenfliessend mit dem Zeichen des Ausruhens, das hier den Hauptsinn des ganzen Satzes enthält, auf dem folglich in der Aussprache am längsten verweilt werden muss, vorgetragen werden. Man sieht ohne meine Erinnerung ein, dass in dieser Zusammensetzung die Bezeichnung des ^Schlafs^, welche vorher ein ^Zeitwort^ war, auf dieselbe Art, wie in dem vorher aufgestellten Satze die Bezeichnung des Löwen, zu einem ^Particip^ geworden ist; woraus sich leicht, etwa durch einige äussere Modificationen, ein Adjectiv bilden kann. -- So entstehen ^Participien^, ^Substantive^ und ^Adjective^. Aber man könnte fragen: warum ist aus manchen Bezeichnungen ein ^Substantiv^, aus anderen ein ^Adjectiv^ entsprungen, da doch sowohl das eine, als das andere, sich aus einem Zeitworte, und durch die Zusammensetzung desselben mit einem anderen Zeitworte gebildet hat? -- Die Antwort darauf liegt sehr nahe. Bei den ersten rohen Versuchen einer Wortfügung mochten nemlich Adjectiv und Substantiv nicht so streng unterschieden seyn, als wir sie jetzt in unseren Sprachen unterschieden finden: zumal, da die Verschiedenheit beider Bezeichnungsarten nicht sowohl auf inneren Merkmalen, als auf dem besonderen Gebrauche beruht, der von der einen und von der anderen gemacht wird. ^Substantiv^ war der Natur der Sache nach dasjenige Wort, welches den Hauptbegriff, oder das Subject eines Satzes bezeichnete: ^Adjectiv^ hingegen war jedes Wort, sobald es eine nähere Bestimmung des Hauptbegriffes auszudrücken gebraucht wurde. Auf diese Art konnte dasselbe Wort, wenn es in dem einen Satze das Subject der Rede, in dem anderen nur ein Prädicat dieses Subjects ausdrückte, bald in substantiver, bald in adjectiver Bedeutung vorkommen. -- Die eigenthümliche Unterscheidung zwischen Substantiv und Adjectiv ist auch wohl erst später hinzugekommen. Für uns sind sie nun, nachdem durch gewisse äussere Merkzeichen der schwankende Unterschied zwischen beiden fixirt ist, scharf von einander abgeschnitten; aber in der Ursprache dürfen wir sie uns noch nicht ebenso von einander unterschieden denken. Aus dieser Gleichartigkeit ergiebt es sich auch, warum sich Substantiv und Adjectiv fast immer in den Endungen gleichen. Da beide durch Abkürzung des Stammwortes und durch Verkettung desselben mit einem anderen stärker und gedehnter auszudrückenden Worte entstehen, so folgt, dass sowohl das eine, als das andere mit einem Tone enden muss, der sich leicht dem folgenden Worte anschliessen lässt: da hingegen die Zeitwörter einen rauhen, harten Ton haben mussten, weil sie den Satz schliessen, und ihm den Nachdruck geben mussten. In cultivirten Sprachen werden freilich die Zeitwörter diesen rauhen Ton mehr oder weniger verlieren, weil sie dann ebenso oft in der Mitte, als am Ende eines Satzes vorkommen. Denn der gebildete Mensch begnügt sich nicht mit Sätzen, wie sie hier aufgestellt sind: mit der einfachen Zusammenstellung eines Substantivs, Adjectivs und Zeitworts. Sowie sich sein Geist mehr und mehr mit Vorstellungen bereichert, wird auch durch die mancherlei Bestimmungen, die er den vorgetragenen Begriffen als Erläuterungen beifügt, die Zusammensetzung verwickelter, der schlichte Satz zur Periode erweitert, und die ursprüngliche Wortfügung folglich verändert. Durch diese Zusammenfügung mehrerer Worte bildete sich auch allmählig ein eigenthümlicher Unterschied des Substantivs von dem Zeitwort, welche ursprünglich ein gemeinschaftliches Stammwort ausmachten, das einen Gegenstand und eine Handlung zugleich andeutete (wie nach dem oben angeführten Beispiele der ursprüngliche Ton, der den ^Löwen^ bezeichnete, zugleich auch die ^Ankunft^ des Löwen ausdrückte). In der Verbindung mit anderen Worten, wo es nicht mehr den ganzen Gedanken ausdrücken sollte, musste ein solches Wort nicht mit dem vollen Ton, sondern leicht und fliessend ausgesprochen werden, weil ein anderes Zeichen folgte, auf welches der Nachdruck gelegt werden musste. Durch einen solchen leichteren und kürzeren Ton konnte sich das Substantiv in der Folge überhaupt recht wohl von dem Zeitworte, von welchem es abstammte, unterscheiden, ohne dass im Ganzen die Aehnlichkeit verloren ging, welche selbst noch in unseren Sprachen zwischen Substantiv und Zeitwort, wenn sie aus derselben Quelle entsprungen sind, stattfindet. Hier noch etwas über die Stellung der Worte, welche zusammengefügt werden sollen. Wenn ausgedrückt werden soll: der Löwe schläft und ruht aus; so wird zuerst der ursprüngliche Ton des ^Löwen^, hier in ^substantiver^ Bedeutung, d. h. nicht mit der ganzen Stärke des Tons als Hauptwort, sondern kürzer abgebrochen mit dem folgenden Ton zusammenfliessend, vorgetragen: zu diesem wird, als ein ^Adjectiv^, der Ton des ^Schlafens^ hinzugefügt, und zuletzt kömmt das Zeitwort ^ausruhen^. Der ursprünglichen Wortfügung gemäss, gehört also dem Substantiv der erste Platz. Wie kömmt es zu dieser Stelle? -- Der Naturmensch hält sich im Vortrage seiner Gedanken genau an die Ordnung, in welcher die Vorstellungen in der Seele auf einander folgen. Immer kömmt aber im Denken das am wenigsten Bestimmte zuerst, und hierauf folgen die näheren und noch näheren Bestimmungen. Folglich musste auch in der Natursprache das für uns Unbestimmte, oder am wenigsten Bestimmte zuerst gesetzt werden, und die näheren Bestimmungen erst nachfolgen. Nun ist das ^Substantiv^ immer das Unbestimmteste: durch ein Adjectiv, das hinzukömmt, wird es näher, und durch das Zeitwort endlich nach der Absicht hinlänglich bestimmt. Dieser Ordnung zufolge steht also in der Ursprache das Adjectiv immer nach dem Substantiv. Aber wir finden, dass diese Ordnung nach Maassgabe der Cultur der Sprachen sich ändert. Sobald eine Sprache nicht mehr bloss Natursprache ist und sich der Sprache der Vernunftcultur nähert, wird in ihr das Adjectiv bald vor bald nach gesetzt. Bei Homer z. B. finden wir meistens das Adjectiv nach dem Substantiv. In der lateinischen Sprache stehen die Adjective schon häufig voran. In der deutschen Sprache aber kann das Adjectiv niemals nach dem Substantiv gesetzt werden. Im Französischen setzt man auch das Adjectiv mehr vor als nach; wenn aber mehrere Adjective mit dem Substantiv verbunden werden sollen, so lässt man immer jene auf das letztere folgen, z. B. ^un homme vertueux et bienfaisant^; welche Verbindungsart, um des Nachdrucks willen, der auf jedes der Adjective gelegt werden kann, allerdings einen entschiedenen Vorzug vor der deutschen hat. -- Wie kann es in einer Sprache dahin kommen, dass das Adjectiv, jener Ordnung des Denkens gerade entgegen, zuerst gesetzt wird? -- In dem Fortschritt der Cultur einer Sprache müssen die Wörter nicht mehr als einzelne gedacht werden, sondern mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und werden als Ein Begriff gedacht. So wird auch das Substantiv nicht mehr als einzelner Begriff gedacht, der nachher durch Adjective bestimmt werden solle, sondern er wird mit diesen sogleich zusammen gedacht als Ein Begriff, und jene können ihm also auch vorhergehen. Eine andere Frage, die wir jetzt zu untersuchen haben, betrifft die Entstehung des ^Activs^ und ^Passivs^. Die ersten Zeitwörter waren ^Neutra^. Aus dem ursprünglichen Neutrum lässt sich das ^Activ^ leicht entwickeln. Das ^Neutrum^ bezeichnet, wie wir schon bemerkt haben, einen ^Zustand^, in welchem sich der Gegenstand der Rede befindet: bezieht man nun diesen Zustand auf ein anderes Object, welches mit demselben in Verbindung steht, so wird auch das Neutrum in ein ^Activ^ verwandelt. Z. B. in dem Satze: ^der Löwe frisst^ -- drückt das Wort ^fressen^ einen durch sich selbst völlig bestimmten Zustand des Löwen aus, und hat also eine völlig neutrale Bedeutung. Sage ich aber: der ^Löwe frisst das Schaaf^, so ist dieses Zeitwort ein ^Activ^: denn hier wird die durch dasselbe dem Löwen zugeschriebene Handlung auf ihr Object bezogen. Aus eben diesem Beispiele erhellt auch, dass das Wort für den Gegenstand, welcher mit der Handlung des Subjects in Verbindung gesetzt werden soll, schon als ^Substantiv^ gebraucht seyn, und ein festes Merkzeichen seiner substantiven Bedeutung haben musste, wenn die erwähnte Wortfügung, und folglich auch die Verwandlung des Neutrums in ein Activ zu Stande kommen sollte. Der ^Löwe^, welcher hier Subject des Satzes ist, wird durch den gewöhnlichen Laut, der eine Nachahmung seines Brüllens ist, ausgedrückt. Dieser Löwe ^frisst^. Auch dies kann durch den eigentlichen Ausdruck bezeichnet werden. Aber wie soll ich nun das ^Schaaf^ ausdrücken? Wenn ich dieses auch durch seinen eigentlichen Ton andeuten will, so kann dieser Ton, welcher zugleich das Zeitwort des ^Blökens^ ausdrückt, für dieses Zeitwort genommen werden, und dann bedeutete der ganze Satz: ^der fressende Löwe blökt^. Nun haben wir zwar weiter oben gesehen, dass das Substantiv sich von dem Zeitworte, von welchem es abgeleitet wurde, durch den leichteren Ton, in welchem es vorgetragen wurde, unterschied. Allein dieses Merkmal ist hier nicht anwendbar, da das Substantiv hier nicht den Satz anfängt, sondern beschliesst, und folglich nach unserer Theorie einen gedehnten und starken Ton erhalten muss. Diesem möglichen Misverständnisse ist also nicht eher abzuhelfen, als bis für das Wort, durch welches das Schaaf in substantiver Bedeutung bezeichnet werden soll, ein bleibendes Unterscheidungszeichen gefunden worden ist. Dies konnte aber auf die oben angegebene Art leicht geschehen, indem die Abkürzung, mit welcher ein solches Wort, wo es ein Substantiv ausdrückte, ausgesprochen wurde, bald in einen fixen eigenthümlichen Laut verwandelt werden musste; wobei sehr leicht auch noch ein Mittelton eingeschoben werden konnte, um dasselbe mit dem darauf folgenden Worte leichter zu verbinden. Solche Modificationen des ursprünglichen Tons wurden durch wiederholten Gebrauch so mit dem Worte verwebt, dass sie zuletzt einen Bestandtheil desselben ausmachten, und zu Merkzeichen der substantiven Bedeutung eines Wortes dienten. Ehe aber dergleichen Bestimmungen vorhanden waren, war der ganze Satz nicht auszudrücken, und eher war kein ^Activ^, sondern alle Zeitwörter blieben, was sie ursprünglich waren -- ^Neutra^. Um die Entstehung des ^Passivs^ zu erklären, muss ein Bedürfniss aufgezeigt werden, welches die Menschen zur Erfindung dieser Sprachbestimmung leitete; denn, dass in der Ursprache irgend etwas ohne Noth, bloss zur Verschönerung des Vortrags erfunden worden sey, lässt sich nicht annehmen. Um diese möchte man sich wohl bei den ersten rohen Versuchen einer Sprache nicht sehr bekümmert haben; da sagte man wohl eher: ^man schmähet mich^, als -- ich werde geschmähet; der Löwe zerreisst das Schaaf, als -- das Schaaf wird vom Löwen zerrissen. Ein solches Bedürfniss des Passivs tritt ein, wenn eine Handlung vorkömmt, welche, nach unseren Einsichten, einen Urheber hat, den wir aber auf keine Weise entdecken können. Sie muss ^erstlich^ einen Urheber haben; denn hat sie keinen, oder können wir keinen annehmen, so drücken wir uns durch das ^Impersonale^ aus -- wir sagen: ^es donnert, regnet^, u. s. w. ^Zweitens^ muss der Urheber unbekannt seyn, und gar nicht errathen werden können; denn, gesetzt der Wolf hätte ein Schaaf geraubt, so wird der noch ungebildete Naturmensch, auch selbst wenn er nicht Augenzeuge von dem Vorgange gewesen ist, doch nicht sagen: ^das Schaaf ist mir geraubt worden^; sondern: ^der Wolf hat das Schaaf weggenommen^; weil er schon aus Erfahrung weiss, dass dieser Schaafe raubt. Das Bedürfniss des Passivs trat also erst dann ein, wenn eine Handlung da war, bei der man ebenso klar sah, dass sie einen Urheber haben musste, als man sich bewusst war, dass man diesen Urheber nicht errathen könne. Ursprünglich wurde daher auch wohl das Passiv durch ein Zeichen ausgedrückt, wodurch der Redende andeutete, dass ein Urheber da sey und dass er ihn nicht kenne. Man hängte vielleicht den Worten, welche die That selbst ausdrückten, den Satz an: ^ich weiss nicht, wer es gethan hat^. Wenn nun diese Worte bei gleicher Gelegenheit mehrmals gebraucht wurden, so musste es bald dahin kommen, dass sie geschwinder ausgesprochen wurden, mit dem Zeitworte, welches die Handlung bezeichnete, enger zusammenflossen, und zuletzt einen Bestandtheil desselben ausmachten. Ob ein solcher Zusatz ursprünglich dem Zeitworte vorgesetzt, oder angehängt wurde, lässt sich nicht bestimmen. Im Ganzen aber folgt so viel, dass ursprünglich das ^Passiv^ wohl durch einen kleinen Zusatz zum Zeitwort ausgedrückt wurde, welcher eigentlich das Zeichen der Unbekanntheit des Urhebers war. Das ^Verbum medium^ bezeichnet eine Handlung, welche auf uns selbst zurückgeht: es gründet sich auf höhere Abstraction, und kann daher in einer Ursprache nicht wohl vorkommen. Die Entstehung des ^Numerus^ lässt sich auf folgende Art erklären. -- Der ^Singular^ fand sich von selbst; er war der ursprüngliche Numerus; die ersten Wörter wurden alle im Singular gebraucht. Nun sollte aber der Horde eine Mehrheit angezeigt werden; es wollte z. B. einer sagen: es kommen mehrere Löwen! wie sollte er das andeuten? Durch das natürliche Bild einer Heerde: durch Dehnung und Wiederholung des Tons, und dadurch, dass dieser Ton immer fortschallte. Um wie viel oder wenig man den Ton dehnen, oder wie oft man ihn wiederholen sollte, um die mehrere Zahl anzudeuten, war vermuthlich nicht bestimmt. Der ^Pluralis^ wurde demnach durch Verlängerung des Wortes ausgedrückt. Der ^Pluralis^ war aber anfangs nur nöthig bei ^Zeitwörtern^, keinesweges bei Substantiven und Adjectiven; denn es verstand sich von selbst, dass auch sie, wenn sie von einem Zeitworte im Plural begleitet wurden, in der mehreren Zahl zu nehmen waren. Der Numerus der Substantive und Adjective ist daher in der Ursprache nicht zu suchen: er ist keinesweges eine durch Nothwendigkeit geforderte Sprachbestimmung, sondern eine Erfindung, welche das Streben nach Bestimmtheit und Eleganz im künstlichen Vortrage nöthig machte. Aber bei Zeitwörtern war der Plural unentbehrlich. Die ^verschiedenen Personen^ der ^Zeitwörter^ wurden ohne Zweifel in folgender Ordnung gebildet. Diejenige ^Person^, welche zuerst in der Sprache bezeichnet wurde, war gewiss die ^dritte^; denn urprünglich wurde in keiner anderen, als in der dritten Person geredet. Man nannte einen jeden bei seinem eigenthümlichen Namen: N. N. solle das thun! Die folgende, welche zunächst der dritten ihre besondere Bezeichnung erhielt, war die ^zweite Person^; weil man bei Verabredungen und Verträgen bald das Bedürfniss fühlte, dem anderen zu sagen: das sollst Du thun. Das ^Ich^, als die ^erste Person^, zeugt (besonders wo es an der Endung des Zeitwortes selbst angehängt ist) von höherer Vernunftcultur, und wurde also auch zuletzt bezeichnet. Bei Kindern sehen wir, dass sie immer in der dritten Person von sich sprechen, und sich, als das Subject, von welchem sie etwas sagen wollen, durch ihren Namen ausdrücken, weil sie sich bis zum Begriff des Ich, bis zur Absonderung des selben von allem ausser ihnen noch nicht erhoben haben. ^Ich^ drückt den höchsten Charakter der Vernunft aus. Wie eine ^dritte^, ^zweite^, und ^erste Person^ im ^Plural^ gebildet werden konnte, ergiebt sich leicht, wenn der Plural schon vorhanden war. Die ^Tempora der Zeitwörter^ wurden wahrscheinlich auf folgende Art erfunden. Die ersten Zeitwörter wurden bloss ^aoristisch^ gebraucht: aus dem ^Aorist^ konnte leicht das ^Präsens^ gebildet werden, oder vielmehr -- man musste den Aorist bald selbst als Präsens verstehen, weil die Bestimmungen bei rohen Nationen sich fast immer auf die gegenwärtige Zeit beziehen. Mehr Mühe mochte wohl die Erfindung der Bezeichnungen für vergangene und zukünftige Zeiten kosten. Als man zuerst das Bedürfniss fühlte, ^Vergangenes^ und ^Zukünftiges^ auszudrücken, gab man wohl die Zeit, in welcher etwas geschehen war, oder geschehen sollte, ganz genau an; es wurde z. B. nicht gesagt: ^es hat sich zugetragen^, sondern: ^es trägt sich vor so und so viel Tagen zu^; nicht: ^es wird sich ereignen^, sondern ^es ereignet sich nach so viel Tagen^. Diese Art sich auszudrücken, war dem noch ungebildeten Menschen sehr natürlich. Vollkommene Präcision im Ausdrucke kündigt eine höhere Verstandescultur an, als man den ersten Erfindern der Sprache zuschreiben kann. Der ungebildete Mensch theilt nicht bloss das mit, was der andere von einer Sache wissen soll, oder will, sondern auch was er selbst davon weiss. Daher giebts in den uncultivirten Sprachen eine Menge überflüssiger Bestimmungen, eine Menge Ausdrücke, die, der Verständlichkeit des Ganzen unbeschadet, weggelassen werden könnten. So auch mit den Bestimmungen der Zeit. Die Zeit, in welcher etwas vorgegangen war, oder kommen sollte, wurde, so weit man ^zählen^ konnte, bestimmt hinzugesetzt. Wo man aber auf einen Zeitraum stiess, welcher eine so genaue Bestimmung nicht zuliess, da bediente man sich, wie uns noch einige Spuren in alten Sprachen zeigen, der Worte: ^morgen^, ^gestern^ u. s. w., um die ^verflossene^ oder ^zukünftige^ Zeit unbestimmt auszudrücken. Aus dieser Bezeichnungsart mussten aber bald mehrere Misverständnisse entstehen. Wie leicht konnte es Zwist verursachen, wenn der zweideutige Ausdruck ^morgen^ für den besonderen Fall, in welchem er gebraucht wurde, nicht gehörig bestimmt war? Z. B. es sagte einer zum andern: ich gebe dir das morgen. Hier konnte morgen ebensowohl den nächstkünftigen, als jeden anderen folgenden Tag bedeuten. Der andere legt es von dem nächstkünftigen Tage aus, und kömmt, um die Sache abzuholen: jener weigert sich aber, das Versprochene abzuliefern, weil er es nicht auf morgen, sondern überhaupt auf die Zukunft zugesagt hätte. Durch Fälle dieser Art konnten leicht Mishelligkeiten entstehen, an welchen sich das Bedürfniss einer bestimmten Bezeichnung für Vergangenheit und Zukunft deutlich offenbaren musste. Diesem Bedürfniss konnte vielleicht schon dadurch abgeholfen werden, dass man solche allgemeine Worte, wie ^morgen^, ^gestern^ u. s. w., wenn sie die ^verflossene^ oder ^kommende^ Zeit ^überhaupt^ ausdrücken sollten, mit dem Zeitwort zusammenfassender, schneller und kürzer aussprach, und im Gegentheil dieselben Worte, wenn sie bestimmt den ^zunächst vergangenen^ oder ^zukünftigen^ Tag bezeichnen sollten, durch einen festen, längeren Ton ausdrückte. So wurde zum Ausdrucke der vergangenen und zukünftigen Zeit ein Zusatz zum Zeitworte gefunden, welcher nach und nach inniger mit demselben zusammenfloss, und das ^Perfectum^ und ^Futurum^ in seiner jetzigen Gestalt bildete. Es fragt sich noch: wie entstanden die verschiedenen ^Casus^? -- Der ^Nominativ^ und ^Accusativ^ sind wohl diejenigen, auf welche man am frühesten kam. Man bedurfte sie auch bei der einfachsten Wortfügung, und sie liessen sich auch leicht durch die Stelle, welche sie in einem Satze bekommen mussten, charakterisiren. Das Subject einer Rede musste, als der unbestimmteste Begriff, immer die erste Stelle in einem Satze einnehmen. Bei jeder Wortfügung musste also ein Substantiv vorangehen; darauf folgte das Zeitwort, der Ausdruck des Zustandes, in welchem sich das Subject befand. Sollte nun dieses Zeitwort bezogen werden auf einen Gegenstand, welcher mit der durch dasselbe bezeichneten Handlung des Subjects in Verbindung stand, so musste dieses seinen Platz gleich hinter dem Zeitworte erhalten. Dieser Anordnung der Worte gemäss muss das Substantiv, da es das Subject des Satzes anzeigen, gleichsam ^nennen^ soll, im ^Nominativ^, das Object aber, welches auf die Handlung des Subjects bezogen wird, im ^Accusativ^ stehen; folglich der Nominativ den Satz anfangen, der Accusativ denselben beschliessen. -- Der Accusativ musste mithin auch, weil kein Wort weiter auf ihn folgte, den längsten und stärksten Ton haben, der Nominativ aber flüchtig ausgesprochen und mit dem Zeitworte verflochten werden. Es musste sich also bei einem und demselben Worte leicht unterscheiden lassen, ob es im Nominativ, oder Accusativ stehe, indem in dem letzteren Falle entweder eine Verlängerung, durch Zusetzung mehrerer Buchstaben oder Sylben, oder doch eine Verstärkung des Tones stattfand. Der ^Genitiv^ wurde als nähere Bestimmung des Substantivs angehängt, und ich glaube wohl, dass der Name, den er führt, den ursprünglichen Gebrauch bezeichnet, welchen man von diesem Casus machte. Man bediente sich seiner zur Bezeichnung der Abstammung eines Menschen, indem man erst den Sohn, und dann den Vater nannte. Späterhin wendete man diese Bestimmung auch auf das Besitzthum an, man sagte z. B. das Schaaf des Marcus u. s. w. Der Genitiv hatte deshalb auch seine Stelle, durch die er bezeichnet wurde, unmittelbar nach dem Substantiv, zu dessen näherer Bestimmung er diente. Z. B. man wollte unter einer Horde einen bezeichnen, der mit mehreren anderen einen gleichen Namen hatte; so setzte man, um ihn nicht mit einem von diesen Anderen zu verwechseln, den Namen seines Vaters hinzu, als: Marcus Caji, u. s. w. Da nun, nach den Grundsätzen, welchen wir bei der Ableitung der Grammatik gefolgt sind, jedes Wort, je weiter es in der Reihe der Zeichen zurückstand, einen desto längeren und stärkeren Accent erhielt: so musste auch der Genitiv einen längeren oder stärkeren Ton bekommen, als der Nominativ, hinter welchem er seinen Platz hatte. Auch der ^Ablativ^ ist, wie der Genitiv, entstanden, um ein Wort näher zu bestimmen, und drückte vielleicht anfangs das ^von einem Orte Nehmen^ aus. Er ist mit dem Genitiv gewissermaassen gleichartig; beide drücken die Beziehung mehrerer Nennwörter auf einander aus. Die Entstehung dieser beiden Casus ist allerdings in der Ursprache zu suchen. Es war unter rohen Völkern sehr nothwendig, dergleichen Beziehungen recht verständlich auszudrücken. Wie leicht konnte man einem verdrüsslichen Misverständnisse vorbeugen, wenn man, um einen Menschen desto genauer kenntlich zu machen, den Namen seines Vaters zu dem seinigen hinzufügte; sowie man auch in allen alten Geschichtschreibern zur näheren Bestimmung des Sohnes den Namen des Vaters hinzugesetzt findet. Aber um alle die verschiedenen Beziehungen der Gegenstände auf einander zu bezeichnen, ist weder der Genitiv noch der Ablativ hinreichend; es bedarf also auch noch der ^Präpositionen^. Eine der gewöhnlichsten solcher Beziehungen ist z. B. die ^Local^beziehung, als: das Haus ^im^ Dorfe, u. s. w. Diese Beziehungen wurden ursprünglich wohl dadurch ausgedrückt, dass man einen Buchstaben, eine Sylbe oder einen fast unmerklichen Ton einem von den beiden Nennwörtern, welche auf einander bezogen werden sollten, beifügte. Da dieser Zusatz, den man sich übrigens als Präfix oder Affix denken kann, nicht geschrieben, sondern ausgesprochen wurde, so liess sich auch nicht bestimmen, ob er einen besonderen Ton ausmachte, sondern er floss in der Aussprache mit dem Zeichen, welchem er vor- oder nachgesetzt wurde, zusammen. Der ^Dativ^ bezeichnet die Beziehung einer Handlung auf ein Drittes, auf etwas ausser dem Subject und Object, auf welches die Handlung eigentlich abzweckt. Z. B. ich gebe das Brot, ich nehme das Brot: hier fehlt offenbar die Beziehung auf ein Drittes, um dessen willen die Handlung vorgenommen, dem das Brot gegeben, oder genommen wird. Setze ich diese Beziehung hinzu, sage ich z. B. ich gebe oder nehme das Brot dem Hunde, so habe ich auch den ^Dativ^. Da der Gegenstand, mit welchem eigentlich die Handlung vorgenommen wird, zur Bestimmung der Handlung unmittelbar gehört, so muss auch der Accusativ, welcher dieses Verhältniss des behandelten Gegenstandes zu der Handlung bezeichnet, unmittelbar nach dem Zeitwort stehen; und der ^Dativ^, welcher den Gegenstand bezeichnet, um dessenwillen die Handlung eigentlich geschieht, folgt jenem nach. Er wird also den Satz schliessen, und folglich einen volleren Ton bekommen, als der Accusativ selbst. So entstand ^Grammatik^ bloss durch das Bedürfniss der Sprache, und durch die Fortschritte, welche die menschliche Vernunft nach und nach machte. Denn selbst bei der einfachsten Mittheilung der Gedanken musste sehr vieles durch Beziehung der Worte auf einander ausgedrückt werden, und der natürliche, durch die Vernunft geleitete Gang der Sprache brachte den Menschen, ohne dass Verabredung erforderlich gewesen wäre, auf die Bestimmung der verschiedenen Arten jener Beziehung. Man könnte gegen diese Theorie einwenden, dass es verschiedene Sprachen gebe, denen man ihre Entstehung nach den von uns vorgetragenen Regeln nicht ansehe. So soll, unserer Darstellung gemäss, das Wurzelwort immer ein Zeitwort seyn, und dieses Zeitwort soll ursprünglich in Einem Tone mehrere Begriffe ausdrücken, soll ursprünglich in der dritten Person vorgetragen werden, und aoristische Bedeutung haben. Nun zeigt sich in der griechischen und lateinischen Sprache offenbar das Gegentheil. In den Zeitwörtern derselben ist augenscheinlich nicht die dritte, sondern die erste Person diejenige, aus welcher alle übrigen gebildet sind, ist nicht der Aorist, sondern das Präsens die Wurzel. Woher also diese Verschiedenheit, wenn unsere Theorie richtig ist? Nehmen wir auch an, dass die genannten Sprachen keine Ursprachen gewesen sind, sondern sich aus schon entstandenen gebildet haben; so müssen wir doch zugeben, dass sie zuletzt aus solchen hervorgehen mussten, welche auf die hier vorgetragene Art entstanden waren. Warum zeigt sich nun in ihnen auch nicht die leichteste Spur von jener Ursprache? Denn, mag sich eine Sprache noch so sehr cultiviren, mag eine gebildetere Grammatik noch so viel Modificationen in sie hineintragen: so müssen sich doch in ihr noch Ueberreste von dem ersten rohen Zuschnitte finden, z. B. aus der dritten Person, und nicht aus der ersten, die Form der übrigen abgeleitet, und der Aorist, nicht das Präsens das Wurzelwort seyn. Auf diesen Einwurf lässt sich folgendes antworten. Man sah sich bald genöthigt, neue Worte zu erfinden, weil der menschliche Geist, bei seinen Fortschritten zur Cultur, sich immer mit neuen Vorstellungen bereicherte, und neue Bestimmungen in alte Begriffe hineintrug. Die Worte, welche man zu Bezeichnung dieser Vorstellungen erfand, -- man mochte nun dazu entweder ganz neue, in der Sprache bisher noch nicht vorgekommene Töne, oder eine Verbindung mehrerer, schon bekannter Töne gebrauchen, -- mussten auf jeden Fall das Gepräge der Bildung tragen, welche der menschliche Geist in dem Zeitpunct jener erfundenen neuen Bezeichnungen hatte. Nun geht der gebildete Mensch vom Ich aus, und betrachtet alles aus dem Gesichtspuncte des Ich: er wird also auf dieser Stufe der Cultur auch bei der Aufstellung eines neuen Zeitwortes von der ersten Person ausgehen. Daher kann es nicht fehlen, dass ein neues Wort, gebildet in Zeiten höherer Cultur, von den ursprünglichen Formen derselben Sprache abweichen musste. Im Anfange wurden nun solche Worte mit den alten, von welchen sie abstammten, zugleich gebraucht; aber bald wurden jene allgemein und verdrängten die letzteren. Denn, sowie die Nation in ihrer Cultur weiter vorrückte, musste sie nothwendig die neueren Formen ihren Begriffen angemessener finden, und über dem Gebrauche derselben die älteren bald vergessen. So wird selbst bei einem Volke, das von allen äusseren Einflüssen frei bleibt, sich mit keinem anderen Volke vermischt, seinen Wohnplatz nie verändert u. s. w., die rohe Natursprache nach und nach untergehen, und an deren Stelle eine andere treten, die von jener auch nicht die leichteste Spur an sich trägt. Man würde sich also irren, wenn man glaubte, die Griechen, Römer und andere hätten nie eine Ursprache gehabt, weil sich keine Ueberreste davon bei ihnen fänden. Jene Urtöne sind nach und nach aus der Ursprache verschwunden, als sie sich durch Zeichen ersetzt sahen, die dem cultivirten Geiste des Volkes besser entsprachen. Eine eigene Erscheinung in den neueren Sprachen sind die Hülfswörter; das: ^ich bin, werden u. s. w.^ Diese Bezeichnungen, wo sie sich in einer Sprache finden, beweisen einen hohen Grad der Abstraction. Man fand vermuthlich bald einen besonderen Nachdruck in der auszeichnenden Endung des Perfectum und Futurum, wodurch die Sprache an Rundung gewann. Aber immer ist es Zeichen einer noch höheren Cultur, wenn einzelne Begriffe erfunden werden, um Einen Gedanken desto bestimmter auszudrücken. Die Aufstellung dieser Bezeichnungen ist aber in einer Sprache wenigstens nicht früher möglich, bis in ihr der Begriff des Leidens oder das Passiv schon ausgedrückt ist. E. Ueber Belebung und Erhöhung des reinen Interesse für Wahrheit. (Aus Schillers Horen Bd. I, St. I. 1795.) Vergebens erwartet man durch irgend ein glückliches Ohngefähr die Wahrheit zu finden, wenn man sich nicht von einem lebhaften Interesse begeistert fühlt, mit Verläugnung alles Andern ausser ihr, sie zu suchen. Es ist demnach eine wichtige Frage für jeden, der die Würde der Vernunft in sich behaupten will: was habe ich zu thun, um reines Interesse für Wahrheit in mir zu erwecken, oder wenigstens dasselbe zu erhalten, zu erhöhen und zu beleben? Wie jedes Interesse überhaupt, so gründet sich auch das Interesse für Wahrheit auf einen ursprünglich in uns liegenden Trieb. Unter unseren reinen Trieben aber ist auch ein Trieb nach Wahrheit. Niemand ^will^ irren, und jeder Irrende hält seinen Irrthum für Wahrheit. Könnte man ihm auf eine für ihn überzeugende Art darthun, dass er irre, so würde er sogleich den Irrthum aufgeben, und statt desselben die entgegengesetzte Wahrheit ergreifen. Kommt etwas hinzu, das sich auf diesen Trieb bezieht, entdeckt man in unserm Fall eine Wahrheit als solche, oder erkennt einen Irrthum für einen Irrthum, so entsteht nothwendig ein Gefühl des Beifalls für die erstere, eine Abneigung gegen den letztern; und beides völlig unabhängig von dem Inhalte und den Folgen jener Wahrheit und dieses Irrthums. Aus wiederholten Gefühlen der gleichen Art entsteht ein Interesse für Wahrheit überhaupt. Ein solches Interesse lässt sich daher nicht ^hervorbringen^; es gründet sich der Anlage nach auf das Wesen der Vernunft, und wird seinen Aeusserungen nach in der Erfahrung durch die Welt ausser uns ohne unser wissentliches Zuthun geweckt; aber man kann dieses Interesse ^erhöhen^. Dies geschieht durch Freiheit, wie jede sittliche Handlung. Aber alle Regeln für Anwendung der Freiheit setzen die Anwendung derselben schon voraus; und man kann vernünftigerweise nur demjenigen zurufen: gebrauche deine Freiheit, der dieselbe schon gebraucht hat. Dieser erste Act der Freiheit, dieses Losreissen aus den Ketten der Nothwendigkeit geschieht, ohne dass wir selbst wissen wie. So wenig wir uns des ersten Schrittes in das Reich des Bewusstseyns überhaupt bewusst werden, ebensowenig werden wir uns unseres Uebertrittes in das Reich der Moralität bewusst. Irgend woher fällt ein Feuerfunke in unsere Seele, der vielleicht lange in heimlichem Dunkel glüht. Er erhebt sich, er greift umher, er wird zur Flamme, bis er endlich die ganze Seele entzündet. Jedes praktische Interesse im Menschen erhält und belebt sich selbst; darin besteht sein Wesen. Jede Befriedigung verstärkt es, erneuert es, hebt es mehr hervor im Bewusstseyn. Gefühl des erweiterten Bedürfnisses ist der einzige Genuss für das endliche Wesen. Die Hauptvorschrift zu Erhöhung jedes Interesse im Menschen, mithin auch des Interesse für Wahrheit, heisst demnach: ^befriedige deinen Trieb^! woraus für den gegenwärtigen Fall sich folgende zwei Regeln ergeben: entferne jedes Interesse, das dem reinen Interesse für Wahrheit entgegen ist, und suche jeden Genuss, der das reine Interesse für Wahrheit befördert! Man nehme keinen Anstoss an der sonst mit Recht verdächtigen Empfehlung des Genusses. Dass durch den Genuss, und allein durch diesen jeder Trieb, der in der vernünftigen Natur des Menschen gegründet ist, ausgebildet werde, ist einmal wahr. Genuss, der sich bloss auf Befriedigung der animalischen Sinnlichkeit gründet, verzehrt und vernichtet sich in sich selbst, und von ihm ist hier nicht die Rede. Geistiger Genuss, wie z. B. der ästhetische, erhöht sich durch sich selbst. Es ist demnach ebenso wahr, dass die obenaufgestellte Regel die einzige ist, die zur Erhöhung eines geistigen Interesse gegeben werden kann. Die Beantwortung einer ganz anderen Frage: ob nemlich irgend ein geistiger Genuss ganz unbedingt zu empfehlen sey? hängt ab von der Beantwortung einer höheren Frage: ob der Trieb, auf den jener Genuss sich bezieht, ins unbedingte zu erhöhen? und diese von der noch höheren: ob dieser Trieb irgend einem andern unterzuordnen sey? So ist der ästhetische Trieb im Menschen allerdings dem Triebe nach Wahrheit, und dem höchsten aller Triebe, dem nach sittlicher Güte, unterzuordnen. Ob der Trieb nach Wahrheit mit einem höheren Triebe in Streit kommen könne, wird sich aus unserer Untersuchung von selbst ergeben. -- Irgend einen Ausdruck aber zu vermeiden, weil er gemisbraucht worden, glaube ich wenigstens hier nicht nöthig zu haben. Unser Interesse für Wahrheit soll ^rein^ seyn; die Wahrheit, bloss weil sie Wahrheit ist, soll der letzte Endzweck alles unseres Lernens, Denkens und Forschens seyn. Die Wahrheit an sich aber ist bloss ^formal^. Uebereinstimmung und Zusammenhang in allem, was wir annehmen, ist Wahrheit, sowie Widerspruch in unserem Denken Irrthum und Lüge ist. Alles im Menschen, mithin auch seine Wahrheit, steht unter diesem höchsten Gesetze: sey stets einig mit dir selbst! Heisst jenes Gesetz in der Anwendung auf unsere ^Handlungen^ überhaupt: handle so, dass die Art deines Handelns, deinem besten Wissen nach, ewiges Gesetz für alles dein Handeln seyn kann; so heisst dasselbe, wenn es insbesondere auf unser ^Urtheilen^ angewendet wird: urtheile so, dass du die Art deines jetzigen Urtheilens als ewiges Gesetz für dein gesammtes Urtheilen denken könnest. Wie du vernünftigerweise in allen Fällen kannst urtheilen wollen, so urtheile in diesem bestimmten Falle. Mache nie eine Ausnahme in deiner Folgerungsart. Alle Ausnahmen sind sicherlich Sophistereien. -- Darin unterscheidet sich der Wahrheitsfreund vom Sophisten: Beider Behauptungen an sich betrachtet kann vielleicht der erstere irren, und der letztere recht haben; und dennoch ist der erstere ein Wahrheitsfreund, auch wenn er irrt, und der letztere ein Sophist, auch da, wo er die Wahrheit sagt, weil sie etwa zu seinem Zwecke dient. Aber in den Aeusserungen des Wahrheitsfreundes ist nichts Widersprechendes, er geht seinen geraden Gang fort, ohne sich weder rechts noch links zu wenden; der Sophist ändert stets seinen Weg, und beschreibt seine krumme Schlangenlinie, sowie der Punct sich verrückt, bei welchem er gern ankommen möchte. Der erstere hat gar keinen Punct im Gesichte, sondern zieht seine gerade Linie, welcher Punct auch immer hineinfallen möge. Diesem Interesse für Wahrheit um ihrer blossen ^Form^ willen ist gerade entgegengesetzt alles Interesse für den ^bestimmten Inhalt^ der Sätze. Einem solchen materiellen Interesse ist es nicht darum zu thun, ^wie^ etwas gefunden sey, sondern nur was gefunden sey. Wir haben schon etwa einen Satz ehemals behauptet, vielleicht Beifall damit gefunden und Ehre eingeerntet, und meinten es damals aufrichtig. Damals war unsere Behauptung zwar nicht ^allgemeine^ Wahrheit, die sich auf das Wesen der Vernunft, aber doch Wahrheit ^für uns^, die sich auf unsere damalige individuelle Denk- und Empfindungsart gründete. Wir irrten, aber wir täuschten nicht, weder uns noch andere. Seitdem haben wir entweder selbst weiter geforscht, wir haben unsere individuelle Denkart dem Ideale der allgemeinen und nothwendigen Denkart mehr genähert, oder auch andere haben uns unseren Irrthum gezeigt. Derselbe materielle Satz, der ehemals formale Wahrheit für uns war, ist uns jetzt, aus dem nemlichen Grunde, aus dem er dieses war, formaler Irrthum; und sind wir uns selbst treu, so werden wir ihn sogleich aufgeben. Aber dann müssten wir erkennen, dass wir geirrt haben; vielleicht dass ein anderer weiter gesehen habe, als wir. Ist unser Interesse für Wahrheit nicht rein und nicht stark genug, so werden wir gegen die auf uns eindringende Ueberzeugung uns vertheidigen, so lange wir können; und nun ist es uns nicht mehr um die Form zu thun, sondern um die Materie des Satzes; wir vertheidigen denselben, weil er der unsrige ist, und weil ein eitler Ruhm uns mehr gilt, denn Wahrheit. Eine Meinung schmeichelt unserm Stolze, unseren Anmaassungen, unserer Unterdrückungssucht. Man erschüttert sie mit den stärksten Gründen, gegen die wir nichts aufbringen können. Werden wir uns überzeugen lassen? Aber wir müssten dann entweder unsere gerechten Ansprüche aufgeben, oder uns für wohlbedächtige und überlegte Ungerechte anerkennen. Es ist zu erwarten, dass wir gegen die Ueberzeugung uns verwahren werden, so lange wir können, und dass wir in allen Schlupfwinkeln unseres Herzens nach Ausflüchten suchen werden, um ihr auszuweichen. Ein zweites Hinderniss des reinen Interesse für Wahrheit ist die Trägheit des Geistes, die Scheu vor der Mühe des Nachdenkens. Der Mensch ist von Natur ein vorstellendes Wesen, aber er ist durch sie auch nichts weiter. Die Natur bestimmt die Reihe seiner Vorstellungen, wie sie die Verkettung seiner körperlichen Theile bestimmt. Sein Geist ist eine Maschine, wie sein Körper; nur eine Maschine anderer Art, eine vorstellende Maschine, bestimmt durch Einwirkung von aussen und durch seine nothwendigen Naturgesetze von innen. Man kann viel wissen, viel studiren, viel lesen, viel hören, und ist doch nichts weiter. Man lässt durch Schriftsteller oder Redner sich bearbeiten, und sieht mit behaglicher Ruhe zu, wie eine Vorstellung in uns mit der andern abwechselt. Sowie die Weichlinge des Orients in ihren Bädern durch besondere Künstler ihre Gelenke durchkneten lassen, so lassen diese durch Künstler anderer Art ihren Geist durchkneten, und ihr Genuss ist um weniges edler, als der Genuss jener. Diesem blinden Hange thätig widerstreben, eingreifen in den Mechanismus der Ideenfolge, und ihr gebieten, ihr mit Freiheit eine Richtung geben auf ein bestimmtes Ziel, und von dieser Richtung nicht abweichen, bis das Ziel erreicht ist: das ist der rohen Natur zuwider, und kostet Anstrengung und Verläugnung. Jedes unthätige Hingeben ist dem Interesse für Wahrheit geradezu entgegen. Es wird dabei gar nicht auf Wahrheit oder Nichtwahrheit, sondern lediglich auf die Ergötzung geachtet, die jener Wechsel der Vorstellungen uns gewährt. Wir kommen dadurch auch nicht zur Wahrheit; denn Wahrheit ist Einheit, und diese muss thätig und mit Freiheit hervorgebracht werden, durch Anstrengung und eigene Kraftanwendung. Gesetzt, man käme durch ein glückliches Ohngefähr auf diesem Wege wirklich zu Vorstellungen, die an sich wahr wären, so wären sie es doch nicht ^für uns^, denn wir hätten von der Wahrheit derselben uns nicht durch eigenes Nachdenken überzeugt. Beide Unarten vereinigen sich in denjenigen, welche alle Untersuchung fliehen, aus Furcht, dadurch in ihrer Ruhe und in ihrem Glauben gestört zu werden. Was kann eines vernünftigen Wesens unwürdiger seyn, als eine solche Ausrede? Entweder ist ihre Ruhe, ihr Glaube gegründet; und was fürchten sie dann die Untersuchung? Die Güte ihrer Sache muss ja nothwendig durch die hellste Beleuchtung gewinnen. -- Aber sie fürchten vielleicht bloss unsere Trugschlüsse, unsere Ueberredungskünste? Wenn sie unsere Folgerungen nicht gehört haben, noch hören wollen: woher mögen sie doch wissen, dass es Trugschlüsse sind? Und setzen sie in ihren Verstand nicht das Vertrauen, dass er allen falschen Schein, der sich gegen ihre Ueberzeugung auflehnt, zerstreuen werde, da sie ihm doch das ungleich grössere zutrauen, dass er die einzig mögliche reine Wahrheit ohne sonderliches Nachdenken aufgefunden habe? -- Oder ihre Ruhe, ihr Glaube ist grundlos; und also ist es ihnen überhaupt nicht darum zu thun, ob er gegründet sey oder nicht, wenn sie nur nicht in ihrer süssen Behaglichkeit gestört werden. Es liegt ihnen gar nicht an der Wahrheit, sondern bloss an der Vergünstigung, dasjenige für wahr zu halten, was sie bisher dafür gehalten haben; sey es um der Gewohnheit willen, sey es, weil der Inhalt desselben ihrer Trägheit und Verdorbenheit schmeichelt. Sie erhalten etwa dadurch die Hoffnung, ohne alles ihr Zuthun, tugendhaft und glückselig, oder wohl gar ohne Tugend glückselig zu werden, recht viel zu geniessen, ohne etwas zu thun; andere für sich arbeiten zu lassen, wo sie Lust haben, träge und verdorben zu seyn. Alles Interesse von der angezeigten Art ist unächt, und in Ausrottung desselben besteht der erste Schritt zu Erhöhung des reinen Interesse für Wahrheit. Der zweite ist: man überlasse sich jedem Genusse, den das reine Interesse für Wahrheit gewährt. Die ^Wahrheit an sich selbst^, wiefern sie bloss in der Harmonie alles unseres Denkens besteht, gewährt Genuss, und einen reinen, edlen, hohen Genuss. Das ist eine gemeine Seele, der es gleichgültig ist, ob sie, so geringfügig der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im Besitz der Wahrheit sey. Es ist hierbei nemlich gar nicht um den Inhalt und um die Folgen eines Satzes zu thun, sondern lediglich um Einheit und Uebereinstimmung in dem gesammten System des menschlichen Geistes. Aber der Mensch ^soll^ einig mit sich selbst seyn; er soll ein eigenes, für sich bestehendes Ganzes bilden. Nur unter dieser Bedingung ist er Mensch. Mithin ist das Bewusstseyn der völligen Uebereinstimmung mit uns selbst in unserem Denken, oder doch des redlichen Strebens nach einer solchen Uebereinstimmung, unmittelbares Bewusstseyn unserer behaupteten Menschenwürde, und gewährt einen moralischen Genuss. Man bezeugt es sich durch jenes Streben, und durch die vermittelst desselben hervorgebrachte Harmonie, dass man ein selbstständiges, von allem, was nicht unser Selbst ist, unabhängiges Wesen bilde. Man wird des erhabenen Gefühls theilhaftig: ich bin, was ich bin, weil ich es habe seyn wollen. Ich hätte mich können forttreiben lassen durch die Räder der Nothwendigkeit; ich hätte meine Ueberzeugung können bestimmen lassen durch die Eindrücke, die ich von der Natur überhaupt erhielt, durch den Hang meiner Leidenschaften und Neigungen, durch die Meinungen, die mir meine Zeitgenossen beibringen wollten: aber ich habe nicht gewollt. Ich habe mich losgerissen, ich habe durch eigene Thätigkeit nach einer durch mich selbst bestimmten Richtung hin untersucht; ich stehe jetzt auf diesem bestimmten Puncte, und ich bin durch mich selbst, durch eigenen Entschluss und eigene Kraft darauf gekommen. -- Man wird des erhabenen Gefühls theilhaftig: ich werde immer seyn, was ich jetzt bin, weil ich es immer wollen werde. Der ^Inhalt^ meiner Ueberzeugungen zwar wird durch fortgesetztes Nachforschen sich ändern, aber um ihn ist es mir auch nicht zu thun. Die ^Form^ derselben wird sich nie ändern. Ich werde nie der Sinnlichkeit, noch irgend einem Dinge, das ausser mir ist, Einfluss auf die Bildung meiner Denkart verstatten; ich werde, so weit mein Gesichtskreis sich erstreckt, immer einig mit mir selbst seyn, weil ich es immer wollen werde. Diese strenge und scharfe Unterscheidung unseres reinen Selbst von allem, was nicht wir selbst sind, ist der wahre Charakter der Menschheit; die Stärke und der Umfang dieses Selbstgefühls ist bestimmt durch den Grad unserer Humanität; dieser unsere ganze Würde und unsere ganze Glückseligkeit. Mit dieser sichern Ueberzeugung, stets einig mit sich selbst zu seyn, geht der entschiedene Freund der Wahrheit auf dem Wege der Untersuchung ruhig fort; er geht muthig allem entgegen, was ihm auf demselben aufstossen möchte. Es ist für denjenigen, der mit sich selbst noch nicht recht eins geworden ist, was er denn eigentlich suche und wolle, äusserst beängstigend, wenn er auf seinem Wege auf Sätze stösst, die allen seinen bisherigen Meinungen, und den Meinungen seiner Zeitgenossen, und der Vorwelt widersprechen; und gewiss ist diese Aengstlichkeit eine der Hauptursachen, warum die Menschheit auf dem Wege zur Wahrheit so langsame Fortschritte gemacht hat. Von ihr ist derjenige, der die Wahrheit um ihrer selbst willen sucht, völlig frei. Er blickt jeder noch so befremdenden Folgerung kühn in das Gesicht. Ob sie ein befremdendes oder bekanntes Aussehen habe, ob sie seiner und aller bisherigen Meinung widerspreche oder nicht, darnach war nicht die Frage. Die Frage war: ob sie, seinem besten Wissen nach, mit den Gesetzen des Denkens übereinstimme oder nicht, und das wird er untersuchen. Wird sich finden, dass sie damit übereinstimme, so wird er sie als heilige, ehrwürdige Wahrheit aufnehmen; wird sie nicht damit übereinstimmen, so wird er sie als Irrthum verwerfen, nicht weil sie der gemeinen Meinung, sondern weil sie seinem besten Wissen nach den Gesetzen des Denkens widerspricht. Bis dahin ist er völlig gleichgültig gegen sie; über ihren Inhalt hat er die Frage nicht erhoben; derselbe ist ihm bekannt; ihre Form hat er noch zu untersuchen. Mit dieser kalten Ruhe und festen Entschlossenheit blickt er hinein in das Gewühl der menschlichen Meinungen überhaupt und seiner eigenen Einfälle und Zweifel. Es wirbelt und stürmt ^um ihn herum^, aber nicht ^in ihm^. Er selbst sieht aus seiner unerreichbaren Burg ruhig dem Sturme zu. Er wird ihm zu seiner Zeit gebieten, und eine Welle nach der anderen wird sich legen. -- Er will nur Harmonie mit sich selbst, und er bringt sie hervor, so weit er bis jetzt gekommen ist. Dort ist noch Verwirrung in seinen Meinungen; das ist nicht seine Schuld, denn bis dahin hat er noch nicht kommen können. Er wird auch dahin kommen, und dann wird jene Unordnung in die schönste Ordnung sich auflösen. -- Was wäre denn wohl endlich das härteste, was ihm begegnen könnte? Gesetzt, er fände, entweder weil die Schranken der endlichen Vernunft überhaupt, welches unmöglich ist, oder weil die Schranken seines Individuums solches mit sich bringen, als letztes Resultat seines Strebens nach Wahrheit, dass es überhaupt gar keine Wahrheit und Gewissheit gebe. Er würde auch diesem Schicksale, dem härtesten, das ihn treffen könnte, sich unterwerfen; denn er ist zwar unglücklich, aber schuldlos; er ist seines redlichen Forschens sich bewusst, und das ist statt alles Glücks, dessen er nun noch theilhaftig werden kann. Ebenso ruhig -- wenn dieser Umstand der Erwähnung werth ist -- bleibt der entschiedene Freund der Wahrheit darüber, was ^andere^ zunächst zu seinen Ueberzeugungen sagen werden, wenn er in der Lage seyn sollte, sie mittheilen zu müssen; und der Gelehrte ist immer in dieser Lage, da er nicht bloss für sich selbst, sondern zugleich für andere forscht. Die Frage ist ja gar nicht, ob wir mit anderen, sondern ob wir mit uns selbst übereinstimmend denken. Ist das letztere, so können wir des erstern ohne unser Zuthun, und ohne erst die Stimmen zu sammeln, bei allen denen gewiss seyn, die mit sich selbst in Uebereinstimmung stehen; denn das Wesen der Vernunft ist in allen vernünftigen Wesen Eins und ebendasselbe. Wie ^andere^ denken, wissen wir nicht, und wir können davon nicht ausgehen. Wie ^wir^ denken sollen, wenn wir vernünftig denken wollen, können wir finden; und so, wie wir denken sollen, sollen alle vernünftige Wesen denken. Alle Untersuchung muss von innen heraus, nicht von aussen herein, geschehen. ^Ich^ soll nicht denken, wie ^andere^ denken; sondern wie ^ich^ denken soll, so, soll ich annehmen, denken auch andere. -- Mit denen übereinstimmend zu seyn, die es mit sich selbst nicht sind, wäre das wohl ein würdiges Ziel für ein vernünftiges Wesen? Das Gefühl der für formale Wahrheit angewendeten ^Kraft^ gewährt einen reinen, edlen, dauernden Genuss. Einen solchen Genuss kann uns überhaupt nur dasjenige gewähren, was unser eigen ist, und was wir durch würdigen Gebrauch unserer Freiheit uns selbst erworben haben. Was uns hingegen ohne unser Zuthun von aussen gegeben worden ist, gewährt keinen reinen Selbstgenuss. Es ist nicht unser, und es kann uns ebenso wieder genommen werden, wie es uns gegeben wurde; wir geniessen an demselben nicht uns selbst, nicht unser eigenes Verdienst und unsern eigenen Werth. So verhält es sich auch insbesondere mit Geisteskraft. Das, was man guten Kopf, angebornes Talent, glückliche Naturanlage nennt, ist gar kein Gegenstand eines vernünftigen Selbstgenusses, denn es ist dabei gar kein eigenes Verdienst. Wenn ich eine reizbarere, thätigere Organisation erhielt, wenn dieselbe gleich bei meinem Eintritte ins Leben stärker und zweckmässiger afficirt wurde, was habe ^ich^ dazu beigetragen? Habe ich jene Organisation entworfen, unter mehreren sie ausgewählt und mir zugeeignet? Habe ich jene Eindrücke, die mich bei meinem Eintritte ins Leben empfingen, berechnet und geleitet? Meine Kraft ist ^mein^, lediglich inwiefern ich sie durch Freiheit hervorgebracht habe; ich kann aber nichts in ihr hervorbringen, als ihre Richtung; und in dieser besteht denn auch die wahre Geisteskraft. Blinde Kraft ist keine Kraft, vielmehr Ohnmacht. Die Richtung aber gebe ich ihr durch Freiheit, deren Regel ist, stets übereinstimmend mit sich selbst zu wirken; vorher war sie eine fremde Kraft, Kraft der willenlosen und zwecklosen Natur in mir. Diese Geisteskraft wird durch den Gebrauch verstärkt und erhöht; und diese Erhöhung giebt Genuss, denn sie ist Verdienst. Sie gewährt das erhebende Bewusstseyn: ich war Maschine, und konnte Maschine bleiben; durch eigene Kraft, aus eigenem Antriebe habe ich mich zum selbstständigen Wesen gemacht. Dass ich jetzt mit Leichtigkeit, frei, nach meinem eigenen Zwecke fortschreite, verdanke ich mir selbst; dass ich fest, frei und kühn an jede Untersuchung mich wagen darf, verdanke ich mir selbst. Dieses Zutrauen auf mich, dieser Muth, mit welchem ich unternehme, was ich zu unternehmen habe, diese Hoffnung des Erfolgs, mit der ich an die Arbeit gehe, verdanke ich mir selbst. Durch diese Geisteskraft wird zugleich das moralische Vermögen gestärkt, und sie ist selbst moralisch. Beide hängen innig zusammen, und wirken gegenseitig auf einander. Wahrheitsliebe bereitet vor zur moralischen Güte, und ist selbst schon an sich eine Art derselben. Dadurch, dass man alle seine Neigungen, Lieblingsmeinungen, Rücksichten, alles, was ausser uns ist, den Gesetzen des Denkens frei unterwirft, wird man gewöhnt, vor der Idee des Gesetzes überhaupt sich niederzubeugen und zu verstummen; und diese freie Unterwerfung ist selbst eine moralische Handlung. Herrschende Sinnlichkeit schwächt in gleichem Grade das Interesse für Wahrheit, wie für Sittlichkeit. Durch den Sieg, den das erstere über dieselbe erkämpft, wird zugleich für die Tugend ein Sieg erfochten. Freiheit des Geistes in ^Einer^ Rücksicht entfesselt in allen übrigen. Wer alles, was ausser ihm liegt, in der Erforschung der Wahrheit verachtet, der wird es auch in allem seinem Handeln überhaupt verachten lernen. Entschlossenheit im Denken führt nothwendig zur moralischen Güte und zur moralischen Stärke. Ich setze kein Wort hinzu, um die Würde dieser Denkart fühlbar zu machen. Wer ihrer fähig ist, der fühlt sie durch die blosse Beschreibung; wer sie nicht fühlt, dem wird sie ewig unbekannt bleiben. -- F. Aphorismen über Erziehung aus dem Jahre 1804.[36] 1. Einen Menschen erziehen heisst: ihm Gelegenheit geben, sich zum vollkommenen Meister und Selbstherrscher seiner ^gesammten^ Kraft zu machen. Der ^gesammten^ Kraft, sage ich; denn die Kraft des Menschen ist Eine und ist ein zusammenhängendes Ganze. Sogleich in der Erziehung einen abgesonderten Gebrauch dieser Kraft als Ziel ins Auge fassen, -- den Zögling für seinen Stand erziehen, wie man dies wohl genannt hat, würde nur überflüssig seyn, wenn es nicht verderblich wäre. Es verengt die Kraft und macht sie zum Sklaven des angebildeten Standes, da sie doch sein Herrscher seyn sollte. Der völlig und harmonisch ausgebildeten Kraft kann man es überlassen, von welcher Seite her sie sich der Welt und der Praxis in ihr nähern werde; oder: in allen Ständen kommt es nicht darauf an, wozu man ^erzogen^ sey und was man ^gelernt^ habe, sondern was man ^sey^? Wer überhaupt nur wirklich ^ist^, ein vernünftiges und in jedem Augenblicke selbstthätiges Wesen, wird immer mit Leichtigkeit sich zu dem ^machen^, was er in seiner Lage seyn soll. Wer aber durch irgend eine äusserliche Einübung (Dressur) den leider ermangelnden Thierinstinct ersetzt hat, der bleibt eben in dieser Schranke befangen, die ihn wie eine zweite, ihm undurchdringliche Natur umgiebt, und die Erziehung, der Unterricht hat ihn gerade beschränkt, getödtet, statt ihn zu befreien und zum lebendigen Fortwachsen aus sich selbst fähig zu machen. [Fußnote 36: Als Rechenschaftsablegung bei Gelegenheit eines damals gefassten Planes geschrieben, einige Söhne ihm befreundeter Familien, zur Erziehung mit dem eigenen, in sein Haus aufzunehmen. (Anmerk. des Herausgebers.)] 2. Für Entwickelung der ^Geistes^kraft in diesem allgemeinsten Sinne haben wir Neueren nichts Zweckmässigeres, als die Erlernung der alten klassischen Sprachen. Ob man fürs Leben jemals dieser Sprachen bedürfen werde, davon sey nicht die Frage: ja sogar davon werde abgesehen, ob es dem aufkeimenden Geiste räthlicher sey, in der gepressten Luft der modernen Denkart, oder in dem heiteren Wehen der Schriftsteller des Alterthums zu athmen. Folgende Frage aber kann nicht geschenkt werden: wie der Zögling über den Nebel nicht von ihm geschaffener und deshalb nicht verstandener Worte, der nur den Geist, welcher ihm unbewusst in der Sprache umherwankt, keinesweges aber seinen eigenen, in ihm aufkommen lässt, -- über diesen Nebel, der den grössten Theil selbst der angeblich gebildeten Menschen zeitlebens gefesselt hält, zur lebendigen Anschauung der Sache selbst gelangen solle? Ich halte dafür, dass dies geschehen könne nur durch das Studium ^der^ Sprachen, deren ganze ^Begriffsgestaltung^ von der Modernität völlig abweicht und jeden, der es in dieser Region bis zum ^eigentlichen Verstehen^ bringen soll -- was freilich mehr ist, als was der gewöhnliche Unterricht in den alten Sprachen bezweckt und in der Regel auch erreicht, der sich mit dem ungefähren Dolmetschen des Sinnes begnügt, -- entschieden nöthiget, über alle Zeichen hinweg zu etwas Höherem, als das Sprachzeichen ist, zu dem Begriffe der Sache sich zu erheben: -- ein Studium, welches ebendarum durch die Erlernung keiner neueren Sprache zu ersetzen ist, weil hierin mit nichtverstandenen Phrasen, gegen andere gleichgeltende, nur anderstönende, welche ebenfalls nicht verstanden werden, d. h. in denen niemals vom Ausdrucke und Bilde zum Begriffe vorgedrungen wird, -- ein Tauschhandel getrieben werden kann und getrieben wird. Daher nun die Nebelwelt halbverstandener, nie bis auf ihren Kern untersuchter Vorstellungen, in der das gewöhnliche Bewusstseyn, auch der sogenannten Gebildeten, lebt, und die ihre Wahrheit sind, nach der zufälligen Gestaltung des sie umgebenden Sprachgeistes und nach dem ebenso zufälligen Anfluge aus ihren specielleren Umgebungen, wo also nirgends das Bewusstseyn mit dem Realen und Wahren zu thun hat, sondern mit den Schattenbildern desselben. 3. Es liegt in der Sache, dass die ^Form^ des Unterrichtes und der Uebungen auf den beschriebenen Zweck berechnet seyn muss; eine Form, mit welcher ich aus alter Uebung im Unterrichte sehr bekannt zu seyn glaube. Eine Nebenrücksicht hierbei wird die seyn, den grössten Theil der Zeit und der Mühe, der in dem hergebrachten Unterrichte auf das Lateinische, eine sehr nachstehende Tochter des Griechischen, gewidmet wird, der Mutter selbst zuzuwenden, mit dem Griechischen, so viel dies möglich ist, anzufangen, dies als Hauptsache zu nehmen und bis zu Stil- und sogar Sprechübungen zu treiben, indem aus der für den geborenen Deutschen, wegen der sehr nahen Verwandtschaft des Griechischen mit seiner Muttersprache ohnedies leicht zu erlangenden Fertigkeit, eine Ansicht von der Sprache überhaupt und so auch eine Vorbereitung auf das weit ferner für uns liegende Lateinische erfolgt; welche auf umgekehrtem Wege nicht so sicher zu erreichen wäre. 4. Es versteht sich, dass über dieser Erlernung der alten Sprachen und der Ansichten der alten Welt, der alten Geschichte, Geographie u. s. w., die Kenntniss der umgebenden Welt nicht vergessen werde. Dies ist nun aber, weil es das Umgebende betrifft, mehr durch Leben und möglichst zu vermittelnde Anschauung, als durch todtes Studium und Ueberlieferung, mehr durch unmittelbare Erfahrung und Conversation darüber, als durch besondere Lehrstunden zu befördern. Ein lebendiger, durch seine tägliche Arbeit an Verknüpfung und Ordnung gewöhnter Knabe wird nicht ermangeln, von dem, was er erblickt, aufzusteigen zu dem, was er nicht erblickt, und darnach, so wie nach dem Zusammenhange beider zu fragen, und er wird Befriedigung erhalten, wenn diejenigen, die ihn umgeben, theils selber die Sache wissen, theils so zu antworten verstehen, dass keine todte, nur wiederholende Phrase, sondern eine lebendige Anschauung im Zöglinge entstehe. 5. Der innere Geist und Charakter dieser intellectuellen Erziehung, ohne welchen alle äusserlichen Fertigkeiten und Kenntnisse keinen Werth haben, ist der, dass der Zögling in der That und stets selbst arbeite, Alles durch eigene Geisteskraft sich erwerbe, keinesweges aber nur mechanisch etwas anlerne. Die Methode, leicht oder spielend zu lehren und zu lernen, kann daher in einem vernunftgemässen Erziehungsplane nicht eintreten, in welchem es gar nicht darauf ankommt, ^was^ da erlernt sey, sondern was der Zögling geistig vermöge, und wie dies Vermögen durch den Stoff des Unterrichtes entwickelt worden sey. Aus diesem Grunde wird das Studium der Mathematik, am geeignetsten nach Euklides oder in dieser Methode, der zweite Hauptzweig des eigentlichen Unterrichtes seyn. 6. Dagegen im unmittelbaren Leben, durch ein von selbst sich darbietendes oder künstlich herbeigeführtes Bedürfniss angeregt, sind die neueren Sprachen zu erlernen. Diese Erlernung ist dem Knaben, der schon an den alten Sprachen Kenntniss der Sprache überhaupt sich erworben, und Ohr und Zunge an ihnen geübt hat, der ferner Lateinisch versteht, besonders bei den Töchtern des Lateinischen sehr leicht, wenn dabei nur nicht auf eine zu nichts dienende Virtuosität im blossen Sprechen ausgegangen wird. 7. Jenen auf Anschauung gegründeten Unterricht in den Anfangsgründen der Geometrie und Arithmetik abgerechnet, ist ein eigentlich systematisches und speculatives Studium der Wissenschaften, vor den Jahren der anfangenden Reife, sogar nachtheilig. Früher werde nur reicher Stoff der Erkenntniss herbeigeführt, die Phantasie gestärkt und frei und selbstständig gemacht, der Verstand durch Uebung an den gesetzmässigen Gang ^angewöhnt^, als ob dies gar nicht anders seyn könne. Erst in dieser Richtigkeit des geistigen Blickes befestigt, möge er Ausflug nehmen zur Erforschung und zum deutlichen Bewusstseyn seiner Gesetze, denen er bisher, wie einem dunkeln Instincte, folgte. Mit Einem Worte: Transscendentalismus jeder Art, selbst in seinen leisesten Andeutungen, gehört nicht unter die Gegenstände der Erziehung. -- 8. Der Körper ist so gut Ausdruck der ^gesammten^ menschlichen Kraft, als es der Geist ist. Abgerechnet nun, dass ganz gegen die gewöhnliche Meinung von der »Ungesundheit« des Fleisses und des ernsten Studiums, frühe Geistesbildung, wenn sie nur nicht ein Brüten der Memorie über todten, unverstandenen Phrasen, sondern ein Leben und Weben der Phantasie seyn soll, schon durch sich selbst auch für den Körper der wirksamste Lebensbalsam ist: -- dies abgerechnet, bleibt es noch besonderer Zweck der Erziehung, den Zögling auch seines Körpers Meister zu machen, also dass er diesen besitze, in keinem Sinne aber von ihm besessen werde, -- auch nicht durch körperliche Stimmungen und Aufregungen. Hierher gehört zuerst Entwicklung und Fixirung der Sinne; des Auges durch (nicht mechanisches, sondern perspectivisches) Zeichnen; des Ohres durch Uebung im harmonischen, einstimmigen und vielstimmigen Gesange, und, sofern Talent vorhanden, auch im Erlernen eines musikalischen Instrumentes: -- des allgemeinen Sinnes durch Gewöhnung an ununterbrochene Aufmerksamkeit und absolutes Nichtdulden des Zerstreutseyns. (Dieser Punct ist wichtiger als er scheint, und ich getraue mir zu behaupten, dass man das Menschengeschlecht mit Einem Streiche von allen seinen übrigen Gebrechen geheilt haben würde, wenn man jeden von dem Zerstreutseyn geheilt, und ihn dahin gebracht hätte, nur allemal seine ganze unzerstreute Aufmerksamkeit auf das zu richten, was er jetzt treibt.) Täglicher Genuss der frischen Luft, harmonische Ausbildung des Körpers durch gymnastische Uebungen, wie Tanzen, Ringen, Fechten, Reiten, insgesammt auf den Zweck gerichtet, den Körper unter die Herrschaft des Geistes zu bringen und ihn zugleich zum starken, ausdauernden Werkzeuge desselben zu machen, verstehen sich von selber im Ganzen dieses Erziehungsplanes. 9. Eine ^positive^ moralische Erziehung, d. h. eine solche, die sich den Zweck setze und ihn ausdrücklich ausspreche, den Zögling zur Tugend zu bilden, giebt es nicht; vielmehr würde ein solches Verfahren den inneren moralischen Sinn ertödten und gemüthlose Heuchler und Gleissner bilden. In der eigenen schamhaften Stille des Gemüthes, ohne Geschwätz und Selbstbespiegelung, muss die Sittlichkeit von selbst aufkeimen, und allmählig höher erwachsen und sich verbreiten, so wie die äusseren Beziehungen sich theils vermehren, theils dem Kinde klarer werden. So muss es seyn, und so wird es ohne alles absichtliche Zuthun allenthalben von selbst erfolgen, ^sofern nur lauter gute Beispiele den Zögling umgeben und alles Schlechte, Gemeine und Niedrige fern von seinem Auge gehalten wird.^ Ausser dieser verhütenden Sorgfalt hat der Erzieher nur noch Folgendes zu thun: wenige, in sich selbst durchaus klare und leicht zu beobachtende positive Gebote aufzustellen, über deren Befolgung, ohne irgend eine Ausnahme und unverbrüchlich, gehalten werde. So wäre denn irgend einmal mit Feierlichkeit das sittliche Gesetz anzukündigen: schlechthin nicht zu lügen, nicht wissentlich und bedächtig gegen sein Bewusstseyn zu reden oder zu handeln. Nach aller Erfahrung ergreift dieses Gesetz mit einer wunderbaren Gewalt den Knaben, erhebt ihn, giebt ihm eine innerliche Fassung, und wird ihm unaustilgbare Quelle der inneren Rechtschaffenheit, die die Mutter aller Tugenden ist und Keinen, der sie besitzt, ohne Rettung fallen lässt. 10. Innere Religiosität des Gemüthes, das heisst: heilige Ahnung eines über alle Sinnlichkeit Erhabenen, und Hinneigung zu ihm, findet bei innerer Rechtschaffenheit des Gemüthes und zweckmässiger Geistesbildung, wie sie eben beschrieben worden, sich ganz von selbst. Sie planmässig anlehren zu wollen, würde abermals den inneren Sinn dafür ertödten und den Heuchler bilden. -- Die Unterweisungen in der positiven Landesreligion wird, wenn der Zögling in die Jahre kommt, an den Mysterien derselben theilzunehmen, der Geistliche seiner Confession (welches diese sey, ist unserer Erziehung völlig gleichgültig) besorgen, und unser Erziehungsplan wird jeder positiven oder negativen Einmischung und jedes Einflusses in diese Angelegenheit sich mit strenger Gewissenhaftigkeit enthalten. 11. Die äusseren Mittel zur Erreichung des angegebenen Zweckes werden folgende seyn: Es wird ein Hauslehrer, oder falls eine grössere Anzahl von Zöglingen sich fände, deren zwei gehalten. Die ausschliessenden Bedingungen, durch die man sich bei der Wahl dieser Lehrer leiten lassen wird, werden darin bestehen: zuvörderst, dass ihnen Pädagogik um ihrer selbst willen Geistes- und Herzensangelegenheit sey, und sie daher eine solche Stelle nicht als Mittel für einen fremden Zweck, sondern selbst als nächsten Zweck suchen; -- sodann, dass, wenn sie auch nicht alles, sogar nur weniges von dem, was sie lehren sollen, wissen, sie doch die Geistesfreiheit und Uebung haben, immer mit Leichtigkeit es zu lernen, so wie sie dessen bedürfen, und ebenso die zweckmässigste Methode, es zu lehren, besitzen oder diese sich anzueignen vermögen. Diese Männer werden, abwechselnd mit mir, unter täglich gegenseitiger Rücksprache und Rechenschaftsablegung, lehren und die Zöglinge unter ^ununterbrochener^ Aufsicht behalten. 12. Fremde Kinder durchaus und ganz wie unser eigenes anzusehen und zu behandeln, dazu müsste uns, selbst wenn es keine höheren Antriebe gäbe, sogar die Klugheit und das Wohlwollen gegen unser eigenes Kind nöthigen, indem das entgegengesetzte Benehmen gerade für es selbst die nachtheiligsten Folgen haben würde. G. Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben. (Geschrieben im Jahre 1806.) Erstes Capitel. Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre. Falls etwa der Erkenntniss der Wahrheit durch den Menschen dieses Hinderniss im Wege stände, dass im natürlichen und kunstlosen Zustande diese Erkenntniss sich selber, nach eigenen innern und verborgen bleibenden Gesetzen gestaltete und bildete; diese ihre eigene Gestalt der zu erkennenden Wahrheit, ohne unser Vermerken, mittheilte, und so in der Erkenntniss sich selber in den Weg, und zwischen sich und die reine Wahrheit in die Mitte träte: so würde es auf diese Weise nie zur Wahrheit, und falls diese Selbstmodification der Erkenntniss wandelbar, veränderlich, und in ihrer verschiedenen Gestaltung vom blinden Ohngefähr abhängig seyn sollte, auch nie zu bleibender Einheit und Gewissheit in der Erkenntniss kommen. Diesem Mangel und den nothwendigen Folgen desselben könnte auf keine andere Weise abgeholfen werden, ausser dadurch, dass jene inneren Selbstmodificationen der Erkenntniss aus ihren Gesetzen vollständig erschöpft, und die Producte derselben von der erkannten Wahrheit abgezogen würden; worauf, nach diesem Abzuge, die reine Wahrheit übrigbleiben würde. So verhält es sich nun in der That; und dem zufolge würden, bis auf Kant, alle Denker und Bearbeiter der Wissenschaft ohne Ausnahme durch den verborgenen Strom jener inneren Verwandlungen der Erkenntniss herumgezogen, und mit sich selber und andern in Widerstreit versetzt. Kant war der erste, der diese Quelle aller Irrthümer und Widersprüche glücklich entdeckte, und den Vorsatz fasste, auf die einzig wissenschaftliche Weise, durch systematische Erschöpfung jener Modificationen, und, wie er es nannte, durch Ausmessung des ganzen Gebiets der Vernunft, sie zu verstopfen. Die Ausführung blieb jedoch hinter dem Vorsatz zurück, indem die Vernunft oder das Wissen nicht in seiner absoluten Einheit, sondern schon selbst in verschiedene Zweige gespalten, als theoretische, als praktische, als urtheilende Vernunft, der Untersuchung unterworfen; auch die Gesetze dieser einzelnen Zweige mehr empirisch gesammelt, und durch Induction als Vernunftgesetze erhärtet wurden, als dass eine wahre Deduction aus der Urquelle sie erschöpft, und als das, was sie sind, sie dargelegt hätte. Bei diesem Stande der Sachen ergriff die Wissenschaftslehre die durch jene Kantische Entdeckung an die Menschheit gestellte Aufgabe; zeigend, was der Wissenschaftsweg in seiner Einheit sey, sehr sicher wissend und darauf rechnend, dass aus dieser Einheit heraus die besonderen Zweige desselben sich von selbst ergeben, und aus ihr würden charakterisirt werden können. Wir sind nicht gemeint zu läugnen, dass nicht von einigen jene Wissenschaftslehre einigermaassen gefasst, und ihr Zweck nothdürftig historisch ersehen worden sey, indem von mehreren gestanden worden, dass durch jenes Werk die absolute Nichtigkeit aller Producte des Grundgesetzes des Wissens, der Reflexion, dargethan sey. Nur machte man aus dieser Entdeckung über das Resultat jener Philosophie den Schluss, dass eben um dieses Resultates willen die Wissenschaftslehre nothwendig falsch sey, indem eine Realität denn doch sey, diese Realität aber, weil nemlich diejenigen, die also dachten, für ihre Person dieselbe nicht anders zu erfassen vermochten, nur innerhalb des Gebiets des Reflexionsgesetzes erfasst werden könne. Durch dieselbe Voraussetzung machten sie nun die Wissenschaftslehre, dieselbe mit dem in ihrer Gewalt einig befindlichen Organe fassend, wirklich falsch; indem sie, gar nicht zweifelnd, dass ein objectives Seyn gesetzt werden müsste, und dass von diesem allgemeinen Schicksal der Sterblichkeit auch die Wissenschaftslehre nicht frei seyn werde, meinten, der Fehler dieser Philosophie bestehe darin, dass sie ein subjectives-objectives Seyn, ein wirkliches und concret bestehendes Ich, als das Ding an sich, voraussetze; welchem Fehler sie für ihre Person nun dadurch abzuhelfen vermeinten, dass sie statt dessen ein objectives-objectives Seyn, welches sie mit dem Namen des Absoluten beehrten, voraussetzten. Zwar hat man in Absicht der der Wissenschaftslehre angemutheten Voraussetzung von Seiten derselben nicht ermangelt, wiederholt und in den verschiedensten Wendungen zu protestiren; jene aber bleiben dabei, wie sie denn auch nicht füglich anders können, dass sie besser wissen müssten, was der Verfasser der Wissenschaftslehre eigentlich wolle, als dieser selbst. In Absicht ihrer eigenen Verbesserung ist sonnenklar, und es wird, falls jemals einige Besonnenheit an die Tagesordnung kommen sollte, jedes Kind begreifen, dass dieses ihr Absolute nicht nur objectiv ist, welches das erste Product der stehenden Reflexionsform, sondern zugleich auch, als Absolutes, bestimmt ist durch seinen Gegensatz eines Nicht-Absoluten, welche ganze Fünffachheit, noch überdies mit der im Nicht-Absoluten liegenden ganzen Unendlichkeit, in jener Operation mit dem Absoluten und ihrer Einbildungskraft durch einander verwachsen liegt, und so ihr Absolutes überhaupt gar kein möglicher Gedanke, sondern nur eine finstere Ausgeburt ihrer schwärmenden Phantasie ist, um die Empirie, im Glauben an welche sie fest eingewurzelt sind, zu erklären. Gegen Erinnerungen, wie die eben gemachte, meinen sie auf folgende Weise sich in Sicherheit bringen zu können. Es hat nemlich die Wissenschaftslehre, freilich nur fürs Erste, und als ein Hausmittel für diejenigen, denen der Zustand der Besonnenheit noch nicht der natürliche geworden ist, sondern in welchen er mit dem der Unbesonnenheit wechselt, vorgeschlagen, dass sie bei dergleichen Producten der stehenden Reflexionsform sich doch nur besinnen möchten, dass sie das Gedachte ja denken. Jene, wohl wissend, dass, wenn sie auf diesen Vorschlag eingehen, ihnen die geliebte Täuschung verschwinde, und das, was sie gern als das Ansich sähen, als ein blosser Gedanke sich gar klar manifestire, versichern, dass man an dieser Stelle sie nie zur Reflexion bringen solle; und berichten, dass gerade durch die consequente Durchführung jener Maxime die Wissenschaftslehre zu einem leeren Reflectirsystem werde, und dadurch eben, wie es sich denn auch wirklich also verhält, die ganze Reflexionsform in absolutes Nichts zerfalle, indem das eben die jenem Systeme verborgengebliebene Kunst sey, an der rechten Stelle die Augen zuzumachen und die Hand auf, um die Realität zu ergreifen. Es entgeht ihnen hierbei gänzlich, dass, völlig unabhängig von ihrem Reflectiren oder Nichtreflectiren auf ihren Denkact, derselbe an sich bleibt, wie er ist, und wie er durch die Form der Beschränkung, in der sie ihn vollziehen, nothwendig ausfällt; und dass es ein schlechtes Mittel ist gegen die Blindheit, vor der Blindheit selber wiederum die Augen zu verschliessen. So bleibt in dem angegebenen Falle ihr Absolutes, von dem sie doch durchaus nicht anders denken können, als dass es sey, immer ein Objectives, aus dem Schauen Hingeworfenes, und demselben in ihm selber Entgegengesetztes, durch sich und in seinem Wesen; ob sie nun den Gegensatz dazu, das Schauen, ausdrücklich hinsetzen oder nicht: und sie haben, wenn sie nicht mehr denn dieses Objectiviren vollzogen haben, nur das Seyn überhaupt, keinesweges aber, wie sie vorgeben, das Absolute gedacht; oder wollen sie doch auch dieses Letztere gedacht haben, so haben sie, innerhalb des Seyns überhaupt, noch durch einen zweiten Gegensatz mit einem nicht absoluten Seyn, eine weitere Bestimmung vollzogen, und ihr Absolutes ist ein besonderes Seyn, innerhalb des allgemeinen, und ihr Denken ist auf eine bestimmte Weise analytisch-synthetisch, weil nur durch ein solches Denken der Begriff, den sie zu haben versichern, zu Stande kommt, sie mögen es nun erkennen oder nicht. Dieses Alles ist ihnen nun seit dreizehn Jahren oft wiederholt und in den mannigfaltigsten Wendungen gesagt worden, und sie haben es auch recht wohl vernommen. Aber sie wollen es nicht weiter hören, und hoffen, weil wir einige Jahre geschwiegen, und sie nach aller ihrer Lust ihr Wesen haben treiben lassen, desselben auf immer erledigt, und in den ungestörten Besitz der Weisheit, die ihnen gefällt, eingesetzt zu seyn. Jedoch fehlt gar viel daran, dass dieses ihr Nichtwollen so ganz ein freies sey. Es gründet sich dasselbe vielmehr mit Nothwendigkeit auf die Beschaffenheit ihrer geistigen Natur. Sie vermögen nicht zu thun, was wir ihnen anmuthen, noch zu seyn, wie wir sie haben wollen. Wollen sie bei diesem Stande der Dinge nicht alles Seyn aufgeben und in die völlige Vernichtung fallen, so müssen sie sich auf das ihnen einzig mögliche Seyn stützen, und dasselbe aus aller Kraft aufrecht zu erhalten suchen. Jenes, oben an einem Beispiele dargestellte analytisch-synthetische Denken ist eine Function der Phantasie, und mischt mit den aus ihr erzeugten Schemen die Realität zusammen; wir aber muthen ihnen das reine und einfache Denken oder die Anschauung an, durch welches allein die Realität, in ihrer Einheit und Reinheit, an sie gelangen könnte. Sie sind des Letzteren durchaus unfähig, und sind darum allerdings genöthigt, falls sie nicht lieber das Denken überhaupt aufgeben wollen, sich der Herrschaft ihrer dunklen und verworrenen Phantasie zu überlassen. Wie sie auch mit ihrem Geiste sich hin- und herbewegen mögen, so werden sie nur auf andere Formen der Phantasie getrieben, aus dieser überhaupt nie herauskommend. Die Form der Phantasie ist allemal zerreissend das Eine: sie gehen nie anders, als mit schon zerrissenem Geiste an die Sache, und es kann darum das Eine nie an sie gelangen, weil sie selbst niemals das Eine sind. Darum verliert auch an ihnen alle Belehrung ihren Effect, weil dieselbe, um an sie zu kommen, erst durch ihr Organ hindurchgehen muss; in diesem Durchgange aber ihre eigene Form verliert, und die Form ihres Organs annimmt. Wenn man z. B. mit ihnen vom Ich, als der Grundform alles Wissens redet, so vermögen sie dieses Ich gar nicht anders an sich zu bringen, denn als ein objectives, durch ein anderes ihm entgegengesetztes objectives, bestimmtes Seyn, weil diese letztere Form eben die Grundform der Einbildungskraft ist; es ist darum nothwendig, dass sie die Wissenschaftslehre also verstehen, wie das deutsche Publicum sie verstanden hat; und es ist eben dadurch klar, dass gar keine Wissenschaftslehre an sie zu kommen vermag, sondern statt derselben nur ein höchst verkehrtes System, welches sie durch die entgegengesetzte Verkehrtheit berichtigen wollen. Das einfache Denken ist das innere Sehen; das Phantasiren dagegen ist ein blindes Tappen, dessen Grund dem Tapper ewig verborgen bleibt. Die Wissenschaftslehre war ein Gemälde, auf Licht und Augen berechnet, und wurde in der Voraussetzung, dass dergleichen vorhanden wären, dem Publicum vorgelegt. Man tappte einige Jahre herum auf dem Gemälde, und es fanden sich einige, welche Höflichkeitshalber versicherten, dass sie die angeblich abgezeichneten Gestalten unter dem Finger fühlten. Andere, die mehr Muth hatten, bekannten, dass sie nichts fühlten; dadurch verminderte sich denn auch die Schüchternheit und die falsche Scham der Ersteren, und sie nahmen ihr Wort zurück. Es fand sich indessen Einer, der der allgemeinen Noth sich annahm, und aus allerlei altem Abgange einen Teig zusammenknetete, den er ihnen darbot. Seit der Zeit befleissigt jeder, der Finger hat, sich des Befühlens, und es ist ein öffentliches Dankfest darüber angesagt, dass das Absolute betastbar geworden. Wo der eigentliche Punct des Streites, den die Wissenschaftslehre gegen sie führt, wahrhaftig liege, weiss unter allen vorgeblich philosophirenden deutschen Schriftstellern Keiner; ich sage mit Bedacht Keiner, und gedenke hierüber dermalen keine Ausnahme zu gestatten. Dass auch dieses System dafür halte, die Betastung sey der einzige innere Sinn, und dass es auch ein blosses, nur etwas wunderbares und von dem ihrigen verschiedenes Betasten sey, darüber regt nirgends sich einiger Zweifel. Ferner halten sie dafür, der Streit sey über objective Wahrheiten, und unser System läugne bloss einige Sätze, die sie behaupten, und wolle dieses durch andere Sätze verdrängen; da doch dieses System eine Bestreitung ihres gesammten geistigen Seyns und Lebens in der Wurzel ist, und ihnen vor allen Dingen Klarheit anmuthet, worauf es sich mit der Wahrheit ohne Weiteres auch geben werde. Nicht darauf kommt es an, was ihr denket, würde die Wissenschaftslehre ihnen sagen; denn euer gesammtes Denken ist schon nothwendig Irrthum, und es ist sehr gleichgültig, ob ihr auf die eine Weise irret, oder auf die andere; sondern darauf, was ihr innerlich und geistig seyd. Seyd das Rechte, so werdet ihr auch das Rechte denken; lebet geistig das Eine, so werdet ihr dasselbe auch anschauen. Nun aber ist das Erstere nicht ganz leicht, und wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass dermalen mehr Geneigtheit und Fähigkeit dazu sich unter den Deutschen vorfinden werde, als ihrer seit dreizehn Jahren, oder wenn wir Kant, von welchem, nur mit etwas grösserem Aufwande des eigenen Scharfsinnes, dasselbe sich hätte lernen lassen, dazu nehmen, als seit fünfundzwanzig Jahren sich dargelegt hat. Dennoch wollen wir die neuerdings vom Publicum bei Seite gesetzte Sache wieder in Anregung bringen; unbekümmert übrigens darum, ob auch diese Anregung in derselben leeren Luft, in welcher seit geraumer Zeit alle Anregungen zum Besseren fruchtlos verhallet sind, gleichfalls ohne Erfolg verhallen werde. Um vor allen Dingen den Stand der Einstimmigkeit, sowie des Streites der Wissenschaftslehre mit dem Publicum festzustellen, und dadurch unseren eigentlichen dermaligen Zweck zu bestimmen: Das Publicum will -- wir fügen uns vorläufig seiner Sprache, bis wir tiefer unten dieselbe zerstören werden -- das Publicum will Realität, dasselbe wollen auch wir; und wir sind sonach hierüber mit ihm einig. Die Wissenschaftslehre hat den Beweis geführt, dass die, in ihrer absoluten Einheit erfasst werden könnende, und von ihr also erfasste Reflexionsform keine Realität habe, sondern lediglich ein leeres Schema sey, bildend aus sich selber heraus, durch ihre gleichfalls vollständig, und aus Einem Principe zu erfassenden Zerspaltungen in sich selbst, ein System von anderen ebenso leeren Schemen und Schatten; und sie ist gesonnen, auf dieser Behauptung fest und unwandelbar zu bestehen. Das Publicum, welches sein geistiges Leben über diese Form nicht hinweg zu versetzen, noch dieselbe von sich abzulösen, und sie frei anzuschauen vermag, hat, eben ohne es selbst zu wissen, seine Realität nur in dieser Form; da es nun aber doch Realität haben muss, so ist es geneigt, jenen von der Wissenschaftslehre geführten Beweis für fehlerhaft zu halten, weil ihm dadurch seine Realität, die es nicht umhin kann, für die einzig mögliche zu halten, vernichtet wird. Wenn wir nun bei diesem Stande der Sachen einen Augenblick annehmen wollen, dass diesem Publicum geholfen sey, und dass es uns zu verstehen vermöge; so könnte das Erstere nur dadurch geschehen, dass man mit ihm gemeinschaftlich und vor seinen Augen die Form, in der es befangen bleibt, ablöste und ausschiede und neu zeigte, dass zwar seine Realität, keinesweges aber alle Realität vernichtet sey, sondern dass im Hintergrunde der Form, und nach ihrer Zerstörung erst die wahrhafte Realität zum Vorschein komme. Dieses Letztere ist nun diejenige Aufgabe, welche wir zu seiner Zeit durch eine neue und möglichst freie Vollziehung der Wissenschaftslehre, in ihren ersten und tiefsten Grundzügen zu lösen gedenken. So jemand will, so mag er eine solche Arbeit auch für die Erfüllung des vor langem gegebenen Versprechens einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre nehmen; welcher Erfüllung ich mich übrigens, weil mir immer deutlicher geworden, dass die alte Darstellung der Wissenschaftslehre gut und vorerst ausreichend sey, schon längst entbunden hatte, und jetzt sie weiter hinausschiebe. Wie es mir aus den öffentlichen Aeusserungen dieser Erwartung wahrscheinlich geworden, hoffte man besonders, dass durch die neue Darstellung das Studium dieser Wissenschaft bequemer werden sollte; welcher Hoffnung zu entsprechen ich weder ehemals noch jetzt grosse Fähigkeit oder Geneigtheit in mir verspüre. Da ich soeben die ehemalige Darstellung der Wissenschaftslehre für gut und richtig erklärt habe, so versteht es sich, dass niemals eine andere Lehre von mir zu erwarten ist, als die ehemals an das Publicum gebrachte. Das Wesen der ehemals dargelegten Wissenschaftslehre bestand in der Behauptung, dass die Ichform oder die absolute Reflexionsform der Grund und die Wurzel alles Wissens sey, und dass lediglich aus ihr heraus Alles, was jemals im Wissen vorkommen könne, sowie es in demselben vorkomme, erfolge; und in der analytisch-synthetischen Erschöpfung dieser Form aus dem Mittelpuncte einer Wechselwirkung der absoluten Substantialität mit der absoluten Causalität; und diesen Charakter wird der Leser in allen unseren jetzigen und künftigen Erklärungen über Wissenschaftslehre unverändert wiederfinden. Zur vorläufigen Erwägung. Wenn es nun etwa jemand zu der Einsicht gebracht hätte, dass das Seyn -- ich muss, um die Rede anknüpfen zu können, von diesem Begriffe, den ich demnächst zu zerstören gedenke, ausgehen -- dass das Seyn schlechthin nur Eins, durchaus nicht Zwei, und ein in sich selber Geschlossenes und Vollendetes, eine Identität, keinesweges aber eine Mancherleiheit seyn könnte: so würde von einem solchen billigerweise zu fordern seyn, dass er nach dieser Einsicht nun auch wirklich verführe, nicht aber zur Stunde wiederum gegen sie handelte, dass er demnach, falls er etwa noch überdies ein solches Seyn nicht problematisch an seinen Ort gestellt seyn lassen, sondern positiv und bejahend dasselbe annehmen wollte, dasselbe, treu seinem Grundsatze, eben nur ins positive Seyn selber oder ins Leben setzen, und annehmen müsse, dass es eben nur unmittelbar lebend, und im unmittelbaren Erleben und durchaus auf keine andere Weise sich bewahrheiten könne. Wollte er nun etwa dieses Leben wiederum absolut nennen, wie ihm, wenn er nur dadurch keinen Gegensatz, der ja gegen die angenommene Einheit des Seyns streiten würde, aufstellen, sondern nur soviel sagen wollte, dass dies das Eine in sich vollendete Seyn sey, ausser welchem gar nichts Anderes seyn könne: so würde er annehmen müssen, dass das Absolute nur in dem einzig möglichen innern Leben von sich, aus sich, durch sich sey, und durchaus auf keine andere Weise seyn könne, dass nur im unmittelbaren Leben das Absolute sey, und ausser dem unmittelbaren Leben gar kein anderes Seyn es gebe, und alles Seyn nur gelebt, nicht aber auf andere Weise vollzogen werden könne. Könnte nun ein solcher auch wohl freilich sich nicht abläugnen, dass er in dieser Operation das Leben doch nur dächte, und objectiv vor sich hinstellte, so müsste sich derselbe nur recht verstehen, um sogleich einzusehen, dass er dennoch nicht diesen ^Gedanken^ seines Lebens und das ^Product^ seines Denkens meine, indem er ja das Leben aus sich und von sich selbst, nicht aber aus seinen Gedanken heraus gedacht zu haben vermeint, sonach an diesem Gedanken sein Denken ausdrücklich zerstört, und durch den Inhalt dieses einzig möglichen wahren Gedankens das Denken, als etwas für sich bedeuten wollend, völlig vernichtet würde. Geradezu aber würde gegen die vorausgesetzte Einsicht gehandelt werden, wenn jemand das Seyn, und da das Seyn durchaus das Absolute ist, das Absolute, in ein nicht Einfaches, sondern Mannigfaltiges, und in ein sichtbares Erzeugniss und Product eines Andern ausser ihm setzen wollte. Dergleichen ist nun eben der Begriff des Seyns, von welchem wir die Rede anhoben. Er ist nicht von sich, sondern aus dem Denken, und dieses Seyn ist in sich selbst todt, wie dies auch nicht anders seyn kann, da sein Schöpfer, das Denken, in sich selbst todt ist, und an dem einzigen wahren Gedanken, dem des Lebens, sich also bewährt. Auch bewährt dieses Seyn sich wirklich also todt im Gebrauche, indem es für sich selbst nicht aus der Stelle rückt, und durch mündliche Wiederholbarkeit doch ein Etwas aus ihm herauskommt, sondern erst durch einen zweiten Ansatz des Denkens ihm Leben und Bewegung als ein zufälliges Prädicat ertheilt wird. Alle diese, dem Seyn hinterher noch beigelegten Prädicate sind nun nothwendig willkürliche Erdichtungen, indem, falls das Denken auf eine glaubhafte Weise Bericht vom Leben abstatten sollte, das letztere selber darin eintreten und unmittelbar von sich zeugen müsste; jenes Denken eines Seyns aber gleich ursprünglich das Leben von sich ausgeschieden, und ausser aller unmittelbaren Berührung mit ihm sich gesetzt hat, und darum nicht berichten, sondern nur erdichten kann; an welchem letzteren freilich die Möglichkeit noch besonders zu erklären ist. Würde nun etwa dennoch in einem gewissen Sinne, der noch näher zu bestimmen seyn würde, angenommen, dass Wir, oder was dasselbe bedeutet, dass Bewusstseyn sey: so wäre dieses, innerhalb der vorausgesetzten Grundeinsicht, nur also zu begreifen, dass das Eine absolute Leben eben das unsrige, und das unsrige das absolute Leben sey, indem es nicht zwei Leben, sondern nur Ein Leben zu geben vermöge, und dass das Absolute auch in uns eben nur unmittelbar lebend, und im Leben, und auf keine andere Weise dazuseyn vermöge, indem es überhaupt auf keine andere Weise dazuseyn vermag; und wiederum, dass nur in uns das Absolute lebt, nachdem es überhaupt in uns lebt, es aber nicht zweimal zu leben vermag. Inwiefern aber nun ferner angenommen wird, dass wir nicht bloss das Eine Leben, sondern zugleich auch Wir oder Bewusstseyn sind, so würde insofern das Eine Leben in die Form des Ich eintreten. Sollte sich, wie wir aus guten Gründen vorläufig vermuthen, diese Ichform klar durchdringen lassen, so würden wir einsehen, was an uns und unserem Bewusstseyn lediglich aus jener Form erfolge, und was somit nicht reines, sondern formirtes Leben sey; und vermöchten wir nun dieses von unserem gesammten Leben abzuziehen, so würde erhellen, was an uns als reines und absolutes Leben, was man gewöhnlich das ^Reale^ nennt, übrigbliebe. Es würde eine Wissenschaftslehre, welche zugleich die einzig mögliche ^Lebenslehre^ ist, entstehen. Was insbesondere das erste aufgestellte todte Seyn betrifft, so würde erhellen, dass dieses durchaus nicht das Absolute, sondern dass es nur das letzte Product des in uns in der Form des Ich eingetretenen wahrhaft absoluten Lebens sey; das letzte, sage ich, also dasjenige, in welchem in dieser Form das Leben abgeschlossen, erloschen und ausgestorben, somit in ihm schlechthin gar keine Realität übriggeblieben ist. Es würde einleuchten, dass eine wahrhaft lebendige Philosophie vom Leben fortgehen müsse zum Seyn, und dass der Weg vom Seyn zum Leben völlig verkehrt sey und ein in allen seinen Theilen irriges System erzeugen müsse, und dass diejenigen, welche das Absolute als ein Seyn absetzen, dasselbe rein aus sich ausgetilgt haben. Auch in der Wissenschaft kann man das Absolute nicht ^ausser^ sich anschauen, welches ein reines Hirngespinnst giebt, sondern man muss in eigener Person das Absolute seyn und leben. Ich füge nur noch folgende zwei Bemerkungen hinzu. Zuvörderst, dass durch diesen Satz alle Philosophie ohne Ausnahme, ausser der Kantischen und der der Wissenschaftslehre, für völlig verkehrt und ungereimt erklärt werde; und wir sprechen dieses bestimmt aus, indem wir niemals irgend eine Ausnahme, welchen Namen sie auch haben möge, zu gestatten gedenken. Sodann, so klar und so handgreiflich einleuchtend die gemachte Bemerkung auch jedem ist, der sie eben versteht, so möchte es doch Leser geben, die gar nicht leicht in dieselbe sich fänden. Der Grund ist der: weil es einiger Anstrengung bedarf, um sich zur Vollziehung der angemutheten Consequenz zu bringen, und dieselbe in seine freie und besonnene Gewalt zu bekommen, zuwider dem natürlichen Hange im Menschen, zum objectivirenden Denken, als dem leichtesten, und jedem ohne alle Mühe und Besonnenheit sich anwerfenden zurückzukehren. Dennoch kann die Vollziehung dieser Einsicht nicht erlassen werden, indem ausserdem es beim blinden Tappen bleibt und kein Sehen erfolgt, und der ganze Unterricht, aus Mangel eines tauglichen Organs der Aufnahme, seines Zweckes verfehlt. Endlich, dass beim Leben angehoben werden müsse, und von diesem erst zum Seyn fortgegangen werden könne, hat nur vorläufig verständlich gemacht werden sollen, um den dermalen vorhandenen Grund alles Irrthums bei Zeiten aus dem Wege zu bringen. Keinesweges aber haben wir uns dadurch die Möglichkeit abschneiden wollen, falls es nothwendig werden sollte, sogar über das Leben hinauszugehen, und auch dieses als nichts Einfaches und Erstes, sondern als Product einer klar nachzuweisenden Synthesis, nur ja nicht aus dem Seyn, darzustellen. Einer der nächsten Aufsätze dieser Zeitschrift wird sich mit dieser Aufgabe beschäftigen. Zweites Capitel. Auskunft über die bisherigen Schicksale der Wissenschaftslehre. I. Schilderung des bisherigen Zustandes unserer Literatur überhaupt. Es ist hier keinesweges unsere Absicht, bloss wieder zu sagen, wie sich das Publicum gegen die Wissenschaftslehre seit der Erscheinung derselben verhalten, sondern dasselbe aus seinen Gründen zu erklären, worauf dann derjenige, der das erstere nicht weiss, aus diesen Gründen selbst es ^a priori^ ableiten, oder auch in den seit jener Zeit erschienenen Schriften und Urtheilen es aufsuchen mag. Nur gründet ohne Zweifel dieses alles sich auf den bisherigen und noch dermalen fortdauernden Zustand der Literatur überhaupt; und es wird daher die begehrte Auskunft auf die von uns gewählte Weise ohne Zweifel gegeben, wenn der erwähnte Zustand gründlich geschildert wird. Welcher Schmerz übrigens und innige Wehmuth uns ergreife, indem wir aus dem klaren Aether der tiefsten Betrachtung, in welchem wir am liebsten uns aufhalten, herunterzusteigen haben in den Abgrund der intellectuellen und moralischen Verkehrtheit in der Wirklichkeit, thut nicht noth zu beschreiben. Wahrhaftig nicht unsere Neigung führt uns, sondern eine tiefe Unlust begleitet uns zu diesem Geschäfte, welche zu überwinden wir dennoch uns entschlossen haben, indem, so sicher wir auch überzeugt seyn mögen, dass nichts besser werden wird, es dennoch unsere Schuldigkeit ist, zu handeln, als ob es besser werden könnte, ganz sicherlich aber es nicht besser werden kann, bevor nicht das Uebel in seiner ganzen Grösse bekannt worden, und ein beträchtlicher Theil des Publicums darüber in ein heilsames Erschrecken versetzt worden. Und wenn es auch wahr seyn sollte, dass der jetzt ausgebildet lebenden Generation durchaus nicht zu helfen sey, sondern diese, als unverbesserlich, aufgegeben werden müsse: so bliebe es gleichwohl nothwendig, diejenige, welche dermalen entsteht und sich bildet, abzuschrecken, dass sie nicht in die Fusstapfen jener ersten trete, indem, wenn es wirklich besser werden soll, die Besserung doch irgend einmal in der Zeit anheben muss, nichts aber verhindert, dass wir wünschen, dass, inwiefern es möglich ist, diese Zeit eben jetzt sey. Nur zwei allgemeine Bemerkungen habe ich vorauszuschicken. Die erste ist die folgende: Ob das, was ich als den Charakter unseres gelehrten Publicums angeben werde, durchaus und ohne alle Ausnahme, oder ob es nur von der entschiedenen Majorität gelte, kann vorläufig an seinen Ort gestellt bleiben; und ich will es denjenigen unter meinen wissenschaftlichen Lesern, welche mit Wahrheit sich bewusst sind, dass ihnen niemals, weder in Schriften, noch auf dem Katheder, oder in mündlichen Unterhaltungen dergleichen Aeusserungen, wie wir anführen werden, entfallen sind, von Herzen gönnen; indem es mir wenig Vergnügen macht, mir die Zahl der Schuldigen recht gross zu denken. Gemeint sind nur diejenigen, welche selber, jedoch vor einer Selbstprüfung, in der sie sich nicht schmeicheln, sich getroffen fühlen. Sodann: die gewöhnliche, auch ehemals schon uns gegebene Antwort auf dergleichen Vorwürfe ist die: man habe übertrieben, oder auch ganz und gar die Unwahrheit gesagt, und sie seyen nicht also, wie wir sie dargestellt hätten. Der hierbei ihnen selbst zwar grösstentheils verborgen bleibende Grund ihrer Täuschung ist der, dass, da sie selber in allen ihren Aeusserungen immer nur sagen, was gesagt worden, und vor dem Worte vom Worte niemals zum Worte von der Sache zu kommen vermögen, sie ebenfalls von uns glauben, wir wollten berichten, wie sie sprechen; und da mag es denn oft wahr seyn, dass sie also, wie wir sie darstellen, sich selber nicht aussprechen. Unser Vorsatz aber war und ist, zu sagen, was sie innerlich und in der That wirklich sind und leben, welches letztere unter andern auch recht gut an demjenigen dargelegt werden kann, was sie seyen, dem jenes, ob sie es nun selber wissen oder nicht, dennoch zur Quelle und Prämisse wirklich und nothwendig dient. Und wenn es sich auch zuweilen zutrüge, dass sie, zur ausdrücklichen und wörtlichen Erklärung über dieselben Verhältnisse kommend, das gerade Gegentheil von dem, was sie nach unserer Behauptung wirklich sind, sagten: so ist doch dieses letztere nicht der Ausdruck ihres wahren Seyns, sondern nur ein auswendig Gelerntes, und eine am Markte erhandelte Maske, mit welcher sie ihre natürliche Haut übel genug verdecken; jenes aber, als Princip eines wirklichen Dafürhaltens im Leben, ist ihr wahres innerliches Leben. Und nun zur Sache! Dass das Organ für die Speculation, durch welche allein doch alles übrige Wissen begründet, geordnet und klar wird, und ohne welche alle Beschäftigung mit den Wissenschaften nur ein blindes, vom Ohngefähr mehr oder weniger begünstigtes Herumtappen bleibt, den gegenwärtigen Bearbeitern der Wissenschaften gänzlich abgehe, haben wir schon oben gesagt, und, falls jemand fähig seyn sollte, uns zu verstehen, durch unsere eigene Speculation es gezeigt. Nun würde ein Mangel, den unser Zeitalter mit der gesammten Vorwelt gemein hat, nicht jenem allein zum besonderen Vorwurfe gemacht werden können, wenn nicht der grosse Unterschied obwaltete, dass diese Vorwelt von wahrer Speculation niemals etwas vernommen, jenem aber nunmehr seit fünfundzwanzig Jahren, in einer ununterbrochenen Folge mannigfaltiger Schriften zweier in ihrem äusseren Vortrag sehr verschiedener Autoren, die Regeln der wirklichen Speculation, und die Ausübung derselben an mancherlei Materien, vorgelegt worden sind. Aber was soll man sodann sagen, wenn in überschwänglicher Klarheit erhellet, dass unter diesen vorgeblichen Bearbeitern der Wissenschaft sogar der Begriff von der Wissenschaft selber, ihren blossen formalen und äusseren Eigenschaften nach, nicht nur fast gänzlich verschwunden, sondern dass sie auch innerlich vor diesem Begriffe erzittern, und jede Anregung desselben leidenschaftlich anfeinden, und dass der einzige Trost ihres Lebens die Hoffnung ist, dass es wohl niemals wirklich zur Wissenschaft kommen werde, und der einzige Zweck ihrer Bestrebungen, zu verhindern, dass es dazu komme? Müsste man nicht sodann urtheilen, dass an die Stelle des unter uns ausgestorbenen gelehrten Publicums die heftigsten Feinde aller Wissenschaft getreten, welche die Maske der Gelehrsamkeit nur vorhalten, um unter deren Schutze die Wissenschaft nur sicherer und sieghafter zu bestreiten? Die Wissenschaft, so gewiss sie Wissenschaft ist, hat eine absolute und unveränderliche Evidenz in sich selber, vernichtend schlechthin alle Möglichkeit des Gegentheils und allen Zweifel; und, da diese Evidenz nur auf eine einzige unwandelbare und unveränderliche Weise möglich seyn kann, die Wissenschaft hat ihre feste und unveränderliche äussere Form. Dies gehört zum Wesen der Wissenschaft, als solcher; nur unter dieser Bedingung ist sie Wissenschaft; und so ist auch allenthalben, wo es ein wissenschaftliches Publicum gegeben hat, in demselben allgemein geglaubt und angenommen worden. Wie aber mögen über diesen Punct unsere vorgeblichen Gelehrten glauben und annehmen? Ich weiss nicht, wie viele es unter ihnen geben dürfte, denen nicht von Zeit zu Zeit Aeusserungen, wie die folgenden, entgangen seyen: es halte jemand sich für allein weise und allein Philosoph; es wolle jemand die Wissenschaft aus Einem Stücke haben; man müsse -- als ob es nemlich mehr als Einen Standpunct für jede Wahrheit geben könne -- bei Widerlegung der Gegner sich auf ihren Standpunct versetzen; man müsse es in der Untersuchung der Wahrheit nicht so strenge nehmen, sondern leben und leben lassen; und wie noch ins Unendliche fort die Wendungen lauten, in denen der Wissenschaft angemuthet wird, auf ihren absoluten Grundcharakter Verzicht zu thun: und dieses alles als gar nicht zu bezweifelnde Axiome, mit einer kindlichen Unbefangenheit, und so durchaus ohne alle Ahnung der eigenen Abgeschmacktheit, dass sie nicht nur sicher auf die Beistimmung aller übrigen hoffen, sondern sogar fest überzeugt sind, der wissenschaftliche Mann selber, den sie etwa des Anspruchs auf Alleinweisheit bezüchtiget, hätte sich dessen erst nur nicht besonnen; er werde auf ihre Erinnerung schon in sich gehen und sich schämen. Wenn nun etwa auch dieselben Schriftsteller, ein andermal von dem Wesen der Wissenschaft redend, sich ohngefähr ebenso darüber ausdrückten, wie wir es oben thaten: soll man dies für ihren Ernst halten? Wie könnte man? Dieses letztere sagen sie nur; das Gegentheil aber glauben sie wirklich, indem sie ja darnach in wirklicher Beurtheilung vorliegender Erscheinungen verfahren; wie denn auch einige zu dergleichen Geständnissen mit rührender Naivität hinzusetzen: das sey zwar wahr ^in abstracto^, keinesweges aber ^in concreto^; wodurch sie demnach klar bekennen, dass sie jenen Begriff der Wissenschaft nur für einen leeren Begriff des scherzhaften und spielenden Denkens halten, mit dem es hoffentlich niemals werde Ernst werden. Das innere Wesen der Wissenschaft ist auf sich selbst gegründet, und macht sich schlechthin durch sich selbst und aus sich selbst, ^so^, wie es sich macht, absolut vernichtend alle Willkür; und es ist die allererste Forderung an einen wissenschaftlichen Menschen, vor deren Erfüllung niemals auch nur ein Funke von Wissen in seine Seele kommen wird, dass alle Neigung in ihm vor dem heiligen Gesetze der Wahrheit verstumme, und er für immer entschlossen sey, alles, was ihm als wahr einleuchten werde, mit ruhiger Ergebung sich gefallen zu lassen. Sollen wir glauben, entweder, dass sie diese Bedingung vollzogen hätten, oder auch nur, dass sie es als einen möglichen Fall dächten, es werde jemand diese Forderung an sie machen? -- solche, welche ernsthaft vor dem gesammten Publicum uns benachrichtigen, dass unsere Wahrheit ihnen nicht gefalle, und auseinandersetzen, wie ihnen bei derselben eigentlich zu Muthe geworden, und beschreiben, wie diejenige Wahrheit aussehen müsse, die ihnen gefallen solle, und uns ersuchen, sie also zu machen und gelten zu lassen, und, wenn wir nicht wollen, sich ereifern und klagen, dass wir ihnen das Herz aus dem Leibe reissen wollten; welches letztere wir denn auch wirklich gerne thäten, wenn wir es vermöchten, bei eigenem Unvermögen aber es der göttlichen Gnade überlassen. Oder sollten wir das von denjenigen glauben, welche, noch unabhängig von dem Inhalte des Vorgetragenen, sich beklagen, dass man nicht freundlich genug sie belehre, dass man ihnen einen unsanften Ruck gegeben habe, der beinahe die ruhige Stimmung ihres Gemüthes gestört hätte; dass wir uns bessern, und ihnen künftig die Lehre und Arznei in die von ihnen geliebten Süssigkeiten einkleiden möchten, widrigenfalls sie zu unserer wohlverdienten Bestrafung nichts mehr von uns lernen würden? Soll man viele Ausnahmen von dieser Denkart glauben, wenn man sieht, dass eine neue Lehre fast mit keinen anderen Waffen bekämpft wird, als mit dieser Abneigung und der Erregung derselben in den Gemüthern der Leser, auf deren Sympathie und gleichmässigen Unverstand man sicher rechnet; ingleichen des Affects der Verwunderung über die ungeheure Abweichung der Lehre von der gemeinen Meinung, als ob jemand zuzugestehen dächte, dass etwas wahr sey, weil es gemein ist? Die allererste, dem wissenschaftlichen Menschen anzumuthende Erkenntniss ist die, dass die Wissenschaft nicht ein leeres Spiel oder Zeitvertreib, nicht nur ein zum erhöhten Lebensgenusse dienender Luxus, sondern dass sie ein dem Menschengeschlecht schlechthin Anzumuthendes, und die einzig mögliche Quelle aller seiner weitern Fortentwickelung sey: dass die Wahrheit ein Gut, und das höchste, alle anderen Güter in sich enthaltende Gut, der Irrthum dagegen die Quelle aller Uebel, und dass er Sünde und die Quelle aller anderen Sünden und Laster sey; und dass derjenige, der die Wahrheit aufhält und den Irrthum verbreitet, die allerschaudervollste Sünde am Menschengeschlechte begehe. Kann man diese Erkenntniss denjenigen zutrauen, welche ihr ganzes Leben hindurch durch alle ihre Worte und Werke die absoluteste Gleichgültigkeit gegen Wahrheit und Irrthum zeigen; welche alle die Tage ihres Lebens fortfahren zu lehren, ohne jemals etwas zu wissen; welche, ohne alle Ueberzeugung, dass Wahrheit sey, was sie behaupten, dennoch fort behaupten auf das gute Glück hin, dass sie es gleichwohl auch getroffen haben könnten, und so, innerlich zu einer concreten Heuchelei und Lüge geworden, lügend fortleben und von der Lüge essen, trinken und sich kleiden? Ohne alle Ueberzeugung, sage ich: denn es ist ein himmlisch klarer Satz, ganz allein durch sich der Menschheit den Besitz der Wahrheit sichernd, und welcher, obwohl er die Verderbtheit jener aufdeckt, und darum ein verhasster Gräuel ist in ihren Augen, dennoch ihnen zu Liebe nicht kann aufgegeben werden; der Satz: dass die Evidenz eine specifisch verschiedene innere und überzeugende Kraft bei sich führe, welche niemals auf die Seite des Irrthums treten kann, dass jederman unter allen Umständen seines Lebens wissen kann, ob das, was er denke, mit dieser Kraft ihn ergreife oder nicht, dass daher jedweder, von welchem hinterher sich findet, dass er geirrt habe, dennoch, obwohl er gar füglich seinen Irrthum nicht eingesehen haben kann als Irrthum, ihn doch auch sicher nicht als Wahrheit eingesehen hat, und dass er auch hätte entdecken können, dass er ihn nicht als solche einsehe, wenn er sich nur hätte besinnen wollen; dass er daher auf keine Weise der Ueberführung zu entgehen vermag, dass er leichtfertig und ohne wahrhaften Respect für die Wahrheit dahergefahren sey. Welches konnte die Quelle dieser strafbaren Gleichgültigkeit seyn? Allein Trägheit, Leichtsinn, Egoismus, tiefe moralische Auflösung. Das Leben reisst unaufhörlich uns heraus aus uns selber, und treibt uns dahin oder dorthin, so wie es will, nach seinem Gutdünken sein Spiel mit uns führend. Diesem Hange zuwider dennoch sich zusammenzunehmen, und betrachtend sich zu halten, bis man vollendet, kostet Anstrengung, Selbstverläugnung, Mühe, und diese thut wehe dem verzärtelten Fleische. Es will schon etwas sagen, nur zuweilen sich zu besinnen: dass man es aber in der Wissenschaft, zumal in der höchsten, in der Speculation, zu etwas Bedeutendem bringe, dazu bedarf es einer bis zur absoluten Freiheit geübten Kunst der Besinnung, und der erworbenen Unmöglichkeit, jemals von dem Strome der blinden Einbildungskraft gefasst zu werden; welches alles wiederum einen ganzen klaren, nüchternen und besonnenen Lebenslauf erfordert. Wie hätte einen solchen die Kraftlosigkeit unserer Tage ertragen können? Oder, selbst wenn sie gekonnt hätten, würden sie es auch nur gewollt haben, und würden sie jene Besonnenheit, wenn ohne alle ihre Mühe sie ihnen zu Theil würde, sich zur Ehre anrechnen oder zur Schmach? Ich sage, zu der letztern; denn es ist schon lange her, dass der Wetteifer mit jener Nation, von der wir jetzt für unsern guten Willen, ihr zu gleichen, und für unser Unvermögen dazu grausam bestraft werden, uns den Anschein deutschen Ernstes, Gründlichkeit und Fleisses verächtlich gemacht, und uns bewogen hat, alle Beschäftigung mit den Wissenschaften in ein Spiel zu verwandeln, und uns dem Strome unserer Einfälle, als dem einzigen, was den Anschein jener so sehr beneideten Leichtigkeit uns geben könne, zu überlassen. Um sicher zu seyn, dass wir nicht wie Pedanten aussähen, haben wir uns bestrebt, literarische Gecken zu werden, ohne dass es uns doch sonderlich gelungen. Ich möchte einmal, besonders unter unseren jüngeren Gelehrten, die Umfrage halten, um zu erfahren, wie viele darunter lieber dafür gelten möchten, dass sie die Wahrheit durch Fleiss und Nachdenken gefunden, als dafür, dass sie ihnen durch ihre glückliche Natur ohne alle ihre Mühe und Anstrengung von selber gekommen; und die nicht lediglich durch den Titel eines Genies sich geehrt, durch die Benennung aber eines fleissigen und besonnenen Denkers sich als beschränkte und geistlose Köpfe, und als solche, für welche die Natur doch auch gar nichts gethan, sich geschmähet finden würden. Und so brachte denn dasselbe Hinfliessen und Hinträumen in aus sich selbst erwachsenden Einfällen, welches der Bequemlichkeit zusagte, zugleich auch Ehre; und so liessen wir es uns denn besser gefallen, als den mühsamen und nicht ehrenden Ernst. Wenn denn nun jene, wie seit länger denn Einem Menschenalter in unermesslicher Klarheit sich gezeigt hat, von der Wissenschaft so durchaus nichts wussten, dass ihnen nicht einmal der Begriff derselben, oder die allerersten Bedingungen, um zu ihr zu gelangen, bekannt waren; warum konnten sie dennoch es durchaus nicht unterlassen, sich für Gelehrte auszugeben und zu schreiben, zu lehren, zu urtheilen, als ob sie die gründlichsten wären? Da die einzig möglichen Triebfedern, die Liebe zur Wahrheit und zur Wissenschaft, von welchen beiden sie nie einen Funken erblickt, sie nicht treiben konnten, so konnten die ihrigen nur die äusseren Triebfedern seyn: die bekannten des Geltenwollens, der Ruhmsucht und der anderen Emolumente, welche damit verknüpft zu seyn pflegen. Von diesen werden sie denn auch also getrieben und begeistert, dass sie die wirkliche Wissenschaft, von welcher sie den Verlust ihres eigenen Ansehens sich richtig prophezeien, mehr fürchten und hassen, als irgend etwas anderes, und dass ihnen kein Mittel zu schlecht ist, durch dessen Anwendung sie hoffen, den Anbruch des Lichts, wenigstens noch so lange als sie leben, aufzuhalten; im schamlosen Kampfe für eine tausendfach verwirkte Existenz, der sie selber, wenn sie noch einen Funken Ehrgefühl hätten, fluchen würden. Von diesem ihrem dumpfen Eigendünkel werden sie also geblendet und besessen, dass er sie zu den lächerlichsten und unglaublichsten Ungereimtheiten verleitet. Indess sie immerfort voraussetzen, dass keiner ganz recht habe, und dass es nirgends eine sichere und ausgemachte Wahrheit gebe, vergessen sie dennoch diesen, für alle anderen ausser ihnen ohne Ausnahme gelten sollenden Grundsatz gänzlich, sobald es ihre eigenen Personen sind, welche reden, indem sie immerfort aus dem Principe disputiren, sie hätten ja die, ohne Zweifel zugleich mit ihrem Munde ihnen angeborne wahre Wahrheit, und darum müsse der Gegner, der ihnen widerspricht, nothwendig unrecht haben; gar nicht sich besinnend, dass ja der andere ebenso schliessen könne, und das Privilegium des blinden Eigendünkels für sich allein und ausschliesslich begehrend. Ja, es ist sogar erlebt worden, und wird noch immerfort erlebt, dass jemand einer Lehre durch die Versicherung, er könne sie eben nicht verstehen, oder sie falle ihm so schwer, dass ihm Hören und Sehen dabei vergehe, das Zeichen der Verwerfung aufgedrückt zu haben geglaubt; mit kindischer Naivität bei der ganzen Welt dieselbe hohe Meinung von ihm, die er selbst hegt, als ihr absolutes Axiom und Prämisse aller ihrer Urtheile voraussetzend, und im Rausche seines Eigendünkels gar nicht ahnend, wie ihm geantwortet werden müsse. Zunächst zwar ist diese Schilderung des literarischen Zustandes unserer Tage entworfen, um daraus die bisherigen Schicksale der Wissenschaftslehre zu erklären; die Zeit aber, in welcher ich dieselbe abfasse, erwirbt mir vielleicht Verzeihung, wenn ich zugleich bemerke, dass der politische Zustand unserer Tage, in welchem, wenn nicht durch ein Wunder und auf einem natürlich nicht abzusehenden Wege uns Rettung kommt, alle seit Jahrtausenden von der Menschheit errungene Cultur und deren Producte zu Grunde gehen zu müssen scheinen, bis nach neuen Jahrtausenden dermalen uns unbekannte Wilde und Barbaren denselben Weg wieder von vorn beginnen, -- dass, sage ich, dieser politische Zustand lediglich und allein aus dem Zustande unserer Literatur entsprungen ist. Er ist herbeigeführt durch das allgemeine Unvermögen, irgend einen Gegenstand fest anzufassen und zu halten, und ihn nach seinem wahren Wesen zu durchdringen; und das Hülfsmittel dagegen ganz und ernst, und nicht noch zugleich sein Gegentheil zu wollen, und mit eiserner Consequenz, verläugnend alle Nebenzwecke, es durchzuführen. Bei wem aber sollten diejenigen, welche über unser Schicksal entschieden haben, Beispiele dieser Festigkeit holen, und wem dieselbe ablernen, wenn diejenigen, in deren Schulen sie zuerst gebildet sind und bei denen sie noch täglich, sey es auch nur für den Scherz, Unterhaltung suchen, ihnen keinen anderen Anblick geben, als den der absoluten Zerflossenheit? Wo eine Literatur ist, da sind es immerfort die Literatoren, welche ihr Zeitalter bilden. Gehen nun diese über in Fäulniss, so muss neben ihnen alles Uebrige nothwendig um so mehr verwesen. Um jedoch zu unserem eigentlichen Zwecke zurückzukehren: wie hätte man denjenigen, mit denen noch über die ersten Buchstaben alles Unterrichts, ob es wohl auch überhaupt Wissenschaft geben möge, zu streiten war, glaublich machen können, dass es wohl eine Wissenschaft der Wissenschaft selber geben möge; oder diejenigen, die überhaupt gar keiner Besinnung fähig sind, und dessen sich rühmen, zur allerhöchsten und vollendeten Besinnung heraufleiten können? Es war nichts Anderes zu erwarten, als dasjenige, was erfolgt ist, dass sie die Worte und Formeln dieser angetragenen Wissenschaft, zu dem, was sie allein wollen und begehren, zu einigen Scherzen für die Belustigung ihrer Leser verarbeitet, und wenn man dennoch ernsthaft geblieben, voll Eifer und Zornes auf uns geschmähet haben. Nur noch zwei Bemerkungen zum Schlusse. Sollten die Getroffenen auch über diese Schilderung sich erklären, so werden sie ohne Zweifel wiederum sagen, wie sie immer sagen, man habe die Unwahrheit vorgegeben und übertrieben. Nicht für sie, sondern für eine bessere Nachwelt, wenn dergleichen möglich wäre, merke ich an, dass alles auf dem oben angegebenen Axiome beruhe, dass jeder, von welchem sich hinterher findet, dass er unrecht habe, gar wohl hätte wissen können, dass er nicht überzeugt sey; dass er sonach auf keine Weise läugnen könne, er habe leichtsinnig und unmoralisch gehandelt. Dass sie aber fast in allen ihren eigenen Behauptungen unrecht haben, würde wenigstens eine bessere Nachwelt, wenn sie nicht zu gut dafür gesorgt hätten, dass keine solche entstehen könnte, klar begreifen. Sodann werden sie, wie sie gleichfalls immer zu sagen pflegen, wiederum sagen: wir hätten nur unserer Leidenschaft Luft machen wollen, und werden auch für diesen Erguss nicht ermangeln einen glaublichen Grund zu finden, nemlich, weil sie uns ihren Beifall und ihr Lob nicht ertheilt hätten. Nun haben wir ihnen schon zu verschiedenenmalen nicht verhehlt, dass wir, so lange sie nemlich also sind, wie sie sind, sowohl sie selber, als auch ihren Beifall von Herzen verachten; aber sie sind fest überzeugt, dass es ganz und gar unmöglich sey, dass irgend ein Mensch nicht diejenige achtungsvolle Meinung von ihnen habe, die sie selbst über sich hegen, dass daher einer also lautenden Versicherung niemals Glauben zuzustellen, sondern dass dieselbe allemal ein leeres Vorgeben und eine Maske sey, um dadurch etwas Anderes zu bedecken. Sie würden uns daher auch jetzt wieder nicht glauben, wenn wir auch jene Versicherung wiederholen, und ihnen bemerklich machen wollten, dass man, um durch seinen Beifall zu ehren, erst selber ehrwürdig seyn müsse, und dass wir ihren Beifall mit Danke sodann annehmen würden, nachdem sie sich erst den unsrigen erworben, dass wir aber bis dahin es für eine grosse Schmach und für einen Beweis der eigenen Niederträchtigkeit halten würden, wenn wir ihnen gefielen. II. Ein Beispiel insbesondere von dem philosophischen Beurtheilungsvermögen des Zeitalters. Es möchte gerathen seyn, diese fast allgemeine Schlaffheit und Geistlosigkeit des Zeitalters, noch insbesondere in Sachen der Philosophie, an einem neuerlichen, noch fortdauernden frappanten Beispiele darzulegen. Des Zeitalters, habe ich gesagt, im Allgemeinen; denn ich will nicht, dass der Mann, dessen Namen unten genannt werde, glaube, dass ich ihn für die Person meiner Gegensetzung würdige, oder dass er mir selber als Repräsentant jener allgemeinen Seichtigkeit gut genug sey, wodurch ich in der That übertrieben, und gegen die übrigen ungerecht seyn würde. Nur dass ein im Ganzen dennoch unterrichteteres Publicum durch ihn sich irre machen lassen konnte, ist es, was ihm die Ehre erwirbt, hier namentlich aufgeführt zu werden. Es war nemlich durch die Kantischen und durch unsere Schriften doch endlich dahingekommen, dass, obwohl die im Dogmatismus Aufgewachsenen nicht bekehrt wurden, dennoch unter den später Gebildeten mehrere zu der Ueberzeugung geführt worden waren, und auf derselben fest zu beruhen schienen, dass die Realität keinesweges in die Dinge, sondern dass sie in das Denken und seine Gesetze gesetzt werden müsse, obwohl keiner so recht eigentlich wusste, wie das letztere zu bewerkstelligen seyn möge; als es einem der verworrensten Köpfe, welche die Verwirrung unserer Tage hervorgebracht, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, gelingen konnte, durch das Gespenst eines Subjectivismus der Wissenschaftslehre, welches lediglich in seinem grossen Unverstande sich erzeugt hatte, selbst diese durch seine Autorität zu einem Irrthume zurückzubringen, welchen durch sich selbst zu fassen sie doch zu verständig waren, und dieselben von Kant und der Wissenschaftslehre zu Spinoza und Plato zurückzuscheuchen, bloss weil durch die noch tiefere Unwissenheit, wovon eigentlich die Rede sey, der Mann mit noch grösserem Muthe ausgerüstet wurde. Sie wussten sich nicht weiter zu rathen, und forderten wiederholt und in strafedrohenden Edicten den Verfasser der Wissenschaftslehre auf, zu widerlegen, wenn er könne, wozu es weder Kants, noch der Wissenschaftslehre bedurfte, sondern wovon schon seit Leibnitz nicht mehr die Rede seyn konnte. Dass der Mann dadurch seine absolute Unkunde von dem, was die Speculation sey und wolle, und seine natürliche Unfähigkeit zum Speculiren, sowie die durch ihn Geirrten die Unsicherheit ihrer Kunde gezeigt, leuchtet von selber ein und bedarf nach den obigen Erinnerungen keines weiteren Beweises. Aber inwiefern etwa die übrige dialektische Kunst, das schriftstellerische Talent, der sophistische Witz und die Gewandtheit des Mannes den Getäuschten zu einiger Entschuldigung gereiche, und was überhaupt dieser Mann an Geist und Kunst vermöge und aufzuwenden habe, möchte eine belehrende Erörterung abgeben. Wir wollen in dieser Erörterung, um mit der allerhöchsten Billigkeit zu verfahren, uns weder an die früheren Schriften des Mannes, noch auch an dessen sogenanntes Identitätssystem halten; obwohl dieses letztere so bedeutend geschienen, dass wir von einem der stehenden literarischen Tribunale namentlich aufgefordert wurden, dieses zu widerlegen oder anzuerkennen. War denn nun in diesem Systeme, so wie es im zweiten Hefte des zweiten Bandes der Zeitschrift für speculative Physik dargelegt ist, über welche Darlegung wir nur im Vorbeigehen einige Worte sagen wollen, der Irrthum so künstlich und so täuschend verarbeitet, dass man ohne fremde Hülfe sich nicht füglich rathen konnte? Diese Darstellung hebt §. 1. an mit der Erklärung: »Ich nenne Vernunft die absolute Vernunft oder die Vernunft, insofern sie als totale Indifferenz des Subjectiven und Objectiven gedacht wird.« -- Dass nun durch diesen Ausgangspunct der Mann gleich von vornherein die Vernunft von sich selbst ausscheide, und Verzicht darauf thue, selber vernünftig zu seyn, und sich ein einzigesmal zu besinnen, wie er es denn mache, um zu allen den Behauptungen, die nachfolgen sollen, zu kommen; -- dieses zu bemerken konnte dem Publicum, weil dadurch das bekanntermaassen abgehende Organ der Speculation vorausgesetzt würde, nicht wohl angemuthet werden. Dass aber die Eine und absolute Vernunft, ausser der nichts seyn solle, nicht die Indifferenz des Subjectiven und Objectiven seyn könne, ohne zugleich auch in derselben ungetheilten Wesenheit die Differenz desselben zu seyn; dass hier sonach ausser der Einen indifferenzirenden Vernunft noch eine zweite differenzirende im Sinne behalten würde, welche sodann auch wohl in aller Stille gute Dienste leisten dürfte; und dass dieser Fehler nicht etwa nur ein kleiner und unbedeutender Verstoss, sondern von den wichtigsten Folgen seyn möchte, hätte man gleichwohl, ohne alles Organ für Speculation, durch ein nur nicht ganz flüchtiges Tappen greifen können. Dass sie nicht bemerkten, dass durch diese Erklärung die Vernunft nun vollkommen bestimmt und in sich abgeschlossen, d. i. todt sey, und ihr philosophischer Heros nun zwar seinen ersten Satz nach Belieben werde wiederholen können, niemals aber auf eine rechtliche und consequente Weise ein Mittel finden, um aus ihm heraus zu einem zweiten zu kommen, wollen wir ihnen ebenso grossmüthig erlassen. Dass sie aber, als er nun wirklich nach seiner Weise anfängt, den Todten wieder zu erwecken, und in den folgenden §§. die Prädicate des Nichts und der Allheit, der Einheit und Gleichheit mit sich selber u. s. w., an diese seine Vernunft hält, und sie glücklicherweise in dieselbe hineindemonstrirt, sich nicht ein wenig gewundert, wie denn fürs erste nur er selber ^zu diesen Prädicaten^ gelange, noch ihn darüber befragt; indem ja, wenn durch die erste Erklärung das Wesen der Vernunft wirklich erschöpft wäre, diese Prädicate selber erst, durch eine Analyse jener Erklärung, aus der Vernunft, als in ihr nothwendig begründet, abgeleitet werden mussten, keinesweges aber, Gott weiss woher geschöpft, durch blinde Willkür davon gehalten werden dürften; dass die Leser nicht hier das Leben und Regen jener §. 1. im Sinne behaltenen differenzirenden Vernunft in der Person ihres Autors selber fühlten; ja dass ihnen nicht einmal die materiale Willkür desselben in der beliebigen Folge der Prädicate, die er der Vernunft anzudemonstriren beliebt, auffiel, ist ein wenig schwerer zu verzeihen. Was aber soll man erst sodann sagen, wenn man diese Andemonstrirungen selber ansieht, und die Widersprüche, Erschleichungen und Ungereimtheiten entdeckt, durch welche eine ungebildete und verworrene Phantasie den Verfasser blind hinüberreisst, und wenn man sieht, dass im consequenten Verfahren aus seinem ersten Satze allenthalben das gerade Gegentheil seiner Behauptung erfolgt, und dennoch erlebt, dass diese Misgeburt von System anders, als mit allgemeinem und unauslöschlichem Gelächter empfangen wird? So lautet z. B. §. 2.: »^Ausser der Vernunft ist nichts, und in ihr ist Alles.^ Wird die Vernunft so gedacht, wie wir es (§. 1.) gefordert haben, so wird man auch unmittelbar inne, dass ausser ihr nichts seyn könne. Denn man setze, es sey etwas ausser ihr, so ist es entweder für sie selbst ausser ihr« -- So? ^für sie selbst^? Davon, dass ^für^ die Vernunft etwas seyn könne, haben wir ja in §. 1. kein Wörtlein vernommen, sondern es schiebt sich hier in aller Stille, und ohne dass wir wissen, woher sie komme, diese Voraussetzung zum Behufe des Beweises ein, und der Verfasser selber hat die Vernunft nicht gedacht, wie er §. 1. gefordert hatte, sondern verleitet unmittelbar, indem er es dem Leser einschärft, ihn zum Gegentheile dieses Gedankens. Aber der Leser wird es wohl nicht merken, und so kann ihm der Beweis wohl gelingen. Er gelingt ihm, wie folgt: »es ist entweder für sie selbst ausser ihr; sie ist also das Subjective, welches wider die Voraussetzung ist; oder es ist nicht für sie selbst ausser ihr, so verhält sie sich zu jenem Ausserihr, wie Objectives zu Objectivem, sie ist also objectiv, allein dieses ist abermals wider die Voraussetzung.« Im Vorbeigehen: die zweite Hälfte des Beweises ist ohne allen Sinn und Verstand, wie der Leser selber finden mag, wenn er will, indem wir dabei uns nicht aufhalten wollen. Der richtige und ohne Erschleichung vollzogene §. 2. zu einem solchen §. 1. über dem Prädicate des Nichts, ist der folgende: ^In der Vernunft und für die Vernunft ist schlechthin nichts.^ Wird die Vernunft so gedacht, wie wir es §. 1. gefordert haben, so wird man unmittelbar inne, dass weder in noch für die Vernunft etwas seyn könne. Denn setze, es solle etwas in oder für die Vernunft seyn, so könnte dieses nur dadurch geschehen, dass und insoweit die Vernunft selber es wäre; und zwar könnte dieses Etwas nur das subjective seyn, oder das objective, oder beides, indem wir ausser diesem in unserem §. 1. nichts vorfinden. Aber dass die Vernunft das subjective sey, oder das objective, oder beides, widerspricht schlechthin der Voraussetzung, dass sie nur sey die Indifferenz beider. Freilich wird in diesem Beweise vorausgesetzt, dass ja der Beweisführer während desselben sich nicht besinne, dass in demselben allerdings die Vernunft für ihn sey, und gesetzt sey; dass daher die eigene factische Möglichkeit des Beweises dasselbe voraussetze, wovon die Unmöglichkeit in ihm erwiesen wird; und zwar wird dieses mit Recht vorausgesetzt, indem das Gegentheil in einem Systeme, das lediglich durch Nichtbesinnung möglich ist, gegen die allererste Verabredung streiten würde. So lautet der Anfang von §. 3.: »^Die Vernunft ist schlechthin Eine, und schlechthin sich selbst gleich^, denn wäre nicht jenes, so müsste es von dem Seyn der Vernunft noch einen anderen Grund geben« -- (Hier schiebt sich demnach, zum Behuf des zweiten Beweises die zweite Voraussetzung ein, dass jedes Seyn einen Grund haben müsse? Woher wissen wir denn das? Woher überhaupt plötzlich die Kategorie des Grundes, noch dazu zum Behuf des Beweises der (formellen) Einheit der Vernunft? Grund ist eine weit speciellere Kategorie, erst eintretend in der Sphäre endlicher Bedingungen und Folgen.) -- der Beweis geht fort -- »noch einen anderen Grund geben, als sich selbst: denn sie selbst enthält nur den Grund, dass sie selbst ist, nicht aber, dass eine andere Vernunft sey.« So? woher wissen wir denn wiederum dieses? Liegt das auch in §. 1. oder in §. 2.? Doch erlassen wir ihm die Frage nach dem Woher! lassen wir seine Anwendung des Satzes vom Grunde, und die unbewiesene Behauptung, dass die Vernunft nur der Grund ihrer selbst sey, stehen; was würde denn nun mit alle dem der Satz beweisen? Warum könnte denn nicht doch die Vernunft innerlich und in sich selbst, eben als Vernunft, qualitativ Eins bleiben, wenn es auch einen Grund ihres formalen Daseyns ausser ihr selber gäbe? Nur das Seyn wäre sodann nicht Eins, und die Vernunft wäre nicht alles Seyn, und Eins mit dem Seyn. Die Einheit des Seyns daher, keinesweges aber die der Vernunft, wäre bewiesen, wenn dieser doppelt und dreifach falsche Beweis etwas beweisen könnte; aber unser Verfasser setzt hinzu: ^die Vernunft ist also Eine^, seinen eigenen Beweis nicht einmal verstehend. Der richtige §. 3. über dem Prädicate der Einheit und Sichgleichheit zu einem solchen §. 1. und 2. wäre der folgende: ^die Vernunft ist schlechthin weder Eines, noch sich selbst gleich.^ Denn setzet, dass sie das seyn solle, so könnte sie, da ausser ihr gar nichts ist, dasselbe nur in und für sich selbst seyn. Nun ist es (§. 2.) überhaupt unmöglich, dass in ihr oder für sie überhaupt etwas sey, daher kann in ihr oder für sie auch nicht Einheit und Sichselbstgleichheit seyn, daher kann überhaupt nicht Einheit und Sichselbstgleichheit seyn, und eben darum auch nicht die der Vernunft seyn. -- Freilich wird auch hier vorausgesetzt, dass ja niemand sich besinne, wie er selber doch wirklich und in der That in diesem Beweise Einheit und Gleichheit setze, wodurch derselbe Widerspruch zwischen dem Thun und Sagen, den wir schon bei dem vorigen Beweise nachwiesen, einträte, und der ganze Scherz in Nichts zerginge. Nach dieser Weise geht es nun fort durch das ganze Scriptum, und keine der folgenden Demonstrationen ist anderer Natur, als die eben geprüften. Der Erfolg aber aller dieser Anstalten ist der, dass, auf eine durchaus nur erdichtete Weise, und durch absolute Aufhebung des Satzes, von welchem ausgegangen wurde, die specifische Verschiedenheit der mancherlei wirklichen Dinge erklärt wird aus der Verschiedenheit des quantitativen Verhältnisses des Subjectiven und Objectiven in ihnen. Dass diese Erklärung völlig willkürlich und eine leere Hypothese sey, leuchtet unmittelbar ein; denn wie könnte irgend jemand auf sie kommen, der nicht schon als bekannt und ausgemacht voraussetzte, dass es specifisch verschiedene Dinge gebe, und der sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, diese Verschiedenheit, es möchte nun Gott lieb oder leid seyn, zu erklären. Dass sie aber dem ersten Grundsatze widerspricht und ihn aufhebt, leuchtet also ein: Ist die Vernunft die absolute Indifferenz des Subjectiven und Objectiven, und giebt es gar kein anderes Seyn, ausser dem der Vernunft, so kann in keinem Seyn diese Indifferenz aufgehoben werden, und eine quantitative Differenz an die Stelle treten. Inzwischen, wie schon oben gesagt, ich will auch nicht nach dieser verjährten, und wenn auch nicht von dem naturphilosophischen Publicum erkannten, dennoch vielleicht von ihrem Urheber schon bereuten Sünde ihn richten,[37] sondern meine Untersuchung seines Geistes und Talentes auf eine andere Schrift, die er selbst für so heilig hält, dass er durch das: »Rühre nicht Bock, denn es brennt,« die Profanen an der Schwelle zurückweiset, und welche wirklich auch nach meinem Erachten die beste, d. h. die noch am wenigsten stümperhafte unter den zahlreichen Producten seiner Feder ist; auf seine Schrift: ^Religion und Philosophie^ betitelt (Tübingen, bei Cotta, 1804.), bauen. [Fußnote 37: Durch diese, übrigens ihre guten factischen Gründe für sich habende Vermuthung haben wir indessen, wie hinterher sich gefunden, ihm zu viel Ehre erwiesen. Es ist uns nemlich seit Abfassung jener Stelle das erste Heft der Jahrbücher der Medicin etc. in die Hände gefallen, wo (S. 9.) die soeben berührte Darstellung, und besonders »die allgemeinen Gründe, wie sie §. 1 bis 50. aufgestellt seyen,« noch immer als bewährt gepriesen und citirt werden. »Selbst dasjenige, was mehr noch aus Divination, als aus bewusster Erkenntniss entsprungen gewesen, habe sich -- zum Wunder! -- bewährt.« Seine Divinationen also hat der Mann als Philosopheme drucken lassen, und sagt es selber, ohne ein Arges daraus zu haben? Welche Begriffe mag er von Philosophie haben und von Schriftstellerei überhaupt? Das Wunder inzwischen jener gerühmten Bewährung kann man irgendwo von uns sehr natürlich erklärt finden. Uebrigens ist in diesen Jahrbüchern die dogmatische Verstocktheit, das ohnmächtige Pochen auf die Unbesonnenheit, die trotzige Versicherung, dass diese eben das Rechte sey, und das grobe Misverstehen des Idealismus so arg, als jemals, und es ist Schonung, dass wir die gewählte Prüfung stehen lassen, und unseren Maassstab nicht an dieses neueste Product legen, das den sichtbaren Verfall seines Urhebers in jeder geistigen Kraft bezeugt.] Der bei weitem grösste Theil dieser Schrift hat es gar kein Hehl, dass nur frei und frank hinphantasirt werde, ohne dass man sich auch nur die Miene des Denkens oder der Untersuchung gäbe: es wird versichert, betheuert, behauptet, entschieden, ohne dass auch nur ein Schatten eines Beweises dazwischen eintritt. Alles also Beschaffene spricht schon durch sich selbst sich sein Urtheil, und wir können es übergehen. Wir wenden uns daher sogleich zur hervorstechendsten Stelle des ganzen Buches, die den Anschein des Denkens wirklich an sich nimmt, und über die dermalen höchsten Principien dieses Philosophen Auskunft zu geben verspricht, indem wir, wie schon oben gesagt, immer ungerügt lassen den Grundirrthum des Objectivirens, und bloss zusehen, mit welcher Fähigkeit und Gewandtheit man sogar im Irrthume sich bewege. Von S. 18. an wird eine Ableitung der endlichen Dinge aus dem Absoluten und eine Darstellung des Verhältnisses zu ihm angekündigt, mit welcher es denn auch S. 21. also zum Schlage kommt: »So gewiss jenes schlechthin einfache Wesen der intellectuellen Anschauung« (mit dem Worte: ^Wesen^ meint er das ^Object^ der erwähnten Anschauung; er hat aber seinen guten, uns sehr wohlbekannten Grund, dieses letztere Wort hier ja nicht in den Mund zu nehmen, indem dieses ihn in schlimme Verlegenheiten mit der Wissenschaftslehre bringen könnte) -- »so gewiss dieses Wesen Absolutheit ist: so gewiss kann ihm kein Seyn zukommen, als das durch seinen Begriff (denn wäre dieses nicht, so müsste es durch etwas anderes ausser sich bestimmt seyn, was unmöglich ist).« Halten wir gleich hier den schwellenden Strom dieses Beweises an, indem wir über einiges darin nicht ganz so leicht hinwegkommen können, als sein Urheber. Ich verstehe deutlich: wäre es nicht durch sich bestimmt, so wäre es durch ein anderes bestimmt, nemlich, wenn es überhaupt ^durch^ etwas bestimmt seyn müsste, wofür der Beweis keinen Grund angiebt, sondern es nur eben hindichtet. Ich sehe, dass dieser Beweis sein Absolutes, das erst Eins seyn sollte, in zweie, in ein bestimmendes und in ein bestimmtes zerreisst, und so mit einer inneren und materialen Disjunction (die ursprüngliche und formale, dass es Hingeschautes ist aus einem Schauen, wird unserem Versprechen gemäss erlassen), über die er keine Rechenschaft giebt, anhebt; welches der erste Act der blinden Willkür ist. Sehe ich dieses Verfahren tiefer an, so finde ich, dass der bekannte Begriff vom Absoluten, dass es sey von sich, aus sich, durch sich, hier vollzogen werde, welcher, als blosser Begriff, äussere Charakteristik und Schema des Absoluten, und blosse Beschreibung seiner Form im Gegensatze mit der Form des Nichtabsoluten, das da nicht ist von sich selbst, keinesweges in dasselbe selber uns hineinzuführen vermag, sondern dasselbe unserem Blicke auf ewig verschliesst; welches nicht zu bemerken die zweite Blindheit ist. Ich sehe ferner, dass der Ausdruck: das sey unmöglich, wie er dasteht, eine Unmöglichkeit lediglich des Denkens ausdrücke, dessen reale Bedeutung vor allen Dingen hätte gesichert werden müssen; welches die dritte sehr grobe Unterlassungssünde ist. Wenn ich übrigens dieses alles hingehen, und mir das Absolute in seiner Zweifachheit als bestimmendes und bestimmtes gefallen lasse, so sehe ich noch immer nicht ein, warum es in seiner ersten Qualität, als bestimmendes, gerade ein Begriff seyn solle, wie mir gleichfalls ohne irgend eine Anführung des Grundes angemuthet wird; welches sonach die vierte blinde Willkür wäre. Ich sehe inzwischen sehr wohl ein, warum also verfahren werden musste; indem es nemlich auf andere Weise nicht zu der begehrten Schlussfolge: »das Absolute ist also überhaupt nicht ^real^, sondern an sich selbst nur ^ideal^,« kommen könnte. Ich will nicht nur gefällig seyn, sondern sogar ein Uebriges thun; ich will wirklich denken, was der Beweis von mir verlangt, und so nachholen, was sein Urheber versäumt hat; indem dieser, wie tiefer unten sich zeigen wird, das Begehrte in der That nicht gedacht, sondern nur leere Worte gemacht hat; welches, falls der besprochene Beweis uns gelingt, die fünfte Blindheit seyn würde. »Es kann dem Absoluten kein Seyn zukommen, ausser ^durch seinen Begriff^.« Wenn ich das letztere in vollem Ernste und wirklich, und nicht etwa bloss faselnd, so dass es wahr seyn solle, und doch wieder auch nicht wahr, denke, so denke ich, dass das Absolute einen Begriff von sich selber, eine Anschauung seiner selber, ein schematisches Seyn ausser seinem Seyn, -- denn also ist ein Begriff zu denken -- habe, und zwar von sich, als einem ^also^ bestimmten und beschränkten Seyn, wie es sich begreift. Ich sehe nunmehro klar ein, was dem Beweisführer selber, der nicht wirklich dachte, sondern nur faselte, bloss dunkel vorschweben konnte, dass auf diese Weise das Absolute in sich selbst durchaus nur ideal seyn könne; indem ich ja so consequent seyn werde, das Absolute selbst, und diesen seinen Begriff von sich selbst, durchaus für Eins und dasselbe zu halten, und ihm kein anderes formales oder materiales Seyn, und keinen anderen Sitz und Mittelpunct dieses letzteren zuschreiben werde, ausser eben in seinem Begriffe von sich selber unmittelbar und ganz. Das Absolute wird nun wieder Eins, ein zugleich bestimmendes und bestimmtes in der formalen Einheit des Begriffes, und die andere Hälfte der realen Bestimmtheit, welche ohne Zweifel nur als Hülfslinie des Beweises erst angelegt war, fällt hinweg. Zwar bekomme ich statt dieser Zweiheit in mein Absolutes die von der Form des Begriffes, in welcher Form nun das Absolute aufgeht, unabtrennbare Fünffachheit; aber das ist nun einmal unvermeidlich, und ich thue wohl, in das Unvermeidliche mich zu ergeben. Dass ich mich ja nicht besinne, dass zuletzt doch ich selber es sey, der jenen Begriff von einem Begriffe des Absoluten von sich selbst habe, und dass ich denselben auf das Zureden dieses stattlichen Beweises, mit sehr bewusster Willkür gebildet habe, -- wodurch ich zwar in das leere Reflectirsystem fallen, aber die Sache ein verwickelteres Ansehen erhalten würde, -- versteht sich, indem dies gegen die Abrede laufen würde. So weit im Reinen, lasset uns das Weitere vernehmen! »Aber gleich ewig mit dem schlechthin Idealen ist die ewige Form.« Gleich ewig? Wir erfahren sonach nebenbei und im Vorbeigehen, dass das schlechthin Ideale unter anderm auch ewig ist. Woher mag uns diese Kunde kommen, und was mag das heissen, ewig seyn? Seyen wir jedoch diesmal ausser Sorgen; der Verfasser will uns hier nichts aufbinden oder erschleichen; er denkt das Gesagte in der That nicht, und denkt diesmal gar nichts; er hat sich das Wort »ewig« nur stark angewöhnt, und es entfährt ihm hier unwillkürlich; denn wenn er daran gedacht hätte, dass er es vorbrächte, so hätte er zugleich auch gedacht, was es doch bedeuten möge; welches somit die sechste und die siebente Blindheit auf Einen Schlag ist. Gleich ewig ist also die ewige Form? Dies versteht sich eigentlich von selbst; denn wir haben ja schon oben gesehen, dass das Absolute, als durchaus nichts anderes, denn sein Begriff von sich selbst, in dieser Form des Begriffes aufgehe, welche Form somit ebenso absolut ist, als dasselbe selber, da sie es ja selber ist, und die, wenn das Wort »ewig« eine Bedeutung haben sollte, und das Absolute ewig wäre, auch ebenso ewig seyn würde, als dieses. Meint denn nun der Verfasser ^diese^ Form, oder meint er eine andere? Er meint eine andere; denn dass er schon an dem Begriffe des Absoluten von sich selber eine recht tüchtige und haltbare und sogar fünffache Form habe, ist ihm verborgen geblieben, woraus eben hervorgeht, dass er das oben dem Leser angemuthete Denken selbst nicht vollzogen, und so der oben versprochene Beweis nachgeliefert ist. Dass er aber noch eine zweite Form begehrt, kommt daher, weil er irrigerweise meint, vermittelst der ersten, selbst wenn er sie sich klar mache, lasse sich nichts aus dem Absoluten heraus ableiten, welches letztere doch sein eigentlicher Zweck ist. Irrigerweise meint er das, sagte ich; wenigstens wäre uns für unsere Person gar nicht bange, wenn wir einen solchen Begriff des Absoluten von sich selber unter die Hände bekämen, dass wir nicht daraus mit leichter Mühe Erde und Himmel, und alle ihr Heer sollten ableiten können. Wir haben ja in diesem Begriffe das ganze qualitative Seyn des Absoluten, welches es anschaut; dies wird doch wohl ohne Zweifel ein ergiebiges Mannigfaltige uns liefern. Wir dürfen von nun an nur die Augen und Hände aufthun, und uns geben lassen, was da ist; und haben nun für jedes Ding, das uns vorkommen mag, die immer fertige und stets sich gleich bleibende Antwort: das ist auch ein Qualitatives im Absoluten, und dieses gleichfalls, und dieses, und so ins Unendliche fort. Die einzige noch übrige Schwierigkeit wäre nur die, begreiflich zu machen, wie wir andern zur Mitwissenschaft vom Seyn des Absoluten, und zur Theilnahme an seinem Begriffe von sich selber gelangten; aber da unwidersprechlich erhellet, dass die innere Grundform des Begriffes des Absoluten von sich selbst die Ichform ist, so könnte ja wohl gerade durch diese Form jedwedes Ich an dem Absoluten Theil haben, und in dasselbe versinken; zu welcher kühneren Lösung der Aufgabe dieser Schriftsteller nur zu blöde und zu verzagt ist, und das Absolute, soweit als irgend möglich, sich vom Leibe hält. Aus diesem Grunde bleibt die erste Form unbenutzt, und es muss ihm eine zweite herbeigeschafft werden, in welche, als weniger vornehm, er mit einem kleineren Maasse von Unbescheidenheit seine Person hineinzuschieben hofft. Es ist also eine Form des Absoluten; und diese ist gleich ewig mit ihm; -- so haben wir vernommen, ein Schatten eines Beweises aber erscheint nicht. Woher weiss denn der Verfasser, was er behauptet? und wie mag er wohl dazu kommen, eine solche Form anzunehmen? das werden wir ohne Zweifel am besten erfahren, wenn wir sehen, wozu er sie braucht und gebraucht. Aber er gebraucht sie bald darauf, um vermittelst derselben die Realität aus dem Absoluten zu erklären. Sein Bedürfniss demnach, diese Erklärung zu liefern, ist der wahre Schöpfer, und der wahre verschwiegen gebliebene Beweisgrund des Seyns einer solchen Form. Und so haben wir denn schon hier den Begriff dieses Mannes von Philosophie, und sein ganzes Verfahren, in unermesslicher Evidenz vor uns liegen. Die Realität ist eben an sich; darüber wird gar kein Zweifel rege, und dieses ist der wahre Grundpfeiler seines Systems. Diese kann und muss erklärt werden; und es ist das Geschäft der Philosophie, diese Erklärung zu liefern. Auch hierüber, als den zweiten Grundsatz dieses Systems, wird ebensowenig ein Zweifel rege. Zum Behufe dieser Erklärung muss nun eine ewige Form, und zum Behufe der Füllung dieser Form ein Absolutes angenommen werden, welches der dritte Theil und die wirkliche Vollziehung dieses Systemes ist. Der Ausgangspunct desselben ist daher der allerblindeste und stockgläubigste Empirismus, und ein Absolutes wird lediglich der Welt zu Liebe angenommen. Dies ist die wahre Meinung des Mannes vom Absoluten, denn also gebraucht er es; und wenn er ein andermal zur Abwechslung von unmittelbarer Erkenntniss und Anschauung des Absoluten redet, so ist dies leere Prahlerei und purer Scherz, indem er gar nicht aus dieser Prämisse, sondern aus der entgegengesetzten wirklich urtheilt und philosophirt. Höchstens mag an dem Ersteren, wie wir grossmüthig voraussetzen wollen, so viel wahr seyn, dass er die Nothwendigkeit einer unmittelbaren Erkenntniss, falls es jemals zu einer mittelbaren kommen sollte, überhaupt einsieht, ohne dass er sie doch an sich zu bringen weiss, noch auf seinem Wege jemals sie an sich bringen wird. Uebrigens ist dieses Nichtverstehen seiner eigenen wahren Meinung und Nichtbemerken seines blinden Empirismus und seines Erklärens durch eine willkürlich gesetzte Hypothese, die radicale Blindheit des Mannes, und von den hier geprüften die achte an der Zahl. Lassen wir inzwischen uns weitere Auskunft geben über diese ewige Form! -- »Nicht das schlechthin Ideale steht unter dieser Form, denn es ist ^selbst^ ausser aller Form, so gewiss es absolut ist.« Ausser aller Form; es ist somit das oben über desselben Begriff von sich selbst Gesagte, wenige Zeilen darauf, nachdem es gesagt worden, zurückgenommen, ohne dass es gemerkt wird, welches die neunte Blindheit wäre. Aber sehen wir doch näher hin, was der Mann eigentlich schwatzt. Das »selbst« ist auch im Urtext beschwabachert, und es thut wohl noth, wiewohl auch von der anderen Seite es ihm Verdruss bringen dürfte. Ich frage: ist es denn dasselbe Eine Absolute, von welchem oben geredet worden, das da seyn soll in der ewigen Form? Es muss wohl; denn sonst hätten wir ein zweites Absolutes, und wären mit dem ersten ganz vergebens bemüht worden, und es wäre ein Fehler, dass man uns nicht gleich von vornherein vor die rechte Schmiede des ergiebigen und erklecklichen Absoluten geführt hätte. Also ist es doch das Absolute selbst, das in der Form ist. Nun aber soll es doch wiederum nicht ^selbst^ in der Form seyn. Also ein Selbst, das zugleich auch Nichtselbst, eine Identität, die zugleich auch Nichtidentität ist? Giebt es kein Mittel, diesen Unsinn klar in die Augen springen zu lassen? Ich hoffe, Folgendes soll Dienste leisten. Ich frage: ist denn das Absolute in jenem Sichformiren ganz und ungetheilt dabei? oder ist es nicht ganz und ungetheilt dabei? Ist das Erste, so ist es ganz und in ungetheilter Wesenheit in der Form, und es ist nirgends und auf keine andere Weise, ausser in der Form. Unser Philosoph will nicht, dass es so sey, weil ihm um seine eigene selbstständige Individualität, welche sodann in das Absolute versänke, bange ist. Nach ihm ist also das Letztere; ist aber dies, so theilt in dieser Formirung das Absolute sich in zwei absolute Hälften, mit deren einer es selbst ausser aller Form bleibt, mit deren anderer aber es selbst ist in der Form. Wird dies unser Philosoph zugeben wollen? Ich hoffe das Gegentheil; inzwischen hat er es dennoch gesagt, ohne selbst zu wissen, was er redet, welches die zehnte hier obwaltende Blindheit ist. Ich werde es müde, und vielleicht eben also der Leser, dem Manne noch ferner Schritt vor Schritt zu folgen, und ihm seine Verworrenheiten vorzuzählen; und breche gerade hier um so lieber ab, da sogleich die zwei folgenden Zeilen so dicken und zähen Unsinn enthalten, dass gar manches Wort erfordert würde, ihn fliessend zu machen. Ich setze nur noch den Schluss dieser Erörterung über die ewige Form her. »Diese Form ist, dass das schlechthin Ideale, unmittelbar als solches, ohne also aus seiner Identität herauszugehen, auch als ein Reales sey.« Was mag real heissen? Nun, denkt der Mann, das weiss ja wohl jedes Kind, und macht sich keine Mühe mit der Bestimmung seines Begriffes. Wir aber möchten doch gleichwohl gerne wissen, welchen Sinn er mit diesem Begriffe zu verbinden hätte, und müssen es schon selber aus dem Zusammenhange aufsuchen. Real ist dem Verfasser der Gegensatz zum Idealen; das Ideale aber ist ihm, theils nach seinen ausdrücklichen Worten, theils zufolge der höheren Klarheit, welche wir denselben durch die wirkliche Vollziehung des angemutheten Denkens gegeben haben, dasjenige, was keines anderen Seyns bedürftig oder fähig ist, ausser im Begriffe: das Reale muss daher seyn ein Seyn, das keines anderen Seyns fähig ist, als nur des ausser dem Begriffe, die absolute Bewusstlosigkeit. So, sage ich, müsste nach unserem Philosophen das Reale gedacht werden, obwohl derselbe bei anderen Gelegenheiten wiederum sehr entfernt ist, es also zu denken; denn S. 23. »tritt die Form ^der Bestimmtheit^ des Realen durch das Ideale als ^Wissen^ ein in die Seele.« Wir hatten oben nur die Sichformirung des Idealen vermittelst und in der Form zum Realen, das unmittelbare Verschmelzen der Idealität in Realität (J X R): woher kommt uns denn jetzt diese neue Form höherer Abstraction ^einer Bestimmtheit^ des Realen durch das Ideale, welche wechselseitig seyn muss, und der blossen Realität zugleich den Grund ihres Soseyns hinzufügt F (J X R), und noch obenein eine ^Seele^, in welcher diese Form der Form eintritt? Es scheint ja, dass an diesem Systeme der würtembergische Katechismus wohl ebenso viel Antheil habe, als die Speculation. Mit der wirklichen Ableitung endlicher Dinge aus dem Absoluten gelingt es ihm nun, zu Ende von mancher Noth und Plackerei, die er sich bis dahin anthut, S. 29. unverhoffterweise folgendermaassen: »Das Absolute würde in dem Realen nicht wahrhaft objectiv, theilte es ihm nicht die Macht mit, gleich ihm, seine Idealität in Realität umzuwandeln und sie in besonderen Formen zu objectiviren.« Nun, da ist ja mit Einemmale alles gewonnen, und die Aufgabe aller Speculation in unermesslicher Klarheit und Leichtigkeit, zu allgemeinem Vergnügen und Bequemlichkeit, gelöst! Dass wir andern alle das Reale, in welchem das Absolute wahrhaft objectiv geworden, seyen, leidet keinen Zweifel; die Macht, unsere Idealität in Realität umzuwandeln, und sie in besondern Formen zu objectiviren, geht zufolge dieser Versicherung uns auch nicht ab; und so wird denn wohl die Welt nichts anderes seyn, als die Ausübung jener unserer Macht. Thun wir von nun an nur unsere Sinne, oder, in der Terminologie unseres Weltweisen, die uns mitgetheilte Macht, unsere Idealität in Realität umzuwandeln, auf, so werden wir ja hören und sehen, wie jene Macht in besonderen Formen sich objectivire; und so sind wir denn, freilich auf einem etwas mühsamen und holprigen Umwege, gerade bei demjenigen angekommen, wozu ich schon oben geglaubt, dass der Begriff des Absoluten von sich selber dienen könne. Was von nun an uns auch vorkommen könne, wir werden jedesmal zu sagen wissen, es sey dies eine Aeusserung der Macht, unsere Idealität in Realität umzuwandeln, durch welche Macht das Absolute in uns objectiv geworden. Leider werden wir in den freudigen Empfindungen, die wir hierüber gefasst haben möchten, schon S. 34. durch die unerwarteten und merkwürdigen Worte gestört: »Mit Einem Worte, vom Absoluten zum Wirklichen giebt es keinen stätigen Uebergang, der Ursprung der Sinnenwelt« (man bemerke, dass dieses Wort hier gleichbedeutend ist mit dem Wirklichen) »ist nur als ein vollkommenes Abbrechen von der Absolutheit, durch einen Sprung denkbar.« »Der Grund der endlichen Dinge -- so beschliesst die S. 18. uns verheissene Auskunft über die Abkunft der endlichen Dinge aus dem Absoluten -- »der Grund der endlichen Dinge kann nicht in einer ^Mittheilung^ von Realität an sie, oder an ihr Substrat, welche Mittheilung vom Absoluten ausgegangen wäre, er kann nur in einer ^Entfernung^, in einem ^Abfall^ vom Absoluten liegen. Diese ebenso klare und einfache, als erhabene Lehre« (So? es scheint, der Geschmack ist mancherlei) »ist auch -- die wahrhaft Platonische. -- Nur durch den Abfall vom Urbilde lässt Plato die Seele von ihrer ersten Seligkeit herabsinken.« -- »Es war ein Gegenstand der geheimeren Lehre in den griechischen Mysterien, auf welche auch Plato nicht undeutlich hinweiset.« Nun, wenn Plato und die griechischen Mysterien das annahmen, so werden wir andern wohl Respect haben, und es uns gleichfalls gefallen lassen müssen; sollte es sich auch finden, dass in der ganzen Lehre durchaus kein Sinn und Verstand sey, und dass das Angemuthete niemals im wirklichen Denken vollzogen, sondern nur gesagt werden könne. Wir haben grossen Verdacht, dass das Letztere sich finden werde. Denn was soll doch dasjenige seyn, das da abfällt vom Absoluten? Es sind nur zwei Fälle möglich: entweder nemlich ist es das Absolute selbst, in welchem Falle dieses von sich selbst abfallen, d. h. sich in sich selber und durch sich selber vernichten müsste, welches absurd ist; oder es ist nicht das Absolute selbst; so ist es von, aus, durch sich selber, und wir haben der Absoluten zwei an der Zahl, was abermals absurd ist. Es geht nicht, dass man sage, das Absolute habe jenes andere gemacht, und es gut gemacht, und es sey nur nachher abgefallen: denn sodann müsste das in ihm liegende Vermögen, abzufallen, ihm entweder das Absolute ertheilt haben, in welchem Falle in der Ertheilung dieses Vermögens das Absolute in der That von sich abgefallen wäre, welches die erste Absurdität ist; oder es müsste dieses Vermögen von und aus sich selber haben, wodurch es wenigstens in Absicht dieses Vermögens absolut würde, welches die zweite Absurdität ist. Jedoch, wenn wir dieses Alles dem Verfasser übersehen wollten, wie passt denn diese Aeusserung zu allen seinen früheren Operationen? Ich bitte, ist denn das Absolute wirklich und in der That vorhanden, oder ist es nicht wirklich vorhanden? Ist denn an dem Objectivwerden dieses Absoluten in einer Macht, seine Idealität in Realität umzuwandeln, und sie wiederum in verschiedenen Formen zu objectiviren, ein wahres Wort, oder ist daran kein wahres Wort? Ist das Erstere, so ist ja die Wirklichkeit allerdings erklärt, und der stätige Uebergang vom Absoluten zum Wirklichen ist gefunden. Wird aber das Letztere angenommen, wie dadurch, dass die Unerklärbarkeit des Wirklichen aus dem Absoluten behauptet wird, allerdings geschieht, so wird ja alles früher Gesagte für unwahr erklärt und zurückgenommen, und es wird alle, sowohl wahre, als die hier herrschende vermeinte Speculation aufgehoben. Warum liess denn der Verfasser dennoch seinen Anfang stehen, nachdem er ein solches Ende gewonnen hatte? Haben wir ihn vielleicht nur nicht recht verstanden? Abgeleitet habe er nun wirklich und in der That etwas, lässt er sich vernehmen, aber dieses sey denn doch nur die pure Idee; und jenes uns so erfreuliche Objectiviren seiner Idealität in verschiedenen Formen mag wohl auch nur das blosse leidige Handeln, keinesweges aber, wie wir hofften, zugleich auch die ursprünglichen Weltvorstellungen bedeuten? Ich bitte, ist denn die Idee nicht wirklich, und kann sie denn nicht wirklich werden, und ist sie denn nicht in der ersten Hälfte des Buches, in der stattlichen Ableitung unseres Herrn Verfassers in der That wirklich geworden? Ja, wer vor Demuth zu einer solchen Annahme kommen könnte! Das ist Alles wohl gut, sagt der Mann, aber das ist doch nicht das rechte Wirkliche, nicht das wirklich Wirkliche; dafür lasse ich lediglich und allein die materielle Sinnenwelt gelten. Ist ihm denn aber im Laufe seines philosophischen Lebens niemals die Behauptung zu Ohren gekommen, dass eine Sinnenwelt überhaupt nur im Sinne, der Sinn aber nur in der Idee, als Sphäre des selbstständigen Lebens der Idee, wirklich da sey? Will er nun dieses nicht zugeben, wie er es denn allerdings nicht will; wie bringt er denn zuvörderst seinen Begriff von der Wirklichkeit zu Stande? Offenbar nur durch den Gegensatz mit der Idee; ein Seyn der Materie, durchaus unabhängig von der Idee, und da doch ohne Zweifel ausser der Idee und der Materie es nicht noch ein drittes wird geben sollen, unabhängig von irgend etwas Anderem, also ein wahres Ansich und innerliches Absolutes, das zweite an der Zahl, wenn es nemlich sein Ernst ist, dass es zugleich auch eine absolute Idee gebe. Und so ist denn bei diesem philosophischen Heros, wo es Ernst wird, nichts mehr zu finden, als der alte und wohlbekannte Scherz eines materialistischen Dualismus. Nicht Wissenschaftslehre, nicht Kant, sondern du, heiliger Leibnitz, bitte für ihn! Ferner, wie gedächte sich denn wohl der Mann bei dieser Denkart gegen diejenigen, welche auf der Einheit des Absoluten, und auf der Idee, als der einzig möglichen Realität beständen, zu schützen? Er wird niemals eine andere Weise finden, als diejenige, deren er sich wirklich bedient, dass er, als ein zweiter Friedrich Nicolai, sich auf das Zeugniss seiner Sinne, und auf den gesunden Menschenverstand berufe, und hoch betheure, die materiellen Gegenstände müssten aber doch seyn, denn er sehe sie ja, und höre sie, und keiner soll ihn jemals eines anderen bereden. Und so fällt denn an dieser Stelle dem Manne die Maske der Speculation, die er auch sonst locker genug trägt, völlig ab, und es tritt hervor die natürliche Haut des rohesten, stockgläubigsten Empirismus, wie denn sich über das Ansichseyn der Materie auch nicht einmal ein Verdacht regt. Da man unserm Publicum alles ausdrücklich sagen muss, und fast niemals darauf rechnen kann, dass es selber folgern oder annehmen werde, dass jemand wirklich wolle und zugebe, was aus seinen Sätzen folgt: so merke ich hier noch ausdrücklich an, dass alle Naturphilosophie auf diese Stockgläubigkeit, dieses Entsetzen und Erschrecken vor der Materie, und diese Scheu, selber lebendig, und nicht als ein blosses Naturproduct da zu seyn, sich gründe, und dass diese denen, die ihnen widersprechen, niemals eine andere Antwort werden geben können, als dass es ihnen am Gefühle fehlen müsse. Nun ist, da wir ebensowohl leben, denn sie, ohne Zweifel zu erwarten, dass wir ebensowohl hören und sehen mögen, denn sie; nur dass wir diesen Erscheinungen der Sinne nicht unmittelbar und ohne Weiteres Glauben beimessen, sondern sie mit dem Begriffe durchdringen, und in ihrer Bedeutung, als dem wahrhaft Realen an ihnen, sie verstehen. Woran es uns daher, ihnen gegenüber, in der That fehlt, das ist ihr blinder Aberglaube, und wenn sie unter ihrem Gefühle diesen verstehen, so haben sie ganz recht mit ihrem Verdachte, dass irgend etwas, das sie besitzen, uns abgehen möge. Möge ihnen doch nie ein Licht darüber aufgehen, welche Thoren sie geworden sind, da sie sich für Weise hielten. Um zurückzukehren zu unserem Philosophen: ein so über alle Maassen ungeschickter und stümperhafter Sophist, wie wir es ihm nachgewiesen haben, ist also der Mann, dem es gelungen ist, die Philosophen dieses Zeitalters irre zu machen. Inzwischen dürfte es eine Ungerechtigkeit sowohl gegen mich selber, als gegen den genannten Mann involviren, wenn ich hiermit dieses Capitel beschlösse. Gegen mich selber, indem ich nicht will, dass gewisse Gegner, über die er sich beklagt, und die er besonders in den Gegenden seines jetzigen Aufenthalts gefunden, glauben sollen, dass ich mich ihnen beigesellt habe; gegen ihn, indem, da es eine Zeit gegeben, da ich weniger geringschätzig über ihn geurtheilt, und da bekannt ist, dass wir beide ehemals in persönlichen Beziehungen gestanden, jemand glauben möchte, dass er noch auf andere Weise, denn als Philosoph, mir verwerflich geworden. Was zuerst meine früheren, weniger geringschätzigen Urtheile betrifft, so gebe ich dabei zu bedenken, dass damals, als ich diese fällte, der Mann schon um seiner Jugend willen der philosophischen Reife und Klarheit durchaus unfähig war, und ich daher diese an ihm loben weder wollte noch konnte; dass ich aber hoffte, er werde fleissig seyn, und nicht zweifelte, dass durch Fleiss ihm etwas gelingen könnte, und dass es allein diese Hoffnungen waren, welche ich aussprach. Wie ich über die im wirklichen Besitze des Mannes befindlichen philosophischen Kenntnisse von jeher geurtheilt, kann gleich im ersten Jahrgange des von mir mit herausgegebenen Journals eine meiner Noten zu einer Abhandlung desselben, in welcher die ersten Spuren des Irrthums, der sich nun gar stattlich zu einer Naturphilosophie herausgebildet, zum Vorschein kamen, noch bis heute klärlich beurkunden. Jene meine guten Hoffnungen von ihm hat er nun keinesweges erfüllt, sondern durch unverständige Schmeichler früh sich verderben lassen, und seit dieser Zeit keines anderen Dinges sich beflissen, denn des Hochmuths und des Eigendünkels, und durchaus den Rang ablaufen wollen demjenigen, welchen auch nur zu verstehen er gleichwohl fortdauernd unfähig geblieben. Um von denen seiner Gegner, denen ich nicht gleichen mag, mich auszuscheiden: -- Dass, wenn des Mannes System consequent verfolgt wird, kein Gott übrig bleibe, denn die Natur, und keine Moralität, ausser die der Naturerscheinungen, sehe ich klar ein; aber man muss dasjenige, was die Menschen bloss sagen, ebensowenig ihnen zum Nachtheil anrechnen, als diese Erörterung gemeint gewesen ist, es ihnen zum Vortheile gelten zu lassen. Die Worte sind überhaupt nichts, und nur das Leben will etwas bedeuten. Was nun die innere Religion des Mannes anbetrifft, so bescheide ich mich hierüber von Rechtswegen alles Urtheils, und halte dafür, dass dieses auch dem übrigen Publicum ebenso sehr gezieme. Was die Moralität anbetrifft, dürfte es nicht unschicklich seyn, folgenden Umstandes bei dieser Gelegenheit zu erwähnen. Es scheint geglaubt worden zu seyn, und ich finde noch vor kurzer Zeit in einem öffentlichen Blatte diese Insinuation wiederholt, dass der Genannte zu denen gehöre, welche bei meinem Abgange von Jena ein gewisses mir gegebenes Wort nicht erfüllt hätten. Ich halte es für angemessen, bei der gegenwärtigen Gelegenheit dieser Meinung förmlich zu widersprechen. Ich stand mit ihm keinesweges auf dem Fusse, dass ich über zu fassende bedeutende Entschliessungen mich vor der That mit ihm berathen hätte; was ihm mitgetheilt worden, ist ihm erst nach der That mitgetheilt worden; wie ich denn auch einem anderen meiner Freunde und Collegen, auf welchen, als Mitherausgeber des philosophischen Journals, gleichfalls einiger Verdacht gefallen, erst nach der That mich eröffnet. Derjenige Mann, der durch seinen ungesuchten Eintritt meinen unbedingten Entschluss, auf einen gewissen Fall meine Lehrstelle an der Universität Jena niederzulegen, den ich ohne ihn einfach und natürlich würde ausgeführt haben, in einen Versuch, zu capituliren, verwandelte, der einen gewissen ersten Brief, welcher ohne seine Dazwischenkunft nicht wäre geschrieben worden, mit mir verabredete und billigte; und als der Erfolg ausfiel, wie er ausfiel, mir einen zweiten, dessen ich bei meinem schon vorher gefassten festen Entschlusse nicht bedurfte, sondern der nur ihn decken sollte, abquälte und abpresste, und so auf eine ganz richtige, anständige und gebührliche Entschliessung von mir, die ich noch jetzt, nach Verlauf von acht Jahren, durchaus billige, und in derselben Lage heute wiederholen würde, den Anschein von Schwäche und Zweideutigkeit brachte, war ein anderer, und es war nur Einer, nicht mehrere; daher man auch meine übrigen Jenaischen Freunde und Collegen mit jenem Argwohn verschonen wolle. Inzwischen zürne ich auch diesem Einen so wenig, dass ich vielmehr gleich nach der That nur mich selber verurtheilt habe, indem der Stärke, die mit der nur einen Augenblick aufflammenden Schwäche gemeinsame Sache macht, ohne vorherzusehen, dass der augenblickliche Muth nicht fortdauern werde, ganz recht geschieht, wenn sie verlassen wird; und ich habe mit mir selbst mich ausgesöhnt lediglich durch die erworbene Sicherheit, dass mir dieses nicht zum zweiten Male begegnen wird.[38] Dies sey denn hiermit gesagt und abgethan; indem wir hoffen, dass die verworrene Leidenschaftlichkeit jener Tage nunmehr sich gesetzt habe, und man begreife, dass keinem Menschen in der Welt, ausser etwa den Weimarischen Finanzen, welche uns andere nichts angehen, daran liegen könne, ob dieser oder jener Mann Professor zu Jena sey, oder nicht, und ob Jena eine blühende, oder eine verlassene, oder auch gar keine Universität habe. [Fußnote 38: Zur Aufhellung der oben im Texte befindlichen Stelle ist Fichte's Lebensbeschreibung (I. S. 366. II. S. 300.) zu vergleichen. H. E. G. Paulus, der hier gemeint war, hat indess gegen jede solche Beziehung zu Fichte in den »Skizzen aus meiner Bildungs- und Lebensgeschichte« (Heidelberg, 1839. S. 168-170) protestirt, woraus eine Reihe von Verhandlungen zwischen ihm und dem Unterzeichneten sich ergeben hat, deren Erwähnung hier nicht umgangen werden kann, indem auch sie vorübergehend lebhafte Aufmerksamkeit erregten. Da jedenfalls beide Männer auch in dieser Beziehung mit einander vor die Nachwelt treten, so bleibt nichts übrig, um den Leser zu einem selbstständigen Urtheile in dieser Angelegenheit zu veranlassen, als ihn ausser dem schon Angeführten auf die weiteren Actenstücke zu verweisen. Man vergleiche: »Paulus und Fichte; über einen berichtigenden Zusatz zu J. G. Fichte's Lebensbeschreibung, als Anfrage oder Gegenberichtigung von J. H. Fichte« im ^Freihafen^ 1840. Zweites Heft S. 176-229; »Beleuchtung des Verhältnisses, welches zwischen Professor Fichte dem Vater und Dr. Paulus bei dem Atheismusstreit des Ersteren stattfand« in ^Paulus neuem Sophronizon^, I. Mittheilung 1841 S. 80-134; endlich: »Offenes Schreiben an Herrn Dr. Paulus in Bezug auf dessen Beleuchtung etc. von J. H. Fichte« in dessen ^Zeitschrift für Philosophie^, Bd. VII. S. 151-155. (Anmerkung des Herausgebers.)] Uebrigens ist auch das, was der Mann durch seine Speculation sucht und anstrebt, keinesweges etwas Schlechtes und Gemeines, sondern es ist das Höchste, dessen der Mensch theilhaftig werden kann; die Erkenntniss der Einheit alles Seyns mit dem göttlichen Seyn. Seine Absicht ist daher aller Ehren werth. Ebendasselbe will ja auch ich, und leiste es; er aber redet nur daran herum, und vermag es nicht zur Wirklichkeit zu bringen, tritt in den Weg denen, die es können, und macht irre andere, die ohne ihn vielleicht hören und verstehen würden; und dieses ist es, was ihm meinen Tadel zuzieht. Er hasset und fliehet die Besonnenheit, in welcher allein das Heilmittel vom Irrthume liegt, mit gutem Bedachte, indem er sie nur für leere Klarheit hält, und macht so die Unbesonnenheit zur ausdrücklichen Grundmaxime alles Realismus, erwartend von einer blinden Natur die Heilung. Dies ist nun absolute Unphilosophie und Antiphilosophie, und so lange er auf dieser Maxime beharrt, ist Alles, was er vorbringt, ohne Ausnahme nothwendig falsch, irrig und thöricht, und es vermag kein Funke von Speculation in seine Seele zu kommen. Und so werfe ich ihn denn, indem ich den Menschen an ihm in allem seinem möglichen Werthe lasse, als Philosophen ganz und unbedingt weg; und als Künstler erkenne ich ihn für einen der grössten Stümper unter allen, die jemals mit Worten gespielt haben. Was hier insbesondere ihm nachgewiesen worden, leidet, als gegründet lediglich auf die blosse allgemeine Logik, durchaus keinen Widerspruch, Ausrede oder Ausflucht, und es kann dagegen nichts vorgebracht werden, ausser etwa, man habe in den Einheitspunct eben nicht recht hineinkommen können, man meine ja doch das Rechte, und habe recht in der Sache, wenn auch die Form mangelhaft geblieben sey, welches Alles, als selber absolute Antiphilosophie, schon ehe es vorgebracht worden, abgewiesen ist. Sollten seine Mitstreiter, im Schmerze, ihren Vorfechter also abgefertigt zu sehen, etwas vorbringen wollen, so werde ich antworten, oder auch nicht, wie es mir gefallen wird, indem ich hierüber zu nichts verbunden seyn will. Mit dem genannten Manne selber rede ich, da wir durchaus von contradictorisch entgegengesetzten Maximen ausgehen, niemals, wie ich denn auch hier nicht mit ihm, sondern mit seinem Publicum geredet habe. Recensionen. A. Giessen, bei Heyer: Skeptische Betrachtungen über die Freiheit des Willens mit Hinsicht auf die neuesten Theorien über dieselbe, von Leonhard Creuzer. 1793. XVI. Vorrede (von Herrn Prof. Schmid). 252. 8. (Jenaer Allgem. Literatur-Zeitung, 1793. No. 303.) Wie es von jeher ergangen ist, ergeht es noch immer. Das dogmatische Verkennen der Grenzen der Vernunft erregte die Angriffe der Skeptiker auf dieses Vermögen selbst, und nöthigte dasselbe, sich einer Kritik zu unterwerfen. Sowie diese Grenzen von neuem überschritten werden, regt sich von neuem der Widerspruch der Skeptiker, und nöthigt, -- zum Glück nicht, eine neue Kritik zu unternehmen, aber -- an die Resultate der ehemals unternommenen wieder zu erinnern. Herrn Creuzers freilich nur uneigentlich sogenannter Skepticismus -- denn er nimmt mit der Kantischen Schule das Daseyn eines Sittengesetzes im Menschen als Thatsache des Bewusstseyns an -- hat die Theorien über Freiheit zum Gegenstande; das Resultat seiner Untersuchungen ist, dass keine der bisherigen den Streit zwischen dem Interesse der praktischen Vernunft und dem der theoretischen befriedigend löse; und ihr lobenswürdiger Zweck, zu Erfindung einer neuen und genugthuendern die Veranlassung zu geben. Ohne von der ganzen Schrift, welche theils über einen unrichtigen Grundriss aufgeführt worden (eine Behauptung, die sich nur durch Vorlegung des einzig richtigen darthun liesse, welches die Grenzen einer Recension überschreitet), daher nicht mit der strengsten Ordnung geschrieben ist, jetzt sich wiederholt, jetzt Dinge in ihren Plan aufnimmt, die nicht hineingehören, z. B. die Widerlegung des Spinozistischen Pantheismus, des Egoismus u. dergl. m.; theils gegen die vor-Kantischen Freiheitstheorien nichts gesagt, was nicht schon ehemals gesagt worden, -- ohne von ihr einen Auszug zu geben, möchte Rec. die Untersuchung nur auf denjenigen Punct lenken, der wenigstens für die Darstellung der Wissenschaft wahren Gewinn verspricht. -- Es ist von mehreren Freunden der kritischen Philosophie erinnert, und von Reinhold einleuchtend gezeigt worden, dass man zwischen ^derjenigen^ Aeusserung der absoluten Selbstthätigkeit, durch welche die Vernunft praktisch ist und sich selbst ein Gesetz giebt, und ^derjenigen^, durch welche der Mensch sich (in dieser Function seinen ^Willen^) bestimmt, diesem Gesetze zu gehorchen oder nicht, sorgfältig zu unterscheiden habe. Dass Hr. Creuzer diese Unterscheidung bald zu beobachten scheint, bald wieder vernachlässigt und mithin in ihrer ganzen Bestimmtheit sie sicher nicht gedacht hat, wollen wir nicht rügen. Aber er nimmt die durch Reinhold, Heydenreich, und zuletzt durch Kant selbst gegebene, im Wesentlichen einstimmige Definition der Freiheit des Willens, dass dieselbe ein Vermögen sey, durch absolute Selbstthätigkeit sich zum Gehorsam oder Ungehorsam gegen das Sittengesetz, mithin zu contradictorisch entgegengesetzten Handlungen zu bestimmen, als gegen das Gesetz des logischen Grundes streitend, in Anspruch. Reinhold -- (denn da es Rec. weniger um die Bestimmung des Verdienstes des Schriftstellers, als um die Bestimmung des bis jetzt fortdauernden Werthes seiner Schrift zu thun ist; so trägt er kein Bedenken, sich auf ein Buch zu beziehen, von welchem ihm, da er den deutschen Mercur nicht bei der Hand hat, unbekannt ist, ob Hr. Creuzer bei Abfassung des seinigen den Inhalt desselben habe benutzen können, oder nicht) -- Reinhold also hat diesen möglichen Einwurf (S. 282 ff. 2. Bd. der Briefe über die Kantische Philosophie) zwar schon im voraus gründlich widerlegt, aber nach Rec. Ueberzeugung, die er mit voller Hochachtung gegen den grossen Selbstdenker gesteht, den Grund des Misverständnisses weder gezeigt, noch gehoben. »Das logische Gesetz des zureichenden Grundes,« sagt Reinhold, »fordert keinesweges für alles, was ^da ist^, eine von diesem Daseyn verschiedene Ursache« -- -- »sondern nur, dass nichts ohne Grund ^gedacht^ werde. Die Vernunft hat aber einen sehr reellen Grund, die Freiheit als eine absolute Ursache zu denken« -- und tiefer unten -- »als ein ^Grundvermögen^, das sich als ein solches von keinem Anderen ableiten, und daher auch aus keinem Anderen begreifen und erklären lässt.« Rec. ist mit dieser Erklärung vollkommen einverstanden; nur scheint ihm der Fehler darin zu liegen, dass man durch anderweitige Merkmale verleitet wird, dieses Vermögen nicht als ein Grundvermögen zu denken. -- Es ist nemlich zu unterscheiden zwischen dem ^Bestimmen^, als freier Handlung des intelligiblen Ich, und dem ^Bestimmtseyn^, als erscheinendem Zustande des empirischen Ich. Die oben zuerst genannte Aeusserung der absoluten Selbstthätigkeit des menschlichen Geistes erscheint in einer Thatsache: in dem Bestimmtseyn des ^oberen Begehrungsvermögens,^ welches freilich mit dem Willen nicht verwechselt, aber ebensowenig in einer Theorie desselben übergangen werden muss; die Selbstthätigkeit giebt diesem Vermögen seine ^bestimmte,^ und ^nur auf Eine Art bestimmbare Form,^ welche als Sittengesetz erscheint. Die von jener zu unterscheidende Aeusserung der absoluten Selbstthätigkeit im ^Bestimmen^ des ^Willens^ erscheint nicht, und kann nicht erscheinen, weil der Wille ursprünglich ^formlos^ ist; sie wird bloss als Postulat des durch jene Form des ursprünglichen Begehrungsvermögens dem Bewusstseyn gegebenen Sittengesetzes angenommen, und ist demnach nicht Gegenstand des Wissens, sondern des Glaubens. Die ^Neigung^ (^propensio^ überhaupt) als ^Bestimmtseyn^ des (oberen oder niederen) ^Begehrungsvermögens^ erscheint; aber nicht das Erheben derselben zum wirklichen ^Wollen.^ Der Wille in der Erscheinung ist nie ^bestimmend,^ sondern ^immer bestimmt,^ die Bestimmung ist schon geschehen; wäre sie nicht geschehen, so erschiene er nicht als ^Wille,^ sondern als ^Neigung.^ Die scheinbare Empfindung des Selbstbestimmens ist keine Empfindung, sondern eine unvermerkte Folgerung aus der Nichtempfindung der bestimmenden Kraft. Insofern der Wille sich »selbstbestimmend« ist, ist er gar kein Sinnen-, sondern ein übersinnliches Vermögen. Aber das ^Bestimmtseyn^ des Willens erscheint, und nun entsteht die Frage: ist jenes für die Möglichkeit der Zurechnung als Vernunftpostulat anzunehmendes Selbstbestimmen zu einer gewissen Befriedigung oder Nichtbefriedigung, ^Ursache^ der ^Erscheinung^ des Bestimmtseyns zu derselben Befriedigung oder Nichtbefriedigung? Beantwortet man diese Frage mit Ja, wie sie Reinhold (S. 284 der angeführten Briefe) wirklich beantwortet (»aus ihren ^Wirkungen,^ durch welche sie unter den ^Thatsachen^ des Bewusstseyns vorkommt, ist mir die Freiheit (des Willens) völlig begreiflich u. s. w.«); so zieht man ein Intelligibles in die Reihe der ^Naturursachen^ herab, und verleitet dadurch, es auch in die Reihe der Naturwirkungen zu versetzen; ein Intelligibles anzunehmen, das kein Intelligibles sey. Wenn man sagt: »wer sich zur Frage berechtigt glaubt, aus welchem ^Grunde^ die ^Freiheit^ sich zu ^A^ und nicht vielmehr zu Nicht-A bestimmt habe, beweist durch einen Cirkel die Nichtigkeit der Freiheit aus ihrer schon vorausgesetzten Nichtigkeit, und wenn er sich recht versteht, aus der Nichtigkeit eines Willens überhaupt:« -- so ist dies freilich sehr wahr erinnert; aber durch die Annahme, dass die Freiheit wenigstens Ursache in der Sinnenwelt seyn könne, hat man ihn unvermerkt in diesen Cirkel hineingezogen. Nur durch die Rückkehr zu dem, was Rec. der wahre Geist der kritischen Philosophie scheint, ist die Quelle dieses Misverständnisses zu verstopfen. Nemlich -- auf das ^Bestimmen^ der absoluten Selbstthätigkeit durch sich selbst (zum Wollen) kann der Satz des zureichenden Grundes gar nicht angewendet werden; denn das ist Eine, und eine einfache, und eine völlig isolirte Handlung; das Bestimmen selbst ist zugleich das Bestimmtwerden, und das Bestimmende das Bestimmtwerdende. Für das ^Bestimmtseyn^ als Erscheinung muss nach dem Gesetze der Naturcausalität ein wirklicher Realgrund in einer vorhergegangenen Erscheinung angenommen werden. Dass aber das Bestimmtseyn durch die Causalität der Natur, und das Bestimmen durch Freiheit ^übereinstimme,^ welches zum Behuf einer ^moralischen Weltordnung^ gleichfalls anzunehmen ist; davon lässt sich der Grund weder in der Natur, welche keine Causalität auf die Freiheit, noch in der Freiheit, welche keine Causalität in der Natur hat, sondern nur in einem höheren Gesetze, welches beide unter sich fasse und vereinige, annehmen: -- gleichsam in einer vorherbestimmten Harmonie der Bestimmungen durch Freiheit mit denen durchs Naturgesetz. (Vergl. Kant, über eine neue Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll, S. 122 ff.) Nicht darin, wie ein von dem Gesetze der Naturcausalität unabhängiges »Ding an sich« sich selbst bestimmen könne, noch darin, dass eine Erscheinung in der Sinnenwelt nothwendig ihren Grund in einer vorhergegangenen Erscheinung haben müsse, sondern darin, wie beide gegenseitig von einander völlig unabhängige Gegenstände zusammenstimmen können, liegt das Unbegreifliche: das aber lässt sich begreifen, warum wirs nicht begreifen können, weil wir nemlich keine Einsicht in das Gesetz haben, das beides verbindet. -- Dass übrigens dies Kants wahre Meinung sey, und dass die in mehrern Stellen seiner Schriften vorkommende Aeusserung, dass die Freiheit eine Causalität in der Sinnenwelt haben müsse, nur ein vorläufig, und bis zur näheren Bestimmung aufgestellter Satz sey, scheint Rec. daraus zu erhellen, dass er zwischen einem empirischen und einem intelligiblen Charakter des Menschen unterscheidet; dass er behauptet, Niemand könne den wahren Grad seiner eigenen Moralität (als welcher sich auf seinen unerkennbaren intelligiblen Charakter gründet) wissen; dass er die Zweckmässigkeit als Princip der, beide Gesetzgebungen verknüpfenden, reflectirenden Urtheilskraft aufstellt (als welche Zweckmässigkeit sich nur durch eine höhere, dritte Gesetzgebung möglich denken lässt). Vorzüglich aber scheint eben dieses in seiner Schrift vom radicalen Bösen (jetzt dem ersten Stücke der ^Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft^) aus seinem Beweise für die Annehmbarkeit eines absolut freien Willens ^aus der Nothwendigkeit der Zurechnung,^ und aus seiner Berufung auf ^einen unerforschlichen höheren Beistand^ (der nicht etwa unseren intelligiblen, bloss durch absolute Selbstthätigkeit zu bestimmenden Charakter statt unserer bestimme, sondern unsern erscheinenden empirischen mit jenen übereinstimmend mache, welches nur kraft jener höheren Gesetzgebung geschehen kann) hervorzugehen. Jene Beweisart und diese Berufung sind so innig mit dem Geiste der kritischen Philosophie verwebt, dass man wirklich sehr wenig mit ihm bekannt seyn muss, um in dieser Philosophie dieselben so abenteuerlich, so wider den gesunden Menschenverstand streitend, und so lächerlich zu finden, als Herr Creuzer sie findet. Es würde ein Leichtes seyn, ihm zu zeigen, dass er selbst zufolge der Prämissen, die er mit der Kantischen Schule annimmt, auch diese Sätze nothwendig annehmen müsse. Von Untersuchung dieser Theorie geht Herr Creuzer zur Prüfung des allen Lesern der A. L. Z. sattsam bekannten Schmidschen intelligiblen Fatalismus über. So sehr diese Theorie, von der speculativen Seite angesehen, ihn befriediget, so klar und einleuchtend thut er dar, dass sie alle Moralität völlig aufhebe. Rec. ist über den zweiten Punct völlig mit ihm einverstanden, und das, was Hr. Prof. Schmid selbst in der Vorrede zu diesem Buche zu seiner Vertheidigung hierüber sagt, hat ihm wenigstens noch ärger, als die Anklage geschienen. Zurechnung, Schuld und Verdienst fällt bei dieser Theorie, nach Hrn. Schmids eigenem Geständnisse, weg; nun wäre es an ihm, zu zeigen, wie man sich dabei noch ein für ^jede^ Handlung, die nach dem Gesetze beurtheilt wird, ^gültiges Gesetz^ denken könne. Die Moralität, welche übrig bleiben soll, ist eben diejenige, welche in den ehemaligen Glückseligkeits- und Vollkommenheitstheorien übrig blieb: gut seyn ist ein Glück, und böse seyn ein Unglück. Ueber den ersteren Punct hören wir Hrn. Schmid selbst. »Man kann den undenkbaren Gedanken, den Nichtgedanken (einer Nothwendigkeit, die nicht Nothwendigkeit ist, eines unbeschränkten Vermögens, das nicht alles vermag, eines Unvermögens, das doch das völligste Vermögen ist, eines nothwendigen Grundes, der nicht nothwendig begründet, eines Individualdinges, das sich wie ein abgezogenes Allgemeinding verhält, also bestimmt und auch unbestimmt ist, endlich einer Unabhängigkeit, die aus einer doppelten Abhängigkeit hervorgeht« [passt denn diese Charakteristik auch auf die Reinholdsche Definition der Freiheit des Willens, oder etwa nur auf diejenige, welche praktische Vernunft und Willen verwechselt?]), »der doch für einen Hauptgedanken gelten soll, von einer Stelle der Theorie an einen anderen Platz hinbringen; man kann ihn aus der Sinnenwelt in die Welt der Noumenen verpflanzen; man kann gewissen anstössigen, und wegen ihrer Bestimmtheit ein wenig unbequemen Formeln aus dem Wege gehen, und bequemere (ich meine lenksamere, unbestimmtere) dafür gebrauchen; man kann endlich neue Vermögen der Willkür erdichten, sie aus ihrer Naturverbindung herausreissen, und so als isolirte Unbestimmtheiten aufstellen« (ganz eigentlich das, wenn man die Ausdrücke nicht ganz genau nimmt, hat Rec. hier gethan, und fragt: ob man das Daseyn eines allgemeingültigen Sittengesetzes anerkennen und consequent seyn, und dennoch das auch nicht thun könne?) -- -- »aber der Widerspruch selbst bleibt, was er war; der Verstand kann nicht denken wider die Gesetze der Möglichkeit alles Denkens.« Und jetzt entscheide das Publicum, ob hier noch ein Widerspruch, oder ob blosse Unbegreiflichkeit vorhanden sey? -- Uebrigens glaubt Rec., dass die Philosophie sich von Hrn. Creuzer, sobald in seine ausgebreitete und mannigfaltige Belesenheit mehr Ordnung, und in seine Geistesthätigkeit mehr Reife gekommen seyn werde, viel Gutes zu versprechen habe. -- B. Gotha, bei Ettinger: Ueber die sittliche Güte aus uninteressirtem Wohlwollen, von Friedrich Heinrich Gebhard. 1792. 290 S. 8. mit Dedic. und Vorber. (Jenaer Allgem. Literatur-Zeitung 1793. N. 304.) Rec. nahm dieses Buch nicht ohne grosse Erwartung zur Hand, da es ihm die Auflösung einer Schwierigkeit zu versprechen schien, die er noch nirgends befriedigend gelöst fand, und von deren Auflösung, wenigstens seiner Ueberzeugung nach, darum nicht minder die Allgemeingültigkeit des Kantschen Moralprincips abhängt; und er war höchst unzufrieden mit sich selbst, dass er bei den Ausdrücken des Verfassers sich so selten etwas Bestimmtes denken konnte, bis ihm endlich durch die Stelle S. 84.: »Das moralische Gefühl besteht in einer Billigung oder ^Misbilligung^ einer ^Wirkung^ der ^praktischen Vernunft;^ denn sonst wäre ja nichts da, was gebilligt oder misbilligt werden könnte. Also ist es kein sittliches Gefühl, was uns zur uninteressirten Thätigkeit treibt, sondern jenes wird erst von dieser (der prakt. Vernunft) und von dem Bewusstseyn derselben erzeugt;« -- auf einmal völlig einleuchtend wurde, wie weit der Verf. selbst vom bestimmten Denken über seinen Gegenstand noch entfernt seyn müsse. Ein Aufsatz im Braunschweiger Journal (Juni 1791), der das von Smith als Moralprincip aufgestellte reine oder uninteressirte Wohlwollen gegen das Kantische Princip in Schutz nahm, war die Veranlassung der ersten drei Abschnitte dieser Schrift. Der erste Abschnitt vertheidigt Kant gegen die Beschuldigung des Journalisten, dass er nicht definirt habe, ^was^ sittlich gut sey, durch die Vorlegung der Kantischen Definition: es sey dasjenige, was man zufolge des mit Nothwendigkeit gebietenden praktischen Vernunftgesetzes ^solle;^ und entwickelt überhaupt das Kantische Moralprincip. Hat etwa der Journalist eine Realdefinition begehrt (denn sollten ihm wohl jene Nominaldefinitionen unbekannt geblieben seyn? --); so hätte ihm Hr. Gebhard befriedigender geantwortet, wenn er ihm gezeigt hätte, ^dass^ und ^warum^ das ^Materiale^ eines bloss ^formalen^ Imperativs sich nicht vorlegen lasse, und dass er mithin in seiner Forderung schon voraussetze, was er durch sie erweisen wolle. Neues hat Rec. unter einem unerschöpflichen Wortreichthume in diesem Abschnitte nichts gefunden, als das, dass der Verf. die allgemeingeltenden Vorschriften des Sittengesetzes nicht für bloss negativ (für Einschränkungen der den Willen bestimmenden Anmaassung des sinnlichen Triebes), sondern für positiv hält; dass es z. B. nach ihm Pflicht ist, nicht -- nie eine Unwahrheit zu sagen, sondern die Wahrheit immer, und in jedem Falle gerade herauszusagen. Der zweite Abschnitt untersucht, ob das reine Wohlwollen Princip der Moral seyn könne. Dass eine solche Untersuchung nicht aus bestrittenen Kantischen Prämissen, sondern aus solchen, die sein Gegner mit ihm gemeinschaftlich annimmt, geführt werden müsse, scheint der Verf., nach einer Stelle zu urtheilen, gefühlt zu haben; ob er diesem Gefühle gefolgt sey, wird sich zeigen. »Ein reines Wohlwollen sey ein uninteressirtes. Interesse sey rein oder pathologisch. Das letztere entstehe aus dem sinnlichen Triebe, und könne hier nicht gemeint seyn. Das erstere sey das durch die Gesetzgebung der praktischen Vernunft erzeugte, und könne ebensowenig gemeint seyn; denn sonst wäre ja dieses System mit dem Kantischen nicht im Widerspruche.« -- Dawider kann nun der Gegner die gegründete Einwendung machen: er nehme allerdings mit Kant eine uneigennützige (nicht auf Befriedigung des sinnlichen Triebes ausgehende) Neigung an; sein Wohlwollen gründe sich ebensowenig auf ein Interesse, als das Kantische obere Begehrungsvermögen; aber es bringe, ebenso wie dieses, eines hervor: nur leite er dieses zugestandene Gefühl keinesweges von einer absoluten Selbstthätigkeit des menschlichen Geistes ab, sondern halte es für einen Grundtrieb des Gemüths, der sich von keinem höheren Vermögen ableiten, noch daraus erklären lasse. Um zu zeigen, dass ein solches uninteressirtes Wohlwollen, wie er dem Gegner andichtet, überhaupt nicht möglich sey, verwechselt der Verf. kurz darauf ^Interesse,^ geistiges Wohlgefallen an der blossen Vorstellung von dem Daseyn eines Gegenstandes, mit ^Vergnügen,^ Lust an dem durch Empfindung als wirklich gegebenen Gegenstande: »wenn der Gegenstand unseres wohlwollenden Triebes realisirt würde, so würden wir nicht ermangeln, ein wirkliches Vergnügen zu empfinden, mithin sey unser Wohlwollen doch (pathologisch) interessirt.« Empfindet denn, kann ihn hier der Gegner fragen, der durch das praktische Vernunftgesetz Bestimmte kein Vergnügen, wenn er den Gegenstand seiner Willensbestimmung als realisirt empfindet? »Aber,« lässt er bald darauf den Gegner richtig antworten, »die Vorstellung dieses Vergnügens soll nur nicht der bestimmende Grund des Willens seyn.« Aber was denn? die Vernunft? so ist der Gegner ein Kantianer. Der Trieb selbst? Das kann Hr. Gebhard nicht einsehen. Von einem Dritten, das den Willen bestimmen könnte, einer absoluten Selbstthätigkeit, ist im ganzen Buche nicht die Rede. Nach diesen Vorübungen setzt endlich Hr. Gebhard den wahren Streitpunct sehr richtig so fest: Soll man der Vernunft oder dem reinen Wohlwollen das Primat zuerkennen? Hier entspinnt sich zuerst eine ermüdende langweilige Erörterung, dass die Vernunft, »wenn man sie auch etwa für die bloss theoretische Vernunft anerkennen wolle« (?), doch über die Anwendbarkeit des Princips des Wohlwollens auf bestimmt gegebene Fälle Richterin seyn müsse. Rec. sollte meinen, das wäre überhaupt nicht die Vernunft (das Vermögen ^ursprünglicher^ Gesetze), sondern die Urtheilskraft, die im Systeme seines Gegners hierunter das durch jenes wohlwollende Gefühl aufgestellte Gesetz (welches der Verstand in eine logische Formel zu bringen hätte) subsumiren würde; und dann -- muss denn nicht dieselbe Urtheilskraft auf dieselbe Art auch unter das praktische Vernunftgesetz subsumiren? Und nun endlich kömmt der Verf. zu dem, was er den Beweis nennt, dass der Vernunft, und zwar der praktischen Vernunft, das Primat über das reine Wohlwollen zukomme. »Warum kann man denn den Werth oder Unwerth des uninteressirten Wohlwollens nicht ebensogut, wie tausend andere Fragen, unentschieden lassen?« (Ist sein Gegner consequent, so läugnet er ihm die Befugniss zu einer solchen Frage geradezu ab: ist ihm der Werth dieses Wohlwollens absolut derjenige, nach welchem jeder andere Werth beurtheilt, welcher selbst aber nach keinem andern beurtheilt wird.) -- »Entschieden ^muss^ werden, weil es hier auf Handeln und auf fehlerlose Richtigkeit des Handelns ankömmt. Nothwendigkeit des Handelns, verbunden mit dieser Regelmässigkeit desselben, ist aber hier noch nicht Sache des Wohlwollens; denn hierüber ist eben erst die Frage; sondern der Vernunft, und zwar nicht der theoretischen, sondern der praktischen.« Versteht Rec. diese Worte, so sagen sie so viel: das Wohlwollen kann nicht absolut erstes Gesetz des Handelns seyn; ich will hier einmal nach einem höheren Grunde fragen; mithin giebt es einen solchen höheren Grund: diesen höheren Grund will ich Vernunft, und zwar nicht theoretische, sondern praktische Vernunft nennen; mithin -- u. s. f. »Und so ist denn,« fährt Hr. Gebhard in Schwabacher Schrift fort, »die Subordination des uninteressirten Wohlwollens unter die praktische Vernunft klar erwiesen?« -- Ja wohl, wenn schon vorher angenommen war, dass die Vernunft auch praktisch seyn könne, und auch wirklich sey. Und was heisst denn Vernunft überhaupt; und wie ist denn insbesondere die praktische von der theoretischen unterschieden? Rec. hat im ganzen Buche vergebens nach einer Spur gesucht, woraus hervorginge, dass der Verf. auch nur eine leise Ahnung habe, was Vernunft überhaupt, und was praktische Vernunft in der kritischen Philosophie bedeute; vielmehr hat er dieses Wort bald für Verstand, bald für Urtheilskraft, bald für Willen, und endlich gar für sittliches Gefühl, kurz fast für alles gebraucht gefunden, was dem Verf. unter die Feder kam. -- »Das Princip des uninteressirten Wohlwollens sey unbestimmt. Uninteressirt sey ein unbestimmter Begriff.« ^Uninteressirt,^ wie es oben erklärt worden, ist ein negativer Begriff, aber kein unbestimmter; er erhält seine Bestimmung in der Erfahrung von dem ihm entgegengesetzten ^interessirt^ (durch sinnlichen Trieb zur Neigung bestimmt). »Wohlwollen beziehe sich auf Glückseligkeit, und werde durch die Unbestimmbarkeit dieses Begriffs auch unbestimmbar.« Theoretisch wohl, aber nicht als Princip der Willensbestimmung, wenn diesem nicht die hervorzubringende, sondern bloss die rein zu berichtigende Glückseligkeit als Zweck aufgestellt wird. Ein Wille, der Glückseligkeit ausser sich wirklich machte, wäre in diesem Systeme legal; einer, dessen Triebfeder nur lediglich die Vorstellung dieses Zweckes gewesen wäre, wäre moralisch. Hr. Gebhard macht die Bestreitung dieses Systems sich noch ferner bequem, indem er die Unterscheidung der eigenen von der fremden Glückseligkeit in das Princip aufnimmt, und es nun, wie natürlich, bei der Anwendung in Widerstreit mit sich selbst gerathen lässt. Aber ein consequenter Vertheidiger desselben wird den Grund dieser Unterscheidung bloss in der interessirten sinnlichen Neigung aufsuchen, und für das uninteressirte Wohlwollen Glückseligkeit überhaupt, ohne Rücksicht auf das Subject derselben, zum Objecte aufstellen. »Dies Princip sey ferner unverständlich. Ein Princip müsse vernünftig gedacht, besonnen seyn.« Das heisst entweder: es muss für die Wissenschaft sich in einer bestimmten Formel aufstellen lassen (und warum liesse sich denn das Bestrittene nicht in der Formel aufstellen: die Hervorbringung der, deinem besten Wissen nach, möglichst grössten Summe der Glückseligkeit in der empfindenden Welt sey höchster Endzweck deiner freien Handlungen?), oder: es muss in dieser bestimmten Formel dem Bewusstseyn beim Bestimmen des Willens vorschweben; und der Verf. besteht besonders auf dem letzteren. Aber warum könnte es denn in jener Formel das nicht, wenn es müsste? oder warum müsste es denn? Wird denn nicht auch das praktische Vernunftgesetz dem Bewusstseyn bloss durch ein Gefühl gegeben; und ist denn keine Handlung rein moralisch, die sich bloss auf dieses Gefühl, und nicht auf eine klare, deutliche und vollständige Kenntniss des kategorischen Imperativs gründet? »Der Uebergang eines Gefühls in Handlungen lasse sich nicht begreifen.« Wie mag sich der Verf. doch den Uebergang des auf die praktische Vernunft sich gründenden sittlichen Gefühls in Handlungen begreiflich machen? Hoffentlich haben sowohl Hr. Gebhard, als die Leser an diesen Beweisen der völligen Unfähigkeit dieses Kantianers zur Lösung der aufgeworfenen Streitfrage genug; und überheben Rec. des langweiligen Geschäfts, den Auszug aus einer solchen Schrift fortzusetzen. Dass der Trieb des Wohlwollens, wenn er bei seiner Anwendung auf bestimmte Fälle von der Vorstellung der Glückseligkeit geleitet werden soll, welche erst durch Sinnenempfindung gegeben werden müsste, und in welchem Falle die Formel: was du ^willst^, dass man dir erzeige u. s. f., soviel heissen würde, als: was du durch den sinnlichen Trieb begehrest, was dir angenehm seyn würde, das sollst du u. s. f., nicht Princip der Moral seyn könne, lässt sich schon aus dem Bewusstseyn darthun, vermöge dessen wir manches für moralisch nothwendig anerkennen müssen, das uns doch als die Quelle des höchsten und allgemeinsten Elendes erscheint. Aber diese Beziehung auf Glückseligkeit, durch das handelnde Subject selbst, ist etwas dem Systeme zufälliges. Die Hauptfrage ist die: ob jenes Gefühl des schlechthin Rechten (nicht eines Glückseligkeit beabsichtigenden Wohlwollens), dessen Daseyn im Bewusstseyn der Gegner in seiner ganzen Ausdehnung zugestehen kann, von etwas Höherem, und zwar von einer praktischen Vernunft, abzuleiten sey, oder nicht? Gegen den, der dieses läugnet, kann man sich weder auf eine Thatsache berufen; -- denn was wirklich Thatsache ist, das gesteht er zu, und dass die Vernunft praktisch sey, und durch dieses ihr Vermögen jenes Gefühl bewirke, ist nicht Thatsache: -- noch auf das Gefühl einer moralischen Nothwendigkeit (jenes ^Sollen^), das damit vereinigt ist; denn dies entsteht auch im Kantischen Systeme aus der Bestimmung des oberen Begehrungsvermögens, als oberen, zur Neigung: -- noch auf einen in diesem Systeme stattfindenden Mangel eines Unterscheidungsgrundes zwischen dem sittlichen und widersittlichen Triebe; denn der Vertheidiger desselben kann nur den Grundsatz aufstellen: was sich als allgemein, stets, immer und auf jeden Fall, gültige Maxime für das Subject ohne Widerspruch denken lässt, ist Wirkung des sittlichen Triebes, und was sich, in dieser Allgemeinheit (für das Subject) gedacht, widerspricht, das widerspricht dem Sittlichen; -- denn wenn jenes Gefühl ursprünglich und einfach seyn soll, so kann es sich nicht selbst widersprechen (vom nichtsittlichen, dem animalischen Instincte, ist es freilich nicht zu unterscheiden, aber es soll auch in diesem System nicht davon unterschieden werden; seine Befriedigung ist hier selbst Pflicht): -- noch endlich darauf, dass in demselben jeder Grund, eine Freiheit des Willens anzunehmen, wegfalle; denn wenn eine solche Freiheit keine Thatsache des Bewusstseyns, sondern ein blosses Postulat des als Wirkung der praktischen Vernunft angenommenen Sittengesetzes ist; so behilft ein System, das ihrer nicht bedarf, sich gern ohne dieselbe; das sittliche Gefühl wirkt unwiderstehlich, wo kein Hinderniss seiner Wirkung vorhanden ist. Die eigentliche Moralität wäre freilich vernichtet, und wir wären wieder an die Kette der Naturnothwendigkeit angefesselt, aber die Thatsachen unseres Bewusstseyns wären doch befriedigend und mit höchster Consequenz erklärt, alle Unbegreiflichkeiten des Kantischen Systems gehoben, und jene Moralität eine erweisbare Täuschung. Um jene Triebfeder des schlechthin Rechten mit der übrigen Natur in Zusammenhang zu bringen, und den öfteren Widerstreit derselben mit dem ebenso natürlichen Glückseligkeitstriebe aufzuheben, würden wir auf die Hypothese getrieben: dass jene Triebfeder eine Veranstaltung der Natur sey, um die uns unbekannte Glückseligkeit auch ohne unser Wissen durch uns hervorzubringen, und dass das Rechtthun, wenn auch nicht in unserem gegenwärtigen, oder überhaupt in dem unsrigen, dennoch in irgend einem Verstande letztes Mittel zum höchsten Endzwecke der Natur, der Glückseligkeit, sey. Der wesentliche Unterschied eines solchen Systems vom Kantischen wäre der, dass in jenem das sittliche Gefühl zwar auch Wirkung der Vernunft (als Vermögen ursprünglicher Gesetze) wäre, aber der ^theoretischen^; dass mithin dieses Gesetz durch den Mechanismus unseres Geistes ^bedingt^, und auf alle Fälle, worauf es anwendbar wäre, mit ^Nothwendigkeit^ angewendet würde (die Erscheinung der Unabhängigkeit von ihm, welche allein es von den übrigen Gesetzen der theoretischen Vernunft unterscheiden, und das bei Anwendung jener Gesetze vorhandene Gefühl des Müssens in ein Gefühl des Sollens verwandeln würde, entstände daher, dass die Hindernisse der Anwendung desselben auf Fälle, worauf es anwendbar schiene, nicht ebenso, wie bei jenen, zu unserem deutlichen Bewusstseyn gelangten): in diesem aber dasselbe Wirkung einer Vernunft wäre, welche in dieser Function unter keiner andern Bedingung stände, als unter der Bedingung ihres eigenen Wesens (der absoluten Einheit und mithin Gleichförmigkeit), einer praktischen Vernunft. Dieses letztere nun lässt sich weder für eine Thatsache ausgeben, noch irgend einer Thatsache zufolge postuliren, sondern es muss bewiesen werden. Es muss bewiesen werden, ^dass^ die Vernunft praktisch sey. Ein solcher Beweis, der zugleich gar leicht Fundament ^alles^ philosophischen Wissens (der Materie nach) seyn könnte, müsste ungefähr so geführt werden: der Mensch wird dem Bewusstseyn als Einheit (als Ich) gegeben; diese Thatsache ist nur unter Voraussetzung eines schlechthin Unbedingten in ihm zu erklären; mithin muss ein schlechthin Unbedingtes im Menschen angenommen werden. Ein solches schlechthin Unbedingtes aber ist eine praktische Vernunft: -- und nun erst dürfte mit Sicherheit jenes, allerdings in einer Thatsache gegebene sittliche Gefühl als Wirkung dieser erwiesenen praktischen Vernunft angenommen werden. Der vierte Abschnitt: »ob das höchste Princip der reinen praktischen Vernunft sich mit dem der Glückseligkeit verbinden lasse,« -- ist gerichtet gegen Hrn. Rapps Abhandlung ^über die Untauglichkeit des Princips der allgemeinen und eigenen Glückseligkeit zum Grundgesetze der Sittlichkeit^, Jena, bei Mauke, 1791. Hr. Rapp habe anfangs das Kantische Moralprincip in seiner völligen Reinheit aufgestellt, aber am Ende seiner Schrift sich zu einem Synkretismus der reinen Vernunft- und der Glückseligkeitstheorie hingeneigt. Gleich den ersten Satz, den der Verf. Hrn. Rapps Satze: der sittliche gute Wille sey zwar das höchste Gut, aber deshalb doch nicht der ganze letzte Zweck des Menschen -- entgegengestellt: der sittliche Wille sey nicht nur das Absolutgute, sondern auch das höchste, und zwar das ganze höchste Gut -- könnte man ihm gelten lassen, wenn er unter dem sittlichen Willen nur wirklich den sittlichen ^Willen^ verstände. Da er aber auch hier, wie immer, die praktische Vernunft mit dem eigentlichen Willen verwechselt, so ist klar, dass ihn niemand verstehen kann, weil er selbst sich nicht verstanden hat. Der bescheidene Verf. bittet in der Vorrede nicht um Nachsicht, sondern um eine wohlthätig aufklärende Zurechtweisung, und nach allem scheint es ihm mit dieser Bitte ein Ernst zu seyn. Rec. kann ihm hier bloss den Rath geben, noch eine geraume Zeit über Kants und anderer grosser Selbstdenker Schriften nachzudenken, und wenn er dann ja die Resultate seines Nachdenkens mittheilen, und gelesen seyn will, sich einer grösseren Präcision, und besonders der Einfachheit, in seinem Ausdrucke zu befleissigen. Es ist unangenehm, da, wo man bestimmte Erklärungen erwartet, auf Kräuseleien zu stossen, wie folgende: »Es giebt Charaktere (^sic^) und Handlungen, deren Erhabenheit und Grösse wie ein ewig flammender Strahl von den Zeiten des grauen Alterthums bis zur jüngsten Menschenwelt herableuchtet.« Bruchstücke aus dergleichen Chrien in zierlicher Schreibart schiebt der Verf. ein, wo es sich nur irgend thun lässt. C. Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant. Königsberg, bei Nicolovius. 1795. 104 S. 8. (Philos. Journal Bd. IV. S. 81-92. 1796.) Der Name des grossen Verfassers, das Interesse für die gegenwärtigen und nächstkünftigen politischen Ereignisse, die Parteilichkeit für oder wider gewisse Beurtheilungen derselben, die Begierde zu wissen, wie dieser grosse Mann sie ansehen möge, und wer weiss, welche Gründe noch -- haben ohne Zweifel diese Schrift schon längst in die Hände aller, die die Lectüre lieben, gebracht, und unsere Anzeige käme für die meisten Leser dieses Journals wohl zu spät, wenn sie dieselben erst mit ihrer Existenz bekannt machen wollte. Aber gerade diese Beziehung derselben auf das Interesse des Tages, die Leichtigkeit und Annehmlichkeit des Vortrags, und die anspruchslose Weise, mit welcher die in ihr vorgetragenen erhabenen, allumfassenden Ideen hingelegt werden, dürfte mehrere verleiten, derselben nicht die Wichtigkeit beizumessen, die sie unseres Erachtens hat, und die Hauptidee derselben für nicht viel mehr anzusehen, als für einen frommen Wunsch, einen unmaassgeblichen Vorschlag, einen schönen Traum, der allenfalls dazu dienen möge, menschenfreundliche Gemüther einige Augenblicke angenehm zu unterhalten. Es sey uns erlaubt, auf die entgegengesetzte Meinung aufmerksam zu machen, dass diese Hauptidee doch wohl noch etwas mehr seyn möge; dass sich vielleicht von ihr ebenso streng, als von anderen ursprünglichen Anlagen erweisen lasse, dass sie im Wesen der Vernunft liege, dass die Vernunft schlechthin ihre Realisation fordere, und dass sie sonach auch unter die zwar aufzuhaltenden, aber nicht zu vernichtenden Zwecke der Natur gehöre. Auch sey es uns erlaubt, anzumerken, dass diese Schrift, wenn auch nicht durchgängig die Gründe, doch zum wenigsten die Resultate der Kantischen Rechtsphilosophie vollständig enthält, und sonach auch in wissenschaftlicher Rücksicht äusserst wichtig ist. ^Erster Abschnitt.^ Präliminarartikel zum ewigen Frieden unter Staaten. 1) »Es solle kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffes zu einem künftigen Kriege gemacht worden;« in welchem der schon bekannte oder unbekannte Grund eines künftigen Krieges nicht zugleich mit aufgehoben werde. Ausserdem wäre kein Friede, sondern nur ein Waffenstillstand geschlossen, sagt Kant. Es liegt im Begriff des ^Friedens.^ Durch ihn versetzen sich, glaubt Rec., die Contrahirenden, so gewiss sie contrahiren, überhaupt in ein rechtliches Verhältniss gegeneinander, und vertragen sich nicht nur über das bis jetzt streitige, sondern über alle Rechte, die zur Zeit des Friedensschlusses ein jeder sich zuschreibt. Wogegen nicht ausdrücklich Einspruch geschieht (wodurch aber der Friede aufgehoben würde), das gestehen die Parteien einander stillschweigend zu. 2) »Es solle kein für sich bestehender Staat (klein oder gross, das gelte hier gleichviel) von einem anderen Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können;« -- weil es, so wie die Verdingung der Truppen eines Staates an den anderen, überhaupt gegen den Staatsvertrag laufe; wie ^an sich^ klar ist: -- in Beziehung auf den beabzweckten ewigen Frieden; weil dies eine nothwendige Quelle vieler Kriege gewesen sey, und fortdauernd seyn werde. 3) »Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz aufhören« -- weil sie beständig mit Krieg drohen, und die Errichtung, Vermehrung, Erhaltung derselben oft selbst eine Ursache des Krieges werde. 4) »Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äussere Staatshändel gemacht werden;« -- als ^Erleichterungsmittel der Kriege^ zu verbieten, wie die stehenden Heere, -- auch um des möglichen und zu seiner Zeit unvermeidlichen Staatsbanquerots willen. 5) »Kein Staat solle sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewaltthätig einmischen;« -- nicht etwa unter dem Vorwande des Skandals. Es sey allemal ^scandalum acceptum,^ und die fremde Einmischung selbst ein grosses Skandal. 6) »Es solle sich kein Staat im Kriege mit einem anderen Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind, ^Anstellung der Meuchelmörder, Giftmischer, Brechung der Capitulation, Anstiftung des Verrathes^ in dem bekriegten Staate« u. s. w. -- weil dadurch der Friede unmöglich, und ein ^bellum internecinum^ herbeigeführt würde. Beiläufig wird aufmerksam gemacht auf den Begriff einer ^lex permissiva.^ Sie ist nur möglich dadurch, dass das Gesetz auf gewisse Fälle nicht gehe, -- woraus man, wie Rec. glaubt, hätte ersehen mögen, dass das Sittengesetz, dieser ^kategorische^ Imperativ, ^nicht^ die Quelle des Naturrechts seyn könne, da er ohne Ausnahme und unbedingt gebietet: das letztere aber nur ^Rechte^ giebt, deren man sich bedienen kann, oder auch nicht. Es ist hier nicht der Ort, sich weiter darüber auszulassen. ^Zweiter Abschnitt,^ welcher die Definitivartikel zum ewigen Frieden unter Staaten enthält. -- Alles ist aufgebaut auf die Sätze, die Kant schon ehemals aufgestellt, die nicht geringen Anstoss erregt haben, und deren Prämissen auch hier nicht weiter als durch Winke angedeutet sind: »^Alle Menschen, die aufeinander wechselseitig einfliessen können, müssen zu irgend einer bürgerlichen Verfassung gehören.^« »Jeder hat das Recht, den anderen, den er dazu aufgefordert hat, feindlich zu behandeln; auch ohne dass derselbe ihn vorher beleidigt.« Es sey dem Rec. -- der, bei seinen Untersuchungen über das Naturrecht, aus Principien, die von den bis jetzt bekannten Kantischen unabhängig sind, auf diese und auf die tiefer unten folgenden Kantischen Resultate gekommen, und den Beweis derselben gefunden, auch sie öffentlich vorgetragen hat, ehe dieses Buch in seine Hände gekommen, -- erlaubt, einige Worte hinzuzusetzen, um vorläufig die Befremdung, die bei der herrschenden Denkart diese Sätze erregen müssen, ein wenig zu mildern. Nur inwiefern Menschen in Beziehung aufeinander gedacht werden, kann von Rechten die Rede seyn, und ausser einer solchen Beziehung, die sich aber dem Mechanism des menschlichen Geistes zufolge von selbst und unvermerkt findet, weil die Menschen gar nicht isolirt seyn können, und kein Mensch möglich ist, wenn nicht mehrere bei einander sind, ist ein Recht nichts. Wie können freie Wesen, als solche, bei einander bestehen? ist die oberste Rechtsfrage; und die Antwort darauf: wenn jeder seine Freiheit so beschränkt, dass neben ihr die der anderen auch bestehen kann. Die Gültigkeit dieses Gesetzes ist sonach bedingt durch den Begriff einer Gemeinschaft freier Wesen; sie fällt weg, wo diese nicht möglich ist, sie fällt weg gegen jeden, der in eine solche Gemeinschaft nicht passt, und es passt keiner hinein, der sich diesem Gesetze nicht unterwirft. Ein solcher hat mithin gar keine Rechte, er ist rechtlos. -- So lange Menschen nebeneinander leben, ohne anders, als vermittelst der gegenseitigen Erkenntniss aufeinander einzufliessen, ist es von beiden problematisch, ob sie jenem Gesetze sich im Herzen unterwerfen, oder nicht. Da jeder von dem anderen ebensowohl das letztere annehmen kann, als das erstere, so kann er vor demselben nie sicher seyn; auch schon darum nicht, weil der andere ebensowenig weiss, ob er sich dem Gesetze unterwerfe, und demzufolge Rechte habe, oder rechtlos sey. Es muss jedem Angelegenheit seyn, dem anderen seine Anerkenntniss des Rechtsgesetzes zu erklären, sich von seiner Seite die seinige von ihm zusichern, und, da keiner dem anderen vertrauen kann, sie sich von ihm ^garantiren^ zu lassen; welches lediglich durch die Vereinigung mit einem gemeinen Wesen möglich ist, in welchem jeder durch Zwang verhindert wird, das Recht zu verletzen. Wer diesen Vorschlag nicht annimmt, erklärt dadurch, dass er dem Rechtsgesetze sich nicht unterwerfe, und wird völlig rechtlos. »Alle rechtliche Verfassung ist sonach (nach Kant), in Absicht der Personen, die darin stehen: 1) die nach dem ^Staatsbürgerrechte^ der Menschen in einem Volke (^jus civitatis^); 2) nach dem ^Völkerrechte^ der Staaten im Verhältniss gegeneinander (^jus gentium^); 3) die nach dem ^Weltbürgerrechte^, sofern Menschen und Staaten, in äusserem aufeinander einfliessendem Verhältnisse stehend, als Bürger eines allgemeinen Menschenstaates anzusehen sind (^jus cosmopoliticum^).« Es giebt sonach, wie jeder daraus leicht folgern kann, nach Kants Lehre gar kein eigentliches Naturrecht, kein rechtliches Verhältniss der Menschen, ausser unter einem positiven Gesetze und einer Obrigkeit; und der Stand im Staate ist der einzige wahre Naturstand des Menschen: -- alles Behauptungen, die sich unwidersprechlich darthun lassen, wenn man den Rechtsbegriff richtig deducirt. ^Erster Definitivartikel. »Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch seyn.^« -- Diese Verfassung sey die einzig rechtliche an sich, dem Staatsbürgerrechte nach, und führe den ewigen Frieden herbei, der durch das Völkerrecht gefordert werde: indem nicht zu erwarten sey, dass die Bürger über sich selbst die Drangsale des Krieges beschliessen werden, die ein Monarch, ohne für sich das geringste dabei zu verlieren, so leicht über sie beschliesst. Die ^Republik^ sey von der ^Demokratie^ wohl zu unterscheiden. Die letztere sey diejenige Verfassung, in welcher das Volk in eigener Person die executive Gewalt ausübt, mithin immer Richter in seiner eigenen Sache ist, welches eine offenbar unrechtmässige Regierungsform sey: der Republikanism diejenige, in welcher die legislative und executive Macht getrennt (ob nun die letztere an Eine Person, oder an mehrere übertragen), mithin das Repräsentationssystem eingeführt sey. Dem Rec. hat diese vorgeschlagene Trennung der legislativen von der executiven Macht immer nicht bestimmt genug, wenigstens manchen Misdeutungen ausgesetzt, geschienen. Er glaubt, dass diejenige Macht, die der executiven entgegenzusetzen ist, einer näheren Bestimmung fähig sey. Er hat, wenn es ihm erlaubt ist, seine Darstellung der Kantischen hinzuzufügen, die Sache so gefunden -- das höchste Rechtsgesetz ist durch die reine Vernunft gegeben: jeder beschränke seine Freiheit so, dass neben ihm alle übrigen auch frei seyn können. ^Wie weit^ eines jeden Freiheit gehen solle, d. h. über das Eigenthum im allerweitesten Sinne des Wortes, müssen die Contrahirenden sich vergleichen. Das Gesetz ist nur ^formal, dass^ jeder seine Freiheit beschränken soll, aber nicht ^material, wie weit^ sie jeder beschränken solle. Hierüber müssen sie sich vereinigen. Aber dass überhaupt jeder darüber etwas declarire, fordert das Gesetz. Die höchste Formel für alle möglichen Strafgesetze ist durch reine Vernunft gleichfalls gegeben: jeder muss von seiner Freiheit gerade so viel wagen, als er die des anderen zu beeinträchtigen versucht ist. Die Menge der Menschen, die sich im Staate vereinigen, der Bezirk, den sie einnehmen, und die Nahrungszweige, die sie bearbeiten, giebt also immer das positive Gesetz für den Staat, den sie errichten; und jeder kann ihnen ihr bestimmtes positives Gesetz aufstellen, dem man nur jene Data giebt. Alle, so wie sie in diesen bestimmten Staat treten wollen, sind verbunden, dieses bestimmte Gesetz anzuerkennen, und es bedarf da keiner Sammlung der Stimmen. Jeder hat nur zu sagen: ich will in diesen Staat treten; und er sagt damit alles. Die Gemeine darf das Zwangsrecht nicht unmittelbar durch sich selbst ausüben, denn sie würde dadurch Richter in ihrer eigenen Sache, welches nie erlaubt ist. Sie muss sonach die Ausübung desselben, es sey einem Einzelnen oder einem ganzen Corps, übertragen, und wird durch diese Absonderung erst ^Volk^ (^plebs^). Dieses gewalthabende Corps kann zu nichts verbunden werden, als nur schlechtweg was Rechtens ist in Ausübung zu bringen. Dafür ist es ^verantwortlich^, und die allgemeinen und besonderen Anwendungen der Regel des Rechts auf bestimmte Fälle bleiben ihm sonach billigerweise überlassen. Es ist inappellabel; alle Privatpersonen sind ihm ohne Einschränkung unterworfen, und jede Widersetzlichkeit gegen dasselbe ist Rebellion. Wie es das Recht verwalte, darüber ist nur das Volk Richter, und es muss das Urtheil hierüber sich schlechthin vorbehalten. Aber so lange jenes Corps im Besitze seiner Gewalt ist, giebt es kein Volk, sondern nur einen Haufen von Unterthanen; und kein einzelner kann sagen: das Volk soll sich als Volk erklären, ohne sich der Rebellion schuldig zu machen, und die executive Gewalt wird das nie sagen; das Volk könnte nur sich selbst constituiren, aber es kann sich nicht constituiren, wenn es nicht ist. Es müsste sonach der executiven Gewalt ein anderer Magistrat, ein ^Ephorat^, an die Seite gesetzt werden, der -- sie nicht ^richtete^, -- aber, wo er Freiheit und Recht in Gefahr glaubte, immer auf seine eigene Verantwortung, ^das Volk zum Gericht über sie beriefe^. ^Zweiter Definitivartikel.^ »Das Völkerrecht solle auf einem ^Föderalism^ freier Staaten gegründet seyn.« -- Es giebt kein Völkerrecht zum Kriege. Recht ist Friede. Der Krieg ist überhaupt kein rechtlicher Zustand, wäre dieser zu erhalten, so wäre kein Krieg. -- Wir begnügen uns auch nur mit Winken dies anzuzeigen, wie Kant. Es hat wohl nie eine ungereimtere Zusammensetzung gegeben, als die eines ^Kriegsrechts^. Es könne für Staaten, um in Beziehung aufeinander aus dem gesetzlosen Zustande des Krieges herauszugehen, kein anderes Mittel geben, als dasselbe, welches es für einzelne giebt: dass sie sich, so wie diese zu einem Bürgerstaate, sie zu einem Völkerstaate vereinigen, in welchem ihre Streitigkeiten untereinander nach positiven Gesetzen entschieden werden. -- Dies ist allerdings die Entscheidung der reinen Vernunft, und der von Kant vorgeschlagene Völkerbund zur Erhaltung des Friedens ist lediglich ein Mittelzustand, durch welchen die Menschheit zu jenem grossen Ziele wohl dürfte hindurchgehen müssen; so wie ohne Zweifel die Staaten auch erst durch Schutzbündnisse einzelner Personen unter sich entstanden sind. ^Dritter Definitivartikel.^ »Das ^Weltbürgerrecht^ solle auf Bedingungen der allgemeinen ^Hospitalität^ eingeschränkt seyn;« -- d. h. auf das Recht jedes Menschen, um seiner blossen Ankunft willen auf dem Boden eines anderen Staates, nicht feindselig behandelt zu werden; wozu nach den Grundsätzen des blossen Staatsrechts der Staat allerdings das vollkommenste Recht hätte. ^Zusatz. Von der Garantie des ewigen Friedens.^ -- Wenn sich nun gleich zeigen lässt (wie es sich zeigen lässt), dass die Idee des ewigen Friedens, als Aufgabe, in der reinen Vernunft liege: wer steht uns denn dafür, dass sie mehr als ein blosser Begriff werden, dass sie in der Sinnenwelt werde realisirt werden? Die Natur selbst, antwortet Kant, durch die nach ihrem Mechanism geordnete Verbindung der Dinge. Nach den drei Arten des rechtlichen Verhältnisses hatte die Natur dreierlei Zwecke sich vorzusetzen. ^Zuvörderst^, nach dem Postulate des Staatsbürgerrechts, den: die Einzelnen zur Vereinigung in Staaten zu treiben. Würde auch nicht die innere Mishelligkeit, so würde doch der Krieg von aussen, der gleichfalls in dem Plane der Natur lag, die Menschen genöthiget haben, ihre Macht zu vereinigen. Dass die Form dieser Vereinigung der allein recht- und vernunftmässigen sich immer mehr nähere, dafür ist durch das allgemeindrückende der Ungerechtigkeit und Gewaltthätigkeit gesorgt, so dass die Menschen endlich durch ihren eigenen Vortheil werden gezwungen werden, zu thun, was Rechtens ist. ^Dann^, nach dem Postulate eines Völkerrechts, den: die Völker voneinander abzusondern, welches durch die Verschiedenheit der Sprachen und Religionen befördert wurde, wodurch zwar anfangs der Krieg erzeugt, endlich aber doch durch das entstandene Gleichgewicht ein beständiger Friede hervorgebracht werden muss; wozu ^drittens^ der Handelsgeist, der auf den Eigennutz eine Sicherheit gründet, die das Weltbürgerrecht schwerlich hervorgebracht haben würde, beiträgt. Es sey dem Rec. erlaubt, zur Erläuterung hinzuzusetzen, wie er selbst die Sache ansieht. -- Die allgemeine Unsicherheit, welche jede rechtswidrige Constitution mit sich führt, ist allerdings so drückend, dass man glauben sollte, die Menschen müssten schon längst durch ihren eigenen Vortheil, welcher allein die Triebfeder zur Errichtung einer rechtmässigen Staatsverfassung seyn kann, bewogen worden seyn, eine solche zu errichten. Dies ist bisher nicht geschehen; die Vortheile der Unordnung müssen sonach noch immer die der Ordnung im allgemeinen überwiegen; ein beträchtlicher Theil der Menschen muss bei der allgemeinen Unordnung noch immer mehr gewinnen als verlieren, und denjenigen, die nur verlieren, muss doch noch die Hoffnung übrig seyn, auch zu gewinnen. So ist es. Unsere Staaten sind für Staaten insgesammt noch jung, die verschiedenen Stände und Familien haben sich im Verhältniss aufeinander noch wenig befestigt, und es bleibt allen die Hoffnung, durch Beraubung der anderen sich zu bereichern; die Güter in unseren Staaten sind noch bei weitem nicht alle benutzt und vertheilt, und es giebt noch so vieles zu begehren und zu occupiren, und endlich, wenn auch zu Hause alles aufgezehrt seyn sollte, eröffnet die Unterdrückung fremder Völker und Welttheile im Handel eine stets fliessende, ergiebige Hülfsquelle. So lange es so bleibt, ist die Ungerechtigkeit bei weitem nicht drückend genug, als dass man auf die allgemeine Abschaffung derselben sollte rechnen können. Aber sobald der Mehrheit die sichere Erhaltung dessen, was sie hat, lieber wird, als der unsichere Erwerb dessen, was andere besitzen, tritt die recht- und vernunftmässige Constitution ein. Auf jenen Punct nun muss es endlich in unseren Staaten kommen. Durch das fortgesetzte Drängen der Stände und der Familien untereinander müssen sie endlich in ein Gleichgewicht des Besitzes kommen, bei welchem jeder sich erträglich befindet. Durch die steigende Bevölkerung und Cultur aller Nahrungszweige müssen endlich die Reichthümer der Staaten entdeckt und vertheilt werden; durch die Cultur fremder Völker und Welttheile müssen doch diese endlich auch auf den Punct gelangen, wo sie sich nicht mehr im Handel bevortheilen, und in die Sklaverei wegführen lassen, so dass der letzte Preis der Raubsucht gleichfalls verschwinde. Zwei neue Phänomene in der Weltgeschichte bürgen für die Erreichung dieses Zweckes: der auf der anderen Hemisphäre errichtete blühende nordamericanische Freistaat, von welchem aus sich nothwendig Aufklärung und Freiheit über die bis jetzt unterdrückten Welttheile verbreiten muss; und die grosse europäische Staatenrepublik, welche dem Einbruche barbarischer Völker in die Werkstätte der Cultur einen Damm setzt, den es in der alten Welt nicht gab, dadurch den Staaten ihre Fortdauer, und eben dadurch den Einzelnen das nur mit der Zeit zu erringende Gleichgewicht in denselben garantirt. So lässt sich sicher erwarten, dass doch endlich ein Volk das theoretisch so leicht zu lösende Problem der einzig rechtmässigen Staatsverfassung in der Realität aufstellen, und durch den Anblick ihres Glückes andere Völker zur Nachahmung reizen werde. Auf diese Weise ist der Gang der Natur zur Hervorbringung einer guten Staatsverfassung angelegt: sobald aber diese realisirt ist, erfolgt unter den nach diesen Grundsätzen eingerichteten Staaten das Verhältniss des Völkerrechts, der ewige Friede von selbst, weil sie bei dem Kriege nur verlieren können; dahingegen vor Erreichung des ersten Zweckes an die Erreichung des zweiten nicht zu denken ist, indem ein Staat, der in seinem Innern ungerecht ist, nothwendig auf Beraubung der Nachbarn ausgehen muss, um seinen ausgesogenen alten Bürgern einige Erholung zu geben, und neue Hülfsquellen zu eröffnen. Der Anhang ^über die Mishelligkeit zwischen der Moral und der Politik, in Beziehung auf den ewigen Frieden^, enthält eine Menge treffend gesagter Wahrheiten, deren reifliche Beherzigung jeder, dem Wahrheit und Geradheit am Herzen liegt, wünschen muss. Poesien und metrische Uebersetzungen. (Meist ungedruckt.) A. Das Thal der Liebenden. Eine Novelle.[39] In der anmuthigsten Gegend der Veltelin, ohnweit der Grenze von Italien, liegt ein kleines Thal, das Thal der Liebenden genannt. Haine von Lorbeeren und Pomeranzen und Citronen, die ohne Pflege wachsen, erfüllen es, und duften Sommer und Winter die angenehmsten Gerüche: in der Mitte desselben ist ein kleines Myrtenwäldchen, und im Myrtenwäldchen ein grosser Grabhügel, von immer blühenden Rosen umgeben. Vom hohen waldigen Gebirge bedeckt, von Felsen eingezäunt, erblickt es selten das Auge eines Sterblichen, verirrt dahin sich selten der Fuss des Wanderers. Nur wenige sind hineingekommen. Ein geistiges Wehen, wie Küsse eines Engels, fühlten sie an ihren Wangen; eine sanfte Wehmuth erfüllte ihre Seele; unvermerkt enttröpfelten ihren Augen Thränen, und das war ihnen so süss! Die Bilder ihrer verstorbenen Freunde oder Geliebten gingen vor ihrer Seele vorüber, und Ahnungen von Wiedersehen, Vorgefühle des ewigen Lebens erfüllten sie, wenn sie auf dem Grabeshügel im Myrtenwäldchen fünf Flämmchen blinken sahen, Symbole wiedervereinigter Treue nach dem Tode. Einst drang ein Landvogt auf der Jagd einem verwundeten Rehe nach, das hieher seine Zuflucht genommen hatte, in das Thal ein. Bangigkeit und Angst überfiel ihn, kalter Schweiss rollte über seine Stirn herab, er musste den geweihten Boden verlassen. [Fußnote 39: Geschrieben zu Zürich im Jahre 1786 oder 1787. -- Man vergleiche die Vorrede S. XVI.] In diese Gegenden hatte sich vor Jahrhunderten, erzählen die Hirten, ein junger Ritter verirrt. Im hohen Walde verloren, ermattet und hungrig, erblickte er durch die Nacht hin von ferne ein Feuer. Es waren Hirten, die bei ihrem Vieh wachten. Sie theilten willig mit ihm ihre geringe Kost, und er wärmte sich an ihrem Feuer. -- »Wie es dort wieder im Gebüsch heult!« sagte der eine, der jetzt eben zu ihnen hinzukam; »wie der Geist des armen Einsiedlers wieder winselt und ächzt! weiss Gott, die Haut schauert mir allemal, wenn ich da vorbeigehe.« -- »Mir auch, sagte der andere, ich mache lieber einen Umweg von einer Stunde. Und es war doch ein so guter frommer Mann, der Einsiedler: betete so fleissig, grüsste jedes Kind so freundlich, und wies zurechte und half. Weisst du noch, wie er mir den kranken Fuss heilte, den ich mir beim Herabstürzen von jenem Felsen zerquetscht hatte?« -- »Und wie er mir meine verirrten Lämmer wiederbrachte? Ach! wie wird es erst unser einem einmal gehen? Komm, wir wollen ein Vaterunser für seine arme Seele beten.« Wehmuth und Mitleiden erfüllten den Ritter. -- »Kommt, führet mich an den Ort.« Sie führten ihn hin. Es war eine trübe Nacht; der Wind sausete durch den Busch dem Ritter entgegen; es winselte und ächzte dumpf im Gebüsch. -- »Wer du auch seyest, unglückliche Seele, die im Fegefeuer leidet; können Gaben oder Seelenmessen, oder das Gebet irgend eines Sterblichen deine Qualen lindern, so entdecke dich mir: meine Seele liebt und bedauert dich,« sagte der Ritter, und plötzlich stieg unter dem Hügel eine Gestalt hervor. Ein langer Bart wallte ihm herab bis auf den Gürtel; sein Auge war eingefallen und erloschen, seine Wange abgewelkt, nagender Kummer war über sein Gesicht verbreitet; aber durch die dicke Wolke des Grams, die auf ihm lag, blickte ein einziger schwacher Zug von Ruhe und entfernter Hoffnung hindurch. Sein Anblick erfüllte die Seele mit Mitleid, aber nicht mit Grauen. »Jüngling,« so redete der Geist, »schaudere nicht vor mir zurück! Noch sind es nicht zehn Jahre, so war ich ein Ritter, jung und feurig, und mannhaft wie du -- solltest du nie den Namen Rinaldo gehört haben? -- und ach! wie glücklich! Nicht umsonst vielleicht führte dich das Schicksal zu meiner Gruft, die noch nie ein Sterblicher so in der Nähe betrat. Höre die Geschichte meiner Leiden, und beklage mich.« »In meinen ersten Jünglingsjahren, jeder Tropfen Bluts in mir Feuer, und jede Nerve Kraft, kam ich an den Hof nach Paris. In jedem Turnier war der Preis für mich. Ich gefiel; die Ritter verleumdeten mich, und die Damen sprachen nur unter sich allein von mir. Einer der schönsten Tage meines Lebens war der Vermählungstag der Königstochter. Aus allen Ländern der Franken hatte die Krone der Ritter sich versammelt zum feierlichen Turnier. Wir kämpften drei Tage, und ich war Sieger. Die neidischen Blicke der Ritter und das laute Zujauchzen des Volkes von den Schranken her, beides war mir gleich festlich. Im Taumel der Freude sah ich rund um mich her, um alle Blicke des Beifalls einzusaugen, und sahe in der ersten Reihe in den Schranken ein Fräulein; ihr trübes schwimmendes Auge zur Erde gesenkt, ihr Haupt nach einer Seite geneigt, wie eine Lilie vor der Sonnenhitze sich herabbeugt; Ernst und tiefes Nachdenken in ihren sanften schwärmerischen Zügen. Kein fröhliches Händeklatschen, kein Lächeln, kein verlorener Seitenblick auf mich; -- sie allein unter den Tausenden, die sie umgaben, kalt und ernsthaft! -- Ich ward tief herabgeschleudert. -- Warum verachtet sie dich? eben sie, die vollkommenste unter den Mädchen?« »Ein Tanz beschloss den Tag. Alle drängten sich zu dem Sieger, stolz an seiner Seite die Reihen durchzuwallen, seine Blicke aufzufangen, und er suchte die in einem Winkel verborgene Verächterin. Sie flog mir entgegen, -- und auf einmal, wie aufgehalten, schien sich ihr unwilliger Fuss zu sträuben. Schüchtern und verscheucht tanzte sie; riss sich los, entfernte sich, tanzte mit andern, und feuriger. Sie verachtet dich, tönte es im Innersten meiner Seele, aber warum? -- Ich hätte mich selbst verachten mögen. -- Jetzt empörte sich beleidigter Stolz, sie zu meiden; jetzt sprach Liebe und Neugier, sie zu suchen. Ich schwur mir tausendmal, sie nie wieder zu sehen, und ging den ersten Morgen an einen Ort, wo ich sie zu finden hoffte. Sie war heiter bei meiner Ankunft; ihre Stirn umwölkte sich, sobald sie mich sah. So war sie immer.« »Ich beschloss, Paris zu verlassen, und sie nie wieder zu sehen. Ich beurlaubte mich vom Hofe. Schon war ich die Stufen herabgestiegen, als die Zofe mir ein Blatt folgenden Inhalts in die Hand drückte: »»Dank euch, edler Ritter, dass ihr Paris verlasset, und durch eure Entfernung einer Unglücklichen die Ruhe wiedergebt, die eure Gegenwart ihr raubte: ein Geständniss, das während derselben keine irdische Macht mir würde entrissen haben. Würdiget Eures Andenkens, Eurer Thränen, Eures Gebets die unglückliche Maria.«« »Wonnegefühl engte meine Brust, ich musste ihr Luft machen. Ich eilte auf den Flügeln der Liebe zu ihr. Ich fand sie nicht; -- Unmuth ergriff mich. Die Falsche, sie lockt mich an, und stösst mich wieder zurück! -- Ich konnte nach meinem Abschiede vom Hofe nicht mehr öffentlich erscheinen; stellte mich krank, um einen Vorwand für mein längeres Bleiben zu haben; und wards vor Liebe und Schmerz. Verlangen nach ihr gab mir das Leben wieder. Ich ging, und überraschte sie in einer einsamen Laube. Sie sass über einer Stickerei, in Trübsinn versunken. Noch ehe sie mich erblickte, lag ich zu ihren Füssen. -- »»Verlasst mich, grossmüthiger Ritter, rief sie: verlasst die Gegend, in der ich lebe. O das unselige Geständniss! warum musste es sich doch aus diesem Herzen heraufdrängen, das bei Euch nur einer flüchtigen Neigung zu begegnen fürchtete!«« Ich besänftigte sie. Bebend hörte sie meine Schwüre, auf ewig der ihrige zu seyn; bebend empfing sie meine heissen Küsse. Ein trauriges Vorgefühl schien ihre Seele zu durchschauern.« »Ihr Herz war offener; es kämpfte noch, aber es unterlag allmählig dem Gefühle der Liebe. Ich sah sie öfters in dieser Laube. Ein feindlicher Dämon gab mir ein, es gehöre unter die Trophäen eines Ritters, die Unschuld zu morden. Es war die Moral, die bei festlichen Gelagen oft an der Tafel meines Vaters ertönt hatte. -- In süsse Schwärmereien versunken, überraschte uns einst die schönste Sommernacht in unserer lieben Laube. Ich bestürmte ihre Tugend, und ich merkte mit jeder Minute ihren Widerstand schwächer werden. Schon glaubte ich gesiegt zu haben, als sie in Thränen zerfliessend meine Füsse umschlang. -- »Mann mit der stärkeren Seele, schluchzte sie, schone die schwächere weibliche. Siehe, ich bin in deiner Gewalt; du kannst der Schwachen, die jetzt ihr Leben für dich verbluten würde, das rauben, was ihr mehr ist als das Leben; aber schone der Armen, sey grossmüthig und thu' es nicht.« -- Kalter Schauer überfiel mich; die Tugend fing an, in mein Herz zurückzukehren; aber -- »besiegst du sie jetzo nicht, so entfernt sie dich nun auf immer von sich« -- flüsterte der feindliche Dämon, und -- er siegte.« »Ich verliess sie in Thränen gebadet. In meiner Wohnung traf ich Boten von meinem Vater: er erwarte seinen Tod; ich solle eilen, ihn noch lebendig zu finden. -- Ich verliess Paris sogleich, ohne sie sehen, ohne ihr ein Lebewohl sagen zu können. Mein Herz zog mich gewaltig zurück: aber der Zug ward schwächer, als neue, unerwartete Eindrücke mich bestürmten. Mein Vater starb in meinen Armen. Das Bild eines sterbenden geliebten Vaters, neue Sorgen, andere Gegenstände, alles vereinigte sich, das Andenken an Marien in meiner Seele zurückzudrängen. Eine dumpfe, theilnahmlose Trauer hielt lange meine Seele umfangen. Da sah ich Laura, das Meisterwerk des Schöpfers, und mit dem ersten Blicke waren unsere Seelen Eins. Heilige Bande verknüpften uns; wir tranken die Seligkeit der Liebe in vollen Zügen.« »Innige Liebe liebt keine Zuschauer: wir verliessen das Geräusch der Stadt, um in der einsamsten Gegend am Fusse der Alpen unseren Himmel aufzuschlagen. Wir durchirrten Arm in Arm die paradiesischen Fluren. Sie ging einst allein aus, um eine Gegend hinter einem angenehmen Hügel, der immer das Ziel unserer Wanderungen gewesen war, zu sehen. Ich war durch einen Zufall zu Hause geblieben. Ihre Zurückkunft verzog sich. Ich lauschte an der Laube, die ich ihr unterdessen an ihrem Lieblingsplatze bereitet hatte, um sie bei ihrer Rückkunft angenehm zu überraschen. Bei jedem Rauschen eines Blattes, jedem leisen Fusstritte glaubte ich sie zu hören. Es kam ein Bote von ihr. Zitternd eröffnete ich das Blatt, das er mir gab, und las folgende Worte: »»Wie könnte ich Rinaldo'n besitzen, indess Maria verlassen weint? Rührt dich ihr Elend nicht, so lass die Bitten der Laura -- ach deiner Laura! -- dich rühren, an ihr tief verwundetes, noch immer nur für dich schlagendes Herz zurückzukehren. Vergiss Lauren und störe die Ruhe nicht, der ich entgegeneile. Gehe ostwärts von deiner Wohnung, nach dem Hügel zu, den wir heute früh von der Morgensonne so schön vergoldet sahen, wo ein früher geliebtes Weib und eine süsse Tochter, ganz das Ebenbild Rinaldo's, auf deine Umarmungen warten.«« »Der Schlag war fürchterlich. Nach geraumer Zeit erst erhielt ich meine Besonnenheit wieder. Die Scham hielt mich ab, Marien aufzusuchen: Laura war mir durch ihre Grossmuth doppelt theuer geworden. Ich wandte Alles an, sie wieder zu finden; kein Kloster, keine Einsiedelei, keine einsame Gegend wurde undurchsucht gelassen: ich durchstreifte selbst als Pilger die halbe Erde: ich hoffte sie durch meine Bitten zu erweichen; aber vergebens, ich fand sie nicht. Ich kam endlich in dieses Thal, lebte als Eremit in demselben, errichtete meiner Laura, die ich für längst todt hielt, ein Grab, betete und weinte auf ihrem Hügel, und starb auf ihm.« »Wenn der Geist die irdischen Fesseln verlassen, und von aller Zumischung der Sinnlichkeit frei ist, sieht er alles in einem anderen Lichte. Taumel dieser Sinnlichkeit berauschte mich, im Leben Marien zu vergessen; jetzt fühlte ich ihre Schmerzen, die Schmerzen Laurens und die Schmerzen der Armen, die unter Thränen geboren, dem Elende geweiht, nie den Vaternamen gestammelt hat; die vielleicht bestimmt ist, eine Beute des Elendes oder des Lasters zu werden. Ich leide alle Qualen, die ich diesen verursacht habe, im Fegefeuer, das die Reue eben gebiert und das stete Gedächtniss der unabänderlichen Vergangenheit, -- bis Laura und Maria glücklich sind, bis ich mein Kind an dem Arme eines Mannes sehe, der nur sie liebt. Ach! wird meine Qual wohl je aufhören? -- Aber ich fühle das Wehen der Morgenluft. Nicht umsonst vielleicht führte dich das Schicksal an meine Gruft. Lerne die Unschuld verehren, und rührt dich das Elend der Seele des armen Rinaldo, so bete für mich, und wallfahrte zum heiligen Grabe.« -- Hiermit verschwand der Geist. Schauder ergriff Don Alfonso; so hiess der junge Ritter. Er kniete nieder, und legte auf Rinaldo's Grabe das heilige Gelübde ab, nicht zu ruhen, bis er etwas zur Befreiung der armen Seele beigetragen, und die Unschuld immer zu verehren. Die Hirten versichern, dass er dieses Gelübde nie gebrochen. Durch seinen natürlichen Hang zur Andacht sowohl, als durch die Empfindungen, die an der Gruft Rinaldo's sich seiner bemächtigt hatten, begeistert, trat er die Reise nach dem heiligen Grabe an. Er besuchte alle die Oerter, wo der Weltheiland gelitten. Als er einst, sich selbst und die Welt um sich vergessend, auf dem heiligen Grabe in warmer Andacht kniete, und für die Seele des armen Rinaldo betete, überfiel ein Haufen sarazenischer Räuber Jerusalem, und führte ihn gefangen weg. Man brachte ihn unter die Sklaven des Emir von Medina. Je mehr seine Gestalt die Herzen der Heiden für ihn eingenommen hatte, desto heftiger wurden sie durch seine standhafte Weigerung, die Lehre ihres Propheten anzunehmen, erbittert. Er wurde mit den niedrigsten der Sklaven gebraucht, in den Gärten des Emir zu graben. Die Härte der ungewohnten Arbeit, die Strenge, mit der er behandelt wurde, und das brennende Klima verzehrten seine Kräfte. Er fiel an einem Abende, zur Zeit, da die Gärten geschlossen und die Arbeiter herausgelassen wurden, ohnmächtig nieder, und erwartete das Ende seiner Leiden. Niemand bemerkte den Vorfall. Eine süsse klagende Stimme, die in einem Zimmer des Serail, das an die Gärten stiess, in französischer Sprache ein Lied an die Jungfrau Maria sang, und durch öfteres Weinen und Schluchzen sich unterbrach, brachte ihn wieder zum Bewusstseyn. -- »O holde Mutter! seufzte die Stimme, wo bist du, um die Blume welken zu sehen, die du so zärtlich pflegtest? theure Cölestina! die du jedes Gefühl der Tugend in mir wecktest, wo bist du, um den letzten Trost in meine Seele zu giessen, und dies brechende Auge zu schliessen?« Sie schloss mit einem rührenden Gebete an die heilige Jungfrau, worin sie mit schwärmerischer Andacht ihren Entschluss entdeckte, sich den Dolch in das Herz zu stossen, ehe sie sich der Wollust des Emir aufopfere, die ihr diese Nacht drohe; und sie bat, ihr für diese That entweder Gnade bei Gott zu erflehen, oder ihr Hülfe zu senden. »Sie hat sie dir gesendet;« rief der Ritter, dem fremdes Elend die Kräfte wiedergab, die sein eigenes ihm genommen hatte, -- »hier ist mein Arm, und wenn tausende in Waffen gegen mich ständen, so rettete er dich!« -- »Eiserne Riegel und Gitter verwahren mich, edler Fremdling, ein Heer von Wächtern lauert auf mich. Dein Arm ist zu schwach, mich zu retten. Habe Dank für dein Mitleiden, habe Dank, dass ich nicht unbedauert sterben werde; und bist du ein Franke und ein Christ, wie deine Sprache zu zeigen scheint, so bete für die Seele der armen Marie.« Er ergriff zwei Baumleitern, und band sie zusammen, um das Zimmer Mariens zu ersteigen. Indessen war von dem Aufseher der Sklaven seine Abwesenheit bemerkt worden. Der erste Verdacht fiel auf den Garten. Man ging hinein, und traf ihn mitten in seiner Unternehmung. Die Absicht derselben war nicht zweideutig. Es wurde sogleich dem Emir gemeldet. Sein Zorn war grimmig; er bestimmte den nächsten Morgen zu seiner Hinrichtung. In jeder anderen Lage wäre vielleicht der Tod dem Alfonso willkommen gewesen, er hätte ihn nur als seinen Retter aus einer Sklaverei betrachtet, die ihm ebenso erniedrigend als hart schien; und hätte ihn gern gegen ein thatenloses Leben umgetauscht: aber jetzt kränkte das Schicksal der armen Marie, die er nicht retten konnte, ihn mehr, als sein eigenes, und auch jener Wunsch, vor seinem Ende noch etwas zur Befreiung der Seele Rinaldo's beizutragen, wurde lauter, je mehr er sich demselben zu nähern glaubte. Er ging, mehr unerschrocken als freudig, seinem Tode entgegen. Die Werkzeuge seiner Hinrichtung waren bereitet. Im Hofe des Serail war ein Scheiterhaufen errichtet. Der Pöbel strömte dem Schauspiele zu, und der Emir erschien mit seiner neuesten Favorite, Alzire, auf einem Balkon, um die Hinrichtung mit anzusehen. Er kam eben von dem ersten Genusse ihrer höchsten Gunst, und sein Feuer war dadurch gegen sie nicht erkaltet. Er war ihr ergebener, als er es seit langer Zeit einem Weibe gewesen war, und hatte ihr versprochen, ihr die erste Bitte, die sie an ihn thun würde, sie betreffe, was sie wolle, uneingeschränkt zu gewähren. War es ein geheimes Wohlwollen, das das Herz der Alzire bei Alfonso's Anblick plötzlich zu ihm neigte; oder konnte sie die That, dem Emir diejenige rauben zu wollen, von der allein sie ihren Sturz befürchten durfte, nicht sehr strafbar finden; oder war es eine unmittelbare Wirkung der Vorsehung, die Alfonso'n erhalten wollte: Alzire bat um sein Leben. Unwillig, aber ehrliebend genug, um sein Wort nicht zu brechen, und zu schwach, um Alzirens Bitte widerstehen zu können, gab der Emir sogleich Befehl, den Alfonso über die Grenze zu bringen. Der Ritter, untröstlicher, diejenige ihrem Schicksal zu überlassen, die er so gern mit Verlust seines Lebens gerettet hätte, als erfreut über die unvermuthete Rettung seines Lebens, durchirrte die rauhen Wüsten Arabiens. Wurzeln, die er sparsam fand, waren seine einzige Nahrung, und der heisse Sand brannte seine Füsse, und trocknete seine Kräfte aus. In der vierten Nacht, indess der Sturm ihn umheulte, und die Wolken den Schimmer des letzten Sterns vor seinem Auge verdeckten, arbeitete er sich mühsam durch verwachsene Büsche hindurch; und eben waren seine letzten Kräfte im Schwinden, als er aus einer Felsenkluft ein mattes Licht schimmern sah. Hoffnung belebte die Kraft, die ihm noch übrig war: er erreichte die Grotte. Ein Weib, weiss gekleidet, von schlankem Wuchse, trat ihm entgegen. Die ehemalige Schönheit der Jugend schien auf ihrem Gesichte einer erhabenern Schönheit Platz gemacht zu haben. Die geistigste Andacht flammte in ihrem grossen, zum Himmel emporgewöhnten Auge, und verbreitete sich über ihr ganzes Gesicht. Nichts liess in ihr die Sterbliche errathen, als die sanfte Wehmuth, von der alle diese Züge gemildert waren, und welche die Spur ehemaliger Leiden verwischt zu haben schien. Sehr verzeihbar war also der Irrthum des Ritters. -- »Heilige Jungfrau, redete er sie an, und sank auf seine Kniee; wunderthätige Helferin! -- wer bin ich, dass du mich würdigest, den Himmel zu verlassen, um mich zu retten?« -- »O steh auf! rief ihm jene zu, und entweihe nicht den Namen der Heiligen. Ich bin eine Sterbliche, wie du; glücklich, wenn die Mutter Gottes sich meiner bedienen will, dir zu helfen! Aber welches Schicksal treibt dich in diese unzugängliche Wüste, wo ich seit vielen Jahren keinen Wanderer erblickte? Kann ich und womit kann ich dir dienen?« Die Entkräftung des Ritters erlaubte ihm nicht, auf die erste dieser Fragen zu antworten; aber sie nöthigte ihn, es auf die andere zu thun.[40] Er bat sie um einen Trunk Wasser und um etwas Speise. Sie ging und schöpfte ihm aus der Quelle, die hart an ihrer Grotte aus dem Felsen rieselte, und brachte milde Früchte, die sie selbst gezogen hatte. -- »Erquickt euch, Fremdling; sagte sie zu ihm, mit dem wenigen, was ich euch geben kann; und nehmet dann dieses Lager ein. Ich werde schon auch einen Platz finden. Wer wollte sich durch eine falsche Anständigkeit abhalten lassen, die Pflichten der Menschlichkeit zu erfüllen, wenn es nicht gegen unser eigenes Geschlecht ist?« Der Ritter war durch alles, was er sah und hörte, wie betäubt. Erst nachdem er von seiner Entkräftung sich ein wenig erholt, und einer ruhigen Besinnung mächtig war, fing die Neugierde und Verwunderung an, an die Stelle dieser Betäubung zu treten; aber seine Unbekannte, die allein sie hätte befriedigen können, war verschwunden. Wunderbare Ahnungen strömten durch seine Seele; noch konnte er sich nicht überreden, ein sterbliches Weib gesehen zu haben: aber bald wurden alle seine Zweifel durch einen festen Schlaf gefesselt. Das Erste, was seine Sinne traf, als er wieder erwachte, war die Melodie des Liedes, das die arme Maria gesungen hatte. Es war ihm, als ob ein Traum ihn wieder in die Gärten des Emir versetzte; er brauchte Zeit, um sich zu überzeugen, er wache; er horchte und horchte genauer; der Gesang kam vom Eingange der Grotte her. Die Unbekannte sass an der Morgensonne, und sang mit der rührendsten Stimme jenes Lied. Seine ganze Seele lauschte auf ihren Gesang: wie wär' es ihm möglich gewesen, sich selbst durch Muthmaassungen und Untersuchungen zu unterbrechen! -- Das Lied schloss und die Stimme schwieg. Eben war er im Begriff, sich seinem Erstaunen und seiner Begierde, sich diese Begebenheiten alle zu erklären, von neuem zu überlassen, als ein anderer Vorfall seine Betrachtungen unterbrach. [Fußnote 40: »Voltairisch!« (Randglosse des Verfassers.)] »Bist du es wirklich, meine Tochter?« sagte die Unbekannte zu einem jungen Frauenzimmer, das sich sprachlos und schluchzend in ihre Arme warf, und ihr weinendes Gesicht an ihrem Busen verbarg; -- »schenkt die heilige Jungfrau die als todt Beweinte mir wieder? -- Ja, du bist es, ich fühls an dem starken Schlagen deines Herzens gegen das meinige, an deinem freudigen Zittern in meinen Armen. Wer, als meine holde Maria, könnte mich so lieben? Aber, sieh mich an; lass mich dies so lang entbehrte Antlitz wieder sehen; lass michs auch in deinen Augen, in allen den wohlbekannten Zügen deines Gesichts lesen, dass du es bist, die mich so liebt. -- So sollte ich denn auch diese Freude noch auf der Erde haben, dich wieder zu sehen; sollte noch nicht von allem Irdischen mein Herz losreissen! Ich hatte auch diesen Wunsch daraus vertilgt, dich wieder zu haben; das ward mir schwer. -- Heiliger Gott, und du, gnadenvolle Mutter desselben, diese Belohnung meiner Leiden wagte ich nicht zu hoffen. Ich dankte dir für den Seelenfrieden und die Heiterkeit, die du mir gabst, meinen letzten und härtesten Verlust zu ertragen. Aber jetzt hilf mir die Freude tragen, dass sie mein Herz nicht von dir abziehe; und -- sieh auf mich herab, -- wenn du mir die Holde wieder nehmen willst, oder wenn ich sie nicht mehr rein und nur dir treu wiedergefunden hätte: hier bin ich, -- ich ergebe mich in deinen Willen! -- Und jetzt, liebe Tochter, erzähle mir: wo warst du seit jenem traurigen Tage, der dich von mir trennte, und was trennte dich von mir?« »Du warst, seitdem meine gute erste Mutter gestorben war, gütige Cölestina!« -- hörte der Ritter jene Stimme sagen, die er schon in den Gärten zu Medina gehört hatte, -- »nicht mehr immer so ganz heiter, als du es vorher warest. Ich bemerkte zuweilen, dass, wenn du mich an dein Herz drücktest, du plötzlich dich abwandtest, und dann kam es mir vor, als ob du eine Thräne unterdrücktest. Du gingest dann hinaus auf meiner Mutter Grab, und betetest, und bliebst oft lange; und wenn du zurückkamst, war so ein Glanz und so eine Heiterkeit in deinem Gesichte, und du warst so sanft und so feierlich froh, und mir war so wehmüthig wohl an deiner Seite, dass mich dünkte, du seyest auf dem Grabe verklärt worden, und seyest nicht mehr meine Mutter Cölestina, sondern ein heiliger Engel. -- Doch vernimm das Schicksal, das mich von dir getrennt hat. Einst an einem Morgen -- du ruhtest noch -- war ich ausgegangen, Blumen zu suchen, und meiner Mutter Grab damit zu schmücken. Ich hatte mich wohl zu weit entfernt, denn plötzlich erschienen die Räuber der Wüste, die mich mit Gewalt fortschleppten, und als ich schrie, damit du mir helfen solltest, mir den Mund verstopften. Sie hörten nicht auf mein Weinen noch Bitten, sondern brachten mich durch lange Wüsteneien in eine Stadt. Die Stadt hiess Medina, wie ich nachher erfuhr. Hier bedeckten sie mein Angesicht mit einem Schleier, bis sie mich zu einem reichen Manne brachten, der den Räubern Geld gab, und mich seinen Weibern übergab.« »Heilige Mutter Gottes! was waren dies für Weiber! Schön waren sie; einige dünkten mich noch schöner, als du, meine Mutter; aber doch sah ich sie nicht gern, und es war mir nie recht wohl, wenn sie mir ins Gesicht sahen. Man sah es nicht, ob sie mich liebten, oder ob sie sich untereinander liebten. Sie liebten mich wohl auch nicht? -- Wenn ich redete, so lachten sie. Ich musste ihre Sprache lernen; und ich lernte sie so gerne und so fleissig, damit ich mit ihnen reden könnte, und damit sie meine Freundinnen würden. -- Kaum lernte ich sie verstehen, so hörte ich, dass sie nichts vom Weltheilande und von seiner Mutter wussten; und als ich ihnen davon sagen wollte, und ihnen erzählen, wie gütig und huldreich sie wären, verlachten sie mich abermals, und redeten dagegen viel von einem grossen Propheten, der wohl ein falscher Prophet seyn muss, weil du mir nichts von ihm gesagt hast. -- Endlich kam einst jener reiche Mann wieder, der den Männern, die mich geraubt hatten, Geld gegeben hatte, und verlangte, ich sollte ihn lieben; und das konnte ich doch nicht: denn er sah so wild und grausam, und wusste ebensowenig vom Weltheilande, als seine Weiber, und that allerhand Dinge mit mir, die wohl schändlich seyn müssen, weil er sie that, und weil er so verstört dazu aussah. Ich stiess ihn zurück: die Mutter Gottes gab mir eine Kraft, die ich nie gefühlt hatte, dass ich Schwache dem starken Manne Widerstand leisten konnte. Ich weinte bitterlich; da ward der Mann sehr zornig, und sagte mir mit wildem Gesichte: er würde diese Nacht wiederkommen, und da würde mich nichts vor ihm retten.« »Mir war sehr eng ums Herz. Ich betete inbrünstig zur Mutter Gottes, mich zu erleuchten, was ich thun sollte; und wie ich feuriger betete, wurde ich immer muthiger. Es war, als ob eine geheime Stimme mir ins Herz flüsterte, es sey schändlich und sehr schändlich, was dieser Mann mit mir thun wolle, und ich müsse eher sterben, ehe ich es ertrüge. Ich wusste, dass eine meiner Gespielinnen ein Werkzeug hatte, -- sie nannte es einen Dolch -- wovon sie mir einst sagte, man könne jemand damit tödten. Damit kann man ja wohl auch sich selbst tödten, dachte ich. -- Sage mir, liebste Mutter, that ich unrecht, dass ich es ihr heimlich wegnahm? Sie konnte es ja dann immer wieder haben, glaubte ich.« -- »Erzähle weiter,« sagte Cölestina. -- »Der Entschluss mich zu tödten, ehe ich mich der Gewaltthätigkeit des Mannes überliesse, wurde nun immer fester in mir; und nachdem ich ihn der heiligen Jungfrau vorgetragen hatte, wurde mir innerlich wohl dabei, und ich glaubte gewiss, dass sie mir für diese That Gnade bei Gott erflehen werde; als plötzlich jemand unter dem Fenster rief: er wolle mich retten, und einige Leitern zusammenband, wie ich hörte. Gleich darauf aber vernahm ich, dass er ergriffen und unter tausend Verwünschungen weggeführt wurde. War es ein Sterblicher, -- er musste es ja wohl seyn, weil er sich ergreifen und fortführen liess, und mich nicht retten konnte, -- wie wird es dem Armen ergangen seyn, der um meinetwillen sich in diese Gefahr stürzte! Wie er ergriffen wurde, verschwand meine Ruhe. Sein Schicksal hat seitdem mir mehr Kummer gemacht, als das meinige.« »Er ist gerettet« -- rufte der Ritter, der jetzt erst es wagte, Theil an der Unterredung zu nehmen, weil er sich unter alten Bekannten zu seyn dünkte; -- »und hatte seit jener Nacht den ersten angenehmen Augenblick, da er auch dich gerettet sah.« Maria warf einen schüchternen, aber dankbaren Blick auf den Ritter, um sich -- schien es -- von der Wahrheit dessen zu überzeugen, was er sagte: und Alfonso erblickte ein Gesicht, auf welchem alle Reize der aufblühenden Jugend sich vereinigten, den reinsten Abdruck ihres unschuldigen Herzens darzustellen. Cölestina reichte ihm die Hand: »Seyd mir nochmals willkommen, edler Fremdling! -- aber erzähle weiter, du meine Tochter.« »Wunderbare Hülfe ward mir gesandt: erzählte sie; ich blieb diese Nacht über unbeunruhigt.« -- »Ja, sagte der Ritter, denn der Emir hat sie bei einer anderen neu angekommenen Schönen des Serail zugebracht, die ihn mit dem ersten Blicke gefesselt hatte, und die ihm weniger Schwierigkeiten entgegenstellte.« -- »Ich fühlte mich sogar nach einigen Stunden so ruhig, dass ein sanfter Schlaf auf mich herabsank. Ich wurde am Morgen durch ein Getümmel im Hofe des Serail aufgeweckt.« -- »Es war das Volk, das sich versammelte, mich verbrennen zu sehen;« sagte der Ritter. -- »Euch verbrennen wollte man? und der Todesgefahr, die Ihr ausgestanden, sollte ich meine Rettung verdanken? Doch, Gott Lob, dass Ihr gerettet seyd! -- das Getümmel nahm ab; es entstand eine lange, fürchterliche, erwartende Stille« -- »Alzire, so hiess die neue Favorite des Emir, sagte der Ritter, bat um mein Leben. Der Emir begnadigte mich, und liess mich sogleich über die Grenze bringen; daher entstand wahrscheinlich diese Stille.« -- »Jetzt erhob sich ein Gemurmel, fuhr Maria fort; nun ward es lauter; nun brausete es, wie das tobende Meer. -- Wie? dem Hunde von Franken das Leben schenken? Er soll nicht verbrannt werden? Wir sind vergebens hieher geladen worden? Leidet es nicht! schienen einige Stimmen, die das Getümmel überschrien, zu sagen. Der Aufruhr verbreitete sich über die ganze Stadt: alles lief zu den Waffen. Die Wachen verliessen die Thüren des Serail, und stürzten sich bewaffnet gegen das Volk. -- War es ein unsichtbares Wesen, das mir den Entschluss eingab, mich jetzt durch die Flucht zu retten? ich fand alle Zugänge unbesetzt; ich drängte mich durch das Volk, das nichts sahe, als die Gegenstände seiner Rache. Ich kam -- ob ich mich noch dunkel des ehemaligen Weges erinnerte, oder ob unsichtbar Engel mich leiteten, -- ich kam durch die lange Wüste wieder zu deiner Grotte, theuerste Mutter; bin wieder dein, um mich nimmer von dir zu trennen.« »Gott sey gelobt, dass ich dich wieder habe, meine Tochter, sagte Cölestina, und dass ich dich so wieder habe, wie ich dich verlor. Und er sey gelobet, dass er auch Euch erhielt, edler Fremdling! und Euch hieher brachte, dass ich Euch für den Antheil danken kann, den Ihr an dieser Unschuldigen nahmt.« »Schon lange scheint eine Frage auf Eurer Lippe zu schweben, und es ist billig, dass ich Eure Neugier befriedige, insoweit ich darf. Ich bin ein Weib, welches einst in der Welt sehr glücklich war. Aber vielleicht hatte ich mein Herz zu sehr in diesem Erdenglück verloren: Gott entzog es mir, um mir zu zeigen, dass nur Er es sey, in welchem man befriedigende und dauerhafte Glückseligkeit finde. -- Ich trennte mich von der Welt und von dem, der in ihr mein Abgott war. In der Stunde der Begeisterung, da ich dieses Opfer, das Tugend und Ehre und mein eigenes wahres Wohl heischte, begann, schien es mir so leicht, und nachdem es geschehen war, wollte mein Herz brechen. Ich suchte Trost und Ruhe an den heiligen Oertern, wo uns allen die Seligkeit erworben wurde. Da traf ich die Gesellin meiner Leiden, mit diesem ihrem Kinde. Ich hatte sie durch mein Elend glücklich machen wollen. Auf die Art, wie ich es mir gedacht hatte, sollte es nicht seyn. Wir sollten beide durch längeres Leiden zu einer reineren Glückseligkeit eingehen.« »Wir waren beide für die Welt, und sie für uns, auf immer verloren. In der heiligen Stadt und in ihrer Nähe waren wir kaum den sarazenischen Räubern entgangen. Wir beschlossen, uns in diese Wüsten, durch welche Gott einst sein auserwähltes Volk führte, zu begeben, und kamen in die Nähe des Gebirges, das Ihr hier vor Euch erblickt. Es ist das Gebirge Sinai.« -- »Gott hatte uns den Platz unserer Ruhe schon bereitet. Wir fanden hier diese Grotte, und dort das Gärtchen; zwar damals verwildert, aber durch eine geringe Arbeit war es wieder in Stand gesetzt. Vielleicht dass ohnlängst hier ein frommer Einsiedler sein Gott geweihtes Leben beschlossen hatte.« »Hier haben wir geweint und gelitten. -- So lange noch eine geliebte Freundin gleiche Leiden mit mir litt, wurden die meinigen mir leichter. Ich stärkte meine Kräfte, um ihren Kummer tragen zu helfen, und vergass des meinigen, um Trost in ihre Seele zu giessen, und fand ihn dadurch selbst. Aber sie schlummerte bald in eine bessere Ruhe hinüber, und liess mich allein. Ich segnete ihr Geschick; aber -- du hattest es wohl gesehen, meine Tochter, -- das meinige ward mir schwerer. Nur die Zärtlichkeit gegen dich, und deine kindliche Liebe zu mir, holdes Kind, hielten mich aufrecht. Aber du konntest meine Leiden nicht mit mir fühlen.« »Noch hing mein Herz an etwas Irdischem; es hing an dir. Du musstest mir genommen werden. Musste durch so rauhe Wege Gott mich zu meinem Heile führen? -- Nichts war mir nun übrig, als Er. Nur in sein Herz konnte ich meine Empfindungen ausgiessen; nur von ihm Gegenliebe erwarten. O, hätte ich es doch eher gewusst, welchen süssen Frieden dies über mein Herz ausgiesset, wie völlig dies eine Seele befriedigt! -- welch eine Menge von Leiden hätte ich mir ersparen können!« »Aber verzeiht, guter Fremdling! dass ich so flüchtig über die näheren Umstände meiner Geschichte hinwegeilen musste. Es ist nicht Mistrauen. Wer so lange, als ich, sich nur mit Gott unterhalten hat, kennt dieses nicht; und in ein Antlitz, wie das Eurige, setzt es niemand. -- Ich habe Ruhe gefunden: aber noch lebt vielleicht Einer, der mir einst nur zu theuer war. Kann ich ihm den Seelenfrieden nicht geben, wenn er ihn noch nicht errungen hat, so will ich ihm doch denselben auch nicht nehmen, wenn er ihn etwa errungen hätte. Ihr kehrt in die Welt zurück, und seyd, wenn mich nicht Alles täuscht, von eben dem Stande und aus eben den Ländern, in denen er lebte. Ihr könntet ihn antreffen; ihn vielleicht antreffen, ohne ihn zu kennen. Gutherzigkeit oder ein von ohngefähr entfahrendes Wort könnte alle die Kämpfe in seiner Seele erneuern, die er vielleicht längst ausgekämpft hat.« »Ich muss freilich wieder von Euch weg, und in die Welt zurück: sagte der Ritter; aber Verehrung gegen Euch wird mich allenthalben begleiten, und Euer Wille wird immer mein Gesetz seyn.« Er sagte das Erstere so, als ob ihn dieser Entschluss etwas koste. Die Lage, in der er Marien in den Gärten von Medina zuerst gefunden, hatte so etwas Romantisches; Mitleiden und Theilnehmung an ihrem Schicksale hatten sich sogleich seines ganzen Herzens bemächtigt. Seine Phantasie hatte nicht gezögert, sie, die er nur gehört, nie gesehen hatte, in einen Körper zu kleiden; sie hatte ihn freigebig mit allen Reizen, die ihrer Silberstimme angemessen wären, ausgeschmückt. Er sah sie jetzt; und sie war weit über das Bild erhaben, das er sich von ihr gemacht hatte. Die blühende Wange, das sanfte Auge, das weiche, wallende Haar konnte er seinem Bilde geben; aber nicht jenen lebendigen Ausdruck der Unschuld, der Treue, der kindlichen Zärtlichkeit, weil es ihm dazu am Urbilde fehlte. Er sah sie jetzt, und sah sie in aller Freude des Wiedersehens an den Busen derjenigen, die ihr das Theuerste auf der Welt war, hingegossen; sah, wie sie in stummen Gefühlen an ihren Augen hing, gleichsam um alle die geliebten Züge wieder zu spähen, und die alte Vertraulichkeit mit ihnen zu erneuern. War es ein Wunder, dass seine Seele von eben den Gefühlen ergriffen wurde, deren reizendsten Abdruck er vor sich sah, und dass er sie mit der zu theilen wünschte, die ihm zuerst das schönste Bild derselben darstellte? Maria hatte den Unbekannten, der sich für sie in Lebensgefahr stürzte, bedauert, und, wie sie gewissenhaft war, sich den Vorwurf gemacht, die Ursache seines Todes zu seyn. Diese Empfindung allein hatte die Freude über ihre Errettung getrübt. Hier fand sie ihn unvermuthet wieder, an dem Orte, der ihr der liebste auf der Erde war. Nun erst getraute sie sich, sich ganz dem Gefühle, dass sie ihrer Pflegemutter wiedergegeben sey, zu überlassen; und es ist möglich, dass die Freude über seine Gegenwart unvermerkt einigen Antheil an dem stärkeren Ausdrucke ihrer Zärtlichkeit gegen ihre Pflegemutter hatte; und dass sie, ohne es zu wissen, einen Theil dessen, was sie bloss für Cölestinen zu empfinden glaubte, für Alfonso empfand. »Aber, kann ich, darf ich zurückkehren -- fuhr der Ritter fort -- ohne Trost für die Seele des armen Rinaldo gefunden zu haben? Ich hoffte doch gewiss am heiligen Grabe --« »Rinaldo? fiel Cölestina ihm in die Rede. Wer ist dieser Rinaldo? was wisst Ihr von ihm?« Alfonso erzählte, was er von seinem geängsteten Geiste selbst an seiner Gruft gehört hatte; erzählte die Bedingungen, unter welchen seine Qualen enden sollten; Cölestina hörte seine Erzählung mit stummer Betrübniss, und Maria mit Thränen an. »O möchten sie enden, die Qualen der unglücklichen Seele! und vielleicht sind sie schon grösstentheils geendet, sagte Cölestina. Maria hat ihre Leiden längst beschlossen; sie war die Freundin, die mir hier starb; sie ruht unter jenem Hügel. Das ist ihre und Rinaldo's Tochter. -- Ich habe aufgehört zu leiden. Ich habe die Wege der Vorsehung erkannt; sie waren nichts als Güte. -- Ich bin Laura: Maria wollte mich nicht anders als Cölestina nennen; drum habt Ihr mich hier so nennen hören.« »Und die letzte Bedingung seiner Erlösung -- sagte Alfonso -- möchte doch auch sie erfüllt werden! -- Ja, edle würdige Frau, ich darf es Euch sagen; -- ich habe nie geliebt; aber seitdem ich die Stimme dieses holden Geschöpfes gehört, seitdem ich sie hier an Eurem Herzen gesehen habe, -- entweder ich weiss nicht, was Liebe ist, oder ich liebe sie über Alles. Lasst mich -- o, Ihr seyd ja auch ihre Mutter, lasst mich sie an meinem Arme an die Gruft ihres Vaters führen; der Anblick wird den Geist erlösen.« Maria verbarg ihr Gesicht an Laurens Busen. Ihr Herz schlug stärker. »Fremdling, sagte Laura -- nehmt nicht etwa eine flüchtige Rührung, ein mattes Wohlbehagen, einige sich unwillkürlich Euch aufdringende Wünsche sogleich für Liebe. -- Ihr habt nie geliebt, sagt Ihr; -- Euer Herz ist unerfahren und leicht zu bewegen. Ihr habt dieses Kind im Leiden gesehen, und habt gewünscht, habt Euch bemüht, sie zu retten. Ihr seyd durch den Antheil, den Ihr an ihr nahmt, in Gefahr gekommen. Das kettet edle Seelen an den Gegenstand ihrer Grossmuth: aber diese Anhänglichkeit ist noch nicht Liebe. Ihr habt sie hier in allen Rührungen der zärtlichen Tochter gesehen; das hat sich Euch mitgetheilt. Uebereilet Euch nicht, edler Fremdling.« »Grossmüthige Frau, versetzte der Ritter, was ich fühle, fühl' ich so wahr und so stark, dass ich für die ewige Dauer desselben gut bin. Es ist wie mit Flammenschrift in mein Herz geschrieben, dass diese Mein seyn muss, dass sie Mir bestimmt ist, und dass ohne sie es kein Glück mehr auf der Erde für mich giebt.« »Ich glaube Euch, edler Mann, sagte Laura: Ihr scheint wahr und gut; ich glaube, dass Ihr mich nicht täuschen wollt: aber weder ich, noch selbst Ihr könnt wissen, ob Ihr nicht vielleicht Euch selbst täuschet. Erwartet es, bis Eure Empfindungen sich Euch selbst aufklären und entwickeln; und kommt Ihr dann, und sagt noch eben das, so ist sie Euer.« »Verzeiht, edle Frau, versetzte der Ritter: wie könnte ich in dem, was ich so innig und so warm fühle, mich täuschen? Täusche ich mich vielleicht auch, wenn ich mein Daseyn empfinde? -- Aber, ich soll warten, soll Euch verlassen, in Länder gehen, die weite Meere von Euch trennen? Wie werde ich das ertragen?« »Ihr sollt nicht allein gehen, sagte Laura. Dunkle Ahnung einer höheren Glückseligkeit, ein geheimes Verlangen, auf dem Grabe Rinaldo's zu seyn, durchströmt meine Seele. Ihr werdet mich und diese dahin begleiten, und dann -- wenn Ihr dann noch so denkt, ist diese Euer.« Sie hatten keine langen Zubereitungen zur Abreise zu machen. Es waren noch einige Juwelen von denen, die Maria bei ihrer Abreise aus Paris mit sich genommen hatte, vorhanden. -- »Hätte ich glauben können, dass ihr noch einst einen Werth für mich haben würdet?« sagte Laura, als sie sie zu sich nahm. Sie zogen unbeschädigt durch Arabien und Palästina, und setzten sich zu Damaskus auf ein Schiff. Ein günstiger Wind leitete sie; sie landeten bald an der europäischen Küste. In einer angenehmen Sommernacht kamen sie zu Rinaldo's Grabe. Ein sanfter Wind säuselte: Rosenduft erfüllte die Lüfte. Ruhe und Heiterkeit im Gesichte, glänzend und verklärt entstieg der Geist seiner Gruft. »Sey mir gesegnet, Alfonso! sagte er; du hast dein heiliges Gelübde gehalten. Du bist seiner werth, meine Tochter. In heiligeren Gefilden sehen wir uns wieder. -- Deine unglückliche Mutter hat ihre Leiden beschlossen; ihr Leib ruht weit von dem meinigen, aber ihr Geist ist bei mir: und du, meine Laura, wirst sie bald beschliessen.« Der Geist verschwand. Laura sank in süsser Wehmuth auf das Grab, und schlummerte in ein besseres Leben hinüber. Sanfte Trauer erfüllte Mariens und Alfonso's Seele. Die Klagen über den Verlust der Glückseligen wurden ihnen süss. Sie lebten in diesen Gegenden das Leben der Zärtlichkeit und der Liebe. Jeder Unglückliche segnete ihr Haus; es war Zuflucht jedes Hülfslosen. Am fünfzigsten Gedächtnisstage ihrer Vermählung, nachdem sie schon die Kinder ihrer Enkel zu ihren Füssen hatten spielen sehen, sassen sie in stummer Zärtlichkeit auf der Gruft, und das Andenken der Begebenheiten ihres Lebens ging vor ihrer Seele vorüber. Ein sanfter Schauer überfiel sie, sie umarmten sich, und ihre Seelen gingen vereint in das Vaterland der Liebe. Die Hirten fanden sie erstarrt auf dem Grabe liegen, und begruben sie nebeneinander, da, wo sie lagen. Rosenstöcke und Vergissmeinnicht und Tausendschön entsprossten dem Boden um das Grab herum und blühten. Ahnungen von Wiedersehen der Freunde erfüllten die Seelen der Hirten. Ihren Augen enttröpfelten Thränen. Sie gingen, und als sie hinter sich sahen, sahen sie fünf Flämmchen auf dem Grabe blinken. Hinter ihnen schloss sich das Thal. Sie hatten den Weg dahin nicht wieder gefunden. Sie nannten es das Thal der Liebenden. B. Kleinere Gedichte. Idylle. (Musenalmanach von A. W. Schlegel und L. Tieck, Tübingen 1802, S. 170.) Was regst du, mein Wein, in dem Fass dich? »Es brachten die Lüfte mir Kunde Von der Inbrunst meines Erzeugers, Das regte das Inn're mir auf!« »Ich möchte die Bande zersprengen, Die von ihm ferne mich halten, Und zerfliessen und in den Düften Zusammenströmen mit ihm!« So bringen heimliche Stimmen Der Geister Psychen die Kunde Von der unendlichen Liebe Im Unendlichen, ihrem Erzeuger; Und es dehnet sich ihr das Herz aus In unbeschreiblicher Wehmuth, In unaussprechlicher Sehnsucht, Bis die irdische Hülle zerreisst. Sonette. 1. Wenn dir das inn're Götterwort wird spruchlos, Verblasset auch die äussere Verspürung, Was dich umgiebt, verlieret die Verzierung, Was von dir ausgeht, wird nur schnöd' und ruchlos. Die Blüthe deines Lebens steht geruchlos, Was andre leitet, das wird dir Verführung; Denn du bist ausserhalb des Alls Berührung, Darum wird dir der äuss're Laut auch spruchlos. Das innen Todte glänze noch so scheinsam, Doch treibt dich fort zu ungemess'ner Wehmuth, Die unaufhaltsam schon dich griff, die Brandung. -- Drum bleib' ich in mir selber still und einsam Und pflege fort mit kindergleicher Demuth Das Unterpfand der einst'gen frohen Landung. 2. Was meinem Auge diese Kraft gegeben, Dass alle Misgestalt ihm ist zerronnen, Dass ihm die Nächte werden heitre Sonnen, Unordnung Ordnung, und Verwesung Leben? Was durch der Zeit, des Raums verworr'nes Weben Mich sicher leitet hin zum ew'gen Bronnen Des Schönen, Wahren, Guten und der Wonnen, Und drin vernichtend eintaucht all' mein Streben? -- Das ist's. Seit in Urania's Aug', die tiefe Sich selber klare, blaue, stille, reine Lichtflamm', ich selber still hineingesehen; Seitdem ruht dieses Aug' mir in der Tiefe Und ^ist^ in meinem Seyn, -- das ewig Eine, ^Lebt^ mir im Leben, ^sieht^ in meinem Sehen. 3. Nichts ist denn Gott, und Gott ist nichts denn Leben; Du weissest, ich mit dir weiss im Verein; Doch wie vermöchte Wissen dazuseyn, Wenn es nicht Wissen wär' von Gottes Leben! »Wie gern' ach! wollt' ich diesem hin mich geben, Allein wo find' ich's? Fliesst es irgend ein In's Wissen, so verwandelt's sich in Schein, Mit ihm vermischt, mit seiner Hüll' umgeben.« Gar klar die Hülle sich vor dir erhebet, Dein Ich ist sie; es sterbe, was vernichtbar, Und fortan lebt nur Gott in deinem Streben. Durchschaue, was dies Streben überlebet, So wird die Hülle dir als Hülle sichtbar, Und unverschleiert siehst du göttlich' Leben! Vorbereitung zur gemeinschaftlichen Andacht. Die Gemeine. Müde von des Lebens Leiden, Müder von des Lebens Freuden, Flüchten wir in eure Stille, Ob uns hier Erquickung quille. Frohseyn ist uns nie gelungen, Wie wir eifrig auch gerungen, Und wir sind des Treibens müde, Suchen Ruhe, wünschen Friede. Die Pfleger. Kommt Belad'ne zur Erquickung, Kommt Erschöpfte zur Entzückung! Neue Stärke soll die Matten Ueberschwänglich überschatten; Nur dass draussen ihr versenken Wollet euer Thun und Denken, Abthun euer altes Streben, Sterben ab dem eig'nen Leben. Die Gemeine. Und was habt ihr uns zu geben, Zum Ersatz für unser Leben? Die Pfleger. Solch' ein Leben, das gegründet In sich selber, nimmer schwindet, Nimmer wandelt, selbst sich gnüget. Dieses hier euch offen lieget. Aber nur von euch geschieden Geht ihr ein in seinen Frieden! Dem 15. März 1810.[41] Du edler Keim, der aus der kalten Erde Sich unaufhaltsam in das Lichtreich drängte, Du sinn'ge Blume, die, die Sonne fühlend, Mit allen Regungen nach ihr sich wandte: Wir streben beide, doch in anderm Sinne Jedwedes, liebend nach demselben Ziele, Und mehr als andres, eint uns dieses Streben, Und weiht mich dir mit inniger Ergebung. Nimm diese Früchte, die dasselbe Streben, Auf dir verschwistertem Stamme hat getrieben! Vielleicht, dass auch aus uns'rer Lieb' ein Zweig entsteht, Der einstens zeug' von unsrer höhern Liebe. Philomele. Meine Stimme von Staub spricht dich gefällig an? Aber möchtest du erst hören der Sphären Klang! Ich zwar sing' in dem Chore gezwungen und gerne. Das Ganze Fasset allein der sinnige Mensch. Jenseit des Aethers ström' eine Quelle Des Tones, der Schönheit, -- diese sind Eins, -- Also lehrete mich mein Meister, Selber er tonlos, doch schlägt er den Tact! [Fußnote 41: Der Gattin zum Geburtstage, mit dem Geschenke von Klopstocks Werken, des Oheims derselben.] Prolog zur »Vesta.«[42] (Ungedruckt.) Die Herausgeber, ein Pränumerant. Die Herausgeber. Euer Edlen sind, hören wir, ein braver Mann, Nehmen sich auch der leidenden Menschheit an; So kommen wir denn von gleichem Triebe Beseelt und bitten Sie um die Liebe, Dass Sie doch möchten pränumeriren Ein Thaler quartaliter auf ein Journal: Wir werden's Vesta nennen zumal, Womit wir nächstens die Welt wollen zieren. Der Pränumerant. Ihr Journal und die Menschheit in Leiden, Wie hängen denn zusammen die beiden? Die Herausgeber. Die Armen sollen haben ohne Verdruss Von unserm Gewinne den Ueberschuss! Der Pränumerant. Ich verstehe! -- Doch nach welchem Plan oder Geist Werden Sie denn schreiben allermeist? Nach welchem wählen die Genossen? Die Herausgeber. Nach keinem: -- »Keiner ist ausgeschlossen, Und jeder Freund der Wahrheit, Anmuth und Kraft Ist uns willkommen« -- sofern er uns was schafft! Der Pränumerant. Ich verstehe ganz: -- ein Allerlei Von Sauer und Süss mit Façon dabei! Die Herren, so denk' ich mir's, jucket der Kitzel Gedruckt zu sehen ihre Papierschnitzel. Kein Verleger mag sie; für eigenes Geld Sich drucken zu lassen ihnen auch nicht gefällt. Da muss die Noth helfen aus der Noth: Nun können sie eher, ohne zu werden roth, Antragen auf Pränumeration, Und den Willigen wünschen ein Gotteslohn! Wer auch ihres Schreibsels nicht begehrt, Denkt, es sey den Armen ein Almosen beschert. Kann's leiden, dass man das Heft mir bringt; Niemand ist ja, der's zu lesen zwingt. Indess stehen die Herrn schon schwarz auf weiss, Mehr wollten sie nicht und sie haben ihren Preis. Drum genug, ihr Herrn! Hier ist mein Thaler, Wünsch' Ihnen recht viele und reichliche Zahler, Damit Ihre geistige Armuth und Noth Den leiblich Armen schaff' ein Stück Brot! [Fußnote 42: Zeitschrift, erschienen zu Königsberg 1807.] Die Herausgeber. So muss man es durchaus nicht anseh'n, Obwohl wir selber, wie uns gescheh'n Nicht recht zu wissen gern bekennen. Wir wollen für hohe Zwecke entbrennen, Eingreifen gewaltig in's Rad der Zeit, Dem Bedürfniss, dem Niemand Hülfe beut, Auch keiner als wir es kennt, reichen die Hand! Der Pränumerant. Ei sieh, Ihr seyd wohl gar auch arrogant? Die Herausgeber. Das wollen wir hoffen; -- dies gilt bei den Leuten, Succurs und Beifall sich zu bereiten! Drum darf auch die Zeitschrift sich nicht schämen, Irgend ein Erhab'nes zum Vorwand zu nehmen. »Wer für den Staat auch nicht die Waffen trägt, Der ist durch heil'ge Bürgerpflicht bewegt, Dass er ableite des Volkes Aufmerksamkeit Von dem die Kriege begleitenden Leid, Damit er dessen Blicke wende Von dem unvermeidlichen Kriegselende.« Der Pränumerant. Elend nur sieht und er nur sieht das Elend, Wer selber elend ist im Innersten; Denn seiner Leere, seines tiefen Grams, Seiner Zerrüttung Bild steigt aus dem Herzen In's Aug' empor und lagert ihm sich hin Ueber der Dinge breite Oberfläche; Sie geben stets ihm nur ihn selbst zurück! So auch wer in sich klar und mit sich Eins ist, Er bleibt gewiss der ew'gen Harmonie Im trüben, wildverschlungenen Gewirre Ird'scher Erscheinung; und ihm leuchtet hell Im Jammer selbst die immer nahe Hülfe! -- -- Ein Herausgeber (ihm nachsehend). Der Mensch ist ein seltsam Kunstproduct, Vorweltlich, in alt ogygischem Stil! Der andere. Sey ruhig, Herr Bruder, wir sind ja gedruckt; Das Andre bedeutet uns nicht so viel! Und wo wär' Etwas von eigenem Werth, Wogegen sich nicht die Misgunst kehrt? Beide. Das ist der plausibelste Trost in der Welt, Dass man stets sich selber am Besten gefällt! Am 18. Januar 1812.[43] Ehrwürd'ge deutsche christliche Gesellschaft, Edle, biedere Tischgenossenschaft! Indem ich, als bestellt zum Sprechen, Zum erstenmale das Schweigen will brechen, Bitt' ich, dass man es günstig verspüre, Wenn ich im Knittelvers haranguire; Denn eingefasst von Rindfleisch und Braten Dürfte die Prosa zu vornehm gerathen! * * * * * Zuvörderst sollt' ich mit zierlichen Worten, Wie es gebräuchlich aller Orten, Mit Bezeugung schuldiger Devotion Ihnen danken für die Decoration, Die Sie durch dieses Amt mir verlieh'n. Doch: danke durch Thaten, spricht deutscher Sinn! Wie hoch ich es schätze im Herzensgrunde, Mit Ihnen zu bleiben im freundlichen Bunde, Und allen Ihren Wunsch und Willen Auch meinerseits gern mag erfüllen: Beweise, dass mit Herzlichkeit Ich Ihrem Wunsche mich geweiht; Beweise, wie ich die Geschäfte, So lang's verstatten meine Kräfte Und meine sonst besetzte Zeit, Werd' immer führen mit Heiterkeit. Was Sie an Gelde mir werden geben, Das werd' ich sorgfältig aufheben Und treulich bewahren und verwalten. Auch über die Gesetze will ich halten, Ohn' alles Anseh'n der Person. Zeigt gute Laune sich oder Liederton, Will ich, so gut ich kann, mitsingen. Auch die Gesundheiten will ich ausbringen; Und erscheint einst der festliche Pokal, Geziert mit dem Juden Simson zumal, So werd' ich um weitere Vorschrift bitten, Und diese sey nie überschritten. [Fußnote 43: Ueber die Veranlassung zu dieser Rede in Versen hat ihr Einsender uns zugleich Folgendes mitgetheilt: »A. v. Arnim hatte in Berlin eine christlich deutsche Gesellschaft errichtet, deren Vorsitz Fichte an jenem Tage übernahm. Bei dieser Veranlassung hielt er einen Vortrag in Knittelversen, welcher damals ungemein ansprach und auch, wie ich bestimmt weiss, noch jetzt in Ehren gehalten wird. Da ich das Tagblatt besitze, worin dieser Vortrag aufgeschrieben ist, so macht es mir ein grosses Vergnügen, Ihnen denselben mittheilen zu können.«] * * * * * Im Uebrigen kann ich von meinem Sprechen In voraus eben nicht viel versprechen. Zum Beispiel: Witzig zu seyn aus heiler Haut Ist ein Talent, nicht Jedem anvertraut; So selten fast als reine Vernunft, ist reiner Witz, Und beide, denk' ich, sind gleich viel nütz'. Wer witzig ist, ist's über Was und nebenbei, Denn Witz ist ja nicht Gold, noch Silber, noch Zinn, noch Blei, Sondern von Allem nur die Façon! So Jemand den Witz recht wollte pflegen und nähren, Der müsst' ihm nur reichlichen Stoff gewähren Durch tolle Streich' und Narrheiten viel, Und nur ihn treiben lassen sein Spiel, Und ja sich hüten, was übel zu nehmen. Zu dem Ersten wird die ehrbare Gesellschaft sich nie bequemen; So muss sie denn eben ohne Witz vorlieb nehmen! Zudem sind die bisherigen Stoffe verbraucht; Nicht Jude, nicht Philister mehr taugt, Um an ihnen zu finden ein Körn'chen Spass, Das nicht schon einigemale dawas! -- Auch will es in der That was bedeuten, Ueber dergleichen zu spotten vor Leuten, Dass der Spott nicht auf uns selbst sitzen bleibe. Den Juden schiebt man sich wohl noch vom Leibe, Man ist nicht beschnitten; -- ^ergo^ ist man keiner. Mit dem Philister ist die Sache schon feiner. Streng genommen, Keiner sich durchschaut, So lang er steckt in der sündigen Haut, In Unschuld Keiner soll waschen die Hände, Wie Keiner selig ist vor seinem Ende! Ob wir durchaus nicht Philister waren, Werden wir im ewigen Leben erfahren. Doch es giebt auch für sterbliche Augen Kennzeichen, die zur Prüfung taugen, Dass man sich orientiren kann. Das Eine geb' ich im Gleichniss an. Es geschieht wohl, dass Einer träume, er wache, Und sich's versichre, und glaublich mache, Und ist doch gerade dies sein Traum! Wer wirklich wacht, kurzum der wacht, Und ist nicht weiter auf's Wachen bedacht. So, wer in der That nicht Philister ist, Der denket dessen zu keiner Frist; Ohne seinen Dank und Willen, und schlechtweg er's nicht ist. Wer aber sich's hin und her beweist Und Gott am Morgen und Abend preist, Dass er nicht ist, wie andre Leut, Ist vom Philisterthum nicht weit; Ja ihm sitzt die Philisterei Gerade im Denken, dass er's nicht sey! Da dieses sich so weit erstreckt Und bringen kann gar schlimmen Ruhm, So bleibt vor mir wohl ungeneckt So Juden- wie Philisterthum! * * * * * Doch reinige sich der Gedanke, Der über Niedrem schwebte, Um mit dem Höhern ganz sich auszufüllen! Füllet die Gläser! -- Es lebe die Krone, Sie steig' auf in der alten Pracht, Ausgerüstet mit der alten Kraft, Umgeben von der alten Treue! C. Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Italiänischen. Aus Camoens' Lusiade.[44] Gesang 3, Stanze 118. Alfonso kehrt, nach dieses Sieges Glücke, Hinwieder zu des Tajo schönem Becken; Dass auch der Fried' ihn mit den Kränzen schmücke, Womit die Schlachten ihn so reich bedecken: O welch erbarmungswürdiges Geschicke, Das Todte könnt aus ihren Gräbern wecken, Trifft da die arme, zarte Dulderin, Die erst getödtet ward, dann Königin! Allein durch dich, durch dein allmächtig Sehnen, O reine Lieb', erstarb der Zeiten Zierde, Als dürftest du sie deine Feindin wähnen, Die treue, der dein schönster Lohn gebührte. Wohl sagt man, Amor, dass durch bittre Thränen Gestillt nicht werde deine grimme Gierde; Soll Menschenblut nun strömen vom Altare Zur süssen Augenweide dir, Barbare? [Fußnote 44: Zuerst abgedruckt im »Pantheon, Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, von Büsching und Kannegiesser. Berlin, 1810.« I. Bd. 1. Heft. Seite 1-8.] Man sah dir hold der Jahre Lenz verfliessen, In jene Seelenruh warst du versenket, Ignes, und in den Wahn, den blinden, süssen, Den keinem noch auf lang das Glück geschenket, In des Mondego angenehmen Wiesen, Den deiner schönen Augen Born getränket, Den Bergen lehrend, und der Flur den lieben Namen, der tief dir in die Brust geschrieben. Auch deines Prinzen Regungen vergalten Dein Sehnen wohl mit seelenvollem Danken; Dein Bild sie fest vor seinen Augen halten, Wenn er verbannt aus deiner Blicke Schranken: Des Nachts ihn täuschen süsse Traumgestalten, Des Tags entrücken ihn zu dir Gedanken, Und was er sinnt, und was er sieht im Innern, Ist alles nur Ein wonnevoll Erinnern. So vieler Fürstentöchter, schöner Frauen Bewerben hat bei ihm das Ziel verfehlet; Wie denn auf andres pflegt herabzuschauen Wess Herz die Eine, traute, hat erwählet. Der alte Vater blickt mit stillem Grauen Auf die Verirrung dieser Lieb', ihn quälet Des Volkes Murren und das Widerstreben Des Sohns, sich in der Ehe Band zu geben. Und so beschliesst er denn in argem Muthe Ignes dem süssen Lichte zu entrücken. Es könne nur in frech vergoss'nem Blute, So meint er, solcher Liebe Brand ersticken. War's Wahnsinn, der ihn trieb, sein Schwert, das gute, Das Schrecken sende nur der Feinde Blicken, Vor dem der Mauren Wuth gemusst erbeben, Gegen ein zartes Fräulein zu erheben? Zu ihm, dess Herz wohl möchte sich versöhnen, Wird sie geschleppt von wilden Ungeheuern, Und es gelingt den mordbegier'gen Tönen Des Pöbels, seinen Zorn neu anzufeuern. Sie aber -- flehend und mit bangem Stöhnen, Erpresst von Mitleid bloss mit ihrem Theuern Und mit den Kindern, die sie unterm Herzen Ihm trug, die mehr denn eigner Tod sie schmerzen; Die Augen hebend zu des Himmels Milde Aus denen eine grosse Zähre rollte, (Die Augen, denn die Hände hielt der wilde Mordknecht, der sie in Fesseln schlagen wollte) Dann nieder auf der Kinder zarte Bilde Sie senkend, die sie jetzt verlassen sollte Verwaiset, einsam, ohne Schutz und Rather -- Spricht also an den grausamen Grossvater: Wenn wilde Thiere, deren Sinn zum Hassen Natur bestimmt, und Eis um sie geschlagen, Der Wüste Vögel, die, um Raub zu fassen Und anders nicht, den Flug in Wolken wagen, Mit kleinen Kindern, die sie seh'n verlassen, Solch zärtlich Mitleid und Erbarmen tragen, Wie man an Ninus Mutter hat geschauet, Und an den Brüdern, welche Rom erbauet; So trag auch du, dess Herz durchströmt vom warmen Menschlichen Blute schlägt (falls es zu nennen Menschlich, den Tod zu geben einer Armen, Bloss weil ihr Herz in Liebe musst' entbrennen), Trage mit diesen Kleinen das Erbarmen, Das man in meinem Urtheil muss verkennen. Mög' ihre Noth Mitleid in dir erregen, Da meine Unschuld dich nicht kann bewegen! Und wie du wusstest einst mit Schwert und Feuer Den Tod zu senden in der Mauren Reihen, Sey jetzt vom Tode gnädiglich Befreier Der Schwachen, die du keiner Schuld kannst zeihen. Falls aber Unschuld büssen soll so theuer, Verweis auf ewig mich in Wüsteneien, In Libyens Gluth, in Scythiens kalte Schauer, Wo ich mein Leben enden mög' in Trauer. Lass mich, wo alle Schrecken sich erheben, Hin in der Löwen und der Tiger Erbe, Dass ich, was Menschenherz nicht mochte geben, Erbarmen dort und Mitleid mir erwerbe. Dort will ich pflegen, innig hingegeben In's Angedenken dess, für den ich sterbe, Der nachgelass'nen Pfänder theure Gabe, Zu der leidvollen Mutter einziger Labe. Der König sinnt schon drauf, sie zu befreien, Ob ihrer Worte, die ihn tief bewegen; Das störr'ge Volk nur will ihr nicht verzeihen, Noch ihre Sterne, die nicht brachten Segen. Die, welche glauben, dass die That Gedeihen Dem Reiche bringe, ziehen scharfe Degen, Gegen ein Fräulein. Herz, schwarz und bitter, Ihr zeiget euch als Henker, nicht als Ritter! Wie gegen Priams Tochter, Polyxene, Aus der der Mutter letzte Freuden quellen, Damit Achilles Schatten sich versöhne, Man Pyrrhus sahe sich gerüstet stellen; Sie aber ihre jungfräuliche Schöne -- Die Augen, welche wohl die Trüb' erhellen, Hin auf die Mutter, die vor Schmerzen wüthet, Gerichtet, -- zum Sühnopfer willig bietet: So gegen Sie, die Wüthenden; die Auen, Aus denen Liebe sieht mit hellen Blicken, In jedes Auge, das sie mag erschauen, Sanftheit und Milde strahlend und Entzücken, Und ihre süssen Blumen, die getrauen Sie sich mit Blutesströmen zu ersticken, Grimmig erbos't die Schwerter drein versenkend, Der Rache, die herannaht, nicht gedenkend. O hohe Sonne, hat dein Strahl genommen Von des Entsetzens That wohl Blick und Kunde? Ist er nicht auch denselben Tag verglommen, Wie in Thyestes Gastmahls Gräuelstunde? Ihr hohlen Thäler, die ihr da vernommen Das letzte Wort aus dem erblassten Munde, Noch lange hallte fort in euerm Laute Der Name Pedro, den sie euch vertraute. Wie einer Blume, so in Zier getauchet, Dass sie der Schmuck war auf den blüh'nden Heiden, Wenn sie gebrochen und zum Kranz verbrauchet, Der rohen Hand Betastung musst' erleiden, Der Schmelz vergeht, der süsse Duft verhauchet: So ist das Fräulein nach dem bittern Scheiden; Der Lippen Ros' erblasset, es entschweben Die lichten Farben mit dem süssen Leben. Der That zum ewigen Andenken kehren Mondego's Töchter, die sie lange klagen, In einen Quell die da geweinten Zähren, Und geben ihm den Namen, den er tragen Auf alle Zeiten soll: noch jetzo nähren Wo Ignes lebt und liebt in ihren Tagen, Von einem Quelle sich der Blumen Triebe, Dess Wasser Zähren sind, der Name: Liebe. Aus dem Spanischen. Madrigal. Ihr Augen, hell und reine, Da eure süssen Blicke preist die Menge, Warum, wenn ihr mich anschaut, blickt ihr strenge? Wenn ihr, je mehr voll Hulden, So mehr die Welt erfreut mit heitrem Scheine, Warum blickt ihr mit Zorn auf mich alleine? Ihr Augen, hell und reine, Erscheint mir nur, sey's auch mit solchem Scheine! Aus Cervantes. Amadis von Gallia an Don Quixote de la Mancha. Du, der nachahmtest jenes Thränenleben, Das auf des Armuthfelsens schroffer Kante Ich führte, da Verschmähung mich verbannte Von Freuden, mich der Busse zu ergeben; Du, dem vom Auge Fluthen man sah beben, Dass ihm der Salztrank schier das Herz abbrannte, Dem, als ihn Silber, Kupfer, Zinn schon nannte, Die Erd' auf Erde dürft'ges Mahl gegeben: Sey sicher, dass in alle Ewigkeiten, Mindstens so lang', als in der vierten Sphäre Der feuerrothe Phöbus treibt die Pferde, Den Preis der Tapfern keiner dir bestreiten, Dein Vaterland vor allen seyn das hehre, Dein weiser Meister einzig bleiben werde! Don Belianis von Gräcia an denselben. Mehr als ein Ritter auf dem Erdenrunde Thät ich in Handeln, Sprechen, Stechen, Hauen, Ob meiner Thatkraft all' erfasst' ein Grauen, All' Unbill rächend, die mir kam zur Kunde. Ich gab Grossthaten Fama's ew'gem Munde, Ich war galant, ich war beliebt bei Frauen; Wie Zwerglein thät ich alle Riesen schauen, Zu Kampf und Streit bereit in jeder Stunde. Fortuna lag zu meinem Fuss geschmieget, Das Glück stand meiner Weisheit treu ergeben, Wie eine gute Magd, stets zu Gebote. Ob nun mein Ruhm des Monds Horn überflieget, Ob auch noch nichts mir hat getrübt das Leben, Neid' ich doch dich, du grosser Held Quixote! Petrarca's Sonnet 36. Sie tritt mir vor's Gemüth -- vielmehr ist drinne, Dass Lethe nicht vermag sie wegzuheben, -- Wie sie von ihres Sterns Strahlen umgeben, Im Lenz des Lebens trat mir vor die Sinne; Dass ersten Blickes ich ein Bild gewinne Von ihr, so sittig, still und gottergeben, Dass ich, »sie ist's,« mir sage, »ist am Leben,« Und Frag' an sie und hold Gespräch beginne. Bald giebt sie Antwort, schweigt auch wohl, dann siehe, Wie man halb wacht im Traum, der Irrthum webte, Sag ich meinem Gemüth: Du bist im Fehle; Tausend, dreihundert, acht und vierzig, frühe Ein Uhr, den sechsten des Aprils, entschwebte Dem süssen Leibe ja die sel'ge Seele. Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin. Nachtrag zum ersten Bande. S. 95 Zeile 5 von oben ist nach den Worten: »denn er ist gleich dem Satze X,« als Note unter dem Texte aus der 2. Auflage der Wissenschaftslehre folgender Zusatz hinzuzufügen: »D. h. ganz populär ausgedrückt: Ich, das in der Stelle des Prädicats A setzende, ^dem^ zufolge, ^dass es in der des Subjects gesetzt wurde^, weiss nothwendig von meinem Subjectsetzen, also von mir selbst, schaue wiederum mich selbst an, bin mir dasselbe.« (Anmerk. * * zur 2. Ausgabe.) Zu bemerken ist noch, dass die S. 91, 95 und 98 hinzugefügten Zusätze der 2. Ausgabe ^nur^ in der zweiten »verbesserten« Ausgabe, Jena und Leipzig bei Gabler 1802, nicht in der bei Cotta erschienenen »unveränderten,« sich finden. Druckfehler im siebenten Bande. S. 520, Z. 2 v. u. statt jener Zeitalter l. jenes Zeitalters. - 527, - 6 v. o. - erfolge l. erfolgte. Nachtrag. (Aus dem in ^Friedr. Schiller's Nachlass^ nach bereits beendetem Abdrucke dieses Bandes aufgefundenen Originaltexte der Abhandlung.) Zur Abhandlung: »Geist und Buchstab« S. 284. Z. 7. nach dem Worte: ^wollen^. [Fußnote 45: Durch diesen Wink soll nicht etwa dem ^intelligibeln Fatalismus^ das Wort geredet werden. Zwar wird der Wille allemal durch die für das Subject in seiner gegenwärtigen Stimmung überwiegenden Gründe bestimmt; aber dass ^diese^ Gründe überwiegen und nicht die entgegengesetzten, und dass das Subject gerade in dieser Stimmung ist und in keiner anderen, davon liegt der Grund in der absoluten Selbstthätigkeit. Diese ist es, welche das entscheidende Uebergewicht in die Wagschale legt durch freie Reflexion und Abstraction in dem absoluten Anfange eines jeden innern Lebensactes, der von da aus durch die mannigfaltigen Geschäfte des menschlichen Geistes hindurch nothwendigen Gesetzen folgt. Der Trieb treibt den Menschen nicht unwiderstehlich, wie etwa die Elasticität materieller Körper; denn es ist ein Trieb, gerichtet an ein selbstständiges Wesen. Es bedarf der Reflexion auf seine Richtung; diese Reflexion ist der Anfangspunct des fortgehenden steten Fadens, und von dem Grunde, ob überhaupt reflectirt wird oder nicht, und davon, wie reflectirt wird, ob auf die vollständige Anregung oder nur auf einen Theil derselben, hängt es ab, wie die Willensbestimmung ausfalle. Also: der Wille ist nicht frei, aber ^der Mensch ist frei^. Alle seine Vermögen hängen innigst zusammen, und greifen bei dem Handeln gesetzmässig in einander ein; und nur daraus, dass man für wirklich zersplittert hielt, was nur willkürlich und zum Behufe der Speculation zertheilt wurde, entstanden Theorien, die entweder dem natürlichen Gefühle oder dem Räsonnement, oder richtiger beiden zugleich widersprechen. Nicht bloss -- so hart diese Behauptung auch Manchem vorkommen mag -- nicht bloss die Willensbestimmung des empirischen Individuums, sondern sein gesammter innerer Charakter, seine Vorstellungs- und Begehrungsweise, woran er Vergnügen oder Misvergnügen finde sogar, hängt von eines Jeden Selbstthätigkeit ab. Man übertrug die durch das Selbstgefühl angekündigte Freiheit zuerst auf den Willen, weil dieser jeden innern Lebensact abschliesst und vollendet, und weil derselbe von ihm aus sogleich in die Aussenwelt übergeht, mithin auf diesem Grenzpuncte zuerst die Verschiedenheit des freien Subjects und des gebundenen Objects bemerkt wurde. Aber gerade darum, weil er die angeführte Stelle in der Reihe der Geistesgeschäfte einnimmt, ist der Wille am wenigsten frei, denn er ist durch das mehrste Vorhergehende bestimmt. Mit dem Willen fängt der Mensch einen neuen Zustand in der Sinnenwelt an; man folgerte, dass er mit demselben Willen auch den nothwendig vorauszusetzenden neuen Zustand in sich selbst anfinge; aber diese Folgerung ist unrichtig, und sie war zugleich unwahrscheinlich. --] Dritter Brief. (S. 291.) Anfang. [Fußnote 46: Dem Nachbar, dem Sie meinen vorigen Brief mitgetheilt haben, ist in dem ganzen Zusammenhange desselben nur dasjenige aufgefallen -- melden Sie mir, -- was ich über die Hindernisse sagte, welche der Mangel an äusserer Freiheit der ästhetischen Bildung in den Weg stellte; er hat geeilt, die Anwendung davon auf sein Zeitalter und sein Vaterland zu machen, und wer weiss welche gefährliche Einflössungen in meinen Worten gefunden. Ich will mich nun seiner Besorgnisse wegen noch deutlicher erklären. In den von Germanen abstammenden Verfassungen Europens -- in den slawischen weit weniger; aber bin ich denn verbunden, auch auf diese Rücksicht zu nehmen, oder wenn ich in Deutschland schreibe, zu sorgen, dass meine Ausdrücke nicht gegen den Kaiser von Marokko oder den Dei von Algier verstossen? -- in den germanischen Verfassungen also hat es sich so gefügt, dass von Zeit zu Zeit Einzelne von den Unterdrückten unter der Last sich aufrichteten, Einzelne aus den unterdrückenden Ständen, durch Zufall oder durch freie Wahl, ihr Gewicht verloren oder aufgaben, und beide in einen glücklichen Mittelstand zusammenflossen; dadurch das Loos der Unterdrückten erleichterten, indem sie ihnen den Raum weiter machten, und auch die Sorgen der Unterdrücker mässigten, indem die Zahl derer, die sie zu bewachen hatten, sich verminderte. Hierdurch wurde denn auch die sonst unvermeidliche Progression der Sklaverei verhindert und die Sachen konnten vermittelst des entstandenen Spielraums mehr in der gleichen Lage bleiben, wie sie es denn auch, einzelne Zwischenzeiten abgerechnet, denen aber bald günstigere folgten, in der That geblieben sind. Aus jenem Mittelstande nun muss und wird sich alles Heil entwickeln, das noch über die Menschheit kommen soll. Jeder, den das Glück in diesen schönen Stand setzte, kehre daher nur sein Auge in sich selbst, ehe er es nach aussen wendet; er mache sich selbst frei, ehe er Andere befreien wolle; er erhebe sich zu der Denkart, die auf ihr selber ruhend, ihr selbst getreu und in sich ganz gerundet, über zeitliche Zwecke und irdische Befürchtungen sich erhebt, und nun lasse er den lebendigen Ausdruck dieser Denkart in Wort und Wandel auf seine Zeitgenossen wirken, wie er kann; und überlasse es der allmächtigen Natur, vor der Jahrtausende sind wie ein Tag, die Saat, die er streut, zu entwickeln und zu reifen. Wer diesen Geist nicht hat, der will weder sich, noch Andere befreien, sondern er will die Gewalthaber stürzen, um selbst an ihre Stelle zu treten, sey's auch unter der Form der Freiheit; er will nur die Gestalt der Knechtschaft verändern, -- er drohe nun offenbar den Tyrannen, oder er krieche an ihren Stufen, um einen Theil ihrer Gewalt zu erschmeicheln, die er zu ertrotzen nicht den Muth hat, und die er kühner durch den Erfolg ganz begehren wird. Ein solcher ist fern von der wahren Freiheit; denn er hat sich noch nicht von sich selbst befreit. Dies ist meine ganze Meinung, und ich mag wohl, dass sie der Nachbar wisse. -- In unserem Innern, in welchem wir, wie soeben gefordert wurde, einheimisch seyn müssen, wenn eine unserer Wirkungen nach aussen einen Werth haben soll, giebt der Sinn für das Aesthetische uns den ersten festen Standpunct. Das Genie kehrt darin ein, u. s. w.] Liste der Unterzeichner auf Fichte's sämmtliche Werke. Aachen. Herr Buchhändler _J. A. Mayer_ 1 für: Herrn Regierungsrath _Ritz_. Aarau. Löbl. _Sauerländer_sche Sortiments-Buchhandlung 3 für: Herrn _E. Dorer-Egloff_ in Baden in der Schweiz -- _J. Correvon_, officier féderal du Génie in Iverdun. Bibliothèque cantonale in Lausanne. Altena. Herr Buchhändler _P. A. Santz_ 1 Altenburg. Löbl. _Schnuphase_sche Buchhandlung 1 Altona. Herr Buchhändler _G. Blatt_ 1 Amsterdam. Herr Buchhändler _C. G. Sülpke_ 1 für: Herrn _R. E. Bischofsheim_. Arnsberg. Herr Buchhändler _A. L. Ritter_ 1 für: Herrn Ober-Landesgerichts-Referendar _Kaupisch_. Aschaffenburg. Herr Buchhändler _Th. Pergay_ 1 Augsburg. Herr Buchhändler _Kollmann_ 1 für: Herrn Königl. Studienlehrer _J. K. E. Oppenrieder_. Basel. Löbl. _Schweighauser_sche Buchhandlung 2 für: Oeffentliche Bibliothek. Herrn Dr. _Joh. Gihr_ in Liestal. Herr Buchhändler _J. G. Neukirch_ 1 für: Herrn Dr. _Drechsler_. Bautzen. Herr Buchhändler _Aug. Weller_ 1 für: Herrn Canonicus Dr. _Prihonski_. Berlin. Herr Buchhändler _Adolf u. Comp._ 1 Löbl. _Amelang_'sche Buchhandlung 2 für: Herrn Dr. _R. Haym_. -- Commerzien-Rath _Westphal_. Herr Buchhändler _W. Besser_ 5 für: Herrn Dr. _Ribbentropp_. -- -- _Schrader_ in Brandenburg. -- -- _Dalmer_ in Halle. -- Geh. Rath Dr. _Bunsen_ in London. -- Dr. _Thaulow_ in Kiel. Herr Buchhändler _Alex. Dunker_ 7 für: Herrn Baron von _Richthofen_. -- Obristlieutenant von _Willisen_, Flügel-Adjutant des Königs. -- Geschichts- und Portraitmaler _Mila_. -- _Türrschmidt_. -- Professor Dr. _Röstell_. -- v. d. _Lage_, Director des Pädagogiums in Charlottenburg. -- Ungenannt. Löbl. _Enslin_'sche Sortiments-Buchhandlung 4 für: die Bibliothek des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums. Herrn Kammergerichts-Referendar _Haack_. -- Stadtschulrath _Schulze_. -- Prediger Dr. _Schütze_ in Lissabon. Löbl. _Hirschwald_'sche Buchhandlung 1 für: K. St. Wladimirsuniversität in Kiew. Herr Buchhändler _A. H. W. Logier_ 1 für: Herrn Privatdocent Dr. _F. A. Märcker_. Herr Buchhändler _E. S. Mittler_ 1 für: Herrn Postsecretär _Kaumann_. Löbl. _Nicolai_'sche Buchhandlung 3 Löbl. _Oehmigke_'sche Buchhandlung 2 für: Herrn Director der höh. Stadtschule _Zinnow_. -- Graf _v. Grabowski_ auf Rodawnitz. Herr Buchhändler _E. H. Schröder_ 8 für: Herrn Dr. _E. Meyen_. -- Dr. _Glaser_, Privatdocent. -- Graf _R. Raczynski_. -- _Reichenow_ in Charlottenburg. -- Assessor von _Mörner_. -- von _Neumann_. -- von _Kudrefzef_. -- _Reinbott_, Lehrer am Diesterwegschen Semin. Herr Buchhändler _Jul. Springer_ 6 für: Herrn Prediger _Hoyer_ in Fürstenau. -- Baron _v. Holtzendorf-Vietmannsdorf_. -- _Fuss_. -- _Siegmund_. -- Dr. _Voigtländer_. -- Assessor _Witte_. Herren Buchhändler _Veit u. Comp._ 7 für: Herrn Professor Dr. _H. G. Hotho_. -- Geheimrath _Varnhagen von Ense_. -- Ober-Appellationsgerichts-Rath _Meyer_. -- _J. Lehmann_, Redacteur. -- Baumeister _W. Hoffmann_. -- Geheimerath Professor Dr. _Böckh_. -- Prediger Dr. _Sachs_. Bern. Herren Buchhändler _Huber u. Comp._ 1 für: Herrn Privatdocent Dr. _Ris_. Bielefeld. Herren Buchhändler _Velhagen u. Klasing_ 3 für: Herrn Gymnasiallehrer Dr. _Stahlberg_ in Herford. -- Conrector _Wortmann_. -- Pastor _Smidt_. Bonn. Herr Buchhändler _Ad. Marcus_ 9 für: Die Königl. Universitäts-Bibliothek. Bibliotheque de l'université de Louvain. Herrn Director Dr. _Kortegarn_ in Bonn. -- Professor Dr. _Lassen_. -- Ober-Consistorial-Rath Professor Dr. _Nitzsch_. -- Privatdocent Dr. _Clemens_. -- -- -- _Volkmuth_. -- _Erskine_. -- Buchhändler _Marcus_. Herr Buchhändler _E. Weber_ 1 für: Herrn Professor Dr. _Mendelssohn_. Brandenburg. Herr Buchhändler _J. J. Wiesike_ 2 für: Die Gymnasial-Bibliothek. Herrn Collaborator _Döhler_. Braunschweig. Herr Buchhändler _Ed. Leibrock_ 1 für: Herrn Dr. _Hanne_. Bremen. Herr Buchhändler _A. D. Geisler_ 1 Herr Buchhändler _J. G. Heyse_ 1 Breslau. Herr Buchhändler _F. Aderholz_ 2 Herren Buchhändler _Grass, Barth u. Comp._ 1 Herr Buchhändler _Gosohorsky_ 2 für: Herrn Rector _Jordan_ in Trebnitz. -- Professor _Braniss_ in Breslau. Herren Buchhändler _Jos. Max u. Comp._ 4 für: Herrn Divisionsprediger Dr. _Rhode_. -- Medicinalrath Dr. _Ebers_. -- Professor Dr. _Röpell_. -- Buchhändler _Sowade_ in Pless. Herr Buchhändler _Ferd. Hirt_ 1 Brieg. Herr Buchhändler _Ziegler_ 1 für: Herrn _Const. v. Ziegler-Knyphausen_, Lieutenant im 22. Infant. Regiment. Bromberg. Herr Buchhändler _E. S. Mittler_ 2 für: Herrn Prediger _Gessel_ in Thorn. Ungenannt. Brünn. Löbl. _C. Winiker_'sche Buchhandlung 1 Brüssel. Herr Buchhändler _C. Muquardt_ 2 für: Herrn Professor _Tandel_ in Lüttich. La Bibliothèque _Royale_. Cammin. Herren Buchhändler _Domine u. Comp._ 1 für: Herrn Dr. _Puchstein_. Carlsruhe. Löbl. _Braun_'sche Hof-Buchhandlung 1 für: das Museum in Carlsruhe. Herr Buchhändler _Georg Holtzmann_ 1 für: Herrn Lehrer _Herrmann_ in Ettlingen. Cassel. Herr Buchhändler _J. J. Bohné_ 1 für: die Kurfürstl. Landesbibliothek. Cöln. Herren Buchhändler _J. u. W. Boisserée_ 2 Herr Buchhändler _E. Welter_ 1 Cöslin. Herr Buchhändler _C. G. Hendess_ 1 für: die Gymnasialbibliothek. Constanz. Herr Buchhändler _W. Meck_ 1 für: Herrn Professor _F. A. Kreuz_ am Lyceum. Darmstadt. Herr Buchhändler _G. Jonghaus_ 1 für: die Grossherzogl. Hessische Hofbibliothek. Dessau. Herr Buchhändler _J. Fritsche_ 2 Dorpat. Löbl. _Franz Kluge_'sche Buchhandlung 1 Dresden. Löbl. _Arnold_'sche Buchhandlung 1 Herr Buchhändler _H. M. Gottschalk_ 1 Düsseldorf. Löbl. _Schaub_'sche Buchhandlung 1 für: die Landesbibliothek. Elberfeld. Herren Buchhändler _J. Löwenstein u. Comp._ 1 für: die Landesbibliothek. Elbing. Herr Buchhändler _Fr. L. Levin_ 1 für: Herrn Director Dr. _Herzberg_. Flensburg. Herr Buchhändler _J. C. Korte-Jessen_ 2 für: Herrn Oberlandesgerichts-Advocat _Fr. Johannsen_. -- Buchhändler _Korte-Jessen_. Frankfurt a. M. Löbl. _Jäger_'sche Buchhandlung 3 für: Herrn _W. H. Ackermann_, Lehrer a. d. Musterschule. -- _W. C. Cartwright_ Esqu. in London. Ungenannt. Herr Buchhändler _C. Jügel_ 1 für: Herrn Dr. _F. A. Balling_, Brunnenarzt in Kissingen. Herr Buchhändler _J. D. Sauerländer_ 1 für: die Stadtbibliothek. Löbl. _Varrentrapp_'sche Sortiments-Buchhandlung 1 für: Herrn Justiz- und Domänenrath Dr. _Oelschläger_ in Regensburg. Freiburg im Breisgau. Herren Buchhändler _Lippe u. Comp._ 1 für: Herrn Pfarrverweser _Lump_ in Riegel. Genf. Herr Buchhändler _J. Kessmann_ 1 Giessen. Herr Buchhändler _G. F. Heyer Sohn_ 3 für: die Universitätsbibliothek. Herrn Stud. _Liebknecht_. das Predigerseminar in Friedberg. Herr Buchhändler _J. Ricker_ 1 für: Herrn Dr. _M. Carrière_. Glatz. Herr Buchhändler _E. L. Prager_ 1 für: Herrn _Rostock_, Prinzl. Oberamtmann in Seitenberg. Glogau. Herr Buchhändler _C. Flemming_ 1 für: die Lehrerbibliothek des kathol. Gymnasiums. Görlitz. Herr Buchhändler _G. Köhler_ 3 für: Herrn Geh. Justizrath _Blumenthal_ in Friedersdorf bei Greifenberg. die Oberlausitzsche Gesellschaft der Wissenschaften. Göttingen. Herr Buchhändler _Deuerlich_ 3 für: Herrn Hofrath Professor Dr. _Ritter_. -- Professor Dr. _Götze_. -- Professor Dr. _Dunker_. Löbl. _Dietrich_'sche Buchhandlung 1 Herren Buchhändler _Vandenhoeck u. Ruprecht_ 1 für: Herrn Cand. d. Theol. _Petersen_ in Hannover. Gotha. Herr Buchhändler _Carl Glaeser_ 1 für: die Herzogl. öffentliche Bibliothek. Greifswald. Herr Buchhändler _Otte_ 3 für: Herrn Professor Dr. _Semisch_. -- Professor Dr. _Boström_ in Upsala. Ungenannt. Halberstadt. Herr Buchhändler _F. A. Helm_ 1 Halle. Herr Buchhändler _Anton_ 1 für: Herrn. Professor Dr. _Ulrici_. Herr Buchhändler _Lippert u. Schmidt_ 4 für: Herrn Professor Dr. _Schaller_. -- Privatdocent Dr. _Weissenborn_. -- Stud. phil. _Seifart_. -- Dr. _Dalmer_. Herr Buchhändler _Rich. Mühlmann_ 2 Herren Buchhändler _C. H. Schwetschke u. Sohn_ 5 Hamburg. Herren Buchhändler _F. H. Nestler u. Melle_ 4 für: die Hamburgische Stadtbibliothek. _Osmond de Beauvoir Priaulx_ (Oxford et Cambridge Clubb). Sir _William Hamilton_ in _Edinburg_. Ungenannt. Herren Buchhändler _Perthes, Besser u. Mauke_ 2 für: Herrn Professor Dr. _Ullrich_. Ungenannt. Hamm. Herr Buchhändler _C. Wickenkamp_ 1 für: die Bibliothek des Gymnasiums. Hannover. Löbl. _Hahn_'sche Hofbuchhandlung 1 für: die _Hahn_'sche Hofbuchhandlung. Löbl. _Helwing_'sche Hofbuchhandlung 2 für: die Bibliothek der Ständeversammlung. Herrn Advocat _Ebhardt_. Heidelberg. Herr Buchhändler _E. Mohr_ 1 für: Herrn Kirchenrath _Rothe_. Herr Buchhändler _K. Winter_ 2 für: die Grossherzogl. Hofbibliothek in Carlsruhe. Herrn Pfarrer _Sturm_ in Buch am Ahorn. Jena. Herr Buchhändler _Fr. Frommann_ 3 für: die Grossherzogl. Hofbibliothek in Weimar. Ihre Durchlaucht die Prinzessin _Caroline_ von Schaumburg-Lippe in Rudolstadt 2 Exempl. Kiel. Löbl. Akademische Buchhandlung 1 für: Herrn Candidat _Sierck_. Löbl. _Schwers_'sche Buchhandlung 1 für: Herrn Professor Dr. _Chalybaeus_. Königsberg. Löbl. _Bornträger_'sche Buchhandlung 9 für: die Königl. akadem. Handbibliothek. die Königl. Bibliothek. die Bibliothek des Lyceum Hosianum in Braunsberg. Herrn Candidat _Böttcher_ in Koewe. -- Professor Dr. _Rosenkranz_. -- _von Stomczewski_. für: Herrn _Sydow_. -- Conrector _Suck_ in Wehlau. -- Professor Dr. _K. Lehrs_. Herren Buchhändler _Graefe u. Unzer_ 3 für: Herrn Consistorialrath Dr. _Lehnerdt_. -- Divisionsprediger Dr. _Toop_. das Collegium Fredericianum. Herr Buchhändler _E. H. Mangelsdorf_ 1 für: Herrn Subrector _G. W. A. Wechsler_. Kopenhagen. Herr Buchhändler _Eibe_ 1 Löbl. _Gyldendal_'sche Buchhandlung 3 für: die Grosse Königl. Bibliothek. die Akademie in Soröe. Herrn _Feilberg_ und _Landmark_, Buchhändler in Christiania. Herr Buchhändler _Andr. Fr. Höst_ 2 für: Herrn Mag. Dr. _Cronholm_ in Malmö 2 Exempl. Herr Buchhändler _H. C. Klein_ 2 für: Herrn _G. Plaug_, Cand. phil. die theologische Bibliothek. Herr Buchhändler _C. A. Reitzel_ 4 Krakau. Herr Buchhändler _D. E. Friedlein_ 1 für: Herrn _Goleberski_, Anwalt beim Tribunal. Landshut. Löbl. _Krüll_'sche Univ. Buchhandlung 1 für: Herrn Appellationsgerichts-Accessist _v. Hessling_. Langensalza. Herr Buchhändler _Körner_ 1 für: Herrn Conrector Dr. _Karl Schramm_. Leipzig. Herr Buchhändler _F. A. Brockhaus_ 2 Löbl. _Dyk_'sche Buchhandlung 1 Herr Buchhändler _C. L. Fritzsche_ 1 für: Herrn Professor Dr. _Niedner_. Löbl _J. C. Hinrichs_'sche Buchhandlung 2 für: die Stadtbibliothek. Ungenannt. Herr Buchhändler _K. Fr. Köhler_ 4 für: Herrn Hofrath _Otto_ in Dorpat. die Universitätsbibliothek daselbst Ungenannt. Herr Buchhändler _Jul. Klinkhardt_ 1 Herr Buchhändler _C. H. Reclam_ sen. 2 für: Herrn Ober-Landesgerichts-Assessor _Lobedan_ in Naumburg. -- Gymnasiallehrer _Passow_ in Meiningen. Herren Buchhändler Gebr. _Reichenbach_ 1 für: Herrn Dr. _C. Rössler_. Herr Buchhändler _Ludw. Schreck_ 1 für: Herrn _W. Nemeth_, Buchhändler in Kronstadt. Herr Buchhändler _Leop. Voss_ 2 für: Herrn Professor Dr. _Drobisch_. die Universitätsbibliothek. Lemberg. Herr Buchhändler _Joh. Millikowsky_ 2 für: Herrn Domvicar _Mich. Formanyos_. die _Ossolinski_'sche Bibliothek. Liegnitz. Herr Buchhändler _C. E. Reisner_ 1 für: Herrn Diaconus _Peters_. Lintz. Herren Buchhändler _Fr. Eurich u. Sohn_ 1 für: die Stiftsbibliothek in Kremsmünster. London. Herren Buchhändler _A. Asher u. Comp._ 13 Herren Buchhändler _Williams u. Norgate_ 13 Lübeck. Löbl. _von Rohden_'sche Buchhandlung 1 Luxemburg. Herr Buchhändler _G. Michaelis_ 1 für: Herrn Pastor _Drischel_. Magdeburg. Herr Buchhändler _W. Heinrichshofen_ 1 für: Herrn Rector _Bracker_ in Hundisburg. Löbl. _Rubach_'sche Buchhandlung 2 für: Herrn Criminaldirector, Oberlandesger. Rath _Fritze_. die Stadtbibliothek. Mailand. Herr Buchhändler _Joh. Meiners u. Sohn_ 2 Herren Buchhändler _Tendler u. Schaefer_ 2 für: Herrn _Marchese Gozzani_ St. Georges in Turin. -- Abbate _Don Raimondi_ in Mailand. Marburg. Löbl. _Bayrhoffer_'sche Universitätsbuchhandlung 3 für: die Kurfürstl. Universitätsbibliothek. Herrn Professor Dr. _Bayrhoffer_. -- -- -- _Franz Vorländer_. Herr Buchhändler _N. G. Elwert_ 1 Marienwerder. Herr Buchhändler _Alb. Baumann_ 3 für: Herrn Oberlandesgerichts-Rath _Scherres_. die Bibliothek der Königl. Regierung. die Bibliothek des Königl. Gymnasiums. Herr Buchhändler _E. Levysohn_ 1 für: Herrn Referendar _Döring_. Meiningen. Herr Buchhändler _W. Blum_ 1 Löbl. _Kesselring_'sche Hofbuchhandlung 1 für: die Herzogl. öffentliche Bibliothek. Mitau. Herr Buchhändler _G. A. Reyher_ 1 für: Herrn Professor Dr. _Strümpell_ in Dorpat. München. Löbl. _Literarisch-artistische Anstalt_ 2 Herr Buchhändler _Georg Franz_ 1 für: die Bibliothek des Oberconsistoriums. Löbl. _Palm_'sche Hofbuchhandlung 1 für: die Königl. Hof- u. Staatsbibliothek. Münster. Löbl. _Wundermann_'sche Buchhandlung 1 für: Herrn Regimentsarzt Dr. _Rudolph_. Löbl. _Theissing_'sche Buchhandlung 1 Neisse. Herr Buchhändler _F. Burckhardt_ 1 für: Herrn Graf _von Reichenbach_ auf Waltdorf. Nordhausen. Herr Buchhändler _Büchting_ 1 Herr Buchhändler _F. Förstemann_ 1 für: Herrn _M. L. von Eberstein_. Nürnberg. Herr Buchhändler _J. A. Stein_ 1 für: die Gymnasialbibliothek. Oldenburg. Löbl. _Schulze_'sche Buchhandlung 1 für: die Grossherzogl. Oldenburgische Bibliothek. Paris. Herr Buchhändler _A. Frank_ 2 Herren Buchhändler _Degetau u. Comp._ 1 für: Herrn _Rehfeld_. Herr Buchhändler _Klincksieck_ 6 für: Herrn _Georg Herwegh_. la Bibliothèque Royale. Herrn _Victor Cousin_, Pair de France. -- _Ad. Lafont de Ladebas_. -- _Lerminier_. -- _Verny_. Pesth. Herr Buchhändler _Gust. Emich_ 1 für: Herrn _Stancsics Mihaly_. Herr Buchhändler _C. Geibel_ 1 Herr Buchhändler _C. A. Hartleben u. Altenburger_ 3 für: Herrn Professor _August v. Széchy_. -- Director _Cyrill von Horváth_ in Szegedin. -- K. K. Kämmerer Graf _v. Zichy_ in Láng. Herr Buchhändler _Gust. Heckenast_ 1 für: Herrn K. K. Major _Bein_. Herren Buchhändler _Kilian u. Comp._ 2 für: die K. K. Universitätsbibliothek. Herrn _Marton_. Herr Buchhändler _Kilian_ sen. u. _Weber_ 3 für: Herrn _Bartholomäus von Fischer_, Profess. der Moral und Theologie. -- _Jos. von Urmenyi_, Königl. Rath und Obergespann. -- _von Adamowics_. Petersburg. Herren Buchhändler _Eggers u. Comp._ 2 für: Herrn wirkl. Staatsrath _v. Kranichfeld_. Ungenannt. Posen. Herr Buchhändler _E. S. Mittler_ 4 für: Herrn Regierungs-Assessor _Duncker_. -- -- -- _Edler_. -- -- -- _Besser_. -- Consistorialrath _Kissling_. Herren Buchhändler Gebr. _Scherk_ 1 Herr Buchhändler _Zupaíski_ 1 Potsdam. Herr Buchhändler _Ferd. Riegel_ 1 für: Herrn Braueigner _Müller_. Löbl. _Stuhr_'sche Buchhandlung 1 Prag. Herren Buchhändler _Borrosch u. André_ 1 für: Herrn Professor Dr. _Exner_. Herr Buchhändler _Ehrlich_ 2 für: Herrn Candidat der Medicin _Springer_. -- Dr. _Smetana_. Herren Buchhändler _Kronberger u. Rziwnatz_ 2 für: Herrn Professor Dr. _Bolzano_. Ungenannt. Presburg. Herr Buchhändler _C. Fr. Wigand_ 1 Quedlinburg. Löbl. _Ernst_'sche Buchhandlung 1 für: Herrn Geheimerath _Hertel_. Reichenbach. Herr Buchhändler _Fr. George_ 1 für: Herrn Candidat _Peinert_ in Olbersdorf. Riga. Herr Buchhändler _J. Deubner_ 2 für: Herrn Pastor Dr. _Martin Berkholz_. -- Bürgermeister Ritter _v. Timm_, Magnificenz. Herr Buchhändler _N. Kymmel_ 1 Rostock. Herr Buchhändler _F. L. Schmidtchen_ 2 für: Herrn Professor Dr. _Schmidt_. Ungenannt. Löbl. _Stiller_'sche Hofbuchhandlung 1 für: die Grossherzogl. Universitätsbibliothek. Schaffhausen. Löbl. _Hurter_'sche Buchhandlung 1 für: Herrn Decan _Benker_ in Diessenhofen. Schwäbisch-Hall. Herr Buchhändler _Nitschke_ 1 Schweidnitz. Herr Buchhändler _C. F. Weigmann_ 2 Solothurn. Herr Buchhändler _L. Jent_ 1 für: die Professorenbibliothek. Speyer. Löbl. _F. C. Neidhard_'sche Buchhandlung 1 für: die Bibliothek des K. Gymnasiums. Stettin. Herr Buchhändler _L. Saunier_ 1 für: die Bibliothek des Königl. Gymnasiums. St. Gallen. Herr Buchhändler _C. P. Scheitlin_ 1 für: die Stiftsbibliothek. Stockholm. Herr Buchhändler _F. Bonnier_ 3 Strasburg. Herren Buchhändler _Treuttel u. Würtz_ 2 für: die Bibliothek des protestantischen Seminars. Herrn _Colany_, Candidat der Theologie. Herr Buchhändler _Levrault_ 1 für: Herrn Professor _Willm_. Stuttgart. Herren Buchhändler _Beck u. Fränkel_ 1 Herr Buchhändler _Fr. H. Köhler_ 1 für: Herrn Diaconus _Kornbeck_ in Marbach. Löbl. _J. B. Metzler_'sche Buchhandlung 1 für: Herrn _Alexander Simon_. Herr Buchhändler _Paul Neff_ 2 für: Herrn Rechtsconsulent Dr. _Steudel_. die Königl. Handbibliothek. Herr Buchhändler _Rommelsbacher_ 1 für: die Königl. öffentl. Bibliothek. Thorn. Löbl. _E. Lambeck_'sche Buchhandlung 1 Trier. Löbl. _Lintz_'sche Buchhandlung 2 für: Herrn Ober-Amtmann _Sulz_. -- Dr. _Montigny_, Lehrer am Gymnasium. Tübingen. Herr Buchhändler _L. F. Fues_ 8 für: die K. Universitätsbibliothek. die K. Seminarbibliothek. Herrn Professor Dr. _Reiff_. -- Stud. theol. _Jaeger_ } -- -- -- _Schuster_ } -- -- -- _Schnitzer_ } im Stift. -- -- -- _Fricker_ } -- -- -- _Koestlin_ } Löbl. _Zu Guttenberg_'sche Sortimentsbuchhandlung 1 für: Herrn Pfarrer _Zotz_ in Ahldorf. Ulm. Löbl. _Stettin_'sche Sortimentsbuchhandlung 1 für: Herrn Rechtsconsulent Dr. _Göritz_. Utrecht. Herren Buchhändler _Kemink u. Sohn_ 2 Wien. Löbl. _Fr. Beck_'sche Univ. Buchhandlung 1 Herren Buchhändler _Braumüller u. Seidel_ 16 Herren Buchhändler _C. Gerold u. Sohn_ 6 Herr Buchhändler _J. G. Heubner_ 1 für: Herrn Abt _Altmann_ zu Goettweil. Löbl. _Jasper_'sche Buchhandlung 1 Herren Buchhändler _Kaulfuss Ww., Prandel u. Comp._ 2 Herren Buchhändler _Mörschner's Ww. u. Bianchi_ 2 Herr Buchhändler _P. Rohrmann_ 3 für: die K. K. Hofbibliothek. die K. K. Universitätsbibliothek. Herrn Dr. _Dworzak_. Herren Buchhändler _Schaumburg u. Comp._ 2 für: Herrn Baron _Nicolaus Mattencloit_. Löbl. Fr. _Volke_'sche Buchhandlung 1 für: Herrn Hofrath _v. Witteczek_. Herr Buchhändler _J. B. Wallishauser_ 1 für: Herrn Baron _v. Locella_. Herren Buchhändler _Wimmer, Schmidt u. Leo_ 3 für: Herrn Dr. med. _Lederer_. -- Edler _von Hasner_. Ungenannt. Wiesbaden. Löbl. _Friedrich_'sche Buchhandlung 1 für: die Herzogl. Nassauische öffentl. Landesbibliothek. Herr Buchhändler _C. W. Kreidel_ 1 für: Herrn Collaborator _Seyberth_ in Weilburg. Wittenberg. Löbl. _Zimmermann_'sche Buchhandlung 1 für: die Bibliothek des Gymnasiums. Würzburg. Löbl. _Stahel_'sche Buchhandlung 1 für: Herrn Rector Professor Dr. _Franz Hoffmann_. Herr Buchhändler _Ludw. Stabel_ 1 für: Herrn Rechtspraktikant Dr. _Reder_. Züllichau. Herr Buchhändler _H. Sporleder_ 1 für: die Bibliothek der Realschule in Meseritz. Zürich. Herren Buchhändler _Meyer u. Zeller_ 2 für: Herrn Dr. _Mager_. -- Professor Dr. _Bobrich_. Herren Buchhändler _Orell, Füssli u. Comp._ 2 Herr Buchhändler _Fr. Schulthess_ 2 für: Herrn Regierungsrath _Hotz_ in Balchrist. -- Vicar _Fries_. Johann Gottlieb Fichte's von seinem Sohne herausgegebene sämmtliche Werke liegen nun vollständig in acht Bänden dem Publicum vor. Der Umfang des Ganzen beträgt gegen 300 Bogen und den Preis von 15 Thalern lassen wir vorläufig fortbestehen. Die Abtheilungen der Gesammtwerke werden auch besonders verkauft, und zwar: 1) Erste Abtheilung. Zur theoretischen Philosophie. Thlr. 5. Band I. und II. 2) Zweite Abtheilung. A. Zur Rechts- und Sittenlehre. Thlr. 5. Band III. und IV. 3) Zweite Abtheilung. B. Religionsphilosophische Thlr. 2 1/3. Schriften. Band V. 4) Dritte Abtheilung. Populär-philosophische Schriften. Thlr. 6. Band VI., VII. und VIII. Einer ganz besondern Verbreitung fähig sind namentlich die _Zweite Abtheilung_ B. (3) und die _Dritte_ (4), welche in die politische und religiöse Bewegung der Gegenwart so unmittelbar eingreifen, dass kein denkender Beobachter der Zeit sie ungelesen lassen darf. In den genannten Abtheilungen ist _Fichte_ weniger speculativer Philosoph als begeisterter Volksredner, der nächst Luther und Lessing das kräftigste Deutsch geschrieben hat. Diese vier Bände wird Niemand entbehren können, _der die deutschen Classiker in seiner Bibliothek vereinigen will_. Die zweite Abtheilung B. enthält: Aphorismen über Religion und Deismus, aus dem Jahre 1790. Versuch einer Kritik aller Offenbarung, 1792. Ueber den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung, 1798. Appellation an das Publicum gegen die Anklage des Atheismus, 1799. Gerichtliche Verantwortung gegen die Anklage des Atheismus, 1799. Rückerinnerungen, Antworten, Fragen. (Ungedruckt, aus dem Anfange 1799). Aus einem Privatschreiben, im Jänner 1800. Die Anweisung zum seligen Leben, oder auch die Religionslehre, 1806. Die dritte Abtheilung enthält: Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europens, die sie bisher unterdrückten, 1793. Beiträge zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution, 1793. Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 1794. Ueber das Wesen des Gelehrten, und seine Erscheinungen im Gebiete der Freiheit, 1805. Ueber die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit, 1812. Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 1804. Reden an die deutsche Nation, 1808. Anhang zu den Reden an die deutsche Nation, geschrieben im Jahre 1806. (Ungedruckt). Politische Fragmente aus den Jahren 1807 und 1813. (Ungedruckt). A. Bruchstücke aus einem unvollendeten politischen Werke vom Jahre 1806-7. 1) Episode über unser Zeitalter. 2) Die Republik der Deutschen. B. Aus dem Entwurfe einer politischen Schrift im Jahre 1813. C. Excurse zur Staatslehre, 1813. 1) Ueber Errichtung des Vernunftreiches. 2) Ueber Zufall, Loos, Wunder. 3) Ueber die Ehe, den Gegensatz von altem und neuen Staate und Religion u. s. w. Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen, 1801. Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt, 1807. Beilagen zum Universitätsplane (Ungedruckt): a. Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an einer deutschen Universität, 1805. b. Rede bei einer Ehrenpromotion an der Universität zu Berlin, am 16. April 1811. Vermischte Aufsätze: A. Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdruckes, ein Räsonnement und eine Parabel, 1791. B. Zwei Predigten aus dem Jahre 1791 (Ungedruckt). C. Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie, 1794. D. Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache, 1795. E. Ueber Belebung und Erhöhung des Interesse an Wahrheit, 1795. F. Aphorismen über Erziehung, 1804 (Ungedruckt). G. Bericht über die Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben, 1806 (Ungedruckt). Recensionen von: A. Creuzers skeptischen Betrachtungen über die Freiheit des Willens, 1793. B. Gebhard über sittliche Güte, 1793. C. Kant zum ewigen Frieden, 1796. Poesien und metrische Uebersetzungen: A. Das Thal der Liebenden, Novelle, 1786 (Ungedruckt). B. Kleinere Gedichte, (meist ungedruckt). C. Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Italiänischen, (meist ungedruckt). Veit & Comp. Anmerkungen zur Transkription Die »Liste der Unterzeichner auf Fichte's sämmtliche Werke« wurde vom Anfang an das Ende des Buches verschoben. Hervorhebungen, die im Original g e s p e r r t sind, wurden mit Unterstrichen wie _hier_ gekennzeichnet. Textstellen, die im Original kursiv gesetzt sind, wurden ^so^ markiert. Die variierende Schreibweise des Originales wurde weitgehend beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher): [S. 1020]: ... ihm -- sein Geschichtschreiber sagt dies an seiner Urne mit ... ... ihm -- sein Geschichtsschreiber sagt dies an seiner Urne mit ... [S. 1039]: ... nicht eine ansgemachte Wahrheit unter allen alten Schriftstellern ... ... nicht eine ausgemachte Wahrheit unter allen alten Schriftstellern ... [S. 1064]: ... Resensionen herumblättern will, wird auf die oben angeführten Aeusserungen ... ... Recensionen herumblättern will, wird auf die oben angeführten Aeusserungen ... [S. 1076]: ... Oder hat etwa das deutsche Publicum bisjetzt in allem ... ... Oder hat etwa das deutsche Publicum bis jetzt in allem ... [S. 1105]: ... noch auschaulicher zu machen: -- Der Stoff, welchen der Meister ... ... noch anschaulicher zu machen: -- Der Stoff, welchen der Meister ... [S. 1124]: ... sich verleiten, dem Widerspuche zu widersprechen, so müsste ... ... sich verleiten, dem Widerspruche zu widersprechen, so müsste ... [S. 1141]: ... als den üblichen Fleiss uud Berufstreue gerechnet werden; indem ... ... als den üblichen Fleiss und Berufstreue gerechnet werden; indem ... [S. 1144]: ... wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem geinschaftlichen ... ... wie späterhin die Regularen es sollen, zu einem gemeinschaftlichen ... [S. 1151]: ... oder Relegation, oder dess etwas stattfinde. Durch die ... ... oder Relegation, oder dass etwas stattfinde. Durch die ... [S. 1163]: ... möchten auch an diese Lehrer für diese eigenlich nicht im ... ... möchten auch an diese Lehrer für diese eigentlich nicht im ... [S. 1241]: ... noch zeugen kann, und die Kiuder dieser Kinder: und ziehe ... ... noch zeugen kann, und die Kinder dieser Kinder: und ziehe ... [S. 1241]: ... Es sagen zwar freilich verleumderiche Zungen, dass das ... ... Es sagen zwar freilich verleumderische Zungen, dass das ... [S. 1277]: ... Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das einige Unabhängige ... ... Erfahrung als solche bewährt haben. Aber das einzige Unabhängige ... [S. 1317]: ... gelernten Zeichen nachher auch in seiner Famile. ... ... gelernten Zeichen nachher auch in seiner Familie. ... [S. 1331]: ... mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und werpen ... ... mehrere zusammen machen Einen Begriff aus und werden ... [S. 1348]: ... so gerinfügig der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im ... ... so geringfügig der Gegenstand auch seyn möge, irre, oder im ... [S. 1352]: ... fest, frei und kühn au jede Untersuchung mich wagen darf, ... ... fest, frei und kühn an jede Untersuchung mich wagen darf, ... [S. 1457]: ... einer höheren Giückseligkeit, ein geheimes Verlangen, auf dem ... ... einer höheren Glückseligkeit, ein geheimes Verlangen, auf dem ... End of the Project Gutenberg EBook of Sämmtliche Werke 8: Vermischte Schriften und Aufsätze, by Johann Gottlieb Fichte *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÄMMTLICHE WERKE 8: *** ***** This file should be named 51359-8.txt or 51359-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/1/3/5/51359/ Produced by Karl Eichwalder, Jens Sadowski, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project. Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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