Meine erste Weltreise

By James Cook

The Project Gutenberg EBook of Meine erste Weltreise, by James Cook

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Title: Meine erste Weltreise

Author: James Cook

Editor: W. F. v. Bous

Release Date: April 13, 2020 [EBook #61825]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE ERSTE WELTREISE ***




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Kulturgeschichtliche

Dokumente. Band 3.

Kapitän James Cook:

Meine erste Weltreise.


In der Sammlung $Kulturgeschichtliche Dokumente$ (Schwabacher'sche
Verlagsbuchhandlung in Stuttgart) ist bis jetzt ferner erschienen:

  $Napoleon auf Sankt Helena.$ (~Mémorial relatif à la captivité de
  Napoléon à Ste-Hélène.~) Von $Sir Hudson Lowe$ (Gouverneur von St.
  Helena). Mit vier Tafeln nach alten Originalkupferstichen und mit
  andern zeitgenössischen Abbildungen. Broschiert 4 Mark. In Leinenband
  5 Mark.

  Die Memoiren von Sir Hudson Lowe sind eine diplomatische Enthüllung
  von weltgeschichtlicher Bedeutung. Ohne Lowe ist die Literatur über
  Napoleon unvollständig. Der Kerkermeister gehört zu seinem Opfer.


  $Meine Abenteuer.$ (Meine Flucht aus Sibirien. -- Meine Abenteuer zur
  See. -- Die Eroberung von Madagaskar.) Von $Graf Moritz August von
  Benjowski$. Mit vier Tafeln nach alten Originalkupferstichen. Brosch.
  4 Mark. In Leinenbd. 5 Mark.

  Der Graf zählt zu den markantesten Erscheinungen des Jahrhunderts der
  Glücksritter. Seine berühmten Memoiren gaben Kotzebue die Anregung
  zu dem Schauspiel »Die Verschwörung in Kamtschatka«. Sie sind
  also abgesehen von der spannenden Handlung auch literarhistorisch
  interessant.


  $Vom Sonnenkönig. (Ludwig XIV.)$ Von $Herzog Ludwig von St-Simon$.
  Mit vier Tafeln nach alten Originalkupferstichen. Broschiert 3 Mark
  60 Pf. In Leinenband 4 Mark 50 Pf.

  Nirgends tritt einem die höfische Sittenlosigkeit so nackt entgegen
  wie in den Geheimen Memoiren des Herzogs Ludwig von St-Simon.
  Napoleon hatte recht, als er nach ihrer Lektüre ausrief: Kein Held
  besteht vor seinem Kammerdiener!

[Illustration: Kapitän James Cook.]




                                 Meine
                           erste Weltreise.

                                  Von

                          Kapitän James Cook.

                       Mit vier Tafeln nach den
                       $Originalkupferstichen$.

                             Herausgeber:

                            W. F. v. Bous.

                            [Illustration]

                              Stuttgart.

                 Schwabacher'sche Verlagsbuchhandlung.


Die Verlagsbuchhandlung behält sich alle Rechte vor.

Nachdruck im einzelnen oder im ganzen wird gerichtlich verfolgt.


  Text in Schwabacher Schrift gedruckt von
  Carl Rembold in Heilbronn.




[Illustration]




Vorwort.


Die Londoner Königliche Gesellschaft der Wissenschaften unterbreitete
im Februar 1768 dem Könige Georg III. von England die Bitte, eine
Expedition ausrüsten zu wollen, um auf einer Insel in der Südsee den
Durchgang des Planeten Venus durch die Sonnenscheibe im Jahre 1769 zu
beobachten. Die Admiralität wählte auf des Königs Befehl die Barke
Endeavour, ein gutes Schiff, und vertraute das Kommando dem damaligen
Schiffsleutnant James Cook (geb. am 27. Oktober 1728, ermordet auf
Hawai am 14. Februar 1779) an. Die Gesellschaft selbst bestimmte Tahiti
zur Beobachtungsstation und den Gehilfen der Königlichen Sternwarte zu
Greenwich, Charles Green, zu ihrem Vertreter.

An dieser Expedition nahm auch Sir Joseph Banks (geb. am 4. Januar
1743, gest. am 19. Juni 1820), ein reichbegüterter Edelmann und
berühmter Naturforscher, mit seinem Assistenten Dr. Solander und mit
zwei Zeichnern auf seine Kosten teil, um die Pflanzen- und Tierwelt
Ozeaniens zu erforschen. Diese glänzend durchgeführte Expedition
begründete Cooks Ruhm als Seefahrer und Entdecker. Als Verfasser
der Geschichte seiner ersten Weltreise, die einen der großartigsten
Bucherfolge aller Zeiten aufzuweisen hat, war Cook nur indirekt tätig.
Die Herausgabe dieses epochalen Werkes besorgte Dr. J. J. Hawkesworth
auf Veranlassung der Admiralität und auf Grund der Tagebücher der
Herren Cook, Banks und Dr. Solander, denen das Manuskript im Palaste
der Admiralität vorgelesen und zur Korrektur ausgehändigt wurde.
Dann erst erfolgte 1773 die Drucklegung in drei Bänden, die wir in
erschöpfendem, von allen Weitläufigkeiten befreitem Auszug unserer
Sammlung »Kulturgeschichtliche Dokumente« einfügen, denn Cooks erste
Weltreise war eine Kulturtat ersten Ranges, durch die sich Cook ein
unvergängliches Verdienst um Wissenschaft und Menschheit erworben hat.

                                                        W. F. v. B.

[Illustration]




Inhalts-Übersicht.


                                                                   Seite

  Vorwort des Herausgebers                                             V

  Erstes Kapitel.

  Mein Auftrag. -- Nach Amerika. -- Ein Unglücksfall im
  Feuerland. -- Die Feuerländer und ihre Sitten. -- Fahrt nach
  der Südsee. -- Entdeckungen. -- Ankunft in Otahiti                   1

  Zweites Kapitel.

  Die Bewohner von Tahiti. -- Ihre Stehlsucht. -- Wir bauen
  ein Fort. -- Lustbarkeiten. -- Oberea, die Königin, und ihr
  Günstling. -- Tootahah, der Regent. -- Ringkämpfe. -- Seltsame
  Besuchssitte. -- Freie Liebe                                        12

  Drittes Kapitel.

  Ein Besuch beim Regenten. -- Der Durchgang der Venus. -- Folgen
  ihres Kults. -- Ein tahitisches Begräbnis. -- Ein Hundebraten.
  -- Hoher Besuch. -- Eine Reise um die Insel. -- Lockungen           24

  Viertes Kapitel.

  Im Hause der Oberea. -- Eine Desertion. -- Unanständige Tänze.
  -- Die Lustseuche. -- Körperschönheit, Sitten und Gebräuche der
  Bewohner von Tahiti                                                 41

  Fünftes Kapitel.

  Reise nach Huaheine und Ulietea. -- Ein Weib als Gastgeschenk.
  -- Eine dramatische Unterhaltung. -- Der »furchtbare König«. --
  Ein Überfall                                                        57

  Sechstes Kapitel.

  Neue Entdeckungen. -- Kriegerischer Empfang. -- Drei Gefangene.
  -- Verhandlungen                                                    69

  Siebtes Kapitel.

  Neue Feindseligkeiten. -- Das Kap der Kinderdiebe. --
  Gastfreundliche Wilde. -- Abenteuer in der Tegaduhbai               83

  Achtes Kapitel.

  Forschungen. -- Eine Naturfestung. -- Kunstvolle Bauten. -- Ein
  diebischer Geselle. -- Seltsame Tätowierungen. -- Eine Lektion
  und ihre Folgen. -- Kannibalismus                                   98

  Neuntes Kapitel.

  Neuseeländische Sitten. -- Die Ursache des Kannibalismus. --
  Gastfreundliche Prostitution. -- Zeitehen. -- Abscheuliche
  Tänze. -- Die Frauen. -- Die Religion                              115

  Zehntes Kapitel.

  Entdeckung der australischen Ostküste. -- Die Macht der
  Feuerwaffen. -- In der Botanybai. -- Gefährliche Havarie. --
  Wir retten das Schiff                                              123

  Elftes Kapitel.

  Verkehr mit den Australiern. -- Ihre Lebensweise. -- Ein
  Streit und seine Folgen. -- Ausfahrt. -- Die Besitzergreifung
  von dem neuentdeckten Lande. -- Die Eingeborenen und ihre
  Lebensgewohnheiten                                                 138

  Zwölftes Kapitel.

  Fahrt durch die Endeavourstraße. -- Abenteuer während der
  Fahrt. -- Kranke an Bord. -- Savu. -- Kleinliche Schikanen. --
  Sitten und Gebräuche                                               156

  Dreizehntes Kapitel.

  In Batavia. -- Todesfälle. -- Ungesundes Klima. -- Tupia
  stirbt. -- Die Javaner und ihre Lebensgewohnheiten. --
  Nationallaster. -- Sklaverei. -- Abreise                           172

  Vierzehntes Kapitel.

  Die Prinzeninsel. -- Besuch beim König. -- Die Eingeborenen. --
  Das schwimmende Hospital. -- Wir begraben dreiundzwanzig Mann.
  -- Am Kap der Guten Hoffnung. -- Die Hottentotten und ihre
  Sitten                                                             183

  Fünfzehntes Kapitel.

  Heimreise. -- Eine Sträflingsinsel. -- St. Helena. -- Grausame
  Behandlung der Sklaven daselbst. -- Wieder zu Hause                196

  Bilder.

  Kapitän James Cook Titelbild

  Indianer vom Feuerland in ihrer Hütte                        Seite  48

  Innenraum eines Hauses auf der Insel Ulietea. -- Tanz der
  Eingeborenen (mit Musikbegleitung)                             "    96

  Kriegsboot der Neuseeländer                                    "   144




Meine erste Weltreise.




[Illustration]




Erstes Kapitel.

  Mein Auftrag. -- Nach Amerika. -- Ein Unglücksfall im Feuerland.
  -- Die Feuerländer und ihre Sitten. -- Fahrt nach der Südsee. --
  Entdeckungen. -- Ankunft in Otahiti.


Als ich meine Bestallung erhalten hatte, die vom 25. Mai 1768 datiert
war, ging ich an Bord des Endeavour, hißte die Kommandoflagge und
segelte am 30. Mai nach Plymouth. Hier wurden der Mannschaft die
Kriegsartikel und die Parlamentsakte vorgelesen. Zugleich wurde ihr ein
zweimonatiger Sold im voraus bezahlt. Am 26. August stachen wir in See.

Am 12. September erblickten wir Porto Santo und Madeira, und am
folgenden Tage kamen wir auf der Reede von Funchal an, wo wir das
Schiff vor den Stromanker festlegten. Am nächsten Tage riß beim Lichten
das Seil des Ankerpfahls den Oberbootsmann Weir über Bord, und er ging
mit dem Anker unter. Dieser wurde sofort wieder gehoben, allein es war
zu spät. Der Unglückliche, dessen Körper sich in das Seil verwickelt
hatte, war ertrunken. In der Nacht vom 18. auf den 19. gingen wir
wieder unter Segel.

Auf dem Wege von Teneriffa nach Bonavista sahen wir eine große Menge
fliegender Fische. Am 25. Oktober segelten wir in der Länge von 29
Graden 30 Minuten mit den üblichen Feierlichkeiten durch den Äquator.
Am Abend des 29. beobachteten wir jenen lichten Glanz in der See,
den die Seefahrer so oft erwähnen. Über seine Entstehung waren die
Forscher verschiedener Meinung. Wir waren der Ansicht, daß er von
irgendeinem glänzenden Tiere herrührt, und fanden, nachdem wir ein
kleines Netz ausgeworfen hatten, unsere Meinung bestätigt, denn wir
fingen eine Medusenart, die an Bord ein weißes Licht von sich gab.
Gleichzeitig fingen wir auch verschiedene kleine Krebse, die, obschon
sie zehnmal kleiner als Johanniswürmchen sind, doch ebensostark wie
diese leuchteten. Herr Banks konstatierte mit vielem Vergnügen, daß
alle diese Tierchen noch von niemand beschrieben worden waren.

Am 8. November erblickten wir die Küste von Brasilien. Wir lavierten
dann bis zum 12. längs der Küste hin, und am 13. segelten wir dem Hafen
von Rio de Janeiro zu. Wir waren vom 14. November bis zum 7. Dezember
hier[1]. Dr. Solander war einmal an Land, ich selbst verschiedene Male,
und Herr Banks fand ebenfalls Gelegenheit, sich durch die Wachen zu
schleichen. Dr. Solander sagte mir in Bestätigung der verdammenden
Urteile mehrerer Reisenden über die Sittenlosigkeit der Damen von Rio
de Janeiro, daß sobald es dunkel geworden wäre sich fast alle Damen
in den Fenstern gezeigt und die vorübergehenden Herren, soweit sie
ihnen zusagten, mit Blumen überschüttet hätten. Was in einem Lande eine
unanständige Vertraulichkeit ist, ist in einem anderen Lande Sitte. Ich
für meinen Teil kann nichts weiter sagen, als daß ich von der Wahrheit
der Sache selbst sehr überzeugt bin.

Am 14. Januar 1769 liefen wir in die Le Mairestraße ein. Wir wurden
aber durch die Strömung vertrieben und gingen schließlich in der »Bai
des guten Successes« vor Anker. Am 16. gingen Banks und Dr. Solander
mit ihren Leuten, unserm Schiffsarzt Monkhouse und Herrn Green, dem
Astronomen, an Land, um Pflanzen zu suchen. Dabei überfiel sie ein
Schneegestöber. Eine eisige Kälte setzte ein, so daß Dr. Solander der
ermüdeten Gesellschaft den Rat gab, sich des Schlafes zu erwehren. »Wer
sich niedersetzt,« sagte er, »der wird einschlafen, und wer einschläft,
wird nicht mehr erwachen!« Und er war der erste, der dem Drange zu
schlafen folgte. Umsonst bat ihn Herr Banks, sich zu ermannen; er
legte sich nieder. Und seinem Beispiel folgte der Neger Richmond,
ein Diener von Banks, der auf alle Vorhaltungen nur antwortete, daß
er nichts weiter verlange, als sich niederzulegen und zu sterben.
Der Doktor erklärte -- obschon er kurz vorher gewarnt hatte: »hier
einschlafen und sterben sei eins« -- er wolle gerne fortgehen, müsse
aber vorher ein wenig schlafen. In kaum zwei Minuten fielen beide in
tiefen Schlaf. Bald darauf kam einer von den ausgeschickten Leuten mit
der angenehmen Meldung, daß an geschützter Stelle im Walde ein Feuer
angezündet worden sei. Herrn Banks gelang es mit vieler Mühe den Doktor
aufzuwecken. Obgleich dieser nicht länger als fünf Minuten geschlafen
hatte, so war er doch nicht mehr imstande seine Glieder zu gebrauchen;
seine Muskeln waren so sehr eingeschrumpft, daß ihm die Schuhe von den
Füßen fielen. Trotzdem erklärte er sich zum Marsche bereit, wenn man
ihn unterstütze. Der arme Richmond war nicht wachzukriegen. Herr Banks
ließ seinen zweiten Neger und einen Matrosen, die am wenigsten von der
Kälte gelitten zu haben schienen, als Wache zurück und versprach sie
bald abzulösen. Hierauf schleppte er den Doktor zum Feuer hin. Später
sandte er zwei Leute, nachdem sie sich durchwärmt hatten, mit dem
Auftrage ab, Richmond mit Hilfe seiner Wache herbeizuschleppen. Nach
einer halben Stunde kamen sie mit der Nachricht wieder, daß sie trotz
eifrigen Suchens und Rufens von den drei Zurückgebliebenen keine Spur
entdeckt hätten. Zum Unglück fing es stark zu schneien an, so daß man
alle Hoffnung auf die Rettung der Verunglückten aufgab. Um Mitternacht
hörte man in einiger Entfernung rufen. Herr Banks machte sich sogleich
mit vier Leuten auf den Weg und fand den Matrosen, der kaum noch die
Kräfte hatte, heranzutaumeln und um Hilfe zu rufen. Man brachte ihn
sogleich zum Feuer, nachdem er die Richtung angegeben hatte, wo er sich
von seinen Gefährten getrennt hatte. Herr Banks fand die Gesuchten
dann auch glücklich auf. Richmond stand auf den Füßen, war aber nicht
imstande, sich zu bewegen. Sein Gefährte lag auf dem Boden und war
unempfindlich wie ein Stein. Banks alarmierte jedermann am Feuer.
Allein die vereinten Kräfte der ganzen Gesellschaft reichten nicht
hin, die Verunglückten nach dem Feuer zu schleppen. Die Finsternis
und der tiefe Schnee erschwerten das Fortkommen derart, daß jeder
einzelne genug mit sich zu tun hatte. Da auch des fallenden Schnees
wegen der Versuch, an Ort und Stelle Feuer anzuzünden, scheiterte, so
sah man sich in die traurige Notwendigkeit versetzt, die Unglücklichen
ihrem Schicksal zu überlassen. Man machte ihnen ein Lager von Zweigen
zurecht und bedeckte sie mit Reisern und Laub. Die Kälte und der Schnee
setzten den Rettern derart zu, daß einige von ihnen fühllos zu werden
begannen; Banks' Diener Briscoe wurde so krank, daß man glaubte, er
würde sterben. Endlich erreichten sie ihre Lagerstätte, doch brachten
sie die Nacht in der fürchterlichsten Gemütsverfassung zu. Von den
zwölf Personen, die in guter Gesundheit aufgebrochen waren, hielt man
zwei für tot, ein dritter war schwer erkrankt, die übrigen litten
unbeschreiblich. Man war eine starke Tagereise vom Schiff entfernt. Der
Weg dahin ging durch unbekannte Wälder. Wie leicht konnte man sich hier
verirren! Außerdem war der Proviant aufgezehrt. Dabei diese furchtbare
Kälte, die man selbst in Lappland für etwas Unerhörtes halten würde.

Dumpf vor sich hinbrütend wartete jedermann auf den Tagesanbruch. Um
sechs Uhr des Morgens faßte man Hoffnung. Das Gewölk fing an sich zu
zerteilen, und man konnte den Ort sehen, wo die Sonne hervorbrechen
wollte. Herr Banks ließ sofort nach den beiden Verunglückten sehen und
erhielt die traurige Gewißheit, daß sie gestorben waren. Um acht Uhr
stellte sich Tauwetter ein, und da sich die Kranken besser fühlten, so
brach die Gesellschaft, nachdem sie einen Geier roh verspeist hatte, um
zehn Uhr auf. Nach einer dreistündigen, beschwerlichen Wanderung sahen
sich die Verirrten am Strande und in der Nähe des Schiffes. Sobald
sie an Bord waren, wünschten sie einander zu ihrer Rettung Glück; ich
selbst hatte wegen ihres Ausbleibens große Angst ausgestanden und nahm
daher freudigen Herzens an dem allgemeinen Jubel teil.

Am 20. Dezember suchte Herr Banks in Begleitung des Doktors das Dorf
einiger feuerländischer Familien auf, das sich nach dem Bericht unserer
Leute etwa zwei Meilen landeinwärts befinden sollte. Als sie sich dem
Dorfe näherten, kamen ihnen zwei Feuerländer im Sonntagsstaate entgegen
und begrüßten sie mit lautem Freudengeschrei. Dann geleiteten die
Feuerländer ihre vornehmen Gäste in das Dorf, das auf einem waldigen
Hügel aufgebaut war und etwa aus fünfzehn äußerst primitiven Hütten
bestand, die die Gestalt großer Bienenkörbe hatten. Von Hausgeräten war
hier nichts zu sehen. Eine Rasenbank vertrat die Stelle eines Bettes
und der Stühle, die Blase irgendeines Tieres diente als Wasserbehälter,
ein Handkorb und ein Ranzen bildeten den ganzen Reichtum dieser Leute.
Der ganze Stamm, Männer und Weiber, jung und alt, zählte kaum fünfzig
Personen. Ihre Hautfarbe war eisenrostartig. Die Männer sind bis zu
5 Fuß 10 Zoll groß und in Bewegung und Haltung vierschrötig, die
Weiber sind bedeutend kleiner. Die Kleidung besteht aus dem Felle
eines Seehunds oder eines Guanicoes, das ungegerbt über die Schulter
geworfen wird. Die Männer tragen das Fell offen; die Weiber, denen ein
kleiner Lappen als Feigenblatt dient, binden es mit einem Riemen um
den Leib. Obwohl Männer wie Weiber sonst ganz nackt gehen, so bemalen
sie doch ihr Gesicht mit weißen, grellroten und schwarzen Figuren und
Streifen und tragen am Arm und an den Fußgelenken Armbänder aus kleinen
Muscheln und Knochen. Die liebe Eitelkeit ging so weit, daß sie sogar
Glaskorallen den Messern und Beilen vorzogen.

Die Sprache besteht zum größten Teil aus Gurgellauten, wie wir sie
ausstoßen, wenn uns etwas in die falsche Kehle gekommen ist; doch
sagen sie für Zieraten: ~halleca~, und für Wasser: ~ooda~. Sie leben
in der Hauptsache von Muscheltieren. Die Waffe dieser Naturmenschen,
Pfeil und Bogen, war der einzige Gegenstand, in dessen Verfertigung
sie Geschmack und Begabung zeigten. Da sie im Besitz von unechten
Ringen, Knöpfen, Tuch und sonstigem Zeug waren, und da seit vielen
Jahren kein europäisches Schiff so weit nach Süden vorgedrungen ist,
so liegt die Annahme nahe, daß dieser Stamm nomadisierend in der Terra
del Fuego lebte und vom Norden gekommen sein mußte. Auch kannten
sie die Waffe der Weißen, unser Gewehr, denn sie baten Herrn Banks
einen Seehund zu erlegen, der sich in der Nähe zeigte. Unter ihnen
herrschte vollkommene Gleichheit. Keiner war Herrscher im Lande,
trotzdem lebten sie in vollkommener Eintracht miteinander. Auch hatten
sie keine Götzen und wohl auch keine Religion. Das abergläubische
Geschrei, mit dem sie uns durch ihre »Priester« beschworen, kann
doch keine Religionsbetätigung[2] sein. Im ganzen genommen schienen
diese menschenähnlichen, armseligen, hilflosen Wesen der Auswurf der
Menschheit zu sein. Hingegen sind sie auch der bittern Sorgen ledig,
die uns unsre verfeinerte Kultur aufbürdet, um die Begierden, die sie
schafft, stillen zu können.

Am 26. Januar steuerten wir vom Kap Horn ab. Am 13. Februar befanden
wir uns 12° westwärts von der Magelhaensstraße. Erst am 4. April
sichtete Peter Briscoe, ein Diener Banks', im Süden Land. Ich richtete
sogleich meinen Kurs dahin und fand, daß es sich um eine eiförmige
Insel handelte, in deren Mitte sich eine Lagune befand. Ich taufte sie
deshalb die Laguneninsel. Die kupferfarbigen Bewohner dieser Insel
sammelten sich am Strande und trugen große Spieße, mit denen sie
aufgeregt hin und her liefen. Um ein Uhr steuerten wir nach Nordwesten
und entdeckten eine neue Insel, die ich Thrumbkap nannte. Um drei
Uhr fanden wir eine armbrustartige Insel, die bewohnt war; ich hieß
sie die Bow-Insel, Bogen-Insel. Am 6. entdeckten wir verschiedene
Eilande, die ich die »Gruppen« nannte, am 7. die Vögelinsel, am 8. die
Ketteninsel, am 10. Maitea, die Kapitän Wallis zuerst entdeckt und
die Osnabrückinsel genannt hatte. Am folgenden Morgen früh entdeckten
wir Otahiti. Um 11 Uhr waren wir so nahe, daß verschiedene Kähne mit
Eingeborenen, die Palmzweige mit sich führten, uns anliefen und uns
die Zweige als Friedenszeichen überreichten. Am nächsten Morgen um 7
Uhr gingen wir in der Port Royal Bai, die von den Eingeborenen Matavai
genannt wird, vor Anker. Die Eingeborenen umringten das Schiff sofort
mit ihren Kähnen und brachten uns Kokosnüsse, Äpfel, Brotfrüchte
und Fische, die sie uns für Glaskorallen und andere Kleinigkeiten
überließen. Unter ihnen befand sich Owhah, ein alter Häuptling, den
die früheren Begleiter des Kapitäns Wallis, Herr Gore und andere, die
mich auf meiner Reise begleiteten, sofort erkannten. Ich lud den alten
Herrn an Bord und machte ihm einige Geschenke. Zugleich ordnete ich
durch einen Befehl den Verkehr meiner Leute mit den Eingeborenen, um
Preisdrückereien und anderem vorzubeugen. Hauptsächlich untersagte
ich, daß Waren gegen irgend etwas anderes als Lebensmittel umgetauscht
werden sollten.

Sobald das Schiff gehörig gesichert war, ging ich mit den Herren Banks
und Dr. Solander unter dem Schutze einer Abteilung Seesoldaten mit
unserm Freunde Owhah an Land. Die zahlreich versammelten Eingeborenen
ließen uns grüne Zweige überreichen und erzeigten uns große Ehrfurcht.
Am nächsten Tage kamen zwei Häuptlinge an Bord und wählten Herrn Banks
und mich mit großem Zeremoniell zu ihren Freunden. Mataha lud uns dann
zu sich ein. Weil ich einen bequemeren Hafen zu finden hoffte, ließ
ich zwei Boote aussetzen und ging mit Banks, Dr. Solander und den
andern Herren in Gesellschaft unsrer beiden indianischen Freunde an
Bord, um unter der Führung der letzteren die Reise anzutreten. Als wir
eine Seemeile weit gerudert waren, winkten uns die Häuptlinge an Land
zu steuern. Der Zulauf des Volkes war so groß, daß wir uns bald von
etlichen hundert Personen umringt sahen. Man geleitete uns sofort in
ein stattliches Haus, wo uns Tootahah, der Regent des Landes, begrüßte
und mit dem Geschenk wohlriechender Tücher bedachte. Das Tuch, das er
Herrn Banks überreichen ließ, war 33 Fuß lang und 6 Fuß breit. Herr
Banks erwiderte das Geschenk mit einem seidenen Spitzenhalstuch und
mit einem Taschentuch. Tootahah legte den neuen Staat mit stolzer und
selbstgefälliger Miene an. Doch es ist Zeit, daß ich auch die Damen
erwähne, die uns nach unserer Verabschiedung von dem Oberhäuptling in
ihre Häuser geleiteten. Sie erwiesen uns alle Aufmerksamkeiten und
schienen auch kein Bedenken zu tragen, ihre Gefälligkeiten allenfalls
noch weiter zu treiben. Die Häuser hatten keine Seitenwände, man
blieb also niemals ungesehen. Das hinderte die Schönen nicht, auf die
Matten zu deuten, sich niederzulassen und uns zu sich hinabzuziehen.
Wir beurlaubten uns jedoch von ihnen und gingen der Küste entlang.
Unterwegs begegnete uns der Häuptling Tubourai Tamaide an der Spitze
seiner Leute. Wir schlossen sofort einen Friedensvertrag mit ihm ab und
folgten dann seiner Einladung zu einem Imbiß.

Während der Tafel erzeigte eine von den Gemahlinnen des Häuptlings,
die Tomio hieß, Herrn Banks die Ehre, sich dicht neben ihn zu setzen.
Tomio war nicht mehr in der Blüte ihrer Jugend und Schönheit.
Aus diesem Grunde bezeigte ihr auch Herr Banks keine besonderen
Aufmerksamkeiten. Als ihm unter den Umstehenden ein sehr schönes
Mädchen in die Augen fiel, winkte er sie heran. Die Schöne zierte
sich anfänglich, folgte dann aber der Einladung. Nun beschenkte sie
Banks mit Glaskorallen und anderen Kleinigkeiten. Tomio war zwar
etwas beleidigt, aber sie blieb ebenso aufmerksam und höflich gegen
ihren Gast wie zuvor. Diese Szene hätte wohl noch interessanter
und rührender werden können, wäre sie nicht durch einen ernsten
Zwischenfall gestört worden. Dr. Solander und Herr Monkhouse machten
nämlich die unangenehme Entdeckung, daß sie bestohlen worden waren,
und zwar war ersterer um ein kleines Taschenperspektiv und letzterer
um seine Schnupftabaksdose bestohlen. Dieser Diebstahl verdarb allen
die gute Laune. Die Herren beschwerten sich bei dem Häuptling. Und
um der Beschwerde mehr Nachdruck zu geben, sprang Herr Banks auf und
stieß mit drohender Gebärde den Kolben seiner Büchse auf den Boden,
wodurch er der ganzen Gesellschaft einen solchen Schrecken einjagte,
daß sie Hals über Kopf zum Hause hinauslief. Dem Häuptling gelang es
binnen kurzem, die gestohlenen Gegenstände herbeizuschaffen und ihren
rechtmäßigen Eigentümern auszuhändigen, worauf wir versöhnt nach dem
Schiffe zurückkehrten.

[1] Cook wurde von dem ungebildeten Vizekönig, der sich den Durchgang
der Venus als den »Durchgang des Nordsterns durch den Südpol« erklärte,
aufs äußerste schikaniert, als Feind behandelt, scharf bewacht und in
jeder Weise aufgehalten.

[2] Die »Weißen« galten den Mexikanern nicht als die Repräsentanten
der guten Götter, sondern als die des Dämons. Als solche galten auch
Cook und seine Leute den Feuerländern, deren primitive Religion in der
Versöhnung des Bösen bestand, da ja das Gute nicht zu fürchten war.




Zweites Kapitel.

  Die Bewohner von Tahiti. -- Ihre Stehlsucht. -- Wir bauen ein Fort.
  -- Lustbarkeiten. -- Oberea, die Königin, und ihr Günstling. --
  Tootahah, der Regent. -- Ringkämpfe. -- Seltsame Besuchssitte. --
  Freie Liebe.


Am nächsten Tage ging ich mit den Herren Banks, Dr. Solander und Green
an Land, um dort einen Platz für ein kleines Fort und unsre Sternwarte
aufzusuchen. Wir waren bald über den Platz schlüssig und steckten auf
der nordöstlichen Spitze der Bai die Grenzen ab, wo wir auch ein Herrn
Banks gehöriges Zelt aufschlugen. Wie bei allem, was wir taten, so
versammelte sich auch diesmal eine große Menge Zuschauer um uns, die
ohne Waffen gekommen waren. Unter ihnen befand sich auch Owhah, dem ich
durch Zeichen verständlich zu machen suchte, daß wir den Platz, den wir
abgesteckt hatten, nicht für immer, sondern nur für die Zeit unseres
Aufenthalts beanspruchten. Ich kann nicht sagen, ob er mich verstanden
hat. Die Eingeborenen betrugen sich zu meiner Freude gefällig und
ehrerbietig; sie hockten ganz friedfertig außerhalb des abgesteckten
Kreises nieder und schauten uns zu, solange wir arbeiteten.

Wir beschlossen, obwohl uns Owhah durch Zeichen abriet, uns im Innern
des Waldes umzusehen. Wir ließen unsere Seesoldaten unter dem Befehl
eines Unteroffiziers zur Bewachung des Zeltes zurück und begaben uns
in Begleitung einer großen Anzahl Eingeborener in den Wald. Als wir
über einen kleinen Fluß setzten, flogen einige Enten auf. Banks schoß
und erlegte drei Stück davon. Der Schuß jagte den Eingeborenen einen
solchen Schrecken ein, daß die meisten wie vom Blitz getroffen zu Boden
fielen; doch sie erholten sich bald von ihrer Furcht, und wir setzten
unsere Reise fort. Plötzlich fielen zwei Schüsse in der Richtung des
Zeltes. Wir brachen in großer Besorgnis so schnell als möglich dorthin
auf und fanden den Platz um das Zelt von den Eingeborenen geräumt.
Der wachhabende Unteroffizier meldete, daß einer der Indianer dem
Posten das Gewehr entrissen habe und damit entflohen sei. Man habe
ihn verfolgt und erschossen, sonst sei niemand getötet oder verwundet
worden. Wir rechtfertigten Owhah und den Häuptlingen gegenüber das
Vorgehen unserer Leute und bedeuteten ihnen, daß wir niemand ein Leid
zufügen würden, der uns und unsere Leute in Frieden lasse. Wir brachen
hierauf das Zelt ab und gingen ärgerlich über den Vorfall an Bord.

Am folgenden Morgen war der Strand ziemlich leer. Niemand von
unsern indianischen Freunden, selbst unser treuer Owhah nicht, ließ
sich blicken -- Beweis genug, daß man uns grollte. Unter diesen
Umständen segelte ich näher an die Küste und legte das Schiff so vor
Anker, daß unsere Kanonen den ganzen nordöstlichen Teil der Bai und
insbesondere den Platz bestreichen konnten, den ich zur Erbauung des
Forts abgesteckt hatte. Am 17. starb zu unserem größten Leidwesen
Herr Buchan, ein begabter Maler, den Herr Banks mitgenommen hatte, an
den Folgen des Abenteuers auf der Terra del Fuego. Aus Rücksicht auf
die Eingeborenen begruben wir ihn nicht auf der Insel, sondern wir
übergaben seinen Leichnam unter großen Feierlichkeiten der See. Am
Vormittag desselben Tages statteten uns Tootahah und Tubourai Tamaide
ihren Gegenbesuch ab. Auch brachten sie Geschenke mit, Brotfrucht und
ein gebratenes Schwein. Ich machte jedem ein Beil und einen Nagel
zum Gegengeschenk. Am Abend gingen wir an Land und schlugen ein Zelt
auf, worin Green und ich die Nacht zubrachten, um eine Finsternis des
Jupitertrabanten zu beobachten; weil sich aber der Himmel bewölkte,
wurde nichts daraus.

Nach Anbruch des Tages begannen wir mit dem Bau des Forts. Zu meiner
Beruhigung machten sich die Eingeborenen dadurch nützlich, daß sie
die im Walde gehauenen Pfosten und Faschinen herbeischleppten, die
ich ihnen ehrlich bezahlt hatte. Kein Baum war ohne ihre Erlaubnis
gefällt worden. Diese Rücksichtnahme auf ihre Eigentumsrechte machte
so guten Eindruck, daß der Oberhäuptling Tamaide bei einem Besuch
nicht nur seine Familie, sondern auch das Wetterdach eines Hauses und
allerhand Baugeräte mitbrachte und erklärte, seine Residenz in unserer
Nachbarschaft aufschlagen zu wollen. Am 22. veranstaltete Tootahah ein
Konzert zu unseren Ehren. Das Orchester bestand aus vier Flötisten,
die ihr Instrument mit der Nase bliesen, und vier Sängern, die immer
eine und dieselbe Melodie spielten und sangen. An einem Abend lieh
Dr. Solander einer von den Frauen Tamaides sein Messer, bekam es aber
nicht wieder; am folgenden Morgen vermißte Herr Banks das seinige. Bei
dieser Gelegenheit will ich betonen, daß unterschiedslos die Männer
und die Frauen dieses Volkes die größten Diebe auf Erden sind. Bereits
am Tage unserer Ankunft, als uns die Eingeborenen an Bord unseres
Schiffes besuchten, waren die Häuptlinge ebenso beschäftigt unsere
Kabinen zu bestehlen, wie ihre Leute die andern Teile des Schiffes.
Banks beschuldigte Tamaide, ihm sein Messer gestohlen zu haben. Der
Oberhäuptling leugnete feierlich. Banks erfuhr bald, daß sein eigener
Bedienter das Messer verlegt hatte, und er beeilte sich, den Häuptling
zu versöhnen.

Am 26. stellte ich sechs Drehbassen im Fort auf, wodurch die
Eingeborenen in Furcht gerieten; einige Fischer, die auf der Landspitze
der Bai wohnten, verzogen deshalb nach dem Innern der Insel. Am
nächsten Morgen langten zahlreiche Kähne an, und die Zelte im Fort
wimmelten von Männern und Frauen, die aus allen Teilen der Insel
hergekommen waren. Ich hatte an Bord zu tun; allein unser Steuermann
Mollineux, der schon einmal mit Kapitän Wallis in Otahiti war, ging
für mich an Land. Als er in das Zelt des Herrn Banks trat, fiel ihm
sofort eine Frau auf, die mit mehreren andern dort saß. Kaum erblickte
er sie, so erkannte er in ihr Oberea, die Königin der Insel, die nach
dem Zeugnis des Kapitäns ihm so wertvolle Dienste geleistet hatte. Auch
sie erkannte den Steuermann wieder. Oberea war sehr groß, ihre Haut war
weiß und ihr Gesicht schien ungemein geistreich und empfindsam. Sie war
ungefähr vierzig Jahre alt und mußte in ihrer Jugend sehr schön gewesen
sein.

Als Banks hörte, wer sie war, erbot er sich, sie an Bord des Schiffes
zu geleiten. Die Königin nahm den Vorschlag mit Freuden an und kam mit
zwei Häuptlingen und ihren Frauen an Bord, wo ich sie feierlich empfing
und mit Geschenken überhäufte. Am besten gefiel der erlauchten Dame
eine Kinderpuppe. Alsdann begleitete ich sie an Land, wo wir Tootahah
begegneten, der zwar nicht König als Regent, aber mit der höchsten
Gewalt bekleidet war. Es schien ihm wenig zu gefallen, daß wir die
Königin mit so großer Auszeichnung behandelten. Und als sie ihre Puppe
zeigte, wurde er so eifersüchtig, daß ich ihm, um ihn zu versöhnen,
auch eine Puppe schenken mußte, die er sogar einem schönen Beile
vorzog. Kurz danach fielen die Puppen so im Kurs, daß sie niemand mehr
wollte.

Die Männer, die uns besuchten, pflegten ohne das geringste Bedenken an
unserm Tische zu speisen. Die Frauen und Mädchen hingegen waren nie
dazu zu bewegen gewesen. Auch heute lehnten sie unsere Einladung ab,
verfügten sich aber in das Speisezimmer der Bedienten, wo sie es sich
gut schmecken ließen. Der Grund dieses Betragens blieb uns ein Rätsel.
Am nächsten Morgen erwiderte Herr Banks den Besuch der Königin. Es war
nicht mehr sehr früh, als er erschien. Trotzdem sagte man ihm, daß sie
noch unter der Wetterdecke ihres Kahnes schlafe. Er begab sich dorthin
in der Absicht sie zu wecken, weil er glaubte, daß er sie durch diese
etwas familiäre Art schwerlich beleidigen würde. Als er aber in ihre
Kajüte blickte, fand er sie mit Obadec, einem stattlichen jungen Manne
von fünfundzwanzig Jahren, zusammen. Banks wich beschämt zurück. Man
gab ihm aber zu verstehen, daß dergleichen Intimitäten landesüblich
seien; außerdem wäre es kundig, daß Obadec der Günstling der Königin
wäre. Zu höflich, Herrn Banks lange antichambrieren zu lassen, kleidete
sich Oberea schnell an und ging dann in seiner Begleitung nach den
Zelten.

Kapitän Wallis hatte eines der Steinbeile der Insulaner nach England
gebracht, nach dessen Muster die Admiralität ein eisernes Beil
verfertigen ließ, das ich mitnehmen mußte, um den braunen Herrschaften
mit unserer Industrie zu imponieren. Als ich Tootahah dieses Beil zum
Geschenke machte, um ihn wegen des Forts, das ich mit zwei Vierpfündern
und sechs Drehbassen bewehrt harte, zu beruhigen, war er von dem
Geschenke derart entzückt, daß er in der Furcht, das Geschenk würde
mich reuen, sofort davonlief, um es in Sicherheit zu bringen. Leider
wurde uns nebst mehreren andern Gegenständen ein Quadrant gestohlen,
den wir unter jeder Bedingung haben mußten. Meine Leute setzten daher
den guten Tootahah als Geisel gefangen. Zum Glück kam ich rechtzeitig
zurück, um ihn zu befreien. Wir erhielten die gestohlenen Sachen
ausgeliefert. Die Insulaner grollten mehrere Tage, allein es gelang
uns, sie wieder vollständig zu versöhnen. Wir statteten Tootahah einen
feierlichen Besuch ab.

Das Volk erwartete uns in so großer Menge am Strand, daß wir kaum
hindurch gekommen wären, wenn nicht ein großer, mit einem Turban
bekleideter Mann dagewesen wäre, eine Art von Zeremonienmeister, der
mit einem weißen Stock um sich hieb und Platz schuf. Dieser seltsame
Herr geleitete uns zum Oberhaupt, indes das Volk uns zujauchzte:
»Tai Tootahah!«, Tootahah ist euer Freund! Wir fanden ihn gleich
einem biblischen Erzvater, umgeben von den Ältesten seines Staates,
unter einem Baume thronend. Ich überreichte ihm zu den bedungenen
Versöhnungsgeschenken noch ein Oberkleid von englischem Tuche, das er
mit großer Freude empfing und sofort anlegte, und ein Hemd, das er
seinem Zeremonienmeister übergab. Dann lud er uns zu einem Wettkampf,
einem Ringkampf ein, den er uns zu Ehren veranstaltet hatte. Wir wurden
nach einem großen Platze geführt, der von einem etwa drei Fuß hohen
Rohrgitter umgeben und an die Residenz des Oberhäuptlings angebaut
war. Tootahah saß in der Mitte der Preisrichter; wir zogen es vor, uns
frei umherzubewegen. Als alles bereit war, traten die Kämpfer in den
Kreis. Sie waren bis auf ein Hüfttuch nackt. Die Anfangszeremonien
des Ringkampfes bestanden darin, daß die Ringer in gebückter Haltung
langsam rund im Kreise herumgingen und dabei die linke Hand auf ihre
rechte Brust legten, während sie mit der rechten Hand den Takt auf
ihrem linken Arm schlugen, eine Herausforderung an alle, die mit ihnen
ringen wollten. Die direkte Herausforderung bestand noch darin, daß
der einzelne Ringkämpfer seinen Gegner zum Kampfe einlud, indem er
die Hände auf die Brust legte und mit den Ellenbogen wippte. Hatte
der Gegner dasselbe getan, so fuhren beide aufeinander los, wobei
jeder seinen Gegner regellos zu packen suchte, an den Beinen, an
den Armen, um den Leib und selbst an den Haaren, wobei nur die rohe
Kraft entschied. Doch mußte der Sieger den Besiegten auf den Rücken
legen. Während des Ringens tanzten Tänzer einen der charakteristischen
monotonen Tänze. Mit Erbitterung wurde nirgends gerungen. Wir
konstatierten sogar, daß die Besiegten über ihr Pech lachten und
scherzten. Das Wettringen dauerte etwa zwei Stunden. Tootahah lud
sich alsdann bei uns im Fort zu Gaste, wozu er ein gebratenes Schwein
lieferte. Unsere Aussöhnung mit diesem mächtigen Manne wirkte wie ein
Zauber auf das Volk, das sofort mit vielem Eifer den unterbrochenen
Tauschhandel mit uns wieder aufnahm. Doch hielt es nach wie vor
schwer, Schweinefleisch zu erhalten. Die Herren Green und Mollineux
hörten bei einem Ausflug, daß die meisten Schweine unserem Tootahah
gehörten. Nunmehr fingen wir an, unsern Freund für einen mächtigen
Fürsten zu halten, denn anders wären ein solcher Reichtum und eine so
unumschränkte Gewalt nicht möglich. Bis jetzt hatten wir Kokosnüsse und
Brotfrüchte immer noch mit Glaskorallen eingehandelt. Nun aber begann
der Wert dieses Tauschartikels so bedeutend zu fallen, daß wir Nägel
auf den Markt brachten. Für einen vierzölligen Nagel erhielten wir
zwanzig Kokosnüsse und Brotfrucht in demselben Quantum.

Am 9. Mai besuchte uns, zum ersten Male seit dem Streit mit Tootahah,
die Königin wieder. Oberea kam in Begleitung des Häuptlings Tupia und
ihres Günstlings Obadec, die uns ein Schwein und Brotfrüchte brachten,
ein Geschenk, das wir mit einem Beil auslösten. Wir hatten inzwischen
eine Schmiede im Fort aufgestellt. Der Schmied hatte beständig Arbeit,
denn die Eingeborenen brachten altes Eisen, woraus ich ihnen neue
Werkzeuge schmieden ließ. Die Königin hatte eine zerbrochene Axt
mitgebracht, die ich ihr zu ihrer Zufriedenheit reparieren ließ.
Alsdann verabschiedete sie sich mit dem Versprechen, nach drei Tagen
wiederkommen zu wollen. Unsere Namen richtig aussprechen zu lernen
war den Insulanern ein Ding der Unmöglichkeit. Mich nannten sie Tuti,
Herrn Hicks Hiti, Mollineux nach seinem Vornamen Bob Boba, Herrn Gore
Toora, Dr. Solander Torano, Herrn Banks Tapane, Herrn Green Eteri, den
Maler Parkinson Patini und den Unteroffizier Monkhouse, der den Dieb
der Muskete erschossen hatte, Matte, was soviel wie Tod bedeutet. Der
letztere Umstand ließ uns darauf schließen, daß die Namen, die sie uns
gegeben hatten, Worte ihrer eigenen Sprache bedeuteten.

Am 12. Mai, an einem Freitag, statteten uns einige fremde Frauen von
Rang einen Besuch ab. Herr Banks saß am Tore des Forts in seinem Boote
neben Tootahah und andern vornehmen Eingeborenen, um die Marktgeschäfte
zu erledigen. Zwischen 9 und 10 Uhr landete ein großer Kahn, unter
dessen Wetterdach ein Mann und zwei Frauen saßen. Tootahah bedeutete
Herrn Banks, den vornehmen Fremden entgegen zu gehen. Bis er jedoch
aus dem Boote kam, waren ihm jene schon bis auf dreißig Fuß nahe
gekommen. In dieser Entfernung hielten sie still und winkten ihm ein
Gleiches zu tun. Hierauf legten sie ein halbes Dutzend Bäumchen und
andere Pflanzen auf die Erde nieder. Das Volk hatte inzwischen von
den Fremden bis zu Banks eine Gasse gebildet. Alsdann brachte der
Mann, der ein Diener der vornehmen Frauen zu sein schien, die Bäumchen
nacheinander Herrn Banks und sprach dazu einige Worte. Der Häuptling
Tupia versah das Amt eines Zeremonienmeisters des Herrn Banks; er nahm
die Zweige ebenso feierlich an und legte sie ins Boot. Nach dieser
Feierlichkeit schleppte der Mann einen großen Ballen Tücher herbei,
öffnete ihn und breitete den Inhalt stückweise zwischen Banks und
seinen Gästen aus, wobei er jedesmal drei Tücher aufeinander legte.
Hierauf stieg eine der beiden Frauen, die Ooratooa hieß und die
vornehmere war, auf die Tücher, hob ihre Kleider ringsum bis an die
Hüften auf und drehte sich mit der unschuldigsten Miene von der Welt
feierlich und bedächtig dreimal im Kreise herum. Alsdann ließ sie
den Vorhang fallen und trat wieder herunter. Jetzt legte man sechs
Tücher und dann neun übereinander. Ooratooa wiederholte jedesmal die
Zeremonie, der das Volk mit dem feierlichsten Ernste anwohnte. Danach
wurde das Tuch sofort aufgerollt und Herrn Banks als Geschenk von der
Dame überreicht, die mit ihrer Freundin an ihn herantrat und ihn küßte.
Er machte den beiden die auserlesensten Geschenke; die beiden vornehmen
Insulanerinnen blieben etwa eine Stunde, dann fuhren sie heimwärts.
Am Abend bekamen die Herren im Fort den Besuch der Königin und ihrer
Freundin Oteothea, eines sehr schönen jungen Mädchens.

Am 13., als der Markt schon um 10 Uhr vorüber war, erging sich Herr
Banks, der seine Kugelbüchse bei sich trug, im kühlenden Schatten
des Waldes. Auf dem Rückwege traf er Tubourai Tamaide vor seinem
provisorischen Wetterhaus und verweilte bei ihm. Dieser nahm die
Gelegenheit wahr, nahm Herrn Banks die Büchse aus der Hand, spannte den
Hahn und versuchte einen Schuß in die Luft abzufeuern. Zum Glück für
ihn versagte der Schuß. Banks entriß ihm augenblicklich die Büchse.
Da es von höchster Wichtigkeit war, die Insulaner in der Behandlung
des Feuergewehrs in gänzlicher Unwissenheit zu erhalten, so erging
sich Banks dem Häuptling gegenüber in den fürchterlichsten Drohungen.
Tamaide hörte den Verweis mit großer Demut an, allein kaum hatte ihm
Banks den Rücken gewendet, so enteilte er mit seiner ganzen Familie
in sein Haus zu Eparre. Wir wurden sofort benachrichtigt, und da wir
diesen einflußreichen Mann nicht zum Feinde haben wollten, so reisten
die Herren Banks und Mollineux noch an demselben Abend nach Eparre
ab. Hier fanden sie den Oberhäuptling betrübt im Kreise seiner Leute
sitzen; seine Lieblingsfrau hatte in ihrer Trauer über den Vorfall
ihren Kopf mit einem Seehundszahn blutig gestoßen. In gleicher Weise
hatte die Terapo schon vorher ihrem Schmerze Ausdruck gegeben. Banks
beeilte sich also, den Häuptling zu beruhigen und ihm zu versichern,
daß er weit davon entfernt sei, ihm zu zürnen. Tamaide war so froh
darüber, daß er sofort zurückkehrte und zum Zeichen der vollständigen
Aussöhnung mit seinen Frauen im Zelte des Herrn Banks übernachtete.

Am 4. Juni, an einem Sonntage, hielten wir im Fort Gottesdienst ab,
wozu wir den Tamaide und andere vornehme Insulaner einluden. Herr
Banks setzte sich mitten zwischen sie, und sie ahmten alles nach,
was er tat; sie erhoben sich, setzten sich, knieten nieder, ganz
wie er. Als jedoch der Gottesdienst vorüber war, bezeigten sie kein
Interesse dafür, von uns zu erfahren, um was es sich hier gehandelt
habe. Die Insulaner hielten dagegen eine Vesper von besonderer Art
ab. Ein junger, sechs Fuß großer Mensch weihte nämlich ein junges,
etwa zwölfjähriges Mädchen in Gegenwart einiger von unseren Leuten und
einer großen Menge Volkes feierlich in die Mysterien des Venuskultes
ein. Die ungenierte Art, womit er hiebei zu Werke ging, bewies ganz
klar, daß er seine Handlungsweise nicht im geringsten für unschicklich
und unanständig, sondern für eine im Gebrauch des Landes erlaubte
und moralische hielt. Unter den Zuschauern befanden sich die Königin
und viele Frauen von Stand, die sich nicht damit begnügten, bei
dieser Zeremonie die Zuschauerinnen zu spielen, sondern im Gegenteil
eifrig bemüht waren, der Novize Anleitungen zu geben, wie sie sich zu
verhalten habe, obschon das Mädchen trotz seiner Jugend der Anleitungen
eben nicht sehr zu bedürfen schien. Ich erzähle diesen Vorfall, weil
er ein nicht unbedeutender Beitrag zur Lösung einer Frage ist, über
die die Philosophen schon lange stritten, die Frage nämlich: »ob die
Scham, die gewisse natürliche Handlungen begleitet, ihren Grund in der
Natur selbst hat, oder ob sie aus Gebräuchen entstanden ist«. Es dürfte
sehr schwer werden zu erklären, wie es kam, daß der Schambegriff
bezüglich gewisser Naturakte gerade diesem paradiesisch harmlosen Volke
vollständig fehlt.

Ebenso verhielt es sich mit dem Begriff des Diebstahls und seiner
Verwerflichkeit. Wir hatten wiederholt bemerkt, daß, sobald uns etwas
gestohlen wurde, alle Insulaner schon vor uns davon Kenntnis hatten.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Juni wurde uns eines von den am Fort
aufgestellten Wasserfässern gestohlen; am andern Morgen war kein
Insulaner, der nicht von diesem Diebstahl gewußt hätte.




Drittes Kapitel.

  Ein Besuch beim Regenten. -- Der Durchgang der Venus. -- Folgen ihres
  Kults. -- Ein tahitisches Begräbnis. -- Ein Hundebraten. -- Hoher
  Besuch. -- Eine Reise um die Insel. -- Lockungen.


Am 27. Juni beschlossen wir, dem Oberhäuptling Tootahah einen Besuch
abzustatten, um ihn zur Lieferung einiger Schweine zu veranlassen.
Ich ruderte daher frühmorgens mit Banks, Dr. Solander und drei andern
Herren in der Pinasse ab. Da wir den Weg nach Atahourou, der neuen
Residenz Tootahahs, nur zur Hälfte im Boote zurücklegen konnten, so
langten wir erst gegen Abend bei ihm an. Wir fanden ihn in seinem
gewöhnlichen Staatsgewand unter einem großen Baum inmitten seines
Volkes thronend und überreichten ihm unser Geschenk, das aus einem
gelben Frauenunterrock und andern Kleinigkeiten bestand und das er in
Gnaden anzunehmen geruhte.

Die Menge des Volkes und der angesehensten Häuptlinge war so groß
-- auch die Königin war mit ihrem Gefolge erschienen -- daß die
Häuser nicht alle beherbergen konnten. Wir waren also gezwungen jeder
woanders zu logieren. Oberea bot Herrn Banks höflich einen Platz in
ihrem Quartier an. Banks war froh, so gut versorgt zu sein, wünschte
uns gute Nacht und ging mit der Königin weg. Nach dem Landesgebrauch
legte er sich frühzeitig schlafen, und da die Nacht sehr heiß war,
so entkleidete er sich. Oberea bestand darauf, die Kleider in ihre
eigene Verwahrung zu nehmen, damit sie nicht gestohlen würden. Unter
dem so mächtigen Schutze der Königin schlief Banks sorglos wie in
Abrahams Schoß. Als er um 11 Uhr aufstehen wollte, waren seine Kleider
verschwunden. Er weckte also die Königin, die sofort Licht machen
ließ und ihm schwur, ihm die Kleider zu verschaffen. Auch Tootahah,
der nebenan schlief und von dem Lärm erwachte, entfernte sich mit der
Königin, um den Dieb zu suchen, der dem guten Banks nichts weiter
zurückgelassen hatte als seine Beinkleider und seine Kugelbüchse,
die nicht geladen war. Pulverhorn, Pistolen, Rock, Weste usw. waren
verschwunden. Nach einer halben Stunde kamen Oberea und Tootahah
mit der Nachricht zurück, daß sie von dem Diebe keine Spur entdeckt
hätten. Banks, der keine Ahnung von unserem Quartier hatte, machte
gute Miene zum bösen Spiel. Gegen Morgen suchte er uns halb nackt
auf. Uns war es nicht viel besser ergangen; mir waren die Strümpfe
gestohlen, einem andern das Wams. Oberea brachte ihrem Gastfreund einen
Eingeborenenrock, und in diesem halb englischen, halb indianischen
Kostüm ging Herr Banks einher. Nur Dr. Solander, der bei ehrlichen
Leuten übernachtet hatte, war mit heiler Haut davongekommen. Unsere
Kleider waren und blieben verschwunden. Wir hegten deshalb den ziemlich
begründeten Verdacht, daß der Diebstahl mit Wissen und Willen der
Königin und Tootahahs begangen worden war. Wir traten sobald als
möglich den Rückmarsch zum Boote an und kamen des Abends spät nach dem
Fort zurück.

Lord Morton hatte mir bei meinem Abschiede dringend ans Herz gelegt,
den Durchgang der Venus von verschiedenen Orten aus beobachten zu
lassen. Green und ich wollten das Ereignis vom Fort aus beobachten.
Die erste Expedition unter dem Befehl des Herrn Hicks sollte im Osten
der Insel, die zweite unter dem Befehl des Leutnants Gore auf Imao im
Westen von Otahiti, einer Insel, die Kapitän Wallis Herzog-York-Insel
nannte, die Beobachtung anstellen. Zu diesem Zwecke stattete unser
Astronom Green beide Expeditionen mit den nötigen Instrumenten aus und
unterwies deren Leiter in ihrem Gebrauche. Herr Hicks brach mit seinen
Leuten in der Pinasse auf. Für die zweite Expedition wurde das lange
Boot ausgerüstet, aber man wurde erst Donnerstag nachmittag fertig. An
dieser Expedition nahm auch Banks mit Tamaide und mit Tomio teil, einer
Verwandten des Königs von Imao. Nachdem die Bootsleute den größten
Teil der Nacht hindurch gerudert harten, gelangten sie an die Insel,
wo sie sich vorläufig vor Anker legten. Bald nach Anbruch des Tages
erblickte man einen indianischen Kahn, den Tamaide anrief, um sich
nach einer Einfahrt zu erkundigen. In dieser erblickten sie einen von
der Insel etwa 450 Fuß entfernten Korallenfelsen, der für ihre Zwecke
günstig schien. Er war 240 Fuß lang, 60 Fuß breit, und zeigte in seiner
Mitte einen Sandflecken, der für den Aufbau der Zelte reichte. Man
beschloß daher die Sternwarte hier anzulegen. Während Gore und seine
Leute die Zelte aufschlugen, ging Banks mit Tamaide und Tomio an Bord
des Indianerkahns und fuhr nach der Hauptinsel, um Nahrungsmittel
einzutauschen. Bei seiner Rückkehr fand er die Sternwarte in Ordnung
und die Fernrohre befestigt und geprüft. Der Abend war sehr heiter.
Allein jedermann besorgte, daß der Himmel sich trüben könne, und so
fand keiner den Schlaf. Sobald der Tag anbrach und die Sonne hell
und klar aufging, stieg die Aufregung der Beobachter aufs höchste.
Banks wünschte den Herren Gore und Monkhouse viel Glück und fuhr in
Begleitung der Indianer nach der Insel. Um 8 Uhr bemerkte er, daß
sich zwei Kähne dem Platze näherten, den er sich für seine Geschäfte
ausgesucht hatte. Man teilte ihm mit, daß die Kähne dem König der
Insel, Tarrao, gehörten, der zum Besuche käme. Als der König sich
näherte, bildete das Volk eine Gasse vom Strande bis zum Marktplatz,
und Seine Majestät traten hierauf nebst dero Schwester Nuna ans Land.
Als sie sich dem Baume näherten, unter dem Banks hielt, ging er
ihnen entgegen und geleitete sie feierlichst zu seinem Platze, wo
er ein Tuch ausbreiten und seine Gäste darauf sitzen ließ. Der König
überreichte hierauf Herrn Banks ein Schwein, einen Hund und Früchte
zum Geschenk, das dieser mit einem Beil, einem Hemd und einigen
Glaskorallen erwiderte, womit er Sr. Majestät und der erlauchtesten
Prinzessin viele Freude bereitete. Kurz darauf erschienen Tamaide und
Tomio. Diese stellte sich als Verwandte Tarraos vor und überreichte ihm
einen großen Nagel und der Nuna ein Hemd zum Geschenk.

Als die erste innere Berührung des Planeten Venus mit der Sonne vorüber
war, begab sich Herr Banks mit Tarrao und seinem Gefolge, worunter
sich auch drei junge Schönheiten befanden, nach der Koralleninsel. Er
zeigte ihnen durch das Fernrohr den Planeten auf dem Sonnenspiegel
und suchte ihnen begreiflich zu machen, daß wir aus unserm Vaterlande
nur deshalb hergekommen wären, um dieses Ereignis zu beobachten. Am
folgenden Morgen fuhren die Mitglieder der zweiten Expedition wieder
nach dem Fort zurück. Auch die Ergebnisse unserer Beobachtungen waren
befriedigend. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang war die Luft rein
und der Himmel klar. Nach den Aufzeichnungen Greens geschah die erste
äußere Berührung des Planeten der Sonnenscheibe um 9 Uhr 25 Minuten 42
Sekunden, die erste innere um 9 Uhr 44 Min. 4 Sek., die zweite innere
Berührung um 3 Uhr 14 Min. 8 Sek., und die zweite äußere Berührung um
3 Uhr 32 Min. 10 Sek. Die Breite unserer Sternwarte war 17 Gr. 29 Min.
15 Sek., die westliche Länge von Greenwich 149 Gr. 32 Min. 30 Sek.

So große Ursache wir auch hatten, uns über den Erfolg unserer
Observationen zu freuen, so sehr gab uns ein Teil des Schiffsvolks
Anlaß zum Ärger. Während wir nämlich den Durchgang der Venus
beobachteten, brachen verschiedene Matrosen in eine unserer
Vorratskammern ein und entwendeten ungefähr einen Zentner großer Nägel
-- eine Tat, von der wir den größten Nachteil zu befürchten hatten,
denn wenn die Diebe diese Nägel an die Insulanerinnen verhandelten, so
entwerteten sie unsere Haupttauschware. Wir entdeckten einen der Diebe,
fanden aber nur sieben Nägel bei ihm; auch verriet er, obwohl ich ihm
vierundzwanzig Hiebe aufbrennen ließ, keinen seiner Mitschuldigen.

Um diese Zeit starb eine alte Frau von Rang, die mit der Tomio verwandt
war. Dies verschaffte uns die längstersehnte Gelegenheit, einem
Leichenbegängnis beizuwohnen. In der Mitte eines Vierecks, das mit
einem schönen Gitter umgeben war, wurde eine Wetterdecke über zwei
Pfosten ausgespannt. Darunter wurde die Leiche auf eine primitive Bahre
gelegt und der Verwesung überlassen. Neben ihr wurden Brotfrüchte
und andere Lebensmittel niedergelegt, und in der Nähe wurden einige
Hütten errichtet, worin die nächsten Anverwandten und der vornehmste
Leidtragende, diesmal Tubourai Tamaide, den Zeitpunkt der Verwesung
abwarteten, um dann die Gebeine zu beerdigen.

Herr Banks war so begierig, in die Geheimnisse einer solchen
Feierlichkeit einzudringen, daß er sich zur bestimmten Zeit nach dem
Orte begab, wo der Leichnam lag. Die Tochter der Verstorbenen empfing
ihn daselbst, umgeben von allen Leidtragenden, unter denen sich auch
ein Knabe von etwa vierzehn Jahren befand. Tamaide trug als der
Hauptleidtragende eine seltsame Maske. Herr Banks mußte sich nackt
ausziehen; man wickelte ihm ein Lendentuch um den Leib und färbte
seinen Oberkörper mit Kohlenstaub und Wasser so lange, bis er schwarz
wie ein Neger war. Diese Förmlichkeit nahm man auch mit den andern,
unter ihnen einige Frauen und Mädchen, die sich gleichfalls nackt
ausziehen mußten, und mit dem Knaben vor. Tubourai Tamaide sprach
jetzt eine Art von Trauergebet, dann setzte sich der Zug in Bewegung.
Als man an das Haus Tamaides kam, betete dieser wiederum, dann nahm
der Zug seinen Weg nach dem Fort hin. Die nicht zum Trauergeleite
gehörenden, in der Nähe des Forts angesiedelten Insulaner flüchteten
beim Herannahen des Zuges in die Wälder, und so war es überall, wo
sich dieser zeigte. Banks hatte als sogenannter »Niniveh« mit noch
zwei andern das Amt, darüber zu wachen, daß kein lebendes Wesen in
den Häusern weilte, und hatte dies Tamaide mit dem Worte: imatata! es
ist niemand da! zu melden. Der erste Leidtragende trug in seiner Hand
einen langen, flachen Stock, dessen Ränder mit scharfen Seehundszähnen
besetzt sind. Entdeckt er einen Fremden, so verprügelt er ihn aufs
unbarmherzigste mit dieser Waffe. Nach dem Umzug wuschen sich alle
Teilnehmer im Flusse.

Die letzten Fleischteile der Leiche wurden im Verwesungshause, dem
Tupapow, sorgfältig von den Knochen abgeschabt, worauf diese in
dem ummauerten Begräbnisplatz, dem Morai, begraben wurden. War der
Verstorbene ein Arrih, ein Häuptling, so wird seine Hirnschale in
einem besonderen Kästchen neben seinen Gebeinen begraben. Alsdann ist
die Trauer zu Ende. Offiziell wenigstens. Es kommt oft vor, daß sich
besonders die Frauen später noch mit den Seehundszähnen verwunden,
wenn sie sich bei irgendeiner Gelegenheit an den Verlust eines teuren
Anverwandten erinnern. Dies war auch bei der Terapo der Fall, als
sie sich in unsrer Gegenwart scheinbar ohne jeden Grund mit dem
Seehundszahn bearbeitete. Ihren Begräbnisplatz halten die Eingeborenen
heilig. Ich hatte ein Boot unter dem Kommando eines Offiziers an Land
geschickt, um Steinballast zu holen. Weil nun der Offizier nicht gleich
die nötigen Steine fand, ließ er eine Moraimauer niederreißen. Die
Insulaner widersetzten sich dem mit Gewalt. Herr Banks eilte hinzu
und stiftete Frieden, indem er die Matrosen nach dem Flusse schickte,
wo es Steine genug gab. Es ist gewiß sehr charakteristisch, daß die
Eingeborenen von Otahiti gegen das, was man ihren Toten antat, weit
empfindlicher als gegen das waren, was man mit den Lebenden vornahm.
Das einzige Mal, wo sie es wagten, die Hand an einen von uns zu legen,
geschah dies aus ähnlichem Anlaß. Unser Schiffsarzt Monkhouse pflückte
nämlich eines Tages eine Blüte von einem Baum, der sich in einem Morai
befand. Einer der Eingeborenen, der ihn mit Entrüstung beobachtet
hatte, rannte ihn wütend an und schlug auf ihn ein. Monkhouse
erwischte den Kerl, doch eilten diesem zwei andre zu Hilfe und zogen
Monkhouse an den Haaren, so daß er seinen Gefangenen los lassen mußte,
der mit seinen Befreiern schnellfüßig flüchtete.

Am Abend des 19. Juni bekamen wir einen Besuch der Königin; es
befremdete uns aber nicht wenig, daß Oberea ohne die uns gestohlenen
Kleider erschien, obschon sie wußte, daß wir sie für die Hehlerin
hielten. Sie erklärte uns zwar, daß sie ihren Günstling Obadec
davongejagt hätte, der der Dieb sei, allein sie mußte fühlen, daß wir
ihrem Märchen keinen Glauben schenkten. Trotzdem lud sie sich wieder
bei Herrn Banks zum Nachtquartier ein, was ihr abgeschlagen wurde.
Daraufhin zog sie sich maulend zurück. Am nächsten Morgen erschien sie
wieder und brachte uns zur Versöhnung ein Schwein und einen Hund mit.
Weil wir erfahren hatten, daß die Insulaner das Fleisch ihrer Hunde
für einen großen Leckerbissen halten und es sogar dem Schweinefleisch
vorziehen, kam uns die Lust an, uns den Hund braten zu lassen. Der
Minister und Oberpriester der diebischen Königin, Tupia, erhielt den
Auftrag, das Tier für uns zuzubereiten. Um den Hund zu töten, hielt
er ihm mit aller Kraft über eine Viertelstunde Maul und Nase zu. In
dieser Zeit war ein fußtiefes Loch gegraben und in dieses waren kleine
Steine schichtweise zwischen das brennende Holz gelegt worden. Hierauf
wurde der Hund über das Feuer gehalten, seine Haare wurden abgesengt
und seine Haut wurde mit einer Muschel so rein abgeschabt, als wäre
er in heißem Wasser gebrüht worden. Alsdann wurde er mit derselben
Muschel geöffnet. Man nahm die Eingeweide heraus, reinigte sie in der
See und legte sie dann in die Kokosnußschalen, in denen man das Blut
aufgefangen hatte. Alsdann entfernte man den Brand aus dem Loch, in
das ein Teil der heißen Steine gelegt wurde. Über diese kam frisches
Laub, auf das der Hund und die Eingeweide gelagert wurden. Man bedeckte
beides mit Blättern und legte über diese den Rest der heißen Steine.
Dann wurde das Loch mit Erde zugedeckt. Nach etwa vier Stunden wurde
der Braten herausgenommen, der nach unserm einstimmigen Urteil ganz
delikat schmeckte. Die zum Verspeisen gezüchteten Hunde werden nicht
mit Fleisch, sondern mit Brotfrucht, Kokosmilch und Yamswurzeln, einer
Kartoffelart, gemästet.

Am 21. Juni wurden wir von Oamo besucht, einem sehr mächtigen
Oberhäuptling, dem die Eingeborenen mit großer Ehrfurcht begegneten.
Oamo kam mit einem Knaben von sieben Jahren und einem jungen Mädchen
von etwa sechzehn Jahren. Der Knabe wurde von einem Manne getragen.
Sobald man sie kommen sah, entblößten Oberea und sämtliche Eingeborenen
innerhalb und außerhalb des Forts den Oberkörper und schritten
so den Ankommenden entgegen. Diese Entblößung war so gut wie die
des Unterkörpers seitens der Ooratooa ein Zeichen ganz besonderer
Ehrfurcht. Noch merkwürdiger war, daß die Insulaner wohl Oamo, nicht
aber den Knaben und das Mädchen zu uns ins Fort ließen. Wir hörten
später, daß Oamo der Gemahl der Königin war, von der er getrennt
lebte. Der Knabe (der Thronerbe) und das Mädchen waren ihre Kinder.
Das Mädchen war die Verlobte ihres Bruders Teridiri. Der wirkliche
Oberkönig war ein Sohn des Oberhäuptlings Whappai namens Outou.
Whappai, Oamo und Tootahah waren Brüder; Whappai war der älteste und
Oamo war der zweite Bruder. Weil nun Whappai nur einen einzigen Sohn
hatte, nämlich den Outou, so war Teridiri als der Sohn Oamos Kronprinz.
Nach den Gebräuchen des Landes erbt ein Sohn mit seiner Geburt den
Titel und die Macht seines Vaters. Das Volk wählt alsdann einen
Regenten, gewöhnlich den Vater. Diesmal war die Wahl zum Regenten für
Outou auf seinen Oheim Tootahah gefallen, weil sich dieser in einem
Kriege ganz besonders ausgezeichnet hatte. Der intelligenteste von den
drei Brüdern war jedenfalls Oamo, wie aus seinen Erkundigungen über
England u. a. hervorging.

Die Besuche der verschiedenen Potentaten reizten uns zu einer
Umschiffung der Insel, die denn auch Banks und ich am 26. Juni früh
um 3 Uhr mit dem Maler Parkinson in der Pinasse bewerkstelligten. Wir
nahmen unsern Weg ostwärts und landeten in Oahounue, das von dem jungen
Oberhäuptling Ahio regiert wurde, der uns bereits mehrere Male besucht
hatte. Außer ihm trafen wir dort noch unsre alten Freunde Tituboalo und
Hoona an, die uns hoch erfreut bewirteten. Von hier gingen wir zu Fuß
weiter, während uns die Pinasse in Hörweite folgte. Unsre Freunde gaben
uns das Geleite bis zum Hafen Ohidea, wo Herr von Bougainville mit der
»Boudeuse« vor Anker gelegen hatte. Die Eingeborenen zeigten uns noch
den Lagerplatz der Franzosen.

Wir stiegen hierauf in die Pinasse und luden Tituboalo ein, uns an die
andere Seite der Bai hinüberzubegleiten. Er weigerte sich aber und
riet uns von diesem Wagnis ab, weil die Eingeborenen auf der andern
Seite nicht Untertanen des Tootahah wären und uns alle ermorden würden.
Man kann sich leicht denken, daß wir uns dadurch nicht ins Bockshorn
jagen ließen. Wir luden aber unsere Büchsen mit Kugeln. Tituboalo,
der das mit ansah, setzte so viel Vertrauen in den Blitz und den
Donner unserer Gewehre, daß er sich anders besann und zu uns an Bord
kam. Nachdem wir die Nacht hindurch gerudert hatten, gelangten wir im
Innern der Bai an eine Landenge, die Otahiti in zwei Teile teilte. Wir
übernachteten auf unsrer Seite. Auf Befehl der Ooratooa, eben jener
Dame, die Banks im Fort eine so eigenartige Reverenz erwiesen hatte,
wurden wir hier gastfreundlich aufgenommen und beherbergt. Am nächsten
Morgen sahen wir uns unsere Umgebung an und fanden, daß sie aus einem
etwa zwei englischen Meilen breiten, sumpfigen Moorland bestand,
über das die Eingeborenen ihre Kähne bis zur See hinüberziehen. Wir
setzten hierauf unsere Reise nach dem feindlichen »Königreich« fort,
das nach Tituboalos Angaben Tiarrabou hieß und von dem König Waheatua
beherrscht wurde. Unser indianischer Reisegefährte schien neuen Mut
gefaßt zu haben. Das Volk von Tiarrabou, prophezeite er uns jetzt
weniger bedrohlich, würde uns zwar nicht töten, aber es würde uns
regelrecht verhungern lassen. Und in der Tat hatten wir, seitdem wir
mit ihm unterwegs waren, keine Brotfrüchte gesehen. Nachdem wir
etliche Meilen weit gerudert waren, landeten wir in einem Gebiete,
dessen Oberhäuptling Maraitata, der Männer Grab, hieß. Der Name seines
Vaters war nicht weniger einladend, denn dieser nannte sich Pahairedo
oder der Boote Dieb. Diese Namen schienen allerdings die Weissagungen
Tituboalos zu bestätigen, allein wir erfuhren doch bald zu unserer
angenehmen Überraschung, daß unser Freund grau in grau gemalt hatte,
denn Vater und Sohn empfingen uns mit ungemeiner Höflichkeit, gaben uns
Lebensmittel und verkauften uns sogar ein sehr großes Schwein für ein
Beil. Das Volk strömte in Menge herbei, uns zu bewundern, doch fanden
wir in dem großen Haufen nicht mehr als zwei bekannte Gesichter. Wir
bemerkten auch keine Glaskorallen oder sonstigen Zierate an ihnen, die
von uns hätten herstammen können, obwohl wir europäischen Tand genug
an ihnen bemerkten. Wir entdeckten in einem der Häuser sogar zwei
Kanonenkugeln, die nach der Angabe des Besitzers von den Franzosen
herstammen sollten, nach dem breiten Pfeil aber, den sie als Zeichen
trugen, vom Dolphin des Kapitäns Wallis stammen mußten.

Hierauf kamen wir in ein Gebiet, das unmittelbar unter der Regierung
des Königs Waheatua stand. Ob er, da er einen Sohn hatte, die Regierung
als Regent oder als Selbstherrscher führte, ist uns nicht bekannt
geworden. Dieses Reich bestand aus einer großen, fruchtbaren Ebene,
die von einem Fluß durchquert wird, der so breit ist, daß wir uns in
einem Kahne übersetzen lassen mußten. Unser indianisches Gefolge aber
wollte lieber hinüberschwimmen und sprang munter wie eine Koppel
Jagdhunde ins Wasser. In dieser Gegend fanden wir kein bewohntes Haus,
dagegen die Reste vieler Häuser, die sehr groß gewesen sein mußten. Die
Küste bildet hier eine von den Eingeborenen Oaitipeha genannte Bai.
Wir marschierten den schönen Strand entlang und fanden endlich den
mächtigen Beherrscher dieses Teils der Insel neben schönen Wetterdecken
sitzen, unter denen er mit seinem ganzen Hofstaat zu schlafen pflegte.
Waheatua war ein hagerer alter Mann mit schneeweißem Haar und Bart; er
hatte eine wunderschöne Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren bei sich,
die Toudide hieß. Wir hatten den Namen dieser Dame oft gehört, und nach
allem, was man uns von ihr erzählt hatte, mußte sie die Oberea dieser
Insel sein. Wir verweilten einige Zeit und kauften Nahrungsmittel ein,
darunter von dem Sohne des Königs, dem Prinzen Tiarih, ein Schwein.
Tiarih entschloß sich dann uns zu begleiten. Nach feierlichem Abschied
von dem alten König und der schönen Königin marschierten wir weiter.
Das Land, in das wir alsdann gelangten, war besser kultiviert als alle
andern, die wir bisher gesehen hatten. Die Bäche waren zu beiden Seiten
mit Dämmen von Steinen eingefaßt und glichen regelrechten Kanälen;
selbst die Küste war mit Steindämmen versehen. Die Häuser waren weder
zahlreich noch groß. Dagegen fanden wir viele schöne, große Kähne längs
der Küste auf den Strand gelagert, die mit großer Sorgfalt gebaut, mit
größeren Hinterteilen und mit Wetterdächern versehen waren, die auf
Pfeilern ruhten. Fast auf jeder Landspitze befand sich ein Grabmal,
das mit großer Sorgfalt und vieler Kunst ausgeführt war. Die Pfosten
waren mit Schnitzwerk versehen, das aus Figuren von Menschen und Vögeln
bestand. Unter den Figuren fielen uns ein rot und gelb bemalter Hahn
und unförmliche Menschengestalten auf, die reihenförmig übereinander
angebracht waren. Trotz der scheinbaren Fruchtbarkeit dieses
Landstrichs gab es keine Brotfrüchte. Die Bäume waren leer, und die
Einwohner schienen hauptsächlich von Nüssen zu leben, die den Kastanien
ähnelten und Aehi genannt wurden.

Müde vom Marsch riefen wir die Pinasse herbei, fanden aber unsere
indianischen Freunde Tituboalo und Tuahow nicht darin. Wir nahmen
daher Tiarih und seinen Begleiter an Bord und steuerten dann nach dem
Eiland Otooareite, wo wir übernachteten. Ein Teil des nächsten Morgens
verstrich unter den fruchtlosen Bemühungen Lebensmittel zu erhalten,
dann setzten wir unsere Reise um die südöstliche Landspitze fort. Diese
Reise machten wir teils im Boot, teils zu Fuß. Nach einem Marsche von
drei Meilen gelangten wir an einen Platz, wo wir viele Kähne und viel
Volk antrafen, in dem wir außer Tuahow noch eine Reihe guter Bekannten
entdeckten, von denen wir einige Kokosnüsse einhandelten. Wir nahmen
Tuahow, der lange bei Waheatua auf uns gewartet hatte, an Bord und
ruderten weiter. In einer Gegend, die der Oberhäuptling Mathiabo
beherrschte, hielten wir an, um Lebensmittel einzutauschen. Mathiabo
kam selbst an den Strand, überhörte aber hartnäckig unsere Wünsche.
Bei seinen Untertanen konnten wir uns besser verproviantieren. Dem
Reiz einer leeren Glasflasche vermochte aber Seine Exzellenz nicht
zu widerstehen; er gab uns ein junges Schwein dafür und schien stolz
auf sein Handelstalent. Er hatte eine Gans und einen Welschhahn im
Besitz, die der Dolphin zurückgelassen hatte. Die Indianer hatten ihre
ganz besondere Freude an diesen Tieren, die erstaunlich fett und zahm
geworden waren. In einem Hause fanden wir fünfzehn frische menschliche
Kinnbacken an einem halbrunden Brett befestigt. Was das bedeuten
sollte, konnten wir nicht in Erfahrung bringen, weil man uns entweder
nicht verstand oder nicht verstehen wollte. Mathiabo erbot sich uns zu
begleiten. Mit Freuden erteilten wir ihm die Erlaubnis, denn wir ahnten
nicht, daß er uns als Pilot nur deshalb die vorzüglichsten Dienste
leistete, um uns desto besser bestehlen zu können. Am Abend gelangten
wir vor die Bai, die sich an der nordwestlichen Seite der Insel an der
die letztere teilenden Landenge befindet, und fast ganz bis an jene
auf der südöstlichen Seite der Insel gelegene Bai heranreicht. Wir
ruderten an der Küste dieser Bai hin. Als wir zwei Drittel des Weges
zurückgelegt hatten, entschlossen wir uns an Land zu übernachten. Wir
steuerten auf ein großes Haus zu, das, wie Mathiabo sagte, seinem
Freunde, dem Oberhäuptling Wiverou, gehörte. Es dauerte nicht lange,
so kamen uns verschiedene Kähne vom Strand entgegen. Wir entdeckten
darin eine Anzahl auffallend hübscher Frauen und Mädchen, die ihren
Gesten und Winken und ihrem unzweideutigen Betragen nach ausdrücklich
abgeschickt zu sein schienen, um uns durch ihre Reize ans Land zu
locken. Da wir die Absicht hatten an Land zu gehen, so bedurfte es
seitens der braunen Sirenen keiner großen Verführungskünste.

Der Oberhäuptling empfing uns sehr freundlich und befahl seinen Leuten,
uns unser Nachtessen, zu dem wir Mathiabo eingeladen hatten, bereiten
zu helfen. Die Häuptlinge speisten in unsrer Gesellschaft, und es ging
sehr heiter und aufgeräumt zu. Während der Nacht flüchtete Mathiabo
mit einem ihm von uns geliehenen Überrock. Wir entdeckten den Frevel
sogleich und verfolgten den Dieb, der in seiner Angst den gestohlenen
Mantel von sich warf, worauf wir ihn laufen ließen. Der Zwischenfall
hatte das ganze Haus in Aufregung gebracht. Allein unser Schrecken
wurde zur Verzweiflung, als uns um 5 Uhr des Morgens unsre Schildwache
mit der Nachricht weckte, daß das Boot verschwunden sei. Der Mann hatte
es noch vor einer halben Stunde vor Anker liegen sehen. Kurz darauf
hörte er rudern, und als er sich umblickte, war das Boot verschwunden.
Nunmehr stand es äußerst mißlich mit uns, und wir hatten alle Ursache
in Verzweiflung zu geraten. Da völlige Windstille herrschte, so konnten
wir natürlich nicht vermuten, daß sich die Pinasse von ihrem Anker
losgerissen habe, sondern wir befürchteten, daß die Insulaner unsere
schlafenden Bootsleute überfallen und ermordet und sich der Pinasse
bemächtigt hätten. Wir waren nicht mehr als unser vier und besaßen
ein paar geladene Pistolen, eine geladene Kugelbüchse, aber sonst
keine Munition, und waren gegenüber einem Angriff der Eingeborenen,
den wir jeden Augenblick befürchten mußten, rettungslos verloren. Man
kann sich also unser Entzücken ausmalen, als wir die Pinasse nach
einigen Stunden mit der Flut zurückkehren sahen. Sie war durch die
Ebbe losgerissen und abgetrieben worden, ein Umstand, an den wir in
der Bestürzung und Verwirrung nicht gedacht hatten. Nach dem Frühstück
fuhren wir unserer Halbinsel zu.




Viertes Kapitel.

  Im Hause der Oberea. -- Eine Desertion. -- Unanständige Tänze. -- Die
  Lustseuche. -- Körperschönheit, Sitten und Gebräuche der Bewohner von
  Tahiti.


Wir waren nach mehrstündigem Rudern in der Nähe von Paparra angekommen,
dem Landesteil, der unserm Freunde Oamo und unserer diebischen Freundin
Oberea erbeigentümlich gehörte. Wir hatten beschlossen, dort zu
übernachten, hörten aber bei unsrer Landung, daß unsre Freunde nach
Matavai gegangen wären, um uns dort zu erwarten. Wir quartierten uns
trotzdem in dem kleinen, sehr geschmackvoll ausgestatteten Hause der
Königin ein, deren alter Vater uns auf das gastfreundlichste empfing.
Nachdem wir uns ausgeruht und gestärkt hatten, machten wir einen
Spaziergang nach der Landspitze hin, auf der wir von weitem etwas
gesehen hatten, eine Art von Trauerbäumen, die die Eingeborenen um ihre
Morais herum zu pflanzen pflegen.

Wir waren überrascht, dort ein ungeheures Bauwerk zu finden, das,
wie man uns sagte, der Morai der Oamo und der Oberea und zugleich
das größte Meisterwerk indianischer Baukunst auf der ganzen Insel
war. Dieser Grabbau war ganz von Stein pyramidenförmig auf einem
Fundament von 267 Fuß Länge und 87 Fuß Breite in elf Staffeln von 4
Fuß Höhe errichtet. Jede Staffel oder Stufe war aus einer Reihe weißer
Korallensteine erbaut, die regelmäßig viereckig gehauen und geglättet
waren; die übrigen Teile bestanden aus runden, bearbeiteten, ganz
gleichen Kieselsteinen. Einige von den Korallenquadern waren 4½ Fuß
lang und 3½ Fuß breit. Unter den gewöhnlichen Felsenquadern fanden wir
einen, der 4 Fuß 7 Zoll lang und 2 Fuß 4 Zoll breit war. Ein solches
Gebäude, von einem Volke aufgeführt, das weder eiserne Werkzeuge für
die Steinhauerarbeiten noch den Mörtel unsrer Mauern kannte und doch
so gut und dauerhaft wie die besten unter unsern Baumeistern baute,
mußte uns in sprachloses Erstaunen setzen. In der ganzen Gegend
entdeckten wir keinen Steinbruch, also mußten die Quadern aus großer
Entfernung hergeschafft worden sein. Allein mit welcher Mühe! Zumal
da den Eingeborenen unsre Transportmittel, Wagen und Pferde fehlen!
Die Korallenblöcke mußten aus der Meerestiefe heraufgeholt werden! Und
dann die Bearbeitung und Glättung des rohen Gesteins, die sie nur mit
Steinwerkzeugen bemeistern konnten! Eine unglaublich mühsame Arbeit
auf alle Fälle. Das Glätten konnte mit dem sehr scharfen Korallensande
wohl leichter bewerkstelligt worden sein, aber auch hier fehlt uns der
Maßstab für die Berechnung und Bewertung. Mitten auf dem Gipfel dieser
veritabeln Pyramide stand ein aus Holz geschnitzter Vogel, neben ihm
lag ein aus Stein gehauener Fisch, der aber zerbrochen war. Die ganze
Pyramide nahm die Seite eines Platzes ein, der 360 Fuß lang, 354 Fuß
breit, im Innern mit flachen, breiten Steinen regelmäßig gepflastert,
von einer Steinmauer umgeben und mit Trauerbäumen bepflanzt war.
Etwa 300 Schritte von diesem imponierenden Mausoleum entfernt befand
sich ein anderer gepflasterter Hof, worin etwa 7 Fuß hohe Gerüste,
sogenannte Ewattas, aufgerichtet waren, auf denen die Opfer für die
Totengötter dargebracht wurden. Ein schöner Morai wird hier als Maßstab
des Ranges betrachtet, und der der Oberea ist ein sehr ins Auge
fallender Beweis von der früheren Macht und dem Reichtum dieser Königin.

Als wir am Strande zurückgingen, fanden wir den ganzen Weg mit
Menschenknochen dicht besät. Auf unsre Frage erzählte man uns, daß
etwa fünf Monate vor unsrer Ankunft das Volk von der südöstlichen
Halbinsel, die wir soeben bereist hatten, gelandet sei, eine große
Menge der Untertanen Oamos niedergemacht, viele Häuser vernichtet und
fast alle Tiere, den Reichtum des Königs, geraubt habe. Die Kinnbacken,
die wir gesehen hatten, seien von ihnen als Siegeszeichen mitgenommen
worden. Oamo und Oberea seien damals ins Gebirge geflüchtet und halb
ruiniert worden. Dieser Überfall erklärte uns auch, warum Oberea nicht
mehr so viel Macht und Ansehen besaß wie zu der Zeit, wo Kapitän
Wallis hier war. Wir kehrten nach der Residenz der Königin zurück und
übernachteten daselbst in voller Ruhe und Sicherheit. Am folgenden
Abend kamen wir nach Atahourou, der Residenz unseres Freundes Tootahah,
der uns mit vieler Freude beherbergte, und am nächsten Tag, Sonnabend,
den 1. Juli, zogen wir wieder in unser Fort zu Matavai ein. Zu unserm
Empfang strömten unsre indianischen Freunde herbei, und keiner kam mit
leeren Händen.

Wir bereiteten nunmehr unsre Abreise vor. Der Wasservorrat war bereits
an Bord und der Proviant wurde energisch ergänzt. In dieser Zeit
besuchte uns Oamo mit der Oberea und ihren Kindern Terridiri und
Toimata. Letztere war sehr begierig, das Fort zu besichtigen, allein
ihr Vater gab es nicht zu. Auch Tearih hatte sich zu dieser Zeit
eingestellt. Am 7. rissen unsre Zimmerleute das Tor und die Palisaden
des Forts ein und zerkleinerten das Holzwerk zu Brennholz. Tags
darauf schleiften wir die Festung. Um Mitternacht desertierten zwei
junge Seesoldaten, Clement Webb und Samuel Gibson, im Einverständnis
und mit Hilfe der Sippen ihrer jungen indianischen Geliebten, um
diese zu heiraten und auf der Insel zurückzubleiben. Die Deserteure
wurden mir erst ausgeliefert, als ich den Tootahah, die Königin und
andre Häuptlinge mit ihren Frauen als Geiseln an Bord des Schiffes
zurückbehielt, worüber sie nicht besonders mißvergnügt schienen. Wir
söhnten uns nach diesem Zwischenfall vollständig mit unsern Freunden
aus, die einsichtsvoll genug waren mein Verfahren zu begreifen.
In dieser Nacht wurde alles, was wir noch an Land hatten, an Bord
gebracht.

Unter den Eingeborenen, die fast beständig um uns waren, befand sich
Tupia, der zur Zeit der Macht der Oberea ihr erster Minister und der
oberste Tahowa oder Oberpriester der Insel war. Er war ein guter Kenner
von Land und Leuten, der Religion und der Sitten seiner Heimat. Auch
besaß er große Erfahrung in der Schiffahrt seines Landes und eine
ungemeine Kenntnis von der Anzahl und der Lage der benachbarten Inseln.
Dieser hervorragende Mann kam am 12. mit seinem Diener Tayeto, einem
dreizehnjährigen Knaben, an Bord und bat uns inständig, ihn auf unsre
Reise mitzunehmen. Zu unserm Glücke wurde das Anliegen einstimmig
angenommen. Indessen fand sich, daß das Holz unserer Buganker von
Würmern zerfressen war und ersetzt werden mußte. Tupia machte sich
diesen kurzen Aufschub zunutze; er ging noch einmal an Land und nahm
ein Porträt Banks', um es seinen Freunden zu zeigen, und verschiedene
Kleinigkeiten als Andenken für diese mit. Wir besuchten nochmals
Tootahah, bei dem wir die Oberea und unsern Freund Tupia fanden, der in
dieser Nacht zum erstenmal an Bord schlief.

Am folgenden Morgen, Donnerstag, den 13. Juli 1769, wurde das Schiff
sehr früh von unsern sämtlichen Freunden besucht und von einer Menge
Kähne umringt, die von Eingeborenen niedern Standes dicht besetzt
waren. Zwischen 11 und 12 Uhr lichteten wir die Anker. Sobald das
Schiff unter Segel war, nahmen die an Bord befindlichen Häuptlinge und
ihre Frauen rührenden Abschied von uns, wobei es nicht ohne Tränen
abging. Auch das Volk in den Kähnen klagte laut. Tupia bewies bei
diesem rührenden Auftritt eine wahrhaft bewundernswerte Standhaftigkeit
und Entschlossenheit, trotz der Tränen, die er vergoß. Er machte der
Lieblingsfrau Tootahahs, der Potomai, zum Abschied noch ein Hemd zum
Geschenk; dann stieg er mit Banks in den Mastkorb, von wo er seinen
scheidenden Freunden seine letzten Grüße zuwinkte. So nahmen wir nach
dreimonatigem Aufenthalt Abschied von den gastlichen Gestaden der
schönen Insel und unsern lieben Freunden, mit denen wir in letzter
Zeit ziemlich handeln mußten, weil sie unsre Nägel im Kurs stark
herabgesetzt hatten. Durch den Diebstahl der Nägel seitens eines Teiles
der Bemannung waren die Insulanerinnen in der Lage, die Nägel viel
leichter als durch den Verkauf von Lebensmitteln zu erwerben. Zuletzt
mußten wir für ein Milchschwein von zehn Pfund ein Beil bezahlen, ein
Umstand, der unsre Abreise wesentlich beschleunigte.

In allen Ländern hält man die Mädchen und Jungfrauen von Dingen fern,
die sich auf den Verkehr mit dem andern Geschlechte beziehen. Hier
findet das gerade Gegenteil statt. Unter andern Lustbarkeiten hat man
auf Otahiti einen von jungen Mädchen zu tanzenden Tanz, den Timorodi,
der in Gebärden und in Bewegungen besteht, die höchst unzüchtig sind,
und der ihnen in frühester Jugend eingeübt wird. Während dieses Tanzes,
mit dem wir oft empfangen wurden, stoßen sie die unanständigsten Worte
aus. Allein das, was den Mädchen erlaubt ist, ist den verheirateten
Frauen durch die Sitte streng verboten. Nach allem bisher Gesagten ist
es klar, daß unter ihnen die Keuschheit nicht sehr hoch geschätzt
wird. Doch alle Vorstellungen, die man sich darüber machen kann,
sind nicht hinreichend, die Ausschweifungen dieses Volkes in ihrem
ganzen Umfang zu charakterisieren. Denn es gibt hier einen Grad
von ausgelassener Üppigkeit, den kein andres Volk je erreicht hat.
Eine große Anzahl der vornehmsten Leute in Otahiti gehören einer
Geheimgesellschaft an, in der der Weiberkommunismus herrscht. Diese
Gesellschaften werden die Arreoys genannt. Hier tanzen die Frauen den
Timorodi mit mänadenhafter Üppigkeit. Die Folgen dieser Orgien werden
durch Mord beseitigt, und in dieser Gesellschaft ist der Name »Mutter«
ein Schimpfwort. Wir haben verschiedene Mitglieder der Gesellschaft
befragt. Sie waren weit davon entfernt, ihre Mitgliedschaft als Schande
zu betrachten. Im Gegenteil, sie rühmten sich ihrer und bekannten, daß
sie noch immer Mitglieder wären, und daß sie verschiedene Kindsmorde
begangen hätten.

Die Ehe ist denn auch hier, wie uns schien, weiter nichts als ein
Vertrag zwischen einem Mann und einem Weibe, mit dem der Priester
nichts zu tun hat. Wenn dieser Vertrag einmal geschlossen ist, so
pflegt er von beiden Seiten gehalten zu werden, doch trennen sich
oft die Parteien mit beiderseitiger Einwilligung, und alsdann wird
die Ehe so leicht aufgehoben wie sie geschlossen wurde. Kein Wunder,
daß Vater und Mutter die Tochter, der Bruder die Schwester, der Mann
das Weib aus Gastfreundschaft und um einen Nagel prostituierte.
Sowenig auch die Frauen der Eingeborenen vor uns mit Europäern Umgang
hatten, so war dieser doch hinreichend, auch über die Insulaner jene
fürchterliche Krankheit, die Lustseuche, zu bringen, durch die die
von den Spaniern in Amerika verübten Grausamkeiten gerächt worden
sind. Da es erwiesen ist, daß außer mir nur Kapitän Wallis und Herr
von Bougainville hierher gekommen sind, und da Kapitän Wallis aus
seinen Schiffspapieren bewiesen hat, daß keiner seiner Leute krank
war, ich aber bei meiner Ankunft fand, daß diese Pest auf der Insel
die fürchterlichsten Verheerungen angerichtet hat, so steht fest,
daß sie von den Leuten Bougainvilles eingeschleppt worden ist. Einer
von unsern Leuten wurde angesteckt. Dies gab uns Veranlassung, unter
den Eingeborenen Nachforschungen anzustellen, und sie erzählten uns,
daß die »Fäulnisseuche«, wie sie sie nannten, von jenen Schiffen
eingeschleppt worden sei, die fünfzehn Monate vor uns auf der östlichen
Seite der Insel vor Anker gelegen hatten, also von den beiden Schiffen
des Herrn von Bougainville. Zum Troste fanden wir, daß die Eingeborenen
Heilkräuter dagegen entdeckt hatten. Hätten wir ihre Sprache besser
verstanden und ihre Heilmittel wider diese Seuche erfahren können, so
wären wir ihnen sehr dankbar gewesen, denn als wir die Insel verließen,
fand sich, daß mehr als die Hälfte des Schiffsvolks von diesem Übel
angesteckt war.

[Illustration: Indianer vom Feuerland in ihrer Hütte. Nach einem alten
Stiche.]

Das Volk ist schön gewachsen. Die Männer sind groß, stark, von schönem
Gliederbau und durchaus ansehnliche, stattliche Leute. Der größte,
den wir sahen, Huaheina, maß 6 Fuß, 4½ Zoll. Die Frauen von Stand
sind über europäisches Mittelmaß groß und ausnehmend schön gewachsen.
Die Frauen aus dem Volke sind etwas kleiner, was von ihrem frühen
Geschlechtsverkehr herrühren mag. Denn außer diesem Umstand wüßte ich
nichts, was sie von den vornehmen Frauen unterscheiden sollte und
zugleich dem Wachstum so nachteilig wäre wie dieser. Die Hautfarbe
ist von heller Oliven- oder Brünettentönung, die viele Europäer dem
schönsten Weiß vorziehen. Bei den Leuten, die mehr dem Wind und der
Sonne ausgesetzt sind, ist sie natürlich dunkler. Die vornehmen
Frauen haben eine ungemein glatte, samtweiche Haut, ihre Gesichtszüge
sind wohlgebildet, nur ist die Nase meist etwas flach. Dagegen sind
ihre Augen voller Ausdruck, bald glühen sie wie Feuer, bald sind sie
zärtlich schmachtend. Die Zähne sind fast ohne Ausnahme ungemein
schön, ebenmäßig und glänzend weiß. Der Atem ist rein und von allen
unangenehmen Gerüchen frei. Die Haare sind durchgehends glänzend
schwarz und nur etwas grob. Die Männer tragen Bärte, von denen sie
meist die Wangenhaare ausrupfen. Beide Geschlechter entfernen auch die
Haare der Achselhöhle mit den Wurzeln und hielten es für unreinlich,
daß wir es nicht ebenso machten. In ihren Bewegungen bemerkt man
zugleich Stärke und Elastizität; ihr Gang ist angenehm, ihre Gesten
sind edel, und ihr Betragen gegen Fremde und gegeneinander ist höflich
und zuvorkommend. Ihrer Gemütsart nach sind sie ritterlich, tapfer,
offenherzig, freimütig und ohne Argwohn, Falschheit, Hinterlist,
Grausamkeit und Rachsucht. Deshalb setzten wir auch das Vertrauen in
sie, das man in seine besten Freunde setzt. Viele von uns, so Herr
Banks insbesondere, schliefen allein mit ihnen mitten im Walde und
waren folglich ganz in ihrer Gewalt. Dagegen waren sie insgesamt
diebisch und ausschweifend. Auch trafen wir mehrere Albinos unter ihnen.

In den meisten Ländern pflegen die Männer ihre Haare zu schneiden und
die Frauen ihr Haar lang zu tragen. In Otahiti ist es umgekehrt, denn
hier schneiden die Frauen ihr Haar kurz, während es die Männer mit
Ausnahme der Fischer in großen Locken über die Schulter wallen lassen
oder in Buschform aufknüpfen. Da sie keine Kämme haben und ihr Haar
mit Kokosnußöl fetten, so können sie ihren Kopf auch nicht rein von
Ungeziefer halten. Die Kinder und die gemeinen Leute machen es wie
die Affen, sie speisen ihr Ungeziefer auf. Diese häßliche Gewohnheit
widerspricht ihren Vorzügen einer peinlichen Reinlichkeit, denn sie
baden und waschen sich oft und gern. Unsre Freunde, denen wir Kämme
schenkten, reinigten sich das Kopfhaar so eifrig und sorgfältig, daß
man wohl bemerken konnte, wie unangenehm und ekelhaft ihnen dieses
Parasitentum war.

Auch pflegen sie insgesamt ihren Körper trotz der Schmerzhaftigkeit der
Operation mit einer gezähnten, aus einer scharfen Muschel hergestellten
Klinge zu tätowieren, und zwar mit Bildern, Zeichen, Halbmonden usw. je
nach dem Rang und dem ortsüblichen Geschmack. Hauptsächlich werden die
Gesäßteile vom Schenkel bis zu den Rippen hinauf mit dunkelschwarzen
Tätowierungen, Figuren und Bogenlinien überladen, worauf Männer wie
Frauen so stolz sind, daß sie sie mit demselben Vergnügen zeigen, wie
wir etwa eine Gemäldesammlung. Nur das Gesicht bleibt frei. Herr Banks
wohnte einmal einer solchen Operation bei: es handelte sich um ein
dreizehnjähriges Mädchen, dem ein Gesäßteil tätowiert werden sollte.
Das bei dieser Operation gebrauchte Instrument hatte dreißig Zähne.
Auf jeden Schlag auf das Instrument, deren in einer Minute wenigstens
hundert getan wurden, kam eine wässerige Feuchtigkeit, die mit Blut
gefärbt war, auf der Haut zum Vorschein. Das Mädchen hielt die Qualen
mit stoischer Tapferkeit ungefähr eine Viertelstunde aus, dann aber
überwältigten sie die Schmerzen. Sie begann sich zu sträuben, weinte
und flehte ihre Peiniger um Erbarmen an. Zwei Weiber hielten die
Ärmste fest, liebkosten, schalten und schlugen sie, um sie willfährig
zu machen. Banks wartete eine Stunde; als er sich entfernte, war die
Tätowierung nicht einmal in ihrem schmerzlichsten Teil vollendet.

Die Insulaner verfertigen den Stoff zu ihrer Kleidung hauptsächlich
aus der Rinde des chinesischen Papiermaulbeerbaums, des Brotbaums
und einer Feigenart. Sie färben ihn scharlachrot und gelb; ihre rote
Farbe, die sie aus der Frucht der Matefeige und den Blättern der Cordia
pressen, ist glänzender und feiner als die, die wir in Europa haben.
Aus der Rinde des Poerou verfertigen sie die feinen Mattengewebe, die
sie bei Regenwetter tragen, dem ihre Tuchkleider nicht standhalten. Die
Kleidung der Frauen von Rang besteht aus dem Parou, der 6 Fuß breit
und 33 Fuß lang ist und den sie rockähnlich um den Unterleib wickeln;
ferner aus der Tebuta, die dem Poncho der Südamerikaner ähnelt, und
aus einem Gürtel. Die Kleidung der Männer ist die nämliche: nur tragen
sie den Parou nicht als Rock, sondern als Hose, die sie Maro nennen.
Während der heißen Jahreszeit gehen sie fast ganz nackt. Die Frauen aus
dem Volke tragen dann nur einen dünnen Unterrock, die Männer nichts
als ein Lendentuch. Auch die Frauen von Stand legen alles, was sie am
Oberkörper tragen, in Gesellschaft und zu Hause so gleichgültig weg,
wie unsre Damen ihren Hut und ihren Mantel ablegen. Auch die Häuptlinge
trugen vielfach nichts weiter als einen Lendenwulst, der allerdings aus
so viel Tuch zusammengewickelt war, daß man bequem ein Dutzend Personen
damit kleiden könnte. Die Kinder pflegen ganz nackt zu gehen, die
Mädchen bis zum vierten Jahre, die Knaben bis zum siebenten. Männer wie
Frauen tragen kleine Muscheln, Beeren, rote Erbsen, kleine Perlen und
Glaskorallen als Ohrringe, aber nur an _einem_ Ohr, und als Haarschmuck
Blumen und schöne Federn. Die vornehmen Frauen tragen zum Schutze gegen
die Glut der Tropensonne kleine Mützen und den Tomou, einen aus Haaren
gewebten Turban, der aufgewickelt über eine englische Meile lang ist.
Herr Banks kaufte einen Tomou von dieser Länge, der nicht einen Knoten
aufwies, so kunstvoll war das Gewebe. Die gütige Natur, die hier so
fruchtbar ist, daß diesem glücklichen Völkchen der biblische Fluch: »du
sollst dein Brot im Schweiße deines Angesichts verdienen!« nicht gilt,
gewährt jeder Frau zu dieser Webarbeit reichlich Zeit.

Es berührte uns sehr eigentümlich, daß dieses gesellige, üppige
Völkchen bei seinen Mahlzeiten die Geschlechter scheidet. Stets speisen
die Männer und die Frauen gesondert, auch in der Familie. »Wir essen
allein, weil es sich so schickt!« sagten sie, wenn wir nach dem Grunde
fragten, und sie gaben ihrem Ekel darüber Ausdruck, daß wir mit unsern
Frauen zusammen speisen würden. Wenn einer von uns mit einem Mädchen
allein war und sie einlud mit ihm zu speisen, dann tat sie uns zwar den
Gefallen, wir mußten ihr aber schwören, nichts darüber verlauten zu
lassen, denn wenn dieser Verstoß gegen die gute Sitte ruchbar würde,
wäre es um ihren Ruf geschehen. Wenn wir zufällig einmal in einem Hause
den Korb anrührten, worin sich die für die Frauen des Hauses bestimmten
Speisen befanden, so konnten wir sicher sein, daß von den ältern
Weibern die Speisen mit dem Korbe weggeworfen wurden.

Ich kann den Bericht über das häusliche Leben dieses Völkchens nicht
schließen, ohne seiner persönlichen Reinlichkeit rühmend zu gedenken.
Männer, Frauen, Knaben und Mädchen baden tagtäglich dreimal in
fließendem Wasser: einmal am Morgen, dann zu Mittag und schließlich am
Abend, bevor sie zur Ruhe gehen, einerlei ob der Fluß und die See in
der Nähe sind oder ob sie meilenweit zu gehen haben. Auch waschen sie
Mund und Hände fast nach jedem Bissen, ebenso reinlich halten sie ihre
Kleidung. Ich glaube, daß man dieses Lob nicht einmal den vornehmsten
Gesellschaftsklassen in Europa erteilen kann.

Über die Religion unserer braunen Freunde konnten wir nur wenig
erfahren. Was wir sahen, war in mystische Gebräuche gehüllt und durch
handgreifliche Widersprüche verwirrt, wie in andern Religionen ja
auch. Der Umstand, daß auf Otahiti wie in China die gottesdienstliche
Sprache von der Landessprache abweicht, erschwerte uns das Eindringen
in dieses Mysterium ganz bedeutend. Tupia gab sich zwar viele Mühe
uns zu unterrichten, weil er dies aber in seiner Priestersprache
tat, von der wir nichts verstanden, so erfuhren wir nur sehr wenig.
Wie alle Menschen von primitiven Religionsbegriffen glauben auch die
Eingeborenen von Otahiti, daß die Welt auf dem Wege der Zeugung --
von der die Existenz zweier Personen von verschiedenem Geschlecht
unzertrennlich ist -- erschaffen worden sei. Die höchste Gottheit
nennen sie Taroathaihetumuh; die zweite, die weibliche, die ihrem
Wahne nach ein Felsen gewesen ist, Tepapa. Eine Tochter beider war
Tettowmatayo oder das Jahr, denn so pflegen sie auch die dreizehn Monde
ihres Jahres zu benennen. Diese Tochter zeugte mit ihrem Vater die
Monate, und die Monate paarten sich und zeugten die Tage. Die Sterne
sind teils unmittelbare Abkömmlinge des ersten Paares, teils haben sie
sich untereinander selbst fortgepflanzt. Eine ähnliche Anschauung haben
sie von der Entstehung der verschiedenen Gattungen der Pflanzen. Zu
den Abkömmlingen Taroathaihetumuhs und der Tepapa zählen sie auch das
zahlreiche Geschlecht ihrer Untergötter, die Eatuas. Zwei von diesen
waren die Eltern des ersten Menschen, der in Kugelform geboren wurde
und den seine Mutter zu seiner jetzigen Gestalt reckte und streckte
und Eothe, d. i. »Vollendet« nannte. Eothe zeugte mit seiner eigenen
Mutter eine Tochter und mit dieser einen Sohn und mehrere Töchter, mit
denen Eothes Sohn die Welt bevölkerte. Taroathaihetumuh zeugte mit
der Tepapa auch einen Sohn, den Tane, zu dem die Insulaner, die den
obersten Gott »den Urheber der Erdbeben« nennen, am liebsten beten,
weil sie glauben, daß Tane der hervorragendste Sachwalter der Menschen
im Himmel sei.

Die Untergötter, die Eatuas, sind sehr zahlreich und männlichen
und weiblichen Geschlechts. Die männlichen Eatuas werden von den
Männern des Volkes, die weiblichen von den Frauen verehrt. Männer und
Frauen haben an den Morais ihre besondern Altäre für ihre speziellen
Götter. Es gibt nur männliche Priester, doch hat jedes Geschlecht
seine eigenen, denn die, die das Amt speziell zur Anbetung der
Geschlechtseatuas für das eine Geschlecht versehen, dürfen es für das
andere nicht verwalten.

Man glaubt in Otahiti an die Unsterblichkeit der Seele, an ein ewiges
Leben nach dem Tode und daran, daß es zwei Orte und verschiedene
Abstufungen der Glückseligkeit gibt, was sich mit unsern Begriffen
von Himmel und Hölle in etwas deckt. Den obersten Himmel heißen sie
Tavirua l'erai; er ist für ihre Herrscher und ihre Vornehmen, der
zweite Himmel, der Tiahobuh, ist für das gewöhnliche Volk bestimmt. Sie
glauben indes nicht im entferntesten, daß ihre Handlungen in diesem
Leben nach dem Tode von ihren Göttern »gewogen und zu leicht befunden
würden«, sie sind vielmehr der Meinung, daß ihre Götter mehr zu tun
hätten, als sich um die irdischen Handlungen jedes einzelnen von ihnen
zu bekümmern. Ihre Religion hat demgemäß keinen Einfluß auf ihre
Sitten, aber sie ist dafür auch frei von jedem Eigennutz. Sie beten
nicht, auf daß es ihnen auf Erden wohl ergehe, sondern ihre Ehrfurcht
vor dem Höchsten entsteht aus dem Bewußtsein ihrer eigenen Niedrigkeit
im Vergleich mit der unaussprechlichen und unfaßbaren Erhabenheit
der göttlichen Vollkommenheit. Götzen hatten sie nicht; auch der
Fetischdienst war ihnen fremd.

Die priesterliche oder Tahowa-Würde ist erblich. Es gibt viele und
verschiedenartige Priester, doch ist der Oberpriester gewöhnlich der
jüngere Sohn einer sehr vornehmen Familie und dem Range nach die
nächste Person nach dem Könige. Der größte Teil der Gebildeten besteht
aus den Priestern. Aber die Bildung beschränkt sich auf das Wissen
und die Kenntnis der zahlreichen Eatuas und ihres Kultes, sowie der
mündlichen Traditionen des Priestertums, die in Weisheitssprüchen
festgehalten und in unglaublicher Menge vorhanden sind. Die vornehmeren
Priester sind zugleich Ärzte, Astronomen und Schiffahrtskundige. In
der Tat bedeutet der Name Tahowa eigentlich nur einen Mann von Wissen
und Einsicht. Da nun jeder Stand seine Priester hat, so verwenden die
Vornehmen niemals einen Tahowa von der Klasse des gemeinen Volkes, und
umgekehrt wird ein Priester der höheren Stände niemals für andere als
für seine Standesgenossen zu haben sein.

Mit der Arzneikunst der Priester ist es allerdings nicht weit her;
sie besteht hauptsächlich in (Gesund-) Beten. Wenn der Priester seine
Kranken besucht, so sagt er gewisse für diese Zwecke verfaßte Gebete
her, wickelt die Finger und Zehen des Kranken mit Kokosnußfasern ein,
gibt ihm den heilbringenden Zweig irgendeines Strauches in die Hand
und kommt und betet so lange, bis der Kranke entweder genesen oder
gestorben ist. Ist er gesund geworden, dann hat die »Arznei« geholfen;
ist er gestorben, dann ist die Krankheit eben unheilbar gewesen. Was
meinen die Leser: ist in dieser Hinsicht das Völkchen von Otahiti
wirklich von den europäischen Völkern so sehr verschieden?




Fünftes Kapitel.

  Reise nach Huaheine und Ulietea. -- Ein Weib als Gastgeschenk. --
  Eine dramatische Unterhaltung. -- Der »furchtbare König«. -- Ein
  Überfall.


Nachdem wir von unsern Freunden Abschied genommen hatten, segelten wir
bei gelindem Winde und heiterm Wetter frohgesinnt nach Westen. Wie
uns Tupia sagte, waren die Nebeninseln von Otahiti, die er Huaheine,
Ulietea, Otaha und Bolabola nannte, bequem in zwei Tagesreisen zu
erreichen. Auch seien diese Inseln außerordentlich bevölkert und mit
Nahrungsmitteln reich versehen. Wir hatten jedoch bei nebligem Wetter
Windstille, so daß wir nur langsam weiterkamen. Tupia betete zu seinem
Gotte Tane um Wind, aber er fing erst zu beten an, wenn er aus allen
Anzeichen schließen konnte, daß der Wind die Segel blähen würde, bevor
er noch mit seinem Gebete zu Ende wäre.

Am 16. Juli erhob sich ein leichter Wind, der uns bald nach Huaheine
brachte. Als wir des Morgens um 8 Uhr dem nordwestlichen Teil dieser
Insel sehr nahe waren, sondierten wir, konnten aber mit achtzig
Klaftern keinen Boden erreichen. Es dauerte nicht lange, so stießen
einige Kähne vom Land ab; allein die Insassen kamen erst näher, als
ihnen Tupia winkte. In einem der Kähne befand sich der König der Insel
mit seiner Gemahlin, die dann in Begleitung ihrer Würdenträger an Bord
kamen. Anfangs erstaunten sie und verwunderten sich über alles, was
ihnen an Bord gezeigt wurde, allein sie beobachteten eine würdevolle
Zurückhaltung; erst nach längerem Aufenthalt tauten sie auf. Der König
hieß Orih, und zum Zeichen seiner höchsten Gunst machte er mir den
Tausch unsrer Namen zum Vorschlag. Solange wir beisammen waren, nannte
er sich König Cookih, denn so sprach er meinen Namen aus, und ich hieß
Orih. Diese Insulaner waren größer und stärker als die von Otahiti,
die Frauen weißer und schöner, sonst aber waren sie den Bewohnern von
Otahiti in Tracht, Sprache, Sitte sehr ähnlich, nur daß sie nicht
diebisch waren.

Nach 12 Uhr kamen wir in einem kleinen, aber sehr guten Hafen vor
Anker. Ich ging sogleich in Begleitung von Banks, Dr. Solander,
Monkhouse, Tupia, König Cookih und den andern Eingeborenen ans Land.
Kaum hatten wir einen Fuß auf den Strand gesetzt, so entblößte Tupia
seinen Oberkörper und hielt eine Ansprache an den König, der ihm
gegenüberstand und ihm von Zeit zu Zeit antwortete, dann tauschten
sie Geschenke aus. Nach Abschluß dieser Zeremonie, die wir für
einen Freundschaftsvertrag hielten, durften wir uns überall frei
und unbelästigt bewegen und konnten gehen, wohin wir wollten. Tupia
verfügte sich nach dem Hauptmorai, um dort zu opfern.

Am nächsten Morgen erstiegen wir die Berge, die von der gleichen
Beschaffenheit wie die in Otahiti waren, nur schienen Gestein und
Ton noch mehr verbrannt zu sein. Wir hatten einen Tauschhandel mit
den Eingeborenen etabliert. Das Geschäft ging sehr flau, denn wenn
wir etwas ausboten, so kaufte keiner früher, als bis er sich mit
seiner Sippschaft eingehend über die Chancen beraten hatte, worüber
zwecklos viele Zeit vergeudet wurde, so daß wir am ersten Tag nur elf
Ferkel eintauschen konnten. Am nächsten Morgen boten wir Beile aus,
für die wir die größten Schweine bekamen. Am Nachmittag, als bekannt
wurde, daß wir unsre Abfahrt vorbereiteten, machte der König seine
Abschiedsvisite. Ich gab ihm u. a. einen Zinnteller, worauf mein Name
und das Datum: »16. Juli 1769 Huaheine« gestempelt waren. Dieses
Geschenk konnte als dauernder Beweis dafür gelten, daß wir die ersten
europäischen Entdecker dieser Insel waren.

Wir segelten hierauf nach der Insel Ulietea, die 7-8 Seemeilen
südwestlich von Huaheine liegt, und um halb 7 Uhr des Abends waren
wir an der östlichen Seite der Insel etwa 3 Seemeilen von der Küste.
Die ganze Nacht über lavierten wir hin und her. Sobald der Tag
anbrach, steuerten wir gegen die Küste hin. Bald darauf erblickten
wir eine Einfahrt im Riffe, das vor der Küste liegt. Tupias Aussage
nach sollte sich dahinter ein guter Hafen befinden, weil ich mich
aber nicht blindlings auf sein Wort verlassen wollte, so schickte
ich den Steuermann in der Pinasse aus, um genaue Untersuchungen
anstellen zu lassen. Tupia hatte uns recht berichtet, denn der
Steuermann signalisierte uns, daß wir ihm folgen sollten. Wir steuerten
daher in die Einfahrt hinein und kamen in 22 Klaftern auf weichem
Grund vor Anker. Es dauerte nicht lange, so fuhren zwei Kähne der
Eingeborenen an uns heran; in jedem Kahne befanden sich ein schönes
Weib und ein junges Schwein, die für uns bestimmt waren. Daß sie uns
Weiber zuführten, hielten wir für einen Beweis ihres Vertrauens. Die
Schweine waren Geschenke. Wir nahmen beides mit pflichtschuldigem
Danke an und beschenkten die Damen je mit einem großen Nagel und mit
Glaskorallen, worüber sie hoch erfreut waren. Tupia, der die Männer
von Bolabola sehr zu fürchten schien, machte uns darauf aufmerksam,
daß sie Ulietea erobert hätten, und daß sie, sobald sie von unserer
Anwesenheit erführen, herabkämen, um uns zu bekriegen. Wir beschlossen
daher, sofort an Land zu gehen. Banks, Solander, ich und Tupia ließen
uns sofort ans Ufer setzen, wo Tupia angesichts der Eingeborenen
dieselben Zeremonien wie in Huaheine vornahm, eine englische Flagge
hißte und im Namen des Königs von England Ulietea, Huaheine, Otaha
und Bolabola -- die drei letztgenannten Inseln konnten wir von unserm
Standorte aus übersehen -- in Besitz nahm. Wir fuhren die nächsten Tage
nach Otaha und Bolabola, hatten aber ungünstigen Wind. Am Nachmittag
des 29. Juli befanden wir uns in der Länge des südlichen Endes von
Ulietea und windwärts von einigen Häfen, die auf der westlichen Seite
dieser Insel liegen. Nun hatten wir zwar diese Insel schon besucht
und waren kürzlich auf ihrer andern Seite vor Anker gelegen. Weil
wir aber inzwischen in der Pulverkammer ein Leck erhalten hatten,
entschloß ich mich, in einem dieser Häfen vor Anker zu gehen. Als das
Schiff gesichert war, ging ich an Land, um einen Platz zu suchen, wo
wir Ballast und Wasser einholen könnten. Die Herren Banks und Dr.
Solander ergingen sich den ganzen Tag über in der schönen Gegend.
Die Eingeborenen begegneten ihnen überall mit großer Höflichkeit und
Ehrerbietung. Männer, Frauen und Kinder sammelten sich in großer Menge
um sie, ohne ihnen im geringsten lästig zu fallen. Im Gegenteil,
jeder war bestrebt, ihnen in jeder Weise behilflich zu sein. Man trug
sie über Pfützen und Lachen. Man geleitete sie wie Halbgötter in die
Wohnungen der Vornehmen und bildete dabei Spalier. Als sie in das Haus
eines der Fürsten traten, fanden sie alles in feierlicher Ordnung.
Auf dem Boden war eine Matte ausgebreitet, an deren Ende die Familie
saß, während das Volk an beiden Seiten aufgestellt war. In einem
andern vornehmen Hause wurden sie von einigen reichgekleideten Kindern
erwartet. Das eine war ein sechsjähriges Mädchen, das sich auf den
Arm seiner schönen Amme stützte und die Geschenke der Herren mit so
liebreizender Würde wie nur irgendeine europäische Prinzessin empfing.
Das Volk war über die Geschenke, die diesem Kinde gemacht wurden, so
entzückt, daß irgendein Vornehmer den Gebern zu Ehren einen Tanz
tanzen ließ, der sie höchlichst interessierte.

Am 3. begegneten wir einer Gesellschaft reisender Tänzer, die aus
zwei Tänzerinnen und sechs Männern mit drei Trommeln bestand. Tupia
berichtete uns, daß diese Gesellschaft den vornehmsten Kreisen
zugehörig sei, zu ihrem Privatvergnügen umherziehe und keine Geschenke
für ihre Darbietungen beanspruche. Die Tänzerinnen hatten denn auch
eine beträchtliche Menge Tamous oder geflochtenen Haares um ihre Köpfe
gewickelt und mit Kapjasmin verziert. Den Hals, die Schultern, die
Arme und die Brust bis unter die Achselhöhlen hatten sie entblößt, die
enganliegende Taille war von feinstem, schwarzem Tuch, an jeder Seite
der Brust war ein kleiner Busch schwarzer Federn. Während der braun
und weiß gestreifte Hüftenteil des Kleides malerisch gefaltet war,
hing der weiße Rockteil glatt hinab und bedeckte die Füße, die sie mit
großer Virtuosität und ebenso kunstfertig und graziös wie irgendeine
Ballettänzerin bei uns zu wirbeln wußten.

Zu Beginn des leidenschaftlichen Tanzes schritten sie rhythmisch und
im genauen Takte mit den Trommeln in zierlichen Schritten seitwärts.
Dann bewegten sie die Hüften in immer heftigeren Bewegungen, was sie in
allen Stellungen und Situationen dieses üppigen Tanzes, im Stehen, im
Knien, im Sitzen und selbst dann beibehielten, als sie sich liegend auf
die Ellenbogen stützten. In allen diesen Phasen bewegten sie zugleich
die Finger mit einer fast unbeschreiblichen Geschwindigkeit. Außerdem
entzückte die Zuschauer die Kühnheit der Gebärden und Stellungen, die
in der Tat unsagbar frech waren.

Eine der Tänzerinnen trug drei Perlen als Ohrgehänge; eine der Perlen
war sehr groß, aber so trübe, daß sie wenig wert war, die beiden andern
waren erbsengroß, von schönstem Wasser und prächtiger Form, aber durch
das Bohren verdorben. Herr Banks hätte diese Perlen um jeden Preis
eingehandelt, aber ihre Besitzerin vermochte sich nicht von ihnen zu
trennen.

Zwischen den Tänzen führten die Männer eine Art theatralischer
Vorstellung auf, die aus Sprechrollen und Tänzen bestand; wir waren
aber leider nicht in der Lage, den Inhalt ihrer Darbietung zu verstehen.

Tupia hatte uns früher schon erzählt, daß er auf Ulietea vor einiger
Zeit noch reich begütert gewesen, aber durch die Eroberung der Insel
seitens der Krieger von Bolabola um seine Besitzungen gekommen wäre. Er
zeigte uns jetzt seine ehemaligen Ländereien. Als wir ans Land gingen,
erfuhren wir von den Eingeborenen, daß dem also sei. Sie zeigten uns
die verschiedenen Güter, die unserm Freunde, wie sie sagten, von Rechts
wegen zugehörten. Am 5. August übersandte mir Opuhui, »der furchtbare
König« von Bolabola, der Arrih rähie, ein Geschenk von drei Schweinen,
einigem Federvieh und vielen Früchten, nebst verschiedenen Stücken 150
Fuß langen Tuches. Seine Majestät tat mir zugleich kund und zu wissen,
daß sie sich auf der Insel befinde und die Gewogenheit haben werde,
mich am folgenden Tage mit einem Besuche zu beehren. Wir blieben am 6.
also allesamt an Bord und erwarteten feierlichst das Erscheinen des
»großen Königs«, fanden uns aber bald angenehm enttäuscht. Denn er
sandte drei schöne Mädchen als Botschafterinnen an uns ab und ließ sich
durch diese ein Gegengeschenk für das seinige ausbitten. Vielleicht
wagte er sich Tupias wegen nicht an Bord, oder vielleicht glaubte er
durch seine schönen Botschafterinnen für sich ein höheres Gegengeschenk
herauszuschlagen, als ihm persönlich gelungen wäre. Auf alle Fälle
waren wir über sein Fernbleiben sowenig betrübt, wie es die drei
Grazien über ihren Besuch an Bord waren.

Kommt der Berg nicht zu Mohammed, so geht Mohammed zum Berge, dachten
wir und brachen am Nachmittag auf, um unter dem Geleite unsrer schönen
Freundinnen den »furchtbaren König« zu besuchen, unter dem wir uns
einen gewaltigen Kriegshelden, einen tatkräftigen Eroberer vorstellten,
weil er der Schrecken aller war, die wir auf Ulietea kennengelernt
hatten. Und an Stelle unseres Idealhelden fanden wir einen abgelebten,
armseligen, schwachen Greis, der vor Alter halb blind, träge und fast
kindisch war. Er empfing uns ohne jede besondere Feierlichkeit und
ohne jedes Gepränge. Wir überreichten ihm unser Geschenk, worüber er
so zufrieden war, daß er noch ein Schwein dreingab. Wir wußten, daß er
sich am liebsten auf Otaha aufhielt. Daher teilten wir ihm mit, daß wir
beabsichtigten, am nächsten Tage dieser Insel einen Besuch abzustatten,
und luden ihn ein, mit von der Partie zu sein, was er auch zusagte.

Am nächsten Morgen brachen wir mit der Pinasse und dem langen Boote
auf. Unterwegs stieß der König zu uns. Als wir in Otaha landeten,
machte ich ihm eine Axt zum Geschenk, in der vergeblichen Hoffnung,
daß er dann unsern Tauschhandel protegieren würde. Um die Mittagszeit
nahmen wir Abschied von ihm. Wir aber trennten uns, um die Küste nach
verschiedenen Seiten zu befahren. Bei dieser Gelegenheit machte ich
sehr gute Geschäfte. Inzwischen war das Leck ausgebessert worden, und
als wir Ostwind bekamen, segelten wir ab. Tupia bat mich, eine Kugel
gegen Bolabola abzufeuern. Ich tat dem braven Mann, der seinen Feinden
zeigen wollte, mit welchen Mächten er befreundet war, den Gefallen
und ließ eine Kanone abfeuern. Ich taufte die Inselgruppe: »Die
Gesellschaftsinseln«, behielt aber für die einzelnen Inseln die alten
Namen bei.

Wir setzten unsern Lauf gegen Süden fort. Zur Mittagsstunde des 13.
Augusts erblickten wir im Südosten Land. Tupia sagte uns, daß wir
die Insel Oheteroa vor uns hätten. Um 6 Uhr befanden wir uns kaum
drei Seemeilen von ihr entfernt; ich ließ daher die Segel kürzen und
lavierte die ganze Nacht über hin und her. Am nächsten Morgen steuerte
ich auf die Insel zu. Wir liefen unter dem Wind und hielten uns hart an
der Küste, an der wir eine Anzahl Eingeborener beisammen erblickten.
Um neun Uhr schickte ich meinen Leutnant Gore mit der Pinasse ab und
beauftragte ihn, eine Landung zu versuchen und wenn möglich von den
Eingeborenen zu erfahren, ob die Bai vor uns Ankergrund habe und was
für Land weiter südwärts liege. Herr Banks und Dr. Solander schlossen
sich Herrn Gore an und nahmen Tupia als Dolmetscher mit. Als sie sich
dem Lande näherten, sahen sie, daß die Indianer mit langen Lanzen
bewaffnet waren. Um eine Landspitze zu umschiffen, steuerte Herr Gore
längs der Küste hin, was ihm die Indianer als Feigheit auslegten. Der
Trupp war etwa sechzig Mann stark. Sie setzten sich in den Sand, doch
folgten einige Krieger dem Boote und versuchten, es durch Schwimmen zu
erreichen und zu entern. Das Boot steuerte indes um die Landspitze und
kam in eine große Bai, an deren Küste sich sofort ein Haufe bewaffneter
Insulaner zeigte. Unsre Leute beschlossen hier zu landen und näherten
sich der Küste, von der ein Kahn voll Bewaffneter abstieß. Sobald er
in der Nähe war, ließ Herr Gore den Eingeborenen durch Tupia sagen,
daß wir in friedlicher Absicht kämen und ihnen Nägel schenken wollten,
die man ihnen zeigte. Nach kurzer Beratung kamen sie näher und nahmen
einige Nägel an, allein sie benützten diese Gelegenheit zu einem
verräterischen Überfall. Drei von ihnen sprangen in unser Boot. Der
erste sprang neben Banks und suchte ihm das Pulverhorn zu entreißen.
Banks entwand es ihm und suchte ihn über Bord zu drängen, allein der
Indianer behauptete seinen Platz. Herr Gore wollte seine Kugelbüchse
abfeuern -- der Schuß versagte. Die Mannschaft feuerte nun über die
Köpfe der Indianer weg, was diese vor Schrecken Hals über Kopf ins
Wasser trieb. Als die braunen Gesellen wegschwammen, sandte ihnen
einer von unsern Leuten eine Kugel nach, wodurch ein Indianer einen
Streifschuß an der Stirn erhielt. Die Wunde war so leicht, daß sie ihn
nicht hinderte, eilig in den Kahn zu springen und stark nach dem Ufer
zu rudern, wo sich inzwischen mehr als zweihundert Krieger versammelt
hatten. Unser Boot steuerte ebenfalls nach dem Land, konnte aber wegen
einer Sandbank nicht anlegen. Gore hielt es daher für gut, der Küste
entlang zu rudern und einen günstigen Landungsplatz zu suchen. Unsre
Leute beobachteten, wie die Indianer sich um die Krieger drängten und
eifrig gestikulierten. Bald darauf lief ein einzelner Krieger mit der
Lanze in der Hand uns nach. Als er uns eingeholt hatte, fing er an wild
zu tanzen, seine Lanze zu schwingen und grelle Schreie auszustoßen.
Wie Tupia erklärte, bedeutete dieser Hokuspokus die Kriegserklärung
der Insulaner. Das Boot ruderte immer weiter; der Kriegsbote folgte
uns und wiederholte seinen Kriegstanz. Da Leutnant Gore keine
passende Landungsstelle fand, so kehrte er um und steuerte direkt auf
die Landungsstelle der Eingeborenen, um diese zu einem Palaver zu
veranlassen und zu einem Friedensvertrage zu bewegen.

In diesem Augenblicke kam ein andrer Kriegsbote, der eine aus den
schillernden Schwanzfedern der schönsten Tropenvögel zusammengesetzte
Mütze und Kleider aus Tuchen von allen Farben trug und das Tanzen
noch besser verstand als sein Vorgänger. Der Matrosenwitz unsrer
Leute taufte den Gecken: Hanswurst. Da seine Bocksprünge unser Boot
nicht zum Stillhalten brachten, näherte sich ein älterer Häuptling
und fragte unsre Leute, wer sie wären und woher sie kämen. »Von
Otahiti!« antwortete ihm Tupia in dessen eigener Sprache. Die Indianer
beratschlagten aufs neue. Tupia stand ihnen tapfer Rede und Antwort,
flüsterte aber Herrn Gore fortwährend zu, auf seiner Hut zu sein, denn
die Indianer wären immer noch sehr kriegerisch gesinnt. Endlich wollten
sie uns Lebensmittel verkaufen, machten aber zur Bedingung, daß wir
ohne Waffen an Land kommen sollten, worauf Gore sich nicht einließ.
Vielmehr kehrte er sofort zum Schiff zurück.

Die Waffen dieser kriegerischen Eingeborenen bestanden aus langen
Lanzen und kürzeren Piken, die auch als Keulen dienten. Lanzen und
Keulenpiken waren aus dem sehr harten Holze des Etoabaumes verfertigt
und mit vieler Sorgfalt poliert. Wir sahen Lanzen von 20 Fuß Länge,
die trotzdem nicht über drei Finger dick waren. Die Waffe, die als
Keule und als Pike diente, war etwa 7 Fuß lang und war an einem Ende
mit einer Beilspitze versehen. Gegen diese Waffen schützten sie sich
durch eine Mattenrüstung, mit der sie unter ihren Kleidern den Leib
bedeckten. Ob diese primitive Rüstung aber Schutz gewährt gegen die
Lanzen mit dem Stachel des Rochens als Spitze, die wir in dieser Gegend
sahen, ist mehr als zweifelhaft.

Tupia sagte uns, daß in verschiedenen Entfernungen und Lagen zwischen
Süden und Nordosten von Oheteroah außerordentlich fruchtbare Inseln
lägen. Allein da ich mir vorgenommen hatte südwärts zu steuern, um
womöglich festes Land zu entdecken, so ging ich auf die dringenden
Vorstellungen Tupias nicht ein.




Sechstes Kapitel.

  Neue Entdeckungen. -- Kriegerischer Empfang. -- Drei Gefangene. --
  Verhandlungen.


Wir segelten am 15. August von Oheteroah ab. Am 25. August feierten
wir mit einem großen Faß Starkbier, das sich vortrefflich gehalten
hatte, und mit einem großen Chesterkäse den Jahrestag unsrer Abreise
von England. Am 30. sahen wir einen Kometen. Am 1. September waren wir
in der südlichen Breite von 40 Graden 22 Minuten und in der westlichen
Länge von 174 Graden 29 Minuten. Da wir aber in dieser Gegend kein
Anzeichen von Land sahen, und da von Westen her Sturmwogen anrollten,
so wich ich, in der Besorgnis, an Segeln und Tauwerk schwer geschädigt
zu werden, dem Sturme aus und segelte nach Norden.

Am 1. Oktober sahen wir eine große Menge Vögel, einen Seehund und
Seetang. Am 6. Oktober sichteten wir vom Mastkorb aus Land; es lag in
Nordwest, und wir steuerten gerade in derselben Richtung. Dem Ansehen
nach mußte es von beträchtlicher Größe sein. Am nächsten Tage war
Windstille; wir näherten uns daher dem Lande nur sehr langsam. Als am
Nachmittag eine Brise einsetzte, waren wir noch 7-8 Seemeilen davon
entfernt. Je näher wir kamen, desto größer schien es zu sein. Wir
konnten vier bis fünf Reihen von Bergen erkennen, die sich übereinander
erhoben, und ganz im Hintergrunde erblickten wir eine Kette von
Gebirgen, die über alles ragte und erstaunlich hoch zu sein schien. Die
meisten unter uns meinten, daß es die ~Terra australis incognita~ sei,
die wir jetzt glücklich entdeckt hätten.

Um 5 Uhr entdeckten wir die Einfahrt einer Bai, die ziemlich weit ins
Land zu greifen schien. Wir hielten uns hierauf näher an den Wind und
steuerten gegen die Bai an. Gleichzeitig sahen wir an verschiedenen
Stellen landeinwärts Rauch aufsteigen. Da indessen die Nacht einbrach,
so lavierten wir hin und her. Bei Tagesanbruch fanden wir uns unter
dem Winde der Bai, der aus Norden blies. Wir konnten jetzt schon
unterscheiden, daß die Berge mit Wäldern bedeckt und daß unter den
Bäumen in den Tälern einige von ungeheurer Größe waren. Um die
Mittagszeit gelangten wir bis an die südwestliche Spitze hin; da es
uns aber des Windes wegen nicht gelingen wollte sie zu umsegeln, so
wendeten wir und entfernten wir uns wieder. Um diese Zeit sahen wir
verschiedene Kähne quer über die Bai laufen, ohne daß sie uns bemerkt
hätten.

Wir erblickten gleichzeitig einige kleine, aber geschmackvolle Häuser.
An einem davon versammelte sich eine beträchtliche Menschenmenge, die
sich nach einer Beratung, bei der wir die Hauptrolle spielen mochten,
nach dem Strande begab und sich dort niedersetzte. Wir konnten ferner
ganz deutlich erkennen, daß der Gipfel eines Berges des nordöstlichen
Vorgebirges mit Palisaden umzäunt war.

Um 4 Uhr des Nachmittags kamen wir an der nordwestlichen Seite der
Bai vor der Mündung eines kleinen Flusses auf feinsandigem Boden
etwa eine halbe Seemeile von der Küste entfernt vor Anker. Die Seiten
der Bai bestehen aus hohen, weißen Klippen; der mittlere Teil ist
niedriges Land, hinter dem sich mehrere Reihen von Bergen stufenweise
eine über die andre erheben und sich endlich in die Gebirgskette
verlieren, die weit innen im Lande zu lagern schien. Gegen Abend ging
ich in Begleitung der Herren Banks und Dr. Solander mit der Pinasse
und der Jolle ans Land und nahm auch eine Abteilung meiner Leute mit.
Wir landeten dem Schiffe gegenüber auf der Ostseite des Flusses, der
hier etwa 120 Fuß breit war. Da ich aber einige Eingeborene an dem
andern Ufer erblickte, mit denen ich zu verhandeln wünschte, und da
ich keine Furt im Flusse fand, so ließ ich die Jolle kommen, um uns
hinüberzuführen. Als wir uns den Eingeborenen näherten, liefen sie
davon. Wir landeten trotzdem, ließen vier Jungmatrosen an der Jolle
und gingen nach den Hütten, die etwa 700 Fuß weit vom Ufer ablagen.
Sobald wir uns vom Boot entfernt hatten, rannten vier mit langen Lanzen
bewaffnete Männer aus dem Walde nach dem Boote, um sich seiner zu
bemächtigen. Die Leute in der Pinasse aber entdeckten sie und riefen
den Jungmatrosen zu, den Fluß hinabzufahren. Die Matrosen ließen sich
dies nicht zweimal sagen, indessen setzten ihnen die Indianer doch so
scharf nach, daß der Bootsmann in der Pinasse für nötig fand, eine
Kugel über die Köpfe der Indianer zu feuern. Der Schuß erschreckte
sie ein wenig, sie blieben stehen und sahen sich um, doch kurz darauf
setzten sie der Jolle wieder nach, wobei sie drohend ihre Lanzen
schwangen. Man feuerte hierauf einen zweiten Schreckschuß ab, aber sie
kehrten sich nicht daran, und einer von ihnen machte Miene, seine Lanze
nach der Jolle zu werfen. Der Bootsmann schoß jetzt zum dritten Mal,
und der Angreifer blieb tot liegen. Die andern Indianer blieben vor
Erstaunen und Furcht wie versteinert stehen, dann aber zogen sie sich
zurück, indem sie den Leichnam des Gefallenen hinter sich herzogen.
Doch ließen sie ihn bald liegen, um sich durch eilige Flucht in
Sicherheit zu bringen. Auf den Knall des ersten Schusses sammelten wir
uns, liefen so schnell als möglich nach dem Boote zurück und fanden,
als wir über den Fluß setzten, den Indianer auf dem Boden liegen. Er
war mitten durchs Herz getroffen. Er war ein Mann von mittlerer Größe
und brauner, nicht sehr dunkler Farbe. Die eine Seite seines Gesichtes
war mit regelmäßigen, schneckenförmigen Linien tätowiert. Gekleidet war
er in Tuch von feinstem Gewebe. Nach dieser Untersuchung kehrten wir
sofort nach dem Schiffe zurück.

Am nächsten Morgen sahen wir wiederum eine große Anzahl Eingeborener
an ihrer Beratungsstelle; einige unter ihnen untersuchten eifrig unsre
Landungsstelle. Da es mir darum zu tun war, mit ihnen in freundlichen
Verkehr zu treten, so ließ ich drei Boote mit Seesoldaten und Matrosen
bemannen und fuhr mit Banks, Dr. Solander, den andern Herren und
Tupia ans Land. Ungefähr fünfzig Eingeborene taten so, als warteten
sie auf uns. Im Glauben, daß sie sich vor uns fürchteten, ging ich
ihnen mit Herrn Banks, Dr. Solander und Tupia entgegen. Wir waren nur
einige Schritte weit, als sie alle miteinander aufsprangen und der
eine seine Lanze, der andre ein Kriegsbeil hervorzog. Diese Waffe
war einen Fuß lang, aber 4-5 Pfund schwer und aus ungemein kunstvoll
geglättetem, grünem Talkstein geformt. Tupia rief sie in ihrer Sprache
an und bot ihnen Frieden. Statt jeder Antwort schwenkten sie drohend
ihre Waffen und machten uns Zeichen, uns zurückzuziehen. Wir feuerten
eine Muskete ab, jedoch weit von ihnen, denn wir hatten noch den
Fluß zwischen uns, so daß die Kugel über den Wasserspiegel strich.
Als sie die Bewegungen und die Wirkung der Kugel sahen, ließen sie
von ihren Drohungen ab. Trotzdem hielten wir es für das klügste, uns
zurückzuziehen und die Seesoldaten landen zu lassen. Wir ließen die
kleine Truppe mit ihrer Fahne eine Anhöhe besetzen. Hier wurde sie
in Schlachtordnung aufgestellt. Ich rückte alsdann mit Herrn Banks,
Dr. Solander, Green, Monkhouse und Tupia wieder vor. Tupia eröffnete
das Palaver, und wir bemerkten mit großem Vergnügen, daß ihn die
Eingeborenen verstanden. Er sagte ihnen, daß wir ihnen gegen Eisen
und andre Tauschwaren Lebensmittel abkaufen wollten. Wir fanden sie
zu diesem Handel scheinbar geneigt; sie verlangten aber, daß wir
zu ihnen hinüberkommen sollten, was wir ablehnten, da uns Tupia
dringend riet, auf unsrer Hut zu sein, und sie sich nicht verpflichten
wollten, die Waffen abzulegen. Wir stellten ihnen dagegen anheim zu
uns herüberzukommen. Endlich entkleidete sich einer und schwamm ohne
seine Waffe zu uns herüber, zwei andre folgten seinem Beispiel,
bald nachher kamen dreißig bewaffnet über den Fluß. Wir machten
ihnen Geschenke von Glaskorallen und Nägeln, wogegen sie uns, da sie
deren Gebrauch nicht kannten, nur einige Federn verehrten. Auf ihren
dringenden, listigen Vorschlag, mit ihnen zum Zeichen der Freundschaft
die Waffen zu tauschen, konnten wir natürlich nicht eingehen. Die
Wilden versuchten alsdann mit Gewalt zu ihrem Ziele zu kommen. Wir
waren aber darauf vorbereitet und ließen ihnen durch Tupia androhen,
daß wir sie im Falle weiterer Gewalttätigkeiten unweigerlich töten
würden. Trotzdem stahl wenige Augenblicke später ein kecker Wilder den
Hirschfänger des Herrn Green und flüchtete, indem er triumphierend
seinen Raub über dem Kopfe schwang. Das war für die übrigen das Signal
zu bedrohlichen Unverschämtheiten. Wir mußten sie deshalb in ihre
Schranken zurückweisen. Herr Banks feuerte sofort mit Schrot in einer
Entfernung von 45 Fuß auf den Dieb und traf ihn. Trotzdem schwenkte
dieser uns zum Hohn seinen Raub und suchte ihn auf dem Felsen, der in
der Mitte des Flusses lag und wohin sich die Wilden nach dem Schusse
geflüchtet hatten, in Sicherheit zu bringen. Herr Monkhouse kam dem mit
einer gut gezielten Kugel zuvor. Als jener tot zu Boden stürzte, kamen
die andern sofort herbei; zwei von ihnen rannten zu dem Toten hin, der
eine ergriff sein Kriegsbeil und flüchtete damit, der andre versuchte
den Hirschfänger zu erobern. Monkhouse war ihm aber zuvorgekommen.
Jetzt rückten die Wilden zum Angriff gegen uns vor. Wir schossen drei
mit Schrot geladene Büchsen gegen sie ab und schlugen sie dadurch
gänzlich in die Flucht. Wir hatten drei von ihnen getroffen. Die Wilden
zogen sich allmählich ins Land zurück; wir aber bestiegen unsre Boote.

Um wenigstens frisches Wasser zu erhalten und womöglich einige
Eingeborene an Bord zu nehmen und sie durch gute Behandlung und
Geschenke zu Freunden zu gewinnen, ruderte ich um die Spitze der
Bai herum. Die Brandung war jedoch überall so stark, daß ich keinen
Landungsversuch wagte. Ich erblickte aber zwei Kähne von der See
hereinkommen, wovon der eine unter Segel war und der andere gerudert
wurde. Das war eine günstige Gelegenheit, einige von den Eingeborenen
aufzuheben und sie für unsre Zwecke zu verwenden. Ich verteilte daher
meine Boote, um die beiden Kähne abzufangen. Der eine Kahn bemerkte
uns, und es gelang ihm zu entwischen, der andre aber segelte in die
ihm gestellte Falle. Sobald uns jedoch seine Besatzung erblickte,
reffte sie das Segel ein und ruderte mit solcher Kraft, daß sie unsre
Boote hinter sich ließ. Tupia schrie den Wilden aus vollem Halse zu,
zu halten: wir seien Freunde. Aber die braunen Burschen verließen
sich mehr auf ihre Ruder als auf unsre Freundschaft und versuchten
zu entkommen. Ich ließ hierauf eine Muskete über ihre Köpfe abfeuern
in der Hoffnung, das würde sie veranlassen, sich zu ergeben. Sie
hielten auch mit Rudern ein und fingen an, sieben an der Zahl, sich zu
entkleiden. Wir glaubten, sie täten das, um über Bord zu springen; die
Sache war aber anders gemeint. Denn als wir nahe an sie herankamen,
warfen sie ihre Lanzen, Beile, Steine gegen uns, so daß wir gezwungen
waren, eine Salve auf sie abzufeuern, wodurch vier Mann fielen. Die
andern drei, Knaben und Jünglinge von 11, 15 und 19 Jahren, sprangen
sofort über Bord und suchten sich durch Schwimmen zu retten. Mit vieler
Mühe gelang es uns, die drei jungen Leute, die wie Enten schwammen,
ins Boot zu ziehen, wo sie zusammenkauerten. Da die Unglücklichen ohne
Zweifel erwarteten, kurzweg hingerichtet zu werden, so ließen wir sie
durch Tupia beruhigen, versorgten sie mit Kleidern und gaben uns die
erdenklichste Mühe, sie von unserm Wohlwollen zu überzeugen. Die jungen
Wilden, die befürchtet hatten, irgendeinem Dämon geopfert zu werden,
tauten förmlich auf; sie waren mit ihrem Schicksal versöhnt und guter
Dinge. An Bord des Schiffes entwickelten sie einen guten Appetit,
auch gaben sie Tupia Auskunft auf seine Fragen und nahmen an allem,
was sie sahen und was um sie herum vorging, den größten Anteil. Wir
bestärkten sie in ihrer Frohlaune, so daß sie tanzten und einige ihrer
Lieder zum besten gaben, deren Rhythmus und Wohlklang uns ebensosehr
in Erstaunen setzte, wie der hohe Grad von Kunstfertigkeit der drei
Sänger, von denen die zwei ältesten Brüder waren. Nach dem Frühstück,
bei dem sie wie alle Wilden einen fabelhaften Appetit entwickelten,
ließ ich sie von Kopf bis Fuß neu kleiden und stattete sie mit
Armbändern und Fußringen sowie mit buntfarbigen Halstüchern aus. In
dieser Kleiderpracht wollte ich sie ans Land setzen, in der Hoffnung,
daß die Wilden, wenn sie auf diese Weise erführen, wie gütig wir unsre
Gefangenen behandelten, ihr Mißtrauen gegen uns fallen lassen und in
die dargebotene Freundeshand einschlagen würden. Ich ließ dann das Boot
aussetzen und meinen Gefangenen sagen, daß wir sie ans Land bringen
und ihnen die Freiheit schenken wollten. Diese Nachricht brachte sie
vor Freude so außer sich, daß sie tanzten. Als sie aber bemerkten, daß
wir nach unsrer ersten Landungsstelle am Flusse hinruderten, da baten
sie flehentlich, man möge sie nicht an diesem Orte aussetzen, denn
hier wohnten ihre Feinde, die sie töten und fressen würden. Auf diese
Weise war es wieder nichts mit meiner Diplomatie. Weil ich aber schon
die Seesoldaten unter dem Befehl eines Offiziers an Land geschickt
hatte, so beschloß ich ebenfalls dort zu landen; den jungen Wilden
ließ ich durch Tupia versichern, daß wir sie am Abend nach dem Teil
der Küste bringen würden, den sie als ihre Heimat bezeichneten. Herr
Banks und Dr. Solander waren bei mir. Als wir mit den jungen Wilden
landeten und über den Fluß gingen, schienen sie sich die Sache anders
überlegt zu haben, denn sie nahmen, wenn auch nicht ohne innern Kampf
und Tränen, plötzlich Abschied von uns. Wir gingen dann nach einem
Sumpfe hin, der außerordentlich reich an Enten war, um dort zu jagen,
während uns vier Seesoldaten auf einer Anhöhe flankierten, von der aus
man die ganze Gegend übersehen konnte. Wir waren etwa eine Meile weit
vorgedrungen, als uns die Soldaten meldeten, daß ein starker Trupp
Wilder zum Vorschein komme und eilfertig heranrücke. Auf diese Meldung
hin zogen wir uns zusammen und eilten nach den Booten zurück. Kaum
hatten wir den Rückmarsch angetreten, so kamen unsre jungen Wilden
aus einem Busch, in dem sie sich verkrochen hatten, hervor und baten
uns sie mitzunehmen. Wir eilten mit ihnen dem Strande zu. Die Wilden
rückten indessen über die Anhöhe -- die die Seesoldaten verlassen
hatten, um zu uns zu stoßen -- und um den Sumpf herum, aber in einem so
ängstlichen, vorsichtigen Tempo heran, daß wir bequem in dem kleinen
Boote zu den Seesoldaten, die mit Holzfällen beschäftigt waren,
übersetzen und die Schlachtordnung bilden konnten. Die Wilden kamen
nicht, wie wir erwartet hatten, in Trupps, sondern paarweise herab,
jedoch wuchs ihre Anzahl in kurzem bis auf 200 Mann. Wir beschlossen
einem zwecklosen Kampfe vorzubeugen und an Bord zurückzukehren. Als
wir in die Pinasse einsteigen wollten, erkannte einer unsrer jungen
Wilden unter den Indianern seinen Oheim, mit dem er sofort ein Gespräch
anknüpfte, in das sich auch Tupia mischte. Der Mann kam denn auch zu
uns herüber geschwommen und brachte einen grünen Zweig mit, den er uns
durch Tupia überreichen ließ. Wir machten ihm einige Geschenke und
luden ihn ein, mit uns an Bord des Schiffes zu gehen, was er ablehnte.
Wir verabschiedeten uns von ihm und nahmen als selbstverständlich an,
daß sein Neffe und dessen Kameraden bei ihm bleiben würden, allein zu
unsrer größten Verwunderung wollten sie lieber mit uns gehen. Sobald
wir weggerudert waren, pflückte der Wilde einen Zweig und legte ihn
unter allerhand Zeremonien auf den Leichnam des von uns erschossenen
Indianers, dann kehrte er, um zu berichten, zu seinen Gefährten
zurück, die sich sofort um ihn gruppierten und, wie wir von Bord des
Schiffes aus durch unsre Ferngläser beobachteten, fast eine Stunde lang
berieten. Später holten sie die Leiche auf einem Floße ab und trugen
sie dann auf einer Art von Bahre ins Innere des Landes; den zweiten
Leichnam dagegen ließen sie an dem Orte liegen, wo er von Anfang an
gelassen worden war.

Nach dem Mittagessen ließ ich meine drei jungen Wilden durch Tupia
fragen, ob sie an dem Orte, wo wir mit ihrem Oheim zusammengewesen
wären, nicht an Land gehen wollten, da ja der Friede durch die Wegnahme
des Leichnams wiederhergestellt sei. Sie erklärten sich dazu bereit,
sprangen munter ins Boot und ebenso munter ans Land, doch kaum stieß
das Boot wieder ab, so wateten sie ins Wasser und baten, wieder an Bord
genommen zu werden. Ich hatte aber zuvor streng verboten, sie wieder
aufzunehmen. Wir konstatierten dann später durch unsre Ferngläser, daß
ein Indianer die drei jungen Wilden auf einem Floß nach einer Stelle
verbrachte, wo etwa 40 bis 50 Wilde weilten, die nach Untergang der
Sonne nach jenem Küstenstrich hinzogen, den unsre Gefangenen vordem
als ihre Heimat bezeichnet hatten. Wir waren daher über ihr Schicksal
beruhigt. Nach Eintritt der Finsternis hörten wir wie gewöhnlich laute
Stimmen vom Lande her, über deren Bedeutung wir uns aber nicht klar
wurden.

Am folgenden Morgen um 6 Uhr lichteten wir die Anker und steuerten
aus dieser unwirtlichen Unglücksgegend, die von den Eingeborenen
Taoneroa oder »langer Sand« genannt wird. Das feste Land erstreckte
sich von Nord-Ost-Nord gegen Süden hin, und ich nahm mir vor, der Küste
entlang bis zum 40. oder 41. Breitegrad zu fahren und dann eventuell
nach Norden umzukehren. Nachmittags trat Windstille ein. Als die
Eingeborenen bemerkten, daß das Schiff stilllag, stießen verschiedene
Kähne von der Küste ab, die sich uns bis auf eine Viertelmeile
näherten. Tupia gab sich zwar alle Mühe, die Indianer zutraulicher zu
machen, allein er verschwendete nur die Kraft seiner Lunge und seine
Beredsamkeit, die in solchen Fällen von klassischer Unerschöpflichkeit
war. Unterdessen sahen wir einen Kahn von Taoneroa mit vier Leuten an
Bord herankommen. Als sie näher kamen, erkannten wir einen unter ihnen
als den Mann, mit dem wir auf dem Felsen unterhandelt hatten. Die
vier ruderten direkt auf uns zu und legten, ohne sich im geringsten
um die andern zu kümmern, hart an das Schiff; es dauerte nicht lange,
so kamen sie auf unsre Einladung hin an Bord. Die übrigen Wilden
folgten dem ihnen gegebenen Beispiele nach, und bald hatten wir etwa
50 Mann an Bord und 7 Kähne um uns herum. Wir bedachten sie freigebig
mit Geschenken; sie waren überdies so handelseifrig, daß sie sogar
die Kleider vom Leibe und die Ruder aus den Booten an uns vertauschen
wollten. Von der ganzen Gesellschaft waren nur zwei mit Waffen
versehen, dem Pätuh-Pätuh, einem Kriegsbeil aus grünem Talkstein, mit
dem sie wohl imstande waren den härtesten Schädel zu spalten.

Wir erkundigten uns sofort nach unsern jungen Wilden und erfuhren, daß
sie daheim in Sicherheit wären. Der Erzähler fügte hinzu, daß er und
seine Freunde sich nur deshalb an Bord gewagt hätten, weil die drei
jungen Indianer unsre Gastfreundschaft so sehr gerühmt hätten. Die
Zeit über, wo sie bei uns an Bord weilten, versicherten sie uns ihrer
Ergebenheit; auch luden sie uns dringend ein, in die verlassene Bai
zurückzukehren. Ich wollte aber lieber meine Entdeckungen fortsetzen;
auch hoffte ich nicht ohne Grund, bald einen guten Hafen zu finden.
Kurz vor Sonnenuntergang ruderten unsre Gäste weg, wobei sie im
Durcheinander drei der Ihrigen im Schiffe zurückließen. Wir machten
sie zwar sofort aufmerksam, aber es fiel niemand ein, umzukehren;
noch mehr wunderten wir uns über die Verlassenen selbst, die uns ihre
Tänze vorführten und ihre Reigen sangen und so ruhig zu Bette gingen,
als gehörten sie zum Schiff. Bald nach Einbruch der Nacht begann eine
leichte Brise zu wehen. Wir steuerten längs der Küste hin und legten
bei, als neue Windstille eintrat. Trotzdem waren wir einige Seemeilen
weitergekommen. Als am nächsten Morgen die Indianer dies bemerkten,
jammerten sie gottserbärmlich über ihr Schicksal. Tupia beruhigte sie
mit Mühe. Um 7 Uhr kamen zwei Kähne von Land in Sicht, und es gelang
Tupia und den drei Wilden, den Führer eines der Kähne, einen alten
Häuptling, zu bewegen, an Bord zu kommen und die drei aus ihrer fatalen
Lage zu befreien. Was den alten Herrn zu diesem Abenteuer bewog, war
die eidesstattliche Versicherung seiner Landsleute, daß wir keine
Menschenfresser wären, was uns ein indirekter Beweis dafür war, daß
auf der Insel der Kannibalismus herrschen müsse, worauf ja auch die
wiederholte Äußerung der jungen Wilden schließen ließ.

Wir befanden uns, als wir absegelten, einer Landspitze gegenüber, die
ich wegen ihrer Gestalt das Tafelvorgebirge nannte; sie ist ziemlich
hoch, bildet einen scharfen Winkel und ist eben. Um die Mittagszeit
stießen wir ungefähr vier Seemeilen weiter auf ein kleines Eiland, das
Teahorvray der Wilden, das ich wegen seiner großen Ähnlichkeit mit dem
Portland der Themse die Insel Portland nannte. Während wir unsern Lauf
längs der Küste nahmen, versammelte sich hier und auf der Insel eine
große Menge Eingeborener, denen unser Erscheinen gewiß viel zu denken
gab. Mittags ließ sich ein Kahn blicken mit vier Insassen; einer von
ihnen schien durch seine Gebärden bald Frieden bald Krieg zu künden,
tanzte mitunter und grölte ein heiseres Lied. Tupia redete lang auf ihn
ein, konnte ihn aber nicht bewegen, an Bord zu kommen. Wir segelten
weiter, gerieten aber in seichtes Wasser. Doch vermochten wir uns
wiederloszuwinden und legten dann bei. Als wir vor Anker lagen, kamen
zwei Kähne so nahe an uns heran, daß Tupia mit den Insassen sprechen
und wir ihnen Geschenke zuwerfen konnten, mit denen sie sich dann
seelenvergnügt trollten.




Siebtes Kapitel.

  Neue Feindseligkeiten. -- Das Kap der Kinderdiebe. -- Gastfreundliche
  Wilde. -- Abenteuer in der Tegaduhbai.


Am folgenden Morgen, den 13. September, erhob sich um 5 Uhr ein
Nordwind. Wir lichteten sofort die Anker und steuerten gegen das Land
hin. Gegen Abend versuchten wir in eine Einfahrt hineinzufahren,
machten aber wieder kehrt, als wir entdeckten, daß es sich nicht um
die Einfahrt eines Hafens handelte. Dabei verfolgte uns ein großes
Kriegskanu. Es war mit ungefähr zwanzig Bewaffneten besetzt, die
uns mit höhnischen Worten zum Kampf herausforderten. Wir ließen
die Möpse ruhig den Mond anbellen. Am nächsten Tage bekamen wir
das im Lande liegende Gebirge zu sehen, dessen höchste Gipfel mit
Schnee und Eis bedeckt waren. An der Küste war das Land niedrig und
unfruchtbar. In einer kleinen Entfernung sahen wir Haine von Bäumen,
die hochstämmig und oben spitzig waren. Ich ließ die Pinasse und
das lange Boot aussetzen, um frisches Wasser aufzusuchen. In diesem
Augenblick bemerkten wir verschiedene stark bemannte Kähne aus dem Land
herauskommen. Um 10 Uhr wurden fünf von diesen Kähnen zusammengezogen.
Sie hielten eine Art von Kriegsrat, der für den Krieg ausgefallen
sein mußte, denn sie rückten gegen das Schiff vor. Diese fünf Kähne
hatten 80-90 Mann an Bord; in einer kurzen Entfernung folgten ihnen
noch vier Boote nach, jedenfalls als Reserve. Kaum hatten sie sich uns
auf dreihundert Schritte genähert, als die Wilden ihren Kriegsgesang
anstimmten, ihre Lanzen schwenkten und sich zum Angriff formierten.
Tupia rief ihnen zu, daß wir den Donner in der Gewalt hätten und
sie alle vernichten würden, wenn sie uns nicht in Ruhe ließen. Zur
Bekräftigung dieser Worte ließ ich eine Kanone abfeuern. Der Knall,
der Blitz und die Kugeln des Traubenschusses, die sich fächerartig
im Wasser ausbreiteten, erschreckten die Indianer in solchem Maße,
daß sie sich eiligst zurückzogen. Tupia aber rief ihnen nach, daß
wir sie, wenn sie ohne Waffen kommen wollten, als Freunde aufnehmen
würden. Die Besatzung eines der Boote ließ sich wirklich dazu bewegen,
unbewaffnet zu uns ans Hinterteil des Schiffes zu kommen. Wir machten
ihnen verschiedene Geschenke und würden sie auch bewogen haben an
Bord zu kommen, wären nicht die übrigen Kähne in feindlicher Absicht
herangekommen, worüber die andern sehr empört waren. Nach kurzer
Auseinandersetzung ruderten sie alle ans Land.

Am nächsten Tage früh 8 Uhr befanden wir uns endlich der Landspitze
gegenüber. Hier kamen einige Fischer zu uns, die uns einige sehr
verdächtig riechende Fische verkauften, aber bereit waren, uns in jeder
Weise zu unterstützen. Leider wurden sie durch die Besatzung eines
Kriegskahns verscheucht, der sich frech an uns heranmachte. Obgleich
die Bewaffneten nichts zu verkaufen hatten, so schenkte ich ihnen doch
einige Stücke Tuch. Einer von ihnen vertauschte mir sein Bärenfell für
ein Stück rotes Tuch, nahm dieses in Empfang, gab aber das Fell nicht
heraus. Bei dem sich deshalb entspinnenden Streit bemächtigten sich
die Fischer des Dieners Tupias, Tayeto, der an die Seite des Schiffes
gestellt worden war, um die eingetauschten Sachen heraufzureichen. Zwei
hielten ihn im Vorderteil des Kahnes fest, während die andern eiligst
wegruderten, welchem Beispiel die übrigen Kähne folgten. Hierauf gab
ich den Seesoldaten, die auf Verdeck unter Gewehr standen, Befehl
zu feuern. Ein Mann fiel. Tayeto benützte die Verwirrung, um sich
loszureißen und ins Wasser zu springen. Der große Kahn wendete, um ihn
zu verfolgen; ich vertrieb ihm die Lust dazu durch ein paar gutgezielte
Gewehr- und Kanonenschüsse. Wir konnten den armen Burschen unverletzt
auffangen, aber er war so erschrocken, daß er lange nicht zu sich
kam. Die Herren Banks und Solander konstatierten durch das Fernrohr,
daß die Wilden drei Männer tot oder doch schwerverletzt den Strand
hinaufgetragen hätten. Als Tayeto sich von seinem Schrecken erholt
hatte, brachte er seinem Herrn einen Fisch, um ihn seinem Eatua, seinem
Gotte, zu opfern. Tupia lobte den frommen Sinn des Knaben und befahl
ihm, den Fisch als Dankopfer ins Meer zu werfen. Das Vorgebirge, an dem
dieser freche Raub stattfand, nannte ich Kap Kidnappers, das Kap der
Kinderdiebe.

Wir fuhren noch einige Zeitlang südwärts. Da ich aber nirgends einen
guten Hafen fand, so machte ich an einem Vorgebirge mit gelben
Steinklippen in einer südlichen Breite von 40 Graden, 34 Minuten,
18 Seemeilen Süd-Süd-West von Kap Kidnappers, kehrt. Am 18. des
Morgens um 4 Uhr lag Kap Kidnappers 2 Seemeilen weit nordwärts und 3
westwärts. Die Nacht über legte ich am Tafelvorgebirge bei, am Morgen
segelte ich gegen Land, um in einer Bai 2 Seemeilen weit vom Kap vor
Anker zu gehen. Die Eingeborenen, die uns mit ihren Kähnen beständig
umschwirrten, hatten uns auf diesen Ankerplatz aufmerksam gemacht und
dabei beständig auf eine Gegend hingewiesen, wo es Überfluß an frischem
Wasser gab. In der Bai selbst fand ich nicht so viel Schutz vor der
See, wie ich erwartet hatte. Da uns aber die Eingeborenen freundlich
gesinnt schienen, so wollten wir länger hier verweilen. In einem der
Kähne, die uns besuchten, kamen auch zwei Häuptlinge. Ich lud sie ein
an Bord zu kommen und schenkte jedem von ihnen 12 Fuß Leinwand und
einen großen Nagel, den sie nicht sehr wertschätzten. Wir hörten von
ihnen, daß sie über die Vorfälle in der Taoneroabai unterrichtet waren,
und ließen ihnen daher durch Tupia sagen, daß wir freundschaftliche
Absichten hegten und uns nur wehrten, wenn man uns angriffe.
Unterdessen trieben die Indianer im Kahne einen regen Tauschhandel mit
unsern Leuten. Ich lud die Häuptlinge zu Tisch. Nachher begleiteten
sie mich in meinen eigenen Booten, um mir eine günstige Wasserstelle
zu zeigen. Da es jedoch stürmisch und regnerisch war und die Brandung
hoch lief, so daß wir keine Landungsstelle finden konnten, so ließen
sie sich in ihren eigenen Kähnen an Land bringen, versprachen aber
wiederzukommen und Lebensmittel mitzubringen. Gegen Abend heiterte sich
das Wetter wieder auf. Ich ging mit den Herren Banks und Dr. Solander
ans Land. Die Eingeborenen empfingen uns überall mit den Zeichen der
Ergebenheit und vermieden es sogar, uns durch unmäßige Neugierde und
Ansammlung großer Menschenmengen lästig zu fallen. Auch in den Häusern,
die wir besuchten, kamen höchstens die Nachbarn zusammen, so daß wir
nie mehr als zwanzig Personen, die Weiber und Kinder inbegriffen,
antrafen. Wir machten ihnen kleine Geschenke. Der Umstand, daß wir
auf unserm Spaziergange zwei kleine Bäche mit gutem Süßwasser fanden,
bewog mich, dort einen Tag zu verweilen, um Herrn Banks Gelegenheit für
seine Untersuchungen zu geben und gleichzeitig unsern Wasservorrat zu
erneuern.

Ich schickte am nächsten Tag den Leutnant Gore mit seiner Mannschaft
ans Land, um Wasser einzuholen. Die Herren Banks, Dr. Solander und
Monkhouse folgten mit Tupia und Tayeto nach. Die Eingeborenen setzten
sich zu unsern Leuten und schauten ihnen interessiert zu. Auch
etablierten sie einen kleinen Tauschhandel. Die Herren Banks und Dr.
Solander erforschten ohne Vorsichtsmaßregeln die Pflanzenwelt der Bai
und erlegten einige hervorragend schöne Vögel. Unterwegs sprachen
sie in verschiedenen Hütten der Eingeborenen ein und informierten
sich über deren häusliches Leben. Man zeigte und erklärte ihnen
alles, was sie wollten. Von Haustieren fanden sie den Hund in einer
kleinen, häßlichen Abart vertreten. Die Felder waren wohlgepflegt und
kunstgerecht angebaut. Gepflanzt wurden Kartoffeln, Kürbisse und Eddas.
Merkwürdigerweise waren die Felder der einzelnen Besitzer mit Palisaden
eingezäunt, deren einzelne Rohre so dicht beieinander standen, daß
kaum eine Maus dazwischen durchkriechen konnte. Die Weiber waren
eben nicht schön, aber sie machten sich dadurch noch häßlicher, daß
sie ihr Gesicht mit rotem Ocker oder Bergrot und Öl schminkten. Diese
Schminke war stets frisch und feucht auf ihren Wangen und pflegte
die Nase desjenigen zu kennzeichnen, der sich zum Kuß dahin verirrt
hatte. Es gab natürlich ein Hallo, als einige unsrer Schwerenöter mit
diesem Steckbrief ihrer Sünde ahnungslos sich zeigten, denn sowenig
schön diese Weiber auch waren, umso buhlerischer führten sie sich
auf; und die Mädchen waren so üppig wie junge Füllen. Sie trugen
einen kurzen Rock und unter diesem einen aus parfümierten Blättern
geflochtenen Gürtel, an dem als intimster Schutz ein kleiner Büschel
von Blättern einer starkriechenden Pflanze befestigt war. Die Männer
pflegten sich weniger zu schminken. Doch sahen wir einen Gecken, der
sich den ganzen Leib und sogar die Kleider mit Bergrot gefärbt hatte
und fortwährend damit beschäftigt war, die schadhaften Stellen seines
geschminkten Äußern zu reparieren. An Reinlichkeit kamen sie unsern
Freunden in Otahiti nicht gleich, zum regelmäßigen Baden im Freien war
der Himmelsstrich doch zu kalt. Hingegen hatte fast jedes Gehöft seinen
Abort. Was das anbetrifft, so waren sie kultivierter als die Spanier,
denn ich weiß, daß es bis zum Jahre 1760 in Madrid keine Aborte gab
und daß bis dahin alles, was man sonst in die Aborte schüttet, dort
einfach auf die Straßen geschüttet und dann von den Straßenreinigern
auf Haufen zusammengeschaufelt wurde. Die Madrider Ärzte waren auch
einmal der Meinung, daß Kothaufen die hygienische Eigenschaft hätten,
alle schädlichen Luftkörper an sich zu ziehen.

Am Abend waren unsre Boote mit Wassereinholen beschäftigt. Die Herren
Banks und seine Gesellschaft, etwa acht Europäer, versuchten es nun,
um nicht zu stören, sich in einem Indianerkahn zum Schiff rudern zu
lassen. Aber da es sich in einem solchen Kahn so schwer sitzen läßt
wie in einem sogenannten Grönländer, so schlug das leichte Ding in der
Brandung um. Man kam mit dem Schrecken davon, ließ sich dann aber in
zwei Partien an Bord rudern.

Weil ich es der starken Brandung wegen schwer fand, an diesem Platze
Wasser einzunehmen, so beschloß ich abzusegeln. Ich lichtete daher
am folgenden Morgen früh um 5 Uhr die Anker und lief in See. Die
Tegaduhbai liegt in der Südbreite von 38 Graden, 10 Minuten. Von hier
wollte ich nordwärts steuern, allein der Wind war mir entgegen, so daß
ich nicht von der Stelle kam. Während ich ärgerlich gegen den Wind
lavierte, kamen mehrere Eingeborene an Bord und sagten mir, daß es
in einer Bai, die südwärts nicht weit entfernt liege, vortreffliches
Wasser an einem Orte gebe, wo die Boote bequem landen könnten. Ich
segelte also dorthin und fand alles bestätigt. Um 1 Uhr kam ich vor
Anker. Die Wasserstelle lag in einer kleinen Bucht. Kaum hatten wir
beigelegt, als auch schon eine Unzahl von Kähnen von der Küste her
auf uns zuschossen. Bald herrschte um uns das reinste Marktleben,
wobei sich die Indianer, die an otahitischem Tuch und an gläsernen
Flaschen einen Narren gefressen zu haben schienen, als grundehrlich
erwiesen. Ich ging mit den Herren Banks und Dr. Solander ans Land,
um die Wasserstelle in Augenschein zu nehmen. Das Boot konnte bequem
landen. Das frische Quellwasser war von vortrefflichem Geschmack, auch
war die Gegend zum Füllen und Transport der Fässer günstig. Auch Holz
zum Fällen war hier im Überfluß vorhanden. Am nächsten Tage schickte
ich Herrn Gore mit allen Seesoldaten zur Erledigung dieses Geschäftes
ab, bei dem ich die Oberaufsicht führte, während die Herren Banks und
Dr. Solander ihre botanischen Untersuchungen fortsetzten. Als sie am
Abend nach der Wasserstelle zurückkehrten, begegneten sie einem alten
Mann, der sie damit unterhielt, daß er ihnen den Gebrauch der Waffen
dieses Landes, der Lanze und des Pätuh-Pätuh, zeigte. Die Lanze ist
10-14 Fuß lang und an beiden Enden gespitzt. Der Pätuh-Pätuh ist einen
Fuß lang, aus Talkstein oder Walfischknochen gefertigt, mit zwei
scharfen Schneiden versehen und wird als Streitaxt gebraucht. Der alte
Wilde steckte einen Pfosten in die Erde, der seinen Feind vorstellen
sollte. Auf diesen ging er dann mit wütendem Gesichte los, indem er
seine Lanze wiederholt schwenkte und dann nach ihm stach. Hierauf
ergriff er den Pätuh-Pätuh und schlug damit wütend auf den Pfosten
ein. Aus diesem Umstande kann man darauf schließen, daß die Wilden in
ihren Kämpfen ihre Feinde nicht nur unschädlich zu machen, sondern in
der Hauptsache zu erschlagen bestrebt waren. Unter den Indianern, die
uns an der Wasserstelle aufsuchten, befand sich auch ein Priester, mit
dem Tupia einen tiefgründigen theologischen Disput hatte. Bei dieser
Gelegenheit erkundigte er sich denn auch bei seinem Standesgenossen,
ob der Kannibalismus hier landesüblich wäre. Er erhielt die Antwort,
daß man die erschlagenen Feinde zu verzehren pflege. Am 26. regnete
es unaufhörlich, so daß wir an Bord des Schiffes verblieben. Den
nächsten Tag ließen wir uns an der Wasserstelle von den Indianern
Kriegsspiele vorführen. Die Männer stimmten den Schlachtgesang an, in
den alle unter den abscheulichsten Gesichtsverzerrungen einfielen.
Dabei rollten sie die Augen wild umher, streckten die Zunge heraus
und verrenkten die Glieder, aber dies alles unter genauer Beobachtung
des Taktes. Am 28. landeten wir auf einer Insel, die links von der
Einfahrt in die Bai lag. Hier fanden wir den größten Indianerkahn,
den wir bisher gesehen hatten; er war 68½ Fuß lang, 5 Fuß breit und
4½ Fuß hoch. Der Boden bestand aus drei ausgehöhlten Baumstämmen, von
denen der mittlere am längsten war und die beiden Spitzen des Kahnes
bildete. Die aus _einem_ Stück bestehenden 62 Fuß langen Seitenplanken
waren mit halberhabener Schnitzarbeit verziert. Am Vorderteil war
diese noch sorgfältiger ausgeführt. Auch die Holzarbeit an einem noch
unfertigen Hause, das wir dort sahen, war auf meisterhafte Weise nach
dem auf schneckenförmige Linien und verzerrte Gesichter ausgehenden
Kunstgeschmack der Eingeborenen verfertigt. Weil ich meinen Holz- und
Wasservorrat erneuert und auch eine Menge Sellerie geladen hatte, der
ein gutes Mittel gegen den Skorbut ist, so lichtete ich, weil es sonst
nichts einzuhandeln gab, am 29. die Anker. Wir haben hier tatsächlich
nichts als Fische und Kartoffeln erhalten können. Von Tieren bekamen
wir nichts als Hunde und Ratten zu sehen. Und selbst diese waren hier
sehr selten. Am Eingang der Bai, die die Eingeborenen die Tolagabai
nennen, liegen zwei charakteristische Felsen. Der eine ist rund wie
ein Schober, der andre ist lang hingestreckt und an verschiedenen
Stellen so durchlöchert, daß seine Öffnungen den Bogen einer Brücke
ähnlich sind. Als wir Montag den 30. bei leichtem Winde zehn Stunden
gesegelt waren, kamen wir an die nordöstliche Spitze des Landes, die
ich das Ostkap nannte. Als wir es umsegelt hatten, erblickten wir eine
große Anzahl Küstendörfer und viele angebaute Felder in fruchtbarer
Gegend. Um 6 Uhr segelten wir an einer Bai vorbei, die ich nach ihrem
Entdecker, meinem Leutnant Hicks, Hicksbai nannte. In der Nacht
legte ich bei, segelte aber um 2 Uhr wieder weiter und erblickte um
8 Uhr Land, eine Insel, die ich die weiße Insel nannte. Hier wurden
wir von einer Eingeborenen-Flottille überfallen, die nach ein paar
Schreckschüssen Hals über Kopf Reißaus nahm. Am 1. November kamen
etwa 45 Kähne mit Eingeborenen an unsre Seite, die anfangs ehrlich
handelten, dann uns aber bestahlen. Einen der Diebe bedachte ich mit
einer Schrotladung. Die übrige Gesellschaft verjagte ich mit einem
Kanonenschuß. Um 2 Uhr des Mittags erblickten wir gen Westen einige
Inseln. Um 7 Uhr hatten wir sie erreicht. Nach einigem Zögern legte
ich bei. Die Eingeborenen nannten sie die Mowtohorainsel. Es war ein
Glück, daß wir in der Nacht nicht weitergefahren waren, denn kaum
segelten wir am nächsten Morgen weiter, so zeigten sich verschiedene
gefährliche Klippen, die etwa anderthalb Seemeilen von der Insel
entfernt sind. Auf dieser Fahrt wurden wir wiederholt von Eingeborenen,
die sich erst friedlich zeigten, mit einem Steinhagel bombardiert. Um
11 Uhr segelten wir wieder der Küste entlang. Die Dörfer, die wir hier
erblickten, waren sehr groß, lagen auf Höhen, die ans Meer stießen,
und waren gegen die Landseite durch Schanzen und Gräben verteidigt,
innerhalb deren Palisaden starrten. Auch waren einige dieser kleinen
Dorffestungen noch durch Außenwerke flankiert. Tupia hielt diese Plätze
für Morais, wir hielten sie mit größerm Rechte für Festungswerke. An
einer Insel, nordnordöstlich von der Küste, übernachteten wir; ich
taufte sie als die größte ihrer Gruppe den Major. Das Land, woran wir
dann vorübersegelten, war außerordentlich volkreich. Wir sahen viele
größere Städte, vor denen am Strande einige hundert Boote lagen.

Um 2 Uhr erblickten wir eine große Einfahrt; um 7 Uhr des Abends kamen
wir im südlichen Eingang der Bai, die ich Merkuriusbai nannte, in
7 Klaftern vor Anker. Bis hierher wurden wir von Kähnen begleitet,
ziemlich primitiv ausgehöhlten Baumstämmen, deren Insassen sich
anfangs sehr bescheiden und friedlich zeigten, bald nachher jedoch
unsern Ankerboy zu kapern versuchten. Wir feuerten darauf einige
Schreckschüsse ab, worauf sie in höchster Wut erklärten, morgen
wiederzukommen und uns alle zu ermorden. Tatsächlich versuchten sie in
der Nacht ihr Heil, fanden uns aber immer auf dem Posten, so daß sie
vorzogen, sich ebenso leise zu entfernen, wie sie gekommen waren. Am
Morgen erschienen zwölf Kähne mit 150 Kriegern, die mit Lanzen, Keulen
und Steinen bewaffnet waren. Tupia gelang es, ihnen das Unsinnige ihres
Vorhabens begreiflich zu machen und sie zu einem Tauschhandel mit uns
zu bewegen. Wir erboten uns, ihnen ihre Waffen abzukaufen. Bei den
ersten Geschäften ging es ehrlich zu, nachher betrogen sie uns auf das
frechste. Weil ich mir aber vorgenommen hatte, fünf bis sechs Tage
hierzubleiben, um den Durchgang des Merkurs zu beobachten, so zog ich,
um ihren Unverschämtheiten ein für allemal die Spitze abzubrechen,
schärfere Saiten auf. Ein Dieb erhielt einige Schrotschüsse und sein
Boot eine Kugel als Denkzettel, worauf er sich davonmachte. Obwohl er
stark blutete, so kümmerte sich doch niemand von den andern um sein
Schicksal. Einem Tuchdieb zerschoß ich seinen Kahn, und zum Schluß
ließ ich eine Kanonenkugel abfeuern, die uns von der Gesellschaft
befreite. Um 3 Uhr lichtete ich den Anker und lief näher an die Küste
heran, wo ich das Schiff in günstigerer Lage sicherte. In dieser Lage
hatten wir die südliche Spitze der Bai eine Meile weit ostwärts und
einen Fluß, in den die Boote bei niedrigem Wasser einlaufen konnten,
anderthalb Meilen weit in Süd-Süd-Osten. Am nächsten Morgen kamen
die Eingeborenen wieder, aber wir bemerkten zu unserm Vergnügen,
daß sie sich sehr bescheiden aufführten. Unter ihnen war ein alter
Häuptling Toiava, dessen Klugheit und Ehrlichkeit uns schon letzthin
imponiert hatte. Wir forderten ihn auf an Bord zu kommen, was er auch
in Begleitung eines andern tat. In der Kajüte machte ich jedem von
ihnen ein Stück Tuch und einige große Nägel zum Geschenk. Die beiden
erzählten uns, daß ihre Landsleute in großer Furcht vor uns lebten,
worauf wir ihnen durch Tupia verständlich machten, daß wir nur denen
Schaden zuzufügen pflegten, die uns feindlich gegenübertreten oder
uns bestehlen. Nachdem uns die Indianer verlassen hatten, fuhren wir
mit den Booten den Fluß hinauf, um dort zu fischen, waren aber nicht
besonders glücklich. Indessen konnten wir einige Vögel schießen.
Am Morgen wurde das lange Boot wiederum ausgeschickt, um mit dem
Strichnetz in der Bai zu fischen; gleichzeitig wurde Mannschaft
unter dem Kommando eines Offiziers zum Holzfällen ans Land gesandt.
Am 7. war schlechtes Wetter. Am 8. gingen die Herren Banks und Dr.
Solander ans Land, um Pflanzen zu sammeln. Da sie erst spät am Abend
zurückkehrten, so hatten sie Gelegenheit, sich das Nachtlager der
Eingeborenen anzusehen. Ihre Decke bestand aus Strauchwerk. Die Weiber
und Kinder legten sich am weitesten vom Meer landeinwärts auf den
Boden nieder; die Männer aber lagerten sich im Halbkreise um sie,
wobei sie ihre Waffen an die nächsten Bäume so angelehnt hatten, daß
sie sie jederzeit zur Hand hatten. Man erfuhr auch, daß sie weder dem
Oberkönig Teratu noch sonst jemand untertan waren, und wir nahmen
deshalb an, daß sie eine nomadisierende Bande rechtlos gewordener
Geächteter seien. Kurz nach Anbruch des folgenden Tages kam eine große
Menge Kähne mit ausgezeichneten Makrelen ans Schiff, die wir sofort
einhandelten. Um 8 Uhr hatten wir bereits Fische für Tage und Wochen
an Bord. Wir frühstückten sofort von den delikaten Fischen. Alsdann
begab ich mich mit den Herren Green, Banks und Dr. Solander in der
besten Laune ans Land, um den Durchgang des Merkur bei klarem Himmel
zu beobachten. Der Eintritt des Merkur in die Sonnenscheibe ereignete
sich um 7 Uhr 20 Min. 58 Sek., die innere Berührung um 12 Uhr 8 Min.
58 Sek., die äußere um 12 Uhr 9 Min. 55 Sek. Kurz darauf wurden wir
durch einen Schuß vom Schiffe aus erschreckt. Leutnant Gore war im
Tauschhandel von einem Eingeborenen bestohlen und insultiert worden
und hatte in seiner Aufregung den Mann, statt ihm eine Ladung Schrot
aufzubrennen, erschossen, worauf er den übrigen Schwarm der Wilden mit
einem Kanonenschuß verscheuchte. Als die Nachricht von diesem Vorfall
ans Land gelangte, erschraken die Indianer, die sich in unserer Nähe
befanden; sie vereinigten sich sofort und zogen sich zur Beratung
zurück. Als wir ihnen aber genauen Bericht erstatten ließen, kamen
sie zurück und billigten das Geschehene, da der Erschossene seine
Strafe verdient hätte. Kurz vor Sonnenuntergang brachen unsre Indianer
auf, um ihre Abendmahlzeit zu bereiten. Weil uns dies interessierte,
begleiteten wir sie. Ihre Gerichte bestanden aus Fischen, Krebsen und
Vögeln, die sie teils gebraten teils gebacken verspeisten. Das Backen
geschah mit heißen Steinen auf dieselbe Weise wie in Otahiti, das
Braten dadurch, daß sie die Fische oder Vögel an Stecken banden und
über Feuer hielten. In der Gesellschaft der Indianer sahen wir eine
Frau in Trauer. Sie saß einsam, die Tränen liefen ihr beständig die
Wangen herab, dabei wiederholte sie in leisem, klagendem Ton gewisse
Worte, deren Sinn selbst Tupia nicht enträtseln konnte. Am Schluß eines
jeden Satzes zerfetzte sie sich mit einer Muschelschale Gesicht, Brust
und Arme so sehr, daß sie ganz mit Blut bedeckt war. Doch schienen die
Verletzungen, die sie sich beibrachte, nicht so schwer zu sein wie nach
den Narben zu urteilen die, die sich einige ihrer Leidensgefährtinnen
beigebracht hatten.

[Illustration: Innenraum eines Hauses auf der Insel Ulietea. Tanz der
Eingeborenen. Nach einem alten Stiche.]

Am Morgen darauf ging ich mit Herrn Banks und den andern Forschern in
beiden Booten nach dem Lande hin, um einen großen Fluß zu erforschen,
der sich in den obern Teil der Bai ergießt. Wir ruderten ungefähr 4-5
Meilen weit; hier war der Fluß breiter als an der Mündung und durch
angeschwemmte Inseln gespalten, auf denen die Mangroven, harzreiche
Bäume, wuchsen. Auf einer der Inseln schossen wir uns ein Gericht
Vögel, die wir auf dem Roste brieten und zu Mittag verspeisten. An
der Mündung des Stromes entdeckten wir ein kleines indianisches
Dorf, wo wir sehr gastfreundlich aufgenommen und mit Schaltieren von
ausgezeichnetem Geschmack bewirtet wurden; wir aßen sie so heiß wie
sie vom Feuer kamen. In der Nähe dieses Dorfes befanden sich auf einer
Landspitze die Überreste einer Festung, die von den Eingeborenen Ippäh
oder Hippäh genannt wurde. Der beste Festungsbaukünstler hätte keine
vorteilhaftere Lage für diesen Zweck wählen können als der indianische
Erbauer dieser Festung, die, auf drei Seiten von Wasser und steilen
Klippen umgeben, von hierher unzugänglich gemacht war. Die Landseite
war durch Schanzen, einen 22 Fuß breiten, 14 Fuß tiefen Graben und
durch Palisaden geschützt. Das Ganze könnte mit leichter Mühe so
befestigt werden, daß die Mannschaft eines europäischen Schiffes sich
gegen den Angriff des ganzen Volkes verteidigen könnte.

Am 11. war das Wetter so windig und regnerisch, daß sich kein Kahn
vom Lande in See wagte. Da wir aber tags zuvor mehrere reichbesetzte
Austernbänke entdeckt hatten, so sandten wir das lange Boot ab, um
die delikate Ernte einzuheimsen. Es kam nach einer Weile vollbeladen
zurück, und nun begann an Bord ein Wettausternessen bis in die sinkende
Nacht. Wir konnten uns das leisten, denn unsre Austernbänke waren
unerschöpflich und die Austern so gut wie die besten Colchesteraustern,
weshalb ich dem Strome den Namen Austernstrom gab.




Achtes Kapitel.

  Forschungen. -- Eine Naturfestung. -- Kunstvolle Bauten. -- Ein
  diebischer Geselle. -- Seltsame Tätowierungen. -- Eine Lektion und
  ihre Folgen. -- Kannibalismus.


Am 12., an einem Sonntag, ruderte ich in Begleitung der Herren Banks
und Dr. Solander mit der Pinasse und der Jolle nach der nördlichen
Baiseite hinüber, um das Land und zwei befestigte Dörfer in Augenschein
zu nehmen, die wir in einer gewissen Entfernung entdeckt hatten. Wir
landeten unterhalb des kleineren Dorfes, das in höchst romantischer
und anmutiger Lage auf einem kleinen Felsen aufgebaut war, der vom
festen Lande abgetrennt und zur Zeit der Flut mit Wasser umgeben
war. Den einzigen Zugang zu dieser Naturfestung bildete ein steiler,
schmaler Saumpfad, auf dem uns die Einwohner entgegenkamen, um uns
zur Besichtigung ihres Hippäh einzuladen. Wir lehnten diese Einladung
jedoch ab, da wir die größere Festung, die eine Meile entfernt lag,
besichtigen wollten. Jedoch verteilten wir an die Frauen und Mädchen
kleine Geschenke. In diesem Augenblick sahen wir auch die Bewohner des
kleinen Städtchens, das wir besichtigen wollten, uns zur Begrüßung
entgegenkommen, Männer, Weiber, Kinder, über hundert an der Zahl. Als
sie sich so weit genähert hatten, daß wir einander verstehen konnten,
winkten sie uns unter Horomairufen grüßend mit den Händen und setzten
sich dann zwischen den Gebüschen am Strande nieder. Wie uns Tupia
sagte, war diese Zeremonie bei ihnen das Zeichen freundschaftlicher
Ergebenheit. Wir eilten also zu ihnen hin, begrüßten sie, machten
ihnen einige Geschenke und baten sie um die Erlaubnis, ihr Hippäh zu
besuchen. Mit Jubel bewilligten sie unsre Bitte, indem sie gleich
als Führer vorausgingen. Wharretouwa, so hieß das Städtchen, liegt
auf einem hohen Vorgebirge, das in die See hinausläuft und an der
nördlichen Seite der Bai liegt. Von zwei Seiten wird das Hippäh von
der See bespült, hier ist es ganz unzugänglich. Die beiden Landseiten
sind großartig befestigt. Die eine, die nach dem Strande zu liegt,
ist außerordentlich steil, die schwächere wird durch zwei starke
Gräben beschützt. Außerdem ist das ganze Hippäh mit starken Palisaden
von 10 Fuß Höhe umgeben. Auch das Innere der eigenartigen Festung
ist durch Palisaden und durch Wehrtürme befestigt, von denen aus die
Belagerten ihre Feinde mit Lanzen und durch ein Steinbombardement
zurücktreiben können. Das Ganze ist in der Tat uneinnehmbar und gegen
jeden Sturmangriff gefeit. Auf der schwächeren Seite, der Bergseite,
gibt es einige kleine Außenwerke, und verschiedene Hütten als Wohnungen
für Leute, die wegen Platzmangels nicht in der Festung wohnen können,
aber doch unter deren Schutze leben wollen. Das Innere der Festung war
ursprünglich ein spitzer Hügel, der zu Ansiedlungszwecken abgetragen,
d. h. amphitheatralisch derart abgegraben wurde, daß das Städtchen
eigentlich aus bebauten Stufen besteht, die unter sich wieder durch
enge Gäßchen verknüpft sind, so daß der Feind, wenn er die äußern
Palisaden erobert hat, sich gezwungen sieht, die einzelnen Stufen zu
erstürmen, was vielleicht noch schwerer ist als die Ersteigung der
äußeren Palisaden selbst.

Wir fanden viele derartige Burg- und Festungsbauten längs der Küste,
auf Felsen, Inseln, ja selbst auf Klippen, die eher zu Vogelnestern als
für menschliche Wohnungen geeignet waren. Und doch ist es etwas sehr
Sonderbares, daß der Erfindungsgeist, der diesen wilden Menschen den
Plan zu ihren bewundernswerten Festungsbauten eingab, sie nicht auch
auf den naheliegenden Gedanken gebracht hat, Wurfgeschosse zu deren
Niederzwingung zu erfinden. Denn außer ihren Wurfspießen kennen sie
nur den Naturstein als Waffe, und zwar als Handwaffe. Denn sie haben
keine Art von Bogen, um einen Pfeil abzuschießen, keine Steinschleuder,
nichts, um auf größere Entfernungen hin zu wirken! Allerdings sind die
Spitzen ihrer langen Lanzen mit Widerhaken versehen, und sie bedienen
sich deren mit solcher Kraft und Geschicklichkeit, daß ich es mit
keiner andern Waffe als mit einer gut geladenen Muskete gegen sie
aufnehmen wollte. Wir besichtigten die Festung sehr eingehend mit dem
größten Interesse und kehrten hochbefriedigt gegen Abend an Bord zurück.

Am 15. segelte ich in Begleitung vieler Kähne aus der Bai hinaus. Der
gute Toiava klagte mir noch zum Abschied, daß er jetzt nach unsrer
Abreise in sein Hippäh flüchten müsse, denn die Verwandten des von
Gore Erschossenen wollten dessen Tod an ihm rächen, weil er unser
Freund sei. Wir trösteten den alten Herrn mit einigen Geschenken. Ich
will noch bemerken, daß unsre Geologen an verschiedenen Stellen dieser
Bai Eisen- und Erzsand fanden, der von den verschiedenen Bächen aus
dem Innern des Landes herabgeschwemmt worden war -- ein deutliches
Kennzeichen dafür, daß die Berge um die Bai herum eisenerzhaltig sein
mußten.

Am 18. befanden wir uns einem Vorgebirge gegenüber, von dem einige
feindliche Kähne gegen uns abstießen. Tupia suchte die Wilden zu
beschwichtigen, allein sie riefen drohend: »Kommt ans Land, und wir
werden euch alle töten.« -- »Gut,« antwortete Tupia, »aber warum
belästigt ihr uns, solange wir in See sind? Da wir keine Zeit haben mit
euch zu fechten, so werden wir eure Herausforderung ans Land zu kommen
nicht annehmen. Hier aber habt ihr kein Recht Streit anzufangen, denn
das Meer gehört euch sowenig wie das Schiff!« Da diese rednerische
Argumentation nichts nutzte, sandte ich den nackten Herrschaften eine
Kugel zu, die sie in die Flucht trieb. Tags darauf erhielten wir
den Besuch eines Enkels unsres Freundes Toiava, den wir reichlich
beschenkten. Wir ankerten am nächsten Tag in einem Kanal; ich benützte
die Windstille, um mit Dr. Solander an die westliche Küste zu gehen.
Als wir das Schiff verließen, waren viele Kähne um uns versammelt.
Herr Banks blieb deshalb an Bord, um mit den Eingeborenen zu handeln.
Er tauschte Waffen und Kleider der Wilden, die sich ehrlich zeigten,
hauptsächlich gegen -- Papier ein[3]. Ein junger Wilder stahl indessen
in der Kajüte ein Halbminutenglas und wurde dabei erwischt. Herr Hicks
verordnete ihm zwölf Hiebe mit der neunschwänzigen Katze und ließ ihn
zu diesem Zweck an die Schiffswand binden. Als die andern Indianer dies
sahen, drohten sie das Schiff zu überfallen. Herr Hicks blieb fest, und
Tupia mußte den Indianern sagen, daß man ihren Genossen nicht töten,
sondern für den Diebstahl bestrafen wolle. Mit dieser Erklärung gaben
sie sich zufrieden. Der Dieb erhielt seine zwölf aufgezählt; sobald er
freigelassen war, wurde er von einem alten Indianer, anscheinend seinem
Vater, nochmals tüchtig verprügelt und dann in seinen Kahn geschickt.
Allein die Wilden waren dadurch eingeschüchtert und verzogen sich bald,
um sich nicht mehr blicken zu lassen.

Dicht bei dem Kap, das in der Breite von 36 Graden 26 Minuten liegt
und das ich nach Seiner Lordschaft Kap Colville nannte -- es ist
an einem hohen Felsen zu erkennen, den man sehr weit und deutlich
erblicken kann -- mündet ein Strom in die Bai, den ich die Themse
nannte. Er besitzt eine Tiefe von über 26 Klaftern. Die Eingeborenen,
die in der Nähe dieses Stromes wohnen, scheinen im Verhältnis zu den
ungeheuern Länderstrichen, die sie besitzen, nicht sehr zahlreich zu
sein; sie sind aber ein starkes, wohlgebildetes und fleißiges Volk.
Merkwürdigerweise bemalen sie sich den ganzen Leib von Kopf bis Fuß
mit Bergrot, das in Öl gerührt wird, eine Mode, die wir zum ersten
Male hier fanden. Ihre Kähne sind groß, schön gebaut und mit reichem,
geschmackvollem Schnitzwerk versehen. Wir steuerten von hier zwischen
der Küste und den davor lagernden Inseln hindurch und ankerten bei
Anbruch der Nacht in einer Bai. Unsre Leute warfen Angeln aus, und
wir fingen in kurzer Zeit etwa hundert Stück 6-8 Pfund schwere
Seebrassen. Am 25. verließen wir die Bai, die ich die Brassenbai
taufte, und steuerten weiter nördlich. Wir ankerten in der Nähe
einiger kleiner Inseln, die ich die Poor Knights, »die armen Ritter«
hieß. Am Abend hatten wir den üblichen Streit mit betrügerischen
Eingeborenen. Des Morgens schon zwischen 6 und 7 Uhr ruderten große,
stark bemannte Kähne an das Schiff heran. Unter ihnen waren mehrere
reich verziert und anscheinend von Personen höherer Stände besetzt,
die aufs beste bewaffnet waren. Die Waffen bestanden in steinernen und
walfischbeinernen Pätuh-Pätuhs und in reich verzierten Walfischgräten.
Ihre Hautfarbe war stark braun, auch trugen sie sogenannte Amocos,
schwarze, tätowierte Flecken am Leibe. Unter anderm hatten sie breite
Spirallinien auf jedem Gesäß, das sie mit Schwarz so tätowiert
hatten, daß von der Hautfarbe nichts übrig blieb als die Streifen.
Infolgedessen sah es aus, als trügen sie gestreifte Badehosen. Jeder
Stamm hatte sein besonderes Amoco. Einzelne waren ganz tätowiert,
andre nur auf dem Gesäß; gemeinsam war nur das Amoco der Lippen. Die
Kerle hatten alle Mäuler als ob sie Heidelbeeren gegessen hätten. Die
Bande wollte uns um ein Tuch betrügen, aber eine Kugel brachte sie
zur Vernunft. Als wir am Nachmittag an der Landspitze vorbeisegelten,
fand ich diese doch bedeutender. Ich nannte sie Sir Piercy zu Ehren
Kap Brett. Dieses Kap ist viel höher als irgendein Teil der Küste. An
seiner westlichen Seite liegt eine Bai; wir sahen an ihr verschiedene
Dörfer teils auf Inseln, teils an der Küste. Die Bewohner kamen
auf ihren Kähnen herbei und versuchten es, uns über die Löffel zu
barbieren. Wir ließen es ziemlich ungestraft hingehen. Aber einer der
Unteroffiziere, den sie beim Einkauf betrogen hatten, nahm seine
Angel, fitzte dem Betrüger den Haken geschickt in den mit viel Amoco
geschmückten unteren Rückenteil und zupfte ziemlich lange daran herum,
bis der Angelhaken brach. Der den Angelhaken im Fleische sitzen hatte,
brauchte auch für den Spott nicht zu sorgen. An diesem Tage sahen wir
mehr als fünfhundert Wilde bei uns, ein Beweis für den Volksreichtum
dieser Gegend.

Um 8 Uhr des nächsten Morgens befanden wir uns inmitten einer Anzahl
von Inseln, wo wir der Windstille wegen zwei Stunden liegen blieben.
Die Eingeborenen verkauften uns einige Fische, die wir Cavalles
nannten, und nach diesen tauften wir die Inselgruppe. Die Halunken
waren hier so verwegen, daß sie uns sogar während des Tauschgeschäftes
bedrohten. Als ihre Anzahl durch die Ankunft mehrerer Kähne verstärkt
worden war, fingen sie sogar an, mit Steinen nach uns zu werfen,
worauf wir mit Schrot unter sie feuerten. Sie ließen nicht eher nach,
als bis wir einigen von ihnen einen ziemlich empfindlichen Denkzettel
gegeben hatten, worauf wir in die hohe See hinaussteuerten. Da uns
der Wind zuwider war, steuerte ich am 29. nach einer Bai in der Nähe,
westwärts vom Kap, und legte dort bei. Leider waren wir auf eine
Untiefe geraten, weshalb ich durch Boote die Nachbarschaft sondieren
ließ. Unterdessen drängten sich ungefähr 400 Eingeborene in ihren
Kähnen um uns herum. Wir ließen einige von ihnen an Bord kommen.
Darunter befand sich ein Häuptling, dem ich ein Stück feinen Tuches
schenkte. Ich erkannte einige der Eingeborenen wieder; sie mußten uns
ebenfalls wiedererkennen, denn der bloße Anblick einer Kanone jagte
ihnen sichtlich Schrecken ein. Trotzdem stahl uns die Mannschaft eines
der Kähne die Ankerboje. Wir feuerten sofort eine Muskete über ihre
Köpfe ab. Das nutzte nichts. Wir feuerten mit Schrot auf sie, doch
sie waren zu weit. Nun schossen wir scharf und verwundeten einen von
ihnen. Zuletzt ließ ich noch eine Kanone abbrennen. Tupia sagte ihnen
später, daß wir nur die Diebe züchtigten, und machte sie dadurch wieder
zutraulich.

Als wir das Schiff von der Untiefe weg in gesicherte Lage gebracht
hatten, ließ ich die Pinasse und die Jolle mit bewaffneten Mannschaften
zurück und ruderte mit Herrn Banks und Dr. Solander nach einer vom
Schiff etwa drei Viertelstunden entfernten Insel. Die Kähne der
Eingeborenen blieben beim Schiff, was wir für ein gutes Zeichen
hielten. Allein kaum hatten wir in einer kleinen Bucht gelandet, so
folgten uns die Kähne, und bald sahen wir uns etwa von zwei- bis
dreihundert Mann umringt, die teils gelandet, teils von den Bergen
gekommen waren. Alle waren bewaffnet, liefen aber so durcheinander,
daß wir nicht an eine feindselige Haltung der Indianer glaubten. Doch
zogen wir eine Linie im Sand und gaben ihnen zu verstehen, daß dies
die Grenze sei, deren Überschreiten wir ahnden würden. Sie blieben
zunächst unschlüssig. Als aber Verstärkung eintraf, begannen sie
ihren Kriegstanz und drangen dann auf uns ein. Wir feuerten einige
Schrotschüsse auf sie ab, was sie in Verwirrung brachte. Allein ein
Häuptling organisierte schnell den Angriff. Dr. Solander jagte ihm
eine Schrotladung zu, die er mit dem üblichen Danke quittierte; er floh
und setzte sich mit seinen Kriegern auf einer Anhöhe fest. Da wir sie
dort mit Schrot nicht erreichen konnten, so feuerten wir mit Kugeln.
An Bord des Schiffes war man auch nicht müßig; von dort bemerkte man
überdies, daß immer noch mehr Indianer heranrückten, die wir nicht
sehen konnten. Mit ein paar in die Luft geschossenen Kanonenkugeln
wurde der Feind in die Flucht geschlagen. Nun waren wir Herren der
Bucht und gingen an das friedliche Geschäft des Einsammelns von --
Sellerie.

Bald nachher besuchten wir eine andre Bucht derselben Insel und
bestiegen dort einen Berg, der eine wundervolle Aussicht bot. Um
uns herum im weiten Horizont lagen unzählige Inseln. Jede bildete
einen reizenden Hafen, in dem die leuchtende See so still dalag wie
das Wasser in einem Mühlenteiche. Hübsche Dörfer, einzelne Gehöfte,
angebaute Felder wechselten miteinander ab. Eines von diesen ziemlich
großen Dörfern lag in der Nähe. Seine Einwohner kamen in großer
Menge heraus und huldigten uns in rührender Weise. Der ungünstigen
Windverhältnisse halber mußten wir in dieser Bai verweilen. Wir hatten
uns inzwischen mit den Eingeborenen vollständig ausgesöhnt; sie kamen
oft ans Schiff, und wir besuchten sie in ihren Dörfern. Auf diese Weise
lernten wir auch unsre Verwundeten kennen, so den Dieb der Ankerboje,
dem die Kugel durch die Armmuskel gegangen war und die Brust gestreift
hatte. Die ziemlich bedenkliche Wunde war in vollständiger Heilung
begriffen. Auch der von Dr. Solander verwundete Häuptling, der von
dem Schrotschuß in die Schenkel getroffen worden war, schien sehr
getröstet, obwohl ihm noch ein halbes Dutzend Schrotkörner in den
Muskeln steckten. Eines Tages begleitete uns ein alter Mann hartnäckig.
Als wir an eine kleine Burg kamen, zu der eine Leiter hinaufführte,
blickte er uns scheu und ängstlich an. Das reizte unsre Neugierde, und
wir erklärten ihm, daß wir diese Hühnerburg besichtigen wollten, was er
gegen das heilige Versprechen erlaubte, oben nichts -- Unanständiges
zu tun, denn dort wohne seine Frau. Wir beruhigten ihn und kletterten
die Stange mit den paar Sprossen hinauf. Als wir eintraten, fanden wir
drei Weiber versammelt, die bei unserm Anblick in Tränen ausbrachen. Es
wurde uns nicht schwer, die drei Grazien zu beruhigen.

Am 5. Dezember lichteten wir früh um 4 Uhr bei leichtem Landwinde den
Anker. Den ganzen Tag lavierten wir, um aus der Bai hinauszukommen;
indessen trat um 10 Uhr des Abends solche Windstille ein, daß das
Schiff sich weder auf die eine noch auf die andre Seite wenden lassen
wollte. Da die Flut nun so stark anlief, wurde es plötzlich so rapid
gegen das Land angetrieben, daß es kaum noch eine Kabellänge von den
Klippen entfernt war. Wir hatten zwar 13 Klafter Wasser, allein der
Grund war so unsicher, daß wir nicht mehr wagten die Anker auszuwerfen.
Ich ließ daher sofort die Pinasse ausheben, um das Schiff an einem
Tau fortzuschleppen. Die Mannschaft erkannte die Gefahr sofort und
arbeitete mit aller Energie. Glücklicherweise bekamen wir von der
Landseite her Wind, und nun bemerkten wir zu unsrer unaussprechlichen
Freude, daß sich das Schiff vorwärts bewegte. Es war die höchste
Zeit. Wir waren nämlich der Küste schon so nahe gekommen, daß Tupia
in der Lage war, sich mit den Leuten an Land zu verständigen. Wir
glaubten frei zu sein, als der Mann in den Püttings 17 Klafter meldete.
Fast in demselben Augenblick stieß das Schiff gegen den Grund. Die
Erschütterung jagte uns allen den größten Schrecken ein. Herr Banks,
der im Begriff war ins Bett zu steigen, hörte »5 Klafter« melden.
Der Felsen, auf den wir gerannt waren, lag zum Glück gegen den Wind.
Infolgedessen wurde das Schiff gleich wieder abgetrieben, ohne den
geringsten Schaden gelitten zu haben, und fiel in 20 Klafter. Mit dem
von Nordwest kommenden frischen Winde liefen wir in die See[4].

Am 14. Januar 1770 befanden wir uns in einer Bai in der Nähe des
Kaps Egmont (am Eingang der Cookstraße, direkt östlich vom Kap
Kidnappers). Die Küste schien hier verschiedene Baien zu bilden; ich
nahm mir vor, um das Schiff gründlich zu reinigen, in eine davon
einzulaufen. In dieser Absicht lavierte ich die Nacht hindurch. Um 2
Uhr nachmittags erst kamen wir vor Anker. Unser Ankerplatz war etwa
vier Kanonenschüsse von einem Hippäh entfernt, von dem einige Kähne
gegen uns ausgesandt wurden. Die Mannschaft war gut bewaffnet. Mit den
üblichen Herausforderungen rückten sie vor, bis es Tupia gelang, sie
zu beruhigen, worauf ein alter Häuptling den Wunsch äußerte, zu uns an
Bord zu kommen. Seine Landsleute wollten ihn mit Gewalt daran hindern,
allein er entwand sich mit heiterm Mute ihren Händen und kam zu uns an
Bord. Wir reichten dem alten Herrn die üblichen Geschenke, dann kehrte
er in seinen Kahn zurück. Nach einem Freudentanz in allen Kähnen kehrte
man in das Fort zurück, während wir landeten. Am nächsten Morgen kamen
drei Kähne. Die Eingeborenen hatten ihre Weiber mitgebracht, die uns
sehr lästig wurden; sie trugen einen aus Federn hergestellten Chignon,
der das Haupt gänzlich bedeckte und es doppelt so groß erscheinen ließ,
als es war. Nach Tisch fuhr ich mit den Herren Banks und Dr. Solander
nach einer zwei Meilen entfernten Bucht. Unterwegs fanden wir eine
Frauenleiche, die auf dem Wasser trieb. Als wir landeten, flüchtete
eine indianische Familie, die sich an der Küste aufhielt. Es gelang
Tupia, sie zu beruhigen. Wir erfuhren, daß die Tote nach Landesbrauch
mit einem Stein in die See versenkt worden war; wenn wir die Leiche
schwimmend angetroffen hätten, so müßte der Stein durch irgendeinen
Zufall losgekommen sein. Die Wilden waren gerade beim Kochen. Als wir
in einen der Körbe blickten, entdeckten wir zwei abgenagte Knochen
darin, die unmöglich von einem Hunde sein konnten. Bei genauerer
Besichtigung erkannten wir sie für Menschenknochen, was uns mit
Schauder und Entsetzen erfüllte. Um allen Zweifeln ein Ende zu machen,
ließen wir durch Tupia die Wilden fragen, was das für Knochen wären.
»Die Knochen eines Mannes«, antworteten sie gleichgültig. »Aber warum
habt ihr die Frau nicht gegessen?« -- »Die Frau war eine Verwandte und
ist an einer Krankheit gestorben. Wir essen nur die Leiber unserer
Feinde.« Auf unsre Frage, wer der Mann gewesen sei, hörten wir, daß er
zur Besatzung eines feindlichen Bootes gehörte. Einer von uns fragte,
ob sie noch Menschenfleisch hätten. Sie verneinten. Als wir aber
scheinbar zweifelten, daß es wirklich Menschenknochen wären, bejahten
sie die Frage. Einer von ihnen nahm den Knochen, nagte daran herum
und gab durch Gebärden zu verstehen, daß es vorzüglich gemundet habe.
Dann gab er Banks den Knochen zum Andenken. In der Gesellschaft befand
sich ein Weib, das sich aus Trauer den Körper auf entsetzliche Weise
zerschnitten hatte; sie beklagte den Tod ihres Mannes, der sein Grab in
den Mägen seiner siegreichen Gegner gefunden hatte.

Das Schiff lag kaum eine viertel Meile vom Land entfernt. Jeden Morgen
wurden wir durch ein Vogelkonzert geweckt. Die Anzahl der gefiederten
Sänger war unglaublich groß; sie wetteiferten förmlich miteinander. Und
dieser Gesang war zauberhaft. Man glaubte lauter harmonisch abgestimmte
Glöckchen zu hören; vielleicht wurde dieser Melodienzauber durch die
Entfernung und das leise Rauschen des Meeres verschönert. Wir erfuhren
von den Eingeborenen, daß die kleinen Sänger ihre Lieder immer zwei
Stunden nach Mitternacht anstimmen und sie bis zum Sonnenaufgang in
einer großen Symphonie ertönen lassen, dann aber wie unsre Nachtigallen
schweigen.

Am Morgen kam ein kleiner Kahn, worin sich unser Freund, der alte
Häuptling, befand. Tupia erkundigte sich bei ihm wegen der bei seinen
Stammesgenossen herrschenden Gewohnheit, Menschenfleisch zu essen.
Der Alte wiederholte und bestätigte alles, was wir gestern gehört
hatten. »Aber wohin kommen die Köpfe? Freßt ihr die auch auf?« fragte
Tupia. »Von den Köpfen essen wir nur das Hirn«, antwortete der Alte,
und er versprach uns, bei einem späteren Besuch ein paar Schädel
mitzubringen. Dann erzählte er Tupia, daß sie stündlich erwarteten,
wegen der letzten Menschenfressereien von den Bluträchern ihrer Opfer
überfallen zu werden. Wenige Tage später fiel uns auf, daß kein Kahn
ans Schiff kam. Wir brachten dies mit den Kriegsbefürchtungen unsrer
Nachbarn in Verbindung und beobachteten daher mit unsern Ferngläsern
den Kriegsschauplatz, entdeckten aber nicht das geringste. Unsre Leute
fanden in diesen Tagen im Walde drei menschliche Hüftknochen neben
einer Backgrube der Wilden und brachten uns diese Knochen als weitern
Beweis des hier üblichen Kannibalismus. Herr Monkhouse fand in einem
verlassenen Dorfe den Skalp eines Mannes.

Am 19. stellten wir die Schmiede auf, um unser Schiff auszubessern, das
wir zu diesem Zweck auf die Seite legten. Am 20. kam der alte Herr und
brachte vier Köpfe mit. Haar und Fleisch der Köpfe waren unversehrt,
das Gehirn war herausgenommen. Banks konnte nur einen derselben
erhandeln; wahrscheinlich bewahren diese Kannibalen die Köpfe ihrer
Opfer als Siegeszeichen auf, denn das Fleisch schien präpariert zu
sein. Durch einen Schlag gegen die Schläfe war der Schädel geöffnet
worden, wie der Augenschein bewies. Am nächsten Tage fingen die Herren
Banks und Solander so viele Fische, daß die ganze Mannschaft damit
beköstigt werden konnte. Am 24. statteten wir unsern Nachbarn im Hippäh
einen Besuch ab. Sie empfingen uns mit der größten Ehrerbietung und
zeigten uns ihre Wohnungen, die nicht nur bequem, sondern auch sehr
reinlich waren. Auch boten sie uns Menschenknochen zum Kauf an. Weil
wir alle diese »Andenken« als Beweisstücke ihrer Verirrung kauften,
so wurden ihnen Menschenknochen zum Handelsartikel. In dem Dorfe
fanden wir ein Kreuz angebracht, das mit Federn verziert war. Man
sagte uns, daß man es zum Andenken an einen fremden Mann errichtet
habe. Da wir wußten, daß sie ihre Toten nicht begraben, so wollten
wir Näheres wissen, aber sie verweigerten jede weitere Auskunft. Am
25. machte ich mit den Herren Banks und Dr. Solander einen Ausflug,
wobei wir nomadisierenden Fischern, Männern, Frauen und Kindern,
begegneten. Wir beschenkten sie mit Bändern und Glaskorallen und wurden
dafür geherzt und geküßt. Am 26. errichteten wir auf einem Berge
eine Steinpyramide, in der wir einige europäische Artikel vergruben,
um dadurch anzukünden, daß wir die ersten Europäer in dieser Gegend
waren. Später besuchten wir ein Felsenhippäh von hundert Häusern. Wir
beschenkten deren Bewohner mit allerlei Kleinigkeiten, wofür sie uns
die Boote mit getrockneten Fischen füllten, wovon sie große Vorräte
angesammelt hatten. Am 27. und 28. reparierten wir unser Schiff.
Am 29. kam Topaa, unser alter Herr, mit drei Eingeborenen. Am 30.
ließ ich auf einer benachbarten Insel Sellerie einsammeln. Als unsre
Leute dort erschienen, setzten sich mehrere Frauen in ihre Nähe und
begannen sich Arme, Beine, Busen und Gesicht mit scharfen Muscheln
zu zerfetzen, aus Trauer darüber, daß die Feinde vor einigen Tagen
ihre Männer getötet und gefressen hätten. Den übrigen Eingeborenen
schien diese Szene ziemlich gleichgültig zu sein. Ich ließ durch den
Schiffszimmermann auf dem höchsten Berg einen Pfosten errichten, an dem
ich die englische Flagge hißte, und beauftragte gleichzeitig den alten
Topaa, Gegenstände, die ich ihm gab, in Verwahrung zu nehmen und sie
bei Gelegenheit dem Europäer, der nach uns hierherkommen sollte, als
Beweis dafür zu zeigen, daß wir vor ihm dagewesen seien. Gleichzeitig
taufte ich die Gegend »Königin-Charlotten-Sund« und ergriff von ihr im
Namen König Georgs III. Besitz. Topaa sagte mir, daß der Kanal eine
östliche Ausfahrt habe. Am 5. Februar endlich konnten wir die Anker
lichten, wir mußten aber bald wieder beilegen; am 6. erst erhielten wir
günstigen Wind, und ich steuerte in die Straße[5], in der wir einen
erstaunlich hohen, mit Schnee bedeckten Berg erblickten. Bald waren
wir am Endkap der Straße angelangt, das ich einem alten Freunde, dem
Kapitän Palliser, zu Ehren das Kap Palliser nannte. Am 9. Februar
1770, morgens um 11 Uhr, sahen wir Kap Turnagain ungefähr 7 Seemeilen
weit von uns in Nord gen Ost halb Ost liegen. Ich rief die Offiziere
auf Deck und konstatierte, daß Eaheinomauwe, wie die Eingeborenen
das nördliche Neuseeland nennen, eine Insel sei und wir sie erstmals
umschifft hätten. Da nun alle Zweifel gehoben waren, so richteten wir
unsern Lauf hart am Winde gegen Osten hin. Um 4 Uhr des Nachmittags
steuerten wir unsern Kurs gen Südwest.

[3] Diese Vorliebe für Papier scheint auf Neuseeland, denn um dieses
handelt es sich oben, traditionell zu sein. Ein neuseeländischer
Häuptling sagte einmal zu dem Forscher Earle, indem er den Geschmack
von Menschenfleisch rühmte: »Menschenfleisch ist weich wie Papier!«

[4] Hier folgen die Schilderung der Umschiffung des Nordkaps und die
Daten der Fahrten bis zum 10. Januar. Die Beschreibung ist zu sehr nur
technischer Natur, als daß sie allgemein interessieren könnte.

[5] die nach ihrem Entdecker die Cookstraße genannt wird.




Neuntes Kapitel.

  Neuseeländische Sitten. -- Die Ursache des Kannibalismus. --
  Gastfreundliche Prostitution. -- Zeitehen. -- Abscheuliche Tänze. --
  Die Frauen. -- Die Religion.


Am 14. befanden wir uns dem Schneegebirge gegenüber; am 16. entdeckten
wir eine größere Insel, der ich Banks' Namen gab; am 25. segelten wir
bei heftigem Nordnordostwind an einem Kap vorüber, dem Kap Saunders; am
4. März erblickten wir einige Walfische; am 10. März endlich befanden
wir uns an der südlichsten Spitze von Neuseeland, die ich das Südkap
taufte. Von hier steuerte ich nach Westen.

Das westliche Kap lag in einer Breite von 45 Gr. 54 Min. und in einer
Länge von 193 Gr. 17 Min. Wir hatten hier die Nacht über beigelegt
und gingen um 4 Uhr des Morgens mit einem gelinden Südsüdostwind
nach Norden hin wieder unter Segel. Man kann sich unmöglich eine
rauhere, schroffere und ödere Gegend vorstellen als das felsige Land,
das sich während dieser ganzen Fahrt nordwärts unsern Blicken bot.
Endlich erreichten wir die Insel, die ich bei der Einfahrt in den
Königin-Charlotten-Sund erblickt hatte; wir hatten also das ganze
Land umschifft. Nun war der große Tag des Abschieds gekommen. Wir
beschlossen über Neuholland (Australien) und Ostindien nach England
zurückzukehren. In dieser Absicht gingen wir am 31. März 1770 bei
Tagesanbruch unter Segel.

Abel Jansen Tasman hat Neuseeland am 13. Dezember 1643 zuerst entdeckt.
Weil er aber in der Bai, der er den Namen Mörderbai gab, von den
Eingeborenen angegriffen wurde, so ging er nicht ans Land. Man weiß
jetzt, daß dieses Land, das man vielfach für den Teil eines südlichen
festen Landes gehalten hatte, aus zwei großen Inseln besteht, die
durch eine 4-5 Seemeilen breite Straße voneinander getrennt sind. Die
nördliche dieser Inseln wird von den Eingeborenen Eaheinomauwe, die
südliche Tavai Poenammoo genannt. Die Neuseeländer sind ungewöhnlich
groß, kräftig, muskulös, ungemein tätig und rührig, und nicht so fett
und träge wie die üppigen Bewohner der Südsee-Inseln. Die Frauen haben
fast männliche Gesichtszüge; allein um so sanfter und lieblicher ist
ihre Stimme, an der man sie erkennt, denn die beiden Geschlechter
tragen dieselbe Tracht. Männer und Frauen sind sanftmütig und höflich;
sie verkehren miteinander auf das zärtlichste und liebreichste. Gegen
ihre Feinde jedoch sind sie grausam und unversöhnlich.

Das Hauptnahrungsmittel der Neuseeländer sind Seefische. Der Hunger
treibt die Stämme aus dem Innern des Landes an die Küste, deren
Bewohner also gezwungen sind, fortwährend um ihre älteren Besitzrechte
zu kämpfen. Daher die befestigten Dörfer an der Küste, daher der
Kannibalismus. Der Hunger war es, der den Sieger zwang, den Leichnam
des Erschlagenen zu verspeisen; und die Rachsucht ist es, die den
Satten veranlaßt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Auf diese
Weise hat sich unter den Neuseeländern der Gebrauch eingebürgert
Menschenfleisch zu essen. Der Hunger ist hier tatsächlich die Ursache
aller Greuel, die Ursache, daß ein an sich sanftmütiges Volk nicht
nur dem Kannibalismus huldigt, sondern auch dem Kriege ergeben und
geneigt ist, jeden Fremden für seinen Feind anzusehen. So waren die
Neuseeländer auch stets bereit uns anzugreifen, doch beugten sie sich
fatalistisch unsrer Überlegenheit. Als sie aber erkannten, daß wir
unsre Macht nicht mißbrauchten, da wurden sie unsre ergebenen Diener
und Freunde.

Die Schamlosigkeit unserer Freunde auf Otahiti in ihrer ganzen
naiven Verderbtheit ist den Neuseeländern fremd. Diese beobachten
in ihren Gesprächen und Handlungen ebensoviel Wohlanstand, als man
unter den gesitteten Völkern antreffen kann. Die ziemlich üppigen,
buhlerischen und sehr koketten Neuseeländerinnen waren weder spröde
noch unerbittlich, allein sie knüpften an ihre Gunst die Bedingung der
Abschließung einer sogenannten Zeitehe. Dieser Vertrag war unerläßlich.
Wenn irgendeiner von unsern Leuten einem jungen Mädchen einen Antrag
machte, so machte sie ihn darauf aufmerksam, daß er die Einwilligung
ihrer Eltern einholen müsse und ihnen das übliche Geschenk zu bringen
habe. Diese Ehe auf ein paar Stunden oder Tage wurde von den jungen
Frauen für so ernst und heilig genommen wie jede wirkliche Ehe. Einer
von unsern Reisenden wandte sich an einen Häuptling wegen einer seiner
Töchter und erhielt folgenden Bescheid: »Ein jedes von unsern jungen
Mädchen wird es sich zur Ehre anrechnen, daß Sie sich die Mühe geben
um sie anzuhalten. Sie müssen mir aber zuvor ein anständiges Geschenk
machen und alsdann kommen und bei uns am Lande übernachten, denn das
Sonnenlicht darf ja nicht Zeuge von dem sein, was zwischen Ihnen beiden
vorgeht.«

Die Neuseeländer baden des viel kälteren Klimas wegen nicht so häufig
wie die Tahitiindianer. Das Ekelhafteste an ihnen ist jedoch das
ranzige Fischöl, mit dem sie ihr Haar einfetten. Dadurch riechen sie
so übel wie die Hottentotten. Auch sind ihre Köpfe, obschon sie sich
Kämme zu machen verstehen, nicht rein von Ungeziefer. Die Männer tragen
den Bart kurz; das Haupthaar binden sie auf dem Kopfwirbel zusammen
und verzieren es mit Federn. Die Frauen tragen meist das Haar lang
und lassen es frei über die Schulter hängen. Auch verunstalten sich
Männer und Frauen mit Tätowierungen und einer greulichen Schminke, dem
Bergrot, womit sie Gesicht und Körper reichlich bemalen.

Die Frauen sind weniger eitel auf ihre Kleider als die Männer; aber
im Gegensatz zu den Frauen auf Otahiti legen sie ihre Kleider nur
dann ab, wenn sie baden oder ins Wasser gehen, um Krebse zu fangen,
wobei sie Sorge tragen, von keinem Manne überrascht zu werden. Einige
von uns landeten eines Tages auf einer kleinen Insel in der Toloyabai
und überraschten zufälligerweise verschiedene Frauen und Mädchen beim
Krebsfang. Aber die keusche Diana war gewiß nicht verschämter, als sie
den neugierigen Aktäon erblickte, als die braunen Nymphen bei unsrer
Annäherung. Ein Teil der Gesellschaft versteckte sich zwischen den
Klippen, die übrigen duckten sich so lange ins Wasser, bis sie sich aus
Seetang eine Art Schürze gemacht hatten. Als sie mit dieser Hülle dem
Walde zu flüchteten, geschah es mit allen Zeichen holder Verwirrung und
Schamhaftigkeit.

Der Kriegstanz der Neuseeländer besteht aus vielen heftigen Bewegungen
und aus abscheulichen Verdrehungen des Körpers und der Glieder. Auch
das Gesicht, das scheußlich verzerrt wird, spielt eine abschreckende
Rolle. Die Zunge wird oft unglaublich lang herausgestreckt; die
Augenlider werden so verzogen, daß das Weiße im Auge sichtbar
wird. Kurzum, sie machen alles, um schrecklich, wild und furchtbar
auszusehen. Dabei schwenken sie die Lanze, schütteln die Wurfspieße
und hauen mit dem Pätuh-Pätuh wie besessen in der Luft herum. Der
Kriegsgesang, den sie bei diesem gräßlichen Tanz anstimmen, ist zwar
wild, aber doch nicht unangenehm. Jeder Vers wird mit einem lauten,
seufzerähnlichen Gestöhne beendet, dessen Wirkung auf die Nerven dem
Zweck des Angstmachens entsprechend ist. So abscheulich aber auch bei
diesem Tanze die Gliederverrenkungen und die scheußlichen Drehungen
des Körpers sein mochten, so sehr begeisterte uns der Umstand, daß
alles dabei klappte und daß keiner unter den Tänzern aus dem Takte
fiel. Wenn sie den Kriegstanz mit dem Ruder begleiteten, d. h. wenn oft
hundert Ruderer mit ihrem Ruder gegen die Bootswand schlugen, so klang
es wie _ein_ Schlag. Ich habe nie gehört, daß irgendeiner vor- oder
nachschlug. Genau so abgemessen waren auch die groteskesten Episoden
des Tanzes selbst.

Die Lieder der Frauen, deren weiche, biegsame, melodische Stimmen uns
auffielen, sind rührend sentimental und voll rhythmischer Schönheiten,
aber unsagbar wehmütig und ergreifend innig. Wir waren in der Tat
überrascht, unter den armen Wilden dieses öden Landes einen solchen
Reichtum an Tönen, an Melodien zu finden, deren Gemütstiefe und
Ausdrucksschönheit an die schönsten Volkslieder unsrer Heimat erinnert;
sie atmen Schmerz und Trauer!...

Ich will noch erwähnen, daß die Neuseeländer die Schädel
ihrer erschlagenen und aufgespeisten Gegner zu schauderhaften
Schmuckgegenständen verzieren; sie setzen ihnen falsche Augen ein,
präparieren den Haarboden derart, daß die Haare nicht ausfallen, und
schmücken sie mit Ohrgehäng.

Es scheint, daß die Frauen auf Neuseeland weniger geachtet sind als
die Frauen auf Otahiti. Wenigstens sagte es Tupia, und er äußerte sich
darüber sehr mißbilligend. Näheres konnten wir nicht ermitteln. Wir
sahen Männer und Frauen zusammen speisen, sahen die Frauen fischen,
weben und kochen. Das war alles. Wie also Tupia zu seinem Urteil
kam, wurde uns nicht recht verständlich. Auch über die Religion der
Neuseeländer erfuhren wir nicht viel. Sie glauben an einen höchsten
Gott und an Untergötter; von der Entstehung der Welt und der Schöpfung
des ersten Menschen haben sie dieselbe Meinung wie die Eingeborenen
von Otahiti. Doch schien Tupia in seiner Religion aufgeklärter und
entwickelter zu sein. Er predigte den Neuseeländern wiederholt, und
es fehlte ihm nie an Zuhörern, die ihm so ehrerbietig und aufmerksam
zuhörten, daß wir ihnen herzlich gern einen bessern Lehrer gewünscht
hätten. Sonst erfuhren wir nichts davon, wie sie ihre Götter ehrten;
auch entdeckten wir keine Morais. Ebensowenig erfuhren wir Näheres
über die Art der Bestattung ihrer Toten. Im Norden sagte man uns, man
_begrabe_ die Toten; im Süden, man werfe sie ins Meer. So viel aber
ist gewiß, daß wir nirgends ein Grab entdecken konnten, und daß die
Neuseeländer alles, was ihre Toten betraf, mit dem größten Geheimnis
umgaben. Nur die Körper der Überlebenden zeugten von einem Totenkult.
Denn wir entdeckten fast an allen Männern und Frauen jene tiefen
Narben, die von den Wunden herrührten, die sie sich aus Trauer über den
Tod ihrer Verwandten beigebracht hatten. Wir fanden diese Trauerwunden
noch frisch, waren sogar Zeugen davon, wie sich eine Trauernde Arme,
Beine und Busen verwundete; ein Leichenbegängnis indessen bekamen wir
merkwürdigerweise nicht zu sehen.

Gewisse Ähnlichkeiten zwischen der Sprache von Neuseeland und der
von Otahiti lassen darauf schließen, daß beide Völker von ein und
demselben Urvolk abstammen. Beide Völker haben auch eine gemeinsame
Sage, nach der ihre Ahnen vor langen Jahren aus einem Lande, das beide
Hiwije nennen, eingewandert sind. Auch konnte sich Tupia überall
verständlich machen. Die Verwandtschaft wird noch größer, wenn wir die
Ähnlichkeit der Sprache berücksichtigen; so haben die Neuseeländer
und die Otahiti-Insulaner dasselbe Wort für die meisten Begriffe. Bei
beiden heißt z. B. Taata: Mann; Eupo: der Kopf; Erai: die Stirn; Mata:
die Augen, usw. usw. Uns schien jedoch aus verschiedenen Ursachen die
Annahme, daß die gemeinsamen Stammeltern der beiden Inselvölker etwa
aus Amerika gekommen wären, nicht berechtigt zu sein.

Unsre Entdeckungsfahrt hat den Beweis dafür erbracht, daß sich im Süden
von Ozeanien kein festes Land befindet. Es kann keinen großen südlichen
Weltteil geben. Hingegen gibt es noch eine Menge unbekannter Inseln,
die bisher von keinem europäischen Schiffe besucht worden sind...




Zehntes Kapitel.

  Entdeckung der australischen Ostküste. -- Die Macht der Feuerwaffen.
  -- In der Botanybai. -- Gefährliche Havarie. -- Wir retten das Schiff.


Am 28. März erblickten wir Land[6]. In der Nacht segelten wir der Küste
entlang nach Norden. Sobald der Tag anbrach, sahen wir eine Bai. Da
sie gegen Winde geschützt zu sein schien, so nahm ich mir vor, mit dem
Schiff einzulaufen. Wir kamen denn auch etwa zwei Seemeilen von der
Einfahrt in sechs Klaftern Wasser vor Anker. An dieser Stelle hatten
wir die südliche Landspitze der Bai im Südosten und die nördliche im
Osten. Während der Einfahrt hatten wir daselbst einige Hütten und eine
Anzahl Eingeborene gesehen; unter der südlichen Landspitze bemerkten
wir vier kleine Kähne mit je einem Mann an Bord. Die vier waren mit der
Fischjagd beschäftigt und so eifrig bei der Arbeit, daß sie uns nicht
bemerkten, obwohl wir in einer Entfernung von kaum einer englischen
Viertelmeile an ihnen vorübersegelten.

Der Ankerplatz des Schiffes lag einem kleinen, ungefähr aus acht Hütten
bestehenden Dorfe gegenüber. Als wir das Boot freimachten, sahen
wir eine alte Frau in Begleitung von drei Kindern aus dem Gehölze
kommen. Sie trug eine Ladung Brennholz. Am Dorfe kamen ihr noch drei
Kinder entgegen. Während sie im Freien Feuer anmachte und mit den
Vorbereitungen zur Herrichtung eines Mahles beschäftigt war, blickte
sie zwar oft nach dem Schiffe aus, schien aber völlig unbesorgt zu
sein. Unterdessen kamen auch die Fischer mit ihren Kähnen zurück,
landeten, zogen ihre Kähne an das Land und kochten sich ihr Essen. Von
uns nahmen sie kaum Notiz. Die vier Männer gingen wie die Kinder völlig
nackt; selbst die Frau trug nicht einmal ein -- Feigenblatt. Um die
Mittagszeit ließ ich die Boote bemannen, und wir ruderten direkt nach
dem Dorfe hin, überzeugt, daß uns die Wilden, die unsre Anwesenheit so
gleichgültig ließ, die Landung nicht streitig machen würden. In dieser
Erwartung sahen wir uns getäuscht; denn kaum waren wir in der Nähe der
Felsen, als zwei von den Männern, die mit langen Lanzen und Keulen
bewaffnet waren, herankamen, uns in ihrer rauhen, übeltönenden Sprache
die Landung verboten und entschlossen Vorbereitungen zur Verteidigung
ihrer Küste trafen. Ich bewunderte ihren Mut und versuchte sie durch
Zeichen und kleine Geschenke freundlicher zu stimmen.

Die Wilden hoben zwar die Nägel und Glaskorallen, die ich ihnen zuwarf,
mit Vergnügen auf, widersetzten sich aber ebenso energisch unsrer
Landung. Ich feuerte einen Schreckschuß gegen sie ab. Allein sie
begannen daraufhin Steine gegen uns zu schleudern. Wir feuerten sodann
einen Schrotschuß ab, der den einen von ihnen in die Beine traf; er
rannte sofort nach einer der Hütten. Wir stiegen unterdessen ans Land.
Kaum waren wir aus dem Boote, als der Verwundete mit seinem Schilde
zurückkam und mit seinem jüngern Gefährten ein paar Lanzen gegen
uns schleuderte, die zum Glück niemand verwundeten. Ich ließ einen
zweiten Schrotschuß gegen die tapfern Burschen abfeuern, worauf sie
dann flüchteten. Da Herr Banks von vergifteten Waffen sprach, so hielt
ich es nicht für ratsam, die beiden in den Wald verfolgen zu lassen.
Wir gingen aber nach den Hütten hin und fanden in einer von ihnen
die Kinder hinter Schilden und Baumrinden versteckt. Wir begnügten
uns jedoch damit, einige verstohlene Blicke auf sie zu werfen und
die Knirpse in dem Wahn zu lassen, als hätten wir sie nicht bemerkt.
Beim Weggehen legten wir Bänder, Glaskorallen, kleine Stücke Tuch und
andre Geschenke hin, nahmen aber sämtliche Lanzen, etwa fünfzig an der
Zahl, als Siegesbeute mit. Die Lanzen waren sechs bis fünfzehn Fuß
lang und hatten gleich einer Fischgabel vier Zinken. Als wir die Kähne
untersuchten, fanden wir, daß sie von allen, die wir bisher untersucht
hatten, die primitivsten waren und aus Baumrinde bestanden, die in der
Mitte durch hineingeklemmte Knüppel auseinandergehalten wurde, an den
beiden Enden aber zusammengezogen und gebunden war. Wir suchten hierauf
nach frischem Wasser, fanden aber nichts. Nachdem wir die eroberten
Lanzen an Bord verbracht hatten, ruderten wir zur nördlichen Landspitze
der Bai hinüber, wo wir bei unsrer Einfahrt eine Horde Wilder erblickt
hatten, fanden sie aber verlassen. Am andern Morgen entdeckten wir
einen kleinen Bach und ergänzten hier unsern Wasservorrat.

Das Dorf war verlassen. Unsre Geschenke lagen unberührt da. Als jedoch
die Holzfäller und unsre Wasserleute eine Pause machten und an Bord
zurückkehrten, erschien ein Dutzend Wilder, die unsre Fässer anstaunten
und dann ihre Kähne in Sicherheit brachten. Am Nachmittag erschien ein
Trupp bewaffneter Eingeborener in der Nähe der Wasserstelle, war aber
nicht zum Näherkommen zu bewegen. Am Abend fing ich mit den Herren
Banks und Dr. Solander mit dem großen Netz in wenigen Zügen drei
Zentner Fische, die unter das Schiffsvolk verteilt wurden. Am folgenden
Morgen erschienen die Wilden wieder in ihrem Dorf. Wir hörten sie laut
rufen und sahen sie auch am Strande. Kurz darauf zogen sie sich in ihre
Wälder zurück, wo sie an verschiedenen Stellen Feuer anzündeten.

An diesem Abend verschied der Matrose Forby Sutherland. Am nächsten
Morgen beerdigten wir ihn an der Wasserstelle. Zu seinem Andenken
taufte ich die südliche Spitze der Bai Sutherland-Point. Kurz darauf
trat ich mit den Herren Banks und Dr. Solander und sieben Leuten
der Besatzung eine Forschungsreise an. Wir fanden viele Hütten und
Lagerplätze der Wilden, begegneten aber niemand. Die Kühnheit, womit
uns die Wilden bei unsrer Landung begegneten, und die namenlose Furcht,
mit der sie jetzt bei unserm Herannahen zu flüchten und sich zu
verkriechen pflegten, standen in gewaltigem Gegensatz. Wir erklärten
diese Wandlung mit der Wirkung unsrer Schußwaffen, die sie von ihren
Verstecken aus aufmerksam beobachteten.

Die große Menge verschiedenartiger Pflanzen, die die Herren Banks
und Dr. Solander hier sammelten, gab mir Veranlassung, die Bai die
Botanybai zu nennen; sie liegt in der südlichen Breite von 34 Grad und
in der westlichen Länge von 208 Grad 37 Minuten. Sie ist geräumig,
sicher und bequem. Die Anwohner der Bai, die uns zu Gesicht kamen,
gingen splitternackt; sie schienen nicht zahlreich zu sein und lebten
in vereinzelten Familien. Ihre Hauptnahrungsmittel waren Muscheln,
Krebse und Fische. Von ihrer Lebensweise konnten wir nichts erfahren,
da sie sich uns fernhielten.

Am 6. Mai 1770 segelten wir aus der Botany-Bai hinaus und steuerten
bei leichtem Nordwestwind, der sich bald nach Süden drehte, nach
Nordnordost längs der Küste hin. Am Mittag befanden wir uns einem Hafen
gegenüber, den ich Port Jackson taufte. Je weiter wir uns von der
Botanybai entfernten, desto gebirgiger wurde das Land; die Aussicht
zeigte abwechselnd Berg und Tal, Hügel und Ebenen, die ziemlich
waldreich waren. Wir hatten bereits 1300 englische Seemeilen ohne
Unfall an einer gefährlichen, klippenreichen Gegend zurückgelegt. An
einem Kap, das in der südlichen Breite von 16 Grad 6 Minuten und in
der westlichen Länge von 214 Grad 39 Minuten liegt, sollte uns das
Verhängnis erreichen. Es war am späten Abend, als wir fast plötzlich in
12, 10 und 8 Klafter Wasser gerieten. Um 10 Uhr fanden wir 20 Klafter;
alle Gefahr schien beseitigt und wir begaben uns zur Ruhe. Um 11 Uhr
nahm die Tiefe plötzlich wieder bis auf 7 Klafter ab; das Schiff saß
kurz danach fest und senkte und hob sich knirschend mit den Wellen.
Dadurch aber schlug es nur um so heftiger auf die schroffen Spitzen
der Klippe, worauf es gestrandet war. In ein paar Sekunden befand sich
alles auf Deck, und jeder las aus den Mienen der andern die Größe der
Gefahr ab, in der wir schwebten. Jeder wußte, daß wir fern von der
Küste auf eine Korallenklippe aufgelaufen waren und nur durch ein
Wunder gerettet werden konnten. Ich ließ sogleich die Segel reffen, die
Boote aussetzen und das Wasser sondieren. Unsre Lage war verzweifelt
genug: die Wellen hatten das Schiff über den Rand der Klippe gehoben
und in eine Vertiefung eingeklemmt. Wir warfen die Anker am Hinterteil
aus, wo tiefes Wasser war, und versuchten das Schiff mit der
Schiffshaspel loszuwinden, aber es war nicht von der Stelle zu bringen.
Dabei schlug es unaufhörlich auf, und beim Mondschein sahen wir Bretter
von der Schiffswand und zuletzt auch den Afterkiel abschwimmen. Ein
jämmerlicher Anblick, der uns so erschütterte, daß wir die See bereits
als unser Grab betrachteten.

Indes war es nicht an der Zeit solchen Gedanken nachzuhängen. Wir
ließen das Wasser aus den Fässern laufen und heraufpumpen. Sechs
Kanonen, die auf dem Verdeck standen, unsern Ballast an Eisen und
Steinen, Fässer, Krüge usw. warfen wir über Bord. Jedermann arbeitete
unermüdlich und mit aller Energie, und keinem, selbst dem Rohesten
nicht, entfuhr dabei ein Fluch. Mit einem Dankgebet begrüßten wir den
jungen Tag. Wir sahen jetzt, daß wir etwa 8 Seemeilen vom Land entfernt
waren. Zum Glück trat nun eine Windstille ein; bei starkem Winde wäre
das Schiff in Stücke zerschellt. Als die Flut wieder eintrat, führten
wir die Anker wieder aus, um den Versuch zu erneuern, das Schiff, falls
es durch die Flut flott würde, über die Klippe zu heben. Allein zu
unserm Entsetzen war die Flut am Tage niedriger als in der Nacht; wir
mußten also die Mitternachtsflut abwarten und den Tag über mit zwei
Pumpen das eingedrungene Wasser aus dem Schiff pumpen.

Um 5 Uhr des Abends bemerkten wir, daß die Flut sich einstellte, wir
machten aber auch gleichzeitig die fürchterliche Entdeckung, daß das
Leck sich immer mehr vergrößerte. Wir mußten unsre letzte Pumpe in
Aktion treten lassen. Um 9 Uhr richtete sich das Schiff wieder auf.
Das Leck hatte sich aber so vergrößert, daß wir befürchten mußten,
nach dem Flottbringen des Schiffes dem sofortigen Untergang geweiht zu
sein. Wir wußten wohl, daß weder die Anzahl noch die Größe unsrer Boote
ausreichte, uns alle ans Land zu führen. Wir wußten, daß, wenn jener
fürchterliche Augenblick da war, ein entsetzlicher Kampf um die Boote
entstehen würde. Wir wußten aber auch, daß das Los der Unglücklichen,
die mit dem Schiffe ihren Untergang finden mußten, im Vergleich mit dem
Schicksal, das die Schiffbrüchigen in diesem wilden Lande erwartete,
beneidenswert war. Wer das vor Augen hatte, der kann von sich sagen,
daß er den Tod in seiner fürchterlichsten Gestalt kennengelernt hat.
Als der Augenblick sich näherte, der über unser Schicksal entscheiden
sollte, konnte jeder das, was er selber fühlte, auf dem Gesichte seiner
Leidensgefährten ausgedrückt finden.

Inzwischen wurden so viele Leute, als beim Pumpen entbehrlich waren,
an die Winde und den Haspel gestellt. Ungefähr 20 Minuten nach 10 Uhr
wurde das Schiff flott. In demselben Augenblick wurden Winde und Haspel
mit der äußersten Kraft angezogen. Dadurch wurde das Schiff von der
Klippe glücklich in tiefes Wasser hinabgehoben. Zu unsrer Freude fanden
wir, daß das Schiff hier nicht mehr Wasser einließ als auf der Klippe.
Und mit neuem Mut kämpfte die Mannschaft an den Pumpen die ganze Nacht
hindurch mit dem eindringenden Wasser. Nach vierundzwanzigstündigem
Ringen aber ermatteten auch die Tapfersten unter uns, und selbst die
Mutigsten verzweifelten an der Rettung.

Die Leute waren so übermüdet, daß sie es kaum länger als fünf Minuten
an den Pumpen aushalten konnten; sie fielen auf dem nassen Verdeck
sofort in tiefen Schlaf, aus dem man sie zur Ablösung rütteln mußte.
Als sich am Morgen herausstellte, daß das Wasser im Schiffsraum
nachgelassen hatte, schöpfte jeder wieder neuen Mut und arbeitete mit
frischen Kräften. Um 8 Uhr des Morgens lichteten wir die Anker, wobei
wir den kleinen Buganker und das Kabeltau des Stromankers einbüßten.
Doch waren das in unsrer jetzigen verzweifelten Lage Kleinigkeiten, um
die sich niemand bekümmerte.

Um 11 Uhr bekamen wir Wind von der See her, gingen glücklich wieder
unter Segel und steuerten dem Lande zu.

Durch beständiges, eifriges Pumpen hielten wir das Schiff zwar über
Wasser, aber auf die Dauer war diese schwere Arbeit unmöglich. Einer
meiner Unteroffiziere schlug mir vor, das Schiff zu »füttern«, ein
Mittel, durch das es einem Kauffahrteischiff möglich war, von Virginien
nach London zu fahren. Gleichzeitig erbot er sich, das Schiff auf diese
Weise zu füttern. Ich gab ihm dazu die nötigen Mittel und Gehilfen,
und er ging nun in der Weise vor, daß er einen Brei aus Wolle und den
Fasern von aufgedrehten Seilen mischte, diesen Brei an einem leeren
Segel befestigte, alles mit Schafsmist und Dünger bedeckte und dann das
Segel unter dem Schiffsboden bis zum Leck hinzog, den es so bedeckte
und füllte, daß eine Pumpe genügte, um das Wasser zu bewältigen. Wir
faßten jetzt neuen Mut.

Als wir in der Nacht vor Anker gingen, fanden wir, daß das Schiff in
einer Stunde ungefähr 15 Zoll Wasser einließ. Das bedeutete keine
unmittelbare Gefahr. Um 6 Uhr morgens hoben wir den Anker und steuerten
langsam auf das Land zu. Die Pinasse brachte am Abend die Nachricht,
daß ungefähr zwei Seemeilen weit unter dem Wind hin ein Hafen liege,
der so beschaffen sei, daß dort das Schiff zur Reparatur ans Land oder
auf die Seite gelegt werden könne.

Auf diese Nachricht hin hob ich morgens in der Frühe den Anker. Zwei
Boote mußten vorausrudern und hatten Befehl, sich zur Sicherheit des
Schiffes auf die Untiefen zu legen, die wir auf unserm Wege sahen. Als
dies geschehen war, segelten wir dem Hafen zu, wobei wir trotz unsrer
Vorsicht in Untiefen gerieten. Um diese Zeit fing der Wind an immer
stärker zu wehen.

Es war ein Glück für uns, daß der Hafen so nahe war, denn das Schiff
parierte dem Steuer nicht mehr. Auch hatten wir die Gefahr noch nicht
ganz überwunden, denn wir waren von Untiefen umgeben. Ich ließ daher
Anker auswerfen und steckte im Kanal Ankerwächter aus, um mich beim
Einlaufen danach richten zu können. Ich fand die Einfahrt sehr schmal
und auch den Hafen bedeutend enger als ich geglaubt hatte, sonst
aber wie geschaffen für unsre Zwecke. Den ganzen Tag und die Nacht
über stürmte es so heftig, daß wir nicht wagen durften in den Hafen
einzulaufen; bei all unsrer Freude über unsre Errettung durften wir
doch nicht vergessen, daß eine Handvoll Wolle die Scheidewand zwischen
uns und dem Tode bildete. Der Sturmwind hielt am 15. den ganzen Tag
über an, auch am 16. setzte er wieder ein, als wir im Begriff waren den
Anker zu lichten.

Wir hatten am Abend nicht weit vom Strand ein Feuer erblickt; ein
Zeichen, daß die Gegend bewohnt war. Wir hofften daher mit den
Eingeborenen in Verbindung zu treten. Auch heute erblickten wir mehrere
Feuer und sahen durch unsre Ferngläser vier Indianer, die diese Feuer
anzündeten. Der Zweck der Feuer war uns natürlich ein Rätsel. Der
Skorbut begann sich unter uns auszubreiten. Tupia klagte über Schmerzen
im Gaumen und bekam gelbblaue Flecken an den Beinen. Auch Herr Green
war sehr krank. Am 17. lichteten wir die Anker und eilten dem Hafen zu.
Das Schiff geriet dabei zweimal auf Grund. Das erste Mal wurde es ohne
Mühe wieder flott, das zweite Mal nur mit Hilfe der Flut, worauf wir
es an Seilen in den Hafen zogen und an der Südseite an einer Stelle,
wo der Strand sehr steil war, festlegten. Am Morgen des 18. wurde eine
Brücke vom Schiff bis zum Strande gebaut und wurden am Strande zwei
Zelte aufgeschlagen. Das eine war für die Kranken, das andre war für
die Schiffsvorräte bestimmt, die sofort ausgeladen wurden. Kaum war das
Krankenzelt aufgeschlagen, so schickte ich unsre Kranken, acht an der
Zahl, ans Land. Auch fertigte ich ein Boot zum Fischfang ab; leider
kam es leer zurück. Tupia angelte seine Fische selbst und lebte davon.
Der Erfolg blieb nicht aus, denn er genas sehr schnell, während Herr
Green andauernd gefährlich krank blieb. Die bergige Gegend war trostlos
unfruchtbar und öde, die Ebene sumpfig und mit Mangrovebäumen bedeckt.

Am folgenden Morgen ließ ich die vier Kanonen, die uns übriggeblieben
waren, aus dem Schiffsraum heraufbringen und auf den Überlauf pflanzen.
Hierauf transportierten wir allen Ballast und die Schiffsschmiede ans
Land; am Nachmittag wurden die Vorräte der Offiziere und die unterste
Reihe der Wasserfässer ausgeschifft, so daß im untersten Schiffsboden
nichts als die Kohlen zurückblieben.

Herr Banks war inzwischen über das Revier hinaus auf die andre Seite
des Hafens hinübergegangen; er traf hier große Flüge Tauben an, von
denen er etliche schoß, die ungemein schön waren.

Am 20. wurden der Pulvervorrat und der Steinballast ans Land geschafft.
Dadurch wurde das Schiff so erleichtert, daß es vorne nur noch 8 Fuß 10
Zoll und hinten 13 Fuß tief im Wasser lag. Ich ließ dann die Kohlen
vom Vorderteil des Schiffes, um diesen zu heben, nach dem Hinterteil
verbringen. Dabei zeigte sich, daß das Leck unter dem Kohlenraum war;
wir konnten hören, daß das Wasser ein wenig hinter dem Fockmast,
ungefähr drei Fuß vom Kiel entfernt, hereinschoß.

Ich mußte mich also dazu bequemen, den ganzen Schiffsraum leeren
zu lassen. Am 21. nachmittags um 4 Uhr war diese Arbeit geschehen,
worauf wir das Schiff an Seilen an eine Stelle hinzogen, wo es meines
Erachtens am bequemsten ans Land gelegt und das Leck verstopft werden
konnte. Vorne lag es nunmehr 7 Fuß 9 Zoll, hinten 13 Fuß 6 Zoll tief im
Wasser. Um 8 Uhr während der Flut ließ ich das Vorderteil herumwenden
und fest aufs Ufer ziehen. An verschiedenen Stellen des Schiffsbodens
entdeckten wir glatte Löcher; das Hauptleck aber war merkwürdigerweise
durch den Felsen, der es verursacht hatte, wieder verstopft worden,
indem das betreffende Stück vom Felsen abgebrochen und zum Glück für
uns in dem Loche steckengeblieben war.

Wir fanden bei dieser Untersuchung aber auch, daß die Fütterung
diejenigen Ritzen des Lecks, die das Felsenstück offengelassen
hatte, größtenteils verstopft hatte. Wir waren also wie durch ein
Wunder gerettet worden, denn das Leck war so groß, daß uns ohne
diese glücklichen Umstände alle Schiffspumpen der Welt nicht vor dem
Untergang gerettet hätten. Bei der ferneren Besichtigung entdeckten wir
noch, daß das Schiff auch sonst an seinem Boden beträchtlich Schaden
genommen hatte; vom Afterkiel fehlte ein Teil, auch waren Vordersteven
und Hauptkiel stark beschädigt. Das Hinterteil des Schiffes schien
nicht viel gelitten zu haben.

Um 9 Uhr gingen die Zimmerleute und Schmiede an ihre Arbeit, während
die Seesoldaten zur Taubenjagd abkommandiert wurden. Bei dieser
Gelegenheit entdeckten sie das Känguruh und, was für uns momentan
wichtiger war, einen Quellbach mit frischem Wasser. Mit dem großen
Netze fingen wir, obschon die See im Hafen von Fischen wimmelte,
nur drei Fische. Der Zimmermann war mit den Ausbesserungen an der
Steuerbordseite fertig; wir neigten also das Schiff auf die andre Seite
und zogen es aus Furcht, es möchte auf dem Grunde sitzen bleiben, 2 Fuß
tiefer ins Wasser. Am Abend erzählte ein Matrose, er hätte den Teufel
gesehen, und er beschrieb uns eine -- Riesenfledermaus.

Am 24. besserten die Schiffszimmerleute die Haut (d. i. die äußeren
Bretter) unter dem Backbordbug aus, und da fand sich denn, daß auch
zwei von den innern Planken durchgerieben waren. An diesem Tage sah ich
zum ersten Mal ein Känguruh. Ich ließ während der Ebbe das Hinterteil
des Schiffes untersuchen. Dabei stellte es sich heraus, daß die Haut
durchgescheuert und der innere Boden gefährdet war. Dem konnte aber nur
durch eine gründliche Ausbesserung im Dock, wozu wir leider nicht in
der Lage waren, abgeholfen werden; ich veranlaßte daher die möglichen
Notausbesserungen. Der 25. wurde zum Wassereinnehmen, zur Besichtigung
der Taue usw. bestimmt. Auch wurden die Schiffszimmerleute an diesem
Tage mit ihren Arbeiten fertig.

Die Herren Banks und Dr. Solander benützten diesen Tag zu botanischen
Exkursionen im Walde; sie entdeckten dort Kohlbäume, Kokos und einen
Wildrenettenapfel, der nach Lagerung von einigen Tagen eßbar wurde
und wie eine mittelmäßig gute Pflaume mundete. Am folgenden Morgen
fingen wir an, das Hinterteil des Schiffes zu entlasten. Der Schmied
fuhr unverdrossen in seiner Arbeit fort, während der Zimmermann das
Schiff kalfaterte. Am Vormittag ruderte ich in der Pinasse den Hafen
hinauf, um zu fischen; ich fing aber nur 20-30 Fische, die ich an die
Kranken und Rekonvaleszenten austeilte. Die nächsten Tage war der
Fischfang so ergiebig, daß auf jeden Mann etwa 5 Pfund Fische kamen.
Die eingesammelten Gemüse ließ ich mit Erbsen kochen; dieses Gericht
in Verbindung mit delikat zubereiteten Fischen war uns allen ein
kulinarischer Genuß ersten Ranges.

Am 1. Juni gab ich dem ganzen Schiffsvolk Landurlaub. Die Ausflügler
sahen wohl viele Tiere, konnten aber keines erlegen. Da ich bei einem
Ausflug auf den an der südlichen Landspitze gelegenen Berg die Küste
mit Bänken und Untiefen wie besät fand, so erteilte ich dem Steuermann
den Auftrag, die Untiefen zu untersuchen und zu sondieren, ob es gegen
Norden nicht einen Kanal gebe, in dem wir sicher auslaufen könnten.
Auch an diesem Tage bekamen wir das Schiff trotz angestrengtester
Versuche nicht flott. Der Steuermann dagegen brachte gute Nachricht
zurück; er hatte tatsächlich einen Kanal zwischen den Untiefen
entdeckt, der nach der hohen See führte. Die Bänke bestanden aus
Korallenfelsen; viele davon waren, wie er mir erzählte, während der
Ebbe außer Wasser. Er selbst war auf eine solche Klippe gestiegen und
hatte dort eine Anzahl großer Muschel- und Schalentiere gesammelt, die
so groß waren, daß von einem solchen Tiere zwei Mann mehr als satt
wurden. Er erzählte, daß er in einer Bai im Norden, drei Seemeilen
von uns entfernt, einige Eingeborene bei der Abendmahlzeit überrascht
hätte, die bei seinem Erscheinen sofort geflohen wären.

Am nächsten Tag endlich gelang es uns, das Schiff flottzubekommen.
Da jedoch gleichzeitig eine Planke zwischen den Verdecken losriß und
dieser Schaden sofort ausgebessert werden mußte, so mußten wir das
Schiff wieder ans Land legen. Am nächsten Morgen ließ ich den Ballast
im Schiff wieder segelrecht verteilen, und am Nachmittag ließ ich das
Schiff selbst mit Hilfe der Flut auf eine Sandbank legen und während
der Ebbe ausbessern, worauf es zur Flutzeit wieder flottgemacht
wurde. Wir machten es dann segelfertig. In dieser Zeit fand Herr
Banks am Strand eine Menge angeschwemmter Früchte. Am 6. unternahm
er mit Herrn Gore und drei Matrosen einen größern Ausflug, von dem
er erst am 8. nachmittags zurückkehrte. Während der Nacht waren die
Ausflügler derart von Moskitos geplagt worden, daß sie nicht schlafen
konnten. Kurz nach Anbruch des Tages erblickten sie einige Känguruhs.
Zu Mittag kehrten sie nach dem Boote zurück und ruderten darin weiter
in das Revier hinauf. Als sie am Abend nach einem Lagerplatz Umschau
hielten, sahen sie in der Nähe Rauch aufsteigen. Sie eilten sofort
darauf zu, fanden aber niemand mehr an dem Feuer. Ärgerlich darüber,
daß die Wilden, mit denen sie gerne zusammengetroffen wären, entflohen
waren, kehrten sie zu der Sandbank zurück, auf der sie sich sorglos
niederlegten, ohne im geringsten an die Möglichkeit zu denken, daß die
Wilden sie beschleichen und im Schlafe ermorden könnten. Im Gegenteil,
sie schliefen, todmüde wie sie waren, fest bis tief in den Morgen und
kehrten dann, weil das Land dem Ansehen nach nicht viel versprach, nach
dem Schiffe zurück. Kurz nach ihnen traf auch der Steuermann ein und
brachte drei große Schildkröten mit, die zusammen fast acht Zentner
wogen.

[6] Die Ostküste von Australien.




Elftes Kapitel.

  Verkehr mit den Australiern. -- Ihre Lebensweise. -- Ein Streit
  und seine Folgen. -- Ausfahrt. -- Die Besitzergreifung von dem
  neuentdeckten Lande. -- Die Eingeborenen und ihre Lebensgewohnheiten.


Am Nachmittag des folgenden Tages ließen sich sieben Wilde an der
Südseite unsres Reviers blicken; bei meiner Annäherung entflohen
sie. Am nächsten Morgen tauchten vier Wilde in einem Kahne bei der
nördlichen Landspitze auf, um dort mit der Fischgabel zu fischen.
Gewitzigt, wie ich durch meine Erfahrung mit diesen scheuen Gesellen
geworden war, ließ ich sie gewähren und nahm von ihrer Anwesenheit
scheinbar keine Notiz.

Meine Kriegslist hatte den gewünschten Erfolg, denn es dauerte nicht
lange, so kamen zwei von ihnen in ihrem Kahn auf Schußnähe an uns heran
und riefen uns in ihrer Sprache laut einige Worte zu, die wir natürlich
nicht verstanden. Ich machte ihnen beruhigende Zeichen und lud sie zu
uns an Bord. Sie kamen auch wirklich näher und deuteten uns an, daß sie
Waffen hätten, sich zu rächen, wenn wir ihnen ein Leid antun würden.
Als sie dicht am Schiffe waren, warfen wir ihnen Nägel, Glaskorallen,
kleine Stückchen Tuch zu, woraus sie sich anscheinend wenig machten.
Als ihnen jedoch einer unsrer Leute einen Fisch zuwarf, äußerten sie
ihre Freude und gaben uns gleichzeitig zu verstehen, daß sie auch
ihre Kameraden herbeiholen würden. Mittlerweile war Tupia mit einigen
Matrosen ans Land gegangen. Die Wilden kamen jetzt ganz dicht an uns
heran. Wir teilten an die Neuangekommenen einige Geschenke aus. Die
Gesellschaft ruderte dann ans Land, wo sie Tupia so weit brachte, daß
sie ihre Lanzen niederlegten und sich ihm ohne diese näherten. Er lud
sie durch Zeichen ein, neben ihm Platz zu nehmen, was sie auch taten.
Ich ging mit einigen Begleitern ebenfalls ans Land und beschenkte
die Wilden wiederum, um ihnen jedes Mißtrauen zu nehmen. Hierauf
unterhielten wir uns mit ihnen bis zur Essenszeit durch Zeichen; wir
luden sie dann ein, an Bord mit uns zu speisen, was sie ablehnten.
Kaum waren wir im Boote, so stiegen sie in ihren Kahn und ruderten
davon. Der eine der Wilden war ein älterer Mann, die drei andern
hingegen waren junge Leute; alle waren von Durchschnittsgröße, fielen
mir aber durch ihren zarten Gliederbau auf. Die Farbe ihrer Haut war
schwarzbraun, das Haar pechschwarz, kurz geschnitten und straff. Der
Leib war an verschiedenen Stellen mit einer roten Farbe angestrichen;
einer von ihnen hatte sich die Oberlippe und die Brust mit weißen
Streifen bemalt, die er »Carbanda« nannte. Die Gesichtsbildung der
Wilden war sehr angenehm, ihre Augen waren lebhaft, ihre Zähne weiß und
ihre Stimme wohlklingend und biegsam, so daß sie mühelos allerlei Worte
nachsprechen konnten.

Am folgenden Morgen erschienen drei von ihnen wieder bei uns; sie
hatten einen Vierten mitgebracht, den sie uns als Herrn Näpärico
förmlich vorstellten. Dieser Herr zeichnete sich durch einen sehr in
die Augen fallenden Schmuck aus; er hatte sich nämlich den Nasenknorpel
durchbohrt und trug in dem Loch einen fingerdicken Vogelknochen als
Zierat. Wir überzeugten uns, daß auch die Nasen seiner Genossen
durchbohrt waren. Auch die Ohrläppchen unsrer Gäste waren durchlöchert;
am Arme trugen sie als Schmuck ein Armband aus geflochtenen Haaren,
und obwohl sie sonst völlig nackt gingen, waren sie auf ihr Armband
besonders eitel. Ich schenkte einem von ihnen ein Stück von einem alten
Hemd; er band es sich als Turban um den Kopf. Unsre Gäste hatten uns
einen Fisch zum Gegengeschenk gebracht und schienen sich häuslich bei
uns niederlassen zu wollen. Als aber einer der Forschungsreisenden
ihren Kahn genauer untersuchen wollte, erschraken sie dermaßen, daß
sie augenblicklich in den Kahn hinabsprangen und eilig als ginge es auf
Leben und Tod davonruderten.

Am folgenden Morgen um 2 Uhr brachte Herr Gore in der Jolle drei
gewaltige Schildkröten und eine große Sole mit. Nach dem Frühstück
ruderte er wieder hinaus, um die Jagd auf Schildkröten fortzusetzen.
Drei Wilde wagten sich jetzt an Tupias Zelt heran; einer von ihnen
ruderte davon, um noch zwei andre zu holen, die er uns dann unter
Nennung ihres Namens vorstellte. Die Gesellschaft blieb den ganzen
Vormittag über bei uns; wir überzeugten uns bei dieser Gelegenheit, daß
die natürliche Hautfarbe der Herrschaften durch eine Schicht von Ruß
und Schmutz bedeckt war. Auf der gegenüberliegenden Landspitze ließ
sich eine nackte Frau mit einem Knaben blicken; wir bemerkten durch
unsre Ferngläser, daß ihre Arme und Beine ungemein zart und zierlich
geformt waren. Als sie ihre Neugierde befriedigt hatte, eilte sie
schnellfüßig davon. Einer von den Fremden trug ein Muschelhalsband, ein
Armband aus Schnüren und vor der Stirn als Schmuck ein Stück Baumrinde.
Die Sprache dieser Wilden klingt rauher als die der Südseeinsulaner;
sie wiederholten sehr oft das Wort »Tscherkau«, auch pflegten sie, wenn
ihnen etwas Neues in die Augen fiel, auszurufen: »Tscher tut, tut,
tut!«, wohl beides Ausdrücke der Überraschung und Verwunderung. Der
Kahn war nicht über 10 Fuß lang, aber mit einer Seitenrahme versehen
und ähnelte dadurch den Südseekähnen, war jedoch viel primitiver
gebaut. Ihre Lanzen glichen den Lanzen, die wir an der Botanybai
erobert hatten, doch hatten sie nur eine einzige, mit Widerhaken
versehene Spitze. In der Tat, eine fürchterliche Waffe!

Herr Gore erlegte am folgenden Tag ein »Känguruh«, wie es die
Eingeborenen nannten. Wir fanden das Fleisch dieses merkwürdigen
Wildes ungemein zart und wohlschmeckend. Damals lebten wir ziemlich
lukullisch: Tag für Tag Schildkrötensuppe, Schildkrötenfleisch,
ausgezeichnet mundende Fische, Känguruhfleisch in Hülle und Fülle.
Meist fingen wir die köstliche grüne Schildkröte in Exemplaren von 2-3
Zentnern Lebendgewicht; sie waren ungleich besser von Geschmack als
die, die wir in England zu essen bekommen hatten. Vermutlich rührt dies
daher, daß wir sie hier frisch erhielten.

Am 17. schickte ich den Steuermann wieder aus, um eine bequemere als
die bisher entdeckte Durchfahrt zu suchen. Ich selbst begab mich mit
den Herren Banks und Dr. Solander in den Wald. Tupia war daselbst
drei Indianern begegnet, die ihm dort einige wohlschmeckende Wurzeln
gezeigt hätten. Wir erhofften ein ähnliches Abenteuer, das uns mit den
Eingeborenen in nähere Beziehung bringen würde, dergestalt, daß sie uns
mit ihrem Hauswesen und ihren Frauen bekannt machen würden. Es dauerte
auch wirklich nicht lange, so bemerkten wir vier Wilde in einem Kahn.
Als sie uns erblickten, kamen sie ans Land und ohne Furcht auch so
dicht an uns heran, daß wir mit ihnen verhandeln konnten. Nachdem sie
eine Weile bei uns geblieben waren, entfernten sie sich. Wir folgten
ihnen in der Erwartung, daß sie uns in ihr Dorf führen und mit ihren
Frauen bekanntmachen würden, allein sie gaben uns durch Zeichen zu
verstehen, daß ihnen unsre Begleitung wenig zusage.

Am nächsten Tage kamen wieder einige der uns bereits bekannten Wilden
zu uns. Wir baten einen von ihnen, er möge uns zeigen, auf welche
Art sie ihre Lanzen zu schleudern pflegten; er war auch gleich dazu
bereit und schleuderte seine etwa acht Fuß lange Lanze, die mit
bewundernswerter Kraft und Schnelligkeit vier Fuß hoch über dem Boden
hinsauste und in einen fünfzig Schritte von uns entfernten Baum fuhr.
Hierauf lud ich die Gesellschaft an Bord, wo ich sie unter der Obhut
meiner Leute ließ, weil ich von innerer Unruhe getrieben mich durch
einen Blick auf die See davon überzeugen wollte, ob wir wirklich in
einem Klippenlabyrinth gefangensäßen. Ich bestieg daher mit Herrn Banks
einen hohen Berg, von wo wir uns davon überzeugen konnten, daß unsre
Lage weit gefährlicher war, als wir bisher geglaubt hatten. Denn wohin
der Blick auch fiel, überall zeigten sich drohende Klippen und Bänke.
Wir überzeugten uns durch den Augenschein davon, daß es keine andre
Ausfahrt nach der hohen See als die gab, die durch die krummen Kanäle
zwischen den Klippen hindurch führte. In diese Kanäle konnte man sich
aber ohne die größte Gefahr nicht wagen.

Wir kehrten in trüber Stimmung nach dem Schiffe zurück. Hier fanden wir
noch einen Teil der Eingeborenen vor, die höchst begehrliche Blicke
nach unsern Schildkröten warfen. Tags darauf kamen zehn Wilde von jener
Seite des Reviers her, wo diesmal sieben Weiber, alte und junge, in
ihrer paradiesischen Nacktheit so lange verweilten, als ihre Männer
bei uns an Bord blieben. Unsre Gäste hatten eine größere Anzahl Lanzen
als gewöhnlich mitgebracht; sie lehnten die Lanzen an einen Baum und
stellten eine Wache dabei auf, ehe sie an Bord kamen. Hier zeigte es
sich bald, daß sie es auf unsre Schildkröten abgesehen hatten, die sie
genau so wie wir zu würdigen wußten. Anfänglich baten sie uns durch
Zeichen, ihnen eine zu geben. Als man sich weigerte, gerieten sie in
Wut. Einer von ihnen wandte sich an Herrn Banks; als aber auch dieser
abwinkte, wurde der Wilde so zornig, daß er mit dem Fuße aufstampfend
ihm einen kräftigen Stoß versetzte. So versuchten sie vergebens der
Reihe nach bei jedem ihr Glück, der nach ihrer Meinung auf dem Schiffe
von Bedeutung war. Als sie endlich einsahen, daß ihre Bitten vergeblich
waren, versuchten sie mit Gewalt zwei Schildkröten über Bord in ihren
Kahn zu werfen, was ihnen jedoch gleichfalls verwehrt wurde. Daraufhin
verließen sie wütend das Schiff und ruderten dem Strande zu, wohin ich
ihnen mit Herrn Banks und sechs Matrosen zum Schutz unsrer daselbst
arbeitenden Leute folgte.

[Illustration: Kriegsboot der Neuseeländer. Nach einem alten Stiche.]

Kaum waren die Wilden am Strand, als sie ihre Waffen ergriffen, einen
Feuerbrand unter einem Pechkessel herausrissen und damit während ihrer
Flucht das trockene Gras in Brand setzten. Ehe wir uns ihres Treibens
und der uns drohenden Gefahr bewußt wurden, stand das dürre, fünf bis
sechs Fuß hohe Gras in Flammen, die mit ungeheurer Schnelligkeit um
sich griffen und Banks' Zelt sowie die Schmiede bedrohten. Es gelang
uns noch, das Zelt zu retten; die Schmiede jedoch wurde ein Raub der
Flammen. Auch versuchten die Wilden, unsre zum Trocknen aufgespannte
Wäsche und das große Netz zu verbrennen, indem sie auch hier das
Gras in Flammen setzten. Wir konnten jedoch die Gefahr abwehren und
sandten den Brandstiftern einen Schrotschuß nach, der einen von ihnen
verwundete. Unterdessen griff das Feuer den Wald an, in den sich die
Wilden geflüchtet hatten. Ich feuerte ihnen eine Kugel nach, worauf
sie sich zurückzogen. Kurze Zeit darauf vernahmen wir wieder Stimmen
im Walde. Ich ging daher mit Banks und einigen Seesoldaten dem Schalle
nach. Als wir die Wilden erblickten, hielten wir; sie sandten uns
einen Greis entgegen, der uns durch eine Rede beschwichtigen wollte.
Wir verstanden leider nicht, was er sagte. Nach dem Speech ging er zu
seinen Leuten, mit denen er sich dann zurückzog. Wir folgten ihnen
jedoch und bemächtigten uns bei dieser Gelegenheit einiger Wurfspieße.
Auf diese Weise verfolgten wir sie eine Meile, worauf wir uns auf
einem Felsen niederließen, von dem wir ihre Bewegungen aufs genaueste
beobachten konnten; die Wilden lagerten sich 300 Fuß von uns entfernt.
Nach einer Weile kam der Greis mit einer Lanze ohne Spitze wieder auf
uns zu. Wir gaben ihm Zeichen, daß wir ihnen nicht zürnten, worauf er
sich an seine Stammesgenossen wandte und sie veranlaßte, sich uns ohne
Waffen zu nähern. Zum Zeichen der Versöhnung händigten wir ihnen ihre
Lanzen wieder aus, worauf sie uns die Leute mit Namen vorstellten,
die wir noch nicht kannten. Wir teilten einige Kleinigkeiten, die
wir bei uns hatten, als Geschenke unter sie aus, worauf sie uns
versöhnt zum Schiffe folgten. Unterwegs gaben sie uns durch Zeichen
zu verstehen, daß sie das Gras nicht mehr anzünden wollten. Als sie
sich dem Schiffe gegenüber befanden, setzten sie sich nieder und waren
unter keinen Umständen zu bewegen, mit an Bord zu kommen. Wir schieden
daher von ihnen. Nach Verlauf von zwei Stunden gingen sie zurück.
Nicht lange nachher sahen wir den Wald in einer Entfernung von einigen
Meilen in Flammen aufgehen. Wir ließen uns den Vorfall, der leicht
zu einer Katastrophe für uns hätte werden können -- denn nur wenige
Stunden zuvor hatten wir unser Schießpulver an Bord zurückgebracht
-- zur Warnung dienen und nahmen uns vor, unsre Zelte künftig nur in
feuersichrer Gegend aufzuschlagen. Am folgenden Tage ruderte ich zur
Ebbe aus, um die Untiefen zu sondieren und Ankerwächter aufzustecken.
An diesem wie an den folgenden Tagen ließen sich keine Eingeborenen
blicken, aber die Gipfel aller Berge rings um den Hafen standen
die Nacht in Flammen und gewährten ein Schauspiel voll schauriger
Erhabenheit und Schönheit.

Da das stürmische Wetter, das uns bisher an der Abfahrt verhindert
hatte, immer noch anhielt, so machten die Herren Banks und Dr.
Solander täglich kleinere oder größere botanische Entdeckungsreisen.
Bei dieser Gelegenheit fingen sie ein weibliches Opossum nebst zwei
Jungen. Durch diese Entdeckung widerlegten sie die Meinung des Herrn
von Büffon, der Amerika für die Heimat dieser Tiergattung erklärte.
Unsre wilden Freunde ließen sich nicht mehr blicken. Nach ihren Feuern
zu urteilen hielten sie sich wenigstens sechs Meilen weiter innen im
Lande verborgen; wahrscheinlich fanden sie den Streich, den sie uns
gespielt hatten, für so unverzeihlich, daß sie dem Landfrieden nicht
mehr trauten.

Am 1. August fand der Zimmermann, daß die Pumpen angefault waren; wir
mußten uns daher in der Hauptsache auf die Dichtigkeit des Schiffes
verlassen, das in der Tat so gut ausgebessert war, daß es in der
Stunde nicht über einen Zoll Wasser einließ. Am 4. August gelang es
uns das Schiff herauszuziehen; um 7 Uhr gingen wir unter Segel. Um 12
Uhr ließ ich eines drohenden Unwetters wegen die Anker wieder fallen;
wir befanden uns fünf Seemeilen vom Hafen entfernt; wir blieben im
Sturme so bis zum 10. August liegen. Um 7 Uhr konnten wir die Anker
lichten. Ich hatte mich entschlossen, längs der Küste zu segeln und
einen Durchgang nach Norden zu suchen. Nach vielen Mühen und unter den
größten Gefahren gelang uns die Durchfahrt durch den engen, krummen
Kanal, an dessen Ende wir in 7½ Klaftern auf einem sichern Grunde vor
Anker gingen. Hier breitete sich der Kanal ziemlich aus; die Inseln,
die zu beiden Seiten lagen, waren eine Meile von uns entfernt. Wir
hofften endlich den Weg in das Indische Meer gefunden zu haben. Um
mich darüber vergewissern zu können, beschloß ich, auf einer der
Inseln zu landen. Als ich in Begleitung Banks' und Dr. Solanders
vom Schiff abstieß, erblickten wir ein Dutzend Eingeborene auf dem
Berge. Einer von ihnen war mit Bogen und Pfeil, die andern waren mit
Lanzen bewaffnet; auch bemerkten wir solche, die eine Halskette von
Perlmuttergegenständen um den Hals trugen. Drei der Wilden kamen zum
Strande herab, entfernten sich aber, als wir landeten. Wir kletterten
sogleich auf den Berg hinan, von dessen Gipfel ich mich davon
überzeugen konnte, daß ich hier den Kanal gefunden hatte, der nach dem
Indischen Meere führte.

Da ich der erste Europäer war, der an der östlichen Küste von
Neuholland vom 38. Breitegrad an bis hierher gekommen war, so ließ ich
die englische Flagge entfalten, taufte das Land mit allen Häfen und
Inseln Neusüdwales und nahm es im Namen Georgs III., meines Königs,
in Besitz. Wir feuerten drei Salven ab, die vom Schiff aus erwidert
wurden. Daraufhin kehrten wir zum Schiffe zurück und blieben die ganze
Nacht hindurch vor Anker liegen. Am Morgen sahen wir einige Eingeborene
am Strande Muscheln suchen; mit Hilfe der Ferngläser erkannten wir
in ihnen Weiber, die ganz nackt gingen. Um 10 Uhr lichteten wir die
Anker und steuerten südwestwärts und nach Westnordwest. Verschiedene
Anzeichen bestärkten mich in dem Gedanken, daß wir bereits den
Carpentariagolf im Norden Neuhollands durchquert hatten und die
Indische See vor uns liegen haben mußten. Die Frage, ob Neuholland
und Neuguinea zwei verschiedene Inseln wären, war gelöst. Die Straße,
die beide trennt, habe ich nach meinem Schiffe die Endeavourstraße[7]
genannt.

Im Verhältnis zur Größe von Neusüdwales scheint die Zahl seiner
Einwohner sehr gering zu sein; die größte Anzahl, die wir je beisammen
gesehen haben, beträgt nicht mehr als dreißig Personen. Dies war in
der Botanybai, als sich Männer, Weiber und Kinder auf einem Felsen
versammelten, um das Schiff im Vorbeisegeln zu betrachten. Selbst in
den Fällen, wo sie uns angreifen wollten und also Leute nötig hatten,
brachten sie nie mehr als 14 bis 15 streitbare Männer auf die Beine.
Auch sahen wir nie mehr als ein paar Hütten beieinander. Es ist wahr,
wir haben von dem ungeheuern Lande nicht mehr als die Küste gesehen,
allein es ist doch mehr als unwahrscheinlich, daß das öde Innere des
Landes reicher bevölkert ist als die der Ernährung günstigere Küste.
Ohne Ackerbau würden sich die Bewohner des Festlandes schwerlich
halten können; es ist aber nicht gut möglich, daß die Küstenbewohner
von diesem Ackerbau nichts wissen sollten. Wir haben an der Küste
nicht einen Fußbreit angebauten Landes gefunden; es läßt sich daher
mit großer Sicherheit die Behauptung aufstellen, daß das Innere des
Landes nur sehr spärlich bewohnt sein kann. Wir haben allerdings nur
mit einem Stamme der wilden Völkerschaften, die Neuholland bewohnen,
näheren Verkehr unterhalten. Das war in dem Hafen, wo wir unser Schiff
ausbesserten. Es waren alles zusammengenommen nur 21 Personen: 12
Männer, 7 Weiber, 1 Knabe und 1 Mädchen. Die Frauen haben wir nie
in der Nähe zu sehen bekommen, denn wenn die Männer über das Revier
kamen, ließen sie die Weiber und Kinder zurück. Die Männer waren von
mittlerer Größe, schön gebaut, gradgliederig, dabei stark, lebhaft
und gelenkig; ihrer Gesichtsbildung fehlte es nicht an Ausdruck, und
ihre Stimme war sanft, beinahe weiblich fein. Am ganzen Leibe waren sie
jedoch mit Schmutz so überzogen, daß ihre natürliche Hautfarbe nicht
mehr zu erkennen war. Wir tauchten den Finger in Wasser und rieben
und kratzten die Haut an einzelnen Stellen ab, aber es war unmöglich,
die Schmutzkruste, die sie so schwarz wie Neger machte, zu lösen; und
alles, was wir ermitteln konnten, war, daß ihre Haut ursprünglich
schokoladebraun gewesen sein mußte. Die Gesichtsbildung dieser Wilden
war nicht unangenehm; sie hatten weder platte, eingedrückte Nasen noch
dick aufgeworfene Lippen. Die Zähne waren blendend weiß und klein, ihr
Haar, das sie kurz trugen, war schwarz und straff, verschiedentlich war
es leicht kraus, es war sehr klebrig, aber merkwürdigerweise frei von
Ungeziefer. Die Bärte, die sie ebenfalls kurz geschnitten trugen, waren
buschig und stark und pechschwarz wie die Haare. Wir sahen eines Tags
einen Mann bei uns, der einen längeren Bart als seine Genossen trug;
als er sich am nächsten Tage wieder einstellte, bemerkten wir, daß er
seinen Bart gekürzt hatte. Bei näherer Untersuchung fand sich, daß die
Spitzen des Barthaares abgesengt waren. Aus diesem Umstande, und weil
wir niemals ein Messer bei ihnen sahen, schlossen wir, daß sie ihre
Haare zu der von ihnen gewollten Kürze abzusengen pflegen.

Beide Geschlechter gehen ganz nackt, was ihnen sowenig unanständig
vorkommt, wie uns die Entblößung des Gesichtes und der Hände. Ihr
Hauptschmuck besteht in einem Vogelknochen, den sie durch den zu
diesem Zweck durchbohrten Nasenknorpel stecken. Wie diese unbequeme,
unschöne, schmerzhafte Mode unter ihnen entstehen konnte, konnten wir
nicht ergründen. Diese Mode, die ihnen ein schreckliches Aussehen
verleihen sollte, war ihnen selbst so lästig, daß sie den Knochen nur
bei besonderen Gelegenheiten in der Nase trugen, denn er ist 5 bis 6
Zoll lang, reicht über das ganze Gesicht, verstopft beide Nasenlöcher,
zwingt sie ständig den Mund offen zu halten und behindert sie sogar
derart im Sprechen, daß sie sich selbst kaum verstehen können. Der
Matrosenwitz taufte diesen Schmuckknochen »die blinde Rahe«, und wir
hatten Mühe ernst zu bleiben, wenn sich die Herren Wilden mit der
blinden Rahe in der Nase einstellten.

Als weitere Schmuckstücke tragen unsre Wilden noch Muschelhalsbänder,
Armbänder aus Schnüren am Oberarm, sowie eine aus Menschenhaar
geflochtene Schnur um den Leib. Die Gecken unter ihnen besitzen noch
Muschelbrustbänder, die von den Schultern über die Brust getragen
werden. Außerdem bemalen sie die Schmutzkruste ihres Körpers mit weißer
und roter Farbe; mit der roten schmieren sie sich große Flecken auf
die Schultern und die Brust; mit der weißen Farbe tragen sie schmale
Streifen, die über Arme und Beine laufen, und breite Bruststreifen
auf, die ziemlich genau gezeichnet sind. Auch legen sie sich weiße
Schönheitspflästerchen auf und malen sich weiße Ringe um die Augen,
was grotesk genug aussieht. Die rote Farbe war Bergrot, die körnigen
Bestandteile der weißen Farbe konnten wir zu unserm Bedauern nicht
analysieren.

So erpicht unsre Wilden auch auf ihren Schmuck waren, sowenig machten
sie sich aus unsern bunten Bändern, unsern Glaskorallen und anderm
europäischem Tand. Von Tausch und Handel hatten sie ebenfalls keine
Ahnung. Was wir ihnen gaben, nahmen sie, aber sie konnten nicht
begreifen, daß wir gegen unsre Geschenke auch etwas von ihnen im
Tausch haben wollten. Übrigens hielten sie ihren Schmuck in so hohem
Werte, daß sie ihn uns um alle Güter der Welt nicht überlassen hätten;
wir konnten tatsächlich für unsre Sammlung nicht das geringste von
ihnen erwerben. Die Gleichgültigkeit gegen unsre Schätze war auch die
Ursache, daß sie nichts stahlen. Hätte sie danach gelüstet, so würden
sie uns bestohlen haben, so aber warfen sie unsre Geschenke achtlos
in den Wald, wo sie Herr Banks wieder auffand. Die tiefen Narben, die
unsre Wilden, die sich einer kernigen Gesundheit erfreuten, an ihrem
Körper trugen, waren, wie sie uns durch Zeichen verständlich machten,
sogenannte Trauernarben, die sie sich aus Trauer über den Tod ihrer
Lieben selbst beibrachten.

Ihrem Charakter als Nomaden entsprechend bauen sich unsre Wilden so
erbärmlich primitive, unzulängliche Hütten, daß die der Feuerländer
wahre Paläste dagegen sind. Ihre Hütten sind kaum so hoch, daß ein
Mann aufrecht darin sitzen kann, und so ungenügend lang, daß sich
keiner darin lagern kann. In diesen elenden Löchern fanden wir sie
oft zu vieren, in gekrümmter Lage, die Knie am Kopf; vor der offenen
Seite ihrer Hütte, deren Wand stets gegen den Wind gerichtet war,
brannte zum Schutz gegen die Moskitos ein qualmiges Feuer; sie blieben
immer nur so lange an einem Orte, bis sie der Hunger vertrieb. In den
wärmeren Gegenden und auf den Inseln bauten sie ihre Hütten mit der
Öffnung gegen den Wind. Interessant ist, daß sie, obschon sie keinerlei
Kochgeschirre haben, doch das von ihnen erjagte Fleisch nie roh
verschlangen, und daß sie es mit frappanter Sicherheit verstanden, sich
Feuer zum Rösten ihres Wildes und ihrer Fische zu verschaffen. Um Feuer
zu erhalten, nehmen sie einen acht Zoll langen dürren Stock, den sie
spitzen. Mit dieser Spitze quirlen sie ein flaches Stück Holz so emsig,
daß das Holz in weniger als zwei Minuten glimmt. Den Funken wickeln sie
in eine Handvoll dürren Grases, und damit rennen sie gegen den Wind.
Dann geben sie das glimmende Büschel in die Streu; einige Sekunden
darauf brennt sie lichterloh. Auf diese Weise sahen wir sie oft an
verschiedenen Stellen Feuer anmachen; sie nennen das den Feuerlauf,
der ihnen gleichzeitig zur Unterhaltung dient. Wir beobachteten einen
solchen Feuerläufer und sahen, daß an jeder Stelle, wo er sich bückte,
um den Funken niederzulegen, bald eine Flamme loderte. Es schien uns,
daß die Wilden durch den Feuerlauf die Känguruhs, die sich vor dem
Feuer außerordentlich fürchten, durch dieses einkreisen, um sie desto
leichter zu erjagen; eine andre Erklärung des wegen der Dürre der
Grasflächen so gefährlichen Sportes fanden wir nicht.

Die Waffen unsrer Wilden bestehen aus Lanzen von verschiedener Größe
und Art. Wir sahen Lanzen mit vier Spitzen oder Zinken, die mit
Widerhaken versehen waren. Die einzelnen Spitzen waren mit einem harten
und glatten Harz überzogen, wodurch sie tiefer in den Gegenstand
eindringen, den sie treffen. In den nördlichen Gegenden der Küste
hat die Lanze, deren Schaft aus einem geraden Rohr besteht, nur eine
Spitze. Der Schaft ist aus mehreren Stücken in der Gesamtlänge von 8-14
Fuß zusammengesetzt, die Spitzen bestehen entweder aus Fischgräten oder
aus hartem Eisenholz. Wir sahen verschiedene Lanzen, die den Stachel
des Stechrochens als Spitze hatten; die Widerhaken waren sehr sinnreich
an den Stacheln befestigt. Die Widerhaken der Holzspitzen bestanden aus
scharfen Muschelstücken, die in das Holz hineingebohrt und mit Harz
befestigt waren. Erklärlicherweise ist diese Waffe außerordentlich
gefährlich, denn entweder bleiben die Widerhaken im Fleische stecken
oder die Wunde wird beim Herausnehmen des Geschosses furchtbar
zerfetzt. Mit der Hand werfen die Wilden 30 bis 60 Fuß weit, mit ihrem
Wurfstock dagegen bis auf 150 Fuß; sie treffen damit ihr Ziel ebenso
sicher wie wir mit unsern Gewehren. Außer diesen Lanzen besitzen sie
keine Offensivwaffen; wir sahen nur einmal in weiter Entfernung einen
Mann, der mit Pfeil und Bogen bewaffnet schien, allein wir können uns
auch geirrt haben; jedenfalls sind Pfeil und Bogen nicht allgemein im
Gebrauch. Als Schutzwaffe dient ein Schild aus starker Baumrinde; wir
fanden oft Bäume, an denen die Rinde genau in der Größe eines Schildes
herausgeschält war.

Die Kähne dieses Volkes sind ebenso primitiv wie ihre Hütten. An
der Botanybai bestehen sie aus Baumrinde, im Norden dagegen aus
ausgehöhlten Baumstämmen. Hier waren sie 14 Fuß lang, sehr schmal und
mit einem Seitenrahmen versehen, der das Umkippen verhinderte.

Auf welche Weise die Wilden, die keinerlei Werkzeuge besitzen, ihre
Bäume fällen, konnten wir nicht in Erfahrung bringen; daß ihnen das
primitive, schlecht gearbeitete Steinbeil, in dessen Besitz wir sie
fanden, dazu diente, schien uns unglaublich. Zum Glätten ihrer Ruder,
Lanzen und Wurfstöcke bedienen sie sich der scharfen und rauhen Blätter
einer Feigenart, mit denen sie das Holz ebenso scharf angreifen wie
unsre Schreiner mit dem Schachtelrohr. Mit solchen Werkzeugen einen
Kahn zu bauen ist eine Leistung, die wir nicht genug bewundern konnten;
unser Schiffszimmermann hielt die Sache geradezu für unmöglich.

Durch welchen Umstand die Zahl der Eingeborenen, vorzüglich aber der
Weiber, in diesem Lande so zurückgegangen ist, daß man beinahe von
einem Aussterben sprechen kann, ist uns ein Rätsel geblieben. Ob sie
Kannibalen sind wie die Neuseeländer, ob sie durch Seuchen oder durch
Kriege so dezimiert wurden, wie sie es sind, konnten wir ebenfalls
nicht erfahren. Mit Ausnahme der zwei tapfern Wilden, die uns in
der Botanybai an der Landung verhindern wollten, betrugen sich uns
gegenüber fast alle Eingeborenen so scheu und feige, daß wir sie mit
dem besten Willen nicht für kriegerisch halten können. Auch fanden
wir unter ihnen niemand, an dessen Körper wir die Zeichen seiner
kriegerischen Tapferkeit entdeckt hätten. Jedenfalls schien uns der
Krieg nicht die Ursache des auffallenden Mangels an Menschen in diesem
Lande zu sein.

[7] Die heutige Torresstraße.




Zwölftes Kapitel.

  Fahrt durch die Endeavourstraße. -- Abenteuer während der Fahrt.
  -- Kranke an Bord. -- Savu. -- Kleinliche Schikanen. -- Sitten und
  Gebräuche.


Ich hatte anfänglich die Absicht, so lange nach Nordwest zu steuern,
bis ich die südliche Küste von Neuguinea erreichte, wo ich einlaufen
wollte. Da ich aber auf diesem Wege gefährliche Klippen und Bänke
antraf, so änderte ich meinen Kurs, um tieferes Wasser zu finden, und
dies gelang mir auch nach Wunsch. Schon am Mittag segelten wir in einer
Tiefe von 17 Klaftern. Land war nirgends zu sehen; wir setzten unsern
Kurs bis Sonnenuntergang fort und fanden eine Tiefe von 23-27 Klaftern.
Als es Nacht wurde, kürzten wir die Segel und lavierten acht Stunden
gegen den Wind. Bei Anbruch des Tages setzten wir alle Segel auf und
steuerten erst gegen Westnordwest, dann gegen Nordwest, und zwar den
ganzen Tag über. Bei Sonnenuntergang kürzten wir die Segel wieder und
steuerten hart am Winde gegen Norden. Um 8 Uhr des Morgens wendeten wir
und steuerten gegen Süden; um 12 Uhr richteten wir unsern Kurs wieder
nach Norden; je weiter wir kamen, desto seichter wurde die See. Sobald
es Tag wurde, setzten wir alle Segel auf und steuerten auf die Küste
von Neuguinea hin. Die Wassertiefe war bis auf 12 Klafter gefallen. Am
Abend flatterte ein kleiner Vogel um das Schiff; als es dunkel wurde,
setzte er sich auf die Wand, wo wir ihn erhaschen konnten.

Wir setzten unsern Lauf gegen Norden bis zum 3. September fort, und
zwar hielten wir uns der Untiefen wegen der Küste von Neuguinea so
fern, daß wir sie vom Schiffe aus nur undeutlich sehen konnten. Unsre
wiederholten Landungsversuche schlugen fehl. Wir verloren so sechs
Tage, und da wir den südöstlichen Passatwind, der uns nach Batavia
führen sollte, nicht länger unbenützt lassen wollten, so beschlossen
wir, in der Pinasse ans Land zu rudern. Der Wind, der vom Lande wehte,
führte uns den Duft der Blumen und Baumblüten zu, so daß wir begierig
waren, die Vegetation des Landes zu untersuchen. Um 9 Uhr legten
wir in einer Entfernung von 3-4 Meilen von der Küste bei. Ich ließ
sofort die Pinasse aussetzen, ging mit Banks und Dr. Solander an Bord
und ruderte dann mit noch zwölf bewaffneten Leuten ans Land. Allein
das Wasser wurde so seicht, daß wir ungefähr 600 Fuß von der Küste
stecken blieben; wir ließen also das Boot unter der Obhut von zwei
Matrosen zurück und wateten ans Land. Wir hatten vorher noch keine
Anzeichen davon gefunden, daß das Land in dieser Gegend bewohnt wäre.
Jetzt entdeckten wir im Sande hart am Ufer Fußspuren, die noch frisch
waren. Da die Bewohner von Neuguinea von verschiedenen Reisenden als
kriegerisch, grausam und hinterlistig geschildert waren und der Urwald
ihnen die gefährlichsten Verstecke bot, so erforderte es die Klugheit,
vorsichtig zu sein, um nicht in einen Hinterhalt zu fallen und vom
Boote abgeschnitten zu werden. Wir drangen daher nicht in den dichten
Wald ein, sondern gingen dem Waldsaum entlang bis zu einem Haine von
Kokosbäumen, die voller Früchte hingen. Unterhalb des Haines befand
sich, in der Nähe eines Baches mit salzigem Wasser, eine verlassene
Hütte; sosehr uns auch die Früchte locken mochten, sowenig schien
es uns ratsam, sie zu brechen. Nicht weit davon fanden wir einige
Bataten- und Brotfruchtbäume. Wir waren jetzt etwa eine englische Meile
vom Boote entfernt. Plötzlich, ehe wir uns dessen versahen, kamen
drei Indianer mit Kriegsgeheul aus dem Walde heraus auf uns zu. Der
vorderste schleuderte etwas nach uns, das wie Schießpulver brannte,
aber keinen Knall von sich gab; die beiden andern schleuderten ihre
Lanzen. Wir feuerten sofort mit Schrot auf sie, trafen aber anscheinend
niemand, denn wenn sie auch erschreckt stehenblieben, so warfen sie
doch wieder ihre Lanzen nach uns. Wir luden unsre Gewehre mit Kugeln
und feuerten zum zweitenmal. Wir mußten getroffen haben, denn sie
ergriffen jetzt in aller Schnelligkeit die Flucht, worauf wir uns
langsam nach dem Boote hin zurückzogen. Während wir der Küste entlang
schritten, machten uns die Leute im Boote darauf aufmerksam, daß etwa
1500 Schritte von uns entfernt auf einer Landspitze die Indianer sich
in großer Anzahl versammelten. Wir wateten sofort nach dem Boote,
während sie untätig auf der Landspitze blieben, ohne uns zu belästigen.
Als wir im Boote waren, ruderten wir auf sie zu; ihre Anzahl war etwa
auf hundert angewachsen. Mit Muße beobachteten wir sie und fanden,
daß sie viel Ähnlichkeit mit den Neuholländern hatten; sie waren von
derselben Größe, trugen die Haare wie jene und gingen vollständig
nackt. Die Hautfarbe schien etwas heller, ein Kaffeebraun zu sein.
Wahrscheinlich waren sie reinlicher als die Wilden der Botanybai.
Während wir vor ihnen hielten, forderten sie uns unter beständigem
Geheul heraus, wobei sie ihr Feuer abbrannten. Was das für ein Feuer
war, welchem Zweck es diente und wie es abgebrannt wurde, konnten
wir nicht sehen. Wir sahen nur, daß sie ein kurzes Rohr in der Hand
hielten und es ein paarmal im Kreise herumschwenkten, worauf aus dem
Rohre Feuer und Rauch hervorkamen. Obwohl kein Knall zu vernehmen
war, machte die Sache vom Schiff aus den Eindruck, als feuerten sie
richtige Gewehre ab; unsre Leute glaubten in der Tat, die Wilden hätten
Feuerwaffen. Nachdem wir sie in Muße betrachtet hatten, ohne uns durch
ihr Blitzen und ihr Geheul stören zu lassen, schossen wir unsre Gewehre
über ihre Köpfe ab. Als sie die Kugeln in den Bäumen rasseln hörten,
zogen sie sich langsam zurück. Wir ruderten dann nach dem Schiffe. Die
Lanzen, die sie nach uns geworfen hatten, bestanden aus Bambusrohr mit
einer Spitze aus Eisenholz, die mit Widerhaken versehen war. Die Wilden
schleuderten ihre Lanzen mit ungeheurer Kraft, denn obwohl sie fast 200
Fuß von uns entfernt waren, so flogen die Geschosse doch weit hinter
uns. Wir nahmen daher an, daß sie Wurfstöcke verwenden.

Als wir an Bord des Schiffes waren, ließ ich sofort westwärts steuern,
denn ich hatte keine Lust, meine kostbare Zeit noch länger an dieser
Küste zu verlieren. Das Schiffsvolk jubelte über diesen Befehl. Zu
meinem Leidwesen rieten mir meine Offiziere, eine Abteilung Matrosen
ans Land zu schicken und die Kokosbäume fällen zu lassen. Das wäre
nicht ohne Blutvergießen abgegangen; und wegen einiger Nüsse setze
ich kein Menschenleben aufs Spiel. Dergleichen blutige Auftritte sind
mir zuwider, und selbst wenn ich Mangel an allem gelitten hätte,
so wäre es mein letztes gewesen, Gewalt anzuwenden und Menschen zu
töten, um sie ihres Eigentums zu berauben. Auch fehlte es mir an der
Zeit, denn das Schiff war so leck, daß es noch fraglich war, ob wir
es nicht in Batavia gründlich ausbessern lassen müßten. Und dies war
der Hauptgrund, weshalb wir Eile nötig hatten. Außerdem hatten wir in
einer Meeresgegend, wo es nichts mehr zu entdecken gab, keine Zeit zu
verlieren.

Am 17. September erblickten wir morgens um 6 Uhr eine Insel in
Westsüdwest. Anfangs glaubte ich eine neue Entdeckung gemacht zu haben;
als wir aber um 10 Uhr an der Nordseite waren, sahen wir Häuser und
Schafherden auf der Insel, die von den Eingeborenen Savu genannt wird
und zu den Kleinen Sundainseln zählt -- für Leute in unsern Umständen
Grund genug einzulaufen. Und so beschloß ich denn, der Kranken wegen,
die mir nicht verzeihen konnten, daß ich vor Timor nicht beilegen
wollte, hier vor Anker zu gehen und mit den Bewohnern dieser Insel,
die mit allem, was wir so dringend nötig hatten, reichlich versehen
waren, in Verbindung zu treten. Die Pinasse wurde also ausgehoben, und
der zweite Schiffsoffizier Gore wurde abgeschickt, um einen Ankerplatz
für das Schiff ausfindig zu machen. Kaum war er fort, so erblickten
wir zwei Reiter, die das Schiff mit großem Interesse betrachteten. Aus
diesem Umstand schlossen wir, daß sich auf der Insel Europäer befänden,
wodurch wir uns aller Weitläufigkeiten enthoben wähnten. Unterdessen
landete Gore in einer kleinen, sandigen Bucht, an der etliche
Häuser standen. Wir beobachteten, daß ihm ein Dutzend Eingeborener
entgegenging. An Gestalt und Kleidung waren sie den Malaien ähnlich.
Auch trugen sie wie diese ein Messer im Gürtel. Einer von ihnen führte
einen Esel bei sich. Wir sahen, daß sie Herrn Gore freundlich einluden
ans Land zu kommen, und daß sie sich mit Zeichen verständlich zu machen
suchten. Kurz darauf kam er an Bord und teilte uns mit, daß es in
dieser Gegend keinen Ankerplatz für das Schiff gebe. Ich sandte ihn
wieder ans Land und gab ihm Geld und Waren mit, um einige Erfrischungen
für die Kranken einzukaufen. Dr. Solander ging zur Begleitung mit.
Inzwischen lavierte ich mit dem Schiffe hin und her; ich mochte
ungefähr eine Meile vom Land entfernt sein. Das Boot war noch nicht
am Lande, da erblickten wir zwei Reiter, von denen der eine ganz nach
europäischer Art gekleidet war; sie schienen ihre ganze Aufmerksamkeit
dem Schiffe zu schenken. Sobald Herr Gore und Dr. Solander aus dem
Boote stiegen, versammelten sich um sie einige Leute zu Pferd und eine
große Menge Fußgänger. Wir sahen, daß man ihnen einige Kokosnüsse ins
Boot trug, ein Anblick, der uns das Beste hoffen ließ.

Nach 1½ Stunden signalisierte uns Herr Gore, daß sich leewärts eine Bai
befinde, in der wir ankern könnten. Wir steuerten sofort dahin; das
Boot folgte uns, und die beiden Herren kamen an Bord. Gore berichtete,
daß er einige der Vornehmen des Landes gesprochen, und daß man ihm die
Kokosnüsse als Geschenk überreicht habe. Auch erzählte er, auf welch
umständliche Weise er von dem Hafen Nachricht erhalten hätte.

Um 7 Uhr des Abends erreichten wir die Bai und gingen daselbst eine
Meile weit vom Land in 38 Klaftern Wasser auf reinem Sandboden vor
Anker. Als wir um die nördliche Landspitze segelten, erblickten wir
eine Stadt, weshalb wir eine Flagge aufzogen. Es dauerte nicht lange,
so wurden in der Stadt gleichfalls Flaggen aufgezogen, und zwar zu
unsrer Verwunderung holländische; zur gleichen Zeit wurden drei
Kanonenschüsse abgefeuert. Bei Anbruch des folgenden Tages bemerkte
ich auf dem Strande uns gegenüber einige aufgezogene holländische
Flaggen. Da ich nun annehmen mußte, daß die Holländer hier eine Kolonie
hätten, so schickte ich Herrn Gore in großer Uniform ans Land, um dem
Statthalter oder dem Residenten unsre Aufwartung zu machen und ihm
zu melden, wer wir wären und was uns gezwungen hätte, diese Küste
anzulaufen.

An der Stelle, wo Herr Gore landete, fand er eine Wache von dreißig
Eingeborenen, die mit Musketen bewaffnet waren; der Befehlshaber
der Wache meldete sich und geleitete ihn mit wehender Fahne nach
der Stadt, wo er dem Rajah, d. i. dem Könige der Insel, vorgestellt
wurde. Gore stattete mit Hilfe seines portugiesischen Dolmetschers
seine Meldung ab: daß der Endeavour ein dem Könige von Großbritannien
gehöriges Kriegsschiff sei, viele Kranke an Bord habe und für
diese Kranken Erfrischungen aller Art einzukaufen wünsche. Der
Rajah erwiderte höflich, daß er persönlich gerne bereit wäre, uns
mit allem, was wir verlangten, zu versorgen; weil er aber mit der
Holländisch-Indischen Kompanie ein Bündnis abgeschlossen hätte, so
müsse er, ehe er mit uns in Handelsverbindung trete, dem Residenten
der Kompanie, der der einzige weiße Mann auf der Insel sei, Kenntnis
von unserm Anliegen geben. Er schickte sogleich einen Brief an den
Residenten, der in der Nähe der Stadt wohnte, während Herr Gore einen
Boten an mich abfertigte, um mir von dem Verlauf der Verhandlungen
Kenntnis zu geben. Nach einigen Stunden beantwortete der Resident
den Brief in Person, und wir erfuhren bei dieser Gelegenheit, daß
er ein geborener Sachse war und Johann Christoph Lange hieß. Er war
der Reiter in europäischer Tracht, den wir vom Schiff aus beobachtet
hatten. Der Resident kam Herrn Gore außerordentlich liebenswürdig
entgegen und versicherte ihm, daß er seinerseits unsern Einkäufen in
jeder Weise förderlich sein werde. Auch äußerte er den Wunsch, das
Schiff zu besichtigen. Als der Rajah denselben Wunsch äußerte, erbot
sich Herr Gore sofort, die Herrschaften an Bord zu geleiten. Um 2 Uhr
erschien Gore mit seinen Gästen an Bord. Da unser Mittagsmahl gerade
zubereitet war, so luden wir sie ein daran teilzunehmen. Der Rajah
schien verlegen und meinte, er könne es nicht glauben, daß wir ihm
erlauben wollten, sich neben uns zu setzen, da wir doch weiße Männer
wären und er ein farbiger sei. Wir beruhigten ihn, und nun setzten
wir uns heiter und fröhlich zu Tisch. Um Dolmetscher waren wir nicht
verlegen. Dr. Solander verstand so viel Holländisch, sich mit dem
Residenten unterhalten zu können; einige unsrer Matrosen konnten
sich mit dem Rajah verständigen, der portugiesisch sprach. Unsre
Mahlzeit bestand aus Hammelfleisch, was den Rajah veranlaßte, sich ein
englisches Schaf auszubitten. Obwohl wir nur noch ein einziges Exemplar
an Bord hatten, wurde ihm die Bitte bewilligt; auch seine Bitte um
einen englischen Hund konnte erfüllt werden, indem ihm Herr Banks sein
Windspiel verehrte. Der Resident erhielt auf seinen Wunsch ein Fernglas
zum Andenken. Hierauf erzählten uns unsre Gäste von dem großen Reichtum
der Insel an Ochsen, Schafen, Schweinen und Federvieh, von dem wir so
viel erhalten könnten als wir gebrauchten. Der Becher kreiste öfter
als der Rajah und der Resident vertragen konnten; doch hatten sie so
viel Gewalt über sich, daß sie sich noch rechtzeitig entfernten. Unsre
Seesoldaten machten die Honneurs. Der Rajah wollte einige militärische
Übungen sehen. Man willfahrte ihm und ließ drei Salven abfeuern. Das
erste Mal, als er die Präzision bemerkte, womit die Soldaten den
Hahn spannten, anschlugen und feuerten, schrie er vor Bewunderung
laut auf. Als die Gäste vom Schiff abfuhren, wobei ihnen Herr Banks
und Dr. Solander das Geleite gaben, feuerten wir zu ihren Ehren neun
Kanonenschüsse ab.

In der Stadt wurden die Herren Banks und Dr. Solander von dem Rajah
mit süßem Palmwein bewirtet. Dieses Getränke ist nichts anders als
der Saft, der aus der angebohrten Palmknospe träufelt; er schmeckt
süß, aber nicht unangenehm. Dr. Solander verordnete ihn sofort unsern
Skorbutkranken, nachdem er zu diesem Zweck einige Krüge davon gekauft
hatte. Am nächsten Morgen stattete ich mit den Herren Banks und Dr.
Solander sowie den ersten Offizieren dem Rajah einen Gegenbesuch
ab, um gleichzeitig einige Ochsen, Schafe und Federvieh von ihm
einzuhandeln. Darauf besuchten wir die von der Holländisch-Indischen
Kompanie erbauten Gebäude. In dem größten trafen wir Herrn Lange
und den Rajah, der Ae Mädocho Lomi Dära hieß und diesmal mit seinem
ganzen Hofstaat erschienen war. Als wir dem Residenten vorschlugen,
einen Tauschhandel zu etablieren, wies er uns an die Eingeborenen und
empfahl sich unter irgendeinem Vorwand. Der Rajah lud uns zu Tisch
ein, was wir annahmen. Den Wein stellten wir. Das Essen bestand aus
Reis und Schweinefleisch, das auf verschiedene Weise zubereitet worden
war und in 36 Schüsseln aufgetragen wurde. Nach der Landessitte nahm
der Rajah nicht daran teil; ihn vertrat sein Premierminister. Auch
der Resident erschien wieder und wohnte der Festlichkeit bei. Die
verschiedenen Gerichte mundeten ausgezeichnet; auch die verschiedenen
Suppen, die dazu gereicht wurden, waren vorzüglich. Die aus Blättern
verfertigten Löffel, deren wir uns bedienen mußten, waren zu klein,
so daß nur wenige die Geduld besaßen, sich ihrer zu bedienen. Nach
Tisch begaben wir uns, um uns den Freuden des Weines zu ergeben, in
einen andern Raum, während die Matrosen unsre Plätze einnahmen, um die
Reste unsres Menüs zu verzehren, was ihnen unmöglich war, so reichlich
wurde aufgetischt. Die Frauen und Mädchen, die die Speisen auftrugen,
nötigten unsre Leute, das, was sie nicht verzehrten, mitzunehmen.

Wir aber saßen fröhlich beim Wein! Und da der Wein die Zunge löst
und das Herz fröhlich macht, so brachten wir das Gespräch wieder auf
unsre Angelegenheiten, den Einkauf von Ochsen usw. Unser sächsischer
Holländer setzte jetzt eine Amtsmiene auf und erklärte, von seinen
Vorgesetzten den Befehl erhalten zu haben, uns nur mit dem Nötigsten
zu versehen und einen längeren Aufenthalt nicht zu gestatten. Wir
hielten diesen Befehl für eine Fabel, ersonnen, uns zu brandschatzen,
und beschlossen dem vorzubeugen. In der Tat war das für uns bestimmte
Vieh vom Markte abgetrieben worden. Wir beschwerten uns sehr energisch
bei dem verräterischen Residenten, der uns scheinheilig vertröstete.
Der Rajah machte uns Hoffnung für den nächsten Tag, an dem wir wieder
auf dem Markt erschienen, wo ein kleiner Ochse angetrieben war, für den
fünf Guineen, zweimal soviel als das Tier wert war, verlangt wurden.
Wir boten drei und erhielten den Zuschlag unter der Bedingung, daß der
Rajah den Kauf gestatte. Dr. Solander war inzwischen zu dem Residenten
gegangen, um dort vorstellig zu werden; er kam in Begleitung von etwa
100 Bewaffneten zurück und meldete mir, daß uns der Rajah den Kauf
verbiete, weil wir seine Leute übervorteilten. Wir bezweifelten nicht,
daß dieser Befehl auf den Residenten zurückzuführen war, der sich auf
erpresserische Weise an uns bereichern wollte, was er am besten dadurch
zu erreichen hoffte, daß er die Eingeborenen vom Markt vertreiben ließ.
In diesem Augenblick erkannte ich den alten Premierminister des Rajahs
und sah ihm an, daß er das Verfahren des Vertreters des Residenten
mißbilligte. Ich begrüßte ihn und schenkte ihm einen Soldatendegen;
er nahm den Degen mit Entzücken, schwenkte ihn über dem Kopf des
Portugiesen und befahl ihm und dem Offizier der Wache, sich hinter
ihn zu setzen und ruhig zu sein. Ein Zeichen des alten Herrn, und der
Markt war mit einem Male wieder belebt. Wir konnten einkaufen und
eintauschen, was wir wollten; wir erhielten sogar im Tausch die größten
Ochsen gegen alte Flinten.

Savu ist von Osten nach Westen ungefähr acht Seemeilen lang und
überaus fruchtbar. Die Einwohner sind im großen und ganzen eher klein
als groß; besonders aber sind die Frauen klein und in einem gewissen
Alter untersetzt. Die Vornehmen sind von lichter, hellbrauner Farbe;
die Haut der gewöhnlichen Leute, die viel in der Sonne arbeiten, ist
fast so dunkel wie die der Eingeborenen von Neuholland. Die Männer
sind körperlich schön gebaut; ihre Gesichtsbildung ist verschieden.
Die Frauen dagegen sehen einander so ziemlich ähnlich; sie binden
ihr Haar nach hinten in einen dichten Busch zusammen, eine Mode,
die sie nicht verschönt. Die Männer tragen ihr langes Haar mit
einem Kamm auf dem Kopfwirbel zusammengesteckt; beide Geschlechter
epilieren ihr Haar unter der Achsel, die Männer sogar den Bart. Zu
diesem Zwecke tragen die Vornehmen eine kleine silberne Zange bei
sich, die an einer Zierschnur um den Hals hängt. Die Stutzer tragen
einen winzigen Schnurrbart, der die Hälfte der Oberlippe von der
Nasenwurzel aus bedeckt. Männer wie Frauen kleiden sich in blauen,
wolkenmäßig schattierten Kattun, den sie selbst weben. Zwei Stücke
Kattun in Länge von 6 und Breite von 5½ Fuß reichen zur vollständigen
Kleidung; das eine dient als Ober-, das andre als Unterkleid. Arme,
Beine und Füße bleiben unbekleidet. Die Frauen tragen ihr Haar frei,
während die Männer eine Art von Turban um den Kopf wickeln. Auffallend
ist ihre Vorliebe für Schmuck, echten und unechten. Die Vornehmen
tragen goldene oder vergoldete Ketten um den Hals, Ringe an den
Fingern, Korallenschmuck, Armbänder und Ohrgehänge von überladenem,
oft protzenhaftem Umfang. Die Söhne des Rajahs trugen als Zeichen
ihrer Würde Schlangenarmbänder um den Oberarm. Außerdem schmückten
sich Männer und Frauen mit Tätowierungen an den Armen; bei den Frauen
waren es meist Quadrate, bei den Männern Namenszüge. Die unverkennbare
Ähnlichkeit dieser Zeichen mit denen, die sich die Südseeinsulaner
einzutätowieren pflegen, war überraschend; über den Ursprung dieser
gemeinsamen Unsitte vermochten wir natürlich Bestimmtes nicht zu
erfahren; sie ist traditionell wie die Erbsünde.

Die Häuser auf dieser Insel sind nach einem System und je nach dem
Range und dem Vermögen ihrer Besitzer kleiner oder größer erbaut; sie
sind auf Pfeilern und Pfosten ungefähr 4 Fuß hoch über dem Erdboden
errichtet. Das schräge, mit Palmblättern gedeckte Dach reicht bis auf 2
Fuß gegen den Fußboden hinunter. In jedem Hause befindet sich ein von
den übrigen Räumen abgesondertes Frauengemach. Der Haustrunk auf Savu
und auf den übrigen Sundainseln ist der auf sinnreiche Weise von der
Fächerpalme gezogene Palmwein, der Toddy. Um ihn zu gewinnen, schneiden
die Eingeborenen die Knospen der geschlossenen Blüten auf, unter die
man kleine, aus Blättern so dicht geflochtene Körbchen hängt, daß
nichts hindurchtropfen und der aus den Knospen laufende Saft gesammelt
werden kann. Zur Einsammlung dieses Saftes sind gewisse Leute bestellt,
die morgens und abends auf die Bäume klettern und die Sammelkörbchen
in einen großen Behälter leeren. So groß auch die Quantitäten dieses
Weines sein mögen, die die Insel selbst verbraucht, so ist doch die
Ernte immer noch größer, weshalb der überschüssige Saft zu Syrup, der
Gula, eingekocht wird, deren heilende Wirkung wir an unsern Kranken
beobachten konnten. Mit Reis gemischt dient die Gula zur Mästung der
Schweine und des Geflügels. Die Blätter der Fächerpalme dienen zur
Herstellung von Körben, Bechern, Sonnenschirmen und -- Tabakspfeifen;
auch deckt man die Dächer damit.

Männer wie Frauen sind dem häßlichen und schädlichen Laster ergeben,
fortwährend Betel und Areka zu kauen, woran sie von Jugend auf gewöhnt
werden. Auch mischen sie Betel und Areka mit Muschelkalk und Tabak.
Der Tabak verpestet den Atem, und der Betel mit der Kalkmischung greift
die Zähne so an, daß sie bald einer ausgebrannten Kohle gleichen.
Ich habe junge Männer gesehen, die fast keine Zähne, sondern nur
noch ekle, schwarze Zahnstumpen im Munde hatten. Meines Wissens sind
viele Schriftsteller der Ansicht, daß es die zähe, faserige Hülse der
Arekanuß sei, was die Zähne so verdirbt, allein ich bin andrer Meinung.
Ich glaube entschieden, daß der Kalk die Schuld an diesem Übel trägt,
denn die Zähne sind nicht abgebrochen oder ausgebissen, wie es sein
müßte, wenn das beständige Kauen harter Gegenstände allein in Betracht
käme, sondern nach und nach abgefressen wie Metalle, die der Wirkung
starker Säuren ausgesetzt sind; ich kann nur der zerfressenden Wirkung
des ätzenden Muschelkalks die Schuld geben. Männer wie Frauen sind
auch leidenschaftliche Raucher; sie rollen den Tabak und stecken ihn
in ein 6 Zoll langes, aus einem Palmblatt verfertigtes Röhrchen. Da
sich in ein solches Röhrchen nur sehr wenig Tabak einfüllen läßt, so
schlucken sie, um seine Wirkung zu verstärken, den Rauch in die Lunge.
Mit Vorliebe tun das wieder die Frauen.

Der Resident versicherte uns, daß das Volk sehr tapfer und kriegerisch
sei, und daß die Rajahs der fünf miteinander verbündeten Fürstentümer
der Insel 2300 Mann mit Musketen, Spießen, Lanzen, Kriegsbeilen und
Schilden bewaffneter Krieger auf die Beine stellen könnten. Die Lanzen
sollen sie, wie er uns erzählte, so geschickt zu schleudern wissen,
daß sie auf 60 Fuß Entfernung das Herz des Feindes treffen. Inwieweit
dieses Zeugnis berechtigt ist, lasse ich dahingestellt. Wir haben nie
Leute mit Lanzen gesehen, und die Musketen waren in schlechtem Zustand,
außen zwar rein, aber innen vom Rost zerfressen. Von Kriegszucht war
bei den sogenannten Truppen keine Spur zu entdecken. Auf dem Marsche
liefen sie wie ein Haufen zusammengerottetes Volk einher; der eine
trug ein Huhn, der zweite Tabak, der dritte Waren, um sie zu Markt zu
bringen; in den Patrontaschen fehlten die Patronen. Die große Kanone
vor dem Pseudozeughaus lag auf einem Steinhaufen mit dem Zündloch nach
unten. Kriegerisch sah das alles nicht aus.

Die Sklaven gehören hier zum Grundbesitz und werden gut gehalten; ohne
Vorwissen des Rajahs, d. h. ohne Urteil, darf kein Sklave gezüchtigt
werden. Manche Grundherren haben 500 Sklaven. Wenn ein vornehmer Herr
ausgeht, so trägt ihm ein Sklave sein Schwert nach, dessen Griff
meist von Silber ist; ein zweiter trägt den Betel- und Tabaksbeutel.
Der gewöhnliche Preis für einen Sklaven besteht in einem gemästeten
Schwein. Die Religion dieser Leute ist, wie uns der Resident sagte,
eine ungereimte Art Heidentums. Jeder wählt sich seinen eigenen Gott.
Es gibt beinahe so viel Götter und Götzen als es Eingeborene auf der
Insel gibt. Doch ist ihre Sittenlehre rein und verfeinert. Niemand darf
mehr als eine Frau nehmen; der uneheliche Verkehr beider Geschlechter
ist verpönt. Der Diebstahl ist verachtet. Beleidigungen werden
ausschließlich von dem Rajah gesühnt, dessen Urteil allein entscheidend
ist.




Dreizehntes Kapitel.

  In Batavia. -- Todesfälle. -- Ungesundes Klima. -- Tupia stirbt.
  -- Die Javaner und ihre Lebensgewohnheiten. -- Nationallaster. --
  Sklaverei. -- Abreise.


Am 21. September 1770 gingen wir am frühen Morgen unter Segel und
steuerten längs der Küste von Savu westwärts. Am 26. um 7 Uhr abends
befanden wir uns in der Breite, in der das Vorgebirge von Java liegt.
Trotzdem sah ich kein Land; ich richtete daher meinen Lauf nach
Ostnordost. In der Nacht zum 1. Oktober bekamen wir ein Gewitter
mit heftigem Donner und Blitz. Mitternacht, als ein fürchterlicher
Blitzstrahl Himmel und Meer erhellte, sahen wir Land im Osten. Um 6
Uhr morgens lag das westliche Ende von Java nur noch fünf Seemeilen
im Südosten. Am 2. Oktober früh 4 Uhr liefen wir hart an die Küste
von Java hinein, sodann steuerten wir längs des Landes hin. Am Morgen
schickte ich ein Boot ab, um einige Früchte für den schwer erkrankten
Tupia und Heu für das Vieh einzuhandeln. Nach zwei Stunden kam es mit
dem Verlangten zurück. Die Küste war so mit Bäumen bewachsen, daß es
wie ein einziger Wald aussah und einen herrlichen, zauberhaft schönen
Anblick gewährte. Um 11 Uhr sahen wir zwei holländische Schiffe auf der
Höhe der Angerspitze liegen. Ich schickte meinen ersten Offizier Hicks
aus, um Neuigkeiten aus unserm Vaterland einzuholen, von dem wir so
lange nichts gehört hatten. Es war nicht viel, was er zu hören bekam.

Endlich kamen wir nach einigen Kreuzfahrten glücklich auf der Reede
von Batavia vor Anker. Hier fanden wir den englischen Ostindienfahrer
»Harcourt« und zwei englische Kauffahrteischiffe, dreizehn große und
viele kleinere holländische Schiffe vor Anker liegen. Kaum waren wir
angelangt, so wurde von einem Schiffe her, das einen Kommandowimpel
führte, ein Boot an uns abgefertigt. Der Offizier, der es befehligte,
befragte uns, wer wir seien und woher wir kämen, und kehrte dann mit
der Antwort sofort an Bord seines Schiffes zurück; er und seine Leute
sahen so blaß aus wie Gespenster: eine traurige Vorbedeutung von den
Leiden, die wir in einem so ungesunden Lande ausstehen sollten! Kurz
darauf sandte ich einen Leutnant an den Statthalter ab, um ihm unsre
Ankunft mit dem Ausdruck des Bedauerns zu melden, daß wir ihn nicht wie
üblich mit neun Kanonenschüssen begrüßt hätten. Hierauf überreichte mir
der Schiffszimmermann den offiziellen Bericht über die Havarien des
Schiffes, den ich einem Gesuch an den Statthalter beilegte, das Schiff
in der Reede kielholen und reparieren zu dürfen; sodann gingen wir alle
ans Land.

Wir begaben uns sofort zu Herrn Leith, einem angesehenen Engländer, um
ihn um Rat zu fragen. Herr Leith empfing uns sehr höflich und behielt
uns zu Tisch bei sich. Wir fragten ihn, wo wir am besten in der Stadt
wohnen könnten. Er teilte uns mit, daß es einen Gasthof in Batavia
gebe, in dem alle fremden Kaufleute wohnen müßten; da wir jedoch einem
königlichen Schiffe angehörten, so bezweifle er nicht, daß uns der
Statthalter erlauben würde nach freier Wahl zu wohnen. Herr Leith
meinte, wir könnten uns besser und billiger einrichten, wenn wir in
der Stadt ein Haus mieteten und uns zur Bedienung einige Leute vom
Schiff aussuchten. Da wir aber niemand an Bord hatten, der sich mit den
Eingeborenen wegen des Einkaufs von Lebensmitteln hätte verständigen
können, so zogen es unsre Freunde vor, im Hotel zu wohnen. Um 5 Uhr des
Nachmittags wurde ich dem Statthalter vorgestellt und mit Auszeichnung
empfangen. Er sagte mir, daß ich alles erhalten würde, dessen ich
bedürfte; die Petition aber werde er dem Staatsrat unterbreiten, dem
er mich vorstellen würde. Um 9 Uhr des Abends brach ein fürchterliches
Gewitter mit Sturm, Donner und Blitz über uns herein. Der Blitz
spaltete den großen Mast eines holländischen Schiffes, das in unsrer
Nähe lag, und schleuderte ihn über Verdeck. Wir würden das nämliche
Schicksal erlitten haben, wenn wir nicht kurz vorher eine elektrische
Kette aufgehängt hätten, in die der Strahl schlug. Der Blitz fuhr
jedoch die Kette entlang ins Wasser, ohne das Schiff zu beschädigen.
Wir empfanden nur einen gewaltigen Stoß. Die Kette sprühte Funken,
und einer Schildwache, die in diesem Augenblick ihr Gewehr lud, wurde
dieses aus der Hand geschleudert und der Ladestock zerschmettert.
Von dem Staatsrat erhielt ich am nächsten Morgen persönlich die
Zusicherung, daß ich alles, was ich nötig hätte, erhalten sollte.

Da es Herrn Banks im Gasthof zu unruhig war, so mietete er nebenan
für sich und seine Freunde ein Privathaus; sobald er sich darin
eingerichtet hatte, ließ er den kranken Tupia von Bord holen, dem er
nebst Tayeto hier ein Zimmer anwies. Als Tupia die Stadt sah, lebte er
wieder auf; er promenierte gern und viel in den Straßen und sah sich
alles mit dem größten Interesse an. Als er wahrnahm, daß hier jedermann
in seiner Landestracht erscheint, so ging er nur noch in der seinigen
aus und wurde deshalb vielfach für Otourou gehalten, den Insulaner, den
Herr von Bougainville seinerzeit aus Otahiti mit sich nach Frankreich
nahm.

Die Kosten, die die Ausbesserung und die Ausrüstung des Schiffes
erforderten, nötigten mich Gelder aufzunehmen. Der Generalstatthalter
streckte mir die Summe, die ich brauchte, aus der Kasse der Kompanie
vor, worauf ich das Schiff auf die Werft brachte. Unterdessen machte
sich das mörderische Klima über uns her. Der erste, der schwer
erkrankte, war Tupia; Tayeto bekam eine Lungenentzündung; zwei Bediente
des Herrn Banks wurden bettlägerig, und bei den Herren Banks und Dr.
Solander stellten sich schwere Fiebererscheinungen ein. Nach wenigen
Tagen war fast jedermann von uns krank. Dies rührte ohne Zweifel
von der niedrigen, sumpfigen Lage des Ortes und von den unzähligen,
unreinen Kanälen her, die die Stadt nach allen Richtungen hin
durchziehen. Tupia war der erste, der sich wieder nach der reineren
Seeluft sehnte. Herr Banks ging mit ihm nach dem Kuyporeiland und
errichtete ihm bei der Schiffswerft ein Zelt. Auch pflegte er ihn
so lange, bis er selbst so schwach wurde, daß er kaum mehr gehen
konnte. Dr. Solander brach ebenfalls zusammen, und unser Schiffsarzt
Monkhouse konnte das Bett nicht mehr verlassen. Am 5. November, an
dem Tage, wo das Schiff umgelegt wurde, starb der arme Monkhouse, ein
einsichtsvoller Arzt und uns allen ein treuer Freund. Ein furchtbarer
Schlag für uns. Herr Banks war so schwach, daß er nicht einmal dem
Leichenbegängnis beiwohnen konnte. Der Tod kam uns allen sichtbar
näher, und wir konnten ihm nicht entfliehen. Am 9. November starb
Tayeto, dessen Tod unsern armen Tupia so furchtbar hart traf, daß wir
an seinem Aufkommen zu zweifeln begannen.

Der Boden des Schiffes war unterdessen genau untersucht worden. Der
Afterkiel fehlte bis auf eine Kleinigkeit; der Hauptkiel war schwer
beschädigt; ein großer Teil der Schiffshaut fehlte, und viele von den
inneren Planken waren derart abgescheuert, daß sie kaum mehr einen
achtel Zoll dick waren. Auch die Würmer hatten ihr Zerstörungswerk
begonnen und die Rippen angefressen. In diesem trostlosen Zustand war
das Schiff viele Hunderte von Seemeilen über den Teil des Weltmeers
gesegelt, der für die Schiffahrt als der gefährlichste gilt. Welches
Glück, daß wir nicht wußten, daß unser Schiffsboden noch dünner als
eine Schuhsohle war, daß zwischen uns und dem bodenlosen Abgrund
des Korallenmeers nur diese dünne Scheidewand war! Und allen diesen
Gefahren waren wir entgangen, um hier am Lande eines elenden Todes zu
sterben!

Die Herren Banks und Dr. Solander waren so krank, daß der Arzt ihnen
als einziges Rettungsmittel Luftveränderung vorschrieb. Wir mieteten
ihnen ein Landhaus zwei Meilen von der Stadt entfernt und kauften
ihnen auf ihren Wunsch zwei malaiische Sklavinnen als Pflegerinnen.
Kurz nach der Übersiedelung der beiden Herren starb zu unser aller
Leidwesen der arme Tupia, der sich von dem Verluste seines jungen
Freundes nicht mehr erholen konnte. Zum Glück wirkten die Seeluft und
der Landaufenthalt bei unsern andern Kranken; die Herren Banks und
Dr. Solander erholten sich zusehends. Während sie genasen, erkrankten
andre, so daß von der ganzen Besatzung kaum zehn Mann imstande waren
Dienst zu tun. Auch ich konnte mich vor Fieber nicht mehr aufrecht
halten. Desungeachtet fuhr ich fort, das Schiff auszurüsten und den
nötigen Proviant einzuhandeln. Am 26. November stellte sich nach
einem furchtbaren, wolkenbruchartigen Unwetter der Passatwind ein.
Der Regen durchströmte unser Landhaus wie ein Sieb; und in den untern
Zimmern wütete das Wasser wie ein Bach, der ein Mühlrad hätte treiben
können. In der Stadt war es nicht anders. Alles war überschwemmt. Auf
diese Weise stellte sich die Regenzeit ein; doch gab es noch schöne
und heitere Tage. Die Frösche, die hier zehnmal lauter quaken als die
europäischen, waren uns zu gute Wetterpropheten, und die Moskitos, die
in der heißen Jahreszeit lästig genug waren, wurden zur Landplage; sie
schwärmten aus ihren Pfützen und Tümpeln in solcher Unzahl, daß man
sich ihrer kaum erwehren konnte. Aber der Mensch gewöhnt sich an alles.

Am 8. Dezember war das Schiff ausgebessert, die Kranken waren an
Bord, und wir liefen die Reede hinauf. Hier ankerten wir bis
zum 24. Dezember, um das Schiff vollständig auszurüsten und zu
verproviantieren. Wir wären früher fertig geworden, wenn uns nicht
Krankheiten und Todesfälle heimgesucht hätten.

Am Nachmittag verabschiedete ich mich von dem Statthalter und den
angesehensten Bürgern, die uns während unseres Aufenthalts in Batavia
so gastfreundlich begegnet waren. Weihnachten feierten wir am Lande; am
Abend des ersten Feiertags gingen wir alle an Bord, und am 26. Dezember
früh 6 Uhr lichteten wir die Anker. Der englische Ostindienfahrer
Elgin, Kapitän Cook, ein Namensvetter von mir, mit dem wir sehr frohe
Stunden verlebt hatten, begrüßte uns mit dreimaligem Hurra und dreizehn
Kanonenschüssen; das Fort brachte einen Salut von vierzehn Schüssen.
Beide Grüße erwiderten wir mit Hilfe unsrer Drehbassen.

Wir waren aber kaum an den letzten Schiffen vorüber, als der Wind sich
drehte und uns zwang, bis zum nächsten Tag vor Anker zu gehen. Zu
dieser Zeit belief sich die Anzahl unsrer Kranken an Bord auf vierzig
Mann, und der Rest war kaum genesen. Mit Ausnahme des Segelmachers,
eines Jünglings von ungefähr 75 Jahren, waren wir alle mehr oder minder
krank; der gute Knabe war aber während unseres ganzen Aufenthalts in
Batavia niemals so nüchtern gewesen, daß er selbst hätte wissen können,
ob er die Malaria hatte oder nicht; jedenfalls hat er sie weggeekelt,
während wir im ganzen sieben Genossen ans Grab zu begleiten hatten. Von
diesen fielen sechs dem Klima zum Opfer, während der arme Tupia mehr
seiner veränderten Lebensweise unterlag.

Batavia, die Hauptstadt der holländischen Kolonien in Java, ist, was
die Kanäle betrifft, ein zweites Holland, ein zweites Venedig. In der
heißen Jahreszeit aber verpesten diese Kanäle mit ihrem stagnierenden
Wasser die Luft; in der Regenzeit überschwemmen sie die niedriger
gelegenen Stadtteile mit ihrem Schlamm und ihrem Kot und sind beinahe
stets mit Tierleichen gefüllt. Tote Hunde und Pferde bleiben so lange
liegen, bis sie von einer zufälligen Überschwemmung abgetrieben werden.
Ich sah hier einen toten Ochsen über acht Tage lang im Hauptkanal
umhertreiben. Daher auch die ungesunden Verhältnisse von Batavia, die
so mörderisch sind, daß, wie man uns sagte, von hundert Soldaten,
die aus Europa hier anlangen, kaum fünfzig das erste Jahr überleben
und kaum zehn dienstfähig sind. Dieser Bericht kann zwar übertrieben
sein, allein die Gespenster, die wir hier mit einem Gewehr herumlaufen
sahen, bestätigen die traurige Wahrheit des Gesagten. In ganz Batavia
haben wir keinen wirklich gesunden Mann getroffen; auch die Frauen
sahen alle blaß und krank aus. Man nimmt hier die Arzneien fast
gewohnheitsmäßig ein und spricht vom Sterben wie von einer alltäglichen
Sache. Die Eingeborenen verbrennen eine Unmasse von wohlriechendem Holz
und Harzen und sind die üppigsten Blumenzüchter, die man sich denken
kann; vermutlich sollen ihnen die Wohlgerüche als Gegengift gegen die
mephitischen Ausdünstungen ihrer Gruben und Kanäle dienen.

Wir sahen zwar viele weiße Frauen, aber kaum zehn waren geborene
Europäerinnen; doch stammten die meisten von Europäern ab.
Merkwürdigerweise schadet das Klima den Frauen weniger als den Männern.
Diese Kreolinnen ahmen jedoch die Gebräuche der Malaiinnen so sehr
nach, kauen Betel wie sie und tragen Kleidung und Haar so sehr nach der
Mode der Eingeborenen, daß man sie nur an der Hautfarbe erkennen kann.
Die Bevölkerung selbst besteht aus Holländern, Portugiesen, Chinesen,
Malaien und Negern. Die Chinesen treiben meist Handelsgeschäfte;
sie sind in der Tat die rührigsten Kaufleute, die man sich denken
kann, und ohne sie ist hier kein Geschäft möglich. Die Portugiesen,
die Java bevölkern, haben sich mit den Javanern so sehr vermischt,
daß man sie nur an der Hautfarbe von ihnen unterscheiden kann. Die
Malaien sind meist als Sklaven von den benachbarten Inseln importiert
und später freigelassen worden. Als Mohammedaner nennen sie sich die
Rechtgläubigen, die Isalams, was sie aber nicht hindert, sich durch
Opiumhandel zu bereichern, Betel und Areka zu pflanzen und die Laster
ihrer alten Heimat getreulich beizubehalten. Die eigentlichen Javaner
sind mit den Isalams verschmolzen. Männer wie Frauen verwenden trotz
des Betelkauens auf die Pflege ihrer Zähne die größte Sorgfalt, indem
sie die Zähne gleichlang abfeilen und eine Rinne in die obere Zahnreihe
schneiden, die mit dem Zahnfleisch parallel läuft. Allgemein frönen sie
dem Laster des Opiumrauchens so sehr, daß unter ihnen eine besondere
Art von Wahnsinn herrscht, den man das Amoklaufen nennt. Wenn jemand
Amok läuft, so ist er vogelfrei, man kann ihn niederschlagen wie einen
tollen Hund, denn er ist nichts anders als ein Tobsüchtiger, der sich
mit Opium zu einem Mord berauscht, rasend auf die Straße läuft und nun
unterschiedslos jedermann anfällt, der ihm begegnet. Wir sahen einen
wohlhabenden Mann Amok laufen aus Eifersucht auf seinen Bruder, den er
in seinem Blutrausch tötete. Diese Mordmanie ist so verbreitet, daß
die Gerichtsdiener eigene Fangapparate, große Gabelzangen, mit sich
herumtragen, um die Amokläufer, die ihr Leben teuer genug verkaufen,
unschädlich zu machen. Die gefangenen Amokläufer werden unmittelbar
nach ihrer Verhaftung auf dem Schauplatz ihres ersten Mordes ohne Gnade
lebendig gerädert.

Merkwürdig ist, daß die Javaner, obwohl sie meist Mohammedaner sind,
den Teufel als den Urheber alles Übels anbeten und ihm in der Not
sogenannte Versöhnungsopfer darbringen. Auch glauben sie, daß manche
Menschen einen Sandura, d. h. ein Krokodil, als Zwillingsbruder hätten.
Die Familie, in der sich eine solche Geburt ereignet haben soll,
trägt ihrem Sandura im nahen Fluß so reichlich Nahrungsmittel zu, daß
sie selbst oft darunter notleidet; denn eine Vernachlässigung dieser
Pflicht wird unnachsichtlich mit einem Krankheits- oder Sterbefall
in der Familie geahndet. Eine junge Sklavin, die unter Engländern
erzogen worden war, erzählte Herrn Banks, ihr Vater habe ihr auf seinem
Totenbett entdeckt, daß er ein Krokodil zu seinem Sandura hätte, und
habe ihr aufgetragen, die Bestie zeit ihres Lebens zu füttern. Sie
gehe daher jeden Tag an den Fluß, um ihren Oheim zu füttern. Gegen
die Macht dieses Aberglaubens helfen keine Vernunftgründe. Die Leute
glauben so fest an die Mythe vom Sandura, daß sie an gewissen Festtagen
gemeinsam hinausrudern, um ihre gefräßigen Verwandten mit Fleisch,
Betel und Tabak zu regalieren.

Nächst den Chinesen, die in einem besondern Quartier wohnen und allen
ihren Nationallastern, dem Opiumrauchen und dem Spiele frönen, sind in
Batavia die Sklaven am zahlreichsten. Jedermann hält sich zu seiner
Bedienung Sklaven, und wo man einen Holländer, einen Portugiesen oder
einen Isalam sieht, er sei vornehmen oder geringen Standes, reich oder
arm, so sieht man ihn in Begleitung seiner Sklaven. Man führt sie aus
Sumatra und den östlichen Provinzen ein. Die Javaner selbst sind durch
die Gesetze und schwere Strafen vor der Leibeigenschaft und dem Lose
geschützt, als Sklaven in dem Lande zu leben, dessen Herren sie einst
waren; eine gesetzgeberische Maßnahme, die ihrem trägen Sinne wenig
zusagt, zumal da die Sklaven hier ein Leben wie in Arkadien führen
und die faulste Menschensorte unter Gottes Himmel sind. Für einen
Sklaven zahlt man in Batavia zehn bis zwanzig Pfund Sterling, für ein
Mädchen, wenn es schön ist, bis zu hundert Pfund. Man hat Sklaven aus
allen Völkerschaften. Berüchtigt sind die Negersklaven aus Afrika, die
man hier Papuas nennt; sie sind Diebe und unverbesserliche Faulenzer.
Nicht viel besser sind die Sklaven von der Insel Celebes, die sich
nicht nur durch ihre Faulheit, sondern auch durch ihren rachsüchtigen
Charakter auszeichnen. Die zuverlässigsten Sklaven kommen aus Bali, die
schönsten Sklavinnen aus Bias, einer kleinen Insel bei Sumatra. Leider
sind diese Mädchen körperlich so zart, daß sie dem mörderischen Klima
von Batavia leicht erliegen. Die Sklaven stehen unter der Strafgewalt
ihrer Herren; wer jedoch seinen Sklaven so mißhandelt, daß er daran
stirbt, verfällt der Todesstrafe. Daher züchtigen die Sklavenhalter
ihre Leute nicht selbst, sondern sie überlassen das dem Marineu, einer
Gerichtsperson, der es obliegt, den Straßenfrieden zu wahren, die
Amokläufer einzufangen und straffällige Sklaven zu züchtigen. Dies
besorgt jedoch der Marineu nicht selbst, sondern er läßt es von seinen
Sklaven ausführen. Die Sklaven werden öffentlich vor der Haustüre
ihres Herrn, die Sklavinnen innerhalb des Hauses gezüchtigt. Als
Strafinstrument dienen dünne Bambusrohre, die aber so kräftig wirken,
daß auf jeden Hieb Blut fließt. Für jede gewöhnliche Exekution erhält
der Marineu einen Taler, für eine besonders harte einen Dukaten.




Vierzehntes Kapitel.

  Die Prinzeninsel. -- Besuch beim König. -- Die Eingeborenen. -- Das
  schwimmende Hospital. -- Wir begraben dreiundzwanzig Mann. -- Am Kap
  der Guten Hoffnung. -- Die Hottentotten und ihre Sitten.


Donnerstag, den 27. Dezember, liefen wir in See; am 29. kamen wir an
Pulo Pare vorüber; am 1. Januar 1771 segelten wir wiederum der Küste
von Java zu. Am 5. Januar befanden wir uns an der Prinzeninsel.
Da sich der Zustand der Kranken seit unsrer Abreise von Batavia
verschlimmert hatte, so beschloß ich hier beizulegen und ging um 3 Uhr
des Nachmittags an der südöstlichen Seite der Insel in 18 Klaftern
Wasser vor Anker, um Erfrischungen für die Kranken einzukaufen und
unsre Vorräte an Holz und Wasser zu ergänzen.

Als das Schiff gehörig gesichert war, ging ich mit den Herren
Banks und Dr. Solander ans Land. Am Strande begegneten uns einige
Eingeborene, die sich erboten, uns zu ihrem Könige zu geleiten,
ein Vorschlag, den wir sofort annahmen. Seine Majestät empfing uns
mit großer Auszeichnung. Was aber den Einkauf von Lebensmitteln,
Schildkröten und andern Erfrischungen betraf, so wurden wir über den
Preis nicht einig. Seine Majestät war ein großer Halsabschneider und
forderte haarsträubende Preise. Dies machte uns weiter keine Sorge,
denn wir wußten im voraus, daß er am andern Tage seine Leute auf
unsre Preise stimmen würde. In dieser Erwartung empfahlen wir uns von
dem König und der Versammlung von Indianern, die er zu unsern Ehren
zusammengetrommelt hatte, und nahmen unsern Rückweg längs der Küste,
um eine Wasserstelle ausfindig zu machen, was uns auch gelang. Wir
fanden nämlich in der für unsre Zwecke günstigsten Lage Wasser. Als wir
uns einschiffen wollten, boten uns einige Indianer drei Schildkröten
zum Kauf an. Wir wurden handelseinig, mußten aber an Eides Statt
versichern, Seiner Majestät diesen Kauf zu verschweigen.

Am andern Morgen kommandierte ich einen Teil der Mannschaft ab, um
Wasser einzuholen. Wir gingen des Proviantes wegen ans Land, fanden
jedoch, daß die Eingeborenen auf Allerhöchsten Befehl auf ihren hohen
Preisen bestanden. Allein als sie sahen, daß auch wir unsre Preise
hatten und nicht zu bewegen waren, mehr zu geben, als wir von Anfang
an geboten hatten, so bequemten sie sich nach ein paar Stunden des
Feilschens zu unsern Preisen. Wir hatten bald sämtliche Schildkröten
und ausgestellten Früchte an Bord. Die vorher gekauften Schildkröten
teilte ich der Mannschaft zu, die seit vier Monaten nur von frischen
Lebensmitteln lebte, sich also in bezug auf die Verpflegung über
eine Vernachlässigung von meiner Seite nicht beklagen konnte. Vier
Monate auf hoher See und nicht ein einziges Mal Pökelfleisch! -- unser
Schiffskoch hielt das für ein Wunder. Am Abend stattete Herr Banks
dem König, der gerade sein Abendessen kochte, in dem Königlichen
Palais, das aus einer Hütte im Reisfeld bestand, seinen Besuch ab und
wurde ungemein gnädig empfangen. Am folgenden Tag war der Markt mit
Fischen, Geflügel, jungen Rehen, Früchten und kleinen Affen überfüllt.
Schildkröten gab es nicht; wir hatten sie aufgekauft. Aber die Tage
darauf entsprach das Angebot an Schildkröten wieder der Nachfrage; doch
bekamen wir nie soviel wie am ersten Tag.

Herr Banks erinnerte sich, daß ihm sein malaiischer Bedienter in
Batavia von einer Stadt auf der Prinzeninsel erzählt hatte, die im
Westen liege. In der Absicht sie aufzusuchen reiste er, weil er gehört
hatte, daß die Eingeborenen Fremde nur höchst ungern in diese Stadt
geleiteten, unter dem Vorwand ab, daß er Pflanzen suchen wollte.
Nachdem er mit seinen Begleitern zwei Stunden lang unterwegs gewesen
war, begegneten sie einem alten Manne, bei dem sie sich nach der
kleinen Stadt erkundigten. Der Alte gab ihnen zuerst eine falsche
Auskunft und suchte sie in die Irre zu führen; als er aber sah, daß ihm
das nicht gelang, führte er sie auf dem nächsten Wege nach Samadang,
wie die Hauptstadt der Insel heißt.

Samadang ist eine Stadt von vierhundert Häusern und wird von einem
Flusse durchzogen; die beiden Stadtteile werden durch eine Fähre
verbunden. Banks erkannte unter den Einwohnern, die sich bei seinem
Erscheinen neugierig ansammelten, mehrere, mit denen wir an der Küste
gehandelt hatten. Er bat sie, ihn und seine Begleiter nach der Neustadt
zu führen, was die Angesprochenen gegen eine kleine Vergütung denn
auch taten. Das Volk empfing sie hier sehr freundlich und zeigte
ihnen die Häuser des Königs und der vornehmsten Häuptlinge. Leider
befanden sich die Herrschaften in ihren Hütten in den Reisfeldern, wo
sie sich damit beschäftigten, die Vögel und die Affen, die die Ernte
bedrohten, zu verscheuchen. Von einer Besichtigung des Innern der sehr
ansehnlichen Häuser mußte daher abgesehen werden. Zur Rückkehr nach der
Küste mietete Herr Banks ein Segelboot, wofür er dessen Besitzer vier
Schilling zahlte.

Wir kauften außer Geflügel und Früchten täglich drei Zentner
Schildkröten. Am 13. abends war unser Proviant ergänzt, und wir dachten
an die Abreise. Herr Banks ging noch einmal ans Land, um sich von
dem Könige zu verabschieden, bei welcher Gelegenheit er ihm zwei Buch
Papier zum Geschenk machte. Am 14. waren wir segelfertig; am 15. früh
stachen wir bei leichtem Nordostwind in See.

Wir hatten an der Küste der Prinzeninsel, die von den Eingeborenen
Pulo Paneitan genannt wird, zehn Tage verweilt. Die Einwohner sind
Javaner; ihr Rajah, der König, steht unter der Oberhoheit des Sultans
von Bantam. Die Javaner der Prinzeninsel ähneln in ihrer Tracht, ihren
Sitten und Gewohnheiten denen von Batavia. Nur scheinen sie in bezug
auf ihre Frauen, die sie vor uns versteckten, eifersüchtiger als die
Bataver zu sein. Wir sahen während unseres Aufenthalts zufällig im
Walde eine einzige Frau; als sie uns erblickte, lief sie schreiend
davon und verbarg sich. Die Paneitanjavaner sind strenggläubige
Mohammedaner, die ihren Ramadan so streng hielten und fasteten, daß sie
an diesem hohen Festtage nicht einmal dem heißgeliebten Betel huldigten.

Die Häuser in der Stadt, die Herr Banks besichtigte, sind auf Pfählen
erbaut, die 4 bis 5 Fuß hoch sind und auf denen der aus Bambusrohr
verfertigte Fußboden ruht. Auch die Seitenwände sind aus Bambusrohr,
das die Fachwerke dicht ausfüllt. Die schrägen, steilen Dächer sind
mit Palmenblättern so dicht gedeckt, daß weder Sonne noch Regen
hindurchdringt. Das Haus des Königs und das des reichsten Mannes auf
der Insel hatten Bretterwände. Die Häuser in den Reisfeldern sind als
Landhäuser bedeutend kleiner gebaut, nur sind die Pfosten, worauf sie
ruhen, etwa 10 Fuß hoch. Die Vorfahren der Paneitanjavaner wohnten
ursprünglich an der neuen Bai von Java; sie wanderten der vielen
Tiger wegen, die dort die Dschungeln und Wälder unsicher machen,
aus und ließen sich auf der in dieser Hinsicht mehr geschützten,
außerordentlich fruchtbaren Prinzeninsel nieder.

Wir beschleunigten unsre Reise nach dem Kap der Guten Hoffnung, denn
wir waren in einer fürchterlichen Lage. Das schlechte Wasser von der
Prinzeninsel hatte unsern Kranken sehr geschadet. Zu der Malaria, dem
Skorbut und dem Wechselfieber war noch eine gefährliche Dysenterie
gekommen, die uns zwang, das ganze Schiff mit Essig zu desinfizieren,
um die bösartige Wirkung der ansteckenden Ausdünstungen unsrer Kranken
zu bekämpfen. Herr Banks erlitt einen so bedenklichen Rückfall, daß wir
eine Zeitlang an seinem Aufkommen zweifelten. Das Schiff selbst war ein
schwimmendes Hospital, worin es den Kranken an der nötigsten Pflege
fehlte, so daß wir jeden Morgen eine neue Leiche hatten. Nicht ganz in
sechs Wochen mußten wir auf dieser Todesfahrt der See dreiundzwanzig
Tote übergeben, darunter den Astronomen Green, Parkinson den Maler,
den Reisenden Sporing, den freiwilligen Unteroffizier Monkhouse, den
Oberbootsmann, den Schiffszimmermann, den alten Segelmacher und seinen
Gehilfen, den Schiffskoch, den Korporal der Seesoldaten, einen zweiten
Unteroffizier, die beiden Zimmermannsgehilfen und neun Matrosen. Im
ganzen hatten wir seit unsrer Ankunft in Batavia dreißig Tote zu
beklagen. Eine furchtbare Meerfahrt war es, die wir im Totenschiff
zurücklegten; wir atmeten erst auf, als wir die Höhe des Vorgebirges
der Guten Hoffnung erblickten, wo wir am 15. März in 7 Klaftern auf
schlammigem Boden vor Anker gingen.

Ich begab mich sogleich ans Land, um dem Statthalter meine Aufwartung
zu machen und ihn um Hilfe für meine armen Kranken zu bitten, die mir
auch zugesagt und in jeder Weise zuteil wurde. Ich mietete für sie
in herrlicher, gesunder Lage ein Haus, wo man sie, den Mann täglich
für zwei Schilling, mit Kost und Pflege versah. Auf der ganzen
traurigen Fahrt hierher fiel sonst nichts Besonderes vor, was den
Seefahrer interessieren könnte. In der Windstille war die Luft schwül
und ungesund. Wenigstens konstatierte ich, daß an solchen Tagen die
Dysenterie sich so verschlimmerte, daß sich jeder für verloren gab,
umsomehr als die gereichte Medizin nicht im geringsten anschlug.
Kaum hatten wir aber den Passatwind erreicht, als wir sofort an uns
und unsern Kranken dessen heilsame Wirkung verspürten. Wir verloren
allerdings noch zwei der Kranken, allein diese waren schon in Batavia
hoffnungslos erkrankt. Wir glaubten zuerst, daß die Schildkröten,
die wir auf der Prinzeninsel gekauft hatten, die fürchterlichen,
verheerenden Wirkungen der Dysenterie verursacht hätten, allein wir
hörten in Kapstadt, daß alle die Schiffe, die mit uns von Batavia
abgesegelt waren, ebensosehr von Krankheit mitgenommen worden waren
wie wir; auch hier war der Keim zu der todbringenden Dysenterie
in Batavia gelegt worden, denn keines dieser Schiffe, die fast
ebensoviel Tote hatten wie wir, hatte an der Prinzeninsel geankert.
Als wir am Vorgebirge der Guten Hoffnung vor Anker lagen, segelte
der Ostindienfahrer »Hougthon« nach England ab. Der »Hougthon« hatte
während seines Aufenthalts in Ostindien 30-40 Mann durch Krankheiten
eingebüßt, und als er das Kap verließ, lagen noch viele von seinen
Leuten so sehr am Skorbut danieder, daß man stündlich ihr Ableben
erwartete. Andre Schiffe, die nicht viel über ein Jahr von England
fern waren, hatten nicht weniger gelitten. Wenn wir bedachten, daß wir
dreimal so lange Zeit von Hause fort waren wie sie, so konnten wir mit
unserm Schicksal nicht so sehr grollen; im Verhältnis waren wir weniger
heimgesucht worden als unsre Leidensgefährten.

Teils um die Genesung der Kranken abzuwarten, teils um Proviant
einzunehmen und Schiff wie Takelwerk auszubessern, blieb ich bis zum
13. April hier vor Anker. An diesem Tage nahm ich die Kranken, von
denen sich noch verschiedene in sehr gefährlichem Zustand befanden,
wieder an Bord, verabschiedete mich von dem Gouverneur und lichtete am
14. die Anker, um mit dem ersten Wind auszulaufen.

Das Vorgebirge der Guten Hoffnung ist so oft beschrieben worden, daß
ich nur weniges berichtigend zu sagen habe. Sehr berichtigungsbedürftig
sind in erster Linie die übertriebenen Schilderungen von der
Schönheit und Fruchtbarkeit dieses Landes, die mit der Wahrheit wenig
übereinstimmen, denn auf unsrer ganzen Reise haben wir kein Land
gefunden, das so sehr einer unfruchtbaren Wüste geglichen hätte. Die
Halbinsel, die von der Tafelbai und von der falschen Bai umgeben ist,
besteht aus hohen, kahlen und trostlosen Bergen. Hinter diesen liegt
nach Osten hin eine Landenge, die aus Sandboden besteht, worauf nichts
als Heidekraut gedeiht. Die wenigen fruchtbaren Stellen, die mit Wein,
Obst und Gemüse angepflanzt sind, verhalten sich zu den unfruchtbaren
wie eins zu tausend. Auch im Innern des Landes ist es nicht viel
anders. Die Holländer sagten uns, daß viele von ihren Landsleuten sich
etwa 900 englische Meilen entfernt im Innern des Landes niedergelassen
hätten und aus dieser großen Entfernung den Ertrag ihrer Felder per
Achse zu Markt ans Kap brächten. Während unsres Aufenthaltes kam ein
Bur fünfzehn Tagereisen weit aus dem Landesinnern und brachte seine
jungen Kinder mit. Wir verwunderten uns und meinten, ob es nicht
bequemer gewesen wäre, die Kleinen bei dem Nachbar unterzubringen.
»Nachbar!« lachte der Mann, »mein nächster Nachbar wohnt fünf
Tagereisen von mir entfernt!« Muß das Land nicht schrecklich öde sein,
wenn die Bauern, die vom Ackerbau und von der Viehzucht leben, der
Unfruchtbarkeit des Landes wegen so weit voneinander wohnen müssen?

Die einzige Stadt, die die Holländer hier gebaut haben, ist Kapstadt.
Sie besteht etwa aus hundert Backsteinhäusern, die des Südwinds wegen
mit Stroh gedeckt sind. Ziegel und Schiefer könnte man auf dem Dache
nicht erhalten. Die Straßen sind breit und bequem, und durchschneiden
einander im rechten Winkel. In der Hauptstraße findet man einen zu
beiden Seiten mit Eichen bepflanzten Kanal. Die Eichen haben sich gut
entwickelt und spenden einen kühlenden Schatten. Sonst sind die Bäume
hier stark verkrüppelt. Unter den Bewohnern der Kapstadt überwiegen die
Holländer bei weitem. Da die meisten als Hausbesitzer an Fremde und
Reisende vermieten, so haben sich ihre Lebensgewohnheiten denen fremder
Nationen vielfach angepaßt. Die Frauen aber bleiben ihren holländischen
Sitten so treu, daß z. B. jede beim Ausgang eine Magd neben sich hat,
die ihr wie in der Heimat zum Fußwärmen den Eisentopf mit glühenden
Kohlen nachträgt, was in dem viel heißeren Klima von Kapstadt geradezu
deplaciert erscheint und lächerlich wirkt. Im allgemeinen sind die
Holländerinnen hier sehr schön und haben eine reine, zarte Haut und
eine blühende, gesunde Farbe. Sie geben die besten Ehefrauen von der
Welt, die ihr Hauswesen sorgsam leiten und gute, meist kinderreiche
Mütter sind. Ein Haus, in dem es nicht von Kindern wimmelt, ist hier
selten. Die Luft ist ungemein gesund und heilkräftig.

Was wir über die Eingeborenen dieses Landes hörten, haben wir nur vom
Hörensagen, denn von ihrer Lebensweise und ihren ursprünglichen Sitten
bekommt man in der Stadt selbst nichts zu sehen. Wer sie daraufhin
beobachten will, muß sie in ihren Dörfern, ihrem Kral besuchen. Das
nächste Hottentottendorf aber liegt wenigstens vier Meilen von der
Stadt entfernt. Diejenigen, die man in der Stadt zu sehen bekommt, sind
meistens als Knechte bei den Buren im Dienst oder als Viehhirten tätig,
also etwas von der Kultur beleckt. Die Hottentotten sind lange, hagere
Gestalten, aber ungemein stark, gelenkig und gewandt. Manche sind 6 Fuß
groß; ihr Auge blickt träge und gleichgültig; die Haut ist pechschwarz
von Natur und noch mehr von Schmutz. Ich glaube, daß sie ihren Körper
niemals waschen, so starrt er von Schmutz und Unreinlichkeit. Das
Haar ist gesträhnt, lockig und glänzt von Fett. Die Kleidung besteht
aus einem Schaffell, das sie über der Schulter tragen, und aus einem
Schambeutel; die Frauen tragen ein Lendentuch, das an einem mit
Glaskorallen und Kupferstückchen verzierten Gürtel befestigt wird.
Männer und Frauen tragen eine Kette von Glaskorallen um den Hals und
ebensolche Armbänder. Die Weiber wickeln Lederringe um die Knöchel, um
sich gegen die Dornen zu schützen; vielfach tragen sie Holzsandalen als
Fußbekleidung. Die Sprechweise der Hottentotten ist glucksend guttural;
ihr Holländisch ist dagegen rein und in der Aussprache fehlerfrei.

Ich habe selten ein so schamhaft schüchternes Volk kennen lernen wie
die Hottentotten. Es kostete uns immer die größte Mühe von der Welt,
sie dahin zu bringen, daß sie in unserer Gegenwart tanzten. Doch
glückte es uns, sie in ihren Tänzen zu beobachten und beim Singen
ihrer Lieder zu belauschen. Die Tänze der Hottentotten sind teils
üppig lebhaft, teils träge und schläfrig. Die leidenschaftlichen Tänze
bestehen aus heftigen, erotischen Bewegungen des Körpers und aus tollen
Sprüngen; die andern darin, daß der Tänzer abwechselnd mit den Füßen
den Boden stampft, ohne sich von der Stelle zu rühren oder irgendwie
sonst den Körper zu bewegen. Es ist ein monotones Tanzen, dem einige
ihrer Lieder gleichen, während hinwiederum andre Lieder lebhafte und
feurige Melodien haben.

Wir waren gezwungen, um mehr von den Sitten und Gebräuchen der
Hottentotten zu erfahren, uns bei den Holländern danach zu erkundigen.
Wie wir von unsern Gewährsleuten hörten, gehören die Hottentotten
verschiedenen Stämmen an, die sich in ihren Eigentümlichkeiten
voneinander unterscheiden. Doch sind sie friedliebend bis auf das
im Osten wohnende Volk der Buschmänner, die vom Krieg und vom Raube
leben. Die Buschmänner sind die heimtückischsten Viehräuber, die man
sich denken kann. Was sie besonders gefährlich macht, ist, daß sie die
Spitzen ihrer Lanzen und Pfeile mit dem äußerst gefährlichen Gifte
der Kobraschlange vergiften, so daß die kleinste Wunde unbedingt
tödlich wirkt. Dabei sind sie gute Schützen, die, einerlei ob sie die
Lanze werfen oder den Pfeil abschießen oder den Stein schleudern, ihr
Ziel, und sei es auch nur talergroß, auf hundert Schritte zu treffen
wissen. Gegen diese unverbesserlichen Räuber, die ihre Raubzüge des
Nachts unternehmen, schützen sich die Hottentotten, die viel von ihnen
belästigt werden, dadurch, daß sie ihre Bullen die Nacht über frei
herumlaufen lassen. Diese vierbeinigen Nachtwächter stellen jeden, der
sich nachts ans Dorf heranschleicht, und machen dabei solchen Lärm,
daß das ganze Dorf alarmiert wird. Auch den wilden Tieren treten sie
geschlossen mutig entgegen.

Die Häuptlinge der Hottentotten gehen in Löwen-, Tiger- oder
Zebrafelle gekleidet, die sie mit Fransen und anderm Zierat einfassen.
Sie besitzen meist große Viehherden. Das ganze Volk, Männer und
Frauen, schmiert sich den Körper mit Hammelfett oder Butter ein.
Man versicherte uns, daß die Priester der Hottentotten bei der
Vermählung eines Paares dieses mit seinem Urin bespritzen, und daß
ohne diese Zeremonie die Ehe ungültig sei. Was nun die sogenannte
Hottentottenschürze der Frauen betrifft, die als besondere Schönheit
gilt, so wurde sie von einigen geleugnet. Unser Arzt dagegen, der viele
Hottentottinnen ärztlich untersucht und behandelt hat, sagte uns, daß
unter den vielen Hunderten von Frauen, die er behandelt habe, nicht
eine gewesen sei, die nicht diese scheußliche Verunstaltung an ihrem
Körper gehabt hätte; bei einigen wäre sie sogar vier und noch mehr Zoll
groß gewesen. So viel von den Eingeborenen des Kaplandes.

Die Bai ist groß, sicher und bequem. Der Nordwind kann zwar gerade noch
hineinwehen, allein er stürmt selten. Die Südostwinde wehen oft sehr
ungestüm; da sie aber in der Richtung nach der See hin blasen, so ist
keine Gefahr dabei. Um die Waren bequem aus- und einladen zu können,
haben die Holländer einen hölzernen Kai angelegt, der ziemlich weit von
der Stadt in die Bai hinausläuft. Auch kann man hier frisches Wasser
einnehmen, das dahin gepumpt wird. Der Proviant wird durch Hafenschiffe
der Kompanie an Bord gebracht; auch vermitteln diese Schiffe gegen
geringe Gebühr den Transport nach der Stadt. Die Bai selbst wird
durch ein Fort beschützt, das an der Ostseite der Stadt hart am
Strande liegt. Auch sind längs der Küste verschiedene Außenwerke und
Strandbatterien zum Schutze der Stadt und des Hafens angelegt. Allein
deren Lage ist nicht die sicherste; vom Land aus wie von den Schiffen
sind sie leicht zu beschießen. Wider einen mächtigen Gegner, der diesen
Forts von der Landseite beikäme, könnten sie sich meines Erachtens
nicht lange halten[8]. Die Besatzung besteht aus 800 Mann regulärer
Truppen und aus der Landmiliz, zu der jeder zählt, der eine Flinte
tragen kann.

[8] 24 Jahre später wurde Kapland von den Engländern unter Admiral
Elphinstone und General Clarke erobert; 1814 kam es durch den Pariser
Frieden endgültig in englischen Besitz.




Fünfzehntes Kapitel.

  Heimreise. -- Eine Sträflingsinsel. -- St. Helena. -- Grausame
  Behandlung der Sklaven daselbst. -- Wieder zu Hause.


Am 14. April 1771 früh hoben wir den Anker und steuerten aus der Bai
hinaus. Um 5 Uhr des Nachmittags befanden wir uns an der Pequin- oder
Robininsel, wo wir für die Nacht vor Anker gingen. Da ich am Morgen
der Windstille wegen nicht weiter konnte, so schickte ich ein Boot
nach der Küste, um einige Kleinigkeiten einzukaufen, die ich am Kap
zu kaufen vergessen hatte. Als sich das Boot der Küste näherte, wurde
es angerufen und ihm die Landung untersagt. Gleichzeitig erschienen
sechs Soldaten am Strand und stellten sich in Reih' und Glied mit
angelegtem Gewehr auf. Um ein paar Köpfe Gemüse, denn darum handelte
es sich, wollte der das Boot kommandierende Offizier kein Blut
vergießen; er kehrte daher zum Schiff zurück. Anfänglich war uns die
wenig gastfreundliche Art der Herren Holländer befremdlich, aber dann
erinnerten wir uns, daß die Kapholländer ihre schweren Verbrecher auf
diese Insel deportierten, wo sie in den Kalksteinbrüchen, deren es hier
sehr viele gibt, schwer arbeiten mußten. Auch erinnerten wir uns des
Vorfalls, der die Kapregierung bewogen hatte, künftighin jede Landung
eines fremden Schiffes auf der Strafinsel zu untersagen. Der Fall war
allerdings provozierend genug und macht die Rigorosität der Holländer
verständlich. Der Kapitän eines dänischen Schiffes nämlich, dem seine
Mannschaft durch Sterbefälle stark dezimiert worden und dem es nicht
gelungen war, in Kapstadt so viele Ersatzmannschaften anzuheuern, als
er zu seiner Heimreise gebrauchte, hatte die Wachmannschaften auf der
Insel überfallen und sich so vieler Verbrecher bemächtigt, als er
zur Bedienung seines Schiffes nötig hatte. Diesem Gewaltakt hatten
wir es zu verdanken, daß man uns die Landung verwehrte, was wir sehr
begreiflich fanden.

Am 25. erst konnten wir bei leichtem Ostwind die Anker heben und wieder
in See gehen. Um 4 Uhr starb unser leichtlebiger Steuermann Robert
Mollineux. Er war ein junger, sehr befähigter Seemann, aber zu seinem
Unglück genoß er die Freuden des Lebens in vollen Zügen, so daß er
sich selbst während seiner Krankheit nicht schonte. Aber sein Tod ging
uns allen sehr nahe, denn er war die Lebensfreude selbst und in den
fatalsten Lagen stets bei guter Laune.

Am 29. April passierten wir den Äquator. Wir hatten nunmehr die Welt
von Osten nach Westen her völlig umsegelt. Natürlich veranstalteten
wir bei dieser Gelegenheit ganz besondere Festlichkeiten, an denen
sogar unsre Kranken und Rekonvaleszenten regen Anteil nahmen. Am 1. Mai
erblickten wir bei Anbruch des Tages die Insel Sankt Helena. Am Mittag
legten wir uns auf der Reede vor dem Fort James vor Anker, wo wir bis
zum 4. Mai blieben.

Herr Banks, der sich vollständig wieder erholt hatte, machte in dieser
Zeit eine Rundfahrt um die Insel herum. Sankt Helena liegt fast in der
Mitte des Großen Ozeans und ist von der Küste Afrikas 400, von der
Amerikas 600 Seemeilen entfernt. Die Insel besteht aus dem Gipfel eines
ungeheuren Berges, der steil aus der unergründlichen Tiefe des Meeres
hervorragt und nicht über zwölf Seemeilen lang und sechs breit ist.
Bekanntlich ist in den Ländern, wo es Vulkane gibt, deren Sitz stets
in den höchsten Bergen zu suchen. So ist der Ätna der höchste Berg von
Sizilien und der Vesuv der von Neapel. In Island ist der höchste Berg
der Vulkan Hekla; in Südamerika liegen die Vulkane in den höchsten
Regionen der Anden und in dem berühmten Pik von Teneriffa. Alle diese
Vulkane brennen noch. Aber es gibt noch eine Menge ausgebrannter
Vulkane; unter diese gehört die Insel Sankt Helena. Ihre Oberfläche
ist sehr uneben, bald Berg, bald Tal. Diese Ungleichheiten des Bodens
sind dadurch entstanden, daß sich die Erde infolge der Wirkungen des
unterirdischen Feuers stellenweise hob oder senkte. Jedenfalls ist die
Insel vulkanischen Charakters, wie die dort vorkommenden Gesteinarten
beweisen.

Als wir uns der Insel auf der Windseite näherten, sah sie einem
ungestalten Haufen Felsen gleich, die nach der See hin fürchterlich
steil abfallen und ohne jede Vegetation sind. Als wir noch ziemlich
weit von der Küste entfernt waren, glaubten wir, daß uns die große
Entfernung die Vegetation verberge; allein je näher wir kamen, desto
trostloser sahen die kahlen Felsen aus. Einzelne Felsen neigen sich
mit ihren Gipfeln gleichsam über die See, so daß wir unter ihnen
hindurchfuhren; es sah geradezu beängstigend aus. Es war uns zumute,
als wollten die Felsen herabstürzen. Der Anblick war so furchterregend
und bedrohlich, daß wir unwillkürlich die Augen schlossen. Endlich
gelangten wir an das Kapellental, das wie ein großer trockener Graben
aussieht. Und in diesem traurigen Graben, dessen Boden mit spärlichem,
dünnem Graswuchs bedeckt ist, liegt die Stadt.

So sieht auf den ersten Anblick die Insel aus. Hinter den Bergen erst
beginnt die Vegetation, die allerdings ebenso reich wie vielseitig
ist und die Produkte aller Zonen hervorbringt. Die Stadt liegt hart
am Strande. Sie besitzt viele, schlecht gebaute Häuser, eine alte,
baufällige Kirche und ein ebenso altes Stadthaus. Alle weißen Einwohner
der Insel, die im Besitz der Englisch-Ostindischen Kompanie ist,
sind Engländer. Allein da sie für ihre Rechnung keine Schiffahrt zum
Zweck des Handels treiben dürfen -- die Kompanie hat dieses Verbot
erlassen -- so sind sie auf den Kleinhandel angewiesen, den sie mit
den einlaufenden Schiffen treiben. Dennoch könnten sie gute Geschäfte
machen, würden sie sich die Lage der Insel, auf der nicht nur alle
europäischen, sondern auch alle ostindischen Landesprodukte gedeihen,
mehr zunutze machen.

Es gibt zwar Pferde genug auf der Insel, doch dienen sie nur zum
Reiten. Als Lasttiere dienen hier die Sklaven, und diese Unglücklichen,
die fast aus allen Gegenden der Welt hier zum Verkauf kommen, werden in
der fürchterlichsten Weise ausgenützt und durch die schweren Arbeiten,
die man ihnen aufbürdet, auf die schnellste Weise aufgerieben. Die
unerhörtesten Mißhandlungen und die unglaublich rohe Behandlung, denen
die hiesigen Sklaven ausgesetzt sind, machen sie zu den unglücklichsten
Menschen unter der Sonne. Es tut mir leid, daß ich die Klagen dieser
Unglücklichen für berechtigt halten und daß ich zur Schande meiner
Landsleute hier konstatieren muß, daß sie ihre Sklaven weit grausamer
und unmenschlicher behandeln als die Holländer am Kap und in Batavia
die ihrigen. Und die holländischen Sklavenhalter sind doch dafür
bekannt, daß sie aller Menschlichkeit bar sind.

Am 4. Mai lichteten wir die Anker. Um 1 Uhr nachmittags liefen
wir in Gesellschaft des Kriegsschiffs »Portland« und von zwölf
Ostindienfahrern in See. Mit dieser kleinen Flotte segelten wir
bis zum 10. Mai. Da ich aber wahrgenommen hatte, daß wir mit den
übrigen Segelschiffen auf die Dauer nicht in der Schnelligkeit
konkurrieren könnten, so signalisierte ich dem »Portland«, er möge
mir jemand an Bord senden. Der Kapitän erschien in eigener Person,
und ich händigte ihm einen Brief an die Admiralität sowie ferner die
Schiffsrechnungsbücher und die Tagebücher der verstorbenen Offiziere
ein, da er voraussichtlich vor uns nach England kommen würde. Am 23.
Mai verloren wir die ganze Flotte aus dem Gesicht. Am Nachmittag starb
mein erster Leutnant Hicks an der Schwindsucht, mit der er schon in
England behaftet war; seit Batavia nahm die Krankheit zu. Am Abend
bestatteten wir ihn feierlich in des Seemanns Kirchhof, dem Weltenmeer.
Unser Takelwerk und unsre Segel waren so schlecht geworden, daß sie
fast jeden Tag stückweise in Fetzen gingen. Doch setzten wir unsre
Reise ohne Unfall fort. Am 10. Juni erblickte Nikolaus Young, derselbe
Schiffsjunge, der Neuseeland zuerst entdeckt hatte, Land; es war Kap
Lizard. Am 11. liefen wir den Kanal hinauf; am 12. mittags sahen wir
uns Dover gegenüber; und um 3 Uhr kamen wir in den Dünen vor Anker und
landeten in Deal.




Bei uns ist ferner erschienen:


Quintessenz der Lebensweisheit und Weltkunst.

Lord Chesterfield

Briefe an meinen Sohn.

Ausgewählt und aus dem Englischen übersetzt von

Dr. Karl Munding.

22.-25. Tausend.

  In moderner Ausstattung :: Leicht gebunden 3 Mark 60 Pf.
  In feinem Leinenband mit Goldschnitt             5 Mark.

Der Inhalt dieses Werkes ist weltberühmt.

Ein Vater schreibt seinem Sohne Briefe der allervertraulichsten Art.
Der Sohn steht im Begriff, ins praktische Leben einzutreten. Der ihn
zärtlich liebende Vater möchte ihm die Wege ebnen. Ein vollendeter
Welt- und Menschenkenner, der eine fast fünfzigjährige Erfahrung hinter
sich hat, der immer mit offenen Augen, immer sonnenklar in die Welt
hineingeschaut, ein Mann, der die Sonde des schärfsten Verstandes
an die Menschen legte, spricht zu einem unerfahrenen Jüngling, um
ihm diejenige Erkenntnis beizubringen, die in den Stürmen, Nöten und
Bedrängnissen des Lebens wohl keinem erspart bleibt, die aber die
meisten erst mit ihrem Herzblut erkaufen müssen.

Jahrelang wird die Korrespondenz geführt. Der Inhalt der Briefe wächst
allmählich an zu einem ganzen System der Weltkunst und Lebensweisheit.
Immer wieder werden neue Saiten aufgezogen. Da stirbt der inzwischen
zum Manne herangereifte Sohn. Fünf Jahre später folgt ihm der Vater.
Kaum hat sich das Grab über ihm geschlossen, so fliegen auch schon
seine Briefe in die Welt hinaus. Die Gattin des Sohnes verkauft sie
in Bausch und Bogen einem Buchhändler für die enorme Summe von 30000
Mark. Und schon ein Jahr später sind sie öffentliches Gemeingut. In den
Salons der »oberen Zehntausend«, in der ganzen gebildeten Welt spricht
man von »Chesterfields Briefen an seinen Sohn«.

Die Briefe Chesterfields sind der Ausfluss einer durch das Alter und
zahlreiche Erfahrungen gereiften Lebensweisheit. Chesterfield ist
Realist. Er beleuchtet und nimmt die Menschen wie sie sind und zeigt
den Weg, der zum Frieden mit ihnen führt. Das Buch enthält einen
herrlichen Schatz der feinsten Beobachtungen und Lebensmaximen. Es
spricht ein feiner, erfahrener und liebenswürdiger Geist zu uns. Das
Buch lehrt, wie man mit den Menschen verkehren soll, was man tun muss
und was man nicht tun darf, um in der Welt fortzukommen und sein Glück
zu machen. Es ist ein nützliches Geschenkwerk allerersten Ranges,
besonders für Jünglinge. Aber selbst auch ein Virtuose der Lebenskunst
wird noch vieles daraus lernen.


Schwabacher'sche Verlagsbuchhandlung in Stuttgart.




Bei uns ist ferner erschienen:


Unseren Söhnen.

Ratschläge für ihr äusseres Leben daheim und in der Fremde.

Von

-- M. Grimm. --


Broschiert 3 Mark. Fein gebunden 4 Mark.

_Einige Urteile der Presse_:

»Ein wahrhaft vorzügliches Buch, das besonders allen denen, die aus den
sicheren Grenzen des Elternhauses zum erstenmal allein in das Leben
hinaustreten (sei es des Studiums oder eines andern Berufs halber)
nicht warm genug empfohlen werden kann.«

  Deutsche Warte.

»Seit langem haben wir kein so nützliches Buch in die Hand bekommen.«

  Frankfurter Zeitung.

»Gewissermassen ein _Lexikon der Praxis_ -- gibt dem jungen Manne
Aufklärung über Dinge, über die alle Konversationslexika sich in
Schweigen hüllen.«

  Weser-Zeitung.

»Ein durchaus prächtiges Buch, dessen Besitz wir jedem in das Leben
eintretenden jungen Manne wünschen möchten. Es wird ihm ein guter
Berater und bald ein lieber Freund sein.«

  Breslauer Zeitung.


Schwabacher'sche Verlagsbuchhandlung in Stuttgart.




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  | Anmerkungen zur Transkription                                  |
  |                                                                |
  | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen    |
  | gebräuchlich waren, wie:                                       |
  |                                                                |
  | älteren -- ältern                                              |
  | anderen -- andern                                              |
  | Aufenthaltes -- Aufenthalts                                    |
  | Botany-Bai -- Botanybai                                        |
  | größeren -- größern                                            |
  | inneren -- innern                                              |
  | Oheteroa -- Oheteroah                                          |
  | unseren -- unsern                                              |
  |                                                                |
  | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert.                 |
  | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen:                |
  |                                                                |
  | S. 1 »Funchial« in »Funchal« geändert.                         |
  | S. 7 »nacktgehen« in »nackt gehen« geändert.                   |
  | S. 33 »sogut« in »so gut« geändert.                            |
  | S. 57 »Ulieta« in »Ulietea« geändert.                          |
  | S. 124 »streitigmachen« in »streitig machen« geändert.         |
  | S. 135 »Starbordseite« in »Steuerbordseite« geändert.          |
  | S. 162 »Stadthalter« in »Statthalter« geändert.                |
  | S. 164 »konten« in »konnten« geändert.                         |
  | S. 180 »fröhnen« in »frönen« geändert.                         |
  | S. 180 »parallelläuft« in »parallel läuft« geändert.           |
  | S. 197 »Admiral Elphinestone« in »Admiral Elphinstone«         |
  |        geändert (Fußnote).                                     |
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including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
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or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
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facility: www.gutenberg.org

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