The Project Gutenberg eBook of Meister Eckart
This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and
most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
of the Project Gutenberg License included with this ebook or online
at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States,
you will have to check the laws of the country where you are located
before using this eBook.
Title: Meister Eckart
Eine theologische Studie
Author: Hans Lassen Martensen
Release date: November 9, 2025 [eBook #77203]
Language: German
Original publication: Hamburg: Friedrich Perthes, 1842
Credits: Richard Illner and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images made available by The Austrian National Library)
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEISTER ECKART ***
=======================================================================
Anmerkungen zur Transkription.
Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des
Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler
sind stillschweigend korrigiert worden.
Das Inhaltsverzeichnis ist an den Anfang des Textes versetzt worden;
die Verlagswerbung am Ende des Textes zusammengefügt.
Worte in Antiqua sind so +gekennzeichnet+, gesperrte so ~gesperrt~,
=fett gedruckte= so und _kursive_ so.
=======================================================================
Meister Eckart.
Eine theologische Studie
von
=Dr.= ~H. Martensen~,
Professor der Theologie an der Universität zu Copenhagen.
[Illustration]
Hamburg,
bei Friedrich Perthes.
1842.
Inhalt.
Seite.
Einleitung 1
Meister Eckart's Predigt 17
Das mystische Bewußtseyn, dargestellt nach Meister Eckart,
+Dr.+ Tauler, Suso und dem Verfasser der »deutschen Theologie« 31
I. Das Mysterium 32
II. Die Offenbarung 61
III. Das höchste Gut und die Tugend 99
Andeutung des Verhältnisses der Mystik zur Theosophie Jacob
Böhme's 118
Anhang 124
[Illustration]
Vorwort.
Das anziehende Studium der deutschen Mystik veranlaßte den Verfasser
vorliegender kleinen Schrift schon früher zu einer in dänischer
Sprache geschriebenen Abhandlung über diesen Gegenstand. Er wünschte
die Aufmerksamkeit seiner Landsleute, denen die deutsche Philosophie
und Theologie der Gegenwart nicht fremd ist, auf jene denkwürdigen
Anfänge des religiös-speculativen Geistes hinzuleiten. Sowohl äußere
Anregung, wie die Hoffnung auch deutschen Lesern vielleicht einiges
nicht Unwillkommene mittheilen zu können, hat den gegenwärtigen Versuch
hervorgerufen. Der deutschen Litteratur dankbar zurückgebend, was er
von ihr empfangen, wünscht der Verfasser, daß die hier dargelegte
Auffassung der Mystik der Theilnahme der Sachverständigen nicht
unwürdig gefunden werden möge. Wegen Incorrectheiten der Sprache und
Mangelhaftigkeit des Ausdrucks bittet der Fremde um wohlwollende
Nachsicht.
~Copenhagen~, im Januar 1842.
Einleitung.
Es gibt wenige Gegenstände, worüber so entgegengesetzte und doch so
unbestimmte Urtheile ausgesprochen sind, wie über das Wesen der Mystik.
Die Anschauung des achtzehnten Jahrhunderts verwies die Mystik in
das Reich der Unvernunft und der Schwärmerei; dann kam eine Periode,
wo man in der Mystik ein Heiliges ahnete, aber ein Heiliges als ein
Unaussprechliches und Uebervernünftiges, dem das begreifende Denken
sich ohne Profanation nicht nähern durfte. Das Unvernünftige und das
Uebervernünftige sind die Kategorien, die sich hier feindlich gegenüber
stehen, aber weder durch die eine noch die andere kommt man auf den
wahren Grund der Sache, so daß man zu sagen wisse, was denn die Mystik
eigentlich sey. Soll dieses überhaupt gesagt werden, soll die Mystik
dem Gedanken offenbar werden, so muß sie aus ihrer eignen Kategorie
oder ihrem Begriffe entwickelt werden; sie muß von der Wissenschaft
zum Sprechen gebracht werden und, indem sie sich gründlich ausspricht,
selbst ihr Geheimniß verrathen. +Loquere, ut te videam!+ Der Geist
der Mystik ist aber dem Geiste der Wissenschaft näher verwandt, als man
es dem ersten Anscheine nach vielleicht denken möchte. Die christliche
Mystik -- und von dieser ist hier zunächst die Rede -- ist nicht nur
eine höchst merkwürdige Form der Frömmigkeit und des gottinnigen
Lebens, ein eigenthümliches religiöses Gewächs, wurzelnd in Gemüths-
und Herzenstiefen, sondern sie ist zugleich eine Form der speculativen
Theologie. Weit entfernt, daß die Mystik ihrer innersten Natur nach der
Vernunft entgegengesetzt wäre, gebührt ihr vielmehr eine bedeutende
Stelle in der Geschichte der religiösen Speculation selbst.
Es ist Zweck gegenwärtiger Abhandlung die Mystik, diese religiöse
Speculation und speculative Religiosität, in einer ihrer Hauptformen
darzustellen. Die deutsche Mystik des 14ten und 15ten Jahrhunderts ist
sowohl in religiöser als in philosophischer Beziehung die reichste und
vollendetste Form dieser Geistesrichtung. Sie ist die erste Gestalt,
in welcher die deutsche Philosophie in der Geschichte auftritt, ihr
erster, kühner Versuch den Gegensatz zwischen Glauben und Wissen
aufzuheben und dem Geiste eine absolute Versöhnung und Befriedigung
zu verschaffen. Das Licht der speculativen Idee leuchtet hier im
frischen Morgenglanze, aber so wie es durch die Fensterscheiben des
mittelalterlichen Klosters hineinstrahlen konnte. In der stillen
Zelle wird der philosophische Gedanke herausgeboren aus den Tiefen
des religiösen Gemüths, wird aber nicht zur freien Weltexistenz
entlassen. Die Speculation ist noch Eins mit der Religion, sie sind
zusammengewachsene Zwillinge, die eine ist unmittelbar die andere.
Wenn wir in der Folge eine Darstellung dieser merkwürdigen Erscheinung
versuchen, so geschieht dieses natürlich weder Lobes noch Tadels,
sondern nur des Erkennens halber. Auch ist uns die Mystik kein bloßes
historisches Object, denn was sich in jenen Geistern bewegte, gehört
nicht zu den todten und vergangenen Dingen, sondern zu den ewigen und
gegenwärtigen Geistesangelegenheiten, wie denn auch die Mystik die
bedeutendsten Vergleichungspuncte mit der gegenwärtigen Philosophie und
Theologie darbietet. Ich habe diese Abhandlung nach dem Meister Eckart
benannt, nicht weil er ausschließlich ihr Gegenstand ist, sondern
weil er im Kreise der deutschen Mystiker die hervorragendste Gestalt
ist, der Meister der ganzen Schule, in dem die Mystik sich in ihrer
kräftigsten Originalität darstellt, dessen anregender und begeistender
Einfluß allenthalben bemerkbar ist. Meister Eckart ist der Patriarch
der deutschen Speculation. Es war darum kein Wunder, daß Hegel, der
doch nur einzelne Gedanken von ihm gekannt zu haben scheint, in so
hohem Grade von diesen angezogen wurde.
Das Interesse und der Sinn für die Mystik ist in neuerer Zeit theils
durch die Romantik, theils durch die Philosophie wiederbelebt worden.
Die Romantiker erbauten sich an dem religiösen Blumenflor der
Contemplation, der in der mondbeglänzten Zaubernacht des Mittelalters
seinen Duft still verbreitete. Sie sogen ätherische Nahrung aus der
mystischen Gemüthlichkeit und klösterlichen Innigkeit, die sie das
eitle, weltliche Wesen der Gegenwart vergessen ließ. Sie fühlten
sich hingezogen zu jenen stillen Seelen, denen der Geist Gottes sich
offenbarte, nicht im Sturm oder Erdbeben, sondern in dem sanften
Säuseln heiliger Gefühle. Die mystischen Sympathien sind oft von
den Dichtern ausgesprochen und Tieck hat noch neulich den Tauler in
eine Novelle eingeführt. Görres hat vom Standpuncte der Romantik
eine Schilderung der Mystik geliefert in seiner Einleitung zur neuen
Ausgabe des deutschen Mystikers Suso[1]. Mit großer historischer
Kenntniß beschreibt er die Mystik, wie sie in ihren mannichfachen
Verzweigungen sich durch's ganze Mittelalter zieht. Aber wie seine
prachtvolle, poetische Darstellung alle Vorzüge besitzt, die sein
Standpunct verleihen kann, so leidet sie auch an allen den Mängeln,
die oft genug an diesem Standpuncte gerügt sind. Der Begriff verbirgt
sich in der chaotischen Vorstellungsmasse, der Gedanke zerrinnt in der
nebelhaften Gefühlsdämmerung. Görres steht im Dienste des Mittelalters,
er ist selbst in den mystischen Zauberkreis hineingebannt, und es
fehlt ihm daher die freie Besonnenheit des philosophischen Gedankens.
Das speculative Element der Mystik wird nur oberflächlich aufgefaßt,
während seine Betrachtung sich mit einseitiger Vorliebe nur an eine
Seite des mystischen Bewußtseyns hält, nemlich dessen Naturseite.
Ekstatische Zustände und Visionen, Gesichte und Offenbarungen
bilden den Mittelpunct seiner Betrachtung, wie dies besonders aus
seinem größeren Werke über die Mystik erhellt, welches eine große
Legendensammlung mystischer Zustände ist. Ueberhaupt aber liegt es im
Wesen jener Romantik die Mystik nur als eine unergründliche Erscheinung
anzuschauen und das Speculative, das dem Begriffe Verwandte, nur
ungründlich aufzufassen. Der Flug der himmlischen Psyche, der sich in
räthselhaften Kreisen bewegt, läßt sich vom Begriffe nicht messen,
der zarte Flügelstaub verträgt nicht die Berührung des Gedankens.
Sie ist nur Gegenstand unaussprechlicher Liebe und Bewunderung.
Verhielte es sich wirklich so, daß die mystische Schönheit es nicht
ertragen könnte beim Lichte der Philosophie gesehen zu werden,
dann wäre sie auch nur eine sterbliche Psyche und man müßte sich
dann mit dem Gedanken trösten, daß, ob auch das Vergängliche im
Feuer des Denkens verbrannte, doch der bessere und unsterbliche
Theil gerettet werde. Allein so verhält es sich nicht. Der Begriff
steht der Endlichkeit nicht feindselig gegenüber, wenn diese eine
individuelle Spiegelung des Gedankens ist. Er conservirt dann die
ganze Individualität ohne Zersplitterung und Trennung, weil diese als
solche eine eigenthümliche, unentbehrliche Form der Idee ist. Ist es
überhaupt Ziel der Philosophie allen Geistern diejenige Unsterblichkeit
zu verschaffen, die ihnen gebührt, so hat sie an der Einführung der
Mystik in die Sphäre des ewigen Geistes noch ein besonderes Interesse,
weil sie in der mystischen Psyche sich selbst als Kind erblickt.
Schelling und Hegel haben der Mystik wieder gedacht und gefordert, daß
die in einen schlechten Rationalismus hineingerathene Wissenschaft
sich verjünge durch jenes unmittelbare, kindliche Schauen Gottes
und der göttlichen Dinge. Wird die Mystik so als eine Station in
der Entwickelungsgeschichte des philosophischen Geistes aufgefaßt,
so muß die des 14ten und 15ten Jahrhunderts nothwendig als die
bedeutendste Form erscheinen. Rosenkranz hat in seinem Aufsatze über
die deutsche Mystik[2] diese erste Epoche der deutschen Philosophie
kurz und treffend charakterisirt. Er nennt sie mystisch, weil sie die
Erkenntniß der Wahrheit von ihrer unmittelbaren Anschauung abhängig
macht. »Wird auch, was die Wahrheit sey, im Einzelnen von den Mystikern
anders bestimmt, so sind sie doch in der Angabe des Weges zu ihrer
Gewißheit zu gelangen einig. Es ist ~die praktische Entäußerung
seiner selbst~, welche ~die theoretische Freiheit vermittelt~,
und diese, die begreifende Erkenntniß, ist wesentlich ein ~Erkennen
Gottes~ in dem Erkennenden ~durch Gott selbst~.« Hiermit ist
uns in formaler Beziehung ein orientirender Vorbegriff gegeben.
Das mystische Schauen ist bedingt durch einen bestimmten Typus des
religiösen Lebens.
Die Mystik existirt nicht in der Form eines philosophischen Systems,
sondern spricht sich nur in Predigten und erbaulichen Abhandlungen aus.
Es ist eine erbauliche Philosophie, religiöse Popularphilosophie in der
edelsten Bedeutung des Worts. Es ist nicht die modern fromme Reflexion,
welche die christlichen Vorstellungen verständig commentirt ohne
deren tieferen Gehalt aussprechen zu können, sondern das Erbauliche
enthält durchgängig in sich selber eine speculative Pointe. Der Vortrag
ist reich an Kernsprüchen, die auf eine eben so naive als paradoxe
Weise die Idee ausdrücken. Die Paradoxie -- eine Form, die auch der
Bibel nicht fremd ist -- erscheint hier als unmittelbare Form des
Speculativen, den Widerspruch der Wahrheit gegen das Alltagsbewußtseyn
schlagend hervorhebend und durch eine göttliche Thorheit den Verstand
von seiner falschen Weisheit befreiend. Es findet sich hier keine
fortschreitende, wissenschaftliche Entwickelung; nicht selten bricht
das Speculative hervor wie eine geistige Explosion, eine plötzliche
Illumination der Seele, wodurch unerkannte Regionen erleuchtet werden.
Da das Geistige mehr unter der Form der Involution, als der Evolution
erscheint, hat die Betrachtung keine große Abwechselung. Es sind
nur einzelne, substantielle Gedanken, die immer aufs neue in der
Seele geboren werden; diese aber sind so intensiv und fruchtbar, daß
sie sehr wohl als die elementarischen Anfänge -- στοιχεῖα -- eines
philosophischen Systems betrachtet werden können.
Von der äußeren Geschichte dieser Mystiker weiß man nur Weniges. Ihr
Leben war verborgen in Gott. Görres nennt Eckart eine nebelverhüllte,
beinahe christlich-mythische Gestalt, und nicht mit Unrecht; denn wir
kennen nur sein inneres Leben in der Idee, während sein wirkliches
Leben in der Geschichte in Dunkelheit gehüllt ist. Seine Aussprüche
werden oft von seinen Schülern mit tiefer Ehrfurcht angeführt, er
ist ihnen der Heros der Contemplation, und nicht selten erblicken
sie seine erhabene Gestalt in ihren Visionen. Sowohl das Jahr seiner
Geburt wie seines Todes ist unbekannt. Doch wissen wir, daß er am
Schlusse des dreizehnten und am Anfange des vierzehnten Jahrhunderts
lebte. Er war Dominicaner, soll in Paris studirt und unter dem Papste
Bonifacius dem Achten die theologische Doctorwürde in Rom erhalten
haben. Die Ueberlieferung sagt, er sey eine Zeitlang Ordensprovincial
in Sachsen, nachher Generalvicar in Böhmen gewesen, ausgezeichnet
durch strenge Sittlichkeit und Handhabung der Disciplin. Als Mystiker
scheint er besonders in Straßburg und Cölln gewirkt zu haben, und in
letzterer Stadt hat er wahrscheinlich sein Leben beschlossen. Nach
seinem Tode wurde seine Lehre von dem avignonschen Papste Johann dem
Zweiundzwanzigsten verdammt (1329)[3]. Die päpstliche Bulle fügt
hinzu, daß Eckart vor seinem Ende seine Lehre widerrufen habe und zur
katholischen Kirche zurückgekehrt sey. Wir werden in der Folge auf
diesen Punct zurückkommen. Der Verdacht der Ketzerei, der an Eckart
haftete, scheint verursacht zu haben, daß er in der Geschichte ein
geringeres Ansehen erlangt hat, als sein Schüler Johann Tauler, der
berühmte Prediger in Straßburg († 1361), der gewöhnlich als der größte
Meister dieser Schule angesehen wird. Ein anderer Schüler Eckarts war
der Dominicaner Heinrich Suso von Schwaben, genannt Amandus wegen
seiner feurigen Minne zur ewigen Weisheit († 1365). Geistesverwandt
mit diesen ist Johannes Ruysbroock, Prior von Grünthal in der Nähe von
Brüssel. Der Verfasser der »deutschen Theologie« im 15ten Jahrhundert
scheint durch Tauler in Verbindung mit Eckart zu stehen. Diese Männer
sind die vornehmsten, uns bekannten, Repräsentanten der deutschen
Mystik. In verschiedenen Individualitäten spiegeln sie denselben Geist,
ihre Schriften sind nur verschiedene Darstellungen desselben Systems,
wenn es überhaupt hier erlaubt ist diese Benennung zu gebrauchen[4].
Der Zustand des Zeitalters war ein solcher, der auf mancherlei
Weise die Geister auffordern mußte in sich selbst zu gehen. Das
alte System fing an in seinen Grundpfeilern erschüttert zu werden;
sowohl im Politischen wie im Kirchlichen herrschte große Verwirrung.
Der Katholicismus hatte culminirt. Die babylonische Gefangenschaft
der Päpste, ihre ärgerlichen Streitigkeiten mit der Staatsgewalt
gaben die Belege hiezu. Dante ließ in seiner apokalyptischen Komödie
das jüngste Gericht über die in sich zerfallene Welt ergehen.
Reformatorische Tendenzen, Protestation und Opposition wurden
allenthalben vernommen, obgleich keiner recht wußte was er wollte,
oder der Verwirrung Ausgang zu erblicken vermochte. Eine unbestimmte
Sehnsucht nach Freiheit durchbebte die ganze Zeit. Die Nationen fingen
an ihre geistige Individualität zu behaupten, die Muttersprache wurde
lebendig, die Volksgeister fingen an in eignen Zungen zu reden. In
dieser Entwickelung der Sprache, dieser Befreiung von der abstracten,
alle Individualität nivellirenden Herrschaft des Lateins, haben die
Mystiker große Bedeutung. Die tiefsten Wurzelwörter der deutschen
Prosa wurden in ihrer lebendigen Rede ausgesprochen, und mit Recht
sind sie die Minnesänger der Prosa genannt worden. Ihre contemplative
Geistesrichtung mußte durch ihre Zeit mächtig gefördert werden. Das
Alte war im Sinken begriffen, aber die Wiedergeburt der Geschichte
war noch fern; dem Geiste gehörte nur die Vorzeit und die unbekannte
Zukunft, allein es fehlte ihm die Gegenwart, das +praesens+,
weil die Wirklichkeit keine wahre Wirklichkeit, sondern nur ein
Zustand der Gährung, des Werdens und Uebergehens war. Es war da
ganz in der Ordnung, daß die contemplativen Naturen, um sich in der
weltgeschichtlichen Spannung vom Zeitdrucke zu befreien, die Zeit zur
Ewigkeit zu verwandeln suchten, indem sie die Langeweile und Unruhe
der Zeit im gegenwärtigen Jetzt der Contemplation vernichteten. Die
Kunstbestrebungen des Zeitalters in der Architektur und Malerei, welche
zum Theil in denselben Gegenden blühten, wo auch die Mystik ihren
vornehmsten Sitz hatte, in den Rheingegenden nemlich, besonders in
Straßburg und Cölln, hängen hiemit zusammen. Der Geist sucht in einer
Phantasiewelt hervorzuzaubern, was aus dem Leben und der Wirklichkeit
verschwunden ist.
Dieser Mangel an Befriedigung in der Wirklichkeit, die Sehnsucht
nach geistiger Realität, zeigt sich in einem dogmatischen Probleme
des Zeitalters, welches große Theilnahme erregte. Es war ein
eschatologisches Problem, betreffend das ~zukünftige~ Schauen
Gottes in der ewigen Seligkeit. Wenn eschatologische Fragen,
Untersuchungen über das zukünftige Leben mit ängstlicher Heftigkeit
geführt werden, ist es ein Zeichen, daß die Lebensfülle aus der
Gegenwart entflohen ist. Unter dem Papste Johann dem 22sten wurde
die Frage aufgeworfen, ob diejenigen Geister, denen der Schmerz des
Fegfeuers erlassen war, unmittelbar nach ihrem zeitlichen Tode zum
Schauen Gottes von Angesicht zu Angesicht gelangten, oder ob dieses
vollendete Schauen erst nach der Auferstehung des Leibes und dem
jüngsten Gericht einträte. Der Papst bestätigte das Letztere, aber der
Zeitgeist sehnte sich ungeduldig nach der Vollendung und suchte ihm
eine entgegengesetzte Erklärung abzunöthigen[5]. Dieses gelang unter
seinem Nachfolger Benedict dem 12ten, der sich ausdrücklich für die
von seinem Vorgänger verworfene Ansicht erklärte. Diese dogmatischen
Probleme über das zukünftige Leben suchten Viele in eine gegenwärtige
Gewißheit zu verwandeln, indem sie in der Contemplation die zukünftige
Seligkeit und die Identität mit Gott anticipirten. Es erhob sich die
Frage über die ewige Identität des ~Gedankens~ mit Gott. Man
fragte, ob Gott nur Object, Gegenstand des seligen Schauens, oder ob
er nicht vielmehr das selige Schauen selbst sey, so daß der Erkennende
Eins sey mit dem Erkannten[6].
Charakteristisch für das Zeitalter und eine Erscheinung, die nicht
ohne Zusammenhang ist mit der Mystik, sind die vielen Secten, die
sich damals von der Tradition und dem objectiven Cultus der Kirche zu
emancipiren suchten. Sie waren von einer glühenden, schwärmerischen
Begeisterung für Freiheit erfüllt, von einem Spiritualismus, der alle
äußeren Formen zu sprengen suchte, einer grenzenlosen Sehnsucht nach
Einheit mit Gott, wodurch sie mit der Kirchenlehre in Zwiespalt
geriethen. Das gährende speculative Element kam in pantheistischen
Anschauungen zum Durchbruch. Die herrschende Kirche konnte die
Irrthümer dieser Secten erkennen, aber ihre Bedeutung nicht begreifen.
Schon am Anfange des 13ten Jahrhunderts wurden die Pariser Theologen
Amalrich von Bena und David von Dinanto, wie es scheint, Anhänger des
Systems des Scotus Erigena, auf dem Concilium zu Paris 1209 verdammt,
weil sie lehrten, Gott sey Alles und Alles sey Gott, Gott sey das
Wesen der Geschöpfe, alle Dinge würden zu Gott zurückkehren und in
ihm als ein einiges Individuum verbleiben. Das Princip ihrer Lehre
wurde in dem Satze ausgesprochen: »+Quod deus sit Esse formale
omnium.+« Man beschuldigte sie, daß sie Christum nur in der
Bedeutung Gottmensch nannten, in welcher auch jeder geistige Mensch
ein Gottmensch genannt werden könne. Vom heiligen Abendmahl lehrten
sie, daß die Gegenwart Christi im Brode und Weine nicht erst mittelst
der Consecration eintrete, sondern daß Christus in allem Brode und
Weine auf dieselbe Weise gegenwärtig sey, wie in der Eucharistie. Das
Dogma von der Transsubstantiation erklärten sie als ein Sinnbild der
in der ganzen Natur gegenwärtigen Gottheit. Denn Gott könne nur in
der Creatur angeschaut werden und Gott und die Creatur seyen Eins[7].
Die Pariser Synode beschuldigt sie ferner, daß sie den Glauben und
die Hoffnung verachteten und sich thöricht rühmten, ihr Wissen sey
ihnen genug. Das Wissen sey das Paradies selbst, die Lehre von der
Auferstehung der Todten und dem ewigen Leben sey nicht von einem
Zukünftigen, sondern von einem geistig Gegenwärtigen zu verstehen[8].
In der ersten Weltperiode habe Gott der Vater geherrscht; das Reich des
Vaters aber sey durch das Reich des Sohnes abgeschafft, das mosaische
Gesetz aufgehoben und ein neues, geistiges Gesetz eingeführt worden;
das Reich des Geistes aber sey jetzt mit ihnen und ihren Anhängern
eingetreten, jedes positive Gesetz und jede äußere Cultusform müsse
abgeschafft werden, die Sacramente seyen überflüssig, denn dem
Geiste allein gebühre die Herrschaft. Eine ähnliche Construction der
Weltgeschichte erschien in demselben Jahrhundert in dem sogenannten
»ewigen Evangelium« der Franciscaner, wodurch eine neue Ordnung der
Dinge verkündigt und eine apokalyptische Polemik gegen das Papstthum
und den ganzen Zustand der Kirche ausgesprochen wurde. Amalrich's
Schule zählte viele Anhänger; die Verfolgungen, die diese Secte
leiden mußte, förderten nur ihre Verbreitung, und im Laufe des 13ten
Jahrhunderts wurden pantheistische Sympathien mannichfach in der
Christenheit verspürt. Die Anhänger der Secte, die sich nach und nach
weiter ausbildete und modificirte, hießen Brüder und Schwestern des
freien Geistes. Gegen das Ende des 13ten Jahrhunderts sollen sie am
Rhein zahlreich gewesen seyn, also in derselben Gegend, wo Eckart
lebte, und gleichzeitig mit ihm. In den Schriften der Mystiker finden
sich nicht selten Hindeutungen und Anspielungen auf diese Secte;
hienach scheint es, als habe jener spiritualistische Pantheismus sich
zugleich als ein grenzenloser Antinomismus gezeigt, der sich nicht
nur über die positiven Gesetze der Kirche, sondern selbst über das
Sittengesetz hinaussetzte. Die religiöse Genialität proclamirte die
Emancipation des Fleisches, weil der Geist nicht an ein Aeußeres
gebunden sey[9].
Man hat nicht selten den Meister Eckart in Verbindung mit dieser Secte
gebracht. Der Papst Johann der 22ste, der sein ganzes Leben hindurch
nicht blos in politische, sondern auch in kirchliche Streitigkeiten
verwickelt war und der Beschuldigung der Ketzerei selbst nicht entgehen
konnte, erließ im Jahre 1330 eine Verdammungsbulle wider die Brüder
des freien Geistes[10]. Da die Sätze, die er bei den Brüdern des
freien Geistes verdammt, fast wörtlich mit denjenigen übereinstimmen,
die er bei Eckart verdammte[11], so scheint es, als habe er diese
unter demselben Gesichtspuncte betrachtet, und die Historiker sind
seiner Ansicht gefolgt und haben Eckart mit den freigeistigen Brüdern
zusammengestellt[12]. Aber eine nähere Bekanntschaft mit Eckarts
Schriften zeigt, daß dieses mit Unrecht geschehen sey, und daß man ihn
mit Tauler zusammenstellen müsse. Dieses wird auch von der neuesten
historischen Untersuchung von Schmidt anerkannt, obgleich die Ansicht
des Verfassers mir hier etwas unklar und schwankend scheint, indem
er nichtsdestoweniger die Hypothese aufstellt, Eckart habe insgeheim
der Secte angehört[13]. Vergleichen wir die päpstliche Bulle mit den
uns bekannten Eckartschen Schriften, dann finden sich hier allerdings
viele von den pantheistischen Sätzen, die ihm vom Papste zugelegt
werden[14], aber keine Spur des unsittlichen Antinomismus, dessen ihn
die päpstliche Bulle beschuldigt. Die angeführten pantheistischen Sätze
sind ohnehin aus dem Contexte gerissen; dieser aber zeigt sie als
aus einer eigenthümlichen Denkweise und Geistesrichtung entsprungen,
derselben, die wir bei denjenigen Mystikern finden, die nicht der
Sectirerei beschuldigt sind. Da die Erfahrung unserer eigenen Tage
sattsam lehrt, wie das tägliche Bewußtseyn mit geistigen Kategorien,
als Pantheismus, Rationalismus, Liberalismus u. s. w., umgeht, wie es
solche Kategorien nur als allgemeine Fächer gebraucht, worin es das
Verschiedenartigste hineinrubricirt, ohne den specifischen Unterschied,
das heißt die wahre Natur der Sache, zu berücksichtigen, so halte
ich es nicht für unwahrscheinlich, daß die Benennung »freigeistige
Brüder« nicht selten als ein Gemeinname gebraucht worden sey, womit
man damals alle diejenigen bezeichnete, die man heutzutage als
Idealisten und Pantheisten bezeichnet. Keiner wird sich wundern,
daß es dem Papste, dessen Sache es eben nicht war sich auf die
+differentia specifica+ der Geister einzulassen, und der sich
nur an die einzelnen »Resultate« hielt, begegnen konnte die äußere
Aehnlichkeit mit der Identität zu verwechseln. Die Wissenschaft aber
muß es mit solchen Dingen genauer nehmen. Allerdings waren Eckart
und seine Geistesverwandte Idealisten, Söhne »des freien Geistes«,
und es ist natürlich, daß sie nicht unberührt geblieben sind von
dem, was sich in ihrer Nähe geistig bewegte. Aber Eckarts Mystik muß
unter ihrer eigenen, selbstständigen Kategorie betrachtet werden,
weil sie ein neuer, origineller Entwickelungspunct ist. Es ist nicht
Amalrich's von Bena nach dem Erigena gebildeter Pantheismus, oder seine
Opposition gegen den kirchlichen Cultus. Es ist keine apokalyptische,
religiös-politische Polemik gegen das Bestehende, wie bei den
spiritualistischen Franciscanern. Ebenso wenig ist es ein unsittlich
schwärmender Antinomismus, der den Geist mit dem Fleische confundirt.
Eckarts Antinomismus und Pantheismus fordert seinen eigenen Maaßstab.
In welches Dunkel auch die Geschichte der damaligen Secten und ihrer
mannichfachen Verzweigungen noch eingehüllt seyn mag, dieses scheint
ihnen doch gemeinsam gewesen zu seyn, daß sie mit der herrschenden
Kirche förmlich brachen, daß sie nach außen thätig waren, mehr oder
weniger die Einführung eines neuen Weltzustandes beabsichtigten. Aber
eine solche opponirende Tendenz, ein solches kämpfendes Auftreten auf
dem Schauplatze der Wirklichkeit liegt außerhalb der Grenzen der ächten
Mystik, die, in innere Regionen zurückgezogen, ein in sich gekehrtes,
geistiges Stillleben führt. Es liegt in der Natur des mystischen
Geistes, unabhängig von jeglicher äußeren Macht und Zuständlichkeit, in
sich selbst absolut befriedigt und versöhnt, der selige Punct inmitten
der Verwirrung zu seyn. Die Mystik verhält sich nicht polemisch zur
bestehenden Kirche und ihrer Lehre, sondern sucht nur eine geistige
Auffassung und Application derselben, und wenn sie hiedurch in
Zwiespalt mit der Kirche geräth, -- was unläugbar der Fall ist --
ist dieses ihr nicht bewußt. Nur aus diesem Gesichtspuncte läßt sich
erklären, daß Eckart kurz vor seinem Tode seine Lehre widerrufen habe.
Da er sich nicht von der Kirche trennen wollte, hat er wahrscheinlich
nur seine Sätze widerrufen, insofern sie eine antikirchliche Deutung
veranlassen konnten, nicht aber diese Sätze selbst. Denn es ist
unerklärlich, daß er jemals von den Ueberzeugungen abgefallen sey,
in denen sein ganzes geistiges Leben aufging, oder daß er selbst
nicht geglaubt hätte sie mit dem Geiste der Kirchenlehre versöhnen zu
können. Wie viel Unwahrscheinliches auch diese Annahme an und für sich
enthalten mag, so wird sie doch durch eine nähere Bekanntschaft mit dem
mystischen Bewußtseyn gerechtfertigt.
Die uns bekannten Schriften von Eckart sind Predigten, die theils vor
dem Volke, theils wohl auch als Lehrvorträge im Kloster gehalten sind.
Sie finden sich in den Baseler Ausgaben von Taulers Predigten von 1521
und 1522 und werden (+fol.+ 242) unter folgender Ueberschrift
eingeführt: »Folgen hernach etlich gar subtil und trefflich kostlich
predigen etlicher vast gelertter andechtiger vätter und lerern, auß
denen man achtet Doctorem Tauler etwas seins grundes genommen haben.
Namlich und insonders ~meister Eckarts~ (den er underweylen in
seinen predigen meldet) der ein fürtreffenlich hochgelerter man gewesen
ist, und in subtilikeiten natürlicher und göttlicher künsten so hoch
bericht, das vil gelerter leut zu seinen zeitten in nit wol verstunden.
Deßhalb seiner ler ein teyl auch in etlichen stücken und articklen
verworfen ist, und noch von einfeltigen menschen gewarsamlich gelesen
werden sol. Wiewol hieher in diß Buch mit fleiß nüt gesetzet ist, dann
das gemeinlich wol verstanden und erlitten werden mag. Das ist ein teil
seiner ler und predig, darauß man spüren mög, wie gelert und subtil
er gewesen sey, und uff was grund all sein ler und predig (wie Doctor
Taulers) gevestnet gewesen sey«. -- Die Anzahl dieser Predigten ist 55,
wozu noch 4 kleinere Lehrstücke hinzukommen. Sie sind die einzigen uns
bekannten Schriften von Eckart und finden sich nur in den angeführten
Ausgaben von Tauler, verschwinden aber nachher aus den Taulerschen
Schriften[15]. Innere Kriterien, Gedanken, Styl, Ausdrucksweise
bezeugen denselben Verfasser, wozu noch kommt, daß der Verfasser selbst
an mehreren Stellen sich als Eckart bezeichnet. Sollte auch diese
oder jene Predigt nicht von ihm verfaßt seyn, -- welches die Kritik
schwerlich beweisen wird -- so ist dieses doch für unseren Zweck
gleichgültig, da es nichtsdestoweniger sein Geist und Gedanke ist, der
sich auf jeder Seite ausspricht. Er soll aber mehrere Schriften verfaßt
haben, die nicht auf uns gekommen sind, namentlich eine Erklärung des
Evangelium Johannis und des Hohenliedes[16]. Daß so Weniges davon
bekannt geworden, ist wahrscheinlich darin gegründet, daß es als
gefährliche Lectüre angesehen wurde. Obgleich eine vollständige Ausgabe
allerdings von großem Interesse seyn würde, so ist es doch nicht
wahrscheinlich, daß dadurch etwas wesentlich Neues hinzukommen würde.
Die Manier der Mystiker ist von der Beschaffenheit, daß man nicht einer
vollständigen Sammlung ihrer Schriften bedarf, um ihre ganze Ansicht
zu kennen. Sie haben ihr System +in nuce+ und sprechen das Ganze
auf einmal aus. So oft die Mystik redend oder schreibend auftritt, ist
sie »+omnia sua secum portans+.« Mag denn auch Vieles verloren
gegangen seyn, so dürfen wir doch behaupten, daß Nichts fehle.
Um den Leser in die Sache selbst unmittelbar einzuführen, gebe ich
erst einen kurzen Auszug aus Eckarts Predigten. Eine unmittelbare
Bekanntschaft mit dem mystischen Grundton, mit Vortrag und
Ausdrucksweise, die in dieser Art von Speculation noch mehr als
anderswo vom Gedanken unzertrennlich ist, wird, wie ich hoffe, einen
passenden Uebergang bilden zu dem, was Hauptzweck dieser Abhandlung
ist, nemlich die Darstellung dieser mystischen Richtung als eines
Ganzen, das nach seinen verschiedenen Momenten entwickelt wird. Was
hier aus den Schriften des mystischen Meisters mitgetheilt wird,
sind nur einzelne Gedanken, Aphorismen, deren innerer Zusammenhang
nicht entwickelt ist, obgleich dieser allenthalben an sich vorhanden
ist. Ich habe gesucht Auswahl und Anordnung so zu treffen, daß der
denkende Leser diesen tieferen Zusammenhang entdecken und hier ein
Mehreres gewahr werden könne, als religiöse Blumen und philosophische
Gedankenspäne. Die sich widersprechenden Sätze, die hier gefunden
werden, werden in der Folge ihre Erklärung finden. Um ermüdende
Tautologien in der Darstellung zu vermeiden, habe ich zerstreute
Aussprüche, die sich gegenseitig erklären, indem sie denselben
Gedanken von verschiedenen Seiten ausdrücken, bisweilen combiniren
müssen. Den altdeutschen Ausdruck habe ich nach dem Vorgange der neuen
Ausgaben von Tauler und Suso der heutigen Schriftsprache anzubequemen
versucht ohne doch das alterthümliche Gepräge zu verwischen. Daß ich
bisweilen einen kräftigeren Ausdruck aus einer anderen Stelle einem
minder prägnanten substituirt, hie und da das im Texte Zerstreute
zusammengezogen habe, dieses war nach meinem Dafürhalten nicht nur
erlaubt, sondern nothwendig in einer Arbeit, wo es sich nicht um die
philologisch-diplomatische Genauigkeit des Einzelnen, sondern um das
concentrirte Wiedergeben der substantiellen Totalität handelte. Der
Einwand, den ich nicht sowohl gegen diese Epitome aus Eckart, als
besonders gegen die ganze folgende Entwickelung von Vielen zu erwarten
habe, ist, daß der Gegenstand, durch das Medium eines bestimmten
philosophischen Interesses betrachtet, nicht in seiner Reinheit
aufgefaßt werde, daß sich hier nothwendig viel Subjectives einmische,
Vieles hineingedeutet werde, das nicht der Sache selbst, sondern nur
dem Systeme des Darstellers zukomme u. s. w. Dieses läßt sich immer
sagen, wenn von der geistigen Auffassung irgend eines Gegenstandes
die Rede ist, und hierauf läßt sich immer antworten, daß die Sache
doch Niemandem anders ~erscheinen~ kann, als wie sie ~gesehen~ wird.
Wie das Denken nicht von dem Gegenstande abstrahiren darf, so ~kann~
es nicht von sich selbst abstrahiren. Es läßt sich in der Behandlung
eines gegebenen historischen Objects ein doppelter Weg einschlagen.
Man kann sich darauf beschränken, es blos als Factum zu nehmen, den
Stoff zu sammeln und zu sichten, aber doch so, daß man sich jeder
geistigen Berührung mit demselben enthält, um es desto besser als
Factum conserviren zu können. Es ist dies eine nützliche Vorarbeit, ihr
Resultat ist das Richtige, aber das Wahre fehlt noch. Das Wahre ist
die, allerdings vom Factum unzertrennliche, Idee, die sich im Factum
offenbart, und das wahre, sachgemäße Erkennen ist nur dasjenige, das
den Gegensatz von Empirie und Speculation überwunden hat. Die blos
empirische Historie kann nur über das factisch Richtige und Unrichtige
urtheilen; handelt es sich aber über die Wahrheit der geistigen
Auffassung des Factums, so muß diese sich durch sich selbst bewähren,
oder durch eine tiefere philosophische Auffassung widerlegt werden.
Ich citire die Aussprüche Eckarts nach der Baseler Ausgabe von Taulers
Predigten von 1521. Ob die Auffassung, die sich schon indirect durch
Zusammenstellung und Anordnung kund gibt, die wahre sey, dieses kann
nur geprüft werden durch die wissenschaftliche Entwickelung des
Begriffes der Mystik.
[Illustration]
[Illustration]
Meister Eckarts Predigt.
Wenn ich predige, pfleg ich zu sprechen von Abgeschiedenheit und daß
der Mensch ledig werde seiner selbst und aller Dinge; zum andernmal,
daß man eingebildet werde in das einfältige Gut, das Gott ist; zum
dritten, daß man bedenke des großen Adels, den Gott an die Seele gelegt
hat; zum viertenmal, was Lauterkeit und Klarheit göttlicher Natur sey;
das ist unsprechlich. +fol.+ 274.
* * * * *
Ein jeglich Ding ruhet in der Stätte, daraus es geboren ist. Wirf den
Stein in die Luft, er ruhet nicht, er komme denn wieder zur Erde.
Wovon ist das? Die Erde ist sein Land, die Luft ist sein Elend. Die
Stätte, aus der ich geboren bin, ist die Gottheit. Die Gottheit ist
mein Vaterland. Hab ich einen Vater in der Gottheit? Ja ich habe nicht
allein einen Vater da, mehr, ich hab mich selber da. Ehe daß ich an mir
selber ward, da war ich in der Gottheit geboren. +fol.+ 293.
* * * * *
Was ist Ewigkeit? Ewigkeit ist ein gegenwärtiges Nun, das nicht weiß
von Zeit. Der Tag, der vor tausend Jahren vergangen ist, ist der
Ewigkeit nicht ferner, als die Stunde, da ich hier stehe, und der Tag,
der über tausend Jahr kommen soll, ist der Ewigkeit nicht ferner, denn
die Stunde, da ich jetzt rede. Wenn der Wille von sich selber und von
aller Geschaffenheit wiederkehret in seinen Ursprung, dann steht er
im gegenwärtigen Nun der Ewigkeit, und in diesem Augenblick wird alle
verlorne Zeit wiedergewonnen. +fol.+ 251, 267, 285.
* * * * *
Salomon spricht, es sey nichts Neues unter der Sonn. Das wird selten
verstanden nach seinem Sinn. Was die Sonne überscheinet, das ist in
der Zeit. Zeit gibt zwei Ding, Alter und Abnehmen. Alles das unter der
Sonne ist, das altet und nimmt ab, aber in der Ewigkeit, im lautern
Wesen, ist Alles neu. +fol.+ 247.
* * * * *
Je näher ein Ding seiner Geburt ist, je jünger ist es. Je näher die
Seele Gott ist, je jünger ist sie. In der Vernünftigkeit, da ist man
allzumal jung, und je mehr man in der Vernünftigkeit wirkt, je näher
ist man der Geburt. Was ich bin nach der Zeit, das soll mit der Zeit
verderben und zu nichte werden, aber nach meiner Geburtsweise, die
ewig ist, mag ich nimmermehr ersterben. Wisset, das Kind im Mutterleib
ist alt genug zum Sterben, ich aber will trauern, bin ich morgen nicht
jünger, denn heut. +fol.+ 269, 268, 308.
* * * * *
In der Fülle der Zeit sendet Gott seinen Sohn in die Seele. Wann ist
die Fülle der Zeit? Wann die Seele Zeit und Statt ledig ist, dann
sendet Gott seinen Sohn in sie. +fol.+ 261.
* * * * *
Was ist Wahrheit? Wahrheit ist so edel, daß, wenn Gott sich von der
Wahrheit kehren möchte, ich wollte mich an die Wahrheit haften und
wollte Gott lassen. Denn Gott ist die Wahrheit und Alles was in der
Zeit ist, und Alles das Gott je erschaffen hat, ist nicht die Wahrheit.
+fol.+ 252.
* * * * *
Was ist Freiheit? Frei ist das an Nichts haftet und an dem Nichts
haftet. Darum ist Nichts frei, denn die erste Sache, die da ist eine
Sache aller Sachen. Gott haftet an Nichts, er schwebet in sich selber
und ist frei von allen Dingen. Zur Freiheit gehört auch Herrschaft, daß
man viele gute und schöne Dinge besitze. Gott ist das Gute in allen
Dingen, darum besitzt er sich in Allem, und Alles was Gott hat, das ist
er. +fol.+ 247.
* * * * *
Niemand ist gut, denn allein Gott. Was ist gut? Was sich gemeinet. Den
heißen wir einen guten Menschen, der gemein und nützlich ist. Gott ist
das Allergemeinest, er gibt sich allen Dingen. Kein Ding gibt sich
selbst. Die Sonne gibt nur ihren Schein, aber bleibt selbst stehen.
Gott aber gibt sich selbst in allen seinen Gaben. Seine Gottheit hanget
daran, daß er sich gemeine Allem, das seiner Güte empfänglich ist, und
gemeinete er sich nicht, dann wäre er nicht Gott. In allen Creaturen
ist Etwas Gottes, aber in der Seele ist Gott göttlich. +fol.+ 287,
254.
* * * * *
Alle Dinge, die in der Zeit sind, haben ein Warum. Aber ein guter
Mensch, wenn Einer ihn fragte: warum liebst du Gott? antwortet: Um
Gott! Warum hast du lieb die Wahrheit? Um die Wahrheit! Warum hast du
lieb die Gerechtigkeit? Um die Gerechtigkeit! Warum lebst du? Wahrlich,
ich weiß nicht, aber ich lebe gerne. +fol.+ 252.
* * * * *
Suchst du Gott um deinen eigenen Nutzen und deine eigene Seligkeit, so
suchst du Gott nicht in der Wahrheit. Etliche Leute wollen Gott mit den
Augen ansehen, als sie eine Kuh ansehen, und wollen Gott liebhaben, als
sie eine Kuh liebhaben (die hast du lieb um die Milch und um den Käs
und um deinen eignen Nutzen). Also liebhaben sie Gott um auswendigen
Reichthum und um inwendigen Trost, aber diese Leute haben Gott nicht
recht lieb, sondern suchen nur sich selbst und ihren eignen Nutzen.
+fol.+ 252, 300.
* * * * *
Wer Gott sucht und etwas Anderes als Gott, der findet Gott nicht;
wer aber Gott sucht ~allein~, der findet alle Dinge mit Gott.
+fol.+ 252.
* * * * *
Einfältige Leute wähnen, sie sollen Gott ansehen, als stände er dort
und sie hier. So ist es nicht. Gott und Ich sind Eins im Erkennen.
Gottes Wesen ist sein Erkennen und Gottes Erkennen macht, daß ich ihn
erkenne. Darum ist sein Erkennen mein Erkennen. +fol.+ 305, 315.
* * * * *
Die Leute sprechen oft zu mir: Bitte zu Gott für mich! Da denke ich:
Warum gehet ihr aus? Warum bleibet ihr nicht bei euch selber und greift
in euer eigen Gut? Ihr traget doch alle Wahrheit wesentlich in euch.
+fol.+ 267.
* * * * *
Wo die Natur endet, fahet Gott an zu seyn. Gott begehret nichts mehr
von dir, denn daß du ausgehest aus dir selber in creatürlicher Weise
und lässest Gott Gott in dir seyn. Das mindeste creatürlich Bild, das
sich dir einbildet, ist so groß als Gott. Warum? Es raubet dir einen
ganzen Gott. Wenn das Bild eingeht, muß Gott weichen mit all seiner
Gottheit; geht aber das Bild aus, geht Gott ein. Gott begehrt so sehr,
daß du aus dir selber ausgehest in creatürlicher Weise, als ob allein
seine Seligkeit daran läge. Eia, lieber Mensch, was schadet dir, daß
Gott Gott in dir sey! +fol.+ 267.
* * * * *
Fragt man mich, daß ich endlich berichten soll, was der Schöpfer
meinte, als er alle Creaturen schuf, antworte ich: Ruhe. Fragt man
mich zum zweitenmal, was alle Creaturen suchen in ihrer natürlichen
Begierde, ich spreche abermals: Ruhe. Fragt man mich zum drittenmal,
was die Seele suche auf allen ihren Wegen, ich spreche abermals:
Ruhe. Denn das Antlitz göttlicher Natur ziehet alle Kräfte und alles
Begehren der Seele nach sich. Dies schmeckt Gott so wohl und ist ihm
so gefällig, daß all seine göttliche Natur dazu gekehret und geneiget
ist. Als viel die Seele in Gott ruhet, als viel widerruhet Gott in
ihr. Ruhet sie nur theilweise in ihm, so widerruhet er nur theilweise
in ihr. Ruhet sie ganz und ungetheilt in ihm, so widerruhet er ganz
und ungetheilt in ihr. In der lautern Seele, da Gott findet einen
Widerschein seiner selbst, da widerruhet Gott in der Seele, und die
Seele widerruhet in Gott. Der das Gott benähme, daß er nicht ruhete
in der Seele, der benähme ihm seine Gottheit. Denn Gott sucht Ruhe in
allen Dingen und göttliche Natur ist Ruhe. +fol.+ 292.
* * * * *
Ein jeder Ausgang ist um des Eingangs willen, ein jeder Anfang ist um
des Endes willen. Gott ruhet nicht da, wo er ist ein Anfang, sondern
wo er ist ein Ende alles Wesens. (Nicht als ob dies Wesen zu nichte
würde, sondern es wird vollbracht nach seiner höchsten Vollkommenheit.)
Was ist das letzte Ende? Es ist die verborgene Finsterniß der ewigen
Gottheit und ist unbekannt und wird nimmermehr bekannt, +fol.+ 256.
* * * * *
Alle Creaturen jagen danach, daß sie Gott gleich werden. Wäre Gott
nicht in allen Dingen, die Natur hätte weder Wirken noch Begehren. Nun
aber suchet sie heimlich Gott. Sie wisse es oder nicht, es sey ihr lieb
oder leid, sie meinet doch nur Gott in all ihrer Begehrung. Durstete
ein Mensch noch so sehr, er würde doch nicht einen Trunk begehren, wäre
nicht Etwas Gottes darin. +fol.+ 259.
* * * * *
Mein äußerer Mensch schmeckt alle Creaturen als Creaturen, Wein als
Wein, Brod als Brod, Mein innerer Mensch aber schmeckt Nichts als
Creaturen, sondern Alles nur als Gaben Gottes. Aber in allen seinen
Gaben gibt Gott nur sich selbst. +fol.+ 301.
* * * * *
Gott liebt sich selber und seine Natur und sein Wesen und seine
Gottheit. In der Liebe, darin Gott sich liebet, liebt er auch alle
Creaturen, nicht als Creaturen, sondern Creaturen als Gott. Nun bitt
ich euch, daß ihr vernehmet. Ich will sprechen, wie ich nie sprach:
Gott schmeckt sich selber und in dem Geschmack, darin er sich selber
schmeckt, schmeckt er alle Creaturen, nicht als Creaturen, sondern
Creaturen als Gott. +fol.+ 301.
* * * * *
Gott liebet Nichts denn sich selber, er verzehret all seine Liebe in
sich selber. Niemand erschrecke, weil ich spreche, daß Gott Nichts
liebet denn sich selber. Es ist unser Allerbestes und unsere höchste
Seligkeit liegt daran. +fol.+ 254.
* * * * *
St. Paulus spricht: Gottes Liebe ist ausgegossen in unsere Herzen.
Sintemal uns denn Gott seine Liebe gegeben hat, hat er uns auch den
heiligen Geist gegeben. Dann lieben wir mit der göttlichen Liebe,
darin er sich selber liebet, und wäre diese Liebe nicht, dann wäre der
heilige Geist nicht. +fol.+ 248, 284.
* * * * *
Alsfern der Mensch sich selbst verläugnet durch Gott und mit Gott
vereinigt wird, alsfern ist er mehr Gott denn Creatur. Wenn der Mensch
seiner selbst ledig ist und nicht lebt, denn in Gott allein, ist er
wahrlich dasselbe von Gnaden, was Gott ist von Natur, und Gott bekennet
selbst, daß kein Unterschied sey zwischen ihm und diesem Menschen. Ich
habe gesprochen: von Gnaden, denn Gott ist und der Mensch ist. Also ist
Gott gut von Natur, der Mensch aber ist gut von Gnaden. +fol.+ 309.
* * * * *
Ich sprech bei guter Wahrheit und bei ewiger Wahrheit und bei
immerwährender Wahrheit, daß sich Gott in jeglichem Menschen, der sich
zu Grunde gelassen hat, allzumal ausgießen muß nach aller Vermögenheit,
so ganz und gar, daß er in seinem Leben und in seinem Wesen, in seiner
Natur und in seiner Gottheit Nichts behaltet, er muß es alles zumal in
fruchtbarer Art ergießen. +fol.+ 300.
* * * * *
Es ist eine sichere Wahrheit, daß es Gott also Noth ist, daß er uns
suche, recht als ob all seine Gottheit daran hinge. Gott mag unser so
wenig entbehren als wir seiner. Mögen wir uns von Gott kehren, so mag
Gott sich doch nimmer von uns kehren. Darum will ich Gott nicht bitten,
daß er mir Etwas gebe, ich will ihn auch nicht loben um das, was er mir
gegeben hat, sondern ich will ihn bitten, daß er mich würdige ihn zu
empfangen und ich will ihn loben, daß er der Natur und des Wesens ist,
daß er geben muß. +fol.+ 252.
* * * * *
Ich danke nicht Gott, daß er mich liebhat, denn er mag es nicht lassen;
er wolle es oder nicht, seine Natur zwinget ihn doch. Ich will ihm
danken, daß er nicht lassen mag von seiner Güte. +fol.+ 254.
* * * * *
Gott ist allzeit wirkend in einem Nun der Ewigkeit, und sein Wirken
ist das Gebären seines Sohnes, den gebiert er allzeit. Der Sohn ist
der erste Ausbruch aus der Fruchtbarkeit göttlicher Natur und dieser
Ausbruch ist ohne Mittel des Willens, darum er heißet ein Bild und Wort
des Vaters. In diesem Worte spricht der Vater meine Seele und deine
Seele, Er gebiert seinen Sohn in der Seele in derselben Weise als er
ihn in der Ewigkeit gebiert und nicht anders. Er muß es thun, es sey
ihm lieb oder leid. Der Vater gebiert seinen Sohn ohne Unterlaß und ich
sprech mehr: Er gebiert mich seinen Sohn, mehr, er gebiert mich sein
Wesen und seine Natur. Da quelle ich aus im heiligen Geist; da ist ein
Leben und ein Wesen und ein Werk. +fol.+ 268, 299, 304.
* * * * *
Es ist des Vaters Wesen, daß er den Sohn gebäre, und es ist des Sohnes
Wesen, daß er geboren werde und daß ich in ihm geboren werde, und es
ist des heiligen Geistes Wesen, daß ich in ihm verbrenne und in Liebe
verschmolzen werde. +fol.+ 245.
* * * * *
Wenn der Wille also vereinigt wird, daß er wird ein einig Ein, so
gebiert der himmlische Vater seinen eingebornen Sohn in sich und in
mir. Warum in sich und in mir? Ich bin Eins mit ihm, er vermag mich
nicht auszuschließen. In demselben Werk empfaht der heilige Geist sein
Wesen und wird von mir, wie von Gott. Warum? Ich bin in Gott und nimmt
der heilige Geist sein Wesen nicht von mir, nimmt er es auch nicht von
Gott. Ich bin auf keine Weise ausgeschlossen. +fol.+ 251.
* * * * *
Ein Meister spricht: Gott ist Mensch geworden, davon ist erhöhet und
gewürdiget das ganze menschliche Geschlecht. Dessen mögen wir uns
freuen, daß Christus unser Bruder ist gefahren von eigner Kraft über
alle Chöre der Engel und sitzet zur Rechten des Vaters. Dieser Meister
hat wohl gesprochen, aber wahrlich ich gebe nicht viel darum. Was hülf
mich, hätt ich einen Bruder, der da wär ein reicher Mann, und wär ich
dabei ein armer Mann? Was hülf mich, hätt ich einen Bruder, der da wär
ein weiser Mann und wär ich dabei ein Thor? Ich sprech ein Anderes
und Näheres. Gott ist nicht allein Mensch geworden, sondern er hat
menschliche ~Natur~ angenommen. +fol.+ 266.
* * * * *
Die Meister sprechen gemeinlich, daß alle Menschen seyen gleich edel
in der Natur. Ich aber sprech, daß alles das Gute, das die Heiligen
und Maria und Christus nach ihrer Menschheit besessen haben, das ist
mein eigen in dieser Natur. Nun möchtet ihr mich fragen: Sintemal ich
in dieser Natur hab Alles, das Christus nach seiner Menschheit leisten
mag, wovon ist denn, daß wir Christum hören und würdigen als unsern
Herrn und unsern Gott? Das ist davon, daß er ist gewesen ein Bote
von Gott zu uns und hat uns zugetragen unsere Seligkeit. Ja dieselbe
Seligkeit, die er uns zutrug, die war unser. +fol.+ 266.
* * * * *
Der Herr sprach: Alles das ich von meinem Vater gehört habe, das
habe ich euch geoffenbaret. Nun wundert mich, daß Etliche, die wohl
gelehrt sind und große Pfaffen seyn wollen, sich hier so schier genügen
lassen. Sie wollen das Wort also verstehen, er habe uns auf dem Wege
geoffenbaret, was nothdürftig wäre zur Seligkeit. Das halte ich nicht,
denn es ist keine Wahrheit. Alles das der Vater hat und das er ist,
die Abgründigkeit göttlichen Wesens und Natur, das gebiert er zumal in
seinem eingebornen Sohn. Dieses ist was der Sohn vom Vater höret, und
er hat uns geoffenbaret, daß wir derselbe Sohn seyen. Gott ist Mensch
geworden, daß ich Gott würde. Gott ist gestorben, daß ich sterbe aller
Welt und allen geschaffnen Dingen. +fol.+ 263.
* * * * *
Menschheit und Mensch ist ungleich. Menschheit in ihr selber ist so
edel, daß sie hat Gleichheit mit den Engeln und Sippschaft mit der
Gottheit. Die größte Einung, die Christus besessen hat mit dem Vater,
ist mir möglich zu gewinnen, wenn ich könnte ablegen das da ist von
Diesem oder von Dem und könnte annehmen die Menschheit. +fol.+ 251.
* * * * *
Der Vater gebiert seinen Sohn in dem Gerechten. Alle die Tugend des
Gerechten und ein jeglich Werk des Gerechten ist anders nicht, denn
daß der Sohn von dem Vater geboren wird. Der Vater ruhet nicht, es sey
denn daß der Sohn in mir geboren werde, und er jaget und treibet mich
allzeit, daß ich ihm den Sohn gebäre. Dies sollen weise Leut wissen und
grobe Leut die müssen es glauben. +fol.+ 245.
* * * * *
Der gerechte Mensch dienet weder Gott noch den Creaturen, denn er ist
frei, und je näher er der Gerechtigkeit ist, je mehr er die Freiheit
selber ist. Alles das geschaffen ist, ist nicht frei. Dieweil Etwas ob
mir ist, das Gott selber nicht ist, das drückt mich, wie klein es auch
ist; und wär es auch Vernunft und Liebe, alsfern als sie geschaffen
ist und Gott selber nicht ist, drückt sie mich, denn sie ist unfrei.
+fol.+ 274.
* * * * *
Ein Meister spricht: Die Seele, die Gott liebt, liebt ihn unter dem
Gewand der Güte. Ich aber sprech, daß Wesen lauterer sey, denn Güte.
Wäre nicht Wesen, dann wäre auch nicht Güte, und nur alsfern sie am
Wesen ist, ist Güte gut. Daß Gott gut ist, macht mich nicht selig und
ich will nimmer begehren, daß Gott mich selig mache von seiner Güte,
denn er möchte es vielleicht nicht thun. Davon bin ich allein selig,
daß Gott vernünftig ist und daß ich das erkenne. +fol.+ 287.
* * * * *
Gott hat viele Namen, aber der erste Name ist Wesen. Alles das
gebrechlich ist, das ist ein Abfall vom Wesen. Alsfern unser Leben ein
Wesen ist, alsfern ist es in Gott. Es ist kein Leben so krank, alsfern
es Wesen ist, ist es edler denn Alles, das je Leben gewann. Erkennst du
eine Blume nach ihrem Wesen in Gott, dann ist diese Blume edler denn
die ganze Welt. +fol.+ 279.
* * * * *
Der Wille läßt sich wohl genügen an Gottes Güte, aber Vernünftigkeit
läßt sich weder genügen an Güte, noch an Weisheit, noch an Wahrheit,
noch an Gott selber. Sie sucht Gott als den Mark, daraus Güte fließet,
sie sucht ihn als den Kern, daraus Güte quillet, sie sucht ihn als
die Wurzel, daraus Güte blühet. Sie bricht ein in den Grund, da Güte
und Wahrheit ihren Ausbruch haben, und nimmt sie im Anfange (+in
principio+), bevor sie noch ihre Namen gewinnen. Sie ziehet Gott
das Gewand der Güte ab und nimmt ihn bloß und entkleidet von allen
Namen. Darum genügt ihr weder an Vater, noch an Sohn, noch an heiligem
Geist, sondern sie durchbricht die innerste Tiefe der Gottheit, und
dringt ein in die Wurzel, da der Sohn ausquillet und der heilige Geist
hervorblühet. +fol.+ 260, 288, 301.
* * * * *
Es ist Etwas in der Seele, das über die Geschaffenheit der Seele
ist; es ist göttlicher Art, einfältig in sich selber, ein lauters
Nichts, mehr ungenannt, denn genannt, und mehr unbekannt, denn
bekannt. Könntest du dich selber vernichten einen Augenblick (oder
noch kürzer denn ein Augenblick), dann hättest du Alles, was Dieses in
sich selber ist. Dieweil du aber dich selber achtest als ein Etwas,
weißt du so wenig, was Dieses ist, als mein Mund weiß, was Farbe ist,
und als mein Auge weiß, was Geschmack ist. Von Diesem pfleg ich zu
sprechen in meinen Predigten und underweilen hab ich es genannt eine
Kraft, underweilen ein ungeschaffen Licht, underweilen ein göttliches
Fünklein. Es ist von allen Namen und Formen frei und ledig, wie Gott
frei und ledig ist in sich selber. Es ist höher denn Erkennen, und
höher denn Liebe und höher denn Gnade. Denn alles dieses hat noch
Unterschied. In dieser Kraft blühet und grünet Gott mit all seiner
Gottheit, und der Geist blühet in Gott. In dieser Kraft gebiert der
Vater seinen eingebornen Sohn, so wesentlich als in ihm selber; in
diesem Lichte wird der heilig Geist. +fol.+ 274, 297, 308, 301.
* * * * *
St. Paulus spricht: Alles das ich bin, das bin ich von der Gnade
Gottes. Diese Worte sind wahr und doch war die Gnade nicht in ihm.
Denn die Gnade hatte gewirkt und hatte Paulum gebracht in das Wesen,
und dann hat die Gnade ihr Werk vollbracht. Da aber die Gnade ihr Werk
vollbracht hatte, wurde Paulus was er in Ewigkeit war. Dann hat der
Mensch die wahre geistige Armuth, und hat keinen Unterschied, und weiß
weder von Gott noch von Creatur noch von sich selber, und hat weder Vor
noch Nach, und erwartet kein zukünftiges Ding, und kann weder gewinnen
noch verlieren. Darum bitte ich Gott, daß er mich quitt mache Gottes
(daß er von Gnade mich bringe ins Wesen), denn ~Wesen~ ist über
Gott und über Unterschied. +fol.+ 307, 308.
* * * * *
Als viel du dich bekehrest von dir selber und von allen geschaffnen
Dingen, als viel wirst du gereiniget und beseliget in diesem Funken
der Seele, der unberühret ist von Ort und Zeit. Dieser Funke
widerspricht allen Creaturen und will nur den bloßen Gott, wie er in
sich selber ist. Diesem Funken genüget weder an Vater, noch Sohn,
noch heiligem Geist, noch an den drei Personen, alsfern eine jegliche
bestehet in ihrer Eigenschaft. Ich will noch mehr sprechen, das noch
wunderlicher lautet. Ich sprech es bei der ewigen Wahrheit, und bei der
immerwährenden Wahrheit und bei meiner Seele, diesem Lichte genüget nur
an dem überwesentlichen Wesen. Es will in den einfältigen Grund, da die
Personen ausbrechen, in die stille Wüste, da Niemand daheim ist, in das
Eine, da kein Unterschied scheinet, in die einfältige Stille, die in
ihr selber unbeweglich ist, von welcher Unbeweglichkeit aber alle Dinge
beweget werden. +fol.+ 301.
* * * * *
Da ich stund in meiner ersten Ursache, da hatte ich keinen Gott, da war
ich mein eigen, ich wollte nicht, ich begehrete nicht, denn ich war ein
ledig Seyn und ein Erkenner meiner selbst nach göttlicher Wahrheit. Was
ich wollte, das war ich, und was ich war, das wollte ich, und ich stund
ledig Gottes und aller Dinge. Aber da ich entging meinem freien Willen
und ~empfing mein geschaffen Wesen~, da hatte ich einen Gott. Denn
ehe die Creaturen waren, war Gott nicht Gott; er war nur was er war. Da
die Creaturen wurden und empfingen ihr geschaffen Wesen, da war Gott
nicht in ihm selber Gott, sondern in den Creaturen war er Gott. Nun
sprechen wir, daß Gott, alsfern er Gott ist, nicht ist ein vollkommen
Ende aller Creaturen; und hätte eine Fliege Vernunft und möchte sie
vernünftiglich suchen den Abgrund göttlichen Wesens, dann müßten wir
sprechen, daß Gott, alsfern er Gott ist, nicht möchte die Fliege
erfüllen oder ihr genügen. Darum bitte ich, daß ich Gottes ledig werde,
und nehme die Wahrheit und gebrauche die Ewigkeit, in der ich stund, da
ich war was ich wollte und wollte was ich war. In diesem Durchbrechen
bin ich und Gott Eins; da nehme ich weder ab noch zu; da bin ich ein
Unbewegliches, das Alles beweget. +fol.+ 307, 308.
* * * * *
Da ich stund in dem Grund der Gottheit und in dem Boden der Gottheit
und in dem Revier der Gottheit und in dem Quell der Gottheit, da fragte
mich Niemand, was ich wollte oder was ich thäte. Da ich floß aus, da
sprachen alle Creaturen von Gott. Fragte man mich: Bruder Eckart, wann
ginget Ihr von Hause? da war ich darinnen. Warum sprachen sie nur von
Gott und nicht von der Gottheit? Gott und Gottheit hat Unterschied.
Alles das in der Gottheit ist, ist Eins und davon ist nicht zu
sprechen. Gott wirket, in der Gottheit ist kein Werk, sie ist still und
unbeweglich in sich selber. Wenn ich komme wieder in die Gottheit, so
ist mein Durchbrechen edler als mein Ausfließen, denn ich bringe alle
Creaturen mit mir in meiner Vernunft. Wenn ich komme in den Grund der
Gottheit und in den Boden der Gottheit und in das Revier der Gottheit
und in den Quell der Gottheit, so fragt mich Niemand, wannen ich komme
oder wo ich sey gewesen, und Niemand vermisset mich, denn hier ist eine
Entwerdung. +fol.+ 302.
* * * * *
Viele gelehrte Leute mögen nicht leiden, daß man die Seele so nahe ins
göttliche Wesen setzt und ihr so viel göttliche Gleichheit zueignet.
Das ist davon, daß sie den Adel der Seele aufs allerhöchste nicht
erkennen, denn erkennten sie den Adel der Seele aufs allerhöchste, dann
wüßten sie nicht an etlichen Puncten, wo sie Unterschied sollten finden
zwischen ihr und Gott. Mich aber wundert (und dies Wunder hat mich
lange bekümmert), daß die Seele nicht also kräftiges Wort aussprechen
mag, wie der himmlische Vater. Die Meister sprechen, es sey davon,
daß, was in Gott ist, das ist in Gott wesentlich, in der Seele aber
bildlich, und darum möge die Seele nicht Gott gleichen an ihren Werken.
Diese Rede halte ich nicht für wahr. Denn leget man ab, was der Seele
zugelegt ist, so ist sie wesentlich nach Gott gebildet. Andere Meister
sprechen: Was Gott ist, das hat er Alles von ihm selber, aber was die
Seele hat, das hat sie empfangen, davon mag sie Gott nicht gleichen
an ihren Werken. Diesem widersprech ich aber allzumal. Denn der Sohn
hat auch empfangen vom Vater Alles das er ist und wirket doch gleich
dem Vater, denn er und der Vater gießen aus den heiligen Geist mit
gleicher Kraft und Vollkommenheit. Dieses also mag die Seele nicht
hindern. Es ist eine andere Rede, die die Seele hindert; an dieser
lasse ich mich ein wenig genügen. Das ist, daß der Sohn ist geflossen
aus der Person des Vaters und ist in ihm geblieben wesentlich, und
darum vermag er wesentlich und persönlich Alles das der Vater vermag,
die Seele aber ist ausgeflossen von den Personen und nicht im Wesen
geblieben. Mehr, sie hat empfangen ein fremdes, (ein ungleiches) Wesen,
das vom göttlichen Wesen geursprunget ist. +fol.+ 278.
* * * * *
Wie du liebest, also bist du. Liebst du die Erde, so bist du irdisch;
liebst du Gott, so bist du göttlich. Wenn ich denn Gott liebhabe,
werde ich dann Gott? Das sprech ich nicht, sondern ich weise euch zur
Schrift, wo Gott spricht: Ihr seyd Götter und Kinder des Höchsten.
+fol.+ 246.
* * * * *
Wir sollen mit Gott vereinigt werden wesentlich, wir sollen mit
Gott vereinigt werden einlich, wir sollen mit Gott vereinigt werden
gänzlich. Wie sollen wir wesentlich mit Gott vereinigt werden? Das soll
geschehen an der Schauung und nicht an der Wesung. Sein Wesen mag nicht
unser Wesen werden, sondern soll unser Leben seyn. Davon sprach auch
Christus: Der Dich, Vater, erkennet, das ist ein ewig Leben. Er sprach
nicht: Das ist ein ewig Wesen. +fol.+ 277.
* * * * *
Die Seele ist ein seliger Spiegel. Nun fragt man, wo das Wesen des
Bildes am eigentlichsten sey, in dem Spiegel, oder im Gegenstande,
von dem es ausgehet. Antwort: Dieweil der Spiegel meinem Antlitz
gegenüberstehet, so ist mein Bild darin; zerbräche der Spiegel, so
zerginge auch das Bild. +fol.+ 287.
* * * * *
Das Auge, darin ich Gott sehe, ist dasselbe Auge, darin Gott mich
sieht. Mein Auge und Gottes Auge ist ein Auge und ein Gesicht und ein
Erkennen und eine Liebe. +fol.+ 313.
* * * * *
Da ich heute hieher ging, dachte ich, wie ich euch so vernünftiglich
predigen möchte, daß ihr mich wohl verstündet. Da erdachte ich ein
Gleichniß und könntet ihr dies wohl verstehen, dann verstündet ihr
den Sinn, den Grund und die Meinung aller meiner Predigten. Und das
Gleichniß war genommen von meinen Augen und dem Holze. Wird mein Auge
aufgethan, so ist es ein Auge; ist es geschlossen, so ist es dasselbe
Auge und durch das Sehen gehet dem Holze weder was ab noch zu. Nun
verstehet mich recht. Wird mein Auge aufgethan und auf das Holz
geworfen mit einem Ansehn, so bleibt ein Jegliches das es ist, und
doch werden sie in der ~Wirklichkeit des Gesichtes~ so Eins, daß
man sagen muß, das Auge ist Holz und das Holz ist Auge. Wäre nun aber
das Holz ohne Materie und geistlich wie mein Auge, dann möchte man mit
Wahrheit sprechen, daß in der Wirklichkeit des Gesichtes das Holz und
mein Auge bestünden in einem Wesen. Ist nun dieses wahr von leiblichen
Dingen, viel mehr ist es wahr von geistlichen Dingen. +fol.+ 300.
* * * * *
Ich nimm ein Becken mit Wasser und lege darin einen Spiegel und setze
es unter das Rad der Sonnen. Die Sonne wirft aus ihren lichten Schein
in den Spiegel und vergehet doch nicht. Das Widerspielen des Spiegels
in der Sonne ist Sonne in der Sonne, und der Spiegel ist doch das er
ist. Also ist es um Gott. Gott ist in der Seele mit seiner Natur und
seinem Wesen und seiner Gottheit, und er ist doch nicht die Seele. Das
Widerspielen der Seele in Gott ist Gott in Gott und die Seele ist doch
das sie ist. +fol.+ 301, 302.
* * * * *
Wer diese Predigt hat verstanden, dem gönn ichs wohl. Wäre hier Niemand
gewesen, ich müßte sie diesem Stock gepredigt haben. Wer diese Predigt
nicht hat verstanden, bekümmere sein Herz nicht damit, denn so lange
der Mensch selber nicht gleich ist dieser Wahrheit, so lange wird er
sie nicht verstehen, denn es ist eine unbedachte Wahrheit, die gekommen
ist aus dem Herzen Gottes ohne Mittel. +fol.+ 302, 308.
Das mystische Bewußtseyn,
dargestellt
nach Meister Eckart, +Dr.+ Tauler, Suso und dem Verfasser der
»deutschen Theologie.«
Hat der Leser durch den hier mitgetheilten Auszug eine allgemeine
Vorstellung gewonnen von dem mystischen Grundton, den Meister Eckart
angeschlagen hat, so haben wir hiedurch einen Ausgangspunct erhalten
für eine umfassendere Betrachtung, in welche wir einen größeren Kreis
hiehergehörender mystischer Schriften hineinziehen. Indem wir nicht bei
den gegebenen Mittheilungen aus Eckart stehen bleiben, sondern in der
Entwickelung des mystischen Bewußtseyns seine Predigten fortwährend
im Auge behalten, betrachten wir ihn doch von jetzt an nur in einem
umfassenderen Zusammenhange, weil wir nicht sowohl die Schilderung
einzelner Individualitäten beabsichtigen, als vielmehr die Betrachtung
und Beurtheilung des mystischen Geistes, der größtentheils durch ihn
geweckt und hervorgerufen ist. Außer ihm habe ich besonders auf die
oben genannten Mystiker Rücksicht genommen., Obgleich Ruysbroock
wesentlich in dieselbe Kategorie gehört, habe ich doch wegen seiner
abstrusen, nicht selten schwülstig-phantastischen Darstellung so gut
wie keine ~besondere~ Rücksicht auf ihn genommen. Soweit ich
ihn kenne, gibt er keine neue Gesichtspuncte und in der Reinheit des
Ausdrucks wird er von den Anderen weit übertroffen.
Es liegt in der Natur der Sache, daß wir, um der deutschen Mystik ihre
eigenthümliche Stelle anzuweisen, zugleich eingehen müssen in das
allgemeine Wesen aller Mystik.
[Illustration]
[Illustration]
I.
Das Mysterium.
Der Akosmismus und der Atheismus.
Der Akosmismus und der Atheismus bezeichnen die Vorstellung, die sich
beim Lesen Eckarts zunächst aufdrängt, nemlich die Vorstellung des
Pantheismus. Wird schon der aufmerksame Leser Eckarts bei näherer
Erwägung finden, hier sey mehr als Spinoza, so ist doch nicht zu
zweifeln, daß dasselbe, was zunächst die Aufmerksamkeit und das
Bedenken des Papstes erregte, auch bei christlichen Lesern der
Gegenwart zunächst Aufmerksamkeit und Bedenken erregen wird. Eben
dieses Bedenkliche ist es aber, was zunächst diese Predigten von der
großen Masse gewöhnlicher Erbauungsschriften ausscheidet und ihnen eine
bleibende Stelle in der philosophischen und theologischen Litteratur
sichert; ja es ist dasselbe, das ihren tieferen religiösen Gehalt
bedingt und die höhere Einsicht in die christlichen Geheimnisse,
die sich hier an so vielen Stellen ausspricht, möglich macht. Der
Pantheismus ist die erste, unmittelbarste Gestalt, in der die Idee sich
dem Denken faßlich macht, wenn dieses sich von der traditionellen,
herkömmlichen Betrachtung der Dinge losgemacht und den Boden der
Speculation betreten hat. Er ist das allgemein Speculative in aller
Speculation, das reine Universale der Philosophie, das an allen
Puncten der philosophischen Weltanschauung circulirt, der flüchtige
Elementargeist des reinen Denkens, der die organischen, concreten
Gestalten des Geistes fortwährend durchströmen und verjüngen muß. Das
philosophische Denken strandet an der Sandbank der Endlichkeit, es
stagnirt in der Prosa, wenn nicht der frische Hauch des Pantheismus
als die fortwährende Negation der Prosa das System durchweht.
Der Pantheismus ist nicht nur das allgemeinste Lebenselement der
Philosophie, sondern auch der Religion. Ist es wahr, daß Gott nicht
blos ein figürliches, sondern ein wesentliches und wirkliches Daseyn
in der Seele hat, dann muß auch in aller Religion ein pantheistisches
Element vorhanden seyn; fehlt dieses der religiösen Andacht und
Begeisterung, dann fehlt ihr auch die wahre Unmittelbarkeit, denn die
unmittelbare Gegenwart Gottes in der Seele ist nicht verschieden von
seiner wesentlichen Gegenwart, auf welche alle religiöse Gewißheit
sich gründet. Die Alles durchdringende Substantialität Gottes aber ist
die eigenthümliche Idee des Pantheismus. Aus dieser frischen Quelle
religiöser und speculativer Begeisterung haben jene alten Mystiker
in vollem Maaße geschöpft; namentlich ist Eckart absolut erfüllt und
durchdrungen von dem Gedanken, daß es die Gottheit und nur die Gottheit
ist, in der wir leben, weben und sind. Und er ist in diesem Gedanken
nicht nur begeistert, sondern verzückt, so daß noch eigentlicher von
ihm, als von Spinoza gesagt werden kann, er sey ein gotttrunkener
Mensch.
Der Pantheismus, sagten wir, ist der erste Gedanke, den die Speculation
aussprechen muß, wenn nicht nur die Vorstellung, sondern der Gedanke
Gottes als des absoluten Wesens ihr aufgeht. Dieser Gedanke heißt:
»Nur Gott ist und außer Gott ist Nichts« (+praeter deum nihil+).
Gott wäre nicht Gott, er wäre nicht das absolute, all-einige Wesen,
wenn neben ihm noch ein Anderes, von ihm selbst Verschiedenes wäre.
Nicht zu irgend Etwas außer ihm, wodurch seine Unbedingtheit begrenzt
würde, sondern nur zu sich selber kann das alleinige Wesen sich
verhalten. Erfüllt mit dem Gedanken von der absoluten Substantialität
Gottes, faßt die Speculation den kühnen Gedanken die Welt gleichsam
aus dem Wege zu räumen, um der Gottheit Platz zu machen. Das Denken
vermag nicht aus dem ewigen Cirkel der Gottheit herauszutreten und
muß das Daseyn der Welt läugnen, um das Daseyn Gottes unverkürzt zu
erhalten. Die Realität der Welt wird vom Denken als eine Scheinrealität
aufgezeigt, das Daseyn der Welt ist nicht ihr eignes, sondern Gottes,
und dieses nur erscheinende Daseyn der Welt muß durch ununterbrochenes
Verschwinden und Vergehen von seiner illusorischen Wirklichkeit
selbst Zeugniß ablegen. Die kosmischen Existenzen sind nur die
transitorischen Accidenzen, die unselbstständigen Durchgangspuncte
des alleinigen Wesens, ihr flüchtiger, vorübergehender Schein.
Dieser Vernichtungsproceß der Endlichkeit ist es, der den Pantheismus
als Akosmismus oder als Weltläugnung charakterisirt. Je mehr aber
die Nichtigkeit der Welt diesem Erkennen offenbar wird, je mehr das
Bewußtseyn von jedem endlichen Inhalte sich reinigt, desto mehr wird
es von der einen, unvergänglichen Realität erfüllt und gesättigt; und
wie die ganze Erscheinungswelt dem Blicke schwindet, wie ihre vielen
bunten Lichter nach und nach erlöschen, geht das eine, ewige Licht
in ungetrübter Klarheit dem schauenden Geiste auf. Es ist die +via
negationis+, der Weg der Verneinung des Endlichen, auf welchem
sich der Geist zum Bewußtseyn Gottes erhebt. Aus dem Wissen von der
Eitelkeit aller Dinge entsteht ihm die unverwüstliche Gewißheit von
dem Einen, das nicht eitel ist. Diese +via negationis+ ist die
Einleitung zu aller speculativen Theologie, die Vorschule, in der
das Bewußtseyn sich gewöhnt das Leben +sub specie aeterni+
zu betrachten, wo es genöthigt wird die vulgäre Betrachtungsweise
abzulegen, welche Gott nur in endlichen Beziehungen aufzufassen vermag,
aber sein reines, relationsfreies Seyn in sich selber ignorirt. Der
Akosmismus ist so der generellste Ausdruck für die Befreiung des
philosophischen und religiösen Geistes von der Endlichkeit und sein
Auftauchen ins Element der Ewigkeit. Der von der Weltschwere befreite
Geist schwebt in Gott wie der Vogel in der Luft; er schwimmt in Gott
wie der Fisch im Meer.
Der aus der +via negationis+ resultirende Akosmismus ist nun
die allgemeine Grundlage der Gotteserkenntniß in der mystischen
Theologie und tritt in kräftigster Energie hervor in Meister Eckart
und seinen Geistesverwandten. Der edelste Name Gottes ist »Wesen«
und Wesensschauung ist das höchste Ziel dieser Theologie; aber es
ist nur ein alleiniges Wesen, in dem Alles beschlossen und begriffen
ist, und was außer diesem ist, ist nur ein Schein und ein Zufall
(deutsche Theol. +cap.+ 1). Es ist nicht in »Bildern« zu fassen;
denn alle Bilder sind genommen von der Creatur, aber zum Verständniß
des lauteren Wesens kommt man nur in einem unbildlichen Erkennen.
Von der Mannichfaltigkeit muß darum die Betrachtung eingehen in die
»Einfältigkeit«; von dem Unvollkommnen, dem Getheilten, dem Stückwerk
muß sie kommen in das »Ungetheilte« und »Vollkommene«. Eine andere
Kategorie, die in der mystischen Theologie häufig vorkommt, ist das
reine »Nichts«. Das Nichts ist entgegengesetzt dem Ichts, dem Etwas.
Alles, was als ein Etwas betrachtet werden mag, ist endlich, begrenzt,
hat Anderes außer sich. Dieses Stückwerk heißt Creatur und kann sich
selber nicht genug seyn, denn ein jegliches Etwas weiset hin auf
eine Schranke, ein Gefängniß, und Gebrechlichkeit klebet ihm an.
Das göttliche Nichts ist dem Mystiker identisch mit der unendlichen
»Freiheit«; denn frei ist nur was nicht an einem Anderen haftet, was
in sich selber schwebet und nur auf sich selbst bezogen ist. Wesen,
Unbildlichkeit, Freiheit, reines Nichts sind Kategorien, auf welche
hier fortwährend zurückgegangen wird.
Der Akosmismus bildet so einen Gegensatz zu der theologischen
Denkweise, die auf dem kosmischen und anthropocentrischen Standpuncte
stehen bleibt. Die Weise, sagt Meister Eckart, die des Wesens am
allermeisten hat, heißet Substanz, und die Weise, die des Wesens am
mindesten hat, heißet Relatio (+fol.+ 287). Für die kosmische
Theologie, die in endlichen Relationen denkt, ist Gott das höchste
Object, aber doch nur ein Object unter den vielen Objecten, von denen
das Ich umgeben ist; er ist der höchste Gedanke, aber doch nur ein
Gedanke unter den vielen Gedanken, die im Ich vorhanden sind. Für den
mystischen Akosmismus dagegen existirt nur ein wirkliches Object und
er kennt nur einen wahren Gedanken. Wer die ganze Welt mit Gott nimmt,
sagt Meister Eckart, nimmt nicht mehr, als nähme er Gott allein; denn
alle Creaturen sind ein pures Nichts, nicht ein göttliches, sondern ein
creatürliches Nichts. Dieser Akosmismus ist nicht die leere Abstraction
der Endlichkeit, sondern deren Versenkung in die Unendlichkeit. Er
verneint die Welt, insofern sie ein Leben ist (insofern sie ein
endliches, zeitliches Daseyn hat), aber bejahet sie, insofern sie
ein Wesen ist in Gott. »Wer die Dinge verläßt, wo sie getheilt und
zerstückelt sind, findet sie wieder da, wo sie geeint und vollkommen
sind.« Denn alle weltliche Existenzen werden als Idealitäten in Gott
aufbewahrt, während sie als Realitäten vernichtet werden. Im göttlichen
Nichts sind alle Dinge in ihrem Anfang und Ende. Es ist also kein
Abstractum, sondern eine überschwängliche Lebensfülle, ~Alles~
in sich enthaltend. »Daß es genannt wird ein Nichts, das ist nur zu
verstehen nach allem dem Ichts, das wir ihm nach creatürlicher Weise
zulegen mögen. Denn, was man ihm in solcher Weise zulegt, das ist Alles
in etlicher Weise falsch und seine Läugnung ist wahr. Aus dem so mag
man ihm sprechen ein ewiges Nicht« (Suso +pag.+ 289). Indem diese
Theologie in Allem nur das Eine und Alles nur ~als~ das Eine
betrachtet, tritt sie nie aus dem Kreise der Gottheit heraus.
Die in endlichen Relationen denkende Theologie fragt nur nach der
Beziehung Gottes zur Welt, und namentlich, was er sey in praktischer
Beziehung für das menschliche Ich; sie kennt nur den Widerschein des
göttlichen Wesens in der Welt, aber nicht dieses selbst; sie weiß nur
von einer göttlichen Offenbarung und Weltregierung, die nicht Gott
selbst, sondern nur die Creatur zum Ziel hat. Auf diesem Standpuncte
bezeichnen die göttlichen Eigenschaften nur die Beziehungen, in denen
das Wesen Gottes von dem endlichen, beschränkten Denken des Menschen
aufgefaßt werden kann, nicht aber die eignen Bestimmtheiten des
göttlichen Wesens. Alle diese relative Gesichtspuncte erlöschen im
mystischen Schauen. In der mystischen Contemplation stellt die Welt
sich nicht als eine hemmende, unüberwindliche Schranke zwischen den
Gedanken und Gott, sondern Gott wird geliebt und erkannt ohne alles
»Mittel« der Creatur. Es ist nur auf dem Standpuncte einer niederen
Betrachtung, daß die Welt, wie ein Stäubchen im sinnlichen Auge,
das wahre Erkennen hindert. Gott zu erkennen in der Creatur ist die
niedrigste Erkenntniß, die da heißet eine Abend-Erkenntniß, denn es
ist nur der gebrochene Widerschein des göttlichen Wesens, was hier
erkannt wird, während dieses, die ewige Sonne selbst, sich im Jenseits
verbirgt; die Creatur aber in Gott zu erkennen ist eine höhere Stufe,
die da heißet eine Morgen-Erkenntniß, weil die creatürlichen Gestalten
in das hervorbrechende Licht aufgenommen und verklärt werden; wenn
aber das göttliche Wesen an und für sich, ohne alle Reflexion, ohne
allen creatürlichen Schein erkannt wird, dann steht der Gedanke in
der absoluten Identität oder in der hellen Mittagssonne (Eckart
+fol.+ 279). Es ist nur das menschliche Ich selber, das dieser
höchsten Erkenntniß im Wege steht; darum muß der Mensch seinem Ich,
seinem creatürlichen Nichts absterben; die Seele muß aller Bilder
entkleidet werden, denn das mindeste creatürliche Bild, das sich bildet
zwischen der Seele und Gott, zerstört die Einheit. Und nicht darf die
Seele Gott suchen um dieses und das, um ihren eigenen Nutzen oder ihre
eigene Seligkeit, sondern sie muß seyn ohne alles Warum. Darum muß auch
die Erkenntniß des göttlichen Wesens frei seyn von allem Affect, ein
reines unpathologisches Denken. »Willst du Gott lauterlich erkennen«,
spricht Meister Eckart, »dann mußt du ablegen alle Freude und Furcht,
alle Zuversicht und alle Hoffnung; denn dies Alles ist creatürlich
und hindert die Einheit. Dieweil du dieses ansiehest, siehest du Gott
nicht« (+fol.+ 258). Der gewöhnliche Ausdruck für den Zustand,
wo die absolute Identität von Subject und Object, der Seele und Gott,
eintreten kann, ist die vollkommene »Armuth«, denn Armuth haftet an
Nichts. Als die durchgeführte Negation der ganzen Mannichfaltigkeit der
Erscheinungswelt ist die vollkommene Armuth Eins mit der vollkommenen
Unabhängigkeit und »Freiheit«; aber als die absolute Freiheit ist die
Seele Eins mit dem göttlichen »Nichts«[17]. Mag es nun allerdings
scheinen, als habe die Mystik sich über alle Relation erhoben, als sey
das theoretische Interesse, das sich rein unpathologisch zu seinem
Gegenstande verhält, ihr das Höchste, so wurzelt sie doch tief in einem
praktischen und subjectiven Interesse; und obwohl sie den praktischen
Standpunct negirt, der nur fragt, was Gott sey in Beziehung auf den
Menschen, so fragt sie doch wesentlich nach demselben, aber auf eine
unendliche Weise. Die mystische Theorie ist durch ein praktisches,
subjectiv-religiöses Interesse vermittelt, und dieses ist es, was
der Mystik ihren specifischen Charakter gibt im Unterschiede vom
theoretischen Pantheismus. Dieses praktische Interesse ist nemlich
die Sorge des Individuums um seine Seligkeit, und diese Rücksicht
ist gleichsam der heimliche Faden, der die Seele auf allen ihren
Wegen durch das Labyrinth der Betrachtung leitet. Die Erkenntniß des
göttlichen Wesens ist für den wahren Mystiker nicht ein Anliegen der
Wissenschaft, sondern eine Sache der Seligkeit, des Heils; und obgleich
er nicht Gott der Seligkeit, sondern nur seiner selbst wegen suchen
will, ist die Reflexion auf sich, die Selbstberücksichtigung doch nicht
verschwunden. Der Mystiker hat nemlich gefunden, daß die Seele ihre
~Seligkeit~ nur finden könne in der absoluten Identität, das heißt
in einem Verhältniß Gottes und des Menschen, das da wesentlich ist das
unendliche Verhalten Gottes zu sich selber. Will man also das Wesen
der Mystik im Allgemeinen bezeichnen, so kann man es bezeichnen als
eine »Anweisung zum seligen Leben«, und nicht blos als eine Anweisung
dazu, sondern als dieses Lebens reelle Praxis und wirklichen Genuß.
Fichte's Anweisung zum seligen Leben ist vielleicht dasjenige Werk in
der neueren Litteratur, das an Geist, Physiognomie und Sprache der
alten Mystik am meisten ähnlich ist. Der historische Ausgangspunct der
alten Mystik ist die Askese und das Mönchsleben. Das religiöse Gemüth,
unbefriedigt von dem geschichtlichen Weltzustande, wo es nur lauter
Eitelkeit siehet, will selbst für sein Heil sorgen, da der gewöhnliche
Weg ihm nicht genüget. Es vollzieht einen praktischen Akosmismus, legt
sich selbst Armuth, Keuschheit und Gehorsam auf, und zieht sich zurück
in sein inneres Adyton, um hier das Ewige und Heilige zu finden, das
es in der Welt vergebens suchte. Aber indem nun die Seele in stiller
Einsamkeit ihren Gott sucht als ~das höchste Gut~, wird ihre
Betrachtung geläutert durch verschiedene Stadien in der Erkenntniß des
Guten. Es wird erkannt, daß das Gute vom Wahren und Substantiellen
nicht verschieden sey, daß das Wahre aber nicht vermischt sey mit
Einzelnheit, Endlichkeit, Creatürlichkeit; es wird erkannt, um in der
Sprache der Mystik zu reden, daß das vollkommene Gute, das der Mensch
lieben soll, weder ist Dies noch Das, weder hie noch da, weder Ich
noch Du, sondern nur das Eine, das da ist über alles Ich und Du, über
alles Dies und Das, über alle Enden und Oerter; und in diesem einen
Gut wird Alles geliebt, was Gut genannt werden mag, so daß man sagen
muß: Alles in Einem, und Eins in Allem. Denn was da ist hie und da,
das ist nicht allewege, und was da ist heute oder morgen, das ist
nicht allezeit und über alle Zeit, und was da ist Etwas, das ist nicht
Alles und über Alles. Wäre denn Gott Etwas, Dies oder Das, dann wäre
er nicht das Vollkommene, sondern nur ein Stückwerk (deutsche Theol.
+cap.+ 30). Aber diese intellectuelle Liebe Gottes kann durch kein
wirkliches Handeln realisirt werden, denn das wirkliche Handeln geht
immer auf Dies oder Das; diese Liebe realisirt sich nur als unendliches
Schauen und seliger Genuß im stillen Reiche der Ewigkeit. Ein einiger
Augenblick göttlicher Schauung, wiederholen alle Mystiker nach
Dionysius dem Areopagiten, ist mehr werth, denn alle die guten Werke,
die die ganze heilige Christenheit wirkt in tausend Jahren.
Das höchste Gut ist also die unendliche Identität Gottes und der Seele,
aber da das religiöse Individuum von der Wirklichkeit abgeschieden
und gleichsam aus dem Contexte des Weltlebens herausgerissen ist, so
kann sein Streben nach Vollkommenheit, die Praxis, die es übernimmt,
damit es zum Ideale gelange, kein wirkliches Handeln seyn auf dem
Gebiete der eigentlichen Sittlichkeit, die ihre Realität für das
Bewußtseyn verloren hat. Dahingegen strebt es durch eine Reihe
~absoluter Handlungen~ zum Ziele zu gelangen, durch Buß- und
Andachtsübungen, durch einen ununterbrochenen religiösen Cultus, in
welchem die natürliche Individualität durch fortgesetzte Selbstopferung
geläutert und gleichsam transsubstantiirt werden soll, damit das
Verwesliche sich wandele in das Unverwesliche, das Zeitliche ins Ewige.
Der mystische Reinigungsproceß bewegt sich durch alle Stationen,
die zwischen der unmittelbaren Natürlichkeit und Sündhaftigkeit der
Individualität und ihrer Vergottung liegen. Die Mystik ist gleichsam
die Jacobsleiter, die Himmel und Erde verbindet, und an welcher der
Mensch zur höchsten Einheit emporsteigen soll. Erst wenn die Seele
durch fortgesetzte Negation der Endlichkeit alle Stationen zurückgelegt
hat, kann der reine Akosmismus eintreten, der mit der völligen
Auflösung der Individualität und ihrem Verschwinden in der Gottheit
endigen zu müssen scheint. Allein wir werden in der Folge sehen, wie
die christliche Mystik in demselben Momente, wo sie den Untergang der
Individualität ausspricht, sich doch wieder selbst corrigirt und die
Individualität restituirt. Es liegt in der Natur der Mystik, daß es
ihr nicht völliger Ernst seyn kann mit dem reinen Akosmismus und mit
der Läugnung der individuellen Unsterblichkeit der Seele. Die tiefe,
unendliche Theilnahme der Seele an sich selber, die Selbstreflexion,
worin die Mystik ihren Anfang nimmt, ist auch ihr wirkliches Ende;
die Seele, die zur höchsten Vollendung gelangt ist und sich in den
Abgrund der Gottheit versenkt hat, geht nicht verloren, denn sie weiß
die Gottheit als ein eigenstes Selbst, als ihre unendliche Freiheit,
sie weiß ~Sich~ als den unendlichen Identitätspunct. Mag der
Mystiker auch momentan eine Vernichtung seines Ich wollen und mit
dem kühnsten Muthe dieses aussprechen, es ist doch nur die weltliche
Erscheinung, eine unvollkommene Gestalt, eine untergeordnete Potenz
des Bewußtseyns, wovon er sich befreien will, denn die Freiheit selbst
will nicht sterben und gebiert sich immer wieder aufs neue in einer
höheren Potenz. Die religiöse Psyche, die aus Liebe sich selbst als
Opfer verbrennt, ist nicht nur der ewig absterbende und verschwindende,
sondern auch der ewig wiedergeborne und selige Punct, in dem die
Gottheit unablässig pulsirt.
Dieses ist nun die nähere Bestimmung des mystischen Akosmismus; aber
der eigenthümlich mystische Charakter desselben wird erst völlig klar
werden, wenn wir ihn als ~Atheismus~ betrachten. Der Atheismus ist nur
der Akosmismus aus einem anderen Gesichtspuncte gesehen. Es versteht
sich von selber, daß hier nicht die Rede ist von dem Atheismus, der
das Daseyn Gottes und der Idee überhaupt läugnet, weil er die Materie
als die einzige Wirklichkeit setzt und, weit entfernt vom Akosmismus,
nur die schlechteste Weltvergötterung ist. Der Atheismus, von dem hier
die Rede ist, entspringt nicht aus Weltliebe, aus »Zärtlichkeit für
die endlichen Dinge,« sondern indem er Gott verneinet, verneinet er
ebensosehr die Welt und tritt als entschiedener Akosmismus hervor.
Da die Mystik alle Endlichkeit, also alle Bestimmtheit negirt, kann
sie nicht ausruhen in Gott als Gott, als welcher er auf die Welt
bezogen ist, sondern sie sucht ihn als die Gottheit, als das ewige
Nichts, daraus Alles, selbst die göttliche Persönlichkeit urständet.
Dies ist ein hoher, ächt speculativer Gedanke. Der wahre Mystiker,
der das innerste Mysterium sucht, vernichtet sowohl Gott als die
Welt, um zu demjenigen zu gelangen, welches war, bevor noch Gott und
die Welt waren. Er kann nur ausruhen in dem Ursprünglichen, in dem
metaphysischen Anfang Gottes. Darum bittet Meister Eckart Gott, daß er
ihn ledig mache Gottes, damit er ihn nicht mehr als Schöpfer oder in
irgend einer anderen Bildung anschaue, sondern als die bloße, lautere
Vernünftigkeit selber. Darum genüget ihm weder an Vater, noch Sohn,
noch heiligem Geist, denn auch diese concreten Bestimmtheiten will er
in ihrer Wesenswurzel und ihrem Quellpuncte ergreifen. Darum sehnt er
sich zurück in seine erste Ursache, wo er war von Ewigkeit, in das
lautere Wesen, das ungesprochene Nichts, wo da weder war Gott noch
Creatur. Und er will nicht seine Seligkeit nehmen von der Güte Gottes,
von dem +beneplacitum+ seiner Gnade, sondern nur von der Gottheit in
Gott; er sucht die substantielle Nothwendigkeit, das markige Wesen der
Güte und jeglicher göttlichen Eigenschaft, die Essenz des Geistes, den
gediegenen Kern aller Wirklichkeit und alles Lebens. Diesen Gedanken
von dem reinen, metaphysischen Anfange Gottes hat Meister Eckart
gepredigt mit einem logischen Enthusiasmus, mit der Energie des reinen
Denkens, daß man oft unwillkührlich an Hegel erinnert wird, der jenen
gediegenen, substantiellen Kern, aus welchem alle Wirklichkeit und
alles Leben urständet, den Geist des Geistes, die in sich verhüllte,
noch nicht als Gott und Schöpfer offenbare Gottheit als logische Idee
ausgesprochen hat.
Hier aber ist der Punct, wo die Einseitigkeit des mystischen
Bewußtseyns offenbar wird. Denn diese substantielle Gedankentiefe,
dieser Urgrund entfaltet sich nicht zur logischen Idee, wie bei
dem neueren Denker, sondern wird nur als ein unendliches Pleroma
vorgestellt, als eine unergründliche Tiefe, ein wogendes Lichtmeer,
in dem alle Farbe und alle Bestimmtheit verloschen ist. Und -- dies
eben ist das Mystische -- dieses unmittelbare Mysterium, das sich noch
nicht zur Offenbarung aufgeschlossen hat, wird als das wahre Mysterium
festgehalten und die Identität mit diesem +deus implicitus+ als
das höchste Gut bestimmt. In dieser esoterischen Stille verschmilzt
das mystische Bewußtseyn in heiliger Verschwiegenheit mit dem
Unaussprechlichen und Namenlosen, das da höher ist denn alle Sinne
und alles Verständniß. Dieses religiöse Mysterium wird gemeint, wenn
nach dem Vorgange des Areopagiten gelehrt wird, Gott müsse aller
Namen entkleidet werden, weil diese nur Unwahres von ihm aussagen;
und aus diesem Grunde will die mystische Theologie lieber eine
+theologia+ ἀποφατικὴ seyn, welche Gott rein prädicatlos denkt,
denn eine +theologia+ καταφατική, welche das Wesen Gottes in
bestimmten Prädicaten ausdrückt. Dieses meint Meister Eckart, wenn
er an einer Stelle sagt, daß man Gott ehre, je mehr man ihn läugne,
und daß man ihn mehr lobe mit Stillschweigen denn mit Namengeben. Aus
diesem Grunde lehrt die Mystik die Unbegreiflichkeit Gottes, und sie
behauptet consequent, daß Gott sich selber unbegreiflich sey; denn das
Begreifen enthält die Bestimmtheit, die Negation, die Endlichkeit,
die Grenze, welches Alles vom göttlichen Wesen ausgeschlossen ist.
In die rechte Einheit mit diesem Mysterium gelangt die Seele erst
durch die ~Ekstase~, wo nicht blos Sehen und Hören, sondern
alles articulirte Denken dem Bewußtseyn vergeht. Sie ist versunken
in die Anschauung des reinen Lichts, das von der reinen Finsterniß
nicht verschieden ist, weil gleich viel in beiden gesehen wird. Beide
Ausdrücke kommen auch häufig vor in den Schriften der Mystiker, um
dasselbe zu bezeichnen. Das mystische Bewußtseyn findet aber im reinen
Wesen keine bleibende Stätte, darin es wirklich ausruhen könnte; denn
mitten in dem unendlichen, überschwänglichen Pleroma sehnt es sich
nach einem ~bestimmten~ Inhalt, und um diesen zu finden, muß es
wieder ins Reich der Relationen hinabsteigen. Es steigt also wieder
hinab in den Kreis der Dreieinigkeit, in welchem die Offenbarung
Gottes an die Welt und seine versöhnende Erscheinung zur Erlösung
der Menschheit enthalten und begriffen ist; kaum aber ist es in den
Kreis der Offenbarung angelangt, so sehnt es sich wieder zurück nach
dem Mysterium; es durchläuft die ganze +via negationis+ aufs
neue, um in das lautere Nichts einzudringen, und in diesem Wechsel
kommt es nie zur wirklichen Ruhe. Die Seele oscillirt ununterbrochen
zwischen dem verborgenen Gott und dem offenbaren, und hiedurch entsteht
jenes +clair-obscur+ des Bewußtseyns, welches das eigentliche
Element der Mystik ist. Das mystische Bewußtseyn bewegt sich, ohne
es selbst zu wissen, in einem dialektischen Widerspruch; es bewegt
sich zwischen zwei Momenten, die es auseinander fallen läßt, ohne
sie zusammenzubringen, und ihr Widerspruch besteht darin, daß sie
die Gottheit außer Gott, das Esoterische außer dem Exoterischen, das
Mysterium hinter der Offenbarung ergreifen will. Den Gedanken des
reinen Wesens, der für das begreifende Denken nur eine aufzuhebende
dialektische Bedeutung hat, hypostasirt es als einen selbstständigen,
für sich bestehenden, geistigen Ort.
Wie aller Inhalt sich nur in der Form verwirklicht und nur in der Form
seine eigne Fülle gewinnt, wie das Wesen, um das wahre Wesen zu seyn,
in die Erscheinung übergehen muß, wie die Substanz nur im Begriffe
Subsistenz gewinnt, so muß auch das Mysterium sich zur Offenbarung
aufschließen, um die wahrhafte Tiefe zu gewinnen. Gott ~nur~ als
Mysterium bestimmen heißt, ihn nur als das verschlossene Seyn, als das
in starrer Ewigkeit unbewegt ruhende Wesen bestimmen. Dann aber fehlt
diesem Mysterium die tiefste Wahrheit; es fehlt dieser Gottheit das
wahrhaft Göttliche. Denn das wahrhaft Absolute ist nicht nur Seyn,
sondern Werden, ewiges Leben aus sich selber, Gebären seiner selbst;
es ist nicht nur Wesen, sondern ~Scheinen~ in sich selber, innere
Spiegelung, Selbstoffenbarung. Allerdings ist hiemit die Negation,
der Unterschied, der Gegensatz in Gott gesetzt, aber als die ewige
Vermittelung des Gegensatzes ist die Offenbarung zugleich die sich
selbstgenügende ewige Ruhe, die ungetrübte Klarheit des göttlichen
Wesens. Die Mystik irrt nun nicht darin, daß sie annimmt, es sey dem
Menschen vergönnt in die Tiefen der Gottheit einzudringen, sondern
darin irrt sie, daß sie diese sucht im unmittelbaren Mysterium, anstatt
sie im vermittelten, offenbaren Mysterium zu suchen, welches allein
die wahre Tiefe und Höhe, die Länge und Breite des göttlichen Wesens
enthält (Eph. 3, 18). Wie die Offenbarung urständet aus dem Mysterium,
dem ewig, ursprünglich ~Seyenden~, und ohne dieses Nichts zu offenbaren
hätte, so muß andererseits das Mysterium aufgehen als ~Leben~ und
~Geist~, was nur möglich ist durch die Aufhebung der Unmittelbarkeit
vermittelst der Negation. Wäre das Negative nicht, wäre keine
Endlichkeit in Gott, dann wäre auch kein Leben, kein Bewußtseyn und
Wille, dann gäbe es keine Schöpfung, dann gäbe es weder Freude noch
Leid, dann wäre Alles nur eine öde Stille, in welcher kein Geist sich
bewegte, weder Gott noch Mensch. Damit aber Gott und Mensch und die
ganze Mannichfaltigkeit der Creaturen sey, muß die Gottheit sich von
sich selbst unterscheiden, daß ihr Mysterium aufgehe in Persönlichkeit;
und nur der persönliche, der sich und der Creatur offenbare Gott ist
der wahre Gott. Ein Mysterium ohne Geist und Offenbarung ist ein
unaufgelöster Widerspruch, eine unsichtbare Schönheit, eine unthätige
Güte, eine ungewußte Wahrheit, ein Licht ohne Auge. Die ewigen
Wesenheiten, die im unmittelbaren Mysterium ruhen, erreichen erst ihre
Wahrheit, wenn sie begriffen werden im Spiegel des Wissens. Es ist hier
kein Unterschied zwischen der Wahrheit und dem Wissen von der Wahrheit;
das Bild ist nicht ohne den Spiegel und der Spiegel nicht ohne das
Bild; das göttliche Wissen ist selbst die Wahrheit, der göttliche Wille
ist selbst das Gute. Wie nun Mysterium und Offenbarung ewig vermittelt
sind im Geiste Gottes, so sollen sie es werden im Geiste des Menschen.
Kein Mysterium würde den Menschen mit seinem unwiderstehlichen Zauber
anziehen, der menschliche Geist würde an kein Mysterium glauben,
hätte er nicht eine Ahnung davon, daß hier nicht nur Gottes, sondern
sein eignes Geheimniß ruhe. Darum arbeitet und ringt der Geist, daß
die Gottmenschheit offenbar werde in seinem Wissen und in seinem
persönlichen Daseyn und Leben. Und andererseits wartet und harret das
Mysterium auf den Menschen, daß er es befreie aus seiner Verborgenheit,
daß Gott selbst im Menschen ein neues Moment seines Offenbarseyns
gewinne.
Eben da, wo das mystische Bewußtseyn sein höchstes Ziel erreicht,
verfehlt es seine Bestimmung als religiöses Bewußtseyn. Gott und
Mensch werden in der mystischen Einheit in einer absoluten Indifferenz
neutralisirt, während die wahre Einheit Gottes und des Menschen
nur im Reiche der ~Offenbarung~ statt finden kann. In der
Offenbarungseinheit bestehen alle qualitativen Unterschiede, also auch
der wesentlichste Unterschied von allen, der Unterschied Gottes und
der Creatur. Alle kosmische Existenzen, selbst die unbedeutendsten,
treten hier in relativer Selbstständigkeit, in specifischer Differenz
hervor. Der Pantheismus löst sie auf und verflüchtigt sie zu lauter
Accidenzen und Modificationen; im Systeme der Offenbarung aber
herrscht die Distinction und das +principium individuationis+.
Indem nun alle creatürliche Existenzen, sowohl die bewußtlosen
als die bewußten, doch nur als relative Offenbarungspuncte Gottes
subsistiren und wie alle in Gott, so alle in einander und für einander
leben und sind, wird das Einzelne mit dem Ganzen vermittelt, die
Individualität sowohl aufgehoben wie bestätigt im Ganzen. Das Princip
der Vermittelung aber fehlt der Mystik. Ihre Praxis will die Freiheit
erringen durch Vernichtung der Weltlichkeit, durch eine unmittelbare
Transsubstantiation des Zeitlebens in die Ewigkeit, anstatt das ewige
Leben mitten im Zeitleben zur wahrhaften Erscheinung zu bringen.
Ihre Theorie will die Wahrheit gewinnen durch Abstraction von den
Bestimmungen des Denkens, anstatt die Wahrheit in die Gestaltung des
Begriffs einzuführen. Aber in dieser Abstraction von der Endlichkeit
vermag sie nicht consequent zu bleiben; sie verhält sich unsicher und
schwankend, und meint gewöhnlich das Entgegengesetzte von dem, was sie
sagt. Da nemlich im mystischen Bewußtseyn ein unablässiger Wechsel von
Tag und Nacht statt findet, indem es bald in dem verborgenen Gotte,
bald in den lichten Regionen der Offenbarung versirt, so spricht es
in diesen letzteren die tiefsten Offenbarungswahrheiten aus, ja sie
vermittelt momentan die höchsten Probleme der christlichen Speculation,
so daß man sich nur darüber wundern muß, daß ein Bewußtseyn, welches
die Wahrheit geschaut hat und diese Erkenntniß auszusprechen vermag,
dennoch die Wahrheit hinter der Wahrheit sucht. Für uns können jene
Blicke ins Reich der Offenbarung als ewige Wahrheiten, als leitende
Lichtpuncte stehen; für das mystische Bewußtseyn selbst verschwinden
sie wieder in die Nacht des reinen Nichts. Denn obgleich die Mystik die
Grundzüge des Begriffs anschaut, besitzt sie doch nicht die Kraft diese
festzuhalten; sie ist ihrer selbst nicht mächtig und also auch nicht im
vollen Besitze ihrer eignen Gedanken. So wird in demselben Athemzuge
der reinste Akosmismus und die christliche Anschauung von der Realität
der Endlichkeit und des creatürlichen Seyns von ihr ausgesprochen. In
den angeführten Bruchstücken aus Meister Eckart wird der Leser mehrere
solcher Antinomien gefunden haben, welche oft in derselben Predigt
ausgesprochen werden, ohne vermittelt, ja ohne bemerkt zu werden.
Die Mystik gehört daher recht eigentlich in die Phänomenologie des
religiösen Geistes.
Versuchen wir nun nach dieser Darlegung der Momente des mystischen
Bewußtseyns diese in ihrem allgemeinen Grunde zusammenzufassen, so
zeigt sich dieser als subjective, unvermittelte Einheit der Religion
und der Philosophie. Hierin liegt der eigenthümliche Gehalt der
Mystik, das Interessante und Anziehende an ihr, aber hierin liegt
zugleich ihre Unwahrheit. Die Einheit der Religion und der Philosophie
ist das Höchste, aber die wahre Einheit ist nur diejenige, die
sich aus ihrem Unterschiede und ihrer Sonderung herausstellt, wenn
der wissenschaftliche Gedanke und das religiöse Gemüth eine freie
Versöhnung eingehen. Allerdings ist das Speculative nicht jenseits
des religiösen Bewußtseyns, implicite ist die Philosophie in der
Religion enthalten. Aber die Mystik ist mehr als Religion, denn der
philosophische Trieb ist so stark geworden, daß das Speculative
~als solches~ zum Durchbruch kommt. Andererseits ist sie nicht
Wissenschaft; ihr Denken ist Andacht, ihr Forschen ist Cultus, der
Gedanke haftet ganz am religiösen Subject und dessen frommen Zuständen.
Religion und Speculation, diese Zwei sind nur ein unmittelbares Eins
im mystischen Subject. Darum kann die Religion nicht wirklich Object
werden für die Speculation, und ebensowenig kann die Speculation
sich selber Object werden. Dieses würde den Unterschied und die
Sonderung beider voraussetzen, dann aber wäre das Bewußtseyn nicht
mystisch, denn seine Mystik besteht eben darin, daß es sich selber
nicht offenbar ist, daß weder sein unendlicher Inhalt noch sein eignes
Selbst ihm ~gegenständlich~ wird. Das Speculative ist hier nur
vorhanden als ein sich aus der Religion entwickelnder mächtiger
Trieb, welcher dasjenige zu ~setzen~ sucht, was die Religion
ursprünglich ~ist~, nemlich die Versöhnung der Gegensätze des
Lebens, namentlich die Versöhnung Gottes und des Menschen. Die
erste unmittelbare Form aber die Gegensätze in die speculative
Einheit aufzulösen ist der Gedanke der absoluten Substantialität,
der pantheistische Gedanke. Wie ein sprudelnder Quell kommt dieser
Gedanke zum Durchbruch im religiösen Gemüth und überströmt den
festen, positiven Inhalt der Religion. Das Subject besitzt nicht die
Macht den Strom zu beherrschen und zu leiten, sondern ist immer nahe
daran im Strome zu ertrinken, weil es ihn nicht ~außer sich~
bekommen kann, weil es seinen eignen Gedanken nicht als Object zu
setzen vermag, sondern von ihm wie trunken ist. Dazu würde erfordert,
daß Philosophie und Religion wirklich gesondert wären, daß das
philosophische Ich sich unterschiede vom religiösen Ich. Dieses aber
ist eben auf diesem Standpuncte das Unmögliche, und das Subject muß an
seinem eignen substantiellen Reichthum zu Grunde gehen, weil es ihn
nicht ~gegenständlich~ zu machen weiß; es vermag seinen geistigen
Schatz nicht zu entäußern, darum bleibt dieser ein ungesehenes
Geheimniß. Dieses ist die Unfreiheit der Mystik. Wie viel sie auch von
Selbstbetrachtung und Selbstbeschauung sprechen mag, sie kommt doch
nie wirklich dazu sich selbst zu sehen, weil es ihr an der nöthigen
~Doppeltheit~ des Bewußtseyns, an der inneren Selbstunterscheidung
fehlt. In seiner substantiellen Identität mit sich ist das mystische
Bewußtseyn sich selbst ein unsprechliches Geheimniß, ein schweigendes
Mysterium. So sagt Eckart von sich selber, er hätte gestanden in dem
Grunde der Gottheit und in der Tiefe der Gottheit und in dem Quell
der Gottheit. Dieses ist nicht nur zu verstehen von der ideellen
Präexistenz der Seele, sondern es ist ebensosehr zu nehmen als eine
Beschreibung des mystischen Zustandes. Denn wenn das Bewußtseyn sich
in seinen eignen substantiellen Grund verhüllt, dann steht es in der
Tiefe der Gottheit, wo es weder weiß noch will, weil ein jeglicher
Gegenstand, ein jegliches Verhältniß von Subject und Object aufgehoben
ist. Das Offenbarungsbewußtseyn ist nun das nothwendige alterum des
mystischen Bewußtseyns, denn nur aus jenem producirt sich dieses, und
das oben besprochene Reflexionsverhältniß von Mysterium und Offenbarung
ist hiemit gegeben. Wenn nun im Kreise der Offenbarung die Identität
von Subject und Object oft in speculativer Wahrheit ausgesprochen
wird, so läßt diese sich doch nicht festhalten, weil das Subject sich
selbst nicht als wahrhaftes Subject seiner eignen Gedanken festzuhalten
vermag. Die Gegenstände der Offenbarung können nicht festgehalten
werden, weil das Subject sich selbst nicht wahrhaft gegenständlich ist.
Es ist sich selber unsichtbar, und da die Unsichtbarkeit seine eigne
Natur ist, sucht es die Offenbarung hierauf zurückzuführen. So wird
auch das Geschichtliche, das Factisch-Gegenständliche der Offenbarung
immer aufs neue aufgelöst und in ein Inneres, in eine reine Wesenheit
verwandelt, welche in der stillen Identität der Seele verschlossen und
versiegelt wird. Den Dualismus von Mysterium und Offenbarung, welcher
das Wesen dieses Bewußtseyns ausmacht, legt es, ohne es selbst zu
wissen, hinein in das göttliche Wesen selbst.
Die so oft besprochene Lehre von der Unbegreiflichkeit Gottes wird
durch die Betrachtung der Mystik von einer wesentlichen Seite
beleuchtet. Die verschiedenen Proteusgestalten, in welchen diese
Lehre zu verschiedenen Zeiten erschienen ist, lassen sich nemlich
alle auf zwei Hauptgesichtspuncte reduciren, von welchen der eine in
objectiver, der andere in subjectiver Beziehung die Unbegreiflichkeit
Gottes lehrt. Der objective Standpunct, oder derjenige, welcher
lehrt, Gott sey an sich selber ein unbegreifliches Wesen, und die
Unbegreiflichkeit gleichsam zur göttlichen Grundeigenschaft macht,
ist eben der mystische. Gott ist an sich selber unbegreiflich, denn
im Begriffe ist die Endlichkeit enthalten, Gott aber ist das eine,
unterschiedslose Wesen. In dieser Bedeutung muß allerdings die
Unbegreiflichkeit Gottes zugestanden werden, denn nur das in sich
Vermittelte läßt sich begreifen. Insofern Gott im unmittelbaren
Mysterium, im reinen An-sich-seyn gefaßt wird, muß gesagt werden, er
werde vielmehr gar nicht gefaßt, und es habe Keiner Gott gesehen,
weil er wohne in einem unzugänglichen Lichte. Jene innerste Tiefe
der Gottheit ist unbekannt und wird nimmermehr erkannt; hier ist die
Gottheit sich selber unbekannt, weil sie sich noch nicht in Subject
und Object unterschieden hat. Aber ebensosehr muß das Mangelhafte und
Endliche jenes Mysteriums aufgezeigt werden, der Widerspruch, welcher
darin enthalten ist, Gott nur als ruhendes, in sich verschlossenes
Seyn zu denken, ohne fortzuschreiten zum Offenbarseyn, zum lebendigen
Geiste. -- Der subjective Standpunct ist der rationalistische,
welcher lehrt, daß Gott, ob auch sich selber begreiflich, doch dem
Menschen unbegreiflich sey, weil alle menschliche Begriffe ~nur~
endliche seyen. Dieser Lehre zufolge kann der Mensch nie über seinen
subjectiven und beschränkten Horizont hinauskommen. Ihren höchsten
wissenschaftlichen Ausdruck hat diese Denkweise in der Philosophie
des achtzehnten Jahrhunderts gefunden. Wenn die Mystik Mysterium und
Offenbarung auf abstracte Weise trennt, so trennt der Rationalismus
göttliche Offenbarung und menschliches Selbstbewußtseyn und scheidet,
was Gott zusammengefügt hat. Auf diese Theorien lassen alle Lehren von
der Unbegreiflichkeit Gottes sich reduciren und sind nur Modificationen
des mystischen oder des rationalistischen Princips, oder von beiden
zugleich. Denn die Frage, ob das vollständige, concrete Gottwissen
schon in diesem αἰὼν oder erst in einem zukünftigen höheren αἰὼν
vergönnt sey, diese empirische Frage ist allerdings von großer
theologischer Wichtigkeit, läßt sich aber erst beantworten oder
abweisen, wenn die Frage nach der an sich seyenden Möglichkeit oder
Unmöglichkeit eines absoluten Gottwissens erst erledigt ist. Die rein
metaphysischen Gründe aber, aus welchen die Begreiflichkeit Gottes
bestritten werden kann, sind in den angedeuteten Standpuncten gegeben.
Da der unaufgelöste Widerspruch von Mysterium und Offenbarung allen
Formen der Mystik gemeinsam ist, so kann die christliche Mystik
ihren specifischen Charakter, wodurch sie sich von jeglicher andern
Mystik unterscheidet, nur von derjenigen Offenbarung erhalten, über
welche sie hinauszukommen sucht. In der mystischen Nacht, jenseits
der Grenzen der Offenbarung, können christliche und nicht-christliche
Mystiker nicht unterschieden werden. Es ist nur am Ausgangspuncte
ihrer Wanderung und am Wege, wo sie beim Lichte der Offenbarung
unterschieden werden können; am Ziele aber sind sie alle Eins. Es
erhellt aber, daß diejenige Mystik, welche sich durch den reichsten
Offenbarungsinhalt bewegt, auch die reichste Gedankenfülle entwickeln
wird, und das mystische »Nichts« erhält seine nähere Bedeutung
durch das »Ichts« oder Etwas, welches seine reale Voraussetzung
ist. Der Offenbarungskreis nun, welcher Voraussetzung ist für die
christliche Mystik, wird beschrieben von der Dreieinigkeit, in welcher
die Gegensätze der Schöpfung und der Menschwerdung Gottes, der
Sünde und der Erlösung enthalten sind. Hiemit ist eine Betrachtung
der ~Endlichkeit~ gegeben, welche sich vom Akosmismus scharf
unterscheidet. Nach christlicher Lehre ist die Endlichkeit nicht
Nichts, sondern Etwas; es gibt eine von Gott wesensverschiedene
Existenz, ein Leben, das sich reget und beweget außer Gott; es
gibt eine creatürliche Ichheit, ein Denken, ein Wollen, das ein
~anderes~ ist, als das des allmächtigen Gottes. Die Sünde und
das Elend des Menschen, die ganze empirische Noth des Irdischen, die
Wehklage über die Eitelkeit dieser Welt, ist kein Schein, sondern
tiefer Ernst; und die Erlösung von diesen negativen Mächten ist nicht
nur die Befreiung des Gedankens vom Scheine, sondern die Zurückführung
der ~Existenz~ in das wahre Grundverhältniß. Die Menschwerdung
Gottes zum Heile der Menschheit ist kein Gedankenbild, Christus hat
nicht einen Scheinleib angenommen, ist keine mythische Apparenz oder
Theophanie, sondern in der Geschichte ist Gott Mensch geworden, ist
eingegangen in die ~empirische~ Endlichkeit, hat ihr Kreuz in
dessen ganzer Wirklichkeit auf sich genommen. Die eigenthümliche
Betrachtung des Endlichen bildet den Mittelpunct in jeder Religion,
wie auch die Endlichkeit das eigentliche Kreuz der Philosophie ist.
Das christliche Evangelium, welches, um es in einem alten mystischen
Symbole zu sagen, den Menschen die Rose im Kreuze und das Kreuz in
der Rose zeigt, mußte nothwendig den Juden ein Aergerniß und den
Griechen eine Thorheit seyn, weil es einerseits mit dem ästhetischen
Akosmismus des Heidenthums, welcher die Endlichkeit wegidealisirt
und ihren Stachel ignorirt, andererseits mit dem abstracten
Monotheismus des ungläubigen Judaismus, welcher die Endlichkeit nur
in ihrer prosaischen, nackten Gottverlassenheit auffaßt, im tiefsten
Widerspruche steht. Die pantheistische Denkweise sieht in der Welt nur
lauter Gott und lauter ideale Herrlichkeiten; der abstracte Theismus
sieht in der Welt nur das nackte, prosaische Kreuz, bemerkt aber nicht
die Rose der Ewigkeit in dessen Mitte.
Es ist die hier angedeutete Betrachtung der Endlichkeit, wodurch die
christliche Mystik ihre eigenthümliche Färbung erhält, und wodurch
sie sich sowohl von der orientalischen wie von der neoplatonischen,
den beiden weltgeschichtlichen Gestaltungen der Mystik, welche der
christlichen vorangehen, unterscheidet. Die +via negationis+,
welche der christliche Mystiker durchzumachen hat, nimmt ihren
Ausgangspunct von der mit der Sünde behafteten Creatürlichkeit, vom
Schuldbewußtseyn und dem unendlichen Schmerz über die Sünde; sie bewegt
sich durch den Proceß der Bekehrung und der Wiedergeburt, durch die
christliche Heilsordnung. Der orientalischen und neoplatonischen Mystik
aber fehlt es an dem tiefen ~ethischen~ Momente; sie strebt nur
nach der abstracten Befreiung von der Endlichkeit, aber nicht von der
sündhaften, ~schuldigen~ Endlichkeit. Der Pantheismus, der sich
bei den persisch-mahomedanischen Dichtern ausspricht, ist von ächt
mystischer Natur. Denn der Grundton in diesen Poesien ist die Liebe
der Seele zu Gott und ihre Seligkeit durch Aufgebung des endlichen
Ich[18]. Aber diese Seligkeit ist nicht errungen durch den harten
inneren Kampf, durch Gewissensnoth und Seelenleiden; die Sorgen der
Endlichkeit schweben nur wie leichte Traumwolken am poetischen Himmel.
Die Contemplation ist mehr extensiv als intensiv; sie sieht die
Gottheit in den Sternen, im Meere, in den Thautropfen, in der Blume, in
der quantitativen Unendlichkeit der Natur, welche sie mit dem ganzen
Luxus der morgenländischen Phantasie ausmalt. Sie wird nicht müde
davon, die ganze Herrlichkeit der Natur in der einen absoluten Substanz
zu Grunde gehen zu lassen, und da das Ich mit jedem Naturgegenstande
sympathisirt, ist es selig, wenn es selbst wie der Thautropfen vor
der Sonne verschwindet. Die Anweisung zum seligen Leben, welche diese
Mystik verkündigt, führt zu einer unmittelbaren Lebensfreude, zu einem
seligen Rausch im Universellen und Ewigen; es kostet dem Ich keinen
schweren Kampf und keine Resignation sich selbst aufzugeben, denn
die menschliche Persönlichkeit hat nicht die unendliche Wichtigkeit
für sich selbst wie im Christenthum, da sie sich noch nicht deutlich
von der Natur unterschieden hat. -- Die neoplatonische Mystik kehrt
zurück zur reinen Lichtanschauung des alten Orients und die Reinigung
der Seele wird angestrebt durch Vernichtung des Stoffes, der Materie.
Die idealistische Flamme hat alle Naturbetrachtung verzehrt, aber
das Bewußtseyn der Sünde fehlt, und es ist hier kein Verhältniß
eines reellen Gegensatzes von Gott und Welt, welche letztere nur ein
doketischer Schein ist. Die ~christliche~ Mystik hingegen geht
aus von einer gefallenen Welt. Unter allem Geschaffenen ist nur ein
Punct, an welchem die Betrachtung haftet, nemlich das menschliche
Ich, und unter allem Sichtbaren ist nur ein Bild, zu welchem sie
unablässig zurückkehrt, nemlich das gnadenreiche Bild des Heilandes.
Die Natur ist profan und die Seele, welche mit Natürlichkeit behaftet
ist, ist sündhaft. Ein Gefühl durchdringt die Seele, der Widerspruch
zwischen ihrer Wirklichkeit und ihrem ewigen Wesen, das Gefühl ihrer
Creatürlichkeit, ein unendlicher Hunger und Durst nach Gott. Die
Seele will nicht nur von der Sünde erlöset werden, sondern auch
von der ~nackten~ Creatürlichkeit, welche sich sehnet mit dem
unerschaffenen, unverweslichen Wesen überkleidet zu werden. Die Seele
muß mit Gott vereinigt, in Gott verwandelt oder vergottet werden; das
Creatürliche muß glorificiret, das Menschliche deificiret werden.
Diese Einheit des Menschen mit Gott wird vermittelt durch Christus,
den Mittler zwischen Gott und der Menschheit. Deshalb kann der Mensch
nur deificiret werden, insofern er christificiret wird. Die Aufgabe
der christlichen Mystik erhält so ihren concretesten Ausdruck, indem
sie bestimmt wird als ~die Nachfolge Christi~, welche keinesweges
zu nehmen ist als eine nur moralische Nachfolge des lediglich im
Gedächtnisse aufbewahrten Beispieles Christi, sondern als ein innerer,
realer und wesentlicher Christificationsproceß.
Wenn so eine nähere Betrachtung der christlichen Mystik zeigt, daß
sich hier eine doppelte Anschauung des Endlichen hervorthut, und daß
die Widersprüche oft unvermittelt sich zur Seite stehen, so ist dieses
theils eine nothwendige Folge des Begriffes der Mystik, theils der
eigenthümlichen Natur des Mittelalters. Denn obgleich die äußere
Gestalt des Mittelalters eine christliche war, so gährte doch in seinem
Innern eine Mannichfaltigkeit von unverdauten, heidnischen Elementen,
welche in sich zu verwandeln oder sich zu assimiliren das christliche
Princip noch nicht die Macht hatte. So mußte ja die ganze Intelligenz
des Mittelalters ihre Entwickelung an die heidnische Philosophie
anlehnen, vermochte aber nicht den umgestaltenden und reinigenden
Proceß damit vorzunehmen, welcher nöthig gewesen wäre, um in jeglicher
Beziehung jene Philosophie dem christlichen Geiste als dienendes
Organ anzueignen. Dasselbe gilt von der christlichen Mystik in ihrem
Verhältniß zum Neoplatonismus, dessen pantheistischer Strom sich
durch's ganze Mittelalter erstreckt.
Am reinsten und durchgeführtesten zeigt sich die neoplatonische Ansicht
der Endlichkeit in der Mystik der griechischen Kirche, bei Dionysius
dem Areopagiten. Die griechische Kirche steht dem Orient am nächsten;
ihre speculative Geistesrichtung ist fast ausschließlich auf das Wesen
und die inneren Verhältnisse der Gottheit gekehrt, wohingegen das
Anthropologische, das Interesse am Menschlichen in den Hintergrund
tritt. Ihre orthodoxe Dogmatik ist wesentlich Trinitätslehre, aber
nicht so sehr eine Lehre vom dreieinigen Gotte, wie er sich in der
Geschichte offenbart, als eine Lehre von seinem überweltlichen
Seyn in sich selber. Dieses vorherrschende Interesse am Göttlichen
mit Zurückstellung des Menschlichen wiederholt sich nun auch in
der Mystik dieser Kirche. Allerdings ist auch die oben besprochene
Amphibolie bei Dionysius vorhanden, da er das christliche Dogma zu
seiner Voraussetzung hat, aber der Widerspruch ist oberflächlich,
weil die Weltseite der Offenbarung, die schärfsten Puncte des
Negativen, die Sünde, die Erlösung, die menschliche Natur Christi,
keine rechte Wurzel im Bewußtseyn haben und gleichsam nur von außen
ins Bewußtseyn hineinscheinen. Was den Areopagiten begeistert, ist
nur die intelligible Welt, der Himmel der Ideen, welcher jenseits der
menschlichen Wirklichkeit gelegen ist, das göttliche Licht und die
Gemeinschaft der reinen, übermenschlichen Geister, zu welcher wir
durch fortgesetzte Reinigung erhoben und für welche wir durch die
mystische Symbolik des kirchlichen Lebens vorbereitet werden[19]. Aber
das Bewußtseyn setzt nicht die volle Wirklichkeit der christlichen
Offenbarung voraus, die anthropologische Seite des Christenthums hat
kein wahres Leben gewonnen, und hiedurch unterscheidet sich die Mystik
der griechischen von der Mystik der abendländischen Kirche, welche
den vollständig entwickelten Offenbarungsgehalt zur Voraussetzung
und Grundlage hat. Die Worte »Seele« und »Mensch« werden von den
Mystikern des Abendlandes mit einem ganz anderen, volltönendern,
tiefergreifenden Klange ausgesprochen, als in den dionysianischen
Betrachtungen. Denn die Seele hat einen unvergeßlichen Blick gethan
in sich selber, in den Abgrund der menschlichen Natur, von dessen
Tiefe der griechische Mystiker nur eine ferne Ahndung hat. Es ist
die tiefsinnige augustinische Betrachtung der menschlichen Natur,
wodurch die Lehre von der Sünde und der Erlösung Grundlage der
occidentalischen Anschauung wurde, und welche auch dazu beigetragen hat
der abendländischen Mystik das eigenthümliche Gepräge zu geben. Dieses
Gepräge findet sich nicht nur in der germanischen Mystik, sondern
auch in der romanischen (die zweite Epoche der christlichen Mystik),
welche ihre vornehmsten Repräsentanten in dem heiligen Bernhard und
den Victorinern, in dem heiligen Franciscus und Bonaventura findet.
Wir können die dionysianische Contemplation als die objective, die
occidentalische Contemplation als die subjective Seite der christlichen
Mystik bezeichnen.
Sollten wir mit einem Worte dieses Eigenthümliche der abendländischen
Mystik ausdrücken, so würden wir es mit dem Worte »Gemüth« bezeichnen,
und durch nähere Betrachtung dieses Begriffs werden wir auch den
Unterschied der germanischen Mystik von der romanischen angeben können.
Das Gemüth ist der innere Lebensheerd der geistigen Persönlichkeit,
die in sich selbst gesammelte Seele, ihr Leben und Weben in ihrer
esoterischen Unendlichkeit. Es ist nicht diese oder jene von den
Kräften der Seele, sondern der innere Brennpunct ihrer ungetheilten
Vereinigung. Es enthält die geistige Totalität als inneres Eigenthum
des Individuums. Das religiöse Gemüth ist die ideale Verschmelzung
der absoluten Wahrheit nicht nur mit dem allgemeinen, denkenden
Ich, sondern mit dem wirklichen, ~empirischen~ Ich und in
dieser Einheit fühlt der Mensch sich heimisch in der Wahrheit, denn
die Wahrheit hat selbst individuelle Menschennatur angenommen, sie
gestaltet sich gleichsam palpabel, begleitet den Menschen selbst durch
die unbedeutendsten Verhältnisse des Lebens, mit einem Worte, sie
wird fortwährend erfahren. Wie das Christenthum zuerst die Idee der
geistigen Persönlichkeit hervorgerufen hat, so muß auch gesagt werden,
daß die Erweckung des religiösen Gemüthslebens ihm zuzuschreiben sey.
Das Christenthum enthält die unendliche Vereinigung nicht blos des
allgemein Menschlichen, sondern des empirisch, individuell Menschlichen
mit dem Göttlichen. Daß Gott ein einzelner Mensch geworden ist -- in
dieser umfassenden Wahrheit ist enthalten was das religiöse Gemüth
sucht, ja was es selbst, ideal betrachtet, ist, das Absolute, zu einem
einzelnen empirischen Puncte concentrirt, die unendliche Wahrheit,
Gott selbst als einzelne, thatsächliche Erscheinung. Obgleich nun
das Gemüth ein nothwendiges Moment des christlichen Bewußtseyns
ist, so behaupten wir doch, daß es erst geschichtliche Bedeutung
gewinne in der Entwickelung der abendländischen Kirche, weil die Idee
der Erlösung, die Aneignung Christi erst hier epochemachend wird.
Im Gegensatze zur Scholastik, welche diesen tiefen Inhalt in eine
atomistische Dialektik zersplittert, sucht die Mystik die Totalität
des Inhalts, dessen ungetheilte Lebensfülle zu bewahren, und legt
ihr Ergreifen Christi und ihr Ergriffenseyn von ihm an den Tag als
ein inneres Erleben, ein geistiges, seelenhaftes Wiederholen jener
Vereinigung Gottes und des Menschen, welche in der Geschichte Christi
objectiv angeschaut wird. Wie Gott sich als Kind in einer Krippe des
Morgenlandes gebären ließ, so wird er jetzt aufs neue geboren in der
einsamen Klosterzelle des Abendlandes. Erst in der lateinischen Kirche
wird die Aufgabe der Mystik als Nachfolge Christi bestimmt. Nicht nur
das große anthropologische Interesse, das von Augustinus ausging,
trug dazu bei diese Innerlichkeit hervorzurufen, sondern auch die
geistige Naturanlage der Völker und die Entwickelung des romantischen
Princips. In der abendländischen Mystik ist jeder Gedanke, selbst
der abstracteste, gemüthlich, weil er immer den Widerschein der
Individualität an sich hat. Das Interesse am Menschlichen wird selbst
da gespürt, wo der Gedanke sich in die abgelegensten und einsamsten
Gegenden des göttlichen Wesens verirrt hat, und sein kühnster
Pantheismus wird nur in seiner wahren Bedeutung erkannt, wenn er erfaßt
wird in seinem lebendigen Quellpuncte, dem reichen, von Liebe erfüllten
Gemüthe, dessen Verlieren seiner selbst eben sein höchster Fund ist.
Es mag der Gedanke dieser Mystik hinauf gen Himmel fahren, oder in die
abgründige Tiefe der Gottheit hinabsteigen, er findet doch zuletzt,
daß die göttliche Natur nicht allein sey, sondern daß sie immer die
menschliche an sich habe; er mag hinausziehen in die einsame Wüste des
göttlichen Wesens, er findet doch auch hier Spuren der Menschheit. Die
Mystik der griechischen Kirche kennt nur den Ausgang der Seele aus sich
selber, aber nicht ihre Rückkehr, ihren Eingang in die eigene Tiefe.
Setzen wir nun das christliche Gemüth in der hier ausgesprochenen
Bedeutung als die allgemeine Grundlage sowohl der romanischen wie
der germanischen Mystik, so beruht andererseits der Unterschied
dieser beiden Formen wieder auf dem verschiedenen Entwickelungsgrade,
der Intensität und Tiefe des Gemüths. Dieser Unterschied erhellt
näher, wenn wir das Verhältniß zu der gleichzeitigen Scholastik
betrachten. Die Scholastik ist eine Philosophie ohne Empirie, ein
Begriffsformalismus, der mit der Wirklichkeit in keine lebendige
Vermittelung tritt. Das religiöse Dogma steht vor der Scholastik als
eine fremde, undurchdringliche Positivität, welche in das kunstreiche
Netz der Verstandesmetaphysik eingesponnen wird; allein dieses in der
Luft schwebende Netz ist nur die äußere Form, in welcher der köstliche
Schatz aufbewahrt wird, den Keiner anrühren darf, ja den Keiner recht
zu sehen bekommt. Die Scholastik beweiset Alles, begreift aber Nichts.
Im Gegensatz zu dieser nur mittelbaren Erkenntniß sucht das religiöse
Gemüth eine Erkenntniß nicht aus Büchern oder menschlicher Kunst,
sondern aus der Sache selbst. Sie will sich nicht zur Sache durch
irgend ein fremdes Medium verhalten, sondern sie will sie kennen aus
Empirie. Soll aber das Gemüth wirklich die Sache selbst haben, so muß
es sich auch zum ~Gedanken~ entfalten können, es muß aus seiner
Empirie die Idee entwickeln können, welche die Scholastik durch eine
unendliche Schlußreihe zu ergreifen sucht. Und hierin zeigt sich
der Unterschied der romanischen und der germanischen Mystik. In der
romanischen Mystik ist das Gemüth mit einer Schranke behaftet, welche
es nicht zu überwinden vermag. Es ist an die Formen der Vorstellung und
des Gefühls gebunden; der Gedanke kann nicht als ~solcher~ zum
Durchbruch kommen. Es ist nur ein religiöses, aber kein speculatives
Gemüth, und bringt deshalb auch nur eine halbe Mystik hervor; das
Gemüth vermag nicht seiner Empirie das speculative Gepräge zu geben,
es fehlt ihm an der nöthigen Tiefe, woraus der reine Gedanke wie ein
lebendiger Springbrunnen emporquellen könnte. Darum tritt diese Mystik
nicht nur in Opposition zur Scholastik, wie im Kampfe des heiligen
Bernhard's mit Abälard, sondern da sie doch das Bedürfniß der denkenden
Betrachtung in sich hat, aber nicht aus dem eignen, freien Innern den
Gedanken zu erzeugen vermag, so muß sie sich andererseits mit der
Scholastik vereinigen und von dieser ihre Mittel nehmen. So sehen wir
es besonders bei den Victorinern und bei Bonaventura. Nur »der Mann der
Sehnsuchten« ist zur göttlichen Contemplation geschickt; Lesen darf
nicht seyn ohne Salbung, Speculation nicht ohne Andacht, Forschung
nicht ohne Bewunderung, Wissenschaft nicht ohne Liebe, Intelligenz
nicht ohne Demuth, Studium nicht ohne göttliche Gnade[20]. Die Scale
dieser frommen Affecte läuft parallel mit einem feinen scholastischen
Raisonnement, anstatt daß in der ächten Mystik das Gefühl selbst den
Gedanken aus sich gebiert ohne die Reflexionen der Schule zur Hülfe
zu nehmen. Auf diese Weise erklärt es sich auch, wie Scholastik und
Mystik in demselben Individuum vereinigt seyn konnten. Die Mystik ist
dann nicht durchgeführt, sie ist nur eine fromme Askese, welche die
Scholastik erbaulich macht und ihr eine größere Salbung gibt, sie ist
aber nicht Totalität in sich selber. Die Vereinigung von Scholastik und
Mystik beabsichtigt nur ein +aequale temperamentum+ beider. Die
metaphysischen Speculationen der Scholastik sollen durch die frommen
Gefühle der Mystik regulirt und von der erbaulichen Seite dargestellt
werden. Andererseits soll das verständige Raisonnement das mystische
Gefühl reguliren und alle pantheistischen Ausbrüche abwehren. Obgleich
eine solche Vermittelung der Religion und der Philosophie allerdings
nicht in die Einseitigkeiten der ächten Mystik hineingerathen kann, so
steht sie doch in speculativer Beziehung weit hinter dieser zurück,
weil es ihr an inwohnender Geistesfreiheit fehlt. Im 15ten Jahrhundert
hat Gerson in seinem Werke über die mystische Theologie die Grundzüge
einer solchen verständigen, das heißt, nicht speculativen Mystik
entworfen. Dieses Werk ist charakteristisch für die romanische Mystik,
und ist ein treuer Spiegel der Eigenthümlichkeit Gerson's, dieses
berühmten juste milieu's des Mittelalters, welcher in allen Richtungen
die verschiedenen Gegensätze des Mittelalters zu temperiren suchte
und allenthalben ein verständiges Gleichgewicht zu Stande bringen
wollte, ohne doch eine wirkliche Versöhnung weder im Leben noch in
der Wissenschaft bewirken zu können. Wir können die zweite Epoche
der Mystik als die verständig reflectirende bezeichnen, wohingegen
die erste und dritte Epoche (die griechische und germanische) als
speculative, d. h. als wirkliche Mystik zu bezeichnen ist. Die
reflectirende Mystik bewegt sich im Gegensatze von Glauben und
Wissen, wie dieses namentlich im Kampfe des heiligen Bernhard's gegen
Abälard erhellt, indem er in seiner Vertheidigung des Kirchenglaubens
gegen die Irrlehren Abälard's zugleich die Unzulänglichkeit alles
speculativen Denkens aufs eifrigste behauptet. Dieser Gegensatz findet
nicht statt in der speculativen Mystik. Ihr Wissen reicht ebensoweit
wie ihr Glaube, und so lange sie »Etwas« glaubt, wird sie auch durch
ein bestimmtes Wissen befriedigt. Wo dagegen ihr Wissen ausgeht,
verliert sich auch ihr Glaube ins Unaussprechliche. Ihr dialektischer
Widerspruch ist nur Mysterium und Offenbarung. Dieser findet sich
wohl auch in der reflectirenden Mystik, aber ohne speculative Pointe,
denn sie treibt es nur zu einem Pantheismus des Gefühls, nicht des
Gedankens. Man kann darum diese halbe, nur erbauliche Mystik mit dem
protestantischen Pietismus vergleichen. Denn der Pietismus ist eine
christlich-religiöse Empirie, die sich nicht zur Idee zu entwickeln
vermag, die sich zum Gedanken nur negativ verhält, weil die
Wissenschaft ihr vom Unglauben unzertrennlich ist. Der Parallelismus
darf übrigens nicht zu weit geführt werden. Denn eine Mystik wie die
des heiligen Bernhard's und seiner Geistesverwandten hat theils durch
die innere Größe der Individualitäten, theils durch das Zeitalter,
durch die ganze geschichtliche Umgebung, ein idealisches Colorit, einen
schwärmerisch-romantischen Anstrich, welcher dem protestantischen
Pietismus fehlt, wie dagegen der letztere an seinem tiefern Gegensatz
von Sünde und Gnade und an der tiefern Erfassung des Princips der
Persönlichkeit auch die Voraussetzung für eine höhere Form der
Mystik enthält, als die Bernhard's war. -- Von den niederländischen
Mystikern ist Thomas a Kempis ein bloßer Asket, Johann Wessel eine
Reflexionseinheit von Scholastik und Mystik, während Ruysbroock zu den
speculativen Mystikern gehört.
Die deutsche Mystik ist die Rückkehr des Occidents zur Speculation
des Areopagiten. Das christliche Gemüth hat den Zwiespalt zwischen
Gefühl und Gedanken überwunden, und die Versöhnung des Göttlichen
und Menschlichen, welche in der vorhergehenden Epoche nur als fromme
Sehnsucht ausgesprochen wird, will jetzt wirkliche, ernsthafte
That werden; in der Andacht kommt der göttliche ~Gedanke~
zum Durchbruch als das eigene Wesen des Selbstbewußtseyns. Die
Contemplation Eckart's steht der metaphysischen Reinheit am nächsten,
während der beschauliche Tiefsinn Suso's sich in die bildervolle
Sprache eines minnereichen Herzens kleidet. Nicht so logisch wie Eckart
und nicht so bilderreich wie Suso ist Tauler, aber durch die innere
Harmonie seines Gemüths und durch die Ruhe der Betrachtung bildet
er eine verbindende Mitte zwischen jenen beiden. In der »deutschen
Theologie« spürt man schon das Streben den Gedanken zu einer Art
von systematischem Grundriß zu gestalten. Es bedarf die deutsche
Mystik nicht der Hülfe der Scholastik, deren Kraft außerdem schon zu
welken angefangen hat; die deutsche Mystik hat des Reichthums und
der Fülle genug im eignen, inwohnenden Gedanken. ~Die Einheit der
menschlichen Natur mit der göttlichen~ ist hier, wie sonst nirgends
im Mittelalter, zum Bewußtseyn gekommen, und besonders in dieser
Rücksicht sind jene Ideen als Anticipationen der neueren Speculation
zu betrachten. Die deutsche Mystik hat die Scholastik hinter sich,
aber zur freien philosophischen Wissenschaft vermag sie sich nicht
zu gestalten, und in diesem Zwischenzustande ~wird~ sie eben
Mystik, gährende Einheit von Religion und Philosophie, woraus der oben
dargestellte Widerspruch sich entwickelt.
Wir haben das namenlose Mysterium, den Akosmismus und den Atheismus
betrachtet, dieser aber wird erst seine Bedeutung erhalten, wenn wir
das Bewußtseyn durch den Kreis der Offenbarung begleiten, wo es erst
in seiner ganzen Eigenthümlichkeit auftritt. Sein innerer Widerspruch,
dessen wissenschaftliche Nachforschung uns obliegt, wird erst hier
völlig anschaulich werden.
[Illustration]
II.
Die Offenbarung.
Die Schöpfung und die Menschwerdung Gottes.
»Gottes Wesen mag nicht unser Wesen werden, sondern soll unser Leben
seyn. Der Sohn ist geflossen aus der Person des Vaters und ist in ihm
geblieben wesentlich; aber in unserer Schöpfung haben wir empfangen ein
fremdes Wesen, das vom göttlichen Wesen geursprunget ist. Wir sollen
mit Gott vereinigt werden an Schauung, nicht an Wesung.« Schon oben
haben wir diesen Gedanken Eckart's angeführt; an einer anderen Stelle,
wo er die Natur der Seele und ihre Einheit mit dem göttlichen Wesen
begeistert erhebt und preiset, endigt er mit den Worten: »Nun darf ich
der Seele nicht mehr zulegen; denn lege ich ihr mehr zu, dann ist kein
Unterschied zwischen ihr und Gott.«
Durch diesen und ähnliche schon angeführte Aussprüche von Eckart wird
die Betrachtung in den Kreis der Offenbarung hineinversetzt, wo der
gründliche Unterschied Gottes und des Menschen hervorgehoben wird, und
Diejenigen, welche Eckarten ausschließlich als Pantheisten betrachten,
übersehen, daß es ihm ebenso wesentlich ist in dem offenbaren Gotte zu
leben, wie es ihm wesentlich ist in dem verborgenen Gotte begraben zu
werden. Die christliche Speculation kann in solchen Aussprüchen nur
ihre eigenen tiefsten Wahrheiten erkennen. Wenn er sagt, das Wort Sum,
ich bin, könne kein Geschöpf, sondern nur Gott von sich aussprechen,
weil es der Creatur gezieme von sich selbst zu zeugen: +non sum+,
wie Johannes der Täufer, als er gefragt wurde, ob er der Christus sey,
demüthig antwortete: +non sum+; wenn er sagt: Was in Gott ist ein
Wirken, das soll in mir seyn ein Leiden, was in Gott ist ein Sprechen,
das soll in mir seyn ein Hören, was in Gott ist ein Bild, das soll in
mir seyn ein Schauen (+fol.+ 293): dann muß hierin nur ein reiner
Ausdruck des ~christlichen~ Akosmismus erkannt werden, welcher dem
Menschen die Autonomie, das Seyn in sich selber und aus sich selber
absprechen muß, welches nur Einem, nemlich dem Schöpfer, zugesprochen
werden kann. Die Seele soll ganz von Gott durchschienen seyn, aber
sie soll seyn wie ein Vollmond, der sein Licht von der Sonne bekommt.
Die Seele ist ein Wort Gottes, aber kein selbstlautendes, sondern
ein mitlautendes Wort. Im Anfang war das ewige Wort, welches ist der
Sohn Gottes, der selbst Gott ist, und zu diesem Hauptworte soll die
Seele seyn ein Beiwort, und nehmen ihre Seligkeit, da Gott selig ist
(+fol.+ 288). Und daß wir allezeit bei diesem Wort müssen seyn
ein Beiwort, dazu bittet er, daß der Vater und dasselbe Wort und der
heilige Geist uns verhelfen mögen. In der Einigung mit Gott wird der
Geist so in das Wesen der Gottheit gezogen, daß da nicht scheinet denn
ein einiges Wesen, wiewohl doch ~zwei~ Wesen da sind (+fol.+
273).
Diese reinen Offenbarungsideen kehren oft zurück bei den Schülern
Eckart's, besonders bei Suso und Tauler, und sie reden oft davon, wie
nützlich es einem Menschen sey, der zu einer göttlichen Beschauung
und einem gottseligen Leben gelangen will, daß er gründlichen
~Unterscheid~ wisse. Was bei Eckart angedeutet ist, findet bei
diesen eine weitere Ausführung, und da das praktische und kirchliche
Interesse bei ihnen stärker vorwiegt, als bei Eckart, ist ihr
Offenbarungsbewußtseyn auch bestimmter. Sie haben eine deutlichere
Ahnung von der Einheit des Mysteriums und der Offenbarung, ohne daß der
Widerspruch doch gelöst würde, weil sie das mystische Princip nicht zu
überwinden vermögen, sondern immer wieder in dieses überschlagen. Die
Lehre vom gründlichen Unterschiede ist ausführlich entwickelt in Suso's
Büchlein von der ewigen Weisheit, wo die Weisheit in einem Gespräche
mit ihrem Schüler Suso ihn über den Weg der Wahrheit aufklärt.
Diese merkwürdige Schrift enthält dieselben allgemeinen mystischen
Grundzüge, die wir oben dargestellt haben, nemlich die Lehre vom
ewigen Nichts, und daß nur derjenige Mensch sich als ein seliges Wesen
weiß, dem die Anderheit nicht hinderlich ist, weil er Alles siehet in
Einem. Bevor wir zu der Lehre vom gründlichen Unterschied übergehen,
wollen wir erst ein Beispiel ihres mystischen Charakters anführen,
welches zugleich eine interessante Vereinigung des Mystischen und
des Logischen enthält, die an Eckart erinnert. Der Schüler, der noch
an den sinnlichen Bildern haftet, vermag sich nicht zur mystischen
Wesensschauung zu erheben, wozu die Weisheit ihn auffordert; denn, sagt
er, ich sehe doch Berg und Thal, und Luft und Wasser und mancherlei
Creatur: was sagst du denn, daß nur Eins sey? Da antwortet die
Weisheit: Es sey denn, daß der Mensch zwei Contraria, das ist zwei
widerwärtige Dinge verstehe in Einem mit einander, so ist nicht gut
leicht zu reden mit ihm von solchen Dingen; verstehet er dieses aber,
so ist er schon zur Hälfte getreten auf den Weg des Lebens. Darum
ermahnt sie den Schüler das ewige Nicht und die zeitliche Gewordenheit
in Einem zu fassen. Ewige Weisheit, ruft der Schüler aus, zwei
Contraria in Einem ist ja nach aller Weise ein Widerwerfen der Kunst
Logica! Ich und du, antwortet die Weisheit, bekommen einander nicht auf
einem Zweige oder auf einem Platze; du gehst einen Weg und ich einen
anderen. Deine Fragen gehen aus menschlichen Sinnen und ich antworte
aus den Sinnen, die da sind über alles menschliche Gemerk. ~Du mußt
sinnlos werden, willst du hinzukommen; denn mit Unerkennen wird die
Wahrheit erkannt.~ Die speculative Logik der ewigen Weisheit endigt
in einem mystischen Resultate, das sich bald am Schüler zeigt. Denn es
geschah in denselben Zeiten eine viel große Aenderung in ihm. Es kam
unterweilen dazu, daß er etwa oft zehn Wochen, oder minder oder mehr,
so kräftiglich entwirket ward, daß ihm mit offnen Sinnen, in der Leute
Beiwohnung und ohne die Leute, seine Sinne also entgingen nach eigner
wirkender Weise, daß ihm überall in allen Dingen nur Eins antwortete,
und alle Dinge in Einem ohne alle Mannichfaltigkeit dieses und jenes
(+pag.+ 300). Wie aber hier die mystische Einheit gelehrt wird,
in der alle Bestimmtheit und alle Gegenständlichkeit zu Grunde geht,
so wird an anderen Stellen die Offenbarungseinheit in gutem und
gründlichem Unterscheid gelehrt. Denn die Weisheit macht kund, daß,
alsfern die Creaturen von Ewigkeit in Gott sind, sind sie dasselbe
göttliche Leben, Wesen und einiges Ein; aber nach dem ~Ausschlag~,
da sie ihr eigen Wesen nehmen, da hat ein jegliches sein besonder Wesen
ausgeschiedentlich mit seiner eignen Form, die ihm natürlich Wesen
gibt. In diesem Ausflusse werden sie erst Creaturen und müssen ihres
allmächtigen und ewigen Schöpfers eingeständig seyn; und die Form
gibt jeglicher Creatur gesondert Wesen und geschieden sowohl von dem
göttlichen Wesen als von allen anderen. Nimmt man nun die Creaturen,
wie sie sich ewig in Gott gehalten haben, dann haben sie keinen
gründlichen Unterschied, sondern sind dasselbige Eins, denn das Wesen
der Creatur in Gott ist nicht Creatur. Aber die Creatürlichkeit einer
jeglichen ist ihr doch edler und nützlicher, denn das Wesen, das sie in
Gott hat; denn im ewigen Wesen, wo Alles Eins ist, ist der Mensch nicht
unterschieden vom Steine; aber nach seinem gesonderten Wesen ist der
Mensch die edelste Creatur (+pag.+ 291-292).
Dieses Offenbarungsbewußtseyn der christlichen Mystiker legt sich
besonders an den Tag in der ausdrücklichen Polemik gegen den
Pantheismus, die in ihren Schriften öfter vorkommt und sich offenbar
auf pantheistische Secten jener Zeit (die Brüder des freien Geistes)
und deren praktische Verirrungen bezieht. Immer wird der Grundirrthum
des Pantheismus darein gesetzt, daß er gründlichen Unterschied aufhebe
und Gott und Creatur, Christus und Mensch confundire. Sie überwinden
den Pantheismus in einzelnen siegreichen Treffen, aber da sie in ihrer
eignen mystischen Natur das Princip des Pantheismus tragen, erwacht
dieses wieder aufs neue, und ohne es selbst zu wissen, gerathen sie
wieder in die Gewalt der Substanz. Welche scharfe und lichtreiche
Gedanken aber sie über den Pantheismus gehabt, und wie sie im Geiste
mit ihm gerungen und gestritten haben, um sich nicht das theure Kleinod
der Offenbarung rauben zu lassen, davon wollen wir nur einige Beispiele
anführen. Das merkwürdigste findet sich bei Suso.
Es wird nemlich berichtet, daß einesmals an einem lichten Sonnentage,
als der Schüler der Weisheit in sich eingekehrt saß in stiller
Betrachtung: da begegnete ihm in der Fülle seines Gemüthes ein
vernünftiges Bilde, das war subtil an Worten, aber ungeübt an Werken
und ausbrüchig in florirender Reichheit. Der Schüler hub an und sprach
zu ihm also: Wannen bist du?
Ich kam nie dannen.
Sag an, was bist du?
Ich bin nicht.
Was willst du?
Ich will nicht.
Dies ist ein Wunder. Sag mir, wie heißest du?
Ich heiße das namlos Wilde.
Wohl magst du heißen das Wilde, denn deine Worte und Antworten sind gar
wilde. Sage mir aber: Worauf bist du ausgegangen? worauf zielest du und
wo landest du?
In lediger Freiheit.
Auf die nähere Frage des Schülers erklärt nun das Wilde, ganz
übereinstimmend mit den praktischen Grundsätzen, die den Brüdern des
freien Geistes zugelegt werden, worin die vollkommene Ledigkeit und
Freiheit bestehe. Die reine Freiheit ist eine solche, in welcher der
Mensch lebt nach allem seinem Muthwillen, ~sonder Anderheit~,
ohne allen Anblick in Vor und Nach. Eine ledige Freiheit verachtet
alle Dinge und spricht allen Unterschied ab. Denn wenn der Mensch
in seinem ewigen Nicht zunicht ist worden, weiß er von Unterschied
nichts, sondern nimmt Alles im Grunde, wo es Eins ist. Der Schüler
antwortet, Alles sey wohl Eins im Grunde, aber es sey nicht allein im
Grunde, sondern sey auch in sich selber ein creatürliches Icht hier
außen, und nach dem so muß man es nehmen und guten Unterschied haben.
In der Wahrheit ist Nichts, das ~Geschiedenheit~ haben möge von
dem einfältigen Wesen, weil es allen Wesen Wesen gibt, wohl aber
Unterschiedenheit also, daß das göttliche Wesen nicht ist des Steines
Wesen, noch des Steines Wesen das göttliche Wesen, noch keine Creatur
der anderen. Also besteht auch die Unterschiedenheit in der Freiheit,
denn die wahre Freiheit ist eine wohlgeordnete Freiheit, wo aber
Ordnung ist, da ist Unterschied, und was ohne Unterschied und Ordnung
ist, das ist böse. Der Mittelpunct in der Freiheitstheorie des Wilden
ist, wie sich von selbst versteht, die pantheistische Einheit Gottes
und des Menschen, und um diese gegen die Einwendungen des Schülers
festhalten zu können, beruft es sich darauf, daß Christus von Natur der
eingeborne Sohn Gottes sey. Was nun Christo gegeben ist, das ist auch
dem Menschen gegeben, und wie der eingeborne Sohn nicht wiedergeboren
wird, so bedarf der Mensch auch nicht der Wiedergeburt, sondern ist
unmittelbar Eins mit Gott und wirkt dasselbe, was Christus wirkt.
Auch in diesen Aussprüchen erkennt der Schüler die wilde, ungeordnete
Vernunft, die wohl große Aehnlichkeit hat mit dem wahren Licht, aber
doch falsch ist, weil sie nicht unterscheidet zwischen Natur und Gnade.
Denn wir Menschen sind nicht der natürliche Sohn, und unsere Gebärung
heißt eine Wiedergeburt, denn was Christus von Natur ist, kann der
Mensch erst werden von Gnaden. Durch solche gründliche, lichtreiche
Antworten wird das Wilde überwunden und muß entweichen. Dir und
Deinesgleichen, ruft der Schüler ihm zu, gebricht es am allermeisten
an gutem Unterschied vernünftiger Wahrheit, ohne welchen man nicht
gelangen kann zu einem seligen Leben (+pag.+ 310 f.).
An einer anderen Stelle sagt Suso, daß der Mensch, wenn er angefangen
hat sich fröhlich aufzuschwingen über Zeit und Raum, auf einen Punct
komme, der, geistlich gesprochen, einem tiefen Meere vergleichbar ist,
darinnen Viele ertrinken. Denn so sich das vernünftige Auge aufzuthun
beginnt, und der Mensch einen Einblick gethan hat in das gegenwärtige
Nun der Ewigkeit, und die geschaffene Vernünftigkeit beginnt der
ewigen ungewordenen Vernünftigkeit einen Theil zu verstehen in sich
selbst und allen Dingen, so findet er, daß er zuvor war wie ein Armer,
Dürftiger, der zumal blind und ohne Gott war. Nun aber dünkt es ihn,
daß er voll Gottes sey, und daß Nichts sey, das Gott nicht sey, und
daß Gott und alle Dinge ein einiges Ein seyen. Und er greift die Sache
zu geschwindiglich an in einer unzeitigen Weise und meint, er hätte
es schon ergriffen; er wird in seinem Gemüthe florirend, wie ein
aufgährender Most, der noch nicht zu sich selber gekommen ist; und
es entfallen ihm alle Dinge, es sey Hölle oder Himmelreich, Teufel
oder Engel, in ihrer eigenen Natur genommen; auch Christi gelittene
Menschheit verachtet er, wenn er nur Gott darin begriffen; und die
Sachen sind ihm noch nicht zu Grund zu erkennen worden, nach ihrem
Unterschied, nach ihrer Bleibniß und nach ihrer Vergänglichkeit.
Solchen Menschen geschieht wie den Bienlein, die den Honig machen; so
sie zeitig werden und des ersten ausstürmen aus den Körben, so fliegen
sie in verirrter Weise hin und her, und wissen nicht wohin; etliche
mißfliegen und werden verloren, aber etliche werden ordentlich wieder
eingesetzt (+pag.+ 139).
Auch die deutsche Theologie redet von einem falschen Lichte, welches
die Aehnlichkeit mit dem göttlichen Lichte lügt, aber sich selbst und
Andere betrügt, weil es meinet, es sey Gott, und ist nur Natur. Und da
Gott ist über alle Dinge, frei, unbeweglich, keines Dinges bedürftig,
und da Gott ist über Gesetz und Gewissen, so spricht das falsche Licht:
Siehe, also will ich auch seyn! Je gleicher Gott, je besser, und darum
will ich Gott gleich seyn und will auch Gott seyn. Und es nimmt sich
nun dessen an, das Gott zugehöret, und zwar nicht dessen, das Gottes
ist, als er Mensch ist oder ist in einem vergotteten Menschen, sondern
es nimmt sich dessen an, das Gottes ist und ihm zugehöret, als er
Gott ist ohne Creatur in Ewigkeit. Und das falsche Licht meinet, es
sey billig und recht, daß ihm alle Creaturen dienen und unterthan
seyen. Und da Gott in Ewigkeit ist ohne Leid, Leiden und Betrübniß,
und lässet ihm mit nichten schwer oder leid seyn um Etwas, was da ist
oder geschiehet: so will auch das falsche Licht kein Leid, Leiden und
Betrübniß, und spricht, es sey über Christi leiblich Leben gekommen
und sey unleidentlich und übernatürlich, als Christus war nach der
Auferstehung, und viel andere wunderliche falsche Irrthümer, so hieraus
folgen und entstehen (+cap.+ 38).
Dieselben Irrthümer werden von Tauler bestritten. Er spricht von
falschen gottschauenden Menschen, welche lehrten, daß die geistlichen
Naturen müßten zunichte gehen und so ledig werden, wie sie waren,
als sie nicht waren, das ist, als sie eins mit Gott, unerschaffen
waren. Wäre aber dieses möglich, sagt er, dann wäre die Creatur weder
heilig noch selig, nicht mehr denn ein Stein oder ein Stück Holz. Ohne
unsere eigenen Werke, Liebe und Gott-Erkennen können wir nicht selig
werden, Gott aber wäre selig, und ist selig, wie er ewig war, und dies
diente uns zur Besserung nichts. Hierum ist die Ledigkeit allezeit
ein Betrug, und die falschen Geister, die hierinnen lügen und leben,
sind also subtil, daß man sie nicht überwinden kann; ja sie sind den
verdammten Geistern nicht ungleich, denn diese haben weder Lust noch
Liebe, noch Erkennen, weder Andacht noch Danken und Loben, denn sie
sind ewiglich verdammt (Pr. 1. B. 243).
Wäre es nun genug das Grundgebrechen eines Systems im Allgemeinen
erkannt zu haben, um es damit auch wirklich überwunden zu haben,
dann hätte auch die christliche Mystik sich völlig gereinigt vom
Pantheismus, oder mit andern Worten, sie wäre nicht Mystik. Aber der
Kampf gegen den Pantheismus ist hier mehr ein Kampf +ad extra+, denn
+ad intra+. Der Pantheismus wird bekämpft, insofern er ~außerhalb~
des mystischen Subjects auftritt und seine abschreckende Consequenzen
unmittelbar gegenständlich werden, aber im eignen Geiste des Mystikers
ist die geheime Wurzel nicht vernichtet. Es ist eine Erscheinung,
die sich auf allen Gebieten des geistigen Erkennens wiederholt,
daß ein einseitiges Princip mit den schärfsten und glücklichsten
Waffen, ja auf Leben und Tod bekämpft werden kann, so lange es sich
als ein Gegenstand außer uns präsentirt, dessen ganze Schattenseite
deutlich zu Tage liegt. Aber in unserer inneren Gedankenwelt geben
wir uns dennoch nicht selten seinen geheimen Inspirationen hin, uns
sicher wähnend, weil wir ja den Feind außer uns bekämpft haben;
und dieser unbewußte Widerspruch, der sich selbst in das reinste
wissenschaftliche Bewußtseyn leicht hineinschleicht, ist für die
Mystik nicht ein Zufälliges wie für die Wissenschaft, sondern eine
nothwendige Folge ihres Wesens. Aus diesem Gesichtspuncte muß auch
der Streit beurtheilt werden, welcher nach dem Tode Ruysbroock's über
die Reinheit seiner Lehre geführt wurde. Der Pariser Kanzler Gerson
bezeichnet Ruysbroock's Lehre als ketzerisch und führt aus der Schrift
vom geistlichen Hochzeitsschmuck eine Anzahl offenbar pantheistischer
Stellen an. Ruysbroock's Apologet, Johann von Schönhofen, setzt
diesen eine Reihe anderer Stellen entgegen, die mit dem Pantheismus
in offenbarem Widerspruch sind. An der Mystik können nemlich immer
zwei entgegengesetzte Seiten hervorgekehrt werden. Ruysbroock selbst
polemisirt an vielen Stellen stark gegen den Pantheismus. Er spricht
von Ketzern, welche sagen: »Als ich stund in meinem ewigen Grunde,
da hatte ich keinen Gott, sondern was ich war, das wollte ich, und
was ich wollte, das war ich. Ich hoffe nicht, liebe nicht, vertraue
nicht; ich kann weder beten noch anbeten, denn ich gebe Gott keinen
Vorzug vor mir. Es ist kein Unterschied der Personen in Gott, nicht
Vater, Sohn, noch heiliger Geist. Es ist nur ~ein~ Gott und mit ihm
bin ich eins, dasselbe Eine, das er selbst ist; mit ihm habe ich
Alles geschaffen; ohne mich ist nichts«[21]. Da mehrere dieser Sätze,
die hier ketzerischen Secten zugelegt werden, sich fast wörtlich bei
Eckart finden, so könnte es scheinen, als wären Eckart und Ruysbroock
grundverschieden, als habe Eckart doch im Grunde der Secte der freien
Brüder angehört, Ruysbroock aber habe auf ächt kirchlichem Grunde
gestanden. Allein wir haben oben Stellen aus Eckart angeführt, welche
das ganz Entgegengesetzte jener Ketzereien enthalten, und gesehen, daß
Eckart selbst seine Lehre vom Pantheismus scheidet. Andererseits ist
es leicht aus Ruysbroock Stellen anzuführen, welche aussagen, daß der
menschliche Geist sich so in die abgründige Klarheit göttlichen Wesens
verliere, daß er nicht mehr könne gefunden werden, weil in dieser
Klarheit weder sey Anfang noch Ende, weder Zeit noch Ort, weder Weg
noch Steg, und daß die Seele nach ihrem ewigen Wesen nicht verschieden
sey von dieser göttlichen Klarheit selbst. Und eben wegen solcher
Aussprüche ist Ruysbroock schon frühe verdächtigt worden, als habe er
jener freigeistigen Secte angehört.
Wir gehen jetzt weiter in der Betrachtung des Offenbarungsbewußtseyns
der Mystiker und ihrer geistreichen Anticipationen der neueren
theologischen Speculation. Betrachten wir näher die Auffassung des
christlichen Dogma's, so finden wir eine höhere Stufe des theologischen
Erkennens durch die Mystik eingeleitet. Dieser Fortschritt und
Wendepunct im Entwickelungsprocesse des Dogma's läßt sich unseren
obigen Andeutungen zufolge so bezeichnen, daß die freie, immanente
Auffassung des Dogma's sich hier geltend macht im Gegensatze zum
scholastischen Supranaturalismus, wo das Dogma noch als eine
fremde, undurchdringliche Positivität dem Geiste gegenübersteht.
Der Gedanke von der Immanenz Gottes, der in seiner Trennung vom
Offenbarungsbewußtseyn zum Pantheismus führen mußte, mußte in den
Regionen der Offenbarung zu einer Anschauung führen, in welcher
wenigstens die Keime gegeben sind zu jener tieferen, speculativen
Auffassung von ~der Persönlichkeit~ Gottes, als derjenigen, welche
die Persönlichkeit des Menschen als ihr eignes Moment in sich enthält.
Betrachten wir so das erste Fundamentaldogma der Offenbarung, das Dogma
von der Schöpfung, und fragen wir nach dem Grunde und dem Warum der
Schöpfung, dann erhalten wir vom kirchlichen Bewußtseyn die Antwort,
daß keine blinde Nothwendigkeit, sondern nur Gottes freie Liebe
und Güte die Welt hervorgebracht habe, und daß der Mensch als die
vernünftige Creatur eigentlicher Gegenstand dieser Liebe und Endzweck
der Schöpfung sey (+causa finalis creationis+). Dieser Gedanke vom
Menschen als dem Mittelpuncte des Universums und unendlichem Zwecke
Gottes wird auch der Mittelpunct der mystischen Creationslehre, wie
dies schon aus dem Principe der unendlichen Subjectivität natürlich
hervorgeht. Der Personalismus, der mit dem Verhältnisse der unendlichen
Liebe gegeben ist, wird in kräftigen Zügen ausgesprochen. Die Liebe
ist das Lebenselement wie des Schöpfers, so auch der Creatur. Der
Mensch gewinnt nur sein Leben, indem er es einsetzt aus Liebe, und der
Proceß der Liebe wird zugleich aufgefaßt als ein Vernichtungs- und
Verbrennungsproceß des stoffartigen, des finstern und egoistischen
Theils der menschlichen Natur. Wenn aber die Mystik, übereinstimmend
mit der kirchlichen Theologie, lehrt, daß die Welt durch die Güte
und Liebe Gottes hervorgebracht und erhalten werde, so stellt sie
sich doch in der Weise, in der sie es thut, in einen Gegensatz zur
kirchlichen Theologie, indem sie jene Güte und Liebe nicht als den
Ausdruck einer an Willkühr streifenden Freiheit, sondern als die
Nothwendigkeit göttlichen Wesens denkt. Sie denkt sich das Verhältniß
Gottes zur Welt nicht nur unter der Kategorie der Causalität, sondern
der Substantialität. Oder deutlicher: für die Mystik existirt die
Schöpfung und das hiedurch gesetzte Verhältniß Gottes und der Creatur
nicht nur um des Menschen, sondern ebensosehr um Gottes Willen (+deus
creat+ _sibi_ +mundum+), die Weltschöpfung ist unzertrennlich vom
göttlichen Lebensprocesse selbst, und ebensowenig wie der Mensch Gott
entbehren kann, ebensowenig kann Gott den Menschen entbehren. So
lange nun die Idee der Persönlichkeit und der Liebe hier ~ernstlich~
festgehalten wird, gehört dieser Punct eben zu denjenigen, wodurch
die Mystik in die speculative Idee des Christenthums einführt und
die äußerliche Betrachtung einer traditionellen Theologie aufhebt.
Diejenigen, welche die Mystik des Pantheismus anschuldigen, mögen
diesen anderswo suchen, aber nicht hier. Denn ist die Güte nicht eine
äußerliche, zufällige Bestimmung Gottes, sondern sein eigenstes Seyn,
und ist es ferner das Wesen der Güte und Liebe das +communicativum
sui+ zu seyn, das eigne Selbst mitzutheilen an ~das Andere~, so kann
Gott nicht seyn ohne die Welt, und es ist dann nicht allein ein
pantheistischer, sondern auch ein christlicher Satz, wenn gesagt wird:
ohne Welt ist Gott nicht Gott. Aus diesem Gesichtspuncte müssen mehrere
von den oben angeführten Eckartschen Aussprüchen beurtheilt werden.
Begeistert von dieser substantiellen, wirklichen und nothwendigen
Liebe, spricht Angelus Silesius das kühne Wort:
Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nun kann leben;
Werd' ich zunicht, er muß von Noth den Geist aufgeben!
Wird auf diese Weise die Liebe nicht nur in einem einseitig
moralischen, sondern in metaphysischem Sinne genommen, als die innere
nothwendige Lebensbewegung Gottes, der als geistige Liebe an sich
selbst die Wurzel der Anderheit hat, dann kann dieser Gedanke der
ewigen Liebe auf einen allgemeineren Ausdruck zurückgeführt werden,
welcher die innere Lebensbewegung Gottes begrifflicher bezeichnet,
nemlich auf den Gedanken der ~Offenbarung~ Gottes, und in diesem
Gedanken findet die mystische Theologie den eigentlichen Grund
der Schöpfung. Die Welt ist nur da, damit Gott offenbar werde. Am
speculativsten ist dieses ausgeführt in der deutschen Theologie. Wo
Wahrheit wirket und will, da ist ihr Wollen, Begierde und Werk um
keiner anderen Ursache, denn daß Wahrheit erkannt und offenbar werde
(+cap.+ 24). Aber das Eine und Beste hat müssen einen Gegenwurf
haben, daraus dasselbe, so viel möglich, erkannt wurde. Solches war und
ist aller Creaturen Wesen, daß Gott in ihnen offenbar und erkennbar
sey. (Deutsch. Theol. Etliche Hauptreden und Sprüche.) Der ewige
Wille ist ursprünglich und wesentlich in Gott ohne alle Werke und
Werklichkeit. Allein der Wille wäre vergebens, so er keine Wirkung
hätte. Dies aber mag ohne Creatur nicht geschehen, und dieweil nun Gott
ohne Creatur wirklich und beweglich nicht zu wollen vermag, darum will
er's thun in und mit den Creaturen (+cap.+ 49). Hiedurch löst sich
dem Verfasser die Frage, warum Gott den freien Willen erschaffen habe,
damit nemlich der unerschaffene Wille in ihm offenbar werde. Das Eine
kann sich nur zu erkennen geben im Mannichfaltigen, das Unendliche im
Endlichen. Dieser Offenbarungsbegriff kann pantheistisch seyn, und es
ist ganz in der Ordnung, daß wir Stellen finden, welche auszusprechen
scheinen, daß Gott erst als menschliches Ich Bewußtseyn gewinne. Wie
Fichte Gott das Selbstbewußtseyn absprechen zu müssen glaubte, weil
das Selbstbewußtseyn unzertrennlich ist von der Reflexion und der
Beschränkung, welche er nicht mit dem unbedingten Wesen der Gottheit
zu vereinigen wußte, und wie es ein nothwendiges Ergebniß seiner Lehre
war, daß, wenn von einem göttlichen Selbstbewußtseyn die Rede seyn
solle, dieses nur als das ideale Wissen der Menschheit, als sittliches
und religiöses Ich existiren könne, weil hier erst das unbedingte
Wesen der Gottheit in die Schranken der Reflexion und der Endlichkeit
eingetreten sey: so liegt derselbe Gedanke allen hieher gehörigen
pantheistischen Aussprüchen der Mystik zu Grunde. So beschäftigt die
deutsche Theologie sich mit der Frage, ob man Gott Affecte zulegen
möge, wie Trauer, Leid, Mißfallen, Betrübniß und dergleichen. Nun soll
man merken: Gott als er Gott ist, so mag weder Leid oder Betrübniß oder
Mißfallen in ihn kommen, und doch wird Gott betrübet um des Menschen
Sünde. Und dieweil dies nicht geschehen mag in Gott ohne Creatur, so
muß es geschehen, da Gott Mensch ist, das ist in einem ~vergotteten
Menschen~. Siehe, da ist die Sünde Gott also leid und verdreust
ihn also sehr, daß Gott allda selbst wollte gemartert werden und
leiblich sterben, auf daß er eines Menschen Sünde damit vertilgen
möchte. Daher kam, entstunde und war Christi heimliches Leiden, davon
Niemand sagt oder weiß denn allein Christus, und darum heißt es und
ist heimlich. Es ist auch eine Eigenschaft Gottes, die er haben
will und ihm wohlgefället in einem Menschen, und ist wohl ~Gottes
Eigenschaft~, denn es gehöret dem Menschen nicht zu, und er vermag
es nicht (+cap.+ 35). Wir gehen hier nicht ein auf eine specielle
Erläuterung dieser Stelle; die relative Gültigkeit dieses Ausspruchs
auf dem Gebiete des Christenthums und namentlich auf dem Gebiete der
Christologie wird übrigens kein christliches Denken verkennen können.
An anderen Stellen leuchtet die christliche Offenbarungsidee bestimmter
hervor. Gott als ~Gottheit~ gehöret nicht zu weder Wille, noch
Wissen noch Offenbaren, weder dies noch das, das man nennen, reden oder
denken mag, aber Gott als ~Gott~ gehöret zu, daß er sich selbst
eröffne, bekenne und liebe, und ~sich selbst ihm selber offenbare,
und dies noch Alles in Gott~, und noch Alles als ein Wesen und nicht
als ein Wirken, dieweil er ohne Creatur ist, und in dieser Offenbarung
wird der ~persönliche Unterschied~ (oder der Unterschied der
Personen). Aber da Gott als Gott Mensch ist oder da Gott lebet in einem
göttlichen und vergotteten Menschen, so gehöret Gott Etwas zu, das
sein eigen ist und ihm allein zugehöret und nicht den Creaturen, und
ist in ihm selbst ursprünglich und wesentlich, aber nicht förmlich und
wirklich. Aber Gott will dasselbige geübet haben, denn es ist darum
da, daß es geübet und gewirket werden soll, und was sollte es anders?
Sollte es müßig seyn, was wäre es dann nütze? Denn was nirgend zu nütze
ist, das ist umsonst und vergeblich, und das will Gott oder die Natur
nicht. Weil nun Gott dasselbe geübet und gewirket haben will und aber
das mag ohne Creatur nicht geschehen, so muß und soll es also seyn; ja
sollte weder dies noch das seyn, oder wäre kein Werk oder Wirkung und
dergleichen, was wäre oder sollte auch Gott selber? (+cap.+ 29.)
Dieses Apperçu enthält auf einmal die für alle wahre Theologie
so wichtige Distinction zwischen Gottes Selbstoffenbarung und
seiner Offenbarung an die Welt (+manifestatio ad intra+ und +ad
extra+), aber zugleich die Nothwendigkeit und Unzertrennlichkeit
der letzteren von der ersteren. Gottes Weltoffenbarung ist Moment
seiner Selbstoffenbarung. Die äußere Offenbarung ist die Evolution
der inneren; die innere ist die Involution der äußeren, und nur
mittelst der freien Entäußerung an die Welt gewinnt Gott das tiefste
In-sich-selber-seyn, sein Seyn in wirklicher Liebe und im Wissen
derselben. Wer, von einem einseitigen Theismus ausgehend, diesen Satz
nicht anerkennt und die ewige Copula der Weltoffenbarung und der
Selbstoffenbarung zerreißt, möge selbst zusehen, wie er den Glauben an
eine unwesentliche, unnöthige und unwahre Offenbarung rechtfertigen
könne. Gott aber vollzieht die nothwendige Verwirklichung seiner
ewigen Herrlichkeit mittelst der Welt, damit sein eignes Bild ihm
zurückstrahle aus dem Anderen seiner selbst. Soll aber Gott sich in der
Welt gegenständlich werden, dann muß in der Welt als dem Negativen oder
als Nicht-Gott ein Punct gefunden werden, welcher, der creatürlichen
Negativität ohngeachtet, identisch seyn kann mit Gott, damit Gott,
der sich selbst suchet, sich auch finde, anschaue, wisse, liebe und
besitze im Anderen. Dieser unendliche Offenbarungsfocus ist nach der
einstimmigen Lehre der Mystiker ~die Seele~. Diejenigen, welche das
Wesen der Seele gründlich bedenken wollen, werden, wie Eckart sagt,
an einigen Puncten nicht wissen, wo sie Unterschied setzen sollen
zwischen ihr und Gott. Sie ist der Punct, wo das Geschaffene und das
Unerschaffene Eins wird, wo die endliche Welt, das getheilte Stückwerk
in die ungetheilte Vollkommenheit in Gott zurückkehrt. Das ganze
Universum kann Gott nicht fassen; nur in der Seele kann Gott Gott seyn.
Gott hat keine Creatur, die also weiten Begriff habe, da er seine Macht
und den Grund seines Wesens also vollkommen einschreiben möge oder
eingießen, als in der Seele (Tauler Pr. I, 96). Der Adel der Seele aber
liegt in der idealen Natur des Selbstbewußtseyns und der Freiheit, im
~Denken~, welches der Seele Substanz ist. Durch das Erkennen wird die
Seele göttlicher Natur theilhaft. Denn Gottes Erkennen, in welchem
auch der Mensch erkennt, ist Gottes Wesen und Substanz. Wenn denn
Gottes Erkennen mein Erkennen ist, dann ist auch seine Substanz meine
Substanz, und wenn seine Substanz meine Substanz ist, dann bin ich der
Sohn Gottes (Eckart +fol.+ 315). Der Mensch soll nur seine Herrlichkeit
wissen und wollen um sie auch zu besitzen, und dieses Wissen und Wollen
ist die Herrlichkeit selbst oder doch ihr eigentlicher Lebenspunct.
Gott ist dem Menschen viel näher, sagt Tauler, als der Mensch sich
selber ist. Aber wenn ich ein König wäre und wüßte es nicht, dann
wäre ich kein König. So liegt alle unsere Seligkeit daran, daß wir
wissen und kennen das höchste Gut im Himmel und auf Erden, welches ist
Gott selbst. Gott ist auch gegenwärtig in Steinen, Bäumen und anderen
Creaturen, aber sie wissen's nicht. Wüßten sie es, dann wären sie
ebenso selig wie die Engel und die Menschen. In der Erkenntniß hat Gott
ein seliges Spiel mit der Seele und bereitet ihr die edelste Speise.
Denn je mehr sich Gott ihr zeiget und offenbaret, je mehr hungert
sie nach der Gottheit, und je mehr sie nach der Gottheit hungert, je
mehr gelüstet Gott den leeren Grund zu erfüllen. Und es ist hier ein
unendlicher Cirkel, in welchem die Erkenntniß in dem Erfüllen hungerig
und in dem Hunger erfüllt wird (+Medulla animae+, +cap.+ 12).
Dieser unendliche Proceß der Selbstobjectivirung, des Suchens und
Findens, des Gebens und Empfangens ist nun das Leben sowohl Gottes wie
der vernünftigen Creatur. Gott macht sein eigen Wesen creatürlich, aber
der Ausgang der Creaturen aus Gott ist nur um des Eingangs Willen, und
wie die Offenbarung einerseits Schöpfung ist, insofern Gott das von
ihm selbst Verschiedene setzt, so ist sie andererseits Versöhnung,
insofern der Unterschied in Einheit aufgelöst wird, und die Seele in
der Erkenntniß und Liebe die Endlichkeit in die ideale Vollkommenheit
zurückführt. Schöpfung und Versöhnung können also auch nach der Lehre
der Mystik als das Spiel der göttlichen Liebe mit sich selbst aufgefaßt
werden, ein Satz, der nicht nothwendig pantheistisch ist. Denn, wie die
Mystik sagt, »Gott liebt sich nicht als Gott, sondern er liebt sich
als das höchste Gut,« das heißt, Gott liebt sich nicht in abstracter,
einsamer Ichheit, sondern in seinem Reiche, oder mit andern Worten,
er will nur sich selbst und sein eignes Daseyn, insofern er auch das
Daseyn der Welt oder näher der Seele will. Seine Selbstoffenbarung
enthält also die Offenbarung an das Andere und dessen relative
Subsistenz.
In diametralem Widerspruche mit ihrer Lehre von Gott als dem namenlosen
und unterschiedslosen Einen setzt also die Mystik einen inneren
Gegensatz im göttlichen Wesen und denkt die göttliche Liebe als die
Vermittelung dieses Gegensatzes. Mit innerer Nothwendigkeit kommt
sie hiedurch zur ~Trinitätslehre~. Denn es ist der Gedanke
von dem metaphysischen Gegensatze in Gottes Wesen und von der
ewigen Versöhnung dieses Gegensatzes, welcher es nothwendig macht
die göttliche Persönlichkeit als Trinität zu denken, wie denn auch
die kirchliche Trinitätslehre nur vernünftig gedacht werden kann,
wenn sie als Construction der verschiedenen Momente des göttlichen
Selbstbewußtseyns, des theogonischen Processes, in welchem Gott sich
ewig hervorbringt und findet, aufgefaßt wird. Die Frage nun, inwiefern
der christliche Gottesbegriff in der Dreieinigkeitslehre der Mystiker
zu seinem Rechte gekommen sey, beruht auf der näheren Bestimmung des
Verhältnisses des Sohnes Gottes zur Welt, ein Punct, der für den
christlichen Charakter einer jeden Trinitätslehre entscheidend ist.
Bleibt man nemlich stehen bei der oben angedeuteten Betrachtung und
bestimmt man das Andere, den θεὸς δεύτερος, in welchem Gott sich
gegenständlich wird, unmittelbar als die Welt, identificirt man so
die Welt oder bestimmter den menschlichen Geist mit dem Sohne Gottes,
dann streitet dieses gegen alle kirchliche Lehre, die zu allen
Zeiten scharf geschieden hat zwischen dem Sohne, dem unerschaffenen
Wesensbilde des Vaters, und der aus Nichts erschaffenen Welt. Aber
wie jene Ansicht unkirchlich ist, so befriedigt sie auch nicht die
Forderungen des Denkens, indem die im Begriffe der Persönlichkeit
enthaltene Selbstobjectivirung Gottes nicht zu Stande kommt. Der
objectivirte Gott kann nemlich nicht die Natur seyn, da diese ihrem
Begriffe nach nicht-göttlich ist, weil subjectlos. Wenn nun Gott in
der Natur vergebens sein anderes Selbst, sein +Alter-Ego+ suchen
würde, so scheint hingegen die Welt der endlichen Geister, das Reich
der selbstbewußten Monaden als die wahre Gegenständlichkeit Gottes
bestimmt werden zu können, weil Gott hier als gewußter und gewollter
aus unzähligen Puncten in sich selbst zurückstrahlen kann. Allein, wenn
die endliche Geisterwelt unmittelbar als Sohn bestimmt wird, wird die
Selbstobjectivirung nicht wirklich vollzogen. Jeder endliche Geist ist
nemlich nur eine relative Offenbarung Gottes, welche durch alle anderen
vervollständigt werden muß um den ganzen Gott zu offenbaren. Werden
nun die relativen Geister, welche gleichsam einzelne Fulgurationen
des göttlichen Wesens sind, zur Totalität zusammengefaßt, so fehlt
dieser Totalität doch das eigentliche Centrum, nemlich das ~absolute
Selbst~. Im Acte der Selbstobjectivirung ist es ja nicht nur die
göttliche Substanz, welche Gegenstand des göttlichen Anschauens werden
soll, sondern es ist ebensosehr das unendlich Monadische, der ewige
Wille, der seine Selbstbejahung sucht im Anderen. Wenn nun aber auch
die ganze Mannichfaltigkeit der fragmentarischen Offenbarungspuncte zur
Einheit zusammengefaßt wird, so wird in dieser Weltoffenbarung doch
nur ein Stückwerk, aber kein ganzer Gott angeschaut. Die Einheit ist
dann nur die substantielle Einheit des ~Geschlechts~; Gott findet
sich nur als den im Systeme ausgestückelten Weltgeist, nicht als den
in sich reflectirten ewigen Logos, in dessen absolut ~weltfreiem~
Wissen und Wollen alle endliche Geister ihren subjectiven Einheitspunct
finden, weil er das Medium ist, durch welches sie alle Gott sehen. Nur
wenn Gott, der die Offenbarung ~seiner~ sucht, sich im Auge des
ewigen Sohnes (+dei filii+, nicht nur +filii dei+) spiegeln
kann, hat er seine wirkliche Selbstoffenbarung gefunden, wie er denn
auch im menschlichen Geiste ~sich~ nur finden kann, wenn er sich
in diesem nicht nur findet als das substantielle Leben, sondern als
subjectiven, persönlichen Mittelpunct, als die Seele der Seele. In der
Selbstobjectivirung ist es also hauptsächlich das Subject, welches
sich verdoppeln muß, und als Object nicht aufhören darf Subject zu
seyn. Ist darum das Daseyn der Welt allerdings nothwendig, damit Gott
offenbar sey, so ist dieses doch keine unmittelbare, sondern nur eine
mittelbare, secundäre Nothwendigkeit. Oder mit anderen Worten: die
Welt kann nicht gedacht werden als das ~erste~ Negative in der
Selbstoffenbarung Gottes. Die erste Anderheit im göttlichen Wesen ist
der Sohn, welcher selbst Gott ist. Die Welt aber ist das Andere des
Sohnes (+Alterum dei filii+) und setzt den Sohn voraus als ihr
ewiges +Prius+. Nur durch seinen Sohn tritt Gott in Verhältniß
zur Welt, wie er auch nur die menschliche Seele liebt in der Liebe, in
welcher er den Sohn liebt.
Aber indem das Daseyn der Welt gesetzt wird als vermittelt durch den
Sohn, muß andererseits die Offenbarung des Sohnes ebensosehr als durch
die Welt vermittelt gesetzt werden, und jene Betrachtung, welche
lehrt, ohne Welt sey Gott nicht Gott, erhält hier ihre nothwendige
Gültigkeit. Die Schöpfung und die Menschwerdung des Sohnes können
nicht außerhalb des trinitarischen Processes fallen, so gewiß als
Gottes +manifestatio ad extra+ und +ad intra+ nur Momente
desselben Begriffes sind. Der Satz: ohne Welt ist Gott nicht Gott,
erhält christliche Bedeutung, wenn er vom Standpuncte der Trinität
ausgesprochen wird und den Sinn hat, daß ohne Welt der Sohn Gottes
seinem Begriffe nicht entsprechen würde. Soll nemlich die innere
Selbstunterscheidung Gottes eine reale seyn, soll es Ernst seyn mit
der Anderheit in Gott, so muß der Sohn in seiner Wesenseinheit mit
dem Vater zugleich wesentlich verschieden seyn vom Vater, das heißt,
er muß auf einmal göttliche und nicht-göttliche, d. h. kosmische
Natur haben. Er muß nicht nur der Eingeborne des Vaters, sondern auch
der Erstgeborne ~der ganzen Schöpfung~ (Kol. 1, 15), nicht blos
Gott, sondern auch Mensch seyn. Es würde sonst die Anderheit nicht zu
ihrem vollen Rechte kommen, das Verhältniß der Objectivität zwischen
Vater und Sohn wäre kein im höchsten Sinne reales. Als θεὸς δεύτερος
kann der Sohn sich nur offenbaren mittelst der Anderheit göttlicher
Natur; es muß eine creatürliche Welt gesetzt werden als das Andere des
Sohnes, die ihm aber eben deswegen zugehört und ihn zum Principe hat.
Was also aus einem Gesichtspuncte Schöpfung ist, Hervorbringung einer
Welt, die wesentlich verschieden ist vom Sohne Gottes, ist, aus einem
anderen Gesichtspuncte angesehen, die ewige Menschwerdung des Sohnes.
In der menschlichen Natur, welche +capax dei+ ist, kann der
Sohn offenbar werden als die persönliche Weltseele, als das innerste
Selbst des Universums, ihr Versöhner und Mittler, und da er in dieser
seiner Welt-Natur nicht aufhört göttliche Natur zu haben, welche
ihm als dem ewigen Wesensbilde des Vaters zugehöret, so ist er das
wahre, persönliche Nicht-Ich, welches der Vater sucht. Erst dann kann
die Liebe des Vaters zum Sohne als eine reale Liebe gedacht werden,
wenn er in ihm nicht nur seine eigne göttliche Natur liebt, sondern
zugleich eine andere Natur, wenn er seinen Eingebornen liebt als den
Erstgebornen der Schöpfung und in ihm die ganze Welt, das ganze in ihm
verfaßte System erschaffener Geister. Es ist ein bedeutungsvoller Zug
in Dante's Paradies, wo die Beschauung der Dreieinigkeit dem seligen
Blicke aufgeht, daß mitten im leuchtenden Kreise der Dreieinigkeit ein
kleineres Bild sich findet, welches als das Bild des Menschen erkannt
wird. Der dreieinige Gott kann nicht den Menschen entbehren. Gott
kann nicht den Gedanken seines eignen Ichs vollziehen ohne damit auch
den Gedanken des Menschen zu vollziehen, als des negativen, endlichen
Puncts, der in seiner Gegenständlichkeit seyn muß, damit diese eine
wirkliche Anderheit sey.
So hat die christliche Speculation in der Bestimmung des Verhältnisses
des Sohnes Gottes zur Welt zwei Einseitigkeiten zu überwinden. Die
eine ist die pantheistische Vermischung der Welt und des Sohnes, der
speculative Monophysitismus, die andere die abstracte Trennung, der
speculative Nestorianismus, welcher die Welt ausschließt von der
ewigen Natur des Sohnes und keine ewige, sondern nur eine historische
Menschwerdung kennt, nicht bedenkend, daß die zwei Naturen dem Sohne
von Ewigkeit zugehören müssen und daß die Idee des Menschengeschlechts
als des Reiches des Sohnes unzertrennlich ist von ihm, dem Haupte
(Kol. 1. Ephes. 1). Wie verhält sich nun die Mystik zu diesen
Bestimmungen? Es liegt in ihrer Natur, daß sie nicht selten in die
pantheistische Vermischung des Sohnes und der Welt hineingeräth, aber
die Anderheit kommt doch auch zu ihrem Rechte. Wenn Eckart sagt, daß
der Sohn ausgeflossen sey aus der Natur des Vaters und sey Eins mit
ihm geblieben im Wesen, wir aber seyen ausgeflossen von den Personen
(also von der in sich seyenden Trinität) und haben empfangen ein
fremd Wesen, dann ist hierin die christliche Wahrheit ausgesprochen.
Ganz in Uebereinstimmung mit der Entwickelung der Scholastiker wird
der Unterschied der Personen in der Trinität dargestellt. Der Sohn
entspringt aus der Wurzel des Vaters, und dieses ist nicht ein Werk
seines Willens oder Vorsatzes, sondern die Nothwendigkeit seiner
Natur; denn indem Gott den Abgrund seines Wesens durchschaut, muß er
sich aussprechen in Selbsterkenntniß, und diese Selbsterkenntniß ist
die ewige Zeugung des Sohnes. Gott erkennt sich selbst im Sohne, aber
der Erkannte und der Erkennende sind Eins. Indem der Vater ausgeht in
den Sohn, geht er wieder in sich ein durch den heiligen Geist. Es ist
ein ewiger Ausgang und ein ewiger Eingang. Der Vater entgießt sich
nach minnereicher Mildigkeit des Willens in den Sohn und wiederum der
Sohn ergießt sich nach Lieblichkeit des Willens in den Vater und das
heißet eine wiederbiegige Liebe, das da ist der heilige Geist.
(Eckart +fol.+ 248. Tauler Pr. 1, 91. Suso 159.) Suso geht in
der Entwickelung der Dreieinigkeitslehre aus von dem Ausspruche eines
alten Meisters, daß Gott, nach seiner Gottheit genommen, sey als ein
weiter Ring, dessen Mittelpunct sey allenthalben und sein Umschwank
nirgends; und er fügt eine bildreiche Betrachtung hinzu. Wenn Jemand
mit einem Stein mitten in ein stillstehendes Meer würfe mit einem
solchen Vermögen, daß das ganze bewegt würde, dann würde ein ungeheurer
Ring im Wasser und aus diesem Ringe würde ein zweiter Ring; der erste
Ring bedeutet den Vater, der zweite den Sohn; beide bringen einen
dritten Ring hervor, der bedeutet den Geist beider. So bezeichnen die
drei Kreise Vater, Sohn und heiligen Geist. In diesem tiefen Abgrund
ist die göttliche Natur in dem Vater sprechend und gebärend das Wort
heraus nach Persönlichkeit, innebleibend nach Wesenheit, das an sich
nahm ~die natürliche Menschheit~. Denn aus dem großen Ringe, der
da bedeutet die Gottheit, fließen aus, nach bildreicher Gleichniß,
kleine Ringlein, das sind die Seelen. Und wie im Ringe der Gottheit ist
ein zirkeliges Wiederbiegen des Endes auf den Beginn, so hat auch die
Seele oder vielmehr das Bild Gottes im vernünftigen Gemüthe allezeit
ein Starren, einen Widerblick und ein Wiederbiegen auf ihren Ursprung
(169. 158). Durch solche bildliche, gleichnißgebende Reden will Suso
nur unserer Schwachheit zur Hülfe kommen um durch diese Bilder andere
schlechtere Bilder aus der Seele auszutreiben; denn in der Wahrheit
ist dieses Alles bildlos und wird nur mit bildlosen Sinnen erfaßt. --
In der begrifflichen Entwickelung der persönlichen Unterschiede in
der Trinität enthält die Scholastik einen größeren Reichthum subtiler
Distinctionen, aber das Eigenthümliche der Mystik in diesem Dogma ist
darein zu setzen, daß sie die Schöpfung und die Menschwerdung Gottes
als nothwendige Momente des trinitarischen Processes erfaßt hat, daß
die Idee des Sohnes ihr unzertrennlich ist von der Idee der Welt.
~Gottes Sohn und die menschliche Seele~ stehen immer gleichsam
mit einem Schlage vor der Beschauung. Es ist das Wesen des Vaters, daß
er den Sohn gebäre, und es ist das Wesen des Sohnes, daß er geboren
werde und ~daß ich in ihm geboren werde~, und so ist es auch
das Wesen des Geistes, ~daß ich in ihm verbrenne~ und in Liebe
verschmelze (Eckart +fol.+ 245). Das Kosmische, das Creatürliche
ist also nothwendig zur Manifestation des Sohnes und des Geistes. In
seinem ewigen Worte spricht der Vater alle Creaturen und in diesem
Worte spricht er meine Seele und deine Seele. Der Sohn wird in der
Seele geboren auf dieselbe Weise wie in Ewigkeit und nicht anders, und
Gottes eigne Natur hanget daran, daß der Sohn in der Seele geboren
werde; darum nöthigt und treibet er uns, daß wir ihm den Sohn gebären
(+fol.+ 260, 290, 304). Es ist nicht genug, daß der Sohn Gottes
aus Maria geboren wurde, sondern täglich wird er geboren und soll
geboren werden in jeder gläubigen Seele[22]. Es ist also die Bestimmung
des Menschen das »Andere« zu seyn für die Offenbarung des Sohnes.
Darum stellt die Mystik es auch als die höchste praktische Aufgabe,
die tiefste Verpflichtung für den Menschen, daß die Menschwerdung des
Sohnes in ihm vollzogen werde, daß er Gott Raum gebe in der Seele,
daß er die himmlische Geburt nicht hindere. Da der Sohn nicht ohne
die menschliche Natur ist, so kann Eckart ferner die kühne Behauptung
aufstellen, daß der heilige Geist ebensowohl vom Menschen ausgehe, wie
von Gott. Denn da die vollständige Idee des Sohnes nicht verschieden
ist von der Idee des ewigen Gott-~Menschen~, so muß der Ausgang
des Geistes vom Sohne ebensosehr ein Ausgang von der menschlichen Natur
seyn, wie von der göttlichen.
Es ist eine natürliche Folge des subjectiven Charakters der Mystik,
daß eine ausführliche Entwickelung des Creations- und Trinitätsdogma
~als solchen~ hier keinesweges die Hauptsache ist. Ziel und
Endzweck der Mystik ist ja nur das Leben in Gott, die subjective
Einigung mit dem höchsten Gut. Hier ist kein Interesse für eine
theoretische Construction des Universums; die Trinitätslehre wird
nicht angewendet als Schlüssel zur Natur und Geschichte, wie bei den
späteren Theosophen. Nur die Idee von der ewigen Menschwerdung des
Sohnes hat ein bleibendes Interesse für das subjective Bewußtseyn der
Mystiker. Dieser Gedanke von der ~ewigen~ Einheit göttlicher und
menschlicher Natur wird der Betrachtung Mittelpunct für die Seele,
deren einziges Trachten es ist diese Einheit praktisch zu verwirklichen
und zu erleben. Von diesem Gedanken ist der Geist des Mystikers, ja
seine ganze Individualität wie imprägnirt, und jeder andere dogmatische
Gedanke verhält sich zu diesem wie ein Nebengedanke, der Bedeutung
und Farbe nur erhält in Beziehung auf diesen. Gibt sich der Mystiker
auch momentan einer objectiven Betrachtung hin, so liegt doch immer
die Beziehung auf seine eigene Vergottung im Hintergrunde, und die
Betrachtung springt plötzlich ab, um wieder auf dieses Hauptthema
zurückzukommen.
Das Eigenthümlichste in dogmatischer Beziehung müssen wir deshalb in
der ~Christologie~ suchen. Da jede mystische Betrachtung über
das Wesen der Seele die Einheit menschlicher und göttlicher Natur zum
Resultate hat, so sind die Schwierigkeiten verschwunden, mit welchen
eine streng supranaturalistische Christologie behaftet ist. Die Idee
Christi wird nun dem Menschen die allernatürlichste, denn nach seiner
Idee ist jeder Mensch Christus. Aber indem dieser Gedanke ausgesprochen
wird, tritt ein Wendepunct und ein Gegensatz ein zur kirchlichen
Christologie. Die kirchliche Dogmatik, so wie sie theils in den
Symbolen, theils in den Entwickelungen der Scholastiker hervortritt,
setzt die Einheit göttlicher und menschlicher Natur nur an einem
isolirten Puncte in der Geschichte, in einem einzelnen Individuum; nun
wird sie ausgesprochen als eine ewige Einheit, die an allen Puncten
gegenwärtig ist. Das Eintreten Christi in die Geschichte gilt dem
kirchlichen Bewußtseyn als ein absolutes Wunder, das Bewußtseyn der
Gemeinde ist durchdrungen vom Gefühle ihres unendlichen Abstandes und
Unterschiedes vom Gottmenschen; nun wird in Christo Nichts angeschaut,
was nicht in der Idee der menschlichen Natur selbst gegeben ist, und
anstatt seine unendliche Majestät und seinen Unterschied von Allen
vorzustellen, wird jetzt der Gedanke vorherrschend, daß Christus
der Erstgeborne sey unter vielen ~Brüdern~. Dieses ist das
Epochemachende der mystischen Christologie, daß sie die Wesenseinheit
des Menschen mit Christo zum Mittelpuncte der Betrachtung gemacht hat.
Nach unserer leiblichen Geburt, sagt Tauler, sind wir Menschen wohl
unterschieden von einander, aber in der ewigen Geburt ist nur ein Sohn
Gottes. Denn in Gott ist nur ein Ursprung, ein Anfang, und darum sind
nicht zwei Geburten, sondern nur eine Geburt, nicht zwei Söhne, sondern
nur ein Sohn. Darum, sollst du ~ein~ Sohn seyn mit Christo, so
mußt du ~ein~ ewiges Ausfließen seyn mit dem ewigen Worte (Pr.
1, 56). Die Identität der ewigen Geburt der Menschen mit der ewigen
Geburt Christi wird nun näher gesetzt in der Allgemeinheit menschlicher
Natur, alsfern diese in ihrer Reinheit genommen wird mit Ablegung
alles Zufalls. Denn, aller individueller Verschiedenheit ohnerachtet,
sind alle Menschen Eins in der einen menschlichen Natur, die ihrem
Begriffe nach mit der göttlichen unauflöslich vereinigt ist, und, im
Wesen angesehen, hat Christus keine andere menschliche Natur, als der
niedrigste und elendeste Mensch. Nach der Natur sind alle Menschen mir
gleich nahe, der mindeste wie der höchste, der thörichtste wie der
weiseste, der Kaiser wie der Pabst; aber nach der Person sind sie von
mir unterschieden. So ist auch die menschliche Natur unseres Herrn
Christi mir so nahe wie ihm, und Alles was Christus hat nach seiner
menschlichen Natur, das gehöret mir in derselben Natur. Aber wehe
mir, wenn ich ihm in der Natur gleich bin, in der Person aber mir
selbst näher bin mit eigener Liebe und Eigensucht. Darum hat Mensch
und menschliche Natur großen Unterschied. Als der ewige Sohn in der
Fülle der Zeit menschliche Natur annahm, da nahm er sie nicht an sich
nach diesem oder jenem Menschen, sondern er nahm an sich die freie,
~ungetheilte~ menschliche Natur. Willst du nun ein Sohn seyn,
so mußt du von dir abscheiden Alles, was Unterschied in dir macht,
und abthun Alles, was da ist ein Zufall der Natur. Wie wenn man einen
Menschen nennet und ansiehet als Petrus oder Paulus, dann betrachtet
man den Zufall menschlicher Natur. Du aber hüte dich, daß du dich nicht
nehmest, als du dieser Mensch oder der bist, sondern nehme dich nach
der Freiheit ungetheilter menschlicher Natur. Du sollst dich so wenig
bekümmern um deine Person, wie du dich bekümmerst um den Sultan, der da
lebet jenseits des Meeres. Wenn du dich dann nehmend bist in der Natur,
die Gott geworden ist durch Annehmung des ewigen Worts, dann bist du
auch ein Sohn des ewigen Vaters mit Christo. Wäre meine Seele nur so
bereitet wie die Seele unseres Herrn Christi, dann wirkte der Vater
in mir wie in seinem eingebornen Sohne und nicht anders. Denn diese
Natur, die auch meine Natur ist, nahm der Sohn Gottes an sich und in
der Natur zog er mich gänzlich in sich; wenn ich nun mit meiner Person
zurückbleiben will, was kann er dafür? (Tauler Pr. 1, 56. 2, 21. Eckart
+fol.+ 251, 268.)
Durch diese Vertiefung der Seele in sich selbst macht sie sich
frei vom Supranaturalismus der Kirchenlehre, Christus ~in uns~
wird der herrschende Gedanke und das religiöse +a priori+ (+ab
interiori+) macht sich geltend gegen das kirchliche +a posteriori+
(+ab exteriori+). Dieses ist nicht nur das Verhältniß der Mystik zur
Scholastik, sondern zum ganzen herrschenden Katholicismus. Wie löst
sich nemlich dem Katholicismus die Hauptfrage der Kirche von der
Gegenwart Christi in der Gemeine? Offenbar will der Katholicismus
Christum nicht nur auf geistige, sondern auch auf sinnliche Weise
festhalten; er will die Kirche zu einem universellen Abbilde machen von
Christi sinnlicher, leiblicher Gegenwart auf Erden. Die universelle
Form aber, in welcher die Idee in sinnlicher Weise vorhanden ist,
ist die Kunst, und der Katholicismus wird in seinem Cultus die
Kunstreligion des Christenthums. In Bildern und Tönen wird Christus
zur geistig-sinnlichen Gegenwart gebracht; sein Leib und Blut werden
im Abendmahl als unmittelbare sinnliche Realitäten den Gläubigen
dargeboten; in der Messe wird sein Opfer für die Sünde der Welt immer
aufs neue vollzogen. Aber das gläubige Gemüth ist nur Zuschauer und
Zuhörer, nicht Mitwirker in dem Processe, wodurch Christus in die
Gegenwart hineintritt; Christus wird nur zur Schau gestellt, er
bleibt ein Aeußeres und eine undurchdringliche Schranke stellt sich
zwischen ihn und den Gläubigen. Im Gegensatze zu diesem exoterischen
Cultus bilden die Mystiker einen stillen, esoterischen Geisterchor,
der sich abwendet von der blendenden Bilderwelt und das ~unbildliche
Wesen~ Christi in der menschlichen Natur selbst sucht. Wenn die
Kreuzfahrer, getrieben von der exoterischen Tendenz des Katholicismus,
auszogen um das heilige Land, als die theuerste Reliquie des Herrn,
wiederzugewinnen, wenn die frommen Pilger eine Beruhigung darin fanden,
das Land zu betreten, wo der Herr wandelte in den Tagen des Fleisches,
weil sie meinten an diesen Orten seine Gegenwart auf eine reellere
Weise ~erfahren~ zu können, als anderswo, so weiß die Seele nun in
der unendlichen Gewißheit ihrer Erfahrung, daß sie selbst der einzige
Ort sey, wo Christus gesucht werden solle, und daß er hier sey oder
nirgends. Das +itinerarium mentis+ der Mystiker ist das Gegenbild der
Wallfahrten zum heiligen Lande; die mystische Wallfahrt ist nicht ein
Ausgang, sondern ein fortgesetzter Eingang durch Vernichtung der Zeit
und des sinnlichen Orts. Und wenn die Mystiker in der Nachfolge Christi
in ihrer eignen Individualität die verschiedenen Momente der Geschichte
Christi zu reproduciren suchten, so sind sie hierin das geistige
Gegenbild zu den christlichen Märtyrern. Denn die Märtyrer treten
hervor auf dem Schauplatze der Wirklichkeit und in einem äußeren Kampfe
mit der Welt reproduciren sie die Leidensgeschichte auf sinnliche
Weise durch das leibliche Leiden und den wirklichen Tod. Die Mystiker
aber gehen nur darauf aus Christum zu reproduciren auf unsinnliche
Weise; die Geschichte wird Idee und namentlich wiederholt sich die
Leidensgeschichte geistig als eine unsichtbare Reinigung, als das
Absterben der Seele von der Welt der Sünde, von der Natürlichkeit und
der Bildlichkeit.
So hat sich ein Gegensatz ausgebildet von einer esoterischen und
exoterischen Betrachtung Christi, und die theologische Antinomie von
Empirie und Idee, von dem historischen und dem idealen Christus, die
sich so scharf ausspricht in unseren Tagen, regte sich schon in jener
Zeit. Indem wir nun zur näheren Entwickelung dieses Punctes übergehen,
müssen wir noch einmal einschärfen, daß unsere Mystiker sich in kein
bewußt polemisches Verhältniß zum Dogma der Kirche stellen, daß sie
vielmehr stets die Kirchenlehre voraussetzen und nur eine tiefere,
~praktische Aneignung~ dieser bewirken wollen[23]. Aber in dieser
subjectiv-praktischen Aneignung kommt das religiöse und speculative
+a priori+ zum Durchbruch, und die Tradition muß der Idee weichen.
Der erste Schritt in der Entwickelung des idealen Christus ist
in der heiligen Ueberlieferung selbst, der Unterscheidung einer
esoterischen und exoterischen Betrachtung des Heilandes zu finden.
Zum Evangelium Johannis mit seiner pneumatischen, mehr ewigen als
historischen Auffassung des Heilandes, wo der Gedanke vom Leben in
Gott und der Gemeinschaft mit Christo -- in uns und wir in ihm -- im
contemplativen Geiste immer aufs neue geboren wird, fühlen sich die
Mystiker besonders hingezogen. Daß in diesem Evangelium der mystischen
Contemplation ein bedeutender Anknüpfungspunct gegeben ist, kann
nicht verkannt werden. Auch hier ist die Einheit der ~Seele~
mit Gott der Mittelpunct, auch hier ist es nur ein kleiner Inbegriff
großer Ideen, der unmittelbar geschaut und ohne weitere Entwickelung
geistig wiederholt wird, ohne daß doch das Bewußtseyn selbst an
dieser Wiederholung ermüdete, weil es von der verborgenen Fülle des
Inhalts ergriffen ist. Der Eindruck, den es auf die Mystiker gemacht
hat, zeigt sich in dem johanneischen Ton, der so oft ihre Rede von
den göttlichen Dingen durchklingt. Das Evangelium Johannis hat alle
mystische Geister der Christenheit gestimmt. In dieser contemplativen
Stimmung, welche nicht den Heiland sucht im Getümmel der Welt, sondern
ihn im Lichte der Ewigkeit schauen will, wie er sich denen offenbaret,
die ihn lieben, schreitet die Mystik nun weiter. In der evangelischen
Ueberlieferung finden sich Momente, wo der Unterschied des Esoterischen
und Exoterischen im Factischen selbst zum Vorschein kommt. So ist
die Gestalt Christi eine andere vor der Auferstehung und nach der
Auferstehung. Nach der Auferstehung ist seine Gestalt verklärt, aber in
dieser offenbart er sich nicht dem Haufen, sondern nur den Jüngern, wie
er auch nur vor ihren Augen gen Himmel gefahren ist. Ein anderer Zug
ist die Transfiguration, die Verklärung am Berge vor den Jüngern; nur
denjenigen, die Alles verlassen haben um ihm zu folgen, zeigt er sich
in seiner ewigen Glorie, dem Haufen aber, der in den Sorgen dieser Welt
befangen ist, verhüllt er sein Wesen. Darum sollen wir auch die Welt
verlassen und den Berg der ~Betrachtung~, den geistigen Thabor
ersteigen, wenn wir ihn nicht nur sehen wollen im sinnlichen Gewande
der Erscheinung, sondern so wie er ist.
Christus selbst unterscheidet diejenigen, die draußen sind und nur die
Lehre in Gleichnissen zu fassen vermögen, und die, denen es gegeben
ist die Mysterien des Himmelreichs ohne Gleichnisse zu fassen. Ein
vollkommner Mensch erkennt die Wahrheit ohne alle natürliche Bilder,
und in einem innerlichen Befinden weiß er, was Gott und Creatur, was
Zeit und Ewigkeit, was Sünde und Tugend sey (Tauler Nachfolge 1. Th.
60. 80. 81). Der alte Gegensatz von πίστις und γνῶσις und der moderne
von Vorstellung und Begriff kommt auch auf eigenthümliche Weise zum
Vorschein in der Mystik als Gegensatz von ~Bild~ und ~Wesen~.
Hieran knüpft sich die allegorische Behandlung der Schrift. Worte
und Begebenheiten werden nicht in ihrer unmittelbaren, historischen
Bedeutung aufgefaßt, sondern nur als Bilder genommen. Willst du die
Kerne haben, so mußt du die Schaalen brechen, willst du das bloße
Wesen finden, so müssen alle Gleichnisse zergehen. (Eckart +fol.+
249). Hier kommt das religiöse +a priori+ zum Vorschein. Die
allegorische Auslegung will jegliche Schranke zwischen dem Inhalte
der Schrift und dem forschenden Geiste aufheben, sie will Alles als
ein ewig Gegenwärtiges erkennen. Aber die einseitige Subjectivität
zeigt sich darin, daß sie das positiv Gegebene nicht wirklich auslegt,
sondern nur ihren eigenen Inhalt hineinlegt. Sie wird eine doketische
Behandlung des Textes, wodurch dessen empirischer Inhalt und wirklicher
Sinn zu einem Scheine wird. Der Inhalt der allegorischen Auslegung
ist nur dasjenige, was unabhängig von dem geschichtlich Gegebenen
allgemeines Eigenthum des Geistes ist, und das Resultat der Auslegung
ist hiedurch prädeterminirt. So sehen die Mystiker in Allem nur das
Abbild des mystischen Processes. Wenn Tauler zum Beispiel über das
Evangelium von Jesus im Tempel predigt, so entwickelt er, wie wir
unsere geistige Geburt, Christus ~in uns~, suchen sollen. Die
Eltern suchten ihn vergebens unter den Bekannten und Freunden, aber
sie fanden ihn nur im Hause des Vaters. So müssen wir auch alle
Menschen verlassen und in unseren Ursprung einkehren. Wir müssen Alles
verlassen, was unser Eignes ist, unsere eignen Gedanken, unseren eignen
Verstand und Willen. Das sind die vielen Bekannten, die uns stören (Pr.
1, 153). Eckart predigt vom samaritanischen Weibe. Christus spricht zu
ihr, daß sie fünf Männer gehabt habe, und der Mann, den sie jetzt habe,
sey nicht ihr Mann. Das Weib bedeutet die Seele! Was bedeuten die fünf
Männer? Das sind die fünf Sinne! Mit diesen hat das Weib gesündigt,
darum sind sie gestorben. »Der Mann, den du nun hast, der ist nicht
dein Mann!« Das ist der freie Wille; der gehört nicht dem Weibe, denn
er ist gebunden in Knechtschaft der Sünde. »Bringe mir deinen Mann!«
Das ist: gib mir deinen Willen! (+fol.+ 310). Christus erweckt
den Sohn der Wittwe zu Nain. Die Wittwe ist die Seele, der todte Sohn
ist die Vernunft. Jüngling, stehe auf, spricht Christus. Die geistige
Erweckung und Auferstehung wird das Thema (+fol.+ 267). Am Tage
Marie Magdalenens predigt er über die ihr geschehene Offenbarung des
auferstandenen Herrn. Rühre mich nicht an, sagt Christus, denn ich bin
noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Warum sprach er: Ich bin noch
nicht aufgefahren zu meinem Vater, da er doch nie den Vater verlassen
hatte? Er wollte sagen: Ich bin in ~dir~ noch nicht wahrlich
erstanden (+fol.+ 281). In dem Texte von der Bekehrung Pauli folgt
er der Uebersetzung der Vulgata von +Act.+ 9, 8: »Aber Paulus
stand auf von der Erde und mit offenen Augen sahe er ~Nichts~.«
Welches Licht hatte ihn auf dem Wege nach Damascus umschienen? Es
war Gott selbst, der die Seele Pauli umschien. Gott wohnt in einem
unzugänglichen Lichte. Soll deshalb ein Mensch ihn erkennen, so muß
Gott selbst das Licht der Seele seyn. Welches war nun das »Nichts«, das
Paulus sah? Paulus sah Gott als das göttliche Nichts und die Geschöpfe
als ein creatürlich Nichts und in allen Creaturen sah er Nichts, denn
Gott.
Da der Mystiker sich auf diese Weise in der Schrift spiegelt und
sein eignes Bild ihm auf jeder Seite entgegentritt, so muß die Frage
nothwendig entstehen, wie denn die Persönlichkeit Christi aufgefaßt
werde. Man muß nicht erwarten hier eine Läugnung des historischen
Christus zu finden; im Gegentheil wollen unsere Mystiker nur die
getreuen Söhne der Kirche seyn. Fragen wir aber, ~was~ in Christo
sie eigentlich begeistert, so ist es offenbar nur dasjenige in Christo,
was gleichsam eine Wiederspiegelung ist des gottmenschlichen Ideals,
welches sie selbst im Innern tragen. In Christo, sagt Tauler, sind
zweierlei Werke. Das eine Werk gehöret zu seiner Gottheit, als auf dem
Meere gehen und Zeichen thun, vierzig Tage fasten, und was solcher
Werke sind; diese Werke sollen wir uns nicht annehmen zu wirken, denn
sie sind Gottes und gehören uns nicht zu. Die anderen Werke, die an
Christo waren, die gehören seiner Menschheit zu, als arm seyn, elend
und verschmähet seyn, Hunger und Durst haben, Pein leiden, und alle
Tugenden, die an Christo waren, als demüthig, geduldig, sanftmüthig
seyn -- in diesen sollen wir Eins werden mit Christo (Nachfolge 1ster
Th. 125). Das Letztere ist es, was den Mystiker begeistert, weil er
darin dasjenige anschaut, was die Realität seines eigenen Bewußtseyns
ausmacht. Sein Standpunct ist praktisch, ethisch, und man kann mit
Recht diesen Christus als einen ~moralischen~ Christus bezeichnen.
Allerdings ist dieses nicht zu nehmen im Sinne des achtzehnten
Jahrhunderts und Kant's, aber die mystische Christologie hat das
doch mit der Kantischen gemein, daß der praktische Gesichtspunct das
Vorherrschende ist, daß er nur wahres Interesse hat an dem »rein
Menschlichen« in Christus, nur das Ideal der Freiheit in ihm anschaut.
Andererseits ist hier der große Unterschied, daß diese Moral nicht
gottverlassen, sondern gotterfüllt ist, daß das rein Menschliche +eo
ipso+ das Gottmenschliche ist. Im Begriffe des zweiten Adam's, der
vollendeten menschlichen Natur, ist die göttliche Natur gegeben. Alles
was in Adam unterging und starb, das stund in Christo wieder auf und
ward lebendig, und Alles was in Adam aufstund, das ging in Christo
unter und starb. Was ist und war aber das? Ich sage, es ist wahrer
Gehorsam und Ungehorsam. Was ist wahrer Gehorsam? Das ist, daß der
Mensch ist ohne alle Selbheit und Ichheit, daß er sich und das Seine
so wenig suchet und meinet in allen Dingen, als ob er nicht wäre, und
allein Gott in allen Dingen siehet, ergreifet, liebet, als ob sonst
nichts wäre. Also war die wahre menschliche Natur in Christo. Sie sah
nicht auf sich selbst und die Dinge, sondern wollte nur seyn ein Haus
und eine Wohnung Gottes, und daß sie dieses war, das eignete sie sich
nicht zu. In Christi Gehorsam war weder Furcht noch Pein der Höllen,
auch nicht Hoffnung des Lohns und des Himmelreichs, sondern er lebte in
lauterer Unterthänigkeit des ewigen Guts aus einer freien Liebe. Seine
Worte und Werke redete und wirkte er nicht um eines Nutzens willen,
sondern wie wenn einer die Sonne fragte, warum scheinest du? und sie
antwortete: Ich kann nicht anders, es ist meine Natur und Eigenschaft:
also war es auch in Christo. Und er war voll von einer gründlichen,
wesentlichen Demuth, die da weiß, daß Wesen, Leben, Erkennen, Wissen
und Vermögen alles allein des wahren Gutes ist. Vor Christo war
Jedermann gekehret auf sich selbst, und Jedermann begehrete zu haben
und Niemand wollte arm seyn, sondern sie suchten alle Reichthum. Aber
da Christus kam, da brachte er mit sich die wahre Armuth, die wir
verloren hatten durch Adam's Fall, beide äußerlich und innerlich. Wo
da nun ist Selbheit und Ichheit, eigner Wille und Eigenliebe, da ist
der alte Mensch, Ungehorsam und Adam; aber wo der alte Mensch stirbt,
da ist der neue Mensch, Gehorsam und Christus. Wo Gott und Mensch so
vereinigt sind, daß die Wahrheit selbst bekennet, daß nur Eins ist,
wahrer vollkommener Gott und wahrer vollkommener Mensch, und doch der
Mensch Gott so gar ergeben, daß Gott da selbst ist der Mensch, und
wirket, thut und lässet ohn alles Ich, Mein, Mir, siehe ~da ist
wahrhaftig Christus und sonst nirgends~ (deutsche Theol. 13. 10. 33.
Tauler's Nachfolge, 1ster Th. 92. Deutsche Theol. 23).
In diesen Zügen, die zu den allgemeinsten und am häufigsten
vorkommenden gehören, ist offenbar nur eine Schilderung desjenigen
Gottmenschen enthalten, den die Mystiker zu realisiren suchen. Die
historische Wirklichkeit Christi wird vorausgesetzt, aber der äußere
Christus und der innere werden nicht gründlich unterschieden, und
es bleibt stets unbestimmt und schwankend, ob das hier dargestellte
Christusbild wirklich außer uns sey oder ob es sich nur auf dem inneren
Grunde der Seele bilde, ob wir hier mit einer Person zu thun haben,
oder nur mit einer Idee.
Zur Leidensgeschichte und dem Tode des Herrn kehrt die Betrachtung
immer aufs neue zurück. Wie die Rose sich am herrlichsten offenbart
in ihrem Duft, so das Wesen Christi in seinem Leiden und Sterben.
Wenn ein Mensch frei seyn will von allen irdischen Gebresten, wenn
Eitelkeit der Welt und Zufall der Natur ihre Gewalt über ihn verlieren
sollen, dann muß er sich versenken in das Leiden des Herrn. Was hemmend
hineintritt zwischen Gott und Mensch, geht hier zu Grunde; es ist
kein ~Mittel~ so groß, so es getragen wird in das Leiden unseres
Herrn, es muß vergehen und zunichte werden. Denn es ist ein brennend
Feuer, in dem alle ~Ungleichheit~ verschwindet. Das Feuer aber,
welches Christus zur Erde gebracht hat, ist das Feuer der Liebe. In
diesem opfern die wahren Liebhaber alle leibliche Dinge mittelst Gott,
ja sie opfern ihr eignes Leben in Gott; ihr Gemüth wird erhoben über
alle erschaffene Dinge und dringt ein in das unerschaffene Gut, welches
ist Gott selbst, und verliert sich in der verborgenen Finsterniß des
unbekannten Gottes (Tauler's Nachfolge, 2ter Thl. 9. 11. 1ster Thl.
134).
In dem freien Leiden und Sterben wird also die höchste Einheit
des Menschen mit Gott angeschaut; denn da dieser Tod das Aufgeben
jeder endlichen Realität enthält, die Kreuzigung der Ichheit und
die Vernichtung der natürlichen und bildlichen Welt, so wird die
~Ungleichheit~ der Seele mit dem unerschaffenen Wesen gründlich
aufgehoben. Die Versöhnung wird jetzt nicht wie in der Scholastik als
ein äußerer Vorgang aufgefaßt, sondern als ein universeller innerer
Vorgang, der sich überall wiederholen muß, wo das Endliche mit dem
Unendlichen Eins werden soll. Der Ansicht von der Versöhnung gegenüber,
welcher zufolge Christus nur den Tod für Andere gelitten hat und
diesem nur eine Bedeutung +ad extra+ zukommt, erhebt sich nun
vom speculativ-ethischen Standpuncte die Ansicht, daß das Leiden und
Sterben immanente Bestimmung in Christo und zu seiner eignen Vollendung
nothwendig sey. Ein Schriftwort, das die Mystiker tief im Herzen
verwahrt haben und das sie oft in diesem Zusammenhange wiederholen, ist
Joh. 12, 24: Wahrlich ich sage euch, es sey denn, daß das Waizenkorn
in die Erde falle und ersterbe, so bleibet's alleine. Wo es aber
erstirbet, so bringet's viele Früchte. »Das Waizenkorn ist die edle
Seele unseres Herrn Christi; der fruchtbare Acker ist seine menschliche
Natur« (in ihrer Allgemeinheit angesehen. Der einzelne Mensch mußte
sich gleichsam begraben lassen in den allgemeinen Menschen, die
Individualität mußte das Leben verlieren um es zu gewinnen). Dieser Tod
war in Christo beide leiblich und geistig. Leiblich, insofern seine
heilige Menschheit in diesem Leben litt alle Leiden des Leibes, Hunger,
Durst, Winterregen, Hagel, Schnee und allerhand Pein gemeiner Natur und
dazu den bittern Tod, welches er allzumal dem himmlischen Vater opferte
zu seiner Ehre; geistig, insofern seine heilige Menschheit in allen
ihren Leiden sich nie abwandte vom Vater einen Augenblick und ohne
Unterlaß das höchste Gut anschaute. Keine Betrübniß oder Pein konnte
in diese Beschauung hineinfallen, und als der Leichnam litte und starb
am Kreuze, lebte sein Geist in der höchsten Gegenwärtigkeit des ewigen
Guts. Dieses ist die Frucht, die da wächset in dem fruchtbaren Acker
seiner menschlichen Natur, und in diesen edlen Acker sollst du deine
Seele werfen wie ein Waizenkorn, daß sie ersterbe und Frucht bringe
(Eckart +fol.+ 290).
Ein anderes Wort, dessen die Mystiker nicht selten gedenken, ist das
Wort Christi: Was heißest du mich gut? Niemand ist gut, denn der einige
Gott! -- Wenn darum ein Mensch gut genannt wird, dann ist es allein,
weil dieser Mensch mehr Gott ist denn Creatur (Eckart +fol.+
309). Hieran knüpft sich dann der Gedanke, daß die Glorificirung des
Creatürlichen nur geschehe mittelst eines steten Absterbens. Die
Anwendung auf Christum liegt nahe. Obgleich er ohne Sünde ist, ist er
doch nicht gut (im metaphysischen Sinne), bevor er seine Bestimmung
verwirklicht, bevor er die Welt der Endlichkeit und des Stückwerks
verlassen hat. Er wird nur gut dadurch, daß er erst wie das Waizenkorn
in die Erde falle und sterbe.
Wie die Weihnachtspredigt fast immer den Inhalt hat, daß Gottes Sohn
nicht nur von Maria geboren sey, sondern täglich in jeder gläubigen
Seele geboren werde, daß Maria erst Christum geistig gebären mußte,
bevor sie ihn leiblich gebären konnte, und daß sie viel seliger sey
durch die geistige, denn durch die leibliche Geburt: so ist die
Osterpredigt eine fruchtbare Rede vom Waizenkorn und ein Nachhall vom
Worte des Herrn: Es ist euch nützlich, daß ich hingehe (damit ich
nemlich in euch auferstehe). Selbst das liebliche Bild unseres lieben
Herrn Jesu Christi und seine getreue, väterliche, fruchtbare Gegenwart
war seinen Jüngern schädlich und hinderlich an ihrer Seligkeit; denn
sie liebten ihn als einen Menschen, der noch sterblich war. Es sey
denn, daß die Seele über alle erschaffene Dinge erhoben und aufgetragen
werde, so mag der heilige Geist nicht in sie kommen; und alle göttliche
Werke, die Gott wirkt, die wirkt er nicht in Zeit und Raum, sondern im
Geiste (Tauler's Pred. 3, 94. Eckart +fol.+ 262). Der Gegensatz
von Christi Bild und Christi Wesen stellt sich hier von selbst ein, und
die fromme Seele legt sich die Frage vor, ob es doch nicht besser sey
das Leben und Leiden ihres Heilandes ohne Bild zu bedenken, als es zu
bedenken im Bilde.
Was ist besser, sagt Tauler, daß ich ausgehe alles meines eignen
Wirkens, Wollens, Denkens, und mich ledig halte aller Bilde -- oder daß
ich denke an unsers Herrn Leiden, an sein Leben und an sein Bild, daß
Gott mich geschaffen, mir meine Sünde getragen und mir das ewige Leben
geschenkt hat? Alles dieses ist gut und sollte billig die Liebe reizen
und dich in große Dankbarkeit bringen. Aber wo diese Bilde eindringen
und Stätte haben, da möchten auch andere Bilde mit eindringen. Darum
müssen wir uns ledig aller Bilde halten, daß uns das Wesen der Wahrheit
blöslich erscheine und leuchte. Nicht daß man des Herrn Pein und sein
Bild verschmähe, oder darüber hinfliehe, sondern aus großer Liebe und
Dankbarkeit soll, wer es kann, dieses ohne Bild bedenken. Dieses ist,
als wenn mir Jemand fünf Schilling schuldig wäre, gäbe der mir fünf
Mark, er hätte sich nicht versündigt. Viele gute Menschen werden an
ihrer Vollkommenheit gehindert, weil sie mit gar zu großer Lust an
Christi Menschheit haften. Denn so wir auch die göttliche Wahrheit in
Christo ~anschauen~, so sind wir dennoch nicht vollkommen selig,
denn ~dieweil wir an der Schauung sind, so sind wir nicht Eins mit
dem, was wir schauen~, und dieweil Etwas ist in unserm Gemerk oder
Verstand, so sind wir nicht Eins in dem Einen. Man kann Gott nicht
sehen als mit Blindheit nicht bekennen als mit Unbekenntniß (Tauler's
Pr. 1, 202. 2, 78).
Die mystische Identität, die über die Anschauung und den bildlichen
Christus hinausgeht, geräth hiedurch aufs neue in Conflict mit dem
Offenbarungsbegriff. Die wahre Identität des Subjects und Objects im
Glauben, in der Erkenntniß und Liebe, fordert allerdings, daß das
Geglaubte, Geliebte, Erkannte der Seele innerlich gegenwärtig und
einwohnend sey, aber als dieses innere Daseyn hört es doch nicht
auf zugleich dem Bewußtseyn ein selbständiger ~Gegenstand~ zu
seyn, der als solcher ihr wahrhaft äußerlich ist und bleibt. Wenn
nun die Vorstellung und das Bild mit Recht auf den Gedanken und das
Wesen zurückgeführt werden, damit der äußere Inhalt ein innerer
werde, so kann damit vernünftigerweise nicht an die Vernichtung der
Anschauung, sondern nur an ihre Verklärung gedacht werden. Mit der
Vernichtung der Anschauung ist auch die Wirklichkeit des Gegenstandes
vernichtet, Object und Subject vermischen sich chaotisch in der
unbestimmten Allgemeinheit des Wesens, sie werden ein tautologisches
Einerlei anstatt einer höhern, geistigen Einheit. Denn wie der Gedanke
die innere Gegenwart der Sache, die Wesenseinheit des Gegenstandes
und des Selbstbewußtseyns enthält, so enthält die Vorstellung die
Unabhängigkeit der Sache vom Selbstbewußtseyn, ihre selbständige,
gegenständliche Wirklichkeit. Das Innere und das Aeußere, das Immanente
und das Transcendente, Gedanke und Vorstellung, Wesen und Bild, Begriff
und Anschauung setzen sich in der wirklichen Identität gegenseitig
voraus und werden durch einander bestätigt. In der wahren Betrachtung
Christi muß darum sein Wesen im Bilde, sein Bild im Wesen geschaut
werden. Und wie behauptet werden muß, daß dieses Bild in uns Wesen
werden, ja ursprünglich Wesen seyn müsse, so ist es nicht minder wahr,
daß dieses allgemeine gottmenschliche Wesen in uns »~Gestalt~«
gewinnen solle. Gestalt aber gewinnt es nur dadurch, daß es gebildet
werde nach dem Bilde Christi. Es ist der bildliche (historische)
Christus, durch dessen Vermittelung erst der innere, wesentliche
Christus aus dem Mysterium der menschlichen Seele heraustreten und,
die esoterische Tiefe der Möglichkeit, das dunkle Reich der Ahnungen
verlassend, im wirklichen Bewußtseyn auferstehen kann. Das mystische
Bewußtseyn, welches von der Offenbarung Christi abstrahirt, will
verschmelzen mit dem in der Tiefe der Seele verborgenen Christus,
der als solcher weder Gegenstand der Liebe noch des Erkennens seyn
kann. Dasselbe, was wir im vorigen Abschnitte im Verhältnisse des
Mysteriums und der Offenbarung, des verborgenen und des offenbaren
Gottes nachgewiesen haben, wiederholt sich hier auf dem Gebiete der
Christologie. Wenn das Bild Christi dem Blicke schwindet und das
Bewußtseyn nur das gestaltlose Wesen ergreift, dann merkt es wohl,
daß es Abend werde in ihm und außer ihm, und es sehnt sich vom
Schattenreiche zurück zum hellen Tage der Offenbarung, zum gestalteten,
fleischgewordenen Worte. Und hat es nun wieder den Gegenstand seiner
Liebe gefunden, steht es vor der Incarnation, vor dem sichtbaren Gotte,
dann bedenkt es, daß Gott doch nur wohne in einem reinen Lichte, und
es jagt wieder nach der bildlosen Identität. Es macht die +via
negationis+ durch, und vollzieht seinen christologischen Akosmismus.
Eine wichtige Bestimmung, die oft vorkommt, wo die historische
Wirklichkeit Christi und seine eingeborne Persönlichkeit festgehalten
und gesichert werden soll, ist diese, daß Christus von ~Natur~
ist, was alle Andere erst durch die ~Gnade~ werden sollen. Aber
diese wichtige dogmatische Idee, die in den Schriften der Mystiker
sehr häufig vorkommt als ein Correctiv, kommt nicht zur wirklichen
Entwickelung, weil sie nicht mit dem Gedanken, durch welchen sie
erst in das rechte Licht gestellt wurde, in Verbindung gebracht
wird, dem Gedanken nemlich von Christo als dem Haupte der Gemeinde,
dem persönlichen Einheitspuncte, in welchem sowohl das Geschlecht
wie das Individuum ihre Vollendung erreichen. Allein der der ganzen
Gemeinde offenbare Christus, der Allen Alles ist und nur durch Alle
in Verhältniß steht zu Jedem, nur durch das Leben der Gemeinde als
seines geistigen Leibes und Organismus sich dem Einzelnen mittheilt,
tritt überall in der Mystik in den Hintergrund[24]. Der Mystiker,
der selbst, wenigstens partiell, vom Leben der Gemeinde getrennt
ist, denkt sich seinen Christus nach seinem eignen Gleichnisse und
Bilde als den einsamen, subjectiven Gottmenschen, dessen Herrlichkeit
nicht verträgt sich dem Blicke der Menge zu zeigen, sondern nur in
einen geheimen Rapport tritt mit der einzelnen Seele. Da es so der
Persönlichkeit Christi an der rechten historischen Haltung fehlt, so
kann sie nicht festgehalten werden und erhält vom Anfange an eine nur
esoterische Physiognomie. Das Mystische zeigt sich wieder darin, daß
die Offenbarung Christi außerhalb seiner Gemeinde und seiner ihr stets
gegenwärtigen Geschichte gesucht wird. Außerhalb der Gemeinde aber ist
Christus der verborgene, nur an sich seyende Gottmensch. Offenbarung
ist Erscheinung des Geistes für den Geist; als Offenbarung der Wahrheit
ist sie nicht zunächst für das einzelne, sondern für das allgemeine
Bewußtseyn. Christus als die persönliche Wahrheit kann nur der Gemeinde
offenbar seyn; nur das Gemeindebewußtseyn ist das rechte Organ für
die Auffassung Christi. Darum ist nur der Christus der Gemeinde der
einzige wahre Christus, und nur wie er seiner Gemeinde erschienen
ist, so ist er. Denn wie jegliches Licht nur dem entsprechenden Auge
Licht ist, so ist »das Licht der Welt« nur für das universelle Auge,
für den geistigen Sinn der Gemeinde. Zu behaupten, daß der Christus
der Gemeinde nicht der wahre sey, ist dasselbe wie zu behaupten,
daß Christus überhaupt nicht geoffenbart sey. Denn eine Offenbarung
für einen esoterischen Kreis von Individuen, welche nicht die Kraft
hätte allgemein und exoterisch zu werden, wäre +eo ipso+ nicht
die wahre Offenbarung, sondern nur eine abstracte, subjective Seite
derselben. Hier trifft die Mystik oft zusammen mit den gnostischen
Systemen, welche auch den wahren Christus außerhalb der Gemeinde suchen
und ihn dadurch nur aus dem Offenbarungskreise herausrücken, ihn mehr
verbergen, denn in das rechte Licht stellen. Der persönliche Christus
wird in solchen Systemen unkenntlich gemacht und in eine unbestimmte,
nebelhafte, gleichsam vermummte Gestalt verwandelt, wodurch der
Betrachter nur mystificirt wird. Alle Gnosis aber ist nur wahr in dem
Maaße, als sie sich aus dem Gemeindebewußtseyn entwickelt hat und
wieder in dieses übergehen kann, wieder zurückgeben kann, was sie aus
dessen Fülle empfangen hat.
Da der mystische Christus außerhalb der Gemeinde ist, so vermag auch
das Bewußtseyn ohne Vermittelung der Gemeinde und der kirchlichen
Gnadenmittel zu ihm in Verhältniß zu treten. Im Vorhergehenden hat das
Princip sich darin gezeigt, daß die Idee des Vaters in das farblose
Pleroma überschlug, daß die Persönlichkeit und Incarnation des Sohnes
sich in das »Wesen« Christi auflöste. Im Dogma vom Geiste zeigt das
mystische Princip sich darin, daß die Nachfolge Christi unabhängig vom
Gemeindeleben vorgenommen wird, daß das reiche, ausgebreitete Leben des
Geistes in der Gemeinde zu einem innerlichen Weben in der einzelnen
Seele einschwindet, wo er seine unmittelbaren Wirkungen ausübt. Die
mystische Aneignung des göttlichen und seligen Lebens, der praktische
Weg der Seele zur Vollkommenheit wird jetzt die Aufgabe unserer
Darstellung. Erst hiemit kann das ganze Bild sich abschließen.
[Illustration]
III.
Das höchste Gut und die Tugend.
Die Natur, die Gnade und das Wesen.
Princip und Grundlage der mystischen Ethik ist schon im Bisherigen
gegeben. Die Aufgabe ist bestimmt als die Nachfolge Christi, welches
nicht auf äußerliche Weise zu nehmen ist, sondern so, daß dieselbe
praktische Aufgabe, die im Leben Christi gelöst wurde, auch im Leben
des wahren Mystikers gelöst werde. Niemand ist gut, denn der einige
Gott; das höchste Gut ist von Gott selbst nicht verschieden; da Gott
aber nicht ohne den Menschen seyn will, weil er im Menschen sich
selbst anschauen will und die menschliche Natur zum Mittel gesetzt
hat für die Offenbarung des ewigen Sohnes, so ist es die Bestimmung
der menschlichen Natur den Sohn zu offenbaren, die Einheit göttlicher
und menschlicher Natur zu verwirklichen. Unablässig treibt der Vater
den Menschen ihm den Sohn zu gebären; die Nothwendigkeit der eigenen
göttlichen Natur zieht ihn zur menschlichen Natur. Wie aber die
Offenbarung der göttlichen Natur nicht ohne den freien Willen des
Menschen vollzogen werden kann, so findet andererseits dieser seinen
Ruhepunct nur in Gott. Das höchste Gut als unendlicher Zweck des
menschlichen Willens ist also seine Einheit mit dem göttlichen Wesen;
die sowohl menschliche wie göttliche Nothwendigkeit des Willens diesen
Zweck zu verwirklichen ist die Pflicht; und dieses Thun selbst, die
Verwirklichung des Ideals, ist die Tugend.
Das moralische Ideal hat hier eine ganz andere Bedeutung als in der
Ansicht des abstracten Moralismus. Diese nimmt das Ideal als ein in
aller Ewigkeit unerreichbares Ziel, welches bei jeder Annäherung sich
immer weiter entfernt; sein Inhalt ist nur ein leerer Begriff des
göttlichen Willens, der sich in einem Systeme abstracter Pflichtgebote
ausspricht. Hier fordert im Gegentheil sowohl die göttliche wie die
menschliche Natur die Wirklichkeit des Ideals, und dessen Inhalt ist
nicht blos der göttliche Wille, sondern das göttliche Wesen in dessen
Einheit mit dem menschlichen. Daß die Forderung, der Mensch solle
den göttlichen Willen thun, recht verstanden, nicht verschieden sey
von der Forderung, der Mensch solle Gott realisiren, sein Wesen zur
actuellen Wirklichkeit bringen -- diese Erkenntniß ist die Seele aller
religiösen und speculativen Ethik. Die Mystiker treffen hier mit den
gründlichsten Moralphilosophen zusammen, sowohl mit Spinoza wie mit
Fichte. In der Ethik des Spinoza ist die göttliche Substanz der einzige
Gegenstand des sittlichen Strebens; seine intellectuelle Liebe ist die
Einheit des denkenden Willens mit dem göttlichen Wesen und ein Theil
der unendlichen Liebe, mit welcher Gott sich selbst liebt. So wird auch
in der moralischen Weltanschauung Fichte's Gott als die eigentliche
Aufgabe des menschlichen Handelns bestimmt. Die Verwirklichung Gottes,
der sittlichen Weltsubstanz, ist die allumfassende Pflicht des
Menschen.
Wo nun die Mystik in Pantheismus überschlägt, geräth sie in dieselbe
praktische Einseitigkeit, die an den genannten Systemen gewöhnlich
gerügt wird, und kann bald mit dem Spinozismus, bald mit dem
Fichtianismus zusammengestellt werden. Gott ist dann nur +actu+
wirklich, insofern sein Wesen in der Seele zum Durchbruch kommt. Wo
aber die Mystik in der christlichen Anschauung des lebendigen Gottes
ruht, spricht sie das wahre Princip der christlichen Ethik aus. Gott
ist dann nicht ~nur~ das sittliche Ideal. Als solches ~ist~
er nur, insofern seine Offenbarung unablässig von der Freiheit
~hervorgebracht~ wird. Aber ebensosehr ist er in seiner ewigen
Selbstoffenbarung der in und für sich Seyende. Mittelst des Menschen
will er den Reichthum seines Wesens entfalten und ~setzt~ sich
darum als das Ideal der menschlichen Natur. Eckart drückt dieses so
aus, daß Gott seinen Sohn von jedem Menschen fordere, daß jeglicher
Mensch also Gott eine Offenbarungsform des Sohnes schuldig sey. Der
Pflichtbegriff bleibt ohne Realität, wenn das Gebot nicht als Ausdruck
des ~wesentlich~ göttlichen Willens aufgefaßt wird, wenn nicht
jede Pflichtbestimmung in ihrem tiefsten Grunde als eine göttliche
Wesensbestimmung, die sich unter der Form einer absoluten Forderung
an die menschliche Natur ausspricht, ausgedrückt wird. Die fehlende
Pflichterfüllung hindert also nicht nur den Menschen daran seine eigene
Bestimmung zu erreichen, sondern übt zugleich eine hemmende Einwirkung
auf das göttliche Wesen selbst. Der Eigenwille will eine Schranke für
die Offenbarung Gottes, indem die Wahrheit, nach dem Ausspruche des
Apostels, in Ungerechtigkeit aufgehalten wird (Röm. 1, 18). Der für die
christliche Ethik so wichtige Begriff der ~Pflicht gegen Gott~
läßt sich nur vollziehen, wenn Gott in ein reales Wechselverhältniß
zum Menschen tritt. Indem er sich aber zum praktischen Ideal des
Menschen macht, begibt er sich in ein Verhältniß der Abhängigkeit
vom subjectiven Willen des Menschen. »So viele Menschen es gibt,«
sagt ein geistreicher Dänischer Schriftsteller (J. L. Heiberg), »die
ihr Herz und ihren Geist für das Ewige verschließen, von so vielen
Individuen wird das Daseyn Gottes verdrängt, während Jeder, der dem
Reiche der Idee lebt, dadurch sein Inneres für das göttliche Daseyn
öffnet und das Seinige zu dessen Erweiterung beiträgt.« Dieser Gedanke
ist constitutiv in der mystischen Ethik. Nach der tiefen Anschauung
der Mystik ~ist~ Gott selbst was er gebietet. Er gebietet Liebe,
er ist Liebe. Er gebietet Güte, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit u. s.
w. Dies Alles aber ist er selbst, es ist seine Substanz. Er selbst
ist der Inhalt eines jeglichen Pflichtgebots und mit allen concreten
Pflichten, die er dem Menschen auferlegt, meint er nur seine eigene
Menschwerdung. Da die Mystik lehrt, daß Gottes eigene Seligkeit hieran
hange, so leuchtet ein, daß sie, insofern sie sich innerhalb der Sphäre
der Offenbarung hält, wenigstens im Principe der Forderung genügt,
die an jede gründliche Ethik gestellt werden muß, daß nemlich das
Gute um seiner selbst willen geübt werde, nicht blos darum, daß das
Individuum glückselig oder selig sey. Denn wie einerseits die in Liebe
angezündete Seele das Ideal ihrer Begeisterung und damit ihre eigene
Seligkeit in Gott findet, so ist andererseits das Ideal Gegenstand
ihrer tiefsten und reinsten ~Verpflichtung~, und das Gute wird
im eigentlichen Sinne des Worts gethan um Gottes willen. Denn Gott
hat gleichsam seine eigene Seligkeit in die Hand des Menschen gelegt,
und was schadet es dir, o Mensch! daß du Gott gönnest, daß er Gott in
dir sey! Daß die Grenze, welche hier die reinste, resignirende Liebe
von schwärmerischem, geistigem Hochmuth scheidet, einem feinen, fast
unsichtbaren Haare vergleichbar sey, leuchtet ein; wie auch zugegeben
werden muß, daß die Mystiker und namentlich Eckart diese Grenze oft
überschritten haben, obgleich sie auch in einzelnen heiligen Momenten
das Mysterium der Liebe im Geiste der Wahrheit gefeiert haben.
Andererseits aber darf nie vergessen werden, daß in diesen Regionen
alle Grenzen fein sind, und schwerer zu beobachten als die Vorschriften
der Alltagsmoral. Sowohl die Aehnlichkeit wie die Unähnlichkeit mit
Spinoza, der von seinem Gott keine Gegenliebe fordert, sondern ihn
allein um seiner selbst willen lieben will, wird dem denkenden Leser
klar seyn.
Wenn nun allerdings die Mystik in ihren reinsten Momenten das Princip
der wahren Ethik ausgesprochen hat, so wird dieses doch nur als bloßes
~Princip~ festgehalten, anstatt sich zur Offenbarung in einem
sittlichen Gemeinleben aufzuschließen. Das Erhabene und Reinigende
in dieser Ethik liegt wie bei Spinoza in dem sittlichen Akosmismus,
welcher das kleinliche Detail der Pflichten vernichtet und die Breite
der empirischen Zwecke in der einen absoluten Pflicht zu Grunde gehen
läßt. Aber das erhabene Ideal bleibt unwirklich, so lange es vornehm
sich der Vermittelung der Endlichkeit entzieht. Freilich wird hiedurch
seine Unendlichkeit begrenzt, aber eben dadurch gewinnt es diejenige
Form, in welcher es vom kirchlichen Bewußtseyn anerkannt werden kann.
Es ist die Pflicht des Menschen in seinem Leben die Einheit göttlicher
und menschlicher Natur zu verwirklichen; aber -- was sowohl die
Wissenschaft wie die Kirche urgiren muß -- ~unmittelbar~ ist
dieses nicht möglich, sondern nur mittelst Christus als des Mittlers
zwischen Gott und Menschen. Die abstract-unendliche Forderung, daß das
Individuum das Ideal eines Gottmenschen realisire, reducirt sich nun zu
der concreteren Forderung, daß das Individuum an Christum ~glaube~
und Christum anziehe. Der speculative Gedanke wird hier erst wahr,
wenn er sich mit der Vorstellung der Gemeinde zusammenschließt.
Dieses wird auch von der Mystik anerkannt, indem sie ihre Aufgabe
als Nachfolge Christi faßt; allein da der historische Christus der
mystischen Betrachtung wiederum entschwindet, so verliert die Forderung
sich wieder in die abstracte Unendlichkeit, in welcher das Individuum
sich selbst zu Christus machen will. Und selbst die Nachfolge Christi
ist dem christlichen Bewußtseyn ein abstractes Ideal, wenn es sich
nicht durch das Leben der Gemeinde, durch die Mannichfaltigkeit der
bestimmten, endlichen Zwecke vermittelt. Das Ideal muß vom Himmel
der Allgemeinheit herabsteigen, um als eigenthümliches χάρισµα der
bestimmten Persönlichkeit in dem einen Gemeindegeiste Gestalt zu
gewinnen. Das mystische Princip aber fordert, daß das ~Wesen~ des
Ideals außerhalb seiner ~Erscheinung~ ergriffen werde.
Dasselbe muß von der Tugend gesagt werden. Hier tritt die Antinomie der
einen und der vielen Tugenden hervor; die eine Tugend soll außerhalb
der vielen ergriffen werden. Wir sollen ablegen die Bilder der
Tugend, damit wir das Wesen erlangen; wir sollen sie nicht besitzen
in Mannichfaltigkeit, sondern in Einigkeit. (Tauler, Nachf. 1 Th.
7.) Allein die eine Tugend ist nur das ~Mysterium~ der Tugend;
ihre ~Offenbarung~ sind die vielen Tugenden und die wirklichen
Handlungen. »Der tugendhafte Mensch soll seyn ohne alles Warum, er
soll nichts thun um eines Nutzens willen.« Allein der Nutzen ist
das nothwendige Moment der Endlichkeit in allem wirklichen Handeln,
das Mittel im unendlichen Zweck. Die Tugend in ihrer reinen baaren
Unendlichkeit ist eine prächtige Schaumünze, aber im wirklichen Leben
kann man sie nicht ausgeben, bevor sie in gangbare Münze umgesetzt
wird. Die mystischen Moralpredigten können in dieser Beziehung mit
den hohen Reden des Stoicismus und Kantianismus von der Ausübung der
Pflicht um der Pflicht willen verglichen werden.
Der Zustand, in welchem der Mensch in der einen Tugend lebt, kann,
wie von selbst erhellt, nur erreicht werden durch Abgeschiedenheit
theils von der Natur als Schranke der Freiheit überhaupt, theils
vom wirklichen und thätigen Leben, wo die vielen Tugenden heimisch
sind und das Wesen der Tugend im Bilde hervortritt. Die moralische
Abstraction, durch welche die Unendlichkeit der Freiheit erreicht
wird, wird mittelst der drei Staffeln des geistlichen Lebens, nemlich
der Staffel der Natur, der Gnade und des Wesens näher beschrieben.
Die letzte, der Ausdruck der Vollkommenheit und der Vollendung, wird
auch, namentlich von Eckart, als die Staffel der ~Gerechtigkeit~
bezeichnet. Innerhalb dieser Stufen befindet sich noch eine
Mannichfaltigkeit von Unterschieden des geistlichen Lebens, welche aber
in keinem bestimmten Gedanken festgehalten werden können und nur als
Nuancen und Schattirungen des Gefühls anzusehen sind.
Die äußere Natur ist dem Zufall und der Eitelkeit untergeben und ihre
Betrachtung ist der wahren Vollkommenheit hinderlich. Der mystische
Geist verhält sich fast durchgängig negativ zur Natur. Tauler rühmt
das Beispiel eines Klosterbruders, der, als er im Maimonat durch
den Klostergarten ging, seine Kappe über die Augen zog, um nicht in
seiner Beschaulichkeit von den zufälligen Formen der Blumen gestört zu
werden. Insofern der Geist sich von der Naturschönheit nicht gänzlich
abzukehren vermag und zu dieser in ein positives Verhältniß tritt,
muß der Natur eine christliche Seite abgewonnen werden und sie muß
unmittelbar in der Gnade verklärt werden. Ihre Schönheit wird dann
~nur~ mit dem religiösen Organ aufgefaßt, denn die Religion ist das
einzige Organ, welches der Mystiker für die Welt besitzt. Das Erwachen
des Frühlings in Wald und Feld vermag auf den Mystiker einen Eindruck
nur zu machen, wenn die christlichen Glockentöne über die Gegend
hinklingen und der Blumenduft mit einem religiösen Aroma durchwürzt
wird. Ein solches Naturgefühl spricht sich oft bei dem poetischen
Suso, dem Landsmann der Minnesänger, aus. Er begrüßt den neugebornen
Mai, setzt sich aber zum Maienzweig den Kreuzesbaum, weil auf ihm die
Frucht der ewigen Seligkeit gewachsen ist. Und für alle rothe Rosen
bietet er nun seinem Heilande eine herzliche Minne; für alle kleine
Violen ein demüthiges Neigen; für alle zarte Lilien ein lauterliches
Umfahen; für alle schön gefärbte und glänzende Blumen, die je Haide
oder Anger, Wald oder Aue hervorgebracht, ein geistliches Küssen; aber
für aller wohlgemuthen Vöglein Gesang bietet er seinem Heilande ein
grundloses Loben[25]. Dieser ~unmittelbare~ Wiederschein der Gnade in
der Natur ist die einzige Bedingung, unter welcher es hier zu einer
Naturanschauung kommt. Diese ist übrigens häufiger bei den romanischen
als bei den germanischen Mystikern. Die Hymne des heiligen Franciscus
von Assisi an die Sonne und seine Predigt an die Vögel sind Beispiele
einer solchen mystischen Naturpoesie, die aus dem tiefen Gefühle des
die ganze Creatur durchströmenden göttlichen Lebens entsprungen ist,
die Verklärung der Natur aber auf unmittelbare, naive Weise anticipirt.
Doch ist es vor Allem der natürliche Mensch selbst, der in der Gnade
wiedergeboren werden soll. Die Gnadenwirkung zeigt sich darin, daß
der Mensch seine Sünde und die Gebreste der Natur erkenne, daß die
Sehnsucht nach der Rückkehr zu Gott im Herzen erweckt werde. Die erste
Stufe der Gnade ist die ~wirkende~ Tugend. Der Mensch strebt die
Gebote Gottes und die Vorschriften der Kirche zu halten, befleißigt
sich reiner und heiliger Sitten und übt gute Werke. Allein die wirkende
Tugend ist mit Zufall behaftet, die Zeitlichkeit klebt ihr an; sie will
immer »Etwas« wirken und ist also von den äußeren Objecten bedingt.
Zufällig ist was nun ist und nicht ist, und so wirket der Mensch
auf diesem Standpuncte Tugend nur, als es ihm vorgehet oder kommet.
(Tauler, Nachfolge 1 Th. 8.) Die wesentliche Tugend aber ist nicht
von den Objecten abhängig und deshalb ewig und unzerstörlich, dieweil
der Mensch hier nicht Vermögens hat zu wirken einige Tugend mit den
~Materien~, denn allein mit einem einfältigen Willen. (Ebendas.)
Damit nun der Mensch zur wesentlichen Tugend gelange, führt die Gnade
ihn vom thätigen ins schauende Leben. Das Wesen der Tugend ist doch
nur im schauenden Leben, insofern das Schauen aus einer vollkommenen
geistigen Armuth hervorgehet. Der Mensch muß nicht nur an Tugenden
und Werken arm seyn, sondern auch an Erkenntniß und Liebe, ja er muß
arm seyn an Gnade. Die Gnade ist nur Durchgangspunct für das Wesen.
Denn Gnade ist behaftet mit Creatürlichkeit und was in der Gnade
erkannt und gewirkt wird, das ist noch Alles in creatürlichen Formen.
So aber die Seele erhaben ist über alle Leiblichkeit, über Zeit und
Mannichfaltigkeit, so wird Gnade gewandelt in Gott, daß denn Gott die
Seele nicht mehr ziehet creatürlicher Weise, sondern er führet sie mit
ihm selbst in göttlicher Weise. (Ebend. 6.) Auf der Stufe des Wesens
~hat~ der Mensch nicht Tugend, sondern er ~ist~ sie.
Hieher gehört auch die Unterscheidung der wirkenden und leidenden
Vernunft. Die wirkende Vernunft ist Ausdruck der Gnade, sie bereitet
dem Wesen und der leidenden Vernunft Statt. Sie heißt eine wirkende
Vernunft, denn sie wirket alle Dinge ab. (Ebend. 2 Th. 104.) Sie
vernichtet alle Formen, wirkt, daß das Geschaffene in seinem Nichts
erkannt werde, und daß Gott der einzige Werkmeister sey. Sie wirkt,
daß sie selbst in der leidenden Vernunft zu Grunde gehe. Die leidende
Vernunft aber leidet was Gott allein wirket, alle Ungleichheit und
Anderheit ist hier verschwunden, sie ist eine Mutter Gottes geworden,
die da liegt im Kindbett und gebiert den ewigen Sohn in der Gottheit.
(Ebend. 105.) Dieses ist nun die Staffel des Wesens und die mystische
Identität mit dem Guten.
Uebrigens oscillirt das eigene Leben des Mystikers zwischen wirksamer
und wesentlicher Tugend, zwischen einem Leben für die Gemeinde und
einem Leben für das abstracte Ideal. Insofern das Selbstbewußtseyn
dem letzteren zugewandt ist, kehrt es sich mit Verachtung ab von
der Mannichfaltigkeit des Gemeindelebens und der Zufälligkeit der
Außenwelt. Indem nun aber die wesentliche Tugend nicht nur in Gott
verborgen, sondern an ~empirische~ Persönlichkeit geknüpft ist,
die ihrer Endlichkeit ohngeachtet das reine Wesen ohne Endlichkeit
zur Darstellung bringen will, so wiederholt sich innerhalb des
Christenthums dieselbe Erscheinung, die in der alten Welt als das Ideal
»des Weisen« hervortritt: der Weise ist eine gedachte Persönlichkeit,
die den Inbegriff aller moralischen Vollkommenheiten besitzt, und der
praktische Philosoph, der dieses Ideal in seiner endlichen, empirischen
Persönlichkeit darstellen soll, sucht sich selbst in ein sittliches
Abstractum zu verwandeln. Namentlich ist es der stoische Weise,
der hier auf dem christlichen Schauplatze erscheint, nachdem er die
philosophische Toga mit der Mönchskutte vertauscht hat. Wie überall,
so tritt auch diese Abstraction am stärksten hervor bei Eckart. Die
»exemplarische Form eines vollkommenen Menschen« wird aber auf folgende
Weise beschrieben[26].
Es war nemlich ein gelehrter Mann, der wohl acht Jahr lang begehrte,
daß ihm Gott einen Menschen zeigte, der ihn den Weg der Wahrheit
unterrichtete. Und als er in einer großen Begierde war, da kam eine
Stimme von Gott zu ihm und sprach: Gehe vor die Kirchen, da wirst du
einen Menschen finden, der wird dir den Weg zur Seligkeit weisen.
Und er ging hin und fand einen armen Menschen, dem seine Füße zerrissen
und voll Staubs und Unsauberkeit waren und alle seine Kleider waren
kaum drei Heller werth. Er grüßet ihn und spricht: Gott gebe dir einen
guten Morgen! Da antwortet er: Ich hatte noch nie einen bösen Morgen.
-- Daß dir Gott Glück gebe! -- Ich hatte niemals Unglück! -- Daß du
selig seyst, wie antwortest du mir also? -- Ich war noch nie unselig!
-- Bedeute mir doch dieses, denn ich kann es nicht verstehen! -- Er
sprach: Gerne! du wünschest mir einen guten Morgen. Ich hatte niemals
einen bösen Morgen, denn so mich hungert, so lobe ich Gott; frieret
mich, hagelt es, schneiet es, regnet's, ist's gut oder bös Wetter, so
lobe ich Gott; bin ich elend und verschmähet, so lobe ich Gott; und
darum hatte ich noch nie einen bösen Morgen. Du wünschest mir, daß
Gott mir Glück gebe. Ich hatte aber niemals Unglück, denn ich weiß mit
Gott zu leben und weiß, was er thut, das ist das Beste; und was mir
Gott gibt oder über mich verhänget, es sey Lieb oder Leid, das nehme
ich fröhlich von Gott als das Allerbeste, und darum hatte ich niemals
Unglück. Du wünschest mir, daß Gott mich selig mache. Ich war nie
unselig, denn ich begehre allein in Gottes Willen zu seyn, und ich
habe meinen Willen in Gottes Willen ergeben also ganz, daß, was Gott
will, ich auch will. -- Wenn dich aber Gott in die Hölle werfen wollte,
sagte der gelehrte Mann, was wolltest du darzu thun? -- Mich werfen
in die Hölle? das hält ihn seine Güte. Doch so er mich in die Hölle
würfe, so hätte ich zween Arme, damit ich ihn umfinge. Der eine Arm
ist wahrhafte Demuth; denselben lege ich unter ihn und damit bin ich
mit seiner heiligen Menschheit vereiniget. Und mit dem rechten Arm der
Liebe, so mit seiner heiligen Gottheit vereiniget ist, umfinge ich ihn,
daß er mit mir in die Hölle müßte. Und also wollte ich lieber in der
Hölle seyn und Gott haben, als in dem Himmel und Gott nicht haben. Da
verstund dieser Meister, daß wahre Gelassenheit mit gründlicher Demuth
der nächste Weg zu Gott wäre.
Weiter fragte dieser Meister: Von wannen bist du kommen? -- Von Gott!
-- Wo hast du Gott gefunden? -- Da ich alle Creaturen verließ! -- Wo
hast du Gott gelassen? -- Im reinen Herzen und in gutwilligen Menschen!
-- Der Meister fragte: Was bist du für ein Mann? -- Ich bin ein König!
-- Wo ist dein Königreich? -- Das ist meine Seele, denn ich kann meine
inwendige und auswendige Sinne also regieren, daß alle meine Begierden
und Kräfte der Seele unterthänig seyn. Und dieses Reich ist größer denn
ein Königreich auf Erden. -- Was hat dich zu dieser Vollkommenheit
gebracht? -- Mein Stillschweigen, meine hohe Gedanken und meine
Vereinigung mit Gott! Denn ich konnte in keinen Dingen ruhen, die
geringer waren als Gott. Nun hab' ich Gott gefunden und habe ewigliche
Ruhe und Friede in Gott.
Vergleicht man hiemit die stoischen Beschreibungen des Weisen als
desjenigen, der allein ein König sey, frei in Ketten, unabhängig
von Furcht und Hoffnung u. s. w., so wird man dasselbe Princip
wiederfinden, nur mit den Veränderungen, die nothwendig dadurch
entstehen, daß es in einer anderen Welt auftritt; und in der
äußerlichen Armuth und den lumpigen Kleidern wird man ohne
Schwierigkeit den Cynismus wiedererkennen.
Aber diese Ataraxie, diese Ruhe der Freiheit in ihrer eigenen
Unendlichkeit läßt sich auf dem Standpuncte des Christenthums nicht
durchführen, weil das Fleisch nie aufhört wider den Geist zu gelüsten
und die Tugend in ihrer Einsamkeit von den unchristlichen Naturmächten
überfallen wird. Eine ununterbrochene Askese ist nothwendig um das
Fleisch zu tödten und die Freiheit schlägt über in die schlechteste
Abhängigkeit. Die gedachte Persönlichkeit collidirt unaufhörlich mit
der idealen und kann nur ihr ideales Königthum dadurch behaupten, daß
sie den wirklichen Menschen der härtesten Gesetzlichkeit unterwirft
und die Züchtigung und Kasteiung des Fleisches sich zum fortwährenden
Geschäfte macht. So erfahren wir aus dem Leben Suso's, daß er ein
Unterkleid mit spitzigen Nägeln trug, deren Spitzen gegen den Leib
gekehrt waren, daß er ein andermal ein hölzernes Kreuz trug, das mit
eisernen Nägeln in seinem Rücken befestigt war, daß er um das Fleisch
zu tödten seinen Leib von Ungeziefer plagen ließ u. s. w. Das Subject
kann in der speculativen Wesensschauung nicht zur Ruhe kommen, weil es
unaufhörlich vom Ungeziefer der Selbstreflexion gestört wird.
Zu diesem Conflicte des Geistigen und Natürlichen im mystischen
Bewußtseyn gehören auch die Träume und Visionen der Mystiker, ihre
ekstatischen Zustände. Görres weiß diese Zustände nicht genug zu
erheben und betrachtet sie ohngefähr mit denselben Augen wie die
Mystiker selbst, wenn sie hinterher darüber reflectirten, nemlich
als augenscheinliche Beweise der göttlichen Gnade, welche die Seele
über das Vernunftleben erhoben und mit der jenseitigen Wirklichkeit
in Rapport gesetzt habe. Wir haben schon erwähnt, daß er in seinem
größeren Werke über die Mystik aus allen Jahrhunderten ein großes
Material von solchen Ekstasen, Gesichten und Offenbarungen gesammelt
hat; in diese höhere Empirie setzt er vornehmlich das Wesen und die
Herrlichkeit der Mystik. Das Interessantere aber ist zu erkennen, daß
mit diesen Visionen ein neuer Widerspruch im mystischen Bewußtseyn zum
Vorschein kommt. Der freie Geist, der sich über alle Bilder erhoben
und von der Natur abgeschieden hat, versinkt unwillkührlich in eine
Traumwelt und die reine Intelligenz geräth in die Versinnlichung
eines somnambulen Zustandes. Dasselbe Bewußtseyn, das durch die Kraft
der Intelligenz die Welt der Erfahrung, namentlich die historischen
Thatsachen der Religion in ein blos Inneres verwandelt, sieht nun
dasjenige, was in der Wirklichkeit nur ein Inneres ist, als eine
reale empirische Aeußerlichkeit. Sie vernichtet das wirkliche Object
und bekommt ein illusorisches an seiner Stelle. Nicht selten haben
diese Visionen eine schöne poetische Färbung, aber der Inhalt ist
gewöhnlich sehr unbedeutend und dreht sich nur um die empirische
Individualität als ihren Mittelpunct. Ein naiver Contrast zur
mystischen Verflüchtigung der individuellen Unsterblichkeit ist es,
daß Eckart nach seinem Tode sich dem Suso offenbart und ihn davon
unterrichtet, daß er jetzt gänzlich in Gott absorbirt sey[27]. Als
Suso eine nähere Beschreibung dieses Zustandes wünscht, erhält er die
Antwort, daß er unaussprechlich sey. Nachdem Suso in vielen Tagen
seinen Leib mit Fasten und Wassertrinken kasteiet hat, offenbart
sich ihm Maria und erlaubt ihm einige Tropfen Wein zu genießen. Ein
andermal bringt sie ihm einen Korb mit lieblichen Früchten. Daß das
~Natürliche~ so oft den wesentlichen Inhalt der Vision abgibt,
erklärt sich leicht aus dem ununterbrochenen Kampfe des Geistes mit dem
Fleische. Die Sinnlichkeit wird in der wirklichen Welt getödtet, steht
aber wieder auf in der idealen, und in magischen Spiegelungen verleiht
sie ihren Objecten den täuschenden Schein der wirklichen Gegenwart.
Diese inneren Conflicte sind unzertrennlich von der Abstraction der
wesentlichen Tugend. Die Mystiker aber leben nicht nur ein Leben
außerhalb der Gemeinde, in sich selbst und für sich selbst, sondern
leben auch ein Leben für die Gemeinde, denken nicht nur an ihre eigene,
sondern auch an die Seligkeit Anderer. Wenn sie aus der einsamen Zelle
ins Leben heraustreten, so lauten ihre vom tiefsten Ernst erfüllten
Sittenpredigten erweckend und reinigend für ein Bewußtseyn, das in
eine geistlose Aeußerlichkeit versunken ist. Bisweilen steigen sie
herab zu den Verhältnissen des wirklichen Lebens, gewöhnlich aber ist
es die reine Tugend und das Ideal des höchsten Guts, welches sie vom
Berge der Betrachtung der unten stehenden Gemeinde vorhalten. Das
selige Leben, welches sie beschreiben, ist das klösterliche Ideal, die
Abgeschiedenheit von der Eitelkeit der Creatur. Eben diese Abstraction
aber ist reinigend für das kraß katholische Bewußtseyn der Gemeinde.
Es stellt sich uns hier die Frage, inwiefern die Mystiker unter die
Vorläufer der Reformation zu stellen sind. Solche Gedanken, daß die
Tugend, wenn sie nach dem Wirken genommen werde, creatürlich sey und
gebrechlich, göttlich aber nach der Meinung, daß Gott den reinen
Willen annehme anstatt des Werkes, mußten nothwendig dazu beitragen
die protestantische Lehre vom Glauben vorzubereiten. Der Idealismus
des ~Willens~, der sich so kräftig in ihren Predigten ausspricht,
mußte auf das Bewußtseyn des Volks, welches in halbmythologischen
Vorstellungen gefangen war, die Begriffe des Guten und Bösen auf
äußerliche, factische Weise auffaßte und sich Belohnung und Strafe als
sinnliche Objecte ausmalte, einen befreienden und reinigenden Einfluß
ausüben. Eckart besonders verkündigt auf erhabene Weise den Idealismus
des Willens, die innere Unabhängigkeit des freien Geistes. »Wenn Einer
hundert Mark Gold durch Gott gäbe, es wäre ein großes Werk, aber ich
sprich, hab ich nur einen ächten wahrhaften ~Willen~ die hundert
Mark zu geben, so habe ich Gott bezahlt und er soll mir antworten, als
hätte ich ihm die hundert Mark bezahlt. Ich sprich mehr: hätte ich
einen Willen Gott eine ganze Welt zu geben, so soll er mir antworten,
als hätte ich ihm eine ganze Welt bezahlt. Und würde der Papst mit
meiner Hand erschlagen, und wäre es mit meinem Willen nicht geschehen,
ich würde nicht desto minder zum Altar gehen und Messe lesen.«
(+fol.+ 251). Solche Reden mußten dazu beitragen ein Bewußtseyn zu
emancipiren, welches von der Vorstellung des +opus operatum+, des
Ablasses, des kirchlichen Schatzes von guten Werken beschränkt war und
vor einem sinnlichen Fegfeuer und einer sinnlichen Hölle erzitterte.
»Was brennt in der Hölle? Es ist nur der eigene Wille, der in der Hölle
brennt.«
Wie die geistige Freiheit sich hier als ein christlicher Antinomismus
ausspricht, der durch mehrere Züge an die lutherische Beschreibung
von »der Freiheit eines Christenmenschen« erinnert, so ist sie auch
verwandt mit der Gemüthlichkeit und seelenvollen Innigkeit, die sich
in der protestantischen, besonders in der lutherischen Kirche in so
reichem Maaße entfaltete. Die Religion ist das persönliche Innewerden
Gottes, ein jeder Gedanke ist erbaulich, denn das Denken ist mit dem
Seyn der Persönlichkeit verschmolzen. Ein herrliches Zeugniß von diesem
reichen Gemüthe ist uns aufbewahrt in der Lebensbeschreibung Tauler's,
die sich in den meisten Ausgaben seiner Schriften befindet. Dieses
Gedicht oder, wie Tieck es nennt, diese theologische Novelle enthält
die innere Geschichte Tauler's und erzählt, wie der hochgelehrte
Doctor Tauler, der wegen seiner großen Predigtkunst weitberühmt war,
in Straßburg von einem armen Laien bekehrt wurde; wie dieser Mann
durch seine einfältige, aber vom Geiste Gottes eingegebene Rede ihn
überwies, daß er, obgleich er sich dünkte ein christlicher Prediger
zu seyn, doch nur ein Pharisäus sey, da er den Buchstaben wohl möchte
erkennen, aber die Süßigkeit des heiligen Geistes noch nicht geschmeckt
hätte, dieweil er sich verließ auf seine sinnreiche Meisterschaft und
nicht die Ehre Gottes, sondern nur sich selbst suchte und meinte;
und wie nun der hochgelehrte Doctor durch viele schwere Anfechtungen
innerlich und große Verschmähung und Verspottung äußerlich zu einer
gründlichen Demuth gelangte, und von nun an in christlicher Einfalt
predigte, dieweil er nicht mehr war im Buchstaben, sondern in sich
hatte die Schrift. Daß der Laie in dieser Erzählung den Geistlichen
zurechtweiset, ist ein Zeichen, daß der äußere Unterschied der
+clerici+ und +laici+ nicht mehr gilt. Es regt sich hier das
Princip der Subjectivität und das Gemüth macht seine Rechte geltend,
indem es der christlichen Verkündigung keinen Werth zulegen will,
wenn nicht die Persönlichkeit selbst von der Wahrheit ergriffen ist.
Die Verkündigung des Worts von einer von der Sache tief bewegten und
gleichsam imprägnirten Persönlichkeit gehört zu den schönsten Vorzügen
der Mystik. Bedenkt man, daß diese Predigten in der neu erwachenden
Muttersprache gehalten wurden, in deren ebenso tiefsinniger wie
schlichter Ausdrucksweise das Volksbewußtseyn sich heimisch fühlen und
geistig erstarken konnte, so wird es begreiflich, daß sie große Wirkung
hervorbringen mußten und in vielen Beziehungen der Reformation den
Weg bereiteten. Die unmittelbare religiöse Lebenswärme der Mystiker
zeigt sich zugleich darin, daß sie das lebendige Wort hoch über das
geschriebene stellen. »Ein Ding soll man wissen,« heißt es in der
Vorrede zu Suso's Büchlein von der ewigen Weisheit, »als ungleich ist,
der ein süßes Saitenspiel selber hört süßiglich erklingen gen dem, das
man allein davon hört sprechen, also ungleich sind die Worte, die in
der lauteren Gnade empfangen werden und aus einem lebendigen Herzen
durch einen lebenden Mund ausfließen, gen denselben Worten, so sie
auf das todte Pergament kommen, und sonderlich in deutscher Zunge;
denn so erkalten sie und verbleichen wie die abgebrochenen Rosen.
Darum soll ein fleißiger Mensch den Ausflüssen dieser süßen Lehre
nacheilen, daß er sie lerne ansehen nach dem Ursprung, da sie in ihrer
Lieblichkeit und wonniglicher Schönheit waren; und das wäre der Einfluß
der gegenwärtigen Gnade, in dem sich todte Herzen erquicken möchten.
Wer sie also anblicket, der mag kaum dieses überlesen, sein Herz muß
inniglich bewegt werden, entweder zu inbrünstiger Minne oder zu neuem
Lichte, oder Jammer nach Gott und Mißfallen der Sünde, oder aber zu
etlicher geistlicher Begehrung, in der die Seele dann erneuert wird in
Gnaden.«
Ist nun diese Freiheit und Innigkeit allerdings verwandt mit dem
Geiste, welcher später die Reinigung und Wiedergeburt der Christenheit
bewirkte, ist die Mystik allerdings als ein kräftiges Ferment für
die Entwickelung des reformatorischen Princips anzusehen, so darf
sie andererseits mit diesem keineswegs identificirt werden, weil ihr
dogmatischer Kern ein qualitativ anderer ist als der der Reformation.
Wir können dieses an dem Begriffe der +unio mystica+, der ein wichtiges
Moment in der protestantischen Heilsordnung bildet und besonders von
lutherischen Theologen mit großer Vorliebe entwickelt ist, kürzlich
erläutern. Die verschiedene Fassung dieses Begriffes stellt den inneren
Gegensatz in ein helles Licht. Nicht darin liegt der Unterschied, daß
die lutherische Theologie eine wesentliche, reelle und substantielle
Identität Gottes und des Menschen läugnete. Die lutherische Theologie
entwickelt ausführlich, daß es eine doppelte +unio mystica+ gebe, eine
allgemeine, deren alle Menschen, sowohl Gläubige wie Ungläubige,
theilhaft sind, indem sie, wie die Vögel in der Luft, wie die Fische im
Meer, so Alle in Gott leben und weben; eine specielle, deren nur die
Gläubigen theilhaft sind. In dieser wird die Substanz der Gläubigen
vereinigt mit der Substanz der Dreieinigkeit und der menschlichen
Natur Christi[28]. Luther setzt die Identität des Menschen mit Christo
so real, daß er sagt: Du sollst so mit Christo geeinigt werden, daß
aus dir und ihm gleichsam eine Person werde, so daß du mit Zuversicht
sagest: Ich bin Christus, das ist: Christi Gerechtigkeit, Sieg und
Leben ist mein, und Christus wieder sage: Ich bin dieser Sünder, das
ist: seine Sünden, Tod u. s. w. sind meine. Die Concordienformel
verdammt ausdrücklich den Satz, daß nicht Gott selbst, sondern nur
die Gaben Gottes in den Gläubigen seyen. (+Damnant errorem -- quod
non deus ipse, sed dona dei duntaxat in credentibus habitent. Hase
libr. symb. 698.+) Also nicht darin besteht der Unterschied, daß
die lutherische Dogmatik nur eine moralische und religiöse, keine
wesentliche, substantielle Identität lehrete. Die lutherische +unio
mystica+ aber ist begründet in dem Centralgedanken der Reformation,
nemlich in ~dem rechtfertigenden Glauben~, von dessen Bedeutung die
Mystik keine wahre Erkenntniß hat. Durch den rechtfertigenden Glauben
wird der historische Christus angeeignet mittelst des Worts und der
Sacramente, mittelst der Gemeinde, deren Haupt er ist. Daß aber dieser
Glaube kein blos historischer, keine nur moralische oder religiöse
Ueberzeugung sey, sondern daß sie das Wesen ihres Gegenstandes wahrhaft
in sich habe, oder daß dieser Glaube der reale Identitätspunct sey, in
welchem Gott und der sündhafte Mensch wahrhaft zusammenkommen, dieses
wird ausgedrückt durch die +unio mystica+. Das Wesen Christi, wovon
bei den Mystikern so oft die Rede ist, ist also in der lutherischen
+unio mystica+ enthalten, diese aber ist unzertrennlich vom Glauben
an die objective, historische Versöhnung Christi, und existirt nur
als Bestimmung in dieser. Indem die lutherische Theologie die +unio
mystica+ in dies unauflösliche Verhältniß zur +fides iustificans+
setzt, hat sie im Princip jede einseitige pantheistische Einheit
Gottes und des Menschen ausgeschlossen, denn die mystische Einheit
mit Christus setzt seine historische Wirklichkeit als die objective
Gerechtigkeit des sündhaften Menschen ~voraus~. Der mystischen
Heilsordnung aber fehlt der wahrhafte Anfang des rechtfertigenden
Glaubens. Es ist bei den Mystikern nur von der Tugend, der geistlichen
Armuth, dem christförmigen Leben und von der Vergottung die Rede; es
wird unmittelbar zur unio mystica geschritten, während diese in der
lutherischen Kirche nur ins Daseyn treten kann »+mediante fide, verbo
evangelii et sacramentorum usu accensa+.« Eine nähere Betrachtung
dieses Gegensatzes zeigt, daß die Mystik, obgleich sie in gewisser
Beziehung sich innerlich vom Katholicismus getrennt hat, doch in
ihrer tiefsten Wurzel mit ihm zusammenhängt. Ein spiritualisirter
Katholicismus ist noch nicht ächter Protestantismus. Es braucht hier
nur angedeutet zu werden, daß der Unterschied des Katholicismus vom
Protestantismus besonders in die verschiedene Bedeutung zu setzen
ist, die den Begriffen der Rechtfertigung und der Heiligung beigelegt
wird. Wird nemlich gefragt nach der Rechtfertigung des Menschen
vor Gott, oder wie der endliche, sündhafte Mensch Gegenstand des
Anerkennens und der Liebe Gottes werden könne, so ist es die Antwort
der evangelischen Kirche, daß er dieses nicht durch sich selbst,
auch nicht durch das reinste Streben, das immer nur ein Relatives,
ein Stückwerk ist, behaftet mit Mängeln und Beschränkungen, sondern
allein durch den Glauben vermöge. Denn im Glauben wird Christus
angeeignet und Gott sieht dann nicht den Menschen in seiner nackten,
sündhaften Endlichkeit, auch nicht in seiner -- immer nur relativen
-- Tugend und Heiligkeit, sondern allein in Christo, dem restituirten
Adam, in dem die urbildliche Gerechtigkeit der menschlichen Natur,
wie diese im göttlichen Gedanken ist, objectiv verwirklicht ist. Der
Gläubige weiß sich dann nicht gerecht, insofern er seine empirische
Wirklichkeit anschaut, sondern insofern er sein in Christo vollzogenes
Ideal ergreift. Daß aber der Mensch durch den Glauben nicht nur
verbal, sondern wesentlich in die Gerechtigkeit Christi aufgenommen
wird, dieses ist enthalten in der ~unio mystica~. Dasselbe ist
enthalten in der Vorstellung von der Gemeinde als dem mystischen
Leibe Christi, womit ausgesprochen ist, daß die Substanz Christi
oder seine gottmenschliche Natur wesenhaft inwohnend sey in der
Gemeinschaft der Gläubigen. Aus dieser ~seyenden~ Versöhnung entwickelt
sich die Heiligung als die werdende, als die successive, empirische
Verwirklichung der Versöhnung im christlichen Leben. Im durchgreifenden
Gegensatze zum Protestantismus ist der Katholicismus durchsäuert von
der subjectiven, pelagianischen Ansicht, die mit Hintanstellung der
Gerechtigkeit Christi die Versöhnung successiv durch die moralische
Anstrengung des Menschen, durch zunehmendes Fortschreiten in Tugend
und Heiligkeit bewerkstelligen läßt. In diesem Cardinalpuncte hat
die Mystik nur den Katholicismus sublimiren, nicht aber überwinden
können. Allerdings vernichtet sie die äußerliche Werkheiligkeit des
Katholicismus und entwickelt eine geistige Ethik. Aber das Ethische,
die Heiligung ist Alles in Einem, und die +unio mystica+ erscheint
nur als ~Resultat~ des menschlichen Ringens nach dem höchsten Gut.
Das Unbefriedigende einer stückweisen, approximativen Versöhnung, die
ebensosehr keine Versöhnung ist, wird von der Mystik selbst anerkannt,
indem sie, um dem Dualismus der Approximation ein Ende zu machen, die
Individualität zum Versöhnungsopfer bringt und vom Pelagianismus in den
Pantheismus und Nihilismus übergeht. Diese Mängel entspringen daraus,
daß das Subject selbst die Versöhnung hervorbringen will, anstatt
sich die seyende, in der Geschichte vollzogene Versöhnung im Glauben
anzueignen. Der rechtfertigende Glaube ruht am Felsen der Objectivität,
die Mystik aber hat nur einen subjectiven Versöhnungsbegriff. Es ist
bekannt, daß Luther in seiner Jugend mit großer Begeisterung die
Schriften Tauler's und die deutsche Theologie studirte. Sicher hat
dieses Studium einen reinigenden Einfluß auf sein Bewußtseyn gehabt,
und dazu beigetragen den Durchbruch der neuen Weltanschauung in ihm
zu vermitteln. Aber wie Luther bei den Mystikern keinesweges seinen
Offenbarungsbegriff gefunden hat, dessen Kern sich in den Worten
aussprechen läßt, »es sey kurzum beschlossen, daß außer Christo Gott
unbekannt und ungefasset seyn wolle, weshalb man nicht forschen solle
die unbegreifliche Majestät des verborgenen Gottes, sondern bleiben
bei dem offenbaren Gotte, wie er sich gefasset habe im Wort:« ebenso
wenig hat er bei den Mystikern seinen Versöhnungsbegriff, seine tiefe
Lehre von der Zurechnung des Verdienstes Christi gefunden. Und ebenso
wenig hat er bei ihnen seine Auffassung der Erbsünde gefunden; denn
theils oscillirt die mystische Anschauung der Sünde zwischen der
augustinischen Auffassung und der neoplatonischen, welche letztere
die Sünde nur als Beraubung und Einschränkung begreift, theils ist
die Reflexion auf das ~Individuum~ so überwiegend, daß es zu keinem
gründlichen Nachdenken über die Sünde des Geschlechts kommt. Luther's
universelle Anschauung der Sünde, die unauflösliche Einheit, in welche
das Schuldbewußtseyn des Individuums mit dem Schuldbewußtseyn der
Gattung ihm zusammenging, widerstreitet gänzlich dem atomistischen
Hervortreten des Individuums in der Mönchsmoral. Wo das Individuum
die Sünde des Geschlechts als die eigne annimmt, findet es auch nur
sein Heil und seine Gerechtigkeit in der Mitte des Geschlechts. Seine
Heiligung treibt es dann nicht als eine einsame Privatbeschäftigung,
sondern als bestimmte Thätigkeit in der Gemeinde.
Eben durch ihre moralische Atomistik hängt die Mystik so genau
zusammen mit dem Princip des Mittelalters und des Katholicismus.
Gewöhnlich bezeichnet man das Mittelalter und den Katholicismus als
das System der einseitigen Objectivität, als dasjenige System, das
einen Absolutismus des ~Allgemeinen~ etablire. Allein diese
Bestimmung ist einseitig, denn es liegt ebensosehr im Princip des
Katholicismus ~das Einzelne~ in abstracter Selbstständigkeit
hervortreten zu lassen. Der unaufgelöste Dualismus des Objectiven und
des Subjectiven, des Allgemeinen und des Einzelnen, des Realismus und
des Nominalismus ist der Begriff des Mittelalters. Die Anschauung der
Kirche ist ~realistisch~, denn nur das Katholische, das Allgemeine
ist wirklich, die Selbstständigkeit der Individuen ist eine Nullität,
sie sind so zu sagen nur Exemplare, denen die alleinseligmachende
Kirche das Gepräge seiner Einheit und Allgemeinheit aufdrückt. Es
ist die Kirche, in welcher Alle leben, weben und sind; es ist die
Kirche, die in den Individuen weiß und will; sie ist es, die Alles
wirkt in Allen als in den Gefäßen ihrer Herrlichkeit. Parallel mit
dieser Anschauung aber -- und ohne daß der Widerspruch bemerkt
würde -- geht die ~nominalistische~, pelagianische Ansicht von
der Selbstständigkeit, von dem freien Willen und der persönlichen
Tüchtigkeit des Individuums. Im Ethischen zeigt dieses sich so, daß
außerhalb des Reiches der allgemeinen Sittlichkeit ein Reich von
subjectiven Idealen sich aufschließt, deren Erreichung eine specielle,
für sich bestehende Aufgabe ist, die ohne Vermittelung mit dem
Allgemeinen ~nebenbei~ ausgeführt wird. Das eine Individuum sucht
das andere zu überbieten, nicht in substantieller Pflichterfüllung,
sondern darin, daß es sich selbst eine ~exclusive~, persönliche
Vortrefflichkeit, Ehre und Seligkeit erwerbe, damit es sich über das
Allgemeine erheben könne. Da das Subject sich diese ausschließliche
Vortrefflichkeit nicht innerhalb des Gemeindelebens erwerben kann, so
zieht es auf Abenteuer aus nach guten Werken. Das Ritterwesen und das
Mönchswesen sind die hervorragendsten Phänomene dieser moralischen
Atomistik, dieser Losreißung des Moments der Discretion von dem der
Continuität. Und so gehört auch die Mystik in diese Kategorie, indem
sie die absolute Abhängigkeit von der Kirche und dennoch ohne alle
Vermittelung die atomistische Freiheit und Autarkie des Individuums
ponirt. In dieser Antinomie trägt sie den +character indelebilis+
des Katholicismus. Das Princip der Reformation aber ist die Versöhnung
des Allgemeinen und des Einzelnen, der Gemeinde und des Individuums.
* * * * *
Nach der Reformation zeigt sich in der evangelischen Kirche eine
mit der Mystik verwandte Richtung. Es war natürlich, daß sie in der
lutherischen Kirche hervortrat, weil diese von allen christlichen
Confessionen am tiefsten von der wirklichen Gegenwart des Göttlichen
im Menschlichen durchdrungen ist. Das religiöse Leben war in Gefahr
in Sectenwesen zu Grunde zu gehen; die Theologie war geistlos
geworden und in eine unfruchtbare Scholastik ausgeartet. Da trat jene
Richtung hervor als ein kräftiges geistiges Ferment. Jacob Böhme, ihr
vornehmster Repräsentant, lebte zu einer Zeit, als die schlechte,
sectenhafte Polemik auf Kanzeln und Kathedern polterte und sich der
Lesewelt in dicken Bänden und einer zahllosen Masse von Flugschriften
mittheilte. Die religiöse Controverse fand in jenen Zeiten dieselbe
allgemeine Theilnahme, wie die politische in unseren Tagen. Die
Politik selbst stand im Dienste der Dogmatik und die theologischen
Streitigkeiten, die mit dem Worte und der Feder geführt wurden, sollten
nun auch mit dem Schwerte durchgekämpft werden im dreißigjährigen
Kriege. Inmitten dieser Verwirrung erkennt der einfältige Laie, daß ein
wahrer Christ Nichts mit Secten zu schaffen habe. Er kann gern mitten
unter Secten wohnen, auch in ihrem Gottesdienst erscheinen und hängt
doch keiner Secte an. In dem theologischen Babel ist eitel Schulgezänk,
Gezänk um selbstgemachte Meinungen und um den todten Buchstaben;
die Schulgelehrten sehen die Religion nur an als eine Historie, die
einmal gewesen ist, aber der Geist Gottes ist nicht im historischen
Buchstabenkram. Ein wahrer Christ hat nur eine einzige Wissenschaft,
die ist Christus in ihm, und das wahre Wissen ist die Offenbarung des
Geistes Gottes durch die ewige Weisheit, die himmlische Idea. Als Böhme
zum erstenmale den Namen der Idee hörte, rief er entzückt aus: Ich sehe
eine himmlische Jungfrau! Diese hat sich vermählt mit seiner Seele
und in seinem Geiste bricht eine jugendliche Morgenröthe hervor, eine
himmlische Aurora, in welcher alle Mysterien offenbar werden. Er zeugt
von sich selbst: Nicht Ich weiß und verstehe diese hohen Geheimnisse;
der Geist Gottes weiß in mir und forschet die Tiefen der Gottheit!
-- So sehen wir wieder die Contemplation als dasjenige, was in einer
stürmisch bewegten Zeit dem Geiste Friede und Versöhnung schenkt.
Während Alles außer ihm von einem verlornen Paradiese zeugt, ist das
Paradies mit allen Wundern aufgegangen in ihm.
Es gehört nicht hieher die Lehre Böhme's und ihr Verhältniß zur
lutherischen Kirche ausführlich darzustellen. Hier beschränken wir uns
darauf ihr Verhältniß zur Mystik des Mittelalters näher anzugeben.
Die Uebereinstimmung wird oft auf eine solche Weise hervorgehoben,
daß darüber der Unterschied ignorirt wird. Die Contemplation Böhme's
konnte nur auf dem Boden des Protestantismus entstehen und ist vom
Princip der Reformation geschwängert. Es ist öfter bemerkt worden,
daß die Reformation erst den Sinn des Menschen für das Universum
aufschloß, während der mittelalterliche Geist in der einseitigen
Richtung gen Himmel magnetisch gefesselt war. Himmel und Erde, die
in der Anschauung des Mittelalters dualistische Gegensätze sind,
wurden durch die Reformation versöhnt. Die allseitige Richtung der
Reformation wiederholt sich auch in Böhme, denn das ganze Universum,
Natur und Geschichte, ist Inhalt seiner Contemplation. Die einseitige,
asketische Selbstbeschäftigung der Seele, die alles Andere in der Welt
über ihre eigene Reinigung vergißt, ist verschwunden. Eine objective
Anschauung der Idee in allen ihren kosmischen Gestalten macht bei Böhme
das Hauptinteresse aus; in der großen Welthistorie ist das einzelne
Subject nur ein Fünklein. Böhme's naturphilosophischer Vorgänger,
der weltberühmte Medicus Theophrastus Paracelsus, ist, obgleich
seiner Confession nach Katholik, doch von demselben neuen Geiste der
Reformation getrieben, indem er die Natur beim Lichte der Religion
durchforschen will. Er hat gefunden, daß der Mensch Mikrokosmus sey,
das ist eine Quintessenz und ein Auszug aus dem ganzen Weltall.
Deswegen vermag der Mensch die Geheimnisse der Natur zu erforschen,
denn aller Verstand, der in der ganzen Natur, in den vier Elementen, in
Sternen, in Pflanzen und Thieren verbreitet ist, liegt eingewickelt im
Menschen, und darum kann Nichts ihm verborgen bleiben, wenn Gott ihn
erwecken will. Paracelsus gründet eine speculative Medicin und setzt
als die vier Grundpfeiler Physik, Astronomie, Alchymie und Theologie;
das ganze Gebäude aber ist gegründet auf Christo, dem Eckstein. Diese
Naturphilosophie wird aufgenommen in die Geistesphilosophie Böhme's.
Hier ist kein asketisches Losreißen vom Weltbewußtseyn, sondern eine
Versöhnung des ganzen Weltbewußtseyns mit dem Gottesbewußtseyn, ein
Schauen aller Dinge in Gott; keine Entrückung von der Welt, sondern
ein seliges Eingerücktseyn in die Tiefe des Weltcentrums. Böhme
weiß, daß Gott Geist, daß die Dreieinigkeit seine Geburt und ewiger
Lebenslauf sey. Doch läßt er sich hieran nicht genügen, sondern er
will alles Erschaffene im Bilde und Gleichnisse der Dreieinigkeit
erkennen. Er schaut ihren Abglanz in allen Creaturen, selbst in Gras
und Steinen, aber vor Allem im Gemüthe des Menschen. Er versinkt
in Nachsinnen über die Menschwerdung Gottes und das Geheimniß der
Versöhnung. Wie die Mystiker erkennt er, daß es die Ichheit sey, die
den Menschen von Gott trennt; aber er faßt die Ichheit von ihrer
universellen, kosmischen Seite, und spricht seine Schauung aus als eine
Darstellung des Abfalls Lucifer's und seines Kampfes wider Gott. Die
Entwickelung dieses Kampfes, der werdende Sieg des Lichtes über die
Finsterniß, ist die Weltgeschichte. Dieser universelle und objective
Charakter der Böhme'schen Contemplation wird durch die Benennung der
~Theosophie~ bezeichnet, eine Benennung, welche die +differentia
specifica+ von der Mystik des Mittelalters gut ausdrückt. Wir haben
früher erwähnt, daß das Princip der Mystik sich in neuerer Zeit in
Fichte's subjectiv-praktischem Idealismus wiederholte, besonders in
seiner, vom Christenthume begeisteten, Anweisung zum seligen Leben.
Die Theosophie hat ihre moderne Wiederholung in Schelling gefunden,
namentlich in seiner berühmten Abhandlung über die Freiheit des
menschlichen Willens. Auch Baader's tiefsinnige Gedanken »aus dem
großen Zusammenhange des Lebens« sind theosophischer Natur.
Die Trennung des Mysteriums und der Offenbarung ist in der Theosophie
Böhme's aufgehoben. Die neoplatonische Ansicht der Endlichkeit ist
ganz verschwunden; das Negative tritt auf in seiner vollen Kraft, die
Endlichkeit wird in ihre christlichen Rechte eingesetzt. Böhme bleibt
sich selbst gleich in der Anschauung, daß Gott nicht im Urgrunde
bleiben könne, sondern daß sein Wesen Wille sey, sein Wille aber
nur der Wille zur Offenbarung, damit er faßlich und begreiflich
werde. Hieraus entwickelt er die Dreieinigkeit, die Schöpfung und die
Menschwerdung Gottes. Die Heiligkeit und Liebe würden nicht offenbar
seyn, wäre nicht ein Negatives, der Heiligkeit Entgegengesetztes, der
Liebe und Gnade Bedürftiges. Dieses negative Princip ist das endliche
Ich, das als die Pein und die Qual des Lebens und zugleich als die
Quelle der Seligkeit aufgefaßt wird. Vorbereitende Andeutungen für
die Erkenntniß des Negativen finden sich allerdings schon bei den
Mystikern, besonders in der deutschen Theologie; aber Böhme hält
durchgängig den Gedanken fest, daß alle Dinge im Ja und im Nein stehen,
und daß die Vermittelung der Streitenden das Wirkliche, das Leben und
der Geist selber sey. Dem theosophischen Schauen fehlt also nicht der
Gedanke der Vermittelung überhaupt, wohl aber dessen begriffliche
Entwickelung und Durchführung.
Der Vorzug der Theosophie vor der Mystik entspringt daraus, daß die
mystische Einheit der Religion und Philosophie subjectiv-praktisch, die
theosophische objectiv-theoretisch ist. Die Idee hat sich losgearbeitet
vom unmittelbaren Zusammenhange mit dem atomistischen Ich und hat
wirkliche Gegenständlichkeit gewonnen, wodurch die ~Anschauung~
zu ihrem Rechte kommt. Die Anschauung will Alles in Gestalt fassen,
sie läßt sich nicht am Mysterium genügen, sondern fordert Offenbarung.
Allein die theosophische Anschauung ist doch nur unmittelbare Einheit
der Religion und Philosophie. Wenn auch Alles sich als Offenbarung
gestaltet, so kommt es doch zu keiner philosophischen Entwickelung
der Idee, sondern die Darstellung gestaltet sich nur als eine
philosophische Apokalypse, und da der philosophische Gedanke sich nie
von der religiösen Anschauung sondert, wodurch alle verständige und
kritische Reflexion unmöglich wird, so bleibt es bei dieser Vermischung
fortwährend unbestimmt, ob die Gestalten der Anschauung innere oder
äußere seyen. Das verständige historische Bewußtseyn von den Thatsachen
der christlichen Religion verschwindet, die äußere Bibel wird mit der
inneren confundirt, und man weiß nicht, ob die biblischen Namen (wie
z. B. Adam und Christus) nur allgemeine Ideen symbolisiren, oder ob
sie historische Personen bezeichnen. So hängt die Theosophie mit der
Mystik zusammen, aber wegen ihres überwiegend theoretischen Charakters
thut man gewiß recht nach dem Vorgange Baur's sie in die Reihe der
eigentlich gnostischen Systeme zu stellen. Die Betrachtung der Mystik
und der Theosophie lehrt uns die große Bedeutung der kritischen
Reflexion in der Religionswissenschaft anzuerkennen, als eine, wenn
auch nur negative, Bedingung der wahren Vermittelung von Religion und
Philosophie. Ein jeder Versuch, der in neuerer Zeit gemacht wurde um
diese mit Umgehung der Kritik und der Reflexion zu versöhnen, enthielt
immer ein partielles Zurücksinken auf den Standpunct der Mystik und der
Theosophie, wie dies besonders von Schelling und seiner Schule gesagt
werden muß.
Anhang.
Um die Vorstellung vom Vortrage Eckart's zu vervollständigen, wird
hier eine seiner Predigten abgedruckt. Sie findet sich in der Baseler
Ausgabe 1521, +fol.+ 301.[29]
~Vff sant Johans~ enthauptung, ein vast subtil vnd hoch
verstendige predig, anzeigende grossen underscheid vnder schöpffen und
machen, got vnd gotheit, deß innern menschen und des eussern. Item
wie gott sich selber liebhat, vnd schmacket, vnd hierinn auch alle
creaturen. Anfengklich gesetzt vff die wort Christi +Matthei X.+
+Nolite timere eos qui corpus occidunt, animam autem occidere non
possunt.+ Nit förchtent die euch tödten wöllent etc. Waß blutt vnd
fleisch dem menschen guts oder böses bringen mög, wenn es wol oder
übel will.
Nit förchtent die euch tödten wöllent an dem leyb, die sel mögen sy
nit tödten. Wann geist tödt nit geist. Geist gibt dem geist leben. Die
euch tödten wöllent, das ist blut vnd fleisch.
Das da ist fleisch vnd blut, das stirbet mit einander. Das edelst das
an dem menschen ist, das ist blut wenn es wol wil. Aber es ist auch
das ergest an dem menschen so es übel wil. Gesiget aber das blut dem
fleisch an, so ist der mensch demütig, gedultig vnd keusch, vnd hat
alle tugent an im. Gesiget aber das fleisch dem blut an, so wirt der
mensch hoffartig vnd zornig vnd unkeusch, vnd hat alle vntugent an
im. Hie ist gelobt mein herr sant Johanß, der vmb der warheit willen
enthaubt ward (als wir heut begeend). Ich kan jn nit mer loben, gott
hat jn mer gelobt. || Nun bitt ich euch das ir eben vernemet, wann ich
wil sprechen, das ich nye gesprach. Do got geschuff hymel vnd erden
vnd alle creaturen, do würckte gott nit, er hat nit zu würcken, in im
was auch kein werck. Do sprach gott: Wir sollen machen einen gleichen,
das ist einen menschen der vns gleych sey. Schöpffen, das ist ein
leicht ding, das thut man, wenn man wil vnd wie man wil. Aber das
ich mach, das mach ich selb, vnd mit mir selber, vnd in mir selber,
vnd truck mein bild zumal daryn. Wir machen (spricht got) einen
gleychen, nit du vatter, noch du sun, noch du heiliger geist. Wir in
dem ratt der heiligen Tryualtigkeit, wir machent einen gleichen. ||
Do gott den menschen gemachet, do würckt er in der sel sein gleich
werck vnd sein würck werck vnd sein yemmer werendes werck. Das werck
was so groß das es anders nicht was, denn die seel, vnd die seel was
anders nit dann das werck gottes. Gottes natur vnd sein wesen vnd
sein gotheit die hangent daran, das er muß würcken in der seel, (Gott
segen, gott segen) da gott würcket in der seel, da liebet er sein
werck. Wo ist nun die seel, da gott sein werck inn würcket? Das werck
ist so groß das es anders nit ist dann die liebe, vnd die liebe ist
anders nit dann gott. Gott der liebet sich selber vnd sein natur vnd
sein wesen vnd sein gottheit. In der liebe, da sich gott inn liebet,
da inn liebhat er auch alle creaturen. Mit der liebe, da sich gott
inn liebet, da liebhat er auch alle creaturen, nit als creaturen
sonder creaturen als gott. In der liebe da sich gott inn liebhat,
da liebhat er alle ding (Gott segen, gott segen). Nun bit ich euch,
das ihr vernement Ich wil sprechen, das ich nye me gesprach. Gott
schmackt im selber, vnd in dem schmack, da sich gott inn schmacket,
da inn schmacket er alle creaturen. Mit dem schmack da sich gott inn
schmacket, da schmacket er alle creaturen nit als creaturen, creaturen
als got. In dem schmack da sich got inn schmacket da schmacket er alle
ding.
Nun merckent: Alle creaturen haben iren lauff vff ir höchste
volkommenheit. Nun bitt ich euch das ir vernement (Bey der ewigen
warheit vnd bei yemmerwerender warheit vnd bey meiner sel) ich wil
sprechen das ich nye me gesprach. Gott vnd gotheit hat vnderscheid
als verr, als himel vnd erde. Ich sprich me Der inner mensch vnd der
eusser mensch die habent als verr vnterscheid als hymel vnd erd. Got
der hat vil tausent mal meilen darob. Gott der wirt vnd entwirt. Nun
komm ich wider vff mein red. Gott schmacket im selber an allen dingen.
Die sonn wirfft auß iren liechten scheyn vff alle creaturen, vnd da
die sonn iren scheyn vffwürfft, das zeucht sy in sich, vnd verleurt
doch nit ir scheinlikeit. Alle creaturen verzeihent sich irs lebens
vff ir wesen. Alle creaturen die tragent sich in mein vernunfft,
das sy in mir vernünfftig seyent. Ich allein bereytt alle creaturen
wider in Gott. || (Wartent was ir alle thunt.) Nun komm ich wider vff
mein innern menschen vnd vff mein eussern menschen. Ich sich offt
die gylgen vff dem velde vnd iren liechten scheyn an ir farb vnd an
alle ir bletter, aber ir schwelge der sihe im nit. Warumb? Da ist der
schwelg in mir, aber das ich sprich das ist in mir, vnd ich sprich
es auß mir. Alle creaturen die schmacken meinen eussern menschen als
creaturen, wein als wein, brot als brot, wein vnd fleisch etc. Aber
mein inner mensch schmacket nit als creaturen, mer als gaben gottes.
Aber mein innerster mensch, der schmacket nit als gaben gottes, dann
als ye vnd yemmer. || Ich nimm ein beckin mit wasser vnd leg daryn
ein spiegel, vnd setz es vnder das rad der sonnen, so würfft die sonn
auß iren liechten scheyn auß dem rad vnd aus dem boden der sonnen,
vnd vergeet doch nit. Das widerspilen deß spiegels in der sonnen, das
ist in der sonnen sonn, vnd sy ist doch das sy ist. Also ist es vmb
gott. Gott ist in der sel mit seiner natur vnd mit seinem wesen vnd
mit seiner gottheit, vnd er ist doch nit die sel. Das widerspilen der
seel das ist in gott gott, vnd sy ist doch das sy ist. Gott der wirt
da alle creaturen Gottes sprechen, da wirdt Gott. || Do ich stund
in dem grund der gottheit vnd in dem boden der gottheit vnd in dem
refier der gottheit vnd in dem quell der gottheit, do fragte mich
niemant was ich wolt oder was ich thet, do was da niemant der mich
fragte. Do ich floß, do sprachent alle creaturen got. Fragte man mich
Bruder Eckart, wannen giengen ir ausserm hauß, da was ich da inn.
Also sprechent alle creaturen von gott. Vnd warumb sprechent sy nit
von der gottheit? Alles das in der gottheit ist, das ist ein, vnd
dauon ist nit zu sprechen. Gott der würcket der gotheit nit. Sy hat
auch nit zu würckende, in ir ist auch kein werck. Gott vnd gottheit
hat vnderscheid an würcken vnd an nit würcken, sy geluget nye vff
kein werck. Wenn ich komm wider in got, bild ich da nit, so ist mein
durchbrechen vil edler denn mein außfluß. Ich allein, ich bring alle
creaturen auß ir vernunfft in mein vernunfft, das sy in mir ein seind.
Wenn ich komm in den grund der gottheit vnd in den boden der gottheit
vnd in das refier der gotheit, vnd in den quall der gottheit, so
fraget mich niemant, wannen ich komm, oder wo ich sey gewesen, da
vermisset mein niemant, das entwürt.
Wer dise predig hat verstanden, dem gönn ichs wol. Wer hie niemant
gewesen ich müßt sy disem stock geprediget haben. Es seind etlich arm
leüt, die kerent wider heim vnd sprechen: Ich wil sitzen vff ein statt
vnd wil essen mein brot vnd dienen gott. Ich sprich bey der ewigen
warheit, das die leüt verirret müssent bleiben, noch nyemmer eruolgen
noh erkriegen, das die andern eruolgen die gott nachuolgent in armut
vnd in elendigkeit. Das wir diß erlangen, deß helff vns got, Amen.
[Illustration]
Im Verlag von ~Friedrich Perthes~ ist neu erschienen:
=Helfferich=, die Geschichte der christlichen Mystik in ihrer
Entwickelung und in ihren Denkmalen. 2 Thle. 5 Thlr.
~Johannes Tauler~ von Straßburg. Beitrag zur Geschichte der
Mystik und des religiösen Lebens im 14. Jahrhundert, von =Carl
Schmidt=, Professor in Straßburg. 1-1/2 Thlr.
Unter den bedeutenden Namen, sagt in seiner Vorrede der Verfasser,
welche aus dem Mittelalter auf uns herübergekommen sind, ist der Name
Johannes Tauler's einer der bekanntesten und geachtetsten. Seit fünf
Jahrhunderten haben die Schriften dieses Lehrers Tausenden von Menschen
Trost und Erbauung verschafft; sein Leben aber war bisher wenig
bekannt, und dieß Wenige selbst war zum Theil unsicher und zweifelhaft.
Der Verfasser, der sich schon längst mit der mystischen Theologie
des Mittelalters beschäftigt, gibt nun hier eine, großentheils aus
ungedruckten und bisher unbenutzten Quellen geschöpfte Darstellung
von Tauler's Leben und Lehre. Als Anhang folgt eine Abhandlung
über den noch so wenig bekannten und doch so merkwürdigen Verein
der Gottesfreunde, die der Verfasser in kirchliche und häretische
unterscheidet. Auch die Beilagen werden manchem Leser willkommen
seyn; es sind Documente zur Geschichte des religiösen Volksgeistes im
vierzehnten Jahrhundert. Durch die Art, wie der Verfasser seinen Stoff
behandelt hat, wird sein Buch nicht bloß für den Geschichtsforscher und
den Theologen, sondern auch für den Laien Interesse haben.
~Reformatoren vor der Reformation~, vornehmlich in Deutschland
und den Niederlanden, geschildert von =C. Ullmann=.
1. Theil: ~Johann von Goch~ und ~Johann von Wesel~ nebst
reformatorischen Männern ihrer Umgebung.
2. Theil: ~Johann Wessel~.
Dieses Werk, veranlaßt durch das Bedürfniß einer neuen Auflage
der Monographie des Verfassers über Johann Wessel, den Vorgänger
Luther's, ist jetzt zu einer umfassenden Darstellung der verwandten
reformatorischen Männer im 14. und 15. Jahrhundert geworden. Es
beschäftigt sich vorzugsweise mit den minder bekannten, aber zum
Theil in ihrem Denken und Wirken höchst gewichtigen Vorläufern
der Reformation und zwar ausschließlich in Deutschland und den
Niederlanden, verliert aber dabei auch das Ganze dieser großen
Vorbereitungszeit nie aus dem Auge und sucht aus den geistigen
Elementen derselben die Reformation sowohl zu erklären als zu
rechtfertigen. »Der Stoff des ganzen Werkes -- mit diesen Worten
spricht sich der Verfasser selbst in der Vorrede aus -- vertheilt sich
so, daß im ersten Bande vorzugsweise vom Bedürfniß der Reformation mit
Beziehung auf die herrschenden Verderbnisse gehandelt wird, im zweiten
von den positiven Vorbereitungen und Ansätzen zur Reformation. Und
zwar besteht jeder Band wieder aus zwei Büchern, deren jedes einen
oder mehrere repräsentative Männer zum Mittelpunkte hat; im ersten
Buche zeigt uns Johann von Goch die Nothwendigkeit der Reformation in
Beziehung auf den innern Gesammtgeist der Kirche, im zweiten Johann
von Wesel und einige seinem Kreise angehörigen Männer in Betreff der
besondern kirchlichen Verderbnisse; das dritte Buch macht in den
Brüdern vom gemeinsamen Leben, sowie in den nieder- und oberdeutschen
Mystikern das praktische und populäre Hinwirken auf die Reformation
anschaulich, und das vierte stellt in Joh. Wessel die ausgebildetste
reformatorische Theologie vor der Reformation dar. Ich habe mit Goch
begonnen, weil es sich bei ihm besonders um die Beurtheilung des
innersten Geistes und Wesens der Kirche im Ganzen handelt; als eine
in sich concentrirte, ruhige Natur lebt Goch vorzugsweise in der
Betrachtung und gibt wenig Stoff für die äußere Kirchengeschichte;
dafür möge dann das Interesse, das er für die Ausbildung der
reformatorischen Gedanken und Principien hat, entschädigen; Wesel
dagegen führt schon mitten ins kirchliche Leben hinein, und bei ihm
haben wir auch noch mehrere andere Männer zur Schilderung gebracht,
die sich wacker in der Kirche durchgekämpft haben; zugleich kommt
hier Manches zur Geschichte der Universitäten und des theologischen
Studiums in damaliger Zeit vor, was für die genauere Kenntniß jener
Uebergangsperiode nicht unwichtig ist; auch wird man, wie ich hoffe,
den in einer Zugabe zum ersten Bande enthaltenen Beitrag zur Aufhellung
der Anfänge des Bauernkrieges nicht ohne Theilnahme lesen. Ein erhöhtes
Interesse jedoch verspreche ich mir für den zweiten Band, theils wegen
der reicheren Mannichfaltigkeit, theils wegen der größeren positiven
Wichtigkeit der behandelten Personen und Gegenstände: die Brüder vom
gemeinsamen Leben sind eine der liebenswürdigsten Erscheinungen in der
Geschichte des geistigen Lebens. Gerhard Groot und Thomas von Kempen
nehmen schon durch ihre Namen allgemeine Theilnahme in Anspruch, die
deutschen Mystiker sind in ihrer Beziehung zur Reformation von hoher,
bisher noch nicht zureichend gewürdigter Wichtigkeit, und Wessel's
Theologie braucht man auch nur oberflächlich zu kennen, um ihn für
den Vorgänger Luther's im eminenten Sinne zu halten. Schon aus diesem
Ueberblick wird man ersehen, daß Vieles, was bisher wenig beachtet war,
ins Licht gestellt, Anderes, was wenigstens in dieser Verbindung nicht
betrachtet worden, zur Reformation in die gehörige Beziehung gebracht
ist. Zugleich wird der Kirchenhistoriker vielfach neuen Stoff finden
aus seltenen Druck- und Handschriften, die dem Verfasser zugänglich
waren.
Die heilige Leidensgeschichte und die stille Woche von =Christian
Carl Josias Bunsen=. Zwei Abtheilungen. Die Liturgie der stillen
Woche mit Vorwort. 8. 1-1/4 Thlr.
Je mehr sich von verschiedenen Seiten das Bedürfniß einer organischen,
auf festen Principien gegründeten Ausbildung des Cultus in der
evangelischen Kirche geltend macht, desto dankenswerther ist
jeder Versuch, diesem Bedürfnisse nicht bloß durch Darlegung rein
subjectiver Anschauungen und Vorschläge, sondern auf dem Wege gründlich
historisch-ästhetisch-theologischer Wissenschaft abzuhelfen. Der
Verfasser vorgenannter Schrift, der schon durch manche schätzenswerthe
Arbeiten den Ernst seiner Forschung, richtigen Tact und historischen
Sinn in der Wissenschaft der Liturgie bewährt hat, legt uns hier den
praktischen Versuch einer liturgischen Anleitung vor, zur würdigen
Feier der heiligsten Zeit des Kirchenjahres, der stillen Woche, in die
ja »der Wendepunkt der Weltgeschichte in ihrem höchsten Sinne als der
Geschichte Gottes auf Erden« fällt.
Praktischer Commentar über den ~Jesaja~ mit exegetischen und
kritischen Anmerkungen von =F. W. C. Umbreit=. 2 Theile. 2-1/4
Thlr.
Was der Verfasser in seinen früheren Commentaren, besonders über
das Buch Hiob und die ~Sprüche Salomo's~, für die Befriedigung
der kritisch-wissenschaftlichen Anforderung, in seiner späteren
»Uebersetzung und Erklärung auserlesener ~Psalmen~« zur christlichen
Erbauung aus dem alten Testamente in geschiedener Weise zu leisten
gesucht, wird dem Leser in diesem angefangenen Werke über die
~Propheten~ des alten Bundes in einer praktischen Vereinigung
geboten. Man hat den Verfasser öfters mit ~Herder~ zusammengestellt,
und von einem poetischen Gesichtspunkte aus betrachtet, dürfte man
gegenwärtige Schrift gar wohl als die längst gewünschte Fortsetzung
von dem berühmten »Geiste der hebräischen Poesie« ansehen, aber der
unparteiisch Prüfende wird dieselbe philologisch-kritisch gründlicher
und dogmatisch-christlich bestimmter finden. Das Werk scheint einem
lebhaft gefühlten Bedürfnisse der Zeit entgegenzukommen. Der praktische
Theolog wird sich beim Gebrauche desselben auf wissenschaftlichem Boden
erkennen, und der gelehrte Exeget von einem lebendig-religiösen Geiste
ergriffen fühlen.
~Die heiligen Geschichten des Alten Testaments~ nach ihrem Geiste
dargestellt, in welchem sie innerlich wollen erlebt seyn, zur Lehre
und Erbauung für Lehrer, Eltern etc., von =Chr. Fr. Georgi=. 2
Thle. ~Hamburg~ und ~Gotha~, Verlag von ~Friedrich~ und
~Andreas Perthes~. 1-3/4 Thlr.
~Christliche Apologetik.~ Von +Dr.+ =Carl Heinrich
Sack=. Zweite sehr umgearbeitete Ausgabe. 2 Thlr.
Diese nach mehr als zwölf Jahren seit der ersten erscheinende
zweite Ausgabe behält die frühere Richtung des Buchs: Auffassung
des Christenthums als der weder in Philosophie noch in Geschichte
aufzulösenden wahren Religion durch Philosophie und Geschichte, bei.
Die leitenden Begriffe werden in einem neu hinzugekommenen allgemeinen
Theile begründet, in welchem die Religion als Idee, als Thatsache und
als Vermittelung der Idee und Thatsache dargestellt wird. Die früheren
fünf Grundbegriffe sind demgemäß unter drei zusammengefaßt, welche den
drei Hauptabschnitten des besondern Theils vorstehen: Positivität, Heil
und Vollendung. Unter diesem letztern Abschnitte sind die Begriffe
Gemeine und heil. Schrift mit dem zu ihnen gehörigen Stoffe behandelt.
Ueber zwei Drittheile des Buchs sind mit Rücksicht auf neuere
Entwickelungen und Einwürfe neu ausgearbeitet.
=A. Neander=, Geschichte der Pflanzung und Leitung der
christlichen Kirche durch die ~Apostel~. 2 Theile. ~Dritte~
vermehrte Auflage. 3-5/6 Thlr.
=A. Tholuck=, Predigten über die Hauptstücke des christlichen
Glaubens und Lebens. ~Zweite~ unveränderte Auflage. 2 Theile.
3-1/2 Thlr.
=H. Ritter=, Geschichte der ~christlichen~ Philosophie. 1.
und 2. Theil. 5 Thlr.
=Friedrich Hurter=, Geschichte Papst Innocens III. und seiner
Zeitgenossen. 4 Thle. 3-1/3 Thlr.
=G. C. H. Stip=, Beleuchtung der Gesangbuchsbesserung. 1. Abthl.
1-1/2 Thl.
=C. Ullmann=, über die Sündlosigkeit Jesu. 4. Aufl. 1 Thlr.
=Theod. Schwarz=, Sonntagsgespräche über christliche Erziehung.
Ein Volksbuch. 1 Thlr.
Fußnoten:
[1] Suso's Leben und Schriften, herausgegeben von Diepenbrock. Mit
einer Einleitung von J. Görres, Regensburg, 1837.
[2] Dieser Aufsatz findet sich in seiner Schrift: »Zur Geschichte der
deutschen Litteratur.« Königsberg, 1836.
[3] +Echard's und Quetif's Scriptores ordinis praedicatorum, Par. 1719.
fol. T. I. pag. 507+, und Carl Schmidt's Untersuchung über Eckart in
Ullmann's und Umbreit's theologischen Studien und Kritiken 1839, 3tes
Heft.
[4] Die wenigen an und für sich unbedeutenden biographischen Notizen
können nachgesehen werden in der Einleitung zur neuen Frankfurter
Ausgabe von Taulers Predigten (1826), in Diepenbrock's »Suso's Leben
und Schriften« und in Engelhardt's »Richard von St. Victor und Johannes
Ruysbroock.« (Erlangen, 1838.)
[5] Münscher's Dogmengeschichte. 3te Auflage. 2ter Hälfte 1ste Abth.
309.
[6] Gerson handelt hierüber ausführlich in seiner +epistola ad fratrem
Bartholomeum Carthusiensem+.
[7] Gieseler, Kirchengesch. Bd. 2. Abth. 2. 3te Aufl. 409. Möhler's
neue Untersuchungen der Lehrgegensätze zwischen den Katholiken und
Protestanten, Excurs über Amalrich von Bena. +pag.+ 435.
[8] +Negabant resurrectionem corporum dicentes nihil esse Paradisum
neque infernum, sed qui haberet cognitionem dei in se, quam ipsi
habebant, habere in se Paradisum.+ Cäsar Haisterbach bei Möhler, neue
Unters. 443.
[9] Gieseler, 627.
[10] Ebendas. 629.
[11] Die Bulle gegen Eckart findet sich ausführlich bei +Raynaldus ad
annum+ 1329; das Wichtigste ist von Gieseler und Schmidt mitgetheilt.
[12] Münscher, Gieseler, Hase.
[13] Er (Eckart) hat aller Wahrscheinlichkeit nach nur ~insgeheim~ der
Secte angehört. Stud. u, Krit. 1839, 3s H. 667.
[14] Von diesen wollen wir nur Art. 26 ausheben: +Omnes creaturae sunt
unum purum nihil; non dico quod sint quid modicum vel aliquid, sed quod
sint unum purum nihil+; und Art. 21: +pater generat me suum filium;
quidquid deus operatur, hoc est unum, propter hoc generat me suum
filium sine omni distinctione+.
[15] Vielleicht finden sie sich auch in der Hamburger Ausgabe, 162(5)?
[16] Seine Schriften von Schmidt nah Trithemius angeführt. In Docen's
Miscellanea zur Geschichte der deutschen Litteratur, München 1809.
1. B., findet sich von einem unbekannten Mystiker des 14ten Jahrh.
ein Tractat über die mögliche und wirkliche Vernunft, der mehrere
Citate von Eckart enthält. -- Ueber die Schriften Taulers und Suso's
vergleiche man die Einleitungen zu den angeführten Ausgaben.
[17] Armuth ist eine Gleichheit Gottes. Was ist Gott? Gott ist ein
abgeschieden Wesen von allen Creaturen. Ein frei Vermögen. Ein lauter
Würken. Also ist Armuth ein abgeschieden Wesen von allen Creaturen. Was
ist abgeschieden? Das an Nichts haftet. Armuth haftet an Nichts und
Nichts an ihm. Tauler's Nachfolge des armen Lebens Jesu Christi. 1.
[18] Hegel's Aesthetik. 1. B. 474. Tholuck's Blüthensammlungen zur
orientalischen Mystik.
[19] So in seinem Werke von der himmlischen Hierarchie. Vgl.
~Engelhardt~, die angeblichen Schriften des Areopagiten Dionysius.
[20] +Bonaventura's itinerarium mentis+, die Einleitung.
[21] Engelhardt, Johannes Ruysbroock, +pag.+ 226.
[22] Diese Wendung findet sich häufig bei Tauler, besonders in seinen
Weihnachtspredigten.
[23] Tauler Pr. 2. B. 73: Kinder, ihr sollt nicht nach großen, hohen
Künsten fragen. Gehet einfältig in euern Grund inwendig und lernet
euch selber im Geist und in Natur erkennen, und fragt nicht nach der
Verborgenheit Gottes, von seinem Ausfließen und Einfließen von dem Icht
in das Nicht, und dem Funken der Seele in der Istigkeit, denn Christus
hat gesprochen: Euch ist nicht Noth zu wissen von der Heimlichkeit
Gottes. Darum sollen wir einen wahren, ganzen, einfältigen Glauben
halten.
[24] Man vergleiche das tadelnde Wort des Apostels Kol. 2, 19: »οὐ
κρατῶν τὴν κεφαλήν, ἐξ οὗ πᾶν τὸ σῶμα.«
[25] Wie er beging den Maien, +pag.+ 25.
[26] Diese Schilderung findet sich außer an anderen Stellen in der
Frankfurter Ausgabe von Tauler 1720, als ein Anhang zur +medulla
animae+. Aus inneren Gründen scheint sie Eckart anzugehören, welches
auch von dem vorhergehenden Capitel gilt, welches etliche kurze
Tischreden Eckart's enthält unter der Ueberschrift: Meister Eckart's
Wirthschaft von wahrhafter Armuth des Geistes.
[27] Von etlichen Visionen +pag.+ 15. Unter andern erschien ihm auch
der selige Meister Eckart.
[28] Man vergleiche z. B. die Entwickelung bei +Hollaz de gratia
inhabitante+.
[29] Proben vom ursprünglichen Styl Eckart's und Tauler's finden sich
nach alten Handschriften in Wadernagel's altdeutschem Lesebuch. Basel
1836.
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEISTER ECKART ***
Updated editions will replace the previous one—the old editions will
be renamed.
Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
law means that no one owns a United States copyright in these works,
so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United
States without permission and without paying copyright
royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part
of this license, apply to copying and distributing Project
Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™
concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark,
and may not be used if you charge for an eBook, except by following
the terms of the trademark license, including paying royalties for use
of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for
copies of this eBook, complying with the trademark license is very
easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation
of derivative works, reports, performances and research. Project
Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away—you may
do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected
by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark
license, especially commercial redistribution.
START: FULL LICENSE
THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work
(or any other work associated in any way with the phrase “Project
Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full
Project Gutenberg™ License available with this file or online at
www.gutenberg.org/license.
Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™
electronic works
1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
and accept all the terms of this license and intellectual property
(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
the terms of this agreement, you must cease using and return or
destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your
possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a
Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound
by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person
or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.
1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be
used on or associated in any way with an electronic work by people who
agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works
even without complying with the full terms of this agreement. See
paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this
agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™
electronic works. See paragraph 1.E below.
1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the
Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual
works in the collection are in the public domain in the United
States. If an individual work is unprotected by copyright law in the
United States and you are located in the United States, we do not
claim a right to prevent you from copying, distributing, performing,
displaying or creating derivative works based on the work as long as
all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope
that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting
free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™
works in compliance with the terms of this agreement for keeping the
Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily
comply with the terms of this agreement by keeping this work in the
same format with its attached full Project Gutenberg™ License when
you share it without charge with others.
1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
what you can do with this work. Copyright laws in most countries are
in a constant state of change. If you are outside the United States,
check the laws of your country in addition to the terms of this
agreement before downloading, copying, displaying, performing,
distributing or creating derivative works based on this work or any
other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no
representations concerning the copyright status of any work in any
country other than the United States.
1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:
1.E.1. The following sentence, with active links to, or other
immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear
prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work
on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the
phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed,
performed, viewed, copied or distributed:
This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
of the Project Gutenberg License included with this eBook or online
at www.gutenberg.org. If you
are not located in the United States, you will have to check the laws
of the country where you are located before using this eBook.
1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is
derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not
contain a notice indicating that it is posted with permission of the
copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in
the United States without paying any fees or charges. If you are
redistributing or providing access to a work with the phrase “Project
Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply
either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or
obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™
trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9.
1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any
additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms
will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works
posted with the permission of the copyright holder found at the
beginning of this work.
1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™
License terms from this work, or any files containing a part of this
work or any other work associated with Project Gutenberg™.
1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
electronic work, or any part of this electronic work, without
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
active links or immediate access to the full terms of the Project
Gutenberg™ License.
1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including
any word processing or hypertext form. However, if you provide access
to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format
other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official
version posted on the official Project Gutenberg™ website
(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense
to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means
of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain
Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the
full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1.
1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works
provided that:
• You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method
you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed
to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has
agreed to donate royalties under this paragraph to the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
within 60 days following each date on which you prepare (or are
legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
payments should be clearly marked as such and sent to the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation.”
• You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™
License. You must require such a user to return or destroy all
copies of the works possessed in a physical medium and discontinue
all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™
works.
• You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
receipt of the work.
• You comply with all other terms of this agreement for free
distribution of Project Gutenberg™ works.
1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than
are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of
the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set
forth in Section 3 below.
1.F.
1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™
electronic works, and the medium on which they may be stored, may
contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate
or corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged disk or
other medium, a computer virus, or computer codes that damage or
cannot be read by your equipment.
1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right
of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.
1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from. If you
received the work on a physical medium, you must return the medium
with your written explanation. The person or entity that provided you
with the defective work may elect to provide a replacement copy in
lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
or entity providing it to you may choose to give you a second
opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
without further opportunities to fix the problem.
1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO
OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of
damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
violates the law of the state applicable to this agreement, the
agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
remaining provisions.
1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg™
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any
Defect you cause.
Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™
Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.
Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.
Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.
The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact
Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation
Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.
The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.
While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.
International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.
Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works
Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.
Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.
Most people start at our website which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org.
This website includes information about Project Gutenberg™,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.