Der Weihnacht-Abend

By Gustav Schilling

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Title: Der Weihnacht-Abend

Author: Gustav Schilling

Release Date: December 21, 2016 [EBook #53780]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WEIHNACHT-ABEND ***




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                      [Illustration: Tollkühner!]




                                  Der
                            Weihnacht-Abend.


                                  Von
                           Gustav Schilling.


                              Wien, 1817.
                           Bey Anton Pichler.




                                  Der
                            Weihnacht-Abend.




                            Erstes Kapitel.


Der Nordwind blies, der Schnee fiel in großen Flocken, die Regenschirme
zärtlicher Eltern und Liebhaber bedeckten den Christmarkt. »Laßt mich
ein Kind seyn!« sprach Woldemar und zog seinen Freund in das
sehenswerthe Gedränge. Hier feilschten Mädchen eine Wiege, dort stand
der grämliche Küster unter einer Glorie von Hannswürsten, der General
vor dem Stalle zu Bethlehem, der Staats-Rath unter Steckenpferden. Eine
Reihe neugebackener, reich versilberter Potentaten lockte die
täuschbaren Kinder an.

»Hierher meine gnädigen Herrn!« rief des Hof-Conditors süße Rosine.
»Sehen Sie nur die schöne Bescheerung. Rosseaus Grab, Harlekins
Hochzeit, Mariä Verkündigung und diese niedliche Papagena.« Die Freunde
traten näher, besahen das Grab, die Hochzeit, das Mädchen selbst.
Lachend verglich sie Julius der Vogelfängerin, Woldemar aber erröthete,
denn nur ein Säugling bedeckte Papagenas gesegnete Brust; die
Verlegenheit macht' ihn zum Käufer und Rosine öffnete dankbar ihr
Döschen, um ihn mit ächten Diabolini's zu bewirthen. Der Adjutant störte
die Gäste. Wenn es Dir, »sprach er zu Woldemar« anders noch Ernst damit
ist in das neue Frey-Corps zu treten so eile, Dich dem General
vorzustellen. Er steht im Begriff zu der Armee abzugehn.

Wisse Freund, »erwiederte dieser« daß mein Schicksal in den Händen einer
unschlüssigen Fee liegt, die mich bald anzieht, bald entfernt, mir heute
räth in den Krieg zu ziehen, mich morgen dann nicht lassen will -- Doch
soll es sich noch heut entscheiden. Damit steckt' er die wächserne
Papagena ein und verschwand unter dem Haufen.




                            Zweytes Kapitel.


Herr Wahl, der Oheim, und Vormund dieser Schicksals-Göttin saß indeß
daheim vor dem Hauptbuch, freute sich der eben gezogenen Bilanz, hieß
den Seidenhändler Merker viel freundlicher als sonst willkommen und
sprach sofort vom Curs, von Geschäften, vom plötzlichen Fall eines
bedeutenden Hauses. Herr Merker schnippte den Staub von seinem Ermel,
zog den Stockknopf vom Munde, räusperte sich und rief: »Was fällt das
fällt! Wir, denk' ich, bleiben stehen.«

So Gott will! brummte der Alte und faltete in stiller Andacht seine
Hände.

Ich stehe gut.

Ist mir bekannt.

Doch immer noch auf Freyers Füßen. Geduldig zwar, doch auch zuweilen mit
Ungeduld. Wenn Ihre Jungfer Nichte sich endlich nun entschliessen wollte
-- oder bereits entschlossen hätte -- Wie?

Dann »fiel der Oheim ein« wäre uns beyden geholfen, denn das Mädchen ist
meine einzige Sorge. Ich sollte mich ärgern, aber das hilft nichts --

Ein Machtwort sprechen, Herr Kollege, ein Machtwort --

Da sey Gott für! Der gab ihr ja, wie uns, den freyen Willen.

So? -- Ja! und vier Liebhaber zu meiner Plage.

Bedeuten nichts! den einen haßt, den andern verachtet sie, der dritte
ward ihr verdächtig, der vierte endlich ist ein armer Teufel. Ohne
Mittel, ohne Tittel, ein Herr _von_ -- _von nichts_ sag' ich Ihnen.

Das sind die Schlimmsten --

Ein redliches Gemüth übrigens --

Heuchelschein! Dem sollten Sie das Haus verbiethen!

Ey bewahre! Herminchen sieht ihn nicht ungern, und wer ihr zusagt, den
nehme sie. Die Bräute sind wie Lämmer zu betrachten, die zur
Schlachtbank geführt werden; wie arme Sünderinnen denen denn, nach
hergebrachter, christlicher Sitte, jedes billige Verlangen allerdings zu
gewähren ist. Um ihrer selbst willen nimmt sie ja doch keiner. Den einen
kirrt der Mutterwitz, den andern ein Grübchen, den dritten nichts
besseres: Sie und Ihres Gleichen -- solide Leute mein' ich -- die
Mitgift. Und was wird ihr denn für die und für jenes? Evens Erbtheil!
die herbe Knechtschaft, Schmerz und Jammer. Wir gehen indeß ein bischen
da- ein bischen dorthin und gehaben uns wohl.

Hermine hüpfte jetzt herein, an dem Freyer vorüber zum Onkel hin,
welcher nach einem leisen, scherzhaften Wortwechsel das Zimmer verließ.
Sie wollt' ihm folgen als Herr Merker unter steifen Verbeugungen ihren
Arm ergriff und Anstalt zu einem Handkuß machte. Das Mädchen zog den Arm
zurück, er folgte ihr mit gespitztem Munde, bald tief hinab, bald in die
Höhe nach und immer lauter lachte sie, und immer schneller flog die Hand
bald rechts, bald links um seinen Scheitel. Der Geneckte ließ jetzt ab;
doch stampfte er ein wenig mit dem Fuße. Hermine zog einen niedlichen
Pantalon aus dem Ridikül, bedeckte ihn mit Küssen, nannt ihn mit süßen
Nahmen, ließ das Männchen aus ihrer Hand in die seine hüpfen und sprach
»Den bescheerte mir der heilige Christ.«

Herr Merker sah in dem Sprunge des Püppchens ein Merkzeichen ihrer
Gunst. »Da hab ich mich besser angegriffen!« rief er, an seine Tasche
schlagend.

Wahrhaftig? O, ich glückliche. Und das konnten Sie über sich gewinnen?

Was seyn muß, muß seyn! sprach er mit Achselzucken.

Nun, so bescheeren Sie denn! Wir werden ja sehen. Die Gabe schildert den
Geber, sie ist das Probemaß seines Geschmacks, und seiner
Empfindungs-Weise.

Für's erste »hob er an« etwas Sammt zu einer Besetzung, und der ist
_extra_, Theuerste! Dann diesen Ring; ein Erbstück von der seligen
Großmutter. Solche Kleinodien machen sich rar. Endlich und zuletzt einen
sogenannten Koselschen Gulden den ich in Ihrer Münz-Sammlung vermißte --
Wenig mit Liebe. Nehmen Sie! Ohne Widerrede!

Das Mädchen ließ den Sammt auf die Tafel, den Ring in seinen Hut, und
das seltene Kabinets-Stück zu Boden fallen, drehte sich unter einem
hellen Gelächter um ihre Achse und verschwand.

Herr Merker wußte nicht wie ihm geschah. Ein sauberes Lamm! »sprach er
endlich« Ey wenn Du doch heute noch auf die Schlacht-Bank geführt
würdest!




                            Drittes Kapitel.


Ein Anbether folgte heute den andern, doch Hermine ließ sich verläugnen,
sandte ihre Kains Opfer zurück und sah vergebens bis zum Abend dem
einzigen Willkommenen entgegen. Woldemar ließ sich nicht blicken. Sie
zögerte mit dem Nacht-Essen, sie eilte von Minute zu Minute ans Fenster
und als der Onkel endlich zu Bette ging, voll Mißmuth in ihr
Schlafgemach. »Der Undankbare!« schalt das Mädchen und warf den
Ueberrock ab. »Der Bestandlose!« fuhr sie fort, und löste mit Ungestüm
die Schleifen. »Der Verblendete!« setzte sie seufzend hinzu und nahm
jetzt befremdet eine wächserne Papagena wahr. Lächelnd saß das Püppchen
unter dem Spiegel; es lag ein Notenblatt zu seinen Füßen. _Er ist Dir
nah!_ sprach der Text --

   Er ist Dir nah, er lauscht am Freuden-Quelle.
   Des Kühnen Muth, der Sehnsucht heiße Welle,
   Der Liebe Schmerz dräng ihn zur stillen Zelle
   In's Heiligthum der Zauberin.

Hermine ließ das wahrsagende Blatt fallen und warf bestürzt ihre
leuchtenden Augen umher, da rauschte der Vorhang des Alkovens und
Woldemar trat, einem Genius gleich, aus dem Dunkel. Sie wollt' ihrem
Mädchen rufen, wollte zürnen, wollte fliehen und floh -- in seinen Arm.
»Tollkühner!« stammelte sie unter den Küssen des Jünglings. Er zog die
Liebliche an's Herz, ihre Thränen bedeckten ihn; sie verbarg das
glühende Gesicht an seiner Brust. »Mein also?« rief er aus. »O
himmlische Weih-Nacht!«




                            Viertes Kapitel.


Früher als zu fürchten stand, ging Merkers letzter Segen in Erfüllung.
Woldemar kehrte spät genug von dem Freuden-Quelle zurück; seine Wangen
brannten, seyn Herz bebte; er sah begeistert zu den verblichenen Sternen
auf, im Morgenroth die Farbe der Braut, im Wolkenflug den Tanz der
schönsten Horen: entzückende, bedeutungsvolle Träume reiheten sich an
die selige Wirklichkeit und auch diese erschien ihm, als er am hohen
Mittag erwachte, nur wie ein Trugbild des Phantasus, denn die feurige
Welle deren das Notenblatt gedachte, trug ihn weit über die Grenze
seines Willens und seiner Erwartung hinaus.

Gestern erst hatte der Verschlossene, von dem Adjutanten gedrängt,
einige Worte über das Geheimniß seines Herzens verlohren. Jetzt war der
Wurf gelungen, jetzt sollte Julius sich mit ihm freun, jetzt sollte der
Wildfang in Herminens Nähe geführt, von ihrer Anmuth gewonnen, von ihrem
Werth ergriffen, erleuchtet von dem Himmelsglanz dieser Seele, zu dem
längst verscherzten Glauben an die sittliche Güte des bessern
Geschlechtes zurückkehren. Lästige Besuche hielten ihn fest, es war
schon Abend, als Woldemar in des Freundes Behausung kam. Zwar fand er
sie verschlossen, aber er hatte Licht gesehn, schlich, vertraut mit den
Zugängen durch eine Hinterthür und trat, überraschend genug, in's
Kabinet. Julius sprang aus dem Arm eines Mädchens empor, das sich laut
schreiend aufraffte und durch die offene Thür entfloh. Woldemar stürzte
ihr nach. »Hermine!« rief er, aber sie war unter dem Schutze der Nacht
verschwunden. Er stand erstarrt auf offener Straße. Daß sie es war, litt
keinen Zweifel, der Irrthum lag ausser dem Gebiete der Möglichkeit. Er
hatte ihr Gesicht gesehn, jeden Zug unterschieden. Das war ihr
Hauskleid, das ihr Palatin und das sein Liebling unter ihrem Häubchen.

»Du Störenfried!« sprach Julius der ihm gefolgt war. Sage mir »fragte
Woldemar« auf Deine Seele frag ich Dich, war das die Wahl?

Julius schwieg betroffen still. Sie war's! gestand er endlich. Sie
war's? rief jener aus und schlich sich heim. Der Zustand seines Gemüths
kann leichter empfunden als beschrieben werden. Unglücklicher »sprach
sein Gewissen« wie mancher Pflicht hast Du entsagt, wie manches Glück
verschmäht, wie manche Blume der Jugend hingeworfen, um der Eigensucht
deines Götzen, den Launen einer Buhlerin zu fröhnen! Der Adjutant
unterbrach dieses heilsame Selbst-Gespräch. Noch immer »sagte er« läuft
Dir das Glück nach. Ich komme jetzt um anzufragen, ob Dich die
räthselhafte Göttin deren Du gestern gedachtest auch heute noch am
Ziegel hält? Woldemar wendete sich schaamroth ab. Jener drehte ihn
schnell um seine Achse, sah ihm tief in die unstäten Augen und sprach
»Täuscht mich nicht alles, so ward die Fee zur Furie, oder zur Hexe,
oder zum unerbittlichen Schicksal. Hin ist hin! Ermanne Dich, tritt zu
den Freykorps. Der Würgengel ist ein wohlthätiger Genius, der alle diese
zwerghaften Quälgeister des Stilllebens austreibt und die entarteten,
verzauberten Männer von dem Rocken ihrer Omphale losschließt; das Bett
der Ehre ist reitzender als das der Schäferin, und der Riese der Gefahr
minder furchtbar als eine schmollende Tyrannin mit dem feindseligen
Gesindel ihrer Grillen.«

Führe mich zum General, »fiel Woldemar erheitert ein« ich bin der Deine.
Mit Freuden weih ich mich von nun an dem Tode.

Schlag ein! »entgegnete der Adjutant, und drückte ihn an seine Brust.«
Hand in Hand zum ernsten Waffentanze! Bestelle Dein Haus, wir gehn nach
wenigen Stunden zur Armee ab.




                            Fünftes Kapitel.


Als Julius am Morgen der schlaflos hingebrachten Nacht zu dem Freund
eilte, um sich von der eigentlichen Triebfeder seines gestrigen
Ueberfalls und Benehmens zu unterrichten, klopft' er lange ungehört an
alle Thüren. Endlich kam der Wirth herbey, beklagte den Verlust eines so
lieben Hausgenossen, erzählte dem Baron, daß ihm Woldemar einige Koffer
in Verwahrung gegeben und vor Tage noch mit Extrapost abgereist sey.
Dieser bestand auf einem Briefe, welchen sein Freund nothwendig für ihn
zurückgelassen haben müsse und vermochte den Wirth die Zimmer zu öffnen,
doch fand sich nirgends ein solcher vor, wohl aber lag Herminens
Schattenriß zerrissen am Boden. Julius begriff so wenig wie sich dieß
Bild zu dem Geflohenen, als gestern Woldemar, wie das Original in die
Arme des Barons sich habe verlieren können. Erblassend las er die Stücke
auf und kehrte, jenem gleich, von Mißtrauen, Aerger und Argwohn
gefoltert, zurück.

Woldemar zog indeß in Erinnerungen an den kurzen Göttertraum seines
Lebens versunken, dem fernen Ziele der neuen Bestimmung entgegen und
verwünschte diese bereits, als er sich, um ihm die nöthigen
Vorkenntnisse zu verschaffen, im Rücken der Armee, bey dem Depot des
Regiments angestellt sah. Die Edelfrau des Rittersitzes auf dem man ihm
sein Quartier anwies, empfing den erstarrten, mit Eis und Schnee
bedeckten Officier aufs wohlwollendste und führte ihn unter herzlichen
Aeußerungen von Theilnahme in ein freundliches Stübchen, das mit allen,
lang entbehrten Bequemlichkeiten versehen war. Ueberall sprachen ihn
Bilder des Friedens, Symbole eines schön geordneten Lebens an; er sah in
der gütigen Baronin seine selige Mutter, in dem holden, geschäftigen
Fräulein den Schutzgeist des Hauses, in ihrer reitzenden, geistvollen
Gesellschafterin den traulichen Genius der Freundschaft. Die Wolken des
tiefen, lang genährten Unmuths brachen sich, ein heller Sonnenblick fiel
in sein Herz.

Woldemar eilte, sich umzukleiden und wartete der Baronin auf. Sie nahm
das Wort, unterhielt ihn von den unseligen Früchten des Kriegs, von den
Schrecken die er verbreitete, von der Angst in die er sie schon oft
versetzt, von dem hoffnungsvollen, einzigen Sohne, den ihr die erste
Schlacht geraubt habe. Der Zuhörer hatte indeß bald zu dem Flügel auf
dem Auguste nur einzelne, leise Töne anschlug, bald an den Nähtisch der
Gesellschafterin hingesehen, hatte des Fräuleins blonde Locken mit
Julianens schwarzen Flechten, ihr blaues, himmelreines Auge mit diesen
dunkeln, misterischen, Augustens zarten, wie von Geisterhand gewebten
Bau mit der üppigen Fülle der Frau von Wessen verglichen, die ihm jetzt
als die Wittwe des Gefallenen vorgestellt ward. Auguste hörte kaum des
verlohrnen Bruders gedenken, als ihre Hand unwillkührlich ein Adagio
anschlug; schnell aber zog sie sich zurück, um den Perlen des
schwesterlichen Thränen-Opfers zu begegnen: Frau von Wessen hingegen
nähete gleichmüthig fort und sprach mit süßem Silberton »O, lassen wir
ihn ruhn, _ma mere_! Welche Hölle wird das Leben, wenn uns der schwarze
Geist der Vergangenheit die Genüsse der Gegenwart verkümmern darf. Ich
für meinen Theil habe mich gewöhnt jeden Abend aus der Lethe zu trinken,
um mit jedem Morgen zu einem neuen Leben aufzustehen.«

Auf diesem Wege »entgegnete Woldemar« wird uns der schwarze Geist
allerdings immer gerüstet finden und keine lächelnde Hore ungenossen
vorüber fliehen. Verständ' ichs nur mich an den heiligen Strom zu
betten.

»Der Wille macht ihn dienstbar« entgegnete Julie.

»Der Leichtsinn vielmehr!« fiel die Baronin ein.

»Die göttliche Gabe!« erwiederte jene. Wir klagen fort und fort ein
Schicksal an, daß nur den Feigen geißelt und verfolgt. Aber man ziehe
doch -- es gilt den Versuch -- jede vorschnelle Sorge für die Zukunft,
jede unnütze Nachwehe der Vergangenheit, jede Distel des ziellosen
Stunden-Kummers aus dem Strauß eines Jahres, und ich bin gewiß daß uns
der freundliche Rest mit den wenigen, unvertilgbaren Dornen versöhnen
wird.

Die Baronin, welche nach Art allezeitfertiger Kreuzträgerinnen Geschmack
am Leide, Zerstreuung in der Klage, Genuß im Kummer fand und wie jene
der Hoffnung lebte, dort um so herrlicher zu prangen, je demüthiger und
zerknirschter sie sich hier unter der Hand Gottes gekrümmt habe, bewies
in einer ausführlichen Gegenrede die Unzureichbarkeit dieses Receptes.
Auguste blätterte in ihren Noten, Woldemar aber warf bereits, dem Rathe
gemäß, den verdächtigen Freund und die tugendlose Braut aus dem Kranz
seines Lebens, um ihn durch jene glühende Rose und dies liebliche, mit
dem Himmelsthau der Thränen bedeckte Veilchen zu ergänzen. Selbst seine
Anstellung bey dem Depot, vorhin eine Quelle des Mißmuths, ward jetzt
als eine göttliche Schickung ganz ohne Murren hingenommen und der
liebenswerthe Gast kehrte erst spät am Abend, von dem Wohlwollen der
Töchter und dem Zutrauen der Mutter begleitet, in das heimliche Stübchen
zurück.




                           Sechstes Kapitel.


Schnell genug »schrieb ihm Julius bald darauf« hat sich das seltsame
Räthsel, welches uns entzweyte und den friedlichen Schäfer zum Wehrwolf
machte, gelöst. Der Freund eilt deshalb, den unschuldigsten aller jetzt
lebenden Freybeuter mit Aufschlüssen zu versehen, die Dich ohnfehlbar
aus dem eisernen Felde an das Herz einer viel süßern Beute zurückführen
werden.

Ich kam, wie Du weißt, im November von Paris zurück, bezog mein
gegenwärtiges Quartier, stellte mich aus angestammter Galanterie den
sämmtlichen Hausgenossen vor und fand im Laufe dieser Arbeit einen
Schatz der weder von Tanten noch Riesen, noch Drachen bewacht, des
Schutzes dennoch mehr als einer bedürftig schien. Das einsame Mädchen
ließ mich zu wiederholten Mahlen die Schelle ziehen. Sie sah, (ich
merkte es deutlich) durch's Schlüßelloch, öffnete endlich, im Glauben an
die Arglosigkeit, welche ich während dieser Besichtigung auf Stirn und
Lippe treten ließ, das enge Dachstübchen, führte mich über eine Saat von
Flohr-Schnitzeln zu dem einzigen Stuhle hin und nahm, dem Gaste
gegenüber, auf ihrem Bettchen Platz. Ich verglich sie nach den ersten
Begrüssungen der Perl, die des Zufalls Laune in eine unscheinbare
Wohnung vergräbt, sie aber bestand darauf nur ein Blümchen zu seyn, das
des Zufalls Spiel vor kurzem hergeweht habe. Ein Wort veranlaßte das
andere, meine Theilnahme erweckte Vertrauen, die reiche Stickung meines
Kleides Hoffnungen auf einen Engel vom Himmel, und so erfuhr ich denn,
daß die bildschöne Putzmacherin ein Kind der Liebe, daß sie um gewisse
Rechte geltend zu machen, hieher gekommen sey und sich bis zu Austrag
dieser Angelegenheit von der Arbeit ihrer Hände nähre. Du glaubst nicht
wie reitzend Therese durch dieß Geständniß in meinen Augen ward, mit
welcher Schonung, welchem himmlischen Erröthen sie ihrer Mutter, in
wenig leisen, kaum vernehmbaren Tönen jener Schwäche zieh, wie sichtlich
es ihr weh that, vom jungfräulichen Zartgefühl gebunden, den Fehltritt,
welcher der Erde eine Grazie gab, unentschuldigt lassen zu müssen. Ich
that es jetzt an ihrer Statt, und gebehrdete mich so ehrbar und zierlich
wie der Engel der Verkündigung in alten Comödien. Auch wollte Therese
bereits von der Frau Wirthin eine Schilderung meiner mannigfaltigen
Vorzüge vernommen haben, und es kostete mir nicht wenig, die Frau
Hausbesitzerin der Partheylichkeit zu bezüchtigen. Jetzt gab es endlich
eine Pause. Sie machte, des Lebewohls gewärtig, eine leise Bewegung, ich
aber hielt noch unverrückt das Wasserglas und zwey Semmel-Schnitten,
wahrscheinliche Reste ihres Mittags-Mahls im Auge und vermißte zu meinem
Verdruß den kecken Muth mit dem ich oft so mancher ihrer Schwestern
einen viel zweydeutigern Beystand geboten hatte. Es gibt »sprach ich
endlich im Ton der Weihe« es gibt der Wölfe die im Schafskleid, der
Satans Engel, die im Lichtgewand guter Genien einhertreten, so viele --
so viele -- daß -- »Ein Blick in ihre hellen, lauschenden Augen brachte
mich so schnell um die Folgerung, daß ich in der Verlegenheit, mit der
Hand einen Gedankenstrich durch die Luft beschrieb, und kleinlaut
fortfuhr« Kurz und gut! Sie dürfen mich unbedenklich als einen Vormund
ansehen, der Ihnen das väterliche Erbtheil schuldig blieb. Meine rechte
Hand faßte während der großmüthigen Erklärung die ihre, die linke warf
einige Dukaten in das halbvolle Wasserglas. Ich sah; ich setzte
vielleicht sogar -- Du glaubst mir das aufs Wort -- schon manches
Mädchen in Verlegenheit, doch sah ich keine je in einer reitzendern.
Sollte sie um den Vorschuß zurückzugeben, den Gesetzen des Anstandes
entgegen, vor meinen Augen Fischerey treiben? Die kleinen Finger
reichten, es sprang ins Auge, nicht zu dem Gold hinab; dazu machte der
reine Mangel an Gefäßen die Entfernung des überflüßigen Wassers
ohnmöglich, und der gütige Geber war verschwunden als sie noch im Kampfe
zwischen Schaam und Bedürfniß, wie Eva vor dem Gold-Fruchtbaum stand.
Erbaut von dieser guten That, wie mein Herz sie zu nennen beliebte,
gelob' ich mir noch auf der Treppe nie mehr als ihr Vormund werden zu
wollen, und treffe im Vorsaal auf den Jäger des Vaters, der mich an sein
Sterbebett bescheidet.

Ich eil' auf das Gut, find ihn im Sarge und im Gefolge seines Todes eine
Masse von Geschäften, die mich dort bis Weihnacht festhält.

Vergessen ist Therese, der Gedank' an sie ging in den Wunden des
Verwaisten, im Würbel ernster Zerstreuungen unter; eine süße Erinnerung
spricht mich bey der Rückkehr in meine Wohnung an. Ich gedenke der
gelobten Vormundschaft, widerrathe mir, den neulichen Besuch zu
wiederholen und sinne eben auf Mittel sie durch die dritte Hand mit
einem Weihnacht-Geschenk zu erfreuen, als man leis an meine Thüre
klopft. Sie thut sich auf, ein Engels-Köpfchen sieht in's Zimmer. Sind
Sie allein? fragt ihre Flöten-Stimme und Therese steht vor mir. Ich
schiebe, des Bedienten wegen, ihr unbewußt den Riegel vor und führe,
betroffener als sie selbst, die schüchterne, zitternde Taube zum Sopha.

Zu Ihnen »flisterte sie und drückte schneller als ich dem wehren konnte,
meine Hand an den rosigen Mund« Zu Ihnen darf sich wohl ein Mädchen
wagen?

Ich gestehe Dir, Woldemar, daß mein neuer Adam, eingedenk jenes
Gelübdes, sich jetzt ein wenig überhob und schon im Geiste die süßen
Zinsen abwies, die mir die gewissenhafte Schuldnerin ganz
augenscheinlich entgegen trug; daß mich daher die Schaamröthe um so
brennender überlief, als sie jene Goldstücke in die Hand des Lehners
drückte, und mit sichtlicher Rührung sprach -- Der gute Geist der mir
diesen Helfer erweckte, hat meine Sache geführt; hat mich in einer
gefürchteten Feindin, eine großmüthige Wohlthäterin finden lassen --

»Wohl nur einen Wohlthäter?« unterbrach ich sie, von dem grämlichsten
Unmuth übereilt, mit satirischem Lächeln. Therese sah mich schwer
beleidigt an -- so ohngefähr wie ein Engel den verhärteten Sünder
fixiren würde, und helle Wemuthsthränen fielen jetzt aus ihren Augen.
Sie fielen in mein Herz, es bat um Verzeihung; einem Verzückten gleich,
sprach ich von dem Sonnenglanz ihrer Unschuld, schlang den Arm um
Theresens Nacken und plötzlich standst Du, einem Nachtgespenst gleich,
vor der heiligen Gruppe. Das Mädchen entsetzt sich, springt nach der
Thür, flieht auf ihr Zimmer. Ich stürze Dir nach, erstaunt über den
lebhaften Antheil den Du an meinem Schützling nimmst. Ich sehe in diesem
Ueberfalle das Treiben der Eifersucht, und überzeuge mich des Angstrufs
eingedenk mit dem sie fortstürzt, um so schneller, daß diese Heilige nur
eine Heuchlerin, und Du selbst die vorgebliche Wohlthäterin seyst. Sie
zu entlarven eil ich nun nach ihrem Zimmer, es ist verschlossen; ich
höre sie schluchzen: vergebens drängen sich meine Beschwörungen durch
das ansehnliche Schlüsselloch. Ich sehe jetzt hindurch, sehe das Mädchen
auf seine Knie hingeworfen, die Hände gefaltet zum Himmel erhoben, und
in allen dem nur das Spiel einer Kokette die sich bemerkt weiß. Mein
Argwohn wird, als ich am Morgen Theresens Schattenriß zerstückt in
Deinem Zimmer finde, von neuem zur Gewißheit. Ich schreib' ihr, lege die
Stücke des Bildes bey, nenne sie einen Satans-Engel; zerreiße den
tobenden, halb fertigen Straf-Prediger, schreib' einen zweyten,
verbrenne die Kriegs-Erklärung und zwinge mich endlich zu dem dritten,
bescheidenern, auf welchen mir am folgenden Morgen die beyliegende, das
Räthsel erfreuend auflösende Antwort zukam. Du kannst denken, guter
Woldemar, wie feurig meine Reue, wie viel beschämender noch als die
gestrige, meine heutige Abbitte war --




                           Siebentes Kapitel.


So weit hatte Woldemar gelesen und still ergrimmt der Fabel gelacht mit
der man ihn jetzt, einem Kinde gleich, verblenden wollte, als plötzlich
in der Nähe Schüsse fielen. Er sah die Besatzung des Dorfs in regellosen
Haufen dem Schlosse zustürzen, warf den Brief samt der ansehnlichen,
noch ungelesenen Beylage auf den Tisch, griff zu den Waffen und eilte in
den Hof hinab.

Der Feind! rief ihm Frau von Wessen aus dem Keller-Halse nach;
ohnmächtig lag Auguste vor der Treppe. Er trug sie in den Arm der
Schwägerin. Der Feind! riefen die herbeyströmenden Rekruten und Woldemar
rief nach dem Hauptmann. Den aber hatte bereits eine Kugel getödtet und
alles floh nun dem Neuling zu.

Das Schloß war allerdings fest genug, es einige Stunden lang gegen ein
fliegendes Corps zu vertheidigen und da es die Geld- und
Feld-Geräths-Wagen des Regiments enthielt, ein Gegenstand von hoher
Bedeutung. Der Gärtner der Baronin hatte bereits die Zugbrücke
aufgezogen, der Verwalter die Thore zugeworfen, der Jäger jedem
dienstbaren Geiste seiner Herrschaft ein Gewehr in die Hand gedrückt.
Woldemar begriff die Möglichkeit einer solchen Erscheinung um so
weniger, da er sich vier Meilen hinter der Armee, von Truppen umgeben,
kurz in Abrahams Schooß wußte. Aber der kühne Partheygänger hatte sich
denn doch, trotz dem Heere das auf seinen Lorbern ruhte, von dem
Schnee-Gestöber begünstigt, durch das Gebürge geschlichen. Eben befand
er sich mit Geißeln, Brandschatzungen, und einer erbeuteten Kriegs-Kasse
beschwert auf dem Rückweg und würde die Wessenburg wohl ganz
unangetastet gelassen haben, wenn nicht Woldemars Hauptmann den Vortrab
des feindlichen Zugs, auf einen Dienstritt entdeckt, und sich ihm mit
allem was sich aufraffen ließ, in den Weg geworfen hätte. Der Kühne
fiel, und die Freyjäger flohen nun dem Schlosse zu, das der Führer des
Vortrapps mit Ungestüm angriff. Woldemar fühlte lebhaft was er den
Damen, dem Vaterland, der Ehre seines Degens schuldig sey und belebte
durch wenig erhebende Worte den gesunkenen Muth seiner Brüder. Ihr
Widerstand verwickelte den Feind der indeß von den herbey fliegenden
Schaaren seiner Verfolger ereilt, umringt und zusamt der gemachten Beute
gefangen ward.




                            Achtes Kapitel.


Als Woldemar am folgenden Morgen, von dem Schmerz einer empfangenen
Kopfwunde geweckt, aus tiefer Betäubung erwachte, stand die Baronin zu
des Bettes Häupten und Frau von Wessen neben ihr. Diese lächelte, jene
weinte, der Wundarzt gab den besten Trost; bald darauf erschien auch der
Adjutant; er warf ihm unter zweydeutigen Glückwünschen ein
Hauptmanns-Patent auf die Decke. Da siehst Du »sprach er« wie blind das
Glück, wie mächtig der Kriegs-Gott in den Schwachen ist. Dein
zufälliger, folgenreicher Widerstand hat Dir plötzlich einen Nahmen
gemacht und eine Stelle verschafft nach der ich seit zwanzig
Dienst-Jahren vergebens strebte. Eben kam auch Auguste herbey, sprach
von den Schrecken des Gefechts, von Woldemars Ritterdienst und seinem
Heldenmuth. Mutter und Schwägerin stimmten ein und der Adjutant kehrte
nach einem frostigen Lebewohl, mit verbittertem Gemüth auf seinen Posten
zurück. Woldemar sah jetzt -- wie am Morgen der Weih-Nacht in der er die
stille Myrte brach -- auch in dem schnell erworbenen Lorber nur ein
Gaukel-Spiel der Phantasie, in dem Patent nur ein Papier das ihn an
jenen Brief erinnerte, nach dem er jetzt, vom Fiebertraum erwacht, mit
Sehnsucht fragte. Vergebens suchte die Baronin das Stübchen, der
Bediente seine Taschen, der Wundarzt den Zwinger des Schlosses aus;
weder der Brief, noch die bedeutende Beylage war zu finden und der
herbey gerufene Jäger, welcher aus diesem Zimmer auf die Feinde schoß,
gestand daß er allerdings einige hier gelegene Papiere unbesehen zu
Pfropfen für sein Gewehr verbraucht habe.

Frau von Wessen bot sich dem Kranken zum Sekretär an, und er sagte ihr
mitten im Schmerz einige Zeilen für den verdächtigen Freund in die
Feder. Nur der Wohlstand konnte die holde Pflegerin für kurze Zeiträume
vor seinem Bett entfernen und diese zarte, unerschöpfliche Sorgfalt
gewann ihr schnell genug das erkenntlichste Herz. Julie errieth seine
Wünsche, seine Winke, seine Verhältnisse; scheuchte mit lieblichen
Liedern jede Grille, mit zarter Hand jede Winter-Fliege vom Bette des
Kranken, bot ihm die hülfreiche bey jedem Verbande und führte ihn
allgemach durch eine Reihe wohlthuender Situationen. Das Wundfieber nahm
zusehends ab, schon vermocht er außerhalb des Bettes zu dauern und auch
Auguste wagte sich nun wieder in des Freundes Nähe.

Sehen Sie »sprach Julie, als sie eines Abends an seiner Seite spann« ich
bin die Parze die Ihr Leben spinnt. Ein langer Faden, rein und glänzend.

Hygea vielmehr! erwiederte er.

Hygea spann ja nicht! »sagte das abgehende Fräulein« nur Schlangen
nährte die --

Heilbringende! rief ihr Woldemar nach.

»Galt das mir oder Ihnen?« lispelte Julie. Der Zorn röthete schnell ihre
Wangen. Rasch ergriff er den Arm der Spinnerin. Meine Hygea! sprach der
Dankbare, von süßen Regungen durchdrungen.

Die Schlange sticht! erwiederte Frau von Wessen und verletzte seine Hand
mit der Spindel. Ein Tropfen Blut trat hervor. Sie küßt' ihn lachend
weg, er zog sie an das Herz. Die dunkeln, verlangenden Augen glänzten
hart vor den seinen, die lüsterne Lippe vermählte sich dem begehrenden
Munde, Juliens Busen schlug voll glühender Sinnlichkeit an Woldemars
Brust.




                            Neuntes Kapitel.


Frau Tochter »sprach die Baronin, als jene in das Familien-Zimmer hinab
kam« vergebens hab ich bisher als Freundin Sie gewarnt, als Mutter Sie
gebeten dieses thörichte Herz zu bewahren, und Ihrem Leichtsinn nicht
die Ehre meines Nahmens preis zu geben -- Ihren Begierden vielmehr!
Unwürdige! So ehrst Du das Gedächtniß Deines Gatten?

Julie stellte den Rocken bey Seite, setzte sich zum Nähtisch hin und
wiederholte mit Gelassenheit --

Begierden? Unwürdige? Sie sind sehr aufgebracht, _ma mere_!

Der junge Mann hat Zartgefühl. Er muß die Zudringliche verachten.

Eine so gute Christin sollte gütiger seyn, gnädige Frau; gerechter
wenigstens; denn selbst das höchste Gebot entschuldigt die
Zudringlichkeit der Menschenliebe. Daß ich ihm wohl will, ist in der
Regel. Sehr wohl, _ma mere_! Nie sah mein Auge in ein reineres, nie
begegnete mein Herz einem wärmern. Darum empört mich ihre Härte nicht.
Was gibt es süßeres als um den Mann zu leiden, den wir lieben?

Also ein Anschlag auf seine Hand?

Auf Anschläge verstehen sich in der Regel die Mütter nur. Ich folge
kindlich dem Gefühle.

Nur leider nicht dem Zartgefühl. Ihr seliger Mann hat das erfahren.

Friede sey mit ihm. Er weiß nun, wer ihm wohl und wer mir übel wollte.

Ich wollte Dein Glück, Undankbare!

Glück macht die Liebe nur und nur _Sie_ hat er geliebt. Gefürchtet
vielmehr. Mein Herz war lauter Flamme, das seine lauter Erz, und immer
spröder ward es, bis der Tod es brach.

Du brachst es früher schon!

Julie warf einen glühenden Blick auf die Mutter, verbarg ihr empörtes
Gefühl hinter einem unholden Lächeln und schwieg.

Sähe der Hauptmann dies Gesicht »fuhr jene fort« er würde noch
entschiedener zurücktreten.

Er würde mich bedauern und erlösen.

Erlösen, sagst Du? Geh, ich verwerfe Dich!

Sie werfen mich in seinen Arm. Ich komm' aus diesem!

Die Baronin faltete seufzend die Hände und schlich abseits, dem Himmel
ihre Noth zu klagen.




                            Zehntes Kapitel.


Hygea hatte den genesenden Jüngling in der feurigsten Wallung verlassen.
Noch glühte jener Wonnekuß auf seinen Lippen, noch sah er diese
flammenden Augen, die Fülle der schnell bewegten Brust. Sein ganzes
Wesen war in Aufruhr und die seltsamste Erscheinung weckte ihn nach
Mitternacht vom Schlummer auf. Der volle Mond beschien ein niedliches
Gespenst das aus der Wand hervor zu schweben schien, nun seinem Bette
näher tratt und zögernd an ihm lauschte. Woldemar bog sich mit
klopfenden Herzen nach der Mauer zurück, wollte seinen Sinnen nicht
trauen, wagt' es kaum einen Blick auf die Erscheinung zu werfen, und
kämpfte noch unentschlossen mit sich selbst als der seltsame Zuspruch
wieder aufbrach und mit der Leichtigkeit eines Schattens zurückkehrte.
Schnell wuchs sein Muth, er schlich ihm durch die Oeffnung nach und
stand jetzt vor dem Bett in dem die Frau von Wessen schlief. Betroffen
weilte er an der fesselnden Stätte und traf, als ihn sein Genius
fortzog, auf ein zweytes in dem Auguste, lächelnd wie die Unschuld
ruhte.

Woldemar, der bis dahin die heimliche Tapeten-Thür übersehn und nie
geahnt hatte, daß sein Stübchen an diese Schatzkammer grenze, machte sie
bey der Rückkehr mit leiser Schonung zu und glaubte zuversichtlich durch
die Nachwehen des Wundfiebers zum Geisterseher geworden zu seyn, denn
hätte selbst -- der Fall war nicht denkbar -- sich eine dieser
Schläferinnen zu einem solchen Schritt vergessen können, so würde er ja
die Fliehende ereilt oder erkannt haben.

Das unerklärbare Räthsel beschäftigte ihn bis zum Morgen, jetzt aber
wich der Glaube an das Spiel einer krankhaften Phantasie dem Erstaunen
mit welchem er ein himmelblaues, vor seinem Bette liegendes Band
erblickte, und dieses dem Schauer des Fiebers, das im Gefolge der
erschütternden Zauberspiele dieser Stunden zurückkehrte.




                            Eilftes Kapitel.


Auch die Baronne war am Morgen erkrankt, hatte den Beystand der
Schwiegertochter zurückgewiesen und Auguste, gewöhnt der Feindin
wohlzuthun, für dies Mahl vergebens alles aufgebothen den Groll des tief
empörten Mutterherzens zu beschwören.

Julie schlich sich, von der Mutter verschmäht, zu dem Freunde hinüber
der bey ihrem Eintritt seinen Rückfall vergaß, und schüttete ihr Herz
vor ihm aus. Der Kindheit Freuden hatte ihr, laut dieser Geständnisse,
eine grausame Stiefmutter, die Blumen der Jugend ein liebloser Gatte und
die herrschsüchtige Baronin geraubt. Diese verkenne, Auguste beneide
sie, und beyde sähen in dem heiligen Mitgefühl, in dem reinen Feuer der
Theilnahme das sie zur Pflegerin des edelsten Mannes gemacht habe, nur
den schlau berechneten Plan einer Kokette. Helle Thränen begleiteten die
rührende Elegie, sein fieberhaft reitzbares Herz sprach nur zu laut für
die Weinende. Sie nannte ihn ihren einzigen Freund, er aber nannte sich
ihren ewigen Schuldner und gedachte seufzend gewisser Fesseln, die seine
feurige Vergeltungs-Lust für den Augenblick noch gefangen hielten.

Daß mein Gemüth »erwiederte Julie« die Heiligkeit dieser Pflichten
kennt, daß es selbst die Ansprüche einer Unwürdigen zu ehren versteht,
bezeugt die Fassung mit der es in jener Nacht das feurigste aller
Gelübde zurückwies.

Welche Gelübde? »sprach er im Herzen zu sich selbst.« In welcher Nacht?

Oder hätte die Krankheit Sie in jener unvergeßlichen Stunde zum
bewußtlosen Schwätzer gemacht? Wohl Ihnen dann! Dann wäre ja Hermine nur
ein Traumbild, das mit der wiederkehrenden Besinnung in sein Nichts
zerfloß und ihre Treulosigkeit ein Phantom das im Morgenrothe der
Genesung unterging. Woldemar sah verstummt zu Boden. Und Wohl auch mir!
»fuhr Frau von Wessen fort« der da ein Gott die Kraft verlieh, dem
feurigsten aller Männer zu widerstehen, und die Erhörung zu verzögern.

Unseliges Verhängniß! »rief er und sprang auf« O, warum streifte mich
der Fittich des Würgengels nur? Wie gern schlief ich in seinem Arme!

Oder am Herzen der Verlobten?

Ich bin sehr elend! Nimm mich an das Deine. An das hart verletzte, das
ich heilen will und muß.

Nicht also, guter Woldemar, ein Engel wird diese Wunden verbinden, der
Engel der Vergeltung der unsere Opfer zählt und unsere Thränen.

Ich will alles gut machen! »rief er, hingerissen von der Fluth seiner
Gefühle, von einer unzeitigen Großmuth gemeistert« ja, ich gelob es! Nur
das Mitleid sagst Du, die Theilnahme nur, nur die laue Hand der
Freundschaft hätte Dich Wochenlang an meinem Bette festgehalten? Nur um
ihretwillen hättest Du dem Grolle der Schwester, dem Zorne der Baronin,
der Verläumdung bösartiger Thoren getrotzt? Nur aus Rücksicht auf die
geflohene Treulose meiner Hand entsagt, die ich Dir -- zwar in des
Fiebers Gluth -- doch wahrlich, inspirirt von meinem Engel both?

Still, Frevler -- Still! »rief Juliane jetzt.« Sie fühlen nicht wie tief
mich diese Zweifel beugen; die Flamme nicht, die an unheilbare Wunden
schlägt. O warum muß die böse Fee zwischen mich und den Abgott meines
Lebens treten?

Lieblicher hatte nie eine Frage seinem Ohr geschmeichelt, schneller nie
ein Zauber sein Herz umstrickt, kein sterblich Weib ihn je so magisch
angezogen. Die Spiegel ihrer Seele flammten wie Sterne durch die Nacht
des Grams, der Wehmuth Genius schien aus dem Rosenkelche dieser Lippen
ihn um Erbarmen anzuflehen. Er faßte sie mit starkem Arm, er hob sie
hoch, an's Herz empor und bedeckte die Schluchzende mit zahllosen
Küssen. Ich bin der Deine! »rief er« wirst Du dies zweyte heißere
Gelübde verschmähen?

Liebling -- Bräutigam! Himmlischer Geist! stammelte Julie und ließ die
Lippen des Trunkenen schalten. Man klopfte, er vernahm es nicht. Auguste
trat herein ihre Schwägerin abzurufen; sie wand sich sanft aus seinem
Arm, sprach zu dem Fräulein, dessen Antlitz ein edles Schaamroth
überflog. »Nimm hier kein Aergerniß, wir sind verlobt!« und hüpfte fort.

Auguste verbeugte sich gegen den Hauptmann, und wollte der Braut folgen,
Woldemar aber faßte ihre Hand und bestätigte in gebrochenen Worten
Juliens Versicherung. Ich kenne »erwiederte das Fräulein« die
Gesinnungen meiner Mutter zu wenig und die Gefahren Ihres Standes zu
genau um Beyden jetzt schon Glück zu wünschen. Er ließ beleidigt
Augustens Hand fallen. Aber wie kömmt dieß Band in Ihr Zimmer? »fragte
sie jetzt, und nahm es vom nahen Tische weg« vergebens hab ich es heut'
am Morgen gesucht.

Ein Strumpfband vielleicht? Sie verstummte.

Oder etwa gar der Gürtel der Vesta? Auf jeden Fall sind Sie im Stande
mir das Räthsel zu lösen. Vor meinem Bette fand ich es. Ihr Schutzgeist,
Fräulein, trug diesen Talismann mitten in der Nacht in mein Zimmer.

Auguste wechselte die Farbe, der Hauptmann sah ihr starr in's Gesicht --
»Und die misterische Pforte hier -- unstreitig führt sie in das
Geisterreich; aus ihr tratt der willkommene Gast hervor, durch sie
kehrt' er zurück. So ist es -- auf mein Ehrenwort!«

Ihre Hände bebten, ihre Wangen verblichen, sie wankte sprachlos aus dem
Zimmer.




                           Zwölftes Kapitel.


Woldemar sah ihr staunend nach. Sein Kopf brannte, sein Herz glühte,
Feuer rann in seinen Adern, er eilte Luft zu schöpfen, in den Zwinger
der das Schloß umgab. Die Erscheinungen dieser Zeit schwebten wie
Geistertänze vor seiner Seele und der Schutt und die Blutspuren im
Schnee weckten Erinnerungen an jenes ehrenvolle Gefecht in ihm auf. Er
freute sich der gelungenen That, dachte des Getümmels das ihr voranging,
des empfangenen Briefes den der Jäger der Baronin in seinem Diensteifer
verbracht hatte und eilte zu sehen ob sich nicht Reste desselben
auffinden ließen, unter sein Fenster hin. Lange störte er vergebens
zwischen Eis und Schnee und dem Abbiß der Patronen, fand endlich ein
bedeutend scheinendes, zerrissenes Blättchen und las --

    »Die großmüthige Schwester -- das Häubchen von ihrem Kopfe --
    zur Täuschung ähnlich --«

Eine kalte Hand griff ihm in's Herz. Er sann und sann und suchte jetzt
angsthafter; ihn aber suchten die Bedienten, denn eine Ordonanz aus dem
Hauptquartier war gekommen. Der Husar erbat sich einen Empfangschein und
übergab die Depesche. Woldemar fertigte ihn ab, öffnete den Befehl, sah
sich angewiesen mit der unterhabenden Mannschaft alsogleich
aufzubrechen, des fördersamsten im Haupt-Quartier einzutreffen, oder
falls sein Gesundheits-Zustand ihm dies für seine Person nicht gestatte,
ohne Zögerung nach dem Lazareth abzugehn.

Schnell ward gepackt, gesattelt, und der General-Marsch geschlagen, denn
kein Augenblick war zu verlieren wenn das entfernte Ziel, den Worten der
Depesche gemäß, erreicht werden sollte.




                          Dreyzehntes Kapitel.


Julie hatte indeß, trotz dem bestimmten Verbote, die kranke
Schwiegermutter heimgesucht, das gestrige unkindliche Benehmen mit der
Heftigkeit ihres Charakters entschuldigt, ihre Hände mit Küssen bedeckt,
heilige Sprüche und schöne Sentenzen zu Mittlern gemacht und so den Zorn
der gutmüthigen Baronin in Wehmuth, den stillen Groll in herzliche
Vergebung aufgelöst. Jetzt hielt Frau von Wessen ihrem Woldemar eine
Schutzrede der die Mutter um so weniger zu widersprechen vermochte, da
sie früher selbst seiner Bescheidenheit, seiner Sittlichkeit, und so
mancher liebenswürdigen Eigenschaft die ihn auszeichnete, das gebührende
Lob ertheilt hatte. Zu allen dem »fuhr jene fort« hat Ihnen Gott in dem
edlen Mann einen Engel gesandt, denn wie wäre es uns ergangen, wenn er
nicht Wunder that. Dieses Haus läg in der Asche, Sie vielleicht im
Grabe, ich und Auguste ständen, des Aergsten gar nicht zu gedenken,
geplündert und verlassen am Scheidewege. Was wir sind, was wir haben,
erhielt uns seine Hand und die wollten Sie aus der Hand seiner
Vergelterin reißen? Der Himmel selbst belohnte diese That und öffnete
ihm eine glänzende Laufbahn.

Gewiß würde die Baronin in Hinsicht auf den Werth des Freyers, auf den
Schutz, welchen sie ihm dankte, dieß Einverständniß wohl eher begünstigt
als gescholten haben, wenn ihr das Glück der Tochter nicht näher als das
der Verwandtin am Herzen gelegen hätte. Sie kannte nur zu gut den Quell
des stillen Grams der aus Augustens verweinten Augen sprach und begriff
nicht, wie ein so zartfühlender Mann, blind für den Zauber dieser
Himmelsblume, nach der dornigten prahlenden Rose zu greifen vermochte.
Da indeß die Ehen, ihrem Glauben zu Folge, des Himmels Sache waren und
die Frau von Wessen bereits als verlobte Braut um ihren Segen bat, so
vergab sie mit sanften Worten den übereilten Schritt, behielt sich das
Weitere bis zu ihrer Genesung vor und drang darauf daß Woldemar
zuförderst einem Stande, der Julien bereits zur Wittwe gemacht habe,
entsagen solle. Frau von Wessen erklärte selbst diese Bedingung für
zweckvoll und unerläßlich und sah jetzt, still entzückt, in der
sinkenden Sonne den Herold des Braut-Abends. Da ward es plötzlich
lebhaft auf dem Hofe, des Hauptmanns Leute liefen durch einander, der
eine sattelte, der andere sprach von nahem Blutvergießen, der Ruf der
Trommel scholl aus dem Dorf herauf.

Die Kniee wankten unter ihr, sie stürzte geisterbleich hinüber, in
Woldemars Arm.

Was soll das? »fragte er mit verbissenem Schmerz« Warst Du nicht eines
Soldaten Frau? Euch ziemt, wie uns, gefaßter Muth.

Doch zu schrecklich war der jähe Sturz vom Sonnenziele in die Nacht des
Grams, zu tief der Fall für ein so zügelloses Herz das jedes Lächeln des
Geschicks zum Himmel hob, jeder Umfall in die Höhle des Jammers
hinabwarf. Wimmernd hing sie an Woldemars Halse, hielt ihn krampfhaft
umfaßt und ihre Lippen zuckten gichterisch.

Bald sehen wir uns wieder! »tröstete er mit halber Stimme.« _Oft!_ sagt
mein Herz -- nach wenig Tagen vielleicht, und am Ziele winkt ein Hafen
in dem uns nichts mehr trennen soll. Aber die Jammernde verwarf jeden
Trost. Nimm! »rief sie und schnitt mit schonungsloser Hast eine Flechte
von dem glänzenden Haupthaar.« Nimm und gedenke mein! Und meiner nur!
Gelobend bedeckte er ihren bebenden Mund mit heißen Küssen und bat sie
dann, die kranke Mutter auf seinen Abschieds-Besuch vorzubereiten. Julie
ging nach langen Bitten, doch wenige Schritte nur. Laut schreyend flog
sie an seinen Hals zurück. Ihre zuckenden Augen brachen, entgürtelt flog
der Busen, das lose Haar um ihre Scheitel. Sie lag noch bewußtlos im Arm
ihrer Kammerfrau als Woldemar in der furchtbarsten Stimmung seines
Lebens über die donnernde Zugbrücke sprengte. Schaudernd blickte er vom
Thal aus nach dem Schlosse hinauf, dessen Fenster das Spätroth
vergoldete, gab den räthselhaften Geistern dieser Burg gute Nacht, und
saugte das Blut aus der Lippe die Julie im Wahnsinn ihres Schmerzes
verletzt hatte.




                          Vierzehntes Kapitel.


Als man den Hauptmann nach jenem Gefechte verwundet und betäubt auf sein
Zimmer zurücktrug, übernahm Frau von Wessen wie bekannt die Rolle der
Wärterin und ließ deshalb um in seiner Nähe zu bleiben, ihr Bett ohne
der Mutter Wissen, in jene leere, nachbarliche Kammer versetzen. Erst
späterhin bemerkte die Baronin diesen ihr höchst mißfälligen Uebelstand,
wieß Julien auf der Stelle einen Platz in ihrem eigenen Schlafzimmer an,
gesellte ihr, als diese Weisung unbeachtet blieb, Augusten bey und
verschloß die bewußte Tapeten-Thür. Frau von Wessen aber schloß sie, um
sich einen weiten Umweg zu ersparen, am folgenden Morgen wieder auf und
aus angebohrner Furcht vor Dieben und Kobolden, Nacht für Nacht die
andere zu, welche über den unheimlichen Saal in die Zimmer der Baronin
hinüber führte. Auguste hingegen der es nie beykam den lieben Gast auf
einem Schleifwege heimsuchen zu wollen, glaubte die streitige, von der
Mutter gesperrte Thüre noch immer fest verschlossen, und ahnte nicht daß
ihr Verhängniß sie im tiefsten Nachtkleid und in der verdächtigsten
Stunde hindurch, und an das Bett eines feurigen, hoffnungslos geliebten
Mannes führen werde. Oft genug ward die vermißte Nachtwandlerin in
frühern Zeiten bald von dem Simse des Fensters bald aus irgend einem
entlegenen Verstecke zurückgehohlt. Das Übel nahm mit den Jahren ab und
immer hatte man sie bey den seltenern Rückfällen von der verschlossen
gefundenen Thüre ohne weiteres in ihr Bettchen zurückkehren sehn.

Welch Entsetzen mußte daher dieses reine, von dem erklärten Brautstand
der Schwägerin so eben gebrochene Herz ergreifen, als Woldemars
spöttisches Lächeln, als sein zum Pfand gesetztes Ehrenwort die leise
Ahnung einer schrecklichen Möglichkeit zur Überzeugung erhob.

Die kranke Baronin lag indeß während des Aufbruchs der Besatzung, von
allen den Ihrigen verlassen da. Sie hörte den Lärm, das Wirbeln der
Trommeln, den Hufschlag der Rosse und schellte vergebens. Die Bedienten
kannegießerten im Hofe mit den marschfertigen Jägern, die Jungfer lag,
in Thränen aufgelöst, an des Feldscheers Brust, das Stuben-Mädchen
wollte den Pfeifer nicht lassen, Juliens Kammerfrau saß erstarrt vor der
verzweifelnden Braut, und Augustens alte Wärterin lief der schluchzenden
Enkelin nach, die ihrem Trommelschläger den Wirbel verdarb.

Das Getöse nahm kein Ende, der zersprungene Klingeldrath lag am Boden,
und die Baronin, welche jetzt nichts sicherer glaubte, als daß der Feind
zu Folge eines zweyten gelungenern Überfalls das Schlimmste beginne,
sprang, von der Angst geheilt, plötzlich auf, um ihre Küchlein mit Hand
und Mund bis auf den letzten Odemzug zu vertheidigen. Aber noch stand im
Vorsaal alles auf dem gewohnten Platz. Von Zimmer zu Zimmer eilte sie
nach Juliens Schlafkammer, trat jetzt erblassend vor ein Schreckbild das
unter wilden Krämpfen ächzte und nahm, nach Hülfe rufend, Augusten wahr,
die einer Sterbenden gleich vor ihrem Bette kniete und taub für allen
Jammer dieser Scene schien. Welch ein Abend! Welch eine Masse von
Seufzern und von Thränen, von denen ach, so wenige ein Gegenstand für
die wohlthuende, Schmerz und Thränen wiegende Vergelterin seyn konnten.

Zerstört im Innersten klagte Julie ihr Geschick an; in Thränen edler
Schaam gebadet, verging die holde Nachtwandlerin; sprachlos stand die
schluchzende Mutter zwischen der Gruppe und die betäubten Bräute des
Frey-Corps sprangen mit verweinten Augen bunt durch einander ab und zu
und hohlten in der Zerstreuung Öhl statt des Essigs, Tinte statt des
Balsams und den Pastor statt des Baders herbey.




                          Fünfzehntes Kapitel.


Woldemar hatte indeß das Ziel seiner Bestimmung erreicht, sich gesund
gemeldet und eine Masse lästiger Dienst-Geschäfte vorgefunden, die den
Unkundigen bey dem Mangel an Rathgebern und Freunden, bey der
feindseligen Stimmung die sein frühes Glück veranlaßte, schnell genug
mit einem Stand entzweyten an dem ihn doch das eiserne Band der Pflicht
und des Ehrgefühls festhielt.

Auf der Wessenburg herrschte jetzt nach langen Stürmen eine Windstille.

Juliens Arzt war der Leichtsinn, Augustens Trost das Bewußtseyn geworden
und der himmlische Frühling goß das Füllhorn der Erneuung über sie aus.
Eben war die Mutter mit Woldemars Braut auf ein nachbarliches Gut
gefahren als sich ein fremder Baron bey dem Fräulein ansagen ließ. Viel
lieber hätte die Einsame den unwillkommenen Gast abgewiesen aber es
fehlt' ihr für den Augenblick an einer glaubwürdigen Entschuldigung und
so ward er denn angenommen.

Ein junger, blendend schöner Mann trat in das Zimmer. Sein hoher Wuchs,
sein Apollons-Kopf, die würdevolle Anmuth seines Benehmens, gewann in
voraus ein Gemüth dem der zärteste Sinn für die Gabe der Grazien anhing
und der Gegenstand welcher ihn zu Augusten führte, war bedeutend genug
ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.

Julius hatte nehmlich nach dem Empfange jener wenigen, nichts sagenden
Zeilen welche Frau von Wessen damahls in Woldemars Nahmen schrieb,
vergebens einer Antwort auf seine dringende, Herminens Ehre rettende
Zuschrift entgegen gesehen; hatte endlich an den Adjutanten geschrieben,
und von diesem einige Winke, Weisungen und Aufschlüsse empfangen die ihn
zu der Reise nach dem fernen Schauplatz des Kriegs bestimmten. Von den
Verhältnissen in denen sein getäuschter Freund hier stand wie von dem
Charakter der handelnden Personen unterrichtet, hatte er im Posthause
bereits seit Tagen den günstigen Augenblick erwartet, der ihm, Augusten
ohne Zeugen zu sprechen, vergönnen würde. Er stellte sich ihr jetzt als
Woldemars Vertrauten dar, den der Beruf, viel Unheil zu verhüten, vor
ihre Augen geführt habe; bedauerte ihre Langmuth durch Weitläufigkeit
erschöpfen zu müssen, unterhielt das Fräulein zuförderst mit Woldemars
heimischen Verhältnissen, und von der seltsamen Katastrophe die ihn aus
jenen weg, in den Krieg trieb.

Aber es fehlte viel daran daß seine Weitläuftigkeit das Fräulein ermüdet
hätte: sie war ganz Ohr, und ihre Theilnahme machte sie von Minute zu
Minute liebenswerther.

Herminens Vater »fuhr Julius fort« hatte als Handlungs-Diener das Glück,
der Tochter seines reichen Herrn zu gefallen, und im Gefolge dieser
Gunst das Unglück, sich zu einem Schritte zu vergessen, der Theresen das
Leben gab. Des Vaters Blindheit und der Beystand der Mutter machten die
Verheimlichung möglich, der junge Mann ward nach Holland, das Kind der
Liebe in ein entferntes Waisenhaus versetzt und des Kindes Mutter mit
größerm Glück als Recht die Gattin eines bedeutenden Wechslers. Er starb
im ersten Ehejahr und setzte sie zur Erbin ein. Der frühere Vertraute
kam zurück, machte die verjährten Rechte geltend, verloschene Gefühle in
dem Herzen der Wittwe wieder rege, und ward ihr Gemahl. Sie gebar ihm
Herminen und starb in dem Kindbett. Er folgte ihr nach wenig Monden, vom
Schlage getroffen nach, und sein redlicher Bruder nahm den verwaisten
Säugling auf.

Falsche Schaam, die Quelle so manches Unheils, hatte es der
Verschiedenen ohnmöglich gemacht sich späterhin zu diesem Kinde zu
bekennen, doch sorgten die Eltern aus der Ferne für sein Wohl. Des
Vaters schneller Tod entriß Theresen die letzte Stütze, denn es fand
sich weder ein Testament noch irgend etwas das ihr Daseyn bezeichnet
hätte, vor. Die Vorsteher jenes Waisenhauses überließen die heran
Wachsende einer Dame, der sie ihre Bildung dankt, als aber diese zufolge
einiger verlohrnen Rechtsstreite verarmte, und sie jetzt in die fremde
Welt hinaus treten mußte, machten Bildung und Anmuth ihre Lage nur um so
kritischer.

Der Thee unterbrach jetzt den Erzähler. Auguste kredenzte ihn; Julius
bemerkte mit Wohlgefallen ein Paar der zartesten Hände und die ganz
eigene Annehmlichkeit, welche Augustens Gliederspiel über die kleinste
ihrer Bewegungen verbreitete.

Hermine »fuhr er fort, und rückte ihr vertraulich näher« Hermine stört
vor kurzem in der Schatulle ihrer Mutter, und trifft da, von dem guten
Geist des Zufalls geleitet auf ein geheimes, mit Quittungen und Briefen
angefülltes Fach, welches außer dem überraschenden Beweiser der
mütterlichen Verirrung sichere Hülfsmittel enthält, die Spur der nie
geahnten Schwester aufzufinden. Hermine sieht eine höhere Fügung in dem
Ohngefähr, fühlt sich so geneigt als berufen die Verlassene mit ihrem
Ueberfluße zu erfreuen, macht den Oheim zum Vertrauten und wird nicht
müde ihn um Beystand und Vermittlung anzugehn. Der Onkel untersucht,
überzeugt sich, empfiehlt ihr Verschwiegenheit; will erst das _Wie_ und
_Wo_ erforschen, sich von dem Werth oder Unwerth der Person
unterrichten, und der Wallung eines schönen Herzens durch weise Vorsicht
Maß und Ziel setzen. Aber das übervolle hat sich bereits am Busen einer
Freundin entladen und diese das Geheimniß unter dem Siegel der
Verschwiegenheit ihrem Bruder, Herminens hoffnungslosesten Anbeter
mitgetheilt. Armuth, Habsucht und der Groll verschmähter Liebe bestimmen
ihn, die Entdeckung zu seinem Vortheil zu benutzen: er durchreist die
bezeichnete Gegend und findet nach manchem Kreuzzug die Gesuchte
zwischen Hunger und Kummer mitten inne.

Augustens Mädchen rief jetzt das Fräulein ab. Sie kehrte nach wenigen
Minuten zurück, entschuldigte ihre Abwesenheit mit der angenehmen Sorge
für sein Nachtlager und bat den Baron der ihr für diese Güte den
feurigsten Dank sagte, um die Fortsetzung der Geschichte.

Goldne Berge »erzählte Julius« werden jetzt Theresen gegen eine billige
Vergeltung zugesichert, der Beweis ihrer Abkunft so überzeugend geführt,
der Umfang ihrer Ansprüche so klar in's Licht gestellt, daß sie nicht
länger zögern mag, diese Kette schmerzlicher Entbehrungen mit dem
verhießenen Ueberfluß zu vertauschen. Sie eilt, von den trefflichsten
Zeugnissen ihres Wohlverhaltens unterstützt nach der Vaterstadt,
erschreckt den Oheim durch die sprechende Aehnlichkeit mit Herminen, die
von der plötzlichen Erscheinung überrascht, von diesen Zeugnissen
gewonnen, von dem Anblick ihres Ebenbildes erschüttert an des Mädchens
Hals fliegt, und die gefundene Schwester feurig willkommen heißt.
Therese vernimmt mit Erstaunen, was bereits von hieraus für sie geschah,
sieht sich statt der Verläugnung auf die sie gefaßt war, mit den
zärtlichsten rein vom Herzen kommenden Liebkosungen überhäuft, und
beschließt, in Schaam und Rührung aufgelöst, Gleiches mit Gleichem, die
Großmuth durch Mäßigung zu vergelten. Ein seltsamer Wettstreit entspinnt
sich nun. Hermine dringt auf eine Theilung der Erbschaft, Therese will
sich dagegen nur vor dem Hunger geschützt, nur als eine Hülfsbedürftige
geduldet sehen, am wenigsten im Kreise der Familie unter ihrer wahren
Gestalt auftreten. Jene trägt ihre besten Kleider zur Auswahl für
Theresen herbey, diese wählte sich einen häuslichen, schon getragenen
Anzug. -- Und so blieb denn das Mädchen meine Haus-Genossin, so
verkannte Woldemar, der in diesem Momente weder die unzartere Haut noch
das dunklere Haar in Betracht zog, seine schuldlose Braut --

Die ihn »fiel Auguste ein« mit dem Daseyn einer solchen Schwester, schon
um dieser gefährlichen Aehnlichkeit willen hätte bekannt machen sollen
--

Ohnfehlbar »entgegnete Julius und das Fräulein erröthete« schloß ihr nur
die zarte Verschämtheit, oder die Achtung für den Ruf und die Asche
ihrer Mutter den Mund. Ich bin am Ziele »setzte er mit einer leichten
Verbeugung hinzu« und Tag und Nacht gereist das unseligste aller
Mißverständnisse auszugleichen, oder, wenn mir das nicht gelingen
sollte, der Gekränkten eine Genugthuung zu verschaffen, die das Gesetz
der Ehre vorschreibt.

Auguste seufzte tief und sprach »Am Ende war vielleicht die übereilte
Entfernung Ihres Freundes eine unerkannte Wohlthat des Himmels der das
edelste Mädchen auf diesem Wege von dem bestandlosen Manne befreyt hat.«

Meynen Sie? fragte er, und sah ihr tief in das blaue Augen-Paar.

Denn Ihrem Woldemar »fuhr sie fort« weint bereits eine neuere Braut
nach.

Man sagte mir das: ich glaubte es nicht. Jetzt -- O jetzt muß ich's
fürchten!

Sie sind sein Freund. An Ihnen ist es, ihm den vorgefaßten Argwohn zu
benehmen, ihn an ein Herz, das er zerrieß zurück zu führen.

O, nun es so weit ist, sind wir geschieden -- der Rächer tritt nun an
des Warners Platz.

Nein, edler Mann »sprach sie mit flehendem Silberton« der Warner muß zum
Engel und nicht müde werden bis ihm die gute That gelingt.

Julius küßte von dem Zauber dieser Töne, und von dem Geiste dieses Raths
ergriffen, Augustens Hand, als die zurück gekommene Julie
hereinrauschte, betroffen stehen blieb und die Gruppe mit blitzenden
Augen maß. Das Fräulein stellte ihr in dem Gaste Woldemars Freund vor.
Sie erwiederte seinen Gruß mit dem anmuthigsten Lächeln, zitterte
bereits im Herzen vor den Zwecken dieses augenscheinlichen Störenfrieds
und griff zu den magischen Waffen ihres Zaubers. Aber Julius sah durch
den täuschenden Schleyer der Grazie in ein harmvolles Herz, in diesen
unstäten Blicken, in dieser leisen, jeden Scherz verkümmernden Angst den
regen Argwohn ihrer Schuld -- und als er sie jetzt über dem Fräulein
vergessen zu wollen schien, da ward die Charis plötzlich zur _Ate_, der
Groll der Mißgunst trat auf ihre Stirn, Auguste aber zog sich mit
sanften Erröthen hinter den Heiligen-Schein der Sittlichkeit zurück.
Frau von Wessen faßte sich schnell; überschüttete die verstummte
Schwätzerin mit Schmeicheleyen, lenkte nun, von dem Spiele seines Humors
erheitert, das Gespräch auf den Hauptmann, dessen bis jetzt nur
beyläufig gedacht worden war und erschöpfte sich in seinem Lobe. Julius
begleitete es mit den Gebehrden des Beyfalls, erbat sich, als Auguste
verschwunden war die Erlaubniß eine so theilnehmende Gönnerin seines
Vertrauten von dem seltsamen Mißgeschick ihres gemeinsamen Freundes
unterhalten zu dürfen und wiederhohlte Wort für Wort die Geschichte.
Julie sah ihm erst in's Auge, dann zum Himmel, von diesem zu Boden. Sie
spielte bald mit dem Ridikül, bald mit den Gliedern ihrer Kette,
erröthete, verblaßte, und stand eben im Begriff den Erzähler für ihre
Ansprüche zu gewinnen, als die Baronin mit einem Brief in's Zimmer trat.
Sie übersah den Fremden in ihrer Bestürzung. Lies! »sprach sie kaum
vernehmbar« die Armee ist geworfen -- der Feind im Anzug. Julie
verschlang mit feurigen Augen den Inhalt der Nachricht. Er wird vermißt!
»rief sie die Hände ringend« Woldemar ist gefangen oder gefallen!

Der Himmel selbst »erwiederte Julius« scheint dies Herz an die
Entbehrung seines Lieblings gewöhnen zu wollen.

Sie wissen also »entgegnete Frau von Wessen« daß Woldemar der Meine ist?
Aber wissen Sie wohl auch, daß weder ein Mährchen, noch sein Erfinder,
weder die Schlauheit einer Neben-Buhlerin, noch die Beredtsamkeit ihres
Wortführers, mir ihn entreißen wird?

Ich weiß nur »fiel er ein« daß der Feind gegen den er dies Schloß
vertheidigte, bey weitem nicht sein schlimmster war und daß sein Weg zu
Ihnen nur über mich geht. Aber wir streiten vielleicht über die
Pflichten eines Todten, und thäten doch, falls diese Nachrichten
gegründet sind viel besser, zu packen und zu fliehen.

Julie kehrte ihm tief empört den Rücken und folgte der Baronin, welche
taub für den Wortwechsel mit dem Himmel verkehrt hatte.

Julius traf im Fortgehn auf das Fräulein. Werden wir uns widersehn?
»sprach er« und wie, und wenn? Längstens dort! »entgegnete sie« und so
Gott will, an einem schönern Tage.

Er drückte gerührt ihre Hand an die Lippen. Sie müssen fliehen »sprach
er« wer begleitet, wer beschützt Sie denn?

Himmel und Erde »entgegnete sie« der Mutter Gebet und unser Jäger.

Die Baronin kam in diesem Augenblick herzu. Sie hatte von Julien
vernommen wer er sey, sah in dem unerwarteten Gaste einen ihr in der
Stunde der Noth gesandten, erbeteten Beystand und bot ihm nach den
ersten Begrüssungen den Platz in ihrem Wagen an. Augustens Augen
unterstützten mit sanften, beredtsamen Blicken das Erbieten, der
Freyherr sagte zu.




                          Sechzehntes Kapitel.


Nur zu lange ließen wir indeß Herminen aus den Augen, deren Lage nach
Woldemars übereilter Flucht unter die trostlosesten hinabfiel. Julius
war nach jener Begebenheit, durch Theresens Vermittlung ihr bekannt, war
ihr Freund, ihr Rathgeber geworden, und des Mädchens letzte Hoffnung
beruhte auf dem Erfolge seiner Reise.

Muth- und ruheloser als je, lag sie eines Abends an dem Herzen ihrer
heimlichen vertrauten Schwester, als diese tröstend zu ihr sprach --
Schon manche Braut, meine Geliebte, ward getäuscht, schon manches feste
Band durch Zufälle, Mißverständnisse oder die Bestandlosigkeit der
Männer zerrissen und nicht selten segneten späterhin die Getäuschten ihr
Schicksal. Wüßtest Du doch was ich verschweigen sollte!

Hermine sah, den Trost verschmähend in ihren Busen nieder. Ach!
Schwester »klagte sie« Du kennst den Umfang meines Unglücks nicht.

Gestehe nur »entgegnete Therese« daß Julius der liebenswürdigste aller
Männer ist. Mir wenigstens sagt mein Gefühl daß ich an seiner Hand den
lieblosen Hitzkopf bald vergessen, daß ich dem Himmel danken würde, der
mich durch kurzen Schmerz zu einem solchen Ziele führt. Das ist Dein
Fall. Es kostet meinem Herzen viel, gestand er mir am Abend vor seiner
Abreise, den Günstling eines Mädchens zu versöhnen, das mich gefesselt
und begeistert hat. Aber ich gelobe mir, die Pflicht der Ehre und der
Freundschaft zu erschöpfen; und sollte es auch mein Leben gelten, ich
erschöpfe sie! Ein reitzendes -- Du mußt alles wissen, Hermine -- Ein
gefährliches, verbuhltes Weib sagte er, hat wie der Adjutant mir
schreibt, den Thörichten umstrickt, und find' ich ihn verlohren, so
tritt der Mittler kühn an seinen Platz, und Sie, Therese, ebenen mir den
Weg. Ich versprach ihm das, Liebe!

Hermine weinte laut. Ihre Lippen zitterten, das übereilte Geständniß der
Schwester hatte ihr Innerstes zerrissen. »Wehe mir!« rief sie, als der
wilde Schmerz endlich Worte fand. »Wehe mir, denn unserer Mutter
Schicksal ist das meine.« Therese sah verbleichend an ihr herab.

Rechte nicht mit der Unglücklichen »fuhr sie fort« welche Sterbliche
wär' in jener Versuchung bestanden? Es gab eine Nacht, Therese, in der
dies Herz von Sehnsucht aufgelöst, dem Liebling alle seine Blüthen
zudachte -- in der ich die Arme verlangend nach dem Bräutigam
ausstreckte, in der die schöne Feen-Welt der Wunder zurückkehrte. O,
fühle, liebe, verlange wie ich, und tritt nun nach einem endlosen,
verschmachteten Tage, in die einsame Kammer -- Deine Lippe lispelt
seinen Nahmen, die warme Phantasie träumt ihn an's Ziel in Deinen Arm;
da rauscht es hinter Dir, des Lieblings Geist erscheint, kommt näher
zieht Dich an die Brust und wird -- und wird zu Deinem Manne!

Der Oheim unterbrach die Schwestern. Ein Geschäft führte ihn her, doch
das Wort erstarb auf seiner Zunge, als er Herminen einer Sterbenden
ähnlich, der Ohnmacht nahe fand. So sage doch endlich was Dein Herz
bekümmert! »sprach der Erschrockene« Kann ich helfen?

Sie neigte sich schluchzend auf seine Hand.

Willst Du heyrathen? Ich sage _Ja_! Ledig bleiben? Desto besser! Ein
ehrlicher Mann kann in Voraus alles gewähren, was ein braves Mädchen
verlangen mag. Nach Pyrmont soll ich, will der Arzt. Willst Du das auch,
so reisen wir zusammen.

Gern, gern! rief diese jetzt. Hinaus! Weit in die Ferne! vielleicht, daß
dort ein Heilbad für mich quillt.

Der Diener welcher ihn eben abrief, brachte Herminen einen Brief. Er war
von Julius. Zitternd erbrach sie ihn.




                          Siebzehntes Kapitel.


Noch verbarg die Frau von Wessen, von Aerger, Gramm und Angst bedrängt,
ihre besten Geräthschaften, als ein Trupp feindlicher Husaren in den Hof
sprengte, zum Willkommen mit Pistolen in die Fenster schoß und den
angespannten Wagen umringte.

Die Baronin saß bereits, der Töchter gewärtig, in diesem, Julius stand
mit ihrem Staub-Mantel in der Hand vor Augusten, eine Kugel schlug
zwischen beyden hindurch. Schnell gefaßt warf er das leichte Mädchen auf
den Arm und stürzte mit ihr durch die Gartenthür den Hügel hinab. Sie
wieß zum nahen Walde, nach einem Fußpfad hin, der tief in den Forst zu
der Wohnung eines Wildhüters führte. Bergab, bergauf schlang sich der
unwegsame Pfad und bald verschwanden Kraft und Odem. Die schöne Bürde
glitt am Fuß einer Eiche von seinem Arm, er sank erschöpft an ihre
Seite. Das Bedenken, mit einem solchen Manne und von ihm verpflichtet in
dieser Wildniß allein zu seyn, ging in dem Gram über das Schicksal der
Mutter, über die höchst gewisse Plünderung des Schlosses, über das
unselige Verhängniß ihrer Zukunft unter. Schrecklich brauste jetzt der
Donner des Geschützes durch den Hayn. Auguste raffte sich verstummend
auf und eilte fort. Er stürzte der Besinnungslosen nach und immer
dunkler ward der Wald; die Sonne sank, man kam zur Wildhütte. Der alte
Jäger erstaunte, die Tochter seiner Herrschaft hier zu sehen, erquickte
die Hinsinkende mit Brot und Milch und versprach, bewegt von des
Fräuleins befehlender Bitte und dem Golde das ihm Julius verhieß, sich
nach dem Einbruche der Nacht auf die Wessenburg zu schleichen, und wo
möglich die dort Verlassenen ihnen nachzuführen. Er füllte die Lampe mit
Oehl, schloß die Thüre hinter den Einsamen zu und ging davon. Auguste
sah umher, sah dem lauschenden Gefährten in's Auge, untersuchte das
Thürschloß, schlich weinend auf und ab und warf sich jetzt auf ihre
Kniee nieder. Sie sprach mit Gott. Laut betete das schmerzerfüllte
Mädchen und unwillkührlich falteten sich die Hände des Hörers. Ihr
Angesicht verklärte sich; ein leises Amen flog, wie Geister Säuseln, von
den Lippen der Beterin.

Julius faßte, als sie sich jetzt mit freudigem Muth erhob, bis zu
Thränen gerührt, ihre Hand.

Wie ist Ihnen denn? fragte sie, voll zärtlicher Theilnahme und trocknete
die Perlen des heiligen Mitgefühls von seinen Wangen.

Wie dem Gerechten! entgegnete er. Ich glaubte den himmlischen Gespielen
wieder zu sehn, der einst die seligen Träume des Knaben verschönte --
Den Engel der in des Kindes Glauben lebte, und mit des Jünglings
Unschuld floh. Sie haben da eine Kirche vor mir aufgethan, in der ich,
unrein wie der Zöllner stand.

Den fürcht' ich nicht! erwiederte Auguste und setzte sich vertrauend an
seine Seite. Julius pries, um diesem Vertrauen zu entsprechen und ihre
Besorgnisse durch ein ernstes Gespräch zu zerstreuen, den Heilquell des
Glaubens. Er sprach von seinem wohlthuenden Einfluß auf die Bildung des
Herzens; gedachte der väterlichen Lehren, des mütterlichen Vorbildes,
der Fluth der Sinnlichkeit die seine Gelübde und die reiche Saat der
elterlichen Mühe verschlang. Plötzlich »fuhr er fort, denn sie hörte ihm
mit Andacht zu« faßte mich eine Hand. Es war die Hand des Todes-Engels,
der mich am Sarge meines Vaters mahnte. Fremdlinge und Verwandte umgaben
ihn; ihre Klagen, ihre Thränen, ihr Lob weihte seine Asche. Die Feinde
selbst ehrten sein geheiligtes Andenken.

Und was würden sie denn am Sarkophag des Sohnes sagen? »fragt ich mich
auf dem Wege zu der väterlichen Gruft!« Wo sind die Opfer die du dem
Glauben an die ewige Wahrheit der Tugend gebracht hast? Die Saaten für
jene Welt gesät? Die Siege über das thörichte Herz errungen? Jetzt zeige
die Wunden auf, die du heiltest, die Keime der Fruchtbäume die du
gepflanzt hast! Beschämt, vernichtet, stand ich vor dem innern Richter,
wendete den Blick in mein Innerstes und verzweifelte für den Augenblick
an der Rettung aus dem verzauberten Schloß, denn an jeden Finger hing
sich eine Schooßsünde die mich nicht lassen wollte. Meine Arme lähmte
die Unthätigkeit, eine schmeichelnde Vertraute meinen Willen; in jedem
Winkel spottete ein Satyr den grämlichen Pedanten aus.

»Still« sprach das Fräulein zu dem Beichtsohn. Eben klopfte man an den
Fensterladen. Auguste bebte, Julius zog die Pistolen hervor, und verbarg
das Licht.

»Aufgemacht!« rief es. Zwar mischte sich ein bittender Ton in die
Stimme, aber Satan bat ja schon öfters mit Engels-Zungen um Einlaß. »Ich
bin es, guter Jakob!« versicherte Frau von Wessen.

Julius antwortete an des Wildhüters Statt. Aber die Thür war von innen
nicht zu öffnen und der Alte hatte den Schlüssel mitgenommen.

Sie werden doch eine Hand für mich frey haben »entgegnete Julie« um mir
durch den geöffneten Fensterladen herein zu helfen. Er folgte schnell
dem Winke und zog die Füllreiche nicht ohne Anstrengung, nach manchem
fehlgeschlagenen Versuch hindurch. Vergebens hatte Auguste während dem
zu wiederhohlten Mahlen nach dem Schicksal der Mutter gefragt.

Das »sprach die Schwägerin, als sie jetzt wieder auf ihren Füßen stand«
das kann kein Gegenstand für ein so pflichtvergessenes Mädchen seyn, das
allen dem was ihr am theuersten seyn sollte, den Rücken kehrt, um mit
ihrem Retter davon zu laufen. Verzeihen Sie mein Herr, wenn etwa die
verwünschte Dritte den Erguß der feurigen Dankbarkeit unterbrach.

Ihre Verzeihung »fiel Julius ein« ist um so überflüßiger, da wir vor
Gottes Augen wandelten.

Der Wittwe Hohngelächter empörte ihn. Vor Gottes Augen! »wiederhohlte
er« wir dürfen keck die bösen Geister Lügen strafen.

Was kümmert's mich! »entgegnete sie« Laß uns Friede machen und
Entschlüsse fassen, denn diese Nacht dauert nicht ewig und meine Kräfte
sind erschöpft. Rund um erleuchten feindliche Wachtfeuer den Himmel, nur
gegen Osten hin scheint mir der Weg noch frey zu seyn.

Auguste warf sich schluchzend an ihren Hals. Sage mir »flehte sie« wie
und wo Du die Mutter verließest, denn eine furchtbare Ahnung bedrängt
mein Herz.

Quälle mich nicht »entgegnete Julie« Und wenn Dich nun vorhin jemand
beschworen hätte, ihm zu sagen wo die vermißte Schwägerin blieb, was
hättest Du denn zu erwiedern vermocht?

Konnt' ich Dich aufsuchen? versetzte Auguste -- Dem nahen, sichern Tod
entflohen wir und tief im Wald erst kam mir die Besinnung wieder.

Das ist auch _mein_ Fall. Mich aber nahm kein beschützender Mann an sein
Herz. Mir selbst überlassen mußte ich Rettung suchen, und nur die
Schrecken der Nacht, nur die grause Furcht vor Ungeheuern, nur der
Gedanke an Woldemars Schicksal begleitete mich. Ueber mir rauschten die
Wipfel wie der Fittich des Würgengels, aus jedem Dickicht sah bald ein
weißer Geist, bald eine blutige Gestalt hervor und während dem Du hier
in schöne Augen sahst, hat mir kein Stern geglänzt, sah ich nur Bilder
des Entsetzens.

Auguste drückte die Hand der Schwägerin an ihre Lippen. Arme Schwester
»sagte sie« Ich hab auch recht für Dich gezittert und gebetet.

Dann hat mir freylich nichts begegnen können »entgegnete diese und
lächelte wegwerfend.«

Wie? »fragte Julius« Sie könnten die Vorsprache eines so himmlischen
Gemüths verschmähen? Die geheime, durch tausend Erfahrungen bewährte
Kraft eines feurigen Gebets bezweifeln? Ich für mein Theil muß zur Ehre
des guten Geistes bekennen, daß ihn mein Herz in bangen, schrecklichen
Stunden, in Lagen die ich für die äußersten, in Augenblicken die ich für
meine letzten hielt, nie vergebens um Licht und Rettung anrief.

Ich für mein Theil »erwiederte Julie« gestehe dagegen, daß mir bis jetzt
der gute Geist der Besonnenheit noch immer viel sicherer als ein
feuriges Gebet aus der Noth half, aber selbst das eiserne Fatum hat
seine Günstlinge und ich zählte Sie schon beym ersten Anblick unter
diese. So macht mich denn zur Genossin des Lichts und des Raths den
diese Bethstunde vom Himmel herablockte. Mir scheint es ganz ohne Zuthun
einer Schicksals-Macht höchst gerathen noch vor Tages Anbruch der
nächsten Station zuzueilen, und falls sich da um keinen Preis Pferde
vorfänden, auf gutes Glück mit der geschlagenen Armee fortzuziehen. Hat
ihre Niederlage sie nicht um allen Rittersinn gebracht so wird er sich
gewiß zu Gunsten junger Damen äußern, die aus verweinten Augen sehen.

Julius und Auguste entgegneten einstimmig daß man für's erste die
Rückkehr des alten Wildhüters abwarten müsse, dem es bey seiner Kenntniß
aller Schliche gewiß gelingen werde, die Baronin aus dem Schloß und in
ihre Arme zu führen. Deine Zweifel aber an der Thätigkeit einer höhern,
leitenden und erhebenden Hand »setzte Auguste hinzu« sind bereits durch
die Fassung mit der Du ganz wider Erwarten die Sage von Woldemars
Unglück hinnahmst und durch das Wunder, welches Dich durch die Nacht und
die Feinde und den unwegsamen Wald in unsere Mitte brachte, widerlegt.

Schnell erglühend sagte Julie »Ich fand noch eben Kraft genug in mir,
den Triumph der schadenfrohen Mißgunst durch Gleichmuth und Entsagung zu
verkümmern, und unter diesen Umständen in der Nachricht von des
Hauptmanns Schicksals den besten Trost.«

Julius setzte sich bereits zurecht, der erklärten, unversöhnbaren
Widersacherin die Spitze zu bieten, als der alte Jäger in das Stübchen
trat und Augusten ein Billet von der Baronin überreichte.

    Geliebte Tochter »las das Fräulein mit zitternder, von Furcht
    und Hoffnungen bewegter Stimme« ich melde Dir daß sich Deine
    Mutter zwar, gleich dem Daniel in der Löwen-Grube befindet,
    doch gleich wie er, ganz unversehrt daraus hervorzugehn
    gedenkt. Es liegt bereits ein feindlicher Oberster in dem
    Gast-Zimmer dessen Ankunft allem Unwesen schnell ein Ende
    macht. Ich kann die Güte mit der er hier verfährt, nicht
    beschreiben und rathe Euch deshalb sogleich zurückzukommen, da
    er nicht allein meine vorgehabte Entfernung gut geheißen
    sondern sich selbst erboten hat, uns in dem zugestandenen Wagen
    bis über die Vorposten begleiten zu lassen etc.

Auguste schlug hoch erfreut in ihre Hände, und Julius bot ihr den Arm.
Lassen Sie uns eilen »sprach er« denn leicht könnt vor Abends noch ein
Unhold an die Stelle des menschlichen Schutzgottes treten.




                          Achtzehntes Kapitel.


Der Wagen stand jetzt wieder, als die Flüchtlinge in den Hof traten, wie
gestern, angespannt vor der Thür, und die Baronin reisefertig an
demselben. Vor allem »sprach Julie zu dieser« lassen Sie uns Erschöpfte
erst ein wenig frühstücken, mich dann nach meinen, im größten Wirwarr
verlassenen Sachen sehen und nebenher auch dem Obersten für seine
großmüthige Schonung danken. Damit flog sie singend die Treppe hinauf
und an dem Zimmer des feindlichen Gastes vorüber. Begierig das kecke
Vöglein zu sehn, welches hier unter der Schärfe des Schwerts noch Sinn
für solche Läufer habe, steckte der junge Held den Kopf aus der Thüre
und fand sich auf's Angenehmste überrascht. Frau von Wessen schien
erschrocken, trat ihm mit reitzender Demuth entgegen, dankte dem Gütigen
in den gewähltesten Ausdrücken seiner Sprache, hoffte, sich als die
Wittwe eines gefallenen Soldaten schonender Rücksichten gewürdigt zu
sehn und war nach einem viertelstündigen Aufwand ihrer magischen Künste
der willkommensten aller Eroberungen gewiß.

So eben »sprach sie zu der ängstlich treibenden Mutter« hat mir der
Oberste noch den großen Rüst-Wagen zugestanden auf den ich alles was wir
bereits verlohren gaben, packen lassen und Ihnen dann folgen werde.
Seine Husaren und der Verwalter sollen mein Schutz und mein Schirm seyn.
Im Zollhaus erwarten Sie mich.

Die Baronin erklärte dagegen, ohne sie nicht von der Stelle weichen zu
wollen. Da nun der gedachte Rüstwagen fürs erste einer Ausbesserung
bedurfte, so verzögerte sich die Abreise von Stunde zu Stunde, und ward
endlich, als sich die Mutter im Gefolge der ausgestandenen Schrecknisse
plötzlich von ihren Krämpfen befallen sah, auf einen der folgenden Tage
verschoben. Alle außer ihr fanden dabey für den Augenblick ihren
Vortheil. Der Oberste hatte nächst dem Ruhm nichts lieber als das
_Schöne_ und Frau von Wessen gefiel sich vor allem in der Rolle der
Delila. Julius fand in den Offizieren geistreiche, unterrichtete, seinem
Sinne zusagende Männer und täglich mehr Veranlassung, der schüchternen
Auguste die Einsamkeit in die sie sich, trotz der anziehenden Gäste, zu
seiner höchsten Befriedigung vergrub, erträglich zu machen.

Bald darauf lief auch die Bestätigung von Woldemars Gefangenschaft ein.
Er hatte, laut eines vertrauten Briefes des Adjutanten, den Erwartungen
die sein erstes Probestück erregte und der Rolle zu der ihn seine
Beförderung erhob, so wenig entsprochen, sich auf einem Außen-Posten so
zweckwidrig benommen, sich späterhin so unvorbereitet überfallen lassen,
daß seine Stelle wie billig bereits vergeben und besetzt worden war.

Plötzlich entstand eines Morgens großer Lärm in dem Hofe und dem Hause.
Es gab ein Seitenstück zu Woldemars Aufbruch; eine Ordre welche den
Genius der Wessenburg zu der Armee des Innern abrief, brachte Freunde
und Feinde in Bewegung.

Die Baronin bereitete sich jetzt aufs neue zur Flucht, Julius empfahl
dem Obersten auf gut Glück seinen Kriegsgefangenen Freund und benutzte
dessen Erbieten, ihn mit Wechseln und Nachrichten zu versehn. Sein Brief
sprach um so nachdrücklicher für die Verlassene, da ihm Theresens letzte
Zuschrift für immer alle Hoffnung auf die Hand ihrer Freundin benommen
hatte.

Alles war zum Aufbruch bereit als Julie in der Mutter Zimmer trat, ihr
mit feierlichem Ernst die Hand küßte und sich als die Braut des Obersten
auf immer beurlaubte. Zwar »sprach sie« ist der Schritt gewagt; aber in
der Liebe ist ja, nach des Meisters Ausspruch alles nur ein Wagstück --
Zwar bin ich Woldemars Verlobte, der aber sitzt an fernen Wasserflüssen
und weiß noch immer nicht was er will -- Zwar ist mein Bräutigam der
feurigste Republikaner, doch wer die Freyheit ehrt, wird auch die Rechte
des Weibes achten. Zwar ist er Katholik, doch sind ja seine Götter auch
die Meinen und Amor unser Schutzpatron.

Die Mutter stand verstummt und sah mit gefalteten Händen gen Himmel.
Ihnen, Herr Baron »fuhr Julie, sich zu diesem wendend, fort« Ihnen,
dessen langweiliger Intrike mein rascher Entschluß über den Graben
hilft, wünsch' ich an Augustens Hand das beste Glück und eine Wildhütte
um es auszulassen. Warum erröthest Du, Gustel? Es ist nichts gewisseres
als daß er der Deine wird -- Ich seh, Ihr steht auf Kohlen. Gleiches mit
Gleichem! Oft genug habt ihr mich auf Nesseln gestellt. Gott segne Sie,
_ma mere_, und Ihre Bethstunden, Herr Baron und Dein Ehebett, Fräulein!
Damit verschwand sie.

Die Baronin eilte ihr nach. Auguste weinte, tief verletzt, hinter ihrem
Tuche, Julius neigte sich liebkosend zu ihr herab und sagte -- Möchte
der Segen dieser unholden Wahrsagerin ausgehen! ihr böser Wille
befördert seltsam genug den schönsten Zweck und ich darf nun keck und
ohne Zögerung eines Verhältnisses gedenken das zu den zärtesten des
Lebens gehörte. Kein Wort also von Gefühlen und Gelübden die mein
Geschlecht so oft zu gewöhnlichen Behelfen herabwürdigt. Sprach Frau von
Wessen aus Augustens Seele so wär' es wohl gerathen, die edle
Schaamröthe an meinem Herzen zu verbergen?

Sie schwieg, er schlang den Arm um ihren Leib -- »Auguste!« sprach er
leise und zog das Tuch von dem lieblichen Antlitz. Die blauen,
thränenschweren Augen bethaueten seine Hand mit warmen Tropfen. Ich fühl
es lebhaft »fuhr er fort« daß die Wildhütte zu meinem Glücke hinreichen,
daß sich, an diesem Herzen alle wilden Wünsche des meinen in sanfte
Sehnsucht nach den Hütten des Friedens auflösen würden, und was das Ihre
fühlt, verräth dies Auge.

Auguste lehnte sich, still entzückt an seine Schulter und lispelte mit
bebender Stimme -- »_Innige Liebe!_«

Er küßte den Mund der diese Worte sprach, unter freudigen Schauern, und
eilte Arm in Arm mit ihr der eintretenden, trostlosen Mutter entgegen.




                          Neunzehntes Kapitel.


Woldemar war indeß von einer gefährlichen Krankheit genesen und sah noch
immer, von jeder Nachricht aus der Heimath abgeschnitten, entblößt von
Geld und allen Gütern, die das Leben versüßen, der Auswechslung
entgegen. Nacht für Nacht erschien ihm Hermine, bald im Glanze der
Unschuld, bald als eine weinende, reuige Sünderin. Bald auch täuschten
die Entzückungen der Weih-Nacht den Schläfer, oder die glühende heiß
umfangende Julie ward vor den Augen des Erwachenden zur Stroh-Garbe des
Lagers auf dem ihn die gaukelnde Phantasie hohnneckte. Immer öder und
leerer ward sein Inneres. Tage lang sah er, gedankenlos hinstarrend, in
den Strom der an dem Kloster das die Gefangenen barg, vorüberrauschte,
und sein Gemüth erlag unter der Bürde der Schwermuth. Sterben! Schlafen!
»rief er mit Hamlet aus« das ist eine Vollendung der brünstigsten
Wünsche werth.

Vielleicht auch träumen! »sprach Gregor, sein Schlaf-Geselle« nur bette
Dich gut! Wenn selbst das Leben, wie unsere Weisen sagen, ein Traum ist,
so wird es Pflicht sich immer die angenehmsten zu bereiten. Der Verdruß
über diese närrische Welt, die Schaam über dieß thörichte Herz, der Gram
über Mangel und Unfälle, haben früher den besten Theil meines Daseyns
verkümmert und selbst die kleinen, unvermeidlichen Uebel zu erdrückenden
Lasten gemacht. Endlich erschien mir, spät genug, ein heilsamer Tröster.
Er schlug das schwarze Buch der Wirklichkeit vor mir zu, und führte mich
in sein Freudenreich. Bist Du elend? Hat Dich die Freundschaft
verrathen? Die Liebe betrogen? Dein Feuer-Eifer in Händel verwickelt?
Dein Sinn für Recht und Wahrheit die Menschen gegen Dich empört? Nun, so
flieh aus der Jammer-Höhle und folge mir nach.

Ich weiß ja wohl »versetzte Woldemar« daß Deine Kopfwunde bedeutendere
Folgen als die meine hatte.

Fürchte das nicht! »entgegnete Gregor« Tiefer als diese -- ach, ganz
unheilbar sind die Wunden meines Herzens, doch eine Wunderthäterin
verbindet sie. Welcher Unsterblichen »frag ich mit dem Dichter« soll der
höchste Preis seyn? -- Der Phantasie! In ihrem Reiche lag das Paradies;
in ihm liegt Elisium. Dort sind die Blüthen-Bäume meiner Jugend gereift;
dort lebt das Weib, dort stirbt der Freund für mich! Lob sey der Göttin!
Ihr Nektar begeistert ohne zu berauschen, ihr Kuß berauscht ohne zu
entzaubern; ewig säuselt des Lenzes Hauch durch den Hesperischen Hayn
und Kühlung um des Wallers Schläfe.

So sage denn endlich was Du mit diesem Pathos gesagt haben willst?
Könnte die Einbildungs-Kraft den Essig des Lebens in Honig, den Kerker
zum Faul-Bett, die Geißel des Schicksals zur sammtenen Hand der Charis
umschaffen, so wollt ich heute noch jeder bessern Geisteskraft
absterben.

Wer von dem Farbenspiele seines Gemüths spricht »versetzte Gregor« wird
der Mißdeutung nie entgehen. Zerfallen mit der Gegenwart anticipirt mein
Herz das Heil der Zukunft und lebt schon jetzt im Geist auf bessern
Sternen.

Eine Dame rollte pfeilschnell, im Phaeton, an dem vergitterten Fenster
vorüber.

O Himmel! »rief Woldemar« Meine Braut! --

»Mein Weib!« rief Gregor und rieb sich, wie aus einem Traum erwachend,
Stirn und Augen »Ja -- Ja! ich wache, sehe, lebe noch und das war
Julie.«

Julie von Wessen! »fiel der Hauptmann ein« die Wittwe eines Officiers.

Wittwe? sagte dieser -- O, wollte Gott!

Woldemar blickte ihm starr in's Gesicht. Jenes Geschwätz, und diese
Aeußerungen schienen auf heimliche Verrücktheit hinzudeuten, und dennoch
sah ein ruhiger, besonnener Geist aus seinen Augen. Deine Braut! rief
Gregor mit einem seltsamen Lächeln.

Die auf jeden Fall einer von uns verkannt hat.

Du nanntest sie bey ihrem Nahmen. Sie trägt den meinen.

Armer Gregor!

Sag: Aermster Wessen -- So nenn' ich mich.

Woldemar schüttelte zweifelhaft den Kopf. Dein Erstaunen »fuhr jener
fort« beweist daß Du sie kennst und daß sie mich zu den Todten warf.
Auch lag ich bereits unter diesen. Eine mitleidige Bäuerin, welche die
Opfer des Schlachtfeldes verscharren half, fand noch Spuren des Lebens
in dem Verscheidenden und entriß mich dem sanften Erlöser. Ich ward in
ihre Hütte getragen, verbunden, gepflegt und kam nur allmählich aus dem
finstern Gebiete des Nichtseyns zurück. Man hatte mich Unbekannten, zur
Ehre des Schutzheiligen meiner Weckerin, Gregor genannt. Ich ward unter
diesem Nahmen in das Haupt-Spital, und späterhin mit mehrern genesenden
Gefangenen in das Innere abgeführt. Mein Zustand verschlimmerte sich von
neuem. Was ich auch, nach der endlichen Herstellung zu meinem Besten
that und sagte, ward als ein Hirngespinnst des Wahnsinns belächelt, da
man mich nackend, ohne Kennzeichen meines Ranges unter den Leichnamen
hervorzog, und ich mich späterhin nur mit diesem Kittel bedeckt fand.

Thränen stürzten jetzt aus seinen Augen. Noch leidet freylich mein Kopf
»fuhr er mit fallender Stimme fort, und bedeckte mit der Hand die tiefe
Narbe« doch mein Gemüth leidet noch mehr. Ich habe eine zärtliche Mutter
verlassen. Sie wird bitterlich um mich weinen. Eine traute Schwester --
Tief und herzlich wird sie um den Verlohrnen trauern. Ein treulos Weib!
-- Es wird den Schmerz erheucheln wie einst die Liebe. Schnell ergriffen
sprang er auf. »Sagtest Du nicht daß sie hier sey?«

Mit nichten! »erwiederte Woldemar und drückte ihn auf sein Lager zurück«
Doch Deine fromme Mutter lernt ich kennen und diese Schwester ward mir
werth. Ermanne Dich nur! Die Rückkehr des Verlohrnen wird diese Thränen
überschwenglich vergelten und alles schnell zum Besten kehrn. Aber
Gregor vernahm des Trösters Stimme nicht. Er starrte bewußtlos vor sich
hin, und vergrub sich tief in sein Stroh.

Woldemar stand noch, von den schmerzlichsten Empfindungen bewegt, vor
dem Unglücks-Gefährten, als der Aufwärter in die Zelle trat und ihm ein
geöffnetes Paquet übergab, daß seiner Aeußerung zu Folge ein eben
durchreisender Officier für ihn mitgebracht habe. Er erkannte auf den
ersten Hinblick die Hand des Julius und ein freundlicher Sonnenstrahl
fiel durch die Nacht der Schwermuth in sein Herz.




                          Zwanzigstes Kapitel.


Der plötzliche Tod des Oheims, welcher kurz nach seiner Ankunft in
Pyrmont erkrankte, hatte Herminen schnell zur reichen Erbin gemacht, und
sie der traurigen Gewißheit überhoben, sein Vertrauen durch das
unabwendbare Geständniß ihrer Lage verscherzt zu sehn. Ein freundliches,
in der Nähe jenes Heilquells gelegenes Landgut ward zum Verstecke
gewählt, und der Geistliche desselben, der sich am Sterbebette des
Oheims die Achtung der Schwestern erwarb, zu ihrem Geschäfts-Träger
gemacht; denn für immer hatte Hermine auf die Rückkehr in ihre Heimath
Verzicht gethan.

Die Blätter verbleichen »sprach sie eines Abends zu Theresen, als die
Schwestern Arm in Arm durch den Garten des freundlichen Besitzthums
schlichen« verblich ich doch mit diesen! Kein Meer reicht hin den
Flecken auszuwaschen, der Tod allein kann ihn vertilgen. Bescholten und
verbannt werd ich vergehen -- schnell wie mein Kranz verblühn, und
unbekränzt in's Grab getragen werden.

Auch die Reue hat ihre Grenzen »erwiederte Therese« und der Gram sein
Ziel. Die Gattin gab sich nur dem Gatten hin. Er ist der Schuldige, Du
nur das Opfer. Schon öfter hat ein Fall die Fallende erhoben, ist die
Myrte zur Palme, die Büßerin ein Vorbild hoher Tugend worden. Und wenn
mich meine Augen nicht trügen »fuhr sie fort und zeigte nach der
Gitterthür« so erscheint uns eben dort ein hülfreicher Freund.

Es war Julius der an Augustens Arm in den Garten tratt. Erblassend floh
Hermine durch den Laubengang; wo hätte sie den Muth hergenommen sich in
dieser Gestalt vor ihm sehen zu lassen.

Ich komme weit her »sprach er zu Theresen« um Ihnen meine Frau
vorzustellen, vergebens wies man uns an der Pforte des Paradieses ab.
»Ich bin Gott Vater!« versicherte ich und glaub es nun selbst, denn Eva
hat sich schnell versteckt. Wohl jeder die ihn nicht scheuen darf! Deren
frommen Augen die wunderseltsame Kraft ward, den kecken Versucher in
einen ehrbaren Vormund zu verwandeln.

Denken Sie mir nicht an jenen Tag »fiel die junge Wahl seufzend ein« wir
leiden noch an seinen Folgen. Aber den Vormund heiß' ich willkommen und
freue mich des Engels den er dem Glück und seinem guten Rechte dankt.

Komm an mein Herz, edles Mädchen! sprach Auguste, und umarmte Theresen.
Sie sehn »versetzte Julius« daß wir alles erschöpfen die Pförtnerin
dieses Klosters zu gewinnen und ihre Dankbarkeit wird dagegen nichts
unversucht lassen, die falsche Schaam der mütterlichen Jungfrau zu
beschwören, deren Zustand sie in meinen Augen um so reitzender macht.

Das dürfte ganz ohnmöglich seyn! entgegnete ihre Schwester, und ein
Mann, dessen Zartgefühl mich ehedem selbst mit seinem unzarten
Geschlechte versöhnte, wird eine so seltene Tugend der leidigen
Neugierde nicht zum Opfer bringen wollen.

Sie bedürfen eines Mannes Rath! sprach er ernstwerdend.

Den liefert das Pfarrhaus.

Und bald auch -- den Herrn Pathen.

Erröthend kehrte sich Therese zur Baronin, die ihn mit einem
Fächerschlag zur Ruhe wies. Wenn ich hier nützlich seyn könnte »sprach
sie zu jener« so nehmen Sie mich auf, denn mein Mann hat eine
Geschäfts-Reise vor und ich war so lange schon mit dem Fröhlichen froh,
daß ich recht gern wieder ein Weilchen mit dem Weinenden weinen möchte.
Dieser Wechsel hat sein Gutes und man bedarf ja vielleicht auch, früh
oder spät, theilnehmender Seelen.

Sie sind ein Bothe von Gott gesandt! erwiederte Therese, und diese
großmüthige Herabneigung wird ein verstörtes, in edle Schaam versunkenes
Gemüth viel schneller als mein längst verbrauchter Trost erheben.

Mir ist »sprach Julius« bey allem dem ganz wunderbar ums Herz, und mein
Innerstes mit dem tiefsten Groll gegen den Urheber dieser Pein erfüllt,
der um jeden Preis alles gut machen soll!

Meines Mannes Reise »versicherte Auguste« hat diesen Zweck.

Therese weinte jetzt und sagte »Dieser Urheber bin ich!«

Oder der Himmel »entgegnete Julius« der Sie zum Ebenbild der Schwester
schuf, oder die Hölle vielmehr die da ganz ohne Mühe eine Saat
himmlischer Freuden mit Unkraut bedecken konnte. Aber, gute Wahl, mir
ist leid für die Leidende. Sie fühlt zu tief um nicht auf Kosten ihres
Lebens zu empfinden. Es wird in diesem Sturm versinken.

Das ist's was ich fürchte »klagte diese.«

Ich fürchte nichts! »sprach die Baronin« wir sind zum Schmerz berufen;
verstören nur -- zerstören wird er nicht. Wir Unschuldige sind gemacht
die Sünde dieser Welt, die Schuld der Schuldigen zu tragen.

Für die Wahrheit küß' ich Ihre Hand! »rief Therese.« Der liebende Gatte
that ein Gleiches, sie schlang den Arm um beyder Nacken, die Wangen der
Umfangenen berührten sich. Therese »flehte Julius« bey dem schönen Sinn
dieser Gruppe beschwör ich Sie, mich Ihrer Schwester vorzustellen; mich
wenigstens nur ihr liebes, leidendes Gesicht sehn zu lassen. Der Anblick
soll mich stärken für meine Zwecke und der thätigste ihrer Freunde
verdient ja doch, ich fühl' es lebhaft, diese Güte.

Da trat Hermine plötzlich, einem Geiste gleich, hinter der Hecke hervor
und neigte sich laut weinend an seine Brust. Sie haben viel für mich
gethan! »sprach sie mit gebrochner Stimme« mehr als ich je vergüten
kann; doch diese holde Frau wird es vergüten. Ich stehe am Grabe,
Julius; es ist mein letzter Dank! Und auch den letzten Segen leg ich in
Ihrem Herzen nieder. Ich bin nicht mehr wenn Sie _Ihn_ wiedersehn.

Thränen füllten seine Augen. Hermine drückte des Freundes Hand, und
einen Kuß auf seine Lippe. Theilt Euch in diesen! sprach sie mit dem
Flötenton der innersten Wehmuth und sank erbleichend an Theresens Herz.

Leidende Heilige! »rief Julius erschüttert aus.« Der lichte Geist der
Hoffnung umschwebe Sie! Wenn ich zurückkehre wird sich ein Blümchen an
die Rose schmiegen, und der entzückte Gatte, wie Hüon vor Amanden stehn.

Ich werde vor Gott stehn »erwiederte sie« und Ihr gerührt an meinem
Grabe. Julius verwies ihr die bangen Zweifel und machte sich
reisefertig.

Lebe wohl! »sprach die tiefbewegte Auguste und floh an den Hals ihres
scheidenden Gatten« Dem Herrn befehl ich Deine Wege! Umfangend hob er
sie empor. Lebe wohl! »flisterte sie« mein Liebling, meines Lebens
Licht! Meine Wonne!

Als Julius verschwunden war, faßte Woldemars Braut die Hände der neuen
Freundin und der Schwester, drückte beyde an ihr Herz und sprach -- Wie
sanft wird sich's in diesen Armen sterben!




                      Ein und zwanzigstes Kapitel.


Dem Briefe des Julius welchen der Aufwärter dem Hauptmann überbrachte
war ein kleines, mit Bleystift geschriebenes Blättchen, von der Hand der
Frau von Wessen beygefügt. Es beschied den Vertrauten mit dem Schlage
der bezeichneten Abendstunde in den Gasthof wo sie abtrat, und mehr als
eine Triebfeder drängte ihn, der Einladung zu folgen. Woldemar fand sie
allein, schöner als je, in einem idealischen Nachtkleid und ward mit
bräutlicher Traulichkeit von ihr umfangen.

Ihr Selbstgefühl »sprach sie, als er an ihrer Seite Platz genommen
hatte« wird mir für die Großmuth Dank wissen mit der ich mein höchstes
Gut, den Liebling meiner Seele, einer heiligen, gebietenden Rücksicht
zum Opfer bringe. Lob sey dem leichten Sinne der mir dies Opfer möglich
und den Verlust erträglich macht. Auch Sie »fuhr Julie, als sein
stoischer Gleichmuth die Antwort verzögerte, mit süßem Lächeln fort«
Auch Sie gewinnen offenbar, denn ein so fehlervolles Weib ist nur für
kurze Flitterwochen gut und jungem Weine gleich, der schnell begeistert
aber Kopfweh macht. Sie nicken? Das ist ehrlicher als galant, und auch
ich will ehrlich seyn. Wie innig hing mein Herz an diesem Woldemar. Wie
gern hätt' ich das Süßeste mit ihm getheilt, doch er verstand mich
nicht, zagte nur wo er begehren sollte, und zittert vor dem schönsten
Verhältniß. Mag eine Prüde sich mit kalter Tugend brüsten, ich schlage
schaamroth an dies warme Herz. Ach, nur die Dankbarkeit gewann das Ihre,
nur der redliche Wille ein geträumtes Gelübde zu erfüllen, nöthigte
diesem Munde die längst bereuete Verheißung ab. Doch jenes hatte meine
Leidenschaft erfunden und diese geb ich hier zu Gunsten einer weinenden
Braut zurück. Um endlich die Erinnerung an mich nicht zu den
schmerzlichsten Ihres Lebens geworfen zu sehen, wird sich mein künftiger
Gemahl für Ihre Befreyung verwenden.

Das war ein Wohllaut! Woldemar lächelte wieder, dankte, lauschte, erfuhr
mit Verwunderung wie eigentlich Augustens blaues Band in seine Nähe kam
und sagte, mit dem Geist dieser Burg versöhnt »Ein Vertrauen ist des
andern werth, und nicht bey mir darf die großmüthige Verwendung dieses
sogenannten, künftigen Gemahls beginnen. Vor allem bieten Sie die Hand
um den bisherigen zu retten. Noch lebt ihr Wessen, er ist hier. Seit
wenig Tagen theil ich mein Stroh mit ihm, und auch sein Unglück.«

Julie sah ihn verblassend an, und eben führte Woldemar den Beweis als
plötzlich Waffen auf dem Saale klangen und die kleine Tochter des Wirths
ein leises _Sauvès Vous!_ in's Zimmer rief. Der Polizey-Beamte folgte
der Warnerin auf dem Fuße nach und nahm die Frau von Wessen als
Gefährtin des verdächtig gewordenen Obersten und nebenher auch den
Gefangenen in Verhaft -- Verhaft und Guillotine aber waren, in jener
Schreckens-Zeit fast immer Synonimen.




                     Zwey und zwanzigstes Kapitel.


Da siehst Du nun »sprach Therese, und hob die Wiege vor das Bett der
tief bewegten Mutter hin« wie wenig Glauben auch die bängste Ahnung
verdient. Wir zitterten, von Deinem Beyspiel angesteckt, vor der
entscheidenden Stunde; aber sie nahm unsern Kummer mit, und gab uns
diesen Liebes-Gott. O Hoffnung, o Geduld! Ihr seyd die Perlen unsers
Kranzes.

Auguste weihte den Knaben mit stillen Segnungen, Therese ihn mit lauten
Küssen, Hermine mit heiligen Thränen ihr Ebenbild.

Zwar »sprach Auguste« sind die Männer die begünstigten Schooßkinder des
Himmels, aber wiegt wohl ihr höchster Genuß, ihr süßester Rausch, ihr
schönster Gedanke das Entzücken einer Mutter auf?

Die Männer »fiel Therese ein« sind wilde Bäume, und höchstens nur zum
Rauschen gut, bis sich die Dryas naht und sie begeistert.

Potz tausend! »rief Auguste« das ging hoch.

Aber vom Herzen! Ist auch das Bild gesucht so paßt es doch und der
Himmel verzeihe jeder die ihnen zu viel thut. Ich glaube, das hält
schwer. Die Undankbaren! Mit einem hoffärtigen »Ich danke dir Gott!«
sehn sie auf unsere Kinderstuben nieder und in dem sanften, wachenden,
erhaltenden Schutzengel des Hauses nur die gebrechliche Dienerin ihrer
Begierde. Des Heldentods der schmerzenreichen Mütter wird kaum gedacht;
weder der Ruhm noch ein Ehrensold vergilt unsere Entbehrungen und unsere
Opfer -- Geräuschlos bringen wir die größten dar; ruhmredig prahlen
_Sie_ mit den kleinsten. Fast immer folgt ihnen die Vergeltung auf dem
Fuß, wir werden fort und fort an eine andere Welt verwiesen.

»Dein Eifer, Mädchen, hat das Kind erweckt« schalt Auguste und legt' es
an der Mutter Brust. Hermine versank in dem Anschaun des Lieblichen und
vergab sich jetzt die schwache Stunde. Wie hold du bist »sprach sie den
Schmerz vergessend.« Wie diese Augen glänzen -- die Lippe lächelt schon!
Als hätt' ihn mir die gute Fee gebracht.

Die Freundinnen stimmten bey; der Kleine ward, wie einst Latonens Sohn
von den Göttinnen, bewundert, geliebkost und gewiegt. Ich wollte »sagte
jetzt Therese, um die erschöpfte Schwester einzuschläfern« daß es noch
Feen gäbe, das Leben wäre dann um eins so schön. Meine Gräfin hatte ein
altes Buch voll solcher Mährchen, es war bey weitem besser als manch
Dutzend unserer Zauber-Romane -- Die Fingerzeige der weisen und
mächtigen Balsamine haben mich oft mit dem Schicksal versöhnt und mein
Herz von der Sucht der Wünsche, von dem Verlangen nach den scheinbaren
Gütern des Lebens geheilt. So spricht sie unter anderm einst, nach der
Feen Weise, als altes Mütterchen, Fräulein Amanden um ein Almosen an.
Amanda, welche eben in Thränen schwimmt, begabt sie reichlich und wird
nun in aller Demuth gefragt, warum sie denn die Rosen und Lilien ihres
lieblichen Angesichts mit dieser Perlen-Fluth bethaue? Die Herzlichkeit
der Alten erweckt Vertrauen. Eines Liebhabers wegen! sagte Amanda. Ist
er denn unbeständig? Treu wie Gold! Eifersüchtig? So will sie ihn --
Arm? Unglücklich? Gefährlich krank? Mit nichten! gesund und reich, und
ganz wie er seyn soll, aber alle diese Vorzüge werden von seiner
Häßlichkeit verdunkelt. Zwar bin ich ihm »versichert sie« dem
ohnbeschadet vom Herzen gut, doch die Schwestern und Freundinnen werden
nicht müde meines Geschmacks zu spotten, und lächeln schadenfroh so oft
er mich die Seine nennt. Wag' ich es dann, der Lieblosigkeit zum Trotz,
ihm unter mehr als vier Augen ein schönes Wort zu sagen, oder wohl gar
einen Kuß auf seinen ungebührlich großen Mund zu drücken, so greift die
eine nach ihrem Tuch, die andere kichert hinter ihren Fächer, die dritte
lacht ihr Strickzeug an und meine Schammröthe verwundet sein Innerstes.

Balsamine schlich jetzt zum nahen Kreuzweg hin, pflückte dort nach
langer Wahl ein grün und gelbes Blümchen, kam zurück und sprach: das
_Gute_ war immerdar heilbringender als das _Schöne_ und ein reizloser
Mann viel reizender als zehn Werthlose; doch wächst für den gedachten
Uebelstand ein wundersames Hausmittel am Wege das Du nach Belieben
gebrauchen magst. Hat dein unlieblicher Freund zu dreyen Mahlen an dies
Blümchen gerochen, so wird er schnell genug der Schönste aller Schönen
werden. Amanda glaubte sich gefoppt und suchte die Vorlaute durch einen
wegwerfenden Blick zu entfernen, Balsamine aber legte das grün und gelbe
Wunder-Blümchen auf ihren Schooß und sagte -- »Nur siehe zu, was Du
thust, denn manches Uebel ist ein Gut. Schon mancher warf mit der
stinkenden Muschel die köstliche Perl weg und den Kern statt der Schale.
Treuherz folgt in Noth und Tod, aber Schönlieb ist aller Mädchen
Schatten.« Das Fräulein sprach »Es ist schon gut, sie kann nun gehn.«
Die Alte ging, Amanda sah ihr nach und ihren Amatus in der Allee
herabkommen. Die Schwestern haben Recht! »gestand sie sich« er wird von
Tage zu Tage garstiger. Kein Ziegeuner kann bräuner, keine Mohren-Nase
stumpfer, kein Juden-Kinn verletzender seyn. Amatus sah von Ferne schon
die Falten ihrer Stirn, die hängende Unterlippe, den starren, auf ihre
Arbeit gehefteten Blick und setzte sich seufzend an ihre Seite. Sie
seufzte auch und schob die Thränen, die sich unaufhaltsam in ihre
himmelblauen Augen drängten, auf Rechnung eines heftigen Schnupfens. Er
suchte sie durch die Versicherung daß sich jedes heftige Uebel in der
Regel am schnellsten erschöpfe, zu erheitern, spielte mit ihrer
Busen-Locke und langte bald darauf auch nach dem seltsamen Blümchen das
noch auf ihrem Schooße lag. Wollte Gott, dachte sie und sprach im
Scherze »_Riech ein Mahl!_«

Es riecht nach gar nichts! »versetzte er, und drückt' es tief in die
häßliche Stumpfnase« es kriebelt nur!

Ists möglich? »rief Amanda in ihre Hände schlagend« Ja, ja, sie wächst!
Ich seh's genau; die Nase streckt sich! Mehr verlang ich nicht! Aber
schon verschmolz der schwarze Stachelbart in blaue Schatten, die weit
geschlitzten Lippen schlossen sich zum Rosenkelche, des Herzens sanfte
Flamme strahlt' aus dem verklärten Augen-Paar, und als ihm die
Ungenügsame das Blümchen zum dritten Mahl hart vor die umgeschaffene
Nase hielt, wich das Mulatten-Gelb dem herrlichsten Inkarnat der je
einen Feen-Günstling verlieblichte, wurden die röthlichen Lichtspieße zu
goldenen Locken, formte sich der vieleckige Scheitel zum Apollons-Kopf
um.

O Du Göttlicher! rief das Fräulein, erfreute ihn mit feurigen Küssen und
beschwor den Verwunderten sie heute auf den Ball zu begleiten.

Amatus war entzückt den Dämon ihrer Laune so schnell entfliehen zu sehn
und gab Amanden stracks den Arm. Ihm war als hab er immer so ausgesehn
und allen Freundinnen und Bekannten als hab ihnen nur von der
Häßlichkeit des engelschönen Mannes geträumt -- Jetzt lächelte, statt
der Spottsucht, das Verlangen aus diesen; jetzt hatte jede die sonst auf
alle Tänze versagt war, die besten für ihn aufgehoben, und die ihn
gestern noch wie einen Unhold flohn, suchten den unstäten heute mit
allen ihren Zauberkünsten fest zu halten --

Leiser! »bat Auguste« sie schlummert sanft.

»So schlafen wir auch!« entgegnete die Erzählerin und setzte sich,
erschöpft von Nachtwachen zurecht, um nun ein wenig auszuruhn. Die
Baronin aber, der das Mährchen gefallen hatte, versicherte, sie werde
sich durch diesen unzeitigen Schlaf die Nacht verderben, und auch
Hermine schlug jetzt die sanften Augen auf, und erbat sich die
Fortsetzung.

Wenn Ihr es denn befehlt, gnädige Frauen! »sprach Therese,« so will ich
in der wunderseltsamen Geschichte des grünen und gelben Blümchens
fortfahren und wünsche nur, daß mein ungeschicktes Bestreben, Eure
Nachsicht verdienen mögen.

Auguste nickte lächelnd, Hermine warf ihr einen Kuß zu und diese sprach
--

Ihr könnt glauben, daß sich Amanda vor Freuden nicht zu fassen wußte,
wenn die Eine sie die beneidenswertheste Braut nannte, die Andre nicht
müde ward ihr jeden seiner Reitze vorzuzählen; wenn eine Dritte, Vierte
und Fünfte bey jeder Liebkosung die er Amanden brachte, aus Mißgunst
theils und theils aus Mitgefühl erröthete. Aber die Freude der
Eigensucht ist ein flüchtiger Wildfang. Er fliegt am Arm der eitlen Hore
fort und keine Fessel bindet ihn.

Immer hatte der Vielgetreue sonst, von den Grazien gemieden, des Winkes
seiner Braut gewärtig gestanden, jetzt mußte sie oft Stundenlang den
zarten Hals verlängern um ihn im dichten Mädchen-Kreise auszuspüren.
Sonst labte er sie während der Tänze mit Thee, kredenzte ihr bey Tafel
den Wein und den Kühltrank, jetzt trank er diesen, erhitzt vom Walzer
selbst, und hatte dann soviel mit seiner Mühmchen-Schaar und ihren
Nachbarinnen zu verkehren, daß die Vergessene oft voll Ingrimms in den
Fächer biß.

Sonst pries er sich selig sein gewaltiges Haupt auf dem Halse einer
Huldgöttin wiegen zu dürfen, jetzt scheinen diese Wiegen im Preise
gesunken und Hände, die ihm sonst im Pfänderspiel bald Schnippchen
schlugen, bald in die Wade stachen, lockten den verwandelten Amatus
jetzt, der Taube gleich, mit sanften Flügel-Schlägen. Bald schwindelte
ihm der Apollons-Kopf, die Weibergunst blies ein Licht seines Verstandes
nach dem andern aus; nur wie zur Frohne schlich er nun mit dem
getheilten, erkälteten Herzen zu der schmollenden Braut. Die fromme
Gutmüthigkeit, die reine Treue, die sittliche Güte, der schöne Kranz
seltener Vorzüge, über dem Amanda früher oft die vermißte Blume der
Körper-Schönheit vergessen hatte, war bis auf die letzte Spur
verschwunden.

Die getäuschte Braut verwünschte ihre Uebereilung, sah täglich nach
allen Winden hin der alten Bettlerin entgegen und in jedem Spital-Weibe
Balsaminen. Aber diese ließ sich weder hören noch sehen.

Als endlich das zerfallene Paar eines Abends wieder in finsterer
Zwietracht auf der Rasenbank saß, fiel Amanden am Schluß ihrer
Gesetz-Predigt, die, gleich allen Predigten, wo nicht ungehört, doch
unbeachtet blieb, der Kreuzweg in's Auge. Sie gedachte des Störenfrieds
welchen das Mütterchen dort gepflügt hatte, sammelte von einem Gedanken
überrascht, die ganze Flora dieses Platzes in ihre Schürze, tratt vor
den schweigenden Flattergeist hin und sprach -- Wie kräftig! Riech ein
Mahl! Spöttisch warf er den Kopf in die Höhe, Amanda aber flehte jetzt
so liebevoll und hob ihr Schürzchen so hoch empor, daß Amatus endlich
der unschuldigen Bitte nachgab, zu ihrer Verzweiflung immer noch schöner
ward, und nach öfterm Gähnen plötzlich davon ging. Sie sah ihm
hoffnungslos, wie damahls Balsaminen nach, und o Himmel, da kam die Fee
ganz unverhofft am Krückenstabe in der Allee herab. Amanda griff zu
ihrer Arbeit und that als habe sich kein Wässerchen durch ihre Schuld
getrübt.

Guten Abend, schönes Fräulein! »sprach das Mütterchen« ich seh ihr weint
nicht mehr, und werdet mir nun um so williger eine Gabe reichen.

Ich wollte alles was ich habe, darum geben »entgegnete Amanda« wenn mein
Liebster noch häßlicher als zuvor, und wieder der Alte wäre. Euer
verwünschtes Blümchen hat nichts als Unheil angestiftet, und wenn Ihr
mich lieb habt und Euch mein Unglück zu Herzen geht, so sorgt dafür daß
er künftig nur mir gefalle, denn wenn auch seine Nase den Kunstsinn
nicht befriedigte, so würde ich ihn doch viel lieber ganz ohne diese,
als in einer so hoch stehenden sehen; auch zieh ich jetzt ein Auge, das
liebevoll an meinen Winken hängt, und wäre es grau und schielend, den
schönsten Sternen vor, die ohne Auswahl allen leuchten.

Ihr hättet bedenken sollen »sprach die Fee« daß es auf Erden keinen
Gewinn ohne Verlust, kein Licht ohne Schatten geben kann, und daß die
reichsten Geschenke der Natur, in der Regel, durch die häßlichsten
Fehler verdunkelt oder aufgewogen werden. Die Vollkommenheit, schönes
Fräulein, erscheint hienieden, gleich dem Silberblick edler Metalle, nur
wie ein flüchtiges Meteor, und der Phönix ist kein Spielzeug für Kinder
die noch, wie Ihr, dem unscheinbaren Kleinod einen rothbäckigen
Hampelmann vorziehn.

Das Fräulein gab ihr in allem Recht, bat aber flehentlich um irgend ein
anderes Blümchen, das den unseligsten aller Zauber zu lösen, und ihren
Amatus wieder so häßlich, aber dabey auch wieder so gut als zuvor zu
machen vermöge. Euer nächster Kuß »erwiederte Balsamine« wird, wenn es
Euch anders Ernst damit ist, die Wirkungen des Blümchens aufheben, nur
sehet, zu was ihr thut, denn wer nach dem Unvergänglichen strebt, darf
kein Opfer scheun, und den Götzen nicht schonen, wenn er die Götter
versöhnen will. Am Ende könntet Ihr mich wohl wie gestern verwünschen
und ich würde dann ganz unfähig seyn ein so bestandloses Herz zum
dritten Mahle zufrieden zu stellen. Aber seht, dort kömmt Euer
Ungetreuer mit einer ganzen Schaar lockender Jungfrauen in der Allee
herab. So lebt denn wohl, armes Fräulein und fortan in der festen
Ueberzeugung, daß nur ein bösartiges Gemüth den Menschen entstellt, ein
edles hingegen auch über die entschiedenste Häßlichkeit einen
gewinnenden Zauber verbreitet.

Amanda vernahm diese Worte kaum und bemerkte das plötzliche Verschwinden
der Fee um so weniger, da ihre gefährlichste Nebenbuhlerin an seinem
Arme wandelte und die andere ihm ein Liedchen vorsang, daß die Sehnsucht
des liebekranken Herzens aussprach. Sie rauschte einer Windsbraut
ähnlich, nach der Allee hin. Amatus ließ, von dem Anblick bestürzt, den
Arm der Begleiterin aus dem seinen fallen und fühlte seine Lippe mit
tausend gierigen Küssen bedeckt. Der Mädchen-Kreis schlich spöttelnd und
beschämt abseits, sie aber lachte laut als das Antlitz des Geküßten
plötzlich in die frühere, abschreckende Form zurückschnellte. Sie lachte
zu früh.

O Himmel »rief jetzt Amatus« wie siehst Du aus? Was ist meiner Amanda
begegnet? Welcher schadenfrohe Zauberer hat Dich Arme in einen Spiegel
verwandelt der mein abstoßendes Ebenbild zurückwirft? Erblassend warf
Amanda einen Blick in den Bach der zu ihren Füßen wallte, und sank
bewußtlos an ihm nieder, denn Amatus hatte Recht.

Ermahne Dich! »bat er, als das frische Wasser mit dem er die Verwandelte
bespritzte, sie aus dem Scheintod des Entsetzens erweckte« Wir wollen
nun recht glücklich seyn! Mir ist aus der Götterlehre bekannt wie es dem
Häßlichen erging als es sich mit dem Schönen vermählt hatte, und welche
Rolle dem armen Vulkan an der Seite der Liebesgöttin zu Theil ward.
Dieser Sorge seh ich mich jetzt auf immer überhoben und Ergebung in das
unbeugsame Schicksal wird Amanden in meinen Augen viel reitzender als
vorhin machen.

Die Unglückliche beweinte jetzt ihr thörichtes Beginnen und fast ging
ihr der doppelte Verlust ihres schuldlosen Freundes mehr noch als der
eigene, verschuldete zu Herzen. Der Bräutigam aber war nie fröhlicher
gewesen und die junge Frau bereits seit Jahr und Tag mit dem Schicksal
versöhnt, als ein engelschönes Kind sie für das mannigfache, aus dem
Verkehr mit der Fee erwachsene Unheil entschädigte. Kaum hatte Amanda
den Kleinen an ihr Herz gedrückt als sie plötzlich wieder schöner denn
je ward; kaum neigte sich der gerührte Gatte zu dem Engel nieder als ihm
dasselbe wiederfuhr. Das liebende Paar umarmte sich, still entzückt,
über dem Kinde und ich Ungeliebte bitte die gütige und weise Balsamine,
daß sie meine gnädigen Frauen sowohl als diesen kleinen Fee-Sohn in
ihren freundlichen und mächtigen Schutz nehme.

Allerliebst! »sprach Auguste« und Dir bescheere sie einen Amatus.

Hermine, die zu schlummern schien, richtete sich plötzlich auf und
sprach -- Es ist nicht gut daß Ihr es wagtet mich so plötzlich, so ohne
alle Vorbereitung zu erfreuen. Aber, warum zaudert Er denn? Führt ihn
doch näher -- Her an mein Herz! Ach, Du Geliebter!

Auguste und Therese sahen sich betroffen an und nach der Thüre hin an
der Herminens Augen fest hingen, dort aber ließ sich nichts erblicken
und die Kranke sank mit geschlossenen Augen in das Kissen zurück.




                     Drey und zwanzigstes Kapitel.


Hermine hatte in den folgenden Abenden genau um dieselbe Stunde dieselbe
Vision und versank darauf jedes Mahl in einen tiefen Schlaf, ohne sich
beym Erwachen des Vorgangs bewußt zu seyn. Augusten faßte allgemach das
Grauen, wenn die bleiche Dulderin oft mitten unter traulichen Gesprächen
nach irgend einem dunkeln Winkel des Zimmers hinwies und getäuscht von
Sehnsucht und Phantasie den Gatten ihres Herzens im leeren Raum sah. Der
Arzt verschrieb, demonstrirte, tröstete und unterhielt die Damen mit
ähnlichen Beyspielen die sie immer noch furchtsamer machten und Therese
kehrte bereits in der Stille zu dem verworfenen Glauben an die
Möglichkeit sogenannter Ahnungen zurück und sah von Tage zu Tage einer
Trauerpost entgegen.

Eben nahte sich der Zeiger eines Abends der Geister-Stunde als Hermine
die Schlummernden mit angsthafter Stimme bey ihren Nahmen rief und sie
bat die Gartine des Fensters aufzuziehen, denn es hat »setzte sie unter
Schauern hinzu« zu wiederhohlten Mahlen leis' und seltsam an die Scheibe
geklopft. Beyde Freundinnen eilten an ihr Bett hin, sprachen ihr zu und
hörten beyde jetzt an der bezeichneten Stätte dasselbe Klopfen.

Ich wache schon seit einer Stunde »entgegnete Hermine« bin ohne Fieber
und habe mit Entsetzen, leise, klägliche Seufzer vernommen, die dem
Klange der Scheibe vorangingen. Fürchtet Ihr Euch so ruft die Wärterin,
denn daß ein Mensch oder ein Geist vor ihm lauscht, ist außer Zweifel.
Die Wärterin, welche in der offen stehenden Kammer schlief und von dem
Gespräch erwacht war, kam jetzt herein, glaubte, vertraut mit Herminens
Zustand, die Kranke durch Erfüllung ihres Willens zu beruhigen, zog die
Gardine rasch empor und fuhr mit einem Angst-Geschrey zurück. Ohnmächtig
sank Auguste am Bette nieder, Therese verbarg ihr Gesicht in den Kissen
der Schwester, Hermine aber wendete sich erbleichend nach der Wandseite
und lispelte -- »Er hat vollbracht.«




                     Vier und zwanzigstes Kapitel.


Julius eilte indeß mit Pässen einer neutralen Macht und geltenden
Empfehlungen ausgerüstet, nach der Grenze und traf in Straßburg auf
einen Officier von dem Gefolge des Obersten, der in jenen stürmischen
Tagen auf der Wessenburg sein täglicher Gesellschafter war. Er ging so
eben, dem Tod entronnen, zur Armee zurück, erzählte ihm, daß der
unglückliche Oberste die humane in Feindes Land geübte Schonung mit dem
Leben habe bezahlen müssen, daß er selbst nur durch Zufall demselben
Schicksal entgangen, und daß der Entschluß, sich einem Freund zu Liebe
in den Strudel dieser tobenden See werfen zu wollen, mehr als tollkühn
sey. Der Officier schilderte ihm das Reich der Schrecken mit so
lebhaften Farben, verhieß ihm den gewissen Tod mit so reger Zuversicht,
stellte ihm die Nutzlosigkeit dieses Wagstücks so klar vor Augen, daß
Julius die Erfüllung der Pflichten gegen sich selbst, jeder entferntern
vorzog. Er kehrte fürs erste zu seiner Schwieger-Mutter zurück, welche
wieder auf der Wessenburg hauste, die zufolge geschlossener Verträge
jetzt auf neutralem Gebiete lag, unterrichtete Augusten schriftlich von
der Vergeblichkeit seiner Bemühungen und von der Nothwendigkeit, die
gehäuften, durch den Krieg verstörten Angelegenheiten der Baronin in
Ordnung zu setzen.

Vergebens hatte er bey jenem Zusammentreffen mit dem feindlichen Freunde
nach Woldemars Schicksal geforscht, denn der Officier war kaum
freygesprochen, als er ohne Zögerung auf das Feld der Ehre zurückeilte.
Er wußte nur, daß es der schönen Frau von Wessen, kraft ihrer Reitze,
ihrer Geistes-Gegenwart und Gewandtheit gelungen sey, den Blutdurst der
Richter in milde, menschliche Schonung zu verwandeln, und daß man sie
zugleich mit jenem auf freyen Fuß gesetzt habe.




                     Fünf und zwanzigstes Kapitel.


Julius fand bey seinem endlichen Eintritt in Herminens Asyl, Theresen in
Thränen, seine Auguste der weißen Rose gleich und die Kranke noch
bettlägerig. Jene sah nicht ohne tiefen Schmerz, die theure vielgeliebte
Schwester allmählig vergehen, diese sah den Freuden der Mutter entgegen,
Hermine duldsam und ergeben in das offene Grab. Der Geist des Geliebten
war seit jenem Abend gewichen, selten nur gedachte sie seiner und auch
dann nur wie die Erinnerung eines längst verschiedenen Jugend-Gespielen
gedenken mag. Auguste hatte nach dem Ergusse der ersten Begrüssungen
nichts wichtigeres als ihren herzgeliebten Gatten von allem was sie hier
erfuhr, empfand und leistete, von Herminens Zustand und der Erscheinung
jener Nacht zu unterhalten. Welchen Zuwachs »fuhr sie fort« meine
natürliche Bänglichkeit unter diesen Eindrücken und Umgebungen erleiden
mußte und unter welchen Empfindungen ich in jener Schreckensstunde nach
der Gardine hinsah, wirst Du selbst fühlen. Aber denke Dir auch jetzt
mein Entsetzen, als der Vorhang nun aufrauschte und ein bleiches
Gespenst durch die Scheibe sah. Der Sturmwind hob ihm die verwilderten
Haare gen Berge, sein Stöhnen zerriß mein Ohr, mein Auge ward von
bekannten Zügen festgehalten und als ich der Sinne wieder mächtig ward,
hatten die Bedienten bereits den Garten durchsucht, hatten ein halb
erstarrtes, in Lumpen verhülltes Schreckbild unter dem Fenster
aufgefunden, und den Unglücklichen in das Gewächshaus gesperrt. Noch lag
Hermine sprachlos da und zeugte zu der Kirche hin. Wir sandten nach dem
Geistlichen. Er hörte mit Erstaunen was uns begegnet sey, vernahm die
Bedienten, ließ sich in das Gewächshaus führen und bereitete mich nach
der Rückkehr aus diesem, auf das Daseyn meines todt geglaubten,
beweinenswerthen Bruders vor, den er sofort für den Augenblick bey sich
aufnahm. Julius faßte voll Erstaunen ihre Hände. Eine Wunde »fuhr
Auguste fort« deren Narbe sich über die Scheitel bis in den Nacken
hinabzieht, ist die wahrscheinliche Quelle seines Wahnsinns, denn bis
jetzt nur wenig lichte Augenblicke unterbrachen. Er vertraute dem Pastor
während eines solchen, daß er schon halb begraben, durch das Mitleid
einer Bäuerin gerettet, geheilt, in das Innere Frankreichs abgeführt
worden sey; daß ihm der heilige Gregor erschienen, ihm zur Flucht
behülflich gewesen sey; daß sein Aussehn, sein Zustand und das Geleite
des Heiligen ihm den Weg gebahnt habe. Er will zuerst auf der Wessenburg
gewesen, dort nicht eingelassen worden und von den Hirten hierher
gewiesen worden seyn. Auch hier fertigt der Gärtner den sinnlosen,
scheinbar wilden Mann vor der Thür ab, er aber steigt bey Nacht über die
Garten-Mauer, schleicht zu dem erleuchteten Fenster hin und veranlaßt
die schrecklichste aller Scenen.

Gern, ach, gern »setzte die Baronin unter herzlichen Thränen hinzu« wär
ich längst an seinen Hals geflogen und hätt' ihm die gesuchte, lang
entbehrte Schwester finden lassen, aber der Pastor gestattet es nicht
und besteht auch darauf, die Mutter in dem Glauben an seinen Tod zu
erhalten. Darum verschob ich die Mittheilung dieser erschreckenden
Neuigkeit bis auf Deine Herkunft, und Du wirst Dir nun leicht erklären
können warum wir, trotz des Dranges Deiner Geschäfte, und der
Triftigkeit Deiner Gründe auf dieser bestanden.

Julius säumte nicht, sich von dem Daseyn eines so merkwürdigen als
Schrecken erregenden Verwandten zu überzeugen, fand ihn tief im Stroh
vergraben das er dem einladendsten Bette vorzog und den Leibes- wie den
Seelen-Arzt an seiner Seite. Jener erklärte ihn, kraft den Folgen der
Wunde welche das edlere Gehirn verletzt habe, für unheilbar, und man kam
überein, den Unglücklichen einer nahen Versorgungs-Anstalt zu übergeben.
Tief bewegt kehrte der Baron jetzt an Herminens Bett zurück die ihm mit
Innigkeit ihre brennende Hand reichte, ihm ihr liebliches Kind an das
Herz legte, und den Freund mit süßen, tief eindringenden Worten bat, das
nahe Weihnachts-Fest in ihrem Hause zu begehen.

Gern will ich das! »sprach Julius, ergriffen von Erinnerungen« nur
geloben Sie mir auch dagegen, es mit Heiterkeit zu feyern, und Ihren
Gram in den Strom der ewigen Liebe zu versenken welche diesen Tag vor
allen zum Freudenfest weihte. Mit einem schmerzlichen Lächeln versetzte
sie »Bald, theurer Julius, bald wird mich dieser Strom umfangen.«




                     Sechs und zwanzigstes Kapitel.


Zugleich mit Julien war auch Woldemar auf freyen Fuß gestellt worden.
Sie suchte ihn jetzt selbst in seiner Zelle heim und hörte nicht ungern
daß Herr von Wessen während dem, die Aufmerksamkeit der Wächter und
Schildwachen getäuscht und sich aus dem Staube gemacht habe. Woldemar
hielt der Lieblosen eine ausführliche Straf-Predigt. Er rieth ihr, sich
nun ohne Zögern um Pässe zu bewerben und in die Arme ihrer
Schwiegermutter zurückzukehren, wo die Verkündigung der Existenz des
Sohnes, der vielleicht bereits auf dem Wege nach der Heimath sey, der
verlohrnen Tochter eine günstige Aufnahme verschaffen werde; sie aber
setzte sich auf seinen Schooß und sprach --

Da sey Gott für, daß ich einem Verrückten nachziehen sollte, dessen Hand
mir ein unglückliches Verhältniß aufdrang; den die Erfahrung, daß es
keine Rose ohne Dornen gebe, zu einem erklärten Widersacher machte und
der über Verrath und Treulosigkeit schrie, wenn ich mich wohlwollender
zu den geistreichen, theilnehmenden Freunden als an den Schöpfer der
Pein und der Zwietracht hinneigte. Ich bin wie ich bin, guter Woldemar,
und Liebe nur vermag die Flügel des flüchtigen Sinnes zu binden, der
mich so oft schon durch den Himmel zur Hölle, und wieder empor trug.
Wollte das Gemüth jeden wirklichen oder möglichen Unfall, das Herz jeden
Schmerz und jede Verirrung nach Würden berechnen, betrauern und
festhalten, so würde unser Auge vom Weinen erblinden, der Selbstmord
ansteckender als der Schnupfen und die Schwermuth der allgemeine
Charakter des Menschen-Geschlechts werden. Wer in der Narbe noch die
Wunde sieht, wird das Wundfieber nie verlieren, und nur der unnütze
Rückblick auf vergangene Schrecken versteinerte Loths Ehehälfte. Ich bin
vergnügt das Leben aus dem Sturme gerettet zu haben. Was er mir raubte,
verschlingt der Lethe; er ist vergessen.

Sie lächelten wo Männer bebten »entgegnete Woldemar« und machten den
Tyger zum sehnsüchtigen Kinde. Aber nicht alle sind zähmbar und unser
Leben schwebt noch immer, nach wie vor, auf eines Haares Spitze.

So mög' es hinabfallen! ist doch dieses Stündchen noch unser. Willst Du
lachen oder weinen? Ich will es auch. Die frühern Rechte geltend machen?
Da sind meine Lippen. Küsse Dich satt, treuloser Bräutigam, denn daß Du
hienieden noch lachen und weinen und küssen kannst, ist ja mein Werk.
Ich habe Dich erlöst von dem Uebel; komm, bete mich an. Erröthend
wendete er das Gesicht von ihr ab, doch Julie schlang den Arm um des
Spröden Hals, strich das Haar aus seiner Stirn und gedachte jetzt der
schlaflosen Nächte, die ihr die Narbe dieser Stirn gekostet hatte;
gedachte der süßen, berauschenden Situationen auf der Wessenburg, der
Blüthen und der Früchte die sie dort in den Kranz seines Lebens webte.
Er aber wand sich aus dem Arm der Versucherin und sprach »Bedauern Sie
den albernen Thoren, der nur das Achtungswerthe lieben kann, doch Blumen
die für Jeden blühn, wie die benagte Frucht verschmäht.«

Julie sah ihn mit blitzenden Augen und glühenden Wangen an. »Benagt?
Verschmäht?« fragte sie, schnell empört. So bedaure denn auch das
Geschlecht das sich nie ungerochen verschmähen ließ.

Ein Officier unterbrach sie; er forderte den Gefangenen vor die
Schranken des Ausschusses, um dort über seinen geflüchteten
Unglücks-Gefährten Auskunft zu geben.




                    Sieben und zwanzigstes Kapitel.


Therese trat am Weihnachts-Abend mit dem Kind auf ihrem Arm an Herminens
Bett, und von des Kindes Arme sah ein Wachs-Püppchen auf die Mutter
herab. Das hat ihm der heilige Christ bescheert »sprach die Schwester«
ich fand es unter Deinen Papieren. Hermine verhüllte plötzlich ihr
Gesicht. Das war die Papagena die ihr in jener Nacht sein Daseyn
verkündigte; das treue, prophetische Bild ihrer Zukunft, und jetzt
gleich ihr verblichen. Ein Reihentanz verloschener Erinnerungen schwebte
von dem Püppchen belebt, an ihrer Seele vorüber. Sie gedachte des
Ueberraschenden »_Er ist Dir nah!_« der bangen Betroffenheit, des süßen
Schrecks, des magischen Schlages mit dem der Inhalt des Notenblatts ihr
Herz traf; der Thränen die sie an dem seinen weinte, des himmlischen
Wahnsinns der aus des Lieblings Augen glänzte, von seinen Lippen floß,
durch seine Nerven schauerte -- Gedachte der nahmenlosen, unendlichen
Wonne, der ach, der nahmenlose Jammer folgte, zog jetzt das Kind zusammt
dem deutungsvollen Bild an ihre Brust und bedeckte sie beyde mit Küssen
und Thränen.

Wenn ich bedenke »fuhr sie gefaßter fort« wie vor dem Jahre alles so
anders war! Der selige Onkel schenkte mir willkommene Dinge, drückte
mich liebend an die Brust und nannte mich ein Herzens-Kind. O, welch ein
Wechsel!

Der Wechsel »erwiederte Therese« erhebt uns, indem er uns niederbeugt.
Verklage Dein Schicksal nicht. Wie glücklich ist der Traurige dem noch
die Freundschaft weinen hilft; o wie beneidenswerth der Kranke an dessen
Bett die Liebe wacht. Sey gerecht und erheitere Dich. Sieh, wir
erschöpfen alles für diesen Zweck. Ist auch der Onkel todt, so soll es
Dir doch nicht an Gaben fehlen, wie dieser Tag sie mit sich bringt.

Herzliebste Schwester »bat die Kranke« Habe Geduld mit mir!

Wie sollt ich nicht! Du guter Engel? Meine Wohlthäterin, meine
Schwester, meine Geliebte! Damit küßte Sie tief bewegt Herminens Hand.
Die junge Baronin unterbrach die Vertrauten. Ihre Jungfern trugen einen
lichterreichen Tisch in das Zimmer und stellten ihn vor dem Bett der
Freundin nieder.

Auguste schlug in ihre Hände. Schaut auf »rief sie aus« der heilige
Christ ist da, laßt Euch bescheeren.

Die Kranke richtete sich lächelnd auf, lächelnd starrte ihr kleiner
Woldemar die Lichter an.

Fürs erste »sprach Auguste« ein Hannswurst für den Kleinen. Ganz meines
Mannes Ebenbild -- Und dann dies Jäckchen, das ich für ihn strickte, und
für Dich Hermine dies gestickte Morgenkleid. Bey jedem Stich dacht ich
des süßen Lächelns mit dem Du es empfangen würdest. So lächle denn! ich
bitte Dich.

Helft mir heraus! »bat Hermine« ich muß es anprobieren. Die Freundinen
sahen sich verwundert an, und erstaunten als sie darauf bestand, über
die Kraft-Aeußerung mit der die Kranke ganz im Widerspruch mit ihrer
Schwäche dem Bett entschlüpfte und auf Theresen gestützt sich von
Augusten bekleiden ließ. Endlich und zuletzt »sprach diese« hab ich auch
für ein Spitzen-Häubchen gesorgt. O sieh, das läßt Dir allerliebst.

Wenn sich der Reichthum erschöpft hat »fiel jetzt Therese ein« so tritt
die Armuth bescheiden und verschämt herbey und opfert ihr Schärflein.
Verschmäh es nicht! meine Haare sind es, in ein Halsband geflochten.
Doch würde auch jedes einzelne zu einem Segen, sie würden dennoch nicht
die Dankgefühle meines Herzens erschöpfen. Hermine schlang es hastig um
ihren Hals und ließ sich vor den Pfeiler-Spiegel führen. Lange
betrachtete sich die Schweigende, und lispelte jetzt mit sinkender
Stimme -- »Die Braut im Sterbekleide!« Das Kind sah von dem Arm der
Wärterin an der erhabenen Gestalt der Mutter auf. Sie ergriff es. Hier
»sprach sie zu den Freundinnen und legt' es in ihre Hände.« Hier habt
ihr ein Gegen-Geschenk. Mein köstlichstes! Ermattet wankte sie zum Sopha
hin.




                     Acht und zwanzigstes Kapitel.


Das Schicksal schien sich endlich an dem armen Gefangenen erschöpft zu
haben. Ganz unverhofft erhielt Woldemar durch die Vermittlung eines
Gesandten, dessen Gemahlin seinem Hause verwandt war, die Erlaubniß, auf
sein Ehrenwort nach Deutschland zurückzukehren. Er eilte nicht, er flog
über den Rhein nach der Wessenburg, wo man ihn denn an Ort und Stelle
wies. Mitten in der Nacht dieses denkwürdigen Weihnachts-Abends
erreichte Woldemar das lang ersehnte Ziel. _Er ist Dir nah!_ rief der
Entzückte, sprang vom Pferde, sah die Fenster noch erleuchtet, die Thür
unverschlossen und suchte jetzt, um nicht durch die Gewalt der
Ueberraschung Unheil anzurichten, vergebens ein dienstbares Wesen auf.
Da stürzte plötzlich eine verweinte Gestalt mit einem Kind in dem Arm
aus der nächsten Thür hervor. Woldemar drängte sie zurück.

Sie ists! »rief er, den Vorsatz vergessend, hingerissen von dem
Zauberbilde der Erscheinung« Du bist's! Das ist mein Kind! Er warf sich
zu des Mädchens Füßen.

Unglücklicher! »stammelte sie« ich bin es nicht! -- Ich bin Therese!

Woldemar sprang empor. Aber Sie lebt! Sie ist hier! »fiel er ein.« Wo?
Wo find ich Sie und _Wie_? -- Das erweckte Kind schrie unter seinen
Küssen. Geben Sie die Hoffnung auf »sprach Therese« meine Schwester noch
in dieser Nacht zu sehn. Hoch über der Wirklichkeit schwebt die
Phantasie und das Bild das jetzt vor Ihrer Seele steht wird dem
Originale schwerlich gleichen.

Ich weiß »entgegnete er« was sie gelitten hat und bin auf den Anblick
eines Schattens gefaßt, denn die alte Baronin verwundete mein Herz durch
die Schilderung ihres Zustandes. Aber mein Hierseyn wird Wunder thun und
stände sie schon mit einem Fuß im Grabe, ich reiße die Verscheidende
empor und hauche neues Leben in ihre Brust.

Ach, _Einer_ nur vermochte das und dieser einzige stieg gen Himmel.

Sie lebt! sie liebt! Sie harrt auf mich. O, eilen Sie, den Retter zu
verkündigen der alle Wunden heilen wird.

Ich fühle mich diesem Auftrage nicht gewachsen »erwiederte Therese« und
gehe, den Baron zu hohlen. Hier ist Ihr Kind. Verfahren Sie säuberlich
mit dem Kleinen. Das Mädchen ging. Unter Schauern der Vaterwonne sah er
in des Knaben Augen. Sie glichen den Augen seiner Mutter die ihn so oft
im Innersten bewegten. »Willkommen!« sagten die Himmelreinen.

Jetzt regt' es sich im Neben-Zimmer. Der Sehnsucht Wellen drängten ihn:
er trug das Kind in seine Wiege, schlich zu der Thüre hin und öffnete
sie, verstohlen, mit leiser Vorsicht. -- Da lag Hermine, bräutlich
angethan, in dem Sopha: das Nachtlicht goß seinen bleichen Schimmer über
die Schläferin aus.

Mein Freund! Mein Woldemar! flisterte in diesem Augenblick eine Stimme
hinter ihm, er fühlte sich mit starkem Arm zurückgezogen und lag am
Herzen seines Julius.

So reizend »versetzte Woldemar nach den ersten Begrüssungen und wies
nach der halb geöffneten Thüre hin« so magisch anziehend hab ich _Sie_
nie gesehn. O, weckt sie auf! Erweckt die Schläferin zum neuen Leben --

Vermöcht ich das! sprach Julius mit zitternder, vom Schmerz erstickter
Stimme.

Du weinst? »rief Woldemar« Gott! Dein Gesicht entstellt der Schrecken --

Mir ist nicht wohl.

Nicht wohl? Und das wär' alles?

Mir bricht das Herz!

Um meinet willen? Wie?

Sie schläft. Du sagst es selbst -- Wohl schläft sie sanft und süß -- Den
langen Schlaf! Ein Engel nur kann sie erwecken.

Woldemar starrte den Weinenden an und stürzte laut aufschreyend zu der
Todten hin. Sie war noch lau, vor wenig Stunden hatte sie der
Nervenschlag getroffen.

Lichter! Lichter! »rief er« daß ich sie sehe, daß dies Heiligenbild sich
in mein Allerinnerstes versenke!

Therese schlich, auf Trostmittel sinnend, herbey, Auguste rang die
Hände. Laßt ihn toben »sagte Julius« laßt ihn schreyn! Und zu dem
Vergehenden sprach er »Ist es nicht tröstlicher das Kleinod unsers
Lebens im Sarge als an dem Herzen eines Dritten zu finden?«




                     Neun und zwanzigstes Kapitel.


Als Hermine von dem Spiegel, zu dem sie die letzte Anwandlung ihrer
Weiblichkeit hinzog, auf das Sopha zurückschlich, rieth ihr Auguste die
ungeübten Kräfte nicht über die Gebühr zu versuchen, und beyde
versprachen diese Gedächtniß-Nacht an ihrem Bette feyern zu wollen; die
Kranke aber schien, von jener traurigen Apathie erlöst, sich wieder nach
dem Irrdischen zu sehnen, sich in dem edlen, idealen Gewande zu gefallen
und zog mit reger Lebenskraft die Freundinnen an ihre Seite.

Der Arzt, welcher jetzt seinen Abend-Besuch ablegte, erstaunte, Herminen
außer dem Bett und in diesem Anzuge zu sehn, fand sie jedoch viel besser
als am Morgen, ohne Fieber und in einer gemüthlichen, ihm höchst
erwünschten Stimmung. Auch der Pastor kam, ihr zu dem Wiegenfest des
großen Dulders Glück zu wünschen, der jetzt ihr Tröster und ihr Vorbild
war, erschrack nicht wenig sie im Familien-Kreise zu finden und
schöpfte, gleich dem Arzt, von ihrem Aussehn und Benehmen getäuscht,
neue Hoffnungen.

Als aber bald darauf die Stunde schlug, in welcher sie vordem das Bild
der Entflohenen in dem beschatteten Winkel des Zimmers sah, verfärbte
sich mit einem Mahl die Kranke, umfaßte krampfhaft Theresens Hals, als
sollte diese sie vor der gewaltigen Hand des Todes schützen, und sank
entfesselt an die schwesterliche Brust. Freundschaft und Liebe bot
vergebens alle Mittel zu ihrer Belebung auf; Freundschaft und Liebe
drückte ihr endlich die sanften Augen zu und flocht ein Palmen-Reis in
ihre Locken. Sie ward in jenem Sterbekleide das ihr hienieden die größte
Freude gemacht hatte, von den Jünglingen des Dorfs zu Grabe getragen,
und als man den Sarg verschloß, sank Therese, welche bis dahin beyde
Männer durch ihre Fassung beschämt hatte, bewußtlos nieder und verfiel
in eine Gefahr drohende Krankheit. Sie sah sich für die Quelle aller
jener unseligen Verhängnisse, für die eigentliche Ursache des Todes
ihrer Schwester an und würde ohne den mächtig erhebenden, trostreichen
Beystand des Predigers in unheilbare Schwermuth versunken seyn.




                          Dreyßigstes Kapitel.


Wir wenden uns von diesen Trauer-Szenen um die Leidtragenden in eine
lichtere Zukunft zu begleiten. Außer dem bittern Gram über eine Reihe
von Uebereilungen hatte auch die Geschichte seiner Gefangennehmung, der
Schmerz gekränkter Ehre Woldemars Herz zerrissen und das Bewußtseyn der
erschöpften Pflicht reichte nicht hin eine Wunde dieser Gattung zu
bedecken.

Julius begleitete ihn bald nach Herminens Todtenfeyer in die Hauptstadt.
Er trat mit ruhigem, gefaßtem Muth dem Groll der Falschen, dem
Vorurtheil der Täuschbaren, dem Verfolgungs-Geist mächtiger Feinde
entgegen, beschämte diese und drang auf ein Kriegsrecht das ihn
freysprach und belobte. Die eben erfolgte Auswechslung der Gefangenen
überhob ihn der Rückkehr in die Nachbarschaft der Guillotine, welche
seitdem die Frau von Wessen bereits ein Dutzend Mahl zur Wittwe gemacht
hatte, und so kehrte denn Woldemar frey und versöhnt mit dem Schicksal
auf Herminens Landgut zurück, das ihm der letzte Wille seiner verewigten
Freundin zugetheilt hatte.

Ihr kommt zur rechten Stunde! »rief Auguste die jetzt ihrer Niederkunft
nahe war, den Freunden entgegen« Wir dürfen keinen Tag länger säumen
nach Wessenburg, in die Arme der verlangenden Mutter zu eilen, und doch
ist der gute Rath hier eben sehr theuer. Therese kann, wie sich von
selbst versteht, nicht bey dem ledigen Manne bleiben und doch Keine von
uns es über sich gewinnen das theuere Weihnachts-Geschenk der Hand einer
Wärterin zu überlassen.

Julius dachte bereits auf einen Vorschlag zur Güte, und zu dem Hauptmann
sprach Auguste »Therese ist hergestellt.« Er schwieg -- Sie blüht wie
diese Frühlings-Blumen »fuhr jene fort.« Verwaist, und einsam steht sie
auf der Welt, geziert mit Reitz und Seelen-Güte, der Schwester Ebenbild,
die Erbin ihres Herzens und ihres Goldes. Genug »versicherte sie mit
steigendem Eifer« ich lege mein Haupt nicht sanft, mich eher nicht ins
Wochenbett, bis sie die Ihre ist.

Woldemar aber vernahm kein Wort dieser Rede, denn alle Schrecken jener
Nacht hatten sein verletzbares Herz beym Anblick dieses Zimmers
überfallen. Er starrte das Sopha an, auf dem sie damahls, lieblich
geschmückt von einem Tanz erschöpft, zu ruhen schien und ihr lächelndes
Himmelsbild über diesem, mit Flohr bekränzt, umschlungen mit
Zypressen-Zweigen.

Wo sind Sie? fragte die Baronin und weckte den Träumer, denn eben trat
Therese mit seinem Kind auf ihrem Arm in's Zimmer. Er fuhr empor,
schritt auf sie zu und riß das holde Ebenbild der Todten mit einem
Klageton ans Herz.

Therese wurde roth. Gelobt sey der Genius »rief er aus« der mich durch
diesen Zauberspiegel täuscht. Zur Hälfte nur hab ich die theuere Braut
verlohren. Die schönere Hälfte lebt in diesen Zügen, sie lebt in diesem
Herzen, und ach, in diesem Kinde fort.

Zerbrich Dir den Kopf nicht länger »flisterte Auguste in des Gatten Ohr«
es scheint als wolle sich das Auskunfts-Mittel ganz ohne unser Zuthun
finden.

Therese hatte indeß ihr glühendes Gesicht an des Knaben Brust verborgen.
Wo warst Du denn? fragte die Freundin.

An _Ihrem_ Grabe »sprach Therese« der Abend ist so schön und der
Kirchhof mit Blüthen bedeckt.

O, führen sie mich hin! »bat Woldemar« meine Augen werden diese Blüthen
bethauen.

»Herzlich gern« erwiederte sie und winkte Augusten, ihr zu folgen, doch
diese versagte lächelnd die Gewährung, hing sich an ihres Gatten Hals
und hielt auch den zurück.

Der Gottes-Acker stieß an den Garten, eine Thüre verband sie. Hoch über
alle ragte das Grab seines Lieblings unter der Linde. Die Stimme der
Schläferin schien aus dem Dunkel des sanft bewegten Laubes zu flistern,
ihr freundlicher Geist ihm in den wallenden Halmen des Hügels zu nicken.

O ewige Liebe »rief er aus« nur hier kein Ende! Nur dort kein Grab!

Inniger drückte Therese den Knaben ans Herz, sah tief bewegt in die
sinkende Sonne und sagte »So starb sie!«

Woldemars Stimme lockte die Seele der Sinnenden zu dem Grabe zurück.
Meine Zukunft »sprach er« soll eine fortwährende Todten-Feyer seyn.

Am sichersten »erwiederte sie« wird ein reines, sittlich schönes Leben
diesen heiligen Schatten versöhnen.

Wer leitet mich zur ebenen Bahn? »fragte der Weinende« Therese
antwortete »Das Schicksal der Dulderin!«

Woldemar sah ihr in's Auge. Wehmuth und Sehnsucht, Anmuth und Liebe
begegneten sich im stummen Wechselspiel der Blicke. Hermine »sprach er«
starb an Deinem Herzen. Laß mich an ihm genesen und diese Hand geleite
mich!

Therese drückte voll Innigkeit die seine, und wie im letzten Augenblick
Hermine sie umfing, so umfing jetzt Woldemar die Braut auf ihrem Grabe.




Anmerkungen zur Transkription


Die variierende Schreibweise des Originals wurde weitgehend beibehalten,
ebenso die teilweise ungewöhnliche Platzierung der Anführungszeichen.

Anstatt des Namens Julie steht gelegentlich Juliane.

Offensichtliche oder sinnentstellende Fehler wurden korrigiert wie hier
aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 16]:
   ... ihren Häubchen. ...
   ... ihrem Häubchen. ...

   [S. 20]:
   ... Wolken des tiefen, land genährten Unmuths ...
   ... Wolken des tiefen, lang genährten Unmuths ...

   [S. 23]:
   ... dieses Receptes. Auguste blättert in ...
   ... dieses Receptes. Auguste blätterte in ...

   [S. 34]:
   ... hatte sich den doch, trotz dem Heere ...
   ... hatte sich denn doch, trotz dem Heere ...

   [S. 51]:
   ... in seinem Diensteifer verbraucht hatte und ...
   ... in seinem Diensteifer verbracht hatte und ...

   [S. 53]:
   ... General-Marsch geschlagen, den kein Augenblick ...
   ... General-Marsch geschlagen, denn kein Augenblick ...

   [S. 58]:
   ... in ihren eigenen Schlafzimmer an, gesellte ...
   ... in ihrem eigenen Schlafzimmer an, gesellte ...

   [S. 58]:
   ... bey und verschloß die bewußte Tapaten-Thür. ...
   ... bey und verschloß die bewußte Tapeten-Thür. ...

   [S. 63]:
   ... und so ward er den angenommen. ...
   ... und so ward er denn angenommen. ...

   [S. 63]:
   ... Nahmen schrieb, vergebens einer Anwort auf ...
   ... Nahmen schrieb, vergebens einer Antwort auf ...

   [S. 63]:
   ... seine dringende, Herminens Ehre rettend ...
   ... seine dringende, Herminens Ehre rettende ...

   [S. 69]:
   ... dringt auf eine Theilung der Erbschnft, ...
   ... dringt auf eine Theilung der Erbschaft, ...

   [S. 95]:
   ... Pötzlich entstand eines Morgens großer ...
   ... Plötzlich entstand eines Morgens großer ...

   [S. 98]:
   ... an diesem Herzen alle wilde Wünsche des meinen ...
   ... an diesem Herzen alle wilden Wünsche des meinen ...

   [S. 99]:
   ... Julie ward vor dem Augen des Erwachenden ...
   ... Julie ward vor den Augen des Erwachenden ...

   [S. 112]:
   ... Stimme« mehr als ich je verguten kann; ...
   ... Stimme« mehr als ich je vergüten kann; ...

   [S. 121]:
   ... die eine nach ihren Tuch, die andere kichert ...
   ... die eine nach ihrem Tuch, die andere kichert ...

   [S. 124]:
   ... goldenen Locken, formte sich die vieleckige ...
   ... goldenen Locken, formte sich der vieleckige ...

   [S. 132]:
   ... an ihm nieder, den Amatus hatte ...
   ... an ihm nieder, denn Amatus hatte ...

   [S. 134]:
   ... gut daß Ihr es wagte mich so plötzlich, so ...
   ... gut daß Ihr es wagtet mich so plötzlich, so ...

   [S. 138]:
   ... zur Arme zurück, erzählte ihm, daß der unglückliche ...
   ... zur Armee zurück, erzählte ihm, daß der unglückliche ...

   [S. 146]:
   ... Ich bin wie ich bin, guter Woldmar, ...
   ... Ich bin wie ich bin, guter Woldemar, ...

   [S. 146]:
   ... oder möglichen Unfall, daß Herz jeden ...
   ... oder möglichen Unfall, das Herz jeden ...

   [S. 151]:
   ... erheitere Dich. Sie, wir erschöpfen alles ...
   ... erheitere Dich. Sieh, wir erschöpfen alles ...

   [S. 152]:
   ... bestand, über die Kraft-Aeußerug mit ...
   ... bestand, über die Kraft-Aeußerung mit ...

   [S. 159]:
   ... diese Gedächniß-Nacht an ihrem Bette feyern ...
   ... diese Gedächtniß-Nacht an ihrem Bette feyern ...






End of the Project Gutenberg EBook of Der Weihnacht-Abend, by Gustav Schilling

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works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
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violates the law of the state applicable to this agreement, the
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trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org



Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

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including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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