Der Spanier: Novelle

By Gustav Falke

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Title: Der Spanier
       Novelle

Author: Gustav Falke

Illustrator: Carl Weidemeyer

Release Date: October 27, 2019 [EBook #60583]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SPANIER ***




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  DER SPANIER

  NOVELLE VON
  GUSTAV FALKE

  [Illustration]

  1910
  G. GROTE'SCHE
  VERLAGSBUCHHANDLUNG·BERLIN




  Übersetzungsrecht wird vorbehalten
  Buchschmuck von Carl Weidemeyer
  Druck von Poeschel & Trepte, Leipzig




DER SPANIER




[Illustration]




1. KAPITEL.


Auf und ab flog die Schaukel, und Blanche, in weißem Kleide, ganz in Sonne
gehüllt, stand aufrecht darin und konnte sich nicht genug tun. Immer höher!
Immer höher! War das eine Lust!

Die Schaukel kreischte in den Angeln, und Blanche fand eine zeitlang an
dieser barbarischen Musik Vergnügen.

Wie eine lichte Elfe flog sie zwischen all dem Sonnenschein auf und ab,
beständig von weißen Taubenflügeln umspielt. Die dummen und gierigen
Geschöpfe flatterten immer wieder von der Dachtraufe, oder der Laube,
oder dem Taubenschlag auf die Erde, um dort nach irgend etwas, was ihren
Schnabel reizte, zu picken, und alsbald, von der vorübersausenden Schaukel
erschreckt, wieder lärmend aufzuschwirren. Es waren ihrer zwanzig, alle
schneeweiß mit roten Füßen und roten Schnäbeln, und leuchteten in der
Frühlingssonne, wie Blanche in ihrem weißen Kleide. Der ganze Frühling war
weiß und leuchtete. Aus dem Garten schimmerten die schneeigen Kronen der
vielen Obstbäume, und die hohe Bretterwand der Schaukel gegenüber war ganz
und gar mit Pfirsichblüten bedeckt; ein zartes Rosa, wie auf den Wangen der
kleinen Blanche.

Wie schön waren doch diese Tage! Es war nicht mehr das erste Knospen, das
die Vorfrühlingstage so unendlich reizvoll macht, die Vorfrühlingstage, wo
man still, mit einem erwartungsvollen Lächeln, durch den Garten geht, zart
und zärtlich die kleinen winzigen Knospenkinder anblickt und fast behutsam
auftritt, als könnte man irgend etwas stören, und die ganze erwartete
Seligkeit könnte ausbleiben; es war jetzt nichts mehr zu erwarten, es war
schon alles da, der ganze, volle Frühling. Wie in einem Rausch hatte sich
die Natur erschlossen; ein Blühen und Duften war es, und die Luft schwirrte
von den Flügeln der kleinen Insekten, die um die Honigtüten summten, und
den Blütenstaub von Blume zu Blume trugen. Und über dem Allen wölbte sich
ein reiner, lichtblauer Himmel, durch den nur ein einziges weißes Wölkchen
wie in seliger Verträumtheit dahin schwamm.

Über dem Pfirsichspalier tauchte jetzt ein blonder Knabenkopf auf, ein
längliches, blasses Gesicht mit einer Pagenfrisur.

»Lux! Lux! komm schnell einmal herüber!« rief Blanche. »Ich habe dir etwas
Neues zu erzählen!«

Sofort verschwand der Pagenkopf wieder, und Blanche sprang aus der
Schaukel. Ohne sich zu besinnen, lief sie durch die Pforte eines niedrigen,
grün gestrichenen Holzgitters, das Hof und Spielplatz gegen den Garten
abschloß, und ging dann ein wenig langsamer einen schmalen Steig hinunter,
den zu beiden Seiten die schlanken Stämmchen junger blühender Pflaumenbäume
einfaßten. Dahinter erstreckten sich rechts und links sauber abgezirkelte
Gemüsebeete, gegen den Steig von einer schmalen Blumenrabatte begrenzt, auf
der gelbe Tazetten, weiße Narzissen und blaue Iriskelche still in der Sonne
standen und sich von einigen gewöhnlichen Kohlweißlingen den Hof machen
ließen.

Bei einem alten Dornbusch, dessen phantastisch gewundene Äste weit
ausgriffen und eine roh aus Holz gezimmerte Bank überschatteten, und in
dessen weißem Blütendach unzählige Sperlinge zankten, bog der Steig nach
rechts um und lief hart an der Grenze des Gartens weiter. Hier befand sich
in einer wohlgepflegten Ligusterhecke eine schmale Pforte, durch welche die
Nachbarkinder miteinander verkehrten. An ihr erschien nun Lux mit fragenden
Augen und etwas erhitztem Gesicht; er hatte laufen müssen, um gleichzeitig
mit Blanche einzutreffen, denn der Nachbargarten, mehr Zier- und
Lustanlage, hatte gewundenere Wege.

Blanche winkte mit einem kurzen Ruck ihres hübschen Köpfchens den Knaben
herüber, und er trat durch die schmale Pforte an ihre Seite. Sie gaben sich
stumm die Hände, sahen sich einen Augenblick mit Wohlgefallen an und gingen
dann Hand in Hand tiefer in den Garten hinein. Sie gewahrten nicht, daß
sich nebenan ein schlanker, ernster Mann mit schwarzem Vollbart ein wenig
aus einem niedrigen Strandstuhl vorbeugte, das Buch, in dem er gelesen
hatte, einen Augenblick auf den Knien ruhen ließ, und ihnen mit einem
leisen Lächeln in den sinnenden Augen nachblickte.

Der Weg führte die Kinder in eine parkartige Anlage, wo dann ein schmales,
schnellfließendes Bächlein die Grenze des Besitzes bildete. Jenseits dehnte
sich eine schöne, von hohen Bäumen umsäumte Wiese aus; die gehörte zu einem
Bauernhof, dessen Gebäude unter und zwischen den dichten, dunkellaubigen
Baumwipfeln sichtbar wurden.

An diesem Bächlein ließen sich die Kinder nieder. Es stand hier, auf
einer kleinen künstlichen Erhöhung des Ufers, ein fünfeckiger, mit Stroh
bedeckter Pavillon. Seine drei Bänke boten einen behaglichen Ruhesitz und
einen beschaulichen Blick auf das grüne Wiesenbild, dem jetzt die ersten
Hundeblumen ihre unzähligen goldenen Sterne eingestickt hatten. Aber nicht
auf eine dieser einladenden Bänke setzten sich Blanche und Lux, sondern
auf ein paar rohe Holzstufen, die zum Wasser hinabführten. Und nicht eher
begann Blanche die Spannung ihres Freundes zu lösen, als bis sie es sich
auf diesem primitiven Sitz völlig bequem gemacht hatte.

»Rate mal, was wir bekommen,« begann sie kindlich und lebhaft.

»Einen Bernhardiner,« rief Lux, der den Lieblingswunsch seiner kleinen
Freundin wohl kannte.

»Nein, ganz etwas anderes!«

»Was schöneres noch?«

»Du rätst es doch nicht. Besuch bekommen wir. Und rate mal von wem.«

Lux sah sie hilflos an.

»Von einem Spanier!« trumpfte Blanche heraus und legte den Kopf ein wenig
zurück, um sich an der Wirkung ihrer Worte zu weiden.

»Ein Spanier?« fragte Lux voller Verwunderung. »Wie heißt er?«

»Den Namen habe ich vergessen. Aber er ist der Sohn von Papas
Geschäftsfreund und soll hier die Schule besuchen.«

Lux schwieg und sah aufs Wasser, das in kleinen, hastigen Wellen vorüber
lief. Es war seine Art, zu verstummen, wenn ihn etwas innerlich sehr
bewegte.

»Ist er schon groß?« fragte er langsam.

»Er ist ein halbes Jahr älter als du,« sagte Blanche. »Ich freue mich
furchtbar darauf. Denke dir, wie nett wir dann zusammen spielen können.«

»Spricht er denn deutsch?«

»Ich glaube. Aber wenn nicht, so wird er es doch lernen. Wie könnte er
sonst hier die Schule besuchen.«

Lux unterdrückte einen kleinen Seufzer. Er wußte selbst nicht, warum er
sich zu dem neuen Kameraden nicht freuen konnte.

»Die Schule hat doch schon angefangen,« sagte er.

»Das macht nichts. Er soll erst zu Michaelis eintreten, bis dahin soll er
sich hier einleben und an uns gewöhnen, sagt Mama.«

»So kommt er bald?«

»In acht Tagen. Denke, wie schön!«

Lux stand langsam auf.

»Du scheinst dich gar nicht ein bischen zu freuen,« sagte Blanche
vorwurfsvoll.

»O doch!« stieß Lux hastig heraus und errötete heftig. »Ich freue mich
schon. Ich habe nur so eine Angst, -- daß ich nicht spanisch verstehe.
Und dann sind Spanier immer so wild, weißt du. Es sind doch ganz andere
Menschen als wir. Sie sind ganz braun, glaube ich.«

»Das tut doch nichts!«

»O nein, im Gegenteil,« versicherte Lux.

Blanche war sitzen geblieben, neigte sich ein wenig nach vorn und ließ ihr
schönes blondes Haar übers Gesicht fallen. Wie ein Nixchen sah ihr Bild aus
dem Wasser zurück, und sie ergötzte sich in unschuldiger Eitelkeit daran.

»Fall nicht ins Wasser,« warnte Lux besorgt.

»Und wenn?« fragte sie. »Es ist nicht tief hier. Du meinst wohl, ich
ertrinke wieder wie damals. Aber dazu bin ich doch schon zu groß.«

»Damals wärst du freilich bald ertrunken,« sagte er mit einem leisen
Schauder in der Stimme. »Aber Papa war in der Nähe und konnte dich retten.«

»Heute käme ich allein wieder ans Land. Soll ich mal?«

Sie streckte die schlanken, weiß bestrumpften Beine aus, als wollte sie
direkt in den Bach steigen.

»Du bist imstande, es zu tun.«

Blanche lachte selbstbewußt, als wäre sie noch zu ganz anderen Streichen
fähig, erhob sich aber doch und meinte: »Ich finde es langweilig hier, ich
gehe wieder schaukeln.«

Nicht mehr Hand in Hand, sondern Lux in einigem Abstand hinter dem Mädchen,
gingen sie wieder den Steig hinauf. Ein leiser Windstoß fuhr durch die
Zweige der Obstbäume und streute einen leichten Schnee weißer Blütenblätter
über Blanche aus; sie schüttelte sich lachend und sprang, wie fliehend, ein
paar lustige Sätze voraus.

Bei dem Heckenpförtchen zögerte sie ein wenig.

»Kommst du mit?« fragte sie halb über die Schulter zurück.

Der Knabe besann sich.

»Ich muß zu Papa,« sagte er.

Sie nickte ihm leicht zu und setzte ihren Weg fort, während er unschlüssig
das Pförtchen öffnete und ihr noch einen schnellen Blick nachwarf, bevor
er hindurch schritt. Er sah suchend umher, entdeckte den Vater auf seinem
Strandstuhl und lief zu ihm.




[Illustration]




2. KAPITEL.


Dr. Irmler war ein wohlhabender Privatdozent, der alle seine Zeit, die ihm
seine Studien ließen, der Erziehung seines einzigen Sohnes widmete. Seine
Frau war früh gestorben, und das Kind, ein schöner blonder Knabe, den die
Eltern im Übermaß ihres Glückes Lux getauft hatten, war nun das einzige
Licht in seinem verdüsterten Leben. Er hatte seine Frau sehr lieb gehabt,
hatte lange um die Schöne und Herzensfeine geworben und sah sich nun, kaum
im Besitz des erstrebten Glückes, desselben wieder grausam beraubt. Er war
ganz zerschmettert, und nur der Gedanke an seinen Sohn hielt ihn noch am
Leben. Er zog sich mit ihm und einer alten Haushälterin aus dem lauten
Getriebe der großen Stadt in ländliche Stille und Einsamkeit zurück.

In seinem Gartenhäuschen, von dessen Terrasse aus er den Anblick
strohbedeckter Bauernhäuser, mit bunten Rindern bevölkerten Weidelandes und
die Schönheit alter Buchen- und Eichenstände genoß, umgab ihn ein Friede,
der seinem kranken Gemüt wohltat, und eine Ruhe, die ihm bald zum Bedürfnis
wurde. Mit der stillen Freude und dem ernsthaften Interesse des Gelehrten
widmete er sich seinem Garten, der eine Fülle auserlesener Blumen und
Sträucher aufwies, und dem das fließende Grenzbächlein und die baumreiche
Umgebung auch einen landschaftlichen Reiz verliehen.

Hier liebte er es an schönen Tagen, sich in den Schatten selbstgepflanzter
Obstbäume mit einem Buch zurückzuziehen und sich dabei eines schlichten,
niedrigen Strandstuhles zu bedienen, in dem einst, im letzten Sommer ihrer
kurzen Ehe, die geliebte Frau am Strande der Ostsee täglich geruht hatte.
Wie glücklich wäre sie gewesen, inmitten dieser Gartenfreude mit ihrer
zarten Blumenseele walten und wirken zu dürfen. Warum hatte er nicht schon
früher das Opfer gebracht und war mit ihr der großen Stadt entflohen?
Damals meinte er, die Nähe der Bibliothek und anderer Bildungsmittel nicht
entbehren zu können; und jetzt ging es doch, und er fühlte sich sogar
wohler und zufriedener dabei. Und nötigenfalls konnte er in einer kleinen
Stunde in der Stadt sein, der er immer so bald als möglich wieder entfloh.

Ein Trost war ihm, daß nun wenigstens Lux die Wohltat dieses ländlichen
Aufenthaltes genoß, und daß der zarte, ganz der Mutter ähnliche Knabe in
der gesunden Luft gut gedieh und sich zusehends kräftigte. Daß er ihn, ohne
es zu wollen, ein wenig verzärtelte, kam ihm nicht zum Bewußtsein; war es
doch natürlich, daß er alle seine Liebe jetzt dem Sohne zuwandte.

Wohl dachte er manchmal, ob nicht die alte Haushälterin, eine verständige,
herzenstüchtige Person, vielleicht etwas zu nachgiebig gegen den
Gutherzigen und Einschmeichlerischen wäre. Auch ginge Lux, der ohne
gleichaltrige Nachbarskinder einsam zwischen ihm, dem stillen, viel
arbeitenden Gelehrten und einer alten Frau aufwuchs, der Vorteile einer
härteren Knabenzucht verlustig. Aber er sah keinen Weg, es zu ändern; denn
nie hätte er sich entschlossen, den Knaben von sich zu geben, und ihn in
ein Erziehungsinstitut zu tun.

Da war es für ihn von besonderem Interesse, als es hieß, das
Nachbargrundstück sei verkauft worden, und es wolle sich ein reicher
Kaufmann dort eine Villa bauen. Das konnte einen Verlust für ihn bedeuten,
aber auch einen Gewinn. Der Friede seiner ländlichen Beschaulichkeit
brauchte nicht notwendig dadurch gestört zu werden, wohl aber die Stille
und Einsamkeit; vielleicht nahte eine laute Kinderschar mit den neuen
Nachbarn. Für Lux könnte das freilich Nutzen bringen. Und er wünschte sich
zuletzt, der Kaufmann möchte nicht ohne Kinder sein, und zwar möchten es
Knaben sein, die im Alter zu seinem Sohne paßten.

Da war er denn zuerst wirklich enttäuscht, als er hörte, jenes Ehepaar
besäße nur ein einziges Töchterlein von drei Jahren, tröstete sich aber
dann bei dem Gedanken, daß er von einem so kleinen Wesen viel Störung
seines Haus- und Gartenfriedens nicht zu gewärtigen haben würde.

Das Vermessen und Graben und Bauen auf dem Nachbargrundstück begann.
Dr. Irmler machte von weitem die Bekanntschaft des Bauherrn, eines noch
jüngeren Mannes von sympathischem Aussehen, der fleißig kam, um nach dem
Rechten zu sehen, und sah auch einmal an seinem Arm die junge Frau. Die
Leute gefielen ihm wohl, soweit die äußere Erscheinung nicht täuschte, und
da er sah, daß mit Geschmack und ohne Kärglichkeit gebaut wurde, und daß
ein tüchtiger Fachmann die gärtnerischen Anlagen leitete, söhnte er sich
mit dem Gedanken, so nahe Nachbarschaft zu bekommen, aus und versprach sich
sogar mancherlei Gutes davon, denn er gehörte zu den Leuten, die das Böse
und Widerwärtige weniger in ihre Rechnung stellen, weil sie mit ihren
Gedanken immer nur im Guten und Reinen leben.

Der Bau, der bei günstiger Jahreszeit rüstig gefördert worden war, stand im
September zum Beziehen fertig da. Es dauerte nicht lange, da rückten auch
schon die Besitzer ein, um noch ein paar Wochen des schönen Spätsommers in
dem neuen Gartenheim genießen zu können.

Dr. Irmler empfing ihren Besuch an einem freundlichen Sonntag.

»Da wir nur das Eine haben, entschuldigen Sie wohl, daß wir uns Ihnen
gleich vollzählig vorstellen,« sagte die junge Frau mit einer gewinnenden,
liebenswürdigen Schlichtheit.

»Gib auch hübsch dein Händchen, Blanche.«

Dr. Irmler hielt das kleine Händchen einen Augenblick in der seinen und
dachte, »welch ein schönes Kind!«

In der Tat war das kleine Wesen von holdem Liebreiz. Lange, seidenweiche
Haare von einem seltenen Blond umrahmten ein Engelsgesichtchen, aus dem
eine unbefangene Schelmerei lächelte; sie spielte um den kleinen zierlichen
Mund und blitzte aus den hellen blauen Augen.

Er verglich das Gesichtchen mit dem der Mutter und stellte eine Ähnlichkeit
fest.

»Siehst du, Rudi,« sagte die junge Frau, und zu Dr. Irmler gewandt, setzte
sie hinzu:

»Er bildet sich nämlich ein, das Kind hätte alles Gute von ihm.«

Es entstand ein kleiner scherzhaft geführter Streit, den die Mutter mit der
Anerkennung beschloß, daß die kleine Blanche in der Tat viel von dem
Wesen ihres Vaters habe und eigentlich »ein kleiner Racker« sei; »aber ein
süßer,« fügte sie hinzu und zog die Kleine zärtlich an sich.

Inzwischen war Lux herbeigerufen worden und näherte sich den Fremden mit
knabenhafter Scheu. Auf die kleine Blanche warf er einen verschämten Blick
und reichte ihr auf Aufforderung seine kühlen Fingerspitzen. Sie hingegen
begrüßte ihn mit großen unbefangenen Augen und einem zutraulichen Lächeln,
das aber gar keinen Eindruck auf ihn zu machen schien; er zog sich vielmehr
hinter den Stuhl seines Vaters zurück. Dr. Irmler holte ihn jedoch wieder
hervor, zog ihn an seine Seite, und legte fast unbewußt den Arm um seinen
Nacken. So geborgen, musterte Lux etwas dreister die kleine Nachbarin. Wie
niedlich ihr das weiße Atlashäubchen stand, unter dem das goldene Haar so
reich hervorquoll. Und wie hübsch sie angezogen war. Ein blaues Jäckchen
mit weißem Seidenfutter war jedenfalls noch ganz neu. Und wie unbefangen
sie sich gab, als ob sie hier zuhause wäre. Das wollte ihn eigentlich
ärgern, aber es kam nicht dazu, weil sie eben so niedlich war.

Als sich der Besuch verabschiedete, gab er der Kleinen aus eigenem Antriebe
die Hand.

»Ist sie nicht süß, Papa?« sagte er ganz enthusiastisch, als sie allein
waren.

»Gefällt sie dir?« fragte Dr. Irmler belustigt.

Lux antwortete nicht. Aber den Rest des Tages trieb er sich im Garten
umher, und zwar an der Heckenseite, und warf suchende Blicke in den
Nachbargarten. Einmal hörte er ihre Stimme, die kam aber von daher, wo in
der Nähe des Hauses die beiden Grundstücke durch die hohe Spalierplanke
getrennt waren, an der Dr. Irmler seine herrlichen Pfirsiche zog.

Wäre doch ein Loch in der Planke, dachte Lux. Aber sie war so solide
gefugt, daß sie nicht ein Ritzchen zum Durchgucken bot.

»Ach was!« tröstete er sich, »du wirst das kleine niedliche Mädchen oft
genug sehen.«

In der Tat sah er es fast täglich im Garten, so lange das schöne Wetter
anhielt. Dr. Irmler hatte seinen Gegenbesuch gemacht, und es hatte sich
schnell ein nachbarliches Verhältnis angebahnt. Freilich beschränkte es
sich auf einen teilnehmenden Verkehr über den Zaun hinüber, und der Herbst
kam, ohne daß eine größere Annäherung, auch nicht zwischen den Kindern,
stattgefunden hatte.

Die Eltern der kleinen Blanche waren noch zu sehr mit sich selbst
beschäftigt. Vieles war noch zu vervollkommnen, und mit dem Fertigen
mußte man sich näher vertraut machen, um es zu besitzen. Neue Wege wurden
angelegt, ein Pavillon am Bach erbaut, und hier und da noch ein Obstbaum
oder ein Ziergesträuch gepflanzt, soweit es die Jahreszeit erlaubte. Mit
Eifer beschickte Frau Elisabeth manches selbst im Garten, wobei sie einmal
wegen eines jungen Obstbäumchens, mit dem sie nicht recht hin wußte, Dr.
Irmlers freundlichen Rat in Anspruch nahm.

So vergingen geschäftige Wochen, und man hatte für die Nachbarn nicht viel
Zeit übrig. Blanche war fast nie allein im Garten. Entweder war die Mutter
bei ihr, oder das Kindermädchen, und Lux konnte nur von weitem seine kleine
Freundin bewundern, da niemand ihn rief.

Da sollte der rauhe Herbst das Band, das der schöne Sommer nur
lose verschlungen hatte, fester knüpfen. Mit Heftigkeit setzten die
Oktoberstürme ein, es wurde früh kalt und naß, die jungen Bäumchen standen
bald kahl, und der Bach hinterm Garten kräuselte nicht mehr friedlich seine
klaren Wellen, sondern eilte hastig, wie erzürnt, vorüber und führte viel
welkes Laub mit sich. Mit Erstaunen sahen die neuen Anwohner, wie schnell
ein einziger, anhaltender Platzregen das schmale Bett des Bächleins mit
schäumenden, gurgelnden Wassermassen füllte, und wie das zum reißenden
Strom gewordene, über seine Ufer getretene, die Weidenböschungen nicht
achtende, die drüben liegenden Wiesen zu einem kleinen See machte, auf dem
tausend winzige Wellchen zitterten, und aus dem hier und da ein Hügelchen,
wie eine einsame Grasinsel melancholisch herausragte.

Ein solches Schauspiel war der kleinen Blanche, die in der letzten Zeit
schon einige selbständige Entdeckungsreisen gemacht hatte, verhängnisvoll
geworden. Die Gefahr nicht kennend, hatte sie sich zu nahe gewagt, war auf
dem schlüpferigen Boden ausgeglitten und wurde schon von dem wirbelnden
Wasser, in dem sie sich vergeblich festen Fuß zu fassen bemühte,
fortgerissen, als Dr. Irmler, von ihrem erstickten Schrei aufgeschreckt,
sie erblickte. Er war im Begriff gewesen, zwischen dem Bach und seinem
kleinen Karpfenteich einen niedrigen Erdwall aufzuwerfen, da das Wasser den
trennenden Steig zu überfluten drohte. Irgend ein Rettungsinstrument, eine
Stange, ein Haken, war nicht zur Hand. Eine Harke schon hätte genügt,
aber sein Spaten erwies sich zu kurz. Schnell entschlossen eilte er die
überfluteten Stufen hinab in das wogende Wasser, das ihm bis an die Brust
stieg, und erhaschte die schon bewußtlose Blanche an ihrem Kleidchen, als
sie gerade an der Treppe vorbei trieb. Auf dem Trocknen kam sie schnell
wieder zu sich, schlug die Augen auf und fing an, jämmerlich zu weinen.
Das triefende Kind auf den Armen, selbst triefend, lief er durch den ganzen
Garten, umsonst eine Stelle in der Ligusterhecke suchend, wo er hätte
durchbrechen können, um das Nachbarhaus schneller zu erreichen.

Die erschreckte Mutter nahm ihr Töchterchen mit Jammern und Klagen und
überströmendem Dank gegen den Retter in Empfang. Die Kleine wurde eiligst
ins warme Bett gebracht, das sie aber am Nachmittage schon wieder verlassen
wollte; sie war diesmal mit dem Schrecken davongekommen, und auch Dr.
Irmler hatte außer einem mehrtägigen Schnupfen weiter keine Nachteile
von diesem unfreiwilligen Bade. Wohl aber diente dieser Vorfall dazu, die
Nachbarn noch näher zueinander zu führen und ein Verhältnis einzuleiten,
das sich dann mehr und mehr zur Freundschaft auswuchs. Daß der Zugang
zum Bach mit einer schützenden Pforte gesichert wurde, versteht sich von
selbst. Auch wurde es Blanche auf das strengste verboten, je wieder allein
ans Wasser zu gehen.

Lux, der mit kindlichem Erschrecken von dem Unglück der kleinen Nachbarin
gehört hatte, zeigte nichts von dem Glücksgefühl, das ihn erfüllte, als er
von dem guten Ausgang hörte und Blanche am anderen Tage wieder im Garten
sah. Er hütete ängstlich sein keusches Geheimnis, das zärtliche Gefühl,
das er für sie empfand. Wurde nur ihr Name genannt, schlug sein Knabenherz
schon höher, und hörte er ihre Stimme von drüben herüberschallen, blieb er
wohl erst im wunderlichen Schrecken stehen, bis er sich verschämt getraute,
nach ihr auszuschauen. Wie glücklich war er daher, als von diesem Tage an
die Beziehungen zum Nachbarhause inniger wurden.

Blanche war von ihrer Mutter angehalten worden, dem Herrn Doktor zu danken
und nach seinem Befinden zu fragen. Sie hatte es ohne Scheu getan. »Was
macht denn dein Schnupfen?« hatte sie kindlich gefragt und hatte sich sehr
befriedigt mit einem geschenkten, rotbackigen Apfel wieder zurückgezogen.
Dieser Apfel steigerte ihr Zutrauen und vermehrte ihre kindliche
Begehrlichkeit.

Der »Onkel Doktor«, wie sie ihn bald nannte, hatte eine reiche Ernte von
seinen älteren, gutgepflegten Obstbäumen im Keller, während die jungen
Bäumchen im eigenen Garten ja erst tragen sollten. Da suchte denn Blanche
oft ein Gespräch mit dem »Onkel« anzuknüpfen, immer mit dem Gedanken an
einen Apfel; und da Dr. Irmler darauf hielt, daß Lux täglich sein Obst
bekam, so fiel manche saftige Frucht auch in ihre kleine Hand.

Den größten Gewinn hatte Lux von dieser Annäherung: Nicht nur, daß sein
Vater an Blanche Gefallen fand, und das lachende, sonnige Kind manchmal
über die Hecke herüber in seinen Garten hob, auch die Mutter seiner
kleinen Freundin tat sich gegen Lux auf, in dem Gefühl, dem Retter ihres
Töchterchens ihre Erkenntlichkeit nicht besser zeigen zu können, als indem
sie lieb und gütig mit seinem Knaben war.

Es kam dazu, daß auch die Väter Gefallen aneinander fanden und sich
schätzen und ergänzen lernten, der ernste stille Gelehrte und der lebhafte,
kluge und welterfahrene Kaufmann. Da gab es denn nach Feierabend manche
Stunde traulichen Beisammenseins in anregendem Gespräch. Die Kinder
spielten bald täglich zusammen; und schließlich wurde als äußeres Zeichen
eines so nahen Verkehrs ein Zugangspförtchen von einem zum anderen Garten
in der Ligusterhecke angebracht.

Wie Blanche zu Dr. Irmler Onkel sagte, so nannte nun auch Lux die Eltern
seiner kleinen Freundin Onkel und Tante und hatte besonders ein Herz für
die immer freundliche und heitere Tante. Ohne Mutter aufgewachsen, nur von
der alten grobknochigen Magdalene betreut, war es ihm ein nie gekanntes
Gefühl, als zum ersten Male ein weicher Frauenarm sich mit Zärtlichkeit
um ihn legte und ihn mütterlich an sich zog, und als eine weiche, schlanke
Hand ihn streichelte. Die Hände der alten Hüterin waren hart und knochig,
und die Liebe, die sie zu ihm im Herzen trug, war spröde und gab sich
nur gelegentlich in kleinen Zügen zu erkennen. Ach, wie gut hatte es doch
Blanche dagegen! Er beneidete sie. Doch mißgönnte er es ihr darum nicht,
denn wer verdiente mehr eine solche Mutter, als Blanche. Dr. Irmler merkte
wohl, was in der Seele seines Knaben vorging und dankte Frau Elisabeth in
seinem Herzen dafür.

So wuchsen denn die Kinder fast wie Bruder und Schwester miteinander auf,
und die Jahre gingen dahin. Die neugepflanzten Obstbäume gediehen und
ragten jedes Jahr höher und früchteschwerer über den bunten Flor der Blumen
und Stauden empor, die Ligusterhecke, fleißig gepflegt und unter der
Zucht der Schere gehalten, wurde immer breiter und dichter, und das kleine
Pförtchen darin stand oft tagelang offen.

Dann brachte die Schulpflicht den Kindern eine Einschränkung ihrer
köstlichen Freiheit. Lux war der erste, der die Schulmappe auf den Rücken
nehmen mußte. Er gewann an Ansehen bei Blanche. Sie war stolz auf einen
Freund, der schon lesen lernte und Buchstaben malen konnte, und sie war
gelehrig im Nachahmen dessen, was er frisch aus dem Unterricht mit nach
Hause brachte. So lernte sie mit ihm und von ihm.

»Was haben wir heute auf?«

Mit dieser Frage stürmte sie ihm schon entgegen, wenn er aus der Schule
nachhause kam.

»Eine Seite ei schreiben und die Wörter auf Seite 10 buchstabieren.«

»Weiter nichts? Ach wie leicht ist das doch alles? Ich dachte mir die
Schule viel schwerer.«

Dieses kindliche, spielende Lernen, das die verständigen Eltern nicht
gestört, sondern gern unterstützt und gefördert hatten, hörte nun freilich
auf, als Blanche selbst in die Schule kam. Ach, wie groß war da zuerst
die Enttäuschung! Ein kleines Mädchen hatte ja ganz andere Bücher als ein
Knabe. Und alles war anders. Nun konnten sie nicht mehr zusammen arbeiten;
jeder saß für sich und mühte sich, und waren sie fertig, konnten sie es
nicht einmal miteinander vergleichen. Blanche konnte wohl ihre Arbeit dem
Freund zeigen; aber dann ereignete es sich oft, daß die Lehrerin anders
gesagt hatte, als wie Lux es zu verstehen meinte, und daß Blanche irre
wurde. Dann mußte Frau Elisabeth alles wieder ins Gleiche bringen.

»Lux ist ein kluger kleiner Kerl, aber gib du nur immer recht acht, was die
Lehrerin sagt. Das ist für dich maßgebend. Knaben lernen manches anders als
kleine Mädchen.«

Seitdem betrachtete Blanche ihren Freund mit anderen Augen. Er war ja ein
Knabe. Und die Jahre vergingen und brachten es mit sich, daß ihre
Spiele eine andere Färbung und Gestalt annahmen. Aber sie hielten
treue Kameradschaft und hatten sich gern. Lux war der Stille, Besonnene
geblieben, Blanche immer aufgeweckter, munterer und kecker geworden.
Hübsch war jedes von ihnen, und jedes schlank und blond, und Lux in seinem
vierzehnten Jahre nur eben einen halben Kopf größer als die dreizehnjährige
Blanche.




[Illustration]




3. KAPITEL.


Eines Tages brachte der Vater den kleinen Manuel Negros aus der Stadt
mit; er war ganz braun und hatte tief schwarze, glattanliegende, glänzende
Haare.

»Wie klein er ist,« dachte Blanche. »Und ich meine, er ist noch ein halbes
Jahr älter als Lux.«

Aber interessant war er. Und was er schon für Manieren hatte. Wie ein
junger Graf.

Und diese Augen! Große schwarze, für gewöhnlich etwas verschleierte Augen,
die aber wieder ordentlich leuchten und funkeln konnten.

Was Lux wohl zu dem neuen Kameraden sagen würde? Ob er ihm wohl »über«
wäre? Sehr stark sah der Spanier nicht aus; er war nicht größer als sie
selbst, höchstens eben so groß und war doch fast zwei ganze Jahre älter.

Er hatte ihr zur Begrüßung die Hand gegeben, und sie hatte zögernd ihre
weiße Mädchenhand in die fremde, braune Knabenhand gelegt.

»Guten Tag,« hatte er dabei mit gezierter, fremder Aussprache gesagt.

Ob er denn schon deutsch sprechen könnte? Ein wenig, wie es schien. Das
war schön. So konnte man sich doch verständlich machen. Und wie drollig es
klang, wenn er sprach. Wie er das R rollte und jede Silbe betonte.

Lux, der nicht ohne Beklemmung seiner Ankunft entgegengesehen hatte, fand
ihn sehr nett und atmete erleichtert auf. Der reichte ihm ja nur bis an die
Nasenspitze.

Der kleine Fremde war ein wenig verlegen und musterte fast scheu den
größeren, blonden Knaben. Lux schlug einen gönnerhaften Ton an und
meinte, er solle sich nur nicht fürchten, sie würden schon gut miteinander
auskommen.

»O nein, nicht fürchten,« sagte Manuel, und über sein feines, braunes
Gesicht lief ein hübsches Lächeln, und die dunklen Augen leuchteten auf.
»Ich spreche nur so schlecht die deutsche Sprache.«

Lux und Blanche beruhigten ihn aus einem Munde, er spräche schon sehr nett,
und sie verständen alles, was er sage.

»Findest Du ihn nicht auch niedlich?« fragte Blanche auf dem Schulweg.

»Ich finde ihn sehr nett,« bestätigte Lux.

»Ja, nicht wahr?«

»Klein ist er ja nur.«

»Ich hätte ihn mir ja auch ganz anders gedacht.«

»Wie denn?«

»Ja, anders, ganz anders.«

Lux gab sich mit dieser Erklärung zufrieden und schwieg.

»Adieu Blanche!«

»Adieu Lux!«

Sie gaben sich die Hände und schlugen jeder einen anderen Weg nach ihrer
Schule ein, beide mit allen Gedanken bei dem kleinen Manuel Negros.

Der streifte indessen im Garten herum, machte von weitem die stumme
Bekanntschaft des Dr. Irmler und setzte sich im Pavillon auf die Bank
und dachte an Blanche. Der Abschied von seinem Vater war ihm wohl schwer
gefallen, doch war er nicht das erste Mal in der Fremde. Er war schon ein
halbes Jahr in Paris gewesen und wußte, daß auch dieses Jahr in Deutschland
nicht allzu langsam vorübergehen würde. Dann würde sein Vater ihn wieder
mit hinübernehmen in die Heimat.

Unter afrikanischer Sonne war er aufgewachsen, in der Fremden-Kolonie von
Tanger, der marrokkanischen Stadt, und er sehnte sich dahin zurück, wo der
Himmel heller, die Luft wärmer, die Menschen lebhafter und die Tage bunter
und lauter waren.

Hier aber war Blanche!

Er hatte schon viele, viele kleine Mädchen gesehen und hatte zuhause eine
kleine Spielgenossin gehabt, ein arabisches Mädchen namens Nushat, die ein
paar Jahre älter war als er, und an der er leidenschaftlich hing, und von
der er sich nur mit Tränen hatte trennen können. Aber sie war drüben, und
wenn er wieder nachhause kommen würde, wäre sie erwachsen und vielleicht
gar nicht mehr da.

Mit Blanche sollte er nun unter einem Dache leben, an einem Tische sitzen,
in diesem Garten mit ihr spielen, jeden Tag. Sollte hier in diesem Pavillon
mit ihr sitzen. Viele kleine Mädchen hatte er schon gesehen, aber noch
keine Blanche. Sie hatte ja goldene Haare, wie das reinste Gold leuchteten
sie. Und ihre Haut war wie der zarte Sammet weißer Rosenblätter. Und wie
niedlich sie lachte, und wie lustig ihre Augen waren.

Ja, hier würde er schon aushalten. Der große Junge von nebenan war auch
freundlich zu ihm gewesen, wenn auch etwas schweigsam. Und er hatte einen
so forschenden Blick: Wer bist du eigentlich? Aber mit ihm hatte er ja
nichts zu schaffen, nur mit Blanche und ihren Eltern. Und die Erwachsenen
würden schon gut zu ihm sein. Wären sie es nicht, so würde er es einfach
seinem Vater schreiben, und der würde nicht dulden, daß man ihn schlecht
behandele. Nein, da hatte er keine Sorge. Und sie waren ja auch gleich
so freundlich zu ihm gewesen, vor allem die Hausfrau. Die hatte ihm den
Scheitel gestreichelt, und er hatte ihr die Hand geküßt, und sie hatte
darauf gelächelt. Dann hatte sie ihn selbst nach oben in sein Zimmer
geführt. Das war ein hübscher, freundlicher Raum mit einem Fenster nach dem
Garten hinaus. Von hier aus konnte er über alle Beete und Bäume hinwegsehen
bis an das Wäldchen, das sich in einiger Entfernung hinzog und dem Blick,
der bis dahin ungehindert über Wiesen und Kornfelder flog, Halt gebot. Und
von hier aus hatte er, als er seinen Koffer auspackte, Blanche durch den
Garten springen, an der kleinen Pforte in der Ligusterhecke stehen bleiben
und mit dem großen Nachbarjungen sprechen sehen.

Während seine Gedanken auch jetzt bei Blanche waren, spielten seine Augen
mit den blanken Wellen des Bächleins, das mit leisem Glucksen flink vorüber
lief. So ein laufendes Wasser hatten sie zuhause nicht. Da waren nur
Brunnen und Zisternen und kleine schnell austrocknende Rinnsale. Aber wenn
er an den Hafen hinunter ging, da hatte er freilich das Meer, das große
blaue mittelländische Meer.

Ach, das Meer! Er sah es vor sich. Unter strahlendem Himmel dehnte es sich
aus, weit, weit, bis an den silbernen Horizont, wo es sich mit dem Himmel
in einer zitternden Umarmung vereinte. Und die Wellen, wenn sie sich dem
Strande näherten, schmückten sich mit silbernen Kronen, jauchzten auf,
donnerten laut ihre trotzigen Grüße dem Lande zu, das den Stürmenden
zurücktrotzte, mit dem schimmernden Gebiß seiner gelben Küste, mit der
harten Stirn des aufgetürmten Gebirges. Wolken lagen auf dem höchsten
Gipfel des Atlas und bleicher Schnee. Hinter den Bergen aber dehnte sich,
unendlich wie das Meer, die Wüste mit ihren gelben Sandwogen. Dorthin war
er nie gekommen, aber er kannte ihre Schrecken aus den Erzählungen Nushats
und der Kameeltreiber, und es gelüstete ihm nicht danach. Aber das große
blaue Meer, das zwischen zwei Erdteilen auf- und abwogte, liebte er. Und
er sah die Heimat vor sich liegen und hörte als ihren Gruß den Donner der
Brandung vor dem Hafen von Tanger. Weiße, würfelförmige Häuser mit flachen
Dächern, sich terrassenförmig übereinander lagernd, steigen die steilen
Uferhöhen hinan und leuchten wie der Schaum des Meeres. Es scheint von
weitem, als hätte der Sturm eine Handvoll schneeiger Flocken aus dem Gischt
der Brandung hier an die Felsen geschleudert. Dazwischen schimmern grüne
Gärten auf, und aus einem lockt das leise, tiefe Lachen der braunen Nushat.

Als sie an Bord des Schiffes fuhren, das seinen Vater nach Europa
hinüberbringen sollte, war Nushat mit im Boot und hielt ihn mit ihren
braunen Armen umschlungen; die Brandung ging unter heftigem Winde höher als
sonst, und sie hatten beide ein wenig Furcht, wenn sie von dem Kamm einer
großen Welle mit einmal in die Tiefe schossen, und der nächste Wasserberg
alles zu verschlingen drohte. Nur vor den kühnen, unbekümmerten Gesichtern
der Ruderer schämte er sich, seine Furcht zu zeigen. Die standen aufrecht,
sechs Gestalten aus Bronze, feuerten sich mit lauten Rufen an und
schüttelten sich höchstens einmal, wenn der überspritzende Gischt es gar
zu gut meinte. Auch vor dem Vater, der sich gar nicht zu fürchten schien,
schämte er sich. Nushat mußte es ihm wohl angemerkt haben, denn sie
hielt ihn fest umschlungen und drückte ihn ein paarmal wie beruhigend
und tröstend an sich, wobei sie indes leise zitterte. Und ihre schmalen,
braunen Hände waren ganz kalt.

Wie gern hätte er sie zum Abschied noch umarmt. Aber das Boot tanzte auf
und ab an der Schiffstreppe, und sie hatten alle genug zu tun, sich auf den
Füßen zu halten, um nicht ins Wasser zu fallen. Er hatte ihr nur noch vom
Bord aus zuwinken können, und hatte gewinkt, so lange er sie unter den
Zurückfahrenden noch erkennen konnte.

Doch alles das war jetzt wie hinter silbernen Schleiern und zog schnell wie
die glitzernden Wellen an seinem Geiste vorüber, während das weiße Bild der
kleinen Blanche wie die Sonne selbst fest und unverrückbar im Mittelpunkt
seiner traumhaften Gedanken stand.

Da flog ein Steinchen neben ihm auf die Bank und schreckte ihn auf.
Sogleich ertönte ein silbernes Lachen, und Blanche kam zögernd den Steig
herunter.

»Frei!« rief sie ihm zu, und ihre Augen blitzten unternehmungslustig,
während ihr ganzer Körper noch unter der Zügelung einer leisen Scheu stand.

Der Knabe erhob sich und ging ihr entgegen. Da übermannte sie vollends
die Verlegenheit, und sie wurde blutrot, als sie ihm die Hand bot. Er aber
neigte sich schnell und drückte ihr einen Kuß darauf. Sie hatte ihn auch
ihrer Mutter die Hand küssen sehen und dachte, das tut man in seiner Heimat
so. Aber den ganzen Tag fühlte sie die Stelle brennen, die seine Lippen
flüchtig berührt hatten.

Sie gingen wieder in den Pavillon zurück und setzten sich auf die Bank,
und sie saß wie eine kleine Dame neben ihm, steif und kerzengrade, und sie
führten eine kümmerliche Unterhaltung miteinander, mit ja und nein und
wie und was? Aber ihre Augen, wenn sie nicht am Boden hinirrten oder wie
abwesend in die Weite sahen, ruhten mit einem stillen Leuchten auf ihren
Gesichtern.

»Sieh mal,« sagte Blanche nach einer neuen Verlegenheitspause und stand
auf und ging ein paar Schritte dem Nußgebüsch zu, das die gegenüberliegende
Ecke des Gartens ausfüllte. Sie schlug einige Zweige auseinander, und es
entstand ein Eingang, durch den man in das Innere gelangen konnte. Er sah
hinein und sah in den schattigen Raum ein Bänkchen aus Moos und Erde und
eine muldenartige Vertiefung, der man es ansah, daß sie oft als Lagerplatz
diente.

»Es ist so mollig drin,« sagte Blanche und schlüpfte vorauf. Er folgte ihr
und befreite mit klopfendem Herzen ihr loses Haar, das sich in den Zweigen
verfangen hatte. Es herrschte ein märchenhaftes Licht in dem grünen Hause;
die goldenen Sonnenstrahlen fanden hier und da Zugang und spielten nun auf
dem schwarzen Boden Haschen. Zwei schlanke, junge Birkenstämme standen wie
silberne Säulen in dem Sälchen dieses heimlichen Palastes, dessen Dach sie
durchbrachen und mit ihren feinen, hängenden Zweigen überschatteten.

Blanche nötigte Manuel, auf der kleinen Moosbank Platz zu nehmen. Sie
konnten so eben nebeneinander sitzen.

»Hast du dir selber diese Höhle gemacht?« fragte er.

»Lux hat sie mir gemacht.«

»Spielt ihr oft zusammen?«

»Gewiß, jeden Tag.«

»Und dann sitzt ihr hier zusammen?«

»Manchmal.«

Und nach einer kleinen, peinlichen Pause setzte sie hinzu:

»Er erzählt mir dann Geschichten.«

Aber er sagte wieder nichts darauf.

»Weißt du auch Geschichten?«

»Ich weiß nicht,« antwortete er zögernd und nachdenklich. »Nushat hat mir
oft Geschichten erzählt, aber ich weiß nicht, ob ich sie dir noch erzählen
kann.«

»Nushat? Wer ist das?«

Und er erzählte ihr von Nushat und von seiner Heimat, und sie wollte gar
keine anderen Geschichten weiter von ihm hören.

Dies war ja alles wie ein Märchen. Es war wie aus tausend und einer Nacht.
Die Dattelpalmen ragten hoch in blaue Luft, riesenhafte Kakteen breiteten
ihre schwammigen, glänzenden und stacheligen Blätter aus, und Rosen,
Kamelien und Oleander blühten und dufteten, reicher als hier die Veilchen
und Primeln. Kameele zogen schwer bepackt durch die Straßen, und Araber und
Neger und Kabylen, Leute von denen sie nie gehört hatte, begleiteten die
Karawanen durch die Wüste. Große Schiffe schaukelten im Hafen, und nur
auf den sich überstürzenden Wogen einer beständigen Brandung konnte man
zwischen ihnen und dem seltsamen Lande verkehren. Und hier war nun Manuel
aufgewachsen. Und seine Augen leuchteten, wenn er davon erzählte, und seine
Stimme wurde wärmer, wenn er den Namen Nushat nannte.

Blanche sah den Erzähler bewundernd an. Sein gebrochenes Deutsch brachte
sie nicht ein einziges Mal zum Lachen. Und Manuel, unter den bewundernden
Blicken seiner kleiner Nachbarin, wurde immer redseliger.

Währenddessen stand eine schlanke Knabengestalt am Heckenpförtchen, die
Hand unschlüssig auf der Klinke. Lux kam eine Stunde später aus der Schule
als Blanche. Auf dem ganzen Weg hatte er an den fremden Knaben gedacht, der
jetzt bei den Eltern seiner kleinen Freundin wohnte. Noch so lange, lange
Zeit wohnen sollte. Ja, während des Unterrichts selbst hatte er seine
Gedanken nicht zügeln können. Nun stand er am Pförtchen und wagte auf
einmal nicht, in den Nachbargarten hinüberzugehen; Blanche war schon
seit einer Stunde frei, und sie würde nun mit dem fremden Knaben zusammen
spielen. Was sollte er nun noch dabei?

Aber er trat doch ein, beklommenen Herzens, und schlug gleich den kürzeren
Weg ein, der ans Wasser hinunter führte. Da hörte er Manuels Stimme.
Verwundert stand er still, da er die Beiden nicht im Pavillon sah. Er
horchte. Dann schlug er das Gesträuch hastig auseinander, und der helle
Tag flutete in die grüne Dämmerung hinein. Da saß Blanche mit dem fremden
Knaben, eng zusammen geschmiegt, auf der kleinen Moosbank und sah den
Störer mit großen, erstaunten Augen an, als erkenne sie ihn nicht gleich.

Für einen Dritten war drinnen nicht Platz; Lux hatte dieses Bänkchen nur
für sich und Blanche berechnet.

»Willst du nicht hereinkommen?« rief Blanche.

»Alle drei können wir ja doch nicht darin sitzen,« sagte er und blieb
draußen stehen. Da standen sie auf und kamen heraus und waren freundlich
mit ihm. Er aber blieb unlustig und wortkarg und wußte nichts mit ihnen
anzufangen.




[Illustration]




4. KAPITEL.


Am anderen Tage berichtete Blanche ihm auf dem Schulwege, was Manuel ihr
von seiner Heimat erzählt hatte. Sie war so lebhaft dabei, daß Lux dachte,
sie übertriebe, und nur verärgert zuhörte. Und die Folge war, daß er am
Mittag nicht in den Garten kam. Sie sollte nur allein mit dem spanischen
Affen spielen; er fand ihn unausstehlich.

In Wahrheit aber imponierte ihm der über seine Jahre hinaus gewandte
Manuel, und er fühlte zornig seine Unfähigkeit, ihm entgegenzutreten.
Manuel sprach außer seiner Muttersprache ziemlich gut französisch und wußte
sich mit jedem Tage besser mit der deutschen Sprache abzufinden. Lux quälte
sich in der Klasse noch mit den Anfängen der alten und neuen Sprachen und
konnte noch in keiner drei zusammenhängende Sätze sprechen. Manuels
tiefere Stimme hatte schon einen Anflug von Männlichkeit gegen Luxens helle
Knabenstimme. Manuel verstand es auch, eine tadellose Verbeugung zu machen
und küßte Blanche die Hand. Sie hatte es endlich nicht länger bei sich
behalten können und hatte Lux dieses zarte Geheimnis anvertraut.

Die Hand küssen? Wie dumm! Nie würde er sich zu dieser Albernheit
verstehen. Aber Manuel brauchte ja auch Pomade. Sein glattes, schwarzes
Haar glänzte ordentlich wie ein Spiegel und verpestete die ganze Luft, wenn
er sich neu gesalbt hatte. Lux konnte das nicht leiden, während Blanche den
leisen, feinen, süßlichen Toilettenduft liebte.

Eines Tages, o Schrecken, hatte Manuel sogar geraucht. Mit Neid und
widerwilliger Bewunderung fand Lux es empörend, während Blanche tat, als
wäre es selbstverständlich, daß Knaben in seinem Alter rauchten.

»In Spanien rauchen sie alle,« sagte sie.

Frau Elisabeth aber untersagte dem Knaben das Rauchen, und als er erklärte,
er habe schon oft geraucht und sein Vater wisse es, bat sie ihn, es ihr zur
Liebe zu unterlassen, so lange er in ihrem Hause weile.

»Ich werde es lassen,« versprach Manuel, und er warf ohne Zögern seinen
ganzen Zigarettenvorrat in den Bach.

»Er ist ein kleiner Gentleman,« sagte die Mutter, und Blanche plapperte
es ihr nach, obgleich sie keinen klaren Begriff hatte, was ein Gentleman
eigentlich sei. Daß Lux es nicht sei, stand bei ihr fest.

Der arme Lux! Mit jedem Tage mehr empfand er den fremden Knaben als einen
Eindringling, der ihn aus seinem Paradiese vertrieben hatte. Blanche teilte
zwar kindlich ihr Herz zwischen ihrem alten und ihrem neuen Freunde, aber
er sah nur den Anteil, der Manuel zufiel, und er sprach in verächtlichen
Ausdrücken von dem Spanier und schalt ihn einen Gecken.

Den schwersten Schlag erhielt sein Stolz, als er hörte, daß Manuel zuhause
einen Pony habe und reiten könne. Er weigerte sich, das zu glauben, bis
Manuel heftig wurde und es ihm beweisen wollte, wenn er nur ein Pferd
hätte.

»So kleine Ponys haben wir hier nicht,« sagte Lux.

»Doch!« behauptete Blanche. »Ich habe gesehen, daß der Bauer einen Pony
hat.«

»Es ist gar kein Pony,« eiferte Lux. »Das ist nur ein etwas kleineres
Pferd.«

»Das ist einerlei,« rief Manuel und wollte sogleich zum Bauern. »Er will
immer alles nicht glauben, was ich sage. Ich bin kein Lügner! Ich sage
immer die Wahrheit!« Er funkelte Lux mit seinen schwarzen Augen böse an.

»Er soll sehen, daß ich reiten kann. Er soll nicht immer sagen, es ist
nicht so. Ich will es ihm zeigen.« Der Beleidigte wollte sich gar nicht
beruhigen.

Da gingen sie zum Bauern und steckten sich hinter den Knecht und baten, ob
Manuel nicht einmal auf dem Pony reiten dürfe.

Sie hätten gar keinen Pony, war die Antwort.

»Seht ihr!« triumphierte Lux.

»Ich meine das kleine rote Pferd,« erklärte Blanche.

Dem Pferde wäre nicht zu trauen, sagte der Knecht.

»Nicht bös! nicht bös!« behauptete Manuel. »Ich habe selbst Pferd.«

Dem Knecht schien der kleine selbstbewußte Manuel Spaß zu machen. Auch
mochte es mit der Bösartigkeit des Pferdes nicht so arg sein. Genug, Manuel
setzte es durch, daß er seinen Willen bekam.

»Es kennt mich schon,« sagte er, als das kleine hübsche Tier sich ruhig von
ihm streicheln ließ. Der Knecht führte es auf den Hof und hob Manuel auf
seinen Rücken. »Loslassen!« kommandierte der. Und Blanche und Lux schrien
auch heftig: »Loslassen! loslassen!«

»Aber nur Schritt,« sagte der Knecht, der dem Kleinen jedoch angesehen
haben mochte, daß er nicht zum ersten Male auf einem Pferderücken saß.

Blanche strahlte den kleinen Reiter ordentlich an mit ihren großen Augen
und ihrem lachenden Gesicht. Lux stand mit rotem Kopf daneben und ärgerte
sich, daß das Pferd überhaupt von der Stelle ging.

Jetzt fing es sogar gemächlich an zu traben und trug seinen Reiter zweimal
um den ganzen Hofplatz. Manuel feuerte es mit lauten Zurufen an und schlug
ihm beständig mit den Hacken in die Weichen, bis es unruhig wurde. Da griff
der Knecht nach dem Zügel und gab nicht nach, er mußte herunter vom Pferd.

Lux sagte kein Wort, und sie gingen fast stumm nebeneinander heim. Blanche
ärgerte sich über ihn, obgleich sie seine Verstimmung wohl verstand. Sie
hätte so gern gesehen, daß sie alle drei als gute Freunde zusammen hielten,
und nun konnten die Knaben sich nicht miteinander stellen. Und da sie
dunkel empfand, daß es ihretwegen war, wurde sie befangen und unsicher.

Von diesem Tage an haßte Lux den fremden Knaben.




[Illustration]




5. KAPITEL.


Dr. Irmler, der schon lange eine kleine Studienreise vorbereitet hatte,
packte jetzt seinen Koffer für eine kurze Italienfahrt. Länger als vierzehn
Tage gedachte er keineswegs weg zu bleiben. Aber auch während dieses
Zeitraumes wäre es ihm ein drückender Gedanke gewesen, Lux allein in der
Obhut der alten Hausverwalterin zu lassen. Er mußte sich sagen, daß er
bei ihr auf das Beste aufgehoben sei, was ihre Gewissenhaftigkeit und
ihre Zuneigung für den Knaben betraf; allein sie war alt, manchen Zufällen
höherer Jahre bereits ausgesetzt und nicht mehr immer Herr ihrer physischen
Kräfte. Ein zweiter Dienstbote war auf so kurze Zeit nicht zu beschaffen
und wäre auch wenig nützlicher gewesen, als die Hilfe eines kleinen
Schulmädchens, das statt dessen der Alten zur persönlichen Dienstleistung
beigegeben wurde. Dieses aber konnte weiter keine Beruhigung bieten, was
Luxens Pflege und persönliche Sicherheit anging.

Daß Dr. Irmler um seinen einzigen Knaben besorgt war, konnte ihm keiner
verdenken. Ihm war aus einem großen, wenn auch kurzen Glück nur dieses
eine Pfand einer seltenen Liebesgemeinschaft geblieben. Dazu kam, daß
die beabsichtigte Reise ihn wieder an jenen Ort führen würde, wo er die
glücklichsten Tage seines Lebens mit der Verstorbenen zusammen verlebt, wo
er sie zum ersten Male gesehen und sich sogleich in sie verliebt hatte. Das
war in Venedig gewesen, während einer Überfahrt nach dem Lido, wo sie auf
überfülltem Boot in drangvoller Enge ihm gegenüber gesessen hatte, so daß
er dem Zauber ihrer blonden Schönheit, wollend oder nicht wollend, geduldig
standhalten mußte. Alles dieses lebte in der Erinnerung wieder auf und
machte ihn besonders weich und bewegt und erschwerte ihm die Trennung
von dem Knaben. Doch die Reise mußte gemacht werden, und so ging er kurz
entschlossen und herzlich dankbar auf Frau Elisabeths Vorschlag ein, die
Lux solange zu sich ins Haus nehmen wollte.

Einigermaßen verwundert war er, daß Lux diese Lösung nicht erfreuter
aufnahm; war doch der Knabe bisher in der Nachbarvilla auf das vertrauteste
aus- und eingegangen und hing mit einer etwas scheuen, aber echten
Zuneigung an der »Tante«! Und daß es nicht nur die Tante war, der die
Anhänglichkeit galt, das war ihm als aufmerksamer Vater auch nicht
entgangen, und er hatte sich des guten Einvernehmens, das zwischen Lux und
Blanche herrschte, aufrichtig gefreut. Hätte die Vorbereitung zu der Reise
ihn nicht in Anspruch genommen, so wäre ihm die Verstimmung, die zwischen
den Kindern herrschte, gewiß nicht verborgen geblieben; jetzt war er
nicht wenig erstaunt, statt eines jubelnden Einverständnisses ein bloßes
Sichfügen bei Lux anzutreffen.

»Freust du dich nicht?« fragte er.

»O doch,« antwortete der Knabe mehr hastig als freudig.

»Fehlt dir etwas?«

Dr. Irmler sah besorgt in das etwas blasse Gesicht, das ihm einen Grad
schmäler und zarter erscheinen wollte.

»Du kommst ja bald wieder,« erwiderte Lux auf die besorgte Frage, konnte
aber einer plötzlichen Gemütsbewegung nicht Herr werden und brach in ein
heftiges Schluchzen aus.

Bestürzt schloß der Vater den Knaben in seine Arme und tröstete ihn. Die
vierzehn Tage würden ja schnell vorübergehen. Bei der Tante hätte er es
gewiß gut. Er hätte die Gespielen immer um sich, und Frau Elisabeth würde
schon für manche kleine Zerstreuung sorgen.

Frau Elisabeth tat das ihre, Lux heiter zu stimmen. »Laß den Papa nur
reisen,« sagte sie fröhlich, »wir wollen uns schon ohne ihn vergnügte Tage
machen. Blanche und Manuel freuen sich auch schon darauf. Das soll aber
hübsch werden.«

Lux beruhigte sich denn auch bald.

Frau Elisabeth freute sich, eine Gelegenheit zu haben, dem einstigen Retter
ihres Kindes einmal ihre Dankbarkeit durch eine wirkliche Gegenleistung
zu zeigen. Und noch ein anderes bewegte sie: ihren mütterlichen Augen
war nicht entgangen, daß Blanche sich in der letzten Zeit mehr dem neuen
Hausgenossen zuwandte und ihren alten Spielkameraden vernachlässigte. Doch
hatte sie kaum Veranlassung gehabt, sich hinein zu mengen. Auch war sie
klug genug, zu wissen, daß das unter Umständen mehr schaden als nützen
konnte. Sie selbst hatte in ihrer Jugend durch zudringliche Störung
kindlicher Neigung ihren ersten seelischen Schmerz erlitten. Ein
freundschaftliches Gefühl von unbewußter Innigkeit war ihr als etwas
Besonderes und eigentlich Unziemliches hingestellt und durch unüberlegte,
alberne Neckereien aus einem harmlosen, stillen Glücksgefühl zu etwas
Quälendem und Beschämendem gemacht worden.

Dessen hatte sie sich erinnert, und hatte die Freundschaft zwischen Lux und
Blanche weder gefördert noch gehindert, sondern hatte sie gewähren lassen.

Ein etwas wachsameres Auge hatte sie auf Manuel gehabt, dessen frühreife
Manieren und südländische Lebendigkeit Blanche sehr zu imponieren schienen.
Doch hatte sie hinlänglich Beweise von dem graden und ritterlichen
Charakter des kleinen neuen Hausgenossen, um einen nachteiligen Einfluß auf
ihr Töchterchen zu befürchten. Dennoch war es ihr lieb, den Beiden jetzt
Lux auf längere Zeit zu engerem Verkehr zugesellen zu können. Lux, obgleich
nur um ein Jahr jünger, war doch um mindestens drei Jahre kindlicher als
der kleine Afrikaner. Der war in einem reichen Hause aufgewachsen, wo
unterwürfige farbige Diener den Herrensohn früh verwöhnten. Nachher,
in Paris, fern von der Heimat und den Eltern, war Manuel erst recht
selbständig geworden und hatte sich manche Manieren der Erwachsenen
angeeignet. Seine Höflichkeit des Handküssens hatte Frau Elisabeth zuerst
bei einem so jungen Knaben befremdet, doch lag so viel Natürlichkeit
und Ritterlichkeit darin, daß sie nicht für berechtigt hielt, ihm diesen
Handkuß zu verbieten. Nur als sie gewahrte, daß er anfing, auch Blanche
in dieser Weise zu begrüßen, erhob sie Einspruch; solches wäre hierzulande
unter Kindern nicht Sitte, die schüttelten sich herzhaft die Hände, und das
wäre auch ein hübscher Gruß. Manuel nahm diese Belehrung mit bescheidenem
Lächeln auf, und sie sah ihn nie wieder ihrem Töchterchen die Hand küssen.
Daß er es trotzdem oft tat, wenn die Kinder unter sich waren, wußte sie
nicht. Und Lux, der es einmal als ungewollter Zeuge gesehen hatte, hütete
sich, diese schlimmste Ursache seiner kindlichen Betrübnis zu verraten. Er
hätte sich geschämt, davon zu sprechen. Aber seinem Herzen tat es weh.

Wohl hundert Mal nahm er sich vor, es dem anderen nachzutun, aber nie
brachte er es über sich; unschlüssig überlegte er: küßt du ihr nun die
Hand, oder begnügst dich mit einem Händedruck? Und vor lauter Überlegung
fiel denn auch wohl noch dieser Händedruck nur schwach und gleichsam
versuchsweise aus; zum Befremden der wenig nachdenklichen Blanche.

»Was hat er nur? Hab ich ihm etwas getan? Komischer Junge.«

Damit war es für sie abgetan. Sie merkte gar nicht, daß Lux ihr
gleichgültiger wurde. Manuel machte ihr mehr Spaß.

»Der Lux ist jetzt immer so langweilig,« sagte sie.

Trotzdem freute sie sich aufrichtig, daß Lux auf ein paar Wochen zu ihnen
ins Haus kommen sollte.

Zu dritt war es am Ende noch lustiger. Was wollten sie alles aufstellen!
Obendrein standen die Ferien vor der Tür, und das war immer eine schöne
Zeit. Die Mutter hatte schon, wie alljährlich in dieser Sommerzeit,
Ausflüge mit ihnen geplant. Da sollten die beiden Jungen aber Augen machen!

Lux war wohl schon einmal mit gewesen, wenn auch nicht so gar weit.
Aber Manuel kannte noch nichts von der Gegend. Wenn sie dann zusammen im
Eisenbahnwagen sitzen würden, natürlich am Fenster, und alles flöge so
lustig schnell an ihnen vorüber, und sie würde es ihm zeigen: das ist
Neudorf und das ist Birkendorf und das ist Bentheim, und in dem Walde
dahinten sind wir mal mit Papa gewesen; und wenn sie dann durch die Heide
liefen, oder noch schöner am Seestrande, barfuß, und die Wellen so kühl und
erquickend heranrollten und bis an die Knöchel herauf schäumten, wie schön
würde das sein. Und das Schanzen aufwerfen und Burgen aufbauen! Und das
Bootfahren!

Ob Manuel wohl Angst vor dem Wasser hätte? Sie hatte es. Nur ein ganz klein
wenig.

Aber Manuel war ja doch über das Meer gekommen. Und die große Stadt in
Afrika, wo er zuhause war, lag ja unmittelbar am Meer. Am Ende würde sie
ihm gar nichts Neues zeigen können.

Das betrübte sie etwas. Was war sie doch für ein Dummchen gegen ihn. Aber
dafür war er ja auch ein Knabe und war fast zwei Jahre älter als sie. In
zwei Jahren würde sie auch noch viel lernen und sehen und erleben. Doch
die Einsicht in ihre Unwissenheit hielt nie lange vor. Später! später! Das
würde alles schon kommen, wie es kommen sollte.

Manuel lebte wie Blanche in den Tag hinein, und genoß mit Behagen die
Freiheit, deren Ende freilich mit dem Schulanfang immer näher rückte. Doch
waren es Wochen, die ihm noch gegönnt waren. Inzwischen las er leichte,
deutsche Bücher, die Frau Elisabeth ihm gab, und schrieb jede Woche seinem
Vater einen deutschen Brief, dessen Inhalt sich immer ziemlich gleich
blieb; ungelenke, mit dem Ausdruck und mehr noch mit der Orthographie
ringende Briefe. Schnelle Fortschritte machte er im Sprechen; und zwar
verdankte er diese raschen Erfolge weniger Frau Elisabeth und den anderen
Hausgenossen, als seiner kleinen Freundin Blanche, deren Plappermaul nie
lange still stand.

Er hatte in einem Brief an den Vater begeisterte Schilderungen von Blanche
gemacht, die der vielbeschäftigte und viel reisende Kaufherr und Lebemann
mit einem flüchtigen Lächeln gelesen haben mochte; ihm aber waren sie
Ausdruck seines Heiligsten: Blanche war für sein ungestümes Knabenherz
alles, ersetzte ihm Heimat und Elternhaus.

Er hielt ein abgelegtes blaues Haarband und ein altes Schreibheft von ihr
als köstliche Besitztümer verwahrt. Das kleine Heiligenbild über seinem
Bett hörte oft ihren Namen, wenn er sie in sein Gebet einschloß, oder
in Gedanken an sie verloren, halblaut diesen schönen Namen stammelte,
in dessen romanischem Klang ihn Verwandtes grüßte, und in dem so viel
Reinheit, Jugend und Süße lag.

Blanche!

Er kannte eine halbe Strophe eines französischen Liedes, in der dieser Name
vorkam, und er wurde nicht müde, sie vor sich hin zu trillern.

»Blanche, petite Blanche!«

Auf dem Schulweg trug er ihr die Mappe bis zum kleinen Bahnhof, von wo aus
sie der Zug in einer Viertelstunde in die Stadt führte. Sonst hatte Lux ihr
die Mappe getragen, konnte es aber nicht ändern, daß Manuel ihm nun
immer zuvorkam. Dieser ging übrigens nicht mit auf den Perron, sondern
verabschiedete sich schon vorher; denn sie trafen auf dem Bahnhof noch
einige andere Knaben und Mädchen, die in die Schule fuhren, und deren
Anstarren ihm unangenehm war. War man denn als Ausländer ein wildes Tier
für diese dummen deutschen Kinder? Eine häßliche Unsitte, dieses Anglotzen
eines Fremden. Daß er dunkler war als sie, sahen sie doch mit einem halben
Blick. Und was war denn sonst an ihm, was ihre Aufmerksamkeit immer aufs
neue wieder erregen konnte? Er wußte ja nicht, daß Blanche es war, die mit
ihren Erzählungen diese Unart nährte.

Keinem, keinem hätte er ein Wort über Blanche gesagt; ganz allein
ihm gehörte sie und den Heiligen, deren Schutz er sie mit kindlicher
Frömmigkeit empfahl. Was ging es andere an, was er über Blanche dachte, was
er für sie empfand; nur ihr selbst es mit tausend kleinen Aufmerksamkeiten
und Artigkeiten zu zeigen, war er beflissen. Ihre Mutter hatte ihm den
Handkuß untersagt; aber was ihm alte Gewohnheit war, konnte er nicht sobald
lassen und tat es jetzt heimlich und mit dem Bewußtsein einer verbotenen
Huldigung. Dieses war das einzige, was er sich vorzuwerfen hatte. Er
hätte sonst nie eine Lüge über seine Lippen gebracht; in diesem Falle aber
entschuldigte er sich vor seinem Herzen.

Blanche! Blanche! jubelte dieses heiße Knabenherz, wenn sie ihm
entgegenkam, schlank, schwebend, ganz Licht in dem Strahlenkranz ihrer
goldenen Haare, und ihm schon von weitem ihre feine schlanke Hand mit den
etwas langen Fingern entgegenstreckte.

Blanche!

Und dann sollte er diese Hand wieder fahren lassen, ohne sie zu küssen?
Mochte es nicht Sitte sein in diesem kühlen Lande, und mochte der blasse
Lux nie die Hand der kleinen Blanche küssen, ihm sollte man es nicht
wehren. Und bei der Vorstellung, daß auch Lux diese Hand küssen könne, zog
sich eine feine Falte zwischen den schwarzen Augenbrauen zusammen.

Manuel war denn auch der einzige, der sich nicht auf Lux freute. Mochte
er doch zum Spielen herüberkommen. Aber daß er nun auch das Zimmer mit
ihm teilen sollte, gefiel ihm nicht. Frau Elisabeth hatte es ihm schon
angekündigt. Freilich nur in Form einer Frage, ob er wohl auf vierzehn Tage
Lux bei sich aufnehmen wolle. Gewiß wollte er, er durfte doch nicht nein
sagen, aber erfreut war er nicht. Nicht, daß er den Nachbarssohn fürchtete;
aber Lux würde die wenigen Stunden, die Manuel bisher mit Blanche allein
sein durfte, stören. Und das war Grund genug, ihn zu hassen.

Doch der Tag rückte heran, an dem Lux übersiedeln sollte. Dr. Irmler hatte
seinen Koffer gepackt und kam nun am Abend vor seiner Abreise mit Lux
herüber, um sich zu verabschieden und seinen Knaben in die Hände der
verehrten Pflegerin abzuliefern. Man saß nach dem Tee in der offenen
Veranda in angeregtem Gespräch über Italien, das beiden Gatten nicht fremd
war, und die Kinder durften dabei sein und sich still verhalten. Manuel
und Blanche wären lieber noch in den Garten gegangen, aber Lux wollte sich
begreiflicherweise in der letzten Stunde nicht vom Vater trennen und stand
an dessen Seite, von seinem Arm umschlungen.

Manuel dachte an seinen Vater. So zärtlich hatte der ihn nie umfaßt.
Selten, daß er einen Kuß von ihm bekommen hatte. Auch als er sich zuletzt
auf dem Bahnhof von ihm verabschiedete, hatte er ihm nur die Hand gegeben
und sie fast geschäftsmäßig geschüttelt.

Ein tiefes Heimweh nach Liebe und Mutterarmen packte ihn. Wie lange hatte
er sie entbehren müssen. Seine Mutter, von der er fast nie sprach, war eine
träge, indolente Südländerin, und der Vater ging ganz in seinen Geschäften
auf. Ein einziges Briefchen erst hatte er von der Mutter bekommen, der das
Schreiben eine körperliche und mehr noch geistige Anstrengung war. Wohl
liebte er sie und er hätte sie nicht leiden sehen können, aber die Trägheit
ihres Gefühlslebens hatte auch die Äußerungen seiner Neigung mehr und
mehr erschlaffen lassen. Nur Nushat war es, an die Manuel mit Zärtlichkeit
dachte. Sie allein hatte wohl einmal ihren Arm um seinen Hals gelegt und
hatte ihm sanfte Worte gesagt. Die braune Tochter Arabiens stand plötzlich
vor seinen Augen und verdunkelte sogar die lichte Blanche, so daß er
sich gänzlich fremd und verlassen in diesem Kreise vorkam, und mit einem
feindlichen Gefühl als stiller und übelwollender Beobachter in seiner Ecke
sitzen blieb.

Lux aber war nicht nur bei seinem Vater Liebkind an diesem Abend, sondern
auch Frau Elisabeth und ihr Gatte waren geflissentlich freundlich und
aufmunternd zu ihm, um ihm die Trennung leichter zu machen und ihm gleich
zu zeigen, daß sie es gut mit ihm meinten, und er hier wohl geborgen sei.
Und auch Blanche, dem Beispiel ihrer Eltern folgend, war freundlicher gegen
Lux, als sonst wohl in der letzten Zeit.

Nachher, als Dr. Irmler Lux den Gute Nachtkuß gab und in sein eigenes Heim
hinüberging, war Lux wieder dem Weinen nahe; doch er beherrschte sich und
stieg still mit Manuel in ihr gemeinsames Stübchen hinauf.

Still kleideten sie sich aus. Jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt,
und wollte von dem anderen nichts, als unbehelligt gelassen werden.

»Soll ich auslöschen?« fragte Manuel.

»Ja, bitte.«

Es wurde dunkel in der kleinen Kammer und still, nur das feine, hastige
Ticken zweier Taschenuhren erfüllte als einziges, leises Geräusch den Raum,
und ab und an knarrte eine der Bettstellen.

Manuel konnte nicht einschlafen. Zum ersten Mal hatte er sein Nachtgebet
leise hergesagt und den lieben Namen Blanche nicht ausgesprochen. Seine
Gedanken waren zerstreut, halb drüben in der Heimat und nur zur Hälfte
hier, wo er sich zum ersten Male fremd und verlassen vorkam. Lux schlief
schon lange, mit ruhigen, leisen Atemzügen, als Manuel noch wach lag, das
Gesicht in die Kissen drückte und leidenschaftlich weinte.




[Illustration]




6. KAPITEL.


Dr. Irmler war am anderen Morgen abgereist. Sie hatten ihn alle an die Bahn
gebracht, und die beiden Herren waren zusammen abgefahren, der eine nach
Italien, der andere ins Kontor.

Frau Elisabeth kehrte mit den Kindern auf einem längeren Umweg zurück.
Es war zugleich der erste Ferientag, und Blanche war in ausgelassenster
Stimmung.

»Lach doch mal!« rief sie und neckte Lux mit einem herzhaften Stoß, so
daß er taumelte und fast in einen Graben gefallen wäre. Er wurde rot vor
Schreck und auch ein wenig vor Ärger und lachte gezwungen.

Die Mutter verwies ihr so derbe Späße. Lux wäre noch nicht aufgelegt zum
Scherzen.

»O doch,« sagte er. Und um Blanche eine Beschämung zu ersparen, bezwang
er sich und war auch bald von ihrer Lustigkeit angesteckt. Da wandte Frau
Elisabeth sich an Manuel.

»So ernst?« fragte sie. »Woran denkst du?«

»Wie schön das Reisen ist!« sagte er, »und wie schön es gewesen wäre, wenn
ich hätte mitfahren können.«

»Gefällt es dir nicht mehr bei uns?«

»O doch!«

Sie sah ihn erröten und drang nicht weiter in ihn. Er hat Heimweh bekommen.
Das wird sich wieder geben.

»Wir wollen recht vergnügt in den Ferien sein,« sagte sie, und was an ihr
lag, tat sie dazu. Es kam, wie Blanche es vorausgesehen: sie machten zwei,
drei Mal in der Woche kleinere oder größere Ausflüge in die Umgebung, wobei
sie es nicht verschmähten, mit dem Rucksack auf dem Rücken zu marschieren,
den Wanderstab in der Hand.

Frau Elisabeths frische Stimme wußte immer ein Lied anzugeben, das den
Weg würzte. Manuel konnte natürlich nur zuhören oder einzelne Takte
mittrillern. Doch fand sich bei solchem Singen die Gelegenheit, auch
ihn zum Auskramen seiner kleinen spanischen und französischen Lieder
zu bewegen. Ohne gerade musikalisch zu sein, besaß er doch ein gutes
Gedächtnis für volkstümliche Weisen; selbst ein arabisches Liedchen konnte
er zum Besten geben. Es war ein ländliches Liedchen, dessen Text auch
ihm vielleicht nur leere Worte blieben, aber er sang mit einer solchen
Ergriffenheit und mit einem zitternden Heimweh, daß Frau Elisabeth ein
gerührtes Lächeln nicht unterdrücken konnte, und Blanche und Lux ihn ganz
verwundert anstarrten, so daß er tief errötete und mit einem gewinnenden
Lächeln der Verlegenheit sagte: »Ich kann nicht singen.«

Frau Elisabeth hatte eine feine, erzieherische Art, jedem eine kleine
Pflicht aufzuerlegen; der eine mußte den Proviant tragen, der Andere den
Quartiermacher spielen, der Dritte in ein Wanderbüchlein einschreiben, was
ihnen des Aufzeichnens wert erschien. Sie selbst behielt sich die Führung
und die Kasse vor.

So wußte sie ein gemeinsames Band zu schlingen, das wieder fester
verknüpfte, was sich schon leise zu lockern drohte.

Manuel vergaß sein Heimweh, und Lux empfand die Trennung vom Vater bald
nicht mehr als Leid, sondern als eine fröhliche Abwechselung. Dazu trugen
die häufigen Briefe und Karten Dr. Irmlers vieles bei; fast von jeder
Station kam wenigstens ein kurzer, an Lux adressierter Kartengruß.
Im übrigen hielten längere, ausführliche Briefe an Frau Elisabeth die
Zurückgebliebenen mit dem Abwesenden in steter Verbindung. Die Briefe des
Reisenden, der vom schönsten Wetter begünstigt dem Lande der Sonne und
Schönheit zueilte, atmeten Heiterkeit und Lebensfreude, und ein neuerliches
Schreiben versprach dem Sohne und den Freunden allerlei Erfreuliches und
Ergötzliches mit heim zu bringen.

So fühlte sich denn Lux im freien Genuß der Gegenwart und in stiller
Hoffnung auf die Zukunft im ganzen glücklich, zumal Blanche, die nicht
mehr unter dem überwiegenden Einfluß Manuels stand, sich ihm wieder mehr
zuwandte. Das wurde dann die Ursache, daß Manuel, dessen Eifersucht diese
Wandlung wohl bemerkte, der Vergangenheit und seinem Heimweh wieder kräftig
entzogen wurde und sich wieder leidenschaftlich dem Tage zuwandte. Ein
stilles Ringen begann jetzt unter den beiden Knaben um das Mädchen, das
fortfuhr, seine Gunst gleichmäßig zu verteilen.

Lux war schon zufrieden, wenn er nicht hinter Manuel zurückstehen brauchte;
der war nun einmal da, und ein Anteil von Blanches Freundschaft war ihm
nicht zu verweigern. Nur wachte Lux eifersüchtig darüber, daß ehrlich
geteilt wurde. Anders Manuel, der anspruchsvoller am liebsten die kleine
Freundin für sich allein gehabt hätte, und die alte Eifersucht und den
alten Groll auf Lux wieder aufkeimen fühlte. Und sonderbarer Weise kam er,
ohne daß Blanche es wollte, nur durch eigene Schuld, wenn auch unbewußt,
ein wenig ins Hintertreffen. Wetteiferten sie auf den Ausflügen, sich durch
kleine Gefälligkeiten und knabenhafte Galanterien beliebt zu machen, so kam
Lux ihm oft zuvor, weil es nicht in Manuels Natur lag, über Blanche
Frau Elisabeth zu vernachlässigen. Schon als der ältere fühlte er sich
verpflichtet, ihr Ritterdienste zu leisten, während der jüngere Lux an
dergleichen Artigkeiten nicht dachte und nur für Blanche da war.

Da schlug denn jenem oft das Herz, wenn er neben Frau Elisabeth herging,
ihren Mantel trug, oder sich ihrer Unterhaltung widmete und sehen mußte,
wie Lux und Blanche fröhlich vorauf sprangen, auch wohl einmal wieder, wie
in früheren Tagen, Hand in Hand.

Frau Elisabeth ließ das Betragen des ritterlichen Knaben nicht ohne
Anerkennung, indem sie ihn ihrem Töchterchen als Beispiel hinstellte, wozu
die unbekümmerte Blanche reichlich Gelegenheit gab.

»Du könntest dich deiner Mutter auch einmal gefällig erweisen,« sagte sie.

»Mutti, was soll ich denn tun?«, rief Blanche stürmisch, die Arme
schmeichelnd um ihren Hals legend. Aber dabei blieb es denn auch. Manuel
doch war stolz auf Frau Elisabeths Lob, und trug dafür die Qualen der
Eifersucht heroisch weiter.

Anders aber gab er sich zuhause, bei den Spielen im Garten, wo die Kinder
unter sich waren. Da trachtete er, das Versäumte nachzuholen, und forderte
sein vorenthaltenes Teil mit Zinsen ein. Blanche, die ganz nach Lust und
Laune handelte, und keinen eigentlich bevorzugte, fühlte sich dann manchmal
von seinem heftigen Wesen befremdet, und hielt sich ein wenig zurück, ohne
zu ahnen, wie weh sie ihm tat und wie sehr sie ihn reizte.

Ihr Name erschien schon lange wieder in seinen Gebeten, und er stammelte
ihn halb laut aus sehnsüchtigen und kranken Träumen heraus.

Und eines Nachts, als ein Traum ihm gezeigt hatte, wie Blanche Hand in
Hand mit Lux Blumen pflückte, während er abseits stand und nicht zu ihnen
konnte, saß er, erwacht, aufrecht im Bett und starrte voll Zorn, Haß und
Kummer durch das Dunkel auf Lux, der ruhig in seinen Kissen lag. Manuels
Fäuste ballten sich, und seine Zähne preßten sich wild aufeinander. Hätte
Lux Licht gemacht, er hätte sich vor diesem Gesicht entsetzt, das durchaus
nicht mehr kindlich aussah, sondern mit dem Ausdruck einer fast männlichen
Energie heißen Haß und tiefschneidendes Weh verband.

Lux wachte freilich, und auch seine Gedanken beschäftigten sich mit Manuel.
Er sah ihn auch, obgleich nur undeutlich, aufrecht im Bett sitzen, wenn der
Vorhang, hinter dem das Fenster offen stand, von einem stärkeren Luftzug
getroffen sich leise hin und her bewegte und das Dunkel ein wenig
aufhellte. Auch suchte Lux nach einem Wort, ihn anzureden, aber er fand
keines; denn was ihn zu reden trieb, beschäftigte auch wieder so sehr seine
Gedanken, daß er damit nicht fertig wurde.

Manuel hatte im Schlaf laut und leidenschaftlich Blanches Namen gerufen.

»Blanche! Blanche!«

Zweimal hatte der geliebte Name mit einem wehen Laut durch das Dunkel
und durch die Stille gezittert. Etwas Fremdes, nicht Gekanntes klang dem
erschreckten Lux daraus entgegen.

»Blanche! Blanche!«

»Was hast du? Was ist dir?«, wollte Lux rufen, aber etwas lähmte seine
Zunge, benahm ihm den Atem. Fast unheimlich klang dieses zweimalige Rufen.

Und jetzt wurde wieder Manuels Stimme laut.

»Lux! -- Lux! -- schläfst du?«

»Nein, was willst du?«

Manuel gab keine Antwort.

»Willst du was?« fragte Lux noch einmal dringlicher.

»Ja.«

Und dann rang sich jedes Wort langsam und leise, aber leidenschaftlich von
den zuckenden Knabenlippen.

»Ich liebe Blanche. Sie soll nicht immer nur mit dir freundlich sein. Ich
halte das nicht aus. Ich will es nicht.«

Im Dunkel der Nacht saß der Knabe aufrecht in seinem Bett und stammelte
dieses Bekenntnis, und es war Lux, dem er es vorstammelte, Lux, der am Tage
der letzte gewesen wäre, dem er es anvertraut hätte. Aber er mußte sein
übervolles Gemüt entladen, war froh, daß er Lux nicht dabei sehen konnte,
sprach wie zu einem Fremden, fühlte, wie bei jedem Wort die Tränen höher in
ihm aufstiegen, und zitterte am ganzen Leibe vor Erregung.

Eine lange Stille folgte Manuels Worten, während nur sein unterdrücktes
Schluchzen zu vernehmen war.

Ich liebe Blanche! Lux hätte nie für sein Empfinden für Blanche diesen
Ausdruck gefunden. Er war aufs neue erschreckt, beängstigt, von etwas
Fremdem verwirrt.

»Blanche ist doch auch gegen dich freundlich,« sagte er. Er konnte Manuels
Weinen nicht länger hören und hätte ihn gern getröstet.

»Wir kennen uns doch auch schon viel länger, Blanche und ich,« fuhr er
fort. »Deswegen ist sie doch nicht weniger freundlich mit dir. -- Laß doch
das Weinen. -- Ich will es ihr sagen, daß sie freundlicher mit dir sein
soll!«

»Nein!« rief Manuel, schrie es fast. »Daß du es ihr nicht sagst. Ich
glaube, ich könnte dich töten, wenn du es tust.«

»Dummes Zeug!« brummte Lux, der solche Leidenschaft nicht verstand und sich
ärgerlich auf die andere Seite legte.

»Lux! du! Lux!«

»Was denn?«

»Daß du es ihr nicht sagst!«

»Mir ist es gleich. Du kannst es ihr ja selbst sagen. Aber jetzt möchte ich
gern schlafen.«

Seine Müdigkeit überwog wirklich seine Teilnahme für Manuel und auch für
Blanche. Es dauerte nicht lange, da schwebten wieder seine leisen, feinen
Atemzüge durch das Zimmer.

Manuel aber lag noch lange wach und betete zum ungezählten Male zur Mutter
Gottes, sie möchte ihm das Herz der kleinen Blanche zuwenden.

Die Folge dieses nächtlichen Zwiegespräches war eine weitere Entfremdung
zwischen den Knaben. Lux betrachtete Manuel jetzt mit ganz anderen Augen.
Er fühlte etwas wie Neid. So viel er von Blanche hielt, seinen Schlaf
hatte sie ihm noch nie gestört. Und nun gar diese Tränen, dieser
leidenschaftliche Ausbruch Manuels in der Nacht. Er schämte sich und schalt
sich, daß er nicht auch so empfand. Manuel war freilich auch schon älter
als er und in vielem reifer. Lux war ehrlich genug, es anzuerkennen, und
hatte Respekt vor ihm. Aber das wurmte ihn wieder; er hätte ihn lieber
verachtet. Sein Selbstgefühl bäumte sich auf, und er besann sich darauf,
daß er ältere Rechte als Manuel hatte, der nur ein Eindringling war. Und
zugleich erwachten Gedanken in ihm, die bisher geschlummert hatten.

»Ich liebe Blanche auch. Er soll nicht glauben, daß er es allein ist.« Und
er wurde mißtrauisch und beobachtete die beiden.

Manuel haßte Lux nur umsomehr, als er ihn jetzt zu fürchten hatte. Oh,
daß er sich ihm in jener Nacht in seiner Seelennacktheit gezeigt hatte!
Er schämte sich vor ihm und suchte seinem Blick auszuweichen, wurde
argwöhnisch und belauerte Blanche, ob sie wohl etwas wisse. Ganz im
tiefsten Innern war dabei der heimliche Wunsch rege, sie möchte es wissen;
er würde Lux jetzt nicht mehr deshalb töten.

»Du hast doch nichts gesagt?« fragte er ihn zwei Tage später und zwang sich
zu einem Ton freundlicher Vertraulichkeit.

»Was denn?« fragte Lux mit verstellter Gleichgültigkeit.

Manuel ärgerte sich.

»Das weißt du recht gut.«

»Ach das.«

Der Ton war womöglich noch gleichgültiger.

»Ich will es aber wissen!«

Manuel wurde heftig.

»Frage sie doch selbst,« gab Lux zur Antwort.

Zornig ging Manuel weg.

An diesem Tage kam ein Brief Dr. Irmlers, der eine Verlängerung seiner
Reise um höchstens acht Tage ankündigte und hoffte, daß Lux den Freunden
nicht lästig werden würde. Die Veranlassung zu diesem Schreiben aber war
diese:

Er ist in Rom, kommt abends spät aus einer kleinen Gesellschaft, hört in
einer einsamen menschenleeren Straße plötzlich einen Schrei ganz in seiner
Nähe und steht im nächsten Augenblick vor einem entseelten Körper, der
quer über den Bürgersteig liegt. Ein Schatten fliegt über die Straße, ein
geisterblasses Gesicht wendet sich noch einmal um, und er meint im ersten
Augenblicke nichts als zwei große schwarze, weit aufgerissene Augen in
diesem Gesicht zu erkennen. Aber schon nahen Schritte, er wird bei der
Leiche gesehen, verdächtigt, und muß mit auf die Wache. Hier gelingt es ihm
bald, seine Unschuld glaubhaft zu machen. Indessen kann man ihn nicht
ganz freigeben, da er den Mörder gesehen haben will und eine ungefähre
Beschreibung von ihm zu liefern imstande ist. Des einzigen Zeugen muß
man sich versichern, zumal seine Angaben viel Wahrscheinlichkeit für sich
haben. Seine Beschreibung paßt auf einen jungen Burschen, den man mit dem
Getöteten befreundet weiß, und von dem es bekannt ist, daß er sich mit
jenem gleichzeitig um ein hübsches und braves Bürgermädchen bewarb.

Vor die Frage gestellt, glaubt Dr. Irmler sich noch anderer Merkzeichen
entsinnen zu können, als nur der dunklen Augen. Und alles zeigt auf
jenen Freund hin. Dieser wird gefunden, festgenommen und dem Zeugen
gegenübergestellt, der ihn zu erkennen glaubt. Ein anfängliches Leugnen
zieht die Sache hin, aber der Unglückliche entschließt sich zuletzt zu
einem Geständnis. Und wirklich ist die unselige Eifersucht das Motiv seiner
Tat.

Diese Begebenheit hatte Dr. Irmler mehrere Tage gekostet, während welcher
er nicht fähig war, seinen Studien nachzugehen. So war noch manches
nachzuholen und eine Verlängerung seines Aufenthaltes erwünscht.

Er möchte sich nicht beeilen und sich nicht sorgen, schrieb Frau Elisabeth
zurück. Lux wäre gut aufgehoben, und sie hätten ihn alle gern bei sich.

»Daß dieses hitzköpfige Volk doch immer gleich zum Messer greifen muß!«
sagte ihr Gatte beim Tee, als er von dem Inhalt des Briefes erfuhr. »Und
wenn es dann noch wenigstens zum ehrlichen Zweikampf schreitet. Aber ein
feiger Meuchelmord aus solchem Beweggrunde, noch dazu an einem Freund, will
einem schier unverständlich sein.«

»Es ist schrecklich,« erwiderte Frau Elisabeth, »wie die Leidenschaft alles
verdunkelt, alle Begriffe von gut und böse auslöscht und den Menschen zum
blinden Werkzeug seiner Triebe macht. Ich erinnere mich eines ähnlichen
Falles aus meiner Heimat, wo ein sonst liebenswürdiges Schwesternpaar sich
um einen jungen Mann heftig entzweite; beide getäuscht, suchten sie statt
Trost in der Versöhnung Trost im Tod. Man fand beide Leichen am blühenden
Sommerrain des kleinen Flusses, von den mitleidigen Wellen sanft
nebeneinander hingebettet.«

So erzählte Frau Elisabeth in tiefer Ergriffenheit. Den Kindern enthielt
sie diesen Teil des Briefes vor. Es schien ihr nicht ratsam, die jungen
Seelen schon mit solchen Dingen zu beschweren; sie würden früh genug die
Tragik des Lebens kennen oder doch wenigstens ahnen lernen. Sie sagte ihnen
nur, daß Dr. Irmlers Studien seine Anwesenheit in Rom noch für einige Tage
verlange.

Lux selbst war zufrieden. Die Tage gingen abwechselungsreich hin, und die
leichten Schatten, die die Verstimmung zwischen ihm und Manuel auf ihre
Freuden warf, bedrückten ihn nicht allzusehr.

Manuel jedoch war keineswegs erfreut über Luxens verlängerten Aufenthalt.
Acht Tage noch! Wäre doch die Zeit bald um!

Blanche aber rief einfach: »Wie schön!« obgleich es ihr keinen großen
Kummer gemacht hätte, Lux schon jetzt an seinen Vater zurückzugeben.

Nun mußte es geschehen, daß Frau Elisabeth um diese Zeit von heftigen
Kopfschmerzen anhaltend geplagt wurde, so daß sie sich den Kindern nicht so
viel wie sonst widmen konnte. Sie überließ sie um so ruhiger sich
selbst, als es ihr bisher erschienen war, daß sie in guter Kameradschaft
miteinander verkehrten.

Aus dieser Ruhe sollte sie eines Tages aufgestört werden. Die Spannung
zwischen den beiden Knaben hatte sich wie ein böses Geschwür weiter
gefressen, das nun unerwartet aufbrach.

[Illustration]




[Illustration]




7. KAPITEL.


Blanches Geburtstag sollte, wie alljährlich, festlich gefeiert werden. Ja,
man plante diesmal etwas ganz Besonderes. Das beständige schöne Wetter
ließ das Gelingen eines kleinen Gartenfestes erhoffen. Ketten von Lampions
sollten gezogen und eine italienische Nacht unter nordischem Himmel
hergezaubert werden. Wochenlang hatte man sich schon darauf gefreut,
und diese gemeinsame Vorfreude war immer wieder das Band gewesen,
Auseinanderstrebendes zusammen zu halten.

Nun war der festliche Tag da, und alles stand in Erwartung eines besonderen
Freudentages früher auf als sonst. Schon am Morgen kam eine Cousine
Blanches, während die anderen kleinen Gäste sich erst am Nachmittag
einfanden. Es war ihrer ein großer Kreis geladen worden, auch Knaben, damit
es den Mädchen nicht an Tänzern fehle. Alle kleinen Freundinnen kamen in
weißen Kleidern mit bunten Schleifen und Schärpen und brachten Blumen und
Schokolade und kleine Geschenke mit. Alle gaben sie Frau Elisabeth mit
einem zierlichen Knicks die Hand und schauten sich dann mit großen Augen
im Kreise um. Die Knaben traten selbstbewußt auf, und konnten doch eine
lächerliche Verlegenheit und Unbeholfenheit nicht verbergen; sie waren in
der Minderzahl und hätten offenbar lieber unter sich Pferd oder Räuber und
Soldat gespielt, als sich hier sittsam und kavaliermäßig zu betragen. Sie
hielten sich zu Lux und Manuel und staunten diesen ebenso an, wie es die
kleinen Mädchen taten.

»Wie braun er ist,« flüsterten sie untereinander.

»Er kommt nachher in unsere Schule.«

»Aber klein ist er nur.«

»Ist er nett?«, fragten sie Lux leise, und Lux sagte: »Sehr nett.«

Daß er ziemlich gut deutsch sprach, merkten sie bald, und ebenso, daß er
ihnen allen an Sicherheit des Betragens überlegen war. Lux war einer von
ihnen, aber Manuel war etwas Besonderes.

Manuel merkte wohl, daß er Eindruck machte, und fühlte sich geschmeichelt,
denn er dachte an Blanche dabei. Ihr wollte er gefallen.

Blanche aber war anfangs noch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt;
sie war nicht ohne mädchenhafte Eitelkeit und wollte in ihrem neuen
Geburtstagskleide auch gefallen. Sie sah in der Tat reizend aus. Ihre
zarte, sonnige Elfenschönheit war vom Glanz heiterer Freude umstrahlt. Dazu
kam das Bewußtsein, Hauptperson zu sein, und die Überlegenheit der kleinen
Wirtin, die sich bei sich zuhause fühlt und glücklich ist, ihren Gästen
etwas bieten zu können.

Es war ein liebliches Bild, die vielen hellen, mit farbigen Bändern
geschmückten Kindergestalten sich im Garten tummeln zu sehen. Die Blumen
auf den Beeten jedoch, vor allem die in vollem Flor stehenden Rosen,
scheuten solche Nachbarschaft nicht, sondern behaupteten sich in schönster
Pracht. Auch die kleinen bunten Papierlaternen, die ganz regungslos in der
stillen Luft hingen und sich auf den Abend zu freuen schienen, wo sie
ihr Licht leuchten lassen sollten, kamen schon jetzt in ihrem bunten
Farbenschmuck zu hohen Ehren. Wenn sie erst brennen würden, das mußte schön
sein. Doch damit sollte es noch ein wenig Zeit haben. Es waren lange, helle
Abende, und die Illumination war als Abschluß des Festes gedacht.

Allerlei Spiele vertrieben indessen die Zeit. Man spielte Haschen, von
Baum zu Baum und Topf schlagen. Wie gerufen fanden sich ein paar
Straßenmusikanten vor dem Hause ein; man holte sie herein und improvisierte
auf kurz geschorenem Rasen ein lustiges Tänzchen zu keineswegs
wohlklingender Musik. Aber wer tanzen will, dem ist leicht geblasen. Die
geschmeichelten Künstler befleißigten sich, ihr Bestes zu leisten, und
namentlich die Klarinette gab sich alle Mühe, in diesem herrschaftlichen
Kreise ehrenvoll zu bestehen.

Als sich die Leute nach drei Tänzen wieder verabschieden wollten, wollte
man sie nicht weglassen. Noch einmal! noch einmal! Die kleinen Tänzer waren
unersättlich.

Da besprach sich Frau Elisabeth mit den Musikanten, daß sie für eine
hinreichende Entschädigung noch ein halbes Stündchen bleiben und sich
zum Schluß an die Spitze einer Polonaise stellen möchten, die sich mit
brennenden Papierlaternen unter den leuchtenden Lampiongewinden durch den
Garten bewegen sollte. Als sie einwilligten, entstand allgemeiner Jubel,
und man war einig, ein so schönes Fest noch nicht gefeiert zu haben.

Nun waren die anderen Knaben fast alle schlechte Tänzer. Auch Lux stand
hierin hinter Manuel zurück. Dieser war der einzige, der eigentlich tanzen
konnte, während die Kunst der anderen nicht viel mehr als ein munteres
Hüpfen war. Das genügte ja nun für diese kleine Gesellschaft vollkommen.
Aber die Dämchen waren doch froh, wenn der bewunderte Spanier ihnen seine
Aufmerksamkeit schenkte. Die schien nun freilich einzig dem Geburtstagskind
zu gelten. Schon längst hatte Lux das mit Verdruß bemerkt. Gerade den
Spielkameraden gegenüber ärgerte es ihn. Was mußten sie denken. Seine
Versuche, Manuel aus dem Sattel zu heben, schlugen alle fehl; Blanche
schien nur für diesen da zu sein, oder sie war zu schwach oder zu
ungewandt, sich seinem Einfluß zu entziehen.

Das nächtliche Geständnis Manuels hatte Lux die Augen geöffnet und seinen
eigenen Gefühlen für Blanche die Unbefangenheit geraubt. Er hatte sie auch
lieb, Manuel sollte sie nicht für sich allein haben.

Und wie hübsch war Blanche heute. So war sie ihm noch nie erschienen. Er
hätte sie bei der Hand nehmen mögen wie früher: komm Blanche, wir wollen
allein spielen. Alle die anderen Mädchen beachtete er nicht. Da war eine
Größere mit stillen, klugen Augen, die immer Lux suchten. Aber er merkte es
nicht und sandte seine Blicke nach Blanche aus.

Mit einem Male war Blanche verschwunden. Wo war sie? Und jetzt fehlte auch
Manuel.

Vergeblich sah er sich nach den beiden um; die Gesellschaft war groß genug,
daß sie sich ungesehen hatten entfernen können. Lux wollte Gewißheit haben
und suchte den ganzen Garten ab. Schon gab er die Hoffnung auf, sie zu
finden, als sein Fuß stockte.

Waren das nicht Stimmen?

Aus dem Nußgebüsch am Bach?

Ein Flüstern?

»Blanche, süße, liebe Blanche!«

Ein Griff, und Lux riß die Sträucher auseinander.

Da saßen sie auf der niedrigen Rasenbank, und die glühende Blanche empfing
die ersten, stürmischen Küsse des wilden, leidenschaftlichen Knaben.

Mit einem Schrei schreckte Lux die Selbstvergessenen auf, stürzte sich auf
sie und riß Manuel weg, stieß den Erschrockenen, daß er taumelte und zu
Boden stürzte.

»Lux! Lux!« rief Blanche angstvoll.

Manuel war wie eine Katze wieder aufgesprungen, und mit zornfunkelnden
Augen standen sich die beiden Knaben gegenüber.

»Das sag ich nach,« keuchte Lux, atemlos vor Aufregung.

Ein Blick grenzenloser Verachtung traf ihn aus Manuels schwarzen Augen.

»Wage das nicht!«

»Alles, alles sage ich nach,« zischte Lux.

Wie ein wildes Tier schäumte Manuel auf.

»Manuel! Lux! Manuel!«

Vergeblich versuchte Blanche sich zwischen sie zu werfen. Der Augenblick
war jetzt da, wo diese beiden Knaben, in deren Seelen sich langsam der Haß
angesammelt hatte, aneinander geraten mußten. Wie zwei Panther fielen
sie sich an, packten sich und rangen miteinander, nur von dem einen Trieb
beseelt, den andern unter sich zu bringen.

Es war Zufall, daß Manuel unterlag. Er stolperte und rutschte aus, fiel auf
den Rücken und riß Lux über sich.

Mit weit aufgerissenen Augen, zitternd, keines Wortes mächtig, starrte
Blanche auf die kämpfenden Knaben, schrie nicht auf, als Manuel fiel,
starrte nur in zitterndem Schweigen auf den Kampf. Selbst der Gedanke, es
ist deinetwegen, verblaßte.

Wenn sie sich nur nicht weh tun!

Diese fürchterlichen Knaben!

Wie wild sie immer gleich sind!

Sie kennt Lux kaum wieder. Wie verrückt hämmert er auf Manuel los. Sie kann
es nicht mehr mit ansehen und stürzt hinaus.

Da folgt ihr ein kurzer Schrei.

Lux taumelt ihr nach, die Hand auf der Brust.

»Blanche!«

Es klingt röchelnd, aus tiefster Angst heraus. Totenblaß ist Lux, taumelt
hinter sich, dreht sich um, greift in die Luft und fällt mit einem dumpfen
Aufschlag zu Boden.

Blut!

Es rinnt über seine Bluse, ein feiner, roter Streifen.

Da kreischt sie laut auf und stürzt weg, und ihr Kreischen schreckt die
Tanzenden auf und macht die Musik verstummen.

Hinter ihr teilt sich das Gesträuch, und Manuel, das Messer noch in der
krampfhaft geballten Faust, steht starr vor Lux. Aller Haß, aller Zorn ist
aus den schwarzen Augen verschwunden; entsetzt, mit leeren Blicken sehen
sie wie auf etwas Rätselhaftes.

So findet man die beiden Knaben. Die Musikanten, der ganze Kinderschwarm,
alles drängt sich herzu.

Lux atmet noch. Sein Gesicht ist schneeweiß, und die geschlossenen Lippen
zucken.

Einer der Musikanten, der Fagottbläser, ein großer Mensch mit einem roten
Gesicht, nimmt ihn auf die Arme und trägt ihn ins Haus.

Frau Elisabeth, mit dem willenlosen Manuel an der Hand, folgt. Sie
schickt die kleinen Gäste nach Hause, und das schöne Fest findet ein jähes
schreckliches Ende.

Kein Wort ist aus Manuel herauszubringen, so sehr auch Frau Elisabeth
in ihn dringt. Aber er wirft sich ihr zu Füßen und bleibt unter heftigem
Schluchzen liegen, bis man ihn gerührt, erschüttert, aufhebt und auf sein
Bett legt.

Als der Vater vom Kontor nach Hause kam, hatte Blanche bereits alles
gebeichtet, unter strömenden Tränen. Die Gatten verharrten in dumpfem
Schweigen gegeneinander. Wie sollten sie sich über das unselige Geschehnis
auslassen. Erst nach und nach sprachen sie sich aus. Sie gedachten jenes
römischen Briefes als einer Warnung, die sie nicht verstanden hatten, und
machten sich Vorwürfe. Hätte nicht ein solches Beispiel, wohin ungebändigte
Leidenschaft führt, auf Manuel Eindruck machen und das Schreckliche
verhüten können?

Eine Depesche eilte nach Rom, und schon am dritten Tage saß Dr. Irmler
gebrochen am Bett seines Knaben. Man hatte Lux noch nicht umbetten können;
doch gab der Arzt Hoffnung, daß es sich in den nächsten Tagen ermöglichen
ließe. Direkte Lebensgefahr war nicht vorhanden, aber der Kranke bedurfte
der sorgsamsten Pflege und äußersten Schonung. Der linke Lungenflügel war
durch den Stich der kurzen Taschenmesserklinge verletzt worden. Die Heilung
war sicher, wenn sie in Ruhe, ohne Störung vor sich gehen konnte.

Dr. Irmler, so dicht vor den Verlust seines einzigen Glückes gestellt,
wollte doch die Selbstanklagen der Freunde nicht gelten lassen und war weit
davon entfernt, ihnen irgend einen Vorwurf zu machen. Wie hätten sie ein
solches Unglück verhüten wollen? Was hätte sie bei der großen Jugend der
Kinder auf die rechte Spur führen sollen, auf den Gedanken, daß sich hier
in diesen jungen Seelen eine Tragödie vorbereite?

Manuel war freilich als leidenschaftliches Kind bekannt, aber doch auch
als ein edelveranlagter Charakter wiederholt erprobt worden. Sein tiefer
Schmerz jetzt, sein völliges Zusammenbrechen entwaffnete jeden Zorn und
rührte die Herzen. Man empfand tiefes Mitleid mit ihm und verschonte den
Beklagenswerten mit unnützen Vorwürfen.

Frau Elisabeth hatte ihn auf seinem Zimmer aufgesucht, nachdem sie von
Blanche gehört, wie alles gekommen. Er lag mit dem Kopf auf dem Tisch und
wagte nicht aufzusehen. Sie trat an ihn heran, legte ihre Hand leise auf
seinen dunklen Scheitel und sagte ernst, doch ohne Vorwurf:

»Ich weiß nun alles, Manuel. Wir wollen Gott danken, daß es nicht schlimmer
ausgelaufen ist.«

Er tastete nach ihren Händen, überströmte sie mit Tränen und bedeckte sie
wieder und wieder mit Küssen. Sie ließ es ruhig geschehen; es würde ihm gut
tun. Endlich entzog sie sich ihm leise.

»Fasse dich nun, mein Junge,« sagte sie fast zärtlich. »Wir haben dir alles
verziehen. Du wirst zu deinem Vater zurück müssen, und alles, was gewesen,
wird wieder gut werden. Und nun gib mir die Hand und versprich mir, daß du
immer dein Herz und deine Hand hüten willst.«

Er gab ihr leidenschaftlich die Hand und wollte sich wieder über die ihre
neigen, doch sie faßte ihm mit der Linken unters Kinn, hob sein Gesicht ein
wenig zu sich empor und küßte ihn mütterlich auf die Stirne.

Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, hörte sie ihn wieder laut
aufschluchzen. Sie glaubte diese Knabenseele zu verstehen: Manuels Tränen
galten ebenso sehr Blanche, von der er sich jetzt trennen sollte, als
Lux und der Reue. Das erste heiße Feuer in einer erwachenden Kinderseele;
helle, hohe Flammen, heftig auflodernd, als wollten sie die Welt in Brand
stecken, und dann ein ebenso jähes Erlöschen.

Um Blanche und Lux war sie ein wenig in Sorge, welchen Einfluß dieses
Erlebnis auf ihre jungen Seelen haben würde. Auch dachte sie darüber nach,
wie weit sie Blanche Vorwürfe zu machen hätte. Jedes Wort zu viel könnte
schaden statt nützen. Blanche war doch noch ein ganzes Kind, harmlos,
wenig fest, und leicht zu bestimmen. Frau Elisabeth wußte schon die Antwort
voraus, als sie sie fragte, wie sie dazu gekommen wäre, ihre Gäste einfach
zu verlassen und mit Manuel zu gehen.

»Er wollte es ja durchaus.«

»Und du weißt nicht, daß sich das nicht schickt? Wäret ihr bei den anderen
geblieben, so wäre alles nicht geschehen. Das war sehr unrecht von dir. Du
siehst, was für ein Unglück aus solchen Kindereien entstehen kann.«

Frau Elisabeth hielt es für das richtigste, Blanche gegenüber diesen
Ausdruck zu gebrauchen: Kindereien. Blanche freilich war wenig geneigt, es
als Kindereien zu nehmen. Sie kam sich sogar sehr wichtig vor. Schade, daß
noch Ferien waren; am liebsten wäre sie morgen in die Schule gegangen, um
zu hören, was die Freundinnen sagten.

Natürlich tat Lux ihr furchtbar leid. Und wie traurig Dr. Irmler aussah.
Aber Lux würde ja nicht sterben. Sie wußte, was der Arzt gesagt hatte.
Und sie wollte auch jeden Abend beten, daß der liebe Gott Lux doch wieder
gesund werden ließe.

Am meisten waren ihre Gedanken natürlich bei Manuel. Der kam nicht von
seinem Zimmer, und sie sah und hörte nichts von ihm. Sie wollte die Mutter
nach ihm fragen, wagte es aber dann doch nicht. So spionierte sie herum, ob
sie nicht irgendwo etwas von ihm erhaschen könne.

Sie war in Angst um ihn. Ob er wohl bestraft werden würde? Er durfte nicht
stechen. Lux hatte allerdings angefangen. Was ging es den überhaupt an? Und
wie hatte er auf Manuel losgeprügelt. Der konnte sich ja garnicht anders
wehren, noch dazu, da er gefallen war und unter Lux lag.

Vier Tage später fuhr ihr Vater mit dem kleinen Spanier weg, ohne daß
Blanche ihn wieder gesehen hatte. Manuel ist wieder zu seinem Papa
gefahren, hieß es, er läßt dich freundlich grüßen.

Das fand sie empörend. So abzureisen, ohne ihr Adieu gesagt zu haben!

Ob er nie wieder kommen würde?

Sie wagte nicht, danach zu fragen. Aber sie sagte sich, daß sie ihn zum
letzten Mal gesehen hatte, daß er für immer weg war.

Und nicht das kleinste Andenken an ihn besaß sie. Sie wußte, er hatte ein
altes Schreibheft von ihr, ein paar Haarbänder und ein Stückchen von ihrer
roten Geburtstagsschärpe, das er sich selbst abgeschnitten hatte. Aber sie
besaß nichts von ihm, gar nichts. Zum Geburtstag hatte er ihr einen Kasten
mit feinsten Bonbons geschenkt. Sie hatte sich sehr gefreut, aber die
Freundinnen hatten nachher die meisten aufgenascht. Ein paar waren noch
nachgeblieben, die wollte sie aufheben. Eine Stunde später aber erschien
es ihr doch pietätvoller, sie so zu verwenden, wie Manuel es gewollt hatte.
Und sie setzte sich ans Fenster, nahm das Kästchen vor sich auf den
Schoß und schob einen Bonbon nach dem anderen in ihren kleinen Mund und
zerlutschte ihn mit Hingebung. Ihre Gedanken waren dabei gar nicht einmal
bei Manuel, sondern ganz bei der Sache: der schmeckte nach Himbeeren, der
nach Pfeffermünz, und das war Kakaobutter!

Und ihre Blicke schweiften dabei träumerisch über den Garten bis zu den
hohen Bäumen, die die Wiese jenseits des Bächleins einfaßten und auf deren
Wipfeln die leuchtende Sonne eines ersten heißen Augusttages lag.




[Illustration]




8. KAPITEL.


Manuel war abgereist, und Lux war umgebettet worden. Blanche war wieder
allein im Hause, in dem das Leben wie früher verlief, nur um ein weniges
gedämpfter. Sie war zu lange durch die Spielkameraden verwöhnt worden und
langweilte sich nun manchmal. Mit Lux würde sie wohl sobald nicht spielen
können. Zwar war er außer Gefahr und ging der Genesung entgegen. Aber es
ging langsam. Er mußte wohl noch ein paar Wochen ruhig im Bette verbringen.
Sie hörte täglich von ihm, aus dem Gespräch der Eltern, und einmal hatte
er sie auch grüßen lassen. Ihr Verlangen, ihn zu sehen, war nicht übermäßig
groß; es war mehr Neugierde, die sie gern befriedigt hätte, als eigentliche
Teilnahme. Er würde schon wieder besser werden, und dann würden sie im
Garten wieder zusammentreffen, und sie würde sich erst ein wenig vor ihm
schämen, und dann würde alles wie früher sein.

Als Lux soweit war, daß er Besuch empfangen durfte, schickte Frau Elisabeth
Blanche mit ein paar Blumen hinüber. Es war Blanche fürchterlich, und sie
hätte am liebsten nein gesagt: doch trotzen durfte sie nicht.

Sie ging also zu Irmlers, konnte es aber nicht über sich gewinnen, zu Lux
hineinzugehen. Sie gab die Blumen der alten Magdalene und log, ihre Mutter
habe gemeint, sie solle Lux lieber noch nicht guten Tag sagen. Natürlich
mußte die Unwahrheit herauskommen, und Frau Elisabeth war sehr böse und
schickte sie zur Strafe auf ihr Zimmer.

Jetzt vertrotzte sich Blanche.

»Wenn sie mich wieder hinschicken, gehe ich nicht.«

Frau Elisabeth war solche Widersetzlichkeit bei ihr nicht gewohnt. Sie war
überrascht und überlegte, ob es nur kindischer Trotz sei, oder ob andere
Beweggründe dahinter stecken könnten. Berechtigte Auflehnung mit Gewalt zu
brechen, gehörte nicht zu ihren Erziehungsgrundsätzen. Drum sagte sie nur:

»Ich wundere mich über dich, Blanche, und bin sehr traurig. Ich hoffe,
du besinnst dich und siehst ein, daß der arme Lux ein Anrecht auf ein
freundliches Wort von dir hat.«

Diese Worte machten wohl einigen Eindruck auf Blanche, aber brachen doch
ihren Trotz nicht.

»Ich wünsche, daß du jetzt hinüber gehst,« befahl Frau Elisabeth nach ein
paar Tagen. »Hier sind Orangen, die werden Lux erfreuen. Komm, ich werde
dich begleiten.«

Sie nahm Blanche bei der Hand und ging mit ihr ins Nachbarhaus. Das Kind
war blaß und schwankte zwischen Trotz und Tränen. Die alte Magdalene
lächelte gutmütig und rief:

»Ei, wird der Lux sich aber freuen, daß du kommst. Und die schönen Orangen!
Da geh nur gleich zu ihm hinein. Gerade Orangen sind so gut für ihn.«

Das war freilich alles mit Überlegung gesagt und mit Frau Elisabeth unter
einer Decke gespielt. Aber es ermunterte Blanche doch und machte ihr
einigen Mut, als ihre Mutter sie nun einfach ins Krankenzimmer schob und
die Türe hinter ihr schloß.

Da stand sie, ihr Körbchen Orangen in der Hand, mitten im Zimmer und sah
verlegen und hilflos auf Lux, der sie mit großen Augen anleuchtete. Sie
hätte kein Wort herausgebracht, wenn nicht er das Schweigen gebrochen
hätte.

»Blanche! Du?« rief er.

Es lag ebenso viel Überraschung als Freude darin.

Da trat sie näher, und ihre Stimme zitterte, als sie sagte:

»Ich wollte doch mal sehen, wie es dir geht.«

»Danke, ganz gut! Der Doktor meint, ich würde wohl bald wieder aufstehen
dürfen.«

Sie sagte nichts darauf, sondern stand mit ihrem Körbchen dicht vor seinem
Bett, und sah ihn mit verlegenem Lächeln neugierig an, musterte das Bett,
die Wand, die Bilder daran, und dachte endlich an die Orangen.

»Die soll ich dir geben,« sagte sie.

»O wie schön!« rief Lux. »Danke, Blanche!«

Und er nahm das Körbchen und stellte es vor sich auf die Decke.

»Willst du dich nicht hinsetzen?« fragte er.

Sie setzte sich auf einen Stuhl vor seinem Bett und sah bald das Körbchen,
bald den Kranken an, während Luxens Augen still auf ihrem Gesicht ruhten,
mit einem gespannten Ausdruck, als erwarte er ein Wort von ihr.

Es war merkwürdig, wie wenig sie sich zu sagen hatten. Endlich fragte sie:

»Tut es noch weh?«

»Manchmal. Aber nur ein ganz klein wenig.«

Sie wurde mit einmal blutrot. Es war ihr, als müsse sie sich schämen, als
wäre sie selbst es, die ihn gestochen hätte. Wie dumm! Sie konnte doch
nichts dafür.

Er aber dachte: »Warum wird sie so rot? Es ist doch nicht ihre Schuld.«

In diesem Augenblick wurde die Tür leise aufgemacht und gleich wieder
geschlossen. Blanche nahm das als Zeichen, abbrechen zu müssen. Sie erhob
sich und gab ihm ungelenk die Hand.

»Adieu, Lux!«

»Adieu, Blanche! Ich danke dir auch. Willst du so gut sein und sie auf den
Tisch stellen?«

Sie stellte die Orangen auf den Tisch und nickte ihm noch einmal zu.

»Adieu, Lux!«

Dann schloß sich die Tür hinter ihr.

»Nun, hat Lux sich nicht gefreut?« fragte Frau Elisabeth.

»Ja, sehr,« antwortete Blanche.

»Siehst du? Und du wolltest nicht zu ihm gehen.«

»Das wollte ich schon, aber nicht so schnell.«

Blanche war froh, den ersten Besuch hinter sich zu haben; nun würde es ihr
leichter werden, wieder hinzugehen. Ob er wirklich nur wenig Schmerzen mehr
hätte? Er sah doch noch sehr blaß aus. Das tat er freilich immer. Aber doch
nicht so furchtbar blaß wie jetzt. Ob er wohl ganz wieder besser würde? So
ganz und gar wie früher?

Dr. Irmler sagte abends zu ihrer Mutter, daß Lux sich sehr über den Besuch
von Blanche gefreut habe, und er sagte es auch ihr selbst:

»Komm nur recht oft, Lux wird sich immer freuen. Er liegt so allein.«

Sie war fast glücklich. Wenn er sich wirklich freute, wollte sie ja gern zu
ihm gehen; meinetwegen jeden Tag.

»Vielleicht nimmst du ein Buch mit,« sagte Frau Elisabeth.

Und sie ging am nächsten Tag mit einem Buch zu ihm.

»Soll ich dir etwas vorlesen?« fragte sie.

»Wenn du willst!«

Seine Augen leuchteten auf und sprangen von ihrem Gesicht auf das Buch
über.

Sie sah die Frage in seinem Blick.

»Andersens Märchen,« sagte sie. »Magst du das auch hören?«

»Ja, gern. Lies nur, was du willst, Blanche; es ist alles hübsch.«

Er legte sich in die Kissen zurück, und sie blätterte noch ein wenig,
obgleich sie sich schon für die Geschichte von der kleinen Seejungfrau
entschieden hatte, und fing endlich an:

»Weit hinaus im Meere ist das Wasser so blau wie die Blätter der prächtigen
Kornblume und so klar wie das reinste Glas, aber es ist außerordentlich
tief, tiefer als irgend ein Ankertau reicht. Viele Kirchtürme müßten
übereinander gestellt werden, um vom Grunde bis über das Wasser hervor zu
reichen. Dort wohnt das Meervolk.«

Ihre Stimme war wie das Klingen kleiner Wellen, wie ihr leises Rauschen
und Plätschern am Strande. Und ihr eigenes Bild verfloß ihm mit dem der
jüngsten Meertochter.

»Sie war doch die Schönste von allen, ihre Haut war so durchsichtig und
zart wie ein Rosenblatt, ihre Augen so blau wie das tiefste Meer, aber
wie alle die anderen hatte sie keine Füße, der Körper ging in einen
Fischschwanz aus.«

Und Blanche saß so vor seinem Bett, daß er ihre Füße nicht sah, und er
lächelte ganz heimlich bei dem Gedanken und schloß die Augen.

Sobald sie ihre fünfzehn Jahre erreicht hatte, sollte die kleine
Meerprinzessin Erlaubnis haben, aus dem Meere empor zu tauchen, im
Mondschein auf der Klippe zu sitzen und die großen Schiffe sich anzusehen,
die vorbei segeln.

Blanche war nun vierzehn. Ein Jahr noch, so dachten sie beide, obgleich
Blanche doch keine Meerjungfrau war, die sich sehnte, empor zu tauchen und
auf Klippen zu sitzen. Aber je weiter sie lasen, je mehr nahm Blanche die
Gestalt der jüngsten Prinzessin an, sowohl für Lux, wie für sich selbst.

So knüpfte das Buch ein neues Band zwischen ihnen. Lux hatte nicht
geglaubt, daß er noch soviel Geschmack an Märchen fände. Und gerade diese
kannte er ja alle schon. Aber wie neu klangen sie aus dem Munde der
kleinen Blanche, die mit geröteten Wangen und leuchtenden Augen auch das
Nebensächlichste mit so großer Wichtigkeit und herzlicher Betonung las. Sie
hatte einen lieblichen, singenden Klang in der Stimme und las so sicher und
fließend und versprach sich nicht ein einziges Mal. Doch! Als sie las,
wie die Störche nach Afrika zogen, da versprach sie sich sogar zweimal
hintereinander. Das machte, sie dachte dabei an Manuel und an dessen
Heimat, an die Brandung in dem Hafen von Tanger und an die braune Nushat.
Und dabei versprach sie sich, und Lux mußte lachen.

Aber Manuels Name wurde nie wieder zwischen ihnen genannt.

Schade, daß die Ferien zu Ende gingen. Blanche würde nun nicht jeden Tag
kommen können. Die Schule nahm viele Stunden des Tages in Anspruch, die
Schule und die Hausarbeiten. Aber Lux würde ja auch bald ganz gesund sein,
und dann würden sie wieder zusammen im Garten spielen.

Und dann kam sie das letzte Mal mit dem Buch, und Lux bat: »Lies noch mal
das Märchen von der Nachtigall.«

Und sie las noch einmal das Märchen von der Nachtigall, und Lux hörte fast
die ganze Geschichte mit geschlossenen Augen an, während ein glückliches
Lächeln auf seinem Gesicht lag.




[Illustration]




9. KAPITEL.


Frau Elisabeth war sehr froh, daß Blanche so bald vergaß, und legte es ihr
nicht als Oberflächlichkeit aus. Das Kind lebt dem Tage und soll ihm leben.
Seine kleinen Leiden überwindet es schnell und öffnet mit jedem neuen Tag
sich wieder der Sonne; wie die Blume am Abend ihren Kelch schließt und ihn
am Morgen in Reinheit und Frische wieder auftut. Und sie meinte, man solle
das Kind in diesem auf das nächste, auf die Gegenwart gerichteten Wesen
nicht stören und man solle froh sein, wenn ihm der Tag alles ist und das
Gestern nichts mehr gilt. Die Wandlung kommt leise von selbst, und stete
Sorge für eine rechte Gemütsbildung verhindert die Oberflächlichkeit.

Für Lux war sie in dieser Beziehung nicht bange. Ihre eigene Beobachtung
und viele kleine Züge, die Dr. Irmler ihr erzählt hatte, sprachen dafür,
daß er ein reiches Innenleben führte.

Wenn Lux mit keinem Wort nach Manuel fragte, so war es nur Scheu, einen
Namen zu nennen, der in jedermann schmerzliche Erinnerung erwecken mußte.
Hörte er doch auch von den Erwachsenen Manuels nie erwähnen, so daß es war,
als wäre sein vorübergehender Aufenthalt unter ihnen nur ein Traum gewesen.

Nun war Manuel keineswegs so vergessen, als es den Anschein hatte. Blanches
Vater blieb nach wie vor in Geschäftsverbindung mit Herrn Negros, und es
kam Nachricht von dem weiteren Ergehen des kleinen Spaniers auf dem Weg
über das Kontor ins Haus. Ja von ihm selbst gelangte ein für seine Jahre
reifer und doch auch wieder kindlicher Brief in Frau Elisabeths Hände:

»Ich denke jeden Tag und jede Nacht an Sie und an Blanche und an Lux und
bete für sie alle. Und ich bin sehr böse auf mich, daß ich ihnen so weh
getan habe und daß ich nun nie mehr zu ihnen zurück kann. Grüßen Sie
Blanche, ich werde sie nie vergessen. Und grüßen Sie auch Lux. Er soll mir
schreiben, daß er mir nicht mehr böse ist. Ich habe auch hier gute Menschen
gefunden, aber ich werde Sie nie vergessen können.«

Sie schrieb ihm gütig zurück und bestellte ihm Grüße von Blanche und auch
von Lux, der noch nicht selbst schreiben dürfe, aber es ginge ihm besser,
und er dächte nur noch freundlich an ihn.

Ob sie recht daran tat, den Kindern Manuels Grüße vorzuenthalten? Sie
überlegte lange und kam zu dem Entschlusse, daß es besser sei.
Blanche schloß sich eben in alter Weise wieder an Lux an, in harmloser
Kameradschaft; das wollte sie nicht stören.

Es war in den ersten Tagen des September, daß Lux zum ersten Male in den
Garten gehen durfte. Er war völlig wiederhergestellt. Aber er trug noch die
Farbe des Krankenzimmers. Doch der Spätsommer war so schön, wie er selten
war, und die Sonne hatte noch Kraft genug, kranke Wangen zu bräunen. Die
Bäume standen still und früchteschwer, auf den Beeten dufteten Goldlack
und Levkojen, und Dalien und Georginen blühten üppig und farbenprächtig am
Wege.

Hand in Hand gingen Lux und Blanche auf den sonnigen Steigen durch all die
reife, satte Sommerpracht zu ihrem Lieblingsplätzchen. Hier schwellten
am Strauch die grünen Haselnüsse. Kaum merklich stockte ihr Fuß, und sie
gingen verstummend vorüber.

Das Bächlein, das im Hochsommer oft ein armseliges Rinnsal gewesen, lief
wasserreich vorbei und lockte sie. Sie setzten sich auf die Stufen, die
hinabführten, und sahen bis auf den klaren Grund. Da lag, halb übersandet,
ein verrostetes, offenes Taschenmesser. Sie sahen es beide zugleich.

»Das ist es!« rief Blanche und reckte den Hals noch weiter vor.

»Soll ich es holen?« fragte sie.

»Ich darf es nicht!« sagte Lux. »Aber laß es doch. Was willst du damit?«

»Nein, ich hole es.«

Sie legte Schuhe und Strümpfe ab, und watete in das klare Wasser hinein;
es ging ihr fast bis an die Knie. Sie streifte die Ärmel hoch, als sie sich
nach dem Messer bückte, und ihr goldenes Haar fiel ihr wie ein goldener
Schleier vors Gesicht.

Sie bemühte sich, das Messer zu schließen; doch vergeblich.

»Gib her,« sagte Lux, tat, als ob er es auch versuche, besann sich einen
Augenblick und schleuderte es weit weg.

»Du kannst dir Blutvergiftung damit zuziehen,« sagte er.

Sie sah ihn unwillig an, beruhigte sich aber doch; was wollte sie auch mit
dem alten verrosteten Messer.

»Möchtest du wohl, daß Manuel wieder kommt?« wollte sie fragen, dachte aber
noch rechtzeitig, daß sie ihn das kaum fragen dürfe. Er aber, als hätte er
ihre unterlassene Frage dennoch verstanden, sagte:

»Es ist doch viel besser so, -- jetzt -- --«

»Aber nett war er doch,« sagte Blanche nachdenklich.

Durch den Garten zitterten die dumpfen Töne eines Gong.

Langsam erhoben sie sich und gingen dem Hause zu, diesmal nicht Hand in
Hand.

Blanche schlenderte etwas vorauf. Unter einem jungen Apfelbaum blieb sie
stehen.

»Sieh mal!« rief sie bewundernd und wandte sich halb zurück.

An einem niederhängenden Zweig saß an der äußersten Spitze ein schöner,
wachsglänzender, rotbackiger Frühapfel.

Sie streckte die Hand danach aus, blieb einen Augenblick so auf den
Zehenspitzen stehen, und drehte leise an der schönen Frucht.

Plötzlich löste sich der Apfel und blieb in ihrer Hand.

»Ach!« rief sie und errötete vor Schreck.

Doch schnell entschlossen gab sie den Apfel Lux.

»Da!«

Sollte er ihn zurückweisen?

Zögernd nahm er ihn und ließ ihn ohne ein Wort in seine Tasche
verschwinden.

»Blanche! Blanche!« klang die helle Stimme Frau Elisabeths vom Hause her.

»Gleich!« rief Blanche zurück. »Ich komme schon! Adieu, Lux!«

Sie nickte ihm zu und sprang leicht den Steig herauf.

Lux blieb an der kleinen Pforte zurück und sah ihr nach; die Hand in
der Tasche spielte dabei mit dem Apfel. Ein leises Leuchten lag auf dem
schmalen, blassen Knabengesicht; und Lux wandte sich nicht eher weg,
als bis das weiße Kleid der zierlichen Blanche in der Nähe des Hauses
verschwand, in dessen Fenstern des Mittags rote Rosen blühten.

[Illustration]




[Illustration]

  Gedruckt in Leipzig
  bei Poeschel & Trepte




In dieser Sammlung sind ferner erschienen:


  =Marie von Bunsen=, _Allerhand Briefe, Novellen und Skizzen._
  Geh. 2 M., geb. 3 M.

  =Ludwig Ganghofer=, _Das Kaser-Mandl._ Eine Erzählung. Illustriert von
  Carl Röhling. 10. Tausend. Kart. 1.50 M., geb. 2.20 M.

  =F. Hugin=, _Hahn Berta_. Eine Erzählung. 4. Tausend. Kart. 2 M.,
  geb. 3 M.

  =Wilhelm Raabe=, _Halb Mähr, halb mehr._ Zwei Erzählungen. Illustriert
  von Carl Röhling. 12. Tausend. Kart. 1.50 M., geb. 2.20 M.

  =Ernst von Wildenbruch=, _Das edle Blut._ Eine Erzählung. Illustriert
  von C. Röhling. 106. Tausend. Kart. 1.50 M., geb. 2.20 M.

  -- _Claudias Garten._ Eine Legende. Illustr. von C. Röhling. 17. Aufl.
  Kart. 1.50 M., geb. 2.20 M.

  -- _Die Danaide._ Eine Erzählung. Illustriert von H. Vogel. 7. Tausend.
  Kart. 1.50 M., geb. 2.20 M.

  -- _Franceska von Rimini._ Novelle. Neue Ausgabe. Kart 2.20 M., geb. in
  Leinw. 3 M., geb. in Leder 5.50 M.

  -- _Unter der Geißel._ Eine Erzählung. 8. Tausend. Kart. 2.20 M.,
  geb. 3 M.

  -- _Kindertränen._ Zwei Erzählungen. Mit Buchschmuck von Heinrich
  Vogeler-Worpswede. 66. Tausend. Kart. 1.50 M., geb. 2.20 M.

  -- _Der Meister von Tanagra._ Eine Künstlergeschichte aus Alt-Hellas.
  Illustriert von Franz Stassen. 10. Aufl. Kart. 2.20 M., geb. 3 M.

  -- _Neid._ Eine Erzählung. 26. Tausend. Kart. 2.20 M., geb. 3 M.

  -- _Die letzte Partie._ Zwei Erzählungen. Kart. 2.20 M., geb. 3 M.

  -- _Semiramis._ Eine Erzählung. 8. Tausend. Kart. 3 M., geb. 3.60 M.

  -- _Vice-Mama._ Eine Erzählung. 21. Tausend. Kart. 3 M., geb. 3.60 M.

       *       *       *       *       *


Bücher von Gustav Falke

(Verlag von Alfred Janssen in Hamburg)

  =Romane=

    _Aus dem Durchschnitt._ Geb. 3 M.
    _Die Kinder aus Ohlsens Gang._ Geb. 4.50 M.
    _Der Mann im Nebel._ Geb. 3.50 M.

  =Gedichtbücher=

    _Mynheer der Tod._ Geb. 4 M.
    _Tanz und Andacht._ Geb. 4 M.
    _Neue Fahrt._ Geb. 4 M.
    _Zwischen zwei Nächten._ Geb. 3 M.
    _Mit dem Leben._ Geb. 3 M.
    _Hohe Sommertage._ Geb. 3 M.
    _Frohe Fracht._ Geb. 3 M.
    _Der gestiefelte Kater._ Dichtung in XI Gesängen. Geb. 3 M.
    _Die Auswahl._ Gedichte. Geb. 5 M.




[ Hinweise zur Transkription


Die Verlagswerbung wurde vom Buchanfang an das Buchende verschoben, der
Schmutztitel wurde entfernt.

Symbole für abweichende Schriftarten:

  _gesperrt_ :  =fett= .

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich
uneinheitlicher Schreibweisen, mit folgenden Ausnahmen,

  Seite 6:
  "«," geändert in ",«"
  (»Einen Bernhardiner,« rief Lux)

  Seite 40:
  "glitzerden" geändert in "glitzernden"
  (schnell wie die glitzernden Wellen)

  Seite 46:
  "«," geändert in ",«"
  (»Alle drei können wir ja doch nicht darin sitzen,« sagte er)

  Seite 49:
  "erkärte" geändert in "erklärte"
  (als er erklärte, er habe schon oft geraucht)

  Seite 63:
  "keinen" geändert in "kleinen"
  (als seiner kleinen Freundin Blanche, deren Plappermaul)

  Seite 66:
  "entgegegenkam" geändert in "entgegenkam"
  (wenn sie ihm entgegenkam, schlank, schwebend)

  Seite 72:
  "bewang" geändert in "bezwang"
  (eine Beschämung zu ersparen, bezwang er sich)

  Seite 77:
  "einal" geändert in "einmal"
  (deiner Mutter auch einmal gefällig erweisen)]






End of the Project Gutenberg EBook of Der Spanier, by Gustav Falke

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     License.  You must require such a user to return or
     destroy all copies of the works possessed in a physical medium
     and discontinue all use of and all access to other copies of
     Project Gutenberg-tm works.

- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
     money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
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- You comply with all other terms of this agreement for free
     distribution of Project Gutenberg-tm works.

1.E.9.  If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
electronic work or group of works on different terms than are set
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1.  Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
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property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
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1.F.2.  LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
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Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
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1.F.4.  Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
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If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
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or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
[email protected].  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


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