Minna von Barnhelm

By Gotthold Ephraim Lessing

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Title: Minna von Barnhelm

Author: Gotthold Ephraim Lessing

Posting Date: October 12, 2014 [EBook #9187]
Release Date: October, 2005
First Posted: September 13, 2003

Language: German


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MINNA VON BARNHELM

von GOTTHOLD EPHRAIM LESSING

Die Erstausgabe wurde 1767 bei Christian Friedrich Voß in Berlin
herausgegeben.


Inhalt:
1. Akt
2. Akt
3. Akt
4. Akt
5. Akt




1. Akt



1. Szene

(Just sitzet in einem Winkel, schlummert und redet im Traume.)


Just
Schurke von einem Wirte! Du, uns?--Frisch, Bruder!--Schlag zu, Bruder!
(Er holt aus und erwacht durch die Bewegung.) Heda! schon wieder?
Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum. Hätte er
nur erst die Hälfte von allen den Schlägen!--Doch sieh, es ist Tag!
Ich muß nur bald meinen armen Herrn aufsuchen. Mit meinem Willen soll
er keinen Fuß mehr in das vermaledeite Haus setzen. Wo wird er die
Nacht zugebracht haben?



2. Szene

(Der Wirt. Just.)


Wirt
Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen! Ei, schon so früh auf? Oder
soll ich sagen: noch so spät auf?

Just
Sage Er, was Er will.

Wirt
Ich sage nichts als "Guten Morgen"; und das verdient doch wohl, daß
Herr Just "Großen Dank" darauf sagt?

Just
Großen Dank!

Wirt
Man ist verdrießlich, wenn man seine gehörige Ruhe nicht haben kann.
Was gilt's, der Herr Major ist nicht nach Hause gekommen, und Er hat
hier auf ihn gelauert?

Just
Was der Mann nicht alles erraten kann!

Wirt
Ich vermute, ich vermute.

Just
(kehrt sich um und will gehen). Sein Diener!

Wirt
(hält ihn). Nicht doch, Herr Just!

Just
Nun gut; nicht Sein Diener!

Wirt
Ei, Herr Just! ich will doch nicht hoffen, Herr Just, Daß Er noch von
gestern her böse ist? Wer wird seinen Zorn über Nacht behalten?

Just
Ich; und über alle folgende Nächte.

Wirt
Ist das christlich?

Just
Ebenso christlich, als einen ehrlichen Mann, der nicht gleich bezahlen
kann, aus dem Hause stoßen, auf die Straße werfen.

Wirt
Pfui, wer könnte so gottlos sein?

Just
Ein christlicher Gastwirt.--Meinen Herrn! so einen Mann! so einen
Offizier!

Wirt
Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf die Straße geworfen? Dazu
habe ich viel zu viel Achtung für einen Offizier und viel zu viel
Mitleid mit einem abgedankten! Ich habe ihm aus Not ein ander Zimmer
einräumen müssen.--Denke Er nicht mehr daran, Herr Just. (Er ruft in
die Szene.) Holla!--Ich will's auf andere Weise wiedergutmachen. (Ein
Junge kömmt.) Bring ein Gläschen; Herr Just will ein Gläschen haben;
und was Gutes!

Just
Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirt. Der Tropfen soll zu Gift werden,
den--Doch ich will nicht schwören; ich bin noch nüchtern!

Wirt
(zu dem Jungen, der eine Flasche Likör und ein Glas bringt). Gib her;
geh!--Nun, Herr Just, was ganz Vortreffliches; stark, lieblich, gesund.
(Er füllt und reicht ihm zu.) Das kann einen überwachten Magen
wieder in Ordnung bringen!

Just
Bald dürfte ich nicht!--Doch warum soll ich meiner Gesundheit seine
Grobheit entgelten lassen?--(Er nimmt und trinkt.)

Wirt
Wohl bekomm's, Herr Just!

Just
(indem er das Gläschen wieder zurückgibt). Nicht übel!--Aber, Herr
Wirt, Er ist doch ein Grobian!

Wirt
Nicht doch, nicht doch!--Geschwind noch eins; auf einem Beine ist
nicht gut stehen.

Just
(nachdem er getrunken). Das muß ich sagen: gut, sehr gut!--Selbst
gemacht, Herr Wirt?--

Wirt
Behüte! veritabler Danziger! echter, doppelter Lachs!

Just
Sieht Er, Herr Wirt; wenn ich heucheln könnte, so würde ich für so was
heucheln; aber ich kann nicht; es muß raus:--Er ist doch ein Grobian,
Herr Wirt!

Wirt
In meinem Leben hat mir das noch niemand gesagt.--Noch eins, Herr Just;
aller guten Dinge sind drei!

Just
Meinetwegen! (Er trinkt.) Gut Ding, wahrlich gut Ding!--Aber auch die
Wahrheit ist gut Ding.--Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian!

Wirt
Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so mit anhören?

Just
O ja, denn selten hat ein Grobian Galle.

Wirt
Nicht noch eins, Herr Just? Eine vierfache Schnur hält desto besser.

Just
Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilft's Ihn, Herr Wirt? Bis auf
den letzten Tropfen in der Flasche würde ich bei meiner Rede bleiben.
Pfui, Herr Wirt, so guten Danziger zu haben und so schlechte Mores!--
Einem Manne wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei Ihm gewohnt, von
dem Er schon so manchen schönen Taler gezogen, der in seinem Leben
keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein paar Monate her
nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen läßt--in der
Abwesenheit das Zimmer auszuräumen!

Wirt
Da ich aber das Zimmer notwendig brauchte? da ich voraussähe, daß der
Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange
auf seine Zurückkunft hätten warten können? Sollte ich denn so eine
fremde Herrschaft wieder von meiner Türe wegfahren lassen? Sollte ich
einem andern Wirte so einen Verdienst mutwillig in den Rachen jagen?
Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonstwo unterkommen wäre. Die
Wirtshäuser sind jetzt alle stark besetzt. Sollte eine so junge,
schöne, liebenswürdige Dame auf der Straße bleiben? Dazu ist Sein
Herr viel zu galant! Und was verliert er denn dabei? Habe ich ihm
nicht ein anderes Zimmer dafür eingeräumt?

Just
Hinten an dem Taubenschlage; die Aussicht zwischen des Nachbars
Feuermauern--

Wirt
Die Aussicht war wohl sehr schön, ehe sie der verzweifelte Nachbar
verbaute. Das Zimmer ist doch sonst galant und tapeziert--

Just
Gewesen!

Wirt
Nicht doch, die eine Wand ist es noch. Und Sein Stübchen darneben,
Herr Just; was fehlt dem Stübchen? Es hat einen Kamin, der zwar im
Winter ein wenig raucht--

Just
Aber doch im Sommer recht hübsch läßt.--Herr, ich glaube gar, Er
vexiert uns noch obendrein?--

Wirt
Nu, nu, Herr Just, Herr Just--

Just
Mache Er Herr Justen den Kopf nicht warm, oder--

Wirt
Ich macht' ihn warm? der Danziger tut's!--

Just
Einen Offizier wie meinen Herrn! Oder meint Er, daß ein abgedankter
Offizier nicht auch ein Offizier ist, der Ihm den Hals brechen kann?
Warum waret ihr im Kriege so geschmeidig, ihr Herren Wirte? Warum war
denn da jeder Offizier ein würdiger Mann und jeder Soldat ein
ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das bißchen Friede schon so
übermütig?

Wirt
Was ereifert Er sich nun, Herr Just?--

Just
Ich will mich ereifern.--



3. Szene

(v. Tellheim. Der Wirt. Just.)


Tellheim
(im Hereintreten). Just!

Just
(in der Meinung, daß ihn der Wirt nenne). Just?--So bekannt sind wir?--

Tellheim
Just!

Just
Ich dächte, ich wäre wohl Herr Just für Ihn!

Wirt
(der den Major gewahr wird). St! st! Herr, Herr, Herr Just--seh Er
sich doch um; Sein Herr--

Tellheim
Just, ich glaube, du zankst? Was habe ich dir befohlen?

Wirt
Oh, Ihro Gnaden! zanken? da sei Gott vor! Ihr untertänigster Knecht
sollte sich unterstehen, mit einem, der die Gnade hat, Ihnen
anzugehören, zu zanken?

Just
Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel geben dürfte!--

Wirt
Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen Herrn, und ein wenig hitzig.
 Aber daran tut er recht; ich schätze ihn um so viel höher; ich liebe
ihn darum.--

Just
Daß ich ihm nicht die Zähne austreten soll!

Wirt
Nur schade, daß er sich umsonst erhitzt. Denn ich bin gewiß
versichert, daß Ihro Gnaden keine Ungnade deswegen auf mich geworfen
haben, weil--die Not--mich notwendig--

Tellheim
Schon zuviel, mein Herr! Ich bin Ihnen schuldig; Sie räumen mir in
meiner Abwesenheit das Zimmer aus; Sie müssen bezahlt werden; ich muß
wo anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich!--

Wirt
Wo anders? Sie wollen ausziehen, gnädiger Herr? Ich unglücklicher
Mann! ich geschlagner Mann! Nein, nimmermehr! Eher muß die Dame das
Quartier wieder räumen. Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer
nicht lassen; das Zimmer ist sein; sie muß fort; ich kann ihr nicht
helfen.--Ich gehe, gnädiger Herr--

Tellheim
Freund, nicht zwei dumme Streiche für einen! Die Dame muß in dem
Besitze des Zimmers bleiben.--

Wirt
Und Ihro Gnaden sollten glauben, daß ich aus Mißtrauen, aus Sorge für
meine Bezahlung?--Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Ihro Gnaden
bezahlen können, sobald Sie nur wollen.--Das versiegelte Beutelchen--
fünfhundert Taler Louisdor stehet drauf--welches Ihro Gnaden in dem
Schreibepulte stehen gehabt--ist in guter Verwahrung.--

Tellheim
Das will ich hoffen; so wie meine übrige Sachen.--Just soll sie in
Empfang nehmen, wenn er Ihnen die Rechnung bezahlt hat.--

Wirt
Wahrhaftig, ich erschrak recht, als ich das Beutelchen fand.--Ich habe
immer Ihro Gnaden für einen ordentlichen und vorsichtigen Mann
gehalten, der sich niemals ganz ausgibt.--Aber dennoch--wenn ich bar
Geld in dem Schreibepulte vermutet hätte--

Tellheim
Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich verstehe Sie.--Gehen
Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu
sprechen.--

Wirt
Aber, gnädiger Herr--

Tellheim
Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich dir in seinem Hause
sage, was du tun sollst.--

Wirt
Ich gehe ja schon, gnädiger Herr!--Mein ganzes Haus ist zu Ihren
Diensten.



4. Szene

(v. Tellheim. Just.)


Just
(der mit dem Fuße stampft und dem Wirte nachspuckt). Pfui!

Tellheim
Was gibt's?

Just
Ich ersticke vor Bosheit.

Tellheim
Das wäre soviel als an Vollblütigkeit.

Just
Und Sie--Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr. Ich sterbe vor Ihren
Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen
Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad hätte ich ihn--hätte
ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen
wollen.--

Tellheim
Bestie!

Just
Lieber Bestie als so ein Mensch!

Tellheim
Was willst du aber?

Just
Ich will, daß Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidiget.

Tellheim
Und dann?

Just
Daß Sie sich rächten.--Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering.--

Tellheim
Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu rächen? Das war von Anfang
mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit Augen sehen und seine
Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen. Ich weiß, daß du eine
Handvoll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene einem hinwerfen
kannst.--

Just
So? eine vortreffliche Rache!--

Tellheim
Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keinen Heller bares
Geld mehr; ich weiß auch keines aufzutreiben.

Just
Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel mit fünfhundert
Taler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibpulte gefunden?

Tellheim
Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden.

Just
Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor
vier oder fünf Wochen brachte?

Tellheim
Die nämlichen, von Paul Wernern. Warum nicht?

Just
Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können
Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verantwortung--

Tellheim
Wahrhaftig?

Just
Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die
Generalkriegskasse aufzieht. Er hörte--

Tellheim
Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon
wäre.--Ich bin dir sehr verbunden, Just.--Und diese Nachricht
vermochte Wernern, sein bißchen Armut mit mir zu teilen.--Es ist mir
doch lieb, daß ich es erraten habe.--Höre, Just, mache mir zugleich
auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.--

Just
Wie? was?

Tellheim
Kein Wort mehr; es kömmt jemand.--



5. Szene

(Eine Dame in Trauer. v. Tellheim. Just.)


Dame
Ich bitte um Verzeihung, mein Herr!--

Tellheim
Wen suchen Sie, Madame?--

Dame
Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen.
Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Witwe Ihres ehemaligen
Stabsrittmeisters--

Tellheim
Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung!--

Dame
Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich der Schmerz über den
Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen früh beschwerlich fallen,
Herr Major. Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben
auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten.--

Tellheim
(zu Just). Geh, laß uns allein.--



6. Szene

(Die Dame. v. Tellheim.)


Tellheim
Reden Sie frei, gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks
nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?

Dame
Mein Herr Major--

Tellheim
Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich Ihnen dienen? Sie
wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; mein Freund, sage ich; ich war
immer karg mit diesem Titel.

Dame
Wer weiß es besser als ich, wie wert Sie seiner Freundschaft waren,
wie wert er der Ihrigen war? Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr
Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesen sein, hätte nicht
die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen
Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert--

Tellheim
Hören Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit Ihnen gern; aber ich
habe heute keine Tränen. Verschonen Sie mich! Sie finden mich in
einer Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu
murren.--O mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was
haben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen imstande bin, wenn
ich es bin--

Dame
Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten Willen zu vollziehen. Er
erinnerte sich kurz vor seinem Ende, daß er als Ihr Schuldner sterbe,
und beschwor mich, diese Schuld mit der ersten Barschaft zu tilgen.
Ich habe seine Equipage verkauft und komme, seine Handschrift
einzulösen.--

Tellheim
Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie?

Dame
Darum. Erlauben Sie, daß ich das Geld aufzähle.

Tellheim
Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig? das kann schwerlich sein.
Lassen Sie doch sehen. (Er ziehet sein Taschenbuch heraus und sucht.)
Ich finde nichts.

Dame
Sie werden seine Handschrift verlegt haben, und die Handschrift tut
nichts zur Sache.--Erlauben Sie--

Tellheim
Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich sie
nicht habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt habe, oder
daß sie getilgt und von mir schon zurückgegeben worden.

Dame
Herr Major!--

Tellheim
Ganz gewiß, gnädige Frau. Nein, Marloff ist mir nichts schuldig
gebleiben. Ich wüßte mich auch nicht zu erinnern, daß er mir jemals
etwas schuldig gewesen wäre. Nicht anders, Madame; er hat mich
vielmehr als seinen Schuldner hinterlassen. Ich habe nie etwas tun
können, mich mit einem Manne abzufinden, der sechs Jahre Glück und
Unglück, Ehre und Gefahr mit mir geteilet. Ich werde es nicht
vergessen, daß ein Sohn von ihm da ist. Er wird mein Sohn sein,
sobald ich sein Vater sein kann. Die Verwirrung, in der ich mich
jetzt selbst befinde--

Dame
Edelmütiger Mann! Aber denken Sie auch von mir nicht zu klein!
Nehmen Sie das Geld, Herr Major; so bin ich wenigstens beruhiget.--

Tellheim
Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung weiter als meine Versicherung,
daß mir dieses Geld nicht gehöret? Oder wollen Sie, daß ich die
unerzogene Waise meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame;
das würde es in dem eigentlichsten Verstande sein. Ihm gehört es, für
ihn legen Sie es an!--

Dame
Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn ich noch nicht recht weiß,
wie man Wohltaten annehmen muß. Woher wissen es denn aber auch Sie,
daß eine Mutter mehr für ihren Sohn tut, als sie für ihr eigen Leben
tun würde? Ich gehe--

Tellheim
Gehen Sie, Madame, gehen Sie! Reisen Sie glücklich! Ich bitte Sie
nicht, mir Nachricht von Ihnen zu geben. Sie möchte mir zu einer Zeit
kommen, wo ich sie nicht nutzen könnte. Aber noch eines, gnädige Frau;
bald hätte ich das Wichtigste vergessen. Marloff hat noch an der
Kasse unsers ehemaligen Regiments zu fordern. Seine Forderungen sind
so richtig wie die meinigen. Werden meine bezahlt, so müssen auch die
seinigen bezahlt werden. Ich hafte dafür.--

Dame
Oh! Mein Herr--Aber ich schweige lieber.--Künftige Wohltaten so
vorbereiten, heißt sie in den Augen des Himmels schon erwiesen haben.
Empfangen Sie seine Belohnung und meine Tränen! (Geht ab.)



7. Szene

(v. Tellheim.)


Tellheim
Armes, braves Weib! Ich muß nicht vergessen, den Bettel zu vernichten.
(Er nimmt aus seinem Taschenbuche Briefschaften, die er zerreißt.)
Wer steht mir dafür, daß eigner Mangel mich nicht einmal verleiten
könnte, Gebrauch davon zu machen?



8. Szene

(Just. v. Tellheim.)


Tellheim
Bist du da?

Just
(indem er sich die Augen wischt). Ja!

Tellheim
Du hast geweint?

Just
Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben, und die Küche ist
voll Rauch. Hier ist sie, mein Herr!

Tellheim
Gib her.

Just
Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr. Ich Weiß wohl, daß die
Menschen mit Ihnen keine haben, aber--

Tellheim
Was willst du?

Just
Ich hätte mir ehr den Tod als meinen Abschied vermutet.

Tellheim
Ich kann dich nicht länger brauchen; ich muß mich ohne Bedienten
behelfen lernen. (Schlägt die Rechnung auf und lieset.) "Was der Herr
Major mir schuldig: Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat 6
Taler, macht 21 Taler. Seit dem Ersten dieses an Kleinigkeiten
ausgelegt 1 Taler 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum 22 Taler 7 Gr. 9 Pf."--
Gut, und es ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.

Just
Die andere Seite, Herr Major--

Tellheim
Noch mehr? (Lieset.) Was dem Herrn Major ich schuldig: An den
Feldscher für mich bezahlt 25 Taler. Für Wartung und Pflege während
meiner Kur für mich bezahlt 39 Taler. Meinem abgebrannten und
geplünderten Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne die zwei
Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Taler. Summa
Summarum 114 Taler. Davon abgezogen vorstehende 22 Taler 7 Gr. 9 Pf.,
bleibe dem Herrn Major schuldig 91 Taler 16 Gr. 3 Pf."--Kerl, du
bist toll!--

Just
Ich glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste. Aber es wäre
verlorne Tinte, es dazuzuschreiben. Ich kann Ihnen das nicht bezahlen,
und wenn Sie mir vollends die Liverei nehmen, die ich auch noch nicht
verdient habe--so wollte ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarette
krepieren lassen.

Tellheim
Wofür siehst du mich an? Du bist mir nichts schuldig, und ich will
dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es besser haben
sollst als bei mir.

Just
Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen?

Tellheim
Weil ich dir nichts schuldig werden will.

Just
Darum? nur darum?--So gewiß ich Ihnen schuldig bin, so gewiß Sie mir
nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht
verstoßen.--Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei
Ihnen; ich muß bei Ihnen bleiben.--

Tellheim
Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz, dein wildes, ungestümes Wesen
gegen alle, von denen du meinest, daß sie dir nichts zu sagen haben,
deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht--

Just
Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich will darum doch nicht
schlechter von mir denken als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging
ich in der Dämmerung an dem Kanale und hörte etwas winseln. Ich stieg
herab und griff nach der Stimme und glaubte, ein Kind zu retten, und
zog einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich. Der Pudel kam
mir nach, aber ich bin kein Liebhaber von Pudeln. Ich jagte ihn fort,
umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst. Ich ließ ihn des Nachts
nicht in meine Kammer; er blieb vor der Türe auf der Schwelle. Wo er
mir zu nahe kam, stieß ich ihn mit dem Fuße; er schrie, sahe mich an
und wedelte mit dem Schwanze. Noch hat er keinen Bissen Brot aus
meiner Hand bekommen, und doch bin ich der einzige, dem er hört, und
der ihn anrühren darf. Er springt vor mir her und macht mir seine
Künste unbefohlen vor. Es ist ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu
guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den
Pudeln gram zu sein.

Tellheim
(beiseite). So wie ich ihm! Nein, es gibt keine völligen Unmenschen!
--Just, wir bleiben beisammen.

Just
Ganz gewiß!--Sie wollten sich ohne Bedienten behelfen? Sie vergessen
Ihrer Blessuren und daß Sie nur eines Armes mächtig sind. Sie können
sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin Ihnen unentbehrlich; und bin--
ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major--und bin ein Bedienter, der--
wenn das Schlimmste zum Schlimmen kömmt--für seinen Herrn betteln und
stehlen kann.

Tellheim
Just, wir bleiben nicht beisammen.

Just
Schon gut!



9. Szene

(Ein Bedienter. v. Tellheim. Just.)


Bediente
Bst! Kamerad!

Just
Was gibt's?

Bediente
Kann Er mir nicht den Offizier nachweisen, der gestern noch in diesem
Zimmer (auf eines an der Seite zeigend, von welcher er herkömmt)
gewohnt hat?

Just
Das dürfte ich leicht können. Was bringt Er ihm?

Bediente
Was wir immer bringen, wenn wir nichts bringen: ein Kompliment. Meine
Herrschaft hört, daß er durch sie verdrängt worden. Meine Herrschaft
weiß zu leben, und ich soll ihn deshalb um Verzeihung bitten.

Just
Nun, so bitte Er ihn um Verzeihung; da steht er.

Bediente
Was ist er? Wie nennt man ihn?

Tellheim
Mein Freund, ich habe Euern Auftrag schon gehört. Es ist eine
überflüssige Höflichkeit von Eurer Herrschaft, die ich erkenne, wie
ich soll. Macht ihr meinen Empfehl.--Wie heißt Eure Herrschaft?--

Bediente
Wie sie heißt? Sie läßt sich gnädiges Fräulein heißen.

Tellheim
Und ihr Familienname?

Bediente
Den habe ich noch nicht gehört, und darnach zu fragen, ist meine Sache
nicht. Ich richte mich so ein, daß ich meistenteils alle sechs Wochen
eine neue Herrschaft habe. Der Henker behalte alle ihre Namen!--

Just
Bravo, Kamerad!

Bediente
Zu dieser bin ich erst vor wenig Tagen in Dresden gekommen. Sie sucht,
glaube ich, hier ihren Bräutigam.--

Tellheim
Genug, mein Freund. Den Namen Eurer Herrschaft wollte ich wissen,
aber nicht ihre Geheimnisse. Geht nur!

Bediente
Kamerad, das wäre kein Herr für mich!



10. Szene

(v. Tellheim. Just.)


Tellheim
Mache, Just, mache, daß wir aus diesem Hause kommen! Die Höflichkeit
der fremden Dame ist mir empfindlicher als die Grobheit des Wirts.
Hier, nimm diesen Ring, die einzige Kostbarkeit, die mir übrig ist,
von der ich nie geglaubt hätte, einen solchen Gebrauch zu machen!--
Versetze ihn! Laß dir achtzig Friedrichsdor darauf geben; die
Rechnung des Wirts kann keine dreißig betragen. Bezahle ihn und räume
meine Sachen--Ja, wohin?--Wohin du willst. Der wohlfeilste Gasthof
der beste. Du sollst mich hier nebenan auf dem Kaffeehause treffen.
Ich gehe, mache deine Sache gut.--

Just
Sorgen Sie nicht, Herr Major!--

Tellheim
(kömmt wieder zurück). Vor allen Dingen, daß meine Pistolen, die
hinter dem Bette gehangen, nicht vergessen werden.

Just
Ich will nichts vergessen.

Tellheim
(kömmt nochmals zurück). Noch eins: nimm mir auch deinen Pudel mit;
hörst du, Just!--



11. Szene

(Just)


Just
Der Pudel wird nicht zurückbleiben. Dafür laß ich den Pudel sorgen.--
Hm! Auch den kostbaren Ring hat der Herr noch gehabt? Und trug ihn
in der Tasche, anstatt am Finger?--Guter Wirt, wir sind so kahl noch
nicht, als wir scheinen. Bei ihm, bei ihm selbst will ich dich
versetzen, schönes Ringelchen! Ich weiß, er ärgert sich, daß du in
seinem Hause nicht ganz sollst verzehrt werden!--Ah--



12. Szene

(Paul Werner. Just.)


Just
Sieh da, Werner! guten Tag, Werner! willkommen in der Stadt!

Werner
Das verwünschte Dorf! Ich kann's unmöglich wieder gewohne werden.
Lustig, Kinder, lustig; ich bringe frisches Geld! Wo ist der Major?

Just
Er muß dir begegnet sein; er ging eben die Treppe herab.

Werner
Ich komme die Hintertreppe herauf. Nun, wie geht's ihm? Ich wäre
schon vorige Woche bei euch gewesen, aber--

Just
Nun? was hat dich abgehalten?--

Werner
--Just--hast du von dem Prinzen Heraklius gehört?

Just
Heraklius? Ich wüßte nicht.

Werner
Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht?

Just
Die Weisen aus dem Morgenlande kenn ich wohl, die ums Neujahr mit dem
Sterne herumlaufen.--

Werner
Mensch, ich glaube, du liesest ebensowenig die Zeitungen als die
Bibel?--Du kennst den Prinzen Heraklius nicht? den braven Mann nicht,
der Persien weggenommen und nächster Tage die Ottomanische Pforte
einsprengen wird? Gott sei Dank, daß doch noch irgendwo in der Welt
Krieg ist! Ich habe lange genug gehofft, es sollte hier wieder
losgehen. Aber da sitzen sie und heilen sich die Haut. Nein, Soldat
war ich, Soldat muß ich wieder sein! Kurz--(indem er sich schüchtern
umsieht, ob ihn jemand behorcht) im Vertrauen, Just, ich wandere nach
Persien, um unter Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen Heraklius, ein
paar Feldzüge wider den Türken zu machen.

Just
Du?

Werner
Ich, wie du mich hier siehst! Unsere Vorfahren zogen fleißig wider
den Türken, und das sollten wir noch tun, wenn wir ehrliche Kerls und
gute Christen wären. Freilich begreife ich wohl, daß ein Feldzug
wider den Türken nicht halb so lustig sein kann, als einer wider den
Franzosen; aber dafür muß er auch desto verdienstlicher sein, in
diesem und in jenem Leben. Die Türken haben dir alle Säbels, mit
Diamanten besetzt--

Just
Um mir von so einem Säbel den Kopf spalten zu lassen, reise ich nicht
eine Meile. Du wirst doch nicht toll sein und dein schönes
Schulzengerichte verlasen?--

Werner
Oh, das nehme ich mit!--Merkst du was?--Das Gütchen ist verkauft--

Just
Verkauft?

Werner
St!--hier sind hundert Dukaten, die ich gestern auf den Kauf bekommen;
die bring ich dem Major--

Just
Und was soll der damit?

Werner
Was er damit soll? Verzehren soll er sie, verspielen, vertrinken, ver--,
wie er will. Der Mann muß Geld haben, und es ist schlecht genug,
daß man ihm das Seinige so sauer macht! Aber ich wüßte schon, was ich
täte, wenn ich an seiner Stelle wäre! Ich dächte: hol euch hier alle
der Henker, und ginge mit Paul Wernern, nach Persien!--Blitz!--Der
Prinz Heraklius muß ja wohl von dem Major Tellheim gehört haben, wenn
er auch schon seinen gewesenen Wachtmeister, Paul Wernern, nicht kennt.
Unsere Affäre bei den Katzenhäusern--

Just
Soll ich dir die erzählen?--

Werner
Du mir?--Ich merke wohl, daß eine schöne Disposition über deinen
Verstand geht. Ich will meine Perlen nicht vor die Säue werfen.--Da
nimm die hundert Dukaten; gib sie dem Major. Sage ihm, er soll mir
auch die aufheben. Ich muß jetzt auf den Markt; ich habe zwei Winspel
Roggen hereingeschickt; was ich daraus löse, kann er gleichfalls haben.
--

Just
Werner, du meinest es herzlich gut; aber wir mögen dein Geld nicht.
Behalte deine Dukaten, und deine hundert Pistolen kannst du auch
unversehrt wiederbekommen, sobald als du willst.--

Werner
So? Hat denn der Major noch Geld?

Just
Nein.

Werner
Hat er sich wo welches geborgt?

Just
Nein.

Werner
Und wovon lebt ihr denn?

Just
Wir lassen anschreiben, und wenn man nicht mehr anschreiben will und
uns zum Hause hinauswirft, so versetzen wir, was wir noch haben, und
ziehen weiter.--Höre nur, Paul; dem Wirte hier müssen wir einen Possen
spielen.

Werner
Hat er dem Major was in den Weg gelegt?--Ich bin dabei!--

Just
Wie wär's, wenn wir ihm des Abends, wenn er aus der Tabagie kömmt,
aufpaßten und ihn brav durchprügelten?--

Werner
Des Abends?--aufpaßten?--ihre zwei, einem?--Das ist nichts.--

Just
Oder wenn wir ihm das Haus über dem Kopf ansteckten?--

Werner
Sengen und brennen?--Kerl, man hört's, daß du Packknecht gewesen bist
und nicht Soldat--pfui!

Just
Oder wenn wir ihm seine Tochter zur Hure machten? Sie ist zwar
verdammt häßlich--

Werner
Oh, da wird sie's lange schon sein! Und allenfalls brauchst du auch
hierzu keinen Gehilfen. Aber was hast du denn? Was gibt's denn?

Just
Komm nur, du sollst dein Wunder hören!

Werner
So ist der Teufel wohl hier gar los?

Just
Jawohl; komm nur!

Werner
Desto besser! Nach Persien also, nach Persien!




2. Akt



1. Szene

(Die Szene ist in dem Zimmer des Fräuleins.) (Minna von Barnhelm.
Franziska.)


Fräulein
(im Negligé, nach ihrer Uhr sehend). Franziska, wir sind auch sehr
früh aufgestanden. Die Zeit wird uns lang werden.

Franziska
Wer kann denn in den verzweifelten großen Städten schlafen? Die
Karossen, die Nachtwächter, die Trommeln, die Katzen, die Korporals--
das hört nicht auf zu rasseln, zu schreien, zu wirbeln, zu mauen, zu
fluchen; gerade, als ob die Nacht zu nichts weniger wäre als zur Ruhe.
--Eine Tasse Tee, gnädiges Fräulein?--

Fräulein
Der Tee schmeckt mir nicht.--

Franziska
Ich will von unserer Schokolade machen lassen.

Fräulein
Laß machen, für dich!

Franziska
Für mich? Ich wollte ebensogern für mich allein plaudern als für mich
allein trinken.--Freilich wird uns die Zeit so lang werden.--Wir
werden vor langer Weile uns putzen müssen und das Kleid versuchen, in
welchem wir den ersten Sturm geben wollen.

Fräulein
Was redest du von Stürmen, da ich bloß herkomme, die Haltung der
Kapitulation zu fordern?

Franziska
Und der Herr Offizier, den wir vertrieben, und dem wir das Kompliment
darüber machen lassen; er muß auch nicht die feinste Lebensart haben;
sonst hätte er wohl um die Ehre können bitten lassen, uns seine
Aufwartung machen zu dürfen.--

Fräulein
Es sind nicht alle Offiziere Tellheims. Die Wahrheit zu sagen, ich
ließ ihm das Kompliment auch bloß machen, um Gelegenheit zu haben,
mich nach diesem bei ihm zu erkundigen.--Franziska, mein Herz sagt es
mir, daß meine Reise glücklich sein wird, daß ich ihn finden werde.--

Franziska
Das Herz, gnädiges Fräulein? Man traue doch ja seinem Herzen nicht zu
viel. Das Herz redet uns gewaltig gern nach dem Maule. Wenn das Maul
ebenso geneigt wäre, nach dem Herzen zu reden, so wäre die Mode längst
aufgekommen, die Mäuler unterm Schlosse zu tragen.

Fräulein
Ha! ha! Mit deinen Mäulern unterm Schlosse! Die Mode wäre mir eben
recht!

Franziska
Lieber die schönsten Zähne nicht gezeigt, als alle Augenblicke das
Herz darüber springen lassen!

Fräulein
Was? Bist du so zurückhaltend?--

Franziska
Nein, gnädiges Fräulein, sondern ich wollte es gern mehr sein. Man
spricht selten von der Tugend, die man hat; aber desto öftrer von der,
die uns fehlt.

Fräulein
Siehst du, Franziska? Da hast du eine sehr gute Anmerkung gemacht.--

Franziska
Gemacht? Macht man das, was einem so einfällt?--

Fräulein
Und weißt du, warum ich eigentlich diese Anmerkung so gut finde? Sie
hat viel Beziehung auf meinen Tellheim.

Franziska
Was hätte bei Ihnen nicht auch Beziehung auf ihn?

Fräulein
Freund und Feind sagen, daß er der tapferste Mann von der Welt ist.
Aber wer hat ihn von Tapferkeit jemals reden hören? Er hat das
rechtschaffenste Hertz, aber Rechtschaffenheit und Edelmut sind Worte,
die er nie auf die Zunge bringt.

Franziska
Von was für Tugenden spricht er denn?

Fräulein
Er spricht von keiner; denn ihm fehlt keine.

Franziska
Das wollte ich nur hören.

Fräulein
Warte, Franziska, ich besinne mich. Er spricht sehr oft von Ökonomie.
Im Vertrauen, Franziska, ich glaube, der Mann ist ein Verschwender.

Franziska
Noch eins, gnädiges Fräulein. Ich habe ihn auch sehr oft der Treue
und Beständigkeit gegen Sie erwähnen hören. Wie, wenn der Herr auch
ein Flattergeist wäre?

Fräulein
Du Unglückliche!--Aber meinest du das im Ernste, Franziska?

Franziska
Wie lange hat er Ihnen nun schon nicht geschrieben?

Fräulein
Ach! seit dem Frieden hat er mir nur ein einziges Mal geschrieben.

Franziska
Auch ein Seufzer wider den Frieden! Wunderbar! Der Friede sollte nur
das Böse wieder gutmachen, das der Krieg gestiftet, und er zerrüttet
auch das Gute, was dieser, sein Gegenpart, etwa noch veranlasset hat.
Der Friede sollte so eigensinnig nicht sein!--Und wie lange haben wir
schon Friede? Die Zeit wird einem gewaltig lang, wenn es so wenig
Neuigkeiten gibt.--Umsonst gehen die Posten wieder richtig; niemand
schreibt; denn niemand hat was zu schreiben.

Fräulein
"Es ist Friede", schrieb er mir, "und ich nähere mich der Erfüllung
meiner Wünsche." Aber daß er mir dieses nur einmal, nur ein einziges
Mal geschrieben--

Franziska
Daß er uns zwingt, dieser Erfüllung der Wünsche selbst entgegenzueilen:
finden wir ihn nur, das soll er uns entgelten!--Wenn indes der Mann
doch Wünsche erfüllt hätte, und wir erführen hier--

Fräulein
(ängstlich und hitzig). Daß er tot wäre?

Franziska
Für Sie, gnädiges Fräulein, in den Armen einer andern.--

Fräulein
Du Quälgeist! Warte, Franziska, er soll dir es gedenken!--Doch
schwatze nur; sonst schlafen wir wieder ein.--Sein Regiment ward nach
dem Frieden zerrissen. Wer weiß, in welche Verwirrung von Rechnungen
und Nachweisungen er dadurch geraten? Wer weiß, zu welchem andern
Regimente, in welche entlegne Provinz er versetzt worden? Wer weiß,
welche Umstände--Es pocht jemand.

Franziska
Herein!



2. Szene

(Der Wirt. Die Vorigen.)


Wirt
(den Kopf voransteckend). Ist es erlaubt, meine gnädige Herrschaft?--

Franziska
Unser Herr Wirt?--Nur vollends herein.

Wirt
(mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und ein
Schreibezeug in der Hand). Ich komme, gnädiges Fräulein, Ihnen einen
untertänigen guten Morgen zu wünschen--(zur Franziska) und auch Ihr,
mein schönes Kind--

Franziska
Ein höflicher Mann!

Fräulein
Wir bedanken uns.

Franziska
Und wünschen Ihm auch einen guten Morgen.

Wirt
Darf ich mich unterstehen zu fragen, wie Ihro Gnaden diese erste Nacht
unter meinem schlechten Dache geruhet?--

Franziska
Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirt, aber die Betten hätten
besser sein können.

Wirt
Was höre ich? Nicht wohl geruht? Vielleicht, daß die gar zu große
Ermüdung von der Reise--

Fräulein
Es kann sein.

Wirt
Gewiß, gewiß! denn sonst--Indes sollte etwas nicht vollkommen nach
Ihro Gnaden Bequemlichket gewesen sein, so geruhen Ihro Gnaden nur zu
befehlen.

Franziska
Gut, Herr Wirt, gut! Wir sind auch nicht blöde; und am wenigsten muß
man im Gasthofe blöde sein. Wir wollen schon sagen, wie wir es gern
hätten.

Wirt
Hiernächst komme ich zugleich--(indem er die Feder hinter dem Ohr
hervorzieht).

Franziska
Nun?--

Wirt
Ohne Zweifel kennen Ihro Gnaden schon die weisen Verordnungen unserer
Polizei.

Fräulein
Nicht im geringsten, Herr Wirt--

Wirt
Wir Wirte sind angewiesen, keinen Fremden, wes Standes und Geschlechts
er auch sei, vierundzwanzig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen,
Heimat, Charakter, hiesige Geschäfte, vermutliche Dauer des
Aufenthalts und so weiter gehörigen Orts schriftlich einzureichen.

Fräulein
Sehr wohl.

Wirt
Ihro Gnaden werden also sich gefallen lassen--(indem er an einen Tisch
tritt und sich fertig macht zu schreiben).

Fräulein
Sehr gern--Ich heiße--

Wirt
Einen kleinen Augenblick Geduld!--(Er schreibt.) "Dato, den 22.
August a.c. allhier zum Könige von Spanien angelangt"--Nun Dero Namen,
gnädiges Fräulein?

Fräulein
Das Fräulein von Barnhelm.

Wirt
(schreibt). "von Barnhelm"--Kommend? woher, gnädiges Fräulein?

Fräulein
Von meinen Gütern aus Sachsen.

Wirt
(schreibt). "Gütern aus Sachsen"--Aus Sachsen! Ei, ei, aus Sachsen,
gnädiges Fräulein? aus Sachsen?

Franziska
Nun? warum nicht? Es ist doch wohl hierzulande keine Sünde, aus
Sachsen zu sein?

Wirt
Eine Sünde? Behüte! das wäre ja eine ganz neue Sünde!--Aus Sachsen
also? Ei, ei! aus Sachsen! Das liebe Sachsen!--Aber wo mir recht
ist, gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein und hat mehrere--wie
soll ich es nennen?--Distrikte, Provinzen.--Unsere Polizei ist sehr
exakt, gnädiges Fräulein.--

Fräulein
Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thüringen also.

Wirt
Aus Thüringen! Ja, das ist besser, gnädiges Fräulein, das ist genauer.
--(Schreibt und liest.) "Das Fräulein von Barnhelm, kommend von ihren
Gütern aus Thüringen, nebst einer Kammerfrau und zwei Bedienten"--

Franziska
Einer Kammerfrau? das soll ich wohl sein?

Wirt
Ja, mein schönes Kind.--

Franziska
Nun, Herr Wirt, so setzen Sie anstatt Kammerfrau Kammerjungfer.--Ich
höre, die Polizei ist sehr exakt; es möchte ein Mißverständnis geben,
welches mir bei meinem Aufgebote einmal Händel machen könnte. Denn
ich bin wirklich noch Jungfer und heiße Franziska; mit dem
Geschlechtsnamen Willig; Franziska Willig. Ich bin auch aus Thüringen.
Mein Vater war Müller auf einem von den Gütern des gnädigen
Fräuleins. Es heißt Klein-Rammsdorf. Die Mühle hat jetzt mein Bruder.
Ich kam sehr jung auf den Hof und ward mit dem gnädigen Fräulein
erzogen. Wir sind von einem Alter, künftige Lichtmess einundzwanzig
Jahr. Ich habe alles gelernt, was das gnädige Fräulein gelernt hat.
Es soll mir lieb sein, wenn mich die Polizei recht kennt.

Wirt
Gut, mein schönes Kind, das will ich mir auf weitere Nachfrage merken.
--Aber nunmehr, gnädiges Fräulein, Dero Verrichtungen allhier?--

Fräulein
Meine Verrichtungen?

Wirt
Suchen Ihro Gnaden etwas bei des Königs Majestät?

Fräulein
O nein!

Wirt
Oder bei unsern hohen Justizkollegiis?

Fräulein
Auch nicht.

Wirt
Oder--

Fräulein
Nein, nein. Ich bin lediglich in meinen eigenen Angelegenheiten hier.

Wirt
Ganz wohl, gnädiges Fräulein, aber wie nennen sich diese eigne
Angelegenheiten?

Fräulein
Sie nennen sich--Franziska, ich glaube, wir werden vernommen.

Franziska
Herr Wirt, die Polizei wird doch nicht die Geheimnisse eines
Frauenzimmers zu wissen verlangen?

Wirt
Allerdings, mein schönes Kind: die Polizei will alles, alles wissen;
und besonders Geheimnisse.

Franziska
Ja nun, gnädiges Fräulein; was ist zu tun?--So hören Sie nur, Herr
Wirt--aber daß es ja unter uns und der Polizei bleibt!--

Fräulein
Was wird ihm die Närrin sagen?

Franziska
Wir kommen, dem Könige einen Offizier wegzukapern--

Wirt
Wie? was? Mein Kind! mein Kind!--

Franziska
Oder uns von dem Offiziere kapern zu lassen. Beides ist eins.

Fräulein
Franziska, bist du toll?--Herr Wirt, die Nasenweise hat Sie zum besten.
--

Wirt
Ich will nicht hoffen! Zwar mit meiner Wenigkeit kann sie scherzen so
viel, wie sie will; nur mit einer hohen Polizei--

Fräulein
Wissen Sie was, Herr Wirt?--Ich weiß mich in dieser Sache nicht zu
nehmen. Ich dächte, Sie ließen die ganze Schreiberei bis auf die
Ankunft meines Oheims. Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, warum er
nicht mit mir zugleich angekommen. Er verunglückte zwei Meilen von
hier mit seinem Wagen und wollte durchaus nicht, daß mich dieser
Zufall eine Nacht mehr kosten sollte. Ich mußte also voran. Wenn er
vierundzwanzig Stunden nach mir eintrifft, so ist es das längste.

Wirt
Nun ja, gnädiges Fräulein, so wollen wir ihn erwarten.

Fräulein
Er wird auf Ihre Fragen besser antworten können. Er wird wissen, wem
und wie weit er sich zu entdecken hat; was er von seinen Geschäften
anzeigen muß und was er davon verschweigen darf.

Wirt
Desto besser! Freilich, freilich kann man von einem jungen Mädchen
(die Franziska mit einer bedeutenden Miene ansehend) nicht verlangen,
daß es eine ernsthafte Sache mit ernsthaften Leuten ernsthaft
traktiere--

Fräulein
Und die Zimmer für ihn sind doch in Bereitschaft, Herr Wirt?

Wirt
Völlig, gnädiges Fräulein, völlig; bis auf das eine--

Franziska
Aus dem Sie vielleicht auch noch erst einen ehrlichen Mann vertreiben
müssen?

Wirt
Die Kammerjungfern aus Sachsen, gnädiges Fräulein, sind wohl sehr
mitleidig.--

Fräulein
Doch, Herr Wirt, das haben Sie nicht gut gemacht. Lieber hätten Sie
uns nicht einnehmen sollen.

Wirt
Wieso, gnädiges Fräulein, wieso?

Fräulein
Ich höre, daß der Offizier, welcher durch uns verdrängt worden--

Wirt
Ja nur ein abgedankter Offizier ist, gnädiges Fräulein.--

Fräulein
Wenn schon!--

Wirt
Mit dem es zu Ende geht.--

Fräulein
Desto schlimmer! Es soll ein sehr verdienter Mann sein.

Wirt
Ich sage Ihnen ja, daß er abgedankt ist.

Fräulein
Der König kann nicht alle verdiente Männer kennen.

Wirt
O gewiß, er kennt sie, er kennt sie alle.--

Fräulein
So kann er sie nicht alle belohnen.

Wirt
Sie wären alle belohnt, wenn sie darnach gelebt hätten. Aber so
lebten die Herren während des Krieges, als ob ewig Krieg bleiben würde;
als ob das Dein und Mein ewig aufgehoben sein würde. Jetzt liegen
alle Wirtshäuser und Gasthöfe von ihnen voll, und ein Wirt hat sich
wohl mit ihnen in acht zu nehmen. Ich bin mit diesem noch so ziemlich
weggekommen. Hatte er gleich kein Geld mehr, so hatte er doch noch
Geldeswert, und zwei, drei Monate hätte ich ihn freilich noch ruhig
können sitzen lassen. Doch besser ist besser.--Apropos, gnädiges
Fräulein; Sie verstehen sich doch auf Juwelen?--

Fräulein
Nicht sonderlich.

Wirt
Was sollten Ihro Gnaden nicht?--Ich muß Ihnen einen Ring zeigen, einen
kostbaren Ring. Zwar gnädiges Fräulein haben da auch einen sehr
schönen am Finger, und je mehr ich ihn betrachte, je mehr muß ich mich
wundern, daß er dem meinigen so ähnlich ist.--Oh! sehen Sie doch,
sehen Sie doch! (Indem er ihn aus dem Futteral herausnimmt und dem
Fräulein zureicht.) Welch ein Feuer! der mittelste Brillant allein
wiegt über fünf Karat.

Fräulein
(ihn betrachtend). Wo bin ich? Was seh ich? Dieser Ring--

Wirt
Ist seine fünfzehnhundert Taler unter Brüdern wert.

Fräulein
Franziska!--Sieh doch!--

Wirt
Ich habe mich auch nicht einen Augenblick bedacht, achtzig Pistolen
darauf zu leihen.

Fräulein
Erkennst du ihn nicht, Franziska?

Franziska
Der nämliche!--Herr Wirt, wo haben Sie diesen Ring her?--

Wirt
Nun, mein Kind? Sie hat doch wohl kein Recht daran?

Franziska
Wir kein Recht an diesem Ringe?--Inwärts auf dem Kasten muß des
Fräuleins verzogener Name stehn.--Weisen Sie doch, Fräulein.

Fräulein
Er ist's er ist's!--Wie kommen Sie zu diesem Ringe, Herr Wirt?

Wirt
Ich? auf die ehrlichste Weise von der Welt.--Gnädiges Fräulein,
gnädiges Fräulein, Sie werden mich nicht in Schaden und Unglück
bringen wollen? Was weiß ich, wo sich der Ring eigentlich
herschreibt? Während des Krieges hat manches seinen Herrn sehr oft,
mit und ohne Vorbewußt des Herrn, verändert. Und Krieg war Krieg. Es
werden mehr Ringe aus Sachsen über die Grenze gegangen sein.--Geben
Sie mir ihn wieder, gnädiges Fräulein, geben Sie mir ihn wieder!

Franziska
Erst geantwortet: von wem haben Sie ihn?

Wirt
Von einem Manne, dem ich so was nicht zutrauen kann, von einem sonst
guten Manne--

Fräulein
Von dem besten Manne unter der Sonne, wenn Sie ihn von seinem
Eigentümer haben.--Geschwind, bringen Sie mir den Mann! Er ist es
selbst, oder wenigstens muß er ihn kennen.

Wirt
Wer denn? wen denn, gnädiges Fräulein?

Franziska
Hören Sie denn nicht? unsern Major.

Wirt
Major? Recht, er ist Major, der dieses Zimmer vor Ihnen bewohnt hat,
und von dem ich ihn habe.

Fräulein
Major von Tellheim.

Wirt
Von Tellheim, ja! Kennen Sie ihn?

Fräulein
Ob ich ihn kenne? Er ist hier? Tellheim ist hier? Er? er hat in
diesem Zimmer gewohnt? Er, er hat Ihnen diesen Ring versetzt? Wie
kommt der Mann in diese Verlegenheit? Wo ist er? Er ist Ihnen
schuldig?--Franziska, die Schatulle her! Schließ auf! (Indem sie
Franziska auf den Tisch setzet und öffnet.) Was ist er Ihnen schuldig?
Wem ist er mehr schuldig? Bringen Sie mir alle seine Schuldner.
Hier ist Geld. Hier sind Wechsel. Alles ist sein!

Wirt
Was höre ich?

Fräulein
Wo ist er? wo ist er?

Wirt
Noch vor einer Stunde war er hier.

Fräulein
Häßlicher Mann, wie konnten Sie gegen ihn so unfreundlich, so hart, so
grausam sein?

Wirt
Ihro Gnaden verzeihen--

Fräulein
Geschwind, schaffen Sie mir ihn zur Stelle.

Wirt
Sein Bedienter ist vielleicht noch hier. Wollen Ihro Gnaden, daß er
ihn aufsuchen soll?

Fräulein
Ob ich will? Eilen Sie, laufen Sie; für diesen Dienst allein will ich
es vergessen, wie schlecht Sie mit ihm umgegangen sind.--

Franziska
Fix, Herr Wirt, hurtig, fort, fort! (Stößt ihn heraus.)



3. Szene

(Das Fräulein. Franziska)


Fräulein
Nun habe ich ihn wieder, Franziska! Siehst du, nun habe ich ihn
wieder! Ich weiß nicht, wo ich vor Freuden bin! Freue dich doch mit,
liebe Franziska. Aber freilich, warum du? Doch du sollst dich, du
mußt dich mit mir freuen. Komm, Liebe, ich will dich beschenken,
damit du dich mit mir freuen kannst. Sprich, Franziska, was soll ich
dir geben? Was steht dir von meinen Sachen an? Was hättest du gern?
Nimm, was du willst, aber freue dich nur. Ich sehe wohl, du wirst dir
nichts nehmen. Warte! (sie faßt in die Schatulle) da, liebe
Franziska (und gibt ihr Geld), kaufe dir, was du gern hättest.
Fordere mehr, wenn es nicht zulangt. Aber freue dich nur mit mir. Es
ist so traurig, sich allein zu freuen. Nun, so nimm doch--

Franziska
Ich stehle es Ihnen, Fräulein; Sie sind trunken, von Fröhlichkeit
trunken.--

Fräulein
Mädchen, ich habe einen zänkischen Rausch, nimm oder--(Sie zwingt ihr
das Geld in die Hand.) Und wenn du dich bedankest!--Warte; gut, daß
ich daran denke. (Sie greift nochmals in die Schatulle nach Geld.)
Das, liebe Franziska, stecke beiseite, für den ersten blessierten
armen Soldaten, der uns anspricht.--



4. Szene

(Der Wirt. Das Fräulein. Franziska.)


Fräulein
Nun? Wird er kommen?

Wirt
Der widerwärtige, ungeschliffene Kerl!

Fräulein
Wer?

Wirt
Sein Bedienter. Er weigert sich, nach ihm zu gehen.

Franziska
Bringen Sie doch den Schurken her.--Des Majors Bediente kenne ich ja
wohl alle. Welcher wäre denn das?

Fräulein
Bringen Sie ihn geschwind her. Wenn er uns sieht, wird er schon gehen.
(Der Wirt geht ab.)



5. Szene

(Das Fräulein. Franziska.)


Fräulein
Ich kann den Augenblick nicht erwarten. Aber, Franziska, du bist noch
immer so kalt? Du willst dich noch nicht mit mir freuen?

Franziska
Ich wollte von Herzen gern, wenn nur--

Fräulein
Wenn nur?

Franziska
Wir haben den Mann wiedergefunden; aber wie haben wir ihn
wiedergefunden? Nach allem, was wir von ihm hören, muß es ihm übel
gehn. Er muß unglücklich sein, das jammert mich.

Fräulein
Jammert dich?--Laß dich dafür umarmen, meine liebste Gespielin! das
will ich dir nie vergessen!--Ich bin nur verliebt, und du bist gut.--



6. Szene

(Der Wirt. Just. Die Vorigen.)


Wirt
Mit genauer Not bring ich ihn.

Franziska
Ein fremdes Gesicht! Ich kenne ihn nicht.

Fräulein
Mein Freund, ist Er bei dem Major von Tellheim?

Just
Ja.

Fräulein
Wo ist Sein Herr?

Just
Nicht hier.

Fräulein
Aber Er weiß ihn zu finden?

Just
Ja.

Fräulein
Will Er ihn nicht geschwind herholen?

Just
Nein.

Fräulein
Er erweiset mir damit einen Gefallen.--

Just
Ei!

Fräulein
Und Seinem Herrn einen Dienst.--

Just
Vielleicht auch nicht.--

Fräulein
Woher vermutet Er das?

Just
Sie sind doch die fremde Herrschaft, die ihn schon diesen Morgen
komplimentieren lassen?

Fräulein
Ja.

Just
So bin ich schon recht.

Fräulein
Weiß Sein Herr meinen Namen?

Just
Nein; aber er kann die allzu höflichen Damen ebensowenig leiden als
die allzu groben Wirte.

Wirt
Das soll wohl mit auf mich gehn?

Just
Ja.

Wirt
So laß Er es doch dem gnädigen Fräulein nicht entgelten, und hole Er
ihn geschwind her.

Fräulein
(leise zur Franziska). Franziska, gib ihm etwas--

Franziska
(die dem Just Geld in die Hand drücken will). Wir verlangen Seine
Dienste nicht umsonst.--

Just
Und ich Ihr Geld nicht ohne Dienste.

Franziska
Eines für das andere.

Just
Ich kann nicht. Mein Herr hat mir befohlen, auszuräumen. Das tu ich
jetzt, und daran bitte ich, mich nicht weiter zu verhindern. Wenn ich
fertig bin, so will ich es ihm ja wohl sagen, daß er herkommen kann.
Er ist nebenan auf dem Kaffeehause; und wenn er da nichts Bessers zu
tun findet, wird er auch wohl kommen. (Will fortgehen.)

Franziska
So warte Er doch.--Das gnädige Fräulein ist des Herrn Majors--
Schwester.--

Fräulein
Ja, ja, seine Schwester.

Just
Das weiß ich besser, daß der Major keine Schwestern hat. Er hat mich
in sechs Monaten zweimal an seine Familie nach Kurland geschickt.--
Zwar es gibt mancherlei Schwestern--

Franziska
Unverschämter!

Just
Muß man es nicht sein, wenn einen die Leute sollen gehn lassen? (Geht
ab.)

Franziska
Das ist ein Schlingel!

Wirt
Ich sagt' es ja. Aber lassen Sie ihn nur! Weiß ich doch nunmehr, wo
sein Herr ist. Ich will ihn gleich selbst holen.--Nur, gnädiges
Fräulein, bitte ich untertänigst, sodann ja mich bei dem Herrn Major
zu entschuldigen, daß ich so unglücklich gewesen, wider meinen Willen
einen Mann von seinen Verdiensten--

Fräulein
Gehen Sie nur geschwind, Herr Wirt. Das will ich alles wieder
gutmachen. (Der Wirt geht ab und hierauf) Franziska, lauf ihm nach:
er soll ihm meinen Namen nicht nennen! (Franziska, dem Wirte nach.)



7. Szene

(Das Fräulein und hierauf Franziska)


Fräulein
Ich habe ihn wieder!--Bin ich allein?--Ich will nicht umsonst allein
sein.(Sie faltet die Hände.) Auch bin ich nicht allein! (Und blickt
aufwärts.) Ein einziger dankbarer Gedanke gen Himmel ist das
willkommenste Gebet!--Ich hab ihn, ich hab ihn! (Mit ausgebreiteten
Armen.) Ich bin glücklich! und fröhlich! Was kann der Schöpfer
lieber sehen als ein fröhliches Geschöpf!--(Franziska kömmt.) Bist du
wieder da, Franziska?--Er jammert dich? Mich jammert er nicht.
Unglück ist auch gut. Vielleicht, daß ihm der Himmel alles nahm, um
ihm in mir alles wiederzugeben!

Franziska
Er kann den Augenblick hier sein.--Sie sind noch in Ihrem Neglige,
gnädiges Fräulein. Wie, wenn Sie sich geschwind ankleideten?

Fräulein
Geh! ich bitte dich. Er wird mich von nun an öftrer so als geputzt
sehen.

Franziska
Oh, Sie kennen sich, mein Fräulein.

Fräulein
(nach einem kurzen Nachdenken). Wahrhaftig, Mädchen, du hast es
wiederum getroffen.

Franziska
Wenn wir schön sind, sind wir ungeputzt am schönsten.

Fräulein
Müssen wir denn schön sein?--Aber daß wir uns schön glauben, war
vielleicht notwendig.--Nein, wenn ich ihm, ihm nur schön bin!--
Franziska, wenn alle Mädchens so sind, wie ich mich jetzt fühle, so
sind wir--sonderbare Dinger.--Zärtlich und stolz, tugendhaft und eitel,
wollüstig und fromm--Du wirst mich nicht verstehen. Ich verstehe
mich wohl selbst nicht.--Die Freude macht drehend, wirblicht.--

Franziska
Fassen Sie sich, mein Fräulein; ich höre kommen--

Fräulein
Mich fassen? Ich sollte ihn ruhig empfangen?



8. Szene

(v. Tellheim. Der Wirt. Die Vorigen.)


Tellheim
(tritt herein, und indem er sie erblickt, flieht er auf sie zu). Ah!
meine Minna!--

Fräulein
(ihm entgegenfliehend). Ah! mein Tellheim!--

Tellheim
(stutzt auf einmal und tritt wieder zurück). Verzeihen Sie, gnädiges
Fräulein--das Fräulein von Barnhelm hier zu finden--

Fräulein
Kann Ihnen doch so gar unerwartet nicht sein?--(Indem sie ihm näher
tritt und er mehr zurückweicht.) Verzeihen? Ich soll Ihnen verzeihen,
daß ich noch Ihre Minna bin? Verzeih' Ihnen der Himmel, daß ich noch
das Fräulein von Barnhelm bin!--

Tellheim
Gnädiges Fräulein--(Sieht starr auf den Wirt und zuckt die Schultern.)

Fräulein
(wird den Wirt gewahr und winkt der Franziska). Mein Herr--

Tellheim
Wenn wir uns beiderseits nicht irren--Franziska. Je, Herr Wirt, wen
bringen Sie uns denn da? Geschwind, kommen Sie, lassen Sie uns den
Rechten suchen.

Wirt
Ist es nicht der Rechte? Ei ja doch!

Franziska
Ei nicht doch! Geschwind, kommen Sie; ich habe Ihrer Jungfer Tochter
noch keinen guten Morgen gesagt.

Wirt
Oh! viel Ehre--(Doch ohne von der Stelle zu gehn.)

Franziska
(faßt ihn an). Kommen Sie, wir wollen den Küchenzettel machen.--
Lassen Sie sehen, was wir haben werden--

Wirt
Sie sollen haben, vors erste--

Franziska
Still, ja stille! Wenn das Fräulein jetzt schon weiß, was sie zu
Mittag speisen soll, so ist es um ihren Appetit geschehen. Kommen Sie,
das müssen Sie mir allein sagen. (Führet ihn mit Gewalt ab.)



9. Szene

(v. Tellheim. Das Fräulein)


Fräulein
Nun? irren wir uns noch?

Tellheim
Daß es der Himmel wollte!--Aber es gibt nur eine, und Sie sind es.--

Fräulein
Welche Umstände! Was wir uns zu sagen haben, kann jedermann hören.

Tellheim
Sie hier? Was suchen Sie hier, gnädiges Fräulein?

Fräulein
Nichts suche ich mehr. (Mit offnen Armen auf ihn zugehend.) Alles,
was ich suchte, habe ich gefunden.

Tellheim
(zurückweichend). Sie suchten einen glücklichen, einen Ihrer Liebe
würdigen Mann, und finden--einen Elenden.

Fräulein
So lieben Sie mich nicht mehr?--Und lieben eine andere?

Tellheim
Ah! der hat Sie nie geliebt, mein Fräulein, der eine andere nach
Ihnen lieben kann.

Fräulein
Sie reißen nur einen Stachel aus meiner Seele.--Wenn ich Ihr Herz
verloren habe, was liegt daran, ob mich Gleichgültigkeit oder
mächtigere Reize darum gebracht?--Sie lieben mich nicht mehr: und
lieben auch keine andere?--Unglücklicher Mann, wenn Sie gar nichts
lieben!--

Tellheim
Recht, gnädiges Fräulein; der Unglückliche muß gar nichts lieben. Er
verdient sein Unglück, wenn er diesen Sieg nicht über sich selbst zu
erhalten weiß; wenn er es sich gefallen lassen kann, daß die, welche
er liebt, an seinem Unglück Anteil nehmen dürfen.--Wie schwer ist
dieser Sieg!--Seitdem mir Vernunft und Notwendigkeit befehlen, Minna
von Barnhelm zu vergessen: was für Mühe habe ich angewandt! Eben
wollte ich anfangen zu hoffen, daß diese Mühe nicht ewig vergebens
sein würde:--und Sie erscheinen, mein Fräulein!--

Fräulein
Versteh ich Sie recht?--Halten Sie, mein Herr; lassen Sie sehen, wo
wir sind, ehe wir uns weiter verirren!--Wollen Sie mir die einzige
Frage beantworten?

Tellheim
Jede, mein Fräulein--

Fräulein
Wollen Sie mir auch ohne Wendung, ohne Winkelzug antworten? Mit
nichts als einem trockenen Ja oder Nein?

Tellheim
Ich will es--wenn ich kann.

Fräulein
Sie können es.--Gut: ohngeachtet der Mühe, die Sie angewendet, mich zu
vergessen--lieben Sie mich noch, Tellheim?

Tellheim
Mein Fräulein, diese Frage--

Fräulein
Sie haben versprochen, mit nichts als Ja oder Nein zu antworten.

Tellheim
Und hinzugesetzt: wenn ich kann.

Fräulein
Sie können; Sie müssen wissen, was in Ihrem Herzen vorgeht.--Lieben
Sie mich noch, Tellheim?--Ja oder Nein.

Tellheim
Wenn mein Herz--

Fräulein
Ja oder Nein!

Tellheim
Nun, Ja!

Fräulein
Ja?

Tellheim
Ja, ja!--Allein--

Fräulein
Geduld!--Sie lieben mich noch: genug für mich.--In was für einen Ton
bin ich mit Ihnen gefallen! ein widriger, melancholischer,
ansteckender Ton.--Ich nehme den meinigen wieder an.--Nun, mein lieber
Unglücklicher, Sie lieben mich noch und haben Ihre Minna noch und sind
unglücklich? Hören Sie doch, was Ihre Minna für ein eingebildetes,
albernes Ding war--ist. Sie ließ, sie laßt sich träumen, Ihr ganzes
Glück sei sie.--Geschwind, kramen Sie Ihr Unglück aus. Sie mag
versuchen, wieviel sie dessen aufwiegt.--Nun?

Tellheim
Mein Fräulein, ich bin nicht gewohnt zu klagen.

Fräulein
Sehr wohl. Ich wüßte auch nicht, was mir an einem Soldaten, nach dem
Prahlen, weniger gefiele als das Klagen. Aber es gibt eine gewisse
kalte, nachlässige Art, von seiner Tapferkeit und von seinem Unglücke
zu sprechen--

Tellheim
Die im Grunde doch auch geprahlt und geklagt ist.

Fräulein
Oh, mein Rechthaber, so hätten Sie sich auch gar nicht unglücklich
nennen sollen.--Ganz geschwiegen oder ganz mit der Sprache heraus.--
Eine Vernunft, eine Notwendigkeit, die Ihnen mich zu vergessen
befiehlt?--Ich bin eine große Liebhaberin von Vernunft, ich habe sehr
viel Ehrerbietung für die Notwendigkeit.--Aber lassen Sie doch hören,
wie vernünftig diese Vernunft, wie notwendig diese Notwendigkeit ist.

Tellheim
Wohl denn; so hören Sie, mein Fräulein.--Sie nennen mich Tellheim; der
Name trifft ein.--Aber Sie meinen, ich sei der Tellheim, den Sie in
Ihrem Vaterlande gekannt haben; der blühende Mann, voller Ansprüche,
voller Ruhmbegierde; der seines ganzen Körpers, seiner ganzen Seele
mächtig war, vor dem die Schranken der Ehre und des Glückes eröffnet
standen, der Ihres Herzens und Ihrer Hand, wenn er schon Ihrer noch
nicht würdig war, täglich würdiger zu werden hoffen durfte.--Dieser
Tellheim bin ich ebensowenig, als ich mein Vater bin. Beide sind
gewesen.--Ich bin Tellheim, der Verabschiedete, der an seiner Ehre
Gekränkte, der Krüppel, der Bettler.--Jenem, mein Fräulein,
versprachen Sie sich: wollen Sie diesem Wort halten?--

Fräulein
Das klingt sehr tragisch!--Doch, mein Herr, bis ich jenen wiederfinde--
in die Tellheims bin ich nun einmal vernarret--, dieser wird mir schon
aus der Not helfen müssen.--Deine Hand, lieber Bettler! (Indem sie
ihn bei der Hand ergreift.)

Tellheim
(der die andere Hand mit dem Hute vor das Gesicht schlägt und sich von
ihr abwendet). Das ist zu viel!--Wo bin ich?--Lassen Sie mich,
Fräulein! Ihre Güte foltert mich!--Lassen Sie mich.

Fräulein
Was ist Ihnen? Wo wollen Sie hin?

Tellheim
Von Ihnen!--

Fräulein
Von mir? (Indem sie seine Hand an ihre Brust zieht.) Träumer!

Tellheim
Die Verzweiflung wird mich tot zu Ihren Füßen werfen.

Fräulein
Von mir?

Tellheim
Von Ihnen.--Sie nie, nie wiederzusehen.--Oder doch so entschlossen, so
fest entschlossen--keine Niederträchtigkeit zu begehen--Sie keine
Unbesonnenheit begehen zu lasen.--Lassen Sie mich, Minna! (Reißt sich
los und ab.)

Fräulein
(ihm nach). Minna Sie lasen? Tellheim! Tellheim!




3. Akt



1. Szene

(Die Szene: Der Saal.) (Just, einen Brief in der Hand)


Just
Muß ich doch noch einmal in das verdammte Haus kommen!--Ein Briefchen
von meinem Herrn an das gnädige Fräulein, das seine Schwester sein
will.--Wenn sich nur da nichts anspinnt!--Sonst wird des Brieftragens
kein Ende werden.--Ich wär es gern los, aber ich möchte auch nicht
gern ins Zimmer hinein.--Das Frauenszeug fragt so viel, und ich
antworte so ungern!--Ha, die Türe geht auf. Wie gewünscht! das
Kammerkätzchen!



2. Szene

(Franziska. Just)


Franziska
(zur Türe herein, aus der sie kömmt). Sorgen Sie nicht; ich will
schon aufpassen.--Sieh! (indem sie Justen gewahr wird) da stieße mir
ja gleich was auf. Aber mit dem Vieh ist nichts anzufangen.

Just
Ihr Diener, Jungfer--

Franziska
Ich wollte so einen Diener nicht--

Just
Nu, nu, verzeih Sie mir die Redensart!--Da bring ich ein Briefchen von
meinem Herrn an Ihre Herrschaft, das gnädige Fräulein--Schwester.--
War's nicht so? Schwester.

Franziska
Geb Er her! (Reißt ihm den Brief aus der Hand.)

Just
Sie soll so gut sein, läßt mein Herr bitten, und es übergeben.
Hernach soll Sie so gut sein, läßt mein Herr bitten--daß Sie nicht
etwa denkt, ich bitte was!--

Franziska
Nun denn?

Just
Mein Herr versteht den Rummel. Er weiß, daß der Weg zu den Fräuleins
durch die Kammermädchen geht:--bild ich mir ein!--Die Jungfer soll
also so gut sein--läßt mein Herr bitten--und ihm sagen lassen, ob er
nicht das Vergnügen haben könnte, die Jungfer auf ein Viertelstündchen
zu sprechen.

Franziska
Mich?

Just
Verzeih Sie mir, wenn ich Ihr einen unrechten Titel gebe.--Ja, Sie!--
Nur auf ein Viertelstündchen; aber allein, ganz allein, insgeheim,
unter vier Augen. Er hätte Ihr was sehr Notwendiges zu sagen.

Franziska
Gut! ich habe ihm auch viel zu sagen.--Er kann nur kommen, ich werde
zu seinem Befehle sein.

Just
Aber, wenn kann er kommen? Wenn ist es Ihr am gelegensten, Jungfer?
So in der Dämmerung?--

Franziska
Wie meint Er das?--Sein Herr kann kommen, wenn er will--und damit
packe Er sich nur!

Just
Herzlich gern! (Will fortgehen.)

Franziska
Hör Er doch; noch auf ein Wort.--Wo sind denn die andern Bedienten des
Majors?

Just
Die andern? Dahin, dorthin, überallhin.

Franziska
Wo ist Wilhelm?

Just
Der Kammerdiener? den läßt der Major reisen.

Franziska
So? Und Philipp, wo ist der?

Just
Der Jäger? den hat der Herr aufzuheben gegeben.

Franziska
Weil er jetzt keine Jagd hat, ohne Zweifel.--Aber Martin?

Just
Der Kutscher? der ist weggeritten.

Franziska
Und Fritz?

Just
Der Läufer? der ist avanciert.

Franziska
Wo war Er denn, als der Major bei uns in Thüringen im Winterquartiere
stand? Er war wohl noch nicht bei ihm?

Just
O ja, ich war Reitknecht bei ihm, aber ich lag im Lazarett.

Franziska
Reitknecht? Und jetzt is Er?

Just
Alles in allem; Kammerdiener und Jäger, Läufer und Reitknecht.

Franziska
Das muß ich gestehen! So viele gute, tüchtige Leute von sich zu
lassen und gerade den Allerschlechtesten zu behalten! Ich möchte doch
wissen, was Sein Herr an Ihm fände!

Just
Vielleicht findet er, daß ich ein ehrlicher Kerl bin.

Franziska
Oh, man ist auch verzweifelt wenig, wenn man weiter nichts ist als
ehrlich.--Wilhelm war ein andrer Mensch--Reisen läßt ihn der Herr?

Just
Ja, er läßt ihn--da er's nicht hindern kann.

Franziska
Wie?

Just
Oh, Wilhelm wird sich alle Ehre auf seinen Reisen machen. Er hat des
Herrn ganze Garderobe mit.

Franziska
Was? Er ist doch nicht damit durchgegangen?

Just
Das kann man nun eben nicht sagen; sondern als wir von Nürnberg
weggingen, ist er uns nur nicht damit nachgekommen.

Franziska
Oh, der Spitzbube!

Just
Es war ein ganzer Mensch! Er konnte frisieren und rasieren und
parlieren--und scharmieren--Nicht wahr?

Franziska
Sonach hätte ich den Jäger nicht von mir getan, wenn ich wie der Major
gewesen wäre. Konnte er ihn schon nicht als Jäger nützen, so war es
doch sonst ein tüchtiger Bursche.--Wem hat er ihn denn aufzuheben
gegeben?

Just
Dem Kommandanten von Spandau.

Franziska
Der Festung? Die Jagd auf den Wällen kann doch da auch nicht groß
sein.

Just
Oh, Philipp jagt auch da nicht.

Franziska
Was tut er denn?

Just
Er karrt.

Franziska
Er karrt?

Just
Aber nur auf drei Jahr. Er machte ein kleines Komplott unter des
Herrn Kompanie und wollte sechs Mann durch die Vorposten bringen.--

Franziska
Ich erstaune, der Bösewicht!

Just
Oh, es ist ein tüchtiger Kerl! Ein Jäger, der funfzig Meilen in der
Runde durch Wälder und Moräste alle Fußsteige, alle Schleifwege kennt.
 Und schießen kann er!

Franziska
Gut, daß der Major nur noch den braven Kutscher hat!

Just
Hat er ihn noch?

Franziska
Ich denke, Er sagte, Martin wäre weggeritten? So wird er doch wohl
wiederkommen?

Just
Meint Sie?

Franziska
Wo ist er denn hingeritten?

Just
Es geht nun in die zehnte Woche, da ritt er mit des Herrn einzigem und
letztem Reitpferde--nach der Schwemme.

Franziska
Und ist noch nicht wieder da? Oh, der Galgenstrick!

Just
Die Schwemme kann den braven Kutscher auch wohl verschwemmt haben!--Es
war gar ein rechter Kutscher! Er hatte in Wien zehn Jahre gefahren.
So einen kriegt der Herr gar nicht wieder. Wenn die Pferde im vollen
Rennen waren, so durfte er nur machen: "Burr!" und auf einmal standen
sie wie die Mauern. Dabei war er ein ausgelernter Roßarzt!

Franziska
Nun ist mir für das Avancement des Läufers bange.

Just
Nein, nein, damit hat's seine Richtigkeit. Er ist Trommelschläger bei
einem Garnisonregimente geworden.

Franziska
Dacht ich's doch!

Just
Fritz hing sich an ein liederliches Mensch, kam des Nachts niemals
nach Hause, machte auf des Herrn Namen überall Schulden und tausend
infame Streiche. Kurz, der Major sahe, daß er mit aller Gewalt höher
wollte: (das Hängen pantomimisch anzeigend) er brachte ihn also auf
guten Weg.

Franziska
Oh, der Bube!

Just
Aber ein perfekter Läufer ist er, das ist gewiß. Wenn ihm der Herr
funfzig Schritte vorgab, so konnte er ihn mit seinem besten Renner
nicht einholen. Fritz hingegen kann dem Galgen tausend Schritte
vorgeben und, ich wette mein Leben, er holt ihn ein.--Es waren wohl
alles Ihre guten Freunde, Jungfer? Der Wilhelm und der Philipp, der
Martin und der Fritz?--Nun, Just empfiehlt sich! (Geht ab.)



3. Szene

(Franziska und hernach der Wirt.)


Franziska
(die ihm ernsthaft nachsieht). Ich verdiene den Biß!--Ich bedanke
mich, Just. Ich setzte die Ehrlichkeit zu tief herab. Ich will die
Lehre nicht vergessen.--Ah! der unglückliche Mann! (Kehrt sich um
und will nach dem Zimmer des Fräuleins gehen, indem der Wirt kömmt.)

Wirt
Warte Sie doch, mein schönes Kind.

Franziska
Ich habe jetzt nicht Zeit, Herr Wirt--

Wirt
Nun ein kleines Augenblickchen!--Noch keine Nachricht weiter von dem
Herrn Major? Das konnte doch unmöglich sein Abschied sein!--

Franziska
Was denn?

Wirt
Hat es Ihr das gnädige Fräulein nicht erzählt?--Als ich Sie, mein
schönes Kind, unten in der Küche verließ, so kam ich von ungefähr
wieder hier in den Saal--

Franziska
Von ungefähr, in der Absicht, ein wenig zu horchen.

Wirt
Ei, mein Kind, wie kann Sie das von mir denken? Einem Wirte läßt
nichts übler als Neugierde.--Ich war nicht lange hier, so prellte auf
einmal die Türe bei dem gnädigen Fräulein auf. Der Major stürzte
heraus, das Fräulein ihm nach, beide in einer Bewegung, mit Blicken,
in einer Stellung--so was läßt sich nur sehen. Sie ergriff ihn, er
riß sich los, sie ergriff ihn wieder. "Tellheim!"--Fräulein, lassen
Sie mich!"--"Wohin?"--So zog er sie bis an die Treppe. Mir war schon
bange, er würde sie mit herabreißen. Aber er wand sich noch los. Das
Fräulein blieb an der obersten Schwelle stehn, sah ihm nach, rief ihm
nach, rang die Hände. Auf einmal wandte sie sich um, lief nach dem
Fenster, von dem Fenster wieder zur Treppe, von der Treppe in dem
Saale hin und wider. Hier stand ich, hier ging sie dreimal bei mir
vorbei, ohne mich zu sehen. Endlich war es, als ob sie mich sähe,
aber, Gott sei bei uns! ich glaube, das Fräulein sahe mich für Sie an,
mein Kind. "Franziska", rief sie, die Augen auf mich gerichtet, "bin
ich nun glücklich?" Darauf sahe sie steif an die Decke und wiederum:
"Bin ich nun glücklich?" Darauf wischte sie sich Tränen aus dem Auge
und lächelte und fragte mich wiederum: "Franziska, bin ich nun
glücklich?"--Wahrhaftig, ich wußte nicht, wie mir war. Bis sie nach
ihrer Türe lief, da kehrte sie sich nochmals nach mir um: "So komm
doch, Franziska; wer jammert dich nun?"--Und damit hinein.

Franziska
Oh, Herr Wirt, das hat Ihnen geträumt.

Wirt
Geträumt? Nein, mein schönes Kind, so umständlich träumt man nicht.--
Ja, ich wollte wieviel drum geben--ich bin nicht neugierig--aber ich
wollte wieviel drum geben, wenn ich den Schlüssel dazu hätte.

Franziska
Den Schlüssel? zu unsrer Türe? Herr Wirt, der steckt innerhalb; wir
haben ihn zur Nacht hereingezogen; wir sind furchtsam.

Wirt
Nicht so einen Schlüssel; ich will sagen, mein schönes Kind, den
Schlüssel, die Auslegung gleichsam, so den eigentlichen Zusammenhang
von dem, was ich gesehen.--

Franziska
Ja so!--Nun, adieu, Herr Wirt. Werden wir bald essen, Herr Wirt?

Wirt
Mein schönes Kind, nicht zu vergessen, was ich eigentlich sagen wollte.


Franziska
Nun? aber nur kurz--

Wirt
Das gnädige Fräulein hat noch meinen Ring; ich nenne ihn meinen--

Franziska
Er soll Ihnen unverloren sein.

Wirt
Ich trage darum auch keine Sorge; ich will's nur erinnern, sieht Sie,
ich will ihn gar nicht einmal wiederhaben. Ich kann mir doch wohl an
den Fingern abzählen, woher sie den Ring kannte, und woher er dem
ihrigen so ähnlich sah. Er ist in ihren Händen am besten aufgehoben.
Ich mag ihn gar nicht mehr und will indes die hundert Pistolen, die
ich darauf gegeben habe, auf des gnädigen Fräuleins Rechnung setzen.
Nicht so recht, mein schönes Kind?



4. Szene

(Paul Werner. Der Wirt. Franziska.)


Werner
Da ist er ja!

Franziska
Hundert Pistolen? Ich meinte, nur achtzig.

Wirt
Es ist wahr, nur neunzig, nur neunzig. Das will ich tun, mein schönes
Kind, das will ich tun.

Franziska
Alles das wird sich finden, Herr Wirt.

Werner
(der ihnen hinterwärts näher kömmt und auf einmal der Franziska auf
die Schulter klopft). Frauenzimmerchen! Frauenzimmerchen!

Franziska
(erschrickt). He!

Werner
Erschrecke Sie nicht!--Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, ich sehe,
Sie ist hübsch und ist wohl gar fremd--Und hübsche fremde Leute müssen
gewarnet werden--Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, nehm Sie sich vor
dem Manne in acht! (Auf den Wirt zeigend.)

Wirt
Je, unvermutete Freude! Herr Paul Werner! Willkommen bei uns,
willkommen!--Ah, es ist doch immer noch der lustige, spaßhafte,
ehrliche Werner!--Sie soll sich vor mir in acht nehmen, mein schönes
Kind! Ha, ha, ha!

Werner
Geh Sie ihm überall aus dem Wege!

Wirt
Mir! mir!--Bin ich denn so gefährlich?--Ha, ha, ha! Hör' Sie doch,
mein schönes Kind! Wie gefällt Ihr der Spaß?

Werner
Daß es doch immer Seinesgleichen für Spaß erklären, wenn man ihnen die
Wahrheit sagt.

Wirt
Die Wahrheit! ha, ha, ha!--Nicht wahr, mein schönes Kind, immer
besser! Der Mann kann spaßen! Ich gefährlich?--ich?--So vor zwanzig
Jahren war was dran. Ja, ja, mein schönes Kind, da war ich gefährlich;
 da wußte manche davon zu sagen; aber jetzt--

Werner
Oh, über den alten Narrn!

Wirt
Da steckt's eben! Wenn wir alt werden, ist es mit unsrer
Gefährlichkeit aus. Es wird Ihm auch nicht besser gehen, Herr Werner!


Werner
Potz Geck und kein Ende!--Frauenzimmerchen, so viel Verstand wird Sie
mir wohl zutrauen, daß ich von der Gefährlichkeit nicht rede. Der
eine Teufel hat ihn verlassen, aber es sind dafür sieben andre in ihn
gefahren--

Wirt
Oh, hör Sie doch, hör Sie doch! Wie er das nun wieder so
herumzubringen weiß!--Spaß über Spaß und immer was Neues! Oh, es ist
ein vortrefflicher Mann, der Herr Paul Werner!--(Zur Franziska, als
ins Ohr.) Ein wohlhabender Mann und noch ledig. Er hat drei Meilen
von hier ein schönes Freischulzengerichte. Der hat Beute gemacht im
Kriege!--Und ist Wachtmeister bei unserm Herrn Major gewesen. Oh, das
ist ein Freund von unserm Herrn Major! das ist ein Freund! der sich
für ihn totschlagen ließe!--

Werner
Ja! und das ist ein Freund von meinem Major! das ist ein Freund!--
den der Major sollte totschlagen lassen.

Wirt
Wie? was?--Nein, Herr Werner, das ist nicht guter Spaß.--Ich kein
Freund vom Herrn Major?--Nein, den Spaß versteh ich nicht.

Werner
Just hat mir schöne Dinge erzählt.

Wirt
Just? Ich dacht's wohl, daß Just durch Sie spräche. Just ist ein
böser, garstiger Mensch. Aber hier ist ein schönes Kind zur Stelle;
das kann reden; das mag sagen, ob ich kein Freund von dem Herrn Major
bin? Ob ich ihm keine Dienste erwiesen habe? Und warum sollte ich
nicht sein Freund sein? Ist er nicht ein verdienter Mann? Es ist
wahr, er hat das Unglück gehabt, abgedankt zu werden: aber was tut
das? Der König kann nicht alle verdiente Männer kennen, und wenn er
sie auch alle kennte, so kann er sie nicht alle belohnen.

Werner
Das heißt Ihn Gott sprechen!--Aber Just--freilich ist an Justen auch
nicht viel Besonders, doch ein Lügner ist Just nicht; und wenn das
wahr wäre, was er mir gesagt hat--

Wirt
Ich will von Justen nichts hören! Wie gesagt: das schöne Kind hier
mag sprechen! (Zu ihr ins Ohr.) Sie weiß, mein Kind, den Ring!--
Erzähl' Sie es doch Herrn Wernern. Da wird er mich besser
kennenlernen. Und damit es nicht herauskömmt, als ob Sie mir nur zu
Gefallen rede, so will ich nicht einmal dabei sein. Ich will nicht
dabei sein; ich will gehn; aber Sie sollen mir es wiedersagen, Herr
Werner, Sie sollen mir es wiedersagen, ob Just nicht ein garstiger
Verleumder ist.



5. Szene

(Paul Werner. Franziska)


Werner
Frauenzimmerchen, kennt Sie denn meinen Major?

Franziska
Den Major von Tellheim? Jawohl kenn ich den braven Mann.

Werner
Ist es nicht ein braver Mann? Ist Sie dem Manne wohl gut?--

Franziska
Vom Grund meines Herzens.

Werner
Wahrhaftig? Sieht Sie, Frauenzimmerchen; nun kömmt Sie mir noch
einmal so schön vor.--Aber was sind denn das für Dienste, die der Wirt
unserm Major will erwiesen haben?

Franziska
Ich wüßte eben nicht; es wäre denn, daß er sich das Gute zuschreiben
wollte, welches glücklicherweise aus seinem schurkischen Betragen
entstanden.

Werner
So wäre es ja wahr, was mir Just gesagt hat?--(Gegen die Seite, wo der
Wirt abgegangen.) Dein Glück, daß du gegangen bist!--Er hat ihm
wirklich die Zimmer ausgeräumt?--So einem Manne so einen Streich zu
spielen, weil sich das Eselsgehirn einbildet, daß der Mann kein Geld
mehr habe! Der Major kein Geld?

Franziska
So? Hat der Major Geld?

Werner
Wie Heu! Er weiß nicht, wieviel er hat. Er weiß nicht, wer ihm alles
schuldig ist. Ich bin ihm selber schuldig und bringe ihm hier ein
altes Restchen. Sieht Sie, Frauenzimmerchen, hier in diesem
Beutelchen (das er aus der einen Tasche zieht) sind hundert Louisdor
und in diesem Röllchen (das er aus der andern zieht) hundert Dukaten.
Alles sein Geld!

Franziska
Wahrhaftig? Aber warum versetzt denn der Major? Er hat ja einen Ring
versetzt--

Werner
Versetzt! Glaub Sie doch so was nicht. Vielleicht, daß er den Bettel
hat gern wollen los sein.

Franziska
Es ist kein Bettel! Es ist ein sehr kostbarer Ring, den er wohl noch
dazu von lieben Händen hat.

Werner
Das wird's auch sein. Von lieben Händen; ja, ja! So was erinnert
einen manchmal, woran man nicht gern erinnert sein will. Drum schafft
man's aus den Augen.

Franziska
Wie?

Werner
Dem Soldaten geht's in Winterquartieren wunderlich. Da hat er nichts
zu tun und pflegt sich und macht vor langer Weile Bekanntschaften, die
er nur auf den Winter meinet und die das gute Herz, mit dem er sie
macht, für zeitlebens annimmt. Husch ist ihm denn ein Ringelchen an
den Finger praktiziert; er weiß selbst nicht, wie es dran kömmt. Und
nicht selten gäb' er gern den Finger mit drum, wenn er es nur wieder
loswerden könnte.

Franziska
Ei! und sollte es dem Major auch so gegangen sein?

Werner
Ganz gewiß. Besonders in Sachsen; wenn er zehn Finger an jeder Hand
gehabt hätte, er hätte sie alle zwanzig voller Ringe gekriegt.

Franziska
(beiseite). Das klingt ja ganz besonders und verdient untersucht zu
werden.--Herr Freischulze oder Herr Wachmeister--

Werner
Frauenzimmerchen, wenn's Ihr nichts verschlägt:--Herr Wachtmeister,
höre ich am liebsten.

Franziska
Nun, Herr Wachtmeister, hier habe ich ein Briefchen von dem Herrn
Major an meine Herrschaft. Ich will es nur geschwind hereintragen und
bin gleich wieder da. Will Er wohl so gut sein und so lange hier
warten? Ich möchte gar zu gern mehr mit Ihm plaudern.

Werner
Plaudert Sie gern, Frauenzimmerchen? Nun meinetwegen: geh Sie nur;
ich plaudre auch gern; ich will warten.

Franziska
Oh, warte Er doch ja! (Geht ab.)



6. Szene

(Paul Werner.)


Werner
Das ist kein unebenes Frauenzimmerchen!--Aber ich hätte ihr doch nicht
versprechen sollen zu warten.--Denn das Wichtigste wäre wohl, ich
suchte den Major auf.--Er will mein Geld nicht und versetzt lieber?--
Daran kenn ich ihn.--Es fällt mir ein Schneller ein.--Als ich vor
vierzehn Tagen in der Stadt war, besuchte ich die Rittmeisterin
Marloff. Das arme Weib lag krank und jammerte, daß ihr Mann dem Major
vierhundert Taler schuldig geblieben wäre, die sie nicht wüßte, wie
sie sie bezahlen sollte. Heute wollte ich sie wieder besuchen--ich
wollte ihr sagen, wenn ich das Geld für mein Gütchen ausgezahlt
kriegte, daß ich ihr fünfhundert Taler leihen könnte.--Denn ich muß ja
wohl was davon in Sicherheit bringen, wenn's in Persien nicht geht.--
Aber sie war über alle Berge. Und ganz gewiß wird sie dem Major nicht
haben bezahlen können.--Ja, so will ich's machen; und das je eher, je
lieber.--Das Frauenzimmerchen mag mir's nicht übelnehmen; ich kann
nicht warten. (Geht in Gedanken ab und stößt fast auf den Major, der
ihm entgegenkömmt.)



7. Szene

(v. Tellheim. Paul Werner)


Tellheim
So in Gedanken, Werner?

Werner
Da sind Sie ja! ich wollte eben gehen und Sie in Ihrem neuen
Quartiere besuchen, Herr Major.

Tellheim
Um mir auf den Wirt des alten die Ohren vollzufluchen. Gedenke mir
nicht daran.

Werner
Das hätte ich beiher getan; ja. Aber eigentlich wollte ich mich nur
bei Ihnen bedanken, daß Sie so gut gewesen und mir die hundert
Louisdor aufgehoben. Just hat mir sie wiedergegeben. Es wäre mir
wohl freilich lieb, wenn Sie mir sie noch länger aufheben könnten.
Aber Sie sind in ein neu Quartier gezogen, das weder Sie noch ich
kennen. Wer weiß, wie's da ist. Sie könnten Ihnen da gestohlen
werden, und Sie müßten mir sie ersetzen; da hülfe nichts davor. Also
kann ich's Ihnen freilich nicht zumuten.

Tellheim
(lächelnd). Seit wenn bist du so vorsichtig, Werner?

Werner
Es lernt sich wohl. Man kann heutezutage mit seinem Gelde nicht
vorsichtig genug sein.--Darnach hatte ich noch was an Sie zu bestellen,
 Herr Major; von der Rittmeisterin Marloff; ich kam eben von ihr her.
Ihr Mann ist Ihnen ja vierhundert Taler schuldig geblieben; hier
schickt sie Ihnen auf Abschlag hundert Dukaten. Das übrige will sie
künftige Woche schicken. Ich mochte wohl selber Ursache sein, daß sie
die Summe nicht ganz schickt. Denn sie war mir auch ein Taler achtzig
schuldig; und weil sie dachte, ich wäre gekommen, sie zu mahnen--wie's
denn auch wohl wahr war--, so gab sie mir sie und gab sie mir aus dem
Röllchen, das sie für Sie schon zurechtgelegt hatte.--Sie können auch
schon eher Ihre hundert Taler ein acht Tage noch missen als ich meine
paar Groschen.--Da nehmen Sie doch! (Reicht ihm die Rolle Dukaten.)

Tellheim
Werner!

Werner
Nun? Warum sehen Sie mich so starr an?--So nehmen Sie doch, Herr
Major!--

Tellheim
Werner!

Werner
Was fehlt Ihnen? Was ärgert Sie?

Tellheim
(bitter, indem er sich vor die Stirne schlägt und mit dem Fuße
auftritt). Daß es--die vierhundert Taler nicht ganz sind!

Werner
Nun, nun, Herr Major! Haben Sie mich denn nicht verstanden?

Tellheim
Eben weil ich dich verstanden habe!--Daß mich doch die besten Menschen
heut am meisten quälen müssen!

Werner
Was sagen Sie?

Tellheim
Es geht dich nur zur Hälfte an!--Geh, Werner! (Indem er die Hand, mit
der ihm Werner die Dukaten reichet, zurückstößt.)

Werner
Sobald ich das los bin!

Tellheim
Werner, wenn du nun von mir hörst, daß die Marloffin heute ganz früh
selbst bei mir gewesen ist?

Werner
So?

Tellheim
Daß sie mir nichts mehr schuldig ist?

Werner
Wahrhaftig?

Tellheim
Daß sie mich bei Heller und Pfennig bezahlt hat: was wirst du denn
sagen?

Werner
(der sich einen Augenblick besinnt). Ich werde sagen, daß ich gelogen
habe, und daß es eine hundsfött'sche Sache ums Lügen ist, weil man
drüber ertappt werden kann.

Tellheim
Und wirst dich schämen? Aber er, der mich so zu lügen zwingt, was
sollte der? Sollte der sich nicht auch schämen? Sehen Sie, Herr
Major, wenn ich sagte, daß mich Ihr Verfahren nicht verdrösse, so
hätte ich wieder gelogen, und ich will nicht mehr lügen.--

Tellheim
Sei nicht verdrießlich, Werner! Ich erkenne dein Herz und deine Liebe
zu mir. Aber ich brauche dein Geld nicht.

Werner
Sie brauchen es nicht? Und verkaufen lieber und versetzen lieber und
bringen sich lieber in der Leute Mäuler?

Tellheim
Die Leute mögen es immer wissen, daß ich nichts mehr habe. Man muß
nicht reicher scheinen wollen, als man ist.

Werner
Aber warum ärmer?--Wir haben, solange unser Freund hat.

Tellheim
Es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin.

Werner
Ziemt sich nicht?--Wenn an einem heißen Tage, den uns die Sonne und
der Feind heiß machte, sich Ihr Reitknecht mit den Kantinen verloren
hatte, und Sie zu mir kamen und sagten: "Werner, hast du nichts zu
trinken?" und ich Ihnen meine Feldflasche reichte, nicht wahr, Sie
nahmen und tranken?--Ziemte sich das?--Bei meiner armen Seele, wenn
ein Trunk faules Wasser damals nicht oft mehr wert war als alle der
Quark! (Indem er auch den Beutel mit den Louisdoren herauszieht und
ihm beides hinreicht.) Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie sich ein,
es ist Wasser. Auch das hat Gott für alle geschaffen.

Tellheim
Du marterst mich; du hörst es ja, ich will dein Schuldner nicht sein.

Werner
Erst ziemte es sich nicht; nun wollen Sie nicht? Ja, das ist was
anders. (Etwas ärgerlich.) Sie wollen mein Schuldner nicht sein?
Wenn Sie es denn aber schon wären, Herr Major? Oder sind Sie dem
Manne nichts schuldig, der einmal den Hieb auffing, der Ihnen den Kopf
spalten sollte, und ein andermal den Arm vom Rumpfe hieb, der eben
losdrücken und Ihnen die Kugel durch die Brust jagen wollte?--Was
können Sie diesem Manne mehr schuldig werden? Oder hat es mit meinem
Halse weniger zu sagen als mit meinem Beutel?--Wenn das vornehm
gedacht ist, bei meiner armen Seele, so ist es auch sehr abgeschmackt
gedacht!

Tellheim
Mit wem sprichst du so, Werner? Wir sind allein; jetzt darf ich es
sagen; wenn uns ein Dritter hörte, so wäre es Windbeutelei. Ich
bekenne es mit Vergnügen, daß ich dir zweimal mein Leben zu danken
habe. Aber, Freund, woran fehlte mir es, daß ich bei Gelegenheit
nicht ebensoviel für dich würde getan haben? He!

Werner
Nur an der Gelegenheit! Wer hat daran gezweifelt, Herr Major? Habe
ich Sie nicht hundertmal für den gemeinsten Soldaten, wenn er ins
Gedränge gekommen war, Ihr Leben wagen sehen?

Tellheim
Also!

Werner
Aber--

Tellheim
Warum verstehst du mich nicht recht? Ich sage: es ziemt sich nicht,
daß ich dein Schuldner bin; ich will dein Schuldner nicht sein.
Nämlich in den Umständen nicht, in welchen ich mich jetzt befinde.

Werner
So, so! Sie wollen es versparen bis auf bessre Zeiten; Sie wollen ein
andermal Geld von mir borgen, wenn Sie keines brauchen, wenn Sie
selbst welches haben und ich vielleicht keines.

Tellheim
Man muß nicht borgen, wenn man nicht widerzugeben weiß.

Werner
Einem Manne wie Sie kann es nicht immer fehlen.

Tellheim
Du kennst die Welt!--Am wenigsten muß man sodann von einem borgen, der
sein Geld selbst braucht.

Werner
O ja, so einer bin ich! Wozu braucht' ich's denn?--Wo man einen
Wachtmeister nötig hat, gibt man ihm auch zu leben.

Tellheim
Du brauchst es, mehr als Wachtmeister zu werden, dich auf einer Bahn
weiterzubringen, auf der ohne Geld auch der Würdigste zurückbleiben
kann.

Werner
Mehr als Wachtmeister zu werden? Daran denke ich nicht. Ich bin ein
guter Wachtmeister und dürfte leicht ein schlechter Rittmeister und
sicherlich noch ein schlechtrer General werden. Die Erfahrung hat man.


Tellheim
Mache nicht, daß ich etwas Unrechtes von dir denken muß, Werner! Ich
habe es nicht gern gehört, was mir Just gesagt hat. Du hast dein Gut
verkauft und willst wieder herumschwärmen. Laß mich nicht von dir
glauben, daß du nicht sowohl das Metier als die wilde, liederliche
Lebensart liebest, die unglücklicherweise damit verbunden ist. Man
muß Soldat sein für sein Land oder aus Liebe zu der Sache, für die
gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da dienen, heißt wie
ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts.

Werner
Nun ja doch, Herr Major, ich will Ihnen folgen. Sie wissen besser,
was sich gehört. Ich will bei Ihnen bleiben.--Aber, lieber Major,
nehmen Sie doch auch derweile mein Geld. Heut oder morgen muß Ihre
Sache aus sein. Sie müssen Geld die Menge bekommen. Sie sollen mir
es sodann mit Interessen wiedergeben. Ich tu es ja nur der Interessen
wegen.

Tellheim
Schweig davon!

Werner
Bei meiner armen Seele, ich tu es nur der Interessen wegen!--Wenn ich
manchmal dachte: Wie wird es mit dir aufs Alter werden? wenn du
zuschanden gehauen bist? wenn du nichts haben wirst? wenn du wirst
betteln gehen müssen? so dachte ich wieder: Nein, du wirst nicht
betteln gehn; du wirst zum Major Tellheim gehn; der wird seinen
letzten Pfennig mit dir teilen; der wird dich zu Tode füttern; bei dem
wirst du als ein ehrlicher Kerl sterben können.

Tellheim
(indem er Werners Hand ergreift). Und, Kamerad, das denkst du nicht
noch?

Werner
Nein, das denk ich nicht mehr.--Wer von mir nichts nehmen will, wenn
er's bedarf, und ich's habe, der will mir auch nichts geben, wenn er's
hat, und ich's bedarf.--Schon gut! (Will gehen.)

Tellheim
Mensch, mache mich nicht rasend! Wo willst du hin? (Hält ihn zurück.)
Wenn ich dich nun auf meine Ehre versichere, daß ich noch Geld habe;
wenn ich dir auf meine Ehre verspreche, daß ich dir es sagen will,
wenn ich keines mehr habe; daß du der erste und einzige sein sollst,
bei dem ich mir etwas borgen will:--bist du dann zufrieden?

Werner
Muß ich nicht?--Geben Sie mir die Hand darauf, Herr Major.

Tellheim
Da, Paul!--Und nun genug davon. Ich kam hieher, um ein gewisses
Mädchen zu sprechen--



8. Szene

(Franziska, aus dem Zimmer des Fräuleins. v. Tellheim. Paul Werner.)


Franziska
(im Hereintreten). Sind Sie noch da, Herr Wachtmeister?--(Indem sie
den Tellheim gewahr wird.) Und Sie sind auch da, Herr Major?--Den
Augenblick bin ich zu Ihren Diensten. (Geht geschwind wieder in das
Zimmer.)



9. Szene

(v. Tellheim. Paul Werner.)


Tellheim
Das war sie!--Aber ich höre ja, du kennst sie, Werner?

Werner
Ja, ich kenne das Frauenzimmerchen.--

Tellheim
Gleichwohl, wenn ich mich recht erinnere, als ich in Thüringen
Winterquartier hatte, warst du nicht bei mir?

Werner
Nein, da besorgte ich in Leipzig Mundierungsstücke.

Tellheim
Woher kennst du sie denn also?

Werner
Unsere Bekanntschaft ist noch blutjung. Sie ist von heute. Aber
junge Bekanntschaft ist warm.

Tellheim
Also hast du ihr Fräulein wohl auch schon gesehen?

Werner
Ist ihre Herrschaft ein Fräulein? Sie hat mir gesagt, Sie kennten
ihre Herrschaft.

Tellheim
Hörst du nicht? aus Thüringen her.

Werner
Ist das Fräulein jung?

Tellheim
Ja.

Werner
Schön?

Tellheim
Sehr schön.

Werner
Reich?

Tellheim
Sehr reich.

Werner
Ist Ihnen das Fräulein auch so gut wie das Mädchen? Das wäre ja
vortrefflich!

Tellheim
Wie meinst du?



10. Szene

(Franziska wieder heraus, mit einem Brief in der Hand. v Tellheim.
Paul Werner.)


Franziska
Herr Major--

Tellheim
Liebe Franziska, ich habe dich noch nicht willkommen heißen können.

Franziska
In Gedanken werden Sie es doch schon getan haben. Ich weiß, Sie sind
mir gut. Ich Ihnen auch. Aber das ist gar nicht artig, daß Sie Leute,
 die Ihnen gut sind, so ängstigen.

Werner
(vor sich). Ha, nun merk ich. Es ist richtig!

Tellheim
Mein Schicksal, Franziska!--Hast du ihr den Brief übergeben?

Franziska
Ja, und hier übergebe ich Ihnen--(Reicht ihm den Brief.)

Tellheim
Eine Antwort?--

Franziska
Nein, Ihren eignen Brief wieder.

Tellheim
Was? Sie will ihn nicht lesen?

Franziska
Sie wollte wohl, aber--wir können Geschriebenes nicht gut lesen.

Tellheim
Schäkerin!

Franziska
Und wir denken, daß das Briefschreiben für die nicht erfunden ist, die
sich mündlich miteinander unterhalten können, sobald sie wollen.

Tellheim
Welcher Vorwand! Sie muß ihn lesen. Er enthält meine Rechtfertigung--
alle die Gründe und Ursachen--

Franziska
Die will das Fräulein von Ihnen selbst hören, nicht lesen.

Tellheim
Von mir selbst hören? Damit mich jedes Wort, jede Miene von ihr
verwirre; damit ich in jedem ihrer Blicke die ganze Größe meines
Verlusts empfinde?--

Franziska
Ohne Barmherzigkeit!--Nehmen Sie! (Sie gibt ihm den Brief.) Sie
erwartet Sie um drei Uhr. Sie will ausfahren und die Stadt besehen.
Sie sollen mit ihr fahren?

Tellheim
Mit ihr fahren?

Franziska
Und was geben Sie mir, so laß ich Sie beide ganz allein fahren? Ich
will zu Hause bleiben.

Tellheim
Ganz allein?

Franziska
In einem schönen verschloßnen Wagen.

Tellheim
Unmöglich!

Franziska
Ja, ja; im Wagen muß der Herr Major Katz aushalten; da kann er uns
nicht entwischen. Darum geschieht es eben.--Kurz, Sie kommen, Herr
Major; und Punkte drei.--Nun? Sie wollten mich ja auch allein
sprechen. Was haben Sie mir denn zu sagen?--Ja so, wir sind nicht
allein. (Indem sie Wernern ansieht.)

Tellheim
Doch, Franziska, wir wären allein. Aber da das Fräulein den Brief
nicht gelesen hat, so habe ich dir noch nichts zu sagen.

Franziska
So? wären wir doch allein? Sie haben vor dem Herrn Wachtmeister
keine Geheimnisse?

Tellheim
Nein, keine.

Franziska
Gleichwohl, dünkt mich, sollten Sie welche vor ihm haben.

Tellheim
Wie das?

Werner
Warum das, Frauenzimmerchen?

Franziska
Besonders Geheimnisse von einer gewissen Art.--Alle zwanzig, Herr
Wachtmeister? (Indem sie beide Hände mit gespreizten Fingern in die
Höhe hält.)

Werner
St! st! Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen!

Tellheim
Was heißt das?

Franziska
Husch ist's am Finger, Herr Wachtmeister? (Als ob sie einen Ring
geschwind ansteckte.)

Tellheim
Was habt ihr?

Werner
Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, Sie wird ja wohl Spaß verstehn?

Tellheim
Werner, du hast doch nicht vergessen, was ich dir mehrmal gesagt habe,
daß man über einen gewissen Punkt mit dem Frauenzimmer nie scherzen
muß?

Werner
Bei meiner armen Seele, ich kann's vergessen haben!--Frauenzimmerchen,
ich bitte--

Franziska
Nun, wenn es Spaß gewesen ist; dasmal will ich es Ihm verzeihen.

Tellheim
Wenn ich denn durchaus kommen muß, Franziska: so mache doch nur, daß
das Fräulein den Brief vorher noch lieset. Das wird mir die Peinigung
ersparen, Dinge noch einmal zu denken, noch einmal zu sagen, die ich
so gern vergessen möchte. Da, gib ihr ihn! (Indem er den Brief
umkehrt und ihr ihn zureichen will, wird er gewahr, daß er erbrochen
ist.) Aber sehe ich recht? Der Brief, Franziska, ist ja erbrochen.

Franziska
Das kann wohl sein. (Besieht ihn.) Wahrhaftig, er ist erbrochen. Wer
muß ihn denn erbrochen haben? Doch gelesen haben wir ihn wirklich
nicht, Herr Major, wirklich nicht. Wir wollen ihn auch nicht lesen,
denn der Schreiber kömmt selbst. Kommen Sie ja; und wissen Sie was,
Herr Major? Kommen Sie nicht so, wie Sie da sind, in Stiefeln, kaum
frisiert. Sie sind zu entschuldigen, Sie haben uns nicht vermutet.
Kommen Sie in Schuhen, und lassen Sie sich frisieren.--So sehen Sie
mir gar zu brav, gar zu preußisch aus!

Tellheim
Ich danke dir, Franziska.

Franziska
Sie sehen aus, als ob Sie vorige Nacht kampiert hätten.

Tellheim
Du kannst es erraten haben.

Franziska
Wir wollen uns gleich auch putzen und sodann essen. Wir behielten Sie
gern zum Essen, aber Ihre Gegenwart möchte uns an dem Essen hindern;
und sehen Sie, so gar verliebt sind wir nicht, daß uns nicht hungerte.


Tellheim
Ich geh! Franziska, bereite sie indes ein wenig vor, damit ich weder
in ihren noch in meinen Augen verächtlich werden darf.--Komm, Werner,
du sollst mit mir essen.

Werner
An der Wirtstafel hier im Hause? Da wird mir kein Bissen schmecken.

Tellheim
Bei mir auf der Stube.

Werner
So folge ich Ihnen gleich. Nur noch ein Wort mit dem Frauenzimmerchen.


Tellheim
Das gefällt mir nicht übel! (Geht ab.)



11. Szene

(Paul Werner. Franziska.)


Franziska
Nun, Herr Wachtmeister?--

Werner
Frauenzimmerchen, wenn ich wiederkomme, soll ich auch geputzter
kommen?

Franziska
Komm Er, wie Er will, Herr Wachtmeister; meine Augen werden nichts
wider Ihn haben. Aber meine Ohren werden desto mehr auf ihrer Hut
gegen Ihn sein müssen.--Zwanzig Finger, alle voller Ringe! Ei, ei,
Herr Wachtmeister!

Werner
Nein, Frauenzimmerchen; eben das wollt' ich Ihr noch sagen: die
Schnurre fuhr mir mir so heraus! Es ist nichts dran. Man hat ja wohl
an einem Ringe genug. Und hundert--und aberhundertmal habe ich den
Major sagen hören: "Das muß ein Schurke von einem Soldaten sein, der
ein Mädchen anführen kann!"--So denk ich auch, Frauenzimmerchen.
Verlaß Sie sich darauf!--Ich muß machen, daß ich ihm nachkomme.--Guten
Appetit, Frauenzimmerchen! (Geht ab.)

Franziska
Gleichfalls, Herr Wachtmeister!--Ich glaube, der Mann gefällt mir!
(Indem sie hineingehen will, kömmt ihr das Fräulein entgegen.)



12. Szene

(Das Fräulein. Franziska.)


Fräulein
Ist der Major schon wieder fort?--Franziska, ich glaube, ich wäre
jetzt schon wieder ruhig genug, daß ich ihn hätte hierbehalten können.


Franziska
Und ich will Sie noch ruhiger machen.

Fräulein
Desto besser! Sein Brief, oh, sein Brief! Jede Zeile sprach den
ehrlichen, edlen Mann. Jede Weigerung, mich zu besitzen, beteuerte
mir seine Liebe.--Er wird es wohl gemerkt haben, daß wir den Brief
gelesen.--Mag er doch, wenn er nur kömmt. Er kömmt doch gewiß?--Bloß
ein wenig zu viel Stolz, Franziska, scheint mir in seiner Aufführung
zu sein. Denn auch seiner Geliebten sein Glück nicht wollen zu danken
haben, ist Stolz, unverzeihlicher Stolz! Wenn er mir diesen zu stark
merken läßt, Franziska--

Franziska
So wollen Sie seiner entsagen?

Fräulein
Ei, sieh doch! Jammert er dich nicht schon wieder? Nein, liebe
Närrin, eines Fehlers wegen entsagt man keinem Manne. Nein, aber ein
Streich ist mir beigefallen, ihn wegen dieses Stolzes mit ähnlichem
Stolze ein wenig zu martern.

Franziska
Nun, da müssen Sie ja recht sehr ruhig sein, mein Fräulein, wenn Ihnen
schon wieder Streiche beifallen.

Fräulein
Ich bin es auch; komm nur. Du wirst deine Rolle dabei zu spielen
haben. (Sie gehen herein.)




4. Akt



1. Szene

(Die Szene: Das Zimmer des Fräuleins.) (Das Fräulein völlig und reich,
aber mit Geschmack gekleidet. Franziska. Sie stehen vom Tische auf,
den ein Bedienter abräumt.)


Franziska
Sie können unmöglich satt sein, gnädiges Fräulein.

Fräulein
Meinst du, Franziska? Vielleicht, daß ich mich nicht hungrig
niedersetzte.

Franziska
Wir hatten ausgemacht, seiner während der Mahlzeit nicht zu erwähnen.
Aber wir hätten uns auch vornehmen sollen, an ihn nicht zu denken.

Fräulein
Wirklich, ich habe an nichts als an ihn gedacht.

Franziska
Das merkte ich wohl. Ich fing von hundert Dingen an zu sprechen, und
Sie antworteten mir auf jedes verkehrt. (Ein andrer Bedienter trägt
Kaffee auf.) Hier kömmt eine Nahrung, bei der man eher Grillen machen
kann. Der liebe melancholische Kaffee!

Fräulein
Grillen? Ich mache keine. Ich denke bloß der Lektion nach, die ich
ihm geben will. Hast du mich recht begriffen, Franziska?

Franziska
O ja; am besten aber wäre es, er ersparte sie uns.

Fraülein
Du wirst sehen, daß ich ihn von Grund aus kenne. Der Mann, der mich
jetzt mit allen Reichtümern verweigert, wird mich der ganzen Welt
streitig machen, sobald er hört, daß ich unglücklich und verlassen bin.


Franziska
(sehr ernsthaft). Und so was muß die feinste Eigenliebe unendlich
kitzeln.

Fräulein
Sittenrichterin! Seht doch! Vorhin ertappte sie mich auf Eitelkeit,
jetzt auf Eigenliebe.--Nun, laß mich nur, liebe Franziska. Du sollst
mit deinem Wachtmeister auch machen können, was du willst.

Franziska
Mit meinem Wachtmeister?

Fräulein
Ja, wenn du es vollends leugnest, so ist es richtig.--Ich habe ihn
noch nicht gesehen, aber aus jedem Worte, das du mir von ihm gesagt
hast, prophezeie ich dir deinen Mann.



2. Szene

(Riccaut de la Marliniere. Das Fräulein. Franziska.) Riccaut (noch
innerhalb der Szene). Est-il permis, Monsieur le Major?


Franziska
Was ist das? Will das zu uns? (Gegen die Türe gehend.)

Riccaut
Parbleu! Ik bin unriktig.--Mais non--Ik bin nit unriktig--C'est sa
chambre--

Franziska
Ganz gewiß, gnädiges Fräulein, glaubt dieser Herr, den Major von
Tellheim noch hier zu finden.

Riccaut
Iß so!--Le Major de Tellheim; juste, ma belle enfant, c'est lui que je
cherche. Ou est-il?

Franziska
Er wohnt nicht mehr hier.

Riccaut
Comment? nok vor vier un swansik Stund hier logier? Und logier nit
mehr hier? Wo logier er denn?

Fräulein
(die auf ihn zukömmt). Mein Herr-Riccaut. Ah, Madame--Mademoiselle--
Ihro Gnad verzeih--

Fräulein
Mein Herr, Ihre Irrung ist sehr zu vergeben und Ihre Verwunderung sehr
natürlich. Der Herr Major hat die Güte gehabt, mir als einer Fremden,
die nicht unterzukommen wußte, sein Zimmer zu überlassen.

Raccaut
Ah, voila de ses politesses! C'est un tres galant-homme que ce Major!


Fräulein
Wo er indes hingezogen--wahrhaftig, ich muß mich schämen, es nicht zu
wissen.

Riccaut
Ihro Gnad nit wiß? C'est dommage; j'en suis fache.

Fräulein
Ich hätte mich allerdings darnach erkundigen sollen. Freilich werden
ihn seine Freunde noch hier suchen.

Riccaut
Ik bin sehr von seine Freund, Ihro Gnad--

Fräulein
Franziska, wißt du es nicht?

Franziska
Nein, gnädiges Fräulein.

Riccaut
Ik hätt ihn zu sprek sehr notwendik. Ik komm ihm bringen eine
Nouvelle, davon er sehr frölik sein wird.

Fräulein
Ich bedauere um so viel mehr.--Doch hoffe ich, vielleicht bald ihn zu
sprechen. Ist es gleichviel, aus wessen Munde er diese gute Nachricht
erfährt, so erbiete ich mich, mein Herr--

Riccaut
Ik versteh.--Mademoiselle parle francais? Mais sans doute; telle que
je la vois!--La demande etait bien impolie; vous me pardonnerez,
Mademoiselle.--

Fräulein
Mein Herr--

Riccaut
Nit? Sie sprek nit Französisch, Ihro Gnad?

Fräulein
Mein Herr, in Frankreich würde ich es zu sprechen suchen. Aber warum
hier? Ich höre ja, daß Sie mich verstehen, mein Herr. Und ich, mein
Herr, werde Sie gewiß auch verstehen; sprechen Sie, wie es Ihnen
beliebt.

Riccaut
Gutt, gutt! Ik kann auk mik auf Deutsch explizier.--Sachez donc,
Mademoiselle--Ihro Gnad soll also wiß, daß ik komm von die Tafel bei
der Minister--Minister von--Minister von--wie heiß der Minister da
drauß?--in der lange Straß?--auf die breite Platz?--

Fräulein
Ich bin hier noch völlig unbekannt.

Riccaut
Nun, die Minister von der Kriegsdepartement.--Da haben ik zu Mittag
gespeisen--ik speisen a l'ordinaire bei ihm--und da iß man gekommen
reden auf der Major Tellheim; et le ministre m'a dit en confidence,
car Son Excellence est de mes amis, et il n'y a point de mysteres
entre nous--Se. Exzellenz, will ik sag, haben mir vertrau, daß die
Sak von unserm Major sei auf den Point zu enden und gutt zu enden. Er
habe gemakt ein Rapport an den Könik, und der Könik habe darauf
resolvier, tout-a-fait en faveur du Major.--Monsieur, m'a dit Son
Excellence, vous comprenez bien, que tout depend de la maniere, dont
on fait envisager les choses au roi, et vous me connaissez. Cela fait
un tres joli garcon que ce Tellheim, et ne sais-je pas que vous
l'aimez? Les amis de mes amis sont aussi les miens. Il coute un peu
cher au roi ce Tellheim, mais est-ce que l'on sert les rois pour rien?
 Il faut s'entr'aider en ce monde; et quand il s'agit de pertes, que
ce soit le roi, qui en fasse, et non pas un honnete-homme de nous
autres. Voila le principe, dont je ne me depars jamais.--Was sag Ihro
Gnad hierzu? Nit wahr, das iß ein brav Mann? Ah que Son Excellence a
le coer bien place! Er hat mir au reste versiker, wenn der Major nit
schon bekommen habe une Lettre de la main--eine Könikliken Handbrief,
daß er heut infailliblement müsse bekommen einen.

Fräulein
Gewiß, mein Herr, diese Nachricht wird dem Major von Tellheim höchst
angenehm sein. Ich wünschte nur, ihm den Freund zugleich mit Namen
nennen zu können, der so viel Anteil an seinem Glücke nimmt--

Riccaut
Mein Namen wünscht Ihro Gnad?--Vous voyez en moi--Ihro Gnad seh in mik
le Chevalier Riccaut de la Marliniere, Seigneur de Pret-au-val, de la
branche de Prensd'or.--Ihro Gnad? steh verwundert, mik aus so ein
groß, groß Familie zu hören, qui est veritablement du sang Royal.--Il
faut le dire; je suis sans doute le cadet le plus avantureux, que la
maison a jamais eu.--Ik dien von meiner elfte Jahr. Ein Affaire
d'honneur makte mik fliehen. Darauf haben ik gedienet Sr. Papstliken
Eilikheit, der Republik St. Marino, der Kron Polen und den Staaten-
General, bis ik endlik bin worden gezogen hierher. Ah, Mademoiselle,
que je voudrais n'avoir jamais vu ce pays-la! Hätte man mik gelaß im
Dienst von den Staaten-General, so müßt ik nun sein aufs wenikst
Oberst. Aber so hier immer und ewik Capitaine geblieben, und nun gar
sein ein abgedankte Capitaine--

Fräulein
Das ist viel Unglück.

Riccaut
Qui, Mademoiselle, me voila reforme, et par-la mis sur le pave!

Fräulein
Ich beklage sehr.

Riccaut
Vous etes bien bonne, Mademoiselle.--Nein, man kenn sik hier nit auf
den Verdienst. Einen Mann wie mik su reformir! Einen Mann, der sik
nok dasu in diesem Dienst hat rouinir!--Ik haben dabei sugesetzt mehr
als swansik tausend Livres. Was hab ik nun? Tranchons le mot; je
n'ai pas le sou, et me voila exactement vis-a-vis du rien.--

Fräulein
Es tut mir ungemein leid.

Riccaut
Vous etes bien bonne, Mademoiselle. Aber wie man pfleg su sagen: ein
jeder Unglück schlepp nak sik seine Bruder; qu'un malheur ne vient
jamais seul: so mit mir arrivir. Was ein Honnete-homme von mein
Extraction kann anders haben für Ressource als das Spiel? Nun hab ik
immer gespielen mit Glück, solang ik hatte nit vonnöten der Glück.
Nun ik ihr hätte vonnöten, Mademoiselle, je joue avec un guignon, qui
surpasse toute croyance. Seit funfsehn Tag iß vergangen keine, wo sie
mik nit hab gesprenkt. Nok gestern hab sie mik gesprenkt dreimal. Je
sais bien, qu'il y avait quelque chose de plus que le jeu. Car parmi
mes pontes se trouvaient certaines dames--Ik will niks weiter sag.
Man muß sein galant gegen die Damen. Sie haben auk mik heut invitir,
mir su geben revanche; mais--vous m'entendez, Mademoiselle.--Man muß
erst wiß, wovon leben, ehe man haben kann, wovon su spielen--

Fräulein
Ich will nicht hoffen, mein Herr--

Riccaut
Vous etes bien bonne, Mademoiselle--

Fräulein
(nimmt die Franziska beiseite). Franziska, der Mann dauert mich im
Ernste. Ob er mir es wohl übelnehmen würde, wenn ich ihm etwas
anböte?

Franziska
Der sieht mir nicht darnach aus.

Fräulein
Gut!--Mein Herr, ich höre--daß Sie spielen, daß Sie Bank machen; ohne
Zweifel an Orten, wo etwas zu gewinnen ist. Ich muß Ihnen bekennen,
daß ich--gleichfalls das Spiel sehr liebe--

Riccaut
Tant mieux, Mademoiselle, tant mieux! Tous les gens d'esprit aiment
le jeu a la fureur.

Fräulein
Daß ich sehr gern gewinne; sehr gern mein Geld mit einem Mann wage,
der--zu spielen weiß.--Wären Sie wohl geneigt, mein Herr, mich in
Gesellschaft zu nehmen? mir einen Anteil an Ihrer Bank zu gönnen?

Riccaut
Comment, Mademoiselle, vous voulez etre de moitie avec moi? De tout
mon coeur.

Fräulein
Vors erste nur mit einer Kleinigkeit--(Geht und langt Geld aus ihrer
Schatulle.)

Riccaut
Ah, Mademoiselle, que vous etes charmante!--

Fräulein
Hier habe ich, was ich ohnlängst gewonnen, nur zehn Pistolen--ich muß
mich zwar schämen, so wenig--

Riccaut
Donnez toujours, Mademoiselle, donnez. (Nimmt es.)

Fräulein
Ohne Zweifel, daß Ihre Bank, mein Herr, sehr ansehnlich ist--

Riccaut
Jawohl, sehr ansehnlik. Sehn Pistol? Ihr Gnad soll sein dafür
interessir bei meiner Bank auf ein Dreiteil, pour le tiers. Swar auf
ein Dreiteil sollen sein--etwas mehr. Dok mit einer schöne Damen muß
man es nehmen nit so genau. Ik gratulir mik, su kommen dadurk in
liaison mit Ihro Gnad, et de ce moment je recommence a bien augurer de
ma fortune.

Fräulein
Ich kann aber nicht dabei sein, wenn Sie spielen, mein Herr.

Riccaut
Was brauk Ihro Gnad dabei su sein? Wir andern Spieler sind ehrlike
Leut untereinander.

Fräulein
Wenn wir glücklich sind, mein Herr, so werden Sie mir meinen Anteil
schon bringen. Sind wir aber unglücklich--

Riccaut
So komm ik holen Rekruten. Nit wahr, Ihro Gnad?

Fräulein
Auf die Länge dürften die Rekruten fehlen. Verteidigen Sie unser Geld
daher ja wohl, mein Herr.

Riccaut
Wofür seh mik Ihro Gnad an? Für ein Einfalspinse? für ein dumme
Teuf?

Fräulein
Verzeihen Sie mir--

Riccaut
Je suis des bons, Mademoiselle. Savez-vous ce que cela veut dire? Ik
bin von die Ausgelernt--

Fräulein
Aber doch wohl, mein Herr--

Riccaut
Je sais monter un coup--

Fräulein
(verwundernd). Sollten Sie?

Riccaut
Je file la carte avec une adresse--

Fräulein
Nimmermehr!

Riccaut
Je fais sauter la coupe avec une dexterite--

Fräulein
Sie werden doch nicht, mein Herr?--

Riccaut
Was nit? Ihro Gnade, was nit? Donnez-moi un pigeonneau a plumer, et--

Fräulein
Falsch spielen? betrügen?

Riccaut
Comment, Mademoiselle? Vous appellez cela betrügen? Corriger la
fortune, l'enchainer sous ses doigts, etre sur de son fait, das nenn
die Deutsch betrügen? Betrügen! Oh, was ist die deutsch Sprak für
ein arm Sprak! für ein plump Sprak!

Fräulein
Nein, mein Herr, wenn Sie so denken--

Riccaut
Laissez-moi faire, Mademoiselle, und sein Sie ruhik! Was gehn Sie an,
wie ik spiel?--Gnug, morgen entweder sehn mik wieder Ihro Gnad mit
hundert Pistol, oder seh mik wieder gar nit--Votre tres-humble,
Mademoiselle, votre tres-humble--(Eilends ab.)

Fräulein
(die ihm mit Erstaunen und Verdruß nachsieht). Ich wünsche das letzte,
mein Herr, das letzte!



3. Szene

(Das Fräulein. Franziska)


Franziska
(erbittert). Kann ich noch reden? O schön! o schön!

Fräulein
Spotte nur; ich verdiene es. (Nach einem kleinen Nachdenken und
gelassener.) Spotte nicht, Franziska; ich verdiene es nicht.

Franziska
Vortrefflich! Da haben Sie etwas Allerliebstes getan, einen
Spitzbuben wieder auf die Beine geholfen.

Fräulein
Es war einem Unglücklichen zugedacht.

Franziska
Und was das beste dabei ist: der Kerl hält Sie für seinesgleichen.--Oh,
ich muß ihm nach und ihm das Geld wieder abnehmen. (Will fort.)

Fräulein
Franziska, laß den Kaffee nicht vollends kalt werden, schenk ein.

Franziska
Er muß es Ihnen wiedergeben; Sie haben spielen. Zehn Pistolen! Sie
hörten ja, Fräulein, daß es ein Bettler war! (Das Fräulein schenkt
indes selbst ein.) Wer wird einem Bettler so viel geben? Und ihm noch
dazu die Erniedrigung, es erbettelt zu haben, zu ersparen suchen? Den
Mildtätigen, der den Bettler aus Großmut verkennen will, verkennt der
Bettler wieder. Nun mögen Sie es haben, Fräulein, wenn er Ihre Gabe,
ich weiß nicht wofür, ansieht.--(Und reicht der Franziska eine Tasse.)
Wollen Sie mir das Blut noch mehr in Wallung bringen? Ich mag nicht
trinken. (Das Fräulein setzt sie wieder weg.) "Parbleu, Ihro Gnad,
man kenn sik hier nit auf den Verdienst." (In dem Tone des Franzosen.)
Freilich nicht, wenn man die Spitzbuben so ungehangen herumlaufen läßt.


Fräulein
(kalt und nachdenkend, indem sie trinkt). Mädchen, du verstehst dich
so trefflich auf die guten Menschen: aber, wenn willst du die
schlechten ertragen lernen?--Und sie sind doch auch Menschen.--Und
öfters bei weitem so schlechte Menschen nicht, als sie scheinen.--Man
muß ihre gute Seite nur aufsuchen.--Ich bilde mir ein, dieser Franzose
ist nichts als eitel. Aus bloßer Eitelkeit macht er sich zum falschen
Spieler; er will mir nicht verbunden scheinen, er will sich den Dank
ersparen. Vielleicht, daß er nun hingeht, seine kleine Schulden
bezahlt, von dem Reste, soweit er reicht, still und sparsam lebt und
an das Spiel nicht denkt. Wenn das ist, liebe Franziska, so laß ihn
Rekruten holen, wenn er will.--(Gibt ihr die Tasse.) Da, setz weg!--
Aber, sage mir, sollte Tellheim nicht schon da sein?

Franziska
Nein, gnädiges Fräulein, ich kann beides nicht, weder an einem
schlechten Menschen die gute, noch an einem guten Menschen die böse
Seite aufsuchen.

Fräulein
Er kömmt doch ganz gewiß?--

Franziska
Er sollte wegbleiben!--Sie bemerken an ihm, dem besten Manne, ein
wenig Stolz, und darum wollen Sie ihn so grausam necken?

Fräulein
Kömmst du da wieder hin?--Schweig, das will ich nun einmal so. Wo du
mir diese Lust verdirbst; wo du nicht alles sagst und tust, wie wir es
abgeredet haben!--Ich will dich schon allein mit ihm lassen, und dann--
Jetzt kömmt er wohl.



4. Szene

(Paul Werner (der in einer steifen Stellung, gleichsam im Dienste,
hereintritt). Das Fräulein. Franziska.)


Franziska
Nein, es ist nur sein lieber Wachtmeister.

Fräulein
Lieber Wachtmeister? Auf wen bezieht sich dieses Lieber?

Franziska
Gnädiges Fräulein, machen Sie mir den Mann nicht verwirrt.--Ihre
Dienerin, Herr Wachtmeister; was bringen Sie uns?

Werner
(geht, ohne auf die Franziska zu achten, an das Fräulein). Der Major
von Tellheim läßt an das gnädige Fräulein von Barnhelm durch mich, den
Wachtmeister Werner, seinen untertänigen Respekt vermelden und sagen,
daß er sogleich hier sein werde.

Fräulein
Wo bleibt er denn?

Werner
Ihro Gnaden werden verzeihen; wir sind noch vor dem Schlage drei aus
dem Quartier gegangen, aber da hat ihn der Kriegszahlmeister
unterwegens angeredt, und weil mit dergleichen Herren des Redens immer
kein Ende ist: so gab er mir einen Wink, dem gnädigen Fräulein den
Vorfall zu rapportieren.

Fräulein
Recht wohl, Herr Wachtmeister. Ich wünsche nur, daß der
Kriegszahlmeister dem Major etwas Angenehmes möge zu sagen haben.

Werner
Das haben dergleichen Herren den Offizieren selten.--Haben Ihro Gnaden
etwas zu befehlen? (Im Begriffe wieder zu gehen.)

Franziska
Nun, wo denn schon wieder hin, Herr Wachtmeister? Hätten wir denn
nichts miteinander zu plaudern?

Werner
(sachte zur Franziska und ernsthaft). Hier nicht, Frauenzimmerchen.
Es ist wider den Respekt, wider die Subordination.--Gnädiges Fräulein--

Fräulein
Ich danke für Seine Bemühung, Herr Wachtmeister.--Es ist mir lieb
gewesen, Ihn kennenzulernen. Franziska hat mir viel Gutes von Ihm
gesagt. (Werner macht eine steife Verbeugung und geht ab.)



5. Szene

(Das Fräulein. Franziska.)


Fräulein
Das ist dein Wachtmeister, Franziska?

Franziska
Wegen des spöttischen Tones habe ich nicht Zeit, dieses dein nochmals
aufzumutzen.--Ja, gnädiges Fräulein, das ist mein Wachtmeister. Sie
finden ihn ohne Zweifel ein wenig steif und hölzern. Jetzt kam er mir
fast auch so vor. Aber ich merke wohl, er glaubte, vor Ihro Gnaden
auf die Parade ziehen zu müssen. Und wenn die Soldaten paradieren--ja
freilich scheinen sie da mehr Drechslerpuppen als Männer. Sie sollten
ihn hingegen nur sehn und hören, wenn er sich selbst gelassen ist.

Fräulein
Das müßte ich denn wohl!

Franziska
Er wird noch auf dem Saale sein. Darf ich nicht gehn und ein wenig
mit ihm plaudern?

Fräulein
Ich versage dir ungern dieses Vergnügen. Du mußt hierbleiben,
Franziska. Du muß bei unserer Unterredung gegenwärtig sein!--Es fällt
mir noch etwas bei. (Sie zieht ihren Ring vom Finger.) Da, nimm
meinen Ring, verwahre ihn, und gib mir des Majors seinen dafür.

Franziska
Warum das?

Fräulein
(indem Franziska den andern Ring holt). Recht weiß ich es selbst
nicht, aber mich dünkt, ich sehe so etwas voraus, wo ich ihn brauchen
könnte.--Man pocht--Geschwind gib her! (Sie steckt ihn an.) Er ist's!




6. Szene

(v. Tellheim in dem nämlichen Kleide, aber sonst so, wie es Franziska
verlangt. Das Fräulein. Franziska.)


Tellheim
Gnädiges Fräulein, Sie werden mein Verweilen entschuldigen--

Fräulein
Oh, Herr Major, so gar militärisch wollen wir es miteinander nicht
nehmen. Sie sind ja da! Und ein Vergnügen erwarten, ist auch ein
Vergnügen.--Nun? (indem sie ihm lächelnd ins Gesicht sieht) lieber
Tellheim, waren wir nicht vorhin Kinder?

Tellheim
Jawohl, Kinder, gnädiges Fräulein; Kinder, die sich sperren, wo sie
gelassen folgen sollten.

Fräulein
Wir wollen ausfahren, lieber Major--die Stadt ein wenig zu besehen--,
und hernach meinem Oheim entgegen.

Tellheim
Wie?

Fräulein
Sehen Sie, auch das Wichtigste haben wir einander noch nicht sagen
können. Ja, er trifft noch heut hier ein. Ein Zufall ist schuld, daß
ich einen Tag früher ohne ihn angekommen bin.

Tellheim
Der Graf von Bruchsall? Ist er zurück?

Fräulein
Die Unruhen des Krieges verscheuchten ihn nach Italien; der Friede hat
ihn wieder zurückgebracht.--Machen Sie sich keine Gedanken, Tellheim.
Besorgten wir schon ehemals das stärkste Hindernis unsrer Verbindung
von seiner Seite--

Tellheim
Unserer Verbindung?

Fräulein
Er ist Ihr Freund. Er hat von zu vielen zu viel Gutes von Ihnen
gehört, um es nicht zu sein. Er brennet, den Mann von Antlitz zu
kennen, den seine einzige Erbin gewählt hat. Er kömmt als Oheim, als
Vormund, als Vater, mich Ihnen zu übergeben.

Tellheim
Ah, Fräulein, warum haben Sie meinen Brief nicht gelesen? Warum haben
Sie ihn nicht lesen wollen?

Fräulein
Ihren Brief? Ja, ich erinnere mich, Sie schickten mir einen. Wie war
es denn mit diesem Briefe, Franziska? Haben wir ihn gelesen, oder
haben wir ihn nicht gelesen? Was schrieben Sie mir denn, lieber
Tellheim?--

Tellheim
Nichts, als was mir die Ehre befiehlt.

Fräulein
Das ist, ein ehrliches Mädchen, die Sie liebt, nicht sitzen zu lassen.
 Freilich befiehlt das die Ehre. Gewiß, ich hätte den Brief lesen
sollen. Aber was ich nicht gelesen habe, das höre ich ja.

Tellheim
Ja, Sie sollen es hören--

Fräulein
Nein, ich brauch es auch nicht einmal zu hören. Es versteht sich von
selbst. Sie könnten eines so häßlichen Streiches fähig sein, daß Sie
mich nun nicht wollten? Wissen Sie, daß ich auf Zeit meines Lebens
beschimpft wäre? Meine Landsmänninnen würden mit Fingern auf mich
weisen.--"Das ist sie", würde es heißen, "das ist das Fräulein von
Barnhelm, die sich einbildete, weil sie reich sei, den wackern
Tellheim zu bekommen: als ob die wackern Männer für Geld zu haben
wären!" So würde es heißen: denn meine Landsmänninnen sind alle
neidisch auf mich. Daß ich reich bin, können sie nicht leugnen; aber
davon wollen sie nichts wissen, daß ich auch sonst noch ein ziemlich
gutes Mädchen bin, das seines Mannes wert ist. Nicht wahr, Tellheim?

Tellheim
Ja, ja, gnädiges Fräulein, daran erkenne ich Ihr Landsmanninnen. Sie
werden Ihnen einen abgedankten, an seiner Ehre gekränkten Offizier,
einen Krüppel, einen Bettler, trefflich beneiden.

Fräulein
Und das alles wären Sie? Ich hörte so was, wenn ich mich nicht irre,
schon heute vormittage. Da ist Böses und Gutes untereinander. Lassen
Sie uns doch jedes näher beleuchten.--Verabschiedet sind Sie? So höre
ich. Ich glaubte, Ihr Regiment sei bloß untergesteckt worden. Wie
ist es gekommen, daß man einen Mann von Ihren Verdiensten nicht
beibehalten?

Tellheim
Es ist gekommen, wie es kommen müssen. Die Großen haben sich
überzeugt, daß ein Soldat aus Neigung für sie ganz wenig, aus Pflicht
nicht viel mehr, aber alles seiner eignen Ehre wegen tut. Was können
sie ihm also schuldig zu sein glauben? Der Friede hat ihnen mehrere
meinesgleichen entbehrlich gemacht, und am Ende ist ihnen niemand
unentbehrlich.

Fräulein
Sie sprechen, wie ein Mann sprechen muß, dem die Großen hinwiederum
sehr entbehrlich sind. Und niemals waren sie es mehr als jetzt. Ich
sage den Großen meinen großen Dank, daß sie ihre Ansprüche auf einen
Mann haben fahren lassen, den ich doch nur sehr ungern mit ihnen
geteilet hätte.--Ich bin Ihre Gebieterin, Tellheim; Sie brauchen
weiter keinen Herrn.--Sie verabschiedet zu finden, das Glück hätte ich
mir kaum träumen lassen!--Doch Sie sind nicht bloß verabschiedet: Sie
sind noch mehr. Was sind Sie noch mehr? Ein Krüppel: sagten Sie?
Nun (indem sie ihn von oben bis unten betrachtet), der Krüppel ist
doch noch ziemlich ganz und gerade; scheinet doch noch ziemlich gesund
und stark.--Lieber Tellheim, wenn Sie auf den Verlust Ihrer gesunden
Gliedmaßen betteln zu gehen denken: so prophezeie ich Ihnen voraus,
daß Sie vor den wenigsten Türen etwas bekommen werden; ausgenommen vor
den Türen der gutherzigen Mädchen wie ich.

Tellheim
Jetzt höre ich nur das mutwillige Mädchen, liebe Minna.

Fräulein
Und ich höre in Ihrem Verweise nur das Liebe Minna--Ich will nicht
mehr mutwillig sein. Denn ich besinne mich, daß Sie allerdings ein
kleiner Krüppel sind. Ein Schuß hat Ihnen den rechten Arm ein wenig
gelähmt.--Doch alles wohl überlegt: so ist auch das so schlimm nicht.
Um soviel sichrer bin ich vor Ihren Schlägen.

Tellheim
Fräulein!

Fräulein
Sie wollen sagen: Aber Sie um soviel weniger vor meinen. Nun, nun,
lieber Tellheim, ich hoffe, Sie werden es nicht dazu kommen lassen.

Tellheim
Sie wollen lachen, mein Fräulein. Ich beklage nur, daß ich nicht
mitlachen kann.

Fräulein
Warum nicht? Was haben Sie denn gegen das Lachen? Kann man denn auch
nicht lachend sehr ernsthaft sein? Lieber Major, das Lachen erhält
uns vernünftiger als der Verdruß. Der Beweis liegt vor uns. Ihre
lachende Freundin beurteilet Ihre Umstände weit richtiger als Sie
selbst. Weil Sie verabschiedet sind, nennen Sie sich an Ihrer Ehre
gekränkt; weil Sie einen Schuß in dem Arme haben, machen Sie sich zu
einem Krüppel. Ist das so recht? Ist das keine Übertreibung? Und
ist es meine Einrichtung, daß alle Übertreibungen des Lächerlichen so
fähig sind? Ich wette, wenn ich Ihren Bettler nun vornehme, daß auch
dieser ebensowenig Stich halten wird. Sie werden einmal, zweimal,
dreimal Ihre Equipage verloren haben; bei dem oder jenem Bankier
werden einige Kapitale jetzt mitschwinden; Sie werden diesen und jenen
Vorschuß, den Sie im Dienste getan, keine Hoffnung haben
wiederzuerhalten: aber sind Sie darum ein Bettler? Wenn Ihnen auch
nichts übriggeblieben ist, als was mein Oheim für Sie mitbringt--

Tellheim
Ihr Oheim, gnädiges Fräulein, wird für mich nichts mitbringen.

Fräulein
Nichts als die zweitausend Pistolen, die Sie unsern Ständen so
großmütig vorschossen.

Tellheim
Hätten Sie doch nur meinen Brief gelesen, gnädiges Fräulein!

Fräulein
Nun ja, ich habe ihn gelesen. Aber was ich über diesen Punkt darin
gelesen, ist mir ein wahres Rätsel. Unmöglich kann man Ihnen aus
einer edlen Handlung ein Verbrechen machen wollen.--Erklären Sie mir
doch, lieber Major--

Tellheim
Sie erinnern sich, gnädiges Fräulein, daß ich Ordre hatte, in den
Ämtern Ihrer Gegend die Kontribution mit der äußersten Strenge bar
beizutreiben. Ich wollte mir diese Strenge ersparen und schoß die
fehlende Summe selbst vor.--

Fräulein
Jawohl erinnere ich mich.--Ich liebte Sie um dieser Tat willen, ohne
Sie noch gesehen zu haben.

Tellheim
Die Stände gaben mir ihren Wechsel, und diesen wollte ich bei
Zeichnung des Friedens unter die zu ratihabierende Schulden eintragen
lassen. Der Wechsel ward für gültig erkannt, aber mir ward das
Eigentum desselben streitig gemacht. Man zog spöttisch das Maul, als
ich versicherte, die Valute bar hergegeben zu haben. Man erklärte ihn
für eine Bestechung, für das Gratial der Stände, weil ich so bald mit
ihnen auf die niedrigste Summe einig geworden war, mit der ich mich
nur im äußersten Notfalle zu begnügen Vollmacht hatte. So kam der
Wechsel aus meinen Händen, und wenn er bezahlt wird, wird er
sicherlich nicht an mich bezahlt.--Hierdurch, mein Fräulein, halte ich
meine Ehre für gekränkt; nicht durch den Abschied, den ich gefordert
haben würde, wenn ich ihn nicht bekommen hätte.--Sie sind ernsthaft,
mein Fräulein? Warum lachen Sie nicht? Ha, ha, ha! Ich lache ja.

Fräulein
Oh, ersticken Sie dieses Lachen, Tellheim! Ich beschwöre Sie! Es ist
das schreckliche Lachen des Menschenhasses! Nein, Sie sind der Mann
nicht, den eine gute Tat reuen kann, weil sie üble Folgen für ihn hat.
 Nein, unmöglich können diese üble Folgen dauren! Die Wahrheit muß an
den Tag kommen. Das Zeugnis meines Oheims, aller unsrer Stände--

Tellheim
Ihres Oheims! Ihrer Stände! Ha, Ha, ha!

Fräulein
Ihr Lachen tötet mich, Tellheim! Wenn Sie an Tugend und Vorsicht
glauben, Tellheim, so lachen Sie so nicht! Ich habe nie
fürchterlicher fluchen hören, als Sie lachen.--Und lassen Sie uns das
Schlimmste setzen! Wenn man Sie hier durchaus verkennen will: so kann
man Sie bei uns nicht verkennen. Nein, wir können, wir werden Sie
nicht verkennen, Tellheim. Und wenn unsere Stände die geringste
Empfindung von Ehre haben, so weiß ich, was sie tun müssen. Doch ich
bin nicht klug: was wäre das nötig? Bilden Sie sich ein, Tellheim,
Sie hätten die zweitausend Pistolen an einem wilden Abende verloren.
Der König war eine unglückliche Karte für Sie: die Dame (auf sich
weisend) wird Ihnen desto günstiger sein.--Die Vorsicht, glauben Sie
mir, hält den ehrlichen Mann immer schadlos; und öfters schon im
voraus. Die Tat, die Sie einmal um zweitausend Pistolen bringen
sollte, erwarb mich Ihnen. Ohne diese Tat würde ich nie begierig
gewesen sein, Sie kennenzulernen. Sie wissen, ich kam uneingeladen in
die erste Gesellschaft, wo ich Sie zu finden glaubte. Ich kam bloß
Ihrentwegen. Ich kam in dem festen Vorsatze, Sie zu lieben--ich
liebte Sie schon!--in dem festen Vorsatze, Sie zu besitzen, wenn ich
Sie auch so schwarz und häßlich finden sollte als den Mohr von Venedig.
Sie sind so schwarz und häßlich nicht; auch so eifersüchtig werden
Sie nicht sein. Aber Tellheim, Tellheim, Sie haben doch noch viel
Ähnliches mit ihm! Oh, über die wilden, unbiegsamen Männer, die nur
immer ihr stieres Auge auf das Gespenst der Ehre heften! für alles
andere Gefühl sich verhärten!--Hierher Ihr Auge! auf mich, Tellheim!
(Der indes vertieft und unbeweglich mit starren Augen immer auf eine
Stelle gesehen.) Woran denken Sie? Sie hören mich nicht?

Tellheim
(zerstreut). O ja! Aber sagen Sie mir doch, mein Fräulein: wie kam
der Mohr in venetianische Dienste? Hatte der Mohr kein Vaterland?
Warum vermietete er seinen Arm und sein Blut einem fremden Staate?--

Fräulein
(erschrocken). Wo sind Sie, Tellheim?--Nun ist es Zeit, daß wir
abbrechen.--Kommen Sie! (Indem sie ihn bei der Hand ergreift.)--
Franziska, laß den Wagen vorfahren.

Tellheim
(der sich von dem Fräulein losreißt und der Franziska nachgeht). Nein,
Franziska, ich kann nicht die Ehre haben, das Fräulein zu begleiten.--
Mein Fräulein, lassen Sie mir noch heute meinen gesunden Verstand, und
beurlauben Sie mich. Sie sind auf dem besten Wege, mich darum zu
bringen. Ich stemme mich, soviel ich kann.--Aber weil ich noch bei
Verstande bin: so hören Sie, mein Fräulein, was ich fest beschlossen
habe, wovon mich nichts in der Welt abbringen soll.--Wenn nicht noch
ein glücklicher Wurf für mich im Spiele ist, wenn sich das Blatt nicht
völlig wendet, wenn--

Fräulein
Ich muß Ihnen ins Wort fallen, Herr Major.--Das hätten wir ihm gleich
sagen sollen, Franziska. Du erinnerst mich auch an gar nichts.--Unser
Gespräch würde ganz anders gefallen sein, Tellheim, wenn ich mit der
guten Nachricht angefangen hätte, die Ihnen der Chevalier de la
Marliniere nur eben zu bringen kam.

Tellheim
Der Chevalier de la Marliniere? Wer ist das?

Franziska
Es mag ein ganz guter Mann sein, Herr Major, bis auf--

Fräulein
Schweig, Franziska!--Gleichfalls ein verabschiedeter Offizier, der aus
holländischen Diensten--

Tellheim
Ha! der Leutnant Riccaut!

Fräulein
Er versicherte, daß er Ihr Freund sei.

Tellheim
Ich versichere, daß ich seiner nicht bin.

Fräulein
Und daß ihm, ich weiß nicht welcher Minister, vertrauet habe, Ihre
Sache sei dem glücklichsten Ausgange nahe. Es müsse ein königliches
Handschreiben an Sie unterwegens sein--

Tellheim
Wie kämen Riccaut und ein Minister zusammen?--Etwas zwar muß in meiner
Sache geschehen sein. Denn nur jetzt erklärte mir der Kriegszahlmeister,
daß der König alles niedergeschlagen habe, was wider mich urgieret
worden, und daß ich mein schriftlich gegebenes Ehrenwort, nicht eher
von hier zu gehen, als bis man mich völlig entladen habe, wieder zurück-
nehmen könne.--Das wird es aber auch alles sein. Man wird mich wollen
laufen lassen. Allein man irrt sich; ich werde nicht laufen. Eher soll
mich hier das äußerste Elend vor den Augen meiner Verleumder verzehren--

Fräulein
Hartnäckiger Mann!

Tellheim
Ich brauche keine Gnade, ich will Gerechtigkeit. Meine Ehre--

Fräulein
Die Ehre eines Mannes wie Sie--

Tellheim
(hitzig). Nein, mein Fräulein, Sie werden von allen Dingen recht gut
urteilen können, nur hierüber nicht. Die Ehre ist nicht die Stimme
unsers Gewissen, nicht das Zeugnis weniger Rechtschaffnen--

Fräulein
Nein, nein, ich weiß wohl.--Die Ehre ist--die Ehre.

Tellheim
Kurz, mein Fräulein--Sie haben mich nicht ausreden lassen.--Ich wollte
sagen: wenn man mir das Meinige so schimpflich vorenthält, wenn meiner
Ehre nicht die vollkommenste Genugtuung geschieht, so kann ich, mein
Fräulein, der Ihrige nicht sein. Denn ich bin es in den Augen der
Welt nicht wert zu sein. Das Fräulein von Barnhelm verdienet einen
unbescholtenen Mann. Es ist eine nichtswürdige Liebe, die kein
Bedenken trägt, ihren Gegenstand der Verachtung auszusetzen. Es ist
ein nichtswürdiger Mann, der sich nicht schämet, sein ganzes Glück
einem Frauenzimmer zu verdanken, dessen blinde Zärtlichkeit--

Fräulein
Und das ist Ihr Ernst, Herr Major?--(Indem sie ihm plötzlich den
Rücken wendet.) Franziska!

Tellheim
Werden Sie nicht ungehalten, mein Fräulein--

Fräulein
(beiseite zur Franziska). Jetzt wäre es Zeit! Was rätst du mir,
Franziska?--

Franziska
Ich rate nichts. Aber freilich macht er es Ihnen ein wenig zu bunt.--

Tellheim
(der sie zu unterbrechen kömmt). Sie sind ungehalten, mein Fräulein--

Fräulein
(höhnisch). Ich? im geringsten nicht.

Tellheim
Wenn ich Sie weniger liebte, mein Fräulein--

Fräulein
(noch in diesem Tone). O gewiß, es wäre mein Unglück!--Und sehen Sie,
Herr Major, ich will Ihr Unglück auch nicht.--Mann muß ganz
uneigennützig lieben.--Ebensogut, daß ich nicht offenherziger gewesen
bin! Vielleicht würde mir Ihr Mitleid gewähret haben, was mir Ihre
Liebe versagt.--(Indem sie den Ring langsam vom Finger zieht.)

Tellheim
Was meinen Sie damit, Fräulein?

Fräulein
Nein, keines muß das andere weder glücklicher noch unglücklicher
machen. So will es die wahre Liebe! Ich glaube Ihnen, Herr Major;
und Sie haben zuviel Ehre, als daß Sie die Liebe verkennen sollten.

Tellheim
Spotten Sie, mein Fräulein?

Fräulein
Hier! Nehmen Sie den Ring wieder zurück, mit dem Sie mir Ihre Treue
verpflichtet. (Überreicht ihm den Ring.) Es sei drum! Wir wollen
einander nicht gekannt haben!

Tellheim
Was höre ich?

Fräulein
Und das befremdet Sie?--Nehmen Sie, mein Herr.--Sie haben sich doch
wohl nicht bloß gezieret?

Tellheim
(indem er den Ring aus ihrer Hand nimmt). Gott! So kann Minna
sprechen!--

Fräulein
Sie können der Meinige in einem Falle nicht sein: ich kann die Ihrige
in keinem sein. Ihr Unglück ist wahrscheinlich; meines ist gewiß.--
Leben Sie wohl! (Will fort.)

Tellheim
Wohin, liebste Minna?

Fräulein
Mein Herr, Sie beschimpfen mich jetzt mit dieser vertraulichen
Benennung.

Tellheim
Was ist Ihnen, mein Fräulein? Wohin?

Fräulein
Lassen Sie mich.--Meine Tränen vor Ihnen zu verbergen, Verräter!
(Geht ab.)



7. Szene

(v. Tellheim. Franziska.)


Tellheim
Ihre Tränen? Und ich sollte sie lassen? (Will ihr nach.)

Franziska
(die ihn zurückhält). Nicht doch, Herr Major! Sie werden ihr ja
nicht in ihr Schlafzimmer folgen wollen?

Tellheim
Ihr Unglück? Sprach sie nicht von Unglück?

Franziska
Nun freilich, das Unglück, Sie zu verlieren, nachdem--

Tellheim
Nachdem? was nachdem? Hierhinter steckt mehr. Was ist es,
Franziska? Rede, sprich--

Franziska
Nachdem sie, wollte ich sagen--Ihnen so vieles aufgeopfert.

Tellheim
Mir aufgeopfert?

Franziska
Hören Sie nur kurz.--Es ist für Sie recht gut, Herr Major, daß Sie auf
diese Art von ihr losgekommen sind.--Warum soll ich es Ihnen nicht
sagen? Es kann doch länger kein Geheimnis bleiben.--Wir sind
entflohen!--Der Graf von Bruchsall hat das Fräulein enterbt, weil sie
keinen Mann von seiner Hand annehmen wollte. Alles verließ, alles
verachtete sie hierauf. Was sollten wir tun? Wir entschlossen uns,
denjenigen aufzusuchen, dem wir--

Tellheim
Ich habe genug!--Komm, ich muß mich zu ihren Füßen werfen.

Franziska
Was denken Sie? Gehen Sie vielmehr und danken Ihrem guten Geschicke--

Tellheim
Elende! für wen hältst du mich?--Nein, liebe Franziska, der Rat kam
nicht aus deinem Herzen. Vergib meinem Unwillen!

Franziska
Halten Sie mich nicht länger auf. Ich muß sehen, was sie macht. Wie
leicht könnte ihr etwas zugestoßen sein.--Gehen Sie! Kommen Sie
lieber wieder, wenn Sie wiederkommen wollen. (Geht dem Fräulein nach.)



8. Szene

(v. Tellheim)


Tellheim
Aber, Franziska!--Oh, ich erwarte euch hier!--Nein, das ist dringender!
--Wenn sie Ernst sieht, kann mir ihre Vergebung nicht entstehen.--Nun
brauch ich dich, ehrlicher Werner!--Nein, Minna, ich bin kein Verräter!
(Eilends ab.)




5. Akt



1. Szene

(Die Szene: Der Saal.) (v. Tellheim von der einen und Werner von der
andern Seite.)


Tellheim
Ha, Werner! ich suche dich überall. Wo steckst du?

Werner
Und ich habe Sie gesucht, Herr Major; so geht's mit dem Suchen.--Ich
bringe Ihnen gar eine gute Nachricht.

Tellheim
Ah, ich brauche jetzt nicht deine Nachrichten: ich brauche dein Geld.
Geschwind, Werner, gib mir, soviel du hast; und denn suche so viel
aufzubringen, als du kannst.

Werner
Herr Major?--Nun, bei meiner armen Seele, habe ich's doch gesagt: er
wird Geld von mir borgen, wenn er selber welches zu verleihen hat.

Tellheim
Du suchst doch nicht Ausflüchte?

Werner
Damit ich ihm nichts vorzuwerfen habe, so nimmt er mir's mit der
Rechten und gibt mir's mit der Linken wieder.

Tellheim
Halte mich nicht auf, Werner!--Ich habe den guten Willen, dir es
wiederzugeben, aber wenn und wie?--Das weiß Gott!

Werner
Sie wissen es also noch nicht, daß die Hofstaatskasse Ordre hat, Ihnen
Ihre Gelder zu bezahlen? Eben erfuhr ich es bei--

Tellheim
Was plauderst du? Was lässest du dir weismachen? Begreifst du denn
nicht, daß, wenn es wahr wäre, ich es doch wohl am ersten wissen
müßte?--Kurz, Werner, Geld! Geld!

Werner
Je nu, mit Freuden! hier ist was!--das sind die hundert Louisdor und
das die hundert Dukaten. / (gibt ihm beides.)

Tellheim
Die hundert Louisdor, Werner, geh und bringe Justen. Er soll sogleich
den Ring wieder einlösen, den er heute früh versetzt hat.--Aber wo
wirst du mehr hernehmen, Werner?--Ich brauche weit mehr.

Werner
Dafür lassen Sie mich sorgen.--Der Mann, der mein Gut gekauft hat,
wohnt in der Stadt. Der Zahlungstermin wäre zwar erst in vierzehn
Tagen, aber das Geld liegt parat, und ein halb Prozentchen Abzug--

Tellheim
Nun ja, lieber Werner!--Siehst du, daß ich meine einzige Zuflucht zu
dir nehme?--Ich muß dir auch alles vertrauen. Das Fräulein hier--du
hast sie gesehn--ist unglücklich--

Werner
O Jammer!

Tellheim
Aber morgen ist sie meine Frau--

Werner
O Freude!

Tellheim
Und übermorgen geh ich mit ihr fort. Ich darf fort, ich will fort.
Lieber hier alles im Stiche gelassen! Wer weiß, wo mir sonst ein
Glück aufgehoben ist. Wenn du willst, Werner, so komm mit. Wir
wollen wieder Dienste nehmen.

Werner
Wahrhaftig?--Aber doch wo's Krieg gibt, Herr Major?

Tellheim
Wo sonst?--Geh, lieber Werner, wir sprechen davon weiter.

Werner
O Herzensmajor!--Übermorgen? Warum nicht lieber morgen?--Ich will
schon alles zusammenbringen--In Persien, Herr Major, gibt's einen
trefflichen Krieg; was meinen Sie?

Tellheim
Wir wollen das überlegen; geh nur, Werner!--

Werner
Juchhe! es lebe der Prinz Heraklius! (Geht ab.)



2. Szene

(v. Tellheim)


Tellheim
Wie is mir?--Meine ganze Seele hat neue Triebfedern bekommen. Mein
eignes Unglück schlug mich nieder, machte mich ärgerlich, kurzsichtig,
schüchtern, lässig: ihr Unglück hebt mich empor, ich sehe wieder frei
um mich und fühle mich willig und stark, alles für sie zu unternehmen--
Was verweile ich? (Will nach dem Zimmer des Fräuleins, aus dem ihm
Franziska entgegenkömmt.)



3. Szene

(Franziska. v. Tellheim.)


Franziska
Sind Sie es doch?--Es war mir, als ob ich Ihre Stimme hörte.--Was
wollen Sie, Herr Major?

Tellheim
Was ich will?--Was macht dein Fräulein?--Komm!--

Franziska
Sie will den Augenblick ausfahren.

Tellheim
Und allein? ohne mich? wohin?

Franziska
Haben Sie vergessen, Herr Major?--

Tellheim
Bist du nicht klug, Franziska?--Ich habe sie gereizt, und sie ward
empfindlich: ich werde sie um Vergebung bitten, und sie wird mir
vergeben.

Franziska
Wie?--Nachdem Sie den Ring zurückgenommen, Herr Major?

Tellheim
Ha!--Das tat ich in der Betäubung.--Jetzt denk ich erst wieder an den
Ring.--Wo habe ich ihn hingesteckt?--(Er sucht ihn.) Hier ist er.

Franziska
Ist er das? (Indem er ihn wieder einsteckt, beiseite.) Wenn er ihn
doch genauer besehen wollte!

Tellheim
Sie drang mir ihn auf mit einer Bitterkeit--Ich habe diese Bitterkeit
schon vergessen. Ein volles Herz kann die Worte nicht wägen.--Aber
sie wird sich auch keinen Augenblick weigern, den Ring wieder
anzunehmen.--Und habe ich nicht noch ihren?

Franziska
Den erwartet sie dafür zurück.--Wo haben Sie ihn denn, Herr Major?
Zeigen Sie mir ihn doch.

Tellheim
(etwas verlegen). Ich habe--ihn anzustecken vergessen.--Just--Just
wird mir ihn gleich nachbringen.

Franziska
Es ist wohl einer ziemlich wie der andere; lassen Sie mich doch diesen
sehen; ich sehe so was gar zu gern.

Tellheim
Ein andermal, Franziska. Jetzt komm--Franziska (beiseite). Er will
sich durchaus nicht aus seinem Irrtume bringen lassen.

Tellheim
Was sagst du? Irrtume?

Franziska
Es ist ein Irrtum, sag ich, wenn Sie meinen, daß das Fräulein doch
noch eine gute Partie sei. Ihr eigenes Vermögen ist gar nicht
beträchtlich; durch ein wenig eigennützige Rechnungen können es ihr
die Vormünder völlig zu Wasser machen. Sie erwartete alles von dem
Oheim, aber dieser grausame Oheim--

Tellheim
Laß ihn doch!--Bin ich nicht Manns genug, ihr einmal alles zu
ersetzen?--

Franziska
Hören Sie? Sie klingelt; ich muß herein.

Tellheim
Ich gehe mit dir.

Franziska
Um des Himmels willen nicht! Sie hat mir ausdrücklich verboten, mit
Ihnen zu sprechen. Kommen Sie wenigstens mir erst nach.--(Geht herein.)



4. Szene

(v. Tellheim ihr nachrufend.) Melde mich ihr!--Sprich für mich,
Franziska!--Ich folge dir sogleich!--Was werde ich ihr sagen?--Wo das
Herz reden darf, braucht es keiner Vorbereitung.--Das einzige möchte
eine studierte Wendung bedürfen: ihre Zurückhaltung, ihre
Bedenklichkeit, sich als unglücklich in meine Arme zu werfen; ihre
Beflissenheit, mir ein Glück vorzuspiegeln, das sie durch mich
verloren hat. Dieses Mißtrauen in meine Ehre, in ihren eigenen Wert
vor ihr selbst zu entschuldigen, vor ihr selbst--Vor mir ist es schon
entschuldiget!--Ha! hier kömmt sie.--



5. Szene

(Das Fräulein. Franziska. v. Tellheim.)


Fräulein
(im Heraustreten, als ob sie den Major nicht gewahr würde). Der Wagen
ist doch vor der Türe, Franziska?--Meinen Fächer!

Tellheim
(auf sie zu). Wohin, mein Fräulein?

Fräulein
(mit einer affektierten Kälte). Aus, Herr Major.--Ich errate, warum
Sie sich nochmals herbemühet haben: mir auch meinen Ring wieder
zurückzugeben.--Wohl, Herr Major; haben Sie nur die Güte, ihn der
Franziska einzuhändigen.--Franziska, nimm dem Herrn Major den Ring ab!
--Ich habe keine Zeit zu verlieren. (Will fort.)

Tellheim
(der ihr vortritt). Mein Fräulein!--Ah, was habe ich erfahren, mein
Fräulein! Ich war so vieler Liebe nicht wert.

Fräulein
So, Franziska? Du hast dem Herrn Major--

Franziska
Alles entdeckt.

Tellheim.
Zürnen Sie nicht auf mich, mein Fräulein. Ich bin kein Verräter. Sie
haben um mich in den Augen der Welt viel verloren, aber nicht in den
meinen. In meinen Augen haben Sie unendlich durch diesen Verlust
gewonnen. Er war Ihnen noch zu neu; Sie fürchteten, er möchte einen
allzu nachteiligen Eindruck auf mich machen; Sie wollten mir ihn vors
erste verbergen. Ich beschwere mich nicht über dieses Mißtrauen. Es
entsprang aus dem Verlangen, mich zu erhalten. Dieses Verlangen ist
mein Stolz! Sie fanden mich selbst unglücklich; und Sie wollten
Unglück nicht mit Unglück häufen. Sie konnten nicht vermuten, wie
sehr mich Ihr Unglück über das meinige hinaussetzen würde.

Fräulein
Alles recht gut, Herr Major! Aber es ist nun einmal geschehen. Ich
habe Sie Ihrer Verbindlichkeit erlassen; Sie haben durch Zurücknehmung
des Ringes--

Tellheim
In nichts gewilliget!--Vielmehr halte ich mich jetzt für gebundener
als jemals.--Sie sind die Meinige, Minna, auf ewig die Meinige.
(Zieht den Ring heraus.) Hier, empfangen Sie es zum zweiten Male, das
Unterpfand meiner Treue--

Fräulein
Ich diesen Ring wiedernehmen? diesen Ring?

Tellheim
Ja, liebste Minna, ja!

Fräulein
Was muten Sie mir zu? diesen Ring?

Tellheim
Diesen Ring nahmen Sie das erstemal aus meiner Hand, als unser beider
Umstände einander gleich und glücklich waren. Sie sind nicht mehr
glücklich, aber wiederum einander gleich. Gleichheit ist immer das
festeste Band der Liebe.--Erlauben Sie, liebste Minna!--(Ergreift ihre
Hand, um ihr den Ring anzustecken.)

Fräulein
Wie? mit Gewalt, Herr Major?--Nein, da ist keine Gewalt in der Welt,
die mich zwingen soll, diesen Ring wieder anzunehmen!--Meinen Sie etwa,
 daß es mir an einem Ringe fehlt?--Oh, Sie sehen ja wohl (auf ihren
Ring zeigend), daß ich hier noch einen habe, der Ihrem nicht das
geringste nachgibt?--

Franziska
Wenn er es noch nicht merkt!--

Tellheim
(indem er die Hand des Fräuleins fahren läßt). Was ist das?--Ich sehe
das Fräulein von Barnhelm, aber ich höre es nicht.--Sie zieren sich,
mein Fräulein.--Vergeben Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbrauche.

Fräulein
(in ihrem wahren Tone). Hat Sie dieses Wort beleidiget, Herr, Major?

Tellheim
Es hat mir weh getan.

Fräulein
(gerührt). Das sollte es nicht, Tellheim.--Verzeihen Sie mir,
Tellheim.

Tellheim
Ha, dieser vertrauliche Ton sagt mir, daß Sie wieder zu sich kommen,
mein Fräulein, daß Sie mich noch lieben, Minna.--

Franziska
(herausplatzend). Bald wäre der Spaß auch zu weit gegangen.--

Fräulein
(gebieterisch). Ohne dich in unser Spiel zu mengen, Franziska, wenn
ich bitten darf!

Franziska
(beiseite und betroffen). Noch nicht genug?

Fräulein
Ja, mein Herr, es wäre weibliche Eitelkeit, mich kalt und höhnisch zu
stellen. Weg damit! Sie verdienen es, mich ebenso wahrhaft zu finden,
als Sie selbst sind.--Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich liebe Sie
noch, aber demohngeachtet--

Tellheim
Nicht weiter, liebste Minna, nicht weiter! (Ergreift ihre Hand
nochmals, ihr den Ring anzustecken.)

Fräulein
(die ihre Hand zurückzieht). Demohngeachtet--um so viel mehr werde
ich dieses nimmermehr geschehen lassen; nimmermehr!--Wo denken Sie hin,
Herr Major?--Ich meinte, Sie hätten an Ihrem eigenen Unglücke genug.--
Sie müssen hierbleiben; Sie müssen sich die allervollständigste
Genugtuung--ertrotzen. Ich weiß in der Geschwindigkeit kein ander
Wort.--Ertrotzen--und sollte Sie auch das äußerste Elend, vor den
Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren!

Tellheim
So dacht' ich, so sprach ich, als ich nicht wußte, was ich dachte und
sprach. Ärgernis und verbissene Wut hatten meine ganze Seele umnebelt;
die Liebe selbst in dem vollesten Glanze des Glückes konnte sich
darin nicht Tag schaffen. Aber sie sendet ihre Tochter, das Mitleid,
die, mit dem finstern Schmerze vertrauter, die Nebel zerstreuet und
alle Zugänge meiner Seele den Eindrücken der Zärtlichkeit wiederum
öffnet. Der Trieb der Selbsterhaltung erwacht, da ich etwas
Kostbarers zu erhalten habe als mich und es durch mich zu erhalten
habe. Lassen Sie mich, mein Fräulein, das Wort Mitleid nicht
beleidigen. Von der unschuldigen Ursache unsers Unglücks können wir
es ohne Erniedrigung hören. Ich bin diese Ursache; durch mich, Minna,
verlieren Sie Freunde und Anverwandte, Vermögen und Vaterland. Durch
mich, in mir müssen Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das
Verderben der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf meiner Seele.
Lassen Sie mich keine Zukunft denken, wo ich mich selbst hassen müßte.
--Nein, nichts soll mich hier länger halten. Von diesem Augenblicke an
will ich dem Unrechte, das mir hier widerfährt, nichts als Verachtung
entgegensetzen. Ist dieses Land die Welt? Geht hier allein die Sonne
auf? Wo darf ich nicht hinkommen? Welche Dienste wird man mir
verweigern? Und müßte ich sie unter dem entferntesten Himmel suchen:
folgen Sie mir nur getrost, liebste Minna; es soll uns an nichts
fehlen.--Ich habe einen Freund, der mich gern unterstützet.



6. Szene

(Ein Feldjäger. v. Tellheim. Das Fräulein. Franziska.)


Franziska
(indem sie den Feldjäger gewahr wird). St! Herr Major--

Tellheim
(gegen den Feldjäger). Zu wem wollen Sie?

Feldjäger
Ich suche den Herrn Major von Tellheim.--Ah, Sie sind es ja selbst.
Mein Herr Major, dieses königliche Handschreiben (das er aus seiner
Brieftasche nimmt) habe ich an Sie zu übergeben.

Tellheim
An mich?

Feldjäger
Zufolge der Aufschrift--

Fräulein
Franziska, hörst du?--Der Chevalier hat doch wahr geredet!

Feldjäger
(indem Tellheim den Brief nimmt). Ich bitte um Verzeihung, Herr Major;
Sie hätten es bereits gestern erhalten sollen, aber es ist mir nicht
möglich gewesen, Sie auszufragen. Erst heute auf der Parade habe ich
Ihre Wohnung von dem Leutnant Riccaut erfahren.

Franziska
Gnädiges Fräulein, hören Sie?--Das ist des Chevaliers Minister.--"Wie
heißen der Minister da drauß auf die breite Platz?"--

Tellheim
Ich bin Ihnen für Ihre Mühe sehr verbunden.

Feldjäger
Es ist meine Schuldigkeit, Herr Major. (Geht ab.)



7. Szene

(v. Tellheim. Das Fräulein. Franziska.)


Tellheim
Ah, mein Fräulein, was habe ich hier? Was enthält dieses Schreiben?

Fräulein.
Ich bin nicht befugt, meine Neugierde so weit zu erstrecken.

Tellheim
Wie? Sie trennen mein Schicksal noch von dem Ihrigen?--Aber warum
steh ich an, es zu erbrechen?--Es kann mich nicht unglücklicher machen,
als ich bin; nein, liebste Minna, es kann uns nicht unglücklicher
machen--wohl aber glücklicher!--Erlauben Sie, mein Fräulein!
(Erbricht und lieset den Brief, indes daß der Wirt an die Szene
geschlichen kömmt.)



8. Szene

(Der Wirt. Die Vorigen.)


Wirt
(gegen die Franziska). Bst! mein schönes Kind! auf ein Wort!

Franziska
(die sich ihm nähert). Herr Wirt?--Gewiß, wir wissen selbst noch
nicht, was in dem Briefe steht.

Wirt
Wer will vom Briefe wissen?--Ich komme des Ringes wegen. Das gnädige
Fräulein muß mir ihn gleich wiedergeben. Just ist da, er soll ihn
wieder einlösen.

Fräulein
(das sich indes gleichfalls dem Wirte genähert). Sagen Sie Justen nur,
daß er schon eingelöset sei; und sagen Sie ihm nur, von wem; von mir.


Wirt
Aber--

Fräulein
Ich nehme alles auf mich; gehen Sie doch! (Der Wirt geht ab.)



9. Szene

(v. Tellheim. Das Fräulein. Franziska.)


Franziska
Und nun, gnädiges Fräulein, lassen Sie es mit dem armen Major gut sein.


Fräulein
Oh, über die Vorbitterin! Als ob der Knoten sich nicht von selbst
bald lösen müßte.

Tellheim
(nachdem er gelesen, mit der lebhaftesten Rührung). Ha! er hat sich
auch hier nicht verleugnet!--Oh, mein Fräulein, welche Gerechtigkeit!--
welche Gnade!--Das ist mehr, als ich erwartet!--Mehr, als ich verdiene!
--Mein Glück, meine Ehre, alles ist wiederhergestellt!--Ich träume
doch nicht? (Indem er wieder in den Brief sieht, als um sich nochmals
zu überzeugen.) Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche!--Lesen Sie selbst,
 mein Fräulein, lesen Sie selbst!

Fräulein
Ich bin nicht so unbescheiden, Herr Major.

Tellheim
Unbescheiden? Der Brief ist an mich, an Ihren Tellheim, Minna. Er
enthält--was Ihnen Ihr Oheim nicht nehmen kann. Sie müssen ihn lesen;
lesen Sie doch!

Fräulein
Wenn Ihnen ein Gefalle damit geschieht, Herr Major--(Sie nimmt den
Brief und lieset.) ("Mein lieber Major von Tellheim!) Ich tue Euch zu
wissen, daß der Handel, der mich um Eure Ehre besorgt machte, sich zu
Eurem Vorteil aufgekläret hat. Mein Bruder war des nähern davon
unterrichtet, und sein Zeugnis hat Euch für mehr als unschuldig
erkläret. Die Hofstaatskasse hat Ordre, Euch den bewußten Wechsel
wieder auszuliefern und die getanen Vorschüsse zu bezahlen; auch habe
ich befohlen, daß alles, was die Feldkriegskassen wider Eure
Rechnungen urgieren, niedergeschlagen werde. Meldet mir, ob Euch Eure
Gesundheit erlaubet, wieder Dienste zu nehmen. Ich möchte nicht gern
einen Mann von Eurer Bravour und Denkungsart entbehren. Ich bin Euer
wohlaffektionierter König" etc.

Tellheim
Nun, was sagen Sie hierzu, mein Fräulein?

Fräulein
(indem sie den Brief wieder zusammenschlägt und zurückgibt). Ich?
Nichts.

Tellheim
Nichts?

Fräulein
Doch ja: daß Ihr König, der ein großer Mann ist, auch wohl ein guter
Mann sein mag.--Aber was geht mich das an? Er ist nicht mein König.

Tellheim
Und sonst sagen Sie nichts? Nichts in Rücksicht auf uns selbst?

Fräulein
Sie treten wieder in seine Dienste; der Herr Major wird Oberstleutnant,
Oberster vielleicht. Ich gratuliere von Herzen.

Tellheim
Und Sie kennen mich nicht besser?--Nein, da mir das Glück so viel
zurückgibt, als genug ist, die Wünsche eines vernünftigen Mannes zu
befriedigen, soll es einzig von meiner Minna abhangen, ob ich sonst
noch jemanden wieder zugehören soll als ihr. Ihrem Dienste allein sei
mein ganzes Leben gewidmet! Die Dienste der Großen sind gefährlich
und lohnen der Mühe, des Zwanges, der Erniedrigung nicht, die sie
kosten. Minna ist keine von den Eiteln, die in ihren Männern nichts
als den Titel und die Ehrenstelle lieben. Sie wird mich um mich
selbst lieben; und ich werde um sie die ganze Welt vergessen. Ich
ward Soldat aus Parteilichkeit, ich weiß selbst nicht für welche
politische Grundsätze, und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen
Mann gut sei, sich in diesem Stande eine Zeitlang zu versuchen, um
sich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu machen und Kälte und
Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Not hätte mich zwingen
können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen
Beschäftigung ein Handwerk zu machen. Aber nun, da mich nichts mehr
zwingt, nun ist mein ganzer Ehrgeiz wiederum einzig und allein, ein
ruhiger und zufriedener Mensch zu sein. Der werde ich mit Ihnen,
liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Ihrer Gesellschaft
unveränderlich bleiben.--Morgen verbinde uns das heiligste Band; und
sodann wollen wir um uns sehen und wollen in der ganzen weiten
bewohnten Welt den stillsten, heitersten, lachendsten Winkel suchen,
dem zum Paradiese nichts fehlt als ein glückliches Paar. Da wollen
wir wohnen; da soll jeder unserer Tage--Was ist Ihnen, mein Fräulein?
(Die sich unruhig hin und her wendet und ihre Rührung zu verbergen
sucht.)

Fräulein
(sich fassend). Sie sind sehr grausam, Tellheim, mir ein Glück so
reizend darzustellen, dem ich entsagen muß. Mein Verlust--

Tellheim
Ihr Verlust?--Was nennen Sie Ihren Verlust? Alles, was Minna
verlieren konnte, ist nicht Minna. Sie sind noch das süßeste,
lieblichste, holdseligste, beste Geschöpf unter der Sonne, ganz Güte
und Großmut, ganz Unschuld und Freude!--Dann und wann ein kleiner
Mutwille; hier und da ein wenig Eigensinn--Desto besser! desto besser!
Minna wäre sonst ein Engel, den ich mit Schaudern verehren müßte,
den ich nicht lieben könnte. (Ergreift ihre Hand, sie zu küssen.)

Fräulein
(die ihre Hand zurückzieht). Nicht so, mein Herr!--(Wie auf einmal so
verändert?--Ist dieser schmeichelnde, stürmische Liebhaber der kalte
Tellheim?--Konnte nur sein wiederkehrendes Glück ihn in dieses Feuer
setzen?--Er erlaube mir, daß ich bei seiner fliegenden Hitze für uns
beide Überlegung behalte.--Als er selbst überlegen konnte, hörte ich
ihn sagen, es sei eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken trage,
ihren Gegenstand der Verachtung auszusetzen.--Recht, aber ich bestrebe
mich einer ebenso reinen und edeln Liebe als er.--Jetzt, da ihn die
Ehre ruft, da sich ein großer Monarch um ihn bewirbt, sollte ich
zugeben, daß er sich verliebten Träumereien mit mir überließe? daß
der ruhmvolle Krieger in einen tändelnden Schäfer ausarte?--Nein, Herr
Major, folgen Sie dem Wink Ihres bessern Schicksals--)

Tellheim
Nun wohl! Wenn Ihnen die große Welt reizender ist, Minna--wohl! so
behalte uns die große Welt!--Wie klein, wie armselig ist diese große
Welt!--Sie kennen sie nur erst von ihrer Flitterseite. Aber gewiß,
Minna, Sie werden--Es sei! Bis dahin, wohl! Es soll Ihren
Vollkommenheiten nicht an Bewundrern fehlen, und meinem Glücke wird es
nicht an Neidern gebrechen.

Fräulein
Nein, Tellheim, so ist es nicht gemeint! Ich weise Sie in die große
Welt, auf die Bahn der Ehre zurück, ohne Ihnen dahin folgen zu wollen.
--Dort braucht Tellheim eine unbescholtene Gattin! Ein sächsisches
verlaufenes Fräulein, das sich ihm an den Kopf geworfen--

Tellheim
(auffahrend und wild um sich sehend). Wer darf so sprechen?--Ah,
Minna, ich erschrecke vor mir selbst, wenn ich mir vorstelle, daß
jemand anders dieses gesagt hätte als Sie. Meine Wut gegen ihn würde
ohne Grenzen sein.

Fräulein
Nun da! Das eben besorge ich. Sie würden nicht die geringste
Spötterei über mich dulden, und doch würden Sie täglich die bittersten
einzunehmen haben.--Kurz, hören Sie also, Tellheim, was ich fest
beschlossen, wovon mich nichts in der Welt abbringen soll--

Tellheim
Ehe Sie ausreden, Fräulein--ich beschwöre Sie, Minna!--überlegen Sie
es noch einen Augenblick, daß Sie mir das Urteil über Leben und Tod
sprechen!--

Fräulein
Ohne weitere Überlegung!--So gewiß ich Ihnen den Ring zurückgegeben,
mit welchem Sie mir ehemals Ihre Treue verpflichtet, so gewiß Sie
diesen nämlichen Ring zurückgenommen: so gewiß soll die unglückliche
Barnhelm die Gattin des glücklichern Tellheims nie werden!

Tellheim
Und hiermit brechen Sie den Stab, Fräulein?

Fräulein
Gleichheit ist allein das feste Band der Liebe.--Die glückliche
Barnhelm wünschte, nur für den glücklichen Tellheim zu leben. Auch
die unglückliche Minna hätte sich endlich überreden lassen, das
Unglück ihres Freundes durch sich, es sei zu vermehren oder zu lindern.
--Er bemerkte es ja wohl, ehe dieser Brief ankam, der alle Gleichheit
zwischen uns wieder aufhebt, wie sehr zum Schein ich mich nur noch
weigerte.

Tellheim
Ist das wahr, mein Fräulein?--Ich danke Ihnen, Minna, daß Sie den Stab
noch nicht gebrochen.--Sie wollen nur den unglücklichen Tellheim? Er
ist zu haben. (Kalt.) Ich empfinde eben, daß es mir unanständig ist,
diese späte Gerechtigkeit anzunehmen, daß es besser sein wird, wenn
ich das, was man durch einen so schimpflichen Verdacht entehrt hat,
gar nicht wiederverlange.--Ja, ich will den Brief nicht bekommen haben.
Das sei alles, was ich darauf antworte und tue! (Im Begriffe, ihn
zu zerreißen.)

Fräulein
(das ihm in die Hände greift). Was wollen Sie, Tellheim?

Tellheim
Sie besitzen.

Fräulein
Halten Sie!

Tellheim
Fräulein, er ist unfehlbar zerrissen, wenn Sie nicht bald sich anders
erklären.--Alsdann wollen wir doch sehen, was Sie noch wider mich
einzuwenden haben!

Fräulein
Wie? In diesem Tone?--So soll ich, so muß ich in meinen eigenen Augen
verächtlich werden? Nimmermehr! Es ist eine nichtswürdige Kreatur,
die sich nicht schämet, ihr ganzes Glück der blinden Zärtlichkeit
eines Mannes zu verdanken!

Tellheim
Falsch, grundfalsch!

Fräulein
Wollen Sie es wagen, Ihre eigene Rede in meinem Munde zu schelten?

Tellheim
Sophistin! So entehrt sich das schwächere Geschlecht durch alles, was
dem stärkern nicht ansteht? So soll sich der Mann alles erlauben, was
dem Weibe geziemet? Welches bestimmte die Natur zur Stütze des
andern?

Fräulein
Beruhigen Sie sich, Tellheim!--Ich werde nicht ganz ohne Schutz sein,
wenn ich schon die Ehre des Ihrigen ausschlagen muß. So viel muß mir
immer noch werden, als die Not erfordert. Ich habe mich bei unserm
Gesandten melden lassen. Er will mich noch heute sprechen.
Hoffentlich wird er sich meiner annehmen. Die Zeit verfließt.
Erlauben Sie, Herr Major--

Tellheim
Ich werde Sie begleiten, gnädiges Fräulein.--

Fräulein
Nicht doch, Herr Major, lassen Sie mich--

Tellheim
Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen! Kommen Sie nur, mein Fräulein,
wohin Sie wollen, zu wem Sie wollen. Überall, an Bekannte und
Unbekannte, will ich es erzählen, in Ihrer Gegenwart des Tages
hundertmal erzählen, welche Bande Sie an mich verknüpfen, aus welchem
grausamen Eigensinne Sie diese Bande trennen wollen--



10. Szene

(Just. Die Vorigen.)


Just
(mit Ungestüm). Herr Major! Herr Major!

Tellheim
Nun?

Just
Kommen Sie doch geschwind, geschwind!

Tellheim
Was soll ich? Zu mir her! Sprich, was ist's?

Just
Hören Sie nur--(Redet ihm heimlich ins Ohr.)

Fräulein
(indes beiseite zur Franziska). Merkst du was, Franziska?

Franziska
Oh, Sie Unbarmherzige! Ich habe hier gestanden wie auf Kohlen!

Tellheim
(zu Justen). Was sagst du?--Das ist nicht möglich!--Sie? (Indem er
das Fräulein wild anblickt.)--sag es laut; sag es ihr ins Gesicht!--
Hören Sie doch, mein Fräulein!--

Just
Der Wirt sagt, das Fräulein von Barnhelm habe den Ring, welchen ich
bei ihm versetzt, zu sich genommen; sie habe ihn für den ihrigen
erkannt und wolle ihn nicht wieder herausgeben.--

Tellheim
Ist das wahr, mein Fräulein?--Nein, das kann nicht wahr sein!

Fräulein
(lächelnd). Und warum nicht, Tellheim?--Warum kann es nicht wahr
sein?

Tellheim
(heftig). Nun, so sei es wahr!--Welch schreckliches Licht, das mir
auf einmal aufgegangen!--Nun erkenne ich Sie, die Falsche, die
Ungetreue!

Fräulein
(erschrocken). Wer? wer ist diese Ungetreue?

Tellheim
Sie, die ich nicht mehr nennen will!

Fräulein
Tellheim!

Tellheim
Vergessen Sie meinen Namen!--Sie kamen hierher, mit mir zu brechen.
Es ist klar!--Daß der Zufall so gern dem Treulosen zustatten kömmt!
Er führte Ihnen Ihren Ring in die Hände. Ihre Arglist wußte mir den
meinigen zuzuschanzen.

Fräulein
Tellheim, was für Gespenster sehen Sie! Fassen Sie sich doch, und
hören Sie mich.

Franziska
(vor sich). Nun mag sie es haben!



11. Szene

(Werner mit einem Beutel Gold. v. Tellheim. (Das Fräulein.
Franziska. Just.)


Werner
Hier bin ich schon, Herr Major!--

Tellheim
(ohne ihn anzusehen). Wer verlangt dich?--

Werner
Hier ist Geld! tausend Pistolen!

Tellheim
Ich will sie nicht!

Werner
Morgen können Sie, Herr Major, über noch einmal so viel befehlen.

Tellheim
Behalte dein Geld!

Werner
Es ist ja Ihr Geld, Herr Major.--Ich glaube, Sie sehen nicht, mit wem
Sie sprechen?

Tellheim
Weg damit! sag ich.

Werner
Was fehlt Ihnen?--Ich bin Werner.

Tellheim
Alle Güte ist Verstellung, alle Dienstfertigkeit Betrug.

Werner
Gilt das mir?

Tellheim
Wie du willst!

Werner
Ich habe ja nur Ihren Befehl vollzogen.--

Tellheim
So vollziehe auch den und packe dich!

Werner
Herr Major! (ärgerlich) ich bin ein Mensch--

Tellheim
Da bist du was Rechts!

Werner
Der auch Galle hat--

Tellheim
Gut! Galle ist noch das Beste, was wir haben.

Werner
Ich bitte Sie, Herr Major--

Tellheim
Wievielmal soll ich dir es sagen? Ich brauche dein Geld nicht!

Werner
(zornig). Nun, so brauch es, wer da will! (Indem er ihm den Beutel
vor die Füße wirft und beiseite geht.)

Fräulein
(zur Franziska). Ah, liebe Franziska, ich hätte dir folgen sollen.
Ich habe den Scherz zu weit getrieben.--Doch er darf mich ja nur hören
--(Auf ihn zugehend.)

Franziska
(die, ohne dem Fräulein zu antworten, sich Wernern nähert). Herr
Wachtmeister!--

Werner
(mürrisch). Geh Sie!--

Franziska
Hu! was sind das für Männer!

Fräulein
Tellheim!--Tellheim! (Der vor Wut an den Fingern naget, das Gesicht
wegwendet und nichts höret.)--Nein, das ist zu arg!--Hören Sie mich
doch!--Sie betrügen sich!--Ein bloßes Mißverständnis--Tellheim!--Sie
wollen Ihre Minna nicht hören?--Können Sie einen solchen Verdacht
fassen?--Ich mit Ihnen brechen wollen?--Ich darum hergekommen?--
Tellheim!



12. Szene

(Zwei Bediente nacheinander, von verschiedenen Seiten über den Saal
laufend. Die Vorigen.)


eine Bediente
Gnädiges Fräulein, Ihro Exzellenz, der Graf!--

andere Bediente
Er kömmt, gnädiges Fräulein!--

Franziska
(die ans Fenster gelaufen). Er ist es! er ist es!

Fräulein
Ist er's?--Oh, nun geschwind, Tellheim--

Tellheim
(auf einmal zu sich selbst kommend). Wer? wer kömmt? Ihr Oheim,
Fräulein? dieser grausame Oheim?--Lassen Sie ihn nur kommen, lassen
Sie ihn nur kommen!--Fürchten Sie nichts! Er soll Sie mit keinem
Blicke beleidigen dürfen! Er hat es mit mir zu tun.--Zwar verdienen
Sie es um mich nicht--

Fräulein
Geschwind umarmen Sie mich, Tellheim, und vergessen Sie alles--

Tellheim
Ha, wenn ich wüßte, daß Sie es bereuen könnten!--

Fräulein
Nein, ich kann es nicht bereuen, mir den Anblick Ihres ganzen Herzens
verschafft zu haben!--Ah, was sind Sie für ein Mann!--Umarmen Sie Ihre
Minna, Ihre glückliche Minna; aber durch nichts glücklicher als durch
Sie! (Sie fällt ihm in die Arme.) Und nun, ihm entgegen!--

Tellheim
Wem entgegen?

Fräulein
Dem besten Ihrer unbekannten Freunde.

Tellheim
Wie?

Fräulein
Dem Grafen, meinem Oheim, meinem Vater, Ihrem Vater--Meine Flucht,
sein Unwille, meine Enterbung--hören Sie denn nicht, daß alles
erdichtet ist?--Leichtgläubiger Ritter!

Tellheim
Erdichtet?--Aber der Ring? der Ring?

Fräulein
Wo haben Sie den Ring, den ich Ihnen zurückgegeben?

Tellheim
Sie nehmen ihn wieder?--Oh, so bin ich glücklich!--Hier, Minna!--(Ihn
herausziehend.)

Fräulein
So besehen Sie ihn doch erst!--Oh, über die Blinden, die nicht sehen
wollen!--Welcher Ring ist es denn? Den ich von Ihnen habe, oder den
Sie von mir?--Ist es denn nicht eben der, den ich in den Händen des
Wirts nicht lassen wollen?

Tellheim
Gott! was seh ich? was hör ich?

Fräulein
Soll ich ihn nun wiedernehmen? soll ich?--Geben Sie her, geben Sie
her! (Reißt ihn ihm aus der Hand und steckt ihn ihm selbst an den
Finger.) Nun? ist alles richtig?

Tellheim
Wo bin ich?--(Ihre Hand küssend.) O boshafter Engel!--mich so zu
quälen!

Fräulein
Dieses zur Probe, mein lieber Gemahl, daß Sie mir nie einen Streich
spielen sollen, ohne daß ich Ihnen nicht gleich darauf wieder einen
spiele.--Denken Sie, daß Sie mich nicht auch gequälet hatten?

Tellheim
O Komödiantinnen, ich hätte euch doch kennen sollen.

Franziska
Nein, wahrhaftig; ich bin zur Komödiantin verdorben. Ich habe
gezittert und gebebt und mir mit der Hand das Maul zuhalten müssen.

Fräulein
Leicht ist mir meine Rolle auch nicht geworden.--Aber so kommen Sie
doch!

Tellheim
Noch kann ich mich nicht erholen.--Wie wohl, wie ängstlich ist mir!
So erwacht man plötzlich aus einem schreckhaften Traume!

Fräulein
Wir zaudern.--Ich höre ihn schon.



13. Szene

(Der Graf von Bruchsall, von verschiedenen Bedienten und dem Wirte
begleitet. Die Vorigen.)


Graf
(im Hereintreten). Sie ist doch glücklich angelangt?

Fräulein
(die ihm entgegenspringt). Ah, mein Vater!--

Graf
Da bin ich, liebe Minna! (Sie umarmend.) Aber was, Mädchen? (Indem
er den Tellheim gewahr wird.) Vierundzwanzig Stunden erst hier und
schon Bekanntschaft und schon Gesellschaft?

Fräulein
Raten Sie, wer es ist?--

Graf
Doch nicht dein Tellheim?

Fräulein
Wer sonst als er?--Kommen Sie, Tellheim! (Ihn dem Grafen zuführend.)

Graf
Mein Herr, wir haben uns nie gesehen, aber bei dem ersten Anblicke
glaubte ich, Sie zu erkennen. Ich wünschte, daß Sie es sein möchten.--
Umarmen Sie mich.--Sie haben meine völlige Hochachtung. Ich bitte um
Ihre Freundschaft.--Meine Nichte, meine Tochter liebet Sie.--

Fräulein
Das wissen Sie, mein Vater!--Und ist sie blind, meine Liebe?

Graf
Nein, Minna, deine Liebe ist nicht blind, aber dein Liebhaber--ist
stumm.

Tellheim
(sich ihm in die Arme werfend). Lassen Sie mich zu mir selbst kommen,
mein Vater!--

Graf
So recht, mein Sohn! Ich höre es; wenn dein Mund nicht plaudern kann,
so kann dein Herz doch reden.--Ich bin sonst den Offizieren von dieser
Farbe (auf Tellheims Uniform weisend) eben nicht gut. Doch Sie sind
ein ehrlicher Mann, Tellheim; und ein ehrlicher Mann mag stecken, in
welchem Kleide er will, man muß ihn lieben.

Fräulein
Oh, wenn Sie alles wüßten!--

Graf
Was hindert's, daß ich nicht alles erfahre?--Wo sind meine Zimmer,
Herr Wirt?

Wirt
Wollen Ihro Exzellenz nur die Gnade haben, hier hereinzutreten.

Graf
Komm, Minna! Kommen Sie, Herr Major! (Geht mit dem Wirte und den
Bedienten ab.)

Fräulein
Kommen Sie, Tellheim!

Tellheim
Ich folge Ihnen den Augenblick, mein Fräulein. Nur noch ein Wort mit
diesem Manne! (Gegen Wernern sich wendend.)

Fräulein
Und ja ein recht gutes; mich dünkt, Sie haben es nötig.--Franziska,
nicht wahr? (Dem Grafen nach.)



14. Szene

(v. Tellheim. Werner. Just. Franziska.)


Tellheim
(auf den Beutel weisend, den Werner weggeworfen). Hier, Just!--Hebe
den Beutel auf, und trage ihn nach Hause. Geh!--(Just damit ab.)

Werner
(der noch immer mürrisch im Winkel gestanden und an nichts
teilzunehmen geschienen, indem er das hört). Ja, nun!

Tellheim
(vertraulich auf ihn zugehend). Werner, wann kann ich die andern
tausend Pistolen haben?

Werner
(auf einmal wieder in seiner guten Laune). Morgen, Herr Major, morgen.
--

Tellheim
Ich brauche dein Schuldner nicht zu werden, aber ich will dein
Rentmeister sein. Euch gutherzigen Leuten sollte man allen einen
Vormund setzen. Ihr seid eine Art Verschwender.--Ich habe dich vorhin
erzürnt, Werner!--

Werner
Bei meiner armen Seele, ja!--Ich hätte aber doch so ein Tölpel nicht
sein sollen. Nun seh ich's wohl. Ich verdiente hundert Fuchtel.
Lassen Sie mir sie auch schon geben; nur weiter Keinen Groll, lieber
Major!--

Tellheim
Groll?--(Ihm die Hand drückend.) Lies es in meinen Augen, was ich dir
nicht alles sagen kann.--Ha! wer ein besseres Mädchen und einen
redlichern Freund hat als ich, den will ich sehen!--Franziska, nicht
wahr? (Geht ab.)



15. Szene

(Werner. Franziska)


Franziska
(vor sich). Ja gewiß, es ist ein gar zu guter Mann!--So einer kömmt
mir nicht wieder vor.--Es muß heraus! (Schüchtern und verschämt sich
Wernern nähernd.) Herr Wachtmeister!--

Werner
(der sich die Augen wischt). Nu?--

Franziska
Herr Wachtmeister--

Werner
Was will Sie denn, Frauenzimmerchen?

Franziska
Seh Er mich einmal an, Herr Wachtmeister.--

Werner
Ich kann noch nicht; ich weiß nicht, was mir in die Augen gekommen.

Franziska
So seh Er mich doch an!

Werner
Ich fürchte, ich habe Sie schon zuviel angesehen, Frauenzimmerchen!--
Nun, da seh ich Sie ja! Was gibt's denn?

Franziska
Herr Wachtmeister--braucht Er keine Frau Wachtmeisterin?

Werner
Ist das Ihr Ernst, Frauenzimmerchen?

Franziska
Mein völliger!

Werner
Zöge Sie wohl auch mit nach Persien?

Franziska
Wohin Er will!

Werner
Gewiß?--Holla! Herr Major! nicht groß getan! Nun habe ich
wenigstens ein ebenso gutes Mädchen und einen ebenso redlichen Freund
als Sie!--Geben Sie mir Ihre Hand, Frauenzimmerchen! Topp!--Über zehn
Jahr' ist Sie Frau Generalin oder Witwe!


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Minna von Barnhelm, von Gotthold
Ephraim Lessing.











End of Project Gutenberg's Minna von Barnhelm, by Gotthold Ephraim Lessing

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violates the law of the state applicable to this agreement, the
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remaining provisions.

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trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
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accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

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facility: www.gutenberg.org

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including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
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