Der Freigeist

By Gotthold Ephraim Lessing

The Project Gutenberg EBook of Der Freigeist, by Gotthold Ephraim Lessing

This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
whatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
www.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll have
to check the laws of the country where you are located before using this ebook.

Title: Der Freigeist

Author: Gotthold Ephraim Lessing

Posting Date: February 24, 2015 [EBook #9325]
Release Date: November, 2005
First Posted: September 22, 2003

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER FREIGEIST ***




Produced by Delphine Lettau









This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.

Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfügung gestellt.  Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.




Der Freigeist

Gotthold Ephraim Lessing

Ein Lustspiel in fünf Aufzügen

Verfertigt im Jahre 1749


Personen:

Adrast, der Freigeist
Theophan, ein junger Geistlicher
Lisidor
Juliane und Henriette, Töchter des Lisidor
Frau Philane
Araspe, Theophans Vetter
Johann
Martin
Lisette
Ein Wechsler

Die Szene ist ein Saal.





Erster Aufzug



Erster Auftritt

Adrast.  Theophan.


Theophan.  Werden Sie es übelnehmen, Adrast, wenn ich mich endlich
über den stolzen Kaltsinn beklage, den Sie nicht aufhören, gegen mich
zu äußern?  Schon seit Monaten sind wir in einem Hause, und warten auf
einerlei Glück.  Zwei liebenswürdige Schwestern sollen es uns machen.
Bedenken Sie doch, Adrast!  können wir noch dringender eingeladen
werden, uns zu lieben, und eine Freundschaft unter uns zu stiften, wie
sie unter Brüdern sein sollte?  Wie oft bin ich nicht darauf
bestanden?--

Adrast.  Ebenso oft haben Sie gesehen, daß ich mich nicht einlassen
will.  Freundschaft?  Freundschaft unter uns?--Wissen Sie, muß ich
fragen, was Freundschaft ist?

Theophan.  Ob ich es weiß?

Adrast.  Alle Fragen bestürzen, deren wir nicht gewärtig sind.  Gut,
Sie wissen es.  Aber meine Art zu denken, und die Ihrige, diese kennen
Sie doch auch?

Theophan.  Ich verstehe Sie.  Also sollen wir wohl Feinde sein?

Adrast.  Sie haben mich schön verstanden!  Feinde?  Ist denn kein
Mittel?  Muß denn der Mensch eines von beiden, hassen, oder lieben?
Gleichgültig wollen wir einander bleiben.  Und ich weiß, eigentlich
wünschen Sie dieses selbst.  Lernen Sie wenigstens nur die
Aufrichtigkeit von mir.

Theophan.  Ich bin bereit.  Werden Sie mich aber diese Tugend in aller
ihrer Lauterkeit lehren?

Adrast.  Erst fragen Sie sich selbst, ob sie Ihnen in aller ihrer
Lauterkeit gefallen würde?

Theophan.  Gewiß.  Und Ihnen zu zeigen, ob Ihr künftiger Schüler
einige Fähigkeit dazu hat, wollen Sie mich wohl einen Versuch machen
lassen?

Adrast.  Recht gern.

Theophan.  Wo nur mein Versuch nicht ein Meisterstück wird.  Hören Sie
also, Adrast--Aber erlauben Sie mir, daß ich mit einer Schmeichelei
gegen mich selbst anfange.  Ich habe von jeher einigen Wert auf meine
Freundschaft gelegt; ich bin vorsichtig, ich bin karg damit gewesen.
Sie sind der erste, dem ich sie angeboten habe; und Sie sind der
einzige, dem ich sie aufdringen will.--Umsonst sagt mir Ihr
verächtlicher Blick, daß es mir nicht gelingen solle.  Gewiß, es soll
mir gelingen.  Ihr eigen Herz ist mir Bürge; Ihr eigen Herz, Adrast,
welches unendlich besser ist, als es Ihr Witz, der sich in gewisse
groß scheinende Meinungen verliebt hat, vielleicht wünschet.

Adrast.  Ich hasse die Lobsprüche, Theophan, und besonders die, welche
meinem Herzen auf Unkosten meines Verstandes gegeben werden.  Ich weiß
eigentlich nicht, was das für Schwachheiten sein müssen (Schwachheiten
aber müssen es sein), derentwegen Ihnen mein Herz so wohlgefällt; das
aber weiß ich, daß ich nicht eher ruhen werde, als bis ich sie, durch
Hülfe meines Verstandes, daraus verdrungen habe.

Theophan.  Ich habe die Probe meiner Aufrichtigkeit kaum angefangen,
und Ihre Empfindlichkeit ist schon rege.  Ich werde nicht weit kommen.

Adrast.  So weit als Sie wollen.  Fahren Sie nur fort.

Theophan.  Wirklich?--Ihr Herz also ist das beste, das man finden kann.
Es ist zu gut, Ihrem Geiste zu dienen, den das Neue, das Besondere
geblendet hat, den ein Anschein von Gründlichkeit zu glänzenden
Irrtümern dahinreißt, und der, aus Begierde bemerkt zu werden, Sie mit
aller Gewalt zu etwas machen will, was nur Feinde der Tugend, was nur
Bösewichter sein sollten.  Nennen Sie es, wie Sie wollen: Freidenker,
starker Geist, Deist; ja, wenn Sie ehrwürdige Benennungen mißbrauchen
wollen, nennen Sie es Philosoph: es ist ein Ungeheuer, es ist die
Schande der Menschheit.  Und Sie, Adrast, den die Natur zu einer
Zierde derselben bestimmte, der nur seinen eignen Empfindungen folgen
dürfte, um es zu sein; Sie, mit einer solchen Anlage zu allem, was
edel und groß ist, Sie entehren sich vorsätzlich.  Sie stürzen sich
mit Bedacht aus Ihrer Höhe herab, bei dem Pöbel der Geister einen Ruhm
zu erlangen, für den ich lieber aller Welt Schande wählen wollte.

Adrast.  Sie vergessen sich, Theophan, und wenn ich Sie nicht
unterbreche, so glauben Sie endlich gar, daß Sie sich an dem Platze
befinden, auf welchem Ihresgleichen ganze Stunden ungestört schwatzen
dürfen.

Theophan.  Nein, Adrast, Sie unterbrechen keinen überlästigen Prediger;
besinnen Sie sich nur: Sie unterbrechen bloß einen Freund,--wider
Ihren Willen nenne ich mich so,--der eine Probe seiner Freimütigkeit
ablegen sollte.

Adrast.  Und eine Probe seiner Schmeichelei abgeleget hat;--aber einer
verdeckten Schmeichelei, einer Schmeichelei, die eine gewisse
Bitterkeit annimmt, um destoweniger Schmeichelei zu scheinen.--Sie
werden machen, daß ich Sie endlich auch verachte.--Wenn Sie die
Freimütigkeit kennten, so würden Sie mir alles unter die Augen gesagt
haben, was Sie in Ihrem Herzen von mir denken.  Ihr Mund würde mir
keine gute Seite geliehen haben, die mir Ihre innere Überzeugung nicht
zugestehet.  Sie würden mich geradeweg einen Ruchlosen gescholten
haben, der sich der Religion nur deswegen zu entziehen suche, damit er
seinen Lüsten desto sicherer nachhängen könne.  Um sich pathetischer
auszudrücken, würden Sie mich einen Höllenbrand, einen eingefleischten
Teufel genannt haben.  Sie würden keine Verwünschungen gespart, kurz,
Sie würden sich so erwiesen haben, wie sich ein Theolog gegen die
Verächter seines Aberglaubens, und also auch seines Ansehens, erweisen
muß.

Theophan.  Ich erstaune.  Was für Begriffe!

Adrast.  Begriffe, die ich von tausend Beispielen abgesondert habe.--
Doch wir kommen zu weit.  Ich weiß, was ich weiß, und habe längst
gelernt, die Larve von dem Gesichte zu unterscheiden.  Es ist eine
Karnevalserfahrung: je schöner die erste, desto häßlicher das andere.

Theophan.  Sie wollen damit sagen--

Adrast.  Ich will nichts damit sagen, als daß ich noch zu wenig Grund
habe, die Allgemeinheit meines Urteils von den Gliedern Ihres Standes,
um Ihretwillen einzuschränken.  Ich habe mich nach den Ausnahmen zu
lange vergebens umgesehen, als daß ich hoffen könnte, die erste an
Ihnen zu finden.  Ich müßte Sie länger, ich müßte Sie unter
verschiedenen Umständen gekannt haben, wenn--

Theophan.  Wenn Sie meinem Gesichte die Gerechtigkeit widerfahren
lassen sollten, es für keine Larve zu halten.  Wohl!  Aber wie können
Sie kürzer dazu gelangen, als wenn Sie mich Ihres nähern Umganges
würdigen?  Machen Sie mich zu Ihrem Freunde, stellen Sie mich auf die
Probe--

Adrast.  Sachte!  die Probe käme zu spät, wenn ich Sie bereits zu
meinem Freunde angenommen hätte.  Ich habe geglaubt, sie müsse
vorhergehen.

Theophan.  Es gibt Grade in der Freundschaft, Adrast; und ich verlange
den vertrautesten noch nicht.

Adrast.  Kurz, auch zu dem niedrigsten können Sie nicht fähig sein.

Theophan.  Ich kann nicht dazu fähig sein?  Wo liegt die Unmöglichkeit?

Adrast.  Kennen Sie, Theophan, wohl ein Buch, welches das Buch aller
Bücher sein soll; welches alle unsere Pflichten enthalten, welches uns
zu allen Tugenden die sichersten Vorschriften erteilen soll, und
welches der Freundschaft gleichwohl mit keinem Worte gedenkt?  Kennen
Sie dieses Buch?

Theophan.  Ich sehe Sie kommen, Adrast.  Welchem Collin haben Sie
diesen armseligen Einwurf abgeborgt?

Adrast.  Abgeborgt, oder selbst erfunden: es ist gleich viel.  Es muß
ein kleiner Geist sein, der sich Wahrheiten zu borgen schämt.

Theophan.  Wahrheiten!--Sind Ihre übrigen Wahrheiten von gleicher
Güte?  Können Sie mich einen Augenblick anhören?

Adrast.  Wieder predigen?

Theophan.  Zwingen Sie mich nicht darzu?  Oder wollen Sie, daß man
Ihre seichten Spöttereien unbeantwortet lassen soll, damit es scheine,
als könne man nicht darauf antworten?

Adrast.  Und was können Sie denn darauf antworten?

Theophan.  Dieses.  Sagen Sie mir, ist die Liebe unter der
Freundschaft, oder die Freundschaft unter der Liebe begriffen?
Notwendig das letztere.  Derjenige also, der die Liebe in ihrem
allerweitesten Umfange gebietet, gebietet der nicht auch die
Freundschaft?  Ich sollte es glauben; und es ist so wenig wahr, daß
unser Gesetzgeber die Freundschaft seines Gebotes nicht würdig
geschätzt habe, daß er vielmehr seine Lehre zu einer Freundschaft
gegen die ganze Welt gemacht hat.

Adrast.  Sie bürden ihm Ungereimtheiten auf.  Freundschaft gegen die
ganze Welt?  Was ist das?  Mein Freund muß kein Freund der ganzen Welt
sein.

Theophan.  Und also ist Ihnen wohl nichts Freundschaft als jene
Übereinstimmung der Temperamente, jene angeborne Harmonie der Gemüter,
jener heimliche Zug gegeneinander, jene unsichtbare Kette, die zwei
einerlei denkende, einerlei wollende Seelen verknüpfet?

Adrast.  Ja, nur dieses ist mir Freundschaft.

Theophan.  Nur dieses?  Sie widersprechen sich also selbst.

Adrast.  Oh!  daß ihr Leute doch überall Widersprüche findet, außer
nur da nicht, wo sie wirklich sind!

Theophan.  Überlegen Sie es.  Wenn diese, ohne Zweifel nicht
willkürliche, Übereinstimmung der Seelen, diese in uns liegende
Harmonie mit einem andern einzelnen Wesen allein die wahre
Freundschaft ausmacht: wie können Sie verlangen, daß sie der
Gegenstand eines Gesetzes sein soll?  Wo sie ist, darf sie nicht
geboten werden; und wo sie nicht ist, da wird sie umsonst geboten.
Und wie können Sie es unserm Lehrer zur Last legen, daß er die
Freundschaft in diesem Verstande übergangen hat?  Er hat uns eine
edlere Freundschaft befohlen, welche jenes blinden Hanges, den auch
die unvernünftigen Tiere nicht missen, entbehren kann: eine
Freundschaft, die sich nach erkannten Vollkommenheiten mitteilet;
welche sich nicht von der Natur lenken läßt, sondern welche die Natur
selbst lenket.

Adrast.  O Geschwätze!

Theophan.  Ich muß Ihnen dieses sagen, Adrast, ob Sie es gleich
ebensowohl wissen könnten, als ich; und auch wissen sollten.  Was
würden Sie selbst von mir denken, wenn ich den Verdacht nicht mit
aller Gewalt von mir abzulenken suchte, als mache mich die Religion zu
einem Verächter der Freundschaft, die Religion, die Sie nur allzugern
aus einem wichtigen Grunde verachten möchten?--Sehen Sie mich nicht so
geringschätzig an; wenden Sie sich nicht auf eine so beleidigende Art
von mir--

Adrast (beiseite).  Das Pfaffengeschmeiß!--

Theophan.  Ich sehe, Sie gebrauchen Zeit, den ersten Widerwillen zu
unterdrücken, den eine widerlegte Lieblingsmeinung natürlicherweise
erregt.--Ich will Sie verlassen.  Ich erfuhr itzt ohnedem, daß einer
von meinen Anverwandten mit der Post angelangt sei.  Ich gehe ihm
entgegen, und werde die Ehre haben Ihnen denselben vorzustellen.



Zweiter Auftritt

Adrast.--Daß ich ihn nimmermehr wiedersehen dürfte!  Welcher von euch
Schwarzröcken wäre auch kein Heuchler?--Priestern habe ich mein
Unglück zu danken.  Sie haben mich gedrückt, verfolgt, so nahe sie
auch das Blut mit mir verbunden hatte.  Hassen will ich dich, Theophan
und alle deines Ordens!  Muß ich denn auch hier in die Verwandtschaft
der Geistlichkeit geraten?--Er, dieser Schleicher, dieser blöde
Verleugner seines Verstandes, soll mein Schwager werden?--Und mein
Schwager durch Julianen?--Durch Julianen?--Welch grausames Geschick
verfolgt mich doch überall!  Ein alter Freund meines verstorbenen
Vaters trägt mir eine von seinen Töchtern an.  Ich eile herbei, und
muß zu spät kommen, und muß die, welche auf den ersten Anblick mein
ganzes Herz hatte, die, mit der ich allein glücklich leben konnte,
schon versprochen finden.  Ach Juliane!  So warest du mir nicht
bestimmt?  du, die ich liebe?  Und so soll ich mich mit einer
Schwester begnügen, die ich nicht liebe?--



Dritter Auftritt

Lisidor.  Adrast.


Lisidor.  Da haben wir's!  Schon wieder allein, Adrast?  Sagen Sie mir,
müssen die Philosophen so zu Winkel kriechen?  Ich wollte doch lieber
sonst was sein--Und, wenn ich recht gehört habe, so sprachen Sie ja
wohl gar mit sich selber?  Nu, nu!  es ist schon wahr: ihr Herren
Grillenfänger könnt freilich mit niemand Klügerm reden, als mit euch
selber.  Aber gleichwohl ist unsereiner auch kein Katzenkopf.  Ich
schwatze eins mit, es mag sein, von was es will.

Adrast.  Verzeihen Sie--

Lisidor.  Je, mit Seinem Verzeihen!  Er hat mir ja noch nichts zuwider
getan--Ich habe gern, wenn die Leute lustig sind.  Und ich will kein
ehrlicher Mann sein, wenn ich mir nicht eine rechte Freude darauf
eingebildet habe, den Wildfang, wie sie Ihn sonst zu Hause nannten, zu
meinem Schwiegersohne zu haben.  Freilich ist Er seitdem groß
gewachsen; Er ist auf Reisen gewesen; Er hat Land und Leute gesehen.
Aber, daß Er so gar sehr verändert würde wiedergekommen sein, das
hätte ich mir nicht träumen lassen.  Da geht Er nun, und spintisiert
von dem, was ist--und was nicht ist,--von dem, was sein könnte, und
wenn es sein könnte, warum es wieder nicht sein könnte;--von der
Notwendigkeit, der halben und ganzen, der notwendigen Notwendigkeit,
und der nicht notwendigen Notwendigkeit;--von den A--A--wie heißen die
kleinen Dingerchen, die so in den Sonnenstrahlen herumfliegen?  von
den A--A--Sage doch, Adrast--

Adrast.  Von den Atomis, wollen Sie sagen.

Lisidor.  Ja, ja, von den Atomis, von den Atomis.  So heißen sie, weil
man ihrer ein ganz Tausend mit einem Atem hinunterschlucken kann.

Adrast.  Ha!  ha!  ha!

Lisidor.  Er lacht, Adrast?  Ja, mein gutes Bürschchen, du mußt nicht
glauben, daß ich von den Sachen ganz und gar nichts verstehe.  Ich
habe euch, Ihn und den Theophan, ja oft genug darüber zanken hören.
Ich behalte mir das Beste.  Wenn ihr euch in den Haaren liegt, so
fische ich im trüben.  Da fällt manche Brocke ab, die keiner von euch
brauchen kann, und die ist für mich.  Ihr dürft deswegen nicht
neidisch auf mich sein; denn ich bereichere mich nicht von einem
allein.  Das nehme ich von dir, mein lieber Adrast; und das vom
Theophan; und aus allen dem mache ich mir hernach ein Ganzes--

Adrast.  Das vortrefflich ungeheuer sein muß.

Lisidor.  Wieso?

Adrast.  Sie verbinden Tag und Nacht, wenn Sie meine mit Theophans
Gedanken verbinden.

Lisidor.  Je nu!  so wird eine angenehme Dämmerung daraus.--Und
überhaupt ist es nicht einmal wahr, daß ihr so sehr voneinander
unterschieden wäret.  Einbildungen!  Einbildungen!  Wie vielmal habe
ich nicht allen beiden zugleich recht gegeben?  Ich bin es nur
allzuwohl überzeugt, daß alle ehrliche Leute einerlei glauben.

Adrast.  Sollten!  sollten!  das ist wahr.

Lisidor.  Nun da sehe man!  was ist nun das wieder für ein
Unterscheid?  Glauben, oder glauben sollen: es kömmt auf eines heraus.
Wer kann alle Worte so abzirkeln?--Und ich wette was, wenn ihr nur
erst werdet Schwäger sein, kein Ei wird dem andern ähnlicher sein
können.--

Adrast.  Als ich dem Theophan, und er mir?

Lisidor.  Gewiß.  Noch wißt ihr nicht, was das heißt, miteinander
verwandt sein.  Der Verwandtschaft wegen wird der einen Daumen breit,
und der einen Daumen breit nachgeben.  Und einen Daumen breit, und
wieder einen Daumen breit, das macht zwei Daumen breit; und zwei
Daumen breit--ich bin ein Schelm, wenn ihr die auseinander seid.--
Nichts aber könnte mich in der Welt wohl so vergnügen, als daß meine
Töchter so vortrefflich für euch passen.  Die Juliane ist eine geborne
Priesterfrau; und Henriette--in ganz Deutschland muß kein Mädchen zu
finden sein, das sich für Ihn, Adrast, besser schickte.  Hübsch,
munter, fix; sie singt, sie tanzt, sie spielt; kurz, sie ist meine
leibhafte Tochter.  Juliane dargegen ist die liebe, heilige Einfalt.

Adrast.  Juliane?  Sagen Sie das nicht.  Ihre Vollkommenheiten fallen
vielleicht nur weniger in die Augen.  Ihre Schönheit blendet nicht;
aber sie geht ans Herz.  Man läßt sich gern von ihren stillen Reizen
fesseln, und man biegt sich mit Bedacht in ihr Joch, das uns andere in
einer fröhlichen Unbesonnenheit überwerfen müssen.  Sie redet wenig;
aber auch ihr geringstes Wort hat Vernunft.

Lisidor.  Und Henriette?

Adrast.  Es ist wahr: Henriette weiß sich frei und witzig auszudrücken.
Würde es aber Juliane nicht auch können, wenn sie nur wollte, und
wenn sie nicht Wahrheit und Empfindung jenem prahlenden Schimmer
vorzöge?  Alle Tugenden scheinen sich in ihrer Seele verbunden zu
haben--

Lisidor.  Und Henriette?

Adrast.  Es sei ferne, daß ich Henrietten irgend eine Tugend
absprechen sollte.  Aber es gibt ein gewisses Äußeres, welches sie
schwerlich vermuten ließe, wenn man nicht andre Gründe für sie hätte.
Julianens gesetzte Anmut, ihre ungezwungene Bescheidenheit, ihre
ruhige Freude, ihre--

Lisidor.  Und Henriettens?

Adrast.  Henriettens wilde Annehmlichkeiten, ihre wohl lassende
Dreustigkeit, ihre fröhlichen Entzückungen stechen mit den gründlichen
Eigenschaften ihrer Schwester vortrefflich ab.  Aber Juliane gewinnt
dabei--

Lisidor.  Und Henriette?

Adrast.  Verlieret dabei nichts.  Nur daß Juliane--

Lisidor.  Ho!  ho!  Herr Adrast, ich will doch nicht hoffen, daß Sie
auch an der Narrheit krank liegen, welche die Leute nur das für gut
und schön erkennen läßt, was sie nicht bekommen können.  Wer Henker
hat Sie denn gedungen, Julianen zu loben?

Adrast.  Fallen Sie auf nichts Widriges.  Ich habe bloß zeigen wollen,
daß mich die Liebe für meine Henriette gegen die Vorzüge ihrer
Schwester nicht blind mache.

Lisidor.  Nu, nu!  wenn das ist, so mag es hingehen.  Sie ist auch
gewiß ein gutes Kind, die Juliane.  Sie ist der Augapfel ihrer
Großmutter.  Und das gute, alte Weib hat tausendmal gesagt, die Freude
über ihr Julchen erhielte sie noch am Leben.

Adrast.  Ach!

Lisidor.  Das war ja gar geseufzt.  Was Geier ficht Ihn an?  Pfui!
Ein junger gesunder Mann, der alle Viertelstunden eine Frau nehmen
will, wird seufzen?  Spare Er Sein Seufzen, bis Er die Frau hat!



Vierter Auftritt

Johann.  Adrast.  Lisidor.


Johann.  Pst!  Pst!

Lisidor.  Nu?  Nu?

Johann.  Pst!  Pst!

Adrast.  Was gibt's?

Johann.  Pst!  Pst!

Lisidor.  Pst!  Pst!  Mosjeu Johann.  Kann der Schurke nicht näher
kommen?

Johann.  Pst, Herr Adrast!  Ein Wort im Vertrauen.

Adrast.  So komm her!

Johann.  Im Vertrauen, Herr Adrast.

Lisidor (welcher auf ihn zu geht).  Nun?  was willst du?

Johann (geht auf die andre Seite).  Pst!  Herr Adrast, nur ein
Wörtchen, ganz im Vertrauen!

Adrast.  So pack dich her, und rede.

Lisidor.  Rede!  rede!  Was kann der Schwiegersohn haben, das der
Schwiegervater nicht hören dürfte?

Johann.  Herr Adrast!  (Zieht ihn an dem Ärmel beiseite.)

Lisidor.  Du Spitzbube, willst mich mit aller Gewalt vom Platze haben.
Rede nur, rede!  ich gehe schon.

Johann.  Oh!  Sie sind gar zu höflich.  Wenn Sie einen kleinen
Augenblick dort in die Ecke treten wollen: so können Sie immer da
bleiben.

Adrast.  Bleiben Sie doch!  ich bitte.

Lisidor.  Nu!  wenn ihr meint--(indem er auf sie zu kömmt).

Adrast.  Nun sage, was willst du?

Johann (welcher sieht, daß ihm Lisidor wieder nahe steht).  Nichts.

Adrast.  Nichts?

Johann.  Nichts, gar nichts.

Lisidor.  Das Wörtchen im Vertrauen, hast du es schon wieder vergessen?

Johann.  Potz Stern!  sind Sie da?  Ich denke, Sie stehen dort im
Winkel.

Lisidor.  Narre, der Winkel ist näher gerückt.

Johann.  Daran hat er sehr unrecht getan.

Adrast.  Halte mich nicht länger auf, und rede.

Johann.  Herr Lisidor, mein Herr wird böse.

Adrast.  Ich habe vor ihm nichts Geheimes: rede!

Johann.  So habe ich auch nichts für Sie.

Lisidor.  Galgendieb, ich muß dir nur deinen Willen tun.--Ich gehe auf
meine Stube, Adrast: wenn Sie zu mir kommen wollen--

Adrast.  Ich werde Ihnen gleich folgen.



Fünfter Auftritt

Johann.  Adrast,


Johann.  Ist er fort?

Adrast.  Was hast du mir denn zu sagen?  Ich wette, es ist eine
Kleinigkeit; und der Alte wird sich einbilden, daß es Halssachen sind.

Johann.  Eine Kleinigkeit?  Mit einem Worte, Herr Adrast, wir sind
verloren.  Und Sie konnten verlangen, daß ich es in Gegenwart des
Lisidors sagen sollte?

Adrast.  Verloren?  Und wie denn?  Erkläre dich.

Johann.  Was ist da zu erklären?  Kurz, wir sind verloren.--Aber so
unvorsichtig hätte ich mir Sie doch nimmermehr eingebildet, daß Sie es
sogar Ihren künftigen Schwiegervater wollten hören lassen--

Adrast.  So laß mich es nur hören--

Johann.  Wahrhaftig, er hätte die Lust auf einmal verlieren können, es
jemals zu werden.--So ein Streich!

Adrast.  Nun?  was denn für ein Streich?  Wie lange wirst du mich noch
martern?

Johann.  Ein ganz verdammter Streich.--Ja, ja!  wenn der Bediente
nicht oft behutsamer wäre, als der Herr: es würden artige Dinge
herauskommen.

Adrast.  Nichtswürdiger Schlingel--

Johann.  Ho, ho!  ist das mein Dank?  Wenn ich es doch nur gesagt
hätte, wie der Alte da war.  Wir hätten wollen sehen!  wir hätten
wollen sehen--

Adrast.  Daß dich dieser und jener--

Johann.  Ha, ha!  nach dem diesen und jenen wird nicht mehr gefragt.
Ich weiß doch wohl, daß Sie den Teufel meinen, und daß keiner ist.
Ich müßte wenig von Ihnen gelernt haben, wenn ich nicht der ganzen
Hölle ein Schnippchen schlagen wollte.

Adrast.  Ich glaube, du spielst den Freigeist?  Ein ehrlicher Mann
möchte einen Ekel davor bekommen, wenn er sieht, daß es ein jeder
Lumpenhund sein will.--Aber ich verbiete dir nunmehr, mir ein Wort zu
sagen.  Ich weiß doch, daß es nichts ist.

Johann.  Ich sollte es Ihnen nicht sagen?  Ich sollte Sie so in Ihr
Unglück rennen lassen?  Das wollen wir sehen.

Adrast.  Gehe mir aus den Augen!

Johann.  Nur Geduld!--Sie erinnern sich doch wohl so ohngefähr, wie
Sie Ihre Sachen zu Hause gelassen haben?

Adrast.  Ich mag nichts wissen.

Johann.  Ich sage Ihnen ja auch noch nichts.--Sie erinnern sich doch
wohl auch der Wechsel, die Sie an den Herrn Araspe vor Jahr und Tag
ausstellten?

Adrast.  Schweig, ich mag nichts davon hören.

Johann.  Ohne Zweifel, weil Sie sie vergessen wollen?  Wenn sie nur
dadurch bezahlt würden.--Aber wissen Sie denn auch, daß sie verfallen
sind?

Adrast.  Ich weiß, daß du dich nicht darum zu bekümmern hast.

Johann.  Auch das verbeiße ich.--Sie denken freilich: Weit davon, ist
gut für den Schuß; und Herr Araspe hat eben nicht nötig, so sehr
dahinterher zu sein.  Aber, was meinen Sie, wenn ich den Herrn Araspe--

Adrast.  Nun was?

Johann.  Jetzt den Augenblick vom Postwagen hätte steigen sehen?

Adrast.  Was sagst du?  Ich erstaune--

Johann.  Das tat ich auch, als ich ihn sah.

Adrast.  Du, Araspen gesehen?  Araspen hier?

Johann.  Mein Herr, ich habe mich auf den Fuß gesetzt, daß ich Ihre
und meine Schuldner gleich auf den ersten Blick erkenne; ja ich rieche
sie schon, wenn sie auch noch hundert Schritt von mir sind.

Adrast (nachdem er nachgedacht).  Ich bin verloren!

Johann.  Das war ja mein erstes Wort.

Adrast.  Was ist anzufangen?

Johann.  Das beste wird sein: wir packen auf, und ziehen weiter.

Adrast.  Das ist unmöglich.

Johann.  Nun so machen Sie sich gefaßt, zu bezahlen.

Adrast.  Das kann ich nicht; die Summe ist zu groß.

Johann.  Oh!  ich sagte auch nur so.--Sie sinnen?

Adrast.  Doch wer weiß auch, ob er ausdrücklich meinetwegen
hergekommen ist.  Er kann andre Geschäfte haben.

Johann.  Je nu!  so wird er das Geschäfte mit Ihnen so beiher treiben.
Wir sind doch immer geklatscht.

Adrast.  Du hast recht.--Ich möchte rasend werden, wenn ich an alle
die Streiche gedenke, die mir ein ungerechtes Schicksal zu spielen
nicht aufhört.--Doch wider wen murre ich?  Wider ein taubes Ohngefähr?
Wider einen blinden Zufall, der uns ohne Absicht und ohne Vorsatz
schwerfällt?  Ha!  nichtswürdiges Leben!--

Johann.  Oh!  lassen Sie mir das Leben ungeschimpft.  So einer
Kleinigkeit wegen sich mit ihm zu überwerfen, das wäre was Gescheutes!

Adrast.  So rate mir doch, wenn du es für eine Kleinigkeit ansiehst.

Johann.  Fällt Ihnen im Ernste kein Mittel ein?--Bald werde ich Sie
gar nicht mehr für den großen Geist halten, für den ich Sie doch immer
gehalten habe.  Fortgehen wollen Sie nicht; bezahlen können Sie nicht:
was ist denn noch übrig?

Adrast.  Mich ausklagen zu lassen.

Johann.  O pfui!  Worauf ich gleich zuerst fallen würde, wenn ich auch
bezahlen könnte--

Adrast.  Und was ist denn das?

Johann.  Schwören Sie den Bettel ab.

Adrast (mit einer bittern Verachtung).  Schurke!

Johann.  Wie?  Was bin ich?  So einen brüderlichen Rat--

Adrast.  Ja wohl ein brüderlicher Rat, den du nur deinen Brüdern,
Leuten deinesgleichen, geben solltest.

Johann.  Sind Sie Adrast?  Ich habe Sie wohl niemals über das Schwören
spotten hören?

Adrast.  Über das Schwören, als Schwören, nicht aber als eine bloße
Beteurung seines Wortes.  Diese muß einem ehrlichen Manne heilig sein,
und wenn auch weder Gott noch Strafe ist.  Ich würde mich ewig schämen,
meine Unterschrift geleugnet zu haben, und ohne Verachtung meiner
selbst, nie mehr meinen Namen schreiben können.

Johann.  Aberglauben über Aberglauben.  Zu einer Türe haben Sie ihn
herausgejagt, und zu der andern lassen Sie ihn wieder herein.

Adrast.  Schweig!  ich mag dein lästerliches Geschwätze nicht anhören.
Ich will Araspen aufsuchen.  Ich will ihm Vorstellungen tun; ich will
ihm von meiner Heirat sagen; ich will ihm Zinsen über Zinsen
versprechen.--Ich treffe ihn doch wohl noch in dem Posthause?

Johann.  Vielleicht.--Da geht er, der barmherzige Schlucker.  Das Maul
ist groß genug an ihm; aber wenn es dazu kömmt, daß er das, was er
glaubt, mit Taten beweisen soll, da zittert das alte Weib!  Wohl dem,
der nach seiner Überzeugung auch leben kann!  So hat er doch noch
etwas davon.  Ich sollte an seiner Stelle sein.--Doch ich muß nur
sehen, wo er bleibt.

(Ende des ersten Aufzugs.)





Zweiter Aufzug



Erster Auftritt

Juliane.  Henriette.  Lisette.


Lisette.  Vor allen Dingen, meine lieben Mamsells, ehe ich Ihre kleine
Streitigkeit schlichte, lassen Sie uns ausmachen, welcher von Ihnen
ich heute zugehöre.  Sie wissen wohl, Ihre Herrschaft über mich ist
umzechig.  Denn weil es unmöglich sein soll, zweien Herren zu dienen,
So hat Ihr wohlweiser Papa--neigen Sie sich, Mamsells, neigen Sie sich!
--so hat, sage ich, Ihr wohlweiser Papa wohlbedächtig mich damit
verschonen wollen, das Unmögliche möglich zu machen.  Er hat jede von
Ihnen einen Tag um den andern zu meiner hauptsächlichen Gebieterin
gemacht; so daß ich den einen Tag der sanften Juliane ehrbares Mädchen,
und den andern der muntern Henriette wilde Lisette sein muß.  Aber
jetzt, seitdem die fremden Herren im Hause sind--

Henriette.  Unsre Anbeter meinst du--

Lisette.  Ja, ja!  Ihre Anbeter, welche bald Ihre hochbefehlenden
Ehemänner sein werden--Seitdem, sage ich, diese im Hause sind, geht
alles drüber und drunter; ich werde aus einer Hand in die andere
geschmissen; und ach!  unsere schöne Ordnung liegt mit dem Nähzeuge,
das Sie seit eben der Zeit nicht angesehen haben, unterm Nachttische.
Hervor wieder damit!  Ich muß wissen, woran ich mit Ihnen bin, wenn
ich ein unparteiisches Urteil fällen soll.

Henriette.  Das wollen wir bald ausrechnen.--Du besinnst dich doch
wohl auf den letzten Feiertag, da dich meine Schwester mit in die
Nachmittagspredigt schleppte, so gerne du auch mit mir auf unser
Vorwerk gefahren wärest?  Du warst damals sehr strenge, Juliane!--

Juliane.  Ich habe doch wohl nicht einer ehrlichen Seele einen
vergeblichen Weg nach ihr hinaus gemacht?

Henriette.  Lisette--

Lisette.  Stille, Mamsell Henriette!  nicht aus der Schule geschwatzt,
oder--

Henriette.  Mädchen drohe nicht!  Du weißt wohl, ich habe ein gut
Gewissen.

Lisette.  Ich auch.--Doch lassen Sie uns nicht das Hundertste ins
Tausendste schwatzen.--Recht!  an den Feiertag will ich gedenken!  Er
war der letzte in unsrer Ordnung; denn noch den Abend kam Theophan an.

Henriette.  Und also, mit Erlaubnis meiner Schwester, bist du heute
meine.

Juliane.  Ohne Widerrede.

Lisette.  Juchhei!  Mamsellchen.  Ich bin also heute Ihre: Juchhei!

Juliane.  Ist das dein Lösungswort unter ihrer Fahne?

Lisette.  Ohne weitre Umstände: erzählen Sie mir nunmehr Ihre
Streitigkeit.--Unterdessen lege ich mein Gesicht in richterliche
Falten.

Juliane.  Streitigkeit?  Eine wichtige Streitigkeit?  Ihr seid beide
Schäkerinnen.--Ich will nichts mehr davon hören.

Henriette.  So?  Du willst keinen Richter erkennen?  Ein klarer Beweis,
daß du unrecht hast.--Höre nur, Lisette!  wir haben über unsre
Anbeter gezankt.  Ich will die Dinger immer noch so nennen, mag doch
zuletzt daraus werden, was da will.

Lisette.  Das dachte ich.  Über was könnten sich zwei gute Schwestern
auch sonst zanken?  Es ist freilich verdrießlich, wenn man sein
künftiges Haupt verachten hört.

Henriette.  Schwude!  Mädchen; du willst ganz auf die falsche Seite.
Keine hat des andern Anbeter verachtet; sondern unser Zank kam daher,
weil eine des andern Anbeter--schon wieder Anbeter!--allzusehr erhob.

Lisette.  Eine neue Art Zanks!  wahrhaftig, eine neue Art!

Henriette.  Kannst du es anders sagen, Juliane?

Juliane.  Oh!  verschone mich doch damit.

Henriette.  Hoffe auf kein Verschonen, wenn du nicht widerrufst.--Sage,
Lisette, hast du unsre Männerchen schon einmal gegeneinander
gehalten?  Was dünkt dich?  Juliane macht ihren armen Theophan
herunter, als wenn er ein kleines Ungeheuer wäre.

Juliane.  Unartige Schwester!  Wann habe ich dieses getan?  Mußt du
aus einer flüchtigen Anmerkung, die du mir gar nicht hättest aufmutzen
sollen, solche Folgen ziehen?

Henriette.  Ich seh, man muß dich böse machen, wenn du mit der Sprache
heraus sollst.--Eine flüchtige Anmerkung nennst du es?  Warum
strittest du denn über ihre Gründlichkeit?

Juliane.  Du hast doch närrische Ausdrücke!  Fingst du nicht den
ganzen Handel selbst an?  Ich glaubte, wie sehr ich dir schmeicheln
würde, wenn ich deinen Adrast den wohlgemachtesten Mann nennte, den
ich jemals gesehen hätte.  Du hättest mir für meine Gesinnungen danken,
nicht aber widersprechen sollen.

Henriette.  Sieh, wie wunderlich du bist!  Was war mein Widerspruch
anders, als ein Dank?  Und wie konnte ich mich nachdrücklicher
bedanken, als wenn ich den unverdienten Lobspruch auf deinen Theophan
zurückschob?--

Lisette.  Sie hat recht!

Juliane.  Nein, sie hat nicht recht.  Denn eben dieses verdroß mich.
Muß sie auf einen so kindischen Fuß mit mir umgehen?  Sahe sie mich
nicht dadurch für ein kleines spielendes Mädchen an, das zu ihr gesagt
hätte: Deine Puppe ist die schönste; und dem sie also, um es nicht
böse zu machen, antworten müßte: Nein, deine ist die schönste?

Lisette.  Nun hat sie recht!

Henriette.  Oh!  geh, du bist eine artige Richterin.  Hast du schon
vergessen, daß du mir heute angehörst?

Lisette.  Desto schärfer eben werde ich gegen Sie sein, damit ich
nicht parteiisch lasse.

Juliane.  Glaube mir nur, daß ich bessere Eigenschaften an einer
Mannsperson zu schätzen weiß, als seine Gestalt.  Und es ist genug,
daß ich diese bessern Eigenschaften an dem Theophan finde.  Sein Geist-
-

Henriette.  Von dem ist ja nicht die Rede.  Jetzt kömmt es auf den
Körper an, und dieser ist an dem Theophan schöner, du magst sagen, was
du willst.  Adrast ist besser gewachsen: gut; er hat einen schönern
Fuß: ich habe nichts dawider.  Aber laß uns auf das Gesicht kommen.--

Juliane.  So stückweise habe ich mich nicht eingelassen.

Henriette.  Das ist eben dein Fehler.--Was für ein Stolz, was für eine
Verachtung aller andern blickt nicht dem Adrast aus jeder Miene!  Du
wirst es Adel nennen; aber machst du es dadurch schön?  Umsonst sind
seine Gesichtszüge noch so regelmäßig: sein Eigensinn, seine Lust zum
Spotten hat eine gewisse Falte hineingebracht, die ihm in meinen Augen
recht häßlich läßt.  Aber ich will sie ihm gewiß herausbringen: laß
nur die Flitterwochen erst vorbei sein.--Dein Theophan hingegen hat
das liebenswürdigste Gesicht von der Welt.  Es herrscht eine
Freundlichkeit darin, die sich niemals verleugnet.--

Juliane.  Sage mir doch nur nichts, was ich ebensogut bemerkt habe,
als du.  Allein eben diese seine Freundlichkeit ist nicht sowohl das
Eigentum seines Gesichts, als die Folge seiner innern Ruhe.  Die
Schönheit der Seele bringt auch in einen ungestalteten Körper Reize;
so wie ihre Häßlichkeit dem vortrefflichsten Baue und den schönsten
Gliedern desselben, ich weiß nicht was eindrückt, das einen
unzuerklärenden Verdruß erwecket.  Wenn Adrast eben der fromme Mann
wäre, der Theophan ist; wenn seine Seele von ebenso göttlichen
Strahlen der Wahrheit, die er sich mit Gewalt zu verkennen bestrebet,
erleuchtet wäre: so würde er ein Engel unter den Menschen sein; da er
jetzt kaum ein Mensch unter den Menschen ist.  Zürne nicht, Henriette,
daß ich so verächtlich von ihm rede.  Wenn er in gute Hände fällt,
kann er noch alles das werden, was er jetzt nicht ist, weil er es nie
hat sein wollen.  Seine Begriffe von der Ehre, von der natürlichen
Billigkeit sind vortrefflich.--

Henriette (spöttisch).  Oh!  du machst ihn auch gar zu sehr herunter.--
Aber im Ernste, kann ich nicht sagen, daß du mich nunmehr für das
kleine spielende Mädchen ansiehst?  Ich mag ja nicht von dir
seinetwegen zufriedengestellt sein.  Er ist, wie er ist, und lange gut
für mich.  Du sprachst von guten Händen, in die er fallen müßte, wenn
noch was aus ihm werden sollte.  Da er in meine nunmehr gefallen ist,
wird er wohl nicht anders werden.  Mich nach ihm zu richten, wird mein
einziger Kunstgriff sein, uns das Leben erträglich zu machen.  Nur die
verdrießlichen Gesichter muß er ablegen; und da werde ich ihm die
Gesichter deines Theophans zum Muster vorschlagen.

Juliane.  Schon wieder Theophan, und seine freundlichen Gesichter?

Lisette.  Stille!  Mamsell--



Zweiter Auftritt

Theophan.  Juliane.  Henriette.  Lisette.


Henriette (springt dem Theophan entgegen).  Kommen Sie doch, Theophan,
kommen Sie!--Können Sie wohl glauben, daß ich Ihre Partei gegen meine
Schwester habe halten müssen?  Bewundern Sie meine Uneigennützigkeit.
Ich habe Sie bis in den Himmel erhoben, da ich doch weiß, daß ich Sie
nicht bekomme, sondern daß Sie für meine Schwester bestimmt sind, die
Ihren Wert nicht kennet.  Denken Sie nur, sie behauptet, daß Sie keine
so schöne Person vorstellten, als Adrast.  Ich weiß nicht, wie sie das
behaupten kann.  Ich sehe doch den Adrast mit den Augen einer
Verliebten an, das ist, ich mache mir ihn noch zehnmal schöner, als er
ist, und gleichwohl geben Sie ihm, meines Bedünkens, nichts nach.  Sie
spricht zwar, auf der Seite des Geistes hätten Sie mehr Vorzüge; aber
was wissen wir Frauenzimmer denn vom Geiste?

Juliane.  Die Schwätzerin!  Sie kennen sie, Theophan: glauben Sie ihr
nicht.

Theophan.  Ich ihr nicht glauben, schönste Juliane?  Warum wollen Sie
mich nicht in der glücklichen Überzeugung lassen, daß Sie so
vorteilhaft von mir gesprochen haben?--Ich danke Ihnen, angenehmste
Henriette, für Ihre Verteidigung; ich danke Ihnen umsovielmehr, je
stärker ich selbst überführet bin, daß Sie eine schlechte Sache haben
verteidigen müssen.  Allein--

Henriette.  Oh!  Theophan, von Ihnen verlange ich es nicht, daß Sie
mir recht geben sollen.  Es ist eine andere gewisse Person--

Juliane.  Lassen Sie dieser andern Person Gerechtigkeit widerfahren,
Theophan.  Sie werden, hoffe ich, meine Gesinnungen kennen--

Theophan.  Gehen Sie nicht mit mir, als mit einem Fremden um, liebste
Juliane.  Brauchen Sie keine Einlenkungen; ich würde bei jeder nähern
Bestimmung verlieren.--Bei den Büchern, in einer engen staubigten
Studierstube, vergißt man des Körpers sehr leicht; und Sie wissen, der
Körper muß ebensowohl bearbeitet werden, als die Seele, wenn beide
diejenigen Vollkommenheiten erhalten sollen, deren sie fähig sind.
Adrast ist in der großen Welt erzogen worden; er hat alles, was bei
derselben beliebt macht--

Henriette.  Und wenn es auch Fehler sein sollten.--

Theophan.  Wenigstens habe ich diese Anmerkung nicht machen wollen.--
Aber nur Geduld!  ein großer Verstand kann diesen Fehlern nicht immer
ergeben sein.  Adrast wird das Kleine derselben endlich einsehen,
welches sich nur allzusehr durch das Leere verrät, das sie in unsern
Herzen zurücklassen.  Ich bin seiner Umkehr so gewiß, daß ich ihn
schon im voraus darum liebe.--Wie glücklich werden Sie mit ihm leben,
glückliche Henriette!

Henriette.  So edel spricht Adrast niemals von Ihnen, Theophan.--

Juliane.  Abermals eine recht garstige Anmerkung, meine liebe
Schwester.--Was suchst du damit, daß du dem Theophan dieses sagst?  Es
ist allezeit besser, wenn man es nicht weiß, wer von uns übel spricht.
Die Kenntnis unserer Verleumder wirkt auch in dem großmütigsten
Herzen eine Art von Entfernung gegen sie, die ihre Aussöhnung mit der
beleidigten Person nur noch schwerer macht.

Theophan.  Sie entzücken mich, Juliane.  Aber fürchten Sie nichts!
Eben darin soll über kurz oder lang mein Triumph bestehen, daß ich den
mich jetzt verachtenden Adrast besser von mir zu urteilen gezwungen
habe.  Würde ich aber nicht diesen ganzen Triumph zernichten, wenn ich
selbst einigen Groll gegen ihn fassen wollte?  Noch hat er sich nicht
die Mühe genommen, mich näher kennenzulernen.  Vielleicht, daß ich ein
Mittel finde, ihn dazu zu vermögen.--Lassen Sie uns nur jetzt davon
abbrechen; und erlauben Sie, daß ich einen meiner nächsten
Blutsfreunde bei Ihnen anmelden darf, der sich ein Vergnügen daraus
gemacht hat, mich hier zu überraschen.--

Juliane.  Einen Anverwandten?

Henriette.  Und wer ist es?

Theophan.  Araspe.

Juliane.  Araspe?

Henriette.  Ei!  das ist ja vortrefflich!  Wo ist er denn?

Theophan.  Er war eben abgestiegen, und hat mir versprochen,
unverzüglich nachzufolgen.

Henriette.  Weiß es der Papa schon?

Theophan.  Ich glaube nicht.

Juliane.  Und die Großmama?

Henriette.  Komm, Schwesterchen!  diese fröhliche Nachricht müssen wir
ihnen zuerst bringen.--Du bist doch nicht böse auf mich?

Juliane.  Wer kann auf dich böse sein, Schmeichlerin?  Komm nur!

Theophan.  Erlauben Sie, daß ich ihn hier erwarte.

Henriette.  Bringen Sie ihn aber nur bald.  Hören Sie!



Dritter Auftritt

Theophan.  Lisette.


Lisette.  Ich bleibe, Herr Theophan, um Ihnen noch ein kleines großes
Kompliment zu machen.  Wahrhaftig!  Sie sind der glücklichste Mann von
der Welt!  und wenn Herr Lisidor, glaube ich, noch zwei Töchter hätte,
so würden sie doch alle viere in Sie verliebt sein.

Theophan.  Wie versteht Lisette das?

Lisette.  Ich verstehe es so: daß wenn es alle viere sein würden, es
jetzt alle zwei sein müssen.

Theophan (lächelnd).  Noch dunkler!

Lisette.  Das sagt Ihr Lächeln nicht.--Wenn Sie aber wirklich Ihre
Verdienste selbst nicht kennen, so sind Sie nur desto liebenswerter.
Juliane liebt Sie: und das geht mit rechten Dingen zu, denn sie soll
Sie lieben.  Nur schade, daß ihre Liebe so ein gar vernünftiges
Ansehen hat.  Aber was soll ich zu Henrietten sagen?  Gewiß sie liebt
Sie auch, und was das Verzweifeltste dabei ist, sie liebt Sie--aus
Liebe.--Wenn Sie sie doch nur alle beide auch heiraten könnten!

Theophan.  Sie meint es sehr gut, Lisette!

Lisette.  Ja, wahrhaftig!  alsdann sollten Sie mich noch obendrein
behalten.

Theophan.  Noch besser!  Aber ich sehe, Lisette hat Verstand--

Lisette.  Verstand?  Auf das Kompliment weiß ich, leider!  nichts zu
antworten.  Auf ein anders: Lisette ist schön, habe ich wohl ungefähr
antworten lernen: Mein Herr, Sie scherzen.  Ich weiß nicht, ob sich
diese Antwort hieher auch schickt.

Theophan.  Ohne Umstände!--Lisette kann mir einen Dienst erzeigen,
wenn sie mir ihre wahre Meinung von Julianen entdeckt.  Ich bin gewiß,
daß sie auch in ihren Mutmaßungen nicht weit vom Ziele treffen wird.
Es gibt gewisse Dinge, wo ein Frauenzimmerauge immer schärfer sieht,
als hundert Augen der Mannspersonen.

Lisette.  Verzweifelt!  diese Erfahrung können Sie wohl nimmermehr aus
Büchern haben--Aber, wenn Sie nur acht auf meine Reden gegeben hätten;
ich habe Ihnen bereits meine wahre Meinung von Julianen gesagt.  Sagte
ich Ihnen nicht, daß mir ihre Liebe ein gar zu vernünftiges Ansehen zu
haben scheine?  Darin liegt alles, was ich davon denke.  Überlegung,
Pflicht, vorzügliche Schönheiten der Seele--Ihnen die Wahrheit zu
sagen, gegen so vortreffliche Worte, in einem weiblichen Munde, mag
ein Liebhaber immer ein wenig mißtrauisch sein.  Und noch eine kleine
Beobachtung gehöret hieher: diese nämlich, daß sie mit den schönen
Worten weit sparsamer gewesen, als Herr Theophan allein im Hause war.

Theophan.  Gewiß?

Lisette (nachdem sie ihn einen Augenblick angesehen).  Herr Theophan!
Herr Theophan!  Sie sagen dieses Gewiß mit einer Art,--mit einer Art,--

Theophan.  Mit was für einer Art?

Lisette.  Ja!  nun ist sie wieder weg.  Die Mannspersonen!  die
Mannspersonen!  Und wenn es auch gleich die allerfrömmsten sind--Doch
ich will mich nicht irremachen lassen.  Seit Adrast im Hause ist,
wollte ich sagen, fallen zwischen dem Adrast und Julianen dann und
wann Blicke vor--

Theophan.  Blicke?--Sie beunruhiget mich, Lisette.

Lisette.  Und das Beunruhigen können Sie so ruhig aussprechen, so
ruhig--Ja, Blicke fallen zwischen ihnen vor; Blicke, die nicht ein
Haar anders sind, als die Blicke, die dann und wann zwischen Mamsell
Henrietten und dem vierten vorfallen--

Theophan.  Was für einem vierten?

Lisette.  Werden Sie nicht ungehalten.  Wenn ich Sie gleich den
vierten nenne, so sind Sie eigentlich doch in aller Absicht der erste.

Theophan (die ersten Worte beiseite).  Die Schlaue!--Sie beschämt mich
für meine Neubegierde, und ich habe es verdient.  Nichtsdestoweniger
aber irret Sie sich, Lisette; gewaltig irret Sie sich--

Lisette.  O pfui!  Sie machten mir vorhin ein so artiges Kompliment,
und nunmehr gereuet es Sie auf einmal, mir es gemacht zu haben.--Ich
müßte gar nichts von dem Verstande besitzen, den Sie mir beilegten,
wenn ich mich so gar gewaltig irren sollte.--

Theophan (unruhig und zerstreut).  Aber wo bleibt er denn?--

Lisette.  Mein Verstand?--Wo er will.--So viel ist gewiß, daß Adrast
bei Henrietten ziemlich schlecht steht, sosehr sie sich auch nach
seiner Weise zu richten scheint.  Sie kann alles leiden, nur
geringgeschätzt zu werden, kann sie nicht leiden.  Sie weiß es
allzuwohl, für was uns Adrast ansieht: für nichts, als Geschöpfchen,
die aus keiner andern Absicht da sind, als den Männern ein Vergnügen
zu machen.  Und das ist doch sehr nichtswürdig gedacht!  Aber da kann
man sehen, in was für gottlose Irrtümer die ungläubigen Leute
verfallen.--Nu?  Hören Sie mir nicht mehr zu, Herr Theophan?  Wie so
zerstreut?  wie so unruhig?

Theophan.  Ich weiß nicht, wo mein Vetter bleibt?--

Lisette.  Er wird ja wohl kommen.--

Theophan.  Ich muß ihm wirklich nur wieder entgegengehn.--Adieu,
Lisette!



Vierter Auftritt

Lisette.  Das heiße ich kurz abgebrochen!--Er wird doch nicht
verdrießlich geworden sein, daß ich ihm ein wenig auf den Zahn fühlte?
Das brave Männchen!  Ich will nur gerne sehen, was noch daraus werden
wird.  Ich gönne ihm wirklich alles Gutes, und wenn es nach mir gehen
sollte, so wüßte ich schon, was ich täte.--(Indem sie sich umsieht.)
Wer kömmt denn da den Gang hervor?--Sind die es?--Ein Paar
allerliebste Schlingel!  Adrasts Johann, und Theophans Martin: die
wahren Bilder ihrer Herren, von der häßlichen Seite!  Aus
Freigeisterei ist jener ein Spitzbube; und aus Frömmigkeit dieser ein
Dummkopf.  Ich muß mir doch die Lust machen, sie zu behorchen.  (Sie
tritt zurück.)



Fünfter Auftritt

Lisette, halb versteckt hinter einer Szene.  Johann.  Martin.


Johann.  Was ich dir sage!

Martin.  Du mußt mich für sehr dumm ansehen.  Dein Herr ein Atheist?
das glaube sonst einer!  Er sieht ja aus wie ich und du.  Er hat Hände
und Füße; er hat das Maul in der Breite und die Nase in der Länge, wie
ein Mensch; er red't, wie ein Mensch; er ißt, wie ein Mensch:--und
soll ein Atheist sein?

Johann.  Nun?  sind denn die Atheisten keine Menschen?

Martin.  Menschen?  Ha!  ha!  ha!  Nun höre ich, daß du selber nicht
weißt, was ein Atheist ist.

Johann.  Zum Henker!  du wirst es wohl besser wissen.  Ei!  belehre
doch deinen unwissenden Nächsten.

Martin.  Hör zu!--Ein Atheist ist--eine Brut der Hölle, die sich, wie
der Teufel, tausendmal verstellen kann.  Bald ist's ein listiger Fuchs,
bald ein wilder Bär;--bald ist's ein Esel, bald ein Philosoph;--bald
ist's ein Hund, bald ein unverschämter Poete.  Kurz, es ist ein Untier,
das schon lebendig bei dem Satan in der Hölle brennt,--eine Pest der
Erde,--eine abscheuliche Kreatur,--ein Vieh, das dummer ist, als ein
Vieh;--ein Seelenkannibal,--ein Antichrist,--ein schreckliches
Ungeheuer--

Johann.  Es hat Bocksfüße: nicht?  Zwei Hörner?  einen Schwanz?--

Martin.  Das kann wohl sein.--Es ist ein Wechselbalg, den die Hölle
durch--durch einen unzüchtigen Beischlaf mit der Weisheit dieser Welt
erzeugt hat;--es ist--ja, sieh, das ist ein Atheist.  So hat ihn unser
Pfarr abgemalt; der kennt ihn aus großen Büchern.

Johann.  Einfältiger Schöps!--Sieh mich doch einmal an.

Martin.  Nu?

Johann.  Was siehst du an mir?

Martin.  Nichts, als was ich zehnmal besser an mir sehen kann.

Johann.  Findest du denn etwas Erschreckliches, etwas Abscheuliches an
mir?  Bin ich nicht ein Mensch, wie du?  Hast du jemals gesehen, daß
ich ein Fuchs, ein Esel, oder ein Kannibal gewesen wäre?

Martin.  Den Esel laß immer weg, wenn ich dir antworten soll, wie du
gerne willst.--Aber, warum fragst du das?

Johann.  Weil ich selbst ein Atheist bin; das ist, ein starker Geist,
wie es jetzt jeder ehrlicher Kerl nach der Mode sein muß.  Du sprichst,
ein Atheist brenne lebendig in der Hölle.  Nun!  rieche einmal:
riechst du einen Brand an mir?

Martin.  Drum eben bist du keiner.

Johann.  Ich wäre keiner?  Tue mir nicht die Schande an, daran zu
zweifeln, oder--Doch wahrhaftig, das Mitleiden verhindert mich, böse
zu werden.  Du bist zu beklagen, armer Schelm!

Martin.  Arm?  Laß einmal sehen, wer die vergangene Woche das meiste
Trinkgeld gekriegt hat.  (Er greift in die Tasche.)  Du bist ein
lüderlicher Teufel, du versäufst alles--

Johann.  Laß stecken!  Ich rede von einer ganz andern Armut, von der
Armut des Geistes, der sich mit lauter elenden Brocken des
Aberglaubens ernähren, und mit lauter armseligen Lumpen der Dummheit
kleiden muß.--Aber so geht es euch Leuten, die ihr nicht weiter, als
höchstens vier Meilen hinter den Backofen kommt.  Wenn du gereiset
wärest, wie ich--

Martin.  Gereist bist du?  Laß hören, wo bist du gewesen?

Johann.  Ich bin gewesen--in Frankreich--

Martin.  In Frankreich?  Mit deinem Herrn?

Johann.  Ja, mein Herr war mit.

Martin.  Das ist das Land, wo die Franzosen wohnen?--So wie ich einmal
einen gesehen habe,--das war eine schnurrige Kröte!  In einem
Augenblicke konnte er sich siebenmal auf dem Absatze herumdrehen, und
dazu pfeifen.

Johann.  Ja, es gibt große Geister unter ihnen!  Ich bin da erst recht
klug geworden.

Martin.  Hast du denn auch Frankreich'sch gelernt?

Johann.  Französisch, willst, du sagen:--vollkommen.

Martin.  Oh!  rede einmal!

Johann.  Das will ich wohl tun.--Quelle heure est-il, maraut?  Le père
et la mère une fille de coups de bâton.  Comment coquin?  Diantre
diable carogne à vous servir.

Martin.  Das ist schnakisch!  Und das Zeug können die Leute da
verstehen?  Sag einmal, was hieß das auf deutsch?

Johann.  Ja!  auf deutsch!  Du guter Narre, das läßt sich auf deutsch
nicht so sagen.  Solche feine Gedanken können nur französisch
ausgedrückt werden.

Martin.  Der Blitz!--Nu?  wo bist du weiter gewesen?

Johann.  Weiter?  In England--

Martin.  In England?--Kannst du auch Engländ'sch

Johann.  Was werde ich nicht können?

Martin.  Sprich doch!

Johann.  Du mußt wissen, es ist eben wie das Französische.  Es ist
französisch, versteh mich, auf englisch ausgesprochen.  Was hörst du
dir dran ab?--Ich will dir ganz andre Dinge sagen, wenn du mir zuhören
willst.  Dinge, die ihresgleichen nicht haben müssen.  Zum Exempel,
auf unsern vorigen Punkt zu kommen: sei kein Narr, und glaube, daß ein
Atheist so ein schrecklich Ding ist.  Ein Atheist ist nichts weiter,
als ein Mensch, der keinen Gott glaubt.--

Martin.  Keinen Gott?  Je!  das ist ja noch viel ärger!  Keinen Gott?
Was glaubt er denn?

Johann.  Nichts.

Martin.  Das ist wohl eine mächtige Mühe.

Johann.  Ei!  Mühe!  Wenn auch nichts glauben eine Mühe wäre, so
glaubten ich und mein Herr gewiß alles.  Wir sind geschworne Feinde
alles dessen, was Mühe macht.  Der Mensch ist in der Welt, vergnügt
und lustig zu leben.  Die Freude, das Lachen, das Kurtisieren, das
Saufen sind seine Pflichten.  Die Mühe ist diesen Pflichten hinderlich;
also ist es auch notwendig seine Pflicht, die Mühe zu fliehen.--Sieh,
das war ein Schluß, der mehr Gründliches enthält, als die ganze Bibel.

Martin.  Ich wollt's.  Aber sage mir doch, was hat man denn in der
Welt ohne Mühe?

Johann.  Alles was man erbt, und was man erheiratet.  Mein Herr erbte
von seinem Vater und von zwei reichen Vettern keine kleinen Summen;
und ich muß ihm das Zeugnis geben, er hat sie, als ein braver Kerl,
durchgebracht.  Jetzt bekömmt er ein reich Mädel, und, wenn er klug
ist, so fängt er es wieder an, wo er es gelassen hat.  Seit einiger
Zeit ist er mir zwar ganz aus der Art geschlagen; und ich sehe wohl,
auch die Freigeisterei bleibt nicht klug, wenn sie auf die Freite geht.
Doch ich will ihn schon wieder in Gang bringen.--Und höre, Martin,
ich will auch dein Glück machen.  Ich habe einen Einfall; aber ich
glaube nicht, daß ich ihn anders wohl von mir geben kann, als--bei
einem Glase Wein.  Du klimpertst vorhin mit deinen Trinkgeldern; und
gewiß, du bist in Gefahr, keine mehr zu bekommen, wenn man nicht sieht,
daß du sie dazu anwendest, wozu sie dir gegeben werden.  Zum Trinken,
guter Martin, zum Trinken: darum heißen es Trinkgelder.--

Martin.  Still!  Herr Johann, still!--Du bist mir so noch Revansche
schuldig.  Habe ich dich nicht jenen Abend nur noch freigehalten?--
Doch, laß einmal hören!  was ist denn das für ein Glück, das ich von
dir zu hoffen habe?

Johann.  Höre, wenn mein Herr heiratet, so muß er noch einen Bedienten
annehmen.--Eine Kanne Wein, so sollst du bei mir den Vorzug haben.  Du
versauerst doch nur bei deinem dummen Schwarzrocke.  Du sollst bei
Adrasten mehr Lohn und mehr Freiheit haben; und ich will dich noch
obendrein zu einem starken Geiste machen, der es mit dem Teufel und
seiner Großmutter aufnimmt, wenn nur erst einer wäre.

Martin.  Was?  wenn erst einer wäre?  Ho!  ho!  Ist es nicht genug,
daß du keinen Gott glaubst?  willst du noch dazu keinen Teufel
glauben?  Oh!  male ihn nicht an die Wand!  Er läßt sich nicht so
lange herumhudeln, wie der liebe Gott.  Der liebe Gott ist gar zu gut,
und lacht über einen solchen Narren, wie du bist.  Aber der Teufel--
dem läuft gleich die Laus über die Leber; und darnach sieht's nicht
gut aus.--Nein, bei dir ist kein Aushalten: ich will nur gehen.--

Johann (hält ihn zurück).  Spitzbube!  Spitzbube!  denkst du, daß ich
deine Streiche nicht merke?  Du fürchtest dich mehr für die Kanne Wein,
die du geben sollst, als für den Teufel.  Halt!--Ich kann dich aber
bei dem allen unmöglich in dergleichen Aberglauben stecken lassen.
Überlege dir's nur:--Der Teufel--der Teufel--Ha!  ha!  ha!--Und dir
kömmt es nicht lächerlich vor?  Je!  so lache doch!

Martin.  Wenn kein Teufel wäre, wo kämen denn die hin, die ihn
auslachen?--Darauf antworte mir einmal!  den Knoten beiß mir auf!
Siehst du, daß ich auch weiß, wie man euch Leute zuschanden machen muß?

Johann.  Ein neuer Irrtum!  Und wie kannst du so ungläubig gegen meine
Worte sein?  Es sind die Aussprüche der Weltweisheit, die Orakel der
Vernunft!  Es ist bewiesen, sage ich dir, in Büchern ist es bewiesen,
daß es weder Teufel noch Hölle gibt.--Kennst du Balthasarn?  Es war
ein berühmter Bäcker in Holland.

Martin.  Was gehn mich die Bäcker in Holland an?  Wer weiß, ob sie so
gute Brezeln backen, wie der hier an der Ecke.

Johann.  Ei!  das war ein gelehrter Bäcker!  Seine bezauberte Welt--ha!
--das ist ein Buch!  Mein Herr hat es einmal gelesen.  Kurz, ich
verweise dich auf das Buch, so wie man mich darauf verwiesen hat, und
will dir nur im Vertrauen sagen: Der muß ein Ochse, ein Rindvieh, ein
altes Weib sein, der einen Teufel glauben kann.  Soll ich dir's
zuschwören, daß keiner ist?--Ich will ein Hundsfott sein!

Martin.  Pah!  der Schwur geht wohl mit.

Johann.  Nun, sieh,--ich will, ich will--auf der Stelle verblinden,
wenn ein Teufel ist.

(Lisette springt geschwinde hinter der Szene hervor, und hält ihm
rückwärts die Augen zu, indem sie dem Martin zugleich winkt.)

Martin.  Das wäre noch was; aber du weißt schon, daß das nicht
geschieht.

Johann (ängstlich).  Ach!  Martin, ach!

Martin.  Was ist's?

Johann.  Martin, wie wird mir?  Wie ist mir, Martin?

Martin.  Nu?  was hast du denn?

Johann.  Seh ich--oder--ach!  daß Gott--Martin!  Martin!  wie wird es
auf einmal so Nacht?

Martin.  Nacht?  Was willst du mit der Nacht?

Johann.  Ach!  so ist es nicht Nacht?  Hülfe!  Martin, Hülfe!

Martin.  Was denn für Hülfe?  Was fehlt dir denn?

Johann.  Ach!  ich bin blind, ich bin blind!  Es liegt mir auf den
Augen, auf den Augen.--Ach!  ich zittere am ganzen Leibe--

Martin.  Blind bist du?  Du wirst ja nicht?--Warte, ich will dich in
die Augen schlagen, daß das Feuer herausspringt, und du sollst bald
sehen--

Johann.  Ach!  ich bin gestraft, ich bin gestraft.  Und du kannst
meiner noch spotten?  Hülfe!  Martin, Hülfe!--(Er fällt auf die Knie.)
Ich will mich gern bekehren!  Ach!  was bin ich für ein Bösewicht
gewesen!--

Lisette (welche plötzlich gehen läßt, und, indem sie hervorspringt,
ihm eine Ohrfeige gibt).  Du Schlingel!

Martin.  Ha!  ha!  ha!

Johann.  Ach!  ich komme wieder zu mir.  (Indem er aufsteht.)  Sie
Rabenaas, Lisette!

Lisette.  Kann man euch Hundsfötter so ins Bockshorn jagen?  Ha!  ha!
ha!

Martin.  Krank lache ich mich noch darüber.  Ha!  ha!  ha!

Johann.  Lacht nur!  lacht nur!--Ihr seid wohl albern, wenn ihr denkt,
daß ich es nicht gemerkt habe.--(Beiseite.)  Das Blitzmädel, was sie
mir für einen Schreck abgejagt hat!  Ich muß mich wieder erholen.
(Geht langsam ab.)

Martin.  Gehst du?  Oh!  lacht ihn doch aus!  Je!  lach Sie doch,
Lisettchen, lach Sie doch!  Ha!  ha!  ha!  Das hat Sie vortrefflich
gemacht; so schöne, so schöne, ich möchte Sie gleich küssen.--

Lisette.  Oh!  geh, geh, dummer Martin!

Martin.  Komm Sie, wirklich!  ich will Sie zu Weine führen.  Ich will
Sie mit der Kanne Wein traktieren, um die mich der Schurke prellen
wollte.  Komm Sie!

Lisette.  Das fehlte mir noch.  Ich will nur gehen, und meinen
Mamsells den Spaß erzählen.

Martin.  Ja, und ich meinem Herrn.--Der war abgeführt!  der war
abgeführt!


(Ende des zweiten Aufzuges.)





Dritter Aufzug



Erster Auftritt

Theophan.  Araspe.


Araspe.  Was ich Ihnen sage, mein lieber Vetter.  Das Vergnügen Sie zu
überfallen, und die Begierde bei Ihrer Verbindung gegenwärtig zu sein,
sind freilich die vornehmsten Ursachen meiner Anherkunft; nur die
einzigen sind es nicht.  Ich hatte den Aufenthalt des Adrast endlich
ausgekundschaftet, und es war mir sehr lieb, auf diese Art, wie man
sagt, zwei Würfe mit einem Steine zu tun.  Die Wechsel des Adrast sind
verfallen; und ich habe nicht die geringste Lust, ihm auch nur die
allerkleinste Nachsicht zu gönnen.  Ich erstaune zwar, ihn, welches
ich mir nimmermehr eingebildet hätte, in dem Hause Ihres künftigen
Schwiegervaters zu finden; ihn auf eben demselben Fuße, als Sie,
Theophan, hier zu finden: aber gleichwohl,--und wenn ihn das Schicksal
auch noch näher mit mir verbinden könnte,--

Theophan.  Ich bitte Sie, liebster Vetter, beteuern Sie nichts.

Araspe.  Warum nicht?  Sie wissen wohl, Theophan, ich bin der Mann
sonst nicht, welcher seine Schuldner auf eine grausame Art zu drücken
fähig wäre.--

Theophan.  Das weiß ich, und desto eher--

Araspe.  Hier wird kein Desto eher gelten.  Adrast, dieser Mann, der
sich, auf eine ebenso abgeschmackte als ruchlose Art von andern
Menschen zu unterscheiden sucht, verdient, daß man ihn auch wieder von
andern Menschen unterscheide.  Er muß die Vorrechte nicht genießen,
die ein ehrlicher Mann seinen elenden Nächsten sonst gern genießen
läßt.  Einem spöttischen Freigeiste, welcher uns lieber das Edelste,
was wir besitzen, rauben und uns alle Hoffnung eines künftigen
glückseligern Lebens zunichte machen möchte, vergilt man noch lange
nicht Gleiches mit Gleichem, wenn man ihm das gegenwärtige Leben ein
wenig sauer macht.--Ich weiß, es ist der letzte Stoß, den ich dem
Adrast versetze; er wird seinen Kredit nicht wieder herstellen können.
Ja, ich wollte mich freuen, wenn ich sogar seine Heirat dadurch
rückgängig machen könnte.  Wenn mir es nur um mein Geld zu tun wäre:
so sehen Sie wohl, daß ich diese Heirat lieber würde befördern helfen,
weil er doch wohl dadurch wieder etwas in die Hände bekommen wird.
Aber nein; und sollte ich bei dem Konkurse, welcher entstehen muß,
auch ganz und gar ledig ausgehen: so will ich ihn dennoch auf das
Äußerste bringen.  Ja, wenn ich alles wohl erwäge, so glaube ich, ihm
durch diese Grausamkeit noch eine Wohltat zu erweisen.  Schlechtere
Umstände werden ihn vielleicht zu ernsthaften Überlegungen bringen,
die er in seinem Wohlstande zu machen, nicht wert gehalten hat; und
vielleicht ändert sich, wie es fast immer zu geschehen pflegt, sein
Charakter mit seinem Glücke.

Theophan.  Ich habe Sie ausreden lassen.  Ich glaube, Sie werden so
billig sein, und mich nunmehr auch hören.

Araspe.  Das werde ich.--Aber eingebildet hätte ich mir es nicht, daß
ich an meinem frommen Vetter einen Verteidiger des Adrasts finden
sollte.

Theophan.  Ich bin es weniger, als es scheinet; und es kommen hier so
viel Umstände zusammen, daß ich weiter fast nichts als meine eigne
Sache führen werde.  Adrast, wie ich fest überzeugt bin, ist von
derjenigen Art Freigeister, die wohl etwas Besseres zu sein verdienten.
Es ist auch sehr begreiflich, daß man in der Jugend so etwas
gleichsam wider Willen werden kann.  Man ist es aber alsdann nur so
lange, bis der Verstand zu einer gewissen Reife gelangt ist, und sich
das aufwallende Geblüte abgekühlt hat.  Auf diesem kritischen Punkte
steht jetzt Adrast; aber noch mit wankendem Fuße.  Ein kleiner Wind,
ein Hauch kann ihn wieder herabstürzen.  Das Unglück, das Sie ihm
drohen, würde ihn betäuben; er würde sich einer wütenden Verzweiflung
überlassen, und Ursache zu haben glauben, sich um die Religion nicht
zu bekümmern, deren strenge Anhänger sich kein Bedenken gemacht hätten,
ihn zugrunde zu richten.

Araspe.  Das ist etwas; aber--

Theophan.  Nein, für einen Mann von Ihrer Denkungsart, liebster Vetter,
muß dieses nicht nur etwas, sondern sehr viel sein.  Sie haben die
Sache von dieser Seite noch nicht betrachtet; Sie haben den Adrast nur
als einen verlornen Mann angesehen, an dem man zum Überflusse noch
eine desperate Kur wagen müsse.  Aus diesem Grunde ist die Heftigkeit,
mit der Sie wider ihn sprachen, zu entschuldigen.  Lernen Sie ihn aber
durch mich nunmehr unparteiischer beurteilen.  Er ist in seinen Reden
jetzt weit eingezogener, als man mir ihn sonst beschrieben hat.  Wenn
er streitet, so spottet er nicht mehr, sondern gibt sich alle Mühe,
Gründe vorzubringen.  Er fängt an, auf die Beweise, die man ihm
entgegensetzt, zu antworten, und ich habe es ganz deutlich gemerkt,
daß er sich schämt, wenn er nur halb darauf antworten kann.  Freilich
sucht er diese Scham noch dann und wann unter das Verächtliche eines
Schimpfworts zu verstecken; aber nur Geduld!  es ist schon viel, daß
er diese Schimpfworte niemals mehr auf die heiligen Sachen, die man
gegen ihn verteidiget, sondern bloß auf die Verteidiger fallen läßt.
Seine Verachtung der Religion löset sich allmählich in die Verachtung
derer auf, die sie lehren.

Araspe.  Ist das wahr, Theophan?

Theophan.  Sie werden Gelegenheit haben, sich selbst davon zu
überzeugen.--Sie werden zwar hören, daß diese seine Verachtung der
Geistlichen mich jetzt am meisten trifft; allein ich bitte Sie im
voraus, nicht empfindlicher darüber zu werden, als ich selbst bin.
Ich habe es mir fest vorgenommen, ihn nicht mit gleicher Münze zu
bezahlen; sondern ihm vielmehr seine Freundschaft abzuzwingen, es mag
auch kosten, was es will.

Araspe.  Wenn Sie bei persönlichen Beleidigungen so großmütig sind--

Theophan.  Stille!  wir wollen es keine Großmut nennen.  Es kann
Eigennutz, es kann eine Art von Ehrgeiz sein, sein Vorurteil von den
Gliedern meines Ordens durch mich zuschanden zu machen.  Es sei aber,
was es wolle, so weiß ich doch, daß Sie viel zu gütig sind, mir darin
im Wege zu stehen.  Adrast würde es ganz gewiß für ein abgekartetes
Spiel halten, wenn er sähe, daß mein Vetter so scharf hinter ihm drein
wäre.  Seine Wut würde einzig auf mich fallen, und er würde mich
überall als einen Niederträchtigen ausschreien, der ihm, unter tausend
Versicherungen der Freundschaft, den Dolch ins Herz gestoßen habe.
Ich wollte nicht gerne, daß er die Exempel von hämtückischen Pfaffen,
wie er sie nennt, mit einigem Scheine der Wahrheit auch durch mich
vermehren könnte.

Araspe.  Lieber Vetter, das wollte ich noch tausendmal weniger, als
Sie.--

Theophan.  Erlauben Sie also, daß ich Ihnen einen Vorschlag tue:--oder
nein; es wird vielmehr eine Bitte sein.

Araspe.  Nur ohne Umstände, Vetter.  Sie wissen ja doch wohl, daß Sie
mich in Ihrer Hand haben.

Theophan.  Sie sollen so gütig sein und mir die Wechsel ausliefern,
und meine Bezahlung dafür annehmen.

Araspe.  Und Ihre Bezahlung dafür annehmen?  Bei einem Haare hätten
Sie mich böse gemacht.  Was reden Sie von Bezahlung?  Wenn ich Ihnen
auch nicht gesagt hätte, daß es mir jetzt gar nicht um das Geld zu tun
wäre: so sollten Sie doch wenigstens wissen, daß das, was meine ist,
auch Ihre ist.

Theophan.  Ich erkenne meinen Vetter.

Araspe.  Und ich erkannte ihn fast nicht.--Mein nächster Blutsfreund,
mein einziger Erbe, sieht mich als einen Fremden an, mit dem er
handeln kann?  (Indem er sein Taschenbuch herauszieht.)  Hier sind die
Wechsel!  Sie sind Ihre!  machen Sie damit was Ihnen gefällt.

Theophan.  Aber erlauben Sie, liebster Vetter: ich werde nicht so frei
damit schalten dürfen, wenn ich sie nicht auf die gehörige Art an mich
gebracht habe.

Araspe.  Welches ist denn die gehörige Art unter uns, wenn es nicht
die ist, daß ich gebe, und Sie nehmen?--Doch damit ich alle Ihre
Skrupel hebe: wohl!  Sie sollen einen Revers von sich stellen, daß Sie
die Summe dieser Wechsel nach meinem Tode bei der Erbschaft nicht noch
einmal fodern wollen.  (Lächelnd.)  Wunderlicher Vetter!  sehen Sie
denn nicht, daß ich weiter nichts tue, als auf Abschlag bezahle?--

Theophan.  Sie verwirren mich--

Araspe (der noch die Wechsel in Händen hat).  Lassen Sie mich nur die
Wische nicht länger halten.

Theophan.  Nehmen Sie unterdessen meinen Dank dafür an.

Araspe.  Was für verlorne Worte!  (Indem er sich umsieht.)  Stecken
Sie hurtig ein; da kömmt Adrast selbst.



Zweiter Auftritt

Adrast.  Theophan.  Araspe.


Adrast (erstaunend).  Himmel!  Araspe hier?

Theophan.  Adrast, ich habe das Vergnügen, Ihnen in dem Herrn Araspe
meinen Vetter vorzustellen.

Adrast.  Wie?  Araspe Ihr Vetter?

Araspe.  Oh!  wir kennen einander schon.  Es ist mir angenehm, Herr
Adrast, Sie hier zu sehen.

Adrast.  Ich bin bereits die ganze Stadt nach Ihnen durchgerannt.  Sie
wissen, wie wir miteinander stehen, und ich wollte Ihnen die Mühe
ersparen, mich aufzusuchen.

Araspe.  Es wäre nicht nötig gewesen.  Wir wollen von unserer Sache
ein andermal sprechen.  Theophan hat es auf sich genommen.--

Adrast.  Theophan?  Ha!  nun ist es klar.--

Theophan.  Was ist klar, Adrast?  (Ruhig.)

Adrast.  Ihre Falschheit, Ihre List--

Theophan (zum Araspe).  Wir halten uns zu lange hier auf.  Lisidor,
lieber Vetter, wird Sie mit Schmerzen erwarten.  Erlauben Sie, daß ich
Sie zu ihm führe.--(Zum Adrast.)  Darf ich bitten, Adrast, daß Sie
einen Augenblick hier verziehen?  Ich will den Araspe nur
heraufbegleiten; ich werde gleich wieder hier sein.

Araspe.  Wenn ich Ihnen raten darf, Adrast, so sein Sie gegen meinen
Vetter nicht ungerecht.--

Theophan.  Er wird es nicht sein.  Kommen Sie nur.

(Theophan und Araspe gehen ab.)



Dritter Auftritt

Adrast (bitter).  Nein, gewiß, ich werde es auch nicht sein!  Er ist
unter allen seinesgleichen, die ich noch gekannt habe, der
hassenswürdigste!  Diese Gerechtigkeit will ich ihm widerfahren lassen.
Er hat den Araspe ausdrücklich meinetwegen kommen lassen: das ist
unleugbar.  Es ist mir aber doch lieb, daß ich ihm nie einen redlichen
Tropfen Bluts zugetrauet, und seine süßen Reden jederzeit für das
gehalten habe, was sie sind.--



Vierter Auftritt

Adrast.  Johann.


Johann.  Nun?  haben Sie den Araspe gefunden?

Adrast.  Ja.  (Noch bitter.)

Johann.  Geht's gut?

Adrast.  Vortrefflich.

Johann.  Ich hätte es ihm auch raten wollen, daß er die geringste
Schwierigkeit gemacht hätte!--Und er hat doch schon wieder seinen
Abschied genommen?

Adrast.  Verzieh nur: er wird uns gleich den unsrigen bringen.

Johann.  Er den unsrigen?--Wo ist Araspe?--

Adrast.  Beim Lisidor.

Johann.  Araspe beim Lisidor?  Araspe?

Adrast.  Ja, Theophans Vetter.

Johann.  Was frage ich nach des Narren Vetter?  Ich meine Araspen.--

Adrast.  Den meine ich auch.

Johann.  Aber--

Adrast.  Aber siehst du denn nicht, daß ich rasend werden möchte?  Was
plagst du mich noch?  Du hörst ja, daß Theophan und Araspe Vettern
sind.

Johann.  Zum erstenmal in meinem Leben.--Vettern?  Ei!  desto besser;
unsere Wechsel bleiben also in der Freundschaft, und Ihr neuer Herr
Schwager wird dem alten Herrn Vetter schon zureden--

Adrast.  Du Dummkopf!--Ja, er wird ihm zureden, mich ohne Nachsicht
unglücklich zu machen.--Bist du denn so albern, es für einen Zufall
anzusehen, daß Araspe hier ist?  Siehst du denn nicht, daß es Theophan
muß erfahren haben, wie ich mit seinem Vetter stehe?  daß er ihm
Nachricht von meinen Umständen gegeben hat?  daß er ihn gezwungen hat,
über Hals über Kopf eine so weite Reise zu tun, um die Gelegenheit ja
nicht zu versäumen, meinen Ruin an den Tag zu bringen, und mir dadurch
die letzte Zuflucht, die Gunst des Lisidors, zu vernichten?

Johann.  Verdammt!  wie gehen mir die Augen auf!  Sie haben recht.
Kann ich Esel denn, wenn von einem Geistlichen die Rede ist, nicht
gleich auf das Allerboshafteste fallen?--Ha!  wenn ich doch die
Schwarzröcke auf einmal zu Pulver stampfen und in die Luft schießen
könnte!  Was für Streiche haben sie uns nicht schon gespielt!  Der
eine hat uns um manches Tausend Taler gebracht: das war der ehrwürdige
Gemahl Ihrer lieben Schwester.  Der andere--

Adrast.  Oh!  fange nicht an, mir meine Unfälle vorzuzählen.  Ich will
sie bald geendigt sehen.  Alsdann will ich es doch abwarten, was mir
das Glück noch nehmen kann, wann ich nichts mehr habe.

Johann.  Was es Ihnen noch nehmen kann, wann Sie nichts mehr haben?
Das will ich Ihnen gleich sagen: Mich wird es Ihnen alsdann noch
nehmen.

Adrast.  Ich verstehe dich, Holunke!--

Johann.  Verschwenden Sie Ihren Zorn nicht an mir.  Hier kömmt der, an
welchem Sie ihn besser anwenden können.



Fünfter Auftritt

Theophan.  Adrast.  Johann.


Theophan.  Ich bin wieder hier, Adrast.  Es entfielen Ihnen vorhin
einige Worte von Falschheit und List.--

Adrast.  Beschuldigungen entfallen mir niemals.  Wenn ich sie
vorbringe, bringe ich sie mit Vorsatz und Überlegung vor.

Theophan.  Aber eine nähere Erklärung--

Adrast.  Die fodern Sie nur von sich selbst.

Johann (die ersten Worte beiseite).  Hier muß ich hetzen.--Ja, ja,
Herr Theophan!  es ist schon bekannt, daß Ihnen mein Herr ein Dorn in
den Augen ist.

Theophan.  Adrast, haben Sie es ihm befohlen, an Ihrer Stelle zu
antworten?

Johann.  So?  auch meine Verteidigung wollen Sie ihm nicht gönnen?
Ich will doch sehen, wer mir verbieten soll, mich meines Herrn
anzunehmen.

Theophan.  Lassen Sie es ihn doch sehen, Adrast.

Adrast.  Schweig!

Johann.  Ich sollte--

Adrast.  Noch ein Wort!  (Drohend.)

Theophan.  Nunmehr darf ich die Bitte um eine nähere Erklärung doch
wohl wiederholen?  Ich weiß sie mir selbst nicht zu geben.

Adrast.  Erklären Sie sich denn gerne näher, Theophan?

Theophan.  Mit Vergnügen, sobald es verlangt wird.

Adrast.  Ei!  so sagen Sie mir doch, was wollte denn Araspe, bei
Gelegenheit dessen, was Sie schon wissen, mit den Worten sagen:
Theophan hat es auf sich genommen?

Theophan.  Darüber sollte sich Araspe eigentlich erklären.  Doch ich
kann es an seiner Statt tun.  Er wollte sagen, daß er mir Ihre Wechsel
zur Besorgung übergeben habe.

Adrast.  Auf Ihr Anliegen?

Theophan.  Das kann wohl sein.

Adrast.  Und was haben Sie beschlossen, damit zu tun?

Theophan.  Sie sind Ihnen ja noch nicht vorgewiesen worden?  Können
wir etwas beschließen, ehe wir wissen, was Sie darauf tun wollen?

Adrast.  Kahle Ausflucht!  Ihr Vetter weiß es längst, was ich darauf
tun kann.

Theophan.  Er weiß, daß Sie ihnen Genüge tun können.  Und sind Sie
alsdann nicht auseinander?

Adrast.  Sie spotten.

Theophan.  Ich bin nicht Adrast.

Adrast.  Setzen Sie aber den Fall,--und Sie können ihn sicher setzen,--
daß ich nicht imstande wäre zu bezahlen: was haben Sie alsdenn
beschlossen?

Theophan.  In diesem Falle ist noch nichts beschlossen.

Adrast.  Aber was dürfte beschlossen werden?

Theophan.  Das kömmt auf Araspen an.  Doch sollte ich meinen, daß eine
einzige Vorstellung, eine einzige höfliche Bitte bei einem Manne, wie
Araspe ist, viel ausrichten könne.

Johann.  Nachdem die Ohrenbläser sind.--

Adrast.  Muß ich es noch einmal sagen, daß du schweigen sollst?

Theophan.  Ich würde mir ein wahres Vergnügen machen, wenn ich Ihnen
durch meine Vermittelung einen kleinen Dienst dabei erzeigen könnte.

Adrast.  Und Sie meinen, daß ich Sie mit einer demütigen Miene, mit
einer kriechenden Liebkosung, mit einer niederträchtigen Schmeichelei
darum ersuchen solle?  Nein, so will ich Ihre Kitzelung über mich
nicht vermehren.  Wenn Sie mich mit dem ehrlichsten Gesichte
versichert hätten, Ihr möglichstes zu tun, so würden Sie in einigen
Augenblicken mit einer wehmütigen Stellung wiederkommen, und es
bedauern, daß Ihre angewandte Mühe umsonst sei?  Wie würden sich Ihre
Augen an meiner Verwirrung weiden!

Theophan.  Sie wollen mir also keine Gelegenheit geben, das Gegenteil
zu beweisen?--Es soll Ihnen nur ein Wort kosten.

Adrast.  Nein, auch dieses Wort will ich nicht verlieren.  Denn kurz,--
und hier haben Sie meine nähere Erklärung:--Araspe würde, ohne Ihr
Anstiften, nicht hiehergekommen sein.  Und nun, da Sie Ihre Mine, mich
zu sprengen, so wohl angelegt hätten, sollten Sie durch ein einziges
Wort können bewogen werden, sie nicht springen zu lassen?  Führen Sie
Ihr schönes Werk nur aus.

Theophan.  Ich erstaune über Ihren Verdacht nicht.  Ihre Gemütsart hat
mich ihn vorhersehen lassen.  Aber gleichwohl ist es gewiß, daß ich
ebensowenig gewußt habe, daß Araspe Ihr Gläubiger sei, als Sie gewußt
haben, daß er mein Vetter ist.

Adrast.  Es wird sich zeigen.

Theophan.  Zu Ihrem Vergnügen, hoffe ich.--Heitern Sie Ihr Gesicht nur
auf, und folgen Sie mir mit zu der Gesellschaft.--

Adrast.  Ich will sie nicht wieder sehen.

Theophan.  Was für ein Entschluß!  Ihren Freund, Ihre Geliebte--

Adrast.  Wird mir wenig kosten, zu verlassen.  Sorgen Sie aber nur
nicht, daß es eher geschehen soll, als bis Sie befriediget sind.  Ich
will Ihren Verlust nicht, und sogleich noch das letzte Mittel
versuchen.--

Theophan.  Bleiben Sie, Adrast.--Es tut mir leid, daß ich Sie nicht
gleich den Augenblick aus aller Ihrer Unruhe gerissen habe.--Lernen
Sie meinen Vetter besser kennen, (indem er die Wechsel hervorzieht)
und glauben Sie gewiß, wenn Sie schon von mir das Allernichtswürdigste
denken wollen, daß wenigstens er ein Mann ist, der Ihre Hochachtung
verdient.  Er will Sie nicht anders, als mit dem sorglosesten Gesichte
sehen, und gibt Ihnen deswegen Ihre Wechsel hier zurück.  (Er reicht
sie ihm dar.)  Sie sollen sie selbst so lange verwahren, bis Sie ihn
nach Ihrer Bequemlichkeit deswegen befriedigen können.  Er glaubt, daß
sie ihm in Ihren Händen ebenso sicher sind, als unter seinem eigenen
Schlosse.  Sie haben den Ruhm eines ehrlichen Mannes, wenn Sie schon
den Ruhm eines frommen nicht haben.

Adrast (stutzig, indem er des Theophans Hand zurückstößt).  Mit was
für einem neuen Fallstricke drohen Sie mir?  Die Wohltaten eines
Feindes--

Theophan.  Unter diesem Feinde verstehen Sie mich; was aber hat Araspe
mit Ihrem Hasse zu tun?  Er ist es, nicht ich, der Ihnen diese
geringschätzige Wohltat erzeigen will; wenn anders eine armselige
Gefälligkeit diesen Namen verdient.--Was überlegen Sie noch?  Hier,
Adrast!  nehmen Sie Ihre Handschriften zurück!

Adrast.  Ich will mich wohl dafür hüten.

Theophan.  Ich bitte Sie, lassen Sie mich nicht unverrichteter Sache
zu einem Manne zurückkommen, der es mit Ihnen gewiß redlich meinet.
Er würde die Schuld seines verachteten Anerbietens auf mich schieben.
(Indem er ihm die Wechsel aufs neue darreicht, reißt sie ihm Johann
aus der Hand.)

Johann.  Ha!  ha!  mein Herr, in wessen Händen sind die Wechsel nun?

Theophan (gelassen).  In den deinigen, ohne Zweifel.  Immer bewahre
sie, anstatt deines Herrn.

Adrast (geht wütend auf den Bedienten los).  Infamer!  es kostet dein
Leben--

Theophan.  Nicht so hitzig, Adrast.

Adrast.  Den Augenblick gib sie ihm zurück!  (Er nimmt sie ihm weg.)
Geh mir aus den Augen!

Johann.  Nun, wahrhaftig!--

Adrast.  Wo du noch eine Minute verziehst--(Er stößt ihn fort.)



Sechster Auftritt

Theophan.  Adrast.


Adrast.  Ich muß mich schämen, Theophan; ich glaube aber nicht, daß
Sie so gar weit gehen, und mich mit meinem Bedienten vermengen werden.-
-Nehmen Sie es zurück, was man Ihnen rauben wollte.--

Theophan.  Es ist in der Hand, in der es sein soll.

Adrast.  Nein.  Ich verachte Sie viel zu sehr, als daß ich Sie
abhalten sollte, eine niederträchtige Tat zu begehen.

Theophan.  Das ist empfindlich!  (Er nimmt die Wechsel zurück.)

Adrast.  Es ist mir lieb, daß Sie mich nicht gezwungen, sie Ihnen vor
die Füße zu werfen.  Wenn sie wieder in meine Hände zurückkommen
sollen, so werde ich anständigere Mittel dazu finden.  Finde ich aber
keine, so ist es ebendas.  Sie werden sich freuen, mich zugrunde zu
richten, und ich werde mich freuen, Sie von ganzem Herzen hassen zu
können.

Theophan.  Es sind doch wirklich Ihre Wechsel, Adrast?  (Indem er sie
aufschlägt und ihm zeigt.)

Adrast.  Sie glauben etwa, daß ich sie leugnen werde?--

Theophan.  Das glaube ich nicht; ich will bloß gewiß sein.  (Er
zerreißt sie gleichgültig.)

Adrast.  Was machen Sie, Theophan?

Theophan.  Nichts.  (Indem er die Stücken in die Szene wirft.)  Ich
vernichte eine Nichtswürdigkeit, die einen Mann, wie Adrast ist, zu so
kleinen Reden verleiten kann.

Adrast.  Aber sie gehören nicht Ihnen.--

Theophan.  Sorgen Sie nicht; ich tue, was ich verantworten kann.--
Bestehet Ihr Verdacht noch?  (Geht ab.)



Siebenter Auftritt

Adrast (sieht ihm einige Augenblicke nach).  Was für ein Mann!  Ich
habe tausend aus seinem Stande gefunden, die unter der Larve der
Heiligkeit betrogen; aber noch keinen, der es, wie dieser, unter der
Larve der Großmut, getan hätte.--Entweder er sucht mich zu beschämen,
oder zu gewinnen.  Keines von beiden soll ihm gelingen.  Ich habe mich,
zu gutem Glücke, auf einen hiesigen Wechsler besonnen, mit dem ich,
bei bessern Umständen, ehemals Verkehr hatte.  Er wird hoffentlich
glauben, daß ich mich noch in ebendenselben befinde, und wenn das ist,
mir ohne Anstand die nötige Summe vorschießen.  Ich will ihn aber
deswegen nicht zum Bocke machen, über dessen Hörner ich aus dem
Brunnen springe.  Ich habe noch liegende Gründe, die ich mit Vorteil
verkaufen kann, wenn mir nur Zeit gelassen wird.  Ich muß ihn
aufsuchen.--



Achter Auftritt

Henriette.  Adrast.


Henriette.  Wo stecken Sie denn, Adrast?  Man hat schon zwanzigmal
nach Ihnen gefragt.  Oh!  schämen Sie sich, daß ich Sie zu einer Zeit
suchen muß, da Sie mich suchen sollten.  Sie spielen den Ehemann zu
zeitig.  Doch getrost!  vielleicht spielen Sie dafür den Verliebten
alsdann, wann ihn andre nicht mehr spielen.

Adrast.  Erlauben Sie, Mademoiselle; ich habe nur noch etwas Nötiges
außer dem Hause zu besorgen.

Henriette.  Was können Sie jetzt Nötigers zu tun haben, als um mich zu
sein?

Adrast.  Sie scherzen.

Henriette.  Ich scherze?--Das war ein allerliebstes Kompliment!

Adrast.  Ich mache nie welche.

Henriette.  Was für ein mürrisches Gesicht!--Wissen Sie, daß wir uns
über diese mürrischen Gesichter zanken werden, noch ehe uns die
Trauung die Erlaubnis dazu erteilt?

Adrast.  Wissen Sie, daß ein solcher Einfall in Ihrem Munde nicht eben
der artigste ist?

Henriette.  Vielleicht, weil Sie glauben, daß die leichtsinnigen
Einfälle nur in Ihrem Munde wohl lassen?  Unterdessen haben Sie doch
wohl kein Privilegium darüber?

Adrast.  Sie machen Ihre Dinge vortrefflich.  Ein Frauenzimmer, das so
fertig antworten kann, ist sehr viel wert.

Henriette.  Das ist wahr; denn wir schwachen Werkzeuge wissen sonst
den Mund am allerwenigsten zu gebrauchen.

Adrast.  Wollte Gott!

Henriette.  Ihr treuherziges Wollte Gott!  bringt mich zum Lachen, so
sehr ich auch böse sein wollte.  Ich bin schon wieder gut, Adrast.

Adrast.  Sie sehen noch einmal so reizend aus, wenn Sie böse sein
wollen; denn es kömmt doch selten weiter damit, als bis zur
Ernsthaftigkeit, und diese läßt Ihrem Gesichte um so viel schöner, je
fremder sie in demselben ist.  Eine beständige Munterkeit, ein immer
anhaltendes Lächeln wird unschmackhaft.

Henriette (ernsthaft).  Oh!  mein guter Herr, wenn das Ihr Fall ist,
ich will es Ihnen schmackhaft genug machen.

Adrast.  Ich wollte wünschen,--denn noch habe ich Ihnen nichts
vorzuschreiben,--

Henriette.  Dieses Noch ist mein Glück.  Aber was wollten Sie denn
wünschen?

Adrast.  Daß Sie sich ein klein wenig mehr nach dem Exempel Ihrer
ältesten Mademoisell Schwester richten möchten.  Ich verlange nicht,
daß Sie ihre ganze sittsame Art an sich nehmen sollen; wer weiß, ob
sie Ihnen so anstehen würde?--

Henriette.  St!  die Pfeife verrät das Holz, woraus sie geschnitten
ist.  Lassen Sie doch hören, ob meine dazu stimmt?

Adrast.  Ich höre.

Henriette.  Es ist recht gut, daß Sie auf das Kapitel von Exempeln
gekommen sind.  Ich habe Ihnen auch einen kleinen Vers daraus
vorzupredigen.

Adrast.  Was für eine Art sich auszudrücken!

Henriette.  Hum!  Sie denken, weil Sie nichts vom Predigen halten.
Sie werden finden, daß ich eine Liebhaberin davon bin.  Aber hören Sie
nur:--(In seinem vorigen Tone.)  Ich wollte wünschen,--denn noch habe
ich Ihnen nichts vorzuschreiben,--

Adrast.  Und werden es auch niemals haben.

Henriette.  Ja so!--Streichen Sie also das weg.--Ich wollte wünschen,
daß Sie sich ein klein wenig mehr nach dem Exempel des Herrn Theophans
bilden möchten.  Ich verlange nicht, daß Sie seine ganze gefällige Art
an sich nehmen sollen, weil ich nichts Unmögliches verlangen mag; aber
so etwas davon würde Sie um ein gut Teil erträglicher machen.  Dieser
Theophan, der nach weit strengern Grundsätzen lebt, als die Grundsätze
eines gewissen Freigeistes sind, ist allezeit aufgeräumt und
gesprächig.  Seine Tugend, und noch sonst etwas, worüber Sie aber
lachen werden, seine Frömmigkeit--Lachen Sie nicht?

Adrast.  Lassen Sie sich nicht stören.  Reden Sie nur weiter.  Ich
will unterdessen meinen Gang verrichten, und gleich wieder hier sein.
(Geht ab.)

Henriette.  Sie dürfen nicht eilen.  Sie kommen, wann Sie kommen: Sie
werden mich nie wieder so treffen.--Welche Grobheit!  Soll ich mich
wohl darüber erzürnen?--Ich will mich besinnen.  (Geht auf der andern
Seite ab.)

(Ende des dritten Aufzuges.)





Vierter Aufzug



Erster Auftritt

Juliane.  Henriette.  Lisette.


Henriette.  Sage was du willst; sein Betragen ist nicht zu
entschuldigen.

Juliane.  Davon würde sich alsdann erst urteilen lassen, wann ich auch
seine Gründe gehört hätte.  Aber, meine liebe Henriette, willst du mir
wohl eine kleine schwesterliche Ermahnung nicht übelnehmen?

Henriette.  Das kann ich dir nicht voraus sagen.  Wenn sie dahin
abzielen sollte, wohin ich mir einbilde--

Juliane.  Ja, wenn du mit deinen Einbildungen dazu kömmst--

Henriette.  Oh!  ich bin mit meinen Einbildungen recht wohl zufrieden.
Ich kann ihnen nicht nachsagen, daß sie mich jemals sehr irregeführt
hätten.

Juliane.  Was meinst du damit?

Henriette.  Muß man denn immer etwas meinen?  Du weißt ja wohl,
Henriette schwatzt gerne in den Tag hinein, und sie erstaunt allezeit
selber, wenn sie von ohngefähr ein Pünktchen trifft, welches das
Pünktchen ist, das man nicht gerne treffen lassen möchte.

Juliane.  Nun höre einmal, Lisette!

Henriette.  Ja, Lisette, laß uns doch hören, was das für eine
schwesterliche Ermahnung ist, die sie mir erteilen will.

Juliane.  Ich dir eine Ermahnung?

Henriette.  Mich deucht, du sprachst davon.

Juliane.  Ich würde sehr übel tun, wenn ich dir das geringste sagen
wollte.

Henriette.  Oh!  ich bitte--

Juliane.  Laß mich!

Henriette.  Die Ermahnung, Schwesterchen!--

Juliane.  Du verdienst sie nicht.

Henriette.  So erteile sie mir ohne mein Verdienst.

Juliane.  Du wirst mich böse machen.

Henriette.  Und ich,--ich bin es schon.  Aber denke nur nicht, daß ich
es über dich bin.  Ich bin es über niemanden, als über den Adrast.
Und was mich unversöhnlich gegen ihn macht, ist dieses, daß meine
Schwester seinetwegen gegen mich ungerecht werden muß.

Juliane.  Von welcher Schwester sprichst du?

Henriette.  Von welcher?--von der, die ich gehabt habe.

Juliane.  Habe ich dich jemals so empfindlich gesehen!--Du weißt es,
Lisette, was ich gesagt habe.

Lisette.  Ja, das weiß ich; und es war wirklich weiter nichts, als
eine unschuldige Lobrede auf den Adrast, an der ich nur das
auszusetzen hatte, daß sie Mamsell Henrietten eifersüchtig machen
mußte.

Juliane.  Eine Lobrede auf Adrasten?

Henriette.  Mich eifersüchtig?

Lisette.  Nicht so stürmisch!--So geht's den Leuten, die mit der
Wahrheit geradedurch wollen: sie machen es niemanden recht.

Henriette.  Mich eifersüchtig?  Auf Adrasten eifersüchtig?  Ich werde,
von heute an, den Himmel um nichts inbrünstiger anflehen, als um die
Errettung aus den Händen dieses Mannes.

Juliane.  Ich?  eine Lobrede auf Adrasten?  Ist das eine Lobrede, wenn
ich sage, daß ein Mann einen Tag nicht wie den andern aufgeräumt sein
kann?  Wenn ich sage, daß Adrasten die Bitterkeit, worüber meine
Schwester klagt, nicht natürlich ist und daß sie ein zugestoßener
Verdruß bei ihm müsse erregt haben?  Wenn ich sage, daß ein Mann, wie
er, der sich mit finsteren Nachdenken vielleicht nur zu sehr
beschäftiget--



Zweiter Auftritt

Adrast.  Juliane.  Henriette.  Lisette.


Henriette.  Als wenn Sie gerufen wären, Adrast!  Sie verließen mich
vorhin, unhöflich genug, mitten in der Erhebung des Theophans; aber
das hindert mich nicht, daß ich Ihnen nicht die Wiederholung Ihrer
eigenen anzuhören gönnen sollte.--Sie sehen sich um?  Nach Ihrer
Lobrednerin gewiß?  Ich bin es nicht, wahrhaftig!  ich bin es nicht;
meine Schwester ist es.  Eine Betschwester, die Lobrednerin eines
Freigeistes!  Was für ein Widerspruch!  Entweder Ihre Bekehrung muß
vor der Türe sein, Adrast, oder meiner Schwester Verführung.

Juliane.  Wie ausgelassen sie wieder auf einmal ist.

Henriette.  Stehen Sie doch nicht so hölzern da!

Adrast.  Ich nehme Sie zum Zeugen, schönste Juliane, wie verächtlich
sie mir begegnet.

Henriette.  Komm nur, Lisette!  wir wollen sie allein lassen.  Adrast
braucht ohne Zweifel unsere Gegenwart weder zu seiner Danksagung, noch
zu meiner Verklagung.

Juliane.  Lisette soll hierbleiben.

Henriette.  Nein, sie soll nicht.

Lisette.  Sie wissen wohl, ich gehöre heute Mamsell Henrietten.

Henriette.  Aber bei dem allen sieh dich vor, Schwester!  Wenn mir
dein Theophan aufstößt, so sollst du sehen, was geschieht.  Sie dürfen
nicht denken, Adrast, daß ich dieses sage, um Sie eifersüchtig zu
machen.  Ich fühle es in der Tat, daß ich anfange, Sie zu hassen.

Adrast.  Es möchte Ihnen auch schwerlich gelingen, mich eifersüchtig
zu machen.

Henriette.  Oh!  das wäre vortrefflich, wenn Sie mir hierinne gleich
wären.  Alsdann, erst alsdann würde unsre Ehe eine recht glückliche
Ehe werden.  Freuen Sie sich, Adrast!  wie verächtlich wollen wir
einander begegnen!--Du willst antworten, Schwester?  Nun ist es Zeit.
Fort, Lisette!



Dritter Auftritt

Adrast.  Juliane.


Juliane.  Adrast, Sie werden Geduld mit ihr haben müssen.--Sie
verdient es aber auch; denn sie hat das beste Herz von der Welt, so
verdächtig es ihre Zunge zu machen sucht.

Adrast.  Allzugütige Juliane!  Sie hat das Glück, Ihre Schwester zu
sein; aber wie schlecht macht sie sich dieses Glück zunutze?  Ich
entschuldige jedes Frauenzimmer, das ohne merkliche Fehler nicht hat
aufwachsen können, weil es ohne Erziehung und Beispiele hat aufwachsen
müssen; aber ein Frauenzimmer zu entschuldigen, das eine Juliane zum
Muster gehabt hat, und eine Henriette geworden ist: bis dahin langt
meine Höflichkeit nicht.--

Juliane.  Sie sind aufgebracht, Adrast: wie könnten Sie billig sein?

Adrast.  Ich weiß nicht, was ich jetzo bin; aber ich weiß, daß ich aus
Empfindung rede.--

Juliane.  Die zu heftig ist, als daß sie lange anhalten sollte.

Adrast.  So prophezeien Sie mir mein Unglück.

Juliane.  Wie?--Sie vergessen, in was für Verbindung Sie mit meiner
Schwester stehen?

Adrast.  Ach!  Juliane, warum muß ich Ihnen sagen, daß ich kein Herz
für Ihre Schwester habe?

Juliane.  Sie erschrecken mich.--

Adrast.  Und ich habe Ihnen nur noch die kleinste Hälfte von dem
gesagt, was ich Ihnen sagen muß.

Juliane.  So erlauben Sie, daß ich mir die größre erspare.  (Sie will
fortgehen.)

Adrast.  Wohin?  Ich hätte Ihnen meine Veränderung entdeckt, und Sie
wollten die Gründe, die mich dazu bewogen haben, nicht anhören?  Sie
wollten mich mit dem Verdachte verlassen, daß ich ein unbeständiger,
leichtsinniger Flattergeist sei?

Juliane.  Sie irren sich.  Nicht ich; mein Vater, meine Schwester,
haben allein auf Ihre Rechtfertigungen ein Recht.

Adrast.  Allein?  Ach!--

Juliane.  Halten Sie mich nicht länger--

Adrast.  Ich bitte nur um einen Augenblick.  Der größte Verbrecher
wird gehört--

Juliane.  Von seinem Richter, Adrast; und ich bin Ihr Richter nicht.

Adrast.  Aber ich beschwöre Sie, es jetzt sein zu wollen.  Ihr Vater,
schönste Juliane, und Ihre Schwester werden mich verdammen, und nicht
richten.  Ihnen allein traue ich die Billigkeit zu, die mich beruhigen
kann.

Juliane (beiseite).  Ich glaube, er beredet mich, ihn anzuhören.--Nun
wohl!  so sagen Sie denn, Adrast, was Sie wider meine Schwester so
eingenommen hat?

Adrast.  Sie selbst hat mich wider sich eingenommen.  Sie ist zu wenig
Frauenzimmer, als daß ich sie als Frauenzimmer lieben könnte.  Wenn
ihre Lineamente nicht ihr Geschlecht bestärkten, so würde man sie für
einen verkleideten wilden Jüngling halten, der zu ungeschickt wäre,
seine angenommene Rolle zu spielen.  Was für ein Mundwerk!  Und was
muß es für ein Geist sein, der diesen Mund in Beschäftigung erhält!
Sagen Sie nicht, daß vielleicht Mund und Geist bei ihr wenig oder
keine Verbindung miteinander haben.  Desto schlimmer.  Diese Unordnung,
da ein jedes von diesen zwei Stücken seinen eignen Weg hält, macht
zwar die Vergehungen einer solchen Person weniger strafbar; allein sie
vernichtet auch alles Gute, was diese Person noch etwa an sich haben
kann.  Wenn ihre beißenden Spöttereien, ihre nachteiligen Anmerkungen
deswegen zu übersehen sind, weil sie es, wie man zu reden pflegt,
nicht so böse meinet; ist man nicht berechtiget, aus eben diesem
Grunde dasjenige, was sie Rühmliches und Verbindliches sagt, ebenfalls
für leere Töne anzusehen, bei welchen sie es vielleicht nicht so gut
meinet?  Wie kann man eines Art zu denken beurteilen, wenn man sie
nicht aus seiner Art zu reden beurteilen soll?  Und wenn der Schluß
von der Rede auf die Gesinnung in dem einen Falle nicht gelten soll,
warum soll er in dem andern gelten?  Sie spricht mit dürren Worten,
daß sie mich zu hassen anfange; und ich soll glauben, daß sie mich
noch liebe?  So werde ich auch glauben müssen, daß sie mich hasse,
wenn sie sagen wird, daß sie mich zu lieben anfange.

Juliane.  Adrast, Sie betrachten ihre kleinen Neckereien zu strenge,
und verwechseln Falschheit mit Übereilung.  Sie kann der letztern des
Tages hundertmal schuldig werden; und von der erstern doch immer
entfernt bleiben.  Sie müssen es aus ihren Taten, und nicht aus ihren
Reden, erfahren lernen, daß sie im Grunde die freundschaftlichste und
zärtlichste Seele hat.

Adrast.  Ach!  Juliane, die Reden sind die ersten Anfänge der Taten,
ihre Elemente gleichsam.  Wie kann man vermuten, daß diejenige
vorsichtig und gut handeln werde, der es nicht einmal gewöhnlich ist,
vorsichtig und gut zu reden?  Ihre Zunge verschont nichts, auch
dasjenige nicht, was ihr das Heiligste von der Welt sein sollte.
Pflicht, Tugend, Anständigkeit, Religion: alles ist ihrem Spotte
ausgesetzt.--

Juliane.  Stille, Adrast!  Sie sollten der letzte sein, der diese
Anmerkung machte.

Adrast.  Wieso?

Juliane.  Wieso?--Soll ich aufrichtig reden?

Adrast.  Als ob Sie anders reden könnten.--

Juliane.  Wie, wenn das ganze Betragen meiner Schwester, ihr Bestreben
leichtsinniger zu scheinen, als sie ist, ihre Begierde Spöttereien zu
sagen, sich nur von einer gewissen Zeit herschrieben?  Wie, wenn diese
gewisse Zeit die Zeit Ihres Hierseins wäre, Adrast?

Adrast.  Was sagen Sie?

Juliane.  Ich will nicht sagen, daß Sie ihr mit einem bösen Exempel
vorgegangen wären.  Allein wozu verleitet uns nicht die Begierde zu
gefallen?  Wenn Sie Ihre Gesinnungen auch noch weniger geäußert hätten:
--und Sie haben sie oft deutlich genug geäußert.--so würde sie
Henriette doch erraten haben.  Und sobald sie dieselben erriet, so
bald war der Schluß, sich durch die Annehmung gleicher Gesinnungen bei
Ihnen beliebt zu machen, für ein lebhaftes Mädchen sehr natürlich.
Wollen Sie wohl nun so grausam sein, und ihr dasjenige als ein
Verbrechen anrechnen, wofür Sie ihr, als für eine Schmeichelei, danken
sollten?

Adrast.  Ich danke niemanden, der klein genug ist, meinetwegen seinen
Charakter zu verlassen; und derjenige macht mir eine schlechte
Schmeichelei, der mich für einen Toren hält, welchem nichts als seine
Art gefalle, und der überall gern kleine Kopien und verjüngte
Abschilderungen von sich selbst sehen möchte.

Juliane.  Aber auf diese Art werden Sie wenig Proselyten machen.

Adrast.  Was denken Sie von mir, schönste Juliane?  Ich Proselyten
machen?  Rasendes Unternehmen!  Wem habe ich meine Gedanken jemals
anschwatzen oder aufdringen wollen?  Es sollte mir leid tun, sie unter
den Pöbel gebracht zu wissen.  Wenn ich sie oft laut und mit einer
gewissen Heftigkeit verteidiget habe, so ist es in der Absicht, mich
zu rechtfertigen, nicht, andere zu überreden, geschehen.  Wenn meine
Meinungen zu gemein würden, so würde ich der erste sein, der sie
verließe, und die gegenseitigen annähme.

Juliane.  Sie suchen also nur das Sonderbare?

Adrast.  Nein, nicht das Sonderbare, sondern bloß das Wahre; und ich
kann nicht dafür, wenn jenes, leider!  eine Folge von diesem ist.  Es
ist mir unmöglich zu glauben, daß die Wahrheit gemein sein könne;
ebenso unmöglich, als zu glauben, daß in der ganzen Welt auf einmal
Tag sein könne.  Das, was unter der Gestalt der Wahrheit unter allen
Völkern herumschleicht, und auch von den Blödsinnigsten angenommen
wird, ist gewiß keine Wahrheit, und man darf nur getrost die Hand, sie
zu entkleiden, anlegen, so wird man den scheußlichsten Irrtum nackend
vor sich stehen sehen.

Juliane.  Wie elend sind die Menschen, und wie ungerecht ihr Schöpfer,
wenn Sie recht haben, Adrast!  Es muß entweder gar keine Wahrheit sein,
oder sie muß von der Beschaffenheit sein, daß sie von den meisten, ja
von allen, wenigstens im Wesentlichsten, empfunden werden kann.

Adrast.  Es liegt nicht an der Wahrheit, daß sie es nicht werden kann,
sondern an den Menschen.--Wir sollen glücklich in der Welt leben; dazu
sind wir erschaffen; dazu sind wir einzig und allein erschaffen.
Sooft die Wahrheit diesem großen Endzwecke hinderlich ist, sooft ist
man verbunden, sie beiseite zu setzen; denn nur wenig Geister können
in der Wahrheit selbst ihr Glück finden.  Man lasse daher dem Pöbel
seine Irrtümer; man lasse sie ihm, weil sie ein Grund seines Glückes
und die Stütze des Staates sind, in welchem er für sich Sicherheit,
Überfluß und Freude findet.  Ihm die Religion nehmen, heißt ein wildes
Pferd auf der fetten Weide losbinden, das, sobald es sich frei fühlt,
lieber in unfruchtbaren Wäldern herumschweifen und Mangel leiden, als
durch einen gemächlichen Dienst alles, was es braucht, erwerben will.--
Doch nicht für den Pöbel allein, auch noch für einen andern Teil des
menschlichen Geschlechts muß man die Religion beibehalten.  Für den
schönsten Teil, meine ich, dem sie eine Art von Zierde, wie dort eine
Art von Zaume ist.  Das Religiöse stehet der weiblichen Bescheidenheit
sehr wohl; es gibt der Schönheit ein gewisses edles, gesetztes und
schmachtendes Ansehen--

Juliane.  Halten Sie, Adrast!  Sie erweisen meinem Geschlechte
ebensowenig Ehre, als der Religion.  Jenes setzen Sie mit dem Pöbel in
eine Klasse, so fein auch Ihre Wendung war; und diese machen Sie aufs
höchste zu einer Art von Schminke, die das Geräte auf unsern
Nachttischen vermehren kann.  Nein, Adrast!  die Religion ist eine
Zierde für alle Menschen; und muß ihre wesentlichste Zierde sein.  Ach!
Sie verkennen sie aus Stolze; aber aus einem falschen Stolze.  Was
kann unsre Seele mit erhabenern Begriffen füllen, als die Religion?
Und worin kann die Schönheit der Seele anders bestehen, als in solchen
Begriffen?  in würdigen Begriffen von Gott, von uns, von unsern
Pflichten, von unserer Bestimmung?  Was kann unser Herz, diesen
Sammelplatz verderbter und unruhiger Leidenschaften, mehr reinigen,
mehr beruhigen, als eben diese Religion?  Was kann uns im Elende mehr
aufrichten, als sie?  Was kann uns zu wahrern Menschen, zu bessern
Bürgern, zu aufrichtigern Freunden machen, als sie?--Fast schäme ich
mich, Adrast, mit Ihnen so ernstlich zu reden.  Es ist der Ton ohne
Zweifel nicht, der Ihnen an einem Frauenzimmer gefällt, ob Ihnen
gleich der entgegengesetzte ebensowenig zu gefallen scheinet.  Sie
könnten alles dieses aus einem beredtern Munde, aus dem Munde des
Theophans hören.



Vierter Auftritt

Henriette.  Juliane.  Adrast.


Henriette (bleibt an der Szene horchend stehen).  St!

Adrast.  Sagen Sie mir nichts vom Theophan.  Ein Wort von Ihnen hat
mehr Nachdruck, als ein stundenlanges Geplärre von ihm.  Sie wundern
sich?  Kann es bei der Macht, die eine Person über mich haben muß, die
ich einzig liebe, die ich anbete, anders sein?--Ja, die ich liebe.--
Das Wort ist hin!  es ist gesagt!  Ich bin mein Geheimnis los, bei
dessen Verschweigung ich mich ewig gequälet hätte, von dessen
Entdeckung ich aber darum nichts mehr hoffe.--Sie entfärben sich?--

Juliane.  Was habe ich gehört?  Adrast!--

Adrast (indem er niederfällt).  Lassen Sie mich es Ihnen auf den Knien
zuschwören, daß Sie die Wahrheit gehört haben.--Ich liebe Sie,
schönste Juliane, und werde Sie ewig lieben.  Nun, nun liegt mein Herz
klar und aufgedeckt vor Ihnen da.  Umsonst wollte ich mich und andere
bereden, daß meine Gleichgültigkeit gegen Henrietten die Wirkung an
ihr bemerkter nachteiliger Eigenschaften sei; da sie doch nichts, als
die Wirkung einer schon gebundenen Neigung war.  Ach!  die
liebenswürdige Henriette hat vielleicht keinen andern Fehler, als
diesen, daß sie eine noch liebenswürdigere Schwester hat.--

Henriette.  Bravo!  die Szene muß ich den Theophan unterbrechen lassen.
--(Geht ab.)



Fünfter Auftritt

Juliane.  Adrast.


Adrast (indem er gähling aufsteht).  Wer sprach hier?

Juliane.  Himmel!  es war Henriettens Stimme.

Adrast.  Ja, sie war es.  Was für eine Neugierde!  was für ein Vorwitz!
Nein, nein!  ich habe nichts zu widerrufen; sie hat alle die Fehler,
die ich ihr beigelegt, und noch weit mehrere.  Ich könnte sie nicht
lieben, und wenn ich auch schon vollkommen frei, vollkommen
gleichgültig gegen eine jede andere wäre.

Juliane.  Was für Verdruß, Adrast, werden Sie mir zuziehen!

Adrast.  Sorgen Sie nicht!  Ich werde Ihnen allen diesen Verdruß durch
meine plötzliche Entfernung zu ersparen wissen.

Juliane.  Durch Ihre Entfernung?

Adrast.  Ja, sie ist fest beschlossen.  Meine Umstände sind von der
Beschaffenheit, daß ich die Güte Lisidors mißbrauchen würde, wenn ich
länger bliebe.  Und über dieses will ich lieber meinen Abschied nehmen,
als ihn bekommen.

Juliane.  Sie überlegen nicht, was Sie sagen, Adrast.  Von wem sollten
Sie ihn bekommen?

Adrast.  Ich kenne die Väter, schönste Juliane, und kenne auch die
Theophane.  Erlauben Sie, daß ich mich nicht näher erklären darf.  Ach!
wenn ich mir schmeicheln könnte, daß Juliane--Ich sage nichts weiter.
Ich will mir mit keiner Unmöglichkeit schmeicheln.  Nein, Juliane
kann den Adrast nicht lieben; sie muß ihn hassen.--

Juliane.  Ich hasse niemanden, Adrast.--

Adrast.  Sie hassen mich; denn hier ist Hassen eben das, was
Nichtlieben ist.  Sie lieben den Theophan.--Ha!  hier kömmt er selbst.



Sechster Auftritt

Theophan.  Adrast.  Juliane.


Juliane (beiseite).  Was wird er sagen?  was werde ich antworten?

Adrast.  Ich kann mir es einbilden, auf wessen Anstiften Sie herkommen.
Aber was glaubt sie damit zu gewinnen?  Mich zu verwirren?  mich
wieder an sich zu ziehen?--Wie wohl läßt es Ihnen, Theophan, und Ihrem
ehrwürdigen Charakter, das Werkzeug einer weiblichen Eifersucht zu
sein!  Oder kommen Sie gar, mich zur Rede zu setzen?  Ich werde Ihnen
alles gestehen; ich werde noch stolz darauf sein.

Theophan.  Wovon reden Sie, Adrast?  Ich verstehe kein Wort.

Juliane.  Erlauben Sie, daß ich mich entferne.  Theophan, ich
schmeichle mir, daß Sie einige Hochachtung für mich haben; Sie werden
keine ungerechte Auslegungen machen, und wenigstens glauben, daß ich
meine Pflicht kenne, und daß sie mir zu heilig ist, sie auch nur in
Gedanken zu verletzen.

Theophan.  Verziehen Sie doch.--Was sollen diese Reden?  Ich verstehe
Sie so wenig, als ich den Adrast verstanden habe.

Juliane.  Es ist mir lieb, daß Sie aus einer unschuldigen Kleinigkeit
nichts machen wollen.  Aber lassen Sie mich--(Geht ab.)



Siebenter Auftritt

Adrast.  Theophan.


Theophan.  Ihre Geliebte, Adrast, schickte mich hierher: Ich würde
hier nötig sein, sagte sie.  Ich eile, und bekomme lauter Rätsel zu
hören.

Adrast.  Meine Geliebte?--Ei!  wie fein haben Sie dieses angebracht!
Gewiß, Sie konnten Ihre Vorwürfe nicht kürzer fassen.

Theophan.  Meine Vorwürfe?  Was habe ich Ihnen denn vorzuwerfen?'

Adrast.  Wollen Sie etwa die Bestätigung aus meinem Munde hören?

Theophan.  Sagen Sie mir nur, was Sie bestätigen wollen?  Ich stehe
ganz erstaunt hier.--

Adrast.  Das geht zu weit.  Welche kriechende Verstellung!  Doch damit
sie Ihnen endlich nicht zu sauer wird, so will ich Sie mit Gewalt
zwingen, sie abzulegen.--Ja, es ist alles wahr, was Ihnen Henriette
hinterbracht hat.  Sie war niederträchtig genug, uns zu behorchen.--
Ich liebe Julianen, und habe ihr meine Liebe gestanden.--

Theophan.  Sie lieben Julianen?

Adrast (spöttisch).  Und was das Schlimmste dabei ist, ohne den
Theophan um Erlaubnis gebeten zu haben.

Theophan.  Stellen Sie sich deswegen zufrieden.  Sie haben nur eine
sehr kleine Formalität übergangen.

Adrast.  Ihre Gelassenheit, Theophan, ist hier nichts Besonders.  Sie
glauben Ihrer Sachen gewiß zu sein.--Und ach!  wenn Sie es doch
weniger wären!  Wenn ich doch nur mit der geringsten
Wahrscheinlichkeit hinzusetzen könnte, daß Juliane auch mich liebe.
Was für eine Wollust sollte mir das Erschrecken sein, das sich in
Ihrem Gesichte verraten würde!  Was für ein Labsal für mich, wenn ich
Sie seufzen hörte, wenn ich Sie zittern sähe!  Wie würde ich mich
freuen, wenn Sie Ihre ganze Wut an mir auslassen, und mich voller
Verzweiflung, ich weiß nicht wohin, verwünschen müßten!

Theophan.  So könnte Sie wohl kein Glück entzücken, wenn es nicht
durch das Unglück eines andern gewürzt würde?--Ich bedaure den Adrast!
Die Liebe muß alle ihre verderbliche Macht an ihm verschwendet haben,
weil er so unanständig reden kann.

Adrast.  Wohl!  an dieser Miene, an dieser Wendung erinnere ich mich,
was ich bin.  Es ist wahr, ich bin Ihr Schuldner, Theophan: und gegen
seine Schuldner hat man das Recht, immer ein wenig groß zu tun;--doch
Geduld!  ich hoffe es nicht lange mehr zu sein.  Es hat sich noch ein
ehrlicher Mann gefunden, der mich aus dieser Verlegenheit reißen will.
Ich weiß nicht, wo er bleibt.  Seinem Versprechen gemäß, hätte er
bereits mit dem Gelde hier sein sollen.  Ich werde wohltun, wenn ich
ihn hole.

Theophan.  Aber noch ein Wort, Adrast.  Ich will Ihnen mein ganzes
Herz entdecken.--

Adrast.  Diese Entdeckung würde mich nicht sehr belustigen.  Ich gehe,
und bald werde ich Ihnen mit einem kühnern Gesichte unter die Augen
treten können.  (Geht ab.)

Theophan (allein).  Unbiegsamer Geist!  Fast verzweifle ich an meinem
Unternehmen.  Alles ist bei ihm umsonst.  Aber was würde er gesagt
haben, wenn er mir Zeit gelassen hätte, ihn für sein Geständnis, mit
einem andern ähnlichen Geständnisse zu bezahlen?--Sie kömmt.



Achter Auftritt

Henriette.  Lisette.  Theophan.


Henriette.  Nun?  Theophan, habe ich Sie nicht zu einem artigen
Anblicke verholfen?

Theophan.  Sie sind leichtfertig, schöne Henriette.  Aber was meinen
Sie für einen Anblick?  Kaum daß ich die Hauptsache mit Mühe und Not
begriffen habe.

Henriette.  O schade!--Sie kamen also zu langsam?  und Adrast lag
nicht mehr vor meiner Schwester auf den Knien?

Theophan.  So hat er vor ihr auf den Knien gelegen?

Lisette.  Leider für Sie alle beide!

Henriette.  Und meine Schwester stand da,--ich kann es Ihnen nicht
beschreiben,--stand da, fast, als wenn sie ihn in dieser unbequemen
Stellung gerne gesehen hätte.  Sie dauern mich, Theophan!--

Theophan.  Soll ich Sie auch bedauren, mitleidiges Kind?

Henriette.  Mich bedauren?  Sie sollen mir Glück wünschen.

Lisette.  Aber nein; so etwas schreit um Rache!

Theophan.  Und wie meint Lisette denn, daß man sich rächen könne?

Lisette.  Sie wollen sich also doch rächen?

Theophan.  Vielleicht.

Lisette.  Und Sie sich auch, Mamsell?

Henriette.  Vielleicht.

Lisette.  Gut!  das sind zwei Vielleicht, womit sich etwas anfangen
läßt.

Theophan.  Aber es ist noch sehr ungewiß, ob Juliane den Adrast
wiederliebt; und wenn dieses nicht ist, so würde ich zu zeitig auf
Rache denken.

Lisette.  Oh!  die christliche Seele!  Nun überlegt sie erst, daß man
sich nicht rächen soll.

Theophan.  Nicht so spöttisch, Lisette!  Es würde hier von einer sehr
unschuldigen Rache die Rede sein.

Henriette.  Das meine ich auch; von einer sehr unschuldigen.

Lisette.  Wer leugnet das?  von einer so unschuldigen, daß man sich
mit gutem Gewissen darüber beratschlagen kann.  Hören Sie nur!  Ihre
Rache, Herr Theophan, wäre eine männliche Rache, nicht wahr?  und Ihre
Rache, Mamsell Henriette, wäre eine weibliche Rache: eine männliche
Rache--nun, und eine weibliche Rache--Ja!  wie bringe ich wohl das
Ding recht gescheut herum?

Henriette.  Du bist eine Närrin mitsamt deinen Geschlechtern.

Lisette.  Helfen Sie mir doch ein wenig, Herr Theophan.--Was meinen
Sie dazu?  Wenn zwei Personen einerlei Weg gehen müssen, nicht wahr?
so ist es gut, daß diese zwei Personen einander Gesellschaft leisten?

Theophan.  Jawohl; aber vorausgesetzt, daß diese zwei Personen
einander leiden können.

Henriette.  Das war der Punkt!

Lisette (beiseite).  Will denn keines anbeißen?  Ich muß einen andern
Zipfel fassen.--Es ist schon wahr, was Herr Theophan vorhin sagte, daß
es nämlich noch sehr ungewiß sei, ob Mamsell Juliane den Adrast liebe.
Ich setze sogar hinzu.  Es ist noch sehr ungewiß, ob Herr Adrast
Mamsell Julianen wirklich liebt.

Henriette.  O schweig, du unglückliche Zweiflerin.  Es soll nun aber
gewiß sein!

Lisette.  Die Mannspersonen bekommen dann und wann gewisse Anfälle von
einer gewissen wetterwendischen Krankheit, die aus einer gewissen
Überladung des Herzens entspringt.

Henriette.  Aus einer Überladung des Herzens?  Schön gegeben!

Lisette.  Ich will Ihnen gleich sagen, was das heißt.  So wie Leute,
die sich den Magen überladen haben, nicht eigentlich mehr wissen, was
ihnen schmeckt, und was ihnen nicht schmeckt: so geht es auch den
Leuten, die sich das Herz überladen haben.  Sie wissen selbst nicht
mehr, auf welche Seite das überladene Herz hinhängt, und da trifft es
sich denn wohl, daß kleine Irrungen in der Person daraus entstehen.--
Habe ich nicht recht, Herr Theophan?

Theophan.  Ich will es überlegen.

Lisette.  Sie sind freilich eine weit bessere Art von Mannspersonen,
und ich halte Sie für allzu vorsichtig, als daß Sie Ihr Herz so
überladen sollten.--Aber wissen Sie wohl, was ich für einen Einfall
habe, wie wir gleichwohl hinter die Wahrheit mit dem Herrn Adrast und
der Mamsell Juliane kommen wollen?

Theophan.  Nun?

Henriette.  Du würdest mich neugierig machen, wenn ich nicht schon
hinter der Wahrheit wäre.--

Lisette.  Wie?  wenn wir einen gewissen blinden Lärm machten?

Henriette.  Was ist das wieder?

Lisette.  Ein blinder Lärm ist ein Lärm wohinter nichts ist; der aber
doch die Gabe hat, den Feind--zu einer gewissen Aufmerksamkeit zu
bringen.--Zum Exempel: Um zu erfahren, ob Mamsell Juliane den Adrast
liebe, müßte sich Herr Theophan in jemand anders verliebt stellen; und
um zu erfahren, ob Adrast Mamsell Julianen liebe, müßten Sie sich in
jemand anders verliebt stellen.  Und da es nun nicht lassen würde,
wenn sich Herr Theophan in mich verliebt stellte, noch viel weniger,
wenn Sie sich in seinen Martin verliebt stellen wollten: so wäre, kurz
und gut, mein Rat, Sie stellten sich beide ineinander verliebt.--Ich
rede nur von Stellen; merken Sie wohl, was ich sage!  nur von Stellen;
denn sonst könnte der blinde Lärm auf einmal Augen kriegen.--Nun sagen
Sie mir beide, ist der Anschlag nicht gut?

Theophan (beiseite).  Wo ich nicht gehe, so wird sie noch machen, daß
ich mich werde erklären müssen.--Der Anschlag ist so schlimm nicht;
aber--

Lisette.  Sie sollen sich ja nur stellen.--

Theophan.  Das Stellen eben ist es, was mir dabei nicht gefällt.

Lisette.  Und Sie, Mamsell?

Henriette.  Ich bin auch keine Liebhaberin vom Stellen.

Lisette.  Besorgen Sie beide etwa, daß Sie es zu natürlich machen
möchten?--Was stehen Sie so auf dem Sprunge, Herr Theophan?  Was
stehen Sie so in Gedanken, Mamsell?

Henriette.  Oh!  geh; es wäre in meinem Leben das erstemal.

Theophan.  Ich muß mich auf einige Augenblicke beurlauben, schönste
Henriette.--

Lisette.  Es ist nicht nötig.  Sie sollen mir wahrhaftig nicht
nachsagen, daß ich Sie weggeplaudert habe.  Kommen Sie, Mamsell!--

Henriette.  Es ist auch wahr, dein Plaudern ist manchmal recht
ärgerlich.  Komm!--Theophan, soll ich sagen, daß Sie nicht lange weg
sein werden?

Theophan.  Wenn ich bitten darf.--

(Henriette und Lisette geben auf der einen Seite ab.  Indem Theophan
auf der andern abgeben will, begegnet ihm der Wechsler.)



Neunter Auftritt

Theophan.  Der Wechsler.


Der Wechsler.  Sie werden verzeihen, mein Herr.  Ich möchte nur ein
Wort mit dem Herrn Adrast sprechen.

Theophan.  Eben jetzt ist er ausgegangen.  Wollen Sie mir es
auftragen?--

Der Wechsler.  Wenn ich so frei sein darf.--Er hat eine Summe Geldes
bei mir aufnehmen wollen, die ich ihm auch anfangs versprach.  Ich
habe aber nunmehr Bedenklichkeiten gefunden, und ich komme, es ihm
wieder abzusagen: das ist es alles.

Theophan.  Bedenklichkeiten, mein Herr?  Was für Bedenklichkeiten?
doch wohl keine von seiten des Adrast?

Der Wechsler.  Warum nicht?

Theophan.  Ist er kein Mann von Kredit?

Der Wechsler.  Kredit, mein Herr, Sie werden wissen, was das ist.  Man
kann heute Kredit haben, ohne gewiß zu sein, daß man ihn morgen haben
wird.  Ich habe seine jetzigen Umstände erfahren.--

Theophan (beiseite).  Ich muß mein möglichstes tun, daß diese nicht
auskommen.--Sie müssen die falschen erfahren haben.--Kennen Sie mich,
mein Herr?--

Der Wechsler.  Von Person nicht; vielleicht, wenn ich Ihren Namen
hören sollte.--

Theophan.  Theophan.

Der Wechsler.  Ein Name, von dem ich allezeit das Beste gehört habe.

Theophan.  Wenn Sie dem Herrn Adrast die verlangte Summe nicht auf
seine Unterschrift geben wollen, wollen Sie es wohl auf die meinige
tun?

Der Wechsler.  Mit Vergnügen.

Theophan.  Haben Sie also die Güte, mich auf meine Stube zu begleiten.
Ich will Ihnen die nötigen Versicherungen ausstellen; wobei es bloß
darauf ankommen wird, diese Bürgschaft vor dem Adrast selbst geheim zu
halten.

Der Wechsler.  Vor ihm selbst?

Theophan.  Allerdings; um ihm den Verdruß über Ihr Mißtrauen zu
ersparen.--

Der Wechsler.  Sie müssen ein großmütiger Freund sein.

Theophan.  Lassen Sie uns nicht länger verziehen.

(Gehen ab.)

(Ende des vierten Aufzuges.)





Fünfter Aufzug



Erster Auftritt

Der Wechsler, von der einen Seite, und von der andern Adrast.


Adrast (vor sich).  Ich habe meinen Mann nicht finden können.--

Der Wechsler (vor sich).  So lasse ich es mir gefallen.--

Adrast.  Aber sieh da!--Ei!  mein Herr, finde ich Sie hier?  So sind
wir ohne Zweifel einander fehlgegangen?

Der Wechsler.  Es ist mir lieb, mein Herr Adrast, daß ich Sie noch
treffe.

Adrast.  Ich habe Sie in Ihrer Wohnung gesucht.  Die Sache leidet
keinen Aufschub.  Ich kann mich doch noch auf Sie verlassen?

Der Wechsler.  Nunmehr, ja.

Adrast.  Nunmehr?  Was wollen Sie damit?

Der Wechsler.  Nichts.  Ja, Sie können sich auf mich verlassen.

Adrast.  Ich will nicht hoffen, daß Sie einiges Mißtrauen gegen mich
haben?

Der Wechsler.  Im geringsten nicht.

Adrast.  Oder, daß man Ihnen einiges beizubringen gesucht hat?

Der Wechsler.  Noch viel weniger.

Adrast.  Wir haben bereits miteinander zu tun gehabt, und Sie sollen
mich auch künftig als einen ehrlichen Mann finden.

Der Wechsler.  Ich bin ohne Sorgen.

Adrast.  Es liegt meiner Ehre daran, diejenigen zuschanden zu machen,
die boshaft genug sind, meinen Kredit zu schmälern.

Der Wechsler.  Ich finde, daß man das Gegenteil tut.

Adrast.  Oh!  sagen Sie das nicht.  Ich weiß wohl, daß ich meine
Feinde habe--

Der Wechsler.  Sie haben aber auch Ihre Freunde.--

Adrast.  Aufs höchste dem Namen nach.  Ich würde auszulachen sein,
wenn ich auf sie rechnen wollte.--Und glauben Sie, mein Herr, daß es
mir nicht einmal lieb ist, daß Sie, in meiner Abwesenheit, hier in
diesem Hause gewesen sind?

Der Wechsler.  Und es muß Ihnen doch lieb sein.

Adrast.  Es ist zwar das Haus, zu welchem ich mir nichts als Gutes
versehen sollte; aber eine gewisse Person darin, mein Herr, eine
gewisse Person--Ich weiß, ich würde es empfunden haben, wenn Sie mit
derselben gesprochen hätten.

Der Wechsler.  Ich habe eigentlich mit niemanden gesprochen; diejenige
Person aber, bei welcher ich mich nach Ihnen erkundigte, hat die
größte Ergebenheit gegen Sie bezeugt.

Adrast.  Ich kann es Ihnen wohl sagen, wer die Person ist, vor deren
übeln Nachrede ich mich einigermaßen fürchte.  Es wird sogar gut sein,
wenn Sie es wissen, damit Sie, wenn Ihnen nachteilige Dinge von mir zu
Ohren kommen sollten, den Urheber kennen.

Der Wechsler.  Ich werde nicht nötig haben, darauf zu hören.

Adrast.  Aber doch--Mit einem Worte, es ist Theophan.

Der Wechsler (erstaunt).  Theophan?

Adrast.  Ja, Theophan.  Er ist mein Feind--

Der Wechsler.  Theophan Ihr Feind?

Adrast.  Sie erstaunen?

Der Wechsler.  Nicht ohne die größte Ursache.--

Adrast.  Ohne Zweifel weil Sie glauben, daß ein Mann von seinem Stande
nicht anders, als großmütig und edel sein könne?--

Der Wechsler.  Mein Herr--

Adrast.  Er ist der gefährlichste Heuchler, den ich unter
seinesgleichen noch jemals gefunden habe.

Der Wechsler.  Mein Herr--

Adrast.  Er weiß, daß ich ihn kenne, und gibt sich daher alle Mühe,
mich zu untergraben.--

Der Wechsler.  Ich bitte Sie--

Adrast.  Wenn Sie etwa eine gute Meinung von ihm haben, so irren Sie
sich sehr.  Vielleicht zwar, daß Sie ihn nur von der Seite seines
Vermögens kennen; und wider dieses habe ich nichts: er ist reich; aber
eben sein Reichtum schafft ihm Gelegenheit, auf die allerfeinste Art
schaden zu können.

Der Wechsler.  Was sagen Sie?

Adrast.  Er wendet unbeschreibliche Ränke an, mich aus diesem Hause zu
bringen; Ränke, denen er ein so unschuldiges Ansehen geben kann, daß
ich selbst darüber erstaune.

Der Wechsler.  Das ist zu arg!  Länger kann ich durchaus nicht
schweigen.  Mein Herr, Sie hintergehen sich auf die erstaunlichste Art.
--

Adrast.  Ich mich?

Der Wechsler.  Theophan kann das unmöglich sein, wofür Sie ihn
ausgeben.  Hören Sie alles!  Ich kam hierher, mein Ihnen gegebenes
Wort wieder zurückezunehmen.  Ich hatte von sicherer Hand, nicht vom
Theophan, Umstände von Ihnen erfahren, die mich dazu nötigten.  Ich
fand ihn hier, und ich glaubte, es ihm ohne Schwierigkeit sagen zu
dürfen--

Adrast.  Dem Theophan?  Wie wird sich der Niederträchtige gekitzelt
haben!

Der Wechsler.  Gekitzelt?  Er hat auf das nachdrücklichste für Sie
gesprochen.  Und kurz, wenn ich Ihnen mein erstes Versprechen halte,
so geschieht es bloß in Betrachtung seiner.

Adrast.  In Betrachtung seiner?--Wo bin ich?

Der Wechsler.  Er hat mir schriftliche Versicherungen gegeben, die ich
als eine Bürgschaft für Sie ansehen kann.  Zwar hat er mir es zugleich
verboten, jemanden das geringste davon zu sagen: allein ich konnte es
unmöglich anhören, daß ein rechtschaffener Mann so unschuldig
verlästert würde.  Sie können die verlangte Summe bei mir abholen
lassen, wann es Ihnen beliebt.  Nur werden Sie mir den Gefallen tun
und sich nichts gegen ihn merken lassen.  Er bezeugte bei dem ganzen
Handel so viel Aufrichtigkeit und Freundschaft für Sie, daß er ein
Unmensch sein müßte, wenn er die Verstellung bis dahin treiben könnte.-
-Leben Sie wohl!  (Geht ab.)



Zweiter Auftritt

Adrast.--Was für ein neuer Streich!--Ich kann nicht wieder zur mir
selbst kommen!--Es ist nicht auszuhalten!--Verachtungen, Beleidigungen,
--Beleidigungen in dem Gegenstande, der ihm der liebste sein muß:--
alles ist umsonst; nichts will er fühlen.  Was kann ihn so verhärten?
Die Bosheit allein, die Begierde allein, seine Rache reif werden zu
lassen.--Wen sollte dieser Mann nicht hinter das Licht führen?  Ich
weiß nicht, was ich denken soll.  Er dringt seine Wohltaten mit einer
Art auf--Aber verwünscht sind seine Wohltaten, und seine Art!  Und
wenn auch keine Schlange unter diesen Blumen läge, so würde ich ihn
doch nicht anders als hassen können.  Hassen werde ich ihn, und wenn
er mir das Leben rettete.  Er hat mir das geraubt, was kostbarer ist,
als das Leben: das Herz meiner Juliane; ein Raub, den er nicht
ersetzen kann, und wenn er sich mir zu eigen schenkte.  Doch er will
ihn nicht ersetzen; ich dichte ihm noch eine zu gute Meinung an.--



Dritter Auftritt

Theophan.  Adrast.


Theophan.  In welcher heftigen Bewegung treffe ich Sie abermals Adrast?

Adrast.  Sie ist Ihr Werk.

Theophan.  So muß sie eines von denen Werken sein, die wir alsdann
wider unsern Willen hervorbringen, wann wir uns am meisten nach ihrem
Gegenteile bestreben.  Ich wünsche nichts, als Sie ruhig zu sehen,
damit Sie mit kaltem Blute von einer Sache mit mir reden könnten, die
uns beide nicht näher angehen kann.

Adrast.  Nicht wahr, Theophan?  es ist der höchste Grad der List, wenn
man alle seine Streiche so zu spielen weiß, daß die, denen man sie
spielt, selbst nicht wissen, ob und was für Vorwürfe sie uns machen
sollen?

Theophan.  Ohne Zweifel.

Adrast.  Wünschen Sie sich Glück: Sie haben diesen Grad erreicht.

Theophan.  Was soll das wieder?

Adrast.  Ich versprach Ihnen vorhin, die bewußten Wechsel zu bezahlen--
(spöttisch) Sie werden es nicht übelnehmen, es kann nunmehr nicht sein.
Ich will Ihnen, anstatt der zerrissenen, andere Wechsel schreiben.

Theophan (in eben dem Tone).  Es ist wahr, ich habe sie in keiner
andern Absicht zerrissen, als neue von Ihnen zu bekommen.--

Adrast.  Es mag Ihre Absicht gewesen sein, oder nicht: Sie sollen sie
haben.--Wollten Sie aber nicht etwa gern erfahren, warum ich sie
nunmehr nicht bezahlen kann?

Theophan.  Nun?

Adrast.  Weil ich die Bürgschaften nicht liebe.

Theophan.  Die Bürgschaften?

Adrast.  Ja; und weil ich Ihrer Rechten nichts geben mag, was ich aus
Ihrer Linken nehmen müßte.

Theophan (beiseite).  Der Wechsler hat mir nicht reinen Mund gehalten!

Adrast.  Sie verstehen mich doch?

Theophan.  Ich kann es nicht mit Gewißheit sagen.

Adrast.  Ich gebe mir alle Mühe, Ihnen auf keine Weise verbunden zu
sein: muß es mich also nicht verdrießen, daß Sie mich in den Verdacht
bringen, als ob ich es gleichwohl zu sein Ursache hätte?

Theophan.  Ich erstaune über Ihre Geschicklichkeit, alles auf der
schlimmsten Seite zu betrachten.

Adrast.  Und wie Sie gehört haben, so bin ich über die Ihrige erstaunt,
diese schlimme Seite so vortrefflich zu verbergen.  Noch weiß ich
selbst nicht eigentlich, was ich davon denken soll.

Theophan.  Weil Sie das Natürlichste davon nicht denken wollen.

Adrast.  Dieses Natürlichste, meinen Sie vielleicht, wäre das, wenn
ich dächte, daß Sie diesen Schritt aus Großmut, aus Vorsorge für
meinen guten Namen getan hätten?  Allein, mit Erlaubnis, hier wäre es
gleich das Unnatürlichste.

Theophan.  Sie haben doch wohl recht.  Denn wie wäre es immer möglich,
daß ein Mann von meinem Stande nur halb so menschliche Gesinnungen
haben könnte?

Adrast.  Lassen Sie uns Ihren Stand einmal beiseite setzen.

Theophan.  Sollten Sie das wohl können?--

Adrast.  Gesetzt also, Sie wären keiner von den Leuten, die, den
Charakter der Frömmigkeit zu behaupten, ihre Leidenschaften so geheim,
als möglich, halten müssen; die anfangs aus Wohlstand heucheln lernen,
und endlich die Heuchelei als eine zweite Natur beibehalten; die nach
ihren Grundsätzen verbunden sind, sich ehrlicher Leute, welche sie die
Kinder der Welt nennen, zu entziehen, oder wenigstens aus keiner
andern Absicht Umgang mit ihnen zu pflegen, als aus der
niederträchtigen Absicht, sie auf ihre Seite zu lenken; gesetzt, Sie
wären keiner von diesen: sind Sie nicht wenigstens ein Mensch, der
Beleidigungen empfindet?  Und auf einmal alles in allem zu sagen:--
Sind Sie nicht ein Liebhaber, welcher Eifersucht fühlen muß?

Theophan.  Es ist mir angenehm, daß Sie endlich auf diesen Punkt
herauskommen.

Adrast.  Vermuten Sie aber nur nicht, daß ich mit der geringsten
Mäßigung davon sprechen werde.

Theophan.  So will ich es versuchen, desto mehrere dabei zu brauchen.

Adrast.  Sie lieben Julianen, und ich--ich--was suche ich lange noch
Worte?--Ich hasse Sie wegen dieser Liebe, ob ich gleich kein Recht auf
den geliebten Gegenstand habe; und Sie, der Sie ein Recht darauf haben,
sollten mich, der ich Sie um dieses Recht beneide, nicht auch hassen?

Theophan.  Gewiß, ich sollte nicht.--Aber lassen Sie uns doch das
Recht untersuchen, das Sie und ich auf Julianen haben.

Adrast.  Wenn dieses Recht auf die Stärke unserer Liebe ankäme, so
würde ich es Ihnen vielleicht noch streitig machen.  Es ist Ihr Glück,
daß es auf die Einwilligung eines Vaters, und auf den Gehorsam einer
Tochter ankömmt.--

Theophan.  Hierauf will ich es durchaus nicht ankommen lassen.  Die
Liebe allein soll Richter sein.  Aber merken Sie wohl, nicht bloß
unsere, sondern vornehmlich die Liebe derjenigen, in deren Besitz Sie
mich glauben.  Wenn Sie mich überführen können, daß Sie von Julianen
wiedergeliebet werden--

Adrast.  So wollen Sie mir vielleicht Ihre Ansprüche abtreten?

Theophan.  So muß ich.

Adrast.  Wie höhnisch Sie mit mir umgehen!--Sie sind Ihrer Sachen
gewiß, und überzeugt, daß Sie bei dieser Rodomontade nichts aufs Spiel
setzen.

Theophan.  Also können Sie mir es nicht sagen, ob Sie Juliane liebet?

Adrast.  Wenn ich es könnte, würde ich wohl unterlassen, Sie mit
diesem Vorzuge zu peinigen?

Theophan.  Stille!  Sie machen sich unmenschlicher, als Sie sind.--Nun
wohl!  so will ich,--ich will es Ihnen sagen, daß Sie Juliane liebt.

Adrast.  Was sagen Sie?--Doch fast hätte ich über das Entzückende
dieser Versicherung vergessen, aus wessen Munde ich sie höre.  Recht
so!  Theophan, recht so!  Man muß über seine Feinde spotten.  Aber
wollen Sie, diese Spötterei vollkommen zu machen, mich nicht auch
versichern, daß Sie Julianen nicht lieben?

Theophan (verdrießlich).  Es ist unmöglich, mit Ihnen ein vernünftiges
Wort zu sprechen.  (Er will weggehen.)

Adrast (beiseite).  Er wird zornig?--Warten Sie doch, Theophan.
Wissen Sie, daß die erste aufgebrachte Miene, die ich endlich von
Ihnen sehe, mich begierig macht, dieses vernünftige Wort zu hören?

Theophan (zornig).  Und wissen Sie, daß ich endlich Ihres
schimpflichen Betragens überdrüssig bin?

Adrast (beiseite).  Er macht Ernst.--

Theophan (noch zornig).  Ich will mich bestreben, daß Sie den Theophan
so finden sollen, als Sie ihn sich vorstellen.

Adrast.  Verziehen Sie.  Ich glaube in Ihrem Trotze mehr
Aufrichtigkeit zu sehen, als ich jemals in Ihrer Freundlichkeit
gesehen habe.

Theophan.  Wunderbarer Mensch!  Muß man sich Ihnen gleichstellen, muß
man ebenso stolz, ebenso argwöhnisch, ebenso grob sein, als Sie, um
Ihr elendes Vertrauen zu gewinnen?

Adrast.  Ich werde Ihnen diese Sprache, ihrer Neuigkeit wegen,
vergeben müssen.

Theophan.  Sie soll Ihnen alt genug werden!

Adrast.  Aber in der Tat--Sie machen mich vollends verwirrt.  Müssen
Sie mir Dinge, worauf alle mein Wohl ankömmt, mit einem fröhlichen
Gesichte sagen?  Ich bitte Sie, sagen Sie es jetzt noch einmal, was
ich vorhin für eine Spötterei aufnehmen mußte.

Theophan.  Wenn ich es sage, glauben Sie nur nicht, daß es um
Ihretwillen geschieht.

Adrast.  Desto mehr werde ich mich darauf verlassen.

Theophan.  Aber ohne mich zu unterbrechen: das bitte ich.--

Adrast.  Reden Sie nur.

Theophan.  Ich will Ihnen den Schlüssel zu dem, was Sie hören sollen,
gleich voraus geben.  Meine Neigung hat mich nicht weniger betrogen,
als Sie die Ihrige.  Ich kenne und bewundere alle die Vollkommenheiten,
die Julianen zu einer Zierde ihres Geschlechts machen; aber--ich
liebe sie nicht.

Adrast.  Sie--

Theophan.  Es ist gleichviel, ob Sie es glauben oder nicht glauben.--
Ich habe mir Mühe genug gegeben, meine Hochachtung in Liebe zu
verwandeln.  Aber eben bei dieser Bemühung habe ich Gelegenheit gehabt,
es oft sehr deutlich zu merken, daß sich Juliane einen ähnlichen
Zwang antut.  Sie wollte mich lieben, und liebte mich nicht.  Das Herz
nimmt keine Gründe an, und will in diesem, wie in andern Stücken,
seine Unabhängigkeit von dem Verstande behaupten.  Man kann es
tyrannisieren, aber nicht zwingen.  Und was hilft es, sich selbst zum
Märtyrer seiner Überlegungen zu machen, wenn man gewiß weiß, daß man
keine Beruhigung dabei finden kann?  Ich erbarmte mich also Julianens--
oder vielmehr, ich erbarmte mich meiner selbst: ich unterdrückte meine
wachsende Neigung gegen eine andre Person nicht länger und sahe es mit
Vergnügen, daß auch Juliane zu ohnmächtig oder zu nachsehend war, der
ihrigen zu widerstehen.  Diese ging auf einen Mann, der ihrer ebenso
unwürdig ist, als unwürdig er ist, einen Freund zu haben.  Adrast
würde sein Glück in ihren Augen längst gewahr geworden sein, wenn
Adrast gelassen genug wäre, richtige Blicke zu tun.  Er betrachtet
alles durch das gefärbte Glas seiner vorgefaßten Meinungen, und alles
obenhin; und würde wohl oft lieber seine Sinne verleugnen, als seinen
Wahn aufgeben.  Weil Juliane ihn liebenswürdig fand, konnte ich mir
unmöglich einbilden, daß er so gar verderbt sei.  Ich sann auf Mittel,
es beiden mit der besten Art beizubringen, daß sie mich nicht als eine
gefährliche Hinderung ansehen sollten.  Ich kam nur jetzt in dieser
Absicht hieher; allein ließ mich Adrast, ohne die schimpflichsten
Abschreckungen, darauf kommen?  Ich würde ihn, ohne ein weiteres Wort,
verlassen haben, wenn ich mich nicht noch derjenigen Person wegen
gezwungen hätte, der ich, von Grund meiner Seelen, alles gönne, was
sie sich selbst wünscht.--Mehr habe ich ihm nicht zu sagen.  (Er will
fortgehen.)

Adrast.  Wohin, Theophan?--Urteilen Sie aus meinem Stilleschweigen,
wie groß mein Erstaunen sein müsse!--Es ist eine menschliche
Schwachheit, sich dasjenige leicht überreden zu lassen, was man heftig
wünscht.  Soll ich ihr nachhängen?  soll ich sie unterdrücken?

Theophan.  Ich will bei Ihrer Überlegung nicht gegenwärtig sein.--

Adrast.  Wehe dem, der mich auf eine so grausame Art aufzuziehen denkt!

Theophan.  So räche mich denn Ihre marternde Ungewißheit an Ihnen!

Adrast (beiseite).  Jetzt will ich ihn fangen.--Wollen Sie mir noch
ein Wort erlauben, Theophan?--Wie können Sie über einen Menschen
zürnen, der mehr aus Erstaunen über sein Glück, als aus Mißtrauen
gegen Sie, zweifelt?--

Theophan.  Adrast, ich werde mich schämen, nur einen Augenblick
gezürnt zu haben, sobald Sie vernünftig reden wollen.

Adrast.  Wenn es wahr ist, daß Sie Julianen nicht lieben, wird es
nicht nötig sein, daß Sie sich dem Lisidor entdecken?

Theophan.  Allerdings.

Adrast.  Und Sie sind es wirklich gesonnen?

Theophan.  Und zwar je eher, je lieber.

Adrast.  Sie wollen dem Lisidor sagen, daß Sie Julianen nicht lieben?

Theophan.  Was sonst?

Adrast.  Daß Sie eine andere Person lieben?

Theophan.  Vor allen Dingen; um ihm durchaus keine Ursache zu geben,
Julianen die rückgängige Verbindung zur Last zu legen.

Adrast.  Wollten Sie wohl alles dieses gleich jetzo tun?

Theophan.  Gleich jetzo?--

Adrast (beiseite).  Nun habe ich ihn!--Ja, gleich jetzo.

Theophan.  Wollten Sie aber auch wohl eben diesen Schritt tun?
Wollten auch Sie dem Lisidor wohl sagen, daß Sie Henrietten nicht
liebten?

Adrast.  Ich brenne vor Verlangen.

Theophan.  Und daß Sie Julianen liebten?

Adrast.  Zweifeln Sie?

Theophan.  Nun wohl!  so kommen Sie.

Adrast (beiseite).  Er will?--

Theophan.  Nur geschwind!

Adrast.  Überlegen Sie es recht.

Theophan.  Und was soll ich denn noch überlegen?

Adrast.  Noch ist es Zeit.--

Theophan.  Sie halten sich selbst auf.  Nur fort!--(Indem er
vorangehen will.)  Sie bleiben zurück?  Sie stehen in Gedanken?  Sie
sehen mich mit einem Auge an, das Erstaunen verrät?  Was soll das?--

Adrast (nach einer kleinen Pause).  Theophan!--

Theophan.  Nun?--Bin ich nicht bereit?

Adrast (gerührt).  Theophan!--Sie sind doch wohl ein ehrlicher Mann.

Theophan.  Wie kommen Sie jetzt darauf?

Adrast.  Wie ich jetzt darauf komme?  Kann ich einen stärkern Beweis
verlangen, daß Ihnen mein Glück nicht gleichgültig ist?

Theophan.  Sie erkennen dieses sehr spät--aber Sie erkennen es doch
noch.--Liebster Adrast, ich muß Sie umarmen.--

Adrast.  Ich schäme mich--lassen Sie mich allein; ich will ihnen bald
folgen.--

Theophan.  Ich werde Sie nicht allein lassen.--Ist es möglich, daß ich
Ihren Abscheu gegen mich überwunden habe?  Daß ich ihn durch eine
Aufopferung überwunden habe, die mir so wenig kostet?  Ach!  Adrast,
Sie wissen noch nicht, wie eigennützig ich dabei bin; ich werde
vielleicht alle Ihre Hochachtung dadurch wieder verlieren:--Ich liebe
Henrietten.

Adrast.  Sie lieben Henrietten?  Himmel!  so können wir ja hier noch
beide glücklich sein.  Warum haben wir uns nicht eher erklären müssen?
O Theophan!  Theophan!  ich würde Ihre ganze Aufführung mit einem
andern Auge angesehen haben.  Sie würden der Bitterkeit meines
Verdachts, meiner Vorwürfe nicht ausgesetzt gewesen sein.

Theophan.  Keine Entschuldigungen, Adrast!  Vorurteile und eine
unglückliche Liebe sind zwei Stücke, deren eines schon hinreichet,
einen Mann zu etwas ganz anderm zu machen, als er ist.--Aber was
verweilen wir hier länger?

Adrast.  Ja, Theophan, nun lassen Sie uns eilen.--Aber wenn uns
Lisidor zuwider wäre?--Wenn Juliane einen andern liebte?--

Theophan.  Fassen Sie Mut.  Hier kömmt Lisidor.



Vierter Auftritt

Lisidor.  Theophan.  Adrast.


Lisidor.  Ihr seid mir feine Leute!  Soll ich denn beständig mit dem
fremden Vetter allein sein?

Theophan.  Wir waren gleich im Begriff zu Ihnen zu kommen.

Lisidor.  Was habt ihr nun wieder zusammen gemacht?  gestritten?
Glaubt mir doch nur, aus dem Streiten kömmt nichts heraus.  Ihr habt
alle beide, alle beide habt ihr recht.--Zum Exempel: (zum Theophan)
Der spricht, die Vernunft ist schwach; und der (zum Adrast) spricht,
die Vernunft ist stark.  Jener beweiset mit starken Gründen, daß die
Vernunft schwach ist; und dieser mit schwachen Gründen, daß sie stark
ist.  Kömmt das nun nicht auf eins heraus?  schwach und stark, oder,
stark und schwach: was ist denn da für ein Unterscheid?

Theophan.  Erlauben Sie, wir haben jetzt weder von der Stärke, noch
von der Schwäche der Vernunft gesprochen--

Lisidor.  Nun!  so war es von etwas anderm, das ebensowenig zu
bedeuten hat.--Von der Freiheit etwa: Ob ein hungriger Esel, der
zwischen zwei Bündeln Heu steht, die einander vollkommen gleich sind,
das Vermögen hat, von dem ersten von dem besten zu fressen, oder, ob
der Esel so ein Esel sein muß, daß er lieber verhungert?--

Adrast.  Auch daran ist nicht gedacht worden.  Wir beschäftigten uns
mit einer Sache, bei der das Vornehmste nunmehr auf Sie ankömmt.

Lisidor.  Auf mich?

Theophan.  Auf Sie, der Sie unser ganzes Glück in Händen haben.

Lisidor.  Oh!  ihr werdet mir einen Gefallen tun, wenn ihr es so
geschwind, als möglich, in eure eignen Hände nehmt.--Ihr meint doch
wohl das Glück in Fischbeinröcken?  Schon lange habe ich es selber
nicht mehr gern behalten wollen.  Denn der Mensch ist ein Mensch, und
eine Jungfer eine Jungfer; und Glück und Glas wie bald bricht das!

Theophan.  Wir werden zeitlebens nicht dankbar genug sein können, daß
Sie uns einer so nahen Verbindung gewürdiget haben.  Allein es stößt
sich noch an eine sehr große Schwierigkeit.

Lisidor.  Was?

Adrast.  An eine Schwierigkeit, die unmöglich vorauszusehen war.

Lisidor.  Nu?

Theophan und Adrast.  Wir müssen Ihnen gestehen--

Lisidor.  Alle beide zugleich?  Was wird das sein?  Ich muß euch
ordentlich vernehmen.--Was gestehen Sie, Theophan?--

Theophan.  Ich muß Ihnen gestehen,--daß ich Julianen nicht liebe.

Lisidor.  Nicht liebe?  habe ich recht gehört?--Und was ist denn Ihr
Geständnis, Adrast?--

Adrast.  Ich muß Ihnen gestehen,--daß ich Henrietten nicht liebe.

Lisidor.  Nicht liebe?--Sie nicht lieben, und Sie nicht lieben; das
kann unmöglich sein!  Ihr Streitköpfe, die ihr noch nie einig gewesen
seid, solltet jetzo zum ersten Male einig sein, da es darauf ankömmt,
mir den Stuhl vor die Türe zu setzen?--Ach!  ihr scherzt, nun merke
ich's erst.

Adrast.  Wir?  scherzen?

Lisidor.  Oder ihr müßt nicht klug im Kopfe sein.  Ihr meine Töchter
nicht lieben?  die Mädel weinen sich die Augen aus dem Kopfe.--Aber
warum denn nicht?  wenn ich fragen darf.  Was fehlt denn Julianen, daß
Sie sie nicht lieben können?

Theophan.  Ihnen die Wahrheit zu gestehen, ich glaube, daß ihr Herz
selbst für einen andern eingenommen ist.

Adrast.  Und eben dieses vermute ich mit Grunde auch von Henrietten.

Lisidor.  Ho!  ho!  dahinter muß ich kommen.--Lisette!  he!  Lisette!--
Ihr seid also wohl gar eifersüchtig, und wollt nur drohen?

Theophan.  Drohen?  da wir Ihrer Güte jetzt am nötigsten haben?

Lisidor.  He da!  Lisette!



Fünfter Auftritt

Lisette.  Lisidor.  Theophan.  Adrast.


Lisette.  Hier bin ich ja schon!  Was gibt's?

Lisidor.  Sage, sie sollen gleich herkommen.

Lisette.  Wer denn?

Lisidor.  Beide!  hörst du nicht?

Lisette.  Meine Jungfern?

Lisidor.  Fragst du noch?

Lisette.  Gleich will ich sie holen.  (Indem sie wieder umkehrt.)
Kann ich ihnen nicht voraus sagen, was sie hier sollen?

Lisidor.  Nein!

Lisette (geht und kömmt wieder).  Wenn sie mich nun aber fragen?

Lisidor.  Wirst du gehen?

Lisette.  Ich geh.--(Kömmt wieder.)  Es ist wohl etwas Wichtiges?

Lisidor.  Ich glaube, du Maulaffe, willst es eher wissen, als sie?

Lisette.  Nur sachte!  ich bin so neugierig nicht.



Sechster Auftritt

Lisidor.  Theophan.  Adrast.


Lisidor.  Ihr habt mich auf einmal ganz verwirrt gemacht.  Doch nur
Geduld, ich will das Ding schon wieder in seine Wege bringen.  Das
wäre mir gelegen, wenn ich mir ein Paar andere Schwiegersöhne suchen
müßte!  Ihr waret mir gleich so recht, und so ein Paar bekomme ich
nicht wieder zusammen, wenn ich mir sie auch bestellen ließe.

Adrast.  Sie sich andre Schwiegersöhne suchen?--Was für ein Unglück
drohen Sie uns?

Lisidor.  Ihr wollt doch wohl nicht die Mädel heiraten, ohne sie zu
lieben?  Da bin ich auch euer Diener.

Theophan.  Ohne sie zu lieben?

Adrast.  Wer sagt das?

Lisidor.  Was habt ihr denn sonst gesagt?

Adrast.  Ich bete Julianen an.

Lisidor.  Julianen?

Theophan.  Ich liebe Henrietten mehr, als mich selbst.

Lisidor.  Henrietten?--Uph!  Wird mir doch auf einmal ganz wieder
leichte.--Ist das der Knoten?  Also ist es weiter nichts, als daß sich
einer in des andern seine Liebste verliebt hat?  Also wäre der ganze
Plunder mit einem Tausche gutzumachen?

Theophan.  Wie gütig sind Sie, Lisidor!

Adrast.  Sie erlauben uns also--

Lisidor.  Was will ich tun?  Es ist doch immer besser, ihr tauscht vor
der Hochzeit, als daß ihr nach der Hochzeit tauscht.  Wenn es meine
Töchter zufrieden sind, ich bin es zufrieden.

Adrast.  Wir schmeicheln uns, daß sie es sein werden.--Aber bei der
Liebe, Lisidor, die Sie gegen uns zeigen, kann ich unmöglich anders,
ich muß Ihnen noch ein Geständnis tun.

Lisidor.  Noch eins?

Adrast.  Ich würde nicht rechtschaffen handeln, wenn ich Ihnen meine
Umstände verhehlte.

Lisidor.  Was für Umstände?

Adrast.  Mein Vermögen ist so geschmolzen, daß ich, wenn ich alle
meine Schulden bezahle, nichts übrig behalte.

Lisidor.  Oh!  schweig doch davon.  Habe ich schon nach deinem
Vermögen gefragt?  Ich weiß so wohl, daß du ein lockrer Zeisig gewesen
bist, und alles durchgebracht hast; aber eben deswegen will ich dir
eine Tochter geben, damit du doch wieder etwas hast.--Nur stille!  da
sind sie; laßt mich machen.



Siebenter Auftritt

Juliane.  Henriette.  Lisette.  Lisidor.  Theophan.  Adrast.


Lisette.  Hier bringe ich sie, Herr Lisidor.  Wir sind höchst begierig,
zu wissen, was Sie zu befehlen haben.

Lisidor.  Seht freundlich aus, Mädchens!  ich will euch etwas
Fröhliches melden: Morgen soll's richtig werden.  Macht euch gefaßt!

Lisette.  Was soll richtig werden?

Lisidor.  Für dich wird nichts mit richtig.--Lustig, Mädchens!
Hochzeit!  Hochzeit!--Nu?  Ihr seht ja so barmherzig aus?  Was fehlt
dir, Juliane?

Juliane.  Sie sollen mich allezeit gehorsam finden; aber nur diesesmal
muß ich Ihnen vorstellen, daß Sie mich übereilen würden.--Himmel!
morgen?

Lisidor.  Und du, Henriette?

Henriette.  Ich, lieber Herr Vater?  ich werde morgen krank sein,
todsterbenskrank!

Lisidor.  Verschieb es immer bis übermorgen.

Henriette.  Es kann nicht sein.  Adrast weiß meine Ursachen.

Adrast.  Ich weiß, schönste Henriette, daß Sie mich hassen.

Theophan.  Und sie, liebste Juliane, Sie wollen gehorsam sein?--Wie
nahe scheine ich meinem Glücke zu sein, und wie weit bin ich
vielleicht noch davon entfernt!--Mit was für einem Gesichte soll ich
es Ihnen sagen, daß ich der Ehre Ihrer Hand unwert bin?  daß ich mir
bei aller der Hochachtung, die ich für eine so vollkommene Person
hegen muß, doch nicht getraue, dasjenige für Sie zu empfinden, was ich
nur für eine einzige Person in der Welt empfinden will.

Lisette.  Das ist ja wohl gar ein Korb?  Es ist nicht erlaubt, daß
auch Mannspersonen welche austeilen wollen.  Hurtig also, Julianchen,
mit der Sprache heraus!

Theophan.  Nur ein eitles Frauenzimmer könnte meine Erklärung
beleidigen; und ich weiß, daß Juliane über solche Schwachheiten so
weit erhaben ist,--

Juliane.  Ach Theophan!  ich höre es schon: Sie haben zu scharfe
Blicke in mein Herz getan.--

Adrast.  Sie sind nun frei, schönste Juliane.  Ich habe Ihnen kein
Bekenntnis weiter abzulegen, als das, welches ich Ihnen bereits
abgelegt habe.--Was soll ich hoffen?

Juliane.  Liebster Vater!--Adrast!--Theophan!--Schwester!--

Lisette.  Nun merke ich alles.  Geschwind muß das die Großmama
erfahren.  (Lisette läuft ab.)

Lisidor (zu Julianen).  Siehst du, Mädchen, was du für Zeug angefangen
hast?

Theophan.  Aber Sie, liebste Henriette, was meinen Sie hierzu?  Ist
Adrast nicht ein ungetreuer Liebhaber?  Ach!  wenn Sie Ihre Augen auf
einen getreuern werfen wollten!  Wir sprachen vorhin von Rache, von
einer unschuldigen Rache--

Henriette.  Top!  Theophan: ich räche mich.

Lisidor.  Fein bedächtig, Henriette!  Hast du schon die Krankheit auf
morgen vergessen?

Henriette.  Gut!  Ich lasse mich verleugnen, wenn sie kömmt.

Lisidor.  Seid ihr aber nicht wunderliches Volk!  Ich wollte jedem zu
seinem Rocke egales Futter geben, aber ich sehe wohl, euer Geschmack
ist bunt.  Der Fromme sollte die Fromme, und der Lustige die Lustige
haben: Nichts!  der Fromme will die Lustige, und der Lustige die
Fromme.



Achter Auftritt

Frau Philane mit Lisetten und die Vorigen.


Frau Philane.  Kinder, was höre ich?  Ist es möglich?

Lisidor.  Ja, Mama; ich glaube, Sie werden nicht dawider sein.  Sie
wollen nun einmal so--

Frau Philane.  Ich sollte dawider sein?  Diese Verändrung ist mein
Wunsch, mein Gebet gewesen.  Ach!  Adrast, ach!  Henriette, für euch
habe ich oft gezittert!  Ihr würdet ein unglückliches Paar geworden
sein!  Ihr braucht beide einen Gefährten, der den Weg besser kennet,
als ihr.  Theophan, Sie haben längst meinen Segen; aber wollen Sie
mehr als diesen, wollen Sie auch den Segen des Himmels haben, so
ziehen Sie eine Person aus Henrietten, die Ihrer wert ist.  Und Sie,
Adrast, ich habe Sie wohl sonst für einen bösen Mann gehalten; doch
getrost!  wer eine fromme Person lieben kann, muß selbst schon halb
fromm sein.  Ich verlasse mich seinetwegen auf dich, Julchen.--Vor
allen Dingen bringe ihm bei, wackern Leuten, rechtschaffnen
Geistlichen, nicht so verächtlich zu begegnen, als er dem Theophan
begegnet.--

Adrast.  Ach!  Madame, erinnern Sie mich an mein Unrecht nicht.
Himmel!  wenn ich mich überall so irre, als ich mich bei ihnen,
Theophan, geirret habe: was für ein Mensch, was für ein abscheulicher
Mensch bin ich!--

Lisidor.  Habe ich's nicht gesagt, daß ihr die besten Freunde werden
müßt, sobald als ihr Schwäger seid?  Das ist nur der Anfang!

Theophan.  Ich wiederhole es, Adrast: Sie sind besser, als Sie glauben;
besser, als Sie zeither haben scheinen wollen.

Frau Philane.  Nun!  auch das ist mir ein Trost zu hören.--(Zum
Lisidor.)  Komm, mein Sohn, führe mich.  Das Stehen wird mir zu sauer,
und vor Freuden habe ich es ganz vergessen, daß ich Araspen allein
gelassen.

Lisidor.  Ja, wahrhaftig!  da gibt's was zu erzählen!  Kommen Sie,
Mama.--Aber keinen Tausch weiter!  keinen Tausch weiter!

Lisette.  Wie übel ist unsereinem dran, das nichts zu tauschen hat!

(Ende des Freigeists.)


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Freigeist, von Gotthold
Ephraim Lessing.










End of Project Gutenberg's Der Freigeist, by Gotthold Ephraim Lessing

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER FREIGEIST ***

***** This file should be named 9325-8.txt or 9325-8.zip *****
This and all associated files of various formats will be found in:
        http://www.gutenberg.org/9/3/2/9325/

Produced by Delphine Lettau
Updated editions will replace the previous one--the old editions will
be renamed.

Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
law means that no one owns a United States copyright in these works,
so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United
States without permission and without paying copyright
royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part
of this license, apply to copying and distributing Project
Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm
concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark,
and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive
specific permission. If you do not charge anything for copies of this
eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook
for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports,
performances and research. They may be modified and printed and given
away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks
not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the
trademark license, especially commercial redistribution.

START: FULL LICENSE

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK

To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work
(or any other work associated in any way with the phrase "Project
Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full
Project Gutenberg-tm License available with this file or online at
www.gutenberg.org/license.

Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project
Gutenberg-tm electronic works

1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
and accept all the terms of this license and intellectual property
(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
the terms of this agreement, you must cease using and return or
destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your
possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a
Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound
by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the
person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph
1.E.8.

1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
used on or associated in any way with an electronic work by people who
agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
even without complying with the full terms of this agreement. See
paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this
agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm
electronic works. See paragraph 1.E below.

1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the
Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual
works in the collection are in the public domain in the United
States. If an individual work is unprotected by copyright law in the
United States and you are located in the United States, we do not
claim a right to prevent you from copying, distributing, performing,
displaying or creating derivative works based on the work as long as
all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope
that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting
free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm
works in compliance with the terms of this agreement for keeping the
Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily
comply with the terms of this agreement by keeping this work in the
same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when
you share it without charge with others.

1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
what you can do with this work. Copyright laws in most countries are
in a constant state of change. If you are outside the United States,
check the laws of your country in addition to the terms of this
agreement before downloading, copying, displaying, performing,
distributing or creating derivative works based on this work or any
other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no
representations concerning the copyright status of any work in any
country outside the United States.

1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:

1.E.1. The following sentence, with active links to, or other
immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear
prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work
on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the
phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed,
performed, viewed, copied or distributed:

  This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
  most other parts of the world at no cost and with almost no
  restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it
  under the terms of the Project Gutenberg License included with this
  eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the
  United States, you'll have to check the laws of the country where you
  are located before using this ebook.

1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is
derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not
contain a notice indicating that it is posted with permission of the
copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in
the United States without paying any fees or charges. If you are
redistributing or providing access to a work with the phrase "Project
Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply
either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or
obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm
trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any
additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms
will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works
posted with the permission of the copyright holder found at the
beginning of this work.

1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
License terms from this work, or any files containing a part of this
work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.

1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
electronic work, or any part of this electronic work, without
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
active links or immediate access to the full terms of the Project
Gutenberg-tm License.

1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including
any word processing or hypertext form. However, if you provide access
to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format
other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official
version posted on the official Project Gutenberg-tm web site
(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense
to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means
of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain
Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the
full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1.

1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works
provided that

* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
  the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
  you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed
  to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has
  agreed to donate royalties under this paragraph to the Project
  Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
  within 60 days following each date on which you prepare (or are
  legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
  payments should be clearly marked as such and sent to the Project
  Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
  Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg
  Literary Archive Foundation."

* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
  you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
  does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
  License. You must require such a user to return or destroy all
  copies of the works possessed in a physical medium and discontinue
  all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm
  works.

* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
  any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
  electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
  receipt of the work.

* You comply with all other terms of this agreement for free
  distribution of Project Gutenberg-tm works.

1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than
are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The
Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm
trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm
electronic works, and the medium on which they may be stored, may
contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate
or corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged disk or
other medium, a computer virus, or computer codes that damage or
cannot be read by your equipment.

1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from. If you
received the work on a physical medium, you must return the medium
with your written explanation. The person or entity that provided you
with the defective work may elect to provide a replacement copy in
lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
or entity providing it to you may choose to give you a second
opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
without further opportunities to fix the problem.

1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of
damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
violates the law of the state applicable to this agreement, the
agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
remaining provisions.

1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org



Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.