Vom Reisen und Reisen lassen

By Gerhard Kästner

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Title: Vom Reisen und Reisen lassen


Author: Gerhard Kästner

Release date: August 18, 2023 [eBook #71434]

Language: German

Original publication: Hamburg: Gebrüder Lüdeking, Verlagsbuchhandlung, 1910

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK VOM REISEN UND REISEN LASSEN ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1910 so weit
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  Die Fußnote wurde an das Ende des betreffenden Abschnittes versetzt.

  Gesperrte Passagen wurden mit +Pluszeichen+ hervorgehoben.

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                    HAMBURGER HANDELSBÜCHER BAND IV


                              Vom Reisen
                           und Reisen lassen

                                  VON

                            GERHARD KÄSTNER


                             HAMBURG 1910

                GEBRÜDER LÜDEKING, VERLAGSBUCHHANDLUNG




                        Hamburger Handelsbücher


                       Band IV. Gerhard Kaestner

                     Vom Reisen und Reisen lassen


                             HAMBURG 1910

                GEBRÜDER LÜDEKING, VERLAGSBUCHHANDLUNG




                       Alle Rechte, auch das der
                       Übersetzung, vorbehalten




Vorwort.


Die ersten beiden Bände der Hamburger Handelsbücher haben in
kurzer Zeit weite Verbreitung und, was mehr ist, den Beifall der
sachverständigen Kreise gefunden. Damit dürfte der Beweis dafür
geliefert sein, daß die +aus der Praxis für die Praxis+ geschriebenen
Bücher tatsächlich eine Lücke ausfüllen. Damit ist auch ferner
bewiesen, daß es sehr wohl möglich ist, Zweige des kaufmännischen
+Könnens+, die in der Hauptsache auf angeborenen Talenten und auf
Erfahrungen beruhen, systematisch so zu behandeln, daß breite Kreise
Vorteil aus dieser Art der Behandlung ziehen können.

Trotzdem habe ich es mir sehr reiflich überlegt, ob über die Kunst,
+als Reisender Erfolge zu erzielen+, ein Buch geschrieben werden
kann, das dem Reisenden und den vielen Angestellten, die Reisende
werden wollen, das sein kann, was die bis jetzt erschienenen Hamburger
Handelsbücher bereits Tausenden geworden sind. Ich bin schließlich
an die Arbeit gegangen, weil ich aus eigener Praxis wußte, wie
schwer es zumal dem angehenden Reisenden ist, +alle+ Erfahrungen zu
sammeln, deren Fehlen oft so teuer bezahlt werden muß. Ich wußte,
daß auch ältere Berufsgenossen sich ihre Tätigkeit durch mancherlei
Reiseunarten erschweren. So hoffe ich, daß das vorliegende Buch
sowohl den Angestellten, die sich aus der Enge des Ladens und aus
der Einförmigkeit des Kontores hinaussehnen, die nach der freieren,
unabhängigeren und besser bezahlten Stellung eines Reisenden streben,
manche Fingerzeige, als auch dem älteren „Reise-Onkel“ wenigstens hier
und da noch Anregung geben wird. Ich habe darauf verzichtet, „Kniffe“
und sogenannte Kniffe breit und ausführlich zu behandeln. Abgesehen
davon, daß manche dieser „Kniffe“ wirklich nicht sehr empfehlenswert
sind, glaube ich, daß schließlich jeder Reisende seine Methode selber
bilden muß und wird. Ein Kniff, den sich der eine vielleicht noch
leisten kann, würde den anderen Reisenden schwer schädigen. Ein Buch
kann und soll auch nicht die Erfahrung ersetzen. Vielmehr gilt auch
hier als Regel:

    „+Ein+ Blick ins Buch und zwei ins Leben,
    Das muß die Form dem Geiste geben!“

Manche Kleinigkeit mußte ich erwähnen. Ich bitte den Leser, über
diese scheinbaren Kleinigkeiten nicht hinweg zu gehen. Es gibt
im Reiseleben keine Kleinigkeiten! Kleine Ursachen können gerade
für den Geschäftsreisenden große Wirkungen nach sich ziehen. Es
scheint mir deshalb notwendig, daß besonders der Anfänger das Buch
nicht durch+liest+, sondern gerade wegen der vielen Kleinigkeiten
durch+arbeitet+!

Zum Schlusse möchte ich noch den „Aeltesten der Kaufmannschaft“ zu
Berlin meinen Dank aussprechen für die freundliche Unterstützung, die
es mir ermöglichte, über die z. T. recht umständlichen Vorschriften,
die in den europäischen Staaten für die Geschäftsreisenden bestehen,
bestimmte und genaue Angaben zu machen.

                                                   +Gerhard Kaestner.+




Inhaltsverzeichnis.


                                                                   Seite

  Vorwort

  Einleitung                                                           1

  Wer soll reisen?                                                     4

  Das Recht und der Reisende                                          19

    a) Der Dienstvertrag                                              19

    b) Die Vollmacht des Reisenden                                    41

    c) Der Mietsvertrag mit dem Gastwirt                              45

    d) Paßverhältnisse im Inland                                      49

    e) Die Vorschriften über das Detailreisen                         52

    f) Unlauterer Wettbewerb                                          56

  Der Reisende und sein Haus                                          63

  Die Ausrüstung                                                      74

  Der Reisende und die Eisenbahn                                      84

    a) Die Personenbeförderung                                        84

    b) Die Gepäckbeförderung                                          89

    c) Die Haftpflicht                                                91

  Der Reisende im Gasthaus                                            95

  Bei der Kundschaft                                                 110

  Der Detailreisende                                                 146

  Der Reisende im Ausland                                            153

  Ein Schlußwort an die Auslandsreisenden                            181




Einleitung.


Ich war noch Lehrling, aber ein ansehnlicher strammer Kerl. Meine
Lehrzeit diente ich ab in einem Tuch- und Manufakturwarengeschäft.
Tagtäglich kamen Reisende zu uns, gute und auch recht wenig
verläßliche. Schließlich traute ich es mir zu, von vornherein zu
beurteilen, ob der oder jener ein Geschäft oder eine „Pleite“ machen
werde. Mein Chef war einer der alten Schule. Er hatte vor nichts mehr
Respekt als vor einem überfüllten Lager. So hörten selbst die Reisenden
bekannter Häuser seine ständige Redensart: „Ich bin mit allem versehen,
diesmal brauche ich wirklich nichts.“ Trotzdem kam es zu manchem guten
Geschäft für die Reisenden. Ich mußte oft Muster, die zurückgeblieben
oder die zu einer engeren Auswahl zurückgelassen worden waren, nach dem
Hotel tragen, das die Reisenden beherbergte. Wie gut die es hatten!
Setzten sich an die „reichbesetzte Tafel“, tranken, rauchten, spielten
Karten und ließen, wie man daheim zu sagen pflegte, den lieben Gott
einen guten Mann sein. Damals schon stand es bei mir fest: Ich wollte
Reisender werden. Im Geiste sah ich mich dann schon mit großen Koffern
durch die Welt streifen. Natürlich verdiente ich auch recht viel Geld
und ließ es mir wohl sein, -- in Gedanken natürlich!


Aussichten und Hoffnungen.

Das Glück war mir günstig! Ich lernte im dritten Jahre. Unser junger
Mann machte sich selbständig, sein Nachfolger schlug nicht ein, da
wurde ich denn feierlichst im letzten halben Lehrjahr zum Reisenden
der Firma N. N. ernannt.

Mein Traum war damit natürlich noch nicht erfüllt. Statt der „großen
Koffer“ begleiteten mich zwei, allerdings auch nicht unansehnliche
Handkoffer auf meinen Streifzügen in die Thüringer Dörfer, denn ich
war „Detailreisender“. Mit hochgespannten Erwartungen ging ich auf die
Tour, flügellahm stellte ich sie wieder ein, nach öfteren vergeblichen
Ansätzen, Erfolge zu erzielen. Hatte ich ein Dorf abgeklappert und ging
in ein anderes, dann überfiel mich die Angst: Wird das Geschäft besser
werden, als es war? Und es war nicht gut! Nicht annähernd erzielte ich
den Umsatz, den mein Vorgänger erzielt hatte. Um Ausreden war ich zwar
nicht verlegen. Ich glaubte sie selber. Und da mein Chef mir vertraute,
hätte es noch lange so gehen können. Zu meinem Glück lernte ich,
trübselig einmal in der Schenke sitzend, einen „ausgepichten“ Reisenden
kennen. Er war selbst Chef und meine schärfste Konkurrenz! So manches
mal hatte ich erfahren, daß Kunden, die bei meinem Besuch „nichts
brauchten“, zwei Tage später bei ihm gekauft hatten. Ich war also nicht
gut auf ihn zu sprechen. Dieser Mann nahm mich vor, just wie der Vater
seinen Jungen vornimmt. Und ich, ich wurde ganz klein.


Ein guter Rat.

Ich wußte nicht, sollte ich ihm mißtrauen? Wollte er mich nur los sein?
Wer aber bürgte denn dafür, daß mein Nachfolger nicht viel tüchtiger
war als ich? So glaubte ich meinem Berater. Heimgekommen erklärte ich
meinem Chef, daß ich nach beendeter Lehrzeit ausfliegen würde. Ich sei
kein Reisender, würde es +so+ niemals werden, ich müßte noch viel
lernen, ehe ich einmal wieder mit dem Musterkoffer wandern würde.

So ging ich und lernte! Und nach vielen Jahren ging mein Traum
wirklich in Erfüllung: Ich reiste mit drei großen Musterkoffern und
verdiente ein leidliches Geld. Ich hatte aus Fehlern gelernt! Was ich
an Erfahrungen gesammelt habe, das will ich nun, schlicht und einfach,
wie es mir gegeben ist, allen Handlungsgehilfen mitteilen, die auch auf
der Reise sind, oder doch den sehnsüchtigen Wunsch haben, auf die Reise
geschickt zu werden.

Denn den Wunsch, der meinen Jugendtraum ausmachte, verstehe ich! Ist
auch der Beruf des Reisenden anstrengender als der eines Verkaufs- oder
Kontorangestellten, so bringt er doch auch recht viel Abwechslung, er
gibt eine freie und selbständige Stellung und -- ein guter Reisender
wird noch immer recht gut bezahlt!




Wer soll reisen?


Ich sagte in meiner Einleitung schon, daß eigentlich mein erster
Mißerfolg die Grundlage abgab dafür, daß ich später ein leidlicher
Reisender wurde. Ich sagte ebenfalls, daß der Beruf des Reisenden
anstrengender ist, als irgend ein anderer kaufmännischer Beruf.

Davon will ich auch jetzt ausgehen, wenn ich die Frage beantworte: Wer
soll reisen?


Unerwünschte Abwechslung.

Heute hier, morgen dort! Bald im dumpfen Eisenbahnabteil, in dem man
kein Fenster öffnen darf, weil es „zieht“, bald auf den Stationen, beim
Türöffnen, wirklichem Zug ausgesetzt. Bald unerträgliche Hitze -- bald
wieder empfindliche Kälte. Heute lachender Himmel, morgen das bekannte
Hundewetter. Einen Hund, so sagt man, schickt man nicht hinaus! Der
Reisende darf nicht fragen, was für Wetter ist. Er +muß+ hinaus. Und
kommt er müde in sein Gasthaus, das für ihn das Heim darstellen soll,
dann merkt er nur allzubald, daß der Geist willig, aber das Fleisch
schwach ist. Hier wird so gekocht, dort wieder ganz anders. Heiß
und kalt wie das Wetter ist, so geht es auch mit den Speisen, alles
durcheinander. Dabei trotzdem eine Speisekarte von fürchterlicher
Eintönigkeit. Man kommt manchmal auf den Gedanken, daß die Gasthäuser
ihre Speisekarten mit aller Gewalt vereinheitlichen wollen.

Dann das Zimmer! Feuchte Bettwäsche ist ja vielfach ein Zeichen von
Schlamperei! Wo sie zu finden ist, darf man in neun von zehn Fällen
getrost annehmen, daß schon ein anderer Adam von diesem Bettlaken
verhüllt wurde. Es wurde dann nur angefeuchtet und stark gepreßt, damit
sich die alten Brüche verloren, und nun soll es traulich den neuen Leib
umschließen. Aber nicht immer ist das so! In der Reisezeit wird in
gut besuchten Gasthäusern die Wäsche knapp. Ist das Wetter nicht gut,
trocknet es schlecht, muß so manchesmal zur wirklich gewaschenen Wäsche
gegriffen werden, wenn diese noch feucht ist.

Und dann die Nerven! Ein Reisender muß Pferdestränge als Nerven haben,
sonst reibt er sich beizeiten auf.


Drei angeborene Eigenschaften.

Aus allem dem ist zu erkennen, daß jeder, der reisen will, eine
+eiserne Gesundheit+ sein eigen nennen muß. Das ist aber erst +eine+
Vorbedingung!

Wenn mein erster Ausflug nicht von Erfolg begleitet war, dann lag das
zu einem guten Teil -- abgesehen von den Kenntnissen, die ich nicht
hatte und von denen noch die Rede sein wird -- daran, daß ich eben
blutjung war.

So ein junger Guckindiewelt, mag er nun Engros- oder Detailreisender
sein, wird immer über die Achsel angesehen. Er kommt von vornherein
schlecht ins Geschäft. Hat er aber wirklich diese Schwierigkeit
überwunden, so vermag er doch seinen Worten nicht den äußeren Nachdruck
zu geben, den nur eine in sich gefestigte Persönlichkeit auszuüben
vermag. Gewiß kann man auch zu einem jungen Mann Vertrauen haben, aber
in der Regel stellt es sich nur dann ein, wenn der junge Reisende
bereits bekannter geworden ist. Das Vertrauen, das gar nicht erst
hergestellt werden muß, das vielmehr unbewußt da ist, hat das Alter vor
der Jugend voraus. Wer deshalb auf die Reise gehen will, soll es nicht
tun, wenn er nicht mindestens die „Zwanzig“ auf dem Rücken hat.

Vom Alter hängt nämlich noch eine dritte Eigenschaft ab, die der
Reisende haben muß!

Ich werde in meiner Kauflust immer beeinflußt von dem Aussehen des
Ladens, den ich betrete. Ich glaube sagen zu dürfen, daß es fast
jedem Käufer so geht. Ein freundlicher, solide aussehender Laden, ein
gewinnender Verkäufer bewirken oft einen größeren Einkauf, als wirklich
tadellose Waren, die nur das Unglück haben, in einem unfreundlichen
Laden zur Schau gestellt und von einem weniger tüchtigen Verkäufer
angepriesen zu werden. (Siehe auch das Werkchen von Curt Büsch im
gleichen Verlage: Vom Verkaufen.)

Beim Reisenden liegen die Dinge noch anders. Zunächst stehen sich
hier Käufer (der Kunde) und Verkäufer (der Reisende) durchaus nicht
mit der Absicht gegenüber zu verkaufen und zu kaufen. Die Absicht, zu
verkaufen ist wohl immer vorhanden, die Absicht zu kaufen fast nie!
Im Laden kommt dem Verkäufer die bereits ausgestellte Ware, die doch
ein gewichtig Wörtlein mitspricht, zu Hilfe. Der Reisende hat oft die
Hauptschwierigkeit zu überwinden, ehe er den Kunden dazu gebracht
hat, die Muster überhaupt ansehen zu wollen. Er ist also beim ersten
Angriff ganz allein auf seine Person angewiesen. Es gibt Menschen, die
man auf den ersten Blick gern hat, sie flößen sofort Vertrauen ein. Es
gibt andere, denen man mißtraut, denen man unbewußt nicht wohl will.
Ein schönes Kind wird immer mehr Schokolade bekommen, als ein weniger
schönes oder gar häßliches. Die Schokolade, die den Reisenden erfreut,
sind die Aufträge. Ein Adonis oder Apoll braucht der Reisende zwar
nicht zu sein, aber er soll doch möglichst körperlich +ansehnlich+ sein
und ein +sympathisches Aeußeres+ haben.

Mit diesen drei Eigenschaften (Gesundheit, reifes Alter, sympathische
Ansehnlichkeit), die der Reisende selten erwerben kann, die er
höchstens zu verbessern vermag, ist es aber längst nicht getan. Wer
reisen will, muß bestimmte +Fähigkeiten+ besitzen, ohne die für ihn der
Erfolg seiner Tätigkeit ausgeschlossen ist.

Es mag wohl einmal eine Zeit gegeben haben, in der man auch im
Geschäftsleben den guten Freund, der uns besuchte, auf das Kanapee
nötigte und für ihn auftrug, was Küche und Keller boten. Vielleicht
hatte es aber auch damals schon damit sein Bewenden. Der Reisende sucht
seine Kundschaft nicht zu solchem Zweck auf, sondern um Geschäfte zu
machen.


Freundschaft.

Da wird er bald merken, daß nicht nur in Geldsachen die Gemütlichkeit
aufhört, sondern auch in Geschäftssachen die Freundschaft. Ich habe so
manchen Kunden kennen gelernt, der gut bei mir kaufte, so lange unser
gegenseitiges Verhältnis ein auf Vertrauen gegründetes +geschäftliches+
war. Als das anders wurde, als wir uns freundschaftlich näher traten,
da wurde zwar die Freundschaft größer, die Aufträge aber -- kleiner.
Kein Wunder! Einem Freund kann man mit beweglicheren Klagen kommen, ihn
kann man leichter vertrösten, ihn wird man auch leichter los als den
Nur-Geschäftsfreund.

Wer heute als Reisender verkaufen will, muß andere Wege gehen, als sie
früher gangbar waren.

Er muß dem Kunden, den er besucht, klar machen können, daß er +gerade
die+ Ware braucht, die der Reisende zu verkaufen hat, daß die Ware, die
er führt, alle Vorzüge vereint, die nur immer eine Ware haben kann, daß
sie vor allem gut und billig ist. +Der Reisende, der so arbeiten will,
muß vor allen Dingen seiner Sache sicher sein!+


Reisestimmungen.

Gewiß spielen auch manche Charaktereigenschaften in der Reisetätigkeit
eine Rolle. Wer das Leben von der heiteren Seite nimmt, d. h. wer den
Dingen immer eine gute Seite abgewinnen kann, wer den rechten Humor zur
rechten Zeit hat, der wird immer lieber gesehen werden, als ein Mensch,
der aussieht „wie vierzehn Tage Regenwetter“. Dann gehört zum Reisen
ein +offener Blick+. Der Reisende muß wissen, an wen sein Kunde die
Waren verkauft. Er muß erkennen, ob die Kundschaft seines Kunden aus
Arbeitern, Landwirten oder Angehörigen der oberen Zehntausend besteht.
Er muß auch in der Lage sein, einem Kunden, der gar zu arg über die
schlechten Zeiten klagt, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, er muß
fühlen, wo ihn der Schuh drückt.

Sodann gebraucht der Reisende +Verantwortlichkeitsgefühl+ und
zwar mehr, als irgend ein anderer Angestellter. Bei diesem sorgt
immer die geschäftliche Ordnung, das Auge des Prinzipals und die
Gewohnheit dafür, daß die Pflicht erfüllt wird. Der Reisende hat keine
Geschäftszeit, auf ihm ruht nicht das Auge des Prinzipals. +Er hat nur
eine Triebfeder: sein Verantwortlichkeitsgefühl und nur einen Maßstab,
ob er seine Pflicht erfüllt hat: den Erfolg.+ +Unverdrossen+ muß der
Reisende sein und unermüdlich. Es kommt bei jedem Reisenden einmal eine
Zeit, in der die Kommissionen sich nicht einstellen wollen und dafür
die Briefe vom „Haus“ einlaufen mit der unangenehmen Frage, warum und
wieso die letzte Woche keine Erfolge gebracht hat.

Wer da den Mut verliert, ist verloren! Nur nicht mit +der+ Stimmung an
das Geschäft gehen: Es ist doch vergeblich! Lieber die Tour abbrechen.
Ein richtiger Reisender darf sich vom Geschick nicht unterkriegen
lassen. Gab es einmal wenig Kommissionen, gut, ein Grund mehr, dafür
zu sorgen, daß sie nun zahl- und umfangreicher kommen. Und auch nicht
sagen: Heute geht es nicht, vielleicht geht es morgen besser. Oder:
In dem Nest ist doch nichts los, also fort, wo anders hin. Nein!
Wenn Kunden an einem Platz nicht gekauft haben, dann gilt es, neue
Kundschaft zu suchen, die dann eben den Ausfall decken muß.

Ich sprach schon davon, daß der Reisende seiner Sache sicher
sein müsse. Damit meine ich durchaus nicht nur, daß +er+ die
selbstverständliche Gewißheit, die feste Ueberzeugung haben muß, ein
gutes und leistungsfähiges Haus zu vertreten. Nein, er muß in der Lage
sein, seine Gewißheit und seine Ueberzeugung zu der +seines Kunden+ zu
machen.

Dazu braucht er vor allen Dingen


Waren- und Branchenkenntnis.

Ich stand einmal als Unbeteiligter im Privatkontor eines meiner Kunden.
Draußen tauchte ein Reisender auf. Kein Konkurrent von mir, er wollte
vielmehr andere Waren absetzen. Mein Kunde sah sich die Muster an und
verglich sie mit seinem Bestande. Dabei hatte sich wohl herausgestellt
-- oder war es nur ein „Bluff“, daß seine Lagerware billiger war als
die bemusterte. Ich war gespannt, wie sich mein Kollege benehmen würde!
Ich will es vorausschicken: Herzlich ungeschickt! Er bemühte sich gar
nicht, sich selbst ein Urteil über die Ursache des Preisunterschiedes
zu bilden, sondern verfiel in Redensarten. Er hatte vorzügliches
„Elsässer Fabrikat“, die Ware meines Kunden wäre hingegen sicher aus
irgend so einer „Quetsche“, sie hätte augenscheinlich „zuviel Appretur“
und wäre dadurch „griffig“, d. h. sie täuschte durch ihr Aussehen
über ihre mangelhafte Güte hinweg. Den Beweis wollte mein Kollege
sogleich durch den „Fadenzähler“ führen. Hätte er es doch nicht getan!
Er hätte zwar kein Geschäft gemacht, aber er hätte sicher nicht außer
dem Schaden noch den Spott zu tragen gehabt! Die Fadenzählung ergab
vollständig gleiche Qualität der Muster und der Ware. Da sieht mein
Kunde die Auszeichnung! Sie enthielt die Buchstaben C. G. W. & S.,
C. I. und den Preis. „Hören Sie mal“, sagte da mein Kunde zu meinem
Kollegen, „Ihre Ware ist von C. G. Wwe. und Sohn, es ist genau dieselbe
Qualität wie die meinige, die nämlich auch daher ist. Ihr gutes
„Elsässer Fabrikat“ ist in Thüringen entstanden.“

Muß schon der Verkäufer in einem Laden genaue Warenkenntnis haben,
dann der Reisende erst recht. Der Verkäufer darf doch bei der Mehrzahl
seiner Kunden voraussetzen, daß sie noch weniger Warenkenntnis haben,
als er. Anders der Reisende. Seine Kunden kennen in der Regel die Ware,
sie lassen sich nicht ein X für ein U vormachen. Mein Kollege, von
dem ich eben sprach, hatte aber noch einen anderen Fehler begangen.
Er vertrat in der Tat eine große Fabrik aus dem Elsaß. Gerade die
Ware, die mein Kunde ansah, bezog aber seine Firma aus einer Thüringer
Weberei. Ich habe mich später erkundigt und erfahren, daß die Firma des
Reisenden zu den gleichen Preisen verkaufte, wie die Weberei direkt den
Kleinhändlern lieferte. Nur hatte mein Kollege nicht gewußt, daß seine
Preise höher sein mußten, weil zwischen dem Kauf der Ware meines Kunden
und seinem versuchten Verkauf eine enorme Baumwollteuerung eingesetzt
hatte. Zur Warenkenntnis gehört deshalb auch eine genaue Marktkenntnis,
die man sich mühelos durch stetes Studium des Handelsteils großer
Zeitungen aneignen kann.

Nehmen wir aber einmal an, es hätten wirklich Qualitäts- oder andere
Unterschiede zwischen den Futterstoffen bestanden. Dann muß der
Reisende sie sofort erkennen. Er muß in der Lage sein, dem Kunden
begreiflich zu machen, daß seine Ware deshalb teurer ist, weil sie
irgend welche Vorzüge vor den billigeren hat. Um das nachweisen zu
können, gehört oft zur Warenkenntnis die genaue Kenntnis der Herkunft
des Rohmaterials.


Falsche Angaben aus Unkenntnis.

Damit aber nicht genug. Der Reisende ist eine Vertrauensperson. In
doppelter Hinsicht. Sein Prinzipal hat zu ihm das Vertrauen, daß er
Geschäfte macht und hilft, das Geschäft hoch zu bringen, den guten
Kundenkreis zu vergrößern; der Kunde erwartet und darf es erwarten,
daß ihn der Reisende sachverständig berät. Besonders gilt das bei
neuen Artikeln! Bleiben wir einmal bei der Tuchbranche! Da muß der
Reisende zweierlei genau kennen. Das eine fällt in die Waren-, das
andere in das Gebiet der Branchenkenntnis. Auch da erinnere ich mich
eines Beispiels. Mein Lehrherr kaufte einmal von einem Leipziger
Engros-Haus eine Neuheit, die uns besonders empfohlen wurde. Sie war
unzweifelhaft hochmodern und zudem sehr eigenartig. Der Preis war
ziemlich gepfeffert. Der Reisende wurde um Auskunft gebeten, ob und
wie der Stoff sich tragen würde! Gut, sehr gut! war die Antwort.
Darauf wurde das Muster in drei Farben in halben Stücken bestellt. Die
Stoffe gingen auch flott weg. Sie trugen sich ja gut, sehr gut, wie
der Reisende erklärt hatte. Da sie teuer waren, kauften sie unsere
verwöhntesten Kunden. Ein Schneidermeister, der es nicht mit dem alten
Grundsatz hielt, daß man den Schmied im Dorf an dem Haus erkenne, wo
das Tor aus der Angel sei, fertigte sich selbst einen Anzug von unserer
Neuheit an. Nachdem er den Anzug vier Wochen getragen hatte, besuchte
er uns wieder. Ich sehe ihn noch, wie er ganz trockenen Tones bat, wir
möchten ihm doch eine Schere zu dem gekauften Stoff zugeben, er müsse
fortwährend Fäden abschneiden, die sich von den aufgeworfenen Karos
gelöst hatten.

Wir waren leider einzelne Kunden los geworden, der Reisende durfte sich
für meinen Prinzipal auch einen anderen Kunden suchen.

Wie gesagt muß der Reisende Branchenkenntnis haben. Dazu rechne ich,
daß er weiß, was modern ist, dazu rechne ich, daß er auch weiß, wann
die günstigste Einkaufszeit ist, wann ein Artikel besonders kräftig
vertrieben werden muß. Niemals soll es sich aber der Reisende beikommen
lassen, seine Waren- und Branchenkenntnisse zu mißbrauchen. Das kommt
immer an den Tag! „Povel“ muß als „Povel“ verkauft werden und ein
Artikel, der sich nicht bewährt hat, bewährt sich nicht dadurch, daß
man ihn als besonders neu und gut bewährt hinstellt.

Wie aber sollen die Branchen- und Warenkenntnisse erworben werden? Die
Grundlage muß in der Praxis gelegt werden! Ich persönlich stehe auf dem
Standpunkt, daß sie zweckmäßig im Detailgeschäft gelegt wird. Leider
hat unsere Lehre gerade hier empfindliche Lücken und mehr als ein
Lernender ist darauf angewiesen, seine Kenntnisse mühsam „aufzupicken“,
wie der Amerikaner zu sagen pflegt. Aber die Vorbedingung ist für
ihn in einem Detailgeschäft günstiger, als sie für den Lageristen in
einem Engrosgeschäft ist. Hier geht immer die Ware durch die Hände des
Lernenden, dort lernt der Angestellte hauptsächlich die Marke und die
Packung kennen. Am besten ist es aber, wenn es der Reisende ermöglichen
kann, auch die Fabrikation der von ihm vertriebenen Waren kennen zu
lernen. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, daß große tonangebende Firmen
mehr und mehr die Furcht vor dem Verrat der Fabrikationsgeheimnisse
abtun und die Besichtigung ihrer Fabrikationsräume gestatten.


Allgemeine Bildung.

Der Reisende muß eine gute +Allgemeinbildung+ haben. Das erleichtert
ihm das Geschäft, das macht sein Leben inhaltsreicher. Auf keinen
Fall soll aber der Reisende unter Allgemeinbildung nur die Kenntnis
des politischen Lebens verstehen oder gar die Erzählung pikanter
Geschichtchen. Im Gegenteil soll sich jeder Reisende im allgemeinen vor
politischen Kannegießereien hüten. Freilich kann und soll er Bescheid
wissen, um nicht durch Unwissenheit aufzufallen. Er muß aber seine
Meinung für sich behalten können.

Unter Allgemeinbildung verstehe ich jedoch etwas anderes. Ich will hier
+die+ Allgemeinbildung nur streifen, die vielleicht eine +Branche+
besonders fordert. Der Buchhandlungsreisende muß sich mit seinen
Kunden über die Literatur unterhalten können, wer in Musikinstrumenten
reist, muß über unsere Musikgrößen unterrichtet sein, wer Sportartikel
vertreibt, über den Sport und seine Größen usw. Jeder Reisende muß
aber in der Lage sein, sich mit seinem Kunden zu unterhalten, über
Dinge, die allgemein besprochen werden. Oft wird er dabei gewahr
werden, daß seine Schulbildung durchaus nicht ausreichte, ihm die
Bildung zu vermitteln, die er nun im Leben braucht. Da heißt es denn:
Lesen, lernen, immer wieder lesen und lernen! In allererster Linie muß
der Reisende die kaufmännischen Wissenschaften kennen. Lernte er sie
nicht in der Schule oder in der Fortbildungsschule kennen, dann gilt
es Fachliteratur zu studieren. Es macht einen kläglichen Eindruck,
wenn z. B. ein Prinzipal eben den Börsenzettel oder den Handelsteil
seines Leibblattes studiert, mit dem eben eintretenden Reisenden eine
Unterhaltung anknüpfen will und dieser keine Ahnung von der Börse,
ihren Gewohnheiten und ihren Geschäften hat.


Sprachunarten.

Soll ich hervorheben, daß der Reisende ein gutes Deutsch sprechen muß?
Leider ist es notwendig, gerade auf diesen Punkt einzugehen. In der
Tat sprechen manche Reisenden ein fürchterliches Deutsch. Besonders
dann, wenn sie sich in den Sprachunarten ihres Dialektes gefallen.
Der Sachse soll sich immer vor Augen halten, +wo+ er sein geliebtes
Sächsisch redet. Was in Sachsen niemand auffällt, was in Thüringen
leicht ertragen wird, fordert den Spott des Niederdeutschen heraus.
Natürlich gilt das nicht nur den Sachsen, sondern allen Dialekt
sprechenden Volksgenossen. Schlimmer aber als Dialekt-Deutsch ist ein
Gemisch von Deutsch und fremdsprachlichen Brocken. Wer eine fremde
Sprache nicht ganz beherrscht, soll sich hüten, sie zu gebrauchen. In
meiner Erinnerung haftet immer noch ein Reisekollege, der in vielen
Gasthäusern unter dem Spitznamen „Dampramang“ bekannt war. Und warum?
Er war ein lustiger Geselle! War er allzu launig gewesen und wurde
zum Rückzug geblasen, dann war seine immerwährende Entschuldigung,
sein „Dampramang“ sei mit ihm durchgegangen. Er hat es gewiß manchmal
bedauert, daß sein Temperament mit ihm durchging und ihn immer
wieder veranlaßte, Fremdwörter nicht richtig anzuwenden oder falsch
auszusprechen.

Dabei will ich durchaus nicht etwa raten, keine Sprachkenntnisse zu
erwerben, oder nicht da Dialekt zu sprechen, wo es angebracht ist. Im
Gegenteil! Wer jemals das Ausland bereisen will, muß gute, sehr gute
Sprachkenntnisse haben, ja, es kann ihm schon im Inland unangenehm
werden, wenn er sie nicht hat. Das gilt den Reisenden, die unsere
Grenzländer bereisen, Elsaß, Lothringen und Polen. Ob der Reisende
den Dialekt seiner Kundschaft sprechen soll, hängt von den Umständen
ab. Wenn jemand bayerische Handwerksmeister besucht und etwa in
Rixdorf daheim ist, der wird gewiß keinen allzu freundlichen Empfang
finden. Kann er den Anklang an den bayerischen Dialekt finden, ist er
entschieden besser daran. Wer aber weltgewandte Kaufleute besucht, soll
sich nicht einreden, mit einem mühsam eingedrillten Dialekt Eindruck
zu machen.

Ganz von selbst achtet der gebildete Mann auf sein Aeußeres. Ganz
von selbst wird er in seiner Kleidung das richtige finden und
Uebertreibungen vermeiden, die ihn in den Geruch eines Stutzers
bringen. Und doch möchte ich noch ein paar Worte auf das Aeußere
des Reisenden verwenden. Wir sind ja Gottlob aus der Gigerlzeit
heraus, aber mancherlei ist doch sitzen geblieben. Der Reisende
trage stets einen dunklen, modernen, aber nicht fatzkenhaften Anzug.
Daß er immer sauber gebürstet und niemals fleckig sein darf, ist
selbstverständlich. Dabei gibt es gewisse Unterschiede! Der Reisende,
der Kolonialwarenhändler besucht, kann nicht nur, sondern er +soll+
sich größere Reserve auferlegen, ausfallende Moden mitzumachen, als
der Reisende, der mit Modewarenhändlern zu tun hat. Ueber zweckmäßige
Kleidung werde ich unter „Ausrüstung“ noch einiges zu sagen haben.

Eine weitere Fähigkeit, die keinem Reisenden abgehen darf, möchte ich
+Lebenskunde+ nennen. Ein Reisender muß unsere sozialen Zeitströmungen
kennen, er muß in der wirtschaftlichen Gliederung unseres Volkes
bewandert sein. Ist er das nicht, kann ihm mancherlei Unbill begegnen.
Die Lebenskunde wirkt sehr stark auf das Geschäft ein. Hat sie der
Reisende nicht, kann es ihm leicht passieren, daß er dem Kunden Waren
aufreden will, für die sein Abnehmerkreis gar keine Verwendung hat.
Dann wundert sich der Reisende über den Kunden, den seine Waren nicht
ansprechen; er sollte sich über seine mangelhafte Lebenskunde entrüsten
und diese verbessern. Er wird dann keine Ursache mehr haben, sich über
seinen Kunden zu wundern. Die Lebenskunde wird den Reisenden ganz von
selbst davor bewahren, Unarten zu begehen, die ihm schaden müssen. Es
ist eine Unart, wenn der Reisende, der Geschäfte machen will und soll,
dem Kunden nicht nur Waren, sondern auch seine politische Meinung
aufhalsen will. Es ist eine Unart, wenn ein Reisender gegen Mitreisende
unhöflich oder doch nicht voll zuvorkommend ist, weil diese vielleicht
ein einfaches Gewand anhaben. Es ist schließlich auch eine Unart,
Sitten und Gebräuche zu verspotten, über elende Nester zu schimpfen
und über verlotterte Wirtschaften zu räsonieren. Der dadurch verletzte
Lokalpatriotismus kann dann fürchterlich werden; mir scheint, mit Recht.


Erstickte Fähigkeiten.

Vor einem soll sich der Reisende hüten, ganz besonders der Anfänger,
nämlich davor, eine Auffassung vom Reiseleben anzunehmen, wie sie ein
Buchdrucker in einer mitteldeutschen Stadt kundgab, der damit zur
Drucksachenreklame anzufeuern versuchte, daß er erklärte, die Reisenden
sähen sich lediglich auf Kosten ihrer Chefs die Welt an und mästeten
sich an reichbesetzten Tafeln. Die Gefahr, im Reiseleben ein Wohlleben
zu sehen, ist besonders für den Anfänger nicht zu unterschätzen. Nicht
überall hat sich Gottlob der Brauch eingebürgert, den Reisenden auf
der Tour zu überwachen oder überwachen zu lassen. Es gibt aber Firmen,
die eine sehr scharfe Kontrolle ausüben, es gibt sogar solche, die
ihre Reisenden durch andere Reisende kontrollieren lassen. Eine solche
Ueberwachung kann sich der Reisende, der voll seine Pflicht tut, nicht
gefallen lassen, umsomehr soll er sich hüten, sie notwendig zu machen.
Schürzen und Kartenspiel haben schon manche hoffnungsvolle +Fähigkeit
erstickt+. Nicht zuletzt trägt unser Hotelleben die Schuld daran. Hat
der Reisende seine Berichte gemacht, seine Kommissionen -- er hat deren
hoffentlich recht viele -- überschrieben, dann weiß er nicht, was er
mit dem Abend anfangen soll. Im Hotelzimmer mag er nicht sitzen, weil
er scheel angesehen wird, wenn er nichts verzehrt, auf seinem Zimmer
mangelt ihm die Gesellschaft -- und besonders „forsche“ Kollegen finden
sich überall zum ... Bummel. Hand davon! Geht es nicht, im Hotelzimmer
zu sitzen ohne mehr zu verzehren als angenehm ist und als Bedürfnis
empfunden wird, dann kann man sich Gesellschaft auf dem Zimmer dadurch
schaffen, daß man gute Bücher oder Fachzeitschriften durchliest und
soweit man davon abhängig ist, auch die Modeliteratur studiert. Will
man sich aber besondere Genüsse verschaffen -- dann besuche man die
Sitzungen oder die Vorträge kaufmännischer Vereine -- und man wird auf
seine Rechnung kommen. Meine schönsten Reiseerinnerungen stammen aus
solchen Sitzungen.




Das Recht und der Reisende.


a) Der Dienstvertrag.

Die rechtliche Stellung des Reisenden ist nicht einfacher als die
des Handlungsgehilfen schlechthin, sie ist vielmehr verwickelter
und es stellen sich bei ihm noch leichter Unzuträglichkeiten in der
Abgrenzung der Rechte und Pflichten ein. Es sollte deshalb oberster
Grundsatz für jeden Reisenden sein, einen +schriftlichen Dienstvertrag+
abzuschließen, denn: Was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost
nach Hause tragen. Der Dienstvertrag selbst sei klar und leicht
faßlich. Rechte, die nicht zweifelsfrei im Handelsgesetz gewährleistet
sind, muß sich der Reisende im Vertrag sichern.


Allgemeines Recht.

Wer ist Reisender? Reisender in unserem Sinne ist ein Handlungsgehilfe,
der zur Vornahme von Geschäften an Orten verwandt wird, an denen
sich keine Handelsniederlassung des Geschäftsinhabers befindet.
Es kann aber schon jetzt gesagt werden, daß der +Stadtreisende+
bis auf einige Vorschriften unerheblicher Natur, dem Reisenden
rechtlich gleichgestellt ist. Der Reisende ist also erst einmal
+Handlungsgehilfe+. Es gelten deshalb für sein Dienstverhältnis die
Vorschriften des 6. Abschnittes des Handelsgesetzbuches, soweit
sie in den §§ 59 bis 75 niedergelegt sind. Weil der Reisende
Handlungsgehilfe ist, unterscheidet er sich vom Agenten. Auch dadurch,
daß in der Regel der Agent bestimmte Plätze oder doch kleinere
Bezirke bearbeitet. Der Hauptunterschied liegt aber darin, daß der
Reisende im innigen Zusammenhang mit einem Haus steht, während der
Agent in der Regel mehrere Häuser vertritt. Der Reisende muß sich
in die Geschäftsdisziplin einfügen, der Agent ist sein freier Mann.
Handlungsgehilfe ist nun, wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung
kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist. Gleich die ersten
Vorschriften des sechsten Abschnittes sind erheblich für den Reisenden.
Der Reisende darf ohne Einwilligung des Prinzipals +kein Handelsgewerbe
betreiben+, er darf auch nicht im Handelszweige seines Prinzipals für
+eigene oder fremde Rechnung+ Geschäfte machen.

Die Einwilligung des Prinzipals gilt jedoch als erteilt, wenn ihm
bei der Anstellung bekannt ist, daß der Reisende ein Handelsgewerbe
betreibt und er die Aufgabe des Betriebes nicht fordert. Verletzt der
Handlungsgehilfe diese Vorschriften, so gibt er dem Prinzipal einen
„wichtigen Grund“ zur fristlosen Kündigung, d. h. zur sofortigen
Entlassung. Außerdem kann aber der Prinzipal Schadenersatz verlangen
oder die Vergütung, die der Reisende durch die Vertragsverletzung bezog.


Gehalt und Spesen im Krankheitsfall.

Die Vorschriften des § 62 sind an und für sich sehr problematischer
Natur, sie kommen für den Reisenden wenig oder gar nicht in
Betracht. Hingegen erfordert § 63 des Handelsgesetzbuches die volle
Aufmerksamkeit. Dieser Paragraph bestimmt, daß dem Handlungsgehilfen im
Falle er durch +unverschuldetes Unglück+ an der Leistung der Dienste
behindert wird, sein +Anspruch auf Gehalt und Unterhalt+, jedoch nicht
auf eine längere als sechswöchentliche Dauer verbleibt. Er bestimmt
weiter, daß Bezüge aus einer Kranken- und Unfallversicherung nicht am
Gehalt oder Unterhalt gekürzt werden können. Nun ist der Paragraph
so gefaßt, daß der erste Absatz den Gehaltsanspruch festlegt, der
andere Absatz die Abzüge verbietet. Der zweite Absatz schließt mit dem
Satz: „Eine Vereinbarung, welche dieser Vorschrift zuwiderläuft, ist
nichtig“. Weil dieser Satz nicht in einem besonderen Absatz gefaßt
ist, weil er nicht von „Vorschrift+en+“ spricht, hat die Juristerei
herausgefunden, daß Vereinbarungen gegen den ersten Absatz gültig sind.
Andere Gerichte haben das Attentat auf den gesunden Menschenverstand
nicht mitgemacht, sie stellten sich auf den Standpunkt, daß der
Gesetzgeber keinen solchen Unsinn habe festlegen wollen, der zwar nicht
gestattet, dem Angestellten Bezüge aus Kassen vom Gehalt abzuziehen,
der aber erlaubt, das ganze Gehalt einzubehalten, wenn das vertraglich
vereinbart ist. Weil aber die Rechtsprechung überaus unsicher ist,
tut der Reisende gut, jeden Dienstvertrag abzulehnen, der ihm für
Dienstbehinderung durch unverschuldetes Unglück den Gehaltsbezug nimmt.
Da der Anspruch auf Gehalt +und Unterhalt+ besteht, kann der Reisende
auch die sogenannten Mundspesen verlangen, wenn er auf der Tour
erwerbsunfähig wird. Diese Mundspesen müssen zur völligen Deckung der
Kosten für Wohnung, Verpflegung und der kleinen Bedürfnisse ausreichen.
Ein Landgericht hat einem erkrankten Reisenden sogar die vollen Spesen
zugesprochen.

Sein +Gehalt+ hat der Reisende am Monatsschluß zu empfangen, es darf
nicht erst am Monatsschluß abgesandt werden, sondern muß dann im Besitz
des Reisenden sein.


Kündigung.

Vorsicht ist für den Reisenden bei der +Kündigung+ geboten. Am
besten legt er gar keine Kündigung fest, dann gilt die gesetzliche,
d. h. es kann ihm die Stelle nur gekündigt werden und er kann die
Stelle nur kündigen unter Einhaltung einer Frist von sechs Wochen
zum jeweiligen Quartalsschluß. Die letzten Kündigungstermine sind
16. Februar (im Schaltjahr der 17.), 19. Mai, 19. August und 19.
November. Vor diesen Terminen, d. h. unter Einhaltung einer längeren
als sechswöchentlichen Frist kann immer gekündigt werden. Vielfach
bestehen nun aber die Prinzipale auf kürzerer Kündigung und es gibt
auch Fälle, in denen dem Reisenden wenigstens für die erste Zeit mit
einer kürzeren Kündigungsfrist gedient ist. Dann darf die Frist zwar
kürzer sein, als die gesetzliche, sie darf aber nicht unter einem Monat
betragen, sie muß ebenfalls für beide Teile gleich sein, und sie ist
nur zulässig für den Schluß eines Kalendermonats. Die Kündigung ist
eine empfangsberechtigte Willenserklärung, sie muß also am letzten
Termin im Besitz des Reisenden sein. Eine Kündigung, die am letzten
eines Monats vom Hause abgeht, den Reisenden somit erst am ersten
eines Monats trifft, gilt nicht mehr für das Ende dieses Monats. Dabei
ist aber sehr wohl zu beachten, daß der Reisende nicht den Empfang
der Kündigung schuldhaft verzögern oder gar vereiteln darf. Aber
auch diese Vorschriften können umgangen werden. Dann nämlich, wenn
eine +Probestellung+ vereinbart wird und man ein Dienstverhältnis
auf bestimmte Zeit abschließt, oder wenn ein Reisender zur Aushilfe
angestellt wird, oder wenn er mehr als 5000 Mark Gehalt bezieht, oder
wenn er für eine außereuropäische Handelsniederlassung angenommen ist,
und der Prinzipal ihm im Falle er die Stellung kündigt, im Vertrag
freie Heimreise zusichert.

Ein paar Worte über die Probestellung. Sie ist nicht zu verwechseln mit
der Stellung zur vorübergehenden Aushilfe. Wird z. B. ein Reisender wie
folgt angestellt:

  „Ich stelle Sie zur Probe mit einem Gehalt von 2000 Mk. jährlich an“

und nichts weiter über die Kündigung vereinbart, so gilt trotz
der Anstellung zur Probe die gesetzliche Frist. Lautet aber der
Dienstvertrag:

  „Herr N. N. wird vom ... ab als Reisender, zunächst zur Probe
  angestellt. Bis zum Ablauf von drei Monaten steht beiden Teilen das
  Recht zu, ohne Einhaltung einer Frist das Dienstverhältnis zu lösen“

so ist diese Abmachung ungültig.

Wollen Prinzipal und Reisender eine Probestellung vereinbaren, so kann
das, wenn die Kündigungsbestimmungen nicht Platz greifen sollen, nur
geschehen, indem der Reisende auf eine bestimmte Zeit angestellt wird.
An diese bestimmte Zeit sind dann aber beide Teile gebunden.

Läßt sich eine Probestellung nicht umgehen, oder ist sie auch dem
Reisenden erwünscht, dann ist darauf zu achten, daß in den Vertrag die
Bestimmung aufgenommen wird, daß das Dienstverhältnis nach Ablauf der
vereinbarten bestimmten Zeit stillschweigend weiterläuft, wenn es nicht
vor Ablauf der Zeit an einem festgesetzten Termin aufgekündigt wird.
Vielleicht wie folgt:

  „Herr N. N. wird als Reisender mit einem Jahresgehalt von 3000 Mark,
  zunächst auf drei Monate zur Probe angestellt. Das Dienstverhältnis
  läuft stillschweigend weiter und wird ein ordentliches, wenn es
  nicht einen Monat vor Ablauf der Frist, also bis zum ... aufgekündigt
  wird.“

Besteht der Reisende nicht auf den zweiten Satz, dann braucht ihm der
Prinzipal das Probeverhältnis nicht aufzukündigen. Er kann vielmehr
den Reisenden in dem Glauben lassen, daß aus der Probestellung eine
ordentliche werden wird, und ihn nach Ablauf der ausbedungenen Frist
an die Luft setzen. Dann hat sich der Reisende nicht nach einer neuen
Stellung umgetan und er sieht sich dann plötzlich der Stellenlosigkeit
gegenüber.

Die +Aushilfsstellung+ braucht nicht auf eine feste Zeit abgeschlossen
werden -- es steht dem aber auch nichts entgegen -- bei ihr können
vielmehr die vorhin erwähnten Kündigungsbestimmungen durch den
Dienstvertrag außer Kraft gesetzt werden. Es kann also vereinbart
werden, daß der Reisende zur Aushilfe mit täglicher, wöchentlicher usw.
Kündigung angestellt wird, die Kündigungsfrist braucht dann auch nicht
für beide Teile gleich zu sein. Es ist aber auch hier zu beachten,
daß eine Aushilfestellung nicht entsteht, wenn man eine ordentliche
Stelle so nennt, sondern es muß sich in der Tat um eine vorübergehende
Aushilfe handeln. Währt eine Aushilfestellung länger als drei Monate,
so greifen ohnedies die ordentlichen Kündigungsbestimmungen Platz.

Ein Reisender, der mehr als 5000 Mk. jährlich Einkommen hat, untersteht
nicht den Kündigungsvorschriften, sondern sein Vertrag kann jede
Kündigungsfrist, auch für beide Teile ungleiche enthalten. Ein
solcher Reisender gehört auch nicht mehr unter die Zuständigkeit des
Kaufmannsgerichtes, sondern muß vor den ordentlichen Gerichten klagen.
Dabei ist zu beachten, daß bei der Bemessung des Jahresverdienstes
durchaus nicht nur das wirkliche Gehalt, sondern auch Provisionen und
sonstige Nebenbezüge zugrunde gelegt werden.

Wird der Reisende für eine außereuropäische Handelsniederlassung
angenommen, so gelten ebenfalls die Kündigungsbestimmungen nicht,
d. h. nur dann nicht, wenn der Prinzipal nach dem Vertrag die Kosten
der Heimreise im Falle seiner Kündigung trägt. Vereinbart z. B. ein
Prinzipal für den Angestellten halbjährliche Kündigungsfrist und für
sich monatliche, sichert aber im Vertrag nicht die Heimreise zu,
sondern erklärt sich nur später bereit, sie zu zahlen, so hebt das
nicht die Vorschriften der §§ 66 und 67 H. G. B. auf.

Ohne +Einhaltung einer Frist+ kann dem Reisenden die Stellung
gekündigt, d. h. er kann sofort entlassen werden, wenn ein „+wichtiger
Grund+“ vorliegt. Ein solcher wichtiger Grund berechtigt umgekehrt auch
den Reisenden, seine Stellung sofort zu verlassen. Wird die Beendigung
des Dienstverhältnisses veranlaßt, weil ein Teil vertragswidrig
gehandelt hat, so ist dieser verpflichtet, dem andern Teil den
entstehenden Schaden zu ersetzen.

Sehen wir uns nun einmal an, was alles zu solchen „wichtigen Gründen“
rechnet. Nehmen wir zunächst einmal die allgemeinen wichtigen Gründe.


Allgemeine Entlassungsgründe.

Der Handlungsgehilfe kann sofort gehen, wenn er zur +Fortsetzung+
der Dienste unfähig wird. Eine vorübergehende Krankheit stellt
nicht „Dienstunfähigkeit“ dar, natürlich auch nicht beabsichtigte
Verehelichung oder in Aussicht genommene Selbständigkeit.

Wenn der Prinzipal das +Gehalt+ oder den gebührenden Unterhalt +nicht
gewährt+, kann der Handlungsgehilfe ebenfalls sofort aufhören. Dabei
ist zu beachten, daß es keinen Grund darstellt, sofort aufzuhören,
wenn die Gehaltszahlung immer regelmäßig erfolgt, aber einmal nicht
pünktlich eintrifft. Es empfiehlt sich überhaupt immer, wenn das
Gehalt nicht gezahlt wird, den Prinzipal zunächst in Verzug zu setzen,
d. h. ihm eine angemessene Frist zu stellen, in der spätestens zu
zahlen ist. Aber auch folgender Umstand fordert Berücksichtigung:
Nehmen wir einmal an, daß der Reisende 3000 Mark Gehalt und 1 Prozent
Umsatzprovision bekommt. Für die Zahlung der Provision ist ein
bestimmter Termin festgesetzt. Aus irgend einem Grunde weigert sich der
Prinzipal, die Provisionen an dem festgesetzten Termin zu zahlen. Dann
darf der Handlungsgehilfe nicht sofort aufhören, weil er bei seinem
ausreichenden Gehalt keine zwingende Ursache hat, vielmehr das Gehalt
zum Unterhalt langt.

Läßt sich der Prinzipal +Tätlichkeiten+, +erhebliche Ehrverletzungen+
oder unsittliche Zumutungen zuschulden kommen, kann der Reisende
sofort gehen, das gleiche gilt dann, wenn ein Mitangestellter oder ein
Familienangehöriger des Prinzipals sich derartige Handlungen gegen den
Reisenden zuschulden kommen läßt und der +Prinzipal sich weigert+, den
Reisenden zu schützen. Die Handlung durch den Prinzipal gibt also dem
Reisenden ohne weiteres das Recht, den Vertrag aufzuheben, die Handlung
eines Familenangehörigen oder eines Angestellten erst dann, wenn der
Schutz des Prinzipals vergeblich nachgesucht wurde. In allen solchen
Fällen gilt es aber +sofort+ zu handeln. Bleibt der Reisende trotz der
Ehrverletzung und besinnt sich vielleicht erst nach Tagen darauf, daß
er sofort hätte gehen sollen, so ist der „wichtige Grund“ nicht mehr
vorhanden, vielmehr gilt durch die weitere Tätigkeit die Handlungsweise
als „verziehen“. Ebenso muß sich der Reisende hüten, eine Ehrverletzung
durch eine ebensolche zu erwidern. Das bedeutet für ihn immer den
Verlust des Schadensersatzanspruches. Dabei sei gleich bemerkt,
daß es nicht nur das +vertragswidrige Handeln+ ist, das gegen den
Dienstvertrag verstößt, sondern auch das, was gegen die gesetzlichen
Bestimmungen geht, denn diese sind immer ein Teil des Dienstvertrages.

Als allgemeine „wichtige Gründe“, die den Prinzipal berechtigen, das
Dienstverhältnis sofort zu lösen, gelten:

1. +Untreue.+ Der Begriff „Untreue“ deckt sich nicht mit dem
strafrechtlichen Begriff, er geht vielmehr erheblich weiter.

2. +Betrieb eines Handelsgewerbes+ oder +Beschäftigung für eigene oder
fremde Rechnung+ im Handelszweige des Prinzipals, ohne ausdrückliche
oder im ersteren Falle auch stillschweigende Genehmigung des Prinzipals.

3. +Unbefugtes Verlassen des Dienstes+ während einer den Umständen nach
erheblichen Zeit.

4. +Beharrliche Weigerung+, den Dienstverpflichtungen nachzukommen.

5. +Anhaltende Krankheit.+ Das ist ein sehr dehnbarer Begriff. Im
allgemeinen wird man eine Krankheit, deren Ende sich absehen läßt,
nicht als anhaltende Krankheit bezeichnen können, mindestens dann
nicht, wenn sie voraussichtlich nicht länger als sechs Wochen dauert.
Ja, es läßt sich sogar aus der Bestimmung über die Entlassung bei
militärischen Uebungen herleiten, daß eine Krankheit, die acht Wochen
nicht überschreitet, als „anhaltende“ Krankheit nicht in Betracht
kommt. Ebenso ist eine Krankheit, die zwar schon erheblich lange
gedauert hat, nicht mehr ein wichtiger Grund zur sofortigen Auflösung
des Dienstverhältnisses, wenn dann, wo sie geltend gemacht werden soll,
das +nahe+ Ende der Krankheit sich absehen läßt.

6. +Militärische Dienstleistung+, die länger als acht Wochen dauert.
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß eine militärische Dienstleistung
kein „unverschuldetes Unglück“ darstellt, das zum Gehaltsfortbezug
bis zur Dauer von sechs Wochen berechtigt. Sie stellt vielmehr einen
in der Person des Reisenden liegenden Grund dar, der ihn an der
Leistung der Dienste hindert; Gehaltsanspruch besteht nur dann, wenn
die Behinderung keine den Umständen angemessen erhebliche ist. Ist das
aber der Fall, so hat der Reisende überhaupt keinen Gehaltsanspruch,
auch nicht für die den Umständen nach „unerhebliche Zeit“. Allgemein
wird man sagen können, daß bei einer vierzehntägigen Uebung der
Gehaltsanspruch besteht, bei einer vierwöchentlichen nur dann, wenn der
Reisende lange im Dienst ist und nicht öfters daran behindert war. Es
gibt sogar Urteile, die bei einer sechswöchentlichen Uebung das Gehalt
zugesprochen haben. Wer aber sicher gehen will, lege das vertraglich
besonders fest.

7. +Längere Freiheitsstrafe.+ Dabei ist nicht nur die Dauer in
Berücksichtigung zu ziehen, sondern auch die Ursache der Bestrafung.
Eine Bestrafung wegen einer ehrlosen Handlung dürfte immer ausreichen,
ein Dienstverhältnis sofort aufzuheben.

8. +Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Prinzipal
oder dessen Vertreter.+

Wird eine fristlose Kündigung ausgesprochen wegen „anhaltender
Krankheit“, so bleibt der Anspruch auf Gehaltszahlung bis zur Dauer
von sechs Wochen davon unberührt, wobei als selbstverständlich
noch bemerkt sein mag, daß eine ordentliche Kündigung immer den
Gehaltsanspruch -- geht er sonst über diesen Termin hinaus --
aufhebt. Hat z. B. der Reisende Meyer monatliche Kündigung vereinbart
und erkrankt am vorletzten und wird ihm am letzten gekündigt, oder
es war ihm die Stellung gekündigt und er wurde erst dann krank,
so endet der Gehaltsanspruch auf jeden Fall mit der Beendigung
des Dienstverhältnisses. Aber außer diesen allgemeinen „wichtigen
Gründen“ gibt es für den Reisenden noch +besondere wichtige Gründe zur
sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses+.

Der Reisende nimmt eine besondere Vertrauensstellung ein, er hat
dadurch weitergehende Rechte, aber auch seine Pflichten gehen weiter.


Besondere Entlassungs- und Austrittsgründe.

Der Reisende kann insbesondere dann sofort seine Stellung verlassen,
wenn:

1. Der Prinzipal den Reisenden +ohne Spesen+ läßt. Dabei sei
hervorgehoben, daß kein Reisender verpflichtet ist, die Spesen
vorzustrecken, vielmehr ist der Prinzipal gehalten, dem Reisenden stets
angemessenen Spesenvorschuß zu gewähren. Weitere Austrittsgründe sind:

2. +Unwahre Angaben erheblicher Natur+ über den Charakter und den
Umfang des Geschäftes.

3. +Unsittlicher Geschäftsbetrieb.+

4. +Betrügerischer Geschäftsbetrieb.+

Hingegen ist der Reisende nicht berechtigt, seine Stellung sofort zu
verlassen, wenn ihm +untergeordnete Arbeiten zugemutet+ werden. Er
kann sich vielmehr in solchen Fällen genügend schützen, wenn er sich
weigert, die untergeordneten Arbeiten zu leisten.

Die Gründe für den Prinzipal, das Dienstverhältnis sofort zu lösen,
sind ebenfalls weiter gesteckt. Ich nenne besonders:

1. Beharrliche +Weigerung des Reisenden, die Reise+ anzutreten.

2. Beharrliches +Unterlassen+ der vorgeschriebenen +Berichte+.

3. +Weigerung+, den +vorgeschriebenen Reiseweg+ einzuhalten.

4. +Gestreckte+, d. h. vergrößerte +oder gar erlogene Aufträge+.

5. +Andauernde leichtsinnige Kreditgewährung.+

6. +Anstößiger Lebenswandel.+

7. +Ekel erregende+ oder +ansteckende Geschlechtskrankheit+.

8. Verrat, auch +versuchter Verrat von Geschäftsgeheimnissen+.

9. +Vorbereitung+ einer neuen +Stellung+ oder des +eigenen zu
errichtenden+ Geschäfts während der Vertragsdauer.

10. +Abschreiben der Kundenlisten zu diesem Zweck.+

11. +Einkassieren ohne Vollmacht+ usf.


Das Zeugnis.

Sobald der Reisende seine Stellung kündigt, oder ihm die Stellung
gekündigt wird, entsteht der Anspruch auf ein +Dienstzeugnis+. Die
Rechtsprechung ist zwar strittig, ob der Angestellte das Dienstzeugnis
bei der Beendigung der Beschäftigung oder bei der Kündigung zu
beanspruchen hat, nahezu ausnahmslos erkennt aber die Rechtsprechung
das Recht auf ein +Interimszeugnis+ an.

Der Prinzipal ist nicht ohne weiteres verpflichtet, das Zeugnis
auszustellen, vielmehr beginnt die Verpflichtung erst dann, wenn der
Angestellte das +Zeugnis gefordert+ hat. Das Verlangen nach einem
„Zeugnis“ wiederum schließt nicht die Verpflichtung für den Prinzipal
ein, das Zeugnis auf +Führung+ und +Leistungen+ auszudehnen. Der
Reisende, der lediglich ein Zeugnis fordert, erhält vielmehr vielleicht
nur ein Zeugnis über die Art und Dauer der Beschäftigung, das Zeugnis
über Führung und Leistung muß besonders verlangt werden. Im allgemeinen
steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß der Angestellte nicht
verlangen kann, daß ihm außer der Art und Dauer der Beschäftigung nur
die Führung oder nur die Leistungen zu bescheinigen sind, sondern daß
ein Verlangen nach einem Führungszeugnis auch das Leistungszeugnis und
umgekehrt bedingt. Ein Reisender kann verlangen, daß ihm bescheinigt
wird, daß er „Reisender“ war, er kann auch fordern, daß ihm bescheinigt
wird, welche Gebiete er bereiste. Will der Prinzipal kein gutes
Leistungszeugnis geben, so bietet sich für den Reisenden der Ausweg,
den Umsatz sich bescheinigen zu lassen. Der Grund zur Lösung des
Dienstverhältnisses braucht nicht angegeben zu werden, ebenso natürlich
nicht, auf wessen Wunsch das Dienstverhältnis gelöst wurde. Hingegen
wird der Prinzipal, wurde das Dienstverhältnis aus einem wichtigen
Grunde gelöst, angeben können, welcher Grund vorlag. In diesem Fall
gibt es aber keine Redensarten, sondern es muß dann auch der Vorgang
geschildert werden.

Wird ein Zeugnis verweigert, so begründet diese Weigerung
Schadenersatzforderungen des Angestellten. Im Gegensatz
zu Schadensersatzforderungen wegen falscher Auskunft sind
Schadenersatzansprüche wegen falschen Zeugnisses oder verweigertem
Zeugnis erheblich leichter durchzufechten. Für solche Klagen sind im
Gegensatz zu den Klagen auf Schadenersatzansprüche wegen falscher
Auskunft die Kaufmannsgerichte zuständig.

Der Anspruch auf ein Zeugnis ist öffentlich-rechtlicher Natur,
er kann durch Vertrag nicht aufgehoben und auch nicht beschränkt
werden. Vielmehr bleibt der Anspruch auf ein Zeugnis 30 Jahre lang
bestehen. Man wird aber nicht einem Angestellten, der nur ein Zeugnis
verlangte und ein solches über Art und Dauer der Beschäftigung
erhielt, zubilligen können, daß er nach längerer Zeit die Ausdehnung
auf Führungen und Leistungen verlangen kann. Ein verloren gegangenes
Zeugnis braucht vom Aussteller nicht noch einmal angefertigt zu werden,
deshalb heißt es, die Zeugnisse aufheben und die Originale -- besonders
auch bei Bewerbungen -- nicht aus der Hand geben. Das Dienstzeugnis
ist auf Antrag des Angestellten kosten- und stempelfrei durch die
Polizeibehörde zu beglaubigen.


Konkurrenzklauseln.

Der wundeste Punkt in den Dienstverträgen der Reisenden ist die
sogenannte +Konkurrenzklausel+, die Wettbewerbsabrede. Leider gibt
es heute nicht nur die offenen Konkurrenzklauseln, gegen die man sich
schützen kann, indem man sie nicht eingeht, sondern es gibt heute eine
ganze Anzahl Branchen und Betriebe, in denen Vereinbarungen über das
gegenseitige Beschäftigen von Angestellten getroffen sind, die weit
über den Rahmen der vertraglichen Wettbewerbsabrede hinausgehen. Die
Konkurrenzklausel ist allerdings ohnehin im allgemeinen ein Attentat
auf den gesunden Menschenverstand. Ich rufe mir einen Dienstmann,
einen Maurer, einen Droschkenkutscher. Ich lasse ihn warten, ehe ich
ihn mit der eigentlichen Dienstleistung betraue. Ob der Mann wohl
umsonst wartet? Der Reisende aber, der Konkurrenzklauseln eingeht,
muß warten, solange es ihm der Vertrag gebietet, ehe er sein ganzes
Können verwerten kann und -- niemand entschädigt ihn dafür. Es wäre mit
der Anwendung der Konkurrenzklausel gewiß schon längst nicht mehr so
schlimm, wenn die Zahl derer, die eine Konkurrenzklausel abschließen,
weil sie sie doch nicht zu halten gedenken, nicht so erschreckend groß
wäre.

Was ist die Konkurrenzklausel? Eine einseitige Schutzmaßregel des
Prinzipals zum Schaden des Reisenden, +ohne Gegenleistung+ des
Prinzipals. Da hofft der Angestellte, es würde der Prinzipal nicht auf
die Einhaltung bestehen, vielleicht stellt der Prinzipal selbst so
etwas in Aussicht. Oder der Reisende meint, daß die Konkurrenzklausel
zu weit gehe und vom Gericht doch für ungültig erklärt werden würde.
Oder er gibt sich gar der Hoffnung hin, die Konkurrenzklausel könne ihm
nichts anhaben, weil sie keine Konventionalstrafe vorsieht. Das alles
sind Selbsttäuschungen.

Sehen wir uns nun die Konkurrenzklausel recht genau an; wir können
sie gar nicht mißtrauisch genug ansehen, so gefährlich legt sie sich
uns um die Füße, uns am Ausschreiten hindernd. Grundsätzlich ist die
Konkurrenzklausel nur nichtig, wenn sie mit Minderjährigen vereinbart
wird. Dabei macht es nichts aus, ob sie mit dem Minderjährigen oder
mit dessen gesetzlichen Vertreter abgeschlossen wird. Soweit das aber
nicht in Betracht kommt, ist auch die schärfste Konkurrenzklausel immer
bedingt gültig. Die Fälle, wo Konkurrenzklauseln als nichtig erklärt
wurden, weil sie gegen die guten Sitten verstießen, sind sehr selten.
Erfreulicherweise hat wenigstens das Reichsgericht erkannt, daß eine
+Konkurrenzklausel auf Ehrenwort+ unsittlich und deshalb nichtig ist.

Eine Konkurrenzklausel ist insoweit nichtig, als sie nach Zeit, Ort
und Gegenstand dem Reisenden Beschränkungen auferlegt, die ihm das
+Fortkommen unbillig+ erschweren. Da aber liegt der Hase im Pfeffer.
Wann wird das Fortkommen unbillig erschwert? Das ist die eine Frage.
Ist sie beantwortet -- und sie kann sehr zuungunsten des Reisenden
beantwortet werden --, dann ist die Abrede doch immer so weit noch
verbindlich, als sie -- nach der Ansicht des Richters -- das Fortkommen
nicht +unbillig+ erschwert.

War da in einer landwirtschaftlichen Maschinenfabrik ein Reisender.
Er hatte auch eine Konkurrenzklausel unterschrieben. Sie untersagte
ihm, in einem Zeitraum von drei Jahren in Stellung zu gehen oder
sich selbständig zu machen in einem Betrieb, der landwirtschaftliche
Maschinen herstellte oder vertrieb. Das Ausschlußgebiet umfaßte das
ganze Deutsche Reich, Böhmen und die Schweiz. Eine Konventionalstrafe
war vereinbart, außerdem sollte aber der Reisende auch noch den
entstehenden Schaden tragen, und der Prinzipal hatte sich trotzdem
noch vorbehalten, die Erfüllung des Vertrages zu verlangen. Als nun
die Sache vor den Richter kam und der verklagte Handlungsgehilfe
behauptete, die Konkurrenzklausel erschwere ihm unbillig das
Fortkommen, da meinte der moderne Salomo, das könnte doch gar nicht der
Fall sein, denn „Reisen sei Reisen, Verkaufen sei Verkaufen“, und ob
nun der Beklagte Maschinen verkaufe oder Altertümer, das sei doch ganz
gleich.

Es ist eben durchaus keine so seltene Ausnahme, daß der Jurist das
Leben nicht versteht. Besser ist es, sich zu sichern, als auf einen
verständigen Richterspruch die Hoffnung zu gründen. Nun ist eine
Konkurrenzklausel nur für +höchstens drei Jahre+ zulässig. Aber auch
dann, wenn sie über diesen Zeitraum hinaus festgelegt wurde, wird
sie nicht etwa ganz nichtig, sondern der Richter setzt dann die Zeit
„angemessen“ fest.


Konkurrenzklauseln ohne Wirkung.

An und für sich gültige Konkurrenzklauseln verlieren ihre Wirkung in
besonderen Fällen:

1. Dann, wenn +der Prinzipal dem Reisenden Grund gibt -- durch
vertragswidriges Handeln --, das Dienstverhältnis ohne Einhaltung
einer Frist zu lösen+ und der Reisende das Dienstverhältnis ohne
Frist aufhebt. Gibt der Prinzipal Grund zur fristlosen Kündigung,
der Reisende aber kündigt trotzdem nur ordnungsgemäß, so bleibt die
Konkurrenzklausel in Kraft.

2. Wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, ohne daß ein
+erheblicher Anlaß+ vorliegt, den er nicht verschuldet hat. In
diesem Falle behält jedoch die Konkurrenzklausel Gültigkeit, wenn
der Prinzipal während ihrer Dauer das zuletzt bezogene Gehalt
fortbezahlt. Ein „erheblicher Anlaß“ ist nicht gleichbedeutend mit
einem „wichtigen Grund“. Vielmehr ist der wichtige Grund weitergehend.
Daß ein erheblicher Anlaß zur Kündigung vorlag, hat der Prinzipal zu
beweisen. Als erheblicher Anlaß gelten: „wohlbegründete Unzufriedenheit
mit den Leistungen des Reisenden“, besonders, wenn der Reisende
große Versprechungen machte, ferner „fortgesetzte kleine Schikanen
des Reisenden“ oder eine „Krankheit, die stark die Arbeitsfähigkeit
beeinträchtigt“ oder „Verdacht der Untreue“ oder „zwingende
Veranlassung für den Prinzipal, sein Personal zu verkleinern“. Hingegen
wird die Kündigung wegen des Konkursausbruches nicht als solche aus
erheblichem +unverschuldeten+ Anlaß anzusehen sein. Tragen beide
Teile die Schuld an der Lösung des Verhältnisses, so gilt die Klausel
nicht. Wurde ein Dienstverhältnis seitens des Prinzipales sofort,
ohne Einhaltung einer Frist aus einem wichtigen Grunde aufgehoben, so
gilt die Konkurrenzklausel. Will der Prinzipal die Konkurrenzklausel
ausnutzen, trotzdem er keinen erheblichen Anlaß zur Kündigung hatte,
so muß er die Bereitwilligkeit, das Gehalt zu zahlen, sofort bei der
Beendigung des Dienstverhältnisses dem Handlungsgehilfen bekannt geben.


Strafe und Schadensersatz.

Die in dem oben angeführten Beispiel geschilderte Konkurrenzklausel
zeigt dann noch andere Möglichkeiten. War in einer Konkurrenzklausel
eine Vertrags-(Konventional-)strafe vereinbart, so kann der Prinzipal
+nur die Strafe+ und zwar nur einmal, nicht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung, verlangen. Eine Erfüllung des Vertrages -- d. h. den
Austritt aus der verbotenen Beschäftigung kann der Prinzipal nicht
fordern, ebensowenig etwaigen Schaden. Wo der Vertrag etwas anderes
vereinbart, ist diese Vereinbarung nichtig, ohne allerdings die ganze
Klausel nichtig zu machen. Ebensowenig kann der Prinzipal Strafe,
Erfüllung und Schadensersatz vereinbaren und später auf die Strafe
verzichten, weil ihm Schadensersatz und Erfüllung mehr erwünscht ist.

Hingegen hüte sich der Reisende vor Konkurrenzklauseln, die nur ein
einfaches Verbot aussprechen und +weder von Schadensersatz, noch von
Erfüllung+ sprechen. Diese anscheinend „harmlosen“ Klauseln sind die
allergefährlichsten. Uebertritt ein Reisender eine solche Klausel,
so kann der Prinzipal den nachweisbaren Schaden ersetzt und außerdem
Erfüllung des Vertrages verlangen. Geht dann der Handlungsgehilfe zur
verbotenen Konkurrenz, so kann ihm bei Festsetzung einer Strafe bis zu
1500 Mark für den Fall, oder einer Haftstrafe bis zu sechs Monaten die
weitere Tätigkeit untersagt werden.

Kurzum, der Fußangeln gibt es so viele, daß ich allen meinen
Reisekollegen nur dringend raten kann:

+Unterschreibt keine Konkurrenzklausel.+


Tätigkeit, Spesen und Provision der Reisenden.

Sehen wir uns, nachdem wir uns so mit dem allgemeinen
Handlungsgehilfenrecht beschäftigt haben, an, was der Reisende
+besonders+ in seinen Dienstvertrag hineinnehmen muß. Da ist im
Vertrag besonders Wert auf die Begrenzung der +Tätigkeit+ zu legen.
Die Gerichte entscheiden zwar vielfach, daß schon die einfache
Bezeichnung „Reisender“ das Recht des Prinzipals ausschließt,
diesen mit allen kaufmännischen Arbeiten zu beschäftigen. Aber, die
Auslegung steht im Belieben der Richter. Völlig in die Hand des
Prinzipals ist der Reisende gegeben, wenn vertraglich festgelegt
wird, daß der Reisende ganz nach dem Belieben des Prinzipals zu allen
kaufmännischen Tätigkeiten herangezogen werden kann. Zu empfehlen ist
die Vereinbarung: ausschließlich für die Reise, unter gleichzeitiger
Festlegung der Reisezeit. Der Reisende hat dann ein Recht zu reisen;
hindert ihn der Prinzipal daran, so muß er dem Reisenden das ersetzen,
was dieser sonst von den Spesen für seinen persönlichen Lebensunterhalt
verwenden kann.

Hinsichtlich dieser +Spesen+ ist zu empfehlen, feste Spesen zu
vereinbaren, dann aber außer einem festgelegten Satz die Kosten der
Eisenbahnfahrten besonders. Geht das nicht an, dann doch mindestens
außer den Spesen die jeweiligen Fahrkosten zum Antritt der Tour und
zur Rückkehr in das Geschäft. Vertrauensspesen können leicht Anlaß zu
Streitereien geben. Nur zu leicht verbraucht der Reisende dann dem
Prinzipal zu viel Geld, besonders dann, wenn vielleicht ein Vorgänger
ein „Knauser“ war. Hervorgehoben soll aber werden, daß der Prinzipal
auch bei Vertrauensspesen keine detaillierte Abrechnung fordern kann.

Bekommt der Reisende außer Gehalt und Spesen auch +Provision+, so
sind im Dienstvertrag zu vereinbaren: 1. Die Zahlungstermine für die
Provisionen; 2. das Fälligwerden der Provision, d. h. die Bestimmung,
ob sie gezahlt werden muß nach Eingang der Bestellung, nach Lieferung
der Ware oder nach deren Bezahlung. Will der Reisende auch die
Provision von indirekten Verkäufen haben, bedarf es einer besonderen
Vereinbarung. Die Bestimmung für Handlungsagenten, wonach diese, wenn
sie ausdrücklich für einen bestimmten Bezirk angestellt sind, auch
die Provisionen für Verkäufe zu beanspruchen haben, die ohne ihre
Mitwirkung zustande gekommen sind, findet auf Reisende keine Anwendung,
deshalb bedarf es der besonderen Vereinbarung. Unter keinen Umständen
sollte sich ein tüchtiger Reisender herbeilassen, nur gegen Provision
zu reisen. Es gab eine Zeit, sie liegt noch nicht so sehr weit zurück,
da arbeitete überhaupt kein tüchtiger Reisender gegen Provision allein.
Heute glaubt mancher Kollege sich besser zu stehen, wenn er nur gegen
Provision reist, er glaubt auch dadurch mehr Freiheit zu haben. Das ist
ein Irrtum! Gewiß kann sich mancher Reisender besser stehen, er wird
aber auch den notwendigen Spielraum dann haben, wenn er sich Gehalt,
Spesen und Provision zahlen läßt. Das Risiko des Geschäftes muß dem
Prinzipal verbleiben; es geht nicht an, es auf den Reisenden abzuwälzen.


Delcrédere. Bestimmter Umsatz.

Ebenso muß es der Reisende rundweg ablehnen, für die Kundschaft
Bürgschaft (+Delcrédere+) zu übernehmen. Auch das gehört zum Risiko
des Geschäftes. Der Reisende kann nur nach Treu und Glauben die
Zahlungsfähigkeit seiner Kunden erforschen, die Bürgschaft für die
Zahlungsfähigkeit kann und darf er nicht übernehmen. Eine Unsitte, die
sich auch in letzter Zeit sehr häufig zeigt, ist die +Verpflichtung,
einen bestimmten Umsatz+ zu erzielen. Weder ein Prinzipal sollte auf
solche Verpflichtung dringen, noch ein Reisender sich mit ihr abfinden.
Der Prinzipal soll sich sagen, daß eine solche Verpflichtung nur
eingehen kann, wer leichtfertig in seinen Versprechungen ist oder wem
das Messer an der Kehle sitzt, wer ein Unterkommen finden muß um jeden
Preis. Alles das sind durchaus keine Eigenschaften, die man bei einem
Reisenden finden möchte. Der Reisende aber, auch der tüchtige, soll
sich immer vor Augen halten, daß er mit der Umsatzverpflichtung ein
Versprechen gibt, dessen Einlösung gar nicht von ihm allein abhängig
ist. Es ist verkehrt, wenn sich ein Reisender sagt, daß er bisher einen
bestimmten Umsatz erzielte, den er nun auch weiter erreichen kann, es
ist ebenso verkehrt, wenn sich ein anderer Reisender sagt, er werde den
Umsatz, den sein Vorgänger erreichte, auch erzielen können. In beiden
Fällen zeigt sich ein falsches Abschätzen der realen Verhältnisse.
Der Reisende muß sich immer vor Augen halten, daß zwei Dinge auf den
Kauf einwirken: seine Person und die Leistungsfähigkeit seiner Firma.
Erzielte er wo anders einen guten Umsatz, so hat er noch lange keine
Gewähr, diesen auch bei der neuen Firma zu erreichen. Sich kennt er,
die Anhänglichkeit seiner Kundschaft an die alte Firma kennt er aber
ebensowenig, wie die Leistungsfähigkeit des neuen Hauses. Kommt er aber
auf den Gedanken, seinen Umsatz an dem seines Vorgängers abzumessen,
so kann er die Anhänglichkeit der Kundschaft an den alten Reisenden
nicht in Anrechnung bringen. So oder so: Keine Verpflichtung für einen
bestimmten Umsatz!

Wir wollen uns nun einem anderen Recht zuwenden, das für den Reisenden
eine ebenso große Bedeutung hat, wie sein Dienstvertrag. Das sind die
Rechtsverhältnisse zwischen dem Reisenden und seiner Kundschaft.


b) Die Vollmacht des Reisenden.


Handlungsvollmacht.

Der Reisende ist Handlungsbevollmächtigter. Er wird in der Regel
hinausgeschickt, Waren zu verkaufen oder einzukaufen, und zwar ist
wiederum die Verkaufstätigkeit die Regel. Damit ist der Reisende zur
Vornahme bestimmter Arten von Geschäften ermächtigt, die zu einem
Handelsgewerbe gehören. Er hat infolgedessen Handlungsvollmacht,
d. h. er kann alle Geschäfte und Rechtshandlungen vornehmen, die der
Betrieb des Handelsgewerbes oder derartiger Geschäfte mit sich bringt.
Diese +Handlungsvollmacht+ ist durch Gesetz nur insoweit beschränkt,
als der Reisende zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken,
zum Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen
und zur Prozeßführung einer besonderen Vollmacht bedarf. Wird die
Handlungsvollmacht durch den Dienstvertrag weiter eingeschränkt,
so braucht sie ein Dritter nur gegen sich gelten zu lassen, wenn
er die Einschränkung kannte oder kennen mußte. Ausdrücklich sind
die Reisenden durch das Gesetz ermächtigt, den Kaufpreis der Ware
einzuziehen, Zahlungsfristen zu bewilligen, Beanstandungen von Waren
und ihr Zurverfügungsstellen entgegen zu nehmen. Auch andere derartige
Erklärungen können dem Reisenden, rechtsverbindlich für sein Haus,
abgegeben werden.


Eingeschränkte Vollmacht.

Angenommen, es wird die gesetzliche Vollmacht des Reisenden durch
Dienstvertrag beschränkt, so soll sich der Reisende hüten, sie selbst
zu überschreiten. Kennt der Kunde die Einschränkung der Vollmacht nicht
und er trifft eine Vereinbarung mit dem Reisenden, zu der dieser nicht
ermächtigt war, weil die gesetzliche Vollmacht eingeschränkt wurde, so
ist das Haus des Reisenden doch an diese Vereinbarung gebunden. Für
den Reisenden hat das zur Folge, daß er für einen entstehenden Schaden
dann persönlich haftbar gemacht werden kann. Wenden wir uns nun den
gebräuchlichen Einschränkungen der Handlungsvollmacht zu:

Da ist in erster Linie an die +Inkassovollmacht+ zu denken, die
vielfach aufgehoben wird. Durchaus nicht immer ist das ein Zeichen
von Mißtrauen gegen den Reisenden. Ich habe selbst in einer Stellung
den Prinzipal gebeten, mir die Inkassovollmacht zu nehmen. Ich
setzte nämlich Geld dabei zu! Und das kam so! Wenn ein Kunde zahlen
wollte, und er gab mir das Geld, dann wollte er „abrunden“. Natürlich
nicht nach oben, sondern nach unten. Dabei ging der Kunde oft in
seiner Bequemlichkeit so weit, nicht auf die Mark, sondern auf fünf
und zehn Mark abzurunden. Daheim gab es dann Auseinandersetzungen.
Leicht beieinander wohnen die Gedanken -- daheim im Kontor! Bei der
Kundschaft stoßen sich die Sachen. Man möchte doch gern ein Geschäft
machen! Na ja, und dann läßt man eben abrunden! Will man daheim
die Scherereien nicht haben, dann zahlt man aus seiner Tasche. Ein
kostspieliges Vergnügen. Deshalb bat ich, daß mir die Inkassovollmacht
genommen wurde, und dieser Grund mag oft vorhanden sein, wenn die
Inkassovollmacht dem Reisenden genommen wird. Rechtsverbindlich wird
die Einschränkung für den Kunden, wenn er sie kannte oder kennen mußte.
Das ist dann der Fall, wenn auf den Rechnungen der Aufdruck sich
befindet: „Meine Reisenden nehmen keine Zahlungen entgegen“.

Dann wird oft die Vollmacht des Reisenden eingeschränkt hinsichtlich
des +Zahlungszieles+. Hier kann den Prinzipalen nur empfohlen werden,
von einer Einschränkung Abstand zu nehmen. Ein gewissenhafter Reisender
-- und ich wende mich nur an solche -- wird nie dem Kunden ein
längeres Ziel einräumen, als unbedingt notwendig ist. Es läßt sich
aber nicht immer machen, die üblichen „Konditionen“ zu vereinbaren. Es
bleibt immer zu berücksichtigen, daß die Konkurrenz hier sehr fühlbar
eingreift, es ist auch zu beachten, daß ein Kunde, der längeres Ziel
beansprucht, durchaus nicht immer faul sein muß. Mir waren entschieden
die Kunden, die offen ein längeres Ziel als das übliche forderten,
lieber, als die anderen, die sich ohne weiteres mit dem Ziel abfanden,
es aber nicht hielten. Es kann auch vorkommen, daß ein Kunde aus
irgend einem Grunde größere Zahlungen zu machen hatte und deshalb ein
längeres Ziel gebraucht. Es muß also dem Reisenden überlassen bleiben,
besondere Verhältnisse zu berücksichtigen. Soll dennoch dem Reisenden
das Recht genommen werden, so muß sich auf allen Kommissionen und
Kommissionskopien der Vermerk finden:

  Ziel ... Monate. Bei Kasse ... Prozent. Andere Vereinbarungen sind
  nichtig.

Eine weitere Einschränkung der Vollmacht gibt es stellenweise insofern,
als dem Reisenden die Berechtigung genommen wird, +Mängelanzeigen+
entgegenzunehmen. Auch das hat sein Für und Wider! Mängelanzeigen sind
immer eine schlechte Einleitung eines guten Geschäftes! Ein Kunde, der
die erhaltene Ware gar nicht bemängeln kann, weil er zufrieden war und
sie längst verkaufte, wird entschieden eher kaufen, als ein mit Recht
unzufriedener Kunde! Es ist aber auch zu beachten, daß die Erledigung
einer Bemängelung auf schriftlichem Wege den Kunden oft ganz von der
Firma vertreibt. In persönlicher Aussprache ist entschieden leichter
ein Ausgleich zu schaffen.

Nehmen wir aber einmal an, daß die freundlichen Leser dieses Buches
niemals in die Lage eines Reiseonkels kommen, der acht Tage an einem
Platze zu tun hatte, nicht fertig war, dennoch abreiste und, nach dem
Grund gefragt, antwortete:

  „Die ersten Waren sind angekommen -- ich bin nicht in der
  Lebensversicherung“.

Soll der Reisende nicht berechtigt sein, Mängelanzeigen
entgegenzunehmen, so genügt ein Vermerk auf der Rechnung:

  Mängelanzeigen sind +nur an uns direkt+ innerhalb ... Tagen nach
  Empfang der Waren zu richten.

                                ——————

Der Reisende hat jedoch nicht nur mit seinem Prinzipal und mit
seiner Kundschaft zu tun, das Reiseleben selbst zwingt ihn, sich der
Gasthäuser zu bedienen, um wohnen zu können und verpflegt zu werden.
Wir müssen uns deshalb auch kurz mit den rechtlichen Verhältnissen
befassen, die sich aus dem Gasthausverkehr der Reisenden ergeben.


c) Der Mietsvertrag mit dem Gastwirt.


Haftpflicht.

Der Mietsvertrag mit dem Gastwirt ist kein allgemeiner, vielmehr ein
besonderer. Daran ändert die Tatsache nichts, daß die gesetzlichen
Bestimmungen über das Mietrecht vielfach auf ihn Anwendung finden.
Das Besondere des Mietsvertrages mit dem Gastwirt liegt in der ihm
+zwingend+ auferlegten Haftung begründet. Die +Haftung+ erstreckt sich
jedoch nicht auf den Gastwirt schlechthin, sondern nur auf solche
Gastwirte, die +gewerbsmäßig+ Fremde bei sich beherbergen und auch
dann nur innerhalb dieses Gewerbebetriebes. Ein Restaurationsbetrieb
ist kein Betrieb zur gewerbsmäßigen Beherbergung von Fremden, hier
besteht auch nicht die Haftung des Gastwirtes. Ein Beispiel möge das
veranschaulichen:

  Der Reisende X schreibt dem Gastwirt Y, daß sein Schirm am
  soundsovieltesten im Restaurationszimmer gestohlen worden sei.

X wundert sich nicht schlecht, daß ihm der Gastwirt Y mitteilt, er
bedaure das zwar sehr, könne aber nicht helfen, jedenfalls sei er
für den Verlust nicht haftbar. Das würde der Fall sein, wenn der
Schirm aus dem Zimmer des Fremden gestohlen worden sei, aber auf den
Restaurationsbetrieb treffe die Haftung des Gastwirtes nicht zu.

Die Haftung des Gastwirtes erstreckt sich auf alle Sachen, die
eingebracht werden, d. h. die dem Gastwirt oder dessen Angestellten
übergeben oder an einem angegebenen Ort oder mangels einer Anweisung an
einem zum Niederlegen der Sachen bestimmten Ort niedergelegt werden.

In solchen Fällen haftet der Gastwirt sowohl für den Verlust als auch
für die Beschädigung der Sachen.


Umfang der Haftung.

Die Haftung kann nicht ausgeschlossen werden dadurch, daß der Gastwirt
sie durch Aushang in seinem Betriebe oder auf den Zimmern ausdrücklich
ablehnt. Wohl aber ist der Wirt von der Haftung befreit, wenn die
Sachen durch Verschulden des Gastes selbst, oder durch Verschulden
eines Begleiters des Gastes, oder einer Person, die er bei sich
aufgenommen hat, in Verlust geraten oder beschädigt werden. Die
Beweislast, daß ein Verschulden des Gastes, seines Begleiters oder
einer aufgenommenen Person vorliegt, trifft den Wirt. Der Gastwirt
haftet aber auch für Geld und andere Kostbarkeiten. Für einen Betrag
bis zu eintausend Mark überhaupt, für höhere Beträge dann, wenn er die
Wertsachen in Kenntnis ihres Wertes in Aufbewahrung nimmt oder die
Aufbewahrung ablehnt. Kommen solche Wertsachen jedoch durch Verschulden
des Personals in Verlust oder werden beschädigt, so haftet der Gastwirt
auch dann, wenn ihm die Wertsachen nicht in besondere Aufbewahrung
gegeben wurden oder die Aufbewahrung abgelehnt wurde.

Hiernach ist dem Reisenden jedoch anzuempfehlen, immer seine Wertsachen
dem Wirt in besondere Aufbewahrung zu übergeben, denn die Beweislast
dafür, daß Verluste oder Beschädigungen durch das Personal entstanden
sind, trifft in diesem Falle den Reisenden.

Ein an und für sich bestehender Anspruch auf +Schadenersatz+ muß,
soll er nicht seine Gültigkeit verlieren, unverzüglich geltend
gemacht werden, sobald der Schaden zur Kenntnis des Reisenden gelangt.
Geschieht das nicht, so wird der Gastwirt von seiner Haftung befreit.
Lediglich dann, wenn es sich um den Verlust oder die Beschädigung von
Sachen handelt, die der Wirt in besonderer Aufbewahrung hatte, bedarf
es nicht der sofortigen Anzeige.

Uebernimmt so der Gastwirt besondere Verpflichtungen, so hat er
natürlich auch besondere Rechte. Er hat für seine Forderungen an den
Reisenden ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Gastes, auch
natürlich an seinen Musterkoffern. Das +Pfandrecht+ erstreckt sich
jedoch nicht auf Sachen, die der Pfändung nicht unterworfen sind;
es kann auch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sich die zu
pfändenden Sachen nicht mehr auf dem Grundstück des Gastwirts befinden.

Eine Streitfrage ist es für den Reisenden, ob ein Gastwirt
den Reisenden aufnehmen muß. Für die Rechtsprechung ist die
+Aufnahmeverpflichtung+ keine Streitfrage, vielmehr ist sich die
Rechtsprechung klar, daß eine solche Verpflichtung nicht besteht.
Etwas anderes ist es schon, wenn z. B. der Hausdiener des Wirtes
oder sein Omnibus am Bahnhof hält und der Reisende dem Beauftragten
des Wirtes sein Gepäck mitgegeben hat. Es gibt Urteile -- es sind
allerdings fast immer Kuriositätsurteile --, die in solchem Falle eine
Aufnahmeverpflichtung festgestellt haben, allerdings nur dann, wenn
noch Raum vorhanden war.

Ist das nicht der Fall, so besteht jedoch für den Wirt die
Verpflichtung, sich um ein anderes Unterkommen für den Gast zu bemühen,
ebenso wie der Wirt die Verpflichtung hat, das Gepäck des Reisenden
nach dem anderen Gasthaus bringen zu lassen.

Nehmen wir nun aber den Fall an, daß der Wirt den Gast aufnimmt.
Dann wird der Mietsvertrag in der Regel dadurch abgeschlossen, daß
der Reisende fragt: Kann ich ein Zimmer haben? Der Wirt antwortet:
Jawohl. Einwandsfrei ist dieser Mietsvertrag nicht, es gehört noch die
Preisabmachung dazu. Es ist eine falsche Voreingenommenheit -- die
nebenbei bei besonderen Anlässen (Festen, Fürstenbesuchen usw.) recht
teuer zu stehen kommen kann --, nicht nach dem Preis zu fragen.


Verspätete Abmachungen.

Selbst wenn aber kein Preis vereinbart wurde, darf der Wirt nicht
mehr mit besonderen +Klauseln+ kommen, wie sie immer häufiger
in den Fremdenzimmern anzutreffen sind. In der Regel besagt so ein
Zimmerpreisanschlag:

  Preis des Zimmers: 2.-- Mk.
  Frühstück:         1.-- „

  Wird das Frühstück nicht im Hotel eingenommen, erhöht sich der
  Zimmerpreis um 50 Pf., werden auch die Hauptmahlzeiten nicht im Hotel
  genossen, um 1 Mk.

Solche Klauseln haben keine Geltung. Der Reisende will ein Zimmer
mieten, keine Pension abschließen. Will der Wirt solche Dinge
durchführen, muß er bei der Frage nach einem freien Zimmer dem Gast
erklären, daß Zimmer nur zu diesen Bedingungen frei sind. Wurde
unten das Zimmer gemietet und der Wirt will sich oben noch besondere
Rechte vorbehalten, so stellt das eine einseitige willkürliche
Aenderung des Mietvertrages dar, die sich niemand gefallen zu lassen
braucht, auch nicht gefallen lassen sollte. Ebenso kann nicht
durch die Zimmerklausel besondere Entschädigung für die notwendige
Bedienung verlangt werden. Braucht ein Reisender allerdings zu seiner
Bequemlichkeit +besondere+ Bedienung, so muß er diese natürlich auch
bezahlen.

Wenden wir uns, da wir einmal bei den Rechtsverhältnissen sind, einer
anderen Rechtsfrage zu.


d) Paßverhältnisse im Inland.


Legitimation.

Wir wollen uns dabei nicht streng an das Thema halten, wenn es
auch einem besonderen Abschnitt vorbehalten bleiben soll, die
Paßverhältnisse im Ausland zu besprechen. Wir wollen hier vielmehr
auch untersuchen, welche gesetzlichen Bestimmungen sonst den Reisenden
während seiner Tätigkeit angehen.

Nicht jeder kann +Reisende+ anstellen. Vielmehr ist dazu nur
befugt, wer eine gewerbliche Niederlassung besitzt. Der Reisende
darf hinausgeschickt werden, um für die Zwecke des Gewerbebetriebes
Waren einzukaufen oder zu verkaufen. Aufgekaufte Waren dürfen
mitgeführt werden, jedoch nur zum Zwecke der Beförderung nach ihrem
Bestimmungsort. Um Waren verkaufen zu können, darf sich der Reisende
nur der Proben oder Muster bedienen. Er darf Waren selbst nicht mit
führen. Ausnahmen bestehen lediglich für Waren, die im Verhältnis zu
ihrem Umfang einen hohen Wert haben und übungsgemäß gleich im Stück an
+Wiederverkäufer+ abgesetzt werden, also etwa Gold- und Silberwaren,
Taschenuhren, Bijouteriewaren, Schildpattwaren, Edelsteine, Perlen,
Korallen usw.

Waren dürfen nur +aufgekauft+ werden bei Kaufleuten oder Personen, die
selbst die Waren herstellen, oder aber in offenen Verkaufsstellen.
+Verkauft+ werden dürfen die Waren -- abgesehen vom Detailreisen, auf
das ich noch zu sprechen komme -- ebenfalls nur an Kaufleute oder
an Personen, die in ihrem Geschäftsbetriebe die Waren verwenden.
Das Gesetz spricht hierbei von einem „Aufsuchen von Bestellungen“.
Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke dürfen, ohne daß
es eines Wandergewerbescheines bedarf, ebenso wie Trauben- und
Schaumweine, die Erzeugnisse der Leinen- und Wäschebranche und
Nähmaschinen auch an andere, als die hier genannten Personen verkauft
werden, d. h. auch an Private.

Wer hinaus geht, um Waren aufzukaufen oder zu verkaufen, bedarf einer
+Legitimationskarte+. Diese Legitimationskarte wird auf Antrag des
Geschäftsinhabers ausgestellt, der den Reisenden beschäftigt. Die Karte
selbst wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde für die Dauer eines
Jahres auf den Namen des Reisenden ausgestellt, sie enthält die nähere
Bezeichnung seiner Firma und deren Geschäftsbetriebes.

Der Reisende muß während der Ausübung seiner Tätigkeit die
+Legitimationskarte mit sich führen+, und hat sie den zuständigen
Behörden oder Beamten auf Verlangen vorzuzeigen. Ist er bei einer
Prüfung nicht im Besitz der Karte, muß er seine Tätigkeit einstellen,
bis die Karte beschafft ist. Außerdem kann der Reisende mit Geld bis zu
150 Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen gestraft werden. Die gleiche
Strafe trifft den Reisenden, wenn er seine Karte anderen Personen zur
Benutzung überläßt.

Einer Legitimationskarte bedarf nicht, wer im Besitz einer
+Gewerbelegitimationskarte+ ist, die in verschiedenen Zollvereins- und
Handelsverträgen gefordert wird.

Beide Arten Legitimationskarten können +versagt+ werden. Das kann
dann geschehen, wenn der Reisende, auf dessen Namen sie lauten soll,
mit einer abschreckenden oder ansteckender +Krankheit+ behaftet oder
in abschreckender Weise +entstellt+ ist, wenn der Reisende unter
Polizeiaufsicht steht, wenn der Reisende eine Freiheitsstrafe von
mindestens drei Monaten erlitten hat, und seit der Strafverbüßung
noch keine drei Jahre verflossen sind. Dabei kommen jedoch nur
wirklich ehrlose Handlungen in Betracht: Gewinnsucht, Vergehen
gegen Eigentum oder Sittlichkeit, Angriffe auf das Leben und die
Gesundheit der Mitmenschen, Land- und Hausfriedensbruch, Widerstand
gegen die Staatsgewalt, Brandstiftung usw. Die Legitimationskarte
ist auch dann zu versagen, wenn der Reisende wegen Arbeitsscheu,
Bettelei, Landstreicherei und Trunksucht übel berüchtigt ist. Die
Legitimationskarte kann auch nicht erteilt werden an blinde, taube,
stumme oder geistesschwache Personen. Die gleichen Gründe, die
dazu berechtigen, eine Legitimationskarte zu versagen, berechtigen
auch dazu, eine solche Karte einzuziehen, und zwar dann, wenn die
vorstehenden Gründe während der Geltungsdauer der Karte eintreten, oder
wenn sie vorher da, aber der ausstellenden Behörde nicht bekannt waren.

Die Detailreisenden haben in der Hauptsache mit anderen Bestimmungen zu
rechnen.


e) Die Vorschriften über das Detailreisen.

Seit dem 1. Januar 1897 sind neue und für die damaligen Verhältnisse
eigenartige Bestimmungen in Kraft. Damals wurden sie mit ziemlich
großem Hallo aufgenommen, heute hat man sich mit ihnen abgefunden
und weite Kreise der Detaillisten befürworten dringend eine noch
weiter gehende Einschränkung des Detailreisens. Man kann über den
volkswirtschaftlichen Wert des Detailreisens sehr geteilter Meinung
sein. Ohne Zweifel hat es in der Hauptsache die gleiche Wirkung wie das
Engrosreisen, es weckt Bedarf. Ein Nachteil ist aber, daß der geweckte
Bedarf oft befriedigt wird, ohne daß die notwendigen Mittel vorhanden
sind. Die Aussicht, geborgt zu bekommen, hat oft Bestellungen zur
Folge, die über die Verhältnisse des Bestellers hinausgehen. Besonders
ein geriebener Reisender kann seine Kundschaft gehörig „einseifen“.
Diese Seite der Tätigkeit des Detailreisenden will ich aber später
besprechen, jetzt will ich nur die gesetzlichen Bestimmungen
durchgehen, die für seine Tätigkeit geschaffen wurden.

Während der Engrosreisende eigentlich nicht Waren +verkauft+, sondern,
abgesehen von Gold- und Silberwaren usw., nur +Bestellungen+ auf
Waren aufsucht, ist es dem Detailreisenden nicht verwehrt, Waren
direkt feilzubieten. Doch diese Reisenden, die mit Stoffresten, Hosen
und dergleichen Dingen handeln, stellen schon den reinen Typus des
Hausierers dar. Der eigentliche Detailreisende, mit dem wir es zu tun
haben, sucht wie der Engrosreisende nur Bestellungen auf Waren auf.
Der Unterschied besteht nur darin: Der Reisende besucht Kaufleute
oder Gewerbetreibende, die gekaufte Ware in ihrem Geschäftsbetrieb
verwenden, der Detailreisende besucht Private.


Wandergewerbeschein.

Während der Reisende nur einer Legitimationskarte bedarf, bedarf der
Detailreisende eines +Wandergewerbescheins+. Dieser Wandergewerbeschein
unterscheidet sich in wesentlichen Dingen von der Legitimationskarte.
Er gilt zwar für die hier in Betracht kommende Tätigkeit auch für
das Reich, aber nur, nachdem die +Landessteuern+ entrichtet sind.
So ist besonders der Detailreisende in Thüringen übel daran. Um
dort tätig sein zu können, braucht er oft drei, vier, auch fünf
Wandergewerbescheine, deren jeder einen anständigen Batzen Geld kostet.

Der Wandergewerbeschein kann aus den gleichen Gründen versagt werden,
wie die Legitimationskarte, er kann auch unter den gleichen Gründen
zurückgenommen werden. In der Regel wird aber der Wandergewerbeschein
nur für Personen ausgestellt, die +25 Jahre alt+ sind. Von dieser Regel
kann nur dann abgewichen werden, wenn der Reisende Ernährer einer
Familie ist und bereits vier Jahre im Wandergewerbe tätig war. Die
Versagungsgründe sind außerdem schärfer. Während bei dem Versagen einer
Legitimationskarte eine Freiheitsstrafe von drei Monaten vorliegend
sein muß, und seit ihrer Verbüßung keine drei Jahre vergangen sein
dürfen, +kann+ der Wandergewerbeschein schon versagt werden, wenn der
Nachsuchende nur eine Freiheitsstrafe von einer Woche erlitten hat und
noch nicht fünf Jahre seit ihrer Verbüßung dahingegangen sind.

Der Detailreisende ist auch hinsichtlich des Verkaufes verschiedener
Artikel beschränkt. So dürfen nicht im +Umherziehen vertrieben+ werden:
Geistige Getränke, gebrauchte Kleider, Wäsche, Betten, Bettfedern,
Gold- und Silberwaren, Bruchgold, Bruchsilber und Taschenuhren,
Spielkarten, Wertpapiere, Lose, Waffen, Gifte, Arzeneien, Geheimmittel
und Bruchbänder, Bäume, Sträucher, Schmucksachen und optische
Instrumente. Ebenso ist verboten, Waren auf Abzahlung zu verkaufen,
oder Bestellungen darauf zu suchen, wenn Teilzahlung vereinbart wird
und der Verkäufer sich das Eigentumsrecht an den Waren vorbehält, bis
die Zahlungen voll geleistet sind.

Das Reisen mit dem Wandergewerbeschein bringt somit viele Plackereien
mit sich. Ohne Wandergewerbeschein dürfen verkauft werden Bücher,
Bildwerke, Druck- und andere Schriften, Trauben- und Schaumweine und
die Erzeugnisse der Leinen- und Wäschebranche, auch Nähmaschinen.


Umgehungsversuche.

Um nun die Scherereien mit dem Wandergewerbeschein zu umgehen, hat
man verschiedene Mittel ausprobiert, die jedoch samt und sonders
zu wünschen übrig lassen. Es ist ja das Detailreisen nur ohne
vorherige Aufforderung verboten. Wo jemand aufgefordert wird, Muster
vorzulegen, bedarf er dazu nicht des Wandergewerbescheins. Wie nun
die vorgängige Aufforderung erreichen? In der Textilbranche und der
Modewarenbranche ist man, um jüngere Reisende als 25 Jahre alte und
diese ohne Wandergewerbeschein hinausschicken zu können, auf den
Ausweg verfallen: Der Reisende nimmt sich Handmuster von Leinen-
oder Wäscheartikeln. Damit besucht er die Kundschaft. Er hat so einen
Anknüpfungspunkt und versucht dann, die Aufforderung zu erhalten, auch
die anderen Muster vorzulegen. Hat er die Aufforderung erhalten, so
ist er ausdrücklich bestellt, er kann dann auch seine anderen Artikel
verkaufen. Unbedingt sicher ist, wie gesagt, dieser Ausweg nicht,
der Richter kann in ihm einen Umgehungsversuch erblicken. Der andere
Ausweg ist der: An die gesamte Kundschaft oder an alle verfügbaren
Adressen wird ein Rundschreiben versandt. In diesem wird die Kundschaft
aufmerksam gemacht, daß der Detailreisende sie künftig nur besuchen
könne, wenn er vorher ausdrücklich dazu aufgefordert würde. Der Grund
liege darin, daß jetzt ein Wandergewerbeschein erforderlich sei, der
in allen Bundesstaaten einer besonderen, hohen Steuer unterliege. Um
diese Kosten zu sparen, bedürfe man der Unterschrift des Empfängers auf
beigelegter Karte. Diese Karte trägt dann den Text:

  Herrn N. N. ......

  Ich ersuche Sie, Ihren Reisenden zu veranlassen, bei seinem
  jedesmaligen Hiersein mir Ihre Muster vorzulegen.

  Hochachtend!

Wie gesagt, keiner der beiden Wege ist vor der Rechtsprechung
unanfechtbar, beide Wege berauben aber den Reisenden eines Teiles der
Möglichkeit, Geschäfte zu machen. Wo er die Wäschemuster hat und sich
dadurch auffordern läßt, auch die anderen Muster vorzulegen, vergeht
Zeit, bis die anderen Muster zur Stelle sind und der Wunsch, zu kaufen,
ist bis dahin oft längst wieder untergetaucht. Bei den Bestellkarten
wird es aber immer nur möglich sein, einen Teil der Karten zurück zu
bekommen. Bekanntlich „unterschreibt“ der Landmann nie gern etwas,
und so mancher Kunde mag froh sein, wenn er den Reisenden durch die
Einschränkung des Detailreisens los geworden ist.


f) Unlauterer Wettbewerb.


Unsittliche Konkurrenzmanöver.

Was hat der Reisende mit dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb
zu tun? So meint der Leser! Hoffentlich gar nichts! Je weniger er
damit zu tun hat, um so besser, wenigstens insoweit er selbst als
Schuldiger in Betracht kommt. Der Reisende muß aber die gesetzlichen
Bestimmungen kennen, um sie gegen seine unlautere Konkurrenz anwenden
zu können, wenn das notwendig ist. Ein Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb haben wir schon seit 1896. Seit 1900 haben wir verschärfte
Bestimmungen, die z. T. die Lücken des Wettbewerbsgesetzes beseitigen
sollten, im Bürgerlichen Gesetzbuch; und im Jahre 1909 hat uns der
Reichstag abermals ein Gesetz beschert, das nun seit 1. Oktober 1909 in
Kraft ist.

Sehen wir uns an, was der Reisende vom Gesetz wissen muß: Wer im
geschäftlichen Verkehr aus Wettbewerbsgründen Handlungen vornimmt,
die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und auf
Schadensersatz verklagt werden. Gegen die guten Sitten verstößt
eine Handlung, wenn sie gegen die Anschauung verstößt, die sich im
geschäftlichen Leben als Ausfluß der Meinung billig und gerecht
denkender Volksgenossen gebildet hat. Was kann nun der Reisende
für Dinge begehen, die gegen die guten Sitten verstoßen? Hierher
gehört das +Ausfragen+ und +Aushorchen+ der Angestellten über interne
Geschäftsangelegenheiten, die durchaus nicht Geheimnisse zu sein
brauchen, die Erregung von Unzufriedenheit unter den Angestellten
zum Zwecke des Wettbewerbs, besonders aber das +Beschaffen von Waren
gegen den Willen des Lieferanten+. Wir hatten in den letzten Jahren
oft die Tatsache zu verzeichnen, daß Geschäfte bestimmte Waren (Bücher
oder sogenannte Markenartikel) zu einem billigeren als dem allgemein
festgesetzten Preis verkauften. Um sich dagegen zu schützen, sperrten
besonders die Lieferanten von Markenartikeln den Geschäften ihre Waren.
Trotzdem wurden diese nach wie vor weiter dort verkauft, man hatte sie
sich durch gefällige Dritte besorgt. Oft wird ein Reisender dieser
gefällige Dritte sein, der sich dazu hergibt, um selbst in das Geschäft
zu kommen.

Den Reisenden als Angestellten interessiert aber besonders die Wertung
der falschen Auskunft beim Stellenwechsel nach dem Wettbewerbsgesetz.
Ein Prinzipal, der über irgend einen Angestellten eine Auskunft
gibt, die Unwahres behauptet, kann dafür nur durch die allgemeinen
strafrechtlichen Bestimmungen über die üble Nachrede zur Rechenschaft
gezogen werden. Er kann haftbar gemacht werden für den Schaden und
sich eine Klage auf Unterlassung zuziehen. Soweit aber die Auskunft
über einen Angestellten erteilt wird, der sich selbständig und damit
dem Auskunftserteiler Konkurrenz macht, oder über einen Reisenden,
der eigene Kundschaft besitzt und beim Wechsel der Stellung einen
Teil dieser Kundschaft mitnimmt, verstößt diese Auskunft, da sie
dann zu Zwecken des Wettbewerbs falsch gegeben wird, gegen die guten
Sitten. Der Prinzipal kann dann auch auf Grund des G. ü. d. u. W.
zur Rechenschaft gezogen werden. Das +Abschreiben der Kundenlisten+
zum Zwecke der geschäftlichen Verwendung fällt ebenfalls unter diese
Bestimmungen.


Schmiergelder.

Scharf angefaßt wurde auch im Wettbewerbsgesetz das Bestechungswesen.
Es gibt wohl keinen Menschen, der nur einen Funken Rechtsgefühl hat
und unser teilweise bestehendes +Schmiergeldsystem+ gutheißen möchte.
Dennoch haben sich weite Kreise dagegen gewendet, daß hier neue
Strafvorschriften geschaffen wurden. Besonders nahmen kaufmännische
Kreise scharfe Stellung gegen die Neuregelung. Und zwar handelte es
sich nicht nur um Kreise der Angestellten, sondern auch um die der
Prinzipale. Dennoch sind die Bestimmungen des Strafgesetzbuches (226),
des Bürgerlichen- (826) und des Handels-Gesetzbuches durch das Gesetz
verschärft worden. Ursprünglich waren die Bestimmungen so unglücklich
gefaßt, daß der Reisende, der mit einem Angestellten ein Glas Bier
trank oder ihm eine Zigarre reichte, dadurch Unannehmlichkeiten haben
konnte. Das ist nun glücklicherweise beseitigt worden. Die Fassung ist
aber nun derart, daß auf Grund des § 12 kaum Verurteilungen stattfinden
werden. Wenn jemand einem Angestellten Zuwendungen verspricht, anbietet
oder gewährt, um durch unlauteres Verhalten des Angestellten oder
Beauftragten bei gewerblichen Leistungen oder beim Warenbezug Vorteile
zu haben, so wird er mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geld
bis zu 5000 Mark gestraft. Die Bestrafung ist also abhängig davon,
daß die Absicht vorlag, Vorzüge zu erringen, und daß die Vorzüge nur
durch unlauteres Verhalten der bestochenen Angestellten erreicht werden
konnten. Jemand aber +diese+ Absicht nachzuweisen, dürfte sehr schwer
sein. Die gleiche Strafe, die den Bestecher trifft, trifft auch den
Bestochenen. Das Schmiergeld selbst verfällt dem Staate.

Mehrfach dürften Reisende mit einer anderen Bestimmung des
Wettbewerbsgesetzes in Konflikt kommen. Leider besteht der üble Brauch
vielfach, die Konkurrenz +anzuschwärzen+. Ich möchte alle Reiseonkels,
und alle, die es werden wollen, dringend warnen, sich einzureden,
daß sie ihre Ware damit loben, wenn sie die der Konkurrenz schlecht
machen! Bei mir hätte ein solcher Reisender sofort ausgespielt!
Seine Waren könnten noch so preiswert sein, ich würde das Mißtrauen
nicht los werden, daß die Lieferung der preiswerten Waren auf eben
so unlautere Art erfolgen würde, wie ihr Angebot. Hier greift das
Wettbewerbsgesetz mit Recht mit gehörigem Nachdruck zu! Wer zum
Zwecke des Wettbewerbs -- und das ist bei Reisenden der Kundschaft
gegenüber fast immer der Fall -- über das Geschäft eines anderen,
über die Person des Inhabers, des Geschäftsleiters, über Waren oder
Leistungen Dinge behauptet, die geeignet sind, den Kredit oder das
Ansehen des Betroffenen zu schädigen, wird bestraft, sobald die
Behauptung unwahr und beleidigender Natur ist; aber selbst wo das
nicht der Fall ist, macht sich der Reisende schadensersatzpflichtig;
er kann auch auf Unterlassung der Behauptung verklagt werden. Wer aber
gar solche Behauptungen wider besseres Wissen aufstellt, wird mit
Gefängnis bis zu einem Jahre, oder mit Geld bis zu 5000 Mark gestraft.
Ist der Tatbestand der Verleumdung vorliegend, kann die Strafe auf
Gefängnishaft bis zu zwei Jahren lauten. Erfolgt die Verleumdung
öffentlich, dann beträgt die Strafe mindestens einen Monat. +Weiß der
Prinzipal+ um dieses Treiben seines Reisenden, so ist er neben seinem
Reisenden strafbar.


Geschäftsgeheimnisse.

Neben diesen Bestimmungen müssen wir uns noch die über den Verrat der
+Geschäfts-+ oder +Betriebsgeheimnisse+ ansehen. Hier kommt einmal
der Reisende als Person in Betracht, die selbst solche +Geschäfts+-
und +Betriebsgeheimnisse+ ausplaudert, dann aber auch als Person,
die versucht, sich in den Besitz solcher Geheimnisse mit Hilfe von
Angestellten zu bringen.

Der Reisende kommt mit dem Gesetz in Konflikt, wenn er die Absicht
hat, in ein anderes Geschäft einzutreten, oder sich selbständig zu
machen, und -- solange er noch im Dienst seines Hauses ist, während
dieser Zeit -- Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sich aneignet und
zur Verwirklichung der Absicht benutzt. Dann ist immer der „Zweck“
des Wettbewerbes klar erkenntlich. Zahlreich werden jedoch die Fälle
sein, in denen ein Reisender sich in den Besitz fremder Geschäfts-
(Vertriebs-) oder Betriebs- (Herstellungs-)Geheimnisse zu setzen
versucht. Im ersteren Falle kann den Reisenden Gefängnisstrafe bis
zu einem Jahr und Geldstrafe bis zu 5000 Mark, im zweiten Falle
Gefängnisstrafe bis zu neun Monaten und Geldstrafe bis zu 2000 Mark
treffen.


Gerichtsbarkeit.

Damit verlassen wir zunächst das allgemeine Recht! Nur noch ein paar
Worte über die Gerichtsbarkeit. Soweit der Dienstvertrag in Frage
kommt, sind Streitigkeiten von den Kaufmannsgerichten zu entscheiden.
Der Fall tritt nur dann nicht ein, wenn der Reisende einen höheren
Jahresverdienst als 5000 Mark hat oder wenn am Orte der Zuständigkeit
kein Kaufmannsgericht besteht. Zuständig ist der Ort der Niederlassung
des Prinzipals. Besteht an solchem Orte kein Kaufmannsgericht, so kann
der Gemeindevorsteher angerufen werden. Zu berücksichtigen ist dabei,
daß durchaus nicht alle Gemeindevorsteher Juristen sind, daß ihrer
noch wenigere über den kaufmännischen Dienstvertrag unterrichtet sind.
Vereidigungen sind im Termin vor dem Gemeindevorsteher unzulässig,
gegen seine Entscheidung kann auch in einer Notfrist von zehn Tagen
der ordentliche Rechtsweg beschritten werden. Der führt dann, wenn
der Streitwert der Klage bis zu 600 Mark beträgt, zu dem Amtsgericht,
wenn er mehr beträgt, zu dem Landgericht. Streitigkeiten aus dem
Dienstvertrag sind, soweit sie dem Kaufmannsgericht unterstehen würden,
wenn ein solches vorhanden wäre, Feriensachen, d. h. sie müssen auch
während der Gerichtsferien verhandelt werden. Bei Kaufmannsgerichten
sind Rechtsanwälte und Personen, die geschäftsmäßig das Verhandeln
vor Gericht betreiben, als Vertreter und Beistände ausgeschlossen;
Rechtsanwälte sind bei den Amtsgerichten ohne weiteres zugelassen,
sonstige Personen, die geschäftsmäßig verhandeln, können abgewiesen
werden. Für Klagen beim Landgericht kommen nur zugelassene Anwälte in
Frage, eine Vertretung durch die Partei selbst gibt es in Zivilsachen
nicht. Ich hoffe, daß die Leser recht wenig Veranlassung haben werden,
diesen Teil des Buches zu Rate zu ziehen. Das wird im allgemeinen der
Fall sein, wenn sie das goldene Wort des Reisenden beherzigen:

    +Tue recht und scheue niemand!+




Der Reisende und sein Haus.


Vertrauen zum Reisenden.

Wenn man sich überlegt, aus welchen nichtigen Ursachen oft
Streitigkeiten zwischen Prinzipalen und ihren Reisenden entstehen,
Streitigkeiten, die vielfach zur Lösung oder zur dauernden Trübung
des Dienstverhältnisses führen, dann gibt man dem Sprüchwort Recht,
daß kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Es ist kaum eine
Stellung im Handelsgewerbe, die so nachdrücklich das Vertrauen des
Hauses zum Angestellten und umgekehrt das Vertrauen des Angestellten
zum Hause voraussetzt, wie die des Reisenden. Man sollte nie einen
Reisenden anstellen, ohne fest von seiner +Brauchbarkeit+ und seiner
Vertrauenswürdigkeit überzeugt zu sein. Wo eine Probestellung
ausbedungen wird, mangelt schon das Vertrauen, es soll vielmehr
erst durch die Probestellung verdient werden. Wer draußen mit dem
Musterkoffer einhergewandert ist, der weiß, daß vier Wochen oder
drei Monate nicht ausreichen, um die Brauchbarkeit eines Reisenden
zu beurteilen. Der beste Maßstab ist der seither erzielte Umsatz. Wo
der fehlt, ist Menschenkenntnis der beste Berater, gute Empfehlungen
natürlich nicht minder. Wo damit aber die Voraussetzungen gegeben
sind, einen Reisenden einzustellen, dann soll es auch kein Wenn und
Aber mehr geben. Da muß das Vertrauen Platz greifen -- lückenlos. Wo
das Vertrauen den Reisenden begleitet, da stellt sich der schärfste
Feind guter Geschäfte, der Mißmut und die Verdrossenheit nicht
ein. Ein Reisender aber, der sich das Vertrauen und das Wohlwollen
verdienen, nicht sich dessen würdig erweisen soll, der wird bei den
ersten Fehlschlägen entweder den Mut verlieren oder die Geschäfte
auf eine Art zustande bringen, die gewiß dem soliden Geschäft
nicht zum Vorteil gereicht. Ich kann da von einem jungen Kollegen
ein Geschichtchen erzählen. Er reiste für ein sehr großes Haus in
Mitteldeutschland. Sein erster Ausflug führte ihn in das Erzgebirge.
Am ersten Tage gleich sollte er ein Abenteuer erleben. Er war in
einer Pilsenerbierstube gewesen, hatte dort eine angebliche Verwandte
der Wirtin kennen gelernt und war mit dieser auf deren Wunsch zum
Bockbierfest gegangen. Der übernervöse Polizeiinspektor des Ortes war
dort anwesend. Er traute wohl der Dame sehr wenig Gutes zu. Als dann
unser junger Kollege einen Hundertmarkschein wechselte, war es mit
der Ruhe des Polizeigewaltigen vorbei. Er folgte unserem Kollegen,
als der einmal hinausging, verlangte dessen Legitimation zu sehen und
ging dann wieder ins Zimmer. Unser Kollege erzählte sein Abenteuer
seiner Begleiterin und diese lachte ganz unbändig. Da fühlte sich der
Herr Inspektor beleidigt, verhaftete ganz ohne weiteres die Dame, der
Kollege und mehrere Gäste, die dem Vorgang zugesehen, folgten mit zur
Wache. Durch die Legitimation hatte der Inspektor erfahren, wo unser
Freund angestellt war, er schrieb den ganzen Vorfall brühwarm dorthin.
Natürlich kam ein Brief -- der nicht von schlechten Eltern war? Nein,
eben nicht! Eine Bitte um Aufklärung. Die war leicht gegeben! Nun kam
ein zweiter Brief! Eine Warnung vor den Schürzen! Die Bitte, Aehnliches
nicht wieder vorkommen zu lassen und die Zusicherung des bleibenden
Vertrauens. Ich habe selten einen so frohen Menschen gesehen, wie
unseren Briefempfänger. Nach Jahren traf ich ihn wieder im Bayerland.
Er war noch immer für sein Haus tätig, mit einer Freude und einer
Unverdrossenheit, die mehr als mustergültig waren. Freilich, das Haus
beschäftigt viele Reisenden und kennt die Grundlage des Reiseerfolges.
Ueberhaupt würden die Erfolge manches Reisenden besser sein, wenn
+Fehler hüben und drüben+ vermieden würden.


Schlechte Geschäfte.

Es ist nicht alle Tage Sonntag, es gibt vielmehr Tage, wo das
Kommissionsbuch sich einer beschaulichen Ruhe erfreut, wo nur sein
Träger sich ärgert, wenn er abends Zeuge ist, wie seine Kollegen
Seite um Seite mit Warenbestellungen füllen. Das ist an und für
sich keine gute Zeit für einen Reisenden. Sein Mißerfolg geht ihm
eben so nahe als seinem Prinzipal, er verursacht ihm in der Regel
noch mehr Kopfzerbrechen. Durch doppelte Arbeit wird versucht, die
Lücke auszufüllen. Da kommt ein Brief von daheim! Wo bleiben die
Kommissionen! Denken Sie, wir werfen Spesen und Gehalt zum Fenster
hinaus? Nein, gewiß nicht! Aber weil der Reisende das Bewußtsein hat,
seine Pflicht getreulich erfüllt zu haben, setzt er sich ohne Verzug
hin, um seinem Haus „einen hinzuwischen“. Was verstehen die +Herren am
grünen Tisch+ von seiner Tätigkeit? Wie kann der Korrespondent, der
noch nicht dem Bannkreis des Kirchturms entwischte, ihm solche Vorwürfe
machen? Aber -- -- Der Brief geht an das „Haus“. Der Prinzipal bezieht
den Inhalt auf sich! Ein noch gröberer Brief geht an den Reisenden
und oft ist dann mit dem zweiten Brief die Erklärung da: „Wenn es
Ihnen nicht paßt, kann ich ja gehen“. Zwei Ratschläge möchte ich da
geben! Einen dem Reisenden und den anderen dem Prinzipal! Wenn so ein
liebliches Schreiben von „daheim“ kommt, das ungerechtfertigt ist, weil
der Reisende seine Pflicht tat: Einstecken! Muß der Brief beantwortet
werden: Morgen ist auch ein Tag! Grobe Briefe muß man sich beschlafen!
Kommen dann wieder bessere Tage, lacht der Erfolg, dann ist es Zeit,
sich solche Briefe mit dem Hinweis auf die jederzeit getane Pflicht
höflich und entschieden zu verbitten. Dem Prinzipal, der Reisende
hat, gebe ich den guten Rat, seinen Angestellten streng zu verbieten,
dem Reisenden persönliche Rügen zu erteilen! Man weiß, wie Briefe
unterschrieben werden, wenn die Zeit drängt! +Selber+ schreiben, dann
waltet die ruhige Ueberlegung des Prinzipals, der ja auch das Leben
kennt. Ueberhaupt, wenn einmal die gewohnten Kommissionen ausbleiben:
Ermunterung ist besser als Rüge!

In einem Haus, in dem mehrere Reisende sind, kann nicht dringend
genug empfohlen werden, mindestens einmal jährlich die Reisenden zu
einer Besprechung zusammenzurufen und die +gesammelten Erfahrungen+
auszutauschen. Dabei lernt der weniger gute Reisende von seinen
Kollegen, er findet Vorbilder, denen er nacheifern kann. Auf diesen
Besprechungen sollte auch die Zeit gefunden werden, mit den Reisenden
zu besprechen, +was gekauft+ oder +angefertigt+ werden soll. Wo die
Mode waltet, ist das kaum so notwendig, als dort, wo die Praxis den
Einkauf leitet. Die Mode ist eine Tyrannin, der sich alles willig
unterordnet. Anders bei den Artikeln des praktischen Bedarfes! Ein
Artikel, der an und für sich nichts taugt, wird nicht dadurch gut
und verkaufsfähig, daß er in großen Massen hergestellt oder angekauft
wird. Man kann den Verbrauch steigern durch Reklame und andere
Hilfsmittel, gewiß; aber die natürlichste Verbrauchssteigerung liegt
in der regen Nachfrage eines im Gebrauch gut befundenen Artikels.
Darüber entscheidet aber nicht der Modelleur, der Zeichner oder der
Werkmeister oder der Reisende einer Fabrik, der Grossisten besucht,
darüber entscheidet die kleine Kundschaft. Der Reisende ist nicht nur
der +Vertrauensmann+ des Prinzipals, sondern auch der Vertrauensmann
der +Kundschaft+. Was liegt also näher, als daß seinen Erfahrungen ein
großer, wenn nicht der ausschlaggebende Einfluß auf den Einkauf und die
Herstellung eingeräumt wird.

Doch wir wollen wieder zu den Unzuträglichkeiten zurückkommen, die ja
leider nicht nur entstehen, wenn der Reisende nichts verkauft, sondern
auch dann, wenn er recht gute Geschäfte macht. Ich habe einmal aus
solchen Unzuträglichkeiten heraus eine Stellung aufgegeben, die sehr
gut war. Ich denke an die undeutlichen Kommissionen und den vielen
Aerger, den sie verursachen. Es gibt Reisende -- ich gehörte lange zu
ihnen -- die legen nicht nur den Hauptwert, sondern überhaupt den Wert
auf den Verkauf. Das ist falsch!


Kommissionen.

Auf die Kommission ist ebensoviel Sorgfalt und Wert zu legen, besonders
auf +deutliche Kommissionen+. Ich war mein Lebtag kein Künstler im
Schönschreiben. Die Reisetätigkeit gibt auch wenig Gelegenheit,
sich zu einem solchen heranzubilden. So schrieb ich denn auch meine
Kommissionen immer so, daß ich sie lesen konnte. Hin und wieder
bekam ich eine Kommission zurück, um einen Kommentar dazu zu geben.
Daheim konnte man meine „umfangreichen“ Bestellungen nicht entziffern!
Unbegreiflich! Die Stubenhocker hatten doch Zeit genug, um auch einmal
raten zu können! Wirklich? Wohl doch nicht! In unserer Zeit hat man
überall Eile, und der Expedient ist nicht zum Rätselraten angestellt.
Kommt nun eine Kommission vom Haus zurück, so mag es immer noch gehen.
Schlimmer ist es, wenn eine Kommission infolge ihrer Unleserlichkeit
falsch ausgeführt wird. Dann kommen die Mängelanzeigen der Kundschaft!
Wer ist der Schuldige? Das Haus, natürlich das Haus, doch nicht der
brave Reisende!? Das Haus will aber der Schuldige nicht sein, so gibt
es wieder eine Auseinandersetzung, die in meinem Falle damit endete,
daß ich schrieb: Wir verstehen uns nicht mehr, ich gehe! Und doch
verstanden wir uns ganz gut, das Karnickel waren die undeutlichen
Kommissionen. Auch auf ihre +innere sachliche Ausgestaltung+ ist
größter Wert zu legen. Jede Kommission muß mit einer fortlaufenden
Nummer versehen sein, von jeder Kommission muß der Reisende eine Kopie
haben, jede Kommission muß das Datum der Aufgabe tragen. Alle Vermerke,
die auf ihre Erledigung Bezug haben, als da sind: Zahlungsziel,
Lieferungstermin, Beförderungsweg, Bahn-, Wagen- oder Wasserfracht,
Eilgut, Stückgut, Sammelladung, alles muß aus der Kommission zu ersehen
sein. Handelt es sich um Vermerke außergewöhnlicher Natur, wie z. B. um
+Sonderwünsche der Kundschaft+, so sind die selbstverständlich auch in
der Kommission zu vermerken, trotzdem aber auch im +Reisebericht+. Es
gibt Firmen, die einen täglichen Bericht vorschreiben, es gibt andere,
die es bei zwei-, dreitägigen oder wöchentlichen Berichten bewenden
lassen. Ich empfehle, immer täglich die Berichte zu machen und nur
bei besonderen Umständen sie ausfallen zu lassen. Tägliche Berichte
sind -- auch wenn sie nicht verlangt werden -- die Arbeitsteilung des
Reisenden, die erst die ordentliche Sorgfalt erlaubt. Es ist eine alte
Erfahrung, daß eine Stunde schriftlicher Arbeit leichter vorüberzieht,
als deren drei. Hier kommt hinzu, daß ja die Reiseberichte Leben
haben sollen. Sie sollen mehr sagen, als daß dieser und jener Kunde
besucht wurde, daß der eine kaufte und daß dort eine „Pleite“ war. Wenn
man aber von den Berichten wünscht, daß sie das geschäftliche Leben
widerspiegeln sollen, dann müssen sie geschrieben werden, wenn der
Eindruck noch frisch ist.


Reiseberichte.

+Was soll der Reisebericht enthalten.+ So nebensächlich es klingen mag:
In erster Linie die fortlaufende Nummer und den Tag der Absendung.
Der Bericht wird sodann bestätigen, was der Reisende erhalten hat:
Muster, Geld, Briefe, Preisverzeichnisse, besondere Anweisungen usf.
Dann wird er die beigelegten Kommissionen besprechen, der besonderen
Wünsche Erwähnung tun und die Kreditwürdigkeit der einzelnen noch
nicht bekannten Kunden erwähnen. Dabei sei hervorgehoben, daß es eine
unbedingte Pflicht des Reisenden ist, sich über die Kreditwürdigkeit
seiner Abnehmer zu unterrichten. Wir haben heute überall unsere
großen Auskunfteien und vor allen Dingen den Verein Kreditreform.
Diese Auskünfte sind die zuverlässigsten. In zweiter Linie kommen die
Auskünfte von Geschäftsfreunden, in dritter Linie die von Gastwirten
oder sonstigen Vertrauenspersonen. Unter keinen Umständen sollten
die Hausdiener und die Oberkellner als Auskunftspersonen in Betracht
kommen. Es kann, darauf sei aufmerksam gemacht, eine Auskunft, auch
wenn sie von der Auskunftei bezogen wurde, unrichtig sein. Ist sie zu
gut, dann ist der Reisende gedeckt, obwohl es natürlich seine Pflicht
ist, auch dann unwahrscheinliche Auskünfte auf ihre Richtigkeit zu
prüfen. Mehrfach wird es vorkommen, daß Auskünfte zu ungunsten des
Käufers unrichtig sind. Die Auskunfteien +als solche+ sind unbedingt
verläßlich, ihre Mittelsmänner und deren Rückenmänner nicht immer.
Persönliche Abneigung, ein einziges falsch angewandtes Wort können
einer Auskunft einen ganz anderen Charakter geben. Ich habe in solchen
Fällen immer einen offenen Weg eingeschlagen. Ich bin stets zu meinem
Kunden gegangen und habe ihm gesagt, daß mich die Auskunft über ihn
nicht befriedige, daß ich deshalb offen zu ihm käme, um mit ihm
darüber zu sprechen, weil ich mir gesagt hätte, daß ein Ausbleiben
der Ware ihn verletzen würde. Ich erinnere mich nicht, auch nur in
einem Falle auf mangelndes Verständnis meiner Handlungsweise gestoßen
zu sein. Die Kundschaft war vielfach sofort bemüht, mir den Nachweis
der Kreditwürdigkeit aus der Inventur oder sonst aus den Büchern zu
erbringen. Damit habe ich es nicht genug sein lassen! Ich bin auch
zur Auskunftei gegangen und habe manchesmal die Freude gehabt, eine
unverdient schlechte Auskunft beseitigen zu können. Vom Bericht
wie von der Kommission sollte der Reisende eine Kopie nehmen. Das
Durchschreibeverfahren möchte ich für die Berichte nicht empfehlen.
Bleischrift wird nie so deutlich sein wie Tintenschrift. Wo wir
heute so vorzügliche Füllfederhalter haben, die z. T. gestatten, mit
der gewohnten Feder zu schreiben, kann man bequem die notwendige
Kopiertinte mit sich führen. Die Firma F. Soennecken bringt
Reisekopierpressen auf den Markt, die keine besondere Erschwerung
des Reisegepäcks darstellen, die es aber ermöglichen, einwandfreie
Kopien als Beweisstücke in den Händen der Reisenden zu belassen. (Die
Kopierpressen sind im Kapitel „Ausrüstung“ näher besprochen.) Im
Bericht soll dann auch stets etwaige Reisekasse erbeten werden und
immer soll der Schluß lauten, daß Briefe da oder dort hin zu richten
sind.

Der Bericht selbst muß klar und unzweideutig sein. Er ist sehr
wichtig, so wichtig, daß man seine Beförderung nicht dem „Friedrich“
anvertrauen, sondern sie immer selbst übernehmen soll. Das gilt
besonders für den Fall, daß der Reisende Gelegenheit findet, sein
Haus auf eine voraussichtlich gute Zukunft eines Kunden aufmerksam
zu machen, oder wenn der Reisende den baldigen Zusammenbruch eines
bisherigen Kunden zu berichten hat.

Auch über Kunden, die nicht gekauft haben, sollte sich stets ein
Bericht finden. Der Reisende sollte sich nie auf sein Gedächtnis
verlassen. Vielmehr sei ihm empfohlen, sich ein Kundenregister +auf
Karten+ anzulegen und dieses Register immer in der Reisepause nach
seinen Berichten zu vervollständigen. In dieses +Kartenregister+ werden
die üblichen Verkaufsbedingungen eingetragen, ein Geheimvermerk über
die Kreditwürdigkeit, die Daten der letzten Besuche, ihr Erfolg (dann
auch der Betrag und die hauptsächlichen Artikel andeutungsweise). Wo
beim Besuch Preislisten oder Muster verlangt wurden, die der Reisende
abgab oder erst schicken lassen mußte, wird auch das notiert. Die
Buchauszüge geben über solche Dinge keine Auskunft und doch stellen
sie bei wiederholten Besuchen wichtige Anknüpfungspunkte dar.


Aufmunterung.

Nun noch einen Wink für Prinzipale. Nicht für alle! Wir haben aber
Prinzipale, die es lieben, auf ihre Art den Reisenden aufzumuntern.
Es gibt Prinzipale, die nie zufrieden mit der Tätigkeit des Reisenden
sind. Ein Mahnbrief jagt den andern. Und wenn der Reisende heimkommt,
wird er womöglich von anderen Angestellten zu seinen guten Erfolgen
beglückwünscht. Für den Reisenden sind dann später Mahnbriefe kein
Gradmesser des Wohlwollens und der Zufriedenheit des Prinzipals,
sondern Makulatur. Ganz abgesehen davon, daß sie noch mehr verderben
können als „Anranzer“ bei wirklichen Mißerfolgen, sind sie mindestens
vollständig wertlos.

Ich möchte da ein anderes Reizmittel in Vorschlag bringen, das nichts
Verletzendes in sich hat, das nie den Prinzipal in den Ruf eines
Schikaneurs bringen kann. Das Reizmittel nennt man Statistik. Sie
findet sich heute in jedem gut geleiteten Geschäft und läßt sich leicht
für Reisezwecke dienstbar machen. Sie ist anzuwenden bei einem einzigen
Reisenden und bei einem Stab von Reisenden, bei letzterem mit größerer
Aussicht auf Erfolg.

Hat man nur einen Reisenden, stellt man ihm allmonatlich das Ergebnis
seiner oder seines Vorgängers Tätigkeit aus dem Bericht des gleichen,
kommenden Monats des Vorjahres zu, d. h. den erzielten Umsatz. Der
Reisende wird dann sicher bestrebt sein, seinen Umsatz zu erhöhen. Er
hat einen Maßstab für das, was er leisten kann und für das, was er
leisten muß, um nicht beschämt dazustehen. Sind mehrere Reisende in
einem Betrieb, so kann man auch denen die Statistik des Vorjahres
zugängig machen, hier bewährt sich aber noch besser die vergleichende
Statistik. Allmonatlich wird zusammengestellt, was die einzelnen
Reisenden umsetzten. Allmonatlich auch, was vielleicht eingebüßt wurde.
Schon das hat eine erzieherische Wirkung. Gewiß will der Vorderste der
Beste bleiben, gewiß will der Gute der Beste und der Mindergute doch
der Gute werden.

Noch besser wird der Erfolg sein, wenn man Reisende, die sich wirklich
auszeichneten, durch kleine Aufmerksamkeiten erfreut und wenn man
Gehaltserhöhungen, die durch den verbesserten Umsatz erzielt wurden,
nicht auf sich warten oder gar sich abnötigen läßt. Der Rechtsanspruch
auf eine Gewinnbeteiligung wird die Arbeitsfreude und das
Verantwortungsgefühl besonders steigern und die Erfolge des Reisenden
fördern helfen.

Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Der Reisende ist die Seele des
Geschäftes. Er muß nicht nur Arbeitsfreude haben, sondern sie sich
auch erhalten. Mißstimmung darf es zwischen einem Reisenden und seinem
Haus nicht geben. Hat sie trotzdem Platz gegriffen, dann schnell
eine persönliche Aussprache, keine langatmigen Briefe, die oft mehr
verderben, als sie gut machen.




Die Ausrüstung.


Wir haben uns mit dem Recht des Reisenden vertraut gemacht, haben
die gesetzlichen Verpflichtungen betrachtet und das Verhältnis des
Reisenden zu seinem Hause erörtert. Nun die Koffer gepackt und hinaus
in das strudelnde Leben, hinein in die Arbeit, hin zum Erfolg! Auf
Wochen, oft auf Monate verläßt der Reisende die Heimat, um in allen
möglichen Städten und Ländern Geschäfte zu machen. Je weniger er
draußen die Annehmlichkeiten entbehrt, die ihm zuhause sein Heim oder
auch seine wohnliche Junggesellenbude bieten, um so leichteren Herzens
wird der Reisende seiner Tätigkeit nachgehen können. Ich las einmal in
einem nett geschriebenen Buch eines Globetrotters: „Viel Gepäck, viel
Last, wenig Gepäck, viel Erleichterung“.

So ganz ohne weiteres kann der Satz für den Geschäftsreisenden nicht
Geltung haben. Was für einen Weltenbummler zutreffen mag, trifft nicht
auf ihn zu. Mag dort viel Gepäck eine Last sein -- unangenehm ist es
auch für den Geschäftsreisenden, unangenehmer ist es aber, wenn infolge
der Gepäckersparnis auf der Reise vermißt wird, was uns daheim eine
liebe Gewohnheit war oder zu unserer Bequemlichkeit sehr viel beitrug.
Der Reisende soll deshalb immer das +notwendige+ Gepäck mitnehmen.
Verursachen kleine Gegenstände, die man nicht entbehren mag, wirklich
ein um einige Kilo größeres Gewicht, so ist das zu ertragen. Wir haben
heute in den Eisenbahnwagen breite Gepäcknetze, die Gepäckfracht macht
nicht die stärkste Belastung aus, und wir haben eine Kofferindustrie,
die sich die vielen Erfahrungen unseres Reiselebens zunutze gemacht hat
und leichte, dabei doch dauerhafte Koffer auf den Markt bringt.


Der Wäschekoffer

(er dient, wie wir gleich sehen werden, durchaus nicht nur der
Wäscheaufbewahrung) muß leicht, dauerhaft, handlich, bequem und sofort
erkenntlich sein. Wenn man es irgend haben kann, so soll er nicht
größer sein, als für die Mitnahme im Eisenbahnabteil zulässig. Immer
geht das nicht an! Wer mehrere Anzüge und andere Bekleidungsstücke
doppelt mitnehmen will oder muß, der kommt mit einem sogenannten
Coupékoffer nicht aus. Wer aber nur wochenlang -- es können auch
wenige Monate sein -- reisen muß, der kann sich sehr wohl dieses
handlichen Koffers bedienen. Er ist dann nicht immer auf fremde Hilfe
angewiesen, sondern kann sich so, wie er will, fortbewegen. Die
Wäschekoffer können Rohrplattenkoffer sein, auch Ledertaschen werden
vielfach ausreichen. Die Rohrplattenkoffer sind besonders leicht und
äußerst dauerhaft. Einen ganz vorzüglichen Koffer kauft man bei einer
bekannten Firma in Leipzig. Die Rohrplatten, die zu den Koffern dieser
Firma verwendet werden, unterscheiden sich wesentlich von anderen
Erzeugnissen. Meistens wird die Rohrplatte mit Leim auf Segeltuch
und Leder geklebt. Es liegt auf der Hand, daß die Dauerhaftigkeit
durch die eintretende Spröde des Leims ungünstig beeinflußt wird.
Die Rohrplatten der Leipziger Firma sind jedoch derart, daß die
Rohrstäbe, ohne jeden Zusatz von Leim, dicht und fest in bestes
Flachssegeltuch eingewebt werden. Dadurch erhalten die Platten eine
sehr starke Widerstandsfähigkeit und Dauerhaftigkeit. Die Koffer
sind dabei -- was ein großer Vorzug ist -- sehr leicht, sie werden
für die verschiedensten Ansprüche hergestellt und die seitherigen
Erfahrungen haben weitgehende Berücksichtigung gefunden. Ganz verwöhnte
Reisende finden im „Kommodenkoffer“ alles, was sie nur immer von einem
Koffer verlangen können. Wer weniger große Ansprüche stellt, wird den
sogenannten 25 Kilo-Koffer, der nur 10,3 kg wiegt, wählen, wer sich
noch mehr bescheiden kann, greift zum Coupékoffer, der aus Rohrplatte
in ausreichender Größe 45 Mk., aus festgewalzter Faserstoffplatte, mit
Segeltuch bezogen, ebenfalls in ausreichender Größe, nur 25 Mk. kostet.
Der Koffer soll aber auch leicht erkenntlich sein, damit er sowohl
bei der Gepäckabfertigung als auch in gut besuchten Hotels leicht
herausgefunden werden kann. Es empfiehlt sich, ihn mit einigen farbigen
Streifen um deswillen versehen zu lassen.

Was soll nun der Koffer enthalten? Unbedingt einen Reserveanzug! Dabei
sei gleich auf einiges hingewiesen. Der Reisende muß Wert darauf legen,
daß sein Anzug nicht schmutzt, nicht „speckig“ wird und immer ein
feines Aussehen hat. Helle Anzüge scheiden deshalb ohne weiteres aus.
Schwarze Anzüge wird der Reisende, der praktisch denkt, auch nicht
tragen, blaue auch nicht, es sei denn, daß er nichts dabei findet, wenn
der Anzug öfters gereinigt werden muß. Am besten lohnt sich ein dunkles
Grau, das einfarbig und auch meliert sein kann. Als Stoffart kommt in
der Hauptsache Cheviot in Betracht. Als praktische Form ist der Sakko
zu empfehlen. Aeltere Herren können zum Rock greifen! Im allgemeinen
ist der Rock weniger praktisch, weil versessene Rockschöße immer
einen unordentlichen Eindruck machen. Der Anzug muß öfters gebügelt
werden, ist er fleckig, so muß er gereinigt werden, „speckige“ Anzüge
sollten ein Gräuel für jeden Reisenden sein. Er merke sich immer, daß
er draußen das „Haus“ ist, nach ihm und seinem Auftreten wird sein
Haus beurteilt. Zur Reiseausrüstung gehört ferner ein Ueberzieher.
Der Reisende sollte niemals in einem Wetterkragen zur Kundschaft
gehen, er macht immer darin einen saloppen Eindruck. Der Spazierstock
gehört dem Spaziergänger, der Begleiter des Reisenden -- der mit allen
Möglichkeiten rechnen muß und nicht nur zur Kundschaft gehen kann, wenn
die Sonne lacht -- ist der Regenschirm. Die neuerdings stark in den
Verkehr gekommenen Stockschirme sind praktisch, handlich und elegant.
Die Stiefel des Reisenden sollen dem Reisebedürfnis angepaßt sein. Ein
Paar schwarze und ein Paar braune Stiefel erlauben den Wechsel und
genügen allen Ansprüchen. Will der Reisende nicht die Schererei mit
dem Hausdiener haben, kann er Lackleder bevorzugen. Als Kopfbekleidung
wählt der praktische Reisende einen weichen Filzhut von nicht zu heller
Farbe. Steife Hüte sind zwar eleganter, aber weniger praktisch.


Vom äußeren Menschen.

Die Leibwäsche wird sich ganz dem Geschmack des Reisenden anpassen.
Der eine wird Oberhemden tragen, der andere kommt mit Vorhemden aus.
Trägt man eine hoch geschlossene Weste, wird man immer farbige Wäsche
tragen können, die natürlich nicht in grellen Farben strahlen darf.
Sie schmutzt nicht so wie die weiße Wäsche und kann deshalb länger
getragen werden, eine schlechte Plätterin kann auch nicht so viel an
ihr verderben, wie an der weißen Wäsche. Die Wäscheindustrie bringt
heute abwaschbare Leinenwäsche auf den Markt. Ich habe sie noch nicht
probiert; hat sie die Vorzüge, die man ihr nachrühmt, so ist sie für
den Reisenden wie geschaffen. Am besten trägt der Reisende wollene oder
Macco-Unterkleider. Man rümpft zwar im internationalen Verkehr die Nase
über den Jägerhemden tragenden Reisenden, das schadet aber nichts.
Jedenfalls bewahrt sie den Reisenden, der den schärfsten Wechseln der
Witterung ausgesetzt ist, vor vielen Erkältungskrankheiten, denen er
sich aussetzt, wenn er durchaus, um der Unterkleidung willen, nicht als
Deutscher gelten will.

Das alles muß der Wäschekoffer aufnehmen, und doch ist es noch nicht
genug. Wir kommen zu den Kleinigkeiten, die nicht entbehrt werden
können. Erst einmal zur Körperpflege! Der Reisende ist durch die
Hotelkost -- besonders bei der Table d’hôte -- gezwungen, seinen Zähnen
mehr zuzumuten, als sonst ein Sterblicher. Zahnkrankheiten stellen
sich deshalb beim Reisenden recht oft ein, besonders dann, wenn er den
Zähnen nicht die notwendige Pflege angedeihen läßt. Die Zähne werden
faulig, der üble Mundgeruch stellt sich ein, der einem mit dem besten
Menschen verfeinden kann; und ein fauler Zahn holt sich den anderen.
Mundwasser, Zahnpulver und Zahncreme gehören deshalb, natürlich auch
die Zahnbürste, unbedingt zur Ausrüstung. Genau so, wie der Reisende
regelmäßig sich die Zähne nachsehen und faulige plombieren lassen muß.

Zu den Utensilien der Körperpflege gehört dann das Rasierzeug!
Es wohnen Barbiere überall, meint der Leser, und deshalb sei das
Rasierzeug überflüssig! Zum Barbier zu laufen gehört Zeit und
Gelegenheit! Nebenbei bemerkt kostet es auch ein ganz hübsches
Sümmchen, wenn man täglich die Hilfe des Verschönerungsrates in
Anspruch nehmen muß. Rasiert man sich selbst, so kann man das jeden
Morgen vornehmen, es kostet kein Geld und nicht so viel Zeit, wie
das Rasieren beim Barbier. Genug, wenn man den Barbier aufsuchen muß
zum Haarschneiden oder Bartscheren. Und darauf sollte der Reisende
sehr wohl achten -- auch das gehört zur Körperpflege. Das Haar nicht
zu kurz, wenn es „gut“ aussehen soll; legt man nur Wert auf das
Praktische, dann ruhig den 3 mm-Schnitt anwenden lassen! Haar und Bart
müssen gepflegt werden, sie können viel zum vorteilhaften Aeußeren
beitragen. In den Wäschekoffer gehört auch ein Schlafsack! Wenn wir
den Reisenden in sein Gasthaus begleiten, werden wir auf manche Mängel
unseres Hotelwesens aufmerksam werden, besonders soweit die Bettwäsche
in Betracht kommt. Die Taschenapotheke gehört zur Ausrüstung; wer
mit einem wiederkehrenden Leiden behaftet ist, tut gut, sich mit
schnell wirkenden Gegenmitteln zu versehen. Zur Ausrüstung gehört aber
besonders eine gut gehende, dauerhafte Taschenuhr. Ein Reisender, der
keine richtiggehende Taschenuhr hat, ist ein armer Kerl! Er muß die
Zeit voll ausnutzen und oft mit Minuten rechnen. Hat er eine gutgehende
Taschenuhr, so ist er wohl versorgt, hat er sie nicht -- dann kann
er sich, wenn er das Nachschauen hinter einem abgegangenen Zuge hat,
überlegen, wo er sie kauft.

Kommen wir zu dem, was der Wäschekoffer an


„Handwerkszeug“

enthalten muß. Hierher gehören: Reservekommissionsbuch, Kursbuch,
Schreibmappe und Kundenregister. Hierher gehört auch die Kopierpresse,
von der wir im Abschnitt: „Der Reisende und sein Haus“ sprachen.
Vorhin erwähnte ich, daß sich auch der Reisende eine Kartei anlegen
möchte. Er hat es dann in der Hand, entweder die Karten, die er für
seine Tour braucht, mitzunehmen, oder sich die wichtigen Notizen in
sein Kundenregister zu übertragen. Die Schreibmappe muß hinreichend
Briefbogen und Umschläge enthalten, auch Postanweisungsformulare
sollten nicht fehlen. Wer große Umschläge braucht, nehme sich diese
besonders mit. In den Gasthäusern sollte man sie eigentlich in jedem
Schreibzimmer finden. Nur findet man sie nicht -- wenn man sie braucht.
Niemals nehme man Briefumschläge mit der Firma des Hauses! Wozu den
Konkurrenten zeigen, wer man ist und für wen man kommt? Eine gute
Reisekopierpresse liefert F. Soennecken in Bonn. Besonders geeignet
ist die Presse Nr. 19. Sie nimmt nur ganz wenig Raum weg, wiegt ohne
Buch nur 2 kg und kostet einschließlich des notwendigen Materials und
eines Buches nur 13 Mk. Wer nicht so viel zu kopieren hat, kommt auch
mit Soenneckens Reisekopierrolle, die nur 3.50 Mk. mit dem notwendigen
Material kostet, bereits aus. Diese Rolle wiegt nicht ganz ½ kg.

Was sonst noch zur Ausrüstung gehört? Eine Reisedecke, wer
nicht ohne sie auskommen kann. Für Reisende, die meine Winke im
übernächsten Abschnitt beachten, die Postausweiskarte, für alle die
Legitimationskarte, für ehemalige Soldaten des Beurlaubtenstandes
der Militärpaß. Ein steter Begleiter des Reisenden sollte auch ein
Verzeichnis der Messen und Märkte sein. Es findet sich in den Kalendern
in Buchform. Es spart dem Reisenden manche unnütze Fahrt.

Ehe der Reisende auf die Tour geht, soll er daran denken, daß er
mancherlei Gefahren ausgesetzt ist. Die Bahn haftet zwar für Schaden
und auch der Gastwirt, wenn er ihn verschuldete; es können aber
gerade den Reisenden Unfälle betreffen, für die ihm niemand haftet.
Er sollte deshalb gegen Unfall versichert sein, mindestens aber
eine Reiseunfallversicherung abschließen, die er zu sehr billigen
Prämien haben kann. Der Reisende des Beurlaubtenstandes oder der
Ersatzreservist wird sich als „auf Reisen“ befindlich abmelden.
Er hat dann nur jeweils zum 15. April und zum 15. November seinem
Bezirkskommando anzuzeigen, wo er sich befindet und wohin Befehle ihm
zugeschickt werden sollen.

Gehen wir nun an das Packen des Musterkoffers.


Der Musterkoffer

muß wie der Wäschekoffer leicht, handlich, bequem, dauerhaft,
leicht erkenntlich und leicht zu öffnen sein. Wer einen guten
Koffer haben will, bitte die Firma Moritz Mädler um kostenfreie
Uebersendung ihres Katalogs. Beim Kauf eines Musterkoffers ist man
noch mehr als beim Wäschekoffer darauf angewiesen, dort zu kaufen,
wo die Erfahrungen immer ausgenutzt wurden. Moritz Mädler hat zwei
große Gruppen Musterkoffer. Die besseren „Monopol-Koffer“ und die
„Continent-Koffer“. Die Monopol-Koffer sind nur wenig teurer, aber
entschieden dauerhafter. Das aber ist bei Musterkoffern, die man nicht
immer wie den Wäschekoffer unter den Augen hat, besonders zu beachten.
Wie schonungslos wird oft mit diesen Koffern umgegangen, ganz besonders
auf kleinen Stationen, wo der Zugaufenthalt gering ist! Je schwerer
der Koffer, je schonungsloser die Behandlung. Die Monopol-Koffer
werden aus astfreiem kanadischen Pappelholz hergestellt. Das Holz
ist für Kofferzwecke an und für sich besonders geeignet und es wird
außerdem jahrelang ausgetrocknet. Es ist leicht und zäh, deshalb sehr
widerstandsfähig und doch nicht frachtverteuernd. Die Continent-Koffer
sind ebenfalls aus gut getrocknetem zähen Holz gearbeitet, sie
erreichen aber an Dauerhaftigkeit doch noch nicht die Monopol-Koffer.
Die verschiedensten Wünsche werden bei der Anfertigung berücksichtigt.
Die vielfache Auswahl, die verschiedenen Arten der Koffer erlauben aber
größtenteils, von der besonderen Anfertigung abzusehen. Die Firma hat
Koffer mit feststehender und aufzuklappender Vorderwand, mit geradem
oder mit einem Faßdeckel, mit Einsätzen und ohne sie auf Lager. Für
einzelne Branchen sind besondere Koffer hergestellt. So für Stöcke,
Wollwaren, leichte Konfektion, Hüte usw. Für die Konfektion wird ein
Hängekoffer auf den Markt gebracht, der trotz seiner vielen Vorzüge
als Monopol-Koffer schon für 85 Mk., als Continent-Koffer für 70 Mk.
zu haben ist. Als besondere -- geschützte -- Neuheit bringt Mädler die
verstellbare Riemenbefestigung. Bisher war man beim Festschnallen der
Koffereinlage immer an die angenieteten Riemen gebunden. War der Koffer
nicht bis zum Niet gefüllt, konnte die ganze Einrichtung nichts nützen.
Die neue Einrichtung gestattet das Festschnallen in verschiedensten
Höhen, sie gestattet auch das Trennen der Einlage durch mehrfaches
Festschnallen.

Als Handmusterkoffer verdienen diejenigen mit Deckelklappe den
Vorzug vor anderen. Sie sind ebenfalls aus kanadischem Pappelholz
hergestellt; die eine Breitfläche ist vollständig zu öffnen, die Klappe
selbst ist gut und doch handlich verschlossen. Letzteres ist für den
Reisekoffer ein Haupterfordernis. Nur keine Koffer mit langweiliger
Riemenverschnürung anschaffen!

Die Muster selbst, die der Koffer birgt, müssen gut zusammengestellt
sein und immer sauber gehalten werden. Der aufgeklappte Koffer muß
allein reizen, in den Herrlichkeiten, die er birgt, herumzustöbern!
Soll er das, darf nicht der innere Bezug heruntergerissen sein, dürfen
Stoffmuster keine Ecken haben, darf ihnen nicht die Kappe fehlen,
müssen Zigarrenmuster immer den „Spiegel“ zeigen, und wo Glas als
Behälter in Frage kommt, darf es nicht nach der Bertillonschen Methode
die Fingerabdrücke des Reisenden zeigen, ebenso wie es keinen guten
Eindruck machen wird, wenn Flüssigkeitsbehälter nur halb gefüllt sind.
Ausgefranste Muster sehen gräßlich aus, schmierige Schachteln, Kästen
und Büchsen erregen durchaus kein Wohlgefallen.

Die Muster selbst bedürfen vorteilhafter Verteilung im Koffer. Der
Reisende sollte sich deshalb mehrfach üben, seinen Koffer zu packen. Es
kann ihm sonst passieren, daß er den Inhalt seines gefüllten Koffers
nicht wieder unterbringt, wenn es mit dem Einpacken schnell gehen muß.
Auch lernt der Reisende durch das Probepacken die Muster kennen, die
er mit sich führt, und nicht erst dann, wenn er schon einige Dutzend
Kunden durchgeklappert hat. Er findet bei gleichmäßiger Anordnung
auch immer sofort, was er braucht. Und das ist sehr gut! Es wird ihm
vielfach vorkommen, daß er das Interesse eines Kunden erregen kann,
wenn er im Augenblick einen bestimmten Artikel vorzuzeigen vermag. Dann
darf er nicht erst lange suchen müssen.

Und nun, nachdem die Koffer gepackt sind, der Abschied von den Lieben
genommen ist, auf die Bahn.




Der Reisende und die Eisenbahn.


Die Personenbeförderung.

Einen großen Teil seines Lebens verbringt der Reisende auf der
Eisenbahn! Von Ort zu Ort, von Land zu Land führt sie ihn! Kein Wunder,
daß zwischen Reisenden und Eisenbahn sich ein freundschaftliches
Verhältnis herausbildet, daß sich beide vorkommen wie alte, gute
Bekannte. Allerdings bringt dieser gute Bekannte oft und recht viel
Aerger, besonders dann, wenn man die Bestimmungen des Eisenbahnverkehrs
nicht kennt und dann die Bahn verantwortlich macht für die Dinge, die
man selbst sehr gut hätte verhüten können. Der Reiseonkel oder der
Handlungsgehilfe, der es werden will, tut gut, diesen Abschnitt nicht
zu übergehen. Es wird ihm helfen, mancher Unannehmlichkeit aus dem Weg
zu gehen, es wird ihn manche Ersparnis machen lassen.

Im Verhalten zu den +Bahnbeamten+ muß man immer berücksichtigen, daß
diese Angestellten einen schweren und verantwortungsvollen Dienst
haben. Man erspare ihnen kleine Scherereien und behellige sie nicht
unnötigerweise. Was man verlangen kann, verlange man höflich und
bestimmt, was man darüber hinaus gern möchte -- kleine Gefälligkeiten
-- erreicht man am besten durch ein Trinkgeld, eine Zigarre oder
besondere Höflichkeit.


Fahrpreise und Fahrkarten.

Die +Fahrpreise+ sind jetzt im Reich fast einheitlich festgelegt. Nur
einige Ausnahmen bestehen noch. Allgemein beträgt der Fahrpreis für
die 4. Klasse 2 Pf. (in Baden und Bayern rechts des Rheins gültig für
3. Klasse Personenzug), 3. Klasse 3 Pf., 2. Klasse 4,5 Pf. und 1.
Klasse 7 Pf. für den Kilometer. Diese Fahrpreise erfordern noch die
Fahrkartensteuer, die für die 3. Klasse 5 Pf. bis 2 Mk., für die 2.
Klasse 10 Pf. bis 4 Mk., für die 1. Klasse 20 Pf. bis 8 Mk. beträgt.
Die vierte Klasse ist steuerfrei. Die Fahrkarten berechtigen zur Fahrt
auf Personenzügen und zuschlagfreien Eilzügen. Für Schnellzüge und
D.-Züge ist ein Zuschlag zu zahlen, der 25 Pf. für die 3., 50 Pf. für
die 2. und 1. Klasse beträgt in der 1. Zone (1-75 km), 50 Pf. für die
3., 1 Mk. für die 2. und 1. Klasse in der 2. Zone (75-150 km) und 1
Mk. in der 3., 2 Mk. in der 2. und 1. Klasse für die 3. Zone (über 150
km). Die Platzkarte in D.-Zügen kostet nichts mehr. Die +Rückfahrkarte+
gibt es allgemein nicht mehr. Im Verkehr mit bestimmten Plätzen ist
sie noch bestehen geblieben, sie gewährt aber innerhalb des Reiches
keine Fahrpreisermäßigung, kommt auch für den Reisenden allgemein nicht
in Frage. Die +Rundreisehefte+ bestehen fort. Sie sind im Preis etwas
billiger, als wenn man immer auf einfache Fahrkarten Schnellzug fährt,
weil dann jeweils der Zuschlag und die Steuer die Fahrt verteuert.
Rundreisehefte berechtigen zur Benutzung aller Züge mit Ausnahme
der Luxuszüge, ohne daß ein Zuschlag gezahlt zu werden braucht. Die
Steuer wird nur einmal und zwar vom Gesamtbetrage erhoben. Auf die
Gepäckbeförderung ist das Rundreiseheft ohne Einfluß, nachdem das
Freigepäck auf gewöhnliche Fahrkarten weggefallen ist.


Die Geltungsdauer

der einfachen Fahrkarten beträgt vier Tage, die Geltungsdauer des
zusammengestellten Rundreiseheftes beträgt mindestens 45 Tage,
sie erhöht sich, wenn eine bestimmte Anzahl Kilometer durchfahren
wird. Innerhalb der Geltungsdauer der Fahrkarten ist eine einmalige
+Unterbrechung+ an einem beliebigen Tage der Geltungsdauer gestattet,
bei Rückfahrkarten je einmal auf der Hin- und Rückfahrt, bei
Rundreiseheften an jeder Station, die befahren wird.


Zwischenfälle.

Die Fahrkarte wird +zurückgenommen+, wenn der Zug besetzt ist und der
Reisende auch in einer höheren Klasse nicht befördert werden kann oder
nicht in einer niederen gegen Rückerstattung des Preisunterschiedes
befördert werden will. Die Bahnsteigsperre wird vom Betrag gekürzt;
auf durchlochter Karte ist ihre Nichtbenutzung zu bescheinigen.
Oft kommt es vor, daß der Reisende erst im letzten Augenblick den
Bahnhof erreicht. Er kann dann +ohne Fahrkarte+ befördert werden, er
zahlt, wenn er dem Schaffner sofort unaufgefordert meldet, daß er
keine Karte hat, den Fahrpreis und einen Zuschlag von 1 Mk. Hat der
Reisende eine Karte, die abgelaufen ist und konnte er eine neue für die
Weiterbeförderung nicht lösen, so hat er unter gleichen Voraussetzungen
nur den Fahrpreis nachzuzahlen. Züge, die erfahrungsgemäß stark
besetzt sind, suche man früh auf, um sich einen guten +Platz zu
belegen+. Handelt es sich um einen D.-Zug, bekommt man gegen Vorzeigung
der Fahrkarte vor Abfahrt des Zuges kostenfrei eine Platzkarte
ausgehändigt. Bei einem Uebergang in eine höhere Wagenklasse (manche
Schnellzüge führen nur 1. und 2. Klasse, im Kursbuch kenntlich gemacht)
ist ein entsprechender Zuschlag zu zahlen. Hat man eine Fahrkarte
gekauft und schon zum Teil benutzt und sieht man sich veranlaßt, einen
anderen Reiseweg zu benutzen, so kann die +Fahrkarte umgeschrieben+
werden, wenn sie dann über eine kürzere Strecke lautet. Das gleiche
gilt von Fahrscheinheften. Die +Schlafwagen+-Benutzung kostet besondere
Gebühr, die Wagen können nur von Inhabern 1. und 2. Klasse-Fahrkarten
benutzt werden. Bei Zugverspätungen kann der Reisende, wenn er
Anschlußfahrkarte hatte und den +Anschlußzug versäumte+, zur
Ausgangsstation mit dem nächsten Zuge zurückkehren, er erhält dann die
Kosten der Hin- und Rückreise zurückerstattet. Die Verspätung und die
Zugversäumnis muß bescheinigt werden. Will der Reisende jedoch die
Fahrt fortsetzen, so kann er ohne Zuschlag einen anderen Reiseweg oder
einen Zug mit höherer Klasse benutzen, wenn dadurch die Ankunft am Ziel
beschleunigt wird. Die Fahrkarten müssen für den Hilfsweg oder den
Hilfszug umgeschrieben werden. In besonderen +Notfällen+ ist auch die
Mitfahrt im Güterzug gestattet. Der Reisende hat dann zwei Fahrkarten
3. Klasse zu lösen und einen festen Zuschlag von 3 Mk. zu entrichten.

Der Reisende kann sein +Handgepäck+ mit in sein Abteil nehmen. Dort
steht ihm der Raum über und unter seinem Sitzplatz zur Verfügung. Im
Verkehr gegen Mitreisende wird man immer höflich und gefällig sein.
Oft lernt man nette Menschen dadurch kennen, die es verstehen, die
Langeweile der Fahrt zu verkürzen. Gegen Konkurrenten ist eine gewisse
Verschlossenheit angebracht. Worin reisen Sie? so lautet die Frage,
an der man fast immer den Reisenden erkennt! Am besten umgehe man
die Antwort auf diese neugierige Frage. Daß im Nichtraucherabteil
nicht geraucht werden darf, ist bekannt, weniger bekannt ist, daß
der Reisende ein Recht darauf hat, ein Fenster zu öffnen und zwar das
der Windseite entgegengesetzte. Darum wird es manchmal Streit geben,
dann rufe man jedoch ruhig den Schaffner, der die Sache in Ordnung
bringen wird. Gesunden Menschen schadet ein geöffnetes Eisenbahnfenster
viel weniger, als die oft unerträglich schlechte Luft des Abteils.
+Welche Klasse+ man benutzen soll? Das hängt vom Geldbeutel ab! In
Norddeutschland kann man ruhig 3. Klasse fahren. Im Sommer ist sie
entschieden angenehmer als die zweite, und Sommer und Winter sind
die Ansteckungsgefahren in ihr geringer als in der gepolsterten 2.
Klasse. In Süddeutschland, besonders in Bayern rechts des Rheins und
in Baden tut man gut, wenn man Personenzüge benutzen muß, die 2.
Klasse zu wählen. Weil diese Länder keine 4. Klasse haben, nehmen die
Personenzüge diesen Verkehr in die 3. Klasse auf. Und der Knaster der
Landleute, der Duft der Marktwaren ist nicht jedermanns Geschmack.
Im Ausland, auf das wir noch zu sprechen kommen, fährt man immer
vorteilhafter 2. Klasse.

Wir wollen noch einmal kurz auf die Ansteckungsgefahren zurückkommen.
Sie sind durchaus nicht so leicht zu nehmen. Zwar werden Personen, die
sichtlich mit ansteckender Krankheit behaftet sind, entweder allein
befördert oder von der Beförderung ganz ausgeschlossen, aber wem sieht
man denn die ansteckende Krankheit an? Man vermeide es, die bloße Haut
mit der Inneneinrichtung des Wagens in Berührung zu bringen, trage
Handschuhe und schütze auch das angelehnte Denkerhaupt durch eine
Reisemütze. Nach jeder Eisenbahnfahrt wasche man sich gründlich, um so
etwaige Krankheitskeime zu beseitigen.


Die Gepäckbeförderung.


Gepäck. -- Gepäckgebühren.

Die Gepäckbeförderung erfordert mindestens die gleiche Aufmerksamkeit,
wie die Beförderung der werten Person. Sie ist oft noch schwieriger,
weil man einen Irrtum, den man selbst begeht, leichter erkennt, als
einen falschen Weg, den das Gepäck eingeschlagen hat. Vorbedingung für
die richtige Gepäckbeförderung ist die rechtzeitige +Auflieferung+.
Soll das Reisegepäck -- um solches handelt es sich jetzt -- mit dem
Reisenden am Bestimmungsort sein, so muß es rechtzeitig aufgegeben
werden, d. h. 15 Minuten vor Abfahrt des Zuges. Zwar nehmen unsere
Beamten auch noch später Gepäck an, es besteht dann aber keine Haftung
der Bahn mehr für pünktliche Beförderung. Bei der Auflieferung
ist zu beachten, daß bei zwei verschiedenen Routen der Reiseweg
angegeben werden muß, den der Reisende benutzt und den auch das Gepäck
machen soll. Alles, was der Reisende gewöhnlich mitführt, kommt als
Reisegepäck in Frage. Nur wer in Goldwaren, Pretiosen und ähnlichen
Kostbarkeiten reist, kann diese Muster nur dann als Reisegepäck
befördern lassen, wenn das Interesse an der Lieferung nicht mehr
als 500 Mk. übersteigt. Bei der Auflieferung ist darauf zu achten,
daß das Gepäck sicher verpackt ist. Für Beschädigungen, die infolge
mangelhafter Verpackung entstehen, haftet die Bahn nicht. Im Gegenteil
haftet der Reisende noch für den Schaden, den sein mangelhaftes
Gepäck anrichten kann. Ebenso ist der „Friedrich“ anzuweisen, die
Beklebezettel zu entfernen. Werden sie nicht entfernt, so haftet
wiederum die Eisenbahn nicht für den Schaden, der durch Verschleppung
oder verspätete Auslieferung des Gepäckes entsteht. Das Gepäck wird
in der Regel vor der Beförderung verfrachtet, es kann zwar auch
nachbehandelt werden, es gilt jedoch dann nicht als aufgeliefert,
d. h. die Bahnverwaltung haftet nicht für entstehenden Schaden, bevor
es „nachbehandelt“ ist. Für die Beförderung wird eine Gebühr erhoben.
Diese Gebühr richtet sich nach der Beförderungszone (bis 50 km 1 Zone,
je weitere 50 km eine weitere Zone bis 500 km, dann je 100 km eine
weitere Zone, bis 25 km Nahzone) und nach der Schwere des Gewichts
(Gruppe 1: 25 kg, 2: 26-35 kg, 3: 36-50 kg, 4: 51-75 kg, 5: 76-100 kg
usw.) und danach, ob es auf eine oder zwei Fahrkarten befördert wird.
Wird das Gepäck nicht abgeholt bei der Ankunft (24 Stunden; wenn es
nach 6 Uhr abends eintrifft, 36 Stunden danach), so wird Lagergeld
erhoben, es beträgt für das Stück und den Tag 20 Pf. (Im Handgepäck
kostet es nur 10 Pf.) Das Gepäck kann auch ohne Fahrkarte befördert
werden, wenn die Entfernung mehr als 25 km beträgt. In diesem Falle
wird es als Expreßgut behandelt, die Fracht ist dann erheblich teurer.
Große Koffer werden, wenn sie zeitig genug da sein können, zweckmäßig
als Eilgut aufgegeben. Bei der Zollabfertigung des Reisegepäcks muß
der Reisende zugegen sein. Er wird hier ganz besonders darauf zu
achten haben, daß das Gepäck über seinen Reiseweg befördert wird. Für
zollamtliche Verzögerungen haftet die Eisenbahn nicht! Das Handgepäck
wird zum größten Teil im Eisenbahnwagen einer Revision unterzogen,
sonst in den Räumen der Zollverwaltung.

In Berlin haben die Reisenden für den Uebergang ihres Gepäcks, wenn
es nicht von einem zum anderen +Stadtbahnhof+ befördert wird, selbst
zu sorgen. Die Eisenbahnverwaltung übernimmt jedoch bei durchgehenden
Fahrkarten sowohl, als auch dann, wenn die Fahrkarte nur bis zu einem
Bahnhof lautet, die Beförderung gegen Zahlung der Uebergangsgebühr.
Bei weiten Entfernungen und kurzer Zeit befördert der Reisende sein
Gepäck jedoch am besten selbst, wenn es mit dem Zuge befördert werden
soll, den er benutzt. Soll Gepäck in Berlin nach den Hotels oder den
Wohnungen oder zu der Kundschaft befördert werden, besorgt das die
„Bahnamtlich zugelassene Beförderungs-Gesellschaft“ (B. z. B.-G.).
Auftragsformulare führen alle Bahnbeamten mit sich, die Züge nach
Berlin begleiten.


Die Haftpflicht der Eisenbahn

erstreckt sich auf die Person, wie auf die Sache.


Körperverletzung.

Die Verpflichtung zum Schadenersatz bei Körperverletzung und beim
Tod infolge Betriebsunfalles wird durch das Gesetz vom 7. Juni 1871
in der Hauptsache geregelt. Die Eisenbahn haftet grundsätzlich für
jeden im Betrieb entstehenden Schaden, sie kann sich nur dann von
der Haftpflicht befreien, wenn +sie+ nachweist, daß der Unfall durch
höhere Gewalt oder eigenes Verschulden des Verletzten entstanden ist.
Unter den Eisenbahnen sind nicht nur die Staatsbahnen zu verstehen,
sondern auch die zahlreichen Privatbahnen, die elektrischen Fern- und
Stadtbahnen, sogar die Pferdebahnen.

Je nachdem, was der Unfall für Folgen hat, zahlt die Eisenbahn bei
tödlichem Ausgang die Kosten der versuchten Heilung, der Beerdigung,
sie ersetzt die Vermögensnachteile, die der Geschädigte durch seine
Erwerbsunfähigkeit oder seine verminderte Erwerbstätigkeit hatte,
und sie zahlt den Unterhalt, den der Verstorbene durch gesetzliche
Verpflichtung zu zahlen gehabt hätte. Bei Körperverletzung trägt die
Eisenbahn die Kosten der Heilung, sie ersetzt die Vermögensnachteile,
die durch Erwerbsunfähigkeit oder verminderte Erwerbsfähigkeit infolge
des Unfalls entstanden sind. In der Regel wird für den Unterhalt beim
tödlichen Ausgang und für den Ersatz der Vermögensnachteile eine Rente
festgesetzt. Beide Teile können sich jedoch übereinstimmend mit einem
Kapital abfinden. Wird eine Rente bei Körperverletzungen oder beim
tödlichen Ausgang eines Unfalls gewährt, so kann die Eisenbahn die
Minderung oder den Fortfall verlangen, wenn Umstände eingetreten sind,
die das rechtfertigen.


Gepäckverlust.

Soweit der Gepäckverkehr in Frage kommt, haftet die Eisenbahn sowohl
für den Verlust, als auch für die verspätete Beförderung nach den
Vorschriften der Verkehrsordnung. Danach haftet die Eisenbahn bei
gewöhnlichem Gepäck nur für +Verlust+, wenn das Gepäck ordentlich
aufgegeben und nicht „nachbehandelt“ wurde. Die Haftung tritt ein,
wenn das Gepäckstück nach Ablauf von drei Tagen -- nach Ankunft des
betr. Zuges -- sich nicht einfindet. Die Haftung der Eisenbahn wird
aufgehoben, wenn das Gepäck nicht innerhalb acht Tagen nach dem
Eintreffen des Zuges abgeholt wurde. Im Falle des Verlustes wird der
wirklich erlittene Schaden ersetzt, der Gesamtbetrag darf jedoch
nicht 12 Mk. für das Kilo überschreiten. Will der Reisende für den
Fall des Verlustes einen höheren Wert deklarieren, so muß das eine
halbe Stunde vor Abfahrt des Beförderungszuges geschehen. Es ist dann
ein besonderer Zuschlag zu zahlen, der mindestens 20 Pf. beträgt
und 2 Mk. für das Tausend nicht übersteigen darf. Für Verlust von
Handgepäck, das in den Wagen mitgenommen wurde, haftet die Eisenbahn
nur dann, wenn ein Verschulden ihrer Angestellten nachgewiesen wird.
Nach den gleichen Grundsätzen regelt sich die Haftung der Eisenbahn
bei Gepäckbeschädigung. Wird das Gepäck, das verloren geglaubt wurde,
wieder angefunden, so steht es dem Reisenden frei, es gegen Rückgabe
der Entschädigung innerhalb einer Frist von 30 Tagen zurückzufordern.


Gepäckverspätung.

Im Falle der Verspätung des Gepäcks ersetzt die Eisenbahn den
entstandenen Schaden, jedoch nur, sofern ein höheres Interesse an
der Lieferung nicht deklariert ist, nach bestimmten Grundsätzen.
Die Haftung tritt nur ein, wenn die Verspätung durch angewandte
Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers abgewendet werden konnte.
Naturereignisse und dadurch hervorgerufene Verkehrsstörungen oder
Eisenbahnunfälle, ebenso aber auch das Verschulden des Reisenden
befreien die Eisenbahn von der Haftung. Daß ein Schaden entstanden ist,
hat der Reisende nachzuweisen. Ausnahmsweise ist gerade der Reisende
leicht imstande, das tun zu können. Er kann leicht berechnen, welchen
Schaden ihm ein verlorener Geschäftstag bringt, für seine tatsächlichen
Ausgaben hat er Belege in den Hotelrechnungen usw. Leider ersetzt die
Bahn nicht entfernt den wirklichen Schaden. Vielmehr wird der Schaden
höchstens wie folgt ersetzt:

Ein Gepäckstück sollte am 10. eintreffen, es trifft erst am 12. ein.
So hat der Reisende höchstens zu fordern: Für jedes Kilogramm und für
angefangene 24 Stunden 20 Pf. Wog der Koffer also 50 kg, so konnte der
Reisende verlangen:

  50 × 2 = 100 × 20 = 20 Mk.

Das reicht, wie gesagt, nicht entfernt aus, den wirklichen Schaden
zu ersetzen. Es bleibt deshalb zu überlegen, ob das Interesse an der
Lieferung für die Verspätung deklariert werden soll. In diesem Fall
muß ebenfalls die Erklärung eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges
erfolgen. Die Gebühr beträgt mindestens 1 Mk., darf aber 2 Mk. für
das Tausend der Versicherungssumme und für 150 km nicht übersteigen.
Wird das Interesse deklariert, so erhält der Reisende den vollen,
nachgewiesenen Schaden innerhalb der Deklarationssumme ersetzt.




Der Reisende im Gasthaus.


Es steckt doch ein gut Stück Poesie in den Reisewagen wandernder
Schausteller! Mehr! Praktisches Verständnis für die Annehmlichkeiten
gewohnter, eigner Häuslichkeit. Sie sind zwar zum großen Teil primitiv,
diese Reisewagen, aber sie sind doch ein Ersatz für das Heim. Der
Geschäftsreisende kennt keinen Reisewohnwagen. Reisewagen trifft man ja
an manchen Stellen, die noch nicht durch die Schienenwege durchzogen
sind.

Der Heimersatz des Reisenden ist im Gasthaus zu suchen. Und, um es
vorweg zu sagen, es gibt Gasthäuser, die in der Tat das Heim ersetzen.
Vielfach werden sie geleitet von früheren Reisenden, die aus der
Praxis heraus verstehen gelernt haben, was dem Reisenden frommt. Ich
habe immer solche Gasthäuser anderen vorgezogen. Das Gasthaus selbst
soll also die zweite Heimat für den Reisenden sein. Es ist deshalb
notwendig, daß wir uns mit ihm beschäftigen.

Die rechtliche Seite des Gasthauswesens haben wir schon betrachtet,
dringen wir jetzt in den eigentlichen Betrieb ein.


Welches Gasthaus?

Wer eine eingeführte Tour hat, wer selbst die Gegend länger bereiste,
der braucht sich nicht die Frage vorzulegen: +Welches Gasthaus+ (Hotel)
+unter vielen?+ Auch nicht die andere Frage: +Wo soll das Gasthaus
liegen?+ Er kennt die geeigneten Häuser, verkehrte schon mehrfach in
ihnen oder darf doch der Empfehlung seines Vorgängers vertrauen. D. h.
das nur bedingt! Nichts ist so vom persönlichen Geschmack abhängig,
als das Wohlbefinden im Gasthaus. Liebt der eine einen gesprächigen
Wirt, so fällt ein solcher dem anderen auf die Nerven! Zieht der eine
mit dem „Zug ins Große“ nach dem „Hotelpalast“, so wohnt der andere
lieber dort, wo zwar kein gallonierter Herold als Portier an der Türe
steht, wo aber das Leben nicht zu teuer, persönlicher und infolgedessen
gemütlich ist.

Doch wenden wir uns der Hotelfrage vom Gesichtspunkt der Allgemeinheit
aus zu. Die Bezeichnungen: Hotel I. oder II. Ranges kennzeichnen nicht
immer einwandfrei die Rangstufe des Gasthauses. Sie sind aber immer
bezeichnend für die Preise, die genommen werden, diese sind in der
Regel tatsächlich I. oder II. Ranges. Und das ist für den Reisenden von
Bedeutung. Er wird nicht in den Fehler verfallen, zu billig wohnen zu
wollen, er wird aber auch nicht deswegen in einem teuren Hotel wohnen,
weil es Bequemlichkeiten hat, die der Reisende gar nicht in Anspruch
zu nehmen gedenkt. Wenn der Reisende nicht besondere Wünsche an ein
Gasthaus stellen muß (Auslagezimmer), dann handelt er nicht gegen sein
Interesse, wenn er bei der Hotelauswahl dem Strom der anderen Reisenden
folgt. Muß er allerdings besondere Wünsche beachten, so wird er sich --
aber wiederum bei Reisenden -- erkundigen. Die Berufsgenossen sind im
Hotelverkehr der beste Wegweiser.

Wo das Hotel liegen soll, muß jeder Reisende selbst beurteilen, je nach
den praktischen Wünschen, die er hat. In einem größeren Platz wohnt
man zweckmäßig in der Stadtmitte, besonders wenn man reichlich Muster
hat. Nicht immer hat man alle Muster zur Hand, liegt das Gasthaus in
der Nähe, springt man schnell hinüber, liegt es weiter weg, unterbleibt
das Holen vielfach. Doch auch für den Mustertransport ist es besser.
Befinden sich die Muster in einem Bahnhofshotel, dann sind sie genau so
weit weg, als stünden sie auf der Bahn. Koffer auf dem Bahnhof haben
mir -- ich weiß nicht, ob es anderen Kollegen auch so gegangen ist --
immer die kampflustige Stimmung beeinträchtigt. Koffer in der Nähe
waren immer ein Anreiz mehr, die Muster auch vorzulegen, schon um sie
nicht vergeblich transportiert zu haben. Oft liegen ja die Dinge aber
auch so -- die Geschäftszeit für den Reisenden ist immer beschränkt,
wie wir noch sehen werden --, daß die Muster +schnell+ gebraucht
werden. Dann erst nach dem Bahnhof laufen? Nein! Die Muster müssen zur
Hand sein. Wer ledig aller Muster ist, kann dreist am Bahnhof wohnen,
wiewohl es auch nicht einzusehen ist, warum der Reisende die Bahn mit
ihrem nervenzerrüttenden Geräusch nicht außer Gehörweite bringt. Wer
Abstecher machen muß, wer spät ankommt und früh weg will, der wohne am
Bahnhof, der andere Reisende suche sich eine praktische, bequeme und
ruhige Gasthauslage aus.


Abstecher.

Das Abstechermachen hat auch seine zwei Seiten. Man bindet sich
zu sehr mit der Zeit, das ist der Nachteil! Es besteht immer das
Bestreben, wieder am Abend zurück zu sein. In diesem Zurückkehren
nach dem Ausgangspunkt liegt für den Reisenden der angenehme Teil
der +Abstecher+. Abend für Abend in andere Gasthäuser, Abend für
Abend in frische, oft feuchtkalte Betten, das gehört nicht zu den
angenehmen Dingen des Lebens. Jeder Reisende wird es begrüßen, wenn
er in einem guten Gasthaus mehrere Tage verweilen kann. Wo von einer
zentral gelegenen Stadt viele kleinere Plätze besucht werden müssen und
besucht werden können, da ist der Abstecher angebracht. Dabei denke
ich an Thüringen, an Oberschlesien (Kattowitz), an das Ruhrgebiet,
wie überhaupt an den Industriewesten. Auch Süddeutschland hat solche
Mittelpunkte, ich denke an Mannheim, Frankfurt, Nürnberg usw.


Hotelzöpfe.

Ich sagte bei der Besprechung der Rechtsverhältnisse, daß die
Gastwirte oft in den Zimmern Klauseln anbringen, die den Reisenden
verpflichten sollen, in diesem und jenem den Gewohnheiten des Hauses
oder dem geldlichen Interesse des Wirtes zu willfahren. Ueber die
Ungültigkeit dieser Klauseln braucht weiter kein Wort verloren zu
werden. Eine andere Frage ist es, ob der Reisende in der Tat im eigenen
Interesse handelt, wenn er sich gegen die Gewohnheit auflehnt. Ich
weise dabei auf den Frühstückszwang, auf die Table d’hôte und auf den
Omnibus hin. Der Frühstückszwang besteht allgemein, nicht immer als
ausdrücklicher Zwang, aber als etwas Selbstverständliches. Ohne Zweifel
will der Wirt dem Gast das +Frühstück+ liefern, weil es auch zu den
Selbstverständlichkeiten gehört, an diesem Frühstück besonders zu
verdienen. 1 Mk., 1.25, auch 1.50 Mk. für ein „komplettes“ Frühstück,
das ist der übliche Preis. Im östlichen und in Mitteldeutschland,
auch in Süddeutschland bekommt man dafür zwei Tassen Kaffee, Milch
und Weißbrot und Butter oder Honig. Nach dem Westen zu wird wirklich
ein Frühstück für den Preis geliefert, das sogenannte „garnierte“
Frühstück. Es besteht nicht nur aus Kaffee, Weißbrot und Butter,
sondern der Wirt gibt Aufschnitt und Käse dazu. In allen Fällen
möchte ich keinem Reisenden raten, das Frühstück nicht im Gasthaus
einzunehmen. Was er spart, wenn er den Kaffee wo anders trinkt, das
setzt er am persönlichen Kredit zu. Er gilt als Knauser, wird über
die Achsel angesehen und allzuviel Gefälligkeit darf er just nicht
erwarten. Genau so ist es mit der Table d’hôte. Sie ist in der Tat
eine unschöne Bevormundung, ein alter Zopf, der im Interesse des
Ansehens unserer Gasthausverhältnisse verschwinden sollte, je früher,
je besser. Es ist eine Zumutung, von einem Gast, der doch das Gasthaus
zu seiner Bequemlichkeit aussucht, der nach seinen Wünschen leben
möchte, zu verlangen, er solle sich vom Wirt vorschreiben lassen, was
er essen und trinken will. Es ist die +Table d’hôte+ grundsätzlich vom
sogenannten „Diner“ zu unterscheiden. Beim „Diner“ gibt es immer noch
eine beschränkte Auswahl unter mehreren Speisen, bei der Table d’hôte
jedoch heißt es: „Iß Vogel oder hungere“. Es bleibt dem Reisenden gar
keine Wahl, er muß einen Gang vorüber gehen lassen, wenn er das ihm
zudiktierte Gericht nicht mag; Ersatz bekommt er nicht. Und dennoch!
Wo die Table d’hôte eingeführt ist, wird sich der Reisende ihr nur
zu seinem eigenen Nachteil entziehen. Es geht ihm genau so wie dem
Reisenden, der das Frühstück schindet, er büßt an Ansehen merklich ein.

Das schadet schließlich nicht allzuviel, und viele Kollegen werden
sich leicht über ein derart eingebüßtes Ansehen hinwegsetzen. Aber die
Sache hat einen anderen Haken. Besteht irgendwo Table d’hôte, dann sind
die Einzelspeisen in der Regel außerordentlich teuer und weniger gut
zubereitet. Der Trinkzwang besteht ja ebenfalls überall, er ist aber
nicht mehr der alte Weinzwang. Ohne Abstinent zu sein, bin ich da immer
dem Wirt entgegengetreten, wenn er mir auch den noch auferlegen wollte,
fast immer mit Erfolg.

Nicht so wie an diese beiden Einrichtungen ist man an den Omnibus
gebunden. Wer laufen will, soll sich nicht genieren, das zu tun, auch
wenn der Omnibus am Bahnhof hält.

Ich möchte aber noch einige Worte über die „Diners“ und „Soupers“
verlieren. Wo es „Diner“ gibt, esse man es immer und verfalle nicht
darauf, aus der Speisekarte Einzelspeisen zu wählen, es sei denn,
man will durchaus mehr Geld ausgeben, als nötig ist. Vielfach,
besonders am Rhein, besteht die Sitte, auch das Abendessen besonders
zusammenzustellen. Auch da empfehle ich mitzumachen. Mir waren einmal 2
Mk. für ein solches Abendessen in Köln zu teuer! Ich bestellte mir drei
Eier. Sie kosteten mit Brot 1 Mk. und da ich Hunger hatte, ging ich in
ein anderes Restaurant, um noch ein „Souper“ für 1.50 Mk. zu genießen.
Am anderen Abend saß ich an der gemeinsamen Abendtafel.


Die Trinkgeldfrage.

Eine leidige Geschichte im Gasthauswesen ist das Trinkgeld. Wie
viel ist versucht worden, es abzuschaffen! Solange die Versuche
von einem oder mehreren oder vielen Reisenden ausgehen, leidet
immer das Personal darunter, nicht der Wirt. Ich habe dabei manchen
Reisenden in den Verdacht bekommen, ein +Trinkgeldhasser+ aus
Portemonnaieinteresse zu sein. Der wirklich achtbare Kellnerstand
wehrt sich wie der Reisende gegen das Trinkgelderwesen. Vorläufig
ist aber das Trinkgeld die oft ausschließliche Entschädigung für die
geleistete Arbeit. Weniger gilt das für das Zimmerpersonal, bestimmt
aber für die Hausdiener und besonders für die Kellner. Es gibt eine
ganze Anzahl solcher dienstbarer Geister, die vom Wirt überhaupt
keine Entschädigung erhalten. In vielen Fällen müssen die Kellner von
ihren Trinkgeldeinnahmen dem Wirt noch Bruchgeld und Putzgeld zahlen,
ja, es sind Fälle bekannt geworden, wo der Wirt sogar einen Teil der
Trinkgeldeinnahme für sich beanspruchte. Es liegt deshalb auf der Hand,
daß ein Vorgehen des Reisenden immer den Unschuldigen trifft. Mit dem
Trinkgelderwesen muß sich der Reisende abfinden. Er soll aber den Unfug
nicht begünstigen. Das tut er jedoch, wenn er Trinkgeld gibt, wo er
irgend welche Leistungen besonderer Art gar nicht in Anspruch nahm,
oder wenn er die Trinkgelder allzu reichlich bemißt. Es ist eine irrige
Ansicht, daß Trinkgeld allein Dienstwilligkeit schafft. Mir sagte
einmal ein als Original bekannter Kellner: „Der feine Mann gibt nie zu
viel Trinkgeld!“ Der Mann sah sich seine Gäste darauf an! Wer ihm viel
Trinkgeld gab, so taxierte er, der war das Befehlen nicht gewöhnt, der
sah in jeder Dienstleistung eine Gefälligkeit, wer wenig gab, wußte,
was er zu verlangen hatte.

Einen Maßstab für das Trinkgeld gibt es nicht. Wer die
Restaurationsbedürfnisse gleich bezahlt, wird mit 6-7 Prozent der
Morgenrechnung für den Kellner das Richtige treffen. Wer auch die
Restaurationsbedürfnisse auf die Rechnung setzen läßt, der gebe 10
Prozent. Neuerdings haben sich Gasthäuser -- besonders auch die Hospize
-- dazu verstanden, das Trinkgeld aufzuheben, dafür heben sie einen
Rechnungszuschlag von 10 Prozent für das ganze Personal ein. Gibt
man Trinkgeld und sind mehrere Kellner (Servier- und Oberkellner)
vorhanden, so gebe man immer dem, der wirklich Dienste leistete, das
Trinkgeld zum größten Teil oder ganz. Ich habe nie einsehen können, daß
ich dem „Ober“, der mir die Rechnung ausschrieb, trinkgeldpflichtig sei.

Dem Dienstmädchen braucht man für die ordnungsgemäße Zimmerbesorgung
kein Trinkgeld zu geben, auch wenn das Zimmer nicht „mit Bedienung“
vermietet wurde. Das Zimmer dient erst seinem Zweck, wenn es in
Ordnung ist, d. h. das Bett bezogen, die Tische abgeräumt, Wasch- und
Trinkwasser besorgt sind. Nur wer darüber hinaus Dienstleistungen
verlangt, wird sie billigerweise bezahlen. Dabei bemerke ich, daß ein
vom Zimmermädchen angenähter Knopf immer mehr kostet, als wenn ihn
der Schneider annäht. Und kleine Besorgungen verteuern sich in vielen
Fällen nicht nur um das Trinkgeld.


Die „Seele vom Geschäft“.

Die „Seele vom Geschäft“ ist der „Friedrich“, der Hausdiener, der
„Hausmeister“, wie man in Süddeutschland dieses Faktotum nennt. Der
„Friedrich“ hat einen sehr großen Einfluß auf unser Wohlbefinden
und auf den Erfolg! Nicht an dem letzteren zweifeln! „Verschlafene
Züge“, ausgebliebene Koffer beim Kunden und am Bahnhof sind
Unannehmlichkeiten, die nicht nur Aerger bringen, sondern Kosten
verursachen und leider auch geschäftliche Nachteile! Der „Friedrich“
also ist für den Reisenden so wichtig wie eine gutgehende Taschenuhr!
Trotzdem kann auch er nur für +Dienstleistungen+ Trinkgeld verlangen.
Kofferbesorgungen, Stiefelputzen, nächtliches Türöffnen, das sind
trinkgeldpflichtige Dienstleistungen. Auch beim „Friedrich“ gilt
Maßhalten im Trinkgeldgeben. Gewiß kann es sich mancher „Onkel“
leisten, 50 Pf. für das Stiefelputzen zu geben. Angemessen ist solch
ein Trinkgeld nicht, es fördert nur die Begehrlichkeit und schraubt das
Trinkgeldkonto nur noch höher. Der Pförtner und der Fahrstuhlführer
halten auch die Hand auf! Wer Besorgungen hat machen lassen, wer den
Fahrstuhl mehrfach benutzte, mag etwas hineinlegen. Dafür, daß der
Pförtner an der Pforte, der Fahrstuhlführer am „Lift“ steht, kann der
Reisende nicht und steuerpflichtig wird er darum nicht.

Vorhin trennte ich die Summe des Trinkgeldes für den Fall, daß die
Restaurationsbedürfnisse gleich bezahlt werden! Man wird dann immer
mehr Trinkgeld ausgeben, als wenn man einmal bezahlt! Trotzdem
empfehle ich den Kollegen, immer die Restaurationsbedürfnisse gleich
zu begleichen. Mehr Trinkgeld wird ausgegeben, das ist richtig! Dafür
wird aber so manches Glas Bier, so manche Zigarre usw. gespart, die man
sonst +nur+ auf der Rechnung findet.


Gasthauspersonal.

Ueberhaupt die +Rechnung+! Es gibt Kellner, die bringen es vorzüglich
fertig, sich den Anschein zu geben, als brauche die Rechnung nie
bezahlt zu werden. Will man die Rechnung haben, lächelt der Ober
generös, er will dann durchaus wissen, wann man fährt und hat dann
immer „noch Zeit“. Diese Oberkellner und mehr noch die ausgeschriebene
Rechnung betrachte ich mit Mißtrauen. Irrtümer, die man erst im
abfahrenden Zuge entdeckt, bleiben fast immer unberichtigt. Deshalb
fordere man die Rechnung rechtzeitig. Will man früh abreisen, begleiche
man am Abend, will man spät reisen, in der Früh, immer aber so, daß
die Gelegenheit der Nachprüfung da ist. Allzu freundliche „Ober“
weise man bestimmt an, dem Wunsch nachzukommen und halte sich nicht
weiter damit auf, das „Warum“ auseinanderzusetzen. Das Verhalten
zum Hotel-+Personal+ sei überhaupt immer höflich, aber bestimmt.
Vertraulichkeiten dulde man nicht und wende sie nicht an. Wer befehlen
kann, fährt im Gasthaus besser, als der, der bitten muß und bei den
dienstbaren Geistern die Ansicht weckte, alle ihre Pflichten seien
Gefälligkeiten.

Diese höfliche Zurückgezogenheit ist besonders gegen das weibliche
Personal angebracht. Im Reisenden steckt manchmal ein Stückchen
Abenteuerlust. Vertraulichkeit befördert sie. Hübsche Zimmermädchen
gibt es, die hübschen gefallen natürlich vielen, sie werden mehr
umworben und sind schließlich keine Tugendengel. Das Haus -- auch das
Gasthaus -- muß rein gehalten werden! Die Vertraulichkeit mit einem
Zimmermädchen hat schon manchesmal den Keim zu Schlimmeren gelegt. Und
das Renommee, ein „forscher Kerl“ zu sein, tut es wahrlich nicht! Der
Reisende soll seine „Forsche“ in seiner Tätigkeit und nur da suchen!


Verhalten zu anderen Gästen.

Da wir einmal beim persönlichen Verhalten sind, wollen wir uns auch
einmal mit dem +Verhalten zu anderen Gästen+ beschäftigen. Der Reisende
muß eins mit dem großen Moltke gemeinsam haben: im rechten Augenblicke
schweigen zu können; besonders dann, wenn er den Frager nicht kennt.
Aus rein persönlichem Anteil fragt kein Reisender den anderen: „Worin
reisen Sie?“ Es ist des Reisenden gutes Recht, in seinen Kollegen
Konkurrenten zu wittern. Freilich, im Laufe der Zeit schärft sich
der Blick. Ich möchte fast sagen, daß man die einzelnen Branchen an
der Kleidung des Reisenden unterscheiden kann, bestimmt geben die
Koffer wichtige Anhaltspunkte. Warum nun dem anderen sagen, worin man
reist? Trifft es sich, daß man einem Konkurrenten in die Hände läuft,
dann weiß +der+ zwar, daß er einen Konkurrenten vor sich hat, der
freundliche Auskunftgeber kennt aber die Zunft des anderen nicht und --
wird sie auch durch ihn nicht mehr kennen lernen. Wohin der Reisende
dann fährt, ist schnell herauszubekommen! Man darf nur den „Friedrich“
fragen, wann der Reisende gefahren ist. Dann hat man die Richtung,
überspringt einen oder zwei Plätze und hat einige Gewißheit, den
Konkurrenten um einige Nasenlängen zu schlagen.

Dabei ist noch ein Umstand zu berücksichtigen, der auch den
Konkurrenten auf die Spur bringen kann: viele Gasthausrechnungen
tragen vorgedruckt die Frage „Briefe wohin?“ Die Wirte nehmen als
selbstverständlich an, daß sie Gelegenheit haben werden, Briefe
nachzusenden, und dann erweisen sie ja dem Reisenden eine Gefälligkeit.
Muß man sich denn aber durchaus steckbrieflich verfolgen lassen? Muß
Müller von Meyer & Co. wissen, daß Schulze von H. Schmidt Söhne auch
da ist oder doch bestimmt bald kommt? Selbst wenn die Firmen keine
Briefumschläge mit Aufdruck nehmen, so ist doch ein Reisender leicht
bei seinen Kollegen von der Konkurrenz dem Namen nach bekannt. Deshalb
+keine Briefe in das Hotel+. Auch im Interesse des Reisenden selbst
nicht! Briefe werden im Reiseleben oft vom Empfänger nicht abgeholt
und ihre Nachsendung macht sich notwendig. In einem gut organisierten
Gasthaus wird zwar die Nachsendung auch pünktlich veranlaßt werden,
wieviel der Gasthäuser sind aber gut organisiert? Sicher ist die
Deutsche Reichspost zuverlässiger, als ein Oberkellner. Man lasse sich
die Post „postlagernd“ senden und zwar +immer+ „hauptpostlagernd“, um
Verwechselungen vorzubeugen. Kurz vor Abgang des Zuges wird man dann
Gelegenheit haben, die letzte Post in Empfang zu nehmen; gleichzeitig
benutzt man ein ausliegendes Formular, um der Post aufzutragen,
weiter eingehende Sendungen nachzusenden. Die Legitimationskarte
reicht allgemein aus, Postsachen, auch Geldsendungen in Empfang zu
nehmen, aus Bequemlichkeitsgründen empfiehlt es sich indessen, eine
Postausweiskarte zu benutzen.


Tischungezogenheiten.

Der Reisende sollte auch einigen Wert darauf legen, keine
Tafelungezogenheiten zu begehen. In der Tat soll man nicht sagen,
+was+ der Mensch ißt, das ist er, sondern man darf mit größerem
Recht behaupten, +wie+ der Mensch ißt, so ist er. So verrät sich
der „bescheidene“ Mensch ganz bestimmt, wenn er auf der Platte
herumstochert nach dem größten oder besten Stück! Ganz besonders
gereicht das einem jungen Menschen zur Zierde! Wenn das Personen nach
vorheriger Verständigung tun, die zusammen gehören und sich gut kennen,
dann mag es -- vielleicht -- hingehen. An der Gasthaustafel kennt man
sich nicht und muß sich befleißigen, Unarten abzutun, will man nicht
als unerzogen gelten. Und für unerzogen hält man einen Tischgast, wenn
er aus Brotteig Figuren und Kugeln knetet, auch wenn er in dieser Kunst
ein Meister ist. Zweifellos ist es auch sehr appetitlich, wenn man
an der Tafel den Taschenkamm herauszieht und sich Bart- und Haupthaar
kämmt oder mit der Bürste striegelt! Man war ja struppig! Und so konnte
man nicht am Tisch sitzen! Gewiß nicht, aber die Tafel ist keine
Frisierstube. Auch kein Fechtsaal! Die schöne Pose des Fechters kommt
auch gar nicht heraus, wenn man mit dem Messer ißt, wohl aber kann man
damit unangenehmen Spott herausfordern! So ging es einmal einem Onkel!
Der konnte es auch nicht lassen, die gefährliche Prozedur vorzunehmen,
mit der scharfen Messerklinge zu essen. Das bemerkte Freund
„Dampramang“. Er erbot sich urplötzlich, einen Witz zum besten zu
geben: Kommerzienrat X, ein echter Emporkömmling, ist zu irgend einer
großen Fête geladen! Der Diener kommt eben dazu, wie der Kommerzienrat,
der sich unbeobachtet glaubt, prüfend über des Messers Schneide
fährt! Er sieht den Diener und bemerkt: „Heute sind sie nicht scharf,
erfreulicherweise, neulich hatte ich mir den ganzen Mund zerschnitten“.
Selbstverständlich lachten wir alle und unser „Degenschlucker“ trug die
Kosten.

Fisch ißt man nicht mit dem Messer, es sei denn, man bekommt ein
Fischmesser zum Besteck. Das gewöhnliche Tischmesser beeinträchtigt den
Geschmack des Fisches. Man säubert ihn nur mit der Gabel in der rechten
und einem Brötchen in der linken Hand von den Gräten und ißt dann auch,
die Gabel rechts, das Brötchen links. Wo man Knödel genießt, schneidet
man sie ebensowenig, wie man die Kartoffeln schneidet. Die Knödel reißt
man, die Kartoffeln zerdrückt man.

Wenn ich dann noch darauf verweise, daß man bei Tisch vortreffliche
Gelegenheit hat, seine schönen Zähne bewundern zu lassen, indem man
mit dem Zahnstocher im Mund herumfährt und der Zunge dann die Arbeit
läßt, die der Zahnstocher nicht ganz verrichten konnte, wenn ich die
Aufmerksamkeit verehrter Tischgenossen noch auf das ungewöhnliche, aber
stimmungsvolle Konzert lenke, das durch Schlürfen der Suppe, Klappern
der Löffel am Teller und das weihevolle Schmatzen aufgeführt wird, so
glaube ich mit den Tafelungezogenheiten fertig zu sein.


Ein Abend auf der Reise.

Verbringen wir nun noch einen Abend auf der Reise! Wer stets mit dem
Schreiben recht vieler Kommissionen den Abend auszufüllen vermag,
braucht diesen Abschnitt nicht zu lesen. Wer aber mit den Kommissionen
fertig ist und noch ein Stündchen oder zwei angenehm verbringen möchte,
der folge mir! Nicht in das Gastzimmer! Das ist leider vielfach nur
ein Aufenthalt für Skat- und Billardspieler! Im Gastzimmer sitzen
und lesen, heißt trinken müssen! Ein Schachspiel findet sich wohl
vor, Schachspieler sind aber nicht so zahlreich anzufinden wie die
Karten- und Billardkünstler. Aber dieses Trinkenmüssen! Gewiß, kein
Wirt verlangt wohl, daß seine Reisenden trinken! Wenn man aber
seinen Tee, sein Bier, seinen Wein eben ausgetrunken hat, und der
diensteifrige Kellner erscheint, dann liegt darin ein Zwang. Dabei gibt
es wenig wirklich anheimelnde Gastzimmer! Schlechte Bilder, unechte
Kunstgegenstände, imitierte Wandbekleidung und staubig gewordene
Portièren machen einen Raum nicht gemütlich.

Der Abend kann besser verbracht werden! Jede mittlere Stadt hat
heute ein Theater! Gewiß sind infolge der mangelnden Bühnentechnik
nicht alle Stücke gleich genießbar. Einen Schwank oder ein modernes
Schauspiel kann aber auch eine kleine Bühne ausstatten. Wo es am
Theater mangelt, findet man sicher Gelegenheit, ein gutes Konzert
zu hören. Hat man Verbindung und muß man vielleicht ein Stück die
Eisenbahn benutzen, um zu derartigen Genüssen zu kommen, dann wende
man die paar Groschen an, sie bringen reichliche Zinsen. Sind keine
Theatervorstellungen zu haben, wird kein Konzert gegeben, so kann
man sicher irgend einem Vortrag beiwohnen. Besonders in Großstädten
löst ein Vortrag den anderen ab; die verschiedensten Wünsche finden
reichlich Berücksichtigung. Reißen aber alle Stricke, dann vertreibt,
wie schon gesagt, ein gutes Buch die Langeweile, es pflegt auch ein
guter Zimmergenosse zu sein.

Ein Wort noch über die Zweckmäßigkeit, im Hospiz, im sogenannten „Hotel
garni“ oder privat zu wohnen. Fast alle Hospize sind mehr auf den
Familienaufenthalt zugeschnitten, für den Geschäftsreisenden jedoch
weniger eingerichtet. Nur wer keine Muster mit sich führt, darf im
Hospiz wohnen; er wird dort manches finden, was ihm das Gasthaus nicht
zu bieten vermag. Im Privatlogis zu wohnen, wird nur wenigen Reisenden
bestimmter Branchen möglich sein. Es ist für sie Voraussetzung, daß sie
ebenfalls keine oder nur wenig Muster mit sich führen, es ist weitere
Voraussetzung, daß sie länger an einem Platz zu tun haben.




Bei der Kundschaft.


Wollen Sie mir glauben, daß es Reisende gibt, für die eine große
Schwierigkeit darin besteht, daß sie nicht zur Kundschaft kommen
können? Merkwürdig, meint der Leser, sei das denn doch in unserem
Zeitalter, das im Zeichen des Verkehrs steht. Ich denke auch gar
nicht an verschneite Wege oder unwirtliche Gegenden! Ich denke an die
Mittelstadt, die Großstadt, wo es an Verkehrswegen doch nicht mangelt.
Es geht manchem Reisenden wie dem Bühnenkünstler: er bekommt


Lampenfieber.

Ist das überwunden, hat er gesiegt, dann kann er seine Kräfte frei
entfalten. Aber das Lampenfieber des Reisenden kehrt wieder, das ist
das Schlimme.

Der Künstler scheut sich vor den vielen Menschen, die ihn anstarren,
den Reisenden machen große Spiegelscheiben und luxuriös eingerichtete
Geschäftsräume oft befangen. Ich will es gleich verraten, daß ich auch
Lampenfieber hatte, damals, als ich detail reiste, und auch später
noch. Später mußte ich mehrmals einen Anlauf nehmen, ehe ich mich in
ein gut ausgestattetes Geschäft hineintraute; und früher waren hohe
Beamte, Gutsbesitzer und Fabrikanten in ihrer Häuslichkeit vor mir so
ziemlich sicher.

Das Lampenfieber kann man sich nur abgewöhnen, wenn man unter seinem
Einfluß einmal Geschäfte sich entgehen lassen mußte, oder wenn man
Manns genug ist, wenigstens einigemale sich selber zu besiegen. Dann
zeigt sich, daß gerade die Kunden die umgänglichsten sind, die vorher
so gemieden wurden. Die Erklärung dafür liegt sozusagen auf der Hand.
Wer sich heute noch mit kleinen Schaufenstern plagt, hat entweder kein
Geld, mit den Ansprüchen fortzuschreiten, oder es fehlt der Raum, oder
aber, es handelt sich um einen unmodernen Geschäftsmann. Na, und hat
der Kaufmann kein Geld, ist er dem Reisenden als Geschäftsfreund nicht
willkommen. Ist aber der Kaufmann gar zu konservativ, zu anhänglich am
Alten, dann ist ihm ein Reisender eines neuen Hauses nicht willkommen.
Große Schaufenster deuten darauf hin, daß der Kaufmann Wert darauf
legt, seiner Kundschaft seine Leistungsfähigkeit im schönsten Licht
zu zeigen. Der Kaufmann will verkaufen! Er will seine Konkurrenten
überflügeln, das kann er nur, wenn er leistungsfähige Lieferanten hat
und deren Leistungsfähigkeit benutzt. Solch ein moderner Kaufmann ist
viel leichter dafür zu interessieren, sich die Muster anzusehen, als
der alte rückständige.

Ja, das Lampenfieber! Manchmal ist sich der Reisende gar nicht klar
darüber, daß er es hat. Gewöhnlich äußert es sich so: Man geht zur
Kundschaft! Richtig dort, wo die blendende Sonne große Schaufenster
erleuchtet, da wohnt „Er“. Warum soll man sich nicht erst eine
Zigarette anbrennen? Oder eine Zigarre? Warum sie nicht zu Ende
rauchen. Etwas essen könnte man auch, vielleicht auch einen Schoppen
trinken! Und dann ist die Zeit zu knapp, ja es ist schon Abend
geworden! Also morgen, da ist auch ein Tag. -- +So bekommt man keine
Kommissionen.+ Richtig, am anderen Tag drängt das Gewissen. Gut, wenn
es so drängt, daß jetzt der Reisende nicht wieder scheut. Manchmal
aber kommt mit dem Gewissen eine andere Stimme zu Wort, die raunt dann
dem Lampenfieberkranken zu, daß dort doch nichts zu verkaufen sei,
schade um die Zeit, lieber weiter, in eine andere Stadt. Kommt man aber
mit eintägiger Verspätung -- dann hat der Kunde, will es der Zufall,
gekauft. Mir ging es einmal so: Ich kam nach B. Ich hatte dort keinen
Kunden, ein Geschäft kam für mich nur in Frage. Ich ging auch immer
darum herum! Solange das Licht brannte, traute ich mich nicht in den
Laden! Am anderen Morgen sahen die Scheiben nüchterner aus. Da ging
ich hinein, klopfenden Herzens. Der Kunde hatte gekauft, bei +meinem+
Haus gekauft; am Abend vorher war die Bestellung weggegangen. Der Kunde
hatte Muster bestellt, man hatte eine kleine Auswahl geschickt und
darauf verwiesen, daß ich kommen würde. Ich war also erwartet worden,
und da ich ausblieb, blieb die Kommission aus. Als ich zur Post kam,
fand ich eine Karte, die mir nachgeschickt worden war und die die
besondere Aufforderung für mich enthielt, zu jenem Kunden zu gehen. Das
hat mir damals einen Ruck gegeben, ich habe mich später ohne weiteres
mit den Schaufenstern abgefunden.

Aehnlich geht es dem Reisenden mit großen Geschäftshäusern als Kunden.
Waren- und Kaufhäusern! Und doch ist dort das Geschäft fast formlos,
es entwickelt sich oft ohne Zutun des Reisenden. Diese Geschäfte haben
ihre Einkaufstage, sie nehmen, wenn auch durch einen Angestellten,
alle Offerten entgegen und bescheiden dann später, wenn ein Auftrag in
Aussicht steht.

Der Reisende gehe im allgemeinen früh zur Kundschaft. +Morgenstund+
hat gerade für ihn +Gold im Mund+. Gerade in besseren Geschäften
drängt sich an Nachmittagen der Kundenverkehr zusammen. Diese üble
Angewohnheit der Kundschaft macht ohnedies manchen Prinzipal nervös,
besonders wenn sein Personal unselbständig ist. In solchen Fällen ist
der Reisende ein ungelegener Gast, den man lieber gehen wie kommen
sieht. Besuche zur rechten Zeit zu machen, kann nur empfohlen werden.
Im allgemeinen kommt außer den Mittagsstunden die Zeit von neun bis
drei, höchstens vier Uhr in Betracht. Wer eingeführt ist, wer von
seiner Kundschaft eine Gefälligkeit erwarten darf, der kann auch, ohne
sich zu schaden, später kommen.


Ein Kundenbesuch.

Wie soll nun der +Besuch+ selbst gemacht werden? Wer kleine Muster hat,
löst schnell die Aufgabe. Er nimmt unbesorgt seinen Verdrußkasten an
die Hand und bietet seine Waren an. Schwieriger hat es der Reisende mit
großen Koffern. Er kann sie natürlich nicht mitnehmen und er hat eine
Schwierigkeit mehr zu überwinden, als sein Kollege, der sofort seine
Muster bei der Hand hat. Noch schlimmer ist ein Reisender daran, der
ausstellen muß. Seine Kollegen brauchen ja nur den Kunden zu bewegen,
sich die Muster anzusehen. Der Käufer ist da, die Muster auch, es
gibt für den Kunden keinerlei Unbequemlichkeit. Stellt ein Reisender
aus, so muß er doppelt arbeiten; nämlich den Kunden überzeugen,
daß er die Muster ansehen muß, wenn er nicht sich selbst durch die
Unterlassung schädigen will; er muß ihm aber auch noch klar machen, daß
er die Unbequemlichkeit auf sich nehmen muß, den Weg in das Gasthaus
mitzumachen.


Handmuster.

Für jeden Reisenden, gleichviel ob er nun kleine oder große Koffer
hat oder ausstellen muß, empfiehlt es sich, +Handmuster+ mitzunehmen.
Natürlich Handmuster, die wieder jeweils nach dem voraussichtlichen
Bedarf und dem Geschmack der Kundschaft auszuwählen sind. Handmuster,
die aber den Beweis spielend erbringen müssen, daß die Ware preiswert,
der Kauf vorteilhaft für den Kunden selbst ist. Ist dieser Nachweis
gelungen, oder kommt der Reisende auch nur dazu, ihn führen zu
dürfen, dann ist der Sieg schon halb da. Um den Beweis zu führen,
wird der Reisende auf seine anderen ähnlichen, oder im besonderen
Fall geeigneteren Muster hinweisen, und hat er den Koffer dabei, auch
gar nicht zögern, ihn sofort zu öffnen. Deshalb wies ich bereits im
Abschnitt Ausrüstung darauf hin, daß Koffer leicht zu öffnen und
wohlgeordnet gepackt sein müssen; denn ist der Reisende soweit, daß er
Muster zeigen darf, dann verdirbt er sich möglicherweise alles, wenn er
die richtigen nicht sofort findet.

Die Handmuster sind die Lockartikel des Reisenden. Wenn ein Warenhaus
bekannte Qualitäten irgend einer Ware zu einem gesucht billigen
Preis in das Schaufenster legt, dann weiß es ganz genau, daß die
Kundschaft von der augenfälligen Preiswürdigkeit dieser Waren auf
die Preiswürdigkeit auch der anderen Waren schließt. Bestimmt wird
aber der Wunsch geweckt, die so ausgesucht billigen und vorteilhaften
Schaufensterwaren selbst zu kaufen. So ist es auch mit den Handmustern.
Kann man einen Kunden, der ja immer bei Neueinführungen das Vorurteil
haben wird, daß der Reisende auch nichts Besonderes bringt, schwankend
machen, so ist viel, wenn nicht alles gewonnen.

Manchmal gelingt es aber auch nicht, einen Kunden zu bewegen, sich auch
nur die Handmuster anzusehen. Das gibt dann fast immer eine „Pleite“.
Aber auch dann nicht den Mut verlieren. Kann man nicht die Muster
zeigen, dann ist der Grund gewiß der, daß der Kaufmann gegenwärtig
nichts kaufen will. Vielleicht braucht er für später etwas. Vielleicht
kommt es zu einer brieflichen Bestellung. Auf solche Selbsttröstungen
des Reisenden schnappt der Kunde ein! Natürlich, das ist der Ausweg,
den Reisenden los zu werden. Vielleicht auch nicht! Die Preisliste
darf der Reisende immer da lassen. Er sucht sie in der Brieftasche --
er findet sie nicht! Er hat also versäumt, sie sich aus dem Koffer
zu nehmen. Nun, der Schaden ist leicht behoben, der Koffer schnell
geöffnet! Deshalb habe ich empfohlen, den Koffer nicht nur praktisch,
sondern auch geschmackvoll, reizvoll zu packen! Die Preisliste versucht
man zu besprechen; um sich verständlicher zu machen, zieht man ein
Muster aus dem Koffer heran! Vielleicht ...!

Ich habe immer bei meinen Besuchen den Zweck, zu verkaufen im Auge
gehabt. Ich habe auch immer gefunden, daß es dem modernen Kaufmann
viel lieber ist, wenn man ihm klar und bündig sagt, was man will!
Tageszeitungen liest heute jeder Gebildete, Tagesneuigkeiten von
mir als Reisenden wirken vielfach wie die stereotypen Phrasen der
Barbierstube! Sie dürfen höchstens ein Hilfsmittel sein, den Kunden
von einem Gegenstand abzulenken, um ihn auf Umwegen wieder dahin zu
führen, wo man ihn hin haben will. Freilich muß dabei der Reisende
berücksichtigen, mit wem er es zu tun hat. Der Besitzer eines großen
Kaufhauses will anders behandelt sein, als ein mittlerer Kaufmann, ein
Handwerksmeister wieder anders.

Ebenso kommt es darauf an, +wo+ man Kundschaft besucht.


Die nationalen Eigenarten

spielen eine nicht geringe Rolle bei dieser Beurteilung.
Geschäftsleute, die regelmäßig Kaffeehäuser aufsuchen, werden einem
anderen als geschäftlichen Gespräch mehr zugetan sein, als Kaufleute,
die morgens die Ersten und abends die Letzten im Geschäft sind. Wer
geht in das Kaffeehaus? Nun, wer gemütlich durch das Leben wandert!
Der Wiener, der Oesterreicher überhaupt und auch der wesensverwandte
Bayer, der Elsässer, der Lothringer. Weniger trifft man den Sachsen im
Kaffeehaus, noch weniger den Nord- und Niederdeutschen. Reisende aus
Großstädten dürfen ebenfalls einen Pflock zurückstecken, wenn sie nach
der Kleinstadt, besonders nach dem Osten kommen. Herr Meyer in Gollup
weiß wirklich gern, was in Berlin los ist! Wie weit der Reisende zu
gehen hat, ist eine Frage des Taktes; Belehrungen kann es hier nicht
geben.

Ist ein Reisender befreundet -- auch nur geschäftlich befreundet --,
dann kann es nicht schaden, wenn er sich nach dem Wohlbefinden der
Familie erkundigt. Freundlichkeit gegen Kinder des Kunden macht sich
oft recht gut bezahlt, besonders dort, wo die Frau mit im Geschäft
tätig ist oder doch einen Einfluß darauf hat. Eine Freude, die man
den Kindern macht, wiegt oft schwerer, als eine andere, der Hausfrau
zugedachte. Im allgemeinen aber -- ich sagte das schon eingangs -- ist
die Freundschaft durchaus kein Mittel, den Umsatz zu heben. Besonders
muß auch hier beachtet werden, wo und wem man Freundschaft erweist.
Bringt man den Kindern, besonders wenn sie den Onkel Reisenden schon
kennen, auf dem Lande oder in der Klein- und schließlich auch noch
in der Mittelstadt eine Bonbonière mit, macht man Freude, tut man das
Gleiche in größeren Geschäften, oder wenn man nicht mit den Kindern
bekannt ist, wirkt man aufdringlich! Und Aufdringlichkeit ist eine
schlechte Empfehlung. Wenn ein Kunde einmal den Eindruck hat, durch die
Aufdringlichkeit eines Reisenden hineingelegt worden zu sein, dann wird
er gewiß nicht zum zweitenmal hineingelegt werden. Geht ein Reisender
aus einem Geschäft, soll der Kunde nicht einen Alpdruck los geworden
sein! Der Besuch des Reisenden darf ihm höchstens gleichgültig, besser
aber, muß ihm angenehm sein. Da heißt es denn


Reiseunarten

vermeiden. Da sehe ich einen Reisenden vor mir. Nicht Onkel Dampramang,
der war nur lustig und fröhlich! Nein, der Onkel heißt anders! Er legt
dem Kunden, dem das ersichtlich unangenehm ist, plump vertraulich die
Hand auf die Schulter und weiß sich nicht genug zu tun, ihm einen Witz
-- manchmal auch eine Zote -- so recht brühwarm zu erzählen. So ein
+Witzbold+ sollte nur manchmal wissen, wie er mit samt seinen Zoten
eingeschätzt wird. Gewiß lacht der Kunde, er hat ja mehr Takt als der
geschwätzige Erzähler. Aber wenn dieser dann gegangen ist, dann reibt
der Erlöste unwillkürlich die Hände sauber. Zum Witzerzählen gehört
sehr großes Geschick. Der Witz, der dem Einen wohlgelingt, setzt einen
Anderen im Ansehen sehr herab.

Da ist ein anderer Typus. Der +Aufdringliche+. „Ich brauche wirklich
nichts, ich habe gekauft, ich habe meine festen Verbindungen! Ich
will Sie nicht los werden, wenn ich das sage! Ich nehme aber an, daß
Ihre Zeit Geld ist, wie die meine!“ So sagt der Kunde! Der Reisende
merkt nichts! Er dienert herum und versichert immer wieder, daß er
doch nicht früher fahren kann, als sein Zug geht, daß er sich wirklich
eine Freude mache, die Muster zu zeigen, auch wenn der Kunde nichts
brauche. Der Reisende lügt; der Kunde muß es merken, wenn er Kaufmann
ist. Der Reisende will verkaufen, muß verkaufen. Auch wenn sein Zug
noch nicht fährt. Es führen mehr Wege nach Rom, braucht der eine Kunde
nichts, was hindert den Reisenden, einen anderen zu besuchen? Manchmal
aber gelingt es. Der Aufdringliche verkauft etwas, vielleicht ist die
Bestellung aber dann schon aufgehoben, ehe sie überhaupt beim Hause
ankommt. Und ist das nicht der Fall, dann sieht der Reisende, wenn er
wiederkommt, bestenfalls noch die Rockschöße des eben verschwindenden
Kunden. Sich hat er nichts genützt, seinen Berufsgenossen noch viel
weniger. Ein Kaufmann, der mit solchen wenig schätzbaren Elementen zu
tun hatte, überträgt tagelang seine Abneigung gegen Reisende auch auf
die anständigen Angehörigen der Reisezunft.

Sehr viel Aehnlichkeit mit dem Aufdringlichen hat der +Kriecher+! Ich
war einmal als Kunde Zeuge einer solchen unwürdigen Kriecherei.

Ein Reisender kam zu meinem Lieferanten, der wohl dafür bekannt war,
daß er immer gern mäkelte, wenn Reisende zu ihm kamen, von denen er
schon gekauft hatte. Die Absicht war ja klar. Hatte der Reisende
alle möglichen Litaneien über verspätete und zu knappe Lieferung mit
anhören müssen, dann schwand ihm sicher die Hoffnung, ein Geschäft
zu machen. Hat ein Reisender Charakter -- er muß sich natürlich auch
auf die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit seines Hauses verlassen
können --, dann wird er ganz ruhig erklären, daß ein Irrtum oder
eine Verwechselung mit einem anderen Hause vorliegen müsse. Wird
spätere Lieferung gerügt, kann sich der Reisende selbst aus seinem
Kontoauszug überzeugen, ob die Klage berechtigt ist. Handelt es sich um
mangelhafte Lieferung, dann lasse er sich zeigen, wo der Mangel lag --
um ihn abstellen zu können natürlich! Dann werden sich bald Irrtümer
herausstellen und die Mängelanzeigen an Berechtigung verlieren. Der
Reisende aber, von dem ich sprach, beging gleich zwei Fehler. Er gab,
ohne geprüft zu haben, die Möglichkeit der Berechtigung der Beschwerden
zu! Nur bat er, ihm doch nicht entgelten zu lassen, wenn seine Firma
einmal gefehlt habe. Es solle gewiß nicht wieder vorkommen, nur möchte
man ihm das Wohlwollen erhalten. Die Geschäfte gingen so schlecht, die
letzten Tage hätten gar kein Geschäft gebracht, er habe so bestimmt auf
einen Auftrag gerechnet, und nun werde ihm die schwere Enttäuschung!
Da war der Reisende, wo man ihn haben wollte. Schlechte Geschäfte! Ein
Reisender sollte nie über schlechte Geschäfte klagen. Wir Menschen
sind alle mehr oder weniger von oft kleinen und unbedeutenden äußeren
Eindrücken abhängig. In einer Zeit, wo die Klage über schlechte
Geschäfte zum eisernen Bestand jeder geschäftlichen Unterhaltung
gehört, darf nicht auch noch der Reisende in das gleiche Horn tuten.
Er nimmt seinem Kunden die Zuversicht, er nimmt ihm den Glauben,
die Hoffnung auf Besserung vielleicht von ihm selbst als drückend
empfundener Zustände. Aus Mitleid kauft niemand! Das Mitleid wird nur
+ausgenutzt+, wenn es wirklich zum Kaufe kommt.

Endlich, endlich ließ sich mein Lieferant breit schlagen und sah die
Muster an. Immer geneigt, zu erklären, das weitere Ansehen habe keinen
Zweck. Die Muster seien veraltet, die Qualität nicht gut, der Preis zu
teuer. Natürlich! Viel zu teuer! Bei den schlechten Geschäften kann
man doch nicht solche Preise zahlen! Nein, da kauft man bei XX doch
viel billiger. Es hat gar keinen Zweck, weiter zu verhandeln, aus dem
Geschäft wird doch nichts.

Da war nun die Hoffnung aufgestiegen, doch etwas verkaufen zu können,
und nun der Sturz aus allen sieben Himmeln. Das gibt dann ein +Geschäft
um jeden Preis+. Der Reisende hat keinen Nutzen, sein Haus hat keinen,
und schließlich wird der gedrückte Preis auf eine Art wett gemacht, die
nur zu neuen -- und dann berechtigten -- Beschwerden führen muß.

Eine andere Reiseunart bringt den Reisenden um seinen Ruf, sie kann
ihn auch mit dem Wettbewerbsgesetz in Berührung bringen. „Ich kaufe
bei XX und werde dort gut bedient!“ Was? Bei XX? In der Knochenmühle?
Wie können Sie da kaufen? Der Mann ist ja nicht im geringsten
leistungsfähig! Ich habe sogar gehört, daß es sehr schlecht mit ihm
stehen soll. Der hat so und so viel Arbeiter, wir haben die dreifache
Zahl. Nein, mit dem zu konkurrieren, das ist wirklich keine Kunst.
-- Niemals so auf die +Konkurrenz schimpfen+! Es kommt nichts dabei
heraus, wirklich nichts! Erfährt es der Herabgesetzte, Angeschwärzte,
dann steckt er gewiß Unverdientes nicht gutmütig ein! Der Kunde aber
hat sich ein Urteil gebildet, das dem Reisenden ganz gewiß nicht
günstig ist. Das Herabsetzen der Konkurrenz, die eben vom Kunden gelobt
wurde, heißt diesen beleidigen. Es ist eine Beleidigung für einen
Kaufmann, wenn man ihm sagt, daß er nichts versteht. Das sagt man ihm
aber, wenn man einen Lieferanten, von dem er gut bedient zu werden
glaubt, als leistungsunfähig darstellt. Muß man mit bestimmten Firmen
konkurrieren, dann beweise man, daß man es kann, indem man die Vorzüge
der eigenen Ware klar legt. Man lasse sich jedenfalls erst die Preise
und die Qualitäten zeigen. Kann man wirklich konkurrieren, dann wird
es, wenn man tüchtige Warenkenntnisse hat, nicht schwer fallen, den
Beweis für die höhere Leistungsfähigkeit +seines+ Hauses zu liefern.
Dann hinterläßt man keinen üblen Eindruck, darf vielmehr sicher sein,
dem Kaufmann auch in seinen Augen eine Gefälligkeit erwiesen zu haben.


Einkäufe bei der Kundschaft.

Ob man bei der +Kundschaft Einkäufe+ machen soll, hängt sehr von der
Branche ab, und von dem, was man einkauft. Einen Gegenstand, den man
augenscheinlich gut braucht, kann man immer kaufen. Dahin gehören
Krawatten, seidene Tücher, Handschuhe, Reise-Andenken, Zigarren, kurzum
Dinge des täglichen Bedarfes. Andere Gegenstände zu kaufen rate ich
ab. Der Kunde merkt die Absicht und wird verstimmt. Nicht viel anders
ist es mit dem Freihalten der Kundschaft oder des Personals bestellt.
Es gibt Branchen, in denen sich das Freihalten so eingebürgert hat,
daß es trotz aller offensichtlich klaren Nachteile nicht auszurotten
ist. Das Freihalten der Kundschaft ist besonders eingebürgert im
Geschäftsverkehr mit Gastwirten; im Osten Deutschlands rechnen auch die
Destillateure dazu. Ein vernünftiger Kunde wird sich sagen, daß er bei
kleinen Artikeln, bei wenig summierenden Aufträgen bestimmt seine Zeche
wieder mit bezahlen muß! Wirklich freigebig ist kein Reisender, kann
kein Reisender sein. Freihalten der Kundschaft ist immer ein Mittel
zum Zweck. Beim Verkauf großer Gegenstände oder bei der Erledigung
größerer Aufträge ist das schon etwas anderes, erst recht dann, wenn
ein Reisender ausstellt.

Takt ist aber auch hier in jedem Fall erforderlich. Eine Erfrischung,
zur rechten Zeit angeboten, stellt immer eine wohltuend empfundene
Aufmerksamkeit dar! Darüber hinaus wird leicht das Gegenteil von dem
erreicht, was erreicht werden soll. Viel besser wird dem Reisenden
gedient sein, wenn es ihm gelingt, eine Einladung zu erhalten, mit
seinem Kunden ein Theater, ein Konzert oder eine ähnliche Veranstaltung
aufzusuchen. Eine vom Kunden dem Reisenden dargebotene Zigarre ist
immer mehr wert, als zehn vom Reisenden dem Kunden überreichte
Glimmstengel.

Von der Freihaltung des Personals sieht man am besten stets ab. Es
haftet dem immer so etwas wie versuchte Bestechung an. Wir werden
später sehen, wie man sich mit dem Personal gut stellen kann.


Allerlei Ausreden.

Der Reisende muß sich beim Besuch seiner Kundschaft von vornherein auf
allerlei Ausreden gefaßt machen. Es ist gut für ihn, wenn er sie kennt.

Herr Walter geht auf Entdeckungstour! Dann hat er es gewiß nicht
leicht! Er muß andere verdrängen, er muß sich in die entstandene Lücke
schieben! Das erfordert viel Klugheit. Herr Walter kommt zum ersten
Kunden! „Kann ich den Herrn Chef sprechen?“, fragt er den bedienenden
Verkäufer. „Bedauere sehr“, erhält er zur Antwort, „der Chef ist nicht
da, beschäftigt, verreist oder sonst wo unabkömmlich!“ Herr Walter hat
gleich zwei Fehler auf einmal gemacht. Warum frug er: „Kann ich den
Herrn Chef sprechen?“ Warum +frug+ er überhaupt? Daß er nach dem „Chef“
frug, zeigte dem Handlungsgehilfen sofort, daß er es mit einem Neuling
zu tun hatte! Er hatte gewiß keinen Auftrag, dem Reisenden die unwahre
Auskunft zu geben, er kann aber sicher sein, daß es sein Chef in neun
von zehn Fällen ihm dankt, wenn er ihn vor dem Reisenden bewahrte. Der
andere Gedanke, daß er, der Chef, ja mitverantwortlich, mitschuldig an
der falschen Auskunft ist, der kommt ihm selten. Warum frug aber Herr
Walter überhaupt? Kam er denn wirklich in das Geschäft, um zu wissen,
ob er den Chef sprechen konnte? Dazu wurde er doch nicht auf die Reise
geschickt! Er soll doch vielmehr verkaufen! Zu dem Zweck +muß+ er aber
den Chef sprechen. Wenn Herr Walter aus seinen Fehlern lernte, dann
wird er bei der nächsten Gelegenheit sagen: „Ich wünsche Herrn Müller
zu sprechen!“ Das ist etwas ganz anderes. Dieser Wunsch wirkt bei
den Angestellten in ganz anderer Form. Die Form des Wunsches beweist
ihm bereits, daß der Mann Herrn Müller kennt! Daß er ihn zu sprechen
wünscht, macht mindestens den Gehilfen zweifelhaft, ob er unter diesen
Umständen den Prinzipal verleugnen darf! -- Aber wir wollen erst noch
einmal zu den Fehlern des Herrn Walter zurückkehren, ehe wir ihn
weiter auf seinem erfolgreicheren Wege folgen! Der Chef war also nicht
da! „Kann ich etwas ausrichten, darf ich etwas bestellen?“, so frug
zuvorkommend der Handlungsgehilfe. „Nein“, sagte Herr Walter, „aber
geben Sie bitte meine Karte ab und sagen Sie Ihrem Chef, ich würde mir
erlauben, in zwei Stunden noch einmal vorzusprechen“. Und damit gab
Herr Walter seine Geschäftskarte ab! Aber Herr Walter! -- -- Was mag
sich wohl innerhalb dieser zwei Stunden abspielen? -- Der Chef kam,
er hatte vielleicht gar den Reisenden gesehen und im Hintergrund die
Entwickelung der Dinge abgewartet. „Was wollte der Herr?“ ... „Ach, es
war ein Reisender von Gebrüder Hohendorf! Ich wollte Sie nicht stören
und habe ihm gesagt, daß Sie abwesend wären. Er hat seine Karte hier
gelassen.“ Da nahm der Chef die Karte -- er sah sie auch an -- aber
er sagte: „Von den Artikeln brauchen wir doch nichts! Wenn der Mann
wieder kommt, so sagen Sie ihm, ich sei zurückgekehrt, aber wieder
weggegangen, ich hätte Sie aber ersucht, ihm zu sagen, daß ich nichts
gebrauche“.

Herr Walter kam wieder! „Kann ich jetzt den Herrn Chef sprechen?“
„Bedaure sehr, der Chef mußte in dringender Angelegenheit noch einmal
ausgehen, er läßt Ihnen aber sagen, daß er gegenwärtig gar keinen
Bedarf hat!“ Lacht nicht die Schadenfreude ein wenig aus den Augen
des Angestellten? Es gibt leider Gehilfen, sie wollen vielleicht
auch gern einmal Reisender werden, die suchen etwas darin, Reisende
„abzuwimmeln“, wie der fachmännische Ausdruck lautet! Und Reisende wie
Herr Walter ermöglichen das nur allzuleicht. Schadenfreude soll ja die
reinste Freude sein. So hat Herr Walter den Schaden und braucht für den
Spott nicht zu sorgen.

Gehen wir nun mit Herrn Walter zum neuen Kunden, wo er es geschickter
anfing! „Ich wünsche Herrn Müller zu sprechen“, so hatte er dort
erklärt. Nehmen wir nun an, daß auch hier der Angestellte den Chef
verleugnete, weil er doch in Herrn Walter den Reisenden erkannte. Was
ist dann zu tun?

Ich würde in solchen Situationen ruhig sagen: „Ich bin bestellt, wollen
Sie mir sagen, wann Herr Müller zurückkommt!“ Wird der Angestellte
nun unsicher, will er vielleicht einmal sehen, ob der Chef doch da
oder schon wiedergekommen ist, dann hat Herr Walter halb gewonnen. Er
braucht nicht bange zu sein, wegen seiner Notlüge in Verlegenheit zu
geraten. Mir ging es einmal so! Der Angestellte sah nach, ob der Chef
da war, und er war da! Er mußte wohl gesagt haben, daß ein Reisender
da sei, der bestellt wäre! So kam der Chef! Ich trug ihm mein Anliegen
vor! „Aber, wie können Sie sagen, Sie seien bestellt?“ lautete die
nicht gerade höfliche Gegenfrage. Ich war mir bewußt, daß ich jetzt
über Erfolg oder Mißerfolg zu entscheiden hatte. „Ich will Ihnen das
ganz offen sagen“, war meine Antwort, „ich war der Ueberzeugung, daß
Sie von Ihrem Angestellten verleugnet würden. Ich war weiter der
Ueberzeugung, daß Sie gewiß nicht in Ihrem Einverständnis verleugnet
wurden! Da habe ich die Ausrede gebraucht! Ich habe mir gesagt,
daß Sie Geschäftsmann genug sind, um zu wissen, daß wir Reisenden
hinausgeschickt werden, um zu verkaufen. Brauchen Sie nichts, oder
sagt Ihnen meine Ware nicht zu, dann muß ich das bedauern, aber ich
kann es nicht ändern. Ich werde das aber überwinden! Ihnen glaubte ich
es jedoch schuldig zu sein, so vorzugehen, wie ich vorgegangen bin.“
War es das ungewöhnliche meines Vorgehens, waren wirklich meine Waren
preiswert -- ich machte mein Geschäft.

Der Angestellte hätte mit Herrn Walter aber auch anders vorgehen
können! Er hätte fragen können: „In welcher Angelegenheit wollen
Sie Herrn Müller sprechen?“ Soll nun Herr Walter sagen, daß er Ware
verkaufen will? Nein! Der Verkäufer kann ihm keine abkaufen! Herr
Walter wird deshalb ebenso ruhig erklären können: „In einer besonderen“
oder gar „Privatangelegenheit“. Er kann auch jetzt beruhigt sein!
Entweder war der Chef da und er stellt sich nun ein, dann kann
Herr Walter ruhig so handeln, wie ich damals handelte! Sich über
einen Angestellten beklagen, ist ja schließlich eine persönliche
Angelegenheit. War aber der Chef nicht da, dann wird nun sicher der
Angestellte sagen, wann er anzutreffen ist. Hält es Herr Walter für
richtig, eine Karte dazulassen, dann nur nicht seine Geschäftskarte. Es
nützt ihm sonst gar nichts, daß er vielleicht ein großes Geschick hat,
einmal im Gespräch mit dem Kunden ihn zum Ansehen der Muster und zum
Kaufen zu bewegen. Er sieht dann nämlich -- es ist zehn gegen eins zu
wetten -- den Chef auch nicht, wenn er wiederkommt.


Nicht vorzeitig die Karten aufdecken.

Herr Walter wird vielmehr dann eine einfache, kleine Visitenkarte
überreichen, auf der nichts weiter steht als:

  +Hermann Walter+
  Kaufmann
  Grünhainichen.

Bekommt jetzt Herr Müller die Karte, dann weiß er gewiß nichts damit
anzufangen. Und die Neugierde darüber, wer wohl Herr Walter sei und was
er wolle, wird ihn veranlassen, den Besuch anzunehmen. Dann ist die
Stunde der Ernte gekommen.

Die Anmaßung junger Leute kann man aber auch anders überwinden!


Verbündetes Personal.

Die meisten Handlungsgehilfen gehören einem Verband an und halten
große Stücke auf ihn. Alle Verbände haben ihre Abzeichen, und diese
pflegen auch getragen zu werden. Trägt ein junger Mann das Zeichen,
dann ist ein sehr guter Anknüpfungspunkt gegeben. Mag er dann ruhig
auch erklären, daß der Chef nicht da ist, das kleine Zeichen soll ihm
wohl die Zunge lösen. Der Reisende muß natürlich wissen, auf welche
Verbandszugehörigkeit das Zeichen deutet. Er wird dann ganz beiläufig
sagen: „Sie gehören auch zum X-Verband? Hat der denn hier auch einen
Zweigverein? Können Sie mir sagen, wo die Sitzungen sind und wann
sie sind?“ Sind sie heute, gut, dann stelle man ruhig seinen Besuch
in Aussicht! Sind sie morgen, dann bedaure man, nicht teilnehmen zu
können! Ein persönliches Band schließt sich um Verkäufer und Reisenden
und -- unser Freund wird -- schon um seinem „Verbandsbruder“ gefällig
zu sein, doch noch einmal nachsehen, ob der Chef nicht doch da ist.
Ueberhaupt stelle man sich gut mit dem Personal. Auch der letzte
Verkäufer hat Einfluß auf den Einkauf, wenn er sein Lager kennt. Kommt
man mehrfach, kennt man schon die Firma, dann übergehe man nicht den
jungen Mann, wenn Waren bestellt werden. Wenn ein Artikel sich gut
verkauft -- und der Prinzipal kann nicht alle Artikel ohne weiteres
kennen; selbst wenn sein Geschäft gut organisiert ist, so wird er
sich auf das Urteil seines Verkäufers verlassen oder ihm doch große
Bedeutung zumessen --, dann wird er wieder bestellt, dann ist das
Geschäft so gut wie eingeleitet. Ein Artikel wird aber nicht zuletzt
deshalb gut verkauft, weil er dem Verkäufer selbst immer in Erinnerung
ist und deshalb häufig vorgelegt wird.

Doch wir wollen wieder zu den Ausreden zurückkommen, gegen die der
Reisende seinen Kampf zu führen hat. Es ist durchaus nicht lediglich
eine Angewohnheit des Angestellten, seinen Chef zu verleugnen, es ist
auch schon vorgekommen, daß sich der Chef selbst verleugnete.

Kommt ein Reisender und fragt den anwesenden, aber ihm persönlich
unbekannten Chef, ob er den Prinzipal sprechen könne, dann hat er damit
ja schon verraten, daß er den Chef nicht kennt. Dann ist es bequem,
sich zu verleugnen, mindestens keimt die Versuchung alsdann empor.
Warum fragt Herr Walter aber so? Warum begrüßt er nicht einfach in
einem Laden, in einem Kontor den Herrn, den man nach seinem eigenen
Urteil für den Chef halten könnte, als solchen? Wenn Herr Walter z. B.
im Geschäftslokal des Herrn Müller einen Herrn bemerkt hätte, der
Prinzipal hätte sein können, dann würde er einfach auf den zugegangen
sein und gesagt haben: Guten Tag, Herr Müller, wie geht es Ihnen?
Herr Müller, wenn er es selber ist, wird dann ganz gewiß nicht sagen,
er sei gar nicht Herr Müller, der sei vielmehr verreist. Und traf es
Herr Walter nicht, war es meinetwegen der erste Verkäufer, den er mit
„Herr Müller“ anredete, so schadet das nichts. Ganz gewiß ist der erste
Verkäufer nicht böse darüber, für den Chef gehalten worden zu sein.

Dabei darf aber der Reisende nicht mit geschlossenen Augen in das
Geschäft gehen. Wenn z. B. am großen Firmenschild steht: „H. A.
Wolfram“ und auf einem ganz kleinen Emailleschild „Gebr. Kohn“, und
Herr Walter redet dann den Herrn, den er für den Chef hält, mit „Herr
Wolfram“ an, dann hat er verspielt. Also auf die Inhaberschilder achten.


Eine lehrsame Geschichte!

Doch ich wollte zu Nutz und Frommen meiner Kollegen eine kleine
Geschichte erzählen. Ich kam in einer westfälischen Großstadt zu einem
Kaufmann. Ich beging damals noch die Unklugheit, nach dem Chef zu
fragen! Ich sprach mit dem Inhaber, der sich aber verleugnete. Ich
glaube, mich ritt der Teufel, wie man so zu sagen pflegt! Mir war es,
als sagte es mir jemand, daß ich den Chef vor mir hätte, als zwänge
mich etwas, ihm seine Unwahrhaftigkeit heimzuzahlen. Ich sagte also:
„Das tut mir sehr leid! Es ist doch merkwürdig! So oft ich komme,
ist der Chef nicht da! Der muß sich doch gar nicht um sein Geschäft
bekümmern. Kein Wunder, wenn dann alles tuschelt und alle möglichen
Dinge flüstert!“

Der gute Mann hat Blut geschwitzt! Er hätte mich gewiß am liebsten
hinausbefördert, aber er sollte noch mehr hören. Ich erzählte ihm,
ganz als ob es selbstverständlich wäre, daß jetzt die Unsitte so Platz
greife, sich verleugnen zu lassen. Ich schilderte, wie ein solcher
Mensch jedes persönlichen Mutes bar sei, und gab ihm auch sonst einige
Nüsse zu knacken. Ich war also recht frech und ich will auch keinem
„Onkel“ raten, ebenso frech zu sein. Aber die Sache ging noch gut ab
und ich bin überzeugt, daß der Mann sich nicht wieder verleugnet.
Kommen andere Kollegen einmal in die gleiche Lage, dann sollten sie
sich dieser kleinen Geschichte erinnern.

Die herkömmliche Ausrede ist aber die: Ich brauche nichts! „Wat sall
einer dorbi dauhn“, würde Fritz Reuter gesagt haben. Ja, will denn
der Reisende wissen, ob sein Kunde etwas braucht? Freilich weiß er das
nicht, aber er will verkaufen! Da muß er also die Kauflust wecken. Der
Reisende, der bei dieser Ausrede des Kunden sofort seine Sache aufgibt,
wird nie etwas verkaufen, oder nur bei faulen Zahlern.

Beginnt nun der Reisende: „Ich komme für Meier & Söhne und möchte Ihnen
Offerte in Unterhosen machen“, dann legt er ja dem Kunden die Ausrede
direkt in den Mund: „Ich brauche nichts!“ Dabei weiß der Kunde noch gar
nicht, ob er nicht doch von den Artikeln des Reisenden etwas brauchen
kann, denn er kennt dessen Ware nicht oder doch nur ungenau. Also darf
sich die Einleitung des Gespräches nicht so gestalten, daß dem Kunden
die Ausrede in den Mund gelegt wird, die so bequem ist. Für wen der
Reisende kommt, das interessiert den Kunden nur dann, wenn ein neuer
Reisender einer alten Firma kommt, oder wenn der Reisende ein Haus von
sehr gutem Ruf vertritt.


Wie man Geschäfte macht!

Wer Entdeckungstouren macht für mittlere -- oder doch nicht bekannte
-- Häuser, darf sich nur vor Augen führen, daß er Ware verkaufen
soll und daß die Ware gefallen muß. Der Reisende wird also am
besten meine Winke mit den Handmustern befolgen und dem Kunden
vielleicht so kommen: Ich interessiere mich für die Einführung dieser
praktischen -- oder billigen -- oder luxuriösen Neuheit! Haben Sie
die Güte, sich das einmal anzusehen! Auf diese Weise hat er schon die
Geschäftsverhandlungen angeknüpft, ehe der Kunde sein „Ich brauche
nichts“ heraus hat. Ein mir bekannter Reisender führte Neuheiten so
ein (ich teile das mit, obwohl ich weiß, daß sich nicht jeder Kollege
dieses oder eines ähnlichen Mittels bedienen kann und obwohl mir das
Mittel an sich nicht sonderlich gefällt): Er bat an der Abendtafel uns
alle, die wir mit ihm gegessen hatten, anderen Tages ihm einen Gefallen
zu tun! Wir möchten doch einmal in einige der ersten Geschäfte gehen
und eine bestimmte Zigarette verlangen. Wir würden sie sicher nirgends
bekommen, also keine Ausgaben dabei haben. Wir möchten aber sehr
erstaunt sein, wenn wir die Marke nicht bekämen, und uns ganz bestimmt
keine andere Marke aufdrängen lassen, weil wir gewohnt seien, unsere
Marke zu rauchen.

Wir gingen darauf ein; warum sollten sich nicht Reisende auch einmal
einen „Jux“ machen und -- unser Kollege hatte anderen Tages einige
Probeaufträge in der Tasche.

Recht oft hört man die Ausrede: Ich kaufe den Artikel da und da und
bin damit zufrieden! Wer dann, wie es leider oft geschieht, die andere
Firma angreift und heruntersetzt, ist ein sehr ungeschickter Reisender.
Im Gegenteil schadet es gar nichts, wenn man einige anerkennende Worte
über die Konkurrenzfirma fallen läßt, vor allen Dingen aber muß jetzt
der Reisende versuchen, den Preis zu erfahren, er muß im Augenblick
sich darüber klar sein, ob er mit dem anderen Haus konkurrieren und vor
allen Dingen, ob er dem Kunden das klar beweisen kann.

Kommen wir nun zum Verkauf! Mancher Reisende kommt zwar dazu, die
Muster vorzulegen, kann aber doch keinen Kauf zum Abschluß bringen.
Das kommt dann vor, wenn der Augenblick, in dem die Kauflust erwacht,
nicht so benutzt wird, daß ein Geschäft zustande kommt. Ist der rechte
Augenblick vorbei, dann ist es auch mit dem Geschäft vorbei. Leider
kann man hier nicht sagen, wann der Augenblick kommt, und wie er in
jedem einzelnen Fall nutzbar verwertet wird. Vielmehr heißt es hier,
selbst aufzupassen und dann mit Takt und Geschick vorzugehen. Unter
Umständen kann es auch notwendig sein, auf Umwegen zum Ziele zu kommen.

Noch ein paar Worte über


allerlei kleine Schwächen.

Ich sagte schon, daß der Reisende, wenn er glaubt, irgendwo den Chef
vor sich zu haben, ihn mit dem Namen begrüßen soll! Nicht fragen: Habe
ich die Ehre ....? Das gilt aber auch für die Reisenden, die schon ihre
Kunden kennen. Sie werden nicht einfach sagen: Guten Morgen! oder,
wie in Oesterreich und zum Teil in Bayern: Hab’ die Ehre!, sie werden
vielmehr ihrem Gruß dadurch persönliche Färbung geben, daß sie sagen:
Guten Morgen, Herr Meyer! -- Es kommt dabei noch auf eine Kleinigkeit
mehr an!


Titel und Würden.

Wir haben im kaufmännischen Geschäftsleben Titel ja wenig verbreitet.
Aber wir haben Titel! Der Reisende wird einem Kaufmann, der einen
Titel hat, diesen auch zukommen lassen, wenn er sich überhaupt zur
Anrede eignet. Es wird keinem Reisenden einfallen zu sagen: Herr
Handelskammervorsitzer! Keinem in den Sinn kommen zu sagen: Herr
Stadtältester! Den Titel „Handelsrichter“ wird er schon gebrauchen
können, den Titel „Gemeinderat“ auch, den Titel „Stadtrat“ ganz gewiß,
und wenn sein Kunde gar „Kommerzienrat“ ist, natürlich auch dem
Rechnung tragen. Wenn der Reisende Damen mit „gnädige Frau“ anreden
muß, soll er das Wort „gnädige“ aussprechen. Ich war einmal Zeuge,
wie sich eine Dame den Zusatz zu ihrem Namen verbat, weil sie es als
Unhöflichkeit auslegte, daß der Herr -- es war ein Reisender -- sie mit
„gnä’ Frau“ anredete.

In Bayern und in Oesterreich gibt es Titel, an die ein Norddeutscher
kaum denkt. Lieber dann einmal einen Titel mehr geben, als zu wenig.
Der Detailreisende muß natürlich der Titelsucht erst recht gerecht
werden. Er kommt mit Kreisen in Berührung, bei denen das Titelwesen
ausgeprägter ist, die aber auch größeren Wert auf Titel legen.


Die Höflichkeit

des Reisenden muß eine stets gleichbleibende sein. Kommt es vor -- und
es kommt vor --, daß einem Kunden gesagt wurde, er möchte sich die
Muster doch ansehen, auch wenn er klipp und klar erklärte, nichts zu
brauchen, dann darf der Reisende es sich nicht merken lassen, daß er
erbittert wurde, weil der Kunde trotz der vorzüglichen Muster und trotz
der Redekunst des Reisenden nichts kaufte. Natürlich muß der Reisende
auch dann gleichbleibend höflich sein, wenn er statt der großen
Kommission nur einen kleinen Auftrag überschreiben kann. Vielfach wird
ein kleiner Auftrag nur gegeben, um den Reisenden nicht ganz leer
abgehen zu lassen. Kleine Aufträge sind also oft Gefälligkeitsaufträge!
Um so mehr muß der Kunde verletzt sein, wenn der Reisende die
Gefälligkeit mit unhöflichem Wesen lohnt! Auch dann, wenn es sich nicht
um Gefälligkeitsaufträge handelt, vielleicht nur um einen Versuch,
muß der Reisende gleichbleibend höflich sein. Vielleicht noch mehr als
das! Er wird sicher dann bei seinem Kunden angenehm auffallen. Die
Kundschaft wird in der Regel, gibt sie kleine Aufträge, nicht gerade
verwöhnt durch große Zuvorkommenheit! Um so mehr wird es ihr auffallen
und in der Erinnerung haften, wenn sie sieht, daß es auch andere
Reisende gibt.


Urteile, keine Redensarten.

Ein alter Fehler liegt im vielen Reden! Gewiß muß der Reisende den
Kunden oftmals führen, seine Kauflust zu +den+ Waren leiten, die der
Reisende zwar gern los sein will, von denen er aber auch annehmen
darf, daß sie dem Kunden Vorteil bringen. Der Reisende soll sich dabei
aber immer gegenwärtig halten, daß viele Menschen immer das wollen,
was andere nicht wollen. Sie schwimmen immer gegen den Strom! Ein
solcher Kunde muß sehr vorsichtig behandelt werden. Manchmal wird sogar
seine Aufmerksamkeit auf Waren gelenkt werden müssen, die das gerade
Gegenteil von dem darstellen, was der Kunde kaufen soll. Aber auch bei
anderen Kunden ist Vorsicht am Platze; schließlich will niemand gern
bevormundet sein. Der Reisende wird deshalb zunächst immer nur die
rein sachdienlichen Bemerkungen zu allen Waren machen und nicht von
vornherein sich mühen, den Kunden auf einen bestimmten Gegenstand zu
bringen.

Erst wenn der Kunde angebissen hat, ist es Zeit, einen Gegenstand
aus der Zahl der übrigen herauszuheben. Dabei muß der Reisende noch
mehr wie der Verkäufer eines Detailgeschäftes oder der Detailreisende
leere Redensarten vermeiden. Wenn der Reisende einen Gegenstand für
das „Neueste“ und einen anderen für das „Beste“ erklärt, dann, wenn
der Kunde zu anderen Gegenständen greift, das gleiche nichtssagende
Lob auch diesen Gegenständen spendet, dann sind seine Worte leere
Redensarten; sie haben aufgehört, den Kunden zu leiten und ihm ein
fachmännischer Rat zu sein. Leere Redensarten muß nur der Reisende
machen, der keine Kenntnis von seinen Waren hat. Wenn sich der Wunsch
des Kunden, eine Ware zu kaufen, mit dem des Reisenden deckt, diese
Ware zu verkaufen, dann wird der Reisende hervorheben, was nach seiner
Meinung die gefallende Ware vorteilhaft für den Kunden macht. Nur so
kann er überzeugen, nur so seinem Urteil die Achtung und das Vertrauen
des Fachmannes erringen.

Leicht verfallen auch Reisende in das andere Extrem.


Gekränkte Eitelkeit.

Sie haben Warenkenntnis, aber der Kunde nicht. Dann fällt wohl
einmal eine Bemerkung, die imstande ist, die Unkenntnis des Kunden
zu verraten. Der Reisende wird dann vorsichtig -- ohne lehrhaft zu
sein -- den Kunden auf den rechten Weg führen. Er wird aber nicht
etwa über den Kunden lachen. Auch nicht über andere Dinge, so lange
er mit dem Kunden verhandelt, wenn nicht ein direkter Anlaß zu einem
Lachen gegeben ist, in das auch der Kunde mit einstimmen kann. Kunden,
die keine Warenkenntnis haben, wissen das! Es geht ihnen wie den
gleichen Reisenden; sie bekommen ein Gefühl der Unsicherheit. Lacht
der Reisende, meinen sie sich verlacht. Das wirkt auf die Stimmung
erkältend, manchmal geht sie auch ganz verloren. Es sind 20 Jahre her!
Das Linoleum kam in Aufnahme. Wirklich nette Teppichmuster erschienen
auf dem Markt. Ich kam dazu, wie ein Reisender eines bedeutenden Hauses
einem meiner Kunden Offerte machte. Er hatte ihm eben eine Preisliste
vorgelegt, und mein Kunde erklärte: Er habe nicht die Absicht, sich
Linoleum (mein Kunde sprach nicht das e und u getrennt, sondern als eu)
zuzulegen. Da platzt mein Kollege los! „Linol eee um, Herr Meyer, nicht
Linol eu m!“

Es war natürlich vorbei mit dem Geschäft! Mein Kunde führt das „ekliche
neue Zeug mit dem vertrackten Namen“ auch heute noch nicht.

Und Hand auf das Herz! Gibt es nicht der Dinge mehr, die durchaus
nicht ahnen lassen, daß sie lateinischen Ursprungs sind? Weiß nicht
manchmal nur der Fabrikant, wie er eine Neuheit, der er den Namen
gab, angesprochen wissen will? Ich nehme mir irgend eine Zeitung her:
Hiengfong-Essenz! Wird da das e mitgesprochen oder das i gedehnt? Ich
lese weiter: Longines. Wird das gesprochen wie man es schrieb, oder
Lonschines? Heißt das Ding „Clanor“ oder „Cläner“, spricht man Shampoon
aus, indem man die beiden o deutlich erklingen läßt und des Sh wie Sch
spricht? Genug damit! Ich brauche nicht nach Beispielen zu suchen. Man
kann einen Menschen zwar für dumm halten, man soll es ihm aber, will
man ihm Ware verkaufen, weder merken lassen, noch es ihm sagen. Der
Reisende muß Vertrauen erwecken! Nicht nur für sich, auch für seine
Waren!

Wenn er Interesse daran hat, von seinen Waren die teueren zu verkaufen,
sei es nun, weil es für ihn günstiger ist, oder sei es, weil er den
Kunden gut versorgen möchte, dann wird er doch nicht die billige Ware,
die er auch führt, die vielleicht die Aufmerksamkeit des Kunden erregt
hat, schlecht machen. Er wird sich vielmehr vor Augen halten, daß es
zwar seine billigere Ware ist, aber doch eben +seine+ Ware. Leicht ist
das Urteil des Kunden fertig, daß dort, wo die billige Ware der Mängel
so viele hat, auch die teuere nicht viel taugen wird. Der Reisende weiß
doch, warum er die teuere Ware verkaufen will! Er wird also das dem
Kunden sagen, er wird die Vorteile der teueren Ware vor der billigeren
herausheben. Er wird vielleicht sagen, daß der eine Stoff im Faden und
der billigere im Stück gefärbt ist. Daß jener die Farbe besser hält,
oder daß der Waschstoff zum Waschen geeigneter sei aus den und den
bestimmten Gründen. Immer muß die Absicht erkenntlich sein, dem Kunden
zu nützen.


Zu große Kauflust.

So gibt es auch Kunden, die kaufen darauf los, was sie nur immer
kaufen können! Natürlich hat es jetzt der Reisende leicht, viel zu
verkaufen, er hat es jetzt schwer, rechtzeitig Einhalt zu tun, soll
der Kunde nicht den Kredit, den er hat, überschreiten. Das ist eine
Gelegenheit, Vertrauen zu erwecken, es ist aber auch eine, einen Kunden
los zu werden. Es kommt alles auf das Taktgefühl des Reisenden an.
Der Reisende, der jetzt dem Kunden sagen würde, er möchte nichts mehr
kaufen, weil er im Begriff stehe, seinen Kredit zu überschreiten, der
darf einpacken! Jetzt wird vielmehr der Reisende, indem er diesen oder
jenen gekauften Artikel oder Lagerware, die er bemerkt, heranzieht,
dem Kunden sagen, daß der Gegenstand, der ihn noch zum Kauf reizt, zur
Folge haben würde, daß der andere bestellte Artikel oder die Lagerware
nicht verkauft werden würde, da ein Gegenstand den anderen aussteche.
Das wird der Kunde einsehen! Er ist jedoch nicht verletzt! Er wird
vielmehr zu der Ueberzeugung kommen, daß es dem Reisenden nicht darum
zu tun war, dem Kunden viel zu verkaufen, sondern ihn gut zu bedienen.


Eigensinn.

Der Reisende darf nicht eigensinnig sein! Es kommt ja wohl vor, daß er
einen bestimmten Gegenstand verkaufen will. Er wird dann leicht geneigt
sein, auf ihm „herumzureiten“. Das kann leicht Mißtrauen erwecken, wenn
der Verkäufer immer wieder den einen Gegenstand heranzieht, nachdem der
Kunde seine Absicht zu erkennen gab, ihn nicht zu kaufen. Der Eigensinn
zeigt sich auch manchmal von einer anderen Seite! Ein Reisender
will einen bestimmten Gegenstand verkaufen, er versucht deshalb
geflissentlich Kauflust zu einem anderen Gegenstand zu zerstören!
Manchmal liegt das ja im Interesse der Kunden! Dann muß aber größte
Vorsicht obwalten.

Manchmal ist es auch gar nicht Eigensinn, sondern es kann ja vorkommen,
daß man eine Ware nicht verkaufen will, weil man sie am Platze schon
verkauft hat. Davon nimmt man dann am besten gar kein Muster mehr mit.
Geht es nicht anders, muß man nach +wirklichen+ Gründen suchen, um den
Kunden vom Kauf abzubringen. Weiß der Kunde, daß man noch anderswo
am Platze gearbeitet hat, kann man ihm offen sagen, man wünsche den
Gegenstand nicht zu verkaufen, eben weil er schon einmal an diesem
Platze verkauft sei.


Unentschlossenheit.

Wenn man im Ladengeschäft war, weiß man, daß es auch Käufer gibt, die
sich nie entschließen können. Findet der Reisende solche Kunden nicht?
Leider ja! Hier muß der Reisende sehr darauf achten, daß er nicht
eine Wahl, die dem Kunden schon schwer ist, noch mehr erschwert. Er
wird einem solchen Kunden nicht ohne weiteres alle Waren vorlegen,
sondern die bestimmten, die seinem Geschmack und seinem Bedürfnis
voraussichtlich entsprechen. Auch dann kann es kommen, daß der Kunde
zu keinem Entschluß gelangt. Da hilft manchmal ein Hinweis darauf, daß
sich diese oder jene Ware gut verkauft habe, daß sie nachgefordert
worden, also leicht zu verkaufen sei. Oder der Hinweis darauf, daß
eine bestimmte Ware von einem Konkurrenzgeschäft einer nahen Großstadt
geführt werde. Das wird besonders dann wirken, wenn die Kundschaft des
Geschäftsinhabers zeitweise nach dieser Großstadt fährt und in jenem
Geschäft Einkäufe macht. Der Hinweis darauf, daß der Kaufmann gerade
mit dieser Ware -- die er vielleicht auch noch etwas billiger verkaufen
kann, als das großstädtische Geschäft -- augenfällig beweisen könne,
daß unbesorgt am Platze gekauft werden könne, wird manchem Schwankenden
ein Stützpunkt sein. Manchmal ist ein Kunde auch unselbständig! Er
zieht sein Personal heran, in manchen Branchen auch die Frau! Daraus
geht hervor, daß sich der Kunde beeinflussen läßt. Manchmal ist der
Sachverstand der Sachverständigen nicht weit her! Dann ist wohl der
Anreiz vorhanden, dem Kaufmann zu beweisen, daß sein Sachverständiger
noch weniger versteht wie er! Warum? Geht der Reisende hinaus, um
diesen Nachweis zu führen oder will er verkaufen? Geht es nicht
ohne Beirat, gut, dann wird mit seiner Hilfe verkauft! Aber es wird
verkauft! Freilich wird dann der Verkauf schwerer, denn es ist jetzt
der Kunde und mehr noch sein Beirat zu überzeugen, daß diese Ware die
richtige ist! Gibt man nun scheinbar auch etwas auf die Sachkunde des
Beirates, dann ist dem Verkauf geholfen. Man kann dann die Sache so
wenden, daß der Sachverständige das Urteil ausspricht, was eigentlich
der Reisende sprechen wollte. Es wirkt dann besser. Man muß nur dem
Beirat in den Mund legen, was er sagen soll!


Zerstreutheit.

Selbstverständlich muß der Reisende immer gleichmäßiges Interesse
bekunden. Er muß, wenn er verkaufen will, sein ganzes Denken und sein
ganzes Handeln auf diesen Willen richten. Es darf für ihn nichts
anderes geben, als den Verkauf. Dem Kunden wird das wohltun! Sieht der
Reisende aber durch die Schaufenster nach den hübschen Mädchen, die
draußen vorbeigehen, oder nach der niedlichen Verkäuferin, die hinter
dem Ladentisch steht, dann wird er recht bald das Interesse des Kunden
am Kaufe verscherzt haben. Der Reisende gibt zerstreute Antworten, ist
nicht bei der Sache, und der Kunde hat dann das Gefühl, als läge dem
Reisenden gar nichts daran, ihm Ware zu verkaufen.

Ebenso muß der Reisende jede Bewegung unterlassen, die darauf
hindeutet, daß er eigentlich gar keine Zeit mehr hat! Die Uhr
bleibt in der Tasche, das Kursbuch wird im Hotel studiert. Der
Zug wird so gewählt und der Kunde so besucht, daß entweder der in
Aussicht genommene Zug erreicht wird, oder aber eine andere günstige
Fahrgelegenheit noch vorhanden ist. Schließlich geht doch der Reisende
nicht hinaus, um nur ja seine Tour pünktlich durchzuführen, sondern um
zu verkaufen. Ist er aber beim Mustervorlegen, dann ist die Aussicht,
etwas zu verkaufen, doch ziemlich bestimmt vorhanden. Das ist
keineswegs der Fall bei dem Kunden, den man mit dem Zuge, den man noch
pünktlich erreichen müßte, eben noch besuchen könnte. Vielleicht hat
auch der Bedarf! Vielleicht! Vielleicht ist er aber auch gar nicht zu
Hause! Also erst das Geschäft fertig gemacht und alle Gedanken verjagt,
die nicht mit ihm im Zusammenhang stehen.


Der Reisende als Vertrauensmann.

Was soll nun der Reisende beim Verkauf beachten? Ich habe schon
ausgeführt, daß der Reisende nicht nur Vertrauensmann seines Prinzipals
ist, sondern auch der des Kunden. Der wirkliche Reisende -- mit den
„Gerissenen“ wollen wir uns nicht beschäftigen -- will wiederkommen
können. Danach muß er sich einrichten. Er soll dem Kunden nicht
verkaufen, was er, der Reisende oder sein Haus los sein wollen,
sondern das, was der Kunde braucht. Er soll ihm auch nicht „Povel“ als
moderne Ware verkaufen. Wir leben nicht mehr in der Zeit, in der die
Postkutsche der Neuigkeitsträger und der Jahrmarkt die Modenausstellung
waren. Auch in den kleinsten Nestern, auch in den sozial niedrigen
Bevölkerungsschichten weiß man, was in der Welt vorgeht, und die
Hausfrauenzeitungen, die Modenbilder bringen, liegen heute fast jeder
Provinzzeitung als Beilage bei. Wenn nun auch die Leute der Kleinstadt
niemals in ihrer breiten Menge und Zug um Zug wie in der Großstadt
ihren Bedarf der Mode anpassen werden, so ist doch die Zeit dahin, in
der die Kleinstädte ein beliebtes Absatzgebiet für „Povel“ darstellten.

Der berechtigte und oft gehörte Ausspruch: Kauft am Platze! zwingt doch
heute jeden Kaufmann, der Kundschaft annähernd das zu bieten, was die
Großstadt bietet. Wird nun einem Kunden unmoderne -- oder veraltete
-- unpraktische Ware als modern, neu und praktisch verkauft, so gibt
dieser das Urteil des Reisenden seiner Kundschaft weiter. Er kann dann
böse damit hineinfallen und die Folge für den Reisenden wird darin
bestehen, daß er einen Kunden verärgert hat und ihn vielleicht gar los
wird. Wer alte, unmoderne Ware hat, soll sie als solche verkaufen.
Bedarf dafür ist schließlich oft zu finden.

Der Reisende muß das „Richtige“ verkaufen, das, was der
Geschmacksrichtung der Kundschaft seines Kunden und deren Finanzkraft
entspricht. Handelt er anders, so ruhen seine Artikel und erschweren
ihm das Geschäft, wenn er wiederkommt.

Der Reisende soll auch seinen Kunden nicht mit Gewalt überladen.
Gewiß soll der Reisende viel verkaufen, so viel wenigstens, daß die
Konkurrenz durch seine Lieferung überflüssig gemacht wird, so viel
mindestens, daß der Kunde ein Interesse daran hat, die Waren auch
zu verkaufen, weil sie sonst an seinem Lager veralten würden. Hängt
ein Reisender einem Kunden aber zu viel an, dann kann natürlich der
Kunde das nächste Mal nicht wieder so viel kaufen. Es kann aber auch
recht empfindlicher Aerger dadurch heraufbeschworen werden. So eine
Kommission ist immer ein Stück Papier. Räumlich gering! Kommt aber
die Ware, dann merkt oft ein Kunde erst, wie er „eingeseift“ wurde.
Er versucht dann, Ware los zu werden, weil er der Ueberzeugung ist,
sich übernommen zu haben. Nimmt sie das Haus des Reisenden nicht ab,
so schilt der Kunde nicht nur auf den Reisenden, sondern auch auf das
Haus, das nach seiner Meinung nicht zuvorkommend ist.

Dann soll aber auch der Reisende keine Versprechungen machen, die
nicht gehalten werden können. Man kann dem Kunden viel versprechen!
Langes Ziel, späte Lieferung, bequemster Abruf eines Schlusses, das
werden in erster Linie die landläufigen Versprechungen sein. Bei
bestimmten Artikeln kommen andere dazu. Da soll ein Kunde auf feste
Rechnung Wein kaufen. Die Firma behält dem Kunden jedoch vor, einzelne
ungangbare Sorten gegen gangbare zu verkaufen. Daraus macht der
Reisende ein „Kommissionslager“. Das ist ein ganz anderer Begriff.
Diese Begriffsvertauschung schließt eigentlich auch mehr als ein
ungehaltenes Versprechen in sich, sie läuft vielmehr auf eine bewußte
Irreführung hinaus. Bei Markenartikeln wird oft mehr Reklame zugesagt,
als später vom Haus ausgeführt wird. Alles das bringt Verdruß, Aerger
und schließlich Laufereien zum Gericht.

In bestimmten Branchen ist es üblich, unter einem bestimmten Maß nicht
abzugeben. Der Reisende weiß das. Dem Kunden ist das übliche Maß zu
viel. „Wir werden es schon machen, daß Ihnen ein halbes Stück, ein
halber Kübel usw. abgegeben wird“, sagt der Reisende. Er weiß, es wird
nicht geschehen! Dann soll er dem Kunden das sagen. Viel leichter
bringt er ihn jetzt dazu, das größere Quantum anzunehmen, als später,
wenn es ihm auf den Hals geschickt wurde.


Gestreckte Aufträge.

Viel wird gesündigt mit den sogenannten gestreckten Aufträgen! Wird ein
Stück oder ein halbes Stück Ware bestellt, aber zwei oder ein Stück
aufgegeben, so ist das Betrug. Will der Reisende mehr verkaufen, soll
er es mit seiner Tüchtigkeit versuchen; gelingt es ihm nicht, soll er
sich mit dem begnügen, was er erreicht hat.

Schlimmer aber ist es, wenn gar Aufträge fingiert werden. Man meint,
das käme bei Reisenden in unserem Sinne nicht vor! Es kommt vor. Man
hat manchmal einen Kunden so weit, daß man sich sagt, schickst du ihm
geradezu, was ihm gefiel, dann nimmt er es auch an. Das wird in 99 von
100 Fällen eine falsche Spekulation sein. Der Kunde, der nicht durch
den Reisenden überzeugt werden kann, daß er eine Ware kaufen muß, der
wird gewiß auch nicht dadurch überzeugt, daß er auf den Hals bekommt,
was er ausdrücklich zu kaufen abgelehnt hat.

Vielfach ist es noch üblich, daß der Reisende nicht nach festen Preisen
verkauft. Das ist verkehrt. Man soll sich immer vorhalten, daß man
einige Kunden übervorteilt, wenn man ihnen teuere Preise abnimmt, wie
anderen. Der Zufall spielt oft eine große Rolle.

So ein Kunde, der die Waren teuer einkaufte, kommt zu einem anderen
Kunden, der billiger kaufte. Beides sind Geschäftsfreunde. Sie kommen
auf die Lieferanten und von diesen auf deren Waren zu sprechen. Da
stellt sich die Uebervorteilung heraus. Sicher ist der Reisende einen,
vielleicht auch beide Kunden los. Den einen, weil er übervorteilt
wurde, den andern, weil er nicht mehr sicher ist, es nicht auch zu
werden.


Mehrere Kunden am Platze.

Eine gewisse Vorsicht ist auch dann am Platze, wenn der Reisende
mehrere Kunden ganz in der Nähe oder an einem Platze hat. Er wird dann
niemals dem einen Kunden verkaufen, was der andere auch kaufte. Er
kann sonst nicht verhindern, daß die Kunden seine Artikel benutzen,
um gegenseitig der Kundschaft nachzuweisen, daß jeder von ihnen der
billigere ist.

Was über die Kommission selbst gesagt werden muß, ist bereits gesagt.
Ich fasse nur noch einmal zusammen, daß sie deutlich, genau und
ausführlich geschrieben sein muß, daß sie alle Angaben enthalten muß,
die für das Geschäft wissenswert sind. Wo Lieferfristen üblich sind,
müssen auch sie angegeben sein. Dabei lasse sich der Reisende größte
Vorsicht angelegen sein. Er stelle die Lieferfristen nicht so kurz,
daß sie nicht eingehalten werden könnten, er sichere sich auch für
den Fall, daß Lohnkämpfe ausbrechen, seien es nun Streiks oder auch
Aussperrungen. Wo es angeht, lasse er in seinem Interesse und auch in
dem des Kunden sogenannte Kontremuster zurück. Das hat nicht nur den
Zweck, dem Kunden die Möglichkeit einzuräumen, prüfen zu können, ob die
später gelieferte Ware mustergetreu ist, sondern der Kunde wird damit
in den Stand gesetzt, sich immer vergegenwärtigen zu können, was er
gekauft hat. Er kann dann vermeiden, daß sein Lager später gleichartige
Artikel enthält, von denen die einen die anderen ausstechen und
unverkäuflich machen.

Suche dann der Reisende selbst allen Einfluß, den er besitzt, dahin
auszuüben, daß die Kommission gut erledigt wird. Eine schlecht
ausgeführte Kommission ist eine schlechte Empfehlung. Untreue des
Geschäfts -- man braucht gar nicht an den strafbaren Begriff zu
denken -- ist Untreue des Reisenden in den Augen seiner Kundschaft.
Treue und Glauben werden sich aber auf die Dauer und für solide
Geschäftsverbindungen immer als die besten und zuverlässigsten
Reisebegleiter erweisen.




Der Detailreisende.


Der Detailreisende hat mit ganz anderer Kundschaft zu tun, er muß diese
Kundschaft unter ganz anderen Verhältnissen aufsuchen als der Reisende,
der Wiederverkäufer besucht; er verkauft auch ganz andere Artikel und
nach anderen Grundsätzen.


Detailkundschaft.

Wo finden wir Detailreisende? In der Konfektions-, der Modewaren-, der
Wäsche-, der Wein- und der Buchbranche. Die Zigarrenbranche kommt nur
stellenweise in Betracht. Je nachdem wie die Branche ist, wird auch die
Kundschaft sein. Der Weinreisende wird seine Kundschaft vornehmlich
im bessern Mittelstand und bei den obern Zehntausend finden, der
Buchhandlungsreisende sucht sich seine Abnehmer -- wenn er keine
Spezialwerke vertreibt, die ihm ganz von selbst bestimmte Wege weisen
-- in den Kreisen der städtischen und staatlichen Beamten, in dem
großen Heer der Privatangestellten, d. h. in erster Linie in solchen
Kreisen, die über einen starken Bildungsdrang verfügen und Zeit haben,
ihn zu betätigen. Auch der qualifizierte Arbeiter kommt für ihn in
Betracht. Wo die eigentliche Romanliteratur noch zur Detailreise oder
schon zur Kolportage gerechnet werden muß, ergibt sich von selbst.
Danach richtet sich dann auch die Kundschaft. Wir wollen uns aber mit
den Kolporteuren und auch mit den Bilderreisenden nicht beschäftigen.
Der Reisende, der Zeitungen vertreibt, gehört, von einigen Ausnahmen
abgesehen, auch nicht in den Kreis unserer Betrachtungen.

Der +Konfektionsreisende+ wird selten mit fertiger Konfektion reisen.
Er wird vielmehr Stoffmuster mit sich führen und Maß nehmen können,
so daß die Bekleidungsstücke nach seiner Angabe gefertigt werden.
Seine Kundschaft wird sich aus allen Kreisen zusammensetzen. Anders
ist das schon beim +Manufakturwaren+reisenden. Hier wird sich fast
immer eine Trennung vollziehen, der eine Reisende wird ausschließlich
die „feine“ Kundschaft besuchen, der andere die Arbeiter- und die
Mittelstandskundschaft.

Je nachdem, wie sich die Kundschaft zusammensetzt, muß sich auch das
Benehmen des Reisenden gestalten.

Wer zur Arbeiterkundschaft geht, den „Zylinder“ auf dem Kopf und dann
„seine Karte“ abgeben will, der wird lange warten können, ehe er etwas
verkauft. Wer wiederum, ohne die üblichen Formen zu beobachten, in
einen bessern Haushalt einzudringen versuchte, würde als Tölpel gelten.

Ein ausgesprochenes Taktgefühl ist hier am Platze.


Besuchszeit.

Der Detailreisende muß auf Dinge Rücksicht nehmen, auf die der Reisende
schlechthin nicht Rücksicht zu nehmen braucht. Der Reisende kommt
in das Geschäftslokal. Das ist dazu da, um Geschäfte abzuschließen.
Der Detailreisende tritt in die Wohnung, die doch in der Regel nicht
diesem Zwecke dient. Daraus ergibt sich, daß die Besuchszeit für den
Detailreisenden anders zu regeln ist. Hat ein Reisender mit Kundschaft
aus allen Kreisen oder auch nur aus mehreren Kreisen zu tun, so ist
er gut daran. Besucht er nur Lehrer oder nur Handlungsgehilfen oder
überhaupt nur bestimmte Berufsarten, so muß er sich so einrichten, daß
er die Leute antrifft. Aber auch bei anderer Kundschaft wird er seinen
Besuch so einrichten, daß er nicht stört, keine schlechte Laune allein
durch seinen Besuch hervorruft.

Wer die Frau Baronin X morgens um 9 Uhr besucht, begeht eine
Taktlosigkeit. Wer um die Mittagszeit, wenn alles bei Tisch sitzt, in
einen Haushalt eindringt, der darf sich nicht wundern, wenn man ihm
die unangenehme Störung entgelten läßt. Das zunächst einmal vorweg
geschickt, ergibt sich noch weiteres für die Behandlung der Kundschaft
selbst.


Zwischen Tür und Angel.

Kommt man in einen Haushalt, in dem man vom Mann oder der Frau selbst
empfangen wird, dann muß man zunächst einmal versuchen, nicht zwischen
Tür und Angel abgefertigt zu werden. Hat man den Musterkoffer in der
Hand, so erschwert man sich den Einlaß in die Wohnung. Man stelle ihn
also zunächst beiseite. Dann sage man ungeniert, man möchte den Herrn
oder die Dame des Hauses in einer Angelegenheit sprechen. Bekommt man
die Einladung, näher zu treten, so greift man zum Koffer und nimmt
ihn mit. Eine einmal ausgesprochene Einladung wird selten wieder
zurückgenommen werden.

Oeffnet nun aber ein dienstbarer Geist, so muß man zunächst bestrebt
sein, den auszuschalten und mit dem Herrn oder der Dame des Hauses
selbst sprechen zu können. Das wird man nicht erreichen, wenn man
Herrn oder Frau X bitten läßt, sich einen Augenblick stören zu lassen.
Das Dienstmädchen wird sicher den Auftrag so ausrichten, daß die
Herrschaft bereits daraus entnimmt, wer da Einlaß heischt. Und dann
hat der Reisende verspielt. Hier ist es also erst recht angebracht,
dem Herrn oder der Dame des Hauses mitteilen zu lassen, daß man sie zu
sprechen wünscht.

Spricht man dann mit dem Kunden, so soll man sich wieder vorher
überlegen, wo man Verbündete herbekommt. Frauen sind immer leicht zum
Kaufen geneigt, wenn es sich um Waren handelt, die für sie oder für die
Ausstattung der Wohnung bestimmt sind. Der Mann ist weniger Verbündeter
des Reisenden, weil er, was immer auch gekauft wird, in der Regel aus
seiner Tasche bezahlen muß.


Verbindungen.

Vorbedingung für das Detailreisegeschäft sind Verbindungen. Ich
besuchte früher eine hessische Stadt. Jahrelang war es mir nicht
möglich, bei der gutgestellten Bevölkerung in das Geschäft zu kommen.
Endlich verzog eine Dame aus der Gesellschaft nach einem Nachbarort,
wo ich sehr gut im Geschäft war. Die Dame sah dort Kostüme, die ich
geliefert hatte, die ihr gefielen. Es wurde ihr mitgeteilt, woher sie
waren; sie äußerte den Wunsch, von mir besucht zu werden. Das geschah
natürlich, sie wurde meine Kundin. Durch sie kaufte mir die Schwester,
die noch in der andern Stadt wohnte, ebenfalls Waren ab, und durch die
Schwester und mit deren Empfehlungen ausgerüstet, gelang es mir, dann
in alle Kreise zu kommen.


Besondere Gelegenheiten.

Ebenso wesentlich wie Verbindungen es sind, ist es, rechtzeitige
Kenntnis von besonderen Verkaufsgelegenheiten zu erhalten. Der
Detailreisende, der ständig eine bestimmte Tour macht, tut gut, sich
ein Vertrauensmännersystem zu schaffen, das ihn auf dem Laufenden
erhält. Ich denke dabei vorzugsweise an Reisende der Manufaktur-,
Wäsche- und Weinbranche. Der Kreis der Bürger oder Landwirte, der
einen Weinkeller sein eigen nennt, ist klein. Der Kreis, der bei
besonderen Gelegenheiten Wein kauft, ist viel größer. Folglich gilt es
den größeren Kreis kennen zu lernen. Der Wäschereisende wird Gardinen,
Leibwäsche oder Bettwäsche in der Regel nur verkaufen können, wenn
Altes durch Neues ersetzt wird. Es gibt aber Gelegenheiten, bei denen
Neues angeschafft wird, gleichviel ob das Alte noch tauglich ist oder
nicht. Ich denke an den Umzug! Ich denke an Feste! Ich denke nicht
zuletzt an Hochzeiten!

So hat schließlich auch der Buchhandlungsreisende seine besonderen
Gelegenheiten, ebenso wie sie der Manufakturist hat.

Wenn irgendwo ein „Landwirtschaftliches Fest“ gefeiert wird, so
brauchen die Töchter der Landwirte neue Kleider. Die Mutter vielleicht
auch, und ob Vaters Bratenrock dieses Fest noch aushält, ist doch
auch fraglich. Folglich hat hier der Manufakturist eine günstige
Absatzgelegenheit. Der Weinreisende wohl auch! Es kommt dabei darauf
an, wo das Fest gefeiert wird. Wenn es aber Besuche in gut gestellten
Kreisen gibt, dann erwächst Bedarf. Oder irgendwo ist Hochzeit! Da
können fast alle Detailreisenden Verkaufsgelegenheit finden, der
Buchhandlungsreisende ausgenommen. Da wird die Brautausstattung
gekauft, das Brautkleid muß besorgt werden, und die beiderseitigen
Eltern werden es am Ehrentag ihrer Kinder gewiß auch nicht ohne eine
Erneuerung ihres äußeren Menschen tun. Diese Gelegenheiten muß man zu
erfahren suchen; man kann das am besten durch die Vertrauensmänner,
denen man bei erfolgreicher Bearbeitung ruhig etwas zuweisen kann.

Der Reisende selbst tritt eigentlich mit seiner Kundschaft nur in
geschäftlichen Verkehr. Der Detailreisende dagegen, der in die Wohnung
kommt, mehr in persönliche Beziehungen. Er soll zwar nicht Freundschaft
erwerben, oder gar stolz darauf sein, mit einem Teil seiner Kundschaft
auf „Du und Du“ zu stehen. Wenn er aber gesellschaftliche Talente
hat und Gelegenheit findet, sie zu verwerten, so soll er es tun.
Ich habe immer sehr bedauert, daß ich nicht Tänzer war und meine
gesellschaftlichen Talente mich nur immer in die Reihen der Männer
führten. Ich hätte manches Geschäft erheblich leichter gemacht,
wenn mich die Tochter auch so geschätzt hätte, wie der Vater oder
bestenfalls die Mutter.

Selbstverständlich muß man sehr vorsichtig sein, man muß immer
herausfühlen, was gerade bei dem einen oder andern Kunden angenehm
wirken könnte. Neigungen und kleine Schwächen müssen sorgfältig
studiert werden, es ist ihnen Rechnung zu tragen. Der Detailreisende
muß in einer Stunde sechsmal ein anderer Mensch sein können.

Vor einem muß sich der Detailreisende mehr als jeder andere hüten --
vor dem leichtsinnigen Kreditgeben. Die Auskunfteien sind über Private
nicht so genau unterrichtet wie über Geschäftsleute; oft liegen gar
keine Auskünfte vor, vielfach wird auch wegen der Geringfügigkeit
des Betrages davon abgesehen, eine Auskunft einzuholen, wenn
der Reisende den Kunden für kreditwürdig hält. Täuschungen sind
gerade hier sehr leicht möglich. Herrschaftliche Wohnungen sind
heute leicht eingerichtet -- es gibt ja Abzahlungsgeschäfte. Und
eine äußerliche Wohlhabenheit ist auch sonst leicht markiert. Die
ehelichen Güterverhältnisse sind dem Reisenden nicht bekannt, er
wird auch nicht gut fragen können, ob das Ehepaar in Gütertrennung
oder Gütergemeinschaft lebt. Dann aber verbleibt der Frau das in die
Ehe Eingebrachte auch dann, wenn ein besonderer Ehevertrag nicht
geschlossen ist. Wo es möglich ist, soll deshalb auch die Frau die
Schuld oder die Bestellung mit anerkennen.




Der Reisende im Auslande.


Es würde natürlich den Rahmen dieses Buches weit überschreiten, wenn
ich den zudem ziemlich aussichtslosen Versuch machen wollte, auch
die Verhältnisse des außereuropäischen Auslandes, soweit sie für
den Reisenden in Betracht kommen, einer eingehenden Besprechung zu
unterziehen. Es ist auch nicht möglich, über Land und Leute viel zu
sagen. Wollte man da etwas wirklich Brauchbares liefern, so würden
mehrere Bände geschrieben werden müssen. Ich muß mich vielmehr darauf
beschränken, das für den Reisenden unerläßlich Notwendige über die
europäischen Staaten kurz zusammenzustellen.


Auslandslegitimation.

Allgemein möchte ich bemerken: Der Auslandsreisende sollte
immer, auch da, wo es nicht unerläßlich notwendig ist,
eine Gewerbelegitimationskarte bei sich führen. Diese
Gewerbelegitimationskarte ist in den meisten Handelsverträgen
vorgesehen. Sie ist etwas anderes, als die gewöhnliche
Legitimationskarte, die ich früher besprochen habe. Sie gilt jedoch
für das Inland so gut wie für das Ausland. Die Legitimationskarte,
wie überhaupt alle anderen Legitimationspapiere, soweit sie nicht
vom Ausland selbst gefertigt werden, stellt die Ortspolizeibehörde
aus. Beantragt werden muß die Gewerbelegitimationskarte vom Inhaber
des Gewerbebetriebes. In der Regel haben die Polizeiverwaltungen
vorgedruckte Antragsformulare. Wo das nicht der Fall ist, muß der
Antrag enthalten: Firma und Ort der Niederlassung, Name des Inhabers
der Gewerbelegitimationskarte, die Angabe, ob der Reisende Mitinhaber
oder Inhaber des anmeldenden Betriebes ist und die polizeilich
gemeldete Wohnung. Dem Antrag sind die Führungszeugnisse des Reisenden
oder des Inhabers der Karte über die letzten fünf Jahre beizufügen,
wenn der Inhaber nicht im Besitz der alten Karte ist oder in den
letzten fünf Jahren nicht am gleichen Orte wohnte. Beizufügen
ist noch die Gewerbesteuerquittung und ein amtlich bescheinigtes
Signalement des Inhabers der Karte, wenn dieser nicht selbst den Antrag
überbringt. Im Antrag muß enthalten sein, bei wem und auf welche Waren
Bestellungen gesucht werden und bei wem und welche Waren angekauft
werden sollen. Außerdem sind noch Angaben zu machen über die Art des
Geschäftsbetriebes, über die erfolgte Anmeldung zur Gewerbesteuer, über
Tatsachen, die der Firma bekannt sind und die zu einem Versagen der
Karte führen können. Es ist anzugeben, daß die Karte für das Ausland
gefordert wird. Die Gewerbelegitimationskarte kostet Stempelgebühr, die
Führungszeugnisse zur Ausstellung der Legitimation werden stempelfrei
erteilt.


Musterpaß.

Das Deutsche Reich gestattet ohne weiteres die zollfreie Ausfuhr der
Muster, um aber die Muster zollfrei einführen zu können, muß ein
Musterpaß beantragt werden. Beim Hauptzollamt, zu dessen Bezirk der
Ort der gewerblichen Niederlassung gehört, wird für diesen Zweck ein
genaues Verzeichnis der gesamten Muster hergestellt, die Muster selbst
werden mit Plomben und anderen Kennzeichen versehen, um sie bei der
Wiedereinfuhr kenntlich zu machen. Selbst wenn der Reisende auf die
zollfreie Wiedereinfuhr der Muster keinen Wert legt, ist ihm doch
zu empfehlen, den Musterpaß zu beantragen. Wir werden später sehen,
daß ihm in vielen Ländern oft recht unangenehme Scherereien erspart
werden, wenn die Muster von der deutschen Zollbehörde schon kenntlich
gemacht wurden. Denn der Reisende muß sonst in den meisten Fällen in
den einzelnen Ländern, die er besucht, diese Kennzeichnung vornehmen
lassen; das raubt ihm mitten in der Tour unnützerweise Zeit und ist
gewiß auch sonst nicht gerade bequem.

Wenden wir uns nun den besonderen Vorschriften der einzelnen Länder zu,
so wollen wir von vornherein beachten, daß die Vorschriften zwar im
großen und ganzen gleich bleiben, daß sie sich aber in Kleinigkeiten
ändern können. Wo später Zweifel auftauchen sollten, gibt die
Handelskammer gern Bescheid.


Belgien.

Deutsche Kaufleute, Gewerbetreibende, Fabrikanten sind befugt,
persönlich oder durch den Reisenden bei Kaufleuten und Herstellern
Waren einzukaufen. Sie dürfen ebenfalls bei Kaufleuten oder bei
Personen, die mit den verkauften Waren Handel treiben, Bestellungen
aufsuchen. Zu diesem Zweck dürfen die Reisenden (oder selbständige
Kaufleute) +Muster+ mit sich führen, aber keine +Waren+. Reisende, die
Waren mit sich führen, gelten als Wandergewerbetreibende und werden als
solche besteuert.

Die +Legitimation+ wird gegeben durch die Gewerbelegitimationskarte des
Deutschen Reiches. Die Karte gilt nur für das Ausstellungsjahr. Die
eigentlichen Reisenden haben keinerlei +Steuern+ und Abgaben für die
Ausübung der Reisetätigkeit zu zahlen.

Für die +Mustereinfuhr+ kommen folgende Grundsätze in Betracht:

Völlig zollfrei sind Muster, die so klein sind, daß sie nicht für
andere Zwecke verwendet werden können und keinen Handelswert haben.
Größere Muster sind auch frei, aber nur dann, wenn sie für eine andere
als die Verwendung als Muster unbrauchbar gemacht sind, durch Zerreißen
oder Zerschneiden. Alle anderen Muster sind zollpflichtig, das trifft
insbesondere auf Gewebe zu, die mehr als 30 cm über die ganze Breite
des Stoffes messen; ferner auf Weinproben in Flaschen, die mehr als 15
Centiliter fassen. Für zollpflichtige Gegenstände ist der ordentliche
Zollbetrag zu entrichten. Dieser Betrag wird jedoch zurückerstattet,
wenn die Muster wieder ausgeführt werden sollen und wenn der Reisende
das vorher erklärt, sowie die Frist angibt, in der die Ausfuhr
erfolgen soll. Die Frist darf ein Jahr nicht übersteigen. Wird die
Rückerstattung der Zollgebühren beantragt, so wird ein Verzeichnis der
eingeführten Muster aufgenommen und diese werden kenntlich gemacht.
Letzteres unterbleibt, wenn der Reisende einen Musterpaß besitzt. In
der Erklärung des Reisenden ist das Ausfuhramt zu bezeichnen. Dieses
vergleicht Muster und Liste und erstattet den Zoll zurück, wenn die
Muster sämtlich ausgeführt werden. Nach Verlassen der Grenze findet,
wenn keine Prüfung der Muster stattfand, die Rückerstattung nicht mehr
statt.


Bulgarien.

Selbständige Kaufleute können selbst oder durch Reisende Waren
aufkaufen lassen in offenen Verkaufsstellen sowohl als auch bei
Fabrikanten und sonstigen Herstellern. Die Kaufleute, Fabrikanten
und Gewerbetreibenden können selbst oder durch ihre Reisenden
bei Kaufleuten oder Herstellern von Waren, die gekaufte Ware im
Gewerbebetrieb verwenden, Bestellungen aufsuchen. Die Reisenden dürfen
nur Muster mit sich führen. Es ist ihnen verboten, für eigene Rechnung
Geschäfte zu machen, ebenso für andere, als die in der Legitimation
genannten Firmen. In Bulgarien herrscht der Zwang, Kommissionskopie zu
erteilen. Diese Kopie ist stempelpflichtig. Gebühr 20 Centime. Von der
für alle Reisenden bestehenden Verpflichtung, Reisebücher zu führen,
sind die deutschen Reisenden ausdrücklich befreit.

Die +Legitimation+ besteht zunächst in der Gewerbelegitimationskarte,
die in deutscher und französischer Sprache beigebracht werden
muß. Außerdem bedarf der Reisende eines Gewerbescheines. Dieser
Gewerbeschein muß beim Ministerium für Handel und Ackerbau in Sofia
beantragt werden, er wird vom Zollamt der Stadt ausgefertigt, die
der Reisende zuerst betritt. Das Gesuch um einen Gewerbeschein muß
enthalten: die Art der vertriebenen Waren, den Namen der Firma
und die Dauer des Scheines. Ferner ist der Identitätsnachweis zu
erbringen (zu diesem Zwecke genügt die Gewerbelegitimationskarte).
Der Identitätsnachweis muß auch in einer bulgarischen Uebersetzung
beigebracht werden. Dem Gesuch ist die Steuer beizufügen. Der Schein
kann nach Verlangen ausgestellt werden auf die Dauer von sechs bis zu
zwölf Monaten. Wer ohne Gewerbeschein angetroffen wird, verfällt einer
Buße von 200-500 Fr.

Für die +Steuer+ kommt folgende Tabelle in Betracht: Klasse 1: 150 Fr.,
Klasse 2: 100 Fr., Klasse 3: 50 Fr. für ein Jahr. Für ein halbes Jahr
betragen die Sätze: 100 Fr, 75 Fr. und 35 Fr.

Hat eine Firma mehrere Reisende, so braucht sie nur einmal die Steuer
zu entrichten. Der Gewerbeschein ist auch nicht an die Person des
Reisenden gebunden; es kann deshalb auch ein anderer Reisender den
Gewerbeschein benutzen, natürlich nur innerhalb der Geltungsdauer.
Vertritt jedoch der Reisende mehrere Häuser, so muß er Zusatzscheine
für jede weitere Vertretung lösen. In diesen Fällen beträgt die Steuer:
Klasse 1: 100 Fr. (50 Fr.), Klasse 2: 75 Fr. (35 Fr.), Klasse 3: 50 Fr.
(25 Fr.) für das volle (für das halbe) Jahr. Die Klassenzugehörigkeit
bestimmt das Zollamt.

Für die +Mustereinfuhr+ gelten folgende Grundsätze: Die Muster sind
zollpflichtig. Der Zoll wird zurückerstattet, wenn bei der Einführung
erklärt wird, daß die Muster wieder ausgeführt werden sollen und die
dafür vorgesehene Frist bestimmt wird. Die Muster werden dann mit
Kennzeichen versehen und es wird ein Verzeichnis über sie aufgestellt.
Dieses Verzeichnis muß der Reisende auch für sich ausstellen lassen,
wenn er die Muster wo anders als bei dem Zollamt der Einfuhr ausführen
will. Der Verkauf der Muster oder auch einzelner Muster ist streng
verboten. Zuwiderhandlung zieht Strafe von 500 bis 1000 Fr. nach sich.


Dänemark

hat wohl von allen europäischen Staaten die einschränkendsten
Bestimmungen für die Reisenden. Fremde Reisende dürfen nur in den
Munizipialstädten (Kjöbstäder) Waren ausstellen oder Bestellungen
darauf suchen. Sie dürfen auch in diesen Städten nur an Personen
verkaufen, die Lizenz für Groß- oder Kleinhandel besitzen. Bedingung
ist dabei weiter, daß die Waren im Betriebe verwendet werden und eine
bestimmte Mindestmenge (in der Regel 40 Kr. Wert) übersteigen.

+Legitimation+ muß im Lande beschafft werden. Der Reisende muß
sich einen Gewerbeschein lösen. Er bedarf zu diesem Zwecke seiner
Gewerbelegitimationskarte oder einer Vollmacht seines Hauses, die
jedoch vom dänischen Konsul beglaubigt sein muß. Der Gewerbeschein ist
beim ersten Zollamt, das dem Reisenden erreichbar ist, zu beantragen.
Er gilt nur auf ein Jahr und wird auf den Namen des Reisenden
ausgestellt. Vor der Benutzung ist er dem ersten Polizeibeamten der
Stadt zum Visum vorzulegen. Das ist jedesmal zu wiederholen, wenn der
Reisende in einer neuen Stadt Geschäfte machen will. In dringenden
Fällen kann der Gewerbeschein umgeschrieben werden. Das ist von der
Firma zu beantragen und zwar unter Angabe des Grundes. Der neue
Reisende muß ebenfalls die Gewerbelegitimationskarte haben oder ein
vom Konsul beglaubigtes Attest. Der Gewerbeschein kann nur einmal
übertragen werden. Vertritt der Reisende mehr als eine Firma, so muß er
für jede andere einen Zuschlagsschein lösen. Reist jemand ohne gültigen
Schein, verfällt er in eine Strafe, die einmal die Steuer und dann noch
64 Kronen ausmacht. Die +Steuer+ beträgt: für den Hauptgewerbeschein
160 Kr., für jeden Zusatzschein 80 Kr. (10 Kronen = 11.25 Mk.).

Die +Mustereinfuhr+ ist zollpflichtig. Der Zoll wird unter folgenden
Bedingungen zurückerstattet:

1. Die Wiederausfuhr ist bestimmt zu erklären, sie muß in vier Monaten
erfolgen.

2. Die Muster sind genau zu verzeichnen durch Angabe von Art, Stückzahl
und Kennzeichen. Ein Verzeichnis ist für die Wiederausfuhr anzuheften
oder in die Zollquittung aufzunehmen.

3. Bei der Ausfuhr ist eine schriftliche Erklärung abzugeben, daß die
ausgeführten Muster mit dem Verzeichnis übereinstimmen.

Der Zoll muß innerhalb vier Wochen nach der Ausfuhr abgehoben werden,
sonst verfällt er. Die Formalitäten sind stempelpflichtig mit 65 Oere.

Die Vorschriften gelten sinngemäß auch für Dänen, die im Auftrag
ausländischer Firmen reisen.

Alles in allem sind die dänischen Bestimmungen ziemlich schikanöser
Natur.


Frankreich

hat ähnliche Bestimmungen wie Belgien. Deutsche Kaufleute,
Fabrikanten und Gewerbetreibende können selbst oder durch Reisende
bei Kaufleuten oder in Verkaufsstellen oder bei Herstellern Waren
einkaufen. Sie können Bestellungen suchen bei Kaufleuten, in deren
Geschäftsräumen und bei anderen Personen, die die aufgekauften Waren
im Gewerbebetrieb verwenden. Sie dürfen +Muster+, aber keine +Ware+
mit sich führen. Führen sie Waren mit sich, gelten sie rechtlich als
Hausierer. Hausierer bedürfen keiner besonderen Erlaubnis, sind aber
steuerpflichtig.

+Legitimation+: Die Reisenden müssen nachweisen, daß sie in ihrer
Heimat berechtigt sind, ein Handelsgewerbe oder sonst ein Gewerbe zu
betreiben (Gewerbelegitimationskarte). Diesen Nachweis müssen auch
Hausierer führen. Hausierer bedürfen dazu noch des Gewerbescheines, der
von den Empfängern der direkten Steuern erteilt wird.

+Steuern+ haben die eigentlichen Reisenden nicht zu zahlen, nur die
Hausierer haben jährlich 8 Frs. zu entrichten.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollpflichtig. Der Zoll wird zurückerstattet
unter folgenden Bedingungen:

Das Zollamt ermittelt den Zollbetrag, der vom Reisenden in bar oder
durch Sicherheit zu hinterlegen ist. Die einzelnen Muster werden
gekennzeichnet. Ausnahmsweise können die Kennzeichen auf der Umhüllung
angebracht werden. Die deutschen Kennzeichen genügen für die Regel. Von
den eingeführten Mustern wird ein Verzeichnis aufgenommen, das die Art
der Muster und die Kennzeichen genau beschreibt. In diesem Verzeichnis
ist die Frist bis zur Ausfuhr und der hinterlegte Zollbetrag anzugeben.
Die Frist zur Ausfuhr darf zwölf Monate nicht überschreiten. Das
Verzeichnis ist stempelpflichtig. Die Ausfuhr kann bei jedem Zollamt
erfolgen, das zur Musterabfertigung berechtigt ist. Nach der Prüfung
und der festgestellten Uebereinstimmung veranlaßt das Ausfuhramt die
Rückzahlung des Zolles.

+Besonders zu beachten+ hat der Reisende, daß Branntwein, Liköre und
Spirituosen unter allen Umständen zollpflichtig sind. Auch kleine
Mengen, angebrochene Fläschchen, sogar der Reisebedarf ist nicht davon
befreit. Hinterziehungen werden sehr streng, mit Geld oder gar mit
Gefängnis gestraft. Unkenntnis der Bestimmung schützt nicht vor Strafe.


Gibraltar

kennt keine besonderen Vorschriften. Die Gewerbelegitimation ist
anzuraten. Die Ausübung der Tätigkeit ist steuerfrei. Muster können
zollfrei eingeführt werden, bis auf Tabak und Spirituosen. Auch diese
sind in kleinen Mengen zollfrei.


Griechenland.

Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende können einkaufen und
Bestellungen aufsuchen. Sie dürfen Muster mit sich führen und können
auch ihre allgemeinen Handels- und Gewerbeinteressen selbst wahrnehmen
oder durch Reisende und Agenten wahrnehmen lassen.

Zur +Legitimation+ reicht unsere deutsche Gewerbelegitimationskarte aus.

+Steuern+ sind nicht zu entrichten.

Die +Mustereinfuhr+ wird durch einen Erlaß des Finanzministers vom
24. August 1907 geregelt. Im allgemeinen sind Muster, die nicht
verwendet werden können und keinen Handelswert besitzen, zollfrei. Für
andere Muster bedarf es, um den gezahlten Zoll zurück zu erhalten,
der Erklärung, daß die Muster wieder ausgeführt werden sollen. Die
Frist dafür ist anzugeben, sie darf nicht mehr als ein Jahr betragen.
Die Ausfuhr kann am Eingangsamt erfolgen, sie darf auch durch ein
anderes Zollamt bewirkt werden, das die nötigen Befugnisse besitzt.
Es werden auch hier die Muster mit Kennzeichen versehen und in eine
Liste aufgenommen. Bei der Ausfuhr ist die Uebereinstimmung zu prüfen.
Wenn der Reisende die Zollstelle verlassen will, um im Amtsbezirk der
Zollstelle zu reisen, bedarf er einer Erlaubnis des Zollamtsvorstehers.
Die Erlaubnis wird auf stempelfreiem Papier ausgestellt; sie ist
den Pächtern der Gemeinde- und Hafenabgaben vorzuzeigen. Sollen
jedoch die Muster in den Bereich eines anderen Zollamts 1. Klasse
überführt werden, so muß der Reisende ein Gesuch einreichen und einen
Passierschein lösen. Gesuch und Passierschein sind stempelfrei. Der
Passierschein ist der Sanitätsbehörde des Ankunftsortes vorzulegen, er
bedarf sodann des Visums der Zollbehörden.


Großbritannien und Irland.

Es bestehen keinerlei beschränkende Bestimmungen für den Verkehr
mit der Kundschaft. Der Reisende wird jedoch konzessionspflichtig,
wenn er akzisepflichtige Waren vertreibt. Das sind: Spirituosen,
Wein, Bier, Tabak, verarbeitetes Silber und Patent-Medizinen. Die
englischen Eisenbahnen gewähren dem Handlungsreisenden verschiedene
Vergünstigungen sowohl durch billige Fahrpreise als auch durch billige
Kofferfrachten.

+Legitimation+ ist nicht erforderlich, es ist jedoch zu empfehlen, sich
mit der Gewerbelegitimationskarte zu versehen.

+Steuern+ werden nicht erhoben. Für den Vertrieb akzisepflichtiger
Waren sind Gebühren zu entrichten:

  für Spirituosen           10 £ 10 sh 0 d
   „  Wein                  10 £ 10 sh 0 d
   „  Bier                   3 £  6 sh 1 d
   „  Patent-Medizin              5 sh 0 d
   „  Tabak                       5 sh 3 d
   „  Silber je nach Gewicht 2 £  6 sh 0 d
                         bis 5 £ 15 sh 0 d.

Die +Mustereinfuhr+ ist fast ganz zollfrei. Wo Zoll erhoben wird,
erfolgt Rückzahlung, wenn die Wiederausfuhr erklärt wird. Sie hat
innerhalb einer Frist von zwölf Monaten zu erfolgen. Die Muster werden
mit Kennzeichen versehen und in ein Verzeichnis aufgenommen. In dieses
Verzeichnis wird auch der hinterlegte Zollbetrag aufgenommen, sowie
die Ausfuhrfrist vermerkt. Gebühren werden nicht erhoben. Die Ausfuhr
kann über jedes Zollamt stattfinden; sobald die Uebereinstimmung
festgestellt ist, wird der Zoll zurückgezahlt oder die Sicherheit
freigegeben.


Italien.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten oder Gewerbetreibende können selbst
oder durch Vertreter (Reisende oder Agenten) Waren aufkaufen oder
Bestellungen aufsuchen. Sie können Muster mit sich führen und dürfen
auch ihre allgemeinen Geschäfts- und Gewerbeinteressen wahrnehmen.

+Legitimation+ ist nicht besonders vorgeschrieben. Als Ausweis dient
die Gewerbelegitimation.

+Steuern+ oder sonstige Abgaben sind nicht zu entrichten.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei, soweit aus dem Befund der Muster
sich ergibt, daß sie zu keinem anderen Zweck verwendet werden können.
Müssen ganze Gegenstände eingeführt werden, so sind sie unbrauchbar zu
machen durch Tintenstempel oder durch Zerschlitzen und Zerschneiden.
Soweit Muster nicht für andere Zwecke unbrauchbar sind oder gemacht
werden, sind sie zollpflichtig. Der bezahlte Zoll oder die geleistete
Sicherheit (Rentenpapiere) werden zurückgegeben, wenn der Reisende bei
der Einfuhr die Erklärung abgibt, daß die Muster in bestimmter Frist
wieder ausgeführt werden. Die Frist darf ein Jahr nicht übersteigen.
Ist eine ursprünglich erklärte Frist nicht ausreichend, so muß ihre
Verlängerung auf einem Stempelbogen nachgesucht werden. Die Muster
werden gekennzeichnet, in ein Verzeichnis eingetragen, das ebenfalls
Angaben über die Höhe des Zolles und über die Dauer der Frist enthält.
Die Ausfuhr kann nur über das Eingangsamt bewerkstelligt werden.


Malta.

Es existieren keine Vorschriften über den Verkehr mit der Kundschaft.
Eine Legitimation ist nicht erforderlich, Gewerbelegitimation jedoch
ratsam. Steuern und Abgaben werden nicht erhoben.

Die +Mustereinfuhr+ ist für Muster ohne Verwendungs- oder Handelswert
zollfrei. Andere Muster sind zollpflichtig. Von der Zollzahlung befreit
sind Muster, deren Wiederausfuhr erklärt wird, wenn sie im Zollamt
oder bei einem vertrauenswürdigen Kaufmann, der Bürgschaft übernimmt,
hinterlegt werden. Die Muster müssen innerhalb dreier Monate wieder
ausgeführt werden.


Montenegro.

Das neue Königreich kennt auch Beschränkungen für Reisende. Die
deutschen Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibenden dürfen
Bestellungen auf Waren nur in den Städten und nur von Kaufleuten und
Fabrikanten -- nicht von Privatpersonen -- entgegennehmen.

Als +Legitimation+ genügt die Gewerbelegitimationskarte. Eines
Erlaubnis- oder Gewerbescheines bedarf es nicht.

+Steuern+ werden nicht erhoben.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei. Als Muster gelten Teile von
Gegenständen. Gewebemuster dürfen nicht größer als 20 qcm sein. Fertige
Gegenstände wie Tücher, Schals usw. sind nur dann zollfrei, wenn sie
zerschnitten und daher ohne Gebrauchswert sind. Alle anderen Muster
müssen verzollt werden.


Niederlande.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende dürfen für ihren
Geschäftsbetrieb Einkäufe machen oder durch Reisende machen lassen. Sie
dürfen auch Bestellungen auf Waren aufsuchen. An bestimmte Vorschriften
sind sie nicht gebunden. Sie dürfen Muster mit sich führen, aber keine
Waren.

+Legitimation.+ Der Handlungsreisende muß sich beim ersten erreichbaren
Zollamt einen Gewerbeschein lösen. Der Schein ist steuerpflichtig.
Seine Dauer erstreckt sich auf das Finanzjahr. Das Finanzjahr beginnt
am 1. Mai und endet am 30. April. Die Steuerpflicht beginnt mit der
Aufnahme der Tätigkeit. Um den Gewerbeschein zu bekommen, bedarf der
Reisende der Gewerbelegitimationskarte. Der Gewerbeschein lautet auf
die Person, er ist nicht übertragbar.

+Steuern.+ Für den Gewerbeschein sind für das Finanzjahr oder für einen
Teil desselben 15 Gulden zu erlegen (1 Gulden = 1.69 Mk.).

Die +Mustereinfuhr+ erfolgt nach folgenden Grundsätzen. Es ist ein
Transitpaß zu lösen. Der Reisende hat alle Muster, die er mit führt,
einzeln anzugeben. Die Muster werden kenntlich gemacht, die deutsche
Kenntlichmachung genügt in der Regel. Als Sicherheit ist ein Viertel
des Musterwertes zu hinterlegen. Von den Mustern, die im Transitpaß
vermerkt sind, darf nichts verkauft werden. Fehlt ein Stück bei der
Wiederausfuhr, so muß für die gesamten Muster der volle Zoll entrichtet
werden. Der Transitpaß wird kostenlos für drei, sechs oder zwölf Monate
ausgestellt. Um Scherereien zu vermeiden, werden die Muster zweckmäßig
über das Eingangsamt ausgeführt.


Norwegen.

Vom Kaufmannshandel ausgeschlossen sind Gold- und Silberwaren ohne
Feingehaltsstempel, Gifte und Arzeneien, die nur in Apotheken verkauft
werden dürfen, ferner alte Kleider, gebrauchte Wertsachen und
Hausgeräte. Frei ist der Handel in Stadt und Land in den Erzeugnissen
der Landwirtschaft, mit Wild, frischen Fischen, Büchern, Bildern und
ähnlichen Kunstgegenständen. Andere Waren dürfen nur in Städten und
Marktflecken verkauft werden. Der Verkauf muß vom Schiff aus oder durch
einen Besitzer eines Handelsbriefes erfolgen. Versteigerungen sind mit
Kaufmannswaren nicht mehr gestattet. Bestellungen auf Waren dürfen von
ausländischen Reisenden nur in den Städten gesucht werden. Auch dann
nur bei Kaufleuten oder anderen Gewerbetreibenden und zwar insoweit,
als die Waren im Gewerbebetrieb verwendet werden. Der Verkauf ist an
bestimmte Mindestmengen gebunden. Zuwiderhandlungen werden mit Geld im
Betrage von 20-400 Kr. gebüßt.

+Legitimation.+ Der Reisende muß einen Handelspaß bei der nächst
erreichbaren Polizeibehörde lösen. Die Polizei kontrolliert, ob der
Reisende den Paß besitzt. Der Paß ist an jedem Ort zu visieren, wo
der Reisende Geschäfte machen will. Das von Ausländern zu führende
Aufenthaltsbuch fällt weg, wenn auf der ersten Seite des Handelspasses
die rechtzeitige und vorschriftsmäßige Anmeldung der Ankunft im Lande
bescheinigt wird.

Die +Steuern+ sind außerordentlich hoch. Für je 30 Tage der Dauer des
Passes sind 100 Kr. (10 Kr. = 11.25 Mk.) zu entrichten. Angefangene 30
Tage müssen voll bezahlt werden.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei, soweit die Muster keinen Verbrauchs-
oder Handelswert haben. Alle anderen Muster sind zollpflichtig. Der
Zoll wird zurückerstattet, wenn bei der Einfuhr erklärt wird, daß und
in welcher Frist die Muster wieder ausgeführt werden. In diesem Fall
wird ein Verzeichnis aufgestellt, die Muster werden mit Kennzeichen
versehen. Bei der Ausfuhr wird die Uebereinstimmung geprüft und dann
der Zoll zurückerstattet.


Oesterreich-Ungarn.

Kaufleute und Fabrikanten können Einkäufe bei Kaufleuten und
Gewerbetreibenden vornehmen. Sie können Bestellungen bei solchen
Personen -- und auch bei Privatpersonen nach bestimmten Grundsätzen --
suchen. Sie können Reisende mit den gleichen Wahrnehmungen betrauen. Im
Meß- und Marktverkehr sind deutsche Reisende Inländern gleichgestellt.

Grundsätzlich erlaubt ist in Oesterreich das Aufsuchen von Bestellungen
bei Personen, die gekaufte Waren im Gewerbebetrieb verwenden. Bei
Privatpersonen dürfen Bestellungen auf Kolonial-, Material- und
Spezereiwaren nicht aufgesucht werden, in anderen Fällen nur nach
vorheriger ausdrücklicher Aufforderung. Ohne Aufforderung dürfen
Bestellungen gesucht werden auf: Maschinen, Motore und deren
Bestandteile, Baumaterialien und Kunststeine, Korkplatten, Dachpappe,
Straßenpflastermaterial, Bedarfsartikel für Heizungs-, Beleuchtungs-
und Wasserleitungsanlagen, Jalousien, Nähmaschinen, Schreibmaschinen,
Fahrräder, Motorfahrzeuge, Luxuswäsche. Handlungsagenten sind
einschränkenden Bedingungen unterworfen; als Handlungsagent gilt ein
Reisender, der mehrere Firmen vertritt.

In Ungarn dürfen Bestellungen nur gesammelt werden von
Gewerbetreibenden und Kaufleuten, die gekaufte Waren in ihrem
Geschäftsbereich verkaufen oder verwenden. Hilfsmittel und
Einrichtungsgegenstände gehören dazu. Dieser Beschränkung
unterliegen Bestellungen dann nicht, wenn der Kaufende vorher schon
eine grundsätzliche Bestellung an den Verkaufenden richtete. Die
grundsätzliche Bestellung muß sich auf bestimmte Waren und Artikel
beschränken, der Entschluß muß ein augenblicklicher sein und der
Verkaufende ihn bereits kennen, ehe sein Reisender den Besteller
aufsucht. Allgemein gehaltene Bestellungen oder solche an den Reisenden
machen die Beschränkung nicht nichtig. Bei Personen, die nicht Handel
treiben oder die Ware in ihrem Geschäftsbetrieb nicht verwenden,
dürfen Bestellungen nachgesucht werden auf Waren der Hausindustrie
(der Charakter der Ware ist durch ortspolizeibehördliche Bescheinigung
zu beglaubigen), Instrumente und wissenschaftliche Werkzeuge,
Nähmaschinen, größere landwirtschaftliche Maschinen (Dresch-, Säe- und
Mähmaschinen), Lokomotiven, Lokomobilen, Dampfpflüge, Dampfpumpen,
Mühlen-, Beleuchtungs- und Fernsprecheinrichtungen. Bestellungen auf
landwirtschaftliche Maschinen bedürfen, wenn sie von Kleingutsbesitzern
ausgehen, der Beglaubigung auf der Bestellungsurkunde durch die
Gemeindebehörden.

+Legitimation.+ Der Reisende bedarf nur der Gewerbelegitimationskarte.
Die Karte ist auf Erfordern vorzuzeigen. Für den Besuch der Messen und
Märkte ist eine besondere Legitimationskarte zu fordern. Für andere als
in der Legitimation genannte Firmen dürfen Reisende nicht tätig sein.

+Steuern+ werden nicht erhoben.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei, soweit es sich um kleine
Abschnitte oder um aufgeklebte Muster handelt. Die Muster dürfen
keinen Verwendungs- oder Gebrauchswert haben. Andere Muster sind
zollpflichtig. Der Zoll wird zurückerstattet, wenn die Wiederausfuhr
in bestimmter Frist erklärt wird. Der Zollbetrag kann dann hinterlegt
werden. Die Muster werden gekennzeichnet, wenn der Reisende keinen
deutschen Musterpaß besitzt. Bei der Ausfuhr, die über jedes dazu
befugte Zollamt erfolgen kann, erfolgt die Prüfung der Identität und
nach deren Feststellung die Rückerstattung des Zolles oder die Freigabe
der Sicherheit. Der Verkauf der Muster ist verboten.

Die meisten Bahnen Oesterreich-Ungarns gewähren den Reisenden
Frachtvergünstigungen bei der Musterbeförderung. Um die
Vergünstigungen beanspruchen zu können, bedarf der Reisende einer
besonderen Reiselegitimationskarte, die ihm die zuständige Behörde
gegen Vorzeigung seiner Gewerbelegitimationskarte ausstellt.
Die Reiselegitimationskarte muß den Namen des Reisenden und den
seiner Firma, das Bild des Reisenden, seine und die Unterschrift
der Behörde enthalten. Bei der Auslieferung des Gepäcks ist die
Reiselegitimationskarte vorzuzeigen, der Reisende muß unter Umständen
seine Unterschrift geben.

Die Muster müssen als solche kenntlich sein. Alles andere Gepäck ist
von der Vergünstigung ausgeschlossen. Der volle Name der Firma muß sich
auf den Koffern befinden; das Haus haftet für Mißbrauch, der Strafe
und dauernde Entziehung der Vergünstigung nach sich zieht. Das Gepäck
ist innerhalb einer Stunde nach der Ankunft in Empfang zu nehmen oder
es ist doch die Karte vorzuweisen und die Vorzeigung zu bestätigen.
Der Reisende muß den Zug benutzen, mit dem seine Muster befördert
werden. Die Vergünstigung besteht darin, daß die größte Zahl der
österreichischen Bahnen für 10 kg und 1 km nur 0,2 h. Fracht erhebt,
Lokalbahnen gewähren die Vergünstigung nach dem Lokaltarif, ungarische
Bahnen berechnen die Fracht nach Zonen:

                            bis 50 kg   50-100 kg   über 100 kg
  1. Zone      bis  50 km      0.50       1.00        2.00 Kr.
  2.  „     51  „  100 „       1.00       2.00        4.00 „
  3.  „    101  „  450 „       2.00       4.00        8.00 „
  4.  „    451  „  600 „       2.50       5.00       10.00 „
  5.  „    über    600 „       3.00       6.00       12.00 „


Portugal.[1]

Es bestehen keinerlei einschränkende Bestimmungen für Reisende. Wer
jedoch länger als sieben Tage in Portugal verweilt, bedarf einer
Aufenthaltsbescheinigung (bilhete de residencia), die vom deutschen
Konsul in Portugal auszustellen ist. Die Bescheinigung ist der
Polizeibehörde vorzulegen und kostet 2100 Reis (1000 Reis = 4.50 Mk.)
Stempelgebühr. Die Reisenden tun gut, sich mit der Gewerbelegitimation
oder einer Identitätsbescheinigung des portugiesischen Konsuls
in Deutschland zu versehen, ohne die sie Schwierigkeiten bei der
Ausstellung des Aufenthaltsscheines haben.

+Steuern+ werden eigentlich erhoben, da aber niemand die Reisenden
überwacht, hat die Steuervorschrift keine praktische Bedeutung.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei, wenn der Wert der Muster 300 Reis
nicht übersteigt. Sonst gelten nur Waren als Muster, die auf eine
bestimmte Zeit -- nicht über sechs Monate -- eingeführt werden und
als Muster ohne weiteres kenntlich sind. Auch für sie ist der Zoll
zu hinterlegen, sie werden kenntlich gemacht und in ein Verzeichnis
aufgenommen. Bestehen bei der Wiederausfuhr keine Bedenken über die
Identität, so wird der Zoll zurückerstattet.


Fußnote:

[1] Die Umwälzung der politischen Verhältnisse läßt mit einiger
Bestimmtheit erwarten, daß Portugal den Freihandel einführt.


Rumänien.

Es dürfen durch Kaufleute, Fabrikanten oder Gewerbetreibende, sowie
durch deren Reisende, nur Kaufleute und Gewerbetreibende besucht
werden, um Bestellungen auf Waren nachzusuchen. Bestellungen dürfen nur
soweit nachgesucht werden, als die Aufgesuchten die Waren kaufen, um
sie zu verkaufen oder sie für die Produktion zu verwenden. An Landwirte
dürfen landwirtschaftliche Maschinen und Geräte verkauft werden. Die
Reisenden dürfen nur Muster und Modelle mit sich führen. Wer ohne
erforderliche Legitimation reist oder sich weigert, sie vorzuzeigen,
wer eine Legitimation auf einen falschen Namen bei sich führt,
Bestellungen von Privaten entgegennimmt oder seine Muster verkauft,
wird bestraft. Die Strafe ist rechtskräftig, wenn nicht innerhalb zehn
Tagen Berufung eingelegt wird.

Der Reisende bedarf einer +Gewerbelegitimation+ und eines allgemeinen
Passes, der jedoch ebenfalls von der Heimatbehörde ausgestellt wird.
Andere Vollmachten und Ausweise dürfen vom Reisenden nicht verlangt
werden.

+Steuern+ werden nicht erhoben.

Die +Mustereinfuhr+ ist frei von Zoll und unterliegt nicht der
Kontrolle, soweit die Muster keinen Gebrauchswert haben und Teile
eines Ganzen sind, das sie veranschaulichen sollen. Andere Muster
sind zollpflichtig und unterliegen der Kontrolle. Der Zoll ist bei
der Einfuhr zu bezahlen oder zu hinterlegen. Es ist die Erklärung
abzugeben, daß und in welcher Frist die Muster ausgeführt werden.
Die Frist darf zwölf Monate nicht überdauern. Die Muster werden
kenntlich gemacht (die deutsche Plombierung genügt), in ein Verzeichnis
aufgenommen, das die Fristbestimmung und die Höhe des Zolles angibt.
Die Muster können über jedes Ausfuhramt ausgeführt werden. Nach Prüfung
und Feststellung der Uebereinstimmung wird der Zoll zurückgezahlt.


Rußland.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende können
Bestellungen auf Waren aufsuchen oder durch Reisende aufsuchen lassen.
Sie dürfen Muster zu diesem Zweck mit sich führen, aber keine Waren.

+Legitimation.+ Die Gewerbelegitimation muß in deutscher und russischer
Sprache ausgefertigt sein. Der Reisende bedarf eines Passes, der vom
zuständigen russischen Konsul beglaubigt sein muß. Das Visum gilt für
sechs Monate und braucht nicht erneuert zu werden, wenn der Reisende
mehrfach in dieser Zeit Rußland bereist. Die Reisetätigkeit in Rußland
ist sowohl an diese Ausweise als daran gebunden, daß der Reisende einen
Gewerbeschein besitzt. Rußland kennt Gewerbescheine für den Inhaber
eines Betriebes und Zusatzscheine für den Angestellten. Der eine Schein
kann aber gespart werden, auch der Zusatzschein, wenn der Gewerbeschein
gleich auf den Reisenden ausgestellt wird. Der Gewerbeschein kann
bezogen werden bei den Kameralbehörden oder den Zollämtern. Er wird
ausgegeben, nachdem die Steuer entrichtet ist. Außer der Gewerbe- und
der Zusatzsteuer sind die Lokalzuschläge zu entrichten.

+Steuern.+ Rußland erhebt Abgaben:

  Grundgewerbesteuer:
      150 Rubel für ein Jahr, 75 Rubel für ½ Jahr.

  Angestelltensteuer:
       50 Rubel für ein Jahr, 25 Rubel für ½ Jahr.

Die Steuer richtet sich nach dem Kalenderjahr. Maßgebend ist der
russische Kalender. Vor dem 1. Juli ist die ganze, nach dem 1. Juli die
halbe Steuer zu entrichten.

Die Lokalzuschläge sind für die Angestellten teurer als für die
Geschäftsinhaber. Sie schwanken von 41.10 Rub. bis 112 Rub. für
Inhaber, von 46.10 Rub. bis 122 Rub. für Reisende. Die Lokalzuschläge
werden einmal entrichtet und gelten dann für das ganze Reich.
Unterschiede zwischen Reisenden mosaischer und solchen christlicher
Religion werden nicht mehr gemacht. Es empfiehlt sich, die Steuern in
Orten 3. Klasse zu zahlen. Dort sind die Lokalabgaben am niedrigsten.
Es gehören dazu: Kalisch, Lublin-Kreis, Lomja, Piotrowkow, Tmaszew,
Czenstochau, Pabianice, Kreisstädte in Lodz, Bresciny und Bendjin usw.
Ist hier die Lokalabgabe entrichtet, so braucht sie später nicht mehr
entrichtet zu werden, auch wenn sie höher ist.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei, soweit die Muster unzweifelhaft als
solche gekennzeichnet sind und keinen Gebrauchs- oder Verkaufswert
haben. Alle anderen verkaufs- und verwendungsfähigen Muster sind
zollpflichtig. Durch eine Erklärung, daß diese Muster wieder in
bestimmter Frist ausgeführt werden, kann die Rückerstattung erwirkt
werden. Die Frist für die Ausfuhr beträgt ein Jahr. Die Muster werden
dann gekennzeichnet und in ein Verzeichnis eingetragen. Die Ausfuhr
kann über jedes Zollamt vorgenommen werden. Nach erfolgter Prüfung und
festgestellter Uebereinstimmung wird der Zoll zurückerstattet.


Schweden.

Es ist zwar Vorschrift, daß deutsche Kaufleute, Fabrikanten,
Gewerbetreibende oder deren Reisende nur Waren einkaufen dürfen bei
Kaufleuten oder Herstellern, und Bestellungen nur suchen dürfen bei
Personen, die gekaufte Waren in ihrem Geschäftsbetrieb verwenden; es
bestehen aber keine Vorschriften, die den Verkehr mit Privatkundschaft
einengen.

+Legitimation.+ Die Reisenden bedürfen der Gewerbelegitimationskarte.
Sie sind gehalten, beim Betreten des Landes dem nächst erreichbaren
Steuereinheber zu erklären, wie lange sie in Schweden bleiben wollen.
Sie erhalten dann gegen Entrichtung der Steuern einen Ausweis. Dieser
Ausweis ist der Polizeibehörde des Ortes, an dem die Tätigkeit
aufgenommen werden soll, zum Visum vorzulegen. Ein weiteres Visum ist
nicht erforderlich.

+Steuern.+ Schweden erhebt für den Ausweis eine Steuer, die für 30 Tage
100 Kr. und für je weitere anschließende 15 Tage 50 Kr beträgt. (10 Kr.
= 11.25 Mk.) Wer den Ausweis nicht besitzt, wird außer der Steuer in
eine Strafe von 100-500 Kr. genommen.

Um die Rückerstattung des +Mustereinfuhrzolles+ sicher zu stellen, muß
der Reisende dem Eingangszollamt seine Gewerbelegitimation vorlegen.
Innerhalb sechs Monaten hat er die beabsichtigte Ausfuhr der Muster dem
Eingangsamt anzumelden, innerhalb eines Monats nach erfolgter Meldung
muß die Ausfuhrprüfung stattgefunden haben.

Das Zollamt gibt sodann, nachdem die Muster gekennzeichnet sind
(deutsche Plombierung reicht aus), eine Bescheinigung über die
eingeführten Muster. Die Bescheinigung enthält die Bestätigung über den
gezahlten Zoll. Die Ausfuhrprüfung kann auch von anderen Zollämtern als
dem Eingangsamt vorgenommen werden. Dann ist indessen die Bescheinigung
über die Uebereinstimmung dem Eingangsamt zu übersenden, das dann
Zahlung veranlaßt. Ungestempelte Gold- und Silberwaren bedürfen einer
Zollhinterlegung in fünf- oder zweifacher Höhe des eigentlichen
Zollbetrages.


Die Schweiz

unterscheidet zwischen Engros- und Detailreisenden. Sie zählt zu
den Engrosreisenden alle Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende
und deren Reisenden, die Bestellungen auf Waren bei Kaufleuten
oder Gewerbetreibenden aufsuchen, die gekaufte Ware in ihrem
Geschäftsbetrieb verwenden. Wirtschaften, Pensionen, Hotels, Landwirte,
landwirtschaftliche Schulen, Strafanstalten, Handwerker, Näherinnen
zählen hier mit, soweit sie die Waren zum gewerblichen Bedarf beziehen.
Reisende dürfen grundsätzlich nur Muster mit sich führen. Der Bundesrat
kann Ausnahmen gestatten, wenn die sofortige Uebergabe der Ware üblich
und notwendig ist. Gesuche müssen an die Kantonsregierung gerichtet
werden. Ausnahmen für Branchen oder bestimmte Geschäftszweige können
nicht gemacht werden. Waren, die nur überbracht werden, aber vorher
bestellt waren, dürfen ohne Erlaubnis mitgeführt werden. In eine Buße
bis zu 1000 Fr. werden Reisende genommen, die Waren bei sich führen,
ohne Ausweiskarte reisen oder Private ohne besonderen Ausweis besuchen.

+Legitimation.+ Reisende bedürfen der Gewerbelegitimationskarte.
Sie bedürfen weiter eines Ausweises, den die Kantonsregierung, die
Statthaltereien oder die Regierungskanzleien ausstellen. Der Ausweis
gilt für das Kalenderjahr. Er kann auf mehrere Personen lauten und ist
übertragbar. Lautet der Ausweis auf mehrere Personen, so kann er doch
immer nur von einer Person gleichzeitig benutzt werden. Der Ausweis muß
gegebenenfalls den Vermerk enthalten, daß dem Reisenden gestattet ist,
Waren mit sich zu führen.

+Steuern.+ Die Engrosreisenden sind steuerfrei. Die Detailreisenden
müssen 150 Fr. für das ganze, 100 Fr. für das halbe Jahr Steuern zahlen.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei, soweit die Muster keinen Gebrauchs-
oder Handelswert haben. Bei anderen Mustern muß der Zollbetrag in bar
oder in Sicherheiten hinterlegt werden. Deutsche Kennzeichen werden
anerkannt, sonst werden die Muster gekennzeichnet, nachdem der Reisende
die Wiederausfuhr in bestimmter Frist erklärt hat. (Frist nicht über
ein Jahr.) Die Muster können über ein anderes als das Eingangsamt
ausgeführt werden. Die Muster werden auf die Uebereinstimmung geprüft,
der Zollbetrag wird alsdann zurückerstattet oder die Sicherheit
freigegeben.


Serbien.

Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibende können Einkäufe machen und
Bestellungen suchen, oder einkaufen und Bestellungen suchen lassen. Sie
bedürfen nur der Gewerbelegitimationskarte und sind von Steuern befreit.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei. Als Muster gelten Musterkarten
oder Muster in Abschnitten. Flüssigkeiten gelten dann als Muster,
wenn sie an Gewicht 50 Gramm nicht überschreiten. Für Warenmuster
in festem Zustande ist 30 Gramm die Gewichtsgrenze. Sonst muß der
Reisende den Zollbetrag zahlen oder ihn hinterlegen. Die Muster werden
gekennzeichnet, soweit das nicht bereits in Deutschland geschehen ist.
Der Handlungsreisende bekommt eine Bescheinigung, in der alle Muster
und ihre Kennzeichen aufgeführt sind. Die Bescheinigung enthält auch
den Zollbetrag und bestimmt die Frist zur Ausfuhr. Sie darf nicht
mehr als drei Monate betragen. Für die Behandlung ist der Stempel
zu entrichten. Die Ausfuhr kann über jedes Zollamt erfolgen. Nach
festgestellter Uebereinstimmung wird der Zoll oder die Sicherheit
zurückerstattet.


Spanien.

Deutsche Kaufleute, Fabrikanten oder Gewerbetreibende sind berechtigt,
Waren einzukaufen und Bestellungen auf Waren zu suchen. Sie können
damit Reisende betrauen.

+Legitimation.+ Der Reisende bedarf der Gewerbelegitimationskarte und
eines Ausweises.

+Steuer.+ Der Reisende hat eine Steuer durch Lösung des Ausweises zu
entrichten. Die Steuer beträgt für Reisende, die Edelsteine, Gold- oder
Silberwaren im Muster mit sich führen, 190 Pes., für andere Reisende,
die Waren kaufen oder Bestellungen suchen, 152 Pes. (1 Pes. = 0.80
Mk.). Von der Steuer sind Reisende befreit, die in Spanien aus dem
Einkommen ihrer Reisetätigkeit Einkommensteuern zahlen und nur für ein
Haus tätig sind.

Die +Mustereinfuhr+ ist zollfrei, vorausgesetzt, daß sich aus dem
Zustand der Muster ergibt, daß sie keinen Gebrauchs- oder Handelswert
haben. Auch die Koffer sind zollfrei. Zollfrei sind auch Muster von
Geweben, Filzen, Tapeten, die über die Kette nicht mehr als 40 cm
messen. Stückbreite dürfen sie dagegen haben. Größere Muster sind nur
dann zollfrei, wenn sie in Entfernungen von je 20 cm durch Einschnitte
unbrauchbar gemacht werden.

Wachstuchmuster sind zollfrei, wenn sie nicht über 15 cm, Metallkabel-,
Leisten-, Gesimsmuster, wenn sie nicht über 8 cm messen.

Weine sind zollfrei in Behältern, die nicht über 5 Deziliter Inhalt
haben.

Alle übrigen Waren bedürfen der Zollhinterlegung. Sie können nur bei
bestimmten Zollämtern eingeführt werden und nicht auf längere als
einjährige Dauer. Zugelassen sind nur Reisende aus Ländern, die im
Handelsvertrag mit Spanien stehen oder Spaniens Reisenden die gleichen
Vergünstigungen gewähren. In solchen Fällen wird ein Verzeichnis der
Muster angefertigt und die Muster werden mit Kennzeichen versehen. Die
Ausfuhr muß über eines der bestimmten Zollämter erfolgen. Nach einer
Prüfung der Muster und festgestellter Uebereinstimmung mit dem Freipaß
wird der Zoll zurückgezahlt. Für Muster, die fehlen, ist der volle Zoll
zu entrichten; ist das Jahr abgelaufen, so ist der ganze Zollbetrag
verfallen.


Türkei.

Die Kaufleute, Fabrikanten, Gewerbetreibenden und deren Reisenden
unterliegen keinerlei einschränkenden Bestimmungen.

+Legitimation+ ist nicht erforderlich. Die Reisenden bedürfen nur eines
Passes. Der Paß muß beim Eintritt in die Türkei und beim Verlassen
des Landes visiert werden. Für die Inlandsreise bedarf der Reisende
eines besonderen Passes (Teskireh). Um ihn zu bekommen, läßt sich
der Reisende auf dem deutschen Konsulat nach Vorlegung seines Passes
einen Antrag ausfertigen. Dafür wird eine kleine Gebühr erhoben. Die
Zivilbehörde stellt sodann das Teskireh aus. Das Teskireh bedarf
des Visums beim Betreten und beim Verlassen eines Hafenortes. Die
Formalitäten werden am besten durch den Gasthausbesitzer erfüllt.

+Steuern+ werden nicht erhoben.

Für die +Muster+ ist ein Einfuhrzoll zu hinterlegen, der 8 Prozent des
Wertes beträgt. 7 Prozent werden bei der Ausfuhr wieder zurückgezahlt,
wenn die üblichen Bedingungen erfüllt sind. Für Gold- und Silberwaren
bestehen bestimmte Zollsätze, der Zollbetrag wird nicht zurückgegeben.
Um die Vergünstigung der Mustereinfuhr in Anspruch zu nehmen, muß
der Reisende zwei Deklarationen ausfertigen. Eine bekommt er zurück.
Darauf wird der Gesamtwert geschätzt und der Zoll dafür erhoben. Die
Waren werden gekennzeichnet und dann für ihre Zwecke freigegeben. Für
jede Plombe ist eine Gebühr von 10 Para zu entrichten. Bei der Ausfuhr
ist die Bescheinigung mit der abgestempelten Erklärung vorzulegen.
Nach erfolgter Prüfung der Uebereinstimmung werden 7 Prozent des
Wertes zurückerstattet, vorausgesetzt, daß die Frist von sechs Monaten
nicht überschritten ist. Ist das Ausstellungsdatum der Erklärung
oder Bescheinigung radiert oder sonst verändert, so wird nichts
zurückvergütet.

Muster ohne jeden Handels- und Gebrauchswert sind nicht dem Zoll
unterworfen.




Ein Schlußwort an die Auslandsreisenden.


Der Auslandsreisende, der nicht bereits länger Land und Leute kennt,
der nicht für eine eingeführte Firma mit fester Kundschaft tätig ist,
kann im Auslande leicht mehr als nur gute Geschäfte machen.


Kredit im Ausland.

Er kann +sehr+ gute Geschäfte machen, +wenn er nur nachgiebig im
Kreditgeben ist+. Da liegt aber gerade die Gefahr! Weniger groß
ist diese in den nordischen Ländern, weniger groß in Frankreich,
Oesterreich und dem nördlichen Ungarn. Je mehr der Reisende aber nach
Süden kommt, je mehr er hineindringen muß in das Sprachengemisch
slavischer Völkerschaften, um so vorsichtiger muß er werden. Die
Balkanhalbinsel sei seiner besonderen Vorsicht empfohlen.

Der Reisende soll nicht sagen, daß er über alle Schwierigkeiten
erhaben ist, wenn er die Sprache gut beherrscht und wirklich Land und
Leute kennt. Die politische Unsicherheit in den slavischen und den
Balkan-Staaten kann heute ein Geschäft ruinieren, das gestern noch
leidlich gut war. Von solchen drohenden Wolken wird man aber nicht
unterrichtet durch gelegentliche Besuche, auch nicht durch gründliche
Kenntnis des Landes. Hier kann nur eine Vertrauensperson am Orte vor
schweren Schaden bewahren. Ein deutscher Agent, eine deutsche Firma
stellen die geeigneten Vertrauenspersonen in der Regel dar.

Am besten wird bei Aufträgen eine feste Anzahlung vereinbart, die bei
Erteilung des Auftrages oder spätestens bei dem Eintreffen der Rechnung
fällig ist. Der Restbetrag muß fällig sein, wenn der Spediteur die
Ware bringt. Nur wo ganz sichere Verhältnisse herrschen, darf der
Reisende von diesem Verfahren abweichen.

Der Auslandsreisende soll sich immer klar sein, daß er im fremden Lande
ist. Besonders dann, wenn slavische Frauenschönheiten oder feurige,
glutäugige Töchter der Romanen ihn verlocken wollen. Mehr noch als
daheim muß sich der Reisende im Ausland vor den Schürzen und damit vor
Händeln hüten. Er wird sonst als Ausländer -- auch vor Gericht -- in
neunzig von hundert Fällen den Kürzeren ziehen.


Grundsätzliches.

Der Reisende darf nicht Kritik üben an den Einrichtungen des Landes,
an dem Patriotismus, an der Religion seiner Bevölkerung. Kirchlichen
Bräuchen wird er die Achtung erweisen, die der Religion auch seiner
Mitmenschen zukommt. Besonders wird er das beachten, wo kirchliche
Bräuche etwa in der Form von Prozessionen in die Oeffentlichkeit treten.

Er wird das „Allerheiligste“ grüßen und der Prozession seine Achtung
erweisen, auch wenn er nicht gleich religiös empfindet. Das Versagen
der Achtung muß provozierend wirken und die Taktlosigkeit wird von Jung
und Alt, Vornehm und Gering als solche empfunden.

Der Reisende muß den Patriotismus des Gastvolkes achten. Damit will
ich nicht sagen, daß der Reisende vergessen soll, wer er ist. Es ist
ein grundsätzlicher Irrtum, anzunehmen, daß im Ausland, besonders bei
Völkern, die ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine große
nationale Vergangenheit haben, der Mann sich Achtung erringt, der seine
Volkszugehörigkeit verbirgt oder verleugnet. Das Gegenteil ist der
Fall.

Der Auslandsreisende ist nicht nur für sein Haus tätig, er ist
Reisender eines +deutschen+ Hauses. Das legt ihm Pflichten auf, die
Takt und Geschick erfordern. Nach Bismarck sind unsere Reisenden
Pioniere der deutschen Kultur. Niemals würde es Bismarck eingefallen
sein, unsere Reisenden zu Chauvinisten erziehen zu wollen. Gewiß
wollte des Reiches erster Kanzler aber andererseits der Welt nicht
das Schauspiel geboten wissen, daß deutsche Reisende nationaler
Würdelosigkeit geziehen werden könnten. Der deutsche Reisende
hat Grund, auf sein Vaterland stolz zu sein. Ein ruhiger, nicht
aufdringlicher Stolz in nationaler Beziehung ist überall angebracht. Er
ziert besonders den Auslandsreisenden, der sich in seinem Kreise der
Verantwortung bewußt ist, die ihm die Angehörigkeit zu einem großen und
emporstrebenden Volke auferlegt. Die kaufmännische Welt ist voll der
Bewunderung für die +kaufmännische+ Zuverlässigkeit unserer Reisenden.
Möchte sie zu dieser Bewunderung auch die andere, unserer +nationalen+
Zuverlässigkeit wegen, gesellen können.


Druck von Gebrüder Lüdeking, Hamburg



        
            *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK VOM REISEN UND REISEN LASSEN ***
        

    

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