The Project Gutenberg EBook of Ein Geschlecht, by Fritz von Unruh This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org/license Title: Ein Geschlecht Author: Fritz von Unruh Release Date: October 24, 2014 [EBook #47189] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN GESCHLECHT *** Produced by Gerard Arthus, Reiner Ruf and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) Anmerkungen zur Transkription ############################# Der vorliegende Text wurde anhand der Ausgabe von 1918 erstellt. Die Textstelle auf S. 59: "Und furchtbar von des Bruders Leiche ragend" sollte möglicherweise heißen: "Und furchtbar vor des Bruders Leiche ragend". Kursiv gesetzter Text wurde mit Unterstrichen gekennzeichnet (_kursiv_). [Illustration] Ein Geschlecht Tragödie von Fritz von Unruh 1918 Kurt Wolff Verlag Das Recht der Aufführung ist zu erwerben durch die Vereinigten Bühnenvertriebe Drei Masken -- Georg Müller -- Kurt Wolff Verlag Berlin W 50 _Siebentes bis achtzehntes Tausend_ Druck von E. Haberland in Leipzig-R. Copyright 1917 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig [Illustration] Dem Andenken meines Bruders Erich * 1888, gefallen 1915 Personen Mutter Ältester Sohn } } Feiger Sohn } } ihre Kinder Jüngster Sohn } } Tochter } Ein Soldatenführer Der andere Soldatenführer Mannschaft Die Tragödie ist an kein Zeitkostüm gebunden; ihre Handlung spielt vor und in einem Kirchhof auf Bergesgipfel. Helle, warme Nacht über der Rasendecke eines Berggipfels, der einen alten Kirchhof trägt. Durch ein Gittertor sieht man auf Gräber. Ein Soldatenführer beobachtet durch das Tor zwei Kerzen haltende Frauen und einen Jüngling, der ein Grab schaufelt Unseliges Weib, gesegnet und verflucht, indessen Du mit Deinem jüngsten Sohn den schlachtgefallnen Liebling fromm beerdigst und Flammenglanz von Tapferkeit beschwörst, steigt aus dem Tal, gefesselt und bespuckt ein Zwillingspaar auch Dir entboren auf, das besser Du im ersten Bad ersäuft! Der andre Soldatenführer hat zu beiden Seiten des Tores Ringe befestigt Die Eisen halten! Ein Soldatenführer zu wartender Mannschaft So bringt sie her, für die der Platz bestimmt. Wer faßt Natur, die solchen Zwiespalt schuf! Jüngster Sohn aus dem Kirchhof Von meiner Schwester Tränen ausgelöscht halt ich die Kerzen noch? wirft sie fort Entsetzlich Bild für meines ganzen Bluts Verfinsterung. will fliehn Ein Soldatenführer hält ihn auf Eh Du mit uns zum Kampftal niedereilst, erfülle, was Du ernst geschworen. Jüngster Sohn Von Sinnen war ich, als ich's tat. Ein Soldatenführer zeigt auf das Grab Was Du dem Toten schuldig bist und Dir und uns, wie allen, die heut kniegebeugt zum Machtgeist unsres mächtgen Volkes beten, versäum es nicht. Entsühne schwere Schuld, eh Gott auf uns die Wucht der Strafen schleudert! Zwei halbentblößte Männer werden angeschleppt Die beiden, wildzersträubt, sind Deine Brüder, vom Vaterland, dem sie getrotzt, verstoßen. Der andre Soldatenführer packt sie Der Du geschändet, Kerl, sei festgebunden, daß Deine Gier nicht weiter Unheil stifte und unsern Sieg entehre. Sterbe hier bei Deinem Bruder, der Gehorsam weigert und sich der Feigheit Ekel aufgeladen. Jüngster Sohn am Tor Seht meine Mutter, ein verhülltes Bild! Der andre Soldatenführer Du zauderst? zur Mannschaft Stricke her! Er bindet die Verurteilten fest Jüngster Sohn zu den Führern Ihr habt es leicht Vergeltung rasch von meinem Arm zu fordern. Gemeinsinn wills, und er beherrscht die Zeit. vor seinen Brüdern Ich fühl es schaudernd, wie die Leidenschaft den Edlen selbst zum Schwindelabgrund reißt; zu den Führern denn adlig waren sie, nur allzuheiß vom eignen Kraftrausch ihres Lebenswunders. Der andre Soldatenführer zum jüngsten Sohn Entschuldigung starb. Vor jeder Einzelgier hat uns das Feuerbad des Kriegs geheilt, und wo wie hier noch Aussatz an den Gliedern, sei er von unserm Körper abgehackt! Jüngster Sohn erstarrt Was heißt das; abgehackt? Der andre Soldatenführer Notwendigkeit! Wie dem Gewölk erlauchter Ahnen heut der Flammstrahl auf den Völkerknäul entblitzte, der sich aus Lügen gegen uns geballt, so würgen wir an uns die eignen Greuel. Jüngster Sohn eingeschüchtert Wehrlose Kraft zu meistern! Gebt das Beil. Er läßt es fallen Die gleiche Form, von mir so rein verehrt, schuf Euch, wie mich -- und das zerfleischt mein Herz. Der andre Soldatenführer Dein Seufzer prallt an unsren Rippen ab, die ehern wie der Bau des Vaterlands nur opfermutge Seelen in sich dulden. Jüngster Sohn Ach, hättet Ihr sie auf der Tat erschlagen! Wer ist die Macht, die alle Wesen beugt, bis sie den eignen Willen ganz verlieren? Der andre Soldatenführer Glaub: sie zerstampft Dich, wenn Du also lästerst! Jüngster Sohn Brecht mein Genick! Ein Alp quetscht mir die Lungen! fällt ohnmächtig um Ein Soldatenführer So stürzt ein Baum, der sich vom Erdreich löst. Im Tor werden Mutter und Tochter sichtbar Seht Eure Söhne an! Der andre Soldatenführer Wirft sie der Anblick der Empörer um? Tochter Da sind sie! Festgeknebelt wie Verbrecher! zum Feigen Der Du die Wolken sonst mit Träumen fülltest, wenn Erika in Mittagsweiten glühte, -- wie jämmerlich hängt jetzt Dein Kopf zur Brust. zur Mutter Du duldest es, daß sie die Brüder morden? Ein Soldatenführer sieht die Mutter an Ihr teilnahmloses Schweigen wächst ins Dunkel? Der andre Soldatenführer Wir stehn nicht hier, um Rätsel aufzulösen. Ein Soldatenführer zum andern Soldatenführer Laß dieses Weib allein. Ich bürge Dir, daß die nicht leben, wenn der Morgen dämmert. Der andre Soldatenführer stößt an den jüngsten Sohn Doch den schleppt mit! Mannschaft nimmt ihn auf Ein Soldatenführer Er werde in der Schlacht zum würdigen Glied des großen Volks gehämmert. Das Vaterland bleib ewig eine Kraft, die unsrer Willkür wehrt, wie jene Mauer die Heldenleiber schützt vor Pflug und Egge. Außer den beiden Verurteilten, der Mutter und der Tochter gehen alle in das Kampftal zurück Mutter den Boden streichelnd Wir, die wir vieles wissen, müssen schweigen. Hier fielst Du um. Der jüngste meiner Schmerzen, gebändigt durch die Faust des Muß. Dein liebes Auge war auf mich gerichtet. Jetzt spricht das Schicksal. Wirklichkeit steht auf und gibt den Himmelsträumen Zweck und Namen. Als Qual und Glück Euch still in uns gebildet, der erste Laut aus Eurem Mäulchen schrie und Ihr die Beinchen an die Brüste stemmtet, die Euch gesäugt, da glaubten wir an Dauer; verlachten das Gesetz, das heimlich wuchs und Müttern heute ernste Sorgen bringt. Sie wendet sich zu den Verurteilten Ja, als Ihr jung wart, meine Söhne, wahrlich, da baute Phantasie aus Euren Leibern mir einen Tempel auf. Nun steh ich unter Trümmern, gleich der Nacht, besorgt den Schutt zu bergen, eh es tagt. Tochter Ach, meine Mutter! Mutter Brüll den Namen nicht. Ich höre einer Unke Quaken lieber als die zwei Silben, die mich niederschlagen. Zur Wiege geh ich, die der Tod gebaut, und rüste sie. Sie wankt auf den Kirchhof Tochter vor den Brüdern in Entfernung Sah ich Verbrechen sonst vorübergehn, drängt' Neugier mich an Wach und Gitter an, um auf dem kurzen Weg vom Tor zum Wagen den Flackerblick des Bösen nah zu sehn. Nun quillt er auf im eignen Blut. O Brüder, wir sind geheimnisvoll durch Lust verstrickt. Die Fesseln, die Euch in das Fleisch getrieben, erdrosseln mich, denk ich an mein Geschick. Die Mutter kniet. Hier hocken Würgegeister! will fort Ältester Sohn Bleib, Mädchen, bleib! Ich hörte jedes Wort. Tochter Schlägt Deine Stimme Eisen um die Knöchel? Ältester Sohn Bei der Gewalt, die Weiber schön gemacht, bleib so im Licht und laß Dein Bein mich sehen, Laß mich die Linie jeder Wölbung fühlen, mit der Natur mich so betrunken hat, daß ich verloren bin an ihren Reiz. Was keuchst Du mir den Atem in den Mund und starrst mich an? Schneid mir die Taue durch. Tochter O wär ich Luft und könnte mir entfliehen! Ältester Sohn Wo kriechst Du hin? Das rote Schlachtenland ist voller Männer; deren Hand Dich greift; wenn nicht lebendig mehr nach Deinen Brüsten --, so starren tote Glieder Dir entgegen und drücken Deine Knie. Tochter Bleischwer hängt mir das Haar im Rücken! Ältester Sohn Mach mir die Hände frei! Ich will Dirs danken. Tochter zum Feigen Um Dich schlug die Verachtung einen Kreis, in den kein Mensch sich wagt. Mich berge er. Ältester Sohn So bind mich los! Sieh her; ich streichle sanft den Schatten Deines Schenkels mit der Zeh. Tochter Der Du uns schufst mit unsern blauen Adern, dem Bau der Sehnsucht, dem nur Flügel fehlen, verlaß mich nicht. Die Erde wird zu Schlamm, und meine weiße Sohle sucht nach Halt. Ich sinke hin, und alles Rot der Nacht hebt sich zu Purpurwürmern vor mir auf --! Ältester Sohn Was schmiegst Du Dich dem Rasen wie ein Panther so beutelüstern an? Tochter stürzt auf ihn Zerreißt mich, Hände! und bindet ihn los Ältester Sohn Ich kann mich wieder strecken, beugen! Sättigen! greift die Tochter Mutter Vor ihrem Anblick weichen beide O Gräßlichstes! Mein Auge fault daran! Tochter beim Ältesten Sohn Schütz mich vor diesem Weib und allen Frauen! Mutter Hier mit dem Spaten, der auf Aug und Wangen des liebsten Sohns den feuchten Sand geworfen, erschlag ich Euch! Ältester Sohn Hast Du uns nicht geboren? Mutter Was gibt Dir Mut zu solcher Sprache? Ältester Sohn Blut, das mit der Nabelschnur nicht abgestaut. Mutter zum Ältesten Sohn Wenn meine Milch, die süße Himmelsnahrung, so freche Kraft in einem Mann erzeugt, dann schüttelt Hexenvolk das Los der Mütter und mir bleibt nichts, was Dich zu Boden zwingt. zur Tochter Doch Dich, verwandte Form, schleif ich am Schopf aus diesem wüsten Strudel der Verirrung. Tochter macht sich frei Dich hat der Liebesstrom der Kraft durchrauscht. Wie leicht ist's nun, gesättigt dazustehen und, wo ein Quell aus dunkeln Qualen bricht, ihn mit dem Stein der Sitte zu verstopfen. Mutter Hier hilft auch Händefalten nichts. Ich fühl's. Tochter beim Ältesten Sohn Einst zwangen Ammen uns vorm schwarzen Mann aus Winkeln erster Regung an die Lampe --, Solang mein heller Scheitel Wärme ahnt, schreckt mich kein Fluch. Mutter Kehrt mir mein jüngster Sohn so wild zurück, daß meine Hände, die schon hingestreckt ihm von der Stirn den Kriegstraum fortzustreicheln, gelähmt bei seinem Anblick niederfallen, was bleibt mir dann! zum Ältesten Sohn Dein Gang, Gebärde, Stimme, ach, alles, was der Mitwelt abgelauscht, erschreckt und wagt sich dreist vor mich! vor mich! Ältester Sohn Es kam der Krieg! die Zeit verlor den Puder in Strömen Bluts, die so ins Erdreich flossen, daß sich die Schollen wieder feucht wie Ton in meiner Hand zu neuen Werken ballten. Der Jahre Wucht quoll mir aus Stunden über, und Ohnmacht krachte weit im Land zusammen. Die Welt ward so zertreten und zerstampft, daß sie zu Leichen brach und meine Knie im Schreck von schnell verstummten Mäulern -- froren! Mutter Was nun vermag Gebet, wenn das geschah! Ältester Sohn Um mich verendete zerquetschter Schlaf, im Tod noch aufgekrümmt. Seht, Haut schwitzt nach von lauem Brand verkohlter Menschensiedlung; ach, Rausch, der mich aus stumpfer Kraft geworfen, verlief und züngelte in Lagerflämmchen als Traumgewölk der Müdigkeit zurück. Doch ich, im Schrei verscheuchten Weibervolks, packt' mir, ein Blitz, die Widerspenstigste und war schon im Gelock der Hoffnung -- Gott, der über Wassern seines Durstes schwebte, da schlug man mich wie ein Stück Rindvieh nieder! Die gleiche Macht, die mich wie Wunder ehrte, als ich für sie im Blut des Feinds gewatet! Mutter O Land, vom Wachstum ewiger Kraft bewegt, du gibst den Schwangern ihre Monde, bis sie sich beugen, Neues zu gebären. Du gönnst dem Winteracker Deine Stunden, daß er im Samendrang des März nicht bricht: Verhilf auch mir zu neuem Blut und Fühlen! Ältester Sohn Nun steh ich da, entfesselt, unbefriedigt! An meinen Rippen hängen noch die Haare erblaßter Dirnen! Hände sind voll Striemen, und alle Schleuderglut der Sinne irrt wie Wirbelsturm durch Trümmer, die ich schuf. Tochter an seinem Hals Du bist es! Unbegrenzter, Himmlischer! nach dem ich mich in heißer Heimlichkeit urtoller sehnte, als die Nacht nach Licht! Mutter vor beiden Ist's Traum zermürbter Sinne? Wirklichkeit? Das Fürchterliche vor mir: Meine Kinder? Ältester Sohn Erst reißt man uns auf sonnennahe Gipfel, und hat sich unsre Brust dem Tal entwöhnt, daß sie sein Bauernjoch nicht mehr erträgt, sticht man uns mit Gesetzen durch das Herz. Tochter Ach, Herrlicher! Ich fühl's, ich lebe auf! Mutter Geliebte Erde, heilger Keime Schoß, die Du dem Korn sein goldnes Fruchtkleid gibst und Blumen streust in herbstverweste Moose, Du nährst gerechtermaßen jedes Ding, das Du gebildet. Kröten gibst Du Raum, und Sonnenfalter spieln in Deinem Atem. Tu Höhlen auf, in die ich meine Brut vorm Glanz des Tages retten kann. Tu meine welken Brüste auf! Laß sie in Strömen fließen für die Kinder! Ältester Sohn Ich ducke mich nicht länger unter Tempel, die Vaterland um unsre Ohnmacht baut. Mutter Dir nachzufühlen, wechselt Schreck mit Hitze. Mein Arm, der Dich verstoßen wollte, sinkt. Ältester Sohn Mögt Ihr mit den Milliarden in den Tälern vorm Truggott Eurer Schwäche niederknien! Ich greif dem Massenwahn in seine Zähne und schleudre seine Tatzen vom Genick! Tochter Zerschlage mich in Stücke! Nichts mehr bleibe, was Dich nicht fassen kann! Mutter Es ängstigt, zwingt! O alle Erdenmütter, flucht mir nicht: Gewaltges Schicksal weiß nichts mehr von Haß. In mir bricht jeder Widerstand zusammen. zum Ältesten Sohn Komm, schmieg den Kopf an diesen Busen an. Daß meine Stirn dem Anprall widerstand! zur Tochter Komm her auch Du mit Deinem heißen Haar. Des Lebens Mitternacht hatt' ich verschlafen. So brich hervor, du schwarze Flut. Ich atme. Was ich jetzt tu, heißt an die Erde klopfen. Hier sitz ich und beschwöre ohne Formeln das Herz, das hinter aller Schöpfung schlägt. Mein Auge sucht nicht Geister Abgestorbner, und kein Orakelspruch befriedigt mich. Tochter beim Ältesten Sohn Was taucht aus Deinem Blick? Geheimnisvoll treibt es die Mutter vor Dir hin und her. Mutter zum Feigen Komm her auch Du! Das Feigheitsmal des Abscheus küss ich Dir fort. O Kinder, neue Wonne glüht aus der Nähe Eurer Körper auf. Einst, als ich gläubig war an Eure Tugend, sah ich mein Bild gemeißelt und gemalt im Dorn der Trauer und im Kranz des Glücks --, jetzt bricht aus allen Tiefen Eurer Schuld ein Rausch von Leben auf mich ein, daß meine Glieder neuen Blutlauf fühlen. In mir fließt jeder Brunnen Eurer Sinne, auch mich trieb Lust in Arme eines Mannes, auch mir versagten Kniee oft vor Angst. Nun schäumt es auf in Euren lieben Leibern und reißt die Schönheit Eurer Unschuld, die Sorge meiner Nächte so entzwei, daß ich mich selbst vor Schauder nicht erkannte. Mich trefft! Legt Ketten um den Leib der Mutter! Doch kein Lebendger holt mir meine Jungen. Hat nur die Löwin Recht auf ihre Krallen, der kleine Hamster, der uns Zähne fletscht? Ich heb mich auf! Wo bist Du, Henker, Richter? Und klängen Deine Schwerter wie Posaunen um das Gericht, das Euch verdammt zu sterben, erst treffen sie die Brust, die Euch gesäugt. Tochter jauchzend Doch unter Menschen ist kein Platz für uns! In die Gebirge wolln wir gehn, umfassen, was der Jahrtausende Gesicht erschrak! Ein Riesenvolk, das vom Geschlecht des Tags sich losriß und die Einsamkeit der Sterne zu seiner Wonnen Lustgefährten wählte. Mutter wild Den Witwenschleier reiß ich mir vom Kopf! Verquälte Glut verweinter Nächte flamme aus meinen weißen Haaren auf und brenn Ergebung ganz und gar zu Asche! Zum Blutbund alle Mütter aufgerufen! Ihr bleicher Segen, der dem Todessturm des Weltbrands Flügel gab, ball sich zum Fluch! Auf ihr Gebärerinnen! An unsren Kleinen frißt die Finsternis wie eine Ratte. Helft und schlagt sie tot! Ältester Sohn zur Mutter Reiß Dir das Zäpfchen aus und werde stumm, eh Du Dein Brusttuch lüftend jäh erkennst wie ekeltoll dahinter Krebs am Werk! Mutter Ich will nun reden aus des Herzens Angst und frage Euch, die Ihr geboren habt: Was gab den Wesen unsres Blutes Nahrung, bis sie uns hart durch rätseleigne Kraft aus einer Ohnmacht in die andre warfen? War es nicht heiße Hoffnung auf ein Leben, was stündlich aller Wehen Qual bezwang? Warum behüteten wir selber uns und heiligten die Tage im Gebet, daß nicht ein Atemzug der Dunkelheit das holde Wunder unsres Leibes störte --, ja es war Sehnsucht, allzuflüchtges Sein vollkommen, ganz im Kinde festzuhalten. Wie können wir den Wahnsinn weiter dulden, der diesen Bau der Menschheit, den wir schufen, sinnlos zerschlägt und in die Gräber schleift! Tochter zur Mutter Wem bohrst Du Deinen Arm in die vier Himmel? Mutter Hervor aus Euren Kummerwinkeln, Mütter! Wir schütteln diesen Weltvernichtungsgeist dem schönen Leben aus gesträubten Locken! Ältester Sohn zur Mutter Schwatzt Du Dich toll und blind? Wovor Du zitterst und Deine Küchlein fröstelnd flügelbirgst, droht nicht vom Himmelsblau wie Geierschatten! Mutter Wo denn? Ich will es treffen, wo es sei! Ältester Sohn Und stehst nun da, neugierig wie ein Kind, das hoch vom höchsten Stockwerk niederschaut und nichts vom Schwindelfrost der Tiefe fühlt, bis es im Sturz dem Schauder gell begegnet. Mutter umschlingt die Tochter Dies Ebenmaß der Glieder halte ich dem Furchtbarsten, was kommen mag, entgegen. der Tochter den Mantel abreißend Wie ihre Schulter sich im Muskelspiel so herrlich rundet und so leicht bewegt im zarten Bau des Lebens Atem trägt! Ältester Sohn Du hältst nicht ein: Enthüllst es ganz und gar? schlägt die Tochter Ja rund und glatt! und aller Monde Spiegel! zur Mutter Scharr Erde auf! Wirf alles nackte Fleisch, mit dem du prahlst, hinein! Mutter Was faselst Du? Ältester Sohn Hier hinter diesen Warzen gärt das Gift, an dem wir alle eitern! stinken! faulen! Mutter zum Ältesten Sohn Entsetzlicher, Du weißt nicht, was Du bellst! Es war einmal, da schliefst Du, noch ein Kind, in meinem Arm. Die Sonne blühte rings, und Vögel sangen aus verträumtem Laub. Dein ruhiger Atem brachte mich in Tränen vor Glück, daß ich Lebendiges geboren, da plötzlich krallt sich Deine Nägelkraft in mein Gesicht. Du tobtest, stampftest, schriest und glichst mehr einem Zwerg, als meinem Kind. Erst lachte ich, doch als Du dann mit Nahrung gesättigt warst und wieder schliefst, fühlt ich, mein Herz stand still, wie jetzt. Ältester Sohn Bricht aus der ersten Ahnung unsrer Seele, von Jahr zu Jahr genährt, einmal solch Licht, daß wir die Sphäre Gottes wiederfinden, die unsres Wesens letzter Ursprung ist, dann war das nur sehr scheues Flügelschlagen, was Dich erschreckte, als ich Dich gekrallt. Mutter Ist es denn möglich? Bist Du nicht mein Kind? Was kann in diesem Schädel sein, das ich nicht weiß? Ich habe ihn gebildet. O Kinder, bleibt bei mir! Ältester Sohn Ihr Mütter wollt uns Kinder, wie Natur die hohen Stämme ihrer Wälder meistert, bis sie, von ihrem Saft geschwellt, vertrocknet, das Spiel der Jahreszeiten spielen müssen, von Eurem Blut bewegt und wachsen sehen, um einen ewgen Wiegentraum zu feiern! Mutter Das ist nicht wahr! Ältester Sohn Dein Schrei ertrinkt vor mir! Mutter Stößt Du mich fort? Ältester Sohn Ich tu's! Mutter sucht Schatten auf Wohltätiges Dunkel! zum Ältesten Sohn Ich nahm Dich wieder an die Brust zurück; doch wendest Du Dich gegen mich, die Mutter, erhebst den Hammer gegen diesen Leib, den unsre Kraft in stummer Zärtlichkeit so groß gewiegt, dann, Knäblein, wappne Dich! Tochter beim Feigen Du bleiche Stirne, kühle mein Gesicht, mein Blut. O Linderung! Dein zarter Fuß, der sonst der Raupe achtsam Platz gemacht, trägt aller blutgen Straßen rohe Spur, auf denen man Dich hin- und hergeschleppt. Was blies Dich aus? Der gleiche Schrecken, Bruder, der mich wie's Vieh hilflos in Flammen jagt? sich anschmiegend Ach, jede Hand, die ich ergreife --, kalt! Sie stürzt zum Ältesten Sohn Nur Deine nicht! In Deiner siedet es! Die Finger spreize ich! Daß Dein Geruch um alle Glieder wehe! Packe mich. Ältester Sohn faßt sie bei den Händen Dies feingeschlitzte, lustgedrängte Fleisch! Ballt sich zuletzt noch Blutschuld wie Gewitter? Tochter Ich reiße ihre Brände auf den Leib! Ältester Sohn die Tochter gen Himmel stemmend Eh Männerwucht auch Dich zu Boden wirft und jede Höhlung ganz mit Haß durchschüttet, erhärte sich an diesem Kußgebilde der weiten Schöpfung Kraft! Fall in sie ein, triebrunde Nacht, zersprenge dies Gewebe, bis sein Gestöhne im Entsetzen endet! Wirft sie fort Tochter am Boden Das schnitt ins Mark! O, tief! Ältester Sohn Nicht tief genug! Mutter vor beiden Ich äuge wie ein Fechter um und sinne, wo dieser gräuelgeschwollne Geist in Euch zu treffen ist, daß er die Krallen streckt, mit denen er die Menschheit so wie Dich blutsaugend quält und aneinanderhetzt! Ältester Sohn Willst Du die Gier aus unsren Adern blasen, die Last der Wollust aus dem Wirbel nehmen? Den Drang, der hinter Nägeln reizt und kocht, bis er in Tastgefühlen Linderung sucht und keine findet! Mutter, hier pack an: Da frißt die Ratte, die Du treffen willst! Solang Ihr Mütter Muskelkraft gebärt, macht Ihr sie fett mit Eurer Kinder Blut! Ihr habt die Erde zu verschwenderisch mit Köpfen übervölkert! Wo ist Platz? Den Raum zum Himmel hat die Lust durchfüllt, sie schlägt den Geist mit heißem Fieberfrost und rast durch die Gedanken wie die Pest! Mutter Ich stehe schamentbrannt vor meinen Kindern. Der Du mich so allein zurückgelassen hast, mein Gatte, sag, wo kann ich mit Dir sprechen? Sieh, dieser Sohn greift so gewaltig an und will den Baum, der uns beschatten sollte, im Innern treffen, eh er Früchte trug. Und nichts genügt mehr. Jedes Spielzeug bricht. Die alten Puppen schweigen in den Winkeln und Dinge, die wir selbst nie ahnten, schreien wie Hungermäuler wild nach unserm Blut! Entflohst Du vor der Zeit in Grabesfrieden? Erahntest Du den Tag? Ältester Sohn Sprichst Du mit Geistern? Stieg der Vater auf? Wo ist er? Wo? Ich will ihm Rede stehen! Mutter Hier hast Du keine Macht! denn eh Du sahst, stand schon Dein Vater da und ehrte Gott! Ältester Sohn Das sagst Du mir, der jeden leichtsten Hauch belastet fühlt von Ur- und Ururvätern? Erst gabt Ihr eine Sprache auf die Lippen, die jedes Rätsel unsres Hirns erschlug, eh es sich regen konnte selbst zu denken --, dann hobt Ihr uns die Väter auf den Sockel, und jedes Wort der Kinderstube wies, den Urtrotz in mir weckend, streng auf ihn, bis ich, genährt am Zweifel, kraftentschlossen dies Vaterbild, das Gott geglichen, stürzte. Da liegt es wie ein Steinklotz überm Weg! Ich steige drüber weg und blas den Schutt von allen Wurzeln meiner Seele ab. Mutter Wo bleibst Du, Gatte, der Du einst gewacht, daß mich nichts Häßliches berühren konnte. O Herzgeliebter, der Du meine Träume wie zarte Blumen pflegtest; Dich, o Dich seh ich in unsrer Kinder Mund geschändet! Muß dieses Herz denn alle Gifte schlucken? zum Ältesten Sohn Wißt Ihr, wie Eures Vaters Blick erglänzte, sooft er Euch in seine Arme schloß? Ältester Sohn Wohin ich sehe, streicheln Vaterhände die Schöpfung ihrer Lust in Stolzgefühl. Sie schleichen stumpf in ausgetretner Bahn an alle Fragen, die um Antwort schreien, mit blinden Blicken ängstlich, scheu vorüber und hoffen von der Kinder frischem Mut, daß er die Lösung findet, die sie meiden. Doch schiebt hier Trägheit durch Jahrtausende von Kind zu Kindeskindern Urkraft weiter, am Heu der Hoffnung wie ein Ochse kauend, so mach ich solch Versteckenspiel nicht mit! Mutter zur Tochter Was hockst Du lauernd? Hilf ihm lästern, hilf! Ältester Sohn Wer nahm mir Felsen, die den Rücken krümmen? Hätt ich nicht früh durch mich Alarm geschlagen -- Mutter unterbrechend Wärst Du des Vaters wert geworden! Ältester Sohn Ja, im Viereck, breiter nicht als meine Schultern säß ich noch eingeklemmt! Ich dehnte mich und will mir nicht, wie's satte Eltern tun, das letzte Glück von Kinderkraft erbetteln! Mutter Seit Ihr geboren, dacht ich nie an mich! Ältester Sohn Armselig Herz, das Liebe heucheln muß, weil Du ganz hilflos warst, uns Lusterzeugte in diese Welt auch gleichbegabt zu setzen! Mutter Wühlst Du in meiner Qual? Ältester Sohn Ich kenn' Dich ganz an nackten Händen und dem Furchenspiel, das schamlos rund um Augen schwatzt und schwatzt! Mutter Die Runzeln, die Du schmähst, grubt Ihr mir ein! Ältester Sohn Ja, lieber gingst Du heut mit Heldensöhnen durch kniegebeugte Bürger lächelnd hin und legtest stolz, wie's Heldenmüttern ziemt, den Jüngsten, den sie halbtot mitgezerrt, »ich wünscht, ich könnte noch mehr Söhne bringen« --, dem Götzen Vaterland ans Herz! Mutter Hör auf! Ältester Sohn Dann ständest Du nicht schlotternd hier bei Nacht vor dem, was Zufall aus uns Kindern schuf! Mutter Ja, dieser Zufall frißt in meinem Kopf! Ich stecke voller Pfeile! Kinder! Kinder! Ältester Sohn Verliebte Laune, mehr Verlegenheit, gab diesem Leibe Form! Geronnen wie ein Käse! Tochter anklammernd am Ältesten Sohn Zum Liebestaumel schaffen wir uns selbst! Ältester Sohn schüttelt sie ab Die Dünstung Deiner Haut schon sammelt Wolken um meinen Geist! Was hoffst Du Närrin noch? Wird nicht die Perle an dem Grashalm Wasser, der grüne Traumsaal ein verdorrter Busch, kein Edelstein, ein abgerupftes Moos, das in der Hand, die es bewundert, welkt? Da soll ich Dir, Du mir Erfüllung bringen? Nein, wo ich Zweige öffne, fliehen Märchen --, und jagte ich durch rankenwilde Pfade den Sternen nach, die aus der Bläue lockten, so war der Wald zu Ende, öde Felder von Raben überkrächzt, verhöhnten mich! Mutter Ach, Kind! o lieber Junge! Herzenskind! Ältester Sohn Was? liebes Kind und Herzenskind und -- was? Wie Taschenkrebse an den Strand geschleudert Komm ich zwei Schritt von Ozeanen um! Mutter O schau die Menschen neben Dir doch an, wie sie in Demut ihre Tage leben und nicht erfahren wollen, was Du willst; -- doch leben sie beglückt. Ein frommer Spruch erbaut sie wirklich in den Feierstunden, und falten sie am Abend ihre Hände --, wie friedlich schweift dann Aug und Herz ins Land. Die Sonne, die in Wiesenbächen spiegelt und Feld und Wald noch einmal golderwärmt, tut ihnen wohl und gut wie Gottesgabe. Spannt dann der Schlaf die schwarzen Flügel aus, so senken sie vor ihm den Blick und bleiben unangefochten von der Finsternis in Zuversicht und träumen von dem Licht! Ältester Sohn Und schlöß ich mich mit Eisentoren ab, so hört ich doch das Käuzchen vor dem Fenster und ahnte aus dem schrillen Geisterruf die Welt der Nacht. Kein Dach ist hoch genug, das mir der Sterne stillen Lauf verbirgt. Mutter Das tiefe Glück, das ich bis jetzt genoß, in dessen Glanz das Dunkel Träumen war, weicht mehr und mehr von meinen Augenlidern, und was ich niemals ahnte, tritt hervor. Ältester Sohn Ihr habt uns irrgeführt, daß wir den Himmel nur noch mit Engelchören denken können, die Gott im frommen Wechselsang umschweben. Das mag gemeine Todesfurcht umgolden --, mir ist es Zunder, der im Blut verbrennt samt allen Kronen und gestickten Wappen, dem Kirchenschlüssel und der Messen Prunk --, wie warm und weichlich es uns auch umfängt und jeder Schwäche breite Betten baut. Ich will aus dieser Kneblung ganz heraus und reiß den Vorhang auf! Das Licht erscheine, vor dessen Donnerglanz uns Herrschsucht schlau, Gemäuern gleich, wie Eulen schlafbetäubte! Mutter Ist es im ewgen Ratschluß so beschlossen, daß sich die Welt, der Nebellandschaft gleich, vorm Sonnengeiste mehr und mehr enthüllt --, mußt Du es sein, der diese Schleier nimmt? Ältester Sohn Ich muß dorthin, wo wirklich Wahrheit herrscht und Lug nicht mehr wie eine Regenschnecke das Reinste meiner Triebe überschleimt. Und sind die Götter, noch so riesenhaft und weihrauchüberschüttet, nicht imstande den Narrn und sein Geklingel abzuschütteln, so stehn sie steinerner als Pharaonen wie Götzen da, nur wert, daß sie ein Sturm aus ihren Fundamenten wirft. Schützt sich die Welt mit Zaun und Grenzen auch vor dieser Kraft, die blutge Lungen schafft, ich muß zu ihr und reiße alles ein, was wider mich. Und kam dabei ans Licht, was Unrecht hinter kalten Mauern schon beim Sternenblaß und Hahnenschrei verübt --, mich schreckt es nicht, würd es so hilflos, nackt wie feuchtes Grabgewürm, das Deckung sucht, wenn man den glatten Marmor abgerückt. -- Mutter Erahnend, nicht begreifend, was Du willst --, fühl ich in dem, der Knospen Schalen gab und Weltenkeime im Gesetz vollendet, daß es verderblich ist, das zu versuchen, was höchste Weisheit unserm Blick verhüllt. Was wir von ihrem Licht erfassen können, ist nicht viel mehr als Blitzgeleucht bei Nacht! Ältester Sohn Seh ich im Samen aber schon die Blüte, soll ich von Knoten bis zu Knoten warten? Des Wachstums Zeiten will ich so beherrschen, daß ich dem Winterzweig, wie's Inder tun, aus grünem Mark die Blätterflut erzwinge. Und ist die Kraftfaust wirklich gottverschlossen --, ich bieg sie auf, bis sich in flacher Hand die Linien aller Rätsel vor mir lösen! Tochter Und auch vor mir, daß ich den dunklen Sinn, der mir bei jedem neuen Mond das Blut aus diesem Körper jagt, begreife! Mutter Wir Mütter kennen diese harten Stunden; wenn wir schon leise Wechselrede halten mit dem, was stetig, schweigsam in uns wächst, ersehnen wir die Wartezeit zu kürzen. Wir schauen nach der Sonne, nach den Bäumen, doch unerbittlich bleibt vor jedem Wunsch die Wirklichkeit und zwingt zum Weiterschreiten; bis uns ein holdes Schwellen unsrer Glieder zum Himmel hebend, ganz mit dem erfüllt, was ewig durch die Brust der Schöpfung strömt: Wir lernen Wonnen der Geduld verstehen. Sie wirken seltsam rein, und wie wir reifen, wächst unser Kind zu der Geburt heran, Erzwungne Taten, noch so laut getan, verdorren wie der Zweig, von dem Du sprachst. Tochter Du hast geboren und zur Welt gebracht und atmest doch wie wir, kein Merkmal sagts? Getragnes Leid und süßerlebte Wonnen, um die ich Dich aus tiefster Brust beneide, durchadeln Dich und zwingen mich zu Dir. Mutter Laß Dich dem Strome, Kind, er wird Dich tragen, wie er schon vor Dir alle Weiber trug; o komm zu uns, dem Kreis der Schicksalsschwestern, dem dieses Daseins Odem fortzubilden beglücktes Dulden war, der seine Stirne nie hadernd gegen Schicksals Willen hob. Ältester Sohn Da steht Ihr beide vor mir, armverschlungen! Braucht ich wie Ihr nur Kräfte wirken lassen, ich macht's Euch nach und stierte in die Sterne! Die Frucht im Garten, die ich oft befühlte, wenn sie im Mondlicht kühl in meiner Hand ganz unbeweglich lag, und dann am Morgen taufrisch geschwellt, so sonnenwarm erglühte, -- lehrt mich den Abstand zwischen mir und allem, was still in seine Reife wachsen darf. Tochter zur Mutter Mich widert dieses Lächeln der Erfahrung, mit dem Du mich noch fester an Dich drückst, um alle Sturmglut heißentjauchzter Sinne in Unentrinnbar-Schreckliches zu mauern! Mutter Ich laß Euch plappern, wie vorm Nachtgebet, da Euch mein »Amen« schließlich doch umschlang! Tochter löst sich aus der Umarmung Könnt ich aus Deinen Augenschächten graben, was mich so seltsam überlegen beugt. Mutter Da Ihr noch blind für dieses keusche Wunder, das alle Schöpfung herrlich weiterführt, -- geb ich mich ihm nur grenzenloser hin --, und fühle schon, wie es die alten Glieder im Innern löst und ahnungselig nährt! Ältester Sohn vor der Mutter So standst Du einst am Buchenstamm gelehnt und warst in jeder Linie so verschwollen, daß ich entsetzt in tiefstes Dickicht lief und Bilder der Natur mit Dir verglich, -- bis ich im wollgen Neste eine Katze verborgen fand, die Dir vollkommen glich. Ich schlug sie tot! Mutter Die Hand, ein Händchen erst, die mir beim Gruß schon stolzen Schmerz verschaffte, konnt das tun? Ältester Sohn Sie tats! Und mit dem blutgen Messer, das mir das Rätsel der Geschwulst geöffnet, kam ich zu Dir und fand im kleinen Bett ein schreiend Wesen! Da, die Schwester wars! Tochter beim Ältesten Sohn Eh ich das Licht gesehn, von Dir befühlt --, eh ich Gedanken trug, von Dir begriffen --, so ward ich Dein und wuchs von Dir gehetzt Dir, Dir entgegen an die dunkle Brust. Mutter zum Feigen Wie Aussatz fällts auf mich! Mir selbst ein Ekel! Die Tat ist nichts! Doch das Gespenst dahinter, wer das erblickt, wird schwarz wie Blühn im Frost! Tochter zur Mutter Wie ein Stück Fleisch am Markttag liegst Du feil, das ich beäugen muß in allen Fasern! Mutter Unmenschen! Was hat Eure Brust erfaßt! Ach, ratlos irrt die Seele in den Raum! beim Feigen Sohn In Dir ist sie zur Marmorlast erstarrt; hilflos neben dem Feigen Die Welt liegt da wie eine Fehlgeburt, kein Kuß erweckt mehr einen Menschenlaut. zu den beiden andern Was laßt Ihr rote Blicke um mich kreisen? Sie rafft sich auf Der reine Hauch, der mit dem Körper wuchs und mich der Dinge Sinn erfassen lehrte, bis ich, was vor mir war, was kommen wird, sich schließen sah in einem Schicksalsring --, beschütze mich vor Euch! Ältester Sohn packt die Mutter Welch reiner Hauch? Gib mir dies Wunder! Weib, die Faust vollbrächts und untersuchte wieder Eingeweide --, ob ich im Mutterleibe endlich finde, was hinter aller weichen Ahnung lockt! Beide ringen, er wirft die Mutter hin Mutter aufgelöst Wenns einen Sinn gibt in der weiten Erde, wenn all das teure, heißgeliebte Blut, das, seit wir Menschen sind, um Liebe floß, nicht ganz vergeblich war, fleh ich zu Dir, unnennbar, welterhaltende Gewalt: die Du des Vogels leichtes Körperchen im Federkleid erregst und pochen läßt, wenn sich ein Bube seinem Neste naht, die selbst dem Raubtier Lieblichkeit verleiht, wenn es für seine spielerischen Jungen das rote Fleisch der Antilope reißt --, Ältester Sohn zur Mutter Die Finger vom Gebet! Tochter zum Ältesten Sohn Wir binden sie! beide gegen die Mutter Mutter flehend Ihr schnürt Euch Eure eigne Kehle zu! Tochter zur Mutter Ich will nicht länger meine Waden bergen und Schenkel, die im Lauf in ihren Bogen den runden Himmel fühlen, ganz umfalten mit Rock und Fetzen! daß der junge Leib wie im Gefängnis hungert! Mutter Wär ich taub! Tochter Dir will ich keine Kinder schaukeln! Ich dulde keinen andern Bart auf mir, als dieses Haar, das auch verurteilt ist. Mutter Ihr Ewigen im All, verlaßt Ihr uns, dann wird der Mensch ein Wolf, und -- greulicher. Ältester Sohn faßt die Mutter am Kinn Wär nicht dies Auge, das mir eingeprägt, so oft ich von ihm schied und in der Fremde nichts Eignes hatte als dies Angedenken, vor dem ich still in Heimweh ganz zerfloß! Tochter Auf, Bruder, wenn wir dieses Weib erwürgten! Ältester Sohn Ist meine Scheu vor Deinem Mutterblick auch Trug? Ist jedes Wort der Sprache Lüge? -- Dann sei in Dir die Quelle zugestopft! Mutter reißt sich von ihrer Kinder Würgehand Ein Totenfeld, weiß wie der Tag, steht auf! Ältester Sohn zum Kirchhof Ich seh nur dünne Trauerweidenfinger sich schattenhaft im Nachtwind regen. Doch kein Gespenst aus mondengrünem Mai hockt irgendwo! Mutter zur Nebelbewegung des Morgens Voraus, mein tapfrer Sohn! die Wunden bluten! Ältester Sohn zur Mutter Du streichelst nasse Luft wie Lockenhaar? Mutter zum Kirchhofnebel Ach Dank! o Dank! Wer immer Dich geschickt! Ich habe noch ein Kind, das zu mir kommt, ein bleiches Kind, doch ists ein Kind! O Gott! Sie bricht schluchzend zusammen Ältester Sohn Ich reiße Deine Hoffnung auseinander wie Spinngewebe! Tochter Wehe, siehst Du das! versteckt sich beim Feigen Ältester Sohn in Nebelschlangen Gerippe, die Jahrtausende getragen, rolln schon von meiner Kraft zernebelt, wild an mir vorüber, daß ich ihren Moder wie flüchtge Kühlung atme --? Ich brech den Heilgenschein des Todes durch! Er läuft auf den Kirchhof Das Kreuz vom frischen Grab! reißt es aus Nun rieche hin, wie's aus dem Kirchhof stinkt! Verwest ist alles, der kalten Erde Raub und Deine Glut erwärmt nichts mehr! Mutter Mein Herz ist nicht aus Stein! Ältester Sohn zur Mutter Ohnmacht in Euch, wenn fette Würmer schleichen, und sich in Augen Eurer Leibesfrucht Nachtpilz und Molch mit aller Fäulnis Wurzeln einnisten wie in Kot! O Mütter, Weiber: Ihr tragt das Grab in Eurem feuchten Schoß, was Ihr gebärt, ist Tod und nichts als Tod! Mutter kriecht auf den Kirchhof Fruchtreiche Schollen, seht, ich komm zu Euch, die Ihr für kleinste Tropfen Schalen habt, wo sie ganz still und leuchtend liegen dürfen, bis ihre Zeit erfüllt --. Ich strecke Euch die Hände an das Herz! An Eure klebrig-holde Samenflut, die wärmend um das zartste Keimblatt steigt, vor Frost und Brand es schützend. Ältester Sohn auf den Gräbern Zertreten! bleich, wie Blüten hingestreut verschwenderisch! Was willst Du noch von denen? Auf daß der Boden Macht ernähren kann, frißt er sich satt an unsrer Brüder Fleisch! Ja, rufe, bettle nur! Die sind verstummt! Mutter gräbt ihre Arme in die Erde Was sich Dir anvertraute, warmes Land, kann nicht verloren sein! Es webt und rinnt durch diesen Erdball wie Geäder in einer Jungfrau Brust, Gefühle weckend, die sich der Menschheit hinzugeben wünschen! Ältester Sohn zu den Gräbern Ihr da, engangeschmiegt und festgetreten, hört Ihr die Mutter nicht? He, aufgewacht: In Angst gefalln, unvorbereitet Du --, vom Land, das Eure Mutter küßt, gepeitscht, bis Ihr aus Eurer Zelte Aberglauben in diese Gruben fielt, was zaudert Ihr? Tochter beobachtend vor dem Gitter Mir tanzt der Kopf! Er taumelt durch die Gräber, zersplittert Kreuze, daß der Hof gegeißelt, erschlagen ächzt. O hohe Bergesgipfel, wo Baum und Blatt in stummer Seligkeit sich in den freien Äther drängen dürfen, hebt mich zu Euch! Ältester Sohn zur Mutter Stamm ich vom Maulwurf ab? Er rüttelt sie vom Boden Mutter gräbt sich tiefer in die Erde Du dämmst mein Blut nicht mehr! Vom Rausch der Tiefen unbändig angezogen und erfüllt, fließt es mit meinen Tränen in den Grund! Ältester Sohn zur Tochter Wie alles an uns zerrt, daß wir die Erde mit unserm Leichnam füttern. Hirnentleert stürzt schon das Blut zum Fuß und läßt die Sohlen auf Mutterschlünden tappen wie auf Eis, das brechend letzte Eigenkräfte bricht! Tochter zur Mutter Warum gabst Du uns Leben! Ältester Sohn zur Mutter Hörst Du das? Mutter am Boden Hätt ich Euch nun, als Ihr nach Brüsten schriet, am Stein zerschmettert, undankbare Brut, und Euch betrogen um das liebe Licht! Habt Ihr der Sonne holde Farbenglut nie auf der Tage Antlitz rein gefühlt und Euch am zarten Spiel der Luft erfreut? Und hob sich Eure Brust noch nie beglückt, wenn erntenheiß das gelbe Kornfeld stand? War all das nichts? Tochter Viel lieber tot sein! Ältester Sohn Ja! Mutter kommt in das Tor Noch stehts bei mir, ich pack Euch am Gelenk, vollende das, was ich aus Liebe mied, und schlage Eure Köpfe aneinander in einem Schlag! Ältester Sohn Jetzt seh ich in Dein Herz! Mutter mächtig Ich bin es müde, angeklagt zu stehen! Was wißt Ihr von der Mutter! daß sie schwach und Eure Torheit schützen wollte! Seht, nun ragt der Mütter Schatten, den ich rief, und spricht ein ernstes, hartes Wort mit mir: Sagt, hält der Fels die Quelle vor dem Sturz? Der Zweig die Blüte, eh sie fällt? Er läßt's geschehn. So fallt auch Ihr! Ältester Sohn Daß ich der Erde Ecken fassen könnte! Was mir erreichbar, mit hinunterreißen! Mutter Nur zu: es fielen in der Zeiten Sturm schon mehr als Ihr und ich. Es soll geschehen! Ältester Sohn zur Mutter Und keine Wimper zuckt: schaust Du hinauf, den Blitz erwartend? Schlüge er uns alle! Er bemerkt im Grau den Feigen Tag friert herauf. Da hängt der Bruder, kalt wie ein bereifter welker Ast, und zittert. Im Sterbezimmer, wenn der Arzt am Puls im Flüstertone letztes Flackern zählt, geht's lauter her als in dem Herz. Genosse, wie ein beschlagner Spiegel ist Dein Blick. Feiger Sohn stößt einen Schrei aus Ältester Sohn taumelnd So schreit das Schwein, vom Metzger abgestochen! umklammert den Feigen Sohn Wir haben diese Schollen nicht besudelt! Euch klag ich an, die Ihr uns morden hießt! zu Tal He, fette Bäuche hinterm grünen Tisch, Ihr habt es leicht, die Leuchter anzuzünden und aus vergilbtem Recht den Tod zu rufen! Stünd er so käsig einst bei Euch wie hier in diesem Bruderantlitz, das gesponnen aus allen schreckdurchrissnen Menschennerven! Tochter Die Berge lichten sich. Ältester Sohn Dies Blut am Arm stammt nicht von mir! Die Gräber nicht von mir! Feiger Sohn schreit wiederum Ältester Sohn hält ihm die Lippen zu Ich würge jeden Laut an Deinem Mund! Und hoffnungslos im Rund wächst grauer Stein! He! bin ich festgeschnallt und ausgeliefert? Die ganze Welt zeugt gegen mich und gafft, wie ich vom Beil der Macht geköpft verende! Er flieht auf den Kirchhof Tochter beim Feigen Sohn Des Henkers weißer Handschuh unterm Frack ist gegen Deine Öde vollmondwarm. Ältester Sohn wirft von innen die Gitter zu Tore zu! zu! Tochter will zu ihm Schließt Du uns aus? Ältester Sohn springt auf die Mauer Vielköpfge Macht aus einer Mutter Leib, mich beugst Du nicht! Mich rührst Du nicht mehr an! Schon dampft mir Schweiß von Sklavenschultern her, die, unter Deinem Thron geduckt mich suchen? Schau her, wie frei ich stehe! Frei von Dir, indessen fernster Sonnen milchger Schimmer sich schon wie neuer Busen zu mir wölbt, an dem ich bessre Nahrung finden werde, als mir die Mutter gab, um Knecht zu sein! Tochter Was wird aus mir? Aus mir! Mich schüttelt es! Ältester Sohn zur Mutter Fluch Dir, der ich gedient und Werkzeug war! Eh ich von Dir getroffen niederfalle, härt ich zuletzt im Fuß das Muskelspiel und stoß mich so von diesem Erdball ab! Er stürzt sich rücklings in den Kirchhof Tochter am Tor Ich brech die Eisengitter! im Kirchhof Grauser Anblick! Mein Bruder, Bruder! Geierfraß, Gestank! zur Mutter Du flutest auf, und Deine Augen sehen mich wie das Meer, das Schiffe trug und schluckte, unendlich an? Mutter an der Leiche Es hat sich ausgerast? Die Felsen, die Du sprengtest, schlugen Dich und tun wie fallendes Geröll im Sturz schon ihre Wirkung. Seltsam wird es Tag --, als bliese neuer Odem in die Brust! Tochter über dem Ältesten Bruder Mit Dir schrumpf ich zu Asche, wie am Abend der bunte Himmel, wenn die Sonne sank, und wie ein Traum zergeht, vergehen wir. Mutter O eitrig Auge dieser kranken Nacht, läufst Du nun aus? -- In jungem Morgen dampfend steht hell, wohin ich seh, in weiter Welt des Wachstums mächtger Bau um uns und wächst. Sonnenaufgang Tochter Verhaßtes Licht! Mutter Talfernes Sonnenläuten wie Kinderlachen, wenn die Mutter kommt und dem Gezwitscher Fensterläden öffnet! Schon wirfst Du Schatten, wandelst und belebst die graue Welt. Tochter stürzt zum Feigen Ich brech den Kiefer! und hol mir Wörter aus dem Schlund herauf! Was zuckt um Deine Lippen plötzlich auf wie Geisterspuk in unbewohntem Haus? Riechst Du die Waffen? Ja es schwillt herauf! Mutter am Boden Erregtes Wehen füllt den Horizont; er weitet sich ins All und strömt zurück in jede Krume der zerschlagnen Erde. Tochter über der Leiche Du warst der Nerv von dem Gewimmel dort! zum Tal Ich fühle Euren Griff schon derb im Fleisch, die nackten Leiber nackt auf meinem Leib, der seine Poren schließt vor Eurem Dunst! Kriecht Ihr herauf? Gehorsam? Helmgedrückt? In Eurer Brunst geknechtet selbst, wie Stiere, für die ein Zuchtherr Stund und Tag bestimmt! Doch spannt man Liebe auch hinfort ins Joch --, ich schenke meinen Leib nicht her! Ein Sumpf soll eher Lasten tragen, als mein Schoß! Mutter Erwartend, feierlich kniet meine Seele, dem Herzschlag ungezählter Herzen lauschend, der sich in meinem Busen sammeln will. Wachsender Truppenlärm Tochter beim Feigen Sohn Dein schrecklich Haupt mög ihren Sieg erfrieren und jedes Wort, das ihn vererben will, wie eine Barke zwischen Eis erdrücken! Tauch auf! Du blasser Kopf! Tauch auf! Empor: An Hochzeitsbetten seist Du angenagelt als schlechtes Ampellicht für neue Zeugung, für Mütter, die gebären wollen: Tod! Die Zeit ist da! Jetzt kreise auf, bis Mut an Dir erstarrt! Stimmen talherauf Schafft Raum! Tochter zwischen den Brüdern Leb ich, um den Koloß, der Euch erschlug, zu füttern? Ich stoße der Gebärung Werkzeug ein! Sie versteckt sich vor der anrückenden Mannschaft hinter Gräbern Ein Soldatenführer Die Nacht trug uns wie eine Königsstute zu unsres Willens Ziel, dem Sieg. Doch Männer, eh wir die Täler mit Triumph erfüllen, wolln wir die Schätze unsrer Dankbarkeit vor den Gefallnen opfern! Der andre Soldatenführer Fahnen hoch! Sie solln das Fest der Andacht hell umflattern! Wem weicht Ihr aus? Ein Soldatenführer bei der Mutter O Frau, ich beuge mich. Der andre Soldatenführer an der Leiche Verbrecherblut! Schon leuchten Häupter von Heroen auf, an deren Ruhm Jahrtausende sich sättigen, wie durstig Wild an Ozeanen säuft! zur Mannschaft Umstellt das Tor und wascht die Treppen rein! Jüngster Sohn den Kameraden wehrend Mit Euren raschen Händen fort! Die Mutter! Und furchtbar von des Bruders Leiche ragend wie eine wilde Gottheit! Mutter! Darf ich den Arm, der solches Werk getan, verehren? Der andre Soldatenführer auf den Toten Sohn weisend So schleift den Schurken fort! Streut Schwefel hin! Mutter blickt auf Rührt nicht an Blut; es ist geheimnisvoll wie alles andre für die Welt vergossen! Der andre Soldatenführer Willst Du uns höhnen? zur Mannschaft Vorwärts! Zugepackt! Mutter mit dem Leibe schützend Die Erde holt, was sie erschaffen hat, zurück in ihrer Fruchtbarkeit Gesetz! Der andre Soldatenführer Zu schlecht als Geierfraß! Mutter wehrend Hier und dort, allüberall gedeiht der Mütter Schmerz! Des Jammers Sämann, freu Dich solcher Saat! Der andre Soldatenführer zur zaudernden Mannschaft Gehorcht Ihr diesem Weibe oder mir? Er treibt sie vor Mutter Eh Du das Volk mit Deinem Stabe zwingst Unmenschliches zu tun, reiß ich ihn fort! Sie ringt um den Führerstab Er, der allmächtig durch das Weltall wirkt, versage jeden Prügeldienst! Zu mir! Der andre Soldatenführer Zu mir! Mutter in seinem Besitz Bei mir! Bei mir die Macht der Welt! O heilger Träger ungezählter Samen! O Himmelsäule! Du verwirrst mein Hirn! Aufbrechend lecken rote Flammen Dir wie Zungenlust entgegen! Es wirft mich um! Es reißt mich auf und bringt mir aller Mütter heißes Hoffen wieder! Von Dir berührt, erbrennt die erdge Haut! In allen Zellen meines Fleischs fällt Feuer! Der andre Soldatenführer Daß Deine Hand verdorre, die den Stab urheilger Macht so wahnsinnstoll umfängt! Mutter mit dem Stabe Ich halte Dich und taumle unter Dir! Lebendig Leben durch das All ergossen, Du wirbelst Sonnen wie aus Übermut -- und stößt auf uns auch wieder brandend ein! Der andre Soldatenführer zur Mannschaft Was murmelt Ihr und drängt Euch rückenan? zur Mutter In jedem Kopf hier waltet unser Atem, er gibt ihm erst Bedeutung, sich zu fühlen! Versuche nicht, Dich gegen uns zu stellen! Mutter Es stürzt hervor! Ach, meine Hände, weh, wie sie sich höhlen; ganz von ihm erfüllt rauscht Schöpfung bodenauf in diese Schale, die viel zu schwach, dem Feuer standzuhalten, die Finger öffnet, daß der Segen fließt! Ein Soldatenführer zur Mutter Willst Du den Geist aus abertausend Geistern unwandelbar gefügt, wie Sphärenklang schon Gottes Herz umdrängend, willst Du das, was unser Stab durch aller Kräfte schuf, in Feuer setzen? Der andre Soldatenführer um den Stab ringend Allzuviel Geschwätz! Mutter frei Ich schwing Dich über dieser Erde Leib! Schon pfeift's um mich wie junger Gertenschlag und bricht aus leichensatten Feldern, Sturm! Da jauchzt er! Hei, wie seine Schauer vor Überglück erwachte Schollen schütteln! Der andre Soldatenführer zur Mannschaft Hier wuchert Ansteckung! Rückt ab, und fort! Wie sollen Menschen ihrer Tage Sinn ergriffen leben, wenn Verzücktheit herrscht! Ein Soldatenführer zur Mutter Dies Volk wirst Du uns nicht vom Zügel reißen! Mutter Was Ihr getürmt, gelenkt im Hin und Her, schuf salzge Augen! Ein Soldatenführer Doch der Ordnung Thron! Mutter Im Leichenhaus! Es rundet sich die Welt aus tiefster Freude nur ins Gleichgewicht! Ein Soldatenführer Frau, unsre Macht, die auf der Sitte Grund sich durch Geschlechter hart entwickelt hat, schreist Du nicht um! Sie lebt aus altem Recht! Mutter Es wandelt sich auch Recht! Jüngster Sohn vor der Mutter Ihr hört es, Brüder! Mutter Es gibt nur eine Glut, aus der wir leben! Jüngster Sohn Sie leuchtet fackelhell von Deinem Mund! Der andre Soldatenführer zur Mannschaft Ihr rottet Euch zusammen? Werft die Helme? Laßt Eure Schöpfe eigenwillig flattern? Mutter über aller Häupter wachsend O weites Land. O selge Flächenlust! Dich möcht ich streicheln wie ein Wiegenbett, darunter heilges Leben schläft! Es naht der Tag, voll Lachen steigt er auf, da wir von der Erinnrung harter Last, die uns in unsres Ursprungs Dämmer zwingt, befreit sind, und wie Adler hoch im Flug der Qualgebirge Gipfel selig streifen! Jüngster Sohn vor der Mutter Aus Deiner Seele ward der Tag geboren! Er lebt! Der andre Soldatenführer zur Mutter Wird diese Raserei nicht enden? Mutter über alles Volk O Mutterleib, o Leib, so wild verflucht und aller Greuel tiefster Anlaß erst, Du sollst das Herz im Bau des Weltalls werden und ein Geschlecht aus Deiner Wonne bilden, das herrlicher als Ihr den Stab gebraucht! -- Ihm werf ich ihn erschaudernd so entgegen! Sie tut es Der andre Soldatenführer Ihr habt's gehört, gesehn! Geduld fahr hin! Er wendet sich gegen die Mutter Jüngster Sohn stößt ihn zurück Ins Knie vor ihr! Ein Soldatenführer packt den Jüngsten Sohn Vergreift er sich an uns? Mannschaft mühsam aufbrechend Der weite Grund hat unser Blut getrunken! Wir sind hinfort Verwalter dieses Bodens und wehe, wer uns unsern Gang verzäunt! Ein Soldatenführer zur Mutter Wo soll das enden? Weib, Du rührst an Gott! Der andre Soldatenführer vor der Mutter Eh Du des Staates Wuchtgefüge störst, erfordert es sein Leben, daß Du fällst! Er drängt die Mutter in den Kirchhof Mutter zum andern Führer Hier, hier und da, stoßt alle Eisenschäfte mir tief ins Blut! Ich will sie so zerschmelzen, daß meinen Kindern keine Schmerzen bleiben! Sie wird auf den Gräberhügel gestoßen Tochter aus dem Kirchhof, unbeherrscht Sie töten meine Mutter! Der andre Soldatenführer hinter ihr Still, Gekeif! fängt sie Tochter Von Kellerasseln überkrabbelt werden muß gegen Deine Arme Wollust sein! Hätt ich in meinem Speichel Natterngift! beißt sich los, bleibt angesichts der Mannschaft Ich suche mir ein Dickicht, wo ich ende! Sie schleicht fort Jüngster Sohn der sich losgerissen hat, am Tor Zwei Lachen Blut! Zwei Lachen rotes Blut! Ein Soldatenführer zum andern Soldatenführer Das wogt und ebbet nach! Jüngster Sohn O Mutterhauch, von Dir geschmolzen rolle die Lawine auf die Kasernen der Gewalt hinab, und was sich je zu frech ins Blau gebaut, fall hin! zu Kameraden Steht Ihr entsetzt? Kommt, stürmend Licht reißt uns mit fort, zu Dir, zu Dir, o Mutter! Mannschaft trunken Auf, schultert ihn! Es geschieht, sie stürmen alle zu Tal Der andre Soldatenführer zum Soldatenführer Nun heißt's, am Ruder bleiben und dieses anvertraute Menschengut auf ihres Blutes wilder Flut zu Tal mit ernstem Griff zur Tätigkeit zu steuern! Ein Soldatenführer Der Feige Sohn wird der Sicht wieder frei Noch einer steht in Fesseln. Der andre Soldatenführer bei ihm Würgst an Worten? Dich sterben lassen, hieße Gnade üben! Dein feiger Anblick nagle alle fest, die uns zu trotzen wagen! Er bindet ihn los Laufe Du! hetzt ihn ins Tal Ein Soldatenführer sieht ihm nach Aus seinem Schweigen wetterleuchtet Arges! Der andre Soldatenführer Wir dürfen nicht wie Wachs im Feuer weichen, wenn dieser Menschheit Guß gedeihen soll, wie Gott ihn sich in höchster Weisheit dachte, dann müssen wir die Siegelhalter sein! Wie der Kristall nach festem Willen wächst, um im Gebilde leuchtender zu strahlen. Er folgt der Mannschaft Ein Soldatenführer allein Ich schlösse froh das Tor, wär Tod auch Ende! Du fürchterliches Weib, ergreift Dein Blut auch mich? Daß es im Innern quält und zuckt und heulend brennt, als hüllten diese Falten des Mantels meine Seele ganz in Flammen? Herunter mit dem roten Tuch der Schrecken! Ich geb es hin! Die Sonne mög es bleichen! Er wirft den Mantel fort und geht zu Tal [Illustration] Im Felde begonnen Sommer 1915 -- beendet Herbst 1916 End of the Project Gutenberg EBook of Ein Geschlecht, by Fritz von Unruh *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN GESCHLECHT *** ***** This file should be named 47189-8.txt or 47189-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/4/7/1/8/47189/ Produced by Gerard Arthus, Reiner Ruf and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email [email protected]. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director [email protected] Section 4. 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Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.