Wilhelm Tell : Ein Schauspiel

By Friedrich Schiller

The Project Gutenberg eBook of Wilhelm Tell
    
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Title: Wilhelm Tell
        Ein Schauspiel

Author: Friedrich Schiller

Release date: November 5, 2025 [eBook #77182]

Language: German

Original publication: Stuttgart: Cotta'scher Verlag, 1862

Credits: Norbert H. Langkau and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WILHELM TELL ***

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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1862 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Offensichtliche Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
  verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert.

  Ortsnamen (Altdorf/Altorf) und Personennamen (Walter/Walther)
  wurden vereinheitlicht, um Verwechslungen vorzubeugen.

  Besondere Schriftvarianten werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Symbole gekennzeichnet:

        fett:        =Gleichheitszeichen=
        gesperrt:    +Pluszeichen+

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                            Wilhelm Tell.

                            Ein Schauspiel

                                 von

                              Schiller.

                              Stuttgart.

                         Cotta’scher Verlag.

                                 1862




  Personen.


    +Hermann Geßler+, Reichsvogt in Schwytz und Uri.
    +Werner+, Freiherr +von Attinghausen+, Bannerherr.
    +Ulrich von Rudenz+, sein Neffe.
    +Werner Stauffacher+,   }
    +Konrad Hunn+,          }
    +Itel Reding+,          }
    +Hans auf der Mauer+,   }  Landleute aus Schwytz.
    +Jörg im Hofe+,         }
    +Ulrich der Schmid+,    }
    +Jost von Weiler+,      }
    +Walther Fürst+,             }
    +Wilhelm Tell+,              }
    +Rösselmann+, der Pfarrer,   }
    +Petermann+, der Sigrist,    }  aus Uri.
    +Kuoni+, der Hirt,           }
    +Werni+, der Jäger,          }
    +Ruodi+, der Fischer,        }
    +Arnold vom Melchthal+,    }
    +Konrad Baumgarten+,       }
    +Meier von Sarnen+,        }
    +Struth von Winkelrieth+,  }  aus Unterwalden.
    +Klaus von der Flüe+,      }
    +Burkhart am Bühel+,       }
    +Arnold von Sewa+,         }
    +Pfeifer von Luzern.+
    +Kunz von Gersau.+
    +Jenni+, Fischerknabe.
    +Seppi+, Hirtenknabe.
    +Gertrud+, Stauffachers Gattin.
    +Hedwig+, Tells Gattin, Fürsts Tochter.
    +Bertha von Bruneck+, eine reiche Erbin.
    +Armgart+,     }
    +Mechthild+,   }
    +Elsbeth+,     }  Bäuerinnen.
    +Hildegard+,   }
    +Walther+,  }  Tells Knaben.
    +Wilhelm+,  }
    +Frießhardt+,  }  Söldner.
    +Leuthold+,    }
    +Rudolph der Harras+, Geßlers Stallmeister.
    +Johannes Parricida+, Herzog von Schwaben.
    +Stüssi+, der Flurschütz.
    +Der Stier von Uri.+
    +Ein Reichsbote.+
    +Frohnvogt.+
    +Meister Steinmetz+, +Gesellen+ und +Handlanger+.
    +Oeffentliche Ausrufer.+
    +Barmherzige Brüder.+
    +Geßlerische+ und +Landenbergische Reiter+.
    Viele +Landleute+, +Männer+ und +Weiber+ aus den
      Waldstätten.




  Erster Aufzug.


  Erste Scene.

    +Hohes Felsenufer des Vierwaldstättersees, Schwytz gegenüber.+

    Der See macht eine Bucht ins Land, eine Hütte ist unweit dem
    Ufer, =Fischerknabe= fährt sich in einem Kahn. Ueber den See
    hinweg sieht man die grünen Matten, Dörfer und Höfe von Schwytz
    im hellen Sonnenschein liegen. Zur Linken des Zuschauers zeigen
    sich die Spitzen des Haken, mit Wolken umgeben; zur Rechten im
    fernen Hintergrund sieht man die Eisgebirge. Noch ehe der Vorhang
    aufgeht, hört man den Kuhreihen und das harmonische Geläute der
    Heerdenglocken, welches sich auch bei eröffneter Scene noch eine
    Zeit lang fortsetzt.

  =Fischerknabe= (singt im Kahn).

    Melodie des Kuhreihens.

      Es lächelt der See, er ladet zum Bade,
      Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,
            Da hört er ein Klingen,
            Wie Flöten so süß,
            Wie Stimmen der Engel
            Im Paradies.
      Und, wie er erwachet in seliger Lust,
      Da spielen die Wasser ihm um die Brust.
            Und es ruft aus den Tiefen:
            Lieb Knabe, bist mein!
            Ich locke den Schläfer,
            Ich zieh ihn herein.

  =Hirt= (singt auf dem Berge).

    Variation des Kuhreihens.

            Ihr Matten, lebt wohl!
            Ihr sonnigen Weiden!
            Der Senne muß scheiden,
            Der Sommer ist hin.
      Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
      Wenn der Kukuk ruft, wenn erwachen die Lieder,
      Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
      Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.
            Ihr Matten, lebt wohl!
            Ihr sonnigen Weiden!
            Der Senne muß scheiden,
            Der Sommer ist hin.

  =Alpenjäger=

    (erscheint gegenüber auf der Höhe des Felsens).

    Zweite Variation.

      Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,
      Nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg;
            Er schreitet verwegen
            Auf Feldern von Eis;
            Da pranget kein Frühling,
            Da grünet kein Reis;
      Und, unter den Füßen ein neblichtes Meer,
      Erkennt er die Städte der Menschen nicht mehr;
            Durch den Riß nur der Wolken
            Erblickt er die Welt,
            Tief unter den Wassern
            Das grünende Feld.

    (Die Landschaft verändert sich, man hört ein dumpfes Krachen von
    den Bergen, Schatten und Wolken laufen über die Gegend.)

  =Ruodi=, +der Fischer+, kommt aus der Hütte.
  =Werni=, +der Jäger+, steigt vom Felsen. =Kuoni=,
  +der Hirt+, kommt mit dem Melknapf auf der Schulter;
  =Seppi=, sein Handbube, folgt ihm.

  =Ruodi.=

      Mach hurtig, Jenni. Zieh die Nane ein.
      Der graue Thalvogt kommt, dumpf brüllt der Firn,
      Der Mythenstein zieht seine Haube an,
      Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch;
      Der Sturm, ich mein’, wird da seyn, eh’ wir’s denken.

  =Kuoni.=

      ’s kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen
      Mit Begierde Gras, und Wächter scharrt die Erde.

  =Werni.=

      Die Fische springen, und das Wasserhuhn
      Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug.

  =Kuoni= (zum Buben).

  Lug, Seppi, ob das Vieh sich nicht verlaufen?

  =Seppi.=

  Die braune Lisel kenn’ ich am Geläut.

  =Kuoni.=

  So fehlt uns keine mehr, die geht am weitsten.

  =Ruodi.=

  Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt.

  =Werni.=

  Und schmuckes Vieh -- Ist’s euer eignes, Landsmann?

  =Kuoni.=

      Bin nit so reich -- ’s ist meines gnädigen Herrn,
      Des Attinghäusers, und mir zugezählt.

  =Ruodi.=

  Wie schön der Kuh das Band zu Halse steht.

  =Kuoni.=

      Das weiß sie auch, daß sie den Reihen führt,
      Und, nähm ich ihr’s, sie hörte auf zu fressen.

  =Ruodi.=

      Ihr seyd nicht klug, ein unvernünft’ges Vieh --

  =Werni.=

      Ist bald gesagt. Das Thier hat auch Vernunft:
      Das wissen +wir+, die wir die Gemsen jagen.
      Die stellen klug, wo sie zur Weide gehn,
      ’ne Vorhut aus, die spitzt das Ohr und warnet
      Mit heller Pfeife, wenn der Jäger naht.

  =Ruodi= (zum Hirten).

      Treibt ihr jetzt heim?

  =Kuoni.=

      Die Alp ist abgeweidet.

  =Werni.=

      Glücksel’ge Heimkehr, Senn!

  =Kuoni.=

                                  Die wünsch’ ich euch.
      Von eurer Fahrt kehrt sich’s nicht immer wieder.

  =Ruodi.=

      Dort kommt ein Mann in voller Hast gelaufen.

  =Werni.=

      Ich kenn’ ihn, ’s ist der Baumgart von Alzellen.

    =Konrad Baumgarten= athemlos hereinstürzend.

  =Baumgarten.=

      Um Gotteswillen, Fährmann, euren Kahn!

  =Ruodi.=

      Nun, nun, was gibt’s so eilig?

  =Baumgarten.=

                                     Bindet los!
      Ihr rettet mich vom Tode! Setzt mich über!

  =Kuoni.=

      Landsmann, was habt ihr?

  =Werni.=

      Wer verfolgt euch denn?

  =Baumgarten= (zum Fischer).

      Eilt, eilt, sie sind mir dicht schon an den Fersen!
      Des Landvogts Reiter kommen hinter mir;
      Ich bin ein Mann des Tods, wenn sie mich greifen.

  =Ruodi.=

      Warum verfolgen euch die Reisigen?

  =Baumgarten.=

      Erst rettet mich, und dann steh ich euch Rede.

  =Werni.=

      Ihr seyd mit Blut befleckt, was hat’s gegeben?

  =Baumgarten.=

      Des Kaisers Burgvogt, der auf Roßberg saß --

  =Kuoni.=

      Der Wolfenschießen! Läßt euch der verfolgen?

  =Baumgarten.=

      Der schadet nicht mehr, ich hab’ ihn erschlagen.

  =Alle= (fahren zurück).

      Gott sey euch gnädig! Was habt ihr gethan?

  =Baumgarten.=

      Was jeder freie Mann an meinem Platz!
      Mein gutes Hausrecht hab’ ich ausgeübt
      Am Schänder meiner Ehr’ und meines Weibes.

  =Kuoni.=

      Hat euch der Burgvogt an der Ehr’ geschädigt?

  =Baumgarten.=

      Daß er sein bös Gelüsten nicht vollbracht,
      Hat Gott und meine gute Axt verhütet.

  =Werni.=

      Ihr habt ihm mit der Axt den Kopf zerspalten?

  =Kuoni.=

      O, laßt uns Alles hören, ihr habt Zeit,
      Bis er den Kahn vom Ufer losgebunden.

  =Baumgarten.=

      Ich hatte Holz gefällt im Wald, da kommt
      Mein Weib gelaufen in der Angst des Todes.
      „Der Burgvogt lieg’ in meinem Haus, er hab’
      Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu rüsten.
      Drauf hab’ er Ungebührliches von ihr
      Verlangt, sie sey entsprungen, mich zu suchen.“
      Da lief ich frisch hinzu, so wie ich war,
      Und mit der Axt hab’ ich ihm ’s Bad gesegnet.

  =Werni.=

      Ihr thatet wohl, kein Mensch kann euch drum schelten.

  =Kuoni.=

      Der Wütherich! Der hat nun seinen Lohn!
      Hat’s lang verdient um’s Volk von Unterwalden.

  =Baumgarten.=

      Die That ward ruchbar; mir wird nachgesetzt --
      Indem wir sprechen -- Gott -- verrinnt die Zeit --

    (Es fängt an zu donnern.)

  =Kuoni.=

      Frisch, Fährmann -- schaff den Biedermann hinüber!

  =Ruodi.=

      Geht nicht. Ein schweres Ungewitter ist
      Im Anzug. Ihr müßt warten.

  =Baumgarten.=

                                 Heil’ger Gott!
      Ich kann nicht warten. Jeder Aufschub tödtet --

  =Kuoni= (zum Fischer).

      Greif an mit Gott! Dem Nächsten muß man helfen;
      Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.

    (Brausen und Donnern.)

  =Ruodi.=

      Der Föhn ist los; ihr seht, wie hoch der See geht;
      Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.

  =Baumgarten= (umfaßt seine Knie).

      So helf euch Gott, wie ihr euch mein erbarmet --

  =Werni.=

      Es geht ums Leben. Sey barmherzig, Fährmann!

  =Kuoni.=

      ’s ist ein Hausvater und hat Weib und Kinder!

    (Wiederholte Donnerschläge.)

  =Ruodi.=

      Was? Ich hab’ auch ein Leben zu verlieren,
      Hab Weib und Kind daheim, wie er -- Seht hin,
      Wie’s brandet, wie es wogt und Wirbel zieht
      Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe.
      -- Ich wollte gern den Biedermann erretten;
      Doch es ist rein unmöglich, ihr seht selbst.

  =Baumgarten= (noch auf den Knien).

      So muß ich fallen in des Feindes Hand,
      Das nahe Rettungsufer im Gesichte!
      -- Dort liegt’s! Ich kann’s erreichen mit den Augen,
      Hinüberdringen kann der Stimme Schall,
      Da ist der Kahn, der mich hinübertrüge,
      Und muß hier liegen, hülflos und verzagen!

  =Kuoni.=

  Seht, wer da kommt!

  =Werni.=

      Es ist der Tell aus Bürglen.

    =Tell= mit der Armbrust.

  =Tell.=

  Wer ist der Mann, der hier um Hülfe fleht?

  =Kuoni.=

      ’s ist ein Alzeller Mann; er hat sein’ Ehr
      Vertheidigt und den Wolfenschieß erschlagen,
      Des Königs Burgvogt, der auf Roßberg saß --
      Des Landvogts Reiter sind ihm auf den Fersen.
      Er fleht den Schiffer um die Ueberfahrt;
      Der fürcht’t sich vor dem Sturm und will nicht fahren.

  =Ruodi.=

      Das ist der Tell, der führt das Ruder auch,
      Der soll mir’s zeugen, ob die Fahrt zu wagen.

    (Heftige Donnerschläge, der See rauscht auf.)

      Ich soll mich in den Höllenrachen stürzen?
      Das thäte Keiner, der bei Sinnen ist.

  =Tell.=

      Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.
      Vertrau auf Gott und rette den Bedrängten.

  =Ruodi.=

      Vom sichern Port läßt sich’s gemächlich rathen.
      Da ist der Kahn, und dort der See! Versucht’s!

  =Tell.=

      Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen.
      Versuch es, Fährmann!

  =Hirten= und =Jäger=.

      Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!

  =Ruodi.=

      Und wär’s mein Bruder und mein leiblich Kind,
      Es kann nicht seyn; ’s ist heute Simons und Judä,
      Da rast der See und will sein Opfer haben.

  =Tell.=

      Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft;
      Die Stunde dringt, dem Mann muß Hülfe werden!
      Sprich, Fährmann, willst du fahren?

  =Ruodi.=

      Nein, nicht ich!

  =Tell.=

      In Gottes Namen denn! Gib her den Kahn!
      Ich will’s mit meiner schwachen Kraft versuchen.

  =Kuoni.=

  Ha, wackrer Tell!

  =Werni.=

      Das gleicht dem Waidgesellen!

  =Baumgarten.=

  Mein Retter seyd ihr und mein Engel, Tell!

  =Tell.=

      Wohl aus des Vogts Gewalt errett’ ich euch!
      Aus Sturmes Nöthen muß ein Andrer helfen.
      Doch besser ist’s, ihr fallt in Gottes Hand
      Als in der Menschen!

    (Zu dem Hirten.)

                           Landsmann, tröstet ihr
      Mein Weib, wenn mir was Menschliches begegnet.
      Ich hab’ gethan, was ich nicht lassen konnte.

    (Er springt in den Kahn.)

  =Kuoni= (zum Fischer).

      Ihr seyd ein Meister Steuermann. Was sich
      Der Tell getraut, das konntet +ihr+ nicht wagen?

  =Ruodi.=

      Wohl bess’re Männer thun’s dem Tell nicht nach,
      Es gibt nicht Zwei, wie der ist, im Gebirge.

  =Werni= (ist auf den Fels gestiegen).

      Er stößt schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer!
      Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!

  =Kuoni= (am Ufer).

      Die Flut geht drüber weg -- Ich seh’s nicht mehr.
      Doch, halt, da ist es wieder! Kräftiglich
      Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.

  =Seppi.=

  Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.

  =Kuoni.=

  Weiß Gott, sie sind’s! Das war Hülf’ in der Noth.

    =Ein Trupp landenbergischer Reiter.=

  =Erster Reiter.=

  Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen!

  =Zweiter.=

  +Des+ Wegs kam er: umsonst verhehlt ihr ihn.

  =Kuoni= und =Ruodi=.

  Wen meint ihr, Reiter?

  =Erster Reiter= (entdeckt den Nachen).

      Ha, was seh’ ich! Teufel!

  =Werni= (oben).

      Ist’s der im Nachen, den ihr sucht? -- Reit zu!
      Wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein.

  =Zweiter.=

  Verwünscht! Er ist entwischt.

  =Erster= (zum Hirten und Fischer).

                                    Ihr habt ihm fortgeholfen.

      Ihr sollt uns büßen -- Fallt in ihre Heerde!
      Die Hütte reißet ein, brennt und schlagt nieder!

    (Eilen fort.)

  =Seppi= (stürzt nach).

  O meine Lämmer!

  =Kuoni= (folgt).

      Weh mir, meine Heerde!

  =Werni.=

  Die Wüthriche!

  =Ruodi= (ringt die Hände).

                     Gerechtigkeit des Himmels!
      Wann wird der Retter kommen diesem Lande?

    (Folgt ihnen.)


  Zweite Scene.

    +Zu Steinen in Schwytz, eine Linde vor des Stauffachers Hause an
    der Landstraße, nächst der Brücke.+

    =Werner Stauffacher=, =Pfeifer von Luzern= kommen im
    Gespräche.

  =Pfeifer.=

      Ja, ja, Herr Stauffacher, wie ich euch sagte.
      Schwört nicht zu Oestreich, wenn ihr’s könnt vermeiden.
      Haltet fest am Reich und wacker, wie bisher.
      Gott schirme euch bei eurer alten Freiheit!

    (Drückt ihm herzlich die Hand und will gehen.)

  =Stauffacher.=

      Bleibt doch, bis meine Wirthin kommt -- Ihr seyd
      Mein Gast zu Schwytz, ich in Luzern der eure.

  =Pfeifer.=

      Viel Dank! Muß heute Gersau noch erreichen.
      -- Was ihr auch Schweres mögt zu leiden haben
      Von eurer Vögte Geiz und Uebermuth,
      Tragt’s in Geduld! Es kann sich ändern, schnell,
      Ein andrer Kaiser kann ans Reich gelangen.
      +Seyd+ ihr erst Oesterreichs, seyd ihr’s auf immer.

    Er geht ab. Stauffacher setzt sich kummervoll auf eine Bank unter
    der Linde. So findet ihn =Gertrud=, seine Frau, die sich neben
    ihn stellt und ihn eine Zeit lang schweigend betrachtet.

  =Gertrud.=

      So ernst, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr.
      Schon viele Tage seh’ ich’s schweigend an,
      Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht.
      Auf deinem Herzen drückt ein still Gebresten.
      Vertrau’ es mir: ich bin dein treues Weib,
      Und meine Hälfte fordr’ ich deines Grams.

    (Stauffacher reicht ihr die Hand und schweigt.)

      Was kann dein Herz beklemmen, sag’ es mir.
      Gesegnet ist dein Fleiß, dein Glücksstand blüht,
      Voll sind die Scheunen, und der Rinder Schaaren,
      Der glatten Pferde wohlgenährte Zucht
      Ist von den Bergen glücklich heimgebracht
      Zur Winterung in den bequemen Ställen.
      -- Da steht dein Haus, reich, wie ein Edelsitz;
      Von schönem Stammholz ist es neu gezimmert
      Und nach dem Richtmaß ordentlich gefügt;
      Von vielen Fenstern glänzt es wohnlich, hell;
      Mit bunten Wappenschildern ist’s bemalt
      Und weisen Sprüchen, die der Wandersmann
      Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.

  =Stauffacher.=

      Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt,
      Doch, ach -- es wankt der Grund, auf dem wir bauten.

  =Gertrud.=

  Mein Werner, sage, wie verstehst du das?

  =Stauffacher.=

      Vor dieser Linde saß ich jüngst, wie heut,
      Das schön Vollbrachte freudig überdenkend,
      Da kam daher von Küßnacht, seiner Burg,
      Der Vogt mit seinen Reisigen geritten.
      Vor diesem Hause hielt er wundernd an;
      Doch ich erhob mich schnell, und unterwürfig,
      Wie sich’s gebührt, trat ich dem Herrn entgegen,
      Der uns des Kaisers richterliche Macht
      Vorstellt im Lande. Wessen ist das Haus?
      Fragt’ er bösmeinend, denn er wußt’ es wohl.
      Doch schnell besonnen ich entgegn’ ihm so:
      Dies Haus, Herr Vogt, ist meines Herrn des Kaisers
      Und eures und mein Lehen -- Da versetzt er:
      „Ich bin Regent im Land an Kaisers Statt
      Und will nicht, daß der Bauer Häuser baue
      Auf seine eigne Hand, und also frei
      Hinleb’, als ob er Herr wär’ in dem Lande:
      Ich werd’ mich unterstehn, euch das zu wehren.“
      Dies sagend, ritt er trutziglich von dannen;
      Ich aber blieb mit kummervoller Seele,
      Das Wort bedenkend, das der Böse sprach.

  =Gertrud.=

      Mein lieber Herr und Ehewirth! Magst du
      Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen?
      Des edeln Ibergs Tochter rühm’ ich mich.
      Des vielerfahrnen Manns. Wir Schwestern saßen,
      Die Wolle spinnend, in den langen Nächten,
      Wenn bei dem Vater sich des Volkes Häupter
      Versammelten, die Pergamente lasen
      Der alten Kaiser, und des Landes Wohl
      Bedachten in vernünftigem Gespräch.
      Aufmerkend hört’ ich da manch kluges Wort,
      Was der Verständ’ge denkt, der Gute wünscht,
      Und still im Herzen hab’ ich mir’s bewahrt.
      So höre denn und acht’ auf meine Rede!
      Denn, was dich preßte, sieh, das wußt’ ich längst.
      -- Dir grollt der Landvogt, möchte gern dir schaden,
      Denn du bist ihm ein Hinderniß, daß sich
      Der Schwytzer nicht dem neuen Fürstenhaus
      Will unterwerfen, sondern treu und fest
      Beim Reich beharren, wie die würdigen
      Altvordern es gehalten und gethan. --
      Ist’s nicht so, Werner? Sag’ es, wenn ich lüge!

  =Stauffacher.=

      So ist’s, das ist des Geßlers Groll auf mich.

  =Gertrud.=

      Er ist dir neidisch, weil du glücklich wohnst,
      Ein freier Mann auf deinem eignen Erb,
      -- Denn er hat keins. Vom Kaiser selbst und Reich
      Trägst du dies Haus zu Lehn; du darfst es zeigen,
      So gut der Reichsfürst seine Länder zeigt;
      Denn über dir erkennst du keinen Herrn,
      Als nur den Höchsten in der Christenheit --
      Er ist ein jüngrer Sohn nur seines Hauses;
      Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel;
      Drum sieht er jedes Biedermannes Glück
      Mit scheelen Augen gift’ger Mißgunst an.
      +Dir+ hat er längst den Untergang geschworen --
      Noch stehst du unversehrt -- Willst du erwarten,
      Bis er die böse Lust an dir gebüßt?
      Der kluge Mann baut vor.

  =Stauffacher.=

      Was ist zu thun?

  =Gertrud= (tritt näher).

      So höre meinen Rath! Du weißt, wie hier
      Zu Schwytz sich alle Redlichen beklagen
      Ob dieses Landvogts Geiz und Wütherei.
      So zweifle nicht, daß sie dort drüben auch
      In Unterwalden und im Urner Land
      Des Dranges müd’ sind und des harten Jochs --
      Denn, wie der Geßler hier, so schafft es frech
      Der Landenberger drüben überm See --
      Es kommt kein Fischerkahn zu uns herüber,
      Der nicht ein neues Unheil und Gewalt-
      Beginnen von den Vögten uns verkündet.
      Drum thät es gut, daß euer Etliche,
      Die’s redlich meinen, still zu Rathe gingen,
      Wie man des Drucks sich möcht’ entledigen:
      So acht’ ich wohl, Gott würd’ euch nicht verlassen
      Und der gerechten Sache gnädig seyn --
      Hast du in Uri keinen Gastfreund, sprich,
      Dem du dein Herz magst redlich offenbaren?

  =Stauffacher.=

      Der wackern Männer kenn’ ich viele dort
      Und angesehen große Herrenleute,
      Die mir geheim sind und gar wohl vertraut.

    (Er steht auf.)

      Frau, welchen Sturm gefährlicher Gedanken
      Weckst du mir in der stillen Brust! Mein Innerstes
      Kehrst du ans Licht des Tages mir entgegen,
      Und, was ich mir zu denken still verbot,
      Du sprichst’s mit leichter Zunge kecklich aus.
      -- Hast du auch wohl bedacht, was du mir räthst?
      Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen
      Rufst du in dieses friedgewohnte Thal --
      Wir wagten es, ein schwaches Volk der Hirten,
      In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt?
      Der gute Schein nur ist’s, worauf sie warten,
      Um loszulassen auf dies arme Land
      Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht,
      Darin zu schalten mit des Siegers Rechten,
      Und unterm Schein gerechter Züchtigung
      Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.

  =Gertrud.=

      Ihr seyd +auch+ Männer, wisset eure Axt
      Zu führen, und dem Muthigen hilft Gott!

  =Stauffacher.=

      O Weib! ein furchtbar wüthend Schreckniß ist
      Der Krieg; die Heerde schlägt er und den Hirten.

  =Gertrud.=

      Ertragen muß man, was der Himmel sendet;
      Unbilliges erträgt kein edles Herz.

  =Stauffacher.=

      Dies Haus erfreut dich, das wir neu erbauten.
      Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.

  =Gertrud.=

      Wüßt’ ich mein Herz an zeitlich Gut gefesselt,
      Den Brand wärf’ ich hinein mit eigner Hand.

  =Stauffacher.=

      Du glaubst an Menschlichkeit! Es schont der Krieg
      Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.

  =Gertrud.=

      Die Unschuld hat im Himmel einen Freund!
      -- Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich!

  =Stauffacher.=

      Wir Männer können tapfer fechtend sterben:
      Welch Schicksal aber wird das eure seyn?

  =Gertrud.=

      Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen:
      Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.

  =Stauffacher= (stürzt in ihre Arme).

      Wer solch ein Herz an seinen Busen drückt,
      Der kann für Herd und Hof mit Freuden fechten,
      Und keines Königs Heermacht fürchtet er --
      Nach Uri fahr’ ich stehndes Fußes gleich.
      Dort lebt ein Gastfreund mir, Herr Walther Fürst,
      Der über diese Zeiten denkt, wie ich.
      Auch find’ ich dort den edeln Bannerherrn
      Von Attinghaus -- obgleich von hohem Stamm,
      Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten.
      Mit ihnen Beiden pfleg’ ich Raths, wie man
      Der Landesfeinde muthig sich erwehrt --
      Leb wohl -- und, weil ich fern bin, führe du
      Mit klugem Sinn das Regiment des Hauses --
      Dem Pilger, der zum Gotteshause wallt,
      Dem frommen Mönch, der für sein Kloster sammelt,
      Gib reichlich und entlaß ihn wohlgepflegt.
      Stauffachers Haus verbirgt sich nicht. Zu äußerst
      Am offnen Heerweg steht’s, ein wirthlich Dach
      Für alle Wandrer, die des Weges fahren.

    Indem sie nach dem Hintergrunde abgehen, tritt =Wilhelm Tell=
    mit Baumgarten vorn auf die Scene.

  =Tell= (zu Baumgarten).

      Ihr habt jetzt meiner weiter nicht vonnöthen.
      Zu jenem Hause gehet ein, dort wohnt
      Der Stauffacher, ein Vater der Bedrängten.
      -- Doch sieh, da ist er selber. -- Folgt mir, kommt!

    (Gehen auf ihn zu; die Scene verwandelt sich.)


  Dritte Scene.

    +Oeffentlicher Platz bei Altorf.+

    Auf einer Anhöhe im Hintergrunde sieht man eine Veste bauen, welche
    schon so weit gediehen, daß sich die Form des Ganzen darstellt.
    Die hintere Seite ist fertig, an der vordern wird eben gebaut,
    das Gerüste steht noch, an welchem die Werkleute auf und nieder
    steigen; auf dem höchsten Dach hängt der Schieferdecker -- Alles
    ist in Bewegung und Arbeit.

    =Frohnvogt.= =Meister Steinmetz.= =Gesellen= und
    =Handlanger=.

  =Frohnvogt=

    (mit dem Stabe, treibt die Arbeiter).

      Nicht lang gefeiert, frisch! Die Mauersteine
      Herbei! den Kalk, den Mörtel zugefahren,
      Wenn der Herr Landvogt kommt, daß er das Werk
      Gewachsen sieht! -- Das schlendert wie die Schnecken!

    (Zu zwei Handlangern, welche tragen.)

      Heißt das geladen? Gleich das Doppelte!
      Wie die Tagdiebe ihre Pflicht bestehlen!

  =Erster Gesell.=

      Das ist doch hart, daß wir die Steine selbst
      Zu unserm Twing und Kerker sollen fahren!

  =Frohnvogt.=

      Was murret ihr? Das ist ein schlechtes Volk,
      Zu nichts anstellig als das Vieh zu melken
      Und faul herum zu schlendern auf den Bergen.

  =Alter Mann= (ruht aus).

      Ich kann nicht mehr.

  =Frohnvogt= (schüttelt ihn).

      Frisch, Alter, an die Arbeit!

  =Erster Gesell.=

      Habt ihr denn gar kein Eingeweid, daß ihr
      Den Greis, der kaum sich selber schleppen kann,
      Zum harten Frohndienst treibt?

  =Meister Steinmetz= und =Gesellen=.

      ’s ist himmelschreiend!

  =Frohnvogt.=

      Sorgt ihr für euch; ich thu’, was meines Amts.

  =Zweiter Gesell.=

      Frohnvogt, wie wird die Feste denn sich nennen,
      Die wir da baun?

  =Frohnvogt.=

                       +Zwing Uri+ soll sie heißen;
      Denn unter dieses Joch wird man euch beugen.

  =Gesellen.=

      Zwing Uri!

  =Frohnvogt.=

      Nun, was gibt’s dabei zu lachen?

  =Zweiter Gesell.=

  Mit diesem Häuslein wollt ihr Uri zwingen?

  =Erster Gesell.=

      Laß sehn, wie viel man solcher Maulwurfshaufen
      Muß über ’nander setzen, bis ein Berg
      Draus wird, wie der geringste nur in Uri!

    (Frohnvogt geht nach dem Hintergrund.)

  =Meister Steinmetz.=

      Den Hammer werf’ ich in den tiefsten See,
      Der mir gedient bei diesem Fluchgebäude!

    =Tell= und =Stauffacher= kommen.

  =Stauffacher.=

  O, hätt’ ich nie gelebt, um das zu schauen!

  =Tell.=

  Hier ist nicht gut seyn. Laßt uns weiter gehn.

  =Stauffacher.=

  Bin ich zu Uri, in der Freiheit Land?

  =Meister Steinmetz.=

      O Herr, wenn ihr die Keller erst gesehn
      Unter den Thürmen! Ja, wer +die+ bewohnt,
      Der wird den Hahn nicht fürder krähen hören.

  =Stauffacher.=

  O Gott!

  =Steinmetz.=

              Seht diese Flanken, diese Strebepfeiler,
      Die stehn, wie für die Ewigkeit gebaut!

  =Tell.=

  Was Hände bauten, können Hände stürzen,

    (Nach den Bergen zeigend.)

  Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegründet.

    Man hört eine Trommel, es kommen Leute, die einen Hut auf einer
    Stange tragen, ein =Ausrufer= folgt ihnen, Weiber und Kinder
    dringen tumultuarisch nach.

  =Erster Gesell.=

  Was will die Trommel? Gebet Acht!

  =Meister Steinmetz.=

                                        Was für
      Ein Faßnachtsaufzug, und was soll der Hut?

  =Ausrufer.=

  In des Kaisers Namen! Höret!

  =Gesellen.=

      Still doch! Höret!

  =Ausrufer.=

      Ihr sehet diesen Hut, Männer von Uri!
      Aufrichten wird man ihn auf hoher Säule,
      Mitten in Altorf, an dem höchsten Ort,
      Und dieses ist des Landvogts Will’ und Meinung:
      Dem Hut soll gleiche Ehre, wie ihm selbst, geschehn.
      Man soll ihn mit gebognem Knie und mit
      Entblößtem Haupt verehren -- Daran will
      Der König die Gehorsamen erkennen.
      Verfallen ist mit seinem Leib und Gut
      Dem Könige, wer das Gebot verachtet.

    (Das Volk lacht laut auf, die Trommel wird gerührt, sie gehen
    vorüber.)

  =Erster Gesell.=

      Welch neues Unerhörtes hat der Vogt
      Sich ausgesonnen! Wir ’nen Hut verehren!
      Sagt! Hat man je vernommen von dergleichen?

  =Meister Steinmetz.=

      Wir unsre Kniee beugen einem Hut?
      Treibt er sein Spiel mit ernsthaft würd’gen Leuten?

  =Erster Gesell.=

      Wär’s noch die kaiserliche Kron’! So ist’s
      Der Hut von Oesterreich; ich sah ihn hangen
      Ueber dem Thron, wo man die Lehen gibt!

  =Meister Steinmetz.=

      Der Hut von Oesterreich! Gebt Acht, es ist
      Ein Fallstrick, uns an Oestreich zu verrathen!

  =Gesellen.=

  Kein Ehrenmann wird sich der Schmach bequemen!

  =Meister Steinmetz.=

  Kommt, laßt uns mit den Andern Abred nehmen.

    (Sie gehen nach der Tiefe.)

  =Tell= (zum Stauffacher).

  Ihr wisset nun Bescheid. Lebt wohl, Herr Werner!

  =Stauffacher.=

  Wo wollt ihr hin? O eilt nicht so von dannen.

  =Tell.=

  Mein Haus entbehrt des Vaters. Lebet wohl.

  =Stauffacher.=

  Mir ist das Herz so voll, mit euch zu reden.

  =Tell.=

  Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.

  =Stauffacher.=

  Doch könnten Worte uns zu Thaten führen.

  =Tell.=

  Die einz’ge That ist jetzt Geduld und Schweigen.

  =Stauffacher.=

      Soll man ertragen, was unleidlich ist?

  =Tell.=

      Die schnellen Herrscher sind’s, die kurz regieren.
      -- Wenn sich der Föhn erhebt aus seinen Schlünden,
      Löscht man die Feuer aus, die Schiffe suchen
      Eilends den Hafen, und der mächt’ge Geist
      Geht ohne Schaden spurlos über die Erde.
      Ein Jeder lebe still bei sich daheim;
      Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.

  =Stauffacher.=

      Meint ihr?

  =Tell.=

                 Die Schlange sticht nicht ungereizt.
      Sie werden endlich doch von selbst ermüden,
      Wenn sie die Lande ruhig bleiben sehn.

  =Stauffacher.=

      Wir könnten viel, wenn wir zusammen ständen.

  =Tell.=

      Beim Schiffbruch hilft der Einzelne sich leichter.

  =Stauffacher.=

      So kalt verlaßt ihr die gemeine Sache?

  =Tell.=

      Ein Jeder zählt nur sicher auf sich selbst.

  =Stauffacher.=

      Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.

  =Tell.=

      Der Starke ist am mächtigsten +allein+.

  =Stauffacher.=

      So kann das Vaterland auf euch nicht zählen,
      Wenn es verzweiflungsvoll zur Nothwehr greift?

  =Tell= (gibt ihm die Hand).

      Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund
      Und sollte seinen Freunden sich entziehen?
      Doch, +was+ ihr thut, laßt mich aus eurem +Rath+!
      Ich kann nicht lange prüfen oder wählen;
      Bedürft ihr meiner zu bestimmter +That+,
      Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.

    (Gehen ab zu verschiedenen Seiten. Ein plötzlicher Auflauf entsteht
    um das Gerüste.)

  =Meister Steinmetz= (eilt hin).

      Was gibt’s?

  =Erster Gesell= (kommt vor, rufend).

      Der Schieferdecker ist vom Dach gestürzt.

    =Bertha= stürzt herein. =Gefolge.=

  =Bertha.=

      Ist er zerschmettert? Rennet, rettet, helft --
      Wenn Hülfe möglich ist, rettet, hier ist Gold --

    (Wirft ihr Geschmeide unter das Volk.)

  =Meister.=

      Mit euerm Gold -- Alles ist euch feil
      Um Gold: wenn ihr den Vater von den Kindern
      Gerissen und den Mann von seinem Weibe,
      Und Jammer habt gebracht über die Welt,
      Denkt ihr’s mit Golde zu vergüten -- Geht!
      Wir waren frohe Menschen, eh’ ihr kamt;
      Mit euch ist die Verzweiflung eingezogen.

  =Bertha= (zu dem Frohnvogt, der zurückkommt).

      Lebt er?

    (Frohnvogt gibt ein Zeichen des Gegentheils.)

               O unglücksel’ges Schloß, mit Flüchen
      Erbaut, und Flüche werden dich bewohnen!

    (Geht ab.)


  Vierte Scene.

    +Walther Fürsts Wohnung.+

    =Walther Fürst= und =Arnold vom Melchthal= treten
    zugleich ein von verschiedenen Seiten.

  =Melchthal.=

      Herr Walther Fürst --

  =Walther Fürst.=

                            Wenn man uns überraschte!
      Bleibt, wo ihr seyd. Wir sind umringt von Spähern.

  =Melchthal.=

      Bringt ihr mir nichts von Unterwalden? nichts
      Von meinem Vater? Nicht ertrag’ ich’s länger,
      Als ein Gefangner müßig hier zu liegen.
      Was hab’ ich denn so Sträfliches gethan,
      Um mich gleich einem Mörder zu verbergen?
      Dem frechen Buben, der die Ochsen mir,
      Das trefflichste Gespann, vor meinen Augen
      Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiß,
      Hab’ ich den Finger mit dem Stab gebrochen.

  =Walther Fürst.=

      Ihr seyd zu rasch. Der Bube war des Vogts;
      Von eurer Obrigkeit war er gesendet.
      Ihr wart in Straf’ gefallen, mußtet euch,
      Wie schwer sie war, der Buße schweigend fügen.

  =Melchthal.=

      Ertragen sollt’ ich die leichtfert’ge Rede
      Des Unverschämten: „Wenn der Bauer Brod
      Wollt’ essen, mög’ er selbst am Pfluge ziehn!“
      In die Seele schnitt mir’s, als der Bub die Ochsen,
      Die schönen Thiere, von dem Pfluge spannte;
      Dumpf brüllten sie, als hätten sie Gefühl
      Der Ungebühr, und stießen mit den Hörnern:
      Da übernahm mich der gerechte Zorn,
      Und, meiner selbst nicht Herr, schlug ich den Boten.

  =Walther Fürst.=

      O, kaum bezwingen wir das eigne Herz;
      Wie soll die rasche Jugend sich bezähmen!

  =Melchthal.=

      Mich jammert nur der Vater -- Er bedarf
      So sehr der Pflege, und sein Sohn ist fern.
      Der Vogt ist ihm gehässig, weil er stets
      Für Recht und Freiheit redlich hat gestritten.
      Drum werden sie den alten Mann bedrängen,
      Und Niemand ist, der ihn vor Unglimpf schütze.
      -- Werde mit mir, was will, ich muß hinüber.

  =Walther Fürst.=

      Erwartet nur und faßt euch in Geduld,
      Bis Nachricht uns herüber kommt vom Walde.
      -- Ich höre klopfen, geht -- Vielleicht ein Bote
      Vom Landvogt -- Geht hinein -- Ihr seyd in Uri
      Nicht sicher vor des Landenbergers Arm,
      Denn die Tyrannen reichen sich die Hände.

  =Melchthal.=

      Sie lehren uns, was wir thun sollten.

  =Walther Fürst.=

                                            Geht!
      Ich ruf’ euch wieder, wenn’s hier sicher ist.

    (Melchthal geht hinein.)

      Der Unglückselige, ich darf ihm nicht
      Gestehen, was mir Böses schwant -- Wer klopft?
      So oft die Thüre rauscht, erwart’ ich Unglück.
      Verrath und Argwohn lauscht in allen Ecken;
      Bis in das Innerste der Häuser dringen
      Die Boten der Gewalt; bald thät’ es Noth,
      Wir hätten Schloß und Riegel an den Thüren.

    Er öffnet und tritt erstaunt zurück, da =Werner Stauffacher=
    hereintritt.

      Was seh’ ich? Ihr, Herr Werner! Nun, bei Gott!
      Ein werther, theurer Gast -- kein bessrer Mann
      Ist über diese Schwelle noch gegangen.
      Seyd hoch willkommen unter meinem Dach!
      Was führt euch her? Was sucht ihr hier in Uri?

  =Stauffacher= (ihm die Hand reichend).

      Die alten Zeiten und die alte Schweiz.

  =Walther Fürst.=

      Die bringt ihr mit euch -- Sieh, mir wird so wohl,
      Warm geht das Herz mir auf bei euerm Anblick.
      -- Setzt euch, Herr Werner -- Wie verließet ihr
      Frau Gertrud, eure angenehme Wirthin,
      Des weisen Ibergs hochverständ’ge Tochter?
      Von allen Wandrern aus dem deutschen Land,
      Die über Meinrads Zell nach Wälschland fahren,
      Rühmt jeder euer gastlich Haus -- Doch, sagt,
      Kommt ihr so eben frisch von Fluelen her,
      Und habt euch nirgend sonst noch umgesehen,
      Eh’ ihr den Fuß gesetzt auf diese Schwelle?

  =Stauffacher= (setzt sich).

      Wohl ein erstaunlich neues Werk hab’ ich
      Bereiten sehen, das mich nicht erfreute.

  =Walther Fürst.=

      O Freund! da habt ihr’s gleich mit +einem+ Blicke!

  =Stauffacher.=

      Ein solches ist in Uri nie gewesen --
      Seit Menschendenken war kein Twinghof hier,
      Und fest war keine Wohnung, als das Grab.

  =Walther Fürst.=

      Ein Grab der Freiheit ist’s! Ihr nennt’s mit Namen.

  =Stauffacher.=

      Herr Walther Fürst, ich will euch nicht verhalten,
      Nicht eine müß’ge Neugier führt mich her;
      Mich drücken schwere Sorgen -- Drangsal hab’ ich
      Zu Haus verlassen, Drangsal find’ ich hier.
      Denn ganz unleidlich ist’s, was wir erdulden,
      Und dieses Dranges ist kein Ziel zu sehn.
      Frei war der Schweizer von Uralters her,
      Wir sind’s gewohnt, daß man uns gut begegnet.
      Ein Solches war im Lande nie erlebt,
      So lang ein Hirte trieb auf diesen Bergen.

  =Walther Fürst.=

      Ja, es ist ohne Beispiel, wie sie’s treiben!
      Auch unser edler Herr von Attinghausen,
      Der noch die alten Zeiten hat gesehn,
      Meint selber, es sey nicht mehr zu ertragen.

  =Stauffacher.=

      Auch drüben unterm Wald geht Schweres vor
      Und blutig wird’s gebüßt -- Der Wolfenschießen,
      Des Kaisers Vogt, der auf dem Roßberg hauste,
      Gelüsten trug er nach verbotner Frucht;
      Baumgartens Weib, der haushält zu Alzellen,
      Wollt’ er zu frecher Ungebühr mißbrauchen,
      Und mit der Axt hat ihn der Mann erschlagen.

  =Walther Fürst.=

      O, die Gerichte Gottes sind gerecht!
      -- Baumgarten, sagt ihr? ein bescheidner Mann!
      Er ist gerettet doch und wohl geborgen?

  =Stauffacher.=

      Euer Eidam hat ihn übern See geflüchtet;
      Bei mir zu Steinen halt’ ich ihn verborgen --
      -- Noch Gräulichers hat mir derselbe Mann
      Berichtet, was zu Sarnen ist geschehn.
      Das Herz muß jedem Biedermanne bluten.

  =Walther Fürst= (aufmerksam).

      Sagt an, was ist’s?

  =Stauffacher.=

                          Im +Melchthal+, da, wo man
      Eintritt bei +Kerns+, wohnt ein gerechter Mann,
      Sie nennen ihn den +Heinrich+ von der +Halden+,
      Und seine Stimm’ gilt was in der Gemeinde.

  =Walther Fürst.=

      Wer kennt ihn nicht? Was ist’s mit ihm? Vollendet!

  =Stauffacher.=

      Der Landenberger büßte seinen Sohn
      Um kleinen Fehlers willen, ließ die Ochsen,
      Das beste Paar, ihm aus dem Pfluge spannen:
      Da schlug der Knab den Knecht und wurde flüchtig.

  =Walther Fürst= (in höchster Spannung).

      Der Vater aber -- sagt, wie steht’s um den?

  =Stauffacher.=

      Den Vater läßt der Landenberger fordern,
      Zur Stelle schaffen soll er ihm den Sohn,
      Und, da der alte Mann mit Wahrheit schwört,
      Er habe von dem Flüchtling keine Kunde,
      Da läßt der Vogt die Folterknechte kommen --

  =Walther Fürst=

    (springt auf und will ihn auf die andere Seite führen).

      O, still, nichts mehr!

  =Stauffacher= (mit steigendem Ton).

                             „Ist mir der Sohn entgangen,
      So hab’ ich dich!“ -- läßt ihn zu Boden werfen,
      Den spitz’gen Stahl ihm in die Augen bohren --

  =Walther Fürst.=

      Barmherz’ger Himmel!

  =Melchthal= (stürzt heraus).

      In die Augen, sagt ihr?

  =Stauffacher= (erstaunt zu Walther Fürst).

      Wer ist der Jüngling?

  =Melchthal=

    (faßt ihn mit krampfhafter Heftigkeit).

      In die Augen? Redet!

  =Walther Fürst.=

      O der Bejammernswürdige!

  =Stauffacher.=

      Wer ist’s?

    (Da Walther Fürst ihm ein Zeichen gibt.)

      Der Sohn ist’s? Allgerechter Gott!

  =Melchthal.=

                                         Und ich
      Muß ferne seyn! -- In seine beiden Augen?

  =Walther Fürst.=

      Bezwinget euch! Ertragt es wie ein Mann!

  =Melchthal.=

      Um +meiner+ Schuld, um +meines+ Frevels willen!
      -- Blind also! Wirklich +blind+ und +ganz+ geblendet?

  =Stauffacher.=

      Ich sagt’s. Der Quell des Sehns ist ausgeflossen,
      Das Licht der Sonne schaut er niemals wieder.

  =Walther Fürst.=

      Schont seines Schmerzens!

  =Melchthal.=

      Niemals! niemals wieder!

    (Er drückt die Hand vor die Augen und schweigt einige Momente; dann
    wendet er sich von dem Einen zu dem Andern und spricht mit sanfter,
    von Thränen erstickter Stimme.)

      O, eine edle Himmelsgabe ist
      Das Licht des Auges -- Alle Wesen leben
      Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf --
      Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Lichte.
      Und er muß sitzen, fühlend, in der Nacht,
      Im ewig Finstern -- ihn erquickt nicht mehr
      Der Matten warmes Grün, der Blumen Schmelz,
      Die rothen Firnen kann er nicht mehr schauen --
      Sterben ist nichts -- doch +leben+ und nicht +sehen+,
      Das ist ein Unglück -- Warum seht ihr mich
      So jammernd an? Ich hab’ zwei frische Augen
      Und kann dem blinden Vater keines geben,
      Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts,
      Das glanzvoll, blendend mir ins Auge dringt.

  =Stauffacher.=

      Ach, ich muß euren Jammer noch vergrößern,
      Statt ihn zu heilen -- Er bedarf noch mehr!
      Denn Alles hat der Landvogt ihm geraubt;
      Nichts hat er ihm gelassen, als den Stab,
      Um nackt und blind von Thür zu Thür zu wandern.

  =Melchthal.=

      Nichts als den Stab dem augenlosen Greis!
      Alles geraubt und auch das Licht der Sonne,
      Des Aermsten allgemeines Gut -- Jetzt rede
      Mir Keiner mehr von Bleiben, von Verbergen!
      Was für ein feiger Elender bin ich,
      Daß ich auf +meine+ Sicherheit gedacht,
      Und nicht auf deine! -- dein geliebtes Haupt
      Als Pfand gelassen in des Wüthrichs Händen!
      Feigherz’ge Vorsicht, fahre hin -- Auf nichts
      Als blutige Vergeltung will ich denken.
      Hinüber will ich -- Keiner soll mich halten --
      Des Vaters Auge von dem Landvogt fordern --
      Aus allen seinen Reisigen heraus
      Will ich ihn finden -- Nichts liegt mir am Leben,
      Wenn ich den heißen, ungeheuren Schmerz
      In seinem Lebensblute kühle.

    (Er will gehen.)

  =Walther Fürst.=

                                   Bleibt!
      Was könnt ihr gegen ihn? Er sitzt zu Sarnen
      Auf seiner hohen Herrenburg und spottet
      Ohnmächt’gen Zorns in seiner sichern Veste.

  =Melchthal.=

      Und, wohnt’ er droben auf dem Eispalast
      Des +Schreckhorns+ oder höher, wo die +Jungfrau+
      Seit Ewigkeit verschleiert sitzt -- ich mache
      Mir Bahn zu ihm; mit zwanzig Jünglingen,
      Gesinnt, wie ich, zerbrech’ ich seine Veste.
      Und wenn mir Niemand folgt, und wenn ihr Alle,
      Für eure Hütten bang und eure Heerden,
      Euch dem Tyrannenjoche beugt -- die Hirten
      Will ich zusammenrufen im Gebirg,
      Dort, unterm freien Himmelsdache, wo
      Der Sinn noch frisch ist, und das Herz gesund,
      Das ungeheuer Gräßliche erzählen.

  =Stauffacher= (zu Walther Fürst).

      Es ist auf seinem Gipfel -- Wollen wir
      Erwarten, bis das Aeußerste --

  =Melchthal.=

                                     Welch Aeußerstes
      Ist noch zu fürchten, wenn der Stern des Auges
      In seiner Höhle nicht mehr sicher ist?
      -- Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir
      Die Armbrust spannen und die schwere Wucht
      Der Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward
      Ein Nothgewehr in der Verzweiflungsangst.
      Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt
      Der Meute sein gefürchtetes Geweih,
      Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund --
      Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoß
      Des Menschen, der die ungeheure Kraft
      Des Halses duldsam unters Joch gebogen,
      Springt auf, gereizt, wetzt sein gewaltig Horn,
      Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.

  =Walther Fürst.=

      Wenn die drei Lande dächten, wie wir drei,
      So möchten wir vielleicht etwas vermögen.

  =Stauffacher.=

      Wenn Uri hilft, wenn Unterwalden hilft,
      Der Schwytzer wird die alten Bünde ehren.

  =Melchthal.=

      Groß ist in Unterwalden meine Freundschaft
      Und Jeder wagt mit Freuden Leib und Blut,
      Wenn er am Andern einen Rücken hat
      Und Schirm -- O fromme Väter dieses Landes!
      Ich stehe, nur ein Jüngling, zwischen euch,
      Den Vielerfahrnen -- meine Stimme muß
      Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde.
      Nicht, weil ich jung bin und nicht viel erlebte,
      Verachtet meinen Rath und meine Rede;
      Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt
      Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt,
      Was auch den Stein des Felsen muß erbarmen.
      Ihr selbst seyd Väter, Häupter eines Hauses
      Und wünscht euch einen tugendhaften Sohn,
      Der eures Hauptes heil’ge Locken ehre,
      Und euch den Stern des Auges fromm bewache.
      O, weil ihr selbst an eurem Leib und Gut
      Noch nichts erlitten, eure Augen sich
      Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen,
      So sey euch darum unsre Noth nicht fremd.
      Auch über euch hängt das Tyrannenschwert:
      Ihr habt das Land von Oestreich abgewendet,
      Kein anderes war meines Vaters Unrecht;
      Ihr seyd in gleicher Mitschuld und Verdammniß.

  =Stauffacher= (zu Walther Fürst).

  Beschließet +ihr+! Ich bin bereit zu folgen.

  =Walther Fürst.=

      Wir wollen hören, was die edeln Herrn
      Von Sillinen, von Attinghausen rathen --
      Ihr Name, denk’ ich, wird uns Freunde werben.

  =Melchthal.=

      Wo ist ein Name in dem Waldgebirg’
      Ehrwürdiger, als eurer und der eure?
      An solcher Namen echte Währung glaubt
      Das Volk, sie haben guten Klang im Lande.
      Ihr habt ein reiches Erb von Vätertugend
      Und habt es selber reich vermehrt -- Was braucht’s
      Des Edelmanns? Laßt’s uns allein vollenden!
      Wären wir doch allein im Land! Ich meine,
      Wir wollten uns schon selbst zu schirmen wissen.

  =Stauffacher.=

      Die Edeln drängt nicht gleiche Noth mit uns:
      Der Strom, der in den Niederungen wüthet,
      Bis jetzt hat er die Höhn noch nicht erreicht --
      Doch ihre Hülfe wird uns nicht entstehn,
      Wenn sie das Land in Waffen erst erblicken.

  =Walther Fürst.=

      Wäre ein Obmann zwischen uns und Oestreich,
      So möchte Recht entscheiden und Gesetz.
      Doch, der uns unterdrückt, ist unser Kaiser
      Und höchster Richter -- so muß +Gott uns helfen+
      +Durch unsern Arm+ -- Erforschet +ihr+ die Männer
      Von Schwytz, ich will in Uri Freunde werben.
      Wen aber senden wir nach Unterwalden? --

  =Melchthal.=

      Mich sendet hin -- Wem läg’ es näher an --

  =Walther Fürst.=

      Ich geb’s nicht zu; ihr seyd mein Gast, ich muß
      Für eure Sicherheit gewähren!

  =Melchthal.=

                                    Laßt mich!
      Die Schliche kenn’ ich und die Felsensteige;
      Auch Freunde find’ ich gnug; die mich dem Feind
      Verhehlen und ein Obdach gern gewähren.

  =Stauffacher.=

      Laßt ihn mit Gott hinüber gehn. Dort drüben
      Ist kein Verräther -- so verabscheut ist
      Die Tyrannei, daß sie kein Werkzeug findet.
      Auch der Alzeller soll uns nid dem Wald
      Genossen werben und das Land erregen.

  =Melchthal.=

      Wie bringen wir uns sichre Kunde zu,
      Daß wir den Argwohn der Tyrannen täuschen?

  =Stauffacher.=

      Wir könnten uns zu +Brunnen+ oder +Treib+
      Versammeln, wo die Kaufmannsschiffe landen.

  =Walther Fürst.=

      So offen dürfen wir das Werk nicht treiben.
      -- Hört meine Meinung. -- Links am See, wenn man
      Nach Brunnen fährt, dem Mythenstein grad über,
      Liegt eine Matte heimlich im Gehölz,
      Das +Rütli+ heißt sie bei dem Volk der Hirten,
      Weil dort die Waldung ausgereutet ward.
      Dort ist’s, wo unsre Landmark und die eure

    (Zu Melchthal.)

      Zusammen gränzen, und in kurzer Fahrt

    (Zu Stauffacher.)

      Trägt euch der leichte Kahn von Schwytz herüber.
      Auf öden Pfaden können wir dahin
      Bei Nachtzeit wandern und uns still berathen,
      Dahin mag Jeder zehn vertraute Männer
      Mitbringen, die herzeinig sind mit uns,
      So können wir gemeinsam das Gemeine
      Besprechen und mit Gott es frisch beschließen.

  =Stauffacher.=

      So sey’s. Jetzt reicht mir eure biedre Rechte,
      Reicht ihr die eure her, und so wie wir
      +Drei Männer+ jetzo, unter uns die Hände
      Zusammenflechten, redlich ohne Falsch,
      So wollen wir +drei Länder+ auch, zu Schutz
      Und Trutz zusammenstehn auf Tod und Leben.

  =Walther Fürst= und =Melchthal=.

      Auf Tod und Leben.

    (Sie halten die Hände noch einige Pausen lang zusammengeflochten
    und schweigen.)

  =Melchthal.=

                         Blinder, alter Vater,
      Du kannst den Tag der Freiheit nicht mehr +schauen+;
      Du sollst ihn +hören+ -- Wenn von Alp zu Alp
      Die Feuerzeichen flammend sich erheben,
      Die festen Schlösser der Tyrannen fallen,
      In deine Hütte soll der Schweizer wallen,
      Zu deinem Ohr die Freudenkunde tragen,
      Und hell in deiner Nacht soll es dir tagen!

    (Sie gehen auseinander.)




  Zweiter Aufzug.


  Erste Scene.

    +Edelhof des Freiherrn von Attinghausen.+

    Ein gothischer Saal, mit Wappenschildern und Helmen verziert.
    =Der Freiherr=, ein Greis von fünfundachtzig Jahren, von hoher
    edler Statur, an einem Stabe, worauf ein Gemsenhorn, und in ein
    Pelzwams gekleidet. =Kuoni= und noch =sechs Knechte=
    stehen um ihn her mit Rechen und Sensen. -- =Ulrich von
    Rudenz= tritt ein in Ritterkleidung.

  =Rudenz.=

      Hier bin ich, Oheim -- Was ist euer Wille?

  =Attinghausen.=

      Erlaubt, daß ich nach altem Hausgebrauch
      Den Frühtrunk erst mit meinen Knechten theile.

    (Er trinkt aus einem Becher, der dann in der Reihe herumgeht.)

      Sonst war ich selber mit in Feld und Wald,
      Mit meinem Auge ihren Fleiß regierend,
      Wie sie mein Banner führte in der Schlacht;
      Jetzt kann ich nichts mehr als den Schaffner machen,
      Und, kommt die warme Sonne nicht zu mir,
      Ich kann sie nicht mehr suchen auf den Bergen.
      Und so, in engerm stets und engerm Kreis,
      Beweg’ ich mich dem engesten und letzten,
      Wo alles Leben still steht, langsam zu.
      Mein Schatten bin ich nur, bald nur mein Name.

  =Kuoni= (zu Rudenz mit dem Becher).

      Ich bring’s euch, Junker.

    (Da Rudenz zaudert, den Becher zu nehmen.)

                                Trinket frisch! Es geht
      Aus +einem+ Becher und aus +einem+ Herzen.

  =Attinghausen.=

      Geht, Kinder, und wenn’s Feierabend ist,
      Dann reden wir auch von des Lands Geschäften.

    (Knechte gehen ab.)

    =Attinghausen= und =Rudenz=.

  =Attinghausen.=

      Ich sehe dich gegürtet und gerüstet,
      Du willst nach Altorf in die Herrenburg?

  =Rudenz.=

      Ja, Oheim, und ich darf nicht länger säumen --

  =Attinghausen= (setzt sich).

      Hast du’s so eilig? Wie? Ist deiner Jugend
      Die Zeit so karg gemessen, daß du sie
      An deinem alten Oheim mußt ersparen?

  =Rudenz.=

      Ich sehe, daß ihr meiner nicht bedürft,
      Ich bin ein Fremdling nur in diesem Hause.

  =Attinghausen=

    (hat ihn lange mit den Augen gemustert).

      Ja, leider bist du’s. Leider ist die Heimath
      Zur Fremde dir geworden! Uly! Uly!
      Ich kenne dich nicht mehr. In Seide prangst du,
      Die Pfauenfeder trägst du stolz zur Schau,
      Und schlägst den Purpurmantel um die Schultern;
      Den Landmann blickst du mit Verachtung an,
      Und schämst dich seiner traulichen Begrüßung.

  =Rudenz.=

      Die Ehr’, die ihm gebührt, geb’ ich ihm gern;
      Das Recht, das er sich nimmt, verweigr’ ich ihm.

  =Attinghausen.=

      Das ganze Land liegt unterm schweren Zorn
      Des Königs -- jedes Biedermannes Herz
      Ist kummervoll ob der tyrannischen Gewalt,
      Die wir erdulden -- dich allein rührt nicht
      Der allgemeine Schmerz -- dich siehet man,
      Abtrünnig von den Deinen, auf der Seite
      Des Landesfeindes stehen, unsrer Noth
      Hohnsprechend, nach der leichten Freude jagen,
      Und buhlen um die Fürstengunst, indeß
      Dein Vaterland von schwerer Geißel blutet.

  =Rudenz.=

      Das Land ist schwer bedrängt -- Warum, mein Oheim?
      Wer ist’s, der es gestürzt in diese Noth?
      Es kostete ein einzig leichtes Wort,
      Um Augenblicks des Dranges los zu seyn,
      Und einen gnäd’gen Kaiser zu gewinnen.
      Weh ihnen, die dem Volk die Augen halten,
      Daß es dem wahren Besten widerstrebt.
      Um eignen Vortheils willen hindern sie,
      Daß die Waldstätte nicht zu Oestreich schwören,
      Wie ringsum alle Lande doch gethan.
      Wohl thut es ihnen auf der Herrenbank
      Zu sitzen mit dem Adelmann -- den +Kaiser+
      Will man zum Herrn, um +keinen+ Herrn zu haben.

  =Attinghausen.=

      Muß ich +das+ hören und aus deinem Munde!

  =Rudenz.=

      Ihr habt mich aufgefordert, laßt mich enden.
      -- Welche Person ist’s, Oheim, die ihr selbst
      Hier spielt? Habt ihr nicht höhern Stolz, als hier
      Landammann oder Bannerherr zu seyn
      Und neben diesen Hirten zu regieren?
      Wie? Ist’s nicht eine rühmlichere Wahl,
      Zu huldigen dem königlichen Herrn,
      Sich an sein glänzend Lager anzuschließen,
      Als eurer eignen Knechte Pair zu seyn,
      Und zu Gericht zu sitzen mit dem Bauer?

  =Attinghausen.=

      Ach, Uly! Uly! Ich erkenne sie
      Die Stimme der Verführung! Sie ergriff
      Dein offnes Ohr, sie hat dein Herz vergiftet!

  =Rudenz.=

      Ja, ich verberg’ es nicht -- in tiefer Seele
      Schmerzt mich der Spott der Fremdlinge, die uns
      Den Bauernadel schelten -- Nicht ertrag’ ich’s,
      Indeß die edle Jugend rings umher
      Sich Ehre sammelt unter Habsburgs Fahnen,
      Auf meinem Erb hier müßig still zu liegen,
      Und bei gemeinem Tagewerk den Lenz
      Des Lebens zu verlieren -- Anderswo
      Geschehen Thaten, eine Welt des Ruhms
      Bewegt sich glänzend jenseits dieser Berge --
      +Mir+ rosten in der Halle Helm und Schild;
      Der Kriegstrommete muthiges Getön,
      Der Heroldsruf, der zum Turniere ladet,
      Er dringt in diese Thäler nicht herein;
      Nichts als den +Kuhreihn+ und der Heerdeglocken
      Einförmiges Geläut vernehm’ ich hier.

  =Attinghausen.=

      Verblendeter, vom eiteln Glanz verführt,
      Verachte dein Geburtsland! Schäme dich
      Der uralt frommen Sitte deiner Väter!
      Mit heißen Thränen wirst du dich dereinst
      Heimsehnen nach den väterlichen Bergen,
      Und dieses Heerdenreihens Melodie,
      Die du in stolzem Ueberdruß verschmähst,
      Mit Schmerzenssehnsucht wird sie dich ergreifen,
      Wenn sie dir anklingt aus der fremden Erde.
      O, mächtig ist der Trieb des Vaterlands!
      Die fremde, falsche Welt ist nicht für dich;
      Dort an dem stolzen Kaiserhof bleibst du
      Dir ewig fremd mit deinem treuen Herzen!
      Die Welt, sie fordert andre Tugenden,
      Als du in diesen Thälern dir erworben.
      -- Geh hin, verkaufe deine freie Seele,
      Nimm Land zu Lehen, werd’ ein Fürstenknecht,
      Da du ein Selbstherr seyn kannst und ein Fürst
      Auf deinem eignen Erb’ und freien Boden.
      Ach, Uly! Uly! Bleibe bei den Deinen!
      Geh nicht nach Altorf -- O, verlaß sie nicht,
      Die heil’ge Sache deines Vaterlands!
      -- Ich bin der Letzte meines Stamms -- Mein Name
      Endet mit mir. Da hängen Helm und Schild;
      Die werden sie mir in das Grab mitgeben.
      Und muß ich denken bei dem letzten Hauch,
      Daß du mein brechend Auge nur erwartest,
      Um hinzugehn vor diesen neuen Lehnhof
      Und meine edeln Güter, die ich frei
      Von Gott empfing, von Oestreich zu empfangen!

  =Rudenz.=

      Vergebens widerstreben wir dem König.
      Die Welt gehört ihm: wollen wir allein
      Uns eigensinnig steifen und verstocken,
      Die Länderkette ihm zu unterbrechen,
      Die er gewaltig rings um uns gezogen?
      +Sein+ sind die Märkte, die Gerichte, +sein+
      Die Kaufmannsstraßen, und das Saumroß selbst,
      Das auf den Gotthardt ziehet, muß ihm zollen.
      Von seinen Ländern wie mit einem Netz
      Sind wir umgarnet rings und eingeschlossen.
      -- Wird uns das Reich beschützen? Kann es selbst
      Sich schützen gegen Oestreichs wachsende Gewalt?
      Hilft Gott uns nicht, kein Kaiser kann uns helfen.
      Was ist zu geben auf der Kaiser Wort,
      Wenn sie in Geld- und Kriegesnoth die Städte,
      Die untern Schirm des Adlers sich geflüchtet,
      Verpfänden dürfen und dem Reich veräußern?
      -- Nein, Oheim! Wohlthat ist’s und weise Vorsicht
      In diesen schweren Zeiten der Parteiung,
      Sich anzuschließen an ein mächtig Haupt.
      Die Kaiserkrone geht von Stamm zu Stamm,
      +Die+ hat für treue Dienste kein Gedächtniß.
      Doch, um den mächt’gen Erbherrn wohl verdienen,
      Heißt Saaten in die Zukunft streun.

  =Attinghausen.=

                                          Bist du so weise?
      Willst heller sehn, als deine edeln Väter,
      Die um der Freiheit kostbarn Edelstein
      Mit Gut und Blut und Heldenkraft gestritten?
      -- Schiff nach +Luzern+ hinunter, frage +dort+,
      Wie Oestreichs Herrschaft lastet auf den Ländern.
      Sie werden kommen, unsre Schaf’ und Rinder
      Zu zählen, unsre Alpen abzumessen,
      Den Hochflug und das Hochgewilde bannen
      In unsern freien Wäldern, ihren Schlagbaum
      An unsre Brücken, unsre Thore setzen,
      Mit unsrer Armuth ihre Länderkäufe,
      Mit unserm Blute ihre Kriege zahlen --
      -- Nein, wenn wir unser Blut dran setzen sollen,
      So sey’s +für uns+ -- wohlfeiler kaufen wir
      Die Freiheit als die Knechtschaft ein!

  =Rudenz.=

                                             Was können wir
      Ein Volk der Hirten, gegen Albrechts Heere!

  =Attinghausen.=

      Lern dieses Volk der Hirten kennen, Knabe!
      Ich kenn’s, ich hab’ es angeführt in Schlachten,
      Ich hab’ es fechten sehen bei Favenz.
      Sie sollen kommen, uns ein Joch aufzwingen,
      Das wir entschlossen sind +nicht+ zu ertragen!
      -- O, lerne fühlen, welches Stamms du bist!
      Wirf nicht für eiteln Glanz und Flitterschein
      Die echte Perle deines Werthes hin --
      Das Haupt zu heißen eines +freien+ Volks,
      Das dir aus Liebe nur sich herzlich weiht,
      Das treulich zu dir steht in Kampf und Tod --
      +Das+ sey dein Stolz, +des+ Adels rühme dich --
      Die angebornen Bande knüpfe fest,
      Ans Vaterland, ans theure, schließ dich an,
      Das halte fest mit deinem ganzen Herzen.
      Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft;
      Dort in der fremden Welt stehst du allein,
      Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt.
      O, komm, du hast uns lang nicht mehr gesehn,
      Versuch’s mit uns nur +einen+ Tag -- nur heute
      Geh nicht nach Altorf -- hörst du? heute nicht;
      Den +einen+ Tag nur schenke dich den Deinen!

    (Er faßt seine Hand.)

  =Rudenz.=

      Ich gab mein Wort -- Laßt mich -- Ich bin gebunden.

  =Attinghausen=

    (läßt seine Hand los, mit Ernst).

      Du bist gebunden -- Ja, Unglücklicher,
      Du bist’s, doch nicht durch Wort und Schwur,
      Gebunden bist du durch der Liebe Seile!

    (Rudenz wendet sich weg.)

      -- Verbirg dich, wie du willst. Das Fräulein ist’s,
      Bertha von Bruneck, die zur Herrenburg
      Dich zieht, dich fesselt an des Kaisers Dienst.
      Das Ritterfräulein willst du dir erwerben
      Mit deinem Abfall von dem Land -- Betrüg dich nicht!
      Dich anzulocken, zeigt man dir die Braut;
      Doch deiner Unschuld ist sie nicht beschieden.

  =Rudenz.=

      Genug hab’ ich gehört. Gehabt euch wohl.

    (Er geht ab.)

  =Attinghausen.=

      Wahnsinn’ger Jüngling, bleib! Er geht dahin!
      Ich kann ihn nicht erhalten, nicht erretten --
      So ist der Wolfenschießen abgefallen
      Von seinem Land -- so werden Andre folgen,
      Der fremde Zauber reißt die Jugend fort,
      Gewaltsam strebend über unsre Berge.
      -- O unglücksel’ge Stunde, da das Fremde
      In diese still beglückten Thäler kam,
      Der Sitten fromme Unschuld zu zerstören!

      Das Neue dringt herein mit Macht, das Alte,
      Das Würd’ge scheidet, andre Zeiten kommen,
      Es lebt ein andersdenkendes Geschlecht!
      Was thu’ ich hier? Sie sind begraben Alle,
      Mit denen ich gewaltet und gelebt.
      Unter der Erde schon liegt +meine+ Zeit;
      Wohl dem, der mit der +neuen+ nicht mehr braucht zu leben!

    (Geht ab.)


  Zweite Scene.

    +Eine Wiese, von hohen Felsen und Wald umgeben.+

    Auf dem Felsen sind Steige mit Geländern, auch Leitern, von denen
    man nachher die Landleute herabsteigen sieht. Im Hintergrunde zeigt
    sich der See, über welchem anfangs ein Mondregenbogen zu sehen
    ist. Den Prospect schließen hohe Berge, hinter welchen noch höhere
    Eisgebirge ragen. Es ist völlig Nacht auf der Scene, nur der See
    und die weißen Gletscher leuchten im Mondlicht.

    =Melchthal=, =Baumgarten=. =Winkelried=, =Meier
    von Sarnen=, =Burkhart am Bühel=, =Arnold von Sewa=,
    =Klaus von der Flüe= und noch vier andere =Landleute=,
    alle bewaffnet.

  =Melchthal= (noch hinter der Scene).

      Der Bergweg öffnet sich, nur frisch +mir+ nach!
      Den Fels erkenn’ ich und das Kreuzlein drauf;
      Wir sind am Ziel, hier ist das Rütli.

    (Treten auf mit Windlichtern.)

  =Winkelried.=

      Horch!

  =Sewa.=

      Ganz leer.

  =Meier.=

                 ’s ist noch kein Landmann da. Wir sind
      Die ersten auf dem Platz, wir Unterwaldner.

  =Melchthal.=

      Wie weit ist’s in der Nacht?

  =Baumgarten.=

                                   Der Feuerwächter
      Vom Selisberg hat eben Zwei gerufen.

    (Man hört in der Ferne läuten.)

  =Meier.=

      Still! Horch!

  =Am Bühel.=

                    Das Mettenglöcklein in der Waldkapelle
      Klingt hell herüber aus dem Schwytzerland.

  =Von der Flüe.=

      Die Luft ist rein und trägt den Schall so weit.

  =Melchthal.=

      Gehn Einige und zünden Reisholz an,
      Daß es loh brenne, wenn die Männer kommen.

    (Zwei Landleute gehen.)

  =Sewa.=

      ’s ist eine schöne Mondennacht. Der See
      Liegt ruhig da, als wie ein ebner Spiegel.

  =Am Bühel.=

      Sie haben eine leichte Fahrt.

  =Winkelried= (zeigt nach dem See).

                                    Ha, seht!
      Seht dorthin! Seht ihr nichts?

  =Meier.=

                                     Was denn? -- Ja, wahrlich!
      Ein Regenbogen mitten in der Nacht!

  =Melchthal.=

  Es ist das Licht des Mondes, das ihn bildet.

  =Von der Flüe.=

      Das ist ein seltsam wunderbares Zeichen!
      Es leben Viele, die das nicht gesehn.

  =Sewa.=

  Er ist doppelt; seht, ein blässerer steht drüber.

  =Baumgarten.=

  Ein Nachen fährt so eben drunter weg.

  =Melchthal.=

      Das ist der Stauffacher mit seinem Kahn!
      Der Biedermann läßt sich nicht lang erwarten.

    (Geht mit Baumgarten nach dem Ufer.)

  =Meier.=

  Die Urner sind es, die am längsten säumen.

  =Am Bühel.=

      Sie müssen weit umgehen durchs Gebirg,
      Daß sie des Landvogts Kundschaft hintergehen.

    (Unterdessen haben die zwei Landleute in der Mitte des Platzes ein
    Feuer angezündet.)

  =Melchthal= (am Ufer).

  Wer ist da? Gebt das Wort!

  =Stauffacher= (von unten).

      Freunde des Landes.

    Alle gehen nach der Tiefe, den Kommenden entgegen. Aus dem Kahn
    steigen =Stauffacher=, =Itel Reding=, =Hans auf der
    Mauer=, =Jörg im Hofe=, =Konrad Hunn=, =Ulrich
    der Schmid=, =Jost von Weiler= und noch drei andere
    =Landleute=, gleichfalls bewaffnet.

  =Alle= (rufen).

  Willkommen!

    (Indem die Uebrigen in der Tiefe verweilen und sich begrüßen, kommt
    Melchthal und Stauffacher vorwärts.)

  =Melchthal.=

                  O Herr Stauffacher! Ich hab’ ihn
      Gesehn, der mich nicht wiedersehen konnte!
      Die Hand hab’ ich gelegt auf seine Augen,
      Und glühend Rachgefühl hab’ ich gesogen
      Aus der erloschnen Sonne seines Blicks.

  =Stauffacher.=

      Sprecht nicht von Rache. Nicht Geschehnes rächen,
      Gedrohtem Uebel wollen wir begegnen.
      -- Jetzt sagt, was ihr im Unterwaldner Land
      Geschafft und für gemeine Sach’ geworben;
      Wie die Landleute denken, wie ihr selbst
      Den Stricken des Verraths entgangen seyd.

  =Melchthal.=

      Durch der Surennen furchtbares Gebirg,
      Auf weit verbreitet öden Eisesfeldern,
      Wo nur der heisre Lämmergeier krächzt,
      Gelangt’ ich zu der Alpentrift, wo sich
      Aus Uri und vom Engelberg die Hirten
      Anrufend grüßen und gemeinsam weiden,
      Den Durst mir stillend mit der Gletscher Milch,
      Die in den Runsen schäumend niederquillt.
      In den einsamen Sennhütten kehrt’ ich ein,
      Mein eigner Wirth und Gast, bis daß ich kam,
      Zu Wohnungen gesellig lebender Menschen.
      -- Erschollen war in diesen Thälern schon
      Der Ruf des neuen Gräuels, der geschehn,
      Und fromme Ehrfurcht schaffte mir mein Unglück
      Vor jeder Pforte, wo ich wandernd klopfte.
      Entrüstet fand ich diese graden Seelen
      Ob dem gewaltsam neuen Regiment;
      Denn, so wie ihre Alpen fort und fort
      Dieselben Kräuter nähren, ihre Brunnen
      Gleichförmig fließen, Wolken selbst und Winde
      Den gleichen Strich unwandelbar befolgen,
      So hat die alte Sitte hier vom Ahn
      Zum Enkel unverändert fort bestanden.
      Nicht tragen sie verwegne Neuerung
      Im altgewohnten gleichen Gang des Lebens.
      -- Die harten Hände reichten sie mir dar,
      Von den Wänden langten sie die rost’gen Schwerter,
      Und aus den Augen blitzte freudiges
      Gefühl des Muths, als ich die Namen nannte,
      Die im Gebirg dem Landmann heilig sind,
      Den eurigen und Walther Fürsts -- Was euch
      Recht würde dünken, schworen sie zu thun,
      Euch schworen sie bis in den Tod zu folgen.
      -- So eilt’ ich sicher unterm heil’gen Schirm
      Des Gastrechts von Gehöfte zu Gehöfte --
      Und, als ich kam ins heimatliche Thal,
      Wo mir die Vettern viel verbreitet wohnen --
      Als ich den Vater fand, beraubt und blind,
      Auf fremdem Stroh, von der Barmherzigkeit
      Mildthät’ger Menschen lebend --

  =Stauffacher.=

      Herr im Himmel!

  =Melchthal.=

      Da weint’ ich nicht! Nicht in ohnmächt’gen Thränen
      Goß ich die Kraft des heißen Schmerzens aus;
      In tiefer Brust, wie einen theuren Schatz,
      Verschloß ich ihn und dachte nur auf Thaten.
      Ich kroch durch alle Krümmen des Gebirgs;
      Kein Thal war so versteckt, ich späht’ es aus,
      Bis an der Gletscher eisbedeckten Fuß
      Erwartet’ ich und fand bewohnte Hütten,
      Und überall, wohin mein Fuß mich trug,
      Fand ich den gleichen Haß der Tyrannei;
      Denn bis an diese letzte Grenze selbst
      Belebter Schöpfung, wo der starre Boden
      Aufhört zu geben, raubt der Vögte Geiz --
      Die Herzen alle dieses biedern Volks
      Erregt’ ich mit dem Stachel meiner Worte,
      Und unser sind sie All’ mit Herz und Mund.

  =Stauffacher.=

  Großes habt ihr in kurzer Zeit geleistet.

  =Melchthal.=

      Ich that noch mehr. Die beiden Vesten sind’s,
      +Roßberg+ und +Sarnen+, die der Landmann fürchtet;
      Denn hinter ihren Felsenwällen schirmt
      Der Feind sich leicht und schädiget das Land.
      Mit eignen Augen wollt’ ich es erkunden;
      Ich war zu Sarnen und besah die Burg.

  =Stauffacher.=

  Ihr wagtet euch bis in des Tigers Höhle?

  =Melchthal.=

      Ich war verkleidet dort in Pilgerstracht,
      Ich sah den Landvogt an der Tafel schwelgen --
      Urtheilt, ob ich mein Herz bezwingen kann;
      Ich sah den Feind, und ich erschlug ihn nicht.

  =Stauffacher.=

  Fürwahr, das Glück war eurer Kühnheit hold.

    (Unterdessen sind die andern Landleute vorwärts gekommen und nähern
    sich den Beiden.)

      Doch jetzo sagt mir, wer die Freunde sind
      Und die gerechten Männer, die euch folgten?
      Macht mich bekannt mit ihnen, daß wir uns
      Zutraulich nahen und die Herzen öffnen.

  =Meier.=

      Wer kennte +euch+ nicht, Herr, in den drei Landen?
      Ich bin der Meier von Sarnen; dies hier ist
      Mein Schwestersohn, der Struth von Winkelried.

  =Stauffacher.=

      Ihr nennt mir keinen unbekannten Namen.
      Ein Winkelried war’s, der den Drachen schlug
      Im Sumpf bei Weiler und sein Leben ließ
      In diesem Strauß.

  =Winkelried.=

      Das war mein Ahn, Herr Werner.

  =Melchthal= (zeigt auf zwei Landleute).

      +Die+ wohnen hinterm Wald, sind Klosterleute
      Vom Engelberg -- Ihr werdet sie drum nicht
      Verachten, weil sie +eigne+ Leute sind
      Und nicht, wie wir, frei sitzen auf dem Erbe --
      Sie lieben’s Land, sind sonst auch wohl berufen.

  =Stauffacher= (zu den Beiden).

      Gebt mir die Hand. Es preise sich, wer Keinem
      Mit seinem Leibe pflichtig ist auf Erden;
      Doch Redlichkeit gedeiht in jedem Stande.

  =Konrad Hunn.=

      Das ist Herr Reding, unser Altlandammann.

  =Meier.=

      Ich kenn’ ihn wohl. Er ist mein Widerpart,
      Der um ein altes Erbstück mit mir rechtet.
      -- Herr Reding, wir sind Feinde vor Gericht;
      Hier sind wir einig.

    (Schüttelt ihm die Hand.)

  =Stauffacher.=

      Das ist brav gesprochen.

  =Winkelried.=

      Hört ihr? Sie kommen. Hört das Horn von Uri!

    (Rechts und links sieht man bewaffnete Männer mit Windlichtern die
    Felsen herabsteigen.)

  =Auf der Mauer.=

      Seht! Steigt nicht selbst der fromme Diener Gottes,
      Der würd’ge Pfarrer mit herab? Nicht scheut er
      Des Weges Mühen und das Graun der Nacht,
      Ein treuer Hirte für das Volk zu sorgen.

  =Baumgarten.=

      Der Sigrist folgt ihm und Herr Walther Fürst;
      Doch nicht den Tell erblick’ ich in der Menge.

    =Walther Fürst=, =Rösselmann=, +der Pfarrer+,
    =Petermann=, +der Sigrist+, =Kuoni=, +der
    Hirt+, =Werni=, +der Jäger+, =Ruodi=, +der
    Fischer+, und noch fünf andere =Landleute=. Alle zusammen,
    drei und dreißig an der Zahl, treten vorwärts und stellen sich um
    das Feuer.

  =Walther Fürst.=

      So müssen wir auf unserm eignen Erb’
      Und väterlichen Boden uns verstohlen
      Zusammen schleichen, wie die Mörder thun!
      Und bei der Nacht, die ihren schwarzen Mantel
      Nur dem Verbrechen und der sonnenscheuen
      Verschwörung leihet, unser gutes Recht
      Uns holen, das doch lauter ist und klar,
      Gleichwie der glanzvoll offne Schooß des Tages.

  =Melchthal.=

      Laßt’s gut seyn. Was die dunkle Nacht gesponnen,
      Soll frei und fröhlich an das Licht der Sonnen.

  =Rösselmann.=

      Hört, was mir Gott ins Herz gibt, Eidgenossen!
      Wir stehen hier statt einer Landsgemeinde
      Und können gelten für ein ganzes Volk.
      So laßt uns tagen nach den alten Bräuchen
      Des Lands, wie wir’s in ruhigen Zeiten pflegen;
      Was ungesetzlich ist in der Versammlung,
      Entschuldige die Noth der Zeit. Doch Gott
      Ist überall, wo man das Recht verwaltet,
      Und unter seinem Himmel stehen wir.

  =Stauffacher.=

      Wohl, laßt uns tagen nach der alten Sitte;
      Ist es gleich Nacht, so leuchtet unser Recht.

  =Melchthal.=

      Ist gleich die Zahl nicht voll, das Herz ist hier
      Des ganzen Volks, die +Besten+ sind zugegen.

  =Konrad Hunn.=

      Sind auch die alten Bücher nicht zur Hand,
      Sie sind in unsre Herzen eingeschrieben.

  =Rösselmann.=

      Wohlan, so sey der Ring sogleich gebildet.
      Man pflanze auf die Schwerter der Gewalt!

  =Auf der Mauer.=

      Der Landesammann nehme seinen Platz,
      Und seine Waibel stehen ihm zur Seite!

  =Sigrist.=

      Es sind der Völker dreie. Welchem nun
      Gebührt’s, das Haupt zu geben der Gemeinde?

  =Meier.=

      Um diese Ehr’ mag Schwytz mit Uri streiten;
      Wir Unterwaldner stehen frei zurück.

  =Melchthal.=

      Wir stehn zurück, wir sind die Flehenden,
      Die Hülfe heischen von den mächt’gen Freunden.

  =Stauffacher.=

      So nehme Uri denn das Schwert, sein Banner
      Zieht bei den Römerzügen uns voran.

  =Walther Fürst.=

      Des Schwertes Ehre werde Schwytz zu Theil,
      Denn seines Stammes rühmen wir uns Alle.

  =Rösselmann.=

      Den edlen Wettstreit laßt mich freundlich schlichten:
      Schwytz soll im Rath, Uri im Felde führen.

  =Walther Fürst=

    (reicht dem Stauffacher die Schwerter).

      So nehmt!

  =Stauffacher.=

      Nicht mir, dem Alter sey die Ehre.

  =Im Hofe.=

      Die meisten Jahre zählt Ulrich der Schmid.

  =Auf der Mauer.=

      Der Mann ist wacker, doch nicht freien Stands;
      Kein eigner Mann kann Richter seyn in Schwytz.

  =Stauffacher.=

      Steht nicht Herr Reding hier, der Altlandammann?
      Was suchen wir noch einen Würdigern?

  =Walther Fürst.=

      Er sey der Ammann und des Tages Haupt!
      Wer dazu stimmt, erhebe seine Hände.

    (Alle heben die rechte Hand auf.)

  =Reding= (tritt in die Mitte).

      Ich kann die Hand nicht auf die Bücher legen;
      So schwör’ ich droben bei den ew’gen Sternen,
      Daß ich mich nimmer will vom Recht entfernen.

    (Man richtet die zwei Schwerter vor ihm auf, der Ring bildet sich
    um ihn her, Schwytz hält die Mitte, rechts stellt sich Uri und
    links Unterwalden. Er steht auf sein Schlachtschwert gestützt.)

      Was ist’s, das die drei Völker des Gebirgs
      Hier an des Sees unwirthlichem Gestade
      Zusammenführte in der Geisterstunde?
      Was soll der Inhalt seyn des neuen Bunds,
      Den wir hier unterm Sternenhimmel stiften?

  =Stauffacher= (tritt in den Ring).

      Wir stiften keinen neuen Bund; es ist
      Ein uralt Bündniß nur von Väter Zeit,
      Das wir erneuern! Wisset, Eidgenossen!
      Ob uns der See, ob uns die Berge scheiden,
      Und jedes Volk sich für sich selbst regiert,
      So sind wir +eines+ Stammes doch und Bluts,
      Und +eine+ Heimat ist’s, aus der wir zogen.

  =Winkelried.=

      So ist es wahr, wie’s in den Liedern lautet,
      Daß wir von fern her in das Land gewallt?
      O, theilt’s uns mit, was euch davon bekannt,
      Daß sich der neue Bund am alten stärke.

  =Stauffacher.=

      Hört, was die alten Hirten sich erzählen.
      -- Es war ein großes Volk, hinten im Lande
      Nach Mitternacht, das litt von schwerer Theurung.
      In dieser Noth beschloß die Landsgemeinde,
      Daß je der zehnte Bürger nach dem Loos
      Der Väter Land verlasse -- Das geschah!
      Und zogen aus wehklagend, Männer und Weiber,
      Ein großer Heerzug nach der Mittagssonne,
      Mit dem Schwert sich schlagend durch das deutsche Land,
      Bis an das Hochland dieser Waldgebirge;
      Und eher nicht ermüdete der Zug,
      Bis daß sie kamen in das wilde Thal,
      Wo jetzt die Muotta zwischen Wiesen rinnt --
      Nicht Menschenspuren waren hier zu sehen,
      Nur eine Hütte stand am Ufer einsam.
      Da saß ein Mann und wartete der Fähre --
      Doch heftig wogete der See und war
      Nicht fahrbar; da besahen sie das Land
      Sich näher und gewahrten schöne Fülle
      Des Holzes und entdeckten gute Brunnen,
      Und meinten, sich im lieben Vaterland
      Zu finden -- Da beschlossen sie zu bleiben,
      Erbaueten den alten Flecken +Schwytz+
      Und hatten manchen sauren Tag, den Wald
      Mit weit verschlungnen Wurzeln auszuroden --
      Drauf, als der Boden nicht mehr Gnügen that
      Der Zahl des Volks, da zogen sie hinüber.
      Zum schwarzen Berg, ja, bis ans Weißland hin,
      Wo hinter ew’gem Eiseswall verborgen,
      Ein andres Volk in andern Zungen spricht.
      Den Flecken +Stanz+ erbauten sie am Kernwald,
      Den Flecken +Altorf+ in dem Thal der Reuß --
      Doch blieben sie des Ursprungs stets gedenk;
      Aus all’ den fremden Stämmen, die seitdem
      In Mitte ihres Lands sich angesiedelt,
      Finden die Schwytzer Männer sich heraus,
      Es gibt das Herz, das Blut sich zu erkennen.

    (Reicht rechts und links die Hand hin.)

  =Auf der Mauer.=

      Ja, wir sind +eines+ Herzens, +eines+ Bluts!

  =Alle= (sich die Hände reichend).

      Wir sind ein +Volk+, und einig wollen wir handeln.

  =Stauffacher.=

      Die andern Völker tragen fremdes Joch,
      Sie haben sich dem Sieger unterworfen.
      Es leben selbst in unsern Landesmarken
      Der Sassen viel, die fremde Pflichten tragen,
      Und ihre Knechtschaft erbt auf ihre Kinder.
      Doch +wir+, der alten Schweizer echter Stamm,
      Wir haben stets die Freiheit uns bewahrt.
      Nicht unter Fürsten bogen wir das Knie,
      Freiwillig wählten wir den Schirm der Kaiser.

  =Rösselmann.=

      Frei wählten wir des Reiches Schutz und Schirm;
      So steht’s bemerkt in Kaiser Friedrichs Brief.

  =Stauffacher.=

      Denn herrenlos ist auch der Freiste nicht.
      Ein Oberhaupt muß seyn, ein höchster Richter,
      Wo man das Recht mag schöpfen in dem Streit.
      Drum haben unsre Väter für den Boden,
      Den sie der alten Wildniß abgewonnen,
      Die Ehr’ gegönnt dem Kaiser, der den Herrn
      Sich nennt der deutschen und der wälschen Erde,
      Und, wie die andern Freien seines Reichs,
      Sich ihm zu edlem Waffendienst gelobt;
      Denn dieses ist der Freien einz’ge Pflicht,
      Das Reich zu schirmen, das sie selbst beschirmt.

  =Melchthal.=

      Was drüber ist, ist Merkmal eines Knechts.

  =Stauffacher.=

      Sie folgten, wenn der Heribann erging,
      Dem Reichspanier und schlugen seine Schlachten.
      Nach Welschland zogen sie gewappnet mit,
      Die Römerkron’ ihm auf das Haupt zu setzen.
      Daheim regierten sie sich fröhlich selbst
      Nach altem Brauch und eigenem Gesetz;
      Der höchste Blutbann war allein des Kaisers.
      Und dazu ward bestellt ein großer Graf,
      Der hatte seinen Sitz nicht in dem Lande.
      Wenn Blutschuld kam, so rief man ihn herein,
      Und unter offnem Himmel schlicht und klar,
      Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menschen.
      Wo sind hier Spuren, daß wir Knechte sind?
      Ist einer, der es anders weiß, der rede!

  =Im Hofe.=

      Nein, so verhält sich Alles, wie ihr sprecht,
      Gewaltherrschaft ward nie bei uns geduldet.

  =Stauffacher.=

      Dem Kaiser selbst versagten wir Gehorsam,
      Da er das Recht zu Gunst der Pfaffen bog.
      Denn, als die Leute von dem Gotteshaus
      +Einsiedeln+ uns die Alp in Anspruch nahmen,
      Die wir beweidet seit der Väter Zeit,
      Der Abt herfürzog einen alten Brief,
      Der ihm die herrenlose Wüste schenkte --
      Denn unser Daseyn hatte man verhehlt --
      Da sprachen wir: „Erschlichen ist der Brief!
      Kein Kaiser kann, was unser ist, verschenken;
      Und, wird uns Recht versagt vom Reich, wir können
      In unsern Bergen auch des Reichs entbehren.“
      -- So sprachen unsre Väter! Sollen +wir+
      Des neuen Joches Schändlichkeit erdulden,
      Erleiden von dem fremden Knecht, was uns
      In seiner Macht kein Kaiser durfte bieten?
      -- Wir haben diesen Boden uns +erschaffen+
      Durch unsrer Hände Fleiß, den alten Wald,
      Der sonst der Bären wilde Wohnung war,
      Zu einem Sitz für Menschen umgewandelt;
      Die Brut des Drachen haben wir getödtet,
      Der aus den Sümpfen giftgeschwollen stieg;
      Die Nebeldecke haben wir zerrissen,
      Die ewig grau um diese Wildniß hing,
      Den harten Fels gesprengt, über den Abgrund
      Dem Wandersmann den sichern Steg geleitet;
      Unser ist durch tausendjährigen Besitz
      Der Boden -- und der fremde Herrenknecht
      Soll kommen dürfen und uns Ketten schmieden,
      Und Schmach anthun auf unsrer eignen Erde?
      Ist keine Hülfe gegen solchen Drang?

    (Eine große Bewegung unter den Landleuten.)

      Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht.
      Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
      Wenn unerträglich wird die Last -- greift er
      Hinauf getrosten Muthes in den Himmel
      Und holt herunter seine ew’gen Rechte,
      Die droben hangen unveräußerlich
      Und unzerbrechlich, wie die Sterne selbst --
      Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,
      Wo Mensch dem Menschen gegenüber steht --
      Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
      Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben --
      Der Güter höchstes dürfen wir vertheid’gen
      Gegen Gewalt -- Wir stehn für unser Land,
      Wir stehn für unsre Weiber, unsre Kinder!

  =Alle= (an ihre Schwerter schlagend).

      Wir stehn für unsre Weiber, unsre Kinder!

  =Rösselmann= (tritt in den Ring).

      Eh’ ihr zum Schwerte greift, bedenkt es wohl!
      Ihr könnt es friedlich mit dem Kaiser schlichten.
      Es kostet euch ein Wort, und die Tyrannen,
      Die euch jetzt schwer bedrängen, schmeicheln euch.
      -- Ergreift, was man euch oft geboten hat,
      Trennt euch vom Reich, erkennet Oestreichs Hoheit --

  =Auf der Mauer.=

      Was sagt der Pfarrer? Wir zu Oestreich schwören!

  =Am Bühel.=

      Hört ihn nicht an!

  =Winkelried.=

                         Das räth uns ein Verräther,
      Ein Feind des Landes!

  =Reding.=

      Ruhig, Eidgenossen!

  =Sewa.=

      Wir Oestreich huldigen, nach solcher Schmach!

  =Von der Flüe.=

      Wir uns abtrotzen lassen durch Gewalt,
      Was wir der Güte weigerten!

  =Meier.=

                                  Dann wären
      Wir Sklaven und verdienten, es zu seyn!

  =Auf der Mauer.=

      Der sey gestoßen aus dem Recht der Schweizer,
      Wer von Ergebung spricht an Oesterreich!
      -- Landammann, ich bestehe drauf: Dies sey
      Das erste Landsgesetz, das wir hier geben.

  =Melchthal.=

      So sey’s. Wer von Ergebung spricht an Oesterreich,
      Soll rechtlos seyn und aller Ehren baar,
      Kein Landmann nehm’ ihn auf an seinem Feuer.

  =Alle= (heben die rechte Hand auf).

      Wir wollen es, das sey Gesetz!

  =Reding= (nach einer Pause).

      Es ist’s.

  =Rösselmann.=

      Jetzt seyd ihr frei, ihr seyd’s durch dies Gesetz.
      Nicht durch Gewalt soll Oesterreich ertrotzen,
      Was es durch freundlich Werben nicht erhielt --

  =Jost von Weiler.=

      Zur Tagesordnung, weiter!

  =Reding.=

                                Eidgenossen!
      Sind alle sanften Mittel auch versucht?
      Vielleicht weiß es der König nicht; es ist
      Wohl gar sein Wille nicht, was wir erdulden.
      Auch dieses Letzte sollten wir versuchen,
      Erst unsre Klage bringen vor sein Ohr,
      Eh wir zum Schwerte greifen. Schrecklich immer,
      Auch in gerechter Sache, ist Gewalt.
      Gott hilft nur dann, wenn Menschen nicht mehr helfen.

  =Stauffacher= (zu Konrad Hunn).

      Nun ist’s an euch, Bericht zu geben. Redet.

  =Konrad Hunn.=

      Ich war zu Rheinfeld an des Kaisers Pfalz,
      Wider der Vögte harten Druck zu klagen.
      Den Brief zu holen unsrer alten Freiheit,
      Den jeder neue König sonst bestätigt.
      Die Boten vieler Städte fand ich dort,
      Vom schwäb’schen Lande und vom Lauf des Rheins,
      Die all’ erhielten ihre Pergamente
      Und kehrten freudig wieder in ihr Land.
      Mich, euren Boten, wies man die Räthe,
      Und die entließen mich mit leerem Trost:
      „Der Kaiser habe diesmal keine Zeit;
      Er würde sonst einmal wohl an uns denken.“
      -- Und, als ich traurig durch die Säle ging
      Der Königsburg, da sah ich Herzog Hansen
      In einem Erker weinend stehn, um ihn
      Die edeln Herrn von Wart und Tegerfeld,
      Die riefen mir und sagten: „Helft euch selbst!
      Gerechtigkeit erwartet nicht vom König.
      Beraubt er nicht des eignen Bruders Kind,
      Und hinterhält ihm sein gerechtes Erbe?
      Der Herzog fleht ihn um sein Mütterliches,
      Er habe seine Jahre voll, es wäre
      Nun Zeit, auch Land und Leute zu regieren. --
      Was ward ihm zum Bescheid? ein Kränzlein setzt’ ihm
      Der Kaiser auf: Das sey die Zier der Jugend.“

  =Auf der Mauer.=

      Ihr habt’s gehört. Recht und Gerechtigkeit
      Erwartet nicht vom Kaiser! Helft euch selbst!

  =Reding.=

      Nichts Andres bleibt uns übrig. Nun gebt Rath,
      Wie wir es klug zum frohen Ende leiten.

  =Walther Fürst= (tritt in den Ring).

      Abtreiben wollen wir verhaßten Zwang;
      Die alten Rechte, wie wir sie ererbt
      Von unsern Vätern, wollen wir bewahren,
      Nicht ungezügelt nach dem Neuen greifen.
      Dem Kaiser bleibe, was des Kaisers ist;
      Wer einen Herrn hat, dien’ ihm pflichtgemäß.

  =Meier.=

      Ich trage Gut von Oesterreich zu Lehen.

  =Walther Fürst.=

      Ihr fahret fort, Oestreich die Pflicht zu leisten.

  =Jost von Weiler.=

      Ich steure an die Herrn von Rappersweil.

  =Walther Fürst.=

      Ihr fahret fort, zu zinsen und zu steuern.

  =Rösselmann.=

      Der großen Frau zu Zürich bin ich vereidet.

  =Walther Fürst.=

      Ihr gebt dem Kloster, was des Klosters ist.

  =Stauffacher.=

      Ich trage keine Lehen, als des Reichs.

  =Walther Fürst.=

      Was seyn muß, das geschehe, doch nicht drüber.
      Die Vögte wollen wir mit ihren Knechten
      Verjagen und die festen Schlösser brechen;
      Doch, wenn es seyn mag, ohne Blut. Es sehe
      Der Kaiser, daß wir nothgedrungen nur
      Der Ehrfurcht fromme Pflichten abgeworfen.
      Und, sieht er uns in unsern Schranken bleiben,
      Vielleicht besiegt er staatsklug seinen Zorn;
      Denn bill’ge Furcht erwecket sich ein Volk,
      Das mit dem Schwerte in der Faust sich +mäßigt+.

  =Reding.=

      Doch lasset hören, +wie+ vollenden wir’s?
      Es hat der Feind die Waffen in der Hand,
      Und nicht fürwahr in Frieden wird er weichen.

  =Stauffacher.=

      Er wird’s, wenn er in Waffen uns erblickt;
      Wir überraschen ihn, eh’ er sich rüstet.

  =Meier.=

      Ist bald gesprochen, aber schwer gethan.
      Uns ragen in dem Land zwei feste Schlösser,
      Die geben Schirm dem Feind und werden furchtbar,
      Wenn uns der König in das Land sollt’ fallen.
      Roßberg und Sarnen muß bezwungen seyn,
      Eh man ein Schwert erhebt in den drei Landen.

  =Stauffacher.=

      Säumt man so lang, so wird der Feind gewarnt;
      Zu Viele sind’s, die das Geheimniß theilen.

  =Meier.=

      In den Waldstätten find’t sich kein Verräther.

  =Rösselmann.=

      Der Eifer auch, der gute, kann verrathen.

  =Walther Fürst.=

      Schiebt man es auf, so wird der Twing vollendet
      In Altorf, und der Vogt befestigt sich.

  =Meier.=

      Ihr denkt an +euch+.

  =Sigrist.=

      Und ihr seyd ungerecht.

  =Meier= (auffahrend).

      Wir ungerecht! Das darf uns Uri bieten!

  =Reding.=

      Bei eurem Eide, Ruh!

  =Meier.=

                           Ja, wenn sich Schwytz
      Versteht mit Uri, müssen +wir+ wohl schweigen.

  =Reding.=

      Ich muß euch weisen vor der Landsgemeinde,
      Daß ihr mit heft’gem Sinn den Frieden stört!
      Stehn wir nicht Alle für dieselbe Sache?

  =Winkelried.=

      Wenn wir’s verschieben bis zum Fest des Herrn,
      Dann bringt’s die Sitte mit, daß alle Sassen
      Dem Vogt Geschenke bringen auf das Schloß.
      So können zehen Männer oder zwölf
      Sich unverdächtig in der Burg versammeln,
      Die führen heimlich spitz’ge Eisen mit,
      Die man geschwind kann an die Stäbe stecken,
      Denn Niemand kommt mit Waffen in die Burg.
      Zunächst im Wald hält dann der große Haufe,
      Und, wenn die Andern glücklich sich des Thors
      Ermächtiget, so wird ein Horn geblasen,
      Und jene brechen aus dem Hinterhalt.
      So wird das Schloß mit leichter Arbeit unser.

  =Melchthal.=

      Den Roßberg übernehm’ ich zu ersteigen,
      Denn eine Dirn’ des Schlosses ist mir hold,
      Und leicht bethör’ ich sie, zum nächtlichen
      Besuch die schwanke Leiter mir zu reichen;
      Bin ich droben erst, zieh’ ich die Freunde nach.

  =Reding.=

      Ist’s Aller Wille, daß verschoben werde?

    (Die Mehrheit erhebt die Hand.)

  =Stauffacher= (zählt die Stimmen).

      Es ist ein Mehr von Zwanzig gegen Zwölf.

  =Walther Fürst.=

      Wenn am bestimmten Tag die Burgen fallen,
      So geben wir von einem Berg zum andern
      Das Zeichen mit dem Rauch; der Landsturm wird
      Aufgeboten, schnell, im Hauptort jedes Landes;
      Wenn dann die Vögte sehn der Waffen Ernst,
      Glaubt mir, sie werden sich des Streits begeben,
      Und gern ergreifen friedliches Geleit,
      Aus unsern Landesmarken zu entweichen.

  =Stauffacher.=

      Nur mit dem Geßler fürcht’ ich schweren Stand,
      Furchtbar ist er mit Reisigen umgeben;
      Nicht ohne Blut räumt er das Feld, ja, selbst
      Vertrieben bleibt er furchtbar noch dem Land.
      Schwer ist’s und fast gefährlich, ihn zu schonen.

  =Baumgarten.=

      Wo’s halsgefährlich ist, da stellt +mich+ hin!
      Dem Tell verdank’ ich mein gerettet Leben.
      Gern schlag’ ich’s in die Schanze für das Land,
      Mein’ Ehr’ hab’ ich beschützt, mein Herz befriedigt.

  =Reding.=

      Die Zeit bringt Rath. Erwartet’s in Geduld.
      Man muß dem Augenblick auch was vertrauen.
      -- Doch seht, indeß wir nächtlich hier noch tagen,
      Stellt auf den höchsten Bergen schon der Morgen
      Die glüh’nde Hochwacht aus -- Kommt, laßt uns scheiden,
      Eh uns des Tages Leuchten überrascht.

  =Walther Fürst.=

      Sorgt nicht, die Nacht weicht langsam aus den Thälern.

    (Alle haben unwillkürlich die Hüte abgenommen und betrachten mit
    stiller Sammlung die Morgenröthe.)

  =Rösselmann.=

      Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüßt
      Von allen Völkern, die tief unter uns
      Schwer athmend wohnen in dem Qualm der Städte,
      Laßt uns den Eid des neuen Bundes schwören.
      -- Wir wollen seyn ein einzig Volk von Brüdern,
      In keiner Noth uns trennen und Gefahr.

    (Alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern.)

      Wir wollen frei seyn, wie die Väter waren,
      Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.

    (Wie oben.)

      -- Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
      Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.

    (Wie oben. Die Landleute umarmen einander.)

  =Stauffacher.=

      Jetzt gehe Jeder seines Weges still
      Zu seiner Freundschaft und Genoßsame.
      Wer Hirt ist, wintre ruhig seine Heerde
      Und werb im Stillen Freunde für den Bund.
      -- +Was+ noch bis dahin muß erduldet werden,
      Erduldet’s! Laßt die Rechnung der Tyrannen
      Anwachsen, bis +ein+ Tag die allgemeine
      Und die besondere Schuld auf einmal zahlt.
      Bezähme Jeder die gerechte Wuth,
      Und spare für das Ganze seine Rache;
      Denn Raub begeht am allgemeinen Gut,
      Wer selbst sich hilft in seiner eignen Sache.

    (Indem sie zu drei verschiedenen Seiten in größter Ruhe abgehen,
    fällt das Orchester mit einem prachtvollen Schwung ein; die leere
    Scene bleibt noch eine Zeit lang offen und zeigt das Schauspiel der
    aufgehenden Sonne über den Eisgebirgen.)




  Dritter Aufzug.


  Erste Scene.

    +Hof vor Tells Hause.+

    =Tell= ist mit der Zimmeraxt, =Hedwig= mit einer
    häuslichen Arbeit beschäftigt. =Walther= und =Wilhelm= in
    der Tiefe spielen mit einer kleinen Armbrust.

  =Walther= (singt).

      Mit dem Pfeil, dem Bogen,
      Durch Gebirg’ und Thal,
      Kommt der Schütz gezogen
      Früh am Morgenstrahl.

      Wie im Reich der Lüfte
      König ist der Weih --
      Durch Gebirg und Klüfte
      Herrscht der Schütze frei.

      Ihm gehört das Weite;
      Was sein Pfeil erreicht,
      Das ist seine Beute,
      Was da kreucht und fleugt.

    (Kommt gesprungen.)

  Der Strang ist mir entzwei. Mach mir ihn, Vater.

  =Tell.=

  Ich nicht. Ein rechter Schütze hilft sich selbst.

    (Knaben entfernen sich.)

  =Hedwig.=

  Die Knaben fangen zeitig an zu schießen.

  =Tell.=

  Früh übt sich, was ein Meister werden will.

  =Hedwig.=

  Ach, wollte Gott, sie lernten’s nie!

  =Tell.=

      Sie sollen Alles lernen. Wer durch’s Leben
      Sich frisch will schlagen, muß zu Schutz und Trutz
      Gerüstet seyn.

  =Hedwig.=

                     Ach, es wird keiner seine Ruh
      Zu Hause finden.

  =Tell.=

                       Mutter, ich kann’s auch nicht.
      Zum Hirten hat Natur mich nicht gebildet;
      Rastlos muß ich ein flüchtig Ziel verfolgen.
      Dann erst genieß’ ich meines Lebens recht,
      Wenn ich mir’s jeden Tag auf’s neu’ erbeute.

  =Hedwig.=

      Und an die Angst der Hausfrau denkst du nicht,
      Die sich indessen, deiner wartend, härmt.
      Denn mich erfüllt’s mit Grausen, was die Knechte
      Von euren Wagefahrten sich erzählen.
      Bei jedem Abschied zittert mir das Herz,
      Daß du mir nimmer werdest wiederkehren.
      Ich sehe dich, im wilden Eisgebirg
      Verirrt, von einer Klippe zu der andern
      Den Fehlsprung thun, seh’, wie die Gemse dich
      Rückspringend mit sich in den Abgrund reißt,
      Wie eine Windlawine dich verschüttet,
      Wie unter dir der trügerische Firn
      Einbricht, und du hinabsinkst, ein lebendig
      Begrabner, in die schauerliche Gruft --
      Ach, den verwegnen Alpenjäger hascht
      Der Tod in hundert wechselnden Gestalten!
      Das ist ein unglückseliges Gewerb’,
      Das halsgefährlich führt am Abgrund hin!

  =Tell.=

      Wer frisch umherspäht mit gesunden Sinnen,
      Auf Gott vertraut und die gelenke Kraft,
      Der ringt sich leicht aus jeder Fahr und Noth;
      Den schreckt der Berg nicht, der darauf geboren.

    (Er hat seine Arbeit vollendet, legt das Geräth hinweg.)

      Jetzt, mein’ ich, hält das Thor auf Jahr und Tag.
      Die Axt im Haus erspart den Zimmermann.

    (Nimmt den Hut.)

  =Hedwig.=

      Wo gehst du hin?

  =Tell.=

      Nach Altorf zu dem Vater.

  =Hedwig.=

      Sinnst du auch nichts Gefährliches? Gesteh mir’s!

  =Tell.=

      Wie kommst du darauf, Frau?

  =Hedwig.=

                                  Es spinnt sich Etwas
      Gegen die Vögte -- Auf dem Rütli ward
      Getagt, ich weiß, und du bist auch im Bunde.

  =Tell.=

      Ich war nicht mit dabei -- doch werd’ ich mich
      Dem Lande nicht entziehen, wenn es ruft.

  =Hedwig.=

      Sie werden dich hinstellen, wo Gefahr ist;
      Das Schwerste wird dein Antheil seyn, wie immer.

  =Tell.=

      Ein Jeder wird besteuert nach Vermögen.

  =Hedwig.=

      Den Unterwaldner hast du auch im Sturme
      Ueber den See geschafft -- Ein Wunder war’s,
      Daß ihr entkommen -- Dachtest du denn gar nicht
      An Kind und Weib?

  =Tell.=

                        Lieb Weib, ich dacht’ an euch;
      Drum rettet’ ich den Vater seinen Kindern.

  =Hedwig.=

      Zu schiffen in dem wüth’gen See! Das heißt
      Nicht Gott vertrauen! Das heißt Gott versuchen!

  =Tell.=

      Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten.

  =Hedwig.=

      Ja, du bist gut und hülfreich, dienest Allen,
      Und, wenn du selbst in Noth kommst, hilft dir Keiner.

  =Tell.=

      Verhüt’ es Gott, daß ich nicht Hülfe brauche!

    (Er nimmt die Armbrust und Pfeile.)

  =Hedwig.=

      Was willst du mit der Armbrust? Laß sie hier!

  =Tell.=

      Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waffe fehlt.

    (Die Knaben kommen zurück.)

  =Walther.=

      Vater, wo gehst du hin?

  =Tell.=

                              Nach Altorf, Knabe,
      Zum Ehni -- Willst du mit?

  =Walther.=

      Ja, freilich will ich.

  =Hedwig.=

      Der Landvogt ist jetzt dort. Bleib weg von Altorf.

  =Tell.=

      Er +geht+, noch heute.

  =Hedwig.=

                           Drum laß ihn erst fort seyn.
      Gemahn’ ihn nicht an dich, du weißt, er grollt uns.

  =Tell.=

      Mir soll sein böser Wille nicht viel schaden.
      Ich thue recht und scheue keinen Feind.

  =Hedwig.=

      Die recht thun, eben die haßt er am meisten.

  =Tell.=

      Weil er nicht an sie kommen kann -- +Mich+ wird
      Der Ritter wohl in Frieden lassen, mein’ ich.

  =Hedwig.=

      So, weißt du das?

  =Tell.=

                        Es ist nicht lange her,
      Da ging ich jagen durch die wilden Gründe
      Des Schächenthals auf menschenleerer Spur,
      Und, da ich einsam einen Felsensteig
      Verfolgte, wo nicht auszuweichen war,
      Denn über mir hing schroff die Felswand her,
      Und unten rauschte fürchterlich der Schächen,

    (Die Knaben drängen sich rechts und links an ihn und sehen mit
    gespannter Neugier an ihm hinauf.)

      Da kam der Landvogt gegen mich daher,
      Er ganz allein mit mir, der auch allein war,
      Bloß Mensch zu Mensch, und neben uns der Abgrund.
      Und, als der Herre mein ansichtig ward
      Und mich erkannte, den er kurz zuvor
      Um kleiner Ursach willen schwer gebüßt,
      Und sah mich mit dem stattlichen Gewehr
      Daher geschritten kommen, da verblaßt’ er,
      Die Knie versagten ihm, ich sah es kommen,
      Daß er jetzt an die Felswand würde sinken.
      -- Da jammerte mich sein, ich trat zu ihm
      Bescheidentlich und sprach: Ich bin’s, Herr Landvogt.
      Er aber konnte keinen armen Laut
      Aus seinem Munde geben -- Mit der Hand nur
      Winkt’ er mir schweigend, meines Wegs zu gehn;
      Da ging ich fort, und sandt’ ihm sein Gefolge.

  =Hedwig.=

      Er hat vor dir gezittert -- Wehe dir!
      Daß du ihn schwach gesehn, vergibt er nie.

  =Tell.=

      Drum meid’ ich ihn, und er wird +mich+ nicht suchen.

  =Hedwig.=

      Bleib heute nur dort weg! Geh lieber jagen!

  =Tell.=

      Was fällt dir ein?

  =Hedwig.=

      Mich ängstigt’s. Bleibe weg.

  =Tell.=

      Wie kannst du dich so ohne Ursach quälen?

  =Hedwig.=

      +Weil’s+ keine Ursach hat -- Tell, bleibe hier.

  =Tell.=

      Ich hab’s versprochen, liebes Weib, zu kommen.

  =Hedwig.=

      +Mußt du+, so geh -- nur lasse mir den Knaben!

  =Walther.=

      Nein, Mütterchen. Ich gehe mit dem Vater.

  =Hedwig.=

      Wälty, verlassen willst du deine Mutter?

  =Walther.=

      Ich bring dir auch was Hübsches mit vom Ehni.

    (Geht mit dem Vater.)

  =Wilhelm.=

      Mutter, ich bleibe bei dir!

  =Hedwig= (umarmt ihn).

                                  Ja, du bist
      Mein liebes Kind, du bleibst mir noch allein!

    (Sie geht an das Hofthor und folgt den Abgehenden lange mit den
    Augen.)


  Zweite Scene.

    +Eine eingeschlossene wilde Waldgegend, Staubbäche stürzen von
    den Felsen.+

    =Bertha= im Jagdkleid. Gleich darauf =Rudenz=.

  =Bertha.=

      Er folgt mir. Endlich kann ich mich erklären.

  =Rudenz= (tritt rasch ein).

      Fräulein, jetzt endlich find’ ich euch allein.
      Abgründe schließen rings umher uns ein;
      In dieser Wildniß fürcht’ ich keinen Zeugen,
      Vom Herzen wälz’ ich dieses lange Schweigen --

  =Bertha.=

      Seyd ihr gewiß, daß uns die Jagd nicht folgt?

  =Rudenz.=

      Die Jagd ist dort hinaus -- Jetzt oder nie!
      Ich muß den theuren Augenblick ergreifen --
      Entschieden sehen muß ich mein Geschick,
      Und sollt’ es mich auf ewig von euch scheiden.
      -- O, waffnet eure güt’gen Blicke nicht
      Mit dieser finstern Strenge -- Wer bin ich,
      Daß ich den kühnen Wunsch zu euch erhebe?
      Mich hat der Ruhm noch nicht genannt; ich darf
      Mich in die Reih’ nicht stellen mit den Rittern,
      Die siegberühmt und glänzend euch umwerben.
      Nichts hab’ ich, als mein Herz von Treu und Liebe. --

  =Bertha= (ernst und streng).

      Dürft ihr von Liebe reden und von Treue,
      Der treulos wird an seinen nächsten Pflichten?

    (Rudenz tritt zurück.)

      Der Sklave Oesterreichs, der sich dem Fremdling
      Verkauft, dem Unterdrücker seines Volks?

  =Rudenz.=

      Von euch, mein Fräulein, hör’ ich diesen Vorwurf?
      Wen such’ ich denn, als euch, auf jener Seite?

  =Bertha.=

      Mich denkt ihr auf der Seite des Verraths
      Zu finden? Eher wollt’ ich meine Hand
      Dem Geßler selbst, dem Unterdrücker, schenken,
      Als dem naturvergessnen Sohn der Schweiz,
      Der sich zu seinem Werkzeug machen kann!

  =Rudenz.=

  O Gott, was muß ich hören?

  =Bertha.=

                                 Wie? Was liegt
      Dem guten Menschen näher, als die Seinen?
      Gibt’s schönre Pflichten für ein edles Herz,
      Als ein Vertheidiger der Unschuld seyn,
      Das Recht der Unterdrückten zu beschirmen?
      -- Die Seele blutet mir um euer Volk;
      Ich leide +mit+ ihm, denn ich muß es lieben,
      Das so bescheiden ist und doch voll Kraft;
      Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin;
      Mit jedem Tage lern’ ich’s mehr verehren.
      -- Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht
      Ihm zum geborenen Beschützer gaben,
      Und der’s +verläßt+, der treulos übertritt
      Zum Feind und Ketten schmiedet seinem Land,
      Ihr seyd’s, der mich verletzt und kränkt; ich muß
      Mein Herz bezwingen, daß ich euch nicht hasse.

  =Rudenz.=

      Will ich denn nicht das Beste meines Volks?
      Ihm unter Oestreichs mächt’gem Scepter nicht
      Den Frieden --

  =Bertha.=

                     Knechtschaft wollt ihr ihm bereiten!
      Die Freiheit wollt ihr aus dem letzten Schloß,
      Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen.
      Das Volk versteht sich besser auf sein Glück;
      Kein Schein verführt sein sicheres Gefühl,
      Euch haben sie das Netz um’s Haupt geworfen --

  =Rudenz.=

      Bertha! Ihr haßt mich, ihr verachtet mich!

  =Bertha.=

      Thät’ ich’s, mir wäre besser -- Aber den
      Verachtet +sehen+ und verachtungswerth,
      Den man gern lieben möchte --

  =Rudenz.=

                                    Bertha! Bertha!
      Ihr zeiget mir das höchste Himmelsglück
      Und stürzt mich tief in +einem+ Augenblick.

  =Bertha.=

      Nein, nein! das Edle ist nicht ganz erstickt
      In euch! Es schlummert nur, ich will es wecken;
      Ihr müßt Gewalt ausüben an euch selbst,
      Die angestammte Tugend zu ertödten;
      Doch, wohl euch! sie ist mächtiger, als ihr,
      Und trotz euch selber seyd ihr gut und edel!

  =Rudenz.=

      Ihr glaubt an mich? O Bertha, Alles läßt
      Mich eure Liebe seyn und werden!

  =Bertha.=

                                       Seyd,
      Wozu die herrliche Natur euch machte!
      Erfüllt den Platz, wohin sie euch gestellt!
      Zu eurem Volke steht und eurem Lande,
      Und kämpft für euer heilig Recht!

  =Rudenz.=

                                        Weh mir!
      Wie kann ich euch erringen, euch besitzen,
      Wenn ich der Macht des Kaisers widerstrebe?
      Ist’s der Verwandten mächt’ger Wille nicht,
      Der über eure Hand tyrannisch waltet?

  =Bertha.=

      In den Waldstätten liegen meine Güter,
      Und, ist der Schweizer frei, so bin auch ich’s.

  =Rudenz.=

      Bertha, welch einen Blick thut ihr mir auf!

  =Bertha.=

      Hofft nicht durch Oestreichs Gunst mich zu erringen;
      Nach meinem Erbe strecken sie die Hand,
      Das will man mit dem großen Erb’ vereinen.
      Dieselbe Ländergier, die eure Freiheit
      Verschlingen will, sie drohet auch der meinen!
      -- O Freund, zum Opfer bin ich ausersehn,
      Vielleicht, um einen Günstling zu belohnen --
      Dort, wo die Falschheit und die Ränke wohnen,
      Hin an den Kaiserhof will man mich ziehn;
      Dort harren mein verhaßter Ehe Ketten;
      Die Liebe nur -- die eure kann mich retten!

  =Rudenz.=

      Ihr könntet euch entschließen, hier zu leben,
      In meinem Vaterlande mein zu seyn?
      O Bertha, all’ mein Sehnen in die Weite,
      Was war es, als ein Streben nur nach euch?
      Euch sucht’ ich einzig auf dem Weg des Ruhms,
      Und all mein Ehrgeiz war nur meine Liebe.
      Könnt ihr mit mir euch in das stille Thal
      Einschließen und der Erde Glanz entsagen --
      O, dann ist meines Strebens Ziel gefunden;
      Dann mag der Strom der wildbewegten Welt
      Ans sichre Ufer dieser Berge schlagen --
      Kein flüchtiges Verlangen hab’ ich mehr
      Hinaus zu senden in des Lebens Weiten --
      Dann mögen diese Felsen um uns her
      Die undurchdringlich feste Mauer breiten,
      Und dieß verschloßne sel’ge Thal allein
      Zum Himmel offen und gelichtet seyn!

  =Bertha.=

      Jetzt bist du ganz, wie dich mein ahnend Herz
      Geträumt, mich hat mein Glaube nicht betrogen!

  =Rudenz.=

      Fahr hin, du eitler Wahn, der mich bethört!
      Ich soll das Glück in meiner Heimat finden.
      Hier, wo der Knabe fröhlich aufgeblüht,
      Wo tausend Freudespuren mich umgeben,
      Wo alle Quellen mir und Bäume leben,
      Im Vaterland willst du die Meine werden!
      Ach, wohl hab’ ich es stets geliebt! Ich fühl’s,
      Es fehlte mir zu jedem Glück der Erden.

  =Bertha.=

      Wo wär’ die sel’ge Insel aufzufinden,
      Wenn sie nicht hier ist, in der Unschuld Land,
      Hier, wo die alte Treue heimisch wohnt,
      Wo sich die Falschheit noch nicht hingefunden?
      Da trübt kein Neid die Quelle unsers Glücks,
      Und ewig hell entfliehen uns die Stunden.
      -- Da seh’ ich +dich+ im echten Männerwerth,
      Den Ersten von den Freien und den Gleichen,
      Mit reiner, freier Huldigung verehrt,
      Groß, wie ein König wirkt in seinen Reichen.

  =Rudenz.=

      Da seh’ ich +dich+, die Krone aller Frauen,
      In weiblich reizender Geschäftigkeit,
      In meinem Haus den Himmel mir erbauen
      Und, wie der Frühling seine Blumen streut,
      Mit schöner Anmuth mir das Leben schmücken
      Und Alles rings beleben und beglücken!

  =Bertha.=

      Sieh, theurer Freund, warum ich trauerte,
      Als ich dies höchste Lebensglück dich selbst
      Zerstören sah -- Weh mir! Wie ständ’s um mich,
      Wenn ich dem stolzen Ritter müßte folgen,
      Dem Landbedrücker, auf sein finstres Schloß!
      -- Hier ist kein Schloß. Mich scheiden keine Mauern
      Von einem Volk, das ich beglücken kann!

  =Rudenz.=

      Doch wie mich retten -- wie die Schlinge lösen,
      Die ich mir thöricht selbst ums Haupt gelegt?

  =Bertha.=

      Zerreiße sie mit männlichem Entschluß.
      Was auch draus werde -- steh zu deinem Volk!
      Es ist dein angeborner Platz.

    (Jagdhörner in der Ferne.)

  =Bertha.=

                                    Die Jagd
      Kommt näher -- fort, wir müssen scheiden -- Kämpfe
      Fürs Vaterland, du kämpfst für deine Liebe!
      Es ist +ein+ Feind, vor dem wir alle zittern,
      Und +eine+ Freiheit macht uns Alle frei!

    (Gehen ab.)


  Dritte Scene.

    +Wiese bei Altorf.+

    Im Vordergrunde Bäume, in der Tiefe der Hut auf einer Stange.
    Der Prospekt wird begränzt durch den Bannberg, über welchem ein
    Schneegebirg emporragt.

    =Frießhardt= und =Leuthold= halten Wache.

  =Frießhardt.=

      Wir passen auf umsonst. Es will sich Niemand
      Heran begeben und dem Hut sein’ Reverenz
      Erzeigen. ’s war doch sonst wie Jahrmarkt hier;
      Jetzt ist der ganze Anger wie verödet;
      Seitdem der Popanz auf der Stange hängt.

  =Leuthold.=

      Nur schlecht Gesindel läßt sich sehn und schwingt
      Uns zum Verdrieße die zerlumpten Mützen.
      Was rechte Leute sind, die machen lieber
      Den langen Umweg um den halben Flecken,
      Eh sie den Rücken beugten vor dem Hut.

  =Frießhardt.=

      Sie müssen über diesen Platz, wenn sie
      Vom Rathhaus kommen um die Mittagsstunde.
      Da meint’ ich schon, ’nen guten Fang zu thun,
      Denn Keiner dachte dran, den Hut zu grüßen.
      Da sieht’s der Pfaff, der Rösselmann -- kam just
      Von einem Kranken her -- und stellt sich hin
      Mit dem Hochwürdigen, grad’ vor die Stange --
      Der Sigrist mußte mit dem Glöcklein schellen;
      Da fielen All’ aufs Knie, ich selber mit,
      Und grüßten die Monstranz, doch nicht den Hut.

  =Leuthold.=

      Höre, Gesell, es fängt mir an zu däuchten,
      Wir stehen hier am Pranger vor dem Hut;
      ’s ist doch ein Schimpf für einen Reitersmann,
      Schildwach zu stehn vor einem leeren Hut --
      Und jeder rechte Kerl muß uns verachten.
      -- Die Reverenz zu machen einem Hut,
      Es ist doch, traun, ein närrischer Befehl!

  =Frießhardt.=

      Warum nicht einem leeren, hohlen Hut!
      Bückst du dich doch vor manchem hohlen Schädel.

    =Hildegard=, =Mechthild= und =Elsbeth= treten auf
    mit Kindern und stellen sich um die Stange.

  =Leuthold.=

      Und du bist auch so ein dienstfert’ger Schurke
      Und brächtest wackre Leute gern ins Unglück.
      Mag, wer da will, am Hut vorübergehn,
      Ich drück’ die Augen zu und seh’ nicht hin.

  =Mechthild.=

      Da hängt der Landvogt -- habt Respect, ihr Buben!

  =Elsbeth.=

      Wollt’s Gott, er ging’ und ließ’ uns seinen Hut;
      Es sollte drum nicht schlechter stehn ums Land!

  =Frießhardt= (verscheucht sie).

      Wollt ihr vom Platz! Verwünschtes Volk der Weiber!
      Wer fragt nach euch! Schickt eure Männer her,
      Wenn sie der Muth sticht, dem Befehl zu trotzen.

    (Weiber gehen).

    =Tell= mit der Armbrust tritt auf, den Knaben an der Hand
    führend; sie gehen an dem Hut vorbei gegen die vordere Scene, ohne
    darauf zu achten.

  =Walther= (zeigt nach dem Bannberg).

      Vater, ist’s wahr, daß auf dem Berge dort
      Die Bäume bluten, wenn man einen Streich
      Drauf führte mit der Axt --

  =Tell.=

      Wer sagt das, Knabe?

  =Walther.=

      Der Meister Hirt erzählt’s -- Die Bäume seyen
      Gebannt, sagt er, und, wer sie schädige,
      Dem wachse seine Hand heraus zum Grabe.

  =Tell.=

      Die Bäume sind gebannt, das ist die Wahrheit.
      -- Siehst du die Firnen dort, die weißen Hörner,
      Die hoch bis in den Himmel sich verlieren?

  =Walther.=

      Das sind die Gletscher, die des Nachts so donnern
      Und uns die Schlaglawinen niedersenden.

  =Tell.=

      So ist’s, und die Lawinen hätten längst
      Den Flecken Altorf unter ihrer Last
      Verschüttet, wenn der Wald dort oben nicht
      Als eine Landwehr sich dagegen stellte.

  =Walther= (nach einigem Besinnen).

      Gibt’s Länder, Vater, wo nicht Berge sind?

  =Tell.=

      Wenn man hinunter steigt von unsern Höhen
      Und immer tiefer steigt, den Strömen nach,
      Gelangt man in ein großes, ebnes Land,
      Wo die Waldwasser nicht mehr brausend schäumen,
      Die Flüsse ruhig und gemächlich ziehn;
      Da sieht man frei nach allen Himmelsräumen,
      Das Korn wächst dort in langen, schönen Auen
      Und wie ein Garten ist das Land zu schauen.

  =Walther.=

      Ei, Vater, warum steigen wir denn nicht
      Geschwind hinab in dieses schöne Land,
      Statt daß wir hier uns ängstigen und plagen.

  =Tell.=

      Das Land ist schön und gütig, wie der Himmel;
      Doch, die’s bebauen, +sie+ genießen nicht
      Den Segen, den sie pflanzen.

  =Walther.=

                                   Wohnen sie
      Nicht frei, wie du, auf ihrem eignen Erbe?

  =Tell.=

      Das Feld gehört dem Bischof und dem König.

  =Walther.=

      So dürfen sie doch frei in Wäldern jagen?

  =Tell.=

      Dem Herrn gehört das Wild und das Gefieder.

  =Walther.=

      Sie dürfen doch frei fischen in dem Strom?

  =Tell.=

      Der Strom, das Meer, das Salz gehört dem König.

  =Walther.=

      Wer ist der König denn, den Alle fürchten?

  =Tell.=

      Es ist der Eine, der sie schützt und nährt.

  =Walther.=

      Sie können sich nicht muthig selbst beschützen?

  =Tell.=

      Dort darf der Nachbar nicht dem Nachbar trauen.

  =Walther.=

      Vater, es wird mir eng im weiten Land;
      Da wohn’ ich lieber unter den Lawinen.

  =Tell.=

      Ja, wohl ist’s besser, Kind, die Gletscherberge
      Im Rücken haben, als die bösen Menschen.

    (Sie wollen vorüber gehen.)

  =Walther.=

      Ei, Vater, sieh den Hut dort auf der Stange.

  =Tell.=

      Was kümmert uns der Hut! Komm, laß uns gehen.

    (Indem er abgehen will, tritt ihm Frießhardt mit vorgehaltener Pike
    entgegen.)

  =Frießhardt.=

      In des Kaisers Namen! Haltet an und steht!

  =Tell= (greift in die Pike).

      Was wollt ihr? Warum haltet ihr mich auf?

  =Frießhardt.=

      Ihr habt’s Mandat verletzt; ihr müßt uns folgen.

  =Leuthold.=

      Ihr habt dem Hut nicht Reverenz bewiesen.

  =Tell.=

      Freund, laß mich gehen.

  =Frießhardt.=

      Fort, fort ins Gefängniß!

  =Walther.=

      Den Vater ins Gefängniß! Hülfe! Hülfe!

    (In die Scene rufend.)

      Herbei, ihr Männer, gute Leute, helft!
      Gewalt! Gewalt! Sie führen ihn gefangen.

    =Rösselmann=, +der Pfarrer+, und =Petermann=, +der
    Sigrist+, kommen herbei, mit drei andern Männern.

  =Sigrist.=

      Was gibt’s?

  =Rösselmann.=

      Was legst du Hand an diesen Mann?

  =Frießhardt.=

      Er ist ein Feind des Kaisers, ein Verräther?

  =Tell= (faßt ihn heftig).

      Ein Verräther, ich!

  =Rösselmann.=

                          Du irrst dich, Freund! Das ist
      Der Tell, ein Ehrenmann und guter Bürger.

  =Walther=

    (erblickt Walther Fürsten und eilt ihm entgegen).

      Großvater, hilf! Gewalt geschieht dem Vater.

  =Frießhardt.=

      Ins Gefängniß, fort!

  =Walther Fürst= (herbeieilend).

                           Ich leiste Bürgschaft, haltet!
      -- Um Gottes willen, Tell, was ist geschehen?

    =Melchthal= und =Stauffacher= kommen.

  =Frießhardt.=

      Des Landvogts oberherrliche Gewalt
      Verachtet er und will sie nicht erkennen.

  =Stauffacher.=

      Das hätt’ der Tell gethan?

  =Melchthal.=

      Das lügst du, Bube!

  =Leuthold.=

      Er hat dem Hut nicht Reverenz bewiesen.

  =Walther Fürst.=

      Und darum soll er ins Gefängniß? Freund,
      Nimm meine Bürgschaft an und laß ihn ledig.

  =Frießhardt.=

      Bürg du für dich und deinen eignen Leib!
      Wir thun, was unsers Amtes -- Fort mit ihm!

  =Melchthal= (zu den Landleuten).

      Nein, das ist schreiende Gewalt! Ertragen wir’s,
      Daß man ihn fortführt, frech, vor unsern Augen?

  =Sigrist.=

      Wir sind die Stärkern. Freunde, duldet’s nicht!
      Wir haben einen Rücken an den Andern.

  =Frießhardt.=

      Wer widersetzt sich dem Befehl des Vogts?

  =Noch drei Landleute= (herbeieilend).

      Wir helfen euch. Was gibt’s? Schlagt sie zu Boden!

    (Hildegard, Mechthild und Elsbeth kommen zurück.)

  =Tell.=

      Ich helfe mir schon selbst. Geht, gute Leute.
      Meint ihr, wenn ich die Kraft gebrauchen wollte,
      Ich würde mich vor ihren Spießen fürchten?

  =Melchthal= (zu Frießhardt).

      Wag’s, ihn aus unsrer Mitte wegzuführen!

  =Walther Fürst= und =Stauffacher=.

      Gelassen! ruhig!

  =Frießhardt= (schreit).

      Aufruhr und Empörung!

    (Man hört Jagdhörner).

  =Weiber.=

      Da kommt der Landvogt!

  =Frießhardt= (erhebt die Stimme).

      Meuterei! Empörung!

  =Stauffacher.=

      Schrei, bis du berstest, Schurke!

  =Rösselmann= und =Melchthal=.

      Willst du schweigen?

  =Frießhardt= (ruft noch lauter).

      Zu Hülf, zu Hülf den Dienern des Gesetzes!

  =Walther Fürst.=

      Da ist der Vogt! Weh uns, was wird das werden!

    =Geßler= zu Pferd, den Falken auf der Faust, =Rudolph der
    Harras=, =Bertha= und =Rudenz=, ein großes Gefolge von
    bewaffneten Knechten, welche einen Kreis von Piken um die ganze
    Scene schließen.

  =Rudolph der Harras.=

      Platz, Platz dem Landvogt!

  =Geßler.=

                                 Treibt sie auseinander!
      Was läuft das Volk zusammen? Wer ruft zu Hülfe?

    (Allgemeine Stille.)

      Wer war’s? Ich will es wissen.

    (Zu Frießhardt.)

                                     Du tritt vor!
      Wer bist du, und was hältst du diesen Mann?

    (Er gibt den Falken einem Diener.)

  =Frießhardt.=

      Gestrenger Herr, ich bin dein Waffenknecht
      Und wohlbestellter Wächter bei dem Hut.
      Diesen Mann ergriff ich über frischer That,
      Wie er dem Hut den Ehrengruß versagte.
      Verhaften wollt’ ich ihn, wie du befahlst,
      Und mit Gewalt will ihn das Volk entreißen.

  =Geßler= (nach einer Pause).

      Verachtest du +so+ deinen Kaiser, Tell,
      Und +mich+, der hier an seiner Statt gebietet,
      Daß du die Ehr’ versagst dem Hut, den ich
      Zur Prüfung des Gehorsams aufgehangen?
      Dein böses Trachten hast du mir verrathen.

  =Tell.=

      Verzeiht mir, lieber Herr! Aus Unbedacht,
      Nicht aus Verachtung eurer ist’s geschehn.
      Wär’ ich besonnen, hieß ich nicht der Tell.
      Ich bitt’ um Gnad’, es soll nicht mehr begegnen.

  =Geßler= (nach einigem Stillschweigen).

      Du bist ein Meister auf der Armbrust, Tell,
      Man sagt, du nehmst es auf mit jedem Schützen?

  =Walther.=

      Und das muß wahr seyn, Herr, ’nen Apfel schießt
      Der Vater dir vom Baum auf hundert Schritte.

  =Geßler.=

      Ist das dein Knabe, Tell?

  =Tell.=

      Ja, lieber Herr.

  =Geßler.=

      Hast du der Kinder mehr?

  =Tell.=

      Zwei Knaben, Herr.

  =Geßler.=

      Und welcher ist’s, den du am meisten liebst?

  =Tell.=

      Herr, beide sind sie mir gleich liebe Kinder.

  =Geßler.=

      Nun, Tell! weil du den Apfel triffst vom Baume
      Auf hundert Schritt, so wirst du deine Kunst
      Vor mir bewähren müssen. -- Nimm die Armbrust --
      Du hast sie gleich zur Hand -- und mach dich fertig,
      Einen Apfel von des Knaben Kopf zu schießen --
      Doch, will ich rathen, ziele gut, daß du
      Den Apfel treffest auf den ersten Schuß;
      Denn, fehlst du ihn, so ist dein Kopf verloren.

    (Alle geben Zeichen des Schreckens.)

  =Tell.=

      Herr -- welches Ungeheure sinnet ihr
      Mir an? -- Ich soll vom Haupte meines Kindes --
      -- Nein, nein doch, lieber Herr, das kommt euch nicht
      Zu Sinn -- Verhüt’s der gnäd’ge Gott -- Das könnt ihr
      Im Ernst von einem Vater nicht begehren!

  =Geßler.=

      Du wirst den Apfel schießen von dem Kopf
      Des Knaben -- ich begehr’s und will’s.

  =Tell.=

                                             Ich soll
      Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt
      Des eignen Kindes zielen? -- Eher sterb’ ich!

  =Geßler.=

      Du schießest oder stirbst +mit+ deinem Knaben.

  =Tell.=

      Ich soll der Mörder werden meines Kinds!
      Herr, ihr habt keine Kinder -- wisset nicht,
      Was sich bewegt in eines Vaters Herzen.

  =Geßler.=

      Ei, Tell, du bist ja plötzlich so besonnen!
      Man sagte mir, daß du ein Träumer seyst
      Und dich entfernst von andrer Menschen Weise.
      Du liebst das Seltsame -- drum hab’ ich jetzt
      Ein eigen Wagstück für dich ausgesucht.
      Ein Andrer wohl bedächte sich -- du drückst
      Die Augen zu, und greifst es herzhaft an.

  =Bertha.=

      Scherzt nicht, o Herr, mit diesen armen Leuten!
      Ihr seht sie bleich und zitternd stehn -- So wenig
      Sind sie Kurzweils gewohnt aus eurem Munde.

  =Geßler.=

      Wer sagt euch, daß ich scherze?

    (Greift nach einem Baumzweige, der über ihn herhängt.)

                                      Hier ist der Apfel.
      Man mache Raum -- er nehme seine Weite,
      Wie’s Brauch ist -- achtzig Schritte geb’ ich ihm --
      Nicht weniger, noch mehr -- Er rühmte sich,
      Auf ihrer hundert seinen Mann zu treffen --
      Jetzt, Schütze, triff, und fehle nicht das Ziel!

  =Rudolph der Harras.=

      Gott, das wird ernsthaft -- Falle nieder, Knabe,
      Es gilt, und fleh’ den Landvogt um dein Leben!

  =Walther Fürst=

    (beiseite zu Melchthal, der kaum seine Ungeduld bezwingt).

      Haltet an euch! ich fleh’ euch drum, bleibt ruhig!

  =Bertha= (zum Landvogt).

      Laßt es genug seyn, Herr! Unmenschlich ist’s,
      Mit eines Vaters Angst also zu spielen.
      Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben
      Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott!
      Er hätte jetzt zehnfachen Tod empfunden.
      Entlaßt ihn ungekränkt in seine Hütte,
      Er hat euch kennen lernen; dieser Stunde
      Wird er und seine Kindeskinder denken.

  =Geßler.=

      Oeffnet die Gasse -- Frisch, was zauderst du?
      Dein Leben ist verwirkt, ich kann dich tödten;
      Und, sieh, ich lege gnädig dein Geschick
      In deine eigne kunstgeübte Hand.
      Der kann nicht klagen über harten Spruch,
      Den man zum Meister seines Schicksals macht.
      Du rühmst dich deines sichern Blicks. Wohlan!
      Hier gilt es, +Schütze+, deine Kunst zu zeigen;
      Das Ziel ist würdig, und der Preis ist groß!
      Das Schwarze treffen in der Scheibe, +das+
      Kann auch ein Andrer; +der+ ist mir der Meister,
      Der seiner Kunst gewiß ist überall,
      Dem ’s Herz nicht in die Hand tritt, noch ins Auge.

  =Walther Fürst= (wirft sich vor ihm nieder).

      Herr Landvogt, wir erkennen eure Hoheit;
      Doch lasset Gnad’ für Recht ergehen, nehmt
      Die Hälfte meiner Habe, nehmt sie ganz!
      Nur dieses Gräßliche erlasset einem Vater!

  =Walther Tell.=

      Großvater, knie nicht vor dem falschen Mann!
      Sagt, wo ich hinstehn soll. Ich fürcht’ mich nicht.
      Der Vater trifft den Vogel ja im Flug,
      Er wird nicht fehlen auf das Herz des Kindes.

  =Stauffacher.=

      Herr Landvogt, rührt euch nicht des Kindes Unschuld?

  =Rösselmann.=

      O, denket, daß ein Gott im Himmel ist,
      Dem ihr müßt Rede stehn für eure Thaten.

  =Geßler= (zeigt auf den Knaben).

      Man bind’ ihn an die Linde dort!

  =Walther Tell.=

                                       Mich binden!
      Nein, ich will nicht gebunden seyn. Ich will
      Still halten, wie ein Lamm, und auch nicht athmen.
      Wenn ihr mich bindet, nein, so kann ich’s nicht,
      So werd’ ich toben gegen meine Bande.

  =Rudolph der Harras.=

      Die Augen nur laß dir verbinden, Knabe!

  =Walther Tell.=

      Warum die Augen! Denket ihr, ich fürchte
      Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest
      Erwarten und nicht zucken mit den Wimpern.
      -- Frisch, Vater, zeig’s, daß du ein Schütze bist!
      Er glaubt dir’s nicht, er denkt uns zu verderben --
      Dem Wüthrich zum Verdrusse schieß und triff!

    (Er geht an die Linde, man legt ihm den Apfel auf.)

  =Melchthal= (zu den Landleuten).

      Was? Soll der Frevel sich vor unsern Augen
      Vollenden? Wozu haben wir geschworen?

  =Stauffacher.=

      Es ist umsonst. Wir haben keine Waffen;
      Ihr seht den Wald von Lanzen um uns her.

  =Melchthal.=

      O, hätten wir’s mit frischer That vollendet!
      Verzeih’s Gott denen, die zum Aufschub riethen!

  =Geßler= (zu Tell).

      Ans Werk! Man führt die Waffen nicht vergebens.
      Gefährlich ist’s, ein Mordgewehr zu tragen,
      Und auf den Schützen springt der Pfeil zurück.
      Dies stolze Recht, das sich der Bauer nimmt,
      Beleidiget den höchsten Herrn des Landes.
      Gewaffnet sey Niemand, als wer gebietet.
      Freut’s euch, den Pfeil zu führen und den Bogen,
      Wohl, so will +ich+ das Ziel euch dazu geben.

  =Tell=

    (spannt die Armbrust und legt den Pfeil auf).

      Oeffnet die Gasse! Platz!

  =Stauffacher.=

      Was, Tell? Ihr wolltet -- Nimmermehr -- Ihr zittert,
      Die Hand erbebt euch, eure Knie wanken --

  =Tell= (läßt die Armbrust sinken).

      Mir schwimmt es vor den Augen!

  =Weiber.=

      Gott im Himmel!

  =Tell= (zum Landvogt).

      Erlasset mir den Schuß. Hier ist mein Herz!

    (Er reißt die Brust auf.)

      Ruft eure Reisigen und stoßt mich nieder!

  =Geßler.=

      Ich will dein Leben nicht, ich will den Schuß.
      -- Du kannst ja Alles, Tell! An nichts verzagst du;
      Das Steuerruder führst du wie den Bogen;
      Dich schreckt kein Sturm, wenn es zu retten gilt.
      Jetzt, Retter, hilf dir selbst -- du rettest Alle!

    (Tell steht in fürchterlichem Kampf, mit den Händen zuckend und die
    rollenden Augen bald auf den Landvogt, bald zum Himmel gerichtet.
    -- Plötzlich greift er in seinen Köcher, nimmt einen zweiten Pfeil
    heraus und steckt ihn in seinen Goller. Der Landvogt bemerkt alle
    diese Bewegungen.)

  =Walther Tell= (unter der Linde).

      Vater, schieß zu! Ich fürcht’ mich nicht.

  =Tell.=

      Es muß!

    (Er rafft sich zusammen und legt an.)

  =Rudenz=

    (der die ganze Zeit über in der heftigsten Spannung gestanden und
    mit Gewalt an sich gehalten, tritt hervor.)

      Herr Landvogt, weiter werdet ihr’s nicht treiben,
      Ihr werdet +nicht+ -- Es war nur eine Prüfung --
      Den Zweck habt ihr erreicht -- Zu weit getrieben
      Verfehlt die Strenge ihres weisen Zwecks,
      Und, allzustraff gespannt, zerspringt der Bogen.

  =Geßler.=

      Ihr schweigt, bis man euch aufruft.

  =Rudenz.=

                                          Ich +will+ reden!
      Ich darf’s! Des Königs Ehre ist mir heilig;
      Doch solches Regiment muß Haß erwerben.
      Das ist des Königs Wille nicht -- ich darf’s
      Behaupten -- Solche Grausamkeit verdient
      Mein Volk nicht; dazu habt ihr keine Vollmacht.

  =Geßler.=

      Ha, ihr erkühnt euch!

  =Rudenz.=

                            Ich hab’ still geschwiegen
      Zu allen schweren Thaten, die ich sah;
      Mein sehend’ Auge hab’ ich zugeschlossen,
      Mein überschwellend und empörtes Herz
      Hab’ ich hinabgedrückt in meinen Busen.
      Doch länger schweigen wär’ Verrath zugleich
      An meinem Vaterland und an dem Kaiser.

  =Bertha=

    (wirft sich zwischen ihn und den Landvogt).

      O Gott, ihr reizt den Wüthenden noch mehr.

  =Rudenz.=

      Mein Volk verließ ich, meinen Blutsverwandten
      Entsagt’ ich, alle Bande der Natur
      Zerriß ich, um an euch mich anzuschließen --
      Das Beste Aller glaubt’ ich zu befördern,
      Da ich des Kaisers Macht befestigte --
      Die Binde fällt von meinen Augen -- Schaudernd
      Seh’ ich an einen Abgrund mich geführt --
      Mein freies Urtheil habt ihr irr geleitet,
      Mein redlich Herz verführt -- Ich war daran,
      Mein Volk in bester Meinung zu verderben.

  =Geßler.=

      Verwegner, diese Sprache deinem Herrn?

  =Rudenz.=

      Der Kaiser ist mein Herr, nicht ihr -- Frei bin ich
      Wie ihr geboren, und ich messe mich
      Mit euch in jeder ritterlichen Tugend.
      Und, ständet ihr nicht hier in Kaisers Namen,
      Den ich verehre, selbst wo man ihn schändet,
      Den Handschuh wärf’ ich vor euch hin, ihr solltet
      Nach ritterlichem Brauch mir Antwort geben.
      -- Ja, winkt nur euren Reisigen -- Ich stehe
      Nicht wehrlos da, wie +die+ --

    (Auf das Volk zeigend.)

                                   Ich hab’ ein Schwert,
      Und, wer mir naht --

  =Stauffacher= (ruft).

      Der Apfel ist gefallen!

    (Indem sich Alle nach dieser Seite gewendet, und Bertha zwischen
    Rudenz und den Landvogt sich geworfen, hat Tell den Pfeil
    abgedrückt.)

  =Rösselmann.=

      Der Knabe lebt!

  =Viele Stimmen.=

      Der Apfel ist getroffen!

    (Walther Fürst schwankt und droht zu sinken, Bertha hält ihn.)

  =Geßler= (erstaunt).

      Er hat geschossen? Wie? Der Rasende!

  =Bertha.=

      Der Knabe lebt! Kommt zu euch, guter Vater!

  =Walther Tell=

    (kommt mit dem Apfel gesprungen).

      Vater, hier ist der Apfel -- Wußt’ ich’s ja,
      Du würdest deinen Knaben nicht verletzen.

  =Tell=

    (stand mit vorgebogenem Leib, als wollt’ er dem Pfeile folgen --
    die Armbrust entsinkt seiner Hand -- wie er den Knaben kommen
    sieht, eilt er ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und hebt ihn
    mit heftiger Inbrunst zu seinem Herzen hinauf; in dieser Stellung
    sinkt er kraftlos zusammen. Alle stehen gerührt).

  =Bertha.=

      O güt’ger Himmel!

  =Walther Fürst= (zu Vater und Sohn).

      Kinder! meine Kinder!

  =Stauffacher.=

      Gott sey gelobt!

  =Leuthold.=

                       Das war ein Schuß! Davon
      Wird man noch reden in den spätsten Zeiten.

  =Rudolph der Harras.=

      Erzählen wird man von dem Schützen Tell,
      So lang die Berge stehn auf ihrem Grunde.

    (Reicht dem Landvogt den Apfel.)

  =Geßler.=

      Bei Gott, der Apfel mitten durch geschossen!
      Es war ein Meisterschuß, ich muß ihn loben.

  =Rösselmann.=

      Der Schuß war gut; doch wehe dem, der ihn
      Dazu getrieben, daß er Gott versuchte.

  =Stauffacher.=

      Kommt zu euch, Tell, steht auf, ihr habt euch männlich
      Gelöst, und frei könnt ihr nach Hause gehen.

  =Rösselmann.=

      Kommt, kommt und bringt der Mutter ihren Sohn!

    (Sie wollen ihn wegführen.)

  =Geßler.=

      Tell, höre!

  =Tell= (kommt zurück).

      Was befehlt ihr, Herr?

  =Geßler.=

                                         Du stecktest
      Noch einen zweiten Pfeil zu dir -- Ja, ja,
      Ich sah es wohl -- Was meintest du damit?

  =Tell= (verlegen).

      Herr, das ist also bräuchlich bei den Schützen.

  =Geßler.=

      Nein, Tell, die Antwort lass’ ich dir nicht gelten;
      Es wird was Andres wohl bedeutet haben.
      Sag mir die Wahrheit frisch und fröhlich, Tell;
      Was es auch sey, dein Leben sichr’ ich dir.
      Wozu der zweite Pfeil?

  =Tell.=

                             Wohlan, o Herr,
      Weil ihr mich meines Lebens habt gesichert --
      So will ich euch die Wahrheit gründlich sagen.

    (Er zieht den Pfeil aus dem Goller und sieht den Landvogt mit einem
    furchtbaren Blick an.)

      Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich -- +euch+,
      Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte,
      Und eurer -- wahrlich, hätt’ ich nicht gefehlt.

  =Geßler.=

      Wohl, Tell! Des Lebens hab’ ich dich gesichert;
      Ich gab mein Ritterwort, das will ich halten --
      Doch, weil ich deinen bösen Sinn erkannt,
      Will ich dich führen lassen und verwahren,
      Wo weder Mond noch Sonne dich bescheint,
      Damit ich sicher sey vor deinen Pfeilen.
      Ergreift ihn, Knechte! Bindet ihn!

    (Tell wird gebunden.)

  =Stauffacher.=

                                         Wie, Herr!
      So könntet ihr an einem Manne handeln,
      An dem sich Gottes Hand sichtbar verkündigt?

  =Geßler.=

      Laß sehn, ob sie ihn zweimal retten wird.
      -- Man bring’ ihn auf mein Schiff! Ich folge nach
      Sogleich, ich selbst will ihn nach Küßnacht führen.

  =Rösselmann.=

      Das dürft ihr nicht, das darf der Kaiser nicht,
      Das widerstreitet unsern Freiheitsbriefen!

  =Geßler.=

      Wo sind sie? Hat der Kaiser sie bestätigt?
      Er hat sie nicht bestätigt -- Diese Gunst
      Muß erst erworben werden durch Gehorsam.
      Rebellen seyd ihr Alle gegen Kaisers
      Gericht und nährt verwegene Empörung.
      Ich kenn’ euch Alle -- ich durchschau’ euch ganz --
      +Den+ nehm’ ich jetzt heraus aus eurer Mitte;
      Doch Alle seyd ihr theilhaft seiner Schuld.
      Wer klug ist, lerne schweigen und gehorchen.

    (Er entfernt sich, Bertha, Rudenz, Harras und Knechte folgen,
    Frießhardt und Leuthold bleiben zurück.)

  =Walther Fürst= (in heftigem Schmerz).

      Es ist vorbei; er hat’s beschlossen, mich
      Mit meinem ganzen Hause zu verderben!

  =Stauffacher= (zum Tell).

      O, warum mußtet ihr den Wüthrich reizen!

  =Tell.=

      Bezwinge sich, wer meinen Schmerz gefühlt!

  =Stauffacher.=

      O, nun ist Alles, Alles hin! Mit euch
      Sind wir gefesselt Alle und gebunden!

  =Landleute= (umringen den Tell).

      Mit euch geht unser letzter Trost dahin!

  =Leuthold= (nähert sich).

      Tell, es erbarmt mich -- doch ich muß gehorchen.

  =Tell.=

      Lebt wohl!

  =Walther Tell=

    (sich mit heftigem Schmerz an ihn schmiegend).

      O Vater! Vater! lieber Vater!

  =Tell=

    (hebt die Arme zum Himmel).

      Dort droben ist dein Vater! Den ruf’ an!

  =Stauffacher.=

      Tell, sag’ ich eurem Weibe nichts von euch?

  =Tell=

    (hebt den Knaben mit Inbrunst an seine Brust).

      Der Knab’ ist unverletzt; mir wird Gott helfen.

    (Reißt sich schnell los und folgt den Waffenknechten.)




  Vierter Aufzug.


  Erste Scene.

    +Oestliches Ufer des Vierwaldstättersees.+

    Die seltsam gestalteten schroffen Felsen im Westen schließen
    den Prospect. Der See ist bewegt, heftiges Rauschen und Tosen,
    dazwischen Blitze und Donnerschläge.

    =Kunz von Gersau.= =Fischer= und =Fischerknabe=.

  =Kunz.=

      Ich sah’s mit Augen an, ihr könnt mir’s glauben;
      ’s ist Alles so geschehn, wie ich euch sagte.

  =Fischer.=

      Der Tell gefangen abgeführt nach Küßnacht,
      Der beste Mann im Land, der bravste Arm,
      Wenn’s einmal gelten sollte für die Freiheit.

  =Kunz.=

      Der Landvogt führt ihn selbst den See herauf;
      Sie waren eben dran, sich einzuschiffen,
      Als ich von Flüelen abfuhr; doch der Sturm,
      Der eben jetzt im Anzug ist, und der
      Auch mich gezwungen, eilends hier zu landen,
      Mag ihre Abfahrt wohl verhindert haben.

  =Fischer.=

      Der Tell in Fesseln, in des Vogts Gewalt!
      O, glaubt, er wird ihn tief genug vergraben,
      Daß er des Tages Licht nicht wieder sieht!
      Denn fürchten muß er die gerechte Rache
      Des freien Mannes, den er schwer gereizt!

  =Kunz.=

      Der Altlandammann auch, der edle Herr
      Von Attinghausen, sagt man, lieg’ am Tode.

  =Fischer.=

      So bricht der letzte Anker unsrer Hoffnung!
      Der war es noch allein, der seine Stimme
      Erheben durfte für des Volkes Rechte!

  =Kunz.=

      Der Sturm nimmt überhand. Gehabt euch wohl!
      Ich nehme Herberg’ in dem Dorf; denn heut
      Ist doch an keine Abfahrt mehr zu denken.

    (Geht ab.)

  =Fischer.=

      Der Tell gefangen, und der Freiherr todt!
      Erheb die freche Stirne, Tyrannei,
      Wirf alle Scham hinweg! Der Mund der Wahrheit
      Ist stumm, das sehn’de Auge ist geblendet,
      Der Arm, der retten sollte, ist gefesselt!

  =Knabe.=

      Es hagelt schwer. Kommt in die Hütte, Vater,
      Es ist nicht kommlich, hier im Freien hausen.

  =Fischer.=

      Raset, ihr Winde! Flammt herab, ihr Blitze!
      Ihr Wolken berstet! Gießt herunter, Ströme
      Des Himmels, und ersäuft das Land! Zerstört
      Im Keim die ungeborenen Geschlechter!
      Ihr wilden Elemente, werdet Herr!
      Ihr Bären, kommt, ihr alten Wölfe wieder
      Der großen Wüste! euch gehört das Land.
      Wer wird hier leben wollen ohne Freiheit!

  =Knabe.=

      Hört, wie der Abgrund tost, der Wirbel brüllt,
      So hat’s noch nie gerast in diesem Schlunde!

  =Fischer.=

      Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt,
      Solches ward keinem Vater noch geboten!
      Und die Natur soll nicht in wildem Grimm
      Sich drob empören -- O, mich soll’s nicht wundern,
      Wenn sich die Felsen bücken in die See,
      Wenn jene Zacken, jene Eisesthürme,
      Die nie aufthauten seit dem Schöpfungstag,
      Von ihren hohen Kulmen niederschmelzen,
      Wenn die Berge brechen, wenn die alten Klüfte
      Einstürzen, eine zweite Sündflut alle
      Wohnstätten der Lebendigen verschlingt!

    (Man hört läuten.)

  =Knabe.=

      Hört ihr, sie läuten droben auf dem Berg.
      Gewiß hat man ein Schiff in Noth gesehn
      Und zieht die Glocke, daß gebetet werde.

    (Steigt auf eine Anhöhe.)

  =Fischer.=

      Wehe dem Fahrzeug, das, jetzt unterwegs,
      In dieser furchtbarn Wiege wird gewiegt!
      Hier ist das Steuer unnütz und der Steurer,
      Der Sturm ist Meister, Wind und Welle spielen
      Ball mit dem Menschen -- Da ist nah und fern
      Kein Busen, der ihm freundlich Schutz gewährte!
      Handlos und schroff ansteigend starren ihm
      Die Felsen, die unwirthlichen, entgegen
      Und weisen ihm nur ihre steinern schroffe Brust.

  =Knabe= (deutet links).

      Vater, ein Schiff! es kommt von Flüelen her.

  =Fischer.=

      Gott helf den armen Leuten! Wenn der Sturm
      In dieser Wasserkluft sich erst verfangen,
      Dann rast er um sich mit des Raubthiers Angst,
      Das an des Gitters Eisenstäbe schlägt!
      Die Pforte sucht er heulend sich vergebens;
      Denn ringsum schränken ihn die Felsen ein,
      Die himmelhoch den engen Paß vermauern.

    (Er steigt auf eine Anhöhe.)

  =Knabe.=

      Es ist das Herrenschiff von Uri, Vater,
      Ich kenn’s am rothen Dach und an der Fahne.

  =Fischer.=

      Gerichte Gottes! Ja, er ist es selbst,
      Der Landvogt, der da fährt -- Dort schifft er hin
      Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit!
      Schnell hat der Arm des Rächers ihn gefunden,
      Jetzt kennt er über sich den stärkern Herrn.
      Diese Wellen geben nicht auf seine Stimme,
      Diese Felsen bücken ihre Häupter nicht
      Vor seinem Hute -- Knabe, bete nicht!
      Greif nicht dem Richter in den Arm!

  =Knabe.=

      Ich bete für den Landvogt nicht -- Ich bete
      Für den Tell, der auf dem Schiff sich mit befindet.

  =Fischer.=

      O Unvernunft des blinden Elements!
      Mußt du, um +einen+ Schuldigen zu treffen,
      Das Schiff mit sammt dem Steuermann verderben.

  =Knabe.=

      Sieh, sieh, sie waren glücklich schon vorbei
      Am +Buggisgrat+; doch die Gewalt des Sturms,
      Der von dem Teufelsmünster widerprallt,
      Wirft sie zum großen +Axenberg+ zurück.
      -- Ich seh sie nicht mehr.

  =Fischer.=

                                 Dort ist das +Hackmesser+,
      Wo schon der Schiffe mehrere gebrochen.
      Wenn sie nicht weislich dort vorüberlenken,
      So wird das Schiff zerschmettert an der Fluh,
      Die sich gähstotzig absenkt in die Tiefe.
      -- Sie haben einen guten Steuermann
      Am Bord; könnt’ Einer retten, wär’s der Tell;
      Doch dem sind Arm’ und Hände ja gefesselt.

    =Wilhelm Tell= mit der Armbrust.

    (Er kommt mit raschen Schritten, blickt erstaunt umher und zeigt
    die heftigste Bewegung. Wenn er mitten auf der Scene ist, wirft er
    sich nieder, die Hände zu der Erde und dann zum Himmel ausbreitend).

  =Knabe= (bemerkt ihn).

      Sieh, Vater, wer der Mann ist, der dort kniet?

  =Fischer.=

      Er faßt die Erde an mit seinen Händen
      Und scheint wie außer sich zu seyn.

  =Knabe= (kommt vorwärts).

      Was seh’ ich! Vater! Vater, kommt und seht!

  =Fischer= (nähert sich).

      Wer ist es? -- Gott im Himmel! Was? der Tell?
      Wie kommt ihr hieher? Redet!

  =Knabe.=

                                   Wart ihr nicht
      Dort auf dem Schiff gefangen und gebunden?

  =Fischer.=

      Ihr wurdet nicht nach Küßnacht abgeführt?

  =Tell= (steht auf).

      Ich bin befreit.

  =Fischer= und =Knabe=.

      Befreit! O Wunder Gottes!

  =Knabe.=

      Wo kommt ihr her?

  =Tell.=

      Dort aus dem Schiffe.

  =Fischer.=

      Was?

  =Knabe= (zugleich).

      Wo ist der Landvogt?

  =Tell.=

      Auf den Wellen treibt er.

  =Fischer.=

      Ist’s möglich? Aber +ihr+? wie seyd ihr hier?
      Seyd euren Banden und dem Sturm entkommen?

  =Tell.=

      Durch Gottes gnäd’ge Fürsehung -- Hört an!

  =Fischer= und =Knabe=.

      O, redet, redet!

  =Tell.=

                       Was in Altorf sich
      Begeben, wißt ihr’s?

  =Fischer.=

      Alles weiß ich, redet!

  =Tell.=

      Daß mich der Landvogt fahen ließ und binden,
      Nach seiner Burg zu Küßnacht wollte führen.

  =Fischer.=

      Und sich mit euch zu Flüelen eingeschifft,
      Wir wissen Alles. Sprecht, wie ihr entkommen?

  =Tell.=

      Ich lag im Schiff mit Stricken fest gebunden,
      Wehrlos, ein aufgegebner Mann -- Nicht hofft’ ich,
      Das frohe Licht der Sonne mehr zu sehn,
      Die Gattin und der Kinder liebes Antlitz,
      Und trostlos blickt’ ich in die Wasserwüste --

  =Fischer.=

      O armer Mann!

  =Tell.=

                    So fuhren wir dahin,
      Der Vogt, Rudolph der Harras und die Knechte.
      Mein Köcher aber mit der Armbrust lag
      Am hintern Gransen bei dem Steuerruder.
      Und, als wir an die Ecke jetzt gelangt
      Beim kleinen Axen, da verhängt’ es Gott,
      Daß solch ein grausam mördrisch Ungewitter
      Gählings herfürbrach aus des Gotthardts Schlünden,
      Daß allen Ruderern das Herz entsank,
      Und meinten Alle, elend zu ertrinken.
      Da hört’ ich’s, wie der Diener einer sich
      Zum Landvogt wendet’ und die Worte sprach:
      Ihr sehet eure Noth und unsre, Herr,
      Und daß wir All’ am Rand des Todes schweben --
      Die Steuerleute aber wissen sich
      Vor großer Furcht nicht Rath und sind des Fahrens
      Nicht wohl berichtet -- Nun aber ist der Tell
      Ein starker Mann und weiß ein Schiff zu steuern.
      Wie, wenn wir sein jetzt brauchten in der Noth?
      Da sprach der Vogt zu mir: Tell, wenn du dir’s
      Getrautest, uns zu helfen aus dem Sturm,
      So möcht’ ich dich der Bande wohl entled’gen.
      Ich aber sprach: Ja, Herr, mit Gottes Hülfe
      Getrau’ ich mir’s und helf’ uns wohl hiedannen.
      So ward ich meiner Bande los und stand
      Am Steuerruder und fuhr redlich hin:
      Doch schielt ich seitwärts, wo mein Schießzeug lag,
      Und an dem Ufer merkt’ ich scharf umher,
      Wo sich ein Vortheil aufthät zum Entspringen.
      Und, wie ich eines Felsenriffs gewahre,
      Das abgeplattet vorsprang in den See --

  =Fischer.=

      Ich kenn’s, es ist am Fuß des großen Axen,
      Doch nicht für möglich acht’ ich’s -- so gar steil
      Geht’s an -- vom Schiff es springend abzureichen --

  =Tell.=

      Schrie ich den Knechten, handlich zuzugehn,
      Bis daß wir vor die Felsenplatte kämen,
      Dort, rief ich, sey das Aergste überstanden --
      Und, als wir sie frischrudernd bald erreicht,
      Fleh’ ich die Gnade Gottes an und drücke,
      Mit allen Leibeskräften angestemmt,
      Den hintern Gransen an die Felswand hin.
      Jetzt, schnell mein Schießzeug fassend, schwing ich selbst
      Hochspringend auf die Platte mich hinauf,
      Und mit gewalt’gem Fußstoß hinter mich
      Schleudr’ ich das Schifflein in den Schlund der Wasser --
      Dort mag’s, wie Gott will, auf den Wellen treiben!
      So bin ich hier, gerettet aus des Sturmes
      Gewalt und aus der schlimmeren der Menschen.

  =Fischer.=

      Tell, Tell! ein sichtbar Wunder hat der Herr
      An euch gethan; kaum glaub’ ich’s meinen Sinnen.
      Doch, saget, wo gedenket ihr jetzt hin?
      Denn Sicherheit ist nicht für euch, wofern
      Der Landvogt lebend diesem Sturm entkommt.

  =Tell.=

      Ich hört’ ihn sagen, da ich noch im Schiff
      Gebunden lag, er woll’ bei Brunnen landen,
      Und über Schwytz nach seiner Burg mich führen.

  =Fischer.=

      Will er den Weg dahin zu Lande nehmen?

  =Tell.=

      Er denkt’s.

  =Fischer.=

                  O, so verbergt euch ohne Säumen!
      Nicht zweimal hilft euch Gott aus seiner Hand.

  =Tell.=

      Nennt mir den nächsten Weg nach Arth und Küßnacht.

  =Fischer.=

      Die offne Straße zieht sich über Steinen;
      Doch einen kürzern Weg und heimlichern
      Kann euch mein Knabe über Lowerz führen.

  =Tell= (gibt ihm die Hand).

      Gott lohn’ euch eure Gutthat. Lebet wohl.

    (Geht und kehrt wieder um.)

      -- Habt ihr nicht auch im Rütli mitgeschworen?
      Mir däucht, man nannt’ euch mir --

  =Fischer.=

                                         Ich war dabei
      Und hab’ den Eid des Bundes mit beschworen.

  =Tell.=

      So eilt nach Bürglen, thut die Lieb mir an!
      Mein Weib verzagt um mich; verkündet ihr,
      Daß ich gerettet sey und wohl geborgen.

  =Fischer.=

      Doch wohin sag’ ich ihr, daß ihr geflohn?

  =Tell.=

      Ihr werdet meinen Schwäher bei ihr finden
      Und Andre, die im Rütli mit geschworen --
      Sie sollen wacker seyn und gutes Muths:
      Der Tell sey frei und seines Armes mächtig;
      Bald werden sie ein Weitres von mir hören.

  =Fischer.=

      Was habt ihr im Gemüth? Entdeckt mir’s frei.

  =Tell.=

      +Ist es gethan+, wird’s auch zur Rede kommen.

    (Geht ab.)

  =Fischer.=

      Zeig’ ihm den Weg, Jenni -- Gott steh’ ihm bei!
      Er führt’s zum Ziel, was er auch unternommen.

    (Geht ab.)


  Zweite Scene.

    +Edelhof zu Attinghausen.+

    =Der Freiherr=, in einem Armsessel, sterbend. =Walther
    Fürst.= =Stauffacher=, =Melchthal= und
    =Baumgarten= um ihn beschäftigt. =Walther Tell=, kniend
    vor dem Sterbenden.

  =Walther Fürst.=

      Es ist vorbei mit ihm, er ist hinüber.

  =Stauffacher.=

      Er liegt nicht wie ein Todter -- Seht, die Feder
      Auf seinen Lippen regt sich! Ruhig ist
      Sein Schlaf und friedlich lächeln seine Züge.

    (Baumgarten geht an die Thüre und spricht mit Jemand.)

  =Walther Fürst= (zu Baumgarten).

      Wer ist’s?

  =Baumgarten= (kommt zurück).

                 Es ist Frau Hedwig, eure Tochter;
      Sie will euch sprechen, will den Knaben sehn.

    (Walther Tell richtet sich auf.)

  =Walther Fürst.=

      Kann ich sie trösten? Hab’ ich selber Trost?
      Häuft alles Leiden sich auf meinem Haupt?

  =Hedwig= (hereindringend).

      Wo ist mein Kind? Laßt mich, ich muß es sehn --

  =Stauffacher.=

      Faßt euch! Bedenkt, daß ihr im Haus des Todes --

  =Hedwig= (stürzt auf den Knaben).

      Mein Wälty! O, er lebt mir!

  =Walther Tell= (hängt an ihr).

      Arme Mutter!

  =Hedwig.=

      Ist’s auch gewiß? Bist du mir unverletzt?

    (Betrachtet ihn mit ängstlicher Sorgfalt.)

      Und es ist möglich? Konnt’ er auf dich zielen?
      Wie konnt’ er’s? O, er hat kein Herz -- er konnte
      Den Pfeil abdrücken auf sein eignes Kind!

  =Walther Fürst.=

      Er that’s mit Angst, mit schmerzzerrissner Seele;
      Gezwungen that er’s, denn es galt das Leben.

  =Hedwig.=

      O, hätt’ er eines Vaters Herz, eh’ er’s
      Gethan, er wäre tausendmal gestorben!

  =Stauffacher.=

      Ihr solltet Gottes gnäd’ge Schickung preisen,
      Die es so gut gelenkt --

  =Hedwig.=

                               Kann ich vergessen
      Wie’s hätte kommen +können+? -- Gott des Himmels!
      Und lebt’ ich achtzig Jahr -- ich seh den Knaben ewig
      Gebunden stehn, den Vater auf ihn zielen,
      Und ewig fliegt der Pfeil mir in das Herz.

  =Melchthal.=

      Frau, wüßtet ihr, wie ihn der Vogt gereizt!

  =Hedwig.=

      O rohes Herz der Männer! Wenn ihr Stolz
      Beleidigt wird, dann achten sie nichts mehr;
      Sie setzen in der blinden Wuth des Spiels
      Das Haupt des Kindes und das Herz der Mutter!

  =Baumgarten.=

      Ist eures Mannes Loos nicht hart genug,
      Daß ihr mit schwerem Tadel ihn noch kränkt?
      Für +seine+ Leiden habt ihr kein Gefühl?

  =Hedwig=

    (kehrt sich nach ihm um und sieht ihn mit einem großen Blick an).

      Hast du nur Thränen für des Freundes Unglück?
      -- Wo waret ihr, da man den Trefflichen
      In Bande schlug? Wo war +da+ eure Hülfe?
      Ihr sahet zu, ihr ließt das Gräßliche geschehn;
      Geduldig littet ihr’s, daß man den Freund
      Aus eurer Mitte führte -- Hat der Tell
      Auch so an euch gehandelt? Stand er auch
      Bedauernd da, als hinter dir die Reiter
      Des Landvogts drangen, als der wüth’ge See
      Vor dir erbrauste? Nicht mit müß’gen Thränen
      Beklagt’ er dich, in den Nachen sprang er, Weib
      Und Kind vergaß er und befreite dich --

  =Walther Fürst.=

      Was konnten wir zu seiner Rettung wagen,
      Die kleine Zahl, die unbewaffnet war!

  =Hedwig= (wirft sich an seine Brust).

      O Vater! Und auch du hast ihn verloren!
      Das Land, wir alle haben ihn verloren!
      Uns allen fehlt er, ach, wir fehlen ihm!
      Gott rette seine Seele vor Verzweiflung.
      Zu ihm hinab ins öde Burgverließ
      Dringt keines Freundes Trost -- Wenn er erkrankte!
      Ach, in des Kerkers feuchter Finsterniß
      Muß er erkranken -- Wie die Alpenrose
      Bleicht und verkümmert in der Sumpfesluft,
      So ist für ihn kein Leben als im Licht
      Der Sonne, in dem Balsamstrom der Lüfte.
      Gefangen! Er! Sein Athem ist die Freiheit;
      Er kann nicht leben in dem Hauch der Grüfte.

  =Stauffacher.=

      Beruhigt euch! Wir Alle wollen handeln,
      Um seinen Kerker aufzuthun.

  =Hedwig.=

      Was könnt +ihr+ schaffen ohne ihn? -- So lang
      Der Tell noch frei war, ja, da war noch Hoffnung,
      Da hatte noch die Unschuld einen Freund,
      Da hatte einen Helfer der Verfolgte,
      Euch Alle rettete der Tell -- Ihr Alle
      Zusammen könnt nicht +seine+ Fesseln lösen!

    (Der Freiherr erwacht.)

  =Baumgarten.=

      Er regt sich, still!

  =Attinghausen= (sich aufrichtend).

      Wo ist er?

  =Stauffacher.=

      Wer?

  =Attinghausen.=

                                           Er fehlt mir,
      Verläßt mich in dem letzten Augenblick!

  =Stauffacher.=

      Er meint den Junker -- Schickte man nach ihm?

  =Walther Fürst.=

      Es ist nach ihm gesendet -- Tröstet euch!
      Er hat sein Herz gefunden, er ist unser.

  =Attinghausen.=

      Hat er gesprochen für sein Vaterland?

  =Stauffacher.=

      Mit Heldenkühnheit.

  =Attinghausen.=

                          Warum kommt er nicht,
      Um meinen letzten Segen zu empfangen?
      Ich fühle, daß es schleunig mit mir endet.

  =Stauffacher.=

      Nicht also, edler Herr! Der kurze Schlaf
      Hat euch erquickt, und hell ist euer Blick.

  =Attinghausen.=

      Der Schmerz ist Leben, er verließ mich auch.
      Das Leiden ist, so wie die Hoffnung, aus.

    (Er bemerkt den Knaben.)

      Wer ist der Knabe?

  =Walther Fürst.=

                         Segnet ihn, o Herr!
      Er ist mein Enkel und ist vaterlos.

    (Hedwig sinkt mit dem Knaben vor dem Sterbenden nieder.)

  =Attinghausen.=

      Und vaterlos lass’ ich euch Alle, Alle
      Zurück -- Weh mir, daß meine letzten Blicke
      Den Untergang des Vaterlands gesehen!
      Mußt’ ich des Lebens höchstes Maß erreichen,
      Um ganz mit allen Hoffnungen zu sterben!

  =Stauffacher= (zu Walther Fürst).

      Soll er in diesem finstern Kummer scheiden?
      Erhellen wir ihm nicht die letzte Stunde
      Mit schönem Strahl der Hoffnung? -- Edler Freiherr!
      Erhebet euren Geist! Wir sind nicht ganz
      Verlassen, sind nicht rettungslos verloren.

  =Attinghausen.=

      Wer soll euch retten?

  =Walther Fürst.=

                            Wir uns selbst. Vernehmt!
      Es haben die drei Lande sich das Wort
      Gegeben, die Tyrannen zu verjagen.
      Geschlossen ist der Bund; ein heil’ger Schwur
      Verbindet uns. Es wird gehandelt werden,
      Eh noch das Jahr den neuen Kreis beginnt.
      Euer Staub wird ruhn in einem freien Lande.

  =Attinghausen.=

      O, saget mir! Geschlossen ist der Bund?

  =Melchthal.=

      Am gleichen Tage werden alle drei
      Waldstätte sich erheben. Alles ist
      Bereit, und das Geheimniß wohlbewahrt
      Bis jetzt, obgleich viel Hunderte es theilen.
      Hohl ist der Boden unter den Tyrannen;
      Die Tage ihrer Herrschaft sind gezählt,
      Und bald ist ihre Spur nicht mehr zu finden.

  =Attinghausen.=

      Die festen Burgen aber in den Landen?

  =Melchthal.=

      Sie fallen alle an dem gleichen Tag.

  =Attinghausen.=

      Und sind die Edeln dieses Bundes theilhaftig?

  =Stauffacher.=

      Wir harren ihres Beistands, wenn es gilt;
      Jetzt aber hat der Landmann nur geschworen.

  =Attinghausen=

    (richtet sich langsam in die Höhe, mit großem Erstaunen).

      Hat sich der Landmann solcher That verwogen,
      Aus eignem Mittel, ohne Hülf der Edeln,
      Hat er der eignen Kraft so viel vertraut --
      Ja, dann bedarf es unserer nicht mehr:
      Getröstet können wir zu Grabe steigen,
      Es lebt +nach+ uns -- durch andre Kräfte will
      Das Herrliche der Menschheit sich erhalten.

    (Er legt seine Hand auf das Haupt des Kindes, das vor ihm auf den
    Knieen liegt.)

      Aus diesem Haupte, wo der Apfel lag,
      Wird euch die neue, bessre Freiheit grünen;
      Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,
      Und neues Leben blüht aus den Ruinen.

  =Stauffacher= (zu Walther Fürst).

      Seht, welcher Glanz sich um sein Aug’ ergießt!
      Das ist nicht das Erlöschen der Natur,
      Das ist der Strahl schon eines neuen Lebens.

  =Attinghausen.=

      Der Adel steigt von seinen alten Burgen,
      Und schwört den Städten seinen Bürgereid;
      Im +Uechtland+ schon, im Thurgau hat’s begonnen,
      Die edle +Bern+ erhebt ihr herrschend Haupt,
      +Freiburg+ ist eine sichre Burg der Freien,
      Die rege +Zürich+ waffnet ihre Zünfte
      Zum kriegerischen Heer -- es bricht die Macht
      Der Könige sich an ihren ew’gen Wällen --

    (Er spricht das Folgende mit dem Ton eines Sehers -- seine Rede
    steigt bis zur Begeisterung.)

      Die Fürsten seh’ ich und die edeln Herrn
      In Harnischen herangezogen kommen,
      Ein harmlos Volk von Hirten zu bekriegen.
      Auf Tod und Leben wird gekämpft, und herrlich
      Wird mancher Paß durch blutige Entscheidung.
      Der Landmann stürzt sich mit der nackten Brust,
      Ein freies Opfer, in die Schaar der Lanzen!
      Er bricht sie, und des Adels Blüthe fällt,
      Es hebt die Freiheit siegend ihre Fahne.

    (Walther Fürsts und Stauffachers Hände fassend.)

      Drum haltet fest zusammen -- fest und ewig --
      Kein Ort der Freiheit sey dem andern fremd --
      Hochwachten stellet aus auf euren Bergen,
      Daß sich der Bund zum Bunde rasch versammle --
      Seyd einig -- einig -- einig --

    (Er fällt in das Kissen zurück -- seine Hände halten entseelt noch
    die Andern gefaßt. Fürst und Stauffacher betrachten ihn noch eine
    Zeit lang schweigend, dann treten sie hinweg. Jeder seinem Schmerz
    überlassen. Unterdessen sind die Knechte still hereingedrungen, sie
    nähern sich mit Zeichen eines stillern oder heftigeren Schmerzens,
    einige knien bei ihm nieder und weinen auf seine Hand; während
    dieser stummen Scene wird die Burgglocke geläutet.)

    =Rudenz= zu den =Vorigen=.

  =Rudenz= (rasch eintretend).

      Lebt er? O, saget, kann er mich noch hören?

  =Walther Fürst=

    (deutet hin mit weggewandtem Gesicht).

      +Ihr+ seyd jetzt unser Lehensherr und Schirmer,
      Und dieses Schloß hat einen andern Namen.

  =Rudenz=

    (erblickt den Leichnam und steht von heftigem Schmerz ergriffen).

      O güt’ger Gott! Kommt meine Reu zu spät?
      Konnt’ er nicht wen’ge Pulse länger leben,
      Um mein geändert Herz zu sehn?
      Verachtet hab’ ich seine treue Stimme,
      Da er noch wandelte im Licht -- er ist
      Dahin, ist fort auf immerdar und läßt mir
      Die schwere, unbezahlte Schuld! -- O, saget!
      Schied er dahin im Unmuth gegen mich?

  =Stauffacher.=

      Er hörte sterbend noch, was ihr gethan.
      Und segnete den Muth, mit dem ihr spracht!

  =Rudenz= (kniet an dem Todten nieder).

      Ja, heil’ge Reste eines theuren Mannes!
      Entseelter Leichnam! hier gelob’ ich dir’s
      In deine kalte Todtenhand -- zerrissen
      Hab’ ich auf ewig alle fremden Bande;
      Zurückgegeben bin ich meinem Volk;
      Ein Schweizer bin ich, und ich will es seyn
      Von ganzer Seele -- --

    (Aufstehend.)

                             Trauert um den Freund,
      Den Vater Aller, doch verzaget nicht!
      Nicht bloß sein Erbe ist mir zugefallen,
      Es steigt sein Herz, sein Geist auf mich herab,
      Und leisten soll euch meine frische Jugend,
      Was euch sein greises Alter schuldig blieb.
      -- Ehrwürd’ger Vater, gebt mir eure Hand!
      Gebt mir die eurige! Melchthal, auch ihr!
      Bedenkt euch nicht! O, wendet euch nicht weg!
      Empfanget meinen Schwur und mein Gelübde.

  =Walther Fürst.=

      Gebt ihm die Hand. Sein wiederkehrend Herz
      Verdient Vertraun.

  =Melchthal.=

                         Ihr habt den Landmann nichts geachtet.
      Sprecht, wessen soll man sich zu euch versehn?

  =Rudenz.=

      O, denket nicht des Irrthums meiner Jugend!

  =Stauffacher= (zu Melchthal).

      Seyd einig, war das letzte Wort des Vaters.
      Gedenket dessen!

  =Melchthal.=

                       Hier ist meine Hand!
      Des Bauern Handschlag, edler Herr, ist auch
      Ein Manneswort! Was ist der Ritter ohne +uns+?
      Und unser Stand ist älter, als der eure.

  =Rudenz.=

      Ich ehr’ ihn, und mein Schwert soll ihn beschützen.

  =Melchthal.=

      +Der+ Arm, Herr Freiherr, der die harte Erde
      Sich unterwirft und ihren Schooß befruchtet,
      Kann auch des Mannes Brust beschützen.

  =Rudenz.=

                                             Ihr
      Sollt +meine+ Brust, ich will die +eure+ schützen,
      So sind wir Einer durch den Andern stark.
      -- Doch wozu reden, da das Vaterland
      Ein Raub noch ist der fremden Tyrannei?
      Wenn erst der Boden rein ist von dem Feind,
      Dann wollen wir’s in Frieden schon vergleichen.

    (Nachdem er einen Augenblick inne gehalten.)

      Ihr schweigt? Ihr habt mir nichts zu sagen? Wie?
      Verdien’ ich’s noch nicht, daß ihr mir vertraut?
      So muß ich wider euren Willen mich
      In das Geheimniß eures Bundes drängen.
      -- Ihr habt getagt -- geschworen auf dem Rütli --
      Ich weiß -- weiß Alles, was ihr dort verhandelt,
      Und, was mir nicht von euch vertrauet ward,
      Ich hab’s bewahrt gleichwie ein heilig Pfand.
      Nie war ich meines Landes Feind, glaubt mir,
      Und niemals hätt’ ich gegen euch gehandelt.
      -- Doch übel thatet ihr, es zu verschieben,
      Die Stunde dringt, und rascher That bedarf’s --
      Der Tell war schon das Opfer eures Säumens --

  =Stauffacher.=

      Das Christfest abzuwarten schwuren wir.

  =Rudenz.=

      Ich war nicht dort, ich hab’ nicht mitgeschworen.
      Wartet ihr ab, ich handle.

  =Melchthal.=

      Was? Ihr wolltet --

  =Rudenz.=

      Des Landes Vätern zähl’ ich mich jetzt bei,
      Und meine erste Pflicht ist, euch zu schützen.

  =Walther Fürst.=

      Der Erde diesen theuren Staub zu geben,
      Ist eure nächste Pflicht und heiligste.

  =Rudenz.=

      Wenn wir das Land befreit, dann legen wir
      Den frischen Kranz des Siegs ihm auf die Bahre.
      O Freunde! eure Sache nicht allein,
      Ich habe meine eigne auszufechten
      Mit dem Tyrannen -- Hört und wißt! Verschwunden
      Ist meine Bertha, heimlich weggeraubt,
      Mit kecker Frevelthat, aus unsrer Mitte!

  =Stauffacher.=

      Solcher Gewaltthat hätte der Tyrann
      Wider die freie Edle sich verwogen?

  =Rudenz.=

      O meine Freunde! euch versprach ich Hülfe,
      Und ich zuerst muß sie von euch erflehn.
      Geraubt, entrissen ist mir die Geliebte.
      Wer weiß, wo sie der Wüthende verbirgt,
      Welcher Gewalt sie frevelnd sich erkühnen,
      Ihr Herz zu zwingen zum verhaßten Band!
      Verlaßt mich nicht, o, helft mir sie erretten --
      Sie liebt euch! o, sie hat’s verdient ums Land,
      Daß alle Arme sich für sie bewaffnen --

  =Walther Fürst.=

      Was wollt ihr unternehmen?

  =Rudenz.=

                                 Weiß ich’s? Ach
      In dieser Nacht, die ihr Geschick umhüllt,
      In dieses Zweifels ungeheurer Angst,
      Wo ich nichts Festes zu erfassen weiß,
      Ist mir nur dieses in der Seele klar:
      Unter den Trümmern der Tyrannenmacht
      Allein kann sie hervorgegraben werden;
      Die Vesten alle müssen wir bezwingen,
      Ob wir vielleicht in ihren Kerker dringen.

  =Melchthal.=

      Kommt, führt uns an! Wir folgen euch. Warum
      Bis morgen sparen, was wir heut vermögen?
      Frei war der Tell, als wir im Rütli schwuren,
      Das Ungeheure war noch nicht geschehen.
      Es bringt die Zeit ein anderes Gesetz;
      Wer ist so feig, der jetzt noch könnte zagen!

  =Rudenz= (zu Stauffacher und Walther Fürst).

      Indeß bewaffnet und zum Werk bereit,
      Erwartet ihr der Berge Feuerzeichen;
      Denn, schneller als ein Botensegel fliegt,
      Soll euch die Botschaft unsers Siegs erreichen,
      Und, seht ihr leuchten die willkommnen Flammen,
      Dann auf die Feinde stürzt, wie Wetters Strahl,
      Und brecht den Bau der Tyrannei zusammen.

    (Gehen ab.)


  Dritte Scene.

    +Die hohle Gasse bei Küßnacht.+

    Man steigt von hinten zwischen Felsen herunter, und die Wanderer
    werden, ehe sie auf der Scene erscheinen, schon von der Höhe
    gesehen. Felsen umschließen die ganze Scene; auf einem der
    vordersten ist ein Vorsprung mit Gesträuch bewachsen.

    =Tell= (tritt auf mit der Armbrust).

      Durch diese hohle Gasse muß er kommen;
      Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht -- Hier
      Vollend’ ich’s -- Die Gelegenheit ist günstig.
      Dort der Hollunderstrauch verbirgt mich ihm;
      Von dort herab kann ihn mein Pfeil erlangen;
      Des Weges Enge wehret den Verfolgern.
      Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt!
      Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen.

      Ich lebte still und harmlos -- das Geschoß
      War auf des Waldes Thiere nur gerichtet,
      Meine Gedanken waren rein von Mord --
      +Du+ hast aus meinem Frieden mich heraus
      Geschreckt; in gährend Drachengift hast du
      Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt;
      Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt --
      Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte,
      Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.

      Die armen Kindlein, die unschuldigen,
      Das treue Weib muß ich vor deiner Wuth
      Beschützen, Landvogt! -- Da, als ich den Bogenstrang
      Anzog -- als mir die Hand erzitterte --
      Als du mit grausam teufelischer Lust
      Mich zwangst, aufs Haupt des Kindes anzulegen --
      Als ich ohnmächtig flehend rang vor dir,
      Damals gelobt’ ich mir in meinem Innern
      Mit furchtbarm Eidschwur, den nur Gott gehört,
      Daß meines +nächsten+ Schusses +erstes+ Ziel
      Dein Herz seyn sollte -- Was ich mir gelobt
      In jenes Augenblickes Höllenqualen,
      Ist eine heil’ge Schuld -- ich will sie zahlen.

      Du bist mein Herr und meines Kaisers Vogt;
      Doch nicht der Kaiser hätte sich erlaubt,
      Was +du+ -- Er sandte dich in diese Lande,
      Um Recht zu sprechen -- strenges, denn er zürnet --
      Doch nicht, um mit der mörderischen Lust
      Dich jedes Gräuels straflos zu erfrechen;
      Es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen.

      Komm du hervor, du Bringer bittrer Schmerzen,
      Mein theures Kleinod jetzt, mein höchster Schatz --
      Ein Ziel will ich dir geben, das bis jetzt
      Der frommen Bitte undurchdringlich war --
      Doch +dir+ soll es nicht widerstehn -- Und du,
      Vertraute Bogensehne, die so oft
      Mir treu gedient hat in der Freude Spielen,
      Verlass’ mich nicht im fürchterlichen Ernst!
      Nur jetzt noch halte fest, du treuer Strang,
      Der mir so oft den herben Pfeil beflügelt --
      Entränn’ er jetzo kraftlos meinen Händen,
      Ich habe keinen zweiten zu versenden.

    (Wanderer gehen über die Scene.)

      Auf dieser Bank von Stein will ich mich setzen,
      Dem Wanderer zur kurzen Ruh bereitet --
      Denn hier ist keine Heimat -- Jeder treibt
      Sich an dem Andern rasch und fremd vorüber
      Und fraget nicht nach seinem Schmerz -- Hier geht
      Der sorgenvolle Kaufmann und der leicht
      Geschürzte Pilger -- der andächt’ge Mönch,
      Der düstre Räuber und der heitre Spielmann,
      Der Säumer mit dem schwer beladnen Roß,
      Der ferne herkommt von der Menschen Ländern,
      Denn jede Straße führt ans End der Welt.
      Sie alle ziehen ihres Weges fort
      An ihr Geschäft -- und meines ist der Mord!

    (Setzt sich.)

      Sonst, wenn der Vater auszog, liebe Kinder,
      Da war ein Freuen, wenn er wieder kam;
      Denn niemals kehrt’ er heim, er bracht’ euch etwas,
      War’s eine schöne Alpenblume, war’s
      Ein seltner Vogel oder Ammonshorn,
      Wie es der Wandrer findet auf den Bergen --
      Jetzt geht er einem andern Waidwerk nach,
      Am wilden Weg sitzt er mit Mordgedanken;
      Des Feindes Leben ist’s, worauf er lauert.
      -- Und doch an +euch+ nur denkt er, liebe Kinder,
      Auch jetzt -- euch zu vertheid’gen, eure holde Unschuld
      Zu schützen vor der Rache des Tyrannen,
      Will er zum Morde jetzt den Bogen spannen.

    (Steht auf.)

      Ich laure auf ein edles Wild -- Läßt sich’s
      Der Jäger nicht verdrießen, Tage lang
      Umher zu streifen in des Winters Strenge,
      Von Fels zu Fels den Wagesprung zu thun,
      Hinan zu klimmen an den glatten Wänden,
      Wo er sich anleimt mit dem eignen Blut,
      -- Um ein armselig Gratthier zu erjagen.
      Hier gilt es einen köstlicheren Preis,
      Das Herz des Todfeinds, der mich will verderben.

    (Man hört von ferne eine heitere Musik, welche sich nähert.)

      Mein ganzes Leben lang hab’ ich den Bogen
      Gehandhabt, mich geübt nach Schützenregel;
      Ich habe oft geschossen in das Schwarze
      Und manchen schönen Preis mir heimgebracht
      Vom Freudenschießen -- Aber heute will ich
      Den +Meisterschuß+ thun und das Beste mir
      Im ganzen Umkreis des Gebirgs gewinnen.

    Eine Hochzeit zieht über die Scene und durch den Hohlweg hinauf.
    Tell betrachtet sie, auf seinen Bogen gelehnt; =Stüssi=, der
    Flurschütz, gesellt sich zu ihm.

  =Stüssi.=

      Das ist der Klostermei’r von Mörlischachen,
      Der hier den Brautlauf hält -- ein reicher Mann --
      Er hat wohl zehen Senten auf den Alpen.
      Die Braut holt er jetzt ab zu Imisee,
      Und diese Nacht wird hoch geschwelgt zu Küßnacht.
      Komm mit! ’s ist jeder Biedermann geladen.

  =Tell.=

      Ein ernster Gast stimmt nicht zum Hochzeithaus.

  =Stüssi.=

      Drückt euch ein Kummer, werft ihn frisch vom Herzen!
      Nehmt mit, was kommt; die Zeiten sind jetzt schwer;
      Drum muß der Mensch die Freude leicht ergreifen.
      Hier wird gefreit und anderswo begraben.

  =Tell.=

      Und oft kommt gar das Eine zu dem Andern.

  =Stüssi.=

      So geht die Welt nun. Es gibt allerwegen
      Unglücks genug -- Ein Ruffi ist gegangen
      Im Glarner Land, und eine ganze Seite
      Vom Glärnisch eingesunken.

  =Tell.=

                                 Wanken auch
      Die Berge selbst? Es steht nichts fest auf Erden.

  =Stüssi.=

      Auch anderswo vernimmt man Wunderdinge.
      Da sprach ich Einen, der von Baden kam.
      Ein Ritter wollte zu dem König reiten,
      Und unterwegs begegnet ihm ein Schwarm
      Von Hornissen; die fallen auf sein Roß,
      Daß es vor Marter todt zu Boden sinkt,
      Und er zu Fuße ankommt bei dem König.

  =Tell.=

      Dem Schwachen ist sein Stachel auch gegeben.

    =Armgart= kommt mit mehreren Kindern und stellt sich an den
    Eingang des Hohlwegs.

  =Stüssi.=

      Man deutet’s auf ein großes Landesunglück,
      Auf schwere Thaten wider die Natur.

  =Tell.=

      Dergleichen Thaten bringet jeder Tag;
      Kein Wunderzeichen braucht sie zu verkünden.

  =Stüssi.=

      Ja, wohl dem, der sein Feld bestellt in Ruh,
      Und ungekränkt daheim sitzt bei den Seinen.

  =Tell.=

      Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben,
      Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.

    (Tell sieht oft mit unruhiger Erwartung nach der Höhe des Weges.)

  =Stüssi.=

      Gehabt euch wohl -- Ihr wartet hier auf Jemand.

  =Tell.=

      Das thu’ ich.

  =Stüssi.=

                    Frohe Heimkehr zu den Euren!
      -- Ihr seyd aus Uri? Unser gnäd’ger Herr,
      Der Landvogt, wird noch heut von dort erwartet.

  =Wandrer= (kommt).

      Den Vogt erwartet heut nicht mehr. Die Wasser
      Sind ausgetreten von dem großen Regen.
      Und alle Brücken hat der Strom zerrissen.

    (Tell steht auf.)

  =Armgart= (kommt vorwärts).

      Der Landvogt kommt nicht?

  =Stüssi.=

      Sucht ihr was an ihn?

  =Armgart.=

      Ach freilich!

  =Stüssi.=

                    Warum stellet ihr euch denn
      In dieser hohlen Gass’ ihm in den Weg?

  =Armgart.=

      Hier weicht er mir nicht aus, er muß mich hören.

  =Frießhardt=

    (kommt eilfertig den Hohlweg herab und ruft in die Scene).

      Man fahre aus dem Weg -- Mein gnäd’ger Herr,
      Der Landvogt, kommt dicht hinter mir geritten.

    (Tell geht ab.)

  =Armgart= (lebhaft).

      Der Landvogt kommt!

    (Sie geht mit ihren Kindern nach der vordern Scene. =Geßler=
    und =Rudolph= der Harras zeigen sich zu Pferd auf der Höhe des
    Wegs.)

  =Stüssi= (zum Frießhardt).

                          Wie kamt ihr durch das Wasser,
      Da doch der Strom die Brücken fortgeführt?

  =Frießhardt.=

    Wir haben mit dem See gefochten, Freund,
    Und fürchten uns vor keinem Alpenwasser.

  =Stüssi.=

      Ihr wart zu Schiff in dem gewalt’gen Sturm?

  =Frießhardt.=

      Das waren wir. Mein Lebtag denk’ ich dran --

  =Stüssi.=

      O, bleibt, erzählt!

  =Frießhardt.=

                          Laßt mich, ich muß voraus,
      Den Landvogt muß ich in der Burg verkünden.

    (Ab.)

  =Stüssi.=

      Wär’n gute Leute auf dem Schiff gewesen,
      In Grund gesunken wär’s mit Mann und Maus;
      +Dem+ Volk kann weder Wasser bei noch Feuer.

    (Er sieht sich um.)

      Wo kam der Waidmann hin, mit dem ich sprach?

    (Geht ab.)

    =Geßler= und =Rudolph der Harras= zu Pferd.

  =Geßler.=

      Sagt, was ihr wollt, ich bin des Kaisers Diener
      Und muß drauf denken, wie ich ihm gefalle.
      Er hat mich nicht ins Land geschickt, dem Volk
      Zu schmeicheln und ihm sanft zu thun -- Gehorsam
      Erwartet er; der Streit ist, ob der Bauer
      Soll Herr seyn in dem Lande oder der Kaiser.

  =Armgart.=

      Jetzt ist der Augenblick! Jetzt bring’ ich’s an!

    (Nähert sich furchtsam.)

  =Geßler.=

      Ich hab’ den Hut nicht aufgesteckt zu Altorf
      Des Scherzes wegen, oder um die Herzen
      Des Volks zu prüfen; diese kenn’ ich längst.
      Ich hab’ ihn aufgesteckt, daß sie den Nacken
      Mir lernen beugen, den sie aufrecht tragen --
      Das +Unbequeme+ hab’ ich hingepflanzt
      Auf ihren Weg, wo sie vorbeigehn müssen,
      Daß sie drauf stoßen mit dem Aug’, und sich
      Erinnern ihres Herrn, den sie vergessen.

  =Rudolph.=

      Das Volk hat aber doch gewisse Rechte --

  =Geßler.=

      Die abzuwägen, ist jetzt keine Zeit!
      -- Weitschicht’ge Dinge sind im Werk und Werden;
      Das Kaiserhaus will wachsen; was der Vater
      Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden.
      Dies kleine Volk ist uns ein Stein im Weg --
      So oder so -- es muß sich unterwerfen.

    (Sie wollen vorüber. Die Frau wirft sich vor dem Landvogt nieder.)

  =Armgart.=

      Barmherzigkeit, Herr Landvogt! Gnade! Gnade!

  =Geßler.=

      Was dringt ihr euch auf offner Straße mir
      In Weg -- Zurück!

  =Armgart.=

                        Mein Mann liegt im Gefängniß;
      Die armen Waisen schrein nach Brod -- Habt Mitleid,
      Gestrenger Herr, mit unserm großen Elend?

  =Rudolph.=

      Wer seyd ihr? Wer ist euer Mann?

  =Armgart.=

                                       Ein armer
      Wildheuer, guter Herr, vom Rigiberge,
      Der überm Abgrund weg das freie Gras
      Abmähet von den schroffen Felsenwänden,
      Wohin das Vieh sich nicht getraut zu steigen --

  =Rudolph= (zum Landvogt).

      Bei Gott! ein elend und erbärmlich Leben!
      Ich bitt’ euch, gebt ihn los, den armen Mann!
      Was er auch Schweres mag verschuldet haben,
      Strafe genug ist sein entsetzlich Handwerk.

    (Zu der Frau.)

      Euch soll Recht werden -- Drinnen auf der Burg
      Nennt eure Bitte -- Hier ist nicht der Ort.

  =Armgart.=

      Nein, nein, ich weiche nicht von diesem Platz,
      Bis mir der Vogt den Mann zurückgegeben!
      Schon in den sechsten Mond liegt er im Thurm
      Und harret auf den Richterspruch vergebens.

  =Geßler.=

      Weib, wollt ihr mir Gewalt anthun? Hinweg!

  =Armgart.=

      Gerechtigkeit, Landvogt! Du bist der Richter
      Im Lande an des Kaisers Statt und Gottes.
      Thu deine Pflicht! So du Gerechtigkeit
      Vom Himmel hoffest, so erzeig sie uns!

  =Geßler.=

      Fort! Schafft das freche Volk mir aus den Augen.

  =Armgart= (greift in die Zügel des Pferdes).

      Nein, nein, ich habe nichts mehr zu verlieren.
      -- Du kommst nicht von der Stelle, Vogt, bis du
      Mir Recht gesprochen -- Falte deine Stirne,
      Rolle die Augen, wie du willst -- Wir sind
      So gränzenlos unglücklich, daß wir nichts
      Nach deinem Zorn mehr fragen --

  =Geßler.=

                                      Weib, mach Platz
      Oder mein Roß geht über dich hinweg.

  =Armgart.=

      Laß es über mich dahin gehn -- Da --

    (Sie reißt ihre Kinder zu Boden und wirft sich mit ihnen ihm in den
    Weg.)

                                           Hier lieg’ ich
      Mit meinen Kindern -- Laß die armen Waisen
      Von deines Pferdes Huf zertreten werden!
      Es ist das Aergste nicht, was du gethan --

  =Rudolph.=

      Weib, seyd ihr rasend?

  =Armgart= (heftiger fortfahrend).

                             Tratest du doch längst
      Das Land des Kaisers unter deine Füße!
      -- O, ich bin nur ein Weib. Wär’ ich ein Mann,
      Ich wüßte wohl was Besseres, als hier
      Im Staub zu liegen --

    (Man hört die vorige Musik wieder auf der Höhe des Wegs, aber
    gedämpft.)

  =Geßler.=

                            Wo sind meine Knechte?
      Man reiße sie von hinnen oder ich
      Vergesse mich und thue, was mich reuet.

  =Rudolph.=

      Die Knechte können nicht hindurch, o Herr!
      Der Hohlweg ist gesperrt durch eine Hochzeit.

  =Geßler.=

      Ein allzu milder Herrscher bin ich noch
      Gegen dies Volk -- die Zungen sind noch frei,
      Es ist noch nicht ganz, wie es soll, gebändigt --
      Doch es soll anders werden, ich gelob’ es;
      Ich will ihn brechen, diesen starren Sinn,
      Den kecken Geist der Freiheit will ich beugen,
      Ein neu Gesetz will ich in diesen Landen
      Verkündigen -- Ich will --

    (Ein Pfeil durchbohrt ihn; er fährt mit der Hand ans Herz und will
    sinken. Mit matter Stimme.)

      Gott sey mir gnädig!

  =Rudolph.=

      Herr Landvogt -- Gott! Was ist das? Woher kam das?

  =Armgart= (auffahrend).

      Mord! Mord! Er taumelt, sinkt! Er ist getroffen!

  =Rudolph= (springt vom Pferde).

      Welch gräßliches Ereigniß -- Gott -- Herr Ritter --
      Ruft die Erbarmung Gottes an! Ihr seyd
      Ein Mann des Todes!

  =Geßler.=

      Das ist Tells Geschoß.

    (Ist vom Pferde herab dem Rudolph Harras in den Arm gegleitet und
    wird auf der Bank niedergelassen.)

  =Tell=

    (erscheint oben auf der Höhe des Felsen).

      Du kennst den Schützen, suche keinen andern!
      Frei sind die Hütten, sicher ist die Unschuld
      Vor dir, du wirst dem Lande nicht mehr schaden.

    (Verschwindet von der Höhe. Volk stürzt herein.)

  =Stüssi= (voran).

      Was gibt es hier? Was hat sich zugetragen?

  =Armgart.=

      Der Landvogt ist von einem Pfeil durchschossen.

  =Volk= (im Hereinstürzen).

      Wer ist erschossen?

    (Indem die Vordersten von dem Brautzug auf die Scene kommen, sind
    die Hintersten noch auf der Höhe, und die Musik geht fort.)

  =Rudolph der Harras.=

                          Er verblutet sich.
      Fort, schaffet Hülfe! Setzt dem Mörder nach!
      -- Verlorner Mann, so muß es mit dir enden;
      Doch meine Warnung wolltest du nicht hören!

  =Stüssi.=

      Bei Gott, da liegt er bleich und ohne Leben!

  =Viele Stimmen.=

      Wer hat die That gethan?

  =Rudolph der Harras.=

                               Rast dieses Volk,
      Daß es dem Mord Musik macht? Laßt sie schweigen!

    (Musik bricht plötzlich ab, es kommt noch mehr Volk nach.)

      Herr Landvogt, redet, wenn ihr könnt -- Habt ihr
      Mir nichts mehr zu vertrauen?

    (Geßler gibt Zeichen mit der Hand, die er mit Heftigkeit
    wiederholt, da sie nicht gleich verstanden werden.)

                                    Wo soll ich hin?
      -- Nach Küßnacht? Ich versteh’ euch nicht -- O, werdet
      Nicht ungeduldig -- Laßt das Irdische!
      Denkt jetzt, euch mit dem Himmel zu versöhnen.

    (Die ganze Hochzeitgesellschaft umsteht den Sterbenden mit einem
    fühllosen Grausen.)

  =Stüssi.=

      Sieh, wie er bleich wird -- Jetzt, jetzt tritt der Tod
      Ihm an das Herz -- die Augen sind gebrochen.

  =Armgart= (hebt ein Kind empor).

      Seht, Kinder, wie ein Wütherich verscheidet!

  =Rudolph der Harras.=

      Wahnsinnige Weiber, habt ihr kein Gefühl,
      Daß ihr den Blick an diesem Schreckniß weidet?
      -- Helft -- leget Hand an -- Steht mir Niemand bei,
      Den Schmerzenspfeil ihm aus der Brust zu ziehn?

  =Weiber= (treten zurück).

      Wir ihn berühren, welchen Gott geschlagen?

  =Rudolph der Harras.=

      Fluch treff’ euch und Verdammniß!

    (Zieht das Schwert.)

  =Stüssi= (fällt ihm in den Arm).

                                        Wagt es, Herr!
      Eu’r Walten hat ein Ende. Der Tyrann
      Des Landes ist gefallen. Wir erdulden
      Keine Gewalt mehr. Wir sind freie Menschen.

  =Alle= (tumultuarisch).

      Das Land ist frei!

  =Rudolph der Harras.=

                         Ist es dahin gekommen? --
      Endet die Furcht so schnell und der Gehorsam?

    (Zu den Waffenknechten, die hereindringen.)

      Ihr seht die grausenvolle That des Mords,
      Die hier geschehen -- Hülfe ist umsonst --
      Vergeblich ist’s dem Mörder nachzusetzen.
      Uns drängen andre Sorgen -- Auf, nach Küßnacht,
      Daß wir dem Kaiser seine Veste retten!
      Denn aufgelöst in diesem Augenblick
      Sind aller Ordnung, aller Pflichten Bande,
      Und keines Mannes Treu ist zu vertrauen.

    Indem er mit den Waffenknechten abgeht, erscheinen =sechs
    barmherzige Brüder=.

  =Armgart.=

      Platz! Platz! Da kommen die barmherz’gen Brüder.

  =Stüssi.=

      Das Opfer liegt -- die Raben steigen nieder.

  =Barmherzige Brüder=

    (schließen einen Halbkreis um den Todten und singen im tiefen Ton).

      Rasch tritt der Tod den Menschen an;
        Es ist ihm keine Frist gegeben;
      Es stürzt ihn mitten in der Bahn,
        Es reißt ihn fort vom vollen Leben.
      Bereitet oder nicht, zu gehen,
      Er muß vor seinen Richter stehen!

    (Indem die letzten Zeilen wiederholt werden, fällt der Vorhang.)




  Fünfter Aufzug.


  Erste Scene.

    +Oeffentlicher Platz bei Altorf.+

    Im Hintergrunde rechts die Veste Zwing Uri mit dem noch stehenden
    Baugerüste, wie in der dritten Scene des ersten Aufzugs;
    links eine Aussicht in viele Berge hinein, auf welchen allen
    Signalfeuer brennen. Es ist eben Tagesanbruch, Glocken ertönen aus
    verschiedenen Fernen.

    =Ruodi=, =Kuoni=, =Werni=, =Meister Steinmetz=
    und viele andere =Landleute=, auch =Weiber= und
    =Kinder=.

  =Ruodi.=

      Seht ihr die Feu’rsignale auf den Bergen?

  =Steinmetz.=

      Hört ihr die Glocken drüben überm Wald?

  =Ruodi.=

      Die Feinde sind verjagt.

  =Steinmetz.=

      Die Burgen sind erobert.

  =Ruodi.=

      Und wir im Lande Uri dulden noch
      Auf unserm Boden das Tyrannenschloß?
      Sind wir die Letzten, die sich frei erklären?

  =Steinmetz.=

      Das Joch soll stehen, das uns zwingen wollte?
      Auf, reißt es nieder!

  =Alle.=

      Nieder! nieder! nieder!

  =Ruodi.=

      Wo ist der Stier von Uri?

  =Stier von Uri.=

      Hier. Was soll ich?

  =Ruodi.=

      Steigt auf die Hochwacht, blast in euer Horn,
      Daß es weitschmetternd in die Berge schalle,
      Und, jedes Echo in den Felsenklüften
      Aufweckend, schnell die Männer des Gebirgs
      Zusammenrufe!

    Stier von Uri geht ab. =Walther Fürst= kommt.

  =Walther Fürst.=

                    Haltet, Freunde! Haltet!
      Noch fehlt uns Kunde, was in Unterwalden
      Und Schwytz geschehen. Laßt uns Boten erst
      Erwarten.

  =Ruodi.=

                Was erwarten? Der Tyrann
      Ist todt; der Tag der Freiheit ist erschienen.

  =Steinmetz.=

      Ist’s nicht genug an diesen flammenden Boten,
      Die rings herum auf allen Bergen leuchten?

  =Ruodi.=

      Kommt Alle, kommt, legt Hand an, Männer und Weiber.
      Brecht das Gerüste! Sprengt die Bogen! Reißt
      Die Mauern ein! Kein Stein bleib’ auf dem andern.

  =Steinmetz.=

      Gesellen, kommt! Wir haben’s aufgebaut,
      Wir wissen’s zu zerstören.

  =Alle.=

      Kommt, reißt nieder!

    (Sie stürzen sich von allen Seiten auf den Bau.)

  =Walther Fürst.=

      Es ist im Lauf. Ich kann sie nicht mehr halten.

    =Melchthal= und =Baumgarten= kommen.

  =Melchthal.=

      Was? steht die Burg noch, und Schloß Sarnen liegt
      In Asche, und der Roßberg ist gebrochen?

  =Walther Fürst.=

      Seyd ihr es, Melchthal? Bringt ihr uns die Freiheit?
      Sagt, sind die Lande alle rein vom Feind?

  =Melchthal= (umarmt ihn).

      Rein ist der Boden. Freut euch, alter Vater!
      In diesem Augenblicke, da wir reden,
      Ist kein Tyrann mehr in der Schweizer Land.

  =Walther Fürst.=

      O, sprecht, wie wurdet ihr der Burgen mächtig?

  =Melchthal.=

      Der Rudenz war es, der das Sarner Schloß
      Mit mannlich kühner Wagethat gewann.
      Den Roßberg hatt’ ich Nachts zuvor erstiegen.
      -- Doch höret, was geschah. Als wir das Schloß
      Vom Feind geleert, nun freudig angezündet,
      Die Flamme prasselnd schon zum Himmel schlug,
      Da stürzt der Diethelm, Geßlers Bub, hervor
      Und ruft, daß die Bruneckerin verbrenne.

  =Walther Fürst.=

      Gerechter Gott!

    (Man hört die Balken des Gerüstes stürzen.)

  =Melchthal.=

                      Sie war es selbst, war heimlich
      Hier eingeschlossen auf des Vogts Geheiß.
      Rasend erhob sich Rudenz -- denn wir hörten
      Die Balken schon, die festen Pfosten stürzen
      Und aus dem Rauch hervor den Jammerruf
      Der Unglückseligen.

  =Walther Fürst.=

      Sie ist gerettet?

  =Melchthal.=

      Da galt Geschwindseyn und Entschlossenheit!
      -- Wär’ er +nur+ unser Edelmann gewesen,
      Wir hätten unser Leben wohl geliebt;
      Doch er war unser Eidgenoß, und Bertha
      Ehrte das Volk -- So setzten wir getrost
      Das Leben dran und stürzten in das Feuer.

  =Walther Fürst.=

      Sie ist gerettet?

  =Melchthal.=

                        Sie ist’s. Rudenz und ich,
      Wir trugen sie selbander aus den Flammen,
      Und hinter uns fiel krachend das Gebälk.
      -- Und jetzt, als sie gerettet sich erkannte,
      Die Augen aufschlug zu dem Himmelslicht,
      Jetzt stürzte mir der Freiherr an das Herz,
      Und schweigend ward ein Bündniß jetzt beschworen,
      Das fest gehärtet in des Feuers Glut
      Bestehen wird in allen Schicksalsproben --

  =Walther Fürst.=

      Wo ist der Landenberg?

  =Melchthal.=

                             Ueber den Brünig.
      Nicht lag’s an mir, daß er das Licht der Augen
      Davontrug, der den Vater mir geblendet.
      Nach jagt’ ich ihm, erreicht’ ihn auf der Flucht
      Und riß ihn zu den Füßen meines Vaters.
      Geschwungen über ihn war schon das Schwert;
      Von der Barmherzigkeit des blinden Greises
      Erhielt er flehend das Geschenk des Lebens.
      +Urphede+ schwur er, nie zurück zu kehren;
      Er wird sie halten; unsern Arm hat er
      Gefühlt.

  =Walther Fürst.=

               Wohl euch, daß ihr den reinen Sieg
      Mit Blute nicht geschändet!

  =Kinder=

    (eilen mit Trümmern des Gerüstes über die Scene).

      Freiheit! Freiheit!

    (Das Horn von Uri wird mit Macht geblasen.)

  =Walther Fürst.=

      Seht, welch ein Fest! Des Tages werden sich
      Die Kinder spät als Greise noch erinnern.

    (Mädchen bringen den Hut auf einer Stange getragen; die ganze Scene
    füllt sich mit Volk an.)

  =Ruodi.=

      Hier ist der Hut, dem wir uns beugen mußten.

  =Baumgarten.=

      Gebt uns Bescheid, was damit werden soll.

  =Walther Fürst.=

      Gott! Unter diesem Hute stand mein Enkel.

  =Mehrere Stimmen.=

      Zerstört das Denkmal der Tyrannenmacht!
      Ins Feuer mit ihm!

  =Walther Fürst.=

                         Nein, laßt ihn aufbewahren!
      Der Tyrannei mußt’ er zum Werkzeug dienen;
      Er soll der Freiheit ewig Zeichen seyn!

    (Die Landleute, Männer, Weiber und Kinder stehen und sitzen auf den
    Balken des zerbrochenen Gerüstes malerisch gruppirt in einem großen
    Halbkreis umher.)

  =Melchthal.=

      So stehen wir nun fröhlich auf den Trümmern
      Der Tyrannei, und herrlich ist’s erfüllt,
      Was wir im Rütli schwuren, Eidgenossen!

  =Walther Fürst.=

      Das Werk ist angefangen, nicht vollendet.
      Jetzt ist uns Muth und feste Eintracht noth;
      Denn, seyd gewiß, nicht säumen wird der König,
      Den Tod zu rächen seines Vogts, und den
      Vertriebnen mit Gewalt zurück zu führen.

  =Melchthal.=

      Er zieh’ heran mit seiner Heeresmacht!
      Ist aus dem Innern doch der Feind verjagt;
      Dem Feind von Außen wollen wir begegnen.

  =Ruodi.=

      Nur wen’ge Pässe öffnen ihm das Land,
      Die wollen wir mit unsern Leibern decken.

  =Baumgarten.=

      Wir sind vereinigt durch ein ewig Band,
      Und seine Heere sollen uns nicht schrecken.

    =Rösselmann= und =Stauffacher= kommen.

  =Rösselmann= (im Eintreten).

      Das sind des Himmels furchtbare Gerichte.

  =Landleute.=

      Was gibt’s?

  =Rösselmann.=

      In welchen Zeiten leben wir!

  =Walther Fürst.=

      Sagt an, was ist es? Ha, seyd ihr’s, Herr Werner?
      Was bringt ihr uns?

  =Landleute.=

      Was gibt’s?

  =Rösselmann.=

      Hört und erstaunt!

  =Stauffacher.=

      Von einer großen Furcht sind wir befreit --

  =Rösselmann.=

      Der Kaiser ist ermordet.

  =Walther Fürst.=

      Gnäd’ger Gott!

    (Landleute machen einen Aufstand und umdrängen den Stauffacher.)

  =Alle.=

      Ermordet! Was? Der Kaiser! Hört! Der Kaiser!

  =Melchthal.=

      Nicht möglich! Woher kam euch diese Kunde?

  =Stauffacher.=

      Es ist gewiß. Bei Bruck fiel König Albrecht
      Durch Mörders Hand -- ein glaubenswerther Mann,
      +Johannes Müller+, bracht’ es von Schaffhausen.

  =Walther Fürst.=

      Wer wagte solche grauenvolle That?

  =Stauffacher.=

      Sie wird noch grauenvoller durch den Thäter.
      Es war sein Neffe, seines Bruders Kind,
      Herzog Johann von Schwaben, der’s vollbrachte.

  =Melchthal.=

      Was trieb ihn zu der That des Vatermords?

  =Stauffacher.=

      Der Kaiser hielt das väterliche Erbe
      Dem ungeduldig Mahnenden zurück;
      Es hieß, er denk’ ihn ganz darum zu kürzen,
      Mit einem Bischofshut ihn abzufinden.
      Wie dem auch sey -- der Jüngling öffnete
      Der Waffenfreunde bösem Rath sein Ohr,
      Und mit den edeln Herrn von +Eschenbach+,
      Von +Tegerfelden+, von der +Wart+ und +Palm+
      Beschloß er, da er Recht nicht konnte finden,
      Sich Rach’ zu holen mit der eignen Hand.

  =Walther Fürst.=

      O, sprecht, wie ward das Gräßliche vollendet?

  =Stauffacher.=

      Der König ritt herab vom Stein zu Baden,
      Gen Rheinfeld, wo die Hofstatt war, zu ziehn,
      Mit ihm die Fürsten +Hans+ und +Leopold+
      Und ein Gefolge hochgeborner Herren.
      Und, als sie kamen an die +Reuß+, wo man
      Auf einer Fähre sich läßt übersetzen,
      Da drängten sich die Mörder in das Schiff,
      Daß sie den Kaiser vom Gefolge trennten.
      Drauf, als der Fürst durch ein geackert Feld
      Hinreitet -- eine alte große Stadt
      Soll drunter liegen aus der Heidenzeit --
      Die alte Veste Habsburg im Gesicht,
      Wo seines Stammes Hoheit ausgegangen --
      Stößt Herzog Hans den Dolch ihm in die Kehle,
      Rudolph von Palm durchrennt ihn mit dem Speer,
      Und Eschenbach zerspaltet ihm das Haupt,
      Daß er heruntersinkt in seinem Blut,
      Gemordet von den Seinen +auf+ dem Seinen.
      Am andern Ufer sahen sie die That;
      Doch, durch den Strom geschieden, konnten sie
      Nur ein ohnmächtig Wehgeschrei erheben;
      Am Wege aber saß ein armes Weib,
      In ihrem Schooß verblutete der Kaiser.

  =Melchthal.=

      So hat er nur sein frühes Grab gegraben,
      Der unersättlich Alles wollte haben!

  =Stauffacher.=

      Ein ungeheurer Schrecken ist im Land umher;
      Gesperrt sind alle Pässe des Gebirgs;
      Jedweder Stand verwahret seine Gränzen;
      Die alte Zürich selbst schloß ihre Thore,
      Die dreißig Jahr lang offen standen, zu,
      Die Mörder fürchtend und noch mehr -- die Rächer.
      Denn, mit des Bannes Fluch bewaffnet, kommt
      Der Ungarn Königin, die strenge Agnes,
      Die nicht die Milde kennet ihres zarten
      Geschlechts, des Vaters königliches Blut
      Zu rächen an der Mörder ganzem Stamm,
      An ihren Knechten, Kindern, Kindeskindern,
      Ja, an den Steinen ihrer Schlösser selbst.
      Geschworen hat sie, ganze Zeugungen
      Hinabzusenden in des Vaters Grab,
      In Blut sich, wie in Maienthau, zu baden.

  =Melchthal.=

      Weiß man, wo sich die Mörder hingeflüchtet?

  =Stauffacher.=

      Sie flohen alsbald nach vollbrachter That
      Auf fünf verschiednen Straßen auseinander
      Und trennten sich, um nie sich mehr zu sehn --
      Herzog Johann soll irren im Gebirge.

  =Walther Fürst.=

      So trägt die Unthat ihnen keine Frucht!
      Rache trägt keine Frucht! Sich selbst ist sie
      Die fürchterliche Nahrung, ihr Genuß
      Ist Mord, und ihre Sättigung das Grausen.

  =Stauffacher.=

      Den Mördern bringt die Unthat nicht Gewinn;
      +Wir+ aber brechen mit der reinen Hand
      Des blut’gen Frevels segenvolle Frucht.
      Denn einer großen Furcht sind wir entledigt:
      Gefallen ist der Freiheit größter Feind,
      Und, wie verlautet, wird das Scepter gehn
      Aus Habsburgs Haus zu einem andern Stamm;
      Das Reich will seine Wahlfreiheit behaupten.

  =Walther Fürst= und =Mehrere=.

      Vernahmt ihr was?

  =Stauffacher.=

                        Der Graf von Luxemburg
      Ist von den mehrsten Stimmen schon bezeichnet.

  =Walther Fürst.=

      Wohl uns, daß wir beim Reiche treu gehalten;
      Jetzt ist zu hoffen auf Gerechtigkeit!

  =Stauffacher.=

      Dem neuen Herrn thun tapfre Freunde noth;
      Er wird uns schirmen gegen Oestreichs Rache.

    (Die Landleute umarmen einander.)

    =Sigrist= mit einem =Reichsboten=.

  =Sigrist.=

      Hier sind des Landes würd’ge Oberhäupter.

  =Rösselmann= und =Mehrere=.

      Sigrist, was gibt’s?

  =Sigrist.=

      Ein Reichsbot bringt dies Schreiben.

  =Alle= (zu Walther Fürst).

      Erbrecht und leset.

  =Walther Fürst= (liest).

                          „Den bescheidnen Männern
      Von Uri, Schwytz und Unterwalden bietet
      Die Königin Elsbeth Gnad’ und alles Guts.“

  =Viele Stimmen.=

      Was will die Königin? Ihr Reich ist aus.

  =Walther Fürst= (liest).

      „In ihrem großen Schmerz und Wittwenleid,
      Worein der blut’ge Hinscheid ihres Herrn
      Die Königin versetzt, gedenkt sie noch
      Der alten Treu’ und Lieb der Schwytzerlande.“

  =Melchthal.=

      In ihrem Glück hat sie das nie gethan.

  =Rösselmann.=

      Still! Lasset hören!

  =Walther Fürst= (liest).

      „Und sie versieht sich zu dem treuen Volk,
      Daß es gerechten Abscheu werde tragen
      Vor den verfluchten Thätern dieser That;
      Darum erwartet sie von den drei Landen,
      Daß sie den Mördern nimmer Vorschub thun,
      Vielmehr getreulich dazu helfen werden,
      Sie auszuliefern in des Rächers Hand,
      Der Lieb gedenkend und der alten Gunst,
      Die sie von Rudolphs Fürstenhaus empfangen.“

    (Zeichen des Unwillens unter den Landleuten.)

  =Viele Stimmen.=

      Der Lieb’ und Gunst!

  =Stauffacher.=

      Wir haben Gunst empfangen von dem Vater;
      Doch wessen rühmen wir uns von dem Sohn?
      Hat er den Brief der Freiheit uns bestätigt,
      Wie +vor+ ihm alle Kaiser doch gethan?
      Hat er gerichtet nach gerechtem Spruch
      Und der bedrängten Unschuld Schutz verliehn?
      Hat er auch nur die Boten wollen hören,
      Die wir in unsrer Angst zu ihm gesendet?
      Nicht Eins von diesem Allen hat der König
      An uns gethan, und, hätten wir nicht selbst
      Uns Recht verschafft mit eigner muth’ger Hand,
      Ihn rührte unsre Noth nicht an -- Ihm Dank?
      Nicht Dank hat er gesät in diesen Thälern.
      Er stand auf einem hohen Platz, er konnte
      Ein Vater seiner Völker seyn; doch ihm
      Gefiel es, nur zu sorgen für die Seinen.
      Die er gemehrt hat, mögen um ihn weinen!

  =Walther Fürst.=

      Wir wollen nicht frohlocken seines Falls,
      Nicht des empfangnen Bösen +jetzt+ gedenken,
      Fern sey’s von uns! Doch, daß wir +rächen+ sollten
      Des Königs Tod, der nie uns Gutes that,
      Und die verfolgen, die uns nie betrübten,
      Das ziemt uns nicht und will uns nicht gebühren.
      Die Liebe will ein freies Opfer seyn;
      Der Tod entbindet von erzwungnen Pflichten!
      -- Ihm haben wir nichts weiter zu entrichten.

  =Melchthal.=

      Und weint die Königin in ihrer Kammer,
      Und klagt ihr wilder Schmerz den Himmel an,
      So seht ihr hier ein angstbefreites Volk
      Zu eben diesem Himmel dankend flehen --
      Wer Thränen ernten will, muß Liebe säen.

    (Reichsbote geht ab.)

  =Stauffacher= (zu dem Volk).

      Wo ist der Tell? Soll er allein uns fehlen,
      Der unsrer Freiheit Stifter ist? Das Größte
      Hat +er+ gethan, das Härteste erduldet.
      Kommt Alle, kommt nach seinem Haus zu wallen,
      Und rufet Heil dem Retter von uns Allen.

    (Alle gehen ab.)


  Zweite Scene.

    +Tells Hausflur.+

    Ein Feuer brennt auf dem Herd. Die offenstehende Thüre zeigt ins
    Freie.

    =Hedwig=, =Walther= und =Wilhelm=.

  =Hedwig.=

      Heut kommt der Vater. Kinder, liebe Kinder!
      Er lebt, ist frei, und wir sind frei und Alles!
      Und euer Vater ist’s, der’s Land gerettet.

  =Walther.=

      Und ich bin auch dabei gewesen, Mutter!
      Mich muß man auch mit nennen. Vaters Pfeil
      Ging mir am Leben hart vorbei, und ich
      Hab’ nicht gezittert.

  =Hedwig= (umarmt ihn).

                            Ja, du bist mir wieder
      Gegeben! Zweimal hab’ ich dich geboren!
      Zweimal litt ich den Mutterschmerz um dich!
      Es ist vorbei -- ich hab’ euch beide, beide!
      Und heute kommt der liebe Vater wieder!

    =Ein Mönch= erscheint an der Hausthür.

  =Wilhelm.=

      Sieh, Mutter, sieh -- dort steht ein frommer Bruder;
      Gewiß wird er um eine Gabe flehn.

  =Hedwig.=

      Führ’ ihn herein, damit wir ihn erquicken;
      Er fühl’s, daß er ins Freudenhaus gekommen.

    (Geht hinein und kommt bald mit einem Becher wieder.)

  =Wilhelm= (zum Mönch).

      Kommt, guter Mann. Die Mutter will euch laben.

  =Walther.=

      Kommt, ruht euch aus und geht gestärkt von dannen.

  =Mönch=

    (scheu umherblickend mit zerstörten Zügen).

      Wo bin ich? Saget an, in welchem Lande?

  =Walther.=

      Seyd ihr verirret, daß ihr das nicht wißt?
      Ihr seyd zu Bürglen, Herr, im Lande Uri,
      Wo man hineingeht in das Schächenthal.

  =Mönch= (zur Hedwig, welche zurückkommt).

      Seyd ihr allein? Ist euer Herr zu Hause?

  =Hedwig.=

      Ich erwart’ ihn eben -- doch was ist euch, Mann?
      Ihr seht nicht aus, als ob ihr Gutes brächtet.
      -- Wer ihr auch seyd, ihr seyd bedürftig, nehmt!

    (Reicht ihm den Becher.)

  =Mönch.=

      Wie auch mein lechzend Herz nach Labung schmachtet,
      Nichts rühr’ ich an, bis ihr mir zugesagt --

  =Hedwig.=

      Berührt mein Kleid nicht, tretet mir nicht nah,
      Bleibt ferne stehn, wenn ich euch hören soll.

  =Mönch.=

      Bei diesem Feuer, das hier gastlich lodert,
      Bei eurer Kinder theurem Haupt, das ich
      Umfasse --

    (Ergreift den Knaben.)

  =Hedwig.=

                 Mann, was sinnet ihr? Zurück
      Von meinen Kindern! -- Ihr seyd kein Mönch! Ihr seyd
      Es nicht! Der Friede wohnt in diesem Kleide;
      In euren Zügen wohnt der Friede nicht.

  =Mönch.=

      Ich bin der unglückseligste der Menschen.

  =Hedwig.=

      Das Unglück spricht gewaltig zu dem Herzen;
      Doch euer Blick schnürt mir das Innre zu.

  =Walther= (aufspringend).

      Mutter, der Vater!

    (Eilt hinaus.)

  =Hedwig.=

      O mein Gott!

    (Will nach, zittert und hält sich an.)

  =Wilhelm= (eilt nach).

      Der Vater!

  =Walther= (draußen).

      Da bist du wieder!

  =Wilhelm= (draußen).

      Vater, lieber Vater!

  =Tell= (draußen).

      Da bin ich wieder -- Wo ist eure Mutter?

    (Treten herein.)

  =Walther.=

      Da steht sie an der Thür’ und kann nicht weiter;
      So zittert sie für Schrecken und für Freude.

  =Tell.=

      O Hedwig! Hedwig! Mutter meiner Kinder!
      Gott hat geholfen -- uns trennt kein Tyrann mehr.

  =Hedwig= (an seinem Halse).

      O Tell! Tell! Welche Angst litt ich um dich!

    (Mönch wird aufmerksam.)

  =Tell.=

      Vergiß sie jetzt und lebe nur der Freude!
      Da bin ich wieder! Das ist meine Hütte!
      Ich stehe wieder auf dem Meinigen!

  =Wilhelm.=

      Wo aber hast du deine Armbrust, Vater?
      Ich seh’ sie nicht.

  =Tell.=

                          Du wirst sie nie mehr sehn.
      An heil’ger Stätte ist sie aufbewahrt;
      Sie wird hinfort zu keiner Jagd mehr dienen.

  =Hedwig.=

      O Tell! Tell!

    (Tritt zurück, läßt seine Hand los.)

  =Tell.=

      Was erschreckt dich, liebes Weib?

  =Hedwig.=

      Wie -- +wie+ kommst du mir wieder? -- Diese Hand
      -- Darf ich sie fassen? -- Diese Hand -- o Gott!

  =Tell= (herzlich und muthig).

      Hat euch vertheidigt und das Land gerettet;
      Ich darf sie frei hinauf zum Himmel heben.

    (Mönch macht eine rasche Bewegung, er erblickt ihn.)

      Wer ist der Bruder hier?

  =Hedwig.=

                               Ach, ich vergaß ihn!
      Sprich du mit ihm, mir graut in seiner Nähe.

  =Mönch= (tritt näher).

      Seyd ihr der Tell, durch den der Landvogt fiel?

  =Tell.=

      Der bin ich, ich verberg’ es keinem Menschen.

  =Mönch.=

      Ihr seyd der Tell! Ach, es ist Gottes Hand,
      Die unter euer Dach mich hat geführt.

  =Tell= (mißt ihn mit den Augen).

      Ihr seyd kein Mönch! Wer seyd ihr?

  =Mönch.=

                                         Ihr erschlugt
      Den Landvogt, der euch Böses that -- Auch ich
      Hab’ einen Feind erschlagen, der mir Recht
      Versagte -- Er war euer Feind, wie meiner --
      Ich hab’ das Land von ihm befreit.

  =Tell= (zurückfahrend).

                                         Ihr seyd --
      Entsetzen! -- Kinder! Kinder, geht hinein!
      Geh’, liebes Weib! Geh’, geh’! -- Unglücklicher!
      Ihr wäret --

  =Hedwig.=

      Gott, wer ist es?

  =Tell.=

                                     Frage nicht!
      Fort, fort! Die Kinder dürfen es nicht hören.
      Geh’ aus dem Hause -- weit hinweg -- Du darfst
      Nicht unter einem Dach mit diesem wohnen.

  =Hedwig.=

      Weh mir, was ist das? Kommt!

    (Geht mit den Kindern.)

  =Tell= (zu dem Mönch).

                                   Ihr seyd der Herzog
      Von Oesterreich -- Ihr seyd’s! Ihr habt den Kaiser
      Erschlagen, euern Ohm und Herrn.

  =Johannes Parricida.=

                                       Er war
      Der Räuber meines Erbes.

  =Tell.=

                               Euern Ohm
      Erschlagen, euern Kaiser! Und euch trägt
      Die Erde noch! Euch leuchtet noch die Sonne!

  =Parricida.=

      Tell, hört mich, eh’ ihr --

  =Tell.=

                                  Von dem Blute triefend
      Des Vatermordes und des Kaisermords,
      Wagst du zu treten in mein reines Haus?
      Du wagst’s, dein Antlitz einem guten Menschen
      Zu zeigen und das Gastrecht zu begehren?

  =Parricida.=

      Bei euch hofft’ ich Barmherzigkeit zu finden;
      Auch ihr nahmt Rach’ an eurem Feind.

  =Tell.=

                                           Unglücklicher!
      Darfst du der Ehrsucht blut’ge Schuld vermengen
      Mit der gerechten Nothwehr eines Vaters?
      Hast du der Kinder liebes Haupt vertheidigt?
      Des Herdes Heiligthum beschützt? das Schrecklichste,
      Das Letzte von den Deinen abgewehrt?
      -- Zum Himmel heb’ ich meine reinen Hände,
      Verfluche dich und deine That -- Gerächt
      Hab’ ich die heilige Natur, die +du+
      Geschändet -- Nichts theil’ ich mit dir -- Gemordet
      Hast +du+, +ich+ hab’ mein Theuerstes vertheidigt.

  =Parricida.=

      Ihr stoßt mich von euch, trostlos, in Verzweiflung?

  =Tell.=

      Mich faßt ein Grausen, da ich mit dir rede.
      Fort! Wandle deine fürchterliche Straße!
      Laß rein die Hütte, wo die Unschuld wohnt!

  =Parricida= (wendet sich zu gehen).

      So +kann ich+, und +so will+ ich nicht mehr leben!

  =Tell.=

      Und doch erbarmt mich deiner -- Gott des Himmels!
      So jung, von solchem adeligen Stamm,
      Der Enkel Rudolphs, meines Herrn und Kaisers,
      Als Mörder flüchtig, hier an meiner Schwelle,
      Des armen Mannes -- flehend und verzweifelnd --

    (Verhüllt sich das Gesicht.)

  =Parricida.=

      O, wenn ihr weinen könnt, laßt mein Geschick
      Euch jammern; es ist fürchterlich -- Ich bin
      Ein Fürst -- ich +war’s+ -- ich konnte glücklich werden,
      Wenn ich der Wünsche Ungeduld bezwang.
      Der Neid zernagte mir das Herz -- Ich sah
      Die Jugend meines Vetters Leopold
      Gekrönt mit Ehre und mit Land belohnt,
      Und mich, der gleiches Alters mit ihm war,
      In sklavischer Unmündigkeit gehalten.

  =Tell.=

      Unglücklicher, wohl kannte dich dein Ohm,
      Da er dir Land und Leute weigerte!
      Du selbst mit rascher, wilder Wahnsinnsthat
      Rechtfertigst furchtbar seinen weisen Schluß.
      -- Wo sind die blut’gen Helfer deines Mords?

  =Parricida.=

      Wohin die Rachegeister sie geführt;
      Ich sah sie seit der Unglücksthat nicht wieder.

  =Tell.=

      Weißt du, daß dich die Acht verfolgt, daß du
      Dem Freund verboten und dem Feind erlaubt?

  =Parricida.=

      Darum vermeid’ ich alle offne Straßen;
      An keine Hütte wag’ ich anzupochen --
      Der Wüste kehr’ ich meine Schritte zu;
      Mein eignes Schreckniß irr’ ich durch die Berge
      Und fahre schaudernd vor mir selbst zurück,
      Zeigt mir ein Bach mein unglückselig Bild.
      O, wenn ihr Mitleid fühlt und Menschlichkeit --

    (Fällt vor ihm nieder.)

  =Tell= (abgewendet).

      Steht auf! Steht auf!

  =Parricida.=

      Nicht, bis ihr mir die Hand gereicht zur Hülfe.

  =Tell.=

      Kann ich euch helfen? Kann’s ein Mensch der Sünde?
      Doch stehet auf -- Was ihr auch Gräßliches
      Verübt -- Ihr seyd ein Mensch -- Ich bin es auch;
      Vom Tell soll Keiner ungetröstet scheiden --
      Was ich vermag, das will ich thun.

  =Parricida.=

    (aufspringend und seine Hand mit Heftigkeit ergreifend.)

                                         O Tell!
      Ihr rettet meine Seele von Verzweiflung.

  =Tell.=

      Laßt meine Hand los -- Ihr müßt fort. Hier könnt
      Ihr unentdeckt nicht bleiben, könnt entdeckt
      Auf Schutz nicht rechnen -- Wo gedenkt ihr hin?
      Wo hofft ihr Ruh zu finden?

  =Parricida.=

      Weiß ich’s? Ach!

  =Tell.=

      Hört, was mir Gott ins Herz gibt -- Ihr müßt fort
      Ins Land Italien, nach Sankt Peters Stadt;
      Dort werft ihr euch dem Papst zu Füßen, beichtet
      Ihm eure Schuld und löset eure Seele.

  =Parricida.=

      Wird er mich nicht dem Rächer überliefern?

  =Tell.=

      Was er euch thut, das nehmet an von Gott.

  =Parricida.=

      Wie komm’ ich in das unbekannte Land?
      Ich bin des Wegs nicht kundig, wage nicht
      Zu Wanderern die Schritte zu gesellen.

  =Tell.=

      Den Weg will ich euch nennen, merket wohl!
      Ihr steigt hinauf, dem Strom der +Reuß+ entgegen,
      Die wildes Laufes von dem Berge stürzt --

  =Parricida= (erschrickt).

      Seh’ ich die Reuß? Sie floß bei meiner That.

  =Tell.=

      Am Abgrund geht der Weg, und viele +Kreuze+
      Bezeichnen ihn, errichtet zum Gedächtniß
      Der Wanderer, die die Lawine begraben.

  =Parricida.=

      Ich fürchte nicht die Schrecken der Natur,
      Wenn ich des Herzens wilde Qualen zähme.

  =Tell.=

      Vor jedem Kreuze fallet hin und büßet
      Mit heißen Reuethränen eure Schuld --
      Und seyd ihr glücklich durch die Schreckensstraße,
      Sendet der Berg nicht seine Windeswehen
      Auf euch herab von dem beeisten Joch,
      So kommt ihr auf die +Brücke+, welche +stäubet+.
      Wenn sie nicht einbricht unter eurer Schuld,
      Wenn ihr sie glücklich hinter euch gelassen,
      So reißt ein schwarzes +Felsenthor+ sich auf --
      Kein Tag hat’s noch erhellt -- da geht ihr durch,
      Es führt euch in ein heitres +Thal+ der Freude --
      Doch schnellen Schritts müßt ihr vorüber eilen;
      Ihr dürft nicht weilen, wo die Ruhe wohnt.

  =Parricida.=

      O Rudolph! Rudolph! Königlicher Ahn!
      So zieht dein Enkel ein auf deines Reiches Boden!

  =Tell.=

      So immer steigend kommt ihr auf die Höhen
      Des +Gotthardts+, wo die ew’gen +Seen+ sind,
      Die von des Himmels Strömen selbst sich füllen.
      Dort nehmt ihr Abschied von der deutschen Erde,
      Und muntern Laufs führt euch ein andrer Strom
      Ins Land Italien hinab, euch das gelobte --

    (Man hört den Kuhreihen von vielen Alphörnern geblasen.)

      Ich höre Stimmen. Fort!

  =Hedwig= (eilt herein).

                              Wo bist du, Tell?
      Der Vater kommt! Es nahn in frohem Zug
      Die Eidgenossen alle --

  =Parricida= (verhüllt sich).

                              Weh mir!
      Ich darf nicht weilen bei den Glücklichen.

  =Tell.=

      Geh’, liebes Weib. Erfrische diesen Mann!
      Belad’ ihn reich mit Gaben, denn sein Weg
      Ist weit, und keine Herberg findet er.
      Eile! Sie nahn.

  =Hedwig.=

      Wer ist es!

  =Tell.=

                                  Forsche nicht!
      Und wenn er geht, so wende deine Augen,
      Daß sie nicht sehen, welchen Weg er wandelt!

    Parricida geht auf den Tell zu mit einer raschen Bewegung;
    dieser aber bedeutet ihm mit der Hand und geht. Wenn Beide zu
    verschiedenen Seiten abgegangen, verändert sich der Schauplatz, und
    man sieht in der


  Letzten Scene

    den ganzen Thalgrund vor Tells Wohnung, nebst den Anhöhen, welche
    ihn einschließen, mit Landleuten besetzt, welche sich zu einem
    Ganzen gruppiren. Andere kommen über einen hohen Steg, der über
    den Schächen führt, gezogen. Walther Fürst mit den beiden Knaben,
    Melchthal und Stauffacher kommen vorwärts; Andere drängen nach; wie
    Tell heraustritt, empfangen ihn Alle mit lautem Frohlocken.

  =Alle.=

      Es lebe Tell! der Schütz und der Erretter!

    Indem sich die Vordersten um den Tell drängen und ihn umarmen,
    erscheinen noch =Rudenz= und =Bertha=, jener die
    Landleute, diese die Hedwig umarmend. Die Musik vom Berge begleitet
    diese stumme Scene. Wenn sie geendigt, tritt Bertha in die Mitte
    des Volks.

  =Bertha.=

      Landleute! Eidgenossen! Nehmt mich auf
      In euern Bund, die erste Glückliche,
      Die Schutz gefunden in der Freiheit Land.
      In eure tapfre Hand leg’ ich mein Recht,
      Wollt ihr als eure Bürgerin mich schützen?

  =Landleute.=

      Das wollen wir mit Gut und Blut.

  =Bertha.=

                                       Wohlan!
      So reich’ ich diesem Jüngling meine Rechte,
      Die freie Schweizerin dem freien Mann!

  =Rudenz.=

      Und frei erklär’ ich alle meine Knechte.

    (Indem die Musik von Neuem rasch einfällt, fällt der Vorhang.)



*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WILHELM TELL ***


    

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START: FULL LICENSE

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE

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Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
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computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
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