Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika

By Friedrich Kapp

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Amerika, by Friedrich Kapp

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Title: Der Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika

Author: Friedrich Kapp

Release Date: October 5, 2014 [EBook #47054]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SOLDATENHANDEL DEUTSCHER ***




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                                  Der
                   Soldatenhandel deutscher Fürsten
                            nach Amerika.

                                  Ein
      Beitrag zur Kulturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts
                                  von

                            Friedrich Kapp.


              Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage.

                                Berlin.
                      Verlag von Julius Springer.
                                 1874.




                           Seinem Freunde
                          Ludwig Bamberger
                           der Verfasser.




Lieber Bamberger!


Als ich Dir vor nunmehr zehn Jahren diese Blätter zuerst übersandte,
lebten wir beide gezwungen im Auslande, der Eine in Paris, der Andere in
New-York. Damals war der Soldatenhandel ein noch ungesühntes Verbrechen
an unsrer nationalen Ehre und darum lastete er auf jedem politisch
zurechnungsfähigen Deutschen wie eine persönliche Schmach.

Seitdem ist der Einheitsgedanke, von welchem in unsrer Jugend
verhältnißmäßig nur wenige Tausend Köpfe erfüllt waren, durch Millionen
von Armen verwirklicht, seitdem ist er mit anderen Worten aus der
Theorie zur Praxis unsrer Politik geworden und hat bei Düppel und
Königgrätz, bei Sedan und Paris solche überwältigende Beweise für seine
Berechtigung geliefert, daß er unser Staatsleben auf neuer nationaler
Grundlage wieder aufbauen konnte.

Heute leben wir Beide wieder im Vaterlande und kämpfen im Reichstage, in
Reih' und Glied mit vielen alten und neuen Freunden, für die
freiheitliche Entwicklung, die Größe und Ehre unsers endlich nach Außen
hin geeinigten Volkes.

Der Soldatenhandel ist jetzt eine glücklich überwundene Vergangenheit,
über welche wir uns nicht mehr zu grämen brauchen.

Aber ist auch die Erinnerung daran so ganz überflüssig geworden, hat das
schmutzige Geschäft gar keine Beziehungen mehr zur Gegenwart?

Das scheint mir eine Frage, welche sich wohl der Beantwortung lohnt.

Allerdings ist seit 1866 »der ganz unhistorische, gott- und rechtlose
Souverainitätsschwindel deutscher Fürsten« in seinen schlimmsten
Auswüchsen beschnitten; allerdings können uns die Kleinstaaten, seit
ihnen die unbeschränkte Souverainität entwunden, nicht mehr vor uns
selbst erniedrigen, noch uns dem Spott und Hohn des Auslandes
preisgeben; vor Allem aber tritt den Leidenschaften und den Gelüsten der
Kleinen ein fester und großer Staatsgedanke entgegen. Allein das dürfen
wir uns nicht verhehlen: der unpolitische Sondergeist ist seit
Jahrhunderten zu tief, zu mächtig in das deutsche Volk eingedrungen und
hat in dessen Seele eine gewisse zähe Anhänglichkeit an die engeren
Stammeseigenthümlichkeiten, einen theils eigennützigen, theils sogar
uneigennützigen Partikularismus erzeugt, der von den bewußter und
planvoller handelnden dynastischen Intriguanten noch heute höchst
erfolgreich ausgebeutet wird. Nur auf Grund dieser Denkweise eines
großen Theils unsers Volkes wird der fürstliche Widerstand gegen den
einheitlichen Staat, welcher -- wenn ich anders unsre geschichtliche
Vergangenheit recht verstehe -- das letzte Ziel unsrer politischen
Entwicklung ist, zu einer positiven politischen Macht, mit welcher wir
wohl oder übel rechnen müssen.

Vorläufig freilich ist ein leidlicher modus vivendi hergestellt; aber es
bedarf keiner großen Sehergabe, um zu erkennen, daß er nur so lange
andauern wird, als ihm nicht mächtige Anstöße von Außen oder Innen zu
Hülfe kommen. Nicht wir, die Reichstreuen, werden die Feindseligkeiten
beginnen. Die Kleinstaaterei wird und muß, vermöge ihrer zentrifugalen
Naturanlage, mit der konsequenten Fortentwicklung der Reichspolitik
zusammenstoßen; sie wird den ersten günstigen Augenblick benutzen und
den ersten besten Vorwand ergreifen, um, wenn auch unter sich nicht
einig, desto einiger im Widerstreben gegen die nationale Einheit, die
verlorene Souveränität möglichst wieder zu gewinnen. Das ist die
einfache Schlußfolgerung aus der Prämisse des höchst unvollkommnen
Bundesstaates. Im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten, welche ähnliche
Uebergänge zu bestehen hatten, ist glücklicher Weise bei uns die
Zentralgewalt unter Preußens Führung stärker als alle Glieder
zusammengenommen, so daß der Ausgang des Konfliktes, wenn die leitende
Vormacht ihrer Aufgabe nicht untreu wird, keinen Augenblick zweifelhaft
sein kann. Er wird mit dem Siege der Staatsidee, der korrekten
Durchführung des einheitlichen Staates enden.

Möglich, daß die feindlichen Gegensätze noch lange schlummern, und daß
wir ihren Zusammenstoß nicht mehr erleben werden; aber erspart wird
Deutschland dieser Kampf nicht bleiben. Die Kleinstaaterei ist
unvereinbar mit der fortschreitenden Entwicklung, mit der Ehre und
Größe unsers Volkes; ja selbst einzelne ehrenwerthe Ausnahmen bestätigen
nur die Regel. Ihr eigentlicher Charakter, den sie im Soldatenhandel mit
so erschreckender Offenheit, wenn ich so sagen darf, in puris
naturalibus hervorkehrt, ist bis auf den heutigen Tag unveränderlich
derselbe geblieben; höchstens sind die Fragen, in denen er sich äußert,
andere geworden. Möge unser Volk darum nicht vergessen, daß mit diesen
geborenen Widersachern des nationalen Staates nicht paziszirt werden
kann und nicht paziszirt werden darf.

Von diesem Gesichtspunkte aus schien mir selbst im Jahre 1874 eine neue
Auflage des Soldatenhandels nicht allein nicht überflüssg, sondern sogar
politisch lehrreich und fördernd.

Mögest Du auch diese neue Auflage mit den alten freundschaftlichen
Gesinnungen aufnehmen!

                                   Dein

_Berlin_, 13. April 1874.           $Friedrich Kapp.$




Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.


     The whole is a mere mercenary bargain, for the hire of troops on
     one side and the sale of human blood on the other; and the devoted
     wretches thus purchased for slaughter, are mere mercenaries in the
     worst sense of the word.

     Lord _Camden_, in dem Hause der Lords, Sitzung vom 5. März 1776.

Was ich in den folgenden Blättern erzählen will, ist ein trauriges Stück
deutscher Geschichte, ein beschämendes und empörendes Bild unserer
öffentlichen Zustände gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Allein so
demüthigend es für unser Nationalgefühl auch sein mag, die umständliche
Beschreibung der nackten und baar bezahlten Schande zu lesen, welche von
dem Namen deutscher Fürsten auf den des deutschen Vaterlandes
zurückfällt, so muß dieses Kapitel doch geschrieben werden; denn es ist
keine bloße Vergangenheit, die wir glücklich überwunden hätten, sondern
handgreifliche Gegenwart, deren Leiden und Schmerzen heute noch
ungeheilt sind. Das Verbrechen, dessen Erzählung ich mir vorgenommen
habe, ist noch nicht gesühnt; ja es wird noch täglich, wenn auch in
zivilisirteren, minder verletzenden Formen überall da begangen, wo das
Volk, ohne um seinen Willen gefragt zu werden, für fremde, nicht selten
antinationale Zwecke geopfert wird. Die Ursachen, die es erzeugt haben,
sind noch heute in derselben zersetzenden Kraft vorhanden; sie wurzeln
in unsrer nationalen Zersplitterung, in der deutschen Kleinstaaterei.
Trotzdem, daß wir gegenwärtig kaum noch drei Dutzend Souveraine haben,
ist sie, wenn nicht noch unerträglicher, doch ebenso unerträglich und
hinderlich für unser nationales Gedeihen, als vor nunmehr fast hundert
Jahren, wo wir der Landesväter mehr als dreißig Dutzend zählten. Die
Fortschritte auf allen übrigen Gebieten des Lebens, die Verwendung des
Dampfes und der Elektrizität, die kolossale Verringerung von Raum und
Zeit, die revolutionirenden Entdeckungen und Erfindungen in Kunst und
Wissenschaft, sie alle haben das Uebel nur noch akuter gemacht,
schroffer zum Bewußtsein gebracht und in grellern Widerspruch zu unsrer
übrigen Existenz gesetzt. Was im vorigen Jahrhundert noch ein
respektabler Mittelstaat war, der unter Umständen sogar nationale
Bildungszwecke fördern konnte, ist heut zu Tage eine Anomalie, ein
Gemeinschaden.

Die Großväter feilschten zur Aufrechterhaltung ihrer Scheinexistenz
sogar noch um die zerschossenen Knochen ihrer Landeskinder und ließen
sich ihre Leichen -- 51 Thlr. 15 Sgr per Stück! -- von England baar
bezahlen. Die Söhne, die legitimen Herren von Gottes Gnaden, eilten, um
sich nur noch eine Spanne süßen Daseins zu erkaufen, unter die
schützenden Fittige des korsikanischen Advokatensohnes, des bürgerlichen
Emporkömmlings, und stifteten unter seiner hohen Protektion den
Rheinbund, wofür sie ihm ebenfalls ihre Landeskinder zu Hunderttausenden
auf die von Spanien bis Rußland reichende Schlachtbank liefern mußten.
Das Geschäft war ganz dasselbe, nur lautete der Kaufpreis anders und
wurde dies Mal von Frankreich in deutschen Länderfetzen und Titeln,
statt von England in baarem Gelde bezahlt. Der Kleinhandel des Jahres
1776 wurde eine Generation später Großhandel: das ist der ganze
Unterschied. Und die Enkel? Sie sitzen noch auf den Thrönchen von
Napoleon's Gnaden. Wenn sich nur ein Gewitter am politischen Himmel
zeigt, so suchen sie natürlich Schutz beim Czaaren, bei Louis Napoleon,
beim Kaiser von Oesterreich, oder beim Meistbietenden, wie es gerade das
Interesse ihrer Person oder Dynastie erheischt. Die deutschen Fürsten
also sind und müssen wegen ihrer Ausnahmestellung sein, was sie waren;
sie können nicht anders, selbst wenn sie wollten. Was vor hundert Jahren
von ihnen galt, gilt daher noch heute von ihnen.

Das deutsche Volk dagegen strebt mit unwiderstehlicher Macht aus den
feudalen Zuständen heraus. Seit der Reformation seinem Wesen und Beruf
als Großmacht entfremdet, seit dem westfälischen Frieden durch die von
diesem anerkannte Souverainität der früheren Reichsvasallen in sich
uneins und schwach, darum zum Schleppenträger fremder ausländischer
Interessen herabgesunken, in der französischen Revolution bei der ersten
Berührung mit einem starken Feind haltlos in sich zusammenbrechend,
beginnt Deutschland erst in neuester Zeit, sich aus seiner
Zersplitterung und seinem trostlosen politischen Verfall allmälich
wieder zu Wohlstand und nationaler Selbständigkeit emporzuarbeiten; es
fängt an, einzusehen, daß es in sich einig und frei sein muß, wenn es in
der europäischen Völkerfamilie die seiner Größe und Bildung würdige
Stellung wieder einnehmen will.

Ein großes, freies und einiges Volk, wie es Deutschland dereinst werden
muß und sein wird, ist sich Selbstzweck. Es kennt keine anderen als
seine eigenen Interessen; aber diese seine Interessen, welche durch die
freie Bethätigung seiner Bürger geschaffen und gefördert werden, sind
eben dadurch, daß eine mächtige Volksindividualität sie aus sich
herausarbeitet, im großen Ganzen die Interessen der zivilisirten
Menschheit. Darum ist der Staat, um mit Hegel zu reden, die Wirklichkeit
der sittlichen Idee -- Macht, Größe und Selbständigkeit sind die
einfachen Ergebnisse des Staates; fürstliche Domainen haben keinen
Anspruch auf den Ehrennamen Staat -- darum erzeugt der Staat öffentliche
Charaktere, Hingabe an selbständige politische Ziele und tiefgehende
politische Kämpfe. Jeder Bürger wird durch das Bewußtsein gehoben, daß
die zwischen seinen ökonomischen, politischen und sittlichen Rechten und
Pflichten herrschende Harmonie, deren bloßes Erstreben in jenen
armseligen Afterstaaten ganz folgerichtig als Hochverrath gilt, ihm den
weitesten Spielraum für die Verwerthung seiner persönlichen Kraft
bietet. Ein großes und freies Volk kann sich deshalb auch gar nicht von
Anderen und für Andere mißbrauchen lassen.

Es ist ein Augenblick der Sammlung und Selbstprüfung, an welchem diese
Schrift sich mitbetheiligen will. Sie setzt sich die zeitgemäße Aufgabe,
schonungslos die Schmach aufzudecken, welche die Kleinstaaterei auf
unser Volk gehäuft hat, an den Auswüchsen des Systems dessen
Verderblichkeit für Deutschland nachzuweisen, und die Nation dadurch
anzuspornen, daß sie sich um jeden Preis aus diesem Labyrinth fort und
fortwuchernder Schande und Erniedrigung befreie. -- -- -- --

_New York_, 6. Mansfield Place, 24. Februar 1864.

                                            $Friedrich Kapp.$




Vorwort zur zweiten Auflage.


Außer den von mir im Vorwort zur ersten Auflage bereits namhaft
gemachten Quellen, nämlich: den Dokumenten des englischen Staatsarchivs
(State Paper Office), mehr als fünfzig handschriftlichen Tagebüchern und
Briefen deutscher Soldaten und Offiziere, den amtlichen
braunschweigischen Berichten und den englischen Parlamentsverhandlungen
habe ich für die vorliegende Auflage noch benutzt: die aus vier
Foliobänden bestehenden handschriftlichen Manual-Akten des anspachischen
Ministers von Gemmingen, »betreffend den zwischen Ihro Königlichen
Großbritannischen Majestät und Serenissimo abgeschlossenen
Subsidien-Traktat und was dahin einschlägt.« Diese wertvolle Sammlung
bot mir eine reiche Ausbeute von Privatbriefen, amtlichen Berichten und
öffentlichen Kundgebungen, unter welchen letzteren ich einen äußerst
wichtigen, bisher noch nirgend gedruckten Brief Friedrich's des Großen
an den Markgrafen ganz besonders hervorhebe. Außerdem habe ich auch aus
den anspacher Akten manche an sich zwar untergeordnete, aber für die
geschilderte Zeit charakteristische kleine Thatsachen mitgetheilt,
welche den Gang der Geschichte, die Motive der handelnden Personen und
die Stellung ihrer Untergebenen besser veranschaulichen als
Staatsschriften oder sonstige öffentliche Urkunden. Auch in dem von mir
eingesehenen Tagebuche eines zerbster Offiziers fand ich einige
wertvolle Züge zu dem Bilde, welches ich von den Zuständen in
Anhalt-Zerbst entworfen habe.

Meine Bemühungen, die ehemaligen hessischen Archive zu benutzen, sind
leider fast ganz erfolglos gewesen. Trotz der sorgfältigsten und
zuvorkommendsten amtlichen Nachforschungen, waren in Kassel keine
Aktenstücke mehr zu finden, welche auf die Theilnahme hessischer Truppen
am amerikanischen Kriege Bezug haben; dasselbe war in Hanau der Fall.
Seit dem Sommer 1873 sind die Akten der kurhessischen geheimen
Kriegs-Kanzlei dem Provinzial-Archiv in Marburg einverleibt worden.
Allein auch hier war die Ausbeute gering. Die auf mein Gesuch von
Marburg hierher gesandten Akten habe ich im hiesigen Geheimen
Staatsarchiv eingesehen. Sie enthalten Briefe und Theile einer
regelmäßigen Korrespondenz des Landgrafen mit seinen Generalen und
Obersten in Amerika, sowie einige Berichte der letzteren, und werfen
einige nicht uninteressante Streiflichter auf die mich beschäftigende
Periode, enthalten aber sonst nichts Neues oder Bedeutendes.

Ich sage den Herren Beamten des Geh. Staatsarchivs für ihr freundliches
Entgegenkommen meinen verbindlichsten Dank.

Um Raum für die neu aufgefundenen, interessanten Materialien zu gewinnen
und um den Rahmen dieser Schrift nicht zu sehr zu erweitern, habe ich in
den Anhang, welcher in der ersten Auflage über siebenzig Seiten
einnimmt, nur die wichtigsten Briefe und Dokumente aufgenommen; dagegen
andere Aktenstücke und die Zusammenstellung der englischen Zahlungen an
die deutschen Fürsten, wie sie sich in den Bänden 35-40 der Journals of
the House of Commons finden, ganz weggelassen. Aus demselben Grunde der
Raumerspaniß sind auch die Zitate in der gegenwärtigen Auflage nicht
wiederholt, zumal die von ihnen nachgewiesenen Quellen den meisten
Lesern nicht zugänglich sind.

_Berlin_, 13. April 1874

                                         $Friedrich Kapp.$




Inhalts-Verzeichniß.


  $Erstes Kapitel.$                                                Seite

  Geschichtlicher Rückblick auf das Söldnerwesen                    1-22

  $Zweites Kapitel.$

  England's vergebliche Bemühungen um Truppen in Rußland
  und Holland. Uebernahme von fünf hannoverschen Bataillonen       23-31

  $Drittes Kapitel.$

  Der Vertrag mit dem Herzog von Braunschweig. Personen
  und Zustände in Braunschweig                                     31-48

  $Viertes Kapitel.$

  Die Verträge mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel. Personen
  und Zustände in Kassel                                           48-70

  $Fünftes Kapitel.$

  Die Verträge mit dem Erbprinzen von Hessen-Kassel und dem
  Fürsten von Waldeck. Personen und Zustände in Hanau und
  Arolsen                                                          71-86

  $Sechstes Kapitel.$

  Anerbietungen von Bayern und Würtemberg. Personen und
  Zustände in München und Stuttgart. Gescheiterte Hoffnungen      87-106

  $Siebentes Kapitel.$

  Der Vertrag mit dem Markgrafen von Anspach. Personen und
  Zustände in Anspach und Bayreuth                               107-131

  $Achtes Kapitel.$

  Zusatz-Vertrag mit dem Erbprinzen von Hessen-Kassel. Vertrag
  mit Anhalt-Zerbst. Ein fürstlicher Narr                        131-147

  $Neuntes Kapitel.$

  Truppentransporte. Landesväterliche Fürsorge. Friedrich der
  Große und der Soldatenhandel. Folgen seiner Politik            147-177

  $Zehntes Kapitel.$

  Das englische Parlament, die öffentliche Meinung Europa's
  und deutsche Stimmen über den Soldatenhandel                   177-207

  $Elftes Kapitel.$

  Gewinn- und Verlust-Konto. Charakteristik der deutschen Soldaten.
  Seume                                                          208-227

  $Zwölftes Kapitel.$

  Charakteristik der deutschen Offiziere. Das Haus Rothschild.
  Tapferkeit Einzelner. Gneisenau. Versöhnender Schluß           227-242

  $Anhang,$

  enthaltend Briefe und Dokumente                                243-259




Erstes Kapitel.


Geschichtliche Ereignisse werden nur dann richtig begriffen und
beurtheilt, wenn man sie im Lichte und Geiste ihrer Zeit betrachtet.
Will nun der Leser den Soldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika
seinem historischen Verständniß näher rücken, so muß er sich vor Allem
die ihn ermöglichenden Zustände vergegenwärtigen. Es wird also zunächst
erforderlich sein, einen kurzen Rückblick auf die mit dem Ableben des
Mittelalters beginnende Entwicklung der deutschen Heereseinrichtungen
und der sie bedingenden politischen Zustände zu werfen.

Das Lehnswesen bildet die Grundlage aller staatlichen Verhältnisse des
Mittelalters und beherrscht auch die militärischen Einrichtungen
Deutschlands, sowie aller germanischen Länder. Das Heer war vorzugsweise
ein Lehnsheer und bestand aus Reitern und Rittern. Die Hussitenkriege
machten den ersten Riß in dieses System. Die Ritter und selbst die
befestigten Städte unterlagen der in Banden organisirten und theilweise
disziplinirten Volkskraft, den Bauern und dem losen Volke der Städte,
den Abenteurern von bürgerlicher Herkunft und Ritterart. Nach der
Hussitenzeit waren die böhmischen Söldner, der Schrecken des zünftigen
Kriegerstandes, überall gesucht und zu finden; sie machten den Krieg
selbst zum Handwerk und standen sonst außerhalb der öffentlichen
Ordnung. Die Erfindung und täglich allgemeiner werdende Anwendung des
Schießpulvers, die Reformation und die mit ihr zusammenfallenden
Entdeckungen und Erfindungen zersetzten und zerbröckelten vollends den
alten Feudalstaat. Die Welt strebte aus dem losen Nebeneinander
staatlicher Embryonen zur festen zentralisirten Staatsgewalt, die
moderne Monarchie übernahm die Erbschaft des verfallenden Lehnswesens
und trat langsam, aber sicher und bewußt weiter schreitend, ihre
Herrschaft über Europa an. Der Lehnsadel entzog sich, je länger die
Einzelkriege dauerten, desto lieber dem ihm unbequem gewordenen
Waffendienste und suchte sich in dem erworbenen Besitze zu behaupten. In
Folge dieser allmälich eintretenden, aber tief eingreifenden Umwälzungen
traten an die Stelle des alten Heerbannes und des spätern
Lehnsaufgebotes, an die Stelle der bis dahin die Entscheidung gebenden
Ritter und Reiter die zunächst blos für einen Feldzug angeworbenen, aus
Fußvolk bestehenden Söldnerheere. Den Grund dazu legte in Deutschland
Kaiser Maximilian I. Verlassen vom Adel seiner Erbstaaten, nicht
unterstützt von den Unterthanen seiner Gemahlin Maria von Burgund und zu
arm, um die theuren, ihm wegen ihres Abfalls vom Reiche verhaßten
Schweizer anzuwerben, stellte er zuerst aus dem Stadt- und Landvolk von
Vorder-Oesterreich, Schwaben, Tyrol und seinen übrigen Erbstaaten ein
deutsches Kriegsvolk auf, welches er, weil es weder von den Ständen noch
von den Vasallen gestellt, sondern eben aus den freien Bürgern und
Bauern des Landes gebildet war, Landsknechte nannte. Die Wehrhaftigkeit
des deutschen Volkes, die seiner Jugend innewohnende Ueberfülle an
Kraft, Abenteuersucht und Thatendrang kamen dem Kaiser dabei sehr zu
Statten. So gelang es ihm, in verhältnißmäßig kurzer Zeit in diese
Landsknechtshaufen Zucht und Ordnung zu bringen und sie vortheilhaft im
Gefecht zu verwenden. Diese _Landsknechte_, welche das Ende des
Ritterthums in der Kriegsführung bezeichnen, sind das erste geordnete
Fußvolk; sie betreiben den Krieg wie zünftige Handwerker. Die
merkwürdigen Einrichtungen ihres Gemeinwesens bilden die Grundlage aller
späteren militärischen Organisationen. Sie waren tapfer, ungestüm und,
so lange sie ihren Sold erhielten, zuverlässig, aber auch wegen ihrer
Rohheit und Beutegier gefürchtet und durch ihre Zügellosigkeit,
namentlich im Trinken und Spielen, übel berüchtigt. Sie wurden in der
Folge sowohl von deutschen, als von ausländischen Kriegsherren
angeworben. Schon zu den Zeiten der Reformation war derjenige der
mächtigste Fürst, welcher das meiste Geld hatte und die meisten
Miethstruppen aufbringen konnte. Als Ludwig XII. von Frankreich im Jahre
1499 in Neapel erschien, bestand sein Heer vorzugsweise aus deutschen
Landsknechten und Schweizern. Das von Gonsalvo von Cordova, dem großen
Kapitain, am Ende des 15. Jahrhunderts gebildete und befehligte
spanische Heer war ebenfalls aus ganz modernen Elementen, aus
angeworbenem deutschen, italienischen und spanischen Fußvolk
zusammengesetzt. Von der Mitte des fünfzehnten bis über die Mitte des
achtzehnten Jahrhunderts hinaus bildeten deutsche Söldner einen
Hauptbestandtheil der großen Heere des Kontinents.

Wenn nun die Landsknechte in den ersten Zeiten ihres Auftretens noch mit
ehrbaren Elementen, wie wohlhabenden Bürgerssöhnen oder anständigen
Handwerkern versetzt und deshalb eines gewissen, ehrenwerthen Sinnes
nicht ganz baar waren, so arteten sie nur zu bald im Laufe der Zeiten in
ein wüstes und raubgieriges, verkäufliches und gesinnungsloses Gesindel
aus, das heute _für_ und morgen _gegen_ eine und dieselbe Sache, aber
immer für _fremde_ Interessen seine Haut zu Markte trug und stets da
sich sammelte, wo lose Disziplin, gute Bezahlung und reiche Beute
lockte. So begegnen wir ihnen denn von den Reformationszeiten an bis zum
dreißigjährigen Kriege an der Seite der Schweizer in aller Herren
Ländern und Diensten. Sie wurden mit jedem Jahre eine größere Landplage,
die durch beständige Kriege genährt, sich heuschreckenmäßig über ganz
Deutschland ausbreitete, dabei aber ein notwendiges Uebel, da die
aufstrebenden Territorialherren, von der gewaltigen Wehrkraft der Bauern
aus den Bauernkriegen her erschreckt, ihre Unterthanen zu bewaffnen
fürchteten und deshalb in immer größerer Ausdehnung zu den Landsknechten
ihre Zuflucht nahmen, die gerade durch die treulose Behandlung der
Fürsten täglich mehr verdorben wurden. Diese fanden nämlich bei ihrer
beständigen Geldnoth gar kein Bedenken darin, die armen Landsknechte
durch Verschlechterung der Münze um die versprochene Löhnung zu kürzen,
ja sie ließen zu ihrer Auszahlung besonders leichtes Geld schlagen und
demoralisirten die armen Teufel, die sich nun wieder durch Plündern,
Betrügen und Beraubung von Bauer und Bürger schadlos zu halten suchten
»Ein Landsknecht muß Essen und Trinken haben, bezahle es der Küster oder
der Pfaff.« Im siebenzehnten Jahrhundert verlor sich der Name
Landsknechte, weil fortan nicht mehr bloß der Knecht, der Angehörige des
Landes, sondern Volk aller Nationen den Bestand der Söldnerheere
ausmachte.

Zu seiner höchsten Blüthe gelangte dieses Söldnerwesen im
dreißigjährigen Kriege, wo der Auswurf von ganz Europa gegen guten Lohn
und reiche Beute Deutschland verwüstete. Außer denen, welche ein anderes
Handwerk nicht gelernt hatten, zogen auch viele »freiledige Pursche« der
Werbetrommel nach; die bisher ein solches betrieben, muthige und unnütze
Handwerksgesellen und anderes Gesindel, für welches sonst kein Platz in
der Welt war, fanden freudiges Willkommen bei Feldwebeln und
Hauptleuten. Dem armen Bauernvolke, wenn es von Freund und Feind rein
ausgesogen worden, blieb oft schon in den ersten Jahren des Krieges
nichts übrig, als die Pflugschaar in den Säbel zu verwandeln und, selbst
ruinirt, Andere ruiniren zu helfen. Es ist allgemein bekannt, daß
Wallenstein sich für unfähig erklärte, ein Heer von 20,000 Mann
anzuwerben, daß er aber statt ihrer innerhalb dreier Monate 40,000 Mann
auf die Beine brachte, weil, wie er bemerkte, sich diese durch Beute und
Plündern selbst ernähren könnten. Bis auf 100,000 Köpfe schwoll dieses
Heer an und mußte von den Landschaften, durch deren Gebiete es zog,
unterhalten werden. Wenn die Schweden unter Gustav Adolph sich anfangs
durch bessere Mannszucht, größere Sittlichkeit und eine höhere taktische
Bildung auszeichneten, so verloren sie diese Vorzüge doch bald nach dem
Tode des Königs, denn in der zweiten Hälfte des Krieges zählten sie
ebensoviel verlaufenes und ruchloses Volk in ihren Armeen, als die
Kaiserlichen.

Vom dreißigjährigen Kriege datirt für das ganze damalige Europa der
Umschwung in seiner Heeresverfassung; aus ihm heraus bildeten sich die
bisherigen _nur für einen Feldzug_ angeworbenen Söldnerschaaren zu den
auf _längere Zeit_ geworbenen, darum _stehenden Heeren_ um. Zwar waren
diese schon damals vereinzelt vorgekommen. Im Osten Europas traten die
Janitscharen des gegen den Westen vordringenden türkischen Reiches als
die ersten stehenden Truppen auf. Im Norden hatte unter den
tonangebenden Mächten Gustav Adolph das erste stehende Heer, und
Schweden sowohl, als Türken zeigten sich durch diese Einrichtung
denjenigen Staaten bedeutend überlegen, die mit ihren auf nur einen
Feldzug angeworbenen Söldnern fochten. Allein erst in Folge des
dreißigjährigen Krieges wurden die _stehenden Heere_ zu einer
beständigen Staatseinrichtung; die politischen Verhältnisse förderten
ganz ungemein ihre allmälige Verbreitung, und namentlich bediente sich
ihrer das vom Ausland in seinen Anmaßungen gegen Kaiser und Reich
unterstützte Territorialfürstenthum zur Befestigung und Erweiterung
seiner Macht.

Es ist jene traurige Periode, welche um die Mitte des siebenzehnten
Jahrhunderts beginnend, mit dem Ende des achtzehnten schließt und die
Entwicklung und Blüthe des »Landesvaterthums« bezeichnet. Der
dreißigjährige Krieg hatte die nationale Kraft unsres Volkes gebrochen;
sein mittelalterlicher Reichthum, seine persönliche und staatliche
Selbständigkeit und sein reiches glänzendes Leben waren in Gräuel und
Blut erstickt. Der Krieg hatte den deutschen Mittel- und Bürgerstand und
damit die Energie der Nation wenn nicht vernichtet, so doch auf
Jahrhunderte hinaus geknickt und lahmgelegt. Es trat zunächst eine
allgemeine Zersetzung und erst allmälich ein Umbildungsprozeß unsres
bürgerlichen und öffentlichen Lebens ein. Die politische Auflösung der
Nation prägte sich erschreckend und deutlich in der täglich
unbeschränkter und frecher auftretenden Viel- und Kleinstaaterei aus.
Der Kleinstaat wurde zur individuellen Form und zum unverhüllten
Ausdruck des deutschen politischen Elends. In unserer Nation hatte seit
uralten Zeiten der Einzelne, das Individuum immer Alles gelten, immer
selbstherrlich sein wollen. Jetzt aber war es die Nemesis der
Geschichte, daß diese Tausende und Millionen von Selbstherrlichkeiten
heruntergehetzt wurden zu macht-, recht- und willenlosen
Menschenleibern, um als Waare auf dem Weltmarkte feilgeboten zu werden.
Dieses Schicksal traf den Bauer wie den Bürger, den Adligen wie den
Fürsten, den Einzelnen wie die Staaten, nur nicht zu gleicher Zeit und
nur jeden in seiner Art. Das Ende aber war der allgemeine Zusammensturz.
Aus den Ueberresten der verarmten, heruntergekommenen Bevölkerung wurde
der gehorsame, in sein Schicksal ergebene und duldende Unterthan
dressirt; der Staat war nichts als eine Domaine, welcher die Mittel für
die Saturnalien und das bon plaisir des Landesherrn liefern mußte. Und
wie klein, wie jämmerlich war dieses Landesvaterthum mit seinem
Egoismus! Es gab kein Band politischer Macht und Einheit, welches, wie
in Frankreich, Herrscher und Beherrschte verknüpft und dem Auslande
geachtet und gefürchtet gegenübergestellt hätte. Das Land war in eine
Unzahl kleiner Souverainitäten zersplittert und das Volk kam nur als
Gegenstand des Seelen- und Quadratmeilen-Schachers in Betracht. Die
rohen, unwissenden und habsüchtigen Territorialherren hielten durch ihre
unsinnige und engherzige Politik, sowie durch ihre nationalökonomischen
Verkehrtheiten das an sich so reiche Land in beständiger materieller
Erschöpfung und schnitten ihm jede Gelegenheit zur Entwicklung seiner
Hülfsquellen ab. Je ärmer und abhängiger das Volk, desto leichter ist es
zu beherrschen, desto eher kann der Herr von Gottes Gnaden als ein Wesen
höherer Art gelten, desto stolzer ragen also auch aus dem allgemeinen
Schiffbruch die übriggebliebenen fürstlichen Spitzen hervor. Durch die
Waffen und durch das Bündniß mit Fremden gegen Kaiser und Reich hatten
sie ihre Stellung gewonnen; durch dieselben Mittel mußte diese erhalten
und erweitert werden: das stehende Heer lieferte ihnen zunächst die
Mittel zur Behauptung und Befestigung ihres Territorialbesitzes und zur
Geltendmachung der ihnen vom westfälischen Frieden garantirten
Souverainität.

Die neue Praxis schlich sich um so leichter und unbemerkbarer ins Leben
ein, als seit Jahrhunderten schon Einzelne sich als Soldaten vermiethet
hatten und als die Fürsten jetzt nur zu befehlen brauchten, was früher
blos als ein freiwilliger Akt geleistet worden war. Dazu kam, daß seit
der Krieg zu einem regelmäßigen Handwerk ausgebildet worden, diese
Söldner eine nie aussterbende Klasse von Abenteurern, Landstreichern und
gar Räubern ausmachten, die nach jedem Friedensschlusse ihrer Heimath
wieder zur Last fielen und ihren verderblichen Einfluß auf die
heranwachsenden Geschlechter ausdehnten. Es war also zunächst eine
Wohlthat für das Land, wenn diese ruchlosen Banden durch die stehenden
Heere möglichst unschädlich gemacht wurden. Uebrigens würde die neue
Einrichtung trotzdem nicht sobald festen Fuß gefaßt haben, wenn sie
nicht gleich im Anfange auch andere wesentliche Vortheile gewährt hätte.
Sie brachte Ordnung in die Finanzen und sicherte die Ruhe während des
Friedens. Sie schien also den Interessen der Unterthanen und Fürsten zu
entsprechen; in der That aber hatten diese den wesentlichen Nutzen, jene
aber nur neue Lasten davon. Der verarmte, ausschließlich mit seinen
nächsten Sorgen beschäftigte Bürger ließ sich leicht einreden, daß ihm
mit der Einrichtung der stehenden Heere, die ihn in seinem friedlichen
Erwerbe schützen würden, eine große Last von den Schultern genommen
werde. Die Fürsten selbst erhielten durch die stehenden Heere eine kaum
berechenbare Machtverstärkung. Ihre eigenen Mittel reichten selten aus,
eine nur halbwegs respektable Streitmacht ins Feld zu stellen; zu einem
ordentlichen Kriegszug mußten sie sich von den Ständen Geld bewilligen
lassen. Erlangte nun der Territorialherr das Recht, ein stehendes Heer
zu halten, so konnte und mußte er dafür auch feste Steuern einziehen,
wodurch er eine unendlich gesteigerte Verfügung über die Steuerkraft des
Landes gewann. Dann aber gehörte ihm das Heer unbedingt, und es ließ
sich damit jeder Widerspruch der eigenen Unterthanen zum Schweigen
bringen.

Es dauerte nicht lange, so erklärte der Fürst das ganze Land für sein
Eigenthum, mit dem er nach Belieben schalten und walten könne; er
verlangte unbedingten Gehorsam und hob zuletzt jeden jungen Mann, der
ihm zusagte, für Lebenszeit zum Kriegsdienste aus. Dahin ward die alte
Heerbannpflicht verkehrt, welche mit Recht jeden freien Bürger zur
Führung der Waffen für das allgemeine Beste, für den Staat
verpflichtete. Jetzt war die fürstliche Domaine das allgemeine Beste,
der Staat geworden, und an die Stelle jener politischen und sittlichen
Pflicht trat die polizeilich brutale Pressung, die Aushebung der
Landeskinder, mit welcher die freie Werbung der Fremden Hand in Hand
ging. Das Landeskind war zwar billiger als der Fremde und einmal gehörig
dressirt, auch für die Zukunft brauchbarer; allein der Fremde konnte
nicht leicht entbehrt werden, weil die blos auf die Unterthanen
beschränkte Werbung das Land leicht entvölkert hätte. Zudem gab es
gewisse Exemtionen für die Vermögenden oder sozial oder amtlich höher
Gestellten. Die Last der Dienstpflicht ruhte ausschließlich auf den
Aermeren, den Bauern und den Ungebildeten. Uebrigens dauerte es noch
geraume Zeit, ehe die Regierenden es wagten, jeden Mann aus dem Volke zu
langjähriger Dienstpflicht heranzuziehen. Montecuculi, welcher zuerst
den Habsburgern die Einführung stehender Heere klar zu machen trachtete,
suchte mit höchster Sorgfalt nach Individuen, die man wohl zum
Kriegsdienste verpflichten könne, ohne dadurch eigentlich individuelle
Rechte zu verletzen und die Steuerkraft des Landes zu beeinträchtigen.
Die Brutalität in der Rekrutirung stehender Heere wagte sich nur
schrittweise heraus; Deutschland wurde erst allmälich in kaum
scheinbaren Uebergängen das Jagdrevier, auf welchem die fürstlichen
Jäger ihre Werbehunde auf das täglich wehrloser werdende Volk losließen.

Es ist vor Allem für das richtige Verständniß der hier in Betracht
kommenden Epoche unerläßlich, sich diesen verhältnißmäßig neuen Ursprung
der stehenden Heere und der damit verbundenen Mißbräuche zu
vergegenwärtigen, umsomehr, da die Vertheidiger des kleinstaatlichen
Gottesgnadenthums thun, als ob die Welt diese durchaus neue Einrichtung
seit Jahrtausenden nicht anders gekannt habe und als ob nur die
ungemüthliche Gegenwart ihre hohen Segnungen nicht zu würdigen vermöge.
Es sei also gleich hier darauf hingewiesen, daß kaum die Großväter und
Urgroßväter derselben Fürsten, welche den Soldatenhandel nach Amerika
getrieben, es zu stehenden Heeren gebracht hatten, und daß das
historische Recht, welches im Munde ihrer Vertheidiger die einzige
Entschuldigung für jenen Unfug bildet, statt »keinen Datum nicht zu
haben« so modernen Ursprungs ist, daß man Jahr und Tag seiner
Entstehung genau nachrechnen kann. Der älteste hessische
Subsidienvertrag mit einem auswärtigen Fürsten ward 1676 vom Landgrafen
Karl mit König Christian V. von Dänemark, also gerade hundert Jahre vor
der uns beschäftigenden Zeit abgeschlossen. Der älteste Vertrag
überhaupt, mittelst dessen deutsche Truppen in einer für sie ganz
fremden Welt, an der äußersten Gränze Europa's gegen baare Bezahlung
verwandt wurden, war der sächsische von 1685, in welchem Jahre der
Kurfürst Johann Georg III. dreitausend sächsische Soldaten um 120,000
Thaler auf zwei Jahre an die Republik Venedig verhandelte. Diese
schickte sie gegen die Türken nach Morea hinüber, wo während der
Feldzüge 1685 und 1686 die meisten von ihnen elend zu Grunde gingen. Die
Wenigsten fielen auf dem Schlachtfelde; die Meisten erlagen der Pest und
rothen Ruhr, und nur 761 von den ausmarschirten 3000 Mann kehrten im
August 1687 in die Heimath zurück.

Die Ausbildung der stehenden Heere begann mit dem Ende des siebenzehnten
und vollendete sich im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts. Ludwig XIV.,
der für jeden kleinen deutschen Zaunkönig bald das leuchtende Vorbild
staatsmännischer Hoheit wurde, bediente sich der kleineren Fürsten gern
gegen Kaiser und Reich, und ließ es sich große Summen kosten, um bei
seinen gegen Deutschland gerichteten Plänen ihrer Mithülfe sicher zu
sein. Diese fremde Bundesgenossenschaft wurde auch für die anfänglich
nicht bei ihr Betheiligten bald sehr einträglich, denn sie hatte
zugleich den Vortheil, daß sie gute Angebote aus der Heimath
verschaffte. Die Subsidien der fremden und einheimischen Mächte
schmeckten vortrefflich. Das Subsidienwesen stand deßhalb auch schon zu
Anfang des letzten Drittels des siebenzehnten Jahrhunderts in voller
Blüthe. Als Großhändler unter seinen zahlreichen fürstlichen
Konkurrenten ragt an der Schwelle dieser Periode der kriegerische
Bischof von Münster, Bernhard von Galen (1650-1678), hervor, ein
Autokrat von nicht gewöhnlichen Gaben, aber mit äußerst beschränkten
Mitteln. In dem kurzen Zeitraum von zwölf Jahren (1665-1677) vermiethete
er gegen entsprechende Subsidien seine aus allen Weltgegenden
zusammengetriebene 6000-8000 Mann zuerst an England, dann an Frankreich,
ferner an den Kaiser, darauf an Spanien und endlich an Dänemark, blieb
aber am längsten der Vasall und Kunde Frankreich's.

Um also ihre Einkünfte zu vergrößern und ihr Ansehen unter ihres
Gleichen zu erhöhen, vermietheten die Landesväter ihre Soldaten gern
gegen reichliche entsprechende Bezahlung an den Meistbietenden. Was
kümmerte es sie, wenn ihr ruchloses Thun Deutschland zu einem
Menschenmarkte erniedrigte, wo gegen Geld und gute Worte immer Soldaten
zu haben waren? Ueber solche, höchstens der Kanaille verzeihliche
Vorurtheile, wie Vaterlandsliebe und das Gefühl politischer Würde war
die Mehrzahl der Lenker deutschen Geschickes oder vielmehr Mißgeschickes
vom dreißigjährigen Kriege an bis auf die französische Revolution
erhaben.

Wer nicht genug Truppen hatte, um einen einträglichen Handel damit zu
treiben, hielt sich wenigstens ein »stehendes Heer«, das oft freilich
nur aus einer Handvoll Leute bestand. Während es im achtzehnten
Jahrhundert kein oder im besten Falle ein erbärmliches Reichsheer gab,
weil seine Aufstellung lediglich vom guten Willen der einzelnen
Reichsfürsten abhing, hatte jeder kleine Reichsgraf oder Reichsfürst,
das vom »grand Louis« gegebene Beispiel ängstlich nachahmend, seine
Trabanten, Hatschiere, Schweizer-Garden, Musketiere, Gardes du Corps und
Gensdarmen, und wenn auch nicht alle diese Waffengattungen in
Wirklichkeit existirten, so erzeugten doch die für dieselben Soldaten
vorhandenen verschiedenen Uniformen den Schein der Wirklichkeit. So
hielt -- um hier aus den tausend Lächerlichkeiten nur ein paar
herauszugreifen -- der Landgraf von Hessen ein Dutzend Haiducken,
mehrere lange Kammerhusaren und Leibjäger. Diese Leute steckten während
des Exerzierens in der Montur des ersten Bataillons Garde und formirten
das erste Glied der Leibkompagnie während des Vormittags, des
Nachmittags aber erschienen sie wieder in der Hoflivree, warteten an der
Tafel auf oder standen auf der Kutsche. Der Herzog Karl Eugen von
Würtemberg hatte noch 1782 zwei Kavallerieregimenter, das
Grenadierregiment zu Pferde, v. Phull, von dessen 150 Mann keiner
beritten war, während vom Husarenregiment v. Bouwinghausen, das 250 Mann
stark war, 50 beritten waren. Ein anderer kleiner Fürst -- kaum wird man
die Sache glauben, und doch ist sie wahr -- hielt 50 Mann
Leibgrenadiere, welche, um größer zu erscheinen, alle hohe Absätze
tragen mußten und eine Zeit lang nur zwei Grenadier-Bärenmützen hatten,
welche die beiden Schildwachen an dem Portal des Schlosses immer den sie
Ablösenden überlieferten und gegen die Zuckerhüte (Blechkappen)
austauschen mußten. Noch Einer gab seiner Garde drei verschiedene
Monturen: als Grenadiere, Kuirassiere und Jäger, in welchen sie
abwechselnd erscheinen mußten. Ein Dritter hielt einige Regimenter
unberittener Dragoner, welche dann und wann die Kavallerie-Evolutionen
zu Fuß machen mußten und _wobei ihnen während des Chocks erlaubt war,
gleich den Pferden zu wiehern_.

Die größeren Fürsten brachten es aber bald dahin, daß es von Rußland bis
Spanien, von den Niederlanden bis zur Türkei kaum einen Feldzug und eine
Schlacht mehr gab, in welcher deutsche Hülfstruppen und Soldaten sich
durch ihre Roheit und Beutegier, ihren Ungestüm und ihre
Unverwüstlichkeit nicht hervorthaten. In der Regel wurden die Heere des
achtzehnten Jahrhunderts durch Werbung zusammengebracht und ergänzt; nur
Friedrich Wilhelm I. von Preußen hatte durch die Eintheilung seines
Landes in abgegränzte Kantone, aus welchen seine Regimenter ihre
Rekruten bezogen, eine gewisse territoriale Grundlage für seine Armee
geschaffen. Den Hauptkern derselben bildete aber auch hier das
angeworbene Volk. Die Werbeoffiziere trieben sich vorzugsweise in den
geistlichen Fürstenthümern, den freien Städten, an den Gränzen
verschiedener Staaten und in den kleineren Territorien herum. Wie wenig
übrigens ein solcher Beruf als unehrenvoll galt, mag der folgende Auszug
aus einem Brief zeigen, welchen der als Preußischer Major bei Kunersdorf
rühmlich gefallene Dichter des Frühlings, Ewald v. Kleist, am 12. Juli
1752 an seinen Freund Gleim schrieb. »Wenn Sie, heißt es dort, im
Zerbstischen, Sächsischen und Braunschweigischen oder anderen Orten, wo
sie oft hinkommen, etwa große Leute antreffen sollten, die freiwillig
und vor Handgeld Dienste nehmen wollen, so engagiren Sie sie doch vor
mich; ich will sie gut halten und sie sollen gar nicht unglücklich durch
mich werden, nur den Abschied kann ich ihnen nicht geben; doch wenn ihre
Kapitulationsjahre um sind, sollen sie auf's Neue Handgeld haben, nebst
einer neuen Kapitulation. Ersuchen Sie doch zum Spaß Ihre
braunschweigischen Freunde auch, daß sie vor mich werben, wiewohl mir
dieses nicht ganz Spaß ist. Der Zufall kann einem zuweilen einen Goliath
zuführen, der Lust zum Dienen hat, und dem noch ein Gefallen damit
geschieht, wenn man ihm Dienste schafft. Ich will zur Vergeltung für Sie
und Ihre Freunde bei Gelegenheit Mädchen werben, in welcher Werbung ich
glaube Praktik zu haben.«

Da die Bande, welche die geworbenen Soldaten an ihre Kriegsherren
knüpften, vorzugsweise von der List und Gewalt geknüpft waren, also
stets locker blieben, so entschied lediglich der persönliche Vortheil
für ihr Bleiben und Gehen. Aus diesem Grunde tritt gewöhnlich die ganze
Besatzung einer Festung oder ein großer Theil derselben, nachdem sie
kapitulirt, in die Reihen der Sieger. Die Befehlshaber aufgelöster Heere
trieben förmliche Spekulation mit kriegerischen Haufen und suchten durch
allerlei Kunstgriffe die höchst möglichen Preise für ihre Waare zu
erhalten. In der Regel bildeten darum auch die stehenden Heere des
achtzehnten Jahrhunderts die Sammelpunkte des verworfensten Gesindels,
das man sich nur denken kann. Es fehlte ihnen jedes nationale Element,
jeder moralische Halt, und es galt als das größte Unglück für einen nur
halbwegs anständigen Menschen, dem »Kalbfell folgen« zu müssen. Die
Behandlung des Soldaten war roh, die Bestrafung barbarisch, jedes
Ehrgefühl wurde methodisch in ihm erstickt. Der Gemeine wurde vom
Offizier, wie heute noch in England und den Vereinigten Staaten,
verachtet, mißhandelt und durch eine unübersteigliche Kluft getrennt.
Die Offiziersstellen wurden fast ausschließlich vom Adel bekleidet, wenn
man die heruntergekommenen, verarmten und dadurch von den herrschenden
Dynasten abhängig gewordenen Junker überhaupt Adel nennen darf. Er fand
in dem Heere Ansehen, Ehre und Geld und konnte die verlorengegangenen
Herrenrechte an den armen Soldaten im höchsten Maße ausüben. Natürlich
war bei einem solchen Stoffe an individuelle Bethätigung des einzelnen
Soldaten nicht zu denken. Dieses dünkelhafte System, welches nur durch
Ehre und Ruhm für die Befehlenden, aber durch Zwang und Furcht für die
Befohlenen zusammengehalten wurde, fand auch äußerlich in der
Lineartaktik seinen Ausdruck und galt namentlich, seit es sich in der
schöpferischen Hand eines Genies, wie Friedrich des Großen bewährt
hatte, als das höchste Ideal eines Heerwesens, bis es zuerst in der
amerikanischen Revolution den unordentlichen Massen schlecht
ausgerüsteter und noch schlechter eingeübter Bürger und Bauern unterlag
und schließlich bei Jena einen schmählichen Bankerott erlitt.

Das letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts, oder vielmehr die Zeit vom
Hubertusburger Frieden bis zur ebengenannten Schlacht bei Jena
entwickelte dieses grausame und geistlose Kamaschenthum -- denn etwas
anderes war die damalige Heeresorganisation nicht -- zu seiner höchsten
Blüthe, und gerade die Werbungen für die nach Amerika bestimmten Truppen
offenbarten schroffer als je zuvor oder später die Nichtswürdigkeit des
Systems mit allen seinen Auswüchsen und Härten. Es würde heut zu Tage
kaum noch möglich sein, sich einen nur annähernden Begriff von der
Erhaltung und Vervollständigung der damaligen stehenden Heere zu machen,
wenn es nicht eine bändereiche Literatur über die Rekrutenwerbung und
die damit zusammenhängenden Dienstzweige gäbe.

Es ist zum Verständniß der uns beschäftigenden Epoche unerläßlich,
wenigstens einen flüchtigen Blick in diesen nichtswürdigen gedruckten
Schund zu werfen, der trotz seiner reichen Beiträge zur Erkenntniß der
damaligen Zeit dem Kulturhistoriker, wie es scheint, kaum dem Namen nach
bekannt geworden ist. Das Schinderhannesthum, auf Seiten der
herrschenden Mächte in System und Ordnung gebracht, starrt uns aus
diesen vergilbten Scharteken entgegen, die namentlich seit Mitte des
vorigen Jahrhunderts zu jeder Ostermesse dutzendweise in Deutschland
erschienen und vorzugsweise junge auf Beförderung hoffende Lieutenants
zu Verfassern hatten.

Zum Beweise dessen mögen dienen: »Briefe des Herrn v.S., worin derselbe
seinem in C. zurückgelassenen Freunde verschiedene Werbehistörchen nebst
einigen seiner eigenen Begebenheiten bis zu seiner Vermählung vor Augen
legt. Leipzig 1765, bei Johann Gottlob Rothen, Buchhändler in
Kopenhagen.« Herr v.S. ist einer jener zahlreichen und gewissenlosen
Werbeoffiziere, welche von den Soldaten bedürftigen deutschen und selbst
auswärtigen Staaten, z.B. England, in jeder günstig gelegenen, größeren
Stadt unterhalten wurden und die Aufgabe hatten, mit List und Gewalt,
Versprechungen und Geld, Wein und schönen Kleidern arme Teufel und
leichtsinnige oder arglose junge Menschen als Soldaten anzulocken. Der
Hauptheld dieser Werbehistörchen ist der Bursche des Herrn v.S., ein
gewisser Schwarz, den sein Herr nicht müde wird, als ein Muster von
Schlauheit, Verschmitztheit und Frechheit zu preisen. Der tugendhafte
Schwarz bethört mit den gewöhnlichen Mitteln seine Opfer in den
Wirthshäusern, entführt »wohlqualifizirte Subjekte« mit Gewalt oder
verkleidet sich selbst in einen Handwerksburschen und läßt sich von
einem nichts Böses ahnenden, neben ihm sitzenden Schustergesellen an
einen Werbeunteroffizier, der im Geheimniß ist, verkaufen, worauf dann
Schwarz das Heft umkehrt und seine Beute desto sicherer packt. Natürlich
jubelt Herr v.S. über den reichen Fang und schafft ihn, von seinem
Vorgesetzten ob seines Diensteifers und Erfolges belobt, rasch nach der
Garnison. Ein ander Mal beraubt Schwarz gemeinschaftlich mit zwei
Unteroffizieren einen Handlungsdiener, dem von ihnen die Wahl zwischen
Soldatwerden und Auslieferung seines Beutels gelassen wurde, um hundert
Dukaten und andere Kostbarkeiten. Der Kaufmann beschwerte sich bei Herrn
v.S. Was thut dieser? Er geräth in solche Wuth, daß er seinen an der
Wand hängenden Degen ergreift und den herbeigerufenen, ihres Verbrechens
geständigen Unteroffizieren einige zwanzig Hiebe aufzählt. »Weil man
aber -- erzählt Herr v.S. mit Selbstgefühl -- überdies in's Geheim von
einer gewaltsamen Entführung des Tanzmeisters zu zischeln anfing,
Lucinde (die Maitresse) mir auch beständig in Ohren lag, und durch die
Begebenheit mit dem Kaufmannsdiener meine eigene Gefahr zu blühen
anfing, so entschloß ich mich, ohne Abschied zu nehmen, aus der Stadt zu
gehen, und fuhr den dritten Tag mit Lucinden, meinem Kutscher und
Schwarz, der mir ein ander Mal klüger zu werden und bessere Vorsicht zu
gebrauchen angelobet, nach M. zu dem Regimente.«

So weit Herr v.S. Ein gewöhnlicher Mensch, der nicht adliger
Werbeoffizier gewesen wäre, würde, wenn er sich wie Schwarz und Herr
v.S. bei ähnlichen zur Nacheiferung empfohlenen Heldenthaten hätte
ertappen lassen, sein Leben lang in die Eisen gekommen sein; aber Herr
v.S. ist »Kavalier« und wirkt als solcher für den allerhöchsten Dienst.
Folgen wir nun dem in Schwarzischer oder Herr v.S.'scher Weise
gestohlenen Rekruten an seinen Bestimmungsort, und lassen wir uns über
seinen Transport dahin amtlich unterweisen. Wir finden diese Belehrung
in dem Werke: »Unterricht für die Königlich Preußische Infanterie im
Dienste der Garnison, auf Werbungen und im Felde. Berlin, in der
Himburgischen Buchhandlung 1805.« Dieses Buch, welches also wohlgemerkt,
gerade ein Jahr vor der Schlacht von Jena erschien, ist ein merkwürdiges
Zeichen von der erstaunlich raffinirten Schärfe, zu welcher sich der
preußische Dienst damals ausgebildet hatte, aber auch von der ganzen
herzlosen Grausamkeit, deren ein gemeiner, auf schnelle Beförderung im
allerhöchsten Dienste sinnender Norddeutscher fähig ist. Da heißt es im
vierzehnten Kapitel vom Transport der Rekruten wörtlich: »Der
Unteroffizier muß außer einem guten Seitengewehr auf dem Transporte
stets ein Terzerol bei sich führen; er muß den Rekruten nie hinter,
sondern immer vor sich gehen, ihn nie nahe auf den Leib lassen, und ihn
bedeuten, daß der erste falsche Tritt, den er thut, ihm das Leben
koste. Er muß beim Transport das Gebiet des Landes vermeiden, wo der
Rekrute gedient hat, oder auch manchmahl, und unter gewissen Umständen
sogar, aus dem er gebürtig ist.

»Er muß das Transportiren durch große Städte und lebhafte Ortschaften,
wo möglich, vermeiden. Des Nachts muß er solche Wirthshäuser zum
Quartier wählen, wo er und andere Werber seiner Macht immer einkehren,
und wo der Wirth auf seiner Seite ist. In dem Nachtquartier selbst muß
er die möglichste Vorsicht zur Erhaltung des Rekruten anwenden,
demselben sich ganz auszuziehen und niederzulegen befehlen, dessen, so
wie seine eigene Kleider dem Wirth in Verwahrung geben, und sich neben
ihn, vorne nach der Thüre zu, hinlegen. Beim Transport muß er nicht
erlauben, daß der Rekrute sich sehr umsehe, stehen bleibe, noch weniger
sich mit Reisenden und besonders gar nicht in einer fremden Sprache
unterhalte. Er muß den Rekruten auf dem Transport so lenken, wie man mit
dem Zügel ein Gespann lenkt; die Worte: Halt, Marsch, Langsam,
Geschwinde, Rechts, Links, Geradeaus müssen von dem Rekruten auf dem
Fleck befolgt werden, sonst ist dies schon ein übles Omen, und des
Unteroffiziers Autorität ist verletzt.

»Nie muß der Unteroffizier da einkehren, wo es dem Rekruten etwa zu
frühstücken beliebt, sondern wo er zu diesem Behuf einmahl für allemahl
einkehrt.

»In solchen Wirthshäusern, wo der Transport zu Nacht bleibt, muß eine
eigene, für die Werber und Rekruten bestimmte Gaststube sein, die,
womöglich in einem Oberstock ist und deren Fenster mit eisern Gittern
versehen sind. Nachts muß kein Rekrute aus der Stube zu gehen genöthigt
sein, sondern ein Nachtgeschirr zu beiderlei Bedürfnissen sich im Zimmer
befinden.

»Die ganze Nacht muß eine Lampe im Zimmer brennen und neben selbiger ein
unangezündetes Licht stehen. Der Unteroffizier muß seine Waffen dem
Wirth Abends übergeben, damit nicht der Rekrute gegen ihn, in der Nacht
davon Gebrauch macht. Morgens muß er sie sich wiedergeben lassen, sie
nachsehen, frisch laden, oder wenigstens frisch Pulver aufschütten, sich
anziehen, reisefertig machen, und dann erst den Rekruten aufstehen
heißen, und ihm seine Kleider zum Anziehen wiedergeben. Beim Hineingehen
in ein Wirthshaus und Stube muß der Rekrute der erste, beim Herausgehen
der letzte sein; im Wirthshause selbst muß der Werber vor, der Rekrute
hinter dem Tische sitzen. Hat der Rekrute eine Frau mit, so muß der
Werber seine Aufmerksamkeit verdoppeln, die Frau muß auf dem Marsche vor
dem Manne, niemahls aber hinter demselben, oder gar hinter dem Werber
gehen.

»Sie muß eben so denen Commando-Wörtern auf dem Marsche gehorchen als
der Mann, ebenso in den Nachtquartieren beobachtet werden, sich eben so
unterwegens, wenn der Unteroffizier zu frühstücken wo einkehrt, wie der
Mann hinter den Tisch setzen, eben so des Nachts nicht das Zimmer
verlassen. Daß ein transportirter Rekrute während seines Transportes
keine Feder anrühren, keine Briefe schreiben, keine Schreibtafel sich
halten, selbst keine Bleifeder nicht bekommen darf, ist natürlich, so
wie daß man dem Rekruten und seiner Frau vor dem Antritt des Transports,
alle gefährliche Waffen, Terzerols, große Messer u.s.w. abnehmen muß und
während dem Transport nicht erlauben darf, daß der Rekrute so wenig wie
seine Frau, einen Stock, Knüppel oder Stab tragen darf.

»Auch muß es dem Rekruten nicht erlaubt sein, seine Frau vom Transport
oder Nachtquartier ab, wohin zu schicken, mit selbiger eine fremde
Sprache zu reden, oder ein sachtes Gespräch zu führen. Alles dies muß
nicht statt finden und überhaupt der Unteroffizier auf alle
Vorsichtsmaßregeln beim Transport denken, auf alle Handlungen und Worte
des Rekruten Acht geben und darüber seine Ueberlegungen anstellen. Ist
der Rekrut nur irgend zweideutig, so muß er sich auf Befehl des
Unteroffiziers, die Hosenriemen entzwei-, die Hosenknöpfe abschneiden
und die Hosen in der Hand tragen.

»Hat er aber vollends einen Versuch gemacht, zu echappiren, so muß er
ohne Gnade geschlossen, oder ihm die Daumschrauben angelegt werden. Es
ist schon übel, wenn es der Unteroffizier dahin kommen läßt, von seinem
Gewehr Gebrauch zu machen, und den Rekruten blessiren oder tödten zu
müssen.

»Bei sehr schönen, scheinbar resoluten, den Unteroffizier an Kräften
überwiegenden Rekruten wird der Offizier gewiß so vorsichtig und billig
sein und zu dessen Transport zwei Unteroffiziere geben. Ueberhaupt ist
es, wenn es nur irgend angeht, immer besser, wenn einige Rekruten
zusammen transportirt werden, damit mit Recht bald ein paar
Unteroffiziere mit auf den Transport können gegeben werden. Es ist wegen
Krankheitsfällen, Nachtwachen, wechselseitiger körperlicher
Unterstützung, Ueberlegung und Berathschlagung, wo Seelenkräfte wirken
müssen, wegen Aufmerksamkeit und Vorsichtsmaßregeln, kurz, wegen aller
möglichen auf dem Transport zu beobachtenden und vorkommenden Ereignisse
besser, wenn, selbst bei unproportionirten Verhältnissen der Rekruten zu
den Transportirenden, einige Unteroffiziers beisammen sind. So schwer,
wie es bei gehörigem Diensteifer, wenn sich der Unteroffizier nicht
auf's Glück verlassen will, es demselben wird, einen einzigen Rekruten
allein zu transportiren, so können zwei Unteroffiziere doch schon drei
bis vier Rekruten, mit wenigerer Gefahr, drei Unteroffiziere mit noch
weniger Risiquo sieben bis höchstens neun Rekruten transportiren.

»Allein, daß ein Unteroffizier zwei Rekruten transportirt, muß nie der
Fall sein. Macht die größte Noth diesen Fall unvermeidlich, so ist dies
schon traurig und für den Offizier sowohl wie den armen Koporal ohne
Grenzen risquant. Wenn es platterdings unmöglich ist, daß der Offizier
die Rekruten, bis der Transport stärker wird, bei sich behalten kann und
deren Absendung durchaus nothwendig ist, so muß der Offizier in diesem
Falle Jemand dingen, der dem Unteroffizier transportiren hilft. Es ist
besser auf Vorsichtsmaßregeln einige Ausgaben zu verwenden, als die
Rekruten einzubüßen, und das Leben des Unteroffiziers unvermeidlicher
Gefahr auszusetzen. So wie dem Offizier, um so mehr noch dem
Unteroffizier ist ein tüchtiger Hund äußerst nützlich. Nur muß derselbe
gehörig abgerichtet sein, keinen Stock in der Hand eines Rekruten
leiden, sowie sich derselbe in der Nacht rührt, oder aufsteht,
anschlagen und seinen Herrn wecken, auf dem Marsche den Rekruten, wenn
er aus dem Wege herausgeht, wieder in den Weg treiben; fängt der Rekrute
an zu springen, denselben packen und nur auf seines Herrn Wort wieder
loslassen, nicht leidend, daß der Rekrute etwas von der Erde aufnehme
und lauter Künste können, die auf das bessere Transportiren des Rekruten
abzwecken und dem Unteroffizier den Dienst erleichtern.

»Mancher Rekrute -- heißt es am Schlusse nach Aufzählung verschiedener
Arten von Befreiungsversuchen -- sucht dadurch seine Befreiung zu
erlangen, daß er an einem Orte, wo viele Menschen versammelt sind, oder
beim Durchgange durch eine Stadt, über Gewalt oder ungerechte Anwerbung
schrie. Hier muß der Unteroffizier den Schutz der Obrigkeit erheischen,
und wird selbigen auch nach Vorzeigung seines Werbepasses und der von
Zeugen unterschriebenen Capitulation des Soldaten gewiß erhalten. Der
Unteroffizier mit einem Wort muß sich nicht irre machen lassen, sich
nicht das Herz abkaufen lassen, niemahls die Gegenwart des Geistes
verlieren oder wohl gar unentschlossen handeln, welches noch schlimmer
ist, als wenn er unrecht handelt. Versucht der Rekrute, unternimmt er
nur das mindeste, so muß er geschlossen werden. Alle Kosten, die der
Rekrute durch Desertions-Anschläge nöthig macht, muß er selbst tragen,
und kann ihm der Unteroffizier bis zu seiner Ablieferung das Handgeld
abnehmen. Von jedem, in einem Orte vorgefallenen Exzesso, von jeder
Maßregel, die der Unteroffizier zu nehmen gezwungen ward, muß er sich,
um sich bei seinem Offizier auszuweisen, von der Ortsbehörde ein Attest
geben lassen.

»Besonders muß dies geschehen, wenn der Unteroffizier in die traurige
Nothwendigkeit gesetzt ward, den Rekruten zu schießen, mag er ihn nun
entweder blessirt, oder getödtet haben. Der Fall, daß ein Rekrute dem
Unteroffizier entkomme oder entwische, wird garnicht als denkbar, also
auch nicht zu attestiren angenommen.«

Endlich ist der Rekrute glücklich eingebracht und wird zum Soldaten
gestoßen, gemißhandelt und geprügelt: eine gebrochene Existenz, wenn er
noch einen Funken Selbstgefühl in sich bewahrt hat, oder eine willenlose
Maschine, wenn er sich in seine neue Lage findet und pünktlich »Ordre
parirt.« Denn der Dienst wurde mit barbarischer Strenge und pedantischer
Gewissenhaftigkeit, namentlich in den auf preußischem Fuß eingerichteten
Heeren ausgeführt. »Es ist eine trostlose Sache, sich die Gefühle zu
vergegenwärtigen, welche in Tausenden der gepreßten Opfer gearbeitet
haben, vernichtete Hoffnungen, ohnmächtige Wuth gegen die
Gewaltthätigen, herzzerreißender Schmerz über ein zerstörtes Leben. Es
waren nicht immer die schlechtesten Männer, welche wegen wiederholter
Desertion zwischen Spießruthen zu Tode gejagt oder wegen trotzigem
Ungehorsam gefuchtelt wurden, bis sie bewußtlos am Boden lagen. Wer den
Kampf in seinem Innern überstand, und die rohen Formen des neuen Lebens
gewohnt wurde, der war ein ausgearbeiteter Soldat, das heißt ein Mensch,
der seinen Dienst pünktlich versah, bei der Attacke ausdauernden Muth
zeigte, nach Vorschrift verehrte und haßte und vielleicht sogar eine
Anhänglichkeit an seine Fahne erhielt und wahrscheinlich eine größere
Anhänglichkeit an den Freund, der ihn seine Lage auf Stunden vergessen
machte, den Branntwein.« (Freytag, Neue Bilder S. 320.)

Natürlich waren die Desertionen häufig, und je näher der Grenze,
desto zahlreicher, trotzdem daß die aus aller Herren Länder
zusammengetriebenen Soldaten sorgsam gehütet wurden. In Grenzfestungen,
wie z.B. Wesel a.Rh., waren sie zu diesem Behufe in drei Klassen
getheilt: Ganzvertraute, welche Pässe erhielten und vor die Thore gehen
konnten, Halbvertraute und endlich Unsichere, die gar nicht oder nur mit
seltenen Ausnahmen in Begleitung eines Unteroffiziers oder eines
Ganzvertrauten aus der Stadt durften. Wurde ein Soldat vermißt, so
erfolgten drei Allarmschüsse vom Wall der Festung. Auf dieses Zeichen
mußten die Grenzbauern die Grenze besetzen und von Posten zu Posten
patrouilliren. Dazu im Voraus kommandirte Offiziere mußten sich auf die
in Bereitschaft gehaltenen Pferde setzen und an der Grenze die
Bauernposten revidiren. Für jeden eingebrachten Deserteur ward ein
Fanggeld von zehn Thalern bezahlt. Wurde der Deserteur nicht gefangen
und gelangte er glücklich »auf die Freiheit«, d.h. über die Grenze, wo
sich Wirthshäuser zur Aufnahme befanden, so ritt der nachsetzende
Offizier dahin, um ihn unter Zusicherung völliger Straflosigkeit zur
Rückkehr zu bewegen. Hatte der Ausreißer überhaupt die Absicht
zurückzukehren, so stellte er seine Bedingungen -- z.B. Ertheilung eines
Trauscheines, d.h. die Erlaubniß, seine Liebste zu heirathen, oder
Ertheilung eines Thorpasses &c. -- was Verhandlungen zwischen ihm und
der Kompagnie herbeiführte, die meist mit Zugeständnissen von Seiten der
letztern endigten.

Der Rückblick auf diese Einzelnheiten des damaligen Werbegeschäfts war
deshalb nothwendig, weil mehr als die Hälfte der nach Amerika
verhandelten Truppen in solcher Weise zusammengebracht wurde, und weil
ohne die Detailkenntniß des mit der Rekrutirung verbundenen Unfugs ein
Theil der spätern Erzählung durchaus unverständlich bleiben würde.

Während die größeren deutschen Staaten, wie z.B. Preußen und Sachsen,
sich hauptsächlich durch ihre Armeen und deren _selbständige_ Verwendung
zu europäischer Macht und Bedeutung emporschwangen, bedienten sich die
kleineren Fürsten, wie Hessen, Braunschweig, Gotha, und Andere, ihrer
Truppen, um ihre Einkünfte zu vergrößern und ihren Luxus zu befriedigen.
Sobald nur ein Krieg drohte, boten sie den feindlichen Parteien ihre
Truppen an und, je nach der Konjunktur des Marktes, erhielten sie
höhere oder geringere Preise für ihre Waare. Bis zum siebenjährigen
Kriege überstieg das Angebot meistens die Nachfrage, darum war der
Artikel im Ganzen billig. Erst mit dem amerikanischen Kriege schlug das
Verhältniß in sein Gegentheil um, so daß bei den täglich größer
werdenden Ansprüchen an den Markt das Menschenfleisch immer theurer
wurde. Wenn die großen Staaten untereinander und gegen dritte
Subsidienverträge eingingen, so übernahmen die kleineren deutschen
Fürsten für die kriegführenden Mächte einfach Truppenlieferungen gegen
baare Bezahlung. Wenn auch jedes politische Moment von diesem Handel
ausgeschlossen war, so nannten sie das schmutzige Geschäft doch des
bessern Scheins wegen Subsidienvertrag oder versteckten es sogar hinter
den komisch erhabenen Phrasen eines Schutz- und Trutzbündnisses. Unter
den Ländern, welche trotz ihres verhältnißmäßig kleinen territorialen
Umfanges, durch ihre politische Machtstellung ein entscheidendes Wort in
der Politik jener Zeit zu sprechen hatten, standen Holland und später
England oben an, und sie gerade waren wegen des eben bezeichneten
Mangels zur Führung ihrer Kriege auf die Benutzung fremder Soldaten
angewiesen. Holland zunächst hatte während des ganzen siebenzehnten und
achtzehnten Jahrhunderts sowohl deutsche Fürsten als Generale und
deutsche Soldaten als Truppen im Dienst, ein Verhältniß, welches durch
die oranischen Statthalter vermittelt und in ein System gebracht wurde.
Selbst die mächtigen Nachbarn der Generalstaaten verschmähten es nicht,
diesen für größere politische Zwecke ganze Regimenter leihweise zu
überlassen. So gab Preußen während der ganzen Dauer des spanischen
Erbfolgekrieges seine Regimenter 8. (v. Scholten, Stettin), 9. (v.
Budberg, Hamm) und 10. (v. Romberg, Bielefeld) in holländischen Sold.
Für unsern Zweck kommt jedoch nur England näher in Betracht.

Schon im Laufe des siebenzehnten Jahrhunderts hatte es in seinen Kriegen
gegen Holland kontinentale Miethstruppen in Sold genommen. So nahm z.B.
Karl II. im Juni 1665 das Anerbieten des obengenannten Bischofs Bernhard
von Galen an, wonach dieser ihm gegen die Generalstaaten 20,000 Mann zu
Fuß und 10,000 Reiter stellte und für die Anwerbung der »Armada« 500,000
Thlr., während der Dauer des Krieges aber per Monat 50,000 Thlr.
Subsidien erhielt. Doch erst nach seiner Revolution tritt England Ton
angebend in die große europäische Kontinental-Politik ein, an der es
sich früher nur in vereinzelten Fällen betheiligt hatte. Als Wilhelm
von Oranien von den Whigs eingeladen wurde, nach England zu kommen und
Jakob II. vom Throne zu stoßen, gewährte Wilhelms Onkel, der große
Kurfürst von Brandenburg, die Mittel zur Unterstützung des Unternehmens,
um England aus seiner schimpflichen Stellung als Vasallenstaat
Frankreichs zu reißen. Er stellte 9000 Brandenburger zur Deckung von
Holland; ein Brandenburgischer Feldmarschall befehligte das Heer, mit
welchem Wilhelm in der Bucht von Torbay landete, das Regiment
Brandenburg geleitete ihn nach dem Palast von St. James und nach Irland.
Brandenburgische Truppen fochten unter dem Kommando Wilhelms bei
Steinkirchen und Neerwinden, und ihnen dankte der König die
Wiedereroberung von Huy und Namur. Der erste kontinentale Krieg, den
England führte, war der spanische Erbfolgekrieg, in welchem Marlboroughs
siegreiche Heere fast ausschließlich aus deutschen Hülfs- und
Miethstruppen bestanden, wie denn überhaupt damals deutsche Truppen auf
beiden Seiten kämpften: Hessen und Braunschweiger unter deutscher,
englischer und holländischer Fahne, Bayern und Kölner unter den
Franzosen. Der Handel, welchen die deutschen Fürsten zu Anfang des
achtzehnten Jahrhunderts mit dem Leben ihrer Unterthanen trieben, war
schon zu jener Zeit so schamlos, daß alle öffentlichen Blätter in
England sie bitter tadelten und verspotteten, und daß die holländische
Regierung ihren deutschen Bundesgenossen derb und verächtlich vorwarf,
daß sie das Geld mehr liebten, als ihre Ehre.

Seit das Haus Braunschweig-Hannover den englischen Thron einnahm, wurden
die englischen Beziehungen zur Kabinets-Politik des vorigen Jahrhunderts
nur noch inniger. Die regierende Dynastie, welche überall ihr spezifisch
hannöverisches Interesse in den Vordergrund drängte, konnte um so eher
an allen europäischen Verwickelungen und Kämpfen Theil nehmen, als sie
die Truppen ihres Stammlandes zur Disposition hatte und diese zugleich
mit im englischen Interesse verwandte, oder sie im heimischen Interesse
von England in Sold nehmen ließ. So sehen wir denn im Laufe des vorigen
Jahrhunderts deutsch-englische Regimenter auf fast allen Schlachtfeldern
Europa's, in Gibraltar und Minorka, ja in Madras und den übrigen
englischen Kolonien kämpfen. Außerdem schlossen die Könige Georg I. und
II. zur Erreichung ihrer politischen Zwecke in Deutschland Verträge mit
ihren dortigen Nachbarn ab und zahlten bedeutende Summen, um ihrer Hülfe
in jedem Augenblick versichert zu sein, wie z.B. im Jahre 1717 mit dem
Landgrafen von Hessen, als Georg I. ein Bündniß mit Frankreich einging
und verschiedene schwedische Besitzungen in Deutschland an sich zu
reißen gedachte. Im Jahre 1739, nach der Kriegserklärung Englands gegen
Spanien, zahlte Georg II., weil er persönliche Streitigkeiten mit
Preußen hatte und deshalb für Hannover fürchtete, an Hessen und Dänemark
Lstr. 260,000, damit sie 6000 Mann, wie es hieß, für England bereit
hielten. Ein Jahr darauf, beim Ausbruch des österreichischen
Erbfolgekrieges, zahlte derselbe König der Kaiserin Maria Theresia Lstr.
300,000 Subsidien, welche 1742 auf die ganze Dauer des Krieges
ausgedehnt wurden. Im April desselben Jahres bewilligte das Parlament
auf's Neue Gelder für dänische, hessische und hannöverische Truppen, um
daraus ein Heer in Flandern gegen die Franzosen zu bilden. Wie bedeutend
diese Summen waren, kann man aus dem einzigen Beispiel ersehen, daß der
Landgraf Friedrich I. von Hessen, obgleich er in jenem Kriege seine
Truppen an beide kriegführenden Theile vermietete, von 1730 bis 1750
Lstr. 1,249,699 von England bezogen hatte. Der Sieg des Herzogs von
Cumberland bei Culloden, der 1746 den schottischen Aufstand dämpfte, war
vorzugsweise dem tüchtigen Fußvolk zu verdanken, das aus 6000 Hessen
bestand, die vom holländisch-englischen Heere aus den Niederlanden nach
England eingeschifft worden waren. Im Jahre 1749 erhielt Maria Theresia
noch nachträglich zur bessern Befestigung der Freundschaft zwischen
beiden Höfen eine Summe von Lstr. 100,000. Einige Monate später schloß
König Georg II. zur Förderung seiner politischen Zwecke in Deutschland
einen Subsidienvertrag mit Bayern, welches gegen das Versprechen, 6000
Mann Hülfstruppen bereit zu halten und in den Reichsangelegenheiten mit
Hannover zu stimmen, von 1750-1756 im Ganzen Lstr. 120,000 empfing.
Unter denselben Bedingungen wurden Sachsen in den Jahren 1751-1755 von
England Lstr. 128,000 gezahlt. Im September 1755, gleichzeitig mit dem
Ausbruch des englisch-französischen Kolonialkrieges und kurz vor Anfang
des siebenjährigen Krieges in Europa, schloß England einen
Defensiv-Traktat mit Rußland, damit dieses zur Vertheidigung Hannovers
gegen baare Bezahlung 55,000 Mann bereit hielte. Dieser Vertrag wurde
zwar nicht erfüllt, da Rußland sich in der Folge mit Frankreich und
Oesterreich verband, während England mit Friedrich II. in eine Allianz
trat. Zu gleicher Zeit jedoch erhielten die kleinen deutschen Fürsten,
wie Hessen, Gotha, Anspach und Würzburg bedeutende Summen, damit sie
mit ihren Soldaten für England in's Feld rückten, Bayern nahm damals
ebenfalls Lstr. 10,000 von England an, obgleich es von dessen Feinden
schon gewonnen war und mit französischem Gelde 6000 Mann zu den
Oesterreichern stoßen ließ. Um den Herzog von Braunschweig zu gewinnen,
eröffnete ihm Georg II. die Aussicht auf die Vermählung seiner ältesten
Tochter mit dem Prinzen v. Wales und erbot sich, seine Truppen
gegen doppelt so hohe Zahlung in Sold zu nehmen, als der
preußisch-französische Vertrag ihm gewährte. Natürlich war der Herzog
nicht abgeneigt, nach Ablauf seines Vertrages mit Frankreich auf dieses
Anerbieten einzugehen. Im zweiten Jahre des siebenjährigen Krieges
zählte das englische Heer in Westfalen 48,000 Mann, darunter u.A. 20,000
Hessen, 6000 Braunschweiger und keinen einzigen geborenen Engländer.
Aber Pitt brauchte keinen seiner Landsleute zu opfern, denn er fand
gegen gute Bezahlung genug Ausländer, die, wie er ganz richtig berechnet
hatte, in Deutschland für England's Besitzungen in Amerika und Ostindien
kämpften. Die Bundesgenossenschaft Friedrich des Großen allein kostete
England jährlich vier Millionen Thaler.

In dem Bündniß, welches Oesterreich und Frankreich am 1. Mai 1756 in
Versailles schlossen, ward der damalige Marktpreis der Infanterie und
Kavallerie genau festgesetzt. Es behielten sich nämlich diejenige der
kontrahirenden Mächte vor, welche die Hülfe der andern in Anspruch
nehmen würde, statt der effektiven Mannschaft (24,000 Mann) ein
Aequivalent in Geld zu fordern, und zwar 8000 Reichsgulden monatlich für
je 1000 Mann Infanterie, 24,000 Reichsgulden aber für je 1000 Mann
Kavallerie. Das hieß mit anderen Worten soviel, daß man für diese Summen
die betreffenden Soldaten auch anderweitig beschaffen konnte, daß also
ein Infanterist nur 96 fl. und ein Kavallerist 288 fl., einschließlich
Werbung und Leichnam, werth war.

Es waren kaum zwölf Jahre nach Beendigung des siebenjährigen Krieges
vergangen, als die Revolution in Amerika ausbrach, zu deren Bekämpfung
England natürlich wieder bedeutende Truppenmassen nöthig hatte.




Zweites Kapitel.


Die Zahl der englischen Truppen, welche bei Eröffnung der
Feindseligkeiten über die amerikanischen Kolonieen zerstreut waren,
reichte zur Führung des Krieges durchaus nicht hin. Im Norden betrug die
königliche Streitmacht etwas mehr als 8000 Mann, in den mittleren und
südlichen Kolonien fanden sich deren höchstens 6000 bis 7000, so daß der
ganze Effektivbestand der englischen Armee sich in sämmtlichen
amerikanischen Provinzen, von Neu-Schottland bis Florida, bis in den
Sommer 1776 hinein auf allerhöchstes 15,000 Mann belief. Ihre Zahl mußte
also wenigstens verdoppelt, wenn nicht verdreifacht werden, wenn man den
Kampf mit Aussicht auf Erfolg führen wollte.

Die Hauptschwierigkeit bestand nun zunächst darin, woher man die für den
Krieg erforderlichen Truppen nehmen sollte, da die im eignen Lande
vorhandenen Mittel nicht genügend waren. Die geborenen Engländer wollten
und sollten in Amerika nicht dienen. Der dortige Konflikt war namentlich
in den unteren Volksklassen von Anfang an sehr unpopulär gewesen und
wurde jetzt durch die Aussicht, möglicher Weise selbst noch zur
Niederwerfung der Revolution herangezogen zu werden, bei ihnen noch
unpopulärer. Dann aber nahm die seit dem letzten Kriege in kolossalem
Maßstabe entwickelte Industrie die verfügbaren Kräfte der Nation mehr
als je in Anspruch. Die Regierung, welche im Parlamente und in den
höheren Klassen ohnehin schon genug Widerstand gegen ihre
Unterwerfungspläne fand, war zudem einer Berufung an's Volk und an die
öffentliche Meinung abgeneigt. Es lag ihr deshalb auch von Anfang an der
Gedanke fern, die Zahl ihrer Regimenter durch Werbungen in England voll
zu erhalten oder zu vermehren. Irland und die Hochlande, Canada und die
amerikanischen Loyalisten konnten zusammen keine Armee auf die Beine
bringen; sie kamen deshalb um so mehr erst in zweiter Reihe in Betracht,
als man noch nicht sicher war, ob und wie weit sie den an sie gestellten
Anforderungen überhaupt entsprechen wollten und konnten. Die Indianer
hatten sich bei früheren Gelegenheiten als so unzuverlässige
Bundesgenossen erwiesen, daß man sie am liebsten gar nicht zu Hülfe
gerufen hätte.

In der am 14. Juni 1775 abgehaltenen Kabinetssitzung, der ersten,
welche nach dem Eintreffen der Nachricht von dem Gefechte bei Lexington
stattfand, verhandelten König und Minister lange über die Frage, wie der
jetzt unvermeidlich gewordene Krieg geführt werden könne. Nachdem
Vorschläge, wie Blokirung der amerikanischen Küste, Besetzung der
bedeutendsten Häfen und Aushungerung (!) der Kolonieen, der Reihe nach
durchgegangen und verworfen worden waren, kam man endlich zu dem
Entschluß, im Einklang mit der fast seit einem Jahrhundert befolgten und
bewährten Praxis unverzüglich fremde Hülfstruppen anzuwerben. Am
nächsten lag natürlich Deutschland. Die deutschen Fürsten waren zwar
habsüchtige, aber pünktliche Truppen-Lieferanten, und ihre Soldaten
galten seit Jahren als die willigsten und brauchbarsten; allein man
wollte dies Mal, um ja keine Zeit zu verlieren, möglichst schnell statt
einzelner Korps eine ganze Armee haben und sich nicht mit einem halben
Dutzend Fürsten in lange dauernde Verhandlungen einlassen.

Die englische Regierung glaubte, was sie brauchte, am leichtesten und
ersten in Rußland zu finden. Sie stand mit der Kaiserin Katharina seit
deren Thronbesteigung auf äußerlich sehr gutem Fuße, hatte sich ihren
Plänen auf Polen nicht widersetzt, ja ihr sogar in dem eben beendeten
Türkenkriege durch Parteilichkeit gegen die Türken wesentlich genützt
und ihre Allianz als ein Gegengewicht gegen die Bourbonen gesucht. Das
russische Heer war seit dem im Jahre 1774 abgeschlossenen Frieden von
Kudschuk Kainardsche zu stark, und in den Finanzen des Kaiserreichs
herrschte große Ebbe, während Katharinens Günstlinge für die stumme
Beredtsamkeit des Goldes durchaus nicht unempfindlich waren. Zudem hatte
sich die russische Kaiserin bei früheren Gelegenheiten einem Bündniß mit
England durchaus nicht abgeneigt erklärt, wofern sie im Falle eines
neuen Krieges mit der Pforte auf Englands Hülfe rechnen konnte, bei
welcher Erklärung sie freilich mehr an die europäische Politik als an
die amerikanischen Verwicklungen dachte. Alle diese Gründe ließen auf
eine günstige Aufnahme der englischen Vorschläge schließen.

Der englische Gesandte Gunning erhielt also bereits im Juli 1775 den
Auftrag, die russische Regierung um Ueberlassung eines Hülfskorps von wo
möglich 20,000 Mann zu ersuchen. Bei der ersten Unterredung, die er nach
Empfang dieser Instruktionen zu Anfang August mit Panin, Katharinens
erstem Minister hatte, fragte er, nachdem er sich über die Unfehlbarkeit
der zur Niederwerfung des amerikanischen Aufstandes ergriffenen Mittel
ausgelassen, Panin wie zufällig im Laufe des Gesprächs, ob der König von
England, falls er fremde Hülfe zur Niederwerfung des amerikanischen
Aufstandes brauchen sollte, auf ein Korps russischer Infanterie rechnen
könne? Der Minister berichtete diese Frage seiner Kaiserin, deren
Antwort Gunning am 8. August mitgetheilt wurde. Sie erwähnte kein Wort
von Truppen oder russischen, an England zu überlassenden und über den
Ozean zu versendenden Bataillonen, erklärte sich vielmehr nur in
allgemeinen Redensarten bereit, dem König Georg III. aus Dankbarkeit für
seine früheren, Rußland geleisteten Dienste in irgend einer ihm gut
dünkenden Weise beizustehen und sprach von ihrer angeborenen Vorliebe
für die englische Nation.

Der leichtgläubige Gesandte nahm diese nichtssagenden Worte für ein
feierliches Versprechen und berichtete unbegreiflicher Weise sofort nach
Hause, daß die russische Regierung der englischen mit 20,000 Mann
Infanterie in Amerika zu Hülfe kommen wolle. Seine Depesche traf am 1.
September in London ein und ward hier mit Freude und Entzücken
aufgenommen. Während der König einen eigenhändigen Danksagungsbrief an
Katharina schrieb, wurde Gunning von Lord Suffolk, dem Minister des
Auswärtigen, angewiesen, bei der Kaiserin in feierlicher Audienz um
20,000 Mann Infanterie zu bitten, die im Frühjahr bei Eröffnung der
Schifffahrt nach einem Ostseehafen und über England nach Kanada
eingeschifft werden sollten. König und Minister waren im Voraus ihres
Erfolges so sicher, daß sie, obgleich die schnellste Reise von London
nach Moskau damals drei und zwanzig Tage dauerte, doch auf ein
definitives Versprechen bis zum 26. Oktober, dem Beginn der
Parlamentssitzungen, rechneten. Lord Dartmouth schrieb zu gleicher Zeit
an die beiden in Amerika kommandirenden Generäle Howe und Carleton, daß
die russische Kaiserin England die weitgehendsten Versicherungen für
eine beliebige Anzahl Infanterie zur Bekämpfung des Aufstandes gegeben
habe. Am 8. September 1775 überschickte Suffolk seinem Gesandten durch
einen zweiten Feldjäger den Entwurf eines Vertrages, welcher die Annahme
eines Korps russischer Truppen in den englischen Dienst bezweckte.
Dieser Vertrag sollte zwei Jahre dauern, da man innerhalb dieser Zeit
des Aufstandes Herr geworden zu sein hoffte. Das Werbegeld ward auf
sieben Pfund Sterling per Mann festgesetzt, wovon die eine Hälfte baar,
die andere bei der Einschiffung bezahlt werden mußte, und endlich wurde
eine Subsidie nicht ausgeschlossen.

Diese Instruktionen waren übrigens kaum abgegangen, als Gunning am 10.
September von der Kaiserin, während eines Hoffestes bei einer
gelegentlichen Besprechung der amerikanischen Wirren, auf die
Nothwendigkeit hingewiesen wurde, dem Kampfe mit den Kolonieen unter
allen Umständen und am besten durch Milde ein Ende zu machen. Am 24.
September traf der erste englische Kourier mit dem Briefe Georg's in
Moskau ein; Gunning sollte die zufällig abwesende Kaiserin aber erst am
30. nach ihrer Rückkehr sehen. Der Brief des Königs sprach ganz positiv
von einem ihm seitens der Kaiserin gemachten Anerbieten von Truppen;
Panin stellte in Abrede, daß es je gemacht worden, und Gunning räumte
endlich ein, daß von einer Ueberlassung von Soldaten nicht ausdrücklich
die Rede gewesen sei. Panin weigerte sich unter diesen Umständen, den
englischen Gesandten zur Audienz bei Katharina einzuführen, und diese
ließ ihr Bedauern darüber ausdrücken, daß sie ihre Truppen nicht an
England vermiethen könne.

Gunning bat dann um 15,000 Mann, allein auch diese wurden in den ersten
Tagen des Oktober, ohne daß er die Kaiserin sehen konnte, von ihr als
unverträglich mit der Würde Rußlands und seinem Verhältniß zu den
übrigen europäischen Mächten verweigert. Der zweite Kourier kam am 4.
Oktober mit dem Vertrags-Entwurf in Moskau an. Gunning las ihn Panin vor
und wollte sich mit 10,000 Mann begnügen; allein der Kanzler übergab ihm
statt aller Gegenäußerung Katharinens Antwort an den König von England
und brach die Unterhaltung ab.

Natürlich waren diese Verhandlungen den fremden Diplomaten und Höfen
kein Geheimniß geblieben. Als am 31. Oktober 1775 der französische
Gesandte den russischen Premierminister nach der Wahrheit der in dieser
Angelegenheit umlaufenden Gerüchte fragte, antwortete dieser, die
Annahme des englischen Antrages sei physisch unmöglich, und ebenso
unvereinbar sei es mit der Würde Englands, fremde Miethstruppen gegen
seine eigenen Unterthanen zu gebrauchen. Die Kaiserin selbst war nach
wie vor äußerlich sehr zuvorkommend und verbindlich gegen den englischen
Gesandten und gegen den König Georg, welcher ihr die abschlägige Antwort
zwar nicht nachtrug, indessen nie vergessen konnte, daß sie seinen
eigenhändigen Brief nicht selbst, sondern nur durch einen Privatsekretär
hatte beantworten lassen.

Noch während die Unterhandlungen mit Rußland schwebten, hatte die
englische Regierung anderweitige Schritte gethan, um sich Hülfstruppen
zu sichern; indessen war sie in Holland, wo sie zuerst anfragte, ebenso
wenig erfolgreich in ihren Bemühungen als in Rußland.

In den Diensten der Generalstaaten stand schon seit länger als einem
Jahrhundert die sogenannte schottische Brigade, deren Ursprung auf die
Zeiten der Königin Elisabeth zurückging. Die Niederlande hatten ihr im
Jahre 1599 als Sicherheit für ein Darlehen drei wichtige Festungen
verpfändet, welche sie mit ihren eigenen Truppen besetzte. Im Jahre 1616
bezahlten die Holländer die Schuld, und sämmtliche englische Truppen
wurden aus den besetzten Festungen zurückgezogen, mit Ausnahme einer
englischen und schottischen Brigade, welche in den Dienst der
Generalstaaten übertraten. Als Jakob II. sie zur Verstärkung seiner
Armee verlangte, wurde sie von den Generalstaaten verweigert. Man habe
-- so lautete die Antwort -- die schottische Brigade allerdings
geschickt, als es sich darum gehandelt, die Rebellion des Herzogs von
Monmouth zu unterdrücken; allein sie solle nie gebraucht werden, um die
Freiheiten Englands zu vernichten. Wilhelm III. rief die englische
Brigade zurück; so blieb denn nur die schottische Brigade, welcher im
Jahre 1749 auch das Recht genommen wurde, in Schottland zu rekrutiren.
Obgleich die Mannschaft des aus 2100 Mann bestehenden Regiments fortan
von Angehörigen aller Nationen, namentlich Wallonen und Deserteuren
gebildet wurde, so waren die Offiziere doch immer noch Schotten oder
deren Nachkommen. Diesen Umstand machte der König von England bei seinem
Gesuch um Ueberlassung der schottischen Brigade geltend. Die Offiziere
schuldeten ihm, so hieß es, in Folge ihrer Geburt schon Treue und
Gehorsam, zudem herrschten zwischen beiden Ländern schon lange intime
Beziehungen und gemeinschaftliche Interessen, und endlich biete diese
Gelegenheit dem Prinzen von Oranien den ganz besonderen Vortheil und die
hohe Ehre, die Bande enger Freundschaft, welche durch die Neutralität
der vereinigten Provinzen während des letzten französischen Krieges mehr
oder weniger geschwächt worden, wieder zu stärken.

Als Georg dieses Verlangen zum ersten Mal stellte, wurde er vom jungen
Statthalter kurzer Hand abgewiesen. Als er aber sein Gesuch erneuerte,
hatte er hauptsächlich mit dem Widerspruch der Generalstaaten zu thun.
Seeland und Utrecht kamen dem Wunsche des Königs zwar nach; aber der bei
weitem mächtigste der Generalstaaten, Holland, wandte ein, daß ein
Handelsvolk nur im äußersten Nothfall sich in fremden Streit mischen
dürfe. Namentlich trat der Baron Johann Derk van der Capellen, Mitglied
des Adels von Oberyssel, so entschieden gegen das Ansinnen der
englischen Regierung auf, daß er, wenn auch nicht direkt, so doch
indirekt dessen Annahme vereitelte. »Es hieße Theil an dem Kampf nehmen
-- das ungefähr war der Inhalt von Capellen's beredtem Proteste -- ja
wir würden selbst mit in den Krieg verwickelt werden, wollten wir
England Truppen überlassen und die Grundsätze unbedingter Neutralität
aufgeben. Wir haben bisher England unser Wohl und Gedeihen geopfert,
ohne irgend einen Vortheil dafür erlangt zu haben. Frankreich wird sich
voraussichtlich mit in den Kampf mischen -- welche wird dann unsere
Stellung sein? Bleiben wir neutral, so fällt uns für den Fall eines
Krieges zwischen England und Frankreich der Handel des letztern Staates
zu, welcher unser natürlicher Bundesgenosse in der Vertheidigung der
Handelsfreiheit ist. Zudem hat England uns stets so übermüthig
behandelt, als ob wir gar kein selbständiges Volk wären, und, während
wir gewissenhaft die mit ihm geschlossenen Verträge befolgten, gegen den
Grundsatz der Freiheit der Waare in freien Schiffen gehandelt und
willkürlich unsere Schiffe durchsucht und konfiszirt. Statt also die
Truppen eines freien Volkes zur Niederwerfung der sogenannten Rebellion
zu verlangen, sollte England lieber Janitscharen miethen. Wie gehässig
würde eine solche Rolle für uns sein, für uns, ein freies Volk, welches
selbst unter dem Joch der Tyrannei geseufzt und sich mit dem Schwerte
davon befreit, das ebenfalls den stolzen Namen Rebellen geführt hat,
doppelt gehässig den Amerikanern gegenüber, die uns niemals beleidigt
haben, die sich der Achtung der ganzen gebildeten Welt würdig zeigen und
mit Mäßigung und Würde ihre Rechte vertheidigen. Aus diesen Gründen muß
der Wunsch des Königs von England abgeschlagen werden.«

Obgleich die Staaten von Oberyssel beschlossen, die England beleidigende
Motivirung des Antrages van der Capellens aus den Protokollen ihrer
Sitzung zu streichen, so verfehlte die Beredsamkeit dieses Staatsmanns
doch ihre Wirkung nicht. Die Generalstaaten willigten zwar ein, um jeden
Schein der Unhöflichkeit gegen den mächtigen Nachbarn zu vermeiden, die
schottische Brigade an England zu überlassen, fügten aber die Bedingung
hinzu, daß sie nicht außerhalb Europa's verwandt werden dürfe. Diese
Bedingung kam beinahe einer abschlägigen Antwort gleich. England faßte
sie auch als eine solche auf und ließ, vielleicht auch deshalb, weil
sich ihm im langgedehnten Laufe der Verhandlungen andere Bezugsquellen
eröffnet hatten, die ganze Angelegenheit fallen.

Weniger Schwierigkeiten verursachte die Verlegung von fünf hannöverschen
Bataillonen nach Gibraltar und Port Mahon, weil der König von England
hier als Kurfürst von Hannover handelte und höchstens mit dem
Widerspruche des eigenen Parlaments zu kämpfen hatte. Uebrigens war die
ganze Maßregel schon ausgeführt, als sie den Lords und Gemeinen
vorgelegt wurde, wie denn überhaupt in jener Zeit die Regierung die
Genehmigung des Parlaments als eine bloße Formsache auffaßte und in
allen wichtigen Dingen so handelte, als ob gar kein Parlament existirte.

Oberst William Faucitt, der den siebenjährigen Krieg in Deutschland
mitgemacht hatte und Volk und Fürsten dort kannte, wurde bereits zu
Anfang August 1775 von Georg III. nach Hannover geschickt, um die
Uebernahme der dortigen Bataillone in den englischen Dienst zu besorgen.
»Da Wir -- so lauteten die vom 11. August 1775 datirten königlichen
Instruktionen -- unter dem Beirath unseres geheimen Rathes beschlossen
und für thunlich erachtet haben, fünf Bataillone unsrer kurfürstlichen
Infanterie in englische Dienste zu nehmen und sie in unseren Garnisonen
von Gibraltar und Minorka zu verwenden, um desto besser im Stande zu
sein, eine gleiche Anzahl englischer Truppen, welche jetzt dort
Garnisonsdienste thun, nach England zurückzuverlegen und auf Grund
dessen unsere Streitkräfte zu vermehren, welche zur Unterdrückung des
unnatürlichen Aufstandes eines Theils unserer nordamerikanischen
Kolonien verwandt werden; da ferner besagte Truppen sich in Stade
sammeln sollen, um nach den genannten Garnisonsplätzen eingeschifft zu
werden, so haben Wir es für rathsam befunden, Sie zu unserm Kommissär zu
ernennen, um diese Truppen in Empfang zu nehmen und in den Dienst zu
mustern.«

Faucitt reiste also sofort über den Haag, wo er von dem englischen
Gesandten Sir Joseph Yorke, einem langjährigen Kenner und Beobachter
deutscher und kontinentaler Politik, Rath und Auskunft erhielt, nach
Hannover ab und kam dort am 20. August an. Die Truppen waren zwar für
den 1. September segelfertig, erhielten aber Gegenbefehl, weil die Lords
der Admiralität die erforderlichen Transportschiffe nicht früh genug
hatten absenden können. Der hannöversche General Spörken war beauftragt,
die fraglichen fünf Bataillone marschfertig zu machen, so daß dem
Obersten Faucitt nichts zu thun blieb, als sie vor ihrer Annahme in den
englischen Dienst zu mustern und einzuschwören. Indessen wurde auch von
der letztern Bedingung abgesehen, weil die Soldaten eine Abneigung gegen
die See hätten, also möglichen Falls zu marschiren sich weigern möchten,
dann aber, weil die Verführung zur Desertion sehr groß sei, indem die
ganze hannöversche Grenze von preußischen und anderer Fürsten Werbern
umringt sei, die alle auf die Unzufriedenheit der Soldaten spekulirten
und diese für sich zu gewinnen hofften.

Faucitt fand sämmtliche fünf Bataillone, die aus je 473 Mann bestehend,
im Ganzen 2365 Mann ausmachten, und von den Regimentern von Reden, von
Goldacker, de la Motte, Prinz Ernst und von Hardenberg genommen waren,
gut bewaffnet und gekleidet und die Mannschaften mit wenigen Ausnahmen
kräftig und diensttüchtig, dabei willig und gehorsam. Trotz aller
Verführung desertirte nicht ein einziger Soldat. Es verging übrigens
noch der ganze September mit den Vorbereitungen zur Verschiffung, die
mit Bewilligung des Hamburger Senates über Ritzebüttel, statt, wie
Anfangs beabsichtigt war, über Stade erfolgte. Die beiden für Minorka
bestimmten Bataillone, Prinz Ernst und Goldacker, wurden am 2. Oktober,
die für Gibraltar bestimmten am 6. Oktober eingeschifft. Der Wind war
jedoch während des ganzen Monats so ungünstig, daß die aus siebenzehn
Transportschiffen bestehende Flotille erst am 1. November 1775 in See
ging.

Die Frage, ob die Regierung das Recht habe, ohne Genehmigung des
Parlaments fremde Truppen in irgend einen Theil der englischen
Besitzungen einzuführen, rief in beiden Häusern ernste Debatten hervor.
Der König hatte am 26. Oktober 1775 bei Eröffnung des Parlaments in
seiner Thronrede u.A. die Mittheilung gemacht, daß er einen Theil seiner
kurfürstlichen Truppen nach Gibraltar und Port Mahon beordert habe, um
eine größere Zahl englischer Truppen zur Aufrechterhaltung des
königlichen Ansehens zur Verfügung zu haben. Die Opposition beider
Häuser stützte sich darauf, daß dieses Verfahren, einen häuslichen
Streit beizulegen, eine gefährliche und schimpfliche Maßregel sei, daß
sie den anerkannten Landesrechten zuwiderlaufe und daß die fremden
Truppen möglichen Falles gegen die englische Freiheit verwandt werden
könnten. Das Ministerium wandte ein, daß es weder dem Geiste noch dem
Buchstaben nach gegen die Constitution verstoße, indem die Bill of
rights und Aufstandsakte nur bestimme, daß in Friedenszeiten keine
stehende Armee im Königreiche ohne Genehmigung des Parlaments gehalten
werden dürfe. Nun befinde man sich aber im Kriege und eine Dependenz,
wie Gibraltar und Minorka, sei nicht das Königreich Großbritannien. Der
betreffende Paragraph verdanke seine Entstehung dem Könige Jakob II.,
der in Friedenszeiten ohne Genehmigung des Parlaments eine stehende
Armee in England gehalten habe. Die Garnisonen in Dünkirchen, Calais und
Tanger seien ohne jede Genehmigung des Parlaments gehalten worden, und
nie habe dieses dem Könige den Vorwurf der Ungesetzlichkeit daraus
gemacht. Zudem sei es zweckmäßiger, fremde Truppen in Sold zu nehmen,
weil diese leichter und wohlfeiler beschafft werden könnten, und weil
die waffenfähige Bevölkerung Englands fast ausschließlich mit den
Arbeiten und den Künsten des Friedens beschäftigt sei.

Die Debatte über diese Frage beschäftigte die Lords am 26. Oktober und
1. November und das Haus der Gemeinen am 3. November 1775. Dieses
erklärte sich schließlich mit 203 gegen 81 Stimmen und jenes mit 75
gegen 32 Stimmen mit dem Verfahren der Regierung einverstanden. Die fünf
hannöverschen Bataillone blieben während des ganzen amerikanischen
Krieges als Besatzung in Gibraltar und Minorka und verloren deshalb auch
so wenig Leute, daß sie erst zu Anfang des Jahres 1778 die ersten
Rekruten erhielten. Sie kehrten im Sommer 1784 über England nach
Deutschland zurück.




Drittes Kapitel.


Die Verhandlungen mit Rußland und Holland waren also gescheitert.
Politische Beziehungen zu fremden Mächten und bedeutende eigene
Interessen hatten die beiden um Hülfe angegangenen Staaten bewogen, das
englische Gesuch um Ueberlassung von Soldaten von der Hand zu weisen.
Unter diesen Umständen mußte denn das Ministerium sich anderwärts nach
Truppen umsehen und sie nehmen, wo sie nur zu haben waren. So blieb denn
Deutschland die einzige Quelle, aus welcher man seinen Bedarf an
Soldaten zu schöpfen hoffen konnte.

Wie England im ganzen vorigen Jahrhundert in Kriegszeiten
Truppenlieferungs-Verträge mit den dortigen kleinen Fürsten
abgeschlossen hatte, so war es auch seit langen Jahren gewohnt gewesen,
von dort auf eigne Hand seine Rekruten zu beziehen. Zwar verbot der
Regensburger Reichstag zu Zeiten das Rekrutiren; allein nichts
destoweniger hatten die britischen Werbeoffiziere am ganzen Rhein, in
Frankfurt a.M., Neuwied und an der preußischen Grenze bei Kleve ihre
Stationen. Die Kurfürsten von Köln, Trier und Mainz wandten auch jetzt
so wenig als früher etwas dagegen ein, daß die durch den amerikanischen
Krieg, Desertion und Krankheit gelichteten Reihen der englischen
Regimenter durch deutsche Rekruten wieder vollzählig gemacht wurden. Wie
viele Deutsche auf diese Weise jährlich in den englischen Kolonien und
namentlich während des Krieges in Amerika verbraucht wurden, ist schwer
zu sagen, weil jeder Anhaltspunkt für ihre Schätzung fehlt, und weil
viel wichtigere Dinge die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen.

Kaum wurde übrigens in Deutschland die Verlegenheit bekannt, in der sich
der König von England wegen der Ergänzung seiner Regimenter befand, als
entlassene Offiziere aller Grade, vom Kroaten-Obersten an bis zum
hannöver'schen Obristlieutenant, und sonstige durch den Frieden
überflüssig gewordene, aus dem siebenjährigen Kriege stammende
Abenteurer sich zur Beschaffung deutscher Rekruten erboten. Georg III.
war trotz der übertriebenen Auffassung seiner königlichen Machtfülle
doch ein gewissenhafter und ein im bürgerlichen Sinne des Wortes
durchaus moralischer Mann. Er hatte deshalb auch seine Bedenken, die ihm
angetragenen Dienste anzunehmen. »Deutschen Offizieren Patente zu geben,
damit sie mir Rekruten schaffen -- sagte er -- heißt eigentlich auf gut
Englisch nichts als mich selbst zu einem Menschendiebe machen, welches
Geschäft ich durchaus nicht als ehrenvoll betrachten kann.« Indessen
überwog doch zuletzt die politische Nothwendigkeit derartige Skrupel.

Georg ließ also zuvörderst mit dem hannöver'schen Obristlieutenant
Scheither einen Vertrag abschließen, wonach dieser unverzüglich 4000
Rekruten in Deutschland anwerben sollte. Diese Rekruten waren in Stade
an Faucitt abzuliefern, der zu diesem Zwecke noch nach Einschiffung der
fünf hannöver'schen Bataillone in Deutschland blieb, jedoch bis Mitte
November nur 150 Rekruten in Empfang nahm. Das Ministerium überzeugte
sich bald, daß es auf diesem langsamen Wege nie zum Ziele gelangen
würde, ließ deßhalb den ursprünglichen Plan auch fallen und entschloß
sich zur Anknüpfung von direkten Verhandlungen mit den kleineren
deutschen Fürsten. Diese kannten weder politische Bedenken, noch hatten
sie außer ihrem Geldbeutel eigene Interessen. Geld, Subsidien und
standesgemäßes Leben waren, wie ein ausgezeichneter Kenner des
achtzehnten Jahrhunderts meint, der Grundton, welcher für das ganze
politische Handeln an den kleinen Höfen in Einem fort und ohne Scham und
Scheu angeschlagen wurde. Zudem erfreuten sich die kleinen Fürsten des
zweifelhaften Glückes, in der europäischen Staatenfamilie einen so
untergeordneten Rang einzunehmen, daß man sich um ihr Thun und Treiben
gar nicht kümmerte, geschweige denn von ihren Handlungen eine Störung
des künstlichen europäischen Gleichgewichts abhängig machte.
Andererseits war der deutsche Reichsverband in sich so lose und
zerfallen, daß der Kaiser ihnen kein ernstliches Hinderniß in den Weg zu
legen wagte.

Jetzt endlich, nachdem man in London gegen ihre direkten und indirekten
Winke sich so lange blind gestellt hatte, jetzt nach dem Fehlschlage der
bisherigen Verhandlungen und aller sonstigen Versuche zur Beschaffung
von Truppen, eröffnete sich den Landesvätern eine sichere Aussicht auf
glänzende Geschäfte. Die Geschichte ist ihnen das Zeugniß schuldig, daß
sie sich für die beleidigende Hintenansetzung in ihrer Weise empfindlich
zu rächen und die günstigen Konjunkturen des Marktes gehörig auszubeuten
und zu verwerthen verstanden. Das englische Ministerium hatte sich mit
der Anknüpfung von Unterhandlungen mit den deutschen Fürsten deßhalb
nicht übereilt, weil so lange es noch Aussicht auf Erlangung einer
einzigen großen, einheitlich organisirten Hülfsarmee zu haben glaubte,
es dieser im Interesse des Dienstes den Vorzug gab, weil es andererseits
aber ganz gut wußte, daß einzelne deutsche Korps zu jeder Zeit zu haben
waren, und daß die dortigen Fürsten Nichts sehnlicher wünschten, als
ihre Soldaten an England verkaufen zu können. Ueber die deutschen
Verhältnisse und die Gewißheit, Truppen in Deutschland zu erlangen, war
es ganz gut durch Sir Joseph Yorke, den bereits erwähnten Gesandten im
Haag, unterrichtet, welcher im Sommer 1775 den Auftrag erhalten hatte,
sich auf dem Kontinent des guten Willens der Freunde des Königs und der
Zahl und Bedingungen der von ihnen möglicher Weise zu liefernden
Soldaten zu vergewissern. Yorke berichtete schon im September 1775 nach
Hause, daß Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Würtemberg, Sachsen-Gotha
und Baden zu irgend einer Zeit eine beliebige Anzahl Truppen zu
billigen Preisen zu liefern im Stande und bereit seien. Vor Allem
bemühte sich schon im August 1775 der Erbprinz von Hessen-Kassel um
einen Lieferungsvertrag mit England, und ihm folgte zunächst der Fürst
von Waldeck. Ihre im servilsten Tone gehaltenen Anerbietungen, welche
der Leser im Anhang findet, verdienen im Original gelesen zu werden.
Braunschweig und Kassel verhielten sich vorläufig abwartend.

Es war übrigens jetzt Gefahr im Verzuge. Wollte die Regierung den
Feldzug von 1776 energisch eröffnen, so mußte sie an eine schleunige
Verstärkung denken. Sie beauftragte also den Obersten Faucitt mit der
Leitung der Verhandlungen. Lord Suffolk, der Minister des Auswärtigen
schickte ihm am 14. November 1775 folgende Instruktion nach Stade:

»Reisen Sie sofort nach Empfang dieser Depesche unter irgend welchem
Vorwand nach Braunschweig, und suchen Sie dort zu ermitteln, ob der
Herzog Willens ist, dem König eine Anzahl seiner Truppen für den Dienst
in Amerika zu überlassen. Sie können sich darüber leicht beim Erbprinzen
unterrichten. Wenn Serenissimus geneigt ist, dem König beizustehen, so
überreichen Sie unverzüglich das einliegende Beglaubigungsschreiben und
beginnen Sie ohne jeden Zeitverlust Ihre Unterhandlungen.

Ich sende Ihnen zugleich einliegend Abschriften der früheren, namentlich
im letzten Kriege abgeschlossenen Subsidien-Verträge. Sie können diesmal
im Nothfall die höchsten der früher festgesetzten Preise zahlen.
Abweichende Bestimmungen in den einzelnen Punkten, wenn sie sonst im
Ganzen auf dasselbe herauskommen, bleiben Ihrer Diskretion überlassen.
Obgleich uns in unserer gegenwärtigen Lage weniger als sonst an den
Kosten liegt, so dürfen Sie auf der andern Seite doch auch nicht
verschwenden, und es wird Ihnen hoch angerechnet werden, wenn Sie
möglichst billige Bedingungen zu erlangen im Stande sind. Es wird mit
einem gewissen Grade von Recht und Billigkeit geltend gemacht werden,
daß der von uns verlangte Dienst neu und für ferne Lande bestimmt ist.
Wenn wir das auch zugeben müssen, so hat der amerikanische Krieg doch
nichts mit irgend einer europäischen Macht zu thun, und kann die
Betheiligung daran für keinen Deutschen nachtheilige Folgen haben. Was
nun die weite Entfernung betrifft, so muß zugestanden werden, daß die
Truppen zum Theil wenigstens durch neue Aushebungen vollzählig zu
erhalten sind, die für den aushebenden Fürsten zu einer neuen Last
werden, wenn irgend ein glückliches Ereigniß den Kampf bald beenden
würde. Sie können diesem Einwande, wenn er stark betont werden sollte,
damit begegnen, daß Sie sich verpflichten, daß die Subsidie während der
wirklichen Verwendung der Truppen in Kraft bleiben und erst sechs Monate
nach gegebener Kündigung aufhören soll. Wenn mehr als sechs Monate
beansprucht werden, so berichten Sie vorher darüber an mich. Bei
früheren Gelegenheiten war es nichts Ungewöhnliches, daß der seine
Truppen vermiethende Fürst den Ueberschuß für sich behalten hat, der
sich aus dem Unterschiede zwischen englischer und deutscher Löhnung
ergab. Das kann im gegenwärtigen Falle nicht gestattet werden, weil es
für uns sehr wichtig ist, daß der Soldat ermuthigt wird, seinen Dienst
in Amerika freudig zu thun. Wir glauben kaum, daß der Herzog von
Braunschweig mehr als 3000 bis 4000 Mann liefern kann. Ihre Aufgabe ist,
so viel als möglich für den Krieg in Amerika von ihm zu erlangen. Der
König giebt Ihnen zugleich einen ähnlichen Auftrag für Kassel. Finden
Sie in Ihrer Unterhaltung mit dem Erbprinzen, daß sich in Braunschweig
Nichts machen und erwarten läßt, so reisen Sie sofort nach Kassel, wo
Sie Mittel und Wege finden werden, dem Landgrafen auf den Zahn zu fühlen
und im Uebrigen gerade so wie in Braunschweig zu handeln. Es läßt sich
kaum voraussetzen, daß der Landgraf mehr als 5000 Mann liefern kann;
versuchen Sie jeden Falls auch hier soviel als möglich zu bekommen. Wenn
Sie in Braunschweig Aussicht auf Erfolg haben, so ergreifen Sie den
ersten günstigen Moment und machen Sie einen Vorschlag, oder nehmen Sie
einen Ihnen gemachten an. Reisen Sie, nachdem Sie mir Bericht erstattet
haben, sofort nach Kassel. Sind Sie dort sicher durchzudringen oder
abschlägig beschieden zu werden, so gehen Sie nach Braunschweig zurück
und schließen Sie mit dem Herzog ab.

Es ist in dieser Sache überhaupt die größte Thätigkeit erforderlich, da
der König sich in der einen oder anderen Weise ohne Zeitverlust darüber
verlässigen will, ob und wie schnell er fremde Truppen für Amerika
erhalten kann. Zu diesem Ende schicke ich Ihnen zwei Kouriere, welche
Ihnen als Ihre Bediente nach Braunschweig und Kassel folgen sollen, und
deren Einen Sie sofort, nachdem Sie selbst Gewißheit darüber erlangt
haben, ob Truppen zu haben sind, noch vor Erledigung aller
Förmlichkeiten hierher zurückschicken wollen.

Es entspricht weder der Würde noch dem Interesse Ihres Hofes, daß Sie,
wenn es überhaupt vermieden werden kann, als erfolgloser Bittsteller bei
irgend einem der Fürsten auftreten. Meine eigenen Hoffnungen für den
günstigen Abschluß des Ihnen anvertrauten Geschäftes, ich gestehe es
offen, sind nicht sanguinisch. Treten Sie also in Ihrer amtlichen
Eigenschaft nicht eher auf, als bis Sie eine sichere Aussicht auf Erfolg
vor sich haben.«

Faucitt erhielt dieses Schreiben am 24. November 1775 in Stade, wo er
durch die Einmusterung der Scheither'schen Rekruten noch aufgehalten
worden war, und reiste einige Stunden nach seinem Empfange mit Extrapost
über Hannover nach Braunschweig ab. Die Nächte waren aber so dunkel und
die Wege so schlecht -- Faucitt nennt sie in seinem Bericht die
schlechtesten in Europa -- daß er erst nach fünftägiger Reise in
letzterer Stadt ankam. Der englische Gesandte war hier kein Fremder. Er
war während des siebenjährigen Krieges, wo er unmittelbar unter dem
Erbprinzen gedient hatte, öfters in Braunschweig sowohl als in Kassel
gewesen und von jener Zeit her mit den jetzt einflußreichsten Personen
beider Residenzen bekannt. Die Vortheile dieser persönlichen Beziehungen
wurden von ihm aber nicht gehörig ausgebeutet, indem er in seinem
Auftreten nicht entschieden genug und in seinem Urtheil nicht
selbständig war. Ein stolzer englischer Lord, der die hinter der
glänzenden Außenseite lauernde Misere jener Höfe sofort erkannt und
diese Welt des Scheins rücksichtslos in seines Landes Interesse
auszubeuten verstanden hätte, wäre besser am Platze gewesen. Faucitt war
blos eine subalterne Natur und als solche allen Details der Aufgabe
vollständig gewachsen. Er arbeitete in der That von Morgen bis Abend mit
dem gewissenhaftesten Fleiße, mit der anerkennenswerthesten
Uneigennützigkeit; allein es fehlte ihm das richtige Verständniß seiner
Stellung. Er war zu sehr untergeordneter Hofmann, den ein freundliches
Lächeln des Fürsten leicht erobert, ein »Snob«, der vor Titeln, Rang und
äußerm Glanz einen angeborenen Respekt hat und für jede Herablassung der
Höhergestellten dankbar ist. Aus diesem Grunde wurde er ein Spielball in
den Händen einsichtiger, kühler und berechnet handelnder Personen,
während er mit Entschiedenheit und Grobheit jede Forderung, selbst die
härteste durchgesetzt und England hundert Tausende erspart haben würde.

Der Herzog Karl I. von Braunschweig (1735-1780), mit welchem Faucitt
zunächst zu thun hatte, war einer der prachtliebendsten,
leichtsinnigsten und verschuldetsten Fürsten, von denen Deutschland im
vorigen Jahrhundert heimgesucht war. Sein Ländchen, das bei einer Größe
von einigen sechszig Quadratmeilen mit etwa 150,000 Einwohnern kaum
anderthalb Millionen Thaler Einkünfte abwarf, war allerdings durch den
siebenjährigen Krieg hart mitgenommen worden, allein erst des Herzogs
üble Wirthschaft hatte es an den Rand eines Bankrottes gebracht. Die
Schulden beliefen sich auf nahezu zwölf Millionen Thaler. Karl lebte
aber auf einem Fuße, als ob ihm die reichen Hülfsquellen eines großen
Königreichs zu Gebote ständen. Italienische Oper und französisches
Ballet, auswärtige und einheimische Maitressen, Militärspielerei und
Alchymie verschlangen ungeheure Summen. Der Theater-Direktor und Kuppler
Nicolini, ein unbedeutender italienischer Abenteurer, hatte 30,000
Thaler jährlichen Gehalts; unser großer _Lessing_ aber, der zu jener
Zeit in der bescheidenen Stellung eines herzoglichen Bibliothekars
»einem verschüchterten Geschlecht mißhandelter Kleinbürger zuerst die
Seele mit freien, menschlich heiteren Empfindungen erfüllte« und unser
Volk zum Bannerträger des freien Geistes erheben half, _unser Gotthold
Ephraim Lessing_ bezog ein Gehalt von 300 Thalern jährlich. Dort lernte
er »lieber hungern als niederträchtig sein;« mußte er doch um eine
armselige Gehaltszulage von 200 Thaler länger als drei Jahre
suppliziren! »Es ist ein Irrthum, -- schrieb er seiner Freundin und
spätern Gattin, Eva König, aus Wolfenbüttel -- daß kleine Souveraine den
Gelehrten und Künstlern förderlich seien; sie sind es nur in dem Maße,
als Wissenschaft und Kunst ihnen Amusement machen und man ihnen
hofmännisch schmeichelt. Das verstehe ich nicht. -- -- Ich fühle mich
hier, als wäre ich in einen Sarg gedrückt; ich kann keine Bücklinge
machen, um mich zu empfehlen. Lichtenberg verkümmert im kleinen
Göttingen, Möser im kleinen Osnabrück; beide zehren von den Erinnerungen
aus England, wie ich aus Leipzig und Berlin.«

Erst zu Anfang der siebenziger Jahre ward in diese wüste Braunschweiger
Wirthschaft etwas Ordnung eingeführt, indem in Folge der beständigen
Finanznoth von dem zum Mitregenten ernannten Erbprinzen Karl Wilhelm
Ferdinand die Landstände einberufen wurden. Es durfte ohne dessen
Mitunterschrift fortan kein Geld mehr ausgegeben werden. Karl Wilhelm
Ferdinand, der seinem Vater während des amerikanischen Krieges 1780 als
Herzog folgte, als preußischer General 1787 in Holland und 1792 in
Frankreich kommandirte und in der Schlacht bei Auerstädt seiner Augen
beraubt, bald darauf in Ottensee bei Hamburg starb, war ebenso sparsam
als sein Vorgänger verschwenderisch. Ein Zögling des bekannten Abts
Jerusalem, dem Ordens- und Gesellschaftswesen jener Zeit von Herzen
zugethan, zwischen mystischem Glauben und Voltaire'schem Unglauben
schwankend, ein begeisterter Verehrer des französischen Wesens, dabei
ein schöner Mann, sinnlich, gefallsüchtig und Meister der
Repräsentation, stand er in engeren Beziehungen zum englischen Hofe,
indem er eine Schwester Georg III., Lady Auguste, zur Frau hatte. Da sie
unbedeutend und ungebildet war, so entschädigte sich Ferdinand durch
schöne und geistreiche Maitressen, wie die von Goethe bewunderte
italienische Gräfin Branconi, deutsche Baroninnen und französische
Schauspielerinnen. Im Uebrigen knauserte er, wo er nur konnte, um die
Schulden seines Vaters zu bezahlen und war ebenso gewissenlos als
unermüdlich in der Auffindung neuer Hülfsquellen zur Verbesserung seiner
ökonomischen Lage. Ein italienisches Lotto, dessen Pacht dem Geheimen
Rath und Minister Feronce überlassen war, that in dieser Beziehung zwar
sehr gute Dienste, reichte indessen zur Hebung der zerrütteten Finanzen
allein noch nicht aus. Es galt also, da sich die Goldmacherei des alten
Herzogs nicht bewährt hatte, noch andere außerordentliche Mittel flüssig
zu machen.

Mitten über diesen Versuchen und Plänen zur Verbesserung des
herzoglichen Haushalts traf Faucitt in Braunschweig ein. Ein Engel vom
Himmel hätte zu keiner günstigern Stunde zum dortigen Hofe
herniedersteigen und goldenen Segen spenden können als der englische
Kommissär. Es kam jetzt darauf an, ihn gehörig auszubeuten. Er hatte,
wie aus seiner Instruktion ersichtlich, den Auftrag, zuerst den damals
fast allein gebietenden Erbprinzen zu sondiren und diesem einen
Privatbrief des Königs zu überreichen. Faucitt, statt erst die
Verhältnisse zu prüfen und sich der für ihn daraus ergebenden Vortheile
zu versichern, hatte kaum die Reisekleider ausgezogen, als er am Abend
des Tages seiner Ankunft, am 29. November dem Erbprinzen seine
Aufwartung machte. Sobald dieser sich überzeugt hatte, daß der Engländer
nichts von seinen häuslichen Verlegenheiten und der Finanznoth blasser
Wehmuth wußte, nahm er die ihm so gut stehende Miene des herablassenden
Gönners und Beschützers an. »Der Erbprinz -- so berichtet Faucitt am 1.
Dezember 1775 an Suffolk -- gab mir die stärksten Versicherungen, daß
er den königlichen Vorschlag billige und daß er allen seinen Einfluß auf
den regierenden Herzog zu dessen Durchführung aufbieten wolle. Er
verbürgte sich übrigens nicht dafür, daß sein Vater unbedingt darauf
eingehen werde, da er nur ungern so viele seiner Unterthanen in einem
unbekannten, so sehr entfernten Lande verwandt sehe, und fragte mich, ob
nicht die Bestimmung der braunschweigigen Truppen besser nach Irland
statt nach Amerika geändert werden könne, was ich natürlich unbedingt
verneinte. Dann wünschte der Erbprinz, daß wenigstens ein Theil der
Truppen nach Gibraltar und Minorka geschickt werden möge. Ich erwiderte
ihm, daß bereits fünf Bataillone aus dem Kurfürstenthum dahin gesandt
seien, daß also eine Aenderung nicht mehr stattfinden könne. Schließlich
forderte mich der Prinz auf, von meinem Beglaubigungsschreiben nicht
eher Gebrauch zu machen, als bis ich sicher sei, daß der Herzog auf
meinen Antrag eingehen wolle.«

Der Erbprinz hatte jetzt das Spiel in den Händen und dabei den Vortheil,
es mit einem höchst unerfahrenen Anfänger zu thun zu haben. Am 30.
November rieth er ihm in einem freundschaftlichen, elegant geschriebenen
französischen Briefchen, das natürlich seinen Eindruck auf den Empfänger
nicht verfehlte, vorläufig nur als Privatmann bei Hofe zu erscheinen, da
der Herzog sich sehr schwierig zeige, erklärte ihm aber seine
Bereitwilligkeit, ihn von Allem in Kenntniß zu setzen, was dazu dienen
könne, die Absichten des Königs zu fördern. Am 1. Dezember führte er
weiter aus, wie schwer es sei, den Herzog trotz seiner finanziellen
Verlegenheiten zu dem beabsichtigten Vertrage zu bewegen, da die
Soldaten in seinen alten Tagen sein einziges Vergnügen, seine einzige
Erholung seien. Am dritten Tage endlich, am 2. Dezember ward durch die
unausgesetzten Bemühungen des Erbprinzen die Zustimmung des Herzogs
erlangt.

»Der regierende Herzog -- schreibt Faucitt am 2. Dezember an Suffolk --
hat endlich (!! nach zwei Tagen!!) eingewilligt, einen Truppenkörper für
Sr. Majestät Dienst in Amerika zu stellen. In Folge dessen habe ich
heute mein Beglaubigungsschreiben überreicht. Der Herzog empfing mich
äußerst gnädig, erklärte, des Königs Wunsch aus allen Kräften erfüllen
und ein so starkes Korps stellen zu wollen, als die Lage der Dinge ihm
gestatten werde. Er sagte, er habe Herrn von Feronce mit den
Verhandlungen in dieser Angelegenheit betraut. Ich kenne diesen Minister
schon lange. Er ist ein fähiger und erfahrener redlicher Mann, der
Schlichen und Kniffen feind ist. Ich weiß noch nicht, wie groß die Zahl
der Soldaten sein wird; jedoch gab mir der Erbprinz zu verstehen, daß
sie nicht weniger als 4000 Mann betragen würde und daß wir sie zu Anfang
des Frühjahrs haben könnten.«

Der Herzog beantwortete des Königs Brief am 5. Dezember, und zwei Tage
darauf war schon der Vertrag zwischen Faucitt und Feronce abgeschlossen,
der mit einigen nicht sehr erheblichen Abänderungen schließlich am 9.
Januar 1776 angenommen wurde.

Der Herzog verpflichtete sich in diesem Vertrage, der Krone England 3964
Mann Infanterie und 336 Dragoner, im Ganzen 4300 Mann in zwei Divisionen
für den Krieg in Amerika zu überlassen. Von diesen, mit Ausnahme der
Pferde, vollständig auf Kosten des Herzogs zu equipirenden, mit Zelten
und sonstigen Utensilien zu versehenden Truppen sollte die erste, aus
2282 Mann bestehende Division bereits am 25. Februar im Hafen sein, die
letzte Division aber in der letzten Woche des März 1776 abmarschiren.
Sie müssen am Orte der Einschiffung vom englischen Kommissär besichtigt
werden, der jeden, ihm untauglich erscheinenden Soldaten verwerfen kann
und den Truppen den Eid der Treue für den König von England abnimmt. Die
Besetzung der vakanten Stellen behält sich der Herzog vor, die
Verwendung der Truppen in Amerika bestimmt aber der König. Um ihre
Desertion auf dem Marsche zu verhindern, erläßt der König von England
als Kurfürst von Hannover an seine eigenen Behörden den Befehl, jeden
Deserteur aufzugreifen und am Einschiffungsplatz dem Regimente zu
überliefern. Ebenso verpflichtet sich der Herzog von Braunschweig, die
nöthig werdenden Rekruten jährlich zu liefern, nachdem ihm wenigstens
vier Monate vorher Kenntniß von der zu ergänzenden Zahl gegeben ist. Die
Truppen stehen in Löhnung und sonstigen Vortheilen, wie Verpflegung,
Behandlung in den königlichen Hospitälern, Fourage &c. ganz den
königlichen Truppen gleich, und verpflichtet sich der Herzog, ihnen
namentlich ihre ganze Löhnung ungeschmälert zukommen zu lassen. Die
Schwerverwundeten und Dienstunfähigen werden auf königliche Kosten an
die Mündung der Elbe und Weser zurückgeschafft, und die Dragoner sollen
von dem Tage an, daß sie beritten gemacht werden, auf demselben Fuße mit
der königlichen leichten Kavallerie stehen. Der Herzog erhält für jeden
Fußsoldaten dreißig Kronen Banko (gleich 51 Thlr. 15 Sgr. preußisch)
Werbegeld, wovon ein Drittel einen Monat nach Zeichnung des Vertrages
und die anderen zwei Drittel zwei Monate später gezahlt werden sollen.
Für die Soldaten, die am Tage der Musterung nicht anwesend sind, wird
dieses Werbegeld natürlich entweder gar nicht oder erst dann gezahlt,
wenn sie sich bei ihren Regimentern gestellt haben. Drei Verwundete
gelten als ein Todter, und ein Todter wird nach der Rate des Werbegeldes
mit dreißig Kronen bezahlt. Sollte durch eine Seuche, einen Schiffbruch,
eine Belagerung oder eine Schlacht ein außerordentlich großer Verlust in
einem Regimente oder Korps eintreten, so wird der König von England
außerdem in der billigsten und liberalsten Weise den Verlust der
Offiziere oder Soldaten ersetzen und die Kosten für neue Rekrutirungen
tragen, um das von einem solchen Unglück betroffene Korps wieder
vollzählig zu machen. Zur Vergütung für die außerordentlichen Kosten,
welche durch die plötzliche Mobilmachung erwachsen sind, wird der
Uebertritt der Truppen in den englischen Dienst antedatirt und ihnen
Löhnung für zwei Monate vor dem Tage ihres Abmarsches ausgezahlt. Die
jährliche an Braunschweig zu zahlende Subsidie, welche mit dem Tage der
Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages beginnt, ist eine einfache für
die Zeit, daß die braunschweigischen Truppen in englischen Diensten
stehen und beträgt 64,500 deutsche Kronen (gleich Lstr. 11,517. 17. 1½)
per Jahr; sie wird aber eine doppelte, beläuft sich also auf 129,000
Kronen von dem Tage an, an welchem die braunschweigischen Truppen in
ihre Heimath zurückkehren, und wird von diesem Zeitpunkt an noch zwei
Jahre lang an den Herzog gezahlt.

Sehen wir jetzt, wie der Vertrag in dieser seiner definitiven Fassung zu
Stande kam und lassen wir Faucitt und Suffolk die Geschichte der
Verhandlungen selbst erzählen.

»Einliegend -- schreibt jener am 7. Dezember 1775 an Suffolk -- Entwurf
eines Vertrages mit dem Herzog von Braunschweig für 4000 Infanteristen
und 300 leichte Dragoner. Ich wollte eigentlich keine Kavallerie, da ich
zu wissen glaube, daß Sie keine wünschen. Ich ließ sie mir aber gefallen
und bestand nicht auf meinem Widerspruche, weil das Korps dem zum
Kommando bestimmten Obersten Riedesel gehört und weil ich es für das
Beste hielt, beim Anfang der Verhandlungen lieber etwas nachzugeben, als
schwierig zu erscheinen. Das Werbegeld ist so niedrig, als ich es nach
langem Hin- und Herreden nur festsetzen konnte. Von den zuerst
verlangten 60 deutschen Reichsthalern habe ich es auf 30 Banko-Thaler
(gleich 43 deutsche Reichsthaler) gebracht; es ist dies derselbe Preis,
der bei der Marburger Uebereinkunft bewilligt wurde. Ihr entsprechend
mußte ich mir auch gefallen lassen, daß der Anfang der englischen
Löhnung auf zwei Monate vor dem Abmarsch des Korps festgesetzt wurde.
Man bestand sogar Anfangs auf drei Monaten; es gelang mir aber, einen
Monat abzuhandeln.

»Der Subsidien-Artikel war übrigens der wichtigste und schwierigste.
Zuerst wurden, bis das Korps die englische Löhnung bezog, 120,000
Banko-Thaler verlangt, 70,000 Banko-Thaler so lange, als es dieselbe
erhielt, und wieder 120,000 Banko-Thaler für den Zeitraum von sechs
Jahren nach der Rückkehr der Truppen in ihr Vaterland. Nach zweitägigem
Streit über diesen Punkt kamen wir endlich dahin überein, daß jeder
Theil seinen Vorschlag zu Papier bringen und Ihnen zur Entscheidung
vorlegen sollte. Uebrigens wird sich der Herzog in diesem Punkte dem
König fügen. Er bittet nur, daß er im Falle einer plötzlichen Beendigung
des amerikanischen Krieges in den Stand gesetzt werde, die
außerordentliche Last zu tragen, welche diese neue Aushebung ihm
auferlegen wird. Der letzte (im definitiven Vertrage gestrichene)
Artikel, worin der Herzog verlangt, daß zwei Bataillone seiner Truppen,
nämlich 1160 Mann, irgendwo in Europa garnisoniren sollten, wurde von
mir auf das Aeußerste bekämpft. Der Herzog drang aber darauf, daß sein
Vorbehalt dem Könige vorgelegt werden solle; er sei, wie er sagte,
diesen Regimentern ganz besonders zugethan und dann eifersüchtig auf die
den Hannoveranern im Mittelmeere zugewiesenen Garnisonen. Er wird sich
aber mit der Zeit den Wünschen des Königs fügen. In der Voraussetzung,
daß der Vertrag in der einen oder andern Form abgeschlossen wird, habe
ich für jeden Rekruten, der diensttüchtig in Harburg abgeliefert wird,
30 Thaler versprechen müssen, indem der Herzog, um keine Zeit zu
verlieren, sofort rekrutiren wollte. Sie sind natürlich verloren, wenn
der Vertrag nicht zu Stande kommt.«

Suffolk war so sehr ob der günstigen Aussichten erfreut, welche
Faucitt's Bericht ihm bot, daß er gar nicht handelte und feilschte,
wofern er nur sein Ziel, schnelle Verschiffung der Truppen nach Amerika
erreichen konnte. »Ich gebe Ihnen -- schreibt er am 22. Dezember 1775
von St. James an Faucitt -- meine volle Zufriedenheit über Ihren Eifer
und Ihre Geschicklichkeit zu erkennen und lege Vollmacht für den
Abschluß des Vertrages mit Braunschweig bei. Ihr Entwurf ist auf
fünfzehn Artikel reduzirt. Alle braunschweigischen Truppen müssen nach
Amerika; ihre anderweitige Verwendung ist durchaus unzulässig. Nur keine
Verzögerung! Die Zeit, von der Sie sprechen, ist zu lang. Drei von den
fünf Bataillonen müssen in der letzten Woche des Februar und der Rest
Ende März am Einschiffungsplatze sein. Dieser Punkt ist von der
äußersten Wichtigkeit. Sie müssen darauf dringen und bestehen. Da die
englische Löhnung, wie ich hoffe, ein Mittel ist, ihn durchzusetzen, so
ist Se. Majestät damit einverstanden, daß sie zwei Monate vor dem
wirklichen Dienst beginnt. Wenn aber die erste Division noch früher
marschiren kann, so können Sie die Löhnung verhältnißmäßig noch mehr
vordatiren.

Die 300 Dragoner sind mehr als wir brauchen; indessen will der König sie
unberitten nehmen, und sollen die Leute die Löhnung unsrer leichten
Kavallerie haben. Sie haben Recht gehabt, daß Sie sich verpflichteten,
selbst dann für die Rekruten zu zahlen, wenn der Vertrag nicht zu Stande
kommen sollte. Dringen Sie auf Riedesel's Beförderung zum General. Wird
den Wünschen Sr. Majestät überall entsprochen, so sind Sie selbst
bevollmächtigt, die von Herrn von Feronce verlangte Subsidie zu
bewilligen.«

In diesem letztern Punkte war Faucitt sogar noch vorsichtiger als der
Minister, denn es gelang ihm am 9. Januar 1776, den sich auf die
Subsidie beziehenden Theil des Vertrages zu günstigeren, als den ihm
aufgegebenen Bedingungen abzuschließen.

»Der Herzog -- schreibt er am 9. Januar 1776 an Suffolk -- hat endlich
alle Einwendungen gegen die Verschiffung seiner Truppen nach Amerika
aufgegeben. Die zwei Bataillone, welche er in Europa behalten wollte,
sind eigentlich die einzigen, für uns bestimmten regulären Truppen, sie
bilden sein Veteranen-Regiment, das hauptsächlich aus seinen eigenen
Unterthanen besteht, während die drei anderen Bataillone, mit einer
geringen Ausnahme alter gedienter Soldaten und Offiziere, größten Theils
rohe Rekruten sind, die aus aller Herren Länder zusammengestohlen
wurden. Wir werden jetzt aber sechs Bataillone haben, die der Mehrzahl
nach Braunschweiger sind. Sie sollen in zwei Divisionen an den
Einschiffungsplatz Stade marschiren, und die erste derselben 2282 Mann,
die letztere aber 2018 Mann zählen. Im Ganzen weicht der nunmehr
endgültig abgeschlossene Vertrag wenig von Ihrem Entwurfe ab. Nur die
Subsidie ist geändert. Sie ist aber von Anfang an bis zur Rückkehr der
Truppen nur eine einfache. Die zweimonatliche Löhnung vor der Uebernahme
in den englischen Dienst ist beibehalten.

Erlassen Sie sofort die erforderlichen Befehle zum Transport der Truppen
und zur Vorbeugung ihrer Desertion in Hannover. Beifolgend eine
Aufstellung der Mannschaften, für welche das Werbegeld und die
zweimonatliche Löhnung im Voraus verlangt wird. Der Herzog bittet um
sofortige Zahlung. Ebenso lege ich auf seinen und des Erbprinzen Wunsch
einen Separat-Artikel bei, der auf das möglicher Weise zu erlassende
Verbot des Kaisers gegen Truppenanwerbungen für fremde Mächte Bezug
hat.«

Suffolk sandte am 20. Januar den ratifizirten Vertrag an Faucitt zurück.
»Die verschiedenen Aenderungen desselben -- sagte er in seinem
Begleitschreiben von demselben Datum -- sind nicht gemißbilligt; aber
hinsichtlich der Subsidien enthielten meine Instruktionen keineswegs
eine Bevorzugung des Vorschlages von Feronce, sondern nur die Erlaubniß
für Sie, ihn dann anzunehmen, wenn Sie dadurch weitergehende Absichten
erreichen konnten. Sagen Sie dem Herzog, daß der König den
kurfürstlichen Behörden die geeigneten Befehle zur Verhinderung der
Desertion gegeben hat. Der vom Herzog und Erbprinzen vorgeschlagene
Separat-Artikel wegen des möglicher Weise vom Kaiser zu erlassenden
Truppen-Aushebungsverbots für den Dienst fremder Mächte ist genehmigt.
Wir halten diesen Vorbehalt für eine überflüssige Vorsichtsmaßregel und
haben ihm nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß der Herzog Alles
aufbieten wird, sein Korps zu vervollständigen und jedes Hinderniß, von
welcher Seite es auch kommen mag, zu vereiteln.«

In einem »durchaus privat« bezeichneten Anhange zu obiger offiziellen
Depesche giebt Suffolk seinem Agenten auf, den Herzog wo möglich zu
bestimmen, daß er den Separat-Artikel ganz fahren lasse. »Sie müssen ihm
begreiflich machen, daß der ganze Vertrag im Laufe der parlamentarischen
Verhandlungen ein Gegenstand der öffentlichen Debatte werden wird, daß
der fragliche Artikel, obgleich dem Anscheine nach obligatorisch für
uns, ohne auf der andern Seite Sicherheit zu gewähren (und folglich sehr
vielen gehässigen Bemerkungen ausgesetzt) nicht allein aus diesem
Grunde anstößig ist, sondern daß er sogar einen feindseligen Ausdruck
gegen eine andere Macht enthält, und zwar über einen Punkt, der wenn
nicht viel stärkere Gründe dafür sind, besser unerwähnt bliebe. Der für
den Herzog daraus herzuleitende Vortheil ist unbedeutend und hängt von
einem höchst unwahrscheinlichen Ereigniß ab. Wenn aber des Kaisers
Proklamation wirklich in Kraft tritt und unser Rekrutenbedürfniß nach
wie vor dasselbe bleibt, so kann es aus anderen Quellen leicht
befriedigt werden, so daß kein vernünftiger Grund zur Befürchtung
vorliegt, daß während der Zeit ihrer Dauer irgend ein Abzug von den
Subsidien gemacht werde. Lassen Sie diesen Artikel nur im äußersten
Nothfalle stehen; thun Sie aber, was Sie können, dagegen.«

Der Herzog stand, wie Faucitt am 20. Februar 1776 antwortete, ohne große
Schwierigkeit von dem Verlangen des Separat-Artikels ab, der
hauptsächlich vom Erbprinzen angeregt war, worauf denn am 18. Februar
die Ratifikation ausgewechselt wurde. Faucitt erhielt einen Diamantring
zum Werthe von 100 Pfund Sterling zum Geschenk. Er habe, sagte er,
dessen Annahme nicht ausschlagen können, da ein solches Geschenk von
früheren Verträgen her üblich sei. Der Kanzlei des englischen
Ministeriums des Auswärtigen wies der braunschweigische Minister Feronce
150 Pfund zur Vertheilung an und versäumte zu gleicher Zeit nicht,
Suffolk um eine Abschlagszahlung von 20,000 bis 30,000 Pfund zu bitten.
Natürlich erhielt auch Feronce ein Geschenk. Es bestand in baarem Gelde;
wie viel, wird in unseren Quellen nicht gesagt, und auch Feronce
schweigt darüber in seinem Danksagungsbriefe vom 3. April 1776.

Die erste braunschweiger Division war zur festgesetzten Zeit
marschfertig, mußte indessen in ihre Quartiere zurückbeordert werden,
weil die englischen Transportschiffe noch nicht in Stade angekommen
waren. So marschirte sie unter Kommando des Generals Riedesel erst am
22. Februar und kam am 5. März in Stade an, ohne auch nur einen einzigen
Mann durch Desertion verloren zu haben. »Ich habe -- schreibt Faucitt am
12. März an Suffolk -- die Grenadire und Dragoner bereits eingemustert;
sie haben viel zu viel alte Leute unter sich. Die vorderen und hinteren
Glieder sind aus gesunden und kräftigen Mannschaften gebildet, aber das
Centrum ist nichts werth. Es besteht aus lauter frischen Rekruten, die
nicht allein zu klein, sondern auch schlecht gewachsen und theilweise zu
jung sind. Prinz Friedrich's Regiment ist das beste. Die Waffen sind
alt, aber gut und in Ordnung. Die Disziplin ist ausgezeichnet, kein
Soldat war betrunken. Jedes Korps wurde einzeln beeidigt. Das dabei
beobachtete Verfahren ist dieses: das ganze Regiment wird in einen Kreis
formirt, der Auditeur liest den Eid vor, ermahnt die Truppen, sich als
treue, tapfere und ordentliche Soldaten aufzuführen, worauf Offiziere
und Mannschaften den rechten Arm erheben und den Eid Wort für Wort
nachsprechen. Alles das ging sehr gut ab und vom 12. bis 17. März wurde
die ganze erste Division eingeschifft.«

Derselbe Herzog von Braunschweig, der seinem Theater-Direktor jährlich
30,000 Thlr. Gehalt zahlte, der die schönsten und theuersten Maitressen
unterhielt und Millionen für den sinnlosesten Luxus vergeudete, wollte
oder konnte übrigens nicht einmal brauchbare Uniformen für seine Truppen
beschaffen. Sie hatten keine Mäntel und kamen Ende März ganz zerlumpt
und zerrissen in Portsmouth an. Hier mußten sie erst mit Schuhen und
Strümpfen versehen werden. Das englische Ministerium streckte dem
General Riedesel 5000 Pfund Sterling vor, damit seine Soldaten sich
wenigstens die nothwendigsten Bedürfnisse kaufen konnten. Die englischen
Kaufleute waren nicht die letzten, aus dieser Noth ihren Vortheil zu
ziehen. Als man auf der See die Kisten mit dem englischen Schuhwerk für
die Grenadiere öffnete, fand man dünne und leichte Damenschühchen und
überhaupt lauter nutzlose Waare. »Sie müssen im Interesse des Dienstes
darauf dringen -- schreibt Suffolk an Faucitt am 2. April 1776 -- daß
sofort neue Uniformen angeschafft werden. Der Herzog muß sie bei Zeiten
schicken, damit seine Truppen nicht unter der Ungunst des Wetters leiden
und damit sie nicht unzufrieden werden, wenn sie ihre Kameraden besser
gekleidet sehen.« Es gelang denn auch den Vorstellungen Faucitt's, daß
der ersten Division gegen Ende Juni neue Uniformen nach Kanada
nachgeschickt wurden.

Um dazu in den Stand gesetzt zu werden, mußte sich der Herzog erst einen
Theil seiner Forderungen an England auszahlen lassen. Die Löhnung, die
vom Augenblick der Ankunft in Amerika fällig wurde, schickte die
englische Regierung direkt an ihren dortigen General-Zahlmeister, der
sie wieder an die Unterzahlmeister verabfolgte, von welchen sie den
betreffenden Befehlshabern eingehändigt wurde.

Diese Vorsichtsmaßregel hatte ihre ganz bestimmten Gründe. Da die
englische Löhnung doppelt so groß war als die deutsche, so hatten bei
früheren Gelegenheiten Braunschweig und Kassel die Differenz in die
Tasche gesteckt, eine Summe, die sich während des siebenjährigen Krieges
auf mehrere Millionen belief. Diesem Unfug nun wollte England vorbeugen,
um die deutschen Soldaten, die jetzt in einem andern Welttheile an der
Seite der Engländer kämpften, auf gleichen Fuß mit diesen zu stellen und
nicht aufzureizen. Die Sache schien sogar mit Recht dem Minister Suffolk
wichtig genug, um sie zum Gegenstand eines besondern Paragraphen zu
machen. Der arme deutsche Soldat, der für eine ihm ganz fremde Sache
seine Haut zu Markte trug, mußte vom Käufer gegen die niedrige Habsucht
des Verkäufers geschützt werden! Natürlich wurde dasselbe Verfahren auch
den Hanauern, Anspachern und übrigen Landesvätern gegenüber eingehalten.
Sie versprachen zwar, ihren Truppen die volle englische Löhnung zukommen
zu lassen, um auf diese Weise das ganze Geld in die Hände zu bekommen;
England traute ihnen aber nicht und handelte in der oben angegebenen
Weise. Nur Kassel ließ sich diese Behandlung nicht gefallen und setzte
es durch, daß die Löhnung für seine Soldaten dem Kriegszahlmeister des
Landgrafen direkt verabfolgt wurde.

Die zweite Division Braunschweiger, bestehend aus dem Bataillon Barner
und den Regimentern Rhetz und Specht, kam in den letzten Tagen des Mai
in Stade an und wurde am 28. und 29. Mai von Faucitt in den englischen
Dienst eingemustert. »Das Bataillon Barner, das ausdrücklich für den
Dienst in Amerika ausgehoben ist, -- berichtet Faucitt an Suffolk --
besteht fast nur aus Rekruten; es befinden sich viele halbausgewachsene
Jungen darunter, die kaum stark genug sind, das Gewehr zu tragen. In den
Regimentern Rhetz und Specht fand ich viele alte Männer und im Zentrum
eine Menge kleiner, schlechtgewachsener Jungen. Uniformen und Waffen
sind gut. Die Offiziere beklagen sich über die nichtswürdig engen und
schlechten Schiffseinrichtungen. Die Marineoffiziere selbst, welche die
Transportschiffe unter sich haben, geben zu, daß diese gar keine
Bequemlichkeiten bieten. Die Kajüten sind zu eng, die Leute müssen
förmlich auf einander gepökelt werden. Zudem haben die Lieferanten in
Bristol arg betrogen. Die Betten sind dürftig und dünn; die Kopfkissen
nur fünf Zoll lang und sieben Zoll breit, kaum größer als Nadelkissen.
Ein ganzes Bett, bestehend aus Matratze, Kissen, grober wollener Decke
und Oberdecke, wiegt kaum sieben Pfund.«

Die Verpflegung war nicht viel besser. Schinken mit Würmern, faules
Trinkwasser und Schiffsvorräthe, die noch seit dem siebenjährigen Kriege
in den englischen Magazinen gelagert hatten, wurden für gut genug zur
Verpflegung der deutschen Soldaten befunden. Warum sollten auch die
Engländer da Rücksicht nehmen, wo die deutschen Landesväter keine andre
Sorge kannten, als möglichst viel Geld aus den verkauften Landeskindern
herauszuschinden?

Diese zweite Division ging am 1. Juni 1776 in See, an demselben Tage, an
welchem die erste unter Riedesel in Quebeck ankam.




Viertes Kapitel.


Faucitt war, nachdem er in den ersten Tagen des Dezember 1775 den
Vertragsentwurf in Braunschweig abgeschlossen und an Suffolk eingesandt
hatte, seinem Auftrage gemäß, sofort nach dem benachbarten Kassel
abgereist, wo er am 10. Dezember ankam.

Kassel war zu jener Zeit und überhaupt während des ganzen achtzehnten
Jahrhunderts eine der schönsten und glänzendsten Städte Deutschlands; es
verdankte seine Pracht gerade dem Geschäfte, wegen dessen Faucitt es
jetzt besuchte, dem Soldatenhandel. Das Blut und die Kraft des Landes
wurde in der Residenz in Marmor und in Prachtbauten umgemünzt. Seit
hundert Jahren war dort ein Fürst auf den andern gefolgt, der seinen
Vorgänger in theils geschmackvollem, theils geschmacklosem Luxus, in
großen Palästen und Gartenanlagen, Kunstsammlungen und Bildergallerien
überbot. Hand in Hand mit dieser täglich reicher und kostspieliger
auftretenden Baulust und Verschwendung ging natürlich auf der andern
Seite der Menschenhandel und die Verarmung des Landes an Einwohnern. Die
hessischen Landgrafen trieben die Unterhaltung eines theuern stehenden
Heeres, die bei dem Einen ihrer Kollegen oft ein kindliches Spiel war
oder bei dem Andern ein ernstes Ziel bedeutete, lediglich als ein
regelmäßiges kaufmännisches Geschäft. Ihre Soldaten, aus einem
kräftigen, unverdorbenen und tapfern Volksstamme hervorgegangen, wurden
durch Disziplin und Uebung bald die besten und zuverlässigsten, darum
auch gesuchtesten Truppen in Europa, und von England bis Griechenland
gab es vom Ende des siebenzehnten bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts kaum ein Schlachtfeld, auf welchem sich die hessische
Infanterie nicht rühmlich ausgezeichnet hätte.

Landgraf Karl I. (1677-1730), der Kasernen- und Kirchen-Erbauer, der
zuerst die Wasserwerke auf dem Weißenstein (der spätern Wilhelmshöhe)
anlegte, und dort den Herkules aufstellte, fing den Soldatenhandel mit
dem Auslande an. 1687 überließ er 1000 Mann an Venedig zum Krieg gegen
die Türken in Morea, 1702 gab er 9000 Hessen an die Seemächte, 1706
dienten deren 11,500 Mann in Italien und nach dem Utrechter Frieden
vermiethete er wieder 12,000 Unterthanen an Georg I. Seit der
Thronbesteigung Georg's II. zahlte England jährlich 240,000 Pfund
Sterling Subsidien an den Landgrafen, eine für jene Zeit sehr bedeutende
Summe. Sein Nachfolger Friedrich I. (1730-1751), der als Gemahl der
Schwester Karl's XII. zugleich König von Schweden war und deshalb wenig
in Hessen lebte, vermehrte gleichwohl sein Heer auf 24,000 Mann. Sein
Bruder Wilhelm VIII., der zuerst als sein Statthalter und dann
selbständig von 1751-1760 regierte, betrieb das Soldatengeschäft in noch
größerer Ausdehnung, ja er versah sogar im österreichischen
Erbfolgekriege beide kriegführenden Mächte mit Truppen, indem er 1743
sechstausend Hessen an Georg II., den Bundesgenossen Maria Theresia's,
und ebensoviel Landeskinder an Karl VII., den ephemeren deutschen
Kaiser, vermiethete. Es stand also Hesse gegen Hesse: es war ein
Bruderkrieg auf fremde Bestellung, auf höhern Befehl und aus keinem
andern Motive als zum Besten des landesväterlichen Säckels! Einige Jahre
später bildeten die Hessen den Kern der holländischen Hülfstruppen, mit
welchen der Herzog von Cumberland die Schlacht bei Culloden gewann, und
im siebenjährigen Kriege kämpften wieder 12,000 Hessen für englische
Interessen gegen die Franzosen in Deutschland.

Landgraf Friedrich II. (1760-1785), mit welchem wir es zunächst zu thun
haben, gehörte durch seinen Reichthum, seine Familienverbindungen und
die günstige Lage seines Landes trotz dessen verhältnißmäßig geringen
Umfanges (156 Quadratmeilen mit nicht ganz 300,000 Einwohnern) zu den
mächtigsten und angesehensten Reichsfürsten. Er hatte mit seinen
Vorgängern einen gewissen nüchternen Blick, geschäftsmäßigen
Ordnungssinn, rücksichtslosen Egoismus, grobe Sinnlichkeit und
hartnäckigen Eigensinn gemein. In der innern Verwaltung seines Landes
hatte er sich das Preußen Friedrich Wilhelm's I. und Friedrichs des
Großen zum Muster genommen; sie war sparsam und gut. Das Heer erfreute
sich natürlich seiner ganz besondern Vorsorge; indessen nahm er auch
über die dienstlichen Angelegenheiten hinaus einen freundschaftlichen,
oft sogar herzlichen Antheil an dem Wohlergehen und den Schicksalen
seiner Offiziere. Mit seinen Obersten und Generälen führte er während
des ganzen amerikanischen Krieges einen regelmäßigen Briefwechsel und
entschied selbst über deren Wünsche und Beschwerden. Friedrich war
katholisch geworden, weil ihm der Protestantismus zu wenig vornehm
erschien, verhielt sich im Uebrigen aber nicht allein gleichgültig gegen
die Religion, sondern gefiel sich darin, den Aufgeklärten, den
Beschützer der Künste und Wissenschaften zu spielen und mit Voltaire zu
korrespondiren. Er gründete sogar höhere Lehranstalten und Museen, ja
trug in einzelnen Gesetzen eine gewisse Humanität und französisch
gefärbte Bildung zur Schau. Wie wenig aber hinter diesem Scheine
steckte, beweist die Anekdote, wonach er den Verskünstler Casparson für
ein Lobgedicht, welches ihm dieser auf Seidenpapier gedruckt auf dem
Abtritt hatte überreichen lassen, zum ordentlichen Professor am
Carolinum ernannte. Es war eben eine kluge Berechnung, daß man, wie
Schlosser sagt, die stille Klage und das verborgene Weinen im Lande
durch lautes Zeitungsgeschrei von Kunst und Wissenschaft ersticken ließ.
So sehr der Landgraf als Gemahl der englischen Prinzessin Marie, Tochter
Georg's II., das englische Geld liebte, so sehr bewunderte er auf der
andern Seite französische Sitte und Unsitte. Das offizielle Kassel war
unter ihm eigentlich nur eine französische Kolonie. Französische Theater
und Oper, französische Tänzerinnen und liederliche Weibsbilder,
französische Weichlichkeit und Ueppigkeit, französische von Voltaire
empfohlene Abenteurer, wie de Luchet und Trestondam traten in
verantwortliche Stellungen und gaben dort den guten Ton an. Eine vom
Herzog von Bouillon in Paris abgedankte Maitresse wurde nach Kassel
verschrieben und erhielt, außer 2000 Thaler Gold Reisegeld, jährlich
10,000 Thaler Gold Gehalt. Außer dieser Maitresse en titre erfreute sich
noch ein ganzer Harem der landesväterlichen Gunstbezeugungen. Die Zahl
der unehelichen Kinder des Landgrafen läßt sich gar nicht bestimmen; es
sollen deren über hundert gewesen sein. Seine rechtmäßigen Kinder,
welche in Hanau von ihrer Mutter erzogen wurden, sah er, ohne daß sie
ihm etwas zu Leide gethan hätten, volle neunundzwanzig Jahre nicht.
Ihre Mutter hatte aber das Verbrechen begangen, sich von ihrem Manne,
nachdem er katholisch geworden, zu trennen.

Trotz aller dieser Ausgaben und namentlich trotz seiner kostspieligen
Bauten, wie Opernhaus, katholische Kirche, Museum und Paradeplatz,
hinterließ Friedrich bei seinem Tode nahe an sechzig Millionen Thaler
baares Vermögen. Es war, außer dem von dem Mailänder Sinistrario 1777
begründeten italienischen Lotto, hauptsächlich durch den Soldatenhandel
erworben. Der Landgraf hatte, indem er zuerst System und Methode in
dieses Geschäft brachte, schon im Jahre 1762 das freiwillige Werbesystem
in Hessen aufgehoben und nach dem Vorbilde Preußens das Land in Kantone
eingetheilt, deren jeder eine gewisse Anzahl Rekruten für ein bestimmtes
Regiment liefern mußte. Sein Heer in Friedenszeiten belief sich auf etwa
16,000 Mann. Nur Kassel blieb nach wie vor frei von der Aushebung; blos
diejenigen jungen Leute der Hauptstadt, die sich freiwillig meldeten,
wurden Soldaten. Wenn die Eltern der weggenommenen Söhne klagten, so kam
der Vater in die Eisenarbeit, die Mutter in's Zuchthaus. Wer desertirte,
mußte zwei Tage hinter einander Spießruthen laufen, jeden Tag zwölf Mal,
zuweilen bis zum Tode. »Nie -- sagt Carl Julius Weber in seinen Briefen
eines in Deutschland reisenden Deutschen -- sah ich mehr arme Teufel
durch die Gassen jagen, als einst in Kassel; die Trauermusik hörte ich
in meiner Wohnung, und die Offiziere belehrten mich, daß Gassenlaufen
der Gesundheit weniger nachtheilig sei als die alten Stockprügel«. Den
Reisenden jener Zeit fällt immer das traurige gedrückte Wesen der Hessen
auf, namentlich bemerken sie über den Gesichtern der Frauen eine tiefe
Trauer, eine schmerzliche Resignation ausgebreitet. Die Hessen, welche
um den beständigen Aushebungen zu entgehen, haufenweise nach Ungarn und
Polen auswanderten, pflegten sich sehr bezeichnend selbst »Herrenmänner«
zu nennen. »Sind wir todt, so sind wir davon«, war eine gewöhnliche
Redensart der armen Leute im Lande. Nach dem siebenjährigen Kriege war
ganz Hessen von aller jungen Mannschaft entblößt, und kaum war wieder
einige nachgewachsen, so mußte sie, der zwanzigste Theil der Bevölkerung
des ganzen Landes, nach Amerika ziehen. Bei dieser Gelegenheit griff man
natürlich auch zu Werbungen im deutschen Auslande; namentlich war
Frankfurt eine Haupt-Rekrutenstation für die hessischen Werber.

Der Minister dieses Fürsten nun, Ernst Martin von Schlieffen, ein
geborner Pommer, war einer der geistreichsten, sonderbarsten, unter dem
Anscheine der Sentimentalität nüchternsten und der Maske des
Biedermannes berechnendsten Männer aus der Aufklärungszeit des vorigen
Jahrhunderts. Natürlich verehrte auch er Voltaire und die französischen
Enzyklopädisten als eine Art höherer Wesen. Als Jüngling durch eine
Laune des großen Königs aus dem preußischen Dienste getrieben, hatte er
in Hessen unter Wilhelm VIII. freundliche Aufnahme gefunden, den
siebenjährigen Krieg unter dem Herzog von Braunschweig mitgemacht und es
1772 zum Generallieutenant gebracht. Schlieffen ist der eigentliche
Vater der sogenannten Triasidee und der Vorläufer von Beust und v.d.
Pfordten; er ersann nämlich nach dem siebenjährigen Kriege, um das
Gleichgewicht zwischen Oesterreich und Preußen zu wahren, einen Bund der
Mindermächtigen und suchte durch diesen in die große Politik
einzugreifen. Derartigen Humbug duldete aber der alte Fritz nicht; er
ließ sich vom »diplomatischen Kroppzeug« nicht drein reden. Zur Zeit der
Ankunft Faucitt's war Schlieffen zugleich Minister und die rechte Hand
des Landgrafen, dessen Vortheil er nie außer Augen ließ. Dieser hätte in
der That nirgends einen aufmerksamern, umsichtigern und gewissenhaftern
Unterhändler als Schlieffen finden können. Faucitt war seiner
Ueberlegenheit, seiner Weltkenntniß und Feinheit im Verkehr durchaus
nicht gewachsen, wie denn überhaupt Schlieffen sich ebenbürtig an die
Seite der besten Diplomaten seiner Zeit stellt. Später trat er wieder in
preußische Dienste, wurde Kommandant von Wesel und Generallieutenant.
Die Franzosen wollten ihn 1792 zum Befehlshaber unter Dumouriez machen.
Schlieffen lehnte das Anerbieten ab, diente aber auch nicht gegen die
von ihm so hoch bewunderte Nation und zog sich auf sein Gut Windhausen
bei Kassel zurück, wo er ein beschauliches, den Wissenschaften
gewidmetes Leben führte, sich selbst ein Grab mit sonderbarer Inschrift
setzte und erst 1825, dreiundneunzig Jahre alt, starb. Seine
Familiengeschichte der von Schlieben oder Schlieffen enthält eine der
besten Abhandlungen über die Entstehungsgeschichte des deutschen Adels;
seine Ansichten sind immer originell und geistreich, wenn sie oft auch
den Autodidakten verrathen; nur werden sie leider durch einen bis zur
Komik getriebenen Purismus oft ungenießbar. So nennt er sich als General
und Minister einen Feldherrn-Geschäftsführer, ein Adjutant heißt bei ihm
Feldhandbieter, die Musen sind Wissensgöttinnen, und der Staatssekretär
ist ein Reichsschriften-Verweser.

Mit diesem Manne nun hatte Faucitt bei seiner Ankunft in Kassel zu thun.
Von dem siebenjährigen Kriege her noch oberflächlich mit ihm bekannt,
hielt er sich an die weltmännische Außenseite, an die glatten und
gewinnenden Formen des Ministers und wünschte sich schon Glück, daß er
weit besser mit ihm als mit dem pedantischen Feronce zum Ziel kommen
werde. Er sollte aber bald zu seinem Schaden finden, daß er mit dem
braunschweigischen Minister ein viel leichteres Spiel gehabt hatte.
Faucitt überbrachte Schlieffen ein Einführungsschreiben des
Erbprinzen von Braunschweig, der darin den Abschluß eines
Truppenlieferungsvertrages mit England anzeigte, »da man doch aus
Rücksichten der Freundschaft und Verwandtschaft dem Wunsche des Königs
von England habe Folge leisten müssen«, und der zugleich den Besuch
Faucitt's in Kassel zu demselben Zwecke ankündigte. Schlieffen erklärte,
daß der Landgraf unwohl sei und zur Zeit Niemanden empfangen könne,
zeigte sich im Uebrigen aber geneigt, auf den Vorschlag einzugehen und
seinen Herrn dafür zu gewinnen. Derselbe sei, fügte er hinzu, sehr
verstimmt und leicht reizbar; man müsse deshalb vorsichtig mit ihm
umgehen und ihn schrittweise auf die Absichten Faucitt's vorbereiten.
Ganz so schlimm muß es in der Wirklichkeit mit der üblen Laune des
Landgrafen nicht gestanden haben, denn schon zwei Tage nach dem ersten
Empfang des englischen Gesandten erklärte Schlieffen diesem, daß
Serenissimus nicht allein keine Einwendungen mache, sondern den
Vorschlag des Königs von England mit Vergnügen annehme und ihm so viel
Truppen überlassen wolle, als er nur entbehren könne. »Der General --
schreibt Faucitt am 12. Dezember 1775 an Suffolk -- fragte mich, wieviel
Soldaten wir brauchen würden? worauf ich erwiederte, 10,000 bis 12,000
Mann, mir nicht einbildend, daß der Landgraf eine so große Zahl zu
liefern im Stande sei. Der General versprach sie mir aber sofort, da
sich die Kriegseinrichtungen Hessen's seit dem letzten Kriege auf einem
ausgezeichneten Fuße befänden, und sagte zugleich zu, daß die Truppen
bis zum April spätestens marschfertig sein sollten. Am Schlusse unsrer
Unterredung erwähnte Schlieffen noch eine Forderung für
Hospital-Ausgaben, welche Hessen angeblich im letzten Kriege für uns
gemacht und deren Bezahlung er bisher vergeblich gefordert habe. Ich
erklärte, von der Sache gar nichts zu wissen, und hoffe, die
Verhandlungen schließen zu können, ohne daß mir deshalb Bedingungen
auferlegt werden. Ich benachrichtige Sie sofort von diesem Anspruche,
weil des Landgrafen Minister leicht aus unsrer gegenwärtigen
Verlegenheit Nutzen ziehen und auf Befriedigung dieses angeblichen
Anspruches bestehen könnte.«

Schlieffen las aus der Eile und Hast, mit welcher Faucitt die
Unterhandlungen betrieb, sehr schnell seinen Vortheil heraus und fand
darin nur eine Aufforderung mehr für sich, den Gunst bewilligenden
Gönner zu spielen und langsam, ja anscheinend widerwillig sich ein
Zugeständniß nach dem andern entreißen zu lassen. Die Bedingungen,
welche er aber in der That vorschrieb, gingen soweit, daß sie das
eigentliche Verhältniß zwischen beiden Kontrahenten auf den Kopf
stellten und den englischen Gesandten und Minister des Auswärtigen zu
Bittstellern herabsetzten, die froh sein mußten, daß ihnen nur ein Theil
ihrer Wünsche gewährt ward. Die Situation war einfach diese: der
Landgraf hatte Geld und konnte warten; der König von England aber hatte
keine Truppen und konnte nicht warten. Der verschuldete Herzog von
Braunschweig hatte wie ein hungriger Klient mit seinem reichen Patrone
verhandeln müssen und würde, wenn Faucitt seinen Vortheil verstanden
hätte, auf jedes Gebot, auf jede Bedingung eingegangen sein. Schlieffen
aber wußte, daß er unentbehrlich war und konnte deshalb durch
Zurückhaltung nur gewinnen.

Der Vertrag, dessen definitiver Abschluß die Zeit vom 12. Dezember 1775
bis zum 31. Januar 1776 in Anspruch nahm, stimmt in seinen Zwecken und
wesentlichen Grundzügen mit der Braunschweiger Konvention überein. Es
genügt deshalb, hier nur diejenigen formellen und materiellen
Bedingungen hervorzuheben, durch welche sich beide von einander
unterscheiden.

Zunächst schloß also der winzige Landgraf von Hessen mit dem mächtigen
König von England keinen Truppenlieferungsvertrag, wie Braunschweig,
sondern eine Allianz, ein Schutz- und Trutzbündniß, worin der eine Theil
(§. 1.) dem andern treue Freundschaft und die Förderung seiner
Interessen wie seiner eignen verspricht, und sich verpflichtet, alle
Verluste und Nachtheile vom andern abzuwenden. Ja England ging in den
Paragraphen 10. und 11. so weit, dem Landgrafen den ungeschmälerten
Besitz seines Gebietes zu verbürgen, falls er angegriffen werden sollte,
und natürlich verpflichtete sich auf der andern Seite der Landgraf, dem
Könige von England im Falle eines Angriffes zu Hülfe zu kommen und
seine Besitzungen vertheidigen zu helfen. Wir werden später sehen, wie
heftig diese Bestimmung, als der englischen Krone unwürdig, vom
Parlament angegriffen wurde.

Ueber dieser Wahrung seiner politischen Gleichberechtigung übersah
Schlieffen durchaus nicht die materiellen Vortheile. Zunächst setzte er
durch, daß aus allen früheren mit England abgeschlossenen Verträgen die
Hessen günstigsten Bestimmungen in den neuen Vertrag aufgenommen wurden,
wie dies auch aus seiner Einleitung hervorgeht. Natürlich hütete sich
Schlieffen wohl, irgend welche nachtheilige Klauseln aus der
Vergangenheit hervorzuziehen, dagegen war er, wo es seinem Interesse
entsprach, in einzelnen Fällen um so geschickter, eine Uebereinstimmung
zwischen der Gegenwart und längst obsolet gewordenen Paragraphen der
früheren Verträge zu entdecken. »Schlieffen wollte es zuerst als einen
unsere Verhandlungen leitenden Grundsatz anerkannt sehen -- schreibt
Faucitt am 20. Dezember 1775 an Suffolk -- daß die Verträge, welche
früher zwischen beiden Höfen abgeschlossen wurden, als die Basis gelten
sollten, auf welcher auch der gegenwärtige Vertrag abzuschließen sei,
und daß wir im Laufe unsers Geschäftes nur dann davon abgehen dürften,
wenn die veränderten Umstände es unbedingt verlangten. Eine Zustimmung
zu diesem Vorschlag meinerseits würde mich, wie ich fürchtete, einer
unangenehmen Beschränkung ausgesetzt haben. Ich widersprach also, indem
ich einwandte, daß augenblicklich kein allgemeiner Krieg herrsche, daß
ferner Hessen nicht in Gefahr schwebe, von einem fremden Feinde
überfallen zu werden, daß demnach die Verhältnisse, welche die Mehrzahl
der alten Verträge hervorgerufen, nicht existirten, weshalb es rathsamer
sein und unsre Arbeit bedeutend abkürzen würde, wenn wir unsere
Berathungen hauptsächlich auf diejenigen Punkte beschränkten, welche der
vorliegende Fall erheische. Der General bestand aber darauf, daß den
früheren Verträgen anhängen, auf geebneten Wegen gehen heiße, und daß
dadurch der Abschluß unserer Verhandlungen eher gefördert als gehemmt
werde. Außerdem, sagte er, sei es seines Herrn bestimmter Befehl, nur
auf der alten Grundlage zu verhandeln und weiter zu gehen. Der Landgraf
verlange also, daß seine Verbindung mit England nur im Einklang mit den
früher befolgten Prinzipien erneuert und keine ungünstigere, als irgend
eine der ihm bei früheren Gelegenheiten bewilligten Bedingungen
angenommen werde, um so mehr, da seine Truppen zum Dienste in einem so
entfernten Lande verwandt werden sollten. Ich mußte also nothgedrungen
nachgeben. Der Vertrag ist in der gewöhnlichen Form entworfen; viele
seiner Artikel sind den früheren Verträgen, namentlich demjenigen von
1755 entnommen« (dem vom Herzog von Newcastle abgeschlossenen, gegen den
Pitt damals auftrat).

Suffolk behandelte übrigens die Frage sehr oberflächlich und
leichtsinnig und meinte, es sei nichts als eine Pedanterie, ein Spielen
mit inhaltsleeren Worten, in welchen man sich an kleinen Höfen gefalle,
wo es keine wirklichen Geschäfte gebe, hatte deshalb auch nichts gegen
Faucitt's Nachgiebigkeit einzuwenden. Schlieffen zeigte diesem aber
bald, welche praktische Folgerungen sich aus dieser vermeintlichen
Prinzipienreiterei ziehen ließen.

Zuerst also setzte er durch, daß das Werbegeld auch für die Offiziere
bewilligt wurde, während es der Herzog von Braunschweig nur für die
Soldaten verlangt und erhalten hatte. Indessen war es im Vertrage von
1755 als eine Art Geschenk auch für die Offiziere gezahlt worden, damit
sie sofort ausrücken könnten. Es mußte mithin auch jetzt, obwohl unter
gänzlich veränderten Umständen, auf Schlieffen's Verlangen gezahlt
werden. Der Mehrbetrag, der auf diese Weise in die Tasche des Landgrafen
floß, war um zwanzig Prozent höher, als wenn das Werbegeld nur für die
Gemeinen in Ansatz gekommen wäre. Dann wurde die Subsidie nicht, wie bei
Braunschweig in deutschen Kronen, sondern in Kronen Banko[1] (à 1 Thlr.
21½ Sgr.) festgesetzt und zur Erzwingung dieses Anspruches auch
wieder der Präzedenzfall aus dem Jahre 1755 geltend gemacht. Die
Subsidie war eine doppelte während der ganzen Dauer des Krieges d.h.
450,000 Kronen (gleich 772,600 Thlr. Pr. Ct.) für 12,000 Mann, also
37½ Krone per Kopf. Der König von England mußte sie ein volles Jahr
vor ihrem Ablaufe kündigen, doch durfte er diese Kündigung erst nach der
Rückkehr und Ankunft der Truppen in Hessen geben.

Diese Bedingung erwies sich in der Folge als die härteste und lästigste
von allen. Faucitt und mit ihm Suffolk gingen von der Voraussetzung aus,
daß der Krieg nur ein, höchstens zwei Jahre dauern werde; beide
arbeiteten deshalb von Anfang an darauf hin, daß die Subsidie nicht
noch Jahre lang nach dessen Beendigung bezahlt zu werden brauchte. In
früheren Fällen war sie gewöhnlich nach dem Friedensschluß noch zwei,
einige Mal sogar noch vier Jahre und zwar zum doppelten Betrage der
während des Krieges gezahlten Summe in Kraft geblieben. Auch
Braunschweig erhielt im Einklang mit dieser Praxis während des Krieges
eine einfache und nach Beendigung desselben noch zwei Jahre lang eine
doppelte Subsidie. Schlieffen dagegen sah weiter und glaubte von vorn
herein nicht an einen baldigen Friedensschluß, sondern hielt einen
langjährigen Krieg für wahrscheinlich und schlug deshalb für dessen
Dauer eine doppelte Subsidie vor. Im ungünstigsten Falle verlor er im
Verhältniß zu Braunschweig nur ein Jahr, da die Subsidie selbst nach
Beendigung des Krieges noch ein Jahr nach der Ankunft der Truppen in
Hessen gezahlt werden mußte. Dauerte dagegen der Krieg länger als ein
Jahr, so war aller Vortheil auf Seiten Schlieffen's. Dieser that, als
bringe er dadurch ein Opfer, daß er außer der einjährigen auf jede
Subsidie nach dem Friedensschluß verzichte, und erklärte Faucitt, es sei
ihm eigentlich das alte Verfahren lieber; indessen wolle er in
Anbetracht anderer Vortheile im vorliegenden Falle gern nachgeben.
Dagegen behielt er sich zum Schein die Wahl vor, die Truppen nach vier
Jahren zurückzurufen oder dann einen neuen und zwar bessern Vertrag
abschließen zu dürfen. Natürlich war das nur eine Spiegelfechterei, an
deren Geltendmachung Schlieffen auch in der Folge niemals dachte. Allein
Faucitt biß an, Suffolk ließ sich auch fangen, und der Landgraf von
Hessen steckte einen Mehrgewinn ein, der sich während der zehnjährigen
Dauer des Vertrages auf ungefähr 600,000 Pf. Sterl. oder vier Millionen
Thaler belief.

Sodann durften die hessischen Truppen im Dienste England's nur auf dem
Kontinent von Nordamerika verwandt werden; sie hatten ihre eigenen
Aerzte und Hospital-Einrichtungen, die ebenfalls vom König von England
unterhalten werden mußten, und erhielten ihre Löhnung nicht vom
englischen Zahlmeister, sondern direkt vom Landgrafen, in dessen
Kriegskasse die zu diesen Zwecke bestimmte Summe eingezahlt werden
mußte. »Ich bestand -- schreibt Faucitt in demselben Briefe vom 20.
Dezember 1775 an Suffolk -- mit aller Energie darauf, daß die hessischen
Truppen ihre Löhnung so reichlich und ungeschmälert erhalten müßten als
die englischen. Der General erkannte ohne Weiteres die schmachvollen
Gaunereien an, unter denen die Hessen während des letzten Krieges in
Deutschland gelitten hatten und versicherte mich, daß er zwar, um nicht
das Mißvergnügen des Landgrafen zu erregen, keinen besonderen Artikel
über diesen Punkt in den Vertrag bringen dürfe, daß ich mich aber darauf
verlassen könne, daß sie dies Mal auf einem ebenso guten, wenn nicht
bessern Fuße gehalten werden sollten, als zur Zeit, wo sie in England
gewesen (1745).«

Der Landgraf willigte also nicht ein, daß seine Soldaten direkt von
England bezahlt wurden, noch gab er die bestimmte Erklärung, daß sie auf
demselben Fuße mit den englischen Truppen stehen, sondern stellte nur in
Aussicht, daß sie dies Mal besser als früher behandelt werden sollten.
Der Grund für die Erzwingung dieser Bedingung war kein andrer, als daß
sich auf diese Weise mehr Leute in Anrechnung bringen ließen, als
wirklich im Dienste waren. Daß der Landgraf dieses ehrlose Mittel, einen
unerlaubten Gewinn zu machen, nicht verschmähte, ergiebt sich aus den
beständigen Klagen und Berichten der englischen Musterungsoffiziere und
General-Kriegskommissaire, die in den Zahlungslisten stets mehr Soldaten
aufgeführt fanden, als wirklich bei den Fahnen standen. Nur aus diesem
Gesichtspunkte läßt es sich erklären, daß Schlieffen nicht, wie
Braunschweig, dreißig Kronen Banko für jeden Todten oder für je drei
Verwundete verlangte, sondern, daß er bei den Verhandlungen das
Hauptgewicht auf die Auszahlung der hessischen Löhnung durch den
Landgrafen legte. Ein Hesse, der nur drei Monate länger auf den
Präsenzlisten geführt wurde, brachte schon mehr ein, als ein
braunschweigischer Verwundeter.

Obgleich der Vertrag erst am 31. Januar abgeschlossen wurde, so mußte er
auf den Wunsch des Landgrafen, der für die eingetretene Verzögerung dem
englischen Ministerium Schuld gab, doch auf den 15. Januar vordatirt und
von diesem Tage an auch die doppelte Subsidie bezahlt werden. Die
Löhnung für die erste Division, die am 16. Februar marschiren sollte,
fing ebenfalls schon zwei Wochen früher, nämlich am 1. Februar an,
während die zweite Division sie sieben Tage vor ihrem wirklichen
Abmarsche erhielt, um sie für die mit der schnellen Ausrüstung
verursachten außerordentlichen Ausgaben zu entschädigen. Außerdem wurde
den Truppen die englische Löhnung noch bis zum Ende des Monats
zugesichert, in dessen Laufe sie in ihre Heimath zurückgekehrt sein
würden.

Wohl hatte Schlieffen Ursache, sich später dieses Meisterstückes seiner
Diplomatie zu rühmen und zu sagen, daß keiner der Verträge, deren
Hessen's Landesherren früher mehrere mit England geschlossen, je für sie
so vortheilhaft gewesen sei, als der von ihm eingegangene. Der einzige
Punkt, in welchem er nachgab, war das Verlangen, daß das ganze Korps
noch ein ganzes Jahr nach seiner Rückkehr in englischem Solde stehen
sollte. Er stützte sich für diese Forderung auf den fünften Artikel des
Londoner Vertrages vom 1. April 1760, mußte sie aber bei näherer Prüfung
des Originals fallen lassen, weil die damals überlassenen beiden
Truppenabtheilungen nur aus Gefälligkeit von England bezahlt waren, um
dem Landgrafen in seiner eignen Hauptstadt die Residenz zu ermöglichen.

»Der Vertrag mit Braunschweig -- schreibt Suffolk am 2. Januar 1776 an
Faucitt -- mag Ihnen als Muster für den mit Hessen abzuschließenden
dienen. Der König wünscht, daß wo möglich ein Vertrag dem andern
gleiche. Können Sie daher den Schlieffen'schen Entwurf dem
braunschweigischen Vertrag näher bringen, so ist es desto besser. Sollte
Schlieffen dagegen auf seiner Parade mit Redensarten bestehen, so
beharren Sie nicht auf ihrer Verwerfung, sondern behalten Sie sich
wesentliche Punkte vor. Eine Ersparniß würde uns allerdings sehr
erwünscht sein, indessen darf sie nicht unserm großen Zwecke im Wege
stehen, welcher darin besteht, daß wir so schnell als thunlich möglichst
viele Soldaten erhalten. Wenn deren 10,000 Mann zu erlangen sind, so
wird hoffentlich ein Theil derselben früher als zur festgesetzten Zeit
zu marschiren im Stande sein. Sie wissen selbst, von welch' ungeheurer
Wichtigkeit eine frühzeitige Einschiffung ist.

Der erste Gegenstand, der Ihre ernste Aufmerksamkeit verdient, ist die
Geldwährung, in welcher das Werbegeld und die Subsidien bezahlt werden
sollen. Der Vortheil von fast fünfzig Prozent, welchen der Kassler Hof
auf diese Weise über den Braunschweiger gewinnt, sollte eigentlich durch
die außerordentliche Schnelligkeit in der Beförderung der Truppen
ausgeglichen werden. Darauf kommt Alles an. Diesen Vorzug müssen wir
wenigstens vom Landgrafen erlangen. Gehen Sie schlimmsten Falles aber
auf alle seine Bedingungen ein, wenn Sie keine besseren festsetzen
können. Das Verlangen der Werbegelder für Offiziere ist neu, sollte also
nicht zugegeben werden. Die von Ihnen angenommene Art der
Subsidienzahlung ist vom Könige gebilligt. Hoffentlich wird der Landgraf
nicht darauf bestehen, daß die doppelte Subsidie noch ein ganzes Jahr
nach der Rückkehr seiner Truppen in ihre Heimath gezahlt wird. Geben
Sie höchstens sechs Monate zu. Die Löhnung der Truppen sollte eigentlich
mit ihrer Rückkehr aufhören, jeden Falls aber muß sie mit dem Monate
ihrer Rückkehr enden.

Der Separat-Artikel, welcher der Desertion der Truppen im Kurfürstenthum
Hannover vorbeugen soll, kann keinen Theil eines Vertrages mit dem
Könige von England bilden. Der Landgraf wird sich am besten gegen
Desertion und die Abneigung der deutschen Soldaten gegen eine Seereise
schützen, wenn er ihnen alle Vortheile der englischen Löhnung sichert.
Sie dürfen diese Löhnung nur im Einschiffungshafen oder da anfangen
lassen, wo die Truppen des Landgrafen Gebiet verlassen. Richten Sie ihre
ganze Aufmerksamkeit darauf, daß die Einschiffung ohne Zeitverlust
erfolgt, da die schnelle Beförderung der Hessen auf den Kriegsschauplatz
von der höchsten Wichtigkeit ist. Wir müssen vor Allem jede Art
Verzögerung verhüten, indem diese den Hauptvortheil der erwarteten Hülfe
zu nichte machen würde.«

Die Vorschriften und guten Lehren, welche Suffolk hier gab, kamen zu
spät. Schlieffen bestand auf seinen Forderungen und Faucitt mußte wohl
oder übel nachgeben, weil sonst das ganze Geschäft gescheitert wäre.
»Der Landgraf -- schreibt der Unterhändler am 1. Februar 1776 an Suffolk
-- der keine Schulden, sondern sehr gute Finanzen hat, ist in diesen
Dingen schwer zu behandeln; er hätte einfach sein Korps nicht marschiren
lassen. Er hält den Krieg von nur kurzer Dauer und will sich sicher
stellen.« Jetzt entdeckte denn endlich Suffolk auch, warum Schlieffen
immer auf die alten Verträge zurückgegangen war. »Seine Vorliebe für
Präzedenzfälle -- meint er bei Uebersendung der Ratifikation am 12.
Februar 1776 -- hat sich hier nicht auf bloße Formalitäten beschränkt,
sondern mit besonderm Geschick alle ihm günstigen zufälligen
Bestimmungen aus früheren Verträgen zusammengesucht. In Anbetracht der
Tüchtigkeit und Zahl der Truppen aber, und der Schnelligkeit, mit
welcher sie marschfertig gemacht sind, sowie der Unbestimmtheit der
Zeit, für welche sie in unsern Dienst treten, billigt der König die
gegenwärtige Fassung der Artikel.«

Trotz aller dieser Zugeständnisse waren übrigens die Forderungen des
Landgrafen noch nicht erschöpft. Er verlangte ferner die Erledigung
seiner angeblichen Rechnungen für Hospitalauslagen, die aus dem
siebenjährigen Kriege her rückständig sein und Lstr. 41,820. 14. 5
betragen sollten. Alles, was Faucitt erreichen konnte, war die
Einwilligung, daß diese Ansprüche keine Paragraphen des neuen Vertrages
bildeten; wogegen er deren sofortige Prüfung und eventuelle Erledigung
versprechen mußte. Auch Suffolk beeilte sich, dem Landgrafen die
beruhigendsten Zusicherungen zu geben, verzögerte aber die endliche
Entscheidung und wagte, durch den zu diesem Zwecke eigens nach London
gekommenen Schlieffen gedrängt, erst im Mai 1777 gegen Ende der Sitzung
die Sache dem Hause vorzulegen.

Die Opposition führte den Beweis, daß der Anspruch schon vor vierzehn
Jahren erhoben und als ungerecht verworfen worden sei. Die Minister
waren nicht im Stande, das Gegentheil zu beweisen, behaupteten dagegen,
daß der Anspruch nur geruht habe und in Ermangelung erschöpfender
Beweise blos vorläufig abgewiesen sei. Obgleich seitdem keine neuen
Beweise beigebracht waren, so erschien er ihnen jetzt doch in jeder
Weise gerecht und billig, da es galt, einen so eigensinnigen und
zugleich unentbehrlichen Geschäftsfreund wie den Landgrafen nicht vor
den Kopf zu stoßen. Thomas Bishop, der zur Zeit des siebenjährigen
Krieges mit diesem Zweige der Verwaltung der verbündeten Armee
beauftragt gewesen war, wurde jetzt vom Ministerium auf's Neue
angewiesen, die vorgelegten Rechnungen zu prüfen. Bei dem besten Willen,
sich Lord Suffolk und dessen Kollegen gefällig zu zeigen und unbewiesene
Belege für erwiesene anzunehmen, konnte er als höchste Summe doch nur
Lstr. 29,321. 16. 8 zusammen rechnen, so daß also der Landgraf selbst im
günstigsten Falle Lstr. 12,498. 17. 9 zu viel verlangte. Bishop gesteht
aber selbst zu, daß er die Versicherung des Herzogs oder Erbprinzen von
Braunschweig und anderer hochgestellter Personen, daß eine Rechnung
richtig sei, stets als genügenden Beweis angenommen habe.

Bei den Verhandlungen im Hause selbst meinte der Oberst Barre, man könne
sich zu den kleinen deutschen Fürsten jeder Schandthat versehen, sie
wären froh gewesen, wenn sie für manche ihrer Forderungen aus dem
siebenjährigen Kriege einen Penny für den Shilling erhalten hätten; auch
der gegenwärtige Anspruch sei nichts als versuchter Schwindel. Baldwin
wandte ein, daß der hessische Landgraf, wenn er eine gerechte Forderung
gehabt hätte, nicht vierzehn Jahre auf ihre Bezahlung gewartet haben
würde; er, der Redner, wisse aber, daß sie, weil unbegründet, ihrer
Zeit unbedingt verworfen worden sei. J. Townshend betrachtete die
geforderte Summe als neue Subsidie, als einen, jeden Engländer
beschimpfenden Tribut. Burke erklärte die Ehre der Nation dafür
verpfändet, daß der Anspruch nicht bezahlt werde. Booth erschien die
ganze Sache deshalb verdächtig, weil sie so spät gegen Ende der Sitzung,
wo die meisten Mitglieder vom Lande schon nach Hause zurückgekehrt
seien, vorgebracht werde. Die Abstimmung erfolgte am 8. Mai 1777 und
ergab eine Majorität von nur fünfzig Stimmen gegen zwei und vierzig zu
Gunsten des Ministeriums. So wurden denn dem Landgrafen von Hessen unter
dem Titel eines bisher unbefriedigten Anspruches für Hospital-Rechnungen
aus dem siebenjährigen Kriege noch Lstr. 41,820. 14. 5 gleich 268,804
Thlr. 15 Sgr. bezahlt. Auf die inzwischen angelaufenen Zinsen
verzichtete der Empfänger. Ob er es wohl gethan haben würde, wenn er
seine Forderungen als richtig hätte nachweisen können?

Der Landgraf bot übrigens, nachdem das gegenseitige Verhältniß einmal
vertragsmäßig festgesetzt war, Alles auf, um seinen Verbindlichkeiten
auf's Gewissenhafteste nachzukommen. Bei seiner übermäßigen Geldgier,
wie Faucitt seine Plusmacherei bezeichnet, hinderte ihn diese
Gewissenhaftigkeit jedoch nicht, überall seinen Vortheil zu erspähen und
wo sich nur eine Gelegenheit bot, die Ausgaben höher zu treiben. So
benutzte er den im Vertrage gebrauchten unbestimmten französischen
Ausdruck »attirail« der Artillerie (Zurüstung und Geräth) zur Berechnung
aller möglichen Posten und Nebenforderungen, so daß Suffolk ganz
erschrocken ob der angeschwollenen Rechnung Faucitt eiligst bat, doch ja
in Zukunft unbestimmte französische Ausdrücke zu vermeiden. Außerdem
wurde für Fuhren und Fuhrdienst, Transportwagen und Lederzeug besonders
liquidirt; allein das englische Ministerium mußte, wenn auch
widerwillig, Alles bezahlen, da es vorher auf die schleunigste
Mobilmachung der hessischen Truppen gedrungen hatte.

Diese waren zur ursprünglich bestimmten Zeit, d.h. Mitte Februar,
marschfertig, konnten aber so wenig wie die Braunschweiger ausrücken,
weil seitens des englischen Marineministeriums die Vorkehrungen für die
Beförderung der fremden Soldaten so liederlich und verspätet getroffen
waren, daß die Transportschiffe erst zu Anfang März von England nach
Bremerlehe abfahren konnten. So blieben die Hessen denn noch vierzehn
Tage länger in ihren Quartieren. Die erste Division marschirte erst am
2. März zum Einschiffungshafen ab, wo sie zwischen dem 15. und 20. März
eintraf. Faucitt musterte sie am 20. März in den englischen Dienst ein.

Er war ganz entzückt von den prächtigen Regimentern und schrieb in
diesem Sinne am 25. März 1776 an Suffolk, wie folgt: »Die mit guten
Büchsen bewaffneten Jäger sind kräftige und schöne Leute und von Jugend
an gelernte tüchtige Schützen. Das Grenadierbataillon Linsing ist ein
prachtvolles Korps, ein herrlicher Menschenschlag; die Mannschaften
stehen sämmtlich noch in ihrer ersten Jugend und besten Kraft. Die
Regimenter Garde du Korps (Oberst Wurmb), Prinz Carl (Oberst Schreiber),
General Ditfurth (Oberst Bose), General Trümbach (Oberst Bischhausen)
sind gleichfalls ausgezeichnet und für jede Art Dienst geeignet. Es ist
schwer zu sagen, welches von ihnen das beste ist. Alle zusammen haben
nur sechs Kranke und sechs Deserteure. Vier Regimenter sind schon
eingeschifft, die Grenadiere werden morgen eingeschifft und die Jäger,
sobald ein andrer Transport ankommt. Die Disziplin der Soldaten ist
ausgezeichnet. Fünf andre Korps -- fährt Faucitt am 2. April fort --
sind vor diesen Tagen eingemustert: ein Grenadierbataillon, Oberst
Block, die Füsilier-Regimenter Erbprinz, Oberst Hachenberg, Knyphausen,
Oberstlieutenant Borck, Mirbach, Oberst Loos und Donop, Oberst Rosen.
Alle fünf sind ungewöhnlich schöne Regimenter, vollständig uniformirt
und bewaffnet und für jeden Dienst in der ganzen Welt tauglich. Ich
erwähne die alten Leute nicht, weil ihrer kaum zehn bis zwölf sind, die
älter als vierzig bis fünfundvierzig Jahre sein mögen. Nur in der Höhe
der Mannschaften herrscht ein kleiner Unterschied vor; das erste Glied
ist vielleicht einen halben bis einen Zoll größer als die übrigen,
allein kein Mann war unter fünf Fuß acht Zoll, und alle Glieder waren
einander gleich. Das Centrum war ein wenig kleiner, aber auch dieses
besteht aus jungen, gesunden und gut aussehenden Burschen. Nur sieben
Mann sind von diesen letzten fünf Regimentern desertirt, einer gestorben
und drei krank. Die drei letzten Korps dieser Division -- so schließt
Faucitt seinen Bericht vom 12. April -- sind das Grenadierbataillon,
Oberstlieutenant Minnigerode, das Füsilier-Regiment Losberg, Oberst
Heringen und das Rall'sche Regiment. Die beiden ersten sind
ausgezeichnet und in jeder Beziehung tüchtig, sie sehen aus wie
Veteranen; Rall's Regiment ist das schlechteste von Allen, die ich
gesehen habe, sowohl was Größe als körperliche Stärke der Mannschaften
betrifft. Es war bisher eines der Friedens- und Garnisons-Regimenter,
welches schnell vollständig rekrutirt werden mußte. Der thätige und
ausgezeichnete Oberst wird sie aber schnell einexerziren.«

Die Zahl der hier spezifizirten, die erste hessische Division bildenden
und vom Generallieutenant Heister kommandirten Truppen belief sich im
Ganzen auf 8397 Mann, nämlich Generalstab 25, drei Bataillone Grenadiere
mit Stab jedes 529, also 1587, zehn Regimenter Infanterie mit Stab jedes
663, also 6630, und die Jägerkompagnie mit 150 Mann. Dazu kam noch die
Artillerie, die aus 38 Geschützen und 557 Mann bestand, wovon 13 Stücke
und eine Kompagnie mit dieser ersten Division eingeschifft wurden. Der
letzte Mann derselben ward am 14. April in den englischen Dienst
gemustert. Gegen Ende des Monats kam sie nach Spitehead und Portsmouth,
mußte hier aber wieder einige Zeit liegen bleiben, weil auf den bisher
benutzten Schiffen nicht Raum genug vorhanden war und erst einige neue
beschafft werden mußten. So traf die erste Division, denselben Leiden
und Beschwerden wie die Braunschweiger ausgesetzt, erst zu Anfang August
in Staaten Island ein.

Die zweite Division Hessen konnte von Faucitt erst am 2. Juni in
Ritzebüttel in den englischen Dienst gemustert werden, weil früher
keine Transportschiffe zu ihrer Beförderung nach dem Kriegsschauplatze
vorhanden waren. Sie hatte nach seiner Beschreibung nicht so kräftige
und schöne Leute, als die erste Division, indessen übertraf sie doch
seine Erwartungen. Das Zentrum hatte viele kleine Leute, doch waren
sie jung und kräftig. Kaum ein einziger Soldat schien älter als
siebenzehn bis achtzehn Jahre alt zu sein. Diese ganze zweite Division
bestand mit Ausnahme des Wuttgenau'schen Regimentes aus lauter
Garnisons-Regimentern, die besonders für den amerikanischen Dienst
ausgehoben und kompletirt wurden und deshalb in jeder Beziehung
schlechter als die erste Division, aber Alle noch geborne Hessen
waren. Sie war gebildet aus den Regimentern Huyne, Stein, Knyphausen,
Wuttgenau, Bünau und Wissenbach, sowie dem Grenadierbataillon Köhler
und zählte nebst entsprechender Artillerie im Ganzen 3997 Mann.
Divisions-General war der General-Lieutenant v. Knyphausen, während
der General-Major Schmidt und der Oberst Loßberg die beiden Brigaden
kommandirten. Beide Divisionen zählten somit im Ganzen 12,394 Mann.
Die zweite kam erst Mitte Oktober in Amerika an und landete am 18.
Oktober in der Nähe von New Rochelle am Long Island Sund, so daß sie
noch einen rühmlichen Antheil an den militärischen Bewegungen des
Herbstes 1776 nehmen konnte. --

Uebrigens begegnete der Landgraf schon bei der Aushebung und
Vervollständigung dieser zweiten Division nicht unbedeutenden
Schwierigkeiten, deren bedeutendste in der Desertion seiner eigenen
Unterthanen bestand. Diese entliefen nämlich, um die Einreihung in eins
der nach Amerika bestimmten Regimenter zu vermeiden, in hellen Haufen
nach Hannover und in die benachbarten Staaten. Obgleich im §. 13. des
Vertrags mit England versprochen war, daß die Flüchtlinge von den
hannöverschen Behörden ausgeliefert werden sollten, so trat doch der
aktive und passive Vorschub, den das Volk diesen Flüchtlingen überall
leistete, der Ausführung dieser Bestimmung hindernd in den Weg. Das
hannöversche Ministerium verhielt sich den Beschwerden des Landgrafen
gegenüber ebenfalls ablehnend, indem es die Entlaufenen auf dessen bloße
Angabe hin nicht einfangen und sich nicht zum Jäger und Büttel eines
fremden Fürsten hergeben wollte. Der hessische Landesvater wandte sich
deshalb durch Faucitt direkt an Suffolk, und ließ ihn bedeuten, daß
dieser haufenweisen Flucht ein Ende gemacht werden müsse, wenn er in den
Stand gesetzt werden solle, die erforderlichen Mannschaften und Rekruten
zu stellen. Während einige Monate vorher jede Einmischung in diese
Angelegenheit als unverträglich mit der Würde Englands kategorisch
abgewiesen worden war, wurde jetzt im Interesse des Dienstes dem
hannöverschen Ministerium befohlen, daß zur Verhinderung fernerer
Desertion eine Art Kartell oder zeitweilige Uebereinkunft mit
Hessen-Kassel geschlossen werden müsse. Gleichwohl hörte aber die Flucht
dienstpflichtiger und tüchtiger Hessen nicht auf, sodaß der Landgraf
vergebens selbst zu außerordentlichen Mitteln seine Zuflucht nahm.
Dasjenige, von welchem er sich den meisten Erfolg versprach, war der
Erlaß der halben Kontribution und des »Schreckenbergers«.[2]

»Es gereicht uns alle Mal zur beruhigenden Zufriedenheit -- heißt es in
der Verordnung vom 30. Juni 1776 -- wenn wir unseren getreuen
Untertanen Merkmale von unserer Landesväterlichen Zuneigung geben und
ihnen, so oft es die Bedürfnisse des Staates nur immer erlauben wollen,
die auf sich habende öffentliche Lasten erleichtern oder gar vermindern
können.

In dieser gnädigsten Gesinnung, und damit erwänte unsere getreue
Untertanen von dem noch nicht überall verschmerzten letzteren Kriege und
darauf erfolgten Mißjaren und Teuerung sich desto eher wieder erholen,
haben wir aus eigener Bewegung gnädigst beschlossen, daß dem ganzen
Lande vom 1. Juli dieses Jares an, und so lange das der Krone England
überlassene Auxiliaire-Corps abwesend sein wird, die Hälfte der ersten
monatlichen ordinairen Contribution, wie sie in den Etats Unseres Kriegs
Zal-Amts dermalen festgesetzt ist, oder durch die Ratifikation nach
Publikation der neuen Katastern anderweit requirirt wird, nicht nur
gänzlich erlassen, sondern auch die Erhebung der zu unserer Kriegs-Kasse
fließenden _Schreckenberger_ bis zur Zurückkunft des Corps sistirt
werden soll: jedoch also und dergestalt, daß unter der Contribution, die
statt der Naturalleistung zu entrichtende Fourage und Militair Bau
Fuhr-Gelder, keineswegs, unter dem Schreckenberger aber weder der
zur Tilgung derer vom letzteren Kriege her noch unbezalten
Gemeinde-Schulden, im Jare 1773 von Unsrer hessischen Landschaft
verwilligte halbe Schreckenberger, noch auch die von Unsrer Grafschaft
Schaumberg zu einigem Abtrage der Stadt Rinteln und Oldendorfischen
Kriegs-Schulden ausgeworfene halbe Fräulein-Steuer zu verstehen, sondern
so ein als andre, nach wie vor, zu erheben und beizutreiben ist.«

Diese landesväterliche Huld klingt wie ein Hohn auf das unglückliche
Land. Serenissimus streicht für jeden der 13,000 an England verhandelten
Unterthanen zuerst 30 Kronen Werbegeld, dann noch einmal 37½ Krone
jährlicher Subsidie ein; England bezahlt und verpflegt außerdem seine
Armee, die ihn also für die Dauer des Vertrages gar Nichts kostet, und
er ist so gnädig, die halbe Kriegs-Kontribution und den Schreckenberger
zu erlassen! Noch blutete Hessen an den Wunden, welche der siebenjährige
Krieg ihm geschlagen, an den Kontributionen und Lasten, welche Freund
und Feind volle sieben Jahre lang ihm auferlegt hatten; Gemeinde, Dörfer
und Städte waren in Folge dessen tief verschuldet. Hier also wäre zu
retten, zu lindern und zu helfen so leicht und lohnend gewesen; aber da
hätte ja Serenissimus von seinem Gewinn zuviel abgeben müssen.

»Was von dem Blutgelde -- sagt ein konservativer Geschichtschreiber,
W. Wachsmuth -- zur Verschönerung der Hauptstadt, Stiftung des
Karolinums, einer Akademie &c. verwandt wurde, war wie wenn einem
Hungernden Bonbons statt Brod gereicht werden. Der Schatz füllte sich
vom Blut und von den Thränen des Volkes, das blos den Trost hatte,
von den Kriegs-Kontributionen einstweilen nur die Hälfte bezahlen zu
müssen.«

Ein Familienvater, der nur zwei Söhne als Soldaten stellte und etwa 50
Fl. jährlicher Steuern zahlte -- in diesem Falle wird sich die Mehrzahl
der Bauern befunden haben -- erhielt davon einen halben Schreckenberger
(also 3 Sgr.) und vielleicht ein paar Gulden halber Kriegs-Kontribution
geschenkt; dagegen bereicherte er seinen Landesvater ein für alle Mal um
60 Kronen Werbegeld und um 75 Kronen jährlicher Subsidien. Das Volk
scheint in der That so undankbar gewesen zu sein, die Sache von diesem
nüchternen Zahlenverhältniß aus betrachtet und dem entsprechend die
landesväterliche Gnade in ihrer ganzen Schäbigkeit gewürdigt zu haben,
denn es entzog sich nach wie vor dem Dienste durch die Flucht, trotzdem
daß die ganze hessische Grenze Tag und Nacht von berittenen Landjägern
bewacht wurde.

Diese wohlbegründete Abneigung der Hessen gegen den Eintritt in das nach
Amerika bestimmte Heer erschwerte dem Landgrafen sein Geschäft um so
mehr, als die Anforderungen Englands täglich wuchsen; ja sie drohte
seinem Säckel sogar sehr gefährlich zu werden. Zunächst wurden gegen
Ende 1776 noch hessische Jäger verlangt. General Heister hatte ihre
Bedeutung in den Long Islander Gefechten vom 27. bis 29. August 1776
erkannt und in einem aus Brooklyn am 3. September 1776 an Lord Suffolk
datirten Briefe ihrer 800 Mann zur Vermehrung der englischen Armee für
unbedingt nothwendig erklärt. Er wollte in ihnen einen den
amerikanischen Riflemen ebenbürtigen, wenn nicht überlegenen Gegner
schaffen. Der englische Oberbefehlshaber stimmte dem deutschen General
bei, dessen leichte, von Donop geführte Truppen soeben die Siege bei
Flatbush und Brooklyn entschieden hatten, und Suffolk bat sich in Folge
dieser Gesuche sofort von Schlieffen die geforderte Anzahl, sowie 100
unberittene Husaren aus. Um sich den hessischen Minister geneigt zu
machen, erklärte er ihm in einer Zuschrift vom 15. November 1776, daß
der König von England den damals noch schwebenden Streit ob der an die
Artillerie zu zahlenden Subsidien auf sich beruhen lassen und sich an
den Geist des abgeschlossenen Vertrages halten wolle, daß Seine Majestät
demnach, obgleich in demselben nichts über die Artillerie gesagt sei,
die Subsidie für das Korps von 12,000 Mann im Verhältniß der drei
Kompagnien Artillerie vermehren werde.

Für Schlieffen war dies eine Zugeständniß nur eine Aufforderung, ihrer
noch mehrere zu verlangen. »Der Landgraf freut sich -- antwortet er am
25. November 1776 -- daß die Schwierigkeiten wegen der Subsidien der
Artillerie endlich gehoben sind und hofft, daß seine Hospitalforderungen
jetzt auch bald geordnet werden. (Es geschah, wie oben berichtet, im
folgenden Mai.) Er wird sein Möglichstes thun, die 800 Jäger zu liefern.
Sein eigenes Land hat deren allerdings nicht genug, allein Deutschland
wimmelt davon. Wir werden sie in den benachbarten Staaten anwerben,
falls nicht die Furcht vor der Seereise hindernd dazwischen tritt. Wir
wollen übrigens gleich mit der Werbung anfangen, um zu sehen, wie
schnell wir Erfolg haben werden. Der Landgraf will nur Freiwillige; das
dauert etwas länger. Wir müssen also möglichst viel Zeit haben.«

Als Faucitt Anfang Dezember 1776 zum Abschluß des Vertrages wegen der
Jäger in Kassel ankam, war der Landgraf bereits nach Italien abgereist.
Indessen hatte Schlieffen Vollmacht, in seinem Namen zu handeln und
abzuschließen. »Es ist ein Glück für Sie -- sagte er dem gläubigen
englischen Kommissar bei dessen erstem Besuche -- daß Sie nur mit mir zu
thun haben, denn der Landgraf ist äußerst übel gelaunt und in einer sehr
veränderlichen Gemüthsstimmung (most exceedingly whimsical and uncertain
in his homours and dispositions); es ist daher schwer mit ihm fertig
werden.« Diese Eröffnung bedeutete natürlich nichts als neue
außerordentliche Forderungen, die der gute Faucitt, wie wir gleich sehen
werden, ebenso natürlich bewilligte.

»Ich habe -- schreibt Faucitt am 16. Dezember 1776 aus Kassel an Suffolk
-- mit Schlieffen abgeschlossen und lege den Vertrag bei. Heister und
Donop wollen keine Husaren, sondern berittene Jäger, wie sie im letzten
Kriege hier verwandt wurden. Ich habe sie deshalb statt der Husaren
engagirt. Für jeden Mann werden (außer dem gewöhnlichen Werbegeld von
dreißig Kronen) noch fünfzehn Kronen Extra-Werbegeld bezahlt, da Sättel,
Säbel, Pistolen, Sporen, Schuhe &c. außerdem geliefert werden müssen.
Die Löhnung beginnt mit dem Tage der Aushebung. Ich wollte sie sieben
oder fünfzehn Tage vor dem Abmarsch festsetzen, mußte aber nachgeben,
weil das Korps vorher noch gar nicht bestanden und die Kosten seiner
Aushebung ganz ausschließlich auf den Landgrafen fallen. Die Jäger
werden hier erst geprüft werden, ob sie tauglich sind, und Anfang
Februar marschfertig sein. Ich werde sie die Weser hinunter schicken.«

Uebrigens war kaum die erste Hälfte dieser Jäger Mitte März 1777
marschfertig. »Wir thun, was in unseren Kräften steht -- schreibt
Schlieffen am 24. März 1777 an Faucitt -- für die Aushebung und
Ausrüstung der Truppen, namentlich der Jäger; _ein_ Mann kostet uns
jetzt mehr als Ihre dreißig Kronen. Angesichts der großen Zahl, die wir
marschiren lassen, thut man uns in London Unrecht, wenn man nicht mit
uns zufrieden ist. Man legt uns fast überall Hindernisse in den Weg. Die
Hannoveraner behandeln uns, als ob wir zu Gunsten der Amerikaner
aushöben. Wir haben deshalb unsere Rekruten-Depots soweit als möglich
von der hannöver'schen Grenze weg verlegen müssen. Die Jäger kommen
äußerst langsam und werden nur sehr allmälig vollzählig. Die
gleichzeitige Aushebung in Hanau und die »catastrophe choquante« bei
Trenton, die hier mit den größten Uebertreibungen bekannt wird,
verzögern unsere Operationen sehr. Viele von diesen Schurken
verschwinden wieder, nachdem sie eben eingekleidet sind. Die
Nachbarschaft von Hannover sichert ihnen alle nur denkbaren Vortheile.«

Faucitt musterte diese ersten Kompagnien erst am 26. März in den
englischen Dienst ein, worauf sie sofort eingeschifft wurden. »Die Jäger
-- sagt er -- sehen gut aus. Es sind kräftige Leute; einige von ihnen
zwar sehr alt, allein da sie im Walde aufgewachsen, äußerst gewandt;
andere dagegen sehr jung, und wissen als Söhne von Förstern
ausgezeichnet mit dem Gewehr umzugehen. Ihre Waffen und ganze Equipirung
fand ich sehr gut. Eine Kompagnie darunter waren berittene Jäger.«

Die Beschaffung des Restes nahm noch längere Zeit in Anspruch. Der
Landgraf bot deshalb, um die Rekrutirung zu beschleunigen, am 20. März
1777 statt des bisher gezahlten _einen_ Friedrichsdors für jeden fremden
Jäger, der sich vor dem 15. April anwerben ließ, vier Friedrichsdors und
für jeden gebornen Hessen drei Friedrichsdors Handgeld. Auf diese Weise
setzte er sich in den Stand, die bedungene Zahl bis Ende Mai zu liefern.
Faucitt fand dies Mal, als er die letzten Kompagnien am 26. Mai in
Bremerlehe einschiffte, schon mehr Vagabonden und sonstige lose Gesellen
unter ihnen, »da die hessischen Behörden jeden armen Teufel, den sie
betrügen können, einfangen und uns aufhalsen. Es ist deshalb unbedingt
nöthig, daß für die Zukunft ein besserer und genauerer Plan für die
Rekrutenlieferung vereinbart wird, denn sonst erhalten wir nur Schund.«

Natürlich wurde die Verlegenheit mit jedem Tage größer; die englischen
Anforderungen wuchsen im Verhältniß zu den bereits geleisteten
Truppenlieferungen in geometrischer Proportion. Nicht allein die
Rekruten mußten geliefert, sondern auch die Gefangengenommenen ersetzt
werden. In Folge des Verlustes von 933 Hessen bei Trenton gab sich der
Landgraf besondere Mühe, »Seiner Majestät seine Anhänglichkeit und
seinen Eifer für den englischen Dienst von Neuem zu beweisen und den
Verlust von Mannschaften und Waffen möglichst schnell zu ersetzen.«
Allein England brauchte jetzt die Soldaten schneller und zahlreicher als
Deutschland sie liefern konnte. Um die Chikanen seitens der rheinischen
Fürsten für die Zukunft zu vermeiden, wurde das kassel'sche
Rekruten-Depot von Rheinfels nach Ziegenhayn verlegt.

Am 14. Dezember 1777 verlangte der englische General-Adjutant Harvey
nicht weniger als 1230 Hessen-Kasseler zur Kompletirung ihrer
zusammengeschmolzenen Regimenter, von denen u.A. eins, ein
Grenadier-Regiment allein, im März und April 1777 zu New Brunswick in
New Jersey wegen schlechter Hospital-Einrichtungen 300 Mann am
Faulfieber verloren hatte. Gleichwohl wurden die Ersatzmannschaften fast
alle und sogar ziemlich pünktlich geliefert. War doch der Gewinn ein
ungeheurer! Man stahl eben die Unglücklichen aus aller Herren Länder
zusammen. Wer sich ein treues und richtiges Bild von den in Bewegung
gesetzten Mitteln und von den auf diese Weise gepressten Menschen machen
will, der lese die einfache, nirgend übertreibende, darum doppelt
ergreifende Schilderung eines der Opfer des fürstlichen Menschenraubes
nach; er findet sie in der Selbstbiographie eines _deutschen Dichters,
Johann Gottfried Seume's_.




Fünftes Kapitel.


Faucitt hatte kaum seine ersten Geschäfte in Kassel beendigt, als er am
2. Februar nach Hanau eilte, wo er bereits am 5. Februar 1776, dem Tage
nach seiner Ankunft, mit Wilhelm, dem Erbprinzen von Kassel und
regierenden Grafen von Hanau, einen Vertrag abschloß.

Die Grafschaft Hanau war im Jahre 1736 an Kassel gefallen und seitdem
von den kassel'schen Erbprinzen als selbständiges Fürstenthum verwaltet
worden. Wilhelm I. -- der Großvater des letzten Kurfürsten von
Hessen-Kassel -- war als neunjähriger Knabe 1754 nach Hanau gekommen und
wurde 1764 selbständiger Regent des Ländchens. Sein Vater hasste ihn,
trotzdem daß, oder vielleicht nur weil er ihm ähnlich war. Er theilte
alle schlechten Eigenschaften mit ihm und fügte dazu noch einige neue,
eine wo möglich noch gröbere Sinnlichkeit, den Mangel jeder persönlichen
Würde und den schmutzigsten Geiz. Selbst der Schein der Bildung und
Kunst war ihm zuwider; er war eine rohe Unteroffiziersnatur, die nur den
Kamaschendienst kannte.

Unter seinen vier und siebenzig unehelichen Kindern haben sich die
Gebrüder Haynau eine traurige Berühmtheit erworben. Seine langjährige
Maitresse war ein Fräulein von Schlotheim, die später zur Gräfin
Hessenstein erhoben, ihm allein zwei und zwanzig Kinder und zwar, wie
sie selbst ihrer Erzählung im spätern Alter hinzuzufügen pflegte, alle
ohne Liebe gebar. Dieser Fürst hatte übrigens ein sehr einfaches Mittel
erfunden, seine unehelichen Sprößlinge zu versorgen. Er vertheuerte den
Preis des von den Unterthanen aus den Salinen zu beziehenden Salzes um
einen Kreuzer auf den Sack und belehnte den Neugeborenen mit dieser
Rente. Die Schlotheim weigerte sich anfangs, den Lüsten des Landgrafen
zu dienen, ward an diesen aber von ihren Eltern, als sie entflohen war,
zurückgeliefert. Eine Kasseler Dame erzählte einer Freundin im Auslande
die Geschichte von der gewaltsamen Entführung des Fräuleins von
Schlotheim, deren anfängliche Weigerung und Flucht, sowie ihre durch die
eigenen Eltern bewirkte Auslieferung an den Landgrafen. Als die Fremde
ihre Entrüstung über dieses Betragen der Angehörigen nicht verbergen
konnte, erwiderte die Dame unbefangen: »Aber der hessische Adel durfte
sich doch diesen Vortheil nicht entgehen lassen.« Auch ein Ehrenkranz
zur Verherrlichung dieser verarmten Junker, die später, gesinnungslos
und gemein wie sie waren, mit einem französischen Abenteurer, wie
Hieronymus Napoleon, morgen wieder »loustick« zu sein, sich zur höchsten
Ehre rechneten!

Der Prinz nun, mit welchem Faucitt zu thun hatte, ist derselbe Wilhelm,
der 1785 als Landgraf seinem Vater folgte, der 1803 Kurfürst ward und
als solcher von Napoleon 1806 weggejagt wurde (»das hessen-kassel'sche
Haus hat seine Unterthanen seit vielen Jahren an England verkauft, und
dadurch hat der Kurfürst so große Schätze gesammelt; dieser schmutzige
Geiz stürzt nun sein Haus« -- heißt es wie zum Hohne im 27. Bulletin)
derselbe hochgesinnte Fürst, der den zu seinen Gunsten unternommenen
Dörnberg'schen Aufstand mit ein paar Hundert Dukaten baar bezahlen zu
können glaubte, derselbe stolze Souverain, der Stein um Entschuldigung
bitten mußte, daß er ihm seinen Orden anzubieten gewagt hatte; derselbe
1814 zurückgekehrte legitime Landesvater, der Zopf und Perrücke in
Hessen wieder einführte und die Geschichte der letzten sieben Jahre als
nicht geschehen behandelnd, durch seinen Starrsinn und seine
Beschränktheit unsägliches Unheil und Elend über sein Volk brachte.

Als Faucitt nach Hanau kam, war Prinz Wilhelm noch ein junger Mann von
kaum ein und dreißig Jahren, der unter der strengen Zucht der Mutter
aufgewachsen, seinen eigentlichen Charakter noch wenig herauskehrte,
durch Unterwürfigkeit zum Ziele zu gelangen suchte und vor Allem dahin
strebte, Georg III., dem königlichen Onkel, seinem »hochherzigen
Beschützer und erhabenen Herrn« zu gefallen. Er versteckte seine
Geldgier und Habsucht unter der Maske der Uneigennützigkeit und der
prinzipiellen Ueberzeugung von der Gerechtigkeit der königlichen Sache,
bot deshalb auch, was er hatte, ganz umsonst an, natürlich nur, um von
seinem reichen Patrone den doppelten und dreifachen Kaufpreis als
Geschenk zu erhalten. Es giebt kaum eine demüthige und erniedrigende
Wendung in der englischen und französischen Sprache, deren sich der
Prinz in seinem Briefwechsel mit dem König von England und dessen
Minister nicht bedient hätte, um sich deren Wohlwollen, Gnade und Schutz
zu sichern. Der alte Landgraf, so sehr er feilschte und handelte, wahrte
wenigstens überall seine persönliche Würde und imponirte sogar Faucitt
und Lord Suffolk durch sein knappes und vielfach schroffes Wesen; der
Sohn dagegen erniedrigte sich, um selbst den kleinsten Vortheil zu
erlangen, zum willenlosen kriechenden Supplikanten, zum aufdringlichen
Bettler. So erscheint der Charakter des jungen Mannes widerwärtig und
bemitleidenswerth zugleich.

Prinz Wilhelm war übrigens kaum von der Verlegenheit des Königs von
England unterrichtet, als er, wie wir im dritten Kapitel gesehen, diesem
bereits am 19. August 1775 in den servilsten Redensarten ein Regiment
sogenannter Hülfstruppen anbot. Suffolk hatte sich nicht mit der
Beantwortung dieser Zuschrift beeilt, sondern Faucitt beauftragt, erst
dann nach Hanau zu gehen und Gebrauch von dem Angebote zu machen,
nachdem er sich die Hülfe des lieferungsfähigern Herzogs von
Braunschweig und des noch lieferungsfähigern Landgrafen von Kassel
gesichert haben würde. Von letzterer Stadt aus setzte Faucitt den
Prinzen von seiner Mission und seinem demnächstigen Besuche in Kenntniß.
So fand er denn in Hanau auch nicht die mindeste Schwierigkeit und
konnte nach braunschweigischem oder kassel'schem Muster kaum vier und
zwanzig Stunden nach seiner Ankunft einen Vertrag mit dem Erbprinzen
abschließen. Dieser verpflichtete sich darin, bis zum 20. März
spätestens ein Infanterie-Regiment von 668 Mann marschfertig zu machen
und der Krone England für die Dauer des amerikanischen Krieges zu
überlassen. Er erhielt dafür dreißig Kronen Werbegeld für jeden, von
Faucitt als diensttüchtig angenommenen Mann und die Zahlung der
englischen Löhnung fünfzehn Tage vor dem Abmarsche zugesichert; ein
Todter oder je drei Verwundete, die gleich einem Todten galten, wurden
ebenfalls mit dreißig Kronen vergütet, und außerdem ward dem Prinzen
unter denselben Bedingungen wie Kassel eine doppelte Subsidie von 25,050
Kronen Banko im Verhältniß von 668 Mann eventuell selbst noch ein Jahr
nach Rückkehr der Truppen in die Heimath gezahlt.

»Ich kam hier gestern von Kassel an -- schreibt Faucitt am 5. Februar
1776 aus Hanau an Suffolk -- gab mich sofort an's Werk, wurde dem
Erbprinzen vorgestellt und kann Ihnen heute bereits den Vertrag
einsenden. Der Minister von der Malsburg ging auf Befehl seines Herrn
ohne Weiteres auf alle meine Bedingungen ein und zeigte sich sehr wenig
interessirt. Ich bewilligte ihm aus diesem Grunde auch die
vierzehntägige Löhnung vor dem Abmarsch der Truppen und den Bezug der
Subsidie noch für ein Jahr nach der Rückkehr derselben in ihre Heimath.
Dem außerordentlichen, ja ungestümen Eifer Sr. Hoheit, die Wünsche Sr.
Majestät zu erfüllen, vermag ich kaum gerecht zu werden. Das Regiment
kann übrigens erst Mitte nächsten Monats marschfertig sein. Der Prinz
zeigte es mir heute Morgen bei der Parade. Ich muß gestehen, daß ich
seit langer Zeit keinen schönern Truppenkörper gesehen habe; alle
Soldaten sind Eingeborene des Landes und prächtig ausgerüstet, sie
handhaben ihre Waffen ausgezeichnet und marschiren wie alte gediente
Leute. Der Prinz war selbst in den verschiedenen Aemtern, um die
Rekruten auszusuchen und das Korps zu kompletiren. Ich halte es für das
Beste, daß es den Rhein herunter befördert und in Wilhelmstadt,
Rotterdam oder Helvetsluys eingeschifft wird. Ein Rheinschiffer will den
ganzen Transport von hier bis Nimwegen für zwei holländische Gulden per
Kopf übernehmen und das Regiment in sieben bis acht Tagen vom Zeitpunkte
der Abreise an in Nimwegen abliefern. Der Prinz ist ganz damit
einverstanden, umsomehr als auf dem Marsche durch Hessen-Kassel
voraussichtlich viele Soldaten desertiren würden. Wenn Sie mit diesem
Plane einverstanden sind, so senden sie gefälligst Ihre Instruktionen an
Sir Joseph Yorke im Haag, damit dieser das Regiment von Nimwegen aus
weiter befördern läßt.«

Bereits am 23. Februar sandte Suffolk den genehmigten Vertrag zurück und
beauftragte Faucitt, den Abmarsch der Truppen den Rhein hinunter soviel
als möglich zu beschleunigen. Die Transportschiffe sollten am 20. März
in Wilhelmstadt sein, wo zugleich der Oberst Rainsford als königlicher
Kommissär das vom Obersten Gall kommandirte Regiment in den englischen
Dienst einzumustern hatte.

Die Beförderung dieser und aller späteren Truppen auf dem Rhein war mit
ungleich mehr Schwierigkeiten verknüpft als der Marsch der
braunschweigischen und kasselschen Soldaten an die Mündung der Weser.
Diese hatten nur ihr eigenes und englisch-hannöversches Gebiet zu
berühren und konnten im Nothfalle die paar Quadratmeilen bei preußisch
Minden umgehen, waren also von keiner fremden Erlaubniß abhängig,
während die Hanauer und später die Anspacher die Territorien von
wenigstens einem Dutzend größerer und kleinerer Landesherren passiren
mußten, ehe sie nach Holland gelangten. Da lagen auf ihrem Wege von
Mainz bis hinter Düsseldorf die Staaten der drei geistlichen Kurfürsten
Mainz, Trier und Cöln und des Kurfürsten von der Pfalz, das Königreich
Preußen von Duisburg bis Emmerich, die freie Reichsstadt Köln und
verschiedene kleine Gebiete, wie Neuwied. Wenn man sich auch nicht viel
um die letzteren kümmerte, so mußte man doch, um späteren Belästigungen
und Unterbrechungen der Reise vorzubeugen, vorher die Erlaubniß der
erstgenannten größeren Uferstaaten für eine freie Passage der Truppen
einholen. Die englischen Werbe-Offiziere, welche sich am Rhein
umhertrieben, waren wegen ihrer Gewaltthätigkeit und Rohheit gar nicht
gut angeschrieben und hatten sogar ihre Regierung oft in äußerst
unangenehme Verlegenheiten verwickelt. So war noch im Herbste 1775 der
englische Major Masters de Savage von dem Kommandanten von Deutz aus
diesem Orte verjagt und sein Werbe-Depot geschlossen worden, sodaß der
englische Gesandte für gut fand, ihn zu desavouiren. In Mülheim am Rhein
wurden im Januar 1776 von den pfälzischen Truppen dreiundzwanzig für das
60. englische Regiment gestohlene Rekruten angehalten und nach
Düsseldorf in Sicherheit gebracht. Als die kaiserliche Regierung in Wien
von den bevorstehenden englischen Truppenankäufen hörte, erließ sie an
alle ihre Gesandte im Reich den Befehl, den englischen Werbe-Offizieren
so viel Hindernisse als möglich in den Weg zu legen, und schrieb im
gleichen Sinne an die geistlichen und weltlichen Fürsten am Rhein.
»England -- hieß es in der betreffenden Zuschrift -- habe mit dem Reiche
so wenig Verbindung als Rußland oder Spanien, und keine dieser Mächte
dürfe im Reiche rekrutiren.« Dieser kaiserliche Befehl wollte an sich
wenig bedeuten, da ihm die Mittel zu seiner Erzwingung fehlten; allein
es war Gefahr vorhanden, daß sich die Reichsfürsten dahinter steckten,
um England Schwierigkeiten zu bereiten. Denn eine feststehende,
politische Tradition oder ein bestimmtes Vertragsverhältniß gab es zu
jener Zeit noch nicht. Jeder Fürst handelte in jedem einzelnen Falle
nach Belieben, gerade wie die Laune oder sein Vortheil es bedingte.

Der bei dem kur-kölnischen Hofe in Bonn beglaubigte englische Gesandte
Cressener erhielt deshalb, sobald die Reiseroute des hanauschen
Regimentes feststand, Befehl, die betreffenden Höfe zu sondiren und im
Verein mit dem Erbprinzen ein offizielles Gesuch um Passirung der
Truppen an sie zu richten. Dies Mal wurde demselben überall
bereitwilligst entsprochen. Das Regiment hatte Hanau am 15. März
verlassen, fuhr am 16. Abends bei Mainz vorbei und langte am 18. März in
Bonn an. Es kam hier so früh an, daß die Erlaubniß des Königs von
Preußen auf die Bitte um freie Fahrt durch sein Gebiet noch nicht
eingetroffen sein konnte. Auf Cressener's Anfrage erklärte sich aber der
Kommandant von Wesel, General von Salenmon, bereit, das Regiment in
Anbetracht des guten zwischen Berlin und London herrschenden
Einvernehmens ungestört das preußische Gebiet passiren zu lassen;
dagegen müsse, da ihn die Steuer nichts angehe, das Gepäck untersucht
und von der Kontrebande Zoll bezahlt werden, den aber, wie er sicher
glaube, die Kriegs- und Domainen-Kammer in Kleve später dem englischen
Könige zurückerstatten werde. Auf diese Zusicherung hin wagte sich das
Regiment auf preußisches Gebiet, erlegte 200 Pfd. zur Deckung der
etwaigen Steuer und fuhr am 21. März unbelästigt bei Wesel vorbei, wo
übrigens am Tage zuvor die Erlaubniß von Berlin eingetroffen war. Auch
die zur Sicherheit deponirten 200 Pfd. wurden später auf Befehl des
Königs von Preußen zurückbezahlt.

Von Rainsford in Emmerich in Empfang genommen, trafen die Hanauer am 22.
in Nimwegen an. Er ließ sie noch am Abend Revue passiren und hatte die
Genugthuung, in ihnen eines der schönsten Regimenter, die er je gesehen,
zu finden. Es fehlte auch nicht ein Mann, nicht ein Einziger war krank.
Er konnte jedoch bei dieser Gelegenheit den Soldaten den Eid der Treue
nicht abnehmen, da, wie er hinzufügte, es gegen ihr religiöses Gewissen
sei, einen Eid zu leisten, wenn sie nicht einen Tag vorher gefastet
hätten. Er ließ sie deshalb erst am andern Morgen durch die Auditeure in
den englischen Dienst schwören. Darauf wurde das Regiment auf Schuyten
eingeschifft und kam am 25. März nach Wilhelmstadt. Am 26. März ward
seine Einschiffung vollendet. »Alles ging glücklich -- schließt
Rainsford seinen Bericht -- von Statten. Der Geist der Truppen ist
vortrefflich. Hoffentlich werden sie noch heute Abend abfahren, da der
Wind gut ist.«

In demselben Briefe vom 17. März 1776 (Siehe Anhang), in welchem der
Erbprinz von Hessen dem König von England, seinem »großherzigen
Beschützer und edlen Wohlthäter,« den Abmarsch seiner Soldaten anzeigte,
bot er demselben noch eine Kompagnie Artillerie von 120 Mann und sechs
Geschützen an, die von einem ausgezeichneten Kapitaine befehligt sei und
gegen Ende April marschfertig sein könne. Er wollte nicht -- sagte er --
an Eifer hinter seinem Vater, dem Landgrafen, zurückstehen, der ja auch
noch ein Korps Artillerie über den ursprünglichen Vertrag hinaus an
England geliefert habe. Der König nahm, trotzdem daß die Stärke der
Artillerie im Verhältniß zum hanau'schen Regimente zu groß war, das
Anerbieten am 2. April an, weil er mit der bisherigen ehrenwerthen
Aufführung und anständigen Vertrags-Erfüllung Seitens des Prinzen
zufrieden sei. Faucitt erhielt also Anweisung, einen neuen Vertrag mit
demselben abzuschließen, und that so am 25. April, wo er zugleich den
Hauptvertrag mit ihm auswechselte.

»Baron Malsburg -- schreibt Faucitt am 26. April 1776 an Suffolk -- kann
sich gar nicht darüber trösten, daß für diese Kompagnie Artillerie keine
besonderen Subsidien bewilligt werden sollen, und meint, daß er mit dem
Werbegeld zu kurz komme, da die Ausrüstung der Mannschaft zu viel koste.
Ich habe sie heute gemustert. Die Leute sind tüchtig, kräftig und stark
und sehr gut für ihren Dienst eingeübt. Der Prinz ließ sie in meiner
Gegenwart mit den für Amerika bestimmten Geschützen exerziren. Sie haben
neue Uniformen, neue Säbel, keine Gewehre, nach dem vom König von
Preußen empfohlenen Muster, welches vom Landgrafen sowohl als vom
Erbprinzen aufs Aengstlichste und Gewissenhafteste nachgeahmt wird. Die
Kompagnie kann in drei Wochen marschfertig sein; ihre Löhnung beginnt
vierzehn Tage vor dem Abmarsch. Ich habe ihren Transport bis Helvetsluys
für 150 Pfd. verdungen.«

Wie aus diesem Briefe hervorgeht, wollte die englische Regierung für die
Artillerie keine weitere Subsidie zahlen; der Erbprinz bestand aber auf
einer solchen. Um sich Suffolk für seine Wünsche geneigt zu machen,
schrieb er ihm am 1. Mai einen Brief in englischer Sprache, dessen
entsetzlicher Stil und halsbrechende Wortbildung selbst über die Grenzen
der Komik hinausgreifen. Suffolk lehnte höflich ab, lobte den Prinzen
aber ob seiner im Englischen bewiesenen Fertigkeit (Siehe Anhang). Dem
Minister von Malsburg dagegen erklärte der englische Staatssekretär
kategorisch, die Verträge, wie sie abgeschlossen seien, lägen einmal dem
Parlamente vor, könnten also nicht mehr geändert werden; der Erbprinz
erhalte ohnehin schon im Verhältniß so viel als der Landgraf, weshalb
von einer Vermehrung einer Subsidie wegen der gelieferten Artillerie gar
nicht die Rede sein könne.

In einer vertraulichen Note an Faucitt sagt Suffolk dagegen, daß er
Willens sei, den Erbprinzen in irgend einer andern Art zufrieden zu
stellen. »Ich wollte -- schrieb er in seinem Briefe vom 7. Mai 1776 --
für spätere Gelegenheiten und für die anderen Höfe keinen Präzedenzfall
schaffen. Nur die Gefahr, daß von unseren Verhandlungen anderswo etwas
verlautete und daß ähnliche Ansprüche geschaffen würden, hat mich
bewogen, des Baron Malsburg Begehr in viel stärkeren Ausdrücken
abzulehnen, als ich eigentlich meine. Sie können ihm das sagen, müssen
ihm aber Stillschweigen anempfehlen.«

Für Malsburg und seinen Herrn war dieser Wink natürlich nicht verloren.
Sie erklärten sofort, daß man sich auf ihre Verschwiegenheit unbedingt
verlassen könne, und daß ihnen jedes Arrangement recht sei, welches sie
nur entschädige. Die Art und Weise der Schadloshaltung selbst sei ihnen
vollständig gleichgültig; vielleicht werde sich eine Verlängerung der
Subsidienzahlung als das geeignetste Mittel zu einer Verständigung
empfehlen. Malsburg schlug deshalb Faucitt vor, den zwölften Artikel des
Vertrages dahin abzuändern, daß die hanau'schen Truppen nach ihrer
Rückkehr nach Deutschland statt der bisherigen zwölf Monate noch sechs
und mehrere Jahre im englischen Dienste bleiben sollten. »Wir wünschen
-- so schloß er seinen Brief am 18. Mai -- für diese Zeit nicht die
ganze Subsidie, sondern nur eine Friedenssubsidie, sehr mäßig, gerade
hinreichend, um im Frieden ein Regiment vollzählig und auf dem Kriegsfuß
zu erhalten, und immer bereit, wieder in die Dienste des Königs zu
treten. Wir verlangen also nur so viel, als die englischen Regimenter
auf dem Friedensfuß beziehen. Diese Gunst wird den übrigen Höfen
gegenüber keine üblen Folgen nach sich ziehen. Man kann ihnen dann der
Wahrheit gemäß versichern, daß für die Artillerie des Erbprinzen keine
Extrasubsidie gezahlt ist. Wenn der Frieden wieder hergestellt und in
England Alles ruhig sein wird, muß es dem Ministerium ein Leichtes sein,
die nothwendigen Fonds für eine so kleine Ausgabe zu finden und sie
unter einer andern Rubrik als der gegenwärtigen durchzubringen, wo man
schon so viele außerordentliche Kosten hat, um einen theuern Krieg zu
führen.«

Der Erbprinz sandte selbst diese Vorschläge an Suffolk ein und
bevorwortete sie in einem servil schmeichlerischen Briefe (Siehe
Anhang). Wenn anders seine »erbliche Kenntniß« der englischen Sprache
sich deutsch richtig deuten läßt, so sagt er: »Meine Zuneigung und
unterthänigster Respekt vor dem Besten der Könige hält jeden Gedanken an
mein eigenes Interesse von mir fern. Seiner Majestät besondere Huld
giebt mir die Versicherung, daß Sie es nicht übel nehmen wird, wenn ich
selbst nach dem Erlöschen des gegenwärtigen Vertrages den Wunsch habe,
noch in einer gewissen militärischen Verbindung mit Seinem Dienste zu
bleiben. Ich hoffe, Mylord, Sie werden mein Verlangen nicht zu weit
gehend finden und aus diesem Grunde bitte ich Sie, mein Gesuch mit Ihrem
ganzen Ansehen zu unterstützen. Meine Dankbarkeit gegen Sie wird ohne
Gränzen sein und kann nur der vorzüglichen Hochachtung gleichstehen, mit
welcher ich Ihr gehorsamster und zu Dank verpflichteter Diener bin.«

Die doppelten Subsidien für die 668 Hanauer betrugen jährlich 25,050
Kronen Banko, d.h. 37½ Kronen pro Kopf; sie würden also für die
nachträglich gelieferten 120 Artilleristen 4500 Kronen pro Jahr
ausgemacht haben. Wenn sich nun der Erbprinz erbot, auf diese Summe
unter der Bedingung zu verzichten, daß ihm eine einfache Subsidie
wenigstens noch sechs Jahre nach beendigtem Kriege gezahlt werde, so
verlangte er mit anderen Worten 12,525 Kronen pro Jahr, also eine
Extrazahlung von mindestens 75,150 Kronen auf sechs Jahre. Wäre der
englische Minister darauf eingegangen, so würde er trotz der
unerwarteten langen Dauer des Krieges an 40,000 Kronen selbst über die
doppelten Subsidien hinaus verloren haben. Dieser aber wählte
schließlich von zwei Uebeln das Geringere und entschloß sich gegen Ende
des Jahres 1776, dem Erbprinzen für die Artillerie verhältnißmäßig
dieselbe Subsidie zu zahlen, die er für sein Regiment erhielt.
Serenissimus empfing also fortan 4500 Kronen pro Jahr mehr.

Die Artillerie war übrigens schon am 15. Mai von Hanau abgegangen und,
ohne den mindesten Schwierigkeiten auf der Passage rheinabwärts zu
begegnen, am 24. Mai in Nimwegen angekommen. Rainsford musterte sie am
letztgenannten Tage in den englischen Dienst ein und schiffte sie,
sowohl mit den Leuten als mit ihrer Ausrüstung sehr zufrieden, am 27.
Mai bei gutem Winde nach ihrem Bestimmungsorte ein.

Uebrigens behielt der Erbprinz von Hanau nicht den ganzen Profit für
sich, den er aus seinen Unterthanen zog. Dem erhabenen, vom Vater in
Kassel gegebenen Beispiele folgend, bewilligte auch der junge
Serenissimus, um dem Lande einen Beweis seiner landesväterlichen
Anerkennung für die ihm gebrachten Opfer zu liefern, einen Steuererlaß
für die Dauer des amerikanischen Krieges. Wie aber der Sohn noch
geiziger und geldgieriger als sein hochherziger Erzeuger war, so
erstreckte er auch sein Wohlwollen nicht auf alle Unterthanen, sondern
nur auf die Eltern und Eheweiber der im Kriege abwesenden Soldaten und
Unteroffiziere. Derselbe Fürst, den wir eben noch dem Auslande
gegenüber als einen Bedienten, als einen Gnade und Gewinn suchenden
Bittsteller haben reden hören, läßt sich im Inlande, vor seinem
eigenen Volke als Herr und Gnadenspender also vernehmen:

»Wenn Wir nun, nach der für alle unsere getreue Untertanen hegenden
waren Landesväterlichen Huld und Gnade, nichts mer wünschen, als
dieselben sammt und sonders, so viel es möglich ist, von unserer waren
Landesväterlichen Zuneigung und Vorsorge tätig zu überzeugen, und ihnen
ihr Schicksal auf alle Weise zu erleichtern, so haben wir aus
höchsteigenem Antrieb und Bewegung uns entschlossen, den _Eltern_ und
_Eheweibern_ sämmtlicher bei unserm hanauischen Regimente sowol als bei
der Artillerie, dermalen in Amerika befindlichen _Unteroffiziere_ und
_Gemeinen_, einen gnädigsten Erlaß aller ihrer Herrschaftlichen Abgaben
in der Weise angedeihen zu lassen, daß:

»I. Die _Eltern_ und _Eheweiber_ dieser unserer dermalen im Kriege
abwesenden Untertanen, für ihre Person und Güter, von Entrichtung aller
Kontribution, Steuern und sonstigen Landkassen-Abgiften an Geld und
Früchten, desgleichen von allen und jeden übrigen zu unsern
Cameral-Intraden gehörigen Geld- und Fruchtabgaben, sie mögen Namen
haben, wie sie wollen (die Pacht- und Zinsgefälle allein ausgenommen,
welche nach wie vor entrichtet werden müssen) von dem Tage des
Ausmarsches des Regimentes und der Artillerie an gerechnet, bis zu deren
Zurückkunft in die hiesigen Lande, befreit und entledigt sein sollen;
wie dann auch

II. Denjenigen _Unteroffizieren_ und _Gemeinen_, welche keine Eltern
mehr am Leben haben, oder auch ledigen Standes, und selbst rezipirte
Untertanen sind, und ihre _eigenen Güter_ besitzen, alsdann für sotane
ihre Güter, die nämliche obenbestimmte Befreiung von allen und jeden
Landkassen- und Rentkammer-Abgiften gnädigst hiermit erteilt ist.

Da Wir aber nicht gemeint sind, den unserer fürstlichen Landkasse durch
einen solchen Erlaß zur Bestreitung der notwendigen Bedürfnisse zu
wachsenden Abgang auf unsere hiesige Lande wiederum ausschlagen, und
unseren übrigen getreuen Untertanen durch Erhöhung ihrer bisherigen
herrschaftlichen Abgaben aufbürden zu lassen: So soll, zu desto
stärkerer Bewärung jener unserer gnädigsten Gesinnungen, ersagter
_Landcasse_ dieser Abgang aus unserer fürstlichen _Cammercasse_ ersetzt
und vergütet werden.

Indem Wir uns nun ein wesentliches Vergnügen daraus machen, unseren
getreuen Untertanen ein solches Merkmal unserer Gnade zufließen zu
lassen, und dadurch unserer unveränderlichen Neigung, ihnen auf alle
Weise wol zu thun, auch hierinnen folgen zu können: So leben Wir der
zuversichtlichen Hoffnung, unsere getreuen Untertanen werden sich dieser
Gnade und Woltat würdig zu machen, folglich auch die in unseren
Kriegsdiensten dermalen abwesenden Soldaten sich bestreben, solche durch
Treue, Mut und Tapferkeit, die allhier im Lande zurückgebliebenen
Untertanen aber durch Rechtschaffenheit, Fleiß und wirtschaftliches
Benehmen, zu verdienen suchen.«

Nach den zu Ende des vorigen Kapitels gemachten Bemerkungen ist jede
Kritik dieses Erlasses vom 23. September 1776 überflüssig. Wenden wir
uns darum sofort nach _Waldeck_, wohin sich Faucitt von Hanau aus
begeben hatte.

Das Haus _Waldeck_ hatte seit beinahe einem Jahrhundert im
Soldatenhandel ausgezeichnete Geschäfte gemacht. Sein ältester und
bester Kunde war Holland, und nur in Ausnahmefällen oder bei besonders
günstigen Konjunkturen des Menschenmarktes überließ es seine Truppen an
andere Mächte, wie z.B. im siebenjährigen Kriege an England. Dieser
Handel lieferte auch den Chefs der Firma die Mittel zu einer
grenzenlosen Verschwendung, ja er machte es möglich, daß sich die
kleinen Fürsten von Waldeck vor den übrigen und mächtigeren Nachahmern
des Versailler Treibens hervorthun und die öffentliche Aufmerksamkeit
auf sich ziehen konnten. Ihr Ländchen schien für sie nur zu dem Zwecke
vorhanden zu sein, daß sie darauf zurückfielen, wenn sie von den noblen
Passionen erschöpft und von Schulden gedrängt, das Leben im großen Stil
zeitweise aufgeben mußten. Karl August, der Vater des Fürsten, mit
welchem wir es hier zu thun haben, gelangte 1728 zur Regierung, trieb
sich aber volle zwanzig Jahre in Frankreich und Italien herum, ehe er
sich nur der Heimath erinnerte. In Venedig traf ihn Casanova in den
Armen der Tänzerin Tintorella, der berühmtesten Kourtisane der Republik.
Später wurde er holländischer Generalfeldmarschall und bewies große
Tapferkeit. Eine im Jahre 1755 erlassene Verordnung bestimmte, daß alle
Burschen, mit Ausnahme derer, welche studirten, Soldaten werden mußten,
natürlich nur, um das Waldeck'sche Vaterland in Batavia und sonstigen
holländischen Kolonien zu vertheidigen. Der Fürst war ein
leidenschaftlicher Parforcejäger und machte sein ganzes Fürstenthum zu
einem einzigen Wildpark. Die Bauern mußten den Befehlen der Jäger
gehorchen, widrigen Falls sie empfindlich bestraft wurden. Sein Sohn
Friedrich, der im Jahre 1743 geboren, von 1763-1812 regierte, war in
Lausanne erzogen und machte zu seiner Ausbildung die große Tour durch
Frankreich und Italien. Auch er trat, nachdem er zur Regierung gelangt
war, gänzlich verschuldet als General der Infanterie in den Dienst der
holländischen Republik. Schon 1767 beschwerten sich die Landstände über
landesverderbliche gewaltsame Aushebung der Unterthanen und bewilligten
dem Fürsten, um seiner Geldnoth nur einiger Maßen abzuhelfen und dem
Uebel zu steuern, ein Geschenk von 10,000 Thalern.

Für einen so tief verschuldeten Mann, wie den Fürsten Friedrich von
Waldeck, war der Ausbruch des amerikanischen Krieges eine wahre
Wohlthat, denn er konnte hoffen, seinen zerrütteten Finanzen wieder
aufzuhelfen, wenn es ihm gelang, einen Truppenlieferungs-Vertrag mit der
englischen Krone abzuschließen. Er beeilte sich deshalb, wie wir oben
gesehen, schon zu einer Zeit, wo deren Absichten noch nicht klar
vorlagen, Lord Suffolk ein Regiment anzubieten. Der Brief ist vom 13.
November 1775 datirt, also einen Tag älter als Faucitt's Instruktionen.
»Mit Leib und Seele dem Monarchen ergeben -- schreibt der Fürst aus
Arolsen an Suffolk -- dessen Minister zu sein Sie das Glück haben, halte
ich es für meine Pflicht, was nur in meinen schwachen Kräften steht,
aufzubieten, um wenigstens meinen guten Willen zu zeigen, wenn es sich
um Seinen Dienst handelt. Ich nehme mir deshalb die Freiheit, Mylord,
Sie gehorsamst zu ersuchen, Sr. Majestät versichern zu wollen, daß im
Falle irgend welche Verhältnisse es nöthig machen, fremde Truppen
anzuwerben, ich es als eine große Gunst Ihrerseits betrachten werde,
wenn Sie ein Regiment von 600 Mann annimmt, das wie sein Fürst vor
Verlangen brennt, sich für Sie (die Majestät) zu opfern.«

Suffolk nahm am 24. November das Anerbieten an und setzte am 19.
Dezember den Fürsten davon in Kenntniß, daß Faucitt seiner Zeit nach
Arolsen kommen und den betreffenden Vertrag mit ihm abschließen würde.
Als der englische Kommissär am 28. Januar 1776 von Kassel aus in Arolsen
anfragte, ob das Regiment bis Ende Februar marschfertig sein werde,
erhielt er die Antwort, daß es frühestens im Mai so weit sein könne. Er
reiste deshalb erst nach Hanau, um mit dem Erbprinzen den oben erwähnten
Vertrag abzuschließen. »Ich fürchte -- schreibt Faucitt am 5. Februar
1776 von Hanau aus an Suffolk -- wir können auf das Waldeck'sche
Regiment nicht rechnen. Der Fürst hat blos zwei Kompagnien in seinem
Lande, die höchstens 200 Mann betragen und bisher nur dazu gebraucht
wurden, um die Honneurs bei Hofe zu machen. Es ist sehr schwer, auf
einer so kleinen Grundlage innerhalb so kurzer Zeit ein Regiment zu
bilden. Vielleicht ist der Fürst auch unerwarteten Schwierigkeiten
begegnet, um die bestimmte Anzahl aus seinen in holländischen Diensten
stehenden Regimentern zu erlangen.«

Suffolk verlängerte dem entsprechend die Zeit für die Einschiffung des
Waldeck'schen Regimentes; der Fürst aber versprach, es bis Ende April
marschfertig zu haben. Am 18. März berichtete Faucitt, daß derselbe in
den Vorbereitungen für den Marsch seiner Truppen bedeutende
Fortschritte gemacht, daß er zum Ankauf von Uniformen und sonstigen
Ausrüstungsgegenständen einen Offizier nach Frankfurt gesandt habe, und
daß das Regiment gewiß für den sofortigen Dienst tüchtig sein werde,
vorausgesetzt, daß der Fürst bei dessen Bildung nicht zu rücksichtsvoll
gegen seine eignen, eine Art Landmiliz bildenden Unterthanen gewesen
sei. Mitte April war endlich Alles so weit, daß der Vertrag
abgeschlossen werden konnte. Faucitt reiste also nach Arolsen ab und kam
dort am 19. April an. »Ich wurde -- schreibt er am 20. April an Suffolk
-- sofort dem Fürsten vorgestellt, der mich über den Fortschritt in der
Bildung und über den gegenwärtigen, erfreulichen Zustand seines
Regimentes so sehr zufriedenstellte, daß ich mich ohne jede
Schwierigkeit mit dem Minister von Zerbst über die Hauptpunkte des
abzuschließenden Vertrages verständigte. Heute haben wir die letzte
Feile an denselben gelegt und das Geschäft abgeschlossen. Der Vertrag
lautet gerade wie der hanauische; nur habe ich auf Bitten des Ministers,
da die Ausrüstung des Regimentes die Finanzen des Fürsten völlig
erschöpft hat, die erste Zahlung des Werbegeldes auf drei statt sechs
Wochen nach dem Datum des Abschlusses und die zweite Zahlung auf zwei
statt drei und einen halben Monat nach dieser Frist festgesetzt. Ebenso
habe ich eingewilligt, zwei Geschütze mit vierzehn Kanonieren zu nehmen;
sie sind aber nicht in den Subsidien mit einbegriffen. Das Regiment,
welches in Korbach steht, muß laut der Versicherung des Fürsten ein
sehr gutes sein, da Soldaten und Offiziere alle schon gedient haben. Es
wird in der ersten Woche des Mai marschfertig sein.«

Faucitt würde vielleicht besser gethan haben, den Worten des Fürsten
nicht so unbedingt zu trauen, da die Wirklichkeit sich von dessen
rosigen Schilderungen sehr zum Nachtheile des Regiments unterschied.
Statt am 6. Mai zu marschiren, wie zuletzt versprochen war, setzte es
sich, einschließlich des Stabes 670 Mann stark, erst am 20. Mai in
Bewegung. Dieser vierzehntägige Verzug stürzte den ganzen
Einschiffungsplan um, den Faucitt für die zweite hessische Division
gemacht hatte. Am 30. Mai endlich trafen die Waldecker in Bremerlehe
ein, während Faucitt, dem von seiner Marschroute keine Mittheilung
gemacht war, sie bei Vegesack suchen ließ. Indessen konnten sie am 2.
Juni noch mit den übrigen Truppen nach Amerika eingeschifft werden. »Die
vorderen und hinteren Glieder in diesem Regimente -- schreibt Faucitt am
31. Mai 1776 an Suffolk -- bestehen aus großen und gut gewachsenen
Leuten, aber das Centrum aus halbwüchsigen, von der Grafschaft Waldeck
gelieferten Jungen, die noch nicht alt und stark genug für den
sofortigen Dienst sind und kaum das Gewehr tragen können. Ebenso fand
ich sehr viele alte Leute vor. Dagegen sind die Uniformen und Waffen gut
und neu; der Fürst hat daran keine Kosten gespart.«

Der Grund für die Verzögerung in der Absendung des Regimentes war sehr
einfach. Der Fürst konnte es nicht so schnell kompletiren, als er
gehofft und gewünscht hatte. Sein Land mußte schon zwei Regimenter in
Holland vollzählig erhalten; bei einer Größe von kaum 20 Quadrat-Meilen
mit etwa 30,000 Einwohnern war aber diese Leistung schon zu groß. Die
armen Waldecker waren also gar nicht so übereilig, sich zu den
Beschwerden des holländischen Dienstes noch die des amerikanischen
aufzuladen. So blieb denn zuletzt nichts übrig, als zu den zwei
vorhandenen Kompagnien Schloßbedienung im Fürstenthum und in den
benachbarten geistlichen Staaten, wie namentlich im Bisthum Hildesheim,
so viel alte Leute und halbwüchsige Jungen zu pressen, daß das Regiment
nothdürftig gebildet werden konnte. Das erforderte aber viel Zeit, List,
Gewalt und Ueberredung. Johann Georg Rauch, der Vater unsers großen
Bildhauers, Christian Daniel Rauch, war damals Kammerdiener des Fürsten
Friedrich von Waldeck. In einem Briefe, den er am 18. Januar 1778 an
einen Schwager richtete, entschuldigt er seinen Herrn wegen des
Menschenhandels. Es seien, sagt er, lauter Ausländer, bis auf Etliche,
denn der Fürst wolle keine Waldecker hinschicken, »es sei denn, daß der
Kerl partout mit will.« Man sieht aus dieser kammerdienerlichen
Entschuldigung, daß das schnöde Geschäft sogar in den untersten Kreisen
der Gesellschaft unangenehmes Aufsehen machte. Der Fürst hatte eben nur
noch über wenig Waldecker zu verfügen; wen er von seinen Unterthanen
packen konnte, den ließ er sich so leicht nicht entgehen. Zu welchen
niedrigen Mitteln Serenissimus greifen mußte, um 20,100 Kronen Werbegeld
und 25,050 Kronen jährlicher englischer Subsidien zu erlangen, beweist
der an die Pfarrer des Ländchens ergangene Befehl, wonach sie von der
Kanzel herab ihre Pfarrkinder zum Anschluß an das nach Amerika verkaufte
Regiment auffordern mußten. Im schroffen Gegensatze zu den bei dieser
Gelegenheit gemachten schönen Versprechungen wurde den Soldaten der
Preis der Gesangbücher von ihrer Löhnung abgezogen, das abzusendende
Regiment aber wie ein Haufen Sträflinge von berittenen Landjägern an die
Grenze bis auf die Weserschiffe in Beverungen eskortirt.

»Bis über die Grenze unsers Vaterlandes (Waldeck nämlich!) -- so erzählt
in seinem Tagebuche der Fourir Karl Philipp Steuernagel des Waldecker
Regiments, ein verständiger Beobachter und zuverlässiger
Berichterstatter -- oder vielmehr bis Beverungen wurden wir mit einem
Korps waldeckscher grüngekleideter Scharfschützen zu Pferde begleitet
und bewacht. Diese vor's Regiment, besonders vor jeden rechtschaffenen
Soldaten mißtrauische Veranstaltung gab bei den meisten zu allerhand
Argwohn Anlaß, und solche trug auch sicher dazu bei, daß auf dem Marsche
bis Beverungen verschiedene desertirten.«

»Freilich -- fährt Steuernagel an einer andern Stelle fort -- muß ich
den Dienst einen Beruf nennen, obgleich der mehrere Theil dazu
gezwungen, beschwätzt, beredet und so verleitet waren, ja sogar von den
Kanzeln hierzu aufgefordert. Auf diese letzte Art soll denn auch dem
Vernehmen nach der dreizehnte Vers aus dem vierundvierzigsten Psalm
nicht unangeführt geblieben sein (»Du verkaufest dein Volk umsonst und
nimmst nichts darum«. Welcher Hohn!). Ich selbst erinnerte mich der
Worte des alten Herrn Oberjägermeisters von Leliwa zum Oeftern, als
derselbe, während wir am 2. Mai beim Abmarsch durch Arolsen
marschirten, sagte: »Die hiervon wieder zurückkommen, will ich alle in
Kutschen fahren lassen.« Ich selbst glaubte damals noch allen hohen
Gnadenversprechungen.«

Das waldecksche Regiment wurde am 2. und 3. Juni mit der zweiten
hessischen Division eingeschifft und landete am 21. Oktober 1776 in New
Rochelle bei New York. Die Seereise selbst muß schlimmer als das
Fegefeuer gewesen sein. »Unsere Lagerstätten -- erzählt Steuernagel --
waren so enge eingerichtet, daß wir so hart aneinander liegen mußten,
daß sich fast keiner vor dem andern rühren, noch weniger umwenden
konnte. Sechs und sechs Mann hatten alle Mal einen Platz, ringsum von
einem Brett umgeben, welcher fünf Fuß lang und sechs Fuß breit war. Wenn
wir uns nun in diesem engen Behälter auf einer Seite mürbe gelegen
hatten, so gab der Aelteste oder der das Kommando von diesen sechs Mann
hatte, ein Zeichen, damit sich alle sechs zu gleicher Zeit auf die
andere Seite legen konnten, und ohne dieses, da wir so gepackt liegen
mußten, kamen wir doch zum Oeftern mit den Köpfen hin, wo wir zuvor mit
den Füßen gelegen hatten oder fielen durch das starke Wanken des
Schiffes aufeinander oder zum Oeftern aus unseren Betten heraus.

»Obgleich täglich Läuseparade gehalten wurde, so kam dies Ungeziefer
doch durch die Länge der Zeit so häufig unter uns, daß sich sogar der
Offizier nicht zu schämen brauchte, eine Laus auf seinem Rockärmel zu
erhaschen und über Bord zu werfen. Die Ursache von dieser ekelhaften
Gesellschaft auf dem Schiffe kam daher, weil der mehrste Theil der
Soldaten lauter Leute waren, welche durch die in viele Gegenden
ausgeschickten Werber waren zusammengebracht, mit keinem Hemde versehen
waren, mithin die pro Mann empfangenen zwei Kommishemden nicht
hinreichten, um einen so starken Besuch der Läuse abhalten zu können.«

Die Waldecker kamen kaum einen Monat nach ihrer Landung zuerst bei Fort
Washington in's Feuer und verloren bei dieser Gelegenheit viele Leute.
»Da hörte man -- berichtet Steuernagel -- die grausamsten Verwünschungen
und Vorwürfe dieser unglücklichen Verwundeten, unter Berufung auf das
allgemeine unparteiische Vergeltungsgericht, welche ich nicht wage hier
anzumerken.«

In die offizielle Sprache des Fürsten übersetzt, hießen diese Flüche
soviel, daß »seine Truppen vor Verlangen brannten, sich für Se. Majestät
von Großbritannien zu opfern.«




Sechstes Kapitel.


Der ganze Feldzug des Sommers 1776 war bekanntlich für die englischen
Waffen von seiner Eröffnung an bis Weihnachten ein entschieden
siegreicher. Machten sie bis zum nächsten Frühjahr eben so schnelle
Fortschritte, so war die schnelle Beendigung des Krieges in weniger als
einem Jahre durchaus nicht unwahrscheinlich. So lange diese günstigen
Aussichten dauerten, beeilte sich die englische Regierung durchaus
nicht, von den ihr Seitens der deutschen Fürsten gemachten
Truppen-Anerbietungen Gebrauch zu machen. Sie wählte vielmehr nur unter
den ihr am besten geeignet erscheinenden Angeboten aus, um ihre deutsche
Streitkraft in Amerika auf 20,000 Mann zu bringen.

England galt im Verhältniß zu den verkümmerten deutschen Zuständen und
namentlich den verschuldeten Fürsten als ganz unermeßlich reich, weshalb
seine Kundschaft von den letzteren auf's Eifrigste gesucht wurde. Einer
von ihnen machte dem andern in der Weise der gemeinsten Krämer
Konkurrenz. Jeder wollte einen günstigen Vertrag für sich und glaubte zu
verlieren, wenn sein Nachbar schnellern Erfolg hatte. Als der Anspacher
hörte, daß der Würtemberger auch im Markte war, ließ er Lord Suffolk
durch seinen Minister insinuiren, daß die würtembergischen Stände sich
dem beabsichtigten Vertrag widersetzten, daß also voraussichtlich die an
eine Verhandlung mit dem Herzog verwandte Zeit verschleudert sein werde.
Der Hesse wieder gab dem englischen Minister zu bedenken, daß der
Kurfürst von der Pfalz, von dem man auch eine Zeit lang 4000 Mann zu
nehmen beabsichtigte, zu viele Katholiken unter seinen Soldaten habe,
und daß diese für das protestantische England ein zu gefährliches
Element seien. An diesen Köder biß natürlich Suffolk an. Trotzdem, daß
sich später bei näherer Untersuchung herausstellte, daß die Mehrzahl der
Soldaten reformirt und nur die Offiziere meistens Katholiken waren,
wurde doch aus dem Vertrage nichts. Es kümmerte den Landgrafen bei
diesem uneigennützigen Eifer für das englische Seelenheil natürlich gar
nicht der Umstand, daß er selbst katholisch geworden war.

Die katholischen, namentlich die geistlichen Reichsfürsten, blieben
übrigens ihren alten Verbindungen mit Frankreich treu, so daß England
nur mit protestantischen Reichsständen Verträge eingehen konnte. Blos
Baiern, das seit einem Jahrhundert sich zu verkaufen gewohnt war, wenn
es einen fetten Profit zu machen gab, wollte sich selbstredend auch dies
Mal die günstige Gelegenheit zu einem so gewinnreichen Geschäft nicht
entgehen lassen. In welcher für einen deutschen Reichsfürsten
entwürdigenden Weise der alte Kurfürst den englischen Gesandten
anbettelte, wie höhnisch dieser ihn abfertigte und wie klug er ihn für
seine Zwecke ausbeutete, wird der Brief Elliott's selbst am Klarsten
darlegen. »Der Kurfürst von Baiern -- schreibt er am 1. April 1776 aus
Regensburg an Suffolk -- drückte mir wiederholt auf's Wärmste seinen
Wunsch aus, mit dem König Subsidien-Verträge einzugehen und gab mir
auf's Unzweideutigste zu verstehen, daß ich mich ihm in keiner Weise
angenehmer machen könne, als indem ich eine Verhandlung beförderte, auf
deren Gelingen er so großes Gewicht lege. Ich antwortete, daß ich keine
Befehle in dieser Angelegenheit habe, und mit der Absicht, des
Kurfürsten Verbindungen mit Oesterreich und Frankreich zu sondiren, that
ich, als wenn ich erstaunt sei, sagte, ich habe geglaubt, Seine Hoheit
seien zu eng mit den anderen Mächten verbunden, als daß Sie ohne deren
Zustimmung ihre Truppen habe vermiethen können. Obgleich von dem Wunsche
beseelt, ihr zu gefallen, sei ich doch mit einer Menge von Dingen nicht
bekannt, so daß ich nicht wagen könne, den Gegenstand zu Hause zur
Sprache zu bringen. Der Kurfürst erwiderte mir dann, daß es ihm ganz
frei stehe, über seine Truppen in der für ihn gewinnreichsten, seinen
Interessen entsprechendsten Weise zu verfügen. Zugleich bat er mich,
seinen Ministern nichts von seinem Wunsche mitzutheilen, da er sich ohne
die Aussicht auf einen daraus herzuleitenden Vortheil der
Unannehmlichkeit seines Bekanntwerdens nicht aussetzen wolle. Ich glaube
kaum, daß der König das Anerbieten annehmen wird; zudem sind die
bairischen Truppen die schlechtesten, die ich in Deutschland gesehen
habe. Ich sagte aber, ich wolle die Angelegenheit zu Hause in der
gewünschten Weise anregen, Seine Majestät werde natürlich das ihr
bewiesene Vertrauen sehr hoch schätzen. Ich war um so vorsichtiger, die
Möglichkeit einer derartigen Verbindung mit Baiern nicht zu zerstören,
als die Intimität, mit welcher der Kurfürst mich jetzt behandelt, mir
eine Quelle der besten Information über wichtige Dinge eröffnet, die ich
an einem, an Oesterreich und Frankreich verkauften Hofe nicht anders
erlangen kann, wo der Fürst selbst es für geeignet hält, mich gegen
seine eigenen Minister zu warnen.«

Natürlich lehnte Suffolk auf Grund der obigen Schilderung seines
Gesandten jede Unterhandlung mit Baiern ab und hielt es nicht einmal für
der Mühe werth, Faucitt zur nähern Prüfung der Thatsachen an Ort und
Stelle zu schicken. Er that recht daran, denn in dem ganzen damaligen
heiligen römischen Reiche gab es keine liederlichere, verkommenere und
durch Pfaffen-, Günstlings- und Weiber-Regiment herunter gebrachtere
Wirthschaft als das Kurfürstenthum Baiern. Es würde eine Beleidigung
gegen ein hochstehendes Wort unsers Sprachschatzes sein, wollte man
diesen verächtlichen Klüngel Staat nennen. In allen öffentlichen Fragen
ist hier das kleinlichste persönliche und Privat-Interesse maßgebend.
Ein ähnliches Bild servilster Steifbettelei und anspruchvollster
Hohlheit, wie es der Münchener Hof bietet, hat selbst die Phantasie des
Dichters im spanischen Bedientenroman nicht zu zeichnen vermocht. Wie
die Indianer mit Spielzeug, Glasperlen und bunten Steinen sich ködern
lassen, so sind diese jämmerlichen Tröpfe, welche die Regierung Baierns
besorgen, stets für baares Geld zu haben, wenn sie nur im wesenlosen
Scheine und erborgten Schimmer weiter vegetiren können. Ob der Herr
zufällig Maximilian Joseph oder Karl Theodor heißt, ist dem hungrigen
Hofgesinde ganz gleichgültig. An diesem Hofe wird heute
Minister-Konferenz darüber gehalten, ob das Band des Georgs-Ordens von
links nach rechts oder von rechts nach links getragen werden soll;
morgen entspinnt sich ein heftiger Streit darüber, ob der päpstliche
Nuntius an der kurfürstlichen Tafel einen Pagen hinter seinem Sessel
erhalten soll oder nicht. Dann wieder entsteht große Freude darüber, daß
der Papst endlich einwilligt, den Kurfürsten als Sohn eines Kaisers
seinen filius dilectissimus statt dilectus zu nennen, oder ein ander Mal
droht auch eine Kabinetskrise über die schwierige Frage zu entstehen, ob
der österreichische Gesandte Exzellenz genannt, und ob seine Frau bei
Tafel vor den Hofdamen (Hofmenscher sagt der Bericht weniger höflich,
aber vielleicht desto wahrer) sitzen soll. Wenn die Finanznoth
unerträglich wird, so miethet man einen Goldmacher für den Hof; fließen
die Subsidien dagegen willig, so schafft man ihn bei Seite, und tritt
wieder Ebbe im Schatz ein, so läßt man ihn von Neuem kommen. Den
ungehorsamen Unterthanen gegenüber versteht aber Serenissimus keinen
Spaß. So ward am 9. Februar 1771 der Beimautner Joseph Schmoeger zu
Ploettenberg auf der gewöhnlichen Richtstätte »durch das Schwert vom
Leben zum Tode hingerichtet, weil er unter strafbarer Verletzung der
diesfalls erlassenen kurfürstlichen Generalien 900-1000 Scheffel
Getraide außer Landes gelassen hatte.« Eine vom Kurfürsten auf seine
eigenen Kosten ausgebildete Tänzerinn, Gertrud Ablöscher, welche von
München nach Wien durchgegangen war, ward mit einer so ungewohnten
Energie und Erbitterung verfolgt, daß Baiern mit Maria Theresia, welche
in die von ihr verlangte unbedingte Auslieferung nicht einwilligen
wollte, in heftigen Streit und die unerquicklichsten Verhandlungen
gerieth. Die Tänzerinn erhielt in München 150 fl. jährlichen Gehalts und
50 fl. persönliche Zulage, während sie in Wien viel besser gestellt
wurde. Steckt der Staatskarren zu tief im Sumpfe, so wird vom ganzen
Hofe nach Alt Oetting gewallfahrtet und der Zorn des Himmels durch
Gebete beschworen. So lebte man eigentlich nur vom Gebete und vom
Bettel, den man euphonistisch Subsidien nannte. Sämmtliche europäische
Regierungen wußten das, und sie selbst begünstigten dieses ehrlose
Geschäft, da sie bei vorkommender Gelegenheit Baiern in ihrem Interesse
zu benutzen und gegen ihren jeweiligen Feind zu verwenden suchten.

»Ganz kenntlich -- schreibt Maria Theresia am 23. Juni 1751 an ihren
Gesandten Widmann in München -- gehet das Absehen des Münchener Hofes
dahin, nebst dem von Uns und beiden Seemächten ziehenden Gold annoch von
Frankreich Geld zu ziehen, ohne für den ein noch andern Theyl etwas
werkthätiges zu thun. Mit allem dem trauete Frankreich dem
churbayerischen Hofe nicht recht und hat von dessen meisten Ministris
die übelste, von dem Churfürsten selbst aber die Meynung, daß er ein
schwacher zaghafter Herr seye.« »»Aus dem hier habenden Grundsatze
antwortet Widmann am 4. Juli -- von allen Seithen Geld und Subsidien zu
nehmen, machet man fast kein Geheimniß.«« Unmittelbar vor dem
siebenjährigen Kriege erklärte der Kurfürst lieber die dreifachen
Subsidien von Frankreich ausschlagen zu wollen, wenn ihm Oesterreich die
einfachen Subsidien garantire, und der Minister Freiherr v. Berchem
sagte: »Ohne Subsidie können wir nicht seyn und unsere Interessen müssen
wir auf der einen oder andern Seithen finden.« »Wenn nicht in Bälde,
schreibt Widmann am 26. Dezember 1755 -- von London aus wegen Erneuerung
des Subsidienvertrages vergnügliche Nachrichten einlaufen, dürfte der
Kurfürst nicht länger mehr anstehen, endlich solche von Frankreich
anzunehmen.«

Bekanntlich zeichneten sich die während des siebenjährigen Krieges bei
der Reichsarmee stehenden bayrischen Truppen durch nichts weniger als
durch Heldenthaten aus. Von welcher Beschaffenheit sie aber bei Ausbruch
des amerikanischen Krieges gewesen sein müssen, geht aus der von Seb.
Bruner in seinem Buche: »Der Humor in der Diplomatie« mitgetheilten
Korrespondenz hervor. Es schreibt nämlich der kaiserliche Gesandte Graf
Lehrbach am 24. März 1778, also zwei Jahre nach dem Anerbieten des
Kurfürsten und einige Monate nach dessen Tode, an den Minister Fürsten
Kaunitz-Rittberg: »Der Militärstand ist nach der Cameral-Einrichtung auf
15,000 Mann, dermalen kaum 3000 Mann unter Gewehr, nebst einem
Invaliden- und Garnison-Regiment. Zum Unterhalt dieser 15,000 Mann,
worunter 39 Generale, sind alle Monat 93,000 fl. Vorschuß bestimmt,
wovon der Unterhalt der Festungen, des Generalstabs und Alles, was zum
Militärstand gehörig, zu bestreiten wäre, welche auch so verwandt
werden, als ob dieser Stand wirklich vollzählig wäre. Welches auch
leicht begreiflich, wenn man unter Anderem diesen Unfug beherziget, daß
wenn eine Offiziers- oder andere Frau gesegneten Leibes war, hat man es
entweder durch bloße Protektion oder mittelst Geldverwendungen, welches
in diesem Lande für alle Gattungen von Bedienstungen oder
Gnadenerweisungen der schicklichste Erhaltungsweg war, dahin gebracht,
daß für noch nicht geborene und zur Welt gebrachte Leibesfrucht eine
Offiziersstelle ertheilt worden ist. Wenn dann entweder eine todte
Frucht zur Welt gekommen oder gar eine Tochter oder ein Sohn, der aber
gleich oder nicht lange nachher gestorben, so hat die Familie oder
Eltern der Kinder doch immer die Erträgnisse der gegebenen
Offizierspatente fortgenossen. Die für die Beurlaubten ersparten Gelder
fließen in die Tasche des Kurfürsten.« Natürlich gerieth unter solchen
Umständen Alles in Unordnung; es herrschte unter den Truppen
Unzufriedenheit und Desertion. Kurz vor Ausbruch der französischen
Revolution waren bei den Chevauxlegers-Regimentern 150 Pferde und 40
Sättel und für erstere nicht einmal die gehörigen Pferdestriegel
vorhanden.

Es war also kein Wunder, wenn die bayrischen Soldaten zu jener Zeit nach
den päpstlichen als die schlechtesten in Europa galten, und es war weise
von Suffolk, daß er kurzer Hand das kurfürstliche Anerbieten verwarf.
Dagegen zog er die ihm im Dezember 1776 gewordenen Offerten Würtemberg's
und Brandenburg-Anspach's näher in Betracht und betraute zu Anfang des
Jahres 1777 den Obersten Faucitt mit einer Sendung an die Höfe von
Stuttgart und Anspach, um womöglich sofort mit ihnen einen
Truppenlieferungs-Vertrag abzuschließen.

Da dieses Kapitel nur den verfehlten Versuchen Suffolk's, deutsche
Hülfstruppen zu erlangen, gewidmet ist, so mögen hier zuerst die
Verhandlungen mit Würtemberg ihren Platz finden, wenn sie auch, der Zeit
nach, einige Wochen nach dem mit Anspach geschlossenen Vertrage begonnen
und beendigt wurden.

Sir Joseph Yorke hatte Suffolk im September 1775 den Herzog von
Würtemberg als einen Fürsten genannt, der wohl im Stande sein werde,
einige Tausend Mann zu liefern; auch der Herzog selbst hatte sich dem
Minister angeboten. Es kam also zunächst auf den Versuch an,
Verhandlungen mit ihm anzuknüpfen.

Das Herzogthum Würtemberg zählte zu jener Zeit bei einer Größe von
ungefähr 200 Quadratmeilen 514,575 Einwohner. Der Herzog Karl Eugen
(1744-1793), der berüchtigte Peiniger Schubart's und Moser's, sowie
spätere Gründer der Karlsschule, war zu jener Zeit noch der Landes- und
Volksquäler, der nach dem von ihm zuerst öffentlich aus dem
Französischen übersetzten zynischen Grundsatz handelte: »Was Vaterland!
Ich bin das Vaterland!« und sich erst im Jahre 1778 unter dem Einfluß
einer verständigen und sanften Frau zu einem bessern Lebenswandel
bekehrte. Zwanzig Jahre früher nannte er die Beschwerde seiner Stände
über den ohne ihr Wissen mit Frankreich abgeschlossenen
Subsidien-Vertrag, der ihm drei Millionen Gulden einbrachte,
aufrührerisch und unanständig und drohte der ständischen Vertretung mit
dem Asperg. Herzog Karl Eugen hat übrigens die Ehre, durch seinen
Ex-Feldscherer Schiller der Nachwelt viel genauer bekannt geworden zu
sein, als er verdient; so dankbar ist das deutsche Volk gegen seinen
großen Dichter, daß es den kleinen Tyrannen, weil er fördernd und
hemmend in dessen Jugend eingriff, sogar in Dichtung und Sage
verherrlicht hat. Der Leser kann für die nähere Charakteristik dieses
Mannes deshalb füglich auf die populären Lebensbeschreibungen Schiller's
von Palleske und Scherr verwiesen werden. Hier nur ein Zug, der ihm
unter seinen Zeitgenössischen Brüdern und Vettern als den rohesten und
grausamsten kennzeichnet. Als er Schubart mit gerade demselben Recht
eingekerkert hatte, mit welchem ein tunisischer Seeräuber seiner Zeit
Menschen an den Küsten des Mittelmeeres stahl, zwang er sein volle zehn
Jahre eingesperrtes und gemartertes Opfer sogar, ihn, den gnädigsten
Peiniger, an seinen Geburtstagen zu besingen. Der arme gebrochene Mann
ließ sich leider zu dieser Entehrung mißbrauchen. Die Sammlung der
Schubart'schen Gedichte ist reich an derartigen, auf Bestellung
gelieferten Ergüssen. Ein paar Proben, auf gutes Glück herausgegriffen,
mögen in der Anmerkung Platz finden.[3]

Auch die Herzöge von Würtemberg machten wie ihre fürstlichen Kollegen
seit Menschenaltern gern Geschäfte in Truppenlieferungen und waren in
der Herbeischaffung von wohlqualifizirten Subjekten durchaus nicht
bedenklich. In dieser Beziehung ist Karl Eugen nicht schlechter als
seine Vorfahren; er handelte höchstens noch rücksichtsloser und
konsequenter als sie. Man ist in der That oft in Verlegenheit, wem von
ihnen man den Preis zuerkennen soll, aber in letzter Instanz muß man
sich doch für Karl Eugen als den niederträchtigsten entscheiden.

Die langjährigen Zwistigkeiten des Herzogs mit seinen Ständen wurzeln
zum großen Theil in der Willkür, mit welcher er seine Truppen aushob und
erhielt; sie geben uns das aktenmäßig beglaubigte Material an die Hand,
zur Beurtheilung der Soldateska während der letzten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts. Nirgend im damaligen Deutschland war das Rechtsbewußtsein
so ehrlich und schroff entwickelt als bei den braven Schwaben. Eine
kurze Uebersicht über ihre Streitigkeiten mit dem Herzog ist äußerst
lehrreich für das Verständniß der uns beschäftigenden Epoche. Ex uno
disce omnes!

In den ersten Jahren seiner Regierung enthielt sich Karl Eugen jedes
gewaltthätigen Eingriffs in die Rechte seiner Unterthanen und zwang sie
namentlich nicht zum Dienste. Erst allmälig entwickelte sich der Sultan
in ihm. Als der siebenjährige Krieg ausgebrochen war, und als der Herzog
neben den 6000 Mann Hülfstruppen, die er Frankreich geliefert hatte,
sein Reichskontingent stellen sollte, das bis dahin nicht vorhanden war,
da schritt er mit einer Rücksichtslosigkeit zur gewaltsamen Aushebung
seiner Bürger und Bauern, die im schroffsten Gegensatze zu deren
verbrieften Rechten stand und zu langjährigen Zwistigkeiten mit den
Landständen führte. Der berüchtigte Major Rieger erhielt Vollmacht, in
kürzester Zeit die nöthige Truppenzahl zu liefern. So schwer das war, da
die Schwaben gegen Friedrich den Großen als Beschützer des
Protestantismus in Deutschland nicht dienen wollten -- Karl Eugen war
katholisch -- so erfüllte Rieger doch seinen Auftrag. Wer achtzehn Jahre
und sonst tauglich war, mußte Soldat werden; vom Feld und aus den
Werkstätten, aus den Häusern und aus den Betten holte man die Leute,
umstellte Sonntags die Kirche und ließ sie von da gewaltsam
fortschleppen; zur Unterzeichnung der Kapitulation aber zwang man sie
durch Hunger und Gefängniß. Beamte, die sich hierbei nicht recht thätig
zeigten, wurden mit strengen Strafen bedroht. Die auf solche Art
zusammengeraffte Mannschaft empörte sich jedoch, als sie in's Feld
ziehen sollte, und Rieger mußte mit noch grausamerer Strenge ein neues
Heer zusammenbringen. -- Ueber dies Verfahren entstand allgemeiner
Unwille im Lande; indessen fruchteten die wiederholten wehmüthigsten,
aber respektvollsten Vorstellungen des ständischen Ausschusses nicht.
Weil aber die Desertionen so sehr überhand nahmen, daß die Truppen in
kurzer Zeit 360 Deserteure zählten und im September 1757 allein aus dem
Feldlager bei Linz 62 ausrissen, so wurden die Gesetze gegen das
Desertiren bedeutend verschärft. Selbst wer mit Gewalt zum Kriegsdienst
weggenommen war, wurde, sobald man ihn wieder ergriff, gehängt und mit
Vermögensverlust bestraft. Wer einem Deserteur half, verlor das
Bürgerrecht, wurde ohne weitern Prozeß ins Zuchthaus abgeführt und hier,
unter wiederholtem Willkomm (d.h. Stockprügeln) zu harter Arbeit
angehalten. Um das Entkommen der Ausreißer zu verhindern, wurde befohlen
-- in der Würtembergischen Geschäftssprache nannte man die Maßregel
Deserteur-»Attrapirungs-Anstalten« -- daß die Nachtwächter auf den
Nebenwegen längs den Dörfern alle Nächte streichen mußten. Wenn Lärm
gemacht wurde, so hatte die aufgerufene Gemeinde augenblicklich alle
Straßen, Brücken, Nebenwege und Fußsteige zu besetzen und wenigstens
vier und zwanzig Stunden lang besetzt zu halten. Wegen eines einzigen
Ausreißers hatte in solchen Fällen Tübingen 106, Herrnberg 92, Böblingen
101, Besigheim 48 Mann auszuschicken; der kleine, aus fünfzig Familien
bestehende Ort Dachtel stellte in einem Jahre 1488 Mann auf die
Alarmplätze. Nicht selten verloren beim Widerstand bewaffneter Ausreißer
arme Familienväter Leben oder Glieder. Derjenige Ort aber, auf dessen
Gemarkung ein Deserteur nicht aufgehalten wurde, obgleich es hätte
geschehen können, mußte einen Mann von der Größe des Entwichenen
stellen, und namentlich sollte dann bei den Söhnen des Ortsvorstehers
der Anfang gemacht werden. Dieser Befehl war alle Monate von der Kanzel
zu verkündigen. Am 1. Oktober 1758 erhielten die Beamten den Auftrag,
die Aushauser fortwährend namhaft zu machen und allenfalls gleich
einzuschicken, »und zwar nicht blos solche, die ihr Vermögen schon
verthan hätten, sondern überhaupt Alle, welche ein liederliches Leben
führten, Trunkenbolde, Raisonneure, illegale Müßiggänger, unruhige
Köpfe, subtile und schleichende Aufwiegler oder andere dem Publikum
politisch oder zur Last fallende Leute, welche nicht über 60 Jahre alt,
nicht gebrechlich und wenigstens 5 Fuß 8 Zoll hoch seien.« Als Grund für
diesen Befehl wurde vom herzoglichen Zuchtmeister angegeben, daß viele
Beispiele von solchen Leuten vorhanden seien, die sich im Militärdienst
ganz und gar geändert und der hier herrschenden preiswürdigsten Ordnung
und Disziplin dergestalt folgsam erzeigt hätten, daß man sich bei ihrer
einstigen Entlassung gehorsame, ruhige und vernünftige Bürger an ihnen
zu versprechen habe.

Die Beschwerden der Landstände »mit ihrer in Staatssachen schwachen
Einsicht«, wie der Herzog meinte, wurden keiner Antwort gewürdigt, der
Landschafts-Konsulent Moser aber, die Seele der Opposition und der
berühmte Staatsrechtslehrer, ward verhaftet und auf den Asperg
geschafft.

Als 1760 nach Ablauf des Subsidienvertrages mit Frankreich der Plan
mißlungen war, 6000 Mann Fußvolk in spanische Dienste zu bringen, wurde
die um's Vierfache gesteigerte Militärlast von 10,290 Mann auf's Land
gewälzt. Der Herzog versprach zwar, daß er sich alle Mühe geben werde,
um durch einen neuen Subsidienvertrag seinen lieben und getreuen
Unterthanen eine nicht geringe Erleichterung des verlangten
Militärbeitrags zu verschaffen; es wollte aber kein soldatenbedürftiger
Fürst die Würtemberger. Während diese unter tüchtiger Führung zu den
allerbesten deutschen Soldaten gehörten, war zu jener Zeit ihre
Abneigung gegen den Dienst ganz berechtigt. Damals war das Militär bei
seinen eigenen Landsleuten verachtet und verabscheut. Den jungen
Würtemberger wandelte ein Schauder an, wenn er nur Soldaten sah; lieber
verließ er das elterliche Haus oder erlegte starke Majoritätsgelder, um
heirathen zu dürfen, wenn er von einer Aushebung hörte. Die Ursachen
dieser Abneigung vor dem Militärstand lagen in den allzuschroffen
Kriegsartikeln, in dem kläglichen Sold, der zerlumpten Kleidung, den
abgedrungenen Kautionen, in der schlechten Behandlung der Soldaten, in
den nicht gehaltenen Kapitulationen, den erzwungenen Loskaufungsgeldern
und dem Schicksal der verwahrlosten, Abscheu und Ekel erregenden
Invaliden und der abgedankten als Bettler herum ziehenden Soldaten.
Deßwegen wähnte man damals, das Militär sei blos ein Zuchtinstitut,
wohin nur Taugenichtse, Aussauger, Faullenzer, Verschwender, mißrathene
Söhne und Sträflinge gehörten. Der Bauernbursche glaubte, daß das
Soldatenhandwerk nur durch Stockprügel und Regimentsstrafen erlernt
werden könne. Selbst noch zu Anfang der französischen Revolution waren
die Würtembergischen Soldaten bloß ein Haufen zusammengestoppelter, der
Strapazen ganz ungewohnter Leute, von denen die meisten nur darum gern
in's Feld zogen, um eine schickliche Gelegenheit zum Ausreißen zu
finden. Der Abgang wurde zwar durch Werbungen wieder ersetzt, aber die
Rekrutentransporte waren öfters, noch ehe sie die Standquartiere
erreichten, unterwegs durch Desertion oder durch die Künste fremder
Werber auf die Hälfte herabgeschmolzen, so daß man sie zuletzt stets
durch Husaren begleiten ließ. Lange Zeit war daher auch das Desertiren
und Rekrutiren die größte Kompagnieneuigkeit und Desertion der
gewöhnliche Frührapport. Ein Theil des Kontingentes aber bestand aus
alten und gebrechlichen Leuten, welche täglich um ihren Abschied oder
den Invalidengehalt baten, und der kleinere Theil war durch die vielen
Veränderungen und das böse Beispiel der Deserteure ganz mißmuthig und
verdrießlich geworden. Die Artillerie allein machte eine Ausnahme von
diesem schlechten Zustand. (Pfaff's Geschichte des Militärwesens in
Würtemberg. Stuttgart. 1842. pp. 66-87.)

So viel sich auch die Landstände beklagten, sie fanden kein Gehör. Im
Jahre 1764 beliefen sich ihre Militärbeschwerden auf mehr denn fünfzig,
darunter die Klage über die ohne Wissen der Landschaft geschlossenen
Bündnisse und Subsidienverträge, über die gewaltsamen Aushebungen, über
die den jungen Leuten abgedrungenen Loskaufgelder von 50-100 fl., über
das Verfahren gegen diejenigen, welche ihre Kapitulationszeit vollendet
hatten und nun durch Fuchteln, Stockschläge, Einkerkerung und andere
harte Strafen zu längerm Dienste oder zu Arbeiten beim herzoglichen
Bauwesen gezwungen wurden, wo sie oft lange Zeit weder Sold noch Lohn
erhielten und daher in zerrissenen Monturen, ohne Schuhe und Strümpfe
auf dem Bettel umherziehen mußten. Die Stände klagten ferner über die zu
strengen Strafen gegen Deserteure, über die Wegführung der mit Gewalt
weggenommenen Unterthanen in's Ausland, über die harte Bestrafung der
verheiratheten Bürger, welche bei der angeordneten Landesdefension nicht
erschienen, und der Eltern und Verwandten der Rekruten, wenn sie diese
verbärgen, über das auf Befreiung vom Militärdienst gesetzte hohe
Lösungsgeld, welches im Ganzen gegen 500,000 fl. betrage und welches
selbst solche zahlen müßten, welche ihre Kapitulationszeit schon
überstanden hätten, über die Fortdauer der Einquartierung, ungeachtet
der ansehnlichen Beiträge des Landes zum Kasernenbau, über die durch den
häufigen Garnisonswechsel verursachten Unkosten, über die höchst
beschwerlichen »Deserteurs-Attrapirungsanstalten«, über die Bedrohung
und Bestrafung der Gemeindevorsteher, welche beschuldigt würden, daß sie
Ausreißer hätten durchkommen lassen, über die Erleichterung der
Soldaten- und die Erschwerung der bürgerlichen Ehen, über den Schaden,
welchen Gewerbe und Landwirthschaft durch die gewaltsame Wegnahme der
Handwerksburschen und Dienstknechte erlitten, über die erzwungene
Uebernahme der ausgemusterten Wagen- und Artilleriepferde, wodurch den
Aemtern ein Schaden von 200,000 fl. erwüchse, über die vielen Leistungen
von Vorspann bei »Campements« und Garnisonswechseln, den Ruin der
Felder und die Verhinderung der Leute an ihren Feldarbeiten, sowie
endlich über den übergroßen Generalstab, die zahlreichen Offiziere und
die kostbaren Montirungen und Equipirungen.

Der Herzog, erbittert über den nur zu gerechten Tadel, schickte die
Landstände nach Hause. Diese ließen sich aber durch seine Drohungen
nicht einschüchtern, sondern reichten, durch die Könige von Dänemark,
England und Preußen als Garanten der Würtembergischen Verfassung
unterstützt, am 30. Juli 1764 eine gerichtliche Klage gegen des Herzogs
verfassungswidriges Betragen beim Reichshofrath ein, welcher am 15. Mai
1765 den Landständen Recht gab und Karl Eugen zur gütlichen Beilegung
des Streites aufforderte. Jetzt gab dieser nach. Das Resultat der
Verhandlungen war der sog. Erbvergleich vom 2. März 1770, welcher die
Rechte des Herzogs und der Landschaft festsetzte. Von jetzt an hörten
die schreiendsten Mißstände wenigstens eine Zeit lang auf; im Uebrigen
ging bald Alles wieder seinen alten Schlendrian. Als 1782 die Stände
sich von Neuem darüber beschwerten, daß die Ursache der starken
Auswanderung neben den Forst- und Jagdklagen in den Beschwernissen
liege, welche der Unterthan durch das Militärwesen zu erdulden habe,
nannte der Herzog ihre Bemerkungen eine ganz unanständige Zensur.

Wie sehr übrigens die Stände in ihren Streitigkeiten mit dem Herzog
Recht hatten, beweist u.A. die von dem letztern 1765 und 1766 bewirkte
Reduktion seines Offizierkorps, um dem Reichshofrath weniger schuldig
gegenüber treten zu können. So entließ er im erstgenannten Jahre
3 Generalmajore, 3 Obersten, 1 Obristlieutenant, 5 Majore,
62 Hauptleute, 113 Lieutenants und 26 Fähndriche, während er 1766 noch
1 Feldzeugmeister, 1 Generallieutenant, 5 Generalmajore, 3 Obersten,
1 Major und 1 Rittmeister pensionirte. Die Offiziere selbst waren
nichts als rohe Landsknechte, denn sie wurden nicht so sehr nach der
Tüchtigkeit als nach den Vorzügen der Geburt gewählt, am Willkommensten
aber waren Ausländer. Hierdurch aber kam ein Geist des Uebermuths unter
die Offiziere, durch welchen sämmtliche Klassen des Bürgerstandes
schwer leiden mußten; denn diese wurden »recht rittermäßig gehudelt«,
selbst an Ober- und Staatsbeamten wurden Rippenstöße und Stockprügel
ausgetheilt, »das Heiligthum der Landesrechte und Freiheiten aber mit
Füßen getreten.« Nur eine einzige, dem Ende der uns beschäftigenden
Periode angehörige und in Schlözer's Staats-Anzeigen erzählte Anekdote
möge hier als charakteristisch für den Geist des würtembergischen
Kriegsheers einen Platz finden. Am 24. Mai 1783 ließ ein Lieutenant von
Böhnen in Stuttgart einen an der Hauptwache vorbeigehenden Kammerrath,
weil er den Hut nicht vor ihm abgezogen, in die Wachtstube schleppen
und ihm fünfundzwanzig Stockschläge aufzählen. Der Geprügelte erhielt
einzelne Hiebe auf den Kopf und schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr.
Es sei der hochmüthigen Schreiberseele schon recht geschehen, meinte
das Hofgesindel. Natürlich kam der adlige Lieutenant so gut wie
straffrei davon.

Der Herzog wußte zu gut aus eigener Erfahrung, daß man mit rebellischen
Unterthanen so leicht und schnell nicht fertig wird und lächelte
ungläubig ob der Naivetät Suffolk's, als dieser die Revolution in einem
Feldzug niederwerfen zu können erklärt hatte. Karl Eugen wartete deshalb
auch seine Zeit ab. Kaum hörte er von den Siegen der Engländer auf Long
Island, als er dem König zur glücklichen Niederwerfung der Rebellion
Glück wünschte und zugleich seine Truppen für den nächsten Feldzug
anbot. Dieser Brief wurde von Wilhelm Römer, dem würtembergischen
Agenten in London, am 9. Dezember 1776 überreicht. Bald darauf kam der
Herzog selbst. Es scheint aber nicht, daß sein persönliches Erscheinen
einen günstigen Eindruck auf Suffolk gemacht habe, wenigstens förderte
es die Verhandlung nicht. Am 19. Januar 1777 bot Römer in aller
Förmlichkeit 3000 Würtemberger an, die gegen Mitte März in Heilbronn
eintreffen und sich dort einschiffen sollten. »Ich erlaube mir --
schrieb Römer -- am Schlusse zu versichern, daß der Herzog bei seiner
hohen persönlichen Ehrerbietung vor Seiner Majestät Alles aufbieten
wird, sich bei dieser Gelegenheit durch sorgfältig ausgewählte
Mannschaften und gute Ausrüstung der Offiziere und Soldaten
auszuzeichnen, und daß er den König, Ew. Lordschaft und den
Oberbefehlshaber in Amerika zu befriedigen suchen wird.«

Als Suffolk am 14. Januar 1777 Faucitt seine Instruktionen für Anspach
gab, fügte er einen gleichlautenden Auftrag für Würtemberg bei. »Der
König -- sagte er -- will die 3000 Mann, welche der Herzog ihm angeboten
hat, annehmen. Die zu liefernden Truppen sollen aus 100 Mann per
Kompagnie, mit je vier Offizieren und eben so viel Sergeanten, ein
Sechstel des Ganzen aber aus Jägern bestehen, falls Sie so viel gute und
erfahrene Jäger haben können. Je jünger die Offiziere, desto besser!
Jedes Bataillon muß seine Geschütze mitnehmen und das ganze Korps am
10. März zur Einschiffung fertig sein.« »Die Mittheilung mag Ihnen von
Nutzen sein -- fügte Suffolk in einem vertraulichen Schreiben hinzu --
daß der Herzog von Würtemberg und der Markgraf von Anspach besonders
warm wünschen, ihre Truppen Seiner Majestät zu vermiethen, und daß die
desfallsigen Vorschläge nicht von uns ausgegangen, sondern von ihnen
gemacht sind. Römer, des Herzogs hiesiger vertrauter Agent, hat mir
zudem versprochen, daß die zu liefernden 3000 Mann möglichst auf den
englischen Fuß gestellt und mit so wenig überflüssigem Zubehör versehen
sein sollen, als nur möglich ist. Hoffentlich denkt der Herzog nicht
daran, einem Offizier von höherm Rang als General-Major den Befehl über
seine Truppen zu übertragen.«

Als Suffolk das Anerbieten des Herzogs annahm, war er von der falschen
Voraussetzung ausgegangen, daß dessen stehendes Heer doppelt so groß als
das versprochene Kontingent sei, in welchem Irrthum er durch einen im
englischen Kriegsministerium befindlichen Bericht des Hauptmanns
Pleydell bestärkt wurde. Dieser Offizier hatte nämlich Stuttgart zu
Anfang September 1775 besucht und war offenbar durch die glänzende
Außenseite der würtembergischen Residenz, durch den Herzog und seine
Minister geblendet worden; er hatte die auf dem Friedensfuß stehende
Armee des Herzogs auf 5500 Mann geschätzt und sich äußerst anerkennend
über die guten Eigenschaften der Truppen, die schönen Kasernen, die
prächtigen Uniformen und die guten Pferde ausgesprochen.

Anders lautete die Lesart, die jetzt Faucitt bei genauerer Besichtigung
gab.

»Ich wurde -- schreibt er am 7. Februar 1777 von Stuttgart -- dem
Herzoge am Tage meiner Ankunft von Anspach (3. oder 4. Februar)
vorgestellt. Er versprach mir sofort, dem Könige die 3000 Mann zur
festgesetzten Zeit zu liefern; die Minister versicherten aber, daß
dieses Versprechen sich unmöglich erfüllen lasse. Ich bedaure, daß meine
Verhandlungen an diesem Hofe voraussichtlich zu Nichts führen werden.
Der Herzog ist nicht im Stande, ein Drittel der in Aussicht gestellten
Truppen zu liefern. Sein Kredit und seine Finanzen sind bei einer so
niedrigen Ebbe angekommen, daß er, selbst wenn er die Truppen auszuheben
vermag, unmöglich gute Waffen und Uniformen anschaffen kann, um sie
für's Feld auszurüsten. Seit ich in Deutschland bin, habe ich schon viel
von des Herzogs ruinirten Verhältnissen gehört; ich finde jetzt die
weitgehendsten Schilderungen bestätigt, namentlich aber sind seine
Mittel so erschöpft, daß er gar nicht an die Ausrüstung eines Korps für
Amerika denken kann. Seine ganze Armee besteht aus 1690 Mann (Offiziere
und Unteroffiziere nicht mit eingeschlossen). Die Kavallerie beträgt 410
Mann; die Infanterie 1060 und die Artillerie 220 Mann. Ein
Infanterie-Regiment hat im Durchschnitt 240 Mann und ein
Kavallerie-Regiment 120 Mann! Ein großer Theil der Soldaten ist
beurlaubt. Was bei den Fahnen steht, ist der steif, alt und dekrepit
gewordene Ueberrest aus dem letzten Kriege. Um die Desertion zu
verhindern, giebt man den Soldaten, deren Zeit längst abgelaufen ist,
ihre fällig gewordene Löhnung nicht. Ihre Waffen stammen aus dem letzten
Kriege, sie sind von allen Kalibern, dabei abgenutzt und werthlos. Ihre
Feld-Ausrüstung und Zelte sind von noch schlechterer Beschaffenheit. Die
Offizierszelte sind in Stücke geschnitten und in verschiedene Formen
gebracht, um bei den ländlichen Festen des Herzogs zu dienen. Ohne neue
Zelte können sie gar nicht marschiren. Dieser entmuthigende Zustand der
würtembergischen Armee erschreckte mich derartig, daß ich mir des
Herzogs Geständniß, er könne nicht alle 3000 Mann in der
vorgeschriebenen Zeit liefern, zu Nutze machte und erklärte, ich müsse
auf der ganzen Zahl bestehen, jedenfalls Ihnen aber erst Bericht
erstatten. Der Herzog ernannte zwei seiner Minister und einen Major zur
Unterhandlung mit mir, welche keinen der bisherigen Verträge kannten.
Ich entwarf einen nach dem Muster des braunschweigischen, da dieser der
mäßigste von allen ist. Die Subsidien beschränkte ich auf sechs Monate,
statt zwei Jahre wie in Braunschweig einzuräumen. Ebenso bewilligte ich
vor dem Abmarsch nur sieben Tage Löhnung statt zwei Monate. Ich war
natürlich bereit, bessere Bedingungen zu gestatten, falls es verlangt
würde. Die Herren machten aber nicht die geringsten Einwendungen.«

»Ich kann mich noch immer nicht -- fährt Faucitt von Kassel aus am 17.
Februar 1777 fort -- über den Aerger der Enttäuschung in Stuttgart
beruhigen. Ich fürchte, daß dieser bedeutende Ausfall an Truppen
ernstliche Unannehmlichkeiten nach sich ziehen wird. Ich bin mir aber
bewußt, recht gehandelt zu haben. Alle Manöver schlugen bei mir fehl.
Weder die schmeichelhaften Höflichkeiten, noch die ausgesuchteste
Artigkeit und Aufmerksamkeit haben mich verlockt. Ich habe auch nicht
für einen Bruchtheil der Truppen abgeschlossen, da diese, ganz abgesehen
von ihrer schlechten Equipirung und Bewaffnung, doch für den aktiven
Dienst nicht getaugt haben würden. Der Herzog hat sich seit einigen
Jahren so sehr weibischen Vergnügungen hingegeben, daß er das
Militärwesen ganz vernachlässigt und in Verfall gebracht hat. Was ich in
seinem Arsenal in Ludwigsburg sah, hat mich in meinen ersten ungünstigen
Eindrücken nur bestärkt. Ich fand daselbst nur einen schönen
Artillerie-Train, den wir aber nicht brauchen können; die dort
befindlichen Gewehre verschiedensten Kalibers sind alt, ihre Schlösser
zerbrochen oder außer Ordnung; die wenigen Zelte sind alte schäbige
Ueberreste aus dem letzten Kriege. Ich zog mich deshalb so gut ich
konnte aus der Schlinge, sprach von gegenseitigem Mißverständniß über
Zahl und Lieferungszeit der Truppen und reiste ab.«

Suffolk gab Faucitt unbedingt Recht und meinte nur, ob man nicht
Malsburg einen Wink geben und die brauchbaren würtembergischen Jäger
nicht zur Vervollständigung der hanauischen Jäger-Abtheilung benutzen
könne. Malsburg verstand den Wink und fast ein Drittel der letzten drei
hanauer Jäger-Kompagnien, die im April in Nimwegen ankamen, waren
Würtemberger.

Uebrigens regte Faucitt selbst im April 1777 von Kassel aus den Plan
wieder an, wenigstens 1000 bis 1500 Mann vom Herzog von Würtemberg zu
miethen, der nach wie vor von Ehrerbietung gegen den König von England
überströmte und es sich als besondere Gnade ausbat, daß seine Truppen
einigen Antheil an der Niederwerfung der amerikanischen Rebellion nehmen
dürften. Suffolk meinte zwar, diese Dienstwilligkeit ziele mehr darauf
hin, eine bedeutende Summe Geldes nach Stuttgart zu ziehen, als Sr.
Majestät Streitkräfte bedeutend zu verstärken, allein er bevollmächtigte
Faucitt, die Verhandlungen mit Karl Eugen wieder anzuknüpfen und ihm die
den Hessen gewährten Bedingungen einzuräumen, wenn er bis zum Frühjahr
zwischen 1500 und 4000 Mann erhalten könne. Indessen hatte der englische
Minister immer noch Mißtrauen in die Tüchtigkeit der würtembergischen
Truppen und brach im Dezember die schwebenden Unterhandlungen ganz ab,
als -- wie wir später sehen werden -- in Folge der vom König von Preußen
gegen die deutschen Hülfskontingente ergriffenen Maßregeln ihre
Verschiffung den Rhein hinunter vorläufig unmöglich wurde.

Uebrigens verschmähte es Suffolk zu gleicher Zeit nicht, mit
hergelaufenen Abenteurern, alten Werbe-Offizieren und prahlenden
Landsknechten direkt zu verhandeln, wofern sich ihm nur eine Aussicht
bot, ein paar tausend Mann mehr für den Dienst in Amerika zu gewinnen.
So ließ er sich u.A. Monate lang in einen ausführlichen Briefwechsel mit
einem schwäbischen Baron Eichbegg ein. Dieser Mann bot seine Dienste in
London selbst an und fand dort, wo man seinen Aufschneidereien und
abenteuerlichen Plänen anfangs ein gläubiges Ohr schenkte, eine äußerst
freundliche Aufnahme. »Da ich glaube, -- schrieb er in einem
barbarischen Französisch am 12. Juni 1777 an Suffolk -- daß der Hof von
Wien und das ganze Reich neue, für Amerika bestimmte Truppen-Aushebungen
in Deutschland mit keinem günstigen Auge ansehen wird, so erlaube ich
mir, Mylord, Ihnen einen Vorschlag zu machen, über den kein Mensch Lärm
schlagen kann. Mein Geheimniß besteht darin, daß ich eine
Rekruten-Niederlage auf der Insel Minorka bilde, dort eine beträchtliche
Anzahl Deutscher sammle und von da aus stets die deutschen in Amerika
dienenden Regimenter vervollständige. Ein geborner Schwabe, habe ich die
beiden letzten Kriege in Deutschland mitgemacht und kenne nicht allein
besser als jeder Andere das Land, sondern auch die Mittel und Wege, auf
denen man, ohne Skandal zu machen, alle möglichen Rekruten zu zwanzig
Pfund pro Stück nach Genua und von da nach Minorka schafft. Ich würde
natürlich meinen Wohnsitz in Minorka aufschlagen.«

Suffolk fand diesen Plan denn doch etwas zu weit aussehend; aber der
erfinderische Herr von Eichbegg machte ihm bereits am 8. August 1777
einen neuen verbesserten Vorschlag. Er hatte diesmal nichts Geringeres
vor, als Slowaken und Kroaten nach Amerika zu schaffen und aus diesem
Gesindel zugleich nach beendigtem Kriege eine den Amerikanern furchtbare
Niederlassung zu bilden. »Meine alten Waffengefährten -- schreibt
Eichbegg unter jenem Datum -- wollen Niemandem anders dienen, als
England; ich erneuere deshalb meine Bitte um Prüfung meines sehr
beachtenswerthen Vorschlages. Ich weiß nicht, was für Gründe Sie
bestimmen, denselben abzulehnen. Meine Leute sind tapfere Slowaken, die
ich im Kriege gegen Türken und Russen kommandirt habe; sie folgen mir,
wohin ich gehe, bis an's Ende der Welt; zugleich sind sie gute Matrosen.
Es wäre aber wichtig, nicht allein Soldaten und Matrosen nach Amerika zu
schaffen, die sich während des dortigen Krieges nützlich machen könnten,
sondern zugleich von der höchsten Bedeutung, später aus ihnen eine den
Amerikanern furchtbare Kolonie zu bilden. Sie würden in ihnen eine
natürliche Garnison gewinnen und die Transportkosten doppelt und
dreifach wieder herausschlagen.«

Es schien aber selbst Suffolk vor dieser Bande bange zu werden; er
lehnte deshalb den Antrag am 12. September 1777 definitiv ab und
beharrte bei seiner Weigerung, als Eichbegg am 6. Januar 1778 sein
Anerbieten von Hamburg aus erneuerte. So blieben denn die armen Rebellen
vor der Gesellschaft der Halsabschneider, Rattenfallenhändler und
Militärgränzer verschont.

Je länger aber der Krieg in Amerika dauerte, desto größer wurden die
Verlegenheiten des englischen Ministeriums. Es hatte gar keine Wahl
mehr, sondern mußte seine Truppen nehmen, wo sie nur zu finden waren.
Der frühere Hochmuth Suffolk's machte deshalb auch seit der
Gefangennahme der Hessen bei Trenton und namentlich seit der Uebergabe
Burgoyne's bei Saratoga einer ebenso großen Verzagtheit Platz. Die
Verwickelungen mit Frankreich und Spanien wurden namentlich seit dem
zuletzt genannten, für die englischen Waffen so traurigen Ereignisse
immer drohender, und täglich trat ein Krieg mit den bourbonischen
Mächten mehr in den Vordergrund. Waren die Amerikaner, als sie noch ohne
fremde Hülfe kämpften, nicht niedergeworfen, wie wollte man erst mit
ihren europäischen Bundesgenossen fertig werden?

Außer in Deutschland waren aber nirgend Hülfstruppen für England
aufzutreiben, und auch in Deutschland wurde die Aufgabe immer
schwieriger. Das an Soldaten so reiche Land hatte kaum zwölf Jahre nach
dem siebenjährigen Kriege sich wieder einen Abfluß von etwa 20,000
Menschen gefallen lassen müssen; einen größern Aderlaß konnte es kaum
noch aushalten. Gleichwohl fiel Suffolk immer wieder auf Deutschland
zurück, weil nirgend anderswo anzukommen war. Schon nach Fehlschlagen
seines Versuches in Würtemberg hatte er sich wieder an Sir Joseph Yorke,
seinen Gesandten im Haag, gewandt, dem er von allen englischen
Diplomaten die genaueste Kenntniß der deutschen Verhältnisse zutraute.
»Ich habe Sie -- schrieb er ihm am 4. März 1777 -- bereits am 1.
September 1775 nach der Möglichkeit befragt, fremde Truppen für den
amerikanischen Dienst zu erlangen. In Ihrer Antwort vom 5. September
1775 wiesen Sie mich auf den Landgrafen von Hessen-Kassel, den Herzog
von Würtemberg, den Herzog von Sachsen-Gotha, den Fürsten von Darmstadt
und den Markgrafen von Baden als Mächte hin, welche uns unter Umständen
und bei richtiger Behandlung eine ansehnliche Truppenzahl zu liefern im
Stande sein dürften. Seit jener Briefwechsel zwischen uns stattfand, hat
Seine Majestät mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel, dem Herzog von
Braunschweig, dem Erbprinzen von Hessen-Kassel, dem Fürsten von Waldeck
und jüngst mit dem Markgrafen von Anspach Verträge abgeschlossen. Ich
glaube kaum, daß wir alle nöthigen Mannschaften von diesen Fürsten
erlangen können. Der Herzog von Würtemberg hat Seiner Majestät
wiederholt seine Truppen angeboten. Es war auch unsre Absicht, einen
Theil davon in Sold zu nehmen; indessen entdeckten wir bald die
Unfähigkeit des Herzogs, uns irgend welche zu liefern, so daß wir den
Plan zu unsrer großen Enttäuschung haben aufgeben müssen. An die übrigen
in Ihrem Briefe genannten Fürsten, den Markgrafen von Baden, den Fürsten
von Darmstadt und den Herzog von Sachsen-Gotha haben wir uns weder
gewandt, noch sind uns ihrerseits Eröffnungen gemacht worden. Der Zweck
dieses vertraulichen Schreibens ist nur der, Ew. Exellenz zu bitten, daß
Sie sich darüber vergewissern wollen, welche Streitmacht diese Fürsten
im Nothfalle zu stellen im Stande sind. Natürlich dürfen Sie den
Verdacht nicht aufkommen lassen, daß wir uns möglichen Falls an sie
wenden werden. Der Ausfall der 4000 Mann die wir von Würtemberg zu
beziehen hofften, verringert in der That unsere Verstärkungen für den
nächsten Feldzug erheblich. Es ist natürlich unmöglich, diesen Ausfall
vor dessen Eröffnung wieder auszugleichen allein vielleicht liegt es in
unsrer Macht, Sir William Howe zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten
nach den heißen Augusttagen eine ansehnliche Truppenzahl zu senden,
falls er deren überhaupt noch bedürfen sollte. Beschränken Sie sich in
Ihren Nachforschungen ja nicht auf die genannten Fürsten, sondern dehnen
Sie dieselben überall hin aus, wo Sie eine Verstärkung erwarten zu
können glauben. Es ist von der größten Wichtigkeit, schon im Voraus zu
wissen, wo fernere militärische Hülfe zu finden ist, sei es für Amerika
oder für irgend einen Punkt in Europa.«

»Ich bedaure unendlich -- antwortet Yorke umgehend am 7. März 1777 --
daß der Herzog von Würtemberg sein Anerbieten nicht ausführen konnte,
und bin doppelt überrascht, da die schweizer Offiziere im holländischen
Dienste, welche von hier aus ihre Heimath besuchten, eine ganz andere
Sprache führten und mir oft Glück wünschten, daß wir in den
Würtembergern die besten deutschen Truppen in unsere Dienste nehmen
würden. Ich werde es mir natürlich zur Aufgabe machen, Ew. Lordschaft
Befehlen nachzukommen. Der Herzog von Sachsen-Gotha könnte uns, glaube
ich, leicht Truppen liefern. Der Landgraf von Darmstadt ist, wie ich
seit meinem damaligen Briefe gefunden habe, zu verliebt in seine
Soldaten, als daß er sie außer Sicht ließe; vielleicht dürfte er sich
aber doch in Versuchung führen lassen.« Das geschah nun nicht. Das
Paradespiel ward dem großen Trommler eine Stütze seiner Tugend.

Aus verschiedenen Ursachen schlugen auch alle späteren Versuche
Suffolk's fehl, mehr Truppen zu erlangen. Meistens ergab sich bei
näherer Prüfung der Verhältnisse, daß entweder die angebotene Zahl nicht
vorhanden war oder daß sonst ein Hinderniß im Wege stand. So schien sich
schon im Frühjahr 1777 eine Aussicht auf Gewinnung von zwei
Hildburghauser Bataillonen zu bieten. Unterm 9. April 1777 schrieb der
englische Gesandte in Wien, Robert M. Keith, an Suffolk, daß der
Feldmarschall Prinz von Sachsen-Hildburghausen ihm als Vormund seines
Neffen, des regierenden Fürsten, für den nächsten Feldzug zwei
Bataillone unter den dem Landgrafen von Hessen bewilligten Bedingungen
angeboten habe, und daß die Truppen in sechs Monaten marschfertig sein
könnten. Der Marschall hielt sein Gesuch sehr geheim und ließ es nur
durch die Hände der englischen Gesandtschaft in Wien gehen. Ob er sich
desselben schämte? So viel steht aber fest, daß er sein Anerbieten nicht
ausführen konnte, denn Suffolk, der es so gern angenommen hätte, kommt
nie wieder darauf zurück. Dagegen wies der englische Minister im
Dezember 1780 kurzer Hand das letzte ihm gemachte größere Angebot ab.
Gotha und Darmstadt hatten dem englischen Gesandten in Regensburg durch
ihren dortigen Residenten, einen Herrn von Gemmingen, erklären lassen,
daß sie froh sein würden, wenn der König von England 4000 Mann für den
amerikanischen Dienst von ihnen nehmen wollte. Es stellte sich später
heraus, daß der Suffolk'sche Agent entweder zu viel gehört oder das
Gehörte nicht recht verstanden hatte.

Somit behielt es für die ganze Dauer des amerikanischen Krieges bei den
sechs, in den Jahren 1776 und 1777 mit Braunschweig, Kassel, Hanau,
Waldeck, Anspach und Zerbst abgeschlossenen Truppenlieferungs-Verträgen
sein Bewenden. Die ersten vier sind bereits dargestellt worden; die
beiden letzteren werden in den folgenden Kapiteln erzählt werden.




Siebentes Kapitel.


Der Markgraf Karl Alexander von Anspach, zu welchem wir uns nunmehr
wenden, hatte schon im Herbst 1775, kurz nach Ausbruch des Krieges der
englischen Krone zwei Bataillone angeboten, indessen statt ihrer Annahme
nur eine grobe abschlägige Antwort auf seine im demüthigsten Tone
vorgebrachte Bitte erhalten können. Er war aber nicht der Mann, der sich
so leicht abweisen ließ, denn er kannte die Annehmlichkeit fremder
Subsidien aus früheren Kriegen zu gut, seine Vorgänger waren zu oft
Lieferanten des Reiches, Frankreichs und Englands gewesen, als daß ihr
Nachfolger nicht auch jetzt seinen persönlichen Vortheil aus der
Verlegenheit des englischen Kabinets angestrebt hätte. Sein Unglück war
nur, daß die englischen Waffen im ersten Jahre des Krieges zu viel Glück
in Amerika hatten, daß also König Georg III. ohne weitere
Truppensendungen mit den Kolonien fertig zu werden hoffte. Daher auf der
einen Seite der servile Eifer, das unterthänige Betteln des Markgrafen,
und auf der andern als natürliche Antwort darauf der brutal hochmüthige
Ton der englischen Minister. Karl Alexander bedurfte aber gerade damals
des Geldes mehr als je, wußte er doch nicht, wie er sonst die ungeheuren
Schulden, die sein Ländchen fast erdrückten, anders los werden sollte,
als durch die aus der Vermiethung seiner Truppen zu ziehenden
Hülfsquellen.

Als gegen Ende des ersten Kriegsjahrs ein zweiter Feldzug unerläßlich
schien, um den Aufstand vollends nieder zu werfen, hielt der Markgraf
seine Zeit für gekommen. Sein Minister Reinhard Freiherr von Gemmingen
mußte am 9. November 1776 durch den in Privatgeschäften in London
weilenden markgräflichen Kammerherrn von Seckendorff bei dem Ministerium
anfragen, ob die beiden Anspachischen Bataillone jetzt nicht anzubringen
seien. »Die Gründe, welche uns zu diesem Geschäfte veranlassen, brauche
ich Ihnen kaum einzeln anzuführen, erkundigen Sie sich unter der Hand,
handeln Sie so geheim als möglich, aber thun Sie Ihr Möglichstes« -- mit
diesen Worten schloß Gemmingen seine erste Aufforderung an Seckendorff.
Auf Grund derselben begann eine Verhandlung, welche sich bei der kühl
ablehnenden Haltung des englischen Kabinets über zwei Monate lang
hinzog.

Seckendorff wandte sich zuerst an Faucitt, erhielt von ihm aber die
Antwort, daß man voraussichtlich in Amerika keine Truppen mehr brauche,
zumal dort ein Erfolg den andern überbiete, zudem kenne er die Absichten
seiner Regierung nicht (obgleich er nach Kassel zu reisen im Begriffe
stand, um dort eine Abtheilung Jäger zu engagiren). Lord North ließ
Seckendorff kürzer abfahren, indem er ihm stehenden Fußes erklärte, der
Anspachische Unterhändler irre sich in dem Ressort, er müsse sich
deshalb an Suffolk wenden. Dieser aber wies ihn ohne Weiteres ab, da er
keine gehörig beglaubigte Vollmacht vorzulegen vermöge: erst wenn er
diese beibringe, könne man ihm eine offizielle Antwort geben.
Seckendorff bat also um die nöthigen Papiere, und unter obligaten Klagen
über seine eigene Mittellosigkeit, so wie über das theure Londoner
Pflaster, zugleich um einen Vorschuß von hundert Pfund, von welchen er
sich zugleich ein Galakleid machen lassen wolle, um am Geburtstag der
Königinn der Kur (18. Januar) beizuwohnen und seinen Auftrag möglichst
zu fördern. Er zweifelte übrigens trotz seines guten Willens an seinem
Erfolge, da in Amerika Alles zu gut gehe, und hielt es, ehe er formelle
Anträge stellte, für klüger, erst bessere, d.h. für England schlechtere
Nachrichten abzuwarten. »So viel ich weitläufig gehört habe -- schloß er
einen seiner ersten Berichte an Gemmingen -- so soll noch ein sehr alter
Groll und eine noch unter voriger Regierung und des kaiserlichen
Geheimen Raths v. Seckendorff's Ministerio gespielte Untreue schuld an
der abschlägigen Antwort im November 1775 gewesen seyn. Ew. Exzellenz,
welche den Schlüssel zu unseren secretis haben, kann diese Sache leicht
beyfällig werden.«

Gemmingen, der sich bei diesen Verhandlungen als ein billig denkender
und verständiger Herr, sowie als erfahrener und tüchtiger Geschäftsmann
zeigt, dringt in jedem Briefe auf Beschleunigung des Geschäfts. Er muß
Alles selbst schreiben, da er sich vor einem Vertrauensbruch seiner
Untergebenen und dem unzeitigen Bekanntwerden der sehr leicht noch fehl
schlagenden Unterhandlung fürchtet. »Es erscheint mir immerhin sehr hart
-- sagte er u.A. -- mit Truppen Handel zu treiben; allein der Markgraf
ist um jeden Preis entschlossen, seine Angelegenheiten zu ordnen und
alle seine, sowie seiner Vorgänger Schulden zu zahlen. Das Gute, welches
aus einem solchen Subsidienvertrage hervorgehen kann, würde also die
Gehässigkeit dieses Geschäftes bedeutend überwiegen. Wir können, wenn es
verlangt werden sollte, außer der Infanterie noch ein Korps
ausgezeichneter Jäger stellen, welches jetzt schon aus 200 Mann, lauter
gelernten Leuten, besteht. Der Markgraf hat sich an die verwittwete
Herzoginn von Sachsen-Hildburghausen, Tante der Königinn von England,
gewandt, damit diese sein Anliegen beim König bevorworte. Er hofft viel
von dieser Vermittlung, mir scheint jedoch der Erfolg sehr fraglich.
Erkundigen Sie sich unter der Hand nach den, Hessen bewilligten
Bedingungen und übermitteln Sie die eventuellen Vorschläge ad
referendum.«

Der Markgraf schickte am 5. Dezember 1776 seine Instruktionen nebst
Vollmacht an Seckendorff und beauftragte diesen, die beiden Anspacher
Bataillone und ein Jägerkorps der englischen Regierung formell
anzubieten. »Wenn es verlangt wird, sagte er am Schluß seines Briefes,
so können Sie hinzufügen, daß ich für die Tüchtigkeit und Tapferkeit
meiner Soldaten einstehe. Im Uebrigen versichern Sie den Minister oder
denjenigen, welchen man mit der Verhandlung mit Ihnen beauftragen wird,
daß ich mich sehr geschmeichelt fühlen werde, wenn ich dem König von
einigem Nutzen sein und durch meinen Eifer in der Erfüllung der von mir
einzugehenden Verbindlichkeiten das Unrecht wieder gut machen kann,
welches der Minister meines verstorbenen Vaters in einem früher
abgeschlossenen Subsidienvertrage begangen hat.« (Bezieht sich offenbar
auf die Subsidienverträge im österreichischen Erbfolgekriege.) An
Suffolk selbst schrieb der Markgraf am 13. Dezember 1776: »Nichts in der
Welt kommt dem Eifer gleich, mit welchem ich Sr. Majestät nützlich zu
sein wünsche, und nichts wird meiner Dankbarkeit gleich kommen, wenn Ew.
Exzellenz dazu beitragen, mich in den Stand zu setzen, daß ich den
Beweis für diesen meinen Eifer liefere.«

Im Besitz seiner Vollmachten giebt sich Seckendorff heute den
übertriebensten Erwartungen hin und glaubt, den sofortigen
befriedigenden Abschluß des ihm aufgetragenen Geschäfts in sichere
Aussicht stellen zu können, morgen wieder verliert er, von den
englischen Ministern schnöde behandelt, das gestrige Vertrauen und läßt
jede Hoffnung fahren. Ob aber hoffend oder verzagt, er hat die
übertriebenste Ansicht von seiner Bedeutung und Stellung in der
diplomatischen Welt, er hält sich von allen Seiten für beobachtet und
bemerkt. Als ein junger, wegen leichtsinniger Streiche aus Anspach
durchgegangener Offizier, ein der Aristokratie des Ländchens angehöriger
Lieutenant v. Forstner eines Tages Seckendorff in London besucht und ihm
mittheilt, daß er in amerikanische Dienste zu treten im Begriff stehe,
fällt der neue Diplomat vor Schrecken fast in Ohnmacht. »Denken Sie sich
mein Erstaunen -- schreibt Seckendorff am 31. Dezember 1776 an Gemmingen
-- als der alten Frau v. Forstner Sohn plötzlich bei mir eintritt und
mir erklärt, bei den Rebellen Dienste nehmen zu wollen. Ich habe ihm das
auszureden gesucht und statt dessen Empfehlungsbriefe nach Bengalen
angeboten, allein er sagt, dafür habe er kein Geld. Er will nach Paris
zu Franklin, von welchem er Alles erwartet. Da hier die eifrigsten
Amerikaner taub für seine Bitten sind, soll ich ihm helfen. Der Mensch
bereitet mir die entsetzlichsten Verlegenheiten. Während ich in unserer
Sache negoziiren soll, will er die Royalisten in Amerika bekämpfen, für
welche ich werbe. Ich zittere vor der Entdeckung!« Forstner muß seinen
Mann gut gekannt haben, denn er beutete dessen Furcht, im Verkehr mit
einem, den Republikanern geneigten unbekannten deutschen Offizier
entdeckt zu werden, gehörig zu seinem Vortheil aus und machte
verschiedene Zwangsanleihen bei ihm. Seckendorff, um ihn los zu werden
und wieder zu seinem Gelde zu kommen, vermittelte dann in der Folge auch
Forstners Eintritt in eins der nach Amerika bestimmten Anspacher
Bataillone, in dessen Reihen er in der Schlacht am Brandywine tapfer
kämpfend fiel.

Seckendorff's Berichte bis Mitte Januar 1777 sind in der wechselndsten
Stimmung geschrieben. Seinen unbedingten Erfolg voraussehend, brütet er
die abenteuerlichsten Pläne aus, zu denen sich nicht einmal die in
derartigen Dingen fruchtbare Phantasie des Landgrafen von Hessen
verstiegen hatte. Da der Krieg möglicher Weise mit dem ersten Feldzuge
beendigt sein werde, so solle man durch den abzuschließenden Vertrag der
Gefahr vorbeugen, daß die anspachischen Truppen, nachdem sie kaum
engagirt worden, auch schon wieder verabschiedet würden. »_Vielleicht
wäre es auch gut, jeden Soldaten, der sich in Amerika niederläßt und
dadurch seinen Souverain eines Unterthans beraubt, vorher schriftlich
sich verpflichten zu lassen, daß er zu Gunsten des Fiskus auf einen
Theil seines Vermögens verzichtet und auch den König von England zu
bestimmen, daß er einen Theil des Verlustes trägt._« (!!)

Mittler Weile hatte auch die verwittwete Herzoginn Louise von
Sachsen-Hildburghausen von Heilbronn aus, wo sie wohnte, dem Wunsche des
Markgrafen entsprechend, ihre Fürsprache bei der Königinn von England
eingelegt, indessen die Erfolglosigkeit ihrer Schritte gemeldet, da der
König alle ihm nöthigen Truppen in Amerika habe, diese also nicht zu
vermehren gedenke.[4]

Zudem lauteten die Nachrichten für die markgräflichen Pläne, wie
Seckendorff, von der größten Hoffnungsfreudigkeit wieder in die äußerste
Verzagtheit fallend, schreibt, täglich trauriger, wenn auch gut für den
König und die Menschlichkeit, und zuletzt fürchtete er bei den ewigen
Siegen der englischen Waffen doch, daß man die Zahl der Truppen in
Amerika nicht weiter vermehren würde. Endlich aber wurde er am 7. Januar
1777 zu einer neuen Audienz bei Suffolk zugelassen. Dieser versprach
jetzt, dem König über die Sache zu berichten, da man inzwischen im
englischen Kabinet zu dem Entschluß gekommen sei, die amerikanischen
Streitkräfte zu ergänzen. Am 11. Januar also nahm Suffolk Seckendorff's
Anerbieten an, nachdem dieser ihm erklärt hatte, daß die Anspacher
marschfertig seien, und beauftragte den bereits in Kassel weilenden
Faucitt mit dem sofortigen Abschluß eines Vertrages.

»Da der Markgraf von Brandenburg-Anspach -- so lautet seine vom 14.
Januar 1777 datirte Instruktion -- durch einen an mich gerichteten Brief
dem König ein kleines Korps für Amerika angeboten hat, das sofort
marschbereit gemacht werden kann, so erhalten Sie Vollmacht, den
betreffenden Vertrag mit ihm abzuschließen. Reisen Sie also unverzüglich
nach Anspach und erledigen Sie dieses Geschäft so schnell als möglich.
Ich kann Ihnen, dem jetzt bereits eine Erfahrung von sechs Verträgen zur
Seite steht, überlassen, eine solche Konvention abzuschließen, wie sie
der König billigen wird. Suchen Sie also die möglichst besten
Bedingungen zu erlangen und gestatten Sie keine neuen. Als Sie 1775 die
ersten Verträge abschlossen, war eine Expedition nach Amerika den
Deutschen noch ganz neu und galt, abgesehen von den Schrecken der
Seereise, noch für schlimmer als sie in der That ist. Jetzt aber
versteht man diesen Dienst besser. Wir brauchen uns also nicht länger
übervortheilen zu lassen; suchen Sie namentlich Geld zu ersparen.
Möglichen Falls thut die Anspacher Verstärkung bei der gegenwärtigen
Lage der Dinge (die Niederlagen bei Trenton und Princeton waren in
England noch nicht bekannt geworden) gar keine Dienste mehr. Dies muß
Ihr Hauptgesichtspunkt bei der Bestimmung der Subsidien sein. Diese
dürfen nur vom Tage der Genehmigung des Vertrages an und während der
aktiven Verwendung der Truppen, nicht aber auf eine Reihe von Jahren
gewährt werden und höchstens noch sechs Monate nach dem Kriege
fortdauern. Die Löhnung muß mit dem Monate aufhören, in welchem die
Truppen zurückkehren. Das Korps selbst muß am 10. März zur Einschiffung
bereit sein. Diese Winke mögen Ihnen als Richtschnur dienen.«

Faucitt kam am 28. Januar 1777 in Anspach an. Der regierende Markgraf
Karl Alexander, geboren 1737, hatte 1757 die Regierung von Anspach
angetreten, 1769 Bayreuth geerbt und herrschte zu jener Zeit über ein
Land von etwa 140 Quadratmeilen und etwa 400,000 Einwohnern. Im Jahre
1791 trat er Anspach-Bayreuth an die ältere Linie der Hohenzollern, die
Könige von Preußen, ab und starb 1806 im Ausland. Die fränkische Linie,
welcher der Markgraf angehörte, hatte keinen einzigen der Vorzüge der in
Preußen regierenden Vettern, dagegen desto mehr Fehler und Laster, vor
Allem aber eine maßlose Heftigkeit und den alten Hohenzollernschen
Jähzorn. Die Regenten von Anspach und Bayreuth sind vom Scheitel bis zur
Sohle die schlechtesten Exemplare der Landesväter des achtzehnten
Jahrhunderts. Land und Volk sind nur zu ihrer Ausbeutung, zu ihrem
Vergnügen vorhanden; für sie giebt es kein Gesetz, keine Schranke, ihre
ruchlose Willkür steigert sich zum Mord und Todtschlag. Rohe Gewaltthat
und despotische Laune vererben sich vom Vater auf den Sohn; der
Sultanismus ist der ihnen Allen gemeinschaftliche Charakterzug. Man
geräth fast in Verlegenheit zu entscheiden, wer von ihnen der
schlechteste und nichtswürdigste ist. Während Friedrich Wilhelm I. und
sein großer Sohn durch unermüdliche Arbeit im Dienste des Staates und
treue Pflichterfüllung Preußen zu einer der leitenden europäischen
Mächte erheben, ruiniren Friedrich Alexander und Friedrich Christian von
Bayreuth, Karl Friedrich Wilhelm und Karl Alexander von Anspach ihre von
der Natur so sehr gesegneten Ländchen durch den sinnlosesten Luxus und
eine fast wahnsinnige Verschwendung. Darin thaten es ihnen andere
Zeitgenossen, die sächsischen und würtembergischen, die pfälzischen und
bayrischen Fürsten ganz gleich, wenn auch nicht zuvor; bezeichnender
aber ist für die Bayreuther und Anspacher Markgrafen der Werth und der
Preis, welchen ein Menschenleben in ihren Augen hat. Der vorletzte
Markgraf von Anspach, Karl Friedrich Wilhelm (1723-1757) schoß sich,
seiner Maitresse zum Spaß, einen Schornsteinfeger vom Dach des
Bruckberger Schlosses. Sie hatte den Wunsch geäußert, den Menschen
herunterpurzeln zu sehen. Der seine Gnade anflehenden Wittwe des
frevelhaft Ermordeten gab der biedere Fürst _fünf Gulden_. Wenn man die
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Anspach herrschenden Zustände
türkische nennen wollte, so wäre das eine durchaus ungerechtfertigte
Beleidigung der Muselmänner; sie nähern sich vielmehr der durch das
Negerkönigreich Dahomey repräsentirten Kulturstufe: Serenissimus ist
echt patriarchalisch Ankläger, Richter und Henker in _einer Person_!

Die weiteren Beweise dafür finden sich in Hülle und Fülle in einer
interessanten Schrift des bekannten Ritters K.H. von Lang über den
vorletzten Markgrafen von Brandenburg-Anspach. »Ein Jude, Namens Isaak
Nathan -- heißt es dort u.A. -- war 1740 von Weißenborn in Franken nach
Anspach gezogen und hatte sich hier durch Fleiß und Gewandtheit ein
bedeutendes Vermögen erworben, man sagte an 200,000 fl. Er erhielt u.A.
Darlehne aus der Anspachischen Landschaftskasse, wofür er Juwelen
verpfändete, die aber im Grunde nicht ihm selber, sondern einem
jüdischen Hause Ischerlein in Amsterdam gehörten, dem sie ein Fürther
Jude Gumbert in Versatz gegeben. Der Markgraf verlieh ihm den Titel
eines Residenten, der Reichthum und Einfluß dieses Juden erregte aber
mancherlei Mißgunst und verdächtigende Angaben. Noch stand aber der
Resident damals so fest in der Gnade, daß der Fürst den Landschreiber
Wolf, welcher ihn denuncirt hatte, als Verläumder in Ketten und Banden
legen, und am Ende als einen unruhigen Kopf des Landes verweisen ließ;
und als bald darauf der Resident seinen Sohn verheirathete, mußte die
jüdische Trauung im Schloßhof selbst, unter den Glückwünschen der
Markgräfin, des ganzen umgebenden Hofstaates, und den stattlichsten
Beschenkungen gefeiert werden; und doch, etliche Monate später, erfolgte
der fürchterlichste Sturz. Ein Jahr vorher, 1739, hatte der Resident
seine der Landschaftskasse versetzten Juwelen zurückgenommen; zu
gleicher Zeit erhielt aber der jetzt nach Gunzenhausen gezogene Jude
Ischerlein vom Markgrafen den Auftrag, den für den König von England
bestimmten rothen Adlerorden mit Brillanten besetzen zu lassen, was er
mit denen vom Residenten Isaak Nathan zurückgenommenen Juwelen alsbald
bewerkstelligte und dafür 40,000 fl. berechnete und empfing. Der
Markgraf empfindlich darüber, daß er für solch ein kostbares Geschenk
auch nicht einmal ein Wort des Dankes aus London zurück empfing, erfuhr
endlich aus den Nachfragen seines Beauftragten daselbst, daß die
angeblichen Brillanten lauter böhmische Steine gewesen, und daß der
König, wenn auch den Markgrafen über ein solches Geschenk nicht
beschämen, ihm doch auch dafür nicht habe danken wollen. Es läßt sich
denken, mit welcher Zorneswuth der Markgraf den in das tiefste Versteck
sich geflüchteten Rab Ischerlein hervorziehen ließ. Er wurde alsbald
nach Wülzburg geschleppt, und nach kurzen Verhören und Umständen in
einen großen Saal gebracht und dem Scharfrichter übergeben, der ihn auf
den nächsten besten Stuhl festband und dann eben das Schwert über ihn
schwingen wollte, als der Gefangene mit sammt dem angebundenen Stuhle
sich aufraffte, und, um eine lange Tafel laufend, und um Gotteswillen
nur um eine Minute Gehör beim Markgrafen hülfeschreiend, dem
Todesstreich entrinnen wollte, der ihm aber doch vom Scharfrichter über
die Tafel hinüber beigebracht wurde. -- Die vielfachen Verwickelungen
des Residenten Isaak Nathan mit diesem Ischerlein, das Spiel mit den
Juwelen, die bald in des Einen, bald in des Andern Hände gegangen,
andere Anklagen, die jetzt lauter und günstiger angehört wurden, konnten
jedoch nicht verfehlen, auch über ihn die Wolken des schwersten
Verdachts zu sammeln. Er wurde aus seinem Haus in die Frohnfeste
geschleppt, und über denselben Schloßhof, worin man frohlockend die
Hochzeit seines Sohnes gefeiert, brachte man nun alle vorgefundenen
Schätze und Kostbarkeiten in die Säle des Schlosses zurück. Man
beschuldigte ihn außerdem, 25,000 fl. Chatullgelder, in den an den
Markgrafen über seine besonderen Aufträge gestellten geheimen
Rechnungen, unterschlagen und in seinem Nutzen verwendet zu haben. Vom
weitern Schicksal desselben besagen unsere Nachrichten nichts. Auch sein
Haus und Grundbesitz wurde eingezogen. -- Vermuthlich haben sich seine
Angehörigen von hier entfernt, und er selbst ist entweder im Gefängniß
verkommen oder ebenfalls im Stillen des Landes verwiesen worden.

Allein nicht blos jüdische Opfer fielen zur selben Zeit, sondern sogar
Große des Hofes. Nicht nur ein Oberst Enzel zu Wülzburg wurde daselbst
1740 wegen gewisser Staatsverbrechen, sie sind nicht genannt, durch das
Schwert hingerichtet, sondern auch kurz darauf ein Graf von Schaumburg.
Es scheint, daß sich dieses auf unerlaubte Kommunikationen und
Einverständnisse in den damaligen österreichisch-preußischen
Verhältnissen bezogen. Christoph Wilhelm von Rauber wurde beschuldigt,
famose Gemälde und Pasquille wider die landesfürstliche Regierung und
die Rathskollegien angeschlagen zu haben. Durch den Inquisitionsrath
Joh. Chr. Schnitzlein wurde ihm auf der Feste Wülzburg, wo er verhaftet
lag, in Gegenwart mehrerer Ober- und Unteroffiziere und Konstabler das
Urtheil vom 30. Mai 1740 dahin verkündet: daß er sich selbst freiwillig
(was außerdem durch den Scharfrichter vollzogen werden soll) auf das
Maul zu schlagen habe, seine Pasquille unter seinen Augen vom
Scharfrichter zu verbrennen seien, er selbst aber hierauf mit dem
Schwert hingerichtet werden solle; welches letztere jedoch der Markgraf
aus Gnaden in eine ewige Gefangenschaft zu Wülzburg verwandelte. Sein
schon 1722 unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauches der
fürstlichen Kammer verkauftes Rittergut Steinhart (bei Oettingen) wurde
eingezogen, 1768 aber dem von Krailsheimischen Fideikommiß um 78,500 fl.
wieder verkauft. Die Gattin des Unglücklichen, Friederika Helena, war
selbst eine geborene von Krailsheim. Die Ordres zu all diesen blutigen
Exekutionen ergingen immer an den geheimen Rath, Generalmajor und
Festungs-Kommandanten August Friedrich von Pöllnitz.

Der Reise-Oberstallmeister von Reitzenstein -- fährt unser Gewährsmann
S.90 fort -- stand bei allem dem, und wo man ihn auch noch eines
schmählichen Geizes und der Bestechlichkeit bezüchtigte, unter dem
sichern Geleit der Volksgunst, darum, weil er überall doch eine gewisse
Achtung für das Menschenleben bezeugte, und da, wo der Markgraf in
seiner Wuth auf einen Dritten losstürmen wollte, ihn mit seiner eigenen
Gefahr und gewaltsam zurückhielt. So, als ihm der Markgraf einmal in
solcher Zornwuth die Pistolen abgefordert, um einen Schäfer
niederzuschießen, der ihm und seinem scheuenden Pferde durch seine
Heerde nicht schnell genug den Weg offen gelassen, verweigerte der
Oberstallmeister kalt das abverlangte Gewehr mit dem kurzen Bescheid:
»Es ist nicht geladen«. Als sie aber im Nachhauseritt unfern der
Schloßthore waren, ließ der Reise-Oberstallmeister rechts und links
seine beiden Pistolen krachend los, daß der überraschte und erschrockene
Fürst kaum zu fragen vermochte: »Was ist's? Was ist's!« Der
Oberstallmeister aber versetzte: »Gnädigster Herr, ich meine nur, daß
Sie heut Nacht viel süßer schlafen werden, nachdem Sie meine Pistolen
jetzt erst haben krachen hören, statt eine Stunde früher.«

Den Fürsten -- so schließt Lang S.92 und 93 dessen Charakteristik --
würde seine großmüthige Freigebigkeit, seine Pünktlichkeit in Besuchung
des öffentlichen Gottesdienstes und die mehr als anständige Unterhaltung
der Kirchen und Pfarrhäuser beim Volk höchlich empfohlen haben, wenn
nicht der Abscheu vor so manchen schrecklichen und blutigen Exekutionen
ihm die Herzen entfremdet hätte. Unter diesen führt man besonders an:
die militärischen Exekutionen in Triesdorf in den Jahren 1733 bis 1745,
neun an der Zahl, einer arquebusirt, sechs gehangen, ein Ungar Stephan
Nagy aus Ketschkemet, der des Markgrafen Büchsenspanner erschossen,
wurde lebendig gerädert, einer verbrannt. Im Jahre 1738, den 11. August,
die Katharina Gallin, ein preußisches Soldatenweib, an einem
Lindenbaume, unweit des Falkenhauses, aufgehängt, weil sie einen
Gefreiten der Leib-Kompagnie, Namens Johann Heublin, zur Desertion
verleitet, wobei sie, der Soldat und der preußische Werbe-Offizier bei
Stein ertappt worden. Der preußische Werbe-Hauptmann mußte die Exekution
mit ansehen und wurde dann auf die Veste Wülzburg gebracht. Den
Deserteur hat man wahrscheinlich zum Aufhängen allzu schön befunden.
1744 ließ der Markgraf an der anspachischen Kirchweih einen vom Wirth
Heumann am obern Thor ob einer kleinen Mauserei ertappten Soldaten, dem
Wirth zu einer argen Genugthuung, vor seinem Haus an einen
aufgerichteten Galgen hängen. Im Jahre 1747, als Georg Krämer von Hausen
bei Wülzburg mit der Dorothea Lindnerin aus Gunzenhausen, Dienstmagd des
Marketenders in Triesdorf, desertirte, wurde dieselbe am 2. September
ohne weiteres rechtliches Verfahren, auf bloßen Befehl des Markgrafen,
zu Anspach aufgehängt. Einem Bürger von Gunzenhausen, der vor dem
Schloßthor Wache hielt, forderte er, als er eben ausreiten wollte, zur
Versuchung das Gewehr ab, und als dieser, in solchen Dingen wenig
erfahren, es ihm gutwillig hinreichte, wurde er vom Fürsten als Memme,
als Hundsfot behandelt, und zweien Husaren übergeben, die ihn an den
Pferdeschwanz binden und durch die Altmühl hin- und wiederschwemmen
mußten, worauf er bald hernach krank geworden und verstorben ist. Dem
Fallmeister bei Gunzenhausen, durch elende Menschen angegeben, daß er
die Hunde des Markgrafen, die er in Pflege hatte, vernachlässigte, ritt
er alsbald vor das Haus, rief ihn an die Hausthür und schoß ihn dann auf
seiner eigenen Hausschwelle nieder. Nach etlichen Tagen, als der Fürst
einen langen Zug von Menschen aus allen Orten her begegnete, und er ohne
Antwort von den anderen Höflingen blieb, was denn das für ein Auflauf
sei? ritt endlich auch hier der Reise-Oberstallmeister von Reitzenstein
herbei und sagte: »Es wird der Mann begraben, den Euer Durchlaucht vor
drei Tagen erschossen haben.« Der Markgraf ward heftig ergriffen und
befahl, man sollte ihm die Wittwe schicken, damit sie sich eine Gnade
ausbäte.«

Nicht viel besser war es in Bayreuth. Der letzte Markgraf Friedrich
Christian hatte als junger Prinz einen Jägerburschen erschossen, weil
dieser ihm zu widersprechen wagte. Der jugendliche Mörder nahm sich
dieses Verbrechen wenigstens zu Herzen und wurde darüber tiefsinnig. Als
Markgraf (1763-1769) liebte er seine Unzufriedenheit durch Stockschläge
an den Tag zu legen. Hoch und Niedrig, Bürgerliche und Adlige,
Kammerherren und Offiziere waren vor diesen handgreiflichen Beweisen
landesväterlichen Unwillens nicht sicher. Als diese patriarchalische
Liebhaberei des regierenden Herrn täglich ärger und unerträglicher
wurde, beriefen »Ein hoher Adel« und »Ein Hochlöbliches Offizier-Korps«
eine Versammlung nach Bayreuth, um zu berathen, wie sich der Adel und
namentlich das Militär zu verhalten habe, der immer mehr überhand
nehmenden Neigung des Markgrafen gegenüber, seine nächsten Umgebungen
mit Stockschlägen zu traktiren, oder, wie ein Herr von Reitzenstein
sagte, »wenn Serenissimus die Neigung beibehalten oder noch wohl weiter
ausdehnen sollten, Allerhöchst dero Umgebungen mit denen Manifestationen
Allerhöchst dero lebhaften fürstlichen Temperaments in Kollision kommen
zu lassen.« Ein Hoher Adel und Ein Hochlöbliches Offizier-Korps faßten
denn auch den tapfern Beschluß, den Hofprediger zu ersuchen, er möge
Hochfürstliche Durchlaucht zur größern Schonung des militärischen
Ehrgefühls ermahnen. Zugleich ward festgestellt, die vom Landesvater
empfangenen Prügel »als die persönliche Ehre nicht touchirend« zu
betrachten und die von demselben gezahlten Schmerzensgelder in eine
gemeinschaftliche Kasse fließen zu lassen. (C. Gutzkow, Fritz Ellrodt
II, 59.)

Markgraf Karl Alexander von Anspach-Bayreuth, der Erbe des ebengenannten
Friedrich Christian, war nicht aus der Art seiner Väter und Vettern
geschlagen. Er hatte aber eine bessere Erziehung als diese genossen und
zeigte auch, wenn es noth that, größere persönliche Kraft und
Entschiedenheit. Seine Mutter Friederike Louise, die erste Tochter
Friedrich Wilhelm's I. und Schwester Friedrich des Großen, hatte darauf
bestanden, daß ihr Sohn auf einer republikanischen Universität studire,
damit er dort den Werth der bürgerlichen Tugend desto besser erkennen
und würdigen lerne. In Folge dessen ward der Prinz Studirens halber nach
Utrecht geschickt, wo er übrigens den Absichten der verständigen Frau
durchaus nicht entsprach. Einige Jahre darauf trat er eine größere Reise
nach Italien an; allein diese Reise erregte die Unzufriedenheit des
Vaters im höchsten Grade, »denn der Prinz vermochte bei seiner Rückkehr
nicht die Spuren jener körperlichen Leiden und Erschöpfungen zu
verbergen, die er sich durch unvorsichtige Genüsse mancherlei Art mochte
zugezogen haben.« Ruhe und verständiger Rath stellten ihn zwar möglichst
wieder her, aber desto heißer ergoß sich der Zorn des fürstlichen Vaters
über das Haupt des unglücklichen Gesellschafters, des Hofrath Mayer, der
beschuldigt wurde, den Prinzen, wo nicht gar verführerisch selber
mißgeleitet, doch nicht seiner Pflicht gemäß, treu genug bewacht,
gewarnt und zurückgehalten, oder seine höheren Obern, auch den
Markgrafen selbst, über die Lage der Dinge unterrichtet zu haben. Der
Markgraf ließ ihn ergreifen und nach Sayn-Altenkirchen abführen, von da
er durch ein Kommando hannöverscher Dragoner, dem Ansuchen des
Markgrafen gemäß, abgeholt und nach Zelle in's Zuchthaus gebracht wurde,
wo er dann ohne fernere Spur verkommen. Eine andere Sage dagegen will,
der Markgraf habe ihm den Garde-Offizier von Leubelfing nach
Altenkirchen nachgeschickt mit dem Befehl, ihn daselbst hinrichten zu
lassen. (Lang.)

Diese wenigen Züge zeigen, weß Geistes Kind Karl Alexander war. Da wir
seines Gleichen schon in den hessischen und braunschweigischen Fürsten
kennen gelernt haben, so können wir uns hier füglich seine nähere
Charakteristik ersparen. Bei diesen Menschen ist Alles Schablone, die
abschreckende Einförmigkeit ihrer innern Leere und Hohlheit sowohl als
ihre geistlose Uebereinstimmung in äußerer Verschwendung und Prunksucht.
Vom Großvater und Urgroßvater an haben sie alle dieselbe Schule der
Entfremdung vom deutschen Wesen, der bedientenhaften Erniedrigung vor
dem Auslande und der despotischen Gewalt gegen die eigenen Unterthanen
durchlaufen. Der bloße Gedanke an Pflichten, soweit sie dessen überhaupt
fähig, scheint bei diesen Landesvätern eine Gefährdung ihrer
Souverainität in sich zu schließen. Die naiv-derbe, wenn auch oft rohe
Eigenart der deutschen Fürsten des sechzehnten und theilweise des
siebenzehnten Jahrhunderts ist durch den Versailler und Venetianer
Firniß, durch den halb zivilisirten, halb zivilisirenden französischen
und italienischen Einfluß zurückgedrängt. Wo früher Luther's Hymnen
erklangen, da singen jetzt italienische Kastraten ihre lateinischen
Verse. Ueberall an den Höfen finden sich französische Abenteurer und mit
ihnen französische Mode und französische Unsitte. Jeder Zaunkönig hat
sein Monplaisir, Belvedere, Eremitage, Solitude oder Monbijou, seine
großen Feste und Spiele, seine Tourniere und Karoussels, seine
Maskeraden und Banketts, wofür die armen Teufel von Unterthanen mit
ihrem Gelde zahlen, wenn sie welches haben, und mit ihren Knochen und
ihrem Blut, wenn sie sonst nichts haben. Natürlich huldigt Serenissimus
unter den noblen Passionen vor Allem dem Spiel und der Jagd. Er verliert
am Spieltisch ein ganzes Dorf oder setzt ein halbes Bataillon auf eine
Karte gegen das schöne Bein einer Tänzerin. Der Markgraf von Anspach
gewinnt 1783 von dem ihn besuchenden Herzog von Gloucester, dem Bruder
des Königs von England, 180,000 fl. im Spiel. Der verlierende Gastfreund
ist so edel, sich selbst als Pfand zu geben, vermehrt aber während
seines verlängerten Besuches seine Schuld durch neue Anlehen um noch
270,000 fl., die aber der königliche Bruder erst recht nicht zahlen
will, so daß der Markgraf froh ist, als der Engländer nach Straßburg
abzieht. Das eminenteste von allen eminenten Privilegien ist aber
sämmtlichen Landesvätern die Jagd. Wo sie beeinträchtigt ward, da kennt
ihre Grausamkeit keine Gränzen. Schon als Friedrich der Große auf dem
Throne saß, wagte noch ein Herzog von Sachsen-Weimar zu verordnen, »daß
alle Wilderer als offenbare Straßenräuber und Mörder angesehen und auf
Betreten sofort aufgehengt, deren Weiber gebrandmarkt und in's Zuchthaus
gesetzt werden sollten, daß ein Förster und Jäger, der einen Wilddieb
todtschießt, 50 Thlr. verdient, während seine Wittwe, falls er selbst
todtgeschossen wird, lebenslänglich 200 Thlr. Pension erhält (eine für
jene Zeit sehr hohe Summe!), daß aber ein Jäger, der den Wilddieben
durch die Finger sieht, selbst aufgehenkt wird.« Was uns vom Weimaraner
urkundlich erhalten ist, das trieben auch seine Herren Brüder, sind sie
doch alle nach demselben Muster gebildet. Darum bleibt es sich im Grunde
auch gleich, ob der eine Landesvater eine französische oder der andere
eine englische Maitresse hat; ob der Anspacher mit einer in kararischem
Marmor gehauenen Büste Voltaire's auf seinem Arbeitstische prahlt, oder
ob der Kasseler einen Fürstenkatechismus in Voltaire'schen Redensarten
schreibt; ob der Bayreuther seinen Trost in Süßmilch's göttlicher
Ordnung sucht oder ob ein geistlicher Herr, wie der Fürstbischof von
Würzburg, Goldmacherei treibt und einen Talisman am Leibe trägt, oder ob
der Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar den Stein der Weisen gefunden
zu haben glaubt und in einem eigenen Reskripte die Kunst des Goldmachens
für ein Regal erklärt. Ebensowenig ist es charakteristisch, daß der
Markgraf eine Armee von Kammerherren, Hofjunkern und Kammerjunkern hält
und daß zur Bestreitung des Unterhalts dieser Tagediebe das Genuesische
Lotto eingeführt wird, denn dieser ganze Unfug findet sich bei seinen
sämtlichen Kollegen wieder. Noch weniger befremdend ist es aber, daß die
bürgerlichen, an den anspacher Hof gezogenen Damen dort kein deutsches
Wort fallen lassen dürfen, weil Alles, was deutsch ist, die Lady Craven
anekelt, und noch weniger auffallend ist es, daß die deutschen Frauen
jener Zeit solche Beleidigungen als eine Auszeichnung ansahen.
Bezeichnend ist nicht einmal die liebevolle Fürsorge, welche der
anspachische Markgraf seinem Wildstande angedeihen ließ. Als sein Land
1791 preußisch wurde, erlaubte der damalige Statthalter und spätere
Staatskanzler Hardenberg den Bauern, das Wild auf ihren Feldern
niederzuschießen. Seither hatten sie Sommer und Winter die Nächte mit
Schreien zubringen müssen, um ihre Felder vor dem in Massen
herumstreifenden Hochwilde zu schützen. Verschliefen sie eine Nacht, so
war auch die Saat zertreten. Denn nur schrecken durften sie das Wild,
und es war ihnen bei _Zuchthausstrafe_ verboten, ein Gewehr oder einen
Knittel, ja selbst einen Hund mit sich zu führen. Daß der Markgraf
keinen Spaß verstand, wenn sein noch wertvolleres Wild, die Soldaten,
sich ihm durch die Flucht entzogen, werden wir sehr bald zu sehen
Gelegenheit haben.

Sobald Karl Alexander die Aussicht auf einen Vertrag gesichert erschien,
traf er in aller Stille die Maßregeln, um seine beiden Bataillone in
guten Stand zu setzen. Für Beschaffung neuer Uniformen und
Ausrüstungsgegenstände wurde ein Darlehn aufgenommen und dessen
Rückzahlung aus der später von England zu zahlenden Löhnung festgesetzt.
Namentlich aber ward alle Aufmerksamkeit auf das zu errichtende
Jägerkorps verwandt und zu diesem Zwecke besonders Bayreuth
heimgesucht, welches bei seinen herrlichen Gebirgswaldungen auch ein
tüchtiges Forst- und Jagdpersonal aufzuweisen hatte. »Bessere Jäger,
meinte Gemmingen, gebe es in der ganzen Welt nicht, denn sie hätten sich
alle ihrem Berufe aus Neigung gewidmet.« Der Bayreuther Minister v.
Seckendorff, ein Bruder des in London thätig gewesenen Kammerherrn,
faßte das Geschäft denn doch etwas bedenklicher auf, als der die
Erlösung von seinen Schulden ersehnende Markgraf, besonders aber wollte
er nicht in die Aushebung sämmtlicher Jäger und Jägerburschen willigen.

»Das wegen der englischen Subsidien zu Stande gebrachte negotium --
schreibt er am 31. Januar und 2. Februar 1777 an Gemmingen -- wird in
Kurzem im ganzen Lande eklatiren. Es wird an Vorstellungen der
Landstände, ja des ganzen Bauernstandes nicht fehlen. Ich werde auch
laut Serenissimi Befehl's auf Vorschlag solcher Mittel denken, die zur
Beruhigung dienen können. Ich möchte den Vertrag kennen, um daraus zu
beurtheilen, ob die Unterthanen durch einen erklecklichen Steuer-Nachlaß
werden consolidirt werden können? Die hiesige (Bayreuther) Bürgerschaft
wird am Meisten leiden, weil durch den Abgang der Truppen sich die
Consumtion in der Stadt um wenigstens 60-70,000 fl. verringert, da es
den Bürgern ohnehin an Nahrung fehlt.

»Mein Schwager v. Spiegel hat die Ordre erhalten, nicht nur alle
hiesigen Feldjäger, sondern auch alle und jede Forstbedientensöhne, von
den Oberforsterssöhnen an bis zu den Gränzschützen-Söhnen, keinen
ausgenommen, nebst deren Lehrjungen nach Anspach zu schicken.
Vermuthlich wird man nur die Absicht haben, eine Auswahl unter ihnen zu
treffen, welche als zu Hause entbehrlich unter das in Subsidie tretende
Korps gestellt werden und mitmarschiren könnten. Im Falle aber die
Intention dahin ginge, alle und jede dieser Jägerpursche,
Forstbedienten-Söhne und Lehrjungen in's Feld zu schicken, so befürchte
ich, es werde dadurch das Jagd- und Forstwesen nebst den damit
verknüpften Rechnungen gänzlich zum Nachtheil der Revenuen und derer
herrschaftlicher Gerechtsame Nothleiden und darniederliegen.«

Diese in ihren verderblichen Folgen ausführlich motivirten Einwendungen
hatten denn doch das Resultat, daß der Markgraf sich in seinen
Ansprüchen an das Land beschränkte und nur die Hälfte der anfangs
beabsichtigten Zahl Jäger (100 statt 200) aushob. »Wegen der
Jägerburschen können sie sich beruhigen, antwortete Gemmingen am 5.
Februar begütigend -- sie stehen unter dem Kommando des
Hofjägermeisters von Schilling, der nur die unumgänglich nöthigen
aushebt und im Uebrigen die Bedürfnisse unsers Forstwesens kennt.«

Die Verhandlungen mit Faucitt nahmen nur die beiden Tage des 30. und 31.
Januar in Anspruch; der Vertrag selbst wurde am 1. Februar 1777 von den
beiden Bevollmächtigten unterzeichnet und vom Markgrafen am 13. Februar
unter Ausdruck seiner höchsten Zufriedenheit für Gemmingen genehmigt.
Dieser erwies sich als der gewandtere und umsichtigere Unterhändler, ja
er verstand es meisterhaft, Faucitt durch eine zur Schau getragene,
wenig aufrichtige Biederkeit, anscheinend große Einfachheit und
Unterordnung, sowie kluges Nachgeben in Nebenpunkten zu übertölpeln.
Hätte sich der englische Bevollmächtigte die Finanznoth seines
fürstlichen Geschäftsfreundes mehr vergegenwärtigt, und hätte er vor
Allem Suffolk's deutlichen, bei Gelegenheit der Würtembergischen
Instruktion gegebenen Wink (Seite 100) mehr beachtet, wonach der
Markgraf sich anbot, nicht aber England das erste Gebot machte, so würde
er die Anspachischen Truppen unter viel günstigeren Bedingungen erlangt
haben. Zudem war er doppelt hochmüthig, weil er immer noch in der
selbstgefälligen Einbildung lebte, daß der Krieg in höchstens einem
Feldzuge beendigt sein werde, während Gemmingen auf eine längere Dauer
desselben rechnete. Die ein paar Wochen später in Europa eintreffenden
Nachrichten von den Niederlagen bei Trenton und Princeton sollten dem
letztern nur zu sehr zum Schaden Englands Recht geben. Wenn Gemmingen
auch nicht durchsetzen konnte, daß die englische Löhnung einen Monat vor
dem Abmarsch vorausbezahlt wurde und wenn er sich mit einer nur
siebentägigen Vorausbezahlung begnügen mußte, so erreichte er doch, daß
dem Markgrafen dieselben Subsidien wie Hessen-Kassel bewilligt wurden,
die allerdings erst mit der Unterzeichnung des Vertrages begannen und
nur noch drei Monate (statt wie bei Kassel zwei Jahre) nach der Rückkehr
der Truppen fortdauerten. Faucitt nahm also zwei Regimenter Infanterie
zu je 570 Mann, 101 Jäger und 44 Artilleristen, im Ganzen 1285 Mann,
ausschließlich für den amerikanischen Dienst, deren Löhnung und sonstige
Behandlung ganz derjenigen der englischen Truppen gleich gestellt wurde,
bewilligte für jeden Soldaten dreißig Kronen Werbegeld, dessen eine
Hälfte sechs Wochen und dessen andere drei Monate nach Unterzeichnung
des Vertrages zu berichtigen war, und zahlte außerdem eine jährliche
Subsidie von 45,000 Kronen. Im Uebrigen kam der Vertrag dem
Braunschweigischen am Nächsten, ja er war noch günstiger als dieser,
wenn der Krieg, wenn es der Fall war, länger als zwei Jahre dauerte.

Nach Gemmingen's Berechnung stellt sich das Verhältniß für Braunschweig
und Anspach für ein Jahr, die Truppenzahl auf 1200 Mann geschätzt, wie
folgt:

  Braunschweig erhielt
    Einfache Subsidien für ein Jahr    18,970 Rthlr.

  Am Ende des Krieges
    Doppelte Subsidien für zwei Jahre  75,880   "
                                       -----------------
                                       94,850 Rthlr. = 142,275 fl.

    (den Thaler nach dem Konventionsfuße zu 1 fl. 30 kr. gerechnet.)

  Dagegen erhielt Anspach
    Einfache Subsidien für ein Jahr    45,000 Thlr. Banko.

  Am Ende des Krieges
    Dreimonatliche Subsidien  . . .    11,250   "     "
                                       -------------------
                                       56,250 Thlr. Banko = 135,000 fl.

(den Bankothaler zu 2 fl. 24 kr. gerechnet) also 7275 fl. weniger als
Braunschweig. Setzt man dagegen den Fall, daß die Subsidie zwei Jahre
dauerte, so erhielt Braunschweig nur für ein Jahr 18,970 Thlr. mehr,
also im Ganzen 113,820 Thlr. = 170,730 fl.; Anspach aber 101,250
Banko-Thlr. = 240,000 fl., also 72,270 fl. mehr als Braunschweig. Nun
zog sich aber der Krieg, mithin auch die Subsidie noch volle sieben
Jahre hin. Braunschweig erhielt somit 18,970 Rthlr. × 7 = 132,970 Rthlr.
+ 75,850 Rthlr. doppelte Subsidien = 208,670 Thlr. oder 313,005 fl.;
Anspach aber 45,000 Thlr. Banko × 7 = 315,000 Thlr. Banko + 11,250
Bthlr. dreimonatliche Subsidie = 326,250 Banko-Thlr. oder 783,000 fl.,
mithin einen Mehrbetrag von annähernd einer halben Million Gulden.

Man sieht aus dieser Zusammenstellung, daß der »bon homme« Gemmingen gar
kein schlechter Rechenkünstler war. Er selbst äußerte sich am 2. Februar
in einem Briefe an Seckendorff über seinen Triumph in durchaus nicht
überhebender Weise; sein Brief sieht vielmehr wie eine Rechtfertigung
sich selbst und dem Adressaten gegenüber aus. »Der eben abgeschlossene
Vertrag, sagt er, ist viel günstiger als wir erwarten konnten, zumal
wenn Sie bedenken, daß wir uns angeboten hatten und daß die königlichen
Waffen bis jetzt so große Erfolge in Amerika erkämpft haben. Es ist ganz
natürlich, daß diese Angelegenheit unter allen möglichen, uns wenig
günstigen Gesichtspunkten von denjenigen beurtheilt und verdammt werden
wird, welche eine Staatsaffaire weder in ihrer Totalität noch in ihren
bestimmenden Motiven aufzufassen verstehen. Sobald indessen diese
Menschen das fremde Geld in unser armes Land fließen, sobald sie uns
dessen Schulden mit den bereitwillig einströmenden Mitteln zahlen sehen
werden, dann werden sie, und wird die ganze Welt entzückt sein und
erkennen, daß das Militär, welches die Feinde des Staates (welches
Staates?) bekämpfen muß, auch den allerschlimmsten Feind besiegt hat,
unsere Schulden nämlich. Selbst der niedrigste nach Amerika verschiffte,
wohlbezahlte und mit dem Nothwendigsten versehene Soldat wird mit seinen
Ersparnissen zurückkehren und stolz darauf sein, für sein Vaterland und
für seinen eigenen Nutzen gearbeitet zu haben. (NB. zog der Markgraf für
die Uniformen und Ausrüstung zwei Pence oder fünf Kreuzer an der
täglichen Löhnung ab, so daß dem Soldaten nur sechs Pence oder fünfzehn
Kreuzer in dem theuern Amerika blieben!) Wenn man meinen Rathschlägen
folgt, so wird die Bayreuther Landschaft gewinnen, und die Bayreuther
Kammer wird ebenfalls aus dem Vertrage großen Vortheil ziehen. In
wenigen Jahren wird Ordnung in unseren Finanzen herrschen und der größte
Theil unserer Schulden bezahlt sein. Ich hoffe, Sie werden die Reinheit
meiner Motive billigen und mich nach besten Kräften unterstützen. Ich
bin im Allgemeinen der abgesagte Feind eines derartigen Handels mit
Menschen, allein es giebt besondere Fälle, in welchen das Uebel sich in
eine verhältnißmäßige Wohlthat verwandelt, und ein solcher ist, wenn ich
nicht irre, der unsrige. Selbst wenn der Krieg und die Subsidien nur ein
Jahr dauern sollten, so würden der Markgraf oder vielmehr das Land
400,000 fl. gewinnen, während eine längere Dauer der Subsidien unsern
Gewinn beträchtlich steigern wird.«

Faucitt dagegen schreibt am 10. Februar 1777 aus Hanau an Suffolk: »Am
Tage nach meiner Ankunft wurde ich dem Markgrafen vorgestellt, bei
welcher Gelegenheit die gewöhnlichen Redensarten gewechselt wurden. Der
Markgraf bedankte sich dann ganz besonders dafür, daß der König so
gnädig und herablassend gewesen war, auf seinen Wunsch einen Theil der
anspachischen Truppen in seine Dienste zu nehmen. Ich schloß darauf
sofort einen Vertrag mit dem Minister, Freiherrn von Gemmingen ab, der
sich zu unserm Nachtheil die gedruckten Verträge verschafft hatte und
diese natürlich seiner Unterhandlung zu Grunde legte. Es waren in der
That Waffen, die wir gegen uns selbst geschmiedet hatten, und die
Gemmingen sehr gut zu gebrauchen wußte. Die Hauptveränderungen von den
früheren Verträgen sind diese: Die Löhnung beginnt nur sieben Tage
(statt einen und zwei Monate) vor dem Abmarsch der Truppen und hört mit
dem Monat ihrer Rückkehr auf. Die Subsidie, die ich vergebens
herunterzudrücken suchte, ist verhältnißmäßig so groß als die an Hanau
und Waldeck gezahlte, fängt aber, statt mit der Unterschrift, erst mit
der Genehmigung des Vertrages an und endet drei Monate statt ein Jahr
nach der Rückkehr der Truppen. Die gewöhnlichen Ausgaben für deren
Marsch, Wagen und Pferde &c. fallen, statt wie in den bisherigen
Verträgen auf die Krone, jetzt auf den Markgrafen, der Alles bezahlen
muß, bis die Soldaten auf die Mainboote geschafft werden.

Ich war jeden Morgen auf der Parade, und fand die Truppen sehr schön,
groß und gut gebaut. Sie handhaben ihre Waffen, die übrigens sehr gut
sind, vortrefflich, exerzieren so regelmäßig, daß kaum eine Uhr besser
gehen kann, und marschiren und schwenken sehr gut. Ihre Uniformen, blaue
Röcke mit rothen Aufschlägen und gelber Weste, sind neu und rein. Wenn
der Rest so gut ist, so können wir uns zu einem ausgezeichneten Handel
Glück wünschen. Das andere Regiment steht noch in Bayreuth. Die Leute
sollen nicht so groß, aber sonst ebenso tüchtig sein. Einige
österreichische Offiziere sagten mir, sie seien sogar besser. Beide
Regimenter werden am 28. Februar marschfertig sein; sie haben nur zwei
bis drei Tage nach Stefft am Main, wo sie nach Dortrecht eingeschifft
werden sollen. Die Wasserreise dauert etwa fünfzehn Tage.«

Das Bayreuther Regiment verließ zur festgesetzten Stunde, am 28. Februar
seine Garnison und marschirte über Streitberg, Muggendorf, Bayersdorf,
Fürth und Heilsbronn nach Anspach, wo es am 4. März eintraf. Vom ersten
Nachtquartier Muggendorf an wurden »aus Vorsicht (um die Desertion zu
verhindern) beide Orte, Muggendorf und Streitberg, mit Feldmiliz und
Landjägern entourirt und die ausgestellten Posten durch
Husaren-Patrouillen visitirt.« Auf dem Wege durch Bayersdorf fand sich
der Bambergische Husaren-Rittmeister v. Gravenreuth ein, und meldete,
daß er Ordre habe, nach den Befehlen des Kommandeurs seine Husaren
dergestalten zu detachiren, daß alle Desertion in das Bambergische
desto besser verhindert werde. Serenissimus kam dem Regiment bis
Kloster Heilsbronn entgegen. Am 5. März war in Anspach Rasttag und große
Tafel von achtzig Couverts bei Hofe. Sämmtliche Offiziers speisten mit
den gnädigen Herrschaften und hatten die Gnade, vor der Tafel der Frau
Markgräfinn Durchlaucht die Hand küssen zu dürfen. Serenissimus zeigten
jedem Offizier außerordentlich viel Gnade.« Am 7. März marschirten das
Anspacher und Bayreuther Regiment mit den Jägern von Anspach ab,
erreichten am 8. Uffenheim und am 9. Ochsenfurt am Main. Statt in Stefft
sollten sie hier in die Mainboote umgeschifft werden, als ein Aufstand
unter ihnen ausbrach, der nur durch die Geistesgegenwart des in aller
Eile herbeigekommenen Markgrafen unterdrückt werden konnte. »Am 9. d.M.
entstand -- heißt es in einem Bericht des Hamburger Korrespondenten vom
18. März 1777 -- unter gewissen, auf der Reise nach England begriffenen
deutschen Kriegsvölkern ein Aufstand, welcher gefährliche Folgen hätte
nach sich ziehen können, wenn nicht noch in derselben Nacht der
Landesherr selbst in aller Eile bei den Schiffen persönlich angekommen
wäre, und durch seine hohe Gegenwart die Völker in Gehorsam zu halten
vermocht hätte. Indessen war es dennoch zu solchen Thätlichkeiten
gekommen, daß ein Mann getödtet und fünf verwundet worden sind, dreißig
andere aber sich davon zu machen Gelegenheit gefunden haben. Die Herren
Kriegskommissarien, welche ihres Lebens nicht sicher gewesen, mußten in
einer benachbarten Stadt ihre Zuflucht suchen.«

Lassen wir noch einen Augenzeugen die Ereignisse dieses Tages erzählen:

»Wir marschirten durch Ochsenfurt, welches dem Bischof von Würzburg
gehört -- schreibt Johann Conrad Doehla, Soldat im Bayreuthischen
Regimente von Voit, in seinem Tagebuche -- und wurden da am Abend des 9.
März das erste Mal eingeschifft und hielten da vor Anker über Nacht auf
dem Main. Weil wir nun dieses Quartier noch nicht gewohnt waren und sehr
wenig Platz war auf den Schiffen, indem wir sehr dichte zusammenlagen
und der häufige Schiffsrauch uns sehr beschwerlich war, auch war es
ziemlich kalt: Dieses alles gab daher Gelegenheit zum Raisoniren an die
Hand und erstunde auch Tags darauf ein ganzer Aufstand und Rebellion
nemlich. Zu Früh mit Tagesanbruch machte das Anspacher Regiment den
Anfang dazu, indem da ein Schiff von ihnen nahe am Lande vor Anker lag,
so legten sie ein lang Brett vom Schiff an's Land hinaus, und gingen
alle aus diesem Schiff an's Land heraus, zogen hernach mehr Schiffe zu
Lande; auch eines vom Bayreuther Regiment. Unsere Leute stimmten auch
diesem Unternehmen bey und brachen mit Gewalt und ohne Erlaubniß der
Herrn Offiziere aus den Schiffen; so daß in einer Stunde kein Soldat von
den zwei Regimentern mehr in Schiffen anzutreffen war; alles war in der
größten Furie aufgebracht. Und obgleich die beiden Herrn Obristen und
Commandanten, sammt allen Offizieren, sowohl gute als böse Worte und
alle Mittel hervorsuchten, um die Leute wieder zufrieden zu stellen,
auch Brod, Fleisch und andere Victualien nebst Holz häufig aus der Stadt
herbeischaffen ließen, um damit die Leute kochen sollten, und wann die
Leute gegessen und getrunken hätten, wiederum zu Schiffe sich begeben,
so half doch dieses alles im Geringsten nichts, sondern der viele Wein,
den die Einwohner von Ochsenfurt häufig herbei brachten, machte, daß die
Soldaten noch furiöser wurden und auf keinen Offizier nichts mehr gaben,
ein Jeder ließ sich verlauten, nicht mehr in's Schiff sich nöthigen zu
lassen. Daher gegen Mittag hin die Leute sich stark gegen den
überliegenden Bergen zu wanderten und in ihrer Tollheit und
Betrunkenheit den Reisaus nahmen. Es wurde daher das Jäger-Corps
befehligt, sich gegen die Anhöhen auszupostieren und Schreckschüsse auf
die rebellierenden Ausreisser zu thun. Allein unsere Leute gaben auch
Feuer auf die Jäger. Es wurden daher einigen Leuten von den unßerigen
die Beine blessirt, die Rebellion gab daher Anlaß, daß die Stadt
gesperrt wurde und die Zugbrücken aufgezogen wurden, weil sich die
Bürger bei dergleichen Aufruhr nichts Guts versahen, es wurde faßt auf
zwei Stunden gegen einander gefeuert, und weil endlich die Jäger einige
von uns blessirten, so gab es auch Anlaß zu einer großen Antipathie
zwischen uns und ihnen, so auch einige Jahre noch in Amerika fort
dauerte. Endlich gegen Abend hin, als der Wein den Leuten etwas aus den
Köpfen gekommen war, so wurden sie doch wieder etwas zufriedener, es
wurde auch von dem Herrn Obrist v. Eyb als Chef vom Anspacher Regiment
die Versicherung ertheilt, daß wir wieder Uffenheim gingen; dieses
veranlaßte, daß die Regimenter sich wieder in Ordnung stellten, und
endlich auf vieles Zureden, von denn Herrn Offizieren in Zufriedenheit
und Ruhe gebracht wurden. Es waren bei diesem Aufstande gegen 40 Mann
von unsern Bayreuther Regimente echappiret. Daher wurde auch sogleich
ein Expresser nach Anspach abgeschickt, um von diesen Vorgegangenen
allen Ihro hochfürstlichen Durchlaucht zu rapportiren. Dieser sobald er
Nachricht bekam, machte sich sogleich mit einigen Begleitern zu Pferd in
der Nacht auf den Weg und kam mit höchster Bestürzung ganz schleunig. In
aller Frühe kam der Markgraf bei uns an, unsere zwei Regimenter wurden
sogleich aufgestellt, und der Markgraf ging Mann für Mann durch und
fragte einen jeden, was seine Einwendungen wären und versprach dabei
alle Gnade und Fürstengunst alle denen, die mit nach Amerika in
englischen Solde gehen würden, die so aber nicht wollten mit hinein,
sollten heraustreten und dagegen aber ihres Vermögens sammt ihren
Vaterlande und aller fürstlichen Gnade verlustigt sein. Hierauf sind wir
beide Regimenter wieder eingeschiffet.«

Der Markgraf, für den ein so gewinnreiches Geschäft auf dem Spiele
stand, stellte sich mit der gespannten Büchse in der Hand und in
seine Wildschur gehüllt, selbst auf das Mainschiff, um jeden
Erneuerungsversuch der Flucht zu verhindern, was ihm denn mit Hülfe
würzburgischer Husaren auch gelang. Ja Serenissimus, bei dessen
Erblickung der rechtschaffene Soldat Freudenthränen vergoß und seinen
Marsch mit Ruhe antrat (wenn wir anders jenem Berichte des Hamburger
Korrespondenten glauben dürfen) beschloß der größern Sicherheit wegen,
seine Truppen jetzt nicht mehr außer Augen zu lassen, und sie den Main
und Rhein hinunter bis zu ihrer Einschiffung in Holland zu begleiten. So
schnell war er von Anspach weggeeilt, daß er seine Uhr auf dem Tische
liegen gelassen und nicht einmal Kleider mitgenommen hatte, so daß er
sich vom Erbprinzen von Hanau reine Wäsche und Hemden borgen mußte.

Diese Meuterei, so unbedeutend sie an sich auch war, verursachte eine
gewaltige Aufregung unter den kleinen deutschen Fürsten und im
englischen Ministerium. Beide Theile fürchteten, daß dieser Geist der
Unzufriedenheit und offenen Widersetzlichkeit leicht um sich greifen,
also zukünftigen Aushebungen hindernd in den Weg treten könne. »Die
Revolte der Anspacher -- meldet der englische Gesandte Cressener am 17.
März an Suffolk -- konnte nur durch die freundliche Hülfe der Truppen
des Fürstbischofs von Würzburg gedämpft werden. Der Markgraf erzählte
mir gestern beim Essen, wie sehr er diesem zu Dank verpflichtet sei. Die
Anspacher sind lauter schöne Leute; wenn sie nur nicht so abgeneigt
wären, nach Amerika zu gehen!« »Bedanken Sie sich im Namen Ihres Hofes
beim Fürstbischof von Würzburg für seine uns bei der Niederwerfung des
Aufstandes der Anspacher gewährte Unterstützung«, antwortete Suffolk.

»Die Meuterei in Ochsenfurt -- schrieb Graf Wartensleben aus Mainz am
16. März an Cressener -- brach, so viel ich hörte, aus, weil das
Regiment Bayreuth sich nicht von den Jägern transportiren lassen wollte,
weil die Schiffe zu eng waren und zu stark rauchten. Der Bischof von
Würzburg schickte ein Korps Husaren und ein Dragoner-Regiment. Das
half.«

Faucitt meldete am 17. April, daß der Aufstand so schlimm nicht gewesen
sei. Die Offiziere hätten gleich drein hauen sollen, statt zu viel
Nachsicht zu beweisen. Eine gute Disziplin werde die frechen Burschen
schon mürbe machen, man solle beide Regimenter in Amerika zu besonders
schwerem Dienst verwenden. »Der Markgraf bekannte mir -- fuhr er am 24.
April fort -- daß er bei jener Ochsenfurter Meuterei 18 bis 20 Mann
durch Desertion verloren habe, eine keineswegs große Zahl, wenn man die
hier zu Lande überwiegende Parteilichkeit für die Amerikaner und die
Vortheile bedenkt, welche österreichische und andere Werbe-Offiziere aus
diesem Stande der öffentlichen Meinung für ihre eigenen Zwecke ziehen.
Es ist mir kaum möglich, Ew. Lordschaft einen nur annähernden Begriff
von der hierorts herrschenden gehässigen Abneigung gegen England und von
den Bemühungen zu geben, welche von übelgesinnten Menschen angewandt
werden, um die Soldaten von dem englischen Dienste abzuschrecken. Des
Markgrafen kluges und beherztes Handeln und seine Begleitung der Truppen
bis zum Hafen vereitelte jedoch die schändlichen Absichten dieser
Schurken. Leider werden wir aber aus Franken in diesem Jahre schwerlich
neue Truppenlieferungen erhalten, umsoweniger als der Markgraf
entschlossen ist, in Zukunft keine Rekruten mehr aus seinem eigenen
Lande, sondern nur Fremde anzuwerben.«

Die Anspacher Soldaten fügten sich übrigens fortan der auf's Strengste
gegen sie gehandhabten Disziplin und machten weder auf der Reise, noch
in Amerika einen weitern Aufstandsversuch, der beste Beweis dafür, daß
die Ochsenfurter Meuterei nur das Ergebniß einer augenblicklichen
Aufwallung, wenn nicht einer trunkenen Stimmung war. Die Deutschen jener
Zeit fühlten eben in ihrer großen Mehrzahl nicht das an ihnen begangene
Verbrechen. So ging denn auch dieses Ereigniß ziemlich unbemerkt
vorüber. Nur eine einzige Ausnahme findet sich in den Gemmingenschen
Manual-Akten. Es ist ein pseudonymer Brief, den ein angeblicher Hans
Fürstenfeind an »Ihro Durchlauchten, den Herrn Markgraf zu
Brandenburg-Anspach &c. zu Anspach« schrieb. Der Inhalt entsprach nicht
der geschäftsüblichen Anrede; er lautet wörtlich:

»Durchlauchtiger Barbar, Gnädiger Menschen Verkäufer!

So wie der Oxsen Treiber sorgsam ist, seine Heerde glücklich und ohne
Zufall an den Markt zu bringen, so lassen Ew. Durchlaucht es sich auch
angelegen seyn, die an England verkaufften Menschen wolbehalten zu
überliefern, um für die Ihnen davor versprochenen Lst. 39,588 in die
Wolle zu kommen. Der Zug ist schön. Sie gehen vorauf als Eigener der zu
Markte gebrachten Troupes. Hinten an folgen die Jäger wie Hunde. Sobald
einer ausweicht, bellen und beißen sie und geben Feuer.

Die nun mit Wiederwillen und ohne Gewehr hingeführten Menschen warten,
bis ihnen die Gelegenheit wieder die Waffen in Händen spielen, um sich
an den Jägern zu rächen. Anstatt gegen die Amerikaner zu fechten, werden
sie sich unter sich selbst aufräuben und den Engländern mehr schädlich
wie nützlich sein.

Gantz Europa siehet dieses als eine natürliche Folge ein. Nur Ew.
Duchlauchten sind zu kurzsichtig. England wird Ihnen aber das Rätzel
erklären, Ihnen und Ihren Truppen zurückschicken und anstatt 39,000 Lst.
zu geben, vor der gantzen Welt lächerlich machen.

Der Vorfall zu Oxsenfurth freuet der ganzen Welt, besonders macht man
den vier verabschiedeten Soldaten die grösseste Eloge. Man sagt, daß man
diese zu Ew. Durchlaucht Schande ein ewiges Ehrendenkmahl aufrichten und
Ihnen darinnen als Menschen Verkäuffer unter den Elendesten der
Verbrecher setzen wird.

So wie man bereits in England und Frankreich von den Menschen Handel der
Teutschen Fürsten Comoedien schreibt, so wird man auch bald davon
Tragödie aufführen. Es wird nicht lange nicht an Stoff dazu fehlen. Die
Unterthanen werden zu klug, als nicht solche Tyrannen, die ihnen wie das
Vieh verkauffen, abzusetzen und fortzujagen.

Ich habe übrigens die Ehre zu seyn Ew. Durchlaucht Barbaresk ergebenster
Diener Hans Fürstenfeind.«

Dieser Brief, in schöner Frakturschrift geschrieben, traf am 20. April
1777 in Anspach ein. Gemmingen war außer sich vor Aerger und Schrecken:
Es lag ihm Alles an der Ermittelung des »frechen Pasquillanten«; er
wollte an ihm womöglich ein abschreckendes Exempel statuiren. Der
Minister schickte also sofort das Kouvert an den kaiserlichen
Postmeister Welz in Nürnberg, um zunächst den Absendungsort zu
ermitteln. Die Antwort dieses Beamten vom 29. April lautete dahin, daß
der Brief von Straßburg gekommen sei. Eine dahin gesandte Anfrage ergab
kein weiteres Resultat, als daß nach der Ansicht des dortigen
Postmeisters Mouilleraux der Brief seinem Stempel nach in Bordeaux
aufgegeben sein müsse. Die Schrift ist allerdings entschieden
kaufmännisch; auch auf dem Pettschaft sieht man den geflügelten Stab des
Merkur. Wahrscheinlich also hat ein deutscher Kaufmann in oder bei
Bordeaux in obiger Weise seinem Patriotismus Luft gemacht. Gemmingen
hielt es, nachdem er diese Auskunft empfangen, für besser, die Sache auf
sich beruhen zu lassen, konnte er doch bei der den Amerikanern günstigen
Stimmung Frankreichs von dessen Regierung keine Unterstützung seiner
Rachepläne gegen »den frechen Pasquillanten erwarten!«




Achtes Kapitel.


Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Vertrages mit Anspach war
Faucitt nach Hanau geeilt, um mit dem Erbprinzen von Kassel und Grafen
von Hanau wegen der ihm von diesem angebotenen Jäger abzuschließen. Seit
die englischen Generale ihre unbedingte Vermehrung anempfohlen hatten,
wurden auf einmal, wie wir bereits im vierten Kapitel gesehen, die
deutschen Förster und Jagdgehülfen ein äußerst gesuchter Artikel. Der
Erbprinz Wilhelm, obgleich er deren nur wenig an der Hand hatte und
deswegen Anfangs nur 160 anbot, machte sich, um aus den günstigen
Konjunkturen des Marktes Vortheil zu ziehen, doch anheischig, ihrer so
viel als Suffolk verlangte zu liefern, zumal sein Vater, der Landgraf
von Hessen-Kassel, schon im Vorsprung war.

»Wir hatten -- schrieb Malsburg am 17. Januar 1777 an Faucitt -- auf
Ihren ablehnenden Brief hin den Plan, Ihnen für das Frühjahr Jäger zu
liefern, schon ganz fallen lassen. Seine Ausführung ist jetzt auch
schwieriger als damals, wenn nicht ganz unmöglich, nicht allein durch
den Zeitverlust, sondern auch durch Rekrutirungen, die der Landgraf
seitdem in unsrer ganzen Nachbarschaft vorgenommen hat und auf welche
wir ganz besonders gerechnet hatten. Nur der Eifer meines Herrn für die
gute Sache und seine unwandelbare ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit an den
König ist im Stande, diese unvorhergesehene Schwierigkeit zu heben. Der
Prinz wird jeden Nerv anstrengen, um das Jägerkorps möglichst bald
zusammen zu bringen. Voraussichtlich können wir aber vor Mai Niemanden
liefern.« -- »Es ist eine Abgeschmacktheit, zu erwarten -- antwortet
Suffolk am 4. Februar 1777 -- daß man die Jäger noch im Mai nimmt. Der
König will deshalb nur soviel als bis zur Einschiffung der Anspacher
fertig sein können.«

Der hanauische Minister Malsburg that nach dem Zeugnisse Faucitt's nur
so ängstlich, um sich aus der Erfüllung des Vertrages in verhältnißmäßig
kürzerer Zeit ein besonderes Verdienst zu machen. Faucitt rieth, dem
geldbedürftigen Prinzen 2000 Pfd. auf Abschlag zu schicken, das werde
helfen. Natürlich half es. Der Vertrag, durch welchen zugleich die
Subsidie im Verhältniß zur Zahl der gelieferten Jäger vermehrt wurde,
kam am 10. Februar 1777 für 412 Mann zu Stande. Seine Einleitung lautet:
»Nachdem der König von England seine Zustimmung dazu gegeben hat, daß
die in seinem Dienste befindlichen Truppen des Erbprinzen um ein Korps
Jäger vermehrt werden sollen, und nachdem der Erbprinz im Einklang mit
der tiefsten Dankbarkeit, der ehrfurchtsvollsten Ergebenheit an Seine
Majestät und dem unbegrenztesten Eifer für die Interessen und den Dienst
des Königs mit der größten Freudigkeit die Aushebung und Ausrüstung
eines solchen Korps übernommen hat, so sind die beiderseitigen Minister
übereingekommen &c.«

Es werden sodann in acht Paragraphen die Bedingungen festgestellt, unter
welchen dieses Korps in den englischen Dienst tritt. Es darf mehr, aber
nicht weniger als vier Kompagnien, jede zu 100 Mann, zählen. Die erste
Kompagnie muß zu Anfang März marschfertig sein. Die Löhnung erfolgt mit
dem Augenblick der Anwerbung jedes einzelnen Mannes, der ein gelernter
Jäger sein muß. Das Werbegeld beläuft sich auf dreißig Kronen pro Mann,
das in zwei gleichen Zahlungen, je einen und je zwei Monate nach
Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages, zu berichtigen ist, und wird
auch die an den Erbprinzen zu zahlende Subsidie im Verhältniß zur Zahl
der neu angeworbenen, resp. von England angenommenen Jäger erhöht.
Schließlich werden die hanauer Jäger mit den kasselschen auf ganz
gleichen Fuß gestellt, und ist ihre Löhnung höher als die der
Infanterie.

Der erste Transport (117) Jäger und 100 Rekruten verließen Hanau am 7.
März; der aus drei Kompagnieen bestehende Rest wurde zu Anfang April auf
dem Main und Rhein eingeschifft.

Faucitt und der Prinz von Hanau hatten diesmal versäumt, sich zur
rechten Zeit die Erlaubniß zur Durchreise der Truppen durch die Gebiete
der rheinischen Fürsten zu erbitten. Diese Vernachlässigung sollte sich
aber jetzt bitter rächen. Der Mainzer und Trierer Kurfürst beschlossen
nämlich auf Anstiften des kaiserlichen Gesandten Grafen Metternich
(Vater des spätern Fürsten), die vorbei passirenden Kontingente
anzuhalten und jedes mit Truppen gefüllte Fahrzeug nach ihren
Unterthanen zu durchsuchen. Am 8. März also ließ der Kurfürst von Mainz,
ohne den Einspruch des hanauischen Offiziers zu beachten, aus dessen
Booten acht Jäger nehmen, die er als seine Unterthanen reklamirte.
Einige, hieß es, seien Deserteure aus seinem Dienste und namentlich
befinde sich Einer darunter, den er vergebens von Hanau reklamirt habe;
dann aber seien auch einige Leibeigene dabei gewesen, an deren Körpern
ihm das Eigenthumsrecht zustehe; diesen Eingriff in Privatrechte habe
man sich unter keinen Umständen gefallen lassen können, wenn man selbst
wegen der Deserteure ein Auge habe zudrücken wollen. Der Prinz von Hanau
habe wissen müssen, daß diese Eigenthumstitel wieder aufgelebt seien,
sobald einer von diesen Leuten das mainzische Gebiet betreten habe.

Selbstredend verfehlte Malsburg nicht, Suffolk die gefährlichen Folgen
dieses Verfahrens in den stärksten Farben zu malen. »Der Akt ist gegen
England gerichtet -- schrieb er diesem am 9. März. -- Wenn Sie ihn
dulden, so können die mit Soldatenlieferungen betrauten Fürsten auf die
Dauer ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Man muß, um die
Nachahmung des gegebenen Beispiels zu verhindern, ähnliche Eingriffe
gleich von vornherein durch lebhafte Vorstellungen unterdrücken. Mein
Herr, der kein Kartell mit Mainz hat, also jeden Mainzer anwerben kann,
hat sie gemacht und Genugthuung für die begangene Gewaltthat verlangt.
Thun Sie jetzt auch das Ihrige.«

Da sich herausstellte, daß die acht Mainzer wirklich Deserteure aus der
Festung und da sie noch von keinem englischen Kommissär in den Dienst
des Königs eingemustert waren, so verweigerte Suffolk mit Recht jede
Einmischung in die Sache und empfahl dem Erbprinzen, die von Mainz
gestohlenen Rekruten in Zukunft nicht mehr der Gewalt des Kurfürsten
preiszugeben.

Dieser hatte auch den einige Tage später eintreffenden anspacher
Schiffen einen Besuch zugedacht, welche am 13. März in Hanau und zwei
Tage darauf vor Mainz eingetroffen waren. Als er aber hörte, daß der
Markgraf selbst sich in Begleitung der Erbprinzen von Hanau und
Darmstadt an Bord befand, zog er, aus Furcht vor ihnen, die zur
Durchsuchung der Boote bestimmte Abtheilung von einigen Offizieren und
dreißig Unteroffizieren zurück. Dagegen wurde die Schiffbrücke anfangs
nicht geöffnet. Der Kurfürst hatte ein großes Essen anrichten lassen,
weil er den Markgrafen mit den beiden Erbprinzen als Gäste erwartete. Ob
sie sich nun nicht an's Land wagten, weil sie, wie Oberst Rainsford
berichtet, von den Mainzern arg verhöhnt und beschimpft wurden, oder ob
sie dem Kurfürsten ihren Unwillen ob seiner wenig brüderlichen
Handlungsweise zu erkennen geben wollten --, es kam Niemand als ein
anspacher Offizier, der kurz die Frage stellte, ob man die Brücke öffnen
wolle oder nicht? Als man mit dem Bescheid zögerte, erklärte er, die
Brücke im Weigerungsfalle sprengen zu lassen. Lächerlicher Weise
antwortete man ihm darauf, daß man sie auf eigene Gefahr öffnen wolle,
daß es der Kurfürst aber nicht erfahren dürfe, da er Befehl gegeben
habe, die Brücke unter keiner Bedingung zu öffnen. So fuhr denn Abends
in der Dunkelheit die anspacher Flotille durch.

Auch bei Koblenz zog der Markgraf ungehindert vorbei, indem man ihn zu
stark fand, als daß man ihn anzuhalten gewagt hätte. Die dortige
Regentschaft verlangte nur, er solle den Hessen nicht helfen, was er
natürlich seinem Konkurrenten gegenüber gern versprach. Darauf begrüßte
man ihn in aller Freundschaft von Ehrenbreitstein aus mit vierundzwanzig
Kanonenschüssen. Als der Markgraf Koblenz passirte, war dort nämlich
gerade der hessen-kasselsche Oberst Benning mit einem von Rheinfels
kommenden Rekruten-Transport angehalten, damit er auf Befehl der
Regentschaft dem kaiserlichen Gesandten, Grafen Metternich, die unter
seinen Leuten befindlichen kaiserlichen Unterthanen herausgebe. Am Rhein
waren die Posten verdoppelt und die Kanonen auf die hessischen Boote
gerichtet, den Fluß entlang aber Feuer angesteckt, um sie an der Abfahrt
zu verhindern. Kurz die Sache sah ganz ernst aus. Indessen wären Hessen
und Anspacher stark genug gewesen, dem Ansinnen erfolgreichen Widerstand
zu leisten. Da aber der Markgraf den Obersten im Stich ließ, so wurden
ohne Weiteres siebenzehn Soldaten aus den Schiffen genommen, die dem
Kaiser gehören sollten. Diese Maßregel verursachte einen Aufenthalt von
mehreren Tagen. Der Verzug war um so gefährlicher, als es gerade damals
sehr stark fror, die Boote aber zum Theil offen waren und weder
hinreichendes Stroh noch Oefen hatten, so daß die Rekruten massenhaft
krank und die Gesunden stündlich unzufriedener wurden. Faucitt und
Cressener befürchteten deshalb jeden Augenblick eine Meuterei. Indessen
kamen die Hessen dies Mal noch ohne weitern Verlust als die obigen
siebenzehn Mann davon.

Cressener schrieb einen entrüsteten Brief an den Kommandanten von
Koblenz und die Regentschaft. Er fragt darin verwundert, wie der
kaiserliche Gesandte es wagen dürfe, derartig den Kurfürsten von Trier
zu beleidigen, der doch Herr in seinem eigenen Lande sei. Uebrigens
hoffe er, dem Kommandanten liege die Ehre seines Fürsten zu nahe, als
daß er die Hand zu einer solchen Gewaltthat bieten werde, die ganz gegen
das Völkerrecht verstoße, und weist schließlich die Regentschaft auf die
angebliche Rettung Deutschlands durch den Herzog von Marlborough und die
Schlacht von Dettingen (!!) hin. Selbst Suffolk scheint diese Art
englischen Geschichtsunterrichtes doch etwas zu kühn gefunden zu haben,
denn er meint in einem Briefe an Cressener, dieser hätte lieber von den
Marlborough'schen Feldzügen und der Dettinger Schlacht, als im Interesse
des Reiches unternommen, nicht sprechen sollen; zur Sache selbst aber
hoffe er, der Kurfürst werde seine eigene Würde zu sehr fühlen, als daß
er Metternich gestattete, seine Rechte so schmählich zu verletzen.

Uebrigens behielt es bei den Beschwerden sein Bewenden. Es wird in
unsern Quellen auch nicht berichtet, ob die Rachedrohungen des kasseler
Vaters und des hanauer Sohnes wegen Beschimpfung ihrer »Flagge« (!!)
wirklich ausgeführt wurden. Es scheint vielmehr, daß sich ihr Zorn
allmälich abgekühlt und ganz verlaufen hat.

Die Fahrt der Hessen und Anspacher verlief bei der freundlichen
Gesinnung des Kurfürsten von Köln gegen England und in Ermangelung jeder
Chikane seitens der preußischen Behörden ohne jede äußere Störung.
Dagegen war die Stimmung der Truppen selbst desto erbitterter. Der
Markgraf gab den Seinigen, um ihnen jede Ursache zur Klage zu nehmen,
auf der ganzen Reise eine Extra-Ration von einem Pfund Brod und einem
Pfund Fleisch per Tag auf den Mann und theilte, als bis Nimwegen Alles
gut gegangen war, unter jedes Regiment hundert Dukaten als Geschenk aus.
Unter den Soldaten der hanauischen Kompagnie Kornrumpf entstand dagegen
am 25. März auf dem Rhein bei S'Gravendael in Holland eine Meuterei.
Sieben Mann sprangen über Bord. Vier von ihnen wurden von ihren
Verfolgern wieder eingefangen, die drei übrigen retteten sich in ein
Haus. Die Bauern der Ortschaft nahmen ihre Partei und vertheidigten sie
gegen die ihnen nachsetzenden Offiziere und Soldaten, so daß diese sich,
um nicht todtgeschlagen zu werden, unverrichteter Sache zurückziehen
mußten.

Die Anspacher wurden am 25. März vom Obersten Rainsford in den
englischen Dienst gemustert. »Es sind schöne, prächtige Kerle -- meldet
dieser am 28. März aus S'Gravendael an Suffolk -- jung und gut gebaut,
kurz ein herrliches Korps. Ich fürchtete, sie würden nicht ohne Weiteres
den Eid der Treue leisten, da ihr Gemurre noch kurz vorher ihre eigenen
Offiziere beunruhigt hatte; allein die Anwesenheit ihres Fürsten, des
Markgrafen, der sie von Ochsenfurt bis hierher begleitet hatte,
verhinderte den Ausbruch selbst der geringsten Unzufriedenheit. Am
zweiten Tage brachten wir sie nach Dortrecht, wohin sie der Markgraf in
seiner Yacht begleitete, und gestern Abend wurden sie Alle zugleich mit
den hessischen Jägern und Rekruten eingeschifft. Ich hielt es im
Interesse des königlichen Dienstes für geboten, ihnen bei ihrer Ankunft
an den Schiffen, um sie guten Muthes zu erhalten und jede
Unannehmlichkeit zu vermeiden, frisches Fleisch und Brod zu versprechen,
da sie sonst schwerlich dem König den Eid der Treue geleistet haben
würden. Es ging aber Alles gut ab. Die Leute waren sehr zufrieden, als
sie an Bord frisches Brod und Fleisch erhielten.«

Auch die hanauer Jäger fand Rainsford in ausgezeichneter Ordnung für den
Dienst.

Nicht so günstig spricht er sich über die hessen-hanau'schen Rekruten
aus, die er am 27. März in den englischen Dienst musterte. Nur die
früher in preußischen Diensten gestandenen Leute seien hübsche Kerle;
die übrigen habe er nur deshalb zugelassen, meldet er, weil es bereits
sehr schwer geworden sei, gute Mannschaften zu bekommen; sie seien
meistens zu alt oder zu jung, ja sogar mehrere Einäugige hätten sich
darunter befunden. Wegen der hier bewiesenen Nachsicht schenkte, wie es
scheint, der Erbprinz von Hanau dem Obersten Rainsford eine goldene
Schnupftabacksdose, welche mit seinem in Brillanten gefaßten Portrait
geschmückt war. Dieser hielt sie nicht für echt und ließ sie deshalb
sofort von einem Juwelier abschätzen. »Das hätte ich nicht gedacht --
vermerkt der ob der Schätzung freudig erstaunte Oberst in seinem
Tagebuche -- die Dose ist wahrhaftig Lstr. 160 werth: Lstr. 100 die
Brillanten, Lstr. 20 das Gold, Lstr. 10 das Bild und Lstr. 30 die
Arbeit; der Prinz ist doch anständig!«

Am 29. März segelten die Anspacher nach Portsmouth ab und kamen am 4.
Juni in Staaten Island bei New York an; der Markgraf selbst traf von
seiner »Berufsreise« am 10. April wieder in Anspach ein.

Die drei letzten hanau'schen Jäger-Kompagnieen gelangten unter Oberst
Creuzburg am 9. April 1777 ganz unbehelligt nach Nimwegen und wurden am
11. in den englischen Dienst eingeschworen. Rainsford schildert sie als
ein schön ausgerüstetes Korps von vortrefflichen Schützen und bedauert
nur, daß Suffolk keine Transportschiffe zu ihrer Beförderung gesandt
habe.

Wie gefügig übrigens diese Truppen waren, wie wenig man sich zu ihnen
der Desertion oder gar einer Meuterei zu versehen brauchte, beweist am
Besten die Anrede, welche der Auditeur Becher in Hanau an die anspacher
und hanauer Soldaten bei ihrer Vereidigung richtete. Der Leser wird
bemerken, daß das patriarchalische _Er_ und das vertrauliche _Du_, um
jeden äußern Anstoß zu vermeiden, dem höflichern _Sie_ Platz gemacht
hat. Diese Anrede und dieser Eid lauten wörtlich:

»Ich bin überzeugt, daß Sie auch ohne dies schon das allergnädigste und
gnädigste Zutrauen erfüllen werden, welches Se. Königlichen Maj. und
beyde durchlauchtigste Fürsten in Ihre Redlichkeit und Tapferkeit
setzen, und daß Sie bey allen Kriegs-Vorfallenheiten zeigen werden, daß
Sie Deutsche sind, welche jederzeit den großen Ruhm der Treue und
Tapferkeit behauptet haben. Werden Sie, wie man es von Ihnen erwartet,
mit diesen redlichen Entschließungen von hier abgehen und denselben
getreu bleiben und nachkommen, so erwartet auch unfehlbar in einem
fremden Welttheil, Ehre, Glück und Belohnung auch Sie. Sie streiten für
die gerechteste Sache eines der erhabensten und gütigsten Monarchen. Sie
können sich nicht weniger der höchsten Gnade Ihrer theuersten Landes-
Fürsten versichern, von deren Liebe und Zuneigung Sie schon so viele
Beweise haben. Machen Sie sich dieser würdig und ehren Sie durch
Unerschrockenheit und edelmüthige Kühnheit Ihren Stand und Ihr
Vaterland, und Jeder von Ihnen sei dem Andern zum Muster, wie sich ein
braver und rechtschaffener Soldat hervorthun müßte.

Hören Sie nunmehr die Formul aufmerksam an, wonach Sie einen leiblichen
Eid zu Gott dem Allmächtigen schwören sollen: »Ihr sollt geloben und
schwören einen leiblichen Eid zu Gott dem Allmächtigen, daß Ihr Sr.
König. Großbritannischen Majestät in allen Kriegsvorfallenheiten
treulich, willig und redlich dienen, dem Commando folgen und Euch
überhaupt dergestalt erweisen wollt, wie tapferen und redlichen Soldaten
wohl anstehet, eignet und gebühret, jedoch vorbehaltlich und
ohnabbrüchig derjenigen Eides-Pflichten, mit denen Ihr Eurem gnädigsten
Fürsten und Herrn ohnehin bereits zugethan seid. Alles getreulich und
ohne Gefährde.«« Hierauf wird mit Emporhebung der zwei vordersten Finger
nachgesprochen.

»Daß ich dem also, wie mir jetzo vorgehalten worden und ich
wohlverstanden habe, in allem steif, getreu und unverbrüchlich
nachkommen wolle, solches gelobe und schwöre ich, so war mir Gott helfe
durch seinen Sohn Jesum Christum, unsern Erlöser und Seeligmacher.
Amen!«

Mittler Weile hatte sich die Lage der Dinge in Amerika sehr zum
Nachtheil Englands gestaltet. Washington's Erfolge im Winterfeldzuge
1776-1777 machten es selbst dem hochmüthigen Londoner Kabinet klar, daß
die Unterwerfung der Aufständischen noch mehr als einen Feldzug in
Anspruch nehmen würde. Suffolk wurde deshalb auch weniger wählerisch und
suchte Truppen zu erlangen, wo sie sich ihm nur anboten. Wir haben im
sechsten Kapitel gesehen, wie er in den ihm von Sir Joseph Yorke namhaft
gemachten kleinen deutschen Staaten, Baden, Darmstadt, Gotha und
Hildburghausen seinen Zweck nicht erreichte. In dieser seiner
niedergeschlagenen Stimmung trat von Neuem das Angebot des Fürsten v.
Anhalt-Zerbst an ihn heran, welches sein Agent Faucitt im ersten Jahre
des Krieges verächtlich abgelehnt hatte. »Der Fürst von Anhalt-Zerbst
hat mich und Faucitt -- schrieb Yorke am 7. März 1777 an Suffolk -- oft
mit seinen Truppenanerbietungen geplagt; ich habe ihn indessen stets
höflich abgewiesen. Er will, glaube ich, zwei Bataillone, er kann aber
vielleicht mehr stellen. Sie sollen in guter Ordnung sein. Es hängt von
Ihren Befehlen ab, ob ich den Fürsten auf Privatwegen sondiren und mir
bei ihm ein Verdienst daraus machen soll, mich ihm nützlich zu zeigen.«
»Thun Sie ja, was Sie können, antwortete er jetzt Sir Joseph Yorke am
11. März -- um dem Fürsten von Anhalt-Zerbst in nicht offizieller Weise
auf den Zahn zu fühlen. Wenn ich weiß, wieviel, wie und wo er liefern
kann, werde ich ermessen können, ob es rathsam ist, in dem Geschäft
fortzufahren.«

Auf diesen Briefwechsel hin wurden die Verhandlungen mit dem Fürsten
eröffnet.

_Friedrich August_, der letzte Fürst dieses Ländchens (1747-1793) gebot
über ein Territorium von etwa fünfzehn Quadratmeilen mit ungefähr 20,000
Einwohnern, das (1793 bei seinem Tode unter die drei Vettern von Dessau,
Bernburg und Cöthen verloost) in Folge der seit dem dreißigjährigen
Kriege dort erblichen Mißwirthschaft zu den ärmsten und ausgehungertsten
Deutschlands gehörte. Seit 1716 wurden in Zerbst weniger Menschen
geboren als starben! Das unglückliche Fürstenthum hatte in den letzten
hundert Jahren alle nur denkbaren Landplagen ausgestanden,
Ueberschwemmungen und Hungersnoth, Auswanderung und Krieg. Es besaß
keine Industrie und keinen Handel, litt dagegen desto mehr Mangel an
Nahrung. Nirgend in Deutschland gab es verhältnißmäßig mehr Hagestolze,
namentlich unter den Beamten, weil die im siebenzehnten Jahrhundert
festgesetzte Besoldung kaum halb zum standesgemäßen Haushalt ausreichte.
Seit 1698 war kein Landtag mehr berufen worden. Die Fürsten herrschten
despotisch, und Friedrich August, mit welchem wir es zu thun haben,
übertraf selbst seine Vorgänger in launenhafter Willkür und frechem
Souverainitätsdünkel. Er ist, was viel heißen will, die Karrikatur des
Landesvaters des achtzehnten Jahrhunderts, die komische Figur unter
seinen Kollegen und verdient der Held eines tragi-komischen Gedichts zu
werden. Friedrich August war der Bruder der berühmten Kaiserin Katharina
II. von Rußland. Ob in den winzigen Verhältnissen der Heimath
Verrücktheit wurde, was bei der großen Schwester auf einem mächtigen
Thron des Auslandes Genialität des Denkens und Handelns war, läßt sich
schwer entscheiden; jedenfalls aber wäre bei Katharina, wenn wir uns
anders einen so gewaltigen hochstrebenden Geist auf dem Zerbster
Thrönchen denken können, Vieles Karrikatur gewesen, was wir jetzt als
groß und imponirend an ihr bewundern. Natürlich mußte ein so angelegter
Mann, wie Friedrich August, aus ganzer Seele seinen mächtigen Nachbar,
Friedrich den Großen, hassen, der Leben schuf, wo noch keines vorhanden
gewesen war, der mit alten Vorurtheilen und Mißbräuchen unbarmherzig
umging und sich in seinem revolutionären Vorgehen am allerwenigsten
durch eingebildete Größen hindern ließ. Der König behandelte den Fürsten
wie einen unbedeutenden Landjunker, in dessen Rechte er allerdings sehr
gewaltsam eingriff, wie er denn z.B. einen von dessen Schützlingen im
Jahre 1758 ohne Weiteres im Zerbster Schlosse verhaften ließ. Nach dem
Frieden von 1763 ging der Fürst nach Basel, um nur nicht in der Nähe des
verhaßten Königs zu sein, und regierte bis 1780 von hier und von 1780 an
von Luxemburg aus sein Ländchen durch Reskripte und Befehle in einem
Stil, den in neuerer Zeit ein anderer deutscher Potentat, Fürst Heinrich
LXXII. von Reuß-Schleiz-Lobenstein glücklich nachgeahmt hat. Als seine
Unterthanen sich einst wegen Abstellung eines Unrechts an ihn wandten
und um seinen Schutz baten, antwortete er ihnen, derartige Lapalien
gingen ihn gar nichts an und wünsche er sehr, in seiner
Zurückgezogenheit nicht mit ihren elenden Klagen belästigt zu werden. Da
diese gleichwohl fortdauerten, verbot er durch einen auf Querfolio
gedruckten Anschlag vom 1. März 1788, daß ihm ferner Niemand mehr
nachlaufe noch ihn behellige, bei Vermeidung unausbleiblicher Ahndung
und Absetzung der Dienerschaft. Auf der Insel Wangeroge, die als Theil
der Herrschaft Jever ihm damals gehörte, errichtete er einen großen
Galgen, an welchem die beim Austernsammeln ertappten Fischer gehängt
werden sollten; es wurde aber keiner abgefaßt.

An Stelle Serenissimi regierte in Zerbst ein Geheimer Rath, dessen zwei
oder drei Mitglieder die sämmtlichen Instanzen bildeten. Bekannt ist die
von dem pädagogischen Schriftsteller Sintenis erzählte Anekdote, wonach
er von dem Geheimen Hofrath Haase, durch den Geheimen Hofrath Haase
nochmals an denselben Geheimen Hofrath Haase appelliren mußte. Der
französischen Revolution muß zu den vielen Sünden, die sie bereits auf
dem Gewissen hat, auch der Tod dieses Fürsten zugeschrieben werden. Als
er von ihrem Ausbruche hörte, wurde er unruhig und erließ lange, sehr
schwer verständliche Schreiben an seine Unterthanen, in welchen er sie
im Namen der heiligen Dreieinigkeit ermahnte, treu und gehorsam zu
bleiben, im Falle des Ungehorsams ihnen aber mit den himmlischen Strafen
drohte. (Warum wohl nicht mit den irdischen?) Friedrich August starb
aus Kummer über die Hinrichtung Ludwig's XVI. Auf die erste Nachricht
von diesem Ereigniß hin weigerte er sich, ferner Speise und Trank zu
sich zu nehmen -- und einige Wochen später war der Märtyrer der
Legitimität todt. Dieses fürstliche Prachtexemplar hatte es in
österreichischen Diensten bis zum Feldmarschall-Lieutenant gebracht,
hielt sich nach 1783 auch selbst eine »Armee« von 2000 Mann mit nicht
weniger als elf Obersten. Seine Werbeplätze waren über ganz Deutschland
zerstreut, einmal gab es deren nicht weniger als sechzehn. Gleichwohl
bezahlte sich das Geschäft, denn er fand fast immer Verwendung für seine
Truppen.

Schon bei Eröffnung der englisch-amerikanischen Feindseligkeiten war
Friedrich August mit seinem Angebote in den Markt gekommen; indessen
nahm man anfangs nicht die mindeste Notiz von ihm, und ohne Yorke's
Empfehlung würde er voraussichtlich wohl nie berücksichtigt worden sein.
Er hatte sich zunächst unmittelbar an Georg III. gewandt, aber keine
Antwort auf seinen Brief erhalten, weil der König seinen Inhalt nicht
entziffern konnte. Um direkt zu seinem Ziele zu gelangen, ließ der Fürst
im Mai 1776 durch den Erbprinzen von Hanau seine Vorschläge an Suffolk
machen. »Wenn Sie je -- schreibt der Minister Malsburg am 27. Mai 1776
an Faucitt -- von der sonderbaren Denk- und Handlungsweise dieses
Fürsten gehört haben, so werden Sie über die Unregelmäßigkeit dieses
Schrittes nicht erstaunt sein. Da Sie aber möglicher Weise ein Regiment
mehr brauchen können, so hat mein Herr mir befohlen, Ihnen den Brief des
Fürsten vertraulich im Original mitzutheilen. Die Verwirrung, die in
seinem Stil und in seinen Ausdrücken herrscht, hat mir nicht erlaubt,
eine französische Uebersetzung davon zu machen. Zudem werden Sie wohl
Jemanden haben, der ihn lesen kann und, soweit dies überhaupt möglich
ist, seinen Sinn erklärt. Der Fürst will also ein Regiment von 627 Mann
an England überlassen. Mein Herr möchte übrigens in der ganzen Sache
nicht genannt sein. Der Brief an den König ist in einer so merkwürdigen
Art geschrieben, daß es mir ein Problem scheint, ob er überhaupt dem
hohen Adressaten übergeben werden kann.«

Faucitt legte in seinem Berichte an Suffolk den Original-Brief des
Fürsten nicht einmal bei, um dem König die Unbequemlichkeit der
Beantwortung eines in so befremdender Weise gemachten Anerbietens zu
ersparen. Suffolk billigte sein Verfahren und ließ den Zerbst'schen
Antrag auf sich beruhen.

Uebrigens war der Fürst so leicht nicht abgeschreckt. Er suchte Ende
November 1776 durch den Herzog von Braunschweig seine Absicht zu
erreichen. »Der Fürst von Anhalt-Zerbst -- schreibt Feronce am 17.
November 1776 an Suffolk -- hat den Herzog inständigst ersucht, durch
Ihre Vermittlung dem König 800 Mann Infanterie für Amerika anzubieten.
Das Regiment ist gut einexerzirt und ausgerüstet; es kann sich, sobald
es gewünscht wird, mit zwei Geschützen in Marsch setzen und, falls der
König noch mehr fremde Truppen anwerben sollte, mit unseren Rekruten
einschiffen. Die einzige Gunst, um die ich bitte, besteht darin, daß der
Herzog in den Stand gesetzt wird, dem Fürsten eine Antwort zukommen zu
lassen.« Suffolk lehnte am 26. November das Gesuch aber auch wieder ab,
weil der König bei der günstigen Wendung, welche die Dinge in Amerika
genommen hätten, keine fremde Truppen dort mehr nöthig zu haben glaube.

Friedrich August war jedoch nicht der Mann, den ein zweimaliger
abschläglicher Bescheid entmuthigt hätte. Er empfahl sich also dem
englischen Gesandten im Haag, Sir Joseph Yorke noch einmal zur
gefälligen Berücksichtigung. Yorke hatte offenbar Mitleid mit dem
Zerbster und wollte seine Standhaftigkeit belohnen. Er verfehlte also
nicht, ihm die durch Suffolk's letztes Schreiben in Aussicht gestellte
günstige Wendung der Dinge mitzutheilen. Als Antwort auf diese freudigen
Eröffnungen empfing er eine wahre Sündflut von fürstlichen Briefen,
Plänen und Vorschlägen, die sich sogar bis auf die Vermehrung der
englischen Marine erstreckten. Bei dem dunkeln und verworrnen Stil
dieses fürstlichen Don Quixote ist es leider nur ausnahmsweise möglich,
seine Gedanken ganz zu errathen, ein Prozeß, der durch ein barbarisches
Französisch bedeutend erschwert wird, da es die abgerissenen Sentenzen
noch verrückter erscheinen läßt. Doch der Leser möge selbst nach den im
Anhang mitgetheilten Proben urtheilen.

Der Fürst schien also endlich am Ziele seiner Wünsche zu sein, und seine
kühnsten Hoffnungen und Gedanken schwelgten jetzt schon in einem
Kreuzzug für die von den amerikanischen Rebellen bedrohte Legitimität.
»Vier Brüder in Dessau -- schreibt er an Yorke in dem im Anhange
vollständig mitgetheilten Briefe vom 29. April 1777 -- besaßen
gemeinschaftlich mehr als sechshundert Hetzhunde, die bei den Dessauer
Bürgern einquartirt waren. Schöne Garnison! und beim ersten
Peitschenknall oder Hörnerschall eilten diese Hunde zusammen wie die
Soldaten beim Klang der Trompete. Teufel! wenn man die Amerikaner wie
diese Hunde laufen machen könnte! Das wäre herrlich! Aber dazu braucht
man Truppen.«

Inzwischen hatte Faucitt am 29. April 1777 auch von Suffolk Auftrag
erhalten, sich von der Beschaffenheit der Zerbster Bataillone zu
unterrichten, um beurtheilen zu können, ob sie des Königs weitere
Aufmerksamkeit verdienten. Er sollte nicht weniger als 500 und nicht
mehr als 800 Mann nehmen und seinen Verhandlungen mit Zerbst den
anspacher Vertrag zu Grunde legen. Kaum war aber Aussicht für die
Vermiethung der Landmacht vorhanden, so faßte der Fürst auch schon den
Plan, die Vortheile seiner an der Nordsee gelegenen Grafschaft Jever zu
verwerthen. »Wenn England -- schrieb er am 23. Juni 1777 an Yorke -- an
der deutschen Küste gegen die Rebellenkaper zwei Fregatten von je zwölf
und zwanzig Kanonen und zwei kleinere Fahrzeuge von je acht und zehn
leichten Geschützen wünscht, so kann ich ihm dieselben überlassen. Meine
Schiffe sind Schnellsegler und aus folgenden Gründen für Sie
unentbehrlich: 1) stellen sie die Verbindung zwischen mir und meinen
Truppen her; 2) vermitteln sie die von Deutschland abzusendenden
Verstärkungen; 3) erlangen sie dadurch so viel Schiffe und Matrosen
mehr, was bei der Frechheit der Rebellen, die »leur canaille de pirates«
überall hinschicken und sogar im Stande sind, die deutschen Küsten
heimzusuchen, gar nicht gering anzuschlagen ist.«

Komischer Weise nahm Yorke diesen letzten Vorschlag im Ernste auf und
meint am 15. Juli 1777 in seiner Bevorwortung desselben bei Suffolk, daß
er deshalb Beachtung verdiene, weil England durch ihn eine große Zahl
von Seeleuten erlangen könne, die sonst vielleicht gegen dasselbe vom
Feinde verwandt werde. Als wenn der Fürst außer vielleicht ein paar
Fischerbooten ein einziges seetüchtiges Fahrzeug gehabt hätte! Der Mann
lebte in Basel und wollte von hier aus eine Flotille ausrüsten!

Suffolk hatte nur unter der Voraussetzung mit dem Fürsten angeknüpft,
daß sein Regiment bis zum April marschfertig in Jever sein und bis zur
Eröffnung des Herbstfeldzuges in Amerika eintreffen könne. Als aber der
Geheime Rath Haase, welcher zerbstischer Seits mit Faucitt den
eventuellen Vertrag in Braunschweig abzuschließen bestimmt war, dort zur
verabredeten Zeit nicht erschien, und als Faucitt außerdem noch Anfang
Juni 1777 nach Hause meldete, daß das Zerbster Regiment, statt wie
versprochen schon in Jever, noch in Zerbst sei, nahm Suffolk unmuthig
seinen Befehl für Annahme der zerbstischen Truppen zurück. Die
Jahreszeit, erklärte er, sei zu weit vorgerückt, als daß sie noch im
Laufe des Sommers in den englischen Dienst genommen werden könnten. Der
Fürst hatte in der Person der Herren von Oppeln und von Wietersheim zwei
»Gesandte« nach London geschickt, um durch sie den Vertrag zwischen den
Kronen Zerbst und Großbritannien abschließen zu lassen. Suffolk
bedeutete sie kurzer Hand, London sei nicht der Platz für ein derartiges
Geschäft und empfahl ihnen sofortige Abreise.

»Trotz Ihrer Versprechungen -- schreibt der Fürst am 25. Juni 1777
wehklagend an Yorke -- hat man in London meine Truppen abgelehnt; man
will bis zum nächsten Jahre warten. Das ist unmöglich, ich werde mich
dann nicht wieder ähnlicher Behandlung aussetzen. Andere Mächte werden
diese schönen Truppen (ohne Eitelkeit!) mit offenen Armen aufnehmen. Ich
hoffe, Sie werden aber noch Alles arrangiren.«

Yorke suchte denn auch die Sache bei Suffolk wieder in den Gang zu
bringen. »Ich sende Ihnen -- schrieb er ihm am 15. Juli 1777 -- durch
den hannöver'schen Kourier verschiedene Briefe, welche ich von meinem
merkwürdigen Korrespondenten, dem Fürsten von Zerbst erhalten habe. In
seinem letzten ist er über den eingetretenen Zeitverlust aufgebracht.
Ich lege meine eigene Korrespondenz nicht bei, da sie nur ermüdend für
Sie sein würde; ich habe mich übrigens genau an meine Befehle gehalten.
Ich habe dem Fürsten heute geschrieben und mich bemüht, ihn guten Muths
zu erhalten und zu besänftigen. Bei allen seinen Verrücktheiten ist er
doch ein guter Kerl, der besser handelt als er schreibt. Ich wünsche,
seine Truppen möchten in diesen schwierigen Zeiten doch noch genommen
werden.«

Die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz ließen es denn auch Suffolk noch
im Laufe des Sommers wünschenswerth erscheinen, die englische Armee in
Amerika, sei es auch nur durch ein oder zwei zerbstische Bataillone zu
verstärken, ja er mußte froh sein, daß sich ihm wenigstens eine Aussicht
auf ein sofort bereites Hülfs-Korps bot. So beauftragte er denn im
Herbste 1777 Faucitt, für zwei Regimenter mit dem Zerbster Ministerium
abzuschließen. Dieses unterwarf sich ohne jeden Widerspruch den vom
englischen Kommissar gestellten Bedingungen und begnügte sich sogar mit
der bloßen Punktation eines Vertrages, die gegen Ende Oktober 1777 zu
Stande kam, die es aber England freistellte, seine endgültige
Genehmigung so lange zu verschieben, bis die zerbstischen Truppen von
Faucitt im Einschiffungshafen in den englischen Dienst gemustert sein
würden. Jedes der beiden zu liefernden Regimenter sollte aus 614 Mann,
einschließlich der Offiziere, bestehen; jedes derselben aber nur zwei
Stabsoffiziere, Oberst und Major, haben und im Frühjahr marschfertig
sein.

England übernahm also nicht die mindeste Gefahr oder Verantwortlichkeit;
diese fiel vielmehr ausschließlich der Zerbster Regierung anheim, die,
wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, in der Folge hart genug daran
zu tragen hatte.

Während die übrigen, mit England arbeitenden Fürsten wenigstens
Offiziere und Kadres für ihre Regimenter hatten, stand das Regiment des
Fürsten von Anhalt-Zerbst, als er mit Lord Suffolk in Unterhandlungen
trat, vorläufig nur auf dem Papiere. Nicht einmal für die
Offizierstellen konnte er unter den paar armen adeligen Teufeln seines
Ländchens »gehörig qualifizirte Subjekte« finden, und aus der
Nachbarschaft boten sich erst recht keine an, weil es allgemein bekannt
war, daß Serenissimus kein Geld hatte. Er wußte aber, daß für gutes
englisches Geld Werber und Offiziere in Hülle und Fülle zu haben waren
und leitete deshalb als vorsichtiger Geschäftsmann die erforderlichen
Maßregeln erst ein, als sie auf englische Rechnung gingen. Kaum war also
die Punktation mit Faucitt geschlossen, so betrieb auch die Zerbster
Regierung das Werbegeschäft mit großem Eifer. Es tritt uns hier überaus
naiv in seiner unverhülltesten Gestalt entgegen, als das, was es seiner
innersten Natur nach ist, als die gemeinste fürstliche Spekulation auf
das Fleisch ihrer Unterthanen und der Unglücklichen, die sich durch gute
Worte oder Gewalt einfangen ließen.

In der Stadt Zerbst wurde sofort ein Werbebureau errichtet, und mit
allen in diesem Geschäfte üblichen Listen die nöthige Mannschaft
angelockt. Im Anfang ging Alles über Erwarten gut, Meister, Gesellen und
Lehrlinge, Bewohner der Stadt und Umgegend, welche sonst kein Auskommen
hatten, nahmen Dienste. Schon im November waren mehr Soldaten als das
von England geforderte Minimum beisammen. Da die Zerbster Bürger sich
weigerten, das zum großen Theil verlorene Gesindel in's Haus zu nehmen,
so mußte es im fürstlichen Schlosse untergebracht werden. Ueberhaupt
scheint der Respekt der Zerbster vor Serenissimo nicht zu groß gewesen
zu sein, denn sie redeten den Soldaten zu, daß sie doch nicht marschiren
möchten, da sie schnöde verkauft wären und elendiglich umkommen würden,
»und was dergleichen grobe Lügen und strafbares Beginnen mehr«, wie der
Stadt-Kommandant General v. Rauchhaupt in einem Garnisonsbefehl
erklärte. Da die Gränze nicht weit war, so wurde es den Bürgern auch
nicht schwer, den Desertionslustigen zur Freiheit, d.h. zum Thore hinaus
zu verhelfen. Um den Mangel an Offizieren zu beseitigen, machte die
Regierung in den Zeitungen bekannt: »Wer Dienste als Offizier zu nehmen
wünsche, vorzüglich aber sich getraue, Chef eines Regiments Infanterie
zu werden, der könne sich sogleich bei der Hochfürstlichen Regierung in
Zerbst melden und werde von derselben nähere Auskunft erhalten«. Diese
Aufforderung hatte sehr bald den gewünschten Erfolg. Schon im Oktober
und November waren so viele Meldungen eingegangen und angenommen, daß
alle Stellen besetzt werden konnten. Als Regiments- und
Bataillons-Kommandeure hatten sich zwei Brüder v. Rauschenplatt aus dem
Braunschweigischen angeboten. Beide wurden in Dienst genommen. Der
ältere Johann ward Oberst und Regimentschef; sein Bruder Georg Heinrich
dagegen Major und Bataillonskommandeur, im Sommer 1782 aber sein
Nachfolger im Kommando des Regiments, weil der ältere Bruder wegen
Kränklichkeit nach Europa zurückkehrte. Stabsadjutant war Oberlieutenant
Möhring und Regimentsquartiermeister ein geborener Anhaltiner, J.A.
Pannier, der im April 1772 in Jena einen nassauischen Studenten im Duell
erstochen hatte. Drei Feldprediger, ein lutherischer, ein reformirter
und ein katholischer, hatten für das Seelenheil und die geistliche
Verpflegung der Soldaten zu sorgen, während 34 unter Anführung einer
Unteroffiziersfrau stehende Marketenderinnen ihnen den Bedarf an
leiblicher Speise zu liefern und zu ergänzen hatten.

Schon in den ersten Tagen des November 1777 konnte das Regiment dem
englischen Unterhändler auf dem Schloßplatz von Zerbst zur Musterung
vorgeführt werden.

»Ich bin -- schreibt Faucitt am 15. November 1777 aus Braunschweig an
Suffolk -- soeben von Zerbst zurückgekehrt, wo ich das eine der beiden
uns angebotenen Regimenter sah. Es besteht aus lauter schönen und jungen
Leuten, die indessen ihre Waffen nicht so gut handhaben und nicht so
gut exerziren, als ich erwartet hatte. Ihr Oberst, Herr von
Rauschenplatt, versicherte mich aber, daß sie erst vor drei bis vier
Tagen von ihrem Urlaub einberufen seien, nachdem sie den größten Theil
des Jahres abwesend gewesen, und daß er sich anheischig mache, sie bis
zur Zeit ihres Abmarsches gut auszuexerziren. Es scheint mir, daß der
Oberst das wohl fertig bringen wird; er ist ein gebildeter und thätiger
Offizier, der während des ganzen letzten Krieges in dem österreichischen
Heere gedient hat. Es fehlt den Leuten überhaupt nicht an guten Willen.
Zu jedem Regiment gehören zwei Grenadier-Kompagnieen. Das eine Regiment
ist marschfertig, während das andere, welches in einiger Entfernung von
Zerbst liegt, es vor nächstem Februar nicht werden kann. Ich werde sie
die Elbe hinunter bis Stade verschiffen. Die Reise dauert acht bis zehn
Tage. Rauschenplatt sagte mir, er werde sofort nach Eintreffen der
Erlaubniß der Uferstaaten marschiren und zur Noth gar nicht auf die
Antwort der Fürsten warten.«

Dieser Plan war an sich ganz gut und leicht ausführbar, wenn nur
Friedrich der Große sein Veto nicht eingelegt hätte.




Neuntes Kapitel.


Die in den vorhergehenden Kapiteln erzählten Verkäufe und Verschiffungen
deutscher Soldaten reichen bis zum Herbste 1777. Die Zusätze zu den
bereits ausführlich besprochenen Verträgen sind im Wesentlichen eine
Wiederholung der ursprünglichen Bestimmungen; sie beziehen sich nur auf
Lieferungen von Rekruten, Jägern und Artilleristen und erfordern darum
auch kein näheres Eingehen auf ihren Inhalt.

Unerläßlich dagegen ist wenigstens eine kurze Beschreibung des
Transports dieser Ersatztruppen, der bei seinen großen Gefahren und
Schwierigkeiten ganz besondere Umsicht und Sorgfalt verlangte. Vor Allem
galt es, die Desertion zu verhindern und die Chikanen, Eingriffe oder
älteren Ansprüche der zu passirenden Staaten abzuwehren. Der englische
Kommissar Faucitt berechnete natürlich nur die im Hafen auf die Schiffe
gelieferten Soldaten; wer also unterwegs desertirte, lief zugleich mit
den oft nicht unbedeutenden baaren Auslagen des Lieferanten davon,
während eine spätere Desertion diesen nicht so sehr schädigte. Es wurden
deshalb nur erfahrene Offiziere von großer Geistesgegenwart,
persönlicher Gewandtheit und Entschiedenheit im Auftreten mit dem
Truppentransport betraut. Aus den zahlreichen, bei den Akten
befindlichen Berichten solcher Offiziere möge nur der des Obersten von
Wöllwarth hier Platz finden, der Mitte Mai 1777 einige hundert hessische
Rekruten von Kassel nach der Weser-Mündung führte und ein Gesammtbild
der mit der glücklichen Ausführung eines derartigen Auftrages
verknüpften Schwierigkeiten giebt.

»Ich habe mich -- meldet Wöllwarth am 30. Mai 1777 dem Landgrafen von
Hessen-Kassel -- am 14. Mai unweit der Pulvermühlen bei Kassel
eingeschifft, am 15. Abends bei Herstelle Anker geworfen und bin am 16.
gegen 11 Uhr Abends nach Hameln gekommen. Am 17. verursachte die
Passirung der dortigen Schleuse einigen Aufenthalt, so daß bereits eine
Stunde außerhalb Hameln bei Lachem angehalten und Mittag gemacht werden
mußte. Von da wurden nach der erhaltenen gnädigsten Instruktion die
Rekruten, so preußische Deserteur oder Landeskinder waren, an Anzahl
fünfzig, unter Kommando des Lieutenants Hagen und dreier Unteroffiziers
mit geladenem Gewehr, auch Begleitung einer Patrouille von dem
Estorffischen Dragonerregiment, bis Rodenberg abgeschickt, und nahm
gedachter Lieutenant Hagen zur Vermeidung derer mehren preußischen Orten
und des Bückeburgischen die Detour über Neustadt am Rübenberge, wo
derselbe das zweite Nachtlager nahm. Aller gebrauchten Vorsicht
ungeachtet ist ein Jäger, Namens Britt, so ein Franzose von Geburt, von
da die Nacht desertirt, durch Hülfe der Patrouille aber in der Gegend
von Nienburg wiederertappt worden und als Arrestant mitgebracht. Am 18.
wurde Preuß. Minden passirt. Vom Kommandanten geschah nicht die mindeste
Nachfrage, als wie stark der Transport sei. Am 19. ankerten wir bei
Stolzenau unterhalb Nienburg. Lieutenant Hagen traf daselbst erst den
Nachmittag um fünf Uhr ein. Bei diesem langen Aufenthalte entfernte
sich, ohngeachtet ich von dem Schiffe Posten ausgesetzt hatte, ein
Jägerrekrute, Namens Seidenfaden, welcher um so leichter, da er noch
keine Montirung hatte, unter der Menge Leute solches bewerkstelligen
konnte. Den Lieutenant Plier, von dessen Schiff der Rekrute war,
schickte ich, weil er diesen Unmontirten hatte vom Schiff gehen lassen,
auf vierundzwanzig Stunden auf das Staatsschiff in Arrest, an dessen
Stelle ich Lieutenant Braumann kommandirte. Nun ereignete sich der
Vorfall, daß der Unteroffizier Säugling, welcher von dem Kommando des
Lieutenant Hagen erst zurückgekommen, sich etwas betrunken und einem
Juden, welcher im Vorbeigehen bei denen Schildwachen Taback geraucht,
nach eigener Willkür die Pfeife weggenommen. Da nun der Jude bei dem
Lieutenant Braumann sich dieserhalb beschwerte und die Herausgabe der
Pfeife forderte, ertheilte mehrgedachter Lieutenant Braumann dem
Unteroffizier die geschärfte Ordre, solche sogleich wieder
herauszugeben. Der Unteroffizier aber, welcher in dieser Verwirrung
nicht wußte, daß Lieutenant Plier arretirt sei, mithin das Schiff nicht
mehr kommandirte, versetzte, er würde keines Andern Kommando Folge
leisten als besagten Lieutenants Plier. Es wurde der Unteroffizier zu
Gehorsam angewiesen. Da er aber durch Raisonniren einen Aufstand
erregte, so begab ich mich auf die Meldung des Lieutenants Braumann
dahin, um solchen zu stillen. Der Unteroffizier nebst noch zwei
Raisonneurs, so Anlaß dazu gegeben, wurden arretirt. Den erstern habe
ich mit starken Fuchteln bestrafen lassen und degradirt bis zur Ankunft
in Amerika, wie denn die beiden Andern ebenfalls zu harter Strafe
gezogen wurden. Am 21. Mai haben wir die Bremer Brücke passirt und allda
vom Kapitain v. Webern die achtzehn großen Ballen Bagage richtig
erhalten. Am Abend dieses Tages trafen wir in Vegesack ein; am 24. aber
wurden wir durch Faucitt gemustert, der nur zehn Mann ausrangirte, und
am 25. auf fünf Schiffen eingeschifft, welche am 31. Mai von Bremerlehe
absegelten.«

Was nun insbesondere die Rekrutenlieferungen betrifft, so beweisen sie,
daß das Geschäft nicht blos in Kassel, sondern auch bei den übrigen
betheiligten Fürsten eigentlich nur kurze Zeit in Blüthe stand, und daß
bereits im Laufe des Jahres 1777 der Markt weniger ergiebig wurde. Nur
Anspach machte eine Ausnahme von der Regel, weil es durch den
siebenjährigen Krieg nicht so viel als die norddeutschen Staaten
gelitten hatte. Seine Rekruten zeichneten sich bis an das Ende vor allen
anderen aus, im Februar 1779 fand Faucitt sie so schön und so gut von
Ansehen, daß er froh sein würde, wenn die anderen Rekruten ebenso
aussähen, und noch im Mai 1782 wurden die großen schönen munteren und
wohlgezogenen Anspacher bei ihrer Einschiffung ebenso bewundert, wie die
ersten Bataillone des Jahres 1777. Dagegen ward es schon zu Anfang des
Jahres 1777 den norddeutschen Lieferanten schwer, ihre Verbindlichkeiten
zur festgesetzten Zeit zu erfüllen. Schon jetzt müssen sie an allen
Ecken und Enden ihre Waare zusammenstehlen und das so gestohlene
zweibeinige Gut mit großen Kosten und außerordentlicher Vorsicht
bewachen lassen. Die Schilderungen, die wir in den Berichten Faucitt's
und Rainsford's über ihre Rekruten-Inspektionen finden, würden komisch
und erheiternd sein, wenn die Ruchlosigkeit, mit der die armen Teufel
auf die Schlachtbank geliefert werden, für unser Volk nicht gar zu
beschämend wäre.

»Am 21.d.M. -- meldete Faucitt am 24. März 1777 aus Bremerlehe an
Suffolk -- habe ich die 250 braunschweiger Rekruten in Stade besichtigt
und eingeschifft. Der Herzog hatte es für nöthig erachtet, sie durch
eine starke Infanterie-Abtheilung von einem Hauptmann, zwei Lieutenants,
vierzehn Unteroffizieren und vier und achtzig Gemeinen nach dem Hafen
transportiren zu lassen. Ich habe 36 von den Rekruten wegen
Körperschwäche, Alter und Einäugigkeit und sonstiger Gebrechen
verworfen; es sind also nur 214 Mann übrig geblieben. Ich erinnere mich
nicht, je in meinem Leben einen solchen Haufen schlecht aussehender
Kerle zusammen gesehen zu haben. Kaum diejenigen, welche ich passirte,
waren diensttüchtig. Die Gräben und die Stadt sind gefroren, es ist also
große Gefahr der Desertion vorhanden. Noch größer wird diese Gefahr in
Bremerlehe sein, wo die hessischen und waldeck'schen Rekruten jeden
Augenblick ankommen müssen, und wo ich nicht das geringste Zwangsmittel
gegen sie habe.«

Nicht viel günstiger als Faucitt über die braunschweigischen, spricht
sich Rainsford über die vom Rheinfels gekommenen hessischen Rekruten
aus. »Sie sind -- schreibt er am 28. März 1777 aus Gravendael bei
Dortrecht an Suffolk -- äußerst ungleich, Viele sehr alt, Viele bloße
Jungen und Andere wieder durchaus unbrauchbar. Es finden sich fünf bis
sechs Einäugige darunter. Wir dürfen aber nicht zu wählerisch sein, weil
es zu schwer ist, Leute zu bekommen. Ich wies deshalb Keinen zurück,
bezeichnete aber die Anstößigsten auf der beifolgenden Liste. Die Jäger
dagegen sind gut und äußerst brauchbar für den Dienst.« Die Zahl der
Rekruten belief sich auf etwa 400; der Bayreuther Minister v.
Seckendorff fand darunter viele unausgewachsene Kinder, die kaum fünf
Fuß maßen; zu ihrer Bewachung und Begleitung wurden ein Offizier, sechs
Unteroffiziere und fünfzig Gemeine mitgeschickt.

Die waldecker Rekruten dagegen waren viel besser; ihre Mehrzahl bestand
aus kräftigen und starken Leuten, wenn auch manche klein und zu jung
darunter waren. Da der Fürst von Waldeck keine Festung hatte, worin er
sie bis zu ihrem Ausmarsche sichern konnte, und da er, laut Bericht
seines Ministers Zerbst an den englischen Kommissär, schon viele durch
Desertion verloren hatte, so verschaffte ihm dieser die Erlaubniß vom
hannöver'schen General Hardenberg, sie bis zur Einschiffung in dem
damals befestigten Hameln unterzubringen, eine Gunst, die, wie Faucitt
schreibt, den Fürsten ganz erleichterte und glücklich machte, und jeden
Falls zur bessern Ausbildung der Leute viel beitrug.

Der waldecker Lieferant erwarb sich überhaupt durch seinen großen
Diensteifer die besondere Gnade des Königs von England und die
wohlwollende Gunst Suffolk's. »Die Rekrutirung geht besser als ich mir
geschmeichelt hatte -- schreibt er am 7. Dezember 1777 an Faucitt -- ein
Transport von 23 gut gewachsenen Leuten, lauter Schwaben, deren keiner
älter als dreißig Jahre ist, befindet sich seit zwei Monaten auf dem
Wege. Hier in Arolsen haben wir deren 20; wir erwarten auch noch einige
aus der Wetterau (Also Dutzendweise wurden die armen Teufel in den
verschiedenen deutschen Landschaften zusammen getrieben!) Sie sehen, wir
sind nicht müßig; rechnen Sie immer auf mich, wenn es sich um den Dienst
des Königs Georg III. und seiner gerechten Sache handelt.

»Ich lese so eben in der Leidener Zeitung, daß unter den Truppen, die
General Lord Howe ausgeschickt, um die Rebellen auf der Rechten zu
umgehen, sich die Waldecker an's Plündern gegeben und geweigert hätten,
einen Schritt vorzurücken, ehe sie mit dem Plündern fertig wären. Um
Gotteswillen, ist das wahr? Bei meiner Kenntniß des Charakters des
Obristlieutenants von Hanxleden und der Hälfte seiner Offiziere kann ich
das kaum glauben. Sie wissen, besser wie ich, daß einsichtige und
entschlossene Offiziere es verstehen, eine ungehorsame Truppe zu ihrer
Pflicht zurückzuführen. In einem solchen Falle zerschmettert man einem
Dutzend der Hauptmeuterer das Gehirn oder sticht sie nieder. Hanxleden
ist mir stets als der Mann erschienen, der bei ähnlicher Gelegenheit
energisch handeln würde. O, könnten Sie mich doch über die Haltung
meines Regiments beruhigen; ich möchte lieber, daß es 300 Mann verlöre,
als daß es sich schlecht aufführte!«

Faucitt beruhigte denn auch umgehend den Fürsten, daß die obige
Nachricht eine der vielen in Holland fabrizirten Erdichtungen sei. Die
Waldecker Truppen hielten sich vielmehr in Amerika zur vollen
Zufriedenheit ihrer englischen Vorgesetzten, welche nur das an ihnen
auszusetzen fanden, daß sie nicht reinlich genug waren und aus Mangel an
Sorgfalt zu viel Kranke hatten. Die Desertion bei ihnen war
verhältnißmäßig gering.

»Könnte ich doch bald erfahren -- schrieb der Fürst sofort nach dem
Bekanntwerden der Gefangennahme Burgoyne's, an Suffolk -- daß Howe und
Clinton das Unglück von Saratoga ausgeglichen haben! Wenn ich nur ein
Korps von 6000 Mann zu meiner Verfügung hätte! Ich würde es Ihnen
überlassen, ohne einen Heller dafür zu nehmen.« Diese leeren Redensarten
gefielen in London gar sehr.

Kaum zwei Jahre nach Absendung deutscher Truppen nach Amerika brach der
bayrische Erbfolgekrieg aus, der natürlich eine große Konkurrenz im
Markte eröffnete und dem besser zahlenden und listiger oder gewaltsamer
auftretenden Werber den Vorsprung ließ. Die kleinen Fürsten wollten zu
wenig von ihrem Gewinn abgeben; ihre Werbeoffiziere suchten deshalb
durch Rohheit und Gewaltthätigkeit zu ersetzen, was ihnen an Geld
fehlte. Die großen deutschen Mächte dagegen, die sich nunmehr
gegenübertraten, statteten ihre Werber mit größeren Mitteln aus und
zogen deshalb mehr Rekruten an. Zum Glück für die deutschen
Truppen-Lieferanten dauerte der bayrische Erbfolgekrieg nicht lange; vom
Sommer 1779 an konnten sie das ihnen nur für kurze Zeit erschwerte
Geschäft wieder ausschließlich betreiben. Im Mai 1779 wandte sich ein
Hauptmann v. Langsdorff, Kommandant des Reichs-Volontär-Korps, das sich
aufzulösen im Begriffe stand, von Prag aus an den Minister v. Gemmingen
in Anspach. »Es ist nicht schwer, sagte er, einen Theil der Leute, der
mir zu folgen gesonnen ist, zu engagiren und nach Anspach zu bringen,
ich wünsche zu wissen, wie viel Serenissimus mir vor jeden Mann, den ich
nach Anspach schaffen werde, zahlt, damit ich Handgeld und die übrigen
Depensen darauf reguliren kann. Die Leute sind meistens jung und schön
und vom besten Willen. Wie viel Unteroffiziere könnte ich engagiren, und
was wird für sie bezahlt?« Man sieht, der Mann verstand sein Geschäft.
Gemmingen meldete dieses Angebot sofort nach London, erhielt aber eine
abschlägige Antwort, da es in diesem Jahre (1779) zu spät sei, Truppen
nach Amerika zu senden. So zerschlug sich diese Sache. Anspach that
nichts mehr darin, da es wegen der nöthigen Rekruten und Jäger nie in
Verlegenheit war.

Am schlimmsten dagegen war der Erbprinz von Hessen-Kassel daran, der so
ziemlich auf demselben Jagdgrund mit seinem Vater auf Rekruten pirschen
mußte. Er war deshalb genöthigt, sich anderwärts, ja im ganzen Reiche
nach Werbeplätzen umzuthun. Die hessischen Werber waren aber überall so
gefürchtet, verhaßt und verachtet, daß der Erbprinz es sich als einen
freundnachbarlichen Gefallen vom Anspacher Markgrafen erbat, daß seine
Werber in anspachischen Uniformen ihrem Geschäfte nachgehen durften.
»Ihro Durchlaucht der Erbprinz -- schreibt der hanauische Minister
v. Gall am 15. Februar 1781 an Gemmingen -- schmeicheln sich von der
Hand des durchlauchtigsten Herrn Markgrafen und von der Freundschaft
und Gefälligkeit der Herren, welche zu dem guten Erfolg in dieser
Werbungssache einen Beitrag leisten können, daß solche, da sie
vermuthlich nur einige Wochen dauern kann, auch in dieser kurzen Zeit
uns zum Theil aus der Verlegenheit ziehen wird, die die Einrichtung
eines solchen Korps natürlich mit sich führt, wenn wenig Zeit und
an allen Orten und Enden Holländische Werbung ist, die ihre Dukaten
und den Umstand sehr geltend macht, daß die Leute den Rheinstrom
nicht verlassen. Vielleicht finden sich unter deren Arrestanten
verschiedener Art solche Leute, denen eine Wohlthat und dem Lande ein
Vortheil geschähe, wenn sie nach Amerika geschickt würden. Vielleicht
sind auch unter deren geworbenen Ausländern einige, die klein und
also entbehrlich sind; hoffentlich aber werden es Ew. Exzellenz
gefälligst in die Wege leiten, daß, Dero eigene Werbung unbeschadet,
die Kommandirten an die unsrigen behülflich und beförderlichst sein
dürften. Ew. Exzellenz wollen gefälligst gestatten, daß allen Falls
Herr Hauptmann v. Geismar (der hessische Werbeoffizier) seine Rekruten
mit dem hochfürstlich Brandenburgischen Transport den Mayn herunter
schicken dürffe.«

Der Markgraf kam den Wünschen des Erbprinzen um so lieber nach, als
dieser sich ihm bei früheren Gelegenheiten besonders gefällig erwiesen
hatte, und verehrte ihm als besonderes pretium affectionis einen
wahrscheinlich ebenfalls gestohlenen zwei und zwanzigjährigen, 10½
Zoll großen Rekruten. Serenissimus behielt natürlich den »prächtigen
Kerl« für sich und dankte seinem Geschäftsfreunde in den
überschwenglichsten Ausdrücken für diesen kostbaren Beweis seiner
Zuneigung. Solche Geschenke von Menschenfleisch waren übrigens nichts
Seltenes unter den regierenden Herren jener Zeit, ja diese machten sie
sogar den im Range unter ihnen Stehenden. Schenkte doch sogar der
aufgeklärte Kaiser Joseph II. dem berühmten preußischen Reitergeneral
v. Seidlitz, um ihn besonders auszuzeichnen, eine schöne zirkassische
Sklavinn, die dem alten Haudegen so sehr gefiel, daß er sich einige Zeit
darauf noch eine zweite auf eigene Rechnung nachkommen ließ.

Am Empörendsten von allen deutschen Fürsten handelte übrigens der Herzog
von Braunschweig. Dieser Mensch hatte die Stirn, die englische Regierung
flehentlich zu bitten, seine in Gefangenschaft gerathenen Truppen, wenn
sie überhaupt ausgewechselt werden sollten, ja nicht in die Heimath
zurückkehren zu lassen, damit ihm, dem besorgten Landesvater, das
Rekrutirungsgeschäft nicht verdorben werde. Es befanden sich bekanntlich
etwa 2000 braunschweigische, unter dem braven Riedesel stehende Soldaten
bei Burgoyne, als sich dieser leichtfertige und unbedeutende General am
17. Oktober 1777 bei Saratoga dem amerikanischen General Gates ergeben
mußte. In dem zwischen diesem und Burgoyne abgeschlossenen Vertrage der
Uebergabe war bestimmt worden, daß die Truppen baldmöglichst in Boston
nach England eingeschifft oder ausgewechselt werden sollten. Gates'
Zusicherung wurde jedoch später vom Kongreß nicht genehmigt. In Folge
dessen blieben die deutschen Gefangenen unter unsäglichen Entbehrungen
und Kränkungen zuerst im Winter auf dem Winterhill bei Boston und wurden
später nach Charlotte in Virginien internirt, aber erst Ende 1782 nach
mehr als fünfjähriger Gefangenschaft ausgewechselt.

Man hat vielfach den Grund für diese schlechtere Behandlung der
Braunschweiger in der englischen Engherzigkeit und Parteilichkeit
gesucht. Man thut aber den Engländern Unrecht, denn der eigene
Landesherr war es, welcher seine Unterthanen benachtheiligte. Als das
erste Gerücht von der Gefangennahme bei Saratoga und der baldigen
Zurückkunft der englischen Truppen, also auch der Braunschweiger nach
Deutschland drang, schrieb nämlich der Minister Feronce am 23. Dezember
1777 an Faucitt:

»Wenn man uns hilft, wie man kann und soll, so werden wir unsere Truppen
bald wieder auf den erforderlichen Etat bringen. Soll es geschehen, und
darin werden Sie, General, mit mir übereinstimmen, so dürfen wir unter
keiner Bedingung die armen Teufel von Kapitulanten nach Deutschland
zurückkehren lassen. Sie werden natürlich mißvergnügt sein, und ihre
Uebertreibungen werden ebenso natürlich von jeder fernern Betheiligung
an Ihrem amerikanischen Kriege abschrecken. Sie lassen sie besser, wenn
sie denn einmal ausgewechselt werden sollen, nach einer Ihrer
amerikanischen Inseln oder selbst z.B. nach der Insel Wight schaffen.
Denn dadurch haben Sie weniger Kosten und verlieren weniger Zeit. Ich
bitte Sie also, bester General, über das, was ich Ihnen hier sage,
nachzudenken und, wenn Sie sich ebenso dafür interessiren, wie wir,
meine Ansicht auch Mylord Suffolk zu unterbreiten, der zu viel Einsicht
hat, als daß er eine derartige Maßregel in dieser uns ganz
gemeinschaftlichen Sache nicht dem Interesse und Dienste des Königs für
entsprechend hielte.«

Als wenn aber Faucitt nicht zuverlässig genug gewesen wäre, schrieb
Feronce zwei Monate später, am 23. Februar 1778 noch direkt an Suffolk.
»Der Herzog -- sagte er in seinem Briefe -- ist zu sehr von dem
Wohlwollen des Königs und der Klugheit seines Ministeriums überzeugt,
als daß er voraussetzte, daß man je daran denken wird, die deutschen
Truppen, die bei Saratoga kapitulirt haben, nach Deutschland zu
schicken, denn ihre Rücksendung würde in ihrem gegenwärtigen zerrütteten
Zustande die traurigsten Wirkungen hervorrufen und die schmerzlichste
Sensation erregen, uns aber verhindern, unsere drei Regimenter in Kanada
à 600 Mann zu kompletiren.«

Natürlich wußten die armen in Amerika gefangen gehaltenen Braunschweiger
nichts von dieser freundlichen Fürsorge ihres Serenissimus, denn sonst
würden sie sich wohl nicht so oft über Zurücksetzung hinter die
Engländer beschwert oder ihrem Fürsten selbst unter den härtesten
Entbehrungen die unverbrüchlichste Treue bewahrt haben. Es ist ein
rührendes Bild, wie die mitgefangene deutsche Generalsfrau die Fahnen,
um sie zu retten und unverletzt nach Hause zu bringen, bei Nacht in ihre
Betten einnäht, und wie ein, wenn auch mißverstandenes Ehr- und
Pflichtgefühl die Unglücklichen selbst in der Gefangenschaft
zusammenhält; aber es ist eine jeder Charakteristik spottende, selbst in
jener Zeit einzig dastehende Infamie, wie der herzlose braunschweiger
Herzog dieselben Soldaten, welche ihre Haut für ihn zu Markte trugen und
ihn dadurch vom Bankerott retteten, jetzt im unverdienten Unglück nicht
wieder sehen will, weil sie ihm das Geschäft verderben könnten. Also
nicht genug, daß die eigenen Landeskinder verkauft sind; jetzt nachdem
es geschehen, dürfen sie sich nicht mehr blicken lassen, damit ihrer
noch mehr verkauft werden können. Und der braunschweiger Herzog war noch
lange nicht der schlimmste unter seinen fürstlichen Zeitgenossen, er
galt im Gegentheil als aufgeklärt, liberal und leutselig.

Wie stolz und Ehrfurcht gebietend steht diesen kleinen Fürsten der große
König von Preußen gegenüber! Friedrich ist fast der einzige deutsche
Regent jener Zeit, der, weil er seine persönliche Verantwortlichkeit vor
der Welt fühlt, auch persönliche Würde hat; der einzige Herrscher, der
mit klarem Auge große politische Ziele verfolgt, und der sich mit
wahrhaft erhabener Vorurtheilslosigkeit nicht scheut, die Dinge beim
rechten Namen zu nennen. Man kannte außer beim König kaum eine
selbständige Politik mehr in Deutschland, die meisten kleinen Staaten
fristeten ihre klägliche Existenz nur durch geschmeidiges Anklammern an
fremde Interessen. Deshalb ist der souveraine Hohn und die kalte
Verachtung, welche er England und seine Lieferanten überall fühlen läßt,
doppelt wohlthuend.

Friedrich's Verhältniß zum Soldatenhandel ist vielfach entstellt und
übertrieben worden; führen wir es deshalb auf den richtigen Thatbestand
zurück!

Der König sowohl wie der deutsche Kaiser hatten ein naheliegendes
politisches Interesse an den Truppenlieferungen. Einmal verstießen
dieselben gegen die Reichsgesetze, deren Hüter der Kaiser sein sollte,
dann aber raubten sie ihm, sowie dem König von Preußen bei dem damaligen
Werbesystem einen großen Theil der Mittel zur Füllung ihrer eigenen
Regimenter, wenn der amerikanische Krieg noch unbestimmte Zeit
fortdauerte.

So lange die ersten Verhandlungen schwebten, erwartete man höchstens
einige tausend Mann als ihr Ergebniß, denn Niemand hatte geglaubt, daß
die kleineren Fürsten kaum dreizehn Jahre nach dem siebenjährigen Kriege
im Stande sein würden, innerhalb weniger Monate nahe an 20,000 Mann zu
liefern. Gleichwohl wurden der Verschiffung der Hauptkorps nicht die
mindesten Hindernisse in den Weg gelegt. Erst mit den Sendungen des
Jahres 1777 begann, wie wir im siebenten Kapitel gesehen haben, auf
Anstiften des kaiserlichen Gesandten, sich unter den rheinischen Fürsten
eine, vorläufig noch in kleinen Chikanen auftretende Feindseligkeit
gegen die Truppenlieferanten zu entwickeln, die gleichwohl diesen und
England die ernstlichsten Besorgnisse einflößte, weil sie für die Folge
das Geschäft bedeutend verzögern und dadurch beeinträchtigen konnte.
Schlimmsten Falls war aber mit den geistlichen und pfälzer Kurfürsten
durch diplomatische Vorstellungen und Drohungen, Geschenke,
Baarzahlungen und sonstige Aufmerksamkeiten an ihren Höfen schon fertig
zu werden. Auch des Kaisers Befehle waren unter Umständen zu umgehen und
fielen mehr durch ihr moralisches Gewicht als durch ihre praktische
Tragweite in die Wagschale.

Bereits im Oktober 1777 hatte der Wiener Hof allen seinen Gesandten bei
den verschiedenen deutschen Fürsten Auftrag gegeben, die
Truppenlieferungen an England soviel als möglich zu verhindern, da sie
das Reich entvölkerten und sonstige schlechte Folgen nach sich zögen.
»Die Wahrheit ist -- schreibt Cressener am 17. November 1777 aus Bonn an
Suffolk -- daß die österreichischen Werbe-Offiziere große
Schwierigkeiten beim Rekrutiren fanden, daß die Rekruten den Dienst in
Amerika vorzogen, und daß selbst die kaiserlichen Regimenter in Folge
dessen mehr als gewöhnlich durch Deserteure verloren. Aehnliche
Beschwerden brachten die preußischen Werbeoffiziere vor. Namentlich
klagten sie darüber, daß seit dem amerikanischen Kriege ihre Rekruten
nur selten noch das erforderliche Maß hätten, also bloß Ausschuß wären.«

Ein zu derselben Zeit den Direktoren des westfälischen Kreises vom
Kaiser gemachter Vorschlag, innerhalb ihres, ganz Westfalen und
Niedersachsen umfassenden Gebietes, die Truppenaushebungen für England
zu verhindern, scheiterte gleichwohl mit am Widerspruch des preußischen
Residenten Emminghaus, da der König sich dem Kaiser nicht unterordnen
wollte und er selbst möglichen Falls unter den Konsequenzen des Verbots
zu leiden gehabt haben würde. Uebrigens kümmerte sich England in der
Folge gar nicht um den Widerspruch von Kaiser und Reich, und diese
ließen es auch ruhig gewähren.

Anders dagegen bei Friedrich, der seiner Politik bei Freund und Feind
Respekt zu verschaffen wußte. Sein Verhältniß zu England war seit dem
Jahre 1761, wo er so schmählich durch Bute im Stich gelassen wurde, sehr
lau gewesen und seit der ersten Theilung Polens, wo es seinen Ansprüchen
auf Danzig mit entschiedenem Erfolge entgegengetreten war, sogar ein
erbittertes geworden. Aeußerlich höflich, verachtete Friedrich die
damals England beherrschende Aristokratie und sprach sich bei jeder
Gelegenheit mit der äußersten Geringschätzung gegen sie aus, diese
Menschen, bei denen die Liebe zum Gelde und der persönliche Vortheil
den Sieg über das öffentliche Wohl davon trage. »Dieser Engländer --
hatte er früher einmal von Bute gesagt -- glaubt, er könne mit Geld
Alles erreichen.« Jetzt war die Gelegenheit gekommen, England
empfindlich zu kränken, ohne ihm gerade feindlich gegenüberzutreten --
und Friedrich ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Andererseits
fürchtete er aber wirklich, daß die bedeutenden Truppenlieferungen nach
Amerika ihn in seinem eigenen Bedarf verkürzen würden, und das zu einer
Zeit, wo der täglich drohende Tod des Kurfürsten Maximilian Joseph den
bei den österreichischen Ansprüchen unvermeidlich gewordenen Krieg wegen
der bairischen Erbschaft zum Ausbruch bringen konnte.

»Der König von England -- sagt Friedrich in seinem Anhang zu den
Memoiren seit dem Frieden von Hubertsburg bis zum Ende der Theilung
Polens -- unterhandelte mit allen Höfen Deutschlands, um die wenigen
Leute daraus zu ziehen, die es noch zu liefern vermochte. Deutschland
spürte schon die Nachwehen der zahlreichen Menschenlieferungen, die in
fremde Welttheile geschickt waren, und der König von Preußen sah mit
Sorge, daß im Falle eines neuen Krieges das Reich seiner Vertheidiger
beraubt sein würde, denn im Jahre 1756 hatten Niedersachsen und
Westfalen allein eine Armee auf die Beine gebracht, mit welcher man die
Fortschritte des französischen Heeres aufhalten und vereiteln konnte.
Aus diesem Grunde chikanirte er die Truppen der mit England verbündeten
deutschen Fürsten, sobald sie durch Magdeburg, Minden und das Gebiet am
Niederrhein passiren mußten. Es war das eine schwache Rache für das
schlechte Verhalten, welches der Hof von London ihm gegenüber
rücksichtlich der Stadt und des Hafens von Danzig beobachtet hatte. Der
König wollte übrigens die Dinge nicht zu weit treiben, denn eine lange
Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß man immer eine Menge Feinde findet,
ohne daß man sie sich aus Uebermuth auf den Hals zu laden braucht.«

Wenn man sich die damalige deutsche Politik des Königs vergegenwärtigt,
so wird man finden, daß er erst dann, als der Krieg mit dem Kaiser gewiß
geworden war, ernstliche Maßregeln gegen England und seine Lieferanten
ergriff. Friedrich hat in den obigen Worten ihnen gegenüber ganz genau
seinen Standpunkt bezeichnet. Wir werden später sehen, daß jede seiner
Handlungen damit übereinstimmt; gleichwohl haben selbst angesehene
deutsche Geschichtsschreiber, wie z.B. Schlosser, von den Amerikanern
nicht zu reden, seine Motive und Akte in dieser Beziehung gröblich
entstellt. Diese tendenziöse Auffassung der Opposition Friedrich's
verräth namentlich amerikanischer Seits einen eben so großen Mangel an
Einsicht in die Politik jener Zeit als in den Charakter des Königs. Ein
Fürst, der, um seine Zwecke zu erreichen, ohne jedes Bedenken hundert
Tausende von Menschenleben opfert; ein Feldherr, der sich wundert, daß
»die Hunde von Grenadiere ewig leben wollen«, wenn sie sich nicht gleich
in den Rachen von hunderten, Tod und Verderben speienden Geschützen
stürzen, ein solcher Mann wird, ohne das moralische Ungeheuer zu sein,
als welches ihn höchst oberflächlicher Weise Macaulay karrikirt, nie wie
ein junger sentimentaler Lyriker für die Sache unterdrückter Unterthanen
in die Schranken treten und am allerwenigsten ihnen zu Liebe seines
Gleichen den Krieg erklären. Nichts ist deshalb ungerechtfertigter als
die Annahme, daß Friedrich aus Sympathie für die amerikanischen Rebellen
dem Landgrafen von Hessen und seinen Kollegen feindselig
gegenübergetreten sei.

Um hier nur eine der bekannteren falschen Geschichten hervorzuheben, so
ist es zum Beispiel eine von Kortüm zuerst Franklin nacherzählte und
später von Schlosser wiederholte Anekdote, daß die hessischen Soldaten
auf Befehl des Königs bei Minden den Viehzoll hätten entrichten müssen,
weil sie ja wie Vieh verkauft seien[5]. Schlosser druckt den Passus
sogar mit gesperrter Schrift. Nie hat Friedrich eine derartige Maßregel
angeordnet. Er beschränkte sich einfach, wie er das selbst ausdrücklich
hervorhebt, auf die Chikane und zwang die Miethstruppen, eine Zeit lang
sein Gebiet bei Magdeburg, Minden und Wesel zu umgehen oder er
besteuerte ihr Gepäck. Zudem haben wir es hier nicht mehr mit dem
jugendlich übermüthigen König zu thun, der die hallischen »Fasen« zum
Theaterbesuch zwang, sondern mit dem gewiegten Staatsmann, der nur das
Interesse seines Staates im Auge hat und jedes Ereigniß in diesem
Verhältniß auffaßt und benutzt. Sodann darf man nicht übersehen, daß die
preußische Armee damals auch noch keine Landwehr hatte, sondern fast in
derselben rohen Weise wie jede andere durch Werbungen rekrutirt wurde,
und daß der König viel zu klug war, um seine eigenen Soldaten einer
ähnlichen Behandlung Seitens eines übelgesinnten oder mächtigen Nachbarn
auszusetzen.

Schon bei einer frühern Gelegenheit, im Anfang seiner Regierung, hatte
der König, als die Holländer Truppen von Braunschweig mietheten, die
Käufer mit Metzgern verglichen, welche nach Podolien wandern, um dort
schwere Ochsen einzuhandeln. Eine ähnlich klingende gelegentliche
Aeußerung findet sich in einem am 18. Juni 1776 an Voltaire
geschriebenen Briefe Friedrich's, worin er diesem gegenüber die Ehre
ablehnt, der Lehrer des Landgrafen von Hessen gewesen zu sein, der
gerade einen Katechismus für Fürsten geschrieben und ihn Voltaire
geschickt hatte. »Wäre der Landgraf -- schrieb Friedrich -- aus meiner
Schule hervorgegangen, so würde er den Engländern seine Unterthanen
nicht verkauft haben, wie man Vieh verkauft, um es auf die Schlachtbank
zu schleppen.« Der König nahm allerdings aus Haß gegen England
unbedingte Partei für die Amerikaner und gefiel sich sogar dem
englischen Gesandten gegenüber darin, deren Erfolge zu übertreiben oder
die den englischen Waffen ungünstigen Berichte gehässig zu erläutern
oder geschäftig zu verbreiten. Nur von diesem rein persönlichen
Gesichtspunkte aus darf man daher seine Stellung in der Subsidienfrage
beurtheilen.

Gleichwohl aber liegt in Friedrich's Worten und Maßregeln eine solche
geistige Ueberlegenheit, und eine solche souveräne Verachtung der
elenden Bereicherungsmittelchen der kleinen Reichsfürsten ausgedrückt,
daß man sich den Jubel der Unterdrückten und die Freude der bei dem
schmachvollen Handel Unbetheiligten sehr wohl erklären kann. Das Volk
liebt es, seinen Helden seine eigenen besten Gedanken unterzuschieben,
es macht sie zu Trägern seiner liebsten Wünsche und Hoffnungen. So wurde
denn auch allmälich auf Grund von ein paar scharfen Aeußerungen, die der
amerikanischen Revolution günstig waren und die geizigen und gierigen
Fürsten brandmarkten, in Friedrich der Haß und die Verachtung aller
denkenden Zeitgenossen gegen die Seelenverkäuferei verkörpert.

Der König von Preußen hatte, wie wir bereits gesehen haben, den bis zum
Herbst 1777 durch sein Gebiet fahrenden und nach Amerika bestimmten
Truppen so gut als keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Den ersten
Anstoß dagegen nahm er an 308 anspacher Jägern und Rekruten, die am 31.
Oktober jenes Jahres mit den neuen Uniformen für das erste Regiment in
Stefft eingeschifft waren und Main und Rhein hinunterfahrend, am 15.
November in Dortrecht eintreffen sollten. Der Markgraf dachte so wenig
an Hindernisse irgend welcher Art, daß er am 16. Oktober, um seine durch
die englischen Zahlungen verbesserte Vermögenslage zu genießen, mit
seiner Maitresse Lady Craven nach Paris abgereist war, wo er sich
während des Winters aufzuhalten gedachte. Unmittelbar vor seiner Abreise
hatte er die an den Rhein gränzenden Staaten um freie Durchfahrt für
seine Truppen gebeten und sich am 14. Oktober auch an den König gewandt.
Er betrachtete diese Requisitionen als bloße Formsache und ließ deshalb
auch seine Leute, ohne nur eine Antwort abzuwarten, marschiren. Pfalz,
Mainz und Trier gaben am 5. und 6. November die gewünschte Erlaubniß und
bewilligten zugleich Zollfreiheit für Mannschaft und Gepäck. Der
Kurfürst von Mainz knüpfte an seine Genehmigung zwar die Drohung, daß er
den anspacher Transport nach mainzer Landeskindern oder Deserteuren
durchsuchen lassen werde. Da indessen der Oberst Schlammersdorff die
letzteren am 7. November, als er bei Mainz vorbeifuhr, auf den Rath
Gemmingen's versteckte, so fanden die mit der Durchsuchung beauftragten
Mainzer Offiziere Niemanden und trennten sich nach einer gemüthlichen
Kneiperei von ihrem neuen anspacher Freunde. So harmlos ließen nun der
alte Fritz und seine Untergebenen nicht mit sich handeln. Der König
schlug dies Mal ganz wider Erwarten das anspachische Gesuch rund weg ab.
Sein Antwortschreiben, welches in der Gesammtausgabe seiner Werke nicht
enthalten, noch überhaupt sonst irgendwo veröffentlicht ist, findet sich
in den anspacher Manual-Akten. Es ist vom 24. Oktober 1777 aus Potsdam
datirt und lautet wörtlich (das Original findet sich im Anhang) wie
folgt:

»Ich gestehe Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht, daß ich niemals an den
gegenwärtigen Krieg in Amerika denke, ohne von der Gier einiger
deutscher Fürsten unangenehm berührt zu werden, welche ihre Truppen
einer sie gar nichts angehenden Sache opfern. Mein Erstaunen vergrößert
sich, wenn Ich Mir die alte Geschichte und jene weise und allgemeine
Zurückhaltung unserer Vorfahren in's Gedächtniß rufe, welche sie
verhinderte, deutsches Blut für die Vertheidigung fremder Rechte zu
vergießen und welche sogar als Gesetz in das deutsche Recht übergegangen
ist.

Aber Ich merke, daß Mein Patriotismus Mich fortreißt und Ich komme auf
das Schreiben Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht vom 14.d.M. zurück,
welches ihn so stark angefacht hat. Sie verlangen darin die freie
Durchfahrt für die Rekruten und das Gepäck, welches Sie Ihrem, im
großbrittanischen Dienste befindlichen Truppen-Korps zuschicken wollen.
Ich nehme Mir die Freiheit, Ihnen zu bemerken, daß wenn Sie dieselben
nach England gelangen lassen wollen, Sie durchaus nicht nöthig haben,
sie durch meine Staaten passiren zu lassen, sondern daß Sie dieselben
einen kürzern Weg zum Einschiffungshafen einschlagen lassen können.

Ich unterbreite diese Ansicht dem Urtheil Ew. Hochfürstlichen
Durchlaucht, und Ich bin nicht weniger mit aller Zärtlichkeit, die Ich
Ihnen schulde, mein Herr Neffe, Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht guter
Onkel Friedrich.«

Dieser Brief gelangte in der ersten Woche des November nach Anspach.
Gemmingen und Benckendorff, welche während der Abwesenheit des
Markgrafen eine Art Regentschaft bildeten, erbrachen ihn, hielten es
aber für das Beste, seinen Inhalt zunächst ganz zu ignoriren. Sie
dachten offenbar, in Potsdam herrschte dieselbe Wirthschaft wie in
Anspach, und die preußischen Minister könnten hinter dem Rücken des
Königs thun und lassen, was Sie wollten. Sie schrieben also am 16.
November noch einmal an Hertzberg und Finckenstein und baten, als ob der
Markgraf noch keinen abschlägigen Bescheid vom König erhalten hätte,
noch einmal dringend um endliche Gewährung des freien Durchzugs. »Der
unerwartete Aufenthalt dieses Truppentransports -- so motivirten sie ihr
Gesuch wörtlich -- wird der Hochfürstlichen Durchlaucht zu einem gar
empfindlichen Schaden gereichen, zumalen Hochdieselbe, wie Ihro Königl.
Majestät bereits bekannt ist, die Ueberlassung Ihro Trouppes in
Königlich Großbritannischen Sold und Dienst bloß in der patriotischen
Absicht bewilligt haben, durch die erlangenden Subsidien mehrere
Landesschulden zu tilgen.«

Die königlich preußischen »verordneten wirklich Geheimde Estats-Räthe«,
Finckenstein und Hertzberg antworteten aber am 22. November 1777, daß
sie das Gesuch der anspachischen hochgeehrtesten Herren Sr. Majestät
zwar gebührend mit ihrem Berichte vorgelegt, daß Höchstdieselbe aber
befohlen habe, darauf zu erwidern, daß Sie bei der des Herrn Markgrafen
Durchlaucht ertheilten Antwort beharre. Auch der englische Gesandte
Elliot in Berlin, der sich in derselben Angelegenheit in Suffolk's
Auftrag an den König gewandt hatte, erhielt dieselbe abschlägige Antwort
mit dem Zusatze, daß die im vorigen Jahre unter den Rekruten
vorgekommenen Unordnungen Se. Majestät veranlaßten, in Zukunft ähnlichen
Transporten die Durchfahrt zu verweigern. Das durch einen solchen Zusatz
motivirte Verbot klang wie ein Hohn, weil die Truppen damals gar nicht
hatten an's Land gehen dürfen; allein es fiel wie eine Bombe unter die
von ihm betroffenen englischen Agenten und deutschen Fürsten sammt ihren
Ministern. Mit Recht schreibt Sir Joseph Yorke, als er diesen
merkwürdigen Vorwand hörte, am 15. November 1777 an Rainsford:
»Jedermann hat eine zu heilige Scheu vor Seiner Preußischen Majestät und
schwebt vor ihr in zu großer Furcht, Leute auf der Passage durch ihr
Gebiet zu verlieren, als daß er es wagen würde, dort irgend eine dem
Könige mißfällige Handlung zu begehen.« Expresse und Kouriere wurden
jetzt aber schleunigst von einem Hofe zum andern geschickt, Noten
gewechselt und Versuche bei dem preußischen Gesandten in Köln und dem
Kommandanten von Wesel gemacht, damit sie ein Auge zudrückten; aber
Alles war vergebens. »Bisher -- ruft Faucitt aus -- war der Rhein der
ganzen Welt offen, jetzt wird er unerwartet und plötzlich geschlossen.
Es ist zu spät, unsere Route zu ändern. In Minden droht dieselbe
Unterbrechung. Ich habe sofort nach Berlin, Hanau, Anspach und Kassel
geschrieben und Schlieffen gerathen, die Hessen an der Weser das
preußische Gebiet umgehen zu lassen.« In demselben Tone jammerte
Cressener: »Zu Lande können die Truppen nicht marschiren, zudem ist es
den Rhein entlang unmöglich, das preußische Gebiet nicht zu berühren,
und dann werden die Boote mit den Uniformen doch in Wesel angehalten
werden.« »Wenn Ihr Hof -- wehklagt der anspachische Oberst
Schlammersdorff in seinem Briefe an Rainsford d.d. Bendorf 18. November
1777 -- keine Mittel findet, den Entschluß des Königs von Preußen zu
ändern, so ist Alles verloren, so sind wir ruinirt, denn es ist absolut
unmöglich, zu Lande zu marschiren.« Rainsford selbst, der bereits in
Nimwegen auf die neue Zufuhr wartete, fand den Verzug um so
unangenehmer, als die Transportschiffe schon in Holland eingetroffen
waren, das Wetter ganz prachtvoll war und ein paar Tage hingereicht
hätten, die Truppen einzuschiffen. Hier war also guter Rath theuer.

Inzwischen waren die anspachischen Truppen am 12. November nach Bonn
gelangt, wo Oberst Schlammersdorff durch den englischen Gesandten
Cressener mündlich und durch Oberst Faucitt schriftlich Kenntniß von dem
Verbot des Königs erhielt. »Es ist somit -- schreibt er am 13. November
an Gemmingen -- die Transportirung unmöglich 1. weil das preußische
Gebiet doch nicht zu evitiren; 2. keine Requisitoriales für die
Landmärsche ergangen sind, folglich die Einquartirung refusirt werden
wird; 3. die Baggage nicht mit fortgebracht werden kann und 4. die
Desertion inevitabel sein wird, wofür ich absolute nicht responsabel
sein kann. Ich fahre also zurück nach Bendorf, um dort oder in
Altenkirchen die Leute einzuquartiren. Ich habe per Estafette sofort
Serenissimo Bericht nach Paris erstattet.« Als die kurfürstlich
kölnischen Behörden von dem preußischen Verbote hörten, wurden sie auch
unangenehm. In Bonn wollten sie die Anspacher nicht länger dulden, und
täglich fragte der dortige General Kleist höflich bei Schlammersdorff
an, wann er abzufahren gedenke? Dieser verließ Bonn am 18. und traf am
19. November Abends in Bendorf ein.

Der Markgraf von Anspach besaß zu jener Zeit die seinem Vater im Jahre
1741 anerfallene Grafschaft Sayn-Altenkirchen mit der Stadt Bendorf (am
rechten Rheinufer zwischen Neuwied und Ehrenbreitstein). Oberst
Schlammersdorff gab, um dort Platz zu bekommen, dem Gouverneur der
Grafschaft Befehl, die in Bendorf stehende Kompagnie tiefer in's Land zu
legen. Als Schlammersdorff aber selbst nach Bendorf kam, fand er, daß
die Stadt keine Wälle hatte, daß er also seine Leute nicht sicher
bewachen konnte. Er beschloß deshalb, dieselben in den Booten zu
behalten und diese mit Oefen zu versehen, die Soldaten aber von Zeit zu
Zeit truppweise unter Aufsicht an's Land zu lassen, damit sie sich
Bewegung machen und erholen könnten. So lagen sie etwa vier Wochen lang
Bendorf gegenüber auf dem Rhein. Ihnen zur Seite hatte sich ein hanauer
Transport von etwa 250 Rekruten gelagert, welcher am Rheinfels von dem
preußischen Verbote benachrichtigt und jetzt auf Wunsch des Erbprinzen
zu den Anspachern gestoßen war, nachdem dieser sich feierlich
verpflichtet hatte, alle Bedürfnisse für seine Leute baar zu bezahlen.
Diese nach Anspach oder Hanau zurückzuschicken, durften der Markgraf und
Erbprinz nur im alleräußersten Nothfall wagen, weil sie sich dadurch
den Markt für die Zukunft verdorben, die Desertion befördert und
zugleich die englischen Subsidien und Löhnung geschmälert hätten.

Die Schlammersdorff'sche Korrespondenz mit Gemmingen wirft einige
interessante Streiflichter auf die Mittel, welche während jener Zeit zur
Aufrechterhaltung der Zucht und zur Verhinderung der Desertion der
Soldaten für nöthig erachtet wurden.

»Es ist nicht thunlich, -- schreibt Schlammersdorff am 20. November 1777
-- die Leute in Bendorf einzuquartieren. Es sind keine Häuser dafür
vorhanden; das Rathhaus, das größte Gebäude, faßt nicht mehr als 60
Mann. Ich werde deshalb meine Leute so lange als möglich auf den
Schiffen halten. 24 Mann vom Altenkirchener Kontingent und 6 Jäger sind
hier, die mir das Ufer garantiren. Meine Leute fangen an, mürrisch zu
werden; sie fürchten sich vor der Rückkehr nach Anspach. Nach
Altenkirchen zu marschiren, dauert zwei Tage; ich muß in einen
geschlossenen Ort. Aus meinem Beutel habe ich für etwa 80 fl. den Leuten
dann und wann Gemüse, Fleisch, Bier und Taback reichen lassen, um sie
gut zu erhalten bei dieser äußerst unangenehmen, naßkalten Saison.
Hingegen konnte ich bis vor zwei Tagen Alles mit sie machen, ohnerachtet
ich in Fällen rigid strafe. Allein seit gestern muß ich sehr auf meiner
Hut sein. Gott gebe eine baldige Aenderung in dieser Lage! Es ist zum
rasend werden! Auf den Schiffen -- heißt es am 29. November weiter --
ist Alles gesund und noch ruhig. An Peroriren, Schlagen,
Viktualien-Präsenten und Krummschließen lasse ich es nicht fehlen, um
den Klumpen in der sehr rauhen Witterung in Ordnung zu halten. Meine
Nachbarn, die Hanauer, haben schon 23 Kranke, worunter viele mit
hitzigem Seitenfieberstechen. Ich will hier bleiben und nicht nach
Altenkirchen marschiren. Es ist zehn Stunden von hier entfernt; wir
müssen also zwei Märsche dahin machen. Zur Nachtstation ist nur
Diersdorf geeignet, die Residenz des regierenden Grafen, quaeritur, ob
er uns einnimmt, und wenn er es thut, wie viel wird man nicht für das
bloße Nachtquartier zahlen müssen? Dann ist der Ort Diersdorf mit
kaiserlicher, preußischer, französischer und holländischer Werbung
angefüllt. Die Soldaten werden unruhig -- fährt Schlammersdorff am 8.
Dezember fort -- Gestern Abend nach dem Zapfenstreich wurde mir
entdeckt, daß zwei Mann Komplot gemacht, zu desertiren, und den Dritten,
als den Denunzianten mit haben wollten. Diese wurden nun sogleich in
die Eisen geworfen und heute verhört. In der Nacht um ein Uhr sind aber
von der Hauptwache zwei Mann vom Posten mit Ober- und Untergewehr
desertirt, worunter ein Mainzer, sechs Zoll messend, die Kanaille, die
mich damals, als wir Mainz passirten, bat ihn zu verbergen. Was auch
kommen mag, die Desertion bleibt unvermeidlich. Etliche 20 bis 30 Mann,
verdächtige liederliche Pursche, sind beim ganzen Transport. Wie wäre
es, wir bäten den Erbprinzen von Hanau um Quartiere im Winter? Wir
müßten unseren Leuten nur den englischen Sold geben (Serenissimus gab
ihnen natürlich nur den anspachischen und steckte die gestohlene
Differenz in seine Tasche). Die Verhöre haben ergeben -- schließt
Schlammersdorff seine Berichte am 12. Dezember 1777 auf dem Rhein unweit
Koblenz -- daß 3-4 Mann desertiren wollten. Gottlob, daß nicht mehr
mitimplizirt waren! Zwei Jäger und drei Musketiere habe ich aber der
altenkirchener Mannschaft geschlossen mitgegeben zur Bewahrung bis auf
weiteren Befehl, und damit solche nicht noch größeres Unheil anstellen.
Den Knichtel aus dem Bayreuthischen und den Hubel, ein schöner, junger,
großer Pursch, der von die andere Kanaille verführt worden, den habe ich
wieder losgelassen. Einen französischen Werber vom Regiment Anhalt, der
gleich andern Tages nach meiner Ankunft vor Bendorf an das Ufer kam und
einer Soldatenfrau ein Goldstück versprach, wenn sie ihm etliche schöne
Pursche brächte, habe, sobald die Frau es mir angezeigt, aufsuchen,
arretiren und in die Eisen schmeissen lassen.«

Die Verhandlungen mit der englischen Regierung hatten schließlich dahin
geführt, daß die Hanauer und Anspacher in Hanau überwintern sollten,
welches, wie Cressener zur Beruhigung an Suffolk schrieb, befestigt war,
so daß die Desertion verhindert werden konnte. Jene trafen am 16.
Dezember in letztgenannter Stadt ein; diese zwei Tage später. Beim
Abmarsch wurde um Bendorf ein Kordon von 40 Jägern und 12 Altenkirchener
Musketieren gezogen und das Ufer links zur Abfahrt besetzt gehalten. So
ging Alles gut von Statten.

Während der hier geschilderten, die letzte Hälfte des November und die
erste Hälfte des Dezember 1777 einnehmenden Vorgänge hatten sich die
englischen diplomatischen Agenten und Gesandten, sowie die betreffenden
beiden deutschen Fürsten den Kopf darüber zerbrochen, wie sie die also
aufgehaltenen Soldaten am schnellsten und sichersten an's Meer schaffen
könnten. Es gab nur zwei Wege, sich aus dieser Verlegenheit zu ziehen.
Entweder marschirten sie auf dem linken Rheinufer über Aachen und
Mastricht nach Holland und wurden hier zu Wasser nach einem dortigen
Hafen geschafft, oder sie wandten sich auf dem rechten Rheinufer durch
die jetzige preußische Provinz Hessen-Nassau bis zur Weser und fuhren
von da nach Bremerlehe.

»Der Markgraf von Anspach-Brandenburg -- meldet Cressener am 26.
November 1777 -- hat nach Berlin geschrieben und den König um Erlaubniß
der ungehinderten Passage für seine Truppen gebeten, da er sonst zu viel
verlieren werde. Ich erwarte aber keinen Erfolg von diesem Schritte. Der
König von Preußen, der sagt, seine Freundschaft für uns habe sich nicht
verändert, aber mittelst eines kleinen Umweges könnten die von uns
gemietheten Mannschaften doch an das Ziel ihrer Bestimmung gelangen,
giebt uns mit dieser Erklärung einen Fußtritt und bittet dabei mit
lächelnder Miene, wir möchten diesen Tritt nicht als einen Bruch seiner
Freundschaft betrachten. Wenn er uns nur einen Weg auf der Karte zeigen
wollte, wie wir an's Meer kommen können! Es bleibt uns nur übrig,
entweder die Truppen zurückzuschicken, oder sie über Aachen nach Holland
marschiren zu lassen. Der Weg über Lechenich, Düren, Eschweiler und
Aachen ist der kürzeste und leichteste; die Truppen brauchen dann nur
kölner, pfälzer, aachener und General-Staaten-Gebiet zu berühren. Von
hier über Düren nach Aachen ist nicht über achtzehn Meilen (?), von
Aachen nach Mastricht sieben Meilen, von da nach Herzogenbusch
zweiundzwanzig Meilen, zusammen also siebenundvierzig Meilen. Endhofen,
welches auf dem geraden Wege nach Herzogenbusch liegt, gehört zwar der
Kaiserin, kann aber leicht umgangen werden. Mastricht ist die einzige
Festung, die im Wege liegt. Um Desertion zu verhindern, können der
Markgraf und Erbprinz zur Begleitung und Bewachung der Truppen die
erforderliche Anzahl von Subaltern-Offizieren und Soldaten schicken.«

Schlammersdorff weigerte sich aber entschieden, diesen langen Landweg
einzuschlagen, da er bei dem Mangel an Bedeckungsmannschaften und in der
gefährlichen Nähe der Festung Mastricht nicht dafür stehen könne, daß er
mit fünfzig Mann in Nimwegen ankommen werde. Auch Cressener ließ diesen
Plan fallen, nachdem er sich überzeugt hatte, daß die Gefahr der
Desertion in hohem Grade vorhanden. »Denn ich weiß -- so schloß er
seinen Bericht vom 1. Dezember an Suffolk -- aus was für Volk seine
Rekruten bestehen.«

Es handelte sich also zunächst darum, vom rechten Rheinufer bis an die
Weser und auf ihr an's Meer zu gelangen. »Ich habe -- berichtete Faucitt
aus Hannover am 21. November an Suffolk -- die erforderlichen
Vorkehrungen getroffen, daß die Anspacher und Hanauer von Bendorf nach
Münden und von dort, mit Vermeidung des preußischen Gebietes bei Minden,
nach Bremerlehe geschafft werden. General von Hardenberg hat mir einen
in diesen Dingen sehr erfahrenen Offizier, den Hauptmann von Wangenheim,
beigegeben, der sofort nach Bendorf gehen und unterwegs alle Anordnungen
für den ungehinderten Durchzug der Truppen treffen wird. Die
Transportschiffe müssen also nach Bremerlehe fahren. Ich habe die
endgültige Entscheidung über meinen Plan Sir Joseph Yorke überlassen.
Der Haupteinwand, der sich dagegen machen läßt, ist die Gefahr der
Desertion. Ich glaube ihr dadurch vorgebeugt zu haben, daß ich dem
kommandirenden Offiziere anbefohlen habe, aus den besten und sanftesten
Rekruten eine Art Eskorte zu bilden, ihnen eine außerordentliche
Belohnung für ihre Treue und ihr gutes Verhalten auf dem Marsche zu
sichern und sie für den Eifer zu beloben, den sie zeigen werden, um ihre
Kameraden von der Desertion abzuhalten und Unordnungen zu verhindern.
Sollte Frost eintreten, so können die Truppen, wenn sie einmal im
Kurfürstenthum sind, in Nienburg oder Stade untergebracht werden, was
mir General Hardenberg auch versprochen hat.«

Faucitt berechnete die Entfernung von Bendorf über Montabaur (Trier),
Weilburg (Nassau), Wetzlar (freie Reichsstadt), Marburg (Hessen-Kassel),
Gesberg und Fritzlar (Mainz), und Kassel nach Münden auf 26½ Meilen
und zwölf Marschtage nebst fünf Ruhetagen, bis Bremerlehe aber auf im
Ganzen vierzig Marschtage und zehn Ruhetage, während nach seiner
Berechnung der Weg über Düren bis Herzogenbusch nur sechszehn
Tagemärsche in Anspruch nahm. Diese Entfernungen wären übrigens der
geringste Nachtheil gewesen; ein viel größerer bestand in der von den
betreffenden Fürsten zu erlangenden Erlaubniß zum Durchmarsche durch ihr
Gebiet. Nur unter dieser Bedingung und Voraussetzung genehmigte Yorke
den Faucitt'schen Vorschlag.

Anfangs ließen sich die Aussichten gut an. Man hätte glauben sollen, daß
der Landgraf von Hessen-Kassel als englischer Soldaten-Lieferant gar
nicht weiter befragt worden wäre, allein er war so eifersüchtig auf
seine Rechte, daß Faucitt, der sogar ein Verbot des Durchzuges der
Hanauer befürchtete, sich an ihn, wie an jeden andern Fürsten, um freie
Passage wenden mußte. Es waltete hier nämlich noch eine besondere, und
zwar höchst lächerliche Schwierigkeit ob. Der Landgraf stand seit 1754
mit seinem Sohne, dem Erbprinzen und Grafen von Hanau auf gespanntem
Fuße und hatte ihn seit dieser Zeit nicht gesehen, ja selbst sein Name,
wie überhaupt die souveraine Grafschaft Hanau durfte bei Vermeidung des
allerhöchsten Mißfallens vor dem Serenissimus nicht genannt werden. Der
Landgraf gestattete zwar in einer höflichen Antwort an Faucitt den
Durchmarsch der hanauer und anspacher Rekruten und Jäger durch »seine
Staaten«, bestand aber ausdrücklich darauf, daß sie unter dem Namen
Anspacher gehen mußten, und daß sie Kassel nicht berühren durften. Er
ertheilte demnach freie Passage für 534 Anspacher, obgleich sie für 234
Hanauer und 300 Anspacher verlangt worden war. Die anderen Souveraine
waren aber nicht so gefällig als der Landgraf. Der Kurfürst von Trier
gab die Erlaubniß nicht. Als die von den Hanauern vorausgeschickten
Quartiermeister in Montabaur ankamen, wurden sie vom Magistrat der Stadt
abgewiesen, weil sie sich nicht ausweisen konnten. Auch die freie
Reichsstadt Wetzlar wollte die Rekruten nicht durch ihr Gebiet ziehen
lassen. Man befürchtete eben von ihnen Exzesse, für welche weder die
englische Regierung, noch ihre deutschen Lieferanten aufkommen wollten.
So ließ man den Plan ganz fallen.

Im Februar 1778 wurde man endlich mit Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt
über eine neue Marschroute einig, so daß in der letzten Woche dieses
Monats die Anspacher und Hanauer ihr zeitweiliges Quartier Hanau
verlassen konnten. Faucitt nahm ihnen hier den Eid der Treue für den
König von England ab, weil dieser Akt einen mächtigen Eindruck auf die
Rekruten mache und die Desertion auf dem Marsche verhindere. In der That
war diese äußerst gering, was aber wohl hauptsächlich der tüchtigen
Führung durch erfahrene Offiziere zu verdanken war. Zudem ließ zur
größern Vorsicht der Erbprinz den Transport durch ein Korps seiner
Haustruppen bis Münden eskortiren. Der Weg ging von Hanau über
Windecken, Friedberg, Butzbach, Gießen, Marburg, Felsberg, Münden und
Hannover nach Nienburg, wo die Truppen am 8. März eintrafen und auf die
für Bremerlehe bestimmten englischen Transportschiffe warten mußten.
Erst am 23. März konnten sie in Nienburg weiter nach Bremerlehe
eingeschifft werden; von hier fuhren sie am 8. April nach Portsmouth
ab. Diesen Hafen verließen sie am 24. Mai, aber erst am 8. September
1778 kamen sie in Newyork an. Die Unglücklichen hatten Anspach und Hanau
in den letzten Tagen des Oktober resp. ersten Tagen des November 1777
verlassen, waren also im Ganzen länger als zehn Monate unterwegs
gewesen.

Natürlich hatte die englische Regierung die Kosten für alle diese
unvorhergesehenen Zwischenfälle zu tragen. Suffolk gab schon Ende
Dezember 1777 Anweisung an Faucitt, Alles, was recht und billig sei, zu
berichtigen. »Wir müssen den Markgrafen und Erbprinzen natürlich
entschädigen -- schrieb er am 23. Dezember an Faucitt -- Sie hätten sich
das selbst wohl denken und dieserhalb nicht lange Briefe an mich
schreiben lassen sollen. Thun Sie also, was verständig ist. Zahlen Sie
alle nothwendigen Ausgaben, welche wir ohnehin gehabt haben würden, wenn
die Einschiffung stattgefunden hätte, binden Sie sich aber nicht die
Hände für die Zukunft. Ist Gefahr vorhanden, daß wir die Leute bis zum
Frühjahr nicht einschiffen können, so lassen Sie die Kerle laufen und
bezahlen Sie dieselben bis auf den letzten Tag.« Offenbar, um sich zu
entschuldigen, erklärte Faucitt in seiner Antwort vom 8. Januar 1778 aus
Hannover, daß die Fürsten von Anspach und Hanau die maßlosesten
Ansprüche erhoben hätten. »Die außerordentliche Aengstlichkeit --
schrieb er -- womit Gemmingen und Malsburg, die Minister von Anspach und
Hanau, ihre Entschädigungsforderungen bei mir geltend gemacht haben,
erschien mir so unanständig und unbegründet, daß ich nicht umhin konnte,
ihnen ernstlich den Kopf zu waschen. Seitdem ist der Ton ihrer Briefe
ein anderer und athmet nichts als Unterwürfigkeit und Zufriedenheit.«
Das gerade Gegentheil war der Fall. Statt unterwürfig zu sein, traten
die Minister, namentlich Gemmingen, seit sie das Spiel in der Hand
hatten, sehr selbstbewußt und positiv fordernd auf; Faucitt aber hielt
es im Interesse seiner Aufgabe für das Beste, sich ihnen stets
willfährig und entgegenkommend zu zeigen. Statt übermäßige Forderungen
zu erheben, verlangten die Minister von Anspach und Hanau nur den Ersatz
der Transport- und Unterhaltungskosten der Truppen während des Winters;
Malsburg im Ganzen 1600 Pfund Sterling, Gemmingen bei der größern
Entfernung und längern Zeitdauer etwas mehr. Faucitt gab das selbst zu,
indem er am 30. Januar 1778 von Hanau aus an Suffolk schrieb, daß die
Rechnungen billig seien und daß sich anständiger Weise nichts davon
abziehen lasse.

Von jetzt an legte Friedrich der Große den Soldatenhändlern keine
Hindernisse mehr in den Weg; die Beförderung der Truppen an den Ort
ihrer Bestimmung konnte also ohne Umwege erfolgen. Die Baggage ließ er
ebenfalls ungehindert passiren und sogar den im Herbst 1777 von seinen
Beamten auf die Uniformen und das Gepäck der Anspacher erhobenen Zoll
von 600 Dukaten niederschlagen.

Am Lästigsten waren übrigens die Nachtheile, welche das Verbot des
Königs von Preußen für die zerbstischen Truppen nach sich zog. Die
preußischen Minister, an welcher sich die zerbster Behörden um Aufhebung
desselben gewandt hatten, erwiderten ihnen am 20. November höhnisch, daß
nachdem Anspach und Hanau mit ihren Gesuchen um den Durchmarsch durch
preußisches Gebiet abgewiesen worden seien, auch Zerbst nicht besser
behandelt werden dürfe, und gaben den wohlfeilen Rath, das zerbster
Regiment auf einem kleinen Umwege durch den Harz nach dem Kurfürstenthum
Hannover marschiren und von da an den Ort seiner Bestimmung gelangen zu
lassen. »Da der König von Preußen -- schreibt Faucitt am 27. November
1777 an Suffolk -- auf seiner Weigerung besteht, so muß das zerbster
Regiment Stade oder Bremerlehe auf Umwegen durch Sachsen, Braunschweig
und Hannover zu erreichen suchen; allein bis es so weit sein wird, haben
wir Frost und sind die Flüsse gefroren. Ich weiß nicht, welcher Ursache
ich diese plötzliche Maßregel des Königs zuschreiben soll, es müßte denn
die sein, daß seine Werbeoffiziere sich neuerdings vielfach darüber
beschweren, daß sie keine Rekruten mehr bekommen können und daß so viele
preußische Soldaten desertiren, um sich für Amerika anwerben zu lassen.
Namentlich haben die Hessen viele Deserteure aus Preußen aufgefangen und
die Weser hinuntergeschmuggelt. Im Ganzen ist aber ihre Zahl zu
unbedeutend, als daß sie den Gegenstand ernstlicher Erörterungen bilden
könnten, zumal es unter den deutschen Fürsten als erlaubt gilt, einander
Unterthanen und Soldaten abzufangen und zu verführen.«

Suffolk hielt es unter diesen Umständen für das Gerathenste, den
Abmarsch der Zerbster bis zum Frühjahr zu verschieben, und wies Faucitt
an, sich in diesem Sinne mit der dortigen Regierung zu verständigen. Der
zerbster Fürst mußte sich also in sein Schicksal fügen und gedulden. Er
wüthete in seinen Briefen barocker denn je; sein Haß gegen Preußen
erreichte jetzt die höchste Spitze. Der Selbstherrscher aller Zerbster
wandte sich sogar an die Selbstherrscherin aller Reußen, um sie zur
Intervention gegen Friedrich den Großen zu veranlassen, allein Katharina
von Rußland erklärte Preußen weder den Krieg, noch erwirkte sie für
ihres Bruders Truppen die Oeffnung des preußischen Theils der Elbe.
Uebrigens war für Friedrich August die Gefahr des Verlustes durch
Desertionen größer als bei jedem andern Soldatenhändler, weil er im
eigenen Lande so gut wie gar nicht werben konnte und für seine Leute
fast ausschließlich auf das deutsche Ausland, bei dem damaligen längst
fühlbaren Mangel an tauglichen Subjekten aber vorzugsweise auf
Menschenraub und Zwang, List, Betrug und Gewalt angewiesen war. Sobald
Serenissimus sein in dieser Weise zusammengebrachtes Regiment unter
gehöriger Bewachung direkt bis an's Meer schaffen lassen konnte, erlitt
er verhältnißmäßig geringe Verluste; ein langes Müßigliegen in offenen,
unbefestigten Garnisonsorten drohte ihm aber mit unerhörter Desertion
und Widersetzlichkeit. Noch vor Weihnachten brach denn auch unter den
Soldaten eine Meuterei aus. Es sollten ein paar Dutzend Zerbster
Kavalleristen, um das nach Amerika bestimmte Infanterie-Regiment zu
verstärken, in dieses gesteckt werden. Sie nahmen aber die Maßregel als
Beleidigung auf und empörten sich, bei welcher Gelegenheit einige
Offiziere gefährlich verwundet wurden. Die Meuterer flohen, nachdem sie
überwältigt waren, zum Theil nach Sachsen, wo ihnen natürlich niemand
etwas anhatte. Bei einer andern Gelegenheit machte sich sogar ein
Lieutenant mit seinem ganzen Kommando von fünfzig Mann aus dem Staube
und ging ebenfalls nach Sachsen.

Endlich war der Winter überstanden und das zerbstische Regiment trat,
841 Mann stark, am 21. Februar 1778 seinen Marsch, wie die preußischen
Minister höhnisch gerathen hatten, durch den Harz und Hannover nach
Stade an. Als es am nächsten Tage die Elbe erreicht hatte, ließ der
Oberst halten; die Sappeure mußten ihre Aexte in die Brückengeländer
einhauen und das Ganze einen Kreis bilden. Der Kommandeur ließ hierauf
die Kriegsartikel noch einmal verlesen und dann beschwören; darauf hielt
er eine geharnischte Anrede und warnte namentlich vor den preußischen
Werbern. Er drohte, daß derjenige, der dawider handle und ertappt werden
würde, sofort erschossen werden solle; aber trotzdem desertirten schon
an demselben Tage der Regiments-Tambour, ein Feldwebel, ein Korporal und
einige Soldaten. Weiterhin wurden deshalb die Städte und Flecken auf
dem Marsche möglichst umgangen, um weitere Desertionen zu verhüten, da
die Entwichenen überall rege Hülfe und Theilnahme fanden. Um das
Betreten des preußischen Gebietes zu vermeiden, ging die Marschroute
über Dessau (Anhalt), Merseburg, Laucha, Birchlingen (Kursachsen),
Greußen (Sondershausen), Mühlhausen (freie Reichsstadt), Duderstadt
(Kurmainz), Eimbeck (Hannover), und von da durch's Braunschweigische
wieder durch Hannover nach Stade.

Trotz der strengen Ueberwachung und der angedrohten Todesstrafe kamen
noch täglich Desertionen und allerlei Exzesse vor. Im Dorfe Zeulenrode
entsprang ein Mann, der von einem Korporal verfolgt wurde, und lief in's
Wirthshaus. Ohne weiter nachzusehen, schoß der allzu diensteifrige
Verfolger blindlings durch das Fenster in die Wirthsstube hinein, wo die
Kugel die ruhig dasitzende Wirthin traf, so daß diese sofort todt zu
Boden sank. Durch diese Gewaltthätigkeit wurden die Bauern sehr
aufgebracht. Als die Baggage nachkam, bei der sich ein Oberlieutenant
befand, kam es erst zu einem Wortwechsel und dann zu Thätlichkeiten,
wobei der Offizier so übel zugerichtet wurde, daß er am andern Tage zu
Stadtworbis starb. Die Bauern, durch deren Dörfer der Transport ging,
nahmen auch anderwärts Antheil an dem Schicksal der nach Amerika
bestimmten Soldaten und verschafften ihnen überall Gelegenheit zu
entkommen. In Greußen kam es mit den preußischen Werbern, die hier
Geschäfte machen wollten, zu einer Schlägerei, wobei auf beiden Seiten
viel Blut floß.

Am 3. März meldete der Oberst Rauschenplatt dem damals in Hannover
weilenden Faucitt, daß er in den ersten zehn Tagen nach dem Abmarsch
durch Desertion nicht weniger als _dreihundertvierunddreißig_ Mann
verloren habe. Am 21. März waren sogar nur noch 494 Mann bei der Fahne.

»Was soll ich thun -- fragte Faucitt am 23. März 1778 bei Suffolk an --
wenn die Uebrigbleibenden nicht mehr stark genug sind, um ein Bataillon
daraus zu bilden? Die Lücken sind zu groß, als daß sie zur rechten Zeit
ausgefüllt werden könnten. Ich fürchte, daß der größte Theil des
Regiments vor der Ankunft in Stade desertirt sein wird. Ich hoffe, aus
den Resten wenigstens noch ein Bataillon formiren zu können. Die
Zerbster fanden übrigens überall in Sachsen schlechte Aufnahme, waren
täglich von den Werbe-Offizieren verschiedener Fürsten umgeben, die in
Verbindung mit den Eingeborenen des Landes jedes Mittel benutzten, um
die Soldaten zu verführen. In ähnlicher Lage würden die besten Truppen
gelitten haben.«

Yorke bestätigte im Wesentlichen Faucitt's Schilderung und nahm sich des
Zerbster Fürsten warm an. »Seinen Bemühungen -- schreibt er d.d. Haag,
7. April 1778 -- des Königs Schutz und Freundschaft zu verdienen, ist
von so vielen Seiten entgegengewirkt, daß ich es meinem persönlichen
Verhältniß zu ihm schuldig bin, den gegenwärtigen Stand der
Angelegenheit zu melden. Des Königs von Preußen Weigerung, die
zerbstischen Truppen durch sein Gebiet passiren zu lassen, (obgleich
rechtlich nichts dagegen gesagt werden kann) veranlaßte den Fürsten,
sich an den russischen Hof zu wenden, damit dieser seinen Einfluß in
Potsdam geltend mache; aber ich weiß nicht, ob diese Bitte irgend
welchen Erfolg gehabt hat. Inzwischen setzte der Fürst, da es bei der
vorgerückten Jahreszeit mit der Einschiffung zu spät geworden sein
würde, seine Truppen in Bewegung, ohne ein vorheriges Uebereinkommen mit
England wegen eventueller Entschädigung getroffen zu haben, und schickte
sie durch Kursachsen auf Umwegen nach Hannover. Auf diesem Marsche waren
sie jeder Chikane und Schwierigkeit ausgesetzt, sowohl seitens der
Preußen als Sachsen und bei mehr als einer Gelegenheit haben sich seine
Offiziere ihren Weg erkämpfen müssen. Sie bewiesen dabei große
Entschiedenheit und Tapferkeit. Natürlich war die Desertion sehr stark;
ich wundere mich überhaupt, daß nur noch Soldaten beisammen blieben; die
übrig gebliebenen sind aber wahrlich nicht schlecht. Seit Ankunft im
Kurfürstenthum Hannover hat die Desertion aufgehört, und mit Hülfe der
von Jever geschickten Rekruten ist immer noch ein gutes Bataillon
zusammen zu bringen. Ich trete für den Prinzen ein und hoffe, daß
angenommen werde, was er mit so großer Mühe, Kosten und Gefahr an's Meer
geschafft hat. Ich thue es um so mehr, als ich höre, daß die
Transportschiffe für die Zerbster zurückbeordert sind; es wäre eine zu
große Enttäuschung für den Fürsten, wenn er nicht endlich angenommen
werden sollte. Viel Gewinn bleibt doch für ihn nicht übrig.«

Suffolk bedauerte, daß die Zerbster so viele Leute verloren hatten, daß
sie kaum noch in Betracht kämen und befahl Faucitt, sie sammt und
sonders wieder nach Hause zu schicken, wenn er nicht wenigstens ein
Bataillon aus ihnen formiren könne. Die für sie bestimmten
Transportschiffe wurden sogar abbestellt. Indessen gelang es dem
Obersten Rauschenplatt und den mit den seinigen vereinten Bemühungen
seines Bruders, des Majors Rauschenplatt, den auf weniger als ein
Bataillon zusammengeschmolzenen Bestand seines Regimentes in Jever und
Nachbarschaft auf 625 Mann, einschließlich der Offiziere, zu erhöhen,
sodaß Faucitt keinen Anstand nahm, sie in den englischen Dienst
einzumustern. Er ließ sie am 22. April in Stade einschiffen. Erst
nachdem dies geschehen, schloß er am 23. April 1778 den Vertrag mit den
Bevollmächtigten des Fürsten ab, die sich selbstredend jede von dem
englischen Kommissär beliebte Bedingung gefallen ließen.

Dieser Vertrag wurde am 12. Mai 1778 dem englischen Parlament vorgelegt
und am 13. Mai von ihm genehmigt. Er stimmt im Wesentlichen mit dem
anspacher überein, sodaß wir uns wegen seiner näheren Bestimmungen
füglich auf diesen beziehen können.

Das Regiment kam nach einer überraschend schnellen und günstigen Fahrt
in den letzten Tagen des Mai vor Quebeck an. Die große Freude, das
ersehnte Ziel so glücklich erreicht zu haben, wurde plötzlich in bittern
Verdruß verwandelt, als den Zerbstern das Ausschiffen vom Gouverneur
untersagt wurde. Durch eine grobe Nachlässigkeit der englischen
Behörden, wie solche so häufig vorkam, hatte man vergessen, den
britischen Befehlshaber von der Ankunft dieses Regiments zu
benachrichtigen, der nicht wenig dadurch überrascht wurde und, so nöthig
er diese Verstärkung auch hatte, auf diese dennoch so lange verzichten
zu müssen glaubte, bis er von der britischen Regierung die weiteren
Instruktionen erhalten haben würde. Am übelsten war der Oberst von
Rauschenplatt daran, der auf dieses fatale Intermezzo ebenso
unvorbereitet war. Als ihn der Gouverneur, trotz aller Versicherungen
und Betheuerungen nicht an's Land lassen wollte, schickte er endlich mit
der nächsten Schiffsgelegenheit seinen Quartiermeister Pannier direkt
nach London, um über diese Vernachlässigung Beschwerde zu führen und die
weiteren Weisungen des Ministeriums einzuholen. Erst Anfang August
kehrte Pannier wieder zurück. Die armen Zerbster hatten demnach gegen
drei Monate nutzlos und unthätig und Angesichts der Stadt Quebeck in den
engen und ungesunden Schiffsräumen aushalten müssen.

Das Regiment blieb vorläufig in Quebeck und wurde, da es in seiner
Ausbildung noch gegen die anderen Truppen sehr zurück war, vorzugsweise
zu Arbeiten, sowie zu Munitions- und Gefangenen-Transporten benutzt.
Nach Einstellung der Feindseligkeiten ward es 1783 nach Halifax
versetzt. So kam es, ohne an irgend welchen kriegerischen Bewegungen
Theil genommen zu haben, im September 1783 wieder zu Hause an. Während
es in den ersten Jahren nach seiner Aufnahme in den englischen Dienst
nur 613, resp. 625 Mann gezählt hatte, belief sich sein Aktivbestand in
den beiden letzten Jahren des Krieges auf 945 Mann.

Empfindlicher als diese Verzögerungen war übrigens für die Ergänzung der
englischen Armee in Amerika der Ausfall, den sie durch den in Folge des
preußischen Verbotes nothwendig gewordenen Abbruch der Verhandlungen mit
dem Herzog von Würtemberg erlitt. So schlecht dessen Armee auch
beschaffen sein mochte, so wäre er, selbst nach dem Zeugnisse Faucitt's,
doch mit einiger Nachhülfe an Geld immerhin im Stande gewesen, noch
1500-2000 Mann auf die Beine zu bringen. Es war lediglich die Sperrung
des Rheins, welche die Würtemberger zu Hause hielt und den in Amerika
kommandirenden englischen General ihrer Hülfe beraubte. Karl Eugen ließ
zwar aussprengen, daß er, für seine überrheinischen Besitzungen
Unannehmlichkeiten fürchtend, auf die Einsprache Frankreichs den Vertrag
mit England rückgängig gemacht habe; aber das ist nicht wahr, Suffolk
hat nie einen Vertrag mit ihm geschlossen. Der Herzog hätte nur zu gern
englische Hülfsgelder genommen; indessen der alte Fritz verdarb ihm das
Spiel. Uebrigens wußte sich der Würtemberger Soldatenhändler bald darauf
zu helfen, zumal sich durch den großen Konsum der letzten Jahre das
Geschäft bedeutend schnell wieder hob. Ohne nur seine Landstände zu
fragen, überließ er nämlich im Jahre 1786 das von Rieger für den
englischen Dienst geworbene Regiment, welches er nach dem Fehlschlagen
der Unterhandlungen mit Faucitt auf den Asperg in Garnison geschickt
hatte, auf 1000 Mann vermehrt, den Holländern, welche diese Truppen
ebenso gut als die Engländer bezahlten und sie theils in Afrika am Kap
der guten Hoffnung, theils in Ostindien verwandten. Für ihren Abmarsch
dichtete Schubart das ergreifende Lied: »Auf, auf, ihr Brüder und seid
stark!«

Wenn wir uns die damalige Lage der Dinge auf dem amerikanischen
Kriegsschauplatze vergegenwärtigen, so werden wir die bedeutenden, wenn
nicht entscheidenden Folgen der Politik Friedrich's des Großen noch
besser würdigen können. _Washington_ lag nach dem für ihn unglücklichen
Feldzuge des Herbstes 1777 von Mitte Dezember bis Mitte Juni 1778 in
seinen Winterquartieren zu Valley Forge, allen Entbehrungen der
Jahreszeit preisgegeben, unter allen Mißbräuchen und Mängeln einer
desorganisirten Verwaltung leidend. Nie bis jetzt, selbst nicht nach den
Niederlagen auf Long Island, hatte die Sache der jungen Republik so
schlecht gestanden, denn nie war der Geist des Volkes und seine
Widerstandskraft so sehr gebeugt und entmuthigt gewesen. Die zerlumpten
und hungernden armen Teufel, die kaum mehr als 5000 Mann stark zu Anfang
1778 das amerikanische Heer vorstellten und damals unter _Steuben_ erst
die Anfangsgründe der Disziplin lernten, wären keines ernsten
Widerstandes fähig gewesen, wenn Howe sie mit einer überlegenen
Streitmacht angegriffen hätte. Aber der englische General ließ die ihm
günstigste Zeit zum Angriffe ungenützt verstreichen und entschuldigte
seine Unthätigkeit mit dem Mangel an Leuten. Und gerade in diesem
entscheidenden Augenblicke erlangte er die Kenntniß von Friedrich's
Verbot, das ihm verläufig jede Aussicht auf weitere Verstärkungen
abschnitt. Es sind darum nicht sowohl die 2000, höchstens 3000 Mann,
deren verzögerte Ankunft oder gänzlicher Ausfall England so empfindlich
schadete, als vielmehr die Ungewißheit für die Zukunft, welche jede
sichere Berechnung ausschloß und England die Bezugsquellen für seine
deutschen Verstärkungen ganz abzuschneiden drohte. Eben darin liegt die
Bedeutung der Politik Friedrich's für den amerikanischen Krieg. Sie war
in ihren Folgen für Washington soviel als ein neuer Bundesgenosse werth,
sie gönnte ihm Zeit zur Erholung und half das Kriegsglück wenden. Ohne
es zu wollen, erwies also der große König dem republikanischen Feldherrn
einen wesentlichen Dienst.




Zehntes Kapitel.


Die Verträge, deren Abschluß in den vorhergehenden Kapiteln erzählt
worden ist, mußten, wenn sie gültig werden und in Kraft treten sollten,
selbstredend erst vom englischen Parlamente genehmigt werden, von dessen
Entscheidung sogar wie bei der Armee des eigenen Landes, so auch bei den
Hülfstruppen die Fortdauer und Auszahlung des Soldes für jedes neue
Verwaltungsjahr abhing. Das Ministerium North konnte im damaligen
Parlamente mit Hülfe der Abgeordneten vom Lande stets auf eine
dienstbereite Majorität rechnen, behandelte deshalb auch in allen
entscheidenden Fragen die Legislative mit einer geflissentlich zur Schau
getragenen Geringschätzung und trat namentlich nach Außen hin mit einer
so absoluten Sicherheit auf, als ob gar kein gesetzgebendes Votum in
England existirte. Gleichwohl aber konnte es sich seinen
konstitutionellen Verpflichtungen nicht entziehen und legte deshalb
schon Ende Februar 1776 die mit Braunschweig, Kassel und Hanau
abgeschlossenen Verträge dem Hause der Lords und Gemeinen vor.

Suffolk hatte rechtzeitig Sorge getragen, den betreffenden deutschen
Fürsten die formelle Nothwendigkeit dieser Maßregel in möglichst
günstigem Lichte darzustellen. Man werde sie allerdings angreifen, sogar
ohne jede Schonung und in sehr harten Ausdrücken; allein das sei in
einem konstitutionellen Staate einmal nicht zu vermeiden und ändere im
Uebrigen nichts an dem bestehenden Vertragsverhältniß, indem Löhnung und
Subsidien nach wie vor bezahlt werden würden. Diese letztere Gewißheit
beruhigte denn auch die deutschen Landesväter. Eine deutsche unabhängige
Presse gab es zu jener Zeit nicht. Der in allen anderen Fragen
entscheidende und unabhängige Hofrath Schlözer stand als Göttingen'scher
Professor mit seinem »_Briefwechsel_« auf Seiten des Königs von England,
druckte also keine feindseligen Parlaments-Verhandlungen ab, und so
hörten denn die Unterthanen nichts von der Charakteristik, welche die
Minorität des englischen Parlaments von den deutschen Herrschern
entwarf. Daran, daß die Mehrheit des gebildeten und denkenden Europa sie
verachtete und durch die hier mitzutheilenden Verhandlungen sie erst
recht verachten lernte, lag ihnen bei der guten Bezahlung herzlich
wenig.

Die Verträge wurden im Hause der Gemeinen am 29. Februar 1776 zuerst
debattirt. Lord North hatte bei Motivirung ihrer Einreichung auf die
Nothwendigkeit der Maßregel hingewiesen und große Wirkungen von ihr
erwartet. Es könne, sagte er, hier überhaupt nur auf die Beantwortung
von drei an sich ganz klaren Fragen ankommen, nämlich:

  1. ob die zur Miethe vorgeschlagenen Truppen nöthig,
  2. ob die Bedingungen, auf welche hin sie beschafft würden,
     vortheilhaft seien,
  3. ob ihre Stärke hinreiche, um die beabsichtigten Zwecke zu
     erreichen?

Ad 1. antwortete er, daß, da es die Absicht des Parlamentes sei, die
amerikanischen Kolonieen zum Gehorsam zurückzubringen, dieselbe nicht
besser als durch die Annahme dieser Maßregel erreicht werden könne, denn
diese deutschen Soldaten seien wohlfeiler zu haben als englische
Rekruten;

ad 2. kosteten die fremden Truppen, selbst abgesehen von ihrer
verhältnißmäßigen Wohlfeilheit weniger als je vorher, zumal wenn der
Krieg nur ein Jahr dauere;

ad 3. aber werde diese Streitmacht im Stande sein, vielleicht ohne
fernern Blutverlust die Kolonien zu unterwerfen.

Lord _Cavendish_ hielt die vorgeschlagene Maßregel in allen ihren
Theilen für verderblich. Sie sei die erste beunruhigende Folge des
amerikanischen Krieges und entehre England in den Augen von ganz Europa.
Es müsse sich in der erniedrigendsten Weise an einige kleine deutsche
Staaten wenden und sich Unwürdigkeiten gefallen lassen, die bisher noch
nie einem gekrönten Haupte, geschweige denn dem Beherrscher eines
mächtigen und reichen Königreichs geboten worden. Der Redner erklärte
sich aus folgenden Gründen gegen den Vertrag: Einmal erhalte das
Hülfskorps Bezahlung, ehe es nur marschirt sei, dann empfange es ein zu
hohes Werbegeld per Kopf; ferner zahle man den kleinen Fürsten doppelte
Subsidien, die selbst dann noch fortdauerten, nachdem die Truppen in
ihre Heimath zurückgekehrt seien, und endlich führe man ein Korps von
17,000 Fremden in die Besitzungen der englischen Krone ein, ohne es der
Kontrolle des Königs oder Parlaments zu unterwerfen, indem es laut
Vertrag nur unter dem Kommando seiner Generale stehe.

Lord _Irnham_ erörterte die staatsrechtliche Seite der Frage und
erklärte die betreffenden Fürsten für nicht kompetent, solche Verträge,
wie die zur Annahme vorliegenden, abzuschließen. Sie seien dem Kaiser
Gehorsam schuldig und dürften ihr Land nicht einer Sache zu Liebe
entvölkern, die in keiner Weise etwas mit dem Reiche zu thun habe, und
welche dieses in den Augen Europa's verächtlich machen müsse als eine
Pflanzschule für Menschen, die von Reicheren, aber Ungerechten und
Sittenlosen gegen Bezahlung zur Unterdrückung der Schwachen und zur
Aufrechterhaltung der Willkür gemiethet würden. »Ich will hier nicht
von den Gefühlen jener Fürsten sprechen, die ihre Unterthanen für solche
Zwecke zu verkaufen im Stande sind. Wir haben von Sancho Pansa's heiterm
Wunsche gelesen, der für den Fall seiner Erhebung zum Fürsten bat, daß
alle seine Unterthanen Mohren sein möchten, damit er sie alle verkaufen
könnte und recht viel baares Geld in die Hand bekäme; aber dieser
Wunsch, so lächerlich und unanständig er auch für einen Herrscher
erscheinen mag, ist viel unschuldiger als die Handlungsweise der
deutschen Fürsten, die ihre Unterthanen in einem zerstörenden Kriege
opfern, und zu diesem Verkauf noch das Verbrechen hinzufügen, sie zur
Vernichtung viel besserer Menschen, als sie selbst sind, auszusenden.«
Dann aber könne die Verpflichtung, im Nothfalle den Länderbesitz des
Landgrafen zu schützen, sehr unangenehm werden. Wenn nun der Kaiser,
über die Handlungsweise seiner Vasallen entrüstet, eine Exekution
vornehme und an England Entschädigungs-Ansprüche mache? Dann sei der
König von Preußen an seiner Thür, der offenbar die Gelegenheit ergreifen
werde, die diesseitige Regierung zur Zahlung der Lstr. 600,000 zu
zwingen, um die sie ihn bei dem letzten Friedensschluß gebracht haben
solle. Die Verträge seien in jeder Beziehung nicht rathsam und sogar
schmachvoll für die Nation; man müsse ihnen also unbedingten Widerstand
entgegensetzen.

Während _D. Hartley_ die vorgeschlagene Maßregel für die schmachvollste,
unnatürlichste und heilloseste von allen bisher dem Parlament zur
Annahme vorgelegten Vorschlägen erklärt, und während er vor den
schlimmen Folgen warnt, welche eine derartige Hereinziehung fremder
Mächte in den Streit haben müsse, und welche vor Allem jede Aussicht auf
Wiederversöhnung abschneide, spricht James _Luttrell_ sein Erstaunen
darüber aus, daß sich das Ministerium jetzt an das Parlament wende, um
17,000 Deutsche nach Amerika zu senden. »Großer Gott, für welchen Zweck!
Um 180,000 ihrer Landsleute zu Sklaven zu machen, von denen viele, um
unsern Schutz zu suchen, ihren Tyrannen entflohen. Meine Schätzung ist
noch sehr gering, denn indem ich von Georgia und West-Florida ausgehe,
wo einige deutsche Niederlassungen sind, komme ich nach Pensylvanien,
einer der blühendsten und größten unserer amerikanischen Kolonieen, von
deren Bevölkerung mehr als die Hälfte Deutsche sind, die kaum englisch
sprechen. Die deutschen Niederungen am Mohawk-Fluß, die sich hinter
New-York und New-Yersey ausdehnen, sind sehr kultivirt und gelten als
das beste Land jener Provinzen. Einige tausend Deutsche sind die
Ansiedler und Verbesserer jenes Landes und die nächsten Nachbarn der
fünf Nationen. Sie handeln mit ihnen, sprechen ihre Sprache, und die
Voraussetzung ist sehr natürlich, daß sie die Indianer überreden werden,
die Streitaxt gegen die Truppen des Königs zu ergreifen. Die Deutschen
haben einige bedeutende Niederlassungen am Connecticut-Fluß, wenn auch
nur wenige in Neu-England und im Norden leben. Es scheint mir durchaus
unthunlich, diese Ansiedler durch Waffengewalt mit einer solchen
Handvoll deutscher und englischer Streitkräfte erobern zu wollen, allein
ich glaube, diese Maßregel bietet unseren gemietheten Truppen eine
ausgezeichnete Gelegenheit zur Desertion, weil ihnen von ihren bereits
angesiedelten Landsleuten Land und Schutz versprochen werden wird. Diese
kriegerischen Transporte, die wir ausrüsten, dienen so gut wie die mit
Pfälzern beladenen Schiffe dazu, Amerika mit Deutschen zu bevölkern. Es
scheint mir deshalb keine gute Politik, diese fremden Truppen zu
miethen, einmal weil sie fünf mal soviel von ihren Landsleuten in
Amerika und viele Indianer veranlassen werden, in die Provinzial-Armee
einzutreten, dann aber, weil sie desertiren und Land brauchen werden,
wodurch wir also die gemietheten Truppen gegen uns bekommen.«

Das Ministerium gab zu, daß die Bedingungen hart und die Ausgaben stark
seien, kam aber wiederholt auf die Nothwendigkeit der Maßregel zurück,
da es sich im gegenwärtigen Stadium des Kampfes nur um die Frage handle,
ob England Amerika aufgeben oder seine Souveränität über die dortigen
Kolonien wiedererlangen solle.

Das Königreich habe immer fremde Truppen nöthig gehabt, meinte der
Kriegsminister Lord _Barrington_ -- um seine Kriege zu führen und die
Regierung zu stützen; im Lande selbst seien jetzt keine Rekruten zu
haben, und wenn der Handel mit den fremden Truppen nicht so vortheilhaft
gewesen sei, als er wohl habe sein können, so habe man, nur durch die
Nothwendigkeit gezwungen, die von den fremden Fürsten vorgeschriebenen
Bedingungen annehmen müssen.

Edmund _Burke_ warf dem Ministerium mit vernichtendem Hohne vor, daß
selbst zu einer Zeit, wo der Aufstand im Innern des Königreiches
gewüthet und die völlige Auflösung der gesetzlich herrschenden Gewalt
gedroht habe, kein so schimpflicher und theurer Handel abgeschlossen
worden sei. Beim Beginne der Sitzung habe es geheißen, es solle kein
fremder Soldat zur Bekämpfung der amerikanischen Kolonieen verwandt
werden, jetzt könne auf einmal nichts ohne fremde Hülfe gethan werden,
und zwar aus dem Grunde, weil diese letztere wohlfeiler sei. Zur Stunde
lasse man auch den Vorwand der Wohlfeilheit fallen, denn es ergebe sich,
daß England für jedes Tausend Fremder, die es in seinen Dienst nehme,
gerade so viel bezahle als für fünfzehnhundert Eingeborene. Wenn Lord
North beschuldigt werde, der Beförderer dieser Maßregel zu sein, so
leugne er die Thatsache und behaupte, nur mit den übrigen Ministern des
Königs gearbeitet zu haben; wenn sie aber einer andern Klasse Menschen
zugeschrieben werde, so beanspruche er das ganze Verdienst dafür.

Oberst _Barré_, der alte Freund der amerikanischen Unabhängigkeit,
fragte die Minister, ob das Tuch für die deutschen Truppen in England
oder in Deutschland gekauft werden solle? Er bezweifle nicht, daß dieser
Verkauf von Menschenfleisch sich für das Geschäft der Tuchfabrikanten
von Hessen und Braunschweig als eben so vortheilhaft erweisen werde, als
er sich schon gewinnreich für den Beutel der betreffenden Fürsten
bewährt habe. Der König solle in einer Petition gebeten werden, seinen
Einfluß dahin aufzubieten, daß die jetzt oder später in englischem Sold
stehenden deutschen Truppen mit Tuch aus den englischen Fabriken
bekleidet werden möchten. -- (Es sei hier in Parenthese bemerkt, daß der
König in Folge dieses Antrages den Landgrafen von Hessen auch
aufforderte, das Tuch für seine Soldaten in England zu kaufen, daß
dieser aber die Bitte, als außer jeder Beziehung zu seinem Vertrage
stehend, kurzer Hand abwies.)

Der letzte Redner im Unterhause war der Alderman _Bull_, der vom
Standpunkte des liberalen Londoner Bürgers aus die Verträge angriff. Der
Krieg, sagte er, den man gegen Amerika führe, sei ein ungerechter; er
stütze sich auf Unterdrückung und sein Ende werde Elend und Schande
sein. Das Ministerium solle es nicht dahin bringen, daß die
Geschichtsschreiber sagen, daß russische und deutsche Sklaven gemiethet
worden, um die Söhne Englands und der Freiheit zu unterjochen, und daß
unter der Herrschaft eines Fürsten aus dem Hause Braunschweig der
nichtswürdige Versuch gemacht worden sei, jenen Geist auszurotten, der
seine Vorfahren auf den Thron brachte und sie trotz Verrätherei und
Rebellion dort befestigte.

Aber alle diese Appellationen an Ministerium und König halfen nichts,
die Minorität war zu schwach, und mit 242 gegen 88 Stimmen wurden die
Verträge vom Hause an das Committee of Supplies verwiesen, welches
selbstredend am 4. März zu deren Gunsten berichtete.

Bei den Lords kamen die Verträge am folgenden Tage, am 5. März 1776, zur
Verhandlung.

Der Herzog von _Richmond_ beantragte zunächst, den König zu bitten, daß
er Befehl gebe, den Marsch der deutschen Truppen und zugleich die
Feindseligkeiten in Amerika einzustellen. Der Redner gab eine kurze
Geschichte der mit dem Landgrafen von Hessen von 1702 bis 1762
abgeschlossenen Verträge, wies nach, wie sie bei jeder Gelegenheit ihre
Forderungen erhöhten, bessere Bedingungen erpreßten und nie verfehlten,
die frühere Erpressung als Präzedenzfall oder als Basis für einen
spätern Vertrag aufzustellen. Das sei auch jetzt der Fall. Der vorletzte
Vertrag habe die Subsidien nur für eine gewisse Zeit gewährt, der
gegenwärtige verdoppele sie und werde England wohl anderthalb Millionen
Pfund an Extrasubsidien kosten. Schlimmer als das seien aber der
unbestimmte Wortlaut der Verträge, ihre zweideutige Ausdrucksweise und
die darin aufgestellten gefährlichen Präzedenzfälle. Allerdings spreche
der Vertrag von gegenseitiger Hülfsleistung und Bundesgenossenschaft,
allein die betreffenden Ausdrücke seien nichtssagende Redensarten.
Seinem Wesen nach sei der Vertrag nichts anderes, als ein nichtswürdiger
Handel, um eine Anzahl Miethsknechte in Dienst zu nehmen, die gleich so
und so viel Stück Vieh auf die Schlachtbank geführt werden sollten. Kein
anderes gemeinschaftliches Interesse verbinde die beiden abschließenden
Theile, als daß der eine möglichst viel Geld zahle und der andere
möglichst viel erhalte. Aber selbst angenommen, daß die Verträge ein
wirkliches Bündniß vorstellen sollten, was werde die Folge sein? England
müsse im Falle eines Angriffes jenen Fürsten helfen, also für die
Unterstützung von ein paar Tausend fremder Söldlinge nicht allein
doppelt zahlen, sondern auch ihre Herren im Besitze ihres Gebietes
schützen. Zu Ende des letzten französisch-amerikanischen Krieges habe
Herr Mauduit berechnet, daß jeder französische Skalp 10,000 Pfd.
gekostet habe. Die Lords möchten danach berechnen, was ein
amerikanischer Skalp koste, wenn für 17,000 fremde Söldlinge anderthalb
Millionen Pfund per Jahr zu bezahlen seien. Endlich aber sei die Gefahr
vorhanden, daß Differenzen zwischen den Offizieren entstehen möchten und
daß ein hessischer General den Oberbefehl erhalte, wenn dem
Kommandirenden in Amerika etwas zustoßen sollte.

Lord _Suffolk_ (der uns schon bekannte Minister des Auswärtigen)
vertheidigte natürlich dem Vorredner gegenüber die Politik der
Regierung. Es habe derselbe -- sagt er -- keinen einzigen gewichtigen
und stichhaltigen Grund gegen die zur Annahme vorliegenden Verträge
vorgebracht, noch ein einziges Beispiel angegeben, wo von den früheren
Verträgen mit den betreffenden Fürsten im Wesentlichen abgewichen sei.
Im Inhalte stimmten sie beide überein, nur enthalte einer der
gegenwärtigen Verträge einige pomphafte, hochtönende Phrasen mehr. Die
Absicht des Ministeriums sei kein Bündniß mit Hessen gewesen, sondern
nur die, ein Korps Truppen zu miethen, welches der Krieg in Amerika
nöthig gemacht habe. Wenn der Krieg in einem Jahre beendet werde, so sei
der Handel äußerst vortheilhaft, weil dann nur _eine_ jährliche doppelte
Subsidie gezahlt zu werden brauche, die einer einfachen Subsidie für
zwei Jahre gleich komme. Wenn nun der Krieg zwei Jahre dauere, so
verliere die Regierung weder, noch gewinne sie, weil zwei Jahre
doppelter Subsidien vier Jahren einfacher Subsidien gleich seien. Wenn
aber der Krieg länger als zwei Jahre dauere, dann müsse er bekennen, sei
der Vertrag unvortheilhaft für England. Aber selbst ungünstige
Bedingungen müsse man hinnehmen, wenn man die Truppen brauche. Die Frage
könne also nur lauten, ob man sie nöthig habe? Diese Frage müsse
unbedingt bejaht werden. Zudem seien die Bedingungen, unter denen die
Truppen geliefert worden, leicht und günstig, denn unter
Berücksichtigung aller Umstände, der kurzen Frist, der Unannehmlichkeit
des Dienstes in solcher Entfernung von Europa, sei er, der Redner, fast
erstaunt, daß England diese Soldaten so billig erhalten habe. Der zum
Schlusse vom Herzog von Richmond vorgebrachte Einwand zerfalle in sich,
da der kommandirende General immer höher stehe als ein selbst im
Dienstalter über ihm stehender General; die Gefahr, durch irgend welchen
Zufall oder ein Unglück einen Fremden zum Obergeneral zu erhalten, sei
also nicht vorhanden.

Der Earl von _Carlisle_ stimmte mit der Ausführung des Lord Suffolk
überein und wies darauf hin, daß, da einmal Zwangsmaßregeln gegen
Amerika angewandt werden müßten, man auf das Ausland zur Beschaffung der
außerordentlichen Werkzeuge zur Ausführung dieses Zweckes angewiesen
sei. Die große Zahl der Hände, welche zur Betreibung der englischen
Manufakturen täglich nöthiger werde, die geringe Erfahrung neu
Ausgehobener und der Wunsch, die gegenwärtigen Unruhen so schnell als
möglich zu beenden, habe die Verwendung fremder Truppen an Stelle der
einheimischen als am geeignetsten erscheinen lassen. Kein unbefangen
Urtheilender werde leugnen, daß England beim besten Willen nicht die
erforderliche Anzahl Soldaten besitze, um die Operationen auszuführen,
welche der Dienst in Amerika nothwendiger Weise verlange.

Des Königs Bruder, der Herzog von _Cumberland_, stimmte dagegen mit der
Opposition. »Ich bin von Anfang an -- sagte er -- gegen jede Art
Gewaltmaßregel gewesen, und mißbillige deshalb die Politik der Minister.
Ich bedauere aus diesem Grunde auch, daß ich sehen muß, wie
Braunschweiger, die einst zu ihrer eigenen großen Ehre die Freiheiten
der Unterthanen so tapfer vertheidigten, jetzt ausgesandt werden, um die
konstitutionellen Freiheiten in einem andern Theile dieses großen
Reiches zu unterdrücken.«

Die übrigen Redner, wie der Herzog von _Manchester_, Earl von
_Effingham_ und Lord _Camden_, welche sich dem Herzog von Cumberland
anschlossen, sagten mit Ausnahme von Lord Camden nicht viel Neues. »Wenn
ich die Verträge recht verstehe -- meinte dieser -- so enthalten sie ein
Uebereinkommen mit dem Herzog von Braunschweig, mit dem Landgrafen von
Hessen-Kassel und dem Grafen von Hanau für eine bestimmte Anzahl Truppen
zu einem bestimmten Preise. Um diesem Handel den Schein dessen zu geben,
was er nicht ist, wurde das Ganze mit hochtönenden Redensarten von einer
Allianz ausstaffirt, die sich auf gemeinschaftliche Interessen und
gemeinschaftliche Hülfeleistung stützt, als ob diese kleinen Staaten
beim Ausgang des zwischen uns und Amerika schwebenden Krieges irgend wie
betheiligt wären. Die ganze Verhandlung ist nichts als ein Gewebe von
Lug und Trug, wie es noch nie einem Hause des Parlaments aufgeschwindelt
wurde; sie ist nichts als ein gemeiner Schacher für die Miethe von
Truppen auf der einen Seite und der Verkauf menschlichen Blutes auf der
andern Seite, und die armen in ihr Schicksal ergebenen Teufel, welche so
für die Abschlachtung verkauft worden, sind armselige Söldlinge im
schlimmsten Sinne des Wortes. Jetzt blicken Sie auf die Verträge in
ihrem wahren Lichte, in ihrer ganzen Nacktheit! Wir bezahlen nicht
allein mehr für diese Miethlinge als je vorher, sondern treten sogar,
statt die uns gebotenen Vortheile zu benutzen, in ein Offensiv- und
Defensiv-Bündniß mit jenen kleinen Fürsten, ja wir verpfänden die Ehre
der Nation und setzen uns allen bösen Folgen eines Kontinentalkrieges
aus. Aber schlimmer als das ist die Behauptung, daß wir die zur
Durchführung des Krieges erforderlichen Mannschaften hier zu Lande nicht
auftreiben können, und daß folglich die vorliegenden Verträge, welchen
begründeten Einwendungen sie auch ausgesetzt sein mögen, eine bittere
Nothwendigkeit für uns sind. Diese Behauptung als richtig vorausgesetzt,
würde unsre Rettung ausschließlich von Fremden abhängen, und all unsre
gerühmte Macht, Vorzüge, wie Reichthum und Ansehen im Ausland wären sehr
wenig werth, ja wir könnten keine einzige Segnung äußerer Stärke oder
innern Glückes länger genießen, als es unsere würdigen Freunde, die
Soldatenvermiether, uns gnädigst erlauben würden. Ich bin einer
entgegengesetzten Ansicht. Sollten wir aber wirklich von den Fremden
abhängen, so sind auch unsere Freiheiten und unsere Unabhängigkeit
dahin.«

So wenig sich auch gegen diese Anklagen und Beweisführung einwenden
ließ, so blieb die Opposition doch mit 32 gegen 100 Stimmen bei der
Abstimmung in der Minorität. Das Ministerium hatte offenbar darin Recht,
daß, nachdem einmal beschlossen worden war, den Krieg zu führen, man
auch die Soldaten zu seiner Durchführung beschaffen mußte, und daß diese
in England selbst beim besten Willen nicht zu erlangen waren. Die
parlamentarischen Gegner der Maßregel sahen zwar recht gut ein, daß ihr
Widerstand die bereits feststehende Politik Englands nicht ändern würde,
indessen benutzten sie die ihnen noch einmal gebotene Gelegenheit, ihrer
Abneigung gegen den Krieg mit Amerika Worte zu leihen und die verlangten
Truppen zu verweigern. Von diesem Gesichtspunkte aus muß man auch die
nachstehende Adresse auffassen, welche die in der Minorität gebliebenen
zweiunddreißig Lords an den König richteten:

»Wir, Ew. Majestät getreue und gehorsame Unterthanen und im Parlament
versammelte geistliche und weltliche Lords, bitten gehorsamst, Ew.
Majestät vorstellen zu dürfen, daß wir mit dem tiefsten Kummer die
Verträge gesehen haben, welche Ew. Majestät auf den Rath Ihrer Minister
mit ihren Durchlauchten, dem Herzog von Braunschweig, dem Landgrafen von
Hessen-Kassel und dem Grafen von Hanau abzuschließen und diesem Hause
mitzutheilen geruht haben.

»Wir erlauben uns gehorsamst, Ew. Majestät die Gefahr und Schmach
vorzustellen, welche diese unbesonnene Maßregel im Gefolge hat, wenn es
bei dem ersten Versuche Großbritanniens, seine Kolonieen zu
unterjochen, schon für nöthig erachtet wird, eine Armee fremder
Söldlinge zu miethen und dadurch vor ganz Europa anzuerkennen, daß diese
Königreiche entweder aus Mangel an Menschen oder aus deren Abneigung für
diese Art Dienst unfähig sind, eine für den ersten Feldzug hinlängliche
Anzahl Eingeborener zu stellen. Zu gleicher Zeit ist es für uns eine
traurige Betrachtung, daß die Herausziehung der nationalen Streitkräfte
aus dem Lande (so schwach sie auch für den beabsichtigten unseligen
Zweck sein mögen) das Königreich seiner Vertheidigung berauben und den
Einfall mächtiger Nachbaren und fremder Völker preisgeben wird.

»Wir bitten ferner, Ew. Majestät gehorsamst vorstellen zu dürfen, daß,
wenn auch die Gerechtigkeit und Billigkeit dieses unnatürlichen Krieges
von einem so großen Theil Ihrer Unterthanen nicht in Frage gestellt
wird, doch eine selbst von einzelnen Zugeständnissen begleitete
Versöhnung mit den Kolonieen einer gesunden Politik weit mehr
entsprechen wird, als daß man die Verfolgung der Feindseligkeiten
Ausländern anvertraut, auf die wir uns nicht verlassen können,
Ausländern, welche bei einer so großen Entfernung von ihrer Heimath und
unter dem Einfluß der Strapazen des Krieges, der sie nichts angeht und
ihnen so viele Versuchungen bietet, die Knechtschaft mit der Freiheit zu
vertauschen, viel eher zur Meuterei und Desertion neigen, als treu und
gewissenhaft mit Ew. Majestät geborenen Unterthanen handeln und kämpfen
werden.

»Ebensowenig dürfen wir Ew. Majestät die Besorgniß verhehlen, die wir
wegen der Tragweite einzelner in den verschiedenen Verträgen enthaltenen
Artikel fühlen, wonach Sie die Macht haben, diese Truppen in irgend
einem Theil vor Europa zu verwenden. Dadurch werden also Mittel
beschafft, selbst in dieses Königreich eine fremde Armee einzuführen.
Wir können aber Ew. Majestät Ministern nicht so weit vertrauen, um
vorauszusetzen, daß sie zu gewissenhaft sein würden, um Ihnen eine
solche Maßregel anzurathen, zumal sie schon fremde Truppen in zwei
unserer wichtigsten und stärksten Festungen gelegt und sich erboten
haben, noch 4000 Fremde ohne vorherige Genehmigung des Parlaments nach
dem Königreich Irland zu schicken. Wir haben vielmehr gerechten Grund
zur Befürchtung, daß die Kolonieen, wenn sie hören, wie England
auswärtige Bündnisse eingeht und fremde Truppen zu ihrer Vernichtung
miethet, sich für berechtigt halten werden, das gegebene Beispiel
nachzuahmen und ähnliche Hülfe zu suchen; ja daß Frankreich, Spanien,
Preußen und andere europäische Mächte sich ebensogut wie Hessen,
Braunschweig und Hanau für befugt erachten werden, sich in unsern
häuslichen Zwist einzumischen. Wenn dann, was sehr möglich ist, aus
diesen Schritten die Flammen eines europäischen Krieges angefacht werden
sollten, so denken wir mit Schrecken an die Lage dieses Landes, welches
den furchtbaren Angriffen mächtiger Feinde zu einer Zeit Widerstand
leisten soll, wo die Kraft und Blüthe der Nation auf der andern Seite
der Welt zu nutzlosen Kriegszügen vergeudet wird.

»Sodann fürchten wir, daß der Vertrag, der dem Landgrafen von Hessen
nicht blos im Falle eines Angriffes oder einer Beunruhigung in seinen
Besitzungen allen in der Macht Ew. Majestät liegenden Beistand sichert,
sondern diesen Beistand sogar so lange fortsetzt, bis der Landgraf volle
Sicherheit und gerechte Schadloshaltung erlangt haben wird; daß dieser
Vertrag das Königreich zwingt, ohne irgend eine Gegenleistung an jedem
Streit auf dem Kontinent Theil zu nehmen, in welchen Seine Durchlaucht
verwickelt werden sollte. Oder was für Hülfe könnte diese Insel von
einem winzigen Ländchen im Herzen Deutschlands erwarten, aus welchem
schon mehr Truppen gezogen sind, als es zu seiner eigenen Vertheidigung
nöthig hat, und dessen Einkünfte nicht hinreichen, ohne die gezahlten
Subsidien selbst diejenigen Soldaten zu unterhalten, welche es
vermiethet hat? Es will uns deshalb scheinen, als ob diese Verpflichtung
Großbritanniens zur Vertheidigung und Entschädigung des Landgrafen als
ein Theil des Preises, zu welchem es die gemietheten Truppen bezahlt,
angesehen werden muß. Wenn diese Kosten, die unmöglich abgeschätzt
werden können, zu den enormen Ausgaben für Werbegeld, für
Vervollständigung der in den verschiedenen Korps eingetretenen Verluste
und für ordentliche und außerordentliche Subsidien, selbst nach der
Rückkehr der Truppen in ihre Heimath, hinzugefügt werden, so können wir
in Wahrheit sagen, daß England noch nie zuvor einen so kostspieligen,
ungleichen, unehrenhaften und in seinen Folgen so gefährlichen Vertrag
abgeschlossen hat.

Wir flehen deshalb Ew. Majestät unterthänigst an, sofortigen Befehl zu
geben, daß die hessischen, braunschweigischen und hanauischen Truppen
nicht marschiren, und daß die Feindseligkeiten in Amerika eingestellt
werden, damit eine schleunige und dauernde Wiederversöhnung zwischen den
streitenden Parteien dieses in sich zerrissenen Reiches angebahnt werden
könne.« --

Natürlich diente dieser Protest nur dazu, den Standpunkt der Minderheit
zu wahren; auch er wurde mit 100 gegen 32 Stimmen von den Lords
verworfen und blieb deshalb ein todter Buchstabe. Nachdem sich das
Parlament einmal mit großer Majorität für die Zweckmäßigkeit der vom
Ministerium befolgten Politik ausgesprochen und die drei ersten Verträge
mit Braunschweig, Kassel und Hanau genehmigt hatte, standen den ferneren
Truppenlieferungen seitens Waldeck's, Anspach's und Zerbst's um so
weniger Hindernisse im Wege, als die betreffenden Verträge sich in ihren
wesentlichen Bestimmungen an ihre Vorgänger anlehnten und zum Theil
günstiger für England waren. Es genügt hier also die kurze Bemerkung,
daß die drei letzten Verträge ohne jede Debatte von beiden Häusern
angenommen wurden.

Uebrigens verhielt sich die öffentliche Meinung Europa's diesem
Menschenhandel gegenüber im Ganzen ziemlich gleichgültig. Es waren nur
die hervorragendsten Geister Englands, Frankreichs und Deutschlands,
welche das Verbrechen in seiner ganzen Tragweite erkannten und an den
Pranger stellten. Während die Worte der Opposition im englischen
Parlament ungehört verhallten oder in den unvollständigen Berichten
seiner Sitzungen begraben wurden, nahm ein zu jener Zeit in Holland
lebender, kaum bekannter französischer Flüchtling, der zwölf Jahre
später Europa's größter Volkstribun wurde, im Namen der Menschlichkeit
und der Ideen des Jahrhunderts das Wort gegen England und die es
bedienenden deutschen Fürsten. Dieser Mann war kein geringerer als
_Mirabeau_, der revolutionäre Titan, der mit der alten Ordnung der Dinge
kämpfte und sie endlich glücklich über den Haufen werfen half, damals
noch nicht der vom Kampf ermüdete, vom Lebensgenuß erschöpfte Ringer,
der mit dem unterliegenden Königthum einen Vergleich eingehen wollte.
Seine der öffentlichen Meinung des denkenden Europa vorgelegte Anklage
hatte gerade deshalb einen so unermeßlichen Erfolg, weil ihre
begeisterten unwilligen Worte in der Sprache Rousseau's gedacht waren,
weil ihre ganze Anschauung in der Philosophie jener Zeit wurzelte; sie
wirkte deshalb so drastisch und unmittelbar, weil sie unbekümmert um
Herkommen, Ueberlieferung und Geschichte die schlummernde Thatkraft in
den Unterdrückten zu wecken suchte. Was uns jetzt als Phrase erscheint,
war im Munde Mirabeaus und seiner Zeitgenossen das höchste Pathos.

Der Titel dieser vom Landgrafen von Hessen eiligst aufgekauften und
darum höchst selten gewordenen Flugschrift heißt[6]: »_Rath an die
Hessen und die übrigen von ihren Fürsten an England verkauften Völker
Deutschlands_«. Ihr Inhalt folge hier unverkürzt; er lautet:

»Unerschrockene Deutsche! Welches Schandmal laßt Ihr Euch auf Eure edle
Stirne brennen? Ist es dahin gekommen, daß am Ende des achtzehnten
Jahrhunderts die Völker Mittel-Europa's die Söldlinge eines verhaßten
Despotismus spielen? Ist es dahin gekommen, daß die braven Deutschen,
die ihre eigene Freiheit so verzweifelt gegen die Eroberer der Welt
vertheidigten und den römischen Heeren Trotz boten, gleich elenden
Negern verkauft werden und ihr Blut im Interesse der Tyrannen zu
verspritzen suchen? Ist es dahin gekommen, daß unter Euch Menschenhandel
getrieben, Eure Städte entvölkert, und Eure Lande ausgesaugt werden, um
übermüthige Lords in der Verwüstung einer andern Hemisphäre zu
unterstützen? Wollt Ihr die blinde Verstocktheit Eurer Herren noch
länger theilen? Ihr, wackere Soldaten! Die treuen und festen Stützen
ihrer Macht! jener Macht, die ihnen nur zum Schutze ihrer Unterthanen
anvertraut wurde! Ihr seid verkauft und für welchen Zweck? Gerechter
Himmel! Wie Vieh in fremden Schiffen zusammengepfercht, werdet Ihr
über's Meer geführt! Ihr trotzt den Klippen und Stürmen, um gegen Leute
zu kämpfen, die Euch nicht gekränkt haben, die eine gerechte Sache
verfechten und die Euch das herrlichste Beispiel geben! Ach! warum ahmt
Ihr sie nicht nach, diese muthigen Männer, anstatt daß Ihr sie zu
verderben sucht? Sie brechen ihre Ketten, sie kämpfen für die Wahrung
ihrer natürlichen Rechte, für die Sicherung ihrer Freiheit. Sie reichen
Euch die Hand entgegen; sie sind Eure Brüder; die Natur hat sie dazu
gemacht und gesellige Bande haben diesen heiligen Titel bestätigt. Mehr
als die Hälfte dieses Volkes besteht aus Euren Landsleuten, Freunden und
Verwandten. Sie sind bis an's Ende der Erde geflohen, um der Tyrannei zu
entgehen, und die Tyrannei verfolgt sie bis dahin. Unterdrücker, die
ebenso habgierig als undankbar sind, haben Ketten für sie geschmiedet
und die hochsinnigen Amerikaner haben Waffen aus diesen Ketten
geschmiedet, zum Widerstande gegen die Unterdrücker. Die neue Welt steht
daher im Begriffe, Euch zu den Ungeheuern zu zählen, welche sie aus
Geld- und Blutdurst verheert haben! Deutsche, die Ihr Euch immer durch
Biederkeit auszeichnetet, schreckt Ihr nicht zurück vor einem solchen
Vorwurfe?

Muß man zu diesen Beweggründen, die auf alle Männer so überzeugend
wirken, auch noch jene fügen, welche das Interesse von Sklaven ebenso
nahe berühren, wie das freier Bürger? Wißt Ihr denn auch, welch ein Volk
Ihr anzugreifen im Begriffe seid? Wißt Ihr wohl, welche Kraft im
Fanatismus für die Freiheit ruht? Es ist dies der einzige Fanatismus,
den man nicht hassen kann, sondern achten muß, und doch ist er der
mächtigste unter allen Arten von Fanatismus. Ihr kennt ihn nicht, blinde
Menschen, die Ihr vor dem gehässigsten Despotismus kriecht, welcher Euch
zum Verbrechen treibt, und Euch doch noch frei dünkt; Ihr kennt ihn
nicht, Ihr, welche die Laune der Habgier eines Despoten gegen Leute
bewaffnen kann, die sich um das ganze Menschengeschlecht verdient
machen, weil sie dessen Sache verfechten und ihm ein Asyl bereiten.

Oh ihr Söldlinge und Tyrannenknechte! Entnervte Europäer! Ihr geht zum
Streit gegen Männer, die stärker, tüchtiger, kühner und rascher sind als
Ihr möglicher Weise sein könnt! Sie sind von großartigen Interessen
beseelt, Euch leitet nur schmutziger Gewinn; sie vertheidigen ihr
Eigenthum und kämpfen für ihren häuslichen Heerd, Ihr verlaßt Euren
Heerd und kämpft nicht für Euch selbst. Sie führen Krieg im Schooße
ihres Vaterlandes, unter einem gewohnten Klima, unterstützt von allen
Hülfsmitteln, welche die Heimath bietet, und zwar gegen eine Bande,
welche der Ozean ausgespieen hat, nachdem er sie zur Niederlage reif
gemacht. Die mächtigsten und heiligsten Beweggründe entflammen ihren
Muth und leiten ihre Schritte zum Sieg. Führer, die Euch verachten,
während sie Euch benützen, werden der unwiderstehlichen Beredsamkeit der
Freiheit, des Bedürfnisses und der Nothwendigkeit, nur leeren Wortkram
entgegenzusetzen haben. Endlich, um das Ganze in _ein_ Wort
zusammenzufassen, ist die Sache der Amerikaner eine gerechte, während
Himmel und Erde diejenigen verdammen, die zu unterstützen Ihr Euch nicht
schämt.

Deutsche, wer hat Euch diese Kampfwuth, diese barbarische Mordlust,
diese abscheuliche Hingebung an die Tyrannei eingeflößt?.... Nein! ich
will Euch nicht mit den fanatischen Spaniern vergleichen, die aus Lust
an der Zerstörung zerstörten, die sich in Blut badeten, als die
erschöpfte Natur ihre unersättliche Habgier einer noch wildern
Leidenschaft Platz zu machen zwang. Edlere Gefühle und leichter zu
entschuldigende Irrthümer mißleiten Euch. Diese Treue gegen Eure
Fürsten, welche schon Eure Vorfahren auszeichnete; diese Gewohnheit zu
gehorchen, ohne zu bedenken, daß es Pflichten gebe, die heiliger sind
als der Gehorsam und welche allen übrigen vorangehen; diese
Leichtgläubigkeit, welche Euch der Leitung einiger unüberlegter und
ehrgeiziger Männer folgen heißt -- das sind Eure Fehler; aber sie werden
zu Verbrechen, wenn Ihr nicht am Rande des Abgrundes inne haltet. Schon
sind sich Eure Landsleute, die Euch vorangegangen, ihrer Blindheit
bewußt und die Wohlthaten dieses Volkes, das sie noch vor kurzer Zeit
abschlachten halfen und welches sie jetzt, wo es nicht mehr das Schwert
des Henkers in ihren Händen sieht, wie Brüder behandelt, erschweren ihre
Gewissensbisse und vervielfältigen ihre Reue.

Zieht Nutzen aus ihrem Beispiele, Soldaten! Denkt an Eure Ehre, denkt an
Eure Rechte! Habt Ihr nicht denselben Anspruch darauf wie Eure Fürsten?
Ja, ohne Zweifel, aber diese Wahrheit ist noch nicht genug
ausgesprochen. Menschen stehen höher als Fürsten, die größtentheils
dieses Namens nicht würdig sind. Ueberlaßt es ehrlosen Hofschranzen und
Gotteslästerern, die königlichen Vorrechte und deren Unbeschränktheit zu
preisen, und vergeßt nicht, daß Alle nicht für Einen gemacht wurden, daß
es eine höhere Macht giebt als fürstliche Macht, daß der, welcher ein
Verbrechen zu begehen befiehlt, keinen Gehorsam verdient und daß mithin
Euer Gewissen der höchste unter Euren Herrschern ist. Fragt dieses
Gewissen, und es wird Euch sagen, daß Ihr Euer Blut nur für das eigene
Vaterland vergießen sollt, daß es abscheulich ist, einige tausend Meilen
weit zu gehen, um Leute niederzumetzeln, die kein anderes Verhältniß zu
Euch kennen als ein solches, das ihnen Euer Wohlwollen sichern sollte.

Das Mutterland giebt vor, einen gerechten Krieg zu führen, während es
sich selbst erschöpft, um seine Kinder zu verderben. Es verlangt seine
Rechte und will dieselben nur mit dem Donner der Schlacht besprechen.
Aber habt Ihr diese Rechte -- mögen sie nun wohl begründet sein oder
nicht -- geprüft? Steht es Euch zu, in dieser Streitsache zu Gericht zu
sitzen? Steht es Euch zu, das Urtheil zu fällen oder es zu vollstrecken?
Und worauf laufen diese leeren Ansprüche, die so zweifelhaft sind und so
viel bestritten wurden, am Ende hinaus? Der Mensch hat überall, in der
ganzen Welt ein Recht auf Glückseligkeit. Dies ist das höchste Gesetz,
dies ist der beste Rechtsanspruch. Kolonisten ziehen nicht hinaus und
bebauen wilde Gegenden, vermehren die Macht und vergrößern den Ruhm des
Mutterlandes, um von diesem unterdrückt zu werden. Und wenn sie
unterdrückt werden, so haben sie ein Recht, das Joch abzuschütteln, denn
das Joch wurde nicht für den Menschen gemacht.

Und wer sagte Euch, daß die Engländer das Aechtungs-Urtheil, das über
die Amerikaner gesprochen wurde, unterzeichnet haben? Wackere Deutsche!
Schmäht nicht durch einen solchen Verdacht eine Nation, die große Männer
und vortreffliche Gesetze hervorgebracht, die das heilige Feuer der
Freiheit so lange in ihrem Busen genährt hat und deshalb Achtung und
Rücksicht verdient. Ach! Auf den britischen Inseln wie überall in der
Welt wiegelt eine kleine Zahl ehrgeiziger Menschen das Volk auf und
führt allgemeines Unglück herbei. Die Engländer wurden unglücklicher
Weise in einen Krieg mit ihren Brüdern verwickelt, weil auch unter ihnen
der Despotismus seit einigen Jahren mit Erfolg die Freiheit bekämpfte.
Schmeichelt Euch nicht mit dem Gedanken, daß Ihr die Sache der Engländer
vertheidigt. Ihr kämpft nur für die Vergrößerung der Macht gewisser
Minister, welche sie verachten und verabscheuen.

Wollt Ihr die wahren Beweggründe kennen lernen, welche Euch die Waffen
in die Hand gaben? Eitler Luxus und übermäßige Verschwendung haben die
Finanzen der Fürsten, die Euch beherrschen, zu Grunde gerichtet. Ihre
Hülfsquellen sind erschöpft und das Vertrauen ihrer Nachbaren haben sie
zu oft getäuscht, als daß sie sich von Neuem an sie wenden könnten. Um
es wiederzugewinnen, müßten sie auf jene verschwenderischen Ausgaben und
auf die tollen Genüsse verzichten, deren Befriedigung ihre wichtigste
Beschäftigung ist. Dazu können sie sich nicht entschließen, das wollen
sie nicht thun. England braucht Soldaten und Geld und kauft beides zu
theueren Preisen. Eure Fürsten beuten dieses augenblickliche Bedürfniß
mit der größten Gier aus; sie heben Truppen aus, verkaufen sie und
liefern sie ab. Das ist die Bestimmung Eurer Armee, dies das Ziel, dem
Ihr entgegen geht. Euer Blut ist der Preis der Verderbtheit und der
Spielball des Ehrgeizes. Das Geld, welches der Schacher mit Eurem Leben
einträgt, wird zur Bezahlung schändlicher Schulden verwendet oder zur
Kontrahirung neuer benutzt werden. Ein gieriger Wucherer, eine
verächtliche Maitresse oder ein gemeiner Komödiant wird die Guineen in
die Tasche schieben, welche gegen Euer Leben eingetauscht wurden.

O Ihr blinden Verschwender, die Ihr mit Menschenleben spielt und die
Früchte ihrer Arbeit und ihres Schweißes vergeudet, späte Reue und
nagende Gewissensbisse werden Eure Henker sein; aber diese können das
Volk nicht trösten, das Ihr unter Eure Füße tretet. Ihr werdet Eure
Arbeiter und deren Ernten, Eure Soldaten und Unterthanen vermissen, Ihr
werdet weinen über das Unheil, dessen Urheber Ihr gewesen und das Euch
selbst wie Euer ganzes Volk erdrücken wird. Ein furchtbarer Nachbar
lacht über Eure Blindheit und bereitet sich vor, daraus Nutzen zu
ziehen. Er schmiedet bereits die Ketten, in die er Euch schlagen wird;
Ihr werdet unter der Last seines Joches seufzen und Euer Gewissen,
welches dann gerechter sein wird als Euer fühlloses Herz, wird die
rächende Furie des Uebels sein, welches Ihr gethan habt.

Und Ihr, betrogene, erniedrigte und verkaufte Völker, Ihr solltet über
Eure Irrthümer erröthen! Laßt den Schleier von Euren Augen fallen und
flieht den Boden, der vom Despotismus befleckt ist. Durchkreuzt das
Meer, flieht nach Amerika; aber umarmt Eure Brüder, vertheidigt dieses
edle Volk gegen die übermüthige Raubsucht seiner Verfolger, theilt sein
Glück und vermehrt seine Stärke. Helft ihm durch Euren Fleiß und eignet
Euch seine Reichthümer an, indem Ihr sie vergrößert; dies ist der Zweck
der Gesellschaft, dies ist die Pflicht des Menschen, den die Natur dazu
bestimmt hat, seinen Nächsten zu lieben, anstatt abzuschlachten. Lernt
von den Amerikanern die Kunst, frei und glücklich zu sein, die Kunst,
gesellschaftliche Einrichtungen zum Vortheile jedes Mitgliedes der
Gesellschaft zu verwenden. Vergeßt in den geräumigen Zufluchtstätten,
welche sie der duldenden Menschheit eröffnen, die Bethörung, deren
Theilnehmer und Opfer Ihr waret. Begreift, was wahre Größe, wahrer Ruhm
und wahres Glück ist. Mögen europäische Völker Euch beneiden und die
Mäßigung der Bürger der neuen Welt segnen, die darauf verzichten werden,
sie für ihre Verbrechen zu bestrafen und ihre entvölkerten Gebiete zu
erobern, welche von tyrannischen Unterdrückern beherrscht und von den
Thränen elender Sklaven befeuchtet werden.«

Der Landgraf von Hessen, nicht zufrieden mit dem Aufkauf der
Mirabeau'schen Schrift, suchte diese sogar durch eine Antwort zu
widerlegen, welche den Titel führte: »_Vernünftiger_ Rath an die Hessen«
und sich selbstredend auf die feudalen Legitimitätslehren stützte.
Mirabeau entgegnete ihm aber in einer »Erwiderung auf den vernünftigen
Rath«, worin er, durch die Beweisführung des Gegners genöthigt, mehr auf
die leitenden Grundsätze eingeht. »Wenn die Gewalt -- sagt er dort --
willkürlich und unterdrückend wird, wenn sie das Eigenthum angreift, zu
dessen Schutz sie eingesetzt ist, wenn sie den Vertrag bricht, welcher
ihr ihre Rechte sicherte und beschränkte, dann wird der Widerstand
Pflicht und kann nicht Empörung heißen. Wenn das nicht wahr ist, dann
sind die Holländer sammt und sonders Verbrecher und Empörer. Wer sich
bemüht, seine Freiheit wieder zu erlangen und für dieselbe kämpft, der
übt ein gesetzliches Recht aus; die Empörung dagegen ist eine durchaus
gesetzliche Handlung. Das Verbrechen gegen die Freiheit der Völker ist
die größte Unthat.«

Gegen diese und ähnliche Ausführungen ließ der Landgraf durch seinen
Minister _Schlieffen_ Artikel in die holländischen Zeitungen rücken,
welche damals die gelesensten, weil einzig zensurfreien, waren. Auf
Seiten Mirabeau's kämpfte noch der bekannte Abt Raynal, gegen den sich
bald die ganze Wuth des Angriffs richtete, weil seine historischen
Arbeiten ihm einen weitern Leserkreis sicherten, und er damals der
Bekanntere von Beiden war.

Uebrigens scheint Schlieffen sich Mirabeau gegenüber nicht bloß auf eine
literarische Fehde beschränkt zu haben. Einige Anzeichen deuten vielmehr
darauf hin, daß er an der Auslieferung seines Gegners durch die
Generalstaaten nicht unbetheiligt war. Mirabeau und Sophie waren am 7.
Oktober 1776 in Amsterdam angekommen und lebten hier still und
zurückgezogen, bis sie durch einen französischen Polizeispion entdeckt
und am 14. Mai 1777 verhaftet wurden. Der »Avis aux Hessois« war zu
Anfang 1777 erschienen. Nun behaupten zwar die Biographen Mirabeau's,
daß lediglich der alte Marquis und die Eltern Sophie's die Verhaftung
der Flüchtlinge verlangt und durch den französischen Minister Vergennes
unterstützt, auch bewirkt hätten; allein die Quellen, die sie anführen,
sind sehr lückenhaft und theilweise sogar ganz hinfällig. So ist es z.B.
unmöglich, daß am 14. Mai die Verhaftung auf Grund eines Urtheils hätte
erfolgen können, welches, wie das in Pontarlier gegen Mirabeau und
Sophie erlassene, am 10. Mai 1777, also nur vier Tage früher
gesprochen war. Ein Erkenntniß lag also noch nicht vor, als die
Auslieferungsverhandlungen begannen; es waren vielmehr nur
Familienrücksichten und persönliche Rache der nächsten Angehörigen,
welche mit Hülfe der französischen Diplomatie das betreffende Gesuch an
die Generalstaaten stellten. Eine Verpflichtung derselben konnte nicht
geltend gemacht werden; der Privatantrag eines französischen Grafen,
wenn er auch vom Minister unterstützt wurde, gab noch keinen Grund ab,
ihm willfährig zu sein. Selbst befreundeteren Mächten als der damaligen
französischen Regierung gegenüber, hatten die Generalstaaten ganz
besonders eifersüchtig das Asylrecht gewahrt, und wenn ihnen zu jener
Zeit Mirabeau auch nur als eine gewöhnliche katilinarische Existenz
galt, wie sie zu Dutzenden in Amsterdam lebten, so lag doch nach
holländischer Anschauung keine Veranlassung vor, gegen ihn
einzuschreiten. Es müssen also noch andere Gründe mit untergelaufen
sein, welche das gegen Mirabeau heraufziehende Unheil zum Ausbruch und
den Becher zum Ueberlaufen brachten. Und sollten nicht gerade hier die
Klagen des kasseler Landgrafen und seines Ministers Schlieffen
Beschwerden die letzten Tropfen, wenn nicht die bestimmenden Faktoren
gewesen sein? Derartige Beeinträchtigungen des Geschäfts, wie sie der
Rath an die Hessen enthielt, griffen den Landgrafen an seiner
empfindlichsten Seite an. Die Holländer hatten alle Ursache, ihn zu
schonen; sie waren seine alten Kunden und Geschäftsfreunde. Seine Brüder
und Vorfahren hatten in holländischen Diensten gestanden oder standen
noch darin; kurz die Generalstaaten thaten im eignen Interesse wohl
daran, einem so gewissenhaften Lieferanten sich gefällig zu zeigen.
Zudem war der Dienst, den er verlangte, nicht sehr groß; einem Mann wie
Mirabeau gegenüber, der die herrschende Gewalt gegen sich hatte, konnte
man um so leichter über Bedenken und Zweifel hinwegkommen, als
Frankreich's Minister ja auch thätig für den die Auslieferung
verlangenden Vater mit eintrat.

Am 10. Mai 1777 schrieb der damalige amerikanische Geschäftsträger in
Holland, C.W.T. Dumas aus Amsterdam an den Ausschuß der auswärtigen
Angelegenheiten in Philadelphia (Dipl. Corresp. IX., 318), daß der
Verfasser des »Rathes an die Hessen« verhaftet werden solle, was, wie
oben angegeben, wirklich einige Tage später geschah. Warum, sagt der in
jeder Beziehung gut unterrichtete Dumas nicht, daß Mirabeau
ausgeliefert werden solle, warum nennt er diesen, der in den politischen
Kreisen allgemein als Verfasser dieser Flugschrift bekannt war, nicht
mit seinem Namen und bezeichnet ihn kurzweg als politischen
Schriftsteller? Offenbar doch nur, weil er dessen persönliche
Verhältnisse nicht kannte oder weil er sie in einem politischen Berichte
für ganz untergeordnet hielt, kurz, weil er die Verhaftung des Mannes in
eine sachliche Verbindung mit seiner Flugschrift brachte und weil diese
Angelegenheit für seine Auftraggeber von großem politischen Interesse
war.

Nach Mirabeau kam Raynal an die Reihe, gegen den sich freilich nur mit
der Feder, wenn auch unglücklich polemisiren ließ. »Es ist schlimm --
sagt Schlieffen in einer 1782 französisch geschriebenen Antwort gegen
den »Deklamateur« Raynal, welche füglich als Muster der hessischen
»wahren Philosophie« gelten kann, -- daß die Menschen sich unter
einander erwürgen; aber sie haben es von Nimrod an gethan bis auf Louis
XVI.; es ist schlimm, daß sie zuweilen sich, ja ihre Unterthanen wegen
fremden Streites vermiethen, aber es ist immer so gewesen von den
Griechen an bis auf die Schweizer. Die 10,000 Griechen unter Xenophon
waren dem jungen Cyrus wegen der Bezahlung gefolgt. Xantippus, der
Besieger des Regulus, war ein lacedämonischer Söldling in Carthago.
Warum also unsere Zeitgenossen für ein Vergehen verantwortlich machen,
welches zu allen Zeiten dasselbe war und in der menschlichen Natur zu
liegen scheint?

Im Mittelalter war die Gewohnheit, sich zu vermiethen, allgemein,
namentlich bei den Deutschen, daher auch der heutige hessische
Subsidien-Vertrag vielleicht der zehnte seit Anfang des Jahrhunderts.
Ende vorigen Jahrhunderts schickte Venedig die Hessen nach Griechenland
gegen die Türken; sie belagerten Athen und brachten ihrem Herrn für
seine Museen Alterthümer von dort mit. Der Landgraf tritt also nur in
die Fußtapfen seiner Vorgänger; aber diese verminderten die Steuern
nicht, bauten nicht, erwiesen dem Lande keine Wohlthaten. Sein Volk
liebt ihn wie einen Segen spendenden Vater; seine Stände errichten ihm
schon bei Lebzeiten eine Statue. Und diesen Fürsten wagt ein Abbé
Raynal, der ihn gar nicht kennt, geizig, geldgierig zu nennen!

Aber was geht dieser Krieg, heißt es, deutsche Fürsten an? Für Anhalt
und Waldeck mag das der Fall sein; aber der Landgraf und Prinz von
Hessen, sowie der Herzog von Braunschweig sind mit dem englischen
Königshause nahe verwandt; ihre Nachkommen können eines Tages den
englischen Thron besteigen.

Die Entfernung und das Klima schaden nichts. England, Frankreich und
Spanien führen dort auch Krieg; die Hessen sind jetzt sechs Jahre dort
und haben verhältnißmäßig nicht viel Leute verloren. Aber schadet diese
Entvölkerung dem Lande nicht? Sie würde es vielleicht in einem großen
Lande thun. In einem kleinen Staate dagegen ist das Verhältniß ein
anderes, so lange hier Hände genug für den Landbau und die Industrie
vorhanden sind. Die Hessen würden, wie die Schweizer, auch sonst in's
Ausland wandern und somit dem Staate ohne Vortheil verloren gehen.
Mißbräuche beim Einstellen unter's Militär mögen wohl hie und da
vorkommen, allein das sind Ausnahmen. Wenn man den »Deklamatoren«
glauben wollte, so warteten diese uniformirten Sklaven, die von
barbarischen Herren zur Unterdrückung der Freiheit der neuen Welt
verkauft sind, nur auf die erste günstige Gelegenheit, um ihre Ketten
abzuschütteln. Aber die drei bei Trenton gefangenen hessischen
Bataillone liefern den Beweis des Gegentheils; nur wenige von ihnen
haben sich unter den Amerikanern niedergelassen.

In den Augen dieser Zwitterphilosophen gilt diese Gleichgültigkeit der
deutschen Soldaten gegen die Reize einer Gottheit, die ihnen so schön
gemalt wird, als der tiefste Grad der Erniedrigung der menschlichen
Vortrefflichkeit. In den Augen des unterrichteten Mannes dagegen ist es
nur eine verschiedene Anschauungsweise; denn der Hesse sieht ohne
Zweifel, daß der Amerikaner nicht freier ist, als er selbst; daß ein vom
Kongreß angestellter Oberst ein ebenso roher Vorgesetzter ist als der
vom Landgrafen ernannte, und daß ein Richter von Germantown nicht besser
als ein Amtmann von Kassel oder Ziegenhayn ist.

Es handelt sich vor Allem um die individuelle Freiheit; sie ist überall
prekär und Veränderungen unterworfen, wie die Gesundheit. Das Individuum
ist in Amsterdam, Paris und Genf eben so frei, unterdrückt und beengt.
Aber hüten wir uns, diese kostbare Freiheit mit der Sirene zu
verwechseln, die ihre Maske blos trägt, um die Unglücklichen zu
täuschen, die ihre verrätherische Stimme verführt, mit der gerühmten
politischen Freiheit mancher Staaten, welche der persönlichen Freiheit
häufig so schroff gegenüber steht, wie der härteste Despotismus. Die
Jahrbücher der Geschichte zeigen, daß die republikanischen Regierungen
eben so tyrannisch und grausam sind als die monarchischen. Der
aufgeklärte Bürger weiß, woran er sich zu halten hat; aber der
unwissende Enthusiast, der Schwachkopf, der nicht nachdenken kann, läßt
sich leicht vom Bilde dieser falschen Freiheitsgöttin verführen. Es ist
Zeit, daß die _wahre Philosophie_ uns gegen die traurigen Verführungen
ihrer Bastardschwester schütze.«

Größere Aufmerksamkeit als diese Zeitungs-Artikel und Abhandlungen
erregte jedoch der kleine Pamphletkrieg, der von den französischen
Feinden Englands und der deutschen Fürsten von Holland aus geführt wurde
und sich die Aufgabe stellte, die Amerikaner immer wieder siegen zu
lassen oder die Fürsten in den Augen des gebildeten Europa lächerlich
und verächtlich zu machen. Selbst Franklin schöpfte in seinen Briefen in
die Heimath oft, ohne es nur zu wissen, aus dieser keineswegs reinen
Quelle, wenn er z.B. als neueste erfreuliche Thatsache die im vorigen
Kapitel erwähnte Anekdote meldet, daß Friedrich der Große von den Minden
passirenden Hessen den Viehzoll erhoben habe, weil sie ja als Vieh
verkauft seien, wie er denn auch allen Ernstes glaubte, daß der Markgraf
von Anspach in Holland vom Pöbel verfolgt und verhöhnt worden sei. Die
englischen Oppositionszeitungen machten sich ein besonderes Geschäft
daraus, diese vom Parteiinteresse erfundenen Anekdoten weiter zu
verbreiten. Natürlich fanden sie in der damaligen amerikanischen Presse
stets ihr getreues Echo.

Unter diesen zahllosen Tendenzlügen hat besonders ein Brief unverdientes
Aufsehen gemacht und sich bis auf den heutigen Tag erhalten, den der
Graf Schaumburg, Prinz von Hessen-Kassel, am 8. Februar 1777 aus Rom an
den Oberbefehlshaber der hessischen Truppen in Amerika, von Hohendorff,
geschrieben haben soll; er hat der kritik- und gedankenlosen
Geschichtsschreibung so viel Kopfzerbrechens verursacht, daß die Frage
ob seiner Echtheit der Gegenstand verschiedener Artikel und Ausführungen
geworden ist. Dieser Brief scheint zuerst durch Löher's mehr
patriotisches als kritisches Werk über die Geschichte der Deutschen in
Amerika in der Heimath bekannt geworden zu sein. Er lautet:

»Baron Hohendorff! Ich erhielt zu Rom bei meiner Zurückkunft aus Neapel
Ihren Brief vom 27. Dez.v.J. Ich ersah daraus mit unaussprechlichem
Vergnügen, welchen Muth meine Truppen entfalteten, und Sie können sich
meine Freude denken, als ich las, daß von 1950 Hessen, die im Gefechte
waren, nur 300 entflohen. Da wären dann gerade 1650 erschlagen und ich
kann nicht genug Ihrer Klugheit anempfehlen, eine genaue Liste an
meinen Bevollmächtigten in London zu senden. Diese Vorsicht würde um so
mehr nöthig sein, als die dem englischen Minister zugesandte Liste
aufweist, daß nur 1455 gefallen seien. Auf diesem Wege sollte ich
160,050 fl. verlieren. Nach der Rechnung des Lords von der Schatzkammer
würde ich blos 483,450 fl. bekommen, statt 643,000 fl. Sie sehen wohl
ein, daß ich in meiner Forderung durch einen Rechnungsfehler gekränkt
werden soll, und Sie werden sich daher die äußerste Mühe geben, zu
beweisen, daß Ihre Liste genau ist und die seinige unrichtig. Der
britische Hof wendet ein, daß nur 100 verwundet seien, für welche sie
nicht den Preis von todten Leuten zu bezahlen brauchten.... Erinnern Sie
daran, daß von den 300 Lazedämoniern, welche den Paß bei Thermopylä
vertheidigten, nicht Einer zurückkam. Ich wäre glücklich, wenn ich
dasselbe von meinen braven Hessen sagen könnte. Sagen Sie Major Mindorf,
daß ich außerordentlich unzufrieden bin mit seinem Benehmen, weil er die
300 Mann gerettet habe, welche von Trenton entflohen. Während des ganzen
Feldzugs sind nicht 10 von seinen Leuten gefallen.« -- -- --

Wenn nur einer der Abschreiber sich die Mühe gegeben hätte, den
hessen-kassel'schen Truppenlieferungs-Vertrag vom 31. Januar 1776
nachzulesen, so würde er sofort den schlagendsten Beweis für die
Unechtheit des obigen Briefes gefunden haben. Der Landgraf von Hessen
hatte es nämlich, wie wir bereits im vierten Kapitel gesehen haben, für
vortheilhafter gehalten, den englischen Vorschlag, sich die Gefallenen
und Todten baar vergüten zu lassen, nicht anzunehmen, weil er ohne
Kontrolle sein wollte und weil er dadurch, daß er die nicht mehr
vorhandenen Soldaten auf der Präsenzliste noch eine Zeit lang
fortführte, mehr Geld in seine Tasche spielen konnte. Abgesehen von
diesem im Wesen der Sache liegenden Grunde, sind die äußeren
Unwahrscheinlichkeiten nicht minder groß. Einmal gab es keinen Grafen
von Schaumburg, Prinzen von Hessen-Kassel, dann aber gab es weder einen
Herrn von Hohendorff, noch einen Major Mindorf, endlich aber war es zu
jener Zeit unmöglich, daß ein Brief vom 27. Dezember schon am 8. Februar
in Rom sein konnte. In England selbst traf die Hiobspost von der
Niederlage bei Trenton erst gegen Mitte Februar ein; eine direktere
Verbindung mit Europa existirte damals aber nicht.

Dieser Brief ist nichts als die amerikanische Verballhornung eines
französischen Pamphlets, welches offenbar aus den Mirabeau'schen
Kreisen hervorgegangen ist und im Anhang nachgelesen werden mag; er
erschien in den vierziger Jahren, zur Blüthezeit der nativistischen
Bewegung, als ein »Campaignpaper« gegen die Fremden, besonders uns
Deutsche, und Herr Löher, scheint es, hat ihn auf Treu und Glauben als
echt angenommen und aus einer St. Louiser Zeitung abgeschrieben. In
Amerika glaubt man noch heute an seine Echtheit.

Uebrigens ist nichts unwahrer und verlogener, als die weinerliche
Sentimentalität, mit welcher kleinstaatliche deutsche Offiziere für den
Landgrafen von Hessen gerade wegen dieses Briefes in die Schranken
getreten sind. Als ob ein deutscher Fürst einer so zynischen Offenheit
gar nicht fähig gewesen wäre! Zu welchem Zwecke stiehlt er denn tausend
und aber tausend Unglückliche, als um Geld aus ihnen herauszuschlagen?
Zu welchem Ende bittet der Herzog von Braunschweig den englischen
Minister, die bei Saratoga geschlagenen Braunschweiger ja nicht in die
Heimath zurückzuschicken? Doch aus keinem andern Grunde, als um sich
durch die wahre Schilderung, welche die Zurückgekehrten voraussichtlich
von ihren Leiden in Amerika machen würden, die Fortsetzung des
gewinnreichen Geschäfts nicht zu verderben. Warum reist der Markgraf von
Anspach so eilig aus der Residenz ab, daß er sogar seine Uhr auf dem
Tische liegen läßt und nicht einmal ein frisches Hemd mitnimmt, ja,
warum begleitet er im rauhen Winter seine Truppen bis Holland? Einfach,
weil er eine neue Meuterei und den Verlust seiner Subsidien befürchtet
und weil er nicht beabsichtigt, einen so reichen in Aussicht stehenden
Gewinn fahren zu lassen. Die sittliche Entrüstung über den Verfasser
dieses »monströsen« Briefes ist also gar nicht am Platze, dagegen ist
sie den Fürsten gegenüber, die Anlaß zu seiner Erfindung gegeben haben,
vollkommen gerechtfertigt. Der Pamphletist hat nur die logischen
Folgerungen aus den fürstlichen Prämissen gezogen. Wer in Fleisch und
Blut handelt, will natürlich auch seine Waare bezahlt haben; je mehr er
erhält, desto besser! Das ist ein einfaches Rechen-Exempel.
Aufstellungen und Berechnungen, welche den Gegenstand des fraglichen
Briefes bilden, wurden von den bei der Seelenverkäuferei betheiligten
Fürsten fast täglich beim englischen Ministerium eingereicht; sie
stritten sich jahrein, jahraus mit diesem um Pfennige, Groschen und
Thaler herum, und einem einzigen Todten wurde lediglich aus finanziellen
Gründen mehr Aufmerksamkeit erwiesen, als fünfzig Lebendigen. Der
Pamphletist hat also nichts gethan, als den gegebenen Fall in seinen
haarsträubenden Konsequenzen ausgeführt und dadurch das Treiben der
deutschen Fürsten in seiner ganzen Verächtlichkeit gezeigt.

Daß übrigens die Versicherungen dieser Herren von ihrer unbegränzten
Treue, ihrem gehorsamen Ersterben, ihrer unterthänigen Verehrung der
hohen Tugenden ihres erhabenen und großherzigen Beschützers, des Königs
von England, in Wirklichkeit wenig oder vielmehr gar nichts bedeuteten,
daß sie schnöde Redensarten waren, um sich desto besser und glatter ein
gewinnbringendes Geschäft zu sichern, diese Thatsache ergiebt sich ganz
unmittelbar aus einem Briefe, den Franklin am 9. August 1780 aus Passy
an den Präsidenten des Kongresses richtete. »Der deutsche Fürst --
schreibt er -- der mir vor einigen Monaten anbot, dem Kongreß Truppen zu
liefern, dringt wiederholt auf Antwort. Ich machte ihm keine große
Hoffnungen, sondern gab ihm zu verstehen, daß Sie voraussichtlich einen
derartigen Vorschlag nicht annehmen würden.« (Franklin's Werke VIII.,
490.) Wer dieser von Franklin nicht genannte Fürst war, ist ganz
gleichgültig. Er handelte jeden Falls im Einklang mit der Ueberlieferung
seiner Standesgenossen, welche -- siehe S.21 und 22 -- womöglich ihre
Truppen an beide Krieg führenden Parteien verkauften. Wenn der
persönliche Haß gegen »die Rebellen« auch groß war, ihr Geld war nicht
schlechter als das englische, und wenn man einen guten Vertrag bekam, so
lag gar nichts daran, ob der verkaufte Soldat auf republikanischer oder
königlicher Seite fiel.

In derselben vernichtenden Weise wie Mirabeau und seine politischen
Freunde spricht sich auf deutscher Seite Schiller in »Kabale und Liebe«
gegen den Soldatenhandel aus. Er hatte wie Mirabeau persönlich, wenn
auch nicht so lange Zeit, den Despotismus kennen gelernt und zeichnete
also nach der Natur. Die grausige Darstellung eines Zustandes, in
welchem der Privilegirte Alles wagen konnte, der Unglückliche Alles
verlieren mußte, bildet den Vorwurf eines Stückes, dessen zweiter Akt
speziell auf die Unglücklichen zurückkommt, welche von ihren Fürsten
nach Amerika verkauft waren. Es geschieht dies an der Stelle, wo die
gutherzige Lady Milford -- es ist charakteristisch für die Zeit, daß
eine fremde Maitresse die edelste Person an einem deutschen Hofe ist --
voll Verachtung und Entsetzen die Diamanten zurückweist, als sie
erfährt, daß sie mit dem für die verkauften Soldaten gewonnenen Gelde
beschafft sind. »Gestern -- sagt der Kammerdiener -- sind 7000
Landeskinder nach Amerika fort die zahlen Alles; ich habe auch ein paar
Söhne darunter.« »Doch keine gezwungenen?« fragt die Lady. »O Gott nein
-- fährt der Kammerdiener fort -- lauter Freiwillige! Es traten wohl
etliche vorlaute Bursche vor die Front und fragten den Obersten, wie
theuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? Aber unser gnädigster
Landesfürst ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschiren und
die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr
Gehirn auf's Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: _Juchhe nach
Amerika!_ Die Herrlichkeit hättet Ihr nicht versäumen sollen, wie uns
die gellenden Trommeln verkündigten, es ist Zeit, und heulende Waisen
dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wüthende Mutter
lief, ihr säugendes Kind am Bajonette zu spießen, und wie man Braut und
Bräutigam mit Säbelhieben auseinander riß, und wie Graubärte
verzweiflungsvoll dastanden und den Burschen noch zuletzt die Krücken
nachwarfen in die neue Welt! O! und mitunter das polternde
Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte beten hören! --
-- Noch am Stadtthore drehten sie sich um und schrieen: Gott mit Euch,
Weib und Kinder! Es lebe unser Landesvater, am jüngsten Gerichte sind
wir wieder da!«

Als Modell des hier gezeichneten Landesvaters hat dem Dichter offenbar
der Markgraf von Anspach gedient, dessen Truppen sich beim Ausmarsche
empörten, während in Lady Milford eher die Gräfin Franziska Hohenheim,
die Maitresse des würtembergischen Herzogs, als Lady Craven, die
Maitresse des Anspachers, geschildert zu sein scheint. Es war übrigens
ein Glück für den jungen Dichter und für Deutschland, daß in Folge der
preußischen Chikanen Karl Eugen mit dem englischen Minister des Handels
nicht einig wurde, und daß demnach die würtembergischen Truppen zu Hause
blieben, denn sonst hätte der junge »Regimentsmedikus« sehr leicht eine
»Berufsreise« nach Amerika antreten und die Studien zu seiner
Nadowessischen Todtenklage unter den Mohawks oder Mohikans machen
können.

Wenn Schiller auch die Stimmungen und Gefühle eines großen Theils der
gebildeten deutschen Jugend ausspricht, so verhielt sich Deutschland im
Ganzen doch gleichgültig gegen diese erzwungene Betheiligung seiner
Söhne am amerikanischen Kriege. Eine eigentliche politische Ueberzeugung
und selbständige politische Interessen, folglich politische Parteien,
gab es vor 1789 in Deutschland nicht. Politische Fragen im heutigen
Sinne des Wortes kannten damals selbst die bedeutendsten Geister der
Nation kaum. Es ist eine in dieser Beziehung höchst charakteristische
Erscheinung, daß unser größter deutscher Dichter, der im ersten Jahre
des amerikanischen Krieges seinen Triumpheinzug in Weimar hielt und
gerade während desselben seinen Ruhm in Deutschland fest begründete, daß
_Goethe_ so wenig von den Ereignissen jenseits des Ozeans berührt wurde,
daß er sie höchstens zwei Mal vorübergehend erwähnt. Das eine Mal spielt
er ziemlich schüchtern und versteckt auf den Soldatenhandel an. Es
geschieht dies, wie neuerdings überzeugend von Adolf Schöll nachgewiesen
wurde, in dem 1781 verfaßten Scherzgedichte: »Das Neueste aus
Plundersweilen.« Es wird hier gleich zu Anfang die Erweiterung des Ortes
und die Zunahme seiner Bevölkerung gerühmt, dann heißt es:

    »Und zwar mag es nicht etwa sein,
    Wie zwischen _Kassel und Weißenstein_,
    Als wo man emsig und zu Hauf'
    Macht Vogelbauer auf den Kauf,
    Und sendet gegen fremdes Geld
    Die Vöglein in die weite Welt.«

Weißenstein ist die jetzige Wilhelmshöhe bei Kassel. In der Nähe befand
sich ein Gefängniß, dessen Insassen mit der Anfertigung von Vogelkäfigen
beschäftigt wurden, welche man im Großen zu verkaufen pflegte. Während
man auf diese Weise dem auswärtigen Gefieder Quartiere schaffte, wurden
die werthvollsten und einheimischen Vögelein, die kriegsfähigen, jungen
Leute nach den norddeutschen Häfen getrieben, um in Amerika (der weiten
Welt) zu dienen. Dies ist der Sinn der obigen zahmen Satire, bei deren
Druck Goethe die Worte Kassel und Weißenstein ausgelassen hatte, welche
erst Schöll aus dem von ihm eingesehenen Original der Dichtung ergänzte.
Das andere Mal drückt sich Goethe weniger vorsichtig aus. Es ist dies im
siebenzehnten Buche von _Wahrheit und Dichtung_, wo er von seiner eben
mit Lili geschlossenen Verlobung sprechend (»Es war ein seltsamer
Beschluß des hohen über uns Waltenden, daß ich in dem Verlaufe meines
wundersamen Lebensganges doch auch erfahren sollte, wie es einem
Bräutigam zu Muthe sey. Ich darf wohl sagen, daß es für einen gesitteten
Mann die angenehmste aller Erinnerungen sey.«) und zum Besondern
zurückkehrend, das ruhige Glück des Zeitungslesens preist und die
gebietenden Mächte der damaligen politischen Welt schildert. Nachdem er
Friedrich den Großen, Katharina II. und Gustav III. von Schweden
erwähnt, fährt er, den Kampf des letztern mit seinem Adel berührend,
fort:

»Die Aristokraten, die er unterdrückt, werden nicht bedauert; denn die
Aristokratie überhaupt hatte keine Gunst bei dem Publikum, weil sie
ihrer Natur nach im Stillen wirkt und um desto sicherer ist, je weniger
sie von sich reden macht; und in diesem Falle dachte man von dem jungen
König um desto besser, weil er, um dem obersten Stande das Gleichgewicht
zu halten, die unteren begünstigen und an sich knüpfen mußte.

Noch lebhafter aber war die Welt interessirt, als ein ganzes Volk sich
zu befreien Miene machte. Schon früher hatte man demselben Schauspiel im
Kleinen gern zugesehen; Corsika war lange der Punkt gewesen, auf den
sich aller Augen richteten; Paoli, als er, sein patriotisches Vorhaben
nicht weiter durchzusetzen im Stande, durch Deutschland nach England
ging, zog aller Herzen an sich, es war ein schöner, schlanker, blonder
Mann voll Anmuth und Freundlichkeit; ich sah ihn in dem Bethmann'schen
Hause, wo er kurze Zeit verweilte und den Neugierigen, die sich zu ihm
drängten, mit heiterer Gefälligkeit begegnete. Nun aber sollten sich in
dem entfernteren Welttheile ähnliche Auftritte wiederholen; man wünschte
den _Amerikanern_ alles Glück und die Namen _Franklin_ und _Washington_
fingen an, am politischen und kriegerischen Himmel zu glänzen und zu
funkeln. Manches zur Erleichterung der Menschheit war geschehen, und als
nun gar ein neuer wohlwollender König von Frankreich die besten
Absichten zeigte, sich selbst zur Beseitigung so mancher Mißbräuche und
zu den edelsten Zwecken zu beschränken, eine regelmäßig auslangende
Staatswirthschaft einzuführen, sich aller willkürlichen Gewalt zu
begeben, und durch Ordnung, wie durch Recht allein zu herrschen; so
verbreitete sich die heiterste Hoffnung über die ganze Welt, und die
zutrauliche Jugend glaubte sich und ihrem ganzen Zeitgeschlechte eine
schöne, ja herrliche Zukunft versprechen zu dürfen.«

Eine dritte Stelle gehört eigentlich nicht hierher; allein, da sie
Goethe's Bezugnahme auf Amerika aus dieser Periode abschließt, so möge
sie, da sie eine weitere Perspektive eröffnet, hier noch einen Platz
finden. »Lili, sagt er im neunzehnten Buche von Wahrheit und Dichtung,
hatte geäußert, sie unternehme wohl aus Neigung zu mir, alle dermaligen
Zustände und Verhältnisse aufzugeben und mit nach Amerika zu gehen.
Amerika war damals vielleicht noch mehr als jetzt das Eldorado
derjenigen, die in ihrer augenblicklichen Lage sich bedrängt fanden.«
Soweit Goethe. _Klopstock_ und _Lessing_ zeigten ein kaum mehr als
oberflächliches Interesse für den amerikanischen Krieg. Nur von _Kant_
wissen wir, daß er auf's Lebhafteste Partei für die Vereinigten Staaten
gegen England ergriff und daß er durch die ruhige, überlegene Begründung
seines Urtheils sogar einen bisher leidenschaftlichen Anhänger der
königlichen Sache, seinen spätern Freund, den Engländer Green zu sich
herüberzog.

Von den literarischen Zeitgenossen zweiten Ranges verherrlichten
_Nicolai_ und sein Kreis den amerikanischen Krieg in schwülstiger Prosa
und noch schwülstigerer Poesie, über welche letztere, namentlich die
Oden, der Göttinger Professor _Schloezer_ mit Geist und Hohn die Lauge
seines Spottes ausschüttete. Unter den damaligen Dichtern hat u.A. der
Schwabe _Schubart_ einige Lieder hinterlassen, welche begeistert die
amerikanische Revolution feiern: so das übrigens sehr schwache
Freiheitslied eines Kolonisten, welches dadurch interessant ist, daß den
damaligen Deutschen der noch viel weniger als unbedeutende alte Israel
Putnam als amerikanischer Freiheitsheld galt. Obschon 1776 geschrieben,
wird Washington nicht einmal mit dem bloßen Namen erwähnt. Von den
deutschen Soldaten dagegen nahmen die hervorragensten Zeitgenossen kaum
Notiz. Nur in dem von G. Waitz veröffentlichten Werke _Karoline_
(geborene Michaelis und später verehlichte Böhmer, A.W. Schlegel und
Schelling) findet sich ein beredeter Schrei der Entrüstung, welcher der
jugendlichen, noch nicht neunzehnjährigen Briefstellerinn alle Ehre
macht. Sie war mit Frau Schloezer von Göttingen nach Kassel gefahren, um
dort deren von der Reise zurückgekehrten Mann, den genannten berühmten
Publizisten abzuholen. »Ich habe Kassel gesehen, schreibt sie am 16.
April 1782 an eine Freundinn. Im Hinweg wohnten wir auch in Münden einem
merkwürdigen, aber traurigen Schauspiel bei, der Einschiffung der
Truppen nach Amerika. Welch eine allgemeine mannigfaltige grause
Abschiedsszene! Die Gegend um Münden ist so romantisch, daß sie zu solch
einer Szene wie geschaffen zu sein scheint. Dir, liebe Louise, brauche
ich nicht zu sagen, wie mir Kassel gefallen hat; nur machte mich der
Gedanke unwillig, daß der Landgraf in Münden Menschen verkaufte, um in
Kassel Paläste zu bauen. Wir logirten auf dem Königsplatz. Die Kolonade,
wo ich die Wachtparade aufziehen und auch, mit allem Respekt
gesprochen, das Vieh, den Landgrafen sah, hat mir vorzüglich gefallen.
Schloezer kam mitten in der Nacht.«

Deutschlands Ton angebende Klassen endlich betrachteten diesen
Soldatenhandel einfach als ein fürstliches Hoheitsrecht und fanden es
nicht einmal der Mühe werth, ein Wort darüber zu verlieren. Nun sagt
zwar _Niebuhr_ in seiner Geschichte des Zeitalters der Revolution: »Je
mehr die Subsidienkontrakte mit England gehässig und verflucht waren, um
desto mehr nahm man Antheil an der Sache Amerika's. Die Stimmung war so
sehr aus aller natürlichen Fassung gerückt, daß die Nachricht von der
Gefangennehmung deutscher Truppen durch Washington 1776 allgemein Jubel
statt Schmerz erregte;« allein der treibende Grund lag doch wohl mehr im
persönlichen Hasse und in persönlicher Erbitterung als in politischer
Erkenntniß. Ein deutscher Schweizer, _Georg Müller_, Bruder des
Geschichtsschreibers Johannes Müller und näherer Freund Herders, trieb
-- allerdings ein einzig dastehendes Beispiel! -- seinen
schaffhausenschen Konservatismus so weit, daß er über England nach
Amerika gehen wollte, um gegen die »Rebellen« zu kämpfen. Im
entgegengesetzten Sinne ließ sich der Bruder _Johannes Müller_, mit
einer sentimentalen Ueberschwänglichkeit der Unwissenheit, die später
bei uns durch _Rotteck_ u.A. zum widerlichen Gemeinplatz breit getreten
wurde, über den Unabhängigkeitskrieg aus: »Von der andern Seite des
Weltmeeres, sagte er, leuchtete eine reizende Flamme der Freiheit mit
elektrischer Kraft für die Westeuropäer, mit anziehender Kraft für die
empor, welche ihrer Nachkommenschaft Genuß der Menschenrechte und
sichern Wohlstand verschaffen wollten.«

Die Massen endlich waren so gedrückt, arm, unwissend und an blinden
Gehorsam gewöhnt, daß sie die Willkür ihrer Herrscher als eine Fügung
des Schicksals geduldig hinnahmen.




Elftes Kapitel.


Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, die Zahl der von jedem der
betheiligten Fürsten gelieferten Soldaten ganz genau festzustellen, so
lange nicht sämmtliche deutsche Archive dem Forscher geöffnet werden.
Die englischen Quellen, so zuverlässig sie sich sonst auch in den
unbedeutendsten, die deutschen Miethstruppen betreffenden Einzelheiten
erweisen, reichen deshalb nicht überall aus, weil in ihnen sehr häufig
die Kontingente der einzelnen Staaten unter der allgemeinern Bezeichnung
»deutsche Rekruten« oder »deutsche Verstärkungen« zusammengefaßt sind.

Die von Schloezer in seinen Staatsanzeigen (VI, 521) zuerst
veröffentlichte Berechnung ist, so viel sich nach den vorhandenen
Materialien beurtheilen läßt, mit nur geringen Ausnahmen richtig. Sie
stützt sich, wie aus der gleichlautenden Abschrift in den anspacher
Manual-Akten hervorgeht, auf den amtlichen Bericht des hannöverschen
Majors Niemeyer vom Dragoner-Regiment v. Estorff, »der als verordneter
Kommissar beim Transport die Ausschiffung der deutschen Truppen und
deren General-Return zu überwachen hatte.« Nur bei Anspach findet sich
ein erheblicher Fehler, indem 717 vom Markgrafen gelieferte Rekruten und
Jäger bei Berechnung des dortigen Kontingents ausgelassen, also im
Ganzen nur 1644 statt 2383 Mann aufgeführt sind. Es bleibt ferner
fraglich, ob die Angabe bei Hanau korrekt ist, wo die Zahl der zu
verschiedenen Zeiten verkauften Soldaten zusammengezogen wurde; jeden
Falls kommt sie aber dem wirklichen Sachverhalt sehr nahe, wenn sie ihn
nicht völlig deckt; überhaupt stimmen im Wesentlichen die Angaben
Niemeyers mit den Berechnungen der englischen Musterungsoffiziere und
den sonstigen, vom Verfasser benutzten Quellen überein. Ganz unbedingt
zuverlässig sind sie aber, soweit die Zahl der zurückgekehrten Truppen
in Betracht kommt, da Niemeyer hier überall als der die Ausschiffung und
Weiterbeförderung leitende Beamte die Waffengattung und den jedesmaligen
Rang der Angehörigen der einzelnen Kontingente spezifizirt, während er
über die früheren Einschiffungen nur von Hörensagen und auf Angaben
Dritter hin berichtet. Die von ihm und Schloezer mitgetheilten Zahlen,
nach Berichtigung der nachweisbaren Irrthümer, gehen aus der
nachstehenden Tabelle hervor. Darnach haben im Ganzen geliefert,
verloren und zurückerhalten:

  1) _Braunschweig_ als Subsidien   4,300
          Rekruten im März  1777      224
             "     "  April 1778      475
             "     "  April 1779      286
             "     "  Mai   1780      266
             "     "  April 1782      172
                            -------------
                   Im Ganzen                             5,723 Mann.
                            -------------
  Zurückgekehrt im Herbst 1783           2,708
                   Verlust                     3,015


  2) _Hessen-Kassel_ als Subsidien 12,805
          Rekruten im Dzbr. 1777      403
              "    "  März  1779      993
              "    "  Mai   1780      915
              "    "  April 1781      915
              "    "  April 1782      961
                            -------------
                   Im Ganzen                            16,992 Mann.
                            -------------
  Zurückgekehrt im Herbst 1783
  und Frühjahr 1784                      10,492
                       Verlust                  6,500


  3) _Hessen-Hanau_ als Subsidien   2,038
          Rekruten im April 1781       50
              "    "  April 1782      334
                            -------------
                   Im Ganzen                             2,422 Mann.
                            -------------
  Zurückgekehrt im Herbst 1783            1,441
                       Verlust                    981

  4) _Anspach_ als Subsidien        1,285
                   Rekruten 1777      318
                       "    1779      157
                       "    1780      152
                       "    1781      205
                       "    1782      236
                            -------------
                   Im Ganzen                             2,353 Mann.
  Zurückgekehrt im Herbst 1783           1,183
                            -------------
                       Verlust                  1,170


  5) _Waldeck_ als Subsidien          670
          Rekruten im April 1777       89
             "     "  Febr. 1778      140
             "     "  Mai   1779       23
             "     "  April 1781      144
             "     "  April 1782      159
                            -------------
                   Im Ganzen                             1,225 Mann.
                            -------------
  Zurückgekehrt im Herbst 1783            505
                       Verlust                    720


  6) _Anhalt-Zerbst_ als Subsidien    600
          Rekruten im April 1779       82
             "     "   Mai  1780       50
     Vermehrung und
          Rekruten im April 1781      420
                            -------------
                       Total                             1,160 Mann.
  Zurückgekehrt im Herbst 1783            984
                            -------------
                     Verlust                      176
                                       -----------------------------
              Im Ganzen zurückgekehrt  17,313
                        Total-Verlust          12,562

      Gesammtzahl der gelieferten Truppen               29,875 Mann.

Auch die für jene Zeit kolossalen Geldzahlungen lassen sich nur
annähernd und mit großer Schwierigkeit feststellen. Es liegen zwar in
den »Journals of the House of Commons« die genau spezifizirten
Aufstellungen vor, welche das Kriegsministerium jährlich dem Parlamente
zur Genehmigung vorlegen mußte; indessen erstrecken sie sich nur auf den
ordentlichen Etat. Alle außerordentlichen Ausgaben mußten besonders
bewilligt werden und finden sich in den sogenannten »extraordinary
services« der Kriegszahlmeister versteckt. Ihre Rechnungen nehmen jedes
Jahr zwischen zehn und vierzig Folioseiten ein und enthalten oft unter
ganz anderen Ueberschriften die den deutschen Fürsten geschuldeten
außerordentlichen Summen. Nirgend begegnet man z.B. in diesen Rechnungen
der von Braunschweig ausbedungenen Zahlung für die Todten und
Verwundeten. Es scheint, daß die englischen Minister den Anstoß
vermeiden wollten, dem sie sich durch offene Bezeichnung dieser Rubrik
ausgesetzt haben würden; sie bringen deshalb auch nur Soldrückstände in
Anrechnung. Während sich nun ziemlich annähernd feststellen läßt, wie
viel England für die deutsche Hülfsleistung zu zahlen hatte, kann
dagegen nicht mit Bestimmtheit ermittelt werden, wie viel von den
gezahlten Summen für die Soldaten ausgegeben wurde, und wie viel in die
Taschen der Fürsten floß.

In der hier folgenden Aufstellung sind zu Gunsten der letzteren daher
nur diejenigen Beträge berechnet, welche ihnen auf Grund der
betreffenden Verträge rechtlich zukamen, d.h. die jährlichen Subsidien
und die Werbegelder, soweit sie in dem englischen Etat berechnet worden.
Sie kommen hier allerdings nur in den ersten Jahren vor; indessen waren
sie später nicht mehr so bedeutend als anfangs. Von ihnen mußten die
Fürsten allerdings die Rekrutirungskosten bestreiten, die namentlich
gegen Ende des Krieges immer mehr anschwollen; allein wenn man
andrerseits die englischen Zahlungen nicht in Anschlag bringt, welche
für Todte und Verwundete entrichtet wurden, wenn man ferner bei
Hessen-Kassel die Selbständigkeit in der Aufstellung seiner Etats in
Erwägung zieht, die jede Kontrolle unmöglich machte, und wenn man
endlich die doppelte englische Löhnung nicht vergißt, die in manchen
Fällen zwei Monate vor dem Abmarsch gezahlt werden mußte, so erhalten
nach dieser Aufstellung die deutschen Fürsten eher zu wenig als zu viel.
Der hessische Landgraf und sein Sohn setzten es auch sogar durch, daß
ihnen für ihre Offiziere Werbegelder bezahlt wurden. Natürlich steckten
die beiden Landesväter den Betrag in ihre eigene Tasche. So erhielt der
Landgraf am 12. Juni 1776 nachträglich an Handgeld für seine Offiziere
3992 Pfund, also 26,622 Thlr., wovon im Etat nichts steht. Für die
Ausrüstung und Equipirung der Soldaten zahlten sie nichts, sondern zogen
die Kosten dafür von der englischen Löhnung ab, indem sie den Soldaten
nur ¾ von letzterer verabfolgten. Da nun jeder derselben 8 Pence per
Tag erhielt, so mußte er sich einen Abzug von 2 Pence per Tag oder mehr
als 3 Pfund Sterling per Jahr gefallen lassen. Die zahllosen
Betrügereien aber, die sich sämmtliche Lieferanten, namentlich der
Landgraf von Hessen-Kassel, oft in sehr ausgedehnter Weise ihren Truppen
gegenüber zu Schulden kommen ließen, sind hier gar nicht in Anschlag
gebracht.

England zahlte also von 1775 bis 1785, da einzelne Subsidien noch zwei
Jahre nach der Rückkehr der Truppen fortdauerten, an etatsmäßig
verrechneten Ausgaben:

  für die Soldaten                         an den

  Hannover £      509,000. 16. 11½
  Braunschweig    644,346. 14.  2    Herzog £     178,689. --. 5½
  Hessen Kassel 2,152,037.  5.  9¾   Landgrafen 1,254,197. 16. 3
  Hessen Hanau    273,304.  3.  1¼   Erbprinzen   137,512.  6. 5¾
  Waldeck          90,528.  3.  4¼   Fürsten       57,788. 10. 3½
  Anspach         211,026.  5.  7½   Markgrafen   105,335.  4. 6½
  Anhalt Zerbst    79,088. 18.  6    Fürsten       43,052. 14. 9½
                -------------------              --------------------
  Im Ganzen   £ 3,959,332.  7.  6¼            £ 1,776,575. 12. 9¾

Löhnung, Subsidien und ein Theil der Werbegelder belaufen sich also
zusammen auf Lstr. 5,735,908. --. 4.

Dazu kommen noch über Lstr. 500,000 für Verpflegung der Truppen in
Amerika, die Transportkosten hin und zurück, Gratifikationen,
Reisespesen der englischen Kommissare, Geschenke und Ersatz des
schadhaft gewordenen oder verloren gegangenen Materials, so daß im
Ganzen wenigstens sieben Millionen Pfund Sterling oder annähernd fünfzig
Millionen preußische Thaler als Gesammtbetrag der englischen Kosten für
die deutsche Hülfe nicht zu hoch gegriffen sind. Diese Summe macht aber
wenigstens 120-150 Millionen Thaler nach heutigem Geldeswerthe aus.

Man darf hierbei nicht außer Acht lassen, daß die Fürsten die ganzen
Subsidien fast ungeschmälert behielten, da sie während der Abwesenheit
ihrer Soldaten die Steuern und Lasten so gut wie gar nicht herabsetzten.
Wenn sie es überhaupt thaten, so erreichte die Verminderung noch nicht
einmal annähernd den Betrag der Zinsen, welche sie von den ihnen
jährlich gezahlten englischen Kapitalien in Empfang nahmen. Verschiedene
der Soldatenhändler versprachen zwar beim Ausmarsch ihrer Truppen ihren
getreuen Unterthanen, die Lasten zu erleichtern, so oft es die
Bedürfnisse des Staates (d.h. Serenissimi) erlauben würden, allein war
es ein Zufall oder ein Unglück? die Bedürfnisse erlaubten es eben
niemals. Wir haben im vierten Kapitel gesehen, daß der Landgraf von
Hessen dem Lande den zur Kriegskasse fließenden Schreckenberger und die
Hälfte der erstmonatlichen Kriegs-Kontribution erließ, während der
Erbprinz von Hanau nur den Eltern und Frauen der Soldaten, sowie den
elternlosen Unteroffizieren und Gemeinen die Abgaben schenkte, der
übrigen Bevölkerung aber nicht den geringsten Nachlaß bewilligte. Der
Braunschweiger verwandte alle seine Einnahmen aus dem Soldatenverkauf
auf seine noblen Passionen und Tilgung seiner Schulden. Daß der
Waldecker und Zerbster den Sündenlohn als Ausfluß ihres göttlichen
Rechts ohne jeden Abzug in ihre Taschen steckten, versteht sich ganz von
selbst. Der anspacher Markgraf endlich gab der Markgrafschaft Bayreuth
einen solchen Bettelpfennig von seinem reichen Gewinn ab, daß er sich
wie der schnödeste Hohn auf seine ersten freigebigen Versprechungen
ausnimmt. Die anspacher Manual-Akten enthalten die genauen Belege für
diese schäbige Finanzoperation Serenissimi, welche den besten
zahlenmäßigen Beweis landesväterlicher Zuneigung liefert und deshalb in
ihren Hauptzügen hier angeführt werden soll.

Unmittelbar, nachdem Gemmingen den anspacher Vertrag mit Faucitt
abgeschlossen hatte, bat der bayreuthische Minister Seckendorff um die
Erleichterung der Markgrafschaft oberhalb des Gebirges. Seine
Forderungen waren bescheiden und billig. Er verlangte zunächst für die
Landschaft den Erlaß der Summen, welche sie bisher für das Militär
bezahlt hatte, wodurch man in den Stand gesetzt werde, die Abgaben um
wenigstens sechs Prozent zu verringern und namentlich die Bürgerschaft
von Bayreuth zu erleichtern, welche täglich 45-50 Mann für die Wachen
stellen mußte, was bei 10 oder 15 Kreuzer pr. Mann jährlich 4166 fl. 30
kr. resp. 4562 fl. 30 kr. ausmachte. Dann bat er während der Dauer der
englischen Subsidien für die bayreuthische Finanzkammer um Belassung
derjenigen 25,000 fl., welche sie bis dahin der anspacher Landschaft
hatte zahlen müssen. »Wenn nun unser gnädigster Herr nur einen Theil des
Profits der Subsidien zur Zahlung der Schulden der anspacher
Finanzkammer bestimmt, und wenn die letztere, was sie durch den Abmarsch
der Truppen spart, zur Zahlung ihrer Schulden verwenden darf, so wird
man über die Schnelligkeit erstaunen, mit welcher die sämmtlichen
markgräflichen Kassen sich aus der Noth helfen werden. Die Folge davon
wäre natürlich, daß auch die anspacher Unterthanen in ihren Abgaben
erleichtert werden könnten. Sobald ich von den Absichten Serenissimi
wegen der Verwendung des direkt und indirekt aus diesem Vertrage
hervorgehenden Profits unterrichtet sein werde, will ich einen Plan über
das Arrangement unserer Finanzen für die beiden Hauptkassen und die
Erleichterung unserer Unterthanen entwerfen. Wenn der Markgraf unsere
Prinzipien annimmt, so können Unterthanen und Gläubiger des Landes
dieses Unternehmen nur segnen. Alle Ungelegenheiten, die man davon
befürchtet, werden verschwinden, sobald eine nützliche Verwendung der
englischen Gelder stattfindet und die durch die Abwesenheit unserer
Truppen bedingten Ersparnisse eintreten. Wenn Serenissimus bald und
womöglich noch vor dem Abmarsch der Truppen erklärt, daß seine
Unterthanen durch eine verhältnißmäßige Verringerung der Abgaben
erleichtert werden sollen, so glaube ich, daß diese gute Nachricht auf
die Söhne der Unterthanen einen günstigen Einfluß ausüben und den Klagen
ihrer Eltern ein Ende machen wird. Eine solche Erklärung wird zugleich
ein Trost für das ganze Land sein und alle Beschwerden, allen Jammer
beseitigen.«

Allein der Markgraf trat den verständigen Absichten und Ansichten seiner
Minister nicht bei und hob die ersten 1285 Mann aus, ohne nur dem Lande
die geringste Gegenleistung zu versprechen. Erst im September 1777, als
er wieder zu neuen Aushebungen schreiten mußte, erinnerte er sich, wie
er selbst wiederholt hervorgehoben, »daß die Ueberlassung der beiden
Infanterieregimenter in englischen Sold vornehmlich aus der Ursache
eingeleitet worden sei, um die Schulden der Obereinnehmerinn möglichst
bald tilgen zu können. In Folge dieser gnädigsten Gesinnung wolle
Serenissimus Vorschlägen entgegensehen, wie viel den obergebirgischen
Landschafts- und Kämmerei-Kassen während der Zeit, daß die Truppen in
englischem Solde stehen, von ihren Contribuendis erlassen werden könne.«

Nach den Angaben der Minister hat die obergebirgische Landschaft
vertragsmäßig an »verwilligten Subsidien und Militärbeiträgen jährlich
127,485 fl. 36 kr., die obergebirgische Rentei aber jährlich 25,000 fl.
zu leisten, von welchen Beiträgen das ganze bayreuthische Militär
unterhalten wird.« Da nun ein theilweiser Erlaß dieser Kontribuenda der
Landschaft eine wesentliche Erleichterung gewähren wird, so schlägt der
Bericht vor, der Rentei die Hälfte d.h. 12,500 fl. und der
obergebirgischen Landschaft 40,000 fl. jährlich während der Dauer des
englischen Subsidienvertrages nachzulassen. Es wird berechnet, daß
dieses Erlasses ungeachtet, jährlich etwa 100,000 fl. der Schulden der
Landschaft, welche, soweit sie abtragbar sind, sich auf 1,326,639 fl.
belaufen, aus den Einnahme-Ueberschüssen abbezahlt werden können. Bei
dieser Berechnung sind die Einnahmen aus dem englischen Subsidienvertrag
außer Ansatz gelassen. Der Bericht weise nach, daß die reinen Einnahmen
aus demselben mehr als 100,000 fl. jährlich betragen. Es hänge natürlich
lediglich vom Ermessen Serenissimi ab, einen Theil auch dieser Einnahme
zur Tilgung der Schulden der Landschaft zu verwenden. Der Passus des
Reskriptes, in welchem die Vorschläge der Minister betreffs des Erlasses
an den Contribuendis genehmigt werden, lautet: »Nachdem Serenissimus von
Wegen der in englischen Sold überlassenen Infanterie-Regimenter und der
hierdurch erziehlten Ersparnüß auch der obergebirgischen Landschaft
einen reellen Vortheil zuflüßen lassen wollen, als deklariren Sie
hierdurch der obergebirgischen Landschaft, an dem vertragsmäßigen
Subsidien- und Militär-Beytrag von jährlich 127,485 fl. 36 kr.,
insolange gedachte Truppen in englischem Sold stehen, 40,000 fl. jedes
Jahr nachzulassen, welcher Nachlaß vom 1. März ab seinen Anfang nehmen
darf. Die Obereinnehmerey soll jedoch auf die Abführung des übrig
bleibenden Contribuendi von 87,485 fl. 36 kr. an die hiesige Landschaft
den sorgfältigen Bedacht nehmen.« Die 40,500 fl. sollen zur
Schuldentilgung verwandt werden, und behält sich Serenissimus vor, von
dem reinen Ueberschuß der englischen Subsidien eventuell einen Theil zu
demselben Zwecke der Landschaft noch zukommen zu lassen. Durch ein
weiteres Reskript wurde auch der obergebirgischen Rentei die Hälfte
ihres Contribuendi von 25,000 fl. erlassen, »hingegen sey die Abführung
des residui an die Obereinnehmerey sorgsamer Bedacht zu nehmen.«

Also mit anderen Worten brauchte Bayreuth während des amerikanischen
Krieges nur 100,000 fl. (genau 99,985 fl. 36 kr.) statt der ihm
vertragsmäßig obliegenden 152,485 fl. 36 kr. an den Markgrafen zu
zahlen, während England für jeden Soldaten, für jeden Sohn des Landes
nicht allein sämmtliche Kosten bestritt, sondern auch noch dem
Markgrafen Handgelder und Subsidien bewilligte. Derselbe Mensch, der aus
dem Blut seiner Unterthanen Millionen für sich münzte, verschmähte auch
ein kleines Geschäftchen nicht; er ließ sich seine Soldaten doppelt
bezahlen, erst von seinem Lande, dann von England und bewilligte jenen
nur einen Nachlaß von 52,500 fl. pr. Jahr. Ob Anspach auch in derselben
echt fürstlichen Weise begnadigt wurde, geht aus den Akten nicht hervor;
indessen ist nicht anzunehmen, daß es schlechter als Bayreuth behandelt
wurde.

Der Gesammtverlust der deutschen Truppen während eines beinahe
siebenjährigen Krieges stellt sich auf etwas mehr als vierzig Prozent
der gesammten Mannschaft; von bloß militärischem Gesichtspunkte aus
betrachtet ein durchaus günstiges Verhältniß, wenn man damit die
früheren oder späteren europäischen Kriege vergleicht. Es war aber
England's Interesse, den deutschen Soldaten dieselbe gute Verpflegung
angedeihen und dieselbe hohe Löhnung zahlen zu lassen, welche seine
eigenen Angehörigen erhielten. Wenn trotzdem z.B. 300 hessische
Grenadiere in einem einzigen Frühjahr vom Faulfieber dahingerafft
wurden, so war dieses Unglück eine Folge des Mangels an Reinlichkeit und
guter Pflege, dessen sich die hessischen Grenadiere und Offiziere
schuldig machten. Im Gefecht sind verhältnißmäßig wenige Leute gefallen,
wie denn überhaupt alle damals gelieferten Schlachten heutzutage nur als
ernstliche Plänkeleien gelten würden; die Meisten kamen durch
klimatische Krankheiten, angestrengte Märsche, übermäßige Strapazen und
Entbehrungen und ungewohnte Lebensweise um. In der Schlacht bei Monmuth
starben z.B. 28 hessische Grenadiere am Sonnenstich. Nach geschlossenem
Frieden blieben mehrere hundert Braunschweiger und Hessen mit
Genehmigung ihrer Vorgesetzten in Amerika. Ein Theil ging auch durch
Desertion verloren. Amerikanische und ihnen gläubig nachschreibende
deutsche Schriftsteller haben vielfach die Ansicht verbreitet, als sei
der deutsche Soldat, wo sich nur eine Gelegenheit dazu geboten habe,
eiligst desertirt. Wenn je eine Angabe irrig war, so ist es diese. Die
Amerikaner hatten allerdings stark auf die Desertion der deutschen
Soldaten gerechnet und gaben sich alle mögliche Mühe, sie zu gewinnen;
indessen halfen ihre Bemühungen nicht viel. Schon Ende August 1776
passirte der Kongreß einen Beschluß, worin er allen hessischen (d.h.
deutschen) Deserteuren ein ansehnliches Stück Land zur Ansiedelung
versprach. Franklin ließ dieses Dokument in's Deutsche übersetzen und in
Staaten Island unter den dort lagernden Truppen vertheilen. Er schlug
dem General Gates vor, den Aufruf als Umschlag für Tabackspackete zu
gebrauchen und ihn auf diese Weise denjenigen leicht zugänglich zu
machen, an deren Adresse er gerichtet war. Das Mittel zog aber nicht.
Ja, selbst in der Gefangenschaft blieben diese Leute mit einer, der
besten Sache würdigen Treue bei ihren Fahnen und wiesen die lockendsten
Anerbietungen und Verheißungen zurück. So desertirten von den bei
Saratoga gefangen genommenen und zuerst in Cambridge bei Boston während
eines strengen Winters in Haft gehaltenen Braunschweigern kaum 80 Mann,
trotzdem daß der französische Oberst Armand (Marquis de la Rouerie)
neben dem Lager der Gefangenen am Winterhill ein Werbebureau für seine
Freikorps errichtet hatte und es, da er selbst des Deutschen mächtig
war, an Versuchungen zur Desertion nicht fehlen ließ. Diejenigen
Deserteure, die sich von ihm hatten annehmen lassen, trieben ihre
Unverschämtheit so weit, daß sie in ihren amerikanischen Uniformen zu
Pferde und zu Wagen zum Winterhill kamen und ungestraft ihre früheren
Kameraden auffordern durften, ihrem Elend durch Uebertreten zu ihnen ein
Ende zu machen. Im schroffen Gegensatze dazu steht allerdings ein nur
vereinzelt vorgekommener Fall, indem der Sergeant Flachshaar am 14.
September 1778 aus Newyork schreibt: »Ich weiß nicht, was es ist.
Verschiedene Hessen wissen ihre Ehre nicht zu estimiren, denn sie
desertiren so stark, daß es eine Schande ist. Bei dem Marsche von
Philadelphia hierher sind allein an 400 Mann desertirt. Se. Exzellenz
der Herr Generallieutenant von Knyphausen haben deßwegen auch schon
etliche vom hessischen Korps aufhängen lassen.«

Trotz alledem war im Verlauf des Krieges die Desertion unter den
Deutschen geringer als unter den Engländern; namentlich hielten sich die
in Süd-Karolina und Georgia stehenden Regimenter trotz aller
Entbehrungen und Strapazen viel besser als jene. Unsere Quellen
enthalten die zahlreichsten Belege für diese Thatsache. Wenn man
bedenkt, daß z.B. im Februar 1782 wegen zu starker Desertion das zweite
Bataillon Delancey dem ersten und die Georgia Loyalisten den Kings
Rangers einverleibt wurden, ja daß die durch diese Verschmelzung außer
Gage gesetzten englischen Offiziere zum Feinde übergingen, wenn man
ferner bedenkt, daß von dem regulären englischen 60. Regiment innerhalb
drei Tagen sechszig Mann desertirten oder daß ganze Posten und
Kavallerie-Patrouillen mit Sack und Pack sich aus dem Staube machte, so
erscheint die als ein ganz außerordentliches, einzig dastehendes
Ereigniß gemeldete Desertion, welche drei und vierzig Mann des
hessischen Regiments Knoblauch vom 24. Januar bis 1. April 1782 aus
Savannah bewerkstelligten, verhältnißmäßig noch gering. »Die Desertion
betreffend -- schreibt am 21. Februar 1782 der Oberst Porbeck dem
Landgrafen -- glaube, daß hieran die Hoffnung, von hier weggelegt zu
werden und noch immer nicht erfolgt, schuld ist, indem sich Jeder vor
der herannahenden gräßlichen Sommerhitze und dabei grassirendem bösen
Faulfieber auf's Aeußerste fürchtet. Hierzu kommt noch, daß die
bösgesinnten Einwohner der Stadt sich alle Mühe geben, zur Desertion zu
bereden. Der hiesige Kommandant hat in der Garnison bekannt machen
lassen, wenn einer von diesen Einwohnern ausgemacht werden könnte, vor
solchen Lstr. 40 zu zahlen und den Thäter hängen zu lassen. An die
Negers, so Deserteurs eingebracht, hat jeder Kompagnie-Chef zwei Guinees
zur Aufmunterung dieser Leute bezahlt, damit solche desto aufmerksamer
sein möchten. Hierzu kommt noch: die neu errichteten Bataillons, so fast
mehren Theils aus weggelaufenen Rebellen bestehen und in hiesige Dienste
gezwungen werden, womit dieses (Knoblauchsches) Regiment Dienste thut,
veranlasset ebenfalls Beförderung der Desertion.«

Zu ganz derselben Zeit, am 20. Februar 1782 hatte John Martin,
General-Kapitain und Gouverneur von Georgien, einen durch unzufriedene
Einwohner und liederliche Frauenzimmer der Stadt unter die deutschen
Soldaten vertheilten, auch in deutscher Sprache gedruckten Aufruf
erlassen, worin er jedem englischen und deutschen Deserteur 200 Acker
Land, eine gute Kuh und zwei Mutterschweine zum Geschenk verspricht, so
bald er Einwohner »dieses Landes« werden wollte.

Unter diesen Umständen vermochten selbst die grausamsten Drohungen und
die strengsten Strafen dem einmal eingerissenen Uebel nicht vorzubeugen.
Die Engländer hingen jeden Deserteur, dessen sie habhaft wurden, die
deutschen Obersten ließen ihn ohne Weiteres erschießen, übertrafen sie
sogar noch an Freigebigkeit, indem sie den Häschern außer dem Fanggelde,
Alles schenkten, was der Deserteur außer der Waffe am Leibe und in den
Taschen trug. Bei einigen der Ergriffenen belief sich der vorgefundene
Baarbestand auf drei bis fünf Pfund, ein Beweis dafür, daß ihre Flucht
schon lange vorher geplant war. Der Landgraf von Hessen billigte trotz
oder vielmehr wegen seiner Sparsamkeit das Verfahren seiner
Regimentskommandeure als das geringere von zwei Uebeln. In der
Nachbarschaft von Charleston und Savannah kam es zu vollständigen
Menschenjagden mit obligaten Bluthunden und berittenen Häschern. Unter
den (jetzt in Marburg ruhenden) hessischen Papieren findet sich ein
kurzer Bericht, der in dürren geschäftlichen Worten ein ergreifendes
Drama entrollt.

Fünf Soldaten vom Regiment Knoblauch, drei geborene Hessen, ein
Brabander und ein Mannheimer, hatten zu Anfang März 1782 ihre gemeinsame
Flucht verabredet. In der Nacht vom 8. zum 9. verließen sie mit voller
Armatur Savannah und wandten sich landeinwärts. Inzwischen waren sie
verrathen worden. Berittene Milizen, unter Führung eines Kapitains
Bradley, verfolgten und entdeckten sie in der Nähe eines Swamp
(sumpfiges, häufig mit Bäumen bewachsenes Terrain). Sie trieben die
Flüchtlinge in den Sumpf hinein und umzingelten sie. Die Verfolgten
wehrten sich so gut sie konnten, suchten mit ihren Säbeln die Bluthunde
abzuwehren und gaben Feuer auf die in Mehrzahl auf sie eindringenden
Verfolger. Nach kurzem Gefecht fielen sie Alle und wurden in voller
Uniform in einem Loche verscharrt. Außer ihrem üblichen Fanggelde
erhielten die Häscher noch drei und eine halbe Guinee, die sie aus den
Taschen der Leichen zusammengesucht hatten. Unter diesen Deserteuren
befand sich auch ein junger Mann aus Hatterode, der einzige Sohn einer
Wittwe, deren ältester Sohn kurz zuvor im Hospital in Savannah am Fieber
gestorben war. Die Mutter hatte endlich bei der heimathlichen Behörde
einige Monate vorher die Freigebung des Ueberlebenden bewirkt und dessen
Zurückbeförderung tagtäglich erwartet. Jetzt erhielt sie die Nachricht
von dem Tode auch des zweiten Sohnes.

Auch die übrigen deutschen Truppen hielten sich soldatisch tapfer und
blieben in ihrer sehr großen Mehrzahl selbst im Unglück ihrer Fahne
treu. Die nach der Uebergabe von Yorktown in Frederick in Maryland
internirten Anspacher verloren kaum den achten Theil durch Desertion,
obgleich sie fast zwei Jahre lang in Gefangenschaft schmachteten und
sehr schlecht gehalten wurden. Es ist ein hoher Beweis für die
Tüchtigkeit und Disziplin der hessischen Regimenter, daß die Soldaten,
trotzdem daß ihre Reihen in den letzten Jahren des Krieges mit allem
möglichen Gesindel ausgefüllt wurden, in verhältnißmäßig geringer Zahl
desertirten und standhaft bis an's Ende aushielten. Bei den kleineren
Kontingenten kamen allerdings mehr Desertionen vor, allein gleichwohl
waren sie klein im Verhältniß zu den sich bietenden Gelegenheiten, zur
Unmöglichkeit der Habhaftwerdung der Deserteure und überhaupt zum
Charakter der damaligen Heeres-Organisation. Diese Angabe stützt sich
auf etwa vierzig Tagebücher von Offizieren, Unteroffizieren und
Gemeinen. Amerikanische Novellisten à la Cooper und deutsche
Tendenz-Schriftsteller werden zwar nicht müde, diese unglücklichen,
fremden Interessen geopferten Miethlinge als einen verächtlichen, kaum
des Widerstandes fähigen Haufen zu schildern; allein diese Phantasien
werden von den Thatsachen auf Schritt und Tritt Lügen gestraft. Die
hessische Infanterie jener Zeit war jedenfalls ebenso gut als die
preußische, die beste des Jahrhunderts. Sie hatte gemeinschaftlich mit
dieser die Schlachten des siebenjährigen Krieges gewonnen und sich im
vorigen Jahrhundert in allen Theilen Europa's durch ihre Tapferkeit,
Disziplin und Unverwüstlichkeit ausgezeichnet. Kaum in Amerika gelandet,
entscheidet sie hauptsächlich durch ihre Bravour den Feldzug des Jahres
1776 zu Gunsten der Engländer. Die amerikanische Landbevölkerung hatte
einen solchen Schrecken vor den Hessen mit ihren Bärenmützen und
Zuckerhüten, daß sie dieselben als eine Art Menschenfresser fürchtete,
und daß Washington, um diese Vorurtheile zu brechen, einen Theil der bei
Trenton gefangenen Hessen durch die Straßen Philadelphia's führen und
dem Volke zeigen ließ. »Die Herren Hessen machen Unmöglichkeiten
möglich«, meinte der sich ihnen ergebende amerikanische Kommandant des
Forts Washington. Die Braunschweiger bewährten in glücklichen und
unglücklichen Gefechten, bei Hobartstown, Bennington und Stillwater ihre
alte Tüchtigkeit und Tapferkeit, und wahrlich, sie so wenig als die
Hanauer trifft der Vorwurf, daß sie bei Saratoga in feindliche
Gefangenschaft fielen. Auch die kleineren Kontingente, namentlich die
Waldecker und Anspacher, schlugen sich sehr gut. Jene stürmten im Verein
mit den Hessen Fort Washington und kämpften in den letzten Jahren des
Krieges tapfer mit den Engländern in Florida und am Missisippi gegen die
Spanier; die Anspacher aber hatten im Norden ehrenvollen Antheil an der
Eroberung der Festen Clinton und Montgomery und im Süden an den Siegen
des Lord Cornwallis, mit dem sie freilich zuletzt in Yorktown in
Gefangenschaft geriethen. Wo aber die Mannschaften nicht viel taugten
und lediglich zum Festungsdienst, wie z.B. die Zerbster, verwendet
wurden, waren die Offiziere desto tüchtiger und durchgreifender.

Wenn die englischen Waffen gleichwohl unterlagen, so war es wahrlich
nicht die Schuld der deutschen Soldaten, sondern die Unfähigkeit der
verantwortlichen Offiziere und die Kurzsichtigkeit der englischen
Politik.

Es liegt natürlich außerhalb der Gränzen unsrer Aufgabe, die Mitwirkung
der deutschen Truppen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen Amerika's
eingehend zu schildern. Es möge deshalb die kurze Bemerkung genügen, daß
die Hülfstruppen nie selbständig auftraten, sondern den einzelnen
englischen Korps beigegeben waren und deshalb im Norden und Süden
überall mit zur Verwendung kamen. Wie an den Siegen des Jahres 1776 den
Löwenantheil, so hatten sie in der Folge auch an dem Unglück, welches
die englischen Waffen traf, ihr volles Maß. Wenn sich nun auch die
Hessen ihre Gefangennahme bei Trenton selbst zuzuschreiben hatten, so
sind die übrigen Kontingente dagegen an den Kapitulationen unschuldig,
in welche sie mitverwickelt wurden. Es ist nicht zu viel gesagt, daß der
leichtfertige Burgoyne sich bei Saratoga nicht würde haben ergeben
müssen, wenn er zur rechten Zeit auf den wohlmotivirten Rath eines so
erfahrenen Generals wie Riedesel gehört hätte. So geriethen denn die
Braunschweiger und das hanauische Regiment in amerikanische
Gefangenschaft, in welcher sie bis zum Ende des Krieges bleiben mußten.
Die Anspacher (1073 Mann stark), sowie die hessischen Regimenter
Erbprinz und Bose gehörten in den Jahren 1780 und 1781 zu Cornwallis'
Armee und mußten sich endlich mit ihr bei Yorktown dem General
Washington ergeben. Unter den Gefangenen befand sich auch der damalige
Jägerhauptmann spätere General Ewald, ein ausgezeichneter Offizier und
Militärschriftsteller, der nach seiner Rückkehr zuerst in preußische und
später in dänische Dienste trat und in der preußischen Armee den
Schützendienst nach amerikanischem Muster ausbilden half. Während die
Zerbster in Kanada blieben, wurden die Waldecker im fernsten Süden
verwandt und auf dem Umwege über Jamaica nach Florida geschickt. Hier
belagerten sie zu Anfang des Jahres 1781 Pensacola, wo beim Sturm auf
die Werke ihr Oberst Hanxleden fiel. Zwei ihrer Kompagnien, welche nach
Baton Rouge am Missisippi beordert waren, wurden von den Spaniern
gefangen genommen. Es mag hier als besondere Merkwürdigkeit erwähnt
werden, daß die Waldecker unter den Indianern bei Pensacola einen
Landsmann, Namens Brandenstein aus Königshagen fanden, welcher heimlich
aus dem Schlosse in Waldeck entwischt war und ihnen jetzt als
Dolmetscher gute Dienste leistete. Er stand als Häuptling an der Spitze
von etwa 2000 Indianern, deren Tracht er trug und von denen er sich nur
durch seine Gesichtsfarbe und seinen Bart unterschied.

Von den Beschwerden und Entbehrungen, unter denen die Soldaten
namentlich im Süden litten, kann man sich in Europa kaum annähernd einen
Begriff machen. Im Sommer herrschte eine ebenso unerträgliche Hitze als
im Winter grimmige Kälte; dabei gingen die langen Märsche durch
unangebaute, meist unwirthliche Gegenden, in welchen nur ausnahmsweise
Lebensmittel aufzutreiben waren. Der Sonnenstich war nichts Seltenes;
die Soldaten wurden einige Mal auf dem Marsche oft wahnsinnig vor Durst,
aus Hunger machten sie sich aus dem für ihre Zöpfe bestimmten Puder
häufig einen Brei. Auch in den Garnisonen hatten sie meist schlechte
Verpflegung und nur ausnahmsweise frisches Fleisch. Dabei Ungeziefer am
Leibe und Ungeziefer in der Luft und am Boden, namentlich aber die
blutgierigen Muskito's, welche den armen Teufeln den Schlaf raubten. Das
Lagern in den Sumpfniederungen erzeugte heftige Fieber. Das schlechte
Trinkwasser war ohne Rum gar nicht zu genießen. Für Bier und Wein,
welche den englischen Soldaten zugänglich waren, fehlte den Deutschen
das Geld. So stellte sich namentlich in den südlichen Garnisonen eine
große Sterblichkeit ein. Dazu kam die den deutschen Söldnern doppelt
gehässige Stimmung der Eingeborenen. Mit welcher Rücksichtslosigkeit
aber die armen Gefangenen behandelt wurden, mag in den treuen Berichten
der Frau v. Riedesel nachgelesen werden, welche deren Loos freiwillig
mehrere Jahre theilte. Es würde unter diesen Umständen ein Wunder sein,
daß die Regimentsverbände trotzalledem noch zusammenhielten, wenn nicht
eine grausame eiserne Disziplin den Dienst erzwungen hätte. Daß die
Soldaten, wenn sich nur eine Gelegenheit dazu bot, dagegen nicht blöde
im Zugreifen und Zerstören waren, versteht sich bei dem damaligen
Heeres-Charakter ganz von selbst. Ihre größte Klage ist, daß sich solche
Gelegenheiten so selten boten. Es findet sich in den anspacher
Manual-Akten die Beschreibung der Plünderung von Westfield und New
Brunswick im Staate New Jersey, die zugleich mit moralischen und
allgemeinen Betrachtungen durchflochten, das zu charakteristische
Produkt eines Landsknechts ist, als daß sie hier nicht ihren Platz
verdiente.

»Auf unserm letzten beschwerlichen Marsch -- schreibt der Soldat am 4.
Juli 1777 aus Staaten-Island -- hätten wir eine ganze Stadt mit allem
möglichen Vieh, Kupfer und Zinn, mit dem feinsten Weißzeug und allem
Hausrath versehen können. Unsere Leute haben mehr als zweihundert
Schweine erstochen und liegen lassen. Die Thränen stehen mir in den
Augen, wenn ich das schöne und glückliche Land betrachte und Zeuge sein
muß, wie Alles ruinirt wird. Es wird uns Alles Preis gegeben. Ich habe
mir einen ledernen Leibgurt machen lassen, um solchen mit Guineen zu
füllen. Ich kann Ihnen versichern, daß der Theil von Amerika, worinnen
wir sind, und den wir durchmarschirt, mit allem Rechte mit einem
Paradiese könnte verglichen werden, wenn der Teuffel, der allein Schuld
ist, den Samen der Zwietracht nicht ausgestreut hätte. Ewig Schade, daß
Alles ruiniret und verheeret wird! Das Herz blutete mir, als wir von
Brunswick zurückmarschirten, wo unsere Grenadier-Kompagnieen die
Arriere-Garde machten und alle Häuser in Brand stecken mußten. Selbst in
Brunswick blieb kein Haus und Fenster ganz, alle Mobilien wurden auf die
Gasse geworfen, worunter das allerschönste weiße Zeug, Zinn und Kupfer
war. Die Betten wurden aufgeschnitten und die Federn ausgeschüttet. Aus
Mangel an Wagen konnten wir nichts mitnehmen, außer einige Grenadiers
haben Sackuhren, silberne Löffel, Thee- und Kaffee-Kannen mitgenommen.
Die meisten Häuser sind herrlich und nach holländischer Art gebaut, und
mit den feinsten Tapeten garniret. Nichts als die Pracht, Ueberfluß und
Wollust hat die Leute zur Rebellion gebracht, denn kein angesessener
Einwohner arbeitet das Geringste; sie haben ihre Mohren, welche Sklaven
sind. Diese müssen das Land bearbeiten, und die Einwohner bringen ihr
Leben in Müßiggang zu. Wenn wir wieder kommen, so bringe ich Ihnen eine
schwarze Sklavinn mit.«

Die gemeinen Soldaten bestanden eben, wie das bei der Art ihrer
Aufbringung nicht anders sein konnte, aus allen möglichen Individuen,
vom verlaufenen Mönch und verkommenen Offizier an bis zum Studenten,
Handwerker, Künstler und Bauern. Daß aber selbst die gebildetsten unter
ihnen das an ihnen begangene Verbrechen nicht fühlten, für diese
beklagenswerthe Erscheinung liefert den schlagendsten Beweis der bereits
angeführte deutsche Dichter Johann Gottfried _Seume_. Derselbe war als
Student der Theologie zwischen dem kirchlichen Dogma und seinem Gewissen
in Widerspruch gerathen, und verließ, neunzehn Jahre alt, Leipzig, um in
Paris Mathematik zu studiren. Auf dem Wege dahin wurde er von
landgräflich hessischen Werbern aufgefangen und ohne Weiteres den nach
Amerika verkauften Rekruten einverleibt. Seume's Erzählung seiner
Pressung und erzwungenen Reise nach Amerika ist einer der werthvollsten
und interessantesten Beiträge zur Geschichte des fürstlichen
Menschenhandels. Zeigt sie auf der einen Seite, wie kein junger gut
gewachsener Reisender, mochte er nun Student oder Handwerker, Künstler
oder Kaufmann sein, seiner Freiheit sicher war und befürchten mußte, in
die Hände der Menschendiebe zu fallen, so beweist auf der andern Seite
die Ruhe und fast objektive Gleichgültigkeit, mit welcher Seume von
diesem frechen, gewaltsamen Eingriff in sein Leben spricht, wie wenig
Werth das Individuum seinem Ich beilegte, wie wenig selbst von den
gebildeteren Geistern der Zeit eine solche Rohheit empfunden wurde. Man
glaubt sich fast nach dem Königreich Dahomey versetzt, wenn man diese
Diebsstückchen des hessischen Landgrafen liest. Man vergegenwärtige sich
nur die Thatsachen! Ein sächsischer Student, der den hessischen
Landesvater kaum dem Namen nach kennt und ihm jedenfalls nichts zu Leide
gethan hat, wandert arglos auf der Landstraße nach Fulda. Dort wird er
überfallen, überwältigt und als Arrestant des Landgrafen nach dessen
Festung Ziegenhayn gebracht. Warum? Weil er die erforderliche Größe für
einen Soldaten hat, weil also Geld aus ihm herauszuschlagen ist und weil
er die Frechheit besitzt, sich seiner Haut zu wehren, seine persönliche
Freiheit, das Einzige, was er auf der Welt sein nennt, zu vertheidigen.
Ein ähnliches Schicksal mit Seume theilten hundert andere Unglückliche.
Als sie den an ihnen begangenen Gewaltakt durch ihre Selbstbefreiung
wieder sühnen wollten, erlagen sie und wurden beim Gassenlaufen halb
todt geprügelt -- »es war eine grelle Fleischerei«, bemerkte Seume --
zum Galgen verurtheilt oder aus Gnade von demselben Landgrafen, der sie
schamlos gestohlen hatte, in Kassel in die Eisen geschmiedet. Wer nicht
an den Mißhandlungen zu Grunde ging, ward dann wie ein Häring in's
Schiff eingepöckelt und in dieser Lage zu keinem andern Zweck, als um
den Beutel des hessischen Menschendiebes zu füllen, bis an's und über's
Meer geschafft.

Die schrecklichen Einzelheiten möge der Leser selbst in Seume's Leben
nachlesen und dann seine Schlüsse aus der Erzählung ziehen. Die
Theilnahmlosigkeit, die resignirte Ruhe, mit welcher Seume von sich
spricht und mit welcher er sein furchtbares Loos als eine humoristische
Schicksalstücke auffaßt, zeigt uns die empörende Wirkung dieser
kleinstaatlichen Willkür und Gewaltthätigkeit auf die Anschauung des
durch sie verwilderten deutschen Volkes. »Ich ergab mich -- sagt Seume
-- in mein Schicksal und suchte das Beste daraus zu machen, so schlecht
es auch war. Mir zerriß man meine akademische Inskription, als das
einzige Instrument meiner Legitimirung. Am Ende ärgerte ich mich weiter
nicht; leben muß man überall; wo so Viele durchkommen, wirst Du auch.
Ueber den Ozean zu schwimmen, war für einen jungen Kerl einladend genug,
und zu sehen gab es jenseits noch etwas. So dachte ich.«

In diesem Tone geht's fort. Für eine so harmlose idyllische Existenz
giebt es keinen Haß und keine Erbitterung, keinen Racheplan gegen den
Seelenverkäufer und seine Henkersknechte, ja kaum eine Hoffnung auf
Erlösung. Seume begreift gar nicht das an ihm begangene Unrecht und mit
dem leichtsinnigen Troste, daß das menschliche Leben kaum mehr als ein
schlechter Witz sei, hilft er sich über eine Situation hinweg, die sich
in jedem individueller ausgeprägten Charakter zum tragischen Konflikte
auf Leben und Tod zugespitzt haben würde. Folgerichtig bildet sich dann
später in dem von den Gewalthabern der Heimath verfolgten und unter
harten Kämpfen zum Manne herangereiften Dulder der ohnmächtige Grimm
gegen die schlechte Wirklichkeit zur kulturfeindlichen Schwärmerei für
wilde Natur und Freiheit aus. Er malt sich das Glück des Daseins unter
unverdorbenen, ursprünglichen Umgebungen in glänzenden Farben, macht, um
möglichst Naturmensch zu sein, Fußreisen nach Schweden oder einen
»Spaziergang nach Syracus«, oder flüchtet sich in die Wildniß zu den
kanadischen Indianern, die eben, »weil sie Europa's übertünchte
Höflichkeit nicht kennen, doch bessere Menschen sind als die Weißen«.
Diese schiefen Anschauungen à la Rousseau waren wahrer Balsam für die
Zeitgenossen Seume's, welche eben angefangen hatten, den Widerspruch
zwischen ihren gedrückten bürgerlichen Verhältnissen und ihren
himmelstürmenden Idealen zu erkennen, und vorläufig beim ersten Stadium
dieses geistigen Konflikts, bei einer schwächlichen Sentimentalität
angekommen waren.

Fern sei es, deshalb einen Stein auf den wackern Seume zu werfen. Er hat
redlich gestrebt und trotz aller persönlichen trüben Erfahrungen und
Widerwärtigkeiten den Glauben an die Menschheit nicht aufgegeben; allein
unser berechtigter Fluch treffe die Menschen und die Zeit, welche
energisch angelegte Naturen zu bloßen Spielbällen des Schicksals
erniedrigten und selbst in der Brust der edleren Geister das Gefühl der
persönlichen Würde und den Glauben an den Beruf ihrer Nation so
gründlich zu ersticken wußten, daß sie ihre Ideale bei den Wilden suchen
mußten. Leider hat Seume den mächtigen Aufschwung seiner Nation nicht
mehr erlebt, da er zur Zeit ihrer tiefsten Erniedrigung (1810) starb. In
einem wenig poetischen, aber politisch energischen Gedichte, welches er
in seinem Todesjahre an das deutsche Volk richtete, ist es wohlthuend,
seinen Haß und seine Verachtung der fürstlichen Seelenverkäufer,
wenigstens am Schluß seines Lebens, noch kräftig betont zu sehen.[7]

Unser Haß wende sich darum auch heute noch gegen jene jämmerliche
Kleinstaaterei, welche nur zu lange einer großen Minderheit des
deutschen Volkes die Gelegenheit zur Bethätigung in der Heimath entzogen
und jene Abenteurersucht, jenes Landsknechtsthum erzeugt hat, welches
sich in allen fünf Welttheilen mit seinem gesinnungslosen »Ubi bene, ibi
patria!« an den Pranger stellt, welches höchstens einen leeren
Unterthanendünkel, aber selbstredend keine stolzen, eines männlichen
Ringens würdige Ideale in der Brust des Einzelnen erzeugt und welches
uns bis vor Kurzem verhindert hat, uns zusammenzuraffen und ein
politisches Volk zu sein. Aus diesem Grunde ist der Deutsche auch noch
heute nur zu sehr reiner Privatmensch; er kennt in seiner großen
Majorität nur vorübergehende Stimmungen, schwankende Gefühle oder
schwächliche »Sentiments.« Für diese Mehrheit giebt es kein politisches
Gewissen, deshalb auch mit geringen Ausnahmen keine politische Pflicht.
In seiner Betheiligung an der Politik nimmt der Durchschnittsdeutsche
darum meistens die Miene eines vornehmen, herablassenden Gönners an, der
sich angeekelt und ermüdet zurückzieht, sobald sich die Ereignisse nicht
seinem Wunsche gemäß entwickeln.

Wie dem aber auch sein möge, die deutschen Truppen zeigten sich überall,
wo sie in's Feuer kamen, tüchtig und tapfer. Suffolk rühmt in besonderen
Belobungsschreiben an ihre Fürsten, namentlich das Hanauer Regiment,
welches bei Saratoga mit gefangengenommen wurde, und die Anspacher,
welche bei Yorktown dasselbe traurige Loos traf. Da das englische
Ministerium sonst, wo es nur konnte, auf Seiten seiner Lieferanten
Fehler zu entdecken bemüht war, um ihre Ansprüche möglichst
herunterzuschrauben, so kann dieses Lob sicher als aufrichtig und wohl
verdient gelten. So erfreulich es nun auch im Interesse der
freiheitlichen Entwicklung der Menschheit ist, daß unsere Landsleute in
jenem Kriege gemeinschaftlich mit den Engländern geschlagen wurden, und
so verdient und heilsam diese Niederlage auch war, so darf uns doch
diese Genugthuung nicht verhindern, der militärischen Tüchtigkeit und
bei allen Gelegenheiten bewiesenen Tapferkeit der deutschen Soldaten
volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Die Mehrzahl der deutschen Truppen wurde im Sommer und Herbst 1783 und
der kleinere Rest im Frühling 1784 wieder nach ihrer Heimath
eingeschifft. So trafen sie hier gegen Ende 1783 und im Laufe des Jahres
1784 wieder ein.




Zwölftes Kapitel.


Es bleibt uns zum Schluß noch übrig, der deutschen Offiziere und ihres
Verhältnisses zum Kriege sowohl und ihren englischen Kameraden, als auch
zur Krone England und zu ihren Landesvätern zu gedenken.

In ihrer großen Mehrheit fühlten sie das Schiefe und Demüthigende ihrer
Stellung nicht. Meist dem niedern Adel angehörend, der wenig mehr
gelernt hat als was er nothwendig für's Lieutenants-Examen braucht, und
der seit Jahrhunderten für Kost und Logis damals so gut seine Haut zu
Markte trug, wie noch heute, kannten sie, wie alle schlecht bezahlten
oder halb gebildeten Leute, gar nicht das Gefühl persönlicher Würde und
Verantwortlichkeit. Sie waren stolz darauf, zu dienen und Landsknechte
zu sein, die sich auf das Geheiß Serenissimi, ohne nach irgend einem
Grund zu fragen, an's andere Ende der Welt schaffen lassen und ebenso
gleichgültig für die schlechteste wie für die beste Sache kämpfen. Die
Lieutenants und die Subaltern-Offiziere jubelten, daß sie aus ihren
langweiligen Garnisonen ausrücken durften, daß sie von ihren Gläubigern
vorläufig nicht weiter gequält werden konnten, und malten sich das ferne
Land in den glänzendsten Farben aus, wo ihre Phantasie Alles zu finden
hoffte, was sie zu Hause nicht hatten. Nichts ist erklärlicher als
diese freudige Stimmung, wenn man sich die Verhältnisse dieser
kleinstaatlichen Truppen im Friedensstande vergegenwärtigt. Zu Hause
überall Kleinlichkeit und Armseligkeit, karge Besoldung, kümmerliche
Verpflegung, schlechte Behausung und langweiliger Dienst; in der Fremde
dagegen ein bewegtes Kriegsleben mit seinem steten Wechsel, seinen
Anregungen und Anspannungen, ja ein unbekannter Kontinent mit tausend
neuen, Auge und Geist gleichmäßig einnehmenden Erscheinungen und
Vorkommnissen, endlich ein großer, lange nicht mehr gekannter
Armee-Verband, doppelte Löhnung und reichliche, ja verschwenderische
Verpflegung und Aussicht auf schnelle Beförderung! Welcher junge
Offizier hätte da nicht mit Freuden zugegriffen und sich nicht glücklich
gepriesen, den Krieg in Amerika mitmachen zu dürfen?

Kaum dort angekommen, wurde ihm aber die Kehrseite der Medaille
sichtbar. Statt des geträumten Reichthums überall fast Noth und Mangel,
statt der gehofften Kameradschaft kaltes zugeknöpftes oder gar
höhnisches Wesen der englischen Offiziere, statt des raschen Avancements
geringe Verluste und meist langweiliger Dienst unter Strapazen und
Entbehrungen aller Art. »Daß alle Kapitains und Subalterne zu Fuß gehen
müssen -- schreibt der Lieutenant v. Molitor am 4. July 1777 aus dem
Lager von Staaten Island an den Hauptmann v. Ellrodt in Anspach -- habe
ich Ihnen schon gemeldet. Die Theuerung ist enorm. Was man bei uns in
theueren Zeiten vor einen Konventionsthaler kauft, das muß man hier vor
eine Guinee bezahlen. Unsere Leute bekommen Tag vor Tag gesalzen
Schweinefleisch und alten Zwieback. So lange wir auf dem Lande sind,
haben sie erst zwei Mal frisch Fleisch bekommen.« Noch mehr klagt der
Lieutenant Bartholomae in einem Briefe aus New-York am 9. Dezember 1779
an Gemmingen geschriebenen Briefe. »Wir anspacher Jäger sitzen auf
Spuytin Devil (gegenüber dem nördlichen Ende der Insel New-York).
Möchten Ew. Exzellenz ein Mittel ausfinden, wie ich auf gute Art
zurückkommen könnte. Ich muß hier schlechter als ein Bettler in
Deutschland leben, kann mir weder etwas sparen noch bei meinem
gegenwärtigen Dienste Ehre erwerben. Die große Theuerung und Anschaffung
der Equipage ist nicht auszuhalten. Wie thöricht war ich, den
amerikanischen Krieg mit dem deutschen zu vergleichen. Finden Sie ein
Mittel, wie ich nur mit Ehren aus diesem Fegefeuer, dieser Hölle erlöst
werden kann.« Bartholomae berechnet sein monatliches Einkommen auf
sechs Guineen und drei Thaler, welche ihm nach Abzug der doppelten
Provision bleiben. Davon gehen ab zwei Pfund für den Vorschuß, ein Pfund
für den Bedienten, ein Thaler für den Feldscheer oder Barbier, zwei
Thaler für die Wäscherinn; mithin bleiben drei Guineen für Essen und
Trinken, Frühstück, Rauchen und Schnupftaback. Ein Pfund Fleisch kostet
1 fl. 8 kr., ein Pfund Butter dasselbe.

Andrerseits hatte keiner dieser Offiziere eine Ahnung von der Macht des
Volkes, von der Existenz einer Nationalkraft und den letzten Gründen der
amerikanischen Erhebung. Mit dem Augenblick, wo sie von England
übernommen wurden, fingen sie auch pflichtmäßig an, über das
amerikanische Rebellengesindel zu schimpfen. In Amerika angelangt,
wunderten sie sich über die Wohlhabenheit und den Reichthum des Farmers
und berichteten ganz naiv nach Hause, daß eine Neu-Engländerin oder
Staaten Isländerin bessere Kleider, ja selbst ein feineres Benehmen
habe, als selbst manche junge adelige Dame in Deutschland. Namentlich
waren sie von der Schönheit und Eleganz der Frauen entzückt. Unter zehn
Mädchen finden sie kaum eins, welches nicht schön wäre. »Ihr Anzug --
meint Lieutenant v. Wöllwarth, der auf diesem Gebiete ein Kenner zu sein
scheint -- ist der vortheilhafteste von der Welt, eine geschmackvolle
Vermittlung zwischen französischer und englischer Mode mit eigenen
Zuthaten: das giebt der angeborenen Schönheit ein um so reizenderes
Aussehen.« Um so schlimmer war es mit dem politischen Urtheil der Herren
bestellt. So schrieben sie die Revolution nur dem Uebermuthe des
»frechen Packs« zu, dem es unter englischer Herrschaft zu gut gegangen
sei. Auch die höheren Offiziere zeigen nirgends ein Verständniß für die
politischen Fragen, die sich im amerikanischen Kriege zur Entscheidung
drängten. Es sind manche interessante militärische Denkschriften von
ihnen erhalten, aber nirgend wird die Politik selbst nur als
untergeordneter oder beiläufiger Faktor der Ereignisse erwähnt. Das Volk
hat rebellirt, also muß es mit der »ultima ratio regis« zur Raison
gebracht werden -- in diesen paar Worten erschöpft sich die ganze
politische Anschauung der damaligen deutschen Offiziere. Da geht,
unmittelbar nach der Schlacht, die das Geschick eines ganzen Kontinents
entscheidet, ein deutscher Oberst am Meeresstrand spazieren, sucht
Muscheln und preis't die »Allmacht des Schöpfers«. Ein anderer sieht von
den Höhen von Brooklyn aus, wie die ganze englische Flotte vor Anker
geht und sich anschickt, die Stadt zu bombardiren. Das große ungewohnte
Schauspiel hat wenig oder gar keinen Reiz für ihn, aber er vergleicht
New-York, das strahlende, Europa zugekehrte Auge Amerika's, mit
preußisch Minden, das ungefähr von derselben Größe und Ausdehnung sei.
Es klingt heutzutage wahrhaft komisch, wenn man diese Parallele zwischen
der größten und der reichsten Stadt der neuen Welt und zwischen dem
verschuldetsten rotten borough preußischer Offiziere liest. Ein Dritter
endlich erzählt den Seinigen daheim, daß der bei Brooklyn gefangen
genommene General Sullivan dem Metzgermeister Fischer in Rinteln auf's
Haar gleiche und schimpft über die Mosquitos, die ihm die geträumten
Freuden in der neuen Welt gleich anfangs verleiden.

Dieses Kleben an Nebendingen, welches nur den engen Kreis der
persönlichen Interessen kennt, tritt uns, kaum zwei oder drei
nennenswerthe Ausnahmen abgerechnet, in den Aufzeichnungen der deutschen
Offiziere über den amerikanischen Krieg überall entgegen. Der werthvolle
Aufschluß, den wir über einzelne Ereignisse und Personen erhalten,
findet sich nur gelegentlich und meistens unter einem Haufen von
gleichgültigen Notizen versteckt. Politisches Urtheil hat Keiner der
Tagebuchschreiber.

Hie und da klagen sich denn die deutschen Generale und Obersten wohl
ihre Noth über die Anmaßungen der Engländer, die ihnen und den deutschen
Soldaten oft etwas zuviel zumuthen; Einzelne verfluchen den Dienst,
welcher ihnen so manche Entbehrung auferlegt und kaum einen Vortheil
dagegen bietet; ja in einem unbewachten Augenblicke malt sich sogar der
hessische General _Loos_ das »philosophische Vergnügen« aus, einem
undankbaren, fühllosen Fürsten und hochmüthigen Minister trotzend, sagen
zu können: »_Ich will Euch nicht länger dienen!_« Zu der höhern
Anschauung jedoch, daß dieser Dienst ein verächtlicher Schergendienst
und mit dem Selbstgefühl eines freien Mannes unverträglich war, können
und wagen sich diese Herren nicht zu erheben; sie sind nur hie und da,
innerhalb der gegebenen und von ihnen gehorsam anerkannten
Dienstverhältnisse, mit der ihnen zu Theil werdenden Behandlung nicht
zufrieden.

So lange England siegreich war, und namentlich die deutschen Regimenter
seine Siege erringen halfen, ging natürlich Alles gut. Gleich nach der
ersten Niederlage aber traten, namentlich zwischen den Offizieren
Reibungen ein, die sich in der Folge fast täglich wiederholten. »Unter
den englischen und deutschen Truppen -- lautet ein den preußischen
Ministern von W. Carmichael, dem amerikanischen Agenten, mitgetheiltes
Schreiben eines hochgestellten Engländers aus New-York vom 5. Januar
1777 -- ist keine gute Harmonie. Unsere Leute sagen, daß zu Trenton die
drei Bataillons Hessen die Waffen zu früh niedergelegt und nicht so viel
Widerstand geleistet hätten als sie hätten können und sollen. Die Hessen
beklagen sich hingegen, daß die frischen Lebensmittel unbillig vertheilt
werden und daß sie nicht den gehörigen Antheil davon erhalten, auch daß
man sie zu dem beschwerlichsten Dienst gebraucht, ihnen die
gefährlichsten Posten giebt, und sie nicht gehörig soutenirt. Einer
unserer vornehmsten Offiziere antwortete hierauf unbedachtsamer Weise,
daß der König sie von ihrem Herrn gekauft hätte, um seine eigenen
Truppen zu schonen, wodurch die Hessen sehr beleidigt worden sind. Sie
fangen auch an, von ihrem Landgrafen mit ungeziemender Freiheit zu
reden, indem sie sagen, er habe kein Interesse bei diesem Kriege, und
verkaufe das Blut seiner Unterthanen, welches in Amerika vergossen
würde, um das Geld in auswärtigen Ländern auf seine Vergnügungen zu
verwenden.«

Im gleichen Sinne äußert sich ein Jahr später vom deutschen Standpunkte
aus der anspachische Lieutenant v. Wöllwarth, Vetter des Ministers
Gemmingen. Er bittet diesen darum, daß er seine Rückkehr nach
Deutschland vermittle, zu einer Zeit, wo der eben ausbrechende bayrische
Erbfolgekrieg einem Offizier bessere Aussichten für Auszeichnung und
Beförderung bot. Dieser mit feinem Humor und beißender Ironie
geschriebene Brief zeigt den ganzen Mißmuth und die gründliche
Verachtung eines unabhängigen Charakters gegen den ihm zugemutheten
Dienst. »Ein gewisser Lord in Schottland -- schreibt Wöllwarth am 4. Mai
1778 aus Philadelphia -- hatte eine sehr sorgfältige Parforcejagd. Er
sah aber ein, daß es patriotischer und vernünftiger für sein Vaterland
gedacht sein würde, bei dessen gegenwärtiger Verfassung solche
abzuschaffen und dafür ein Regiment zu werben, welches in des Königs
Dienst treten sollte, um gegen die rebellischen Kolonieen auf seine
eigenen Kosten gebraucht zu werden. In England fand er keinen Käufer; er
ließ deshalb auf Anrathen seiner Freunde seine ganze Hunde-Equipage in
eine teutsche Zeitung unter die zu verkaufenden Sachen setzen, in der
zuversichtlichen Hoffnung, daß man in Teutschland mehr Hunde- als
Menschenliebe besitzt. Man behauptet, ein teutscher Reichsfürst habe ihm
dagegen ein Regiment Soldaten vertauschen wollen; allein letzteres,
glaube ich, ist erdichtet und halte die ganze Geschichte für eine
Erdichtung. Doch können gnädigster Herr Vetter sich nicht genug
vorstellen, mit welch einem Auge die vernünftigen und uninteressirten
Engländer das Betragen der teutschen Reichsfürsten ansehen. Und noch zum
größern Ruhme werden alle teutschen Truppen vor Leute angesehen, welche
zu viel in ihrem Vaterland gewesen sind und dessendwegen diese Umstände
und Begebenheiten vor unsere glücklichste Ausflucht halten. Schließen
also gnädigster Herr Vetter hieraus nicht, daß dieser Dienst ein Weg und
Feld der Ehre sein sollte.

Die Engländer sehen uns gar nicht davor an und können gar nicht
begreifen, wie ein Mann von Ehre seinen Ehrgeiz auf das treiben kann,
seine Haut vor Geld zu verkaufen. Alles, was wir in Ansehung unseres
Exerzierens voraus haben, ist in ihren Augen lächerlich und sehen uns
allein dazu tüchtig an, diejenigen Posten zu besetzen, welche sie
erobern. Unsere Lage ist höchst unerquicklich; wir sind weder Fisch noch
Fleisch, weder halb noch ganz. Ich bin aber nicht gesonnen, noch länger
unter meiner Charge aus Liebe vor Ihro Durchlaucht zu dienen, will also
lieber unter derselben in einem andern Dienste dienen und lieber nicht
in meiner jetzigen Stellung ein rapides (?) Glück machen.«

Gemmingen nahm als vorurtheilsfreier Mann diesen Brief gut auf und
berief umgehend dessen Absender nach Europa zurück, wo dieser Mitte
Oktober landete.

So glücklich wie Wöllwarth waren aber die wenigsten seiner Kameraden. Es
hatte nicht lange gewährt, bis sie sich ihre traurige Lage klar gemacht
hatten, allein sie wandten sich mit der Bitte um Rückkehr in der Regel
vergebens an ihre Landesväter. Namentlich war der Landgraf von Hessen
selbst Kranken gegenüber ein strenger Herr. Wenn er endlich
nothgedrungen seine Einwilligung zur Rückkehr ertheilen mußte, so
verzögerte er gewöhnlich die Uebermittlung so lange, daß die Bittsteller
keinen Gebrauch mehr davon machen konnten, indem sie schon vorher
gestorben waren. Eine Luftveränderung, andere Umgebungen und bessere
Nahrung hätten die Armen sicher am Leben erhalten. Bei den hessischen
Regimentern, die von 1779-1783 im Süden standen, reichten die Offiziere
fast wöchentlich Entlassungsgesuche ein; nur einige wenige wurden
genehmigt; die Bittsteller aber fielen meistens dem Faulfieber zur
Beute. Andrer Seits kam es vor, daß junge Fähndriche und Lieutenants
desertirten, weil sie nicht unbestimmte Zeit auf die Antwort aus Kassel
warten wollten, so z.B. ein Fähndrich Karl Wilhelm Kleinschmidt aus
Landau in Waldeck und ein Lieutenant Führer.

Zu diesen Uebelständen gesellte sich nun bei den Hessen das schlechte
Avancement, das bei einzelnen Regimentern langsamer war als in den
heimischen Garnisonen. Nach der Niederlage bei Trenton (26. Dezember
1776) bis zum 19. November 1779 unterschrieb der Landgraf keine
Beförderung eines Offiziers der bei jenem unglücklichen Ereigniß
betheiligten Regimenter. Selbst der Kommandeur des früher vom Obersten
Rall befehligten Grenadier-Regimentes war zuletzt ein Major, nachdem der
Obristlieutenant mit Tode abgegangen war. »Bei der noch immer nicht in
völliges Licht gesetzten fatalen Affaire von Trenton -- schrieb der
Landgraf am 11. August 1779 aus Hofgeismar an den Major Mathaeus -- kann
ich mich vor der Hand, und bis das Regiment durch wesentliche und
eklatante Proben seiner Tapferkeit sich meiner Gnade wieder gänzlich
würdig gezeigt haben wird, zu keinem Avancement derer dabei mitgewesenen
Offiziers entschließen. Des Herrn Majors gethaner Vorschlag wegen
Ernennung derer beyden Premier-Lieutenants Saltzmann und Stoebell zu
Stabskapitains hat also auch keine Statt finden können.«

Unterm 10. Juli 1779 hatte der Major Endemann von der Betheiligung des
Regiments Trümbach an der Affaire bei Stonoferry berichtet, wo es sich
besonders auszeichnete, in dessen Folge es vom kommandirenden General
Provost durch Armeebefehl belobt wurde, und bat, »die unglückliche
Trenton-Affaire nunmehr in die Tiefe gänzlicher Vergessenheit zu
versenken, hingegen dem Regimente die seither entzogene Gnade nach wie
vor zuzueignen geruhen zu wollen.« Der Landgraf nahm aus Weißenstein
unterm 19. November 1779 aus dieser Meldung Anlaß, »dem Regiment nunmehr
wieder seine vorige Gnade zuzuwenden, auch ihm wieder Fahnen zu geben,
und die Avancements, welche zeither lediglich wegen der Burgoise von
Trenton zurückgeblieben, wiederum darin zu lassen. Inzwischen wird
dieses jedoch mein Ressentiment gegen diejenigen im Regiment nicht
aufheben, welche bei dieser fatalen Affaire nach geendigter Untersuchung
durch das befohlene Kriegsgericht etwa schuldig befunden werden sollen
und sich hätten Ein oder Anderes zur Last kommen lassen.«

Während die übrigen Lieferanten die Korrespondenz mit ihren Truppen in
Amerika durch die Hände ihrer Minister gehen ließen, nahm der Landgraf
von Hessen, wie wir bereits im vierten Kapitel, S.50, angedeutet haben,
an Allem Theil, was seine Offiziere betraf, und beantwortete die
Berichte seiner Regiments-Kommandeure und Generale immer umgehend
selbst. Aus diesem Briefwechsel geht hervor, daß er stets sehr gut
unterrichtet war und daß er genaues Buch über alle Ereignisse auf dem
amerikanischen Kriegsschauplatze führte. Seine Antworten sind kurz, klar
und sachgemäß; sie enthalten kein Wort zu viel und tragen den Zuschnitt
des knappen preußischen Geschäftsstils jener Zeit. Selten läuft etwas
Privates mit unter. Er ist immer der hohe herablassende »Kriegsherr«,
der lobt und tadelt, zürnt und straft. Einmal, gegen Ende des Krieges,
bat der Landgraf den Obersten v. Porbeck um eine Sendung von
amerikanischen Merkwürdigkeiten, seltenen Vögeln, Indianer-Kleidern und
Waffen, fremden Gewächsen &c. Der Oberst antwortete am 31. Januar 1783
aus Cow Neck auf Long Island, daß er zu seinem Bedauern keinen dieser
Gegenstände beschaffen könne. »Außerdem -- fügte er hinzu -- haben die
hiesigen Einwohner einen solchen Abscheu vor allen zur britischen Armee
gehörigen Leuten, daß sie Niemanden, wenn sie auch wirklich etwas von
Raritäten hätten, davon zukommen lassen, und uns selbst die nöthigen
Lebensmittel auf das Theuerste verkaufen.«

Persönlich waren übrigens die deutschen, namentlich höheren Offiziere,
Ehrenmänner in des Wortes vollster Bedeutung. Das englische Ministerium
ließ es ihnen gegenüber an Versprechungen und Versuchen, sie in sein
Interesse zu ziehen, nicht fehlen; allein sie waren unbestechlich und
ehrlich. »Da sehr viel von der herzlichen Mitwirkung und der guten
Stimmung der deutschen Offiziere abhängt -- schreibt der Staatssekretär
Suffolk bereits am 12. Februar 1776 an seinen Agenten Faucitt -- und da
dieser Zweck am besten durch Mittheilungen über ihren Charakter und ihre
Fähigkeiten erreicht werden kann, so verschaffen Sie sich darüber
möglichst viel Einzelheiten. Ein anderer nicht minder wichtiger Punkt
ist der, daß die Offiziere auf die Freigebigkeit des Königs verwiesen
werden, wenn sie unseren Erwartungen entsprechen und weder durch
_parteiische und unzulässische Rücksicht auf die Erhaltung der von ihnen
befehligten Truppen_, noch durch Eifersüchteleien unter einander oder
gegen die englischen Offiziere den Dienst stören oder unterbrechen. Ich
bevollmächtige Sie also, den betreffenden Offizieren die Freigebigkeit
und Gunst des Königs für den Fall der glücklichen Beendigung des Krieges
in Aussicht zu stellen und sie über ihre Ansprüche genau
auszuforschen.« Faucitt verfehlte natürlich nicht, von dieser Vollmacht
den weitgehendsten Gebrauch zu machen und fragte bei Einzelnen, z.B.
Riedesel, Heister und Knyphausen an, in welcher Art sie die englische
Gunstbezeugung wünschten; allein er erhielt von ihnen die kühle
einstimmige Antwort, daß sie in Amerika aus eigenem Antriebe als gute
Soldaten ihre Pflicht thun würden und daß es ihrer Ehre zuwiderlaufe,
mit England über außerordentliche Belohnungen zu unterhandeln.

Der General Heister, ein tapferer alter Haudegen, aber auf seine Würde
eifersüchtiger Korpsführer, bat nur für den Fall, daß er vor dem Feinde
bleiben sollte, um Berücksichtigung seiner Familie. Er wurde aber auf
Veranlassung des englischen Ministeriums schon zu Anfang 1777
zurückberufen, angeblich wegen der Niederlage bei Trenton, woran
übrigens Heister ganz unschuldig war, in der That aber, weil er nicht
zugeben wollte, daß seine Hessen immer und überall die gefährlichsten,
exponirtesten Stellungen einnehmen und zu den blutigsten Angriffen
verwandt werden sollten. Suffolk nannte das im Sinne seines oben
mitgetheilten Schreibens unpraktisch und unzulässig. Er erklärte deshalb
dem Landgrafen von Hessen, daß die Operationen des Heeres leiden würden,
wenn Heister an der Spitze der Hessen bliebe, und versprach Schlieffen,
dem Minister und Unterhändler des Landgrafen, mehr als einen bloßen Dank
in Worten, wenn er ihm in dieser Angelegenheit seine Hülfe zusagen
wollte. Der »Weise von Windhausen« ging sofort auf Suffolk's Wunsch ein
und setzte diesen auch beim Landgrafen durch. Der brave alte General
kehrte im Sommer 1777 nach Europa zurück, starb aber schon am 19.
November 1777 in Kassel aus Gram über die ihm zu Theil gewordene
ungerechte Behandlung. Der König von England ließ seiner Wittwe, die mit
ihren acht unversorgten, in Armuth zurückgelassenen Kindern vom
Landgrafen nur 600 Thlr. jährliche Pension erhielt, ein Jahrgehalt von
200 Pfund Sterling auszahlen. Knyphausen, der bisher die zweite
hessische Division kommandirt hatte, wurde Heister's Nachfolger und
machte sich bei seinen englischen Vorgesetzten sehr beliebt, vielleicht
weil er weder Deutsche noch Engländer schonte. Er war einer der besten
Divisionsgenerale auf englischer Seite. Bekanntlich wurde das von ihm
erstürmte Fort Washington auf der Insel New-York ihm zu Ehren Fort
Knyphausen benannt. Als ein englischer Oberst einen Theil der hier
erbeuteten acht amerikanischen Fahnen für sein Regiment begehrte, stieß
Knyphausen sie verächtlich mit dem Fuße weg und erwiderte: »Meinetwegen
nehmt sie alle und wischt Euch den H---- damit ab!« Von seinen Soldaten
konnte er jede Leistung verlangen, weil er überall selbst mit dabei war
und weder Gefahr noch Strapazen scheute. Gegen Ende des Krieges wurde
General Loßberg der Nachfolger Knyphausen's. Der braunschweigische
General Riedesel ist durch die von seiner tapfern Frau und Begleiterin
geschriebene sog. »Berufsreise« und die Biographie von Eelking als ein
tüchtiger und umsichtiger Offizier, humaner Vorgesetzter und edler
Charakter allgemein bekannt geworden. Die übrigen Kontingente hatten
keine Generale, sondern nur Obersten an ihrer Spitze.

Eine Unart dieser Männer, die zugleich durch die Mode der Zeit bedingt
war, bestand in dem Gebrauch des Französischen als ihrer
Geschäftssprache; dabei drückten sie sich durchaus schlecht und
inkorrekt aus. Das Küchenlatein der Mönche ist klassisches Latein im
Verhältniß zum Französischen der deutschen Generale und Obersten. So
schrieb, um hier nur ein Beispiel herauszugreifen, u.A. einmal Riedesel
an den Earl von Suffolk: »Le courier, qui prendra cette lettre avec.«
Und Riedesel war sogar noch einer der kleinsten Verbrecher am Genius der
französischen Sprache!

Während somit keiner der nach Amerika gesandten deutschen Offiziere
einen pekuniären Vortheil zog -- der doppelte Sold ging mehr als ein
Mal bei den theuren Preisen der nothwendigen Bedürfnisse darauf --
erhielt mit Ausnahme der bei derartigen Verhandlungen üblichen
Kanzleigeschenke nur Schlieffen in Gestalt verschiedener Baarzahlungen
von je 330 Pfund und schließlich einer Pension von 300 Pfund, eine
Belohnung von England. Diese letztere wurde ihm angeblich dafür
bewilligt, daß er einige Zeit vor der Schlacht bei Minden in Osnabrück
mehrere wichtige, der verbündeten Armee gehörige Magazine gerettet
habe, in der That aber ward sie für seine bei Abschluß und Ausführung
des Truppenlieferungs-Vertrages sowie bei der Absetzung Heister's
geleistete Hülfe ausgeworfen. Schlieffen selbst wunderte sich anfangs
über das plötzlich so gut gewordene Gedächtniß und eine so lebhaft,
wenn auch spät, zu Tage tretende Dankbarkeit des englischen
Ministeriums, begriff aber sehr schnell, daß dieses nur unter einem so
unschuldigen Titel die Genehmigung des Parlaments erlangen könne. Er
erinnerte sich also bald sehr genau seiner wichtigen Dienste,
erläuterte, daß ohne ihn der Sieg in der Schlacht bei Minden gar
nicht möglich gewesen sein würde und bezog die Pension länger als
vierzig Jahre bis zu seinem erst 1825 erfolgten Tode.

Außer Schlieffen und den unmittelbar Betheiligten selbst gewann in der
Folge auch das Haus Rothschild an den englischen Millionen, welche
England den hessischen Fürsten für ihre Soldaten gezahlt hatte. Es ist
eine interessante Thatsache, daß sich der erste Ursprung des Reichthums
und der Weltstellung der Rothschilds indirekt auf diesen Handel
zurückführen läßt. Der alte Landgraf und spätere Kurfürst von
Hessen-Kassel hatte nämlich den Begründer des Hauses Rothschild, Mayer
Amschel, schon lange vor der französischen Revolution durch Geschäfte in
alten Münzen kennen gelernt und benutzte denselben als Agenten, um seine
Zinsen aus der Londoner Bank zu erheben, welche dort von den in Folge
der Menschenfleischlieferungen von England gezahlten Kapitalien fällig
wurden. M.A. Rothschild zog für diese Summen Wechsel auf das englische
Bankierhaus van Notten, welches Vollmacht des Landgrafen zur Erhebung
der Zinsen hatte. Beim Jahresschluß berechnete sich Rothschild mit dem
Landgrafen und hatte, abgesehen von der nicht unbedeutenden Provision,
auch noch den Nutzen, fortwährend mit den Geldern des Landgrafen
spekuliren zu können, was er auch in seiner unermüdlichen und
scharfsinnigen Weise mit dem glücklichsten Erfolge that. Die Erwerbung
ungeheurer Summen wurde dem M.A. Rothschild später dadurch möglich, daß
es ihm gelang, den Landgrafen dazu zu bewegen, daß er die Vollmacht dem
Hause van Notten entzog und dieselbe dem zweiten Sohne Rothschild's,
Nathan, übertrug, der auf Grund derselben Kapital und Zinsen einzog. Als
nun die englische Regierung ihre Armee in Spanien zu unterhalten hatte
und kein englischer Bankier die Lieferung des Geldes von England nach
Spanien übernehmen wollte, da übernahm M.A. Rothschild diese Lieferung
gegen hohe Provision und leistete mit den unter Einwilligung des
Eigenthümers erhobenen landgräflichen Fonds die geforderte Kaution, bei
der Niemand sein eigenes Vermögen wagen wollte. Das Glück begünstigte
Rothschild's Unternehmen, die Geldsendungen kamen unversehrt an. Auf
diese Weise verdiente Rothschild während der Dauer des spanischen
Feldzuges, also während acht Jahren, jährlich mehrere Millionen. Die
Möglichkeit, eine so hohe Kaution zu leisten und die pünktliche
Geschäftsbesorgung veranlaßten hierauf die englische Regierung,
den europäischen Fürsten die enormen Subsidien während des
Kontinentalkrieges durch das Haus Rothschild zu übermitteln, wodurch
dessen Ansehen und Reichthum zusehends wuchsen. Von dieser Zeit an,
namentlich seit dem Wiener Frieden, nahmen die Rothschild's Theil an
allen großen Geldoperationen und Anleihen der wieder eingesetzten
Dynastien und wurden von Tag zu Tage mächtiger.

Auch Frankreich betheiligte sich am amerikanischen Kriege, allein mit
geringeren Opfern an Menschen und auf der den deutschen Fürsten
entgegengesetzten Seite. Während diese lediglich aus Rücksicht auf ihren
Beutel als gefügige und willenlose Werkzeuge einer an sich schlechten
und unglücklichen Politik keine politischen Zwecke und Interessen
kannten, eroberte dagegen Frankreich mit den 6000 Mann, die es der
jungen Republik zu Hülfe schickte, seine durch den siebenjährigen Krieg
erschütterte Weltmachtstellung wieder. Frankreich ließ es sich zwar
Millionen über Millionen kosten, es gewann dafür aber Ansehen, Ehre und
Macht. Deutschland nahm Millionen und Millionen ein; es verlor aber
dadurch den letzten Rest von politischer Bedeutung und sank zum Spott
von Freund und Feind herab. Die paar tausend Franzosen, die unter
Rochambeau die Taufpathen eines mächtigen Freistaates wurden, haben
bewirkt, daß, so lange es Vereinigte Staaten von Amerika geben wird, die
französischen Waffen und der französische Name in der Union jeder Zeit
geehrt und gefeiert dastehen werden. Die 30,000 Deutschen dagegen haben
als die bezahlten Schergen englischer Anmaßungen nicht allein sich den
Haß zugezogen, der in erster Linie das Mutterland traf, sondern zu
diesem Haß noch die Verachtung auf sich geladen, welcher sich Jeder
aussetzt, der sich um ein schnödes Trinkgeld zur Unterdrückung der
Freiheit mißbrauchen läßt. »Von dem Augenblicke an, sagt der
hochverdiente amerikanische Geschichtsschreiber G.W. Greene, in welchem
der erste Hesse seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzte, wurde die
Wiederaufnahme des alten kindlichen Verhältnisses zum Mutterlande
unmöglich.« Noch heute ist im Munde eines Amerikaners der Name _Hesse_
eines der verächtlichsten Schimpfworte, welches einen feilen,
verkäuflichen Menschen bezeichnet, und noch heute leidet unser Volk
unter dem Fluche jenes nichtswürdigen Handels[8]. Denn in dem
internationalen Verkehr handelt es sich nicht um die Ansichten, Wünsche
und Bestrebungen der ein Volk bildenden Individuen, sondern um den
Ausdruck, den sein inneres nationales Leben in der Politik
_thatsächlich_ gewinnt. Darum können auch im vorliegenden Falle nicht
Schiller, Kant, noch Friedrich der Große unsre Vertheidigung übernehmen
und unsre Nation von aller Schuld rein waschen, denn das Ausland wiegt
uns nach dem, was die Fürsten gesündigt haben.

Bleibt es unter diesen Umständen ein Trost sich sagen zu können, daß
wenigstens die also verkauften Soldaten tüchtig und tapfer waren und dem
alten militärischen Rufe der Heimath in Amerika alle Ehre machten? Wohl
schwerlich! Jede tapfere That, die sie verrichteten, jeder Erfolg, den
sie mit dem Einsatz ihres Lebens erkämpften, war für das Vaterland
verloren oder wenigstens nicht errungen. Wohl hat der amerikanische
Krieg herrliche Thaten der Einzelnen gesehen, die, für eine bessere
Sache vollbracht, den Namen ihrer Urheber in Lied und Sage verherrlicht
und für alle Zeiten als volksthümliche Gestalten verewigt hätten; aber
es war der Fluch der bösen That der Fürsten, daß selbst die
Heldengestalten unter den verkauften Truppen ungenannt und ungekannt in
ein ruhmloses Grab sanken. Der hessische Oberst Rall, der allerdings
durch seine übermüthige Verachtung des »Rebellenpacks« die Katastrophe
bei Trenton veranlaßte und dadurch die entscheidende Wendung des Krieges
herbei führte, gilt namentlich den Amerikanern als ein kopfloser und
unfähiger Offizier; allein er war in Wirklichkeit einer der tüchtigsten
und tapfersten Befehlshaber. Seine englischen Kameraden nannten ihn nur
den hessischen Löwen, und für die Amerikaner war er der leibhaftige
Schrecken. Um seine Niederlage nicht zu überleben, stürzte er sich in
das heißeste Gefecht und fiel wenigstens mit Ehren. Wer, außer dem engen
Kreise kriegsgeschichtlicher Fachschriftsteller, kennt heute noch die
tapferen Jägerstückchen des Hauptmanns _Emmerich_ in Amerika, desselben
spätern Obersten Emmerich, welcher am 18. Juli 1809, selbst ein Rebell,
auf dem großen Forst bei Kassel von den Napoleonischen Schergen
erschossen wurde und wie ein Held starb; wer meldet den Ruhm des
umsichtigen und kühnen _Ewald_, wer weiß vom heldenmüthigen Hauptmann
_Schaller_, der mit dreißig Mann einen Posten gegen einen ihm
fünfzigfach überlegenen Feind glücklich vertheidigte und als Fremder
nicht einmal eine öffentliche Anerkennung für seine That erhielt, weil
der kommandirende General Schaller's unfähigem Vorgesetzten, einem
englischen Major, nicht wehe thun wollte; wer kümmert sich wohl um den
tapfern waldecker Obersten _Hanxleden_, der an der Spitze seiner Truppen
unter den Mauern von Pensacola fiel und um den waldecker Hauptmann
_Stierlin_, den die tödtliche Kugel traf, als er eben an der Spitze
seiner Kompagnie eine Redoute erstiegen hatte? Wer endlich hat vom
braven Sergeanten _Rübenkönig_ gehört, der gleich dem Kapitain d'Assas
vom französischen Regiment d'Auvergne, in der Gewalt des Feindes und von
diesem mit augenblicklichem Tode bedroht, trotzdem seine Pflicht höher
achtete als sein Leben und sein Regiment durch seinen Zuruf rettete? Den
Franzosen rühmt Geschichte und Gedicht; sein dankbares Vaterland nahm
sich sogar in der Revolution seiner Wittwe und Kinder an; den Namen des
braven hessischen Unteroffiziers dagegen meldet kein Lied, kein
Heldenbuch.

Ja, selbst _Donop_ ist vergessen, der tapfere hessische Oberst, der uns
den tragischen Schmerz des Helden über seinen frühen Tod und über seine
Hinopferung für fremde Zwecke ergreifend vor Augen führt. Er hatte, als
einer der beliebtesten und geachtetsten Offiziere und der beste
Brigadier der Armee, nach Rall's Tode das Kommando über die Jäger und
Grenadiere erhalten und im Oktober 1777 an der Spitze seiner Brigade, zu
Fuß und mit dem Degen in der Hand, den Sturm gegen Fort Redbank am
Delaware unternommen, um es, nach dem von Knyphausen bei Fort Washington
gegebenen Beispiele, auf seinen Namen umzutaufen. Bei diesem Angriff
wurde er aber zurückgeschlagen und von einer Kugel zu Boden gestreckt.
Hülflos lag er unter einem Haufen Leichen, als der Vertheidiger des
Forts, der französische Ingenieur-Hauptmann Mauduit de Duplessis, ihn
fand und in das benachbarte Haus eines Quäkers schaffen ließ, wo der
Sterbende noch drei Tage mit dem Tode rang. Dort auf dem Schmerzenslager
in der einfachen Quäkerwohnung und im Frieden des amerikanischen Waldes,
fern von dem Flitter und Tand der Welt, schwebten zum letzten Male die
Bilder der Vergangenheit, der Glanz seiner Jugend, die Pracht der
europäischen Höfe und die stolzen Ziele seines Ehrgeizes vor dem Geiste
des tapfern, erst sieben und dreißigjährigen Soldaten vorüber. Sein
Blick klärte sich, und sein Verstand unterschied zwischen dem Wesen und
Schein seines Lebens. »Ich bin zufrieden -- sprach er zu dem ihn sorgsam
pflegenden Duplessis in dessen Muttersprache -- ich sterbe in den Armen
der Ehre selbst: ein jähes Ende für eine schöne Laufbahn; aber ich
falle als das Opfer meines Ehrgeizes und der Habsucht meines
Fürsten!«[9]

Doch so trostlos als diese Reflexion eines Sterbenden ist das letzte
Wort unsrer Geschichte nicht!

Wenden wir uns von den Opfern, welche für eine ihnen aufgedrungene Sache
fern von der Heimath gestorben oder ohne Gewinn für sich und Andere in's
Vaterland zurückgekehrt sind, zu einem jungen Soldaten, der, unter
Tausenden der einzige selbständige und denkende Kopf, den amerikanischen
Krieg in seiner ganzen Tragweite als einen Sieg des bewaffneten Volkes
gegen ein durch Gewalt, List und Betrug geworbenes Heer erkannte, und
welcher in Amerika zuerst aus eigener Anschauung lernte, ein wie
mächtiger Verbündeter die Begeisterung zu werden vermag, wenn die
rechten Mittel ergriffen werden, sie zu wecken, und wenn der zündende
Gedanke da ist, für welchen die Masse sich erwärmen läßt. Jahrzehnte
mußten vergehen, bis ihm im Verlaufe der deutschen Geschichte die
Gelegenheit reifte, den Krieg nach amerikanischen Grundsätzen zu
organisiren und, von den amerikanischen Milizen ausgehend, dieser
Volksbewaffnung in der preußischen Landwehr den vollendetsten Ausdruck
schaffen zu helfen; aber dieser Krieg wurde durch jene Grundsätze und
den Geist ihrer Ausführung, trotzdem daß die Fürsten sich hemmend und
störend an ihn hingen, zu einem der größten und edelsten, welche die
neuere Geschichte kennt.

In dem damals kaum drei und zwanzigjährigen, unbekannten und wenig
hervorstechenden anspachschen Lieutenant _Neithard v. Gneisenau_ ahnte
der englische General, der ihn zur Rückkehr einschiffte, wohl nicht den
großen Strategen, den genialen Schlachtendenker, welcher kaum ein
Menschenalter später über Wellington's ursprünglich engbegrenzten Plan
einer, Napoleon vor Brüssel zu liefernden Vertheidigungsschlacht
hinausging und diese, durch seine Dispositionen für das Eingreifen der
preußischen Truppen, zur Vernichtungsschlacht bei Waterloo, zum
Weltgericht über das brutale erste Kaiserreich erhob.

Und noch jüngst im amerikanischen Bürgerkriege, durch einen neuen
Rückschlag in der Geschichte, traten mehr als 200,000 deutsche
_Freiwillige_ für dieselbe Republik in Waffen, gegen welche deutsche
Landesväter 30,000 Söldner zu kämpfen _gezwungen_ hatten. Die wehrhaften
Söhne Deutschlands in der Fremde haben das Verbrechen seiner Fürsten
glänzend gesühnt.

Bei uns in der Heimath aber giebt es seit den letzten glorreichen
Feldzügen keine Söldner mehr, sondern nur noch das deutsche Volk in
Waffen, welches, wenn es sein muß, mannhaft für Haus und Heerd kämpfen
und sich siegreich gegen seine Neider und Feinde zu behaupten wissen
wird.




Anhang.

I.

Der Erbprinz von Hessen-Kassel an König Georg III.

(State Paper Office, Holland Vol. 592.)


                                            Hanau, ce 19. Août 1775.

     Sire,

     L'Epoque présente que les troubles suscités par les sujets de V.
     M^{té} dans une autre partie du monde ont fait naître, rallume le
     zéle et l'attachement de tous ceux qui pénetrés de vos bontés,
     Sire, ne cessent de faire les voeux les plus ardens pour la
     felicité et le repos du meilleur des Rois.

    Animé de ces sentiments que mon respect soumis et mon attachement
    inviolable pour sa Personne me dictent, je supplie V. M^{té}
    d'agréer favorablement que dans cet instant ou Elle paroit desirer
    des trouppes Allemandes, j'ose lui offrir sans la moindre condition
    et à ses ordres mon Regiment d'Infanterie composé de cinq cent
    hommes, tous enfants du pay que la protection de V. M^té m'assure
    uniquement et tous prêts á sacrifier avec moi leur vie et leur sang
    pour son service.

     Daignéz me pardonner la liberté que je prens et regarder
     l'intention et non la chose même. Que ne puisse-je offrir 20 mille
     hommes à V. M^{té}, ce seroit avec le même empressement. Qu'il lui
     plaise donc de disposer entièrement de mon Regiment à quel tems et
     où Elle ordonnera. Il est tout prêt au premier clin d'oeuil qu'Elle
     daignera m'en faire donner,


II.

Der Erbprinz von Hessen-Kassel an Sir Joseph Yorke.

(S.P.O. Holland, Vol. 592.)

                                             Hanau, ce 20. Août 1775.

     Monsieur. En m'adressant à Votre Excellence au moment présent je
     profite de son amitié sur laquelle je fais toujours le plus grand
     fond et en la priant de remettre l'incluse à Sa Majesté le Roi vous
     obligerez quelqu'un dont tous les sentimens les plus vifs vous sont
     acquis pour toujours Monsieur; la copie ci-jointe vous mettra au
     fait du sujet contenu dans la lettre susdite. La reconnaissance la
     plus soumise pour toutes les bontés que le Roi a eu pour moi et en
     aucune façon mon interêt me determine à cette demarche. Si Votre
     Excellence trouvait qu'il fut necessaire de l'adresser au Ministre
     de ce Departement en Angleterre, je le laisse uniquement à votre
     decision, n'aiant pas l'honneur de connaître celui qui en est
     chargé. Je n'ai voulu que donner à Sa Majesté une faible preuve de
     mon respect et de mon attachement, ne demandant rien que d'avoir le
     bonheur de lui être en quelque façon utile pour toutes ses bontés
     infinies à mon égard, et que je n'ai encore jamais pu mériter.

     Si vous vous souvenez encore un peu, Monsieur, de quelqu'un qui
     sait estimer votre amitié, vous voudrez bien être aussi persuadé
     que rien ne changera la consideration la plus distinguée et
     l'amitié la plus constante avec lesquels j'ai l'honneur d'être pour
     ma vie

                              Monsieur de Votre Excellence
                  le très humble, très obeissant Serviteur et fidele ami

                               _Guillaume P. H. D'Hesse._


III.

Der Fürst von Waldeck an den Earl von Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

                                      Arolsen, ce 13. Novembre 1775.

     Attaché de coeur et d'âme au monarque dont votre Excellence a le
     bonheur d'être le ministre, je crois de mon devoir de faire tout ce
     que mes faibles moyens me permettent, pour tacher de lui prouver du
     moins ma bonne volonté, quand il s'agit de son service. Je prends
     donc la liberté, Mylord, de vous supplier d'assurer Sa Majesté
     qu'au cas que des circonstances quelconques la mettent dans le cas
     d'avoir besoin de troupes étrangères je regarderai comme une faveur
     de sa part, de vouloir accepter un regiment de 600 hommes[10],
     composé d'officiers et de soldats qui ainci que leur prince ne
     demanderont certainement pas mieux que de trouver l'occasion de se
     sacrifier pour elle.

     J'ai l'honneur d'être avec la consideration la plus parfaite,
     Mylord, votre très humble et très obéissant serviteur

                                         _Frédéric P. de Waldeck._


IV.

Earl von Suffolk an den Fürsten von Waldeck.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

                                      St. James, ce 24. Novembre 1775.

        Monseigneur!

     Je n'ai pas manqué un seul instant de rendre compte au roi du
     contenu de la lettre que Votre Altesse Serenissime a daigné
     m'honorer. Sa Majesté m'ordonne de vous assurer, Monseigneur,
     qu'elle est très sensible à la manière noble dans laquelle Votre
     Altesse Serenissime fait l'offre de ses troupes. La situation des
     affaires demandera une force considérable en Amérique avec toute la
     promptitude possible; et le regiment de votre Altesse Serenissime
     fera une augmentation bien desirable à l'armée qui y est destinée.
     J'ai donc les ordres du Roy d'informer V. A. S. que Sa Majesté
     accepte avec bien de remercimens le secours que vous venez
     d'offrir; et j'espère que V. A. S. me permettra dans peu de tems
     lui écrire de nouveau sur ce sujet, et de lui renouveller les
     assurances du profond respect, avec lequel j'ai l'honneur d'être
     etc. etc.


V.

Der Fürst von Waldeck an den Earl von Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

                                         Arolsen, ce 30. Decembre 1775.

     La lettre que Votre Excellence m'a fait l'honneur de m'écrire m'est
     parvenue Vendredi dernier. L'idée de trouver peut-être une occasion
     de prouver à Sa Majesté mon inviolable attachement, me pénètre
     exactement de la joie la plus vive et la plus pure. Comptez donc,
     Mylord, je vous en supplie que je ferai tout ce qui dependra de moi
     pour faire convenir Mr. Faucitt de la réalité de ces sentimens.
     J'ai l'honneur etc. etc.


VI.

Georg III. an den Fürsten von Waldeck und gleichlautend an den Prinzen
von Hanau.

(S. P. O. German States, Vol. 102.)

                                            St. James, January 2. 1776.

          Mon cousin,

     En conséquence de ce que mon principal Secretaire d'Etat, le Comte
     de Suffolk, a eu l'honneur de vous écrire en mon nom, j'ai chargé
     le Col. Faucitt de se rendre à votre cour de vous présenter cette
     lettre de ma part et de réitérer les assurances de ma sensibilité,
     pour la manière noble avec laquelle vous avez bien voulu m'offrir
     vos troupes. Je les accepte avec bien des remercimens et ayant muni
     le Col. Faucitt des plein-pouvoirs nécessaires pour conclure une
     convention avec vous, je vous prie de donner créance entière à ce
     qu'il vous dira en mon nom, surtout quand il vous donnera des
     assurances de l'amitié et de l'estime, avec lesquelles je suis etc.
     etc.


VII.

Herzog Carl von Braunschweig an König Georg III.

(S. P. O. German States, Vol. 101.)

                                        Brunsvic, ce 5. Decembre 1775.

         Sire,

     Le Ministre plénipotentiaire de votre Majesté, Colonel Faucitt m'a
     remis la lettre dont elle m'a honoré, en date du 14. Novembre. Rien
     ne pouvait être plus satisfaisant pour moi que de recevoir les
     assurances flatteuses de la continuation de ses bontés. Mon
     empressement à aller au devant de tout ce que vous desirez, Sire,
     doit déjà être connu de Votre Majesté et elle daignera se
     rappeller qu'a cet égard ma conduite durant la dernière guerre a
     été invariable. Je serai certainement empressé à concourir aux
     voeux de votre Majesté dans l'époque présente, et je le ferai avec
     tout le zèle que m'inspirent les sentimens qui m'attachent à elle.

     J'ai ordonné au Conseiller Privé de Feronce d'entrer incessament en
     conférence avec le Ministre de Votre Majesté, et je lui ai enjoint
     d'accélérer le travail autant que possible.

     Votre Majesté peut être persuadée que je me préterai avec toute la
     facilité imaginable à tout ce qui sera executable dans les
     circonstances actuelles. Permettez moi, Sire, d'assurer Votre
     Majesté que je serais au comble de ma joie, si j'avais de
     frequentes occasions de la convaincre que rien n'egale les
     sentimens du très-profond respect avec le quel je suis, Sire, de
     Votre Majesté le très humble, très obéissant et devoué Cousin et
     serviteur

                                      _Charles Duc de Brunsvic-Oels._


VIII.

Der Erbprinz von Hessen-Kassel an den König Georg III.

(S. P. O. Germain States, Vol. 103.)

                                                Hanau, ce 17. Mars 1776.

     C'est avec ce respect et ce zèle sans bornes que les ordres de
     Votre Majesté m'inspirent à jamais, que je viens de fair partir
     avant-hier le 15. de ce mois mon régiment destiné à servir dans son
     armée. Le Colonel Faucitt m'ayant averti que le jour de départ
     devoit être accéleré autant que possible, je n'ai pas pérdu un
     instant pour cet effet. La liste ci-jointe que j'ose mettre devant
     Votre Majesté presentera l'état du régiment, comme j'en ai fait la
     revue Vendredi dernier, ainsi que les noms des officiers avec la
     date de leur patentes.

     Puissiez-vous, Sire, avoir lieu d'être satisfait des faibles
     preuves que j'ai desiré de vous donner de mon devouement
     respectueux, de ma reconnaissance soumise. J'ose encore réitérer
     que mon ardeur inexprimable d'être utile à son service peut seule
     être nommée et non la chose même.

     Permettez, Sire, que venant d'apprendre que le Landgrave, mon père,
     fournit à votre Majesté un Corps d'artillerie, j'ose lui offrir une
     compagnie de 120 hommes de cette espèce appartenant jusqu'ici à mon
     régiment. J'en ai déjà fait la proposition au Colonel Faucitt, mais
     comme il n'avait pas d'ordre de prendre de l'artillerie en
     subsides, il n'a pas pu y entrer alors.

     Des que j'apprendrai les intentions de Votre Majesté à cet égrad
     cette compagnie pourra incessement marcher à ses ordres.

     C'est avec etc. etc.


IX.

Der Erbprinz von Hessen an den Earl v. Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 104.)

                                                Hanau, 1. May 1776.

         My Lord!

     The luck I have had to be able to show in some manner my utmost
     respect and gratitude to the best of Kings by offering my troops to
     His Majesty's service gives me a very agreeable opportunity of
     thanking you, Mylord, for all your kindness and friendship to me
     upon that occasion and begging your pardon for all the trouble I
     may have provided you in this regard.

     My only wishes are that all the officers and soldiers of my
     regiment, now to His Majesty's ordres, may be animated of the same
     respectful attachment and utmost zeal I shall ever bear for the
     king, my generous protector and magnanimous support. May the end
     they shall fight for answer to the kings upper contentment, and
     your laudable endeavors, My Lord, be granted by the most happiest
     issue. The continuation of your friendship to me, Sir, which I
     desire very much assures your goodnes and protection to my troops.
     I ask in their names this favor from you and hope they will deserve
     it.

     Excuse me, Sir, if I am not strong enough in the English language
     for to explain as I should the utmost consideration and sincere
     esteem with which I am for ever, Mylord, your most humble and very
     obedient servant

                                            _William H. P. of Hesse._


X.

Suffolk an den Erbprinzen von Hessen.

(S. P. O. German States, Vol. 104.)

                                            St. James, May 14. 1776.

     Sir,

     I am too deeply penetrated by the notice Your Serene Highness is
     pleased to take of me, not to beg your acceptance of my humble
     acknowlegdments for your great condescension. The experience I have
     had of your Serene Highnesses sincere and affectionate attachment
     to the King has impressed indelible marks of gratitude and
     veneration on my breast. But proud as I shall be to show them upon
     all occasions, I am happy to assure your Serene Highness from a
     perfect knowledge of his Majesty's sentiments, that there is in
     this country a more powerful supporter of Your Serene Highnesses
     interests and a better advocate for any object you can recommend
     than any minister, be he ever so zealous, whom Your Serene Highness
     may honor with your commands.

     Your troops, Sir, than which none can be finer or in a more
     complete condition, will certainly meet with every degree of
     protection and encouragement, and I make no doubt under the
     Blessing of God, share the high reputation of having preserved the
     lustre of that crown from which you are descended, the glory of
     that Monarch to whom in blood and principles you are so nearly
     allied, and the welfare of that nation of whose language your
     Highness has in so flattering and so accurate a manner shown your
     hereditary knowledge.

     Permit me, Sir, to repeat the profound respect with which I have
     the honor etc. etc.


XI.

Der Erbprinz von Hessen-Nassau an den Earl von Suffolk.

(S. P. O. German States, Vol. 105.)

                                               Hanau, 21. July 1776.

     Sir,

     I can make no better use of your friendship and goodness to me than
     in recommending you, Mylord, the propositions which my private
     Counsellor Malsburg directs in my name to you. My attachment and
     most humble respect to the best of kings removes all idea of
     interest in me. His Majesty's particular goodness assures me that
     he would take ill, the desire I have to stay in a certain military
     relation with his service even after the present treaty's
     expiration.

     I hope, Mylord, you will find I do not ask too much, and in this
     regard I beg you to support this affair with your utmost credit. My
     gratitude will be without end, and shall only be compared to the
     greatest consideration --, I have the honor to be with for ever,
     Mylord, your most humble and very obliged servant

                                           _William H.P. of Hesse._


XII.

Malsburg an den Earl von Suffolk.

(S.P.O. German States, Vol. 105.)

                                           Hanau, 27. Novembre 1776.

     -- -- L'assurance des bontés et graces de ce Monarque magnanime
     (George III.) que votre Excellence lui renouvelle à cette occasion
     (Subsidien für Artillerie) en augmente infiniment le prix et
     pénètre S.A.S. de la reconnaissance la plus vive. Son attachement
     soumis à Sa Majesté ne connait point de bornes, et Monseigneur le
     Prince Héréditaire vient d'en donner une nouvelle marque par
     l'offre que j'ai fait par son ordre à Mr. le Col. Faucitt d'un
     corps de chasseurs que S.A.S. compte de lever et de fournir pour le
     service du roi, si l'on en a besoin encore. Je ne doute pas que
     Votre Excellence en sera déjà instruite par son rapport et mon
     Maitre attend la dessus le plutôt qu'il sera possible les ordres de
     Sa Majesté pour pouvoir faire les arrangemens nécessaires à ce
     sujet.


XIII.

Der Erbprinz von Hanau an den Earl von Suffolk.

                                             Hanau, 4. December 1776.

         Sir,

     The kings gracious determination about the subsidy relative to my
     Artillery in his Majesty's service gives me a new proof of his
     goodness to me, especially as it does not deprive me of all hopes
     in seeing once succeed the project I had the honor to direct to
     you, Mylord, and which I have so much reasons to wish.

     The offer, Malsburg made you, Sir, in my name of a corps of
     Chasseurs for the kings service in America demands only a positive
     and prompt resolution. My attachment for the best of kings is the
     only thing which can determinate me to this new undertaking. Col.
     Faucitt will have told you how I work when I once have a hint of
     the kings intentions. If I have soon your answer, I'll begin
     immediately. I refer myself to Malsburg's letter to you, Mylord,
     and have the honor to be forever with the utmost consideration and
     greatest friendship, Mylord, your most humble and obedient servant
     and attached friend

                                        _William H.P. of Hesse._

     _P.Scr._ If perhaps there are no chasseurs wanting in Canada, those
     I offer can serve in New York under Gen. Howe, as the king pleases.


XIV.

Oeffentlicher in Querfolio gedruckter Anschlag in den fürstlich
Anhalt-Zerbstischen Landen.

(_Schlözer's_ Staats-Anzeigen, Heft 53, Seite 120.)

     Nachdem Sr. Hochfürstl. Durchlaucht, unser gnädigster Fürst und
     Herr, gemessenst und wiederholt verboten wissen wollen, daß Niemand
     Höchstdenenselben nachzulaufen, oder durch unmittelbaren Antritt
     Höchstdieselben zu behelligen sich unterstehen solle: so wird
     solches allen und jeden, bei Vermeidung unnachbleiblicher Andung,
     und besonders der Dienerschaft bei Strafe der Cassation, hiermit
     untersagt.

     Dat. Zerbst, 1. März 1788.

                        Aus Fürstl. Landes-Regierung hieselbst.

                            _(L.S.) Johann August Carl von Kalitsch._


XV.

Reskript an die Dienerschaft

$vom 1. April 1792.$

(_Schlözer's_ Staats-Anzeigen, Heft 69, Seite 125.)

     Ser^{mus} haben geruhet, den schon vorhin, durch öffentliche
     Anschläge publizirten höchsten Befel, daß Höchstdenenselben niemand
     nachlaufen, und einer unmittelbaren Behelligung sich unterfangen
     solle, dahin zu erstrecken, daß schärfest und nachdrücklichst allen
     Civil- und Militär-Personen, so in herrschaftlichen Diensten
     stehen, angedeutet werde, daß der Erste, so sich unterstehen
     möchte, Höchstdenenselben nachzulaufen, nicht allein seines
     Dienstes verlustig seyn, sondern auch bestraft werden, und die
     Familien, so solche angehören, responsabel seyn, und sich an solche
     gehalten, auch am Ersten, wenn solche Befele und Warnungen nicht
     helfen, ein hartes Exempel statuirt werden soll. Wornach &c.


XVI.

Der Fürst von Anhalt-Zerbst an Sir Joseph Yorke.

(Wörtlich.)

(S.P.O. Holland, Vol. 601.)

                                               Le 29^e. Avril 1777.
            Votre Excellence,
            Toujours sous le Secret.

     La Lettre du 21^e. d'Avril dont V.E. m'a honoré est un nouveau
     temoignage de ses sentiments envers moi; permettez moi de vous en
     rendre mille graces et remercimens; cela vous resemble, c'est
     toujours notre ancienne connaissance qui vous fait agir, ayez la
     bonté de continuer ainsi, soiez persuadé du parfait desir de mon
     côté de vous temoigner en toute occasion tout de même ce qui
     pourrait contribuer à vous montrer des sentimens et desir de vous
     obliger, je le saisirai dans toute occasion avec empressement,
     ardemment, avec zèle et satisfaction infinie.

     Ayez la bonté de ne pas perdre de vue d'honorer de conversation
     notre _Cicerone_ (Mr. Gunther à Leyde), il a de l'esprit et très
     honnête homme, amusant pour fair ressouvenir et mettre au fait, je
     le recommande à Votre Excellence.

     Je suis charmé que V. E. reçoit avec plaisir tel detail; je suis
     pareillement vain que V. E. voit avec plaisir que S. A. Mons^r. Mon
     Beau Frère lui ecrive en tout cas s'il le juge à propos dont je ne
     doute pas. -- V. E. dit n'avoir suggeré l'Article des Cousins que
     pour rendre la masse de la maison plus respectable aux yeux de ceux
     avec qui l'on voudroit traiter. Je crois entendre par la que V. E.
     veut dire de rendre aux yeux des Ennemis plus respectable la masse
     des Troupes de quelques Branches de la Maison par le plus grand
     nombre. S. A. le Landgrave de Hesse à Cassel croit sans doute les
     siennes respectables sans le concours des autres Branches de Hesse;
     sur le chapitre des affaires de sa maison je pense de même mais
     sacher que les Cousins ne sont à ce qu'il paroit gueres jaloux de
     tel honeur et que j'en doute, joint à la lenteur d'agir. J'excepte
     S. A. Mons^r. mon beau frère d'Anhalt à Bernbourg (dont j'ai pris
     souvent la liberté de vous parler en m'arretant sur cet article feu
     mon Père en auroit fait autant, et le feu Prince Leopold d'Anhalt
     Dessau, et feu le Père de mon Beau Frère) qui penseroit peut-être
     comme moi -- De telle manière m'entendez vous, que V. E. aura la
     bonté de croire qu'on ne veut (sur les Cousins) avoir de
     superiorité, ni ascendant ne croiez pas je vous prie que c'est la
     vanité, mais la verité, mais pas envie de primer, mais on prétend
     qu'on voit ce qu'on peut seul.

     Acte d'appel au _Cicerone_ et à tout _Cicerone_ tel qu'on voudra.
     On n'a ni l'honneur d'être Vassal ni Esclave de Messrs. les Cousins
     tous ensemble, tout aussi peu que S. A. le Landgrave de Hesse
     Cassel l'est des autres de Hesse. Raillerie à part on ne peut
     comprendre qui peut avoir suggeré de pareille idée au public;
     seroit ce ceux qui font les progrès en Canada et des Rebelles? Je
     puis agir sans tous ces Messrs. la les Cousins, je le repete, et
     ceux la peuvant en faire autant de même, tant qu'il leur plaira,
     s'ils peuvent; par faute de pouvoir placer bien des gens, ils me
     font l'honneur de me les recommander souvent, quoique d'ailleurs
     nous n'ayons pas grande Connexion, marque tacite que de notre côté,
     l'on est plus en état de donner des Troupes qu'Eux.

     On doute que chés ces Messieurs tous ensemble il puisse partir et
     arriver des Vaisseaux pour Chine, Japon ou où l'on voudra comme
     chès nous, ni mettre tant de monde sous les armes comme on a
     toujours chès nous, ou qu'en badinant seulement on met surpié chès
     nous; on doute donc de ces avantages, et beaucoup d'autres, tant
     pour le militaire que pour le Civil chès ces Messieurs Cousins tous
     ensemble. A moins de compter pour avantages les Juifs de Dessau, et
     le pays de Table de coté, les premiers pour fournir du plet aux
     Troupes, ou de la fausse Monnoye du Juif Ephraim et Comp^{ie}. et
     avoir un Cour de Courtiers, et le second d'y faire provision de
     sable pour lenter des Vaisseaux Marchands.

     Quatre Frères à Dessau avoient entre eux plus de 600 Chiens par
     force, logés chès les Bourgeois de Dessau. Belle Garnison! et au
     premier Coup de Fouet ou de Cors de Chasse, cette Canaille se
     rassembloit comme les Troupes au Coup de Tambour. Diable! si on
     pouvoit faire courir les Amériquains comme cela, ce ne serait pas
     mauvais; mais il faut des Troupes. Car pour l'article des hommes,
     c'est une question et problème de Pirrhuisme à repondre. -- S. A.
     Mr. mon Beau Frère s'il s'en avise, je le repete, pourroit avoir
     bien du monde, c'est le seul en état de le faire, il m'a permis
     d'enlever depuis long tems chès lui; avec feu son Père j'ai eu
     souvent conversation sur tel sujet, aussi il étoit comme son fils
     fort porté pour l'amitié; je dois dire cela avec verité.

     Permettez donc Acte d'Appel au _Cicerone_ sur cet Article, comme
     les quatre Eveques de France sur la _Bulle renigenitre_ du Pape et
     que sur l'Article des Cousins on ne pretend point être melé avec
     ces Messrs. là, tout aussi peu que Son A. le Landgrave de Hesse
     Cassel veut l'être avec les autres de Hesse, sans que le Landgrave
     aye peur de perdre en agissant seul de son coté avec ses Troupes,
     sans mélange des Cousins des autres Branches de Hesse, pour rendre
     la masse plus respectable vis-à vis des Ennemis.

     En attendant je remercie de nouveau très humblement V.E. des
     assurances qu'elle fait de recevoir toujours avec plaisir mon
     griffonage; mais je sai fort bien qu'on peut parler à coeur ouvert
     à un Anglais tel que V.E., et en l'ancienne connoissance met un
     vernis et fait grace à mon stile long et ennuiant, de dire peu en
     beaucoup de paroles, comme les Chanceleries Allemandes des Cours,
     comme il vous sera bien connu par dessus le marché. Je fais donc de
     nouveau mille remercimens, et rens graces à V.E. d'avoir reçu avec
     bonté mes Lettres et même Badinages du 26. et 27. Mars, de meme que
     les precedentes; la satisfaction qu'elle m'en marque me rend
     orgeuilleux.

     Elle sait que Mr. Faucitt m'a repondu quelque fois, mais il auroit
     bien mieux valu hater plus pour parvenir à conclusion, qu'à la
     moutarde des Complimens, et qu'on eut perdu moins de tems à mettre
     les mains dans la poche, au lieu de faire agir mon monde à
     remplacer des garnisons à la place des Troupes à tirer des dites
     Garnisons contre les Ennemis; sans compter autre chose trop long à
     detailler cette pièce à V.E. Je suis sur que V.E. desire qu'il y
     ait long temps que tout fut conclu; continuez je vous prie d'y
     contribuer j'ecris en consequence où besoin est.

     Elle croit donc qu'il n'est necessaire à Brunswic, en tel cas qu'on
     attend que quelqu'un de votre Cour, et qu'un des miens s'y trouve,
     il faut savoir davantage.

     J'ai l'honneur au reste d'être avec considération infinie de V.E.
     etc. etc.

       *       *       *       *       *

     P. S. A ma lettre du 29. Avril 1777, V.E. excusera; en secret je
     vous avertis et qu'on continue comme convenue; dans le moment il
     vient avis avec un _Cicerone_, autre que le notre la bas chès vous;
     sur quoi je ne puis me dispenser d'envoier un Gentilhomme avec un
     Sécretaire, precedé du dit _Cicerone_ pour Londres en droiture (en
     public sous un autre pretexte) à My Lord Barrington, que My Lord
     dirige la chose ulterieurement; car on m'avise de le faire pour
     hâter la conclusion touchant les Troupes; permettez de vous en
     faire un détail une autre fois, on dit qu'à cette heure il s'agit
     de beaucoup de monde. C'est sans compliment V.E. qui a aidé, et ne
     peux l'attribuer qu'à cela, c'est un tour d'amitié de sa part,
     permettez du moins d'en témoigner mes sincères remercimens, me
     reservant d'en témoigner ma reconnaissance davantage.

     Je vous supplie, ne me faites pas languir d'ecrire, ni notre
     _Cicerone_ de vous faire sa Cour, dont il gemit de ne l'avoir fait
     qu'une fois.


XVII.

Oberst August Sigmund v. Koeseritz an -- --[11]

(Wörtlich.)

(S.P.O. German States, Vol. 108.)

                                              Zerbst, 20. Mai 1777.

                Monsieur,

     Vos lettres du 14. et 16. j'ai l'honneur de les accuser; Vous
     voudrez bien continuer le secret et de ne point envoyer de lettres
     dorenavant que sous un autre couvert et cachet.

     Vous sentez bien que c'est par ordre du Prince que je vous écrit;
     car celui-ci que vous aviez écrit n'a pas le pouvoir que j'ai sur
     cet article à cette heure, dont on pourra vous informer une autre
     fois.

     J'espère qu'on aura bientôt nouvelle de Londres, car le Prince, y a
     envoyé pour conclure sur nouvelles reçues au Prince d'y envoyer
     pour conclure.

        On y conclura premièrement hommes:

                       Pour première colonne 2200
                       ou pour le total      3560
                       ou pour               1600 à pied

     et la reste après. Ce le plan de faire qu'on conviendra

                premièrement à Londres ou 1600
                                       ou 2200

     et après la reste, et on peut de façon qu'on peut commencer avec
     les 2200 sera le mieux.

     Si Monsieur veut le deguiser et donner un entrevue il pourrait
     venir à Muling et de Muling à Zerbst voir les troupes Infanterie et
     Cavalerie.

     Monsieur ne seroit-il pas possible que nous convenions ensemble
     nous donc jusqu'à la conclusion à Londres? Vous preniez 4
     compagnies de Grenadiers selon le pied du Prince et 2 canons, sans
     autre compliment à rabattre sur conclusion à Londres. Ainsi qu'un
     bataillon blanc Regiment Fusillier à rabattre sur la conclusion a
     faire et 2 canons et la solde a convenir à Londres.

     Ce n'est que pour mieux presser pour montrer combien on peut rendre
     plaisir sans attendre la conclusion qu'on espere bientot arriver
     pour pouvoir donner la reste des troupes, on commence pour cela,
     etant Monsieur Votre tres humble et tres obéissant

                                                  serviteur
                                         _Aug. Sigmund de Koeseritz_
                                                   Colonel.


XVIII.

Der Fürst von Anhalt-Zerbst an Sir Joseph Yorke.

(Wörtlich).

(S.P.O. Holland, Vol. 606.)

                                                       Dec. 10. 1777.

              Votre Excellence,
                  Pardonnez à la hate, point de Cérémonie.

     Les Andes du Perou, Cordellaras à passer vaudroit autant. Permettez
     pour texte de mon Proue, disoit un Predicateur, mes freres écoutez
     avec attention et conviction de Coeur.

     Pour presser au moins quelque chose, on envoye pour escalader les
     montagnes et glaces et nieges du Hartz, un bataillon de Grenadiers,
     et ce qu'on peut ramasser des Chasseurs qu'on peut toujours
     renforcer. Ces Sacrez Seigneurs de la Chasse! Comme les Grenadiers
     ont meilleures jambes que d'autres, ils y grimperont donc comme des
     Singes par Eimbeck et Celerfeld. Je vous prie regardez les Cartes
     un peu, la ci-jointe note guidera un peu pour ne pas toucher
     terrain très Prussien. Donc on envoye ces Messrs les Grenadiers où
     ils trouveront mauvais chemins ils n'ont qu'à se servir de leurs
     bonnets pour passer et remplir les trous et vuides dans le chemin.
     Je les envoye donc sur les Bras, ou plutot entre les bras de notre
     ami M. Faucitt par Mühlhausen, pour les diriger ou sur l'Elbe ou
     sur le Weser et Jever, où il lui plaira après. M. Faucitt a raison
     il jette feu et flammes contre les Prussiens, dont vous êtes le
     seul amusement.

     Pour les 2 Bataillons Fusiliers on les fait attendre, seulement
     pour rendre tout plus ridicule; permettez que la Russie s'en mêle,
     et presse et force cela vouz aurez bonne revanché par moins aussi.
     Les Prussiens s'en mordront des doigts avec leur finesse ou
     trahison. Jusques à cela ne tardera pas comme vous savez, la Russie
     engagera la chere Prusse à ne pas refuser l'Elbe, ni faire pomper
     l'air de cette rivière par quelque machine pneumatique et
     electrique pour empecher le passage usité jusqu'ici et qui ne m'a
     pas encore été refusé qu'en faveur de vos interets, et par
     consequent interets communs de vous autres, de l'Empereur l'Empire
     et autres.

     Pour ne pas être long et ennuyant à mon ordinaire je finis cette
     Lettre, profitant de votre permission de vous griffoner souvent,
     j'ose assurer que je suis à toujours avec une consideration infinie
     de V. E. etc. etc.

                                        Note du 12. Decembre 1777.

     Excusez que j'ecrive à la hate. Je vous prie que votre Ministre en
     Russie agisse aussi de son côté et fasse sentir tout. Quand même la
     réquisition Russe soit parti pour la Prusse que votre Ministre
     agisse nonobstant.


XIX.

Feronce an Faucitt.

(S.P.O. German States, Vol. 109.)

                                       Brunswic, ce 23. Decembre 1777.

Der Anfang dieses Briefes handelt von der Gefangennahme Burgoyne's bei
Saratoga, bei welcher sich bekanntlich ein braunschweigisches Korps
befand, dann heißt es weiter:

     -- -- -- Si on nous seconde comme on le peut et comme on le doit en
     vertu du traité, nous nous remettrons bientot sur pied, je vous
     prie, mon cher Général, de fair avec moi une observation analogue à
     cette époque, il faut absolument ne point fair revenir ces pauvres
     capitulants en Allemagne, ils seront mécontents et leurs
     exagerations degouteront tout le monde de votre guerre d'Amérique,
     faites aller ces restes à une de vos isles en Amérique, deposez les
     en Europe dans quelqu'une de vos isles celle de Wight par exemple,
     on y enverrait les recrues, les armes et vous aurez moins de frais
     et perdrez moins de temps. Je vous prie, mon cher Général, de
     refléchir sur ce que je vous dis et si vous vous interessez à cette
     cause comme vous l'avez toujours fait, touchez en quelque chose à
     Mylord Suffolk qui a trop de pénétration pour ne pas sentir que cet
     arrangement serait très salutaire au service du roi. --


XX.

Feronce an Faucitt.

(S.P.O. German Papers, Vol. 110.)

                                       Brunsvic, ce 23. Fevrier 1778.

     L'incertitude dans laquelle nous sommes à l'egard du sort de nos
     trouppes qui ont capitulé à Saratoga, n'empeche pas Msgr. le Duc de
     Brunsvic de s'occuper de tous les moins propres à rendre utile au
     service de Sa Majesté Brittannique le reste de ses trouppes qui se
     trouve en Canada; S.A.S. est tres persuadée que le Ministre
     Brittannique fera son possible pour hater l'echange des trouppes
     qui ont capitulé et Msgr. le Duc est trop pursuadé de la
     bienveuillance de Sa Majesté Brittannique et de la prudence de son
     Ministere pour supposer qu'on puisse jamais songer à faire passer
     en Allemagne les trouppes Allemandes qui ont capitulé, le renvoi de
     ces trouppes dans cet etat de delabrement produiroit les effets les
     plus facheux et feroit la sensation la plus douloureuse. Afin de
     tirer au moins quelque partie des Trouppes de Brunsvic qui sont
     restées en Canada et à Ticonderoga, notre intention seroit d'en
     former trois regimens, chacun d'environ six cent hommes, y compris
     les officiers et bas officiers necessaires, les recrues qui sont
     prets à partir d'ici seront suffisans pour fournir à ce qui manque
     pour completter ces trois regimens et pour les porter à bien pres
     de six cent hommes chacun; ces trois regimens seroient commandés ad
     interim, par trois Lieutenants Colonels des Trouppes de Brunsvic
     qui se trouvent actuellement en Canada et qui sont Messieurs
     d'Ehrencreuz, de Barner et Pretorius, il seroit fort à desirer
     qu'avant l'ouverture de la Campagne on trouvat moien d'echanger le
     Colonel Specht qui pourvoit passer en Canada pour commander ces
     trois regimens; nous aurons soin de faire partir avec nos recrues
     tout ce qui sera necessaire pour armer et equipper complettement
     ces trois regimens qui se trouveront en etat de faire la campagne
     dès le moment ou les recrues sont debarqués.


XXI.

Lettre du Landgrave de Hesse au Commandant de ses Troupes en Amérique.

(Aus Band Nr. 600 der Flugschriften in der Bibliothek der Historical
Society of New York City.)

(Das Original ist auf sechs Seiten Oktav ohne Angabe des Druckorts mit
sehr großen Buchstaben gedruckt; der nachfolgende Abdruck mit allen
seinen Fehlern ist wörtlich.)

     Monsieur le Baron de Hogendorff je ne puis assés vous témoigner
     combien la Relation que vouz mavéz Envoyé m'a comblé de joye -- l'a
     conduite de mes hessois qui se sont fait Immolés si heroiquement
     pour une cause qui nous est si Etrangere, confirme toute l'opinion
     que javois de leurs bravoure, et Justifie l'Espoir que javois
     fondée sur leur attachement à mes Interês -- mais je ne puis
     pardonner aux nouvellistes Anglois d'avoir diminué si fort, le
     nombre de nos morts -- pourquoy n'avoir, pas a vouée franchement,
     qu'aulieu de neuf cent nous en avons perdu 1700! En verité je ne
     trouverois Guère mon Compte à ce calcule, et je ne puis l'attribuer
     qu-à un motif très Interressé de leurs part -- ces Messieurs
     Croyent-ils donc, que trentes Guinnés déplus, ou de moins me sont
     Indifférents! et cela, après un voiage aussi couteux, que celuy que
     je viens de faire, et qui, m'a fait contracter tant de nouvelles
     dettes -- -- non, mon cher, que votre Zèle pour mon service, et vos
     desirs, pour contribuer a mes plaisirs Redoublent defforts en
     secondant par tous les moiens possibles, toutes les Occasion qui
     pourois se presenter pour animer, de plus en plus mes fidelles
     sujets à se sacrifier _Jusqu'au dernier même_. Pour Repondre à dés
     vués aussi légitime, que nécessaires.

     Temoignés bien de m'apart au Colonnel, M... combien je suis
     mécontent de la conduite qu'il à tenu jusqu'ici, -- quoy? Le seul
     de tous nos corps qui n'a perdue qu'un seul homme jusqu'a présent
     -- c'est, ce couvrir de honte, et Redoubler mes peines; -- la
     Signora F... que je viens, d'Engager en _Italie_ va me couter au
     dela de Cinq cents Guinées par an, et puis ces Anglois, voudroient
     encore mechicaner sur les blessés, et les estropiés -- mais non ils
     me les payeront selon le même Tarif fixé pour les morts -- si non,
     jaime mieux, quils Imitent l'Exemple de ceux qui se sont laissés
     prendre à _Trenton_ -- en effets -- à quoy me serviroient ces
     miserables! ici? Ils ne sont plus bon à Rien, d'ailleurs, ces
     maudits Rebelles qui, tirent toujours si bas, les auront sans doute
     Rendus Impuissants, mais qant à céla, les Jésuites que j'ai envie
     d'appéller dans mes etats, s'en acquitteront mille, et mille fois
     mieux, et Réparéront bientôt, toute la depopulation, qui ne s'y
     manifeste dejà que trop, c'est un Expedient que m'a donné à Rome,
     le Cardinal T... qui m'a promis de me menager cette affaire avec
     tonte la dexteritéé Imaginable, -- Vous ne sauriez croire (matil
     dit;) combien la vuë de tant de belles Guinées Ranime la Vigueur.
     Or quoy qu'il en arrive jouissons du présent et ne nous mettons pas
     en peine du Reste; sur ce, je prie Dieu, qu'il vous tienne Monsieur
     le Baron de Hogendorff en sa sainte et bonne garde,

                                                     à Cassel 1777.


XXII.

Translation[12] of a treaty between His Majesty and the Landgrave of
Hesse Cassel.

     His Britannic Majesty being desirous of employing in his service a
     body of twelve thousand men of the troops of His most Serene
     Highness the reigning Landgrave of Hesse Cassel, and that prince
     full of attachment for His Majesty, desiring nothing more than to
     give him proofs of it, His Majesty, in order to settle the objects,
     relative to this alliance has thought proper to send to Cassel the
     Sieur William Faucitt his minister plenipotentiary and colonel in
     his service, and His most Serene Highness has named, on his part
     for the same purpose, the Baron Martin Erneste de Schlieffen, his
     minister of state, lieutenant general and knight of his orders, who
     being furnished with requisite full powers, have agreed that the
     treaties formerly concluded between Great Britain and Hesse, shall
     be made the basis of the present treaty, and to adopt as much of
     them as shall be applicable to the present circumstances, or to
     determine by new articles such points as must be settled otherwise,
     every thing that shall not be differently regulated, shall be
     deemed to subsist in full force, as it shall appear to be declared
     in the abovementioned treaties, and as it is not possible to
     specify each particular case, every thing that shall not be found
     regulated in a precise manner, neither in the present treaty nor in
     the former treaties, ought to be settled with equity and good
     faith, conformably to the same principles which were agreed on by
     each part to be pursued for regulating all such cases, whether
     during or after the last war.

     I. There shall be therefore, by virtue of this treaty between his
     Majesty the King of Great Britain and his most Serene Highness the
     Landgrave of Hesse Cassel, their successors and heirs, a strict
     friendship, and a sincere, firm and constant union, in so much that
     the one shall consider the interests of the other as his own, and
     shall apply himself with good faith to advance them to the utmost,
     and to prevent and avert mutually all trouble and loss.

     II. To this end it is agreed, that all former treaties principally
     of guaranty, be deemed to be renewed and confirmed by the present
     treaty in all their points, articles and clauses, and shall be of
     the same force as if they were herein inserted, word for word, so
     far as it not derogated from them by the present treaty.

     III. This body of twelwe thousand men, of the troops of Hesse,
     which is to be employed in His Brittannic Majesty's service, shall
     consist of four battallions of grenadiers, of four companies each,
     fifteen battallions of Infantry, of five companies each, and two
     companies of chasseurs, the whole provided with general and other
     necessary officers. This corps shall be completely equipped and
     provided with tents, and all accoutrements of which it may stand in
     need; in a word shall be put upon the best footing possible, and
     none shall be admitted into it but men fit for service, and
     acknowledged for such by His Britannic Majesty's commissary.
     Formerly the signature of the treaties has usually preceded, by
     some time, the term of the requisition for the march of the troops,
     but as in the present circumstances there is no time to be lost,
     the day of signature of the present treaty is deemed to be also the
     term of the requisition, and three battalions of grenadiers, six
     battalions of Infantry, with one company of chasseurs, shall be in
     a condition to pass in review before His Britannic Majesty's
     commissary on the fourteenth of February, and shall begin to march
     on the day following the fifteenth of February, for the place of
     embarkation. The rest shall be ready in four weeks after, if
     possible and march in like manner.

     This body of troops shall not be separated, unless reasons of war
     require it, but shall remain under the orders of the general to
     whom His most Serene Highness has entrusted the command, and the
     second division shall be conducted to the same places only where
     the first shall actually be, if not contrary to the plan of
     operations.

     IV. Each battalion of this body of troops shall be provided with
     two pieces of field artillery, with the officers, gunners and other
     persons, and the train thereunto belonging, if his Majesty is
     desirous of it.

     V. Toward defraying the expence in which the most Serene Landgrave
     shall be engaged, for the arming and putting in condition the said
     corps of twelve thousand men, His Majesty the King of Great Britain
     promises to pay to His most Serene Highness, for each foot soldier
     thirty crown banco levy money, as well for the Infantry as for the
     chasseurs, or artillery, if there should be any, the sum total of
     which shall be ascertained according to the number of men composing
     this corps, and as they have been reckoned in former alliances.

     The sum of one hundred and eighty thousand crowns banco valued as
     in the following article, shall be paid on account of this levy
     money on the tenth of February, and the residue shall be paid, when
     the second division of this corps shall begin their march.

     VI. In all the former treaties a certain number of years is
     stipulated for their duration, but in the present His Britannic
     Majesty choosing rather not to engage himself for any longer time
     than he shall have occasion for these troops, consents instead
     thereof that the subsidy shall be double from the day of the
     signature of this treaty to its expiration, that is to say, that it
     shall amount for this body of twelve thousand men to the sum of
     four hundred and fifty thousand crowns banco per annum, the crown
     reckoned at fifty three sols of Holland, or at four shilling and
     nine pence three farthings English money, and that the subsidy
     shall continue upon this foot during all the time that this body of
     troops shall remain in British pay. His Britannic Majesty engages
     also to give notice to the most Serene Landgrave of its termination
     twelwe months or a whole year before it shall take place, which
     notice shall not even be given before this body of troops is
     returned, and actually is arrived in the dominions of the said
     prince, namely in Hesse, properly so called. His Majesty shall
     continue equally to this corps the pay and other emoluments for the
     remainder of the month in which it shall repass the frontiers of
     Hesse, and His most Serene Highness reserves to himself on his side
     the liberty of recalling his troops at the end of four years, if
     they are not sent back before, or to agree with His Britannic
     Majesty at the end of that time for another term.

     VII. With regard to the pay and treatment, as well ordinary as
     extraordinary, of the said troops, they shall be put on the same
     foot, in all respects, with the national British troops, and His
     Majesty's departement of war shall deliver without delay to that of
     His most Serene Highness, an exact and faithful state of the pay
     and treatment enjoyed by those troops, which pay and treatment, in
     consideration that His most Serene Highness could not put this
     corps in a condition to march in so short a time without
     extraordinary expences, shall commence for the first division on
     the first of February, and for the second, seven days before it
     shall begin to march, and shall be paid into the military chest of
     Hesse, without any abatement or deduction, to be distributed
     according to the arrangements which shall be made for that purpose,
     and the sum of twenty thousand pounds sterling shall be advanced
     immediately on account of the said pay.

     VIII.[13] If it should happen unfortunately that any regiment or
     company of the said corps should be ruined or destroyed either by
     accidents on the sea or otherwise, in the whole or in part, or that
     the pieces of artillery or other effects with which they shall be
     provided, should be taken by the enemy, or lost on the sea, His
     Majesty the King of Great Britain shall cause to be paid the
     expences of the necessary recruits, as well as the price of the
     said field pieces and effects, in order forthwith to reinstate the
     artillery or the said regiments and companies, and the said
     recruits shall be settled likewise on the foot of those which were
     furnished to the Hessian officers by virtue of the treaty of 1702,
     article the fifth, to the end that the corps may be always
     preserved and sent back in as good a state as it was delivered in,
     the recruits annually necessary shall be sent to the English
     Commissary, disciplined and compleetly equipped, at the place of
     embarkation, at such time as His Britannic Majesty shall appoint.

     IX. In Europe His Majesty shall make use of this body of troops by
     land wherever he shall judge proper, but North America is the only
     country of the other parts of the globe where this body of troops
     shall be employed. They shall not serve on the sea, and they shall
     enjoy, in all things without any restriction what soever, the same
     pay and emoluments as are enjoyed by the English troops.

     X. In case the Most Serene Landgrave should be attacked or
     disturbed in the possession of his dominions, His Britannic Majesty
     promises and engages to give him all the succour that it shall be
     in his power to _afford_ (original _de donner_) which succour shall
     be continued to him until he shall have obtained an entire security
     and just indemnification: as the most Serene Landgrave promises
     likewise on his part, that in case His Majesty the King of Great
     Britain is attacked or disturbed in his kingdoms, dominions, lands,
     provinces or towns, he will _give him_ (original, _lui prêtera_) in
     like manner all the succour that it shall be in his power _to
     afford_ (Original _de donner_) which succour shall likewise be
     continued to him, until he shall have obtained a good and
     advantageous peace.

     XI. In order to render this alliance and union the more perfect and
     to leave no doubt with the parties about the certainty of the
     succour which they have to expect by virtue of this treaty, it is
     expressly agreed, that to judge for the future whether the case of
     this alliance and the stipulated succour exists or not, it shall
     suffice, that either of the parties is actually attacked by force
     of arms, without his having first used open force against him who
     attackes him.

     XII. The sick of the Hessian corps shall remain under the care of
     their physicians, surgeons, and other persons appointed for that
     purpose, under the orders of the general commanding the corps of
     that nation, and every thing shall be allowed them, that His
     Majesty allows to his own troops.

     XIII. All the Hessian deserters shall be faithfully given up
     wherever they shall be discovered in the places dependent on His
     Britannic Majesty, and above all as far as it is possible, no
     person whatever of that nation shall be permitted to establish
     himself in America, without the consent of his sovereign.

     XIV. All the transports of the troops, as well for the effects,
     shall be at the expence of His Britannic Majesty, and none
     belonging to the said corps shall pay any postage of letters, in
     consideration of the distance of the places.

     XV. The treaty shall be ratified by the high contracting parties,
     and the ratifications thereof shall be exchanged as soon as
     possible.

     In witness whereof, we the undersigned, furnished with the full
     power of His Majesty the King of Great Britain, on one part, and of
     His most Serene Highness the reigning Landgrave of Hesse Cassel on
     the other part, have signed the present treaty and have caused the
     seals of our arms to be put thereto. Done at Cassell the fifteenth
     of January in the year 1776.

             _L.S. William Faucitt.      L.S. M. de Schlieffen._


XXIII.

Friedrich der Große an den Markgrafen Karl Alexander von
Brandenburg-Bayreuth.

(Anspacher Manual-Akten I, 190.)

                                    Potsdam, ce 24. Octobre 1777.

       Monsieur mon Neveu!

     J'avoue à Votre Altesse Serenissime, que Je ne pense jamais à la
     guerre actuelle en Amérique sans être frappé de l'empressement de
     quelques princes d'Allemagne, de sacrifier leurs Trouppes à une
     querelle qui ne les regarde pas. Mon étonnement augmente même quand
     Je Me rappelle de l'histoire ancienne, cet eloignement sage et
     général dans Nos Ancêtres, de prodiguer le sang allemand pour la
     defense des droits etrangers et qui passa même en loi dans le corps
     Germanique.

     Mais Je M'apperçois que Mon patriotisme M'emporte; et Je reviens à
     la lettre de Votre Altesse Serenissime du 14. qui l'a si fort
     ranimé. Elle y demande le passage libre des recrues et bagages
     qu'Elle veut envoyer au Corps de ses Trouppes au service de la
     Grande Brétagne et Je prends la liberté de lui faire observer que
     si Elle veut les faire passer en Angleterre, elles n'auront pas
     seulement besoin de traverser Mes Etats et qu'Elle pourra leur
     faire prendre une toute plus courte pour les faire embarquer. Je
     soumets même cette idée au jugement de Votre Altesse Serenissime et
     Je ne suis pas moins avec toute la tendresse que Je Lui dois,
     Monsieur Mon Neveu, de Votre Altesse Serenissime le bon Oncle

_Fédéric._




Sinnentstellender Druckfehler.


S. 90, Zeile 12 v.o. ließ _euphemistisch_ statt euphonistisch.


Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin.




Fußnoten

[1] Eine Banko-Krone war in englischer Münze vier Shilling
9-3/4 Pence, eine deutsche Krone drei Shilling 6-6/7 Pence.

[2] Ein Schreckenberger beträgt 6 Albus und 6 Heller; 32 Albus,
deren jeder 12 Heller hat, sind 1 Thaler Pr.; ein Schreckenberger ist
also etwa 6 Sgr.Pr.Ct. und von jedem Hundert Gulden der zu bezahlenden
Steuern wurde ein solcher Schreckenberger bezahlt. (Schlözer's
Briefwechsel VIII. 388.)

[3] Patrioten schauen mit Entzücken
    Seinem Flug durch seine Himmel nach,
    Und aus froher Unterthanen Blicken
    Rieselt Wonne -- schwillt -- und wird ein Bach.

    Alle Sänger unsers Landes hauchen
    Mit dem Flammenodem in's Gedicht,
    Und die Künstler mühen sich zu tauchen
    Ihre Pinsel in des Festes Licht.

    Ha, Thalia! -- mit dem Dank des Waisen,
    Mit der Wittwe Lachen durch den Flor,
    Mit den Wolken, die gen Himmel kreisen,
    Steig' auch deine Opferwolk' empor.

    Näher am Altare will ich knieen; --
    Denn, o Karl! wenn Kunstgefühle hier,
    Wenn der Tugend höhre Triebe glühen,
    Hier in dieser Brust; -- so dank' ich's Dir!

           *       *       *       *       *

    So nimm denn unsern Dank,
      Erhabner Karl,
    Eine Opferschale voll Freudenthränen!

           *       *       *       *       *

    Wir singen in jauchzenden Tönen
    Dem Kenner des Großen und Schönen
    Den schallenden hohen Päan, --
    Dem Wäger großer Verdienste,
    Dem Schutzgeist schüchterner Künste
    Tönt unser Chor himmelan! --

[4] Die Königinn, eine geborene Mecklenburg-Strelitzische
Prinzessinn, schreibt wörtlich: »Je me suis acquittée de la commission
du Margrave d'Anspach tout de même comme vous avez fait. Le cher Roy,
ayant toutes les troupes qui lui faut, ne pense plus en augmenter ce
nombre; ainsi vous ferez, scavoir cela avec tous les compliments et la
politesse qui vous sont naturell, an den gehörigen Orthen.«

[5] Franklin schreibt d.d. Paris, 1. Mai 1777 an John Winthrop:
»The king of Prussia's humour of obliging those princes to pay him the
same toll per head for the men they drive through his dominions as used
to he paid him for their cattle, because they were sold as such is
generally spoken of with approbation as a just reproof of those
tyrants«. Works VIII., 215. Was hier als Thatsache erzählt wird, ist
nichts als eine jener zahllosen tendenziösen Anekdoten, die zu jener
Zeit in Holland oder den Pariser Salons fabrizirt wurden. Franklin
glaubte sie vielleicht, weil sie seinen Wünschen entsprach;
wahrscheinlich hat er sie aber selbst gemacht.

[6] Avis aux Hessois et autres Peuples de l'Allemagne. Vendus
par leurs Princes à l'Angleterre. -- A. Clèves chez Bertol. 1777, 8. Das
Motto lautet: »Quis furor iste novus? quo nunc quo tenditis -- --? Heu
miseri cives! non hostem inimicaque castra -- Vestras spes uritis«.
_Virgilius_. (Sollte heißen: miserae cives, siehe Aeneis V., 671; die
Weiber wollten die Schiffe verbrennen.)

[7] Trennung, Eigennutz und Knechtswuth haben
    Allen öffentlichen Sinn begraben,
    Daß der Deutsche nur in Horden lebt,
    Und daß dummheitstrunken diese Horden
    Um die Wette sich für Fremde morden,
    Daß die mildre Menschheit weint und bebt.

    Unsre Edlen suchen fremde Ketten,
    Wer soll nun das Vaterland erretten?
    Jeder theilt sich gierig in den Raub.
    Wo der blinde Eigennutz gebietet,
    Wo man für Obolen Söldner miethet,
    Bleibt man für den Ruf der Ehre taub.

(Werke I, 316. Ausgabe von 1825.)

[8] So sagt u.A. noch eine Ende Februar 1864 erlassene Adresse
des Kongresses der Rebellenstaaten an die südliche Bevölkerung: »The
administration (of Lincoln) has been able thus far by its legions of
»Hessian« mercenaries to overawe the masses, to control the elections
and to establish an arbitrary despotism.«

[9] Herr v. Eelking erklärt S.224 im ersten Bande seiner
»Hülfstruppen« diese letzte Aeußerung Donop's, nachdem er die erste
Hälfte der Duplessis'schen Aufzeichnung als wahr angenommen, für
kleinmüthig und im Widerspruche mit dem Charakter des Sterbenden
stehend. Auch erwähne sein Adjutant eben so wenig etwas davon, als
irgend eins der zahlreichen Offizierstagebücher. Abgesehen davon, daß es
willkürlich ist, eine Zeugenaussage zu zerreißen, so steht so viel fest,
daß höchstens Donop's Adjutant und kein andrer deutscher Offizier
gegenwärtig gewesen sein konnte, daß wir aber nicht wissen, ob er
wirklich gegenwärtig gewesen ist und Französisch verstand. Dann aber
wird sich ein deutscher Adjutant, wie damals so auch heut zu Tage, wohl
hüten, solche Liebeserklärungen unter die Leute zu bringen oder gar
Serenissimo zu melden. Derartige »Etourderien« werden von diesen Herren
am liebsten im Interesse des eigenen Avancements oder, wie der
Kunstausdruck lautet, des höchsten Dienstes todtgeschwiegen. Wäre ein
amerikanischer Farmer oder ein sonst mit den europäischen Verhältnissen
unbekannter Berichterstatter der Gewährsmann der obigen Aeußerung, so
könnte man vielleicht mit Recht an ihrer Echtheit zweifeln. Mauduit ist
aber eine untadelhafte Autorität. Er erzählt nur Thatsachen, ohne jede
Tendenz und zwar als Augen- und Ohrenzeuge. Es ist deshalb auch nicht
der mindeste Grund vorhanden, seine Mittheilung willkürlich zu
zerstückeln, sondern man muß sie ganz und ungetheilt als echt annehmen.
Hier mögen seine eigenen Worte folgen: -- Une voix s'éléva du milieu des
cadavres et dit en Anglais: »Qui que vous soyez, tirez moi d'ici!«
C'était celle du Colonel Donop. Mr. de Mauduit le fit prendre par ses
soldats, et le fit porter dans le fort, oû il ne tarda pas d'être
reconnu. Il avait la hanche fracassée. -- -- »Je suis content --
repliqua Donop en se servant de notre langue, -- je meurs entre les bras
de l'honneur même. C'est finir de bonne heure une belle carrière, mais
je meurs victime de mon ambition et de l'avarice de mon souverain.«
(Voyages de Mr. le Marquis de Chastelluc dans l'Amérique septentrionale,
Paris 1788, I, 288). Auch der damals im amerikanischen Hauptquartier
sich befindende General Jobann Kalb schreibt am 2. November 1777 an den
Herzog von Broglio, daß Oberst Donop tief betrauert von seinen Soldaten
gefallen sei und daß seine letzten Worte gewesen, er sterbe als Opfer
der Habgier seines Fürsten. (Leben des amerikanischen Generals Johann
_Kalb_ von Friedrich Kapp. S.123.)

[10] Eine wissentliche Unwahrheit; das Regiment sollte erst
ausgehoben werden.

[11] Faucitt sagt in seinem Briefe vom 27. Juni 1777 an Suffolk
über das obige Schreiben: »Der einliegende Brief ist vom 20. Mai statt
20. Juni datirt; sein Stil zeigt, daß er the handiwork of His Serene
Highness himself (von Sr. Durchlaucht selbst verübt) ist.«

[12] Aus dem Französischen.

[13] Der mit diesem §. korrespondirende elfte §. des
braunschweiger Vertrags enthielt noch folgende Bestimmung, die man in
sämmtlichen späteren Verträgen, wegen des durch sie erregten Unwillens,
fallen ließ: According to custom, three wounded men shall be reckoned as
one killed, a man killed shall be paid for at the rate of levy money
(thirty crown banco = 51 Thlr. 15 Sgr.).




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  | Anmerkungen zur Transkription:                                   |
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  | beide gebräuchlich waren, wie:                                   |
  |                                                                  |
  | Baiern -- Bayern                                                 |
  | Einquartirung -- Einquartierung                                  |
  | geborener -- geborner                                            |
  | Grenzen -- Gränzen                                               |
  | hanauischen -- hanauschen                                        |
  | Kassler -- Kasseler                                              |
  | kassel'schen -- kasselschen                                      |
  | Kolonien -- Kolonieen                                            |
  | Cöln -- Köln                                                     |
  | Mosquitos -- Muskito's                                           |
  | späteren -- spätern                                              |
  | theueren -- theuern                                              |
  | Werbe-Offizier -- Werbeoffizier                                  |
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  | Im Text wurden folgende Korrekturen vorgenommen:                 |
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  | S. xiii "hessichen" durch "hessischen" ersetzt.                  |
  | S. xiv "kurhessichen" durch "kurhessischen" ersetzt.             |
  | S. 17 "pünklich" durch "pünktlich" ersetzt.                      |
  | S. 40 "bereis" durch "bereits" ersetzt.                          |
  | S. 53 "Verwandschaft" durch "Verwandtschaft" ersetzt.            |
  | S. 68 "bereis" durch "bereits" ersetzt.                          |
  | S. 88 "selbredend" durch "selbstredend" ersetzt.                 |
  | S. 96 "Soldatenbedürftiger" durch "soldatenbedürftiger" ersetzt. |
  | S. 102 "venachlässigt" durch "vernachlässigt" ersetzt.           |
  | S. 106 "Gesandschaft" durch "Gesandtschaft" ersetzt.             |
  | S. 114 "Kostbarbeiten" durch "Kostbarkeiten" ersetzt.            |
  | S. 117 Anfangsanführungszeichen bei Reitzensteins Zitat          |
  |        eingefügt.                                                |
  | S. 118 "Fiedrich" durch "Friedrich" ersetzt.                     |
  | S. 119 "französiche" durch "französische" ersetzt.               |
  | S. 137 "patriachalische" durch "patriarchalische" ersetzt.       |
  | S. 139 "Jahrhunders" durch "Jahrhunderts" ersetzt.               |
  | S. 145 "uberaus" durch "überaus" ersetzt.                        |
  | S. 151 "Waldecker" durch "waldecker" ersetzt.                    |
  | S. 153 "eine" durch "seine" ersetzt.                             |
  | S. 154 "Bourgoyne" durch "Burgoyne" ersetzt.                     |
  | S. 162 "Herzberg" durch "Hertzberg" ersetzt.                     |
  | S. 164 "Schlammersdorf" durch "Schlammersdorff" ersetzt.         |
  | S. 169 "Tier" durch "Trier" ersetzt.                             |
  | S. 175 "überascht" durch "überrascht" ersetzt.                   |
  | S. 175 "Gefangen-Transporten" durch "Gefangenen-Transporten"     |
  |         ersetzt.                                                 |
  | S. 177 "verläufig" durch "vorläufig" ersetzt.                    |
  | S. 191 "Enren" durch "Euren" ersetzt.                            |
  | S. 193 "engegen" durch "entgegen" ersetzt.                       |
  | S. 197 "mar" durch "war" ersetzt.                                |
  | S. 200 "Kontrole" durch "Kontrolle" ersetzt.                     |
  | S. 206 "Elderado" durch "Eldorado" ersetzt.                      |
  | S. 213 "Unterhanen" durch "Unterthanen" ersetzt.                 |
  | S. 215 "Kontribuendi(s)" durch "Contribuendi(s)" ersetzt.        |
  | S. 215 "Unterhanen" durch "Unterthanen" ersetzt.                 |
  | S. 225 "Widerspuch" durch "Widerspruch" ersetzt.                 |
  | S. 226 "Dummheitstrunken" durch "dummheitstrunken" ersetzt       |
  |        (Fu0note).                                                |
  | S. 228 "Kammeradschaft" durch "Kameradschaft" ersetzt.           |
  | S. 228 "Verflegung" durch "Verpflegung" ersetzt.                 |
  | S. 238 "wiener Frieden" durch "Wiener Frieden" ersetzt.          |
  | S. 240 "Vertheider" durch "Vertheidiger" ersetzt.                |
  |                                                                  |
  | Nicht korrigierte Rechtschreibung:                               |
  |                                                                  |
  | S. 53  "erwiederte" (Zitat)                                      |
  | S. 68  "homours and dispositions" (Zitat, unklar ob "humours"    |
  |         gemeint war)                                             |
  | S. 105 "Exellenz" (Zitat)                                        |
  | S. 113 "Darlehne" (Zitat)                                        |
  | S. 127 "Reisaus" (Zitat)                                         |
  | S. 130 "Gantz", "Duchlauchten", "gantzen" (Zitat)                |
  | S. 181 "Pensylvanien" (Zitat)                                    |
  | S. 220 "Missisippi" (so in älteren Brockhaus und Herder)         |
  | S. 234 "unzulässische" (Zitat)                                   |
  |                                                                  |
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End of the Project Gutenberg EBook of Der Soldatenhandel deutscher Fürsten
nach Amerika, by Friedrich Kapp

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SOLDATENHANDEL DEUTSCHER ***

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The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
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