Der Harz

By Friedrich Günther

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Title: Der Harz

Author: Friedrich Günther

Release Date: April 14, 2020 [EBook #61833]

Language: German


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                             Land und Leute

                        Monographien zur Erdkunde

             In Verbindung mit hervorragenden Fachgelehrten

                            herausgegeben von

                                A. Scobel


                                   IX.

                                Der Harz


                        $Bielefeld$ und $Leipzig$
                     =Verlag von Velhagen & Klasing=
                                  1901


                    *       *       *       *       *

                                Der Harz

                                   Von

                               Fr. Günther

          =Mit 115 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen
                       und einer farbigen Karte.=


                             [Illustration]


                        $Bielefeld$ und $Leipzig$
                     =Verlag von Velhagen & Klasing=
                                  1901


                        Alle Rechte vorbehalten.

                 Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.




                                 Inhalt.

                                                                   Seite

      I. Einleitung                                                   3

     II. Geographischer Überblick                                     5

    III. Geologische Übersicht                                        8

     IV. Das Klima                                                   18

      V. Geschichtlicher Überblick                                   25

     VI. Land und Leute                                              30

    VII. Die Hochebene von Klausthal                                 40

   VIII. Die Söselandschaft                                          56

     IX. Die Innerstelandschaft                                      58

      X. Die Okerlandschaft                                          68

     XI. Die Oderlandschaft                                          77

    XII. Der Brocken und das Brockenfeld                             83

   XIII. Radau, Ecker und Ilse                                       89

    XIV. Die Holtemme                                                91

     XV. Die Bodelandschaft                                          98

    XVI. Die Selkelandschaft                                        106

   XVII. Die Wipperlandschaft. -- Mansfelder Bergbaugebiet          108

  XVIII. Die Helmelandschaft                                        118

         Register                                                   126

                    *       *       *       *       *

[Illustration: Abb. 1. =Stolberg, von der Lutherbuche gesehen.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

                    *       *       *       *       *


[Illustration: Abb. 2. =Eisleben im 17. Jahrhundert= (nach Merian).]




                                Der Harz.


                                   I.

                               Einleitung.


»Mag Samaria und Judäa ein sehr fruchtbares Land gewesen sein, ich lobe
mir dafür meine Güldene Au.« So sprach, wie D. Luther erzählt, Botho der
Glückselige, Graf zu Stolberg, als er am 9. Februar 1494 von seiner
»Meerfahrt« in das Gelobte Land in seine harzische Heimat zurückkehrte.
Ja, und wenn es auch gar viel gewaltigere Gebirge gibt mit
himmelanstrebenden, von den Wolken benetzten Spitzen und Hörnern, mit
glitzernden Gletschern und ewigem Firn: ich lobe mir doch meinen
bescheidenen Harz und ich liebe ihn und preise ihn, so gut ich kann.

  »Größ're Gebirge wohl gibt's, doch keines, das ihn überträfe
   Beides an Wald und Wild ...«

singt Heinrich Rosla (gegen 1300) in seiner Herlingsberga; und Konrad
Celtis, der die Vorlande unseres Gebirges im Jahre 1498 durchreiste,
rühmt an diesem die Fülle mannigfaltigen Erzes, die mit Taxus und Fichte
geschmückten Höhen, die dunkelschattigen Thäler, die rauschenden,
jählings durch die Felsen herabstürzenden Gießbäche, wodurch die
matterleuchtete Gegend das Ansehen der Unterwelt gewönne.

»Vom Harz der Fichte« leitet Celtis den Namen unseres Waldgebirges ab,
und noch Johann Rauws spricht's hundert Jahre später ihm nach. Aber wenn
sie hierin auch irren, strömt uns nicht aus dem Worte »Harz« gleichsam
der würzige Duft der unabsehbaren Nadelwälder erfrischend entgegen, hören
wir nicht bei seinem Klange gleichsam das geheimnisvolle Rauschen und
Flüstern der weithin schauenden Wipfel unserer »nordischen Palme«? Und
die Töne der Schwarzdrossel und ihrer sangeskundigen Schwestern klingen
melancholisch darein, und über die klaren, blinkenden Teiche hallt leise
und feierlich wie aus »verlorener Waldkirche« das harmonische Geläut der
friedlich weidenden braunen Rinderherden herüber, und der Gießbach stimmt
murmelnd ein in den Abendpsalm. Und wenn die Schwingen des Waldes ruhen
und die Töne mählich verklingen und nur noch die Saiten des Herzens
andächtig nachzittern, und der letzte Sonnenstrahl, der so eben noch hier
die grüne Nacht des Hochwaldes zu durchdringen sich bemühte, dort auf dem
weichen, dichten Moospolster und den dichtgedrängten, losen Farnwedeln
neckisch spielte, scheidend erlischt -- dann erheben Sage und Märchen ihr
Haupt. Schaut hier nicht König Hübich Gaben verheißend aus dem
Felsenspalt, schreitet dort nicht der Bergmönch mit flackerndem
Grubenlicht hinter dem ältesten der Baumriesen hervor? Und das zottige
Flechtengewirr an den Zweigen und die knorrigen, weit hervorragenden
Wurzeln nehmen gar seltsame Gestalten an, und wie ein Geisterhauch
fliegt's durch die Kronen.

Wohl ist die Rottanne oder Fichte dem Harze nicht ausschließlich eigen,
aber es gibt in Deutschland kaum ein zweites Gebirge von gleicher Höhe,
in dem ihre Herrschaft so wenig beschränkt wird; und mindestens dem
Westharz, seinen hohen Bergen und tiefen Thälern prägt sie durch ihre
dunklen, lang hinziehenden Massen, in denen der einzelne Baum gleichsam
untergeht, den eigenartigen Charakter auf.

[Illustration: Abb. 3. =Kaiserhaus in Goslar.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Den Inseln gleich im grünen Waldmeere liegen, weithin, doch nicht planlos
verstreut, große und kleine Wiesenfluren und inmitten einer jeden, meist
der Form und dem Zuge des Thales sich anschmiegend, die Bergstädte und
oberharzischen Ortschaften, auf den kleinsten Eilanden wenigstens ein
Forsthaus, oder ein Zechenhaus oder eine Mühle. Längst hat der rote
Ziegel die schwärzlich graue Holzschindel verdrängt, und mit frischen
Farben leuchten diese kleinen Siedelungen -- in den unabsehbaren grünen
Teppich gewobene Blumen -- zu der Höhe herauf, von der wir Umschau
halten, und fesseln unsere Augen.

Und wie ganz anders rollt das Bild sich ab, wenn wir unsern Fuß rüstig
wandernd gen Osten setzen. Sind wir denn wirklich im Gebirge? Kein
Bergzug umrandet die Ebene, versteckt und verdeckt liegt selbst der Vater
Brocken, der sonst nach allen Seiten seine Grüße versendet; kein Gießbach
schäumt, fast unhörbar und in Mäanderschlingen schleichen träge die Bäche
vorüber. Nur die kärglich bestandenen Fluren mit ihren sich verspätenden
Saaten und die in der Ferne sich kräuselnden Rauchwolken, die einem
Hüttenwerke entstammen müssen, heben unsere berechtigten Zweifel.

Doch weiter! Bald ist sie überwunden -- diese Einförmigkeit der
unterharzischen Hochebene, die doch niemals zur Langweiligkeit ausartet,
vielmehr dem Wanderer nur einige Stunden ruhiger Beschaulichkeit gewährt
und sein Gemüt vorbereitet zu rechter Würdigung und zu vollem Genusse des
Kommenden.

Mählich beginnen die Thäler sich einzuschneiden und die buchenbestandenen
Höhenzüge zu wachsen; die kleinen Flüßchen bekommen Leben, und nicht
lange, so erhält das anmutige Hügelgelände überzeugend den wirklichen
Gebirgscharakter. Berg türmt sich auf Berg, wunderliche Felsgebilde
steigen empor und recken sich höher und höher, um hier in die
schwindelnde Tiefe mit ihrem brausenden Bergstrom, dort wie eine Gefahr
dräuende Riesenburg weit hinaus zu schauen in die blühenden Vorlande.

Hart dem Saume des Gebirges folgend, reihen sich hier blühende Städte,
rührige Flecken und schmucke Dörfer zu einem lieblichen Kranze. Wo auch
nur ein Fluß oder Bächlein aus dem Harze heraustritt, da haben -- gerade
an diesem Austrittspunkte -- unsere Vorfahren mit Verständnis einst ihre
Wohnungen aufgeschlagen und von hier aus nach dem Vorbilde eines
Klosters, unter dem Schutze einer Burg den Kampf mit der Wildnis
aufgenommen, und unermüdlich die blanke Axt schwingend dem Urwalde die
fruchtbaren Fluren abgerungen, auf denen sich jetzt der goldige Weizen
mit schwerer Ähre im Winde wiegt und die gehaltvolle Zuckerrübe reichen
Ertrag gewährt.

Nur spärlich ist die Zahl der Urkunden, welche aus jener Zeit berichten,
wo dieser engste Saum von Ortschaften, von denen dann allmählich
unternehmende Pioniere in den inneren Harz eindrangen, um unser Gebirge
gelegt wurde, und vielfach verstummt sogar verschämt die sonst selten
verlegene Sage. Aber die Städte und Ortschaften selbst tragen in ihrem
Namen eine untrügliche Inschrift, ein unauslöschliches Merkmal der Zeit
ihrer Entstehung.




                                   II.

                        Geographischer Überblick.


Das Harzgebirge liegt zwischen 51° 28,5' und 51° 51' nördl. Breite und
zwischen 10° 10' und 11° 26' östl. Länge von Greenwich und hat die
Gestalt einer von West-Nordwest nach Ost-Südost gerichteten
unvollständigen Ellipse, deren Brennpunkte auf den 1142 Meter hohen
Brocken und den 595 Meter hohen Ramberg fallen; und deren lange Achse,
welcher der nordöstliche Rand als Sehne parallel läuft, zwischen Hahausen
und Hettstedt 95 Kilometer lang ist, während ihre größte Breite (vom
Südwestrande bis zur Sehne) 34 Kilometer beträgt.

[Illustration: Abb. 4. =Bergmann.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

[Sidenote: Die Ränder des Gebirges.]

Am imposantesten wirkt der Harz von Norden gesehen. In scharfer
Markierung, ohne vermittelnden Uebergang steigt er mauerartig auf der
etwa 25 Kilometer langen Strecke von Harzburg bis Hahausen aus dem
Vorlande auf. Die Luftlinie zwischen der bei 256 Metern liegenden
Grenzlinie und den diese um die doppelte Meereshöhe überragenden
Bergspitzen beträgt noch nicht 1 Kilometer; zwischen den Hüttenorten Oker
und Langelsheim kulminieren der Adenberg bei 538 Meter, der Hahnenberg
bei 520 Meter, der Gelmkeberg bei 538 Meter, der Steinberg bei 479 Meter
und der Nordberg bei 455 Meter; ja der Rammelsberg und der Herzberg, die
den unmittelbaren Hintergrund Goslars bilden, erheben sich sogar zu 635
und 638 Meter. Den vollen, überwältigenden Eindruck eines völlig
geschlossenen Gebirgswalles macht dieser Rand indes nur aus der Ferne;
von den austretenden Flüssen und Bächen (Radau, Oker, Gose, Grane,
Barley, Töllebach und Innerste) außerordentlich stark zerschnitten, löst
er sich in der Nähe in Einzelberge auf.

[Illustration: Abb. 5. =Fuhrherr.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Im Westen prägt sich die Gebirgsgrenze von Hahausen bis Lauterberg in
einem Thale, das der Zechsteinbildung angehört, deutlich aus. Von großer
landschaftlicher Schönheit ist es besonders in der Gegend von Osterode
und Herzberg, wo die schneeweißen Felsen des Gipszuges, der den Thalrand
auf der ganzen Strecke zur Rechten begleitet, im wirkungsvollen
Gegensatze zu den weniger steil abfallenden grünen Harzbergen aus dem
Thale, in dem sich die wassergefüllten Erdfälle der Teufelsbäder
aneinander reihen, bis zu 100 Meter jäh emporsteigen.

Von Lauterberg über Walkenried bis Questenberg folgt die Grenze, noch
erkennbar, aber weniger scharf hervorgehoben, dem Laufe der Helme, wird
dann aber, bis Mansfeld, durch die sich unmittelbar an das Gebirge
anschließende »Thüringer Grenzplatte«, einen in südöstlicher Richtung bis
zur Unstrut laufenden Höhenrücken mit flachgerundeten Gipfeln, fast
völlig verwischt. Von Mansfeld ab bis Harzburg bezeichnen die Orte
Hettstedt, Ballenstedt, Thale, Blankenburg, Wernigerode, Ilsenburg die
Grenze in überall deutlich erkennbarer Ausprägung.

[Illustration: Abb. 6. =Landgängerin.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Der Südrand, der mit 267 Meter mittlerer Meereshöhe den Nordrand um etwa
11 Meter -- der in Deutschland allgemein geltenden Regel entsprechend --
übertrifft, hat seine größte relative Höhe in dem die Wasserscheide
zwischen Weser und Elbe bildenden Höhenrücken bei Osterhagen, von dem der
Rand fast gleichmäßig nach Westen (Seesen 204 Meter) und Osten (Riestdorf
178 Meter) abfällt.

[Illustration: Abb. 7. =Klausthal.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

[Illustration: Abb. 8. =Zellerfeld.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

[Sidenote: Ober- und Unterharz.]

Der ganze so umrandete Harz bedeckt eine Fläche von 2468 Quadratkilometer
und ist demnach genau so groß wie das Herzogtum Sachsen-Meiningen und
fast doppelt so groß wie Sachsen-Altenburg. Wenn man das Gebirge auf
dieser Grundfläche einebnen könnte, so würde man die mittlere Höhe von
442 Meter erhalten.

Man hat den Harz einen einzigen Berg mit verschiedenen Köpfen und
Thalfurchen genannt; und dieser Vergleich ist auch nicht ganz
unzutreffend. Aber auf den Sockel dieser scheinbar ununterbrochenen
Bergwand ist -- wie ein Blick aus der nördlich sich vorlagernden Ebene
zeigt -- im Westen die Granitmasse des Brockens als ein zweites, fast
ebenso hohes Gebirge und im Osten der kleine Ramberg-Kegel gestellt; und
auf der Hochebene von Klausthal oder auf dem Aussichtspunkte der Schalke
tritt auch der Bergzug des »Langen Ackers« (jetzt Acker-Bruchbergs) als
bedeutende Überragung klar neben dem scheinbar nicht viel höheren
Brockengebirge ins Auge. Sollte aber der Vergleich mit einem einzigen
Berge den Trugschluß auf langweilige Einförmigkeit nahelegen, so belehrt
uns der umfassende Rundblick vom Brocken auf die von immer tiefer
werdenden Furchen und Flußthälern zerschnittenen Hochebenen des Ober- und
Unterharzes eines Besseren.

Unter dem Oberharz versteht man den höheren westlichen, unter dem
Unterharz den allmählich an Höhe abnehmenden östlichen Teil des Gebirges.
Aber die Grenze zwischen beiden steht keineswegs von vornherein fest. Daß
dabei die vormalige Praxis der hannover-braunschweigischen Bergbehörden,
nach welcher mit dem Unterharze die Gegend von Goslar, Oker, Gittelde
gemeint war, völlig außer Betracht zu bleiben hat, liegt auf der Hand.
Doch auch nach Flußgebieten läßt jene sich nicht angeben, denn die dem
Elbegebiet angehörende Bode entspringt auf dem Brockenfelde, der
höchstgelegenen Hochebene des Gebirges. Ohne uns in den -- übrigens
bedeutungslosen -- Streit weiter einzulassen, wollen wir unter dem
Oberharz das ganze Brockengebirge samt dem Brockenfelde, die im Mittel
580 Meter hohe Hochebene von Klausthal mit ihren Randbergen und der
Bruchberg-Kette und das Andreasberger »Dreieck« verstehen; und den
Unterharz, der in seinem westlichen Drittel noch gleich jenem vorwiegend
mit Fichtenwald bedeckt ist, in das Bode- und das Selkeplateau einteilen.




                                  III.

                         Geologische Übersicht.


Von den Randgesteinen abgesehen, die den deutlich begrenzten Gebirgskern
mantelartig umgeben, besteht das Massiv des Harzes zum bei weitem größten
Teile aus sedimentären, zum kleineren aus eruptiven Gesteinen.

[Sidenote: Verbreitung des Devon.]

Die Sediment- oder geschichteten Gesteine -- sie heißen auch paläozoische
d. i. alttierische -- welche sich, die erste, ursprüngliche Grundlage für
unser Gebirge bildend, aus den trüben Fluten des noch alle Lande
bedeckenden Meeres als Schlamm, Sand und Kies horizontal oder in geringer
Neigung niederschlugen, ablagerten und erhärteten, gehören im Westharze
dem Devon-, im Ostharze vorwiegend der Kohlenformation an. Die devonische
Bildung kommt im Harze in allen ihren Niveaus, als Unter-, Mittel- und
Ober-Devon vor.

Von dem Unter-Devon hat man in neuester Zeit die ältesten Schichten
abgetrennt und dieser Gruppe den Namen Obersilur zuerkannt. Es sind dies
namentlich die Graptolithenschiefer bei Lauterberg, Wernigerode,
Harzgerode, Treseburg und der feste, feinkörnige und helle Quarzit, aus
dem der Rücken des Bruchberges und des Ackers besteht.

[Illustration: Abb. 9. =Marktkirche in Klausthal.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Dem Unter-Devon gehören zum größten Teil die »Unteren Wieder-Schiefer« --
harte Schiefer mit eingelagerten Kalklinsen -- und ähnliche Schiefern bei
Zorge, Harzgerode und Mägdesprung, sowie der »Hauptquarzit« des
Unterharzes, die sich südöstlich an den Oker-Bruchberg anschließenden
Quarzite und neben sandigen Schiefern des Rammelsberges, der nach seinen
zahlreichen Versteinerungen, den zu den Armfüßern gehörenden Spiriferen
oder Windungsträgern benannte Spiriferen-Sandstein an, welcher die
Berggruppe zwischen Oker und Innerste, also den Rammelsberg, den
Kahlenberg und Bocksberg, die höchsten Kuppen der Klausthaler Hochebene,
bildet.

In das Mittel-Devon rechnet man außer einem Teile der Wieder-Schiefern
(bei Hasselfelde, im Selkethal) besonders die »Wissenbacher« (oder
Goslarer) und die Calceola-Schiefer. -- Die Calceolaschichten, welche
sich eng an den Spiriferen-Sandstein anschließen und sich durch ihren
großen Reichtum an Petrefakten auszeichnen (Leitmuschel _Calceola
sandolina_, gemeine Pantoffelmuschel) finden sich zwischen Oker und
Innerste in schmalen Säumen, in Mulden und in sattelförmigen
Hervorragungen. Die auf ihnen folgende Zone der Goslarer Schiefer ist von
hervorragender Bedeutung: nicht nur werden die härtesten dieser blau-
oder grauschwarzen, dichten Thonschiefer als Dachschiefer benutzt,
sondern es ist ihnen auch das berühmte, trotz fast tausendjährigen
Betriebes noch immer nicht erschöpfte Erzlager des Rammelsberges
eingeschaltet. -- Mitteldevonisches Gestein findet sich auch in dem Zuge,
welcher -- wegen der in ihm auftretenden Diabase und Roteisensteine
meistens als Diabas- (Grünstein-) oder Eisensteinszug bezeichnet -- von
Osterode bis über Altenau hinaus in gerader Linie als 400 Meter breiter
Streifen verläuft. Es steht den Wissenbacher Schiefern gleich und wird
von Tentakuliten-Schiefern überlagert.

[Illustration: Abb. 10. =Doppelthaler vom Jahre 1688.=

(Oberharzer Museum.)]

Die jüngsten Schichten des Mittel-Devon sind die durch reiche
Eisensteinslager ausgezeichneten Stringocephalenkalke (Leitmuschel
_Stringocephalus Burtini_, Burtins Eulenkopf) der Elbingeroder Mulde, die
auch in dem soeben genannten »Eisensteinszuge« zwischen Herzberg und
Altenau auftreten.

Das Ober-Devon ist in seiner unteren, älteren Zone vorwiegend
Intumescenskalk, in seinen oberen, jüngeren Schichten Cypridinenschiefer.
Jener ist nach der zu den Ammonshörnern gehörenden _Goniatites
intumescens_, dieser nach dem Muschelkrebs benannt. In die
Intumescensstufe gehört vor allem der völlig ungeschichtete Massenkalk
des höhlenreichen Iberges und Winterberges bei Grund, eines
Korallenriffes mit dem reichsten Schatze von Versteinerungen, und der
»Iberger Kalk« der Elbingeroder Mulde mit den berühmten Rübelander
Höhlen. Auch die schwarzen Kalke (mit _Cardiola angulifera_) am
Wasserfallfelsen bei Romkerhalle, am Kellwasser u. s. w. gehören diesem
unteren Niveau an. -- Cypridinenschiefer finden sich u. a. im Diabaszuge
der Klausthaler Hochebene, und als Clymenienkalk bei Lautenthal, am
genannten Wasserfall, bei Mägdesprung u. a. O.

[Sidenote: Verbreitung des Karbon.]

Die nicht devonischen Schichten des Oberharzes gehören dem Karbon (der
Kohlenformation) an, für den der englische Lokalname Kulm hier zuerst in
Anwendung gebracht ist. Seine unteren Schichten bestehen aus Kiesel- und
Posidonienschiefern, seine oberen aus Grauwacke.

Die Kieselschiefer, meist grau oder schwärzlich, vom Messer nicht
ritzbar, S-förmig gestaucht und gefaltet, finden sich in geringer
Mächtigkeit in der Gegend von Lautenthal und im mehrgenannten
Diabaszuge, vielfach im Wechsellager mit hellem Wetzschiefer, schwarzem
Alaunschiefer und (z. B. am Lerbacher Hüttenteiche) bunten, rotgrünen
Adinolen (Bandjaspis). Die Charakter-Versteinerung _Posidonia Becheri_
(Bechers Poseidon-Klaffmuschel), die den mit den Kieselschiefern
unmittelbar verknüpften, doch auch -- in zwei breiten Zonen zwischen
Schulenberg und Laubhütte -- unabhängig auftretenden eigentlichen
»Posidonienschiefern« eignet, findet sich nicht selten auch in jenen.
Vereinzelt (z. B. zwischen Hübichenstein und Iberger Kaffeehaus) sind
schwärzlich-graue Kalke eingelagert, die gleichfalls dem unteren Kulm
angehören.

[Illustration: Abb. 11. =Wildemannthaler von 1665.=

(Oberharzer Museum.)]

Dagegen nehmen die Kulm-Grauwacken, die jüngsten Schichten des
Kerngebirges, am Tage große Flächen ein. Im frischen Zustande blaugrau,
durch Verwitterung rostbraun, auch rot, besteht dieses meist in dicken
Bänken abgelagerte Gestein im wesentlichen aus Sandkörnern, die nebst
Bruchstücken von Gangquarz, Kieselschiefer und Thonschiefer sowie
Feldspat- und Kalkspatkörnern in ein thonig-sandiges Bindemittel gebettet
sind. In der Gegend von Grund haben diese Bestandteile, unter denen sich
Granit- und Porphyrgerölle nichtharzischen Ursprungs finden, oft
Faustgröße. Die pflanzlichen Versteinerungen, unter denen neben
undeutlichen kohligen Blattabdrücken namentlich die Calamiten (baumartige
Schachtelhalme) vertreten sind, kommen nur sporadisch, von tierischen nur
die Posidonienmuschel ganz vereinzelt vor. Als Baustein -- namentlich bei
Klausthal -- schön zu bearbeiten, liefert die Grauwacke in den
großartigen Steinbrüchen bei Wildemann treffliche Pflastersteine.

[Illustration: Abb. 12. =Ausbeutethaler von 1685.=

(Oberharzer Museum.)]

Dem gleichen Niveau wie die von erzreichen Gangspalten durchsetzte
Oberharzer Grauwacke gehören die Tanner und Elbingeroder Grauwacke, sowie
die »Zorger Schiefer« an.

                    *       *       *       *       *

Zu Ende der Kulmzeit wurden die bis dahin vom Meere bedeckten
paläozoischen Sedimente in Mitteleuropa zu einem gewaltigen Kettengebirge
zusammengeschoben, dessen Falten sich vom Centralplateau Frankreichs
durch ganz Deutschland, wo sie um das böhmische Gebirgsviereck in einem
gegen Norden konvexen Bogen herumliegen, bis nach Rußland verfolgen
lassen.

Darum hat der Harz wie der Thüringer Wald und das rheinisch-westfälische
Schiefergebirge, deren ursprünglicher Zusammenhang erst allmählich durch
die »abradierende« Thätigkeit des Meeres und durch wiederholte Abbrüche
aufgehoben wurde, »niederländisches Streichen« d. i. seine Schichten
haben die Richtung von Südwest nach Nordost. Dieses Zusammenschieben der
erhärteten Sedimente geschah durch seitlichen (»tangentialen«) Druck und
konnte nicht anders, als unter Faltung, Zerreißung und Aufrichtung,
selbst Kippung der Schichten geschehen. In die entstandenen Spalten und
Risse ergossen sich die sogenannten prägranitischen Eruptivgesteine,
besonders Diabas, auch Kersantit und gewisse Porphyre, die feuerflüssig
aus dem Innern emporquollen. So ist es auch zu erklären, daß der
»Grünstein« des Diabaszuges zwischen Osterode und Altenau trotz seiner
deckenartigen Ausbreitung stets der Richtung der Schichten folgt und an
deren späteren Knickungen und Verwerfungen teilnimmt.

[Illustration: Abb. 13. =Andreasthaler von 1726.=

(Oberharzer Museum.)]

Das Harzgebirge sah damals nur wenig und nur in seinen bedeutend
emporgehobenen Teilen aus dem Meere hervor. Dieses begann nun seine
»abradierende« Thätigkeit: wie es noch heute an felsiger Meeresküste
geschieht, zernagten und unterspülten Wogen und Brandung die trocken
gelegten Massen, bis diese zusammenstürzten, zertrümmerten und zerrollten
dann die Brocken zu Kies und Schlamm, füllten damit die bei der Faltung
entstandenen Vertiefungen aus und bildeten fast ebene »Abrasionsflächen«.

[Sidenote: Das Rotliegende.]

Man nennt diese aus Konglomeraten von Harzgesteinen bestehende Ausfüllung
der Mulden das untere Rotliegende. Am stärksten entwickelt ist diese
Formation in der Grafschaft Mansfeld, wo sich zwischen ihr mächtige zu
Mühl- und Bausteinen geeignete thonige Sandsteine finden, in der Gegend
von Ilfeld, wo sie hoch in das Gebirge hinaufsteigt, und im Ermsleber
Becken; doch umzieht sie, mehrfach unterbrochen, auch über Lauterberg den
Harz bis Hahausen. An drei Stellen, bei Meisdorf und Opperode östlich von
Ballenstedt, bei Grillenberg in der Nähe von Wippra und bei
Sülzhain-Ilfeld-Neustadt enthält sie auch dunkle Schieferthone und wenig
(3/4-1-1/2 Meter) mächtige Steinkohlen.

[Sidenote: Porphyr und Granit.]

Die Eruptionen dauerten fort. Zunächst entquollen, die Sedimente
gewaltsam durchbrechend, dem Innern des noch immer mit Wasser bedeckten
Harzes, besonders nördlich von Ilfeld, Ströme schwarzen Melaphyrs und
ergossen sich über die unteren Schichten des Rotliegenden; ihnen folgte,
weithin alles bedeckend, feuerflüssiger grauer Porphyr, der zum Teil auch
in den darüber lagernden mächtigen postporphyrischen Konglomeraten als
Geröll noch erhalten ist. Vielleicht sind zur selben Zeit -- jedenfalls
nach der Kulmperiode und nach der Entstehung des Diabases -- die
Porphyrmassen aufgestiegen, welche die fast parallelen, von Nord nach
Süd streichenden Gangspalten des Kerngebirges zwischen Ilfeld und
Wernigerode und Diabaszüge =nach= ihrer Faltung ausfüllten und
durchsetzten; höchst wahrscheinlich auch die gewaltigen Ströme von
Quarzporphyr, deren Reste wie im Auerberge bei Stolberg und in der Gegend
von Lauterberg (Knollen, Ravenskopf) erkennen, wo einzelne Gänge eine
Mächtigkeit von 20 Meter und eine Länge von 11 Kilometer erreichen.

[Illustration: Abb. 14. =Apotheke in Zellerfeld.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Ebenso jung ist der Granit, den man einst für das eigentliche Urgestein
unseres Planeten hielt. Er tritt in zwei großen Massiven auf:
Ramberg-Bodethal und Brocken-Okerthal. (Der Okergranit ist eine nur
oberflächlich abgetrennte Partie des Brockengranits.) Die vom
Hexentanzplatz auslaufenden Apophysen (»Auswüchse«, Ausläufer), denen das
Brockenmassiv bei Hasserode kleinere Gänge derselben Facies
entgegensendet, lassen keinen Zweifel darüber, daß der Granit erst nach
der Faltung des Gebirges und später als der Diabas emporgequollen ist. --
Rings um beide Granitmassen sind durch die schnellere Abkühlung und
Erstarrung der feuerflüssigen Ströme die Sedimentsteine in der Weise
verändert, daß sie sich durch krystallinische Beschaffenheit und massige
Struktur, größere Härte und muschligen Bruch von den gleichnamigen nicht
veränderten Gesteinen unterscheiden. Durch diese »Kontaktmetamorphose«
sind der Hornfels und seine Verwandten entstanden.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Zechsteinformation.]

Nach diesen Ergüssen und Bildungen, die in die lange Periode des
Rotliegenden fallen, erfolgte in dem größten Teile Deutschlands eine
allgemeine Senkung der Erdrinde. Das Meer, welches über dem Harze
flutete, wurde somit tiefer und lagerte seinen Schlamm gleicherweise auf
den abradierten Ebenen der alten Sedimente, wie auf den in den Becken und
Mulden neu entstandenen Geröllmassen des Rotliegenden ab. Bei ihrer
Erhärtung bildete diese neue Ablagerung Zechstein und Kupferschiefer.
Diese stets zusammen auftretenden Schichten -- die mit dem Rotliegenden
auch Perm heißen -- umziehen den ganzen Südrand des Harzes von Hahausen
bis in die Grafschaft Mansfeld, doch hat sich bis jetzt nur in dieser, wo
Silbererze die vom Schiefer eingeschlossenen Kupfererze begleiten, das
Flöz bauwürdig erwiesen. Die oberen Schichten der »Zechsteinformation«
bestehen aus Anhydriten und Gipsen, die besonders aus dem an Höhlen und
Erdfällen reichen Zuge bekannt sind, der -- vielfach pittoreske
Felspartieen bildend -- den Südrand des Harzes von Badenhausen bis
Sangerhausen mauerartig umwallt; ferner aus Dolomiten und Letten; und
auch die bis 1000 Meter mächtigen Steinsalze und die darüber lagernden
Kalisalze, deren Abbau im letzten Jahrzehnt mit regem Eifer begonnen hat,
gehören noch in diese Formation. --

Die Bildung der Bergzüge und Hügelreihen, welche den Harz im Norden
mantelartig umziehen, und die Ausfüllung der von da in das Gebirge
eingreifenden Thäler ist in den nun folgenden drei geologischen Perioden
der Trias-, der Jura- und der Kreideformation erfolgt.

[Illustration: Abb. 15. =Erzstoß im Burgstätter Hauptgang.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

[Sidenote: Erdgeschichte des Harzes.]

Die Trias (d. i. bunter Sandstein, Muschelkalk und Keuper) legen sich
bandförmig von Hahausen bis Gernrode in der Weise um den Nordrand, daß
der Sandstein -- dem die Solquelle bei Harzburg entspringt -- und der
Keuper, der meistens als Letten und Mergel auftritt, die Thäler, der
Muschelkalk die -- später umgekippten -- Höhen bildet. (Am Südrande
liegen die Trias wegen der Breite der Zechsteinformation weit ab vom
Gebirge.) -- Der Jura kommt nur in dem Busen des Schiefergebirges
zwischen Langelsheim und Harzburg und in der Nähe von Quedlinburg vor;
seine Liasschichten liefern der Harzburger Hütte schönen Roteisenstein.
-- Die Kreide, mit ihren unteren Schichten, Hils und Gault, bis Harzburg,
mit jüngeren bis Ballenstedt reichend, führt in der unteren Lage des
Gault guten Quadersandstein, der vor dem Breitenthor vor Goslar den zu
einer Kapelle ausgehöhlten Felsen der Klus bildet und am angrenzenden
Petersberge zur Anlage eines großartigen Steinbruchs Anlaß gegeben hat.
Den Schichten der senonen Kreide gehören der durch seinen Reichtum an
Petrefakten ausgezeichnete Sudmerberg bei Goslar und die
Quadersandsteinreihe Regenstein-Teufelsmauer an.

[Illustration: Abb. 16. =Hahnenklee, vom Bocksberg gesehen.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Die Tertiärformation (Braunkohlenbildung) ist nur ganz schwach am
Harzrande vertreten. --

Zur Zeit, als Trias, Jura, Kreide und Braunkohlen sich nacheinander
ablagerten, war der Harz noch völlig vom Meere bedeckt. Hätte er auch nur
teilweise soweit aus den Fluten hervorgeragt, daß eine Brandung entstehen
konnte, so müßten sich Gerölle vom Harzgestein, von Grauwacke,
Kieselschiefer u. s. w. in jenen vier Formationen finden. Dem ist aber
nicht so. Sie sind eben keine Strandbildungen, sondern genau so
zusammengesetzt, wie die in größerer Entfernung vom Harze in ganz
Norddeutschland vorhandenen gleichnamigen Gesteine, also Ablagerungen aus
flacherem oder tieferem Wasser. Vereinzelte Stückchen Kieselschiefer,
welche in der oberen Kreide am Sudmerberge vorkommen, können einesteils
aus dem Rotliegenden stammen, andernteils gleichen sie nicht im
geringsten dem Schutt, den heutzutage die Flüsse vom Harze
hinunterspülen. Und kleine Bröckchen Kieselschiefer, welche sich in der
Gegend von Gittelde im Miocän (der mittleren Stufe der Tertiärgebilde)
finden, werden aus dem rheinischen Schiefergebirge stammen, da ihre
Häufigkeit in der Richtung auf Kassel stetig zunimmt.

Wie am Rande, so müssen sich auch auf dem unter den Wellen liegenden
Gebirge selbst die mesozoischen Schichten (welche Tierreste enthalten,
die den noch jetzt vorhandenen sich annähern, also Trias, Jura u. s. w.)
nacheinander abgelagert haben. Diese mesozoische Decke aber mag in
Bewegung gekommen und teilweise fortgespült sein, als der Harz, ohne
vorerst noch aufzutauchen, sich zu heben begann. Auf diese Weise sind
vielleicht die mesozoischen Gerölle in das »Hilskonglomerat« des unteren
und in das »Sudmerbergkonglomerat« und das »Heimburggestein« der oberen
Kreide gekommen. Jedenfalls aber ist seine Decke ganz fortgespült und
weggewaschen, als der Harz sich mählich aus der Flut erhob.

[Sidenote: Die Gebirgsfaltung.]

Dies geschah am Ende der Miocänzeit, zu derselben Zeit, als die Göttinger
und Kasseler Berge, der Meißner, die Rhön und fast alle andern Gebirge
emporstiegen und auftauchten. Infolge eines Druckes, der »tangential«, in
der Richtung der kurzen Achse unserer Gebirgsellipse, also von Südsüdwest
nach Nordnordost, wirkte, bauchte und wölbte sich der Harz allmählich
auf, die Gesteinsschichten rissen und spalteten dabei senkrecht zur
Druckrichtung, also parallel der langen Achse, und brachen in
bajonettartig absetzenden Linien von den Vorlanden ab. Die Wirkung dieser
Pressung ist verschieden: während die Schichten am Südrande nur eine
Aufbauchung von etwa 20° aufweisen, ist im Norden die ehemalige
Oberfläche der Kernschichten samt dem darauf gelagerten Zechstein u. s.
w. ganz steil aufgerichtet, ja nach Westen sogar übergekippt. Und ebenso
ist der massige Granit dem Nordrande näher als dem Südrande in die Höhe
gepreßt. Vielleicht wirkte der Druck, der den Harz zum heutigen Gebirge
umwandelte und zurecht schob, von Süden; wahrscheinlich war aber schon
damals, was zur Erklärung ausreicht, die Erdoberfläche den Südrand
entlang höher als im Norden.

[Illustration: Abb. 17. =Hirt.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Die Überkippung der bei der Zusammenschiebung der Schichten entstandenen
Falten hatte auch den (inneren) Bruch derselben und das Hinüberschieben
des einen Flügels über sein Liegendes zur Folge: die älteren
übergeschobenen Schichten sind jüngeren Bildungen aufgelagert. Diese
Überschiebungen, die also nur aus übergekippten Falten hervorgehen
können, nennt man Faltenverwerfung. Sie ist besonders bei den sogenannten
Ruscheln, schmalen Gesteinsklüften im Innern des Gebirges, die meist mit
Gangthonschiefer ausgefüllt sind, klar zu ersehen; hie und da beträgt die
Höhe der Verschiebung kaum ein Meter, andernorts aber (am Devonzuge)
wenigstens mehrere hundert Meter.

Mit ihnen dürfen die vormals offenen Spalten nicht verwechselt werden;
diese sind jünger, denn sie werden von den (innern) Klüften der Ruscheln
in der Richtung abgelenkt.

Die Spaltenverwerfung umfaßt also ein zweites System von Störungslinien.
In den »Spalten«, die sich mehrfach bis in die Vorlande verfolgen lassen,
lagerte das einsickernde Wasser neben Quarz, Kalkspat und andern
Gesteinen namentlich die wertvollen Erze ab und schuf sie dadurch zu
»Erzgängen« um; und wo der Hohlraum nicht ganz gefüllt ward, bildeten
sich Quarz- und Erzdrusen mit ihren oft prachtvollen Krystallen.

Eine spätere entgegengesetzte Aufbauchung des Harzes in der Richtung der
großen Achse -- also von Südost nach Nordwest, durch welche die Schichten
auch in der Richtung der kurzen Achse zerrissen und gespalten wurden, so
daß nun die einzelnen Schollen oft in unregelmäßig viereckigen Stücken
mosaikartig verschoben nebeneinander liegen -- scheint auch durch Bildung
der Thalfurchen den Flüssen und Bächen den Lauf vorgezeichnet zu haben.
Es wäre sonst auffällig, daß das Gebirge die Flüsse nicht auf beiden
Ufern gleichweit begleitet. Daß sich diese Spalten auch in den dem Harze
vorgelagerten jüngeren Gesteinen unterirdisch fortsetzen, beweisen die
mächtigen Quellen bei Altwallmoden und Baddekenstedt, die unzweifelhaft
das bei Langelsheim teilweise versiegende (d. i. in die Tiefe fallende)
Wasser der Innerste -- doch auch das damit verbundener Nebenspalten, denn
nach Abteufung der Kalischächte hat es an Reinheit eingebüßt -- in
gewaltigen Massen wieder zu Tage fördern.

[Illustration: Abb. 18. =Wildschweine im Winter.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Minerallösungen.]

Während durch die schwache, aber stetige Arbeit des Minerallösungen
einführenden Wassers die Klüfte, Gänge und Spalten bis auf die
Drusenräume immer wieder verkittet und ausgefüllt wurden, erweiterte es,
oft bachartig auftretend, die weit klaffenden Hohlräume im Kalk und
Dolomit, in Gips und Steinsalz durch seine auflösende Eigenschaft zu
großen Höhlen, füllte diese mit Lehm und schmückte ihre Wandungen in
späteren Zeiten, als das Gebirge sich weiter gehoben hatte, mit den
wundersamen Tropfsteingebilden. Auch die sogenannten Gletschertöpfe beim
Iberger Kaffeehause, schlotartige Vertiefungen, sind wohl -- ähnlich wie
die Erdfälle -- auf diese auflösende, nicht auf die mechanische
Thätigkeit des Wassers zurückzuführen und als »geologische Orgeln«
anzusprechen. Grundmoräne und Moränenschutt, die Gletscherprodukte im
Flachlande, fehlen auf dem Harze; die Geschiebe nordischer Gesteine,
welche sich auf der Hochfläche des Unterharzes finden, waren vermutlich
in Eisberge eingefroren, welche die Fluten der Eiszeit hierher wälzten.

Auch an der Umwandlung, der »Metamorphose« der Gesteine ist das sickernde
Wasser stark beteiligt. Es löste die Kieselsäure der Eruptivgesteine und
»verkieselte« die mit diesen im »Kontakt« stehenden Sediment- und
Kulmschichten; wo Kalk in den Gesteinen war, bildete es »Silikate« --
Granaten und »Katzenaugen« und andre -- und neben Diabas und Schalstein
verwandelte es den Kalk in Eisenstein.

Finden sich in den erwähnten Moränen des Flachlandes große Massen von
Harzgesteinen, die es beweisen, daß schon in jener Zeit der Harz soweit
als Gebirge hervorragte, daß seine Flüsse Gerölle hinunterführen konnten,
so verstärkte eine letzte Heraushebung des Harzes, deren Zeitpunkt wir
nicht kennen, diese Wirkung des Wassers bedeutend, denn nun wurden die
Berge höher, die Schluchten und Thäler tiefer, das Wassergefälle
bedeutender; und der bis heute dauernden Erosion verdanken wir den
anmutigen Wechsel von Berg und Thal, der jedwedes Herz erfreut.




                                   IV.

                               Das Klima.


[Sidenote: Klima des Harzes.]

Auf dem Brocken begann bereits im Jahre 1836 der Wirt Nehse mit
meteorologischen Beobachtungen. Sie sind aber von seinen Nachfolgern
nicht regelmäßig fortgeführt, die längste völlige Unterbrechung währte
sogar neun Jahre, und die später von Postbeamten und Oberkellnern
gemachten Beobachtungen lieferten kein zuverlässiges Resultat. Dagegen
reichen die sachkundigen und regelmäßigen Beobachtungen in Klausthal, wo
sich seit 1876 sogar zwei Stationen in verschiedener Meereshöhe befinden,
bis 1854 zurück.

[Illustration: Abb. 19. =Waldarbeiter= (Lerbacher Holzhauer).

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Das aus vierzigjährigen Barometerbeobachtungen gewonnene Mittel des
Luftdrucks beträgt in Klausthal 710,51 Millimeter; seinen höchsten Stand
behauptet das Barometer in den Monaten Juni bis September, seinen
niedrigsten in den Monaten März, April, November und Dezember. Der
Sonnenberg hat ein Jahresmittel von 692,92, der Brocken von 662,2,
Nordhausen 741,76, Sangerhausen 747,85 Millimetern.

Das früher für Klausthal zu 6,2°C angenommene Jahresmittel der
Lufttemperatur sinkt bei Berücksichtigung der vierzig Jahre von 1856-1896
auf 6,03°C, übertrifft also das von Stockholm (5,7°C) nur um ein
Geringes. Doch sind die Unterschiede der einzelnen Jahre beträchtlich: so
hatte das Jahr 1872 eine Temperatur von 7,58°C, das Jahr 1879 nur 4,41°C.
Die größte Kälte wurde am 4. Januar 1894 mit -21,80°C, die größte Wärme
am 23. August 1892 mit 31,60°C erreicht.

In der zweiten Hälfte der vierzigjährigen Beobachtungsperiode ist ein
auffälliger Rückgang der Temperatur eingetreten. Während nämlich das
Mittel der 10 Jahre von 1856 bis 1866 6,17°C, das der folgenden 10 Jahre
6,22°C betrug, erreichte es in den Jahren 1876-1886 nur 5,87°C und in den
Jahren 1887-1896 nur 5,68°C.

In dem vorletzten Abschnitt waren die Tage vom 25. bis 29. Juni mit einer
mittleren Temperatur von 15,22°C, im letzten die Tage vom 25. bis 29.
Juli mit einer mittleren Temperatur von 15,27°C die wärmsten, während
sich in der Zeit vom 11. bis 15. Januar mit einer mittleren Temperatur
von -3,63°C in jenem, und in den Tagen vom 1. bis 5. Januar mit einer
mittleren Temperatur von -4,82°C in diesem Abschnitt die größte Kälte
geltend machte. Der erste fünftägige Zeitabschnitt mit einer mittleren
Temperatur unter 0°C fiel auf den 17. bis 21. November (27. November bis
1. Dezember), der letzte auf den 22. bis 26. März (12. bis 16. März).
Klausthal hat also etwa 120 Tage mit einer mittleren Temperatur unter
0°C.

[Illustration: Abb. 20. =Hochwild im Winter.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Charakteristisch ist für das Klima des Oberharzes der jähe Wechsel der
Temperatur an ein und demselben Tage. Beträgt der Unterschied zwischen
dem Maximum und Minimum eines Tages im Sommer oft 20°C, so ist er doch
auch in den andern Jahreszeiten nicht unbedeutend. So stieg am 2. März
1877 die Temperatur von -13,81 um 7 Uhr morgens auf +3,56 um 2 Uhr
nachmittags und fiel wieder auf -10,65°C um 9 Uhr abends. Dem Oberharz
ist ferner eigentümlich, daß sich hier die »drei gestrengen Herren« im
Monat Mai nicht bemerkbar machen (so daß auf der Hochebene die Spuren der
Nachtfröste, die in den Vorbergen den ersten Trieb der Laubbäume
beschädigen, kaum zu sehen sind); und daß im Monat Dezember nach der
ersten Frost- und Schneeperiode fast regelmäßig eine Zunahme der
Temperatur unter reichlichen Regengüssen eintritt. (So stieg z. B. im
zweiten Drittel des Monats Dezember 1893 die Temperatur von -0,20° bis
auf +6,20° und sank im letzten Drittel auf -14,30°C.) Diese
»Weihnachtsflut« bringt den als Kraftspeicher für den Bergbau dienenden
Sammelteichen sehr erwünschte Zuflüsse.

Das niedrige Jahresmittel von Klausthal ist keineswegs die Folge einer
abnormen Kälte des Winters. Erreichten doch z. B. im Jahre 1883
Nordhausen und Braunschweig eine um 1,5° und 3,9°C größere Kälte, als
jenes. Vielmehr hat das niedrige Jahresmittel seinen Grund in der langen
Dauer des Winters und in der niedrigen Sommertemperatur. Auch der
Vergleich mit Stockholm fällt ganz anders aus, wenn man statt des
Jahresmittels die mittlere Temperatur der Jahreszeiten zu Grunde legt.
Während diese in Stockholm auf -3,31°C sinkt und im Sommer auf 22,04°C
steigt, sinkt sie in Klausthal (nach vierzigjährigem Durchschnitt) nur
auf -1,79°C und steigt nur auf +14,14°C. Diese durch die Höhenlage
bedingten Unterschiede erklären die sonst auffällige Thatsache, daß in
Lappland, welches mit dem Brocken etwa gleiche mittlere Jahrestemperatur
hat, noch Getreidebau getrieben werden kann, der im Harze schon auf der
Hochebene von Elbingerode aufhört, daß hier dagegen noch Buche und
Roßkastanie gedeihen, die nordwärts den kalten Winter schon des mittleren
Schwedens nicht vertragen.

[Illustration: Abb. 21. =Hüttenmann.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

[Sidenote: Temperaturschwankungen.]

Mit dem 3,96°C betragenden Jahresmittel des Sonnenbergs (774 m) ist
zugleich die Temperatur für die andern Einzelsiedelungen bis zum
Brockenfelde -- Königskrug, Oderbrück, Torfhaus -- gegeben. Zum
Vergleiche zwischen den beiden Stationen des Oberharzes mit dem am
Gebirgsrande und in der Nähe des Harzes belegenen mögen noch folgende
Angaben -- für die ich das Jahr 1883 zu Grunde lege -- dienen: Das
Thermometer sank zum letztenmal unter 0° in Sangerhausen am 13. April, in
Nordhausen, Göttingen und Braunschweig am 23. April, in Heiligenstadt am
7., in Salzwedel am 4., in Klausthal am 11. Mai und auf dem Sonnenberge
am 19. Juni; zum erstenmal wieder auf dem Sonnenberg am 18. August, in
Klausthal am 6., in Nordhausen am 7., in Göttingen am 23. Oktober, in
Sangerhausen und Heiligenstadt am 16., in Braunschweig und Salzwedel am
17. November. -- Die höchste Temperatur wurde in Braunschweig am 2. und
3., auf allen übrigen Stationen am 4. Juli erreicht; sie betrug in
Salzwedel 35,5, in Magdeburg 34,5, in Göttingen 32,8, in Sangerhausen
32,6, in Braunschweig 32,0, in Nordhausen 31,4, in Heiligenstadt 31,2, in
Klausthal 29,6, auf dem Sonnenberge 29,1°C. -- Die niedrigste Temperatur
betrug in Göttingen -10,5 (am 23. März und 8. Dezember), in Sangerhausen
-11,1 (23. und 24. März), in Heiligenstadt -12,3 (24. März), in Salzwedel
-13,0 (9. Juni), in Magdeburg -14,7 (15. März), in Klausthal -15,1 (23.
März), in Nordhausen -16,4 (17. und 23. März), auf dem Sonnenberge -18,7
(13. März), in Braunschweig -19,6°C (16. März).

Das Jahresmittel des Brockens soll nach den letztjährigen Beobachtungen
nur +0,87°C betragen; doch ist bis zur Gewinnung eines längere Perioden
umfassenden Durchschnitts vorläufig noch an dem aus sämtlichen früheren
Beobachtungen berechneten Mittel von 2,40°C festzuhalten. Der
Brockengipfel hat demnach fast genau das gleiche Mittel mit Tromsö im
nördlichen Norwegen.

Die mittlere Temperaturabnahme beträgt auf je 1 m Erhebung nach dem
Brockengipfel hin von Osterode 0,71°, von Klausthal 0,68°, von Goslar
0,66°, von Wernigerode 0,65°C.

Die mittlere jährliche Schwankung, die Differenz zwischen Januar
(-5,40°C) und Juli (+10,7°C), beträgt auf dem Brocken nur 16,1°C; in
Klausthal (Januar -2,43, Juli +14,85°C) 17,28°C. Diese sonst auffällige
Thatsache findet ihre Erklärung darin, daß der Brockengipfel in die
Region der stärksten Wolkenbildung hineinragt, und daß die starke
Bewölkung die Temperaturextreme erheblich mildert.

[Illustration: Abb. 22. =Osterode.=]

Die höchste beobachtete Temperatur war +27,7, die niedrigste -28,0°. Da
im Mittel auf den 30. Mai der letzte und auf den 7. Oktober der erste
Frost fällt, so sind etwa vier Monate frostfrei. Doch kommen starke
Abweichungen vor: im Jahre 1840 waren nur 89 Tage (vom 26. Juni bis 21.
September), im Jahre 1848 dagegen 186 Tage (vom 5. Mai bis 3. November)
frostfrei. -- Perioden lang andauernder Kälte sind auf dem Brocken nicht
häufiger als in der Ebene; die längste bis jetzt beobachtete fiel in den
Januar 1838, wo an achtzehn aufeinanderfolgenden Tagen das Mittel unter
-19°C lag; alle Gewässer, sogar der Gerlachsbrunnen, froren völlig aus,
trotzdem war die Kälte, da Windstille und Sonnenschein herrschte, sehr
gut zu ertragen. --

[Illustration: Abb. 23. =Wildemann.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Die Niederschläge.]

Inbetreff der Niederschlagshöhe, des zweiten Hauptfaktors des Klimas,
steht der Harz mit dem übrigen Mitteldeutschland unter dem Einfluß des
Atlantischen Ozeans. Nur die von diesem heranstreichenden Winde können
uns die erforderliche Feuchtigkeitsmenge bringen, denn im Süden sperrt
uns die Gletschermauer der Alpen gegen den Einfluß des Mittelländischen
Meeres ab, und im Nordosten und Osten sind uns weite, zusammenhängende
Landmassen vorgelagert, die um so größer erscheinen, wenn wir hierbei
auch die Ostsee als Land behandeln; ihr Einfluß auf die Niederschlagshöhe
ist nämlich aus drei Gründen außerordentlich gering: sie hat nur geringen
Umfang, ist meistens kälter als die offene See und liegt nicht in unserer
Hauptwindrichtung.

Das Vorwalten der Südwestwinde in Mitteldeutschland ist nicht nur die
Folge der Rechtsablenkung der Winde durch die Drehung der Erde, sondern
wird zugleich durch das sogenannte Azorische Maximum, das ist ein Gebiet
hohen Luftdruckes im Südwesten über dem Atlantischen Ozean (in der Gegend
der Azoren), durch das im größten Teil des Jahres über dem Atlantischen
Ozean im Nordwesten (in der Gegend von Island) ruhende Gebiet niedrigen
Luftdruckes, und durch die konstante Abnahme des Luftdruckes vom 45. bis
50. Breitengrade nach Norden zu verursacht.

[Illustration: Abb. 24. =Grund.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Kein Punkt in Mitteldeutschland ist nun für diese Klarlegung so geeignet
wie der hochragende Brockengipfel, da auf diesem die Windrichtung durch
örtliche Hemmung und Ablenkung nicht beeinflußt werden kann. Nach der
achtteiligen Windrose kommen auf dem Brocken 15% aller beobachteten
Windrichtungen auf NW, 23% auf W, 24% auf SW, zusammen also 62% -- nach
dem Wolkenzuge sogar 74% -- auf die für uns Regen führenden Winde (auf S
nur 10, SO und O je 8, NO und N je 6%.)

[Illustration: Abb. 25. =Lautenthal.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Dieser herrschenden Luftströmung stellt sich nun das Harzgebirge mit
seiner Breitseite, und zwar mit seinem hohen NW-, W- und SW-Rande, fast
rechtwinkelig quer in den Weg, dadurch erfährt der Luftdruck eine
Steigerung, die Luft wird zum Ansteigen gezwungen, kühlt sich dadurch ab
und verdichtet ihren gasförmigen Wassergehalt zu Nebel und Wolken, dann
zu Regen und Schnee. So kommt es, daß die auf der Luvseite liegenden
Osterode 820, Grund 880 Millimeter, die auf der Leeseite, im
»Regenschatten« des Harzes liegenden Wernigerode nur 613, Blankenburg 518
Millimeter Niederschlag haben. Wenn man nun ferner berücksichtigt, daß
der dichte Fichtenbestand des Westharzes die Feuchtigkeit der Luft
gleichsam aufsaugt, die Wolken anzieht und ihren Inhalt zum großen Teil
absorbiert und in den ausgedehnten Mooren festhält, so ist es klar, daß
unser isoliert aufsteigendes Gebirge auf die Niederschläge eines großen
Teiles von Norddeutschland einen ganz bedeutenden Einfluß haben und als
der Hauptkondensator für die vor und hinter ihm liegenden Lande angesehen
werden muß.

[Sidenote: Niederschläge und Nebel.]

Im hohen Westharze ist selbstverständlich der Niederschlag am
bedeutendsten. Für den Brocken berechnet Hellmann aus sämtlichen vor dem
Jahre 1879 liegenden Beobachtungen das Jahresmittel auf 1669 Millimeter;
in Klausthal betrug das Mittel aus den 40 Jahren 1856-1895 1338
Millimeter, auf dem Sonnenberge (dessen Station leider jetzt eingegangen
ist) das Mittel der 18 Jahre 1878 bis 1895 1283 Millimeter gegen 1316
Millimeter derselben Jahre in Klausthal. Zwischen den einzelnen Jahren
sind außerordentlich große Unterschiede: in Klausthal stehen den 1930
Millimeter Niederschlag des Jahres 1867 als Minimum 824 Millimeter im
Jahre 1857 gegenüber.

Daß der Sonnenberg, und damit wohl auch das Brockenfeld, etwas geringere
Niederschläge hat, als Klausthal, erklärt sich daraus, daß jener im
Regenschatten des Bruchberg-Ackers liegt; in Andreasberg und Braunlage
mit 1093 und 1096 Millimeter macht sich dieser noch stärker geltend, und
den Unterharz charakterisiert Allrode mit 620 Millimeter. Bei den nur
teilweise in diesem Regenschatten liegenden Orten des Südharzes (Wieda
993, Walkenried 820, Ilfeld 640 Millimeter) sprechen auch lokale Umstände
mit. Die Jahressumme der Tage mit Niederschlägen steht in anderem
Verhältnisse als diese: Klausthal hat im Mittel 152 Regen- und 64
Schneetage, der Sonnenberg aber gar 216 und 180.

Von großer Bedeutung für das Klima ist auch die Verteilung der
Niederschläge auf die einzelnen Monate. In Klausthal folgen diese nach
40jährigem Mittel: Juli 145, Dezember 134,5, August 129,6, Juni 125,6,
März 120,7, November 115,9, Oktober 108,3, Januar 105, Februar 104,8,
September 88,6, Mai 81,8, April 76,4 Millimeter. Ähnlich ist das
Verhältnis auf dem Sonnenberge, nur daß hier im Juli mehr Regen und im
Dezember und März verhältnismäßig mehr Schnee fällt.

Ist der Westharz reicher an Niederschlag, so fällt der Regen auf der
Leeseite massenhafter, bei einem einzigen Gewitter zuweilen 1/10,
ausnahmsweise 1/5 des Jahresbetrages. So fielen in Schierke am 21.
September 1882 129, in Harzgerode am 1. August 1887 121 Millimeter,
während als Maximum in Klausthal nur 97,5 Millimeter auf den 29. Juli
1883 kommen.

[Illustration: Abb. 26. =Schloß Söder.=

(Nach einer Photographie von F. H. Bödeker in Hildesheim.)]

Mit dem Nebel, der fast zur Hälfte auf den Winter fällt, ist es auf der
Hochebene des Oberharzes nicht so arg, wie man oft denkt. Allerdings hat
Klausthal durchschnittlich 95 ganz trübe und nur 27 ganz helle Tage, aber
es ist damit nicht schlechter gestellt als manche Städte im Lande. Im
Jahre 1883 z. B. wurden die 81 Nebeltage Klausthals von Braunschweig mit
83, Magdeburg mit 97 übertroffen, und seinen 25 ganz heiteren Tagen hatte
Salzwedel nur 19 gegenüberzustellen. Der Sonnenberg hat beinahe doppelt
so viele Nebel- und doppelt so viele ganz helle Tage als Klausthal. Auf
den Rauhreif und »Anhang«, auf den Brocken im Nebel kommen wir am andern
Orte zu sprechen.




                                   V.

                       Geschichtlicher Überblick.


[Sidenote: Vorgeschichte des Harzes.]

Wenn sich in dem weit wilderen Alpengebirge uralte Pfade schon in der
vorgeschichtlichen Zeit nachweisen lassen, so ist die Annahme, daß solche
auch im Harze vorhanden gewesen sein müssen, um so weniger gewagt, als
der einzige dem Oberharze angehörende Fund aus der Steinzeit, ein
gebrauchfertiges und gut erhaltenes Steinbeil aus nichtharzischem Gestein
(Oberharzer Museum) gerade auf dem Brockenfelde gemacht ist, über das der
»Heidenstieg« lief, der später in den fahrbaren »Kaiserweg« umgestaltet
ward.

[Illustration: Abb. 27. =Schloß Derneburg.=]

Im übrigen wurde in vorgeschichtlicher Zeit das Innere des Harzes und
insbesondere der hohe Westharz mit seinen undurchdringlichen Urwäldern,
seinem wegsperrenden Klippengewirr und seinen Gefahr drohenden Mooren
wohl nur hin und wieder von einzelnen kühnen Jägern betreten, die Elch
und Schelch, Ur und Wisent, Bär und Wolf bis in ihre geheimsten
Schlupfwinkel zu verfolgen wagten.

Zu dauernder Ansiedelung aber konnten den Menschen der Steinzeit, dem
Waldwirtschaft und Bergbau, die Vorbedingungen der späteren Besiedelung
des eigentlichen Harzes, völlig fremd blieben, nur die dem Harze
vorgelagerten Hügellandschaften und Flußebenen einladen.

Die Pfahlbauten in den Brüchen und trockenen Seen am Ostrande, die
Feuerstätten unter dem Tropfsteinboden der Einhornhöhle, die zahlreichen
in neuerer Zeit ausgegrabenen Wohn- und Grabstätten mit ihren Hausurnen
und Steinkisten, die noch unverwischten Befestigungen mit all ihren
wertvollen Funden reden eine gar deutliche Sprache, und eine
Zusammenstellung der Orte, die durch ihren Namen als heidnische
Opferstätten gekennzeichnet sind (Wodansberg, Hübichenstein, Thorsthor,
Pholidi, d. i. Pöhlde, die Bocksberge und andre) ergänzt als zweite
wichtige Urkunde jenen Bericht.

Beim Eintritt in die geschichtliche Zeit müssen die Harzlande freilich
vorerst stumm von ferne stehen, wenn Süddeutschland und die Rhein- und
Weserlande so viel des Interessanten aus der Römerzeit zu erzählen haben;
aber dafür dürfen sie sich dessen rühmen, daß in ihnen der erste Versuch
und Ansatz einer reindeutschen Staatenbildung gemacht ist: die südlichen
und östlichen Vorlande bildeten das Mittel- und Kernstück des Königreichs
Thüringen, das sich im ersten Viertel des sechsten Jahrhunderts von der
oberen Donau bis an die Grenze des Bardengaues erstreckte. Die
zahlreichen Ortsnamen auf --leben (das ist Aufenthaltsort) und --stedt
(Wohnstätte) erinnern noch daran.

Als die Franken 529-531 die Macht der Thüringer mit Hilfe der Sachsen
brachen, blieb ihnen nur der Helmegau (Walkenried, Nordhausen), der ganze
Süd- und Ostrand vom Sachsgraben bei Wallhausen bis an die Oker fiel den
Sachsen als Kriegsbeute zu, doch mußten sie für die südliche Hälfte den
Franken jährlich 500 Kühe als Tribut liefern. Um sich von dieser
drückenden Fessel der Unfreiheit zu befreien, folgten die Bewohner dieses
Gaues 568 gern dem Rufe des Longobarden Alboin zum Einmarsch in Italien,
und in die verödeten Lande zogen nun Nordschwaben, Friesen und Hessen
ein, denen es 575 gelang, die zurückkehrenden Sachsen in zwei
mörderischen Schlachten zu vernichten.

[Sidenote: Einführung des Christentums.]

Das Christentum ist in die Harzlande zuerst in der abgeschwächten Form
des Arianismus durch die Thüringerkönigin Amalaberga, Theoderichs des
Ostgoten Nichte, gekommen; doch hat die schwache Pflanze die Stürme jenes
Vernichtungskrieges nicht überdauert. Erst Bonifatius und sein Schüler
Wigbert haben es in den drei südlichen Gauen (Helme, Hessen, Friesen)
sicher begründet, und in dem Schwabengau, in dem sich nur einige
vorpostenartig vorgeschobene Wigbertikirchen (z. B. in Quedlinburg)
finden, ist es vom Hausmeier Karlmann und seinem Bruder Pipin im Kampfe
gegen den auf seine »Hoseoburg« trotzenden Häuptling Theoderich 746-748
mit Waffengewalt eingeführt.

[Illustration: Abb. 28. =Schloß Henneckenrode.=

(Nach einer Photographie von F. H. Bödeker in Hildesheim.)]

Wie weit dann auf friedlichem Wege das Christentum am Westrande des
Harzes vorrückte, zeigt die Grenze des Mainzischen Sprengels, die im
Pandelbach bei Münchehof mit der Nordgrenze des Lisgaues, des einzigen
von Engern bewohnten harzischen Gaues, zusammenfällt. Die nördlich
anschließenden Lande, der Ambergau (Seesen, Bockenem), der Wenzigau
(Goslar), der Lerigau (Wöltingerode) und der Harzgau (Wernigerode,
Blankenburg) sind erst durch den Schwertapostel Karl den Großen bekehrt.
Ströme des Bluts, wie in Westfalen, sind im Harze nicht geflossen. Schon
775 unterwarf sich der Ostfalenherzog Hessi freiwillig an der Oker und
hielt die gelobte Treue; seine Tochter gründete in Wenthausen, dem
heutigen Thale, das erste Kloster in den Harzlanden.

Als Karl 809 für Ostfalen rechts der Oker in Halberstadt ein Bistum
gründete, wies er diesem auch den Südrand bis zum Sachsgraben zu, so daß
dem fernen Mainz nur der Helme- und der Lisgau verblieben. Für Ostfalen
links der Oker gründete Karl 818 das Bistum Hildesheim; und an der
Vertiefung des vielfach nur äußerlich angenommenen Christentums
arbeiteten mit jenen Bischöfen auch die Klöster Fulda und Hersfeld
weiter.

Die Ortschaften, welche bis zu dieser Zeit etwa in den Harzlanden
entstanden waren, gehören drei verschiedenen Gruppen an. Die älteste
umfaßt diejenigen, deren Namen auf --hausen und --heim (--um, --em), auf
--leben und --stedt endigen, also auf eine Einzelsiedelung, auf das von
den zugehörigen Hütten der Laten umgebene Haus =eines= seßhaften freien
Mannes hinweisen, die zweite solche, deren Namen auf --ingen und --ungen
endigen, Siedelungen einer ganzen Sippe. Auch die Orte mit bloßen
Naturnamen, wie z. B. Goslar (Einöde am Gießbach), Steina (Siedelung an
der Grenze, nämlich zwischen Sachsen und Thüringern), sowie die, welche
auf --a, --see, --leite, --berg u. s. w. ausgehen, gehören zum größten
Teil der frühesten Zeit an. Die dritte Gruppe bilden die Orte, welche
sofort als »Dorf« entstanden sind.

[Sidenote: Besiedelung des Harzes.]

Die Volksmenge ward allmählich dichter, die unter dem Pfluge liegenden
Ackerflächen genügten nicht mehr, und notgedrungen nahmen die Bewohner
der Vorlande auch die öden Gebiete in Angriff, lichteten den Urwald mit
Axt und Feuer, legten die Sumpfgegenden durch Gräben und Dämme trocken
und machten den so dem Walde und dem Wasser abgewonnenen Boden durch den
Pflug zu ertragsfähigem Lande.

[Illustration: Abb. 29. =St. Hubertus-Kapelle am Heinberge.=

(Nach einer Photographie von F. H. Bödeker in Hildesheim.)]

Liegen die Orte, welche in dieser Zeit der »ausbauenden Kolonisation«
entstanden sind, auf ehemaligem Waldboden, so endigt ihr Name auf --loh,
d. i. Wald (Braunlage = brauner Wald), auf --feld (Mansfeld u. s. w.),
auf --hain und --hagen, --rode und --schwende; ist ihre Flur durch
Entwässerung des Sumpfes gewonnen, auf --riet. Noch jetzt umzieht ein
dichter Kranz solcher Ortschaften den Harz, die meisten aber sind längst
wieder eingegangen, weil die Länderei die Arbeit nicht lohnte. Ganz
besonders trifft dies die zahlreichen »Hagen«, d. i. auf Waldblößen
angelegte Ortschaften mit eingefriedigter Feldmark, und die noch
häufigeren Rodungen. Von den an der Endung --schwende (von _suantjan_,
schwinden machen) kenntlichen Brandrodungen, die nur im Ostharze
vorkommen, ist Molmerschwende die bekannteste.

Das Jahr, selbst das Jahrhundert der Erbauung all dieser späten
Siedelungen läßt sich nur bei einigen annähernd angeben. --

[Sidenote: Die Kaiserzeit.]

Hatte einst das mächtige Thüringerreich im Südostharze seinen
Mittelpunkt, so stand später, als das von Karls des Großen Weltreich
abgetrennte und in Selbständigkeit erstarkte Deutsche Königreich, bald
vom Glanze der römischen Kaiserkrone umstrahlt, den Höhepunkt seiner
Macht erreichte, zur Zeit der Ludolfinger, Salier und Staufer, der Harz
hellleuchtend im Vordergrunde der deutschen Reichsgeschichte. Wie
nirgends sonst im ganzen Deutschland reihten sich um den Harz Königshöfe
und Pfalzen zu einem prächtigen Kranze zusammen: im Norden Dahlum,
Seesen, Werla, Ilsenburg, im Osten und Süden Frose, Walbeck, Quitelingen,
Allstedt, Tilleda, Wallhausen, Nordhausen und Pöhlde.

[Illustration: Abb. 30. =Romkerhaller Wasserfall.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Unter den ludolfingischen Kaisern liegt der Schwerpunkt vorerst im Süden
und Osten: in Wallhausen, Nordhausen und Quedlinburg, zu denen dann noch
aushelfend Pöhlde und Gernrode kommen. So dankbar die Aufgabe wäre, diese
Könige, besonders Heinrich I. und Otto den Großen, von einer Harzpfalz
zur andern zu begleiten: wir müssen es uns um des Raumes willen versagen.
Mit dem Erlöschen der Ludolfinger trat die alte Kaiserstadt Quedlinburg
in den Hintergrund. An der stolzen Stiftung des ausgestorbenen
einheimischen Hauses nehmen die fränkischen Kaiser nur geringen Anteil,
ihr Lieblingsaufenthalt ward Goslar, dem unter dem mächtigen Heinrich
III. eine wahrhaft glänzende Zeit erstand. Auf der Höhe des Kaiserbleekes
erbaute er den großartigen Reichspalast (Abb. 3) und in dessen Nähe den
herrlichen Dom, einen leuchtenden Schmuck für das ganze Sachsenland.
Damals war Goslar in Wahrheit das _clarissimum regni domicilium_. Und
wenn unter Heinrich IV., dem Harzer von Geburt, der Glanz zu erblassen
schien und die burggekrönten Harzberge trauernd das Haupt neigten, so
kehrten jene Tage des Ruhmes unter dem Sachsen Lothar und unter den
beiden Friedrich von Staufen noch einmal wieder auf lange Zeit: ja der
Reichstag, den Barbarossa im Juni 1154 in Goslar hielt, überstrahlte alle
andern, die der Harz je gesehen hat.

Viermal spitzte sich die deutsche Reichsgeschichte zu einem Kampfe
zwischen dem Kaiser und dem Sachsenherzoge zu, aber keiner von ihnen,
auch kein späterer Krieg, hat je die Harzlande so schwer betroffen, so
viel Städte in Asche gelegt, so viel Burgen gebrochen, als der letzte, in
dem um jedes Panier, um das des Welfen Heinrich des Löwen und das
waiblingische Barbarossas Harzer Grafen und Harzer Bürger sich scharten.

Im Jahre 1253 sah Goslar zum letztenmal einen Kaiser in seinen Mauern:
Wilhelm von Holland, der König der welfischen Partei, ließ sich hier vom
Glanze der alten Kaisererinnerungen bestrahlen. Dann stand die
Kaiserpfalz öde und vergessen, bis in unseren Tagen in die alten Mauern,
die länger als sechs Jahrhunderte trauernd und verlangend nach einem
Kaiserantlitz ausgeschaut hatten, der greise Kaiser Wilhelm der Große,
der siegreiche Einiger und Mehrer des Reichs, einzog.

[Illustration: Abb. 31. =Markt mit Rathaus in Goslar.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Die Harzgrafschaften.]

Mit dem Untergange der Hohenstaufen und der Zertrümmerung des starken
sächsischen Stammesherzogtums verliert die Harzer Geschichte ihren
einheitlichen Charakter. Eine Vielheit von Territorien, geistlichen und
weltlichen, umspannten den Harz und hatten das Innere in größeren
Bruchstücken und kleinen Splittern zu eigen. Der Oberharz gehörte dem
1235 in seiner Herzogswürde anerkannten Welfenhause, im Osten griffen --
wie noch heute -- die Besitzungen des Hauses Anhalt, der Selke folgend,
tief in das Gebirge hinein; dem Süd- und Ostrande aber gaben die
Harzgrafschaften Wernigerode, Regenstein, Falkenstein, Mansfeld,
Stolberg, Hohnstein, Scharzfeld u. a. ihr charakteristisches Gepräge. Bis
auf das durchlauchtige Haus Stolberg, mit dem jeder Harzer sich gleichsam
landsmännisch verwachsen fühlt, sind diese mächtigen Geschlechter, allen
voran das kaisertreue Woldenberg-Harzburgische, dessen Glanz fast schon
mit dem der Hohenstaufen erbleicht, eins nach dem andern erloschen. Nach
manchen Wechselfällen breitet heute der preußische Königsadler, dem
braunschweigischen Löwen und dem anhaltischen Bären ihren Raum gönnend,
schirmend seine Flügel über den Harz und dessen Vorlande.




                                   VI.

                             Land und Leute.


[Sidenote: Die Bevölkerung.]

Es gibt in Deutschland kein zweites Beispiel dafür, daß sich auf einem so
eng umgrenzten Gebiete, wie es der Harz einnimmt, so viel verschiedene
Volksstämme nachweisen und noch heute, namentlich in ihrer sprachlichen
Verschiedenheit, klar erkennen lassen. An der Hand der Geschichte haben
wir in der Völkerwanderung Schwaben und Silinger, Friesen und Hessen und
nicht lange danach auch Holsteiner (Elbingerode) neben den
alteingesessenen Thüringern, Engern und Ostfalen sich niederlassen und in
der Kaiserzeit Slaven und Flamländer die sumpfigen Vorlande besiedeln
sehen. Dazu kamen noch zur Zeit der Reformation die mit wenig Franken
untermischten Obersachsen, die heutigen Bewohner des Oberharzes.

[Illustration: Abb. 32. =Goslar, von der Klus gesehen.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Nach der bis vor kurzem landläufigen Ansicht stammen diese aus Franken.
Aber man verwechselt sie dabei mit der ersten, in der Mitte des
vierzehnten Jahrhunderts der Pest erlegenen schwachen Bevölkerung, die es
bis zur Städtegründung nicht gebracht hat. Als im sechzehnten Jahrhundert
fast gleichzeitig in den Gebieten von Braunschweig-Wolfenbüttel
(Zellerfeld, Wildemann), Braunschweig-Grubenhagen (Klausthal) und
Hohnstein (St. Andreasberg) an den Stellen, wo einst jener »Alte Mann«
oberflächlich Bergbau getrieben hatte, edle Gänge erschürft wurden, und
die Strahlen, die aus der silberblinkenden Teufe aufschossen, den im
Winterschlafe liegenden, verödeten Oberharz zu neuem Leben erweckten,
vermochte ihm der infolge der Fehde mit Heinrich dem Jüngeren schwer
krankende Rammelsberg durch Abgabe von Bergleuten um so weniger zu
helfen, als die Goslarschen nur mit dem »Feuersetzen« (dem Anzünden
großer Holzstöße zum Mürbemachen des Gesteins) zu arbeiten wußten, nicht
aber zu »sinken« (Schächte abzuteufen), zu »längen« (Stollen und Strecken
zu treiben) und zu »gewältigen« (das Grubenwasser abzuführen) verstanden;
dazu bedurfte man »meißnischer Berggesellen«. Und angelockt durch die
viel verheißenden »Bergfreiheiten« strömten jene dem deutschen Peru
namentlich aus dem westlichen Erzgebirge, der Gegend von Schneeberg,
Annaberg und Joachimsthal, wo der Bergbau stark im Niedergang begriffen
war, in großen Scharen zu, so daß die Städte fast wie Pilze aus der Erde
schossen.

[Illustration: Abb. 33. =Domkapelle in Goslar.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Mundarten.]

Die Verschiedenartigkeit der Volksstämme im Harze zeigt sich vor allem in
der Mannigfaltigkeit der hier herrschenden Mundarten.

[Illustration: Abb. 34. =Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches.=

Wandgemälde von Professor Hermann Wislicenus im Kaiserhause zu Goslar.

(Nach einer Photographie im Verlag von Jul. Brumby in Goslar.)]

Der größte Teil des Harzes spricht niedersächsisch (»Plattdeutsch«), der
ganze Westrand vom Ravensberg (zwischen Sachsa und Lauterberg) bis
Hahausen und der Nord- und Ostrand von Hahausen bis Ballenstedt, sowie
bis auf die Sprachinsel des Oberharzes der ganze Nordosten des Gebirges
bis Braunlage, Benneckenstein, Trautenstein, Hasselfelde, Suderode und
Gernrode. Dieser ganze niedersächsische Harz gehört zu dem einen der
beiden großen »Michquartiere« in Deutschland: der Akkusativ mek und dek
(mich und dich) wird auch für den Dativ gebraucht; auch wird dem zweiten
Partizip statt des hochdeutschen ge ein kurzes e vorgeschlagen, z. B. bei
hett mek eraupen oder eröupen (er hat mich gerufen), hei hett et mek
egeeben (er hat es mir gegeben). Ek und mek wird im Osten lang, im Westen
kurz, und das s in den Anlauten _sm_, _sl_, _sn_, _sw_, _sp_, _st_ nur im
Osten sch gesprochen. Auffällig ist auch die Verschiedenheit in der
Konjugation des Präsens; der Westen und Norden sagt: weï drinket, jei
(jï) drinket, sei drinket, das südöstliche Drittel wie im Hochdeutschen
wei (in Elbingerode, Schierke, Benneckenstein mei), jï, sei drinken. Die
nördlichsten Orte dieses Drittels sind Braunlage, Elend, Schierke,
Elbingerode, Blankenburg, Börnecke.

[Illustration: Abb. 35. =Karl der Große zerstört die Irmensäule.=

Wandgemälde von Professor Hermann Wislicenus im Kaiserhause zu Goslar.

(Nach einer Photographie im Verlag von Jul. Brumby in Goslar.)]

Im einzelnen lassen sich die Mundarten der Gaue, wenn auch deren alte
Grenzen hierbei nicht überall scharf hervortreten, an charakteristischen
Eigentümlichkeiten gut unterscheiden. Nur im engernschen Lisgau, also
auch in den der oberdeutschen Sprachinsel nicht angehörenden
oberharzischen Ortschaften Lerbach, Buntenbock, Riefensbeek,
Kamschlacken, Lonau und Sieber hört man _ssehr_ (sehr), _chout_ (gut),
_loapen_ (laufen). Die ostfalische Mundart, welche im Ambergau, Densigau
und Lerigau den Harz berührt, in der Nähe des Gebirges aber auch auf das
rechte Ufer der Oker hinüberspringt, wird durch eine Fülle von
Diphthongen gekennzeichnet, deren nach den Orten wechselnde Färbung
längst nicht mit den hochdeutschen Vokalen wiedergegeben werden kann.
Mein Haus lautet (bis dicht vor Hannover, wo zuerst der einfache Vokal
_mîn hûs_ auftritt) etwa _maïn_ oder _meïn hius_, greulich _gruilich_,
gräulich _gröulich_. Vielfach wird _g_ wie _j_ gesprochen: gut _jiut_,
geben _jeeben_; Gott lautet in der Einzahl _gott_, in der Mehrzahl aber
_jötter_; ebenso hochdeutsch Garten in der Mehrzahl _järten_. In andern
Wörtern wie _grot_ (groß), Goslär (Goslar), Gurke tritt das _j_ nie auf.

Die sich östlich anschließende Harzgauische Mundart kennt die
ostfalischen Diphthonge und das anlautende scharfe _st_, _sl_ etc. nicht
und spricht nur in dem östlichen Streifen (Halberstadt, Quedlinburg) an
der Bode das anlautende _g_ wie _j_: _Joslar_, _jut_, _jross_. Zum
Vergleiche zwischen dieser und der ostfalischen Mundart diene folgende
Strophe aus der »willen Jagd«:

Wernigerode:

               Mîn Vader, mîn Vader, horche mal rut,
               Dat hult da buten, dat hult sau lut;
               Dat bellt un schtampt, dat gröhlt un brüllt
               Hoch öwwer de Böme grulich un wild.

Bockenem:

               Maïn Vader, maïn Vader, horche mal rüut,
               Dat hüult da butten, dat hüult söu lüut,
               Dat bellt un stampet, dat greelt un brillt
               Hoch ower de Beme gruilich un wild.

Einlautig ist auch die Mundart des Schwabengaues, die ohne scharfe
Umgrenzung etwa von Westerhausen und Thale bis an den Streifen bei
Suderode und Ermsleben reicht, in dem seit Jahrhunderten das
Mitteldeutsch kämpfend weiter nach Norden vordringt. Sie spricht stets
anlautendes _g_ wie _j_ und -- wie schon manche Orte des Harzgaues --
_hiser_, nicht _hüser_ für Häuser.

[Illustration: Abb. 36. =Luther und Karl V. auf dem Reichstage in Worms.=

Wandgemälde von Professor Hermann Wislicenus im Kaiserhause zu Goslar.

(Nach einer Photographie im Verlag von Jul. Brumby in Goslar.)]

Die niederdeutschen Mundarten haben denselben Konsonantenstand wie das
Gotische. Sie sind von der konsonantischen Lautverschiebung, welche schon
zur Zeit der Völkerwanderung zunächst bei den Alemannen in der Schweiz
begann, und wellenförmig nach Norden fortschreitend im vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert in die südlichen Harzlande gelangte und die
niederdeutsche Mundart in eine hochdeutsche umwandelte, nicht beeinflußt;
sie halten noch das altdeutsche $t$ fest, wo unsere hochdeutsche
Schriftsprache $z$ setzt (tämen = zähmen); für das hochdeutsche $t$ haben
sie noch $d$ (Dochter = Tochter), für $f$ noch $p$ (lopen = laufen), für
$ch$ $k$ (eck und ick = ich) beibehalten. Dagegen haben die Thüringer im
Helmegau nebst den dort eingewanderten Flamländern, sowie die Hessen und
Friesen diese Lautverschiebung angenommen, so daß der ganze Südharz bis
zum Ravensberge jetzt hoch-(mittel-) deutsch spricht. An die frühere
Zugehörigkeit auch dieser Gegenden zum niederdeutschen Sprachgebiet
erinnern nur noch wenige Spuren, so im Mansfeldischen die Flexion des
Infinitivs bei $zu$ (ze thun$e$ für zu thun) und $mant$ für nur.

Es lassen sich hier, wenn auch nicht in genauem Anschluß an die
Gaugrenzen, drei mitteldeutsche Mundarten unterscheiden: süd- oder
unterharzisch, mansfeldisch und nordthüringisch. Ihr Konsonantenstand ist
derselbe wie der des Hochdeutschen, nur ist das niederdeutsche $pp$ und
$mp$ am Ende der Wörter geblieben: Kopf und Strumpf werden noch Kopp und
Strump gesprochen; und das niederdeutsche p im Anlaut ist nicht in pf,
sondern in f umgewandelt: Pferd und Pfennig lauten Ferd und Fennig.

Stimmen hierin die drei Mundarten überein, so ist dagegen die sogenannte
bayerische Vokalverschiebung, die Verbreiterung der alten Vokale _î_ und
_û_ zu ei und eu, welche durch die süddeutschen Kanzleien und namentlich
durch Luthers Bibelübersetzung in unser Neuhochdeutsch gedrungen ist, nur
von der mansfeldischen Mundart angenommen; sie spricht _mei haus_,
_feier_, _ihr_, _eich_ (euch), _eier_ (euer), wo jene beiden _min hûs_,
_fier_, _ji_, _uch_, _uer_ sprechen. Die wesentlichsten unterscheidenden
Merkmale zwischen der unterharzischen und der nordthüringischen Mundart
sind, daß nur diese den Infinitiv um $n$ verkürzt; im Osten: ich kann
_sprech$e$_, im Westen: ich kann _$ge$sprech$e$_; und das anlautende _g_
nicht wie _j_, sondern wie _g_ und _k_ spricht: nicht wie Mansfeld und
Unterharz _jestern_ und _janz_, sondern _gestern_ und _ganz_ neben
_kestern_ und _kanz_. Zum Michquartier gehören sie alle drei.

[Illustration: Abb. 37. =Oderteich.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

Nicht aber, als die einzige im ganzen Harzgebiete, die in das
niederdeutsche Sprachgebiet inselartig eingesprengte oberharzische
Mundart, welche sich auf die Städte und Ortschaften beschränkt, die dem
Silberbergbau ihre Entstehung verdanken: Klausthal, Zellerfeld,
Andreasberg, Wildemann, Lautenthal, Hahnenklee, Bockswiese, Festenburg,
Oberschulenberg und teilweise Unterschulenberg und Altenau. Die
Lautverschiebungen sind nicht bis hierher gedrungen, sondern die
Einwohner haben ihre oberdeutsche Mundart schon aus ihrer Heimat
mitgebracht, und da sie keine anders sprechende Bevölkerung vorfanden,
unbeeinflußt bewahren können.

Das Oberharzisch hat die bayerische Vokalverschiebung (_mei haus_), aber
andern Konsonantenstand als die vorhin genannten drei mitteldeutschen
Mundarten: im Anlaute ist das alte _p_ in _pf_ umgewandelt (also Pfeng,
nicht Fennig). In ganz Deutschland hat nur noch die Mundart des oberen
Erzgebirges diese Merkmale. In beiden hört man Pfâr für Pferde neben
schtoppen für stopfen und Napp für Napf; in beiden klingt _kn_ im Anlaut
fast wie _gn_ (Gnabe statt Knabe), wird _mr_ (_mer_) für wir und für man
gebraucht, _rsch_ für _rs_ im Auslaut gesetzt (des Schteiersch = des
Steigers), dasselbe helle _a_ mit weitgeöffnetem Munde gesprochen (Ahng =
Augen). Bei weiterem Vergleiche zeigt sich die völlige Übereinstimmung
der oberharzischen gerade mit der Mundart des westlichen Erzgebirges (der
sächsischen Städte Schneeberg und Annaberg und der böhmischen Stadt
Joachimsthal). Nur hier, nicht im Osten desselben, wird z. B. das _n_ der
Endung _gen_ in die vorausgehende Silbe versetzt und als Nasenlaut
gesprochen (Morring Morgen, mit solling Leitn mit solchen Leuten), der
Infinitiv auf _a_ (kumma kommen, brenga bringen) und das Adjektiv öfter
auf _et_ (narbet narbig, lampet abgetrieben) gebildet. Diese
gemeinschaftlichen Besonderheiten der westerzgebirgischen und
oberharzischen Mundarten, die letztere allgemeiner festgehalten hat, als
erstere, sind auf fränkische Einwirkung zurückzuführen. Fränkisch sind z.
B. die erwähnte Adjektivendung _et_, die Verkleinerungssilbe _le_ _la_
(Heisl, Mehrzahl Heisla Häuschen), das häufige _ä_ für hochdeutsches _ei_
(Äch Eiche, Gäst Geist, dräzen dreizehn, Schrä Schrei etc.). Fränkisch
sind auch viele oberharzische Wörter, die im Erzgebirge heutzutage nicht
mehr üblich sind (z. B. wallen gin spuken, zochen umziehen, zipperig
furchtsam, porren reizen, kâzen vor Uebermut laut schreien, greina
weinen).

[Illustration: Abb. 38. =St. Andreasberg.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

Die fränkische Färbung der beiden Mundarten weist darauf hin, daß die
Auswanderung aus dem Erzgebirge nach dem Oberharze in einer Zeit
stattfand, in der dort fränkische Bergleute unter der aus dem Meißnischen
zuströmenden Bevölkerung sich seßhaft machten; und der Umstand, daß diese
Färbung im Oberharze stärker ist als im Westerzgebirge, findet schon in
der inselartigen Abgeschlossenheit des Oberharzes ausreichende Erklärung;
daneben steht aber auch fest, daß bei der Aufnahme des oberharzischen
Bergbaues einzelne Knappen direkt aus Franken zuwanderten.

[Sidenote: Dorfanlage.]

Inbetreff des Hausbaues weisen die einzelnen Gaue kaum noch nennenswerte
Eigentümlichkeiten auf. Mag einst, wie einige der am Ostsaum
aufgefundenen »Hausurnen« schließen lassen, der altsächsische »Einbau«,
der Menschen- und Viehhaus samt den Kornfächern unter einem Dache
vereinigt, bis an den Fuß der Harzberge gereicht haben, so waren doch
schon zur Zeit der Abfassung des Sachsenspiegels in dem ehemaligen
Nordthüringen getrennte Scheunen üblich, und heute hat das fränkische
Haus das sächsische völlig verdrängt: denn obgleich am Nordrande die
Bauernhäuser bis über Bockenem hinaus vielfach die Giebelseite der
Straße zukehren, so befindet sich doch der Eingang in der den
Wirtschaftsgebäuden zugekehrten Breitseite.

[Illustration: Abb. 39. =Lauterberg im 17. Jahrhundert= (nach Merian).]

Abgesehen von den in die engen Gebirgsthäler eingeklemmten und sich oft
fast stundenlang ein- oder zweireihig hinziehenden Ortschaften bieten die
übrigen fast sämtlich das Bild des unregelmäßigen Haufendorfes, denn wenn
auch die ursprüngliche Hufeisen- und Rundlingsform der Wendendörfer in
der Goldenen Au sich aus dem jetzigen Befunde meist noch herausschälen
läßt, so haben doch Durchbrechungen des Ringes und Anbauten außerhalb
desselben für das nicht historisch geschulte Auge den Unterschied vom
Haufendorfe so gut wie verwischt.

[Illustration: Abb. 40. =Lauterberg.=]

Wenn auch der Harz in seinen Steinbrüchen von jeher eine Fülle und
Mannigfaltigkeit vorzüglichen Baumaterials namentlich zu seinen
herrlichen und großartigen Kirchen und ähnlichen Bauten geliefert hat,
und wenn sich gleich in letzter Zeit selbst in oberharzische Städte, das
Auge beleidigend, hie und da in das stimmungsvolle Bild sich harmonisch
und komplementär nicht einfügende rote Backsteinbauten eingedrängt haben,
so erfreut sich doch der alte Harzer Fachwerksbau, zu dem die schier
unerschöpflichen Wälder geradezu aufforderten, auch in den Städten noch
immer der wohl begründeten Vorliebe, und manches in verständnisloser Zeit
dem Abbruch oder doch dem Verfall bestimmte künstlerisch oft reich
gestaltete Haus ist als eine Perle der Baukunst erkannt und soweit
möglich in seiner ursprünglichen Schöne restauriert.

[Illustration: Abb. 41. =Wiesenbeeker Teich.=]

[Sidenote: Volkstrachten.]

Von den alten Volkstrachten hat sich in den Harzlanden wenig erhalten.
Die kleidsame Tracht des Bergmanns -- grüner Schachthut ohne Rand,
schwarzer Leinwandkittel mit Puffen, blankes Hinterleder mit
Messingschloß und schwarzen Beinkleidern (Abb. 4) -- sieht man fast nur
noch an bergmännischen Festen und bei Beerdigungen, sie ist zur bloßen
Uniform geworden; den blauen Leinwandkittel des Bauern hat vielerorts
bereits ein langer Rock von unbestimmter grauer oder brauner Farbe
verdrängt, nur der Fuhrmann, besonders auch der oberharzische, trägt ihn
noch -- wie die früher allgemein üblichen Gamaschen -- regelmäßig als
Arbeitsgewand; aber der schneeweiße Leinwandkittel des Fuhrherrn (Abb.
5), zu dem gelbe Gamaschen und hoher schwarzer Seidenhut gehörten, ist
seit einigen Jahrzehnten völlig verschwunden. -- Und auch die
Frauentracht fügt sich, wenn auch mit einiger Verspätung, mehr und mehr
der Mode. Den mit breiten farbigen Samtstreifen mehrfach umsäumten Rock
und die schwarze, mit Band und Spitze verzierte Mütze sieht man nur noch
bei der älteren Generation, und auch bei dieser nur ganz vereinzelt das
kleine tütenförmige Mützchen mit den breiten, fast bis auf die Fersen
herabhängenden Seidenbändern, wie es z. B. die Bäuerinnen im Ambergau
noch vor wenigen Jahrzehnten allgemein trugen. Aber die »Landgängerinnen«
des Oberharzes kennzeichnet noch ausnahmlos der buntgeblümte, die mit
Butter und Eiern gefüllte »Kiepe« vor neugierigen Blicken schützende
langkragige Kattunmantel (Abb. 6).

[Illustration: Abb. 42. =Ruine Scharzfels.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Inbetreff des Charakters und der Begabung läßt sich zwischen den
Bewohnern der einzelnen Gaue kaum eine Grenzlinie ziehen, wohl aber
zwischen dem Niedersachsen, dem der meist starkknochige, etwas lebhaftere
und redegewandtere thüringische Harzer nahesteht, und dem Obersachsen des
westlichen hohen Harzes. Im Norden und Osten meistens gedrungen und
kräftig, im Lisgau lang und hager, aber sehnig, ist jener bedächtig, aber
nachhaltig, nicht beredsam, doch nicht sprechfaul, etwas zugeknöpft gegen
Fremde, aber treu in Zuneigung und Freundschaft, rechthaberisch, doch
versöhnlich, starrköpfig, wo seine Rechte in Frage kommen, aber ein Feind
arglistiger Schädigung, fleißig, genügsam und sparsam, doch fast
verschwenderisch, wo es die Ehre des Hofes und der Familie gilt, karg im
Geben, doch bereit zu jeder Hilfe, die kein bares Geld kostet; ohne
sprudelnden Witz und lebhafte Phantasie, aber klaren Verstandes und
gesunden Urteils; konservativ, doch nicht unzugänglich für Neuerungen,
kirchlich und gottesfürchtig, doch nicht frei vom Vertrauen auf
Kartenschlagen und Besprechen.

Der Oberharzer erscheint neben dem Nordthüringer und Niedersachsen fast
schmächtig und schwächlich, übertrifft beide aber an Gewandtheit und
Ausdauer. Er ist gastfrei und gesellig, mäßig und nüchtern, sucht seine
Freude in der Familie, in Wald und Halde, in Vereinigungen zu Gesang und
Musik; entschlossen und überlegend, ausgerüstet mit bewundernswerter
Geistesgegenwart, ist er ein anstelliger, vorzüglicher Arbeiter. An
Mutterwitz und Schlagfertigkeit übertrifft er den Niedersachsen weit,
doch keineswegs an Schärfe des Verstandes und Tiefe des Gemüts.




                                  VII.

                      Die Hochebene von Klausthal.


[Sidenote: Klausthal und Zellerfeld.]

Wir beginnen unseren Rundgang mit den sieben »Bergstädten« des Oberharzes
und folgen dann den dort entspringenden Flüssen bis in die Vorlande.

Von den sich eng aneinander schmiegenden Schwesterstädten Klausthal
(Abb. 7) und Zellerfeld (Abb. 8), deren erstere, einer langgestielten
dreizinkigen Gabel nicht unähnlich, von 535 Meter am gemeinschaftlichen
Bahnhofe bis zu 605 Meter beim Schützenhause aufsteigt, ist das fast
schachbrettgeformte Zellerfeld die ältere. Da, wo jetzt hart an der
Grenze das städtische Brauhaus steht, erbaute das reiche Simon-Judasstift
in Goslar gegen das Jahr 1200 das Benediktinerkloster Cella und schuf
damit an dem alten von Goslar nach Osterode zum Anschluß an die
Nürnberger Straße führenden Wege dem Warenzuge des Kaufherrn wie dem
einsam pilgernden »Elenden« eine bessere Erholungs- und Zufluchtsstätte,
als solche die dürftigen Klausen, von deren einer Klausthal den Namen
führt, zu bieten vermochten. Und bald erklang die Axt der fleißigen
Klosterleute im ungelichteten Urwalde, auf der geschaffenen Lichtung, dem
»Zellerfelde«, erstanden Außenhöfe mit Viehwirtschaft, und fränkische
Bergleute siedelten sich unter dem Schutze des Klosters und seiner
Schirmherren an und erschürften Gang um Gang des edlen Silbers.
Anderthalb Jahrhunderte wirkte so das am höchsten und einsamsten gelegene
Harzkloster im Segen; da brach im Jahre 1348 der schwarze Tod, der wie
ein Würgengel ganz Europa durchschritt, auch hier herein, raffte Mönche
und Bergleute dahin und brachte durch die Unsicherheit und Verwilderung,
die ihm auf dem Fuße folgte, den Oberharz wieder zu völliger Verödung.
Doch heute noch befährt der »Bergmönch« als der aufsichtführende
Geschworene mit silbernem, bis zur Firste flackerndem Grubenlichte die
Schächte und Strecken, und beredter noch als die Sage führen die Gruben
des »alten Mannes« mit seinem Gezäh und seinen Gebeinen, die
»Burgstätte«, auf der vielleicht der letzte Rest der von der Pest
Verschonten im Kampfe mit den Räuberbanden erlag, der Frankenscherven
(jetzt Frankenscharn), die »Abtshöfe« und andre ihre stumme Sprache.

[Illustration: Abb. 43. =Herzberg.=]

[Sidenote: Bergbau in alter Zeit.]

Erst unter der Regierung des Herzogs Heinrich des Jüngeren erstand der im
Todesschlafe liegende Oberharz zu neuem Leben. Nachdem schon die Herzogin
Elisabeth von ihrem Witwensitze Staufenburg aus sich des
Eisensteinbergbaues bei Grund mit großem Erfolge angenommen hatte,
beschloß ihr Enkel Heinrich, auch die Silbergruben des »alten Mannes«
wieder in Betrieb zu setzen, erließ 1524 eine Bergordnung »für Grund und
umliegende Gebirge« und berief auf den Rat des Herzogs Georg von Sachsen
erfahrene Beamte und Bergleute aus dem Erzgebirge. Im Jahre 1526 nahmen
die in großen Haufen Herzuströmenden in der Nähe des jetzigen Johanneser
Kurhauses die erste Grube auf der Hochebene des »Zeller Feldes« auf, und
schon sechs Jahre später erhielt die um die Klosterruine entstandene
Ansiedelung die Stadtgerechtsame.

Und auch im Fürstentum Grubenhagen, das bis unmittelbar an den die
Klosterpforte bespülenden Zellbach reichte, blieben die reichen Schätze
der Teufe nur noch kurze Zeit unerschlossen. Schon im Jahre 1544 wird das
Bergwerk des Herzogs Philipp »an dem Zeller Felde« erwähnt, und als auch
bei der verfallenen Klause (»im Klausthale«) edle Erze zu Tage traten,
nahm die neue Ansiedelung, die man anfangs Zellerfeld grubenhagenschen
Teils nannte, so raschen Aufschwung, daß sie bereits in der Bergfreiheit
von 1554 freie Bergstadt heißt.

[Illustration: Abb. 44. =Brockengipfel.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Daß eine Landesgrenze (bis 1788) die beiden Städte schied, ward im
dreißigjährigen Kriege verhängnisvoll für Zellerfeld: nachdem Tilly am
19. März 1626 Klausthal von Dänen und Braunschweigern, seinen Bedrängern,
durch sein bloßes Erscheinen befreit hatte, eroberte er das von seinen
Bürgern unter dem Geschwornen Thomas Merten heldenmütig verteidigte
Zellerfeld und überließ es seinen Truppen zur Plünderung.

Kämpfte schon zu Beginn jenes verderblichen Krieges der Bergbau um seine
Existenz, so kam er während desselben völlig zum Erliegen: die Gruben
»ersoffen«, die Pochwerke standen still, die Hütten lagen kalt. Dazu
überfiel die schier verzweifelnden Bewohner noch die Pest, und
verheerende Feuersbrünste raubten ihnen die letzte Habe.

Nur langsam erholten sich die beiden Städte. Aber dann brachten regenarme
Jahre die Gruben wieder zum Stillstand, und am 18. Oktober 1672 legte
eine schreckliche Feuersbrunst in Zellerfeld 465 Häuser, die Kirchen,
Pfarrhäuser und Schulen, Rathaus, Münze und Zehnten in Asche; und in dem
dürftigen Reste der Stadt und in Klausthal, wo man die Obdachlosen
nachbarlich aufnahm, brach der Hungertyphus aus: die Not war entsetzlich.

[Sidenote: Klausthal.]

Als im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts endlich wieder die Gruben gut
»silberten«, entwickelten sich im Glanze des Bergsegens die Städte so
ersichtlich, daß die Hauptstadt Klausthal im Jahre 1736 ohne Garnison
8930 Einwohner zählte. Die Feuersbrünste von 1725 und 1737, von denen die
erste 391 und die zweite 192 Wohngebäude zerstörte, wurden damals
leichter überwunden. Dagegen sank die Einwohnerzahl unter den Drangsalen
des siebenjährigen Krieges um 2000. Allein am 3. September 1761 erpreßten
die Franzosen in der Doppelstadt 40000 Thaler, und zum Dank für seine
Milde mußte Klausthal dem General Vaubecourt gar eine Medaille prägen
lassen.

Als 1799 der großartige Georgstollen durchschlägig wurde, konnte man die
Erze auch aus größerer Teufe holen. Aber dieser Vorteil kam bald der
westfälischen Fremdherrschaft zu nutze. König »Lustik« von Bonapartes
Gnaden, der sich zweimal in Klausthal-Zellerfeld anjubeln ließ, konnte
kaum mit Hilfe des Raubbaues den sich immer steigernden Bleibedarf für
seines Bruders Kriege und Festungen decken. Doch die enormen Summen, die
nach Kassel flossen, genügten ihm nicht: er bot dem Juden Jakobson den
ganzen oberharzischen Bergbau zum Kauf an; indes, wenn dieser sein
»Kammeragent« auch preußische, hannoversche und braunschweigische Domänen
billig zu erwerben kein Bedenken trug, so erschien jener große Bissen dem
Schlauen doch im Werte zu unsicher. Trotzdem es Titel und Gehaltszulagen
regnete, sammelten die Bergbehörden einen Teil der Überschüsse für die
angestammte Landesherrschaft heimlich im Zehnten an und schickten falsche
Abrechnungen nach Kassel. Aber viele Handels- und Kassenbeamte trieben
auch »Matzhammelei«: sie steckten manches Tausend in die eigene Tasche;
und des Geldes war ja so viel, daß die Franzosen es nicht merkten -- erst
die hannoversche Regierung hat später diese Unterschleife bestraft. Da
sah man den Oberfaktor in Goslar wie einen Grafen mit vier Rappen, einen
Jockei vorn auf, durch die Straßen fahren, und sein Bruder in Osterode
legte einen Marstall an und baute ein Reithaus. -- Flotter ist der
Bergbau nie umgegangen. Aber der Harzer ließ sich durch die hohen Löhne
nicht gewinnen; obwohl vom westfälischen Kriegsdienste befreit, schlichen
sich die jungen Männer bis zur Küste durch und bluteten auf den
Schlachtfeldern Spaniens für Deutschlands Ehre und Freiheit; allein vom
siebenten Bataillon der deutschen Legion trafen einmal an einem Tage elf
Totenscheine beim Rate von Klausthal ein.

[Illustration: Abb. 45. =Brockenbahn.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Als mit dem Frieden der großartige Bleibedarf aufhörte, sanken die
Harzprodukte gewaltig im Preise, ja waren teilweise sogar unverkäuflich,
und die englische und spanische Konkurrenz zwangen den Harzer Bergbau,
sich sehr haushälterisch einzurichten. Die Bergbehörde begünstigte, trüb
in die Zukunft sehend, die Auswanderung, besonders als 1844 300 und 1852
101 Wohnhäuser in Klausthal niederbrannten. Doch brach mit der
Verstaatlichung des (gewerkschaftlichen) Bergbaues, mit der Vollendung
des Ernst-August-Stollens, mit dem Erschließen neuer Erzmittel eine
bessere, hoffnungsvollere Zukunft an. Heute zählt die Stadt 8600
Einwohner.

Von den Tillyschanzen bei der Windmühle, dem Wahrzeichen Klausthals,
gesehen, gewährt die von weiter Wiesenflur eingeschlossene Doppelstadt
ein eigenartig schönes Bild. Die in den flachen Thälern zu einer
glänzenden Perlenschnur aneinandergereihten Teiche, der dunkle, breite
Waldsaum ringsherum, der Blick auf die wellenförmige Hochebene mit ihren
grünen Halden, ihren blinkenden Gruben und dem in der Ferne aufwirbelnden
Hüttenrauche, ihren nach allen Seiten strahlenförmig in den Wald
auslaufenden Alleen, auf die immer höher sich auftürmenden Berggruppen,
und wieder zurück auf die wunderbar gestaltete Stadt mit ihren
rotbedachten schmucken Häusern, von denen einzelne Gruppen sich bis in
die unabsehbare Ferne zu erstrecken scheinen: leihen ihr Züge und Farben,
wie sie sich so wirkungsvoll in ihrer schlichten Anmut im ganzen Harze
nicht zum zweitenmal zeigen.

[Sidenote: Zellerfelder Münzen.]

Architektonisch bedeutsame Gebäude hat Klausthal nicht aufzuweisen. Die
Marktkirche ist die größte Holzkirche Deutschlands (Abb. 9). Im
geräumigen Amthause hat das Oberbergamt für den größten Teil der Provinz
Hannover, für Schleswig-Holstein, Hessen, Schaumburg und den
Gemeinschaftsharz seinen Sitz. Aus der früheren, jetzt als Bibliothek und
Berginspektion dienenden Münze -- und teilweise aus der den verschiedenen
Linien des Welfenhauses gemeinsamen Münze in Zellerfeld, die nur den
heil. Andreas nicht im Stempel führte -- sind die meisten der feinen
Wildemanns- und Andreasmünzen und Ausbeutethaler hervorgegangen, welche
die Münzsammlungen zu ihren wertvollsten Stücken zählen.

[Illustration: Abb. 46. =Schneeschuhläufer.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Zur Erläuterung der abgebildeten Münzen (Oberharzer Museum) diene
folgendes:

1. Zweithalerstück, in Zellerfeld vom Münzmeister Rudolf Bornemann (R.
B.) 1688 geprägt (Abb. 10). Den Namenszug des Kurfürsten Ernst August von
Hannover umgeben folgende fünfzehn Wappen: Das sechsspeichige Rad von
Osnabrück -- der Kurfürst war, worauf auch der Bischofsstab hinweist,
zugleich Bischof von Osnabrück --, die Löwen des Herzogtums Lüneburg, der
Grafschaft Eberstein und der Herrschaft Homburg (mit gestückter
Einfassung), der einköpfige Adler der Herrschaft Stemmwede (Lemförde),
die Lutterberger Querfäden, die Regensteiner (rote) Hirschstange, der
Clettenberger Hirsch, die Blankenburger (schwarze) Hirschstange, das
Hohnsteiner Schach, die verschobenen Kreuze von Alt-Bruchhausen mit den
Neubruchhäuser (Oldenburger) Balken, die Bärenklauen von Hoya, die Löwen
von Diepholz und Lutterberg, die Leoparden von Braunschweig. Oben der
Wahlspruch des Kurfürsten. Der Revers zeigt uns eine Grube über und unter
Tage. Radstube und Geipel, durch ein Feldgestänge verbunden, nähern sich
in der Form noch der Köte; die Fahnen auf ihrer Spitze melden, daß die
Grube in Ausbeute steht. Ein Bergmann, das Grubenlicht in der Hand, tritt
den Heimweg an, ein andrer fördert auf dem Stürzkarren Erz nach dem
Pochwerk. Ein »Rutengänger« mit der edle Erze verratenden Wünschelrute
schreitet heran; unterhalb des auf der Höhe liegenden Zechenhauses ist
ein Haldenarbeiter beschäftigt. In der Tiefe schrämen zwei Bergleute,
zwei andere drehen den Haspel, daneben führt der Schacht mit Fahrt und
Tonne hinunter. -- Über der Landschaft das Sachsenroß; von oben reicht
ein aus Wolken ragender Arm einen Kranz.

[Illustration: Abb. 47. =Bad Harzburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

2. Wildemannthaler des Herzogs August von Braunschweig, in Zellerfeld
1665 vom Münzmeister Henning Schlüter (H. S. und zwei gekreuzte
Schlüssel) geprägt (Abb. 11). Im Wappenbilde sind Hoya und Bruchhausen,
Regenstein und Blankenburg, Hohnstein und die Lutterbergschen Querfäden
zu je einem Felde vereinigt und das Lüneburgsche durch die gekrönten
Herzen von den andern Löwen unterschieden. Auf dem Schilde stehen fünf
gekrönte Helme; der mittlere (Braunschweig-Lüneburg) trägt zwischen zwei
mit den Spitzen gegen einander gekehrten Sicheln, welche außen mit fünf
Pfauenfedern besetzt sind, eine Säule mit Krone und gesterntem
Pfauenkranz, vor der ein Pferd springt. Der Helm mit Bärenklaue
bezeichnet Hoya, der mit sechs Fähnchen zwischen Büffelhörnern
Bruchhausen, der mit zwei Hirschstangen, zwischen denen ein Pfauenschwanz
steckt, Hohnstein und Lutterberg, der mit zwei Büffelhörnern und zwei
Hirschstangen Diepholz und Regenstein-Blankenburg. -- Auf der Rückseite
hält der Wildemann, Laubkränze um Haupt und Hüften, den mit der Wurzel
ausgerissenen, auf beiden Seiten mit Zweigen besetzten Baum wie eine zum
Stoß eingelegte Lanze mit beiden Fäusten. Eine bestimmte Regel bildete
sich um 1670 aus: auf den in Zellerfeld für Braunschweig-Wolfenbüttel
geprägten Münzen hält der Wildemann den zweireihig besetzten Baum in der
Linken, auf den dort für Calenberg-Hannover geprägten die nur
rechtsseitig besetzte Tanne in der Rechten. Die nach Aufhebung der
Zellerfelder Münze von 1788 an in Klausthal geprägten hannoverschen
Münzen zeigen den Wildenmann mit einer zweiseitig besetzten Tanne in der
Rechten.

3. Ausbeutethaler der Grube Lautenthals Glück (Jungfrau mit der Laute
zwischen Grubengebäuden), in Zellerfeld vom Münzmeister Joh. Benj. Hecht
geprägt, Wildemänner als Schildhalter (Abb. 12).

4. Andreasthaler, 1726 in Klausthal vom Münzmeister Chr. Phil.
Spangenberg geprägt (Abb. 13). Die Umschrift lautet: _Georgius Dei gratia
Magnae Britanniae Franciae et Hiberniae rex, fidei defensor_ (Verteidiger
des Glaubens), _Brunsvic. et Luneburg. dux, Sancti Romani imperii
archithesaurarius_ (Erzschatzmeister) _et elector_. Der Wappenschild hat
im ersten Felde die englischen Leoparden und den schottischen Löwen, im
zweiten die französischen Lilien, im dritten die irische Harfe, im
vierten die braunschweigischen Leoparden, den lüneburgischen Löwen, das
Sachsenroß und in der Mitte die Kaiserkrone. Schildhalter Löwe und
Einhorn.

Die von 200 bis 250 Studierenden besuchte Bergakademie, welche mit ihren
Anfängen bis in das Jahr 1775 reicht, wird in den nächsten Jahren ein
ihrer Bedeutung würdiges Heim erhalten. Begünstigt durch ihre Lage
inmitten der mannigfaltigsten und musterhaft eingerichteten Montanwerke
des Harzes, dieser Pflanzstätte für den gesamten deutschen Bergbau, steht
diese Hochschule auch im Auslande in hohem Ansehen und bringt den Namen
Klausthal in allen bergbautreibenden Ländern der Erde zu Ehren.

Das interessanteste Profanhaus des Oberharzes ist die im Jahre 1674
erbaute Bergapotheke in Zellerfeld (Abb. 14) mit ihren fratzenhaften
Köpfen an Front und Giebel bis zum Dache hinauf -- dem Wahrzeichen der
Stadt --, schönen Zimmerdecken, die in Stuck Christi Leidensgeschichte,
Jagdscenen, allegorische und mythologische Bilder und andres vorstellen,
und zwei mächtigen Kaminen mit kunstvoll eingemeißelten Verzierungen.

Die Umgebung von Klausthal bietet des Interessanten gar viel. Wir
schlagen einen der wohlgepflegten, sauber mit Gräupchen (Kies) bestreuten
Anfahrwege ein, welche von allen Straßen und Gassen den Gruben zuführen,
und schließen uns einer Schar schwarzer Gestalten an, die unter den von
den Kirchtürmen leise herüberzitternden Klängen der Anfahrglocke, das
Grubenlicht in der Hand, im Busenraum des Kittels ein tüchtiges Stück
Brot und ein »Einschteckel-Wirschtel«, dem Schachte zueilen.

                   Doch eh' der schwarze Kittelmann
                   In seine Tiefe fährt,
                   Stimmt er ein frommes Lied erst an,
                   Das seinen Herrgott ehrt;
                   Bergmannsblut hat frommen Mut.

Der Vorbeter, ein alter, würdiger Bergmann, leitet im Betsaale des
Zechenhauses die Andacht am Eingange der Arbeitswoche.

[Sidenote: In den Schächten.]

Nun wird das Grubenlicht entzündet, das uralte, offen brennende Licht,
denn dem Harzer Bergmann drohen keine »schlagenden Wetter«, und von den
Zurückbleibenden mit dem Wunsche: »Es gieh eich wull!« (Es gehe euch
wohl!) begrüßt, tritt einer nach dem andern auf die Fahrkunst, die --
jetzt von Dampfkraft getrieben -- den Bergmann ruckweise binnen kurzem in
die Tiefe führt. Wie Sterne, die nach und nach erblassen, leuchten die
Grubenlichter noch eine Zeit lang herauf, dann umhüllt rabenschwarze
Nacht den Fahrschacht bergestief.

Nicht mehr wie vor alters mit »Schlegel und Eisen«, wie er es zum Kreuze
zusammengefügt als Schmuck und Standesabzeichen führt, schrämt vor Ort
der Bergmann mühsam am Gestein, nein mit Bohrer und Fäustel und gar mit
komprimierter Luft treibt er seine Bohrlöcher wuchtig in den Felsen und
sprengt diesen mit Pulver und Dynamit (Abb. 15). Und elektrische Bahnen
unter und über Tage schaffen an Stelle der vor kurzem noch so berühmten
unterirdischen Schiffahrt die Erze nach den Aufbereitungsanstalten,
Sortierhäusern, Wäschen und Pochwerken, die das zerkleinerte
Stufferz und den mittels mancherlei hydraulischen Separations- und
Anreicherungsmaschinen gewonnenen Schliech der Hütte zuführen.

[Illustration: Abb. 48. =Kurhaus und Aktienhotel in Bad Harzburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Die tiefsten Schächte, voran der Kaiser Wilhelm II., bringen an 900 Meter
Teufe ein, der 157 Meter hohe Kölner Dom ließe sich darin sechsmal
aufeinanderstellen. Welch winzige Zwerge sind dagegen die nur 22 Meter
tiefen Schächte des »Alten Mannes«, der die Wasser noch nicht zu
bewältigen verstand. Aber völlig gelungen ist dies auch erst den
riesenhaften Arbeiten der Neuzeit, dem 1799 fertiggestellten
Georgstollen, der unterhalb der Bergstadt Grund mündet, und dem 1864
eingeweihten Ernst-August-Stollen, der sein mit Türmen und Zinnen
geschmücktes Mundloch auf der Schützenwiese bei Gittelde hat und mit
seiner Länge von 26 Kilometern mehr wie die Hälfte länger ist als der
große Gotthardtunnel.

Und großartig wie die Abführung der Wasser der Tiefe ist auch die
Zuführung der Tagewasser, deren Grube, Pochwerk und Hütte trotz der in
Dienst genommenen mächtigen Dampfmaschinen nicht entraten können. Wo man
auch nur wandert im Oberharze, überall trifft man Sammelgräben und meist
»im Festen« stehende Wasserläufe, als dürfe kein Tropfen des kostbaren
Wassers verloren gehen. Die größte dieser Pulsadern des Bergbaues, der
1732 angelegte und 1840 erweiterte Dammgraben, zwingt selbst die
Moorwasser des fernen Brockenfeldes zur Bergarbeit; nachdem er in 790
Meter Meereshöhe die Abbe, ein Nebenflüßchen der Ecker, abgefangen hat,
durchschneidet er das Quellgebiet der Bode, Oker und Söse, überschreitet
auf dem 1 Kilometer langen und 16 Meter hohen Sperberhaier Damme die
Wasserscheide zwischen Oker und Söse und speist, mit seinen Zufuhrgräben
63 Kilometer lang, die terrassenförmig untereinanderliegenden Teiche bei
Klausthal, von denen der Hirsch bei einer Bodenfläche von 15,7 Hektar
mehr als 600000 Kubikmeter Wasser faßt. Die Hauptpulsader des
Andreasberger Bergbaues ist der in den Granitfels gesprengte 7-1/2
Kilometer lange Rehbergergraben, der die in dem 22 Hektar deckenden
Oderteiche durch einen aus mächtigen mit Eisen verklammerten Granitmassen
aufgetürmten Riesendamm aufgestauten Quellwasser der Oder den dortigen
Werken zuführt.

[Illustration: Abb. 49. =Radaufall.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

[Sidenote: Kahlenberg. Hahnenklee.]

Die Randberge der Klausthaler Hochebene bieten viele herrliche
Aussichtspunkte. Von der Schalke, dem 763 Meter hohen Gipfel des
Kahlenbergs, an deren Fuße die Festenburg idyllisch aus dem Grün
hervorlugt, überblickt man die ganze Hochebene wie eine ausgebreitete
Landkarte; und der Blick nach Osten, auf das Brockenfeld mit dem
Brockengebirge im Hintergrunde und auf die Harzburger Berge ist von
wunderbarem Reiz. Über den Auerhahn, die Paßhöhe zwischen Zellerfeld und
Goslar, wandern wir dem erst vor wenigen Jahrzehnten von den
Sommerfrischlern entdeckten Bergdörfchen Hahnenklee (Abb. 16) zu und
erfreuen uns unterwegs am Bocksberge an dem wunderhübschen Blick auf die
von Bächen durchschnittene Gebirgspartie zwischen Gose und Innerste und
die schön bewaldeten Berg- und Hügelreihen der Vorlande, den Steinberg
und die fast unzählbaren schmucken Dörfer. Auf dem Rückwege über
Bockswiese folgen wir eine Strecke dem lieblichen Spiegelthale, dessen
friedlich stille Teiche langgezogen das schmale, scharf geschnittene Thal
füllen.

Den Kaltenborn zwischen Frankenscharner Hütte und Windhausen (Grund), die
Kuckholzklippe über dem in die Thalspalte förmlich eingeklemmten Lerbach
und die schroff über der Söse hängende Siebenwochensklippe am
Morgenbrotsgraben jenseit des Dammhauses muß man am Vormittage besuchen:
sie eröffnen sämtlich, doch in verschiedener Begrenzung, den Blick über
den Harz hinaus in die westlichen und südwestlichen Vorlande bis zum
Bramwalde, dem Meißner und der Eichsfeldischen Pforte, in der Ferne kaum
von den Wolkenzügen zu unterscheiden.

[Sidenote: Waldeszauber.]

Erst auf diesen Wanderungen lernen wir auch den oberharzischen Wald in
seinem ganzen Reiz, in seiner zauberhaften Wirkung auf das Gemüt würdigen
und kennen.

Laß uns einmal einem vom Touristenheere noch nicht ausgetretenen, vom
fürsorglichen Harzklub noch nicht bezeichneten Pfade folgen. Durch die
grüne Nacht hoher, dichter Tannen, die nur hin und wieder durch zitternd
einfallendes Licht, durch das hellere Grün des Torfmooses und der großen
Farnkräuter, die in dicken Büscheln die Baumwurzeln bekleiden, gemildert
wird, gelangen wir auf einen »Hai«, auf dem tausend und abertausend
Exemplare des roten Fingerhutes, wie von der Hand des Gärtners gezogen
und wirkungsvoll gruppiert, blendend ihre Pracht entfalten. Sieh, dort
vom Rande äugt ein Rudel Hirsche halb scheu, halb neugierig herüber; den
ausdrucksvollen Kopf mit dem vielzackigen Geweih dir zugewendet, zucken
sie nicht einmal mit der Wimper. Aber nun fliegen sie in wilden Sätzen
den Abhang hinab. Und nun wieder kein Laut ringsum, nur der Abendwind
fängt an, leise und warnend in den Wipfeln der Bäume dort unten zu
rauschen, und das seine Thalfahrt beginnende Wasser sickert flüsternd
durch das Moos und tröpfelt kaum hörbar von einem Stein auf den andern.
Doch jetzt trägt der anschwellende Wind Klänge einer harmonischen Musik
herüber, erst geisterhaft leise, allmählich klarer und bestimmter: mitten
in der Wildnis, dem Abendgeläut eines Eremiten gleich, das Glockengeläut
einer den Ställen zuwandernden Rinderherde. Es sind schmucke, kräftige
Tiere, rot- und hellbraun, mit großen Hörnern, deren Spitzen nach oben
gerichtet sind; die reine Harzrasse. Würdevoll schreitet der Hirt, mit
derben Schuhen, grauen Gamaschen, schwarzem Leinwandkittel und
breitkrempigem Filzhut bekleidet, ihnen voran; das handliche Beil, das,
an der scharfen Schneide mit einem Stück Hirschhorn verwahrt, an einem
über die rechte Schulter laufenden, mit blanken Messingschildern
verzierten schwarzen Lederbande ihm an der Seite hängt, gebraucht er, um
die Kühe loszuhacken, die sich mit den Hörnern im Gestrüpp, oder mit den
Füßen im Wurzelgeflecht verwickelt haben (Abb. 17). Die Stiere seiner
Herde, auf der Tierschau prämiiert, und sechs bis zwölf der schönsten
Kühe sind sein Eigentum, er ist ein wohlsituierter Mann. Im Winter ist er
Fleischer und Hausschlächter, und sein Knecht, der dort den Beschluß der
Herde macht, ist dann sein Gehilfe. Wahrscheinlich versteht er auch
selbst sein achtstimmiges Glockenspiel neu zu stimmen, »Stimmbeulen« von
außen oder innen hineinzuschlagen.

[Illustration: Abb. 50. =Harzburg im 17. Jahrhundert= (nach Merian).]

Vom Hirten freundlich zurecht gewiesen, gelangen wir binnen kurzem auf
eine wohlgepflegte, mit Ahorn und Vogelbeere dicht begrenzte Straße,
deren Nähe wir nicht vermuten konnten. Einsam windet sie sich durch den
unabsehbaren Wald. Die zur Rüste gehende Sonne umspielt nur noch die mit
Zapfen dicht behangenen Wipfel der stattlichen Bäume; in den
schluchtenartigen Waldthälern lagert schon der weiße Abendnebel. Das
Herdengeläut verklingt allmählich in der Ferne; nun ringsum sabbatliche
Stille. Verstohlen tritt eine Rehfamilie aus dem Hochwalde zur Rechten,
huscht wie ein Schatten über die Straße und fliegt dann in eleganten
Sätzen über die »Schonung« zur Linken dem Dickicht zu, in dem die Sauen
ihren Kessel haben (Abb. 18). Schon erhebt die Königin der Harzer
Waldsänger, die Schwarzdrossel, klagend und doch voll Hoffnung ihren
schwermütigen, herzergreifenden Gesang, um der sinkenden Sonne einen
letzten Abschiedsgruß nachzurufen. Doch nun -- klingt's da nicht in der
Ferne wie leiser melodischer Gesang? und ist's nicht gar ein gemischter
Chor? Es kommt näher und näher: frische, fröhliche Mädchenstimmen, ohne
Schule und Kunst, naturwüchsig wie der Wald ringsum und ansprechend eben
in dieser Harmonie. Rein und hell singt der Sopran seine einfach-schöne
Melodie hinaus, und der Alt, von einer einzelnen Männerstimme kräftig
unterstützt, begleitet sie mit der »zweiten Stimme«, wie sie das
gesangfreudige Volk fast instinktiv findet. Jetzt verstehen wir auch die
Worte:

         Der Jäger in dem grünen Wald
         Muß suchen seinen Aufenthalt.
         :,: Er ging in dem Wald wohl hin und her :,:
         :,: Ob auch nichts :,: ob auch nichts anzutreffen wär'!

[Illustration: Abb. 51. =Rabenklippen.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

[Sidenote: Kulturmädchen.]

Die Kiepe auf dem Rücken, in den flinken Händen das Strickzeug, verfolgen
die kräftigen, gedrungenen Gestalten, aufgeschürzt bis über das Knie,
festen Schrittes ihren unsere Waldstraße kreuzenden Pfad. Es sind Harzer
»Kulturmädchen« mit ihrem »Kulturaufseher«, niedersächsischen Stammes,
aus Lerbach oder Riefensbeek oder Wolfshagen. Vom Morgen bis zum Abend
beschäftigt, die drei- bis fünfjährigen Pflänzchen mit dem Ballen aus dem
Saatkamp, dem Tannengarten, auszuheben und auf die von den Stuken
gesäuberten Blößen im Abstande von 1,2 bis 1,5 Metern zu versetzen, sind
sie nun auf dem Heimwege nach ihrer Waldherberge, jenen Köten dort am
Saume der Dickung. Ob wir ihnen einen Augenblick dahin folgen? Im Nu sind
die Kiepen abgeworfen, und wenige Augenblicke später prasselt auf dem
Herde, der die Mitte der Köte einnimmt, ein lustiges Feuer. Jetzt siedet
das Wasser in dem darüber hängenden offenen Kessel, nun werden
Brotscheiben hineingeschnitten, etwas Butter, Salz und Kümmel daran
gethan, und das einfache Mahl ist bereitet. Zum Kosten eingeladen, folgen
wir doch der Warnung der herannahenden Dämmerung und erreichen im
beschleunigten Tempo die Stadt.

Die Einrichtung einer Köte oder Bucht, an deren Stelle jetzt vielfach
kleine, feststehende Waldhäuschen treten, praktischer wohl und
wohnlicher, aber nicht so voll wie jene von der Poesie des Waldzaubers
umweht, sehen wir uns ein andres Mal auf einer Hauung an.

[Illustration: Abb. 52. =Ilsefälle.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Waldarbeiter.]

Wir treffen es günstig: eine ganze Schar von Waldarbeitern, scharfe Äxte
auf der Schulter und auf dem Rücken die große Waldsäge, schreitet
gemessenen Schrittes vor uns her. Die neu geflickten und frisch
gewaschenen Kittel und Beinkleider aus ungebleichtem Drell, welche mit
der mit Seitenklappen versehenen grünen Tuchmütze oder einem
beulenreichen Filzhute, dicken Gamaschen und derben Schuhen ihre Kleidung
ausmachen, sagen uns, daß sie aus ihrem heimatlichen Dorfe kommen; sie
haben in ihrer Familie den Sonntag verlebt und wollen nun heute, am
Montag Morgen die am Freitag Abend unterbrochene Arbeit wieder aufnehmen
(Abb. 19). Jetzt nehmen ihre Frauen, die ihnen bis zur Stadt das Geleit
gegeben und ihnen in ihrer Kiepe den aus einem nicht enthaarten Kalbfell
kunstlos gefertigten Ranzen -- den Urahn des modernen Rucksacks --
getragen haben, in dem sie außer Pulverhorn und Eisenkeil (»Fimmel«)
Lebensmittel auf eine Woche mit sich führen, unter Scherzreden Abschied,
und schwerer noch bepackt als vorher setzen die Arbeiter ihren Marsch
fort. In seinem ruhigen, aber nichtsdestoweniger fördernden Schritt
vermag den Holzfäller auch der jetzt leise niedertröpfelnde Regen nicht
zu beirren: er schlägt nur die alte Pferdedecke, die ihm im Walde als
Bettdecke zu dienen bestimmt ist, als Regenmantel um sich und seine
blanken Werkzeuge.

[Sidenote: Die Köte.]

Nun sind sie auf ihrer Arbeitsstätte angekommen, und in ruhiger
Geschäftigkeit tritt jeder an seinen Platz. In taktmäßigem Strich frißt
sich die breite, schwanke Säge in den dicken Stamm ein, bis die
Waldriesen krachend niederstürzen, dröhnend fallen die Axthiebe auf das
Holz, wuchtig treibt das Fäustel den spaltenden Keil ein, dazwischen
hallt von drüben Schuß auf Schuß dumpf herüber, wo die Stuken, die anders
nicht zu bewältigen sind, mit Pulver gesprengt werden. -- An jenem vor
dem Winde etwas geschützten Rande der Hauung, da wo das Feuer qualmt,
steht die Köte, mit deren Erbauung die Arbeit begonnen hat. Viel Kunst
und Mühe hat sie nicht erfordert: junge, armdicke Fichten sind in
Kreisform in den Boden geschlagen, oben zu einem Kegel zusammengebogen,
außen mit großen Stücken Baumrinde bekleidet und innen in den
Zwischenräumen mit Moos verstopft. Eine niedrige, verschließbare Öffnung
mit kleinem Überbau dient als Thür und Fenster. In der Mitte der Bucht
sind Steine zu einem Feuerherde zusammengelegt, und rings um diesen,
dicht an der Außenwand, breite, niedrige Bänke angebracht. Mit Tannhecke,
Heidekraut und einigen Moossäcken überdeckt, dienen sie zugleich als
Schlafstätten. Hier um das knackende und prasselnde Feuer, dessen Rauch
vergeblich zu entweichen sich bemüht, lagern sich am Abend die ermüdeten
Arbeiter, bereiten sich ihre beliebte Scheibensuppe und schließen ihr
Mahl mit einem Stück Brot nebst Wurst und einem Schluck Branntwein. Dann
wird das Feuer noch einmal geschürt, die Thür verschlossen, und bald
verkünden nur noch die Atemzüge der Schlafenden, daß die Waldeinsamkeit
nicht völlig ausgestorben ist.

[Illustration: Abb. 53. =Ilsenburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Während die Waldarbeiter wenigstens einmal wöchentlich mit ihrer Familie
unter einem Dache weilen, sehen die Köhler ihr Dorf im ganzen
Sommerhalbjahre nur bei besonderem, hochwichtigen Anlasse, denn die
Meiler brennen am Sonntage wie in der Woche, und wenn der eine
»ausgeladen« wird, stehen andre schon wieder im Brande. Aber einmal
wöchentlich macht sich die Frau des Köhlers mit der Kiepe auf, um diesen
mit Brot und »Zubrot« und andern Vorräten zu versorgen.

[Sidenote: Der Köhler.]

Einem Köhlermeister bei seiner Arbeit zuzuschauen, ist indes heutzutage
nicht so gar leicht. Seit Heran- und Heraufführung der Eisenbahnen auf
den Harz und der dadurch ermöglichten Verwendung der Steinkohle ist
nämlich die Holzkohlenproduktion für die Hütten um 97% zurückgegangen;
und Köhlerei im größeren Umfange wird eigentlich nur noch getrieben, wenn
ein bedeutender Wind- oder Schneebruch diese rasche Verwertung des Holzes
fordert.

[Illustration: Abb. 54. =Steinerne Renne.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Da im »Kohlhai« eines Meisters gewöhnlich vier bis sechs Meiler
gleichzeitig, und zwar in den verschiedenen Stadien der Entwickelung, im
Gange sind, so belehrt schon =ein= Besuch über alle Arbeiten des
Köhlergeschäftes. Hier sehen wir dem »Richten«, dem Aufbau eines Meilers
zu. Um die beiden Quandelpfähle im Mittelpunkte der kreisförmigen
Kohlstätte werden die glattgehauenen Rundhölzer so dicht als möglich fast
senkrecht herum- und schichtweise aufeinandergestellt, daß zwischen jenen
Pfählen ein senkrecht bis auf den Boden reichendes Luftschächtchen
bleibt, in das in der Richtung des Halbmessers am Boden ein wagerechter
Luftkanal eintritt. Dort sind die Gehilfen dabei, einen fertig
gerichteten Meiler, einen Kugelabschnitt von 3 Meter Höhe, so fest
erbaut, daß man ihn ohne Gefahr besteigen kann, mit Tannhecke und Rasen
zu »bedecken« und mit einem Gemenge von Erde und Kohlengestübbe zu
»bewerfen«. Wenn sie fertig sind, wird der Köhler den Meiler mittels
eines zusammengelegten und mit Harz gefüllten Stückes trockener
Baumrinde, das er mit der Steckrute durch den Luftkanal bis zu den am
Fuße der Quandelstangen aufgehäuften Spänen und Reisern schiebt,
anzünden. Mehrere Meiler stehen bereits im Brande; der eine raucht
weißgrau, er ist erst vorgestern angezündet, der andre blau an allen
Seiten, »die Kohlen garen« bereits. Das »Regieren« des Feuers ist das
Meisterstück des Köhlers, bei dem er seine ganze Kunst und Erfahrung
zeigen kann. Bald muß er die Windschauer umstellen und auf der vom Winde
abgekehrten Seite -- denn das Feuer brennt stets diesem entgegen --
»Räume« (Zuglöcher) mit dem Raumpfahle an richtiger Stelle anbringen;
bald Ritzen und Borsten im Bewurf -- denn das Feuer ist stets bestrebt,
die Decke zu durchbrechen -- mit der Klopfstange beseitigen, oder gar
faustgroße »Reißlöcher«, deren blauer Rauch ihn warnend herbeiruft, mit
einem Rasenstück heilen. So hat er Tag und Nacht keine Ruhe und muß diese
wie der Schiffer in bestimmte Wachen teilen. -- Ein aufregender Genuß ist
es, am Abend dem Füllen der brennenden Meiler zuzusehen: im Widerschein
der hell aufleuchtenden Kohlenglut hantieren die rußigen Gestalten, vom
Rauch umwirbelt, hastig an und auf dem oben geöffneten Meiler. So viel
dieser nämlich am Tage herunter brennt, um so viel muß er eine Woche
hindurch jeden Abend wieder mit Holz gefüllt werden. Der Köhler legt den
»Steg«, einen dicken, langen Knüppel mit eingehauenen Stufen, am Meiler
hinauf, besteigt ihn, schaufelt Bewurf und Decke von der eingesunkenen
Haube, stößt mit der Füllstange die Kohlen nieder, treibt das Holz, das
ihm die Gehilfen zureichen, mit dem Wehrhammer ein und schützt die Haube
wieder durch Decke und neuen Bewurf: alles in größter Eile, denn je
länger der Meiler offen brennt, um so mehr Kohlen werden zu Asche. --
Wenn die Verkohlung beendet ist, so »eimert« sich der Meiler, d. h. der
ganze Erdbewurf wird glühend, -- ein schauerlich-schöner Anblick in
dunkler Nacht.

[Illustration: Abb. 55. =Schloß Wernigerode.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Die Köhlerbucht ist der Waldarbeiterköte gleich, nur ist sie durch einige
Schränkchen und Vorratskasten mehr für dauernden Aufenthalt eingerichtet,
und da die Zeltgenossenschaft weniger Köpfe zählt, so können sich alle,
der Meister zur Rechten, die Gehilfen zur Linken und die Buben oder
Haijungen im Hintergrunde, etwas wohnlicher einrichten. Die Hillebille
(von hille d. i. rasch und Bell d. i. Glocke), ein zwischen zwei Bäumen
in der Schwebe hängendes Buchenbrett mit hölzernem Hammer, mit dem sie
ehemals die Kameraden von den entfernten Meilern zu Tisch und im Notfall
alle Berufsgenossen aus beträchtlicher Entfernung mittels
althergebrachter Signale herbeirufen konnten, findet sich heute wohl kaum
noch bei einer Köte.

[Illustration: Abb. 56. =Christianenthal bei Wernigerode.=

(Nach einer Photographie von G. Steinicke in Bremen.)]

[Sidenote: Das Wild.]

Mit den Tieren des Waldes lebt der Köhler, dessen Einsamkeit gewöhnlich
ein zottiger Hund teilt, in bester Freundschaft: friedlich spielt das
scheue Reh in seiner Nähe, und unbedenklich trabt der vorsichtige Hirsch
durch den Meilerrauch.

Im übrigen legt der edle Hirsch (Abb. 20) seine Scheu nur im Winter auf
den Futterplätzen ab, die für ihn bei den Förstereien, doch auch beim
Waldhäuschen am Fortuner Teich, beim Johanneser Kurhause und andernorts
eingerichtet sind. Pünktlich wie die Uhr und nach und nach mit größerem
Vertrauen stellen sich die Tiere einzeln und in Rudeln ein und sättigen
sich an dem duftigen Heu, das ihnen in hölzernen Raufen dargeboten wird.
Verstohlen äugen sie dabei zu uns herüber, jeden Augenblick bereit, wenn
wir uns verdächtig zeigen sollten, mit einem kühnen Satze den
schützenden Wald zu gewinnen. Eine neue Schar hungernder Tiere trifft
ein. Sie kommen zum ersten Mal, aus weiter Ferne. Den mageren Leib noch
zwischen den jungen Fichten bergend, schauen sie bald verlangend auf die
gefüllten Raufen, bald ängstlich auf die gefürchteten Menschen. Jetzt
tritt hier und da ein Tier vorsichtig einen Schritt vor, die knuspernden,
hier schon heimischen Gefährten machen ihnen Mut, ein Alttier, weniger
argwöhnisch als die Kälbchen, wagt sich heran, und nun eilt plötzlich das
ganze Rudel herbei und umdrängt die wohlthätigen Futterstände. -- Ohne
diese Futterplätze würde der größte Teil des reichen Wildbestandes
während der Schonzeit eingehen, denn Rindenstückchen und Fichtenspitzen
können auf die Dauer nicht als Nahrung genügen, und durch das »Plätzen«
(Scharren) vermag das hungernde Wild bei anhaltendem Winter Gräser und
Heidekraut selbst an den Quellen nicht mehr freizulegen. Aber trotz der
ausgiebigsten Fütterung fällt nicht nur manches verwaiste Kälbchen,
sondern auch manches stattliche Tier dem Oberharzer Winter alljährlich
zum Opfer. Auf der hohen Schneelage, die sich bei mildem Wetter gesetzt
hat, bildet wieder einfallender Frost eine harte Eiskruste, und diese
reibt den Tieren binnen kurzem die Läufe wund und blutig. Langsam, das
edle Haupt gesenkt, ein Bild des Elendes, zieht das kranke Wild seinen
Weg, den es sonst im Fluge zu durcheilen gewohnt war; seine Kraft reicht
kaum noch hin, die kranken, mit eiternden Wunden bedeckten Läufe aus dem
harten Schnee, in den sie bei jedem Schritte tief einsinken,
emporzuziehen; es kann den Futterplatz nicht mehr erreichen, verlassen
und hilflos geht es an Entkräftung zu Grunde und wird eine Beute der
Füchse.




                                  VIII.

                           Die Söselandschaft.


[Sidenote: Osterode.]

Die Wasser der Klausthaler Hochebene fließen der Söse, der Innerste und
der Oker zu. Die Söse entspringt als große und kleine Söse am jähen
Abfall des Bruchberges unter den Söseklippen in der Nähe des Dammhauses.
In raschen Sprüngen (Gefälle 1 : 14) eilt sie in ihrem tiefen, engen
Thale bis Kamschlacken (410 Meter), wird hier etwas ruhiger und tritt
beim Scherenberge oberhalb Osterode mit einem Gefälle von 1 : 60 in das
Land. Von besonderer Schönheit ist ihr Thal von Kamschlacken über
Riefensbeek bis zur Limpicher Brücke.

Wo die Söse bei ihrem Austritt aus dem eigentlichen Gebirge den Lerbach
aufnimmt, an dem sich, eng und tief zwischen die Berge eingeklemmt, das
gleichnamige große Eisenhütten- und Waldarbeiterdorf stundenweit bis
unter die Kuckholzklippe und den Heiligenstock hinaufzieht, liegt hart
zwischen dem Harze und einem Hügelzuge freundlich die wichtige
Fabrikstadt Osterode (Abb. 22). Im Jahre 1130 zuerst erwähnt, erhielt der
Ort zwischen 1218 und 1223 vom Pfalzgrafen Heinrich Stadtgerechtsame und
trat im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts -- wo die Stadt, sonst auf
Ackerbau und Handel angewiesen, Mittelpunkt einer bedeutenden
Eisenindustrie ward -- in den Bund der Hansa. Doch war die Blüte nur von
kurzer Dauer. Daß ihr Handel und Wandel mehrfach vom räuberischen Adel
der Nachbarschaft und von gemeinen »Räubern und Strodern (dies ist das
deutsche Wort für Vagabund) auf dem Harze« geschädigt ward, war nicht
das Schlimmste. Der übermütige, trotzige Sinn ihrer Bürgerschaft
verwickelte sie in Fehden, deren eine ihr gar die Reichsacht zuzog, und
die langjährigen Zwistigkeiten jener mit dem Rate gediehen im Jahre 1510
zu offenem Aufruhr und grauenhaftem Morde: die Bürger stürzten ihren
Bürgermeister Freienhagen vom Rathause in die Spieße der untenstehenden,
die seine Leiche schmählich in Stücke hieben. Zu diesen das Gemeinwesen
schwer schädigenden Vorgängen gesellten sich Verheerungen durch Brand und
Seuchen: am 1. September 1545 ward die ganze Stadt bis auf 46 Häuser und
die Vorstädte ein Raub der Flammen, und in die Zeit von 1566 bis 1625
fallen sechs schwere Pestjahre. -- Die Schrecken des dreißigjährigen
Krieges, Brandschatzungen durch Braunschweiger, Kaiserliche und Schweden,
Belästigung durch die sogenannten Harzschützen brachten die Stadt an den
Rand des Verderbens. Die schwerste Heimsuchung knüpft sich an den Namen
Merode. Vom 17. bis 22. Oktober 1631 legte sich dieser Pappenheimische
General mit acht Regimentern vor die Stadt, forderte 40000 Thaler
Kontribution und ließ, als diese Summe nicht gezahlt werden konnte,
sofort seine Geschütze und Mörser spielen, auch die nicht geschützten
Vorstädte zum schreckenden Beispiel »gänzlich ruinieren und ausplündern«.
Vergebens bat der Rat »um Christi Blutes und Todes willen« fußfällig um
Gnade, vergebens versuchten die Schulknaben und Mägdlein den harten
Kriegsmann milde zu stimmen, vergebens war die Bitte der Bürger, mit Weib
und Kind unter Zurücklassung aller Habe die Stadt verlassen zu dürfen.
Die Kirchen wurden erbrochen, das Regierungsgebäude ausgeraubt, den
Bürgern Wollen- und Leinentuch und andre Ware, auch Pferd und Wagen
genommen, und Merode selbst nahm alles vorhandene Geld, Gold und Silber
als Abzahlung, für den Rest hafteten die Geiseln, die er mit sich führte.

Nach jenem verderblichen Kriege hat sich die Stadt in stetiger und
ruhiger Entwickelung zu einer der ersten Fabrikstädte des Harzes
emporgeschwungen (7100 Einw.).

[Illustration: Abb. 57. =Wernigerode.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Unter der aus Flußkieseln erbauten Marktkirche ist die Fürstengruft der
letzten Herzöge von Grubenhagen, deren Stamm 1596 mit Philipp II.
erlosch, und ihrer Gemahlinnen. Das älteste Gebäude ist die mit der zwei
Meter höher gelegenen Schloßkirche verbundene sehr starke viereckige
Wegsklause. Eine malerische Gruppe bildet vor dem Johannisthore die Ruine
der landesherrlichen Burg mit ihren in Gärten umgewandelten Gräben und
der wie jene aus Flußkieseln in Gips erbauten Johanniskirche an ihrem
Fuße. Wohl von den Grafen von Catlenburg vor 1130 erbaut, ging sie 1143
an deren Erben Heinrich den Löwen über und diente noch bis 1512 als
Witwensitz der grubenhagenschen Herzoginnen. Jetzt wohnt in dem
epheuumrankten, zur Hälfte abgespaltenen mächtigen runden Turme nur
noch die holde »Osterjungfrau«, die Wohlthäterin der Armen.

[Illustration: Abb. 58. =Rathaus in Wernigerode.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Die Söse, welche in der Stadt das große Kornmagazin bespült, aus dem die
oberharzischen Bergleute ihr »Herrenkorn« zu billigem Preise erhalten,
folgt gleich den andern Flüssen dieses Harzrandes erst noch eine längere
Strecke dem Gebirge in nördlicher Richtung; erst zwischen Badenhausen und
Eisdorf gelingt es ihr, angesichts der Ruinen der Hindenburg und des
Lichtensteins durch eine Lücke im Gipszuge nach Süden zu entschlüpfen, um
sich dann, bei Dorste sich westlich wendend, bei Elvershausen in die
Ruhme zu ergießen.




                                   IX.

                         Die Innerstelandschaft.


Die Innerste, der zweite und wichtigste Fluß der Klausthaler Hochebene,
hat ihre Quelle in dem auf alten Karten Innerstesprung genannten
Entensumpfe, unfern des Dorotheer Zechenhauses, verstärkt sich durch die
Abflüsse der großen Bergwerksteiche, von denen der Bärenbrucher, der
Pixheier, der Schwarzenbacher, der Ziegenberger und der Große Sumpfteich
bei Buntenbock die bedeutendsten sind, sammelt ihre Wasser in dem schön
gelegenen, 477000 Kubikmeter fassenden Prinzenteiche bei der Ziegelhütte
und schlägt in einem von hier ab deutlich ausgeprägten Thale nördliche
Richtung ein. Wo ihr der Zellbach die Wasser von 19 Teichen von rechts
zuführt, wirbelt die Klausthaler oder Frankenscharner Silberhütte ihre
Rauchwolken verwüstend in die Luft.

[Sidenote: Rauchblößen.]

Wenn wir uns einer im Walde oder in der Nähe desselben belegenen
Silberhütte, nicht bloß der Klausthaler, nähern, so fällt es uns auf, daß
die Fichten an den Berghängen statt des normalen Grün ein eigentümliches
Blaugrau oder ein schmutziges Dunkelgrün, oder häufiger noch ein ganz
helles Gelbgrün zeigen. Und treten wir, um ihn näher zu betrachten, an
einen solchen Baum heran, so finden wir neben normalgrünen fahle,
mißfarbige, gelb-, trocken-, rotspitzige und ganz rote Nadeln; je näher
wir der Hütte kommen, desto mehr nimmt diese Entfärbung von Grün in Rot
zu, und da die roten Nadeln meist abfallen, so überzieht eine hohe, lose
Nadelschicht den Waldboden, die Bäume werden fast kahl, die Äste und bei
jüngeren Bäumen auch der Stamm dunkel bis kohlschwarz, die Äste trocken,
die Kronen licht, und noch ehe wir die Hütte erreichen, endet der Wald
mit weit auseinanderstehenden, ganz dünn benadelten Baumkrüppeln, die
aussichtslos den letzten Kampf um ihr Leben kämpfen.

[Sidenote: Waldvergiftung.]

In unmittelbarer Nähe der Hütte aber wächst weder Baum noch Strauch noch
Grashalm. Diese Rauchblöße der Klausthaler Hütte umfaßt 200 Hektar
früheren Waldboden gegen 10 Hektar im Jahre 1750. Daran schließen sich
aber noch 180 Hektar stark beschädigte Bestände mit spärlicher Heide und
kümmerlichem Grase. Wie von dem völlig vegetationslosen Blößenterrain,
dessen zusammenhaltende Grasnarbe längst weggeräuchert ist, der Boden
bis auf den letzten Rest von den Regengüssen abgespült wird, so daß
demnächst nur der nackte Fels erhalten bleibt; so werden die jetzt
lückigen Bestände allmählich in vollständige Blößen übergehen und die
mäßig und schwach geschädigten nacheinander lückig werden. Aber da die
klimatischen Verhältnisse und die Terrainbildung dieselben bleiben, so
wird wenigstens das Gesamtschädigungsgebiet sich schwerlich noch
vergrößern.

[Illustration: Abb. 59. =Das Frankenfeldsche Haus in Wernigerode.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

Was den Wald vergiftet und tötet, ist nicht etwa der metallische
Flugstaub, den die Hütten im Hüttenrauch in die Luft senden. Der schadet
wohl dem Rindvieh, das in der Nähe der Hütten weidet -- der zuweilen
tödliche »Kopfjammer« ist eine Bleivergiftung; der ruft auch bei
Hirschen, die dort äsen, die abnormen Geweihbildungen hervor, die wir in
den Harzer Forsthäusern mit Verwunderung betrachten; und die
halbgelähmten Drosseln und Finken, die wir im Herbste kraftlos von einem
Steinhaufen an der Chaussee zum andern flattern sehen, haben sich an den
mit feinem Bleistaub bedeckten, verlockenden Vogelbeeren den Tod geholt.
Aber das Gift, das den Pflanzen durch den Hüttenrauch zugeführt wird, ist
die schweflige Säure. Wie die Chausseebäume bei Silbernaal zeigen, ist
die schädliche Wirkung dieser Säure bei den Laubbäumen bedeutend geringer
als bei den Nadelbäumen, denn während das im Rauch erkrankte Laubblatt
bald durch ein gesundes ersetzt wird, summiert sich in den Nadeln die
Schädigung für mehrere Jahre. Nach den gemachten Erfahrungen und
angestellten Versuchen sind die Eiche und die Ahornarten am
widerstandsfähigsten, und nur mit dem Eichenniederwalde kann der
Verwüstung mit Erfolg Halt geboten und dann vom Bestandesrande aus auch
den Rauchblößen schrittweise wieder Terrain abgerungen werden.

[Sidenote: Metallaufbereitung.]

Ehe wir in die Hüttengebäude eintreten, werfen wir einen kurzen Blick in
die oberhalb des Hüttenbahnhofes terrassenförmig aufsteigende
Aufbereitungsanstalt, die größte der Welt. Oben beim Ottiliäschacht
beginnend, wo bis vor kurzem die mit Erz gefüllten Eisenkästen
unmittelbar aus den Schiffen 400 Meter hoch gehoben und gestürzt wurden
und jetzt die Wagen der elektrischen Bahn, welche die Erze des
Burgstätterzuges herzuführt, entladen werden, nehmen wir die entsetzlich
prasselnden Steinbrecher und weiter die Walzwerke (zur Zertrümmerung) und
Trommeln (zur »Klassierung«, Sonderung nach dem spezifischen Gewicht) in
Augenschein, durchwandern die Sortierhäuser, wo das Klauberz durch der
Pochknaben flinke Hand in Bleiglanz, Blende, Kupfer- und Schwefelkies,
»Pocherz« und »Berg« geschieden wird, die Pochwerke, wo 176 je 180
Kilogramm schwere eiserne Stempel mit ihrem stählernen »Schuh« die Erze
in Tiegeln aus Hartguß unter so entsetzlichem Lärme zerschmettern, daß
man auch den lautschreienden Nachbar kaum versteht, sehen dann Stoßherd,
Setzmaschine und Kehrrad arbeiten und treten durch die Schlammwäsche
wieder ins Freie.

[Illustration: Abb. 60. =Markt und Rathaus in Halberstadt.=

(Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin.)]

Auch auf der Hütte steigen wir zunächst in die oberen Räume, sehen hier
die Schliechvorräte der einzelnen Gruben lagern und abwägen, dann nieder
steigend auf der »Gicht« die Beschickung der Öfen (Schliech,
Niederschlagsmaterial, Flußmittel) und im Hüttengebäude selbst von den
von den bläulichen Flammen umzuckten und umspielten Öfen die glühenden
Metallmassen zischend und wieder aufwallend in die kesselartigen
Vertiefungen strömen, die Kruste des Bleisteins herausheben und das
Werkblei in lange, schmale Formen füllen und nehmen zum Schluß, mit dem
Silberblick auf Lautenthal vertröstet, auf dem Hüttenhofe die Röstung des
Bleisteins, die jenen die Vegetation zerstörenden Hüttenrauch
hinaussendet, in Augenschein (Abb. 21).

[Illustration: Abb. 61. =Halberstadt.=

(Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin.)]

[Sidenote: Grund. Wildemann. Lautenthal.]

Weiter der Innerste folgend, gelangen wir unterhalb des »Silbernaals« an
die Stelle, wo der Fluß einen Teil seiner Wasser den Gruben bei Grund
durch den den Bauersberg durchsetzenden Schultestollen zusendet.

In ein nach oben sich verzweigendes, aber nur nach dem Lande zu offenes
Thal eng und geschützt eingebettet, ist die Bergstadt Grund (Abb. 24) der
älteste der oberharzischen Kurorte, übt aber, nur durch einen rings umher
laufenden, meist stark ansteigenden grünen Wiesenstreifen vom frischen
Laub- und Nadelwald getrennt, durch die Anmut seiner Lage und die
Schönheit seiner Umgebung noch immer seine alte Anziehung aus. Obwohl nur
etwa 300 Meter hoch und fast am Rande des Oberharzes gelegen, erhält es
durch die einschließenden Berge, namentlich durch den fast jäh
aufsteigenden Iberg (das ist Eibenberg) wirklichen Gebirgscharakter.
Unsern Weg zu diesem 562 Meter hohen Korallenriff nehmen wir über den
Hübichenstein und die Tropfsteinhöhle. Jener ist der 40 Meter hohe
feinkörnige Kalksteindoppelfelsen, unter dem der wohlthätige Zwergkönig
Hübich, der verzwergte Wuotan, seine reichen Schätze bewacht; diese
enthält eine ganze Reihe schöner Gebilde, von denen der »versteinerte
Wasserfall« am überzeugendsten wirkt; in der Nähe seines Einganges steht
die einzig übriggebliebene Gruppe alter Eiben (Taxus), von denen der Berg
seinen Namen hat. Von der Plattform des die hohen Buchen überragenden
Holzturmes überblickt man einen Teil des westlichen Oberharzes, vor allem
aber über das zu den Füßen »im Grunde« liegende Städtchen hinaus die
welligen Hügellandschaften bis zum Turmberge bei Hackenstedt und
Griesberge bei Almstedt im Norden und den die Kahle Zelle bei Grünenplan
überragenden Wesergebirgen im Westen und dem Herkules und Meißner und den
Thüringer Bergen im Süden.

Ein bequemer Abstieg führt uns über den »Schweinebraten« zurück in das
sich immer tiefer einschneidende Innerstethal. In eine halbkreisförmige
Krümmung desselben und in das hier mündende Spiegelthal liegt Wildemann
(Abb. 23), die kleinste der sieben Bergstädte, hart eingeklemmt. Die
Berge steigen unmittelbar hinter den Häusern so steil an, daß das duftige
Heu der Bergwiesen nur in »Säumen« auf dem Rücken von den Frauen
eingeschafft werden kann, und daß vor einigen Jahren ein Riß am Berge
eine Häuserreihe in die Innerste zu schieben drohte. Bei der Linde vor
dem Rathause, die nach der Inschrift der wilde Mann höchst eigenhändig
gepflanzt hat, erinnern wir uns daran, daß der zum Sinnbild des Harzes
gewordene Wildemann, der die Moosweibchen (die Wolken) jagt, mit dem
Sturmgott Wuotan, dem wilden Jäger, identisch ist.

Da die Innerste das Gebirge in »widersinniger« Richtung zerreißt, so
bietet ihr in seinen Windungen so abwechselungsvolles Thal neben dem
Flußbett kaum Platz für die Fahrstraße, schon die Eisenbahn hat sich
durch und in die Felsen graben müssen. So sind denn auch Siedelungen an
ihr, selbst die Zechen- und Forsthäuser und Sägemühlen, nur da möglich
gewesen, wo durch Einmündung eines Baches eine Thalerweiterung entsteht.
Die Berge um Lautenthal (Abb. 25) sind noch höher als bei Wildemann, aber
die nur noch 300 Meter -- 125 Meter tiefer als diese -- belegene Stadt
konnte sich etwas behäbiger ausbreiten: die Straßen ziehen sich im Thale
der Laute und auf einem mählich steigenden Berghange auf dem rechten Ufer
ziemlich weit hinauf. Von der Höhe über der »Prinzeß Karoline«, die der
schöne Fußweg über die Schildauköte nach Seesen erklettert, hat man einen
großartig schönen Blick auf die Stadt.

Bei Langelsheim, wo -- wie in Lautenthal -- eine Silberhütte dampft,
tritt der Fluß durch eine majestätische Gebirgspforte in das Vorland. Bei
niedrigem Wasserstande erscheint sein Wasser schon hier fast
durchsichtig; der giftiges Bleioxyd führende Pochsand hat sich im
kiesigen Flußbett nach und nach niedergeschlagen. Rührt aber Hochwasser
diese Schlammmassen auf und reißt sie brausend mit fort, dann ist die
Innerste eine graue, dicke Flüssigkeit, und wo sie über ihre Ufer steigt,
lagert sie unglaubliche Mengen des feinen Pochsandes auf Wiesen und Äcker
im unteren Innerstethal ab.

Auf ihrem linken Ufer eilt der Innerste das Flüßchen Neile zu, die das
Schlachtfeld von Lutter und die Heimat des sagenhaften »Thedel von
Wallmoden Unverfehrt« bespült.

[Illustration: Abb. 62. =Inneres des Domes zu Halberstadt.=

(Nach einer Photographie von Römmler & Jonas in Dresden.)]

Längeren Laufes und wasserreicher als die Neile, die bei der
Darmpfuhlsmühle mündet, ist die Nette, welche der Innerste alle Wasser
zuführt, die von dem hohen Bergzuge auf dem linken Ufer dieses Flusses
bei Wildemann nach Westen rinnen. Am höchsten greift der Pandelbach, die
alte Grenze zwischen Engern und Ostfalen, zwischen Mainz und Hildesheim,
hinauf; seine Quelle liegt an dem allen Harzwanderern bekannten »Keller«,
einem haustief in das bröcklige Gestein steil eingeschnittenen schmalen
Hohlwege, auf dem einst den Walkenrieder Hütten im oberen Nettethal die
Rammelsbergschen Erze zugeführt wurden. Welch ein beschwerlicher Umweg!
Aber die Gegend zwischen Langelsheim und Hahausen war ehemals -- und noch
zur Zeit der Schlacht bei Lutter -- ein unpassierbarer Sumpf.

[Sidenote: Münchehof. Kirchberg.]

Bei Münchehof (das ist Hof der Walkenrieder Mönche) tritt der Pandelbach,
in dessen klaren Wassern das üppige Buchengrün flimmernd sich spiegelt,
aus dem Oberharze heraus. Gleich darauf bespült der verstärkte Bach das
alte, aber außen und innen modernisierte Schloß Kirchberg, das mit seinem
Burggraben und seinem von prächtigen Baumgruppen begrenzten Schloßteiche
sich von dem fruchtbaren Gefilde gar ausdrucksvoll abhebt. Nach ihm
benannten sich Heinrichs des Jüngeren legitimierter Sohn Heinrich
Theuerdank und dessen Mutter Eva von Trott.

Die nicht bedeutenden Ruinen der Staufenburg -- namentlich ein dicht von
Epheu umwobener zerspaltener Turm und Reste des Eingangsthores, vor dem
eine mächtige Linde von hohem Alter steht -- finden sich auf einem Kegel,
der aus dem buchenbestandenen Muschelkalkzuge, der den Oberharz im Westen
in geringem Abstande begleitet, wenig auffällig hervorragt. Hervorragende
Bedeutung für die Kulturgeschichte des Oberharzes erhielt die Burg, als
1505 hier die Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel ihren
Witwensitz nahm und dem Bergbau ihre ganze Liebe zuwandte. Um sich an der
sich mehr und mehr ausdehnenden Montanindustrie zu erfreuen, besuchte sie
gar oft persönlich den rasch aufblühenden Ort »im Grunde«, dessen Kapelle
sie zur Pfarrkirche erhob. In ihre Fußstapfen trat 1521 ihr Großsohn und
Erbe, Herzog Heinrich der Jüngere. Mochte ihn vielfach auch die Sehnsucht
nach seiner geliebten Eva, an deren Statt er eine ausgestopfte Puppe nach
fein gespielter Todeskomödie mit Sang und Klang in Gandersheim hatte
begraben lassen, nach der Staufenburg ziehen, wo sie in stillster
Einsamkeit, mehr einer Gefangenen als einer fürstlichen Geliebten
ähnlich, ihre Jugendjahre verlebte; so besuchte er doch auch später, als
er 1541 Eva mit ihren Kindern nach der festeren Liebenburg geschickt
hatte, häufig die Staufenburg, um von hier aus seine neu entstandenen
Bergstädte Zellerfeld und Wildemann, deren Gruben und Hütten in
Augenschein zu nehmen. -- Von seinen Nachfolgern aber hat keiner auf der
verschwiegenen Burg auch nur vorübergehend residiert. So verfiel sie nach
und nach, und 1778 fand man den Aufenthalt in dem alten Gemäuer selbst
für die Gefangenen und deren Wärter zu lebensgefährlich.

[Illustration: Abb. 63. =Michaelstein.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

Die Nette, welcher der Pandelbach und mehrere andre größere und
zahlreiche kleine Bäche ihr Wasser zuführen, entspringt am Netteberge bei
Herrhausen. Ihr Gebiet führt -- sogar noch im Volksmunde -- den Namen
Ambergau.

Von rechts nimmt die Nette die aus dem Oberharze kommende Schildau auf.
Der Weg von der Schildauköte am Fuße des Schildberges, der die
unbedeutenden Ruinen einer vom Grafen Hermann von Winzenburg um 1148
erbauten Burg trägt, auf dem »Forellenstieg« an dem schäumenden Flüßchen
hinunter über den »Grünen Jäger« nach Seesen gehört zu den schönsten im
ganzen Harze.

[Sidenote: Seesen.]

Seesen, in den Friedensverhandlungen zwischen Heinrich dem Zänker und den
sächsischen Großen 984 zuerst erwähnt, hat erst nach Anlage der
Eisenbahnen, die von ihm strahlenförmig nach fünf Seiten laufen,
kräftigen Aufschwung genommen und weniger begünstigte Städte raschen
Schrittes überholt. Unter den wenigen alten Häusern, welche die häufigen
Feuersbrünste überstanden haben, ist außer dem früheren Schlosse kaum ein
architektonisch bedeutsames.

Obwohl Seesen in einer Höhe von nur 219 Meter am Rande des Oberharzes
liegt, fühlt und glaubt man sich hier mitten im Gebirge, denn die Höhen,
welche den Ambergau im Westen begrenzen, und die Berge, welche von
Hahausen das rechte Netteufer begleiten, erscheinen dem Auge fast von
gleicher Höhe wie der eigentliche Harz. Mit besonderem Wohlgefallen aber
ruht es auf dem Bergzuge des Heber, dessen helles Laubgrün zu dem
gegenüberliegenden dunkeln Harzwalde einen freundlichen Kontrast bildet.
Gleich einem verwitterten, halb zertrümmerten Felsen ragt aus den hohen,
schlanken Buchen ein altes Gemäuer hervor und überschaut wie ein
Herrschersitz den Gau thalauf und -ab. Es ist die Ruine der Burg
Woldenstein, der Sage nach die Heimat des vom heiligen Bernward, seinem
Verwandten, erzogenen gelehrten Bischofs von Meißen (1066-1106) und
eifrigen Bekehrers der Wenden, des vom Papste Hadrian VI. 1523 heilig
gesprochenen St. Benno. Aber die Burg ist erst 1295 von den Grafen von
Woldenberg erbaut. Ihr Ende fand sie 1519 in der verwüstenden
»Stiftsfehde«.

[Illustration: Abb. 64. =Mönchseiche bei Michaelstein.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Der Nette folgend, treten wir bei Rhüden, wo aus den oberen Schichten des
bunten Sandsteins eine schwache Sole quillt, in die Gegend des erst
einige Jahrzehnte alten, aber lohnenden Kalibergbaues ein, der von hier
den Nordrand des eigentlichen Harzes im Halbbogen umzieht.

[Sidenote: Bockenem.]

Über die durch ihre geschmackvollen Gußwaren rühmlichst bekannte
Wilhelmshütte und die durch Steinbrüche zerwühlte Stätte der Pfalz
Königsdahlum gelangen wir nach Bockenem, der anmutig gelegenen, alten
Hauptstadt des Ambergaues, die von den Grafen von Woldenberg, deren
Wappen sie noch heute führt, schon im Jahre 1300 Stadtgerechtsame
erhielt. Nach den großen Feuersbrünsten von 1685 und 1847 arm an
altertümlichen Bauwerken, macht doch die vom Flußufer sanft aufsteigende
Stadt mit ihren breiten, sauberen Straßen und behäbigen Bürgerhäusern,
ihrem geräumigen, mit Linden bepflanzten und von zwei Kirchen begrenzten
Marktplatze einen wohlthuenden Eindruck. Weit blickt der mächtige 60
Meter hohe Turm der Pancratii-Kirche, dessen unterer, festungsartiger
Teil wohl noch aus der Zeit Ludwigs des Frommen stammen mag, rings in die
Lande hinaus. Im Innern des einfach-schönen Gotteshauses, einer
dreischiffigen, gotischen Hallenkirche, fallen besonders die sehr alten
aus Holz geschnitzten Standbilder der Apostel und der heiligen Jungfrau,
welche -- lange unter Steingeröll begraben -- vom Professor Küsthardt
kunstverständig renoviert, das in Formen der Spätrenaissance reich
dekorierte messingene Taufgefäß und das von dem aus Bockenem stammenden
Maler Nepperschmidt herrührende Wandgemälde »der barmherzige Samariter«
ins Auge. In ihrer Nähe liegt das einzige Fachwerkhaus aus dem
sechzehnten Jahrhundert, die alte Generalsuperintendentur; im Winter 1626
diente sie Tilly als Hauptquartier.

[Illustration: Abb. 65. =Burg Regenstein.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Schloß Söder.]

Vom Dorfe Werder aus, nach dessen Burg sich das Dynastengeschlecht der
Grafen von Werder und später ein Zweig der Woldenberger schrieb,
ersteigen wir auf bequemem Waldpfade den Weinberg, der uns bis dahin das
Schloß Söder verdeckte. Da, wo die Bockenem-Hildesheimer Chaussee vom
Dorfe Nette aus die Höhe des Weinbergs in Schlangenwindungen erklettert,
hat man einen großartig schönen Blick über die wellenförmige Bockenemer
Ebene auf das Harzgebirge: auf den üppig bewaldeten Muschelkalkzug der
Nauer Berge und der Osterköpfe türmen sich terrassenförmig die dunklen
oberharzischen Berge von Lautenthal, Goslar und Klausthal auf, und über
sie alle schaut aus weitester Ferne der Vater Brocken mit dem Königsberge
herüber, oft noch weißgelockt, wenn hier schon alles grünt und blüht, oft
auch im Strahl der scheidenden Sonne mit flammenumspieltem Scheitel.
Wirkungsvoller als dieser ist kein andrer Blick auf den Harz.

Eine viertelstündige Wanderung durch stattlichen Buchenwald führt uns
nach dem Schlosse Söder (Abb. 26). Überraschend schön liegt es inmitten
seines herrlichen Parkes mit blinkenden Teichen, prächtigen Baumgruppen
und sammetartigen Rasenflächen. Anfang des vorigen Jahrhunderts war
dieses Schloß des kunstsinnigen Domherrn Moritz von Brabeck der
Sammelpunkt berühmter und hochstehender Personen; von seinen Gästen nenne
ich nur C. von Strombeck, den Freiherrn zum Stein, Graff und Iffland,
Karoline von Humboldt und Marie Körner; auch die Königin Luise von
Preußen war hier im Jahre 1805.

[Sidenote: Schloß Derneburg. Der Woldenberg.]

Bildet Söder mit seiner Flur eine stille, liebliche Waldoase, so blickt
das Schloß Derneburg (Abb. 27), der Familiensitz des Fürsten Münster,
frei ins Land hinaus. Gar wirkungsvoll heben sich die rotbedachten
Schloßgebäude mit ihren vielen Türmchen vom dahinter aufsteigenden
buchengrünen Donnersberge ab.

[Illustration: Abb. 66. =Schloß Blankenburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Ein noch fahrbares Stück der mittelalterlichen Augsburger Straße
benutzend, ersteigen wir von dem Marktflecken Holle aus, der Heimat des
Ritters Berthold von Holle, der als der erste in diesem Teile
Deutschlands im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts in deutscher
(höfischer) Sprache dichtete, den Woldenberg, den alten Herrschersitz
dieser Lande weit und breit. Dem weitverzweigten Grafengeschlecht der
Woldenberger, dessen Stammvater Ludolf vom Kaiser Lothar ausdrücklich zu
den »Fürsten« gezählt wird, kam zur Zeit der Staufer in den Harzlanden
kein andres an Macht und Ansehen gleich; im Besitze vieler Burgen und
Schirmvogteien, übten sie den Königsbann in acht Gauen. Die »Seele der
kaiserlichen Partei« in Norddeutschland, haben die Woldenberger ihre
Kräfte im Kampfe für die Hohenstaufen verzehrt, und Graf Gerhard, der
Letzte des Geschlechts, starb 1383 ziemlich verarmt.

Vorübergehend Residenz des Fürstbischofs, ward der Woldenberg 1641 durch
Kaiserliche teilweise zerstört, doch konnte die Burg noch anderthalb
Jahrhunderte als Amthaus bewohnt werden, ehe man sie als Steinbruch
benutzte. Vor etwa 50 Jahren ist der hohe Bergfried, aus dem oben die
Bäume ihre grünen Arme herausstreckten, vor der weiteren Zerstörung
geschützt und zu einem herrlichen Aussichtspunkte umgewandelt. Nach allen
Seiten reicht der Blick weit über Wald und Land, über fruchtbare Thäler
und immer höher sich auftürmendes Gebirge. Überaus anmutig leuchtet im
westlichen Vordergrunde das Schloß Henneckenrode (Abb. 28), die Blumsche
Waisenstiftung, mit seinen Teichen über das Waldgrün hervor, und nicht
weniger herzerquickend ist der Blick auf den mittleren Teil des
Ambergaues mit seinen reichen, gesegneten Fluren, seinen schmucken
Dörfern, die sich um die einst woldenbergsche Stadt Bockenem gruppieren.
Wohl erhalten ist auch das von zwei Türmen flankierte Thorhaus, von denen
der eine in Form eines Dreiviertelkreises in den trockenen, in den Fels
gebrochenen Burggraben vorspringt und in seinem Obergeschoß ein
polygonales, aus Fachwerk gebautes Turmzimmer trägt.

[Sidenote: Der Hainberg.]

An der Felsschlucht unterhalb des Binnenhofs, die uns den Wahlspruch
eines »Drosten«: »_Solitudo solo beatitudo!_« nachruft, vorüber, lenken
wir unsere Schritte den lauschigen Wald uralter Eichen und Buchen hinab,
wie man sie in solcher Schönheit nur selten noch zu sehen bekommt, dem
auf scharf abfallendem Felsvorsprunge in stiller Waldeinsamkeit des
Hainbergs belegenen St. Hubertus-Jägerhause zu, an dessen Felsenkapelle
(Abb. 29) sich die Sage von der Bekehrung des heiligen Hubertus, des
Schutzpatrons der Jäger, knüpft. Das von Künstlerhand zu beiden Seiten
des Altars in die Felswand gehauene Relief -- hier der Hirsch mit dem zum
Kruzifix gewordenen Jagdspieß im Geweih, dort auf den Knieen der Jäger
mit anbetend erhobenen Händen, hinter ihm der Knappe mit dem Jagdroß, --
stammt nach der an der gegenüberliegenden Grottenwand eingehauenen
Inschrift aus dem Jahre 1733; älter ist die arg beschädigte und vom Rauch
geschwärzte Darstellung am äußeren Felsen, nach welcher der vom Hirsch
durch eine Schlucht getrennte Hubertus sein Roß selbst hält.

[Illustration: Abb. 67. =Blankenburg im 17. Jahrhundert= (nach Merian.)]

In etwa einer Viertelstunde erreichen wir vom Jägerhause die
»Bodensteiner Klippen«, aus dem üppigen Buchenwalde hoch und steil
aufsteigende, kahle Sandfelsen, ähnlich der Teufelsmauer bei Blankenburg
und offenbar derselben geognostischen Bildung angehörend. Der Aufstieg
auf eine der zugänglich gemachten Klippen gewährt bei guter Beleuchtung
der Landschaft hohen Genuß.




                                   X.

                           Die Okerlandschaft.


Der dritte Fluß der Klausthaler Hochebene, die Oker, das ist reißender
Strom, schlägt dieselbe »widersinnige« Richtung ein wie die Innerste. Sie
entspringt beim Okerstein am Westabhange des Bruchberges in 800 Meter
Meereshöhe, stürzt bis Altenau 320 Meter in einem Querthale steil herab
und vereinigt sich innerhalb der Stadt mit der kleinen Oker, der jetzt
Schneid- das ist Grenzwasser genannten Altenah und dem durch den
Rotenbach verstärkten Gerlachsbach.

[Illustration: Abb. 68. =Blankenburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Eine Oase im grünen Waldmeere, liegt die jüngste Bergstadt Altenau, --
fast nur auf einer Seite von einer blumenreichen Wiesenflur, die aber
einen steilen Berg darstellt, begrenzt, in die schützenden Thäler
eingesenkt. Prächtige Spaziergänge namentlich den Dammgraben entlang, der
den Bruchberg in Schlangenwindungen umzieht, ein herrlicher Blick über
den ganzen Westharz von der Wolfswarte, vor allem aber der großartig
schöne Weg über den Nabenthaler Wasserfall und an der Steilen Wand hin
nach dem Torfhause fesseln gleichmäßig den Sommerfrischler wie den
Harzwanderer. Den Ahrendsberg mit seinen Klippen, einen Glanzpunkt des
Harzes, ersteigen wir am besten von dem unterhalb der Hütte
gelegenen Gemkenthal auf dem Wege nach Harzburg.

[Illustration: Abb. 69. =Dorfstraße in Schierke.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Romkerhalle.]

Sich windend und krümmend zwängt sich die durch das Weißewasser, durch
Kellwasser und Kalbe und kleinere muntere Bäche verstärkte Oker nach
Norden durch eine enge Spalte festen, weißen Granits. Schäumend umtanzt
sie die Granitbrocken, die ihr den Weg versperren möchten; umspielt den
Jaspisfelsen der hellschimmernden Birkenburg; finster blickt der
Ahrendsberg hernieder; wunderbare Felsgebilde, manche durch eine einzelne
Föhre oder durch eine kleine Gruppe dieser »Harzceder« ausdrucksvoll
bezeichnet, schauen von den fichtendunklen Höhen herab, wie der Mönch,
der große Kurfürst, die Madonna, Zieten, der schlafende Löwe; großartiger
aber noch sind die Granitkolosse am Wege nach Harzburg, die sich nicht in
den Vordergrund drängen: die Grotte und die Mausefalle, diese
unheimlichen Bauwerke der Natur, die jeden Augenblick zusammenzubrechen
drohen, die Hexenküche und die Bastei der »Käste«. Die interessanteste
und wildeste Strecke des Okerthals ist die vom Gasthaus Romkerhalle, wo
von rechts die Romke mit etwas Nachhilfe in drei Absätzen 65 Meter hoch
vom buntgebänderten Felsen springt (Abb. 30), von ferne gesehen einem
herabhängenden breiten Silberbande nicht unähnlich, und die zerschäumten,
zersprengten und zerstäubten klaren Wasser in dem der buntgemischten,
allstündlich sich erneuernden Gesellschaft erfrischende Kühle
zuhauchenden Becken zu sammeln sucht, bis abwärts zum Waldhause am Beginn
des Goslarschen Fußweges: im frühen Mittelalter führte kein Weg neben dem
Flusse herauf, und die später hergestellte gefährliche Fahrstraße hielt
sich streckenweise in respektvoller Entfernung; erst um 1860 ist ihr
durch Sprengung der Felsen überall Raum neben dem Flußbett geschaffen;
großartige neue Bilder erschließt aber der Fußweg durch das bisher
unzugängliche Klippengewirr zur Linken, an dem der Harzklub eifrig
arbeitet.

[Illustration: Abb. 70. =Schierke.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

An majestätischer Schönheit läßt sich mit dem Okerthale nur das Bodethal
in Parallele stellen; wem der Preis gebührt, ist nicht zu sagen. Sind
die Bodefelsen kühner gestaltet, wilder, schroffer, aber durch das helle
Buchengrün doch gleichsam warm abgetönt, so wird der Ernst der weniger
jähen, aber immerhin trotzig und mehr in Einzelgestalten
herausspringenden Okerfelsen durch das düstere Tannengrün der mächtigen
Bergwände, von denen sie sich kräftig abheben, stimmungsvoll verstärkt:
verschieden wie die Meisterwerke zweier großer Maler, aber gleich in
ihrem bestrickenden Eindruck auf Sinn und Gemüt.

Auf der 14 Kilometer langen Strecke von Altenau bis zu dem großen
Hüttenorte Oker, wo der Fluß in 210 Meter Meereshöhe in das Land tritt,
hat er ein Gefälle von 1 : 52.

[Sidenote: Goslar.]

Zwischen dem Sudmerberg, auf dem eine alte Warte weithin die Straßen
überblickt, und dem Petersberge, auf dem oberhalb der Klus, eines vom
großen Christoph als Sandkorn aus dem Schuh geschütteten Felsen mit
eingehauener Kapelle, die Grundmauern des Petersstiftes bloßgelegt sind,
eilt der Innerste die beim Auerhahn entspringende Gose zu, nach der
Goslar (Abb. 32) seinen Namen führt.

Die erste Blütezeit dieser Kaiserstadt (die 979 zum erstenmale urkundlich
genannt wird) schließt mit dem Ende der Staufer. Ihres Glanzes als
Residenz nach und nach entkleidet, gewann sie doch bald unter den Städten
der Hansa einen festen, Achtung gebietenden Stand. Von grundlegender
Bedeutung war die Erlangung der vollen Selbständigkeit: im Jahre 1290
traten ihr die Grafen von Woldenberg die Reichsvogtei ab: an die Stelle
des Woldenbergischen Dienstmannes trat nun der städtische Vogt, an die
Stelle der Grafen selbst ein von der Stadt auf bestimmte Jahre gewählte
Schutzherr; bald darauf ward auf Grund der von den Kaisern verliehenen
Rechte und der alten Weistümer (Gerichtsentscheidungen) das Rechtsbuch
entworfen, das als Goslarsches Recht in vielen Städten Eingang fand, so
daß der Rat zu Goslar der Oberhof für ein ganzes Land wurde. Mit Geschick
und Nachhaltigkeit wußte sie auch den freien Stiftern in und vor ihren
Mauern wertvolle Rechte abzugewinnen und sich in den Besitz der vom
Bergbau zu zahlenden Vogteigelder zu setzen. Ihren nach Flandern, Wisby
und Nowgorod reichenden Handel schützte sie durch ihre Bündnisse mit den
benachbarten Städten, durch ihre Freundschaft mit den Bischöfen von
Hildesheim und den Herzogen von Braunschweig, durch Erwerbung des
Pfandbesitzes der sie einengenden Burgen. Im Anfange des sechzehnten
Jahrhunderts, wo sie Luthers Reformation annahm, hatte Goslar, eine »der
acht fürnembsten von allen Erbarn- Frey- und Reichs-Städten«, den zweiten
Höhepunkt der Entwickelung und Wohlstandes erreicht. Ihre
Befestigungswerke waren verstärkt und Wälle und Türme mit grobem Geschütz
reichlich ausgestattet. 40 gottesdienstliche Stätten zeugten vom frommen
und wohlthätigen Sinne der Bürger.

Trotz und Übermut gegen ihren Bergherrn knickte die zweite Blüte der
Stadt gewaltsam, brach ihre Macht für alle Zeiten. Im Jahre 1235 hatte
Friedrich II. dem Herzog Otto dem Kinde den kaiserlichen Bergzehnten und
damit das volle Bergregal erblich zu Lehen gegeben, und Ottos Sohn
Albrecht als Bergherr 1271 die älteste Bergordnung des Harzes erlassen.
1375 waren dann Zehnten und Berggericht in den Pfandbesitz des Rates der
Stadt gekommen, der mehrfach, zuletzt noch 1509, die Pfandsumme erhöhte,
um die Einlösung zu erschweren. Der energische Heinrich der Jüngere aber,
der eifrige Bergmann im Oberharz, kündigte der Stadt die Pfandschaft und
zahlte die mit Hilfe der vermittelnden Städte Magdeburg und Braunschweig
auf fast 25000 rheinische Gulden für seine Hälfte festgesetzte Pfandsumme
trotz ihres Widerstrebens aus und ließ sich auch von seinem Vetter
Philipp von Grubenhagen dessen Hälfte der Pfandschaft abtreten. Da
weigerte sich die Stadt, den Herzog als Bergherrn anzuerkennen und seinem
Berggericht sich zu fügen, stellte trotzig den ganzen Bergbau ein,
ergriff die Waffen gegen den in Riechenberg lagernden Herzog und
verwüstete am 22. Juli 1522 alle innerhalb der Landwehr belegenen
geistlichen Stiftungen, das berühmte Petersstift, das reiche Kloster
Georgenberg und die Kirche des heiligen Grabes. Doch gewann Goslar
infolge der Verwickelungen des Herzogs in die großen Händel der Zeit und
seiner Gefangennahme in der Schlacht bei Calefeld noch einmal eine kurze
Frist. Im Jahre 1552 fand Heinrich endlich Zeit, mit Ernst gegen Goslar
vorzugehen. Und so übermütig die Reichsstädter einige Jahrzehnte zuvor
gewesen waren, so demütig zogen sie nun nach Riechenberg hinaus und baten
um Frieden. In diesem Vertrage zu Riechenberg mußte der Rat mit seinen
Zugeständnissen weit über das früher vom Herzog Geforderte hinausgehen,
diesen auch zum Erbschutzherrn annehmen und ihm den größten Teil der
Forsten abtreten. Mit der Selbständigkeit der Stadt war's für immer
vorbei, und der Bergbau am Rammelsberge gehörte fortan den Herzögen von
Braunschweig.

[Illustration: Abb. 71. =Braunlage.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Zu Ende des dreißigjährigen Krieges, der auch noch den Handel der im
Rückgange begriffenen Stadt lahm legte, war die Kämmerei tief verschuldet
und die durch die Pest gezehntete Bürgerschaft entkräftet. Eine
verheerende Feuersbrunst von 1728 führte zu weiterer Verarmung, so daß
Goethe sie 1777 die vermodernde Reichsstadt und der spätere Minister von
Schön, der sie 16 Jahre nach der Feuersbrunst von 1780 sah, die 244
Gebäude in Asche legte, sie »einen sehr kleinen, traurigen,
menschenleeren Ort« mit einem Magistrat von 99 Personen (wobei er die 55
Gildevertreter mitzählt) nennen konnte. Die Käuflichkeit ihrer Justiz war
sprichwörtlich, die in hohem Grade verarmte Bürgerschaft wurde vom
kleinlichsten Zunft- und Kastengeist beherrscht.

Der Übergang an Preußen im Jahre 1802 legte den ersten Grund zu neuem
Aufschwung: die Landstadt Goslar erhielt das bedeutende Vermögen der
reichsunmittelbaren Stifter zugewiesen, das die Reichsstadt niemals
besessen hatte, und erhielt ein geordnetes Kirchen- und Schulwesen. In
der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts begann dann die Stadt,
namentlich nach ihrem Anschluß an das Eisenbahnnetz, sichtbar fröhlich
aufzublühen; und wie der wiedererwachte Sinn für Geschichte und
Altertumskunde ihr jährlich einen starken Strom wißbegieriger Reisenden
zuführt, so veranlaßt ihre schöne und gesunde Lage gar manchen auch zu
dauernder Niederlassung. Sie hat jetzt 16400 Einwohner.

Unsern Rundgang durch die Stadt, die uns noch immer ein gut Stück
mittelalterlicher Baukunst vorführt, beginnen wir beim Bahnhofe. Zwischen
dem »Achtermann« aus dem Jahre 1500, einem der vier mächtigen Zwinger des
Rosenthores, und dem Kloster Neuwerk, dessen malerisch im wohlgepflegten
Klostergarten belegene Kirche, eine zweitürmige romanische
Pfeilerbasilika mit Querhaus, um das Jahr 1200 erbaut ist, gelangen wir
durch die enge Fischmäkerstraße auf den von zwei Seiten durch
hochinteressante Häuser eingeschlossenen Marktplatz.

Am wirkungsvollsten ist die 1494 als Gildehaus der Gewandschneider
erbaute Wort (jetzt Hotel Kaiser-Wort) mit einem auf konsolenartigem
Unterbau vorspringenden achteckigen Mittelturm und vier erkerartigen
Ausbauten. Die acht hölzernen -- vom Spötter Heinrich Heine mit
gebratenen Universitätspedellen verglichenen -- aus Holz verfertigten
lebensgroßen Figuren, welche in gotischen Nischen zwischen den
rechteckigen Fenstern stehen, werden gewöhnlich als acht um Goslar
verdiente Kaiser, vom Professor Küsthardt aber als »die acht guten
Helden« angesprochen.

[Illustration: Abb. 72. =Hermannshöhle. Blaue Grotte.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Das Rathaus, in Heines Augen nur »eine weiß angestrichene Wachtstube«,
besteht aus einer Gruppe einen kleinen Lichthof einschließender Gebäude
aus dem fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, deren Frontseite auf
einem von achteckigen Pfeilern getragenen Bogengange mit Kreuzgewölbe
ruht (Abb. 31). Durch die ehemalige Gerichtslaube betreten wir die
»Rathausdiele«, den alten Huldigungssaal; von ihren alten Kronleuchtern
trägt einer der aus Hirschgeweihen gefertigten die schöne Inschrift:

                 O goslar, du bist togedan
                 Den hilgen romesken rike
                 Sunder middel (d. i. Falsch) unnd wane,
                 Nicht macstu darvon wiken.

Das jetzt Huldigungszimmer genannte Zimmer mit reichem, wertvollem
Bilderschmuck an Wand und Decke, welcher die Weissagungen vom Messias im
Heidentum durch die Sibyllen, im Judentum durch die Propheten und die
durch die Evangelisten bezeugte Menschwerdung Christi zum Grundgedanken
hat, wird die alte Ratskapelle sein; es enthält wertvolle Urkunden und
Altertümer, darunter ein prachtvolles, mit farbenschönen Miniaturen
geziertes Evangelienbuch aus dem dreizehnten Jahrhundert, und in der
kleinen Altarconcha, deren Gemälde Christi Leiden und den Heiland als
Weltenrichter darstellen, besonders die silberne Bergkanne, eine
ausgezeichnete Arbeit aus dem Jahre 1477. -- Das wunderlichste Baudenkmal
ist das vom Magister Thalling 1521 erbaute Brusttuch, ein Patrizierhaus
mit trapezförmiger Grundfläche und völlig windschiefem Dache,
Glasmalereien an den gotischen Fenstern und reichem Schnitzwerk --
Ornamenten, Figuren und phantastischen Gestalten -- an Schwellen,
Ständern und Konsolen. Zierlicher und anmutiger ist das 1557 erbaute
Bäckergildehaus.

[Illustration: Abb. 73. =Treseburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Kaiserhaus in Goslar.]

Durch die Breite Straße, die noch hübsche alte Häuser mit Erker und
vorgekragtem Obergeschoß und geschnitzten Balkenköpfen aufzuweisen hat,
gelangen wir an das Breite Thor mit seinen vier starken Türmen und über
den Annenwall mit seinen Teichen und alten Ulmen an dem 1517 erbauten
dicken Zwinger, der in seinen sechs Meter starken Mauern drei Reihen
Geschütze und 1000 Bewaffnete aufnehmen konnte, vorüber auf das
Kaiserbleek. Von dem 1819 für 4515 Mark auf Abbruch verkauften herrlichen
Dome ist nur die um 1200 angefügte Vorhalle (Abb. 33) mit dem sogenannten
Krodoaltar, einem aus niedersächsischer Gießerei hervorgegangenen
tragbaren Altar, und andre von Kaisererinnerungen umwehte Andenken
erhalten. Aber das einst zum Schauspielhause entweihte, dann
glücklicherweise als Kornmagazin benutzte Kaiserhaus (vergl. Abb. 3), in
dessen Thronsaale einst der Sachsen, Salier und Staufer ruhmreicher
Schild hing, blickt als ein Wahrzeichen der Einigung unseres Volkes
wieder hoch und stolz auf die alte Stadt herab, und wieder prangt in dem
48 Meter langen großartigen Reichssaale der auf vier steinernen Kugeln
ruhende metallne Kaiserstuhl, -- im Anfange dieses Jahrhunderts für 28
Thaler meistbietend verkauft, hat ihn das Vermächtnis des verewigten
Prinzen Karl auf seinen alten Platz zurückgestellt.

Die herrlichen Wandgemälde von der Hand des Professors Wislicenus zu
beschreiben, fehlt hier der Raum; ich muß mich auf Andeutung des
Grundgedankens beschränken. Das große Mittelbild der Westwand stellt in
koloristischer und dekorativer Vollendung und genialer Komposition die
Wiedergeburt des Deutschen Reiches im Jahre 1871 dar: Germania mit dem
Antlitz der edlen Königin Luise reicht dem siegreich heimkehrenden Kaiser
Wilhelm dem Großen am Triumphbogen die Kaiserkrone dar (Abb. 34). Die
sechs Hauptbilder derselben Wand, jedes mit zwei Predellen,
veranschaulichen sechs Akte eines Dramas, die Geschichte des ersten
Kaisertums von Heinrich II. bis Friedrich II.: Heinrich II. wird in der
Peterskirche gekrönt, Heinrich III. führt den Papst Gregor VI. gefangen
über die Alpen, Heinrich IV. büßt zu Canossa, Friedrich I. demütigt sich
vor Heinrich dem Löwen, Friedrich I. siegt bei Ikonium, Friedrich II.
empfängt in Palermo eine arabische Gesandtschaft. Die acht Nebenbilder
derselben Wand behandeln im engen Anschluß an die Hauptbilder die
Geschichte des Kaiserhauses.

[Illustration: Abb. 74. =Bodekessel.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Die Gemälde der Südwand, drei größere (Karl der Große zerstört die
Irmensäule [Abb. 35], Karls des Großen Sieg über die Sachsen, seine
Krönung zu Rom, Wittekinds Taufe) mit drei Predellen bilden den Prolog,
die der Vorderwand (Luther zu Worms [Abb. 36], die schmalkaldischen
Bundesgenossen empfangen zusammen das heilige Abendmahl, Karl V. in St.
Just) den Epilog zum Schmuck der Hauptwand; und die Fensterwand ist
Darstellungen aus dem Märchen (Dornröschen) und der Sage (Barbarossa)
gewidmet.

Von dem Teil des Kaiserhauses, der die kaiserlichen Wohnräume enthielt,
hat nur ein Stück der Grundmauer bloßgelegt werden können, dagegen ist
die an sie grenzende, ehemals zur Feldhüterwohnung erniedrigte St.
Ulrichskapelle, ein Meisterstück architektonischen Erfindungsgeistes,
denn sie bildet unten ein griechisches Kreuz, oben ein Achteck, wieder zu
Ehren gebracht, so daß sie dem Herzen und den Eingeweiden des großen
Kaisers Heinrich III. eine würdige Ruhestätte gewährt. Dem Kaiserbeet ist
jüngst durch die bronzene Reiterstatue Barbarossas (von Toberentz) und
das gleichfalls bronzene Standbild Wilhelms des Großen (von Schott) ein
prächtiger Schmuck zu teil geworden.

[Illustration: Abb. 75. =Eingang ins Bodethal.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Von den Kirchen erwähne ich nur noch die ehrwürdige Frankenberger Kirche
mit ihren wieder aufgefrischten großartigen Wandmalereien; am Aufstieg zu
dem bepflanzten Nonnenberge und den in einen hübschen Park umgewandelten
Schieferhalden belegen, durch die sich schattige Spazierwege nach dem
Gosewasserfall und dem durch eine wundervolle Aussicht lohnenden
Steinberge schlängeln, gewährt sie einen wahrhaft malerischen Eindruck.




                                   XI.

                           Die Oderlandschaft.


[Sidenote: Der Bruchberg-Acker.]

Von der Klausthaler Hochebene, deren Flüsse uns bislang als Wegweiser
gedient haben, wird das »Andreasberger Dreieck« durch den Bruchberg-Acker
abgetrennt. Eine Wanderung den auf dem Kamme des Ackers laufenden Fastweg
entlang wird durch die stetig wechselnden Bilder, die sich bald rechts
nach Klausthal hin, bald links über Andreasberg auf den Ravensberg und
Jagdkopf (Stöberhai) aufthun, zuletzt aber durch den großartigen
Fernblick von den ruinenartigen Felsgruppen, welche sich, von Rentier-
und isländischer Flechte, von Sumpf- und Moosbeere überwuchert, aus dem
Tannendickicht meist nur wenig erheben, der Hanskühnenburg (810 Meter)
und den Seilerklippen (750 Meter), reichlich belohnt. Und welchen Genuß
gewährt eine Fahrt von der Stieglitzecke (828 Meter), wo unfern des
Hammersteins (800 Meter) mit seinem Blick in die schluchtenartigen
Seitenthäler jener Fastweg sich abzweigt, auf der Klausthal-Andreasberger
Poststraße nach dem als Sommerfrische rühmlichst bekannten Sonnenberge
und von hier, links abbiegend, der imponierenden Achtermannshöhe entgegen
nach dem waldumschlossenen Oderteiche (Abb. 37) und den Rehbergergraben
entlang nach Andreasberg.

Ganz gegen den Charakter des Harzes zeigt sich in dem »Dreieck« nicht
einmal der Ansatz zur Plateaubildung; aus tief eingeschnittenen Thälern
steigt man 200 bis 250 Meter hoch auf schmale Bergrücken oder abgerundete
Kegel und wieder hinunter in ein schluchtenartiges Thal. Den besten Blick
in dies wunderbar zerstückelte Gebiet gewähren die Porphyrkegel des
Knollen bei Lauterberg (687 Meter), des Ravensberges (660 Meter) und des
Stöberhais (719 Meter). Der Ravensberg heißt nicht mit Unrecht der
Brocken des Südharzes. Wohl ist das Panorama hier und auf dem mit ihm
zusammenhängenden Stöberhai enger begrenzt, aber es gewinnt dadurch an
plastischer Klarheit und Schönheit. Im Norden und Westen umfaßt der Blick
den ganzen hohen Harz bis zum Brocken und Acker, im Osten und Süden aber
thut sich das Land weit auf bis zum Possen bei Sondershausen und zum
Thüringerwalde, bis zu dem Ohmgebirge und dem Göttinger- und
Habichtswalde.

[Sidenote: Andreasberg.]

Ist regellose Abwechselung von schroffer Bergeshöhe und wildem Thalsturz
der Charakter des »Dreiecks«, so macht die Stätte, auf der die Stadt
Andreasberg erbaut ist, davon keine Ausnahme; fast jäh schießen ihre
Straßen von eng begrenzten Bergkuppen (640 Meter) in das »Unterland« (520
Meter) hinunter. Aus einem Hause sieht man in zwei Thäler hinunter, ein
andres hängt, als wäre es aus Wildemann hierher versetzt, wie ein
angeklebtes Schwalbennest an der Bergwand, und ein drittes liegt fast so
geschützt zwischen aufsteigenden Höhen, wie manche Stadtteile in Grund
oder Altenau. Solche interessanten Gegensätze bietet nur diese
einzigartige Stadt (Abb. 38).

Die erste urkundliche Nachricht über Bergbau »am Andreasberge« ist aus
dem Jahre 1487, aber zu rascher Entwickelung gelangte es erst im Jahre
1521, als am Beerberge in einer Klippe ein handbreiter Gang mit Glanzerz
und reichhaltigen Nestern Rotgülden erschürft wurde, so daß die Grafen
von Hohnstein sich beeilten, für ihr Gebiet die erste Bergfreiheit zu
erlassen; Stadtrechte erhielt der Ort anscheinend schon 1535. -- In
fieberhaftem Eifer drängten sich Gewerken und Bergleute herzu, um des
gepriesenen Dorado Schätze zu heben, aber gar bald folgte eine gewaltige
Ernüchterung. Wohl wurden 116 Gruben aufgenommen, aber in den acht Jahren
1542 bis 1549 zahlte nur eine einzige Ausbeute, und zwar auch nur einmal
einen Thaler auf den Kux. Am Ende des Jahres 1577 waren nur noch 39
Gruben, von denen aber 37 Zubuße erforderten, im Betriebe, und 40 Häuser
standen unbewohnt und unverkäuflich; zu Anfang des dreißigjährigen
Krieges gingen die beiden letzten Gruben ein, und die Silberhütte ward
abgebrochen. Unsäglich war das Elend in der verarmten Stadt. Und doch war
ihr noch einmal eine Blütezeit beschieden: in den Jahren 1700 bis 1730
betrug die jährliche Ausbeute durchschnittlich 60000 Mark. Von da aber
ging's erst allmählich, dann immer rascher abwärts, zumal 1796 eine
Feuersbrunst 249 Wohnhäuser in Asche legte. Doch geht der Bergbau noch
heute auf der Grube Samson in vier Schächten mit Vorteil um, und trotz
deren bedeutender Teufe gibt es noch viel unverritztes Feld für die
Zukunft. Die Silberhütte, welche mit dem Bahnhofe 3-1/4 Kilometer von der
Stadt entfernt liegt, verarbeitet neben den bei Andreasberg gewonnenen
namentlich südamerikanische Kauferze. Nicht unbedeutenden Erwerb gewährt
den Andreasbergern die Kanarienvogelzucht, mehr Geld aber noch bringen
ihnen die Sommerfremden, deren Zahl etwa 5000 jährlich beträgt. Den
schönsten Blick auf die Stadt hat man von der Jordanshöhe. Sankt
Andreasberg hat 3800 Einwohner.

Die starke Gliederung der Andreasberger Berglandschaft ist gleichsam ein
Verdienst der Sieber mit ihren Zuflüssen und des Flußsystems der Oder:
durch die Furchen, die sie in das Gelände, dieses in Einzelberge
auflösend, gezogen, haben sie die große Mannigfaltigkeit geschaffen, die
wir bewundernd betrachten.

Die Oder hat ihre Quellen bereits auf dem Brockenfelde. Nachdem sie ihre
Wasser im Oderteiche gesammelt und den größten Teil derselben der Stadt
Andreasberg zugesandt hat, um ihn später durch die Sperrlutter
zurückzuhalten, rauscht sie zwischen dem Rehberge (894 Meter) und dem
Königsberge in starkem Gefälle, bis zur Forstkolonie Oderhaus das
unbekannteste der prächtigen Harzthäler bildend, gen Süden, geht unter
dem Jagdkopfe in südwestliche Richtung über und verstärkt sich bei
Lauterberg (d. i. Lutterberg) durch die Lutter (Abb. 39 u. 40).

[Sidenote: Lauterberg. Burg Scharzfels.]

Die Burg, unter deren Schutze der gleichnamige Flecken sich bildete,
stand auf dem 421 Meter hohen Hausberge, einem schön geformten, mit
Buchen bewaldeten Kegel. Zuerst im Jahre 1190 erwähnt, gehörte sie einem
Zweige der Grafen von Scharzfeld, den Grafen von Lutterberg, als
welfisches Lehen. Der Ort verdankte sein rasches Wachstum dem regen
Bergbau, und als dieser erlosch, übernahm 1839 die Kaltwasserheilanstalt
des Dr. Ritscher, dem ein Denkmal auf dem Scholm errichtet ist,
nachhaltiger die Entwickelung des jetzt 5300 Einwohner zählenden
Fleckens; aus den 170 Kurgästen des ersten Jahres sind inzwischen 5000
geworden.

[Illustration: Abb. 76. =Hexentanzplatz, vom Hirschgrund gesehen.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Aber die Umgebung Lauterbergs, das nicht wie Herzberg, Osterode und
Seesen am Harzrande liegt, sondern sich so in das Oderthal hineinpreßt,
daß es auf drei Seiten hohe Berge hat, ist auch wunderschön. Alle diese
Höhen, der Hausberg, der Kummel (601 Meter), der Scholm (572 Meter)
bieten prächtige Aussicht, hier ein weithin Berg und Land umfassendes
Vollbild, dort gleichsam einen eingerahmten Ausschnitt aus dem großen
Gemälde. Über den idyllisch in Buchengrün und Wiesenflor gebetteten
Wiesenbeeker Teich (Abb. 41), der seine Wasser der Königshütte liefert,
und die Hohe Thür mit ihrem Durchblick auf die ruinenartige zackige
Felsgruppe des Römersteins, den Sagen von Riesen und Zwergen umspielen,
führt uns der Weg auf den Ravensberg; über den Hassenstein ersteigen wir
den Stöberhai, den höchsten Punkt der Wasserscheide zwischen Weser und
Elbe, mit seinem bezaubernd schönen Blick über die Tiefe des Oderthales
hinaus auf die Riesen des hohen Harzes, den Acker und Rehberg, den
Wurmberg und die Achtermannshöhe, denen der Brocken und die Hohneklippen
über die Schulter sehen; und auch der Große Knollen liegt für den
rüstigen Wanderer nicht zu fern.

Auf dem schattigen Philosophenwege wandern wir nun, der rauschenden Oder
folgend, dem Dorfe Scharzfeld zu, das mit einer Felsenburg, einer
Tropfsteinhöhle und einer Felsenkirche dreifach anzieht.

[Sidenote: Burg Scharzfels.]

Die Burg Scharzfels (Abb. 42), eigentlich Scharzfeld, zu der wir 120
Meter hoch durch Buchenhochwald hinaufsteigen, wird zuerst 1130 genannt.
1157 gab Friedrich Rotbart sie Heinrich dem Löwen gegen das Schloß Baden
in Tausch, und die Grafen von Scharzfeld wurden damit Lehnsmannen des
Welfen. Nach ihrem Erlöschen traten die Grafen von Hohnstein an ihre
Stelle; und nach dem Tode des letzten dieses Geschlechts fiel 1590 die
Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg, in der die Bergstadt Andreasberg
entstanden war, an die Welfen, und zwar zunächst an die Herzöge von
Grubenhagen, zurück.

[Illustration: Abb. 77. =Rathaus in Quedlinburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Bei der Erbauung der Burg ist der natürliche Felsen benutzt. Besonders
stark war die Hochburg, die man nur durch einen rundbogig ausgehauenen
Felsengang, zu dem man auf einer hohen Steintreppe gelangt, betreten
kann. Von den Gebäuden auf dem Felsenkamme haben sich nur unbedeutende
Mauerreste erhalten: die Burg ist 1756 in rühmlichem Kampfe zu Grunde
gegangen; 10 Tage verteidigte sich die schwache Besatzung von noch nicht
400 Mann gegen ein Franzosenheer von 6000 Mann, das 562 Bomben und andre
Geschosse hineinwarf; da war die zerschossene Burg nicht mehr zu halten,
die freiwilligen Harzschützen schlugen sich in die Wälder, und die
zurückbleibenden Invaliden kapitulierten mit Ehren. Welch ein Erfolg!
Ganz Paris illuminierte und sang unter Freudenschüssen ein Tedeum. Und
eiligst steckte der Sieger, der General Vaubecourt, den wir von Klausthal
her schon kennen, die Gebäude in Brand, ließ die Mauern von Lauterberger
Bergleuten sprengen, und machte sich dann, auf die Sprengung der Felsen
verzichtend, aus dem Staube, denn die Hannoveraner unter dem Herzog
Ferdinand waren im Anmarsch.

[Illustration: Abb. 78. =Quedlinburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Ein kurzer Gang durch den herrlichen Buchenwald, der hier die Höhen
schmückt, führt uns nach der Einhornhöhle. Viel früher bekannt, als die
größeren und durch schönere Tropfsteingebilde ausgezeichneten Höhlen bei
Rübeland, hatte sie hohen Ruf als die Fundstätte eines wertvollen und
fast unfehlbar wirkenden Heilmittels, des »Einhorns« d. i. der verkalkten
Knochen vorweltlicher Tiere. Heute haben diese Knochen als die
Schriftzeichen der fernsten Zeit einen ungleich höheren Wert, sie
erzählen uns, daß die weiten Hallen dieser Höhle einst von
Gletscherbächen durchspült wurden, denn die Knochen sind durch Rollung im
Wasser gleich den Flußkieseln gerundet, daß aber die vor der jüngeren
Eiszeit trockene Höhle von Menschenfressern bewohnt war, denn die
Markknochen, darunter auch die von Menschen, sind zerschlagen.

[Illustration: Abb. 79. =Altertümer in der Quedlinburger Schloßkirche.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Wenn wir unsere Wanderung durch den lauschigen, schattigen Wald ein
Stündchen fortsetzen, stehen wir plötzlich unter dem Gipfel eines Berges,
der mit wunderbaren Felsgebilden bedeckt ist, die an die Teufelsmauer
oder die Bodensteiner Klippen erinnern, vor dem Eingange zur Steinkirche,
einer natürlichen Höhle, deren Einrichtung als Kirche von der Sage dem
heiligen Bonifatius zugeschrieben, von den Bauverständigen in dessen
Zeit, in das achte Jahrhundert (spätestens in das neunte) gesetzt wird:
der Steinaltar, die Kanzel, die Nischen für den Weihwasserkessel und ein
Heiligenbild, die Balkenlöcher für das Schiff der Kirche sprechen
deutlich für die Benutzung der Steinkirche als des Chores eines uralten
Gotteshauses.

Von Scharzfeld wendet sich die Oder auf Pöhlde, die Klosterstiftung der
edlen Königin Mathilde, bespült die vorgeschichtlichen Wallburgen des
Rotenbergs und gibt ihre durch die Sieber verstärkten Wasser bei
Catlenburg an die Ruhme ab, deren Quelle, die mächtigste in Deutschland,
südlich von Pöhlde hervorbricht.

Die Sieber, diese Schwester der Oder, entspringt am Ostabhange des
Bruchberges, verstärkt sich kräftig aus den Mooren des Rotenbruchs und
hüpft und sprudelt zwischen dem Bruchberge und dem Sonnenberge in einem
tief eingerissenen Thale, das trotz seiner malerischen Schönheit von den
Touristen erst kaum entdeckt ist, an dem gleichsam aus den Alpen hierher
versetzten Dörfchen Sieber vorüber, dem 250 Meter hoch gelegenen Flecken
Herzberg zu, dessen hochragendes, weithin schimmerndes Schloß uns zu
einem Besuche einladet.

[Sidenote: Herzberg.]

Wie Scharzfeld und Pöhlde war Herzberg (Abb. 43), das von Kaiser Lothar
erbaut sein soll, ursprünglich Reichsgut und gelangte erst 1157 durch
Tausch in den Besitz der Welfen. Nachdem es schon der Kaiserin Maria und
mehreren Herzoginnen von Braunschweig als Witwensitz gedient hatte, nahm
es Heinrich der Wunderliche (_mirabilis_), der Stifter der Linie
Grubenhagen, zur Residenz, und solche ist es bis zum Erlöschen
derselben im Jahre 1596 geblieben; und als 1617 infolge einer
reichskammergerichtlichen Entscheidung das von Wolfenbüttel okkupierte
Fürstentum der Celleschen Linie als der nächstberechtigten zugesprochen
war, nahm hier Herzog Georg, der allein von den sieben Brüdern des Hauses
Celle sich standesgemäß vermählen durfte, seine Residenz; unter den acht
Kindern, die ihm hier geboren wurden, ist Ernst August, der erste
Kurfürst von Hannover und Vater Georgs I., des ersten Königs von England
aus dem Hause Hannover. Von der alten Burg sind nur noch die Keller
vorhanden; der größte Teil des jetzigen Schlosses ist nach einem
schrecklichen Brande im Jahre 1510, der alle Urkunden und Lehnbücher
vernichtete und dem Herzog Philipp und seiner Gemahlin kaum die
Möglichkeit ließ, unangekleidet durch einen Sprung aus dem Fenster das
Leben zu retten, neu aufgeführt; der Graue Flügel stammt aber erst aus
dem Jahre 1861.

Das auf der südlichsten, mit seinem Abfall dem Harz zugekehrten Kuppe des
Osteroder Gipszuges malerisch gelegene Schloß wirkt bei seiner einfachen
Architektur besonders durch seine große Ausdehnung.




                                  XII.

                    Der Brocken und das Brockenfeld.


[Sidenote: Das Brockenfeld.]

Nördlich vom Andreasberger Dreieck und östlich von der Klausthaler
Hochebene erstreckt sich stundenweit die eigenartigste Hochebene des
Harzes, wie sie mit denselben Charakterzügen sich schwerlich zum
zweitenmal in deutschen Gebirgen findet, das Brockenfeld. Im Westen von
dem 926 Meter hohen Bruchberge und den sanfteren Erhebungen des
Sonnenberges (842 Meter) und des Rehberges (894 Meter), im Süden von dem
Rücken der Achtermannshöhe, dessen Hornfelskegel (926 Meter) die Alten
für einen Vulkan hielten, und dem bis zu 968 Meter aufsteigenden
Wurmberge begrenzt, reicht sie im Osten bis an den Brocken und seine
rechte Schulter, den durch die hochragenden Hirschhörner gezeichneten
Königsberg. Im Norden stellen die Lärchenköpfe und der Quitschenberg eine
schwache Verbindung zwischen dem Bruchberge und dem Brocken her, doch
rechnen wir auch das nördlich dieser gleichsam nur angedeuteten
Begrenzung belegene, von Ecker und Radau durchschnittene Stück, das man
als ein durch den Einschnitt des Okerthales abgetrenntes Glied der
Klausthaler Hochebene ansehen könnte, um der gleichartigen Natur willen
zum Brockenfelde.

[Illustration: Abb. 80. =Klopstock-Denkmal in Quedlinburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Im Mittel 810 Meter hoch, erhebt sich diese höchste Ebene unseres
Gebirges in ihrer Mitte in den »Oberen Schwarzen Tannen« nur zu 877
Meter. Diese fast völlige Einebnung ist durch die Torfmoore erfolgt, sie
haben alle Vertiefungen und Einschnitte des Untergrundes allmählich
ausgefüllt. In vorgeschichtlicher Zeit war diese Wüstenei ebenso
bewaldet, wie die Harzberge von gleicher Höhenlage. Die starken
Fichtenstämme, die kräftigen Kiefern, die weißleuchtenden Birken (_Betula
alba_), die Haselnußstaude, die man in den unteren Torfschichten findet,
liegen sämtlich mit der Spitze nach Südwest, als hätte ein Nordoststurm
den Wald niedergeworfen. Aber die Moorbildung läßt doch nur den Schluß
zu, daß diese Niederlegung des Waldes auf Eruptionen des Brockengranits
zurückzuführen ist, durch die zugleich Senkungen in der Oberfläche
hervorgerufen wurden, in denen sich Hochmoore bilden konnten. Und die
Scheereritkrystalle, die sich zwischen Rinde und Holz der in der Tiefe
von dreiundeinhalb Meter liegenden wie frisch erscheinenden 60 Centimeter
starken Kiefernstämme[1] gebildet haben, weisen jenes Ereignis in sehr
frühe, wohl in die vorgeschichtliche Zeit.

  [1] Die Ansicht einiger, daß Fichte und Kiefer erst in geschichtlicher
      Zeit (aus dem Vogtlande, sagt Hampe noch dazu) in den Harz
      eingeführt seien, ist grundfalsch.

Die kleine verkrüppelte Birke, welche auf dem Brockenfelde und in den
andern Hochmooren des Oberharzes an die Stelle des Hochwaldes getreten
ist, ist die grauborkige _Betula pubescens_, doch findet sich auch,
namentlich auf dem Lärchenfelde beim Torfhause in großer Ausdehnung, die
eigentliche Zwergbirke (_Betula nana_). Von den Weidenarten sind
besonders _Salix aurita_ und _repens_ sowie die Bastardform _S.
repenti-aurita_ vertreten. Unter den Moosen überwiegt die Gattung
_Sphagnum_ in zehn Arten. Wegen ihrer holzigen Stengel und dichten
Blätter ist die sehr häufig vorkommende Gattung _Polytrichum_, in
geringerem Grade auch _Bryum_, _Hypnum_ und _Orthotrichum_ an der
Torfbildung beteiligt. Von den Heidekräutern finden sich die Besenheide
(_Calluna vulgaris_) und fleischfarbene Glockenheide (_Erica carnea_),
nicht aber die Sumpfheide (_Erica tretalix_). Auch die Heidel- und die
Kronsbeere, die Rauschbeere (_Vaccinium uliginosum_) und die Moosbeere
(_Oxycoccos palustris_) gehören dem Torfgrunde an; und überall finden
sich Simse und Sonnentau, Rispen- und Wollgräser, Seggen und Binsen,
Knaben- und Habichtskräuter und an weniger feuchten Stellen auch der
Bärlapp in sechs Arten, Labkraut und andre Harzpflanzen.

Der Torfstich hat in diesen Hochmooren trotz wiederholter Versuche
aufgegeben werden müssen, da in der feuchten Luft der Torf nur selten
trocken wird. Doch verdanken wir jenem die Kolonie »Torfhaus«, die
größere der beiden Oasen des Brockenfeldes.

Den Gletschern der Alpen gleich, die zahlreichen Bächen und Flüssen das
Leben geben und diese unausgesetzt mit ihrem Abfluß speisen, sind die
Torfmoore des hohen Harzes die unerschöpflichen Wasserreservoire, aus
denen seine Flüsse sich unaufhörlich versorgen, aus denen selbst Quellen,
die erst am Fuße des Gebirges zu Tage treten, auf dem reinigenden Wege
durch die Gesteinsklüfte ihr Wasser erhalten. Und auch die
Wasserleitungen, die den Gruben und Hütten das Betriebswasser zuführen,
schöpfen aus diesem unversieglichen Quell, ohne den sich niemals der
großartige Betrieb bei Andreasberg und Klausthal hätte entwickeln können.

Und welche wunderbare Wirkung übt das Brockenfeld mit seiner hehren
Stille, mit seiner allgewaltigen Einsamkeit auf Herz und Gemüt! Diese
finsteren, warnend abwehrenden Moore bilden mit den flechtenbehangenen,
spärlich genährten Fichten und Birken, die sich in Streifen
hindurchziehen oder in losen Gruppen darüber verstreut sind, mit den vom
Beerengestrüpp überwucherten mächtigen Granitklippen, die hier in den
Breitensteinen riesigen Opferaltären vergleichbar emporragen, dort als
Magdbett und Hopfensäcke von mählich verklingenden Sagen leise umweht
werden, mit dem in Vergessenheit versunkenen Kaiserwege, auf dem einst
schon der »Heiden« Fuß wanderte, mit der das Feld beherrschenden
Achtermannshöhe und den andern so ausdrucksvollen Bergkuppen ringsherum
einen vollen und reinen Akkord, durch den der Wahlspruch der
Benediktiner: _Solitudo sola beatitudo_ gleichsam sehnsuchtsvoll und doch
erquicklich als Grundton hindurchklingt und in deinem Gemüt wie einst in
dem unsers Dichterfürsten Goethe die Saiten mitklingend in Schwingungen
setzt.

[Sidenote: Der Brocken.]

Der 1142 Meter hohe Brocken, der zweite Berg Preußens, überragt das
Brockenfeld nur um etwa 370 Meter und imponiert von hier aus nur durch
seine massige Form. Dagegen schiebt er im Nordosten seinen Fuß bis an
den Rand des Gebirges vor, um 900 Meter hoch aus der Ebene von
Wernigerode und Ilsenburg aufzusteigen, und gewährt von dieser Seite
einen imposanten Anblick.

[Illustration: Abb. 81. =Ritter-Denkmal in Quedlinburg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Sein Fuß steht in der Region des Nadelwaldes. Es sind dunkle, hohe
Fichten, zwischen denen wir hinansteigen. Aber bald wird der Wald
lichter, Granitbrocken und Scherben bedecken den Boden, Himbeer- und
Brombeerstrauch erklettern die mit Flechten überzogenen Trümmer; hier
hält eine Fichte einen Granitblock, ihre Wurzeln immer tiefer in seine
engen Spalten treibend, fest umklammert, dort breiten Heidelbeere und
Heidekraut über den mit Erde gemischten »Hexensand«, einer Anemone oder
einem Habichtskraut Schutz gewährend, ihr dunkelglänzendes Gewand. Doch
auch anspruchslose Gräser finden ihre spärliche Nahrung auf geeigneten
Fleckchen. So ist dieser Brockengürtel, der im Norden und Nordosten fast
die Form der Hochebene annimmt, zugleich die Region der Viehhöfe.

Bei weiterem Ansteigen gelangen wir in die Region der Brüche und Moore,
zu denen außer dem Brockenfelde das Jakobs-, das Landmannshohne- und das
Hannekenbruch gehören. Nur einige Forsthäuser liegen in dieser Einöde.

Und nun noch ein kräftiges Ansteigen durch wirre Klippenfelder, die
wunderlich gestaltete Fichten tragen, wie sie sich eignen würden für die
Faust des Wilden Mannes auf unseren Münzen; das Wurzelwerk oft hochhin
freistehend oder eingekeilt von Felsengebröckel, der Stamm knorrig und
wetterhart, in dichte Moosdecke wie in wärmenden Pelz gehüllt, der Gipfel
fast immer gebrochen oder in Knickung seitwärts gelenkt, die zerzausten
Zweige fest anliegend, dicht mit weißgrauer Flechte bedeckt und hie und
da mit langen Zotten der Bartflechte behangen; und unter jedem Steine
fast und jedem Baume flüstert geschwätzig und surrt und brodelt das
quellende Wasser. Doch schon befinden wir uns auf dem abgerundeten Gipfel
des Brockens (Abb. 44). Schneidend fegt der Wind über die baumlose Kuppe,
Wolken umtanzen gespensterhaft die Granitkolosse, für die man die Namen
Teufelskanzel, Hexenaltar, Hexenwaschbecken erfunden hat, und plötzlich
umfängt uns beängstigend der dichte Nebel. Beschleunigten Schrittes eilen
wir dem gastlichen Brockenhause zu. Welche Enttäuschung! Vielleicht
werden wir -- wie sogar der Oberlehnsherr des Brockens König Friedrich
Wilhelm III. mit seiner Gemahlin am 31. Mai 1805 -- den Rückweg antreten
müssen, »ohne etwas gesehen zu haben«.

[Illustration: Abb. 82. =Suderode.=

(Nach einer Photographie von Römmler & Jonas in Dresden.)]

Doch ruhig nur! uns ist der Vater Brocken hold. Sieh, da kommt ein Riß in
die Wolken, und durch den Spalt erblicken wir wie durch eine Waldschneise
sonnbeschienen, hellstrahlend das herrliche Fürstenschloß Wernigerode und
darüber in dem hellen Streifen Türme und Dörfer bis in die weite Ferne.
Da saust eine neue Wolke herein, und das Bild ist verschwunden. Aber wie
durch Zauberkunst thut bald hier bald da ein andrer Wolkenspalt sich auf,
jetzt über das Brockenfeld hinaus bis nach Klausthal, jetzt gar bis nach
dem Possenturm bei Sondershausen, dem Gothaer Schlosse und dem
Inselsberge.

Und nun legt sich der Wind, und die Sonne beginnt den Kampf mit den
Wolken und erringt den Sieg: schon ist der Brockengipfel frei, und rings
an der Kuppe sinkt der Nebel tiefer und tiefer. Wir stehen auf einer
hellbeleuchteten Insel im weiten, wallenden Wolkenmeere, jetzt tauchen
auch Königsberg und Heinrichshöhe auf und verbinden sich mit dem Brocken.
Wurmberg, Acker, Kahlenberg und andre Inseln erscheinen, die Buchten
werden kleiner, die Halbinseln wachsen, der ganze Oberharz wird zum
Festlande. Mählich tritt dann der Nebel auch im Südosten zurück, der
Unterharz taucht auf, und nun liegt das ganze Gebirge so klar, so
wunderschön vom weißen Meere unabsehbar umflutet und umspült, -- ein
entzückendes Schauspiel. »Heiterer, herrlicher Anblick!« jubelt unser
Goethe, »die ganze Welt in Wolken und Nebel, und oben alles heiter!«

Auch das Relief des Brockengebirges, das man vom 18 Meter hohen Turm
gewinnt, ist unter allen Umständen interessant. Die Brockengruppe im
engeren Sinne, von der Kalten Bode, der Ecker und der Ilse begrenzt,
umfaßt außer dem Brocken die 1045 Meter hohe Heinrichshöhe und den 1030
Meter hohen Königsberg, seine beiden »Schultern«. Im weiteren Sinne
gehören zum Brockengebirge namentlich noch: im Norden der Pesekenkopf
(645 Meter), der Scharfenstein (696 Meter), der Meinekenberg und der
Sandthalskopf; im Osten der Gebbersberg (685 Meter), der Renneckenberg
mit den wilden Zeterklippen (929 Meter) und den nicht weniger wilden
Hohneklippen (902 Meter), der Erdbeerkopf (857 Meter) und der Arensklint;
im Süden der Barenberg mit den Schnarcherfelsen, der große und kleine
Winterberg (902 und 837 Meter) und der Wurmberg (968 Meter).

[Illustration: Abb. 83. =Gernrode.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Bei völlig klarem Himmel, wie ihn wohl ein heller Wintertag oder ein
Sommertag, dem eine recht warme Nacht vorangegangen ist, bieten kann,
umfaßt der Gesichtskreis mehr als den 200. Teil von Europa, und zwischen
den 250 Kilometer voneinander entfernten äußersten Punkten -- wie dem
Rhöngebirge und dem Hagelsberge bei Brandenburg, oder dem Kolm bei
Oschatz und der Westfälischen Pforte -- kann man nach des Brockenwirts
Nehse Verzeichnis 89 Städte und 668 Dörfer erkennen. »Ja, man könnte das
Meer sehen, wenn es möglich wäre,« sagt treuherzig der alte Happel. Wir
aber begnügen uns, in der endlosen, einförmigen Ebene, in der Hügel und
Berge wie Maulwurfshaufen untergehen, die Türme von Hannover und
Braunschweig, von Leipzig und Halle, von Magdeburg und Stendal und
einigen andern Städten, das Schloß zu Gotha und die Wartburg, den
Petersberg und die Gleichen, den Herkules auf der Wilhelmshöhe und den
Klüt bei Hameln zu erkennen und richten von den in der Ferne mit etwas
auffälligeren Strichen eingetragenen Bergketten des Meißner, des
Westerwaldes, des Rothaargebirges, des Vogelsberges, der Rhön, des
Thüringerwaldes und des Süntels, um dem Auge abschließend einen
sammelnden Ruhepunkt zu bieten, noch einmal auf das Brockenfeld und die
Außenkuppen und Thäler des Brockengebirges.

Dieser tadellose Rundblick bei völlig wolkenfreiem Himmel ist keineswegs
das Schönste, was der Brocken bietet, aber zu verachten ist er doch auch
nicht. Was hat man »an diesen langen charakterlosen Horizontallinien, die
dick aufeinander liegen, ohne Anfang und Ende? Da ist gar nichts, was
sich hebt und die Aufmerksamkeit zusammenhält und leitet, kein Vorgrund,
kein Mittelgrund, kein Gedanke von Einheit des Ganzen. Die Kirchtürme
sind angeklebt an die Wiesen wie behauene Balken, und das Licht schiebt
sich dick und gleichförmig über das alles weg.« So sagt Leopold von Buch,
der berühmte Geologe, in seinem launigen Vortrage vom Brocken freilich,
aber wenn er abschließend fortfährt: »Nicht die Schönheit, nicht die
Ferne der Gegenstände« ist es, was uns auf dem Brockengipfel so mächtig
bewegt, »sondern die Wirklichkeit, die Wahrheit und das aus ihr
hervortretende lebendige Gefühl der Freiheit«, so müssen wir ihm
zustimmen.

Von überwältigendem Eindruck kann ein Besuch des Brockens im Winter
werden, wenn der sich in Rauhreif umsetzende Nebel nicht nur jede
einzelne Tannennadel gleichsam überzuckert hat und die teilweise
ineinander geflossenen, in der Sonne glitzernden und blitzenden Krystalle
und Eisdiamanten die Form des Baumes überwältigen, so daß die
wunderbarsten Gestalten, die Märchen und Phantasie ersinnen können,
manche fast gespensterhaft und beängstigend, uns rechts und links
erwarten und einander ablösend begleiten. Aber auch schon die bloße
Schneedecke hebt das Bild, das der Brocken uns bietet, gar wirkungsvoll.
Und wer ein Gewitter dort oben erlebt -- vom Brockengespenst gar nicht zu
reden -- dem wird der Tag für immer unvergeßlich sein.

[Illustration: Abb. 84. =Inneres der Cyriakikirche zu Gernrode.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Wenn sich außer den nach Schätzen suchenden Venedigern auch einzelne
kühne Jäger und andere ortskundige Waldleute schon verhältnismäßig früh
ausnahmsweise auf den »Brakenberg« hinaufgearbeitet haben mögen -- eine
dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts angehörende Hand berichtet in einem
Zusatz zu der Abhandlung »von der Herkunft der Sachsen« von einem Quell
auf seinem höchsten Gipfel -- so ist doch der berühmte Arzt und Botaniker
Johann Thal ([gestorben] 1583) der erste dem Namen nach bekannte
Brockenbesucher, und erst im achtzehnten Jahrhundert wurden die
Brockenfahrten häufiger. 1736 ward deshalb auf dem Gipfel das
Wolkenhäuschen, 1743 auf der Heinrichshöhe zunächst für Torfstecher, und
1800 auf dem Brocken selbst ein Gasthaus und 1835 der erste Turm erbaut.
Die Zahl der Besucher stieg von 138 im Jahre 1753, 292 im Jahre 1778 auf
etwa 30000 im Jahre 1896: seitdem aber führt das Dampfroß (Abb. 45) im
Sommer ungezählte Scharen hinauf, und die Verallgemeinerung des selbst im
Oberharze noch vor wenigen Jahrzehnten unbekannten Schneeschuhsports
(Abb. 46) macht den Brocken auch im Winter zugänglicher und seine
Besteigung weniger gefährlich.

Vom Thüringer Wendelin Helbach, Thals Zeitgenossen, an hat manch Dichter
den Brocken besungen, aber ein Denkmal für alle Zeiten hat ihm, und zwar
ihm allein unter allen deutschen Bergen, Goethes gewaltige, Natur und
Sage zur Einheit verschmelzende Dichtung im »Faust« gesetzt.

[Illustration: Abb. 85. =Alexisbad.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]




                                  XIII.

                         Radau, Ecker und Ilse.


Das Brockenfeld entsendet nach Norden zwei jugendlich übermütige
Flüßchen, die Radau und die Ecker.

Die Stelle, wo die Radau nach kurzem Laufe aus dem Gebirge tritt, ist die
schönste im Westharze. Steil fallen die hohen und mannigfaltig geformten,
mit freundlichem Buchenwald bewachsenen Berge zu der jungen Stadt
Harzburg ab (Abb. 47), die sich mit ihren großartigen Gasthöfen (Abb. 48)
und glänzenden Villen dazwischen und davor lagert, und bieten mit dieser
vor allem dem Wanderer, der vom Ahrendsberger Forsthause oder auch vom
Torfhause über den »Dreckpfuhl« kommt, ein überraschend prächtiges Bild.
Und ein Gang durch dies vornehmste unserer Bäder über die der
Gesellschaft zum Sammelpunkt dienenden »Eichen« an der plätschernden
Radau und weiter an den großen Gabbrobrüchen hinauf bis zu den
Radaufällen (Abb. 49) und zurück über das Molkenhaus gehört zu den
lohnendsten und lieblichsten Partien unseres Gebirges.

[Sidenote: Der Burgberg.]

Der Burgberg, der zweimal eine Kaiserburg trug, ist mit seinen 482 Metern
nicht der höchste und weitschauendste, aber durch seine hart
vorspringende Lage und seinen finstern Tannenwald der bedeutendste und
wirksamste. Trotz seiner Steilheit ist er auf wohlgepflegten Fußwegen
bequem zu ersteigen.

Die erste, von Heinrich IV. erbaute Burg ward im März 1074 von dem durch
die aufständischen Sachsenfürsten aufgestachelten Pöbel schmählich
zerstört. Die zweite, zum Schutz der Reichsstadt Goslar gehörend, erstand
i. J. 1180 auf Befehl Barbarossas, der den Oberbefehl über die
hineingelegten Reichsdienstmannen den Grafen von Woldenberg übertrug. Am
18. August 1218 endete hier beim Grafen Heinrich I. der Welfe Otto IV.
sein Leben.

Im Jahre 1269 von den Grafen von Woldenberg an die Grafen von Wernigerode
verpfändet, ward diesen die Burg hundert Jahre später von dem Herzog von
Braunschweig in einer Fehde abgenommen. Im Anfange des fünfzehnten
Jahrhunderts machten von hier aus die Herren von Schwiecheldt, die als
Amtleute und Pfandinhaber auf der durch ihre Lage überaus festen Burg
hausten, weit und breit die Lande durch ihre Räubereien unsicher, und
erst den Bombarden der verbündeten Fürsten, Bischöfe, Grafen und Städte
gelang es 1415, ihre Mauern zu brechen (Abb. 50). Im dreißigjährigen
Kriege in den Händen der Dänen, war sie ein Stützpunkt der Harzschützen.
Aber 1650 wurden ihre 500jährigen Mauern auf Befehl des Herzogs in das
Thal gestürzt und die Burg als Steinbruch benutzt. Nur geringe Mauerreste
und der 57 Meter tiefe Brunnen sind von dieser berühmtesten aller
Harzburgen auf unsere Tage gekommen. Aber Tausende von Fremden führt
alljährlich die Erinnerung an die Geschichte dieser Stätte, auf der 1877
auch die »Canossasäule« errichtet ist, mehr noch der, wenn auch
beschränkte, doch hübsche Blick in das tiefe, schmucke Radauthal und über
die zu den Füßen liegende Stadt hinaus auf Braunschweig und Wolfenbüttel
mit dem Fallstein, dem Elm und der Asse im Hintergrunde auf die
tannenumrauschte Höhe.

Nachdem die Radau noch Vienenburg bespült hat, dessen Domanialgebäude mit
den Umfassungen auf den Mauern der alten Burg ruhen, gibt sie am Fuße des
Harlyberges Namen und Wasser an die Oker ab.

Die Ecker hat ihre Quelle unter den Hirschhörnern unfern des zum
Königsberge führenden schönen Goethe-Weges, in unmittelbarer
Nachbarschaft des Bodesprunges. Ihr Thal wird von dem von Harzburg auf
den Brocken führenden Fußwege bei der Dreiherrenbrücke (dem früheren
Grenzpunkte zwischen Hannover, Braunschweig und Wernigerode) und von den
von Harzburg nach Ilsenburg über die Rabenklippen (Abb. 51) und durch den
Schimmerwald führenden schönen Wegen oberhalb des Eckerkruges, der den
Austritt der Ecker aus dem Gebirge bezeichnet, gekreuzt; doch auch eine
Wanderung durch den ernsten, düsteren Fichtenwald den rauschenden,
felsigen Bach entlang, hat in der erquickenden friedlichen Einsamkeit
ihre Reize. An den Ruinen der Stapelnburg vorüber, auf der Graf Gerhard,
mit dem 1383 das einst so berühmte Geschlecht der Woldenberger erlosch,
seine letzten Jahre verlebte, wendet sich die Ecker der Oker zu.

[Sidenote: Das Ilsethal.]

Das eigentliche, echte Brockenkind ist die Ilse. Sie entspringt an der
Heinrichshöhe und sammelt, rechts vom Renneckenberg begleitet, alle dem
Brocken nordöstlich abströmenden Bächlein und Rinnsale. Wo sie in den
Stromschnellen der Ilsefälle fröhlich und geschwätzig über die
Felsgebilde tänzelt, wendet sie sich nordöstlich, durchbricht das
großartige Felsenthor, das die Granitpfeiler des 460 Meter hohen, 150
Meter das Thal überragenden Ilsesteins und des gewaltigen Westerberges
bilden, und eilt, immer noch mutwillig, aber etwas ruhiger, dem sich an
den Gebirgsrand drängenden Flecken Ilsenburg zu.

Das Ilsethal ist wohl das anmutigste und lieblichste im ganzen Harze.
Eine Wanderung von den »Roten Forellen« an der klaren Ilse hinauf, deren
silberne Wellen kühlend uns entgegenrauschen, bis zu den Ilsefällen (Abb.
52), wo die Wasser, in denen die wunderschöne, alle Guten beglückende
Prinzessin sich badet, sich bald zu einem breiten, glänzenden Spiegel
ausbreiten, bald in zahllose Bänder aufgelöst, kraus die Felsen
umschlingen, bald wild aufschäumend und zischend sich zwischen
einengenden Felsen hindurchdrängen oder aus Steinspalten neckisch
hervorsprudeln, gehört, wenn die Touristenschwärme nicht allzu sehr
stören, zu den höchsten und nachhaltig wirkenden Genüssen im Harze. Auch
den Ilsestein mit seinem Kreuze, dem vom Grafen Anton den im
Befreiungskriege Gefallenen errichteten Denkmal, besteigen wir, so
befriedigend auch die Aussicht in die liebliche Landschaft ist, vor allem
doch nur, um auch von hier aus das unvergleichlich reizvolle Thal zu
genießen. Vielleicht setzen wir aber unsern Spaziergang noch um ein
Kleines fort, um unter den schattigen Eichen der 530 Meter hoch gelegenen
Plessenburg ein Viertelstündchen zu rasten und uns dabei des vom
Förstertöchterchen verschmähten Ernst Schulze, des Dichters der
»Bezauberten Rose« und der »Cäcilie«, zu erinnern.

[Sidenote: Ilsenburg.]

Im Flecken Ilsenburg (Abb. 53), der sich in das stimmungsvolle Bild des
Thales harmonisch einordnet, zieht uns von allem das fürstliche Schloß
an, das außer einem Neubau auch die stilvoll restaurierten Überreste der
romanischen Klosterbauten umfaßt. Ursprünglich ein königliches Besitztum,
wurde die Elysinaburg unter der Gunst der Kaiser Otto II. und Heinrich
II. vom Halberstädter Bischof Arnulf in ein Kloster umgewandelt, das
schon unter dem Abte Herrand, dem Neffen des Bischofs Burchard zu hoher
Blüte gelangte, später aber unter Kriegen und Fehden schwer zu leiden
hatte. Am 1. Mai 1525 von den Bauern erstürmt, wurde es von seinem
erlauchten Schirmherrn nach Annahme der Reformation in eine Schule
umgewandelt, die erst unter den Schrecken des dreißigjährigen Krieges zu
Grunde ging. Eine neue, bessere Zeit hatte sich aber bereits dadurch
vorbereitet, daß Graf Heinrich das Kloster 1609 zum Witwensitz für seine
Gemahlin ausbaute, und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts war es
sogar Residenz des regierenden Grafen.

[Illustration: Abb. 86. =Mägdesprung.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]




                                  XIV.

                              Die Holtemme.


Während die Ilse noch der Oker und damit der Weser zuströmt, gehört die
am Renneckenberge entspringende Holtemme bereits der Bode und also dem
Elbegebiete an. Fast so eilfertig wie die Ilse, hat sie nächst dieser (1
: 10-1/2) das stärkste Gefälle (1 : 18) von allen Harzgewässern. Durch
einen unter den wilden Hohneklippen, welche die Hochebene um 400 Meter
steil überragen, entspringenden Bach verstärkt, hat sie ihren Glanzpunkt
in der Steinernen Renne (Abb. 54): in einer engen, finstern Waldschlucht
stürzen ihre fast zu Schaum sich auflösenden Wasser in einer langen Reihe
von Kaskaden, die zur Zeit der Schneeschmelze oder nach einem kräftigen
Gewitterregen wohl an alpine Wasserstürze erinnern können, über die von
Granitblöcken gebildeten Terrassen wild in das Thal hinab.

[Sidenote: Wernigerode.]

Von rechts vereinigt sich mit dem Thal der Holtemme das Drängethal, in
welchem Chaussee und Eisenbahn von Wernigerode aus über »Drei
Annen-Hohne«, die Hochebene, Schierke und den Brocken erklettern. In dem
bei der Vereinigung sich weitenden und seine Schönheit einbüßenden Thale
erstreckt sich unendlich lang das Dorf Hasserode, ein Vorort
Wernigerodes, und im rechten Winkel dazu setzt sich östlich an die Stadt
der Flecken Nöschenrode, der sich fast in gleicher Länge im Zillier-
(oder Mühlen-) Thale hinaufzieht. Der Zillierbach hat seine Quellen
südlich von den Hohneklippen am Erdbeerkopfe und wird auf seinem linken
Ufer von nicht unbedeutenden Höhen, dem 535 Meter hohen Salz- und dem 518
Meter hohen Hilmarsberge, begleitet, sein Thal hat aber, im Gegensatz zum
Thal der Holtemme, unterharzischen Charakter.

[Illustration: Abb. 87. =Anhaltischer Thaler von 1861.=]

Auf mächtigem, waldigem Berge erhebt sich, 120 Meter über der Stadt,
inmitten herrlicher Gärten und Parkanlagen, mit stattlichen Türmen und
blinkenden Zinnen das fürstliche Schloß (Abb. 55), ein prachtvoller
Neubau, in den sich die benutzbaren Reste der alten Grafenburg harmonisch
einfügen. Entzückend schön ist dort oben der Blick über die reizvollen
Waldthäler, unter denen das Christianenthal (Abb. 56) mit seinen Teichen
und Wiesen, seinen Weiden und Riesenfichten sich durch Lieblichkeit
auszeichnet, in die tannengekrönten Harzberge bis hin zum alles
beherrschenden Brocken und über die stattliche Stadt zu Füßen hinweg in
die weite, lachende Ebene mit den dicht hingestreuten Ortschaften. Nimmt
es unter den Harzschlössern jetzt entschieden die erste Stelle ein, so
werden ihm überhaupt nur wenige Bergschlösser in Bau und Lage an
Schönheit gleichkommen.

Die erste Burg über dem von einem unbekannten Werniger angelegten Dorfe
erbaute zwischen 1117 und 1121 der Graf Adalbert von Haimar und schrieb
sich seitdem Graf von Wernigerode. Als dessen Nachkommen am 3. Juni 1429
mit dem Grafen Heinrich ausstarben, gingen die Besitzungen des
Geschlechts an die mit ihm erbverbrüderten Grafen zu Stolberg über. In
den nächsten Jahrhunderten war Wernigerode nicht die ständige Residenz
des regierenden Grafen, sondern meistens nur der Wohnsitz der jüngeren
Söhne und Brüder; doch feierte Graf Wolfgang, das Haupt der Familie, hier
im Juni 1541 seine Vermählung mit der Gräfin Dorothea von Blankenburg.
Erst Graf Christian Ernst, der 1712 nach dem Tode seines Oheims Ernst zur
Regierung kam, versetzte die Hofhaltung von Ilsenburg, das seit der
Erbteilung von 1645 Residenz geworden war, dauernd nach Wernigerode. Die
von seinen Brüdern begründeten Linien Gedern und Schwarza erloschen 1804
und 1748, so daß die reichen Besitzungen des durchlauchtigen Hauses
wieder sämtlich vereinigt sind.

Die Einwohnerzahl der Stadt hat sich von 4036 im Jahre 1813 auf 11600 im
Jahre 1900 gehoben. Damals durch ihre engen, schmutzigen Straßen mit
abscheulichem Pflaster bekannt, gehört »die Stadt vor dem Brocken« (Abb.
57) mit ihren ansehnlichen, schmucken Neubauten, ihren breiten,
wohlgepflegten Straßen, mit denen schöne Promenaden wetteifern, jetzt
entschieden zu den schönsten unserer Harzstädte. -- Von mittelalterlichen
Bauwerken hat sich außer dem stilgerechten Rathause (Abb. 58) von 1498
noch manches interessante Wohnhaus erhalten, von denen besonders das
Gadenstedtsche aus dem Jahre 1582, das Gotische und das Frankenfeldsche
der Besichtigung wert sind (Abb. 59). Von Wernigerode wendet sich die
Holtemme über Halberstadt der Bode zu.

[Sidenote: Halberstadt.]

Der berühmte Bischofssitz Halberstadt (Abb. 61) ist eine der ältesten
Städte in unsern Gegenden und trägt in seinen alten Straßen ein
ehrwürdiges, mittelalterliches Gepräge. Besonders interessant ist der in
der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts in Fachwerk erbaute
Ratskeller am Fischmarkte. Ihm gegenüber erhebt sich das altertümliche
Rathaus (Abb. 60), ein gotischer Steinbau aus der Zeit von 1360 bis 1381
mit späteren, jedoch die Wirkung des Bildes nicht störenden Anbauten. Den
Domplatz, an dem auch der Petershof, die frühere Residenz der
Fürstbischöfe, liegt, begrenzen zwei alte Gotteshäuser, die mit vier
Türmen gezierte romanische Liebfrauenkirche, deren älteste Teile fast bis
zum Jahre 1000 zurückreichen, und der majestätische Dom (Abb. 62), das
herrlichste, großartigste Gotteshaus der Harzlande: bald nach dem Jahre
1179, in dem Heinrich der Löwe die erste bischöfliche Kirche
niederbrannte, begonnen, konnte er erst 1491 geweiht werden, und die
Türme, an denen auch gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts gebaut
wurde, sind gar erst vor wenigen Jahrzehnten in Abschluß der 1847
angefangenen Restauration der Kirche in ihrer ganzen Höhe fertig
gestellt. Wie vor dem Rathause ein riesengroßer Roland, so befindet sich
vor dem Dome der Lügenstein, das Wahrzeichen der Stadt. Hinter dem
Domchor liegt das einfache Haus des »Vaters« Gleim, der hier von 1747 bis
1803 als Domsekretär lebte. In seinem »Freundschaftstempel« umschließt es
mehr als hundert Bildnisse von Dichtern und Schriftstellern, Fürsten und
Helden, einst fast alles Gäste dieses Hauses, sowie ihren Briefwechsel
mit Gleim und eine wertvolle Bibliothek.

[Illustration: Abb. 88. =Schloß Falkenstein.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Im Süden wird Halberstadt fast von dem Goldbache berührt, der sich bei
Wegeleben in die Bode ergießt. Von diesem Bache erstrecken sich drei
parallele Hügelketten von Nordwest nach Südost bis an die Ufer der Bode.
Die nördliche beginnt mit den Spiegelsbergen, einem schönen öffentlichen
Parke, den der Domdechant von Spiegel, Gleims Zeitgenosse, auf der bis
dahin öden Anhöhe geschaffen hat; unter den wirkungsvollen Baumgruppen
fallen besonders die alten Kiefern ins Auge. An diesen Park, dessen Turm
auch eine hübsche Aussicht bietet, schließt sich die hochinteressante
Felsenstadt der bewaldeten Klusberge, die sogenannte Halberstädter
Schweiz. Am nordwestlichen Fuße des dritten Zuges, der im Hoppelberge bis
zu 309 Meter aufsteigt und einen wundervollen Blick auf Berg und Land
gewährt, liegt, vom Goldbach bespült, inmitten eines herrlichen Parkes
das Schloß Langenstein, in dem einst Goethe die schöne Frau von Branconi,
die Geliebte des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und
Freundin Lavaters, besuchte. An der Ruine der benachbarten Altenburg und
weiterhin finden sich in den Felsen gehauene Höhlungen, die noch heute --
wohl ein Unicum in ganz Deutschland -- als Wohnungen benutzt werden.

[Illustration: Abb. 89. =Schloßhof von Falkenstein.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Kloster Michaelstein.]

Dem Goldbach aufwärts bis zum Gebirge und dann im lauschigen
Klostergrunde dem Rippenbach folgend, gelangen wir bei seinem Quell, dem
Volkmarsbrunnen, an den Volkmarskeller, zwei in den Fels gehauenen
Gewölbe, in denen im Anfange des zehnten Jahrhunderts die fromme
Klausnerin Liutburg, die selbst der heilige Ansgar von Bremen besuchte,
und später der Einsiedler Volkmar mit seinen Genossen hauste. Die auf der
benachbarten Klippe jüngst bloßgelegten Grundmauern sind die letzten
Reste des ältesten Klosters Michaelstein, das sich zwischen 1139 und 1148
aus jener Brüderschaft entwickelte. Aber den Cisterziensern, die aus
Altenkampen hier einzogen, war der Ort zu rauh und abgeschieden, schon
nach einigen Jahrzehnten zogen sie thalabwärts und gründeten am anmutigen
Ausgange des Klostergrundes Neu-Michaelstein (Abb. 63 und 64). Von allen
Seiten reich begabt, gedieh das Kloster trefflich bis in das sechzehnte
Jahrhundert. Im Frühling 1525 aber stürmten es die Rotten wütender
Bauern, und acht Jahre später ward es von Wilhelm von Haugwitz, einem
Feinde des Herzogs Georg von Sachsen, niedergebrannt. In dem wieder
erstandenen und zu Luthers Lehre übergetretenen Kloster, in dem
zeitweilig eine Schule eingerichtet war, führten bald die Grafen von
Regenstein und nach deren Erlöschen die Herzöge von Braunschweig den
Abtsstab. Der letzte dieser fürstlichen Abte ist der »tolle Christian«
des dreißigjährigen Krieges, zugleich Bischof von Halberstadt. Auf unsere
Tage sind vom alten Kloster nur der schöne gotische Kreuzgang, das
romanische Refektorium und eine Krypta gekommen.

[Illustration: Abb. 90. =Schloß Ballenstedt.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Der Regenstein.]

Dem Klostergut Michaelstein gegenüber, das jetzt ein Vorwerk der Domäne
Heimburg bildet, steigt 100 Meter hoch aus der Ebene der Regenstein (Abb.
65) auf, ein 2 Kilometer langer Quadersandsteinfelsen, eine natürliche
Festung mit ruinenartigen Türmen und Thoren. An der kleinen Roßtrappe,
einer interessanten Felsbildung, vorüber, gelangen wir an die Trümmer der
um das Jahr 1100 erbauten Grafenburg. Alle Gemächer, auch die im Anfange
dieses Jahrhunderts zum Tanzsaal entweihte Kapelle, sind in den
gewachsenen Felsen eingehauen, von den auf den jäh abstürzenden Platten
und Kuppen einst vorhanden gewesenen Türmen, Mauern und Gebäuden sind nur
noch Spuren vorhanden.

[Sidenote: Blankenburg.]

Das mächtige Grafengeschlecht, dem auch die Linien Blankenburg und
Heimburg angehören, beherrschte nicht nur das heutige braunschweigsche
Fürstentum Blankenburg, sondern besaß auch noch einen großen Teil der
Vorlande des Harzes, und die ihm zustehende Edelvogtei des Kaiserstiftes
Quedlinburg verlieh ihm noch besondere Bedeutung und Glanz. Da begannen
im vierzehnten Jahrhundert die Bischöfe von Halberstadt, vor allem
Albrecht V. aus dem Hause Braunschweig, mit großer Beharrlichkeit die
Grafen aus ihrer Machtstellung im Harzgau zu verdrängen. Nicht ohne
Bewunderung und Teilnahme kann man das mannhafte, aber unglückliche
Ringen der Grafen gegen den mächtigen Nachbar, der auch unwürdiger Waffen
sich zu bedienen keinen Anstand nahm, ihr einmütiges Zusammenhalten im
Kampfe um ihr gutes Recht im einzelnen verfolgen, und der Heimburger
Albrecht III., den die Volkssage als den Raubgrafen bezeichnet, diesen
thatkräftigsten aller Regensteiner, der auch in der Notwehr das Recht des
andern achtet, darf unsrer wärmsten Sympathie sicher sein, wenn wir ihn
1348 unter tückischem Schwert verbluten sehen.

Albrechts Nachkommen verarmten im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert
trotz aller Sparsamkeit -- Graf Ulrich verbrauchte für seine Person
jährlich nur 939 Gulden -- mehr und mehr, und am 4. Juli 1599 ging still
und ruhmlos, in Elend und Dürftigkeit, von niemanden beklagt, von
niemanden beachtet, der Letzte des Grafenstammes zu Grabe, der einst zu
den mächtigsten, geachtetsten und gefürchtetsten gehört, der Hunderte von
Rittern, Kirchen und Klöstern mit reichen Besitzungen beschenkt und
beliehen hatte, dessen Waffen einst im fernen Norden ebenso laut und
siegreich erklangen wie im fernen Süden am Grabe des Erlösers.

Im Jahre 1670 bemächtigte sich der Große Kurfürst als Inhaber des Bistums
Halberstadt des Regensteins und begann nach Fargells Plane den Umbau der
Festung, der sich 50 Jahre lang hinzog. Die zahlreichen in den Felsen
gesprengten Kasematten rühren aus jener Zeit. Aber als sich die Festung
im Ernstfalle nicht bewährte -- zweimal fiel sie im siebenjährigen Kriege
in die Hände der Franzosen -- ließ Friedrich sie schleifen, die Mauern
bis auf den Boden, die Gebäude bis auf den Grund zerstören. Noch heute
ist der Regenstein eine preußische Enklave im braunschweigischen Gebiete.

Einer Lilie gleich im Kranze grüner Waldberge, die sie im Halbkreise
umgeben, leuchtet die Blankenburg (Abb. 66) von dem hellen Kalkfelsen des
Blankensteins weit hinaus in die Vorlande.

Während alle andren Randstädte des Harzes am Ausgange eines Flußthales
liegen, steigt Blankenburg (Abb. 67 u. 68), als wollte es an die
schützende Burg sich anschmiegen, terrassenförmig, wie aus südlichen
Landen hieher versetzt, den Schloßberg hinan. Vom hochgelegenen
Marktplatze, an dem wir das in seinem ältesten Teil schon aus dem Jahre
1233 stammende Rathaus betrachten, klimmen wir auf 76 Stufen zur
Bartholomäuskirche hinauf, von der ehemals statt des jetzigen steilen
Weges eine Treppe von 266 Stufen zur Schloßrampe hinaufführte.

Die älteste Blankenburg fand ihren Untergang in den Kämpfen Heinrichs des
Löwen und Kaiser Barbarossas. Das neue Schloß, anfangs ein einfacher Bau,
ward im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, als es den Grafen auf
dem Felsenneste im Regenstein ungemütlich wurde, bedeutend erweitert und
umgebaut, doch brannte 1546 das »Haupthaus« in einer entsetzlichen
Feuersbrunst, aus welcher Graf Ulrich, ohne seiner erstickenden Gemahlin
helfen zu können, kaum das Leben rettete, wieder nieder; und kaum war nun
endlich 1595 der Bau vollendet, da schloß der letzte Blankenburger, ein
Knäbchen von drei Jahren, die Augen.

Im Jahre 1690 wurde Blankenburg, sehr zur Freude und zum Vorteil der
durch den dreißigjährigen Krieg schwer geschädigten Bürger, ständige
Residenz. Herzog Ludwig Rudolf schlug hier seinen glänzenden Hof auf und
suchte Ludwig XIV. in üppigen Festen und Jagden und Komödien zu
überbieten und was sonst an Zeit noch blieb, mit Pegnitzer Schäferspielen
und adeligen Bauernhochzeiten auszufüllen. Und als die älteste Prinzessin
die Gemahlin des (späteren) Kaisers Karl VI. und die zweite die des
russischen Thronfolgers Alexei ward, gestaltete sich die Hofhaltung noch
luxuriöser. Doch bald waren die Tage des Glanzes vorüber, denn als Ludwig
Rudolf 1731 auch Braunschweig erbte, verlegte er dahin seine Residenz.

Daß die Kaiserin Maria Theresia einen großen Teil ihrer Kinderjahre bei
den Großeltern in Blankenburg verlebt hatte, kam der Stadt im
siebenjährigen Kriege zu gute: die österreichischen Truppen mußten sie
schonend behandeln.

Von 1796-98 war Blankenburg die Zufluchtsstätte des späteren
französischen Königs Ludwig XVIII.; da wohnten Grafen, denen in der
Heimat kaum ein Schloß geräumig genug gewesen war, in engen Dachkammern.

Das außen nüchtern sich darstellende Schloß enthält viele Prunkzimmer und
wertvolle Gemälde, aber schöner noch ist der Blick durch die Fenster auf
die waldumkränzten Berge, in die reichgeschmückten Thäler, und ein Gang
durch die prächtigen Gartenanlagen, die unmittelbar in hohen Buchenwald
übergehen.

[Illustration: Abb. 91. =Ballenstedt=.

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]




                                   XV.

                           Die Bodelandschaft.


Wir kehren noch einmal auf das Brockenfeld zurück, um auch der Bode, dem
bedeutendsten seiner Flüsse, das Geleit durch den Harz zu geben.

[Illustration: Abb. 92. =Flammofen-Anlage auf Kupferkammer Spurhütte.=

(Aus: Bilder aus dem Bergwerks- und Hüttenbetriebe der Mansfeld'schen
Gewerkschaft, Verlag der Kuhnt'schen Buchhandlung [E. Graefenhan] in
Eisleben.)]

Von ihren Quellflüssen entspringt die Kalte Bode unter dem Königsberge,
mit der Ecker in demselben, höchst gelegenen Moore, und plätschert
zwischen Königsberg und Erdbeerkopf einer- und Wurmberg und Barenberg
anderseits der »Gegend der Elenden und Schurken« zu.

[Sidenote: Schierke.]

Schierke (Abb. 70), das seit 1888, dem Jahre seiner »Entdeckung«, sich
mit fast fieberhafter Bauthätigkeit zu einem der besuchtesten und
vornehmsten Badeorte aufgeschwungen hat, ist das einzige Dorf mit
Brockencharakter (Abb. 69). In gleicher Höhenlage mit der Stadt
Klausthal, wird es eng von hohen, finsterbewaldeten Bergen
eingeschlossen; wunderbare Granitfelsen, wie die regelmäßig geschichtete
Mauseklippe, die »langen Felsennasen« der magnetischen Schnarcher, zwei
von Riesenhand roh erbaute 26 Meter hohe Türme, von denen sich Thal und
Dorf prächtig übersehen lassen, die Schersthor- (das ist Thors Thor)
Klippen, der Arensklint (d. i. Adlerklippe) (792 Meter) und die
Feuersteinsklippen, ragen seitwärts empor, und Waldgrund und Wiese sind
mit großen und kleinen Granitbrocken dicht übersät. Bei Elend, das dem
100 Meter höher gelegenen Schierke als Sommerfrische nachzukommen sucht
-- wir gelangen dorthin auf herrlichem, die rauschende Bode begleitenden
Pfade -- tritt diese aus dem Granitgebiete heraus und wird, wie um sich
von dem Gefälle von 400 Meter zu erholen, ein stilles, harmloses
Wiesenflüßchen. Es gibt im Harze keinen gleich großen landschaftlichen
Gegensatz so unmittelbar nebeneinander.

Unterhalb des Hüttenortes Königshof, der eine Fortsetzung der Rotenhütte
bildet, nimmt die Kalte die Warme Bode auf. Am Südende des Brockenfeldes,
nördlich von der Achtermannshöhe entsprungen, drängt sie sich zwischen
dieser und dem Wurmberg durch und schlägt über den 560 Meter hoch
belegenen Flecken Braunlage (Abb. 71), der als Sommerfrische zusehends
aufblüht, und Tanne, dem Anfangspunkte der Zahnradbahn nach Blankenburg,
einen halbkreisförmigen Bogen. Den 968 Meter hohen Wurmberg besteigen wir
auf roher Steintreppe von Braunlage aus; die bewaldete Kuppe gestattet
aber nur den Durchblick durch einige Schneisen.

[Sidenote: Elbingerode. Hermannshöhle.]

Von Königshof führt die Bahn nach der 467 Meter hoch zwischen Kornfeldern
und großen Weideflächen gelegenen Stadt Elbingerode, in der am 20. März
1744 der französische Marschall von Belle-Isle vom Amtmann Meyer auf
eigene Hand gefangen genommen wurde. Wir aber folgen dem Fußpfade, der
uns über die vor einigen Jahren wieder bloßgelegte Königsburg, das ist
die alte Jagdpfalz Bodfeld, auf der Kaiser Heinrich III. in den Armen
eines Papstes starb, und an der Susenburg, einer vorgeschichtlichen
Wallburg in der ersten der wunderlichen Krümmungen der Bode, vorüber nach
dem Hüttenorte Rübeland (378 Meter) führt.

Von den drei berühmten Tropfsteinhöhlen, welche dem übrigens hübsch
gelegenen Rübeland zahllose Fremde zuführen, war die Baumannshöhle schon
um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts allgemein bekannt, dagegen ist
die Hermannshöhle (Abb. 72) erst 1866 entdeckt. Wenn auch jene durch die
Höhe und Weite ihrer prächtig gewölbten Räume die Hermannshöhle
übertrifft, so hat diese doch schönere und reinere Tropfsteingebilde.
Wunderniedlich sind die schneeweißen Figürchen in ihrer Krystallkammer,
hübsch auch die Blaue Grotte und andre Naturspiele.

Von Rübeland ersteigt die Zahnradbahn das auf einer baumlosen Hochebene,
447 Meter hoch, inmitten einer weiten Ackerflur belegene Dorf Hüttenrode.
Nichts in der Umgebung, nur das rauhere Klima, das den Roggen erst im
September reifen läßt, sagt uns, daß wir uns wirklich im Gebirge
befinden.

[Illustration: Abb. 93. =Otto-Schächte I und III.=

(Aus: Gruben- und Hüttenanlagen der Mansfeld'schen Gewerkschaft, Verlag
der Kuhnt'schen Buchhandlung [E. Graefenhan] in Eisleben.)]

[Sidenote: Das Bodethal.]

Um der Bode nach Altenbraak ungestört folgen zu können, holen wir
zunächst auch die Rappbode heran. Sie entspringt am hohen Südrande des
Gebirges, wendet sich aber nördlich auf das 535 Meter hoch gelegene
Städtchen Benneckenstein, eine Station der Harzquerbahn, fällt durch Wald
bis zu dem von Sommerfremden noch nicht entdeckten Trautenstein um 80
Meter und schlängelt sich, von rechts die Hassel aufnehmend, in einem
lieblichen Thal dem Hauptflusse zu. An der Hassel liegen in einer Gegend,
wo vom Gebirge wenig wahrzunehmen ist, der schon oberdeutsch redende
Flecken Stiege (482 Meter) an hübschen Teichen und das Städtchen
Hasselfelde, die Endstation der über Güntersberge herangeführten
Selkebahn.

[Illustration: Abb. 94. =Schrämarbeit.=

(Aus: Bilder aus dem Bergwerks- und Hüttenbetriebe der Mansfeld'schen
Gewerkschaft, Verlag der Kuhnt'schen Buchhandlung [E. Graefenhan] in
Eisleben.)]

Felsen wie bei Rübeland treten im Bodethal zunächst nicht wieder auf.
Ohne starkes Gefälle (1 : 300) rauscht der breite Fluß, von einem
Wiesensaum friedlich eingefaßt, zwischen den mächtigen Höhen dahin, an
denen das heitere Buchengrün mehr und mehr das Fichtendunkel verdrängt.
Zwischen der Mündung der Rappbode und der Luppbode in der Gegend von
Wendefurt und Altenbraak häufen sich seine Windungen in so wunderbarer
Weise, daß er oft in sich selbst zurückzukehren scheint, ja daß man
einmal den Fluß an sechs verschiedenen Stellen erblickt.

Von Treseburg (Abb. 73) ab, wo die Bode in dem schluchtenartigen Thal der
»Engen Wege«, dem nur durch bedeutende Felsensprengungen ein schmaler
Pfad hat abgerungen werden können, mit starkem Gefälle (1 : 90) das
Granitgebiet des Rambergs zu durchbrechen unternimmt, steigert sich die
herzerquickende Schönheit des Thales von Schritt zu Schritt. Die Klippen,
welche aus den Buchenhängen hervortreten oder streckenweise ganz mit
ihnen wechseln, werden schroffer und nehmen abenteuerlichere Gestalten
an, bis sich von den Gewitterklippen abwärts ihr Charakter zur Wildheit
steigert. Aber um die starren Glieder schlägt überall sänftigend der
üppige Laubwald in allen Schattierungen sein prächtiges Gewand. Welche
entzückende Mannigfaltigkeit in buntem Wechsel! In den »gemischten
Bestand« der Fichte und Buche, mit dem der Harz auch sonst seine
Thalhänge schmückt, treten hier auch noch Ahorn und Esche, Linde und
Ulme, die Eiche mit ihrem dunkelglänzenden Blatte und die flimmernde,
weißborkige Birke ein, ja selbst die knorplige Eibe mit ihrem
schwarzgrünen, schweren Nadelbehange, gleichsam die Vertreterin einer
aussterbenden Generation, beteiligt sich an der festlichen Ausschmückung
des Thales, und von den höchsten Felsen schaut die Kiefer, mit ihrem
hellbraunen Stamme eine gar ausdrucksvolle Zierde, jählings in die Tiefe.
Was aber all den Felsgebilden und der bestrickenden Üppigkeit des
Baumwuchses erst das rechte Leben gibt, das ist das tosende, schäumende
Wasser des eng eingeklemmten, leidenschaftlich aufgeregten Flusses, der
wie wütend zwischen den Felstrümmern hindurchrast, um brausend in den
tiefen, wirbelnden »Kessel« zu stürzen (Abb. 74).

Aber auch der Weg von Thale an der schäumenden Bode aufwärts bis zu der
über den Bodekessel führenden Teufelsbrücke, an der früher der Pfad
endete, ist geeignet und ausreichend, das ob des zauberhaft schönen
Bildes staunende Auge mit Wohlgefallen zu sättigen und das Herz mit
heiligem Schauer zu erfüllen. Die tiefe, kühle Felsspalte (Abb. 75), in
welche die Sonne kaum herunterzublicken vermag, verengert sich Schritt
für Schritt; hier sind die Seitenwände durch die Verwitterung zu
seltsamen Zacken zersägt oder zu Gebilden umgestaltet, denen man die
Namen Bodethor, Bergkanzel, Mönch hat geben können, dort scheint gar die
Ruine einer ganzen Ritterburg am Felsen zu hängen; hier drohen die
Felsenmauern herniederzubrechen, dort überbrückt der Pfad mühsam einen
Abgrund; oft scheint die Schlucht sich völlig zu schließen, aber hinter
der vorspringenden Wand öffnet sich, oft kesselartig, an der sich
krümmenden Bode eine neue ebenso wilde und großartige Spalte.

[Sidenote: Roßtrappe. Hexentanzplatz.]

Auf dem Zickzack der Schurre ersteigen wir die Roßtrappe (375 Meter),
genießen den glänzenden Rundblick vom Turme der »Winzenburg«, einer durch
Gräber und andre Funde bezeugten vorgeschichtlichen Wallburg, und treten
auf den 25 Meter unter dem Gasthause liegenden, von keines Menschen Hand
erbauten Turm des Felsenthores, durch welches das wilde Harzkind in das
Land hinaustritt. Kaum zwei Meter breit, aber auf sicheren Pfeilern
ruhend, schiebt sich seine (vorgeschichtlich befestigte) Plattform aus
dem Granitwalle näher an den Fluß heran, so daß das Auge unbehindert
aufwärts und niederwärts in die Felsenwelt eindringen und 200 Meter tief
in die Thalschlucht, aus der das Brausen und Rauschen der alten Bode wie
leises Gemurmel unverdrossen heraufklingt, sich senken kann. Und siehe
hier die Trappe, welche der Huf des Riesenpferdes in die harte
Granitplatte, beim gewaltigen Sprunge quer über das Thal hart
aufschlagend, eingegraben hat!

[Illustration: Abb. 95. =Abteufen des Segengottes-Schachtes.=

(Aus: Bilder aus dem Bergwerks- und Hüttenbetriebe der Mansfeld'schen
Gewerkschaft, Verlag der Kuhnt'schen Buchhandlung [E. Graefenhan] in
Eisleben.)]

Der zweite Pfeiler des Bodethores, der Hexentanzplatz (Abb. 76), überragt
den Roßtrappfelsen um 80 Meter. Der Blick in die Tiefe und in die
zerspaltenen Granitwände und dann in die Höhe zum blauen Brocken, der
sich unmittelbar auf die Felswand aufzusetzen scheint, und wieder in die
lachende Ebene mit ihren Dörfern und Städten: das alles bewegt das Herz
gewaltig und wunderbar, wenn anders die Flut der Gäste, die nur auf dem
Brocken noch größer ist, uns den Genuß nicht verkümmert.

[Sidenote: Thale. Quedlinburg.]

Ehe wir der Bode von dem 9600 Einwohner zählenden Dorf Thale, mit dem als
Sommerfrische ersten Ranges nur noch Harzburg und Schierke konkurrieren,
nach Quedlinburg folgen, werfen wir zur Linken einen Blick auf die
Teufelsmauer. Vom Blankenburger Schlosse durch einen tiefen Einschnitt
getrennt, zieht sich dem Harzrande parallel ein schmaler Bergzug nach
Osten, dessen bewaldeter Abhang der Heidelberg heißt. Auf dem Rücken
selbst ragt ein wunderbares Felsenriff aus Quadersandstein in vielen
Unterbrechungen, hier anmutig mit Bäumen und Kräutern bewachsen, dort
kahl und nackt, hervor. Wie von Riesenhand absichtlich zusammengewälzt,
zeigt es sich hier als schroffe Klippe, senkt sich dort zerklüftet und
zerteilt nieder, läßt sich streckenweise nur in zersplitterten,
unordentlich umhergeworfenen Gesteinsbrocken verfolgen und verschwindet
dann völlig, um in der Nähe der Bode, Thale gegenüber, wieder
aufzutauchen. Die Sage bezeichnet diese Riesenmauer als ein Werk des
Teufels, der sich mit Gott um die Herrschaft über die Erde stritt. Auf
dem Löbbekensteige, der über den ganzen Zackenkamm führt, gelangen wir zu
ihren besten Aussichtspunkten, dem Brockenblick und dem Großvater.

[Illustration: Abb. 96. =Mansfelder Georgsthaler von 1620.=]

Auf dem von der Bode unmittelbar bespülten, einem lieblichen Blumengarten
gleichenden Gottesacker der Servatius- oder Schloßgemeinde lag der alte
Königshof Quitelingen (d. i. Niederlassung auf der Flußgabel), von dem
die Ottonen so oft das Reich regierten. Die angrenzende seit 1816 zur
Scheune erniedrigte Sankt Wipertikirche ist die älteste weit und breit.
Auf scharf von der Bode aufsteigendem Sandsteinfelsen erhebt sich neben
dem aus dem sechzehnten Jahrhundert stammenden Schlosse der Äbtissinnen,
dessen Einrichtung Hieronymus Napoleon zu Gelde gemacht hat, der
wertvollste Schmuck Quedlinburgs (Abb. 78), die lange vernachlässigte und
erst in neuester Zeit wieder zu Ehren gekommene herrliche Schloßkirche,
die als ein Wahrzeichen der Stadt weit in die Lande leuchtet. In ihrer
Krypta ist König Heinrich I., ihr Erbauer, mit seiner Gemahlin
beigesetzt. Die Oberkirche, eine frühromanische, dreischiffige Basilika
mit gerader Balkendecke, stammt im wesentlichen aus der von 1070 bis 1129
reichenden Bauperiode, der Chor ist jedoch im vierzehnten Jahrhundert
gotisch umgebaut. In der Cither, der zugleich als Sakristei dienenden
Schatzkammer (Abb. 79), werden unter andern Kostbarkeiten der von der
Kaiserin Teophano geschenkte »Krug von der Hochzeit in Kana«, ein von
König Heinrich I. geschenktes wertvolles Reliquienkästchen, mit
Elfenbeintäfelchen ausgelegt, auf denen Scenen aus Christi Leben in
Hochrelief dargestellt sind, und ein Bruchstück einer mit prachtvollen
byzantinischen Miniaturen bedeckten Itala, der ältesten lateinischen
Bibelübersetzung aufbewahrt. Unter der Kirche ziehen sich weite in den
Sandsteinfelsen eingehauene Grabgewölbe hin, in denen die Leichen nicht
verwesen; besonders schön erhalten ist die der schönen Pröpstin Aurora
von Königsmark, doch darf sie nicht gezeigt werden.

Die Vogtei über das auch nach der Reformation fortbestehende Stift ging
1697 von den Wettinern an Brandenburg über. Reichsunmittelbar war dieses
dem Namen nach bis zu seiner Aufhebung und Einverleibung in Preußen im
Jahre 1801.

[Sidenote: Quedlinburg. Suderode. Gernrode.]

Vom Schloßplatze, an dem Klopstocks Geburtshaus aus dem sechzehnten
Jahrhundert uns besonders anzieht, gelangen wir durch den »Finkenherd« in
die altertümliche Stadt mit ihren schönen Kirchen und dem mit wildem Wein
dicht überwucherten im Jahre 1615 im Renaissancestil umgebauten Rathause
(Abb. 77). Um das Jahr 1000 mit Stadtrechten begabt und zur Zeit ihres
blühenden Handels ein angesehenes Glied der Hansa, ist Quedlinburg,
dessen Einwohnerzahl von 10000 im Jahre 1807 auf 23400 im Jahre 1900
gestiegen ist, heute vorwiegend Gärtnerstadt.

[Illustration: Abb. 97. =Mansfelder Thaler von 1811.=]

Die vielgetürmte Innenstadt, das aus dem »Westendorf« hochragende Schloß,
die neuen Vorstädte mit ihren Villen und Fabriken vereinigen sich mit dem
Kranze der in allen Farben prangenden Fluren, dem Lustwäldchen des
Brühls, in welchem dem Sänger des Messias und dem Geographen Karl Ritter
Denkmäler (Abb. 80 u. 81) errichtet sind, mit den mittelalterlichen
Warten rings auf den Höhen und der Felsreihe der Teufelsmauer und den
dunklen Harzbergen im Hintergrunde zu einem Bilde von eigenartiger
Schönheit.

[Illustration: Abb. 98. =Mansfelder Thaler von 1862.=]

Wir kehren noch einmal nach Thale zurück, um durch das waldumkränzte
Steinbachthal über die Georgshöhe (386 Meter) nach dem mit seinen
Obstgärten idyllisch in den Laubwald des Wurmbachthales eingebettete Dorf
Stecklenberg zu wandern, das sich, noch frei von Kurhäusern und Villen,
seine jungfräuliche, ländliche Anmut und Einfachheit bewahrt hat. Und von
den benachbarten Ruinen der Stecklenburg und der höheren Lauenburg, von
deren noch besteigbarem Turme (348 Meter) man auch den fernen Brocken
über den dichten Massen saftgrünen Buchenwaldes erblickt, weht ein
romantischer Hauch über das friedliche Dorf.

[Sidenote: Gernrode.]

Den Gebirgsrand entlang schreitend, gelangen wir an zwei schwesterlich
aneinander geschmiegte Orte, das preußische Dorf Suderode (Abb. 82, 198
Meter) und das anhaltische Städtchen Gernrode (Abb. 83, 224 Meter), die
zusammen etwa 4500 Einwohner haben. Der lieblich am Waldsaum gelegene
Kurort Suderode heißt nicht mit Unrecht das Harzer Montreux. Lieblich ist
die Aussicht vom 314 Meter hohen Stubenberge in das waldumschlossene
stille Hagenthal und auf das Hügelgelände um Quedlinburg mit etwa 40
Ortschaften; auch die Gegensteine, mit denen die Teufelsmauer nach langer
Unterbrechung wirksam abschließt, reihen sich malerisch in das Bild ein.
In das Innere von Gernrode lockt uns ein Prachtstück ersten Ranges, die
einfach-derbe Stiftskirche, ein romanischer Bau aus dem zehnten
Jahrhundert, wie es in dieser Vollständigkeit keinen zweiten in ganz
Deutschland gibt. Im Jahre 959 vom Markgrafen Gero, dem gewaltigen und
gewaltthätigen Besieger der Slaven, begonnen, ward sie erst von seiner
Schwiegertochter Hedwig, der ersten Äbtissin des von ihm gegründeten
vornehmen Frauenstiftes, vollendet. Nach mancherlei Unbilden früherer
Zeit wurde die Kirche des im Jahre 1614 von Anhalt eingezogenen Stiftes
1832 mit dem Klostergute verkauft; nun wurden die Kreuzgänge zu
Viehställen, die Krypta zum Kartoffelkeller, der Raum über der flachen
Decke zum Getreideboden entweiht. Der Dank für die Erhaltung und
Wiederherstellung gebührt dem edlen Fürstenhause Anhalt: Herzog Alexander
Karl kaufte sie zurück, und er und seine Nachfolger ließen sie seit 1859
mit einem Kostenaufwande von 400000 Mark würdig restaurieren. Eine
Basilika mit Querschiff und westlichem Turmbau, ist sie in ihren
Formbildungen gewissermaßen ein Spiegel der Roheit, aber auch der
Solidität des im zehnten Jahrhundert noch völlig von der Kultur
unberührten kräftigen Sachsenstammes (Abb. 84).

[Illustration: Abb. 99. =Markt mit Luther-Denkmal und Andreas-Kirche in
Eisleben.=]

Vor dem Kreuzaltar im Mittelschiff befindet sich die Grabstätte Geros.
Das prächtige Denkmal in Sarkophagenform hat 1519 die Äbtissin Elisabeth
von Weida (Reuß) durch einen Künstler der Nürnberger Schule anfertigen
lassen. Diese Elisabeth, welche von 1504 bis 1532 regierte, ist die
größte unter den Fürstinnen-Aebtissinnen von Gernrode. Auf dem Reichstage
zu Worms ließ sie sich durch einen besondern Bevollmächtigten vertreten,
erlangte 1521 vom Kaiser Karl V. die Bestätigung der Privilegien und trat
in demselben Jahre noch als die erste aller reichsunmittelbaren
Äbtissinnen, ohne sich durch die benachbarten Fürsten und Bischöfe irre
machen zu lassen, zur Lutherischen Lehre über; und als 1525 der große
Bauernkrieg auch die Gründung Geros mit Vernichtung bedrohte, trat sie
unerschrocken und im Bewußtsein geistiger Überlegenheit den Aufrührern
entgegen und brachte sie durch verständige Vorstellung zum Gehorsam gegen
ihre Obrigkeit zurück.

[Illustration: Abb. 100. =Eisleben.=]

Durch das Hagenthal steigen wir zum Ramberge hinauf. Gleich dem Brocken
Mittelpunkt einer Graniterhebung und wie dieser mit Granittrümmern
übersät, welche auf seinem abgerundeten Gipfel die sogenannte
Teufelsmühle bilden, erhebt er sich zwischen Bode und Selke zu einer Höhe
von 595 Meter, 200 Meter über die Hochebene an seinem Fuße. Von dem auf
ihm, der »Viktorshöhe«, 1829 erbauten Holzturme hat man einen weit
umfassenden, doch ziemlich einförmigen Rundblick.




                                  XVI.

                          Die Selkelandschaft.


Die Selke entspringt auf der einförmigen Hochebene des Unterharzes in 500
Meter Meereshöhe nördlich von Friedrichshöhe, fließt als einfaches
Rinnsal, immer von der Bahn begleitet, über Güntersberge (410 Meter) nach
Lindenberg-Straßberg und schlägt hier nordöstliche Richtung auf
Mägdesprung ein. Erst bei der Silberhütte erhält das bis dahin flache
Thal durch die von Fichten und Kiefern umsäumten Wiesengründe einen
gewissen Reiz. Von dem 325 Meter hoch in einem freundlichen
Laubwaldkessel belegenen Alexisbad (Abb. 85) an erschließen sich aber dem
Wanderer von Schritt zu Schritt wechselnde liebliche Bilder. Aus dem
herrlichen, mit Eichen, Birken und andern Laubbäumen, auch mit Fichten,
durchsprengten Buchenwalde, welcher die Gehänge des Thales schmückt,
starren hie und da, manche wie verstohlen, einzelne Klippen und ganze
Felswände heraus; die bedeutendste ist die sagenhafte Mädchentrappe über
dem durch seinen vorzüglichen Kunstguß rühmlichst bekannten Hüttenorte
Mägdesprung (Abb. 86). Doch ist der Blick von der anliegenden
Freundschaftsklippe noch schöner als von der mit einem drei Meter hohen
eisernen Kreuze bezeichneten Trappe. Der Wellenschlag der vom Winde
bewegten Wipfel der düsteren Waldung, über welche die ruhige Kuppe des
Ramberges ernst herüberblickt, das frische, kräftige Grün unmittelbar
über nacktem Fels, die weichen, geschwungenen Linien der Höhenzüge machen
das für die Selkelandschaft charakteristische Bild trotz seiner
Einfachheit anziehend und erhebend.

[Sidenote: Harzgerode. Falkenstein.]

Seitwärts liegt auf einer 395 Meter hohen Ebene, die nach altem Spruche
»Korn und Geld« trägt, im Mittelpunkte von acht großen strahlenförmig von
hier ausgehenden Straßen, das 4300 Einwohner zählende Städtchen
Harzgerode, einst Residenz einer Linie des Hauses Anhalt, deren Glieder
unter der Kirche ihre Ruhestätte gefunden haben. In dem derben, doch
würdigen Schlosse, aus dessen Münze die schönen anhaltischen
Ausbeutethaler und auch jüngere Münzen tadellosen Gepräges (Abb. 87)
stammen, befindet sich jetzt eine große Mineraliensammlung, welche
seltene Prachtstücke aus den Gruben des Herzogtums enthält. Von
Mägdesprung, wo die Eisenbahn sich an der Ruine der Heinrichsburg vorüber
auf Gernrode wendet, schlängelt sich die Selke, von Wiesen besäumt,
mäanderartig durch das breite, sich mehr und mehr vertiefende Thal, an
dessen schönster Stelle, bei der Selkemühle, ein verbotener Aufstieg zu
den spärlichen Trümmern der von Otto dem Reichen und seinem Sohn Albrecht
dem Bären erbauten Burg Anhalt führt; und kurz vor ihrem Eintritt in das
Flachland schaut der schimmernde Falkenstein 150 Meter auf die Thalsohle
hernieder.

Um das Jahr 1080 erschlug Egeno von Konradsburg den Grafen Adalbert von
Ballenstedt in hinterlistigem Überfall; zur Sühne dieses Mordes
verwandelte sein Sohn Burchard die über Ermsleben belegene Stammburg in
ein Kloster und erbaute sich die Burg Falkenstein, nach der er sich 1120
zum erstenmal benannte. Sein Enkel Graf Hoyer ließ um das Jahr 1230 auf
dem Falkenstein durch den Schöffen Eike von Repgow aus dem
Gewohnheitsrecht des alten Sachsenlandes und den Weistümern (Urteilen)
der Freien- und Godinge den berühmten Sachsenspiegel zusammenstellen, der
in seiner eigentlichen Gestalt in Norddeutschland, Preußen, Polen und
einem Teil der russischen Ostseeprovinzen, in einer Nachahmung als
»Spiegel aller deutschen Leute« und dem auf diesem beruhenden
Schwabenspiegel im übrigen Deutschland das nationale Gesetzbuch wurde.
100 Jahre später, 1332, verkaufte der letzte seiner Nachkommen, Graf
Burchard, ohne die Rechte seiner an den Grafen Albrecht von Regenstein
verheirateten Schwester Oda zu achten, die 1296 durch die Herrschaft
Arnstein vergrößerte Grafschaft an den Bischof von Halberstadt, und die
darob entbrennende, von dem Quedlinburger Julius Wolff im »Raubgrafen« so
anschaulich geschilderte Fehde vermochte daran nichts zu ändern. Wieder
100 Jahre später ging dann der Falkenstein, 1437 als Pfand-, 1449 als
Lehnsbesitz, an die Herren von der Asseburg, die Nachkommen des zur Zeit
des Kaisers Otto IV. hervorragenden Gunzel von Wolfenbüttel über, und
diese »Grafen von der Asseburg-Falkenstein« besitzen die noch immer
bewohnbare Burg noch heute.

[Sidenote: Falkenstein. Ballenstedt.]

Niemals in Krieg und Fehde beschädigt, nie von Feuersbrunst heimgesucht,
bietet das herrliche Schloß (Abb. 88 u. 89) das einzige Beispiel im
ganzen Harze, noch jetzt das völlig getreue Bild eines mittelalterlichen
Grafensitzes dar. Dazu ist die Aussicht von der Galerie des gewaltigen
runden Bergfrieds, der Blick auf das grüne Waldmeer mit den hochragenden
Felsinseln des Rambergs und des Brockens und in das Flachland hinaus bis
zu den Bergzügen des Huy und Hakel und zu den Domtürmen von Magdeburg
wahrhaft entzückend.

An dem im schönen Parke belegenen Schlosse Meisdorf, dem jetzigen
Grafensitze, über dem 275 Meter hoch die Reste des Klosters Konradsburg
liegen, und an dem als Gleims Geburtsstadt bekannten Ermsleben, der
Hauptstadt der Grafschaft, vorüber, strebt nun die Selke der Bode zu.

An der ihr vorher zufließenden Krummen Getel, dem »anhaltinischen
Mäander«, liegt inmitten blumengeschmückter Gärten und einträglicher
Obstplantagen 217 Meter hoch die freundliche, stille Stadt Ballenstedt
(Abb. 91), die Sommerresidenz des Herzogs von Anhalt.

[Illustration: Abb. 101. =Luthers Geburtshaus in Eisleben.=]

[Sidenote: Ballenstedt.]

Der erste aus dem schwäbischen Geschlechte der Askanier, der sich nach
Ballenstedt nennt und demnach auf dieser Burg wohnte, ist Esike, Graf im
Schwabengau. Als dessen Sohn Adalbert auf dem Wege nach Aschersleben
erschlagen wurde, wandelten seine Nachkommen -- sein Sohn Otto der Reiche
und sein Enkel Albrecht der Bär -- den Stammsitz Ballenstedt in ein
Kloster um und erbauten sich auf einer Höhe im Selkethal die Burg Anhalt,
nach der jetzt das ganze Herzogtum genannt wird. Doch war das Kloster
geräumig genug, neben Abt und Konvent auch dem Stifter und Schirmherrn
einen Wohnsitz zu gewähren. Als Albrecht der Bär, der große Markgraf von
Brandenburg, der nach völliger Niederwerfung der Wenden die verödeten
Gegenden an der Elbe, Havel und Spree mit niederländischen und
rheinischen Kolonisten neu besiedelte und den Rest der Wenden durch
Einführung des Christentums, deutscher Sprache und deutscher Gesetze
germanisiert hat, 1168 lebenssatt die Regierung seinem Sohne Otto
übergab, zog er sich auf sein väterliches Erbschloß und Stift am Harze
zurück und ist hier in Ballenstedt, wo er 1106 das Licht der Welt
erblickt hatte, auch am 18. November 1170 verschieden und an der Seite
seines Vaters Otto und seiner Mutter Eileke, der reichen Tochter des
letzten Billungers, und seiner Gemahlin Sophie, der Schwester des
mächtigen Grafen Hermann II. von Winzenburg, beigesetzt.

[Illustration: Abb. 102. =Luthers Sterbehaus in Eisleben.=]

Nachdem das Kloster 1525 im Bauernkriege sein Ende gefunden hatte, diente
es den Fürsten hin und wieder, namentlich zur Zeit der Jagden, als
Absteigequartier, von 1627 an aber mehrfach auf Jahre als Residenz oder
Witwensitz. In den Jahren 1704 bis 1720 bedeutend vergrößert, erfuhr das
Schloß unter dem Fürsten Friedrich Albrecht, der 1765 hier dauernd seine
Residenz nahm, eine völlige Umgestaltung; und nach all diesen Bauten, die
dem Schlosse (Abb. 90), dessen schönster Schmuck die edle, geschmackvolle
Einfachheit ist, ein wahrhaft fürstliches Ansehen gegeben haben, ist vom
Kloster außer Turm und Küche nicht viel mehr geblieben.

Die Gräber Albrechts und seiner Familie und jüngerer Glieder seines
Geschlechts sind erst 1880 unter dem Glockenturm wieder aufgefunden; es
sind sargähnliche in den Fels gehauene Höhlungen mit steinernen Deckeln.

Aus den Fenstern der mit wertvollen Gemälden älterer Meister (darunter
Rembrandt und Van Dyck) geschmückten Zimmer hat man eine entzückende
Aussicht. Aber auch auf der Terrasse in dem 1765 angelegten herrlichen
Parke ist sie wunderschön. Hinter den scharf hervortretenden Felsen der
Gegensteine breitet sich, mit Städten und Dörfern übersät, eine
lebensvolle Landschaft aus; Quedlinburg und das ferne Halberstadt, links
Blankenburg mit seinem hochragenden Schlosse und der Regenstein mit
seinen verfallenen Türmen, rechts Hoym, Ermsleben und das Bernburger
Schloß begrenzen den Horizont, hinterwärts lagert sich, von der
Brockenkuppe überragt, das aufsteigende Gebirge mit seinen Wäldern,
Bergen und Schluchten, -- bei voller Beleuchtung, etwa an einem sonnigen
Morgen nach einem Regentage, ein köstlicher Anblick!




                                  XVII.

           Die Wipperlandschaft. -- Mansfelder Bergbaugebiet.


Aus dem Gebiet der Selke treten wir in das der Wipper über, die sich in
der Nähe von Bernburg in die Saale ergießt. Der erste ihr dienstbare
Bach, die Eine, läuft, zumal wenn wir die bei Stangerode einmündende
Leine als Hauptbach ansehen, von ihrer Quelle auf der Hochebene von
Harzgerode bis Aschersleben der Selke in geringem Abstande parallel.
Zwischen den beiden genannten Bächen liegt zwischen Kartoffelfeldern, auf
baum- und poesieloser Ebene das ärmliche Dörfchen Molmerschwende, Bürgers
Geburtsort, und links von der Leine das Dorf Pansfelde, das »Taubenhain«
einer fast vergessenen Bürgerschen Ballade. Oberhalb des hübsch von
bewaldeten Bergen umschlossenen Stangerode finden wir bei der Einmündung
des Wiebeeks in einem freundlichen Waldthale am Fuße des Hakeberges die
interessanteste Wüstung des Harzes, das zuerst 1043 erwähnte
Volkmannsrode: unter den weitschattenden Linden bei der Kirchenruine
dieses schon ein halbes Jahrtausend verlassenen Dorfes wurde noch vor
drei Jahrzehnten zweimal im Jahre das uralte Rügegericht gehegt, ein in
unsere nüchterne Zeit fremdartig hineinreichender Rest des alten
germanischen Gerichtsverfahrens. Ruine, Gerichtslaube und Linden werden
auf Weisung der Herzoglichen Regierung noch jetzt mit Pietät erhalten.

[Illustration: Abb. 103. =Luther-Denkmal in Eisleben.=]

[Sidenote: Arnstein.]

Aber das Eineflüßchen hat noch eine dritte Überraschung für uns bereit:
unfern des Dorfes Harkerode erhebt sich auf steilem Felsen die Ruine
Arnstein, eine der besterhaltenen unserer Lande. Da die Edlen von
Arn=stedt=, die mit dem aus Württemberg stammenden Erzbischof Hanno von
Köln eines Geschlechts waren, sich zuerst 1136 von Arn=stein= nennen, so
muß die Burg damals erbaut sein. Es war ein angesehenes Geschlecht: ein
Walther hatte eine Enkelin Albrechts des Bären zur Gemahlin, ein Gebhard,
mütterlicherseits mit den Staufen verwandt, war lange Zeit Kaiser
Friedrichs II. Stellvertreter in Italien. Graf Walther V., der letzte des
Geschlechts, übergab 1296, um in den deutschen Orden einzutreten, die
Herrschaft seinem Schwager Otto von Falkenstein. Die Nebenlinie der
»Grafen von Barby« erlosch erst 1659.

Durch Kauf 1387 in den Besitz der Grafen von Mansfeld gelangt, wurde sie
1530, als hier eine der Linien des »Vordernorts« ihre Residenz nahm,
gründlich restauriert. Aber zwei Jahrhunderte später war sie bereits
Ruine. Die Mauern des fünfstöckigen Hauptgebäudes stehen noch 20 Meter
hoch, und der riesige Rundturm ist noch auf 100 Stufen im Treppenturm zu
ersteigen.

Unterhalb Stangerodes verflachen sich die Hügel, und Kornfelder
verdrängen völlig den Wald. Doch folgen wir der Eine noch bis
Aschersleben zu flüchtigem Besuche. Schon zur Zeit der Karolinger als
Ascegeresleben in Thüringen in einer Schenkungsurkunde für das Stift
Fulda erwähnt, hat sich die im Mittelalter mit Quedlinburg und
Halberstadt stets eng verbündete Stadt zu einer der wohlhabendsten und
gewerbfleißigsten der Harzlande entwickelt und zählt jetzt 27250
Einwohner. Neben dem Reichtum an Altertümern, mit denen ihre
Schwesterstädte prunken dürfen, kann sie nur wenig mehr als die gotische
Stephanikirche, das schöne Rathaus im Stile der Renaissance und die
unbedeutende Ruine der schon 1140 zerstörten Askanierburg stellen.

[Sidenote: Das Wipperthal.]

Die Wipper, welche mit der Selke fast gleiche Länge und Richtung hat,
entspringt am Ostabfall des Auerbergs, greift aber mit andern Quellbächen
nach allen Seiten weit hinaus, im Norden bis Neudorf, im Süden fast bis
nach Dietersdorf. Kurz vor dem Flecken Wippra vereinigt sie die in der
Alten und der Schmalen Wipper gesammelten Wasser.

Ihr Oberlauf ist anmutiger als der der Selke; besonders wirkungsvoll ist
die Bewaldung der Schmalen Wipper: auf der Sonnenseite Buchen, auf der
Winterseite Fichten. Ein Prunkstück, wie es die Selke zwischen Alexisbad
und Mägdesprung uns vorhält, hat die Wipper dagegen nicht aufzuweisen;
aber ihr Thal von Wippra abwärts hält den Vergleich mit dem Selkethal
unterhalb Mägdesprungs wohl aus, wenn auch die sanft gewellten Höhen das
breite Wiesenthal nirgends um 100 Meter übersteigen. Ihr Gefälle bis
Leimbach beträgt 1 : 156, das der Selke bis Meisdorf 1 : 104 (das der
Bode von der Quelle bis zur Blechhütte bei Thale 1 : 77).

Wippra liegt mit seinen Feldern und Wiesen freundlich in üppige Wälder
gebettet, hat aber außer spärlichen Resten einer Burg nichts von
Bedeutung aufzuweisen. Doch bald schon schimmert über prachtvolle
Laubwälder das schöne im dreizehnten Jahrhundert erbaute Schloß
Rammelburg, halb Brandruine, halb bewohnt, auf einem von drei Seiten
umflossenen Bergvorsprunge sich mitten in das Thal schiebend, uns
entgegen. Mögen andre Harzschlösser mit der Rammelburg um großartige
Schönheit streiten, aber diese thalauf und -ab fast gleich wirkungsvolle
Schaustellung ist nur dieser eigen. Und wenn andre Burgen uns aus alter
Zeit des Interessanten viel zu berichten wissen, so erinnert uns die
Rammelburg an zwei schlichtbürgerliche bedeutende Männer der neueren
Zeit: der große Forstmann Pfeil, der »Erzieher des deutschen Waldes«, ist
hier als Sohn eines Justizamtmannes geboren, und in der Schloßkapelle ist
Hermann August Francke getraut.

Harzluft und Waldesduft zu atmen und uns an friedlicher Stille zu
erquicken, ist uns nur eine kurze Strecke im Wipperthale beschieden:
turmhohe, rauchwirbelnde Schornsteine, mächtige schwarze Schlackenhalden,
das Thal beengend und täglich noch wachsend, Schächte und Hütten mit
ihrem geschäftigen Treiben, mit allem Geklapper und Gerassel der
Maschinen melden uns wuchtig, daß wir hier bei Leimbach an einer der
Hauptarbeitsstätten der heiligen Barbara angekommen sind, der neuen
Patronin des Bergbaues, die mit ihrem Pulver und Lärm die alten ruhigeren
Bergheiligen Sankt Joachim und Sankt Anna vom Stuhle gestoßen hat. Bis
Hettstedt und darüber hinaus reiht sich, miteinander wechselnd, Schacht
an Schacht und Hütte an Hütte. Hier im Freiesleben-, dort im
Eduardschacht und in den Lichtlöchern des 31 Kilometer langen
Schlüsselstollen werden die Kupferminern gewonnen, hier in der Eckard-,
dort in der Kupferkammerhütte gebrannt und geschmolzen, hier in der
Katharinenhütte wird Silber und Kupfer aus dem Rohprodukt geschieden,
dort auf der Saigerhütte die Raffinierkrätze zugute gemacht (Abb. 92 u.
93). Und in all das Getriebe schaut verwundert die stille Ruine der alten
Burg Örner vom Waldhügel hernieder.

Bei Hettstedt, dem östlichsten Punkte des Harzes, entlassen wir die
Wipper aus unserm Geleit und wenden uns der mit Leimbach fast verbundenen
Stadt Mansfeld und ihren Erinnerungen an D. Luther zu.

Doch zuvor statten wir schon an dieser Stell »seines Vaters lieben
Schlägelgesellen« einen kurzen Besuch ab.

[Illustration: Abb. 104. =Sachsa.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

[Sidenote: Mansfelder Bergbau.]

Nach alten Nachrichten sollen zwei Bauern, Nappian und Naucke, am 12.
Juni 1199 beim damaligen Dorf Hettstedt den ersten Kupferschiefer
gewonnen haben, und die Grafen im Jahre 1215 vom Kaiser Friedrich II. mit
dem Bergregal belehnt worden sein. Wenn nun auch jene Angabe richtig sein
und die Ortschaft Kupferberg bei Hettstedt 1199 entstanden sein mag, so
haben doch die Grafen von Mansfeld schon lange vor dieser Zeit Bergbau
betrieben. 1364 gab ihnen Kaiser Karl IV. diesen auch innerhalb einer
über die Grafschaft hinausreichenden Grenze zu Lehen. Kaiser Friedrich
III. aber verwies sie damit 1480 an die Herzöge von Sachsen. Im
vierzehnten und fünfzehnten und auch noch im Anfange des sechzehnten
Jahrhunderts gelangte der Bergbau zu großer Blüte, aber sein Verfall
bereitete sich schon vor: die stets um Geld verlegenen Grafen nahmen
Vorschüsse von den Kupferhändlern, verpfändeten Hütten und gaben andre zu
Lehen. Die Teilung der damals vorhandenen 95 Hütten (»Feuer«) unter die
sechs Grafenlinien im Jahren 1536 konnte den Vermögensverfall nicht
aufhalten. Als die Schuldenlast der Grafen die für jene Zeit ungeheure
Summe von zweiundeinhalb Millionen Gulden erreichte, nahmen Sachsen und
Magdeburg als Lehnsherren 1570 Bergbau und drei Fünftel der Grafschaft in
Sequester; damit waren die Grafen trotz ihres Protestes mediatisiert.
Während des dreißigjährigen Krieges und noch mehrere Jahrzehnte nachher
beschränkte man sich darauf, alte Halden und offene Schächte
auszuklauben. Erst durch die »Freilassung« im Jahre 1671, die jedermann
gestattete, Bergwerke zu muten und zu bauen, kam der Bergbau wieder in
geordneten Betrieb. Die fünf Gewerkschaften, welche sich nun nach und
nach bildeten, haben sich im Jahre 1852 zu einer einzigen, der
»Mansfeldschen Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft« vereinigt, die ihren
Sitz in Eisleben hat.

[Illustration: Abb. 105. =Kloster Walkenried.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Es ist ein einziges muldenförmiges Kupferschieferflöz, auf dem die
Mansfelder Gruben bauen. Das Erz kommt in diesem in der Regel als
»Speise« vor, d. h. in sehr feinen Stäubchen eingesprengt, die auf dem
Querbruch metallisch schimmern. Doch treten neben dieser Speise, die
goldgelb, blau, rot und grau sein kann, auch feine Schnüre von
Buntkupfererz und Kupferglas auf, wie in den Sanderzen bei Sangerhausen
dicht zusammengedrängte Kupferkiesstäubchen als »gelbe Tresse«.

[Illustration: Abb. 106. =Denkmal Ernst VII., des letzten Grafen von
Hohnstein, im Kloster Walkenried.=

(Nach einer Photographie von Fr. Zirkler in Klausthal.)]

Die »gültigen« Schieferlager sind nur sieben bis dreizehn Centimeter
mächtig, doch muß das Nebengestein, damit der Bergmann Platz findet, bis
zur Gesamthöhe von einem halben Meter mit weggehauen werden. Der Häuer
liegt bei der Arbeit auf der linken Seite und schützt sich gegen das
kalte und nasse Gestein durch ein angeschnalltes Beinbrett und ein lose
liegendes Achselbrett. Die durch Schrämen (Abb. 94) und Sprengen
gewonnenen Schiefer werden durch die Schlepper, 14- bis 19jährige
Burschen, in Hunden (Förderwagen) an die Förderstrecke gezogen. Der
Schlepper schnallt sich ein mit acht Centimeter hohen Stollen (Langeisen)
versehenes Beinbrett vorn auf den linken Oberschenkel, nimmt das
Achselbrett zur Hand und legt sich vor den Hund. Dann richtet er sich
soweit auf, daß er das Knöchelgelenk des rechten Fußes mit einem Riemen
an den Hund knebeln kann, legt sich, wenn dies geschehen ist, mit dem
linken Oberarm auf das Achselbrett, stützt sich mit der rechten Hand auf
das Liegende (den Boden) und hakt mit den Stollen des Beinbretts auf
dieses auf. Nach dieser Vorbereitung kann die Fortbewegung des Hundes
beginnen. Der Schlepper zieht das freie linke Bein an, stemmt die
Fußsohle desselben, um einen festen Halt zu gewinnen, gegen das Dach und
streckt sich, das Achselbrett mit der linken Hand weiterschiebend,
gerade; dabei zieht das gefesselte rechte Bein den Hund
selbstverständlich ein Stückchen mit fort.

[Illustration: Abb. 107. =Kreuzgang im Kloster Walkenried.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Enthielten die Mansfelder Schiefer nur Kupfer, so hätte der Bergbau
längst eingestellt werden müssen. Denn nachdem Spanien, Colorado, die
Gegend am Oberen See und andere Länder Amerikas in die erste Reihe der
Kupferproduzenten getreten sind, kommt jetzt jährlich mehr als das
Vierfache der früheren Jahresproduktion in den Handel. Nur der hohe
Silbergehalt, 1/2 Pfd. Silber im Zentner Kupfer, sichert dem Mansfelder
Bergbau trotz der Entwertung des Silbers um die Hälfte seinen
Fortbestand. Aber die Gewerkschaft hat noch mit andern Schwierigkeiten zu
kämpfen. Bei der Abteufung (Abb. 95) neuer Schächte ist man mehrfach auf
weit verzweigte Schlotten gestoßen, von Gips eingeschlossene Hohlräume,
welche durch Auflösung des ursprünglich hier abgelagert gewesenen
Steinsalzes entstanden und jetzt mit Wasser angefüllt sind. Die
Bewältigung dieser Wassermassen ist aber sehr schwierig und kostspielig;
um dem Übel gründlich beizukommen, hat man darum in der Annahme einer
unterirdischen Verbindung den Salzigen See trocken gelegt.

Welche Bedeutung das Wohl und Gedeihen des Mansfelder Bergbaues auch für
den Staat hat, folgt schon daraus, daß er 80000 Personen -- Berg- und
Hüttenleuten mit deren Familien -- ihr ausreichendes Brot gewährt.

[Sidenote: Mansfeld.]

Mit dem >Mannesfeld<, welches das Stift Fulda im Jahre 974 tauschweise
an Magdeburg abtrat, ist das Dorf Kloster-Mansfeld gemeint, denn die
nach dieser »Rodung des Mano« benannte Burg ist erst im elften
Jahrhundert erbaut, und die Stadt (Thal-) Mansfeld erst unter dem Schutze
der Burg an deren Fuße entstanden.

In diesem Städtchen, das vor 100 Jahren erst 1000 Einwohner zählte, hat
Luther seine Kinderjahre verlebt. Das Haus, das sein Vater im Jahre 1484
erwarb und 1530 auf seinen Sohn Jakob vererbte, ist nur noch teilweise
vorhanden: über der vermauerten rundbogigen Hofpforte aus rotem Sandstein
findet sich noch erkennbar das alte Luthersche Wappen, Rosen und
Armbrust, mit den Buchstaben J. L. 1530.

Nicht viel besser ist es dem Grafenschlosse ergangen, das 65 Meter tief
auf die an den Seitenhängen eines Thales sich hinziehende Stadt
hinabsieht. Der erste, der sich nach ihm nennt und auch wohl sein Erbauer
sein wird, ist Kaiser Heinrichs V. Feldherr Hoyer, der 1115 am
Welfesholze fiel. Mit dem Tode des Grafen Burchard gingen 1230 Burg und
Namen auf seinen Schwiegersohn, den Edelherrn Burchard von Querfurt über.
Zu Luthers Zeit spalteten sich seine Nachkommen in drei Linien mit sieben
Zweigen, aber ein und einhalb Jahrhunderte später war nur noch die in den
Reichsfürstenstand erhobene Linie Bornstedt übrig, und auch diese
erlosch, nachdem bereits 1710 der Eislebensche oder lutherische Zweig
verdorrt war, am 31. März 1780 mit dem in Österreich lebenden Fürsten
Joseph Wenzel von Fondi. Nun fielen die Besitzungen bis auf einige
Allodialgüter, welche auf Joseph Wenzels Schwiegersohn, den Fürsten
Coloredo und seitdem »Grafen von Mansfeld«, vererbten, zu 3/5 an
Kursachsen und zu 2/5 an Preußen (Magdeburg).

[Illustration: Abb. 108. =Ellrich.=

(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)]

Der meistens nur »Ernst von Mansfeld« genannte Held des dreißigjährigen
Krieges, den der Tod am 26. November 1626 im bosnischen Dörfchen
Wrakowicz ereilte, war der Sohn des Fürsten Peter Ernst I. aus dessen
morganatischer Ehe mit der schönen Anna von Eicken.

Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts wurde die Burg durch Hinzufügung
eines dritten Schlosses, des »Hinterortes«, bedeutend erweitert und in
ihrem ganzen Umfange stärker befestigt. Aber gerade das sollte ihr den
Untergang bringen: da sie im dreißigjährigen Kriege, statt das Land
schützen zu können, die Heere aller Parteien angelockt hatte und bald
erobert wurde, bald wieder verloren ging, so verfügte der Landesherr 1674
unter Zustimmung der Grafen ihre Zerstörung; 400 Mann arbeiteten daran,
aber da Kalk und Gestein untrennbar verkittet waren, mußte ihnen noch
ein Trupp von 30 Bergleuten mit Bohrer und Pulver zu Hilfe kommen.

Aber noch immer stehen einzelne Reste der Mauer stolz und fest, als wären
sie mit dem natürlichen Fels, der sie trägt, zu einem Stück verwachsen.
Ein breiter, tief in den Fels gehauener Graben, der die Burg von Nordost
bis Nordwest umgibt, zeugt von den ungeheuren Anstrengungen, die einst
auf die Befestigung des Platzes verwandt sind. Ein einziges, ehemals noch
durch Außenwerke gedecktes Thor führt auf dieser Seite in den noch jetzt
von festen, zum Teil doppelten Mauern und Kasematten umschlossenen öden
Burghof, auf dem uns von allen Seiten in romantisch-malerischen
Gestaltungen die alten Wohnsitze entgegentreten. Vom Vorderort hat sich
fast nichts als ein starker Wallturm, die Gewölbe der Münze und ein altes
Wachthaus auf den Umfassungsmauern erhalten. Im Mittelort, in dem sich
neben der würdig restaurierten gotischen Kirche das jetzige Herrenhaus
inmitten hübscher Gartenanlagen befindet, fallen die Umfassungsmauern
eines stattlichen Gebäudes, in dem hohe Fichten wurzeln, besonders ins
Auge: es ist der 1532 erbaute »Goldene Saal«, der gemeinschaftliche
Prunksaal der Häuser Mittel- und Vorderort; und im Anschauen der über den
Nebenpforten eines großen Turmgebäudes angebrachten Steinbilder, eines
auf dem Fasse sitzenden Bacchus und zweier Männer, von denen der eine mit
seiner leeren Weinkanne nach dem den vollen Humpen leerenden Kumpan
schlägt -- Umschrift: _Quid est? bapsi!_ -- Darstellungen, welche den
schwelgerischen Humor der Erbauer wiedergeben, müssen wir des strafenden
Wortes gedenken, das D. Luther seinen lieben alten Landesherren zurief,
da ihm der Wein auf der Treppe entgegenrann: »Die Herren düngen gut, es
wird brav Gras danach wachsen.« Auf und in den völlig zusammengebrochenen
Mauern des Hinterorts, dessen ausgedehnte Gebäude einst als die schönsten
gepriesen wurden, wuchern schon lange Bäume und Gesträuch.

Die Grafen von Mansfeld hatten sich den heil. Georg zum Patron erkoren,
den vom wütenden Volke am 24. Dezember 361 beim Regierungsantritt des
Kaisers Julian ermordeten Bischof von Alexandria, der sich gegen das Ende
der Kreuzzüge in den ritterlichen Drachentöter, den Schutzpatron der
Waffenübungen und des englischen Ordens vom blauen Kniebande verwandelte.
Gleich den ungarischen wurden die mansfeldischen Georgsthaler schon im
dreißigjährigen Kriege als Amulett gegen Hieb, Schuß und Stoß getragen.
Der abgebildete (Abb. 96), i. J. 1620 geprägte Thaler der drei
vorderortschen Grafen Volrat ([gestorben] 1627), Wolfgang I. ([gestorben]
1638) und Johann Georg II. ([gestorben] 1647) zeigt den Heiligen im
Harnisch auf rechts schreitendem Turnierpferde, wie er mit der Lanze den
Kopf des Lindwurms durchbohrt. Die Inschrift _Ora pro (nobis)_ auf der
Decke ist nicht zu erkennen. Die Umschrift ist zu lesen: _Volrat,
Wolfgang, Johann Georg, »patroni, comites et domini in Mansfeld, nobiles
domini in Heldrungen«_. Der quadrierte Wappenschild enthält im ersten und
vierten, wieder viergeteilten Felde die sechs Querstreifen von Querfurt
und die sechs, in zwei Reihen gestellten Wecken (oder Gerstenkörner) von
Mansfeld, im zweiten den Adler von Arnstein und im dritten den Löwen von
Heldrungen mit doppeltem Zagel. Als Helmzier dienen die acht
mansfeldischen Fähnchen und der Arnsteiner Adler.

Der zweite, 1811 geprägte Thaler (Abb. 97) zeigt den Kopf des lustigen
Hieronymus, von seines Bruders Gnaden Königs von Westfalen. Der dritte
(Abb. 98) ist bereits in Berlin i. J. 1862 geprägt, mit dem beim
Übergange der Verwaltung an die Gewerkschaft die besondere Vermünzung des
im Mansfeldischen gewonnenen Silbers aufhört.

[Illustration: Abb. 109. =Ilfeld, vom Herzberg gesehen.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Eisleben.]

Unser letzter Besuch an diesem Harzrande gilt der Lutherstadt Eisleben.
(Abb. 99 und 100) Nach den großen verheerenden Feuersbrünsten,
namentlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, hat sie trotz
ihres hohen Alters kein altertümliches Gepräge. Unser Rundgang darf sich
deshalb im wesentlichen auf die Lutherstätten beschränken. Das Lutherhaus
(Abb. 101) enthält im Erdgeschoß, das bei einem Brande im Jahre 1689
unversehrt blieb, das Geburtszimmer des großen Bergmannssohnes und in den
Sälen des 1694 im Stil der Renaissance erneuerten Oberstocks eine Art
Luthermuseum. -- Um mit seinem Rate die zwischen den Grafen, namentlich
inbetreff des Bergbaus schwebenden Streitigkeiten beseitigen zu helfen,
war Luther im Winter 1545/46 dreimal in Eisleben; »abgelebt und müde« kam
er am 28. Januar, von den Grafen und einem Gefolge von 113 »Pferden« von
der Grenze ab ehrenvoll geleitet, zum drittenmal hier an und stieg bei
dem ihm befreundeten Stadtschreiber Dr. Drachstedt ab. In Gemeinschaft
mit den beiden andern gewählten Schiedsrichtern, dem Fürsten Wolfgang von
Anhalt und dem Grafen Heinrich von Schwarzburg, gelang ihm zu seiner
großen Freude der völlige Ausgleich; und obwohl schwach und hinfällig,
unterschrieb er am 17. Februar 1546 auch noch den letzten, abschließenden
Vertrag. Doch bald darauf steigerte sich die Krankheit; das Einhorn, das
Graf Albrecht ihm schabte, und das stärkende Wasser, mit dem die Gräfin
ihm den Puls rieb, blieben wirkungslos, und in der dritten Morgenstunde
des 18. Februar ging der große Reformator zur ewigen Ruhe ein. Das
Sterbezimmer ist die kleine, trauliche straßenwärts liegende Kammer im
oberen Stock des wohl erhaltenen gotischen Hauses (Abb. 102). In der
gegenüberliegenden Andreaskirche hat Luther seine letzten vier Predigten
gehalten, die letzte zwei Tage vor seinem Tode (Abb. 99).

Diese mit ihren aus dem dreizehnten Jahrhundert stammenden
Hausmannstürmen stolz aufragende Hauptkirche, als deren Pfarrer 1609-11
der in Ballenstedt geborene Johann Arnd sein »Wahres Christentum«
schrieb, gibt auch dem ansteigenden Marktplatze, auf den von der
Rathausecke der gekrönte Kopf des hier gewählten Königs Hermann von Salm,
das Wahrzeichen der Stadt, herunterblickt, den wirkungsvollen
Hintergrund. Auf der Mitte des Platzes ist am 400. Geburtstage Luthers
das Bronzestandbild (Abb. 103) des Mannes enthüllt, in dessen Hand nach
den Worten des Katholiken Döllinger »Sinn und Geist der Deutschen wie die
Leier in der Hand des Künstlers« waren. In der Linken die Bibel, schickt
sich der Reformator an, die Bannbulle ins Feuer zu werfen; die Reliefs am
Sockel zeigen ihn in der Disputation mit Dr. Eck und der edlen Musika
pflegend im Kreise seiner Familie.

Ein großartiges Fest andrer Art sah der wundervoll geschmückte Marktplatz
am 12. Juni 1900: die 700jährige Jubelfeier des Mansfelder Bergbaues,
verherrlicht durch die Gegenwart unsers allgeliebten Kaiserpaares.

[Illustration: Abb. 110. =Ruine Hohnstein.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]




                                 XVIII.

                          Die Helmelandschaft.


Die Helme, deren Flußgebiet zu durchwandern uns allein noch übrig bleibt,
gehört dem Harze durch ihre Nebenflüsse Zorge, Thyra, Leine und Gonna an.
Da der Südrand des Harzes höher liegt, als der Nordrand, so greifen
diese nicht weit in das Gebirge hinein.

[Illustration: Abb. 111. =Neustadt unterm Hohnstein.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

[Sidenote: Sachsa. Walkenried.]

An den Rinnsalen, welche vom Grenzpunkte des Ravensbergs nach Süden
eilen, um sich mit dem Flüßchen Wieda zu vereinigen, liegt das
waldfrische, freundliche Städtchen Sachsa (Abb. 104). In dem im oberen
Teile schön bewaldeten Wiedathale steigt die Harzsüdbahn von der
mittleren Hochebene herab; wir folgen ihr nach dem schon außerhalb des
Gebirges belegenen braunschweigischen Flecken Walkenried zur Besichtigung
der großartigen Ruinen seines berühmten Cisterzienserklosters (Abb. 105),
von dem die Trockenlegung der Sümpfe und Riede, die einst durch die
Goldene Au hin den Südrand des Gebirges begleiteten, in so vorzüglicher
Weise durchgeführt ist. Die Besitzungen des von der Gräfin Adelheid von
Klettenberg um 1127 gegründeten und reich ausgestatteten Klosters
erstreckten sich bald über die Harzlande und deren Nachbarschaft hinaus
bis nach Lüneburg, in das Brandenburgische und die Uckermark, nach Aachen
und Würzburg, und in allen Thälern des Westharzes verschmolzen seine
Hütten die ihm aus dem Rammelsberge zustehenden Erze auf Silber, Blei und
Kupfer. Die im Jahre 1137 von fünf Bischöfen geweihte Kirche mit acht
Altären entsprach nicht mehr der Bedeutung und dem Ansehen des Klosters;
schon bald nach dem Jahre 1200 begannen kunstverständige Brüder südlich
von Alt-Walkenried einen Prachtbau, an dem sich Tausende von freiwilligen
Arbeitern päpstlichen Ablaß verdienten. Nach 80jähriger Bauzeit konnte
1290 das neue Gotteshaus, das -- halb so lang wie der Kölner Dom -- seine
Gewölbe mit 26 Pfeilern stützte, feierlichst eingeweiht werden. Im
fünfzehnten Jahrhundert stand Walkenried, das Mutterkloster von
Marienpforte (Schulpforta) bei Naumburg und Sittichenbach bei Mansfeld,
in seiner höchsten Blüte. Damals konnte der Abt auf der Reise nach Rom --
wie man sagte -- jede Nacht im eigenen Hause schlafen. Der Bauernkrieg
knickte diese Blüte jäh mit frevelnder Hand, der dreißigjährige brach sie
völlig. Mit wildem Jubel stürmten die aufständischen hohnsteinschen
Bauern im Mai 1515 das von den flüchtenden Mönchen verlassene Kloster,
plünderten, zerschlugen, verwüsteten; Urkunden und Manuskripte streuten
sie den Pferden unter, Bücher warfen sie als Schrittsteine in den
Schmutz. Vergeblich versuchten sie, das kunstvolle Metallbecken im
Kreuzgange, das der Klosterbruder und Hüttenmeister Almante 1218 gegossen
hatte, mit Hämmern zu zerschlagen, im offenen Holzstoß zu schmelzen,
vergeblich die Glocke durch unaufhörliches Läuten zu zersprengen. Da
knüpften sie Seile an die Turmspitze und in eine uralte Linde, verbanden
diese mit dem Turm durch eine Kette, sägten das Gebälk rings herum ein,
hieben den Baum um und rissen mit diesem unter Freudengeheul den Turm vom
Dache herunter, daß er durch das Kirchendach und die Gewölbe schlug, und
die Glocke zersprang. Bald stürzte der Chor nach, und 1570 mußte der
Gottesdienst in die Kapitelstube verlegt werden, die noch heute als
Fleckenskirche dient.

[Sidenote: Walkenried. Der Sachsenstein. Hohegeiß.]

Seitdem steht das Kloster, eine malerische Ruine, öde und verlassen. Nach
dem letzten Einsturz im Jahre 1899 sind von der Kirche, die -- einzig in
ihrer Art -- eine in frühgotischem Stil gehaltene dreischiffige Basilika
mit Kreuzarmen war, nur wenige Teile der Außenmauern erhalten, am besten
das Hauptportal mit einem sehr großen Spitzbogenfenster. Unversehrt ist
außer der Kapitelstube, die u. a. das kunstvoll aus Holz geschnitzte
Epitaphium (Abb. 106) des 1591 gestorbenen letzten Hohnsteiner Grafen
Ernst und den sehr schönen romanischen Taufstein von Alt-Walkenried
enthält, nur der einen rechteckigen Hof, in welchen das Baptisterium mit
fünf Seiten des Achtecks einspringt, umschließende Kreuzgang (Abb. 107),
und besonders der in doppelter Breite sich an die Kirche lehnende Flügel,
der durch eine Säulenreihe mit reichen Blattkapitälen in zwei Schiffe
geteilt ist.

Unmittelbar vor Walkenried durchschneidet die Bahn den hohen Gipsfelsen
des Sachsensteins, auf dem 1073-74 eine der Burgen Heinrichs IV. stand.
Eine vor wenigen Jahren vom Geheimen Baurat Brinkmann unternommene
Ausgrabung hat indes erwiesen, daß die Ruinen vier verschiedenen Zeiten
angehören, und daß eine dieser Burgen in jene frühe Zeit zurückreicht, wo
man noch statt des Bergfrieds eine Schildmauer aufführte; vielleicht war
dies die Hocseoburg des Häuptlings Theoderich. Neben dieser interessanten
archäologischen Belehrung bietet der Sachsenstein aber auch eine hübsche
Aussicht.

Die Zorge, in die sich die Wieda ergießt, erhält ihre ersten Wasser von
einem Kamme, dessen Mitte der 687 Meter hohe Ebersberg einnimmt. Von
seinem Holzturme hat man einen großartig schönen Blick von eigenartigem
Charakter. Während im Norden die Thäler des Bodegebiets flach nach Osten
streichen, laufen auf der entgegengesetzten Seite die tiefer
einschneidenden Thäler des Helmegebietes nach Süden. Im Westen und Norden
setzen Acker und Brockengebirge dem Blick die Grenzen, im Osten fliegt er
unbehindert über die endlose Hochebene, aus der die Kuppe des Rambergs
kaum merklich hervortritt, und im Süden bildet erst der Thüringerwald
seinen Abschluß. Im Abstieg wenden wir uns nach dem braunschweigschen
Flecken Hohegeiß, der mit seinen 642 Metern der höchstgelegene Ort im
Harze ist. Ähnlich wie Andreasberg von kahler Höhe steil ins Thal
abfallend, verdankt es diese den Ackerbau ausschließende Lage dem um die
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts aufgenommenen Bergbau, der nach langer
Unterbrechung erst jetzt wieder in Betrieb gesetzt wird; und seinen Namen
der Elendskapelle »zum hohen Geist«, die in dieser einsamen, durch
Räubereien berüchtigten Gegend an einer alten Gebirgsstraße schon im
dreizehnten Jahrhundert vorhanden war.

Durch den üppigen Laubwald des Wolfsbachthales gelangen wir nach dem in
356 Meter Meereshöhe sehr schön tief in den Bergen gelegenen früheren
Eisenhüttenort Zorge, einem braunschweigschen Flecken, gleichen Alters
mit Hohegeiß. Am 554 Meter hohen Staufenberge vorüber wendet sich die das
Flüßchen begleitende Straße, die bei der Drahthütte den alten Kaiserweg
aufnimmt, nach der einst hohnsteinschen Stadt Ellrich (Abb. 108); an dem
unterhalb dieser einmündenden Sülzbache liegt in einem rings durch
hübsche Waldberge geschützten Thalkessel idyllisch das Dorf Sülzhain und
noch etwas höher in entzückendem Waldfrieden das Sanatorium für
erholungsbedürftige Knappschaftsgenossen. Auch der nördlich davon zu 635
Meter ansteigende Große Ehrenberg verdient um seiner herrlichen Aussicht
willen einen Besuch. Von hier zum Jägerfleck hinabsteigend, wo sich die
Straßen Ellrich-Benneckenstein und Ilfeld-Hohegeiß-Braunlage kreuzen,
wandern wir über das hübsch am nördlichen Fuße des 610 Meter hohen
Kleinen Ehrenbergs gelegene wernigerodische Dorf Rotesütte im
wunderschönen Schoppenthal zum Netzkater hinunter.

[Illustration: Abb. 112. =Nordhausen.=]

[Sidenote: Ilfeld. Hohnstein.]

Die Kleinbahn, welche sich bei Dreiannen-Hohne von der Brockenbahn in der
Richtung auf Elend abzweigt und in Sorge an der Warmen Bode die Kleinbahn
Tanne-Braunlage, die Fortsetzung der Zahnradbahn Blankenburg-Tanne,
kreuzt, erklettert südöstlich von Benneckenstein von der Luppbode aus die
582 Meter hohe Wasserscheide und eilt im Tiefenbachthal der von Nordosten
kommenden Behre zu, um von der nur noch 352 Meter hoch gelegenen
Eisfelder Thalmühle ab dem herrlichen Thale dieses Flüßchens zu folgen.
Das Stück bis Ilfeld, in das wir beim Netzkater eintreten, darf sich mit
seinen romantischen Klippen und üppigen Laubwaldhängen getrost den
bekanntesten Glanzpartieen des Harzes zur Seite stellen.

Im Jahre 1103 überfiel Elger I. von Ilfeld den Grafen Kuno von
Beichlingen in der Nacht und tötete ihn in seinem Bette. Wohl zur Sühne
für diese Gewaltthat stiftete sein Sohn Elger II. »an der Pforte
Hercyniens« das Kloster Ilfeld; sein Enkel Elger III. vollendete den Bau,
überließ die Burg Ilfeld, von der sich nur noch geringe Reste über der
Johannishütte vorfinden, seinem Bruder Friedrich, von dessen ältestem
Sohne Heinrich die Fürsten zu Stolberg abstammen, und nahm auf dem durch
Heirat erworbenen Hohnstein seinen Wohnsitz. Das reich ausgestattete
Kloster ward -- wie Walkenried -- im Bauernkriege ausgeplündert und hart
mitgenommen. Im Jahre 1546 nahm der Abt Stange die Reformation an und
verwandelte das Kloster auf Luthers und Melanchthons Rat und mit
Unterstützung der Grafen zu Stolberg in eine Schule, als deren ersten
Rektor er 1550 den berühmten Michael Neander, der damals erst 25 Jahre
alt war, berief. Noch heute blüht dies Pädagogium, aus dem berühmte
Männer hervorgegangen sind (Abb. 109).

Über den 612 Meter hohen Poppenberg, dessen Gipfel, die Fürst-Ottos-Höhe,
einen Eisenturm trägt, der die diesem schönen Harzgebiete
charakteristische Aussicht bietet: nach dem Harze zu die wellenförmige
Hochebene mit dem Brocken, nach dem Lande hin die Goldene Au mit dem
Kyffhäuser und der Thüringer Wald, wandern wir dem Hohnstein zu, der
schönsten und bedeutendsten aller harzischen Burgruinen (Abb. 110).

[Sidenote: Hohnstein. Neustadt.]

Der Hohnstein ist zwischen 1110 und 1130 von einem Grafen Konrad, dem
Brudersohne Ludwigs des Springers von Thüringen, erbaut. Seit 1162
nannten sich die damit von Heinrich dem Löwen belehnten Ilfelder »Grafen
von Hohnstein«. Nach dem Tode des letzten dieses berühmten und in seiner
Glanzzeit reichbegüterten Geschlechts traten 1593 die ihm stammverwandten
und erbverbrüderten Stolberger in den Lehnsbesitz ein. So kommt es, daß
sowohl ein Stück der Grafschaft Stolberg-Wernigerode (Rotesütte,
Sophienhof, Hufhaus), wie der Grafschaft Stolberg-Stolberg (die Gegend
von Neustadt bis nach Urbach und Steigerthal nördlich von Heringen)
innerhalb der Provinz Hannover liegt.

In der dunklen Nacht vom 14. auf den 15. September 1412 erstieg, von
einem treulosen gräflichen Knechte geführt, Friedrich von Heldrungen mit
seiner Fleglerbande die Burg, nahm den alten Grafen im Bette gefangen,
und kaum gelang es dem jungen Grafen Heinrich IX., nur mit dem Hemde
bekleidet, mit Hilfe seiner Gemahlin Margarete von Weinsberg, an einem
Seile durch das Fenster zu entkommen. Und im Mai 1525 erstürmten die
aufständischen Bauern die Burg, um den hierher geflüchteten Ilfelder Abt
und dessen Eigentum zu holen. Aber beide Male schonten die Bauern die
Burg. Erst der dreißigjährige Krieg brachte ihr das Ende: in der
Christnacht des Jahres 1627 steckte sie der kursächsische Oberst Vitzthum
von Eckstädt mittels großer Mengen ringsum gehäuften Wellholzes in Brand,
und als die Neustädter herbeieilten, um die schauerlich ins Thal
leuchtende Feste zu retten, ließ er sie durch Soldaten hinuntertreiben.

[Illustration: Abb. 113. =Rathaus in Nordhausen.=]

Trotz der Trümmerhalde, die einem natürlichen Bergsturz gleich den 90
Meter hoch aus dem Thale aufsteigenden Burgfelsen umgibt, sind noch
umfangreiche Teile, Mauern, vier Thore, Türme, die Umfassungsmauern
vieler Gebäude, vorhanden, und die Bäume und Sträucher, die aus den
Trümmern aufgeschossen sind, und der gewachsene Fels, der zwischen ihnen
zu Tage tritt, verstärken den malerischen Eindruck.

Bei dem Dorfe Niedersachswerfen, das wir über den Flecken Neustadt (Abb.
111) erreichen, wendet sich die Zorge bis Nordhausen südlich, um sich
bald darauf in südöstlicher Richtung bei Heringen in die Helme zu
ergießen.

[Sidenote: Nordhausen. Josephshöhe. Stolberg.]

Die ehemalige Reichsstadt Nordhausen (Abb. 112), die als solche in den
Harzlanden nur Goslar zur Schwester hat, gehört zu den wenigen Städten,
deren Befestigung bestimmt auf Heinrich I. zurückgeführt werden kann.
Zugleich ist sie die dritte der harzischen Königsstädte, denn die
sächsischen und fränkischen, auch noch die staufischen Kaiser nahmen hier
oftmals ihren Aufenthalt. Von Heinrich dem Löwen 1180 eingeäschert,
erscheint sie doch schon 1270 als Reichsstadt; und erst der
Reichsdeputationshauptschluß von 1803 nahm ihr die Unmittelbarkeit.

An altertümlichen Bauwerken hat Nordhausen weniger aufzuweisen, als
Goslar, Halberstadt und Quedlinburg. Von den sieben Kirchen ist die
älteste und sehenswerteste der gotische Dom zum heiligen Kreuz mit
romanischem Turm. Trotz seiner Einfachheit recht wirkungsvoll zeigt sich
das Rathaus (Abb. 113), ein Renaissancebau aus dem Jahr 1510 mit einem
hölzernen Roland aus dem Jahre 1717. In ihrem »Gehege« besitzt die Stadt
einen wundervollen Waldpark.

Die Wasser des Auerberges und der Gegend bei Stolberg führt der Helme,
die sich bei Heringen westlich gewendet hat, die nordöstlich vom
Birkenkopf (585 Meter) entspringende Thyra zu.

Der 575 Meter hohe Porphyrkegel des Auerberges setzt sich wie der
Ramberg, doch etwas steiler, um etwa 200 Meter auf die Hochebene auf.
Nach dem Grafen Joseph zu Stolberg, der auf der flach gewölbten Kuppe im
Jahre 1822 einen von Schinkel entworfenen 22 Meter hohen hölzernen Turm
in Kreuzform errichten ließ, heißt er auch Josephshöhe. Dieser 1880 durch
Blitzschlag zerstörte ist 1896 durch einen durchbrochenen Eisenturm nach
demselben Plane ersetzt. Mit seinen Doppelarmen bildet er das größte
Kreuz der Welt (Abb. 114).

Die Rundsicht ist ungleich schöner als die von der Viktorshöhe, voller
Abwechselung und Leben. Denn die schwachgewellte Ebene des Unterharzes
tritt hier nur im Osten auf, und der dort nur angedeutete Brocken stellt
sich hier mit all seinen Neben- und Vorbergen in voller Breite und
größerer Nähe offen zur Schau, und Berg und Thal vor ihm bildet gleichsam
ein tiefgehendes, grünes Gewoge. Über der Goldenen Au tritt das
Kyffhäusergebirge markig hervor. Und wundervoll glänzt im nächsten
Vordergrunde das Schloß Stolberg in seiner frischgrünen Umrahmung.

[Sidenote: Stolberg. Roßla.]

Heinrich von Voigtstedt in der Goldenen Au, der 1210 zum erstenmal als
Graf von Stolberg vorkommt, gehört dem Hause der Ilfelder an. Waren seine
Stammbesitzungen, wenn auch zerrissen, nicht unbedeutend, so sind doch
als die eigentlichen Begründer des Reichtums und des Ansehens des
durchlauchtigen Hauses die beiden Grafen Botho anzusehen, von denen »der
Ältere« 1450, »der Glückselige« 1500 regierte. In der Erbteilung von 1645
fielen die Grafschaften Stolberg und Roßla Johann Martin, dem jüngeren
Sohne des Grafen Christoph, zu; seine Nachkommen spalteten sich 1706 in
die noch heute blühenden Zweige Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla.

[Illustration: Abb. 114. =Aussichtsturm Josephshöhe. Das größte Kreuz der
Welt.=

(Nach einer Photographie von Wiedling in Stolberg.)]

Das Schloß (Abb. 1), in dessen ältestem Flügel sich die Schloßkirche mit
einem prächtigen Altar aus Alabaster, mit großen silbernen Leuchtern und
schönen Statuen befindet, hebt sich von dem Hintergrunde des grünen
Buchenwaldes der überragenden Berge blendend weiß gar ausdrucksvoll ab.
Die unter seinem Schutze und an seinem Fuße an einer alten Straße
entstandene Stadt mußte klein und unbedeutend bleiben, denn für den
Handel lag sie nicht günstig genug, ihr Bergbau hat nie Bedeutung
erlangt, und Ackerbau gestatten die schroffen Berghänge nicht. Aber ihre
wundervolle Umgebung -- lauschiger Wald, weitschauende Höhen -- fangen
an, ihre Zugkraft zu üben.

[Illustration: Abb. 115. =Rathaus in Stolberg.=

(Nach einer Photographie von F. Rose in Wernigerode.)]

Keine andre Harzstadt kommt ihr in seltsamer Lage gleich. Von allen
Seiten durch hohe Berge eingeengt, erscheinen ihre langen Gassen
gleichsam in die vier hier zusammentreffenden Thäler eingegossen, und die
Berge wie zerrissen, als ob ein gewaltiger Blitz die Gebirgsmassen in
riesige Furchen zerteilt hätte, die strahlenförmig vom Markte auslaufen.
Im Mittelalter war der Marktplatz durch vier Thore befestigt, und auch am
Außenende jeder der vier Gassen erhob sich ein Thor, aber Wall und Mauern
hatte die Stadt nicht; denn oft unmittelbar hinter den Häusern, auch
hinter dem interessanten Rathause (Abb. 115) steigen die Felsen auf. Die
uralten Bürgerhäuser in malerischer Holzkonstruktion finden sich nicht,
wie z. B. in Goslar, vereinzelt und verstreut, nein, die ganze Stadt
mutet uns an wie ein unversehrt gebliebenes Stück Mittelalter.

Die dritte stolbergsche Residenz, das neue, schöne Schloß Roßla, liegt
anmutig halb im Park versteckt am Ufer der Helme. Von hier oder von der
benachbarten Station Bennungen machen wir einen kurzen Abstecher nach dem
Dorfe Questenberg, das sich überaus malerisch in ein von schroffen
Gipswänden eingefaßtes, enges Thal einschmiegt, deren Weiß durch die
dunklen Waldhänge noch blendender wird. Auf einem dieser Felsen erhebt
sich die bedeutende Ruine der Burg Questenberg, die noch im
dreißigjährigen Kriege militärisch besetzt war. Unser Besuch aber gilt
dem gegenüberliegenden, von einem vorgeschichtlichen Erdwalle umgebenen
»Questenberge«, und insbesondere dem hier aufgerichteten Questenbaume,
einer 12 Meter hohen entrindeten Eiche, an deren Kreuzarmen ein
riesengroßer Kranz mit Birkenzweigen befestigt ist. Hierher zieht die
Dorfgemeinde alljährlich am dritten Pfingsttage nach einem
Festgottesdienste in feierlichem Zuge, führt einen Reihentanz um den Baum
und kehrt zu Tanz und Schmaus nach dem Dorfe zurück. Die Sage führt
diesen unzweifelhaft alten Brauch recht oberflächlich darauf zurück, daß
ein Kind, welches sich Pfingsten im Walde verirrt hatte, nach langem
Suchen wiedergefunden wurde, als es sich gerade einen Kranz (eine
»Queste«) flocht. Unschwer aber ist in dem Questenfeste noch heute das
altgermanische Maienfest zu erkennen: der Kranz ist ein Sinnbild der
Sonne, der Tanz um den Baum ein Bild ihres scheinbaren Rundganges um die
Erde.

[Sidenote: Morungen. Sangerhausen.]

In einem schmalen, hoch in die Berge hinausgreifenden Thale, dessen
Wasser, wie der Questenberger Bach, der bei Bennungen in die Helme
mündenden Leine zurinnt, liegt in einem reizenden Waldversteck das
Dörfchen Morungen mit einem prächtigen Schlosse; die nicht unbedeutende
Höhe, an die sich westlich das Dorf schmiegt, trägt die stark verfallenen
Ruinen der gleichnamigen Burg. Der Blick hier über das Dorf hinaus in die
liebliche Berg- und Waldlandschaft wirkt überraschend, aber noch größeres
Interesse gewinnt die wenig bekannte Ruine dadurch, daß diese Burg
Morungen die Heimat des Minnesängers Heinrich von Morungen ist, des
bedeutendsten Vorläufers Walthers von der Vogelweide.

Von der Ruine gelangen wir auf einsamem Waldpfade über den Kunstteich
nach den Ruinen der Burg Grillenberg, die sich auf einem waldigen
Bergrücken über dem gleichnamigen Dorfe erheben. Das Burgplateau gewährt
nur nach Süden, durch das Gonnathal, eine Fernsicht, aber eben dieser
Blick aus dem Waldversteck über Sangerhausen auf die Allstedter Höhen und
den Kyffhäuser und bis zur Finne und Schmücke bei Sachsenburg gehört zu
dem Lieblichsten, was der Südharz zu bieten vermag.

Die Gonna führt uns nach dem freundlichen Sangerhausen, der zweitgrößten
Stadt des Südharzes. Schon im Hersfelder Zehntregister von 899 erwähnt,
hat sie sich, wenn auch sonst modernen Ansehens, manche wertvolle
Erinnerung an alte, ruhmreiche Zeiten bewahrt. Von den Kirchen stammt die
romanische Ulrichskirche mit fünf Apsiden und einem Turme über der
Vierung schon aus dem zwölften Jahrhundert; Graf Ludwig der Springer
erbaute sie kurz nach seiner Gefangenschaft unter Kaiser Heinrich V.
(1116-1120); von den Profangebäuden sind das 1586 erbaute und um 1620
erweiterte Amtsgericht mit Turm und schönen Erkern und das aus dem Jahre
1437 stammende Rathaus, das infolge eines Anbaues von 1556 »einen Sparren
zu viel oder zu wenig« hat, die sehenswertesten. Das um 1250 vom
Markgrafen Heinrich dem Erlauchten von Meißen erbaute »alte Schloß«
bietet dagegen in seinem jetzigen Zustande kaum ein kunstgeschichtliches
Interesse.

                    *       *       *       *       *

Gleich den jungen Bergstädten Klausthal und Zellerfeld, von denen wir
unsern Rundgang durch die schönen Harzlande aufgenommen haben, führt das
alte Sangerhausen, in dem wir nun den Wanderstab aus der Hand legen, das
Berggezäh, »Schlägel und Eisen«, im Wappen. Das mag uns ungesucht Anlaß
und Berechtigung geben, uns mit dem schönen, alten Harzer Spruche
voneinander zu verabschieden:

               Es grüne die Tanne, es wachse das Erz!
               Gott schenke uns allen ein fröhliches Herz!
                                Glückauf!

[Illustration]

                    *       *       *       *       *




                                Register.


                                   A.

  Abteufen des Segengottes-Schachtes 101 (Abb. 95).
  Achtermannshöhe 77, 83.
  Acker-Bruchberg 8.
  Adenberg 5.
  Ahrendsberg 70.
  Alexisbad 89 (Abb. 85), 106.
  Altenah 68.
  Altenau 68, 72.
  Altenbraak 99, 100.
  Altenburg 94.
  Alte Wipper 110.
  Altwallmoden 17.
  Ambergau 64, 65.
  St. Andreasberg 37 (Abb. 38), 77, 78, 80.
  Andreasberger Dreieck 8, 77.
  Andreasthaler von 1726 12 (Abb. 13).
  Anhaltischer Thaler von 1861 92 (Abb. 87).
  Arensklint 86, 98.
  Arnstein 109.
  Aschersleben 110.
  Auerberg 110, 123.
  Auerhahn 48, 72.
  Ausbeutethaler von 1685 11 (Abb. 12).


                                   B.

  Baddekenstedt 17.
  Ballenstedt 97, 107, 108;
    Schloß 95 (Abb. 90).
  Barenberg 86.
  Bauersberg 62.
  Baumannshöhle 99.
  Benneckenstein 100.
  Bergbau in alter Zeit 42.
  Bergmann 5 (Abb. 4).
  Bergwerksteiche 58.
  Besiedelung des Harzes 28.
  Bevölkerung 32.
  Birkenburg 70.
  Birkenkopf 123.
  Blankenburg 69 (Abb. 68), 96;
    Schloß 67 (Abb. 66);
    im 17. Jahrhundert 68 (Abb. 67).
  Bockenem 65, 67.
  Bockswiese 48.
  Bodekessel 76 (Abb. 74), 100.
  Bodelandschaft 98.
  Bodensteiner Klippen 68, 82.
  Bodethal 100;
    Eingang 77 (Abb. 75).
  Braunlage 73 (Abb. 71), 98.
  Brocken 5, 83, 84, 85, 86, 87, 88.
  Brockenbahn 43 (Abb. 45).
  Brockenfeld 8, 78, 83, 84.
  Brockengipfel 42 (Abb. 44).
  Bruchberg 68, 83.
  Bruchberg-Acker 77.
  Buntenbock 58.
  Burgberg 89.


                                   C.

  Christentums, Einführung des 27.
  Christianenthal bei Wernigerode 55 (Abb. 56), 92.


                                   D.

  Derneburg, Schloß 26 (Abb. 27), 67.
  Dietersdorf 110.
  Doppelthaler vom Jahre 1688 10 (Abb. 10).
  Dorfanlage 38.
  Dreiherrenbrücke 90.


                                   E.

  Ebersberg 120.
  Eckardhütte 110.
  Ecker 89, 90, 98.
  Eduardschacht 110.
  Ehrenberg, großer 120;
    kleiner 121.
  Eine 108.
  Einhornhöhle 80.
  Eisleben 105 (Abb. 100), 116, 118;
    im 17. Jahrhundert 3 (Abb. 2);
    Lutherdenkmal 109 (Abb. 103);
    Luthers Geburtshaus 107 (Abb. 101);
    Luthers Sterbehaus 108 (Abb. 102);
    Markt mit Lutherdenkmal und Andreaskirche 104 (Abb. 99).
  Elbingerode 99.
  Elend 98.
  Ellrich 115, 120.
  Enge Wege 100.
  Erdbeerkopf 86.
  Erzstoß im Burgstätter Hauptgang 14 (Abb. 15).


                                   F.

  Falkenstein 93 (Abb. 88), 106, 107;
    Schloßhof 94 (Abb. 89).
  Feuersteinsklippen 98.
  Frankenscharner Silberhütte 48, 58.
  Freieslebenschacht 110.
  Freundschaftsklippe 106.
  Fuhrherr 6 (Abb. 5).
  Fürst-Ottos-Höhe 121.


                                   G.

  Gebbersberg 86.
  Gebirgsfaltung 16.
  Gegensteine 103.
  Gelmkeberg 5.
  Gemkenthal 70.
  Geographischer Überblick 5.
  Geologische Übersicht 8.
  Georgshöhe 103.
  Gerlachsbach 68.
  Gernrode 87 (Abb. 83), 103, 104;
    Inneres der Cyriakikirche 88 (Abb. 84).
  Geschichtlicher Überblick 25.
  Goldbach 94.
  Gose 48, 72.
  Goslar 72, 73, 74, 75, 76;
    von der Klus gesehen 31 (Abb. 32);
    Domkapelle 32 (Abb. 33);
    Kaiserhaus 4 (Abb. 3);
    Markt mit Rathaus 30 (Abb. 31).
  Großer Ehrenberg 120.
  Grund 23 (Abb. 24), 62.
  Güntersberge 100, 106.


                                   H.

  Hagenthal 104.
  Hahnenberg 5.
  Hahnenklee 15 (Abb. 16), 48.
  Hainberg 68.
  Hakeberg 109.
  Halberstadt 61 (Abb. 61), 93;
    Inneres des Domes 63 (Abb. 62);
    Markt und Rathaus 60 (Abb. 60).
  Halberstädter Schweiz 94.
  Hammerstein 77.
  Hannekenbruch 85.
  Hanskühnenburg 77.
  Harkerode 109.
  Harlyberg 90.
  Harzburg, Bad 45 (Abb. 47), 70, 89;
    im 17. Jahrhundert 49 (Abb. 50);
    Kurhaus und Aktienhotel 47 (Abb. 48).
  Harzgerode 106.
  Harzgrafschaften 30.
  Hassel 100.
  Hasselfelde 100.
  Hassenstein 79.
  Hasserode 92.
  Hausbau 37.
  Hausberg 78, 79.
  Heber 65.
  Heidenstieg 25.
  Heiligenstock 56.
  Heimburg 95.
  Heinrichshöhe 86.
  Henneckenrode, Schloß 27 (Abb. 28), 67.
  Hermannshöhle 99;
    Blaue Grotte 74 (Abb. 72).
  Herzberg 5, 41, 82.
  Hettstedt 110, 112.
  Hexenaltar 85.
  Hexentanzplatz 101;
    vom Hirschgrund gesehen 79 (Abb. 76).
  Hexenwaschbecken 85.
  Hilmarsberg 92.
  Hirschhörner 83.
  Hirt 16 (Abb. 17).
  Hochebene von Klausthal 40.
  Hochwild 19 (Abb. 20).
  Hohegeiß 120.
  Hohneklippen 86, 91.
  Hohnstein 118 (Abb. 110), 121, 122.
  Holle 67.
  Holtemme 91, 92.
  Hoppelberg 94.
  St. Hubertus-Jägerhaus 68.
  St. Hubertuskapelle am Heinberge 28 (Abb. 29).
  Hüttenmann 20 (Abb. 21).
  Hüttenrode 99.


                                   I.

  Iberg 62.
  Ilfeld 117 (Abb. 109), 121.
  Ilse 89, 90.
  Ilsefälle 51 (Abb. 52), 90.
  Ilsenburg 52 (Abb. 53), 90, 91.
  Ilsestein 90.
  Ilsethal 90.
  Innerste 17, 48, 56, 62, 72.
  Innerstelandschaft 58.


                                 J (j).

  Jagdkopf 77, 78.
  Jägerfleck 120.
  Jakobsbruch 85.
  Josephshöhe 123;
    Aussichtsturm 123 (Abb. 114).


                                   K.

  Kahlenberg 48.
  Kalbe 70.
  Kalte Bode 98.
  Kaltenborn 48.
  Kamschlacken 56.
  Karl der Große zerstört die Irmensäule 34 (Abb. 35).
  Katharinenhütte 110.
  Kellwasser 70.
  Kirchberg 63.
  Klausthal 7 (Abb. 7), 41, 43, 46;
    Marktkirche 9 (Abb. 9).
  Klausthal, Hochebene von 40.
  Klausthaler Silberhütte 58.
  Kleiner Ehrenberg 121.
  Klima 18, 19.
  Kloster-Mansfeld 115.
  Klus 72.
  Klusberge 94.
  Knollen 78.
  Köhler 53, 54.
  Königsberg 78, 83, 86.
  Königsdahlum 65.
  Königshof 98, 99.
  Königshütte 79.
  Konradsburg, Kloster 107.
  Köte 52.
  Krumme Getel 107.
  Kuckholzklippe 48, 56.
  Kulturmädchen 50.
  Kummel 79.
  Kupferkammerhütte 110;
    Flammofen-Anlage 98 (Abb. 92).


                                   L.

  Landgängerin 6 (Abb. 6).
  Landmannshohnebruch 85.
  Land und Leute 30.
  Langelsheim 62.
  Langenstein, Schloß 94.
  Langer Acker 8.
  Lärchenköpfe 83.
  Lauenburg 103.
  Lautenthal 24 (Abb. 25), 62.
  Lauterberg 38 (Abb. 40), 78, 79;
    im 17. Jahrhundert 38 (Abb. 39).
  Leimbach 110.
  Leine 108.
  Lerbach 48, 56.
  Lerbacher Holzhauer 18 (Abb 19).
  Lindenberg-Straßberg 106.
  Luppbode 100.
  Luther und Karl V. auf dem Reichstage in Worms 35 (Abb. 36).
  Lutterberg 78.
  Lutter 78.


                                   M.

  Mägdesprung 91 (Abb. 86), 106.
  Mansfeld 110, 115, 116.
  Mansfelder Bergbau 112, 114.
  Mansfelder Bergbaugebiet 108.
  Mansfelder Georgsthaler von 1620 102 (Abb. 96).
  Mansfelder Münzen 116.
  Mansfelder Thaler von 1811 103 (Abb. 97);
    von 1862 103 (Abb. 98).
  Mauseklippe 98.
  Meinekenberg 86.
  Meisdorf, Schloß 107.
  Metallaufbereitung 60.
  Michaelstein 64 (Abb. 63).
  Michaelstein, Kloster 94, 95.
  Molmerschwende 109.
  Mönchseiche bei Michaelstein 65 (Abb. 64).
  Morungen 125.
  Münchehof 63.
  Mundarten 33, 34, 35, 36, 37.


                                   N.

  Nabenthaler Wasserfall 68.
  Nebel 25.
  Neile 62.
  Nette 63, 64, 65.
  Neudorf 110.
  Neu-Michaelstein 94.
  Neustadt unterm Hohnstein 119 (Abb. 111), 122.
  Niedersachswerfen 122.
  Niederschläge 22, 23, 24.
  Nordberg 5.
  Nordhausen 121 (Abb. 112), 122, 123;
    Rathaus 122 (Abb. 113).
  Nöschenrode 92.


                                   O.

  Obere Schwarze Tannen 83.
  Oberteich 36 (Abb. 37).
  Ober- und Unterharz 8.
  Oder 78, 82.
  Oderhaus 78.
  Oderlandschaft 77.
  Oderteiche 48, 77.
  Oker, Fluß 56, 68, 70, 90.
  Oker, Ort 72.
  Oker, kleine 68.
  Okerlandschaft 68.
  Okerstein 68.
  Okerthal 70.
  Örner, Burg 110.
  Osterode 21 (Abb. 22), 56.
  Otto-Schächte I und III 99 (Abb. 93).


                                   P.

  Pandelbach 63.
  Pansfelde 109.
  Pesekenkopf 86.
  Petersberg 72.
  Pöhlde 82.
  Poppenberg 121.
  Prinzenteich 58.


                                   Q.

  Quedlinburg 81 (Abb. 78), 102, 103;
    Klopstock-Denkmal 83 (Abb. 80);
    Rathaus 80 (Abb. 77);
    Ritterdenkmal 85 (Abb. 81);
    Altertümer in der Schloßkirche 82 (Abb. 79).
  Questenberg 124.
  Quitschenberg 83.


                                   R.

  Rabenklippen 50 (Abb. 51), 90.
  Radau 89.
  Radaufall 48.
  Ramberg 5, 104.
  Rammelburg, Schloß 110.
  Rammelsberg 5.
  Rappbode 99, 100.
  Rauchblößen 58.
  Ravensberg 77, 78, 79, 119.
  Regenstein 95.
  Regenstein, Burg 66 (Abb. 65).
  Rehberg 78, 83.
  Rehbergergraben 48, 77.
  Renneckenberg 86.
  Rhüden 65.
  Riefensbeek 56.
  Rippenbach 94.
  Römerstein 79.
  Romkerhalle 70.
  Romkerhaller Wasserfall 29 (Abb. 30).
  Roßla 124.
  Roßtrappe 101.
  Rotenbach 68.
  Rotesütte 121.
  Rübeland 99.
  Ruhme 58.


                                   S.

  Sachsa 111 (Abb. 104), 119.
  Sachsenstein 120.
  Saigerhütte 110.
  Salzberg 92.
  Sandthalskopf 86.
  Sangerhausen 125.
  Schächte 47.
  Schalke 48.
  Scharfenstein 86.
  Scharzfeld 79.
  Scharzfels 40 (Abb. 42), 79, 80.
  Scherenberg 56.
  Schersthorklippen 98.
  Schierke 71 (Abb. 70), 98;
    Dorfstraße 70 (Abb. 69).
  Schildau 64.
  Schlüsselstollen 110.
  Schmale Wipper 110.
  Schnarcherfelsen 87.
  Schneeschuhläufer 44 (Abb. 46).
  Schneidwasser 68.
  Scholm 79.
  Schrämarbeit 100 (Abb. 94).
  Schurre 101.
  Seesen 64.
  Segengottes-Schachtes, Abteufen des 101 (Abb. 95).
  Seilerklippen 77.
  Selke 106, 107, 108.
  Selkelandschaft 106.
  Sieber 78, 82.
  Silberhütte 106.
  Söder, Schloß 25 (Abb. 26), 66.
  Sonnenberg 83.
  Sonnenberge 77.
  Söse 48, 56, 58.
  Söselandschaft 56.
  Sperrlutter 78.
  Spiegelthal 48.
  Stangerode 108, 109.
  Staufenburg 63.
  Stecklenburg 103.
  Steile Wand 68.
  Steinberg 5.
  Steinerne Renne 53 (Abb. 54), 91.
  Steinkirche 82.
  Stiege 100.
  Stieglitzecke 77.
  Stöberhai 77, 78, 79.
  Stolberg Abb. 1 (Titelbild), 123, 124;
    Rathaus 124 (Abb. 115).
  Stolberg-Stolberg, Grafschaft 122.
  Stolberg-Wernigerode, Grafschaft 121.
  Stubenberg 103.
  Sudmerberg 72.
  Suderode 86 (Abb. 82), 103.
  Sülzhain 120.


                                   T.

  Temperaturschwankungen 20.
  Teufelsbäder 6.
  Teufelsbrücke 100.
  Teufelskanzel 85.
  Teufelsmauer 82, 102.
  Teufelsmühle 106.
  Thale 102.
  Thyra 123.
  Tiefenbachthal 121.
  Torfhaus 68.
  Trautenstein 100.
  Treseburg 75, 100.


                                   U.

  Unterharz 8.


                                   V.

  Vienenburg 90.
  Viktorshöhe 106.
  Volkmannsrode 109.
  Volkmarsbrunnen 94.
  Volkmarskeller 94.
  Volkscharakter 40.
  Volkstrachten 39.
  Vorgeschichte des Harzes 26.


                                   W.

  Waldarbeiter 18 (Abb. 19), 51.
  Waldeszauber 49.
  Waldvergiftung 59.
  Walkenried 119, 120;
    Denkmal Ernst VII. im Kloster 114 (Abb. 106);
    Kloster 112 (Abb. 105);
    Kreuzgang im Kloster 114 (Abb. 107).
  Warme Bode 98.
  Weißes Wasser 70.
  Wendefurt 100.
  Werder 66.
  Wernigerode 57 (Abb. 57), 92;
    Frankenfeldsches Haus 59 (Abb. 59);
    Rathaus 58 (Abb. 58);
    Schloß 54 (Abb. 55).
  Wiebeek 109.
  Wieda 120.
  Wiedathal 119.
  Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches 33 (Abb. 34).
  Wiesenbeeker Teich 39 (Abb. 41), 79.
  Wild 55.
  Wildemann 22 (Abb. 23), 62.
  Wildemannthaler von 1665 11 (Abb. 11).
  Wildschweine 17 (Abb. 18).
  Wilhelmshütte 65.
  Windhausen 48.
  Winterberg, großer und kleiner 87.
  Winzenburg 64.
  Wipper 108, 110.
  Wipperlandschaft 108.
  Wipperthal 110.
  Wippra 110.
  Woldenberg 67.
  Woldenstein, Burg 65.
  Wolfsbachthal 120.
  Wurmbachthal 103.
  Wurmberg 83, 87, 99.


                                   Z.

  Zellbach 58.
  Zellerfeld 8 (Abb. 8), 41;
    Apotheke 13 (Abb. 14).
  Zellerfelder Münzen 44.
  Zeterklippen 86.
  Zillierbach 92.
  Zorge, Fluß und Ort 120.

                    *       *       *       *       *

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