The Project Gutenberg eBook of Nach Amerika! Vierter Band, by Friedrich Gerstäcker, Illustrated by Carl Reinhardt This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Nach Amerika! Vierter Band Ein Volksbuch Author: Friedrich Gerstäcker Release Date: March 4, 2009 [eBook #28243] Language: German ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NACH AMERIKA! VIERTER BAND*** E-text prepared by richyfourtytwo, Delphine Lettau, and the Project Gutenberg Online Distributed Proofreading Team (https://www.pgdp.net) Note: Project Gutenberg also has an HTML version of this file which includes the original illustrations. See 28243-h.htm or 28243-h.zip: (https://www.gutenberg.org/dirs/2/8/2/4/28243/28243-h/28243-h.htm) or (https://www.gutenberg.org/dirs/2/8/2/4/28243/28243-h.zip) NACH AMERIKA! Ein Volksbuch von FRIEDRICH GERSTÄCKER Illustrirt von Carl Reinhardt. Vierter Band. Leipzig, Hermann Costenoble, Verlagsbuchhandlung Berlin, Rudolph Gaertner, Amelang'sche Sort.-Buchhandlung. 1855. Inhalt des vierten Bandes. 1. Die Fahrt durch Arkansas 1 2. Die Gräfin Olnitzka 50 3. Der alte Herr Hamann 86 4. Verschiedene Beschäftigungen 117 5. Literarische Bekanntschaften 144 6. Der Feuermann 171 7. Die Deutschen in Cincinnati 197 8. Professor Lobenstein als Farmer 233 9. Herrn von Hopfgartens Abenteuer 247 Capitel 1. Die Fahrt durch Arkansas. Den Mississippi hinauf brauste das kleine, aber tüchtige Dampfboot _Little Rock_, nach Fort Smith, dem Grenzort des Indianischen Territoriums bestimmt, aber auch an allen Zwischenorten, wo eben Passagiere aussteigen oder an Bord kommen wollten, oder wohin Fracht von New-Orleans aus eingeladen war, anlegend. Passagiere hatte es aber nicht sehr viele an Bord, denn der große Menschenstrom der Einwanderung geht vorzugsweise den Mississippi hinauf bis St. Louis und zu den nördlicher gelegenen Staaten, Iowa oder Wisconsin, oder den Ohio hinauf, wohin wir der Jane Wilmington mit unseren Bekannten gefolgt waren. Den Arkansas aufwärts war der Zug der Einwanderung noch nicht so stark, denn die Fremden fürchteten die kalten Fieber, die in den östlichen Theilen des Staates herrschen, und scheuen sich ebenso sehr nach dem Westen zu gehen, den ihre Phantasie nicht selten auf viel zu poetische Weise mit Bären, Panthern und Gott weiß was sonst noch für reißenden Thieren bevölkert. Nichts destoweniger haben die dort gelegenen Städte zum Theil schon recht wackere Fortschritte gemacht, und blühen und gedeihen in dem jungen Land, das Fruchtboden aufzuweisen hat, wie kaum ein anderer Staat der Union, und in seinen westlichen Bergen dabei so gesunde und trefflich gelegene, überall von schönen Strömen durchzogene Flächen bietet, wie es der Farmer nur wünschen kann. Freilich war es noch wild in dem Squatterstaat, noch entsetzlich wild, und als der Little Rock, der nach der Hauptstadt von Arkansas seinen Namen bekommen, und auch in der That einem Kaufmann dort gehörte, den lebendigeren Mississippi verließ, und bei dem kleinen Städtchen Napoleon links in die Mündung des Arkansas selber einbog, schien Wald, endloser Wald die Ufer zu decken, aus denen nur hie und da kleine urbar gemachte, oder von den Holzhauern gelichtete Waldblößen die Wildniß nicht etwa unterbrachen, sondern nur die Färbung derselben in etwas veränderten. Dicht und unmittelbar dahinter nahm sie wieder ihre dunklen Schatten an, und die mit wehenden Schlingpflanzen in schwingenden Festons behangenen Zweige streckten sich oft weit über das Ufer und den daran hinschäumenden Strom hinaus. Breite, helle Sandbänke füllten dabei die äußeren Biegungen des in dieser Jahreszeit ziemlich niedrigen Stromes, auf denen Schwärme von Wildenten und Gänsen saßen, beim Nahen des heranbrausenden Bootes die langen dunklen Hälse hoch emporreckten, mit den Flügeln schlugen, und dann aufstrichen in ihren schnurgeraden Reihen, bis sich der Führer hoch oben in blauer Luft seinen Zug keilförmig ordnete, und queer über den Wald weg hielt, einem stilleren Sumpf oder Binnensee zu. Überall ragten hier häßliche _snags_ und _sawyers_ (in Sand oder Schlamm unten festsitzende Stämme und Äste) aus der Fluth empor, den Lootsen in dem nicht so breiten Fahrwasser zu doppelter Vorsicht mahnend, und auch die Ufer dieses Stromes, wie die des Mississippi, verriethen die Verheerungen, die er hier angerichtet am bewaldeten Ufer. Ganze Strecken der hohen, aus dem herrlichsten Fruchtboden bestehenden Bänke waren unterwühlt, hunderte von mächtigen Stämmen hineingerissen in die um ihre Äste jetzt quirlende Fluth, und wieder und wieder bohrte und wusch die Strömung unter den schon halb blos gelegten Wurzeln der nächsten Bäume, auch sie nachzuholen in ihre gelben Strudel. Sycamoren, Baumwollenholzbäume, Eschen und Cypressen, mit stämmigen Weiden am unmittelbaren Ufer, der Unterwald, wie am Mississippi, oft von dichten fast undurchdringlichen Schilfbrüchen gefüllt, bilden die Vegetation des Flußlandes, wenigstens die, die vom Fluß selber aus dem Vorbeifahrenden sichtbar ist, und hier allerdings schleicht der scheue Panther Nachts zum Strome nieder, seinen Durst zu löschen, oder dem schlanken Hirsch aufzulauern, der das Wasser des Arkansas, seines Salzgehaltes wegen, eifrig sucht; in diesen Schilfbrüchen schlägt sich der Amerikanische gelbnasige Bär sein Lager zurecht, mit den Tatzen, der wilde Truthahn bäumt in die hohen Baumwollenholzstämme, und sucht von deren Gipfel aus mit schwerem, leicht ermattetem Flug das andere Ufer zu erreichen, und das Catamount, ein Mittelding zwischen Panther und wilder Katze, duckt sich dicht am Ufer in stiller Nacht, als es das Dampfboot mit den regelmäßig klappenden Radschlägen und dem scharfen Keuchen stromauf arbeiten hört, und flieht mit flüchtigen Sätzen die steile Uferbank hinan, als die gegen das Land geworfenen Wellen nach ihm aufspritzen und züngeln. Es ist ein wunderbares, nicht zu beschreibendes Gefühl, auf raschem Boot zwischen diesen stillen rauschenden Wäldern dahinzugleiten, und füllt die Brust des Fremden besonders, dessen Blick vergebens in des Waldes Tiefe einzudringen sucht, mit einem halb zagenden Verlangen jene Wildniß zu betreten. Wie die Wipfel so leise flüstern und so geheimnißvoll, und im Winde schwanken, herüber und hinüber, und ihren duftigen Schleier über das zitternde Dunkel des Urwaldes breiten -- wie es da drinnen knarrt und stöhnt und seufzt, und hindurch schleicht, durch das gelbe, Jahre und Jahre lang aufgehäufte gelbe Laub mit leisem, scheuem Schritt, und in den Blättern raschelt, und durch die Büsche hin. -- Hui -- vorbei -- was war das? -- wie ein Phantom glitts an dem Rand der Waldung hin, und ein paar glühende Augen blitzten einen Moment von dort herüber. Ein Wolf? -- vielleicht; die schwarzen tückischen, mordlustigen Burschen haben dort ihren Tummelplatz, und wenn die Nacht kommt, tönt noch der wunderbar klagende, unheimlich hohle Laut der Eule von dort heraus, mit dem neckenden Schrei der Nachtschwalbe,[1] die den Gespielen ruft -- »_whip poor will_ -- _whip poor will_.« Der schöne -- wunderschöne Wald -- aber er bleibt Dir ein _verschlossenes_ Heiligthum, wenn Du nicht kühn und keck vom Boote springst, mit starken Armen die Büsche theilst und den heiligen Boden betrittst, der Gottes Tempel ist, und seine hohen mächtigen Säulen trägt. -- Nur sein Athmen hörst Du, wenn Du an der Pforte stehst, die Dir die Arme trotzdem weit und gastlich entgegen breitet, das stille Rauschen seiner dunklen Wipfel, und sie grüßen Dich wohl und nicken Dir zu, wie man den Fremden grüßt, den man auf der Straße trifft, aber der liebende Ton ist es nicht, mit dem sie den _Freund_, der ihrem Schutz vertraut, das Schlummerlied flüstern -- leise, leise, daß es ihn nicht stört, und ihm die Mondesstrahlen von den Augen halten. »Oh wie großartig -- oh wie herrlich!« seufzte eine entzückte weibliche Stimme von den _guards_ des Dampfers aus, als dieser dicht an dem wilden rauschenden Ufer vorüberbrauste -- »wer jetzt hinüber konnte -- dahinein, die Wunder dieser düsteren, geheimnißvollen Welt zu erforschen!« »Ja, Mosquitos und Holzböcke würden Sie genug finden, verehrtes Fräulein,« sagte in diesem Augenblick eine Stimme, als Amalie von Seebald, die ihren Gefühlen ganz unbewußt laute Worte gegeben, die Arme fest an die Brust gepreßt, den Blick sehnsüchtig auf die rauschenden Wipfel geheftet, auf der Gallerie der Damencajüte des Little Rock stand und nach dem dunklen Wald hinüberschaute. Fräulein von Seebald schaute überrascht empor, und sah eine kleine untersetzte, in einen grauen Überrock geknüpfte und mit einem etwas abgetragenen Strohhut bedeckte Menschengestalt dicht über sich auf dem Radkasten stehen, die ein Tuch in der Hand hielt und im Begriff schien, Jemandem, der noch etwas weiter oben am Ufer in einer kleinen, kaum bemerkbaren Lichtung stand, zuzuwinken. »Ungeheuer viel Mosquitos da drin,« sagte der kleine freundlich aussehende Mann, »enorm viel, und Holzböcke? -- puh, ich bin einmal da drin gewesen, gleich unter der Post Arkansas; Tschisus Etsch Dobbeljuw Kreist, was für Holzböcke! wenn mich nicht ein Theil festhielt, hätte mich der andere aus dem Bette gezogen, und am nächsten Morgen war meine Haut wie ein Sieb, daß ich mich mit Baumharz ordentlich anstreichen mußte, um nur nicht auszulaufen -- ist aber famoses Land da drinnen.« »Sie sind hier bekannt?« frug Fräulein von Seebald mit mehr Interesse, als sie sonst wohl an dem kleinen unscheinbaren Mann genommen hätte -- »kennen das Land vielleicht und die Leute?« »Kennen?« sagte der kleine sonderbare Fremde mit einem ungemein selbstbewußten Lächeln, indem er als bildliche Darstellung seiner Antwort seine rechte Rocktasche herausdrehte und gegen die Dame hielt -- »kenne ich meine Tasche? -- ich bin Charley Fischer -- haben Sie noch nicht von Charley Fischer in Little Rock gehört? wie? -- noch nicht? -- bin schon zwölf Jahre hier im Lande und habe Little Rock mit bauen helfen; war damals wirklich ein _little_ Rock,[2] ist aber jetzt ein hiep bigger geworden.« Fräulein von Seebald lächelte über die wunderliche Ausdrucksweise des Mannes, es lag ihr aber daran die genaue Situation der Farm kennen zu lernen, die dem Grafen Olnitzki gehörte und die, da sie gar nicht so sehr weite Strecke von der Hauptstadt Little Rock entfernt sein sollte, auch jedenfalls von dem Mann gekannt sein mußte. »Dürfte ich Sie da vielleicht um eine Auskunft bitten über Jemand, der in Ihrer Nähe wohnt? frug sie ihn, und erschrak fast, als der kleine Fremde ganz zutraulich den kleinen Steg vom Radkasten nieder und zu ihr auf die Gallerie kam. Sie machte dabei eine fast unwillkürliche Bewegung zurück, und sah sich nach ihrer Cajütenthür um, Charley aber, der die Bewegung falsch verstand, sagte freundlich: »Hat Nichts zu sagen, mein Fräulein; ich darf überall hin, der Capitain kennt mich und ist mein intimer Freund. Habe selber erst eine kleine Reise nach Napoleon gemacht, um dort nach Sachen zu sehen, die für mich von New-Orleans heraufkamen und mit denen das Boot nahe bei Napoleon verunglückte, habe aber ziemlich Alles wieder bekommen und die ganze Geschichte gleich selber mitgenommen. Und nach wem wollten Sie sich erkundigen, wenn ich fragen darf?« »Kennen Sie einen Graf Olnitzki, der in der Nähe der _Oakland grove_ eine Farm hat und dort ebenfalls schon mehre Jahre ansässig ist?« »Graf Olnitzki -- Graf Olnitzki?« sagte Charley Fischer, wie er sich selbst genannt hatte, sein Kinn dabei mit der rechten Hand streichend, während er die linke tiefer und tiefer in die entsprechende Rocktasche hineinbohrte -- »Graf Olnitzki -- den Namen habe ich doch oft genug gehört; er muß auch schon einmal bei mir in Little Rock gewesen sein -- was hat er denn nur da gewollt -- ich glaube irgend etwas zum Verkauf gebracht?« »Wahrscheinlich seine Produkte -- türkischen Weizen oder Baumwolle -- « sagte Fräulein von Seebald. »Ne, ne -- es war etwas anderes,« meinte Charley. »Oder der Ertrag seiner Jagden -- Hirschhäute und Bärenschinken.« -- »Ne, ne,« beharrte der kleine Deutsche, »es war was ganz absonderliches; Jemine noch einmal, daß ich mich jetzt nicht mehr darauf besinnen kann.« »Aber das hat ja auch gar Nichts zu bedeuten. -- Sie kennen jedenfalls die Lage und können mir sagen, wo ich vom Dampfboot abgehen muß den Platz am leichtesten zu erreichen. Der Capitain meinte, ich würde bis Little Rock mitfahren müssen.« »Jedenfalls, jedenfalls,« sagte Charley schnell, »können dann bei mir logiren, ich halte auch seit einiger Zeit ein Hotel; mein Bruder hält zwar ebenfalls eins, und wir haben dadurch gewissermaßen eine Opposition gegeneinander, aber die Opposition ist ja die Seele der Gesellschaft, der Lebenstrieb, der unsere ganzen Staaten zusammenhält; was wären wir hier alle mit einander ohne Opposition?« »Aber ich gedenke mich gar nicht in Little Rock aufzuhalten,« sagte Fräulein von Seebald ausweichend. »Es wird aber wohl Abend werden bis wir hinkommen,« meinte Charley -- »doch das können Sie sich noch überlegen; hier haben Sie jedenfalls meine Adresse.« »Und welchen Weg schlage ich von Little Rock ein?« frug die junge Dame, mit einer leicht dankenden Verbeugung die Karte nehmend -- »der Platz liegt soviel ich weiß auf der anderen Seite des Stromes -- .« »_Oakland grove?_ -- ja wohl, aber an der Straße -- prächtige Straße dorthin -- ein Bischen naß, wenn's geregnet hat, aber sonst breit und famos durch den Wald ausgeschlagen.« »Und wann geht die Post dorthin ab?« frug Fräulein von Seebald. »Die Post?« -- sagte Charley, sie rasch und erstaunt dabei ansehend, setzte aber, sich besinnend, hinzu: »die _Brief_post meinen Sie? -- der Mailrider[3] geht die Woche zweimal nach Batesville hinauf und kommt zweimal wieder.« »Und die Fahrpost?« »Fahrpost, hahaha« -- lachte Charley, »die Bären und Panther würden ungemein erstaunt sein, wenn sie einmal eine Fahrpost zwischen sich durchrasseln hörten. Segne Ihre Seele, mein Fräulein, dahinein geht keine Fahrpost. Nichts wie ein berittener Bote, und wenn Sie nach Oakland Grove wollen, so müssen Sie entweder zu Fuß gehen oder reiten. Ihr Gepäck können Sie indessen zu mir in's Haus stellen.« »Das wäre ja schrecklich!« rief Fräulein von Seebald. »Oh es steht dort ganz sicher,« sagte Charley. »Nein ich meine den Weg zu Fuß oder zu Pferde zu machen; -- ich habe noch nie auf einem Pferd gesessen.« »Das ist ganz leicht,« sagte Charley, »der linke Fuß kommt in den Steigbügel und das rechte Knie nehmen Sie, sehn Sie, _so_, -- über die Knuppe hinauf, die an dem Damensattel sitzt, dann können Sie gar nicht herunter fallen, und hängen oben wie eine Klette.« »Und wie weit ist der Platz von Little Rock?« »Oakland Grove?« »Nein, wo Graf Olnitzki wohnt?« »Ja das weiß ich wahrhaftig nicht genau,« sagte Charley achselzuckend, »ich bin nach der Richtung hin noch gar nicht gekommen; aber dahin müssen Sie sich doch einen Führer mit Pferden nehmen, und Ihr Herr Gemahl -- Sie sind doch verheirathet, wenn ich fragen darf?« Die Frage kam so plötzlich, daß Amalie von Seebald unwillkürlich darüber erröthete, aber lächelnd antwortete: »Nein; ich bin _nicht_ verheirathet.« »Aber Sie haben doch jedenfalls Begleitung,« sagte Charley. »Ich bin _ganz_ allein,« erwiederte die Dame. »_Ganz_ allein? -- und wollen ganz allein in den Wald hinein?« »Und warum nicht?« »Nu hören Sie, das nehmen Sie mir nicht übel,« sagte Charley, freundlich lächelnd, »das ist denn nun doch wohl blos Ihr Spaß?« »Aber weshalb um Gottes Willen?« frug Fräulein von Seebald wirklich beunruhigt über das ganze Wesen des Mannes -- »was kann mir denn im Wald geschehn? Sind noch Indianer dort?« »Indianer? -- nein; am Fluß lagern vielleicht welche, aber die stehn unter Aufsicht und sind harmlos.« »Oder wilde Thiere?« »Nun ja, es giebt wohl Bären und Panther da, aber man hört doch selten davon daß sie Jemanden angefallen haben.« »Was sollte mich also sonst hindern?« »Ih nun ja« sagte Herr Fischer -- »es ist wahr, es _ginge_ schon, aber -- ich weiß doch nicht, ich möchte nicht alleine und ohne Gewehr nach Oakland Grove und von da noch weiter in den Wald hinein gehn, und ich bin doch nun schon zwölf Jahr in Arkansas. Überhaupt, es ist nirgends besser wie in Little Rock; das ist ein capitaler Fleck und sollte mich gar nicht wundern, wenn es einmal die erste Stadt in der Union würde. Nachher ist aber Charley Fischer am Platz, denn ich habe eine ganze Parthie Lots gekauft und die müssen einmal einen heillosen Werth bekommen.« »Aber es hat doch ungemein viel Romantisches, so allein durch den Wald zu gehn« sagte Fräulein von Seebald. »Romantisches, Du lieber Gott« erwiederte achselzuckend der kleine praktische Mann, »das kauf ich nicht theuer, denn das bringt Nichts ein. Habe schon mehre Leute hier gekannt -- auch deutsche junge nette Kerle, die ihre Kräfte hätten an was Vernünftiges wenden können, die thaten auch eben weiter gar Nichts als im Wald mit der Büchse allein herum zu laufen, blos ein paar lumpiger Hirsche und des Bischens Romantik wegen. Was ist nachher aus ihnen geworden? -- weiter hatten sie Nichts auf dem Leib als ihr ledernes Jagdhemd und ihre Leggins, dabei Moccasins an den Füßen und keinen Cent in der Tasche, ja nicht einmal eine Tasche an sich, einen Cent hinein zu thun, wie vielleicht ihren Kugelbeutel, und nachher brachten sie mit Mühe und Noth Felle genug zusammen um eben ihre Passage auf einem Dampfboot zu bezahlen, wieder fortzukommen. Der Teufel soll eine solche Romantik holen -- ne da lob' ich mir Little Rock.« »Und Sie kennen den Grafen Olnitzki nicht persönlich? -- waren nie dort in der Gegend?« »Nein Madame -- mein Fräulein wollt' ich sagen, aber wissen Sie, mit dem _Grafen_ hat es hier auch nicht viel zu bedeuten.« »Wie so, geht es ihm schlecht?« frug Amalie rasch und erschreckt. »Wem? dem Olnitzki? ja ich weiß nicht -- nein ich meine nur mit dem Titel überhaupt. Wissen Sie, hier in Amerika sind wir alle gleich -- alle freie Bürger, Einer soviel wie der andere, und wenn ich mich zum Spaß Graf Charley Fischer nennen wollte, hätte auch Niemand etwas dawieder, ich wäre eben Graf Charley Fischer, und wenn die Leute zu mir kämen und ein Glas Brandy trinken wollten, würden sie mir wie jetzt auf die Schultern schlagen und sagen: 'nu Graf Fischer, altes Haus, wie gehts, _how do you_ thuts Euch?'« »Ich glaube auch nicht daß Graf Olnitzki Anspruch auf eine höhere Stellung macht« sagte Fräulein von Seebald. »Ne, kann ich mir denken« sagte Charley freundlich, »würde ihm auch gar Nichts helfen; besonders hier nicht in Arkansas. Wir haben hier übrigens eine ganze Menge Polen; da ist der Graf Doraski am Red River und der Graf Potelsk -- Podelscyk -- na wie heißt er denn gleich, verwünschte Namen tragen die Polen manchmal, und die Amerikaner haben ganz recht wenn sie meinen, man könnte sie nur aussprechen wenn man dreimal nießte und dann _ski_ sagte -- na es ist einerlei wie er heißt. Sonderbar, von Polen kommen blos lauter Grafen hier her, denn wenn man einen Polen findet, kann man sich auch fest darauf verlassen daß es ein heimlicher Graf ist; es muß ungeheuer viel Grafen dort im Lande geben.« »Wie sind aber nur die Verhältnisse der Ansiedler hier in der Nähe von Little Rock?« frug Fräulein von Seebald, die es drängte etwas Näheres über die ihr am Herzen liegenden Menschen zu hören, »kommen sie manchmal, an Sonntagen vielleicht, in die Stadt, zu Theatern oder Concerten? -- haben die Deutschen untereinander nicht Bälle oder andere Festlichkeiten, bei denen sie sich zusammenfinden und vergnügt sind? das Waldleben denke ich mir wundervoll, herrlich, aber das Schönste bedarf doch manchmal einer Abwechslung.« »Bälle? -- ja, die haben wir manchmal hier unter den Deutschen« lachte Charley Fischer vergnügt vor sich hin, vielleicht in der Erinnerung mancher dabei verlebter Stunden, »und amüsiren thun sie sich dabei im Anfang und prügeln am Schluß, gerade wie bei uns zu Hause; aber wenn die Farmer, besonders die, die so weit wegwohnen, dazu hereinkommen wollten, da hätten sie viel zu thun. Die Männer ja, die reiten manchmal her, stehen[4] auch wohl ein paar Tage und verthun was sie herein gebracht haben an Produkten, manchmal auch noch das mit, was sie das nächste Mal bringen wollen, aber die Frauen bleiben zu Hause und hüten das und ihre Kinder, und haben dabei alle Hände voll zu thun.« »Aber die Nachbarn kommen dann unter einander wahrscheinlich sehr häufig zusammen.« »Ja, wenn sie Nachbarn haben, die Nachbarschaft in Arkansas soll aber der Henker holen,« sagte Charley -- »die nennen sich so und wenn sie zwanzig Meilen von einander sitzen.« »Das ist ein Beweis für ihre Geselligkeit« lächelte Fräulein von Seebald. »Ja schöne Geselligkeit, wenn Niemand dazwischen wohnt« meinte Charley -- »ne, da lob' ich mir Little Rock; wenn mir da mein eigener Brandy nicht mehr schmeckt, gehe ich um die Ecke herum zum Georg und trinke da anderen, und alle Wochen kommen ein paar Dampfboote den Strom herauf oder herunter, die auch Neues bringen, und wo man doch etwas zu hören und zu sehn bekommt. S'ist ein ganz famoses Leben in Little Rock.« Fräulein von Seebald fühlte sich, obgleich ihr der fremde Deutsche gar nichts Direktes von den Ihrigen sagen konnte, und diese jedenfalls in ganz andern Verhältnissen lebten wie er sie hier schilderte, doch unangenehm berührt durch diese Beschreibung, sie wußte eigentlich selber nicht recht weshalb. Es war ihr auch erwünscht daß die Unterhaltung in diesem Augenblick durch die in der Cajüte geläutete Klingel, das Zeichen zum Mittagstisch, abgebrochen wurde, und sie zog sich mit einer leichten dankenden Verbeugung gegen Herrn Fischer, die dieser mit einem freundlichen Kopfnicken erwiederte, in die _Ladies cabin_ zurück, dort den Nachmittag hindurch ihren eignen Betrachtungen und Gedanken nachzuhängen. Das Boot setzte indessen rasch und wacker seinen Weg fort; die Scenerie blieb dieselbe -- Wald -- endloser Wald an beiden Seiten, der sich selbst bei kleinen einzeln zerstreuten Städten, die sie trafen, bis dicht um diese her zu ziehen schien, als ob er wieder frisch aufgewachsen sei, seit sie entstanden, und das Land zurück verlange, das sie ihm abgedrängt. Am nächsten Tag, gegen Abend, erreichten sie Little Rock, und die breite, weit ausgehauene Lichtung verrieth schon von weitem eine größere Ansiedlung, wie sie bis jetzt getroffen. Als sie näher kamen erkannten sie große ansehnliche steinerne Gebäude, allerdings oft neben kleinen modernen Holzhütten, und eine Dampffähre spielte über dem Strome nach dem andern Ufer hinüber. Auch der Landungsplatz, gegen den sie jetzt aufliefen, bot, wenn auch nicht mit New-Orleans zu vergleichen, doch das belebte Bild einer größeren, geschäftigen Stadt, die hier im Herzen eines sonst noch ziemlich wilden Staates entstanden; Karrenführer von allen Farben drängten sich herbei Güter und Passagiergut fortzuführen, sobald nur die Taue ausgeworfen und die Planken übergeschoben wären, und eine Menge Ungeduldiger, wie auf allen Landungspunkten am ganzen Strom hinab, warteten mit Sehnsucht auf den Augenblick, wo sie an Bord springen konnten, Neues und Neuigkeiten in Empfang zu nehmen, oder gegen die mageren Stadt-Berichte einzutauschen. Fräulein von Seebald befand sich aber jetzt wirklich in Verlegenheit, denn in der festen Überzeugung, und gar nichts anderes für möglich haltend, als daß eine Post doch wenigstens die Woche ein paar Mal nach jener Ansiedlung, auf der ihre Schwester wohnte, hinauf laufen müsse, hatte sie ihr ganzes Gepäck, drei Koffer und mehre Hutschachteln mit noch ein paar kleinen Kisten, die Geschenke für Schwester und Schwager enthielten, mit an Bord des Dampfers genommen. Wie sollte sie die jetzt mit fortbringen, in den Wald hinein? und fort mußten sie, denn sie brauchte, wie sie meinte, dort Alles nothwendig was sie enthielten. Charley Fischer half ihr da übrigens, als die Landung nur erst überstanden und er alle seine tausend Freunde begrüßt und mit ihnen, wie er's nannte, Hands geschäkt[5] hatte, aus der Noth, denn er war erstlich nicht der Mann irgend Jemanden, aus dem er irgend einen Nutzen zu ziehen hoffte, unbeachtet zu lassen, dann aber auch die gutmüthige Gefälligkeit gegen Damen selber, und glaubte hier noch dazu das doppelte Interesse an einer Reisegefährtin nehmen zu müssen. Kaum daher in die Stadt hinauf gekommen, sah er sich auch schon, alles Übrige indeß hintansetzend, auf das Eifrigste nach einer möglichen Gelegenheit nach _Oakland grove_ um, wozu die Landung selber der beste Platz war, da dort fast alle Gastwirthe, oder doch Leute von ihnen, bei der Ankunft eines Dampfers zusammen kamen. Zufällig war in der That ein Geschirr -- freilich nur ein gewöhnlicher Leiterwagen von Rosemores (einer Farm, die eine kleine Strecke überhalb der _Oakland grove_ lag) in Little Rock, hatte Butter, Eier, geräucherte Hirschkeulen und andere Produkte hereingebracht, und nahm Mehl, Kaffee, Zucker, Brandy etc. etc., kurz Provisionen die dort nicht zu bekommen waren, wieder mit hinaus. Der Fuhrmann wollte am nächsten Morgen mit der ersten Fähre über den Strom gehen und, da er nur halbe Ladung hatte mit Vergnügen gegen eine mäßige Entschädigung die Sachen der Dame bis zu »_Billy Jones clearing_« mitnehmen, von wo aus ein Fuß- oder Reitpfad nach _Old Nitzkys range_, wie der Mann den Namen des Grafen Olnitzki mishandelte, hinüberlief. Wollte die Dame bis Billy Jones mit auf seinem Wagen fahren, so war sie »_perfectly welcome_«, das heißt: er stand ihr mit Freuden zu Diensten, und durch ein oder zwei Arme voll Maishülsen ließ sich auch schon zur Noth ein ziemlich bequemer Sitz herstellen. Charley Fischer lief ungesäumt mit dieser »guten Nachricht« an Bord zurück, wo Fräulein von Seebald eben in ziemlicher Ungewißheit war, ob sie die Karte des Herrn Charley Fischer benutzen, oder ihr Gepäck in ein anderes Gasthaus sollte schaffen lassen, dessen riesige Firma sie schon über die Straße herüberleuchten sah. Des kleinen gefälligen Mannes Erscheinen entschied dies zu seinem Gunsten, die Koffer und Kisten wurden aufgeladen, und die junge Dame befand sich bald darauf in einem kleinen kahlen unbehaglichen, nicht überreinlichen Gemach auf Pinestreet, in dem sie jedoch bald von der freundlichen Wirthin selber aufgesucht und unterstützt wurde ihre Toilette zur Abendtafel, die aus einem recht guten compakten Mahl mit Thee bestand, vorzubereiten. Charley Fischer hätte nun gar zu gern diese Gelegenheit benutzt, aus seinem Gast alles nur Mögliche über ihre Lebensverhältnisse und besonders den Zweck ihrer Reise heraus zu bekommen, denn daß eine junge Dame eine solche Fahrt _allein_ unternommen, hatte jedenfalls auch etwas ganz Absonderliches zu bedeuten. Nun sagte ihm Fräulein von Seebald allerdings ganz einfach, daß sie nur nach Arkansas gekommen wäre ihre, an den Grafen Olnitzki verheiratete Schwester zu besuchen, aber das glaubte er ihr natürlich nicht, und suchte nun erst recht etwas Geheimnißvolles unter dem Besuch. Je bereitwilliger und freigebiger er dabei mit seiner eigenen Lebensgeschichte war, desto mehr verdroß es ihn natürlich, wenn Andere nicht Gleiches mit Gleichem vergelten wollten. Fräulein von Seebald war aber ermüdet von der Reise sowohl, als sie sich auch angegriffen von der Aufregung der letzten Tage, dem erhofften Wiedersehn entgegenharrend, fühlte, und suchte deshalb zeitig ihr Lager. Charley Fischer versprach ihr übrigens sie wecken zu lassen, wo sie das Frühstück bereit finden und immer noch zeitig genug zur ersten Fähre kommen sollte. Der Fuhrmann hatte dabei zugesagt, bei seinem Hause, wo er überdies seinen gewöhnlichen Morgentrunk nahm, vorzufahren, und eine Versäumniß war deshalb gar nicht möglich. Der Morgen kam; die Sachen wurden vor das Haus geschafft, die beiden kleinen Kisten besonders mit wieder und wieder empfohlener Vorsicht, da sie zerbrechliche Sachen enthielten, Fräulein von Seebald hatte ihre Reisetoilette wie ihr Frühstück beendet, ihre nicht übermäßige Rechnung bezahlt, ein Glas Brandy und Zucker, das ihr ihr freundlicher Wirth auf das hartnäckigste gegen die rauhe Morgenluft aufzudringen suchte, wieder und wieder verweigert, der Wagen kam, die Sachen wurden aufgeladen, und Charley Fischer ließ es sich nicht nehmen Fräulein von Seebald seinen Arm zu reichen und sie zur Fähre hinunter zu begleiten. Allerdings hätten die beiden Figuren nach unseren deutschen Begriffen vielleicht ein wenig wunderlich zusammen ausgesehen, und Fräulein von Seebald selber fühlte sich auch so unbehaglich als möglich in der Begleitung, die sie nicht gut verweigern konnte. Die Dame nämlich war ganz modern, ja sogar modisch angezogen, mit einem hellen Kleid von roher Seide, und feinem Strohhut, und einer dunkelrothen seidenen Schärpe um, während Charley dagegen in einem etwas sehr kurzen und auch nicht übermäßig reinen leinenen Röckchen prangte, unter dem ein paar ebenfalls etwas kurze gestreifte wollene Hosen hervorsahen. Er trug dabei Schuh und gelbwollene Strümpfe oder vielmehr Socken, die nicht oben blieben wie er erklärte, er mochte dagegen thun was er wollte, und der alte Strohhut deckte noch immer seinen Scheitel, wie auf dem Schiff; nur ein reines gelb und roth gestreiftes Hemd hatte er heute Morgen angezogen, und ein saftblaues seidenes Tuch darum geknüpft. In Amerika fällt etwas derartiges aber nicht auf; man sieht sogar, selbst in den größten Städten, die Damen sehr häufig an dem Arm eines Herrn, der in kurzer weißleinener Jacke geht, in Sammet und Seide nebenher rauschen; das Kleid macht dort nicht den Mann, sondern der Mann das Kleid. Nichts destoweniger und trotz der frühen Morgenstunde war Fräulein von Seebald fest davon überzeugt, daß die Augen sämmtlicher Einwohner von Little Rock, an deren Fenstern sie vorüber gingen, in Spott und Neugierde auf sie geheftet wären, und dankte ihrem Gott, als sie das Fähr- oder Ferryboot endlich erreichten, wo sich Herr Charley Fischer auf das Angelegentlichste von ihr verabschiedete, wie sie auch ersuchte, ihn ihrer Frau Schwester, wenn auch unbekannter Weise, freundlichst zu empfehlen. Die kleine Fähre dampfte über den ziemlich breiten Strom, auf dem noch der leichte Morgennebel in dünnen, hie und da von einem blitzenden Sonnenstrahl getheilten Schwaden lag, und auch den gegenüberliegenden Uferrand bedeckte. Nur eine Reihe niederer, hellangestrichener, viereckiger Holzhäuser wurden da sichtbar, die mit riesigen Schilden bedeckt, und wenn das möglich gewesen wäre, verunstaltet, den oberen Rand der steilen Uferbank krönten, und wieder ihrerseits von den hohen majestätischen Wipfeln riesiger Baumwollenholzbäume überragt wurden. Diese kleine Stadt hier, die dem wachsenden Little Rock ihren Ursprung verdankte, bestand fast einzig und allein aus Schenkständen -- sogenannten »_groceries_ und _provision stores_,« in denen, neben allen möglichen Lebensbedürfnissen, die spirituösen Getränke den Hauptbestandtheil bildeten; aber sie sah neu und häßlich aus, wie eine Schachtel frisch ausgepackter Nürnberger Spielwaaren in eine Reihe gestellt, über die der darüber wohnende Urwald den Kopf schüttelte, und seufzend dabei den Krebsschaden erkannte, der sich weiter und weiter in seine Seite fraß. Fräulein von Seebald, von den Leuten an Bord neugierig betrachtet, die eine einzelne und dabei so elegant gekleidete fremde Dame nicht so oft und früh zwischen sich sahen, hüllte sich übrigens, ohne mit irgend Jemand zu verkehren, fester in ihren Shawl -- die Morgenluft wehte frisch und kühl über den Strom -- und schaute unverwandt nach dem andern Ufer hinüber, dem sie rasch entgegenstrebten. Ha, was war das? -- unten am Strand -- dicht unter der hohen steilen, wohl sechzehn Fuß schroff emporsteigenden Lehmbank, und bis jetzt von dem tief streichenden Nebel verdeckt, der sich, wie sie dem Lande näher kamen, theilte, oder doch durchsichtiger wurde, breitete sich eine Scene vor den erstaunten Blicken der jungen Dame aus, wie sie ihre kühnste, romantische Phantasie nur im Stande gewesen wäre herauf zu beschwören. »Indianer!« rief sie fast unwillkürlich laut aus, denn das ganze Ufer dort war bedeckt, belebt von einem wilden Schwarm brauner, halbnackter Gestalten, die theils unter niederen ledernen Zelten, theils nur an kleinen Feuern campirt haben mußten. Pferde wieherten und galopirten am Ufer hin, Kinder sprangen und jauchzten in und neben dem Wasser, an dem sie badeten und spielten, Frauen kochten oder trugen Holz herbei, das andere oben von der Uferbank herunter warfen, und die Männer saßen theils still und theilnahmlos an den Feuern, ihre Pfeife rauchend, oder standen am Ufer, die Ankunft des Dampfers zu erwarten. »Leben hier noch Indianer?« frug Fräulein von Seebald erstaunt einen der neben ihr stehenden Leute, der auf dem das Deck umschließende Lattengitter lehnte, und ebenfalls nach den Eingeborenen hinüber schaute. »Nein, Madame!« sagte der Mann, ohne seine Stellung zu verändern, »Gott sei Dank, daß wir die Rothfelle los sind; würden uns weiter Nichts als Teufels-Eier in die Nester legen. Hole sie alle mit einander der Böse.« »Aber was thuen diese hier?« »Die da? -- die wandern aus -- das sind Seminolen, die Onkel Sam[6] nach dem Territorium schickt, sich dort mit ihren Kameraden, den Creeks und Cherokesen, den Chocktaws und Kickapuhs und wie sie alle heißen, so gut zu vertragen wie sie eben können -- oder noch besser, sich einander die Hälse abzuschneiden -- das Gescheuteste, was sie auf der Gottes Welt thun könnten.« »Sie lieben die Indianer nicht.« »Ich? -- nein, da ist der Himmel mein Zeuge -- habe auch eben keine Ursache dazu, und weniger Lust -- wenn ich etwas wüßte, die ganze Race mit einem Schlag von der Erde zu vertilgen, ich thät's.« Der Mann richtete sich dabei aus seiner Stellung auf und ging langsam an die andere Seite des Decks, als ob er die rothen Männer nicht einmal anschauen wollte, so lange er's verhindern konnte. Er sah dabei so finster und erbittert aus, daß Fräulein von Seebald froh war, seiner unheimlichen Gesellschaft bald enthoben zu sein. Das Boot legte indessen an seinen gewöhnlichen Landungsplatze, einem dort befestigten riesigen flachgedeckten Boote, auf das Geschirre und Pferde leicht hinaus oder an Bord gebracht werden konnten, an, und die Indianer, besonders die Kinder, halb scheu, halb neugierig den Platz umdrängend, sammelten sich dort, die fremden weißen Männer und Frauen aussteigen zu sehen. Die Kinder gingen fast sämmtlich nackt, die Erwachsenen aber trugen ein Tuch um die Hüften, und meist ein ledernes oder kattunenes Jagdhemd, die Haare dabei in einen Büschel gebunden, Einzelne mit Zierrathen, zwei mit einer Adlerfeder darin. Nur die Frauen hielten sich schüchtern zurück bei ihren Lagerfeuern, und schauten kaum um nach dem rasch den Dampf auspuffenden Boot, oder den weißen Leuten -- sie hatten davon genug gesehen, mehr als ihnen wohl lieb war, und waren von ihnen aus der Heimath vertrieben und einem fremden unbekannten, kalten Lande zugeführt -- wie konnten sie sich da an den verhaßten Wesen freuen. Auch die Männer schauten still und finster drein, und wo sie Einer der Weißen anredete, drehten sie sich mürrisch ab von ihnen und schritten ihrem Lager wieder zu. Es waren edle, kräftige Gestalten unter ihnen, Manche mit schweren, kaum geheilten Wunden auf der breiten braunen Brust, und wacker schlugen sich auch diese Krieger in ihrem Vaterland, jeden Fußbreit Boden den weißen Eindringlingen mit Tomahawk und Büchse streitig machend; ja noch Jahre lang würden die Bleichgesichter, die sie oft mit blutigen Köpfen heimgeschickt und in deren Lager selbst sie so manche Nacht den Schlachtschrei getragen und die nackte Brust keck und todtesmuthig den Bayonetten entgegenwarfen, ihre Truppen vergebens gegen sie geführt haben, hätten sie dem _Verrath_ so gut begegnen können wie der blanken Waffe. Aber ihr Häuptling fiel -- der wackere Osceola, von den Amerikanern gegen Krieg und Menschenrecht verrätherisch gefangen genommen, wo er dem _Wort_ des weißen Mann's vertraut, starb elend im Gefängniß -- andere Häuptlinge wurden übergekauft, und das Banner der Staaten fügte einen blutigen Stern zu seinen weißen. »Nun Madame, wenn Sie jetzt aufsteigen wollen,« unterbrach da der Wagenführer, der sein Geschirr glücklich von Bord und über das Flatboot weg auf festen Grund und Boden gebracht hatte, die Betrachtungen seiner Reisegefährtin -- »die Pferde sind ausgeruht und können's schon ziehen, und hier hinauf geht sich's doch schlecht für so zarte Füße.« Fräulein von Seebald wäre gern noch länger hier geblieben, das Leben und Treiben der Indianer mehr zu beobachten und sich vielleicht gar in ein Gespräch mit ihnen einzulassen; gebrochen Englisch wenigstens sollten doch Viele von ihnen sprechen. Aber allein ging das auch nicht an, und dann schien auch der Wagenführer, der noch einen weiten Weg vor sich hatte, keine große Lust zu haben länger zu warten. Sie mußte sich deshalb wirklich nicht allein entschließen, den Platz zu verlassen, der ihr zum ersten Mal in ihrem Leben eine Scene ächt wilder Romantik bot, sondern auch auf höchst unromantische Weise, und noch dazu im Beisein einer Masse fremder Menschen, die gewiß dabei ihren Spott über sie hatten, auf einen ganz gewöhnlichen Rüstwagen hinaufklettern, und sich dort in raschelnden Maishülsen, zu denen ihr ganzer Anzug auch nicht im mindesten paßte, vergraben. Es kostete ihr der Entschluß in der That eine Überwindung; aber trotz ihrem oft übertriebenen Hang zur Schwärmerei hatte Amalie von Seebald, wie sie auch schon durch ihre ganze Reise bewiesen, doch viel Charakterstärke, die, mit dem Abenteuerlichen ihrer Situation, sie bald bewog sich über alles Andere hinwegzusetzen. Der Amerikaner brachte indessen, wie überhaupt keine Nation aufmerksamer gegen Damen sein kann als diese, aus der nächsten _grocery_ einen Stuhl heraus, daß sie bequemer auf den Wagen kommen konnte; lachend und verschämt nahm dabei die Dame ihre Kleider zusammen, stieg auf den Stuhl und schwang sich, von der breiten Hand des Wagenführers dabei unterstützt, auf das Rad und von da in den Wagen, ein junger Bursche trug den benutzten Stuhl in die _grocery_ zurück, der Amerikaner klatschte mit der Peitsche, die Pferde zogen an, und neben hergehend, bis sie die obere Bank erreicht hatten, fuhr das ziemlich schwerfällige Geschirr, von den kräftigen Thieren gezogen, verhältnißmäßig rasch den steilen Weg, der auf das obere Ufer führte, hinan. Die Indianer stießen dabei einen gellenden Schrei aus, die Kinder jubelten, die Hunde bellten und der Wagen rasselte, während der Mann selber im Fahren aufsprang und sich neben die Dame in die Maishülsen setzte, den etwas holperigen ausgefahrenen Weg rasch entlang. Das kleine Nest von Wirthshäusern ließen sie dabei gleich zurück, Lichtungen am Weg zeigten aber noch junge Farmen; sie fuhren eine Strecke lang zwischen Fenzen hin, die erst kürzlich urbar gemachtes Land umschlossen -- auch diese hörten endlich auf; hie und da lagen noch dicht am Weg gefällte und zu Fenzstangen zerspaltete Stämme, dort waren junge Bäume zu Feuerholz abgeschlagen, und jetzt zog sich die, wohl breit ausgehauene, aber sonst sehr verwilderte und nur allein durch die Axt hergestellte Straße, durch den finsteren dichten Urwald hin, der sie in all seiner großartigen Majestät umfing. So beengt und unbehaglich sich übrigens Fräulein von Seebald noch bei dem ersten Besteigen des Wagens, und so lange sie die vielen fremden Menschen um sich her wußte, gefühlt hatte, so wohl, so frei wurde ihr es jetzt. Das Herz ging ihr auf, und wie die letzten Fenzen hinter ihr verschwunden waren, wie jene mächtigen riesigen Bäume, die gerade zu ihrer gewaltigsten Höhe in diesen Niederungen aufsteigen, ihre Stämme wie gigantische Säulen um sie her emporreckten, und die prachtvollen Wipfel schüttelten und mit ihnen rauschten und flüsterten, als ob der Wald Leben gewonnen hätte; als sie die wunderlich geflochtenen und verschlungenen Lianen in weiten Festons den Weg überhängen, und von den höchsten Ästen der Bäume niederschaukeln sah, und ihre Phantasie dabei diese dunklen Waldesschatten mit all dem Wild und Raubzeug des weiten Landes dicht belebte, da wußte sie sich vor Glück und Seligkeit kaum zu fassen; die Thränen traten ihr in die Augen, und sie hätte laut aufjubeln mögen vor Lust und Wonne. Ihr Ziel war jetzt erreicht, wonach sie Jahre lang gestrebt und sich gesehnt; derselbe Wald umfing sie schon, der ihrer Schwester eine Heimath, ein Paradies geschaffen, und nur ein Herz fehlte ihr jetzt, mit dem sie ihre Seligkeit theilen, dem sie das Alles zujauchzen konnte, was ihre Brust in diesem Augenblick erfüllte und erhob. Mit dem Mann an ihrer Seite, der trocken und gleichgültig auf seinem Platz saß und nur manchmal, wenn der Weg eine kurze Strecke glatt fortging, die Pferde zu rascherem Lauf antrieb, ließ sich aber freilich nicht reden; auch war sie des Englischen kaum mächtig genug, gerade den Gefühlen Worte zu geben, die es sie trieb und drängte auszusprechen. So fuhren sie eine Zeitlang schweigend mit einander hin, wobei der Weg indeß, je weiter sie in das Land hinein kamen, schlechter und sumpfiger wurde, und die ganze Aufmerksamkeit des Wagenführers erforderte. Der großartige, wirklich herrliche Wald dieser Niederungen blieb dabei unverändert, unverkümmert, aber die Bewohner und Besitzer desselben, die Mosquitos, meldeten sich ebenfalls, und wenn sie auch gerade nicht häufig waren und durch die Bewegung des Fahrens schon abgehalten wurden, ließen sie sich doch, wenn der Wagen manchmal auf einen Augenblick hielt und der Fuhrmann absteigen mußte, irgend einen niedergebrochenen Ast aus dem Weg zu räumen, oder die Thiere um eine stehengebliebene Wurzel herumzuführen, hören und fühlen, während die zarte Haut der jungen Dame leicht unter dem scharfen Stich der kleinen scharfsäftigen Thiere anschwoll. Dadurch wurde übrigens ihr Geist auch wieder in etwas mehr dem Irdischen zugewandt und Fräulein von Seebald begann den Wagenführer nach ihrem Weg, der Länge desselben, den verschiedenen Ansiedlungen oder »Plantagen« (wie sie es nannte, was er aber im Anfang nicht verstand) zu fragen. Der Bursche war ein einfach schlichtes »Kind des Waldes«, wie Fräulein von Seebald bald genug fand; er wußte auch in der That nicht viel mehr, als was im Bereich seines Waldes und der Landung von Little Rock lag. Allerdings kannte er den Weg genau, jeden Stumpf und Stamm, jede »Clearing«, jedes »_improvement_« wie die allerersten Niederlassungen genannt werden; war dabei im Stande genau anzugeben, wie viel jeder »Nachbar« den Tag über »Fenzriegel« spalten könne, wie viel Hirsche Johnny Bligh in der letzten »_season_« erlegt, und wie viel _coons_[7] sie in ihrem letzten _crop_ (Erndte) im Maisfelde mit den Hunden gefangen oder geschossen hätten. Auch die Pferde und Rinder der Nachbarn kannte er persönlich, wußte jeden Flecken an ihnen, jeden Brand anzugeben, zeigte ihr auch den Platz, als sie daran vorbeifuhren, wo im vorigen Jahr der Panther ein junges Füllen erwürgt und beinah auch noch gefressen hätte, wäre er nicht glücklicher Weise (freilich zu spät es vor dem Erwürgen zu bewahren) dazu gekommen, und ging dann speciell in seiner Unterhaltung auf die deutschen Einwanderer über, von denen, wie er meinte, ein »_heap_« die letzten Jahre herüber gekommen sein müßten, denn am _cashriver_ hätte er zwei gesehen, und nach Little Rock wäre eine ganze Familie gekommen, der Mann, die Frau und drei oder vier Kinder. In Little Rock wären überhaupt eine Masse Deutscher, es wimmelte ordentlich davon -- er allein kannte sechs oder sieben, und Charley Fischer sei der fidelste von Allen, und »_a monstrous smart hand too!_« -- ungeheuer schlau und pfiffig -- und hätte ihm neulich einmal (vor drei Jahren) einen ganz faulen Western Reserve-Käse aufgehangen -- was er ihm aber nicht besonders übel zu nehmen, sondern sich eher darüber zu freuen schien, daß er das fertig gebracht. Nur von dem »Grafen Olnitzki« wußte er wenig oder gar Nichts zu erzählen; seine »_old lady_«[8] kannte er gar nicht, hatte sie nie gesehn und glaubte auch nicht, daß sie viel aus der _range_ (eigentlich Weideplatz, aber auch von Ansiedlungen gebraucht) herauskäme. _Old Nitzky_ wie er ihn unverdrossen nannte, sollte übrigens _a powerful hand_ (sehr geschickt) mit der Büchse sein, und viele Hirsche und auch schon einige Bären geschossen haben. Jetzt war er lange nicht »in die Ansiedlungen« gekommen, aber er konnte sich noch recht gut auf ihn besinnen, denn er war ein großer starker Mann und trug »das ganze Gesicht voller Haare.« Wenn aber der Führer ihr auch keine nähern Nachrichten über die geben konnte, deren Schicksal ihr so sehr am Herzen lag, und die es sie so glücklich machte, nach so langer Trennung wieder zu sehen, so war er doch in so mancher anderen Art praktisch und unendlich gutmüthig. Er brach ihr einen Sassafrasbusch ab, sich damit der dann und wann zu ihnen kommenden Mosquitos zu erwehren, und hielt einige Male besonders an, ihr einen Hut voll saftiger, zuckersüßer Persimonen, die dort in Masse wuchsen, zu suchen und zu bringen, oder wilde Weintrauben zu pflücken, die von manchen Bäumen in schweren blauen Massen niederhingen. Auch die Muscadinebeeren, vor deren häufigen Genuß er sie des kalten Fiebers wegen warnte, mußte sie kosten, und die lange, fast widerlich süße Papaofrucht. Wie sie dann weiter in den Wald hinein und von den dem Fluß zunächst liegenden Ansiedlungen abkamen, zeigte er der Fremden hie und da die rasch erspähte Gestalt eines flüchtigen Hirsches, der stutzte, als er das Knarren der Räder hörte, und den schönen Kopf mit dem wunderlich gebogenen Geweih zurückwerfend flüchtig über die Büsche hinweg in das Dickicht setzte; oder das häßliche aber komische Opossum, das Amerikanische Beutelthier, das eigentlich, nach Australien gehörig, nur aus Versehn hier von der Natur geschaffen scheint, wie es scheu über den Weg lief, oder rasch an niederhängenden Weinreben emporklomm, einer vermutheten Gefahr zu entgehen. Manchmal hielt er sogar an, um ihr auf der Straße selber Bären-, Wolf- und Pantherfährten zu zeigen, die sie hier auf ihren nächtlichen Wanderungen in den weichen Boden eingedrückt, und that überhaupt Alles was in seinen Kräften stand, der jungen Dame den langen, etwas monotonen Waldpfad so viel als möglich zu verkürzen. So zogen sie den ganzen langen Weg dahin; die Straße war breit ausgehauen, auf einer wie auf der andern Stelle, zeigte aber nur wenig Gleise, mehr Hufspuren und fast noch mehr die Fährten wilder Thiere. Dann und wann passirten sie eine große Ansiedlung, und gegen Mittag hielten sie sogar an einem Ort, deren drei oder vier Blockhütten den stolzen Namen einer Stadt beanspruchten. Die Leute dort, ein einziger Farmer mit seinem Bruder, der einen kleinen Laden hielt, waren aber nicht stolz auf diese Bevorzugung vor den Nachbar _clearings_, bestellten ihr Land noch selber und machten neues urbar, nicht etwa Häuser darauf zu bauen, sondern Mais hineinzupflanzen. Dort wurde ein frugales Mittagmahl eingenommen, da fast sämmtliche Farmer in den westlichen Wäldern, wenigstens Alle die an einer Haupt- oder _county_straße wohnen, darauf eingerichtet sind Fremde zu beherbergen und zu speisen. Wirths- und Gasthäuser giebt es dort nur sehr wenige; baar Geld haben die Leute auch sehr wenig in ihrem gegenseitigen Verkehr, da wird dann das Fremdebewirthen gewissermaßen zu einer Erwerbsquelle, der sie sich um so lieber widmen, als sie wenig mehr Auslagen dabei haben, wie ein paar Betten mit Matratzen und wollenen Decken herzustellen. Die alte westliche _Gastfreundschaft_, wie sie in früheren Zeiten Sitte war, geht dabei freilich verloren; eine Mahlzeit kostet einen Viertel Dollar, ein Pferd zu beherbergen von einem Viertel bis halben Dollar, je nach der Gegend, das Bett für den Gast einen »Bit« bis ein Viertel Dollar, oder Nachtlager mit Abendbrod und Frühstück für einen Reiter gewöhnlich einen Dollar. Daß sie Jemanden umsonst beherbergen könnten fällt ihnen nicht ein; hat aber ein armer Teufel wirklich kein Geld, und sagt er ihnen das gleich von vorn herein, ehe er etwas verzehrt und genossen hat, so wird ihm selten ein Amerikaner alles das versagen, was er ihm sonst gegen Zahlung nur gegeben hätte. Im Wald selbst, das heißt ab von der Straße, wohin kein ausgehauener, von Geschäftsreisenden betretener Weg führt, und wohin sich nur der Jäger dann und wann verliert, ist das ganz etwas anderes. Der Wanderer theilt da Tisch und Bett mit seinem Wirth und am Morgen, fragte er wirklich was er dafür schuldig sei, lautet die Antwort: »das Wiederkommen, Fremder, für das was Ihr gehabt, war't Ihr willkommen; lieber Gott, es war wenig genug, was wir Euch bieten konnten,« setzt die Frau auch wohl hinzu. So wenig neugierig die Leute auch gewöhnlich dabei sind, was der Reisende treibt, woher er kommt, wohin er geht, wenn sie ihn auch manchmal im Laufe des Gesprächs danach fragen, so erstaunt waren hier die Waldbewohner, eine »_lady_« im wahren Sinne des Worts in seidenem Kleid und Hut mit Handschuhen an den Händen und Ringen an den Fingern, mit einem Schleier vor, und anderen »_fixin's_« wie sie's nannten, _allein_ im Wald zu sehn, und wenn sie es auch nicht wagten, die Dame selbst nach alle dem zu fragen, was sie gern von ihr wissen mochten, und was ihnen fast das Herz abdrückte vor Neugierde, so stahlen sie sich doch einzeln hinaus, wo Billy Jones's Mann die Pferde versorgte, von diesem herauszubekommen was die fremde Dame vermocht haben konnte, eine so abenteuerliche Fahrt allein zu unternehmen. Billy Jones's Mann wußte aber auch nicht mehr, als daß die Dame mit einem Dampfer nach Little Rock gekommen sei -- das verstand sich ohnedieß von selbst -- und nach _Old Nitzkis_ Farm irgendwo im Busch drin, Nord-Ost von der _Oakland grove_, hinüber wollte; es müßte wohl eine Verwandte von _Old Nitzki_ oder seiner Frau sein. Die Damen hätten sich übrigens die Mühe ersparen können, denn Fräulein von Seebald kam ihnen bei Tisch auf halbem Wege entgegen, erzählte ihnen, daß sie ihre Schwester aufsuchen wolle, die sie in zehn Jahren nicht gesehen, und die hier, unfern von Oakland Grove an den Grafen Olnitzki verheirathet sei, und frug jetzt selber, ob keine der Frauen sie vielleicht kürzlich gesehen habe, und wie es ihr gehe. Niemand kannte sie -- ein Mann wohnte allerdings dort oben im Wald, der so hieß, er war auch verheirathet, aber noch nie hierher zu ihnen gekommen, hatte wenigstens nie an ihrem Hause angehalten. Es sollte übrigens vortreffliches Land sein, wo er wohnte -- nur ein wenig sumpfig. -- »Und wie weit war es noch bis dorthin?« »Ih nun, nicht mehr so weit; in ganz gerader Richtung hätte es kaum vielleicht mehr als zwölf Englische Meilen sein können, aber es führte, eines dazwischen liegenden Sumpfes wegen, kein Weg direkt dorthin, nur die Jäger kamen manchmal dahinein; es war ausgezeichneter Jagdgrund. Wer sonst hinüber wollte, mußte über _Rosemores_ Farm; von da führte ein ziemlich betretener Pfad hinüber nach der Richtung, wie der alte Mann, dem das Haus hier gehörte, meinte, und er glaubte auch gehört zu haben, daß ein Pole da drüben ein »_improvement_« habe.« Fräulein von Seebald begriff gar nicht daß Graf Olnitzki, der doch von seiner Farm aus einen lebhaften Verkehr mit Little Rock, der Hauptstadt, unterhalten mußte, hier so wenig gekannt sei; oder gab es vielleicht einen andern Punkt im Innern, wohin er seine Produkte absetzte? »Ih nun ja es sei möglich,« lautete die Antwort, »daß es ihm bequemer oder ebenso bequem nach Batesville am Whiteriver wäre, wo hinauf auch kleine Dampfer liefen.« So mußte es auch sein; wahrscheinlich verkehrte er mit Batesville, jedenfalls auch eine bedeutende Stadt, wenn sie Dampfbootverbindung hatte. Viel Zeit zu weiteren Erkundigungen blieb ihr aber auch nicht mehr, denn »Billy Jones's« Mann hatte wieder eingespannt, Rosemores Platz noch vor Dunkelwerden zu erreichen; Fräulein von Seebald erfragte und zahlte deshalb ihre Zeche, und wenige Minuten später rasselte der Wagen wieder, jetzt auf etwas besserem Wege, durch den Wald weiter und weiter nach Norden hinauf, seinem Bestimmungsorte zu. »Dort liegt _Oakland grove_!« sagte der Fuhrmann da plötzlich, als sie einen kleinen sandigen Hügel hinaufgefahren waren, und in der Ferne durch den Wald ein paar helle Fenzen herüberschimmern sahen. »Haben wir von hier noch weit bis zu der Stadt?« »Stadt? -- was für eine Stadt?« »_Oakland grove._« »Ist keine Stadt; unsere Farm und der Wald hier heißt so.« »Und wo liegt die nächste Stadt?« »Das ist Batesville; aber noch ein hübsch Stückchen Weg bis man dahin kommt.« Bald darauf erblickten sie in der Ferne, an einer langen, ziemlich gut gehaltenen Fenz hinfahrend, zwei durch eine offene Verandah mit einander verbundene, aus gut beschlagenen Balken errichtete Blockhütten, deren ganzes Aussehn wie Umgebung einen gewissen Wohlstand verrieth. Eine Menge kleiner, dicht daran errichteter Gebäude dienten zu Ställen, Maisscheuern und Futterböden, und Hühner und Gänse um das Haus herum, wie eine Meute kleffender wohlgenährter Hunde gaben dem Platze etwas Lebendiges, Wohnliches, hier mitten in dem stillen Wald. Dasselbe Behäbige bot auch das Innere des Hauses, und als Fräulein von Seebald, noch in der Thür, von einer würdigen Matrone, deren ganzes Äußers schon einen unendlich wohlthätigen Eindruck auf sie machte, nach kurzen einführenden Worten des Fuhrmanns, begrüßt wurde, und im Hause selbst noch zwei reizende junge Mädchen fand, die zwar sehr einfach in selbst gewebte Stoffe, aber nichts destoweniger höchst geschmackvoll gekleidet waren, und als diese auch alles Mögliche thaten es der Fremden bei sich recht wohnlich und bequem zu machen, fühlte sie sich zum ersten Male wieder frei von jenem drückenden Gefühl, das ihr den ganzen Nachmittag, sie wußte sich eigentlich selber keine Rechenschaft zu geben weshalb, auf dem Herzen gelegen. Die Häuser, die sie bis jetzt hier überall getroffen, hatten gar so ärmlich und dürftig ausgesehen, die Menschen so kränklich und das Nothwendigste selbst entbehrend, was man doch zu einem wenigstens menschlichen Leben bedurfte. Hier war das anders, und der kleine Platz wirklich nicht allein praktisch, sondern auch mit Geschmack angelegt, mit schattigen Bäumen und Sitzen vor der Thür, und, was sie bis jetzt noch bei allen übrigen Blockhütten schmerzlich vermißt, einem kleinen Gärtchen dicht daneben. Also das war doch möglich -- die Wildniß bedingte nicht ein fast Indianisches Leben, die Leute konnten es sich, wenn sie den Trieb und die Lust dazu hatten, wohnlich und bequem machen, und mehr noch durfte sie das jetzt bei Olnitzkis erwarten, die sogar das Bedürfniß dazu vom alten Vaterland mit herüber gebracht. Auch das Innere des Hauses war weit verschieden von dem der letzten Farm, wo sie Mittag gegessen. Statt der zerbrochenen Rohrstühle und umgedrehten Fässer, die dort als Sitze dienen mußten, fand sie hier ordentliche Meublen; sogar einen Secretair und ein kleines dicht besetztes Bücherbret. Große reinlich überzogene und mit bunten Decken und jetzt aufgeschlagenem Mosquitos-Netz versehene Betten füllten den hinteren Raum aus, große eiserne Holzstützen mit blankgescheuerten Messingknöpfen lagen im Kamin, neben dem, ebenfalls von Messing, Schaufel und Zange hingen; Fenster mit reinlichen Gardinen daran waren sogar in die mächtigen Stämme, welche die Wände bildeten, eingeschnitten, und der bald darauf mit dem weißesten Linnen bedeckte Tisch zeigte eine Menge von delikaten Speisen. Der ganze Platz, mit dem freundlichen Benehmen seiner Bewohnerinnen, die ordentlich herzlich gegen sie wurden als sie erst erfuhren _weshalb_ und wie weit sie hierher gekommen, heimelte sie an; das war, wenn auch mit sehr bescheidenen Ansprüchen, eine Waldwohnung, wie sie sich solche früher wohl gedacht und ausgemalt -- hier in der stillen Einsamkeit des Forst's, unter dem leisen Rauschen der Waldwipfel, von keinen äußeren Stürmen getroffen und berührt, lebte ein einfach glückliches Volk -- glücklich in seiner Ruhe und Freiheit, und der Traum einer solchen Existenz, von kalten egoistischen Menschen im alten Vaterlande oft verlacht und verspottet, war endlich Wahrheit geworden und lag in Wirklichkeit hier um sie her. Mit dem seligen Gefühl wuchs aber auch die Sehnsucht nach der Schwester, und sie konnte den Morgen schon kaum erwarten, der ihr wieder auf ihren Weg leuchten sollte, in die Arme der Geliebten zu eilen. Auch die Entfernung war nicht mehr so groß; nur noch zehn englische Meilen etwa von hier -- ein flüchtiges Pferd hätte solche Strecke in einer Stunde durchlaufen können, lag Olnitzkis Farm (das Wort Plantage hatte sie endlich fallen lassen) oder Olnitzkis »_improvement_« wie es die Leute auch hier nannten; wenn sie bei Zeiten aufbrachen, konnten sie den Platz recht gut um Mittag erreichen und dann. -- Wie ihr das Herz so ungeduldig -- so freudig und doch auch wieder so ängstlich pochte; lieber Gott, zehn Jahre sind eine lange Zeit -- zehn Jahre hatte sie die Schwester nicht gesehen, in den letzten Jahren sogar nicht einmal etwas von ihr gehört, wie manches Schmerzliche ihr dabei mitzutheilen aus der Heimath, die jene, ein Kind noch fast und von dem Glück der ersten Liebe wie berauscht, verlassen. Die Mutter war vor zwei Jahren gestorben, und wenn auch Sidonie die Trauerbotschaft bekommen, blieb das erste Begegnen der Geschwister nach _dem_ Verlust doch immer schmerzlich, und mußte ja die Freude des Wiedersehens trüben. Aber fort mit solch traurigen Gedanken jetzt, wo sie so viel des Freudigen auch dabei brachte -- ihr Bruder war von seinem Hofe ehrenvoll ausgezeichnet und angestellt worden, ihre jüngste Schwester die Braut eines geliebten Mannes, ihr Vater noch immer rüstig und gesund, stand seinen Berufsgeschäften wie jemals vor, nur mit dem einen Verlangen, sein Kind, sein liebes Kind, das er damals so ungern von sich gelassen, noch einmal wieder zu sehen. Wie hatte er sich in jener Zeit gesträubt seine Einwilligung zu einem Bündniß zu geben, das er allein der tollen Schwärmerei des Augenblicks zugeschrieben, und in das er nur endlich willigte, sein Kind durch eine Weigerung nicht noch vielleicht unglücklicher zu machen, als es, wie er fürchtete, durch die Verbindung werden würde. Jetzt lag _die_ Zeit in weiter Ferne hinter ihnen. Sidonie war glücklich geworden, wie alle ihre Briefe ja bezeugten, und wenn sich auch die Schwärmerei der ersten Jugendliebe in ein ruhigeres und stilleres Gleis die Bahn geöffnet, so hatte sie doch auch mit keiner Zeile ja erwähnt, daß sie sich fortsehne aus dem neuen, selbst gewählten Leben, daß sie bereue den Schritt gethan zu haben, der sie aus den Armen ihrer Familie, der sie aus dem Vaterlande riß. Viel Unglück hatte sie trotzdem gehabt -- der älteste Knabe war ihr im vierten Jahr gestorben, und in dem _letzten_ Brief, den sie zu Haus geschrieben -- schon zwei Jahr her, schien ihr auch das jüngste Kind, ein Mädchen, schwer erkrankt. Aber seit dem, und nach dem Tod der Mutter, hatte kein Brief von ihr die Heimath mehr erreicht, und nur ein einziges Mal war mündlich Nachricht von ihnen durch einen Fremden hinübergedrungen, der den Grafen Olnitzki zufällig in Little Rock gesprochen, und von diesem erfahren hatte, daß sich die Frau vollkommen wohl befinde und in ihrem, allerdings etwas einsamen Aufenthalt von Herzen glücklich fühle. Wunderbarer Weise behaupteten aber auch _Rosemores_ nicht im Stande zu sein ihr genügende oder nähere Auskunft über die, doch nur kurze Strecke von ihnen entfernt wohnenden Leute zu geben. Olnitzki allerdings kam manchmal herüber zu ihnen, ja hatte sogar früher schon einige Mal in ihrem Hause übernachtet, die Frau dagegen sich noch nie bei ihnen blicken lassen. »Aber sie hatte doch andere Nachbarn in ihrer Nähe?« Allerdings, _Jack Owen_ wohnte kaum tausend Schritt von ihrem Hause entfernt an der _bearlick ridge_, und _Sam Houston_, ein anderer Farmer hatte sich, etwa eine Meile oberhalb des »_postoak hollow_« niedergelassen. -- Beide waren verheirathet, und verkehrten gewiß mit einander, und besonders _Jack Owens_ junge Frau war ein liebes braves Weibchen. Wunderbarer Weise wußten diese »Nachbarn« nicht einmal ob Olnitzkis Kinder hatten, und wie viel -- ein oder zwei waren ihnen gestorben, aber auch das nur als Gerücht zu ihnen gedrungen, denn dort hinein führte kein bestimmter Weg, zu ihnen heraus kamen die Leute auch nicht, so bildete sich denn jeder seinen Wirkungskreis in der eigenen Umgebung, den Nachbar entbehrend und sich wenig um ihn kümmernd. Aber was bedurfte Amalie von Seebald auch jetzt noch weitläufiger Berichte, wo sie sich ja morgen schon -- in wenigen Stunden -- selber von Allem mit eigenen Augen überzeugen konnte. Nur wie sie hinüber kommen sollte beunruhigte sie noch; die Frauen vertrösteten sie aber auf die Ankunft der Männer, die jedenfalls zum Abendbrod daheim sein und schon Mittel und Wege finden würden sie mit ihrem Gepäck hinüber zu schaffen. Lieber Gott, das sei nicht mehr als ihre Schuldigkeit, dafür zu sorgen daß eine einzelne Frau, die so vertrauungsvoll hier herüber zu ihnen gekommen war, auch nicht ohne Hülfe und Beistand gelassen würde, und Billy Jones, der Schwiegersohn des alten Rosemore, oder Mr. Rosemore selber fänden da schon Rath. Hundegebell und Pferdegestampfe kündigte die Erwarteten, die irgendwo im Walde gewesen waren nach ein paar ausgebliebenen Kühen zu sehn, auch schon vor Dunkelwerden an, und drei Reiter hielten gleich darauf vor Rosemores Thür, sprangen aus den Sätteln, die sie mit dem Zaum den Thieren abnahmen, ihre weitere Versorgung einem herbeispringenden Negerknaben überlassend, und betraten bald darauf die innere Fenz, zum Hause kommend. »Das trifft sich glücklich!« rief da Sarah, Mr. Rosemores jüngste Tochter, die in die Thür getreten war den Vater zu begrüßen, »da ist Mr. Owen von _bearlick ridge_ selber, mit Vater und Bill; der weiß Rath und geht gewiß morgen früh ebenfalls nach seinem Haus zurück.« »Halloh Miß Sarah,« lachte der also bezeichnete _back-woodsman_, der die Worte verstanden hatte, und mit seinem Sattel über dem linken Arm, seine Büchse in der Rechten, zum Hause heran kam, »haben Sie mich erwartet?« »Ich nicht, Mr. Owen,« lachte das junge Mädchen, »aber eine fremde _lady_, die hier im Hause sitzt, und vor Sehnsucht nach Ihnen schon fast vergangen ist.« »Alle Wetter,« rief der Jäger, seinen Sattel rasch unter den Zwischenbau der beiden Häuser legend und die lange Büchse daneben lehnend -- »eine fremde _lady_? das wäre der Teufel.« »Nun der _Teufel_ gerade nicht Mr. Owen,« sagte die Matrone, mit einem leisen Vorwurf in dem Ton, mit dem sie das Wort wiederholte. »Bitte tausend Mal um Entschuldigung Missis Rosemore,« sagte der Mann, leicht erröthend, indem er ihr die Hand entgegenstreckte -- »es fuhr mir nur so heraus; Ihr wißt ja schon, ich mein' es nicht so bös.« Es war eine kräftige, männliche Gestalt, der Mann, in die gewöhnliche Tracht der Hinterwäldler, in ein ledernes Jagdhemd mit eben solchen Leggins gekleidet; an den Füßen trug er Moccasins von demselben Stoff, auf dem Kopf aber einen alten abgetragenen, arg mißhandelten Filz, und an der rechten Seite seine Kugeltasche, während an der Linken in dem breiten Ledergürtel, das lange Amerikanische Bowie- oder Jagdmesser stak. Das Haar war gelockt, sein Auge blau und der Ausdruck seines Gesichts entschieden ehrlich und gerade aus, nur um den Mund und die selbst fein geschnittenen Lippen lag ein etwas harter Zug, der aber ebensogut Muth und Entschlossenheit deuten konnte, und den westlichen Amerikanern, die im Wald erzogen und allen seinen Beschwerden und Gefahren von Kindheit an preisgegeben sind, besonders eigen ist. Jack Owen war mit einem Wort ein prächtiges Urbild jener kräftigen, stählernen Menschenrace, die den westlichen Urwald der Union erst als Jäger durchziehn, und dann mit ihren keck bis weit über die Grenzen der Civilisation vorgeschobenen »_improvements_« besiedeln, dem Indianer und Bären ihre Heimath abtrotzen, und nur mit Büchse und Axt bewehrt, im Schatten der dichten Wildniß eine Heimath schaffen. Diese Race bildet den Übergang von der Rothhaut zum weißen Mann, und wie der Wolfshund, der halb dem Wolfgeschlecht noch angehörig ist, keinen ärgeren Feind kennt als gerade den Wolf, so haßt der Pionier nichts ärger auf der Welt als den, in dessen Fußstapfen er doch hier getreten, den rothen Sohn der Wälder. Als diese Männer, die mit dem freien, natürlichen Leben um sich her, auch eben solche Sitten angenommen haben, und sich, von Anderen dasselbe verlangend und glaubend, ebenso geben wie sie sind, das Zimmer betreten hatten, gingen sie auf die fremde Dame zu, boten ihr zum Willkommen freundlich die Hand, und dann ihre Sitze am Feuer einnehmend, an dem sie ihre Moccasins auszogen, und zum Trocknen aufhingen, war ihre erste Sorge den Frauen Bericht über die entlaufenen oder ausgebliebenen Kühe, die wie es schien wieder eingefangen waren, abzustatten. Das Gespräch drehte sich jetzt ausschließlich um Kühe, Rinder und Schweine, bis zum Abendbrod, welches die beiden Töchter der alten Mrs. Rosemore indeß bereitet hatten, und alle Theile der _range_, oder des Weidegrundes, wo sich noch ein oder das andere Stück verhalten, wurden durchgenommen. Die Frauen selber interessirten sich dabei so viel dafür wie die Männer, und Fräulein von Seebald, die dabei als stille Zuhörerin mit am Kamin saß, war wirklich erstaunt so viel Ortskenntniß bei ihnen zu finden, mit der sie die nach Meilen entfernten Stellen im Wald bezeichneten, und ihre Richtung dabei nicht etwa bei bestimmten Wegen, sondern nach den Himmelsgegenden und kleineren sie durchströmenden Wassercoursen bezeichneten. Mit dem Abendbrod, bei dem sich Alle um die im Zimmer zusammengerückten Tische sammelten, nahm aber auch das Gespräch eine andere Wendung; Jack Owen wurde der Fremden als der nächste Nachbar ihrer Schwester und jenes »Mr. Olnitzki« bezeichnet, und dann selber aufgefordert einen Rath zu geben, wie die junge Deutsche am Besten und Leichtesten mit ihrem Gepäck hinüber kommen könne. Jack Owen schien übrigens die letzte Frage ganz zu überhören, denn wie er erfuhr daß die Fremde eine Schwester der »Missis Olnitzki« und über das Weltmeer nur einzig und allein herübergekommen sei sie zu besuchen, sah er sie mit den klaren treuherzigen Augen eine ganze Weile ernst und sinnend an, und fing dann auf einmal wieder, ohne ein Wort darauf zu äußern, von vorn an zuzulangen, als ob er bis dahin ganz vergessen habe zu essen. »Und können Sie mir nicht etwas Näheres über die Schwester sagen?« bat Amalie, »ich habe schon so oft und oft gefragt, und wie verschollen schien sie dort im Wald zu wohnen; Niemand konnte mir Rede stehn, Niemand erinnerte sich in der That sie je gesehn zu haben.« »Lieber Gott,« sagte der Jäger, ohne sein Essen auch nur auf einen Augenblick zu unterbrechen, »unsere Frauen kommen Alle wenig fort; manchmal zu einer Betversammlung oder irgend einem Nachbarfest beim Klötzerollen oder Decken-Steppen, und da die Nachbarn so dünn gesäet sind bei uns, fällt selbst das nicht häufig vor.« »Aber Sie kennen sie doch?« »Ich? -- oh gewiß -- wohne keine halbe Meile davon.« »Und es geht ihr gut? -- « »Das kalte Fieber hat sie neulich einmal ein klein wenig abgeschüttelt, hatte aber nicht viel zu sagen, und ist bald vorüber gegangen.« »Und ihr Kind? hat sich das arme kleine Mädchen erholt?« »Das Mädchen?« -- wiederholte der Mann, zum ersten Mal zu ihr aufschauend -- »der Knabe, meinen Sie.« »Hat Sidonie einen Knaben?« rief Amalie überrascht. »Hm,« meinte der Jäger, sich ein neues Stück Wildpret auf den Teller nehmend, »seit wann haben Sie denn eigentlich keine Nachricht von ihr gehabt?« -- »Seit über zwei Jahren.« »Lieber Gott,« sagte die alte Mrs. Rosemore. »Dann freilich,« brummte der Jäger halb laut vor sich hin -- »seit der Zeit ist das Mädchen gestorben und vor einigen Monaten ein Knabe geboren worden, und _das_ Kind allerdings ist jetzt schwer krank.« »Das Mädchen todt -- du großer Gott -- die arme, arme Sidonie.« »Das Herz wird ihr wohl zu voll und schwer gewesen sein in _der_ Zeit Briefe zu schreiben,« sagte die Matrone bedauernd, »ja aus_sprechen_ und aus_weinen_ mag man sich dann wohl gern, aber zum Schreiben zwingt man die Hand da nicht.« »Aber wie bekommt die Fremde die vielen Sachen hinüber Mr. Owens?« fiel Sarah hier ein, Amalie zu zerstreuen, daß sie sich nicht dem traurigen Gedanken zu sehr hingebe -- »es wird schwer sein das Alles zu Pferde zu transportiren.« »Ist's denn so viel?« frug Jack Owen. »Ei die beiden Kisten hier, dann jene Koffer dort, und diese Schachteln und Reisesäcke.« »Hm, das allerdings -- packt sich auch verd -- ungemein schlecht auf ein Pferd; aber das ist das wenigste -- sind es Sachen für Mrs. Olnitzki bestimmt?« »Zum großen Theil; wie auch mein eigenes Gepäck.« »Sehr gut, dann schaffen wir auch Rath,« sagte der Jäger gutmüthig -- »solltet Ihr nicht mit Euerem kleinen Wagen über die _greenbriar ridge_ hinüberkommen können, Rosemore? nachher geht's glatt und leicht durch den offenen Wald, dicht an der Bayo hin.« »Über die _greenbriar ridge_ mit dem Wagen, Mann,« sagte aber der Alte, dabei mit dem Kopfe schüttelnd, »wo denkt Ihr hin; da müßten wir erst eine ordentliche Straße durch _brushy hollow_ aushauen, und blieben nachher noch immer im Sumpf an der andern Seite stecken. Nein nicht in acht Tagen brächten wir das fertig, aber mit den Thieren an der _overcup flat_ hin geht es ganz gut; die Kisten und Koffer sind eben nicht übermäßig schwer, und lassen sich recht gut auf einen Packsattel laden. Freilich muß man nachher tüchtig im Wald herumlaviren mit den Thieren, freie Bahn durch die Bäume durchzufinden, aber es geht doch, und ich getraue mich sie in fünf bis sechs Stunden hinüber zu führen.« »Aber Euer Falbe wird das nicht tragen wollen.« »Bah, ich habe gerade Widdersons beide Maulthiere in meiner Fenz, die er von Santa Fé mitgebracht hat und nach Batesville hinaufnehmen will, die mögen ihr Futter abverdienen.« »Das wäre vortrefflich!« rief Jack Owen, »wann wird aber die Dame nach Olnitzkis zu aufbrechen wollen?« »Oh so bald nur irgend möglich« -- rief Fräulein von Seebald -- »ich ginge die Nacht hindurch, die Schwester nur eine Stunde früher zu sehen, zu begrüßen.« »Das möchte uns durch _den_ Wald doch wohl schwer werden,« lachte der Jäger gutmüthig, »aber morgen mit Tagesgrauen steh' ich zu Diensten, und bin gern bereit Sie hinüberzuführen; ich gehe doch zu Haus.« »Aber nicht vor dem Frühstück,« fiel ihnen hier Mrs. Rosemore in die Rede, »mit leerem Magen verläßt Niemand mein Haus, wenn ich's verhindern kann, und die Mädchen werden schon früh auf sein, daß es nicht zu lange dauert.« Amalie von Seebald fügte sich gern dem freundlichen Wunsch, noch dazu da sie ihren Führer nicht auch vor dem Frühstück fortziehen mochte, und die Männer besahen sich jetzt das Gepäck, und trafen ihre Eintheilung mit den Packen, die auf die beiden Maulthiere vertheilt werden sollten, wonach dann Jack Owen selber noch einmal mit seinem Pferd zurückkommen, und den Rest nachholen wollte. Die Maulthiere sollte Bill Jones selber mit seinem Knecht hinüber bringen, Jack Owen aber wollte rascher mit der Lady voraus nach Olnitzkis _improvement_ gehn. Der Morgen kam, und mit klopfendem Herzen hatte Amalie ihre Vorbereitungen zu dem Marsch getroffen, als Jack Owen, nach beendigtem Frühstück, einen Damensattel auf sein Pferd geschnallt, vor der Thür erschien, und die Lady einlud sein Thier zu besteigen, während er selber zu Fuß voran ging. Die junge Dame gestand jetzt freilich mit Erröthen, daß sie noch nie auf einem Pferd gesessen, der Einwand wurde aber nicht beachtet; Jack Owens Ponny war anerkannt das frömmste Thier in der _range_, ließ vor und neben sich schießen, wie der Reiter gerade Lust hatte, und ging seinen festen sicheren Schritt ruhig fort, fast wie ein Maulthier. Die Mädchen halfen ihr dabei lachend in den Sattel, ordneten ihre Kleider, gaben ihr eine kleine Gerte in die Hand, das Thier vorwärts zu treiben, und Jack Owen, mit der langen Büchse auf der Schulter, von fünf mächtigen Rüden umbellt, schritt ihr voran, in den dunklen Wald hinein. Capitel 2. Die Gräfin Olnitzka. Im Anfang hatte Amalie von Seebald genug mit ihrem Pferd und dem neuen Sitz zu thun, auf dem sie sich noch nicht sicher fühlte, und deshalb auch nicht wohl befinden konnte; das Ungewohnte der Bewegung dabei, und das öftere Anstreifen an die überhängenden Büsche nahmen ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und ließen sie sich ängstlich dabei an den Knopf des Sattels anhalten, nicht herunterzufallen, wie sie immer noch fürchtete. Das gutmüthige Thier, das Jack Owen auf seinen Jagden schon so abgerichtet hatte ihm wie ein Hund zu folgen, ging aber einen so ruhigen sicheren Schritt, und kümmerte sich so gar nicht um die wild und fröhlich es umbellenden Hunde, nur auf den Weg und die darüber hinliegenden Wurzeln und Stämme achtend, daß sie sich bald daran gewöhnte, und nach kaum halbstündigem Ritt schon fast die bis dahin gefühlte Angst vergaß. Jack Owen ging dabei meist vor ihr, oft neben ihr her, die Büchse auf der linken Schulter, über deren Kolben die linke Hand herunter hing, die Hunde hinter sich, die jetzt, im wirklichen Walde drin, keinen Lärm mehr machen durften, etwa irgendwo stehendes Wild nicht zu verscheuchen, und sein Blick schweifte dabei ruhig und forschend über alle offene Stellen die sie passirten, haftete oft auf einem, vom Herbst gefärbten Busch, ob sich nicht doch in den gerötheten Blättern die schlanke Gestalt eines Hirsches berge, und suchte dann wieder in dem weichen Boden des Pfads die frisch eingedrückten Fährten des Rothwildes oder Raubzeuges, die herüber und hinüber gewechselt waren. So hatten sie schweigend einen großen Theil des Wegs zurückgelegt, und Amalie sah schon in jedem helleren Waldesfleck der vor ihnen lag, die so heiß ersehnte Lichtung von ihres Schwagers Farm; aber ein Dickicht wechselte nur mit dem anderen, der Weg, der bis dahin ziemlich breit in den Wald hinein gereicht hatte, wurde zum engen, kaum mehr begangenen Pfad, und noch immer zeigten sich nicht jene Spuren der Civilisation, die unzertrennlich von einer größeren Ansiedlung sind, und wie der dünne Rauch über einer Stadt, die Nähe des schaffenden Treibens thätiger Menschen verrathen. Kein Fuhrwerk hatte diesem Boden hier je seine Räder eingedrückt, keine Axt noch die mächtigen Stämme berührt, und selbst die wenigen Pferdespuren im Pfad waren von Hirsch- und Pantherfährten fast unkenntlich gemacht, und doch näherten sie sich mehr und mehr der Farm des Grafen, doch konnte nur kurze Strecke Waldes mehr, sie von dort trennen. Nur eins war da noch möglich, daß sein ganzer Verkehr mit jener nördlich von ihm gelegenen Stadt bestand, die ihm doch wohl näher liegen mußte als Little Rock, ja vielleicht gar durch einen Strom die Verbindung erleichterte; aber das Herz des armen Mädchens füllte sich dennoch, so sehr sie auch dagegen ankämpfen wollte, mit einer unbestimmten Furcht, und wenn sie der auch keinen Namen zu geben wußte, drängte es sie doch zuletzt, von ihrem wortkargen Führer das unheimliche Gefühl verscheucht zu sehn. »Es ist so einsam hier und still,« brach sie das Schweigen endlich, »und doch können wir nicht mehr so weit von jener Farm entfernt sein, der dieser Weg zuführen soll.« »In einer Stunde kann man's von hier aus, wenigstens in dieser Jahreszeit gehn,« sagte der Mann, »aber im Winter ist's weiter, denn die Gräben sind dann mit Wasser gefüllt, und man muß Umwege machen ihrem Schlamme auszuweichen.« »Daß sich Olnitzki so tief im Walde angesiedelt hat,« sagte die Deutsche, fast mehr zu sich selbst als zu dem Führer redend. »Ja, s' ist etwas einsam hier, für eine Frau wenigstens,« lautete die Antwort, »aber der Mann fühlt sich desto wohler unter den Bäumen, und mir ist, wenn ich's aufrichtig gestehen soll, nichts fataler auf der Welt, als wenn ich an eine Fenz komme -- meine eigene ausgenommen.« »Wie es Sidonie nur ausgehalten hat.« »Ist das der Name Euerer Schwester?« frug der Jäger, mit etwas leiserer Stimme, und sein Blick glitt über die Gestalt der Fremden flüchtig aber doch forschend hin. »Ja -- kennt Ihr ihn nicht, als nächster Nachbar?« sagte Amalie rasch und etwas bestürzt. »Es ist Sitte bei uns, die Frauen nur nach dem Namen ihres Mannes zu nennen,« erwiederte der Jäger, »selbst unsere eigenen; ich kann ihn aber trotzdem doch wohl einmal gehört haben, denn ich kam früher öfter mit Olnitzki zusammen.« »Und jetzt nicht mehr?« -- »Oh doch ja, dann und wann wenigstens,« sagte der Mann ausweichend; »er ist gerade ebenso wie wir Anderen -- eben nicht umgänglicher Natur, und hält seine Büchse und Hunde für die beste Gesellschaft auf der Welt.« »Aber die arme Frau -- _sie_ verkehrt doch wenigstens mit ihren Nachbarn?« frug Amalie. »Sie? -- o ja -- ja wohl« -- sagte der Jäger -- »im letzten Winter war sie zweimal bei uns hüben, und meine Alte auch dort, und wie ihr vor zwei Jahren das Kind krank wurde und dann starb, ist wenigstens eine von den benachbarten Frauen fortwährend und abwechselnd bei ihr gewesen -- sie wurde auch damals selber krank und mußte doch eine Pflege haben.« »Lieber Gott, im letzten _Winter_,« seufzte Amalie still und kaum hörbar vor sich hin, und der Wald schien ihr ordentlich unheimlich dazu zu rauschen, in seiner öden Einsamkeit. Sie fürchtete auch von dem Augenblick an wirklich eine weitere Frage zu thun, bis ihr Führer selber wieder das Schweigen brach. »Ihr habt die Schwester seit langer Zeit nicht gesehn?« »Seit zehn Jahren nicht.« »Eine lange Zeit, und wir werden alt dabei.« »Sidonie war noch so jung wie sie die Heimath verließ.« »Aus glücklichen, ruhigen Verhältnissen vielleicht heraus« sagte der Jäger, und sein Blick schweifte dabei wieder über den engen Waldeshorizont, der ihm da frei lag, nach einem Wilde auszuspähn. »Aus den glücklichsten,« sagte die Schwester, seufzend der Zeit gedenkend, »lieber Gott, sie hatte Alles was das Herz begehrt, begehren kann; in Überfluß und Reichthum erzogen, wurde sie von den Ältern auf Händen getragen, und die glänzenste Zukunft hätte ihrer im alten Vaterland gelacht.« »Hm,« sagte der Jäger, seine Büchse etwas weiter zurück über die Schulter werfend, und den Tabackssaft seines Priemchens gegen die nächste Eiche spritzend -- »hm -- und Mr. Olnitzki hatte auch viel Geld?« »Der Graf Olnitzki? -- nein,« sagte Amalie, »aus Polen flüchtend, wo sein Volk besiegt und zerstreut worden, waren ihm von dem Russischen Czaaren die Güter confiscirt, war ihm selbst die Rückkehr in sein Vaterland abgeschnitten worden, und jenen unglücklichen Tapferen blieb damals nichts übrig, als in der neuen Welt auch eine neue Heimath zu suchen und zu gründen.« »Aber wie bekam er da so geschwind die reiche Frau?« frug der praktische Amerikaner, halb ungläubig dazu den Kopf schüttelnd. »Ich weiß nicht ob Sie sich jener Zeit noch erinnern,« sagte, tief aufseufzend wieder Amalie, »weiß auch nicht ob Sie in Amerika damals unsere Gefühle getheilt; aber in Deutschland war es fast, als ob ein neuer lebendiger Geist über das ganze Volk gekommen, und die träumenden Nationen aus ihrem Schlafe aufgerüttelt habe. Ein Schrei für Polen ging durch Deutschlands Gauen, nicht bei den Regierungen zwar, die es mit dem Nordischen Koloß nicht verderben wollten, wohl aber bei den Völkern. Doch statt das Schwert aufzugreifen für den bedrohten, geknechteten Nachbarstaat, begnügten sich die Männer Sammlungen zu veranstalten, den Verwundeten und Beraubten Hülfe zu bringen, die Frauen zupften Charpie und sandten Leinwand und Bandagen in die Lazarethe, und als die letzte Schlacht geschlagen, als die ungeheueren Russischen Heere das kleine Reich mit ihren Massen überschwemmten, als Polen zertreten, vernichtet unter den stampfenden Rossen seiner Feinde lag, und die Wenigen seiner tapferen Krieger, die sich noch bis zur Grenze durchgeschlagen, fremden Boden Hülfe suchend betreten mußten, da war es Deutschland besonders, das ihnen seine Arme öffnete, das sie in seine Familien, an seinen Heerd nahm, die Kranken und Verwundeten pflegte und kräftigte, die Armen unterstützte, die Besiegten aufrichtete, mit Trost und Hoffnung und eigener That. Feste, Bälle und Concerte wurden gegeben, Summen zusammen zu bekommen und den Flüchtigen Reisegeld nach Amerika zu verschaffen, und Frauen und Mädchen besonders wetteiferten darin ihre Sympathieen für die zertretene Nationalität der Unglücklichen zu zeigen. Wir trugen in den Schleifen und Zierrathen unseres Costümes nur die Polnischen Farben, Polnische Flaggen wehten in den erleuchteten Festesräumen, und viele, viele von uns gaben was sie an Schmuck und goldenen Zierrathen besaßen willig her, die Spende für die tapferen Krieger zu erhöhn.« »Hm, hm, hm, hm,« sagte der Jäger, der mit dem Kopf heftig dabei schüttelnd, rascher neben dem Pferde herging. »Auch in unsere Familie,« fuhr Amalie fort, »hatten wir einen jungen edlen Polen aufgenommen, der unsere Schwelle, von Fieberfrost geschüttelt, mit einer Menge ungeheilten Wunden, mit zerrissener Uniform, dem Untergang schon nahe, betrat, und kaum ein Lager für sich eingerichtet bekommen, als ein hitziges Fieber sein Leben bedrohte, und ihn für Monate an den Rand des Grabes brachte. Sidonie und ich pflegten ihn in der Zeit wie Schwestern; Sidonie besonders wich kaum mehr von seinem Bett, und wir hatten die Freude den Unglücklichen nach langen Monden dem Leben, der Gesundheit zurückgegeben zu sehn. Vollkommen endlich wieder hergestellt, und mit Allem reichlich versehn was er zu einer so weiten Reise brauchte, wollten meine Ältern dann den Fremden entlassen -- aber es war zu spät; Sidoniens Herz hing an dem fremdem Mann und konnte -- wollte ihn nicht lassen. Vater und Mutter baten und beschworen sie -- umsonst, der Pole durfte nicht länger auf deutschem Boden weilen, unsere deutschen Regierungen fürchteten das Misvergnügen des Czaaren zu erregen, und mit der warmen Frühlingsluft die über die Berge zog, und unsere Ströme vom Eis befreite -- mit dem ersten Schiff, das den aufgethauten Strom befuhr -- verließ Sidonie als Olnitzkis Gattin das väterliche Haus.« Amalie schwieg, und Jack Owen ging wieder eine ganze Zeitlang lautlos, aber recht schwer aufathmend neben dem Pferde her -- endlich sagte er leise: »Aber Olnitzki hatte Vermögen wie er Amerika betrat.« »Mein Vater ist wohlhabend, und wollte die Tochter nicht der Ungewißheit einer selbst zu erkämpfenden Existenz preis geben.« Jack Owen blieb stehen und sah die Fremde überrascht und ungewiß an -- er hatte augenscheinlich nicht recht verstanden was sie mit den Worten meinte. »Olnitzki hat also sein Geld nicht mit von Polen herüber gebracht?« frug er endlich. »So reich er dort gewesen sein mochte,« sagte Amalie, »der Krieg verschlang Alles, und jene edlen Herzen warfen nicht allein ihr Leben, nein Alles was sie auf Erden ihr eigen nannten in die Schaale, das Vaterland zu retten.« »Hm, hm, hm, hm, hm!« sagte der Jäger wieder, und schritt rascher vorwärts, als ob er die versäumten Minuten einholen müsse; aber er erwiederte nichts weiter, schien sogar jedes fernere Gespräch vermeiden zu wollen, und beschäftigte sich ausschließlich mit dem Weg, der hier auch in der That noch eher wilder und verworrener wurde, und seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, der Fremden nur einiger Maßen Bahn zu brechen. Amalie aber fühlte sich beunruhigt durch das ihr auffällige Benehmen des Führers, trieb ihr Pferd, jetzt schon vollkommen an den Ritt gewöhnt, und dreist gemacht durch den sanften Schritt des Thieres, zu etwas schärferem Schritt mit der Gerte an, und sagte halb schüchtern, halb entschlossen jeder weiteren Ungewißheit ein Ende zu machen: »Wie geht es meiner Schwester -- ist sie _glücklich_, und lebt sie so wie wir es in Deutschland erwartet haben daß sie leben würde und sollte?« -- »Pst!« sagte ihr Führer aber als einzige Antwort, und bei der rasch doch vorsichtig abwärts gedrehten rechten Hand, blieb das gelehrige, aufmerksame Thier wie in den Boden gewurzelt stehn, regte sich nicht mit dem Kopf, und schüttelte weder Schweif noch Mähne. Der Jäger aber, mit der Hand langsam, keine rasche auffällige Bewegung zu machen, nach vorne deutend, zeigte der Fremden, die dem ausgestreckten Finger mit den Augen folgte, die schlanke prächtige Gestalt eines stattlichen Hirsches, der aus einem dichten Gebüsch herausgetreten war und sich, keine Gefahr ahnend, über eine kleine Waldblöße langsam hinüber äßte. Vorsichtig nahm der Jäger die Mütze vom Kopf, ließ sie geräuschlos auf den Boden gleiten, und eine Bewegung seiner Hand, mit einem Blick den die klugen Thiere wohl verstanden, gebot den Hunden den Platz zu wahren bis er wiederkehre. Nur Einer von ihnen, Deik, ein alter, von Narben zerrissener Bursche mit ganz kurz abgeschlagenem Schwanz und eben solchen Ohren, zugestutzt, als ob sein Herr eben nicht mehr von ihm hätte haben wollen als unumgänglich nöthig war, wußte sich von dem Befehl ausgenommen, und als der Jäger jetzt, sich nieder duckend und den Schutz eines kleinen Busches benützend, rasch aber lautlos durch das feuchte gelbe, den Boden bedeckende Laub hinglitt, folgte er ihm dicht auf den Fersen, haltend, wenn jener stehen blieb, und vorsichtig ausschreitend wenn es der Jäger für rechtzeitig hielt weiter vorzuschleichen. Amalie selbst vergaß aber in dem neuen Eindruck der Jagd, der jetzt den Wald mit einem eigenen, kaum geahnten Zauber füllte für den Moment wenigstens, alles Andere. Das edle, sich so sicher fühlende Wild; die in das Gras gedrückten klugen Hunde; die lebendige ausdrucksvolle Gestalt des Jägers mit dem schleichenden Thier an seinen Fersen; das Pferd selbst auf dem sie saß, das wie ängstlich den klugen Kopf nach dem leisen Rascheln ihres Kleides wandte; das Rauschen der mächtigen Wipfel dazu, durch das weit, weit herüber, der gellende Schrei eines Falken tönte -- sie preßte fast unwillkürlich ihre rechte Hand auf's Herz, so laut kam ihr jetzt dessen Klopfen vor, und während sie in ängstlicher Sorge um das Leben des wunderschönen Thieres bangte, das so frei und glücklich dort durch den Wald schritt, mochte sie selbst kaum athmen, dem Bedrohten nicht die Nähe des Feindes zu verrathen. Jack Owen aber war in diesem Augenblick nur noch einzig und allein Jäger; an seine Schutzbefohlene kaum denkend die er jedoch auch sicher auf dem Thiere wußte, glitt er, jetzt den Stamm einer Eiche oder eines Sassafrasbaumes benützend, jetzt einen Busch oder umgestürzten Baumstamm als Schutz gebrauchend, zugleich aber auch nicht ganz direkt auf das Wild zu, sondern etwas seitab schleichend, damit durch irgend ein vielleicht unvorsichtig gemachtes Geräusch die Aufmerksamkeit des scheuen Wildes nicht etwa auf das im Wege haltende Pferd gelenkt würde, rasch und geräuschlos über den Boden hin, bis in vielleicht noch hundert Schritt von seiner Beute. Da knickte ein trockner unter dem Laub versteckt gelegener Zweig, und ob sich der Moccasin über ihm zusammenzog, und Jäger wie Hund instinktartig zusammensanken wo sie standen, war der schwache Laut doch hinübergedrungen zu dem Hirsch, der gerade selber mit Äsen aufgehört hatte, und hinüberhorchte nach dem Schrei des Falken. Die Thiere der Wildniß haben eine Sprache untereinander, die der Mensch nicht versteht -- eine Stimme zu warnen und zu rufen, zu locken und zu verscheuchen, und sie achten darauf, wenn selbst ein feindliches Geschlecht die Warnung gäbe. Einmal aufmerksam geworden, wußte Jack Owen aber auch recht gut, daß sich das scheue Thier nicht wieder beruhigen würde, weitere Annäherung zu gestatten, so also rasch die Büchse hebend, die er in der Bewegung spannte, suchte das Auge den tödtlichen Fleck, der Finger zuckte, scharf schmetterte der Schlag durch den Wald, und wie sich der Hirsch hob und zusammenbrach, und wieder empor und mit wilden Sätzen in das Dickicht hineinschnellte, fuhren die Rüden, die sich nicht länger halten ließen, von dem Platze auf, an dem sie gekauert, und folgten heulend und kleffend der flüchtigen Beute. Jack Owen aber wischte indessen vollkommen ruhig seine Büchse mit dem, an den Ladestock geschraubten Krätzer aus, lud sie wieder, und sie dann auf die Schulter werfend, kehrte er zu seinem geduldig haltenden Pferd zurück, seine Mütze aufzuheben, und das Thier mit sich zu der Stelle zu führen wo sie das Wild verendet finden sollten. »Er ist davongelaufen« sagte Amalie von Seebald, als der Schütze herankam, und sein Pferd ihm -- ohne jedoch seine Stelle zu verlassen, freudig entgegenwieherte -- halb zufrieden damit, halb in getäuschter Erwartung. »Ja Miß« lachte der Jäger, »aber nicht weit; ich bin gut abgekommen und die Kugel sitzt, vielleicht nur ein wenig tief, auf dem rechten Fleck; die Hunde haben ihn schon.« »Die Hunde? wo? -- sie bellen ja noch.« »Ja,« lachte der Hinterwäldler, »aber nicht mehr gegen den Hirsch, sondern gegen Deik an, der Besitz von ihm genommen, und keinen der anderen mehr hinanläßt; der alte Bursche weiß schon was sich schickt, kommen Sie jetzt mit mir, wir gehen sogar nicht einmal um, sondern schneiden dort hinüber durch die jetzt vollkommen trockene Gründorn-Ebene eher noch ein paar hundert Schritte ab bis zu Olnitzkis Fenz, die auf der anderen Seite daranstößt; ich will nur den Hirsch aufbrechen und in die Slew hängen, damit ihn die Schmeißfliegen nicht gleich bedecken; nachher hol ich ihn ab.« Einen leisen Pfiff dabei ausstoßend, den das Poney gut genug verstand, drehte er sich, von diesem jetzt dicht gefolgt, wieder auf dem Absatz herum, und die dichtesten Plätze vermeidend, führte er die Fremde ganz unbekümmert mitten in das Herz der Waldung hinein. Näher und näher aber kam dabei das Bellen der Hunde und als sie diese endlich erreichten, war es wie Jack Owen vorher gesagt. Deik hatte seinen Platz dicht neben dem schon verendeten Hirsch genommen und sich, seiner Autorität bewußt, ruhig dabei zusammengekauert, die Ankunft seines Herrn zu erwarten, während die anderen Rüden ihn kleffend und knurrend, immer aber in achtungsvoller Ferne, umsprangen, und die Zeit nicht schienen erwarten zu können, wo ihnen ein Theil des Wildprets preis gegeben wurde. Das geschah bald; Jack hatte im Nu den Hirsch herumgeworfen, aufgebrochen und zerwirkt, und dann den vorderen Theil, die beiden Blätter mit Hals und Kopf an dem das Geweih noch saß, vom übrigen Körper trennend und in einzelnen mächtigen Stücken den verschiedenen Rüden zuwerfend, zog er ein Stück Bast von einem dicht dabeistehenden Papaobaum ab, und durch die Hessen der Hinterläufe des Erlegten, schleifte das Wildpret dann zum kaum zehn Schritt davon entfernten Wasser, dem das tödtlich getroffene Thier noch zugeeilt war, und hing es hinein, wusch sich dann selbst die Hände in der Fluth, warf die Büchse wieder über die Schulter und schritt, dem Poney ein neues Zeichen gebend, rasch mitten durch den Wald hin, einer bestimmten Richtung zu. Diese brachte die Wanderer aber nach kaum viertelstündigem rüstigen Marsch an die Ecke eines eingefenzten, mit Mais bepflanzten, aber sonst noch ziemlich wild aussehenden Feldes, in dem die meisten Bäume nur geringelt und abgestorben oder mitten hinein in das Feld gebrochen, standen und lagen, und um das hin ein schmaler Feldweg führte. »Da sind wir am Ziel« sagte der Jäger, als er den Arm gegen das Maisfeld ausstreckte und zugleich um die Ecke desselben bog, von der aus sie einen freieren Blick auf die kleine Ansiedlung selber erlangen konnten, »das hier ist Olnitzkis Feld, und er hat drüben auf der anderen Seite im letzten Jahr noch drei andere Acker Land urbar gemacht.« »Und wie weit haben wir noch bis zum Haus?« frug Amalie der das Herz anfing in fast fieberhafter Aufregung zu klopfen, indem sie fast unwillkürlich den Zügel des Poneys anhielt, sich erst zu sammeln. »Zum Haus? -- dort liegt es« sagte der Jäger, und sein Blick haftete wie in Mitleid auf der bleichen, zitternden Gestalt, die in Angst und Schreck die Hände faltete, als das suchende Auge nur eine kleine niedere Hütte traf, aus der dünner Rauch in die blaue Morgenluft emporkräuselte. »Das?« hauchte sie mit kaum hörbarer, trostloser Stimme -- »_das_ Olnitzkis Haus? -- das der Aufenthalt meiner armen Schwester? -- « »S'ist eben nur eine Waldwohnung« sagte der Jäger verlegen lächelnd -- »mein eigen Haus ist eben nicht viel besser, und Olnitzki will, glaub' ich, auch ein anderes bauen; unser Klima hier verlangt es aber kaum anders, und zum bloßen Staat wäre die Mühe hier ebenfalls weggeworfen. Doch wollen wir nicht hinangehen?« »Nein -- bitte, lassen Sie mich vom Pferd« bat Amalie -- »es ist nur eine kleine Strecke -- ich will von hier zu Fuß gehn -- ich -- ich möchte gern -- « »Ich kann mir denken daß Sie die Schwester nach so langer Abwesenheit allein zu begrüßen wünschen« sagte der Jäger freundlich, indem er dabei seine Büchse an die Fenz lehnte, und sie mit starkem Griff aus dem Sattel hob; »ist's Ihnen recht, so gehe ich indeß zurück und hole mein Wildpret. Ich weiß nicht ob Olnitzki gerade frisches Fleisch im Hause hat, und da er jetzt Besuch bekommen, wird ihm ein Theil davon vielleicht willkommen sein. Wild giebt's hier noch genug im Wald, aber es trifft sich nicht immer daß man gerade zum Schuß kommt wenn man etwas nothwendig braucht, und besser ist besser. Sie können übrigens nicht mehr fehlen; der Pfad hier führt Sie, an der Fenz entlang, bis vor die Thür; das Meiste Ihrer Sachen wird auch bald eintreffen, und das Übrige bringe ich Ihnen morgen früh.« Er war bei den letzten Worten in den Damensattel gesprungen, und ohne einen Dank der Fremden abzuwarten, drückte er dem Thier die Hacken in die Seite und sprengte, von den Rüden gefolgt, rasch zurück in den Wald, der sich im nächsten Augenblick schon wieder hinter ihm schloß. Fräulein von Seebald blieb allein zurück, und brauchte noch Minuten, ehe sie sich soweit sammeln konnte, der Schwester gefaßt entgegenzutreten. Aber was zögerte sie auch hier, was fürchtete sie? -- hatte denn der Jäger nicht vollkommen recht, und durfte sie mitten im Wald etwas anders erwarten als die Wohnung eines Jägers? Auch Rosemores wohnten in einem eben so unscheinbaren, vielleicht etwas höheren Blockhaus, und wie freundlich, wie wohnlich sah es bei denen aus. Es war unrecht von ihr, sich solch kindischem Kleinmuth in einem Augenblick hinzugeben, wo sie ihr weitgestecktes Ziel endlich erreicht, und in den Armen der Schwester wollte und mußte sie ja bald jede solch thörichte Furcht verscheucht, vernichtet sehn. Dort lag die Wohnung, und dorthin trug sie jetzt, in Freude und Sehnsucht zitternd, der Fuß; an der Fenz hin, manchmal noch durch niederes Gestrüpp und Unkraut das den Boden dicht bedeckte, oder auch über niedergebrochene Stämme und Äste hin, lief und kletterte sie, von den weiten Kleidern oft gehalten, in immer wachsender Ungeduld, und erreichte endlich den kleinen freien, von zahmem Vieh zertretenen und etwas schmutzigen Platz unmittelbar vor der Hütte, die in die Fenz hineingebaut lag. Hier sah sie auch das erste lebende Wesen, denn bis jetzt hatte ihr nur der blaue Rauch die Nähe von Menschen verrathen --eine Frau, in einem ordinairen weiß-baumwollenen Rock -- der selbstgewebte Stoff der Backwoodsfrauen -- die vor der Thür der Hütte stand und das zu Mittag wahrscheinlich gebrauchte Geschirr in einem hölzernen Troge reinigte. Gott sei Dank, da war Jemand den sie erst fragen konnte ehe sie das Haus betrat, und mit auf dem weichen Boden geräuschlosen Schritten zu ihr hinangehend sagte sie, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehn, mit lauter Stimme, aber in Englischer Sprache: »Guten Tag _madame_[9], könnt Ihr mir sagen ob die Gräfin -- ob Mrs. Olnitzka zu Hause ist?« Die Frau drehte sich nach ihr um und sah ihr starr und regungslos in die Augen, erwiederte aber kein Wort -- sie mußte die Anrede nicht verstanden haben. »Entschuldigt mich liebe Frau« sagte die Fremde, den Blick dabei unruhig nach der Thür der Hütte werfend, als ob sie von dort in jeder Secunde die Gestalt der Schwester zu sehn erwarte -- »ich bin fremd hier -- eben erst angekommen und suche die Dame der dieß Haus gehört.« Die Frau hob langsam die Hände auf -- ihr Blick erst erstaunt und erschreckt, wurde immer stierer und wilder, und während das Geschirr das sie darin gehalten ihren Fingern entfiel, streckte sie plötzlich wie abwehrend die Arme von sich, und den bleichen Lippen entrang sich das Wort »Amalie!« »Heiliger -- allmächtiger Gott!« schrie Amalie, in diesem Augenblick von jähem Schreck getroffen, während sie ihre Stirn mit beiden Händen hielt und die vor ihr stehende Frau anstarrte, als ob ein Geist vor ihr dem Boden entstiegen wäre -- »Sidonie!« und die Arme nach ihr ausstreckend umfing sie wie krampfhaft die bleiche, zitternde schmächtige Gestalt. -- »Meine Sidonie -- mein liebes liebes Herz« flüsterte sie dabei in ängstlich liebkosender Hast, ihr die blassen eingefallenen Wangen streichelnd und in vergehendem Schmerze fast, die abgehärmten an sie geschmiegten Glieder fühlend, »mein armes verlassenes Kind« -- aber sie vermochte nicht mehr zu sagen, und auch die Schwester hing lautlos -- schluchzend in ihren Armen. Aber Sidonie faßte sich zuerst wieder, und gewaltsam die Bewegung zwingend der sie sich im ersten Augenblick wohl unwillkürlich, unbewußt selbst, hingegeben, strich sie die Haare aus der marmorweißen und fast eben so kalten Stirn, und die Schwester leise auf Armeslänge von sich pressend, schaute sie ihr voll und zärtlich in die thränengefüllten Augen, und sagte mit leiser und so unendlich weicher Stimme: »Amalie -- oh wie Dein lieber Anblick meinen Augen so wohl thut -- aber wo kommst Du her -- Mädchen, um Gottes Willen, was hat Dich aus Deutschland herüber in den Wald gebracht -- Du -- Du bist doch nicht -- « »Herübergekommen Dich zu sehen und zu küssen« rief aber die Schwester, sie von Neuem an sich ziehend -- »Du böse böse Frau schreibst ja doch nicht mehr, und da wir nicht länger ohne Nachricht von Dir leben konnten, gab der Vater endlich meinen dringenden Bitten nach und ließ mich ziehen, Dich selber aufzusuchen. -- Aber Sidonie -- um Gottes Willen, Du bist krank -- Du siehst bleich und elend aus, und strengst Dich dann dabei noch übermäßig an mit unnützer Arbeit -- was lässest Du die Magd das nicht besorgen?« »Die Magd?« sagte die Frau verlegen wehmüthig lächelnd. »Nun ja, Herz, oder Einen Deiner Leute -- lieber Himmel ich habe Dich ja gar nicht wieder erkannt, als ich Dich traf, so blaß, so abgemagert siehst Du aus -- daß wir Dich doch nie fort von uns gelassen hätten. Aber wo ist Dein Mann? -- wo Dein Kind? und hier -- hier drinnen in dem kleinen Häuschen wohnst Du wirklich Sommer und Winter?« »Olnitzki ist hinaus auf die Jagd gegangen, aber ich erwarte ihn heute zurück, und mein armer kleiner Oscar schläft -- es war recht schwer, recht schwer krank, das Kind. -- « »Ich hörte es schon am Weg« sagte Amalie -- »aber Du erwartest Deinen Mann _heute_ von der Jagd zurück? -- bleibt er denn da über Nacht auch aus?« »Selten, aber doch wohl manches Mal.« »Und läßt Dich mit den Leuten hier ganz allein?« »Mit den Leuten, Amalie?« sagte die Schwester leise und mit einem halb verlegenen halb schmerzlichen Lächeln zu ihr aufschauend -- »wir leben hier einfacher als Ihr daheim zu glauben scheint. Der Wald erzeugt wenig Bedürfnisse, und den wenigen zu begegnen sind wir selbst genug -- wir halten keine Leute.« »Keine Leute für das Feld?« rief Amalie erstaunt -- »und Dein Mann bestellt das Alles allein?« »In der Arbeitszeit nimmt er sich manchmal einen Mann herüber ihm zu helfen« sagte die Frau -- »aber komm Amalie, komm in das Haus; die Herbstsonne sengt Dir noch die Haut, und Du wirst müde von der Reise sein; auch mußt Du mir erzählen wie und mit wem Du hierher gekommen, mitten auf _oakland grove_ allein und ordentlich aus dem Boden herausgewachsen. Wie ich Dich so da vor mir stehen sah, glaubt ich wahrhaftig erst, ich sähe Deinen Geist -- aber Du wirst Dir Dein Kleid verderben, hier bei uns.« »Warum verderben?« lachte Amalie unter zurückgehaltenen Thränen vor, als sie die dünne, fast durchsichtige Hand der Schwester faßte und ihren Arm um ihre Schulter legte, sie zum Haus zu führen, »und wenn es wäre, ist es ja doch für die Reise bestimmt.« Sie hatten sich indeß der Thür genähert, und Sidonie streckte den Arm aus sie zu öffnen -- aber der Arm zitterte, zögerte, und der Schwester Hand ergreifend und sie plötzlich fest, fast krampfhaft in die ihre pressend, sagte sie mit wie von innerer Bewegung erstickter hastiger Stimme: »Amalie -- meine Heimath ist nicht das was Du, trotz des ärmlichen Aussehns zu erwarten scheinst -- wir leben einfach -- fast ärmlich, wie der geringste Waldbewohner im weiten Reich -- Du wirst -- Du wirst Dich nicht wohl hier bei uns fühlen -- _kannst_ es nicht, denn der Abstand aus dem Leben das Du gerade frisch verlassen ist zu groß -- zu -- furchtbar -- für Dich heißt das nur -- für den nicht daran Gewöhnten, während wir es nicht besser wissen nicht besser -- verlangen.« »Sidonie, um des Heilands Willen, was ist hier vorgegangen?« rief Amalie in Todesangst, »was verheimlichst Du mir? was soll die Vorbereitung jetzt bedeuten?« »Nichts, Amalie« sagte die Frau jetzt schon gefaßter, »als Dich eben, wie Du es nennst, vorbereiten, auf ein wildes, ungewohntes, und wie Du es ja in Deinen Briefen mir so oft beneidet, ein -- romantisches Leben. Schrick aber nicht davor zurück -- unter der rauhen Außenschaale birgt es doch noch oft den süßen Kern, und hunderte von Familien leben hier im Wald gerad' wie wir, und glücklich -- und zufrieden.« »Aber Du?« »Ich gehöre zu ihnen« sagte die Frau leise -- »bin eine von den ihren und -- wenn mir mein Kind erhalten wird -- verlange ich nicht mehr.« Ihre Sprache war dabei fast zu einem Flüstern herabgesunken, aber ein schwacher Schrei im Inneren machte ihrem Zögern rasch ein Ende. Das kranke Kind war erwacht und die Mutter, der Schwester kaum noch gedenkend, stieß hastig die aus gespaltenen Bretern roh zusammengesetzte Thür auf, zu dem Liebling zu eilen. Über dessen Lager gebeugt, und welch ärmliches Bettchen war es für den Grafensohn, ließ sie die Schwester auf der Schwelle stehn, und Amaliens Blick überflog schaudernd das Innere der ärmlichen Hütte, die ihr, sie mochte sich dagegen stemmen wie sie wollte, gerade mit den Resten mancher Überbleibsel aus früherer, besserer Zeit, nur noch trostloser, leerer, verlassener vorkam, als das ärmlichste Blockhaus, das sie bis jetzt im Wald gesehn. Die Wände waren kahl und überall von den unverstopften Spalten der übereinander gelegten und nur oberflächlich zusammengefügten Stämme durchbrochen; nur wo die beiden schmalen, kaum mit dem nothdürftigsten Bettzeug belegten Betten standen hatte, vielleicht die Hand der Frau, Maisstöcke und Überreste von Kleidungsstücken hineingestopft, unmittelbaren Zug wenigstens von dort her abzuhalten. An der einen Wand hing ein zerbrochener Spiegel von starkem herrlichen Glas, dessen verwitterter, einst reich vergoldet gewesener goldener Rahm durch Streifen Hickorybast zusammengehalten wurde. Dicht daneben war ein roh gespaltenes Bret durch hölzerne Pflöcke in den dicken Eichenstamm befestigt, und neben einem alten Pulverhorn und ein paar nachlässig dahinaufgeworfenen Sporen, neben Blechbechern und alten Kannen und blechernen Tellern, standen einzelne Obertassen mit abgebrochenen Henkeln und ausgebrochenen Stücken, aber vom feinsten vergoldeten und gemalten Severs-Porcellan. Nur über dem Bett der Frau hingen noch zwei Bilder aus der früheren Zeit -- die ihrer Eltern -- mit unzerbrochenen Gläsern; aber die Feuchtigkeit des Hauses hatte das Papier vergilbt und gefleckt, daß sich kaum noch eine Ähnlichkeit erkennen ließ. Amalie sah nicht mehr -- heißaufquellende Thränen füllten ihr den Blick, und als sich Sidonie von dem Krankenbett des Kindes aufrichtete, die Hand nach ihr ausstreckte und sie zu dem Lager des armen Kleinen zog, der in einem, aus rohen Bretern zusammengenagelten Gestell, aber auf weichem, wohl der Mutter entzogenen Kissen sein Bettchen hatte, da brach die Kraft die sie sich zugetraut in einem wilden Thränenstrom sich Bahn, und neben dem Kinde niedersinkend barg sie ihr Haupt an dem Bett und schluchzte laut. Sidonie wollte sie aufrichten -- wollte sich und den Gatten entschuldigen -- wollte _lügen_ daß sie sich glücklich und zufrieden fühle hier in der freilich einsamen, ungewohnten Welt, aber -- sie vermochte es nicht mehr. Das Jahrelang ertragene, bestandene Weh, hielt jeden Ton, jedes Wort zurück, und bleich, zitternd, mit thränenlosem stieren Blick stand sie neben der Knieenden und schaute still und regungslos zu Boden. Hundegebell vor dem Haus und Pferdegestampfe unterbrach die peinlich werdende Stille. Amalie richtete sich rasch und wie erschreckt empor, und auch Sidonie trat zur Thür und öffnete diese, den rückkehrenden Gatten zu begrüßen. »Hallo _the house_!« rief dieser schon von weitem die eigene Wohnung an -- »heda Dony _hupih_! komm heraus Schatz und sieh was ich Dir mitgebracht!« Bis dicht vor die Thür sprengte dabei, von der Hand des Reiters gelenkt, das Thier, bis es mit den Hufen die Schwelle betrat, und mit dem klugen Kopf die Thür zu öffnen suchte, in der jetzt Sidonie erschien, und vor der Nähe des Pferdes erschreckend, angstvoll den Vater bat des eignen Kindes mit dem Lärm zu schonen. »Ah paperlapapp« lachte aber der Mann, »wird ihm nicht gleich 'was schaden -- sieh hier was ich Dir mitgebracht,« und in seinen Armen wand sich, mit den gebundenen Pranten vergebens arbeitend, von den Banden die ihn zusammenschnürten loszukommen, ein junger Bär, und die Hunde heulten und klefften und schnappten am Pferd hinauf, die ihnen vorenthaltene Beute zu ergreifen und zu zerreißen. »Ruhe Ihr Bestien!« lachte dabei der Jäger vom Pferd herunter, »Ruhe und nieder mit Euch Canaillen -- Dony, nimm einmal ein paar Brände heraus und wirf sie zwischen die Satansthiere, sie ziehen mich sonst wahrhaftig noch vom Pferd hinunter. -- Zurück mit Euch Watch und Bull -- warte Bestie, wenn ich hinunter komme dreh ich Dir den Hals um für den Biß.« »Das Kind ist kränker geworden als es war, Olnitzki,« bat die Frau -- »geh nur wenigstens mit dem furchtbaren Lärm hier von der Thüre weg; es stirbt mir ja vor Angst und Schreck.« »Ah bah -- das ist zäh und stirbt nicht,« sagte der Mann finster, »sonst wären wir den Jammer lange los,« und hinunter springend vom Pferd, das er sich selber überließ, während er den jungen Bär mit riesiger Kraft in den linken Arm gepreßt hielt, führte er mit dem scharfen Büchsenkolben wohlgezielte Stöße gegen die heranpressenden Hunde, die sie heulend zurücktrieben in sichere Entfernung. Den Gefangenen dann zu Boden werfend, nahm er eine Kette herunter, die an einem der äußeren Balken des Hauses hing, befestigte sie mit einem starken Ledergurt um den Hals des Thieres, das er zu einem der nächsten Bäume trug, schlug das andere Ende der Kette um einen der unteren Äste, und die Banden dann rasch mit dem Messer lösend sprang er zurück und rief lachend. »So mein Bursche, nun wehre Dich selber Deiner Haut! hupih! Ihr Rüden -- hupih -- jetzt thut was Ihr könnt.« Und mit dem Jagdruf warf sich die Meute in toller Wuth gegen den kaum entfesselten jungen Bär, und hätte ihn zerrissen, wäre dieser nicht rasch und gewandt, seine theilweise Freiheit benutzend, an dem Stamm, an den ihn die Kette gefesselt hielt, emporgeklettert, wo er sich dann auf dem untersten Aste festsetzte, und mit zurückgelegten Ohren und fletschenden Zähnen nach den gierig und wild gegen ihn aufspringenden Hunden hinunter hieb. »Hahahaha, das ist göttlich, das ist kostbar!« schrie und jubelte dabei der Pole, »hupih meine Burschen, hupih! brav Watch, beinah hoch genug, aber der schwarze Bursche theilt auch dafür böse Ohrfeigen aus -- hupih -- hahahahaha! Aber Wetter noch einmal,« unterbrach er sich dabei, »wie er mich selber da zugerichtet hat -- Dony, Dony, da wirst Du tüchtig mit Nadel und Zwirn und Heftpflaster nachhelfen müssen, alle die verschiedenen Risse an Leib und Jacke wieder in Ordnung zu bringen -- hallo -- wen haben wir hier?« Der überraschte Ausruf galt der Fremden, die er nicht wieder erkannte, und in seiner Hütte fand als er die Schwelle betrat. »Wie gehts, Madame? weshalb setzen Sie sich nicht? hier ist ja noch ein Stuhl -- wohl eine neue Nachbarin von uns?« »Sie kennen mich nicht mehr, Graf Olnitzki?« sagte Amalie aber auf die englische Anrede in deutscher Sprache -- »ist mein Gesicht Ihnen in den zehn Jahren so gänzlich fremd geworden?« »Alle Wetter!« rief der Pole, überrascht einen Schritt zurücktretend und die Thür hinter sich aufstoßend, mehr Licht in den inneren fensterlosen Raum zu bekommen -- »ist das nicht -- ist das nicht Fräulein Amalie, meine sehr verehrte Schwägerin? aber zum Teufel, Schwägerin, wo kommen _Sie_ auf einmal her, hier mitten in den Wald hinein? -- Nun einerlei, das erzählen Sie mir nachher; jetzt sein Sie uns herzlich willkommen, und machen Sie es sich so bequem wie -- nun wie es die Umstände gerade erlauben. Es ist gerade nicht _verdammt_ bequem bei uns, läßt sich aber doch aushalten und genügt für den Wald. Gegen die Indianer leben wir noch immer wie die Fürsten.« Er hatte ihr dabei die rechte Hand entgegengestreckt, zog sie aber lachend zurück, denn sie war mit Blut bedeckt. »Um Gottes Willen wie siehst Du aus Olnitzki?« rief aber auch in demselben Augenblick die Frau -- »zerrissen und blutig am ganzen Körper; was hast Du gemacht?« »Du hättest dabei sein sollen Dony,« lachte der Pole, seine Mütze in die Ecke werfend und die ausgestreckten Arme, die Zeugniß des bestandenen Kampfes gaben, von sich haltend. »Wie ich schon auf dem Heimweg, mein altes Jagdunglück verwünschend, bin, und drüben an der _brushy slew_ vorüber halte, sehe ich plötzlich eine alte Bärin mit einem Jungen bei sich, die mir die Hunde vorher auch nicht im mindesten gespürt oder bezeichnet hatten, aus einem kleinen Schilfbruch aufstehn und das Weite suchen. Ja wohl Weite; wir mit einem Hupih und Hurrah hinterher wie die wilde Jagd, und wenn es die Alte auch noch eine Weile ausgehalten hätte, konnte das Junge doch bald nicht mehr fort, und bäumte auf. Hätt' ich schon 'was geschossen gehabt die Zeit, wär's mir nicht eingefallen mit dem Kalbfleisch vorlieb zu nehmen, so aber dacht ich, das Ding auf dem Baum wär' sicherer wie die magere Alte im Busch drin, warf mein Pferd herum, sprang herunter und hätt' es nun bequem niederschießen können, aber so leichte Jagd wär ein Schimpf gewesen, und die Büchse deshalb unter den Baum legend, mit meinem Sattelseil umgehangen, klett're ich hinauf zu dem kratzenden schlagenden Ding, pack' es bei einer Hinterprante und will es eben, während es ein mörderisches Geschrei ausstößt, mit mir hinunterziehn auf ebenen Boden, als ich die Büsche wieder brechen und krachen höre, und straf mich Gott, wie ich mich umsehe kommt die Alte mit zurückgelegten Ohren und weit offenem rothglühenden Rachen -- aber zum Donnerwetter Ruhe da Ihr Bestien, man kann ja sein eigen Wort nicht verstehn vor der Teufelsbrut -- kommt die Alte wie ein losgelassener Satan wieder durch den Wald gesaust, und auf mich zu. Das Junge loslassen und am Stamm herunter nach meiner Büchse fahren war im Nu geschehn; aber kaum hatte ich Zeit den Hahn zu spannen und zu zielen, als die schnaubende Bestie heran kam wie zehntausend Teufel. Meine Kugel traf sie mitten durchs Herz und die Büchse fortwerfend behielt ich gerade noch Zeit mein Messer aus der Scheide zu reißen als sich die Wüthende, wie unverwundet, auf mich warf, und ich fühlte wie mir Kleider und Haut in Fetzen vom Leibe flogen. Glücklicher Weise dauerte die Geschichte nicht lange; die Kugel wirkte, und die Alte brach todt über mir zusammen; aber nun ging der Spaß mit dem Jungen von vorne los, und ich glaube bei Gott es ist kein handgroßer Platz an meinem ganzen Leib, wo ich nicht einen Riß oder Biß habe, von den Satansthieren. Du wirst mich tüchtig ausflicken müssen Dony.« Das Kind fing wieder an zu schreien; der Lärm der Hunde draußen ließ es nicht ruhen, und der Mann warf sich indessen, während die Frau nach dem Kleinen sah, erschöpft und blutig wie er war, auf das Bett. »Nun Fräulein Schwägerin, oder _Frau_ Schwägerin, ich weiß nicht einmal wie man jetzt sagen muß so lange haben wir Nichts von einander gehört, welchem glücklichen Ungefähr verdanken wir diesen Besuch, oder« -- er fuhr bei einem ihn plötzlich durchzuckenden Gedanken rasch von dem Lager auf und blickte scharf nach der Frau hinüber -- »hat mich Sidonie damit freundlich _überraschen_ wollen?« »Sidonie wußte so wenig von meiner Ankunft wie Sie, lieber Graf,« sagte Amalie, die mit Entsetzen den versteckten Verdacht in den Worten fühlte, und deren Blicken sich ein Abgrund öffnete. »Graf?« lachte der Pole aber spöttisch auf -- »den Grafen müssen Sie hier weglassen, Fräulein von Seebald; sieht das hier aus wie in einer gräflichen Wohnung? -- da, das ist der Rest meiner Vergangenheit,« rief er, während er dort an der Wand hängende baumwollene Frauenkleider zurückschob, und einen alten mit Rost überlaufenen Cavalleriesäbel an Tageslicht brachte -- »auch ein prächtiges Symbol,« setzte er mit höhnischer Bitterkeit hinzu, »denn die Lumpen hängen darüber hin, und _verstecken_ die letzten Überbleibsel des _Grafen_. Wie gefällt es Ihnen bei uns, heh? -- hübsch nicht wahr? -- romantisch genug, nur ein Bischen zu viel davon. Ja,« setzte er dumpf brütend dazu, während er auf das Bett zurücksank und den Kopf in die Hand stützte, »früher war's Anders -- besser vielleicht -- vielleicht auch nicht, und ein freies, fröhliches Leben führen wir doch. Aber komm, komm Dony, sieh nur nach dem Leib, der verdammte Bär hat mir doch weh gethan, und ich glaube, ich habe viel Blut verloren, es wird mir so schwach und schwindlich auf einmal.« Sidonie trat zu dem Bett des Gatten, mit zitternder Hand die blutigen Kleider zu lösen, und nach den Wunden zu sehn, die ihm der Bär im Todeskampf geschlagen, während Amalie, die schon Hut und Tuch abgelegt hatte, zu dem Kind ging und ihm den von der Mutter eingegossenen Trank zu geben suchte. Olnitzki hatte dabei recht gehabt; an Brust und Schultern trug er fast unzählige frische Wunden, keine aber glücklicher Weise tief oder gefährlich, nur alle in das Fleisch hineingerissen, und mit dem Verband schwand auch bald jeder Anfall von Schwäche, den Blutverlust und übermäßige Anstrengung im Halten des jungen, schon ganz kräftigen Bären auf wenige Momente herbeigezogen. Sidonie bereitete dann rasch etwas zu essen für den erschöpften Gatten sowohl, wie für die Schwester, setzte die Kaffeekanne zum Feuer, und that Kaffee in die Mühle. Früher hätte es Amalie freilich nicht für möglich gehalten daß die Schwester, auf deren Wink sonst zahlreiche Dienstboten lauschten, allein, ohne eine einzige Hülfe einem solchen Leben, solcher Arbeit preisgegeben sei; jetzt kam kein Laut des Staunens noch des Schmerzes mehr über ihre Lippen. Sie sah, sie fühlte was, fürchtete sogar, daß noch mehr geschehen war als sie sah, und nur die Angst erfüllte jetzt ihr Herz, ob da zu helfen -- _wie_ da zu helfen sei. Stimmen wurden draußen laut, die Hunde, die sich in etwas beruhigt hatten als der junge Bär seinen sicheren Platz auf dem Baumast nicht mehr verließ, und auf die unter ihm gelagerten Rüden ruhig niederschaute, schlugen wieder an, und Jack Owen's Stimme rief gleich darauf, nach Waldes Art, das Haus an, von den Bewohnern Einen in die Thür zu ziehn. Olnitzki sprang selber, trotz Sidoniens Bitte sich zu schonen, von seinem Lager auf, zu sehn wer da sei, und blieb verwundert in der Thür stehn, als er die Masse von Sachen, Koffern und Kisten auf die Maulthiere gepackt, vor seiner Wohnung halten sah. »Hallo Ihr Leute -- guten Tag -- was bringt Ihr da?« rief er hinaus -- »Wetter noch einmal Rosemore, seid Ihr ein wandernder Krämer geworden, der mit seinen Packen im Lande herumzieht, Band und Stecknadeln zu verkaufen? -- ah Jack, Ihr führt wohl die Provisionen mit? -- nur herein mit Euch, der Kaffee wird gleich fertig sein, und ein heißer Becher voll uns gut thun.« »Zum Henker noch einmal, Olnitzki, wie seht Ihr denn aus?« sagte Jack Owen, der indeß vom Pferde gestiegen war und das Wildpret auf der Schulter auf ihm zu kam -- »wer hat Euch denn so zugerichtet?« »Der Bursche da und seine Mutter,« lachte der Pole, auf den aufgebäumten jungen Bär deutend, »aber was solls mit dem Wilde?« »Ihr habt Besuch bekommen,« meinte der Jäger leicht erröthend, »und da ich nicht wußte ob Ihr gerade frisch Fleisch im Hause hättet, wollte ich Euerer Frau das Stück hier, das ich an der Gründorn-Ebene drüben vor einer Stunde etwa geschossen, herüber legen -- mir sind die Woche ein paar vor die Büchse gelaufen.« »Und die Sachen da draußen?« »Gehören der Dame -- Euerer Frau, Schwester, glaub' ich, die gestern von Little Rock mit Billy Jones Geschirr herübergekommen.« »So? -- so ist die Sache? nur herein Ihr Leute -- stellt die Geschichten nur indeß da vorne hin, Rosemore; kann Euch wahrhaftig nicht einmal dabei helfen, denn der verdammte Bär hat mir die Arme so zerfetzt, daß sie mir steif und matt zu werden anfangen.« Der alte Rosemore, der mit Bill Jones und Owens Hülfe die Kisten und Koffer bis zum Haus geschafft, trat jetzt mit diesem hinein, begrüßte die Frauen, frug nach dem kranken Kind, das er sich aufmerksam betrachtete und der Mutter verschiedene Kräuter anrieth, ein Bad daraus zu bereiten, und ließ sich dann von Olnitzki sein Abenteuer mit dem Bär erzählen, wollte aber unter keiner Bedingung mit zum Essen bleiben; er sah wie beengt der Raum schon ohnedieß da war, und weigerte sich auch schon jetzt eine Bezahlung für den Transport der Sachen anzunehmen. Die Maulthiere gehörten nicht ihm, wie er sagte, und er mußte den Eigenthümer erst fragen, was er für den halben Arbeitstag für sie verlange -- seinen eigenen Spatziergang verstünde es sich wohl von selbst, daß er den nicht rechnete. Olnitzki redete den Nachbarn auch eben nicht besonders zu noch zu verweilen, und eine Viertelstunde später trabten diese wieder, auf den indeß ausgeruhten Thieren, der eigenen Heimath zu. Sidonie hatte indessen der Schwester Hülfe für heute, da sie ja noch nicht bescheid wisse in Haus und Wirthschaft, lächelnd abgelehnt, und Kaffee gemahlen und von dem frischen Fleisch in die Pfanne geschnitten, so daß bald ein recht gutes, nahrhaftes Mahl von Maisbrod und Wildpret, Honig und Kaffee auf dem reinlich gedeckten Tische dampfte. Nur mit Sitzen, wie mit Geschirr und Messer und Gabeln sah es ärmlich aus. Amalie bekam die einzige noch ordentliche Gabel mit dem dazu gehörigen Messer, Olnitzki nahm seinen Genickfänger, mit einer einzinkigen Gabel, das Fleisch, das er schneiden wollte, damit zu halten, und Sidonie benutzte ein ausgeschnittenes Stück Rohr, das allem Anschein nach schon lange diesen Dienst verrichtet, abwechselnd des Gatten Messer dabei gebrauchend. Auch für den Kaffee bekam die Schwester eine der freilich henkellosen Tassen aus der alten Zeit, und wenn die Untertasse auch nicht dazu paßte, trank es sich doch besser daraus wie aus den Blechbechern, die von Olnitzki und seiner Frau benutzt wurden. Aber ein eigenes unheimliches Gefühl bemächtigte sich der Schwester, als sie den breiten Goldrand des zerbrochenen Geschirrs neben der blechernen Schüssel stehen sah, und dann der Zeit gedachte wo sie selber diese Tasse einst der jungen hoffnungsseligen _Braut_ geschenkt. Das Gespräch bei Tisch war ziemlich einsylbig, und Sidonie selber konnte kaum fünf Minuten hintereinander auf ihrem Platz bleiben, so nahm das kranke Kind sie noch in Anspruch; Olnitzki aber neckte Amalie dabei, daß sie so viel Gepäck mit in den Wald gebracht, wo sie so wenig brauchten, und war dann selber neugierig zu sehen was die Kisten enthielten, als ihm die Schwägerin sagte daß das Meiste darin nur für ihn und seine Frau, wie für sein todtes kleines Kind bestimmt gewesen, dessen Hinscheiden sie nicht einmal erfahren. Einige Schwierigkeit hatte es für ihn, als das Essen beendet und das Kind in Schlaf gebracht worden, die Kisten mit seinen verwundeten Armen zu öffnen, aber es gelang ihm endlich, und Amalie suchte jetzt im Auspacken die Schwester -- ja sich selber zu zerstreuen, denn Manches hatte sie mitgebracht ihr und dem Gatten eine Freude zu machen. Aber, lieber Gott, bei der Auswahl der Dinge war es ihnen daheim freilich nicht eingefallen die Lieben in dem fernen Lande sich in solchen Verhältnissen zu denken, als sie dieselben jetzt gefunden, und wunderlich nahmen sich die prachtvollen Stickereien von Cigarrentasche und Lesepult, Briefmappe und Taschenbuch, die Spitzenhauben und Glacéhandschuh, das kleine reizende Dejeuner vom feinsten gemalten Porcellan, das auf seinen Kannen und Tassen Landschaftsscenen aus Sidoniens Heimath trug, die reich verzierte Lampe, die niedlichen gestickten Pantoffeln, und alle die anderen unendlich geschmackvoll und elegant gewählten Sachen in der ärmlich wilden Hütte aus, die ihr graues Bretdach über sie spannte. [Illustration: Capitel 2.] Sidonie saß mit gefalteten Händen still daneben, und wagte kaum die Gegenstände zu berühren, während sie Olnitzki langsam eins nach dem anderen in die Hand nahm, lächelnd herüber und hinüber drehte, und dann auf den, zu dem Zweck abgeräumten Tisch hinstellte. »Hahahaha,« brach er endlich in einem wilden, unnatürlichen Humor heraus, »wie die Burschen, unsere ungeschlachten Nachbarn schauen sollen, wenn sie die wunderlichen »_fixins_« zum ersten Male sehn, wie sie staunen und sich den Kopf zerbrechen werden, zu was dieß und das, und jenes da bestimmt ist -- hab' ich's doch selber fast vergessen« -- setzte er leise, und unheimlich dabei lachend hinzu. -- »Und wie prächtig das Dejeuner zu dem alten Blechtopf paßt, und die Glacéhandschuh hier zu _den_ Fäusten; Schwägerin, Schwägerin, ich fürchte Sie haben da viel Geld nutzlos verschwendet, und uns nur Illustrationen zu dem Bilde mitgebracht, wie Sie sich, trotz allen unseren Schilderungen vom Gegentheil, unser Wald- und Jägerleben hier eigentlich ausgemalt. Es fehlte jetzt nur noch ein Kronleuchter -- erinnerst Du Dich noch, Sidonie, wie so ein Ding aussieht? -- unseren _Salon_ würdig zu schmücken.« »Aber Sie wollen doch nicht immer ein solches Leben fortführen, Olnitzki?« sagte Amalie mit vor Angst und innerer Aufregung fast erstickter Stimme -- »wenn auch _Ihr_ kräftiger Körper solche Entbehrungen leicht erträgt, sehen Sie dagegen wie die Schwester hingewelkt -- denken Sie sich das junge lebenslustige glückliche Weib, das sie aus ihrer Eltern Haus mit sich hineinnahmen in die Welt, und sehen Sie _jetzt_ die arme Gattin an.« »_Arme_ Gattin?« wiederholte Olnitzki, finster die Stirn runzelnd, »das Weib soll dem Mann folgen in Glück und Leid, und wo sie _zusammen_ tragen, hat sich, meiner Meinung nach, kein Theil zu beklagen.« »Aber Sidonie -- « wollte Amalie erwiedern, doch ein ängstlich flehender Blick der Frau hielt das Wort auf ihre Lippen gebannt und Olnitzki, eine mit den Farben seines Vaterlands gestickte Cigarrentasche in der Hand, saß lange in dumpfem Brüten darauf niederstarrend. -- Aber der böse Geist wich von ihm; tief aufseufzend strich er sich mit der Hand die Falten von der Stirn und die Tasche auf den Tisch, zu den übrigen Sachen legend, sagte er mit freundlicherem Ausdruck in den Zügen: »Nichts für ungut, Schwägerin, die verdammten Risse, die mir der Bär heute versetzt, brennen mich, morgen ist das vorüber -- herzlichen Dank für alles das was Sie uns so weit herüber gebracht; es war ja so gut gemeint, und wird Sidonie viele Freude machen; sie hängt doch wohl noch ein wenig an den alten Geschichten. Bereite der Schwester dann ihr Lager auf meinem Bett, Dony, ich lege mich hier zum Kamin -- keine Umstände Schwägerin,« setzte er lachend hinzu, als er sah daß sie dagegen protestiren wollte, »Sie kommen um Nichts besser weg, denn es ist hart genug, und ich weiß wahrhaftig nicht, ob ich auf meinem alten Bärenfell hier dicht am Feuer nicht am Ende noch weicher und wärmer liegen werde, wie Sie da drüben. Jetzt aber gute Nacht, mir fängt der Kopf so wieder an zu schwindeln, und ich muß morgen früh hinaus, den Bär zum Haus zu holen, der noch draußen, eben nur aufgebrochen, im Walde liegt. So mein Kind --das thuts -- das ist gut genug,« sagte er zur Frau, die ihm das Fell indeß vor das Camin gezogen und ein Kopfkissen mit einer wollenen Decke darauf gelegt hatte -- »das ist gut genug, nun laßt mich schlafen, und morgen früh, soll uns die Schwägerin recht viel von zu Haus -- von Deutschland erzählen.« Capitel 3. Der alte Herr Hamann. Das Kost- und Logirhaus oder »Bordinghaus« nach dem Amerikanisch-deutschen Ausdruck in New-Orleans, dessen Schenk- und Gastzimmer wir schon einmal besucht haben, war eins jener alten französischen Gebäude, welche von den ersten Ansiedlern der Stadt noch in einer Zeit errichtet worden, wo der Platz selber, auf dem es stand, wenig Werth hatte, und nahm deshalb, für seine niedrige Dachung, einen unverhältnißmäßig großen Flächenraum ein. Auch das darauf errichtete Haus sah verwittert und baufällig genug aus, mit den alten Hohlziegeln auf dem Dach und den, ihres Kalkes an vielen Stellen beraubten Wänden, der halben hölzernen Verandah oder Gallerie vor der ersten Etage, und dem entschieden in sich zusammengeknickten Giebel. Der Eigenthümer aber, ein schon einige zwanzig Jahr im Lande ansässiger Deutscher Namens Hamann, wollte das alte Nest, trotz recht guten Geboten, die ihm darauf gemacht worden, nicht verkaufen, und behauptete jedesmal, wenn wieder dazu gedrängt, so lange _er_ lebe, halte es auch, ernähre ihn dabei gerade, und sei seit so langen Jahren nun eine Heimath ankommender Deutscher gewesen, daß es diese vermissen würden, wenn sie nach Amerika kämen, und das könne er nicht über's Herz bringen. Es war etwa drei Wochen nach der Landung der Haidschnucke in New-Orleans, als der biedere Christoph Hamann in seiner eigenen Wohnstube oben saß, und emsig beschäftigt war einen ziemlich ansehnlichen Koffer mit Chirurgischen Instrumenten, der vor ihm im Zimmer stand, einzupacken und die auf dem Tisch umherliegenden Instrumente selber, wo sie hie und da etwas von Rost gelitten hatten, zu putzen und wieder herzustellen. An einem erhöhten Pult, neben dem nächsten Fenster, stand ein junger, vielleicht vierundzwanzigjähriger Mann, der Sohn des alten Hamann, in weißer Jacke und Hose, den breiträndigen Strohhut neben sich auf dem Stuhle, und notirte die einzelnen Gegenstände, die ihm der Vater, wie er sie in den Koffer legte, diktirte. »So« -- sagte der Alte, der mit dem Einpacken ziemlich fertig war, und eben noch ein Etui mit verschiedenen Messern und Lanzetten vom Tisch nahm und öffnete -- »hier noch das Besteck mit -- Donnerwetter da sind eine ganze Menge Geschichten darin -- mit einer Quantität Messer und Eisen und Feilen -- was weiß ich wie die Dinger alle heißen -- warte einmal wir können sie wenigstens zählen -- fünf, acht, elf, fünfzehn, und hier noch vier sind neunzehn, und hier die drei kleinen Dinger sind zweiundzwanzig Stück. Das Leder außen sieht ebenfalls noch ganz wie neu aus -- na Du wirst schon sehen was Du dafür bekommst.« »Vater, die eine Tasche ist fast so viel werth, wie Euch der Mann im Ganzen schuldig war,« sagte der Sohn. »Was verstehst denn _Du_ davon?« brummte aber der Alte mit einem mürrischen Seitenblick auf den jungen schlanken Burschen, dessen gutmüthig offene Züge tiefes Roth in diesem Augenblick färbte -- »bekümmere Du Dich da um Deine Schreiberei, und misch Dich nicht in Sachen die Dich nichts angehn, und von denen Du keine Idee hast.« »Der Mann war bei mir und hat mir seine Noth geklagt!« sagte Franz, der Sohn. »Noth geklagt?« fuhr aber der Alte unwillig auf, »der hat auch noch über Noth zu klagen; erst liegt er bei mir hier fünf Wochen im Haus und ißt und trinkt, ohne einen Pfennig zu zahlen, nachher geb' ich ihm noch Reisegeld und ein Gewehr, das mich selber fünfundsiebzig Dollar gekostet hat, und schicke ihn in's Innere, und nun soll ich auch noch seine Sachen wieder herausgeben und gar Nichts haben, heh? -- Und ist die Zeit, in der er es abholen mußte nicht etwa schon seit acht Tagen verfallen? Hätt' er mir _vor_ der Zeit gezahlt was er mir schuldig war, so konnte er seinen Bettel, der mir überdieß hier lange genug im Wege gestanden, ruhig wieder mit fortnehmen, ich wäre der letzte gewesen, der ihn daran verhindert hätte -- hab' ich so vielen Deutschen fortgeholfen, würd' ich den auch nicht haben sitzen lassen, aber jetzt ist die Zeit vorbei -- die ganze Sache ist ohnedieß schriftlich abgemacht, und wenn er sich im Recht glaubt, soll er mich verklagen; Christoph Hamann ist nicht der Mann, der einer gerechten Sache aus dem Wege geht.« Der Sohn seufzte tief auf und begann wieder, ohne etwas weiter gegen den Vater zu äußern, an seiner Arbeit, bis ihn der alte Herr Hamann mit einer neuen Frage unterbrach. »Ist der Elsasser wieder da gewesen, wegen dem Land?« »Ja, gestern Abend.« »Nun? -- und hat das Geld nicht mitgebracht?« »Er hatte es, verlangte aber von mir vorher eine genaue Beschreibung des Landes, wie es gelegen sei, ob sumpfig oder gesund und da -- « »Hast Du ihm doch wohl nicht etwa in Deiner Dummheit von dem Bischen Wasser darauf erzählt?« fuhr der Alte heftig in die Höhe. »Ich mochte nicht lügen, Vater« sagte der junge Bursche entschlossen. »Na nun wird's Tag!« schrie aber der Alte, mit der geballten Faust zornig auf den Tisch schlagend -- »füttern soll ich Euch Alle hier, und die theuere Wirthschaft in Stand halten, Taxen soll ich bezahlen und Provisionen für alles mögliche Lumpengesindel, das hier herüberkömmt von Europa, und wenn sich die Gelegenheit bietet einen ehrlichen Pfennig zu verdienen, schlägt mir den der eigene Sohn vor der Nase weg.« »Ich hielt das für keinen _ehrlichen_ Pfennig, Vater« sagte Franz entschlossen. »_Du_ hieltest es nicht dafür, Holzkopf -- _nun_ freut mich mein Leben, _Du_ also hieltest es nicht dafür. Ich will Dir einmal sagen was ich von _Dir_ halte: daß Du ebenso nach Amerika paßt, wie ein wilder Ochse in eine Porcellanhandlung. Wenn _das_ also Alles ist, was Du während den zwei Jahren die ich Dich zu Deiner Ausbildung in Deutschland in einem Geschäft gehabt, gelernt hast, dann kann ich mir gratuliren das Reisegeld aus dem Fenster geworfen zu haben, und je eher Du machst daß Du wieder hinüber kommst, desto besser.« »Aber Vater diese unglücklichen Menschen die hier nach Amerika herüberkommen, sind ja so schon arm und elend genug -- wir wollen uns doch nicht an ihnen bereichern.« »Wollen wir nicht, so? -- aber von was wollen wir denn _leben_ heh?« rief der Alte -- »der Mosje schwatzt da in's Blaue hinein und bringt mir moralische Grundsätze auf einen Amerikanischen Markt, die gerade so gute Geschäfte machen würden, wie ein Zahnarzt bei den Indianern. Junge, Junge ich glaubte Du hättest ausgelernt, und sehe jetzt daß Du wieder ganz von vorne anfangen mußt. Die Reise nach Arkansas wird Dir übrigens gut thun, mein Geschäftsfreund dort, der einen besonders lebhaften Whiskeyhandel nach dem Indianischen Territorium treibt, ist ein höchst praktischer gewiegter Bursche, und wird Dir die deutsche Schlafmütze schon aus den Gliedern treiben, und Du mußt dann endlich einmal lernen, daß das deutsche Gesindel, das hier zu uns herüberkommt und mit seiner Überklugheit immer unser ganzes Amerika verbessern will, nicht eher Verstand bekommt, bis es seinen letzten Groschen an den Mann gebracht hat; wer also dazu beiträgt daß das recht bald geschieht, thut den Leuten nur einen Gefallen, und ist ihr wahrer Freund, und nach _den_ Grundsätzen handle ich, wie sich der junge Herr merken kann, und wonach er zu achten hat -- verstanden?« »Lieber Vater« sagte Franz, der sein Pult verlassen und die Feder niedergelegt hatte, ruhig und bestimmt »Sie haben sich da einen Weg vorgezeichnet, dem ich im Leben nicht folgen kann und will. Es mag, wie Sie vielleicht recht haben, viel Gesindel aus Europa zu uns herüberkommen, aber es kommen auch viele wackere, wenngleich arme Familien herüber, und die gerade sind es dann, die von Agenten und Seelenverkäufern ausgezogen und beraubt, anstatt von dem Staat, dem sie ihre Kräfte weihen wollen, dem sie ihr Alles herüberbringen was sie auf der Welt noch das ihre nennen, unterstützt und geschützt zu werden.« »Auch noch?« rief der alte Hamann verwundert aus -- »wir sollen wohl noch überselig sein wenn sie ankommen, und sie füttern und pflegen und sie noch bitten nur um Gottes Willen Nichts zu arbeiten, daß sie sich ja nicht die faulen Knochen strapeziren. Gott verdamm mich, Junge, Du schwatzest da Zeug daß man verrückt werden möchte.« »Ich spreche nur von etwas« rief sein Sohn, in edlem Eifer erglühend, »das mir schon lange auf der Seele brennt und das, neben der Sclavenfrage, ein Schandfleck für die Union ist -- ich spreche von dem unbeschätzten Zustand, in dem sie gerade _die_ Menschen an ihrer Küste berauben und plündern läßt, die das Mark ihrer Bevölkerung bilden, und ohne welche die einzelnen Staaten schon in ihren Schulden erstickt und zu Grunde gegangen wären -- die fleißigen Ackerbauer die den Boden urbar machen, die den Verkehr brechen für Dampfschiff und Eisenbahn, die den Werth des Landes in den meisten Staaten um das zehnfache, in vielen um das hundertfache vermehrt haben, und anspruchslos und thätig dabei ihre stille ruhige Bahn fortgehn.« »Und was soll der Staat mit denen anfangen? was sollte er für die thun?« sagte der Alte mit einem spöttischen, ja fast verächtlichen Lächeln, »die der Mosje da für die _Geplünderten_ und _Beraubten_ hält, und seinem eigenen Vater dabei gewissermaßen _Plünderung_ und _Raub_ unter die Nase reibt, heh?« »Er sollte in den Haupthafenplätzen seines großen Reiches, in New-Orleans und New-York, in Philadelphia, Baltimore und wie sie heißen, Häuser errichten, in denen die Armen, wenigstens die ersten Wochen hindurch, ein Unterkommen, im Nothfall _unentgeltlich_ fänden, und wo ihr Eigenthum, wenn sie in das Land hinein müssen Arbeit zu suchen, von geschworenen Beamten, sicher und vor Verfall geschützt, aufbewahrt würde, bis sie im Stande wären es zu reclamiren.« »Könnte gleich eine Kleinkinderbewahr-Anstalt damit verbunden werden« lachte der Alte. »Wollte Gott es geschähe« rief Franz, »tausende von Kindern, die später einmal unsere besten und kräftigsten Bürger bilden, würden dann vor Elend und Untergang bewahrt.« »Aber was sagst Du _mir_ das hier?« rief der Alte endlich ungeduldig werdend -- »was hab' _ich_ damit zu schaffen? warum gehst Du damit nicht zum Gouverneur oder zum Präsidenten, und stellst ihm einmal die Geschichte vor? Der wird mit dem größten Vergnügen darauf eingehn.« »Der Präsident kann dabei noch Nichts thun,« sagte aber der Sohn, den im Spott gemachten Vorschlag ganz ernsthaft nehmend -- »nein, die einzelnen Staaten müssen das aus sich selber kräftig schaffen und herstellen; die einzelnen wohlhabenden Bürger zusammentreten, und zum Besten ihrer eigenen Stadt ein solch Asyl gründen. Wie viel tausend Menschen sehen in Amerika die Hand, die sich ihnen und ihrer Noth Hülfe bietend entgegenstreckt -- wie viel tausend finden aber nur daß eben die Hand, anstatt sie zu stützen und zu halten, in ihre Taschen greift, und sie des letzten beraubt was sie noch mitgebracht, sich selbst zu helfen. Oh Vater, Sie sind reich -- wenn Sie den Anfang machten zu solchem großen Werk.« »Du bist ein Esel hätt' ich bald gesagt« unterbrach ihn der Alte aber hier mürrisch, »Donnerwetter, jetzt hab' ich den Unsinn satt, nun mach daß Du fortkommst, und sieh daß Du mir vor allen Dingen den Elsasser wieder findest -- schick' ihn mir nur herauf; ich will schon mit ihm fertig werden.« »Vater!« rief Franz in edler Entrüstung sich gegen einen Auftrag sträubend, den er selber für unredlich und schlecht hielt, »Vater ich passe nicht zu dem, zu dem Sie mich machen wollen; lassen Sie mich fort, allein in die Welt hinaus und ich will mir mein eignes Fortkommen schon gründen, mir schon Bahn brechen zu einem neuen frischen Leben, und wenn ich mir mein Brod im Anfang mit der Schürstange, oder mit Axt und Schaufel verdienen sollte.« »Und das Geld das ich für Deine Erziehung verwandt?« rief der Alte ärgerlich -- »wer zahlte mir denn die Zinsen? Schöne Wirthschaft das, nicht wahr, wenn die Zeit jetzt gekommen ist, wo Du Deinen alten Vater, der Niemanden auf der Welt weiter hat auf den er sich verlassen kann, unterstützen solltest, und dann von ihm fortlaufen willst ein eignes Geschäft anzufangen? Was würde dann aus den paar Dollarn, die ich mir erspart, wenn ich die Augen einmal zudrücke, und fremde Menschen dann hier um mich her säßen, die sich die eigenen Taschen in aller Geschwindigkeit füllen würden? was würde aus dem Geschäft selbst, das ich seit ein paar Jahren endlich zu einer Art Aufschwung gebracht, und das nie, so lange ich und Du es verhindern können, in fremde Hände fallen darf? -- Unsinn Franz, Du weißt gar nicht _was_ Du von Dir stoßen willst, irgend einer fixen wahnsinnigen Idee, die eben unausführbar ist, nachzulaufen. Mach jetzt daß Du fortkommst und thue was ich Dir befohlen habe; ich will Nichts mehr wissen sag ich Dir,« schrie er den Sohn unwillig an, als dieser wieder etwas entgegnen wollte, und Franz verließ, tief aufseufzend, aber mehr als je entschlossen seine Hand zu Nichts zu bieten, was er nicht vor dem eigenen Gewissen verantworten könne, das Zimmer. In diesem aber ging, die Arme auf den Rücken gekreutzt mit raschen, unruhigen Schritten der alte Hamann auf und ab, leise Flüche in den Bart murmelnd, und mit dem Kopfe dazu finster und unwillig schüttelnd. Draußen klopfte Jemand leise an die Thür. »Herein!« rief der Alte barsch. »Herr Hamann zu sprechen?« frug eine freundliche Stimme. »Ah, Sie kommen mir gerade wie gerufen, Messerschmidt« rief ihm der Alte rasch entgegen -- »sind Sie meinem Jungen begegnet?« »Herr Hamann _junior_ waren eben so freundlich mich auf der, etwas dunklen Treppe, beinah über den Haufen zu rennen.« »Er ist verrückt der Bengel!« rief der Vater. »Verliebt vielleicht« lächelte Herr Messerschmidt. »Gott bewahre; er will eine deutsche Kleinkinderbewahr-Anstalt, und ein _gratis_ Einwanderungshaus gründen.« »Bah,« sagte Herr Messerschmidt, »das ist eine Idee die am Besten durch dasselbe Mittel curirt wird, das sie allein in's Leben rufen könnte.« »Und das wäre? -- « »Geld,« sagte der Agent, achselzuckend -- »das ist die alte Geschichte die nur von solchen immer vorgebracht wird, die gerade kein eignes Geld zur Verfügung haben, es darauf zu verwenden. Überweisen Sie Ihrem Herrn Sohn ein Vermögen, und er wird etwas Gescheidteres damit anfangen.« »Vermögen überweisen,« brummte der Alte -- »Sie reden da hinaus, als ob ich zwei oder mehr zu vergeben hätte. _Das_ ärgert mich ja gerade, daß der junge Laffe eben das ruiniren will, womit sich sein armer alter Vater das Brod verdienen muß; unter dem Leib will er mir den Stuhl fortziehn, und sein schmutziges Zwischendecksgesindel darauf setzen; es ist zum Verzweifeln.« »Unsinn,« lächelte Herr Messerschmidt -- »lassen Sie uns von etwas Vernünftigerem reden; das ist eine Idee die in schönen, wohlklingenden Redensarten verraucht, und wenn Sie mir folgen, geben Sie ihm vollkommen recht, muntern ihn noch dazu auf etwas derartiges zu beginnen und versprechen ihm ihre thätige Hülfe und Unterstützung.« »Daß ich ein Narr wäre,« rief der Alte, »der Junge hielte mich beim Wort, und was das Schlimmste ist, er jagt mir schon jetzt die Kunden aus dem Haus hinaus, und wäre im Stande den eigenen Vater an den Pranger zu stellen.« »Das wäre allerdings fatal,« sagte Herr Messerschmidt, die Augenbrauen in die Höhe ziehend und plötzlich ganz ernsthaft werdend, »wenn die Sache _so_ steht, bester Herr Nachbar, da möchte ich Ihnen denn doch rathen, den Burschen lieber aus dem Haus zu thun, und Jemanden hinein zu nehmen, auf den Sie sich sicher verlassen können. Ich selber würde -- « »Ihnen meinen eigenen Sohn vorschlagen, heh?« fiel ihm der Alte kurz und mit einem mistrauischen Blick in die Rede -- »hab' ich recht oder nicht?« »Nun der Junge hat Talent und guten Willen.« »Glaub' ich,« brummte der Alte, »aber mein eigen Fleisch und Blut steht mir näher, und ich werde den Jungen schon zur Raison bringen; er muß mir gehorchen, oder -- aber hol's der Teufel, wir wollen von 'was Anderem reden,« unterbrach er sich plötzlich selbst, -- »kommen Sie wegen der Pfandgeschichte?« »Oh Gott bewahre,« lachte Herr Messerschmidt, »die Sache ist ganz einfach; der junge Bursche behauptet, die beiden goldenen Uhren bei Ihrem früheren Barkeeper, von dem er auch die Quittung hat, versetzt zu haben; der ist jetzt fort, Niemand weiß wohin, und ich habe ihm nun den guten Rath gegeben, einen Aufruf an ihn in dem New-Orleans Advertiser abdrucken zu lassen, daß ihm nachher Niemand darauf antwortet, versteht sich von selbst. Nein, lieber Hamann, ich wollte unsere kleine Speditionsrechnung in Ordnung bringen -- brauche gerade Geld, und muß vor dem neuen Jahr meine Casse jedenfalls reguliren.« »Und wie viel macht's im Ganzen?« »Hundert und sieben und neunzig Dollars fünfzig Cent.« »Seit zwei Monaten?« »Ja, und einige Tage -- Ihre Geschäfte sind brillant gegegangen, hier ist übrigens auch die specifirte Note.« »Hm, hm,« sagte Herr Hamann, das ihm überreichte Papier öffnend und langsam durchlesend -- »da steht ja der Goldschmied mit 10 Dollarn darauf, der nur acht Tage im Hause blieb und nicht einmal sein Boarding zahlte, -- was fällt Ihnen denn ein? -- den müssen Sie streichen.« »Er war gestern bei mir;« sagte Herr Messerschmidt lächelnd, »und frug mich um Rath wie er wohl wieder zu der Tuchnadel kommen könne, die wohl einige achtzig Dollar werth sein soll.« »Bah, Unsinn, der Quark war nachgemacht -- fünf und siebzig Cent hat mir der Jude dafür gegeben.« »Das hab ich ihm auch gesagt,« schmunzelte der Agent, »und ihm sogar versichert, ich würde es im Nothfall bezeugen können.« »Nichtsnutziges Gesindel,« brummte Herr Hamann, in gerechter Entrüstung über die Schlechtigkeit der Welt, erwähnte aber weiter nichts von den zehn Dollarn. Der Agent beobachtete ihn indessen schweigend, während er las, und trommelte dabei auf dem Hut den er zwischen den Knieen hielt, einen Marsch. »Hier ist noch ein Posten, der nicht hierher gehört.« »Und? -- « »Die Oldenburger -- ich bitte Sie um Gottes Willen, was schaffen Sie mir für Volk in's Haus. Drei Wochen füttere ich jetzt die ganze Gesellschaft, und habe ihnen heute Morgen, weil _gar_ nichts aus ihnen herauszukriegen ist, gekündigt -- wie kann ich Ihnen demnach zwei Dollar für den Kopf zahlen?« »Sie haben recht, das wäre unbillig,« sagte Herr Messerschmidt freundlich -- »wir wollen es dann lieber so machen -- ich zahle Ihnen den »Boarding« für die Leute, ziehe aber, was sie indessen an Arbeit im Hause geleistet haben, ab, und bekomme dann ihr Gepäck so lange überliefert.« Herr Hamann sah mit einem nichts weniger als freundlichen Blick nach ihm hinüber, faltete aber das Papier zusammen, hielt es ein paar Secunden wie nachdenkend in der Hand und sagte dann kopfschüttelnd: »Das würde eine Masse Umstände und Rechnereien machen -- da, gehen Sie an den Pult und schreiben Sie mir Ihre Quittung, ich hole Ihnen indessen das Geld.« »Alter Gauner,« murmelte Herr Messerschmidt, dem Wirth aber unhörbar, freundlich zwischen den Zähnen durch, und ging mit einer höflichen Verbeugung zu dem Stehpult, dem Verlangen Folge zu leisten. Wenige Minuten später war dieß Geschäft zwischen den beiden Männern abgemacht. Wie Herr Messerschmidt das Geld gerade nachgezählt, die einzelnen Banknoten sehr genau betrachtet, und dann in sein Taschenbuch gelegt hatte, klopfte es wieder an die Thür, und auf das mürrische »Herein« des Hausherrn, drückte sich, ängstlich und verlegen, seinen Hut dabei unter den Arm quetschend, der eine der Oldenburger in's Zimmer und blieb an der Thüre stehn. »Nun, was soll's,« sagte Herr Hamann, während Herr Messerschmidt aufstehend an das Fenster ging und hinaus auf die Straße sah. »Herr Wirth,« sagte der Oldenburger mit bittendem Ausdruck in der Stimme, »Ihr Ausschenker hat uns vorhin gesagt, daß Sie uns nicht länger in Kost behalten wollen.« »Füttern wollen, meint Ihr wohl?« sagte Herr Hamann, »wie komme ich dazu, ganze Schiffsladungen voll Menschen zu ernähren, ohne daß ich einen Pfennig Bezahlung bekäme?« »Wir wollen ja gern gehn,« sagte der Mann, »und Ihnen später Alles auf Heller und Pfennig bezahlen, aber er will uns unsere Koffer nicht mitgeben.« »Auch noch, nicht wahr? -- erst hier Gott weiß wie lange mit den ganzen Familien zehren, und dann auch noch mit Sack und Pack abziehen -- dumm seid Ihr nicht, das muß wahr sein, und blöde auch nicht.« »Wir wollen Ihnen ja gern den Werth der gehabten Kost in Sachen zurücklassen, wenn wir nur das Übrige mit fortnehmen dürfen. Wir können doch nicht _so_ in die Welt hineinziehn?« »Das geht mich Nichts an,« entgegnete aber mürrisch der Wirth, -- »ich habe hier keinen Handel mit alten Kleidern, sondern ein Gasthaus, in dem ich für jedes Pfund Fleisch, was ich haben will, baar mit meinem Gelde zahlen muß -- « »Aber was sind wir Ihnen denn eigentlich schuldig?« frug der Mann, »der Ausschenker hat uns eine Rechnung gegeben, auf der eine Menge Gläser Getränke stehn, von denen wir Nichts wissen, aber nicht einen Pfennig für die Arbeit abgerechnet, die wir in der Zeit für Sie gethan, und die Frauen haben doch Woche ein Woche aus gewaschen und wir selber all ihr Holz gespalten und gesägt, Ihren Mist gefahren, Ihre Kartoffeln ausgemacht im Feld, und hereingeschafft.« »Die Arbeitstage sind Euch nicht mit aufgeschrieben,« sagte Herr Hamann. »Nein, das ist wahr, aber auch Nichts dafür zu Gute, lieber Gott, wir haben uns unsere Kleider dabei herunter gerissen und tüchtig zugegriffen, das wissen Sie selber am Besten.« »Mein Essen war auch nicht schlecht, und bei den theueren Zeiten könnt' ich's vor meinen Kindern nicht verantworten, wenn ich andere Leute umsonst fütterte; warum sucht Ihr Euch keine feste Arbeit.« »Lieber, guter Gott,« sagte der Mann, »da der Herr, der da am Fenster steht, kann Ihnen darauf die beste Antwort geben; hat er uns nicht von Woche zu Woche hingehalten und immer und immer versprochen, und immer Nichts gebracht?« »Na ja, nun macht _mir_ auch noch Vorwürfe, daß ich mir Euretwegen die Schuhsohlen abgelaufen, ohne einen rothen Dreier dafür zu haben,« rief Herr Messerschmidt, sich rasch und ärgerlich nach dem Manne umdrehend, »kann _ich_ die Leute _zwingen_, Euch Arbeit zu geben, oder habe ich mich überhaupt dazu verpflichtet?« »Nichts für ungut,« bat der arme Teufel kleinlaut, »es war ja gar nicht so bös gemeint, und ich habe es nur erwähnt, um dem Herrn da zu beweisen, daß wir ja Alles thun wollten, was eben nur in unseren Kräften stand.« »Gut, ich will Euch was sagen,« rief Herr Hamann nach einer kleinen Pause, in der er wie überlegend vor sich niedergesehen, »da es Euch doch zu viel Schererei machen würde die Frauen mitzunehmen, wenn Ihr Arbeit suchen geht, so mögen die beiden Frauen mit den beiden Kindern hier bei mir im Hause bleiben, und für ihre Kost die Wäsche besorgen, bis Ihr wieder kommt. Seid Ihr das zufrieden?« »Aber würden Sie ihnen denn da nicht wenigstens einen kleinen, nur ganz geringen Lohn aussetzen?« bat der Mann, »damit wir -- « »Nun ja, reicht dem Volk einen Finger und sie greifen nach der ganzen Hand,« rief Herr Hamann sich entrüstet gegen den Agenten wendend -- »geht zum Teufel mit Eurer ganzen Sippschaft, ich will meinem Gott danken, wenn ich Euch Alle los bin.« »Aber, so war es ja gar nicht gemeint,« sagte der Mann schüchtern, »wir sehen ja ein daß sie Noth und Mühe genug mit uns gehabt haben, und die Frauen nur aus Gefälligkeit hier so lange im Hause lassen wollen -- nichts für ungut, und wir Anderen wollen dann unser Mögliches thun, und finden wir nur Arbeit, gewiß unsere Schuld bald abtragen. Etwas Wäsche dürfen wir uns doch aus unseren Koffern nehmen, nicht wahr Herr Hamann.« »Ja, meinetwegen, der Barkeeper soll Euch das nachher herausgeben; jetzt macht aber, daß Ihr fortkommt, ich habe mehr zu thun, und wenn der Barkeeper Zeit hat, soll er einmal einen Augenblick heraufkommen.« Der arme Teufel von Bauer dankte dem Mann auf das Herzlichste, und würde ihm gern die Hand zum Abschied in aller Freundschaft gereicht haben, wenn er sich's eben getraut hätte. So verbeugte er sich nur gegen die beiden Männer, die seiner gar nicht achteten, und zog die Thür hinter sich in's Schloß, die aber gleich darauf wieder, und zwar rascher als vorher, aufflog. Unwillig sah Herr Hamann dorthin, eine nochmalige Störung des Bauern mit Entrüstung zurückzuweisen, als er in das rothe, halb spöttische, halb kecke Gesicht Eines seiner Irischen Boarders schaute, der ihm ganz respektswidrig vertraulich zunickte, die Thür hinter sich zumachte und dann auf Herrn Hamann zuging. »Nun, was soll's, Patrick? -- was habt Ihr hier oben zu suchen?« rief ihm der Wirth, mit der Nähe des stets halbtrunkenen Burschen eben nicht recht zufrieden, mürrisch entgegen, -- »weshalb hat Euch der Barkeeper hier heraufgelassen?« »Konnt's eben nicht verhindern, mein Herzchen,« sagte Patrick lachend, »denn wie er mir in den Weg treten wollte, legte ich ihn ganz sanft -- ich habe dem süßen Burschen nicht ein Bischen weh gethan, -- unter den Schenktisch.« »Was wollt Ihr denn da von _mir_?« rief Herr Hamann bestürzt aus -- »was habt Ihr vor, daß Ihr mit Gewalt hier zu mir heraufbrecht, und meine Leute mishandelt.« »Frieden, bei Jäsus mein Herzchen,« beschwichtigte ihn aber der rauflustige Ire, »Nichts _honey_, wie eine kleine Abrechnung zwischen uns Beiden, von denen Jeder glaubt, daß der Andere in seiner Schuld ist.« »Ich in Deiner Schuld Patrick?« rief aber Herr Hamann rasch erstaunt aus -- »wohl deshalb, weil Du beinah drei Wochen bei mir gegessen und getrunken hast?« »An der _bar_ ist jeder Schluck bei Cent und halbem Cent bezahlt,« betheuerte der Ire. »Aber das Essen, wer hat das berichtet?« »Hab ich Euch nicht den Graben um den Hof gezogen?« »Den Graben,« rief Herr Hamann verächtlich, »Du hast Dich drei volle Tage, das heißt die Stunden abgerechnet, die Du dabei im Schenkzimmer gesessen mit dem kleinen Graben -- « »Über Mittag, Herzchen.« »Nun ja, das wollen wir nicht untersuchen -- drei volle Tage mit dem kleinen Graben herumgeschlagen, den ein tüchtiger Arbeiter in _einem_ Tage beendigen würde. Doch bin ich auch Willens Dir selbst _das_ zu vergüten.« »Nun ja, _honey_, da sind wir ja schon in Ordnung,« lachte der Ire, »Dein Holzkopf von Barkeeper hätte mir mein Bündel gleich herausgeben und sich selber eine Unannehmlichkeit ersparen können.« »Wenn Du den Rest herauszahlst.« »Welchen Rest -- « »Der mir noch zu Gute kommt -- « »Verdammt der Cent, den Ihr da noch kriegt,« lachte der Ire -- »drei Tage Arbeit pr. Tag zwei Dollar, sind sechs Dollar.« »Drei Tage und zwei Dollar den Tag? -- Ihr seid verrückt.« [Illustration: Capitel 3.] »_Never mind_,[10] immer noch genug bei Verstand meinen eigenen Vortheil wahrzunehmen,« spottete der Ire -- »macht also sechs Dollar, zwei eine halbe Woche für drei Dollar geboardet, bleiben anderthalb Dollar Rest, die ich dem Fischkopf von Barkeeper unten auf den Schenktisch gezählt habe, und die der Töffel nicht nehmen wollte. Natürlich steckt' ich sie wieder ein, und nun kann er sehn, wie er sie zum zweiten Mal aus Patricks Tasche kriegt.« »Ihr könnt Euere Sachen nicht eher bekommen bis Ihr Euere Rechnung bezahlt habt,« mischte sich in diesem Augenblick Herr Messerschmidt in's Gespräch, wünschte aber auch gleich darauf gar Nichts gesagt zu haben, denn der Ire, durch den Streit unten und ein paar Gläser Whiskey erhitzt, fuhr jetzt dermaßen gegen ihn an, und drohte ihm bei der geringsten Sylbe, die _er_, den die Sache auf der Welt Nichts anginge, wieder hineinwürfe, mit einer so ungemessenen Anzahl Hiebe, daß sich der feige Bursche schon langsam nach der Thüre zurückziehn wollte. Doch auch hieran wurde er von dem aufmerksamen Iren verhindert, der nicht mit Unrecht fürchtete, der Agent würde dann unten vielleicht Lärm machen und einen Constabler herbeiholen; den beiden Männern aber dabei erklärte, daß er ihnen alles was im Zimmer stände kurz und klein schlagen und ihre eigenen beiden erbärmlichen Cadaver noch dazu vor sich her die Treppe hinuntertreten wolle, wenn ihm nicht augenblicklich sein Bündel Wäsche ausgeliefert würde. Hamann und Messerschmidt, obgleich der letztere von derber, untersetzter Statur war, getrauten sich nicht den Burschen zum Ärgsten zu treiben und Hamann besonders sagte schnell und höflich: »Aber so machen Sie doch nur nicht solch einen Lärm, bester Herr Patrick -- wenn Sie Ihre Arbeit für so viel werth halten, habe ich auch nicht das Mindeste dagegen -- lassen Sie sich nur unten Ihr Bündel geben.« »Natürlich,« sagte Patrick, der seinen Vortheil rasch übersah, lachend, »Alles in Ordnung Mr. Hamann -- geht wie geschmiert, bitte dann nur um die Quittung für bezahlte Kost.« Hamann wollte sich noch weigern etwas Schriftliches zu geben, er sah aber auch bald daß er den Burschen nicht anders los würde, und schrieb ihm rasch ein paar Zeilen für den _barkeeper_ auf. »Danke Sir,« sagte der Ire, das Geschriebene durchbuchstabirend und dann in die Westentasche drückend -- »jetzt ist's aber an mir zu traktiren -- wollen Sie nicht mit hinunter gehn und eins mit mir trinken?« »Sie haben doch jetzt Alles was Sie wollen?« sagte Herr Hamann, nun auch endlich ungeduldig werdend. »Haha, nichts für ungut,« rief aber der Ire, »wenn ein Gentleman den andern traktiren will, ist das eine Höflichkeit und muß auch als solche betrachtet werden; aber _never mind_ -- wenn Sie nicht wollen, so viel besser, und nun _good bye_ Gentlemen.« Und die Hände in die Tasche schiebend, während er sich eine seiner Irischen Jigs pfiff, verließ Patrick, mit vollem Grund höchst zufrieden über seinen Erfolg, das Zimmer, und eine Viertelstunde später, mit seinem Bündel unter dem Arm auch das Haus, in dem er sich fast drei Wochen Kost und Logis durch ein paar Tage leichte Arbeit ertrotzt hatte. »Sie sollten einen Constabler rufen und den Burschen arretiren lassen,« sagte Herr Messerschmidt ärgerlich, wie der Ire das Zimmer verlassen hatte. »Daß mir die Schufte nachher das Haus oder den Schenkstand demoliren,« knurrte Herr Hamann, »nein der Lump mag laufen, fällt mir vielleicht einmal wieder auf andere Art unter die Hände, aber eine Warnung soll mir's für die Zukunft sein, keine Iren wieder in mein Haus zu nehmen -- es ist trunknes, rauflustiges, betrügerisches Volk; da lob' ich mir die Deutschen, die nehmen Vernunft an, und haben vor der Polizei Respekt. Aber lieber Gott, mir ist der Ärger ordentlich in die Glieder geschlagen, und Sie thäten mir einen großen Gefallen, Herr Messerschmidt, wenn Sie mir durch einen der Leute unten ein Glas Wein heraufschickten.« »Mit Vergnügen,« sagte Herr Messerschmidt, seinen Hut aufgreifend und im Begriff das Zimmer zu verlassen -- »apropos Herr Hamann -- die Aktien, die Sie im vorigen Jahr gekauft haben, sind ja in den letzten Wochen fabelhaft gestiegen -- Sie müssen ein rasendes Geld daran verdient haben.« »Wenn ich sie hätte behalten können,« entgegnete mürrisch der Wirth, »glauben Sie ich verdiene hier Capitalien zum Hinlegen? -- Gott sei's geklagt, meine deutschen Landsleute, mit den Verlusten die ich allein an Auslagen für Proviant und Getränke habe, machen mich, wenn ich noch länger das Geschäft fortsetze, zum Bettler, und bin mehr als je gesonnen, mich ganz zurückzuziehn und es meinem Sohn zu übergeben, dem ewigen Ärger und Skandal zu entgehn. Wäre mit dem thörichten Gesellen nur ein vernünftiges Wort zu reden -- bitte den Wein, lieber Herr Messerschmidt.« »Guten Morgen Herr Hamann.« »Guten Morgen Herr Messerschmidt« -- und der Alte ging mit auf den Rücken gekreuzten Händen und fest und ärgerlich zusammengezogenen Brauen wieder in seinem Zimmer auf und ab, bis der Barkeeper, einen kleinen Präsentirteller in der Hand, auf dem eine Karaffe Rothwein und ein Wasserglas stand, herein kam und dieses auf den Tisch setzte. Hamann sah ihn an, nickte ihm zu daß es gut sei, und setzte seinen Marsch im Zimmer fort, während Jimmy jedoch auf seiner Stelle stehen blieb, und -- einer leidigen Gewohnheit nach, einen seiner Finger nach dem anderen abknackte, daß es klang als ob er sich die Glieder vom Leibe bräche. »Nun was giebt's noch?« sagte Herr Hamann, mürrisch vor ihm stehen bleibend -- »was wollen Sie?« »Verdammt feines Mädchen unten, _Sür_,« sagte Jimmy, zog die Augenbrauen in die Höhe, und streckte, die Schultern zurückpressend, den Kopf so weit nach vorn, als er nur möglicher Weise konnte. »Verdammt feines Mädchen?« sagte Herr Hamann erstaunt, »was zum Teufel schiert denn das _mich_? -- sind Sie betrunken?« Jimmy behielt seine Stellung bei, zog aber den Mund, wie in freundlicher Anerkennung des huldreichen Scherzes, von einem Ohr bis zum andern, ohne übrigens auch nur eine Sylbe weiter zu erwiedern. »Nun zum Wetter noch einmal, was wollen Sie denn von mir? stehn da und ziehen das Maul breit, als ob Sie eine Schlehe verschluckt hätten; glauben Sie daß ich Zeit habe Ihren Albernheiten zu folgen?« Wie man, mit einem einzigen Ruck einen Tabacksbeutel zusammen und in zahllose Falten legen kann, so zuckte das Gesicht des eben noch so freundlichen Mannes nach dem Mittelpunkt der zu einer Spitze vorgeschobenen Lippen, von denen sich die Augenbrauen wo möglich noch weiter entfernten, und eine halbe Minute vielleicht in dieser Stellung bleibend sagte er ruhig: »Setzt Jemand irgend etwas in irgend eine Zeitung, wenn Jemand von irgend etwas nachher nichts wissen will?« Herr Hamann wollte noch heftiger darauf erwiedern, als ihm plötzlich einfiel daß er allerdings eine Annonce hatte in das deutsche Blatt einrücken lassen, wonach er ein junges deutsches Mädchen suchte, die Aufwartung bei Tisch, das Einschenken des Kaffee und Thee, und die Überwachung seines Geschirrs und seiner Wäsche zu übernehmen. Jimmy aber, als er merkte daß sein Principal jetzt wußte was er wollte, begann wieder seine Fingergelenke zu revidiren und überzuknacken, als ob er sich von der Brauchbarkeit derselben zu überzeugen wünsche. »Sie bringen Einen noch zur Verzweiflung, mit Ihrem verfluchten Gesichter schneiden und Finger brechen« sagte Herr Hamann aber ungeduldig -- »können Sie das nicht gleich, und gerad' heraussagen?« »Verdammt feines Mädchen unten, _Sür_!« begann Jimmy wieder, genau wie im Anfang! seine Rede, den Principal vielleicht zu überzeugen daß er eben gar nichts anderes gleich gesagt habe. »Wird wieder so ein Rüpel mit Holzschuhen sein, wie sich schon ein Dutzend gemeldet hat,« brummte der Alte. »Venus!« sagte Jimmy, und drohte sich wirklich seine Finger zu verrenken. »Esel -- hätte ich bald gesagt« zischte Herr Hamann zwischen den Zähnen durch und setzte dann lauter hinzu -- »und warum schicken Sie mir sie nicht herauf?« Jimmy hielt darauf eine Antwort für unnöthig, und verschwand blitzschnell durch die noch offene Thür, wenige Minuten später mit der Angemeldeten zurückzukommen, die er aber, da in diesem Augenblick unten nach ihm gerufen wurde, allein oben mit seinem Herrn zurücklassen mußte. Aber, schon in der Thür, drehte er sich noch einmal nach dem jungen, in seiner dunklen einfachen Tracht wirklich bildhübschen Mädchen um, starrte ihr vielleicht eine halbe Minute lang stier in die Augen, und war dann in wenigen Sätzen die Treppe hinunter. Vor Herrn Hamann indessen, mit, von der Erregung des Augenblicks, der vielleicht über ihr künftiges Schicksal entscheiden sollte, etwas gebleichten Wangen, stand Hedwig Loßenwerder, und sagte mit noch ein wenig zitternder aber bald wieder fest werdender Stimme: »Sie haben, mein Herr, eine Wirthschafterin für Ihr Hauswesen gesucht, und ich bin gekommen mich Ihnen dafür anzubieten.« »Hm« sagte Herr Hamann dicht vor dem jungen Mädchen stehen bleibend, und sie so, fest und aufmerksam von Kopf bis zu Füßen betrachtend, daß dem armen Kinde das Blut in Stirn und Schläfe stieg, und es verlegen den Blick zu Boden senkte -- »hm -- nicht übel, aber -- Sie sind zu jung mein Kind -- « »Ich habe in ähnlicher Weise schon drei Jahre in Dienst gestanden« sagte sie leise. »_Drei_ Jahre? und wie alt sind Sie jetzt?« »Ich werde im nächsten Monat sechzehn Jahr.« Hamann schüttelte mit dem Kopf und setzte, die Fremde dabei dann und wann von der Seite ansehend, seine Wanderung im Zimmer wieder fort, während Hedwig indessen still und regungslos stehen blieb, eine entscheidende Antwort des Mannes zu erwarten. Die letzten Wochen hatten eine große Veränderung in Hedwigs ganzem Äußeren hervorgerufen, und das ängstlich schüchterne, fast kindliche Mädchen, das sie noch an Bord gewesen, war zur ernsten, selbstständigen, selbsthandelnden Jungfrau herangereift, in der kurzen Zeit. Schwere Stunden waren es aber gewesen, die das bewirkt, schwere, herbe Stunden, in denen die selber so unglückliche Clara ihr Alles vertraut, was das eigene Herz bedrückte, von dem ersten Verdacht des Diebstahls an, bis zu dem Augenblick wo sie die Gewißheit in Mark und Seele traf, daß der eigene Gatte der Verbrecher sei, und weit schlimmer und entsetzlicher als ein bloßer feiger Dieb, nicht allein den treuen schuldlosen Diener ihres Vaters, nein auch ihr eignes Glück und Leben kalt und meuchlerisch gemordet habe. Der Schmerz um den Bruder war damit, wenn nicht aus ihrer Brust gewichen, doch von anderen, mächtigeren Gefühlen die sie früher nie gekannt, abgestumpft, ja fast verdrängt -- von einem Gefühle der Bitterkeit gegen die Menschen, die einen armen Unglücklichen kalt und theilnahmlos verderben ließen, ohne sich viel um seine Schuld oder Unschuld zu kümmern, und dem Gemordeten kaum ein einsam verachtetes Plätzchen an der Kirchhofsmauer gönnten; von einem Gefühle des Hasses gegen den Mörder selbst, der frei und ledig, in Glück und Reichthum -- der Beute seines Verbrechens -- unter Gottes Sonne wandelte. Nur an Clara hing sie mit aller Liebe und Aufopferung, deren ihr warmes, weiches Herz fähig war, nur in Clara sah sie die Leidensschwester -- nicht mehr die Gebieterin -- die mit ihr, noch stärker fast getroffen und geschlagen worden, und einem Schatten gleich, lag eine dunkle Ahnung, der sie nicht Ausdruck, Form zu geben wußte, auf ihrer Seele, daß der Verstorbene in größerem Schmerz und Weh dahin geschieden, auch von _ihr_ verkannt zu sein. »Und Sie glauben daß Sie der Sache vorstehen könnten?« -- sagte Hamann endlich, wieder vor ihr stehen bleibend und ihr scharf und forschend in's Auge schauend. -- »Ich glaube es« sagte Hedwig, dem Blick fest begegnend. »Haben Sie Zeugnisse?« »Ja -- hier.« Der Wirth überlas die Papiere und gab sie ihr zurück. »Ja, das klingt Alles recht schön« sagte er, »aber ist weit von hier, und irgend ein Thorschreiber oder Bäcker kann das eben so gut geschrieben haben, aber« -- setzte er rasch hinzu, als er sah daß sich die Wangen des jungen Mädchens unter dem halben Verdacht tiefer färbten, und sich ihre Gestalt höher emporrichtete -- »aber das kann und wird auch wohl Alles in Ordnung sein, nur darauf gehn können wir hier nicht, und müssen selber sehn und prüfen. Sind Sie das zufrieden?« »Ich will eine Woche auf Probe meinen Dienst antreten« sagte Hedwig, »wenn Ihnen das genügt.« »Das wäre gut« sagte Herr Hamann, leise mit dem Kopfe nickend -- »und wie viel Lohn verlangen Sie?« »Keinen.« »Ich meine nicht für die Probewoche, sondern überhaupt.« »Keinen« sagte die Jungfrau fest und entschieden. »Keinen Lohn?« rief Herr Hamann, überrascht zu ihr aufschauend -- »und was sonst dafür? denn um gar Nichts kann ich mir doch nicht gut denken daß Sie arbeiten wollen?« »Nein« sagte Hedwig mit leiserer Stimme als vorher -- »ich verlange vielleicht mehr dafür, als Sie gesonnen sind mir zu bewilligen, könnte aber auch nur unter der Bedingung die Stelle, die ich gewiß zu Ihrer Zufriedenheit ausfüllen würde, annehmen.« »Und das wäre?« »Ich habe eine kranke Schwester in der Stadt« sagte Hedwig -- »das wenige was wir mitgebracht ist bald verzehrt, und ich suche deshalb einen Dienst, uns Beide zu erhalten, bis meine Schwester wieder zu Kräften gekommen ist. Alles was ich bis dahin für meine Arbeit verlange ist, daß sie mein Zimmer mit mir bewohnen, mein Lager mit mir theilen darf, und die wenige Nahrung erhält die ihr Körper verträgt.« »Eine Kranke in's Haus nehmen?« sagte Herr Hamann, kopfschüttelnd, »nein Mamsell, das ist eine misliche Sache, davon hat man nur Schererei und Kosten, und darauf kann ich mich nicht einlassen.« »Sie ist nicht mehr _krank_« sagte Hedwig rasch, »nur noch schwach und erschöpft von schwerem doch _überstandenen_ Leiden. Nur Ruhe bedarf sie, keiner Pflege mehr; auch verlange ich nicht daß sie mit an der Wirthstafel ißt; das Wenige was sie braucht würd' ich ihr selber bringen.« »Wie heißen Sie?« frug Herr Hamann. »Hedwig. -- « »Und Ihre Schwester?« »Clara.« »Mit Zunamen?« »Loßenwerder« sagte Hedwig, und wie sie den Namen aussprach färbten sich ihr Stirn und Schläfe dunkelroth. »Clara Loßenwerder?« wiederholte Hamann. »Ich heiße _Hedwig_!« sagte das junge Mädchen, und eine eigene, ihr selbst unerklärliche Angst schoß ihr bei der Verbindung jener beiden Namen durch das Herz. »Ja ja, Hedwig« wiederholte Herr Hamann, sie wieder dabei betrachtend, als ob er ihr mit dem Blick bis in das innerste Herz hineinsehn wollte -- »nun ich will Ihnen einmal etwas sagen -- Ihr Gesicht gefällt mir, obgleich man danach nicht recht gehn kann, und durch eine hübsche Firma oft genug hinter's Licht geführt wird; aber -- wir könnens ja einmal mit einander versuchen. Ich brauche zwar eine derartige Wirthschafterin gerade jetzt nicht mehr so unumgänglich nöthig, und würde auch nur wenig Lohn geben können; vielleicht, wenn wir einander zusagen, ließe sich's aber auch auf die Art einrichten, erst müssen wir jedoch Beide wissen, woran wir miteinander sind; wären Sie das zufrieden?« »Ich habe nicht mehr verlangt« sagte Hedwig. »Gut, dann können Sie heute noch anziehn, wenn Sie wollen -- aber die Schwester bringen Sie mir noch nicht in's Haus« setzte er rasch hinzu »es ist das mit kranken Leuten eine eigene Sache.« »Aber darf ich sie in der Woche jeden Tag wenigstens einmal besuchen?« frug Hedwig. »Zwischen dem Mittag- und Abendessen ist nicht viel Zeit« sagte Herr Hamann, »aber die Abende _nach_ dem Essen, können Sie benutzen wie Sie wollen -- also wann kommen Sie?« »Noch heute Mittag finde ich mich ein« sagte Hedwig, »und hoffe recht von Herzen daß Sie mit mir zufrieden sein werden.« Sie verließ nach kurzem Abschiedsgruß, aber Trost und Hoffnung im Herzen, das Gemach, während Herr Hamann sich aus der, bis jetzt noch nicht berührten Karaffe ein volles Glas Wein einschenkte, und dann, wieder vollkommen zufrieden mit sich selber, seinen Spatziergang im Zimmer aufnahm. Für die Besetzung einer solchen Stelle hatte er schon gefürchtet ziemlich beträchtlichen Lohn zahlen zu müssen, denn er konnte sich eine Person dazu nicht aus dem Haufen der Auswanderer heraussuchen, und jetzt war alle Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß er sie durch ein ganz junges hübsches Mädchen, was ihm jedenfalls eine Masse Kostgänger in's Haus ziehn würde, und für wenig mehr als Nichts, für die doppelte Kost von ein paar Frauen, die überdieß nicht viel aßen und gar Nichts tranken, bekommen konnte. Capitel 4. Verschiedene Beschäftigungen. Vor der Thüre des deutschen Wirthshauses in ---- _street_, standen die armen Oldenburger, jeder ein kleines Bündel unter dem Arm, und schauten trübselig und trostlos die Straße hinauf und hinab, die nach Norden und Süden hin in die Welt, die weite Welt hinaus führte. Und immer noch hatten sie nur erst deren Schwelle betreten, immer noch hoben sie zögernd den Fuß, und wagten ihn nicht niederzusetzen, weil er nicht gleich den altgewohnten Boden unter sich fühlte, und während der eine seufzte und den Kopf hängen ließ, kratzte sich der Andere mit der rechten Hand hinter dem Ohr, und zerrieb einen halbgemurmelten Fluch zwischen den fest übereinander gedrückten Zähnen. »In Amerika können die Bauern in den Kuts-chen fahren« sang da plötzlich eine wohlbekannte Stimme ein nur zu wohlbekanntes, aber schon lange nicht mehr angestimmtes Lied. »In den Kuts-chen mit Sammet und mit Sa-i-de!« und als sie sich eben nicht freudig überrascht, nach dem Sänger umdrehten, rasselte eben der kleine wunderliche Karren Maulbeeres, von diesem geschoben, an ihnen vorüber, und der Dampf aus der kleinen schmutzigen Pfeife zog in zusammengedrängten kurzen Kräuselwolken, regelmäßig auspuffend wie von einer Diminutiv-Locomotive hinter ihm drein. Übrigens that er gar nicht, als ob er die Oldenburger sähe, und war auch schon an ihnen vorbei, als ihn der Ruf des Einen -- »Herr Maulbeere -- « erreichte und anhalten machte. Es ist ein eigenthümliches Gefühl nach einer gewissen Zeit wieder mit früheren Reisegefährten zusammenzutreffen, von denen es sich dabei wunderbarer Weise ganz gleich bleibt, ob man sie gern gehabt unterwegs, oder gar nicht mit ihnen verkehrt hat, vielleicht die ganze Reise über. Was da unterwegs auch mag vorgefallen sein, wie man übereinander gedacht, und sich vielleicht ganz besonders danach gesehnt hat das Schiff verlassen zu können, von solcher Gesellschaft endlich einmal fortzukommen; ein kurzer Aufenthalt an Land, mit dem Fremden, Ungewohnten um sich her, hat das Alles verscheucht, wir haben es vergessen, und begrüßen mit aufrichtiger Freude den früheren Reise- und Leidensgefährten. »Guten Tag Herr Maulbeere« sagte der eine Oldenburger, der, sein Bündel in der Linken, die paar Schritte hinter ihm hergegangen war und jetzt, neben ihm stehen bleibend, die Rechte nach ihm ausstreckte -- »wie gehts hier in Amerika?« »Hallo« sagte Maulbeere, sein Tragband von den Handgriffen seines Karrens ziehend und, indem er sich aufrichtete, die gebotene Hand, aber noch etwas zögernd annehmend -- »hallo Ihr Leute -- immer noch zu Fuß? -- Donnerwetter, wo sind denn die »Kuts-chen«?« »Ja Kuts-chen« sagte der Oldenburger in seinem eigenthümlichen Dialekte, »es fährt sich hier was in Kuts-chen -- wir sind froh daß wir zu Fuß gehn dürfen -- « »Ich fahre,« sagte Maulbeere mit einem wohlwollenden Seitenblick auf seinen Karren. »Soweit haben wir's noch nicht einmal gebracht,« sagte der Andere, jetzt ebenfalls hinzutretend, »guten Tag Herr Maulbeere.« »Guten Morgen meine Herren, guten Morgen; irgend etwas zu schleifen? -- Scheeren, Messer, Rasirmesser, Lanzetten, Pflugschaaren, Sensen?« rief Maulbeere, mit einer Geschäftsmiene dabei wieder auf seine Schleifsteine deutend -- »stehe zu Diensten und sollen billig bedient werden -- sehe mehr auf gute Behandlung, als schlechten Gehalt.« »Ach lassen Sie das Spaßen, Herr Maulbeere,« meinte der Erste wieder, einen tiefen Seufzer ausstoßend -- »die Geschichte hier ist verzweifelt ernsthaft, und wenn man nicht weiß wo man Brod hernehmen soll, ist Einem nicht gerade wie Lachen zu Muthe.« »Hoho,« sagte Maulbeere, die Augenbrauen in die Höh ziehend, »schon drei Wochen in Amerika und noch kein Brod? -- das ist Pech!« »Ist es Ihnen denn geglückt?« »Harte Arbeit Schentelmen,« sagte aber der Scheerenschleifer achselzuckend -- »_sehr_ harte Arbeit -- habe im Sinn die Residenz zu verlassen.« »Und wo gehn Sie hin?« »Den Fluß hinauf, versteht sich; werde das Land durchziehn, hier ist wenig zu verdienen. Es giebt eben hier zu viel Mäuler die Brod haben wollen. Apropos, wo sind denn Ihre Frauen?« »Arbeiten da drin,« sagte der Eine, mit dem Kopf nach dem Haus hinüberzeigend. »So? -- untergebracht?« frug der Scheerenschleifer, »nun da kann man ja gratuliren.« »Aber kriegen Nichts« sagte der Andere. »Desto längere Aussicht auf stete Beschäftigung« bemerkte Maulbeere. »Aber wovon nachher leben?« »Vielleicht von den großen Rosinen, die Sie früher im Kopf gehabt,« meinte Maulbeere -- »ist ein merkwürdiges Land das Amerika; guten Morgen meine Herren!« und mit den Worten tauchte er wieder mit den Ösen seines Tragbands nach den beiden Griffen des Karrens, warf sie in das richtige Gleichgewicht und schob, während ihm die weiße Wolke folgte, rasch die Straße nieder, ohne sich um die beiden Bauern weiter zu bekümmern. Die nächste Straße rechts einbiegend, die zum Fluß nieder führte, erreichte er dort die sogenannte Flatbootlandung, und das Ufer sah hier kahl, und keineswegs so belebt aus als weiter oben, wo die rauchenden dunklen Schornsteine und oberen Decks der Cajüten, oder die mit ihren wie spinnwebartig durchflochtenen Masten über die hohe, mit Gütern und Waarenballen bedeckte Levée hervorragten. Der Strom hatte in dieser Jahreszeit wenig Wasser, und die niederen flachen Boote schwammen, nur erst bemerkbar wenn man auf die Levée selber trat, tief unter der steilen schmutzigen Bank, mit Tauen an diese befestigt am Ufer. Alligator ähnlich lagen sie dabei in der trüben Fluth, hie und da mit den Vordertheilen auf dem Schlamm, und nur mit schmalen Laufplanken von diesem aus nach trockenem Boden oder Sand hinüberreichend. Wunderbare Fahrzeuge sind aber diese _Flatboats_ des Mississippi, allem Anschein nach aus den ersten Urzuständen des Schiffsbaues herrührend, und doch noch nicht, weder durch Dampf- noch Segelschiffe aus ihrer Wirksamkeit verdrängt, ja eher mit diesen anwachsend und an Zahl zunehmend. Ein langes aus derben Planken mit hölzernen Pflöcken zusammengenageltes und mit Werg und Theer dicht gemachtes, vielleicht sieben Fuß tiefes Boot mit vollkommen flachem Boden, das, wenn geladen, fünf bis sechs Fuß im Wasser geht, ist es mit einer Art, vielleicht vier bis fünf Fuß hohem Fachwerk umgeben, und mit zölligen oder halbzölligen Bretern, die in der Mitte etwas gewölbt, quer von einem Bord nach dem andern hinübergebogen sind und ziegelartig übereinander liegen, gedeckt. Diese Boote gehen nur mit der Strömung, wie wir ihnen schon auf dem Mississippi begegnet sind, manchmal gradaus, manchmal über Steuer, nicht selten Meilen weit seitwärts, den Krabben ähnlich, ihre Bahn entlang, hier der Strömung folgend, dort, durch eine Rückströmung gehalten, daß die Leute mit den langen Finnen ähnlichen »_sweeps_« oder Rudern Stunden lang arbeiten müssen, nur wieder los und in freies Fahrwasser zu kommen. Und wie manches sinkt und verdirbt auf der langen mühseligen, und so oft gefährlichen Bahn; plötzliche Stürme und Unwetter -- der _Hurricane_ in Natchez 1841 zerstörte damals 112 in wenigen Meilen Entfernung -- im Wasser verborgene Snags, Untiefen und festgeschwemmtes Driftholz sinken manches von ihnen, und man kann immer rechnen, daß kaum drei Viertel der Zahl ihr Ziel erreichen. So unscheinbar dabei ihr Äußeres ist, so werthvolle Ladungen bergen sie nicht selten in dem rohen unbehülflichen Kasten, die der Führer, wo er einen Markt für seine Waaren zu finden glaubt, oder zuletzt in New-Orleans selber, mit dem Vordertheil an Land schiebt, und seinen, weder Steuer noch Abgaben zahlenden Laden gleich fix und fertig errichtet hat, den er, wenn die Waaren abgesetzt sind, auseinander schlägt und mit verkauft. Und wie wunderlich sieht es in den Booten selber aus -- hier das erste -- der Weg ist etwas steil, die schlüpfrige Bank hinunter -- birgt in seinem Innern ein buntes Gemisch von Allem, was das Herz eines richtigen Yankees erfreuen könnte, Butter, Schmalz, Kartoffeln, Hühner, Apfelwein und Whiskey, Heu, Zwiebeln, getrocknetes Obst, und Fässer mit Makrelen, Kisten mit Stockfisch und Traubenrosinen, Krachmandeln, Nudeln, Käse, Alles steht bunt und wild durcheinander gepackt, hier in Proben aufgestellt, dort in angerissenen Fässern und Kisten, unter Deck -- daneben liegt ein Boot mit eingesalzenem Schweinefleisch von Cincinnati, und das Fett mit dem das Deck beschmiert ist, dampft in der Sonne; dort liegt ein anderes mit Baumwolle von Tennessee, da ein anderes mit Taback von Kentucky geladen; und da strecken Rinder und Schaafe den Kopf aus den offen gelassenen Luftlöchern anderer, und blöken und brüllen ihren Kameraden zu. Die Staaten Arkansas, Missouri, Texas, Tennessee, Kentucky und Illinois senden jährlich wohl dreißig tausend Stück lebendigen Hornviehs nach New-Orleans, und von Ohio werden ebenfalls hunderte solcher »schwimmenden Sauställe« mit ihren grunzenden Bewohnern der »Königin des Südens« zugeführt. Was das für ein Leben ist, zwischen den, einen schauerlich warmen Fettgeruch und Dunst faulenden Obstes und angegangenen Fleisches ausstoßenden Fahrzeugen; wie die Eigenthümer auf der Levée stehn, oder vorn in ihren Booten sitzen, Käufer herbeizurufen, und ihre Waaren dabei ausschreien, die vorzügliche Qualität derselben anpreisend. Dazwischen durch dann das Drängen und Treiben der Arbeiter, die hier ein verkauftes Boot entladen, damit es nachher auseinander geschlagen und in seinen Planken noch verwerthet werden könne, dort eine Parthie aufgekaufter Fässer und Kisten die steile Levée mühselig hinaufschaffen, und von Fett und Schmutz bedeckt unter ihren Lasten keuchen und schwitzen, bis sie die Höhe der Levée erreicht haben, dort sich einen Augenblick die glühende tropfende Stirn abtrocknen, und dann wieder schwanken Schritts niedersteigen, ihr Werk von Neuem zu beginnen. Maulbeere fuhr mit seinem Schleifkarren, seinem Grundsatz treu keinen Fleck unbesucht zu lassen wo er die Hoffnung hatte etwas verdienen zu können, oben an der Levée hin, dann und wann stehen bleibend, seine schon auswendig gelernten Rufe -- _no knives, no scissors to grind_?[11] ertönen zu lassen. Hie und da bekam er auch wirklich zu thun; dort und da schaute ein behaubter Kopf unter einem der niederen Flatboot-Decke vor, eine rauhe Stimme rief ihm ein »_stop_!« zu, und irgend ein rothwollener Unterrock, oder auch dann und wann ein schlankes hübsches Kind in dem kleidsam eng anschließenden Mieder der Backwoodsfrauen, nur die feinen rosigen Züge von dem unförmlichen Sonnenbonnet fast verhüllt, stieg die Bank zu ihm hinauf, eine widerspenstige Scheere, mit der der Vater oder Gatte so lange Bindfaden geschnitten hatte bis sie jeden weiteren Dienst verweigerte, wieder zu stellen und zu schärfen; oder der Flatbootman selber stieg langsam das Ufer hinan, ein riesiges langes Messer in der Hand, mit dem er Speck und Käse schneiden mußte, und das er auch gern schärfer haben wollte als es war. So lange er seinen Stein dann drehte, daß die hellen blitzenden Funken daraus vorblitzten, drängte sich ein Kreis von neugierigen Müßiggängern, von denen die Levée schwärmt, um ihn her, nicht selten fast mehr von der wunderlichen Gestalt des Mannes selber, als von seiner Arbeit ergötzt, bis er die ihm gebrachten Instrumente in Stand gesetzt, sein Geld dafür eingestrichen und sein Tragband wieder eingehakt hatte, mitten zwischen die Schaar, die ihm lachend Raum gab, mit einem deutschen »bitt' um Verzeihung« hineinzufahren. An manchen Stellen wurde er übrigens durch die dort aufgestapelten Fässer und Waaren in seiner Bahn aufgehalten, und mußte einen Umweg machen, den Hindernissen aus dem Weg zu kommen. Eben auch war er wieder einer Anzahl fettglänzender und entsetzlicher duftender Porkfässer ausgebogen, als er eine lachende Stimme seinen Namen nennen hörte. Wie er aber stehen blieb und sich überall vergebens nach einem bekannten Gesicht umschaute -- denn auf die Arbeitsleute, von denen ein großer Theil gerade Mittag gemacht, während das Ausladen noch nicht wieder begonnen hatte, achtete er gar nicht -- rief Einer der Flatboatleute, die zwischen den heraufgerollten Pork- oder Schweinefässern standen, und von der schmutzigen Arbeit und Schweiß und Sonne in ihren kurzen blauen Oberhemden und abgetragenen oder zerdrückten Strohhüten kaum eine Physionomie erkennen ließen, indem er dem Scheerenschleifer freundlich zunickte: »Aber Herr Maulbeere, kennen Sie mich nicht mehr?« »Wetter noch einmal,« sagte dieser, seinen Karren niedersetzend und die Gestalt erstaunt von oben bis unten betrachtend, »die Stimme ist mir bekannt und das Gesicht auch, hat wenigstens, wie Herr Schultze sagen würde, eine merkwürdige Ähnlichkeit mit einer Nebelkrähe oder einem Schornsteinfeger.« -- »Habe ich mich denn in den paar Tagen so merkwürdig verändert,« lachte der Mann, seinen Hut abnehmend, unter dem eine Fülle kastanienbraunen lockigen Haares vorfiel, »daß mich ein Reisegefährte und Coyennachbar nicht einmal mehr kennt?« »Herr Eltrich -- so wahr ich lebe,« sagte Maulbeere, jetzt aber wirklich auf das Äußerste erstaunt, »wie um Gottes Willen sehn Sie denn aber aus, und was machen Sie hier in _dem_ Aufzug und bei _der_ Arbeit?« »Mein Schicksal ist bald erzählt,« sagte der junge Mann mit lachendem Gesicht, aber doch kaum im Stand einen gewaltsam aufsteigenden Seufzer zu unterdrücken -- »kaum hier in New-Orleans angekommen ließ ich mir auf leichtsinnig kindische Weise -- ich war genug davor gewarnt worden -- und von dem Neuen was mich überall umgab beirrt, von dem Neger, der mein sämmtliches Gepäck auf seinem Karren hatte, dieses mit allen unseren Effekten, ein paar Kleinigkeiten die meine Frau in der Hand trug ausgenommen, entführen. Von Allem entblößt, was schon der einzelne Mann, wie viel mehr dann eine Familie zu ihrem Leben braucht, sah ich, wenn ich nicht rasche Anstalt machte Geld zu verdienen, unseren Untergang, oder doch einen Zustand grenzenloser Noth vor Augen. Vergebens lief ich dabei herum in meiner Kunst Beschäftigung zu erhalten -- ich konnte mich nicht einmal anständig kleiden, denn es war ja Alles zum Teufel, und mit dem etwas abgerissen aussehenden Menschen wollte sich Niemand einlassen. Wir aber brauchten auch außerdem Brod, die paar Dollar, die ich noch im Vermögen besaß, nahmen schon in der ersten Woche so rasend schnell ab, daß ich mir genau die Zeit berechnen konnte wo wir, wenn nicht irgend etwas geschah das aufzuhalten, auch ohne einen Pfennig dasitzen würden, und ich entschloß mich kurz und gut Arbeit zu suchen und zu nehmen, wo ich sie finden würde. Drei Tage lief ich auch hiernach vergebens herum; der gute Wille that es nicht allein, denn die wieder gesündere Jahreszeit in New-Orleans hatte eine wahre Unmasse von Arbeitern hierher zurückgeworfen, bis ich, eigentlich in letzter Verzweiflung diese Boote besuchend, Arbeit und guten Lohn auf einem von ihnen fand, das seine Leute, Streites halber, den sie mit dem Eigenthümer gehabt, entlassen hatte.« »Und _die_ Arbeit hier können Sie thun?« sagte Maulbeere, abwechselnd und erstaunt bald die leichte schmächtige Gestalt, und die sonst so feinen, jetzt fettbeschmutzten Hände des jungen Mannes, bald die schweren Pork- und Mehlfässer betrachtend, die um ihn her aufgestapelt lagen. »Der Mensch kann Alles was er _muß_,« lachte der junge Mann, »früher hab' ich es freilich selber nicht für möglich gehalten, jetzt aber geht es, und Alles berücksichtigt, sogar vortrefflich, denn ich verdiene, außer der Kost, einen Dollar den Tag, und befinde mich vollkommen wohl und gesund dabei.« »Und Ihre Frau?« »Pflegt zu Hause das Kind und weint und lacht, wenn sie mich in diesem Aufzug ankommen sieht -- ich habe sie aber noch nicht bewegen können, einmal mit dem Kleinen hier herunterzukommen und unserer Arbeit zuzusehen -- sie meint es bräche ihr das Herz.« -- »Bah,« sagte Maulbeere kopfschüttelnd, »wenn _Sie_ sich nicht den Rücken bei den verdammt schweren Fässern brechen, glaube ich nicht daß Gefahr für ihrer Frau Herz zu fürchten ist, aber -- was Leichteres wäre mir doch auch lieber -- ich weiß nicht, den Begriff Amerika habe ich mir anders gedacht, als Fässer gepökelten Schweinefleisches bergauf zu kullern.« »Ich auch lieber Maulbeere, ich auch, aber was wollen wir machen?« lächelte Eltrich, »Hunger thut weh und ehrliche Arbeit schändet hier nicht, das ist schon ein ungeheuerer Vortheil dieses freien Landes -- andere habe ich allerdings noch keine Gelegenheit gehabt kennen zu lernen.« »Es ist eine kleine, aber doch immer eine Empfehlung,« sagte Maulbeere achselzuckend, »und ungefähr so, als ob ich Jemanden in's Wasser werfe, und erlaube ihm dann das Maul zuzumachen und zu schwimmen -- und dafür 35 Thaler Gold Passage -- kommt mir beinah ein wenig theuer vor -- haben Sie die Fässer Pech -- oder ist das etwa gar Kolophonium? auch mit heraufgewälzt?« »Ja,« lachte Eltrich. »Stoffverschwendung,« murmelte Maulbeere zwischen den Zähnen durch, und setzte dann lauter hinzu, »nein, zu _solcher_ Arbeit möchte ich mich doch nicht verstehen; werde wenigstens suchen mich so lange davor zu bewahren als möglich. Meine Absicht ist hier in Amerika, so bald sich eine schickliche Gelegenheit dazu bietet, meinen Händen wie meinemersten linken Hinterbein, das nun so lange Jahre hat das Rad treten müssen, Ruhe zu gönnen, und mit dem Geist zu arbeiten.« »Aber wie wollen Sie das anfangen Herr Maulbeere?« »Daran arbeitet mein Geist eben noch,« sagte der Scheerenschleifer etwas geheimnißvoll, »der passende Zeitpunkt ist auch noch nicht gekommen -- sollte er nahen werde ich ihn nicht versäumen.« -- »Hallo _boys_ -- hier, macht daß die Sachen hinaufkommen!« unterbrach da eine Stimme vom Flatboot herauf, die Unterhaltung der beiden Reisegefährten -- »die Karren kommen da oben schon wieder zurück und wollen Ladung haben.« »Ich muß fort Herr Maulbeere,« rief Eltrich rasch, dem Mann die Hand entgegenstreckend, sie aber wieder zurückziehend -- »ich mache Sie schmutzig,« setzte er, dabei leicht erröthend, hinzu. »Ich wasche mich wieder,« sagte Maulbeere, ohne eine Miene zu verziehn, nahm die nochmals dargebotene Hand, schüttelte sie weit wärmer als das sonst seine Gewohnheit war, und blieb dann, während Eltrich wieder nach dem Boot hinuntersprang, noch eine Weile oben auf der Levée, die heiß niederbrennende Sonne nicht weiter beachtend, halten, zuzusehn wie sein Reisegefährte arbeite. Eltrich war dabei vielleicht der Einzige von den Zwischendeckspassagieren gewesen, mit dem er nie ein unfreundliches Wort gehabt, der ihn nie verspottet oder geärgert; Einer der Wenigen, dem, wie seiner Frau, man es auf den ersten Blick ansah, daß sie einst in besseren Verhältnissen und größeren Bequemlichkeiten gelebt, während sie sich doch alle Beide nie, auch über die größten Unannehmlichkeiten nicht, weder über Kost noch Raum beklagten. Das besonders hatte ihnen die Achtung dieses wunderlichen Zwitterdings von Thier und Mensch, des Scheerenschleifers, gewonnen, und wenn dieses Herz überhaupt einer solchen Regung fähig gewesen wäre, würde er den jungen Mann, der sich mit seinem schmächtigen Körper jetzt gegen ein ziemlich dreihundert Pfund schweres Porkfaß legte, und es mit triefender Stirn den Hang hinaufarbeitete, bemitleidet, ja ihm vielleicht irgend eine Hülfe angeboten haben, er hätte von vornherein überzeugt sein können daß sie Eltrich nicht annahm. Maulbeere wollte etwas derartiges aber auch nicht einmal riskiren, und nur nach einer Weile auf das Entschiedenste mit dem Kopfe schüttelnd, drehte er sich um, hakte sein Tragband wieder ein, und fuhr in seinem gewöhnlichen schwankenden Gang die Levée hinauf, der Dampfbootlandung zu. Über den freien, vor dieser Landung liegenden Platz, schritt ein Mann mit einer Frau. Der Mann trug einen Jagdranzen über der Schulter, die Frau ein, in ein rothes Tuch eingeknüpftes Bündel in der Hand, aber den Kopf blos dabei, die Haare wirr und ungemacht, und nur mit einem schwarzsammetnen Stirnband zusammengebunden, das vorn eine kleine unächte emaillirte Broche trug. Ohrringe und Halskette waren von demselben Metall, paßten aber wie das in grellbunten Farben prangende seidene Tuch, das sie um den Hals trug, schlecht zu den bleichen Wangen, den hohl liegenden stieren Augen, und die Leute die ihnen begegneten, und nicht gerade zu viel mit sich selber zu thun hatten, noch auf irgend etwas anderes zu achten, blieben stehn und schauten der wunderlichen, ja fast unheimlichen Gestalt nach, die wankenden Ganges neben dem Mann hinschritt, mit den Händen dabei focht, und einzelne unzusammenhängende Worte ausstieß. »Sei jetzt vernünftig Jule!« flüsterte ihr da der Mann, ihren Arm zu gleicher Zeit fassend daß sie vor Schmerz einen leisen Schrei ausstieß, zu -- »zum Donnerwetter noch einmal, alle Menschen, die uns begegnen, stieren uns an, und halten Dich am Ende noch für verrückt. Laß doch zum Teufel die Arme ruhig, was hast Du denn damit in einem fort in der Luft herumzufahren? Wenn Du mir nicht unterwegs wieder vernünftig wirst, weiß ich wahrhaftig gar nicht was ich mit Dir anfangen soll.« »Unterwegs? -- ja -- das ist gut,« sagte die Frau, leise vor sich hinlachend, »unterwegs -- wenn wir nur erst unterwegs wären -- ich sehne mich danach.« »Na dann geh auch ordentlich zu, und betrage Dich nicht so albern,« brummte der Mann, »sieh' das Boot raucht schon, wir müssen machen daß wir hinunter kommen.« »Herr Gott!« rief die Frau da, plötzlich stehen bleibend, und sich mit der linken Hand wild über die Stirn streichend, »wir haben -- wir haben etwas zu Haus vergessen!« »Vergessen?« sagte der Mann, sie fragend anschauend, »na was ist nun wieder los -- die Brieftasche? -- nein die habe ich hier, und das Geld ist auch da -- was hast Du denn vergessen?« »Die _Kinder_,« flüsterte die Frau, und ergriff heftig seinen Arm, der Mann aber schleuderte sie wild von sich; wie er jedoch sah daß mehr und mehr Menschen auf sie aufmerksam wurden, und stehen blieben und ihnen nachschauten, trat er rasch an die Frau wieder hinan, zog ihren linken freien Arm in den seinen, und sie wie mit eisernem Griffe haltend und mit sich fortziehend, zischte er ihr in's Ohr: »Bist Du denn ganz des Teufels, sinnloses Weib, hier auf offenem Platze den Unsinn auszuschreien? -- oder möchtest Du etwa mit den Amerikanischen Zellengefängnissen Bekanntschaft machen? Komm -- halte Dich fest an mich an und verlier Dein Bündel nicht; ein Glück daß die Leute kein Deutsch verstehn.« »Gehn wir denn hin wo sie sind?« frug die Frau rasch, immer noch an dem einen Bild sich anklammernd. »Mir wär's recht wenn Du's thätest,« rief der Mann in finsterem, kaum zurückgehaltenem Groll, »ich habe das Gewinsele und Geklage satt -- begreife überhaupt nicht, wie ich es so lang ausgehalten, und geb' Dir meinen Segen auf die Reise.« »Und ich _dürfte_ zurück?« rief die Frau rasch und heftig bewegt zu ihm aufschauend. »Treib' keinen Unsinn,« knurrte der Mann, »Du wärst's am Ende im Stande, ihnen gerade wieder in den Rachen zu laufen, und die Freude zu machen, daß sie Dich eine halbe Lebenszeit in's Spinnhaus stecken könnten. -- Dort liegt unser Boot -- alle Wetter, da geht auch ein alter Bekannter; noch von Bord her; kennst Du den, Jule?« »Laß den widerlichen Menschen,« sagte die Frau, in sich zusammenschaudernd. »Guten Tag Herr _Meier_!« rief in diesem Augenblick Maulbeere, der mit seinem Karren gerade an ihnen vorüber fuhr und den Hut in spöttischer Ehrerbietung tief gegen ihn schwenkte -- »bitte mich Ihrer Frau Gemahlin auf das Gehorsamste zu empfehlen.« Steffen, der seine rechte Hand in der Hosentasche stecken hatte, zog sie heraus, griff an die Mütze und ging steif und finster an dem, ihm aus mehr als einer Hinsicht verhaßten Scheerenschleifer vorüber. »Ein nobeles Pärchen,« murmelte dieser aber vor sich hin, als er, ohne sich nach den Beiden weiter umzusehn, an ihnen vorbei gefahren war, »ein _sehr_ nobeles Pärchen, das muß wahr sein. Gäbe auch was drum wenn ich wüßte was die einmal für ein Ende nehmen hier in Amerika -- jedenfalls auf Staatsunkosten, oder müßte mich sehr irren.« »Hallo Scheerenschleifer!« rief da eine laute fröhliche Stimme hinter ihm her -- »halt da, hier ist Arbeit für Euch.« Maulbeere hielt rasch still und sah sich nach dem Rufer um, der vorn auf dem Bug desselben Bootes stand, das der Mann von der Haidschnucke mit seiner Frau eben betreten hatte, und das an seinem Boilerdeck ein großes Schild mit seinem Namen »_The backwoods queen_« und dem Bestimmungsort _St. Louis_ trug. »Ist denn heute die ganze Haidschnucke über die Landung hier weggeschüttelt?« murmelte der Scheerenschleifer erstaunt zwischen den Zähnen durch, als er wieder einen seiner Reisegefährten, ebenfalls als Bootsmann gekleidet, gar nicht weit von sich entfernt stehen und winken sah, »und blaue verdammt kurze Hemden scheinen ein ordentlicher Modeartikel zu sein -- hm, hm, hm, Herr Donner als Matrose auch nicht übel; Zachäus Maulbeere darf da, seinen größeren Fähigkeiten entsprechend, wohl bald erwarten Capitain zu werden.« »Nun Maulbeere wie gehn die Geschäfte?« rief ihm Georg Donner noch einmal zu, und kam dann über die Laufplanke, seine beiden Daumen vorn in dem breiten Ledergürtel, der seine Hüften umschloß, herüber an Land -- »Wetter noch einmal Mann, Ihr seht noch genau so aus wie an Bord, und habt Euch nicht im mindesten amerikanisirt.« »Hätte bald 'was gesagt« brummte Maulbeere, die Gestalt vor sich mit einer eigenen Mischung von Spott und Humor betrachtend; »aber was thun Sie hier eigentlich, und wie sehn Sie aus?« Maulbeere hatte allerdings Ursache so zu fragen, denn mit Georg Donner schien jedenfalls eine ganz eigenthümliche und große Veränderung vorgegangen zu sein. Schon in seinem Äußeren war er ein anderer Mensch geworden, der den dunklen Rock ab- und ein kurzes blaues Matrosenhemd übergeworfen hatte, das in der Mitte von dem schon erwähnten Ledergürtel zusammengehalten wurde. Die Beine staken in Hosen von demselben einfachen Stoff, sein blaugestreiftes Hemd hielt ein schwarzseidenes in einen Matrosenknoten geschlagenes Halstuch zusammen, und das dunkle lockige Haar deckte eine blauwollene schottische Mütze, während an dem Gürtel ein kurzes Matrosenmesser mit hölzernem Griff und in lederner Scheide hing. Aber das nicht allein -- sein ganzes Wesen hatte das ernste, träumerische verloren das ihm an Bord so eigen gewesen, und war frei und entschlossen, ja fast keck geworden, ohne jedoch dadurch irgend etwas von seiner offenen Ehrlichkeit verloren zu haben. Er lachte, als er den schmutzigen verdrossenen Burschen, der ihm immer in seinem ganzen Wesen viel Spaß gemacht, noch eben so sauertöpfisch, bis in dasselbe Knopfloch hinauf eingeschnürt, und ohne die Spur von irgend einer reinen Wäsche vor sich stehen sah, besserte aber dadurch Maulbeeres Laune keinenfalls. »Wie ich aussehe, mein würdiger Maulbeere?« lachte Donner, »wie ein Mann der entschlossen ist seinen Weg in Amerika zu machen, und das Land zu sehn und kennen zu lernen.« »Um das Land kennen zu lernen gehn Sie auf's Wasser?« sagte der Scheerenschleifer, seine Stirnhaut zu unzähligen Falten zusammenziehend -- »auch nicht übel, und als was? -- Capitain, Steuermann, Koch, Ingenieur?« »Nichts von alle dem Kamerad« lachte der junge Mann, »zu so hohen Posten kann man erst avanciren, wenn man von der Pike auf gedient hat; vorerst mache ich eine Reise als Feuermann mit.« »Als Heizer an Bord?« frug Maulbeere wirklich erstaunt. »Als Heizer« bestätigte Donner lachend, »mit dreißig Dollar monatlichem Gehalt, und frei Kost und Logis, Whiskey, Zucker, Kaffee und wie die Vortheile alle heißen, die uns das wackere Boot bietet.« »Sind Sie bei dieser Anstellung als _Lehrling_ oder gleich als _Geselle_ eingetreten?« frug Maulbeere, der sich noch immer nicht an dem Costüm seines früheren Reisegefährten satt sehn konnte. »Als Geselle, Herr Maulbeere, als Geselle, und Sie sollten einmal sehn wie ich die Schürstange schwingen werde.« »Kann ich mir lebhaft denken« betheuerte der Scheerenschleifer, sein Gesicht in einen förmlichen Knoten zusammendrückend -- »kann ich mir lebhaft denken -- ist auch eine recht passende Beschäftigung für einen Pastors-Sohn.« »Schadet Nichts Maulbeere« lachte aber der junge Mann, »nur ehrlich und rechtschaffen gehandelt und sich sein Brod selber erarbeitet, auf das Übrige kommts dann nicht an; ob ich einen Frack oder ein Schurzfell trage, und _durch_ komm' ich, darauf können Sie sich verlassen, so lange mir Gott meine Gesundheit und meine gesunden Glieder läßt. Übrigens sind noch ein paar Bekannte von Ihnen hier an Bord« setzte er rasch hinzu -- »Carl Berger, der Deserteur, und Herr Schultze aus Hannover.« »_Auch_ Feuermann?« rief Maulbeere rasch und erstaunt. »Der erste ja, der letzte nicht« lachte Georg Donner -- »sollte sich nicht übel mit der Schürstange ausnehmen, und würde das Feuern wohl kaum vierundzwanzig Stunden aushalten; er geht als Passagier, glaub' ich, nach St. Louis.« »Hm« brummte Maulbeere vor sich hin -- »alle Welt geht fort von hier; wenn ich wüßte daß es im Lande besser wäre, schöb ich meinen Karren auch an Bord.« »Scheeren und Messer wird's überall zu schleifen geben« sagte Donner. »Die Möglichkeit ist vorhanden daß ich mir in Zukunft meine eignen Messer schleifen _lasse_« sagte Maulbeere. »Oho?« rief Donner verwundert aus, »ja wenn Sie solche Pläne haben, Freund Scheerenschleifer, dann ist doch wohl New-Orleans der beste Platz, galopirende Speculationen rasch zur Ausführung zu bringen; ich wüßte übrigens eine für Sie.« »Eine Speculation? -- und die wäre?« »Haben Sie die riesenhaften Ankündigungen von Stiefelwichse gesehn, die überall in der Stadt an den Straßenecken kleben?« »Allerdings -- wo sich der Neger vor dem Stulpenstiefel rasirt« feixte Maulbeere, dem die Idee ungemein gefallen. »Dieselbe!« lachte Donner, »wenn Sie Ihren Stiefeln im Stande sind halb den Glanz zu geben den das Schultertheil Ihres Rockes hat, so ist Ihr Glück gemacht.« »Hören Sie einmal mein lieber Herr Donner« sagte aber jetzt Maulbeere gereizt, und mit einem fast boshaften Lächeln in den entsetzlich häßlichen Zügen -- »wenn Ihre Feuer nicht besser scheinen werden als Ihr Witz, so glaub' ich, käm' ich eher mit meinem Schiebkarren nach St. Louis hinauf, wie Sie mit Ihrem Dampfboot -- wer weiß ob mein blanker Rock nicht noch länger hält als Ihr blaues Hemd, und Sie im nächsten Winter nicht vielleicht Gott danken würden, einen so warmen Überzieher zu haben.« »Frieden, würdiger Greis, Frieden« lachte der junge Mann, »die Bemerkung war keineswegs böse gemeint und sollte Sie nicht beleidigen -- im Gegentheil hab' ich sogar eine Bitte an Sie, mir nämlich über ein paar junge Leute von unserem Schiff Auskunft zu geben, die Sie gewiß nicht, wenigstens trau' ich das Ihrem Scharfblick kaum zu -- aus den Augen verloren haben.« »Und die wären?« -- sagte Maulbeere immer noch mistrauisch den jungen Burschen dabei betrachtend. »Was ist aus dem Doktor Hückler geworden?« sagte dieser -- »ich habe ihn nicht wieder gesehn, seit er an jenem ersten Landungsabend unser Schiff verließ.« »Wohnt jetzt in ---- _street_« sagte Maulbeere, »führt ein großes Schild über der Thür _J. A. Hückler_, deutscher Doktor und Geburtshelfer« schmunzelte Maulbeere -- »und rechts und links an dem Schild hat er sich ein paar große schwarz-roth-goldene Kokarden malen lassen.« Georg Donner lachte. »Der wird sein Brod schon hier finden« sagte er achselzuckend, »wer kann's ändern; vielleicht haben die Leute recht, die da behaupten, in Amerika _wollten_ die Menschen betrogen sein.« »_Vielleicht_ haben sie recht,« brummte Maulbeere vor sich hin -- »da ist gar kein vielleicht dabei, und wer hier seine _Knochen_ einsetzt, muß gewöhnlich die Haut mit in Kauf geben -- ich gedenke hier _Gerber_ zu werden -- aber nach wem wollten Sie noch fragen?« »Haben Sie von Henkel und seiner Frau Nichts gehört?« »Hm -- « sagte Maulbeere, sich mit der linken Hand die grauen Kinnstoppeln streichend -- »gehört gerade nicht, aber gesehn.« »Gesehn? -- was?« »Nun wie sie von Bord ging« sagte Maulbeere. »Die arme Frau -- ob sie sich wohl erholt hat -- « »Wunderliche Geschichte das,« meinte Maulbeere. »Ich glaube nicht daß die Krankheit von Bedeutung war« sagte Donner, die Bemerkung darauf beziehend -- »Ruhe und nahrhafte Kost werden sie wohl bald wieder hergestellt haben. Ich hätte sie gern einmal wieder besucht und mich nach ihrem Befinden erkundigt, mochte sie aber doch auch nicht stören -- wissen Sie nicht wo sie wohnen?« »Wer? -- die Frau mit dem Mädchen?« »Henkels -- « »Möglich daß sie sich wieder zusammengefunden haben,« meinte Maulbeere trocken -- »im Anfang waren sie auseinander.« »Wie so?« frug Donner erstaunt. »Nun die Madame ist in _ein_ Hotel gezogen, und der Herr in ein anderes« meinte Maulbeere -- »waren lange genug zusammen an Bord, und Amerika ist ein freies Land.« »Unsinn« sagte der junge Mann lachend, »da haben Sie sich etwas aufbinden lassen, Herr Maulbeere -- Henkel wird sich hüten und seine junge, wunderhübsche Frau in ein anderes Hotel ziehen lassen -- ich möchte nur wissen ob sie sich wieder vollkommen wohl fühlt.« »Könnten Sie am Besten wissen, wenn Sie wären zu finden gewesen« sagte Maulbeere trocken. »Zu finden gewesen? -- was wollen Sie damit sagen?« »Daß Sie das kleine Ding -- wie hieß das Mädchen doch, das in der Cajüte die Kammerjungfer spielte? -- « »Hedwig!« rief Donner schnell. »Ja wohl, Hedwig, daß Sie die wie eine Stecknadel in der ganzem Stadt gesucht und mich, den sie zufällig auf der Straße traf, auch nach Ihnen gefragt hat.« »Guter Gott, hätte ich nur eine Ahnung davon gehabt« rief Georg, »aber was wollte sie von mir -- ärztliche Hülfe?« »Nun was sonst? -- die Frau lag lebensgefährlich krank und sie hatten, wie sie sagte, kein Vertrauen zu einem Amerikanischen Arzt; müßte mich übrigens sehr irren, wenn nicht vielleicht ebenso wenig Geld wie Vertrauen -- .« »Eben so wenig Geld? -- Unsinn, ihr Vater ist Einer der reichsten Leute in Heilingen und ihr Gatte Herr oder Erbe einer halben Million -- .« »Ja -- ist recht schön, aber wie mir jetzt scheint, ist die halbe Million noch nicht reif, und muß erst noch eine Weile hängen. Die junge Mamsell habe ich indessen zu Herrn Doktor Hückler geschickt, der sein Schild gerade an dem Tage aufgemacht; von dem wollte sie aber Nichts wissen und ging traurig fort.« »Und welches Hotel war das?« rief Georg rasch. »Ja, das weiß ich nicht mehr« sagte Maulbeere. Das scharfe Läuten der Bootsglocke von der _Backwoods queen_ unterbrach ihre Unterhaltung. »An Bord da Ihr Leute, an Bord! Höll' und Verdammniß, was steht Ihr da draußen herum und habt Maulaffen feil. -- An Bord jeder Mutter Sohn von Euch, wenn ich Euch nicht Beine machen soll -- .« »Wenn ich nicht irre« sagte Maulbeere freundlich, »so ersucht sie der Mann da drinnen doch gefälligst zum Kaffee hinein zu kommen, nicht wahr?« »Lieber Gott!« rief Georg, die spöttische Bemerkung ganz überhörend, »daß ich jetzt hierher gebannt sein muß, und keine Zeit mehr übrig habe sie aufzusuchen.« »Würden in dem Costüm auch außerordentlich achtbar und vertrauenweckend aussehn« bemerkte der Scheerenschleifer. »Holla an Bord da -- Ihr, Dutchman dort drüben mit der schottischen Mütze -- wie heißt der Bursche gleich -- heh, George, an Bord hier, hört Ihr nicht, oder soll' ich Euch Beine machen?« »Gleich, gleich!« rief der junge Mann ängstlich und ungeduldig mit dem Fuße stampfend, »ich wollte meine acht Tage Lohn, die ich hier schon an Bord gearbeitet habe, einbüßen, wenn ich nur zwei Stunden Raum jetzt hätte die arme Dame zu suchen, und zu erfahren wie es ihr geht.« »Haben drei Wochen Zeit gehabt und nicht daran gedacht« meinte Maulbeere ruhig, »woher kommt jetzt auf einmal die Eile?« »Wollen Sie mir einen Gefallen thun, lieber Maulbeere?« »_Lieber_ Maulbeere« sagte der Scheerenschleifer still vor sich hin lachend -- »_lieber_ Maulbeere, wie zärtlich das klingt -- und was wär's?« »Wollen Sie die Frauen auskundschaften?« »Die Mamsell meinte, Madame Henkel hätte sich schon unendlich nach mir gesehnt -- wenn die Sache nur nicht zu gefährlich ist.« »Wollen Sie ihnen sagen, daß ich keine Ahnung gehabt hätte, sie bedürften meiner Hülfe, in vierzehn Tagen aber spätestens kehre mein Boot nach New-Orleans zurück und ich stünde dann ganz zu ihren Diensten, ihre Adresse sollen sie mir unter meinem Namen auf die Post legen.« »Ich soll doch sagen, daß Sie _Schiffsdoktor_ an Bord geworden wären?« frug Maulbeere. »Sagen Sie die _Wahrheit_,« rief Georg, »das ist immer das Beste; aber adieu Maulbeere -- ich muß wahrhaftig fort.« »Der Kaffee wird kalt« meinte dieser. -- »Sie ziehen die Planken schon ein!« rief der junge Mann, »leben Sie wohl, und wenn ich Ihnen je wieder einen Dienst erweisen kann, zählen Sie auf mich!« »Werft das Tau da los!« rief ihm in diesem Augenblick die Stimme des Steuermanns zu, der vorn auf dem Bug stand und das in den Strom Gehen des Bootes leitete -- »das Tau da vorn in dem Ring an Land, wo der Baboon von einem Menschen steht -- siehst Du nicht?« Maulbeere, der mit dem Baboon gemeint war, verstand glücklicher Weise nicht was der Mann auf Englisch rief, Georg aber warf das Springtau, an dem der Vordertheil des Bootes noch an Land befestigt war, los, wieder tönte die Glocke, die letzte Planke, auf der der junge Mann kaum Zeit behielt an Bord zu laufen, wurde eingezogen, und Georg Donner winkte noch einmal von Bord aus, dem am Ufer zurückbleibenden Maulbeere mit der Hand, was dieser, sehr zum Ergötzen der übrigen Feuerleute und Deckhands, mit einer sehr tiefen und ehrfurchtsvollen Verbeugung, bei der er den alten Hut in der Luft schwenkte, erwiederte, dann aber seinen Karren aufnehmend vor sich hinmurmelte: »Lieber Maulbeere, ja wohl -- _lieber_ Maulbeere -- Angenehmen spielen und Maulbeere soll Bote spielen -- bah -- werde ihm selber eine Adresse auf die Post legen, die ihn freuen soll -- .« Und der Scheerenschleifer fuhr, von dem Gedanken ergötzt, still vor sich hinschmunzelnd die Levée entlang. Capitel 5. Literarische Bekanntschaften. In New-Orleans, in der ---- Straße, an der untern Ecke des Marktes stand ein schmales hohes, aus rothen, unbeworfenen Backsteinen errichtetes Haus, das über seine ganze Breite hin ein mächtiges, weißlackirtes Schild und auf diesem die Worte: _»Expedition der New-Orleans Biene«_ trug. An der Thüre unten war noch ein kleines deutsches Schild angebracht, das die »Office« des »Editors« oder Redakteurs als eine Treppe hoch liegend, und die Stunden von zehn bis zwölf Vormittags, wie von drei bis fünf Uhr Nachmittags als die passendsten bezeichnete, ihn zu sprechen. Es war etwa halb vier Uhr Nachmittags Anfangs November jenes Jahres, als ein junger Mann, sehr anständig gekleidet, in schwarzem Frack, dunklen Beinkleidern und Handschuhen, seinen Hut vielleicht der Wärme wegen in der Hand, das Haus erreichte, das kleine Schild unten durchlas, sein Haar dabei etwas ordnete, und dann die ziemlich steile, noch ganz neue Treppe langsam hinanstieg. Er trug ein fest eingeschlagenes Packet, das möglicher Weise Manuscript enthielt, unter dem linken Arm, und klopfte leise an die mit einem entsprechenden Schild bezeichnete Thür. »_Walk in!_«[12] »Habe ich das Vergnügen mit Herrn Doktor Rosengarten zu sprechen?« »Bitte -- ich bin kein Doktor -- aber mein Name ist Rosengarten; mit wem habe ich die Ehre?« »Theobald -- Fridolin Theobald -- Lyrischer Dichter und Schriftsteller im Allgemeinen, aus Deutschland« stellte sich unser Freund dem kleinen, etwas schwärzlich aussehenden Manne selber vor, indem er ihm eine, gewissenhaft an der Ecke eingedrückte Visitenkarte überreichte. »Und womit kann ich Ihnen dienen?« sagte Herr Rosengarten, einen etwas mistrauischen Blick nach dem Packet werfend, das jener unter dem Arme trug -- »wohl erst ganz kürzlich von Deutschland gekommen, wenn man fragen darf?« »Seit etwa drei Wochen« sagte Herr Theobald, indem er anfing sein Packet aus einem großen Bogen Makulatur herauszuwickeln, »und wollte mir nur die Freiheit nehmen, Ihnen hier Einiges für Ihr sehr geschätztes Blatt anzubieten.« »Ah, Sie sind sehr freundlich« sagte Herr Rosengarten etwas verlegen, indem er nach seiner Brille auf dem neben ihm stehenden Schreibtisch herumfühlte, die gefundene aufsetzte und beide Hände dann, als ob er nicht voreilig damit zu sein wünschte, in seine Rocktaschen schob. »Ich habe hier zweierlei,« sagte Herr Theobald mit einer leichten Verbeugung, »was Beides, wie ich kaum zweifle und wovon Sie sich auch wohl bald überzeugen werden, nicht geringes Furore beim Publicum machen wird. Ich will und möchte nicht gern unbescheiden sein, aber ich weiß, daß der Erfolg nicht fehlen kann. Sie haben doch vollständige Preßfreiheit hier in Amerika?« »Vollständige« versicherte Herr Rosengarten, mit einem sehr entschiedenen Kopfnicken. »Ihre Constitution garantirt es Ihnen wenigstens -- .« »Ah, und wir wissen es aufrecht zu erhalten« betheuerte Herr Rosengarten »der Präsident in seinem Weißen Hause ist nicht sicher angegriffen und seiner verborgensten Fehler wegen öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.« »Schön -- sehr schön« rief Herr Theobald -- »Gott sei ewig gedankt, daß ich endlich einmal diesen Engelsgruß, wenn ich mich so ausdrücken darf, von geweihten Lippen aussprechen hören kann. -- Sie sind auch Schriftsteller, nicht wahr? -- « »Hm -- ja« sagte Herr Rosengarten mit einem bescheidenen Blick nach dem breiten, halbgeöffneten Glasfenster, das ihn von der Druckerei trennte -- »eigentlich Buchdrucker -- die Ausstattung unserer Sachen läßt Nichts zu wünschen übrig, aber die leichten Sachen, die Leitartikel vorn im Blatt, und die Angriffe auf die Gegenparthei, schreib ich gewöhnlich selber.« »Ihr Blatt ist rein demokratisch?« »Diamant« sagte Herr Rosengarten, »das heißt« setzte er rasch hinzu -- »Sie werden mich wohl verstehn, was man damit sagen will -- Demokrat den Grundsätzen, aber nicht immer den Principien nach.« »Das verstehe ich allerdings _nicht_« sagte Theobald erstaunt. »Nun ich meine« versicherte der Editor der New-Orleans Biene, »daß wir grundsätzlich reine Demokraten sind, und die demokratischen Principien auch in unserem Blatt, gerade im demokratischen Sinne aber auch die allgemeinen Menschenrechte vertreten, zu denen die Whigs als unsere Brüder eben so gut gehören, und solcher Art denn eine Verschmelzung der beiden Partheien zu vermitteln suchen. Wissen Sie« fuhr er fort, als ihn der Fremde immer noch nicht zu begreifen schien, »die Demokraten sind gewöhnlich ungemein enthusiasmirt für ihre Sache, aber -- nur ein sehr geringer Theil von ihnen befindet sich in hinlänglich günstigen pecuniären Verhältnissen, nicht allein eine Zeitung zu lesen, sondern auch zu halten und -- was die Hauptsache ist, auch zu bezahlen, während die Whigs besonders zeitweise, auf höchst liberale Weise auch die kleinste Vergünstigung anerkennen -- ich weiß nicht ob ich mich deutlich genug ausgedrückt habe.« »Ich muß allerdings gestehn, daß ich das noch nicht ganz vollkommen begreife« sagte Herr Theobald. »Es ist unser Princip, im ächt demokratischen Sinne« sagte Herr Rosengarten, »_beiden_ Theilen _gerecht_ zu werden; wir stehen, um ihnen gewissermaßen durch ein Beispiel unser Ziel anschaulich zu machen, in Fechterstellung, bei zurückgeworfenem Körper mit dem linken Fuß auf der Demokratie, mit dem rechten den Whiggismus nur allerdings leicht berührend, nur danach fühlend, aber jeden Augenblick bereit uns im Angriff momentan ganz darauf zu werfen, und dann nur wieder zum Schutz auf den linken Fuß zurückzufallen.« »Aber gegen _wen_ kämpfen Sie dann?« sagte Herr Theobald, wirklich selber confus gemacht durch diese Erklärung, in sehr natürlicher Frage. »Gegen Jeden der uns angreift,« sagte Herr Rosengarten schnell -- »die Biene kann auch stechen, mein verehrter Herr« -- er warf einen raschen Blick auf die vor ihm liegende Karte -- »mein verehrter Herr Theobald; die Biene kann auch stechen, trotz ihrem Fleiß mit dem sie Wachs für ihre Zellen, Honig für ihre Leser einträgt. Wir haben uns dabei mit den besten Kräften Amerikas verbunden,« setzte er mit innigem Selbstgefühl hinzu, »und wissen, daß wir dem Publikum etwas Gediegenes, Solides bieten können.« »Sie bringen aber, wie ich gesehen habe, außer der Politik auch Erzählungen, Novellen und Lyrik« sagte Herr Theobald. »Gewiß, oh sicher« betheuerte Herr Rosengarten, »nur durch Mannichfaltigkeit kann sich ein Blatt in Amerika halten.« »Und verschmähen dabei gewiß nicht Artikel, welche auf die Verbesserung der Cultur, der Zustände hinarbeiten, und diese, wo sie unzweckmäßig oder faul sind, rügen?« »Gewiß nicht« sagte Herr Rosengarten rasch und erfreut, »wir suchen sogar etwas darin, mit sämmtlichen Zuständen unzufrieden zu sein, und indem wir Viel, _sehr_ viel verlangen, wenigstens _etwas_ dadurch zu erreichen. Wenn sie Amerika näher kennen lernen, werden Sie uns ganz recht geben.« »Ich habe schon jetzt einige Erfahrungen gemacht« versicherte ihm Herr Theobald, »die mich veranlassen Ihnen in mancher Hinsicht beizustimmen, und die Zeit die ich in Amerika zubringe, nicht allein benutzt frische Eindrücke zu sammeln und Beobachtungen und Vergleiche anzustellen, sondern auch diese Beobachtungen und Resultate niederzuschreiben. Nun muß ich Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich bis jetzt der Tagespresse nicht solche Macht zutraute, auf die öffentliche Meinung zu wirken, indem ein Journal, ob es nun täglich oder wöchentlich erscheint, mit der nächsten Nummer schon gewissermaßen bei Seite geschoben wird und veraltet ist; der Buchhandel dagegen auf einer, von jedem anderen Lande unerreichten Stufe steht, und die Exemplare populär gewordener, oder in die Zeitumstände eingreifender Werke, in einer enormen Masse in das Volk geworfen und verbreitet werden. Ich habe in diesen letzten Tagen deshalb auch versucht meine Beobachtungen, in Verbindung mit einigen anderen literarischen -- und wie ich mir schmeicheln will nicht ganz werthlosen Artikeln, als Band vereinigt, hier bei einem der ziemlich zahlreich vertretenen Buchhändler herauszugeben, aber eine solche grenzenlose Apathie bei ihnen gefunden, daß ich wirklich erstaunt bin.« »Sie haben es nicht drucken wollen?« sagte Herr Rosengarten, etwas derb der Sache gleich auf den Grund gehend. »Nun das will ich gerade nicht sagen,« parirte Theobald den Stoß auf seine Eitelkeit, »aber sie machten mir so viele Umstände und Schwierigkeiten, daß ich es in Widerwillen aufgab mit ihnen in irgend eine Geschäftsverbindung zu treten. Die Sache selber aber ist zu wichtig, im speciellen Fall für Louisiana, in seinem ganzen Umfang aber auch für die Vereinigten Staaten von Amerika, sie aufzugeben, und ich bin es als Schriftsteller der Welt schuldig dem Ungethüm, das seine Fittige drohend über das wunderschöne Land breitet, wenn ich ihm nicht gleich einen Stoß in's Herz versetzen kann, eine so gefährliche Wunde als möglich beizubringen, damit es unter den nach und nach auf es geführten Streichen endlich verblutet.« »Und welches Ungeheuer meinen Sie?« frug Herr Rosengarten gespannt. »Welches Ungeheuer? -- die Sclaverei!« »Ja mein lieber Herr Theobald,« sagte da der kleine Redakteur, sich wie verlegen die Hände reibend, und die Schultern hinaufziehend, »da sind Sie allerdings gleich auf den wundesten Fleck gekommen.« »Nicht wahr?« rief der Dichter erfreut. »Ja wohl, ja wohl, aber -- « »Aber?« -- »Das ist eine Geschichte,« setzte Herr Rosengarten hinzu, »an der wir uns nicht die Finger verbrennen dürfen.« »Die Finger verbrennen? -- ich verstehe Sie nicht -- haben Sie mir nicht selbst gesagt daß Sie hier vollständig freie Presse -- « »Ja, vom Staat aus,« unterbrach ihn der Redakteur, »aber was will ich machen, wenn mir ein Haufen zügellosen Gesindels hier in meine Officin bricht, meine Pressen zerstört, meine Buchstaben aus dem Fenster wirft, und mich selber mishandelt oder gar todt schlägt?« »Aber ich bitte Sie um Gotteswillen, so etwas kann doch in einem gesetzlich organisirten Staat nicht vorkommen?« »_Kann_ nicht vorkommen,« wiederholte Herr Rosengarten achselzuckend, »_ist_ aber vorgekommen, und zwar schon diverse Male in den civilisirtesten Staaten, in Philadelphia und New-York, in Cincinnati und hier selbst in New-Orleans. Lassen Sie hier Jemanden leichtsinnig, oder ich möchte fast sagen _wahnsinnig_ genug sein den Beinamen _Abolitionist_ zu verdienen, und er wird finden daß es etwa denselben Erfolg hat, als ob man irgend einem ausreißenden Köter das Wort »toller Hund« nachruft; wer irgend etwas Werfbares in der Geschwindigkeit aufraffen kann, wirft es nach ihm, und haben sie ihn dann todt geschlagen, geben sie sich vielleicht die Mühe sich zu erkundigen ob er auch wirklich toll, oder was hier dasselbe sagen will, ein Abolitionist gewesen.« »Aber das können sie ja dann doch keine freie Presse nennen?« rief der Dichter in Verzweiflung aus. »Warum nicht?« sagte Herr Rosengarten achselzuckend, »wir dürfen über Alles schimpfen was vorkommt. Lesen Sie die verschiedenen Zeitungen der Gegenparthei bei einer Präsidentenwahl, und sein Sie versichert daß Sie glauben würden der Candidat für diese erste Würde der Vereinigten Staaten verdiene eher lebenslängliche Zuchthausstrafe, als den Ehrensitz im weißen Hause zu Washington, so wird über ihn los gezogen. Alle unsere Institutionen dürfen Sie angreifen, jede Magistratsperson nach Herzenslust, natürlich vorausgesetzt daß Sie sich außer dem Bereich einer Privat-Injurienklage halten, und Sie werden durch Niemanden darin beschränkt werden.« »Nur nicht die Sclaverei darf man bei ihrem Namen nennen?« rief Theobald in gereizter Bitterkeit. »Beileibe nicht,« sagte der Redakteur, »das ist der wunde Punkt der südlichen Staaten, die recht gut wissen welchen Makel sie dadurch auf sich haften haben, aber auch nicht Aufopferung genug besitzen ihn mit einem Schlage von sich abzuschütteln, und nun ängstlich wachen daß Niemand an die schon so oft berührte und allerdings etwas schadhaft gewordene Geschichte stößt, sie nicht am Ende doch einmal über den Haufen zu werfen. Aber lassen Sie das gut sein, damit werden Sie, nur erst einmal ein halbes Jahr bei uns, schon noch vertrauter werden, und dann wohl einsehn wie recht ich heute habe Ihnen das zu sagen. Für jetzt zeigen Sie mir einmal was Sie sonst noch -- das heißt _nicht_ die Sclavenfrage, selbst nicht im Gedicht berührend -- bei sich haben, und wir wollen dann sehn was wir davon gebrauchen können. Ich weiß schon, junge Schriftsteller wünschen ihre Sachen gern gedruckt zu haben, und man muß sie darin unterstützen.« »Sie sind unendlich freundlich, bester Herr Doktor, Herr Rosengarten wollte ich sagen -- aber sollte es denn gar nicht möglich sein auf irgend eine Weise gerade dieser Frage beizukommen?« »Thun Sie mir den einzigen Gefallen und bleiben Sie mir mit allen solchen Sachen vom Leibe,« rief aber der Redakteur ganz entschieden, indem er seine Hand in Erwartung des Manuscripts dem jungen Mann entgegenstreckte; »lassen Sie uns sehn was sie sonst haben, und Alles was sich auf Sclaverei etc. bezieht schließen Sie, wenn Sie meinem Rath folgen wollen, so lange Sie sich in irgend einem Sclavenstaat aufhalten, in Ihren Koffer, oder noch besser, stecken es in das erste beste Kamin das Sie erreichen können; da sind Sie sicher daß es Ihnen weiter keine Unannehmlichkeiten über den Hals bringt. Also was haben wir denn hier?« fuhr er, die überreichten Papiere durchblätternd, fort, »ein kleines Bändchen Gedichte.« »Werden wir in des Lebens Wirren Manchmal fehlen, manchmal irren, Oder giebt unsres Sternes Sichtung Unserem Dasein andere Richtung, Blüht uns doch in des Herzens Tiefen, Wo die Gedanken ruhend schliefen, Neues Gebären, neues Entstehn -- Neues Erwachen -- neues Vergehn!« »Sehr brav -- vortrefflich -- wirklich neue Gedanken und ganz originell ausgedrückt; hm -- da sind ja eine ganze Menge; auch an Amerika -- »Ein Fels im Meere -- und doch so warm, Den Fremden, Bedrückten, politisch Todten Die helfende Hand und den starken Arm Gastfrei zu ehrlichem Schutz geboten, so entsteigst Du dem Meere, so liegst Du da, Gegrüßt und gesegnet -- Amerika!« sehr brav, ganz vortrefflich -- ungemein viel Gefühl -- wird meinem Blatt alle Ehre machen. -- Und das Andere?« »Sind kleine Erzählungen, die mir in Deutschland die Censur gestrichen -- Dorfgeschichten aus dem Jammerleben der Proletarier -- Hofgeschichten aus vorzüglichen Quellen, überall mit den wirklichen Namen, für deren Wahrheit ich Ihnen garantire.« »Vortrefflich -- ganz vortrefflich -- etwas derartiges können wir brauchen, apropos Herr Theobald -- wo logiren Sie denn eigentlich, daß wir Ihnen ein Exemplar unserer Biene regelmäßig zusenden können?« »Oh Sie sind zu freundlich,« sagte Herr Theobald, »ich habe die ersten vierzehn Tage im »deutschen Vaterland« gewohnt, bin aber da so furchtbar und auf so raffinirte Weise geprellt worden, daß ich, selbst mit Aufopferung eines Theils meiner Wäsche, die mir abgeleugnet wurde, auszog, und jetzt in einem anderen deutschen, etwas besseren Kosthaus, bei Herrn Weiß, logire.« »Ah ich weiß schon -- nicht weit vom unteren Markt; werde mir Ihre Adresse notiren, und wenn ich Ihnen sonst mit etwas dienen kann, bin ich mit Vergnügen dazu bereit.« Herr Rosengarten war aufgestanden und Theobald fühlte daß der Redakteur der Biene mehr zu thun hatte, als sich den halben Tag mit ihm zu beschäftigen. Nichts destoweniger lag ihm noch eine schwere und jedenfalls unangenehme, aber auch nicht zu umgehende Frage auf den Lippen, die er lieber von der anderen Seite hätte angeregt gehabt. Da das aber nicht geschah mußte er es selber thun. »Und wie halten Sie es mit dem Honorar, wenn ich fragen darf, verehrter Herr Rosengarten?« sagte er schüchtern. »Mit dem Honorar?« wiederholte Herr Rosengarten ungemein überrascht. »Für diese Sachen hier mein ich -- honoriren Sie Gedichte und Prosa in _einem_ Verhältniß, oder machen Sie einen Unterschied darin?« »Honoriren? -- ja so, Sie verlangen _Honorar_ für Ihr Manuscript?« sagte Herr Rosengarten, allem Anschein nach ungemein überrascht. »Ja mein bester Herr« bemerkte Theobald, sich verlegen lächelnd die Hände reibend -- »wenn wir _kein_ Honorar bekämen, wovon sollten wir Schriftsteller denn da eigentlich leben?« »Ah? -- leben Sie wirklich _nur_ vom Schreiben?« frug der Redakteur mit unverstellter Überraschung. »Allerdings -- Sie doch auch.« »Ich? -- doch nicht so ganz« bemerkte der Redakteur, wieder mit einem Seitenblick auf die im Nebenzimmer befindliche Druckerei »ich habe auch durch jene meine Beschäftigung und -- meinen Verdienst -- mit Schreiben allein wird sich wohl kaum Jemand hier in Amerika ernähren und über Wasser halten können.« »Aber es giebt doch eine Menge Amerikanischer Schriftsteller und Dichter. -- « »Ja Amerikaner, die haben auch ein großes Publicum, aber wir Deutschen, mein guter Herr Theobald, sind wiederan gerade nur auf die Deutschen angewiesen, und wenn Sie _die_ erst einmal hier in Amerika näher kennen, werden Sie mir vollkommen recht geben wenn ich Ihnen sage, daß man die eigentlich gar nicht für deutsche Literatur in Anschlag bringen kann. Die Englisch verstehn, oder sich wenigstens den Anschein geben wollen als ob sie es verstünden, lesen kein Deutsch mehr, und buchstabiren sich lieber ihre Englische Nachrichten sylbenweis zusammen, und die, die eben erst angekommen sind und von Englisch noch gar keine Idee haben, lesen auch gewöhnlich gar Nichts, oder kaufen sich noch weniger ein Buch oder eine Zeitung.« »Wer aber, um Gotteswillen hält da die deutschen Blätter?« frug Theobald erstaunt. »Ja lieber Herr Theobald« versicherte Herr Rosengarten »ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß mir das manchmal selber ein Räthsel ist. Kaffeehäuser, selbst Amerikanische, halten allerdings dann und wann deutsche Zeitungen, und die deutschen Kosthäuser _müssen_ sie haben; einzelne gehen auch in das innere Land und nach den kleinen Städtchen am Mississippi hinauf, die mit New-Orleans in lebhafter Verbindung stehn und in denen Deutsche wohnen, wie Natchez, Vicksburg, Bayou-Sarah, St. Franzisville, Baton-Rouge etc., der Hauptabsatz geschieht aber auf oft räthselhafte, jedenfalls sehr geschickte Weise durch die Colporteurs oder Zeitungsjungen, Individuen von zehn bis dreißig Jahren, die bei unseren Blättern interessirt sind, d.h. gewisse Procente für jedes Exemplar bekommen, das sie absetzen. Jemehr die also unterbringen, desto größer ist ihr eigener Nutzen, und es ist mir gesagt -- selber darum bekümmern thun wir uns natürlich nicht -- daß sie manchmal zu den wunderlichsten Listen ihre Zuflucht nähmen, und sei es auch nur halbjährige Abonnenten zu bekommen; das nächste Semester muß ihnen dann, wenn ein Theil von diesen abfällt, andere bringen.« »Nun ich will glauben« sagte Theobald, der auf Kohlen stand, »daß Sie bei so unsicheren Einkünften nicht gerade im Stande sind ein, wenigstens nach hiesigen Begriffen, sehr bedeutendes Honorar zu zahlen; wie viel könnten Sie mir also versprechen, wenn ich mich zugleich dabei verpflichtete, regelmäßiger Mitarbeiter der Biene zu werden. Meinen Namen werden Sie sicher schon von Deutschland aus gelesen haben; ich kann mit aller Bescheidenheit sagen, daß er dort einen guten Klang hat.« »O gewiß Herr Theobald, gewiß« versicherte Herr Rosengarten, und fuhr dann, in's Blaue hinein rathend, rasch fort: »Sie haben glaub' ich vor ganz kurzer Zeit wieder ein paar Bände Novellen herausgegeben.« »Allerdings.« »Ich habe sie gesehn -- vortrefflich -- ganz vortrefflich -- doch -- so leid es mir thut, aber -- ich bin in der That nicht im Stande Ihnen irgend welches Honorar für Ihre literarischen Beiträge zuzusagen. Ja wenn wir jetzt nur etwas bessere Zeiten hätten, aber die ältesten Leute in New-Orleans erinnern sich wirklich nicht eine so gedrückte, schwierige Stimmung in New-Orleans je erlebt zu haben. -- Wenn Sie übrigens noch ein oder selbst zwei Exemplare der Biene wünschten -- ich möchte gern Alles thun was in meinen Kräften steht Sie zufrieden zu stellen. -- « »Aber wo bekommen Sie Manuscript her Ihre Spalten zu füllen« rief Theobald erstaunt aus, »wenn Sie kein Honorar dafür bezahlen -- Sie können doch nicht Alles selber schreiben?« »Um Gottes Willen -- nein!« rief Herr Rosengarten, »das wäre ich allerdings nicht im Stande, schon des Zeitverlustes wegen; aber wir helfen uns da vortrefflich mit, vor längerer Zeit in Europa gedruckten Sachen. So hat mir im vorigen Frühjahr ein Freund von dort vier oder fünf alte Jahrgänge der Didaskalia geschickt, in denen allerliebste kleine Erzählungen und Gedichte stehn -- unsere Leser sind ordentlich versessen darauf. Die drucken wir so eine nach der anderen ab, und füllen damit aus, was die politischen Nachrichten der Grenzboten, der Kölnischen Allgemeinen und Weserzeitung, die wir nun leider einmal halten müssen, an Raum gelassen haben.« »Aber bester Herr Rosengarten!« rief Theobald, der bei so bewandten Umständen doch einsah daß er hier auf keine Einnahme rechnen konnte, und in einer Art von Verzweiflung sich das letzte Bret unter den Füßen fortgehen fühlte -- »Sie nehmen mir das nicht übel, aber das ist ja doch eigentlich, nach unseren deutschen Begriffen wenigstens, ein reines Plünderungssystem, das Sie hier befolgen, ein reiner Nachdruck, eine mechanische Vervielfältigung schon vorhandener Sachen, worauf Sie ja von den respectiven Zeitungen verklagt werden könnten.« »Hier in Amerika? nein« lächelte Herr Rosengarten gutmüthig »das nicht -- nicht einmal _verklagt_, einen ungünstigen Ausfall eines solchen Processes ganz abgerechnet, denn für deutsches literarisches Eigenthum besteht hier nicht der geringste Schutz, und kein Amerikanischer Gerichtshof würde selbst nur eine solche Klage annehmen.« »Das ist allerdings eine Freiheit« flüsterte Theobald, »auf die ich nicht ganz vorbereitet war; aber -- nicht wahr es ist _noch_ eine deutsche Zeitung in New-Orleans.« »Allerdings« sagte Herr Rosengarten mit einem eigenen Lächeln, das allerlei bedeuten konnte -- »allerdings existirt hier noch ein Blatt das mit deutschem Druck herauskommt, nach einem nur oberflächlichen Vergleich würden Sie aber bald finden, daß es sich mit der _Biene_ nicht messen kann.« »Und seine Expedition? -- können Sie mir die vielleicht angeben?« »O warum nicht« sagte Rosengarten, nach dieser Bemerkung jedenfalls fest entschlossen das Gespräch sobald als möglich abzubrechen -- »Sie können nicht fehlen -- Ecke von Fulton und Renaissance-Straße -- großes Schild über der Thür wie für eine Wirthschaft -- hier Ihr Manuscript Herr Theobald -- war mir ungemein angenehm Ihre werthe Bekanntschaft gemacht zu haben.« Theobald drückte sein Manuscript unter den Arm, machte eine stumme Verbeugung, und befand sich wenige Augenblicke später wieder vor der Thür der Officin auf der Straße. Diese sah er eben unschlüssig hinauf und hinunter, welchen Weg er von hier aus einzuschlagen hätte, als ein Fremder, in einem blauen Überrock, und mit einer eben solchen Tuchmütze auf, mit einem vollen, aber etwas krankhaften fleckigen Bart, die Straße herunterkommend an ihm vorbeiging, stehn blieb, ihn ansah, und dann wieder zurück und auf ihn zukam. »Sie sind ein Deutscher« redete er den jungen Mann, der ihn etwas verblüfft betrachtete, an, »nicht wahr ich habe recht?« »Allerdings bin ich ein Deutscher.« »Und eben erst angekommen?« »Wenigstens erst vor einigen Wochen.« »Bleibt sich gleich, ist dasselbe« lachte der Fremde -- »ich bin der Advocat Heindel, jetzt etwa drei Viertel Jahr hier, und eben im Begriff wieder zurück nach Deutschland zu gehn -- und Sie? -- « »Theobald ist mein Name.« »Und Beschäftigung? -- Schullehrer?« »Literat« sagte Herr Theobald. -- »Ah so -- brodlose Kunst hier, lieber Herr« bemerkte ziemlich ungenirt, Herr Heindel »na werden das auch noch selber hier ausfinden; waren wohl gar da oben um Manuscript zu verkaufen?« »Ich? -- o nein« sagte Theobald, und fühlte daß er bis weit hinter die Ohren roth wurde. Herr Handel sah das aber nicht; er hatte beim ersten Begegnen zwar zu seiner neuen Bekanntschaft aufgeschaut, war dann aber an dessen Blick immer wieder wie scheu heruntergefahren, und ließ den eigenen bald auf Theobalds Westenknöpfen, bald auf dessen Halstuchschleife oder Hemdkragen haften, was bei diesem aber auch zuletzt ein unangenehmes, fast nervöses Gefühl erzeugte, und ihn selber wünschen ließ einen Blick auf die so scharf aufs Korn genommenen Gegenstände zu thun, ob der Fremde irgend etwas außergewöhnliches --Fleck oder Riß daran entdecke. Herr Heindel hatte übrigens andere Sachen im Kopf, als Herrn Theobalds Vatermörder oder Westenknöpfe, und nur einen derselben, nach dem der junge Mann rasch hinunterschielte, fassend und festhaltend, sagte er, indem er die Augenbrauen in die Höhe zog und bedenklich mit dem Kopfe nickte: »Würde Ihnen auch wenig helfen, verehrter Herr, würde Ihnen verdammt wenig helfen -- ich habe selber darin verwünscht bittere Erfahrungen gemacht. Ja stehlen -- stehlen thun sie; diese nichtswürdigen Hallunken von Zeitungsredakteuren, wo sie die Hand an irgend etwas Gedrucktes legen können, aber Manuscript _bezahlen_, irgend etwas selbstständig Vernünftiges mit baarem Gelde _kaufen_? -- Gott bewahre!« »Es sind das eigenthümliche Verhältnisse« stammelte Theobald, der nicht mit Unrecht um seinen Westenknopf besorgt war, und mit Schrecken daran dachte daß er hier in Amerika nicht einmal wieder einen passenden zu dem ausgesucht schönen halben Dutzend bekommen würde. Aber trotzdem hatte er nicht den Muth sich von der arbeitenden Hand des wunderlichen Fremden zu befreien, der ihm wieder unverwandt auf den Rockkragen sah -- er _mußte_ da irgend einen Fettfleck, oder wenigstens eine Spinne sitzen haben. »Eigenthümliche Verhältnisse?« rief aber Herr Heindel entrüstet, und stieg mit seinen Augen bis zu Theobalds Halsbinde auf -- »Spitzbübereien sind's, nichtswürdige erbärmliche Gaunereien, unter denen ordentliche, anständige Menschen aus ihrer Heimath fort nach dem vermaledeiten Amerika gelockt werden, bis sie hier sind, in der Falle drin sitzen und nicht wieder hinaus können. Hol der Teufel das ganze Amerika, so viel sag ich, und alle die Canaillen dazu, die dicke Bücher zu dessen Lobe schreiben -- ich wünsche ihnen weiter Nichts als daß sie wieder herüber müßten.« »Aber sollte es denn wirklich so schlecht hier sein?« »Schlecht? -- erbärmlich, hundsföttisch sag ich Ihnen« rief der Mann, ganz eifrig über das Thema werdend, »arbeiten, immer nur arbeiten ist die Losung, und zwar arbeiten mit den Fäusten, als ob alle Menschen als geborene Holzhacker auf die Welt gekommen wären -- Kopfarbeit wird hier gar nicht gerechnet, Gott bewahre, und die Deutschen hier, sind nun gar die erbärmlichste Nation die sich ein Mensch auf der Welt denken kann. Glauben Sie daß das Volk in irgend einer Proceßsache einen _deutschen_ Advocaten anstellt, so lange sie einen Amerikanischen Lumpen bekommen können? -- Gott bewahre, nicht d'ran zu denken, und dabei quälen sie sich mit ihrem nichtswürdigen Englisch ab, radebrechen, daß man glaubt die Kinnladen gehen ihnen dabei entzwei, und lassen sich nachher anschmieren nach Noten.« »Ja, das hab' ich auch gehört« seufzte Theobald, durch seine bisherigen regelmäßig verunglückten Versuche seine Manuscripte in Geld zu verwandeln, doch nach und nach ängstlich gemacht, »daß man unvernünftig arbeiten müsse um hier ehrlich in Amerika durchzukommen.« »Ja und _was_ für Arbeit« rief Herr Heindel, »draußen im Wald Büsche ausroden und Bäume umschlagen, an denen ein einzelner unverheiratheter Mann eine halbe Woche hacken kann, und hier in der Stadt Straßen fegen, hinter der Bar stehn und Schnaps ausschenken, Zeitungen herumtragen, Zettel ankleben, bei irgend einem schmierigen Handwerker als Handlanger in Dienst gehn, oder gar unten an der Levée Fracht mit helfen aus- und einladen, Porkfässer heraufrollen und Kaffee- und Reissäcke wieder hinunterschleppen bei 32 Grad Hitze; das sind so die verschiedenen Beschäftigungen, denen die Holzköpfe den Namen _ehrliche Arbeit_ geben. Arbeit schändet nicht sagen sie dabei; das dank' ihnen der Teufel; auch noch schänden -- wenn sie nicht schändet ruinirt sie aber die Knochen, und unter _Arbeit_ verstehen gebildete Leute nicht bloß mit der Mistgabel und der Schaufel wirthschaften, sondern eher noch sein Gehirn zum Besten der Menschheit anstrengen, und für das Volk, jenes tollpatschige Ungeheuer das nun einmal seine halbe Lebenszeit an den Tatzen leckt, zu denken, zu überlegen. Glauben Sie daß neulich so ein erbärmlicher Schuft von Amerikanischem Advocaten, dem ich ein Compagniegeschäft anbot und ihm meine deutsche Praxis dafür einzubringen versprach -- _ich_ habe sie _auch_ bis jetzt nur erst versprochen bekommen -- mir die Compagnieschaft vor der Nase abschlug, aber die Frechheit hatte mir eine _quasi_ Schreiberstelle bei sich anzutragen?« »Es ist doch kaum denkbar« sagte Theobald, dessen Gedanken übrigens mehr bei seinem bedrohten Knopfe, als bei der dem deutschen Advocaten gemachten schändlichen Zumuthung geweilt hatten. »Allerdings« rief Herr Heindel -- »aber« fuhr er dann in allem Eifer und jetzt jedenfalls auf seinem Steckenpferde reitend fort -- »was ist denn auch Amerika für ein Land, _für_ wen ist es und zu was? für unsere tölpischen Bauerjungen von daheim, die sich nicht anders glücklich fühlen, als wenn sie mit aufgestreiften Ärmeln den ganzen Tag in Schmutz und Arbeit wühlen können, und es nicht besser haben wollen und dürfen. Wenn _die_ Canaillen nur ein oder zwei Mal Fleisch den Tag und keine Schläge kriegen, sind sie oben auf, und lassen sich mit Vergnügen politisch knechten und unter die Füße treten. Das Gesindel ist zu _Allem_ zu gebrauchen, und glauben Sie daß da _ein_ Deutsches oder Amerikanisches Blatt ein Einsehn hätte, und ein paar hundert Dollar daran wenden möchte dieses Volk einmal aufzuklären über ihre Pflichten als Staatsbürger, wenn sie nun doch einmal in einer solchen leidigen Republik leben wollen und müssen? fällt ihnen nicht ein -- besser wissen wollen sie, was man ihnen sagen könnte -- besser wissen und gescheuter sein wie Leute, die ihre Lebenszeit darauf verwandt haben ein staatliches Leben zu übersehen und in die Speichen mit kundiger Hand einzugreifen. Arbeiten -- arbeiten -- es thäte bei Gott Noth daß man sich noch zwischen den Irländern als Straßenkehrer anstellen ließe, und mit dem Besen in der Hand umherliefe, sein »tägliches Brod« auf den Trottoirs zusammenzukehren. Na lassen Sie mich nur erst wieder einmal nach Deutschland zurückkommen, _das_ Amerika werde ich ihnen anstreichen; eine Lebenszeit verwende ich darauf es schlecht zu machen. Aber kommen Sie Freund« brach er plötzlich kurz ab, und faßte Theobald unter den Arm, »wir wollen uns nicht über diese Amerikanischen Jämmerlichkeiten und Lumpereien unnützer und thörichter Weise ärgern; ändern können wir's doch nicht, und bessern wollen sich die Lumpe ja nicht lassen. So gehn Sie da drüben mit in das Kaffeehaus hinein, daß wir ein Glas auf bessere Bekanntschaft und bessere Zeiten trinken.« Theobald hatte Nichts dagegen; er bedurfte selber einer kleinen Aufregung, der niederschlagenden Erfahrung von heute Morgen etwas entgegenzuarbeiten, und Herr Heindel bestellte zu dem Zweck, gleich wie sie den Saal des sogenannten Cafés, wo aber fast nur Spirituosen feil gehalten wurden, betraten, eine Flasche Champagner. Es war Theobald, der darin viel Ehrgefühl besaß, unangenehm, sich von einem so gänzlich fremden Mann gleich an Champagner traktiren zu lassen; gleichwohl hatte er so viel schon von Amerikanischem Leben gesehn daß er wußte, es wäre eine Unhöflichkeit gewesen mit Jemand mit dem man, von ihm aufgefordert, ein Schenkhaus betreten hat, nicht zu trinken. Ebenso bezahlt auch stets der, der die Getränke fordert, für sich oder für so viele wie mit ihm trinken. Das Einzige was ihm zu thun übrig blieb war, sich bei einem nächsten Begegnen zu revangiren -- aber auch hierbei genirte ihn der Champagner. An der Sache ließ sich aber für jetzt Nichts mehr ändern; die Flasche war gebracht und mußte getrunken werden, und Theobald, selbst in einiger Aufregung über das was er bis jetzt von Amerikanischem Leben, von seinem Standpunkt aus betrachtet, gesehn, goß mit einem gewissen Wohlbehagen ein Glas nach dem anderen des feurigen Tranks hinunter. Sein neuer Bekannter machte sich selber indessen ein Vergnügen, und zog über die Vereinigten Staaten los, von denen er dem armen jungen Dichter ein Bild entwarf, daß diesem angst und bang zu Muthe wurde. Seiner Beschreibung nach, und er behauptete das Land durch und durch zu kennen, bestand die eine Hälfte der Bewohner aus Räubern, und die andere aus Spitzbuben, die nicht allein wie die Mosquitos gemeinschaftlich über die armen Einwanderer herfielen, und sie aussögen so lange sie noch einen Blutstropfen in sich trügen, sondern auch, wenn sie mit denen fertig wären, einander selber angriffen und auffräßen. Gesetze gab es dabei gar nicht, die Geschworenen Gerichte waren nur zum Schein da, und die, die ihnen in die Fäuste liefen, gleich von vorn herein verloren -- das deutsche Gerichtsverfahren war Gold gegen diesen Auswurf der Menschheit. Bestechlichkeit herrschte dabei bis zum äußersten, wobei er selber als glänzendes, mit Füßen getretenes Beispiel da stand, indem er nur aus dem einzigen Grund keine brillante und seinen Fähigkeiten angemessene Stellung erlangt, weil er es verschmäht, für unter seiner Würde gehalten, einen einzigen Dollar zu einem solchen Zwecke auszugeben. Und selbst die Bauern waren übel dran, trotz den lügenhaften Berichten, die Amerika freundliche, das heißt demokratische, rothrepublikanische Zeitungen in Deutschland darüber ausstreuten. Wenn die »Schaafsköpfe« hätten in Deutschland so arbeiten wollen, wie sie hier arbeiten _mußten_, so würden sie es -- seiner Meinung nach -- auch zu 'was gebracht haben, aber jetzt, da sie gezwungen wären die faulen Knochen zu regen, nur um nicht zu verhungern, thäten sie auf einmal als ob ihnen der Staar gestochen wäre, und sie nun das gelobte Land gefunden hätten --Brummköpfe die es wären, wenn sie die Lüneburger Haide oder sonst einen noch brach liegenden anständigen Fleck in Deutschland so in Angriff nähmen, könnten sie sich auch Farmen darauf gründen und dann, statt hier vogelfrei zu sein, unter glücklichen Gesetzen, unter einer väterlich für sie sorgenden Regierung darauf leben. Herr Dr. Heindel hatte sich so in Gift und Bitterkeit hineingesprochen, daß er sich den Rest der Flasche in sein Glas stülpte, und dieses auf einen Zug leerte, dann aufstand und seinen Hut ergreifend in die Tasche fühlte die Flasche zu bezahlen, wegen der sich ihm der _barkeeper_ schon freundlich genähert hatte. »Ja mein junger Freund,« sagte er dabei, an Theobald wieder hinuntersehend bis sein Blick an dessen Knieen haftete und diesen ebenfalls dort hinunterschielen machte -- »ja mein junger Freund, nehmen Sie sich besonders vor diesen verwünschten Amerikanern in Acht, und wenn Sie es irgend können, wenn es Ihnen Ihre Mittel nur halbwege erlauben, so schiffen Sie sich wieder so rasch Sie können nach Deutschland ein; lieber trockene Brodrinde dort, mit vaterländischem Quell- oder Brunnenwasser, als Champagner hier, in diesem Gottvergessenen Lande --Donnerwetter,« unterbrach er sich dabei in alle seine Taschen fühlend, »jetzt habe ich mein Portemonnaie zu Hause auf meinem Schreibtisch liegen lassen -- ei das ist mir doch ungemein fatal -- ah lieber Freund, bitte legen Sie diese Flasche doch einmal bis heute Nachmittag für mich aus; -- Sie logiren?« -- »Im Weißeschen Kosthaus,« sagte dieser etwas überrascht und verlegen. »Sehr schön -- ich kenne das Weißesche Kosthaus, da sind wir ja halbe Nachbarn -- wohne kaum drei Thüren von Ihnen entfernt; desto besser -- und nun was ich Ihnen noch sagen wollte« -- er hatte wieder denselben schon vorher in Beschlag genommenen Westenknopf gefaßt -- »stecken Sie Ihr Manuscript in den Ofen -- « »Aber mein bester Herr Doktor -- « »Stecken Sie Ihr Manuscript in den Ofen,« rief aber Herr Dr. Heindel in einiger Aufregung, »die Lumpe hier sind nicht werth daß sie einen ordentlichen deutschen Originalaufsatz bekommen -- hol sie der Böse -- sie glauben daß sie einem Schriftsteller noch einen Gefallen thun, wenn sie ihre Setzer nur nach einem Manuscript arbeiten lassen, da diese gewohnt sind fast nur schon Gedrucktes zu setzen. Und dann schiffen Sie sich ein -- schiffen Sie sich ein so rasch Sie können« -- er war mit seinen Augen wieder bis zur Weste in die Höhe gefahren. -- »Amerika ist ein vortreffliches Land für Taback und Baumwolle, für Mosquitos und Alligatoren, für Räuber und Diebe; aber für einen gebildeten Mann, für Jemand, der weiß was er sich und seiner Nationalehre als deutscher Bürger schuldig ist, paßt Amerika gerade so gut, wie -- wie der Knopf hier,« setzte er hinzu, als er das unglückliche Stück Perlmutter endlich wirklich abgedreht hatte, »zu dem Kehrichthaufen da« -- und mit den Worten schleuderte er, ehe Theobald danach greifen konnte, oder in der That eine Ahnung hatte was der exaltirte Mensch damit anfangen wollte, den besagten Knopf wirklich auf einen, unfern der Thür liegenden Kehrichthaufen in der Straße; dann aber Theobalds Hand rasch ergreifend und freundlich schüttelnd rief er ihm noch zu: »Guten Morgen lieber Freund -- guten Morgen -- ich komme heut' Nachmittag hinüber zu Ihnen, die Kleinigkeit mit Ihnen abzumachen,« und verschwand gleich darauf um die nächste Ecke. »Aber mein Knopf,« rief Herr Theobald, und wollte auf den Kehrichthaufen zueilen, sein Eigenthum wiederzusuchen, als ihm der Kellner den Weg vertrat und freundlich sagte: »Nicht wahr, _Sie_ bezahlen die Flasche?« Theobald hatte eine unbestimmte Idee, was der junge Mann in Hemdsärmeln, mit der Englischen Anrede meinte, nickte deshalb, in aller Verlegenheit mit dem Kopfe und sagte _Yes_ und mußte endlich wirklich die zwei und einen halben Dollar für den Champagner »auslegen« wie sein neuer, etwas zweideutiger Freund gemeint hatte. Als er das, wenn auch nicht zu seiner eigenen, doch zur Zufriedenheit des _barkeepers_ abgemacht, ging er hinaus vor die Thür, nach seinem Knopf zu sehn, hatte aber kaum eine halbe Minute auf der Erde da herumgesucht, als sich schon sechs oder acht Menschen um ihn sammelten und ebenfalls, in Erwartung irgend eines bedeutenden Fundes, umhersuchten. Alle Vorübergehenden blieben jetzt stehn und drängten herbei, und Theobald, wenn er nicht einen Straßenauflauf veranlassen wollte, mußte sich rasch zurückziehn und den Knopf -- das halbe Dutzend war schändlich verdorben -- seinem Schicksal überlassen. Capitel 6. Der Feuermann. Es war Nacht, und die »Backwoods-Queen« schnaubte den Strom hinauf. Das Boot hatte vor kurzer Zeit die nördliche Grenzlinie Louisianas hinter sich gelassen, und auf dem linken Stromufer, im Staat Mississippi Holz eingenommen. Es mochte elf Uhr vorbei sein, und die Feuerleute und Deckhands der »Hundewache« (von 12-4), die aus ihrem kurzen Schlaf aufgestört worden die Feuerung mit an Bord zu tragen, mochten sich, der halben Stunde wegen, nicht wieder niederlegen, und saßen und lagen jetzt bunt gruppirt vor den Kesseln auf dort nachlässig hingeworfenem Klafterholz, dem letzt an Bord gekommenen, das hier nur so ohne Ordnung hingeschüttet worden, gleich mit verfeuert zu werden. Vor den Kesseln, unter denen die mächtigen Thüren geschlossen waren und die langen Scheite, über diesen, durch kleine dazu angebrachte Klappen hineingeschoben wurden, standen die Feuerleute, die ihre Wacht von acht bis zwölf hatten, mit den unten rothheißen Schürstangen in den rußgeschwärzten Händen, und wühlten die flammenden Scheite durch- und ineinander, daß sie wieder Raum bekamen frische oben hineinzuwerfen, als Nahrung für die Gluth. Mitten zwischen der Gruppe stand eine riesige blecherne Kanne, die wohl einen halben Eimer Kaffee fassen mochte, daneben eine bauchige Kruke mit Whiskey gefüllt, und Einer der Leute kam eben vom Bug vorn, wo ein halb Dutzend gewaltige Zuckerfässer, die nicht mehr in den Raum gingen, frei auf Deck lagen, und brachte eine große Blechschaale voll Zucker herbei, die er mit einem gespaltenen Schilfstück aus den großen, der frischen Luft wegen darin angebrachten Bohrlöchern der Fässer herausgepurrt hatte. Es war dieß ein vielleicht dreiundzwanzig Jahr alter wunderhübscher junger Bursche, mit einem leichten dunklen Schnurrbart auf der Oberlippe, und langem wie seidenem, fast mädchenhaftem Haar; auch das Gesicht, wo es Rußflecke nicht bedeckten, war zart und weiß, und die langen Wimpern schatteten ein paar dunkle, aber keck und entschlossen umherblitzende Augen, die jetzt besonders von einem eigenen lebendigen Feuer leuchteten. »Hallo Wolf, was bringen Sie?« rief ihm Georg Donner lachend entgegen -- »hat's Brei geregnet draußen?« »Brei nicht,« lachte der junge Mann, »aber Zucker! Wetter noch einmal, wir werden doch diese Unmasse guten Stoffes nicht den Mississippi hinaufführen, ohne wenigstens so viel Zoll davon zu erheben, als wir in unseren Whiskey brauchen; kommen Sie her Donner, nehmen Sie eine von den kleinen Blechschaalen dort, ich will uns einmal einen richtigen Feuermannstrank zusammenbrauen.« »Bei Golly,« lachte Einer der andern Feuerleute, ein Neger, der mit zwei andern Landsleuten oder wenigtens doch gleichfarbigen Kameraden, an der Larbordseite des Bootes, das sechs Feuerleute auf Wache hatte, heitzte, »was die Bukras[13] da für Zeug zusammenschwatzen, keine Kuh wird d'raus klug.« »Aber was der da ineinander gießt werden wir schon verstehn,« schmunzelte der Andere. -- »Oh Jimminy das riecht gut.« Der junge Deutsche hatte indessen die gereichte Schaale halb voll Whiskey gefüllt, dann Kaffee dazu gegossen, fast so viel als das Gefäß halten wollte, und warf nun, mit dem gespaltenen Rohr, mit dem er auch die Mischung ordentlich umrührte, Zucker hinein, es süß zu machen. »So,« sagte er, als er es erst langsam gekostet, und dann einen tüchtigen Zug gethan, »das wird gut sein -- brennt wie Feuer und treibt die Hitze hier von den Kesseln wieder hinaus aus dem Körper. So lange wir das haben, brauchen wir nicht zu fürchten krank zu werden.« »Ist doch ein wunderliches Leben hier an Bord,« sagte Georg, der ebenfalls einen tüchtigen Zug that, und zurück zu den Kesseln trat, die Scheite, die nur wenige Minuten ruhen dürfen, wieder frisch aufzuschüren, »großer Gott, wenn man bedenkt wie wir von zu Hause gewohnt waren zu existiren, und jetzt dieß Dasein damit vergleicht -- und darum nach Amerika;« setzte er langsam mit dem Kopf schüttelnd hinzu. »Geht es mir besser?« lachte Wolf, der mit Georg Donner, drei Negern und einem Irländer ein und dieselbe Wacht hatte, während Carl Berger ebenfalls mit drei Negern, einem Amerikaner und einem Franzosen feuerte -- (die dritte Wacht, die erst um vier an die Reihe kam, war gleich nach dem Holztragen wieder zu Coye gegangen) »geht es mir etwa besser? -- wenn Sie meine Geschichte kennten, Georg, würden Sie mehr als einmal den Kopf schütteln über den Wahnsinn, der mich, z.B. hierher über das Meer getrieben.« »Lieber Gott, es wird die Geschichte von Tausenden von uns sein« sagte Georg -- »sehn Sie dort den jungen Burschen an, der sich da kaum auf die Scheite geworfen hat, und schon wieder so sanft und süß eingeschlafen ist, als ob er im weichsten Bette läge; das ist ein deutscher Deserteur, den die Soldaten noch wieder vom Schiff holen wollten, und den der Untersteuermann, wir wissen selbst nicht wie, auf so geschickte Weise versteckt hatte, daß ihn die Policey nicht finden konnte, und ihn aufgeben mußte. Jetzt arbeitet er sich nun tüchtig in's Leben hinein und wer weiß, ob er nicht in einigen Jahren, anstatt die Muskete in Deutschland herumzuschleppen, hier seinen eignen Heerd gegründet hat. Ich selbst -- wer hat es mir an der Wiege gesungen, daß ich einmal hier auf dem Mississippi, nachdem ich in Deutschland studirt, die Kessel eines Dampfboots, mit Negern und Mulatten zusammen, heitzen sollte, und doch bin ich jetzt scharf dabei, und noch sogar froh eine derartige, wenigstens lohnende Beschäftigung gefunden zu haben. Kommt Zeit kommt Rath, und nur erst einmal vollkommen der Englischen Sprache mächtig, findet sich dann auch schon etwas anderes, besseres für uns.« »Das ist Alles recht schön und gut« lachte Wolf, »aber lange nicht so romantisch oder -- toll wenn Sie wollen, wie mein eignes Schicksal, das es vielleicht recht gut mit mir gemeint, dem ich aber im wahren Sinne des Wortes durch die Lappen gegangen bin.« »Die Romantik hat an unserer jetzigen Beschäftigung allerdings nur einen ganz geringen Theil« sagte Donner lächelnd. »Ja und nein« rief Wolf, seinen Strohhut auf das Holz und seine dunklen Locken mit einer raschen Bewegung des Kopfes aus der Stirn werfend; »auch ich betrachte es als Mittel zum Zweck, und muß, so prosaisch das klingen mag, Geld dabei verdienen.« »Da ist die Romantik schon zum Teufel« sagte Georg. »Und doch nicht« rief Wolf, »ja wenn ich es thäte zu _leben_, aber mein Vater ist reich.« »Dann begreife ich freilich nicht, weshalb Sie sich hier in den _untersten_ Schichten der Gesellschaft auf solche Art herumtreiben« sagte Georg, »zum Vergnügen doch wahrhaftig nicht.« »Wäre wenigstens ein wunderbarer Geschmack« lachte der junge Mann, »wüßten Sie aber meine Geschichte, würden Sie mir recht geben.« »Sie sind jedenfalls aus guter Familie« sagte Georg. »Meine Freunde in Deutschland -- bah, _Freunde_, das Wort ist zu gut für sie -- meine _Bekannten_ in Deutschland würden allerdings nicht sowohl lachen als die Nase rümpfen, wenn sie den einzigen Sohn des Grafen vom Berge hier als Feuermann auf einem Dampfboot, mit Negern aus einer Schüssel essen, in einem Feuer schüren sähen!« »Aber was um Gottes Willen hat Sie da zu diesem verzweifelten Entschluß getrieben?« »Die Liebe« lachte der junge Mann, seinen Schürer wieder ergreifend, die kleine Thür oder Klappe öffnend, und mit dem langen Eisen die Scheite durcheinander rührend -- »die Liebe, Georg, und die Sache ist ungeheuer einfach und rührend. Ich liebte und liebe ein bürgerliches Mädchen, mein Vater, noch ein ächt Pommerscher Graf von altem Schrot und Korn, drohte mich zu enterben, wenn ich dem Mädchen nicht entsagte, und ich arbeite jetzt daran ihm zu beweisen, daß ein Graf vom Berge keine hinterlassenen Schätze braucht, sich selber einen eignen Heerd zu gründen. In Deutschland wäre mir das nicht möglich gewesen, hier bietet sich die Aussicht dazu. Schon ein Jahr arbeite ich jetzt wie ein Sclave -- aber nur um ein ganz kleines Capital zusammenzuhaben; mit harter Arbeit allein wird jedoch Niemand hier im Stande sein rasch Geld zu verdienen, die Speculation muß ihm dabei helfen, und dieß wird deshalb die letzte Reise sein, die ich auf einem Dampfboot mache, dann gehe ich nach dem Westen der Vereinigten Staaten in das Indianische Territorium, dessen Verhältnisse ich schon recognoscirt habe, und fange einen Schweinehandel an. Lachen Sie nicht, das Geschäft ist, wenn richtig betrieben, vortrefflich und wenn ich sieben Jahre, wie Jacob um seine Rahel dienen müßte, ich habe meinen Kopf darauf gesetzt, und setze ihn durch -- oder gehe darüber zu Grunde.« »Und Ihr Vater?« »Wenn ihm der _Sohn_ mehr am Herzen gelegen als sein Wappenschild, hätte er mich gar nicht ziehen lassen.« »Und haben Sie sich das ganze Jahr in solchem Leben schon herumgetrieben?« frug ihn Georg erstaunt. »Gott bewahre« rief Wolf, wieder neue Scheite ergreifend und durch die enge Öffnung in den inneren, glühenden Raum stoßend -- »lieber Himmel, was habe ich nicht schon Alles getrieben seit ich in Amerika bin. Zeitungsaustragen war mein erstes Geschäft, um nicht zu hungern, aber das rentirte schlecht und widerstrebte mir auch, einer Masse Sachen wegen die drum und dran hingen; dann wurde ich Holzschläger am Mississippi, auch das war nicht schlecht, aber ich bekam es satt; ging dann wieder in die Stadt und wurde Mäkler. Dabei aber fühlte ich das Mangelhafte meines Englisch und zog in den Wald, mir mit der Jagd Geld zu verdienen. Das war die schlechteste Speculation; wo es Wild gab, galt weder Wildpret noch Haut viel, und wo Nichts mehr zu schießen war, versäumte ich Wochen oft vergebens. Da brach das gelbe Fieber in New-Orleans aus, Alles flüchtete von dort und _das_ schien mir der geeignete Platz rasch zu einer kleinen Summe zu kommen und meinen Plan, den ich als Jäger im Westen von Arkansas gefaßt, in's Werk zu setzen. Bald sah ich daß ich mich nicht geirrt -- zwischen Leichen und Gräbern eine Zeit durchlebend, die mir noch jetzt das Blut in den Adern gerinnen macht, wenn ich daran zurückdenke, erreichte ich aber meinen Zweck und verdiente _Gold_. Arbeiter waren fast gar nicht mehr zu bekommen, und die wenigen, die aus Noth oder Gleichgültigkeit der Seuche trotzten, wurden mit Geld überschüttet. Neben mir fielen dabei meine Kameraden, Burschen von allen Farben und Nationen, wie die Fliegen, ich selber blieb, Dank meiner guten Natur, oder wenn Sie wollen von jenem unerforschten Wesen beschützt, gesund und kräftig. Jetzt aber ist die Zeit in New-Orleans vorbei; das Fieber hat seine letzten Opfer für dieses Jahr gefordert, Arbeiter strömen, so rasch sie eine Unzahl von Dampfbooten den Strom nieder oder aus Europa herüberführen kann, in ordentlichen Schaaren dahin, und ich selber bin jetzt im Stand einem anderen, besseren Leben entgegenzugehen. Ich hätte als Passagier fahren können, aber es liegt ein eigner Reiz, den ich früher nie gekannt, darin, ein kleines, selbsterworbenes Capital nicht unnöthiger Weise wieder zu verringern, sondern eher zu vergrößern; so schür' ich mich denn nach St. Louis hinauf, verlasse dort das Boot, und beginne meinen Handel, der mich ein freies prächtiges Jägerleben dabei führen läßt. Werden Sie mir nun einräumen, daß auch in diesem Beruf auf solche Weise Romantik liegen kann?« »In dem Beruf darum doch nicht, Herr -- ich weiß jetzt wahrhaftig nicht wie ich Sie nennen soll« -- unterbrach sich Georg lächelnd. »Wolf, bei meinem Vornamen« rief der junge Mann rasch, »das Andere paßt nicht zur Schürstange und zu der Umgebung hier, hab ich mir den _Titel_ einst wieder verdient, darf ich ihn tragen, _hier_ klänge er wie Spott.« »Vorwärts _boys_, vorwärts« rief da des Ingenieurs Stimme, der um die Kessel herum nach vorn gekommen war, das Heitzen zu überwachen. »Steht nicht da wie die Schlafmützen und laßt mir das Feuer ausgehn; die Pest auch, es sieht ja ordentlich schwarz unter den Kesseln aus.« »Geht nicht mehr hinein Massa« lachte ihm der eine Neger entgegen, »hahaha bei Golly, wenn wir noch mehr feuern, blasen wir das süße Ding von einem Boot in die Luft hinein!« »Blaßt sie zum Teufel!« rief der Ingenieur, »aber, gebt ihr Hölle -- verdamm' meine Augen, wenn ich nicht die Kessel noch rothheiß haben will -- zu _boys_, zu, macht daß wir von der Stelle kommen, das alte faule Boot kriecht ja nur so am Land hinauf!« »Alle Wetter« rief Georg, als der Mann wieder zurück zu der Maschine gegangen war, »der Bursche scheint selber »rothheiß« zu sein, wie er es nennt, und dem Whiskey mehr als gerade zweckmäßig zugesprochen haben; wenn er nur keine dummen Streiche macht.« »Ah bah,« sagte Wolf, »so ist er jedesmal auf seiner Wacht, aber sonst ein guter Kerl, und sorgt dafür daß seine Feuerleute ebenfalls nicht Durst leiden -- er weiß am Besten wie das thut -- heda Scipio, Du gießt ja den Whiskey hinein als ob's Wasser wäre -- laß noch 'was in der Kruke Gesell.« »Genug Wulfy, genug« lachte der Schwarze, die fast gefüllte Schaale, die reichlich eine halbe Flasche des starken Trankes halten mochte, auf einen Zug leerend, »und andere Wacht mag wieder für sich selber sorgen -- dieß Kind,« auf seinen eigenen Magen deutend, »macht's genau ebenso.« Der Mate oder Steuermann stieg in diesem Augenblick die kleine steile Treppe vom Boilerdeck nieder, ging nach der vorn hängenden Glocke und schlug darauf nach Schiffsart, acht Glasen (12 Uhr). »Feierabend!« rief Wolf seine Schürstange aufgreifend, den Raum unter den Kesseln, wie das Sitte ist von der abziehenden Wacht, noch einmal frisch aufzufüllen. »Das ist recht Jungens, das ist recht!« nickte ihnen der wieder zurückkommende Ingenieur Beifall zu, indem er auf der »_guard_« stehen blieb und nach dem nahen Lande -- sie passirten eben eine der größeren, mitten im Mississippi liegenden Inseln -- hinüberdeutete -- »hurrah wie das geht; jetzt soll uns einmal eines der anderen schuftigen Boote versuchen nachzukommen. Feuert Jungens, feuert, daß sich die andere Wacht die faulen Knochen wärmen kann, wenn sie dran kommt.« »So -- wieder auf acht Stunden Ruhe« rief Wolf, seine Schürstange zu Boden werfend, »nun können sich unsere Kameraden ein Vergnügen machen -- hallo Berger? -- auch schon munter? -- wie der Bursche verschlafen aussieht -- « »Oh -- i« sagte dieser, der die kurze Zeit benutzt hatte, noch auf dem rauhen Holz ein halb Stündchen zu schlafen, indem er sich langsam streckte und dehnte -- »ist das ein Leben, aber -- zum Teufel auch -- ich habe einen furchtbaren Traum gehabt, wie ich da auf dem verwünscht scharfen, eckigen Holze lag.« »In der kurzen Zeit?« rief Wolf. »Mir träumte« sagte der junge Bursch, in sich selber dabei zusammenschaudernd -- »die Rothkragen hätten mich in Bremerhafen vom Schiff geholt, ich läge drin in der Festung auf scharfen Latten, und sollte mit Tagesanbruch Spießruthen laufen. Wie die Glocke dort tönte, knarrte die Thür und -- ha« -- er schüttelte sich in Furcht und Entsetzen bei dem Gedanken -- »der Henker kam herein, mich abzuholen -- Gott sei Dank, daß es nur ein Traum war.« »Dickes Blut, Kamerad« lachte Wolf -- »da steht noch Kaffee und Whiskey -- nehmt einen Schluck, der wird Euch gut thun. Nun gute Wacht! -- aber trinken möcht' ich noch einmal -- haben Sie den Wassereimer da, Georg?« »Hier liegt er« sagte dieser -- »warten Sie, ich zieh' es selbst herauf -- habe auch Durst!« Carl Berger hatte eben die Schürstange aufgegriffen, nach dem Feuer zu sehn, während die beiden jungen Leute auf die _guards_ hinausgingen, einen Eimer Wasser heraufzuziehen, als ein wilder gellender Schrei von Deck heraustönte: »Thüren auf -- um Gottes Willen -- Feuer aus!« Die Feuerleute fuhren empor und horchten, den Befehl nicht gleich begreifend, auf, als ein grell und dröhnend schmetternder Schlag das Boot bis in den Kiel erschütterte. Kochend heißer Dampf füllte zugleich einen Theil der unteren Räume, während Wolf und Georg entsetzt einen weißen zischenden Strahl über sich hinausschießen sehen, dem Trümmer und Balken, wie von dem Ausbruch eines Vulkans hinausgeschleudert, folgten. Ein Moment todtenähnlicher Stille folgte diesem Knall, aber im nächsten Augenblick schon schlugen die ausgeworfenen Stücke auf das Wasser nieder, während jammernde Menschenstimmen nach allen Richtungen hin laut wurden. »Die Kessel sind geplatzt!« gellte der schrille Weheruf über die Fluth und die, durch die geborstenen Thüren hinausgeschleuderten brennenden Scheite Holz vermehrten nur noch die Verwirrung. In diesem ersten Augenblick war sich auch, die schwer Verwundeten ausgenommen, noch Niemand bewußt, welches Unglück sie am Meisten bedrohe, ob das Boot sinke oder brenne oder ein zweiter Schlag sie vielleicht Alle zerstückt in die Ewigkeit senden würde -- keinen Schritt weit konnte man dabei vor sich hinsehn, oder selbst den nächsten Nebenmann erkennen, so füllte dicker weißer zischender Qualm den ganzen Raum und lag wie ein dichter, undurchdringlicher Schleier auf dem Boot. Bald aber änderte sich das Schauspiel -- ein scharfer Windzug der über den Strom herüber strich, fegte wie mit einem Schlag den Nebel über Bord, und als Georg und Wolf zurück vor die Kessel sprangen, bot sich ihren Augen ein Anblick, der ihnen das Blut in den Adern starren machte. Von den Leuten, die dort noch vor wenigen Minuten gesund und kräftig gestanden, lagen vier todt und zerstückt über das Holz hingeschmettert, das von glühenden Scheiten bestreut, zu brennen begann. Durch das Boilerdeck und in die obere Cajüte hinein, war ein mächtiges Loch geschlagen, aus dem Winseln und Hülferufen wiedertönten, und beide Schornsteine -- riesige wohl dreißig Fuß hohe Röhren von schwarzem Eisenblech mit fünf Fuß im Durchmesser hingen zerrissen über Deck, und neigten das Boot nach der Seite, während aus dem Zwischendeck ebenfalls schrilles und markdurchschneidendes Hülfegeschrei hervorgellte. Die beiden jungen Leute, ohne für den Augenblick an einen der Verwundeten zu denken, griffen nur rasch die brennenden Scheite auf und warfen sie über Bord -- noch größeres Unheil von dem Boote und seiner übrigen Mannschaft abzulenken, als ein neuer Schreckensruf auch diese Arbeit unnöthig machte. »Wir sinken -- wir sinken!« schrie es von der anderen Seite herüber »wir sind verloren!« Wolf sprang wieder an den Rand des Bootes, sich von der Wahrheit des Rufs zu überzeugen, und fand hier wirklich daß die Guards kaum noch einen halben Fuß von der Oberfläche des Wassers entfernt waren, ja konnte den gurgelnden stillgrollenden Ton sogar hören, mit dem die gierige Fluth sich in einem irgendwo nicht weit von dort entfernten Leck sog. Dicht unter ihnen, denn das Boot, das jetzt keinen Fortgang mehr machte, trieb mit der Strömung wieder abwärts, ragten aber Bäume und dunkle Stämme aus dem Wasser -- sie befanden sich gerade oberhalb derselben Insel, an der sie vorhin hinaufgelaufen, und wenige Minuten noch mußten ihr Schicksal entscheiden. Georg hatte sich indessen über die Unglücklichen gebeugt, die der erste Schlag des platzenden Kessels getroffen, und erkannte mit Schaudern unter ihnen Carl Bergers Gestalt, der mit zerschmetterter Schulter, blutend und bewußtlos über die Scheite hingeworfen lag. Wohl athmete er noch, aber wie war ihm hier Hülfe zu bringen? Ein heftiger Stoß traf zu gleicher Zeit gegen das Boot, unter dem die eine, das Boilerdeck tragende und stark gesplitterte Decke zusammenbrach, während ein Theil des vorderen Decks ihr nachfolgte. Die Frauen kreischten, die Verwundeten stöhnten und winselten, die Männer fluchten wild durcheinander, und hie und da sprangen Einzelne in Todesangst über Bord, die dort aus dem Wasser ragenden Äste versenkter Bäume zu erfassen, und sich dadurch vor dem, ihnen gewiß scheinenden Untergang des Bootes zu retten. Von dort aber konnten sie nirgends an Land; die dunkle Fluth quirlte und gurgelte dabei um sie her, und als ihre Kräfte erschlafften, und das kalte Wasser ihre Glieder mit Fieberfrost schüttelte, schrieen sie von dort herüber, wieder an Bord geholt zu werden. Aber das Boot sank _nicht_, und ob auf den Sand, oder irgend einen schützenden, unter Wasser liegenden Stamm gelaufen, wohin es durch die mächtige Strömung gedrängt worden, blieb es sitzen, und nur das Vordertheil, gegen das die volle Fluth anpreßte, drückte sich halb unter Wasser, und ließ das schäumende Element darüber hinspritzen. Wohl eine halbe Stunde verging, ehe nur einiger Maßen der erlittene Schaden übersehn, und Ordnung in das durcheinander Schreien und Stürzen der zum Tode erschreckten Menge, unter der sich auch mehre Frauen aus Cajüte und Zwischendeck befanden, gebracht werden konnte. Georg Donner hatte indessen den schwer verwundeten Landsmann mit Wolf's Hülfe zurück in das höher liegende Zwischendeck gebracht, wo jetzt auch die übrigen Todten und Verwundeten auf aus den Coyen gerissenen Matratzen gebettet wurden, und die beiden jungen Leute gingen dann daran, das Terrain zu untersuchen, auf dem sie sich befanden. Mit einer über Bord geschobenen Planke, von denen der Zimmermann eine Menge auf dem hinteren Deck liegen hatte, fühlten sie daß das Wasser dicht hinter dem Boot und nach der Insel zu kaum vier Fuß tief war, und von übereinander gestürzten und dort anschwemmten Stämmen fast überdeckt wurde. Durch diese hin arbeiteten sie sich bis zu der, höchstens zwanzig Schritt entfernten Sandbank, die an dichtes Gestrüpp und Unterholz hinanlief. Wolf watete dann zum Boot zurück und ließ sich von dort unter den Kesseln vor, ein brennendes Scheit herüber reichen, das an seinem unteren Ende mit einem rasch aufgegriffenen Kopfkissen aus dem Zwischendeck, umwickelt wurde, um es in der Hand halten zu können. Dieß trug er zum Ufer, und bald loderte dort, von hinzugeschleppten, niedergebrochenen dürren Ästen reichlich genährt, ein helles Feuer auf, das die unheimliche Scene des gestrandeten Bootes mit seinem rothen Lichte übergoß. Nun wünschte der Capitain besonders, an Bord zu bleiben und den Tag zu erwarten, damit sie von einem vorbeikommenden Boot konnten abgeholt werden; der Steuermann aber, der vorn am Bug das Wasser untersucht und es dort weit tiefer gefunden hatte als das Boot war, erklärte jetzt daß dieses nur auf irgend einen Stamm oder Ast aufgeritten sei, und jeden Augenblick von diesem abrutschen oder ihn niederdrücken könne, wo sie dann gar nicht sicher wären das ganze Boot dem einsinkenden Bug nachfolgen zu sehn; je eher sie daher das Wrack verließen, desto besser. [Illustration: Capitel 6] Die Leute gingen denn auch, unter des Steuermanns Leitung, rasch daran eine sogenannte »_stage_« von zusammengebundenen Bretern zu bauen, die eine Brücke bis an Land bilden sollte, denn die Jölle war, bis Bahn gehauen werden konnte, in den verworrenen Ästen nicht zu brauchen. Diese halfen ihnen aber vortrefflich den rasch hergerichteten Plankenweg, oder die ihn haltenden Taue, zu tragen, und das beendet, wobei sie noch durch einen plötzlichen Ruck, den das Boot gab, zu größerer Eile angetrieben wurden, trugen sie vor allen Dingen die Verwundeten hinüber auf den Sand und neben das wärmende Feuer, wo ihnen die unverletzt gebliebenen Passagiere ein so gutes Lager als möglich herrichteten, während die Mannschaft dann beordert wurde zu retten was irgend anging. Dazu aber behielten sie keine Zeit; der Steuermann hatte nur zu recht gehabt als er trieb das Boot zu verlassen, denn durch das in den Raum gedrungene Wasser, das besonders die Zuckerladung gleich sättigte, war der Rumpf so furchtbar schwer geworden, daß ihn der Stamm, auf den er jedenfalls aufgesessen, nicht mehr zu tragen vermochte, jetzt ein Stück nachgab, und dann, vielleicht mit der Wurzel ausgehoben, den Vordertheil des Boots niedergleiten ließ. Die kecksten der Matrosen und Feuerleute, und unter ihnen der junge Wolf, denn Georg war mit den Verwundeten beschäftigt, ließen sich allerdings nicht durch das erste Sinken abhalten, sprangen nur zurück auf das hintere Deck, wo sie sich festhielten, und erwarteten das Weitere, ob dieser Theil des Bootes über Wasser bleiben, oder dem vorangegangenen Gewicht nachfolgen werde. Einen Augenblick schien es auch als ob es sich setzen wolle, aber ein neuer Stoß warnte sie bald auf ihre eigene Sicherheit bedacht zu sein; noch einen Moment schwankte das große mächtige Boot, das jetzt halb seitwärts gegen die Strömung angedreht war, dann preßte diese es auf die Seite; das was es bis dahin noch gehalten gab nach, und schwerfällig die Fluth von sich abstoßend, die vor der andringenden Masse zurückwich, um gleich nachher nur so viel gieriger über die Beute herzufallen, glitt das Wrack in so tiefes Wasser hinein, daß nur der obere Theil seiner Cajüte an der Larbordseite daraus hervorsah, und die schmutzig gelbe Fluth gar unheimlich mit den weiß und gelben Zierrathen der blitzenden Fensterreihe spielte. Die Leute hatten dabei wirklich kaum Zeit gehabt sich über die Planken hin an Land zu retten, und standen jetzt, ihres Alles beraubt, halbnackt, naß, erschöpft, Einzelne davon selbst ohne Hut und Schuhe, auf dem kahlen Sand der Insel. Über den Kameraden hinüber gebeugt, der gerade die Augen zu ihm aufschlagen und die Lippen wie zum Sprechen bewegt hatte, stand Georg. »Wie ist Ihnen, Berger, haben Sie viel Schmerzen?« frug er theilnehmend. »Wasser,« stöhnte der Unglückliche. Wolf sprang zum Wasserrand und brachte den gefüllten Hut zurück; der Verwundete that ein paar Züge, dann ließ er den Kopf zur Seite sinken. »Mein Traum,« flüsterte er, »sie -- sie -- holen -- mich« -- und sank todt in die Arme des Kameraden. Über die Leiche gebeugt, mit gefalteten Händen, stand ein anderer Reisegefährte von ihm, Schultze, der auf demselben Boot nach St. Louis Passage genommen. »Guter Gott« stöhnte er leise vor sich hin -- »wie unerforschlich und dunkel sind Deine Wege; wie jubelte der junge Mensch als er sich frei, seinen Verfolgern entzogen sah, und wenige Monate nur, und todt und verstümmelt liegt er auf demselben Boden, dem er mit solch freudiger Hoffnung und Zuversicht entgegenstrebte!« -- »Hülfe -- Wasser -- « jammerten Andere daneben, und füllten mit ihren Wehklagen die Luft -- »oh mein Gott -- oh mein Gott! Hülfe, Hülfe!« und die Feuer loderten dazu hoch und glühend auf, und warfen ihren blutrothen Schein über diese Scene des Schreckens und des Jammers. »Das ist die Vergeltung -- das ist Gottes Gericht!« murmelte da dicht neben Georg, der mit Einem der anderen Verwundeten schon beschäftigt war, und dessen Schmerzen zu lindern suchte, eine leise, heisere Stimme in deutscher Sprache, und als er sich dorthin wandte, erkannte er überrascht die Frau von der Haidschnucke, die auf der damaligen Überfahrt fast fortwährend krank in ihrer Coye gelegen und jetzt, nicht weit von dem einen Feuer auf den Sand gekauert, die beiden mageren Arme um ihre Knie geschlagen saß, und vor sich hin in die Flamme stierend, mit dem Kopfe kalt und unheimlich dazu nickend, murmelte: »das ist die Strafe für begangenen Frevel von dem alten Mann da oben, der mir das Gewissen schon fast in Stücke zerrissen hat auf der langen Fahrt -- die _Kinder_ sind uns nachgekommen -- die todten Kinder, und haben sich mit auf das Boot gesetzt -- _die_ zogen's hinab auf den Grund -- tief, tief hinab -- ha!« rief sie da plötzlich lauter und zusammen schaudernd -- »sie haben ein furchtbar entsetzliches Gewicht.« »Du wirst Dir das Maul noch verbrennen mit den tollen, wahnsinnigen Reden« flüsterte ihr da der Mann, der sich über sie gebogen, finster und mürrisch in das Ohr -- »denk' wenigstens nicht laut, wenn Du denn einmal solch albernes Gewäsch fortwährend im Kopf herumtragen mußt, oder, Gott verdamm' mich, ich -- ich kriege die Geschichte einmal satt, und gehe meiner Wege.« »Wie das Kleine da im Bettchen liegt, mit den rothen gesunden Backen« fuhr die Frau aber fort, ohne auf die Drohung des Mannes zu achten, ja ohne sie wahrscheinlich zu hören -- »ich _mußte_ es noch einmal küssen, brach mir doch so beinah das Herz, und gleich wieder schlief es ein und schlief so sanft -- so süß.« »Beim ewigen Gott!« rief da Georg Donner, dem keines der Worte entgangen war, während er zugleich in das von der Flamme hell beschienene bärtige Gericht des Mannes geschaut hatte, indem er aufsprang und auf diesen zutrat -- »Ihr stammt aus Waldenhayn, heißt Steffen und seid derselbe, der mit der Frau flüchtig geworden und die eigenen Kinder der Noth, ja dem Hungertode preis gegeben, zurückgelassen hat!« »Geht zum Teufel -- was wollt Ihr von _mir_?« rief der schwarze Steffen aber ärgerlich »ist Euch auch der Dampf in den Kopf gestiegen? -- ich heiße Meier und nicht Steffen.« »Was ist, was giebts?« rief auch jetzt Wolf, aufspringend und zu dem Kameraden tretend -- »was ist mit dem Manne?« »Das ist der Schuft der seine Kinder verlassen hat?« rief aber auch jetzt Herr Schultze sich gegen den Verbrecher wendend -- »das ist der Bursche den sie in Deutschland mit Steckbriefen verfolgt, und den wir auf unserem eignen Schiff mit herüber gebracht haben nach Amerika?« »Hallo -- wo brennts nun wieder?« riefen aber die Amerikaner, die mit um das Feuer standen und kein Wort von der ganzen Verhandlung begriffen hatten, wirr durch einander; »was zum Henker kauderwelscht Ihr da jetzt zusammen?« Da schilderte ihnen Georg, in edler Entrüstung das Verbrechen der Beiden, und zornfunkelnde wilde Blicke hafteten dabei auf der Gestalt des Mannes, der ihnen finster und trotzig gegenüber stand. »Tod und Teufel!« schrie ein langer Bootsmann, »da ist's kein Wunder wenn wir, mit solcher Fracht an Bord, aufgeblasen sind -- der Schuft verdiente seine Hände zusammengebunden zu haben und hier in's Wasser geworfen zu werden, wo es am tollsten wirbelt.« »In's Wasser nicht; der würde die Fische vergiften« schrie da ein Kentuckier, sich durch die Übrigen Bahn machend, auf den Burschen zu, »aber an einem der Bäume hier sollte er hängen, zur Verzierung der Insel.« »Zurück da!« rief aber der Mann, einen Schritt bei Seite springend, als der Amerikaner nach ihm herüberdrängte -- »was wollt Ihr von _mir_? -- es sind Lügen und Verläumdungen!« »Was sagt er?« riefen Andere wieder, die ihn nicht verstanden -- »und das da ist die Frau? -- eine schöne Mutter!« »Wie sie geschaut haben werden« flüsterte aber diese, das Toben und Schreien um sie her gar nicht beachtend, indem sie, in derselben Stellung als vorher, sich herüber- und hinüberwiegte -- »wie sie geflucht haben werden, als sie am anderen Morgen kamen und die Alten vom Neste geflogen fanden, die Jungen zu füttern hatten -- aber -- was ist denn das?« -- setzte sie unruhiger, sich scheu überall umsehend hinzu -- »sie kommen _nicht_ -- nicht den ersten Tag -- nicht den zweiten --nicht den dritten -- das Mehl ist aufgezehrt -- die Milch sauer geworden für das Kind -- wie es schreit und die Händchen nach der Mutter ausstreckt -- großer barmherziger Gott, ich muß zurück -- ich _muß_, ich _muß_ zurück!« Sie war aufgesprungen, und hatte beide Hände, zwischen denen die matten glanzlosen Augen stier und wild umherschauten, fest gegen die Schläfe gepreßt. Georg, der wohl fühlte wie ihr Geist von den letzten Schrecken, mit dem nagenden Wurm des verübten Verbrechens am Herzen, angegriffen und erschüttert sei, trat da zu ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter und wollte sie beruhigen. »Fort« sagte sie aber leise, ohne sich nach ihm umzusehn -- »an Deiner Hand ist Blut -- mich schaudert wenn ich Dich anschaue.« »Sie ist übergeschnappt« riefen jetzt die Bootsleute, die sich um sie drängten, und ihr halb scheu halb neugierig ins Gesicht sahen -- »bei Gott sie ist verrückt!« Die Frau aber, ohne sich weiter um die Männer zu kümmern, sank wieder an ihrem vorigen Platz zusammen, zog sich ihr weißes Tuch über, daß es den Kopf völlig bedeckte, und blieb so, still und regungslos neben dem Feuer kauern. Als sich die Übrigen jetzt aber wieder nach dem Manne umsahen, war er in dem dichten, die Sandbank umgrenzenden Unterwuchs und Rohr der Insel verschwunden. Allerdings wollte ein Theil der Leute den Burschen, der durch seine Flucht sein böses Gewissen hinlänglich bekundet hatte, aufgesucht, und den Amerikanischen Gerichten übergeben haben, die Insel war aber groß, und so lange es dunkel blieb an etwas derartiges gar nicht zu denken. Dann aber nahm auch die eigene Lage ihre Aufmerksamkeit viel zu sehr in Anspruch, sich mit dem Fremden viel länger zu beschäftigen, als man ihn eben sah, und Alles drängte sich jetzt um den zweiten Ingenieur her, der ebenfalls schwer verwundet am Feuer lag, und gerade wieder ein erstes Lebenszeichen gab. Donner sprang zum Wasser hin, tauchte dort sein Tuch ein, es wieder anzufrischen, und legte es dem noch halb Bewußtlosen um die Schläfe, während ihm Wolf die Lippen netzte, und etwas Wasser in das Gesicht spritzte. Der Mann kam endlich wieder zu sich, und seine Wunden erwiesen sich glücklicher Weise nicht so schwer, an seinem Aufkommen zweifeln zu lassen; andere aber, und unter ihnen zwei Passagiere, ein Deutscher und ein Amerikaner waren von dem heiß ausgeströmten Dampf furchtbar verbrüht worden, und jammerten und stöhnten, und baten um Gottes Willen ihren Leiden ein Ende zu machen. Während Alles für diese geschah, was der Augenblick nur zu thun erlaubte, hatte sich der Ingenieur wieder so weit erholt, um wenigstens einige Fragen zu beantworten, die der Capitain über die Ursache des Unglücks an ihn richtete. Was der arme Teufel noch aussagen konnte stimmte mit dem Zeugniß der Feuerleute überein. Er war kurz vorher, ehe die Explosion erfolgte, zu seiner Wacht geweckt worden, und hinunter in den Maschinenraum gegangen, wo ihm das schon auffiel, daß er Niemanden dort antraf. Über die Guards hin rasch den Feuerleuten zugehend, begegnete er hier dem andern Ingenieur den er augenblicklich für halb betrunken erkannte. Er bat ihn jetzt um das Holz, das dieser noch in der Hand hielt, die Stärke des Dampfes zu prüfen, der aber weigerte sich lachend ihm das zu geben, sich noch dabei äußernd daß er ihm dann seinen besten Dampf hinausließe, und das Boot gerade jetzt gegen den Strom anlief wie ein durchgehendes Pferd. Zurückgehend zur Maschine sah er da zu seinem Schrecken, daß die Sicherheitsvalve auf eine Weise beschwert war, die die Sicherheit des Bootes auf das höchste bedrohen mußte -- rasch sprang er zu, die Gewichte fortzureißen, und rief dabei nach vorn die Thüren zu öffnen als er, wie er sich zu erinnern glaubt, auf dem Maschinenholz, in der Hast und Angst ausrutschte und in demselben Augenblick zu Boden stürzte, wo der eingepreßte Dampf sich endlich mit Gewalt seinen Weg in's Freie bahnte und die Kessel sprengte. Das allein rettete ihn jedenfalls, er wäre sonst, wie der andere Ingenieur der neben ihm, aber aufgerichtet stand, zu Atomen zerschmettert worden. Mächtige Feuer waren indessen auf der Sandbank und dicht am Holzrand entzündet worden, Gesunden wie Verwundeten ein nur einiger Maßen erträgliches Nachtquartier zu bieten, und vorzüglich hatten die Amerikaner schon für die Damen aus der Cajüte, an einem besondern Feuer, ein dichtes Dach von Zweigen hergerichtet, sie gegen den Nachtthau und die kalte, über den Strom herüberstreichende Zugluft zu schützen; an Schlaf war aber, selbst für die gar nicht Verletzten, kaum zu denken, denn die Unglücklichen stöhnten und winselten in ihrem Schmerz bis an den hellen Morgen. Donner gab sich dabei jede nur erdenkliche Müh' ihre Schmerzen zu lindern, zerriß sein leinenes Hemd, das letzte das ihm geblieben, Verbände zu machen, und suchte vor allem die Fiebergluth der Armen zu kühlen. Aber menschliche Mittel, selbst wenn er Alles zu Händen gehabt hätte was er bedurfte, reichten da nicht mehr aus, und die beiden Verbrühten, die im Maschinenraum als die Kessel explodirten, auf dort aufgestapelten Kaffeesäcken geschlafen hatten, starben ihm unter den Händen, noch ehe die Sonne aufging und die traurig wilde Gruppe beleuchtete. Bald nach Sonnenaufgang kam ein Boot stromauf, und dicht an der Insel vorbei -- das noch zum Theil aus dem Wasser ragende Wrack, wie die Menschen am Ufer verriethen ihm deutlich genug was hier vorgefallen, und es schickte sein Boot an Land Mannschaft und Passagiere aufzunehmen und nach der nächsten Stadt zu bringen, wo sie Hülfe bekommen konnten. Die Verwundeten wurden zuerst an Bord geschafft, in Memphis wieder ausgeschifft zu werden, und nur die Frau, die noch immer regungslos am Feuer saß, weigerte sich ihnen zu folgen. Sie wollte keinen Schritt weiter mit dem Manne gehn, der Fluch und Elend über sie gebracht, und erst als ihr Georg, der die Unglückliche nicht in dem Zustand ihrem Schicksal überlassen mochte sagte, daß Steffen in den Wald entsprungen und nicht zurückgekommen wäre, stand sie endlich auf, strich sich die langen wirren Haare aus der Stirn, und folgte dem jungen Mann von da an willenlos, wohin er sie brachte. In Memphis angekommen, wurden die Verwundeten gelandet und ärztlicher Pflege dort übergeben, und der Capitain der »Mississippi-Belle« wie das Dampfboot hieß das sie aufgenommen, erbot sich freundlich Passagiere und Mannschaft der Backwoods-Queen die sämmtlich ihr Gepäck mit dem Untergang des Bootes verloren hatten, unentgeltlich mit nach St. Louis zu nehmen, wohin auch er bestimmt war. Die meisten nahmen dieß großmüthige Anerbieten an, obgleich fast Alle, wie auch Wolf und Georg, ihr baares Geld bei sich trugen und gerettet hatten, nur Wolf verlangte seine Passage als Feuermann abarbeiten zu dürfen, wobei sich ihm Donner anschloß. Der Capitain lachte freilich über die eigensinnigen Burschen, ließ sie aber gewähren, und Wolf wie Georg wurden Feuerleute auf der Mississippi-Belle. Die Frau brachte Georg, kurz vor der Abfahrt des Bootes, in ein deutsches Kosthaus, und bat die Leute dort sich ihrer anzunehmen, bis sie sich erholt habe; er selber wolle dann auf dem Rückweg wieder vorsprechen, und gern die Kosten, zu denen er schon einige Dollar da ließ, tragen. Die Frau sprach dabei kein Wort -- sie dankte ihm nicht, sie sah nicht auf, und saß still und regungslos, wie sie am Feuer gesessen hatte, in der Ecke, als er das Haus verließ. Capitel 7. Die Deutschen in Cincinnati. Herr von Hopfgarten, den wir auf seiner Fahrt nach Cincinnati verlassen haben, hatte sich indessen in der »Königin des Westens« wie sie ernsthaft, oder _Porkopolis_ -- wie sie der ungeheueren Masse Schweine wegen, die dort jährlich geschlachtet und verschickt werden, scherzhaft im Lande heißt, einige Wochen aufgehalten, um sich mit dem Leben und Treiben einer der inneren Städte Amerikas bekannt zu machen. Die Lage Cincinnatis, das den Centralpunkt aller dort gelegenen deutschen Ansiedelungen bildet, ist reizend; der wunderschöne Ohio (schon von den Indianern _O-hy-o_ -- der schöne Strom genannt) bespühlt ihren Fuß und bietet ihr eine treffliche Landung, an der die größten Mississippi-Dampfer ihre Frachten ein- und ausladen können, während freundliche, jetzt schon vielfach mit Reben bepflanzte Hügel die Stadt im Rücken umschließen. Es kam ihm dabei so vor, als ob fast der dritte Theil der Einwohner Deutsche wären, und einzelne Viertel besonders schienen nur von Landsleuten bewohnt, ja auf dem trefflich bestellten Markt hörte man kaum etwas anderes als Deutsch sprechen, und besonders amüsirte es ihn dabei die Verschmelzung der Trachten, den Übergang des deutschen Bauers, der nur erst nach hartnäckigem Widerstand in _jeder_ Hinsicht den deutschen Bauer auszieht, in den Amerikaner zu beobachten. Wunderliche Transformationen kamen da vor, nicht unähnlich denen, wie man sie überall an wilden Stämmen beobachten kann, und unser deutscher Bauer hat wirklich einige Ähnlichkeit, so sonderbar das klingen mag, mit dem Indianer. An seinen alten Sitten mit einer Zähigkeit hängend die ihres Gleichen sucht, betrachtet er Jeden der ihm daran rütteln will mistrauisch, eifersüchtig selbst -- sein Vater hat das so und so gethan und so war's gut, warum sollt's jetzt wohl anders werden -- etwa weil »Stadtmenschen mit Brillen auf, die das aus Büchern gelesen haben« -- meinen sie könnten es besser machen? _die_ hatten jedenfalls ihre Absichten, suchten ihren Vortheil dabei, das war Alles. So gehn sie auch nach Amerika, nicht etwa weil sie sich dort ein freieres, ungebundeners Schaffen versprechen, sondern weil ihnen Steuern und Abgaben im alten Vaterland zu drückend werden, und Briefe auf Briefe von dort herüberkommen, die ihnen mit goldenen Schilderungen den Mund so lange wässrig machen, bis sie eben nicht länger widerstehen können und nun auswandern. Und nicht um dort zu lernen, und sich den Sitten und Gebräuchen der neuen Heimath zu fügen, betreten sie das fremde Land, sondern fest überzeugt daß sie den Leuten dort noch zeigen müssen wie man ackert und säet. Ihre eigene Sitten, ihr eignes Ackergeräth und Handwerkszeug, so unpraktisch das sein mag, so wenig es den dortigen Bedingnissen entspricht, ändern sie auch deshalb nicht, bis nicht ihre Kinder herangewachsen und den Bettel aus dem Hause werfen, oder die Noth sie zwingt das eine oder andere zu verbessern. So mit ihrer Kleidung; mit den langen blauen Zimmermannsröcken mit fingerbreiten Kragen, und riesigen, zwischen den Schößen zeitweilig herausfahrenden weißleinenen Taschen, mit dem ausgeschweiften Hut und den kolossalen Schuhen, und die Frauen mit ihren kurzen Röcken und weiten Ärmeln, den wunderlichen Hauben, dick wattirten, wulstigen Jacken und tausendfach gefalteten Röcken, wie lange währt das, bis sie auch nur das kleinste daran ändern, und thun sie's selbst, legen sie das und jenes ab, und dieß und das dafür an, die Art wie sie's tragen bleibt dieselbe, und der Deutsche ist im Nu herauszufinden. Herr von Hopfgarten hatte Briefe an ein paar deutsche Kaufleute mit. Der Eine, den er zuerst besuchte, hielt einen Laden im Mainstreet, und schien durch Importiren deutscher Waaren ein ziemliches Vermögen erworben, sein Deutsch aber dabei vergessen zu haben. Er sprach nur Englisch -- wenn auch freilich mit traurigem Accent -- selbst mit seinen deutschen Dienstleuten, die sich abquälen mußten ihn nur zu verstehen -- kleidete sich ganz Amerikanisch, d.h. er coquettirte damit einen sehr feinen, aber an dem einen Ellbogen zerrissnen Rock zu tragen, besuchte den ganzen Sonntag Amerikanische Kirchen und -- kaute Taback. »Wie er sich räuspert und wie er spuckt, Das habt Ihr ihm glücklich abgeguckt.« Das vernachlässigte, Widerliche des Amerikanischen Charakters nehmen diese Art Leute an, das aber, was seinem ganzen Wesen die innere Triebkraft giebt, das Bewußtsein seiner Freiheit, sein Nationalstolz, mit dem er sein Vaterland wachsen und gedeihen sieht, wie noch kein Beispiel die Geschichte je geliefert, das leider Gottes liegt ihnen unerreichbar fern. Sie sagen sich nicht allein los vom deutschen Vaterland -- das ist gut, das Vaterland kann sie verschmerzen und hat des Gelichters noch leider mehr als genug -- nein sie schämen sich auch Deutsche zu sein, schimpfen nicht auf das was Deutschland so niedergedrückt hat und zu Boden gehalten, sie haben das nie begriffen noch gefühlt, nein auf den deutschen Stamm, dem ihre eigene Mutter angehörte, und spreitzen sich in ihrem fremden Wesen, mit dem gewonnenen Reichthum, von dem ordentlichen Amerikaner ausgelacht, von dem wackeren Deutschen verachtet, in einem kleinen Raum herum, den ihr eigener Dunstkreis bildet, und den sie für die Welt halten. Hopfgarten konnte sich nicht wohl bei diesen Menschen fühlen; diese vornehme Gemeinheit widerte den wackeren Mann an, und er suchte sich eine andere Schicht der Bevölkerung unter den Deutschen. Er wurde bei einem Landsmann, der eine Apotheke in ---- _street_ hatte eingeführt und sehr freundlich aufgenommen, und lernte hier einige Doktoren, Advocaten und Geistliche kennen, aber ein steifer Ton herrschte auch in diesen Zirkeln; von einem herzlichen Verstehen war zwischen ihnen nicht die Rede. Die Doktoren waren natürlich nur solche die zur Ausführung ihrer Recepte die Patienten nach _seiner_ Apotheke schickten, die Advocaten und Pastoren »gute« Patienten von beiden, aber auch hier wurde kein freundliches Wort über die _Landsleute_ gesprochen. Alle diese Männer befanden sich noch nicht in den Verhältnissen ihren Beruf aufzugeben und von ihren Zinsen zu leben, ja Manche waren erst seit kurzer Zeit von Europa herübergekommen und suchten sich erst eine Carriere oder Stellung zu gründen. Der Apotheker _protegirte_ Manche von diesen, und war außerdem, seiner Äußerung gegen Herrn von Hopfgarten nach, _stolz_ darauf ein »Bürgerlicher« zu sein. Hopfgarten lachte damals über diese etwas wunderliche Bemerkung, und meinte darauf, Herr Hohlziegel habe dazu wohl eben so wenig Grund, als wenn _er_ auf seinen Adel stolz sein wolle, da sie als vernünftige Männer doch wüßten wie des Menschen Handeln seinen Werth bestimme -- aber wohl konnte er sich dennoch nicht zwischen den Leuten fühlen. Es war auch dabei von Nichts die Rede als von Geschäften, und wenn ein Mann genannt wurde, mußte die Zahl seines Vermögens den Zunamen bilden -- das ganze Geschlecht wurde in _gut_ und _nicht gut_ geschieden. Selbst der Geistliche, der neu angekommen, in den nächsten Tagen eine Probepredigt zu halten hatte, damit sich dann die Gemeinde entscheiden könne ob sie ihn haben wolle oder nicht, sprach nur von dem _Effekt_ seiner Rede, von dem »Packen der Menge« und von seinem _Gehalt_. Diese Leute verschmähten es, oder hielten es vielmehr unter ihrer Würde in ein deutsches Bierhaus zu gehn, und tranken mit kleinen Stückchen sehr trockenen, staubig schmeckenden Confekts, einen nichtswürdig saueren Amerikanischen Wein, der das Einzige zu seiner Entschuldigung hatte, daß er auf Herrn Hohlziegels eigenem Weinberg gereift war, und dieses Meinung nach, einmal ein »famoses Gewächs« werden mußte. Hopfgarten stand eines Abends, nach einem schrecklich verlebten Nachmittag in Verzweiflung unten in der Apotheke und beschloß schon Cincinnati mit seiner prachtvoll gebauten Unterstadt, und den Holzbaraken des Canalviertels in Mismuth zu verlassen, als der Provisor, ein behäbig aussehender Mann, mit fettem Unterkinn und kleinen lebhaften Augen, seinen Hut aufsetzte, dem anderen jungen Mann in der Apotheke zurief daß er mit dem »fremden Herrn« ausgegangen sei, und diesen dann sehr zu dessen Erstaunen ohne weiteres unter den Arm nahm und hinaus auf die Straße führte. »Wenn Ihr Magen von dem verdammten Grüneberger Ausbruch noch nicht ruinirt ist,« sagte er dabei, »und Sie noch eine halbe Stunde aufsitzen können ohne einzuschlafen, wie es die »Honoratioren« gewöhnlich machen, so denk' ich Sie zu einem guten Glas Bier zu führen, wo wir auch muntere Gesellschaft finden. Gemischtes Publicum allerdings, aber nette Kerle, und Cincinnati Bier mit Limburger Käse.« »Oh Sie scherzen,« rief Hopfgarten rasch, »Limburger? ächter Limburger? Herr, das ist eine schwache Seite von mir.« »Sie werden ihn _riechen_ sobald wir in's Haus kommen,« sagte Bohle, der Provisor. Überhaupt aber ziemlich schweigsamer Natur, ließ er sich auch unterwegs auf kein großes Gespräch weiter ein, sondern beantwortete alle an ihn gerichteten Fragen so einsylbig als irgend möglich. Sycamorestreet hinauf und in eine der Queerstraßen, die mit dem Strom parallel laufen, einbiegend, erreichten sie endlich ein Haus, das nicht mit dem entsetzlichen »Deutsches Coffe-Haus« wie fast alle Schnapskneipen die Überschrift tragen, versehen war, sondern wo ein weiß und blaues Schild -- ein Stückchen Heimweh des bairischen Bierbrauers -- dem durstigen Wanderer mit lakonischen aber zum Herzen sprechenden Worten kündete, daß hier ein gutes Bier verzapft werde. Es war keine Prahlerei mit dem Worte Bairisch dabei, kein Coquettiren mit der Zugabe »Amerikanisch« -- es hieß nur »gutes Bier« und ein kleines hölzernes Täfelchen was darunter hing trug, anscheinend mit dem in Stiefelwichse getauchten Finger geschrieben, die Worte: Limburger Käse! Schweizer Käse! Rettiche! Der Platz bedurfte weiter keiner Empfehlung, und Hopfgarten betrat mit einer gewissen Art von heimischem Wohlbehagen den kleinen niederen, schon von zahlreichen Gästen belebten Raum, wo sie kaum seinen Begleiter erkannten, als ihnen auch an einem der Tische Raum gemacht und sie freundlich eingeladen wurden sich dort niederzulassen. »Meine Herren,« begann da Bohle seinen Gast vorzustellen, »ich bringe Ihnen hier ein Opfer der Etikette, einen Unglücklichen, den Hohlziegel mit Cincinnati-Ausbruch vergiftet und der Doktor Held außerdem aus der Haut getrieben hat vor langer Weile. Der Herr hier ist erst vor kurzer Zeit von Deutschland herübergekommen, heißt von Hopfgarten und würde Cincinnati mit der moralischen Überzeugung verlassen haben, daß es der ekelhaft langweiligste Platz unter der Sonne sei, und die Deutschen darin nicht einmal deren Scheinen verdienten. Ich habe ihn gerettet, unter den Arm genommen und bin mit ihm hierher an Land geschwommen -- bitte meine Herren, stellen Sie sich jetzt eigenhändig vor, damit unser neuer Freund weiß woran er ist, und in welch anständiger Gesellschaft er sich eigentlich befindet. -- Sie Lochhausen, fangen Sie einmal an; aber hallo hier Brand, bringen Sie uns doch Bier, zum Donnerwetter, sollen wir denn an der Quelle verschmachten. Zwei Quart Bier und einen halben Limburger Käse! also Lochhausen.« »Ich heiße von Lochhausen,« sagte der junge Mann, der dicht neben Herrn von Hopfgarten saß, ein junger blondhaariger Bursche mit blauen treuen und doch lebendigen Augen, »und bin Zeitungsträger beim Volksblatt, wie auch Exzeitungsträger des Christlichen Apologeten, habe aber die Hoffnung, wenigstens das Versprechen der betreffenden Behörden, denen ich durch meine Familie dringend empfohlen bin, eine feste Anstellung als Straßenkehrer für Sycamore und Wallnutstreet zu bekommen.« Hopfgarten sah seinen Führer von der Seite an, denn unwillkührlich stieg der Verdacht in ihm auf, daß man sich vielleicht auf seine Kosten amüsiren wolle, und ihn für »grün« genug halte zu glauben was man ihm eben aufbinde. Bohle, der aber etwas Ähnliches vielleicht vermuthen mochte, sagte freundlich: »Fürchten Sie nicht, lieber Herr, daß Ihnen Einer der Leute hier eine Unwahrheit erzählt, sie würden _Alle_ über ihn herfallen; die ganze Geschichte soll Ihnen auch eigentlich nur einen Beweis liefern, wie uns das Schicksal hier zusammengewürfelt hat, und was wir treiben. Am Tag müßten Sie Gott weiß wo überall umherkriechen uns anzutreffen, Abends finden wir uns aber gewöhnlich hier von selber zusammen; nicht aus freiem Willen übrigens, sondern durch die Nothwendigkeit zu einander getrieben, einen Anhalt in uns selber gegen das praktische Leben draußen zu haben. Jetzt kommen Sie Höfner.« »Meinen Namen haben Sie eben gehört« sagte der also Aufgerufene, mit einer leichten freundlichen Verneigung gegen den Fremden; »ich bin der Sohn des früheren Justizministers Höfner aus -- seit zwei Jahren in Amerika und im ersten halben Jahr in einer Kohlengrube in Pennsylvanien beschäftigt gewesen. Die Arbeit war mir zu hart, ich ging deshalb als Koch auf ein Dampfboot, wurde später Bäcker in Dayton und drehe jetzt Cigarren, in welchem Geschäft ich mir schmeichle ziemliche Fertigkeit erlangt zu haben.« »Ich heiße Sorgfeld,« sagte der Dritte, »war früher Officier in Braunschweigischen Diensten, kam vor drei Jahren nach Amerika, wurde Farmer, d.h. diente anderthalb Jahr als Ackerknecht, bekam Streit mit einem Amerikanischen Advokaten in der Nachbarschaft, und flüchtete in Folge eines Duells nach Ohio, wo ich jetzt Bilderrahmen in der Spiegelfabrik von _Hoppe & brothers_ vergolde.« Der vierte war eine etwas schwammige, eben nicht übermäßig reinliche, in einen grauen Sommerrock eingeknöpfte Gestalt mit einem dicken aufgedunsenen Gesicht, in dem aber Humor und viel Gutmüthiges lag, trug eine Brille schief auf der Nase, daß er über das eine Glas hin und unter dem anderen weg sah, und hatte eine Gewohnheit sich mit den Fingern durch das lange dünne feuchte Haar zu fahren. »Ich heiße Müller,« sagte er, dabei still vor sich hinlächelnd, »und bin Redakteur des Volksboten -- ultra demokratischer Würgengel und Hackklotz des Christlichen Apologeten wie »Wahrheitsfreundes«[14] -- Principal jenes jungen blondhaarigen Menschen da, dem ich etwas mehr auf die Finger sehen muß, da ich nicht begreife wie er mit dem geringen Absatz meines Blattes so viel Biertrinken vereinigen kann -- habe früher in Deutschland _jura_ studirt und eine Zeitlang hier Recht verdreht, dann, als das nicht mehr gehn wollte, und die Eisenbahnspeculation begann, bei der ich mich auch in etwas betheiligen wollte, zwei Monate an der St. Louis-Bahn mit geschaufelt und gegraben, bin dann, da die Arbeit meiner Constitution nicht zusagte, hierher nach Cincinnati gekommen, wo ich eine Zeitlang für einen hiesigen Kürschner, meinen Nachbar hier, Felle zupfte, und habe nachher, einem »dringenden Bedürfniß« abzuhelfen, den »Volksboten« gegründet, an dem mich jetzt meine Zeitungsträger und Setzer ruiniren.« »Ich bin der Kürschner Helfich,« sagte ein kleiner Mann mit einem großen Höker auf der linken Schulter, mit dem er nicht viel mehr als eben auf den Tisch hinauf reichte. »Habe hier in Amerika eine Ladung Pelze gekauft, dieselben nach Deutschland hinüber zu schaffen, litt dicht vor dem Hafen Schiffbruch, bekam, da die Assecuranzcompagnie einfach bankerott machte, nur fünf Procent, etwas über meine Einzahlung vergütet, und begann nun hier, da ich solcher Art nicht zurückkehren mochte, ein kleines Geschäft ganz von vorn; habe auch Clavierunterricht und Zeichenstunde gegeben, und werde mich im nächsten Frühjahr einer Gesellschaft anschließen, eine Reise mit der Pelzcompagnie in die Felsengebirge zu machen.« »Ich bin Doktor Eberhard,« sagte der nächst ihm Sitzende, »meine Geschichte ist bald erzählt; vor zwei Jahren als Schiffsdoktor herübergekommen, habe ich mir die wenigen Patienten, die mir Glück oder Zufall geliefert, selber todt gemacht -- wenigstens behaupten meine Freunde so,« sagte er, als die Übrigen lachten, »und würden einen Mordscandal erhoben haben, hätte ich etwas anderes erzählt. Jetzt habe ich einen Cigarrenladen errichtet, an dem mein Freund Höfner da Mitarbeiter ist.« »Ich habe Theologie studirt« nahm der letzte am Tisch, der neben Bohle saß, die Reihenfolge auf, »und heiße Tanne. Glaubte auch meinen Beruf hier in Amerika, nach Allem, was ich früher darüber gehört, sehr bequem fortsetzen zu können, fand aber nach Jahresfrist daß ich mich darin geirrt. Von einer Gemeinde in Pennsylvanien engagirt, wöchentlich ein Mal zu predigen und sämmtliche Festtage zu halten, wofür ich 30 Dollar monatlich bekam, war ich den Orthodoxen bald nicht orthodox, den Freisinnigen nicht freisinnig genug. Darin vereinigten sich beide Partheien, daß ich nicht für sie tauge und ich ging nach Ohio, wo ich in Columbus eine Zeitlang der deutschen Gemeinde predigte. Umtriebe, die von einem andern »Pfarrer« dort gemacht wurden, ließen mich meine dortige Stellung freiwillig aufgeben, und ich zog die ruhigere Beschäftigung eines Constablers -- quasi Nachtwächter -- in Dayton vor, wo ich gleichen Gehalt wie als Prediger bekam. Die Nachtluft sagte aber meiner Constitution nicht zu -- ich wurde dann in Covington, über dem Ohio drüben, Schullehrer, ärgerte mir da fast den Tod an den Hals und machte dann zwei Reisen als Koch auf einem Dampfboot, bis ich mich jetzt endlich als Pillenfabrikant hier zu Ruhe gesetzt habe, und jetzt ziemlich einträgliche Geschäfte, besonders nach dem Westen der Union mit blutreinigenden sogenannten Tanneschen Pillen mache.« »So« sagte Bohle, »haben Sie nun die Güte und introduciren Sie sich ebenfalls.« »Lieber Gott, das ist bald geschehen« lachte Hopfgarten »und ich komme mir, diesen Mannigfaltigkeiten gegenüber, hier ordentlich klein vor. Ich heiße von Hopfgarten, und reise durch die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, das Land selber kennen zu lernen und einen richtigen Begriff davon zu bekommen -- sonst bin ich hier noch weiter Nichts gewesen als -- Passagier.« »Aller Ehren werth« rief da Müller lachend, »wenn Sie wirklich noch weiter Nichts gewesen sind; die meisten Fremden sind gewöhnlich in der ersten Zeit auch noch »Hühnchen« und werden gerupft.« Hopfgarten lachte und meinte, das stünde ihm wohl noch bevor. Von jetzt an wurde das Gespräch allgemein; dadurch übrigens, daß sich alle selber persönlich aufgeführt und vorgestellt hatten, war ein heiterer, ungenirter Geist in das Ganze gekommen; der Fremde war ihnen nicht mehr fremd, und fühlte sich zum ersten Mal, seit er Amerika betreten hatte, wirklich wohl in einer fremden Umgebung. Die Gesellschaft bestand nur aus gebildeten Leuten, die sich schon in der Welt etwas umgesehn und ihre Kräfte versucht hatten, es herrschte ein höchst anständiger, aber vollkommen zwangloser Ton, und trotz ihren verschiedenen Beschäftigungen, die Alle vielleicht wieder in den nächsten Monaten wechselten irgend etwas anderes ihnen mehr zusagendes oder mehr einträgliches zu ergreifen, sah man daß sie einander achteten und gern hatten. »Und es gefällt Ihnen in Amerika?« hatte Hopfgarten im Lauf der Unterhaltung gewissermaßen die Frage an die ganze Gesellschaft gerichtet; »Sie fühlen sich wohl und zufrieden hier?« »Ich will Ihnen etwas sagen, mein lieber Herr von Hopfgarten,« nahm hier Tanne die Frage auf -- »die Antwort kann nicht einfach mit ja oder nein gegeben werden. Von gefallen oder nicht gefallen kann überhaupt nicht die Rede sein irgend einen Maasstab anzulegen, denn das richtet sich auch großentheils nicht allein nach den Ansichten des Einzelnen, sondern auch nach dem, was er in der alten Heimath zurückgelassen hat. Das Vaterland liegt uns noch _Allen_ in den Gliedern, und wird darin liegen, so lange wir einen Tropfen _menschlichen_ Blutes in uns laufen haben, und nicht solche erbärmliche nichtsnutzige Schwachköpfe -- ja ich möchte fast sagen, _Schufte_ geworden sind wie jenes Gesindel, das, ohne irgend eine Vergangenheit, ohne ein Gefühl von Liebe oder Dankbarkeit sich _schämt Deutsche_ zu sein. Eigentlich ist das übrigens nur ein Irrthum von ihnen, sie geben dem Gefühl der Schaam, die ganz richtig in ihnen besteht, nur einen falschen Namen, sie sollten sich überhaupt schämen daß sie auf der Welt sind, und reduciren das auf das Vaterland. Doch um auf unser Thema zurückzufallen -- die Galle läuft mir immer über, wenn ich auf das Gesindel zu sprechen komme -- so meine ich mit dem _Gefallen_, daß es sich besonders danach richtet, was wir im alten Vaterland zurückgelassen haben. War das viel Liebes und Gutes, dann freilich wird es Manchem schwer werden, hier in ganz anderen, fremden, ja kalten Verhältnissen -- denn Jeder sorgt hier nur für sich selbst, und Gott für uns alle -- zurecht zu finden, oder wohl zu fühlen. War das nicht der Fall, gingen wir mit leichtem Herzen fort, ist es freilich etwas anderes, und wir werden auch im Stande sein, uns hier leichter einzurichten. Es sind dann nicht zu viel alte Herzensfasern, beim Herausreißen aus dem Mutterboden darin zurückgeblieben, und die Pflanze kommt besser fort und gedeiht -- wenn ich auch gerade nicht weiß, ob ich _die_ Leute beneiden soll« -- setzte er ernster hinzu. »Überhaupt ist es mit dem _ubi bene ibi patria_ eine eigene Sache, es klingt recht gut im Lied, und singt sich ganz erträglich, ist aber doch nicht wahr -- zur Ehre des Menschengeschlechts nicht wahr, und in melancholischen Stunden, die fast jeder Staatsbürger einmal hat, und die sich bei den hiesigen Deutschen gewöhnlich am auffallendsten zur Weihnachtszeit einstellen, sing' ich die Geschichte manchmal verkehrt.« »Also das Heimweh existirt doch auch in Amerika« sagte Hopfgarten. »Moralischen Katzenjammer nennen sie's hier« sagte Müller, »und gebrauchen Bier und Cognac dagegen.« »Zeitweise existirt's« fuhr Tanne fort, »aber _Amerika_ ist da nicht die Ursache, sondern die Fremde überhaupt, und so wunderlich es mir hier schon gegangen, ja so erbärmlich oft und miserabel, wär' ich der Letzte der über das Land klagte. Es ist ein großes, herrliches Reich dieß freie Amerika, von tüchtigen edlen Männern gegründet, die einen Grundstein für die Ewigkeit gelegt. Nachfolgende Generationen haben daran unverdrossen weiter gebaut, und wenn auch hie und da einmal ein Miston, durch die _vielen_ Baumeister hineingekommen, wenn auch hie und da ein wilder Schnörkel oder Knauf die massenhafte Hoheit des Ganzen unterbricht und stört, andere Stellen noch roh und unbehauen liegen und der Arbeiter harren, die _Harmonie_ des Ganzen kann's nicht stören, das wächst und steigt und breitet sich nach Nord und Süd und West ein Asyl den Bedrückten, den Nothleidenden, ein weiter Hafen für die ganze Welt.« »Ja« sagte Hopfgarten, »das klingt nicht so übel, ist aber die alte Geschichte von der romantischen Seite aufgefaßt; mir läge daran das _Praktische_ zu hören.« »Darin kann _ich_ Ihnen vielleicht dienen« sagte Müller, sein Glas wieder vollschenkend und austrinkend, und das geleerte Blechmaas dem Wirth um »neuen Stoff« zurückreichend. »Tanne hat die schwache Seite daß er manchmal Verse macht, und es wird ihm sogar hier nachgesagt, er hätte in Pennsylvanien einmal eine »gereimte« Predigt gehalten -- _das_ konnten die Leute nicht vertragen und er mußte fort. -- « »Ihr reitet nur immer auf _uns_ herum« lachte Tanne -- »wenn Ihr die Geistlichen nicht hättet -- »Und keinen Löffel, so müßten wir unsere Suppe _trinken_, ja wohl, das ist ganz in der Ordnung,« sagte Müller trocken, »die kommen aber hier gar nicht in Betracht, sondern unser Amerika, in dem wir nun einmal existiren, und wenn vielleicht wenig Menschen weniger Ursache haben günstig davon zu denken, so wär' ich es, wollte ich eben ungerecht sein und die ganze Geschichte nur nach mir selber beurtheilen. Wenig Deutsche in Amerika haben aber gerade so viel Gelegenheit das Wirken und Schaffen, das Fortschreiten und Wachsen ihrer Landsleute zu beurtheilen, wie gerade wir Zeitungsredakteure, deren _Beruf_ es eben ist, sich, indem sie für sich selber sorgen, um Andere zu bekümmern. Wir gerade lernen dabei eine Menge Menschen kennen, die herüber kommen, hören am häufigsten was sie darüber sagen, weil wir eben _darauf_ hören, lesen was sie darüber schreiben, und fühlen zuletzt, wie wir nur zu häufig die Triebfedern durchschauen, die sie zu dem oder jenem Urtheil geleitet.« »So zum Beispiel -- um Ihnen die Sache etwas handgreiflicher zu machen -- ist seit lange nicht so viel Volk vom alten Vaterland herübergekommen, wie in den letzten zwei Jahren, und zwar meistens aus einer Klasse, die Sie zwar hier im Zimmer und an diesem Tische besonders vertreten finden, die wir aber gerade hier in Amerika am allerwenigsten gebrauchen können, und die auch in der That hier am allerwenigsten mit sich selber anzufangen weiß. Ich meine eben die mittellose gebildete Klasse, die für ihre Schulbildung hier keinen Markt findet, und nur zu häufig dann auch noch zu faul ist da mit den Händen zuzugreifen, wo sie mit dem Kopf nichts ausrichten kann. Hierzu gehören Juristen, Geistliche -- wenn sie sich in die bestehenden Eigenthümlichkeiten nicht fügen können oder wollen -- Philologen und Philosophen, die unglückseligsten Menschenkinder von Allen zwischen den praktischen Amerikanern -- und jene Unmasse von »falschen Doktorn« wie man sie hier nennt, solche nämlich, die Doktoren heißen, aber keine Ärzte sind, und deren Schicksal Einen manchmal wirklich dauern könnte, wenn es nicht gerade auch oft wieder so komisch wäre. Eine Masse Advokatengesindel, _present company always excepted_[15] kommt daher, radebrecht Englisch auf eine schauerliche Art, kennt die hiesigen Gesetze nicht, will nichts Anderes ergreifen, und schimpft und raisonirt dann über das Land, nimmt das Maul voll und thut als ob ihm das größte Unrecht geschehen wäre; Ladenschwengel, die in Deutschland in einer »angenehmen Condition« gestanden, finden hier nicht gleich Jemand, in dessen Laden sie mit gekräuselten Locken und faden Redensarten den Angenehmen spielen können. Daß sie nun ihre _Fäuste_ brauchen, die ihnen der liebe Gott nicht allein zum Kattunausmessen gegeben hat -- Gott bewahre, nein, Amerika ist ein gesetzloses, nichtsnutziges Land, gesetzlos, weil sie irgendwo in einer Kneipe, wo sie sich unnütz gemacht, oder an Plätzen herumgekrochen, wo sie Nichts zu suchen hatten, hinausgeworfen wurden; nichtsnutzig, weil man ihnen keine, »ihren Fähigkeiten entsprechende Stellung« anweißt.« »Eine Menge von diesen Leuten suchen sich dann in hiesigen Blättern zu expectoriren, theils in Versen, theils in Prosa, schreiben Bogen lange Artikel über das Land, das sie nicht kennen, über die Verhältnisse, von denen sie Nichts verstehn, und verlangen dann auch noch Honorar dafür. Nehmen wir es nun nicht -- denn wenn man all den Unsinn drucken wollte, hätten _zehn_ Schnellpressen Arbeit -- dann schicken sie die Wische, weil sie doch einmal geschrieben sind, nach Deutschland, und dort gelten sie dann als »Stimmen aus Amerika« -- der Schreiber des und des Artikels muß ja die Sache verstehn, =er ist ja selber drüben= -- daß sie der Teufel hole. -- « »Ein Glück für uns, daß von dem Gelichter es doch manchmal ein oder der Andere möglich macht nach Deutschland zurückzukommen; dort schlägt er Feuerlärm, schildert uns als Tabackkauende, betrügerische Ungeheuer, das ganze Land als eine gesetzlose Wildniß -- eine Falle leichtgläubige Menschen zu fangen, zählt alle Mordthaten und Diebstähle, die in dem ganzen ungeheueren Reiche, und _wenigstens_ in der Hälfte durch _Fremde_ ausgeübt werden auf, und hält dadurch doch wenigstens viele Andere seines Gelichters ab herüberzukommen.« »Der fleißige Arbeiter -- der Ackerbauer, der Handwerker, dem es hier gut geht, der sich glücklich und wohl fühlt, der schimpft nicht, und schreibt auch keine albernen Artikel über Amerika, höchstens Briefe in die Heimath, seine Anverwandten, und die die er lieb hat, herüberzurufen. Still und unverdrossen geht der seine Bahn fort; sieht sein Land sich mehr und mehr verwerthen, mit jedem Tag seine Heerden wachsen, seine Felder blühen, und segnet die Stunde, in der er den Entschluß gefaßt auszuwandern.« »Daß es nicht Allen glückt -- wenigstens nicht gleich in der ersten Zeit und Manche viel Böses und schwere Zeit durchzumachen haben, versteht sich von selbst -- es fiele mir auch nicht ein, Allen anzurathen hierherzukommen, das wäre Wahnsinn. Man wirft dem Amerikaner vor daß er kein Gemüth hat, und ich glaube fast der Vorwurf ist gerecht, wenigstens im Allgemeinen; auf ein _gemüthliches_ Leben darf man hier im Land denn auch nicht rechnen, außer man hat _sehr_ viel Geld, und in dem Fall kehrt der Deutsche doch am liebsten wieder nach Deutschland zurück. Amerika paßt auch wirklich nicht für eine Menge Leute, und wem es halbwege gut in Deuschland geht, wem die Verhältnisse dort nicht zu drückend auf den Schultern liegen, der soll bleiben wo er ist; dort weiß er was er hat, hier weiß er nicht was er kriegt, und das ist, das Wenigste zu sagen, eine unangenehme Geschichte.« »Wenn man nur einmal so einen richtigen deutschen Farmer über Amerika könnte sprechen hören« sagte Hopfgarten »das wäre mir in der That ungemein interessant.« »Nichts leichter als das« lachte Helfig »Ohio wimmelt davon, und wohin Sie hinein in's Land gehn, finden Sie deutsche Ansiedlungen. Sie brauchen auch nicht zu fragen wo Deutsche wohnen, Sie sehn es schon an den reinlichen massiv errichteteten Gebäuden, den steinernen Scheunen, dem ordentlich aufgestellten Ackergeräth, den sorgfältig urbar gemachten Feldern.« »Aber es fällt doch noch manches Außergewöhnliche in den Städten vor« sagte Hopfgarten, in wirklicher Besorgniß jetzt, daß sie ihm die ganze Romantik des Landes über den Haufen würfen; »in Cincinnati besonders habe ich mir sagen lassen, daß Raubanfälle keineswegs zu den Seltenheiten, und zwar in den besten Theilen der Stadt gehörten.« »Ah Papperlapapp,« lachte von Lochhausen, »ja es kommt vor, aber im Verhältniß zu der Unmasse von Proletariat, das uns die alte Welt herüberschickt, doch unverhältnißmäßig selten, außer in den Fällen wo sich die Leute selber an Orte begeben in die sie nicht gehören, wie Müller sagt. Mancher ist in liederlichen Häusern bestohlen worden, und macht nachher ein Geschrei daß er angefallen und beraubt wäre -- er mag natürlich nicht sagen _wo_ er sein Geld verloren hat; Andere erzählen solche Geschichten, wie sie von Abenteuern mit Tigern und Bären erzählen, sobald sie nur den Fuß in Wald oder Busch gesetzt. Einbrüche und Raubanfälle kommen vor, ja, aber nicht mehr wie in jeder andern großen Europäischen Stadt, London gar nicht gerechnet. -- Lieber Gott, wir Alle die wir hier sitzen, fürchten uns nicht vor der Nachtluft, und sind schon manchmal Abends spät zu Hause gegangen, und ist schon Einer von uns Allen angefallen worden? und so wird es Ihnen schwer werden Jemanden zu finden, der Ihnen etwas derartiges aus eigener Erfahrung bestätigen kann, wenn er die Wahrheit reden will -- aber es fällt vor!« »Nun laßt aber Amerika,« rief Sorgfeld dazwischen, »die Geschichte wird langweilig; wenn der Herr da noch länger hier bei uns bleibt, wird er sich seine Meinung schon selber bilden; uns Allen wie Tausenden, ja Millionen unserer Mitbrüder hat das wackere Land die Arme freundlich geöffnet und uns seine Schätze geboten nach allen Richtungen hin; wer blöde war und nicht zulangte, oder nicht wußte wie er es anfangen sollte, dessen eigene Schuld war's -- und vielleicht lernt er's noch -- Amerika soll leben -- _hoch_!« und das Glas erhebend standen die meisten Deutschen von ihren Sitzen auf, stießen mit den Gläsern an, und stimmten in das Hoch ein. -- Einzelne blieben auch sitzen. Das Gespräch ging von da an wieder auf allgemeine Gegenstände über; es wurde dabei gelacht und erzählt bis zum Abend; und als Herr von Hopfgarten ziemlich spät an den Aufbruch dachte, mußte er sich gestehen daß dieß eigentlich der erste Abend sei, an dem er sich in Amerika wirklich amüsirt habe. Durch das Gespräch war aber auch der Wunsch um so mehr in ihm rege geworden, einen Theil des inneren, cultivirten Landes hier zu sehen, denn die Umgegend von Cincinnati sollte einem Garten gleichen; so schon am nächsten Morgen miethete er sich ein Pferd in der Stadt, und ritt Mainstreet hinauf über den Canal durch die deutsche Vorstadt hin, wo jedes Schild fast einen deutschen Namen trug, und ganze Schaaren frisch eingewanderter Staatsbürger, in ihren Nationaljacken und Röcken die Straßen durchwanderten. Die Hügel, welche die Stadt umgeben, und zu denen sie hinaufsteigt, und die sie in gar nicht so langen Jahren wird erstiegen haben, lagen zum Theil mit Gärten, zum Theil mit Rebenpflanzungen bedeckt, und eine treffliche Straße wand sich dort hindurch. Oben auf dem Hügel aber hielt Hopfgarten still, das Thal zu überschauen das er eben verlassen, und das sich jetzt in wundervoller Herrlichkeit vor ihm ausbreitete. Drüben den Hintergrund bildeten die eben nicht sehr hohen, aber freundlichen Hügel Kentuckys, theilweise noch mit Wald, meist aber mit wohl umfenzten Feldern überzogen, bis zu dem Häuserbedeckten Ufer des Ohio, der seine klaren Fluthen schlängelnd durch das reizende Thal wand. Haus an Haus aber drängte an dieser Seite des Stromes die junge Riesenstadt, ein wundervolles Panorama regen thätigen Lebens, das hier, mit tropischer Keimkraft fast, dem Boden wie entsprungen liegt. Im Jahre 1788 standen hier in dem Thal, in einer Wildniß, die von Bären und Büffeln nur bewohnt, von den leichtfüßigen Söhnen der Wälder auf ihren Kriegszügen durchstreift wurde, drei einzelne Blockhütten, aus den Stämmen des Waldes aufgebaut -- fünfzig Jahr später zählte die Stadt Cincinnati 40000 Einwohner,[16] und von da an vermehrte sich die Zahl fast mit jedem Jahre um 6-7000. Der Strom, den damals fast nur das schlanke Canoe des Indianers durchfurchte, wimmelte jetzt von mächtigen Dampfbooten, die mit dem dünnen weißen Schaumstreifen hinter sich, auf- und niederglitten, und überall streckten qualmende Riesenschornsteine die langen Hälse empor, thätiges schaffendes Leben bekundend. In den Straßen der Stadt selber wogte die rastlose Menge auf und ab, zahlreiche Wagen mit Früchten und Gemüsen, dem reichen Herbstsegen, schwer beladen, kamen die breite vortrefflich macadamisirte Landstraße nieder, und wie der Blick weiter schweifte, über die Hänge und Flächen dort umher, haftete er überall an reizenden Villen, schattigen Gärten, fruchtbaren Feldern, auf denen Gottes Segen ruhte, und über die sich der reine wolkenleere Himmel in durchsichtiger Bläue spannte. »Welch wundervolles Land!« rief Hopfgarten da unwillkührlich aus, »welche Lebenskraft -- welche Zukunft liegt für dich noch in der Zeiten Schooß -- wie das gährt und kocht und keimt und sproßt und Blüthen treibt und Früchte reift -- und über dem Allen _ein einziges Banner_ -- _ein_ Schlachtschrei im Krieg für ein einig Volk, _ein_ Ziel im Frieden, für das ganze Reich -- armes Deutschland«, setzte er dann seufzend hinzu, als er sein Thier wieder wandte und der Straße weiter folgte, »kein Wunder daß ein solches Volk mit solchen Resultaten, solcher Zukunft vor sich, manchmal über die Stränge schlägt oder ein klein wenig übermüthig wird, wie ein junges kräftiges Füllen -- hat es doch Ursache dazu, und darf sich freuen zu seines Schöpfers Lob. -- Wir Deutschen sind freilich ruhig und gesetzter, springen und schlagen nicht und gebehrden uns nicht so unanständig; singen keinen Yankeedoodle -- haben auch keine Ursache dazu, und keine Flagge, sondern nur ein Flickwerk von bunten Lappen; nicht einmal ein gemeinsames Vaterland, das wir das unsere nennen dürfen. Aber das Alles möchte sein, schlimmer und schlimmer uns drücken was uns drückt -- knechten was uns knechtet in Religion und Gewissens-Freiheit und politischer Meinung; die Hoffnung wäre ja da, daß auch uns vielleicht einmal ein Washington erstände, wie er den Amerikanern erstanden ist, gerade als sie seiner am nöthigsten bedurften. Das aber ist ja eben das Verzweifelte unserer Lage -- _wir_, könnten ihn gar nicht gebrauchen, wir würden gar nicht wissen was wir mit ihm anfangen sollten, denn wenn er nicht in allen acht und dreißig Ländern _zugleich_ geboren wäre, würde ihn ja doch keiner der Nachbarstaaten anerkennen. -- Ich wollte ich wäre ein Amerikaner,« setzte er leise seufzend hinzu als er, kaum noch auf den Weg achtend, die breite Straße entlang ritt -- »ich wollte ich wäre ein Amerikaner und könnte _so_ Deutschland beneiden, wie ich jetzt Amerika beneiden muß.« [Illustration: Capitel 7.] Der kleine Mann, der sich einen weit anderen Eindruck von dem freundlichen Ritt versprochen, war ganz schwermüthig geworden bei den trüben Bildern, die sich seine Phantasie heraufbeschwor, ja vergaß fast, zwischen Fenzen und Hecken, und einzelnen reizend gelegenen Häusergruppen durchreitend, den Zweck seines Ausflugs, bis das Pferd, dessen Zügel er nur ganz locker in der Hand hielt, plötzlich rechts einbog, das Gebiß, als er es rasch umlenken wollte, zwischen die Zähne nahm, und sporenstreichs mit ihm in einen Hof, über diesen weg auf eine offene Thür zu und so direkt in den dort befindlichen Stall hineinfuhr, daß der Reiter kaum noch Zeit behielt sich in der Thür zu bücken und nicht gegen den oberen Balken und aus den Sattel geschlagen zu werden. »Hallo, so eilig?« rief da eine lachende Stimme in deutscher Sprache hinter ihm drein, und in Holzpantoffeln schlurrte eine etwas schwerfällig aber sonst behäbig und gutmüthig genug aussehende Gestalt in gelber unten um die Knöchel gebundener, kniefettiger Lederhose, mit rother Weste auf der zwei Reihen silberner Knöpfe funkelten und in Hemdsärmeln, auf dem Kopf aber eine große unförmliche braune Pelzmütze, über den Hof, und blieb in der Stallthür stehen, neben der sich Hopfgarten eben aus dem Sattel geschwungen und den Zügel über den Kopf des Pferdes geworfen hatte, das er jetzt aus Leibeskräften, aber ebenfalls ohne den geringsten Erfolg, wieder aus dem Stall hinauszuziehen suchte. »Laßt den Braunen nur stehn« lachte aber der Bauer, »der kennt die Krippe und hat da schon manche Metze Hafer gefressen. Guten Morgen Landsmann, Ihr seid doch ein Deutscher.« »Allerdings, Herr Landsmann,« sagte der höfliche Hopfgarten, mit einem eben nicht ganz freundlichen Seitenblick auf den Braunen, »aber es ist doch immer fatal, wenn man nur eben da halten muß, wo es dem Pferde gerade einfällt zu bleiben.« »Deshalb braucht Ihr Euch aber keine Sorge zu machen« sagte der Deutsche schmunzelnd -- »er macht's seinem Herrn oder allen Anderen die ihn reiten, nicht besser, und seit den letzten drei Jahren kann sich Niemand rühmen auf _dem_ Pferd, ohne bei mir anzuhalten, hier vorbeigeritten zu sein. -- Seid Ihr schon lang in Amerika?« »Erst wenige Wochen.« »Und Ihr gleichts?« Hopfgarten wußte daß dieß der deutsch-amerikanische Ausdruck für »gefallen« sei und sagte »Sehr.« »Nu das ist hübsch -- da seid Ihr wohl Landkaufen gekommen -- aber hier im Stall wollen wir doch nicht stehen bleiben« unterbrach er sich rasch, »Ihr ruht Euch nun doch schon ein halb Stündchen bei mir aus, und seht Euch einmal mein Feld und meine neue Scheune an -- seid wohl kein Bauer?« Hopfgarten mußte dieß, während der Mann einem Jungen pfiff, und ihm befahl »Bless,« (wie der Braune nach einem kleinen weißen Fleck vorn an der Stirn hieß) zu besorgen, und ihm ordentlich Futter zu geben, verneinen. Bless hatte ihm aber, durch seinen Entschluß sich hier etwas aufzuhalten, wirklich einen Gefallen gethan, denn von Hopfgarten fand bald, daß er in dem Mann gerade gefunden was er suchte: einen richtigen deutschen Bauer, der seit vier Jahren hier im Land angesiedelt war, und sich in der Zeit eine allerliebste, wohleingerichtete Farm hergestellt hatte. Der Mann war aber entsetzlich neugierig, und er selber, ehe er irgend etwas von ihm herausbekommen konnte über sein Leben und Treiben, genöthigt _ihm_ erst Alles zu sagen was ihn selber betraf: wo er her sei, mit welchem Schiff er gekommen, wie viel Passagiere es an Bord gehabt, wo gelandet, ob Krankheiten unterwegs, ob sie gute Kost an Bord gehabt hätten, ob er nicht in New-Orleans Jemanden Namens Schmidt kennen gelernt habe, der »in der Nähe vom Wasser« wohne und einen kleinen Schenkstand oder einen Kleiderladen habe, und was _Corn_ (Mais) jetzt in New-Orleans koste. -- Nur nach Deutschland frug er nicht, weder aus welcher Gegend der Fremde stamme, noch wie es dort aussehe jetzt, im alten Vaterland. Es waren gerade vier Jahre, daß er die Heimath verlassen, und als ihn von Hopfgarten später danach frug stellte sich heraus, daß er noch nicht ein einziges Mal an seine Verwandten drüben, Geschwister und Schwäger geschrieben habe. Die hatten zu leben, es ging ihnen gut, das wußte er, wenigstens hätten sie es ihm sonst wohl gemeldet (sie konnten nicht einmal eine Ahnung haben, wo er angesiedelt sei) und ihm selber fehlte auch Nichts; seine Farm gedieh, sein Vieh wuchs heran, seine Erndten waren vortrefflich -- was hatte er da groß zu schreiben? In der Stube d'rin bei ihm sah es genau so aus wie in den Bauerstuben daheim; das Amerikanische Kaminfeuer verschmähend, hatte er sich einen tüchtigen, ächt deutschen Ofen, dessen Tafeln jedenfalls von Europa herübergeschafft worden, eingesetzt, hinter dem die Familie in Winterszeit gewiß eben so geschmort, wie daheim. An der Seite auf dort befestigten Bretern prangten die alten deutschen irdenen Schüsseln und Teller, mit ihren frommen Sprüchen und Phantasieblumen, mit Jahreszahl und Datum, in der Ecke der Stube stand eine blaugemalte, und ebenfalls mit großen hellen, durch die Chablone gemalten Blumen verzierte Kiste, auf der noch mit weißen Buchstaben jene bedeutungsschweren Worte »Auswanderer-Gut -- Cincinnati Ohio, für Johannes Rohrberger aus Sohlfeld« obgleich später einmal mit dünner blauer Farbe übermalt, doch noch deutlich sichtbar waren, und am Fenster in der Ecke saß eine alte, aber noch rüstige Frau an ihrem alten Spinnrad -- jeder Zoll eine Deutsche. Der aber lag manche Frage wohl schwer auf dem Herzen, als sie den Landsmann bei sich eintreten sah; dennoch mochte sie ihn selber nicht anreden, und als die Frau des Bauers, ein hübsches rundes Weibchen, ebenfalls in ihrer heimischen Tracht mit dem mit Knöpfen und Zierrathen besetzten Mieder und dem dickgefalteten Rock, in die Stube kam, und schneeweißes Waizenbrod, und Butter mit einem Kleeblatt in der Form, und guten deutschen Käse auftrug, und ein paar blitzende Gläser daneben setzte, zu denen der Mann einen selbst gebrauten dunkelrothen Kirschschnaps aus dem kleinen Schranke holte (den Schlüssel dazu trug er selber in der Westentasche) mußte sich Hopfgarten an den Tisch setzen, und vor allen Dingen essen und trinken. Nachher wollten sie hinaus in das Feld gehn »damit der Herr auch sähe daß es bei den _Deutschen_ nicht etwa so liederlich gearbeitet würde wie bei denen Amerikanern.« Hopfgarten sah nun dort allerdings nicht sehr viel, denn er verstand zu wenig vom Amerikanischen Ackerbau und besonders von den Schwierigkeiten, mit denen ein erster Ansiedler zu kämpfen hat, sein Land nicht allein urbar, sondern auch _holzrein_ zu bekommen (zwei sehr von einander verschiedene Sachen) die hier gethane Arbeit gehörig würdigen zu können. Der Amerikaner nämlich -- beiläufig gesagt ein furchtbarer Holzverwüster so lange ihm nur ein Stück im Wege ist -- schlägt, wie bekannt, die Bäume um, rollt die kurz abgehauenen Stämme auf Haufen, brennt sie an, und läßt dabei die Stümpfe stehn, um die er indeß herumackert, und die in zehn Jahren etwa genug abfaulen mit dem Pflug stückweis herausgerissen zu werden. Die Deutschen lernen ihnen diese bequeme Art zu arbeiten bald ab; Viele aber, und besonders in der Nähe von Städten wo das Holz auch schon eher einen Werth hat, gehen sparsamer mit dem um, was ihnen Gott auf ihrem Land bis dahin hat wachsen lassen, und scheuen sich der Arbeit nicht auch das Geringste darauf zu verwerthen. So lagen Johannes Rohrbergers Felder frei von all diesen fatalen Stümpfen, glatt und eben als ob sie schon Jahrzehnde dem Pfluge dienstbar gewesen da; keine Holzverschwendenden Zickzack- oder Wurmfenzen umgaben sie, sondern Eichen-Pfosten waren ringsum eingeschlagen und durch breite, unten dicht schließende Queerhölzer, den Ferkeln den Eintritt zu verweigern, geschlossen, und nicht weit davon aufgeschichtete, selbst gesägte Breter, Planken, Rafters und Stützen bewiesen, wie der Deutsche einen besseren Gebrauch für sein treffliches Holz gewußt habe, als es eben zu verbrennen. Hinter dem Haus lagen außerdem einige achtzig Klafter, aus dem sich im Winter guter Nutzen in der Stadt ziehen ließ, und die im Feld errichteten Getraidefeimen gaben zugleich auch Zeugniß von der Thätigkeit des Mannes nach dieser Richtung hin. »Sie sind fleißig hier gewesen« sagte Hopfgarten, als ihn der Bauer auf das Alles aufmerksam gemacht, »und müssen jetzt wackeren Nutzen von ihrem Lande ziehen.« »Ach ja es geht« schmunzelte der Mann; »die ersten Jahre freilich kam's mir ein Bischen hart an; ich kaufte die Farm von einem Amerikaner, der nach Arkansas übersiedeln wollte, um einen eben nicht zu hohen Preis, aber es sah auch furchtbar darauf aus -- wüste holzgefüllte Felder, zerfallene Blockhäuser, von Scheunen und Ställen kein Gedanke, die Hälfte Boden noch mit Busch bewachsen. Da ging ich mit meinen drei Jungen an's Werk, und wie wir es erst einmal so weit gebracht hatten daß wir unser deutsches Handswerkszeug, was wir mitgeschleppt, wegwarfen, und uns Amerikanische Äxte und Pflüge anschafften, förderte es auch. Wir haben zwar gearbeitet wie die Pferde, das ist wahr; vor Tag heraus, und hinein bis in die späte Nacht. Die Amerikaner lachten uns dabei noch aus, und meinten daß wir es uns unnöthig schwer machten; und in mancher Hinsicht mochten sie recht haben, denn wir wußten eben noch nicht ordentlich wie wir die Sache anzufangen hatten, und mußten noch lernen. Aber schon nach zwei Jahren kriegte der Platz ein anderes Ansehn; ich nahm mir noch Amerikanische Arbeiter dazu, und _wir_ setzten uns ebenfalls nicht in die Stube, sondern arbeiteten tüchtig mit; da förderte es denn freilich. Nicht allein daß uns die Amerikaner, die doch wenigstens eben so zufassen mußten wie wir selber, ein ordentlich Stück Arbeit fertig machten, sondern wir lernten auch von ihnen ihre Handgriffe und ihr praktisches Wesen, denn das muß man ihnen lassen. Ich hätte sie auch gerne noch ein halb Jahr länger bei mir behalten, wäre mir meine Alte nicht in einem hin in den Ohren gelegen sie fortzuschicken. Die konnte sie nicht leiden, weil sie nicht verstand was sie sagten, und weil sie ihr die reingescheuerten Stuben überall vollspuckten -- immer freilich in die Winkel hinein, wo sie vielleicht glaubten daß man nicht hinkäme, aber meine Alte kam doch hin, und es wurde nicht eher Frieden im Haus bis sie weg waren.« »Und jetzt geht es Ihnen gut? -- Sie befinden sich wohl hier?« »Ich glaub's« sagte der Bauer schmunzelnd -- »ich hatte in Deutschland ein kleines ärmliches Gütchen, das seinen Mann freilich eben nährte, aber ich mußte mich abquälen und plagen, wie ich eben nur hier die beiden ersten Jahre gearbeitet habe, ohne, was vor mich zu bringen. Mein Grundstück fiel dabei eher im Werth als daß es stieg, Abgaben und Steuern, von denen die Herren im Gericht zuletzt gar nicht mehr wußten wie viel sie fordern sollten, eine Masse unnützes Gesindel zu füttern die wir nicht brauchten, die uns aber haben mußten zum Zahlen, und dann noch holzgrob dabei waren, wuchsen von Jahr zu Jahr, und wenn's mir und der Alten auch schwer wurde von daheim fortzugehn, jetzt gereut mich's doch nimmermehr, und ich möchte nicht wieder zurück.« »Und was haben Sie für Ihre Farm gezahlt?« frug Hopfgarten. »Viertausend Thaler hab' ich, nach Abzug meiner Passage, mit herüber gebracht« sagte der Mann, »um zweihundert etwa hatten sie mich noch in Deutschland geprellt beim Geldwechseln, und vierhundert bin ich nachher hier an meine Landsleute losgeworden. Für die Farm, mit achtzig Acker Land, und dem Bischen Vieh was drauf war, und den Gebäuden, in denen aber ein Christenmensch gar nicht existiren konnte, zahlte ich dann dreitausend fünfhundert _Dollar_, zweitausend gleich baar an, und das übrige in jährlichen Raten, und dabei befinde ich mich vortrefflich, denn mit noch eben so viel beinah, was ich jetzt nach und nach hineingesteckt habe, ist der Platz in der Zeit das vierfache werth geworden, und selbst dafür gäb' ich ihn jetzt nicht wieder her. Aber Land genug ist noch hier herum zu bekommen« setzte er dann rasch hinzu, »wenn Ihr Euch etwa hier ansiedeln wolltet. Die Amerikaner, mögen sie einen noch so guten Platz haben, wenn sie einen Profit bekommen, verkaufen _Alle_ aus; einem Amerikaner ist auch Alles feil was er an sich hat. Es sind Euch närrische Kerle, sie verkaufen das Hemd vom Leibe, wenns Einer haben will, die Stiefel von den Füßen, und beim Pferdehandel betrügen sie den eigenen Vater -- wenn er nicht selber klug genug ist -- ohne daß sie sich gerade, was Böses dabei denken.« »Hm hm« sagte Hopfgarten nachdenkend vor sich hin, als er mit ihm zum Haus zurückging -- »_Sie_ befinden sich nun hier so wohl, Ihnen geht es so gut, und Sie sehen dabei wie sich Alles vorwärts arbeitet und besser wird, und andere Leute klagen wieder über das Land, schimpfen darüber und warnen vor Auswanderung.« »Das sind die Hungerleider« lachte der Bauer, »ich habe auch schon ein paar Mal solche bei mir gehabt; die kommen herüber und wollen Anstellungen haben, wo sie eben so wenig dabei zu thun brauchen wie in Deutschland, und vom Bauer dabei gefüttert werden, und wenn's damit nachher nicht geht, wenn das Geld alle ist, und die Kosthäuser nicht weiter borgen wollen, dann heißt's »wir müssen arbeiten« und dann kommen sie in Handschuhen heraus und fragen nach »Beschäftigung« wie sie's nennen. Von denen schick' ich aber _keinen_ fort,« schmunzelte er dabei, »die stelle ich nur an einen richtigen Baumstumpf zum Ausroden, und nach drei Stunden haben sie solche Blasen in den Händen, daß sie keine Radehacke mehr heben können. Nachher essen sie bei mir zu Mittag, ziehen ihre Handschuh wieder an, gehen nach Cincinnati zurück und schreiben Bücher über Amerika.« »Apropos, was ich Sie fragen wollte« rief da Hopfgarten, »Sie haben doch freie Jagd hier überall -- schießen Sie viel?« »Schießen? -- ich möchte wissen was« sagte der Bauer -- »es giebt ja hier Nichts wie so eine kleine Art Rebhühner, ein Bischen größer wie bei uns die Wachteln, und Kaninchen und Eichkätzchen. Die Eichkätzchen thun im Felde viel Schaden und hinter die machen wir manchmal Feuer, und die Rebhühner fangen wir im Winter in Schneehauben, wie wir's in Deutschland manchmal heimlich gemacht haben; sonst sollte Einer schöne Zeit versäumen, wenn er mit der Flinte draußen herumliefe und meinen Jungen mache ich das schon gar nicht weiß. Ein Bauer der auf die Jagd geht ist immer schon ein halber Lump.« Hopfgarten mußte noch die neuaufgeführten und in der That trefflich gebauten Scheunen und Ställe bewundern, wohin ihn Rohrberger »den nächsten Weg« über eine frisch geackerte Stürze führte, damit der Fremde doch auch sähe was er für wackere Pferde hätte, und wie brav seine Jungen ackerten, dachte aber dann auch wieder an den Aufbruch, um noch mehr vom inneren Land zu sehn, und seinen Ritt so auszudehnen, daß er wenigstens erst gegen Abend nach Cincinnati zurück kam. Als er seinen freundlichen Wirthen für ihre Gastfreundschaft gedankt hatte, und in der Thür von ihnen Abschied nahm, kam auch die Alte hinter dem Spinnrad vor, gab ihm die Hand, sah ihm eine Weile scharf und forschend in's Gesicht und sagte dann: »Ihr seid wohl nicht in der Gegend von Sohlfeld zu Hause?« »Nein liebe Frau, ich weiß nicht einmal wo der Ort liegt.« »Seid auch in Muschenberge nicht bekannt?« »Auch nicht im mindesten.« »Hm, hm« murmelte die Frau vor sich hin und humpelte langsam, ohne weiter ein Wort zu sagen, zu ihrem Spinnrad zurück. Der Junge hatte »Bless« indessen wieder vorgeführt, und Rohrberger gab dem Fremden die Richtung an, die er am bequemsten nehmen könnte einen hübschen Ritt zu machen, und doch zu Abend wieder in der Stadt zu sein. Dort würde er auch unterwegs noch eine Menge deutsche Farmen und Gärten finden, und »wenn er sein Pferd am sieben Meilen-Haus vorbeibrächte« wo er aber wahrscheinlich wieder auf kurze Zeit halten müßte, des Braunen wegen, sollte er auf der nächsten Farm die rechts am Wege läge einsprechen. Hopfgarten grüßte noch einmal freundlich zurück, und sprengte dann rasch auf seinem jetzt vollkommen zufrieden gestellten Braunen, die Straße hinauf. Capitel 8. Professor Lobenstein als Farmer. Herr von Hopfgarten fühlte sich nur halb befriedigt durch seinen Ritt. Das Land selber ließ allerdings nichts zu wünschen übrig, und war in einer Art cultivirt die er »soweit westlich« wirklich kaum für möglich gehalten hatte. Reges Leben herrschte dabei auf den Straßen, Fuhrwerke gingen nach allen Richtungen, überall waren Bauten im Werk, wurden Schienenwege gelegt, das Land auch vom Strome ab in seinen Hauptplätzen mit einander zu verbinden, und ein rastlos thätiges Leben herrschte wohin das Auge traf, aber von Romantik war auch keine Spur dabei zu finden. Alles ging seinen festen praktischen Gang, Hals über Kopf zwar, aber in gleichen Bahnen fort, als ob das ganze Amerika schon ein einziger Schienenweg geworden, und selbst die Gespräche der verschiedenen Leute mit denen er verkehrte, drehten sich um Nichts anderes als Handel und Geschäfte, Preise der verschiedenen Produkte, Eisenbahnaktien, und wo wirklich einmal irgend etwas Außerordentliches, Außergewöhnliches geschehen war, so wurde der »ferne Westen« als der Ort genannt. Der _Westen_ genirte ihn überhaupt; nach der Landkarte hatte er sich schon Cincinnati als einen ungemein _westlich_ gelegenen Punkt gedacht, einen Binnenort Amerikas, der gewissermaßen schon den Charakter der Backwoods vertreten müsse; hier angelangt fand er aber zu seinem Erstaunen, daß von _backwoods_, wie die Wälder des Westens genannt werden, auch nicht die Spur mehr zu finden sei, und selbst da wo noch Wald existirte, kleine Farmen überall hindurchgestreut lagen, und Wege ihn überall durchkreuzten. Weiter _westlich_ beschloß er also zu ziehen; der Osten interessirte ihn nicht weiter, denn um große Cultur aufzusuchen war er nicht nach Amerika gekommen; ihm lag daran, die noch wenig civilisirten Stellen kennen zu lernen, er wollte _das_ Amerika aufsuchen das _er_ sich gedacht, und das fand er in und um Cincinnati und überhaupt in einem Staat nicht, wo die Cultur schon solche Fortschritte gemacht, daß es wirklich nur noch der schon fast beendeten Eisenbahnen bedurfte, sie vollkommen zu nennen. Hierbei so wenig als möglich Zeit zu versäumen, beschloß er nach Lobensteins Farm zurückzukehren, dort seinen Koffer zu lassen den er sich, in New-Orleans wieder angekommen, jede Woche konnte nachschicken lassen, und nur seinen Reisesack mit auf die nächste Wanderung zu nehmen, wodurch er in den Stand gesetzt wurde im Wald zu Wagen oder auch zu Pferd, ja wenn es möglich war in einem _Canoe_ seine Reise, unbehindert durch Gepäck, fortzusetzen. Einmal einen Entschluß gefaßt, und der kleine energische Mann ließ mit der Ausführung auch nicht lange auf sich warten; Dampfboote, den Strom hinunter, gingen jetzt an jedem Tage fünf oder sechs ab, und eins derselben benutzend, landete ihn dieses bald wieder am Fuß des Grahamstown Werftes, das noch eben so still und öde in der Sonne lag, als an dem Tag wo sie es zuerst betreten. Ezra Ludkins war aber nicht zu Hause, sondern wie man ihm eben sagte, nach St. Louis in Geschäften gegangen, er hielt sich auch deshalb gar nicht in der Stadt auf, sondern miethete nur ein Pferd, das ihn selber trug, wie einen Mann, der ihm sein Gepäck nach »Lobensteins« -- oder wie sie den Platz hier schon nannten, der »deutschen Farm« hinausschaffen sollte, und galopirte bald darauf die ihm wohlbekannte Straße entlang, sein Ziel noch vor Sonnenuntergang zu erreichen. Er fand Lobenstein's auf ihrem neuen Besitzthum, und wurde von ihnen mit einer Herzlichkeit begrüßt, als ob er selber mit zur Familie gehörte. Sie hatten sich hier schon so gut eingerichtet, wie das eben in der kurzen Zeit möglich gewesen; aber das Innere des Hauses, mit seinen kahlen, rohbehauenen Balken, der unbedeckte Erdboden, nur theilweise mit Stücken alten Teppichs belegt, die zum Umpacken gedient hatten, die noch zur Hälfte ungeöffneten Kisten, die in dem anderen Gebäude nicht hatten sämmtlich untergebracht werden können, und hier zum Theil mit zu Bettstellen benutzt wurden, sahen keineswegs wohnlich und behaglich aus. Dazu paßte der schöne Mahagony-Flügel ebenfalls nicht, der mit den Messing-Rollen in die Erde hineingegraben in der einen Ecke stand, und den knappen Raum der Wohnung nur noch mehr beengte; aber man hatte ihn nirgends anders trocken unterbringen können, und seine obere Decke mußte jetzt, wo an _Spielen_ doch nicht gedacht werden konnte, zum Sammelplatz aller leichteren, Raum wegnehmenden Dinge, wie Hutschachteln etc. dienen, von denen ein ganzer Berg auf ihn gehäuft war. Mit den Arbeiten ging es dagegen, wie ihn der Professor versicherte, rüstig vorwärts; er hatte außer der Weberfamilie noch acht eben von »drüben herüber« gekommene Deutsche gemiethet, ihm die nöthige Einrichtung, den nächsten Hausbau wie das Bestellen der Felder beenden zu helfen -- die Leute campirten jetzt alle zusammen mit in der Hütte des Webers, dessen Frau für sie kochte -- und nur das eine vermißte er bis jetzt noch, daß er kein deutsches Dienstmädchen bekommen konnte, ihnen in den Hausarbeiten, die meistentheils auf den Töchtern lasteten, beizustehn. Mit den Amerikanerinnen war Nichts anzufangen, sie machten enorme Forderungen und wollten Nichts arbeiten, und der Professor äußerte sich, daß er gesonnen sei in nächster Woche selber nach Cincinnati zu fahren, um sich von dort ein paar Dienstboten zu holen. Wenn er das vorhergewußt, hätte ihnen Herr von Hopfgarten gleich eine oder zwei von dort mitbringen können. »Aber des Webers Frau?« -- »Lieber Gott, die hatte jetzt alle Hände voll mit Kochen und Waschen zu thun.« »Und wo war Eduard?« Hopfgarten hatte ihn noch nicht gesehn. »Eduard -- oh, der fühlte sich ganz glücklich in diesem neuen Leben und hatte, das Land und die Umgegend ein wenig kennen zu lernen, die Doppelflinte und Botanisirtrommel auf den Rücken genommen, und war schon seit zwei Tagen 'im Innern', mußte aber jetzt jeden Augenblick zurückkommen.« Dem Professor gefiel es ungemein hier, wo er ein ganz neues frisches Feld für seine Thätigkeit gewonnen, und in Stand gesetzt war, das, was er bis dahin in Deutschland nur theoretisch betrieben, endlich einmal im praktischen Leben ausführen zu können. Er versprach sich dabei Außerordentliches von den hier neueinzuführenden Systemen, mit denen er den Amerikanern, die nur so oberflächlich in's Blaue hineinarbeiteten, einmal beweisen wollte wie man eine solche Farm, nach allen Zweigen und Richtungen hin, ausbeuten und verwerthen könne. Er hatte großartige Pläne in dieser Mannigfaltigkeit, über die er sich aber jetzt noch nicht näher auslassen und Herrn von Hopfgarten damit überraschen wollte, wenn derselbe sie im nächsten Sommer, wie er das fest versprochen, wieder besuchen würde. Bis dahin mußte schon viel in Angriff genommen und geschehn sein. Die Frau Professorin war leidend; sie hatte sich in dem ungewohnt luftigen Aufenthalt sehr erkältet. Dazu war der Ärger mit einem kürzlich in's Haus genommenen und gleich wieder fortgeschickten Amerikanischen Mädchen gekommen, dessen Eltern sich jetzt gekränkt glaubten, und dem Vater schon einige unangenehme Auftritte gemacht hatten; sie hütete deshalb das Bett, um sich in dem jetzt eintretenden kälteren Wetter keinem Rückfall auszusetzen. Hopfgarten beabsichtigte, als er Cincinnati verließ, ein paar Tage bei Lobensteins zuzubringen, ehe er seine Reise fortsetze; er hatte die Familie lieb gewonnen, und nahm wirklich Theil an ihrem Wohlergehn. Wie er aber jetzt hier die Zustände fand, mit kaum Platz für sich selber die Nacht zu schlafen, hielt er es doch für besser schon am andern Tag wieder aufzubrechen, und seinen Besuch lieber das nächste Mal, wenn sie vollständig eingerichtet sein würden, länger auszudehnen. Zu gleicher Zeit konnte er sich aber auch eines unbehaglichen Gefühles, dem er trotzdem keinen rechten Ausdruck zu geben wußte, nicht erwehren; die ganze Art, wie der Professor seine Ansiedlung in Angriff nahm, schien ihm nicht die rechte; die vielen _deutschen_ Arbeiter, die so wenig von der hiesigen Art zu bauen und Feld zu bestellen wußten, und nebenbei ein schmähliges Geld kosten mußten; die _vielen_ Pläne, die der gewiß sehr gelehrte, aber vielleicht gar nicht so praktische Mann auf einmal hatte; das Spatzierengehn des Sohnes selbst, eine Kleinigkeit an und für sich, aber doch von Bedeutung hier, wo es im Hause eben noch _Alles_ zu thun gab -- er sträubte sich gegen das Gefühl so viel er konnte, aber es war ihm immer als ob da nicht Alles so in Ordnung sei, wie z.B. bei dem deutschen Bauer Rohrberger, den er bei Cincinnati getroffen, und konnte nur jetzt hoffen daß er sich irre, und Professor Lobenstein die Sache viel besser verstehe als er es ihm, wenn er recht aufrichtig sein wollte, zutraute. Nur Marie war heiter wie immer, lachte über die Masse von kleinen Unbequemlichkeiten die sie auszustehen hatten, und freute sich wie ein Kind auf die nächste Zeit, wo ihre Hühnerzucht heranwachsen und ihr Garten erst in Ordnung sein würde. Bis dahin hatte sie freilich noch ein wenig zu thun; aber der nächste Sommer mußte das, nach Vaters Versicherung, auch Alles beendet sehn. Wenn nur erst einmal das Haus stand, denn das war für jetzt die Hauptsache, und in der That auch der Punkt, um den sich jede weitere Hoffnung für Bequemlichkeit und Wohnlichkeit drehen mußte. Marie hatte übrigens, trotz all dem Wirwarrr in dem sie Hopfgarten antraf, doch Zeit gefunden den versprochenen Brief an Clara Henkel zu schreiben. Eine nähere Adresse wußte sie freilich nicht darauf anzugeben, als das St. Charles Hotel, das Henkel selber dem Professor als sein nächstes Domicil, bis er eine eigene Wohnung würde in Stand gesetzt haben, bezeichnet hatte; das genügte aber auch, und war er von da wirklich schon ausgezogen, so konnte er weiter erfragt werden. Überhaupt mußte ja auch die Firma selber leicht aufgefunden werden können. Übrigens wünschte Hopfgarten die Reise nach St. Louis nicht gern, wie er gekommen, zu Wasser fortzusetzen; es lag darin etwas gar zu monotones, und er bekam auch auf die Weise das Land wirklich gar nicht zu sehen; aber wie das anders anfangen? Reiten sagte seiner Constitution nicht besonders zu; er hatte sich an dem einen Tag bei Cincinnati schon einen solchen Denkzettel im Sattel geholt, daß er drei Tage danach nicht ordentlich gehen konnte, und war deshalb auch nicht im Stande eine längere Tour auszuhalten -- zu Fuß wäre noch viel weniger möglich gewesen und Eisenbahnen existirten noch nicht; was nun anfangen? -- Der Professor erzählte ihm da, daß er unter anderen Annehmlichkeiten seines Platzes auch die hätte rühmen hören, in kaum fünf Meilen von der Farm eine nach St. Louis vorbeigehende Postverbindung zu haben, die eben all die kleinen, im Inneren liegenden Orte berührte, und eigentlich nach Vincennes am Wabasch bestimmt schien, von wo aus sie dann weiter durch Illinois, gerade West nach St. Louis lief, und auch wohl, wenn er nicht sehr irre, schon theilweise mit einer Eisenbahn in Verbindung stand. Hier war eine Aushülfe, auf einer Amerikanischen Post zu fahren überdieß schon etwas Neues und Interessantes, und ging dieselbe vielleicht gar mehrmals die Woche, konnte man auch leicht an einem, des Bleibens werthen Platz ein paar Tage anhalten, von da kleine Ausflüge in die Nachbarschaft machen, und mit der nächsten Post weiter fahren. Die nächste Post_station_ war also Hollowfield, etwa fünf Meilen von Lobensteins Farm gelegen; die Postkutsche selber lief, als Speculation eines Privatunternehmers, von irgend einer kleinen Stadt am Ohio nach Vincennes hinauf, wo sie mit der Vereinigten Staaten Post, die von Cincinnati nach St. Louis ging, zusammentraf und wieder zurück fuhr, während die letztere die mitgekommenen Passagiere weiter zu befördern hatte. Sein Koffer konnte indeß, wie er sich das auch gedacht, hier stehen bleiben bis er selber wieder in New-Orleans angekommen war, die nothwendigsten Sachen hatte er auch schon in einen Reisesack gepackt, und der Professor, der ihn unter den jetzigen Umständen gar nicht nöthigen konnte länger bei ihm zu bleiben, versprach ihm am nächsten Morgen zwei Pferde mit einem Mann zu besorgen, der ihn, nebst seinem Reisesack sicher nach Hollowfield geleiten konnte. Als Hopfgarten am nächsten Morgen nach eingenommenem Kaffee die Farm verließ, sah er die Deutschen draußen beschäftigt theils im Wald abgesägte Stämme mit Ochsen herbeizuschaffen, theils schon hergebrachte zu behauen. Er blieb, bis die Pferde gebracht wurden, bei ihnen stehn und schaute ihnen zu, aber Alles was sie anfaßten ging ihnen nur langsam von Händen; sie arbeiteten, wie es schien, sehr akkurat, aber mit keiner Idee von dem Werth der Zeit hier in Amerika. Es waren Tagelöhner, die nur eben auf anständige Weise ihren Tag von Mahlzeit zu Mahlzeit durchzuschleppen hatten, und jede Anstrengung, die sie dabei ihrem Körper ersparen konnten, galt natürlich für reinen Gewinnst; daß der Professor ihnen dabei ihren _vollen_ Lohn bezahlte, verstand sich von selbst. Der Weber, als auf dem Schiff gelernter Zimmermann, hatte die Leitung des Ganzen überkommen und that allerdings sein Möglichstes; der Professor hielt mit Recht große Stücken auf ihn. Dem Weber waren aber auch im Anfang die vielen verschiedenen Arbeiter nicht recht gewesen, die Einem ja, seiner Äußerung nach, »die Haare vom Kopf fräßen« -- wann hätte aber da das Haus fertig werden sollen? -- Als Hopfgarten endlich im Sattel saß, und sein Führer den Eingang zur Fenz niedergelegt hatte, daß die Reiter hinauskonnten, standen Lobensteins in der Thür ihres Hauses, und winkten ihm noch ein letztes Lebewohl nach. Marie war schon an der Arbeit gewesen und stand hochaufgeschürzt, mit aufgestreiften Ärmeln, neben dem kleinen Viehhof in dem ihre Melkkühe eingesperrt waren. »Und grüßen Sie mir Clara viel tausendmal!« rief sie ihm nach. »Und sie soll recht, recht bald schreiben,« bat Anna noch. »Ich werde Alles bestellen,« winkte Hopfgarten zurück, schwenkte noch einmal den Hut gegen sie, und galopirte dann, seinem Thiere die Sporen eindrückend, rasch den schmalen Weg entlang, der gen Hollowfield führte. * * * * * Der Brief Mariens, den er in seiner Brieftasche für Clara mit sich trug, lautete: »Meine liebe gute Clara!« »Wenn Dich diese Zeilen erreichen, hast Du Dich hoffentlich ganz wieder erholt, und bist wieder das frohe, heitere Wesen, das Du warst, als wir zusammen das Schiff betraten.« »Uns geht es hier recht gut; Vater hat eine Farm in Indiana, nur einige englische Meilen von dem schönen Fluß Ohio gekauft, und wenn wir uns auch jetzt noch ein wenig behelfen müssen, wird es später desto freundlicher werden.« »Früher hatten den Platz Amerikaner inne, aber Du glaubst gar nicht, Clara, wie ihn die zugerichtet hatten; mit Körben und Schaufeln haben wir den, überall in die Ecken gekehrten Schmutz zum Hause hinaus und auf das Feld getragen, und unter dem Dach auf den Queerbalken, wo einzelne Breter lagen, fanden wir den Staub fingerdick und schon ganz hart geworden. Vater läßt aber jetzt ein anderes bauen; von den Arbeitern, die wir angenommen haben ist Einer Maurer, und will uns das Ganze ordentlich herstellen.« »Wir besitzen jetzt schon zwei Pferde, vier Zugochsen, acht Kühe, drei Kälber, elf Hühner und vier Truthühner; Anna, die das Milchwesen überkommen, hat schon einmal gebuttert, und in vierzehn Tagen denken wir unsere erste Butter nach der Stadt -- freilich ein kleines erbärmliches Nest -- zu verkaufen. Wir haben zwar noch eine andere Stadt, Hollowfield -- die erste heißt Grahamstown und liegt am Ohio -- irgendwo im Lande drin in der Nähe, die wird aber auch nicht besser sein als die erste, und der Weg dorthin soll sehr schlecht sein. Wir arbeiten jetzt aber sehr viel; um fünf Uhr wird aufgestanden, und da haben wir vollauf zu thun bis es dunkel wird; ja die Tage vergehn uns dabei nur immer noch zu schnell. Anna hat sich hier recht erholt und ist munterer als sie auf dem Schiff war, auch Camilla wird dick und fett, und muß ebenfalls schon mit zufassen, die Hühner füttern, in der Küche mit aufwaschen helfen, und allerlei kleine Arbeiten thun. Wir haben allerdings die Webersfamilie, die zufällig auf demselben Dampfboot mit uns stromauf ging, in Dienst genommen, und auf ein Jahr engagirt, und eigentlich sollte uns die Frau die Küche besorgen; die hat aber jetzt so viel mit den Arbeitern zu thun, und mit Scheuern und Waschen, daß sie noch nicht dazu kommt. Wenn wir nur erst einmal weniger Arbeiter brauchen wird das schon besser werden.« »Eduard fühlt sich ganz glücklich hier; er ist jetzt auf einen Entdeckungszug, wie er es nennt, in das Innere; wenn er aber zurückkommt muß er auch tüchtig mit zufassen; denn faule Leute können wir hier nicht brauchen -- hier muß Alles arbeiten.« »Die Lage unserer Farm ist reizend; in einem kleinen Thalkessel, von nicht sehr hohen aber dicht bewaldeten Hügeln umgeben, liegen wir wie mitten in der Wildniß, und sind doch ganz dicht an civilisirten Gegenden. Ein kleiner Bergbach mit klarem Wasser läuft kaum zwanzig Schritt am Haus vorbei. In dem allerdings sehr verwilderten Garten stehen dabei eine Menge junger Pfirsich- und Quitten- und Apfelbäume, die einmal später gute Früchte tragen werden, im Walde wachsen eine Unmasse wilder Brombeeren, und überhaupt viele andere Fruchtbäume mit wildem Wein, die ich Dir in meinem nächsten Briefe näher beschreiben werde, denn jetzt hab' ich sie selber noch nicht aufsuchen können.« »Mit unserem Englisch geht es noch sehr schwach, und die Nachbarn, der Eine in Grahamstown ausgenommen der uns den Platz verkaufte und ein Pennsylvanier ist, sprechen gar nichts Anders wie Englisch, und wir radebrechen dabei schön mit ihnen herum; da wir aber lauter deutsche Arbeiter haben, können wir das Englisch jetzt noch eine Weile entbehren.« »Mutter ist leider die letzten Tage unwohl gewesen und hat das Bett hüten müssen; das ganz neue fremde Leben hat sie auch wohl mehr angegriffen als uns, die wir noch jung sind und uns gerade keine Sorgen machen. Im Anfang hat sie sogar immer verweinte Augen gehabt -- wenn sie es auch vor uns verbergen wollte, wir haben es doch gemerkt. Jetzt aber, da sie sieht daß es vorwärts geht, findet sie sich schon besser hinein, und im nächsten Jahre wird hoffentlich Alles gut sein.« »Vater ist jetzt ganz glücklich; er ist von früh auf bei der Hand, und zeichnet und mißt aus und ordnet an, und wenn er sich auch manchmal mit den Leuten zankt, die Vieles nicht so machen wollen wie er es für gut befindet, so bekommt ihm die kleine Aufregung doch ganz gut, denn er wird dick und fett dabei, und sieht wohl und munter aus.« »Aber jetzt genug von uns; mich und uns Alle drückt die Sorge wie es Dir in Deinem neuen Leben geht, mein Herz, und ob Du Dich von Deiner Krankheit vollständig erholt. Herr von Hopfgarten, der Dir viel von uns erzählen wird, hat uns freilich versprochen Dich selber aufzusuchen, und uns genauen Bericht abzustatten, aber wir möchten auch von Dir selber es schriftlich sehn daß es Dir gut geht, bis Dein lieber Mann sein Wort hält, und Dich zu uns bringt. Wir freuen uns unendlich darauf, und bis dahin sind wir auch schon besser eingerichtet als jetzt. Unsere Adresse schreibe ich Dir hier unten ganz genau. Wie geht es denn Hedwig, ist sie froh und gesund?« -- »Doch ich muß jetzt schließen, draußen kommen die Leute mit der einen Kuh, die uns fortgelaufen war, und nach der sie schon den ganzen Tag gesucht haben, in der Küche ist auch so viel zu thun, daß ich nicht länger hier sitzen darf; ich wollte Dich nur wenigstens wissen lassen wie es uns geht. So lebe recht wohl, grüße Deinen lieben Mann und Hedwig recht freundlich von uns Allen, wie mir auch Alle für Dich viel tausend Grüße aufgetragen haben, und gedenke manchmal freundlich Deiner Marie.« Capitel 9. Herrn von Hopfgartens Abenteuer. Hopfgarten erreichte nach einem kurzen und nicht unangenehmen Ritt das kleine Städtchen Hollowfield, von dem er aber im Anfang wirklich glaubte er sei wieder nach Grahamstown gekommen, so glich eins dem anderen. Nur das Wirthshausschild war anders: das scheußliche Brustbild irgend einer menschlichen Figur mit großer Allongenperrücke und in eine blaue Uniform eingeknöpft, dessen Unterschrift, den innerlich gewiß sehr verehrten, hier äußerlich aber traurig mishandelten Namen »George Washington« trug. Zur rechten Zeit war er übrigens eingetroffen, denn die _mailcoach_ oder Postkutsche stand gerade ausgefahren vor dem »Washington Hotel«, und in ein ledernes Behältniß, das hinten an dem etwas unbehülflich aussehenden Fuhrwerk angebracht war, wie vorn in den Kasten unter dem Kutschenbock (von den Engländern _Stiefel_ genannt) waren ein paar junge Burschen eben beschäftigt kleine Koffer, Reisesäcke, Hutschachteln und andere Passagierübliche Gegenstände einzuschieben, und -- wenn sie sich nicht gutwillig dem beschränkten Raum fügen wollten -- mit den Füßen hineinzutreten. Diese Postkutsche hielt in ihrem Innern neun Personen; acht Passagiere waren schon eingeschrieben, von denen jedoch außer ihm, nur zwei bis Vincennes fuhren, und nachdem der Deutsche sein Passagegeld bezahlt, hatte er die Genugthuung seinen eigenen Reisesack auf dieselbe Art und Weise behandelt zu sehn, wie das Gepäck seiner Postgefährten. Mit etwas mistrauischen Blicken betrachtete er übrigens gleich von Anfang an dieses ihm noch neue Amerikanische Beförderungs-Mittel, das allerdings, mit seinen Schwestern in Europa verglichen, Manches zu wünschen übrig ließ. Stark genug schien übrigens der Kasten gebaut, auch den schwersten Wechselfällen ihrer Fahrt wacker zu begegnen. Die »Federn« bestanden aus Streifen roher Haut, und die Kutsche selber hatte nur, wie Herr von Hopfgarten bei näherer Besichtigung fand, eine einzige Thüre in der linken Seite. Drei Sitze waren im Inneren angebracht, jeder für drei Personen, wobei die mittelsten Passagiere auf eine bewegliche und ebenfalls in Rohhaut hängende Bank zu sitzen kamen, und ihre Rücken gegen einen anderen breiten ledernen Riemen legen durften. Statt der Polster in den Ecken -- die Thür hatte eine Glasscheibe -- hingen an den Seiten lederne Gardinen herunter, die nach Gefallen der Passagiere auf- und niedergelassen werden konnten. Soweit war Alles gut, beim Einsteigen, was natürlich für sämmtliche Passagiere nur durch die eine Thür geschah, fand sich aber daß Hopfgarten, als letzter Passagier, den mittelsten Platz auf der mittelsten Bank bekommen hatte, und dadurch natürlich jedes Anhaltepunktes für seinen Kopf beraubt war. Er mußte denselben fortwährend in der Schwebe halten, und durfte nur hoffen in eine Ecke zu kommen, wenn einige der anderen Reisenden, die nicht ganz mit bis nach Vincennes fuhren, ausstiegen. Die Pferde waren vorgespannt, die Passagiere kletterten in ihre Sitze, der Deutsche als Vorletzter, der Schlag wurde zugeworfen. »_All right!_« rief der Hausknecht, oder ein dem ähnliches Individuum, das sich aber sonst sehr unabhängig zu fühlen schien, die vier munteren, ziemlich gut gehaltenen Rappen zogen an, und mit einem furchtbaren Stoß, der schon die Güte des ledernen Rückbandes probte, in Gang gebracht, rasselte der Wagen plötzlich unter dem Jubel der jugendlichen Bevölkerung von Hollowfield in voller Flucht zu dem kleinen Ort hinaus und in den Wald hinein. Dem Leser, der noch nie in einer Amerikanischen Postkutsche gefahren, auch nur einen Begriff der stoßweisen Bewegung, selbst nur stoßweise beizubringen, wäre unmöglich, und Hopfgarten dankte schon nach der ersten Viertelstunde Gott, daß ihm in Hollowfield keine Zeit gelassen worden eine ordentliche Mahlzeit zu sich zu nehmen, er hätte sonst Höllenqualen ausstehen müssen. Einer anderen Unannehmlichkeit entging er aber _nicht_; das Ausspucken der Amerikaner hatte er schon seit seiner ersten Dampfbootfahrt bemerkt, und es war ihm fatal gewesen, ohne daß es ihn weiter belästigte; hier aber, in dem engen Raum des Kutschkastens kam er mit den Leuten in so nahe Berührung, daß er dem ekelhaften Gebrauch nicht mehr aus dem Wege gehen konnte, und bald zu seinem Entsetzen fand, wie er sich wirklich in eine höchst fatale Lage muthwilliger Weise hineingebracht hatte. Daß die übrigen Passagiere durch das offene Fenster des Schlags ein ziemlich regelmäßiges Feuer von ausgespritztem Tabackssaft unterhielten, durfte ihn natürlich nicht in Erstaunen setzen, er war auch darauf, wenn auch nicht in dem Grade, vorbereitet gewesen. Das genirte ihn also weiter nicht, er schloß die Augen und überließ sich dabei, bis er sich etwas mehr daran gewöhnt haben würde, seinen eigenen Gedanken, aber der unglückselige Passagier zu seiner rechten, der mit ihm auf ein und demselben Bret saß, wie der in der vorderen rechten Ecke -- und der letztere fast noch mehr als der erste -- brachten ihn bald zur Verzweiflung. Die guten Leute nämlich, lange ungeschlachte _Hoosier_,[17] die überdieß nicht wußten was sie mit ihren Beinen anfangen sollten, mußten, da das Leder an ihrer Seite niedergeschnallt war, schräg an ihm und über ihn wegspucken, das Wagenfenster zu erreichen, und wenn auch der Mittelpassagier im Anfang versuchte zwischen ihren beiden Knieen den Boden zu treffen, so war das noch eher schlimmer als das erste. Hopfgarten konnte jedoch nie den geringsten Grund zur Klage bekommen, denn auch nicht das kleinste Spritzchen traf ihn, so geschickt dirigirten die Burschen den braunen Saft wohin sie ihn wollten. Aber trotz dieser, in der nächsten Stunde vielleicht sechzig Mal gemachten Erfahrung, mußte er unwillkürlich nach jeder neuen Expectoration an sich hinunter sehn, um sich von dem _status quo_ seines Rockes und seiner Beinkleider zu überzeugen, bis er endlich -- der Mensch stumpft zuletzt selbst gegen Tabackssaft ab -- eine mitgenommene wollene Decke um sich her zog und diese preisgebend sich fest vornahm auf Nichts weiter zu achten. Sämmtliche Passagiere schienen Farmer aus der Umgegend oder aus Vincennes zu sein -- selbst ein Quäker, der sich zwischen ihnen befand -- die theils zum Viehhandel, theils zu anderen derartigen Zwecken den Ohio und dessen kleine Ansiedlungen zwischen Cincinnati und der Mündung des Wabasch besucht hatten. Das Gespräch drehte sich dabei, zwischen dem Spucken und Rasseln und Schütteln des Wagens, einzig und allein um Rinder und Schweine, Maispreise und »was Mehl und Whiskey werth waren.« Die Gegend blieb sich ebenfalls ziemlich gleich, Wald wohin das Auge reichte, nur dann und wann von kleinen Ansiedlungen unterbrochen, die sich immer schon auf einige Zeit vorher durch den schlammigen Weg bemerkbar machten. Es mußte hier überhaupt mehr geregnet haben als am Fluß, oder regnete vielmehr noch, wie ihnen bald einzeln niederkommende Schauer bewiesen. Die Wege, die dann und wann über kleine offene und natürliche Wiesenflecke -- erste Ausläufer der Prairieen -- führten, wurden immer weicher und unwegsamer, und der rüstige Galop mit dem ihre Fahrt begonnen, schrumpfte zuletzt zu einem zähen Schritt zusammen, in dem die keuchenden Pferde das unbehülfliche Fuhrwerk durch den schweren Lehmboden fortschleppen mußten. * * * * * Hie und da hielten sie an kleinen dürftig genug aussehenden Wirthshäusern an, irgend eine Erfrischung die stets mit Brandy in allen möglichen Formen und Mischungen gewürzt wurde, zu sich zu nehmen, sonst aber ging die Fahrt ununterbrochen rasch vorwärts, und die verschiedenen Kutscher, mit stets guten Pferden, thaten wirklich ihr Möglichstes weiter zu kommen. * * * * * So brach die Nacht an; der Regen wurde stärker, die Straße unwegsamer; überall lagen dabei niedergebrochene Äste und Zweige, selbst umgeworfene Stämme, die zu umgehn es oftmals Viertelstunden kostete, kreutz und queer darüber hin, während schon die Hülfe einzelner Passagiere in Anspruch genommen werden mußte mit der, vorn im »_boot_« liegenden Axt, die schlimmsten Hindernisse aus dem Wege zu schlagen. Wenn sie manchmal eine tiefe Sumpfstelle in der Straße zu passiren hatten blieb ihnen sogar nichts Anderes übrig als darum hin eine neue Bahn zu haun. Hopfgarten hatte sich diesen »kleinen Hülfsleistungen« von denen die wackeren Hoosiers oft ganz durchnäßt und voll Schlamm zurückkehrten, und einen entsetzlichen Dunst im Wagen verbreiteten, bis jetzt noch immer zu entziehen gewußt, und war, trotz mehrfachen Sticheleien der Übrigen, bergauf und ab ruhig im Wagen sitzen geblieben. So lange er sich trocken erhalten konnte war die Sache auch noch zum Aushalten, und brauchten sie dann ein paar Stunden länger nach Vincennes und versäumten die Cincinnati-Post, was that's? dann blieb er einige Tage dort und besah sich die Umgegend, wie die hier beginnenden Illinois Prairieen. Langsam rumpelte das schwerfällige Geschirr indessen, jetzt fast bei jedem Stoß von den Flüchen und Verwünschungen der ungeduldig werdenden Passagiere begleitet, durch die wilde stürmische Nacht. Der Wind heulte in den Bäumen, und der Regen schlug mit einer solchen Gewalt gegen die niedergelassenen Schutzleder an, daß selbst die Bereitwilligsten von heute den Kopf bedenklich über die Möglichkeit eines nochmaligen Aussteigens schüttelten. Wider Erwarten ging die Kutsche aber, jetzt auf besserem Wege, rasch und lebendig, dann wieder in weicheren Boden gerathend, langsam und schwer vorwärts, aber doch wenigstens vorwärts; der Wald war hier weit offener als an den Stellen, die sie am Abend passirt, und der Weg von Holz fast gänzlich frei. So mochte es elf Uhr geworden sein; eben hatten sie wieder ein kleines Städtchen mit irgend einem großartigen Namen verlassen, und der abgehende Kutscher dem, ihnen neu überlieferten noch einige wohlmeinende Warnungen über den jetzt zu passirenden »_green blossom swamp_« (den grünen Blüthen-Sumpf) gegeben, als sie draußen Plätschern an den Rädern hörten. Rasch hinaussehend bemerkten sie, wie sie eben eine Reihe von Lachen oder Dümpel, die jetzt bei dem Regen einen ordentlichen kleinen See bildeten, passirten; das Land schien hier flach und eben, und die Räder schnitten tief in den schwammigen Boden ein. So fuhren sie etwa eine halbe Stunde, bis sie wieder verhältnißmäßig trockeneren Grund gewannen, das heißt Grund, der wenigstens nicht vollkommen unter Wasser stand. Hier begann auf's Neue Hügelboden, dessen ersten schlüpfrigen Hang sie sich gerade mühsam hinauf gearbeitet als der Wagen, wie sie auf der anderen Seite rascher hinunter fuhren, nach links zu auffallend tief zu gehen begann. Die von den Passagieren, die begonnen hatten ein wenig einzunicken, wurden rasch genug munter, und »Hallo _driver_! (Kutscher)« schrie jetzt Einer der Leute mit einer dünnen pfeifenden, näselnden Stimme -- »was macht Ihr denn da draußen -- Ihr werft doch nicht um? -- ich habe nur noch etwa eine halbe Meile zu Wittwe Jones's zu fahren, bis dahin werdet Ihr doch den verdammten alten Kasten in Gang halten?« »Verdamm Wittwe Jones's« lautete die eben nicht höfliche, halblaut gebrummte Antwort des Wagenlenkers, der allerdings in dem Wetter mit seinem Geschirr und den Pferden mehr zu thun hatte, als noch auf die Fracht, Koffer und Passagiere, Acht zu geben; »Wittwe Jones soll zu Grase gehn.« »In der That Freund, der Wagen fängt an unverhältnißmäßig schräg zu gehn« sagte in diesem Augenblick der Quäker, der bis dahin, selbst an den Orten wo sie angehalten, noch keine zehn Worte gesprochen hatte, indem er sich, soweit das irgend möglich war, von der bedrohten Seite fort auf Herrn von Hopfgarten in einem unbestimmten Gefühl das Gleichgewicht wieder herzustellen, drängte -- »Du wirst doch nicht umwerfen?« Er hatte seinen Satz noch nicht ganz vollendet, als das rechte Vorderrad auf eine Erhöhung, einen Stein oder Ast, auflief; einen Moment noch rollte der Wagen, durch die rasch anziehenden Pferde fortgerissen, auf den beiden linken Rädern fort, um im nächsten Augenblick, unter dem Aufschrei sämmtlicher Insassen, schwerfällig nach links, und zwar auf _die_ Seite überzuschlagen an der sich die einzige Thür befand. Die Verwirrung die jetzt im Inneren entstand war furchtbar, Alles wühlte und drängte durcheinander, nur einmal erst auf die Füße zu kommen und das Geschrei nach dem Kutscher sie »aufzuknöpfen« daß sie »zu windwärts« aus dem »verdammten Kasten« kommen könnten, übertäubte alles Andere, und ließ sie natürlich in dieser ersten Zeit gar nicht hören was draußen vorging. Der »_Driver_« der sich indessen während die Pferde glücklicher Weise still standen, wieder aus dem Schlamm, in den ihn der erste Stoß geworfen, aufgelesen hatte, trat jetzt zu dem Wagen hinan, den Nothschreien der Passagiere Folge zu leisten; nicht etwa aber diesen zu Gefallen, sondern weil er ohne deren Hülfe sein Geschirr natürlich gar nicht wieder hätte aufrichten können. »Höll und Verdammniß« fluchte er dabei laut genug in den Bart jedes Wort zu verstehen, während er in der Dunkelheit nach den Knöpfen und Schnallen der ledernen Vorhänge fühlte, diese zu öffnen und seine Passagiere in's Freie zu lassen -- »muß der Mensch da so eine verwünschte Bande müßiger Tagediebe und Faullenzer in Nacht und Nebel in der Welt herumfahren, und seinen eignen Hals, wie seine Pferde riskiren -- wenn sie nur der Teufel holte, den ganzen Schwamm, wie sie dadrinn hocken. -- Da Herzchen« schloß er dann seine schmeichelhafte Anrede, indem er das endlich geöffnete Leder zurückwarf, und den jetzt ordentlich nieder _fluthenden_ Regen zwischen die unglücklichen Passagiere hineinließ -- »jetzt könnt Ihr Euch auch eine Güte thun und einmal sehn wie's draußen ist -- nun sind wir lange genug gefahren und dürfen ein Stück zu Fuße gehn.« War der Kutscher übrigens übler Laune, so waren es die Passagiere noch mehr, und nur das Wetter und die Stockdunkelheit verhinderten vielleicht eine ernsthafte Schlägerei zwischen einem oder dem anderen der Schaar, mit dem groben Driver. Hier war aber keine Zeit zum Besinnen, denn je länger sie neben dem umgeworfenen Wagen standen, desto länger goß auch der Regen auf sie nieder und je eher sie den wieder aufhoben, desto schneller kamen sie wieder in's Trockene. »Ungeschicktes Vieh von einem Kutscher!« schrie indessen der eine Hoosier, der letzte der im Wagen stand, und vergebens im Innern nach seinem hinuntergefallenen Hute fühlte »fährt erst in's Blau hinein, und nimmt dann auch noch das Maul voll mit Grobheiten. Wo hast Du denn Dein Fahren gelernt, Langbein, heh? -- Dich möcht' ich einmal auf acht Tage unter der Hand haben.« »_Nevermind Bill_« rief ihm ein Anderer zu »komm heraus aus der Falle und drück Deine Schulter hier mit unter, daß wir das verdammte Ding wieder in die Höhe bringen. So hier -- hebt Jungens -- ahoy-y -- Sie da, kleiner _Dutchman_ Sie sind der kürzere von uns, kriechen Sie doch einmal drunter, daß er nicht wieder zurückfällt.« Herr von Hopfgarten, dem diese gemüthliche Anrede galt, dachte aber gar nicht daran ihr Folge zu leisten, und seinen eigenen Rücken zum Ruhestuhl des ganzen Wagens herzugeben; mit anfassen mußte er aber doch, wollte er nicht die Nacht da im Schlamm halten bleiben, und den vereinten Anstrengungen der Passagiere gelang es denn auch endlich den schweren Wagen wieder auf seine Räder zu stellen und das herausgefallene Gepäck beim Schein der einen Laterne -- die andere war schon vorher ausgegangen und dann auch noch zum Überfluß im Sturz gebrochen, zusammenzusuchen. Der Kutscher hatte indeß das verwickelte Geschirr der Pferde in Ordnung gebracht und kletterte, die Sorge für das Gepäck ganz den Passagieren überlassend, mit einem »Na so packt Euch wieder hinein, Alle mit einander, bis zum _nächsten_ Loch« auf seinen Sitz zurück, von wo aus er, als das Zuschlagen der Wagenthür ihm dazu das Signal gab, mit erneuten Flüchen auf die Pferde einhieb. Der Zustand der Passagiere im Inneren war übrigens, trotzdem daß sie jetzt wenigstens vor dem Regen geschützt saßen, ein sehr mislicher, denn naß bis auf die Haut, die Hände und Füße voll Schlamm, durften sie gar nicht daran denken sich irgend einer behaglichen Ruhe hinzugeben. Des Kutschers ominöse Worte -- »sie sollten einsteigen _bis zum nächsten Loch_« klangen ihnen auch dabei noch immer in den Ohren, und in der That bewieß das Schleudern des Wagens, in dem sie herüber- und hinübergeworfen wurden, daß sie die schlechtesten Plätze keineswegs überstanden hatten. Eine halbe Stunde später hielten sie allerdings bei Wittwe Jones, und konnten ihre halberstarrten Glieder -- den Quäker ausgenommen, der keine Spirituosen trank -- an einem nichtswürdigen Glas Cognac, halb Wasser und halb Schwefelsäure erwärmen, aber gehalten wurde hier nicht länger, und der eine Passagier der hier ausstieg rief ihnen noch lachend nach, »wenn sie gleich unten am Hügel wieder umwürfen, sollten sie nur rufen, und er wollte dann mit der Laterne hinunter kommen und sie zusammensuchen.« Trotz der unangenehmen Fahrt übrigens, und trotz dem Regen, der immer schärfer anfing niederzupeitschen, während die Nacht dunkler und stürmischer wurde, schien der Humor in dem engen mit Menschen vollgepfropften Kasten doch endlich die Oberhand zu gewinnen; die Passagiere beschrieben untereinander die Situationen, in denen sie sich befunden als der Wagen umschlug, lachten über die einzelnen verzweifelten Ausrufe, und selbst über die unverschämte Grobheit des Kutschers, und wurden dabei bekannter zusammen, als sie es wahrscheinlich beim schönsten Wetter geworden wären. Sie fingen schon auch wirklich an sich wieder einem wohltuenden Gefühle der Sicherheit hinzugeben, als der Wagen auf's Neue einen Alles zusammenwerfenden Ruck that -- und dann festsaß. Vergebens blieben alle Peitschenhiebe und Flüche des »_drivers_«; der Wagen stak und war nicht von der Stelle zu bringen, und die Passagiere mußten, trotz dem Wetter, noch einmal hinaus. Hier zeigte sich nun allerdings, daß das rechte Vorderrad in eine alte Wurzel hineingefahren war, aus der es leicht wieder befreit werden konnte; als man es aber näher untersuchte, erwieß sich daß zwei Speicher gebrochen seien, die unter dem schweren Gewicht von acht Passagieren keine hundert Schritt weit mehr gehalten hätten. Das nächste ordentliche Wirthshaus war zugleich noch sieben englische Meilen entfernt, und sie sämmtlich gezwungen, wenn sie das beschädigte Rad nicht wieder zusammenflicken konnten, bis dorthin zu Fuß durch die Nacht zu laufen. Dem zu begegnen gingen die jungen Farmer und Viehhändler, die mit derartigen Sachen gut umzuspringen wußten, daran, den Schaden soviel als möglich wieder auszubessern. Auf ebener Straße hätte das Rad auch wohl die paar Meilen noch gehalten, und so versuchten sie's denn und stiegen wieder ein. Lieber Gott, der erste Baumstumpf an den sie kamen, machte die immer mehr aufgeweichten Riemen nachgeben, noch hielten die übrigen Speichen, aber nicht lang; über eine Strecke steinigen Boden dahinfahrend krachte und splitterte es wieder, und ehe die Hälfte der Passagiere hinausspringen konnte, schlug der Kasten zum zweiten Mal um. An ein wieder einsetzen war jetzt nicht mehr zu denken; eine Stange wurde nur abgehauen, vorn befestigt und quer unter die rechte Axe gelegt, den Wagen aufrecht zu halten, und dann nach einigen Versuchen selbst das Gepäck zum großen Theil für zu schwer befunden, auf diese Weise transportirt zu werden. Der Kutscher machte nun allerdings den Vorschlag, sämmtliche Koffer und Säcke hier irgendwo unter einem Baum aufzustapeln, und Einen von ihnen als Wache dabei zurückzulassen. Hierzu aber wollte sich nicht allein Niemand verstehn, sondern auch Niemand sein Gepäck zurücklassen, und der Kutscher wurde soweit überstimmt, dem Passagiergut im Wagen so lange Raum zu gönnen, bis es effektiv nicht weiter gebracht werden _konnte_; dann wollte es Jeder tragen. Das Gepäck war aber wirklich in dem schlammigen Weg wenn auch nicht zu schwer für das gebrochene Rad und die untergeschobene Stange, doch jedenfalls für die Pferde, die den Wagen mit dem scharfeinschneidenden Hemmschuh endlich kaum noch fortschleppen konnten. Die Amerikaner hatten zwar Stangen abgehauen, die als Hebebäume dienen mußten, den Wagen, wo er stecken blieb wieder herauszuheben, und nicht ganz auf der Straße sitzen zu bleiben, aber es ging das endlich auch nicht mehr, und das Gepäck mußte heraus und geschultert werden. Die Pferde _konnten_ es nicht weiter bringen. Hopfgarten wie der Quäker, die eben nur leichte Reisesäcke hatten, bekamen dazu noch eine der Stangen zu tragen, während die Amerikaner mit Axt und Hacke -- Amerikanische Posten sind schon darauf eingerichtet -- nebenher gingen, und dem Wagen fortwährend freie Bahn machten, Holz aus dem Weg zogen, oder auch die Hebebäume von den Schultern ihrer Leidensgefährten nahmen und die angeschleifte Stange über irgendwelche Hindernisse hinüberhoben. Hier war es Hopfgarten, der sich zuerst widersetzte, und gegen solche Behandlung mit Erfolg Protest einlegte. »Ich habe« sagte er zu dem erstaunt ihn ansehenden _driver_ »meine volle Passage noch dazu bis _Vincennes_ bezahlt; ich bin jetzt, den halben Weg fast, zu Fuß gelaufen -- nicht das allein, ich habe auch mein Gepäck geschleppt, und gearbeitet wie ein Pferd den verwünschten Kasten in Gang zu halten. Ich bin dabei erbötig weiter zu marschiren und mein Gepäck selber zu schultern -- _aber die verdammte Stange trag ich keinen Schritt mehr_;« und das Holz dem Mann vor die Füße werfend, stiefelte er ruhig weiter durch den Schlamm. Die Situation hatte viel komisches, und ein paar Leute lachten, das Wetter war aber doch zu entsetzlich irgend etwas gerade sehr spaßhaft zu finden. Die kleine Caravane hatte sich indessen eben wieder in Bewegung gesetzt, als Hopfgarten zu ihrer Linken ein Licht durch die Bäume schimmern sah, einen der Mitpassagiere darauf aufmerksam machte, und ihn frug, ob er wisse wer da wohne. »Oh hol's der Teufel« brummte der Mann, »_dort_ können wir nicht bleiben, das ist ein wüster Ort, mit dem Niemand gern Verkehr hat.« »Wie so?« frug rasch der Deutsche, neugierig gemacht durch die Bemerkung. »Ein alter Jude wohnt dort mit seiner Mutter« sagte der Amerikaner, einen scheuen Blick nach dem Licht hinüberwerfend, »und _handelt_ am Tag in der Gegend herum; die Leute sagen auch er hätte eine Masse kostbarer Waaren bei sich aufgehäuft, wo er die aber her und womit er sie bezahlt hat weiß kein Mensch, und es mag auch Niemand seine Schwelle betreten.« Der Mann schritt weiter; während das Wetter aber immer wüthender wurde, der Regen immer toller niederpeitschte und der Sturm in den Baumwipfeln raste, als ob er die alten Riesenkronen, die ihm Jahrhunderte getrotzt, bei dem Armvoll niederwerfen wollte, zog sich der Weg wieder in eine Niederung hinab, in der sie bis an die Knie fast in Schlamm und Morast waten mußten. Das Licht kam dabei näher, obgleich man deutlich unterscheiden konnte daß es links etwas von der Straße ab lag und Hopfgarten, an solche Beschwerden nicht gewöhnt, und mit der _Möglichkeit_ ihnen zu entgehn vor sich, beschloß endlich mit seinem Gepäck, das er ja überdieß auf dem Rücken trug, querfeldein auf das Haus zuzugehn, und die Gastfreundschaft der Leute, mochten sie sein was sie wollten, für diese Nacht in Anspruch zu nehmen. Morgen fand sich dann schon Gelegenheit weiter zu kommen, oder er gab auch seine ganze Reise nach Vincennes und von da mit der Post weiter nach St. Louis auf, und kehrte auf dem nächsten Weg nach dem Ohio zurück -- er hatte das Postfahren satt bekommen. Der eine Farmer rieth ihm allerdings, als er den Entschluß hörte gar eifrig ab, und tröstete ihn damit, daß sie höchstens noch fünf Miles bis zum nächsten Wirthshaus hätten; Hopfgarten war aber fest entschlossen seinen einmal gefaßten Plan auszuführen, unangenehmere Gesellschaft konnte er dort auch nicht finden, und da die Leute noch Licht hatten, also auch folglich noch auf waren, würden sie ihm doch wenigstens einen Platz am Feuer nicht versagen. Ohne sich also weiter an die Übrigen zu kehren, und Postkutsche nebst Passagieren ihrem Schicksal überlassend, wandte er sich links ab dem Lichte zu, und kam nach etwa viertelstündigem Wandern, wobei er die Post noch immer konnte durch den Schlamm rasseln und sogar das Fluchen der Passagiere hören, an eine niedere Fenz, die er mit einiger Mühe überkletterte. Er war durch die Anstrengungen der Nacht und die naßkalte bösartige Witterung ordentlich steif und gelenklos geworden, und konnte kaum hinüberkommen. FUSSNOTEN -- FOOTNOTES [1] Die Amerikanische Nachtschwalbe, ihres leise klagenden Rufs wegen, der ganz diesen Worten ähnlich klingt, _Whippoorwill_ genannt. [2] Little Rock -- kleiner Fels -- die Ansiedlung bekam ihren Namen zuerst von einzelnen kleinen Felsblöcken, die hier am Ufer liegen. [3] Postreiter. [4] stehen, der deutsch-amerikanische Ausdruck von _bleiben_ von dem Englischen _to stay_. [5] _To shake hands_ die Hand schütteln. [6] Vereinigten Staaten. [7] _racoon_, der Waschbär. [8] _old man_ und _old woman_ werden fast alle verheirateten Leute in den westlichen Wäldern genannt, sie mögen so jung sein wie sie wollen. [9] Alle Frauen werden dort so angeredet. [10] Macht Nichts aus [11] Keine Messer, keine Scheeren zu schleifen? [12] »Herein!« [13] Weißen Männer. [14] Methodisten und ultramontanes Blatt. [15] Gegenwärtige Gesellschaft immer ausgenommen. [16] Sie hat jetzt nahe an 130000. [17] _Hoosiers_ werden die Bewohner Indianas scherzhafter Weise in Amerika genannt. * * * * * ANMERKUNGEN -- TRANSCRIBER'S NOTE Contemporary spellings have generally been retained, even when not consistent. A small number of obvious typographical errors have been corrected and some names regularised; missing punctuation has been added. Zeitgenössische Schreibungen wurden generell beibehalten, auch wenn gelegentlich mehrere Variaten auftauchen. Einige wenige orthografische Fehler wurden korrigiert und Namen vereinheitlicht; fehlende Zeichensetzung wurde ergänzt. The following additional changes have been made to the text: Die folgenden zusäzlichen Änderungen wurden vorgenommen: und von ihnen und waren von ihnen aus der Heimath vertrieben aus der Heimath vertrieben nahmen ihre ganze Aufmerksamkeit nahmen ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und ließ sie in Anspruch, und ließen sie aber komm Sidonie aber komm Amalie die beiden Töchter der alten die beiden Töchter der alten Mr. Rosemore Mrs. Rosemore eine nochmalige Störung der Bauern eine nochmalige Störung des Bauern von den großen Rosinen, die Sie von den großen Rosinen, die Sie früher im Topf gehabt früher im Kopf gehabt versucht, (...) als Band versucht, (...) als Band herausgegeben herauszugeben Den Fremden, Bedruckten Den Fremden, Bedrückten umwinkelt wurde umwickelt wurde wie sie der (...) Schweine, wie sie der (...) Schweine wegen, die dort (...) geschlachtet (...) die dort (...) geschlachtet (...) werden werden wüßten wie des Menschen Handeln wüßten wie des Menschen Handeln seinen Werth bestimmen seinen Werth bestimme Hopfgarten wie die Quäker Hopfgarten wie der Quäker ***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NACH AMERIKA! VIERTER BAND*** ******* This file should be named 28243-8.txt or 28243-8.zip ******* This and all associated files of various formats will be found in: https://www.gutenberg.org/dirs/2/8/2/4/28243 Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. They may be modified and printed and given away--you may do practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. *** START: FULL LICENSE *** THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License (available with this file or online at https://www.gutenberg.org/license). Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is in the public domain in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country outside the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org 1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived from the public domain (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg-tm License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided that - You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has agreed to donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60 days following each date on which you prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." - You provide a full refund of any money paid by a user who notifies you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm License. You must require such a user to return or destroy all copies of the works possessed in a physical medium and discontinue all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm works. - You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the electronic work is discovered and reported to you within 90 days of receipt of the work. - You comply with all other terms of this agreement for free distribution of Project Gutenberg-tm works. 1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread public domain works in creating the Project Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH F3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGE. 1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to the person you received the work from. If you received the work on a physical medium, you must return the medium with your written explanation. The person or entity that provided you with the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the work electronically, the person or entity providing it to you may choose to give you a second opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a refund in writing without further opportunities to fix the problem. 1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at https://www.gutenberg.org/fundraising/pglaf. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email [email protected]. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at https://www.gutenberg.org/about/contact For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director [email protected] Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit https://www.gutenberg.org/fundraising/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: https://www.gutenberg.org/fundraising/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: https://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.