The Project Gutenberg eBook, Amerikanische Wald- und Strombilder. Erster Band., by Friedrich Gerstäcker This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Amerikanische Wald- und Strombilder. Erster Band. Author: Friedrich Gerstäcker Release Date: June 28, 2010 [eBook #33017] Language: German ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK AMERIKANISCHE WALD- UND STROMBILDER. ERSTER BAND.*** E-text prepared by richyfourtytwo, Delphine Lettau, and the Project Gutenberg Online Distributed Proofreading Team (http://www.pgdp.net) Transcriber's note: Obvious misspellings have been corrected. The spelling of names has been regularised and missing punctuation added. A few words appear in two different spellings; these have been retained. The original highlights text in two ways: by spacing letters (gesperrt) and by using a Roman font (Antiqua). The former is represented _thus_, the latter =thus=. Two particular words which may strike the modern reader as mistakes, Stöpfel (Stöpsel) and klaffen (kläffen), were in fact correct at the time. A list of corrections is at the end of the e-book. ANMERKUNGEN Offenkundige orthografische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Namen wurden vereinheitlicht und fehlende Zeichensetzung ergänzt. Manche Wörter treten in zweierlei Schreibungen auf und wurden so belassen. Gesperrt Gedrucktes im Original wird _so_ angezeigt, Antiqua =so=. Zwei Wörter werden dem Leser bzw. der Leserin als mögliche Fehler vielleicht besonders auffallen: Stöpfel (Stöpsel) und klaffen (kläffen); sie lassen sich aber in der damaligen Zeit so nachweisen. Amerikanische Wald- und Strombilder. Von _Friedrich Gerstäcker_. Dritte Auflage. _Erster Band_. Leipzig, _Arnoldische Buchhandlung_. 1862. Inhalt des ersten Bandes. Seite Der Leichenräuber 1 Nordamerikanische Jagd 55 Curtis Brautfahrt 131 Schulen in den Backwoods 185 Die Alligator-Jagd 206 Die Leichenräuber. Seit dem Krieg mit den Seminolen (1818) hatten sich die Stämme der nordamerikanischen Indianer ziemlich still und ruhig verhalten und die Regierung selbst vermied natürlich Jedes, was wieder zu Reibungen und Streitigkeiten Anlaß geben konnte. Nichts desto weniger und trotz tausend verschiedenen Freundschaftsversicherungen und geschlossenen Bündnissen, drängte sie die armen Kinder der Wildniß immer weiter und weiter von den Gräbern ihrer Väter zurück, und nahm ihnen sogar, wenn ein paar trunkene Häuptlinge vielleicht ihre Zustimmung gegeben, wieder Strecken hinweg, in deren _fortwährendem_ Besitz sie frühere Präsidenten bestätigt hatten. Da standen, dieser Willkühr müde, im April des Jahres 1832 die Winnebagoes, die Füchse und Sioux's auf, und wollten unter ihrem tapferen Häuptling _Black Hawk_ -- _der schwarze Falke_ -- ihr schönes am oberen Mississippi gelegenes Besitzthum von den frechen Eindringlingen reinigen. Wohlbewaffnet und beritten richteten sie auch fürchterliche Verwüstungen in den Grenzländern ihrer weißen Unterdrücker an; sie umzingelten und vernichteten ganze Ansiedlungen, mordeten und scalpirten jedes lebende Wesen und erfüllten den ganzen Staat mit Furcht und Beben. Die Regierung sah sich endlich gezwungen ernsthafte Maaßregeln zu ergreifen und Gewalt mit Gewalt zu vertreiben; denn die Indianer, von ihrem leichten Sieg berauscht, drohten auch die Nachbarstaaten mit ihren wilden Schaaren zu überfluthen. Die Generäle Atkinson und Scott wurden deshalb mit der Vertheidigung der Grenzen beauftragt. Unter des Letzteren Truppen aber, die man in Buffalo an Bord von Dampfbooten schaffte, um sie in der dringenden Noth auch schnell dem Kriegsschauplatz zuführen zu können, brach die Cholera aus -- die übermäßige Hitze und das Zusammendrängen so vieler Menschen in einem kleinen Raum war die Ursache, entsetzliches Elend aber die Folge dieser Krankheit. Viele starben, Viele desertirten, und mußten dann, von Seuche und Hunger gleich aufgerieben, in den Wäldern umkommen. General Atkinson dagegen traf durch forcirte Märsche an der Mündung des oberen Iowa mit Black Hawks Kriegern -- es war am 2. August -- zusammen, schlug nach glücklichem Kampf die Indianer und nahm sogar ihren Häuptling und dessen Sohn gefangen, die beide zuerst in Fort Monroe mehrere Monate festgehalten, dann aber durch alle Hauptstädte der vereinigten Staaten geführt wurden, um ihnen die Macht zu zeigen, gegen die sie einen Krieg unternommen, und ihnen zugleich zu beweisen, wie thöricht, wie ganz hoffnungslos jedes weitere Auflehnen gegen solche ungeheure Streitkräfte sein müßte. Black Hawk erschrack besonders über die für ihn so bedeutende Anzahl waffenfähiger junger Männer, und kehrte, bestürzt über das was er gesehen, zu den Seinigen zurück. Er widersetzte sich auch von da an nicht länger dem Beschluß der Regierung, die, um einem zweiten Einfall der Wilden vorzubeugen, und sich zugleich das schöne Land vollkommen zu sichern, was jene bis jetzt noch immer bewohnten, sämmtliche Stämme an das westliche Ufer des Mississippi schaffte. Jahre waren hiernach vergangen, die Jagdgründe jener tapferen Nationen wühlte der Pflug auf, die Gebeine der Krieger bleichten neben denen des von ihnen selbst erlegten Wildes in Wald und Prairie, und nur noch einzelne und nicht oft die besseren der Stämme waren zurückgeblieben und im weiten Land zerstreut, wo sie sich mit Körbeflechten, oder auch mit der Jagd kümmerlich ernährten. In dieser Zeit also und etwa im Jahre 1845 hatte sich auch ein alter Indianer, aus dem Stamme der Winnebagoes, dann und wann in Waterton, einem kleinen Städtchen am Forriver, eingefunden, und für Prairiehühner oder einen gelegentlich erbeuteten Hirsch, Pulver, Blei, Whiskey und was er sonst brauchen mochte, eingetauscht. Eines Tages aber, ob er nun des Guten ein Bischen zu viel gethan, oder sonst vielleicht schon vorher krank gewesen, hatte er kaum das gewöhnliche Geschäft beendet, und einen Theil seines Whiskeys getrunken, als er krampfhafte Zufälle bekam, zu Boden stürzte und wenige Minuten darauf den Geist aufgab. Allerdings wurde der Doktor -- der einzige im kleinen Städtchen und zwar ein Ire -- augenblicklich gerufen -- jede Hülfe kam jedoch zu spät, der arme alte Mann hatte geendet, und in einem roh gezimmerten Sarge trug man ihn etwa eine englische Meile von der Stadt fort, wo ein alter »Indianischer Mound« oder Erdhügel lag, der stets von dort vorbeikommenden Wilden besucht ward und der Begräbnißort eines großen Häuptlings der »Füchse« sein sollte. Dort, aus einer Art Zartgefühl, das dem armen alten Indianer gerade da seine Grabstätte anwies, grub man ihm sein letztes Bett, und bald verrieth nichts weiter, als die frisch aufgeschüttete Erde, den stillen Ruheort eines alten Mannes, der doch wenigstens in dem Lande schlafen durfte, in dem sein Stamm einst geherrscht und glücklich gewesen war. Eine Person lebte aber in Waterton, die alles Mögliche gethan hatte, um dieses Begräbniß zu hintertreiben, und diese Person war eben der, schon früher erwähnte kleine irische Doktor, der -- zum Nutzen der Menschheit, wie er behauptete -- seit dem Tode des Indianers nicht abließ mit Bitten und Versprechungen, den Leichnam ausgeliefert zu bekommen, damit er ihn seciren und dadurch vielleicht wichtige Entdeckungen in diesem Zweige der Wissenschaft machen könne. -- So lautete nämlich der Grund, den er angab, eigentlich wünschte er aber nur das Skelett zu besitzen, für das er in New-York einen bedeutenden Preis zu bekommen wußte. Nun hätten sich die guten Wolferinen[1] wohl allerdings sehr wenig daraus gemacht, was aus dem Leichnam eines Indianers wurde, die sie, der verübten Gräuel wegen, sämmtlich in die höllischen Regionen wünschten; eben diese Greuelscenen waren aber auch noch zu frisch in ihrem Gedächtniß, und nicht mit Unrecht fürchteten sie, wenn so etwas von ihrem Ort bekannt geworden wäre, die Rache der übrigen Wilden, die, wenn auch nicht offen ausgeführt, ihrem kleinen unbeschützten Flecken um so verderblicher werden konnte. 1: Spitzname für die Bewohner von Illinois. Überdies war der alte »_Salomo_« -- wie sie ihn genannt hatten, obgleich er sich keineswegs zur christlichen Religion bekannt -- so lange Jahre dort aus- und eingegangen, daß wirklich eine Art Freundschaft zwischen ihnen aufgesprungen schien, und zugleich mit der Scheu, die _alle_ Hinterwäldler vor dem Zerschneiden und Zerlegen eines menschlichen Leichnams haben, widersetzten sie sich einstimmig der Bitte des Doktors. Der Indianer wurde begraben und damit glaubten sie die Sache abgemacht. Dem war aber nicht so; Doktor Mac Botherme sah allerdings, daß hier mit weiteren Protestationen Nichts mehr auszurichten sei, eins aber blieb ihm noch, und zwar die List. Schon in Irland hatte er manchen Leichnam stehlen helfen, und wenn auch _die_ Zeit viele viele Jahre lang hinter ihm lag -- Jahre, in denen er noch kräftig und jung gewesen -- so wußte er auch dafür, daß das Ausgraben eines Körpers mitten im Wald, wo er Entdeckung gar nicht zu fürchten brauchte, mit viel weniger Schwierigkeiten und Gefahr verknüpft sei -- ja, wäre es nicht des unbemerkten Heimschaffens der Leiche und vielleicht der halbunbewußten Furcht vor Indianern wegen gewesen, er hätte das ganze Abenteuer allein bestehen können; so aber mußte er sich nach einem Gehülfen umsehen, und den fand er augenblicklich in seinem eigenen Diener, einem erst in demselben Monat eingewanderten, noch rohen, oder wie sie in Amerika sagen, _wilden_ Irländer, den er leicht, durch Versprechung eines guten Lohnes, dahin zu bewegen hoffte ihm beizustehn, wie auch später über die ganze Sache reinen Mund zu halten. Um aber nun mit dem Doktor, der so kühne Absichten hatte und einer ganzen Gemeinde und den Schrecknissen des Grabes trotzen wollte, etwas näher bekannt zu werden, muß ich den guten Mann wohl bei dem Leser in Lebensgröße einführen. Doktor Mac Botherme war ein kleines korpulentes Wesen, mit rothen Backen, etwas echauffirter Nase, kleinen grauen Augen, grauen Augenbraunen und pechschwarzem Haar, welches letztere ihm übrigens ein keineswegs nordländisches Aussehen verliehen haben würde, wären nicht die aufgestülpten Geruchswerkzeuge, wie das ganze fröhliche, breitgedrückte Antlitz des immer munteren Doktors zu sichere Bürgen der »grünen Insel« gewesen. Nach seiner, dem Leser eben mitgetheilten Absicht, möchte dieser jedoch verleitet werden, den Doktor für ein Wunder von Muth, Entschlossenheit und Charakterfestigkeit zu halten, da er trotz der verweigerten Einwilligung von Waterton dennoch auf seiner Absicht bestand, und jetzt sogar eine Leiche bei Nacht Nebel stehlen wollte -- ein Geschäft, vor dem selbst der kühnste Jäger jener Wälder zurückgeschreckt sein würde. Dem war aber gar nicht so. -- Doktor Mac Botherme hatte allerdings, was auch schon sein »Geschäft« mit sich brachte, keine Furcht vor Leichen -- der menschliche Körper war ihm etwa dasselbe, was einem eifrigen Botaniker die Pflanze ist, die er zerlegt und nach ihren inneren Theilen classificirt; er würde also auch das Stehlen der Leiche an sich selbst als etwas sehr unschuldiges, ja vielleicht Interessantes betrachtet haben, wäre nicht noch ein anderer Umstand dazu gekommen, der allerdings der ganzen Sache eine Schattenseite gab, und ihn sogar mit einem Gefühl erfüllte, das, er mochte sich dagegen sträuben so viel er wollte -- der _Furcht_ ungemein ähnlich sah. Die Leiche lag nämlich im Wald -- eine Meile von jeder menschlichen Wohnung entfernt, und erst vor wenigen Tagen hatten die Jäger von Waterton gerade dort einen Panther gejagt und _nicht_ erwischt. Der Panther mußte also noch nothwendiger Weise im Walde sein, denn es war nicht einmal auf ihn geschossen worden, so daß man sich vielleicht damit hätte beruhigen können, er sei verwundet und später irgendwo verendet. Außerdem schienen auch die Einreden der Bewohner von Waterton einen nicht unbedeutenden Eindruck auf ihn gemacht zu haben, daß sich nämlich in letzter Zeit wieder mehrere Indianer, und zwar von den Winnebagoes eben in der Gegend gezeigt hätten, die, wenn sie von dem Leichenraub eines ihres Stammes hören sollten, nie im Leben eine solche That vergessen, sondern sie an dem Thäter und seiner ganzen Nachbarschaft rächen würden, indem sie, wenn sie nicht dieser selbst habhaft würden, doch wenigstens ihre Maisfelder und Häuser in Brand steckten und ihnen vielleicht auch noch außerdem mit heimlicher Kugel im Walde auflauerten. Das Alles blieb zu bedenken, die Versuchung zeigte sich aber hier zu stark, Mac Botherme konnte nicht widerstehen, und beschloß nun, der äußeren Vorsicht und der Bequemlichkeit im Allgemeinen wegen seinen eben angenommenen Diener Patrik O'Flaherti zu Schutz und Hülfe _mit_zunehmen und die Sache wo möglich vollkommen geheim zu halten. O'Flaherti, ein wahres Muster eines Irländers der niederen Klassen, mit brennendrothem Haar und ordentlich Funken sprühender Nase -- starkknochig und keck, mit unverwüstlichem Humor und nicht zu ermüdender Dienstfertigkeit, war denn auch, besonders noch durch die zugesicherte reichliche Belohnung gelockt, gern bereit, dem Doktor, wie er sich ausdrückte, »durch dick und dünn zu folgen,« heißt das, wenn sie es nur »mit wirklich todten« Personen zu thun hätten, und nicht etwa gar der Geist des »seligen Rothfells« neben dem Grabe säße und aus seinem Tomahawk schlechten Tabak rauche. Auch hatte Patrik -- der sonst _keinen_ Menschen fürchtete, eine nicht unbedeutende Scheu vor den Wilden selbst, da ihm schon in der Heimath die fürchterlichsten Schilderungen von diesen gemacht waren, die dort als Cannibalen und wahre Teufel verschrieen wurden. Das was er, in Illinois angekommen, hie und da über die letzten Einfälle und Gräuelscenen gehört, diente ebenfalls nicht dazu, ihm einen besseren Begriff von ihnen beizubringen, und so äußerte er denn auch diese Befürchtung ziemlich frei und offen gegen seinen neuen Herrn. Mac Botherme, obgleich er Ihm im Innern vollkommen recht gab, hütete sich jedoch wohl, ihm davon etwas merken zu lassen; im Gegentheil suchte er mit dem unbefangensten Lächeln von der Welt jede etwa aufsteigende Furcht in ihm zu beschwichtigen. Das gelang ihm denn auch vollkommen, und die Ausführung des Unternehmens wurde auf den nächsten Abend festgesetzt, da an diesem, als an einem Sonntag, nicht zu fürchten war, daß vielleicht irgend Jemand von Waterton auf der Jagd draußen sei, und zufällig in die Nähe des Indianischen Mound kommen könnte. Alle nöthigen Vorbereitungen wurden nun getroffen, und der Plan schien sich auch leicht und gefahrlos ausführen zu lassen. Der Doktor bewohnte nämlich ein eigenes kleines Haus mit zwei Abtheilungen, in deren einer er und der Diener schlief, während er die andere zu seinem Wohn- und Studierzimmer erhoben hatte. In das erstere nun sollte die Leiche geschafft und dort zubereitet werden, bis sich später einmal eine Gelegenheit fand, das hergerichtete Gerippe ohne Aufsehen an den Ort seiner Bestimmung zu befördern. Patrik mußte sich dabei Hacke und Schaufel zurecht legen, und der Doktor nahm die alte Muskete vom Haken, schnallte seinen breiten, bis dahin zu Schutz und Trutz über dem Bett hängenden Hirschfänger um, steckte ein Brecheisen und kleines Beil zu sich, um ohne weitere Mühe den Sarg öffnen zu können, und während er noch das Letzte -- einen großen grauen Leinwandsack über seine Schultern hing, um darin den Leichnam desto leichter fortschaffen zu können, brachen an dem bezeichneten Abend die Beiden, als der Mond eben unterging (und das war etwa gerade um neun Uhr) vorsichtig auf, wobei sie, um jedes Aufsehen zu vermeiden und nicht etwa von einem noch zufällig auf der Straße Weilenden bemerkt zu werden, das kleine Haus umgingen, die nächste Fenz, die des Gastwirths Maisfeld einschloß, übersprangen, und dann durch dieses hin, und von den hohen breitblättrigen Maisstöcken vollkommen verdeckt, dem Walde zueilten. Es war dies allerdings ein ziemlich bedeutender Umweg, den sie machten; sie hatten ja aber die ganze Nacht vor sich, und setzten so, leise und geräuschlos, ihren dunkeln unheimlichen Weg fort. -- Indessen saßen in der Schenke von Waterton die vier einzigen _nicht_ religiösen Männer, die, außer dem Doktor und Patrik in dem kleinen Städtchen zu finden waren, fröhlich beisammen, und thaten dem erst frisch von Vincennes eingetroffenem Biere alle nur mögliche Ehre an. Diese vier waren aber erstlich James Glassy, der Wirth selbst, ein seit der frühsten Gründung von Waterton hier eingewanderter Pennsylvanier, und kurzweg von seinen Bekannten und Gästen _Jim_ genannt, dann _Josy_, der Schmied, _Weppel_, der Schulmeister, und _Shark_, der Krämer. Eines nur, wie sie so friedlich und heiter bei einander saßen, wirkte höchst störend auf ihre Unterhaltung ein, und zwar ein Umstand, der vielleicht zugleich wieder die Dauer ihrer Eintracht verbürgte -- sie waren alle viere Demokraten, hatten für Polk gestimmt, und im Ganzen eine so genau übereinstimmende Meinung in Allem was Politik betraf, daß Weppel der Schulmeister mehrere Male in aller Verzweiflung erklärte, er werde nächstens _gegen_ seine Überzeugung des Whigticket stimmen, blos um einmal in einer so verwünscht langweiligen Gesellschaft widersprechen zu können. Die Politik war deshalb auch fast ganz aus ihrer Unterhaltung verbannt, und Jim hatte eben einen Bericht gegeben, wie viel Bienenbäume er im letzten Monat gefunden, während sich Josy seines Glücks auf der Jagd rühmte, mit dem er in voriger Woche zwei Hirsche und drei Truthühner geschossen und Shark behauptete dabei, er würde auch einen Hirsch und noch dazu einen recht feisten Bock erlegt haben, wäre ihm nicht gerade, als er die Büchse heben wollte, so eine verwünschte Rothhaut in die Quere gekommen, die ein paar Sekunden früher geknallt, und dadurch ein ungemein delikates Stück Wildpret für sich gewonnen hätte. »Wir sollten es überhaupt gar nicht mehr dulden,« fuhr jetzt Weppel auf, »daß diese schleichenden Hallunken, diese Indianer, hier immer um die Ansiedlung herum kriechen -- in Arkansas leiden sie's auch nicht -- ich hielt im vorigen Jahr am Mulberry Schule, und da fingen sie einmal einen ganzen Trupp von ihnen auf -- es waren ihrer vierzehn oder fünfzehn -- nahmen ihnen die Jagdbeute ab und jagten sie aus dem County.« »Ja,« sagte Shark geheimnißvoll -- »das hat aber auch hier eine andere Bewandtniß -- wißt Ihr denn nicht, was man sich in Vincennes über Waterton erzählt?« »In Vincennes?« frug ungläubig Josy -- »was wissen sie denn in Vincennes von uns, wovon wir hier an Ort und Stelle noch nicht einmal etwas gehört haben sollten -- Unsinn -- wäre doch verdammt neugierig _das_ zu erfahren!« »Was sie in Vincennes wissen, will ich Euch sagen,« fuhr Shark fort, trank sein Blechmaas aus, das ihm von der aufmerksamen Wirthin augenblicklich wieder gefüllt wurde, rückte sich seinen Stuhl ein bischen näher zum Tisch, putzte das Licht, stemmte beide Ellbogen auf, stützte gegen die zurückgestreckten Daumen das spitze Kinn, und sagte dann nach allen diesen Vorbereitungen mit leise flüsternder Stimme: »Sie glauben, es wäre hier nicht ganz richtig.« -- »Nicht ganz richtig?« frugen die drei übrigen wie aus einem Munde. »Nein« -- sagte der Krämer -- »nicht ganz richtig -- oder eigentlich _gar_ nicht richtig, denn die Indianer schnüffelten blos deshalb hier noch in der Nähe herum, weil sie auf der Stelle, wo Waterton jetzt stünde, einen Schatz vergraben hätten, den sie heben müßten, ehe sie sämmtlich das Land verlassen dürften.« »Einen Schatz?« rief die junge Wirthin, erstaunt näher tretend. »Ja, einen Schatz von Gold, Silber und allerlei kostbaren Steinen und Schmucksachen« -- fuhr der Krämer eben so geheimnißvoll wieder fort. »Aber wo sollten sie denn das Alles hergekriegt haben,« sagte der Wirth ungläubig -- »das was die Indianer für kostbar halten, ist für uns Weiße keinen Pfifferling werth -- das sind gewöhnlich immer nur Muschelstückchen, die an den Wampum genäht werden, rothe Erde, um Pfeifen d'raus zu machen, und allerlei seltene Federn, die man in New-York für einen Spottpreis kaufen kann.« »Wo sie's hergekriegt haben sollen?« rief Shark in allem Eifer; -- »haben sie denn nicht von jeher die weißen Ansiedlungen überfallen, und da geraubt und fortgeschleppt, was ihnen unter die Hände kam? wird denn nicht sogar behauptet, daß es in dem Alleghany-Gebirge Stellen gebe, wo das Gold klumpenweis läge, und daß es die Indianer wohl gefunden und mitgenommen, aber nicht gewußt hätten, was sie damit anfangen sollten, bis sie es später durch die Gier der Europäer erfahren! Nein, die Schätze sind da, das ist gewiß, und daß sie hier in der Nähe liegen mögen, vielleicht gerade hier unter uns, wo wir jetzt sitzen, das ist auch möglich. Was _hätten_ denn auch wirklich die rothen Hallunken immer hier herum zu suchen? gestern bin ich wieder Dreien begegnet, wie ich, um ein Eichhörnchen zu schießen, in den Wald ging.« »_Die_ sind nach Vincennes zu,« unterbrach ihn hier die Wirthin, »sie wollten auch blos eine Parthie Otterfelle verkaufen und dachten gewiß wenig genug an Schätze.« »So?« rief der Krämer pikirt. -- »Otterfelle verkaufen, als ob sie deshalb nach Vincennes zu gehen brauchten. Da gibt es auch in Waterton Leute, die Geld genug haben, ihnen ein paar lumpige Otterfelle abzukaufen. Nein, das hat einen anderen Grund, und wir werden's schon noch erfahren. Deshalb war ich übrigens auch so dagegen, daß der kleine Doktor den Indianer zerschneiden sollte -- der Teufel hole die rothen Schurken, vielleicht hätten sie das als eine Ausrede genommen, uns die Häuser über dem Kopf angesteckt, und hier mitgenommen, was sie mitzunehmen wünschten.« »Ja, das sag' ich auch« -- meinte Josy -- »das wäre auf keinen Fall gegangen; ich weiß noch recht gut, wie sie's ein Mal in Greentown einem Deutschen machten, der auch das Gerippe von einem am Mississippi begrabenen Häuptling hatte stehlen wollen -- sie erwischten ihn dabei -- zogen ihm den Scalp ab, und ließen ihn laufen -- drei Stunden drauf war er todt. Ich habe die Geschichte Mac Botherme zur Warnung erzählt.« »Ja, und nachher haben sie noch fünf aus derselben Ansiedlung erschossen,« sagte Weppel -- »ich kann mich recht gut darauf besinnen, denn ich kam acht Tage später durch Greentown.« »Und dann war Salomo auch ein herzensguter Mensch« sagte Mrs. Glassy -- »gar nicht wie die anderen Indianer -- überall gefällig und immer freundlich -- es hätte mir in der Seele weh gethan, wenn er nicht einmal ruhig im Grabe geblieben, sondern von dem -- Irländer da, zerschnitten wäre. Soviel weiß ich -- wenn der hier in Waterton Menschen die Eingeweide herausnimmt und an ihnen herumsticht als wie an einem anderen Stück Vieh, dann mag er mir nur hier aus dem Hause bleiben, dann dank' ich ihm für seinen Besuch -- ich ekelte mich zu Tode.« »Na, das wäre nun das Wenigste,« lachte ihr Mann -- »das wäscht sich Alles wieder ab, und was Salomo betrifft, so ist Einer von den Moccasinzertretern so schlimm wie der andere -- je freundlicher sie sich stellen, desto mehr muß man sich vor ihnen in Acht nehmen. Aber darin hat Shark recht -- ich möchte nachher nicht mehr vor die Thür gehen, wenn es unter dem Stamm bekannt würde, wir hätten hier in Waterton Einen von ihnen nicht allein nicht begraben, sondern sogar noch zerschnitten -- am Ende glaubten sie gar, wir wären Menschenfresser.« »Brrr,« sagte Mrs. Glassy, und schüttelte sich bei dem Gedanken. »Ja Kinder,« meinte Mr. Weppel, als er jetzt aufstand und ans Fenster trat, um hinaus auf die menschenleere Straße zu sehen -- »was Besonderes ist hier nicht weiter zu bekommen, und da will ich denn lieber zu Hause gehen -- meine Alte möchte doch sonst brummen.« »Wie viel Uhr hat's denn?« frug Jim -- »es muß ja noch früh sein.« »Es ist gerade neun vorbei,« sagte der Schullehrer, »der Mond drückt sich auch da drüben in's Nest -- morgen muß ich um sieben wieder auf den Beinen sein und Schule geben -- also gute Nacht, meine Herren.« »Wartet Weppel,« rief Shark, während er aufstand und nach seinem eignen Hute griff -- »ich gehe mit -- ich muß so ein Bischen in's Freie, habe in der Stubenluft ordentlich Kopfweh bekommen. Aber wer klopft da draußen -- ist denn zugeschlossen?« Die Thüre war inwendig eingeklingt und Mrs. Glassy öffnete sie schnell, hätte aber fast einen lauten Angstschrei ausgestoßen, als plötzlich, halbgebückt, den rabenschwarzen runden Wollkopf entblößt, ein kleiner, etwa zwölfjähriger Negerknabe in's Zimmer glitt, der, augenscheinliche Angst in den dunklen Zügen, die Männer der Reihe nach ansah, und nicht zu wissen schien, ob er mit der Sprache heraus sollte. »Jesus im Himmel!« sagte Mrs. Glassy, indem sie überrascht einen Schritt zurücktrat, »habe ich doch wahrhaftig geglaubt, es wäre ein Indianer, der da den Kopf zur Thüre herein streckte. Was willst du denn noch so spät, Sip? schickt dich dein Master?« Sip war ein freier Negerknabe, der sich bei dem Baptistenprediger vermiethet hatte, und auch dann und wann, besonders wenn sein Herr nach irgend einem benachbarten Flecken zum Predigen gegangen war, allerhand kleine Aufträge und Wege für das Wirthshaus besorgte, wo er sich nur zu gern mit einem paar Centen und einem Schluck Whiskey dafür belohnen ließ. -- Jetzt verrieth sein ganzes Wesen aber mehr Furcht und Besorgniß, und mit leiser, bebender Stimme stotterte er: »Ne -- ne -- nein, Missus -- Ma -- Massa nicht, a -- aber -- ich ha -- habe wa -- wa -- was gehört --« »Du hast was gehört?« »Ja -- Mi -- Missus« -- fuhr der Kleine ängstlich fort -- »w -- w -- wie ich durch Ma -- Ma -- Massa Glassys Me -- Melonengarten ging --« »Sirrah, du Schuft,« unterbrach ihn hier Mr. Glassy entrüstet -- »was hast du in Ma -- Ma -- Massa Glassys Melonengarten zu suchen? Hab ich dir kleinen schwarzen Hallunken nicht verboten, meine Melonen auch nur über die Fenz herüber anzusehn?« »Aber so laßt ihn doch nur erst erzählen, was er gesehen hat?« lachte Weppel -- »der arme Bursche bringt ja sonst keine Sylbe mehr vor Angst und Stottern heraus.« Sip schien auch wirklich dadurch, daß er sich hier so urplötzlich selbst verrathen hatte, ganz consternirt zu sein und stotterte eine solche Menge wirres Zeug hervor, daß ihn Mrs. Glassy erst wieder beruhigen mußte, bis er sich nur wenigstens in so weit verständlich machen konnte, daß sie begriffen, was er eigentlich wolle. Der Inhalt seiner Mittheilung bezog sich übrigens näher auf ihr kaum unterbrochenes Gespräch, als sie im Anfang vermuthet, denn Sip erzählte ihnen jetzt, daß er _durch_ eben den fraglichen Melonengarten, aber blos _durch_gegangen sei, um schneller nach Waterton zu kommen, als er dicht an der Fenz hin zwei Männer gesehen habe, von denen der Eine eine Flinte, der andere aber Hacken und Spaten getragen. Nicht weit von ihm seien sie eine Weile stehen geblieben und er hätte deutlich die Stimme des kleinen irischen Doktors erkennen können, der mit seinem Diener davon gesprochen, den todten Indianer in einen Sack zu stecken und zu Hause zu tragen. Sip war eben nur deßhalb so erschreckt über das Ganze, weil er seinen eigenen Master schon vor dem Begräbniß des Indianers sagen gehört, sie dürften es unmöglich wagen, die Rache der noch in der Gegend umherstreifenden Indianer zu erwecken, denn solche Menschen, die Nichts weiter zu verlieren hätten, und dabei vielleicht noch gar eine gerechte Vergeltung für erlittene Unbill auszuüben glaubten, seien zu Allem fähig und würden die Weißen nachher ruhig todtschlagen, das, was sie besäßen, rauben, und die Neger -- eine Hauptsache für _Sip_, in Gefangenschaft schleppen. So unausführbar nun auch das Letztere gewesen wäre, da die Indianer, nach einem ausgeführten Gewaltstreich, nur nach Canada hoffen durften zu entkommen, so glaubte doch Sip, mit der Geographie des Landes wenig bekannt, seine Existenz auf das Äußerste gefährdet, und bat jetzt die Männer mit thränenden Augen, sie möchten doch nur um Gotteswillen nicht zugeben, daß die bösen Menschen ihr Vorhaben ausführten. »Hm,« sagte nach langer Pause Weppel, als Sip geendet und schüchtern in eine Ecke zurückgetreten war -- »der verwünschte kleine Doktor wird uns am Ende noch zu schaffen machen.« »Ei potz Hammer und Zangen,« rief Josy -- -- »wir wollen ihm nach -- wer fürchtet sich denn vor seiner alten Muskete, die nie im Leben losgeht, und mit der er oft Stundenlang zwischen den Eichhörnchen draußen herumschnappt. Wir wollen doch einmal sehen, ob der Fremde hier nach Waterton gekommen sein soll, um uns hier, wider Willen, in Gefahr von Leib und Leben zu bringen.« »Nein, das seh' ich auch nicht ein!« sagte Weppel -- »er hat bei uns um den Leichnam angehalten -- er ist ihm abgeschlagen, und wenn er ihn jetzt _stehlen_ will, so brauchen wir das nicht zu leiden.« »Leiden?« donnerte der kräftige Schmied dazwischen -- »der Teufel brauchts zu leiden -- aber wir nicht -- hol' doch den ganzen Irländer der Böse -- mag er zu seinem eigenen Land zurückgehen, wo's keine Frösche und Schlangen giebt, wenn er aber _hier_ leben will, so soll er sich auch den Gesetzen des Landes fügen, oder -- ich will ihn mit ein paar Hämmern bekannt machen, zu denen er lieber Alles in der Welt, als zum zweiten Mal den Ambos abgeben sollte. Kommt, wir wollen ihm nach, und wenn _ich_ ihn nicht vom Leichenstehlen curire, so heißt mich einen Holzkopf.« Der ehrliche Schmied drückte sich den Hut fest in die Stirn, und schien, ohne alle weiteren Umstände, seine Absicht auch ausführen zu wollen; Shark stellte sich ihm aber entgegen, erfaßte seinen Arm und sagte, während er sich mit der Linken leise das glatt-rasirte Kinn strich: »Gentlemen, die Sache hat zwei Seiten -- der Indianer gehört nicht mehr in den Staat -- er liegt auf _Congreßland_ begraben und _wir_ haben eben so viel und so wenig Recht darauf, als der Doktor -- _gesetzlich_ können wir ihm also gar Nichts anhaben. Treten wir dabei die Sache breit, und fangen wir Streit an, so wird, mehr als nöthig ist, davon gesprochen und die Aufmerksamkeit der Indianer noch stärker nach Waterton gelenkt, als das bis jetzt schon geschehen; -- ließe sich das Ganze nicht auf irgend eine andere Art beilegen?« »Ist er denn aber auch nach dem indianischen Grabe?« frug Mrs. Glassy -- »das liegt doch gerade in ganz entgegengesetzter Richtung!« »Nun natürlich wird er nicht bei Nacht und Nebel mit Hacken und Spaten mitten durch die Stadt laufen,« -- sagte der Schulmeister -- »so gescheidt ist er auch. Ich habe mir's aber gedacht, ich habe mir's wahrhaftig gedacht.« »Ach was _denken_,« fiel der Schmied hier ärgerlich ein -- »hol' der Teufel das Denken, wir gehen hin, hauen ihm die Jacke voll, daß er das Wiederkommen vergißt und machen ihm dadurch begreiflich, daß er sich, wenn er einmal in Amerika leben will, auch so betragen soll, wie's die Amerikaner verlangen.« »Meine Herrn!« unterbrach ihn hier Shark -- »dagegen muß ich zweierlei einwenden -- erstlich habe ich einen fürchterlich hohlen Zahn, der schon jetzt wieder anfängt wehzuthun, und den ich mir vom Doktor morgen wollte herausreißen lassen, und dann -- könnte die verwünschte Flinte _doch_ einmal losgehen -- _die_ Art Schießeisen wartet gewöhnlich den Zeitpunkt ab, wo sie eigentlich nicht feuern sollte, und dann feuert sie erst recht. In dem einen Falle bräche er mir, um sich zu rächen, vielleicht die halbe Kinnlade aus, im anderen könnte er, was noch schlimmer wäre, einen von uns todtschießen; ich schlage also vor, daß wir uns auf etwas Besseres besinnen. -- Wie wäre es zum Beispiel, wenn wir ihm den ersten Neger versprächen, der in der Ansiedlung stirbt.« »Oh Go -- Golly, Ma -- Ma -- Massa!« schrie Sip entsetzt, »was hat a -- a -- arme Nigger gethan, -- N -- nein -- Sip we -- we -- weiß 'was Be -- Besseres!« »Heraus denn damit, du schwarze Nothflagge du« -- lachte Weppel -- »heraus mit dem Be -- Besseren!« »Massa Bo -- Botherme, fü -- fü -- fürchtet Indian -- i -- i -- ich schreie ge -- gerad wie Indian« -- und ohne eine weitere Aufforderung abzuwarten, stieß der kleine Neger plötzlich in so täuschender Nachahmung und so scharf und gellend den trotzigen Schlachtschrei der Winnebagoes aus, daß Mrs. Glassy entsetzt zusammenfuhr, und selbst die Männer überrascht, emporfuhren. Shark hatte aber im Augenblick begriffen, was der Knabe meinte, und rief jetzt jubelnd aus: »Bei Gott, Kinder, ich hab's -- Sip hat recht, das ist ein kapitaler Einfall -- wir wollen Indianer spielen. Dunkel ist's, der Mond ist unter, da brauchen wir nur Jeder eine weiße wollene Decke umzuhängen, und unsere Garderobe ist fertig. Draußen schleichen wir uns denn an das Grab hinan und wenn Sip hier zu schreien anfängt, und wir anderen einstimmen, dann denk' ich, soll der gute Doktor glauben, alle drei ausgewanderten Stämme säßen ihm auf dem Nacken.« »Da möchten wir aber auch unsere Büchsen mitnehmen,« meinte Josy, dem der Einfall zu behagen schien, denn er schmunzelte ganz wohlgefällig vor sich hin. »I Gott bewahre!« sagte der etwas ängstliche Krämer, »wozu? der Wald ist dicht verwachsen, und so ein Ding könnte unterwegs einmal losgehen. Es soll ja auch gar kein Ernst aus der Sache gemacht werden.« »Wenn sich aber der Doktor zur Wehre setzt« -- meinte Weppel. »Nein, dafür steh' ich,« lachte der Wirth -- »wenn der die Büsche rascheln und nachher den ächten Schlachtschrei hört, dann möchte ich meinen Hals darauf verwetten, daß er Fersengeld giebt, als ob der Böse hinter ihm wäre.« »Aber reinen Mund müssen wir halten,« meinte Shark -- »sonst holt er ihn später am Ende doch noch.« »Wenn der _einmal_ verjagt ist, kommt er sobald nicht wieder« -- sagte Glassy -- »übrigens ist's einerlei, ob wir bei _dem_ einen ächten oder unächten Schlachtschrei haben -- der versteht ihn doch nicht zu unterscheiden -- was hilft auch der Kuh Muskate -- doch gleich viel, jetzt nur fort, daß wir nicht zu spät kommen. Er ist, wie Sip sagt, durch die Felder gegangen, da muß er einen weiten Umweg machen, bis er an den oberen Baum kommt, der über den Fluß liegt, sonst kann er nicht hinüber. Wir können indessen hier gleich über die Brücke und auf der breiten Straße fortgehen, dadurch schneiden wir wenigstens eine halbe Stunde Weges ab. Du Frauchen, magst uns aber indessen einen heißen Punsch brauen, wenn wir wieder kommen, werden wir ihn brauchen können, und jetzt ihr Herren -- an's Werk.« Es war Nacht -- droben vom Himmel blitzten in unendlicher Pracht die schönen herrlichen Sterne vom Firmamente nieder -- ein leiser Südwind strich fast geräuschlos über die weite Prairie daher, nur das schwankende Gras bog er nieder, daß die hellen, daran blitzenden Thauperlen schwer hinab auf den feuchten Boden fielen. -- Sobald er aber das Flußthal erreichte, wo die hohen, kräftigen Bäume standen, da gewann er auch neue Macht, da schien er sich recht fest und trotzig zusammenzunehmen, und hinein warf er sich in die Wipfel, und rauschte und brauste hindurch, als ob er ihnen Wunder was Wichtiges zu sagen habe. Die aber schüttelten leise und altklug mit den Köpfen -- sie wußten recht gut, daß von dort her, aus dem weichlichen Süden, nichts Derbes und Tüchtiges herkommen könne. »Ja,« sagten sie, »wenn er von da drüben herüber, über die Seen her, bliese, von den starren Eisgletschern nieder, dann wär's noch der Mühe werth, sich dagegen zu stemmen, oder einander die Arme zu reichen, zu Hülfe und Schutz, so aber -- laßt ihn weiter ziehen, Schwestern -- es ist ein Südländer -- er tritt patzig auf, flüstert einem Jeden etwas Schönes in's Ohr, und ist dann eben so leicht verschwunden, wie er gekommen.« So allerlei altkluges Zeug schwatzten die Zweige und der Schuhu saß mitten drinn und schaute gähnend in das noch vom letzten Herbst dort unten liegende gelbe Laub, ob nicht etwa irgend ein leckerer Bissen in Gestalt eines kleinen Kaninchens oder auch einer fetten Maus, vorbeischleiche und ihm die unbequemere Suche erspare. Die Natur feierte ihren Sabath -- heilige Ruhe lag über der ganzen Welt, sogar die Frösche riefen ihr monotones Lied nur ganz leise und schüchtern ab, anstatt wie sonst so recht aus voller Kehle hineinzuquaken in die stille -- hehre Nacht. Tiefe Dunkelheit lagerte auf dem Walde, selbst die Sterne konnten nicht mit ihrem matten Licht durch die dicht verwachsenen Zweige dringen; nur da, wo sich der kleine Fluß seine unregelmäßige, zickzack laufende Bahn durch den fetten Boden brach, hatten sich die Riesenwipfel getrennt und die freundlichen Himmelskörper spiegelten sich in der klaren Fluth und schienen auf den leichtgekräuselten Wogen zu schwimmen und zu tanzen. Aber auch noch ein anderer Fleck lag in der waldigen Niederung, wo das blasse Sternenlicht seinen matten, dämmernden Eingang fand -- es war dies eine jener tausend kleinen Waldblößen, die durch die ganzen westlichen Wälder zerstreut sind und nur Gras und Blumen erzeugen, während der sie umschließende Boden die kräftigsten, stattlichsten Bäume trägt, und es schien fast, als ob nur wenige jener ungeheueren Stämme hier herausgerissen seien, und das weite, die enge, nackte Stelle umkreisende Waldmeer schon im Begriff wäre, sich wieder über derselben zu schließen. Der freie Raum mochte kaum sechzig Fuß im Durchschnitt haben; seinen Mittelpunkt bildete aber ein niederer, vielleicht sieben Fuß hoher Hügel, der, mit dichtem Gras bewachsen, nur auf dem Gipfel eine Wunde trug, wo der Rasen frisch aufgerissen schien und die in spitzem Kamm festgeschlagene Erde den Ort verrieth, unter dem der starre Körper eines Menschen ausruhe von allen irdischen Lasten und Leiden. Heimlich und still lag der schaurige Platz inmitten des grünenden Waldes, und nur der Wolf hatte ihn, als er seine erste Runde beging, umschlichen, und von dem frischen Grabe aus seinen Nachtgruß hinauf geheult zu den Sternen -- die Spuren seiner scharfen Krallen bezeichneten noch den weichen Grund. Aber was hob sich dort, dunkel und ungewiß, im matten Licht, dicht zu Häupten des Grabes? War es ein Stein der Erinnerung, den die Bewohner von Waterton dem fremden Krieger gesetzt? -- Hatten sie soweit sein Andenken geehrt, um sogar den Platz zu bezeichnen, wo Einer der von ihnen Vertriebenen sein Haupt berge unter den Bäumen, deren Schatten ihn früher erquickte? Ach nein -- nein -- nicht Liebe war's, die das erkaltete Herz hier einscharrte in seine irdene Urne -- den Leichnam aus dem Weg zu schaffen, hatten sie gemeint; so schnell und bequem das geschehen konnte, so schnell geschah es -- daß sie das indianische Grab dazu gewählt, war die einzige Freundlichkeit, die sie der Race selbst bewiesen. Und jener Stein? -- Hättest du die dunkelglühenden Augen gesehen, wie sie unter der fest und stolz emporsteigenden Adlersfeder vorfunkelten -- hättest du den leisen monotonen Sang gehört, mit dem er, wie in kaum vernehmbaren Flüstern, die Todtenklage über den Geschiedenen murmelte, du hättest nicht nach einem _Stein_ gefragt -- ein _lebendes_ Monument seines Stammes, kauerte der Häuptling, im vollen Schmuck des Kriegers, über dem Grab -- seines _Vaters_, und während die Linke fast bis zum Handgelenk in den weichen lockeren Boden sank, hielt er die Rechte starr und regungslos zu den Sternen gestreckt, als ob er Körper und Seele des Verblichenen herauf und hernieder ziehen wolle zu sich, dem allein Zurückgebliebenen. Da plötzlich hob er rasch und lauschend das dunkle Haupt -- die hohe Feder schwankte von der fast unwillkührlichen Bewegung, und mehrere Secunden lang schien er mit der gespanntesten Aufmerksamkeit einem noch fernen aber seinen scharfen Sinnen nicht entgangenen Geräusch zu horchen. Es kam näher -- er unterschied Stimmen -- er vernahm das Krachen und Knicken niedergebrochener dürrer Zweige, und sich jetzt vorsichtig erhebend -- das Antlitz fortwährend der Stelle zugewandt, von der die störenden Laute tönten, glitt er leise zurück in den schützenden Schatten der Bäume und verschwand im nächsten Augenblick in ihrem Dunkel. * * * * * »Ich sage dir Patrik -- du bist ein Esel!« rief Doktor Mac Botherme, als er wenigstens zum fünfzigsten Mal über die im Wege liegenden Äste gestolpert und gestürzt war, und eben wieder, die Schienbeine reibend, aufstand -- »du schwatzt ja Zeug, was einen vernünftigen Christenmenschen in seiner eigenen Wohnung zur Verzweiflung bringen könnte, geschweige denn hier, in diesem verfluchten Wirrwarr von knochenzerbrechenden Bäumen -- Herr Gott!« unterbrach er sich hier selbst in halbverbissenem Schmerzschrei, als er eben wieder mit dem Gesicht in einer der scharfdornigen Schlingpflanzen hängen geblieben war, und sich nun sorgfältig mit der flachen Hand über Stirn und Backen fuhr, um zu fühlen, ob er nicht blute. »Aber Doktor Mac Botherme« -- fuhr der dadurch ungerührte Patrik in seinem breiten irischen Dialekte und in der eben erst unterbrochenen Rede fort, indem er stehen blieb, Hacken und Spaten auf die Erde niedersetzte und sich ängstlich dabei nach allen Seiten hin umsah -- »ist es denn nicht meiner Mutter Sohn, den sie alle Augenblicke bald rechts, bald links festhalten, als ob sie sagen wollten: »Patrik, mein Herzchen, mein Juwel, gehe nicht weiter -- gehe keinen Schritt weiter, in dieser gesegneten Nacht -- es kostet sonst deine Seele -- du bist ein verlorenes Schaaf.« --« »Du bist ein _geborener Ochse_ -- Patrik, mein Herzchen!« rief der Doktor ärgerlich, dem die Angst seines Gefährten keineswegs gelegen kam. »Hab' ich dir nicht schon zehntausend Mal gesagt, daß es die Zweige und wilden Rebenstöcke sind, in denen du hängen bleibst; -- wenn du dich nicht jedesmal bücktest und an zu beten fingst, so könntest du's selber sehen.« »Arrah Sir« -- seufzte der sich hier höchst unbehaglich befindende Ire, »mag's mir die Mutter Maria vergeben, daß ich mich bei Nacht in solch heidnischen Wald getraut habe; aber so viel weiß ich -- bin ich erst einmal wieder in der Stadt -- keine Seele kriegt mich zum zweiten Mal in eine solche Gegend. -- Und nun auch erst noch Leichen ausgraben« -- fuhr er mit weinerlicher Stimme fort, als der Doktor indessen, sich wenig um seine Klagen kümmernd, die Gegend recognoscirte, in der sie sich befanden; -- »Leichen ausscharren, wie's die wilden Bestien in Afrika machen sollen -- und Leichen zu Haus tragen und kochen, wie ein anderes ehrliches Stück Rindfleisch -- o Jäses, o Jäses, wenn uns heute der Böse nicht holt, dann giebt's gar keinen!« Patrik hatte in aller Verzweiflung sein Handwerkszeug fallen lassen, und kauerte sich, die Hände über die Knie gefaltet, ängstlich nieder. Mac Botherme kannte aber den Geist, der seine Geister_furcht_ zu bannen vermochte -- aus seiner Tasche holte er die mit Leder überzogene Feldflasche vor, zog den Stöpsel ab und hielt sie mit ausgestrecktem Arm dem Muthlosen entgegen. »Hier Patrik!« sagte er dabei -- »deine Einbildungskraft wird trocken -- gieß ihr ein wenig Bergthau auf die Wurzeln -- nachher erholt sie sich wieder, und -- bedenke, daß du, wenn du mir jetzt getreulich beistehst, nach glücklich abgelaufenem Abenteuer zwei Dollar baar Geld und -- zwei Gallonen -- sage zwei Gallonen Whiskey erhältst, und den zwar vom besten!« »=Honey my dear!=« sagte Patrik, der schon bei dem Abziehen des Stöpfels den Kopf gehoben und einen flüchtigen aber sehnsüchtigen Blick nach der Flasche hinübergeworfen hatte. -- »Doktor Mac Botherme ist der Mann, der einem armen gedrückten Menschen wieder Muth einsprechen kann in der Noth. Doktor Mac Botherme ist ein ordentlicher wirklicher Christ, wie Vater O'Rhoole sagte, wenn er Sonntags den Beichtpfennig kriegte.« »Sei nur jetzt ruhig, Patrik!« beschwichtigte ihn der Doktor, und warf einen scheuen Blick umher -- »wir können nicht mehr weit von der Stelle sein, und je ruhiger wir das ganze Geschäft abmachen, desto besser ists. Es -- es könnte ja doch =per= Zufall so eine verwünschte Rothhaut im Walde herumkriechen, und dann ist's immer besser, man schreit so wenig als möglich. Komm Patrik -- in einer Stunde kann unser ganzes Geschäft abgemacht sein.« Er war im Begriff seinen Weg fortzusetzen, als Patrik, der indessen die Flasche an sich genommen hatte, plötzlich seinen Arm ergriff, und leise flüsternd, aber mit ängstlicher Stimme sagte: »Und sind es wirklich die rothen, blutdürstigen Deiwels, die einem rechtschaffenen Christen die Haut vom Kopfe ziehn und Geldbeutel d'raus machen? sinds die rothen Indianer, von denen Doktor Mac Botherme fürchtete, daß sie hier herumschnüffeln und Lust nach Paddy O'Flahertis Goldhaar haben könnten?« »Rede nicht so albernes Zeug, Pat!« sagte der Doktor, und machte seinen Arm von dem des Dieners los -- »komm lieber, und sei gescheidt -- denk an den Whiskey und an die Dollar, denn nicht der rothe Pfennig oder der klare Tropfen ist's, den Patrik O'Flaherti zu schmecken bekommt, wenn er jetzt noch lange mit Zweifeln und Reden die Zeit vertrödelt!« Der würdige Doktor hatte sich auf die Art mit Willen in eine Art Zorn hineingeärgert, damit er die eigene Furcht beschwichtige, und ohne eine weitere Einwendung abzuwarten, schritt er rasch vorwärts, und hatte so, wenn auch unbewußt, die beste Methode gefunden, seinen Begleiter folgen zu machen, denn der wäre nicht, um alle Versprechungen der Welt, allein im Walde zurückgeblieben. Nur wenige hundert Schritte brachten sie aber auch an das ersehnte Ziel, und Patrik schüttelte sich leise, da er den stillen heimlichen Fleck erblickte, dessen Ruhe sie mit frechen, unheiligen Händen entweihen wollten. »Patrik,« flüsterte der Doktor -- »das hier ist die Stelle -- _hier_ ist das Grab -- da gerade in der Mitte. -- So, nun nimm deine Hacke und Spaten herunter und ich will indessen die Flinte laden gieb mir einmal das Pulverhorn -- wir werden's hoffentlich nicht brauchen, aber der Henker traue doch dem Frieden -- besser ist besser -- nun? hörst du nicht, Pat? das Pulverhorn will ich haben!« »Und ist es das, was Ihr verlangt?« frug Patrik erstaunt, »steckt denn nicht Alles in Eurer eigenen Tasche?« »Unsinn, Pat!« sagte der Doktor ärgerlich, während er sich jedoch die Taschen befühlte, ob er das Geforderte vielleicht dennoch in Gedanken eingesteckt habe. -- »Unsinn Pat, _hier_ ist's nicht -- und da nicht -- und da vorne auch nicht -- ich hab' es dir ja auch, einen Augenblick ehe wir fortgingen, in die Hand gegeben.« »Segne Eure Seele Herr!« rief Patrik schnell -- »und ist es weiter Nichts wie das lange Kuhhorn mit dem grünen Bindfaden d'ran, was Ihr sucht?« »Nein, das gerade -- hast du's? --« »O Misther -- macht Euch keine Sorge deßhalb, das hängt ruhig am Nagel hinter der Thür.« -- »Holzkopf!« rief der Doktor entrüstet -- »hab' ich dir nicht noch ausdrücklich befohlen -- du solltest dich in Acht nehmen, daß es nicht naß würde.« »Arrah, Ochone, Herr, und ist das nicht eben die Ursache, weshalb ich's hinter die Thüre hing?« erwiederte der unverwüstliche Ire -- »wie hätt' ich's können trocken halten, wenn's heut' Abend regnete?« »=O sancta simplicitas!=« murmelte der Doktor -- »da -- jetzt sitzen wir in einer ganz gemüthlichen Patsche -- _wenn_ nun die Indianer kämen, Patrik, _wenn_ sie nun kämen?! -- das war der dümmste Streich, den deines Vaters Sohn seit langer Zeit gemacht -- jetzt hab' ich doch das Schießeisen mit geschleppt, daß mir die ganze linke Schulter so blau ist, wie ein deutscher Sonntagsrock.« Patrik, der ungefähr eben so viel vom Laden eines Gewehrs wie vom Clavierspielen verstand, konnte gar nicht begreifen, weshalb sein »Misther« so ärgerlich sei -- da sie ja doch den _Whiskey_ nicht vergessen hatten; er begnügte sich deshalb bloß, einfach mit dem Kopf zu schütteln, gehorchte nun aber auch eifrig dem in etwas barschen Ton gegebenen Befehl, »abzuladen« und die Arbeit zu beginnen. Er warf also die mitgebrachten Werkzeuge in's Gras nieder, nahm dann die breite Hacke auf, die er in der Hand wog und sich schüchtern dabei umschaute, als wenn er nicht ganz sicher wäre, wie er das Werkzeug zu gebrauchen hätte, zur Arbeit oder gar zur Vertheidigung, und schritt dann langsam, und augenscheinlich mit schwerem Herzen dem Mittelpunkt der kleinen Lichtung, dem Grabe zu, wo er stehen blieb und nun unruhig den Blick nach allen Seiten umherwarf. Der kleine Doktor hatte sich indessen des großen unbehülflichen Sacks entledigt, den er auseinander wickelte, dann das Beil und Brecheisen hervornahm, um später, wenn der Sarg erst einmal zu Tage gefördert war, nicht weiter aufgehalten zu werden, und wandte sich nun an seinen Gefährten, der noch immer keine Anstalt machte, zu beginnen. »Patrik -- =honey=!« sagte der würdige Mann, während er den Spaten aufnahm und den Hügel rasch hinanschritt, »Patrik mein Herzchen, komm und lass' uns munter an's Werk gehen. -- Je länger hier, je später dort -- hier ist das Grab und der rothe Bursche liegt starr und steif d'rin -- denk' an den Whiskey, Paddy!« »Und ist es nicht der Whiskey, der mich bis jetzt lebendig gehalten hat« -- sagte Patrik und that einen herzhaften Zug aus der jetzt fast geleerten Flasche, die er aber sorgfältig in seine eigene Tasche zurückschob -- »war es nicht die liebe Himmelsgabe, die mich getränkt und gewärmt hat -- aber Misther Doktor -- segne unsere Seele -- ich wollte es wäre vorbei -- s'ist schauerliche Arbeit, den verkehrten Todtengräber zu spielen -- hallo, was war das?« »Was war _was_?« rief der Doktor erschreckt, und sah sich nach allen Seiten um. »Was war _was_, Sir?« Beide horchten aufmerksam in den dunkeln Wald hinein, aber nur das leise Rauschen der Bäume, das melancholische Quaken der Frösche konnten sie hören -- sonst lag Alles still und ruhig um sie her, wie das Grab zu ihren Füßen. Der Doktor gewann dadurch wieder Muth und rief mürrisch: »Nun hab' ich's satt -- Sirrah -- hack' ein und mach' ein Ende -- wir wollen doch nicht die ganze _Nacht_ hier auf dem Grabe zubringen.« »Mit Gott denn« -- sagte Patrik, zog seinen Rock aus, warf den alten Filz auf die Erde, streifte sich die Hemdsärmel auf, spuckte sich in die breite sehnige Hand, ergriff die Hacke und holte eben zum ersten Schlage aus -- da krachten und brachen -- gar nicht weit von ihnen entfernt, die Büsche -- durch die kleine Lichtung strich, von irgend etwas im Walde aufgescheucht -- eine große Eule, und in kurzen Zwischensätzen war es den beiden, jetzt starr wie Bildsäulen dastehenden Iren, als ob irgend Jemand -- ob Hirsch, ob Mensch, ließ sich nicht unterscheiden -- durch das vorjährige gelbe Laub springe, mit dem der Boden in den amerikanischen Wäldern das ganze Jahr über bedeckt bleibt. »Doktor -- was war das?« flüsterte Patrik leise, während er die Hacke bedächtig wieder zu seinen Füßen niedersetzte. »Weiß der Teufel,« brummte Mac Botherme, »ob's bloß ein Hirsch war, der durch einen fallenden Ast aufgescheucht wurde -- das _muß_ es auch gewesen sein, -- wer, zum Henker sollte denn jetzt --« »Doktor -- Misther Doktor,« zischelte Patrik und blickte sich scheu, bald über die rechte, bald über die linke Schulter -- »Patrik O'Flaherti ist's, dem's unheimlich zu Muthe wird -- Jäses -- ich wollte ich läge in Waterton im Bett und hätte im Leben keine Hacke in der Hand gehabt.« -- Beide Männer blieben eine kurze Zeitlang wie angewurzelt stehen, und horchten mit gespannter Aufmerksamkeit auch dem leisesten Geräusch -- aber Alles lag wieder todtenstill und ruhig -- selbst der Wind schien erstorben -- kein Lüftchen regte sich. »Patrik,« sagte der Doktor, aber mit so leiser Stimme, daß er selbst kaum vernahm was er sprach -- »Patrik -- wir wollen unsere Arbeit schnell vollenden, und dann machen daß wir zu Hause kommen -- es ist unheimlich hier auf dem freien offenen Fleck mit dem dunklen Wald rings herum.« Patrik erwiederte kein Wort, sondern warf nur noch einen Blick zurück gegen das Dickicht und einen Blick nach vorn, hob dann die Hacke und schlug sie, bis zu dem Stiel, tief in den weichen lockeren Boden ein. Als ob aber der Schlag eine Zauberformel gewesen wäre, die alle bösen Geister der Unterwelt mit Blitzesschnelle heraufbeschworen hätte, so schien in demselben Moment der ganze Wald einen einzigen wilden Schrei auszustoßen, und zugleich raschelten die Büsche -- knackten und brachen die Zweige, und heraus aus dem Dickicht -- Gespenstern gleich, mit den fast übernatürlich gellenden Tönen, brachen sechs, in fliegende Decken gehüllte Gestalten vor, und stürmten gerade den flachen Hügel hinan auf die beiden starr und entsetzt dastehenden Leichenräuber ein. Starr und entsetzt dastehenden -- ja -- im ersten Augenblick der Überraschung -- als noch Jeder von ihnen glaubte er träume, da so etwas Fürchterliches ja gar nicht wahr sein könne -- plötzlich aber -- wie der erste Gedanke an Indianer ihr Hirn durchzuckte, gewannen auch die Glieder ihre ganze frühere Gelenkigkeit, wenn nicht in einem zehnfach vermehrten Grade wieder. Patrik schrie: »O Jäses!« ließ die Hacke fallen und war mit zwei Sätzen im entgegengesetzten Theile des Waldes verschwunden, der Doktor aber, keineswegs gesonnen, seinen kräftigen Beistand so enteilen zu sehen und allein zurück zu bleiben um dessen Rückzug zu decken, war kaum weniger behende auf seinen Fersen, und rief ihm zu, doch nur um Gotteswillen stehen zu bleiben und ihn mitzunehmen. Patrik, der in dem eigenen Rascheln der Zweige wohl die Stimme hinter sich hörte, doch keineswegs einzuhalten gedacht, um die Leute zu unterscheiden -- glaubte natürlich nicht anders als es sei Einer seiner rothhäutigen Verfolger -- beflügelte also deßhalb seinen Lauf um so mehr, warf Alles, was ihn an schneller Flucht hindern konnte, von sich, und erreichte nach kurz zurückgelegter Strecke den kleinen Fluß, den er übrigens erst bemerkte, als er bis an den Hals im Wasser stack, aus dem er sich nur mit größter Anstrengung zum anderen Ufer hinüberarbeiten konnte. Das nun, obgleich es steil und schlüpfrig war, erklomm er in ungeheuerer Schnelle, und trotz dem, daß hier Mac Botherme mit wirklich zärtlichem Tone seinen Namen rief -- wandte er nicht einmal den Kopf, sondern stürzte sich in wahrer Todesverachtung auf's Neue in Dornen und Schlingpflanzen hinein. Der Doktor wäre ihm allerdings von Herzen gern gefolgt, konnte aber nicht schwimmen, und hatte nur noch so viel Geistesgegenwart, daß er begriff, wie ihm hier, wenn er nicht gerade von den Indianern ausdrücklich verfolgt werde, keine weitere Gefahr drohe. Da er auch, um in die benachbarten Ansiedlungen auf Krankenbesuche zu reiten, den Wald schon nach allen Richtungen hin durchschnitten hatte, so wußte er doch wenigstens ungefähr, wo er sich befand, und wollte jetzt am Fluß hinab gehen, um dort zuerst die Brücke, und mit dieser die Stadt in vielleicht einer Stunde zu erreichen. Durch die bestandene Gefahr waren aber seine Sinne geschärft und er vernahm jetzt zu seinem Entsetzen, daß gerade in der Richtung, die er einschlagen wollte, ebenfalls irgend etwas in den Büschen raschelte. Was es sei, sollte ihm nicht lange verborgen und eben so wenig Zeit zum Besinnen bleiben -- im nächsten Moment theilten sich die Sträucher und eine dunkle Gestalt, mit -- wie er damals glaubte -- weißbemaltem Gesicht sprang in wilden Sätzen auf ihn zu. * * * * * Um aber nun erst wieder zu unseren beiden Leichenräubern zurückzukehren, so hatten Patrik O'Flaherti und Doktor Mac Botherme auch übrigens, als sie sich in so kitzlicher Lage auf dem Grabe befanden, alle Ursache gehabt zu erschrecken, denn so plötzlich und ohne weitere Warnung von allen Seiten angegriffen zu werden, wo ihnen noch überdies ihr Gewissen sagte, daß sie im Begriff wären etwas Unerlaubtes und äußerst Gefährliches zu thun, mußte sie das Schlimmste fürchten lassen, wenn sie besonders in die Hände ihrer wilden Feinde fielen, die sich Patrik gar nicht anders denken konnte, wie Menschenfresser; die Eile, mit der sie alles Hierhergebrachte zurückließen, war also vollkommen zu entschuldigen. Jubelnd und lachend rannten indessen die Amerikaner, keineswegs gesonnen, ihnen weiter zu folgen, bis zu dem Gipfel des Hügels vor, von dem sie die Resurrectionisten vertrieben hatten, und Sip, der mit den wunderlichsten Sprüngen und Grimassen nebenher getanzt war, stieß eben noch, als Schluß- und Kraftakkord, und gleichsam um der Sache die letzte Politur zu geben, den markdurchschneidenden Kriegsschrei aus, der in die Ohren der beiden Flüchtlinge gellte und sie zu immer wilderer Eile antrieb. »Gentlemen!« rief da Shark und schwenkte seinen alten Filz -- »der Sieg ist gelungen -- die Festung erstürmt -- die Besatzung mit Zurücklassung ihrer Fahnen und Geschützstücke entflohen und ich stimme dafür, daß --« Wie von einer Natter gestochen, fuhr er zurück, denn dicht vor ihm stand, den blitzenden Tomahawk in der Hand -- die wollene Decke leicht von den Schultern geworfen, die wehenden Federn noch schwankend von der raschen Bewegung -- ein wirklicher, lebendiger Häuptling -- ein »scalpsüchtiger« Wilder -- ein Rächer der geschändeten Grabstätte. Die Übrigen mußten ihn, da sie ihre Aufmerksamkeit bis dahin nur den Flüchtigen zugewandt hatten, noch gar nicht bemerkt haben, und Shark blieb mehrere Secunden lang marmorgleich vor der wie aus dem Grabe herausgestiegenen Gestalt stehen, Sip aber -- vom vielen Schreien ordentlich blauschwarz im Gesicht -- wollte eben über den Hügel wegspringen, um wahrscheinlich im Walde selbst die Entflohenen noch mit einem »allerletzten« Male zu beglücken, als er fast gegen den Indianer stieß, der jetzt seinerseits ebenfalls staunend dastand, und nicht zu wissen schien, ob die Männer, die er im ersten Ansturm und im Dunkel der Nacht gleichfalls für Indianer gehalten, jetzt aber als Weiße erkannte, Freunde oder Feinde wären. Sip war übrigens nicht der Mann, der einem wirklichen Indianer lange Stich gehalten hätte -- denn _daß_ es einer war, erkannte er auf den ersten Blick. Mit flüchtigem Rücksprung warf er seinen Nachbar, den entsetzten Shark, zur Seite, und floh nun, so schnell ihn seine Beine trugen, in das ihm nächste Dickicht. Sip's Geistesgegenwart gab aber auch Shark sich selbst wieder -- kaum sah dieser nämlich in der Flucht des Negers seine eigene Furcht bestätigt, als er, ohne seine Gefährten weiter mit Blick oder Wort zu warnen, dem Beispiel des Negers folgen wollte, leider aber in der ihm im Wege liegenden und in das Grab eingehauenen Hacke hängen blieb, und mit gellendem Angstruf zu Boden stürzte, da er sich in diesem Augenblick schon wenigstens für scalpirt hielt. Weppel -- auch den Kopf von Indianern voll, sah kaum die Angst der Gefährten, als er sich gar keine weitere Mühe gab, den Grund ihres Schrecks zu erforschen, sondern nur seine eigenen Gliedmaßen eben so schnell in Sicherheit zu bringen suchte, und Josy -- sonst der Muthigste von Allen und einer jener kräftigen Pioniere, die oft mitten in der Wildniß ganzen Schaaren von Wilden Trotz geboten, wurde hier förmlich überrumpelt. Ein Theil der Seinen floh -- Einer brach, mit dem Angstschrei auf den Lippen, vor seinen Füßen zusammen -- hoch auf dem Grabe erkannte er in den dämmernden Umrissen den indianischen Krieger -- was blieb ihm da anderes zu glauben übrig -- als sie wären von irgend einem hier verborgenen Stamme überlistet, und er selbst -- waffenlos mitten zwischen ihnen -- konnte jetzt nur noch hoffen, durch schnelle verzweifelte Flucht sein eignes Leben zu retten. Mit der Gewandtheit eines aufgescheuchten Panthers sprang er zur Seite, um einem etwa auf ihn abgeschossenen Pfeil, oder gar der tödtlichen Kugel zu entgehen, und suchte nun, wie die Übrigen, das schützende Dunkel zu erreichen. Shark, der sich nur das Schienbein ein wenig aufgeschlagen hatte, sprang indessen ebenfalls wieder empor, und brach in wilder Verzweiflung in das Dickicht, wobei er sich wenig darum kümmerte, welcher Richtung er folgte, so er nur für den Augenblick seinen Scalp in Sicherheit brachte. In tollen Sätzen drängte er sich oft in so dicht verwachsene Dornmassen hinein, daß er nur mit zerfetzten Kleidern und blutig gerissenen Gliedern einen Ausweg finden konnte; übersprang dabei Gräben und umgestürzte Stämme, fiel in Sumpflöcher und Bäche, rannte gegen Bäume und Büsche an, und erreichte endlich das Ufer des kleinen Flusses, an dem er, rücksichtslos wohin ihn das führe, hinaufstürmte, diese Bahn mehrere hundert Schritte verfolgte, und plötzlich -- großer Gott, so muß er in blinder Flucht dem Feinde gerade in den Rachen rennen -- vor einer dunklen Gestalt stand, die eben im Begriff schien ihn zu erfassen. Einen Schrei ausstoßen und seitab in den Fluß springen, wurde zum Werk eines Augenblicks, aber auch Doktor Mac Botherme, denn dies war der Gefürchtete, wartete den vermutheten Angriff nicht ab -- mit Blitzesschnelle wandte er sich und da er in dem Moment auch noch das nahe Plätschern im Wasser hörte, was ihn natürlich gar nicht anders glauben ließ, als daß die Feinde beabsichtigten, ihm die Flucht abzuschneiden und deßhalb jetzt den Strom durchschwömmen, so brach er wieder zurück in den Wald, floh hier noch einige hundert Schritt gerad'aus, und warf sich dann zum Tode matt und jedem weiteren Rettungsversuch durch eigene körperliche Anstrengung entsagend, neben einer umgestürzten, halbverfaulten Eiche nieder, an deren weichen Stamm er sich dicht hinanschmiegte, um vielleicht dadurch noch der Aufmerksamkeit der Verfolger zu entgehen. Er hatte etwas Ähnliches einmal in einem Buche gelesen. Nach allen Richtungen hin durchtobten die Flüchtigen den Wald, und auf dem bedrohten Grabe, vom düsteren Lichte der Sterne matt beschienen, stand ernst und feierlich die hochaufgerichtete Gestalt des indianischen Kriegers, und sang mit leiser, monotoner Stimme das Todtenlied des Verblichenen. -- Am nächsten Morgen war Waterton in fürchterlicher Aufregung. -- Josy traf zuerst ein, und die Aussage des sonst so ruhigen und von Allen als nichts weniger als ängstlich gekannten Mannes, daß sie, die Waffenlosen, gestern Abend von Indianern überfallen worden seien, versetzte Alle in die peinlichste Bestürzung. Die Ursache wurde ebenfalls bald bekannt und ließ sie das Schlimmste fürchten. Was sollten sie jetzt thun? einen Courier nach Vincennes senden und von dort Hülfe holen? -- Auf jeden Fall hatten die schlauen Wilden das vorausgesehen und hielten den Weg besetzt. Der Bote also, hätte sich wirklich Einer zu solch gefährlicher Aufgabe gefunden, wäre rettungslos verloren gewesen. Weppels und Glassys Aussagen, die fast zusammen und bald nach Josy eintrafen, vermehrten nur noch die Bestürzung, da sie die erstgehörte Unglückskunde nicht allein betätigten, sondern sogar noch hinzufügten, daß sie den ganzen Stamm und zwar mit den Kriegsfarben bemalt gesehen hätten, -- wonach Waterton also das Äußerste erwarten durfte. Shark betrauerte man als erstes Opfer der Rache, denn Josy hatte ihn, wie er fest und bestimmt behauptete, fallen sehen, sich aber natürlich nicht weiter um ihn bekümmern können. Auch die beiden Irländer wurden noch vermißt und man konnte nicht anders glauben, als daß sie ebenfalls in die Hände der im Hinterhalt lauernden Feinde gefallen wären, welche Befürchtung sich um so mehr bestätigte, da bis Sonnenuntergang am nächsten Tage keiner der Dreie in Waterton erschien, während die Bewohner des kleinen Städtchens in wahrhaft fieberhafter Aufregung Alles hervorsuchten, was nur irgend als Waffe dienen konnte, um dem in jeder Secunde erwarteten Angriff und Überfall zu begegnen. Besonders steigerte sich gegen Tagesanbruch am zweiten Morgen ihre Angst auf das Höchste, da sämmtliche Stämme gewöhnlich in dieser Zeit aus ihrem Hinterhalt hervorbrechen. -- Aber siehe da, kein Überfall erfolgte, die Sonne stieg still und majestätisch über den rauschenden Wipfeln der Bäume empor, und ihr Strahl fiel auf kein wildes Blutvergießen, ihr freundliches Licht leuchtete keinem mörderischen Angriff -- ihr heiteres Auge sah auf keine rauchenden Trümmer und zuckende Leichen hernieder. Die Zurückhaltung der Indianer wurde räthselhaft -- der Mittag verging -- die Sonne neigte sich schon wieder ihrem Untergang -- kein Laut ließ sich hören, kein fremdes Wesen näherte sich der Stadt. Da endlich -- es fing schon an zu dämmern, -- wankte mit bleichem Antlitz und zerfetzten Kleidern, zum Tode matt vor Hunger und Angst, Doktor Mac Botherme herbei, und er, der noch gestern ein Gegenstand der höchsten Entrüstung gewesen, da man nur auf seine Schultern die entsetzliche Gefahr sämmtlicher Watertonisten wälzte, erschien ihnen jetzt wie ein Erlöser, der sie von Furcht und Noth befreien konnte. Mac Botherme konnte ihnen aber auch nur wenig Auskunft und Trost geben -- das, was er bezeugte, klang eben so schrecklich, als sie es sich in ihren wildesten Träumen gedacht. -- Er hatte den ganzen Wald voll Wilder gefunden -- hinter allen Bäumen waren sie vorgesprungen, im Fluß wie die Fische herumgeschwommen, und nur durch ein Wunder konnte er ihnen entgangen sein. Halbverhungert und im Walde verirrt war ihm zuletzt das Leben selbst eine Last geworden, und er hatte, als er endlich einen bekannten Weg fand, beschlossen, nach Waterton zurückzukehren, mochten es nun die Indianer zerstört haben oder nicht. Da -- während noch Alle um den Doktor geschaart standen und mit ängstlicher Spannung seinen Worten lauschten, meldeten die indessen ausgestellten Wachen einen auf dem Fahrweg herankommenden einzelnen Wanderer, in dem Josy bald darauf zu seinem unbegrenzten Erstaunen den für todt gehaltenen Shark erkannte. Aber großer Gott, wie sah der aus -- beinahe sechsunddreißig Stunden hatte er den Wald in wilder Angst durchstreift, und brach auch, als sich die Freunde um ihn sammelten, erschöpft und bewußtlos zusammen. Unter guter Pflege erholte er sich zwar in kurzer Zeit wieder, seine Aussage stimmte dann aber auch haarklein mit der des Doktors überein, und es blieb nun keinem Zweifel mehr unterworfen, daß ihre Stadt und sie selbst von Indianern bedroht gewesen, diese jedoch wahrscheinlich aus Furcht vor der Rache der Weißen einen ernstlichen Überfall unterlassen hätten. Der Doktor wollte nun allerdings wissen, wie es käme, daß so viele Männer von Waterton an jenem Abend im Wald gewesen seien, darüber beobachteten aber die dabei Betheiligten ein wirklich musterhaftes Schweigen, und da auch Patrik O'Flaherti verschwunden blieb, so dauerte es eine geraume Zeit, ehe man es wagte, die Häuser und Familien wieder zu verlassen, um jenen Grabhügel zu besuchen, auf dem fast ein Jeder die Überreste eines vollständigen indianischen Lagers zu finden erwartete. -- Allerdings staunten sie, als sie hier keine Spur mehr von Indianern entdecken konnten, denn sie waren mit Wehr und Waffen ausgezogen, den Feind zu bekämpfen. -- Der Platz lag noch so öde und still da, wie an jenem Abend, selbst Spaten und Hacke und die Kleidungsstücke der beiden Leichenräuber deckten, wie sie von ihren Eigenthümern hingeworfen worden, den Boden -- nur der Hügel selbst zeigte eine Veränderung. Das Grab des Indianers war geöffnet -- der Sarg erbrochen -- die Leiche -- fort. -- Wie die Wilden so spurlos verschwunden sein konnten und was aus dem von ihnen selbst begrabenen Indianer geworden, blieb Allen ein undurchdringliches Geheimniß -- nur am Fluß fand Josy die tief eingetretene Spur eines Moccasins, und die an dieser Stelle weit hinausgewachsene Wurzel einer alten Sycomore machte es möglich, daß hier ein Canoe gelegen haben konnte. Das blieb freilich Alles nur Vermuthung, und da sämmtliche an jener Scene betheiligte Personen in ihrer Schilderung einen ganzen indianischen Stamm gesehen zu haben übereinstimmten, so zweifelte von dem Augenblick an Niemand mehr an der Wahrheit des Berichteten. Patrik O'Flaherti und Sip wurden für todt gehalten. Patrik O'Flaherti und Sip waren aber keineswegs todt, sondern hatten nur nach verschiedenen Richtungen hin ihre Flucht genommen, und die Ansiedelungen, die sie zufällig erreichten, durch ihre entsetzlichen Erzählungen in Furcht und Schrecken versetzt. Sip kehrte erst nach vierzehn Tagen nach Waterton zurück, Patrik aber wanderte, so schnell ihn seine Gliedmaßen trugen, nach Vincennes und von da nach den östlichen Staaten zurück, da er erklärte »sein goldenes Haar nicht nach Illinois getragen zu haben, daß so ein verdammter rothfelliger Schurke Staat damit machen sollte.« Was aber Waterton anbetraf, so erwähnte er von der Zeit an nie den Namen der Stadt, ohne dabei zu bemerken, das wäre auch noch ein Ort, in dem er sein Glück könnte gemacht haben, wenn ihn nicht die Indianer bei Nacht und Nebel überfallen, alles Lebende scalpirt, und die Wohnungen niedergebrannt hätten, wobei er selbst nur noch durch ein Wunder dem Tode entgangen wäre. -- Den tief beschatteten Foxriver hinab steuerte indessen ein einsamer Krieger der Winnebagoes sein leichtes Canoe, während vorn, zwischen den Rippen, die dem schwachen Fahrzeuge Festigkeit gaben, in seine wollene Decke eingehüllt, der starre Körper des alten Indianers lag. Der junge Häuptling aber sang leise, indeß sein Ruder still und geräuschlos die leichte Barke über die spiegelglatte Fläche trieb, und den Takt schlug zu dem wehmüthig monotonen Lied: »Früher warst Du ein Häuptling -- Der Wald hier gehörte Dein, Jetzt führ ich Dich leise und heimlich Hinunter den stillen Strom -- Und früher warst Du ein Häuptling.« »Früher warst Du ein Häuptling Die Erde gehörte Dein, Jetzt mußt' ich Dich daraus stehlen Sie gönnten Dir selbst kein Grab -- Und früher warst Du ein Häuptling.« »Früher warst Du ein Häuptling Und zähltest der Krieger viel, Jetzt flüchtet mit Deiner Leiche Dein einziger Sohn -- allein -- Und früher warst Du ein Häuptling. --« Weiter und weiter glitt der Rindenkahn auf dem leise murmelnden Fluß hin -- weiter hinab, zwischen Weiden und Erlen, und den schwankenden silberbehangenen Birken; und der Whippoorwill sang in den Sträuchen sein wehmüthig-klagend Lied, und der Nachtfalke stieg kreischend empor von dem knorrigen Ast, auf dem er geruht. -- Der Tag dämmerte und das leckere Mahl wollte er sich noch suchen vor der Morgenröthe. Auch die Eule wurde wieder lebendig und ihr antwortete -- weit weit aus der fernen Prairie herüber -- der graue Wolf, der seinen Rundlauf beendet und jetzt zu dem heimlichen Versteck mit unhörbarem Tritt zurückschlich. -- Und dort -- dicht hin unter den thaubehangenen Zweigen, die sich tief hinabbeugten zu der klaren Fluth, und von ihr erfaßt, unruhig erzitterten und bebten, -- dicht hin, unter dem feierlichen Rauschen der jungfräulichen Eichen, in denen der Morgenwind seine Riesenakkorde griff -- glitt das Canoe des Indianers und sein Todtensang mischte sich mit dem fröhlichen Lebensgruß des jungen Tages. Nordamerikanische Jagd. Jagd auf Hirsche. -- Auf Truthühner. -- Ein amerikanischer Jäger. -- Bärenjagd. -- Der Panther. -- Der Wolf. -- Der Fuchs. -- Der Waschbär. -- Das Opossum. -- Schnepfen in Louisiana. -- Ausrüstung des amerikanischen Jägers. -- Die vereinigten Staaten von Nordamerika, vor noch nicht gar langer Zeit das unbegränzte Jagdgebiet der wilden Indianerstämme, sind jetzt zwar von diesen geräumt und der weiße Jäger durchzieht nur mit wenigen Ausnahmen, allein die ungeheuren Wälder und Steppen des gewaltigen Reiches; aber auch die zahlreichen Büffelheerden und Rudel von Riesenhirschen (=Elks=), die sonst das Land belebten, sind von den sicheren Büchsen der Amerikaner und eingewanderten Ausländer erlegt, oder mit den rothen Söhnen der Wildniß weiter nach Westen zurückgetrieben worden; immer aber schreitet noch manch stattlicher Hirsch im Schatten des mächtigen Urwaldes einher und Bären und Panther, wie verschiedene andere kleine Raubthiere, zwingen den Ansiedler der westlichen Niederlassungen, fast auf jeder Farm, -- so nennt man die einzeln liegenden Häuser und Felder der Amerikaner, -- eine Meute Hunde zu halten, um seine Hausthiere vor der Mordgier derselben zu schützen. Stets ein eifriger Jagdfreund, konnte ich, in Amerika angekommen, den lockenden Beschreibungen jener Wälder nicht lange widerstehen, und verließ von unbezwingbarer Lust für das edle Waidwerk getrieben, bald nach meiner Ankunft in New-York, die östlichen Staaten, um den fernen, so viel gepriesenen Westen aufzusuchen, aber nicht etwa in Schiff oder Wagen, sondern zu Fuß, mit der Doppelflinte auf der Schulter und beim geringsten Geräusch, das rechts oder links am Wege laut wurde, zum Schusse fertig. Sehr häufig sah ich mich dabei im Anfang durch die frei im Walde weidenden Heerden getäuscht, und ich weiß mich noch recht gut des Abends zu erinnern, wo ich, wohl eine halbe Stunde lang durch dornige Schlingpflanzen und Sumpfstellen über umgestürzte Bäume und toll und wild umhergestreute Äste hinweg, ja durch einen, über drei Fuß mit Wasser gefüllten Bach fortkroch und lief, weil ich irgend etwas, das langsam brummend und im Laube raschelnd von mir weg ging und, wie ich einmal auf einen Augenblick erkennen konnte, schwarz aussah, beschleichen wollte. Zu hitzig in der Verfolgung, nahm ich mir nicht einmal Zeit, nach einer Fährte zu sehen, und war nicht wenig überrascht, als ich endlich, mit der Hülfe eines kleinen, schmalen Thales, das ich wie der wilde Jäger durchraste, um dem Bären, denn für nichts Geringeres hielt ich mein ausersehenes Opfer, den Weg abzuschneiden, ein gemüthlich im dürren Laube wühlendes, zahmes Schwein fand, das, als es mich erblickte, stutzte, mich anschnob und unwillig grunzend in das Dickicht trollte. Ich kam damals in starke Versuchung, dem unschuldigen Geschöpf eine Ladung Posten nachzusenden, mußte aber doch selbst zuletzt über den komischen Irrthum lachen und war nur froh, daß ich bei der ganzen Geschichte keinen Zeugen gehabt hatte. Wilde Sauen giebt es in den vereinigten Staaten gar nicht, außer wild gewordene zahme, die jedoch dann nur von den dort angesiedelten Farmern geschossen werden dürfen; jede andere Jagd ist frei. In den östlichen Staaten fand ich sehr wenig jagdbares Wild -- Rebhühner und Kaninchen ausgenommen, denn der deutsche Hase fehlt ebenfalls, soll aber, westlich von den Felsengebirgen, am stillen Meere, ziemlich häufig sein. Die Rebhühner sind kleiner als die unsrigen und auch etwas anders gezeichnet; ihre äußeren Schwungfedern zum Beispiel ganz grau; auch ist ihr Ruf anders wie der unseres Rebhuhns, denn sie pfeifen. Die Kaninchen kommen den unseren fast ganz gleich und leben in Erdbauen und hohlen Bäumen, färben aber im hohen Norden im Winter und werden weiß. Vielen Spaß machten mir später, als ich den Staat Illinois mit seinen ungeheueren Prairien oder Steppen durchzog, die sogenannten Prairiehühner, die sich hier in gewaltigen Ketten zusammengethan hatten. Ich wollte erst meinen Augen gar nicht trauen, wie's überall um mich herum emporschwirrte und _tausende_ von starken Hühnern aufstiegen; fand aber bald so viel von ihnen, daß ich die Suche gern aufgab und nur dann und wann, am Wege hin, schoß was ich brauchte. Das Prairiehuhn ist etwa von der Größe unseres Haushuhns -- von graulicher Farbe, mit befederten Ständern und kurzem, feldhuhnartigem Schwanz; der Hals ist aber lang wie beim Truthahn und die Flügel sind ganz denen der Fasanen ähnlich. Es fliegt eben so wie das Rebhuhn; ich habe aber stets gefunden, daß es selten vor einer englischen Meile wieder einfiel, was denn das Nachsuchen sehr beschwerlich macht. Das Fleisch ist, die Brust ausgenommen, nicht sehr besonders und steht dem der Truthühner bedeutend nach; seine Federdecke aber ist im Winter so dicht, daß es ziemlich starken Schrot erfordert, hindurchzudringen. Sonst ist die Jagd auf dasselbe ungemein leicht, denn es scheut den Menschen sehr wenig und kommt Morgens und Abends selbst zu den in den Prairien zerstreuten Farmen, um sich auf den Fenzen (Einzäunungen) derselben niederzulassen, wo es dann natürlich sehr leicht erlegt werden kann. Beim Eintritt kalten Wetters fallen sie gern auf die Bäume und sind in dieser Zeit, besonders wenn es etwas stark gefroren hat, fast gar nicht wieder aus den Zweigen des einmal gewählten Baumes herauszutreiben. Ich selbst schoß eines Morgens fünf von einer niedrigen Eiche, in der etwa zwanzig bis dreißig standen, einzeln herunter, und die übrigen blieben ruhig oben. Wagenladungen voll werden von ihnen nach St. Louis und die benachbarten kleineren Städte auf den Markt gebracht, und es leben viele Leute, die sich blos mit der Jagd derselben beschäftigen. St. Louis gegenüber kreuzte ich den Mississippi und wanderte von hier durch den dichten Wald dem südlicher liegenden, wegen seiner Jagd berühmten Arkansas zu. Nahe bei St. Louis ist jedoch sehr wenig Wild; Feldhühner und Kaninchen wieder ausgenommen; auch lebt hier noch der sogenannte amerikanische Fasan, der sonderbarer Weise in einem weiter südlichen Klima nicht gedeiht. Obgleich ihn aber die Amerikaner Fasan nennen, so ist er doch keineswegs dem unsrigen gleich, sondern unterscheidet sich von diesem in vielen Stücken. Es giebt zwei Arten -- den im Norden, in Canada, fand ich von graulicher Farbe, mehr dem Prairiehuhn ähnlich -- der weiter südlich kam dagegen dem deutschen etwas näher und sah bräunlich aus. Auf dem Kopfe trägt er, wie dieser, einen Federschmuck; doch fehlt ihm das Spiel gänzlich, statt dessen schlägt er im Affect ein Rad mit dem Schwanz und schleift wie der Truthahn. Die Ständer sind wie bei dem Prairiehuhn befiedert und er lebt, dem Feldhuhn gleich, in Ketten zusammen, hat aber noch die sonderbare Angewohnheit, in der Balzzeit sich auf umgestürzte Stämme oder abgehauene Baumstümpfe zu stellen und an diese mit den Schwingen zu schlagen oder, wie es die Amerikaner nennen, zu »trommeln,« was man eine lange Strecke weit hören kann. Sein Fleisch ist äußerst zart und weiß, und er gehört zu dem besten Federwild der vereinigten Staaten. In Missouri nun findet sich in großer Anzahl der amerikanische oder sogenannte virginische Hirsch, den ich vor allen Dingen etwas näher beschreiben will, ehe ich zur Jagd desselben übergehe. Er ist bedeutend kleiner als der unsrige, und ähnelt in vielen Stücken dem Damwild, trägt auch den Wedel statt der Blume; aber ein von dem des Damwildes sehr verschiedenes Gehörn. Sein ausgelegtes Geweih zählt selten mehr als vier, höchstens fünf und sehr selten sechs Enden, obgleich ich einst im Walde ein abgeworfenes fand, an welchem ich dreiunddreißig Enden zählte. Dabei ist es, ungleich dem des amerikanischen Riesenhirsches oder Elks, nach vorn zu gebogen und giebt ihm ein ganz eigenthümliches, fremdartiges Aussehen. Äußerst selten findet man gefleckte oder weiße Hirsche. Das Rothwild färbt dreimal im Jahre. Im Januar nimmt der Hirsch sein Winterkleid an und wird »grau«; im April erscheint er »roth« und wird im August und September »blau«! Das Thier färbt stets etwa vier Wochen später als der Hirsch. Zum Gerben eignen sich die Decken am besten vom Mai bis Ende September, wo sie besonders in diesem letzteren Monat die meiste Festigkeit erlangen. Die Brunftzeit der Hirsche fällt durch die vereinigten Staaten, wegen ihrer großen Ausdehnung nach Norden und Süden, sehr verschieden; -- in Arkansas, das etwa in der Mitte liegt, nimmt man an, daß sie mit dem ersten Frost eintritt, also etwa im October; -- weiter unten, in Louisiana, fällt sie später, -- im Norden früher. Die Thiere setzen im April und Mai ein bis zwei, ja manchmal drei Kälber, die bis zum Herbst gefleckt bleiben und dann mit den übrigen »blau« werden. Jagdgesetze existiren wohl in den vereinigten Staaten, werden aber nicht im mindesten beachtet und jeder schießt, wann es und was ihm beliebt; daß dies übrigens dem Wildstand ungeheueren Schaden thun muß, liegt klar am Tage, und nur die wirklich erstaunliche Menge von Wild hat bis jetzt der Ausrottung widerstehen können. Die Jagdbenutzung, d. h. wie sie bei den Jägern dort gebräuchlich ist, will ich der Sonderbarkeit wegen hierher setzen. Januar. Die Hirsche stehen jetzt mit dem Wilde in Rudeln beisammen; die Schmalthiere sind feist, und werden des Wildprets und Feistes wegen, die Hirsche selbst nur der Wilddecke wegen geschossen, da der Jäger von den letzteren nur diese und die Keulen mitnimmt, das übrige Wildpret aber den Raubthieren und Aasgeiern überläßt. Ende Januar fangen starke Hirsche schon an ihr Geweih abzuwerfen und dieser Monat, wie Februar und März, heißt die »graue Jahreszeit!« Februar wie Januar. März. Das Rothwild hält sich jetzt, des Färbens und der überhand nehmenden Mosquitos und Stechfliegen wegen, in den unzugänglichsten Dickichten auf und Decke sowohl als Wildpret ist schlecht. Der März ist daher der einzige Monat im Jahr, in welchem nur hie und da einzelne Stücke geschossen werden; will ein Jäger aber eins haben, so zündet er gewöhnlich in der Nähe eines Dickichts einen umgestürzten Baumstamm an, -- das Wild kommt dann herbei, und stellt sich in den Rauch, um dadurch Schutz gegen die quälenden Insekten zu finden. April. Die Thiere fangen an zu setzen und besuchen, wie die Hirsche, die Salzlecken. Ende dieses Monats beginnt die »rothe Jahreszeit« und dauert bis Mitte September. Die Hirsche fangen an ihr Geweih aufzusetzen. Mai. Die Jagd an den Salzlecken, bei Kienfackeln und angerichteten Gestellen, wird jetzt ernstlich betrieben und Hirsche und Thiere werden geschossen. Juni. Die Thiere sind jetzt ebenfalls vollkommen roth; die Hirsche werden feist und stehen, abgesondert von den Thieren, in Rudeln von sieben, acht und mehr Stücken gewöhnlich in einem bestimmten Waldorte beisammen, so daß man sicher darauf rechnen kann, sie hier im Umkreis von zwei bis drei englischen Meilen zu finden. Einer der schwächsten Hirsche ist gewöhnlich der Führer und erlegt man diesen zufällig zuerst, so daß er im Feuer zusammenstürzt, so hat man nicht selten Gelegenheit, die Übrigen, so schnell man laden kann, nachzuholen. Die Thiere werden jetzt nur der Decke wegen geschossen. Juli -- wie Juni. -- Kälber sind alt genug, um geschossen zu werden; Hirsche fangen an zu fegen, vernachlässigen aber die Salzlecken. August. Bei den Hirschen beginnt die »blaue Jahreszeit« und sie sind nun am feistesten, die Decken auch in diesem und dem nächsten Monat am geeignetsten für die Bereitung für Moccasins -- (Indianische Halbstiefel.) September. Desgleichen. October. Mitte dieses Monats beginnt gewöhnlich die Brunftzeit, oft auch erst zu Anfang November, besonders in recht späten Wintern. Nun eröffnet sich für den amerikanischen Pürschjäger die beste Jagdzeit, denn der Hirsch, den Fährten des Schmalthieres folgend, durchzieht ziemlich sorglos den Wald und kann leicht erlegt werden, was jetzt nur der Decken wegen geschieht, die, nach dem Gewicht verkauft, wenn getrocknet, von starken Hirschen sechs bis acht, ja wohl auch neun Pfund wiegen. Die Geweihe haben ihren ganz vollkommenen Zustand wieder erreicht. November. Desgleichen. December. Vorzüglich Jagd auf Schmalthiere, die jetzt, wenn ein gutes Eicheljahr war, anfangen feist zu werden. Hirsche und Thiere stehen wieder in Rudeln zusammen. Das ist ungefähr Alles, was über die in Amerika gebräuchliche Ordnung bei der Hirschjagd zu sagen ist. Diese selbst wird auf dreierlei Arten betrieben. Die erste ist das _Pürschen_, die zweite die _Hetze_ und die dritte die _Nacht-_ oder _Feuerjagd_. Das Pürschen bleibt sich natürlich in allen Ländern gleich und ist auf jeden Fall nach der Bärenhetze die edelste und schönste Jagd. Das Hetzen erfordert in dem wilden, unbebauten Lande, wo oft fast undurchdringliche Dickichte die verfolgenden Hunde wie nachsetzenden Jäger aufhalten, eine genaue Kenntniß des Bodens und Wechsels, und eignet sich auch mehr für ein Land, wo das Wild schon dünner wird und der Jäger froh ist, mit seiner ganzen Meute in einem halben Tag einen Hirsch aufzujagen; aber auch in Arkansas, wo es noch Hirsche genug zum Pürschen giebt, wird, den Winter hindurch wenigstens, diese Jagd vorgezogen; im Sommer jedoch, wo die Hitze am Tage sehr drückend und das Tragen der schweren Büchse zu beschwerlich ist, nimmt der Jäger zum Feuer seine Zuflucht und schießt sein Wild Nachts bei der Kienflamme. Sollte es übrigens unseren deutschen Jägern auffallen, daß Rothwild, sonst das Feuer scheuend, bei diesem erlegt werden kann, so muß ich hier bemerken, daß es in Amerika unter ganz anderen Verhältnissen aufwächst. Im Frühjahr durchzieht wohl kein Jäger in jenen Gegenden den Wald, ohne das dürre Laub, was oft vier bis sechs Zoll tief den Boden bedeckt, an eben so vielen Stellen anzuzünden, als er sein Lager aufschlägt, oder sein Mittagsmahl kocht. Es ist dies nicht allein um das Laub zu beseitigen und den neuen jungen Graswuchs zu befördern, sondern auch das lästige Unterholz und die Dornen und Schlingpflanzen etwas zu tödten, die sonst in einigen Jahren so überhand nehmen würden, daß an eine Pürschjagd gar nicht mehr zu denken wäre. Solche Waldbrände greifen aber selten oder nie gesunde und kräftige Stämme an, sondern beschränken sich darauf, die am Boden liegenden Blätter und trockenen Dornen zu verzehren, kleineres Buschwerk zu tödten und die dürren, halb oder ganz verfaulten und umgestürzten Stämme in Brand zu stecken. Die Hirsche gewöhnen sich hierdurch ganz an diese Feuer und sammeln sich, besonders im Frühjahr, gern um sie, bezeigen daher auch nicht die mindeste Furcht, wenn sie ihre gewöhnliche Salzlecke annehmen und dort eine helle Flamme finden. Ihre großen, klaren Lichter der Gluth zuwendend, schreiten sie still herbei und stürzen meistens, von der sicheren Kugel getroffen, ehe sie nur die Nähe eines Feindes ahnen. Eine solche Jagd anschaulicher zu machen, will ich eine der von mir bei Salzlecken durchwachten Nächte beschreiben. Es war im Jahr 1842, als ich im Monat April unterhalb Little Rock, der Hauptstadt von Arkansas über den Arkansas-Fluß ging und die Sümpfe durchstrich, die auf dem linken Ufer desselben um die sogenannte Bayou-Meter (eine Art Fluß mit fast gar keiner Strömung, der im Arkansas entspringt und auch wieder in denselben mündet) herum lagen. Es ist ein gar trauriges Jagen in solchen Sümpfen, besonders im Frühjahr, wenn der größte Theil derselben noch überschwemmt ist und die Mosquitos dem sie Durchwandernden auch nicht die mindeste Ruhe gestatten. Dabei sticht die Sonne am Tage so brennend, wie mitten im Sommer, und fast keine Nacht vergeht, in der nicht ein Gewitter den im Freien Campirenden, wenn er sich nicht schon darauf vorgesehen hat, tüchtig durchweicht. Am Fuße einer niedrigen Hügelreihe dem Laufe eines kleinen Baches folgend, kam ich zu einem flachen, sumpfigen Fleck, der mitten im sonst schönen, grünen Rasen so von Hirschen ausgetreten war, daß ich, in einem Raume von dreißig bis vierzig Schritt im Durchmesser, auch nicht die Spur von Grünem darauf sehen konnte. Es schien eine jener salzigen Sumpfstellen zu sein, die das Rothwild besonders im Frühlings-Anfang aufsucht, während es, weiter im Sommer, mehr die trockenen, Salz enthaltenden Lehmufer der keinen Bäche annimmt. Kaum vier bis fünfhundert Schritt von der erwähnten Stelle standen Kiefern, und ich war schnell entschlossen, die Nacht an der Lecke, oder wie es im Englischen genannt wird, »=lick=« zu wachen. Vor allen Dingen errichtete ich, etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Schritt von dem am meisten besuchten Theil der Salzlecke, ein kleines Gestell, wozu ich mit meinem Tomahawk (indianisches Beil) vier Holzgabeln abhieb und diese, das Gerüst etwa vier Fuß hochlassend, in den Boden trieb. Auf darüber hingelegten Querhölzern wurden jetzt grüne Zweige ausgebreitet und diese etwa fünf Zoll dick mit Erde und Rasen bedeckt, damit das Feuer nicht hindurch brennen konnte. Als das geschehen, ging ich mit meiner wollenen Decke und dem Tomahawk zu den Kiefern und Fichten zurück, und spaltete leicht aus den dort wildumhergestreuten Stämmen genug fettes Kienholz, um die ganze Nacht eine gute Flamme zu unterhalten, das ich nachher in der Decke zur Salzlecke trug und um das Gerüst herum aufhäufte, damit ich es in der Nacht leise und geräuschlos abnehmen und auf die niedergebrannten Kohlen legen konnte. Eine andere Vorsichtsmaßregel war aber jetzt noch zu treffen. Im Westen thürmten sich wieder dunkele, drohende Wolkenmassen auf und ließen mich nicht ohne Grund vermuthen, daß ich vor anbrechendem Tageslicht nähere Bekanntschaft mit ihnen machen würde. Mehre der umher liegenden Stämme mußten daher ihre Rinde abgeben, von der ich eine bedeutende Quantität zu meinem Verstecke hinschaffte, um im Nothfall davon Gebrauch machen zu können. Da ich noch Zeit genug behielt, baute ich mir jetzt auch eine kleine Vorrichtung, die Büchse (ich hatte schon seit Jahren das leichte Schrotgewehr gegen die schwere Büchse vertauscht) auflegen und sicherer schießen zu können, stellte mir dann Messer, Kugeltasche und Pulverhorn zurecht, sah nach den Zündhütchen, daß die nicht wieder im Augenblick der Noth im Unterfutter säßen und dachte, nachdem ich mein »Handwerkszeug« in Ordnung hatte, jetzt auch ein wenig an den leiblichen Menschen, zu dessen Stärkung ich ein paar Stücke gedörrten Hirschwildprets, die Hälfte eines kalten Truthahns und eine Scheibe Maisbrod hervorholte. Der vorbeifließende kleine Bach sah gerade nicht eben einladend aus, doch sind Hunger und Durst ein guter Koch; ein Becher voll des etwas bräunlichen Wassers spülte das trockene Brod und Fleisch hinunter, und ich würde mich sehr wohl und behaglich befunden haben, wären die Mosquitos in dem niederen Lande nicht wie ganz wahnsinnig gewesen. Im Anfang, als ich mich hinsetzte, kamen nur wenige angeflogen und sogen sich voll; diese mußten aber den anderen wohl erzählt haben, wie gut mein Blut schmecke, denn scharenweis drängten sie jetzt auf mich ein, und hätt' ich sie ruhig gewähren lassen, so würden sie mich, noch vor dem nächsten Morgen, so trocken wie einen Bückling ausgepumpt haben. In der Dämmerstunde sind sie überhaupt stets am schlimmsten, und ich konnte mich kaum gegen sie schützen, bis endlich die Schatten der Nacht sich auf den Wald zu lagern begannen und der =Whip poor will= (Nachtvogel, eine Art Ziegenmelker) sein eintöniges Lied sang. Ich schlug jetzt Feuer, steckte den Schwamm in eine Handvoll dürrer Blätter und erhielt durch Blasen bald eine helle Flamme, die ich mit fein gehaltenen Kienspänen nährte und nun mein Feuer oben auf dem Gestell entzündete. Es war indessen völlig dunkel geworden und die helle Flamme, gerade über mir, unter der ich völlig im Schatten saß, bewies sich als der schönste Mosquito-Ableiter, den es nur auf der Welt geben konnte. Zu Tausenden stürmten sie in die Gluth, die sie eben so schnell vernichtete, und mit wahrhaft teuflischer Schadenfreude saß ich darunter und sah sie elendiglich umkommen. Ich konnte jetzt auch mit Ruhe mein Abendbrod beendigen, das ich, der peinigenden Insekten wegen hatte niederlegen müssen, und schaute lauschend dabei umher, die Ankunft eines Stückes Wild erwartend. Es ist ein herrliches Gefühl, in stillem Waldesdunkel bei der rothen Kienflamme zu wachen, die um den Jäger einen Lichtkreis von kaum mehr als vierzig Schritt im Durchmesser zieht, in welchem die gewaltigen, magisch beleuchteten Stämme gleich Riesengespenstern zum schwarzen Nachthimmel emporstarren. Wenn nun in weiter Ferne ein einzelner Wolf sein klägliches Geheul erhebt, das seine Brüder von den Hügeln beantworten, wenn die Eule mit ihrem eintönigen Ruf, die quakenden Frösche und zirpenden Grillen einfallen und so ein eigenthümlich wildes Concert entsteht, -- dann wird es Einem bei dem flackernden Feuer ordentlich schauerlich behaglich zu Muthe. Diese Töne verhallen aber nach und nach, sobald erst wirklich die Nacht ihr Reich antritt, und von zehn Uhr ungefähr herrscht eine nur selten vom =Whip poor will= und von einzelnen Fröschen unterbrochene Todtenstille. Jetzt mußte aber auch der Mond bald aufgehen, und mit äußerster Aufmerksamkeit horchte ich dem leisesten Geräusch, jedem Rascheln der Blätter, jedem Säuseln des Windes durch die hohen Baumwipfel. Um durch den schimmernden Lauf nicht geblendet zu werden, hatte ich eben das Visir über die Kienflamme gehalten und geschwärzt, dabei auch eine Handvoll frischer Späne auf die fast niedergebrannten Kohlen gelegt und hüllte mich wieder in meine wollene Decke ein; -- denn wenn auch die Sonne den Tag über recht heiß brannte, waren die Nächte doch kühl; -- als nicht weit entfernt von mir ein dürrer Zweig krachte. Das war ein Stück Wild, und mit Blitzesschnelle griff ich nach der neben mir lehnenden Büchse. Die Salzlecke, an der ich wachte, lag in einem sie dicht umschließenden Gebüsch, das, von den riesenhaften Bäumen des sumpfigen Thallandes überragt, keinen Strahl des jetzt eben das Firmament erhellenden Mondes hindurchließ; der von dem Rothwild benutzte Platz selber aber war länglich oval und an ihm entlang floß der kleine, schon früher erwähnte Bach, dessen gegenüberliegenden Rand niedere, dichte Büsche einfaßten. An eine starke Eiche geschmiegt, hatte ich an dem einen Ende der Lecke mein Gestell errichtet, damit ich die ganze Länge derselben beschießen könnte, und gerade mir gegenüber schien das eben gehörte und sich jetzt wiederholende Geräusch herzutönen. Regungslos lauschte ich mit zurückgehaltenem Athem den lang ersehnten Lauten, als -- trap -- trap -- trap -- in langsam abgemessenen Zwischenräumen der schwere Schritt eines Hirsches zu mir herüberschallte. Jetzt stand er und ich wußte, er äugte nach der Flamme. Schnell und geräuschlos spannte ich den Hahn und machte mich fertig; wohl zwei Minuten aber konnt' ich auch nicht das Geringste mehr vernehmen; der Kien fing schon wieder an etwas düsterer zu brennen und ich mußte frisch nachlegen, als die Schritte aufs Neue hörbar wurden, und gleich darauf glühten ein Paar rothfunkelnde Lichter aus dem die Salzlecke umgebenden Gebüsch zu mir herüber. In demselben Augenblick theilten sich auch die Zweige und vorsichtig und bedächtig mit hochgehobenem Kopfe und vorgestreckten Lauschern betrat ein stattlicher Hirsch, kaum zwanzig Schritte von mir entfernt, die kleine, eingeschlossene Ebene. Er windete einige Secunden lang nach der Flamme herüber, denn der Kiengeruch mochte ihm nicht recht behagen, konnte aber den Wind nicht von mir bekommen und kam jetzt gerade auf mich zu. Ich war jedoch indessen auch nicht müßig gewesen, hatte die Büchse gehoben und den nichts Böses ahnenden ruhig auf's Korn genommen, und gerade, als er wieder stand, mit etwas mißtrauischem Blicke das Gestell und die dicht daneben aufgehäufte Rinde betrachtete und mit dem rechten Vorderlauf ungeduldig die Erde schlug, berührte mein Finger den Stecher und hoch aufspringend stürzte er schreiend zusammen. Ich trat schnell hinter die Flamme, wo ich vor allen Dingen meine Büchse wieder lud, und schaute dann nach dem Hirsche hinüber; er war aber schon verendet und lag bewegungslos dort. Um nicht einen anderen, sich vielleicht in der Nähe befindenden, Hirsch zu verscheuchen, verhielt ich mich übrigens ganz ruhig und ging nicht hinaus, ihn abzufangen; aber wohl eine volle Stunde hatte ich wieder gesessen, ehe ich auf's Neue nahendes Wild hörte. Dies Mal waren es mehr Stücke, und ohne sich im mindesten aufzuhalten, ja ohne nur die Flamme eines Blicks zu würdigen, betraten sie den offenen Fleck und wollten ihn eben, ohne sich weiter um die Salzlecke zu bekümmern, kreuzen, als ein junger Spießer, der Führer der Ihrigen, von dem frischen Schweiß Witterung bekam und schnaubend absprang. Wohl wußte ich, daß mir jetzt nicht lange Zeit zum Überlegen bleiben würde, drum hob ich schnell die Büchse und in demselben Augenblick krachte auch der Schuß; mit einem Satz überflog aber der Spießer den Bach und war gleich darauf im Dickicht verschwunden. Als sich der Pulverdampf verzogen hatte, konnt' ich keines der übrigen Schmalthiere mehr sehen und nur in der Ferne hörte ich sie schnaubend und pfeifend davon eilen. Ich hatte eben wieder geladen, als, zwar noch fern, aber doch schon recht deutlich und freundlich mahnend ein dumpfer Donnerschlag zu mir herüberdröhnte, der mir mit klaren Worten erzählte, was ich zu erwarten hatte. Vor allen Dingen nahm ich daher ein Paar brennende Kienspäne, um mir den Anschuß und den Schweiß zu besehen, um daraus zu beurtheilen, wie weit der Spießer wohl noch gegangen sein könne; denn schickt in diesen Sümpfen ein richtiges Gewitter seinen selten fehlenden Begleiter, den Regenguß, herunter, so ist's nachher mit dem Ausmachen sehr unsicher, weil die Fährten nachher gewöhnlich in einem freundlichen Gemisch von Schlamm und Wasser zusammenlaufen, und wenn nicht die Aasgeier, die merkwürdig rasch bei der Hand sind, das verendete Stück anzeigen, sieht's mit dem Finden oft traurig aus. Mit meiner schnell gemachten Fackel ging ich jetzt dem Platze zu, überzeugte mich aber gar bald, daß der Hirsch einen Lungenschuß bekommen hatte und nicht weit fort sein könnte. Schweiß lag im Überfluß auf dem Anschuß und in der Fährte; als ich aber eben über den Bach hinüber wollte, um den Platz, wo der Spießer lag, aufzusuchen und zu verbrechen oder ihn abzufangen, wenn er noch nicht verendet sein sollte (in Amerika ist allgemein der Kälberfang Sitte und kein Jäger genickt ein Stück Wild), als einige große, schwere, fallende Tropfen das jetzt rasend schnell herbei eilende Gewitter verkündeten; ich ließ also Hirsch Hirsch sein und sprang zu meinem Gestell zurück, nahm schnell das Feuer herunter, das ich im Innern sicher niederlegte, um die Kohlen zu bewahren und es nachher, wenn alles Andere naß sein würde, wieder anzünden zu können, und deckte nun die vorsichtig herbeigeschafften Rindenstücke dachartig über das Gerüst, indem ich sie, um mir unter demselben einen größeren Raum zu gestatten, etwa einen Fuß breit an jeder Seite vorstehen ließ. Der Mond war von ungeheueren Wolkenmassen verdeckt und rabenschwarze Nacht umgab mich; die fast ohne Unterbrechung zuckenden Blitze aber gewährten hinlängliches Licht zu meiner Arbeit, und ich war kaum damit zu Stande, als es auch anfing, wie aus Eimern und Dachrinnen zu gießen. Mein Regenschutz bewies sich ausgezeichnet, aber ich war doch gewissermaßen wieder unter die Traufe gekommen, denn die Mosquitos, jetzt nicht mehr durch das Feuer abgeleitet und den trockenen Schutz unter meinem Aufbau behaglicher findend als den nassen Regen draußen, noch dazu da solch ein süßes Stück Menschenfleisch, in eine dünne wollene Decke gewickelt, nur ganz zu ihrer Bequemlichkeit dorthin gesetzt schien, fingen an mich so wüthend zu umschwärmen und zu peinigen, daß ich schon mein Dach verlassen und lieber den fluthenden Regen als diese Myriaden von Vampyren ertragen wollte, als mir noch zum Glück die Kohlen einfielen, die ich auf einem Stück Rinde liegend und mit Rinde zugedeckt neben mir hatte; schnell blies ich sie zur Flamme empor, und ein kleines Feuer unterhaltend, auf welches ich nasses Holz legte, erzeugte ich einen solchen Rauch, daß ich fast zusammen mit den Mosquitos erstickt wäre; das schützte mich doch wenigstens in etwas gegen diese, und nach einer Stunde fürchterlichen Gießens hörte endlich das Unwetter auf. Zwar warf ich jetzt mein Rindendach wieder herunter und entzündete aufs Neue die Flamme, die Salzlecke hatte sich aber in einen kleinen Teich verwandelt und ich selbst saß, am Fuße der gewaltigen Eiche, auf dem einzigen, inselähnlichen und trockenen Flecke. Natürlich ließ sich weiter kein Hirsch sehen, und noch vor Sonnenaufgang verließ ich das sumpfige Thal und schlug mich in die dicht daran stoßenden Hügel, wo ich das Balzen eines Truthahns gehört hatte. Die Truthahnjagd ist in diesen Wäldern eigentlich die am wenigsten beschwerliche, wird aber doch nicht viel betrieben, weil sie keinen Nutzen bringt. Der Amerikaner schießt wohl, was er zu seinem eigenen Bedarfe braucht, da er aber die erlegten Hühner selber essen muß und nicht verkaufen kann, so verwendet er nie mehr Pulver und Blei auf sie, als unumgänglich nöthig ist. Mir war's auch an diesem Morgen nur um einen Braten zu thun, denn das Wildpret der beiden erlegten Hirsche konnte der Jahreszeit nach nicht sehr vorzüglich sein. Ich schritt also schnell der Gegend zu, von der mir dann und wann die kullernden Töne des balzenden Hahnes herüberschallten, um den Ort noch zu erreichen, ehe es vollkommen Tag wurde. Der Truthahn findet sich durch die ganzen vereinigten Staaten, vom Norden bis Süden, vorzüglich aber in den südwestlichen Theilen, in ungeheuerer Anzahl. Im Frühjahr, März und April balzt der Hahn und ist dann auch, bis Anfang Mai, ausnehmend fett; in dieser Zeit aber nimmt er fast keine Nahrung zu sich, und ich habe, besonders im März, beim Anfang der Balzzeit, den Magen eines Hahnes aufgeschnitten und auch nicht die Spur von Nahrung darin, sondern die inneren Wände desselben nur mit einer reinen, öligen Feuchtigkeit überzogen gefunden, wie sie etwa der Bär während des Winterschlafes bei sich trägt. Wenn daher im Mai die Hennen brüten, sind die alten Hähne dürr und ungenießbar, die Jagd muß also dann vorkommen eingestellt werden. Die Henne zieht acht bis zwölf, ja manchmal sechszehn Junge auf, von denen sie sich nicht mehr trennt, bis im nächsten Frühjahr die Balzzeit aufs Neue beginnt; die alten Truthähne halten sich übrigens nicht gern zu diesen Familien und bilden sehr häufig eigene Ketten von funfzehn und zwanzig, ja oft dreißig Stück, die dann stattlich und ehrbar mit ihren großen Bärten (ein Borstenbüschel, der bis sechs und sieben Zoll lang, etwa einen Finger stark, ihrer Brust entwächst und »Bart« genannt wird) den Wald durchschreiten. Besonders halten sie sich gern im Winter zusammen und balzen dann manchmal aus reinem Vergnügen, daß es meilenweit durch den stillen Wald schallt. Die Hennen bauen ihre Nester in dichten, unzugänglichen Büschen aus dürrem Laub und Reisern auf die Erde und verlassen ihre weißen, am dicken Ende etwas gefleckten Eier nur selten; werden sie aber mehre Male gestört und vom Neste vertrieben, so kehren sie nicht mehr zu diesem zurück und lassen es, selbst wenn sie schon eine Zeit lang gebrütet haben, im Stiche. Im Juli werden die Jungen jagdbar und sind dann ein gar delikates Essen, verlieren aber viel von ihrem saftigen Wohlgeschmack, weil man sie nicht rupfen kann, sondern ordentlich abbalgen muß, indem die in dieser Jahreszeit den Wald erfüllenden kleinen Holzböcke auf keine andere Art als mit dem Balge selbst von dem Truthahn zu entfernen sind. In der Balzzeit ist der alte Hahn sehr scheu, und wo er nur das Geringste, was ihm gefährlich dünkt, äugt, so flieht er und ist auf keine nur erdenkliche Art an jene Stelle wieder hinzulocken; hat sich aber der Jäger gut versteckt oder bewegt er sich wenigstens nicht, so kommt er auch, durch das Nachahmen des Hennenrufs herbeigelockt, bis dicht an das Rohr hinan. Die einfachste und beste Truthahnlocke besteht aus dem zweiten, dünnen Flügelknochen der Truthenne selbst, der, an beiden Seiten abgeschnitten, des Markes entledigt wird und mit welchem, die Luft durch denselben einziehend, der Ton der Henne auf das Täuschendste nachgeahmt werden kann. Einen solchen Knochen führte ich bei mir und war jetzt auf etwa vierhundert Schritt der Stelle nahe gekommen, in welcher der Hahn oben auf einem Baume stehen mußte; zu weit aber schien mir der Tag vorgerückt, um von dem wachsamen Vogel ungesehen heranschleichen zu können; ich suchte mir daher einen umgefallenen Baumstamm aus, hinter dem ich mir mein Lager machte, legte mehre Zweige oben drauf, meinen Kopf so viel als möglich zu verdecken, und fing nun an, einige Male zu locken. Im Anfang schwieg der Hahn, als er die bekannten Laute hörte, wahrscheinlich nur, um sich erst genau zu überzeugen, von welcher Richtung her sie tönten; dann aber, nachdem er darüber im Klaren schien, balzte er auf einmal aus Leibeskräften, und ich hörte, wie er gleich darauf vom Zweige abstiebte und auf mich zu streichend etwa hundert Schritte vor mir einfiel. In kleinen Zwischenräumen ließ ich jetzt und zwar nur leise die Locke tönen, auf die er schleifend und dann und wann kullernd, als ob er sich halb zu Tode freue, zukam. Vor mir lag eine kleine, ungefähr 15 Schritte tiefe Blöße, und bald darauf sah ich den blauangelaufenen Kopf, mit den rothen herunter hängenden Fleischlappen, durch die die Rasenstelle umgebenden Gebüsche ragen, auf welche er gleich darauf selber heraustrat. Zwar hatte ich ihn jetzt sehr schön zum Schuß, durch Erfahrung aber klug gemacht, hütete ich mich wohl, mit der Kugel nach ihm zu schießen, so lange er die Federn gesträubt hielt, wobei man kaum errathen kann, auf welcher Stelle sich der Körper befinde, und pfiff daher ein Mal recht laut und kurz. -- »=Kitt,=« sagte der Truthahn und glättete, sich hoch aufrichtend, am ganzen Körper, indem er vorsichtig nach allen Richtungen umherspähete; mehr verlangte ich nicht, und beim Krach der Büchse flatterte er empor und kam dann, in scharfem Laufe, gerade auf mich zu; -- dicht vor mir aber hielt er, drehte sich zwei Mal im Kreise herum, breitete die Flügel aus und stürzte zuckend zusammen. Es war ein merkwürdig feister Bursche und mußte etwas über zwanzig Pfund wiegen. Ich warf ihn aus; denn vernachlässigt man dies, so wird ein Truthahn in wenig Stunden, selbst im Winter, anbrüchig, band seine Ständer mit dem Kopf zusammen und hing ihn mir, waidtaschenartig, über die Schulter, nahm dann meine Büchse wieder auf und wanderte langsam der Salzlecke zu, um meine Hirsche zu zerwirken und den Heimweg, nach dem etwa fünf englische Meilen entfernten Hause anzutreten. Dem unter dem Feuer in der Salzlecke Gestürzten zog ich einen dünnen Streifen Baumrinde durch das Geäs und schleppte, oder schwemmte ihn eigentlich, zum nächsten trockenen Platz; dann aber machte ich mich daran, den zweiten wieder zu finden, was noch, trotz dem tödtlichen Schusse, seine gehörigen Schwierigkeiten hatte. Der Boden war in einen Teich verwandelt, in dem sich Frösche, Eidechsen und Schlangen sehr behaglich zu fühlen schienen, der sich aber doch keineswegs dazu eignete, einen Hirsch auszumachen. Der Regen hatte selbst von den Büschen den Schweiß rein herunter gewaschen und dornige Schlingpflanzen zogen sich überall in dichten, festen Massen zwischen ihnen hindurch; der Hirsch konnte aber nicht mehr weit gegangen sein, und nach kaum viertelstündiger Suche fand ich ihn, etwa zweihundert Schritt vom Anschuß, verendet. Wie das vorige Stück schaffte ich den Spießer vor allen Dingen auf trockenen Grund und Boden, hatte aber dabei keine kleine Mühe, durch den angeschwollenen Bach zu kommen, den ich nicht umgehen, also durchwaten, eigentlich fast durchschwimmen mußte, denn das Wasser ging mir bis unter die Arme. Als das geschehen, zündete ich jetzt vor allen Dingen neben meiner Beute ein tüchtiges Feuer an, welches dem doppelten Zweck entsprach, mich zu trocknen und zu wärmen, und einen Theil meines Truthahns zu braten; denn mich hungerte bedeutend. Während ein paar der saftigsten Stücke am Feuer schmorten, zerwirkte ich die beiden Hirsche, nahm von dem Spießer die beiden Keulen und das »=brisket=« (der Theil zwischen den Blättern vorn, wo die kurzen Federn zusammenstoßen), schlug es in eine der Wilddecken ein, verzehrte dann mein einfaches, aber darum nicht minder gutes Frühstück, hing mir nachher die Überreste des Truthahns, meine wollene und die beiden frischen Wilddecken, nebst den darin liegenden Keulen über, ergriff meine Büchse und wanderte, das übrige Wildpret den Aasgeiern oder Wölfen überlassend, der nächsten Ansiedelung zu. -- Wer übrigens je eine längere Zeit in den südlichen Theilen Nordamerikas jagte, hat auch gewiß mit eben diesen Aasgeiern, seltener mit den Wölfen in Streit gelebt. Diese ersteren folgen dem Jäger, wenn er erst einmal einige Stücke Wild erlegt hat, fortwährend, und lassen ihm kaum Zeit seine Beute aufzubrechen. Mit schlecht verhaltener Gier sitzen sie in den benachbarten Bäumen, und erwarten den Augenblick, in welchem der Jäger den Platz verläßt, um dann mit ihren scharfen, langen Schnäbeln über das Zurückgelassene herzufallen, von dem nach wenigen Stunden selten mehr als die Knochen übrig sind. Nur ein Mittel giebt's, sich ihrer in etwas zu erwehren und das ist, das Stück Wild in der Decke zu lassen und am Kopfe aufzuhängen; dann finden sie nirgends einen Anhaltepunkt, als an dem Kopfe selber, an dem man ihnen gern verstattet, herumzuhacken. Noch andere Feinde aber, gegen die selbst das Aufhängen nicht viel nützt, sind die großen Raben, die nun zwar dem Wildpret selber nicht viel Schaden thun, aber das Talg heraushacken, da es, um abzukühlen, doch aufgebrochen werden muß. Einige weiß geschälte Stöckchen aber, durch die Wammen querüber gesteckt, sind ziemlich zweckmäßig, diese Burschen abzuhalten, die ihren Hals nicht gern durch die weißen Hölzer hinein zu schieben wagen. Im Winter geht das übrigens noch Alles an, es sind Unannehmlichkeiten, denen man doch wenigstens theilweise noch begegnen kann; im Frühjahr und Sommer aber erscheint eine Jägerplage, gegen die es fast gar keinen Schutz giebt, und das sind die Schmeißfliegen, die zu Tausenden fast in demselben Augenblick erscheinen, wo das Wild von der Kugel getroffen stürzt. Will man das Wildpret später mit nach Hause nehmen, so ist das einzige Mittel, um es von dieser Landplage frei zu halten, es in's Wasser zu legen. Aber nicht überall hat man Wasser, welches dazu tief genug ist, in der Nähe, und in den ganz südlichen Staaten geht dies auch überhaupt nicht an, da die Alligatoren sonst bald das ihrem Bereich anvertraute in Beschlag nehmen würden. Wollte man einen starken Rauch unter dem Wildpret unterhalten, so würde dies auch nur theilweise gegen diese Insekten schützen; will daher der Jäger im Sommer Wildpret bewahren, so muß er es an Ort und Stelle in schmale Streifen schneiden und über einem langsamen Feuer dörren; dann hält es sich Monate lang. -- Die Feuerjagd auf Hirsche wird auch noch auf eine andere Art als mit aufgebautem Gerüst betrieben, und besonders dort in Anwendung gebracht, wo sich sehr viele, verschiedene Salzlecken in einer und derselben Gegend finden und der Hirsch zwischen ihnen wechselt. Um nämlich unter solchen Verhältnissen leicht von einem Platz zum anderen gehen zu können, nimmt der Jäger eine gewöhnliche eiserne langstielige Bratpfanne (wo diese nicht zu bekommen ist, muß eine künstlich aus Zweigen und Erde gemachte, den Dienst verrichten), befestigt an dieselbe noch ein etwa 3-4 Fuß langes, einige Zoll breites Bret, damit sie leicht auf der Schulter liegt und sich nicht wenden kann, und thut in diese nun den fein gespaltenen Kien, mit dem er leicht den Wald nach allen Richtungen hin durchwandern kann. Vorn in das Bret wird eine, von Holz geschnitzte, kleine, breite Gabel eingebohrt, um beim Schießen die Büchse hineinlegen zu können, wo dann der schwere Kien in der hinten mehre Fuß vom Kopf abstehenden Pfanne das Gleichgewicht gegen das Rohr hält und eine feste Lage verstattet. Die hinter dem Kopfe befindliche Flamme läßt nun dem Jäger die Lichter eines Stückes Wild oder Raubthieres auf mehre hundert Schritte erkennen, und da sich das erstere (Raubthiere lieben die helle Flamme nicht, äugen auch nicht gern hinein) keineswegs vor dem Feuer fürchtet, so kann man, wenn man nur leise und ohne Geräusch sich nähert, auch besonders den Wind gut beobachtet, leicht an die vertrauend ziehenden Stücke herangehen. In weiter Ferne verschmelzen die beiden Lichter der Hirsche in _einen_ glühenden Feuerball, der sich jedoch, bei dem immer näher und näher Kommen scheidet, und erst in richtiger Schußnähe sieht man dann die zwei Kugeln in der gehörigen Entfernung zu einander stehen. Den Wind kann man dabei sehr leicht nach dem Rauch beobachten, der auf keinen Fall über den Kopf hinweg ziehen darf. Springt nach dem Schuß das Wild schnell und flüchtig ab und rennt fort, so ist es ein sicheres Zeichen, daß die Kugel sitzt; hat aber der Jäger gefehlt, so verschwinden die Lichter plötzlich; der Hirsch wendet sich und geht langsam, ohne die mindeste Furcht zu verrathen, hinweg. Kommt man nahe genug heran, um die ganze Gestalt des Wildes zu erkennen, so schießt man natürlich auf's Blatt; ist das aber nicht der Fall, so hat man ein so schönes Abkommen bei der hinten lodernden Flamme, daß man getrost zwischen die beiden Lichter hinein halten kann, was überdies immer der beste Schuß ist. -- Etwas ist hierbei jedoch noch zu bemerken, auf das der amerikanische Jäger ebenfalls sehr viel Rücksicht nimmt: der Mond nämlich, nach welchem sich das Hochwild mit seiner Äsung richtet. Scheint dieser die ganze Nacht, so zieht es am stärksten gleich nach Dunkelwerden, bis etwa zwei Uhr Morgens umher, wo es sich dann niederthut und bis zur frühen Morgendämmerung sitzt; leuchtet er hingegen die Nacht gar nicht, so äßt auch das Wild nicht sehr lange mehr nach Sonnenuntergang, höchstens ziehen dann Schmalthiere bis zehn oder eilf Uhr Abends an die Salzlecken; dahingegen äßen sie am Tage Morgens ganz früh; Mittags etwa von zwölf bis eins und Abends wieder von vier Uhr an. Doch läßt sich darüber nichts ganz Genaues bestimmen. Einzelne findet man fast zu jeder Tageszeit munter. So selten nun, im Westen wenigstens, die Hirsche mit Hunden gehetzt werden, so interessant ist diese Jagd auf Truthühner, wenn sie sich im Winter zusammen gethan haben und nun in Ketten, oft von 30-50 Stück, durch den Wald ziehen. Von den Hunden eingeholt, bäumen sie augenblicklich und äugen nun, sich auf ihrer Höhe sicher glaubend, mit großer Zufriedenheit auf die, die Bäume toll und wild umspringenden Hunde hernieder, bis der Jäger heranschleicht und mit der Kugel (denn Schrot würde in jenen hohen Bäumen von gar keiner Wirkung sein), den Truthahn herunter holt. Es bedarf dazu übrigens nur eines Flügelschusses, denn das Wild ist so schwer, daß es fast stets durch den Fall, wenn auch sonst nicht tödtlich getroffen, verendet. So gescheidt der Truthahn aber auch sonst ist, so albern und unbehülflich stellt er sich an, wenn er sich gefangen glaubt, und eben auf diese seine Dummheit sind auch die Fallen berechnet. Wo nämlich der Ansiedler, -- denn der Jäger nimmt sich selten die Mühe, das mit der Axt zu bekommen, was er mit der Büchse erlegen kann, -- eine Kette Truthühner zu fangen wünscht, sei es nun in einem abgeärnteten Maisfeld oder im Walde, da macht er von langen, gehaltenen, schweren Stangen eine Umzäunung, die etwa zehn bis zwölf Fuß im Quadrat hat und so hoch sein muß, daß der größte Truthahn, aufgerichtet, darin herumlaufen kann. Die Decke wird nachher mit Holz oder Steinen beschwert, daß sie dem Aufflatternden nicht nachgiebt. In eine der Wände, am besten nach der Richtung hin, in welcher die Hühner gewöhnlich ins Feld kommen, wird eine kleine Thüre gesägt. Gerade unter dieser hinweg führt eine Art schmaler Laufgraben in das Innere der Umzäunung; unter der Thür ist dieser Graben am tiefsten und läuft nach Innen wieder auf die Oberfläche hinaus. Dieser Graben wird bis auf zwölf und funfzehn Schritt von der Falle weggeleitet und nach ihm hin sparsam, in ihm aber reichlich Mais gestreut, der bis in den eingezäunten Raum hinein führen muß, wo es gut ist, wenn ein kleiner Haufen von Maiskolben dem Truthahn gleich entgegen lacht. Der Graben aber und die darüber hingehende Thür dürfen zusammen nur so hoch sein, daß ein ausgewachsener Truthahn, wenn er, mit dem Kopf auf der Erde, der Äsung nahe geht, gerade hindurch schreiten kann, also etwa zwanzig bis vierundzwanzig Zoll. Finden nun die den Wald durchgreifenden Hühner den umher gestreuten Mais, so folgen sie den einzelnen Körnern, gerathen in den Graben und treten nun, das Gestell wenig beachtend, in den inneren hohen Raum, wo sie sich gar bald an dem dort aufgeschichteten Vorrath eine Güte thun. Auf diese Weise gehen manchmal zehn und fünfzehn zu gleicher Zeit in die Falle. Nun hinderte sie freilich nichts auf der Welt, auf eben dieselbe Art das Gestell zu verlassen, wie sie es betreten haben; sobald aber nur einem von ihnen der Gedanke kommt, das Freie zu suchen, wobei er sich natürlich aufrichtet und, den fest verwahrten Ort über sich erblickend, das Warnungszeichen giebt, so erheben in demselben Augenblick Alle die Köpfe und versuchen flatternd in die Höhe zu entkommen; keiner von ihnen denkt von dem Augenblick weder mehr daran, den Mais zu berühren, noch sich überhaupt zu bücken, und ich weiß den Fall, daß sie sich auf diese Art gegen Abend gefangen haben und bis zum nächsten Nachmittag darin geblieben sind, wo dann der Farmer herbei kam und sie einzeln heraus holte. Der arme Truthahn hat übrigens auch noch außer dem Menschen sehr viele andere Feinde, denn Wölfe, Füchse, Marder, Katzen, Panther stellen ihnen nach; ihr grimmigster Verfolger aber ist der weißköpfige Adler, dem sie auch nicht einmal entfliehen können, und zeigt sich ein solcher in der Luft und umkreist die Bäume, dann rührt sich kein Truthahn in seinem Versteck und man kann sie, wenn man sie zufällig findet, fast mit der Hand greifen. * * * * * Als ich zuerst die wirklichen Wälder Amerika's betrat, hatte aber nicht allein das Wild für mich Interesse, sondern auch die eingebornen Jäger selbst, die in der Wirklichkeit ganz und gar von dem Bilde abwichen, welches ich mir in meiner Phantasie von ihnen gemacht hatte. Besonders viel war mir von den sogenannten »Hinterwäldlern« erzählt worden, die in der Bevölkerung Amerika's gewissermaßen eine eigene Gattung bilden. Es sind Landleute, insofern sie so viel Welschkorn bauen, als sie für sich und ihre Familie und ein Paar Pferde und Schweine bedürfen, im Übrigen leben sie von der Viehzucht und Jagd und führen eigentlich genau genommen, trotzdem, daß sie Häuser bauen und kleine Felder anlegen, doch ein Nomadenleben; denn selten bleiben sie länger als drei oder vier, oft nicht ein Jahr auf einem Fleck, sondern sind stets bereit, ihr mit saurem Schweiß urbar gemachtes kleines Besitzthum um Weniges wieder zu verkaufen und weiter westlich zu ziehen. Als ich zuerst nach Missouri kam (denn selbst Illinois liegt jetzt schon zu östlich für diese Menschenklasse), hörte ich, etwa sechzig Meilen unterhalb St. Louis, von einem gewissen _Coltert_, der ein alter, tüchtiger Bärenjäger sein und mitten im Wald in einer kleinen Hütte leben solle. Die Beschreibung dieses Mannes, wie er lebte, was er schon alles für Abenteuer durchgemacht, wie viel Bären und Panther er erlegt, wie oft er verwundet worden, ein Mal sogar lebensgefährlich, als er seinen Lieblingshund einem Bären entreißen wollte, das Alles spannte meine Neugierde auf das Äußerste und machte mich sehr begierig diesen Mann kennen zu lernen, denn im Geiste malte ich ihn mir schon ganz nach indianischer Art, mit allen möglichen Waffen und Jagdgeräth versehen, aus, und beschloß, wenn ich auch Meilen weit umgehen müßte, ihn aufzusuchen. Mein Weg sollte mich indessen etwa drei Meilen vor seinem Hause vorbei führen, wo, wenn ich einen gewissen Fluß erreicht hätte, ein Pfad rechts abging, der bis zu seiner Hütte hinlief. Bis zu diesem Flusse hatte ich etwa noch sechs englische Meilen zu marschiren und wanderte frisch darauf los, um den alten Jäger so bald wie möglich kennen zu lernen, als ich einen Mann auf der Straße überholte, der sich ganz gemüthlich dicht am Wege seiner weißen leinenen Beinkleider entledigt hatte, trotz dem unfreundlich kalten Wetter ziemlich behaglich auf einem umgehauenen Baumstamm saß und die etwas sehr zerrissenen flickte. -- Sonst trug er einen blau wollenen Frack, ein weißes Hemd und ein Paar grobe rindslederne Schuh, welche drei letzteren Kleidungsstücke, als ich zu ihm trat, seinen ganzen Anzug ausmachten; neben ihm aber stand ein alter, recht ungesetzlich außer Façon gedrückter Filzhut, und an einem Baume lehnte eine lange Büchse -- (ohne die selten oder nie ein Landmann ausgeht) mit einer kleinen ledernen Kugeltasche und einem in ein buntes Taschentuch eingebundenen Päckchen. Der Anblick war so komisch, daß ich unwillkürlich stehen blieb und ihm freundlich guten Tag bot; er dankte, schien sich aber sonst nicht weiter um mich zu kümmern, sondern steckte seine Nadel und Zwirn, da er seine Arbeit gerade beendigt hatte, in die Kugeltasche, zog das ausgebesserte Kleidungsstück wieder an, hing sich die Tasche um, setzte den alten Filz, der ihm ein merkwürdig antikes Aussehen gab, auf, nahm das Bündel in die linke Hand und dann den Büchsenlauf mit der rechten ergreifend, warf er sich diese, den Kolben nach hinten, über die rechte Schulter, indem er zu mir sagte: »Nun, Fremder, wenn Ihr mit wollt, so kommt!« Es lag etwas so ernst Drolliges in seinem Wesen, das mich unwillkürlich anzog, und wir plauderten, neben einander herschlendernd, über vielerlei. Endlich erreichten wir den Fluß; mein Begleiter reichte mir die Hand und wollte sich verabschieden, ich bat ihn aber, mir zuerst den Weg nach des alten Coltert Haus zu zeigen, weil ich diesen aufzusuchen wünschte. »Kennt Ihr den alten _Coltert_?« fragte er mich und wechselte mit der Büchse auf die andere Schulter. »Nein, ich kenne ihn nicht, wünschte ihn aber kennen zu lernen!« »Nun,« sagte er, »wenns weiter nichts ist, das Vergnügen habt Ihr die letzten zwei Stunden gehabt!« Ich staunte nicht wenig, unter dem alten Filz und in dem hellblauen, wollenen Frack meinen Bärenjäger zu finden, der noch dazu so ächt waidmännisch die Büchse, Kolben nach hinten, trug, folgte aber nichtsdestoweniger seiner freundlichen Einladung, die Nacht bei ihm zuzubringen, und wurde für den kleinen Umweg reichlich durch einige der delikatesten Bärenrippen und viele romantische Erzählungen aus dem thatenreichen Leben des Alten belohnt. In mancher Hinsicht sehr befriedigt verließ ich ihn am andern Morgen. -- Hatte mir einen amerikanischen Jäger aber doch anders gedacht. Die Erzählungen des Alten hatten aber die Jagdlust um so mächtiger in mir aufgeregt und ich beschloß, was ich auch später redlich gehalten habe, Arkansas nach allen Richtungen zu durchstreifen und die Bärenhetzen, von denen ich ihn jetzt nur reden gehört, selber mitzumachen. Der Bär gehört unstreitig zur edelsten und dabei auch einträglichsten Jagd Amerika's, und ist der Kampf mit ihm auch manchmal gefährlich, nun so verleiht das der Sache ja auch wieder ein so viel frischeres, gewaltigeres Interesse; denn das arme Wild zu erlegen, welches sich nicht widersetzen _kann_, selbst wenn es wollte, und nur in der Flucht sein Heil suchen muß, nun ja, es ist auch schön und der den Männern angeborene Zerstörungsgeist macht es schon anziehend für uns; mir fehlte aber immer etwas bei jener Jagd, es kam mir stets vor, als ob es doch nicht das Rechte sei, nach dem ich mich gesehnt hätte, bis ich das erste Mal »Fuß an Fuß« mit einem der alten, schwarzen Burschen stand, und nun auch wußte, ich trüge das große Messer nicht blos zum Staate an der Seite. Die Bären fangen übrigens schon an in den vereinigten Staaten sehr selten zu werden, nur noch in den unermeßlichen Sümpfen des Mississippi- und Arkansas-Thales und den steilen, an vielen Stellen fast unzugänglichen Ozark-Gebirgen finden sie sich und werden mit einigem Erfolg von den Weißen, und an dem letzteren Orte auch theilweise von Indianern gejagt; jedes Jahr vermindert sich aber ihre Anzahl bedeutend und die Zeit ist nicht mehr fern, wo eine Bärenfährte in Arkansas eine Seltenheit sein wird. Die Bärenjagd selber wird in jenen Gegenden auf drei verschiedene Arten betrieben: Erstens durch _Pürschen_, Zweitens durch _Hetzen_ mit guten, darin geübten Hunden, und Drittens durch das _Aufsuchen der Stellen_, in welchen er seinen Winterschlaf hält. Das Pürschen, so interessant es an und für sich ist, kann übrigens nur im Spätsommer und Herbst geschehen, in welchen Jahreszeiten der Bär seine Nahrung in den Früchten des Waldes sucht und sorglos dabei umhertrollt. In bergigen Gegenden, wo viele Heidelbeeren wachsen, geht daher die Suche schon im Juli an, da er bis Ende August von diesen lebt; dann jedoch, sobald die Eicheln der Weißeiche reifen, aber noch nicht abfallen, ersteigt er diese und bricht oft ziemlich starke Äste herunter, um von ihnen seine Lieblingsnahrung abzulesen. Sind viele Bären in einer Gegend, so ist die Jagd in dieser Jahreszeit sehr interessant, weil man den Bären, sobald er erst einmal anfängt, Zweige niederzubrechen, eine lange Strecke weit hören und sehr leicht an ihn heranschleichen kann. Wo sie aber nur selten angetroffen werden, wäre es freilich ein undankbares Geschäft, nach den wenigen im Walde herumzusuchen; dazu ist die Hetze und mit einer tüchtigen Meute Hunde, sicherer Büchse und breitem, kurzem Stahl an der Seite, auf einem guten, zähen Poney, in gestrecktem Galopp durch den Wald und Sumpf, hinter den klaffenden, heulenden Hunden her, das ist die Jagd, wo einem das Herz warm wird und kühner und freudiger in der Brust klopft. Stellt sich dann der Bär, -- denn nicht immer sucht er auf einem Baum den Feinden zu entgehen, -- und tritt ihm der Jäger mit dem Messer in der Faust entgegen, so wird es doch auch eine Jagd, die Ehre bringt und die einen _Mann_, keinen bloßen Sonntagsjäger erfordert; das Gefühl, mit dem man nachher den schweißbefleckten Stahl in die Scheide zurückstößt, wiegt alle anderen Jagden auf. Die letzte Bärenhetze machte ich in Amerika im Sommer mit. Wir hatten keinen großen Nutzen von der Bestie; sie war aber zu lüstern nach »ihres Nächsten Schweinen« geworden, die sie den in Unmasse im Walde wachsenden Heidelbeeren vorzog, und mußte daher aus dem Walde geschafft werden. Übrigens zogen wir damals nicht mit der Idee einer Bärenjagd aus, sondern wollten blos ein Paar Hirsche schießen, um das Gehirn derselben zum Gerben einiger Wilddecken zu erhalten (die indianische Art Hirschhäute zu gerben, geschieht nur mit dem Gehirn des Hirsches selbst und später durch Rauch), als wir, von einem alten Jagdgenossen, der seine und meines Begleiters Hunde mitgebracht hatte, überholt wurden. Drei alte Sauen, erzählte dieser, seien ihm in wenigen Nächten weggeholt, und er dürstete nach Rache, die ihm denn auch im reichlichsten Maße wurde. Es war jedoch ziemlich trocken und dürr, und die Hunde, obgleich mit dem rühmlichsten Eifer suchend, konnten in langer Zeit keine frische Fährte finden; wir hatten sie aber in dem dichten Unterholz bald aus den Augen verloren und ritten lachend und erzählend über die Berge; plötzlich riß der Alte sein Pferd zurück und horchte, sich hoch im Sattel aufrichtend, mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. Ein kurzes, dumpfes Geheul ließ sich hören -- »das war =Muse=,« rief er -- ein scharfes, kurzes Bellen folgte »das ist =Watch=.« -- Gleich darauf schlugen zwei der Lieblingshunde zu gleicher Zeit an. Jetzt aber schwenkte der Alte den Hut -- »sie haben ihn,« jubelte er, und dem Pferde den einen Sporn in die Seite drückend, flog er dem Anschlagen der Hunde zu. Ich ließ ihn nicht die Büsche für mich theilen, sondern brach mit =Hozart= an seiner Seite ins Dickicht; gleich darauf schlug auch die ganze Meute -- etwa 15 Hunde, an, daß der Wald widerhallte. Wir ließen unsere Stimmen lustig drein schallen, und wie die wilde Jagd gings durch Dorn und Schlingpflanze, über umgestürzte Stämme und losgerissene Steinmassen fort dem Schalle nach, der in Schlucht und Thal das Echo erweckte. Der Bär sah übrigens bald ein, daß er im offenen Wald der verfolgenden Meute nicht entgehen konnte, und eilte einem alten =Hurricane=[2] zu, wo die Eichen und Fichten wie Kraut und Rüben durch einander lagen und die Dornen und Schlingpflanzen und später aufgeschossener Nachwuchs die Zwischenräume ausgefüllt hatten. Die Jagd wurde toller und toller; die Pferde, die Begeisterung der Reiter theilend, setzten in fast unglaublicher Anstrengung über alte Baumstämme und durch Dickichte, die im ersten Augenblick fast undurchdringlich schienen. 2 =Hurricane=, eine Art Orkan, der in langen Strichen das Land durchzieht und oft meilenbreit jeden Baum umstürzt. Im Anfang waren wir drei Reiter beisammen geblieben; der fürchterlich verwachsene Wald aber hatte später Jeden den besten Durchweg allein suchen lassen, und bald konnte ich nichts mehr von den beiden Anderen hören noch sehen, sondern vermuthete nur, daß sie, um dem Bären den Weg abzuschneiden, vielleicht eine andere Richtung eingeschlagen hätten; eine plötzliche Wendung des verfolgten Thieres drehte jedoch die Hetze plötzlich nach meiner Seite; kleffend und jauchzend stellte ihn in einem entsetzlichen Dickicht die Meute, und durch eine dichte Brombeerhecke setzend, die das letzte von mir abstreifte, was nicht niet- und nagelfest war, fand ich mich in Schußnähe des Kampfes. Augenblicklich aber warf ich mich vom Pferd und sprang der Wahlstatt zu, wo ein ungeheuerer Bär sich mit der größten Kaltblütigkeit und Tapferkeit gegen eilf der besten Hunde, die je einer Fährte in Arkansas folgten, vertheidigte; mein Anblick brachte ihn jedoch außer Fassung und er wollte Fersengeld geben, die Hunde waren ihm aber zu nahe auf dem Pelz, und vergebens sah er seine Bemühungen, einen Rückzug zu bewerkstelligen. Ich hatte mich indessen immer noch gefürchtet zu schießen, da zu viele Gefahr war, einen der Hunde mit zu treffen; als ich jedoch noch unschlüssig halb im Anschlag da stand, krachte des Alten wohlbekannte Büchse und, für einen Augenblick wenigstens, schien der Bär die ihn umtobenden Hunde ganz vergessen zu haben, denn stöhnend warf er sich zu Boden und lag im Nu von jenen bedeckt; doch nicht lange verharrte er in dieser Lage, sondern sprang, mit jeder seiner gewaltigen Branten einen der Rüden von sich stoßend, wieder in die Höhe. Als er stürzte, war mirs klar geworden, daß, im Fall ich noch die mindeste Lust hätte am Gefechte Theil zu nehmen, dies wohl der einzige Zeitpunkt wäre, in dem ich nützlich sein könnte, und das Messer aus der Scheide reißend, sprang ich auf den Gestürzten zu, ihm die Klinge durchs Herz zu jagen. Ich war aber kaum noch zehn Schritte von ihm entfernt, als er sich, wie schon gesagt, mit einer gewaltigen Kraftanstrengung befreite, und das erste, was ihm in dieser gerade nicht liebenswürdigen Situation in die Augen fiel, war meine werthe Person, mit bloßem Messer und allen Zeichen einer böslichen Absicht auf ihn zuspringend. Er kam mir auf halbem Wege entgegen, und ich mag gerade kein ganz freundliches Gesicht geschnitten haben; das weiß ich nur, wie mir der Gedanke durch's Hirn fuhr, ich hätte mich schon in viel behaglicheren Situationen befunden. Aus dem einfachen Grunde jedoch hielt ich Stand, weil ich im ersten Augenblick wirklich gar nichts andres zu thun wußte und begegnete dem Anlauf des Bären, indem ich ihm mit aller Gewalt mein breites Messer in die Brust stieß. Was weiter geschah, kann ich nicht mehr genau sagen; ein schwerer Schlag, der mich zurückwarf, ein dumpfes, schmerzhaftes Gefühl, ein bekanntes Gesicht, das ich erblickte, ehe ich stürzte, und ein erstickendes Gewicht, das auf mir lag, ist Alles, dessen ich mich noch entsinne. Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich, wie mir der Alte einen Hut voll Wasser nach dem andern und zwar mit einem Eifer ins Gesicht goß, der bei einer Feuersbrunst äußerst lobenswerth gewesen wäre. Ich erholte mich jedoch bald und fand, mich aufrichtend, daß ich den erlegten Bären zum Kopfkissen hatte. Als dieser auf mich los stürmte, war der Alte glücklicher Weise dicht dabei gewesen, und die Hunde konnten zwar nicht verhüten, daß mich jener zurückwarf, sich aber in grenzenloser Wuth auf ihn stürzend, überwältigten sie bald den schwer Verwundeten, meines Alten Stahl dabei nicht zu vergessen, der die Haut mehr einem Sieb als etwas anderem ähnlich machte. * * * * * Es ist übrigens nicht immer der Fall, daß der Bär sich, auf das Äußerste getrieben, den Hunden auf ebener Erde stellt; gewöhnlich erklettert er, mit ausgezeichneter Gewandtheit, im Fall ihm nicht eine Vorderbrante zerschossen ist, wie ich das auch ein Mal gesehen habe, einen Baum, und kann dann mit geringer Gefahr herunter geschossen werden; einen gehörigen Schlag aber thut's, wenn solch ein alter Bursche von zwei bis dreihundert Pfund, achtzig oder hundert Fuß hoch hernieder und zu Boden schmettert, und es ist schon oft der Fall vorgekommen, daß er im Sturz einige, der ihn unten zu eifrig erwartenden Hunde erschlagen hat. Steht er auf ebener Erde, so wirft er sich gewöhnlich, gleich nach empfangener Kugel, zu Boden und ächzt und stöhnt wie ein Mensch; decken ihn aber dann die Hunde, so versucht er nicht sie einzeln zurückzuschlagen, sondern er stemmt wie in diesem letzten Falle erst seine Branten so gegen sie, daß er sich mit einem gewaltsamen Ruck befreien kann, und wehe dann dem Jäger, der ihm in diesem Augenblick zu nahe ist! -- ohne des Alten Hülfe wäre auch ich rettungslos verloren gewesen. Hat der Bär einen Baum erstiegen und sich oben festgestellt, so können ihn die Hunde nicht wieder hinunter scheuchen; der Anblick eines Menschen aber macht ihn unruhig und versagt das Gewehr, so kommt er gewöhnlich mitten zwischen die Meute hineingefahren und versucht aufs Neue zu fliehen, doch ist das nicht stets der Fall. Äußerst interessant ist der Pürschgang auf Bären, wenn man unbeachtet an einen derselben herankommen kann. Anscheinend sorglos trollt der schwarze Geselle durch den Wald, und wer ihn so sieht, mit den plumpen, ungeschlachten Knochen, den Kopf unten, fast auf dem Boden, nachlässig, scheinbar auch nicht das Mindeste um sich her beachtend, ahnt wohl kaum, daß eben dieses anscheinend plumpe Geschöpf schneller als ein Pferd laufen und fast so behende als eine Katze klettern kann; in seinen Branten hat der Bär übrigens die meiste Gewalt, und selten benutzt er seine Gefänge, denn ein Schlag mit der Vorderbrante ist hinreichend einen Hund zu tödten und selbst einen Stier zu betäuben. So fürchterlich er aber, wenn zum Äußersten getrieben, ist, so harmlos und unschädlich zeigt er sich auch, wenn nicht belästigt -- man hat noch nie gehört, daß ein Bär einen Menschen aus freien Stücken angefallen habe, ausgenommen es war eine Bärin, die ihre Jungen vertheidigte. Auch der Schaden, den er dem Landmann thut, wäre nicht so bedeutend, wenn er nicht im Sommer, wo noch keine Beeren im Walde stehen und die Eicheln noch nicht reif sind, sich an die zahmen Schweine hielte; hat er aber erst einmal den Geschmack von diesen weg bekommen, dann thut er auch ungeheueren Schaden, weil er nur gezwungen Aas frißt und sich, wenn er's irgend haben kann, jede Nacht ein frisches Schwein holt. In diesem Fall muß er gejagt und erlegt, oder wenigstens aus der Gegend vertrieben werden, denn nicht immer können die Hunde im Sommer einen mageren Bären einholen, der ihnen oft im offenen Walde durch seine Schnelle entgeht. -- Der Bär hält aber, wie der Dachs, seinen Winterschlaf, liegt mehre Monat fest in seinem gewählten Lager, wo er sogar schwer zu erwecken ist; in dieser Zeit wäre dann Pürschjagd wie Hetze vergebens. Die Schlafzeit dauert in Arkansas, wo das Klima ziemlich mild ist, von Weihnachten bis Ende Februar; während dieser ganzen Zeit frißt er weder noch säuft er, und in dieser Zeit ist sein Magen inwendig mit einer reinen, öligen Fettigkeit überzogen. Anfang März aber fängt er zuerst an, den nächsten Bach aufzusuchen, um seinen Durst zu löschen und kehrt dann immer wieder in das Lager zurück. Sonderbarer Weise tritt er hierbei stets, so oft er auch gehen mag, in seine zuerst gemachten Fährten, die dann zuletzt breit und deutlich ausgetreten und =stepping path= oder Schrittpfad von den Jägern genannt werden. Finden diese in eben der Jahreszeit eine solche Fährte, so ist der Bär selten weit entfernt. Sein Bett wählt er aber sehr verschieden; zeigt sich der Winter streng, so sucht er in gebirgigem Lande eine Höhle, in sumpfigem einen hohlen Baum aus, um dort vor der Kälte geschützt zu sein; dabei kratzt und scheuert er mit merkwürdiger Sorgsamkeit den letzteren inwendig so glatt und rein, wie es ihm mit seinen gewaltigen Branten, die hierzu gerade kein schlechtes Handwerkzeug sind, nur irgend möglich ist. Hat er endlich Alles in Stand, so steigt er langsam und besonnen, daß man kaum die Spur seiner scharfen Krallen in der rauhen Rinde bemerken kann, hinauf und dann durch die Öffnung, mit dem Hintertheil zuerst, in sein vorher bereitetes Lager hinab, wo das faule Holz, das er an den Seitenwänden herunter gekratzt hat, gewöhnlich ein sehr weiches Bett bildet. Anders ist es, wenn er von den Hunden verfolgt, einen Baum ersteigt, und im Hinaufspringen, von den stärksten, härtesten Eichen ordentliche Stücke Rinde herunterschlägt. Ist der Winter gelind, so nimmt er sich all' diese Mühe nicht einmal, sondern geht entweder im sumpfigem Lande in einen Schilfbruch, wo er von dem hohen, grünen Schilf so viel abreißt, als er zu einem bequemen Lager nöthig zu haben glaubt, das er sich dann auch in einer der unzugänglichen Gegenden des Bruches zurecht macht, oder er sucht in bergigem Lande ein unwegsames Dickicht und bettet sich hier, auf einer Streu von zusammengetragenen zarten Zweigen, in den Wipfel irgend eines umgestürzten Baumes. Die Ranzzeit fällt in den August, und nicht selten gerathen sich dann ein Paar der schwarzen Burschen auf eben keine freundliche Art in die Haare. Einen hübschen Zug erzählen dabei die amerikanischen Jäger von dem männlichen Bären, der, wenn er wirklich wahr ist, einen merkwürdigen Überlegungsgeist kund thut. Sehr häufig fand ich nämlich in den Wäldern, besonders an Sassafrasbäumen und Kiefern, die tief eingerissenen Zeichen des Gefänges und der Krallen von Bären, die stets in größtmöglichster Höhe an den Stämmen hinauf gelangt hatten; auf meine Anfragen erhielt ich folgenden Bescheid, in dem die Jäger von Norden bis Süden übereinstimmen. In der Ranzzeit folgt der Bär der Fährte der Bärin, wird aber oft, wenn von einem stärkeren überholt, aus dem Felde geschlagen, von einem schwächeren, wenn nicht besiegt, doch wenigstens belästigt; um diesem nun zu begegnen, soll der Bär, so er sich stark und alt genug fühlt einen Kampf mit Seinesgleichen zu wagen, sobald er die warme Fährte einer Bärin angenommen hat, sich an einem dicht daneben stehenden Baum -- am liebsten Sassafras oder Kiefer -- in die Höhe richten und ohne die Hintertratzen von der Erde zu heben, so hoch hineinbeißen und so hoch daran hinauf kratzen, als er möglicher Weise kratzen und beißen kann, worauf er ganz gemüthlich seinen Weg fortsetzt. Kommt nun nach einiger Zeit ein anderer desselben Weges, auf derselben Fährte, so findet er natürlich die für ihn zurückgelassenen Zeichen und mißt nun, sich eben so am Baume emporrichtend, seinen vorangegangenen Nebenbuhler; -- kann er dessen Merkmale überreichen, oder kommt er ihnen wenigstens gleich, so folgt er und nimmt die Herausforderung an; kann er das aber nicht, ist er vielleicht viel kleiner, so klemmt er das kleine Stückchen Ruthe, was ihm Mutter Natur verstattet hat, zwischen die Beine, oder macht wenigstens die Bewegung damit, als ob er es thun würde, wenn sie lang genug wäre, und trollt den eben gekommenen Weg zurück, um wo möglich eine andere Fährte auszusuchen. Die Bärin wirft im Februar, oft schon Ende Januar, in einem hohlen Baum oder in einer Höhle, zwei bis vier Junge, die sie bis zur Ranzzeit bei sich behält und die sich auch oft noch nach dieser wieder zu ihr gesellen, doch soll sie dabei die Gesellschaft des alten Bären meiden, dem nachgesagt wird, er fräße manchmal seine eigenen Jungen, was ich jedoch, zu seiner Ehre, nicht glauben will. Die ungeheuere Aufopferung, mit der die Bärin übrigens ihre Jungen vertheidigen soll, kann nicht als allgemein angenommen werden. Ja, es giebt Fälle, wo sie ihr Leben im Kampf über dieselben gelassen hat; aber mit den Bären wird's wie mit den Menschen sein -- bei denen man oft recht liebe, gute Leute, und dann auch wieder recht schofeles Pack findet. Ich selbst weiß mehre Beispiele, wo eine Bärin, sowohl in der Höhle als auch im freien offenen Walde, ihre Jungen, ohne sich weiter um sie zu bekümmere, schmählich im Stich gelassen hat und nur darauf bedacht schien, ihren eigenen Pelz, der noch dazu in damaliger Zeit kaum einen Dollar werth war, in Sicherheit zu bringen. Die _Höhlenjagd_ ist äußerst interessant, aber dabei auch gefährlich, und wird etwa folgendermaßen betrieben. In den unwegsamen Gebirgen des Westens, in die sich der Bär bei einbrechender Kälte zurückzieht, geht der Jäger und sucht, zwischen den am tollsten und wildesten umher gestreuten Felsblöcken, an steilen Wänden hinkletternd und Schluchten und Spalten durchkriechend, nach Höhlen, in die er dann mit angezündeter Kienfackel oder mit einem aus wildem Wachs gekneteten Lichte eindringt. Oft verrathen schon die in der Nähe der Höhle abgenagte Büsche den Besuch, der für einige Zeit in ihnen zu wohnen beabsichtigt, oder der =stepping path=, der hinein führt, wenn die Jahreszeit schon weit vorgerückt ist, oder die vor der Höhle umher liegende Losung, den Eingewinterten; am sichersten ist es aber stets, den Ort selbst zu untersuchen, und daß diese Jagd dann nicht zu den leichtesten gehört, ist sehr erklärbar. Ich weiß mich Tage zu erinnern, in denen ich in funfzehn, sechszehn Höhlen herumgekrochen bin und mich durch Plätze durchgezwängt habe, von denen ich mir eigentlich jetzt noch selber nicht erklären kann, wie ich wieder heraus kommen konnte -- ohne auch nur einer Kralle zu begegnen. Findet man nun an solchen Ort einen Bären, so muß er beim Lichte der Fackel geschossen und nachher entweder ganz, oder wenn das nicht möglich ist, in Stücken zu Tage geschafft werden. Ich habe übrigens diese Höhlenjagd in meinen »Streif- und Jagdzügen«[3] sehr ausführlich behandelt und will hier nur, um dem Leser einen kleinen Begriff von diesen freundlichen Orten zu geben, das Innere derselben ein wenig beschreiben. 3: Streif- und Jagdzüge durch Nordamerika. Leipzig, Arnoldische Buchhdl. Von der Natur gebildet scheinen sie fast alle schon so lange wie die Erde überhaupt zu bestehen, und finden sich meistens in Kalksteinfelsen, in die sie manchmal nur zehn bis zwölf Fuß, dann und wann aber auch 4-500 Schritt hinein gehen und an manchen Stellen geräumig genug sind, daß der Jäger aufrecht in ihnen stehen kann, dann aber auch wieder eng genug zusammen laufen, um nur mit größter Anstrengung ein Durchpressen möglich zu machen. Im Innern sind sie an den Seitenwänden glatt, oft von dem Anstreichen der Raubthiere, die seit Jahrhunderten sie bewohnten, spiegelblank, oben aber gewöhnlich mit Stücken Tropfstein behangen, der auch unten, wenn sich nicht weicher, thoniger Boden findet, das Fortkommen sehr erschwert. In diese Höhlen nun ziehen sich nicht allein Bären, sondern auch andere Raubthiere, als Panther, Waschbären und Füchse, wie Schlangen, Eidechsen und Fledermäuse zurück, um ihren Winterschlaf entweder wie der Bär zu halten, oder in den warmen Erdgängen gegen die Kälte geschützt zu sein. Die Fledermäuse besonders hängen an den Hinterbeinen von der Decke herunter und zirpen und zischen, wenn ihnen die Kienfackel zu nahe kommt. Der Bär selber liegt, wenn er schläft, auf dem Bauche und hält die Stirn, die Nase an die Brust gedrückt, mit beiden Tatzen, wie betend, umfaßt. -- Nur wenn er wacht, saugt er und wahrscheinlich blos aus Spielerei, an den Branten, Kinder haben das Daumenlutschen ja auch an sich, wobei er ein leises, winselndes Geräusch von sich giebt. In der Höhle angegriffen, ist er sehr scheu und versucht stets sein Bestes, durch die Flucht einer sich nähernden Gefahr zu entgehen; im Freien dagegen ist er viel heldenmüthiger. Ich selbst habe eine Bärin in einer der tiefsten Höhlen der Ozarkgebirge angeschossen, und bin, von ihr gefolgt, zurück gewichen, bis sie einen anderen Zweig der Höhle annahm und ich im Stande war, mir meine Büchse, die ich hatte zurücklassen müssen, wieder zu holen und zu laden; die Bärin aber, als ich ihr nachher aufs Neue zu Pelze rückte, obgleich sie ihre Jungen in unserer Gewalt wußte, wagte nicht mich anzugreifen, sondern saß, in wilder Wuth den thonigen Boden vor ihr mit den scharfen Krallen zerhauend, auf ihrem Hintertheil und schnappte in ohnmächtiger Wuth mit dem Gefänge, bis sie die zweite, tödtliche Kugel erhielt. Hat der Bär in einem Baum seine Zuflucht gekommen und wird er vom Jäger aufgefunden, was dieser aus den freilich nicht sehr deutlichen Zeichen in der Rinde erkennen muß, so ist sein Loos allerdings kein sehr beneidenswerthes. Entweder wird der Baum umgehauen und Petz auf diese Art in seiner besten Ruhe gestört und durch den Sturz betäubt, wenn er endlich schlaftrunken emportaumelt, von dem ihn Erwartenden mit einer Kugel und von einer Meute Hunde empfangen, von denen er sich gewöhnlich gar keine Idee machen kann, wie sie alle da so geschwind hingekommen sind; oder er wird mit Rauch von unten heraus getrieben, was ihm höchst fatal ist, so daß er gewöhnlich brummend seinen bisherigen Ruheort verlassen will, bis ihn auch hier, sobald er sich oben an der Öffnung zeigt, eine todtbringende Kugel empfängt. -- Am schnellsten und komischesten ist das Heraustreiben desselben mit einem Feuerbrand; denn wenn die Höhlung des Baumes nicht bis an die Wurzel geht, daß also der Rauch auch nicht zu dem Schlafenden hinauf dringen kann, so muß, im Fall die Jäger keine Axt mit haben und der Baum zu stark ist, um ihn mit den kleineren Tomahawks umzuhacken, Einer von diesen mit einem Feuerbrand hinauf klettern, den er dann oben in die Höhlung und dadurch gewöhnlich dem Bären auf den Pelz wirft; kaum spürt Petz aber die Glut, als er voller Entsetzen in die Höhe fährt und oft den Erdboden viel früher als der gewiß nicht zögernde Jäger erreicht. Daß er sich von dem Baum herunter stürzt, ist eine Fabel; er behält diesen zwischen den Branten und gleitet gewissermaßen daran nieder, aber so schnell, daß er kaum den Stamm zu berühren scheint, und wie ein schwarzer Blitzstrahl zwischen die ihn unten erwartenden Hunde hineinfährt; thun diese dann aber nur im mindesten ihre Schuldigkeit, so darf er nicht entkommen, denn, noch halb im Schlafe, hat er weder sein volles Bewußtsein noch seine vollen Kräfte, und wird leicht von ihnen gestellt und dem herbeieilenden Jäger zur Beute. Ist der Bär in jagdbarer Zeit, um Nutzen von ihm zu ziehen und nicht des Schadens wegen, den er thut, erlegt, so wird er gleich an Ort und Stelle abgestreift, abfließt und dann zerlegt. Das »Abfließen« nennt man das Ablösen des Fließes (der Speckseiten), die dann in das Innere des Felles eingeschlagen und auf eins der Pferde befestigt werden; das Wildpret wird nachher ebenfalls zusammen gebunden und, auf dem Rücken der Lastthiere hängend, mit fortgenommen. Sind aber die Jäger in einem größeren Lager und haben sie einen Kessel zum Fettauslassen mitgenommen, dann wird diese Arbeit gleich im Walde vorgenommen und das ausgeschmolzene Wildpret bekommen nachher die Hunde, die besseren Stücken behalten natürlich die Jäger zu ihren eigenen Mahlzeiten. Das Beste am Bären sind die Federn,[4] und eine recht fette Wand, auf zwei Hölzern am Feuer geröstet; das herunter träufelnde Fett nachher mit dem trockenen Bruststück des Truthahns aufgefangen und das Ganze mit einem heißen Becher starken Kaffees hinunter gespült -- beim Schreiben läuft mir schon, bei der bloßen Erinnerung, das Wasser im Munde zusammen. 4: Für den Nicht-Jäger »Rippen.« Das sind übrigens die Lichtseiten der Bärenjagd -- die Schattenseiten aber schauen viel düsterer d'rein. -- Wochenlang in Sturm und Regen den Wald durchzogen, Jäger und Hunde halb verhungert -- (denn ist man einmal ausgegangen, um Bären zu schießen, so läßt man sich nicht gern mit geringerem Wild ein.) -- Alle zu Tode erschöpft und immer noch keine warme Fährte -- endlich werden die Hunde lebendig, sie wittern den Feind, sie wissen, daß ihrer, mit dessen Erlegung, Ruhe und Stärkung wartet; sie strengen ihre letzten Kräfte an und fort geht die Jagd, über Stock und Stein -- sie überholen ihn, werfen sich in blinder Wuth auf ihn -- aber der Jäger hat durch die Dickichte oder steilen Schluchten nicht so schnell mit seinem Pferde folgen können; der Bär, ein alter erfahrener Bursche, -- nicht gerade mager, aber doch nur feist genug, um tüchtig laufen zu können, schlägt die Hunde zurück, tödtet drei oder vier, verkrüppelt andere und ist, wenn trübe Dämmerung den rasch nahenden Abend verkündet, fern von aller Gefahr und von der für ihn sorgsam aufgesparten Kugel unerreicht, -- das sind Schatten-, das sind Nachtseiten, die leider nur zu oft vorkommen. Am Lagerfeuer herrscht dann sehr üble Laune, und den nächsten Tag ist der Jäger äußerst zufrieden, wenn er nur noch so glücklich ist, einen Hirsch zu erlegen, um mit seinen übrigen Hunden, wieder eine Mahlzeit halten zu können. -- Der Bär, obgleich zu den Raubthieren gehörig, nährt sich doch nur, ausgenommen im äußersten Nothfall, von Früchten und Insekten, und greift nur im Sommer, wo er seine Nahrung zu sparsam zusammen suchen muß, Schweine und fast _nur_ Schweine an, zwischen denen er dann freilich oft recht arge Verwüstung anrichtet. Hauptsächlich lebt er von Eicheln, anderen Waldfrüchten und Beeren, und wird in fruchtbaren Jahren oft so feist, daß er fünf bis sechs Zoll Feist ansetzt. Ein ordentliches Bärenmesser darf daher auch eigentlich nicht weniger als 9 Zoll in der Klinge haben, wenn es in allen Fällen gerecht sein soll. Zu dem jagdbaren Wilde Nordamerika's gehören auch einige Raubthiere, die eine zu wichtige Rolle im Walde spielen, um ganz unerwähnt zu bleiben. Der _Panther_ muß mit Recht an die Spitze kommen, denn er ist der stärkste und gefährlichste Gegner des Menschen, und auch wohl das einzige Raubthier in dem weiten Urwald, das der Jäger zu fürchten hat, da es Nachts die Lager umschleicht und in manchen, aber doch sehr seltenen Fällen schon dem sorglos Schlummernden gefährlich geworden ist. Heerden und Schweine und Kälber, Fohlen, und selbst erwachsene Pferde fallen seinem Blutdurst. Hauptsächlich nährt er sich jedoch von Hirschen und kleinerem Wild, beschleicht Nachts die Salzlecken oder lauert, im Laub der Bäume versteckt, auf die ruhig darunter hin Äsenden. Von den Hunden gehetzt, bäumt er am Tage sehr leicht auf, Abends und Nachts aber verläßt er sich lieber auf seine Gewandtheit und List, bringt die Hunde durch falsche Sprünge von der Fährte ab und entgeht ihnen meistens. Er wird etwa so groß wie ein tüchtiger Fleischerhund, ist ziemlich von der Farbe des Rothwildes und färbt, wie dieses, im Winter; sein Fell hat keinen großen Werth und die Jagd auf ihn wird daher auch nicht, wenn er sich nur irgend entfernt von den Ansiedelungen hält, besonders lebhaft betrieben. Sonderbar ist es, wird aber allgemein behauptet, daß er, so scheu er auch am Tage den Menschen flieht, mit wilder Blutgier schwangere Frauen anfalle und zerreiße. Der _Wolf_ steht dem europäischen an Größe bedeutend nach, lebt aber wie dieser in Rudeln zusammen und geht gemeinschaftlich auf Raub aus; doch nur fürchterlicher Hunger könnte ihn dazu zwingen, einen Menschen anzugreifen, denn er ist feig und flieht bei dem leisesten Geräusch. Im Mai wirft die Wölfin 3-6 Junge, unter denen, wie die Sage geht, jedesmal ein Wolfshund sein soll, der später der grimmigste Feind der Wölfe wird. -- Diesen nun aufzufinden, führt die Wölfin die Jungen, sobald sie laufen können, an ein Wasser, um sie zu tränken. Hier verräth sich der Wolfshund, der nach Hundeart _leckt_, während die wirklichen, ächten und treuen Wölfe _saufen_, und augenblicklich wird der junge, bis dato noch unschuldige Verräther, zu Tode gebissen. Nicht so schlau als der unsere, fängt man ihn häufig in Fallen, die gemeiniglich aus einem, aus schweren rohen Baumstämmen zusammengefügten Kasten bestehen, in dem zuerst, ehe er ganz beendigt ist, das Gescheide eines Hirsches oder anbrüchiges Fleisch geworfen wird, das er sich gemeiniglich bald holt, dann auch später den aufgerichteten Deckel nicht scheut und sich plötzlich gefangen sieht. Da er, in Fuchsfallen oder Ottereisen erhascht, gewöhnlich den fest gehaltenen Lauf abbeißt, so läßt der amerikanische Jäger die Falle unbefestigt stehen, hat aber eine drei bis vier Fuß lange, schwache Kette daran, an der ein vierhakiges Eisen hängt; dieses faßt überall, wenn der Wolf mit der Falle zu entfliehen sucht, hinter Büsche und Wurzeln, wird aber stets wieder von dem darin Sitzenden losgemacht, der sogar schon den Haken in's Gesänge genommen und zu entziehen versucht hat; aber nie greift er zum äußersten Mittel, sich den Lauf abzubeißen, so lange er noch eine Hoffnung auf Entkommen hat und wird nachher leicht mit dem Hunde ausgemacht. In Canada hörte ich von sehr vielen Farmern, daß sein Biß, selbst bei einer leichten Verwundung, tödtlich sein solle; das ist aber wohl nur Fabel. Thatsache ist es übrigens, daß Jahre vergingen, ehe sich die Wölfe an die dortigen Landgüter hinanwagten, als zuerst auf ihnen -- Schafe aus Europa eingeführt wurden. -- Sie kannten die rauhen wolligen Thiere nicht und fürchteten sie ungemein -- wie sie aber erst einmal, durch Zufall oder peinlichen Hunger getrieben, den Geschmack derselben weg bekamen und sie als harmlose, nicht gefährliche Geschöpfe kennen lernten, räumten sie fürchterlich zwischen ihnen auf. In seiner Naturgeschichte ähnelt er sonst den europäischen Wolfe in allen Stücken, nur ist er bedeutend kleiner und schwächer als dieser. -- Der graue oder Prairiewolf ist eine Abart, sieht hellgrau aus, ist noch kleiner und furchtsamer als der schwarze, und lebt meistentheils in den Steppen. Der _Fuchs_. Es wäre nicht halbrecht, Reinecken auszulassen, wo von Wild die Rede ist, obgleich er in Amerika eine ziemlich untergeordnete Rolle spielt. Erstlich ist er bedeutend kleiner als der unsere, giebt ihm aber wohl kaum an Schlauheit nach und weiß tausend Mittel und Wege, die Hunde von seiner Spur abzubringen. Eine Eigenthümlichkeit hat er übrigens vor dem europäischen voraus -- er bäumt auf, was fast unglaublich klingt; ich selbst wollte aber auch meinen Augen nicht trauen, als ich zum ersten Male den Hunden zueilte, deren wildes Bellen und Klaffen zeigte, daß sie ihn gestellt oder, wie ich damals glaubte, in seinen Bau gejagt hatten; ich wußte jedoch wahrlich kaum, was ich sagen sollte, als ich den rothen Schelm ganz gemüthlich in einem jungen Baum, etwa 12 Fuß von der Erde, erblickte, wo er sich in die ersten auszweigenden Äste eingeklemmt hatte und, vor den Hunden wenigstens, geschützt war; er schnitt aber ein Gesicht wie eine Katze, die beim Milchnaschen ertappt wird, als er mich kommen sah, denn an Fliehen war nicht mehr zu denken, da zwölf rüstige Hunde den kleinen Baum umtobten. In Amerika bäumt übrigens fast alles Wild auf, Büffel, Hirsche und Wölfe ausgenommen; selbst die Kaninchen kriechen wenigstens inwendig in hohlen Bäumen hinauf und die Rebhühner, vom Hunde verfolgt, fallen fast stets in die Bäume ein; es ist einmal die Natur des Wildes dort, in dem ungeheueren Wald auch die Bäume zum Zufluchtsort zu wählen. Der Fuchs lebt übrigens in hohlen Bäumen, kann aber nicht etwa klettern, sondern wirft sich nur, in äußerster Noth mit Springen und Anklammern, zwischen die niederen Äste eines jungen Stammes und bleibt da eingeklammert sitzen. Den Schluß mögen zwei ächte Amerikaner machen, der Waschbär (=racoon=) und das Opossum oder die Beutelratze. Der Waschbär, dessen Fell unter dem Namen »Schuppen« eine bedeutende Rolle auf den deutschen und russischen Märkten spielt, findet sich, besonders in den sumpfigen Thalländern des Mississippi und anderer großen Ströme, in ungeheuerer Menge, und wird dort an Ort und Stelle wenig oder gar nicht geachtet. Die Krämer bezahlen sein Fell in jener Gegend mit etwa vier guten Groschen. Der Waschbär ist übrigens an und für sich ein sehr liebes, possirliches Geschöpf, und ähnelt, obgleich er nie größer als ein starker Dachshund wird, in sehr vielen Stücken dem Bär, zu dem er auch, dem Geschlechte nach, gehört. Er lebt von Beeren, Waldfrüchten und Insekten, und liegt, wenn ruhend, in der nämlichen Stellung wie sein vierschrötigerer Vetter. Den Namen _Waschbär_ hat er mehr von seiner Neigung zu nassen Nahrungsmitteln als wegen seiner Reinlichkeit, denn das, was die Leute bei ihm _waschen_ nennen, ist doch nichts mehr als ein Anfeuchten seines Fraßes. Er kann leicht gezähmt und zu allen möglichen Kunststücken abgerichtet werden; sein Fleisch ist dabei delikat und hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem Bärenwildpret, nur daß es nicht wie dieses, wenn es anbrüchig wird, leichenähnlich, sondern wie anderes Wildpret riecht. Das Weibchen wirft 3-5 Junge und thut im Sommer den Maisfeldern ungeheueren Schaden, weshalb ihm auch die Landleute schon aus diesem Grunde sehr nachstellen. Sein Fell ist grau und sein buschiger Schwanz mit schwarz und gelben Ringen umzogen. Im Winter wird er mit Hunden gehetzt und zu Baume gejagt. Das _Opossum_, oder die Beutelratze, steht an Größe dem Waschbären kaum nach, sieht aber ganz grau und ratzenartig aus und hat, wenn man es an einem regnerischen Tage durch den Wald trollen sieht, in der That die wirkliche Gestalt einer kolossalen Ratze, die über irgend etwas sehr erschrocken und blaß geworden ist. Besonders geben ihm der kahle, dicke Schwanz, wie die fingerartigen Krallen, ein außerordentlich widerliches Ansehen. Äußerst komisch aber schaut es drein, wenn man ihm im Wald plötzlich begegnet und dicht zu ihm hinan geht. Zusammenfahrend legt es sich dann halb auf die Seite und ängstlich, mit weit aufgerissenem scharfen Gefänge, in die Höhe blickend, zieht es die Lefzen so weit zurück, daß es gerade so aussieht, als ob es den Störer seiner Ruhe angrinze und sich unendlich über seinen Besuch freue; es macht dann auch nicht den mindesten Versuch zu entgehen, und läßt sich nur mit einiger angewandten Vorsicht, wobei man sich besonders nicht so schnell nach ihm hinunter bücken darf, sogar hinter dem Gehör kratzen, was ich oft versucht habe, denn es hat keinesweges einen bissigen und bösartigen Charakter; schlägt man es aber mit einem Stocke, und sei es noch so leise, oder sieht es mehre Hunde (_einem stellt es sich_) kommen, so fällt es auf einmal um und ist anscheinend todt. Diese mögen es nachher beißen, daß ihm die Rippen krachen -- der Jäger mag es in die Höhe nehmen und wieder hinwerfen -- es ist todt und rührt sich nicht, und erst im wirklichen Todeszucken oder in tiefes Wasser geworfen, wo es seine Rolle vergißt und schnell zu schwimmen anfängt, zeigt es Bewegung. Dieses kleine Thier beweist dabei, während der fürchterlichsten Qualen, die es doch nothwendiger Weise unter den wüthenden Bissen der Hunde ausstehen muß, selbst noch im Tode eine solch merkwürdige Geistesstärke, mit der es das Schlimmste erträgt und nicht zuckt, ja selbst keinen Laut von sich giebt -- daß ich mich später, als ich seine Eigenthümlichkeiten recht kennen lernte, nie mehr entschließen konnte, eins _umzubringen_, denn unter diesen Verhältnissen erschien es mir ein wirklicher Mord. Äußerst komisch sieht es aber aus, wenn man es hinter einem Baume vor beobachtet, wie es aus seinem anscheinenden Tode wieder erwacht. Zuerst, wenn Alles ruhig und still ist, und es sich fest überzeugt glaubt, daß sein Feind den Platz verlassen hat, öffnet es leise die kleinen Lichter und äugt -- so wenig als möglich den Kopf dabei bewegend, überall umher; kann es nichts weiter erspähen, so streckt es behutsam die winzigen Lauscher vor und horcht -- Alles ruhig; jetzt hebt es den Kopf, blinzt rings im Kreise umher, liegt noch ein Weilchen ganz ruhig, wo es beim geringsten Geräusch wieder in seine vorige Stellung und Leblosigkeit zurücksinkt, und richtet sich zuletzt, wenn es den Frieden völlig wieder hergestellt glaubt, auf und trollt ab. Wird es verfolgt und kann in der Geschwindigkeit einen Baum erreichen, so bäumt es auch auf, wobei es mit ungemeiner Gewandtheit klettert, doch benutzt es, um an starken Bäumen emporzuklimmen, gewöhnlich die herunter hängenden, wilden Weinreben. Sein Fleisch, das zart und schön aussieht, wird von Vielen leidenschaftlich gegessen, die dann behaupten, es schmecke wie junge Ferkel; ich konnte aber nie meinen Ekel vor seiner häßlichen Gestalt so weit überwinden, davon zu kosten. Seine nackten Jungen trägt es, wie das Känguruh, nach der Geburt noch eine lange Zeit in einem sich unter dem Bauche befindenden Beutel umher; in den sie sich auch, wenn sie schon herumlaufen können, bei jeder nahenden Gefahr hineinflüchten. Das ist etwa der Urwald mit seinen Bewohnern, der nun freilich noch durch unzählige kleinere Vögel belebt wird. Schaaren von Tauben und kleinen Papageien durchschwärmen die Luft, und im Herbst und Frühjahr füllen unzählige Völker von wilden Enten und Gänsen die fließenden Wasser und einsamen Waldseen des gewaltigen Reiches, deren Jagd besonders in den südlichen Staaten, in Louisiana, wo sie, aus dem hohen Norden kommend, überwintern, äußerst interessant ist. Louisiana kann ich aber nicht erwähnen, ohne der Schnepfenjagd dabei zu gedenken, die ich dort von Anfang Februar bis Mitte März getrieben. Fast fürchte ich jedoch hier in Deutschland, wo die Schnepfe eigentlich zu den Seltenheiten gehört, keinen Glauben zu finden, wenn ich die Zahl angebe, die ich jede und jede Nacht erlegt habe; ich will aber die Sache erzählen, wie sie wirklich ist, und derjenige, welcher je die Ufer des Mississippi nach mir betritt und in dem flachen Lande, das an seinen Ufern, zwischen diesen und den weiter zurückliegenden Sümpfen liegt, jagt, wird finden, daß ich nicht übertrieben habe, denn jene Massen können nicht vernichtet werden. Die ungeheueren Schilf- und Sumpfdickichte dienen der amerikanischen Waldschnepfe und Becassine den Tag über, zum Aufenthalt, und mit Dunkelwerden, wie bei uns, streichen sie in die offen liegenden nassen Wiesen und Baumwollenfelder. Nun könnte man sich zwar anstellen und sie auf dem Strich schießen, denn _Tausende_ schwärmen aus den schützenden Büschen in's Freie; die Bäume sind aber dazu zu hoch und eine viel bequemere, Kraut und Blei sparende Jagd betreibt der Creole dort, zu dessen Lieblingsgerichten die Schnepfe gehört. Auf ähnliche Art habe auch ich _jede_ Nacht -- über sechs Wochen hinter einander, gejagt, wobei ich selten und nur dann, wenn das Wetter ungünstig war, nach zweistündigem Umherwandern weniger als zwölf bis achtzehn Schnepfen hatte. Die Schnepfe wird aber hier, wie der Hirsch im Walde, bei Fackellicht geschossen. Mit eben solcher Pfanne versehen, wie ich sie für die Feuerjagd des Rothwildes beschrieben habe, betritt der Jäger Abends nach Dunkelwerden, wenn der Wind nicht zu stark bläst und der Mond nicht zu hell scheint, die feuchten Wiesen. Ein Sack mit feingespaltenem Kienholz hängt an seiner Seite oder wird besser von einem ihm dicht folgenden Begleiter nachgetragen, der dann auch das Wiederauflegen des herunter gebrannten Kiens besorgen muß, um stets eine recht helle, lebhafte Flamme zu unterhalten, und jetzt, in der rechten Hand die leichte Doppelflinte, in deren Rohren sich nur eine Viertelladung befindet, um die kleine Schnepfe (sie sind bedeutend kleiner als bei uns, den deutschen sonst aber ziemlich ähnlich) nicht zu sehr zu zerschießen, wandert der Jäger leise und höchst aufmerksam, das kurze Gras der Wiesen überschauend, an kleinen, feuchten Gräben und nassen sumpfigen Stellen entlang. Auf dreißig Schritt schon kann er, wenn er eine recht gute Flamme führt, die Schnepfe erkennen, die, entweder das Feuer gar nicht beachtend, sorglos weiter läuft und den langen Schnabel in den weichen Erdboden hineindrückt, oder mit auf den Rücken gelegtem Kopf, den Schnabel vor sich hinausstreckend, stehen bleibt und den Herankommenden ruhig erwartet. Auf zehn bis zwölf Schritt habe ich gewöhnlich geschossen und natürlich nur selten gefehlt, was aber dennoch manchmal vorfällt, da das Feuer oft auf dem hellen Lauf, den man bei einer Schrotflinte übersehen muß, blendet, und man beim Abdrücken schon hinan zu sein glaubt, die Schnepfe aber dennoch unterschießt. Durch den Schuß oder auch durch den ihr zu nahe auf den Leib rückenden Jäger aufgescheucht, steigt sie mit schwirrendem Laute gerade in die Höhe, fällt aber auch augenblicklich in einem kleinen Bogen und fast stets noch im Bereich des Feuerscheins wieder ein, und kann schnell auf's Neue gefunden werden. So wenig scheut sie die Flamme, daß viele Neger, deren Herr ihnen nicht erlaubt, eine Flinte zu führen, Nachts mit der Fackel und lang abgeschnittenen Zweigen hinausgehen und sie zu Boden schlagen. In der einen Ansiedelung, =Pointe Coupée= am Mississippi, die sich etwa zwei englische Meilen in das Land erstreckt und zwei und zwanzig englische Meilen am Fluß hindehnt, werden doch in jedem Jahre, (d. h. in den sechs Wochen, denn im Herbst läßt sie sich nicht in den Wiesen sehen) wenigstens 10,000 Schnepfen und Becassinen erlegt und theils nach New-Orleans und in die kleinen Städte auf den Markt gebracht, theils selbst verzehrt. Bei dieser Nachtjagd, zwischen den zahlreichen Lagunen der Niederung umher, schoß ich denn auch sehr häufig dort eingefallene Enten, ja einmal selbst eine wilde Gans, für die ich jedoch besonders laden mußte; auch Kaninchen und Rebhühner, die man in den Baumwollenfeldern auftreibt, halten, und ich glaube gewiß, daß man eben dieselbe Jagd hier in Deutschland, wenigstens auf Enten und Hühner, betreiben könnte; denn Schnepfen sind doch dazu zu selten; -- es kommt natürlich nur einmal auf einen Versuch an. Die Bewaffnung eines Bärenjägers in Arkansas, der sich nicht fortwährend in drei und vier Meilen um sein Haus herum treibt, sondern längere Züge in die Waldung unternimmt und oft wochenlang keine Wohnung, außer der, die er sich selber aus Rindenstücken aufbaut, zu sehen bekommt, ist etwa die folgende. Eine gute einläufige Büchse und ein Bärenmesser -- etwa 9 Zoll lang in der Klinge und zwei und einen halben breit, mit der gehörigen Schwere, um nicht allein kleine Lagerstangen, sondern auch beim Zerlegen des Wildes das Schloß ohne Mühe durchschlagen zu können, dazu ein kleineres, kurzes Messer (Scalpirmesser) ausschließlich für das Zerwirken und Essen bestimmt und dann ein Tomahawk (indianisches Beil) im Gürtel, um im Nothfall stärkere Bäume umhauen, Kienholz spalten und ein tüchtiges Lager bauen zu können, ist Alles, was er als Vertheidigungs- und Angriffswaffen bei sich führt; zu seiner Bequemlichkeit trägt er aber noch eine wollene Decke zusammengerollt auf dem Rücken, und einen Blechbecher an einem Henkel im Gürtel, um in diesem Abends, wenn er seine Decke aufgespannt oder ein Rindendach erbaut hat, etwas von dem gebrannten Kaffee, den er in einem ledernen Säckchen in die Decke gewickelt mit sich führt, erst mit dem Stiel seines Tomahawks im Becher zu stoßen und dann in diesem zu kochen. Die Bekleidung besteht fast ganz aus Leder, was die Unzahl von dornigen Schlingpflanzen, die überall den Wald durchziehen, nöthig machen. Ein ordentlicher Jäger muß aber nicht allein sein eigener Schneider und Schuster sein, sondern er gerbt auch die Häute, die er verwenden will, selber, und nur dann kann er sich in jenen gewaltigen Wäldern unabhängig fühlen, wenn er aus sich selbst sich zu erhalten, zu nähren und zu bekleiden vermag. Doch ich bin weitläufiger geworden, als im Anfang meine Absicht war, und muß schließen, um nicht zu breit und dadurch langweilig zu werden, glaube aber in dieser kleinen Skizze einen ungefähren Umriß von der nordamerikanischen Jagd, wie ich sie durch sechsjährige Erfahrung und fast vierjährigen, ununterbrochenen, praktischen Betrieb kennen gelernt, gegeben zu haben. Die Jagd ist jedoch in den endlosen, wilden Wäldern des noch neuen Landes kein Vergnügen mehr, das man sich zur Erholung gestattet, sondern es ist eine Arbeit, die, weil man einmal darin ist und leben muß, vollzogen sein will, verliert daher vieles von ihrer Annehmlichkeit. Dabei verringert sich, durch das rücksichtslose Jagen, das Wild mit jedem Jahre, die Mühe wird daher immer größer, der Erfolg immer weniger belohnend; dennoch aber ist's ein eigenes herrliches Gefühl, ganz so auf sich und seine eigene Kraft angewiesen zu sein und frei, ungehindert wie der Vogel in der Luft, den Wald durchziehen zu können. Hat dann der einsame Jäger Abends sein Feuer angezündet, sein schnell errichtetes Dach über sich ausgespannt, so ist er auch zu Hause, denn der Wald ist ja seine Heimath und jedes dichte Laubdach seine Schlafkammer. Wer freilich mit der Idee nach Amerika geht, dort Geld zu verdienen, ja der soll um Gottes willen die Flinte an den Haken hängen, denn wenn er auch hören mag, daß die Gallone Bärenfett 1-1/2 Dollar gilt und ein recht tüchtiger, feister Bursche oft funfzehn, ja zwanzig Gallonen mit sich trägt, so ist das Alles recht schön und gut -- er trägt sie eben mit sich und der Jäger kann ihn vielleicht -- wenn er rechtes Glück hat -- nach Monate langer Jagd auffinden und erlegen, und dann ist er gewöhnlich immer in einer Gegend, wo er vor allen Dingen, wenn er das Fett wirklich auslassen kann, dieses in erst gemachte Hirschhautschläuche füllen und dann noch, wer weiß wie weit, zum Verkaufe transportiren muß; Hirschdecken gelten im Sommer kaum acht bis zwölf gute Groschen -- das Wildpret hat fast gar keinen Werth. Nein, zu verdienen ist nichts auf der Jagd; wer jedoch einmal ein Paar Jahre seines Lebens dran wenden will, nun dem bleibt in späteren Zeiten wenigstens die Erinnerung. Es ist aber auch recht so, denn wollte man das edle Waidwerk nur um schnöden Gewinnstes willen treiben, wie im Norden und Westen Amerika's die großen Pelzcompagnieen thun, so würde es zum schändlichsten Morden herabgewürdigt und verlöre all das Schöne und Männliche, das ihm jetzt solch unendlichen Reiz verleiht. -- Doch genug hiervon; ich habe aus meinem Leben, nicht wie ich es von Anderen erzählen gehört oder in Büchern gelesen, sondern wie ich es selbst erfahren und beobachtet, das beschrieben, was in den Urwäldern Nordamerika's innerhalb der vereinigten Staaten lebt und gejagt wird, und bin ich ein wenig weitläufiger dabei geworden, als es Manchem recht erscheint, so mag er bedenken, daß ein Jäger, der von seinen erlebten Jagden erzählt, selten das Ende finden kann. Curtis Brautfahrt An dem kleinen Flüßchen »Fourche la fave,« das sich dreißig Meilen überhalb Little Rock in den Arkansas ergießt, lebte im Jahre 1841 ein Mann Namens Jeremias Curtis. Er war noch, wie er selber sagte, in den besten Jahren, etwa zwischen sechs und dreißig und vierzig, und hatte erst vor zwei Jahren seine Frau an einem hitzigen Fieber verloren, was Wunder also, wenn es ihn mit dem erwachenden Frühling ebenfalls trieb, die heiligen Bande der Ehe auf's Neue zu knüpfen, da noch überdies drei unerzogene Kinder von vier, sechs und sieben Jahren ihn mahnten, daß sie der Mutterpflege bedürfen. Zur Wartung der Kleinen, wie zur Besorgung der Wirthschaft, lebte indessen eine entfernte Verwandte, ein armes, aber braves und auch wirklich recht hübsches Mädchen, Namens Nancy, in seinem Hause, und schon mehrmals war ihm der Gedanke durch den Kopf gefahren, dieses zu heirathen und dadurch jeder weiteren Sorge überhoben zu sein. Jeremias Curtius war aber ein Mann, der nicht blos für die Gegenwart lebte, sondern auch hinaus in die Zukunft schaute, und da glaubte er denn vernünftiger und zweckmäßiger zu handeln, wenn er sich eine Frau wähle, die ihm nicht allein sich selbst, sondern auch noch eine kleine Aussteuer zuführe, auf daß er seine irdischen Güter, wenn er auch keinen Reichthum begehrte, doch um ein Weniges vermehren könne. »Zwar bedurfte er dessen nicht« (wie er sich selbst vor seiner Hausthür auf- und abgehend, herzählte), »er hatte, was er brauchte im Überfluß; hier stand ein recht wohnliches Blockhaus, 18 bis 20 Fuß, wasserdicht gedeckt (die nordwestliche Ecke ausgenommen, wo es hineinregnen _wollte_, er mochte auch thun was in seinen Kräften stand) mit einem guten Boden gelegt; daneben eine kleine Küche und ein Rauchhaus mit »Massen von Fleisch«; dabei neun Acker urbar gemachtes und eingefenztes Land, und dicht daneben noch ein kleines Eckchen für Rüben angefangen; zwei ausgezeichnet gute Pferde; sieben und dreißig Stück Rindvieh, groß und klein (und die viere eingerechnet, die ihm im vorigen Frühjahr in die Arkansas Rohrbrüche gegangen und noch nicht wieder gekommen waren); einige vierzig Schweine (oder nur neun und dreißig, wenn das _seine_ Sau gewesen, die der Bär in letzter Nacht gefressen); eine vorzügliche Stahlmühle; vier Hemden, fünf paar Socken und drei paar Beinkleider (zwei für den Sonntag und noch ganz neu); einen Frack von Kenntucky Jeannet[5], die beste Büchse im ganzen Revier, fünf Hunde, und -- die Hauptsache, einen kleinen Negerjungen von circa neun Jahren, wie hundert und fünfzig Dollar in baarem, harten Gelde -- _harten Gelde_!« 5: Ein grobes wollenes, meist selbstgewebtes Zeug. Curtius wiederholte besonders die letzten Worte verschiedene Male »_hartem Gelde_ -- keines von Euerem lumpigen Arkansas-Papier-Geld -- Arkansas-Real-Estate -- 72 pro Cent Discount -- Puh!« »Aber Mr. Curtis, was haben Sie denn nur heute vor? Sie wollen wohl bei der nächsten Wahl eine Rede halten?« frug Nancy, die schon seit mehreren Minuten in der Thür gestanden und ihm leise kichernd zugeschaut hatte, wie er mit gewaltigen Schritten am Ufer des kleinen, vor seinem Hause vorbeifließenden Baches auf und abging, und lebhaft dazu mit den Händen gestikulirte. »Hat der Braune gefressen?« frug aber Mr. Curtis dagegen, indem er stehen blieb und sich nach seiner Haushälterin umsah, ohne die lächelnde Bemerkung weiter einer Antwort zu würdigen. »Vierzehn Kolben Mais habe ich ihm gegeben,« erwiederte Nancy, »und Bob ist bei ihm stehn geblieben, die Hühner vom Troge zu scheuchen; ich kann übrigens noch einmal hingehn und zusehn, ob er fertig ist und mehr verlangt.« Dabei sprang sie leicht über die dem Hause als Stufen dienenden Klötze hinweg, und hüpfte mit fröhlichen Schritten dem Futterkasten zu, wo das Pferd, ein schönes, braunes Thier, die schon abgenagten Kolben, die sogenannten _Kobs_, zerkaute, und ungeduldig mit dem Vorderfuße den Boden scharrte. »Nun Bill, bist du noch hungrig?« frug das Mädchen, ihm dabei freundlich den Hals klopfend, während Bill, dem die schmeichelnde Hand der Pflegerin zu behagen schien, nur stärker scharrte und mit dem schönen Kopfe auf- und niederfuhr -- »nun warte -- ich hole dir noch ein paar Kolben« und damit wandte sie sich dem Hause wieder zu, wobei der Braune, ihre Absicht wahrscheinlich ahnend und als Zeichen freudiger Beistimmung, hellauf wieherte. Curtis hatte der schlanken, behenden Gestalt des hübschen Kindes mit wohlgefälligem Blicke nachgeschaut, aber ein ernstes, bedeutsames Kopfschütteln verrieth doch, daß er seine ganz absonderliche Bedenken dabei haben mußte, und auf's Neue trat er seinen, kaum unterbrochenen Spaziergang an, wiederum vor sich hinmurmelnd »einen kleinen, neunjährigen Neger und hundert fünfzig harte Dollars -- harte, silberne Dollars.« »Gieb ihm nichts mehr zu fressen, Nancy,« rief er da plötzlich, als er zum Hause aufblickte und Nancy mit dem nachträglichen und dem Braunen extra versprochenen Mais aus der Thüre treten sah -- »ich will fortreiten -- hol' mir einmal die Decke aus dem Rauchhaus -- und reich' mir den Zügel heraus -- er liegt unter meinem Bett.« Nancy that wie ihr befohlen, und bald darauf hatte Jeremias Curtis seinem keineswegs ganz damit einverstandenen Pferde den Zügel an und den Sattel aufgelegt, schnallte sich dann einen äußerst blank gescheuerten Sporn an den linken Fuß, fuhr einige Male mit dem Ellenbogen über den etwas abgetragenen Biber, und schien bei dieser Beschäftigung wieder in tiefes, tiefes Nachdenken zu versinken. Plötzlich aber mußte ein großer Entschluß in seiner Seele gereift sein, denn mit gewaltiger Energie drückte er sich den Hut -- fast etwas zu tief -- in die Stirn, schwang sich in den Sattel, trabte bis vor die Hausthür, und blieb hier halten, wo er Nancy, die ihn verwundert betrachtete, genau fixirte. »Nancy«, sagte er endlich -- »ich will ausreiten.« »Und in Ihren »Geh-zur-Kirche-Kleidern«?« »Ja Nancy, und -- wenn ich vielleicht -- es könnte sein, daß ich -- ich setze den Fall ich käme -- nun Nancy«, brach er kurz ab, »räume das Haus hübsch auf und kehre Alles fein sauber ab; -- wir -- wir bekommen vielleicht -- Besuch!« und dem Thiere den linken Hacken einbohrend, setzte er über den Bach, und trabte schnell die am Fluß hinaufführende Straße, am Fuß der mit Kiefern bedeckten Hügel, fort. Nancy schaute ihm, bis er hinter den Bäumen verschwunden war, lächelnd und kopfschüttelnd nach, dann aber drehte sie sich lachend auf dem Absatz herum, und schmunzelte, in das Haus zurücktretend: »Nun wenn _der_ nicht Freiersgedanken im Kopfe hat, dann will ich nicht Nancy heißen. Viel Glück, Mr. Curtis, viel Glück! Neugierig bin ich aber doch, wo er hinreitet; dort oben wohnen zwar viele Mädchen, am Fluß hinauf -- sollte er wohl nach Trumbells? die haben zwei Töchter -- ih« -- lachte sie kurz abbrechend und ihre Arbeit am Baumwollen-Spinnrad wieder beginnend -- »ich werd's schon erfahren; morgen führt er ja wahrscheinlich seine Auserwählte heim.« Jeremias Curtis ritt indessen mit leichtem, fröhlichem Herzen die Straße entlang, und stimmte endlich, in einem Ausbruch seiner nicht mehr zu bändigenden und zurückzuhaltenden Gefühle, eine weit hinausschallende Hymne an, so daß mehrere Hirsche, die friedlich an der Straße geäßt, entsetzt und mit mächtigen Sprüngen in's Dickicht flohen. Wenig aber kümmerte dies den Freiersmann; er war Einer von den Menschen, die sich Monate, Jahre lang mit einem Plan oder Entschluß herumquälen können, ohne ihn zur Reife oder Ausführung zu bringen, die aber, nur erst einmal mit sich selbst im Klaren, ruhig in die Zukunft hinaussehen und den lieben Gott für das weitere sorgen lassen. Im besten Mannesalter, sah er -- Nancy hatte ihm das selbst mehr als einmal versichert -- gar nicht so übel aus; besonders wenn er Sonntags seine »reinen Sachen« angezogen. Nun wollte ihm zwar seine übergroße Bescheidenheit den Einwurf machen, daß ihn Nancy mit ein wenig zu partheiischen Augen betrachte, dann aber blickte er links am Pferd hinunter auf seine stattlichen, wohlproportionirten Gliedmassen, dann wieder rechts, nickte dazu lächelnd mit dem Kopf, murmelte »einen kleinen Neger und hundert und fünfzig Dollars in baarem, harten harten Geld,« und begann mit lauterer, stärkerer, ja recht herzfreudiger Stimme den geistlichen Gesang auf's Neue. Mehrere Stunden mochte er also in der reinen, klaren Frühlingsluft fortgetrabt sein, als ihm aus der Ferne das helle Dach eines Blockhauses entgegenschimmerte, und er sich dem Ziele seiner Wanderung näherte; anstatt aber dem Pferde den Sporn einzudrücken, und im fröhlich kühnen Galopp vor die Thür der Auserwählten zu sprengen, ritt er langsam seitwärts vom Wege ab in das Gebüsch hinein; stieg ab und begann jetzt mit außerordentlicher Sorgfalt seine Toilette in Ordnung zu bringen. Ein kleiner Spiegel wurde mit seinem spitzen Messer -- das er in einer ledernen Scheide im Gürtel trug -- an einem Baum befestigt, dann förderte er einen Kamm und eine kleine Bürste ebenfalls aus der Tiefe der fast unergründlichen Rocktasche zu Tage und striegelte und bügelte nun das widerspenstige Haupthaar sorg- und aufmerksam. Mr. Trumbell, auf dessen Land und unfern von dessen Haus er sich jetzt befand, hatte zwei allerliebste Töchter, zwar noch ein wenig jung für einen Mann in seinem Alter, denn die älteste zählte erst achtzehn Jahr; leicht überredete er sich aber, daß sein noch so rüstiges, jugendliches Aussehen, und sein »kleiner neunjähriger Neger, wie die hundert und fünfzig Dollars« sehr zu seinen Gunsten sprechen würden, ja sprechen mußten, und mit wirklichem Wohlgefallen nahm er jetzt den Spiegel in die Hand und hielt ihn bald dicht vor die Augen, bald in etwa Armeslänge von sich entfernt, um ungefähr den Eindruck zu berechnen, den, wie er hoffte, sein erstes Erscheinen auf die Mädchen hervorbringen sollte. Aber gar nicht mit seinen Plänen harmonirend, stahlen sich hie und da einzelne graue Haare sowohl aus dem Backenbart als auch aus den Schläfen hervor, und emsig war er eben bemüht, die unwillkommenen Boten eines ehrwürdigeren Zeitalters mit sicherer Hand und spitzen Fingern zu erfassen und herauszureißen, als plötzlich das helle Gelächter zweier silberreinen Mädchenstimmen an sein Ohr schlug, und er, entsetzt sich wendend, in die vor ausgelassener Freude funkelnden Augen eben dieser beiden Schönen blickte von denen er sich Eine zum ehelichen Gemahl ausersehen. Hätte das ruhig neben ihm grasende Pferd ihn mit einem freundlichen »guten Morgen Mr. Curtis« angeredet, oder der Spiegel, der jetzt seiner zitternden Hand entfiel, ihm ein scheußliches Fratzengesicht gezeigt, als er hineinschaute und seine eigenen, wohlgebildeten Züge darin zu finden erwartete, oder die alte Eiche, unter der er stand, die Riesenarme über den Kopf zusammengeschlagen und sich die Wurzeln selber wie einen Zahn ausgezogen, er würde nicht so starr vor Schrecken, so völlig wie eine ungesalzene Madame Lot dagestanden haben. Nicht einmal die unbedeutendste Begrüßungsformel wollte über die Lippen, und mit weit aufgerissenen Augen und noch weiter geöffneten Lippen blieb er in der einmal eingenommenen Stellung, und blickte bald auf diese, bald auf jene Schwester. »Aber Mr. Curtis,« begann jetzt die Älteste der Beiden, die sich zuerst wieder genug gesammelt hatte, um reden zu können, »läßt Ihnen denn Nancy zu Hause gar keine Ruhe, daß Sie soweit in den Wald hinein müssen, um Ihre Toilette zu machen?« »Mr. Curtis will unter die Indianer gehen,« fiel die Schwester, immer noch mit vom Lachen unterbrochener Stimme ein -- »er übte sich schon im Bartausraufen, und ich bin fest überzeugt, daß er in derselben Tasche, aus der er schon so viele andere Sachen hervorgeholt hat, auch noch die Kriegsfarben trägt.« »Das ist möglich,« kicherte Lucy -- »dort im Baum steckt sein Scalpirmesser.« »Aber bester Mr. Curtis,« sagte Betsy mit scheinbarer Besorgniß, »dann müssen Sie ja auch _tanzen_, und da Sie doch jetzt erst zu den Methodisten --« »Miß Lucy -- Miß Betsy,« stammelte in höchster Verlegenheit der arme Curtis -- »ich -- ich habe einen kleinen Neger und hundert fünfzig Dollar --« »Ah Sie werden ein Häuptling!« jubelte Betsy, »ich sehe Sie schon im Geist mit der Scalplocke und dem blutigen Tomahawk im Gürtel -- buntbemalt, wehende Adlerfedern auf dem Haupte, die ausgefranzten Leggins von dem flatternden Haarschmuck der erlegten Feinde umweht -- Brrrrr« fuhr sie schaudernd fort, »was Sie schon für wilde Blicke nach uns schießen;« und wiederum fingen die Mädchen an zu lachen, daß der Wald tönend das helle Echo zurückgab. Der arme Curtis aber, die Zielscheibe dieses unerbittlichen Spottes, stand keineswegs mit wildem Blick, sondern mit höchst kläglicher, erbarmenswerther Miene da, und überlegte eben, mit welcher Wonne er in einen zwei hundert und fünfzig Fuß tiefen Brunnen oder in eine unergründliche Felsspalte hineinfahren könne, um nur hier, von dieser für ihn zum Marterpfahl gewordenen Stelle fortzukommen, denn aller Muth, auch nur eine Sylbe über die Absicht seines Besuches laut werden zu lassen, war ihm jetzt entfallen. Endlich aber faßte er sich ein Herz, hob mit einer schnellen und geschickten Bewegung den ihm vorhin entfallenen Spiegel wieder auf, ließ ihn in die Tasche gleiten, und frug jetzt, mit halb trotzigem, halb kläglichem Gesicht die Schwestern, was sie um des Himmels willen im Walde, hier an dieser einsamen Stelle allein zu thun hätten. »Wenn wir nun grausam wären,« sagte Lucy, »könnten wir Ihnen das zu rathen aufgeben, so aber wollen wir Mitleiden mit Ihnen haben, und Sie in unser Geheimniß einweihen. Sehen Sie den Waschkessel da unten? sehen Sie das freundliche Gesicht Jessina's?« Und Curtis sah das freundliche Gesicht Jessina's, denn nicht zwanzig Schritt von da entfernt, grinste ihm, zwischen ein paar blühenden Dogwoodbüschen hindurch, das breite, schwarze Antlitz eines kleinen, vierschrötigen Negermädchens entgegen, das seine Arbeit verlassen hatte und kichernd zwei Reihen der reinsten, weißesten Perlzähne zeigte, die je unter einer Negerin Lippe hervorschimmerten. »How de do, Massa?« nickte ihm die Kleine freundlich zu, und der fromme Curtis hatte schon einen höchst gotteslästerlichen Fluch auf den Lippen, doch unterdrückte er ihn noch zur rechten Zeit, starrte einen Augenblick vor sich nieder, und war im Begriff, sein Pferd zu besteigen und den Ort zu fliehen, wo er unter für ihn so mißlichen Umständen empfangen worden. Da aber siegte der Verstand des ruhigen besonnenen Mannes. Nein -- Mr. Trumbell war sehr wohlhabend, und nicht allein hier, sondern auch im Oiltrovebottom, am Whiteriver, hatte er nicht unbeträchtliche Strecken Land, das am Fourche la fave jedoch, seiner gesünderen Lage wegen, zum Aufenthaltsort gewählt. Dabei viel Vieh -- sehr viel Vieh und -- was das bedeutendste war, eine ganze Colonie von Negern und besonders von sehr hübschen Negermädchen. Jeremias dachte an seinen eigenen jungen Sprößling aethiopischer Race -- romantische Gebilde von fabelhaft großen Baumwollenplantagen mit unzähligen Negersclaven jagten an seiner inneren Seele vorüber -- jedes der beiden vor ihm stehenden Mädchen war wenigstens zweitausend Dollar werth -- er drückte sich den Hut etwas fester auf den Kopf. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Die Mädchen schienen ihr Betragen zu bereuen -- sie flüsterten leise und ernst zusammen -- sie wußten, daß sie ihm durch ihren Spott weh gethan haben mußten -- Reue kam vielleicht dem, was er ihnen sonst noch bieten konnte, zu Hülfe; auf keinen Fall dürfte die kostbare Zeit versäumt werden, und Lucy sollte erfahren, daß es in ihrer Macht stehe, ihn zum Glücklichsten der Sterblichen zu machen. Er setzte den rechten Fuß vor und hob den linken Arm auf -- der Augenblick der Entscheidung war da. Lucy wandte sich gegen ihn und sagte bittend: »Nicht wahr, Sie sind nicht böse, wenn --« »Mein Fräulein,« unterbrach sie mit freudiger Stimme der neue Hoffnung schöpfende Freier, -- wie können Sie nur glauben, daß ich -- ich habe --« »Wenn ich eine Frage an Sie richte --« fuhr Lucy, ohne die Unterbrechung zu beachten, fort -- »Betsy und ich haben miteinander gestritten -- Betsy meint, Sie hätten sich die einzelnen Haare aus Verzweiflung ausgerissen, ich behaupte aber, Sie wollten ihrer Geliebten eine Locke mitbringen. Nicht wahr, ich habe Recht?« Das war zu viel für den armen Curtis! er verschluckte die schon halb begonnene Anrede, steckte das Messer in den Gürtel, faßte sein Pferd am Zügel, hielt aber noch einmal und warf einen letzten, fragenden Blick auf die Schönen. Diese aber waren indessen in ein lautes Kichern ausgebrochen, das in dem blühenden Dogwoodbusch ein schallendes Echo fand, und ein paar blaue Heher, die gerade über der kleinen Versammlung auf dem jungen Aste eines jungen Sassafras saßen, stimmten mit ihren schmetternden, plappernden Stimmen ein in den Lärm. Curtis saß mit einem Sprung im Sattel. »Good bye Ladies!« rief er mit lauter, trotziger Stimme, und als ob er hinter einem alten Bären her auf flüchtiger Hetze den Wald durchrase, so flog er, über mehrere gestürzte Stämme hinweg, der mit so frohen Hoffnungen verlassenen Countystraße wieder zu. Vergebens riefen ihm jetzt die Mädchen nach, zum Hause zu reiten und bei ihren Eltern zu übernachten, vergebens versprach Lucy ihn nicht zu necken und keine Sylbe des Vorgefallenen zu erwähnen, er hörte nichts von ihren versöhnenden Worten, und nur das spöttische (ihm _teuflisch_ vorgekommene) Lachen tönte und klingelte ihm noch in den Ohren, als er schon mehrere Meilen in scharfem Trabe zurückgelegt, und nun endlich anfing, die Sache ruhig zu überdenken. »Verdammt!« rief er, und zügelte den Eifer des schäumenden Thieres ein wenig, indem er sich zugleich erschrocken umsah, ob Niemand den gotteslästerlichen Fluch gehört habe, »kann ein einzelner Mensch größeres Unglück auf der weiten Gotteswelt haben, als ich an diesem gesegneten Morgen genossen? Aber gut -- gut -- spottet nur, lacht nur, meine Miß Lucy und meine Miß Betsy, verhöhnt nur den aufrichtigen Freier, der sich Euch mit treuem Herzen naht, Ihr werdet's schon noch einmal bereuen und dann will ich triumphiren; dann ist mein kleiner Neger groß geworden, mein baares Geld, meine hundert und fünfzig harten Dollars haben sich vermehrt, und die Zeit möchte kommen, wo Ihr Euch lieber Mistres Curtis als Miß Lucy oder Miß Betsy nennen hörtet.« Er hatte sich bei den letzten Worten im Sattel umgedreht, und hob drohend den rechten Zeigefinger nach der Richtung hin auf, aus der er eben gekommen war. Seine Selbstliebe trug aber endlich den Sieg über die gekränkte Eitelkeit davon, ein mitleidiges, fast höhnisches Lächeln umspielte für einen Augenblick seine Mundwinkel, und sich dann fester im Sattel setzend, preßten seine Schenkel auf's Neue die Flanken des edlen Thieres, das mit ihm in langen Sätzen über die felsige Straße dahinflog. Das nächste Haus, das jetzt in seinen Augen einigen Werth hatte -- denn diejenigen Farmen, auf denen keine jungen Mädchen lebten, existirten gegenwärtig gar nicht für ihn -- gehörte einem Leidensgefährten, einem Wittwer, Namens Ewis; der Magnet aber, der ihn dorthin zog, war des alten Ewis einziges Töchterlein, ein liebes, holdes Mädchen, schlicht und einfach, doch brav und häuslich erzogen, und eine amerikanische Jungfrau im reinsten und vollsten Sinne des Wortes. Darum war übrigens Curtis nicht gleich von allem Anfang hierhergeritten, weil -- die Neger fehlten. Ewis konnte mit zu den wohlhabenderen Farmern gerechnet werden, seine Heerden weideten in allen Theilen der weitverbreiteten Rohrbrüche, sein Land trug herrliche, reichliche Frucht, und es gab in einem nicht geringen Umkreis keinen gutmüthigeren und zugleich rechtlicheren alten Mann, als eben ihn; aber die Neger fehlten, und Curtis hatte deßhalb Lucy und Bet -- aber nein, er wollte gar nicht mehr an die Mädchen denken -- sie verdienten es nicht. Jetzt hatte er die äußersten Fenzen erreicht; im Osten wurden schon an dem erdunkelnden Nachthimmel einzelne, blitzende Sterne sichtbar, und nur im Westen verrieth ein schmaler bleicher Streif die geschiedene, schlummernde Sonne; aber dort wirkte und schaffte noch reges Leben; die Hunde bellten, die Kühe blökten, eine feine Kindesstimme rief das lockende »Huph -- huph« in den Wald hinaus, und dazwischendurch schallten die eintönigen Schläge der Axt, die noch Feuerholz für die kühle Nacht herbeischaffen mußte. Gleich darauf betrat er den inneren, von den verschiedenen Feldern und Gebäuden eingeschlossenen Raum, der gewissermaßen als Hof gelten konnte, und fand sich bald darauf, von fünf bellenden heulenden Rüden umgeben, vor einem einstöckigen, aber ziemlich hochgiebligen Blockhaus, aus dessen Innerem ihm schon ein freundlich gemüthlicher Lichtglanz, Wärme und Geselligkeit versprechend, entgegenleuchtete. »Hallo Curtis!« rief der alte Ewis, als er den, wenn auch etwas fernwohnenden »Nachbar« erkannte, während er im Holzhacken einhielt und dem Ankommenden entgegentrat, -- »das macht Ihr gescheidt, daß Ihr Euch endlich einmal sehen lasset; habt mir's lange genug versprochen. Komm Bill -- nimm das Pferd und führ' es in den Stall; jag' nur die anderen hinaus, die haben jetzt gefressen, und wir brauchen sie morgen doch nicht; tretet ein; laßt nur den Sattel sein, Bill wird schon auf Alles Acht geben.« Curtis athmete hoch auf -- in der Thür der Hütte stand Anna, das holde liebe Kind, und lächelte ihm so freundlich entgegen, daß er vor lauter seligen Gedanken des Vaters Hand gar nicht wieder losließ. Er stieg aber vom Pferd, schüttelte die dargebotene Rechte des Alten recht derb und herzlich, und trat mit klopfendem Herzen in's Haus, wo er der Jungfrau nach alter wackerer Sitte die Hand zum Gruß bot. »Nun, Curtis, wie gehts?« fragte Ewis, als sie sich zusammen zum Feuer gesetzt hatten und der Freiersmann emsig beschäftigt war, mit seinem Genickfänger einen Span zu zerschneiden, -- »wie steht Euer Mais? schon gepflanzt? habt wohl fruchtbares Wetter abwarten wollen? ja s'ist merkwürdig trocken dieses Jahr.« »Nicht so ganz -- wenigstens nicht bei mir,« erwiederte Curtis, dem es war, als ob ihm das Herz die Brust zersprengen müsse, denn Anna stand dicht neben ihm und holte die blankgescheuerte Kaffeekanne zum am Feuer brodelnden Abendessen vom Gesims herunter -- »mein Feld liegt, wie Ihr wißt, ein wenig tief, im Thalland d'rin -- neun Acker urbar gemachtes Land und daneben noch ein kleines Stückchen für Rüben -- eine schöne Fenz, drum --« »Ja, ja, s'ist gutes Land, kann's aber doch mit meinem hier nicht aufnehmen.« »Mr. Ewis«, entgegnete Curtis etwas pikirt (denn das heißt einem Ansiedler der westlichen Staaten an's Herz gegriffen, wenn man behauptet: entweder besseres Land, ein schnelleres Pferd, eine sichere Büchse oder tüchtigere Hunde zu haben), »Mr. Ewis, mein Land wurde durch die Feldmesser ausgesucht, und für das fruchtbarste im ganzen County erklärt; überdies habe ich noch ein recht gutes Wohngebäude, ein Rauchhaus, eine kleine Küche --« »Haben Euch denn die Eichhörnchen und Truthühner dies Frühjahr viel Saat weggefressen? ich mußte an den Fenzen herum schon wenigstens zwei Mal nachpflanzen.« »Das war bei mir nicht so bedeutend«, entgegnete Curtis, auf's Neue die Gelegenheit ergreifend, all sein bewegliches und unbewegliches Eigenthum im besten Lichte erscheinen zu lassen; »Ihr wißt, ich habe einen kleinen Neger, und der muß gehörig aufpassen; es ist sehr angenehm, einen kleinen Neger« -- er sah sich schnell um, denn er konnte fast darauf schwören, es hätte Jemand hinter ihm gekichert, Anna stand aber ganz ernsthaft am Tisch, und war emsig beschäftigt, die Messer und Gabeln zu ordnen, und weiter sah er Niemand im Zimmer -- »kleinen Neger zu haben«, fuhr er nach kurzer Pause in der unterbrochenen Rede wieder fort; »dabei die hundert und funfzig --« »Wie ist's denn mit dem Brunnen geworden, den Ihr wolltet graben lassen? oder trinkt Ihr noch immer aus dem Bach? wenn ich Nancy wäre, ließ ich mir das gar nicht gefallen; im Sommer ist's ein schauderhaftes Getränk.« »Oh bewahre -- ich nahm Mowers Jim auf vierzehn Tage in Arbeit, und da ich doch hundert und sechszig Dollars in baarem, hartem Gelde liegen hatte, so wendete ich gleich zehn daran, diese wirklich nothwendige Arbeit gethan zu bekommen.« »Hm«, sagte Mr. Ewis, und schaute den redseligen Curtis, während er mit dem Daumen und Zeigefinger der linken Hand die Unterlippe beobachtend zusammenkniff, forschend an. Zum ersten mal schien die Ahnung der Absicht seines Besuchs in ihm aufzudämmern. Zu jetziger Zeit war Alles eifrig in den Feldern beschäftigt, und Curtis hatte mitten in der Woche seine Sonntagskleider angezogen und sich zu ihm verfügt, blos um bei ihm zu übernachten. -- »Hm« -- sagte er dann noch einmal, und sah forschend bald seine Tochter, bald Curtis an, der, als er dies bemerkte, feuerroth wurde und mit eisernem Fleiße an seinem Spahn fortschnitzte. Einige Minuten lang überlegte sich der Alte die Sache, und schien das =pro= und =contra= bedeutend in Betracht zu ziehen; endlich mußte aber doch wohl das =pro= den Sieg davon getragen haben, denn er stand auf, und verließ, unter dem Vorwand, nach den Pferden zu sehen, das Haus. Curtis war auch wirklich gar keine so üble Parthie! er hatte was er brauchte, ja von diesem wohl mehr als sieben Zehntel der übrigen Ansiedler, und die kleine, am Fourche la fave freilich ziemlich bekannte Eigenheit, daß er immer von seinem kleinen Neger erzählte, durfte, wie der Alte meinte, bei einem Mädchen auch weiter keinen Unterschied machen, wenn der Mann nur sonst brav und gut wäre. Curtis, der nicht einmal diese Eigenschaft _gegen_ sich, wohl aber alle die andern _für_ sich kannte, merkte gar bald, wenn er auch sonst gerade keine übermäßigen Verstandeskräfte besaß, daß er den Alten auf seiner Seite habe, und beschloß nun mit der Tochter die Sache ebenfalls schnell in's Reine zu bringen. Wie er aber allein mit ihr war, verließ ihn auf ein Mal aller Muth; es war ihm, als ob ihm Jemand mit zwei Fingern die Nase, und mit der ganzen Hand die Kehle zuhielte, und er nun mit jedem Augenblick ersticken müsse. Anna brach auch endlich zuerst das ihm wenigstens peinlich werdende Schweigen und frug ganz unbefangen: »Wie befindet sich Nancy, Mr. Curtis? warum kommt sie nicht einmal herauf zu uns; sie hat es mir doch schon so oft versprochen.« Curtis rückte eine Weile auf dem Stuhl umher, faßte sich aber endlich ein Herz und frug das junge Mädchen mit einem seiner zärtlichsten Blicke: »Wie wär's, Miß Ewis, wenn Sie dafür einmal Nancy besuchten, vielleicht gefiel Ihnen der Ort?« »Nancy muß erst zu mir kommen,« sagte Anna, »sie hat es versprochen.« Eine lange Pause entstand jetzt, bis endlich der zaghafte Werber auf's Neue das Wort nahm und die Unterredung mit einem leisen: »Es ist heute schönes Wetter« wieder anzuknüpfen suchte. »Ja!« sagte Anna. Curtis sah sich im ganzen Hause um, und seine Augen flogen bald über die an der Wand hängenden Kleider, bald über die im Schornstein angebrachten Speckseiten, und haftete endlich wieder auf Anna's schlanker Gestalt, die an das Feuer getreten war, um nach dem beigestellten Maisbrod zu sehen. »Miß Anna!« sagte Curtis. »Mr. Curtis?« frug Anna, sich nach ihm umdrehend. »Ich muß Ihnen nur gestehen«, stotterte der Freier, »daß ich einzig und allein darum hierher gekommen bin, um -- um Sie -- um mich bei Ihnen -- bei Ihnen zu erkundigen, -- ob Sie --« »Ob ich?« -- fragte das Mädchen, den neugierig lächelnden Blick fest auf ihn gerichtet. Er war so schön im Zuge gewesen, wie er ihr aber wieder in das dunkle Auge sah, das ihn so schelmisch, und doch auch so -- er wußte selbst nicht wie, so -- so trotzig anblickte, da verließ ihn auf's Neue sein Selbstvertrauen, und er stammelte, nach einigen vergeblichen Versuchen, die Fassung wieder zu gewinnen, auf das Fleisch deutend -- »Haben Sie das selber geräuchert?« Wohl zwei Minuten mußte er aber auf die Antwort warten, denn so lange dauerte es, ehe sich Anna erholen konnte, die bei den letzten Worten in ein fast nicht zu beschwichtigendes Lachen ausgebrochen war. »Und deßhalb also sind Sie die zwölf Meilen geritten?« frug sie endlich mit noch thränenden Augen, »blos um sich zu erkundigen, ob ich das Fleisch geräuchert hätte? o bester Mr. Curtis, das hätten Sie bequemer haben können, Nancy war dabei, wir haben es zusammen eingesalzen.« Curtis wurde leichenblaß -- er wußte, sein böses Geschick arbeitete jetzt an seinem Verderben; dieselbe Sehnsucht nach irgend einer noch unentdeckten Felsspalte oder nach einem bodenlosen Abgrund erfaßte ihn -- »Ich habe einen kleinen Neger --« »Und hundert und fünfzig Dollar in baarem, hartem Gelde,« kicherte Anna. »Nancy hat mir das mehr als zwanzig Mal erzählt.« »Kinder, was habt Ihr denn?« sagte der alte Ewis, der durch das Gelächter angelockt, in die Thüre trat. »Ihr seid ja ungemein lustig -- ich glaubte --« »O Vater, denke Dir nur --« lächelte Anna -- aber ein flehender Blick des Unglücklichen traf sie, und dem konnte sie nicht widerstehen. Sie hatte Curtis Absicht bei seinem ersten Eintritt gemerkt, denn wenn ein lediger Mann an einem Wochentage, noch dazu in so nöthiger Arbeitszeit, und in seinen besten Kleidern, mit dem besten Sattel auf dem Pferd, auf einer Farm übernachtet, wo junge, heirathsfähige Mädchen sind, da wird und kann fast stets ein Heirathsantrag vorausgesetzt werden. Curtis war aber überdies noch in der ganzen Ansiedlung schon gewissermaßen _prophezeit_ worden, da er einige dunkle Worte hatte fallen lassen, was wie ein Lauffeuer von Farm zu Farm geflogen. Bei Steppdecken- und Klötzerollfesten hatten die jungen Mädchen auch schon zusammengekichert und gelacht, welche von ihnen die Glückliche sein werde, der »der kleine Neger und die hundert fünfzig Dollar« zuerst angeboten würden. Auf diese Art war gewissermaßen ein Complott gegen den armen Mann entstanden, und er glich jetzt einem Menschen, der wohlvermummt und verlarvt auf einem Maskenball umherwandert, fest überzeugt ist, daß ihn Niemand erkennen kann, und hinten auf dem Rücken, durch irgend eine boshafte Hand angeheftet, seine eigene Visitenkarte trägt. Anna fürchtete aber fast, den Scherz zu weit getrieben zu haben, lenkte also ein, speiste den Vater mit einer ausweichenden Antwort ab, und war dann sehr beschäftigt, das Abendessen herzurichten und aufzutragen, wich aber sorgfältig jeder Erklärung von Curtis Seite aus, ja ging sogar ebenfalls hinaus, als sie merkte, daß sie der Vater nach Tische auf's Neue mit dem jungen Manne allein lassen wollte, und überzeugte die beiden Herren der Schöpfung gar bald, daß sie auf die Pläne, die sie zu brüten beliebten, nicht einzugehen gesonnen sei. Curtis verzehrte sein Abendbrot sehr traurig -- es war ihm, als ob ihm die Bissen im Munde stecken blieben, er verbrannte sich zweimal den Mund und nahm einen Löffel voll Senf statt braunem Zucker in den Kaffee; die Mahlzeit wurde auch sehr abgekürzt -- der alte Ewis führte allein das Wort, erzählte ein paar lange Geschichten von einer Kuh, die ein Panther gefressen haben sollte und die nachher wieder plötzlich zum Vorschein gekommen war, und endlich konnte sich Curtis zurückziehn und sein stilles, einsames Lager suchen. Sinnend verträumte er einen Theil der Nacht, aber auch frischen, neuen Lebensmuth sog er aus diesen Träumen. Weshalb sollte er sich bei dem zweiten, eigentlich nur _ersten_ Versuche abschrecken lassen, denn bei Trumbells war er ja nicht einmal an's Haus geritten. Nein -- noch gab es mehr und recht hübsche Mädchen in der Ansiedlung, und solche auch wahrscheinlich, die seinen eigenen Werth, wie den seines kleinen Negers und seiner hundert und fünfzig Dollar zu schätzen wußten, ohne des anderen Eigenthumes zu gedenken. Fest entschlossen also, den Muth nicht sinken zu lassen, hüllte er sich dicht in die weiche Steppdecke ein und Gott Morpheus nahm ihn sanft in seine Arme. Am nächsten Morgen war er schon vor Tagesanbruch auf und besorgte sein Pferd; dringende Geschäfte riefen ihn, wie er dem alten Ewis sagte, noch weiter am Fourche la fave hinauf, und Miß Anna nur einen guten Morgen durch die Thüre zurufend; als er, schon im Sattel, am Hause vorbeiritt, drückte er dem alten Manne herzlich die Hand und sprengte auf der Countystraße weiter. »Nein Curtis,« sprach er aber dabei mit sich selber, »wegwerfen thust Du Dich auch nicht; bitten und betteln ist Deiner unwerth, Du bist ein ordentlicher Kerl und hast« -- er griff plötzlich dem Pferd in den Zügel und hielt in seinem Selbstgespräch und im Reiten an. Ein Gedanke durchzuckte ihn -- »ich glaube, Miß Anna hat sich über meinen kleinen Neger lustig gemacht -- sie lachte auf eine höchst unanständige Art, als ich ihn erwähnte -- nun gut,« fuhr er, dem Braunen den linken Sporn wieder eindrückend, fort, indem dieser einen, der Anreizung entsprechenden Seitensatz that, und dann pfeilschnell mit ihm unter den thauträufelnden, duftigen Zweigen davonflog, »nun gut -- wir werden ja sehn. Doch Miß Anna -- die _Einzige_ sind Sie _nicht_ in der Ansiedlung -- Sie wahrhaftig nicht.« Aber armer Curtis! -- wieder und immer wieder solltest Du Deine Hoffnung, Dein felsenfestes Vertrauen getäuscht und betrogen sehen; wieder und immer wieder fandest Du Dich verschmäht, zurückgewiesen und ach, an vielen Orten gar verspottet. Am rechten Ufer des Fourche la fave, kam ihm ein Ansiedler, den er noch gar nicht kannte, sogleich mit der Frage entgegen: »Ach, Sie sind der, der den kleinen Neger und die hundert und fünfzig Dollar hat, nicht wahr?« An anderen Orten liefen die Mädchen hinaus, wenn er kam, ließen sich von dem Ersten Besten ihr Pferd satteln, und galoppirten zur nächsten Ansiedlung, dahin schon die Kunde von dem wandernden Freier tragend, und Curtis hielt endlich, am dritten Tag spät Abends an der Farm eines Freundes, der, ziemlich abgelegen von den übrigen Ansiedlungen, auch wenig, selbst mit seinen nächsten Nachbarn zusammenkam und verkehrte. Peterson hatte zwei hübsche Töchter, recht liebe und brave Mädchen, neben diesen aber noch die Tochter eines Bruders, der in Texas gestorben. Fanny, so hieß die Jungfrau, stammte aus Georgien, wo ihr Vater damals eine kleine Banmwollenplantage besaß, und war ein sehr schönes, dunkeläugiges und heißblütiges Kind, aber auch toll, wild und ausgelassen, und ihr Onkel hatte sich schon früher einmal bei Curtis darüber beklagt, daß sie es sich in den Kopf gesetzt hätte, einen jungen Bengel zu heirathen, der -- _Advokat_ wäre. »Ein Mensch, der erstlich einmal schon Advokat sei,« hatte er dabei geäußert, »solle nie, so lange er lebe und athme, eines von seinen eigenen, noch seines Bruders Kindern zur Frau bekommen, wenn _er_ es verhindern könne -- ein Advokat, der den Leuten weißmache, roth sei blau und grün schwarz! nein wahrhaftig nicht.« Hatte nicht noch überdies im vorigen Herbst derselbe Lasse seinem Nachbar durchgeholfen, der angeschuldigt war, eine von Peterson's Kühen geschlachtet zu haben? und hatte nicht er -- Peterson selbst, die Haut von der Kuh, »auf die er das Sakrament nehmen wollte,« über dessen Fenz hängen sehen? nein -- ein Mensch, der so etwas zu thun im Stande sei, der sei zu _Allem_ fähig. Überdies konnte er nicht einmal einen Maiskolben von einer Waizenähre unterscheiden, und hatte ihn selbst -- er konnte das beschwören -- gefragt, ob die Baumwolle auf solchen Bäumen wüchse, wie sie hier im Bottom ständen und die Baumwollenbäume hießen. Und so ein Mensch sollte einmal Besitzer von einer Baumwollenplantage werden? nein -- Fanny war erst achtzehn Jahr alt, und bis zum ein und zwanzigsten _müßte_ sie bei ihrem Onkel bleiben; nachher würde sie schon Vernunft angenommen und eingesehen haben, daß ihr alter Onkel ehrlich und trefflich für sie gesorgt, indem er sie vor einem solchen Schritte bewahrte. Dies Haus betrat jetzt Curtis und wurde herzlich von Allen empfangen; ja so herzlich, daß er schon hoffte, jenes unglückselige Gerücht über seinen kleinen Neger sei nicht bis hierher gedrungen, und sich heimlich zuschwor, auch keine Sylbe davon zu erwähnen; aber leider schienen die beiden Misses Peterson recht gut zu wissen, was den armen Mann zu ihnen geführt hatte, und wenn sie auch, emsig mit ihrer Arbeit beschäftigt, kein Wort, keine Sylbe äußerten, so verriethen doch dem jetzt schon mißtrauisch Gewordenen einzelne verstohlene Blicke den kleinen lachenden Teufel, der in den Herzen der Waldschönen lauerte. Ganz anders benahm sich dagegen Fanny; sie setzte sich zu ihm -- plauderte mit ihm, war ernst und gesetzt und sah ihn dabei ein paar Mal, wenn sie sich unbeobachtet glaubte -- Curtis hatte es deutlich gemerkt -- so forschend, so theilnehmend an, daß ihn einmal, als er diesem dunklen, fest auf ihn haftenden Auge begegnete, ein eiskalter, aber unendlich wohlthuender Schauer durchrieselte, und er sich schon in's Geheim drei oder vier keineswegs schmeichelhafte Ehrentitel beilegte, nicht gleich von allem Anfang an hierhergeritten zu sein. Er ließ sich diese kleinen Zeichen denn auch nicht zweimal gesagt sein lassen -- rückte näher zu ihr, und fing nun an, um gleich mit etwas Schmeichelhaftem zu beginnen, das selbstgewebte Zeug zu loben, was sie trage, und meinte dabei: »Ja Miß Fanny, es steht einem jungen Mädchen Nichts auf der weiten Welt besser, als der Stoff, den es selbst gesponnen und gewebt -- das, ist der Grundstein der Häuslichkeit, und ein Mann --« »Das Zeug hab' ich gewebt, Mr. Curtis,« sagte Kitty, die jüngste, mit einer etwas malitiösen Betonung auf dem Pronomen. Curtis saß da wie vom Schlag getroffen, Fanny riß ihn aber schnell aus der Verlegenheit, indem sie versicherte, sie habe sich zu Hause all ihr Zeug selbst gewoben und hielte es auch für passend, daß eine Hausfrau das thun solle. Curtis lebte wieder auf, die ganze alte Scheu verlor sich, er wurde gesprächig und hatte wirklich mehrere ausgezeichnete Einfälle, über die Fanny ganz besonders lachte, der alte Peterson sich aber ausschütten wollte. Diesen schien übrigens die Zuneigung, die seine Nichte zu dem einfachen Farmer gefaßt, herzlich zu freuen (denn daß Curtis blos darum gekommen sei, um eins der Mädchen anzuhalten, darüber war Niemand in der ganzen kleinen Gesellschaft mehr zweifelhaft). »Gott sei Dank,« dachte er bei sich selber, »hat sie doch endlich den verwünschten Advokaten vergessen; ich wußte es aber wohl, der _Rechte_ mußte nur kommen; das ist mit allen Mädchen so.« Das Abendessen war verzehrt -- der alte Peterson hatte sich, sehr vernünftiger Weise, zu Bett begeben; dem Gast war, »wenn er sich niederlegen wolle, sein Bett gezeigt« und Kitty und Rosy beendeten ebenfalls mit manchen einander heimlich zugeflüsterten Bemerkungen ihre Arbeit, verschwanden dann urplötzlich hinter einer breiten, an den oberen Querbalken des Hauses aufgehangenen Matte, und Curtis fand sich mit klopfendem Herzen allein neben Fanny am Feuer sitzen. Er gedachte der Zeit, wo er, ganz auf ähnliche Art, seiner ersten Frau die Leidenschaft gestanden, die er fühlte, und wieder drohte ihm ein unbeschreiblich ängstliches Gefühl die Kehle zuzuschnüren, denn wenn er auch in den letzten Tagen für solche Erklärungen etwas abgestumpft geworden war, da er die Gelegenheit gehabt mehrere zu geben, so fühlte er doch, daß hier Alles -- Alles für ihn spreche, denn Fanny wäre sonst nicht allein zurückgeblieben, und die Liebenswürdigkeit selbst gewesen. So sehr er aber auch den Augenblick herbeigesehnt, wo er mit ihr allein sein würde, so schien es doch, als ob er, der noch vor so kurzer Zeit der Redseligste gewesen, plötzlich die Sprache verloren hätte, und er nahm wieder, aus lauter Verlegenheit, sein Messer aus der Scheide und fing an zu schnitzeln. Fanny saß ihm gegenüber, an der andern Seite des Kamins, also so weit wie nur irgend möglich von ihm entfernt. Curtis hätte zwar um's Leben gern ihr seinen Stuhl näher gerückt, aber er wagte es nicht, er wußte keine Ausrede, die das auch nur im Mindesten entschuldigen konnte, und doch fühlte er wie die Zeit verrann, und er sich lächerlich machen würde, wenn er noch länger so still und stumm wie der Klotz, der neben ihm zum Nachlegen lehnte, da saß. Mit einem tiefen Seufzer sprengte er endlich die Fesseln, die seine Zunge in Banden hielten und sagte zögernd: »Miß Fanny -- sind Sie noch nicht müde?« -- er fühlte, sobald ihm die Worte über die Lippen waren, daß er auf der weiten Gotteswelt Nichts Dümmeres hätte sagen können, aber es waren doch wenigstens _Worte_ gewesen, die vielleicht den Zauber gebrochen hatten. Um Fanny's Lippen spielte bei dieser endlichen Frage ein leises, leises Lächeln; es zuckte ihr nur so durch die Korallenlippen, und für einen Augenblick stiegen, wie Bläschen aus einem Crystallbecher, zwei leichte, wunderliebliche Grübchen empor auf den rosigen Wangen; sie verschwammen aber fast eben so schnell, wie sie entstanden in der Sammethaut und nur mit leiser Stimme sagte sie: »Freilich würde es eigentlich Zeit sein schlafen zu gehen, und ich weiß nicht --« »Miß Fanny,« stotterte Curtis. »Onkel schläft schon,« meinte Fanny -- »wir werden ihn wieder aufwecken durch unser lautes Reden.« Curtis ließ sich das nicht zweimal sagen; blitzesschnell war er von seinem Stuhle auf und rückte diesen neben das schöne, leichterröthende Mädchen. »Dann brauchen wir doch wenigstens nicht so laut zu sprechen,« meinte er. »Aber Mr. Curtis.« »Ach Miß Fanny,« seufzte Curtis, der jetzt einmal im Gang, auch alle Furcht und Scheu überwunden hatte, »Sie müssen es lange gemerkt haben, daß ich Sie liebe; wissen Sie wohl noch das letzte Klötzeroll-Fest?« Fanny nahm die kirschrothe Unterlippe zwischen die Perlzähne und blickte still vor sich nieder. »Ich bin allein,« fuhr Curtis jetzt selbst mit niedergeschlagenem Blicke fort -- »ich habe Niemanden zu Hause, der -- der Theil an mir nimmt -- oder der -- der mich lieb hätte; ich -- ich habe lange gewünscht, -- lange gewünscht ein Herz zu finden, das -- das gern in meiner Nähe wäre. Da bin ich denn hierher gekommen -- Miß -- Miß Fanny.« Fanny spielte verlegen mit der Schnur der Kugeltasche, die an der Seite des Kamins neben ihr herunter hing. -- »Und wollte Sie fragen, Miß« -- fuhr Curtis mit angehaltenem Athem fort -- »ob Sie -- ob Sie Ihr Schicksal mit einem Manne theilen wollten, der -- der es brav und ehrlich meint, und Alles thun wird, was in seinen Kräften steht, Sie glücklich zu machen.« Ein tiefgeholter Seufzer kündete jubelnd die vollendete Erklärung, das Abrollen des Felsengewichts, das bis zu dem Augenblick seine Brust beängstigt hatte. Fanny sprach kein Wort, nur manchmal warf sie einen ängstlichen Blick nach der Thür und nach dem kleinen Fenster, das, mit einer dünnen weißen Gardine verhangen, dem Kamin gegenüber angebracht war. »Miß Fanny,« flüsterte jetzt, durch dies bedeutungsvolle Schweigen kühn gemacht, der Glückliche -- »Miß Fanny, ich bin auch kein hergelaufener Squatter, der Nichts hat, als seine Axt und Büchse, und mit jedem neuen Frühjahr auch wieder eine neue unbewohnte Gegend aufsucht -- ich habe ein recht wohnliches Haus mit einer kleinen Küche und dem Rauchhaus -- neun Acker urbar gemachtes und gut eingefenztes Land, auch ein kleines Rübenstück -- zwei ausgezeichnet gute Pferde -- sieben und dreißig Stück Rindvieh, einige vierzig Schweine, eine vorzügliche Stahlmühle, vier Hem -- die beste Büchse im ganzen Revier und einen kleinen Neger von --« Curtis hielt plötzlich inne; der Neger war ihm wider Willen herausgefahren, und Fanny barg plötzlich ihr Gesicht im Taschentuch und wandte sich ab -- Hals und Nacken färbten sich ihr hochroth; -- lachte sie ihn aus? Eine peinliche Pause entstand -- um Gotteswillen -- sie schluchzte. »Ach Gott! -- Miß Fanny -- was fehlt Ihnen? habe ich Sie durch irgend etwas gekränkt oder beleidigt? o mein Himmel, so reden Sie doch -- Sie bringen mich zur Verzweiflung.« »Mr. Curtis,« flüsterte endlich das schöne Mädchen noch immer hinter dem Tuche vor -- »Miß Fanny,« bat Curtis. »Für wie eigennützig -- niedrig denkend müssen Sie mich halten, daß Sie mir Ihre Reichthümer aufzählen, als ob Sie glaubten, dadurch mein Herz bestechen zu wollen.« »Miß Fanny!« sagte Curtis, und war wie vom Schlag gerührt; Scham und Freude rangen in seiner Brust um die Oberherrschaft. Scham, da er fühlte, wie Recht sie hatte; -- Freude aber, da dieser Ausbruch des Gefühls ein sicheres Geständniß ihrer Zuneigung zu ihm war. Die Freude trug aber nach kurzem Ringen den Sieg davon. »Fanny,« flüsterte er und faltete bittend die Hände -- »Fanny -- wollen Sie die Meine sein?« Fanny, mit noch immer abgewandtem, verhülltem Gesicht reichte ihm ihre Hand, die er glühend an seine Lippen preßte. »Es wird spät, Mr. Curtis,« flüsterte endlich das holde Mädchen, indem sie leise die Hand entzog und von ihrem Stuhl aufstand -- wie mit Purpur übergossen war ihr liebes Angesicht -- »wir müssen uns für heute Abend trennen -- sprechen Sie Morgen mit meinem Onkel.« »Fanny,« sagte Curtis noch ein Mal und wollte seinen Arm um ihre Taille legen, »Sie haben mich zum Glücklichsten --« Fanny stieß einen leisen Schrei aus, denn mit fürchterlichem Gepolter kam ein großer Stein zu dem niederen Kamin herunter, daß Funken und Asche weit umherstiebten; gleich darauf schlugen die draußen gelagerten Rüden an, und umbellten wüthend das Haus. »Was um Gotteswillen?« rief Curtis. »=Sick' em=!« sagte der alte Peterson im Schlaf die Hunde antreibend. »Gute Nacht!« flüsterte Fanny dem Glücklichen zu; »gute Nacht, Mr. Curtis.« »Gute Nacht, theuere, theuere Fanny!« rief dieser entzückt, drückte noch einen heißen Kuß auf die nicht widerstrebende, zierlich kleine Rechte und suchte dann ebenfalls das für ihn bereitete Lager. Aber an Einschlafen war nicht zu denken, wie mit Schmiedehämmern tobte es ihm in den Schläfen, und wenn er sich auch unruhig bald auf diese, bald auf jene Seite warf, kein Schlummer kam in seine Augen; die Hähne krähten schon wieder, draußen im Walde kullerte der wilde Truthahn und die Eule heulte ihr Morgenlied, als er endlich in einen leisen Schlaf der Ermattung sank, aus dem ihn bald wieder das Holzschlagen des alten Peterson weckte, der gleich darauf mit einem schweren Klotze auf der Schulter in das Haus trat, und diesen, als Rückstück, in's Feuer warf. Er sprang auf, kleidete sich an und folgte dem Alten vor die Thür. Hier gestand er ihm denn seine Liebe für dessen Nichte, behauptete ihrer Einwilligung gewiß zu sein und bat um seinen Segen und seine Zustimmung. Peterson hatte es, nach Allem was er am vorigen Abend gesehen, erwartet, sprach sich aber recht herzlich gegen den Farmer aus, wie er sich freue, daß seine Nichte so vernünftig gewesen, eine so kluge Wahl zu treffen, und versprach ihm dafür zu sorgen, daß es ihm fortan recht gut und wohl gehen solle, da Fanny keineswegs unvermögend, dem Manne ihrer Wahl nicht allein ihre liebreizende Gestalt, sondern auch ein recht ansehnliches Grundeigenthum wie verschiedenes anderes bewegliches Besitzthum mitbrächte. Noch an demselben Morgen ward Alles geordnet und Curtis wünschte nun mit seiner jungen Braut den Fourche la fave hinunter zu Mr. Houston, dem nächsten Friedensrichter, zu reiten, um dort mit ihr für immer vereinigt zu werden; Fanny aber bat den Bräutigam, ihr den Gefallen zu thun, und sie den Fluß hinauf zu dem etwa fünfzehn Meilen entfernten Richter Welmot zu begleiten, der, ein Freund ihres verstorbenen Vaters, stets den innigsten Antheil an ihr genommen und jetzt auch dem wichtigsten Schritte ihres Lebens beiwohnen solle. Hiergegen ließ sich Nichts einwenden, Curtis war sehr gern damit zufrieden, und seinem Wunsche nach wären sie augenblicklich aufgebrochen; Fanny hatte aber noch so viel zu ordnen, so viel zu besorgen, daß der Nachmittag heranrückte, und erklärte nun, als der Vater vorschlug, den nächsten Morgen abzuwarten, »sie wünsche bei einer Freundin, die etwa auf der Hälfte Weges zwischen hier und dem Richter wohnte, zu übernachten, wo auch Mr. Curtis gern gesehen sein würde, da sie dort schon viel von ihm gesprochen.« Wie hätte Curtis dem holden Mädchen die erste Bitte abschlagen können? was Fanny wünschte, geschah; um drei Uhr etwa brachen sie, herzlichen Abschied von Allen nehmend, auf, und der alte Peterson gab noch, da er der dringenden Arbeiten wegen nicht selber mitreiten konnte, der Nichte einen Zettel[6] für den Friedensrichter, der -- freilich etwas unorthographisch, doch hinreichend war, jenen mit seinen Wünschen bekannt zu machen. 6: Der Zettel lautete wörtlich: »=Plees Sir -- merry the too young peepel; yoors M. Peterson.=« Wohl noch eine Stunde vor Dunkelwerden erreichten sie die Farm, in welcher Fanny die Nacht zu bleiben wünschte, wurden hier auf das Freundlichste bewillkommt, und schienen sogar erwartet zu sein, obgleich Curtis nicht begreifen konnte, wie das möglich war; die Unterhaltung ward übrigens sehr lebhaft geführt und Fanny ließ sich besonders viel von einem jungen Deutschen erzählen, der eben aus den Ozark-Gebirgen zurückkam und hier ebenfalls eingekehrt war, weil schwerdrängende Wetterwolken eine stürmische Nacht verkündeten. Curtis fühlte sich übrigens sehr abgespannt; drei Nächte lang hatte er fast jedes Schlafes entbehrt, und die fortwährende Aufregung, in der er sich befunden, mußte überdies noch dazu beitragen, die Ermattung und Erschlaffung seines ganzen Nervensystems zu entschuldigen. Der Farmer bemerkte auch bald seine Müdigkeit, winkte ihm seitab, und führte ihn in die Ecke zu seinem Lager von weichgebreiteten Hirschfellen, auf das er sich warf, und hier bald dem Schlummergott, der ihm so lange treulos gewesen, in die Arme sank. In der Nacht machten die Hunde einmal einen fürchterlichen Lärmen, und Curtis träumte, es fiele wieder ein Stein im Kamin herunter; er wachte aber nicht davon auf, und erst ein unruhiges Umherlaufen im Haus, und ein Auf- und Zuschlagen der Thüren erweckte ihn. Es war schon heller Tag, die Sonne schien durch die Seitenspalten des Blockhauses, als sie eben die dunkelwogenden Fichtenwipfel überstieg, und der Deutsche schnürte vor dem Kamin die wollene Decke zusammen, um seine Wanderung, den Fluß hinunter, fortzusetzen; Fanny konnte aber auch noch nicht auf sein, denn er sah sie nirgends. Mit außerordentlicher Geschicklichkeit, die auch wirklich nur dem daran gewöhnten Hinterwäldler eigen ist, kleidete er sich jetzt unter der Bettdecke soweit an, daß er aufstehen und seine Toilette vor den übrigen Mitgliedern der Familie vollenden konnte und trat nun ebenfalls zum Feuer. Fanny ließ noch immer Nichts von sich sehen. »Mr. Curtis,« sagte endlich der alte Farmer, als er die ungeduldigen Blicke bemerkte, die der feurige Liebhaber nach den Gardinen warf, hinter denen die Geliebte noch immer weilte; »Mr. Curtis, wissen Sie es schon?« »Wissen Sie?« frug Curtis überrascht -- »wissen? was?« »Sie wissen also Nichts davon?« sagte jener kopfschüttelnd. »Von was denn, um Gotteswillen?« »Hm!« sagte der Alte -- »Mr. Peterson, Sie bringen mich in Verzweiflung; was ist vorgefallen? was soll ich wissen? so reden Sie doch -- wo ist Fanny?« William, Petersons ältester Sohn, winkte dem Ungeduldigen auf bedeutungsvolle Art und verließ das Haus. Curtis drückte sich den Hut auf den Kopf und folgte ihm schnell -- ihm ahnte Schreckliches. »Mr. Curtis,« sagte William, als er hinter der Fenz, da wo sie das Haus nicht mehr sehen konnten, stehen blieb -- »Mr. Curtis, ich habe einen Auftrag an Sie auszurichten?« »Auftrag -- von wem?« »Von Miß Fanny Lowland!« »Von meiner Braut?« »Von Miß Fanny Lowland.« »Mann Gottes, ist sie denn nicht mehr im Hause? ist sie wieder heimgekehrt?« »Nein; sie ist zum Friedensrichter,« sagte William. »Zum Friedensrichter?« rief Curtis plötzlich beruhigt, »ja das ist was anderes; aber so lange hätte sie doch noch warten können, bis ich mich angezogen hatte. Ja da muß ich gleich nach --« »Bitte,« sagte William und hielt den Forteilenden zurück -- »ich habe auch noch ein kleines Briefchen an Sie abzugeben.« »Einen Brief? von wem?« »Von Miß Fanny Lowland!« »Von meiner Braut?« »Von Miß Fanny Lowland.« »Der Mensch macht mich noch wahnsinnig,« dachte Curtis, und riß dem Lächelnden das zusammengefaltete Papier aus der Hand. Es war versiegelt, und enthielt, mit Bleistift geschrieben, die folgende, tröstliche Nachricht. »=Dear Sir= -- Kaum darf ich hoffen, daß Sie mir eine List verzeihen, zu der mich freilich nur die Nothwehr gezwungen hat. Ich liebe einen jungen Mann, einen Advocaten aus Cincinnati, und mein Onkel hätte mir noch Jahrelang seine Einwilligung versagt, da hörte ich von Ihrer Ankunft. Schon am Tag vorher, ehe Sie unser Haus betraten, war die Nachricht gekommen, daß Sie bei Smeiers um die Hand der Tochter angehalten, und da zwischen dort und unserem Hause nur drei Farmen lagen, von denen nur auf zweien heirathsfähige Mädchen lebten, so konnten wir mit Gewißheit darauf rechnen, Sie gestern bei uns zu sehen. Mein Plan war augenblicklich gefaßt; durch Sie mußte ich die schriftliche Erlaubniß meines Onkels bekommen, mich zu verheirathen -- ich sandte meinem Bräutigam durch einen sicheren Neger Kunde, und versuchte nun selbst, Ihr Herz für mich zu gewinnen. Ich will aber nicht eitel sein, ich will es nicht meinen Reizen zuschreiben, die mir das Ihrige so schnell eroberten; doch sei dem wie ihm wolle, mein Plan gelang, ich erhielt das Papier; Sie selber führten mich in die Arme meines Bräutigams, der Sie am vorigen Abend erst mit dem Stein erschreckte, und dann gegen Morgen kam, mich abzuholen. Ich bin, wenn Sie diese Zeilen erhalten, -- sein Weib.« Curtis starrte mehrere Secunden verblüfft in das Antlitz seines Begleiters -- dann fuhr er fort zu lesen. »Zürnen sie mir nicht, aber ich war stets ein wildes, unfolgsames Kind, und verdiente weder Sie noch ihren kleinen Neger, noch die hundert und fünfzig Dollar -- leben Sie wohl und machen Sie eine Andere glücklich.« »=P. S.= Meine Cousinen wußten Nichts von meiner List, auch Peterson's haben es nicht erfahren, nur William, der junge Mann, der Ihnen diesen Brief übergiebt, ist im Geheimniß -- ihm können Sie vertrauen. Er hat zwei liebenswürdige Schwestern; und da Sie gerade an Ort und Stelle sind -- doch einem Manne von Ihrer Erfahrung --« Curtis warf den Brief auf die Erde und trat ihn so lange mit den Hacken seines Stiefels in den weichen Erdboden hinein, bis er auch nicht die Spur mehr davon entdecken konnte; dann wandte er sich wild gegen den jungen Mann und wollte seinem Grimm in tobenden Worten Luft machen; dieser legte jedoch warnend und beschwichtigend den Finger auf den Mund, trat lächelnd näher und sagte leise, des Ärgerlichen Arm ergreifend: »Pst, Mr. Curtis -- Blatt vor den Mund -- um Gottes Willen Blatt vor den Mund; bis jetzt weiß die Sache keiner als wir Beide, denn Miß Fanny oder -- Mrs. Grey kommt, wenn sie zurückkehrt, wahrscheinlich nicht hier wieder vorbei -- also _stillgeschwiegen_, das ist das Gescheidteste, was Sie unter den Verhältnissen thun können. Mit einem Mädchen, das Sie nicht liebt, wären Sie überdies nie glücklich geworden.« »Ich will ihr nach« knirschte Curtis. »Um ausgelacht zu werden?« meinte William. »Wollen Sie einen guten Rath annehmen, Mr. Curtis?« Curtis sah fragend zu ihm auf. »Sie suchen eine Frau, und werden überall abgewiesen --« »Sir!« »Ich meine es gut, Mr. Curtis, bei Gott, ich meine es gut, aber -- gehen Sie in einen anderen Staat, wenigstens in ein anderes County. Sie wissen nicht, wie schwer es hält, Vorurtheile zu besiegen.« »Mr. Peterson, ich werde Sie um Ihren Rath ersuchen, wenn ich dessen bedarf,« rief Curtis entrüstet, eilte zum Hause zurück, warf dort seinen Sattel auf das höchst unmuthig wiehernde Pferd, dem es gar nicht behagen wollte, einen neuen Ritt ohne vorhergenossenes Frühstück anzutreten, drückte ihm den Zaum in's Gebiß, den er sich nicht einmal die Zeit nahm festzuschnallen, schwang sich hinauf und sprengte, ohne auch Jemanden »good bye« oder ein sonstiges Abschiedswort zu sagen, wie besessen die Straße hinauf, dem Hause des Friedensrichters zu. Der frühe Ritt aber, der kalte Nordwind, der durch den Wald dahin strich, und die noch von den Zweigen träufelnden Regenperlen, die der nächtliche Sturm in dem Nadelholz zurückgelassen, kühlte seine Wangen und -- seinen Jähzorn. Er hatte zuerst im Sinn gehabt, wie ein zürnender Gott vor das Mädchen zu treten, das ihn so schändlich hintergangen, aber des jungen Peterson's Worte: »Sie werden nur ausgelacht,« schallten noch immer in seinen Ohren. »_Ausgelacht_?« er hielt sein Pferd an, und blickte nachdenkend auf die Straße nieder; »_ausgelacht_ -- und hat jenes -- Geschöpf -- verdient, daß ich mich so um sie ärgere?« Sein Auge fiel auf die frisch eingedrückten Spuren zweier Pferde, von denen er die einen augenblicklich als die Spuren des Poneys erkannte, das Fanny gestern geritten. Curtis -- der fromme Curtis fluchte -- er schwur, er wolle verdammt sein, wenn er nicht Rache -- »nein -- er wolle _nicht_ verdammt sein« -- sagte er plötzlich, indem er den Zügel losließ, den Hut abnahm und sich mit der Hand hinter dem Ohre kratzte. »Curtis!« sprach er dann nach kleiner Weile vor sich hin, »Curtis, bist Du nicht ein rechter strafwürdiger Narr gewesen?« Das Pferd nickte ein paar Mal mit dem Kopfe auf und nieder und wieherte -- es hatte Hunger. »Hast Du Dich nicht in der Ansiedelung zweck- und ziellos umhergehetzt?« fuhr der Reiter fort, ohne des Pferdes Bewegung weiter zu beachten, »hast Du nicht nach Glaskorallen draußen im Weiten gesucht, während Du einen Diamant im eigenen Hause hegst? Curtis -- Du hast diese Strafe verdient -- lange hättest Du merken müssen, daß Dir Nancy gut sei, und -- gestehe es Dir nur ein, Du _hast_ es gemerkt, Du hast es gefühlt, daß sie Dich heimlich liebe, aber von schnöder Geldgier, von dem Drang mehr und mehr Dein eigen zu nennen getrieben, verachtest Du ein Herz, das Dir mit treuer Liebe entgegen schlug, und das in Leid und Freud' bei Dir ausharrte, nur um Dich zu trösten und zu pflegen.« Er schwieg und sah wohl mehrere Minuten lang sinnend vor sich nieder, dann aber, wie von einem unwiderruflichen festbeschlossenen Gedanken durchglüht, setzte er den Hut wieder auf, ergriff den Zügel, lenkte den Braunen herum, der mit der größten Bereitwilligkeit Folge leistete, und sprengte dann »daß Kies und Funken stoben« -- zurück, der eigenen Heimath zu. Aber nicht an Peterson's Hause wollte er vorüber, deshalb verließ er bald die breite ausgehauene Countystraße und trabte durch den Wald dem Flusse zu, den er an einer bekannten Furth kreuzte; die Niederung dann durchschneidend erreichte er bald den Fuß der südlich liegenden Hügel, wo er wußte, daß er, ohne an einer Ansiedelung vorüber zu kommen, seine eigene Farm erreichen konnte, und sprengte dann mit verhängtem Zügel und so schnell ihn des Braunen Füße tragen konnten, weiter. Unterwegs aber überdachte er in zürnendem Sinnen die Körbe -- die ganze Korbhandlung, die er erhalten, und grollte mit dem Schicksal, das ihn dazu verdammt habe, überall seine Hoffnungen zertrümmert, seine Pläne untergraben zu sehen. War es aber das Schicksal, das Alles dieses verübt? war es ein böses Fatum, das über seinen Handlungen wachte und die schönsten Keime noch in der Blüthe erstickte? -- nein -- er hatte sonst in Allem Glück, seine Erndten gehörten stets zu den besten, sein Viehstand wuchs mit jedem Jahre stärker, als er es selber zu hoffen wagte; keinem anderen Ansiedler am Fourche la fave zerriß der Panther weniger Kälber oder der Bär weniger Schweine, und kein Haus war weniger vom kalten Fieber heimgesucht gewesen, als gerade Curtis; dabei war er ein ordentlicher, fleißiger und braver Mann, nicht streitsüchtig, aber tapfer und unerschrocken, wo es galt, seinen Mann zu stehen, und bei der Arbeit unermüdlich. Woher nun konnte es kommen, daß er von allen Mädchen, um die er anhielt, verschmäht wurde, die noch überdies zu all den obigen Eigenschaften seine Verhältnisse kannten, die in diesen anspruchslosen Gegenden wirklich an Wohlhabenheit grenzten. Kaum glaublich ist es, aber die Ursache lag einzig und allein in jener Angewohnheit, von seinem kleinen Neger und seinem baaren Gelde zu sprechen; er war _verlacht_ und _verspottet_ worden, und irgend Eines der Mädchen hätte lieber einen anerkannten _Schuft_ geheirathet, als einen Mann, der sich einmal -- _lächerlich_ gemacht. Curtis fühlte das jetzt selbst, und er beschloß hinfüro die Aufzählung seines Eigenthums zu verschieben, bis er darum gefragt werde -- »doch« -- fuhr er dann in seinem Selbstgespräche fort -- »was bedarf ich dessen weiter -- Nancy liebt mich auch mit meinen Schwächen, denn sie kennt meine guten Eigenschaften ebenfalls, und ich werde jetzt das Glück zu Hause finden, das ich, Thor der ich war, vergebens unter Fremden suchte.« Diese Nacht lagerte er bei einem alten Jäger, der, ziemlich abgeschieden von anderen Ansiedelungen, sich dicht am Flussesufer eine kleine Hütte gebaut hatte, Viehzucht trieb und dabei jagte. Er fand dort gastliche Aufnahme und Nahrung für sich und sein Pferd; schlief auch, da er die Gewißheit hatte, der Alte könne Nichts von seinem Unglück erfahren haben, sanft und ruhig die Nacht, und war am andern Morgen, als die Sonne eben erst den äußersten Hügelsaum vergoldete, schon wieder unter Weges. Ihn trieb jetzt die Sehnsucht heim, wie sie ihn vor wenigen Tagen fortgetrieben, und freudig und stürmisch klopfte sein Herz, als er endlich das eigene Dach hinter den maigrünen Maulbeerbäumen, die dem Hofe Schatten gaben, hervorschimmern sah. Der Braune wieherte ebenfalls vor Freuden, als er den heimischen Trog erblickte, und Curtis streichelte ihm im Mitgefühl den schöngeformten Hals. -- Ha -- da war Nancy -- sie hatte das bekannte Wiehern des Braunen gehört, und war in die Thür gesprungen, das heimkehrende Paar zu begrüßen, das heißt, nicht etwa den Braunen und dessen Herrn, sondern den Herrn und dessen -- Frau; sie blieb auch etwas überrascht in der Thüre stehen, als sie Mr. Curtis allein zurückkehren sah; dieser aber drückte dem treuen Thier die Hacken in die Seite, sprengte bis dicht vor die Pforte, blieb dort plötzlich mit einem Ruck halten, und sagte: »Guten Morgen, Nancy?« »Ei guten Morgen, Mr. Curtis,« rief das fröhliche Mädchen, »Sie scheinen ja heute gewaltig guter Laune zu sein; ich dachte aber Sie brächten Gesellschaft?« »Wie gehts Nancy?« frug Mr. Curtis, ohne jedoch auf die letzte Bemerkung weiter zu achten, indem er immer noch vor dem Hause hielt, und zu ihr aufsah -- »wie ist es die Tage über gegangen?« »Danke -- gut, Mr. Curtis -- sehr gut -- aber warum steigen Sie denn nicht ab? wo bleibt denn der Besuch? ich habe das ganze Haus gescheuert und gekehrt.« »Schadet Nichts, Nancy,« sagte Mr. Curtis, und sah sinnend auf den -- kleinen Neger nieder, der höchst bedeutungsvoll vor ihm stand und dem Pferde nach dem Zügel griff -- »ja Bob,« rief er diesem dann zu, »führ ihn fort und füttere ihn gut, ich reite nun sobald nicht wieder aus, der Braune soll sich eine Woche pflegen, denn zu Richter Houstons nebenbei können wir zu Fuße gehn. Höre Nancy,« wandte er sich dann an das junge Mädchen -- »ich hab Dir viel zu erzählen, und muß Dich um etwas fragen.« -- »Mich? -- ei um was denn?« »Sollst es gleich erfahren, aber -- Du hast Dir ja all Deine Sonntagskleider vorgeholt? ist ein Tanz in der Nähe?« »Ach Mr. Curtis -- ich hätte Ihnen auch viel zu erzählen,« sagte Nancy, und wurde feuerroth. »Nun Nancy? heraus mit der Sprache,« lächelte dieser, »heraus mit der Sprache -- was ist's?« »Ach, Sie werden mich auszanken!« »Ich Dich auszanken, Nancy? habe ich Dich jemals ausgezankt?« »Ach Gott ja, wissen Sie wohl das eine Mal, wo ich über den kleinen Neger« -- »Oh -- Unsinn,« sagte Mr. Curtis. »Es war Jemand hier während Ihrer Abwesenheit,« fuhr Nancy fort. »So? wer denn? aber was wolltest Du mir denn erzählen?« »Mr. Pelter, Sir, -- der junge Mr. Pelter.« -- »So? wollte er das Joch Ochsen kaufen, wegen dem er sich schon fast die Füße abgelaufen hat?« »-- Nein -- er -- er hat,« sagte Nancy zögernd und bis in die Haare hinauf erröthend -- »er hat um meine Hand angehalten.« Curtis zuckte wie von einem Blitzstrahl getroffen zusammen, und blickte dem Mädchen so wild, so stier in's Auge, daß dieses erschreckt einen Schritt zurücktrat und ausrief: »Mr. Curtis!« Es war aber auch nur ein Moment, dann geschah ihm das, was uns armen Sterblichen nicht selten geschieht, wenn ein Unglück so schnell dem andern folgt, daß wir kaum Zeit behalten, über das erste nachzudenken, während schon das zweite und dritte nachbricht -- die ganze Sache kam ihm komisch vor -- er schlug ein fürchterliches Gelächter auf und fing dann wie wahnsinnig an zu pfeifen. Nancy sah ihn erschrocken an -- was konnte dem Manne wohl fehlen? sein ganzes Benehmen war ihr schon sonderbar erschienen -- sollte er -- es wäre schrecklich -- übergeschnappt sein? -- »Bob!« rief Curtis seinen kleinen Neger an -- »Jes Massa.« »Sattle den Rappen, der Braune mag sich ausruhen, ich muß fortreiten.« »Aber Mr. Curtis« -- sagte Nancy. »Und wann wollt Ihr Euch verheirathen, Nancy?« »Sobald Sie zurückkamen -- heute« -- stotterte Nancy. »Willst Du mir einen Gefallen thun, Nancy?« »Gern -- von Herzen gern -- welchen?« »Willst Du noch bei den Kindern bleiben und auf das Haus acht geben, bis ich, vielleicht in acht Tagen, zurückkehre?« »Das will ich mit Freuden, aber -- wo wollen Sie denn hin?« -- »Nach Tenessee hinüber, vielleicht nach Kentucky,« sagte Curtis, und trat vor die Thüre, denn in diesem Augenblick brachte Bob den Rappen. »Good bye Nancy« -- sagte Jeremias, als er sich in den Sattel schwang. »Good bye Mr. Curtis,« sagte Nancy, als sie ihm kopfschüttelnd nachblickte. Jeremias aber setzte wieder, wie vor einigen Tagen, über den Bach weg und pfiff sich ein munteres Lied, bog aber diesmal anstatt links, rechts in die Countystraße ein, und murmelte, als er dem feurigen Rappen den Hacken fester in die Seite drückte: »Das müßte doch mit dem Henker zugehen, wenn ich keine Frau kriegen könnte.« * * * * * Jeremias Curtis zog nun über den Arkansas, und wie es hieß, sogar über den Mississippi hinüber. Nancy aber, die allerdings versprochen hatte, bei den Kindern, keineswegs aber ledig zu bleiben bis er zurückkehre, schloß nicht mit Unrecht, daß dies wohl noch eine Zeit lang dauern könne, und da es, wie sie schon mehrere Sonntage gehört hatte, nicht gut wäre, daß der Mensch allein sei, besonders in den dichten Wäldern des fernen Westens, so verband schon am zweiten Tage nach Curtis plötzlicher Abreise der benachbarte Friedensrichter die beiden Liebenden, und »der junge Mr. Pelter« zog, da »die Heerden doch unmöglich so lange ohne männliche Aufsicht bleiben konnten,« indessen als Verwalter auf Curtis Farm. Hoffentlich bekomme ich recht bald und recht günstige Nachrichten über Curtis zweiten Zug, und werde dann sicherlich nicht ermangeln, dem freundlichen Leser mitzutheilen, ob _Curtis eine Frau bekam_. Schulen in den Backwoods. Schulen und Urwald sind eigentlich zwei einander sehr entgegengesetzte Begriffe. Die wild und schauerlich rauschenden Baumwipfel und das Erlernen von Gegenständen, die gerade in ihrem Schatten am wenigsten anwendbar sind, stehen sich einander fast zu unvereinbar und schroff gegenüber; es ist aber hiermit wie mit der Fabel von dem Baume, der dem Menschen erlaubte ein kleines Stück Holz, nur so viel als er zum Stiel einer Axt gebrauchte, zu nehmen, und sich bald darauf durch diesen ihm so gering erschienenen Span angegriffen und gefällt sah. So ist es mit den Schulen im Urwald: zuerst sammeln sich in roh aufgeschlagener Hütte, im Schatten und unter dem Schutz der Wildnisse, die Kinder und jungen Leute aus den vereinzelten Ansiedlungen und Jägerwohnungen; aber ihre Fähigkeiten wachsen -- bald stehen ihnen die sie umstarrenden Riesenstämme zu beengend und hemmend im Weg und die herrlichen Bäume fallen, der Wald wird gelichtet, das Land urbar gemacht, Farmen und Städte springen auf und der Pflug durchfurcht den Platz, Lastwagen knarren über die Stelle wo noch vor wenigen Monden der Bär sein stilles und ungestörtes Lager aufgeschlagen, wo kein Laut das feierliche Waldesschweigen gebrochen hatte, als der gellende Schrei des Panthers und der schauerliche Ruf der Eule und des Whip-poor-will. Es ist eine traurige Wahrheit, der Poesie des Lebens folgt die trockene, ernste Prosa, der fröhlichen Jugendzeit das gesetzte, sorgenvolle Alter, den bunten, glänzenden Luftschlössern des Kindes die düsteren, kalten Gebäude des Mannes mit ihren zugigen Gängen und rauchenden Kaminen, dem Brautstand die Ehe, dem freien, sorglosen Waldleben der Pflug und die Egge des Landmanns und die dumpfige Schreibstube des Gelehrten und Kaufmanns. Die Leute sagen: die Welt wird besser, der Segen der Civilisation spricht aus den wallenden Getreidefeldern und den friedlich rauchenden Hütten des Landmanns, aus den blühenden Städten und belebten Landstraßen, die sich zwischen grünen Hecken und blühenden Obstbäumen hinziehen; aber die Natur trauert. Aus tausend qualmenden Fabrikschlünden wälzt sich erstickender Kohlendampf und legt sich wie giftiger Mehlthau auf die grünen Matten, der Staub der Landstraßen bedeckt Blätter und Blüthen, und gespalten und aufgerissen lechzt die schmachtende Erde, des kühlen Schattens ihrer Wälder beraubt, nach Thau und Erquickung. »Die Welt ist civilisirt und hat ihren großen Endzweck, sich zu vervollkommnen, erreicht,« so sagen die Weißen; der Indianer aber wickelt sich schweigend in seine Decke, wirft noch einen trauernden Blick auf diese Civilisation, die ihm freilich, da sie sein Alles, seine Heimath, sein Glück zerstörte, Verwüstung erscheint, und -- stirbt. -- Die Welt ist civilisirt. Doch ich spreche hier Gefühle aus, welche in Europa wohl wenig Anklang finden möchten; die Welt ist civilisirt und die Leute kennen sie hier nicht anders -- sie sind sich »nur des einen Triebes bewußt,« und es ist auch vielleicht recht gut so; das wilde Leben _muß_ der Cultur, die rohe Kraft dem höheren Geiste weichen, und die Gebeine des Indianers düngen mit dem Wald, der einst seine Heimath war, den Acker des weißen Mannes. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika geht diese Umgestaltung mit rasend schnellen Schritten vor sich, und wie bei einer Feuersbrunst die Flamme zu gleicher Zeit züngelnd nach tausend verschiedenen Stellen hinüberleckt und weit und weiter um sich greift, so bricht sich auch Aufklärung und Cultur im Norden, Westen und Süden Bahn durch die Wildniß, und noch von den Wigwams der Ureinwohner umgeben, entsteigen blühende Pflanzungen und Kirchen und Schulen vor den Blicken des erstaunten Indianers dem Boden. Die Bevölkerung der verschiedenen Staaten ist namentlich in den letzten zehn Jahren ungeheuer gewachsen; nach einer Zählung vom Januar 1840 belief sich die Gesammt-Einwohnerzahl auf 17,062,566 Seelen, die jetzt auf 23 Millionen gestiegen ist. Unter diesen waren 386,245 freie Neger und Abkömmlinge von Negern, oder sogenannte =coloured persons=, ferner 2,487,213 Sklaven und 14,189,108 freie Weiße. Von den letzten 14 Millionen waren 6,439,700 zwanzig und über zwanzig Jahre alt, und von diesen konnten noch 549,693 weder schreiben noch lesen. Hieran waren aber bis jetzt größtentheils die Kriege und Kämpfe mit den Eingebornen Schuld, denn die kühnen Pionniere des Westens, allein und unbeschützt zwischen ihnen feindlich gesinnten Stämme vorgedrungen, konnten, wenn sie wirklich die Kenntnisse dazu besaßen, keine Zeit darauf verwenden ihre Kinder zu unterrichten, so lange es galt, Tag und Nacht ihr eigenes Leben und Eigenthum gegen den schlauen und wilden Feind zu schützen; jetzt aber, wo dieser, mehr und mehr verdrängt, bald nur noch in der Erinnerung der alten Leute und in den Sagen und Erzählungen der Nachwelt leben wird, ändert sich auch dieses. Der Wald ist sicher und die Kinder dürfen allein das schützende Haus verlassen, um der meilenweit entfernten Schule zuzueilen. Die Anzahl von Schulen in Nordamerika ist beträchtlich; Universitäten und höhere Schulen giebt es 173, Real- und Vorbereitungsschulen 3242 und von den geringeren im ganzen Lande zerstreuten Instituten für die ersten Anfangsgründe, von sogenannten Abcschulen, 47,209. Auf die erstern werden dabei 16,233, auf die mittlern 164,159 und auf die letztern 1,845,244 Schüler gerechnet, wozu noch 468,264 auf Staatskosten oder Freischüler gezählt werden müssen. Die Universitäten und Schulen der östlichen und selbst der südlichen Staaten sind übrigens den europäischen zu ähnlich, um hier besonders viel über sie zu sagen, die westlichen oder Backwoodsschulen aber zeichnen sich dagegen durch so viel Eigentümliches aus, daß sie allerdings eine kurze Beleuchtung verdienen, die manchem nicht uninteressant erscheinen wird. Vom Staate selbst ist für die Erziehung der Kinder immer die sechzehnte Section (640 Acker) jedes Townships[7] bestimmt, und wird das »Schulland« genannt. Dieses soll nur zum Nutzen der Schulen und des ihnen vorgehenden Lehrers verwendet werden; in den westlichen Staaten aber, den sogenannten Backwoods, geschieht wenig mehr mit diesem Landstrich, der, wie es sich trifft, bald aus dem herrlichsten, bald aus dem schlechtesten Boden besteht, als daß höchstens ein kleines Blockhaus, das Schulgebäude, darauf errichtet wird und der Schullehrer, welcher eine solche Stelle selten auf länger als ein oder zwei Jahre, oft nur für eine Jahreszeit, den Winter, übernimmt, ein kleines Stückchen davon urbar macht und Kartoffeln oder Mais hineinpflanzt, was denn vielleicht im nächsten Jahr, wenn sich sein Nachfolger nicht darum bekümmert, so verwächst und verwildert, daß es, ordentlich wie zornig darüber, seinem Naturzustande auf kurze Zeit entrissen gewesen zu sein, mit dem tollen Gewirr von Unterholz und Schlingpflanzen gar nicht wieder zu lichten ist. Sonst beschützen es aber die in der Nähe lebenden Ansiedler insofern, daß sie den Flötzern (=rafters=) nicht gestatten, sich von diesem Landstrich, wenn er gerade bequem an einem Wasserlauf liegen sollte, Stämme zu holen und diese den Fluß hinabzuschwemmen, gegen welchen Erwerbszweig sie sonst, wenn es blos Onkel Sams[8] Grund und Boden wie Holzung betrifft, höchst nachsichtig sind. 7: Das Township selbst besteht aus einem Quadrat von sechzehn Sectionen. 8: Launige Bezeichnung der =U. (nited) S. (tates). Uncle Sam=. Wo Ansiedler nun ganz allein und nachbarlos leben, die z. B. in den Sümpfen des östlichen Theiles von Arkansas und Missouri, wo sie vielleicht 15, ja 20 und noch mehrere Meilen wandern müssen, ehe sie die Spuren menschlichen Wirkens und Fleißes erblicken können, da hört denn freilich jedes Schulgehen der Kinder auf, oder hat vielmehr noch gar nicht angefangen; die Knaben durchstreifen den Wald und jagen und fischen, und die Mädchen bleiben daheim bei der Mutter und spinnen die Baumwolle, welche ihnen der Vater dann und wann von seinen »Zügen« in das nächste Städtchen mitbringt, oder die sie auch wohl selbst in einem kleinen Feld neben dem Hause gezogen haben. Nähern sich aber diese Ansiedlungen einander auf 5 bis 6 Meilen, dann fangen die Farmer an sich nach einem Schullehrer umzusehen; gewöhnlich treibt Einer von ihnen irgendwo einen wandernden Yankee, manchmal auch einen Deutschen auf, und der Grund zur Civilisation wird gelegt. Haben sie den Schullehrer erst, dann stellt sich ihnen auch die Nothwendigkeit heraus, ein Haus zu bauen, wobei dieser gleich mit Hand anlegen kann, die Nachbarn werden also zusammenberufen und in wenig Tagen steht die kleine anspruchslose Hütte fertig mit Dach und Thüre da. Zwar befindet sich das Kamin noch sehr im Naturzustande, und eine Diele fehlt gänzlich, es ist ja aber »nur die Schule,« und da kommt das nicht so genau darauf an. Sind nun in dem District, aus welchem die Kinder gemeinschaftlich die Lectionen besuchen sollen, recht gescheute Leute, die sich berufen glauben, dem Manne, der ihr junges Amerika bilden soll, einmal ernstlich auf den Zahn zu fühlen, so wird ein Examen angesetzt, in welchem der Lehrer einige sehr verfängliche Fragen über Grammatik und amerikanische Geschichte vorgelegt bekommt, und ihm verschiedene entsetzlich klingende, und zu diesem Zweck besonders ausgesuchte fünf- bis sechssylbige Wörter zum Buchstabiren aufgegeben werden; hat er diese Fragen zur Genüge beantwortet und kann er (auf schöne Schrift wird weniger gesehen) besonders recht schnell und klein schreiben, so ist sein Ruf begründet, die Männer betätigen, daß er »=knows a heap=,« oder mit andern Worten ein sehr gescheuter und gebildeter Mann sei, und am nächsten Montag beginnt die Schule. Von diesem Augenblick an ist der Schullehrer heimathlos, denn er geht nun aus einer Hand in die andere, d. h. er »boardet« oder wohnt in dieser Woche bei dem, in der Woche bei einem andern Farmer und hat nirgends einen Platz, den er sein eigen nennen könnte, das Schulhaus selbst ausgenommen, das sich übrigens stets in einem nichtsweniger als wohnlichen Zustand befindet. Sein Gehalt beträgt von 10 bis 15, oft sogar 20 Dollars den Monat, und täglich hat er dafür seinen Zöglingen sechs, auch sieben Stunden zu geben. Diese kommen Morgens, wenn sie über eine Meile entfernt wohnen, was auch fast bei allen der Fall ist, auf ihren kleinen, indianischen Poneys angallopirt, binden diese an die das Schulgebäude umgebenden Büsche, nehmen ihre Bücher und ihr Mittagbrod, das sie in einer Blechbüchse bei sich tragen, mit hinein, und setzen sich auf die zu ihrem Nutz und Frommen roh aufgeschlagenen Bänke von weichem -- Holz. Fenster hat das Zimmer oder vielmehr das Haus (denn das ganze Haus besteht nur aus einem Zimmer) nicht, die Thür bleibt deßhalb offen, um das nöthige Licht hereinzulassen; zum Schreiben aber läuft ein zwischen zwei Stämmen an der einen Seitenwand schräg befestigtes Brett hin, welches dadurch erhellt wird, daß man den Zwischenraum zwischen den gerade über demselben befindlichen Blöcken nicht ausgefüllt hat, was, wenn man diese Spalte nur an der Süd- oder Südostseite anbringt, dem Zweck ziemlich entspricht, da es von der Wetterseite her hineinregnen würde. Die Hauptwissenschaft in diesen Anstalten besteht im Buchstabiren und richtigen Abtheilen der Wörter, in der englischen Sprache allerdings nicht so ganz leicht zu erlernen, und dieses Buchstabiren wird wirklich, selbst noch von erwachsenen Personen, mit wahrer Leidenschaft getrieben; es kommen ordentliche Gesellschaften zusammen, nur um zu buchstabiren, und in diesen bilden sich dann zwei Parteien, die einander recht schwierige Wörter aufgeben. Sobald die Schüler hierin einige Fortschritte gemacht haben, beginnt das Schreiben, die Grammatik und hin und wieder einige Stunden Geschichte, wo vor allen Dingen, wie das auch nicht mehr wie recht und billig ist, der nordamerikanische Freiheitskrieg durchgenommen wird. Das ist der regelmäßige Cursus in den gewöhnlichen Backwoodsschulen; oft aber geschieht es auch, daß, wie ich ein Beispiel aus den Bay de View-Sümpfen in Arkansas weiß, irgend ein durchziehender Krämer oder Kaufmann, dessen Geschäft auf eine andere Art nicht recht gut gehen will, Gastrollen als Schullehrer giebt. Dieser also, wenn er in eine Gegend kommt, in der noch früher nie Schule gehalten wurde, macht auf einmal bekannt, (d. h. er reitet von Haus zu Haus und meldet es selber), daß er das »Winterhalbjahr« Stunden geben würde, und ladet nicht allein die Kinder, sondern mehr noch die schon erwachsenen jungen Leute ein, gegen ein gewisses Honorar an dem Unterricht Theil zu nehmen. In dem oben erwähnten Fall hatte der plötzlich von Tenessee hereingeschneite Lehrer, ein Handlungscommis aus Memphis, Schreibestunden angekündigt, und wohl einige 30 Schüler, meistens junge Mädchen und junge Leute von 10 bis 20 und 22 Jahren bekommen; von diesen allen aber konnten, drei ausgenommen, _keiner_ weder lesen noch buchstabiren, und sie lernten nur, nach den ausgelegten Vorschriften und persönlichen Anweisungen, die Buchstaben und zuletzt die Worte nachmalen, worin sie es, ein Beispiel was Übung thut, schon zu ziemlicher Fertigkeit gebracht hatten. Die Folgen waren übrigens leicht vorauszusehen, der Lehrer blieb nur etwa vier Monate, und ging, da er das kalte Fieber nicht wieder loswerden konnte, mit seinem indessen verdienten Gelde nach Tenessee zurück. Als ich darauf in Jahresfrist jene Gegend zum zweitenmal durchzog, und bei einem Farmer übernachtete, dessen erwachsene Kinder ebenfalls an dem Unterricht Theil genommen hatten, und diese bat, mir auf ihrer Schiefertafel, auf der sie mit einander Wolf und Schafe, oder wie sie's dort nennen »Fuchs und Gänse« spielten, etwas vorzuschreiben, so waren sie auch gern dazu bereit, aber welcher Sprache diese fremdartigen Zeichen und Hieroglyphen angehörten, sah ich mich nicht im Stande zu bestimmen, den Begriff der Buchstaben und Worte hatten sie nie gelernt und die Form und Gestalt derselben bald wieder vergessen. Rechnen gehört auch schon eigentlich zu den höheren Wissenschaften, doch wird das immer noch eher betrieben, weil es mehr in's Leben eingreift; mit der Geographie müssen sich die Lehrer dagegen sehr vorsehen, denn ich weiß selbst ein Beispiel, wo sich ein alter Backwoodsman einst die Karten von Arkansas und Missouri, nach welchen der Lehrer unterrichtete, zeigen und erklären ließ, und nach einer Weile entrüstet aufsprang und seinem Sohn befahl, sein Buch zu nehmen und mitzukommen: »wo solche Lügen gelehrt würden, wollte er sein Kind nicht hinschicken,« meinte er und zeigte dann, als der Lehrer ganz verwundert und erstarrt dastand, zornigen Blickes das Messer aus der Scheide reißend, mit dessen Spitze auf die vor ihm ausgebreitete Karte. »Also hier kommt White River heraus, oh? und da entspringt er -- und die kleinern Striche hier, und die Grasbüschel, das ist Sumpf -- oh?« »Ja -- so steht's auf der Karte, und ist so nach den neuesten Vermessungen angegeben.« »So? also das soll ich glauben, und dann ist auch da an der Buffalofork kein Berg, nicht wahr? und Mulberry mündet über Ozark in den Arkansas? und wo ist denn der Richland und der Wareagle, und wo ist der Spiritcreek und Frog-Bayou? Also jetzt soll mein Junge die Lügen lernen, und wenn er nachher hinein in den Wald kommt, dann steht er da, wird irre und verläuft sich -- nein so was kann ich ihn selber lehren, da brauch' ich die Papierverderber nicht dazu.« Der alte Jäger nahm seinen Sohn wirklich mit zu Hause, und es bedurfte der ganzen Überredung seiner Frau und Schwägerin, daß er ihm endlich wieder erlaubte hinzugehen; er legte es dem Jungen aber dringend an's Herz, »kein Wort von dem zu glauben, was ihm der Yankee vorschwatzen würde.« Der Sonnabend ist in den Vereinigten Staaten, in den westlichen wenigstens, durchaus schulfrei. Fünf Tage wird nur gelehrt, und der Freitag Abend gewöhnlich zu Red- und Denkübungen benutzt, an denen dann nicht nur Kinder, sondern auch die Erwachsenen, ja alte Personen aus der Umgegend Theil nehmen. Es ist dieß aber in der That eine sehr gute und zweckmäßige Einrichtung, und gewöhnt nicht allein die jungen Leute daran, über ihnen vorgelegte schwierige oder verwickelte Fragen scharf nachzudenken, sondern macht sie auch zu frühen Rednern und lehrt sie die Scheu, öffentlich zu sprechen, abzulegen. Diese Versammlungen heißen kurzweg »Debatten,« und jeder hat dazu freien Zutritt. Ich habe übrigens einen solchen Abend in meinen »_Streif- und Jagdzügen_« ziemlich ausführlich beschrieben, und will nur hier noch die ungefähren Gesetze und Verhältnisse derselben kurz angeben. Zuerst werden zwei Richter gewählt, die sich gewöhnlich etwas vom Feuer zurück gerade gegen das Kamin zu setzen; dann folgt die Wahl zweier Capitäne, um die Verhandlungen zu leiten, und diese suchen sich nun unter den Anwesenden solche aus, von denen sie sich die besten Argumente versprechen; erst dieser Capitän einen, und dann der andere, bis sämmtliche Mitglieder verbraucht sind. Die zwei feindlichen Parteien nehmen jetzt die beiden Seiten des Kamins ein, und nun wird von den Richtern ein Thema oder vielmehr eine Disputation aufgegeben, über welche debattirt werden soll; verständigen sich die Capitäne, welchen Theil sie vertheidigen wollen, gut, so bedarf es weiter keiner Anordnungen; ist das aber nicht der Fall, so entscheiden die Richter diesen Punkt. Gewöhnlich wird ein Geldstück in die Höhe geworfen, um die beginnende Partei zu bestimmen, wo es denn vorher ausgemacht wird, ob Kopf oder Schrift den Ausschlag giebt. Das Thema oder die Debatte wird sehr verschieden, manchmal ernst, am meisten aber komisch gewählt, und es kommen oft, besonders unter den Schulkindern, gar sonderbare Argumente dabei zum Vorschein. Beispielshalber will ich hier die folgenden aufführen: »Ob Neger oder Indianer das meiste Unrecht von den Weißen erlitten haben« (ein wunderbares Capitel für einen amerikanischen Sklavenstaat, und doch kam es in Arkansas vor); »ob die katholische oder jüdische Religion die bessere sei.« (Die Richter, ein paar strenge Methodisten, wollten sich weder zu Gunsten der einen noch der andern entscheiden und erklärten einstimmig, daß alle beide nichts taugten). »Ob die Erfindung des Pulvers oder des Papiers Amerika den meisten Nutzen gebracht haben,« (die Entscheidung fiel für das Pulver günstig aus). »Ob ein Küchelchen, von einer Ente aus einem Hühnerei gebrütet, diese oder das alte Huhn als seine Mutter zu erkennen habe.« »Ob eine böse Frau oder ein rauchendes Kamin schlimmer sei etc.« Was mir besonders lobenswerth bei allen diesen Verhandlungen erschien, war der Ernst, mit dem sämmtliche Anwesende oft dem baarsten Unsinn lauschten, besonders wenn ein Jüngerer sprach; er mochte schwatzen was er wollte, so lachten sie nie, ausgenommen die Sache gehörte an und für sich zu den komischen. Sie gehen dabei von dem ganz richtigen Grundsatz aus, man müsse die jungen Leute nicht abschrecken und sie den Muth verlieren machen. Der Nutzen, den diese Freundlichkeit und Nachsicht gewährt, ist augenscheinlich, besonders in den westlichen Staaten, wo ich junge Leute, die sonst schüchtern und ängstlich schienen, bei politischen Versammlungen habe auf irgend einen abgehauenen Baumstumpf treten, und lange, wenn auch nicht tief durchdachte aber doch durch kein Stocken unterbrochene Reden halten sehen; schon die Schulkinder üben sich auf diese Art unter einander. Das Verhältniß zwischen Lehrer und Schüler ist ebenfalls in Amerika ein ganz anderes, als in den europäischen Ländern. Jene Freiheit und Gleichheit, die alle Stände mit einander verbindet, dehnt sich auch auf diesen aus, und so ernst und streng der Lehrer in der Schule sein mag, so ungezwungen beträgt er sich außerhalb derselben oder in den Zwischen- und Erholungsstunden gegen seine Schüler. Selten spielen diese ein Spiel oder halten einen Wettlauf, an dem er nicht Theil nimmt, und oft ist er der ausgelassenste des ganzen Haufens, nie aber auch weiß ich, daß Knabe oder Mädchen, in den Backwoods nämlich, einen Schlag von dem Lehrer erhalten habe; durch Ehrgeiz treiben sie schon einander selbst zum Lernen an, und dieses wöchentliche Zusammenkommen zum Debattiren und Buchstabiren ist gewissermaßen ein eben so oft wiederholtes Examen, bei dem Eltern und Freunde gegenwärtig sind, und der junge Amerikaner möchte um die Welt nicht am schlechtesten bestehen, denn er würde ja zu Hause damit geneckt werden und in der Classe nicht unter den ersten sein, auch würden ihn die Mädchen auslachen (Knaben und Mädchen theilen stets dieselben Stunden), und das wäre doch zu entsetzlich. Mit regem Eifer drängt ihn also schon sein innerer Trieb zum Lernen, und von dem Augenblick an, wo er die Schule betritt, denkt er fast nicht mehr an Spielen und Umherrennen, sondern sitzt ehrbar und andächtig mit seiner Schiefertafel in der Ecke und malt seine Buchstaben und Zahlen. Das kindliche Leben aber, die fröhlichen Spiele der Jugendzeit, das Alles kennt der Amerikaner auch nur dem Namen nach; von dem Augenblick an, wo er allein gehen und sich ankleiden kann, gehört er nicht mehr sich selbst, sondern seinen Eltern und beginnt mit Hand anzulegen an der großen Aufgabe des Lebens. Ist es ein Knabe, so muß er mit in's Feld und kleine Büsche zusammentragen, auf einen Haufen werfen und später anzünden und verbrennen, Späne und trockene Rinde für Mutter oder Schwester zum Kochen herbeischleppen und tausend andere kleine Handreichungen thun; wird er etwas stärker, so holt er den Mais aus dem »Corncrib« und füttert Pferde und Schweine, haut Brennholz und hilft mit im Kornfeld die Maishügel anhacken. Ist es ein Mädchen, so lernt es schon, wenn es kaum auf den Tisch sehen kann, das Geschirr auswaschen und Brodteig anrühren, und wird es nur ein klein wenig älter, spinnen und weben. Puppen kennt es kaum dem Namen nach, mit andern Kindern kommt es auch, der weiten Entfernung der auseinanderliegenden Farmen wegen, selten oder nie in Berührung und wird schon mit dem achten oder neunten Jahre »=an old woman=« (eine alte Frau), wie es sich gern nennen läßt. Oft zwingt freilich auch die Nothwendigkeit die armen Kinder zu einer Thätigkeit, welche ihren Jahren keineswegs angemessen ist. So starb am Richland, in den Ozarkgebirgen, die Frau eines Farmers am Nervenfieber (der arme Mann hatte keinen Arzt und keine Medicin bekommen können, und der Leidenden nur immer Calomel gegeben, bis sie todt war); sie hinterließ sechs Kinder, von denen das älteste ein Mädchen etwa neun Jahre alt, das jüngste noch ein Säugling war, und der Vater konnte sich, da er seinen Mais pflanzen mußte, wenn er das kommende Jahr etwas für sich und seine Familie zum Leben haben wollte, gerade in dieser Zeit gar nicht um die Wirthschaft zu Hause bekümmern. Da fiel dann die ganze Arbeit, die ganze Sorge, nicht allein für sämmtliche Kinder, sondern auch für die Wirthschaft, auf das arme Mädchen, selbst noch ein Kind, das vorher schon Monate lang die kranke Mutter hatte pflegen müssen, und alle lebten in einem kaum eine Hütte zu nennenden Blockhaus, mit nicht ausgefüllten Spalten zwischen den Stämmen, ohne Diele und fast ohne Bett; der Vater mußte sich wenigstens Nachts mit seinen drei Knaben Rinde auf die Erde vor das Kamin breiten und auf darüber gelegten Hirschfellen und mit wollener Decke gegen den Wind geschützt, der überall das Gebäude durchzog, vor dem wohlunterhaltenen Kaminfeuer förmlich lagern, während die übrigen vier Kinder sich auf zwei Betten zusammenkauerten, wenn man nämlich dünne, mit ungereinigten Truthahnfedern gestopfte Matratzen und eine leichte Steppdecke wirklich ein Bett nennen kann. Und doch waren die Kinder zufrieden, sie wußten es nicht anders, und ich erinnere mich, daß sie uns mit Jubel empfingen, als wir, mein alter Jagdgefährte und ich, dort eines Abends Schutz gegen ein heraufsteigendes Unwetter suchten und einen gewaltigen wilden Truthahn mitbrachten, den ich geschossen. In den östlichen Staaten und Städten verbessert sich freilich das Schulwesen mit jedem Tage; die Ansiedlungen liegen dort dichter; breite, gute Straßen setzen die verschiedenen Wohnungen miteinander in Verbindung, und nicht jeder herumstreifende Krämer oder Yankee wird angenommen, sobald er den Wunsch zu erkennen giebt, der Lehrer ihrer Kinder zu sein. In Cincinnati besonders entstanden schon 1841 drei Freischulen, in denen nicht allein Rechnen, Lesen und Schreiben, sondern auch Englisch und Deutsch, wie Geographie und Geschichte gelehrt wurde, und auch in St. Louis, wie überhaupt im Norden der Vereinigten Staaten, hat das Erziehungswesen bedeutende Fortschritte gemacht. Besonders sind in Louisville ausgezeichnete Schulen, und hierher werden vorzüglich die jungen Indianer aus dem Westen von Arkansas gebracht, um in den Künsten und Wissenschaften der Weißen unterrichtet zu werden. Was das Schulwesen unter den Indianern anbetrifft, so versehen dieß bis jetzt noch einzig und allein die Missionäre; die civilisirten Stämme natürlich, als Chacktaws, Cherokesen, Shawnees und einige andere, dicht an den Grenzen der Weißen lebende Nationen ausgenommen, die, wenigstens für die Anfangsgründe, ihre eigenen Lehrer haben. Den amerikanischen Missionären liegt aber keineswegs das Seelenheil ihrer Beichtkinder allein am Herzen, die Amerikaner sind ein zu sehr speculirendes Volk, um der Religion jedes andere Interesse nachzusetzen. So kommt es denn, daß, wie dieß besonders im Oregongebiet deutlich wird, einzelne fromme Männer sehr ehrbar und eifrig mit der Religion anfingen, bald aber, nachdem sie die rothen Söhne der Wildniß bekehrt und ihren Willen gebeugt hatten, den Yankee hervorsteckten und unter dem Vorwande, sie mit dem Segen des Ackerbaues bekannt zu machen, für sich selbst große Farmen anlegten und dann, wenn sie erst einmal eine eigene Heimath gegründet, damit zufrieden waren, _die_ Wilden zu belehren und zu bessern, welche sich gerade in ihrer Nachbarschaft befanden, oder mit denen sie zufällig in Berührung kamen. Aus den Missionären wurden so nach und nach Farmer, und das religiös zugeschnittene Kleid wich dem bequemern Jagdhemd. Die Alligator-Jagd. In den ungeheueren Sümpfen Louisiana's und überhaupt in dem ganzen südlichen Theil der vereinigten Staaten lebt in den warmen Wassern der Lagunen und Flüsse der Alligator (=crocodilus lucius. Cuv.=) in ungeheuerer Anzahl. Er gehört zu dem Geschlecht der Eidechsen und hat ganz die Gestalt und Beschaffenheit dieser Thiere, erreicht aber, besonders in den südlichsten Theilen von Louisiana und Florida, oft eine Länge von zwölf bis sechszehn Fuß. Der ungeheuere Kopf, der fast den vierten Theil des ganzen Thieres ausmacht, öffnet, wie der Haifisch, den Oberkiefer, statt des Unterkiefers, und zeigt dann ein äußerst anständiges Gefänge, das den gewaltigen, rosenrothen Schlund einfaßt. Den Körper selbst umgiebt eine harte, panzerartige, aus lauter kleinen eckigen Stücken bestehende Haut, die unter dem Bauche in weißen, harten Schuppen ausläuft. Die Nasenlöcher ragen, am Ende des Rachens, über diesem empor und liegen dicht zusammen, und wenn der Alligator an einem stillen, sonnigen Tag auf dem Wasser gewissermaßen ruht, so schauen nur die Lichter, mit einem kleinen Theil des Kopfes und Nackens, und dann weiter vorn, oft sechszehn bis zwei und zwanzig Zoll von ihnen entfernt, die Nasenlöcher über dem Wasserspiegel hervor. Die Lichter selbst sind sehr klein und sehen tückisch und katzenartig aus, die Läufe dabei kurz und zum Gehen ungeschickt, desto besser schwimmt aber dafür der Alligator. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist es, im heißen Sonnenschein auf den sandigen Uferbänken der Seen oder Flüsse zu liegen und mit aufgesperrtem Rachen das Herbeifliegen von Insekten abzuwarten, die durch den bisamartigen Geruch, welchen einige Drüsen, die er unter dem Halse trägt, verbreiten, angelockt werden, sich auf seine breite Zunge setzen und von ihm, wenn er genug zu haben glaubt und zuschnappt, mit größtem Wohlbehagen verspeist werden. Die Brutzeit ist im April und Mai; das Weibchen legt seine Eier in ein gewöhnlich aus Schlamm und Schilf zusammengebautes Nest und zwar von achtzig bis hundert und zwanzig, ja dreißig Stück welche es von der Sonne ausbrüten läßt. Die jungen auskriechenden Alligatoren haben jedoch sehr viele Feinde; Aasgeier oder Bussards, Schlangen, ja das Männchen selbst, das oft fast die ganze Brut verschlingen soll, stellen ihnen nach; es bleiben aber doch noch genug übrig, die zahlreichen Seen und Lagunen der südlichen Länder im Überfluß mit ihnen zu bevölkern. In der Paarzeit kämpfen die alten Alligatoren manchmal mit Rachen und Schwänzen blutige Schlachten. Der lange, panzerharte Schwanz ist überhaupt seine gefährlichste Waffe, doch gebraucht er ihn weniger zur Erlegung als zur Erreichung seiner Beute, denn er faßt damit das ausersehene Opfer und wirft es nach vorn, gegen seinen Rachen zu, der es dann mit freundlichem Zuschnappen empfängt. Dem Alligator geht es nun wohl in einer Hinsicht wie Maria Stuart --, er ist besser als sein Ruf -- denn die schrecklichen Geschichten, die man sich von seiner Mordgier und seinem unverwüstlichen Haß gegen das menschliche Geschlecht erzählt, sind doch meistens übertrieben. -- Ein Weißer hat, wenn er ihn nicht selber angreift und verwundet, (und auch dann nur selten) sehr wenig von ihm zu fürchten, den Negern freilich stellen sie nach; der pikante, dieser Race eigene Geruch, der, aufrichtig gesagt, besonders an heißen Sommertagen gerade nicht zu den angenehmsten gehört -- lockt sie an -- sie lieben diesen Geruch einmal, und wer kann sie deshalb tadeln, -- kauen doch manche Menschen =asa foetida=, um ihren Athem zu reinigen, also sie lieben die Neger -- wenigstens dann und wann einen Arm oder ein Bein von ihnen, und die schwarzen Söhne Äthiopiens hüten sich wohl, tief in eine dieser Sumpflagunen hinein zu waten. Dabei hegen sie auch noch eine zärtliche Leidenschaft für Ferkel und Hunde, welche erstere sie gewöhnlich ganz, letztere nur theilweise verzehren, da der Hund, von dem Alligator erfaßt, kaum einen Schmerzschrei ausstößt, als auch schon die anderen dadurch angelockt von allen Seiten herbeiströmen und die Beute theilen; den weißen Mann aber scheuen sie, verlassen bei seiner Ankunft das Ufer, an dem sie sich gesonnt, und tauchen unter. Schaden thun sie also nur insofern, daß sie die hie und da sich ihnen nähernden Ferkel abfangen, seltner einmal einen jungen Neger unter Wasser ziehen, oder eine Negerin, die am Ufer zu waschen gedenkt, bei einem Beine erwischen; da aber auch der Nutzen, den sie der menschlichen Gesellschaft bringen, sehr gering ist, und sie überdies noch ein häßliches, boshaftes, gefährliches Aussehen, was aber noch das Allerschlimmste ist, einen schlechten Ruf haben (denn es ist ein altenglisches Sprichwort: »Hängt einen Hund lieber, ehe ihr ihm einen schlechten Namen macht«), so wird ihnen, wo man ihrer habhaft werden kann, mit Kugel und Harpune, oft auch gar mit großen Angelhaken nachgestellt. Ganz unnutzbar sind sie übrigens doch nicht, denn die großen, feisten Burschen werden in Kessel gethan und das Fett heraus geschmolzen, das besonders gut zu den verschiedenen Maschinerien, die das Reinigen der Baumwolle erfordert, gebraucht werden kann. Die Schwänze der kleineren -- (bis höchstens fünf oder sechs Fuß lang) schmecken dabei delikat, nur muß das Fleisch bald von der Rückengräte abgelöst werden, da es sonst den, diesen Thieren eigenen, bisamartigen Geschmack annimmt. Ein unfern von uns wohnender Pflanzer in Pointe Coupée hatte mich lange schon geplagt, eine ordentliche Alligator-Jagd vorzunehmen, da er gar so gern einige Gallonen von dem Fett dieser lieben Bestien zu haben wünschte und ich die einzige gute Harpune dort in der Gegend besaß; als er daher eines Morgens mit seinem Sohne und zwei pechschwarzen Negersklaven zu mir kam und erzählte, daß er schon am vorigen Abend zwei leichte Kähne in den hinter seinem Hause liegenden See, der durch schmale Lagunen mit fünf oder sechs anderen in Verbindung stand, geschafft hätte und nun eine ordentliche Jagd beabsichtige, so schulterte ich meine Harpune, steckte mein kleines Scalpirmesser in den Gürtel, und dem jungen Harbour die Büchse überlassend, mit der er ziemlich gut umzugehen wußte, schlenderten wir langsam dem etwa anderthalb englische Meilen entfernten See zu. »Was trägst Du denn da, Ben?« fragte ich den einen der Neger, der etwas in grobes Baumwollenzeug einschlagen, das mir Leben zu haben schien, unter dem Arme hielt. »Kann selber reden -- Massa!« sagte der Schwarze grinsend, indem er den fürchterlichen Mund von einem Ohr bis zum andern aufriß und zwei Reihen blendend weißer Zähne zeigte -- »kann selber reden,« und dabei preßte er mit dem linken Ellbogen das seiner Sorgfallt Empfohlene. »Quitsch!« sagte ein kleines Ferkelchen, das jetzt mit allen vier Läufen anfing zu strampeln. »Stille halten, Kleines.« beruhigte es der Neger -- »gutes Thierchen -- so recht!« Er trug es mit sich, um durch das Schreien desselben die Alligatoren herbeizulocken und dann leichter zu schießen. Endlich erreichten wir einen schmalen Damm, der den größten See in zwei Hälften theilte und an dessen Einlauf die Kähne befestigt lagen; obgleich wir aber schon Ende Juni hatten, war das Wasser doch noch sehr hoch, denn der Mississippi, durch den Schnee der Felsengebirge angeschwellt, hielt die tiefer als seine Ufer liegende Niederung gefüllt, daß all das innere Land überschwemmt und einem ungeheueren See gleich da lag, den nur hier und da schmale Streifen Landes oder Dämme durchzogen. Auch dieser Damm, an welchem unsere Kähne befestigt waren, ragte kaum zwei Zoll, naß und schwammig, über die Wasserfläche empor. Zwei Drucker, welche die »Pointe Coupée Chronicle« redigirten, setzten und druckten, hatten sich unserer Jagd noch angeschlossen, und wir machten jetzt also im Ganzen, mit dem Ferkel, acht Personen, die sich nun der alte Harbour anschickte gleichmäßig zu vertheilen. Zuerst kam in jedes Boot ein Neger »zum Rudern,« dann ein Buchdrucker »zum Zusehen,« -- denn viel mehr Nutzen erwarteten wir nicht von ihnen -- dann der junge Harbour mit der Büchse in ein Boot und ich mit der Harpune in das andere »zum Jagen«, und ich bekam das Ferkel, während der alte Harbour zu seinem Sohn in den Kahn trat, der jetzt ganz kaltblütig bemerkte: »das Ferkelchen und er -- (der Vater) wären zum Quitschen.« Die Sonne brannte grimmig heiß und kein Schatten bot sich auf der ganzen weiten Wasserfläche, als der, den manchmal einzeln stehende Cypressen, mit dem langen, grauen Moose bewachsen, warfen; nicht ein Lüftchen regte sich, kein Vogel zirpte -- kein Frosch quakte, Alles lag in träger -- schlaffer Ruhe, und selbst die einzelnen Alligatoren, die mit ihren schwarzen Köpfen, wie Stücke halbverbrannten Holzes, auf der spiegelglatten Wasserfläche trieben, sahen aus, als ob sie schliefen, hätte nicht manchmal einer der großen Burschen den rosenrothen Rachen aufgerissen, dessen Oberkiefer dann einen Augenblick emporstand und mit schwerem Schlage wieder zuklappte. »Selbst die Alligatoren langweilen sich hier,« -- sagte Kelly -- der eine Drucker, der bei mir im Boote war. »Wird schon lebhaft werden, Massa,« lachte der Neger, »wenn das Kleine hier spricht!« Das Ferkel seufzte wehmüthig im Sack. -- Wir stießen jetzt vom Lande ab, hielten uns im Anfang dicht zusammen, und versuchten leise an die Alligatoren hinanzugleiten, sie waren aber zu scheu, und immer, wenn wir fast in Schußnähe zu sein glaubten, sanken sie unter. -- Ich hatte mich auf das Vordertheil des Kahnes gestellt und erwartete ruhig das Erscheinen eines der Burschen auf zwölf bis funfzehn Schritt Entfernung, doch der alte Harbour wurde ungeduldig und rief zu uns herum: »Drückt doch das Ferkel einmal ins Teufels Namen!« Der Buchdrucker aber, der sich aufrecht hingestellt hatte, um die Wasserfläche um so besser übersehen zu können, und dem es wahrscheinlich zu viel Mühe schien, sich zu bücken, trat, ohne eine Miene zu verziehen, dem armen kleinen Ding auf den Bauch. »Quiiiiiitsch!« schrie dieses in Todesangst. »Massa -- um Gottes willen,« rief aber auch erschrocken der Neger und hörte mit Rudern auf -- »das mein Schwein -- Ihr tretet's todt!« Das Experiment hatte jedoch den gewünschten Erfolg gehabt; mehre der langen Gesellen, die vorher von uns weggeschwommen waren, drehten sich jetzt und kamen langsam auf uns zu -- der Neger mußte mit Rudern aufhören und sich ganz ruhig verhalten, und nahe heran, auf etwa dreißig Schritt, strich ein gewaltiger alter Bursche von zwölf Fuß Länge. -- Einen Augenblick hielt er und traute den Booten doch nicht so recht; der Neger aber, der zu seinem Schweinchen niedergekniet war, ließ dieses einen ganz kleinen winzigen Schrei thun und dadurch angelockt, schwamm er herbei. -- »Feuer!« rief jetzt der alte Harbour, die Büchse krachte und in demselben Augenblick auch fast drehte sich das tödtlich verwundete Ungeheuer herum und zeigte den weißen, schuppigen Bauch; im Vorschießen und Umsichschlagen war es aber glücklicher Weise meinem Kahne nahe genug zum Wurf gekommen und im _Nu_ saß ihm auch die scharfe dreizackige Harpune in den Weichen. Der Schuß aber, der ihm das Hirn zerschmettert hatte, erlaubte ihm nicht mehr viel zu reißen und zu zerren, und leicht zogen wir ihn dicht an den Kahn heran; das gewaltige Thier aber in das kleine Fahrzeug zu nehmen, wäre auf keinen Fall angegangen, und wir ruderten deshalb schnell ans Ufer zurück und schleppten es dort, wobei es jedoch noch tüchtig mit dem Schwanze umher hieb, unter einen Baum. Der Versuch mit dem Ferkel wurde jetzt mehrere Male wiederholt und der junge Harbour schoß nach vier Alligatoren, von denen wir jedoch nur zwei bekamen, da ich nicht schnell genug mit der Harpune hin konnte, und ich harpunirte drei, die sich zu nahe an mich herangewagt und die Gefahr zu spät eingesehen hatten. Zwei von den letzteren waren jung und saftig, und ich schnitt ihnen augenblicklich für meinen eigenen Tischgebrauch die Schwänze ab. Nach und nach mochten sie es aber doch wohl wegbekommen haben, daß es mit dem Schweine nichts war, denn in immer weiteren Kreisen umzogen sie unsere Kähne, und wir konnten keinen mehr auf Schußweite anlocken. Das wurde also aufgegeben, der Neger aber, der in meinem Kahne ruderte, machte seine Sache so ungeschickt und vollführte einen solch gräulichen Spectakel, daß an Anschleichen mit dem Burschen gar nicht zu denken war; ich ließ ihn daher von der Ruderbank aufstehen, die ich jetzt einnahm, und übergab die Harpune an Kelly, der mich inständig bat, auch einmal einen harpuniren zu dürfen, wobei er betheuerte, zu Hause in Kentucky manchen großen Catfisch auf diese Art gefangen zu haben; unsere beiden Kähne blieben aber jetzt nicht mehr bei einander und ich legte ein Ruder nieder, während ich das andere aus dem Ruderloche nahm und in der Hand führte, da ich auf diese Art am geräuschlosesten fortgleiten konnte. Lange schon hatte ich versucht, an einen ziemlich großen Alligator hinanzukommen, immer aber noch war er mir entgangen, obgleich ich mir genau gemerkt hatte, wo er untertauchte und in welcher Entfernung er dann immer wieder an die Oberfläche kam. Jetzt sank er auch eben wieder, und mit aller Kraft das Ruder führend, das der Kahn mit Blitzesschnelle über die Wasserfläche dahin schoß, versuchte ich ihn beim Emporkommen zu überraschen und rief Kelly zu, aufzupassen. Ich hatte das Wort kaum gesagt, als der schwarze Kopf der Bestie sichtbar wurde; eben so schnell wollte er nun zwar wieder niederfahren, doch war er zu nahe, kaum sechs Schritt, als daß ihn Kelly hätte fehlen können; das Eisen saß und mit gewaltigem Ruck schoß er vorwärts. Nun ist eine solche Harpune auf folgende Art eingerichtet; das dreizackige, mit Widerhaken versehene Eisen ist etwa achtzehn Zoll lang und circa drei bis vier Pfund schwer; in diesem sitzt eine leichte, zehn Fuß lange Stange, die beim Wurf vom Eisen abgeht, um dessen Mitte ein starkes Seil gut befestigt ist, das an der Stange hinauf läuft, an dieser, oben, wieder festsitzt und nun noch etwa zwölf bis sechszehn Fuß freien Spielraum gewährt, so daß die ganze Länge des Wurfes etwa dreizehn bis vierzehn Schritte betragen darf. Das Ende des Seiles ist dabei um das Handgelenk des Werfenden befestigt, damit er es nicht durch die Finger gleiten lasse, und Beute und Waffe zu gleicher Zeit verliere. Wohl hatte ich, durch Erfahrung belehrt, Kelly vor dem Wurfe gewarnt, sich festzustellen und nicht das Gleichgewicht zu verlieren; in dem freudigen Gefühl aber, einen Alligator zu harpuniren, dachte er nicht weiter daran, und als jetzt der Verwundete mit dem Eisen hinwegeilte, riß ein plötzlicher Ruck desselben den Schützen aus dem Boote. Der Neger aber, der wohl etwas Ähnliches geahnet haben mochte, warf sich auf ihn, und wenn ihm auch der Körper entging, erwischte er doch noch ein Bein, das er festhielt, bis es unsern vereinten Kräften gelang Drucker und Alligator, die unzertrennlich waren, den ersten am Lauf, den zweiten am Seil, in's Boot zurück zu ziehen. Der junge Harbour hatte indessen auch noch einige kleine Alligatoren erlegt, und mit unserer Beute zufrieden, da die Hitze in der Mittagsgluth zu fürchterlich drückend wurde, kehrten wir langsam zum Hause zurück, während die Neger die Erlegten mit Handkarren zum Hause fuhren, da sich nicht leicht ein Pferd dazu hergiebt, einen Alligator zu tragen. Sehr häufig habe ich Alligatoren, wie die Hirsche, Nachts bei dem Scheine der Kienfackel geschossen, und ihre Lichter glühen wie Stücke rothheißen Eisens. -- * * * * * Transcriber's note: The following additional changes were made; the original appears in the first line, the altered version in the second. ANMERKUNGEN Folgende zusätzliche Änderungen wurden vorgenommen; das Original ist jeweils in der ersten, die geänderte Fassung in der zweiten Zeile zu lesen: mit der Scheu, die alle Hinderwäldler (...) haben mit der Scheu, die alle Hinterwäldler (...) haben steckte seine Nadel (...) in die Kugeltatsche steckte seine Nadel (...) in die Kugeltasche wenn der Wolf mit der Falle zu entfliegen sucht wenn der Wolf mit der Falle zu entfliehen sucht ihn zum Glücklichsten der Sterblichsten zu machen ihn zum Glücklichsten der Sterblichen zu machen unmöglich so lage ohne (...) Aufsicht bleiben konnten unmöglich so lange ohne (...) Aufsicht bleiben konnten kleine Büchse zusammentragen kleine Büsche zusammentragen traute den Boten doch nicht so recht traute den Booten doch nicht so recht ***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK AMERIKANISCHE WALD- UND STROMBILDER. ERSTER BAND.*** ******* This file should be named 33017-8.txt or 33017-8.zip ******* This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/dirs/3/3/0/1/33017 Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the rules is very easy. 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