Reise in Südamerika. Zweiter Band.

By Freiherr von Ernst Bibra

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Title: Reise in Südamerika. Zweiter Band.

Author: Ernst von Bibra

Release Date: June 30, 2014 [EBook #46154]

Language: German


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  Reise in Südamerika

  von
  Dr. Freiherrn Ernst von Bibra.


  Zweiter Band.


  Mannheim.
  Verlag von Bassermann & Mathy.
  1854.




  Inhalt.


                                                Seite

  VIII. Die Cordillera (Chile)                      1

  IX.   Valdivia (Chile)                           61

  X.    Letzter Aufenthalt in Valparaiso (Chile)  113

  XI.   Die Fahrt nach der Algodonbai (Bolivia)   145

  XII.  Die Algodon-Bai (Bolivien)                161

  XIII. Callao-Lima (Peru)                        261

  XIV.  Von Peru nach Europa                      301

        Meteorologische Beobachtungen             345




VIII.

Die Cordillera (Chile).


Man trägt sich in Chile mit vielfachen Gerüchten über die Gefahren,
welche mit Reisen in der Cordillera verknüpft sind, und in der That ist
ein solches Unternehmen auch nicht ohne alle Gefahr. Abgesehen von
den halsbrechenden Wegen, und von -- obgleich selten -- streifenden
indianischen Räubern, kann selbst auf dem Wege von Santjago nach
Mendoza, welches die gewöhnliche Straße ist, ein plötzlicher
Schneefall Bedenkliches hervorrufen.

Ein deutscher Kaufmann, mit welchem ich häufig in der Fonda inglesa
zusammentraf, ersuchte mich, als ich ihm meinen Entschluß mittheilte in
die Cordillera zu gehen, höchst artig, im Falle ich seine große Zehe
fände, welche er dort zurückgelassen, ihm dieselbe zu überbringen.
Ich erfuhr, daß er mit einem Zuge von waarentragenden Maulthieren
von Mendoza nach Santjago reisend, plötzlich von heftigem Schneefalle
überrascht, Weg und Steg verloren und in Schluchten gerathen sei, aus
welchen die kundigsten Führer, welche ihn begleiteten, keinen Ausweg
mehr gewußt. Ein Theil der Thiere war bereits aus Mangel an Futter
gefallen. Er selbst hatte in tiefem Schnee und heftiger Kälte sich die
Füße und Hände erfroren, da nirgends Feuerung zu finden; da auch
für die Menschen kein Mundvorrath mehr vorhanden, und Alle bereits
der tiefsten Entmuthigung erlagen, so hatte man sich zum Sterben bereit
gemacht und erwartete, in die Satteldecken gewickelt, den Tod. Da fand
einer der Knechte in einer Satteltasche eine Flasche Portwein und einige
Krumen Maisbrod. Man vertheilte dieses unter die sechs Männer der
Gesellschaft und wurde durch den Genuß des Weins so belebt und
aufgeregt, daß man beschloß, auf Tod und Leben einen letzten Versuch
zu machen. Man bestieg die Pferde, welche noch am kräftigsten waren,
klimmte auf die Gefahr hin zehnmal im Schnee zu versinken oder von
den Felswänden zu stürzen, aufwärts, und gelangte nach einer halben
Stunde auf ein Plateau, wo man Futter fand, und von welchem aus die
Maulthiertreiber sich alsbald orientirten. Es gelang, den größten
Theil der in der Schlucht befindlichen Thiere aufwärts und später
auf die Straße zu bringen, und man erreichte nach einigen Stunden der
äußersten Anstrengung eine entgegenkommende Caravane, welche Speisen
mittheilte und die Vollendung der Reise ermöglichte.

Ein Engländer hatte einige Jahre vorher, ehe ich in Santjago war, sich
vorgenommen, zu Fuße von dort über die Cordillera nach Mendoza
zu gehen. Er machte sich trotz aller Abmahnung, mit einem Hunde und
Schießbedarf versehen, auf den Weg; aber später nach Mendoza Kommende
trafen ihn nicht daselbst, und man glaubte ihn sicher verloren. Nach
etwa sechs Wochen erschien indessen der Reisende wieder in Santjago,
fast unkenntlich und ohne Hund. Er hatte denselben in der äußersten
Noth verzehrt. Nachdem er eine schwere Krankheit überstanden, kaufte er
einen neuen Hund und machte sich wieder auf den Weg. Aber er erreichte
weder Mendoza, noch kam er nach Santjago zurück; er verschwand spurlos
in den Bergen.

Ich hatte mich besser vorgesehen als dieser Britte, und meine kleine
Expedition war ganz nett ausgerüstet. Es begleitete mich der deutsche,
bei Segeth in Diensten stehende Jäger, und außerdem hatte ich für die
Dauer der Excursion zwei chilenische Knechte gedungen. Natürlich
waren wir alle beritten und namentlich hatte ich durch die freundliche
Gefälligkeit Segeth's ein vortreffliches im Klettern geübtes Pferd
erhalten. Zwei Maulthiere trugen abwechselnd Mundvorrath und die
nöthigen Instrumente; einige Reservepferde fehlten nach chilenischer
Sitte ebenfalls nicht.

Der eine meiner Knechte war schon früh mit den übrigen Pferden und
den Maulthieren vorausgegangen, und des Nachmittags folgten wir andern.
Unser Aussehen mag so ziemlich die Mitte gehalten haben zwischen
dem eines Jägers und eines Räubers, hatte aber für dort nichts
Auffallendes.

Wir ritten scharf durch die Ebene von Santjago, um noch vor Nacht die
Vorberge der Cordillera zu erreichen, und hielten nur einmal an, um
rasch ein Glas jenes rothen Weines von Conception zu trinken, dessen ich
bereits erwähnte. Die Gegend von Santjago ist wirklich reizend, indem
sie vollkommen den Charakter der Fruchtbarkeit und Cultur trägt, ohne
alles Romantische verloren zu haben, wie das sonst so häufig der
Fall. Einzelne Landgüter, größere oder kleinere Besitzungen, erstere
Reichthum verrathend, letztere voll malerischen Reizes, bilden auch
dort, gegen das Gebirge zu, die Umgegend der Stadt, und sind häufig
halb versteckt in Gruppen von Feigenbäumen und Pfirsichen, selbst die
Orange fehlt nicht, den Typus des Südens vervollständigend. Einen zwar
eigenthümlichen, indessen nicht eben angenehmen Anblick gewähren die
Lehmmauern, mit welchen fast alle Grundstücke eingefriedigt sind, und
welche sich mit hellbrauner monotoner Färbung allenthalben durch
die Landschaft ziehen, so daß das Ganze in einiger Entfernung
Festungswerken ähneln mag.

Aber auch abgesehen von den übrigen Schönheiten der Landschaft,
überwiegt der großartige Rahmen, in welchen das Bild gefaßt ist, die
Cordillera, kleinere Uebelstände desselben, und manchfache Staffage
belebt das Ganze. Zwar ist das Thierreich eben nicht zahlreich
vertreten, und selbst Vögel finden sich hier fast spärlich. Einige
Raubvögel waren noch die zahlreichsten Repräsentanten derselben, und
diese saßen meist ruhig, kaum sich um den Vorüberreitenden kümmernd,
auf den erwähnten Lehmmauern; hier und da liefen der Turco und
Tapaculo[28] mit Blitzesschnelle über den Weg und der rothbrustige
Staar und einige andere weniger zierlich gefärbte seiner
Geschlechtsverwandten wiegten sich in den Zweigen der am Weg stehenden
Bäume.

Desto häufiger aber begegneten wir Reitern auf Maulthieren und Eseln.
Ganze Züge von Maulthieren bringen Holz zur Stadt, Esel mit Futter
beladen, ziehen trotz des noch überdem zwischen demselben sitzenden
Führers, ziemlich rasch ihre Straße, und dazwischen galoppiren lustig
Männer, Frauen und Kinder nach allen Seiten hin. Man sieht in Chile
kaum einen Fußwanderer, da jeder ein Pferd besitzt, und dort ist ein
ganz anständig gekleideter Fußreisender etwa so angesehen, wie bei uns
zu Lande ein Reisender, der barfuß und ohne Rock seine Straße zieht,
und statt des Hutes etwa einen Knotenstock führt.

Als wir uns beiläufig sieben bis acht Stunden von der Stadt entfernt
hatten, machte der freundliche Charakter der Gegend allmälig einem
ernsteren Platz. Selbst die kleineren Hacienden und Ansiedelungen wurden
immer seltener und verschwanden endlich plötzlich. Wald und Felsen
begannen, und wir hatten kurz vor Anbruch der Dunkelheit die Vorberge
der Cordillera erreicht. Wir hatten beabsichtigt, in einer am Fuße der
Cordillera liegenden kleinen Ansiedelung zu übernachten, wo von den
Bergen gebrachte Silbererze verschmolzen werden, und woselbst der Jäger
vor Jahren einmal eingekehrt war. Es zeigte sich indessen bald, daß wir
den Weg verfehlt hatten.

Der Rio Mapocho strömt dort, aus den Anden hervorbrechend, mit
Heftigkeit durch seine felsigen Ufer, und wir mußten fortwährend
stromaufwärts seinen Lauf verfolgen, da weiter oben jenes kleine
Hüttenwerk liegen sollte. Bald aber waren wir gezwungen über den
Fluß zu setzen, indem das bischen Weg, auf dem unsere Pferde weiter
kletterten, aufhörte und zur steilen Wand wurde. Mittlerweile war
die Dunkelheit vollständig eingebrochen, und trotz des klaren
Sternenhimmels war es in der Bergschlucht, in welcher wir ritten, so
finster, daß man kaum den vor sich Reitenden unterscheiden konnte. Es
wurde deshalb der eine meiner Knechte, der einen Schimmel ritt, an die
Spitze des Zuges gestellt; aber es dauerte nicht lange, so mußte wieder
der Fluß passirt werden, da jetzt auf der andern Seite der Weg zu
schmal wurde, oder eigentlich besser gesagt, ganz aufhörte, und dieses
Uebersetzen wurde während der Nacht etwa 10 bis 12 mal wiederholt.

Der vorausreitende Knecht, der den Weg suchen mußte, wurde nicht selten
eine Strecke im Wasser abwärts gerissen und mußte dann eine andere
Stelle ausfindig machen, welche, besonders der Lastthiere halber,
leichter zu passiren war. Aber dies alles geschah von Seite des Knechts
unter Scherz und Gelächter, wenn gleich mit manchem Caramba, dem
scherzhaften und unschuldigen Fluchworte der Chilenen.

Der Fluß strömt schnell dahin, und obgleich wir selten bis über die
Kniee in's Wasser kamen, hatten die Pferde genug zu thun sich zu halten,
und verloren nicht selten den festen Grund, hatte gleich der Knecht die
seichtesten Stellen ausgesucht. Ritten wir längs des Ufers, so mußten
die Thiere im buchstäblichen Sinne des Worts, sich durch die am Ufer
angeschwemmten Felsenblöcke winden, andere überspringen, während sie
auf kopfgroßen Geschieben des Flusses Fuß zu fassen gezwungen waren,
wenn sie eine plötzlich erscheinende tiefere Stelle nicht bis an die
Kniee versinken ließ.

Wir waren eine Zeit lang auf dem linken Ufer des Flusses fortgeritten,
als wir, wie uns dünkte, an die gesuchte Stelle gekommen waren, um nach
nochmaligem Uebersetzen des Flusses auf eine Art von Weg zu gelangen,
welcher zu dem ersehnten Hüttenwerk führen sollte. Als wir aber uns
anschickten, in's Wasser zu reiten, fanden wir bald, daß der Fluß
so bedeutend angeschwollen war und so heftig strömte, daß an kein
Passiren desselben mehr zu denken. Wir hatten nicht daran gedacht, daß
fast alle die von der hohen Cordillera kommenden Flüsse des Nachts
bedeutend anschwellen, da das des Tages über durch die Sonnenhitze
geschmolzene Schneewasser ihre Masse bedeutend verstärkt.

Es stand uns jetzt die wenig tröstliche Aussicht bevor, hungrigen
Leibes auf den Geröllen des Mapocho Nachtlager zu halten, und
vielleicht von dessen stets steigenden Fluthen noch einen Besuch zu
erhalten.

Da erinnerte sich der Jäger, gerade zur rechten Zeit, daß etwas weiter
oben sich die Schlucht öffnen müsse und dort die Hütten einiger
Landleute seien, bei welchen er früher einmal in dieser Gegend mit
einem deutschen Naturforscher jagend, eingekehrt war. Wir eilten weiter
und bald öffnete sich wirklich die Schlucht in etwas, und die Abhänge
derselben wurden flacher, so daß die Pferde sie erklimmen konnten. Als
wir uns auf der Ebene befanden und einen Weg vor uns hatten, der für
deutsche Pferde lebensgefährlich gewesen wäre, für die chilenischen
aber analog einer Chaussee war, wurden Cigarren und Pfeifen angezündet
und im Galopp dem vorausleuchtenden Schimmel nachgeritten, in fast
gänzlicher Dunkelheit und ohne irgend eine weitere Kenntniß des Weges
als die, daß in einer gewissen Richtung hin menschliche Wohnungen
befindlich sein sollten.

Endlich begann der Jäger sich etwas besser in der Gegend zurecht zu
finden, indem ihm einzelne Felsenparthieen erinnerlich waren, und
bald sahen wir Bäume und zwischen denselben Feuerschein leuchten.
Das Unvermeidliche einer chilenischen Ansiedelung, eine Meute von etwa
zwanzig Hunden, umringte uns bald kläffend und bellend und wir hatten
in Kurzem das Haus und seine Bewohner erreicht.

Es kamen uns die Männer entgegen und boten uns auf unsere Frage, ob
wir bei ihnen übernachten könnten, freundlich ihr Haus und
ganzes Besitzthum an, mit jener in Wirklichkeit uneigennützigen
Bereitwilligkeit, welche die überwiegende Mehrzahl jenes wackeren
Volkes charakterisirt.

Vor dem Hause war aus rohen Baumstämmen eine Art Vorhalle angebracht,
welche mit Baumzweigen[29] gedeckt war und dort brannte das Feuer. Eine
ältere Frau kauerte am Feuer, und vier bis fünf jüngere Frauen, alle
in große Umschlagtücher gehüllt, waren, so wie mehrere Männer rings
umher gelagert; Kinder, Hunde und Hühner, letztere durch unsere Ankunft
aufgestört, durchkrochen die Winkel der Vorhalle, und das Ganze bildete
ein zwar zigeunerartiges, aber nicht unschönes Bild.

Unsere Pferde und die Lastthiere wurden abgesattelt und sich selbst
überlassen. Fast nie verläuft sich in solchen Fällen ein Pferd und
die Thiere, welche nur ein paar Tage zusammen gelaufen sind, halten bald
gute Kameradschaft. Wir baten um eine Hühnersuppe und Eier, was
bald fertig war, als wir aber nach Wein frugen, war keiner vorhanden,
indessen hieß es, daß in einem nahen Orte welcher zu haben sei. Ich
gab einige Realen, und bald sprengte einer der jungen Leute mit einem
Schlauche auf dem Pferde in die Nacht hinaus.

Während nun auf solche Weise alle Anstalten zum Mahle getroffen wurden,
hatte ich Gelegenheit, den fast an Ostentation gränzenden Eifer meiner
Knechte zu bewundern, mit welchem sie mich zu bedienen bemüht waren.
Sie hatten unseren Gastwirthen erzählt, und hiebei half auch der Jäger
getreulich, wie ich ein aus fremden Landen gekommener, ungeheuer
reicher und gelehrter Herr, =un mui grande caballero=, sei, welcher die
Cordillera zu besuchen gedenke, nachdem er schon alle anderen Länder
der Erde bereist habe. Sie selbst reisten theils zum Vergnügen mit mir,
theils weil sie von mir einen fabelhaften Lohn bekämen. Sie machten
sich nun tausend Beschäftigungen um meine Person, zogen mir die Stiefel
aus, boten mir aus der geöffneten Reisetasche ganz ungeeignete Kleider
zu größerer Bequemlichkeit, wie sie sagten, stopften meine Pfeife, und
hatten alle Augenblicke irgend eine Frage zu thun.

So dachten die beiden Schelme sich selbst in ein glänzendes Licht zu
setzen, indem sie einen so vornehmen und mächtigen Herrn als Diener
begleiteten[30].

Nach Beendigung des Schmauses kam der junge Mann mit dem Weine (rothen
Conceptionwein), und war bis über den Gürtel durchnäßt. Der nahe
gelegene Ort war sicher eine Stunde, wenn nicht weiter entfernt, und
er hatte irgend ein Wasser mit dem Pferde durchschwimmen müssen.
Bald kreiste nun der Schlauch unter Männern und Frauen, und letztere
verschmähten nicht die Zigarren, welche ich ihnen bot, so daß wir
bald wie alte Bekannte ein munteres kleines Gelage hielten, und fast
bedauerten, als wir es aufheben und uns zur Ruhe begeben mußten, weil
wir des andern Tages mit dem frühsten uns wieder auf den Weg begeben
wollten.

Wir, die Gäste, schliefen im Freien, unweit des stets glimmenden
Feuers, auf unsern Satteldecken, obgleich wir auf's Beste eingeladen
waren, im Innern des Hauses Platz zu nehmen. Allein theils wollten
wir unsere Gastfreunde nicht vertreiben, oder wenigstens belästigen,
anderseits fürchtete ich die Unzahl jener hüpfenden Insekten, welche
ohne alle Uebertreibung wirklich eine Schattenseite Chiles genannt
werden darf, wenn es auf Comfort oder nur einigermaßen auf Ruhe
ankömmt. --

Noch vor Tages-Anbruch waren wir wieder auf, tranken Kaffee von unserem
Vorrathe, da im Hause blos Paraguay-Thee vorhanden, und luden unsere
Wirthe zum Mittrinken ein, was angenommen wurde. Aber nur mit Mühe
konnte ich die Frau bewegen, einen Peso anzunehmen, indem sie sagte,
wir hätten mit ihnen getheilt, und sie mit uns. So schieden wir als die
besten Freunde und einer der Männer begleitete uns eine Strecke, um uns
eine minder tiefe Stelle des immer noch stark angeschwollenen Flusses zu
zeigen.

Ich sah jetzt, daß man bei der Nacht leichter eine solche Passage
ausführt als bei Tage, denn mir wurde bei dem reißenden und rasch
vorüberstürmenden Wasser fast schwindlich, obgleich ich sonst wenig
zu dergleichen geneigt bin. Es verloren bisweilen die Pferde festen Fuß
und wurden schwimmend rasch abwärts getrieben, bis sie wieder Grund
fanden, und so kamen wir öfters aus der Reihe, welche wir eingeschlagen
hatten. Ein Hund, welcher uns begleitete, wurde fortgerissen, und wir
hatten ihn schon verloren gegeben, als er etwa nach einer halben Stunde,
nachdem wir längst auf dem Trockenen, keuchend und triefend uns wieder
einholte.

Das Thal, in welches wir nach Uebersetzung des Flusses gekommen waren,
war am Anfange ziemlich breit und es standen dort ebenfalls einige
vereinzelte Wohnungen, bald aber wurde es enger, und wir folgten einem
seiner Abhänge, indem wir anfingen, ziemlich steil aufwärts zu reiten.

Bald sahen wir in der immer enger werdenden Schlucht nur noch hie und
da den Fluß seinen Lauf verfolgen, und die Gegend nahm in kurzer Zeit
einen andern Charakter an.

Die unendliche Masse von scheinbar wild und ohne alle Ordnung
durcheinander geworfenem Gesteine, in manchfachen pittoresken Formen
hier ansteigend, dort eine tiefe Schlucht, wieder an einer andern Stelle
einen mauerartigen Kamm bildend, entzückt den Landschaftsmaler und
begeistert ihn, während der Geognost verwirrt wird, und anfänglich die
Hoffnung aufgibt, irgend eine anständige Theorie zu finden, wie alle
diese unendlichen Abstufungen und Varietäten von Porphyr, Diorit,
Dolerit und andere verwandte Felsarten so bunt durcheinander gewürfelt
dorthin gekommen sind.

Mit etwas Phantasie und einigem guten Willen läßt sich Vieles leisten,
so ist denn endlich eine nothdürftige Erklärung fertig. Da tritt uns
plötzlich ein Granit entgegen, wir finden Gneis, Sienit an einer Stelle
so friedlich und unbefangen dastehen und leider so wenig in die eben
fertige Erklärung passend, daß wir uns endlich gestehen müssen, ein
flüchtiger Blick auf jene colossale Natur sei wohl halbweg hinreichend
uns ihre Größe erkennen zu lassen, keineswegs aber, sie nur
einigermaßen genügend zu erklären.

Manchfacher Baumschlag decorirt die Landschaft, indem die Abhänge der
Schluchten meist bewaldet sind. So ritten wir einmal eine ziemliche
Strecke unter einem natürlichen Bogengange von Pfirsichbäumen dahin.
Im Uebrigen aber waren verschiedene Laurusarten und einige Species von
Berberis das Einzige, was ich erkannte, indem mir, dem leider
ziemlich Unkundigen in botanischen Studien, deren Betrieb während
des Vorübergaloppirens noch schwerer fiel, als die Auffassung
geognostischer Verhältnisse.

An andern Stellen schien der große, dort nicht selten eine Höhe von
20-30 Fuß erreichende Cactus und einige andere kleinere ebenfalls
scharf mit Stacheln bewehrte Pflanzen, die ganze Vegetation zu bilden.
Dort aber fallen die Abhänge steil ab und man reitet nicht selten
auf einem Pfade, der links von einer senkrecht ansteigenden Felswand
begrenzt wird, während rechts ein tausend Fuß tiefer Abgrund uns
entgegen gähnt. Häufig ist ein solcher Pfad, den meine verwünschten
Knechte einen ganz vortrefflichen Weg nannten, so schmal, daß der eine
Fuß an der Felswand streift, während der andere sammt dem Bügel
über dem Abgrund schwebt. Bisweilen lösen sich durch den Hufschlag der
Pferde Steine und Geröll ab, und stürzen neben uns in die Tiefe. Aber
all' das schadet nicht, man reitet vorwärts und macht aus der Noth eine
Tugend, denn Umwenden geht aus moralischen und physischen Gründen nicht
mehr an.

Weniger gefährlich indessen als es aussieht sind diese Bergpfade
wegen der Güte und Sicherheit der chilenischen Pferde, aber sie werden
bedenklich in hohem Grade bei Begegnungen. Da nur in seltenen Fällen
ein Reisender jene Vorberge der Cordillera besucht, so sind die Wege
derselben meist nur von holztragenden Maulthieren und ihren Führern
betreten, diese aber halten bestimmte Tageszeiten zum Hin- und
Zurückgehen ein, weil für alle blos Santjago das Ziel der Reise ist.
Gegenseitiges sich Entgegenkommen ist also bei diesen ein seltener Fall.
Ein anderes war es mit uns, die wir gerade entgegengesetzte Richtung mit
den zur Stadt ziehenden Holzverkäufern hatten, und mir wäre fast ein
Unfall begegnet der üble Folgen hätte haben können.

Schon einige Mal waren wir solchen holztragenden Maulthieren begegnet,
aber stets an breiteren Stellen, wo man ausweichen konnte[31]. Jetzt
aber ritten wir einen der schmalsten Pfade, der noch dazu sich öfters
um den Fels bog, und ich war eben der letzte im Zuge, als der vor mir
reitende Knecht mir zurief, rascher zu reiten. Ich gab dem Pferde die
Sporen, aber schon stand ein Maulthier vor mir mit den Holzbündeln,
die auf beiden Seiten des Rückens befestigt, seine Last bilden. Einige
hundert Schritte rückwärts war eine breitere Stelle des Weges, auch
vorn, durch die Felsenecke verborgen, mußte eine solche sein, da die
Vorausreitenden den Lastthieren ausweichen konnten, aber zwischen
diesen und mir stand das Maulthier und der Kopf des zweiten war bereits
sichtbar. Umwenden schien mir unmöglich. Links eine steile Felsenwand,
rechts ein jäher Abhang, auf dem kaum Fuß zu fassen. Mein erster
Gedanke war das Maulthier vor den Kopf zu schießen, aber dann, welcher
Scandal mit den nachfolgenden Treibern, und ferner wäre mir das
vorwärts stürzende Thier eben so gefährlich als vorher gewesen. So
blieb ich unentschlossen einige Augenblicke haltend, ausweichend so
weit als möglich auf der Seite des Abhangs. Das Maulthier aber
rannte vorwärts und stieß mich mit der Holzlast dergestalt an die
Kniescheibe, daß ich fast sammt dem Pferde in den Abgrund geworfen
worden wäre. Meine alten deutschen Jagdstiefel von starkem Rindsleder
und handbreit über die Knie reichend, schützten mich in so ferne, daß
ich nicht argen Schaden litt, doch hatte ich durch das verwünschte
Holz eine ziemliche Contusion erhalten. Ich begriff jetzt, daß ich
auf irgend eine Weise ausweichen mußte, denn schon stand das zweite
Maulthier vor mir. So sprang ich denn auf der rechten Seite des Pferdes
herab und suchte mich auf dem steilen Abhange festzuhalten, so gut es
eben ging, und das zwar zuerst am Zügel meines Pferdes, den ich in
den Händen behalten hatte. Das Maulthier aber rannte mit seinen
Holzbündeln so heftig wider dasselbe, daß die zwei obersten Decken
in Stücke zerrissen, der Gurt gesprengt wurde und das Pferd das
Gleichgewicht verlor. Aber es stürzte nicht, sondern bäumte sich hoch
auf, drehte sich auf den Hinterfüßen, fußte wieder auf dem Pfade
und lief rückwärts hinter den Maulthieren her, bis an die vorher
erwähnte, bereits passirte breitere Stelle des Weges, wo es, den
Lastthieren ausweichend, stehen blieb. Der Zügel, an dem ich mich
festgehalten hatte, war ein nach europäischer Art gefertigter, und
bereits alt, er riß, und dieß war ein Glück, denn bei dem abhängigen
und lockeren Standpunkte, den das Pferd hatte, wäre es ohne Zweifel
durch mein Gewicht hinabgezogen worden, und auf mich gefallen. Aber das
mir gehörige Zaumwerk nach der schweren und haltbaren Weise des Landes
gefertigt, war dem Pferde am Kopfe etwas zu enge, und deßhalb entlehnte
ich von Segeth ein anderes, dessen Zerreißen hier zu meinem Vortheile
stattfand.

Ich selbst kugelte hierauf, ohne mich irgendwie halten zu können, fünf
und zwanzig oder dreißig Schritte abwärts, faßte aber dort einen
Strauch und kletterte oder kroch vielmehr dann wieder den Abhang
hinan. Zehn Schritte unterhalb des rettenden Strauchs fiel die Felswand
senkrecht ab. -- Dort, d. h. etwa 800 Fuß tiefer, fließt der
liebenswürdige Mapocho zwischen zierlich zugespitzten Felsen, und hie
und da zerstreut zwischen ihnen bleichen fragmentarisch die Gebeine von
Menschen und Thieren, die oben ebenfalls das Gleichgewicht verloren und
zufällig nicht an einem Strauche hängen geblieben sind.

Einer der Knechte warf mir seinen Lasso zu, mit dessen Hülfe erreichte
ich die Höhe und dort war meine erste Beschäftigung, eine Unzahl
von Stacheln aus den Händen zu ziehen, Ueberbleibsel des rettenden
Strauches. Dann wurde Sattel und Zeug wieder in Ordnung gebracht und
weiter geritten.

Bald nachdem wir jene Stelle verlassen hatten, begann der Weg sich in
etwas zu verändern.

Statt daß früher auf der einen Seite Felswand, auf der andern Abgrund
war, mußten wir jetzt über einen drei Fuß breiten Felskamm reiten,
dessen beide Seiten senkrecht abfielen. Natürliche Stufen von
ebenfalls drei Fuß Höhe bildeten die Straße und so mußten die
Pferde sprungweise anklimmen. Ich war thöricht genug, mich über die
unschuldige Klippe zu ärgern und mein Pferd erhielt wohl manchen nicht
nöthigen Spornstich, indem ich auf den Unsinn schalt, über Mauern
zu reiten, anstatt außen herum. Ich weiß indessen nicht, ob dies
überhaupt angegangen wäre.

Oben angelangt, wo die Felswand ein kleines Plateau bildete, legte sich
plötzlich unser lasttragendes Maulthier ganz ruhig auf den Boden, und
war auf keine Weise zu bewegen, wieder aufzustehen. Das Thier hatte die
Augen geschlossen und sein Kopf hing, sammt dem einen Packe der Last,
die es trug, über dem Abgrund. Wenn Maulthiere ihren Führern erklären
wollen, daß sie genug gearbeitet, und keine Lust hätten, weiter zu
gehen, nehmen sie stets dieses Manöver vor, und unsere Knechte sagten,
sie thäten dies immer an der gefährlichsten Stelle, wo sie keine
Schläge zu erwarten haben, da eine einzige unglückliche Bewegung sie
in den Abgrund stürzen kann.

In der That wurden oben auf dem Plateau auch blos Schmeichelworte
angewendet, um das Thier zum Aufstehen zu bewegen, aber umsonst. Es
lag wie verendet und rührte kein Glied. Nun blieb nichts übrig, als
dasselbe möglichst auf die Mitte des Plateaus zu ziehen, abzuladen,
und so gut es ging, das andere Thier zu belasten. Ich leistete
hierbei hülfreiche Hand und bedauerte, in meiner Jugend neben andern
nützlichen Künsten, nicht auch die des Dach- oder Schieferdeckers
erlernt zu haben, welche mir dort von bedeutendem Nutzen gewesen wäre.

Als wir auf der andern Seite der Wand wieder auf festen, d. h. breiten
und geräumigen Boden gekommen waren, bearbeiteten die Knechte das
Maulthier nach Herzenslust mit ihren zusammengedrehten Lasso's, um sich
für die oben an dasselbe verschwendeten Artigkeiten zu revanchiren, und
das Thier wußte genau den Grund, denn es schlug schon aus, als sie
sich ihm nur von weitem näherten. Aber, als ich noch oben stand bei dem
widerspenstigen Thiere und auf die erstiegene Strecke abwärts blickte,
sie fast für gefährlich haltend, unbedingt aber wohl zufrieden, daß
sie zurückgelegt, kam in sorglosen Sätzen am äußersten Rand, und
wie es schien auf einen nur mittelmäßigen Klepper reitend, ein
chilenisches Weib desselben Weges. Sie hatte die Zügel auf des Pferdes
Hals gelegt und liebkoste einen Säugling, den sie im Arme hielt. Ich
schämte mich, als ich eine Parallele zog zwischen des Weibes Reise und
meinem Bedenken.

Es war die Wohnung jenes Weibes die letzte im Gebirge und nun begann
die eigentliche hohe Cordillera, nachdem wir noch einige Stunden auf
ziemlich guten Wegen scharf fortgeritten waren. Wir machten hierauf
etwa gegen 1 Uhr des Mittags Halt, ließen die Pferde grasen und nahmen
selbst ein kleines Mahl ein. Dort schon sammelte ich geognostische
Handstücke und mehrere Insekten, worunter unter andern eine neue Art
=Proscopia tenuirostris, Sturm=. Auch eine Menge von Scorpionen wurde
gefunden und fast unter jedem Steine, den wir aufhoben, streckte uns
einer seine Scheeren entgegen.

Nach anderthalbstündiger Ruhe stiegen wir wieder zu Pferde, und setzten
nach einiger Zeit über einen kleinen Fluß, worauf wir mehrere Stunden
steil bergauf eilten und endlich auf einem ziemlich breiten Bergrücken
ankamen.

Der Charakter der Landschaft hatte sich allmälig bedeutend geändert.
Wir hatten vorher wohl Wald und pittoreske Felsenparthieen, gefährliche
Bergpfade und strömende Gewässer in wilden Schluchten, aber immer
fehlte der Typus der tiefen Ruhe und Einsamkeit, der das eigentliche
Hochgebirge bezeichnet. Jetzt aber war auf der Höhe der Pflanzenwuchs
bereits verschwunden und nur in Schluchten tief unter uns zogen sich
noch in schmalen Streifen die Vorposten der Vegetation dahin. Drohende
Schneeberge hingen über uns, während wir auf kahlem nacktem Gesteine
fortritten. Die Thäler wurden großartiger, und hie und da öffnete
sich eine prachtvolle Fernsicht, um bald wieder durch einen schwarzen,
halb mit Schnee bedeckten Bergriesen verhüllt zu werden. Es war die
hohe Cordillera, in welcher wir uns befanden, das sagte uns schon der
eisige Hauch, der bisweilen von den nächsten Bergen wehte, und uns
den Poncho umnehmen hieß. Wir hatten während der Rast das Gepäcke
vertheilt und die Reservepferde mit einem Theile belastet, so konnten
wir um so rascher reiten, denn das that jetzt Noth. Der Jäger hatte
früher diese Gegenden besucht und einen passenden Platz gefunden zum
Lager. Wir mußten diesen wo möglich noch heute zu erreichen suchen, um
Holz zur Feuerung, Futter für die Thiere und Wasser zu haben. Kurz vor
Einbruch der Nacht lenkten wir wieder abwärts, meist auf Pfaden,
die das Guanaco getreten hatte, kamen wieder in eine wenigstens etwas
bewaldete Thalschlucht, und machten endlich an einer etwa 50 Schritte
breiten Stelle desselben, unweit eines rasch strömenden Bergwassers
Halt. Es wurde zur Entlastung der Thiere geschritten und rasch von
zusammengelesenem Holze ein Feuer entzündet, von unseren Satteldecken
ein Lager bereitet, und ein aus Maisbrod und rohem Charque bestehendes
Abendbrod eingenommen. Dann legten wir uns zur Ruhe, und als ich
des andern Morgens in meinen Mantel gewickelt, die Augen aufschlug,
verwunderte ich mich fast, im Freien und nicht unter Segeth's gastlichem
Dache zu Santjago erwacht zu sein.

Die Pferde hatten sich in jener ersten Nacht keine zehn Schritte von
uns entfernt, sondern waren dichtgedrängt in unserer nächsten Nähe
geblieben; als sie später das Terrain kennen gelernt hatten, entfernten
sie sich stundenweit von unserm Lagerplatze, stets aber zusammenhaltend
und eine kleine Heerde bildend.

Sogleich nach unserm Erwachen wurden Anstalten zu größerem Comfort
getroffen. Die Schlucht, welche wir in Besitz genommen hatten, strich
direkt von Nord nach Süd, und war gegen Ost und West durch steile
Abhänge eingeschlossen. Der kleine aber reißende Gebirgsfluß floß
auf der westlichen Seite, und wir brauchten auf diese Weise nur einige
Schritte zu gehen, um frisches Wasser zu haben. Ich vermag kaum zu
schildern, wie erquickend und stärkend das tägliche Baden in diesen
lärmend und brausend dahin strömenden Fluthen auf mich eingewirkt hat,
welches ich sogleich nach dem Erwachen vornahm, während die Knechte den
Kaffee bereiteten.

Große und zum Theile vollkommen abgerundete Steine, welche ringsum
zerstreut lagen, ohne Zweifel von mächtigen periodischen Anschwellungen
des Flusses dorthin geführt, wurden von uns als Tische benützt, und
während Jose Maria, der die Rolle des Kochkünstlers übernahm, einen
derselben als Küchentisch in Beschlag nahm, wurde der andere von
mir zum Präparir-Tisch bestimmt. Die Schlucht fiel gegen Süd ab
und theilte sich in mehrere andere Thäler, während sie, gegen
Nord aufwärts steigend, einige Stunden von unserem Lager durch
schneebedeckte Felsmassen geschlossen wurde.

Der Jäger und ich richteten uns ein grobes Tuch, in welchem ein Theil
der mitgebrachten Vorräthe eingeschlagen waren, zum Zelte zu, welches
zwar nur etwa den Kopf und einen Theil des Leibes bedeckte, und vorne
und hinten geöffnet war, indessen doch in Etwas gegen den fallenden
Thau schützte. Wir hatten von Santjago Nägel mitgenommen, welche in
einige Bäume geschlagen wurden und zum Aufhängen der Instrumente,
des Barometers, Thermometers und Hygrometers, der Waffen und anderen
Utensilien dienten, und so war unsere einfache Einrichtung bald
vollendet.

Aehnlich wie in der Stadt wurde auch hier die Zeit eingetheilt, indem
ein Tag zum Sammeln, Jagen und Beobachten, der andere zum Präpariren
und Ordnen des Erworbenen bestimmt wurde. Bisweilen zusammen, meist aber
vereinzelt, oder von einem der Knechte begleitet, unternahmen wir unsere
Streifzüge, von welchen wir manchmal bei Zeiten, oft aber erst spät
in der Nacht heimkehrten, denn wir hatten die Umgegend bald so kennen
gelernt, daß an kein Verirren mehr zu denken war.

Große Gelehrte, so wie auch andere Reisende haben die Cordillera
geschildert und die mächtigen Eindrücke, welche sie auf den
Besuchenden hervorbringt, und ich glaube nicht, daß je einer derselben
zu viel gesagt hat von der Großartigkeit jener Massen. Der Charakter
des wild Pittoresken ist zwar stets der vorherrschende, aber in so
unendlich vielen Abstufungen und häufig in so rascher Abwechslung, daß
eben wie mir dünkt, hierin einer der größten Reize jenes mächtigen
Gebirges liegt. Das Gebirge steigt fortwährend terassenförmig in die
Höhe. Man steht auf einer solchen Terasse und vor uns steigt eine mit
Firnschnee allenthalben bedeckte Felswand an, die man unbedingt für den
höchsten Punkt der Umgebung halten muß. Endlich ist es gelungen, nicht
ohne Gefahr einen Ausweg zu finden, man klettert an steilen Felsen, man
geht über tiefe, hart gefrorene Schneemassen, welche glücklicherweise
eine Schlucht ausfüllen, und der Fels, der anfänglich immer höher zu
werden scheint, je höher man klimmt, ist endlich erstiegen. Man ist auf
einer Ebene, wo sich kaum Schnee befindet, ja wo vielleicht selbst hie
und da eine einzelne =Saxi fraga= am Gesteine wuchert. Aber in einiger
Entfernung steigt eine neue Felswand empor, mächtiger als die vorige
und spottend jedem Versuche, sie zu ersteigen. Ist aber bei einer oder
der andern dies vielleicht doch gelungen, so wiederholt sich oben
das Schauspiel und man sieht, daß in einer unzähligen Menge solcher
Riesenstufen das Gebirge anwärts steigt. Häufig ist auf solchen Ebenen
der lachendste Sonnenschein und eine fast drückende Hitze, aber vom
Rande des Plateaus blickt man in ein Wolkenmeer, welches unterhalb
sich ausbreitet und aus welchem in der Sonne glänzend, nur einzelne
schneebedeckte Spitzen hervorragen. Plötzlich, man weiß nicht
wie, denn nicht der leiseste Luftzug regt sich, sind die Wolken fast
sämmtlich verschwunden, und nur in einer schwarzen kraterartigen
Vertiefung mit steil abwärts fallenden Wänden, ist eine dichte
Masse derselben geblieben. Ohne Zweifel sind solche Bildungen, die ich
mehrfach getroffen, ausgebrannte Krater, oder wenigstens solche, die
sich in tausendjähriger Ruhe befinden. Man wartet, um von oben herab
gemächlich in's Innere des zu unsern Füßen liegenden vulkanischen
Kessels blicken zu können, bis die Wolken auch aus ihm verschwunden
sind, aber plötzlich gerathen dieselben in eine wallende Bewegung,
sie erheben sich, breiten sich aus und man ist rasch und ehe man es
vermuthet, selbst in eine Nebelschicht eingehüllt, so daß man kaum auf
einige Schritte zu sehen vermag.

Schwer wäre in solchen Fällen der Rückweg zu finden, weilten jene
Wolkenschichten lange auf ein- und derselben Stelle, aber rasch wie sie
gekommen, verschwinden sie auch wieder. --

Einen eigenthümlichen Eindruck machen die oft mehrere Stunden langen
Felsenthäler, die bald mehr erweitert, bald aber so enge geschlossen
sind, daß ihre Sohle kaum zwanzig Schritte Breite hat. Während oben
auf den Felskämmen, welche die Thalwände bilden, eine freundliche
Sonne ruht, ja, erlaubt es der Stand derselben, Sonnenblicke oft bis
in's Thal reichen, so ist nicht selten die Schlucht durch eine dichte
Wolkenmasse geschlossen, welche Stunden lang an ein und derselben Stelle
verweilt, bis sie sich gänzlich vertheilt oder verschwindet und ein
doleritischer Kegel vor uns steht, der halb mit Gletschereis bedeckt
ist, welches das tiefe Schwarz des Gesteins noch mehr hervorhebt.
Aus solchen doleritischen oder basaltischen Kegelbergen brechen stets
Quellen hervor, oder stürzen sich von den schneeigen Wänden derselben
herab, wie denn wohl überhaupt die meisten dieser wild und tief
gefurchten Thäler heftigen Wasserströmungen früherer Zeit ihren
Ursprung verdanken mögen.

Auch der Proceß der Verwitterung hat an manchen Stellen stattgefunden
und theilweise eine eigene Erscheinung hervorgerufen. Größere, häufig
von der Sonne getroffene, bald wieder von ziehenden Wolken berührte
Flächen nicht ganz abschüssiger Felswände, sind mit verwittertem
und zersetztem Gerölle bedeckt. Durch eigenthümliche plattenförmige
Spaltung mancher Gesteine hat das von oben herab kommende Wasser des
gethauten Schnees sich hier bisweilen gefangen, aus den verwitterten
Felsarten ist Erde geworden, stets befeuchtet durch nachsickerndes
Wasser und so sind grünende Oasen entstanden unweit der Grenze
des Schnees, und mitten auf einer kahlen und sonst allenthalben mit
Gesteinfragmenten bedeckten Fläche. Eine mannshohe, gelb blühende
ginsterartige Pflanze, eine =Colletia=, die =Fabiana imbricata= und
einige Berberis-Arten bilden dort meist die Vegetation in dem sonst
nicht selten sumpfigen Grunde.

Während man aber längere Zeit in einer der geschilderten Schluchten
gewandert, oder eine Felswand erstiegen hat, um von einer zweiten oder
dritten sich den weiteren Weg versperrt zu sehen und schon die Hoffnung
aufgegeben hat, für den Tag etwas weiteres als Felsmassen, Wolken
und Schnee zu sehen, biegt man um die Ecke eines Felsens, und bleibt
plötzlich überrascht und entzückt stehen vor der prachtvollsten
Fernsicht die sich bietet. Weit weg über das herrliche Chile bis an die
Küste des Meeres schweift der Blick, nur begrenzt durch den tiefblauen
Himmel der über jenem gesegneten Lande lacht. Auf eine prachtvolle
Weise wird aber das in der Sonne glänzende Flachland gehoben durch
die schwarzen Felsenmassen des Vordergrundes und die Gletschermassen,
zwischen welchen hindurch sich jene Fernsicht öffnet. Der Mangel
der Lichtperspektive, von dem ich schon vorher gesprochen, kömmt dem
landschaftlichen Bilde hier unendlich zu statten, und man möchte fast
sagen, daß bei der Großartigkeit des Ganzen die Natur hier keiner
beschönenden Tinten bedürfe.

Der unbegreifliche und fast erschütternde Zauber, der für manche
Gemüther in einer erhabenen und reizenden Fernsicht liegt, ist es aber
nicht allein, was in jenen Bergen so mächtig das Herz erhebt, es ist
das wohlthätige Gefühl absoluter Einsamkeit und Abgeschlossenheit, das
Bewußtsein unbedingter persönlicher Freiheit und das Fernsein aller
störenden Einflüsse, aller menschlichen Kleinlichkeit und Lüge. Ich
habe mich dort sicherer und fröhlicher gefühlt, als irgendwo, freilich
ohne daran zu denken, daß man auch auf der Spitze der Anden getäuscht
und betrogen werden kann, wenn gleichwohl nur =par distance=.

Auf diese landschaftlichen Skizzen mag mit wenigen Worten der
geognostischen Verhältnisse gedacht werden, und eines kleinen Theils
der Gesteine, welche jene malerischen Massen bilden. Es ist unmöglich,
ein klares Bild zu geben von dem geognostischen Charakter des von mir
besuchten Theils der Cordillera, weil es unmöglich ist, ein solches
aufzufassen in der kurzen Zeit meines Dortseins.

Im Allgemeinen muß ich wiederholen, was ich schon früher
ausgesprochen, daß das Ganze den Eindruck macht einer unendlichen Menge
der verschiedenartigsten Formen von Porphyren, Doleriten, Dioriten,
Melaphyr und Trachyt-Gebilden nebst allen Verwandten ihres Stammes,
welche wild über- und durcheinander aus der Tiefe empor geschoben
worden sind, sich theilweise durchdrungen haben, theilweise wieder
zusammen gestürzt, oder durch furchtbare Erschütterungen gespalten
worden sind, während aus diesen Spalten neue Massen hervor drangen,
welche stellenweise wieder ein ähnliches Schicksal erlitten.
Granitisches Gestein, bisweilen verändert, manchmal aber vollkommen
normal, steht hie und da an, offenbar gehoben von den vulkanischen
Formen, öfter aber auch eingeschlossen in dieselben, losgerissen von
unten und mit emporgetragen. Allgemeine weiter verbreitete Hebungen
und Senkungen, bedingt durch den Vulkanismus der Tiefe, und kolossale
Einstürzungen in Folge dieser, vermehren noch den Typus großartiger
Verworrenheit in der Cordillera.

Häufig habe ich basaltische Breccie getroffen und will eine solche
wirklich prachtvolle Felsparthie schildern, welche ich häufig besuchte,
da sie nicht sehr weit vom Lager entfernt lag, und in ihrer Nähe,
unweit des ewigen Schnees, Colibri zu schießen waren.

Eine ziemlich steil ansteigende Wand aus grau-rothem Dolerite, welche
sich aber mehrfach in terassenartige Plateaus abflacht, und vollkommen
gut erstiegen werden kann, bildet auf ihrer Höhe ein zweites Plateau,
eine zweite Felsparthie, die vollständig mauerartig ansteigt, so daß
sie kaum an einigen Stellen zu erklimmen ist, und selbst dort nur auf
eine kurze Strecke.

Jene Felsenmassen gleichen, von einiger Entfernung aus gesehen,
vollständig den Ruinen eines alten Schlosses, und die Tendenz des
Gesteins, sich in größeren Parthien säulenförmig abzusondern,
wodurch thurmartige Formen hervortreten, erhöht noch jene Aehnlichkeit.
Der untere Theil dieser Felsmassen, welche einen bedeutenden Umfang
haben, und wenigstens eine halbe Stunde Längen-Erstreckung, besteht
aus Basalt, welcher indessen Olivinfrei ist. Auf diesem Basalte liegt,
scheinbar aufgelagert, eine basaltische Breccie, in einer wechselnden
Mächtigkeit von 80, 100, an manchen Stellen wohl 200 Fuß. Diese
Breccie hat ein verwittertes, tuffartiges Ansehen. Sie besteht aus
scharfkantigen Basalt-Fragmenten von sehr verschiedener Größe, und aus
einem verwitterten Feldspathe, wohl Albit. Neben diesen Bestandtheilen,
welche die Hauptmasse des Gesteins bilden, liegen noch hie und da andere
Einmengungen von Felsarten zerstreut, welche indessen kaum zu bestimmen
sind.

Das Cement scheint selbst wieder aus einem Gemenge von höchst kleinen
und innig verbundenen Feldspath- und Basalttheilen zu bestehen. Nicht
weit von dessen Bildung steht eine stark hervorgeschobene groteske
Basalt-Masse, =la casa de Dios= meines poetischen Carlos. Jene
Breccien-Masse habe ich Reinholdstein geheißen, und der Name wurde von
meinen Chilenen sogleich angenommen und gebraucht, wenn es sich
z. B. um die Bezeichnung einer Zusammenkunft handelte, aber schwer
verstümmelt in der Aussprache. --

Hoch oben auf dem Gebirge, wo schon zwanzig bis dreißig Fuß hoher
fester Firnschnee lag, habe ich eine Moräne getroffen, welche ein
wahres mineralogisches und geognostisches Kabinet der Umgegend bildete;
diese Moräne war indessen noch ziemlich weit vorgeschoben in die jetzt
nicht mehr mit immerwährendem Schnee bedeckte Region und gab Zeugschaft
von der Richtigkeit der Theorien, die unsere Geognosten aufgestellt
haben. Ich fragte den einen der Knechte, wie diese Menge von Steinen
wohl dorthin gekommen sei, und er gab mir zur Antwort: »das thut der
Schnee!« Mit Vergnügen habe ich im fernen Lande und aus dem Munde
eines einfachen Mannes die Bestätigung der Ansichten unserer Gelehrten
gehört. Veränderungen der Form im größeren Maßstabe kommen
gegenwärtig auf der Cordillera nicht mehr vor. Daß aber in der Nähe
der thätigen Vulkane alles das stattfindet, was sich unter ähnlichen
Verhältnissen anderwärts ereignet, Einstürzen alter Krater,
Emporhebung neuer, mächtiger Lavaströme u. s. w. versteht sich von
selbst, und ebenso braucht kaum erwähnt zu werden, daß die Schluchten
und Thäler durch abwärts strömende Wassermassen fortwährend, wenn
auch langsam erweitert werden. Auch die Erdbeben tragen zu kleinen
Veränderungen das Ihrige bei. Häufig finden sich in den Schluchten
große abgeschliffene fast glänzend polirte Blöcke der verschiedenen
Gesteine des Gebirgs. Aber nicht selten liegen mitten unter ihnen
scharfkantig und höchstens an einigen Stellen mit Anzeichen der
Verwitterung versehen, Felsentrümmer, welche unmöglich wie die
ersteren vom Wasser dorthin geführt worden sein können. Ich hatte
das Vergnügen durch den Augenschein hierüber belehrt zu werden. Eines
Morgens, während der Jäger und ich noch auf unseren Fellen lagen,
wurden wir plötzlich ziemlich fühlbar geschüttelt, und zugleich
hörten wir den, bei jedem Chilenen unerläßlichen Ruf unserer Knechte
»=il tiembla=.« Es war ein nicht unbedeutender Erdstoß, der, wie alle
derartigen Erschütterungen, im Flachlande stärker gefühlt wurde als
auf dem hohen Gebirge, und unten auch, wie wir später erfuhren, an
einigen Orten Schaden gestiftet hatte. Aber während des Stoßes,
der etwa 5 bis 6 Sekunden anhielt, rollten Steine von nicht
unbeträchtlicher Größe in's Thal, welche wohl durch frühere
ähnliche Vorgänge gelockert und allmählig abgelöst, jetzt vollkommen
losgerissen waren. Daher nun die scharfkantigen Felsfragmente in den
Sohlen der Thäler und bisweilen auch auf den Plateaus, wohin sie
von einer höher stehenden Terrasse aus gestürzt sind. Die zu Zeiten
ansteigenden Wasser, welche die meisten dieser Schluchten durchströmen,
führen einen Theil dieser Felsstücke wieder mit sich hinweg, um sie
vielleicht weiter unten mehr oder weniger abgerundet abzusetzen, wohl
auch später als Flußgerölle gänzlich der Cordillera zu entführen,
wenn eben ihre Wassermasse stärker und anhaltender angeschwollen.

Schluchten und enge Thäler, welche nicht von Wasser durchflossen sind,
werden oft auf eine nicht zu ermittelnde Tiefe mit solchen Fragmenten
angefüllt getroffen, doch hat durch theilweise Verwitterung abgelöstes
Gestein auch hier das Seinige beigetragen. --

Der Jagdfreund wird sich denken können, mit welchem Vergnügen ich
meine Jagdzüge auf der Cordillera vollführt, da dort doppeltes
Interesse im Spiel war, ganz abgesehen von dem alten Jagdteufel
früherer Zeit, der, ich leugne es nicht, doch auch dort wieder ein
wenig erwachte. Aber jedes erlegte Thier wurde mir, dem Naturforscher
dort zum _Exemplar_, während es abgebalgt im Lager von Jose Maria als
Wildpret in Empfang genommen wurde, war seine Eßbarkeit nur halbwegs zu
vermuthen.

Häufig war der kleine zierliche Colibri, =Trochilus leucopleurus=,
der Gegenstand meiner Mordlust. Rücken und Flügel des Thierchens sind
graugrün, mit Metallglanz und die Kehle des Männchens ist prachtvoll
goldgrün gefärbt, während das Weibchen etwas bescheidenere Farben
trägt. In jenen bereits erwähnten Oasen schwärmt dieser Colibri um
die Blüthen und kann so geschossen werden, wenn man sich ihm vorsichtig
nähert, doch ist er ziemlich scheu und fliegt so schnell, daß man sein
Schwirren von einer Blume zur andern kaum mit den Augen verfolgen kann.
Zudem ist das erlegte Vögelchen schwer zu finden, da es bisweilen in
den sumpfigen Grund des Bodens fällt, nicht selten aber auch in den
Zweigen hängen bleibt an Stellen, wo man es am wenigsten vermuthet.
Blos auf den höchsten Gegenden der Anden, ich weiß indessen nicht in
welcher Verbreitung gegen Nord und Süd, wird dieser Colibri unweit der
Schneegrenze getroffen. Der =Trochilus Sephanoides= hingegen kömmt blos
im Flachlande vor und nie in den Bergen.

Auch der große in Chile sich findende =Trochilus gigas=, der fast
die Größe einer Hausschwalbe hat, wird ebenfalls in der Cordillera
getroffen, doch mehr noch in den Schluchten, als ganz oben in der Nähe
des Schnees. Alle diese Colibri leben von ganz kleinen Insekten, welche
sie mit der Zunge aus den Blüthenknospen ziehen, und ihr Magen
ist stets mit denselben angefüllt. Zufällig wird hiebei denn auch
Blüthenstaub eingeschluckt, weshalb man wohl geglaubt hat, daß sie
vom Blumenstaub lebten. Ich habe indessen in ihren Eingeweiden Zucker
nachgewiesen.

Ich will nach diesem kleinsten der Vögel sogleich des größten
in Chile lebenden, des Condor, erwähnen, der nur auf den höchsten
Regionen der Anden gefunden wird. Er soll zwar auch auf der
Küsten-Cordillera vorkommen, allein ich bezweifle dies bedeutend. Ich
habe nie dieses Thier dort gefunden, und so oft ich Nachricht erhielt,
daß da oder dort sich ein Condor aufhielte, fand ich, wenn ich zum
Schusse kam, oder das Thier schon kannte, stets, daß es andere Geier
waren.

Es braucht das Thier, welches man gegenwärtig in jeder halbweg
bedeutenden Naturaliensammlung sehen kann, nicht näher beschrieben zu
werden, und man kann sich dort überzeugen, daß die Sagen, welche man
über seine Stärke und Größe verbreitet hat, großenteils in's Reich
der Fabel gehören. Kaum wird ein ausgewachsener Condor mehr als 15 Fuß
Flugweite haben. Indessen thun sie den Viehherden dadurch Schaden, daß
sie den Kühen, welche oben Kälber geboren, dieselben rauben; auch
verfolgen sie vereinzelte jüngere Rinder. Es haben mir Landleute,
welche die Cordillera und ihre Thierwelt genau kannten, versichert, daß
die Condore solche Thiere einschließen und dann vereint den Angriff
machen, indem sie theils nach den Augen ihres Opfers hauen, vorzüglich
es aber im Rücken anfallen, es zu verwunden suchen, und ihm dann die
Eingeweide aus dem Leibe ziehen. Ein krankes, oder vielleicht durch
einen Sturz verwundetes Thier wird aber unbedingt ihre Beute, sei es
auch noch so stark.

Legt man die Eingeweide eines getödteten Thieres an irgend einer
Stelle nieder, so kann man gewöhnlich versichert sein, mehrere dieser
Riesengeier zum Schusse zu bekommen; ein derartiger Versuch mit dem
Ausbruche eines getödteten Guanaco mißlang uns indessen. Meist in
bedeutender Höhe, selbst über den höchsten Gipfeln des Gebirges
schwebend, zieht der Condor bisweilen doch seine Kreise auch tiefer. Man
kann sich denken, mit welchem Vergnügen ich den ersten mir auf diese
Weise näher kommen sah. Sie scheinen in solchen Fällen den unter
ihnen am Boden umherkriechenden Herrn der Schöpfung vollständig zu
ignoriren, kommen und entfernen sich wieder, ohne auf uns die mindeste
Rücksicht zu nehmen. Ich schoß in einer Entfernung von etwa 30
Schritten auf den ersten, welcher sich mir so genähert hatte, und das
zwar mit einer guten Ladung des stärksten Hagels. Es ist auch für
einen wenig geübten Schützen kaum möglich bei der großen Flugweite
des Vogels denselben zu fehlen. Ich hörte trotz der kurzen Entfernung
die Schrote am Gefieder des Vogels anschlagen, derselbe stieß einige
zornige Schreie aus, schwenkte den Hals und senkte sich rasch einige
Schritte abwärts, als wolle er auf mich stoßen. Ich hatte im zweiten
Laufe Vogeldunst, um vorkommenden Falles kleinere Vögel zu schießen.
Eine Kugel in den Lauf rollen zu lassen, wäre es zu spät gewesen,
so blieb mir nichts anderes übrig als das Thier in nächster Nähe zu
erwarten, wo dann auf schuhweite Entfernung auch der andere Lauf wirksam
gewesen sein würde. Aber der Condor hielt es doch für besser, das
Weite zu suchen und entfernte sich gravitätisch. Dieses Stoßen auf
den Schützen zu, und die bezeichneten Aeußerungen des Aergers habe ich
meist an diesen Thieren bemerkt, wenn ich später ohne sie ihres dichten
Gefieders halber zu verwunden, mit Hagel nach ihnen schoß.

Des ersten, den ich mit einer Kugel verwundete, wurde ich nicht habhaft.
Ich lag hoch oben auf dem Gebirge hinter einem Felsblocke versteckt, um
vielleicht einen Guanaco erlauern zu können, welche dort wechselten,
als ich ohne vorher etwas gesehen zu haben, das ganz eigenthümliche
Schwirren hörte, welches der mächtige Flügelschlag jener Thiere
hervorbringt und welches schwer zu beschreiben ist. Aufblickend sah ich
den Condor langsam vorüberschweben, kaum 30 Schritte hoch, den Hals
gesenkt und offenbar mich genau beobachtend. Ich hatte eine gute Kugel
im Rohr, und anschlagen und feuern war das Werk eines Augenblicks. Der
Vogel überschlug sich in der Luft und stürzte in schiefer Richtung zu
Boden, woselbst er auf den Füßen stehend in eigenthümlicher Bewegung
Hals und Kopf schwang. Ich rannte, soll ich es gestehen, in toller
Lust auf ihn zu, mich seiner zu bemächtigen, indem ich ein gutes,
wenn gleich etwas schwerklingiges Jagdmesser führend, den Condor nicht
fürchtete. Aber als ich näher kam, wendete er sich und ergriff rasch
laufend die Flucht, jetzt blieb ich stehen und schoß zum zweitenmal
mit starkem Hagel nach ihm, aber obgleich man auf solche Weise
stark befiederte Vögel leichter tödtet, weil die Federn geringeren
Widerstand leisten, und ich zugleich sicher war, nicht gefehlt zu haben,
so hatte doch mein Schuß keine weitere Folge als die Flucht des Thieres
zu beschleunigen, welches mit ausgespannten Flügeln laufend, am Rande
des Plateau zu fliegen begann und mir das Nachsehen ließ. Er schwebte
über niederer stehende Felsen hinweg, und stürzte dann endlich in eine
entfernte Schlucht, jedenfalls verendet, aber für mich nicht mehr zu
erreichen, da ich sicher vier Stunden bedurft hätte, um bis in die
Schlucht zu gelangen, ohne die Gewißheit zu haben, das Thier zu finden.

Das Exemplar, welches ich mit nach Deutschland brachte, schoß ich in
einer bedeutenden Entfernung ebenfalls mit einer Kugel. Es stürzte
momentan und blieb auf einem Felsenvorsprung liegen, wo ich seiner mit
leichter Mühe habhaft werden konnte.

Später hatte ich Gelegenheit mich von der außerordentlichen Schärfe
des Auges dieser Thiere zu überzeugen. Ich trug eine rothe Schärpe,
wie es dort im Lande gebräuchlich, diese befestigte ich einstens an
meiner Jagdtasche, legte dieselbe auf einen Felsen und versteckte mich
in die Nähe, indem ich mit einer Schnur die Vorrichtung bisweilen
in Bewegung setzte, so daß das Ganze das Aussehen eines blutenden
zuckenden Thiers hatte. Obgleich anfänglich kein Condor zu sehen war,
schwebten doch bald einige, nur wie schwarze Punkte sichtbar, ober mir,
und kamen dann, Kreise betreibend, näher. Aber nur kurze Zeit bedurften
sie um zu unterscheiden, daß kein wirklicher Köder oder kein Thier
sich unter ihnen befand und keiner näherte sich weiter als auf etwa
5 bis 600 Schritte, um sich hierauf wieder zu entfernen.

Unter den Jagden auf Vogelwild war für die Küche die ergiebigste jene
auf eine wilde Taube, =Chamae pelia melanura Reichenb.=, welche unserer
Turteltaube sehr ähnlich ist, und am Spieße gebraten oder mit Zwiebeln
und Pfeffer gedünstet eine gute Speise abgab. Ich habe diese Species
nie im Flachlande von Chile getroffen, aber auf den Anden, und das zwar
so weit aufwärts, als sich nur noch spärlicher Graswuchs findet, ist
sie so häufig, daß wenn der Jäger und ich in Gesellschaft jagten, wir
nie auf eine allein schossen, sondern es stets so einzurichten suchten,
mehrere zugleich zu treffen.

Eine andere höchst mühsame aber deßhalb anregende und interessante
Jagd war die auf eine sehr seltene, ebenfalls nur die Gebirgswasser der
hohen Cordillera bewohnende Entenart, =Merganetta armata=. Das Thier hat
an dem Flügelgelenke einen scharfen und fast dreiviertel Zoll langen
Sporn. Es schwimmt rasch und selbst gegen die reißende Strömung jener
Gebirgswasser und schwingt sich von Zeit zu Zeit auf aus dem Wasser
hervorstehende Felsblöcke, wozu ihr die Spornen an den Flügeln
behülflich sind. Längere Zeit verfolgt, taucht es unter und
verschwindet. Man muß häufig die Wasser durchwaten oder überspringen,
um der Ente folgen zu können, da oft die Ufer so steil werden, daß man
auf der Seite, auf welcher man sich eben befindet, nicht mehr fortkommen
kann, aber hat man auch die Ente auf Schußweite, was oft der Fall ist,
wenn sie auf irgend einem Felsblocke ausruht, so ist es ganz nutzlos,
sie hier zu schießen, indem sie in das Wasser stürzend, unbedingt
für den Jäger verloren ist, und stets von der heftigen Strömung mit
abwärts gerissen wird. Man muß ihr deßhalb so lange folgen, bis sie
sich freiwillig erhebt und über eine größere Felsenplatte oder das
Ufer hinwegfliegt und beim Stürzen auf festen Grund fällt. Ich habe
blos ein Exemplar dieser Ente mit nach Europa gebracht. --

Andere Entenarten und verschiedene kleinere Vögel wurden eben so
in mehr oder minder großer Anzahl erlegt. Ich erwähne z. B.
der =Muscisaxicola maculirostris=, ein kleiner in der Färbung
lerchenähnlicher Vogel. Er ist, ehe man seine Art und Weise kennt,
schwer zu beschleichen, indem er sehr rasch fliegt und sich auf die
Spitze eines kleinen Strauches niederläßt, aber nach einigen Sekunden
verschwindet. Geht man an den Strauch, so ist der Vogel nirgends zu
finden, denn wahrscheinlich um Insekten zu haschen, schlüpft er rasch
von Zweig zu Zweig auf die Erde, läuft auf derselben durch das Gras
verborgen fort, und erhebt sich dann, um auf einen andern Strauch
fliegend, dasselbe Spiel zu wiederholen.

Häufig und in Zügen von etlichen Hundert zusammenlebend, aber auch
nur auf den höheren Theilen des Gebirges, findet sich die =Chrysomitris
xanthomelaena Reichenb.=, eine neue von mir zuerst nach Europa gebrachte
Art, glänzend schwarz und hochgelb gefärbt und in der Größe eines
Zeisigs.

Auch der schon früher erwähnte und allenthalben in Chile anzutreffende
=Tapaculo= und =el Turco= leben auf der Cordillera. Ersterer hat
seinen Namen deßhalb erhalten, weil er stets mit hoch aufgerichteten
Schwanzfedern einherläuft, denn =Tapaculo= heißt wörtlich: Bedecke
deinen Steiß. Beide Vögel gewähren eine treffliche Speise, und
ihr Fleisch kommt jenem des Haselhuhns sehr nahe. Auch =Thinocorus
Orbignianos=, eine große Wachtelart, und paarweise nur dicht an der
Schneegränze lebend, war ein schätzbares Wildpret.

Es fehlte uns, wie man sieht, nicht an frischem Vogelwild, und abgesehen
von dem Interesse des Naturforschers und selbst der Nothwendigkeit,
Material für unsere Küche beizuschaffen, bestand auch zwischen dem
Jäger und mir eine Art Wettstreit, wer, jagten wir getrennt, des Abends
am meisten heimbrachte. Die Knechte waren stets auf meiner Seite, und
sahen es als eine Gunst an, wenn ich einen derselben, meist Carlos, mit
mir nahm. --

Von _Säugethieren_ bewohnen nur wenige Arten die hohe Cordillera, wie
denn Chile überhaupt arm an denselben ist.

Der Cordillera-Fuchs, =Canis Azarae=, soll dort häufig vorkommen, aber
ich habe nur ein einziges Exemplar erlegt. Oefters aber fanden sich des
Morgens Fährten derselben um unser Lager, die Füchse umkreisten es,
ohne Zweifel angezogen von dem Geruche der Speisen und der geschossenen
Vögel. Der Cordillera-Fuchs ist etwas größer als der unsrige und
ein wenig heller, in's Grau spielend. Aber sein Benehmen und seine
Lebensweise gleicht ganz der des deutschen. Eben so vorsichtig,
liebenswürdig und geschmeidig wie diese, sprang jener, den ich
belauerte, von Stein zu Stein und drehte sich mit derselben Gewandtheit
zur Flucht, als er plötzlich meiner ansichtig wurde. Ja, es gleichen
sich alle Füchse, tragen auch nicht alle »rothe Bärte.«

Auch die =Felis concolor=, der sogenannte amerikanische Löwe, wird
in der Cordillera getroffen. Als wir einstens schon bei vollkommener
Dunkelheit von der Guanaco-Jagd heimkehrten, fanden wir das Feuer fast
abgebrannt, die Speisen beinahe eingekocht, und Jose Maria verschwunden.
Wir waren ängstlich, allein da auf Rufen und einige Signalschüsse
keine Antwort erfolgte, warteten wir in Geduld das Weitere ab.
Später erschien er mit den Pferden. Er hatte unfern des Lagers eine
Löwenfährte gefunden, und war gegangen die Pferde einzufangen, um sie
in der Nähe desselben zu versorgen.

Etwa gegen ein Uhr in der Nacht begann der Hund, den wir bei uns
hatten, unruhig zu werden und zu knurren. Es war Mondschein, doch in
der Thalschlucht ziemlich dunkel. Ich bedeutete durch Zeichen den Jäger
nach der einen Seite der Schlucht hin aufmerksam zu sein, wand rasch
meine Binde mir um den Leib, steckte meinen Dolch in dieselbe und kroch
mit meiner Doppelflinte bewaffnet nach der Stelle zu, nach welcher hin
der Hund Laute gegeben hatte. Stille und lautlos war ich, meiner Idee
nach »indianerartig«, auf diese Weise etwa zwanzig Schritte weit in
ziemlich hohem Grase vorwärts gekommen, als ich plötzlich ein leises
Geräusch zu hören glaubte. Mein Herz pochte. Alle Indicien eines
heftigen Jagdfiebers waren vorhanden! Ich nahm mir vor, der Puma »auf's
Blatt zu halten,« um den Schädel nicht zu verderben. Da sah ich
plötzlich im schwachen Strahle des Mondes, und etwa zehn Schritte von
mir entfernt, zwei blitzende Augen, die mich anstarrten, wie ich sie.
Aber unter den Augen war nicht der Rachen eines Löwen, sondern ein
blitzendes Messer zwischen den Zähnen eines menschlichen, ziemlich
braunen Antlitzes festgehalten. Indianer!

Wenn ich in Kapiteln schriebe -- welch eine herrliche Gelegenheit hier
ein frisches zu beginnen! Einfach im Texte forterzählend aber muß ich
berichten, daß jene Augen Carlos gehörten, der durch den Hund geweckt,
ohne von mir zu wissen, denselben Streifzug wie ich unternommen hatte.
Er hob lautlos den Finger mit demselben die Richtung bezeichnend, ich
nickte, und wieder im Grase untertauchend, setzten wir unsere Wanderung
fort.

Der günstige Leser entschuldige, daß Alles blinder Lärm gewesen,
wenigstens sahen wir nichts und krochen vom Thaue bis auf die Haut
durchnäßt, wozu bei unserm Anzug nicht viel gehörte, in unsere Pelze
zurück.

Es mochte vielleicht die Puma gewesen sein, vielleicht aber auch
nur Füchse, welche das Lager umschwärmt hatten. Bessere Resultate
erzielten wir auf der Guanaco-Jagd. Der Jäger berichtete eines Tages
Eines geschossen zu haben, welches aber, schwer verwundet in eine
unzugängliche Schlucht gestürzt sei. Zwar zogen hinter seinem
Rücken die Knechte schauderhafte Fratzen, welche Zweifel und Unglaube
beurkundeten. Aber es wurde doch beschlossen, des andern Tags eine
große Jagd auf diese Thiere zu veranstalten.

Die Expedition wurde zu Pferde unternommen, einmal weil, wie die Knechte
und selbst der Jäger sagten, es zu _gefährlich_ sei jene Stellen zu
Fuße zu besteigen, zweitens aber, weil wir ohne Pferde schwerlich in
einem Tage hin- und zurückgekommen wären.

Ich will nicht wieder jene verwünschten Pfade beschreiben, welche wir
zu reiten hatten, um den Jagdplatz zu erreichen. Es war jener schon
vorher geschilderte Felskamm, die Mauer mit Stufen in erhöhter Potenz,
aber dabei oft so steil aufwärts gehend, daß die Pferde sich
häufig zu besinnen schienen, ob sie anklimmen, oder sich rücklings
überschlagen sollten. Wir hatten fast vier Stunden zu reiten, bis wir
auf dem gewünschten Platz angelangt waren.

Häufig trifft man auf der Cordillera Schluchten, ja selbst freistehende
Ebenen mit zwanzig bis dreißig Fuß tiefem, festem und körnigem Schnee
erfüllt und bedeckt, welcher Jahre lang nicht schmilzt, ja es treten
ganze mit ewigem Schnee bedeckte Berge auf, aber in einiger Entfernung
weiter oben, trifft man wieder auf ein Plateau, welches Graswuchs
zeigt, und wo an den felsigen Wänden die zierliche Flora der höchsten
Regionen erst den letzten Markstein der Vegetation anzeigt.

Ein solches Plateau hatten wir erreicht. Dicht bei uns ansteigend auf
einer Seite steile Schneeberge, häufig ganz mit Wolken umhüllt. Auf
der andern Seite kraterartige, stets mit Wolken verhüllte Schluchten,
unter unsern Füßen ziemlich üppiges Gras; nur stellenweise, wo sich
die Vertiefungen befanden, der Boden mit festem Schnee bedeckt,
gegen eine dritte Richtung hin ein fast endloser Blick über die
schneebedeckten Gipfel des Gebirges, dann aber endlich auf der vierten
Seite die reizendste Fernsicht über das Land bis an's Meer.

Wir ließen die Pferde und das Maulthier, welches wir vorsorglich
mitgenommen hatten, grasen und zogen uns höher in die Gegend der
Moräne. Der Jäger und Carlos umgingen dieselbe von der einen Seite,
indem sie theilweise in die Schlucht stiegen und vielleicht dort selbst
ein Guanaco zum Schuß zu bekommen hofften, d. h. der Jäger,
denn Carlos hatte kein Gewehr, ich aber stellte mich hinter einigen
Felsblöcken an.

Wie wir hofften, sollten die Guanacos über die Moräne kommen, und
dann konnte ich in einer Entfernung von etwa 150 Schritten wohl eins
schießen. Mein alter deutscher Lehrer im edlen Waidwerk wäre sonder
Zweifel wenig erbaut gewesen von der Art wie ich dort auf dem Anstande
lag. Statt ruhig still zu liegen, beschäftigte ich mich mit den
Pflanzen der nächsten Umgebung, den zierlichsten Pflänzchen, welche
ich je gesehen, und mit einem goldgrün glänzenden Käfer, den ich
wirklich in fünf Exemplaren haschte und welcher in Deutschland als eine
neue Art erkannt wurde[32], und welcher auf einer =Saxi fraga= zu leben
schien. Plötzlich aber hörte ich den meckernden Ton, den die Guanacos
auszustoßen pflegen, und der dem Rufe der sogenannten Himmelsziege
ziemlich ähnlich ist. Aber die Thiere waren noch etwa 1500 Schritte
weit von mir entfernt, und flogen nach einigen Augenblicken Halt,
pfeilschnell über die Schneedecke hinweg, nach einer tiefer gelegenen
Stelle zu.

Man darf, sobald diese Thiere ihren Ruf ausgestoßen haben, alle
Hoffnung aufgeben, daß sie sich noch weiter nähern. Sie haben in
diesem Falle bereits Verdächtiges bemerkt, und sind auf ihrer Hut. Ich
lag jetzt still hinter einem Felsenblocke, da ich auf einen späteren
Nachzügler wartete, und nach etwa einer halben Stunde kam auch wirklich
ein Guanaco auf der Höhe der Moräne. Da ich keine Büchse, sondern nur
meine mit Kugeln geladene Doppelflinte hatte, mußte ich das abwärts
steigende Thier näher kommen lassen. Endlich aber gab ich Feuer. Das
Guanaco machte einen Sprung, schüttelte mit den Ohren und blieb dann
einige Sekunden ruhig stehen. Der Tragweite meiner Flinte nicht recht
vertrauend, hatte ich wohl zu hoch und über das Thier hinweggeschossen.
Da ich aus Erfahrung wußte, daß ein Schuß die Guanacos weniger
erschreckt als der Anblick eines Menschen, so blieb ich ruhig in meinem
Verstecke kauern, hoffend auf das Näherkommen meiner Beute. Da aber das
Thier sich nach einigen Augenblicken in raschen Galopp setzte, schoß
ich zum zweiten Male, und jetzt stürzte dasselbe sogleich zusammen,
raffte sich wieder auf, stürzte nochmals und rollte dann einige
Klafterlängen abwärts, wo es verendet liegen blieb. Ich ließ es, wo
es war und suchte Pflanzen und Käfer, von welchen ich wirklich eine
hübsche Ausbeute erhielt, bis nach einiger Zeit der Jäger mit dem
Knechte erschien und nun zum Ausweiden der Beute geschritten wurde,
indem wir die Decke des Thieres dazu benützten, die Keulen, den Rücken
und was uns brauchbar vom Fleische erschien, einzupacken. Das Thier war
feist und erreichte beinahe die Größe eines Maulthiers. Den Aufbruch
ließen wir, um Condore anzulocken, liegen, allein merkwürdiger Weise
ohne Erfolg. Während wir, durch Felsblöcke geborgen, das Mittagsbrod
verzehrten, bemerkten wir plötzlich einen frischen Trupp Guanacos,
welche Lust zu zeigen schienen, auf das Plateau hinabzukommen. Sie
ziehen hiebei auf den von ihnen selbst getretenen Pfaden, eines hinter
dem andern, ganz ähnlich einem Zuge beladener Maulthiere, und ziemlich
langsam weiter, und sobald das erste stehen bleibt, rührt sich
ebenfalls keines der nachfolgenden von der Stelle.

Unsere Pferde waren nicht weit entfernt, Carlos brachte dieselben, und
wir näherten uns den Guanacos so vorsichtig und gedeckt als möglich,
in der Absicht eine Jagd nach Art der Chilenen zu machen, wobei man die
Thiere zu Pferde verfolgt, bis es gelingt, sie mit dem Lasso zu fangen.
Die Wahrheit zu gestehen, hatte ich mir vorgenommen, wäre ich einmal
dem Wilde auf Lasso-Weite nahe gekommen, zu halten und nach ihm zu
schießen, denn obgleich ich den Lasso ein wenig werfen konnte, hatte
ich doch zu Pulver und Blei mehr Vertrauen. Als uns die Thiere erblickt
hatten, und zu meckern anfingen, jagten wir wie verrückt hinter
denselben her. Aber auf einem der Schneestreifen, welche sich von oben
herab auf das Plateau zogen, brach ich mit meinem Pferde ein und versank
bis über die Brust in den Schnee. Unter mir hörte ich Wasser rauschen,
mein Pferd sank ersichtlich tiefer, und ich sah eben noch Carlos,
welcher mit seinem leichteren Pferde schlittschuhartig über den Schnee
geglitten war, am Ende desselben seinen Lasso in Bereitschaft setzen,
ohne Zweifel, um mich im schlimmsten Falle mit demselben herauszufangen.

Ich glaube, daß ich dort keine besonders geistreiche Miene zur Schau
gestellt habe, indessen spornte ich mein Pferd so gut es des Schnees
halber eben ging, und dasselbe fußte unten wieder auf einem festen
Gegenstande, ob Eis, ob ein Felsen, ich weiß es nicht, aber es
arbeitete sich in die Höhe, erreichte mit den Vorderfüßen die harte
Schneedecke, welche einige Male einbrach, aber doch immer etwas Halt
gewährte, und war plötzlich mit einigen gewaltigen Sprüngen oben, und
mit zwei oder drei weiteren Sätzen über den Schnee hinweg. Wir hatten
bald den vorausreitenden Jäger eingeholt, aber die Guanacos waren
verschwunden und hatten sich in Klüfte und auf Abhänge geflüchtet,
wohin ihnen selbst ein chilenischer Reiter nicht zu folgen vermochte.

Ich habe an jenem Tage auf dem Plateau hübsche Käfer gefangen,
schöne geognostische und für die Höhe des Gebirgs bezeichnende Stufen
geschlagen und von jener zwergartigen Flora verschiedene Exemplare
mitgebracht, welche in Deutschland sämmtlich später als Novitäten
bezeichnet wurden.

Während ich so meine eigenen Wege verfolgte, lag der Jäger auf dem
Anstande, um ein etwa versprengtes Guanaco zu erlegen, aber fruchtlos.

Spät in der Nacht kamen wir unten im Lager an, und vor uns in der
Thalschlucht einige hundert Steine, welche unter den Füßen der Pferde
wichen und abwärts rollten. Daß wir dort nicht sämmtlich die Hälse
brachen, ist mir heute noch ein Räthsel.

Dort habe ich gesehen, wie sehr die Thiere, welche wir bei uns hatten,
zusammengewöhnt waren. Hoch oben, so daß wir wenigstens noch eine
halbe Stunde zu reiten hatten, bis wir im Lager ankamen, hörte uns
eins der zurückgelassenen Pferde, welches sich in der Nähe des Lagers
befand; es wieherte, als es seine Kameraden kommen hörte und alle
unsere Thiere gaben sogleich freudige Antwort.

Die meteorologischen Verhältnisse von Chile überhaupt werde ich, was
das Flachland betrifft, mit einigen Worten später berühren, hier aber
dahin Einschlagendes die Anden Betreffendes sogleich erwähnen.

Die Temperatur war in der Cordillera eine ziemlich wechselnde. An der
Stelle des Lagers, des Nachts, und besonders gegen früh, + 5 bis
+ 6° R., des Mittags aber im Schatten + 15 bis + 16° R. Zu
verschiedenen Malen aber war des Nachts die Temperatur bis auf
+ 3 R. gesunken. In der Sonne aber, und an den derselben am meisten
ausgesetzten Felswänden war + 28 R. und + 30° R. eine gewöhnliche
Erscheinung.

Auffallend aber war der enorm wechselnde Feuchtigkeitszustand der
Luft. Ich hatte ein Fischbein-Hygrometer bei mir, welches freilich nur
relative Resultate giebt, die indessen vollkommen ausreichen, um das
eben Gesagte zu bethätigen. In dem Augenblicke, in welchem die Sonne
die Gipfel der westlichen Bergspitzen unserer Schlucht zu bescheinen
anfing, während sie noch eine halbe Stunde zu steigen hatte, bis sie
in die Tiefe der Schlucht zu unserm Lager gelangte, und wir also noch so
lange vollkommen im Schatten waren, begann das Hygrometer schon stark zu
steigen, so daß der Unterschied, bis die Sonne auf die Sohle des Thales
kam, öfters 35° bis 40° der Scala betrug, und das war täglich der
Fall.

In Betreff des Windes bin ich nicht im Stande eine allgemeine
Hauptrichtung desselben in der Cordillera anzugeben. So constant wie im
Flachlande von Chile der Wind zu einer bestimmten Stunde und von einer
bestimmten Richtung kommend auftritt, so constant tritt er in den
einzelnen Schluchten und Thälern der Cordillera und an den einzelnen
Felswänden ebenfalls auf, aber dies ist nichts anderes als eine locale
Luftströmung, bedingt durch eine ungleiche Erhitzung und Abkühlung
jener gewaltigen Massen.

So begann z. B. regelmäßig des Morgens gegen 10 Uhr in der Schlucht,
in welcher wir unser Lager aufgeschlagen hatten, der Wind direkt von
Süd zu wehen, indem er dem Streichen der Schlucht von Süd nach Nord
folgte und hielt bis gegen Mittag an, wo Windstille eintrat. Des Abends
aber um 7 Uhr begann Nordwind in gerade entgegengesetzter Richtung und
hielt bis um Mitternacht an. Zufällig stimmt dies mit der Windrichtung
in Valparaiso auch zusammen, aber dies ist zufällig, denn in andern
Schluchten des Gebirges war die Richtung des Windes oft eine ganz
andere.

Die Wolken, die oberhalb der Cordillera standen, und bei höherem
Standpunkte des Beobachters unterhalb derselben hinziehen, gaben mir
ebenfalls keine Anhaltspunkte, um auf eine allgemeine bestimmte Richtung
des Windes schließen zu können. In geringer Entfernung von einander
folgten diese Wolkenmassen oft ganz entgegengesetzten Richtungen,
und wurden mithin, wie es scheint, ebenfalls von den Luftströmungen
getrieben, welche von den mehr oder weniger erwärmten Felsmassen
aufstiegen.

Ich habe öfters in gleicher Höhe mit dem Standpunkte, welchen ich
einnahm, Wolkenmassen von zwei entgegensetzten Seiten auf einer mir
gegenüberstehenden Felsenklippe herankommen sehen. Sie zogen mit
gleicher Geschwindigkeit, vereinigten sich, nachdem sie eine kurze
Strecke am Felskamme aufwärts gezogen waren und verschwanden hierauf,
offenbar als Niederschlag am Gesteine selbst. Sowohl bei schneebedeckten
als auch vollkommen schneefreien Bergspitzen habe ich dieß beobachtet.
Ich habe nur selten in bedeutender Höhe über den Anden Wolken schweben
gesehen und es schien die Wolkenbildung, wenigstens zur Zeit meines
Aufenthalts auf der Cordillera, wo fast immer heiterer Himmel war, auf
das Gebiet der Andes-Kette selbst beschränkt zu sein, indem von einem
Punkte aus aufsteigende Wolken längere Zeit über ein und demselben
Orte zu schweben schienen und dann wieder verschwanden, oder auch sich
zwischen den höchsten Gipfeln des Gebirges hindurch windend, sich
endlich dem Blicke entzogen.

Thau fiel täglich in der Cordillera, wenigstens in der Gegend des
Lagers, Regen nur einmal, allein nur in einzelnen Tropfen und ganz
vorübergehend.

Wie sehr die Temperatur der Gebirgswasser sich verändert, mag die
Angabe eines Mittels zeigen, welches sich aus einer längeren Reihe
von Beobachtungen ergeben hat, die ich mit dem neben unserm Lager
fließenden Flusse angestellt habe. Es ergiebt sich für Morgens 6 Uhr
+ 4.12° R., für Mittags 2 Uhr + 8.15° R. und endlich für Abends
8 Uhr + 5.08° R. Das frisch gethaute Schneewasser, welches gegen
Abend und während der Nacht jene Flüsse verstärkt, bewirkt die starke
Abkühlung derselben.

Es sind die Nächte auf der hohen Cordillera wirklich reizend,
wundervoll zu nennen, und dieß vorzüglich, wenn ein erhöhter
Standpunkt und klares Mondlicht dem Blicke in die Ferne zu schweifen
erlaubt. Ich bin verschiedene Male, nachdem ich einmal die Wege genauer
kannte, länger auf den höheren Theilen des Gebirges geblieben, so daß
ich den vollen Anblick jener prachtvollen Mondnächte genießen konnte.

Keine Feder vermag in der That den feenhaften Zauber zu schildern,
der dort, hat man einen glücklichen Standpunkt gewählt, über die
Landschaft ausgebreitet ist.

Die phantastischen pittoresken Formen des nächsten Gebirges traten
doppelt imponirend und gehoben durch das Helldunkel unter und neben
uns aus der Tiefe hervor, und fast ist die Phantasie versucht, riesige
menschliche Formen, fabelhaftes tolles Gethier sich aus ihnen zu bilden.
Mitten unter diesem Chaos von düsteren schwarzen Gestalten heben
einzelne schneebedeckte Berge ihr Haupt bläulich-glänzend im
Mondschein. Aber die diesseitige im Mondlichte zitternde, schwimmende
Ferne des Flachlandes bietet den mächtigsten Reiz. Sie spricht, gehoben
durch den Vordergrund, eine Mystik aus, die sich nicht schildern, mit
Nichts vergleichen läßt. Dazu die lautlose Stille, die tiefste Ruhe
und das mächtig erregende und doch wieder so beruhigende Gefühl
absolutester Einsamkeit. Und über dieß Alles ist ein Himmel gebreitet,
dessen Blau sich mit dem tiefsten Ultramarin vergleichen läßt. Zwar
glänzen an ihm nicht die Sterne, die unsere Jugendzeit mit frommen
Träumen erfüllten, aber auch die fremden, uns wenig bekannten
Sternbilder der südlichen Halbkugel, sprechen in solchen einsamen
Nächten zu uns von der Unendlichkeit des Weltalls, und von
Dingen, welche kaum die Gedanken zu fassen, noch weniger aber Worte
auszudrücken vermögen. --

Ich will noch des Zodiakallichtes gedenken, von dem ich bereits früher
gesprochen habe, welches aber in der hohen Cordillera in einer ganz
außerordentlichen Intensität auftritt.

Ich habe dort eine Erscheinung gleichzeitig mit demselben auftreten
sehen, von welcher ich kaum glaube, daß sie irgendwo erwähnt worden
ist.

In allen wolkenfreien Nächten nämlich, in welchen das Zodiakallicht
in seiner ganzen Stärke zu sehen war, zeigten sich etwa in der halben
Höhe des pyramidal ansteigenden leuchtenden Scheins helle Flecke,
ähnlich den Maghellan'schen Wolken. Der eine dieser Flecke trat
südlich auf, und war der größere, er hatte die scheinbare Größe
der kleineren Maghellan'schen Wolke und stand etwa um die Breite seines
Durchmessers entfernt an dem äußeren Rande des Zodiakallichtes.

In gleicher Höhe mit ihm, aber nördlich und auf der andern Seite der
leuchtenden Pyramide, standen zwei kleinere Flecke übereinander.
Die Lichtstärke dieser drei Flecke war unter sich gleich, aber etwas
schwächer, als die des Zodiakallichtes selbst. War das letztere nicht
in vollster Intensität zu sehen, so waren diese Nebenflecke kaum oder
gar nicht zu bemerken.

Man darf also vielleicht annehmen, daß dieselben als zu demselben
gehörig betrachtet werden können, und der Ausdruck hoher Intensität
desselben sind, ähnlich dem, wie die sogenannte Krone des Nordlichts
den höchsten Grad desselben, die vollständigste bis jetzt beobachtete
Ausbildung der Erscheinung bezeichnet.

Hiedurch hätte ich nun freilich gewissermaßen ausgesprochen, daß ich
das Zodiakallicht in einem Grade seiner Lichtstärke gesehen, wie
noch keiner der beobachtenden Reisenden, welche demselben ihre vollste
Aufmerksamkeit zugewendet haben. Aber selbst auf die Gefahr hin
unbescheiden zu erscheinen, darf dennoch in der Wissenschaft die
Wahrheit nicht verletzt werden. Findet sich aber meine Wahrnehmung
bereits irgendwo erwähnt, so habe ich mich zwar geirrt, wenn ich
glaubte eine Novität zu bringen, aber die Sache selbst ist bestätigt.

Ich füge bei, daß ich anfänglich geglaubt, das sogenannte Leuchten
der Vulkane bedinge die Erscheinung, aber ich hatte später Gelegenheit
dasselbe genauer zu beobachten und fand, daß jenes Phänomen sich
einstheils ganz anders ausspricht, daß aber auch schon deßhalb eine
Identität nicht möglich, weil in der Richtung, in welcher ich jene
leuchtende Flecke gesehen, sich gar keine Vulkane befinden. --

Es war endlich Zeit, von den Bergen Abschied zu nehmen. Zwar war wohl
Vogelwild vorhanden, aber das Mehl war bereits verzehrt und schon einige
Tage hatte jeder von uns sich statt des Brodes mit einigen Kartoffeln
begnügt. Ich hatte den letzten Maiskuchen den Knechten überlassen, und
zuerst die Kartoffeln als Surrogat benützt, indem ich ihnen sagte, wir
lebten zwar in Deutschland im Ueberflusse, und auch der Aermste
speise auf's Reichlichste täglich Waizenbrod, allein es sei bei uns
Ehrensache, sich abzuhärten und mit Freuden jede Entbehrung zu tragen.

Unter anderen nützlichen Dingen, welche ich in meinen akademischen
Jahren erlernte, war auch der Grundsatz, daß ein wenig Renomage zu
Gunsten der Landsmannschaft nicht schade, und seine Anwendung hat dort
bei beginnendem Mangel guten Dienst geleistet.

Der Heimritt auf denselben Pfaden, auf welchen wir gekommen waren,
bot keine weitere Abenteuer, nur waren wir froh unseren alten Weg
eingeschlagen, und nicht die entgegengesetzte Seite gewählt zu haben,
da wir dort jener bereits erwähnten Viehheerde entgegengekommen wären.

Jenen Fluß am Anfange des Gebirgs mußten wir diesmal nur einigemale
durchreiten, wodurch sich vollkommen herausstellte, daß wir hinwärts
den Weg verfehlt hatten. Am zweiten Tage nach unserer Ankunft in
Santjago fand in der Cordillera ein mächtiger Schneefall statt, und es
war das ganze Gebirge weit abwärts mit Schnee bedeckt. Wären wir noch
oben gewesen, hätte ich reichliche Gelegenheit gehabt, jene Abhärtung
zu beweisen, von welcher ich den Knechten erzählte, denn Schmalhans
wäre dort ohne Zweifel Küchenmeister gewesen in höchster Potenz.

Ich hatte gute Beute erworben auf dem Gebirge. Neben schönen und meist
neuen Pflanzen von den höchsten Punkten, hatte ich an 30 Species von
tieferen Partien und aus der Nähe unseres Lagers mitgebracht. Einige
Exemplare von =Herpetodryas lineatus=, eine vier bis fünf Schuh lange,
nicht giftige Schlange und zwei Species von Eidechsen repräsentirten
die Amphibien. Von Käfern und Insekten wurden gefangen 25 Species,
worunter mehrere neue Arten, und außerdem einige Taranteln und
Skorpionen, welche beide bis weit hinauf, und an die Schneegrenzen
reichend, gefunden worden.

Vögel wurden etliche 20 Species, ebenfalls Novitäten einschließend,
erworben. Eine ziemliche Anzahl geognostischer Handstücke
vervollkommnete endlich die naturgeschichtliche Ausbeute auf der
Cordillera.

In Santjago hatte ich nach meiner Zurückkunft Gelegenheit, mit mehreren
angesehenen Männern Bekanntschaft zu machen, und mit Vergnügen
die Bestätigung zu erhalten, wie wohlgelitten der Deutsche bei der
chilenischen Regierung ist, was schon aus dem Eifer hervorgeht, mit
welchem man die Einwanderung unserer Landsleute begünstigt.

Außerdem habe ich verschiedene Bergwerkbesitzer kennen gelernt und von
denselben schöne Mineralien aus ihren Gruben erhalten, unter welchen
ich nur anführen will: ausgezeichnete Kobalt-Erze, gediegen Silber,
Jodsilber, Bromsilber und endlich Chlorsilber, derb und in zwei
zollgroßen Stücken.

Nach einem zweiten, etwa dreiwöchentlichen Aufenthalte in Santjago ging
ich nach Valparaiso zurück.




IX.

Valdivia (Chile).


»Wollen Sie nicht ein wenig an's Steuer gehn,« sagte der Kapitain,
nachdem ich fünf Minuten vorher das gute Barkschiff Dockenhuden als
wohlbestallter Supercargo bestiegen hatte.

Ich antwortete lakonisch, wie man es zur See liebt »Ja Kapitain!« und
trat wirklich an's Steuer.

Die Sache war die, daß guter Landwind war, und alle Hände beschäftigt
waren, die Segel frei zu machen, um aus dem Hafen von Valparaiso zu
kommen, denn der Dockenhuden, auf welchem ich mich befand, war nach
Valdivia bestimmt und hatte keine Zeit zu verlieren. Dies war mir
einigermaßen klar, weniger aber, oder gar nicht wußte ich, wie ich
das Steuer handhaben sollte. Aber ich war ja Supercargo, und mußte
als solcher doch wohl schon so häufige Seereisen gemacht haben, um ein
wenig steuern zu können!

Zu des Lesers Trost, welcher vielleicht nicht weiß, was ein Supercargo
ist, will ich gestehen, daß ich es zu jener Zeit selbst nicht wußte.

Zwei Tage, ehe ich den Dockenhuden bestieg, frug mich Freundt: »Wollen
Sie mit einem Schiffe, welches ich expedire, nach Valdivia?«

»Ja!«

»Wie viel Zeit brauchen Sie, um fertig zu werden?«

»Zwei Stunden!«

»Sie haben zwei Tage.«

Die Geschichte war kurz abgemacht. Als ich gieng, sagte Freundt noch,
er habe mich als Supercargo für den Dockenhuden eingeschrieben, und als
ich frug, was ich als solcher zu thun habe, erwiederte er. »Nichts!«
Der Grund, warum mich Freundt's vorsorgliche Gefälligkeit mit diesem
Titularposten betraute, war aber der, um mir den Paß zu sparen, den
jeder von Valparaiso Abgehende haben muß, während der Ankommende
keinen bedarf. Die Polizei hält strenge Controlle, und da jeder, der
einen Paß verlangt, 24 Stunden lang am Polizeigebäude öffentlich
angeschlagen wird, ist es nicht wohl möglich, mit Schulden zu
entwischen. Ein solcher Paß aber kostet, irre ich nicht, drei Peso.
Aber Bedienstete auf einem Schiffe bedürfen keines Passes, und so war
mir ein für allemal die Paßplackerei erspart.

Später erst erfuhr ich, daß der Supercargo diejenige Person ist,
welche die kaufmännischen Geschäfte an Bord zu besorgen hat. Gott
weiß, daß unter allen Aemtern auf der Welt ich eben diesem am
wenigsten gewachsen war.

Was mein Steuern betrifft, so machte anfänglich der Kapitain Bewegungen
mit der Hand, welche Backbord und Steuerbord bedeuteten, und indem
ich hiernach das Steuerrad drehte, gieng alles vortrefflich. Aber es
entfalteten sich immer mehr und mehr Segel, der Kapitain begann sein
plattdeutsches Kommando, und ich wußte nicht mehr, sollte ich rechts,
links, stark oder schwach, oder gar nicht drehen.

Ich drehte aber dennoch, und zwar nach Gutdünken, einmal Backbord,
dann Steuerbord, und da mich allmählig die Wuth der Langweile erfaßte,
endlich so stark, daß der Dockenhuden sonderbare Bewegungen begann.
Nun rief der Kapitain: »Was Teufels machen Sie?« Ich antwortete: »Ich
steure!« Hierauf folgten Erklärungen und der Kapitain stellte sich
lachend selbst an's Steuer, bis alle Segel klar und ein Matrose den
gewöhnlichen Dienst übernahm. Aber als ich dort vom Steuer gieng,
fühlte ich zum erstenmale eine Anwandlung von Seekrankheit.

Der Dockenhuden führte wenig Ballast, und schwankte deshalb, vielleicht
auch in Folge meines Steuerns, ziemlich stark, ich aber war dieser
Bewegung theils ungewohnt, theils zu rasch in dieselbe versetzt worden.

Indessen ließ ich mir nichts merken, legte mich in meine Koje und
nahm einen tüchtigen Schluck Rum. Nach einer halben Stunde war
alles vorüber, und ich hatte dort zum ersten und letzten Male einen
entfernten Begriff bekommen, wie es denen zu Muthe sein mag, die Monate
hindurch wirklich seekrank sind[33].

Der Dockenhuden war eine schöne Barke von 400 Tonnen und gehörte einem
der bedeutendsten Rheder in Hamburg. Ich habe später mit demselben
Schiffe die Rückreise nach Europa gemacht, und mich mit dem Kapitain
sowohl als mit der Mannschaft stets auf's Beste vertragen. Für jetzt
aber waren wir nach Valdivia bestimmt, um dort Holz einzunehmen. Man
bedarf gewöhnlich, um von Valdivia nach Valparaiso zu kommen, 3 Tage,
denn man benutzt den unausgesetzt wehenden Südwind, und kann _vor dem
Winde_ und mit Leesegeln fahren. Bei der Hinreise aber muß man einen
Winkel machen, d. h. man muß fast 600 englische Meilen weit westlich,
dann aber wieder östlich halten, um _bei dem Winde_, d. h. mit
Seitenwind, fahren zu können. Man bedarf auf diese Weise 10 bis 14
Tage, oft noch länger. Wir indessen kamen in 10 Tagen zum Ziele.

Es ergab sich auf der kleinen Reise wenig Merkwürdiges, doch will
ich eines Meteors erwähnen. Es zog nämlich eines Abends bei fast
wollkenleerem Himmel von Ost nach West eine Sternschnuppe mit so
intensivem Lichte, daß, obgleich noch kein einziger Stern am Himmel zu
bemerken und es fast heller Tag war, dennoch das Meteor den Glanz der
Venus zeigte.

Eine andere Erscheinung, welche ich am Lande nie, wohl aber später
öfter auf See wahrgenommen habe, war eine Art Luftspiegelung, welche
ich auf jener Fahrt einige Tage nach jener Sternschnuppe das erstemal
bemerkte.

Etwa eine Stunde _vor_ Sonnenuntergang zeigte sich in der, der Sonne
gerade entgegensetzten Himmelsgegend, mithin am östlichen Himmel, in
den Wolken das Spiegelbild der Sonnenstrahlen, jedoch in verkehrter
Richtung, so daß, während im Westen die sichtbaren Strahlen der Sonne
_abwärts_ divergirten, sie im Osten den Eindruck der aufgehenden Sonne
machten, und _aufwärts_ divergirten.

Die Spiegelung war klar und deutlich ausgesprochen und man hätte zur
Morgenzeit wirklich an einen Sonnenaufgang glauben können.

Am 15. Januar hatten wir den ganzen Tag die Insel Mas a fuera
(wörtlich: meide außen) in Sicht. Ich habe die Felseninsel von
mehreren Seiten gezeichnet, und habe mich, nach Hause gekommen, über
die Aehnlichkeit meiner Skizze mit der Zeichnung gefreut, die Anson vor
hundert Jahren entworfen hatte. An ein Landen war natürlich nicht zu
denken.

Möven, Seeschwalben und eine kleine schwarze Art Albatroß waren unsere
fast steten Begleiter, auch sahen wir zahlreiche Quallen, worunter
mehrere von wohl zehn Fuß Länge bandartig und gegliedert. Diese
letzteren Arten sollen von den Wallfischen gespeist werden. Wirklich
sahen wir auch am 16. October mehrere Wallfische in nicht großer
Entfernung bei uns vorüberziehen und des andern Morgens einen
Wallfischjäger, aber die Hoffnung, einer Jagd beiwohnen zu können,
wurde zu nichte, denn jetzt ließ sich kein Wallfisch sehen.

Wir indessen jagten auf schöne Delphine mit weißem Bauche und
schwarzem Rücken, Springfische von den Seeleuten genannt, aber ohne
Erfolg, indem wir zwar die Thiere verwundeten, aber nicht an Bord
brachten.

Auch Hornfische[34] begleiteten ziemlich zahlreich längere Zeit unser
Schiff. Ihre Größe betrug etwa einen Fuß und ihre bunte Färbung, das
ganze prismatische Bild repräsentirend, machte sie zu einer lieblichen
Erscheinung.

Vor fünf Monaten hatte ich dasselbe Meer befahren und seine Fauna als
eine spärliche bezeichnen müssen, während wir jetzt keine viertel
Stunde segelten, ohne Thieren der verschiedensten Art zu begegnen,
aber wir hatten jetzt Sommer, und es betätigte sich, daß mit wenig
Ausnahmen, etwa der Eisbären und einiger ihnen gleich gestimmten
menschlichen Seelen, jedes vernünftige und unvernünftige Thier die
Wärme mehr als die Kälte liebt.

Am 22. des Morgens erblickten wir die Küste von Valdivia. Aus steilen
bergigen Abhängen bestehend und wohl in ähnlicher Form auftretend wie
die nördlicher gelegenen Küstenstriche, wird der Anblick derselben
modificirt durch den Waldwuchs, der sie allenthalben bedeckt. Ich habe
deutsche bewaldete Flußufer zu sehen geglaubt, als wir dicht am Lande
hinfuhren, und ich das stille Meer hinter mir, sammt seiner ziemlich
geräuschvollen Brandung vor mir, absichtlich ignorirte.

Wir liefen Nachmittags in den Hafen ein, und bald betrat ich das Land,
mit dem eigenthümlichen Wohlbehagen, welches der Naturforscher fühlt,
wenn er den Fuß auf einen ihm noch unbekannten Boden setzt.

Es war die Bai von Corral, der Hafen von Valdivia, vor Jahren einer der
wichtigsten Plätze der Westküste. Welche Bedeutung man auf den Hafen
gelegt, zeigen die Menge der Forts, welche zur Befestigung desselben
angelegt. Aber sie liegen in Trümmern diese Forts. Die Zeit und die
Stürme der Revolution haben sie gebrochen und mehr vielleicht noch die
Nachlässigkeit, mit welcher die Spanier das von ihren Vätern Erworbene
beschützten und unterhielten. Bäume stehen innerhalb der Ringmauern,
Lianen wuchernd um die verfallenen Laffetten der Geschütze und der
Urwald[35], in nächster Nähe von Batterien, hat nicht seine Herrschaft
aufgegeben über das jungfräuliche Land.

Der Eingang des Hafens liegt gegen Norden wie fast alle chilenischen
Häfen, und bietet daher wenig Schutz vor den dorther kommenden
Stürmen, während bei anderen Windrichtungen das Wasser der
allenthalben geschlossenen Bai oft kaum bewegt wird.

Die den Eingang beschützenden Batterien, Fort Carlos und
Niebla-Batterie, liegen in Trümmern, eben so die Gonzalo-Batterie
und mehrere kleinere. Nur das Fort Corral steht noch nothdürftig
zusammengehalten da, Häuser und Hütten in seiner Nähe bilden den
Flecken Corral. Die Bai ist ringsum bewaldet. Ihre Breite beträgt
eine halbe englische Meile an der Stelle, wo sie sich gegen den See hin
öffnet, aber von dort geht ihre Längenerstreckung über zwei englische
Meilen in's Land, und das zwar in direkter Richtung gegen Süd. Aber
jener Theil derselben, die sogenannte St. Johns Bai, kann zum großen
Theile nicht mit größeren Fahrzeugen befahren werden und verflacht
sich am Ende dergestalt, daß zur Zeit der Ebbe die Bai wohl auf eine
Viertelstunde weit trockenen Fußes überschritten werden kann.

In der Bai selbst mündet der Rio de Valdivia, welcher aber, weiter
gegen oben, andere Namen führt, Rio de Arige, Callse-Callè Fluß und
Rio de las ciruelas, der Pflaumenfluß.

Der Fluß ergießt sich in zwei Armen in die Bai und bildet so eine
Insel von etwa zwei englischen Meilen Breite und Länge, die Isla del
Rey, und selbst hier wird dieser eine Arm wieder anders genannt, Rio
de poco commer, oder wörtlich Fluß wo wenig zu essen. Kleine Flüsse
ergießen sich noch mehrere in die Bucht, so der St. Johns Fluß und
einige andere, welche wie ich glaube keine Namen haben.

Ziemlich mitten in der Bai liegt die Manzera-Insel. Die in die Bai
mündenden Flüsse, die Inseln, die Bergabhänge, bewaldet, aber nicht
so steil abfallend wie jene gegen die See, machen einen freundlichen
Eindruck, der indessen den Charakter des Wilden und Romantischen nicht
verloren hat.

Die Grundform des Gebirgs ist die granitische, hier durch
Glimmerschiefer repräsentirt in allen Nüancen. An einigen Orten von so
feinem Gefüge, daß letzteres kaum mit unbewaffneten Augen zu erkennen,
tritt nicht weit hievon wieder ein Gestein auf, in welchem mehrere Zoll
große Tafeln von Glimmer und Quarzfragmente von entsprechender Größe
zu finden sind. Mittelstufen fehlen nicht. In der Nähe des Forts
Corral, und dort das Ufer bildend, an welchem man mit den Booten landet,
findet sich ein festes Conglomerat aus Fragmenten von Glimmerschiefer
und allen erdenklichen Geröllen der See zusammengesetzt. Diese Bildung,
jedenfalls eine secundäre, und ein secundärer Süßwassersandstein mit
Versteinerungen, der an verschiedenen Stellen der Fluß-Ufer vorkömmt,
bilden die geognostische Form der Bai und ihrer nächsten Umgebung. Aber
auch weit hinein in das Land tritt Glimmerschiefer auf, wie mir dort
wohnende Deutsche versichert haben. Ich habe der wenigen eigentlichen
mineralogischen Beimengungen, welche sich in dem erwähnten
Glimmerschiefer finden, in einer wissenschaftlichen Abhandlung, welche
in den Denkschriften der k. k. Academie in Wien erschienen ist, näher
gedacht, und will, um den Leser nicht zu ermüden, hier nicht weiter
von denselben sprechen. Aber einer komischen Täuschung, einer
geognostischen Anekdote will ich gedenken, welche mich in nicht geringe
Aufregung versetzt hat. Mehrere Tage nach unserer Ankunft im Hafen, und
mit den einfachen Formen der auftretenden Gesteine schon fast vertraut,
ging ich einst streifend und Handstücke des Glimmerschiefers schlagend,
unweit der Küste, als ich plötzlich einige Gesteine fand, zerstreut
als Findlinge umherliegend, welche nicht entfernte Aehnlichkeit mit
den dort anstehenden hatten. Ich nahm einige auf und ging weiter. Neue
Seltenheiten, sich mehr und mehr häufend! Laven, Granite, Dolerite und
Porphyre aller Art und mitten unter ihnen Sandsteine und Kalkgebilde,
friedliche Kinder des Neptun unter jenen feuererzeugten Söhnen der
Unterwelt. Schon begann ich an einer Theorie zu arbeiten, als ich der
Spur jener Raritäten folgend, endlich an eine Stelle kam, wo eine ganze
Halde der fabelhaften Formen aufgethürmt lag.

Ich frug eine alte Frau, welche dort in der Sonne liegend ihre Cigarre
rauchte, woher die Steine, denn mir war wohl bekannt, daß alte Weiber
Vieles wissen, und ich erhielt die Antwort: »von den Schiffen!«

Das Räthsel war gelöst. Es war dort die Stelle, wo die Schiffer,
vielleicht so lange der Hafen bestand, ihren Ballast löschten und auch
wieder aufnahmen, und so war es nicht zu verwundern, daß dort sich die
bunteste Musterkarte von Gesteinen vorfand, welche unschätzbar gewesen
wäre für den Geognosten, hätten die Matrosen nicht vergessen die
Fundorte auf den Exemplaren zu bemerken.

Der ganze landschaftliche Charakter des Hafens von Corral und seiner
Umgebung ergiebt sich am besten aus einigen Excursionen, von welchen ich
sogleich unten berichten muß, nur will ich hier noch des Blickes auf
den 60 Stunden weit entfernten Vulkan von Villarica erwähnen, welcher
bei heiterem Wetter als eine glänzende weiße Pyramide zu sehen ist,
wenn man nur irgendwie einen halbweg erhöhten Standpunkt gewählt hat.

Ohne Zweifel ist dieser Vulkan einer der höchsten in der ganzen Kette
der Anden und die trigonometrischen Messungen, welche in neuerer Zeit
von Engländern angestellt worden sind, haben hohe Zahlen ergeben,
welche ich aber nicht anführen will, da mir bestimmte Angaben über
jene Untersuchungen bis jetzt noch fehlen. Der Vulkan ist noch thätig
und von Zeit zu Zeit steigen von seinem Gipfel Rauchsäulen in die
Höhe, welche vom Hafen aus gesehen werden können.

Einer meiner ersten Besuche galt einem Deutschen, Ernst Fricke,
einem sehr gebildeten und tüchtigen jungen Manne, welcher dort eine
Sägemühle besitzt. Zur Zeit meines Aufenthaltes war seine Wohnung,
wenn gleich bequem und die Sägemühle gut construirt, doch nicht ohne
den Reiz des romantischen Ansiedlerlebens. Ein älterer Bruder von
Fricke, dessen Bekanntschaft ich einige Tage später machte, wohnt
auf der Isla del Rey. Ich bin von den Brüdern auf das Freundlichste
aufgenommen worden und es war mir ihre Bekanntschaft von großem Nutzen,
da beide mehrfache Reisen in's Innere gemacht hatten und schätzbare
Notizen über das Land mittheilten.

Auch auf der Insel Manzera wohnte ein Deutscher, welcher indessen
dort nicht stabil war, sondern als Verwalter eines anderen Landsmannes
später in's Innere abzugehen die Absicht hatte. Ich kam mit den
eingebornen Bewohnern von Corral weniger in Berührung, doch machte
ich die Bekanntschaft zweier liebenswürdigen Damen, der Gattin und
Schwiegermutter des älteren Fricke, welche zur Zeit dort wohnten.

Am zweiten Tage unseres Aufenthaltes im Hafen fuhr ich zu Boote mit dem
Kapitain nach Valdivia, welches die Hauptstadt der Provinz ist, und
etwa drei oder vier Stunden vom Hafen entfernt liegt. Die mit Urwald
bedeckten Ufer des Flusses gewährten einen prachtvollen Anblick, und
entsprachen den Schilderungen, welche man vom Innern Nordamerika's
entworfen hat. Dichtes Gebüsch reicht allenthalben bis an die
Oberfläche des Wassers, mächtige Stämme überragen säulenartig das
Unterholz und sind nur durch Schlingpflanzen mit demselben verbunden.
Die Alerze, der rothe Cederbaum, der bisweilen einen Durchmesser von
15 Fuß erreicht, die Rotheiche, Pellin genannt, Roble, die Buche,
dann Ulmen und Lorbeerarten bilden dort, so wie in der Provinz Valdivia
überhaupt, vorzüglich den Baumschlag. Zwischen ihnen steht die Quila,
ein Rohr, welches gegen oben ein so dichtes Flechtwerk bildet, daß
dasselbe bequem einen Mann trägt, und die Colique, ebenfalls eine
Bambusce, die eine Höhe von 40 Fuß erreicht, und aus welcher die
Indianer ihre gefürchteten, oft 20 Fuß langen Lanzen verfertigen. Ein
Hauptschmuck jener Wälder aber sind die kleinen Bäume der mehrfachen
Lorbeerarten, die Myrthen, Fuchsien und andere, welche fast alle mit
buntfarbigen zierlichen Blüthen geschmückt sind und ein prachtvolles
Unterholz bilden.

Aber nicht allein am Lande und auf den Bergabhängen der Ufer stehen
jene riesigen Stämme. Sie sind nicht selten in's Wasser gestürzt und
von der Strömung des Flusses fest gerannt worden; so ist die Fahrt
nicht ohne alle Gefahr, versteht man nicht geschickt ihnen auszuweichen.
An manchen Stellen des Waldes haben Brände stattgefunden, meist
absichtlich erzeugt, um vielleicht eine kleine Strecke zu cultiviren,
wohl selbst einen Weg zu bahnen, und jene öden Stellen, mit den
mächtigen aber erstorbenen Stämmen, und je nachdem nur eben wieder am
Boden mit beginnendem Gebüsche bewachsen, bilden einen eigenthümlichen
Contrast mit der üppigen Vegetation, welche neben ihnen wuchert.

Während wir so, bald dicht an den Ufern des Flusses, bald Baumstämmen
ausweichend, auf dessen Mitte dahinfuhren, machten wir Jagd auf
verschiedenes Vogelwild, das in reichlicher Fülle vorhanden.
Wasservögel verschiedener Art, Enten, Taucher, Möven und am Lande
vorzugsweise eine schöne große Taube, die =Columba araucana=, und eine
Schnepfenart waren die vorzüglichste Beute, welche nach der Heimkunft
redlich getheilt wurde zwischen meiner Sammlung und der Schiffsküche.

So hatten wir eine fröhliche Fahrt auf dem Flusse, gegenseitig
wetteifernd, wer das meiste Wild erlege, und ich fand, daß der Kapitain
ein trefflicher Schütze.

In Valdivia angekommen, trennten wir uns. Fricke, welcher ein leichtes,
vortrefflich segelndes Boot hatte, war uns vorausgeeilt und empfing
uns, indem er mich in das Haus eines dort beim Schulwesen angestellten
Deutschen führte, wo ich so herzlich aufgenommen, wie allenthalben von
den deutschen Landsleuten, und sogleich mit einigen Insekten beschenkt
wurde. Doch blieb ich nicht lange bei jenen freundlichen Leuten, da
ich die Stadt besichtigen wollte, und aus der Unterhaltung mit den
anwesenden chilenischen Damen ist mir nur noch die Furcht erinnerlich,
welche dieselben vor einem Einfalle der araukanischen Indianer
bezeigten, welchen ein grundloses Gerücht zu jener Zeit in Aussicht
gestellt hatte.

Die Stadt Valdivia hat ein sehr ländliches Ansehen. Die meisten Häuser
liegen isolirt zwischen Gärten, Gebüsch und Rasenplätzen, und unfern
der Stadt beginnt wieder der Wald. Die Wohnungen, meist einstöckig,
sind von Holzarbeit und haben den eigenthümlichen Styl des Landes,
der theils an alterthümliches Täfelwerk erinnert, doch auch
wieder Aehnlichkeit hat mit der Art und Weise, wie man moderne
Schweizerhäuschen in Anlagen und Gärten errichtet. Doch fehlen auch
größere Gebäude nicht und eben als ich anwesend war, beschäftigte
man sich mit dem Bau einer Kirche, deren Plan vom älteren Fricke
entworfen war. Ich hatte die vier Matrosen, welche das Boot gerudert
hatten, zum Mittagessen gebeten, und als wir uns in einem Gasthause
versammelt hatten, welches so ziemlich, wenn auch nicht ganz nach
europäischer Art eingerichtet, und in welchem man nicht übel
aufgehoben war, staunte ich über den Anstand und Takt, welchen diese
vier jungen Männer entwickelten. Bescheiden ohne blöde, heiter ohne
übermüthig zu sein, waren sie so weit entfernt von dem Bilde, welches
man sich meist von »dem Seemann am Lande« zu entwerfen gewohnt ist,
daß ich kaum mein Erstaunen bergen konnte. Ohne Widerrede hatten sie
meine Einladung angenommen, aber als sie nach einigen Tagen im Hafen
die Erlaubniß erhalten hatten, an's Land zu gehen, unternahmen sie
in meinem Interesse einen Streifzug und brachten mir des Abends einige
Amphibien und schöne Insekten, welche mich doppelt erfreuten.

Des Nachmittags besuchten uns mehrere andere in Valdivia lebende
Deutsche im Gasthofe, und manches austauschende Wort wurde dort
gesprochen über Chile und das Vaterland. Alle waren gut gestellt
in ihrer neuen Heimath. Doch aber war eine leise Sehnsucht nach dem
Vaterlande, nach dessen Sitte und Brauch nicht zu verkennen. Mag jeder
es wohl bedenken, der das Land in dem er geboren für immer verlassen
will. Es mag sich wohl treffen, daß in der Fremde er nach Zuständen
sich zurücksehnt, die ihm hier gleichgültig, ja daß er an
Persönlichkeiten mit Zuneigung denkt, welche er zu Hause kaum der
Beachtung werth gehalten. Aber mit welcher Macht drängt sich in manchen
Stunden die Sehnsucht nach verlassenen Lieben an's Herz, und mit welcher
Versöhnlichkeit betrachtet man deren Fehler und Schwächen!

Spät des Abends und wohlzufrieden mit der kleinen Reise, kamen wir an
Bord zurück. Aber einige Tage später, während der Kapitain und ich
zufälliger Weise am Lande, kamen einige Damen von Valdivia zu Boote auf
Besuch zu uns und brachten mir den sorgfältig verpackten Schädel eines
Araukaners zur Erinnerung an unser Gespräch in der Stadt, und um meine
Sammlung zu bereichern, wenn gleich, wie sie mir sagen ließen, mit
mächtigem Grausen. --

Vieles Vergnügen verschaffte mir in der Bai von Corral die Jagd auf
Papageien. Ich habe nur eine einzige Species dort getroffen, von den
Einwohnern Choi genannt[36], aber diese in großer Anzahl. Sie hausen
auf den bewaldeten Hügeln, mit welchen die Bai umgeben ist, und leben
des Tages über in Haufen von zehn bis zwölfen zusammen, wohl auch
vereinzelt, indem sie meist auf den höchsten Bäumen sich aufhalten.
Gegen Abend aber versammeln sie sich in großen Schwärmen und fliegen
von einem der Hügel zum andern, indem sie, ähnlich wie in Deutschland
die Dohlen, ein wahrhaft schauderhaftes Geschrei erheben. Stellt man
sich versteckt in eine der Schluchten, über welche auf diese Weise der
ganze Schwarm hinwegfliegt, so kann man, wenn das Gewehr weit trägt
und man groben Hagel geladen hat, öfters in einem Abende zum Schusse
kommen, und ich habe auf diese Art viele erlegt, da sie, wenn sie den
Schützen nicht sehen, sich wenig um den Schuß zu kümmern scheinen und
ihr Hin- und Herfliegen wiederholen. Indessen bietet es Schwierigkeiten,
das geschossene Thier zu finden, da seine grüne Farbe sich kaum von der
des Grases unterscheiden läßt. Nur _verwundete_ Thiere verrathen sich
hingegen selbst durch ihr furchtbares Geschrei und die Hast, mit welcher
sie zu entkommen suchen.

Dieser Papagei wird von den Einwohnern der Bai nicht selten als
Hausthier gehalten, und läuft frei, aber freilich mit arg und häßlich
beschnittenen Flügeln in den Wohnungen umher. Er scheint sich sehr
leicht zähmen zu lassen und ein zähes Leben zu besitzen. Ich habe
eines Tages einen derselben, der, wie sich später zeigte, nur am
Flügel verwundet war, um ihn zu ersticken, mit aller Kraft unter den
Flügeln gedrückt, hierauf als er kein Lebenszeichen mehr von sich
gab, die Rachenhöhle mit Löschpapier verstopft, um das Beschmutzen der
Federn mit Blut zu verhindern, und alsdann in eine Düte gewickelt in
die Pflanzenkapsel gelegt, da er zum Abbalgen bestimmt war. Aber als
wir noch einige Stunden Rast hielten und zufällig die Kapsel geöffnet
wurde, stieg der Vogel munter aus derselben, und ergab sich so leicht
in sein Schicksal, daß er schon nach einigen Tagen aus der Hand Futter
nahm, und allenthalben an Bord frei umher lief. Leider fiel er später
in's Wasser und ertrank.

Das Fleisch dieser Thiere gewährt eine vortreffliche Speise und
erinnert an jenes der wilden Tauben.

An den Ufern des Valdivia-Flusses, wo hauptsächlich jene schon oben
erwähnte Sandsteinbildung vorkömmt, finden sich prachtvolle kleine
Buchten und hie und da im Gebüsche versteckte Höhlen. Ernst Fricke
führte mich in mehrere derselben, in welche man nur mittelst des Bootes
gelangen konnte, und ich habe die romantische Lage dieser kleinen Asyle
bewundert, deren Zugang ich bald besser zu finden wußte, als vielleicht
mancher im Hafen Geborene. Auch im Glimmerschiefer findet sich unweit
des Forts Corral eine Höhle, deren Wände stets von durch Felsenspalten
eindringendes Wasser feucht und ganz mit Farrenkräutern überzogen
sind. Ich war so glücklich dort zwei neue Arten aufzufinden[37], und
mache absichtlich hier auf diesen Fundort aufmerksam, weil ich sonst
nirgends eine Spur derselben gefunden habe.

Während wir im Hafen von Corral lagen, kam die schon oben bezeichnete
chilenische Fregatte von Valparaiso aus dorthin, in Begleitung einer
Corvette. Beide Fahrzeuge hatten Soldaten am Bord, welche eine Zeit lang
im Hafen verweilen sollten.

Die Indianer von Araukanien hatten kurz vorher ein an ihrer Küste
gestrandetes Schiff geplündert, zugleich waren bei dieser Gelegenheit
einige Menschen verloren gegangen. Es hatten ohne Zweifel die
Gestrandeten und die Indianer sich nicht hinlänglich verständigen
können. Die Letzteren hatten vielleicht allzu großes Wohlgefallen
an den Waaren gefunden, welche das Schiff führte, und die Europäer
hielten allzu hartnäckig an ihrem Eigenthume, oder es mögen auch
andere Mißverständnisse eingetreten sein, die Thatsache war die oben
bezeichnete. Aber in Chile sprach man nicht gerne von derselben, legte
indessen jene Truppen nach Corral und Valdivia, um eine Demonstration zu
machen, und etwaigen weiteren Gelüsten der Araukaner Einhalt zu thun.
Es kam dadurch viel Leben in den Hafen, welcher sonst ziemlich verödet
war, indem zugleich mit jenen Schiffen auch noch eine Barke von Hamburg,
die Victoria, einlief. Der Kapitän der Victoria war ein Bruder des
unsrigen, und es war ein freudiges Wiedersehen der beiden Brüder,
welche sich seit Jahren nicht gesehen, ja kaum sichere Nachricht von
einander erhalten hatten.

Das Leben am Bord war jetzt ein anderes geworden. Während ich sonst
früh mit Tagesanbruch meist allein an's Land ging, in den Bergen
streifte und spät des Abends wieder heimkehrte, wurden jetzt
gemeinschaftliche Jagden unternommen, und zugleich von meiner Seite das
Sammeln großartiger betrieben, da die Passagiere der Victoria, nach
Chile auswandernde Deutsche, mich zum größten Theile teilnehmend
unterstützten. Kugelbüchse und Botanisirkapsel, Insektenschachtel
und Mineralienhämmer hatten wieder, wie früher in Valparaiso, ihre
freundlichen Träger gefunden, und es wurde mancher Tag fröhlich in den
Bergen zugebracht. Kamen wir zeitig an Bord zurück, so statteten wir
uns häufig gegenseitige Besuche ab, von welchen wir oft spät in
der Nacht heimkehrten. Ich werde nicht leicht einer solchen Heimfahrt
vergessen. Ich war mit Kapitän Maier an Bord der Victoria gegangen,
aber während wir in der Kajüte plaudernd und zechend fast vergessen
hatten, daß wir uns nicht auf festem Boden befanden, hatte sich außen
ein heftiger Nordwind erhoben, und zugleich war Land und See mit solch
einer undurchdringlichen Finsterniß bedeckt, daß man buchstäblich
nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Da es des Zolles halber
verboten war, Waaren, ja selbst eine einzige Flasche Wein von einem
Schiffe auf das andere zu bringen, so hatte ich jenen Abend benutzen
wollen, sechs Flaschen Portwein, welche ich auf der Victoria an mich
gebracht hatte, auf den Dockenhuden zu schaffen, mit anderen Worten: zu
schmuggeln. Man kann sich denken, daß ich, diese sechs Flaschen in
den vielfachen Taschen meines Kapuzmantels geborgen, schon ziemlich
schwerfällig vom Fallreef aus in das Boot gelangte. Denn wie
schon bemerkt, bewegt heftiger Nordwind das gegen diese Seite nicht
geschützte Wasser des Hafens oft auf bedenkliche Weise, und schon waren
die Wogen so hoch, daß das Boot fünf bis sechs Fuß gehoben wurde, um
im andern Augenblicke wieder eben so tief zu sinken. Mit den Händen an
der Strickleiter mich festhaltend, suchte ich mit den Füßen das Boot
zu erspähen, welches, fühlte ich es einmal einen Moment, im andern
Augenblicke wieder verschwunden war. Ließ ich zur unrechten Zeit los,
so fiel ich natürlich in's Wasser, und war unrettbar verloren mit
meinem schweren Mantel und den sechs Flaschen. Dabei wurde kein Wort
gewechselt. Es waren noch, wie ich glaube, andere Gegenstände im
Boote, welche man ebenfalls nicht der Besichtigung der Zollbediensteten
auszusetzen wünschte, und so vermied man unnöthigen Lärm. Endlich
ließ ich los und kam glücklich in's Boot. Es gelang unseren Matrosen
bald von der Steuerbordseite der Victoria zu kommen, aber nun tanzte das
Boot in solch verzweifelten Sprüngen auf den Wogen, daß ich ernstlich
an ein Umschlagen zu glauben anfing. Der Wind wuchs in bedrohlicher
Heftigkeit, eine See über die andere schlug in's Boot und Wind und
Wetter lärmten dermaßen, daß man die Zollbedienten nicht mehr zu
fürchten brauchte. Wirklich stand jetzt der Kapitain, der steuerte,
auf, und rief mit lautester Stimme den Matrosen seine Befehle zu.

Oefter habe ich in ähnlichen Fällen empfunden, welch eine einfältige
Rolle der Passagier bei solchen Gelegenheiten zu spielen verdammt ist.
So gut wie der Seemann wird er ertrinken, tritt ein Unfall ein. Aber er
kann nichts thun, ihn abzuwenden, ja er ist allenthalben im Wege, sucht
er zu helfen. Seine Obliegenheit ist sich zu ducken, sich möglichst
klein zu machen, und wo möglich zu schweigen. Das Alles habe ich in
jener Nacht gethan zum allgemeinen Besten, in meinem eigenen Interesse
aber zog ich leise die Arme aus den Aermeln des Mantels und löste die
Riemen meiner Schuhe, um in einem Momente alles abstreifen zu können
und schwimmfertig zu sein.

Es war glücklicher Weise nicht nöthig. Wir sahen endlich, denn nach
und nach hatte sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt, in unbestimmten
Umrissen den Dockenhuden vor uns und waren bald am Fallreef. Man kömmt,
am Fallreef wenigstens, leichter aufwärts, als abwärts, so war ich
bald oben. Einige Sekunden war eine Laterne auf Deck, auch auf der
Victoria blitzte ein Licht auf und verschwand alsbald wieder. Man hatte
sich die Ankunft signalisirt, denn man mochte von beiden Seiten nicht
ohne alle Bedenklichkeit gewesen sein, und unsere Fahrt hatte fast eine
halbe Stunde gedauert, obgleich beide Schiffe nicht ganz vierhundert
Schritte entfernt von einander lagen.

An Bord wurde, wie gewöhnlich, keine Silbe über die Fahrt gesprochen,
nur sagte der Kapitain, nachdem wir etwa 10 Minuten angelangt, zu mir.
»Portwein verstaut?« Worauf ich antwortete. »Schon verstaut.« Er war
es auch bereits, der liebe Portwein, verstaut, d. h. ge- und verborgen
unter lebenden Taranteln, Scorpionen und Schlangen und zum Ueberflusse
von einigen menschlichen Schädeln bewacht, und kein chilenischer
Zollbediente hätte ihn weder gesucht wo er war, noch angerührt, hätte
er ihn gefunden. Aber sie kamen nicht in jener Höllennacht, wohl aber
einige Tage später bei hellem Sonnenscheine[38].

Ich will noch einer Jagdpartie gedenken, welche ich in Begleitung der
beiden Kapitäne und des Ernst Fricke in die St. Johns-Bai unternahm.
Wir benützten hiezu das mit einem guten Segel versehene Boot von
Fricke, und zogen des Morgens um 6 Uhr aus, indem zwei Matrosen
ruderten, wenn der Wind nicht eben günstig war.

Wir machten zuerst auf einer kleinen Landzunge Halt, welche mit hohem
Grase bewachsen war, um Schnepfen zu schießen. Die Schnepfenart,
welche sich dort aufhielt und überhaupt fast die Ufer der ganzen
Bai bevölkerte, ist etwas, jedoch unbedeutend, kleiner als unsere
Waldschnepfe, aber heller gefärbt als diese. Ich habe versäumt, sie
mit nach Europa zu bringen, da sie so häufig war, und ich das Abbalgen
einiger Exemplare von einem Tage zum andern verschob, bis es endlich zu
spät war. Diese Thiere spazierten in Truppen zu fünfzig und hundert
Stück ganz ruhig am Strande oder flogen dicht vor uns aus dem hohen,
feuchten Grase auf, so daß mit leichter Mühe einige Dutzende derselben
zu erlegen gewesen wären, hätte eben ihre Menge uns anfänglich nicht
zu unbedachtsam schießen lassen, so daß wir ohne sonderlichen Erfolg
den größten Theil unseres Wildes verjagten; erst später, regelrecht
zu Werke gehend, schoß ich etwa 10 Stücke derselben.

Nachdem wir jene Landzunge verlassen und in eine kleine wirklich
reizende Bucht gekommen waren, trennten wir uns, um einzeln unser Glück
zu versuchen.

Das Boot sollte über die Bai fahren, dort am östlichen Ufer anlegen,
und wir uns des Nachmittags daselbst wieder versammeln, um heimzufahren.

Während die anderen vorläufig sich am Ufer der Bai hinzogen, drang
ich sogleich tiefer in den Wald ein. Ich hatte einen Compaß bei mir und
konnte sicher sein, mich zurecht zu finden.

Es ist die Pracht des Urwaldes so vielfach und von so großen
Autoritäten geschildert worden, daß ich es nicht versuchen will, hier
ein Gleiches zu thun. Kaum braucht auch bemerkt zu werden, daß hier
unter 40° südl. Breite die glänzende Vegatation der Tropen natürlich
fehlt, aber dennoch der urwaldliche Typus nicht verloren gegangen
ist. Wie dort sind hier mächtige himmelanstrebende Stämme mit
Schlingpflanzen geziert, und die schon erwähnte Colique und die Quila
bilden nicht selten hoch oben ein so dichtes pflanzliches Gewebe,
daß am Boden fast Dunkelheit herrscht. Dabei fehlen nicht Blumen und
Blüthen, wenn auch nicht von brasilianischer Pracht. Aber etwas ist in
Chile, was das Durchstreifen jener Wälder sehr angenehm macht; es ist
dieß der vollkommene Mangel an giftigen Thieren. Der Scorpion und die
Tarantel werden zwar dort ziemlich häufig getroffen, in Valdivia zwar
auch kaum der erstere, aber beide sind nicht gefährlich und namentlich
ist die Tarantel, welche in Valdivia mit ausgespannten Füßen bis an
7 Zoll groß vorkömmt, vollständig harmlos, wenn sie gleichwohl ein
ziemlich martialisches Aeußere zu affectiren sucht.

Ich machte an den mächtigen umgestürzten Stämmen, welche oft
überstiegen werden mußten, gute Beute, indem ich verschiedene Insekten
fand und manches Schätzbare erwarb, da fast der dritte Theil der
gefangenen Individuen neue Arten waren. Endlich, nachdem ich weit
vorgedrungen in Schluchten und manchen Abhang erstiegen, wandte ich mich
wieder rückwärts, um an's Ufer der Bai zu gelangen. Ich durchwatete
den St. Johns-Fluß und kam endlich an eine flache Stelle des Ufers, wo
ich die Bai übersehen konnte. Aber ich sah weder das Boot, noch eine
Spur von den Gefährten. Ich ging weiter um die Bai zu umschreiten und
auf das jenseitige Ufer, den bestimmten Sammelplatz, zu gelangen,
indem ich richtig schloß, daß das Boot hinter irgend einem schattigen
Felsenvorsprunge beigelegt habe.

Mittlerweile war eine ziemliche Hitze eingetreten, indem unferne des
Wassers die Sonne doppelt brannte, und zugleich wurde ich von einer
Unzahl Fliegen verfolgt. Es war vorzüglich =Tabanus latus=, eine
schwarze und gelbe Bremse, welche in Schwärmen von mehreren Dutzenden
über mich herfiel, und, wenn auch in geringerer Anzahl, zwei kleinere
graue Tabanus-Arten. Die Folgen des Stichs der beiden kleinen Arten
halten länger an, als jene der größeren, welcher zwar anfänglich
einigermaßen belästigt, aber in einigen Minuten nicht mehr gefühlt
wird und keine Beulen hinterläßt, wie die Stiche der deutschen
Pferdebremse. Ich fand bald, daß je rascher ich mich fortbewegte, die
verwünschten Fliegen mich um so hitziger verfolgten, so ergab ich mich
in mein Schicksal, haschte eine gute Menge derselben und schritt langsam
weiter, indem ich auch einige Vögel schoß, worunter eine schöne
gold-grün glänzende Kibizenart. Endlich kam ich an menschliche
Wohnungen, Hütten, welche aber leer standen, und zugleich an eine sich
in den Wald ausdehnende Fortsetzung der Bai, denn für eine solche hielt
ich das Wasser an dessen Ufer ich stand. Leider aber fand ich, das Ende
und eine überschreitbare Stelle suchend, bald, daß ich einen Fluß vor
mir hatte. Ich mußte über denselben, denn abgesehen davon, daß ich
ungerne unser Rendezvous versäumte, konnte ich kaum rückwärts längs
dem Ufer zurück in den Hafen von Corral gelangen, ohne endlose Umwege
zu nehmen, da an vielen Stellen die Ufer aus steilen Felsenwänden
bestehen, an welchen wir vorher zu Boote vorüber gefahren waren.
Vorwärts also! Aber wie! Ich wußte nicht, waren die Kapitaine und
Fricke schon hinüber, oder waren sie vielleicht während ich im Walde
Insekten einfing, zu Boote über die Bai. Also suchte ich den Lauf des
Flusses aufwärts verfolgend, nach menschlicher Fährte, und fand auch
bald im gefallenen Laube Spuren von Fußtritten, denen ich folgte
und endlich an die Brücke kam. Dort fiel mir ein, welche vielfache
Anforderungen an einen reisenden Naturforscher gestellt werden. Denn
abgesehen davon, daß er Zoologe und Ethnograph, Botaniker, Mineralog,
Geognost, Meteorolog und Zeichner sein soll, muß er auch, wohl oder
übel, fabelhafte fremde Sprachen sprechen, kochen, waschen, nähen,
reiten und schwimmen können. Hier aber stand die edle Turnkunst in
Aussicht, denn jene Brücke bestand aus einem verzweifelt glatten und
schlanken Baumstamme, der über den etwa 25 bis 30 Schritte breiten
Fluß quer übergelegt war, und sonder Zweifel von einem Eichhörnchen
mit vieler Bequemlichkeit überschritten worden wäre, von mir indessen
mit wenig Behagen.

Aber ich mußte hinüber und war bald entschlossen. Mineralienhammer,
Insektenschachteln und alles Gesammelte wurde zu den Vögeln in die
Jagdtasche gesteckt und diese über die Doppelflinte gehängt, welche
ich in der Hand hielt, um im Falle eines Sturzes schwimmen zu können
und nicht von all diesen Gegenständen gehindert zu sein. Aber ich hatte
keine Lust über den verwünschten Baumstamm zu _gehen_, --
_rittlings_ wollte ich übersetzen, vorsichtig, wie es sich für einen
verheiratheten Mann, für einen Familienvater geziemt. Es sah mich ja
kein menschliches Auge, und war ich einmal drüben, -- nun es kriecht
mancher auf Händen und Füßen und spricht später davon, wie er
aufrecht gestanden! Da, ganz zur Unzeit erschallte ein lautes Hallo! und
Fricke wand sich aus den Gebüschen des jenseitigen Ufers, mir zurufend,
ich solle mich eilen, die beiden Kapitäne seien schon voraus, denn er
habe in der Ferne schießen gehört und wir müßten noch vor Eintritt
der Ebbe bei'm Boote sein.

Große Macht der Eitelkeit! Ich nestelte an meinen Schuhen, als wolle
ich sie besser befestigen, denn bereits saß ich rittlings auf
dem Stamme, dann stand ich auf und überschritt mit scheinbarer
Gleichgültigkeit den Stamm, der immer dünner wurde und höchst
widerwärtige Oscillationen verführte, je mehr ich mich seinem Ende
nahte. Ich schämte mich vor Fricke, dem rüstigen Hinterwäldler, wie
ich ihn nannte, hinüber zu kriechen. Zuletzt mußte ich noch einen
kräftigen Sprung machen, um das Ufer zu erreichen. Jetzt erzählte ich
Fricke meine Noth, welcher mich auslachte und die Brücke im Vergleich
zu andern eine königliche nannte.

Wir gingen nun zusammen weiter und kamen bald wieder in hochstämmigen
Wald, wo wir noch einige Papageien schossen und bald darauf an eine
Hütte, welche eine Cuncos-Indianerin[39] bewohnte. Das Weib knieete mit
ihren Kindern um ein Feuer in der Mitte der Hütte, ohne Zweifel um
sich zu räuchern, denn außen war eine tüchtige Hitze und man bedurfte
wahrlich keines Feuers, um sich zu erwärmen.

Ich dachte an den Besuch Reineckes in der Höhle der Meerkatze,

»Welch ein Nest voll süßlicher Thiere, größer und kleiner!
Und die Mutter dabei, ich dachte es wäre der Teufel.«

und redete die Frau zwar nicht als »Frau Muhme« sondern mit Sanoritta
an, um etwas zu essen zu erhalten, aber es war nichts zu bekommen als
Milch. Ich habe selbst dort den Abscheu vor diesem Getränke nicht
überwinden können, tauchte das Stückchen Zwieback, welches ich bei
mir hatte, in's Wasser eines unweit fließenden zweiten Flusses und
überließ die Milch den Gefährten, welche sich mittlerweile zu uns
gefunden hatten. Nach einiger Ruhe setzten wir unsern Weg um die Bai
fort. Bald waren wir gezwungen, abermals mittelst eines Baumstammes
über den zweiten Fluß zu setzen, allein hier ging dies leichter, denn
der Stamm hatte noch einen Theil seiner Aeste und war theilweise mit
überhangendem Gebüsche umgeben, so daß man sich im Nothfalle anhalten
konnte. Wir bestiegen kurz darauf eine kleine Anhöhe, und da dort eine
Lichtung war, sahen wir unser Boot in einiger Entfernung liegen, leider
im buchstäblichen Sinne des Wortes, nämlich auf der Seite und etwa
zweihundert Schritte vom Wasser entfernt. Wir erriethen sogleich, was
sich später bestätigte. Die beiden Matrosen, nicht wissend, daß
das Wasser der Bai dort sehr seicht war, legten sich zur Ruhe und
schlummerten sanft im benachbarten Gebüsche, während sich die See
bescheiden zurückzog, und das Boot, wenn nicht auf dem Trockenen, doch
wenigstens auf schlammigem Grunde zurückließ.

Während wir nun beschlossen abwärts zu gehen und jene Stelle zu
besuchen, kamen wir immer dichter und verworrener in's Gebüsche, so
daß wir endlich blos auf Laub und Aesten fußten. Mir fiel auf,
daß Fricke, der uns vorschritt, langsamer als sonst ging, ja selbst
bisweilen die Haltbarkeit eines Astes prüfte, doch dachte ich an nichts
Arges, als ich zufällig abwärts blickte und einen Sonnenstrahl sah,
der nicht _zu_, sondern etwa 30 Fuß tief _unter_ meinen Füßen die
Erde beschien. Wir gingen zwischen den Aesten hindurch, wie, da mir
eben kein poetischer Vergleich einfällt, wie Mäuse, welche durch einen
Wellenhaufen schlüpfen, aber auch mit eben so wenig Gefahr für uns
wie für jene, denn ein Hinabstürzen war kaum denkbar. Wir erreichten
endlich den Boden und bald die Stelle, wo das Boot lag. Da nach Fricke's
Aussage die Fluth erst gegen neun Uhr des Abends so gestiegen sein
konnte, daß an ein Flottwerden zu denken war, blieb das Fahrzeug an der
Stelle, wo es gegenwärtig lag, man schnitt deshalb Hebel und wälzte es
allmälig seewärts. Wir hatten das Segel aus dem Boote genommen, und um
gegen die Sonnenhitze einigermaßen Schutz zu haben, uns von demselben
eine Art Zelt construirt. Die Gewehre aber hatten wir dafür in's Boot
gelegt um freier zu sein, im Falle wir etwa später noch eine
Strecke durch das Wasser waten mußten. Zudem hatten wir kaum noch
Schießbedarf, da die Schnepfen uns des Morgens viel Pulver und Blei
gekostet hatten.

Schon einige Tage vorher hatte uns Fricke erzählt, daß eine Puma ihm
Besuch abgestattet habe. Sie war durch eine Lücke in den unteren
Raum des Hauses gestiegen und hatte dort befindliche Fleischvorräthe
geraubt. Fricke hatte Abrede mit seinen beiden indianischen Knechten
genommen, was im Wiederholungsfalle zu thun sei, obgleich er nicht
glaubte, daß das Raubthier so bald wiederkehren würde; allein schon
des andern Tages hörte er während der Nacht verdächtiges Geräusch.
Das Gemach, in welches die Puma eingestiegen war, hatte nur ein einziges
Fenster. An dieses, so hatte man verabredet, sollten mit einer in
Bereitschaft stehenden verdeckten Laterne sich die beiden Knechte
schleichen, und in demselben Augenblicke, in welchem Fricke die Thüre
aufstoßen würde, die Laterne von außen auf das Fenster setzen. Die
Puma, glaubte man, würde nicht wagen, durch das beleuchtete Fenster
zu springen und Fricke würde jedenfalls einige Augenblicke Zeit haben,
dieselbe mit seinem Doppelgewehre zu tödten.

Auf jenes Geräusch hin weckte nun Fricke seine vor seinem Zimmer
schlafenden Knechte, man verfügte sich an seinen Posten und Alles wurde
in bester Form ausgeführt, bis auf das Erlegen der Puma, welche im
selben Augenblicke, in welchem Fricke die Thüre öffnete, ohne auf
die Laterne Rücksicht zu nehmen, von dem Tische, auf welchem sie Platz
genommen, mit einem gewaltigen Satze durch's Fenster sprang, Laterne und
Knechte über den Haufen warf und im Dunkeln verschwand.

Des folgenden Tages oder vielmehr in der folgenden Nacht stahl das
Thier ein Kalb unweit Corral. Unter unserm improvisirten Zelte liegend
besprach ich eben mit Fricke das Abenteuer, welches er bestanden, als
wir ein großes gelbes Thier über den vom Wasser verlassenen Grund der
Bai laufen sahen, indem dasselbe den Weg von der östlichen nach der
westlichen Seite zu einschlug und also auf uns zukam. Es blieb stehen,
und wir erkannten alsbald, daß es eine Puma, ohne Zweifel Fricke's alte
Bekanntschaft war. Als sie uns erblickte, wendete sie sich etwas gegen
rechts, so daß sie etwa 200 Schritte von uns entfernt den Wald erreicht
hätte, war sie einmal am Ufer. Was hätte ich in diesem Augenblicke
darum gegeben, hätte ich mein Gewehr und ein Paar Kugelpatronen
gehabt. Aber es war nicht möglich, das Land zu erreichen und wieder
zurückzukommen, auch abgesehen davon, daß man stellenweise bis an die
Hälfte des Schenkels hätte im Moraste waten müssen und daß es selbst
mit Munition schlecht aussah. Da ich aber doch wenigstens die Puma
sehen wollte, und wußte, daß dieselbe bei Tage kaum einen erwachsenen
Menschen anfallen werde, so lief ich ihr den Weg ab, indem ich mich in
der Eile mit einem kurzen Prügel bewaffnete, welcher am Boden lag.
Ich war dem Thiere bis auf etwa dreißig Schritte nahe, als es das Ufer
erreicht hatte, stehen blieb und mich in Augenschein nahm, während ich
von meiner Seite aus dasselbe that. Man kann in jeder Naturgeschichte
die Beschreibung einer Puma lesen, ich sage daher blos, daß dieselbe
die Größe eines starken Fleischerhundes hatte, aber abgesehen von dem
runden katzenartigen Kopfe, mehr den Eindruck eines Wolfes als eines
Tigers machte, obgleich sie zierlichere Formen hatte. Die Farbe war
hellgelb, vollkommen löwenähnlich.

Nachdem ich diese Beobachtungen angestellt hatte, frug ich mich, was es
jetzt werden sollte. Das Thier rührte sich nicht von der Stelle, fing
aber auf eigenthümliche mir etwas bedenkliche Weise mit dem Schweife
zu wedeln an. Eins von uns beiden mußte nun davon laufen, die Puma oder
ich, das war mir klar; denn da ich nicht einmal meinen Dolch hatte, so
wäre ein Kampf wohl schlecht für mich ausgefallen. Da aber, lief ich,
die Puma mir ohne Zweifel nachgelaufen wäre, so beschloß ich, _sie_ wo
möglich zum Fliehen zu bringen.

Ich ging also, mit kleinen Schritten zwar, aber heftigem Geschrei auf
das Thier los, indem ich den Arm nach Art der Lasso-Werfenden schwang,
und mich höchst kampflustig geberdete. Jetzt wendete sich die Puma,
schritt langsam und würdevoll dem Gebüsche zu und verschwand
in demselben, ohne Zweifel von dort aus meine ferneren Bewegungen
beobachtend. Ich aber zog mich ebenfalls zurück, und ging zu den
Gefährten, welche sich anfänglich erhoben hatten, als ich auf die Puma
zuging, jetzt aber wieder Platz genommen hatten.

Das war mein Abenteuer mit dem chilenischen Löwen, bei welchem ich dem
Leser ernstlich verbiete, an ein gewisses anderes Abenteuer mit
Löwen zu denken, welches Miguel Cervantes in einem der besten Bücher
schildert, welche je geschrieben worden sind.

Hungrig und todtmüde, doch aber wohl zufrieden mit der Expedition,
kehrten wir spät des Abends an Bord zurück.

Ich habe schon der Indianer erwähnt, und hoffe, daß es dem Leser
nicht unangenehm sein wird, etwas über diesen höchst merkwürdigen
Volksstamm zu erfahren, welcher ungleich seinen Stammverwandten sich
Jahrhunderte lang unverändert in nächster Nähe der weißen Männer
erhalten hat und welchen man nicht cultiviren und ausrotten konnte, wie
es fast allenthalben geschehen ist, mögen nun die fremden Eindringlinge
von Europa Grundsätze zur Schau getragen haben, welche sie wollten.

Ich spreche hier nicht von den Cuncos-Indianern. Diese letzteren haben
sich in Folge von Streitigkeiten mit andern Stämmen zu Ende des
vorigen Jahrhunderts von ihren Landsleuten getrennt und leben zerstreut
allenthalben in Valdivia unter den Chilenen, doch sind sie denselben
noch jetzt an Zahl überlegen. Fast alle sind getauft. Aber ihre Zahl
scheint abzunehmen, je mehr sie europäische Sitte sich aneignen, ist
auch ihr Aeußeres dem der unbezwungenen Indianer sehr ähnlich.

Die unbezwungenen, freien Indianer aber, die Araukaner, leben unter ganz
andern Verhältnissen.

Sie bewohnen den Landstrich zwischen Conception und Valdivia, der sich
unter 38° und 39° südlicher Breite quer durch das chilenische Land
von der Andenkette herab bis an's Meer zieht.

Von der ersten Entdeckung ihres Gebiets durch die Spanier, bis auf den
heutigen Tag, hat diese Nation ihre Selbstständigkeit nie verloren und
ist auch in den blutigsten Kämpfen stets Sieger geblieben. Sie hat ihr
Gebiet mit einer Energie und zugleich mit einer Intelligenz vertheidigt,
von welcher sich bei keinem andern Indianer-Volke ein Beispiel findet,
aber nie hat sie dasselbe zu erweitern gesucht.

Es scheint ein lange festgehaltener Grundsatz der Araukaner zu sein,
von fremder Sitte und Kultur nur so viel anzunehmen, als ihnen eben
zweckmäßig scheint, und als nöthig ist, nach und nach ihre Umstände
zu verbessern, aber alles entfernt zu halten, was ihre ursprünglichen
Gebräuche bedrohen könnte.

Die Geschichte der Missionen in Araukanien giebt hievon den deutlichsten
Beweis. Es sind hie und da wie es scheint, die Lehren der frommen Väter
auf fruchtbaren Boden gefallen, und es ließen sich einzelne Indianer
taufen; aber diese Getauften wurden von ihren Nachbarn nicht etwa
gehaßt oder verfolgt, sondern es wurde die sogenannte Bekehrung als
etwas vollkommen Gleichgültiges betrachtet.

Es will behauptet werden, als habe sich der einmal Getaufte noch öfter
taufen lassen, kam gerade ein anderer Priester in die Nähe. Man müsse
den Europäern ihre Freude nicht verderben, sollen dann solche perfide
neue Christen gesagt haben. Ebenso soll vorgekommen sein, daß ein
Indianer sich bei verschiedenen Geistlichen verschiedene Frauen antrauen
ließ, doch =relata refero=.

Indessen ist es gewiß, daß so lange auch Missionen bei den Indianern
bestehen, sie dieselben blos begünstigten, um von den Missionairen
technische Vortheile zu erlernen, und wenn sich auch einige Häuptlinge
taufen ließen, so geschah dies ohne Zweifel blos um von der
chilenischen Regierung einen gewissen Sold zu beziehen. Es hat nämlich
die letztere verschiedene solcher getauften Häuptlinge mit dem
Generalstitel betraut, und man giebt ihnen einen gewissen jährlichen
Sold. Bräche nun Krieg mit den Indianern aus, so würde dieser
araukanisch-chilenische General mit seinen Leuten nicht gegen Chile
fechten können, ohne seine Besoldung zu verlieren, und so hat Chile an
jedem getauftem General einen Feind weniger, wenn auch nicht eben einen
Freund mehr. --

Vor einiger Zeit verlangten die Araukaner die Herstellung einer Mission,
welche, verwüstet in der Revolution, durch das Erdbeben im Jahre 1835
vollends zerstört wurde. Die anfangs uneinigen Stämme einigten sich
durch das Loos, welches _für_ die Mission entschied, und es wurde jetzt
alsbald einstimmig beschlossen, daß das Kloster gebaut werden sollte,
aber eben so mit Bestimmtheit ausgesprochen, daß nicht ein einziger
chilenischer Arbeiter bei dem Bau beschäftigt werden sollte.

Der für die Mission bestimmte Priester, ein Italiener, wenn ich nicht
irre, sagte. »Aber Kinder, ihr könnt nicht bauen.« Die Araukaner aber
antworteten »Vater, Du wirst es uns lehren.« Ein _einziger_ Mann zur
Verfertigung der Backsteine und Ziegel wurde dem Missionär zugestanden,
das Kloster wurde erbaut, die Araukaner nahmen Arbeitslohn ein, denn
sie ließen sich ihre Dienste bezahlen und obendrein lernten sie das
Backstein- und Ziegelmachen.

Was die eigentliche Religion und den Cultus bei den Araukanern betrifft,
so mag dieses Volk vielleicht einzig dastehen. Aus den kurzen Umrissen
über ihre staatliche Einrichtung und ihre Sitten und Gebräuche, die
noch folgen werden, sieht man, daß sie durchaus auf keiner niedern
Stufe der Cultur stehen, aber sie haben Nichts, was einem Cultus gleich
sieht!

Von frühester Zeit an bis jetzt glauben die Araukaner an das Bestehen
höherer Wesen und an eine Unsterblichkeit der Seele, und wie die
Missionäre behaupten, hat sich bis auf den heutigen Tag dieser Glaube
unverändert erhalten. Sie nennen den guten Geist Pillan, den bösen,
Cuecuban, und das Gute und Böse, was sich ereignet, schreiben sie
diesen beiden Mächten zu. Pillan hilft ihnen die Feinde schlagen und
begünstigt die Ernte, Cuecuban schickt dann und wann übermäßigen
Regen, regiert die bösen unfolgsamen Weiber und läßt die Erde
erzittern. Aber der einzige Dienst, oder die Verehrung, welche diesen
beiden Geistern gezollt wird, besteht darin, daß bei öffentlichen
Feierlichkeiten die ersten Tropfen des Getränkes auf die Erde
geschüttet werden und eben so die ersten Tropfen Bluts der Thiere,
welche bei diesen Gelegenheiten geschlachtet werden. Höchstens sucht
man noch bei Unglücksfällen durch Anrufungen den Zorn des bösen
Geistes zu versöhnen. Aber sie haben keine Vermittler zwischen diesen
Geistern und sich, keine Priester und eben so keine Tempel, keine
Götzenbilder, keine heiligen Haine, und auch die Häuptlinge verwalten
auf keinerlei Weise das Priesteramt.

Durchschnittlich ist die Gesichtsfarbe der Araukaner braun, aber
nicht rothbraun wie die der amerikanischen Indianer. Das Gesicht ist
länglich, die großen Augen sind schwarz, ausdrucksvoll, und die Brauen
gewölbt. Der Mund ist gut geformt, mit Ausnahme der Unterlippe, welche
bisweilen etwas hervorsteht. Die Nase ist oft gebogen und die Naslöcher
sind nicht so weit geöffnet, wie bei vielen andern Stämmen. Das
tiefschwarze Haupthaar ist straff, nie gerollt. Ihre Größe ist die
mittlere, indessen eher noch darunter als darüber.

Nahrung und selbst Kochkunst ist bei den Araukanern ähnlich wie bei den
Chilenen, welche auf dem Lande wohnen, doch wird Pferdefleisch bei allen
Stämmen, bei einigen aber kein Ochsenfleisch gegessen. Alle Speisen
aber sind scharf gewürzt. Ihr gewöhnliches Getränke ist der
Aepfelwein.

Die Kleidung der Araukaner besteht aus dem in der ganzen Westküste
allgemein eingeführten Poncho, dann kurze Beinkleider und Strümpfe,
welche aber am Knöchel abgeschnitten sind, so daß die Sporen oft am
bloßen Fuße getragen werden.

Eine spitze Filzmütze ist die Kopfbedeckung der Männer. Die Frauen
tragen eine Art Mantel, welcher in der Mitte des Leibes durch einen
Gürtel festgehalten wird, und meist durch eine silberne Nadel von
ungeheurer Größe auf der linken Schulter in die gewünschten Falten
gebracht ist.

Die Verfertigung dieser Zeuge, das Färben derselben, das Schmieden von
Eisenwaaren, ihren Sporen und so weiter, auch die Fertigung silbernen
Schmuckes, wird von den Araukanern selbst betrieben.

Die staatliche Einrichtung der Araukaner ist eine modificirt
aristokratische zu nennen. Sie stehen dorfschaftenweise unter einzelnen
Häuptlingen, so daß manche derselben bisweilen über größere
Gebiete herrschen, einzelne aber auch nur über 10 bis 12 Familien.
Bei besonderen Gelegenheiten werden Volksversammlungen abgehalten, bei
welchen die mächtigeren Häuptlinge den Ausschlag geben. Man scheint
zur Friedenszeit den Befehlen derselben nicht stets genaue Folge zu
leisten, zur Kriegszeit indessen und wenn ein feindlicher Ueberfall
droht, sind sie fast immer alle einig, und versammeln sich,
durch Feuerzeichen gerufen, schnell auf schon vorher bestimmten
Sammelplätzen. Die Häuptlingswürde ist erblich, indessen trifft es
sich nicht selten, daß Indianer, welche sich ein bedeutendes Vermögen
erworben haben, ebenfalls zu dieser Würde gelangen. Manche dieser
Häuptlinge haben fast ganz europäische Gesichtszüge und als vor
einigen Jahren einmal Engländer und Franzosen mit den Araukanern
Verträge abschließen wollten, ich glaube wegen des von den Indianern
ausgeübten Strandrechtes, waren sie sehr verwundert, mehrere jener
Anführer ziemlich fertig ihre Landessprache reden zu hören und
zugleich eine diplomatische Gewandtheit entwickeln zu sehen, welche
ihnen zu schaffen machte.

Fast scheint es als seien solche Häuptlinge wirklich europäischer
Abkunft. Es hatten die Spanier gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts
in und um das Gebiet der Araukaner Städte gegründet und Festungen
angelegt. Aber plötzlich standen unter dem Oberbefehle des Paillamacha
sämmtliche Indianer auf, zerstörten sieben Städte und Festungen,
tödteten die Männer und entführten Weiber und Kinder. Man will die
Spuren dieses Menschenraubes noch jetzt bei den Araukanern erkennen.

Wirft nicht Cultur und Luxus, welche man mit der Zeit in das Gebiet
jener Natursöhne einschmuggelt, ihre Kraft zu Boden, so werden sie auch
lange unbezwungen bleiben, denn die Kräfte der chilenischen Regierung
reichen schwerlich aus, sie im offenen Kriege zu unterjochen.

Es ist ihre Art Krieg zu führen allgemein gefürchtet, und vor allem
ist es die lange araukanische Lanze, welche so mächtigen Respekt
einflößt. Diese Lanze ist an 20 Fuß lang und aus dem leichten und
biegsamen Stengel der Colique gefertigt. Der gegen den Feind anrennende
Indianer erhält das dünne, mit der Spitze versehene Ende derselben
in fortwährender vibrirender Bewegung, so daß ein Pariren des
Stoßes fast unmöglich ist, während er selbst mit außerordentlicher
Sicherheit zu treffen weiß. Häufig wird aber die Lanze auch so
geführt, daß der auf den Feind ansprengende Indianer die Lanze im
Ricochet wirken läßt, indem er sie mit der vordern Hälfte auf
die Erde schleudert, während er sie hinten fest hält und mit der
aufschnellenden Spitze den Gegner durchbohrt.

Wenn man dabei bedenkt, daß die Araukaner von frühester Jugend an alle
jene Fertigkeiten besitzen, welche wir nur gewohnt sind im Circus
von Kunstreitern ausführen zu sehen, und daß ihre Pferde sie auf's
trefflichste unterstützen und alle Strapazen mit Leichtigkeit ertragen,
so glaubt man wohl, daß sie furchtbare Feinde sind. Während man noch
das Land in tiefer Ruhe glaubt, flammen ihre Feuerzeichen, und der
anrückende Feind sieht sich plötzlich von allen Seiten umgeben von
Indianern, die nackt und mit bemaltem Gesichte, mit aufgelöstem, im
Winde flatternden Haare und mit einem thierähnlichen Wuthgebrülle auf
ihn einstürzen, keine Schonung mehr kennen, und Tod und Wunden nicht
achten in der Vertheidigung ihres Vaterlandes und ihrer Freiheit.

Aber dieser wüthende und wilde Krieger ist nicht mehr zu erkennen, wenn
es Friede ist. Stolz zwar und hartnäckig an seiner alten Sitte haltend,
ist auch der Araukaner dann gastfrei gegen den Fremden und herzlich,
wenn die steifen Förmlichkeiten des ersten Empfangs beendet sind.

Fast will es scheinen, als habe jenes Volk die Nothwendigkeit eines
gewissen Anstandes und einer continuirlichen ceremoniellen Lüge
erkannt, die bei uns täglich ausgeübt wird, ohne daß sonder Zweifel
die Meisten daran denken, welch ein festes Bindemittel für die
menschliche Gesellschaft sie ist.

Niemand, selbst der nächste Anverwandte der Familie, darf bei den
Araukanern sogleich dicht an das Haus reiten, oder dasselbe etwa gar
betreten. Es sind an der Grenze des Hofraums einige Pfähle angebracht,
an welchen man hält und ruft, oder den Dollmetscher rufen läßt,
welcher überhaupt, wenn der Reisende der Sprache[40] nicht mächtig
ist, die ganze fernere Verhandlung führt. Der Reisende giebt hierauf
an, was er für Geschäfte hat, woher er kömmt, wohin er geht, dann
tritt der Hausherr hinzu, reicht ihm die Hand, und ersucht ihn auf eine
höchst förmliche Weise und fast allein durch Zeichen und ohne ein Wort
zu sprechen, vom Pferde zu steigen. Hierauf beginnt ein umständlicher
und fast eine halbe Stunde dauernder Austausch von Höflichkeiten. Der
Hausherr fragt, wie sich der Gast befindet, ob er gute Reise gehabt hat,
und erkundigt sich nach dem Wohlbefinden sämmtlicher Anverwandten
im entferntesten Gliede, mag er sie kennen oder nicht. Aber die
Höflichkeit wird noch weiter ausgedehnt, denn er fragt nach dem guten
Stande der Ortschaften, durch welche die Reise geführt, nach Heerden,
Feldern, kurz nach Allem, was der Reisende nur entfernt berührt oder
gesehen haben kann. Nun beginnt der Fremde alle diese Fragen im gleichen
Sinne zu beantworten, und giebt ähnliche Fragen zurück. In der
weitläufigsten Form erkundigt er sich nach allen Genossen des Hauses,
deren Anverwandten, Nachbaren und Nachbarsnachbarn, nach dem Stande der
Ernte, der Heerden u. s. w. Beide Vorträge sind mit fortwährenden
Wünschen begleitet, daß Alles im besten Stande sein möge und werden
in einem eigenthümlichen näselnden Tone vorgebracht.

Sind die Ceremonien beendet, so nähert sich der Hausherr dem Fremden
und umarmt ihn, indem er sein Haupt abwechselnd über die rechte und
linke Schulter des Gastes legt. Hierauf beginnt das Mahl, zu dem schon
während der Begrüßungen alle Vorbereitungen getroffen worden sind,
und bei welchem es, selbst nach europäischen Begriffen, höchst
anständig zugeht.

Die Ceremonien der Brautwerbung und der Verehelichung scheinen etwas
einfacher. Man kauft sich ein Weib vom Vater oder Bruder, und hat man
im Verlaufe des ehelichen Lebens das Unglück die treue Gefährtin
zu verlieren, so muß man -- ist es erwiesen, daß man dieselbe todt
geschlagen hat -- die Begräbnißkosten, bisweilen selbst noch eine
nachträgliche Entschädigung zahlen. Die besten Aufschlüsse über das
araukanische Weib geben Notizen, welche ich von Domeyko erhalten habe
und welche ich hier mittheilen will.

Das araukanische Weib ist klein, hat ein rundes Gesicht und eine
niedrige Stirn. Sein Auge hat einen gewissen Ausdruck, welcher Sanftheit
und Schüchternheit bezeichnet, und der leise, weiche Ausdruck der
Stimme scheint Unglück und Sklaverei auszudrücken Ihre Sprache scheint
ein halber Gesang zu sein, und sie verlängern jede letzte Silbe mit
einem seufzenden und sehr hohen, feinen Tone. Der Gang der araukanischen
Frauen ist leise und schleichend, und ihre, bereits oben beschriebene
Kleidung höchst einfach. Sie flechten das Haar in Zöpfe, welche sie
mit Glasperlen schmücken und hierauf turbanartig um den Kopf winden.

Thut man einen Blick in die Haushaltung eines Indianers, so überzeugt
man sich sogleich, daß die Weiber nur die Sklavinnen der Männer sind,
der Mann hat dieselben entweder erzogen (d. h. _vor_ der Verheirathung,
und als Kind) oder er hat sie von ihrem Vater gekauft. Er führt Krieg,
wohnt den Berathungen bei, geht auf die Jagd, oder raucht im Schatten
liegend Tabak, aber das Weib muß arbeiten. Arbeit und Liebe ist aber
bei vermögenden Araukanern unter mehrere Frauen getheilt, indem sich
diese mehrere Weiber kaufen.

Domeyko giebt eine Schilderung von einem Besuche bei einem Indianer,
welche ich hier anführen will, da sie höchst bezeichnend ist.

Ich suchte, sagt er, einmal in einer stürmischen, regnerischen
Nacht Schutz gegen das Unwetter in dem Hause eines Häuptlings an
der Meeresküste. Der Indianer nahm mich mit offener und herzlicher
Gastlichkeit auf, und noch unbekannt zu jener Zeit mit den bei'm
Eintritte in ein Haus gebräuchlichen Ceremonien, suchte ich sobald als
möglich zum Feuer zu kommen, und in weniger als einer Viertelstunde
saß ich mit meinen Reisegefährten an demselben. Es waren dieß zwei
Häuptlinge und drei andere Araukaner. Bald hatten wir am Feuer den
außen wüthenden Sturm vergessen, und das Gespräch belebte sich.
Die einen rauchten Cigarren, die andern trockneten ihre durchnäßten
Ponchos, während ein hübsches Weib mit großen schwarzen Augen und
einem bis auf die Knie reichenden Haare so schnell als möglich das
Abendessen bereitete.

Ohne daß Jemand ihr geholfen hätte, hatte sie bereits, als wir
eintraten, Holz herbeigeschafft und das Feuer entzündet, nun schnitt
sie das Fleisch, trug Wasser, schälte Kartoffeln und rüstete die
Töpfe, aber Niemand half ihr, oder nahm irgendwie Notiz von ihr,
während sie geduldig und emsig ihrer Arbeit oblag, ohne ebenfalls
irgend Jemand anzusehen.

Ich saß, fährt Domeyko fort, an der Seite des unbeweglichen und
nachdenklichen Hausherrn und fragte ihn, wie viele Weiber er habe. Er
antwortete mir: ein einziges. Auf meine weitere Frage, ob wohl deßhalb,
weil er Christ sei, erwiederte er: nein, sondern weil gegenwärtig die
Frauen leider bei den Indianern sehr theuer wären. Sehen Sie, sagte der
andere Indianer, welcher mir als Dollmetscher diente, sehen Sie, welche
Ungerechtigkeit; wir müssen, wenn wir uns verheirathen, dem Vater nicht
nur acht oder zehn Prendas[41] für das Auge geben, sondern auch noch
demselben Vater acht oder zehn weitere Prendas für die Geschwister oder
Verwandte des Weibes, wenn sie stirbt. Aber doch begraben sie die Todte
nicht eher, als bis sie in Verwesung übergeht, und plagen den armen
Ehemann, daß er nicht weiß, was er anfangen soll.

Bei diesen Worten schürte der Häuptling die Kohlen mit einem
Stäbchen, und sagte: Hm! acht bis zehn Prendas, und wenn einmal ja
einer ein Weib todtschlägt, sind sie mit zwölf und fünfzehn Prendas
nicht zufrieden, so daß der Mann auf zeitlebens zu Grunde gerichtet
ist.

Der erste Indianer aber fuhr fort zu klagen und sagte: Bisweilen können
sie es gar nicht beweisen, daß die Frau gerade an einem Hieb oder einer
Wunde gestorben ist, welche ihr der Mann beigebracht hat.

Bisweilen, erwiederte der Häuptling, können sie _gar Nichts_ beweisen,
und verdächtigen und chikaniren nur den armen, unschuldigen Indianer.

Stumm, schweigend und unterwürfig bediente uns das arme Weib während
dieser Unterredung, und nachdem das Essen beendigt war, streckte sich
der Häuptling zuerst auf sein Bett von Colique. Die Gäste folgten, und
hierauf die andern Hausgenossen, wobei sich jeder einen Platz suchte, so
gut als möglich. Das mächtige Feuer schwand allmälig, bis es nur noch
einen unsichern Schein verbreitete und mit einzelnen Streiflichtern die
kräftigen und markirten Züge der liegenden Indianer beleuchtete.

Nur die Indianerin mit ihren prächtigen Haaren und ihren schönen, zu
Boden geschlagenen Augen allein blieb auf und stützte ihre Rechte auf
das Kopfende des Bettes ihres tyrannischen Ehemannes. Sie blieb wach,
und suchte ihr Lager nicht eher, bis das Feuer erloschen und sie
vollständig den Blicken der Fremden entzogen war.

Eben so barbarisch wie sich das Verhältniß der Arauka-Indianer
gegen ihre Frauen gestaltet hat, sind ihre Sitten und Gebräuche
bei Beerdigungen. Stirbt z. B. ein alter Häuptling in Mitte seiner
Anverwandten und Kinder, so wird, je nachdem er Küstenbewohner war oder
mehr im Innern lebte, der Leichnam in ein Canoe oder eine Mulde
gelegt und in Mitte des Hauses unweit des Feuerheerdes an einen
Balken aufgehängt. Man hat dem Todten sein bestes Kleid angezogen und
überläßt ihn ruhig seinem Schicksale, während man sich einzig mit
den Vorbereitungen zum feierlichen Begräbniß beschäftigt. Vor allem
wird eine unendliche Menge Chicha bereitet, berechnet auf ein drei- bis
viertägiges Zechgelage. Dann schafft man Mais und Weizen herbei, um
eine Anzahl von 200 bis 300 Nachbarn zu bewirthen.

Alle diese Gegenstände werden neben dem Todten in der Hütte
aufgehangen und später mit demselben zur Begräbnißstätte getragen,
aber es vergehen oft zwei bis drei Monate, bis alle diese Vorbereitungen
beendet sind. Der Leichnam ist mittlerweile in Fäulniß übergegangen
und verpestet die Luft auf solche Art, daß man nicht selten in einer
Entfernung von tausend Schritten das Haus bezeichnen kann, in welchem
sich die Leiche befindet.

Endlich erscheint der Tag der Beerdigung, und mit ihm kommen mehrere
Hundert der geladenen Gäste, alle zu Pferde und mit ziemlichem Lärm.
Die Leichenfeier beginnt mit einem großartigen Zechgelage und einer
reichlichen Mahlzeit, welche oft mehrere Tage und Nächte hindurch
dauern, und noch fortwährend kommen Nachzügler, wild einhersprengend,
und wie zum Kriege gerüstet mit wildem, flatterndem Haare und
bewaffnet.

Wird endlich die Leiche in das mittlerweile bereitete Grab gelegt, so
finden verschiedene Ceremonien statt, welche bewirken sollen, daß der
Geist des Verstorbenen nicht in sein Haus zurückkehrt, und man giebt
ihm deshalb eine Menge Dinge mit, welche er im Leben gern hatte. So
z. B. seine Lanze und übrigen Waffen, seinen Sattel, Zaum und Sporen,
sein Ballspiel und andere Kleinigkeiten. Aber man versäumt auch
nicht, ihm Speise und Saatkorn mitzugeben und die Leiche reichlich mit
Getränke zu übergießen.

Nun bedeckt man dieselbe mit Steinen und die Beerdigung ist beendet.

       *       *       *       *       *

Die Rückfahrt von Valdivia nach Valparaiso dauerte zwei und einen
halben Tag, und wir hatten fast immer die Küste in Sicht. Ich wüßte
nichts Besonderes zu berichten, was ich dort erlebt hätte.




X.

Letzter Aufenthalt in Valparaiso (Chile).


Auch mein Aufenthalt in Valparaiso bot wenig mehr, was halbweg
interessant genannt werden dürfte. Es war die weitere Richtung der
Reise bestimmt worden, ich wollte mit dem Dockenhuden nach Tocopilla
gehen, dann nach Peru, von dort aus aber um Kap Horn nach Hause. Ich
ordnete und verpackte die gesammelten Naturalien, unternahm Streifzüge
in die benachbarte Gegend, so z. B. nach Quillota, etwa 24 Stunden von
Valparaiso, und in andere kleinere Orte, welche wohl im Stande waren,
mir den Charakter des chilenischen Lebens klarer zu entfalten, schärfer
einzuprägen, aber kaum verdienen, dem Leser vorgeführt zu werden.

Doch will ich einer Persönlichkeit erwähnen, welche zu jener Zeit in
Valparaiso auftauchte. Es war dieß ein =Dr.= B., ein französischer
Schweizer, welcher sich längere Zeit in Nordamerika aufgehalten hatte,
und von dort kommend nach Californien zu gehen beabsichtigte. Er gab auf
der Durchreise in Valparaiso Gastrollen auf dem Felde des thierischen
Magnetismus, und war ein würdiger Vorläufer des edeln Tischrückens,
obgleich erst fast drei Jahre später halb Europa sich durch diese
nordamerikanischen Schnurren berücken ließ. B. rückte nun zwar keine
Tische, aber dafür zog er mit den ausgestreckten Fingern seiner
Hand Menschen an sich, ließ dieselben »durch seinen überwiegenden
Magnetismus« nach Belieben sprechen, fechten, boxen, tanzen, kurz die
verrücktesten Dinge treiben, und dieß alles vor einem Publikum von 500
bis 600 Menschen, von welchen jeder, ein Hauptpunkt, einen Peso Entrée
zahlen mußte. Seine Mitspieler, etwa sechs oder sieben an der Zahl,
waren meist ebenfalls Nordamerikaner, oder doch wenigstens Leute, die
sich längere Zeit dort aufgehalten hatten. Die ganze Erscheinung hatte
indessen etwas harmloses an sich, und ich glaube nicht, daß von allen
Zuschauern nur zehn halbweg an die Wahrheit der Komödie geglaubt haben.
Man besuchte eben die sogenannte Vorlesung des Doctors, wie man
einen Taschenspieler besucht, oder einer anderen unschuldigen
Abendunterhaltung beiwohnt: man lachte und scherzte. Dieß scheint der
Geist zu sein, welcher überhaupt in der neuen Welt herrscht. In Europa
hingegen und namentlich in Deutschland belacht man anfänglich wohl auch
ähnliche Possen, und hilft zum Scherze Andere zu täuschen. Bald aber
kommt der deutsche Ernst in's Spiel, man fängt an, selbst gläubig zu
werden und blamirt sich nicht selten auf das Gründlichste.

Vielleicht bleibt das Wesen des wirklichen thierischen Magnetismus
für immer in Dunkel gehüllt. Der Weg aber zur wissenschaftlichen
Erforschung seiner räthselhaften Erscheinungen wird durch Kinder und
Damen schwerlich gefunden, durch Charlantanerie aber und Selbstbetrug
sicher versperrt.

Nun ich scheide von Chile, das mir werth geworden in der kurzen Dauer
eines etwa siebenmonatlichen Aufenthaltes, nehme ich auch Abschied von
den dort wohnenden deutschen Landsleuten, und wiederhole, daß ich die
herzliche Aufnahme, die ich bei ihnen gefunden, dankbar und freudig
bewahre, und daß sie mir eine der schönsten Erinnerungen geblieben ist
an meine Reise.

       *       *       *       *       *

#Meteorologische Notizen über Chile.#

_Temperatur der Luft._ In den südlichen Provinzen von Chile darf die
Temperatur als eine niedrige angesehen werden, wenn man die Breitegrade
in Erwägung zieht. Gegen Norden zu, z. B. in Copiapo und Coquimbo bei
Dürre und anhaltendem Regenmangel ist eine ziemlich bedeutende Hitze.
Ich habe zwar eine Reihe von Beobachtungen angestellt, allein da sie an
verschiedenen Orten und Tageszeiten vorgenommen wurden, so haben sie nur
wenigen Werth, und nur bei einigen konnten Mittel gezogen werden.

So fand ich für Valparaiso

  1849 August     vom 19. bis 31.   + 11.7° R.
    "  September   "   1.  "  28.   + 11.9° "
    "  October     "   8.  "  17.   + 15.9° "

Auf den Höhen bei den Windmühlen wurde gefunden vom 29. September bis
6. October + 10.3° R.

Für Santjago vom 20. bis 30. October + 13.8° R.

Für diese kleinen Reihen war die Beobachtungszeit des Morgens um 9, des
Mittags um 12 und des Abends 10 Uhr.

Von Herrn Professor _Domeyko_ habe ich aber Beobachtungen mitgetheilt
erhalten, welche während der Jahre 1847-1848 und einem Theil des
Jahres 1849 angestellt worden, und jedenfalls werthvoll sind, da Domeyko
ein genauer und gewissenhafter Arbeiter ist. Der Ort der Beobachtung
war Santjago. Die Stunden wurden des Morgens zwischen 9 und 10, des
Nachmittags zwischen 3½ und 4½ Uhr bemerkt, und es wurde noch
außerdem der höchste und niedrigste Stand während des Tages und der
Nacht mittelst eines Thermometrographen abgelesen und mit berechnet. Die
Scala war die hunderttheilige.

Es ergaben sich folgende Mittel:

  für Juni      1847 +11.2
   "  Juli        "  +11.2
   "  August      "  +11.2
   "  Septbr.     "  +13.0
   "  October     "  +16.4
   "  November    "  +22.6
   "  December    "  +22.6
   "  Januar    1848 +23.8
   "  Februar     "  +22.6
   "  März        "  +20.3
   "  April       "  +17.7
   "  Mai         "  +13.3
   "  Juni        "  +10.4
   "  Juli        "  + 8.7
   "  August      "  +11.2
   "  September   "  +14.8
   "  October     "  +16.8
   "  November    "  +19.7
   "  December    "  +24.2

Die mittlere Temperatur für das Jahr 1848 ergiebt mithin: + 16.9° C.

Die Beobachtungen für das Jahr 1849 ergaben:

  für Januar    1849 +23.2
   "  Februar     "  +21.7
   "  März        "  +20.8
   "  Mai         "  +12.6
   "  Juni        "  +10.4

Was den Unterschied in der Temperatur zwischen Tag und Nacht betrifft,
so habe ich in Valparaiso die Nächte warm gefunden, und auch in
Valdivia keine sehr bedeutenden Unterschiede bemerkt zwischen der
Temperatur des Tages und der Nacht. In Santjago aber finden ziemlich
bedeutende Differenzen statt, wozu ohne Zweifel die Nähe der
Cordillera das ihrige beiträgt. Dies geht ebenfalls zum Theil aus
den Beobachtungen von _Domeyko_ hervor, und ich will einige derselben,
angestellt im Jahre 1849, anführen:

                      Höchster Stand    Niederster Stand
                     während d. Tages    währ. d. Nacht
  Januar  1. bis 10.      +26.6              +17.5
     "   11.  "  20.      +27.8              +16.7
     "   21.  "  31.      +31.5              +19.2
  Februar 1.  "  10.      +28.5              +14.3
     "   11.  "  20.      +27.1              +11.7
     "   21.  "  28.      +31.0              +17.3
  März    6.  "  10.      +28.3              +16.7
     "   11.  "  20.      +26.8              +15.9
     "   21.  "  31.      +23.1              +13.8
  Mai     1.  "  10.      +16.8              + 9.4
     "   11.  "  20.      +14.6              + 9.6
     "   21.  "  31.      +17.3              + 7.9
  Juni    1.  "  10.      +16.1              + 7.5
     "   11.  "  20.      +13.0              + 5.8
     "   21.  "  30.      +12.0              + 7.9

Schon aber habe ich erwähnt, welche bedeutende Unterschiede auf der
Cordillera selbst stattfanden.

_Die Temperatur der Quellen_ giebt in Chile wenigen Aufschluß über
die mittlere Bodenwärme, da dieselbe zum größten Theil von äußeren
Einflüssen bedingt ist. Die Quellen von Apoquindo habe ich schon oben
erwähnt und ihre Temperatur angegeben.

Die Unterschiede, welche sich bei den Gebirgswassern auf der Cordillera
selbst ergeben, zeigen am deutlichsten, wie sehr äußere Einflüsse
einwirken, und man kann annehmen, daß alle Flüsse Chile's an der
Stelle ihres ersten Ursprungs die Temperatur des frisch geschmolzenen
Schnees haben, da sie von den Schneefeldern der Cordillera herabkommen
und durch das allmälige Aufthauen desselben entstanden sind.

Ueber den _atmosphärischen Druck_ habe ich eben so wenig eine
zusammenhängende Reihe von Beobachtungen anstellen können, als über
die Temperatur. Doch haben die wenigen Beobachtungen, welche ich machte,
gezeigt, daß die regelmäßigen periodischen Schwankungen dort täglich
stattfinden, und daß sich regelmäßig des Morgens um 9 und Abends
um 10 die höheren Stände, und des Morgens und Abends um 4 Uhr die
niedersten beobachten lassen. Ganz dasselbe Resultat hat auch
_Domeyko_ durch eine große Reihe von Beobachtungen erhalten, und nur
ausnahmsweise hat einigemal das Gegentheil stattgefunden.

Auch hier will ich in Betreff der mittleren monatlichen Stände des
Barometers Beobachtungen von _Domeyko_ anführen, da solche natürlich
mehr Werth haben, als die wenigen, die ich anstellen konnte.

Als mittleren monatlichen Stand für Santjago fand dieser Gelehrte
  für 1847 Juni       7177.2
   "    "  Juli       7169.1
   "    "  August     7180.7
   "    "  September  7174.4
   "    "  October    7167.5
   "    "  November   7136.5
   "    "  December   7150.3
   "  1848 Januar     7150.3
   "    "  Februar    7150.0
   "    "  März       7147.4
   "    "  April      7155.6
   "    "  Mai        7180.2
   "    "  Juni       7160.0
   "    "  Juli       7171.7
   "    "  August     7174.0
   "    "  September  7174.0
   "    "  October    7174.9
   "    "  November   7180.3
   "    "  December   7159.2

Als Mittel für 1847 ergab sich 716.51 M. M., für 1848:
716.44 M. M. Als höchster Stand für beide Jahre wurde gefunden
723.9 M. M., als niedrigster 708.5 M. M.

_Windrichtung._ Ich habe nur wenige Notizen in dieser Beziehung erhalten
können, was Santjago und überhaupt den inneren Theil des Landes
betrifft.

In Betreff der Winde und der Luftströmungen in der Cordillera habe ich
bereits oben gesagt, daß sie als vollkommen lokal angenommen
werden müssen. Es ist wahrscheinlich, daß auch in Santjago
solche Luftströmungen auftreten, bedingt durch die ganze Masse des
benachbarten Gebirges, und natürlich dort in größerem Maßstabe.

Die regelmäßigen Winde, welche an der Küste herrschen, haben
ohne Zweifel einen ähnlichen Grund und werden hervorgerufen durch
wechselweise Abkühlung des Landes und der See. In Valparaiso, so wie
von einem großen Theile der ganzen Westküste beginnt meist der Wind
des Morgens zwischen 9 oder 10 Uhr von Südwest oder Süd-Südwest zu
wehen. Er dreht sich des Nachmittags gegen 3 bis 4 Uhr und kömmt dann
von Nordwest oder Nordost. Meistens fand ich, daß diese letzteren Winde
heftiger sind als die von Süd kommenden, welche des Morgens auftreten
und man kann bisweilen, besonders auf den Höhen von Valparaiso nur mit
Mühe in entgegengesetzter Richtung fortschreiten. Gegen den Abend legt
sich der Wind, und fast immer sind die Nächte still und heiter. Nord
und Nordost so wie Westwinde bringen in den Wintermonaten, Mai, Juni,
Juli und August meist Regen, dies scheint wenigstens in Santjago der
Fall zu sein.

_Wolken und Regen_ sind während des Sommers im Flachlande von Chile
eine Seltenheit, d. h. für den mittleren Theil von Chile. Gegen Norden
wird Regen überhaupt immer seltener, während es gegen Süden so
z. B. in Valdivia, auch des Sommers regnet. Ausnahmsweise und als eine
Seltenheit zu betrachten, kömmt aber auch in Valparaiso bisweilen im
Sommer Regen vor. So fiel während meiner Anwesenheit daselbst am
4. December des Abends 6½ bis 9 Uhr ein heftiger Regen.

Uebrigens findet eben daselbst auch im Sommer des Morgens Nebelbildung
statt, welche aber bald verschwindet und einem heiteren wolkenfreien,
tiefblauen Himmel Platz macht.

Ich habe in Valparaiso vom 18. bis 31. August 1849 7 heitere,
4 bewölkte und 3 Regentage verzeichnet. Im September 18 heitere Tage,
9 mehr oder weniger bewölkte und drei Regentage.

Beobachtungen von Santjago vom Jahre 1849 ergeben Folgendes:
März 24 heitere Tage und 7 bewölkte, aber kein Regen.

_Mai_ 15 heitere Tage, 10 bewölkte, 6 Regentage; während aller
Regentage, mit Ausnahme eines einzigen, Nordwind.

_Juni_ 14 heitere Tage, 7 bewölkte, 7 Regentage und diese mit stetem
Nordwind.

In Valparaiso und auf der Cordillera habe ich täglich Thau getroffen,
auf dem Flachlande fällt wohl auch Thau, aber wie es scheint, nicht
täglich.

_Gewitter_ finden im Flachlande und an der Küste nie statt, und es
giebt in Chile Menschen genug, welche nie donnern hörten, das heißt
oberirdisch, wenn man so sagen darf. Desto häufiger aber hört man dort
das dumpfe Rollen unterirdischen Donners. Auf der Cordillera und in den
Vorbergen derselben hingegen treten Gewitter auf, und ich selbst habe
dort im November eines beobachtet.

Es geht aus diesen Notizen hervor, daß der Trockenheitszustand der Luft
in Chile, namentlich während des Sommers, ein ziemlich hoher sein muß,
und dieser Trockenheit so wie den regelmäßigen Winden mag vielleicht
zum großen Theile zugerechnet werden können, daß dort im Verhältniß
zu anderen Ländern so wenige Krankheiten herrschen und Chile als eines
der gesündesten Länder betrachtet werden darf.

Alle jene verderblichen Seuchen der alten und neuen Welt: Pest,
Cholera, gelbes Fieber, sind in Chile unbekannt; eben so kommen keine
Wechselfieber vor, und der Typhus, diese continuirliche Geißel so
vieler größeren Städte des alten Festlandes, fehlt ebenfalls. Doch
versteht sich wohl von selbst, daß nicht alle Krankheiten fehlen;
so tritt Phthisis und Tuberkulose auf, Icterus und Gallenkrankheiten
überhaupt werden getroffen, und Entzündungen im Allgemeinen. Auch
jene Krankheitsform, deren Genius eigentlich längst von der Erde
verschwunden und welche nur durch Leichtsinn und Unvorsichtigkeit
künstlich forterhalten wird, die Syphilis, wird dort getroffen, wie
allenthalben auf der Erde. Aber auch ihr Verlauf ist gutartig und die
primären Formen heilen häufig von selbst. --

Jedes Individuum vielleicht hat seinen moralischen Hemmschuh, sei es nun
eine Idee, welche störend ihm entgegentritt, wenn er sich auf
höheren Standpunkt emporzuschwingen versucht, sei es irgend eine
Persönlichkeit, welche wie Blei an seinen Sohlen hängt und höheren
Aufschwung verhindert. Diese wohlthätige Einrichtung ist von der
gütigen Vorsehung ohne Zweifel deswegen getroffen worden, damit der
Mensch nicht allzu glücklich und endlich auch allzu übermüthig werde.

Auch ganze Landstriche und Völkerschaften sind auf solche Weise,
gleichsam durch Compensation, gegen allzu großes Glück und hieraus
entspringenden Uebermuth geschützt. Hier tritt das gelbe Fieber
oder die Cholera schützend auf, dort reichliche Steuern und höchst
umsichtige Polizei, in einem dritten Lande sorgen wohlthätige Sümpfe,
in einem vierten periodisch wiederkehrende größere Aufstände und
Revolutionen dafür, allzugroßes Glück zu modificiren. Chile hat
Nichts von allem dem. Dafür aber hat es die Erdbeben. Ich weiß nicht,
ob irgend ein Land existirt, in welchem so häufige Erdstöße vorkommen
als eben dort. Viele Erschütterungen sind so leise, daß sie nur
von denen empfunden werden, welche im Lande geboren sind, oder doch
wenigstens längere Zeit sich dort aufgehalten haben, und solche
Erschütterungen sind vielleicht häufiger als man im Allgemeinen meint;
denn man spricht kaum von ihnen und zudem werden sie nicht an allen
Orten gleich stark gefühlt, so daß in ein und derselben Stadt selbst
Kundige einen Erdstoß gar nicht fühlen, während in einer andern
Straße die Menschen aus den Häusern rennen mit dem gewöhnlichen Rufe
»=il tiembla!=«

Stärkere Erdstöße, welche in größeren Bezirken allgemein gefühlt
werden, bei welchen Flaschen, Gläser, Teller und andere Gegenstände
auf den Tischen wackeln, wohl auch herabgleiten, und bei welchen
vielleicht auch irgend eine bereits schadhafte Mauer vollends
einstürzt, können im Durchschnitte etwa alle 14 Tage bis 3 Wochen
erwartet werden. Ich finde in meinem Tagebuche während meines
Aufenthalts in Valparaiso leichtere Erdstöße, welche aber allgemein
gefühlt wurden, und Schrecken erregten, folgende verzeichnet.

  Am 26. August,  Abends   6    Uhr.
   " 31.   "        "      5     "
   "  8. Septbr., Morgens 10     "
   "  2. October,    "     4½    "

Dieser letzte Erdstoß hielt sicher 5 bis 6 Sekunden an und war von
unterirdischem Donner begleitet. Der bedeutendste Erdstoß aber, welchen
ich in Valparaiso empfand, war am 20. Januar 1850 des Abends 8 Uhr.
Bei heftigem unterirdischem Donner fand zugleich eine so heftige
schüttelnde Bewegung statt, daß in einigen Häusern die Lichter von
den Tischen fielen, und ebenso Gläser und andere Gegenstände. Auch
die im Hafen liegenden Schiffe empfanden den Stoß bedeutend und der
Obersteuermann des Dockenhuden glaubte, das Ankertau sei gesprengt. In
Copiapo soll dieser Erdstoß Schaden gethan haben; man geht indessen
leicht über solche Unfälle hinweg, sind sie einmal vorüber, trotz des
Schreckens der sich der ganzen Bevölkerung bemächtigt, sobald nur ein
leises Beben der Erde gefühlt wird.

Aber dieser Schrecken ist sehr natürlich und leicht zu verzeihen, wenn
man bedenkt, daß Niemand wissen kann, ob diesem leichten Erdstoße
nicht im andern Augenblicke ein heftiger folgt und vielleicht schon in
einigen Minuten die Stadt in Trümmern liegt und die halbe Bevölkerung
erschlagen unter denselben. So läuft bei der leisesten Erschütterung
Alles unter dem Rufe: »=il tiembla!=« aus den Häusern und bleibt auf
der Mitte der Straße stehen, um wenigstens für den ersten Augenblick
vor dem Erschlagen durch das etwa einstürzende Haus gesichert zu sein.
Alle Arbeiten, alle Geschäfte werden im Momente unterbrochen. Zarte,
zärtliche, aber auch höchst unzarte, wenn gleich nothwendige Dinge,
sind suspendirt mit dem Rufe »=il tiembla«= oder wohl auch »=Santa
Maria purimissima!=« den vorzugsweise das schöne Geschlecht gebraucht.
Natürlich nimmt man auf das Kostüm keine Rücksicht, und so finden
sich sonderbare Gruppen auf den Straßen, wenn etwa des Nachts eine
Erschütterung sich kund giebt. Denn auch zur Nachtzeit und selbst
im Schlafe liegend, fühlt man leicht, ja besser als bei Tage, eine
unbedeutende Erschütterung der Erde, da eine solche auf den Liegenden
stärker reagirt, als auf den, welcher steht oder sich fortbewegt, ohne
Zweifel weil eine größere Oberfläche des Körpers direkt mit der Erde
in Berührung ist.

Es ist übrigens eine eigenthümliche Empfindung um einen solchen
Erdstoß. Man ist gewohnt, die alte Mutter Erde wenigstens fest
und zuverlässig unter sich zu wissen, mag auch im Leben uns schon
mancherlei perfid gewankt und gewichen sein, auf welches wir ebenfalls
Häuser bauen zu können vermeinten. Da bewegt sich plötzlich
convulsivisch der Boden unter uns, und der dumpf zu unseren Füßen
grollende Donner giebt Zeugschaft von gewaltigen Kräften, welche
vielleicht schon im andern Augenblicke zerstörend, ja vernichtend
auftreten. Das Unheimliche der Erscheinung wird durch den gleichzeitigen
Angstruf der ganzen Bevölkerung vermehrt, und durch das Heulen der
sämmtlichen Hunde. Dieß dauert einige Sekunden. Dann lautlose Stille.
Folgt ein zweiter Stoß? Wird ein wirkliches Erdbeben mit allen seinen
Schrecken, allen seinen Verwüstungen eintreten? Aber schon nach einigen
Minuten ist scheinbar Alles vergessen und Jeder geht wieder an das
unterbrochene Geschäft oder schickt sich an, das gestörte Vergnügen
fortzusetzen. Es war nur ein Temblor, kein Terremoto, nur ein leichtes
Erzittern der Erde, kein _Beben_ derselben.

Die Ursache aller Erderschütterungen in Chile vom leisen, kaum
fühlbaren Erzittern der Erde bis zu Wochen, ja Monate lang anhaltenden
heftigen, Alles zerstörenden, wirklichen Erdbeben, ist unschwer zu
errathen. Das ganze Land ruht auf einem ungeheuern vulkanischen
Herde und die gegenwärtigen Erschütterungen sind Nachklänge jener
gewaltigen Katastrophe, während welcher Chile und wohl der größere
Theil der Westküste emporgehoben wurde.

Die Vulkane der Andeskette sind als die Feueressen zu betrachten, durch
welche jene unterirdischen Feuer mit der Atmosphäre in Verbindung
stehen. Fast ununterbrochen sind sie in Thätigkeit und geben Zeugniß
von den Reactionen, welche in der Tiefe vorgehen müssen.

Es sind in Chile zwei Erfahrungen in Betreff der Erdbeben gemacht
worden, wodurch man beiläufig im Stande ist zu vermuthen, ob in der
nächsten Zeit ein Erdstoß von einiger Intensität erfolgen wird.
Dieß ist einmal das längere Aussetzen irgend einer Erschütterung
überhaupt, und zweitens eine gewisse Ruhe der Vulkane. Obgleich
bei größeren Erdbeben das Volk leicht geneigt ist, ein göttliches
Strafgericht in demselben zu erblicken, glaubt man doch allgemein, daß
längere Ruhe einen heftigeren Sturm verkündet.

Man kann annehmen, daß durch irgend einen Vorgang jene Kanäle
verstopft worden sind, welche aus dem Innern der Erde zu den Vulkanen
führen, so daß deren Thätigkeit gegen außen auf einige Zeit gehemmt
wird, während in der Tiefe indessen die colossale Wechselwirkung
chemischer Kräfte keineswegs stille steht, sondern Massen von Gasen
anhäuft, welche nicht mehr entweichen können, da ihre Abzugskanäle
gesperrt sind. Ein gewaltsamer Ausbruch an irgend einer Stelle, und eine
mehr oder weniger heftige Erschütterung der Erdkruste, welche jenem
unterirdischen Feuer zur Decke dient, ist die natürliche Folge.

Es ist eine in Chile lange Jahre hindurch bestätigte Erfahrung, daß
durch keinerlei andere Vorläufer ein Erdbeben angezeigt wird. Kein
meteorologisches Phänomen, keine Schwankungen des Barometers zeigen sie
an. Unmöglich kann ich hier auf Ursache und Wesen der Erdbeben näher
eingehen, aber ich will als Beweis des eben Gesagten die Beobachtung
anführen, welche Herr Louis Troncoso in der Serena von Coquimbo in
den ersten Monaten des Jahrs 1849 angestellt hat. Domeyko hatte in den
Jahren 1838 bis 1842 den mittleren Barometerstand (reducirt auf 0°)
für dort auf 759.35 festgestellt.

Troncoso beobachtete nun während der Erdstöße folgende, ebenfalls auf
0° reducirte Barometerstände:

  Erdstoß am  7. Januar,  Morgens 11     Uhr:  759.70.
    "     "  29.   "      Abends   8      "    759.20.
    "     "   4. Februar, Mittag   1½     "    759.20.
    "     "  21.   "      Abends   8½     "    759.50.
    "     "   1. März,    Morgens  3½     "    759.80.
    "     "  18.   "      Morgens  5½     "    760.60.
    "     "   8. April,   Morgens  5¼     "    759.50.
    "     "   9.   "      Morgens  6¼     "    759.90.
    "     "  23.   "      Abends   5      "    759.60
    "     "  30.   "      Abends   8      "    760.40.

Alle Erdstöße treffen also hier mit einem mittleren Barometerstande
zusammen, oder vielleicht sogar, wenn man will, mit einem der die
mittlere Höhe ein wenig übersteigt.

Ich gestehe, daß ich egoistisch genug war, für die Dauer meines
Aufenthalts in Chile mir einen etwas deutlich ausgesprochenen Erdstoß
zu wünschen. Da aber bloß ein einziges Haus einfiel, während der
Erschütterung vom 14. November, so kann ich nicht sagen, daß mein
Wunsch erhört worden und ich vermag nicht als Augenzeuge die Vorgänge
zu schildern, welche bei einem größern Erdbeben stattfinden.

Aber ich will einige Beobachtungen anführen, welche =Dr.= Miguel in
Chile während des berüchtigten Erdbebens vom Jahre 1822 angestellt
hat. Sie sind, wie ich glaube, in Europa noch wenig in ihrem Detail
bekannt, und vorzugsweise deßwegen merkwürdig, weil jenes Erdbeben so
heftige Einwirkung auf den Gesundheitszustand der gesammten Bevölkerung
ausübte.

Es war, sagt =Dr.= Miguel, eine heitere, liebliche November-Nacht. Die
Atmosphäre war klar und hell, und der herrliche Himmel von Santjago
erschien in seiner ganzen imponirenden Pracht. Der Mond stand in der
Mitte seines ersten Viertels, aber die Sterne leuchteten so hell und
glänzend, daß man alles deutlich erkennen konnte. Das Barometer
stand 28'' 2¾''', und das Thermometer 70 Fahrenheit und zugleich war
vollständige Windstille.

Da zeigte sich plötzlich um 10 Uhr und 37 Minuten, ohne daß irgend
ein Geräusch oder ein anderes Zeichen vorangegangen wäre, ein heftiges
Schütteln der Erde, mit einer starken, wellenförmigen Bewegung
derselben von Ost nach West, und die Stöße waren so heftig und
gewaltsam, daß man nur mit Mühe festen Fuß behalten konnte. Die
größte Stärke der Erscheinung dauerte zwei Minuten und 30 Sekunden,
während welcher Zeit die Erde keinen Augenblick ruhig war, aber das
eigentliche Erdbeben dauerte fast an zwei Monate und es erfolgten
während dieser Zeit 20 sehr starke Erschütterungen und 150 nicht so
heftige.

Man kann sich denken, welcher Schreck, welche Verwüstung entstand,
zudem da an andern Orten die Erscheinung mit noch größerer Intensität
auftrat, so z. B. in Valparaiso, in Casablanca, Illapel und la
Ligua, welche sämmtlich fast gänzlich zerstört wurden, und wo über
zweihundert Menschen ihr Leben verloren.

Bald nach den ersten Stößen wurde die Luft trübe und dunstig, was
etwa 16 Stunden anhielt, und 6 Stunden lang fiel ein heftiger und
starker Regen; zugleich spaltete sich an vielen Orten der Boden und es
ergoß sich aus den Rissen dunkelgefärbtes und übelriechendes Wasser;
an andern Orten drang aus den Spalten auch Feuer hervor. Am 20.
November des Morgens um 3 Uhr fuhr von der Cordillera aus eine große,
hell-leuchtende Feuerkugel[42] über das Land hinweg auf die See zu;
diese Erscheinung wurde allgemein beobachtet, da Niemand sich unter Dach
zu bleiben getraute, und Alles auf freiem Felde verweilte. _Während_
des Erdbebens wurde an mehreren Orten ein sehr bedeutendes Fallen des
Barometers beobachtet, zugleich zeigte die Magnetnadel die heftigsten
Schwankungen und drehte sich ohne stille zu stehen, mehrmals um ihre
eigene Axe, sobald sehr heftige Stöße erfolgten. Höchst interessant
ist ferner, daß während der zwei Monate, so lange das Erdbeben
dauerte, die Nadel eine ganz außergewöhnliche Zunahme der Inclination
zeigte, und es wurde dieß nicht nur in Santjago, sondern auch im Hafen
von Valparaiso von mehreren Kapitänen bemerkt.

In den warmen Bädern von Cauquenes und Colina setzten mehrere Quellen
aus, veränderten seit jener Zeit ihre Temperatur beträchtlich, und
einige derselben blieben auch gänzlich aus; an andern Orten aber kamen
plötzlich neue Quellen zum Vorschein. Während aber allenthalben der
Boden Risse und Spalten bekam und überhaupt im Lande alles in Aufruhr
und die Natur in der lebhaftesten Action begriffen war, zeigten die
Vulkane, welche man von der Stadt aus beobachten konnte, nur eine
geringe Thätigkeit und _vor_ dem Erdbeben waren sie ganz ruhig.

Dies sind die vorzüglichsten Erscheinungen, unter welchen das Erdbeben
auftrat, aber die interessantesten Mittheilungen macht =Dr.= Miguel, der
zu jener Zeit Hospitalarzt in Santjago war, über den Einfluß, welchen
die ganze Masse jener furchtbaren Ereignisse auf die ganze Bevölkerung,
und auf den Gesundheitszustand derselben hervorrief.

Fast zu allen Zeiten hat man die Erfahrung gemacht, daß ähnliche
Phänomene und Ereignisse, welche ein ganzes Volk in heftigen
Schreck oder Entmuthigung versetzten, theils eigenthümliche Seuchen
hervorriefen, theils den Charakter schon bestehender Krankheiten höchst
bedrohlich verschlimmert haben, und die sogleich folgenden Angaben von
Miguel bestätigen jene Wahrnehmung vollkommen.

Dyssenterie, welche vor jener Zeit gutartig und selbst wenig verbreitet
war, nahm einen bösartigen Charakter an und wurde epidemisch. Das
Aneurisma wurde zur wahren Geißel von Santjago. Während der 48
Stunden, in welchen die heftigsten Erdstöße folgten, zeigten sich
in medicinischer und chirurgischer Hinsicht die eigenthümlichsten
Modificationen. Es zeigten sich heftige Fieber mit Schüttelfrösten und
darauf folgenden Delirien. In verschiedenen chirurgischen Fällen,
wo blos leichte Geschwüre vorhanden waren, traten plötzlich
rothlaufartige Flecken auf, welche sich rasch über den ganzen Körper
verbreiteten und gewöhnlich ging dieses Rothlauf in Gangrän über und
es erfolgte der Tod.

Derselbe Fall fand statt, wenn nur irgend eine geringfügige Operation
gemacht wurde. Es erfolgten rothlaufartige Erscheinungen, Gangrän und
meist der Tod.

Vorzüglich waren es die Wöchnerinnen, welche diesem Uebel unterworfen
waren, und in ganz kurzer Zeit starben allein 67 Frauen, welche alle
den höheren Ständen angehörten. Die Neugeborenen folgten ihnen,
indem sich die Krankheit, von der Nabelschnur ausgehend, rasch über
den ganzen Körper verbreitete. Kinder, welchen man kleine Löcher zum
Tragen der Ohrringe gestochen hatte, starben häufig und rasch unter
ähnlichen Erscheinungen, kurz es zog die unbedeutendste Verwundung,
welche sonst in einigen Tagen vollkommen heil gewesen wäre, zu jener
Zeit rasch den Tod nach sich. Ein ganz interessanter Fall ist aber
noch folgender. Die eigentliche Hundswuth war vor dieser Zeit in Chile
unbekannt. Es trifft sich wohl, daß hie und da ein Hund oder ein
anderes Thier von einer ähnlichen Krankheit befallen wird. Man nennt
in Chile das Thier alsdann »närrisch,« es läuft wie toll umher
und beißt ohne Unterschied Thiere und Menschen. Aber diese Bißwunden
zeigen nicht die eigenthümlichen Erscheinungen der Hundswuth und die
Gebissenen genesen vollständig und ohne Folgen in kurzer Zeit. Zur Zeit
des Erdbebens indessen wurde ein Franzose in Santjago von einem Schweine
in den Finger gebissen. Die erwähnten rothlaufartigen Erscheinungen
traten nach 24 Stunden ein, nach drei Tagen bereits war Gangrän
eingetreten, und der Kranke starb unter allen Zeichen der vollständig
ausgebildeten Hundswuth.

Sobald das Erdbeben aufgehört hatte, verschwanden schnell alle
Krankheiten, welche während desselben aufgetreten waren und die, welche
schon vorher bestanden hatten, verloren vollständig ihren bösartigen
Charakter.

Daß alle diese furchtbaren Erscheinungen, zu welchen sich noch
Nervenleiden aller Art gesellten, eine Folge des Erdbebens gewesen,
unterliegt wohl keinem Zweifel; ob sie indessen durch einen
eigenthümlichen Zustand der Atmosphäre während jener Zeit
hervorgerufen worden sind, oder ob sie, wenn man so sagen darf, durch
die moralische Einwirkung der Angst und des Schreckens auf das Gemüth
entstanden sind, kann hier nicht untersucht oder näher erörtert
werden.

Aber ich habe diese Schilderung mitgetheilt, um zu zeigen, wie allgemein
und bis zu welchem hohen Grade das Unglück des ganzen Landes gesteigert
werden kann beim Eintritt einer solchen Katastrophe, und da jeden
Augenblick sich solches ereignen kann, mag die Furcht, welche sich auch
bei einem leichten Erdstoße äußert, wohl entschuldigt werden. --

Ich will noch kurz einer Erscheinung erwähnen, welche einigermaßen
verwandt mit dem Erdbeben ist, ich meine das _Leuchten der Vulkane_.

Man hat, so viel mir bekannt ist, dieses Phänomen blos bei den
Vulkanen eines Theils der Andeskette wahrgenommen, und es ist noch
nicht erklärt, warum es nicht auch bei anderen Feuerbergen getroffen
wird[43]. Ich habe dieses Leuchten in Valparaiso und Santjago und selbst
auch von See aus gesehen. Später beobachtete ich es auch in Bolivien.
Es läßt sich ganz gut mit dem sogenannten Wetterleuchten vergleichen,
und es ist leicht möglich, daß ein flüchtiger Beobachter beide
Erscheinungen verwechselt. Indessen finden zwei Kennzeichen statt,
welche bei näherer Beachtung beide Phänomene gut unterscheiden lassen.
Das Leuchten der Vulkane, so gut wie das Wetterleuchten, ist eine
sekundenlange Erleuchtung des Horizontes, mehr oder weniger intensiv
und stets auf eine, nicht sehr bedeutend große Stelle des Himmels
beschränkt. Fast immer aber findet das Wetterleuchten am _Rande_ des
Horizontes statt, so daß dasselbe scheinbar _hinter_ dem Walde, Berge,
oder dem Gegenstande, welcher eben die Grenze des Horizontes bildet,
herzukommen scheint, oder wenigstens hinter den Wolken, welche
vielleicht oberhalb jener Berge am Himmel aufgestiegen sind. Könnte man
die Erscheinung fixiren, so würde sie mehr oder weniger einen Halbkreis
bilden. Das Leuchten der Vulkane aber an Intensität und Zeitdauer einem
schwachen Wetterleuchten ähnlich, tritt _abgegrenzt_ am Horizonte auf,
als eine Lichterscheinung, welche sich der kreisrunden Form nähert,
ähnlich dem Wiederscheine einer nicht sehr entfernten Feuersbrunst.
Dies ist wenigstens der Fall, wenn man einen einigermaßen entfernten
Standpunkt vom Orte des Entstehens hat, so etwa von Valparaiso aus gegen
die Andes-Kette zu; dicht am Gebirge selbst hingegen wird es ähnlich
dem Wetterleuchten gesehen, und scheinbar hinter den Bergen ansteigend.

Der andere Unterschied ist die Stelle des Himmels, der Ort, wo das
momentane Aufblitzen stattfindet. Das Wetterleuchten, ohne Zweifel
entfernter Blitz oder wenigstens eine sehr verwandte ähnliche
Erscheinung, findet nach allen Richtungen des Horizontes hin statt,
bald hier, bald dort, und eben in der Himmelsgegend, in welcher der
elektrische Proceß auftritt. Aber das Leuchten der Vulkane ist stets
auf eine bestimmte Stelle des Himmels beschränkt, und wird, in so
vielen Nächten man es auch beobachtet, stets an ein und derselben
Stelle gesehen, wenn der Beobachter seinen Standpunkt nicht verändert.

Befestigt man ein Rohr, etwa von Pappe, an irgend einen Gegenstand und
richtet dasselbe auf den Mittelpunkt der Lichterscheinung, so kann man
alle folgenden Nächte, in welchen sie überhaupt auftritt, auch genau
dieselbe wieder durch das Rohr beobachten.

Es geht also das Licht stets von ein und derselben Stelle aus.

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, wie sich die Erscheinung dem Auge
darstellt. Sie ist ein momentaner Lichtblitz, der sich oberhalb des
Kraters eines Vulkanes am Himmel zeigt. Durch Meyen, welcher in der
Nähe beobachten konnte, ist dies hergestellt, und durch die allgemeine
Stimme in Chile bestätigt, indem man dort davon als von einer
ausgemachten Sache spricht. Meyen hat während des Aufleuchtens einen
feurigen Klumpen aus dem Vulkane emporschleudern und wieder in
denselben zurückstürzen sehen, zu anderen Zeiten hörte er ein dumpfes
Geräusch, welches er mit entferntem Donner vergleicht.

Da ich, wie schon gesagt, zu entfernt von dem Orte des Entstehens war,
bemerkte ich Nichts derartiges, aber ich habe anhaltend viele Nächte
hinter einander, und dies fast während meines ganzen zweiten und
dritten Aufenthaltes in Valparaiso, und eben so in Santjago, das
entfernte Leuchten selbst beobachtet. Später in der Algodonbai in
Bolivien, habe ich es mit Ausnahme ganz heller Mondnächte ebenfalls
täglich gesehen, und dort wie in Valparaiso fand das Aufblitzen in
Intervallen von 10 bis 12 Minuten statt. Einmal war das Licht
stärker, ein ander Mal wieder schwächer, indessen ohne alle bestimmte
Reihenfolge. Ich wurde in der Algodonbai durch den Wiederschein
aufmerksam gemacht, welchen das Licht am Tauwerke des Schiffes
hervorbrachte, und welchen ich wahrnahm, indem ich der leuchtenden
Stelle am Horizonte den Rücken zukehrte. Dort schien das Licht hinter
den Bergen hervorzukommen, da das Schiff sehr nahe am Lande, und dicht
an dem ziemlich hohen Küstengebirge lag, und es ging das Leuchten
wahrscheinlich von dem Vulkane Acongagua aus, welcher in jener Richtung
lag. In Valparaiso aber, wo es von der hohen Cordilla Chile's herkam,
betrug seine scheinbare Höhe oberhalb des Horizonts einige Grade.

Ich glaube, daß die Erscheinung bedingt ist durch die feurigflüssige
Lava im Innern des Kraters, welche von Zeit zu Zeit aufblitzt. Naumann
hat in seinem vortrefflichen Handbuche der Geognosie hierauf
hingewiesen und ich habe bereits in Chile gegen Landsleute das Gleiche
ausgesprochen. Vielleicht ist das plötzliche momentane Erglühen von
einem elektrischen Processe bedingt, welcher auf der Oberfläche der
Lava vor sich geht, vielleicht aber rührt es von Gasmassen her, welche,
von unten emporsteigend, die Lava durchdringen, dieselbe in Bewegung
setzen, und tiefere, heller erglühende Partien derselben an die
Oberfläche bringen.

Unter allen Verhältnissen aber ist es immer interessant, daß bis jetzt
blos bei den Feuerbergen der Andes-Kette dieses Leuchten beobachtet
worden ist. Es läßt sich hieraus vielleicht auf eine höchst intensive
Thätigkeit des unterirdischen Gesammtherdes vulkanischer Thätigkeit
schließen, vielleicht aber sind auch Ursachen im Spiele, welche man
bis jetzt nicht vermuthet hat, z. B. Detonationen von Gasarten, oder
Aehnliches.

_Kosmische Erscheinungen,_ welche ich in Chile beobachtet, habe ich nur
wenige anzuführen. Ich habe schon von der Intensität berichtet, mit
welcher auf der hohen Cordillera das Zodiakallicht auftritt, ich muß
aber hier noch beifügen, daß auch im Flachlande von Chile dasselbe
schön und leuchtend gesehen wird, wenngleich nicht in jener
Lebhaftigkeit und Lichtstärke wie auf dem Gebirge.

In Betreff der Sternschnuppen kann ich nicht behaupten, daß dieselben
eben häufiger gewesen als bei uns, oder überhaupt in höheren
Breitegegenden. Aber sie schienen mir leuchtender aufzutreten und
zugleich niedriger zu gehen.

Die letzte Beobachtung hat schon Meyen gemacht und er spricht von
einer Sternschnuppe, welche er am Fuße der Cordillera von Rancagua
beobachtete, und welche so tief ging, daß sie in den Schatten der
Gebirgskette trat, mithin niedriger als die Spitze des Gebirges selbst
ziehen mußte. Ich selbst aber habe mehrmals von der Cordillera aus
Sternschnuppen über das Flachland von Chile gehen sehen, welche
mindestens in gleicher Höhe mit dem Standpunkt, auf welchem ich mich
befand, dahinzogen. Dies könnte eine Täuschung sein, allein da nur
dieses niedrige Ziehen der erwähnten Meteore für einen größeren
Theil der Westküste stattzufinden scheint, so will ich hier gleich
einer Erscheinung erwähnen, welche ich im Hafen von Callao beobachtet
habe, und wo eine ähnliche Täuschung nicht wohl möglich war.

Es senkt sich dort meistens des Abends eine wolkenähnliche Nebelschicht
abwärts, sowohl über die See, als auch über das Küstenland. Als
wir im Monate März (1850) dort vor Anker lagen, und die Nebel, sich
in dichten Massen herabsenkend, bald die Gipfel der Felsen-Insel St.
Lorenzo erreicht hatten, zog etwa 8 bis 10 Minuten nach Sonnenuntergang
eine Sternschnuppe von Südost nach Nordwest deutlich unterhalb der
Nebelschicht und zwar nicht mit funkensprühendem Schweife, aber
doch hell und mit röthlichem Lichte leuchtend dahin. Doch konnte die
Erscheinung, welche mit großer Schnelligkeit dahin fuhr, kaum länger
als eine Sekunde beobachtet werden. Die Höhe der Insel Lorenzo ist mir
zwar nicht genau bekannt, aber wohl schwerlich war die Nebellage höher
als 3000 Fuß vom Meeresspiegel entfernt, und es mußte daher das Meteor
in dieser Höhe gezogen sein.

Wenn man dies, so wie die anderen niedrig gehenden Sternschnuppen, nicht
als eine Ausnahme betrachten will, so weiß ich sehr gut, daß es
nicht mit der herrschenden Ansicht über den kosmischen Ursprung dieser
Meteore zusammenpaßt, an einem bestimmten Theile der Erde ein so nahes
Vorübergehn oder vielleicht häufigeres Herabstürzen auf dieselbe
anzunehmen, als anderswo. Ich selbst hänge jener Ansicht vom kosmischen
Ursprunge der Sternschnuppen an, aber nichts desto weniger mußte ich
dennoch berichten, was ich wahrgenommen habe.

       *       *       *       *       *

Die geographischen Verhältnisse Chile's überhaupt und ein Theil der
meteorologischen Erscheinungen, welche dort auftreten, haben in mir die
Idee hervorgerufen, daß Chile, so wie überhaupt ein Theil der übrigen
Westküste, ein noch verhältnißmäßig junges Land ist.

Es wird dies bestätigt durch die spärliche Fauna, welche dort
angetroffen wird. Ich habe von Chile, mit Einschluß der hohen
Cordillera, 2 Echinodermen, etwa 10 Species von Molusken, Insekten an
100 Arten, 6 Krebse und eine geringe Anzahl von Amphibien mitgebracht.
Von Vögeln 70 und etliche Arten, Säugethiere hingegen nur 7 Species.

Selbst in den dichten und feuchten Wäldern von Valdivia habe ich nur
einige Insekten gefunden, obgleich mir, dem früheren eifrigen Sammler,
die Fundorte wohl bekannt waren. Die Land- und Südwasser-Schnecken, und
eben so die Amphibien, sind spärlich vertreten. Auch Säugethiere sind
nur wenige vorhanden. Nur die Vögel repräsentiren ziemlich zahlreich
das Thiergeschlecht.

Ohne weiter einzugehen auf das Entstehen der Thierwelt in einem neu
entstandenen, aus den Fluthen des Meeres durch vulkanische Kräfte
gehobenen Lande, fällt doch sogleich in die Augen, daß die
gegenwärtig in Chile bestehende Fauna die Ansicht von der nicht langen
Existenz des Landes unterstützt. Der Säugethiere sind wenige, und von
diesen mögen die Puma, das Guanaco, der Cordillera-Fuchs, und selbst
einige der auf dem Gebirge lebenden Rattenarten über das letztere
selbst von der Ostküste hergekommen sein. Ihnen wenigstens waren jene
Schneemauern und Schluchten der Andes-Kette keine unübersteiglichen
Hindernisse.

Ein gleicher Fall findet mit den reichlicher vertretenen Vögeln statt,
und ein großer Theil derselben kann sehr wohl über die Cordillera
in das neue Land gekommen sein. Die Insekten aber, die Amphibien und
Molusken, für welche die Andes-Kette mit ihren Schneefeldern wohl
eine unübersteigliche Scheidewand gebildet hat, und welche in geringer
Anzahl gegen andere Länder unter gleichen Breitegraden vorhanden,
bestätigen jene Theorie von der Jugend des Landes, welche sich mir
unwillkürlich aufgedrängt hat.




XI.

Die Fahrt nach der Algodonbai (Bolivia).


Am 24. Jaunar verließen wir den Hafen von Valparaiso. Da ich, wie man
weiß, auf dem Dockenhuden bereits heimisch, war meine Einrichtung bald
getroffen. Doch wurde mit Vorsicht verstaut, und eine Menge Gegenstände
mußten zur Hand bleiben, da noch mehrere Häfen zu besuchen waren, und
namentlich in der Algodonbai gesammelt werden sollte.

Ich hatte eine ganz nette Koje für mich allein, neben der
gemeinschaftlichen Kajüte und der des Kapitains gegenüber. In einem
Vorraum, durch welchen man in die Kajüte gelangte, schliefen die beiden
Steuerleute und ein Kapitain Müller, welcher als Passagier mit uns die
Reise machen sollte, da er sein Schiff in Californien verkauft hatte.
Während ich noch mit zweckmäßiger Vertheilung von hundert Flaschen
Ale beschäftigt war, die ich zu meinem Privatgebrauche an Bord
gebracht, entstand auf Deck und im Raume ein wahrer Höllenlärm.
Fluchen und Gelächter, Zank und Bitte, dazwischen Weibergekreische,
Alles zusammen halb spanisch, halb deutsch, bildete jenes verworrene
Toben, dessen Ursache ich, auf Deck eilend, alsbald erfuhr.

Wir hatten als Passagiere im Zwischendeck etwa 30 Chilenen, welche
als Arbeiter in die Kupferminen der Algodonbai gehen sollten. In den
dortigen Werken wird unter den Arbeitern kein Weib geduldet. Da in der
Bai überhaupt keine Pflanzen, also auch keine Blumen und Rosen wachsen,
welche in das Leben zu flechten wären, so hat man ohne Zweifel die
Anwesenheit der webenden Frauen für überflüssig gehalten. Vielleicht
hat man dieß auch prosaischer Weise deßhalb gethan, da dort die Kost
und das Wasser schmal, weil alles zu Schiffe dorthin gebracht werden
muß, oder weil man den Frieden in der kleinen Kolonie zu erhalten
trachtet. Kurz -- das barbarische Verbot existirt. Aber während
sämmtliche Weiber und Freundinnen der zukünftigen Bergleute Abschied
nehmend dieselben an Bord begleitet hatten, waren zwei Stücke dieser
verbotenen Waare im Raume versteckt worden. Einmal auf hoher See hoffte
man das Schmuggelgut an das Tageslicht bringen zu dürfen; entdeckt
aber, noch ehe das letzte Boot von Bord ging, wurden die Unglücklichen
aus den leeren Mehlfässern, in welchen sie sich geborgen, gezogen, und
mitleidslos in jenes Boot gebündelt. Beide Opfer treuer Anhänglichkeit
an ohne Zweifel mehr als zwei Gegenstände, waren etwas wohlbeleibten
Wuchses, und so sahen sie, über und über mit Mehl bestäubt im Boote
knieend, zwei bayerischen Dampfnudeln nicht unähnlich, welche eben im
Begriffe sind, ihrer letzten Vollendung entgegenzugehen. --

Wir hatten guten Wind, und die Küste bald aus den Augen. Delphine
fanden sich bald ein, uns streckenweise begleitend, auch sahen wir einen
starken Zug Butzköpfe in See, am Bord aber lag das vor Kurzem noch
heitere Völkchen der chilenischen Begleiter ächzend und stöhnend,
denn alle waren seekrank.

Am 29. näherten wir uns wieder der Küste und behielten sie im Auge bis
wir Cobija erreicht hatten.

Dort an der Küste von Bolivien tritt der bereits erwähnte sterile
Charakter derselben scharf ausgesprochen hervor.

Steile felsige Abhänge, von 1500 bis vielleicht 3000 Fuß Höhe, an
welchen sich eine tobende, donnernde Brandung bricht, und welche
meist direkt in See abfallen, sind der Haupt-Typus derselben. Diese
Felsenberge sind meist röthlich und röthlich-grau, _scheinbar_
theilweise geschichtet und hie und da von Schluchten durchsetzt, deren
Sohlen mit Schutt und Geröll bedeckt sind. Bisweilen fallen aber
jene Berge nicht sogleich in See ab, sondern auf eine halbe oder ganze
englische Meile weit verflacht sich das Ufer der See, und diese Stellen
sind dann mit weißen Muschelfragmenten und den gebleichten Knochen
von Robben, Delphinen und Wallfischen bedeckt, die durch Springfluthen
dorthin geworfen worden sind. Jene schwarzen kegelförmigen Formen,
welche meist der großen Familie des Grünsteins angehören, und deren
ich schon früher erwähnte, stehen dann, sonderbar abstechend von dem
weißen Grunde, in Gruppen und bisweilen so eigenthümlich geordnet
dort, daß ich anfänglich Baureste einer alten längst vergangenen Zeit
zu sehen glaubte. Aber auch wo die größeren Felswände direkt in
die See abfallend das eigentliche Ufer bilden, ragen mehr oder weniger
entfernt von denselben, jene spitzen, schwarzen Kegel aus dem Meere
hervor, und dann bricht sich die Brandung mit verdoppelter Heftigkeit
an der Küste, indem eine riesige Welle nach der andern jene Kegel
überströmt.

Die Mexillones- und Moreno-Bai machen gewissermaßen eine Ausnahme
hievon, wenn gleich auch dort keineswegs der Charakter der Wüste und
Sterilität fehlt. Bei der Moreno-Bai erhebt sich ein steiler, wohl
3000 Fuß hoher Berg zwar dicht an der See, aber zu beiden Seiten sind
flachere Küstenstriche, welche eine wahre Felsenwüste bilden durch
isolirt stehende und aus dem blendend-weißen Boden von Muschelgras und
Sand hervorgeschobene Gesteinsgruppen.

Ein ähnliches Bild giebt die Mexillones-Bai. Abwechselnd 1 bis
10 englische Meilen weit erstreckt sich hier die sandige Küste
landeinwärts, bis sie durch steilere Abhänge und Felsenhügel begrenzt
wird, wie sie sonst sich an der Küste finden. Es ziehen sich dort lange
Dünen am Ufer entlang, und zwischen ihnen liegt die Mexillones-Bai, in
welche nur selten Schiffe einlaufen um Guano zu laden.

Als wir vorüberfuhren an der einsamen Bai, lag ein Schooner in
derselben. Das kleine, düster aussehende Fahrzeug machte einen fast
unheimlichen Eindruck, der noch dadurch erhöht wurde, daß durch unsere
Fernrohre keine Seele entdeckt werden konnte, und eben so Niemand am
Ufer.

Wohl bedarf es kaum der Erwähnung, welchen Reiz es gewährt, auf solche
Weise das Bild einer Landschaft vor sich aufgerollt zu sehen, welche,
wenn gleich nur Küstengegend und wüstenartig, doch dem Geognosten
vielfaches Interesse bietet. Aber auch abgesehen hievon ist es eine ganz
eigenthümliche Empfindung, im Fluge die lebenden Gebilde einer fernen
Gegend vor sich zu erblicken, von welcher man gehört und gelesen, und
sich früher zu Hause wohl mancherlei Bilder entworfen. Es ist hier der
Phantasie der reichste Spielraum geboten, aber zugleich bleibt stets ein
gewisses Unbefriedigtsein zurück. Einmal gelandet, treten ganz andere
Motive auf. Alle Thätigkeit entwickelt sich, man hat figürlich und
in der That festen Boden unter sich, nimmt gewissermaßen moralischen
Besitz von dem Lande, und etwa vorgefaßte Begriffe sind rasch
verschwunden vor der auftretenden Wirklichkeit.

Wir liefen am 30. Januar gegen Abend im Hafen von Cobija ein. Derselbe
ist, wie fast alle andern Häfen der Westküste Amerikas, gegen die
Nordwinde nur unzulänglich geschützt, bietet indessen gegen andere
Winde ziemliche Sicherheit. Die Stadt selbst, der vorzüglichste
Stapelplatz Boliviens, ist auf einer jener flachen Küstenparthieen
erbaut, welche etwa eine englische Meile weit vom eigentlichen Ufer der
See, bis an die dann rasch steil ansteigenden Küstenberge reichen. Der
Charakter der Stadt ist ein eigenthümlicher. Mit wenigen Ausnahmen
sind die Häuser einstöckig und von bräunlicher Farbe, weil aus
ungebranntem, nicht übertünchten Lehm erbaut, und mit vollkommen
flachem Dache. Trotz der ziemlich starken Hitze[44] habe ich dort
Häuser oder besser _Wohnungen_ gesehen, welche aus Blech construirt
waren, d. h. man hatte das Blechfutter alter Kisten, in welchen Waaren
über See gebracht worden waren, an einzelne in die Erde gerammte
Pfähle befestigt, so die Wände, und durch Einschnitte Thüren
und Fenster zu Stande gebracht. Es schien zur Zeit meines Dortseins
übrigens ziemlich lebhafte Thätigkeit zu herrschen, und an mehreren
Orten wurde gebaut.

Ich glaube nicht, daß die Einwohnerzahl 3000 übersteigt und es ist
die Bevölkerung eine ziemlich gemischte. Die eigentlichen eingebornen
Bolivianer schienen mir brauner von Farbe als die Chilenen und Peruaner
zu sein. Indessen bewohnen auch Europäer den Platz, und wir wurden von
einem Franzosen freundlich aufgenommen, der meine demnächstige Ankunft
in den Kupferwerken der Algodonbai im Voraus seinem Bruder, einem
dortigen Minenbesitzer, anzeigen ließ.

Mit dem Frühsten des andern Tages hatten wir Besuch von den Zollbeamten
und es wurde zugleich die Erlaubniß eingeholt, in der Algodonbai vor
Anker gehen zu dürfen, denn nur Cobija ist ein Freihafen, und dort
allein können alle Handelsschiffe fremder Nationen ohne besondere
Erlaubniß einlaufen.

Nach Entfernung der Zollbediensteten besuchten uns mehrere Boote mit
Neugierigen, welche Seltenheiten zu sehen und zu kaufen wünschten.

So hatte eine kleine kugelrunde, ziemlich braun tingirte Senorita, wie
es schien, ihr specielles Vertrauen zu mir, indem sie mich unaufhörlich
frug, ob ich keine =nienterias=, kleine Putzgegenstände und derlei, zu
verkaufen habe. Ich hatte, weiß Gott warum, von Europa aus einen Frack
mit auf die Reise genommen, ein ehrwürdiges Kleidungsstück, gebaut
vor sicher fünfzehn Jahren, und später durch verschiedene Künstler
retouchirt, d. h. dem jeweiligen Bedürfnisse und den Anforderungen
der Mode angepaßt. Einige Versuche in Valparaiso in diesem Kleide als
Elegant zu glänzen, waren, ich konnte mir es nicht verhehlen, gänzlich
verunglückt, und so beschloß ich, rasch mit jener Dame einen Handel
abzuschließen, und brachte den zweiten Repräsentanten europäischer
Kultur auf Deck, nachdem ich vorher versichert, das Feinste und Neueste
holen zu wollen, was die Senoritas in Frankreich trügen.

Eine Jacke! sagte die Dame, eine Robe gab ich zur Antwort, die Jacken,
die Fracks haben breite Schöße, aber die Roben, wie diese hier,
schmale, zierliche, lange, das ist der Unterschied. Und ich brachte sie
dazu ihn anzuprobiren, indem ich zuthunlich die Camarera machte.

Aber ich sollte nicht das Glück haben die Senorita im schwarzen Frack
an's Land zu schicken. Wie eine im Netze gefangene Löwin blieb sie
stecken in den Aermeln desselben und konnte nur mit Noth wieder befreit
werden. Das Kleid war zu enge für die Wohlbeleibte, und so schieden
wir, gegenseitig bedauernd, ohne einen Handel abgeschlossen zu haben,
aber im besten Vernehmen.

Ich ging, nachdem uns die Senorita verlassen, ebenfalls an's Land und
machte mit Kapitain Müller einen ziemlich anstrengenden Spaziergang
auf die Berge und die Küste entlang. Es wurden von den schwarzen,
kegelförmigen Gebilden, welche theils in See, theils am Fuße des
Gebirges auftreten, schöne Exemplare geschlagen, Grünsteinformen,
meistens aus Apharit und Diorit bestehend, mit wohl unterscheidbaren
Gemengtheilen. In den Aphariten fand ich ausgeschiedene Pyroxen-Partien
und diese umlagern bisweilen strahlenförmig Granate, so daß letztere
gleichsam die Kerne der Pyroxen-Massen bilden. Auch zeolithische
Partien treten auf und geben dem Gesteine alsdann ein mandelsteinartiges
Ansehen.

Es finden sich auch ganz feinkörnige Grünsteinformen ohne alle
Einsprengung und dicht neben den vorhergenannten in ein und demselben
Felsblocke. Aehnliche Erscheinungen aber treten in analogen Gebilden
allenthalben und auch bei uns auf. Als eigenthümlich aber für jene
Gegend mag schon hier das Auftreten von Kupferchlorur bezeichnet werden.

Dieses in Europa so selten und bloß in kleinen, unscheinbaren Stücken
oder als Anflug vorkommende Mineral, wird hauptsächlich hier in
Bolivien, vorzugsweise aber in Atakama gefunden, weßhalb es auch den
Namen Atakamit erhalten hat. Domeyko zeigte mir in Santjago ein kleines
Stückchen Atakamit als Seltenheit. Ich fand schon an der Küste in
Valparaiso kleine, grüne Einsprengungen, welche sich später
als Atakamit erwiesen, hier aber in Cobija traten schon häufiger
Kupferkiese und nesterweise auch Atakamit in den Grünsteinformen auf.
Auch abgerundete kristallinische Massengesteine z. B. Quarzfels werden,
eingeschlossen von den Grünsteinformen, getroffen. Sie sind ohne
Zweifel von jenem aus der Tiefe mit emporgehoben worden. Ich habe
Feldspath in ihnen gefunden, aber keinen Glimmer, welcher ohne Zweifel
bereits zersetzt worden.

Das hinter diesen Formen ansteigende Gebirge besteht zum größten
Theile aus deutlich ausgesprochenen Porphyren; so wird häufig ein sehr
harter quarzreicher Porphyr gefunden von grau-rother Farbe, auch Eklogit
und Diorit-Porphyr.

Es sind aber jene Massen häufig so wild und verworren durch einander
geschoben, so verschiedenartig in Bestandtheilen und Form, daß ihre
nähere Entwicklung vielleicht Jahre erfordern dürfte, während mir
kaum einige Tage gestattet waren.

Schon hier in Cobija fällt selten oder nie Regen. Man sagte mir, daß
etwa alle zwei oder drei Jahre einmal ein leichter nebelartiger Regen
beobachtet werde. Gegen Abend ziehen sich indessen täglich nebelartige
Schichten um die Spitzen des Küstengebirgs, welche dann jene Gipfel
befeuchten. Natürlich ist es, daß der Wassermangel, der weiter
gegen Norden an der Küste noch fühlbarer auftritt, auch hier bereits
empfunden wird. So viel ich erfahren konnte, sind blos zwei Quellen in
und um Cobija und die eine derselben soll noch dazu etwas kupferhaltig
sein. Die Flora so wie die Fauna sind in Folge dieser Verhältnisse auf
ein Minimum reducirt. Ich habe eine Libelle gesehen und einige Fliegen,
indessen keinen einzigen Käfer. Ein großer Cactus, der häufig an 20
Fuß und wohl noch höher getroffen wird, und einen Durchmesser von
8 bis 10 Zoll hat, wächst sowohl in den Schluchten, als auch auf den
fortwährend von der Sonne beschienenen Stellen der felsigen Wände. Ich
glaube, daß es weder =Cereus peruvianus= noch =chilensis= ist, sondern
eine andere, vielleicht noch nicht genau bestimmte Species. An den
Stämmen derselben fand ich zahlreich die Gehäuse einer Landschnecke,
=Bulimus curtus=, indessen kein einziges lebendes Exemplar.

Hingegen lebt am Strande der See in großer Anzahl eine
Schuppen-Eidechse, welche bisweilen die Länge eines Fußes erreicht.
Diese Thiere sind lebhaft und beißen heftig um sich, wenn sie ergriffen
werden. Sie nähren sich von kleinen Seethieren, welche das Meer
auswirft und verbreiten in Folge dessen einen höchst unangenehmen
Geruch. Wir mußten mit unseren Stöcken die Thiere vertreiben, um uns
an manchen Stellen den Weg frei zu machen, so dicht saßen sie bisweilen
auf den Felsen an der Küste, und trotzdem war es nicht leicht eine
lebend zu fangen, da sie mit fabelhafter Schnelligkeit liefen, selbst
sprangen.

Die Schroffheit des Gebirges, der Mangel des Wassers, der Thiere und
der Pflanzen, selbst der Boden, auf dem man steht, und der aus spitzen
Steinen, Sand oder Geröllen besteht, läßt schon die Nähe der
Steinwüste von Atakama ahnen, welche in der That auch bereits oben auf
den Bergen beginnt, indem sie sich fast drei Breitegrade gegen Süden
und einen gegen Norden erstreckt.

Eine ganz natürliche Doppelfrage ist die, warum Menschen überhaupt
sich in jenem unfruchtbaren Landstriche angesiedelt haben, und von was
sie leben. Aber ich habe schon gesagt, daß Cobija der Hauptstapelplatz
für die Waaren ist, welche zur See nach Bolivien gebracht werden, und
so hat Gewinnsucht dort Fremde und Eingeborene vereinigt, welche ihren
Erwerb dadurch fanden, die dort angelandeten Waaren über die Wüste
nach Potosi zu schaffen.

Leibesnahrung so wie überhaupt Alles, was zum Leben nöthig ist,
selbst das Futter für die Thiere, Maulthiere und Pferde, wird zu Schiff
dorthin gebracht. Die immer mehr in Schwung kommende Dampfschifffahrt
an der Westküste, durch welche leicht und rasch frische Nahrungsmittel
transportirt werden, wird ohne Zweifel vorteilhaft auf den Handel von
Cobija einwirken, und schon jetzt wird ein großer Theil der Victualien
durch Dampfer in den Hafen gebracht. Aber immer noch scheinen enorme
Preise zu herrschen. Ich will nur ein Beispiel anführen. In Valparaiso
verkauft man 18 bis 20 große Wassermelonen für _einen_ Thaler, ich
aber sah in Cobija 68 Stück dieser Melonen für 114, sage einhundert
und vierzehn Thaler verkaufen. Ob für Alles analoge Preise gelten, kann
ich indessen nicht angeben. Aber das Einzige, was in der Bai und deren
Umgebung selbst gewonnen wird, sind Fische, und ich glaube, daß die
dortigen Fischer noch die Repräsentanten der Ureinwohnerschaft
bilden. Es ist die männliche Tracht derselben der bolivianischen und
chilenischen sehr ähnlich. Die Frauen aber tragen ein bis an den Hals
reichendes und dort zugebundenes Hemd und einen einzigen Rock, dann noch
bisweilen ein Tuch über dem Kopf.

Dies läßt bei hübschen Gestalten ganz artig, und es ist unnöthig
zu sagen, wie Faltenwurf und Formen, zierlich und klar ausgesprochen,
hervortreten.

Wir gingen am zweiten Februar wieder in See und steuerten nordwärts um
in die Algodonbai zu gelangen. Auch hier hielten wir uns stets in
Nähe der Küste, so daß ich Profile und Ansichten zeichnen konnte, da
manches Geognostische mir jetzt leicht verständlich war, weil in Cobija
die verwandten und gleichen Formen näher ermittelt worden waren.

In etwa 4 Stunden hatten wir die Algodonbai erreicht, warfen sogleich
die Anker, und gingen nach kurzer Zeit an's Land.




XII.

Die Algodon-Bai (Bolivien).


Kaum mag es eine angenehmere Art zu reisen geben als eine Küstenfahrt
auf dem Meere. Für den Naturforscher zwar hinterläßt der kurze
Aufenthalt theilweise das Gefühl des Unbefriedigtseins, entschädigend
aber tritt hiefür auf die Menge des Neuen, was auf der andern Seite
sich bietet. So wurde hier auf der Fahrt längs der bolivianischen
Küste das geognostische Bild von Cobija theilweise ergänzt,
vervollständigt aber durch den Besuch der Algodonbai. Ein von einer
riesigen Walze abgerolltes Bild der Küste, erklärende Haltpunkte:
Cobija, die Algodonbai!

Es mag eine landschaftliche Schilderung wohl zuerst am Orte sein, und
hier, wo Berge und Felsen das Vorherrschende, ja fast Einzige, darf auch
wohl von ihnen zuerst gesprochen werden.

Der landschaftliche Charakter der Algodonbai ist durchschnittlich jener
der Küste überhaupt, die schon mehrfach geschildert wurde. Aber er
tritt großartiger hervor, wenn man sich am Lande befindet[45]. Dort
erscheint das Gebirge höher und steiler, und die schwarzen, mehrfach
erwähnten vulkanischen Kegel bilden malerische Felsgruppen am Ufer, und
wild pittoreske, oft weit in die See ragende Klippen. Man landet in der
Bai bei Tocopilla, einem in chilenischem Geschmacke erbauten, meist aus
Holz gefügten Gebäude, welches ein Nord-Amerikaner bewohnt, der die
Oberaufsicht über einen Theil der Minen hat. Etwa tausend Schritte
weiter von hier gegen Süd liegt Bella Vista, von einem Minenbesitzer,
Thomas Helsby, einem Engländer, bewohnt. Eine Stunde entfernt von
diesen beiden Ansiedelungen hat sich ein Franzose, Maximien Latrille,
angebaut und seine Besitzung Minecal de Duendas genannt. Wie Bella Vista
und Tocopilla besteht auch sie, natürlich mit Ausnahme der Erzgruben,
blos aus einem Wohnhause und einigen Schuppen, in welchen die Arbeiter,
und wohl auch die Maulthiere und Pferde schlafen. Tocopilla und Bella
Vista liegen ähnlich wie Cobija, auf einer flachen Stelle des Ufers,
welche sich vom Wasser bis zu den Bergen etwa hundert Schritte weit
erstreckt. Dann hebt sich rasch ansteigend das Gebirge, und an vielen
Stellen so steil, daß das Aufklimmen unmöglich. So ist gegen das Land
hin die Aussicht scharf abgegrenzt durch die allerorten sich erhebenden
Felsenwände, und es scheint hier kaum die Sterilität sich zu einem
pittoresken Momente erheben zu können. Nimmt man aber den Standpunkt am
Fuße des Gebirges, oder klimmt wohl auch eine kleine Strecke aufwärts,
und blickt dann gegen die See hin, so entfaltet sich ein wild-schönes,
wenn gleich eigenthümliches Bild.

Schwarze, steile Felsgruppen, gerade in Nähe der Bai besonders mächtig
ausgesprochen, und nicht selten mauerartig aufgethürmt, reichen hinaus
in die See, die sich schäumend und tobend an ihnen bricht. Mächtige
zwanzig ja dreißig Fuß hohe Springfluthen steigen aus dem ruhigen
Meere auf, man sieht kaum wie sie sich thürmen, wie sie aus fast
spiegelglatter Fläche der See entstanden sind. Aber sie wälzen sich
mit reißender Schnelle dem Lande zu, brechen sich donnernd an jenen
dunkeln Gebilden, die auf einen Augenblick überfluthet und bedeckt,
ja verschwunden erscheinen. In der nächsten Sekunde aber stehen sie
glänzend und schwarz wie Ebenholz, ruhig und unverändert da, bis sich
jenes riesige Spiel erneut.

Hat man einen Standpunkt gewählt, der längs der Küste einen weiteren
Blick erlaubt, so sieht man in der Ferne sich das gleiche Schauspiel
wiederholen. Scharf abgegrenzt an dem dort dunkelgrünen Spiegel der
See, ragt aus derselben in glänzendem Schwarz eine solche Felsenmasse,
plötzlich aber ist sie scheinbar höher geworden und blitzt auf im
blendenden Weiß.

So läßt sich beobachten, daß wechselnd die anstürzende Brandung,
in Springfluthen von etwa 400 bis 500 Schritten Länge und ziemlich
regelmäßigen Intervallen, die Küste bestürmt und es muß das
gewaltige Meer hier belebend die Staffage bilden für die Steinwüste
der Küste, indem auf der andern Seite seine eigene Größe wieder
gehoben wird durch jene selbst.

Es gewährt einen eigenen Reiz, des Nachts beim Mondlicht dieses
Panorama zu beschauen und namentlich zur Zeit, wo der Mond noch nicht
über das Küstengebirge emporgestiegen ist, und man sich mithin noch
selbst in tiefem Schatten befindet, während auf der unendlichen Fläche
der See theils schon die volle Klarheit des Mondlichts herrscht, oder
in den Höhen und am Ufer noch zweifelhafte Streiflichter mit den
Nebelschichten kämpfen. Wandert man weiter der Küste entlang, so
tritt allenthalben derselbe Typus auf. Mächtig und steil ansteigend
das Gebirge, und an den in's Meer ragenden Felsen tobende Brandung.
Bisweilen aber muß man, um weiter zu gelangen, über diese
seebespülten Felsen klettern, da dort das Hauptgebirge so weit
vorgeschoben ist, daß es fast in die See abfällt. An andern Orten
sind wieder weitere Strecken zu finden und solche sind dann meist mit
Muschelgrus bedeckt und häufig werden die Knochen von Robben, Wallen
und Delphinen dort gefunden.

Seevögel beleben an manchen Stellen in etwas die Landschaft, und
während Möven die Felsen umkreisen, schreitet der schwarze Aasgeier
(=Cathartes atratus=) bedächtig am Strande oder sitzt auf vereinzelten
Vorsprüngen, eine Nahrung erwartend, welche aus ausgeworfenen
Seethieren besteht.

Auch einige Arten Landvögel habe ich getroffen, doch nur wenige und ich
glaube nicht, daß eine Art in der Bai oder deren Umgebung zu jener Zeit
lebte, welcher ich mit Ausnahme eines ziemlich scheuen Strandläufers
nicht habhaft geworden wäre[46]. Aber auch diese Thiere leben in
nächster Nähe des Strandes, und fünfzig Schritte von demselben wird
kaum mehr ein lebendes Thier getroffen.

Schluchten durchsetzen allenthalben das Gebirge, theils steil und fast
unzugänglich durch Felsstücke, welche von oben in sie hinabgestürzt
sind, häufig auch bald wieder gänzlich geschlossen, und wohl nur
als mächtige Risse zu betrachten, theils aber auch sich als mehr oder
weniger enge Thäler fortsetzend in's Innere. Ist man in diese Thäler
so weit eingedrungen, daß die Fernsicht auf die See oder etwa auf eine
der oben erwähnten menschlichen Wohnungen verschwunden ist, so tritt
vollständig der Charakter der Wüste auf. Man fühlt sich, nicht wie
z. B. auf der hohen Cordillera, in einer Einsamkeit, sondern in einer
Oede. Kein Thier, kein Strauch, kein Baum, keine Quelle. Nichts was
Leben repräsentirt, wird dort gefunden. Steil anstehende Wände,
röthliche Felsen, mit hie und da grünlicher Färbung und dann Kupfer
verrathend, ragen empor zu beiden Seiten. Oben ein tief blauer Himmel
und eine glühende Sonne, unter unseren Füßen manchmal das dunkle
Gestein so erhitzt, daß man hellere Stellen suchen _muß_, um
fortzukommen. Dazu eine Stille, endlos und ununterbrochen, nicht die
des Friedens, sondern die des Todes, einer Natur die gestorben, oder
vielleicht besser, welche noch nicht zum Leben erwacht ist.

Wandernd in diesen Thälern und ihre Krümmungen verfolgend, welche
die einzige Abwechslung sind, die sie bieten, habe ich mir oft Peter
Schlemihls wunderbare Stiefel gewünscht, um die Wüste mit einigen
Schritten zu durchmessen. Und einiges Anrecht hatte ich wohl auf sie,
denn ich schritt _ohne Schlagschatten_, da die Sonne fast im Zenith
stand.

Diese Züge mögen genügen, ein allgemeines Bild zu geben von dem
Typus jener Gegend, während speciellere Schilderungen sich von selbst
ergeben, wenn ich es unten versuchen werde, dem freundlichen Leser
einige Excursionen vorzuführen.

Auch hier, so wie in Cobija, drängt sich wohl die Frage auf, warum sich
Menschen angesiedelt in jenen wüsten Regionen der Erde, und wie dort,
ist auch in der Algodonbai Industrie und Gewinnsucht die alleinige
Ursache.

Die reichen Kupferminen der Bai sind es, welche Menschen aus den
verschiedensten Ländern der Erde versammelt haben, dort Arbeit und
Vortheil suchend.

Der geognostischen Verhältnisse oder der mineralogischen
Zusammensetzung jener kegelförmigen doleritischen Küstengebilde will
ich nicht weiter erwähnen, aber ich muß der Formen mit einigen Worten
gedenken, in welchen jene reichen Kupfergänge getroffen werden, und
auch von diesen selbst sprechen.

Wo nicht Muschelgrus am Ufer der See den Boden bedeckt, ist es ein
grau-grüner oder röthlicher Sand, welcher besonders gegen das Gebirge
hin auftritt. Er ist offenbar durch Einstürzen der Felswände und
theilweise Verwitterung entstanden, denn seine feinen und selbst
mikroskopischen Theile sind scharfkantig und kaum gerundet. Erbsen und
faustgroße Stücke der verschiedenen Gesteine des Gebirgs bilden
den Uebergang zu den größeren Trümmern und Felshaufen, welche
oft größere Strecken längs des Gebirges bedecken. Es findet sich
Magneteisen zwischen den Quarz- und Feldspaththeilchen dieser Trümmer
und des Sandes, theils in unkenntlichen Formen, theils aber auch in
wohlausgesprochenen Oktaedern und Dodekaedern.

Es kann vielleicht angenommen werden, daß von unten an gegen aufwärts
gedacht, zwei Dritttheile des Gebirgs aus Formen bestehen, welche der
Reihe der Grünsteine, Felsitporphyre, Dolerite und ähnlichen Bildungen
angehören, während das obere Drittel mehr syenitischem Gesteine
angehört. Kaum aber darf hier eine speciellere Bezeichnung versucht
werden, denn jene, den unteren Theil des Gebirges bildenden Formen
treten so verworren auf, daß nur selten ein klares Bild zu gewinnen
ist.

Einige flüchtige Angaben, welche ich zu verantworten, und durch
mitgebrachte Handstücke theilweise zu belegen vermag, sind indessen
folgende:

Unten am Fuße des Berges gegen Süd von Tocopilla, und ebenso an
mehreren Stellen in nördlicher Richtung, tritt häufig ein röthlicher
Felsitporphyr auf. Bei dem ersteren herrscht Feldspath, bei dem
andern Quarz vor. Beide Einmengungen, welche wohl mit freiem Auge
zu unterscheiden sind, bedingen das porphyrartige Ansehen. In diesem
Porphyr findet sich kohlensaurer Kalk, doch nur in geringer Menge,
indessen ist derselbe sowohl durch das Aufbrausen bei der Behandlung
mit Säuren zu erkennen, als auch in der Auflösung nachzuweisen. Auch
Eisenglanz wird häufig als Einsprengung gefunden. Wie die meisten der
dort auftretenden Gesteine hatten auch die beiden besprochenen starke
Neigung zu verwittern. Schlägt man mit dem Hammer auf größere
Stücke, so zerspringen sie leicht in kleinere Fragmente, und auf den
Bruchflächen zeigt sich meist ein kaolinähnlicher Ueberzug, bereits
ein Produkt der Zersetzung.

Dieses Gestein ist ziemlich weit hin in der Bai nachzuweisen, und das
zwar mit Sicherheit etwa 150 Fuß über dem Spiegel der See, da unten
am Fuße des Gebirgs Schutt, größere und kleinere Gesteinstrümmer ein
weiteres Eindringen verhindern. Es variirt nicht selten streckenweise,
indem die Mengung der Grundmasse deutlicher wird, Quarz und Feldspath
in kristallinischen Körnern klar ausgesprochen auftreten und häufiger,
beigemengter Eisenglanz das specifische Gewicht desselben bedeutend
vermehren, ja es ertheilt diese Beimengung, die bisweilen in fein
vertheilten mikroskopischen Blättchen auftritt, dem Gesteine an manchen
Stellen ein grau-schwarzes Ansehen.

Bisweilen treten in diesem Felsenporphyre gangartige Bildungen auf,
welche mit Eisenglanz und hie und da mit Magneteisen ausgefüllt sind.
Auch Quarz füllt bisweilen solche Spalten, und in Mitte des Quarzes
findet sich dann meist wieder eine Ausscheidung von Eisenglanz. Ich
glaube indessen nicht, daß diese Eisenglanz- und Quarzmassen als
eine Spaltenerfüllung _von unten_, als eine eigentliche aus der Tiefe
kommende Gangbildung zu betrachten sind, sondern vermuthe eher, daß sie
Ausscheidungen sind, nesterweise Absonderungen, denn es finden sich auch
vollkommen drusige Absonderungen derselben im Felsitporphyr. Ein anderer
Felsitporphyr, braun-roth und mit schönen, glänzenden Kristallen von
Orthoklas, wird ebenfalls dort gefunden, und oft treten diese beiden
Gesteine, so wie noch andere porphyrartige Massen, dicht neben
einander auf, so daß bisweilen an den Berührungsflächen Uebergänge
stattfinden.

Ich erwähne noch eines hell-gelben, fast weißen Felsitporphyrs, und
eines roth-braunen Gesteins, was fast den Uebergang von Felsitporphyr
zu Felsit macht. Es ist indessen unmöglich, die Menge von Variationen
verwandter Gesteine zu beschreiben, und es mag genügen, daß ich heute
noch in meiner Sammlung über hundert verschiedene Exemplare
besitze, welche ich von dort mitgebracht habe, und die kaum noch ein
vollständiges Bild der Vielfältigkeit zu geben vermögen, welche dort
auftritt.

Die meisten dieser Formen sind, so viel sich entwickeln läßt, _neben_
einander aus der Tiefe emporgeschoben, etwa wie eine Menge großer
Mauern, oder colossaler aneinander gelehnter Lamellen. Es entstehen
hierdurch eine Menge Terrassen, da die eine dieser Lamellen am Abhange
des Gebirges meist die andere überragt, und dieß giebt, von einiger
Entfernung aus gesehen, dem Gebirge häufig das Ansehen der Schichtung,
doch komme ich hierauf später zurück.

Dieß mag als der Grundcharakter des Gebirgs angenommen werden. Aber es
treten auch kegelförmig und gangartig hervorgehobene Massen auf,
und das oft so verworren, und noch dazu durch Verwitterung und
Einstürzungen so unkenntlich gemacht, daß es an vielen Orten
unmöglich erscheint, ein klares Bild der Lagerungs-Verhältnisse zu
gewinnen, und speziell die Bestimmung, welche Form die ältere, und
welche als jünger, als durchbrechend schon abgelagerte Massen, höchst
schwierig.

Ich übergehe die einzelnen Mineralien, welche ich theils als Findlinge
erworben, theils eingesprengt oder nesterweise vertheilt in den
verschiedenen Felsarten der Bai gefunden habe und gehe zu den
Kupfergängen der Bai über, welche deren eigentliche Bedeutung und ihre
commercielle Wichtigkeit bedingen.

Allenthalben fast an der Westküste und schon in Chile, selbst im
südlichsten Theile desselben, in Valdivia, habe ich Spuren von Kupfer
gefunden, so daß es scheint, als sei dieses Metall dort reichlich
verbreitet. Schon im nördlichen Theile Chiles werden bekanntlich reiche
und ergiebige Kupferwerke wirklich betrieben, und ich glaube, daß die
Minen der Algodonbai jenen kaum etwas nachgeben.

Man hat den Abbau der Gänge dort fast durchgängig nur da begonnen,
wo das Erz zu Tage ging und sich nicht viel mit unterirdischer
Schürfarbeit abgegeben. An vielen Orten mögen daher noch reiche
Schätze, vielleicht wenige Lachter tief unter der Erde liegen. In Chile
sowohl, als in der Algodon-Bai verläuft die allgemeine Streichungslinie
der Gänge von Nord nach Süd, in Centralamerika hingegen streichen
dieselben von Ost nach West. Die meisten Gänge scheinen parallel
zu streichen und ich konnte kein gegenseitiges Durchsetzen derselben
bemerken. Ein Zertrümmern der Gänge kommt vor, aber so bald sich
einige dieser Trümmer auskeilen, verfolgt man dieselben meist
nicht weiter, sondern beginnt einen frischen Gang zu verfolgen. Die
Mächtigkeit der im Betriebe stehenden Gänge ist eine verschiedene,
sie mag durchschnittlich mit ein bis zwei Metres bezeichnet werden.
Das Fallen der Gänge findet, insoferne eine Beobachtung durch
hinlängliches Aufschließen derselben zulässig war, meist in mehr oder
weniger senkrechter Richtung statt, selten in einem Winkel von 60° bis
70°. Aber meist findet dann in diesem letzten Falle auch ein Abfallen
des Gebirges von West nach Ost statt, so daß die Absonderungsflächen
des Gebirges im rechten Winkel von den Gängen geschnitten werden.

Auf den oben bezeichneten Porphyrformen des Gebirgs ist an vielen
Stellen, wo ein Aufschließen nähere Untersuchungen erlaubt hat, ein
syenitisches Gestein ausgelagert. So habe ich eben bei den Gängen in
geringer Tiefe als Nebengestein denn auch einen deutlich ausgesprochenen
Syenit gefunden, der meist sehr quarzreich war, bei welchem aber
bisweilen auch die Hornblende fehlte, so daß das Gestein dann blos aus
einem Gemenge von Quarz und Albit besteht, und letzterer ist häufig
stark mit Kupfer durchsetzt.

Die Mineralien, welche vorzugsweise die Gänge construiren, sind
Kupferglanz, Kupferkies, Rothkupfererz, Kupferindig und Atakamit.

Der Kupferglanz wird derb und in mächtig großen Stücken gefunden,
indessen sind mir keine Kristalle vorgekommen. Er kömmt schwärzlich
bleigrau und in's Eisenschwarze spielend vor, aber auch bunt angelaufen,
hat eine geringe Härte und muschlichen Bruch.

Ebenfalls derb und ohne deutliche Kristalle findet sich der Kupferkies.
Er kömmt meist gemengt mit Schwefelkies vor und dieser letztere ist
bisweilen sehr schön kristallisirt. In den größeren Stücken dieses
Kupferkieses, welche zu Tage gefördert werden, ist nicht selten
Feldspath und Quarz eingesprengt und es scheint bisweilen ein Uebergang
in Kupferindig statt zu finden. Auch Gyps ist ihm beigemengt und
Ziegelerz nicht selten von vollkommen karminrother Farbe.

Der eben besprochene Kupferindig scheint vorzugsweise meist an den mit
dem Nebengestein in Berührung stehenden Gangflächen vorzukommen.
Ich habe indessen die schönsten der erworbenen Exemplare in den
Erzvorräthen der Minenbesitzer gefunden. Seine Farbe ist tief
indigblau, mit starkem Fettglanze, und wohl ausgesprochene Kristalle
von Schwefelkies heben das prachtvolle Blau noch besser. Indessen kömmt
auch eine eigenthümliche Modification mit erdigem Bruche vor, welche
fast verwittert erscheint.

Der Atakamit endlich, dieses seltene Mineral, kömmt mit schön
smaragdgrüner Farbe vor, derb kristallinisch, in rhombischen, dem
System des Orthotypes angehörenden Prismen, und ist, man kann sagen
fast allen Mineralien der Bai beigemengt, denn beinahe auf jedem Erze
findet man größere oder kleinere Adern, Nester oder angeflogene
Stellen von grüner Farbe, und jedes Kupfererz, welches grün ist, ist
in der Algodonbai Atakamit. Allein nicht blos als Beimengung oder in
kleinen Parthieen wird dort Atakamit getroffen, sondern er füllt mit
wenig beigemengtem Rothkupfererz für sich allein einen Gang aus.

Man hat jene Grube Atakamita genannt. Ein Schacht, der 1600 Fuß über
dem Spiegel der See ausmündet und etwa 200 Fuß niedergeht, und von
welchem mehrere Stollen ausgehen, ist fast in reinem Atakamit getrieben.
Von Ort sowohl als auch am Tiefsten des Schachtes, steht der Atakamit
in mächtigen Massen an, und die zu Tage gebrachten und auf die Halde
geförderten Erze bestehen aus demselben Mineral.

Ich glaube kaum, daß es bezweifelt werden kann, daß der Atakamit durch
Zersetzung anderer Kupfererze entstanden ist, und dies zwar hier wohl
vorzugsweise durch die Einwirkung des Seewassers.

Ich besitze ein Exemplar, welches fast gänzlich aus einem Aggregate
von pseudomorphen Octaedern des Rothkupfererzes besteht, indem die
einzelnen, drei bis vier Linien großen Individuen aus den rhombischen
Prismen des Atakamits zusammengesetzt sind.

Während nun bei diesem und ähnlichem Vorkommen des Kupferchlorides
eine direkte Zersetzung der Masse des Kupferoxyduls angenommen werden
kann, ist bei andern Exemplaren kaum eine Sublimation zu verkennen.
Es findet sich dort der Atakamit in großen büschelförmigen,
strahligblätterigen Massen auf einem etwas kupferhaltigen
Eisenoxyde aufgewachsen, oder erfüllt in kleineren Individuen dessen
Zwischenräume, oder es überzieht und bekleidet die Drusenräume
anderer Mineralien. So kömmt dort ein Eisenocker vor, der bisweilen mit
einem dünnen Ueberzuge von Quarzkristallen bedeckt ist. Zwischen diesen
und auf denselben befindet sich der Atakamit in einem höchst dünnen
lauchgrünen kristallinischen Anfluge, so daß die ganze Fläche ein
glänzendes und wirklich prachtvolles Ansehen gewinnt. Abgesehen von
anderen chemischen Reactionen, die bei dem Aufzeigen der Kupfererze und
bei der Anfüllung der Gangspalten vor sich gegangen sein mögen, reicht
vielleicht schon das Seewasser allein zur Erklärung dieser häufigen
Atakamitbildung hin. Wahrscheinlich ist das Heraufdringen der Kupfererze
noch vor der Hebung jenes Küstentheiles über den Spiegel der See vor
sich gegangen. Submarine vulkanische Thätigkeit erhitzte und spaltete
gleichzeitig den syenitischen Meeresgrund und die tiefer liegenden, wohl
auch schon gebildeten Felsitformen. Die Kupfererze drangen durch die
gebildeten Spalten nach, während das von oben eindringende Seewasser
die Zersetzung bewerkstelligte. Vielleicht hat auch noch mit jener
Spaltenerfüllung gleichzeitig eine Hebung stattgefunden.

Die bei dem damaligen höhern Atmosphärendrucke ebenfalls höhere
Temperatur des Siedepunktes, und jene der Wasserdämpfe erklärt leicht
die Umsetzung einiger Kupfererze, besonders des Oxyduls in Chlorür,
während eine Sublimation des neugebildeten Minerals ganz natürlich
erscheint, wenn man erwägt, welche Temperatur stattgefunden haben muß,
und selbst wie lange solche angehalten hat.

Viel zu lange habe ich mich bei diesem Atakamit und seinem Vorkommen
aufgehalten, allein die Seltenheit dieses Körpers in Europa und sein
so häufiges Vorkommen in der Algodonbai macht vielleicht hier auch dem
Nichtmineralogen das Vorgehende nicht ganz uninteressant.

Von Mineralien, welche die Kupfererze begleiten, und von seltener
vorkommenden Kupfererzen selbst will ich nur folgende angeben.

_Gediegen Kupfer_, plattenförmig, manchfach gewunden, aber ohne
Kristalle und überhaupt selten. Ich habe Stücke von dort, die
sechs Zoll lang und vier breit sind. Sie tragen auf beiden Seiten die
Eindrücke des Gesteins, welches sie umschloß und auf ihrer Oberfläche
sind Anflüge von Atakamit, Pistazit und Gypsspath.

_Fahlerz_, selten. Ich habe eine kugelförmige Absonderung gefunden,
welche aus Fahlerz, Kupferkies und Quarz bestand.

_Eisenglanz_ in kleinen schuppigen Kristallen und Eisenoxyde.

_Coquimbit_, dieses seltene Mineral wird häufig angetroffen, in derben
Stücken sowohl als auch gemengt mit Atakamit.

_Allophan_, oder wenigstens ein allophanähnliches Mineral, aber
durch Chlorkupfer grün gefärbt in verschiedenen Modificationen,
undurchsichtig bis vollkommen transparent.

Dann endlich _Gyps_ in schönen oft sechs bis acht Zoll großen
Kristallen, und mit dem Atakamit so manchfach gruppirt, daß prachtvolle
Stufen gebildet werden.

Was den Bau der erzführenden Gänge betrifft, so habe ich schon vorher
gesagt, daß man sich meist damit begnügt, an Stellen, wo Kupfererze
zu Tage gehen, einen Schacht oder Stollen einzutreiben, und abzubauen so
lange der Gang ergiebig ist.

Ich habe weder Grubenzimmerung noch Mauerung gesehen, denn es steht das
Gestein gut, und bei Stollen gewähren bogenförmige Firste hinreichende
Sicherheit. Die Form der Schachte ist die kreisrunde, aber die Fahrten
sind verzweifelt unbequem, ja wohl fast bedenklich für den Ungeübten.
Sie bestehen aus viereckig behauenen hölzernen Stämmen von etwa 8 bis
10 Zoll Durchmesser, in welche von 10 zu 10 Zoll Entfernung etwa 2 Zoll
tiefe Einschnitte eingehauen sind. In die Wandungen der Schachte hat man
Vertiefungen gehauen, in welchen die Stämme mit ihrem unteren Theile
aufstehen, während der nächste, weiter in die Tiefe führende Stamm
ebenfalls an dieselben angelehnt ist. So reicht also jeder einzelne
Stamm quer über die Breite des Schachts und die Fahrt führt im
Zickzack abwärts. Bei jeder Bühne also, oder beim Ende des einen
und beim Anfang des andern Stammes, muß man sich, halb in der Luft
hängend, um die eben verlassene Fahrt herum schwingen, und abwärts
fahrend, den neuen Weg mit den Füßen erkunden, während man bei der
Auffahrt sich mit den Armen aufwärts zu ziehen genöthigt ist.

In der Teufe der Grube Atakamita schlug ich die herrlichsten Stufen
kristallinischen Atakamits, und meine lederne Gesteintasche enthielt
sicher zwanzig Pfunde des prachtvollen Minerals. Aber aufwärts fahrend
auf jenen verwünschten Stämmen, verzweifelte ich fast das Tageslicht
wieder zu sehen, so beschwerte mich mein Reichthum, und schien mich
abwärts ziehen zu wollen.

Daß ich glücklich das Ende des Schachtes erreicht, weiß der
freundliche Leser bereits, aber ich muß berichten, daß auch kein Atom
jener mich belastenden Atakamite in der Grube geblieben und daß sie
alle sich gegenwärtig an den Orten befinden, die ich ihnen schon dort
hängend und schwebend, ringend und kletternd, zugedacht.

Aber während ich mich abquälte um 20 Pfunde zu Tage zu fördern, wird
von den Arbeitern der Gruben eine Last von 130 Pfunden auf dem Rücken
gefördert, und ich sah dort einen Knaben von 12 Jahren, der 100 Pfund
aufwärts schaffte. Im Uebrigen war dieses Kind als eine Ausnahme zu
betrachten, denn obgleich man als Mineros, so nennt man die Arbeiter
in den Gruben, meist junge Leute von 18 bis 25 Jahren am liebsten hat,
werden doch Kinder sonst nicht verwendet.

Ich habe mich von Europa aus wieder nach dem weiteren Schicksale des
Knaben erkundigt, welcher wirklich als eine Abnormität anzusehen war.
Arme und Beine waren bei diesem Kinde so ausgebildet, daß man die
Extremitäten eines erwachsenen kräftigen Mannes vor sich zu sehen
glaubte, und die ganze Erscheinung hatte fast ganz das Widerliche eines
europäischen Wunderkindes an sich, welches Klavier oder Violine spielt,
rechnet oder andere Kunststücke ausführt, vielleicht sich auch nur
einfach durch starke Nasenweisheit auszeichnet. Es hätte mich indessen
die weitere _körperliche_ Ausbildung dieses Individuums interessirt.

Die Gewinnung der Erze wird mit Schlegel und Eisen, aber nicht durch
Sprengarbeit betrieben. Die oberste Leitung des Baues führen die
Grubenbesitzer selbst, doch haben sie meist einige europäische
Bergleute an der Hand, welche die Aufsicht führen, während die
Häuerarbeit und Förderung durch Eingeborne, wie es scheint der ganzen
Westküste, betrieben wird. Das Fäustel, welches diese Leute führen,
wiegt sicher 16 bis 18 Pfd., und ihr Fimmel entspricht demselben.
Während der Minero dieses Rieseninstrument schwingt, stößt er ein
eigenthümliches Geschrei, oder eigentlich ein Heulen oder Winseln aus,
welches mit tiefen Tönen beginnt und mit den höchsten endigt.

Die mit dem Fördern beschäftigten Arbeiter thun ein Gleiches, und man
kann sich daher denken, daß in einer solchen im Betrieb stehenden Grube
ein wahrhafter Höllenlärm sein muß. Ich bin in der That staunend zum
erstenmale in die Grube Rosario eingefahren, da ich den Grund dieses
grauenhaften Geschreies mir auf keinerlei Weise erklären konnte, und
zugleich dennoch aus den unbekümmerten Mienen der aus dem Schachte
Kommenden schließen mußte, daß Alles in regelrechtem Gange und nicht
etwa ein Unfall vorgekommen sei.

Eine Wassergewältigung ist in den Gruben nicht nöthig, da fast alle
wasserfrei sind und nur auf der Sohle der Mine Atakamita habe ich etwas
Wasser getroffen. Ich habe in den Gruben folgende Temperaturen gefunden:

Grube Rosario, außerhalb der Einfahrt, im künstlichen Schatten und bei
schwachem Winde + 18.7° R., bei etwa 20 Fuß Tiefe + 17.0° R., bei
150 Fuß Tiefe + 19.0° R. bei 300 Fuß Tiefe + 20.5° R.

In anderen Gruben habe ich höhere Temparaturen gefunden, aber es
ist hierauf kein Werth zu legen, weil die Menge der Arbeiter dieselbe
jedenfalls gesteigert hat.

Es ist zu bedauern, daß bei dem Reichthum der dortigen Gruben die Erze
nicht auch an Ort und Stelle verschmolzen werden können. Aber Mangel an
Brennmaterial macht dieß unmöglich, und es werden alle gewonnenen Erze
nach Europa verfahren. Trotz ihrer Reichhaltigkeit wirft natürlich auf
solche Weise der Bau der Grube verhältnißmäßig nur wenig Gewinn ab,
und erhaltenen Privatnachrichten zu Folge, wird gegenwärtig selbst
nach Europa nur noch wenig Erz gebracht. Bei regelmäßiger Schifffahrt
zwischen der Algodonbai und Valdivia würde der Erzreichthum des
einen Platzes mit dem Ueberflusse an Brennholz des andern, sich zur
vortheilhaftesten Combination gestalten lassen.

Die Lebensverhältnisse der Menschen in der Bai gehen zum Theil bereits
aus dem hervor, was über die Lage des Ortes gesagt worden ist. Es
müssen eben, so wie nach Cobija, alle Nahrungsmittel zu Schiffe dorthin
gebracht werden.

Die Minenbesitzer unterhalten kleine Läden und Vorrathshäuser, in
welchen die Arbeiter ziemlich billig das Nöthige erhalten können. Es
ist der durchschnittliche Lohn eines Arbeiters etwa 20 Peso für den
Monat, aber ich glaube, es werden auch noch einige Victualien hiezu
verabreicht, doch weiß ich das nicht vollkommen sicher.

Einer der größten Uebelstände ist der Wassermangel in der Bai. Eine
spärliche Quelle ist unweit dem Werke Minecal de Duendus, welche der
französische Besitzer benutzt, aber der ganze Reichthum derselben
reicht kaum aus für Menschen und Thiere. Der Engländer in Bella Vista
läßt täglich seinen Wasserbedarf aus einer kleinen Quelle von Mamilla
holen, von welcher ich später noch sprechen werde. Der Besitzer von
Tocopilla aber, in der Bai selbst, gewinnt das für seinen Bedarf
nöthige Wasser durch Destillation von Seewasser, und es werden durch
einen höchst einfachen Apparat täglich etwa 500 Gallonen Wasser
erzeugt. Die Retorten sind von Eisen und die Vorlage ist ein Faß mit
Schlangenrohr. Man hat die vier Retorten mit Backsteinen ummauert und
das Ganze dicht am Ufer der See aufgestellt, aus welcher eine Pumpe
das Wasser in die Retorten bringt und auch den Kühlapparat speist.
Die Pumpe wird zu gewissen Zeiten des Tags durch den Wind in Bewegung
gesetzt, zu andern, wo regelmäßig Windstille herrscht, durch eine
kleine Dampfmaschiene. Es sind vier Arbeiter Tag und Nacht bei dem
Apparate beschäftigt und das gewonnene Wasser ist ganz erträglich,
wenigstens bedeutend besser als das auf Schiffen in hölzernen Fässern
längere Zeit hindurch aufbewahrte. Da die Destillation etwas stürmisch
vor sich geht, so wird ohne Zweifel der fade Geschmack des destillirten
Wassers, der durch den Mangel an Kohlensäure entsteht, hier etwas
verdeckt durch übergerissenes Salz. Unbedingt wird aber durch
jene Anstalt das ziemlich verbreitete Vorurtheil widerlegt, als sei
destillirtes Seewasser wegen der im Meere enthaltenen organischen
Substanz ungenießbar. Denn gerade dort in der Bai wimmelt das Wasser
von einer Unzahl kleiner Thiere und Algen. Auf der ganzen Strecke
aber zwischen Tocopilla und Cobija wird nicht eine einzige Quelle mehr
getroffen und ich muß bei diesem Wassermangel der Küste etwas länger
verweilen, denn sicher hat es selbst für den, welcher sich nicht mit
geologischen Studien oder mit Meteorologie beschäftigt, Interesse,
etwas näheres zu vernehmen über ein Land, in welchem es nicht geregnet
hat seit Menschengedenken, wie jeder dort Lebende und die Sage selbst
bezeugt, von welchem ich aber auch nachgewiesen zu haben glaube, daß
es nie dort geregnet hat so lange das Land überhaupt besteht,
trotzdem, daß mächtige Flußbette durch dasselbe ziehen, und scheinbar
Ueberfluß an Wasser gewesen sein mußte.

Jener Beweis, daß es nicht geregnet hat seit die Küste sich aus dem
Meere gehoben hat, ist folgender:

Etwa fünfhundert Schritte vom Ufer der See, d. h. von dem Punkte, an
welchen jetzt noch die höchsten Fluthen reichen, befindet sich eine
Felsgruppe, Dolerit und Felsitporphyr, deren ganzes Aussehen ergibt,
daß sie im glühenden Zustande rasch abgekühlt worden, und, ohne
Zweifel in Folge dessen in eine unzählige Menge kleinerer und
größerer unregelmäßiger aber noch vollkommen scharfkantiger
Bruchstücke gesprungen ist.

Diese Bruchstücke aber sind mit Seesalz verkittet, und die ganze
Bildung steht durch nichts geschützt unter freiem Himmel. Diese
Salzmasse ist während der Hebung des Gesteins als Seewasser in die
Klüfte desselben gedrungen, ist verdampft und hat so die Verkittung
bewerkstelligt.

Es läßt sich der Beweis stellen, daß die Hebung jenes Felsens
gleichzeitig mit dem Hauptgebirgszuge der Küste geschehen ist. Ich
habe dieß an einem andern Orte gethan, und spare hier die weitere
Entwicklung, aber ich mache darauf aufmerksam, daß _ein einziger_ Regen
jenes verkittende Seesalz vollständig aufgelöst haben würde. Da dieß
letzte aber nicht geschehen ist, so kann es nicht geregnet haben seit
der Entstehung jenes Felsens.

Jene Flußbette aber, deren ich erwähnte, geben Zeugniß von großen
Wassermengen, welche das Land in früherer Zeit durchströmten, aber
diese Ströme verdanken ihren Ursprung nicht regelmäßigen Quellen und
meteorischen Wassern, welche sich über das Land ergossen haben, sondern
periodisch geschmolzenem Schnee der Andeskette, wie ich schon vorher
angedeutet habe.

Unweit Tocopilla findet sich ein solches Flußbett. So weit mir die
Umständen erlaubten jenes Thal zu besuchen, nämlich eine Strecke von
etwa drei Wegstunden, ist dasselbe mit Geschieben bedeckt, welche aus
Grünsteinformen und syenitischem Gesteine bestehen, dem schon vorher
geschilderten sehr ähnlich. Man bemerkt aber deutlich, daß diese
Gerölle keinen sehr weiten Weg zurückgelegt haben, sie sind von
nicht sehr entfernten Gehägen herabgestürzt, und nicht sehr
bedeutend abgerundet. Aber es zeigen sich an einigen Stellen des Bodens
Durchschnitte, welche beweisen, daß zu gewissen Zeiten heftige
und verstärkte Strömungen stattgefunden haben müssen, denn sehr
wahrscheinlich sind die Furchen, an welchen man diese Durchschnitte
beobachten kann, durch die letzte größere Wassermasse gezogen worden,
welche ihren Weg durch das Flußbett genommen hat. Es zeigen diese
Durchschnitte mehrfache Schichten in verschiedener Mächtigkeit, welche
von mehreren Zollen bis zu eben so viel Fuß wechseln. Das Liegende
dieser einzelnen Schichten bilden größere, oft nur wenig gerundete
Gesteinsfragmente, die gegen das Hangende zu stets kleiner, abgerundeter
und kiesartig werden, bis sie endlich selbst in Sand übergehen, worauf
dann gegen oben dieselbe Reihenfolge einer neuen Schicht beginnt.

Es ist also eine plötzlich bedeutende verstärkte Wassermasse durch
das Thal geströmt, sie hat anfänglich alle Gesteinsfragmente mit sich
fortgerissen, welche in ihrem Wege lagen, aber nach und nach schwächer
werdend, ließ sie die größeren Gesteinstrümmer liegen und deßhalb
sind diese auch meist nur wenig abgerundet. Mit dem fortwährenden
Fallen der Wassermenge blieben immer mehr und mehr Geschiebe liegen,
welche nicht mehr mit hinweggeführt werden konnten, bis endlich der
Sand allein vom Wasser bewegt wurde.

Wohl verliefen sich dann die Wasser gänzlich, bis nach längerer oder
kürzerer Zeit eine plötzlich vom Gebirge strömende neue Wassermenge
die eben betriebene Reihenfolge der Schichten vergrößerte, bisweilen
aber vielleicht auch einen Theil der bereits abgelagerten hinwegführte.

An einer Stelle jener Thäler habe ich dieß sehr schön beobachten
können. Ein Felsblock von etwa 15 Fuß Breite und 20 Fuß Länge geht
aus dem kiesigen Grunde des alten Flußbettes zu Tage, und bildete zur
Zeit, als Wasser dasselbe durchfloß, ohne Zweifel eine Klippe. Hinter
demselben, im Sinne der Stromrichtung, befindet sich eine solche in
Schichten getheilte Geröllablagerung, welche an der Seite, mit welcher
sie sich an den Felsen anlehnt, eben so mächtig ist als jene, weiter
hinaus aber sich abflacht. Es hat nun die letzte große Wassermenge,
welche das Thal durchströmte, um die Klippe her einen Theil der vorher
abgesetzten Geschiebe wieder entfernt, aber hinter der Klippe wurden
sie durch dieselbe geschützt, und haben sich erhalten. Es geht
zugleich hieraus hervor, daß diese letzte Fluth ohne Zweifel eine sehr
bedeutende gewesen ist.

Wäre es möglich gewesen, Nachgrabungen anzustellen bis auf die Sohle
des mit Gerölle und Sand theilweise ausgefüllten Flußbettes, so
hätte sich ohne Zweifel die Zahl der periodischen Fluthen, annähernd
wenigstens, errathen lassen, mir aber, der ich vereinzelt dastand, und
allein angewiesen war auf meine eigenen Mittel und Kräfte, war solches
unmöglich. Der Fall dieses Flußbettes ist übrigens ein sehr starker
gewesen, und an Stellen, wo ich Messungen anstellen konnte, fand ich
2°-3°.

Die Hauptrichtung, welche das Thal verfolgt, ist von West nach Ost,
indessen treten natürlich einzelne Krümmungen auf und auch die Breite
desselben ist eine verschiedene, an manchen Stellen dreißig bis vierzig
Schritte, an andern Orten wieder breiter.

Unweit der Bai dehnt sich das Flußbett bedeutend aus, wie dieß bei
fast allen Flüssen der Fall ist, welche sich in's Meer ergießen, und
es muß hier das von den Bergen kommende Wasser eine Ausdehnung von 500
bis 600 Schritten gehabt haben, wie die Gerölle und Geschiebe zeigen,
welche dort allenthalben verbreitet sind, und welche sich scharf
scheiden lassen von den Geschieben, welche die See an's Land geworfen
hat, da letztere stets mit einer Unzahl organischer Reste gemengt sind.

Es ist durch die oben erwähnte Verkittung der Gesteinsfragmente, welche
unter freiem Himmel stehen, wie ich glaube bewiesen worden, daß es,
seit Hebung jenes Theils der Küste nicht daselbst geregnet hat.

Durch die Untersuchung des alten Flußbettes aber hat sich ergeben, daß
mächtige und periodisch wiederkehrende Fluthen das Land durchströmten,
welche ohne Zweifel plötzlich geschmolzenen Schnee der Anden
ihren Ursprung verdankten, oder indirekt gewaltigen Ausbrüchen der
Vulkanreihe jenes Gebirgs, durch welche theils Schnee und Gletschereis
geschmolzen, theils auch mächtige Regengüsse, vulkanische Gewitter,
oberhalb des Gebirgs sich entleerend, hervorgerufen wurden.

Nachdem ich die Gesammtschilderung der Bai dem Leser vorgeführt habe,
so gut es mir möglich gewesen, mag es mir erlaubt sein, von einigen
Excursionen und den Erlebnissen einzelner Tage zu erzählen.

Diese Berichte mögen als Ergänzungen angesehen werden zu dem
Vorhergesagten, als erläuternde Beiträge zum Leben und Treiben
in jenem entlegenen Winkel der Erde, und zu den Schilderungen der
Landschaft selbst, welche ich versucht habe.

Einen der ersten Ausflüge unternahm ich zusammen mit Kapitain Müller,
der, wie ich, sich als Passagier am Bord des Dockenhuden befand,
indem wir die nördlich an der Bai gelegenen Wohnungen einiger Fischer
aufsuchten.

Der Weg zu ihren Hütten führt längs des Strandes dahin, und der
bereits geschilderte Charakter der Bai selbst ist auch hier, in weiterem
Verlaufe der Küste derselbe. Am Ufer der See, und bisweilen ziemlich
weit in's Land reichend, besteht der Boden an mehreren Orten fast
einzig aus Muschelgrus, während an anderen Orten wieder mehr Geschiebe
vorherrschen, welche indessen stets mit Fragmenten von Schaalthieren
gemengt sind. An manchen Stellen findet sich auch magneteisenhaltiger
Sand, mit noch wohlerhaltenen kleinen Oktaedern von Magneteisenstein.
Die kegelförmigen doleritischen Formen bilden längs des Strandes
die einzige Abwechslung, indem sie hier den Boden durchbrechen und in
mehrerlei Gruppen aus demselben hervorgehen. Etwa auf dem halben
Wege von der Bai aus bis zu jenem Fischerdorfe, mußten wir einen
mauerartigen Wall übersteigen, der von diesem Felsen gebildet wird, und
welcher von der See bis an das Küstengebirge reicht. Ich fand an jenen
Felsen zwei Species einer =Salsola=, und =Halana paradoxa=, welche in
einigen Exemplaren an den Klüften des Gesteins kümmerten, und die
bescheidenen Repräsentanten der ärmlichen Flora, sowohl der Bai als
auch der umliegenden Küstengegend waren, mit Ausnahme jenes bereits
erwähnten großen Cereus.

Durch einen Zufall fand ich dort zuerst einen hübschen Seestern,
=Asteracanthion helianthus=, welcher, wie sich herausstellte, ziemlich
häufig an den aus der See ragenden Felsen festsitzt. Ich schoß
nämlich mit einer kleinen Kugelbüchse, welche ich meist bei solchen
Excursionen bei mir trug, einen ziemlich hoch über uns streichenden
schwarzen Aasgeier. Das Thier kämpfte eine Zeit lang in der Luft, und
stürzte dann auf der Seeseite herab, indem es auf eine aus dem Wasser
hervorragende Klippe fiel, dort noch einige Augenblicke stehen blieb und
dann niederstürzte.

Wer je gejagt hat, weiß, daß es weniger ärgerlich ist, gefehlt zu
haben, als ein erlegtes Thier verlieren zu müssen. So wadete ich denn
in's Wasser um die Klippe zu erreichen, da Ebbe war und ich das Wasser
nicht tief wähnte. Als ich indessen bis an den Gürtel im Wasser stand,
fing mich dasselbe zu heben an, und ich sah, daß ich schwimmen mußte.
Ich ging mithin zurück, entkleidete mich, und begann meinen Weg auf's
Neue. Ist die See ruhig und gerade keine starke Brandung, so mag auch
ein wenig geübter Schwimmer Aehnliches unternehmen. Ich selbst habe
später öfter solche Felsen schwimmend erreicht, bin nie in irgend eine
Fährlichkeit gerathen, und denke noch mit Vergnügen an jene Bäder
zurück, welche das außerordentlich Angenehme haben, daß namentlich
anfänglich das Wasser höchst behaglich warm ist.

Als ich den Felsen erreicht hatte, und an demselben emporgeklommen war,
fand sich, daß der Geier verschwunden und bereits etliche fünfzig
Schritte weiter außen in der See trieb. Er war ohne Zweifel unweit des
Randes der Klippe niedergefallen, und während des letzten Todeskampfes
in's Wasser gestürzt. Ich fühlte mich nicht berufen noch weiter
seewärts Schwimmübungen anzustellen, untersuchte statt dessen den
Felsen näher, und fand jenen Seestern in den Klüften festsitzen.
Ich habe später von dieser und von andern ähnlichen Klippen schöne
Exemplare geholt, mußte aber für dießmal mich mit der Entdeckung
begnügen, da ich die Hände zum Schwimmen brauchte, und Nichts weiter
bei mir hatte um die Thiere an's Land zu schaffen.

Als ich mich eben anschickte, landwärts zu schwimmen, sah ich Kapitain
Müller auf eine ganz eigenthümliche Weise auf den Felsen der Küste
umherspringen. Offenbar haschte er nach irgend etwas, denn ich konnte
wahrnehmen, daß er bisweilen die Botanisirkapsel öffnete, und dann
wieder seine Jagd fortsetzte. Am Ufer angekommen, sah ich hunderte von
Eidechsen, welche mit Blitzesschnelligkeit auf den schwarzen Felsen und
Geröllen der Küste umherliefen und diese waren es, welche der wackere
Kapitain verfolgte, um für meine Sammlung einen Beitrag zu liefern. An
jenem Tage und später gelang es mir, mehrere lebend zu bekommen und
ich habe sie bis nach Kap Horn erhalten, wo sie, trotzdem, daß ich den
Behälter, in welchem ich sie verwahrte, mit in meine Koje nahm, dennoch
ohne Zweifel der Kälte erlagen.

Es ist eine Schuppeneidechse, welche einen Schuh lang und wohl noch
größer getroffen wird. Sie ist grau und braun gefleckt, fünfzehig und
hat lange, scharfe Krallen. Ihre Nahrung besteht aus kleinen Muscheln,
aus Krabben, welche die See auswirft und aus einer kleinen Fliege,
welche ebenfalls am Strande lebt. Sie hascht ihren Raub mit vieler
Behendigkeit und raschen Sprüngen, und beißt heftig um sich, wenn
man sie faßt, aber es dringt der Biß kaum durch die Haut und ist
vollkommen schmerz- und gefahrlos. In der Gefangenschaft fressen sie
noch einige Zeit Fliegen, bleiben aber stets wild und ungeberdig. Ich
habe später an einigen andern felsigen Parthien der Küste ebenfalls
einige Exemplare derselben Species getroffen, aber nie in so ungeheurer
Menge als dort, wo der Boden buchstäblich mit diesen Thieren bedeckt
war.

Wir erreichten endlich die Hütten der Fischer, und ich hatte dort zum
erstenmal Gelegenheit die eigenthümliche und sicher höchst einfache
Bauart jener Leute zu beobachten.

Man rammt vier Pfähle in die Erde, die man entweder von irgend einem
Schiffer erworben, oder aus der See aufgefischt hat. Quer über diese
werden vier andere Stangen gelegt, nicht selten die Stämme jenes
mächtigen Cereus; die Wände und das flache Dach aber sind von alten
Hadern zusammengesetzt, welche man über diese Stangen hängt und
legt. Friedlich hängen hier Reste alter Packtücher, fragmentarische
Kattunkleider der Senorita und allerlei, nach unsern Begriffen
wenigstens, unentbehrliche und unaussprechliche Kleidungsstücke der
Bewohner des Hauses, welche, abgelegt, sogleich ihre architektonische
Verwendung finden, statt den Zähnen des Holländers anheim zu fallen.

Da es nie regnet, nie kalt wird, und man sich nur gegen die Sonne
zu schützen hat, so erfüllen diese Wohnungen vollständig ihren
praktischen Zweck, obgleich sie in etwas geringerem Grade den
Anfordernden künstlerischer Schönheit entsprechen. Ich glaube, daß
jene Fischer die ursprünglichen Bewohner der Bai sind, d. h. daß sie
seit der Entdeckung der Westküste durch die Spanier dort wohnen,
aber ob sie Reste der indianischen Bevölkerung, oder Abkömmlinge der
Spanier sind, oder vielleicht Mischlinge von beiden, konnte ich nicht
erfahren und es möchte dieß auch schwer zu entwickeln sein. Daß die
Bai selbst schon in den früheren Zeiten bewohnt war, vor der Zeit der
Spanier, und selbst vor der Zeit der Inka, werde ich übrigens später
zeigen, ohne Zweifel aber hat der Fischreichthum derselben, von den
frühesten Zeiten an, stets einige Menschen dort festgehalten.

Die spanische Sprache und Kattunkleider, welche die Weiber tragen, sind
die einzigen Anzeigen von Kultur, wenigstens von europäischer, welche
bei diesen Leuten angetroffen wird. Sie sind Christen, d. h. angeblich
getauft, da aber ein Lehrer oder Priester, so viel mir bekannt, nie
an jene entlegene Stelle der Küste kömmt, so weiß ich nicht, ob
Christenthum und Architektur dort nicht auf gleicher Stufe stehen.

Der Fischfang wird theils mit Netzen betrieben, meist aber auch auf
ziemlich patriarchalische Weise mittelst Harpunen. Man bedient sich
hiezu der sogenannten Balzen. Es sind diese eigenthümlichen Fahrzeuge
entweder aus zwei Stämmen des unendlich leichten Guayaquil-Holzes
zusammengesetzt, welche der Länge nach nebeneinander durch einige
Querhölzer mittelst Nägeln verbunden sind, oder aus zusammengenähten
Häuten von Robben, indem man zwei Schläuche fertigt, welche ebenfalls
an einander befestigt werden, und welche man aufbläst. Die auf solche
Weise construirten Fahrzeuge sind an der Vorderseite etwas schmäler
als an der hinteren, und auf diese Weise, vorzüglich aber wegen ihrer
Leichtigkeit, gleiten sie leicht auf der Oberfläche des Wassers dahin.
Zwei Personen finden zur Noth auf ein und derselben Balze Platz, indem
sie mit gekreuzten Beinen hintereinander auf einer kleinen Decke sitzen,
und während der eine rudert, harpunirt der andere die Fische, welche
sich in den fangreichen Stellen der verschiedenen Buchten aufhalten.

Die Hauptnahrung jener Fischer ist eben diese ihre Beute, frisch und
an der Sonne getrocknet, indessen bringen sie ihre Fische auch den
Minenbesitzern und handeln von diesen Brod und andere unentbehrliche
Dinge, Kleidungsstücke u. s. w. ein. Wir bestellten jenesmal einen
der Fischer an unser Bord, und schon des andern Tages erschien derselbe,
und brachte uns wirklich prachtvolle Fische. Ich habe eine ziemlich
genaue Zeichnung der größern Art derselben entworfen und auch den
Schädel derselben mit nach Europa gebracht, hier aber will ich nur
erwähnen, daß die einzelnen Exemplare 18 bis 20 Pfunde wogen, und
daß Kapitain Müller und ich in Abwesenheit des Kapitains, für
einige Stücke Schiffsbrod dem Fischer etwa 120 Pfunde seiner Waare
abhandelten, da er gebotenes Geld ausschlug. Auf den Felsen, unweit der
Wohnungen jener Fischer, halten sich häufig Robben auf, und bisweilen
gelingt es dieselben zu erlegen. -- Wir sahen eine solche auf den aus
der See ragenden Klippen sitzen und ich glaube, daß es =phoca leonina=
und =proboscidea= war. Es war ein mächtiges Thier, braun-schwarz und
wohl 20 Schuhe lang.

Da ich gerne den Schädel eines dieser Thiere besessen hätte, und
auf der andern Seite auch Gelüste trug, eine Fahrt auf einer Balze zu
versuchen, ließ ich mich auch vom Fischer auf seinem Fahrzeuge in die
See rudern.

Ich mag wohl gestehen, daß jene Fahrt nicht eben besondere
Annehmlichkeiten bot. Ich hatte die Schuhe ausgezogen, um im Nothfalle
besser schwimmen zu können, und kauerte hinter dem Manne, indem ich
meine Büchse möglichst vor dem allenthalben spritzenden Wasser zu
schützen suchte. Es gewähren die Balzen allerdings den Vortheil, daß
man über alle Wellen, und selbst über die höchsten Wogen der Brandung
leicht hinwegkömmt, und eben so von dem an der Küste meist häufigen
Tange nicht gehindert wird. Bedenklich aber erscheint wohl jedem, der
eine solche Fahrt zum erstenmale mitmacht, die Nähe der See, und die
Art, wie man das Gleichgewicht halten muß, um nicht in's Wasser zu
fallen. Die Gefahr ist indessen nicht bedeutend, denn geschähe dies
auch, so kann man leicht die Balze wieder erreichen, da ein Untergehen
derselben unmöglich ist, insoferne die Blasenbalze aus Robbenhaut nicht
etwa einen Leck bekäme. Wir ruderten rasch etwa 200 Schritte in die See
und suchten uns dem Felsen zu nähern auf welchem die Robbe lag; diese
aber stürzte sich weit außer Schußweite mit furchtbarem Gebrüll
in's Wasser, und da eben kein weiteres Thier ersichtlich, und ich die
Balzenfahrt versucht hatte, bedeutete ich meinem Fährmann umzuwenden.
Ich kam ziemlich durchnäßt an's Ufer, gab dem Fischer einige Realen
und die Hälfte meines Tabaks und versprach ihm für den Kopf einer
Robbe einen Peso; indessen erhielt ich keinen, da die Thiere nur im
Schlafe zu überfallen und mit Piken zu tödten sind. Ich bedauere
jetzt, keinen der defekten Schädel mitgenommen zu haben, welche häufig
am Strande zerstreut umher lagen, welche mir aber jenesmal nicht gut
genug erschienen. Als wir am Abende am Bord kamen, hungrig und mit einer
ziemlichen Anzahl von geognostischen Stufen beladen, welche ich auf dem
Heimwege gesammelt, eröffnete uns der Kapitain, daß er auf den
andern Tag ein Picknick mit dem amerikanischen Minenbesitzer in Mamilla
verabredet habe und lud mich zur Theilnahme ein. Ich versprach sechs
Flaschen Ale beizusteuern und um 6 Uhr des Morgens fertig zu sein und
legte mich vergnügt zur Ruhe, indem ich hoffte, eine neue Stadt der
Westküste kennen zu lernen, da Mamilla fast auf allen Karten als solche
verzeichnet zu finden ist.

Wir verließen des andern Tags das Schiff bei guter Tageszeit und fuhren
auf dem Boote des amerikanischen Minenbesitzers längs der Küste
nach dem nordwärts gelegenen Mamilla. Die beiden Kapitaine, unser
Obersteuermann, der Engländer, der Amerikaner und die Frau seines
Oberaufsehers, das einzige Weib in den Kupferwerken, waren nebst mir die
im Boote Befindlichen, während der Oberaufseher und ein Zollbeamter,
welcher uns von Cobija aus zur Controlle beigegeben war, den Weg zu
Pferde machten. Ein kleines Segel und unsere vier rüstigen Ruderer
ließen das Boot pfeilschnell über die Wogen gleiten, und indem wir
uns immer so dicht als möglich zur Küste hielten, war es mir leicht,
mancherlei Beobachtungen anzustellen bezüglich der Form und des
Verhaltens des Küstengebirges. Aber ich hatte dort auch Gelegenheit
eine psychologische Beobachtung anzustellen, welche ich mittheilen will,
so unbedeutend sie auch scheinen mag.

Neben unseren drei Matrosen war der vierte Ruderer ein Franzose, ein
früher, wie es hieß, von einem Kriegsschiffe entflohener Matrose, und
ein starker, kräftiger, ja schöner Mann, aber ersichtlich verwildert
und nach dem Zeugniß seines Brodherrn, des Amerikaners, ein wüster,
wilder und unbändiger Geselle. Er schien betrunken, und als noch dazu
ihm unsere Matrosen eine schwere Sorte Kautabak gegeben hatten, gab er
nach Art der Seekranken sichtliche Zeichen des Uebelbefindens von sich
und man konnte wohl bemerken, daß ihm jammervoll zu Muthe. Indessen
ruderte er unverdrossen fort und mit weit hinauf entblößten Armen. Auf
einem dieser Arme aber war, wie es sich häufig bei Seeleuten findet,
mit blau und rother Farbe eine Zeichnung eingeäzt, indessen so deutlich
und zugleich so Skandalöses darstellend, daß die arme kleine Senorita,
welche uns begleitete und jenem Riesen gerade gegenüber und in
nächster Nähe saß, nicht wußte, wo sie die Augen hinwenden sollte.

Da fixirte ich nur mit _einem_ Blicke den Franzosen mit den Augen auf
seinen Arm, und dann kaum merklich auf die Frau blickend, und jener rohe
Mann, der wohl schon manches Wüste erlebt und vollführt haben mochte,
_erröthete_ und bedeckte augenblicklich seinen Arm. Er erröthete, weil
er eine Frau verletzt zu haben glaubte! und auch ich fühlte, wie
mir das Blut in's Gesicht stieg, weil mich jener Zug von nationaler
Chevalerie doppelt erfreute an den wilden Burschen. Als wir an's Land
stiegen, grüßte er mich, und sagte unhörbar für die andern: »=Grand
merci Monsieur.=« --

Man landet bei Mamilla in einer kleinen felsigen Bucht und das Boot
muß sich buchstäblich durch die Felsen winden, welche scharfkantig
und gefährlich, allenthalben aus der See ragen und am Lande selbst sich
fast grottenförmig aufthürmen.

Dort ist die Vorstadt von Mamilla, welche aus einer jener bereits
beschriebenen und aus alten Lappen zusammengesetzten Hütte besteht,
welche indessen malerisch genug an eine Felsenwand angelehnt ist. Wir
gingen zwischen den Felsen hindurch und kamen auf einen freien Platz,
wo sich das eigentliche Mamilla befindet. Es sind etwa sechs Hütten,
ebenfalls den bereits bekannten gleich, welche die Stadt bilden, und ich
war einigermaßen überrascht, mich dergestalt getäuscht zu sehen.

Indessen ersetzte die Heiterkeit der Bewohner einigermaßen die
Einfachheit der Gebäude. Es war am 10. Februar, Fasching, und ich
bemerkte mit Vergnügen, daß nicht allein ernste Thorheiten sich
ansteckend über den Erdkreis verbreiten, sondern daß auch tolle Luft
und gründliche Possenhaftigkeit sich dieses Recht nicht nehmen läßt.
Allenthalben Gelächter und Fröhlichkeit, Scherz und Freude. Man tanzte
und zechte vor den Hütten, auch zärtliche Gruppen schienen nicht
zu fehlen, vor allem aber sind mir zwei Gestalten im Gedächtniß
geblieben. Die eine, ein großer starker Neger, welcher sich,
abenteuerlich vermummt, Gesicht und Hände mit Mehl bestreut hatte und
unaufhörlich die furchtbarsten Sprünge und Verdrehungen vollführte,
welche er mit schauderhaftem Gesang begleitete, Alles zur Erheiterung
des Publikums und zur Erhöhung der Festlichkeit. Die andere war ein
sanfteres Bild, eine Senorita von stark bräunlicher Hautfarbe, welche
ohne Zweifel den überwiegenden Theil ihrer Kleidungsstücke nach
Landessitte zu architektonischen Verzierungen der Hütte verwendet
hatte, und ziemlich oberflächlich nur mit dem Allerunentbehrlichsten
bekleidet war. Ueber ihre Gesichtszüge vermag ich nichts zu berichten,
denn sie lag mit dem Antlitz gegen die Erde gekehrt, ein Bild der
Ruhe und Beschaulichkeit, vielleicht auch tiefen Kummers, oder einer
intensiven Arack-Narkose!

Wir wendeten uns von jenen Scenen, indem wir bergan stiegen, um in
die Schlucht zu gelangen, welche eigentlich den Namen Quebrada Mamilla
führt, ohne Zweifel von =mamila=, die nährende Mutterbrust. Denn dort,
etwa in halber Höhe des Gebirgs, und 1200 Fuß hoch über dem Spiegel
der See entspringt eine kleine Quelle, welche befeuchtend und nährend
die Schlucht zu einer Oase umwandelt, und an manchen Stellen derselben
eine wahrhaft üppige Vegetation hervorgerufen hat. Die Quelle wird vom
Fuße des Berges durch eine improvisirte Wasserleitung bis an die
See geführt, und dort läßt täglich, auf 4 Stunden Entfernung, der
englische Minenbesitzer in der Algodonbai seinen Wasserbedarf für
Menschen und Thiere holen.

Die Wasserleitung selbst besteht aus alten Blechfragmenten, entnommen
aus unbrauchbar gewordenen Kisten, in welchen Waaren über die See
gebracht worden sind, und welche man mit der Hand in Form von Rinnen
gebogen hat. Man hat durch kleine Steine diese Rinnen unterstützt, und
ich glaubte anfänglich das Ganze von spielenden Kindern erbaut, denn
ein leichter Stoß mit dem Fuße mag leichtlich Alles zerstören. Aber
der kunstlose Bau steht unter dem Schutze der Bevölkerung, und erfüllt
seit Jahren ungestört seinen Zweck.

Weiter oben in der Schlucht breitet sich die Quelle bewässernd aus,
dort hat sich Erde gebildet, und man hat kleine Gärten angelegt. Der
Baumwollenstrauch stand dort in voller Blüthe, ein ziemlich großer
Baum, dem Linzenbaum unserer Ziergärten ähnlich in Blatt und Blüthe,
Granatbaum und andere Kinder der tropischen Flora wucherten, man könnte
fast sagen übermüthig in der nächsten Nähe ihrer tödtlichsten
Feindin, der Wüste[47].

Es liegt an jenen Stellen eine schwarze fruchtbare Dammerde, entstanden
durch die Verwitterung des Gesteins und die Wechselwirkung des Wassers
und der Sonne, bedeckt mit dem üppigsten Grün, dicht neben schwarzem
doleritischen Gesteine, welches von der glühenden Sonne so erhitzt ist,
daß man kaum die Hand auf dasselbe legen kann, und während die grüne
mit Pflanzenwuchs bedeckte Fläche bisweilen, steigt man aufwärts,
wohl zwanzig Schritte breit ist, findet sich anderen Stellen wieder kaum
einige Schuhe breit der Boden mit Erde und Vegetation bekleidet, wie
eben die launenhafte Quelle ihren Lauf genommen.

Wir machten unter einem mächtigen Feigenbaume, der mit einer Menge
reifer Früchte bedeckt war, Halt, und da unsere Reiter ebenfalls
angekommen waren, begannen wir zu schmausen.

Es war ein fröhliches Fest, welches wir dort feierten, ein lustiger
Congreß der verschiedensten Nationen der alten und neuen Welt, die ein
abenteuerlicher Geist über die See geführt, und fröhliche Laune hier
versammelt hatte. Deutschland, England und Frankreich, Nordamerika,
Peru und Chile waren repräsentirt, und es waren die Speisen fast alle
gewählt und bereitet nach dem Geschmacke der Landsmannschaft.

Man erläßt mir wohl den Küchenzettel, aber doch muß ich berichten,
daß kürzlich durch einen Dampfer in die Bai gebrachte Früchte aus
Peru den Reiz des Mahles erhöhten durch Seltenheit und Wohlgeschmack.

Da war die mächtige Ananas, die große peruanische Traube, die Duna,
die Cheremoya, dann die goldene Frucht des Granatbaums, und kaum
gedachten wir die Feigen vom Baume zu pflücken, die wir fast mit den
Händen erreichen konnten.

Dankbarer Weise aber erwähnen wir der Weine aus verschiedenen Ländern,
die uns die heiterste Stimmung brachten, und mancher mag wohl dort tief
genug seine Lippen getaucht haben in das purpurfarbige Blut der Rebe.

Aber auch unser Festsaal war zu loben und trefflich gewählt. Ringsum
die wilden und schroff ansteigenden Felsen der Steinwüste von
Atakama, aber wir auf duftendem Grase, unter den Zweigen des riesigen
Feigenbaumes und dem schönsten Himmel der Erde. Vor uns aber, wo die
Schlucht sich öffnete, das unendliche Meer, groß, still und ruhig, ja
einsam wie die Wüste hinter uns, denn es vergehen öfters Wochen, bis
ein Schiff die Bai besucht, und kein Segel war auf der weiten Fläche
zu sehen. Ich habe dort einen Toast ausgebracht auf die alte deutsche
Muttererde, den die ganze Welt erfahren darf, und einen andern auf
die lieben, theuern Herzen in der Heimath, der Niemand in der Welt
interessirt als jene und mich, dann warf ich mein Glas in die Felsen,
nahm meine Büchse und stieg in die Berge, da sich die Gesellschaft zur
Siesta anschickte, ich aber zu träumen fürchtete von meinen Toasten.

Der Ursprung der Quelle war nicht genau zu ermitteln, indem der Theil
der Schlucht, aus welcher die Quelle kam, so steil und unzugänglich
war, daß ich längere Zeit bedurft hätte, als mir zu Gebote stand,
um bis zur Quelle zu gelangen. Ich wandte mich daher nach einer
andern Seite, und stieg zwischen und über doleritische Gesteine und
Grünsteinformen eine ziemliche Strecke aufwärts.

Schon an der Quelle und in der mit Pflanzwuchs bekleideten Schlucht fand
sich häufig die Losung der Guanacos, welche ohne Zweifel von den Bergen
herabgestiegen dort ihren Durst löschten, weiter gegen oben aber lag
der ausgetrocknete Koth dieser Thiere so häufig, daß bisweilen auf
Stellen von einigen Ackern Landes der Boden buchstäblich damit bedeckt
war. Dieß ließe auf eine ungeheure Anzahl dieser Thiere schließen,
wenn nicht der Umstand zu beachten wäre, daß in jenen Gegenden Nichts
fault, sich Nichts in der Art zersetzt, wie es bei uns der Fall ist,
sondern daß Alles einem langsamen Austrocknungsprocesse, einer wenig
stürmerischen Verwesung unterliegt, und daß zugleich keine Insekten
vorhanden sind, welche diese und ähnliche organische Reste verzehren.
So ist ohne Zweifel seit einer Reihe von Jahren von den zu Thale
ziehenden einzelnen Thieren jene Losung dort aufgehäuft worden. Weiter
gegen oben trat in geognostischer Hinsicht dieselbe Reihenfolge auf, wie
es auch an andern Orten der Bai der Fall, und bereits berichtet worden.
Porphyre und Felsite folgten dem doleritischen Gesteine und oben auf lag
ein Syenit, jenem in der Bai sehr ähnlich, wenn nicht gleich. Ich kam
auf kleine Plateaus, dann wieder auf steile, kaum zu erklimmende Wände,
und es zeigte sich auch hier das terrassenartige Ansteigen des Gebirgs,
wie allenthalben an der Küste, ja wie auf der hohen Cordillera
selbst. Nebel, welche allabendlich die höchsten Spitzen des Gebirges
einhüllen, und welche durch günstige Lage des Gesteins, wohl auch
hier die Quelle bedingen, scheinen ebenfalls auch das Gedeihen jenes
mächtigen Cactus zu begünstigen, von welchem ich schon gesprochen
habe, und man trifft dort, wenn man so sagen darf, ganze Gehölze dieser
Pflanze. Ich habe ein lebendes Exemplar derselben mitgebracht und
sie wurde als =Cereus chilensis= bestimmt. Es wird aber der =Cereus
peruvianus= und =chilensis=, wie mir scheint, häufig verwechselt,
und ich möchte, vielleicht noch zu größerer Verwirrung der Frage,
beifügen, daß sowohl hier als wie in Chile mehrere große Cacteen
vorkommen, welche sich wohl sehr ähnlich sind, aber keiner der beiden
genannten Arten angehören. =Jania rubens= fand sich häufig an den
alten, oft 30 Fuß hohen Stämmen jener =Cacteen=, und auch =Bambusa
Guada= fand ich dort in einzelnen Exemplaren. Dieß war das einzige
Anzeichen von Vegetation in jenen sterilen Gehägen, während sich
nirgends ein lebendes Thier blicken ließ, denn selbst der Condor
fehlte, der auf der hohen Cordillera doch bisweilen über uns in den
Lüften schwebt. Ich war lange aufwärts gestiegen im Gebirge, war auf-
und abwärts geklettert über Schluchten und an abschüssigen Wänden,
so daß ich längst die See nicht mehr sah, und als ich endlich an den
Heimweg dachte, die Möglichkeit vor mir sah, unser Lager nicht mehr
zu finden. Doch gab bereits die im Sinken begriffene Sonne mir die
Richtung, und ich langte nach etwa dreistündiger Abwesenheit im Lager
an.

Dort lagen alle Schläfer noch zerstreut in malerischen Gruppen und ich
wurde an die Schläferscene im Robert erinnert; da ich aber keinen Zweig
zu zerbrechen hatte, feuerte ich einen Schuß über ihre Köpfe hinweg.
Bald loderte nun ein Feuer, es wurde Kaffee bereitet und die Rüstung
zum Heimweg betrieben. Ehe ich aber die wirthliche Schlucht verlasse,
will ich noch einiger Thiere gedenken, welche ich dort getroffen,
und welche ohne Zweifel einzig auf die grünende Parthie derselben
angewiesen sind. Es war ein kleiner finkenartiger Vogel, welcher, jedoch
selten, durch die Aeste der größeren Bäume schlüpfte, dann einige
Eidechsen, welche zierlich und schlank gebaut und unserer =Lacerta
agilis= nicht unähnlich waren. Sie schienen den Menschen kaum zu
fürchten, und haschten kleine Stückchen Brod oder Feigen, welche man
ihnen hinwarf, und flohen damit in ihre in den Steinen befindlichen
Schlupfwinkel, um bald darauf wieder zu erscheinen. Ich habe keines
dieser Thierchen getödtet, und auch keinen der Vögel, kann daher über
Art und Gattung nichts weiter sagen.

Ferner fand ich noch zwei Arten von Fliegen und das vorzugsweise
unter dem großen Feigenbaume, auf Stamm, Blättern und Früchten
umherfliegend. Es hatten jene Fliegen Aehnlichkeit mit =Cynips Psenes=,
durch welche in Griechenland die sogenannte Caprification der Feigen
vermittelt wird, und es wäre wohl möglich, daß jene Fliegen dort in
Mamilla in ähnlicher Beziehung zu den Feigen ständen, doch konnte ich
an den reifen und unreifen Früchten keine Spur eines Insektenstiches
finden. Auch kennt man weder in der Algodonbai noch in Chile die
Operationen, welche man im Oriente anwendet, um die Reife der Feigen
künstlich zu befördern, und giebt es dort ein solches Insekt, durch
dessen Stich dieß geschieht, so findet die Caprification wenigstens
ohne Hülfe und Mitwissenschaft der Menschen statt.

Am Strande angelangt, wurde uns von einigen Bewohnern Mamillas ein
junges Guanaco zum Verkaufe angeboten, und der Kapitain erstand dasselbe
zu einen ziemlich hohen Preise, um es mit nach Europa zu zu nehmen.
Wir erfuhren dort, daß die Guanacos eben nicht häufig auf den Bergen
seien, daß aber doch welche getroffen würden, und daß die Thiere
häufig des Nachts an die Quelle kämen um zu trinken. Ganz =à la=
Robinson wird dann bisweilen eines oder das andere von irgend einem
Verstecke aus mit dem Lasso gefangen. Das Junge, welches wir mitnahmen,
war nebenher gesagt, das boshafteste, störrigste und widerwärtigste
Subject (unter den vierbeinigen nämlich), welches mir seit langer Zeit
vorgekommen. Es hatte die Größe eines starken Rehbockes; wir brachten
es glücklich mit nach Europa, und ich habe später vielleicht noch
Gelegenheit von ihm zu berichten.

Wir hatten heimwärts günstigen Wind, und konnten abermals das Segel
benützen; so kamen wir rasch vom Flecke und die Fahrt war bei der
lieblichen Temperatur des Abends in der That eine höchst angenehme zu
nennen. Als wir uns dem Felsen näherten auf welchem sich gewöhnlich
die Robben aufhalten, lagen wirklich mehrere derselben dort, sich in der
Abendsonne wärmend.

»Das giebt einen Scherz,« sagten unsere Matrosen, »geben Sie einmal
Acht, was die Burschen sich ärgern, wenn man ihnen Seehund! zuruft,
denn weil es eigentlich _Seelöwen_ sind, so verdrießt sie dieß ganz
verzweifelt.«

In der That hatte es ganz den Anschein als wollten die »Seelöwen« die
Meinung der Matrosen in Betreff ihres Racen-Vorurtheils rechtfertigen.
Wir näherten uns dem ersten, der zu schlafen schien, und riefen
sämmtlich aus voller Kehle das ominöse »Seehund.« Da erhob sich das
Thier, stieß ein wirklich schauderhaftes Gebrüll aus, und rutschte,
mit den kurzen Stummelfüßen sonderbare Bewegungen machend, bis an den
Rand der Klippe. Jetzt lachten ihn die Matrosen aus, wiederholt Seehund
rufend, bis endlich unter wüthendem Gebrülle das Thier sich kopfüber
in die See stürzte. Interessant war bei der Geschichte, daß die kaum
fünfzig Schritte davon auf andern Klippen liegenden Robben nicht auch
sogleich die Flucht ergriffen, sondern wirklich warteten, bis auch sie
persönlich angegriffen und verhöhnt wurden.

Ohne irgend einen störenden Unfall und sehr befriedigt von den
Ereignissen des Tages, erreichten wir ziemlich spät des Abends den
Dockenhuden, und versprachen uns gegenseitig einen zweiten ähnlichen
Ausflug nach Mamilla, der aber in Folge anderer Excursionen unterblieb.

Einige Tage später unternahm ich allein eine Excursion in die Berge um
geognostische Notizen zu sammeln, und vielleicht nebenher ein Guanaco zu
erlegen. Ich hatte eine kleine, wollene Decke mit mir genommen, wie
ich solches auch in Chile that, wenn ich im Freien übernachten wollte,
etwas Charque, d. h. an der Sonne getrocknetes Ochsenfleisch, ein wenig
Zwieback, und meine Feldflasche mit Rum gefüllt. Daß Berg-Compaß,
Mineralienhammer und die Doppelflinte nicht fehlten, versteht sich von
selbst. Ich verließ des Morgens gegen zehn Uhr den Dockenhuden
und stieg rüstig bergan. Die Ergebnisse der meisten geognostischen
Erfahrungen, welche ich auf dieser und andern ähnlichen Touren
sammelte, habe ich theils in einer größeren wissenschaftlichen
Abhandlung niedergelegt, theils aber auch in den gegenwärtigen
Reiseskizzen insoferne berührt, als es für dieselben von Interesse
ist. Ich will daher den freundlichen Leser nicht weiter mit solchen
behelligen, indessen muß ich von einer Erscheinung berichten, der ich
schon früher vorübergehend erwähnte.

Es ist dieß die scheinbare Schichtung des Gebirges, welche an mehreren
Stellen der Küste beobachtet wird und welche, wie sich bei näherer
Betrachtung ergibt, durch Verwitterung bedingt ist.

Ich habe schon öfter des terrassenartigen Ansteigens erwähnt, welches
die dortigen Bergformen charakterisirt. An manchen Stellen nun haben
sich die einzelnen Parthien, kolossalen Mauern ähnlich, neben einander
emporgeschoben, so daß eine stets die andere überragt, und, wenn man
will, eine Art Riesentreppe gebildet wird. Durch Verwitterung nun,
und allmälige Zersetzung des Gesteins, hat sich ein Theil derselben
abgelöst und ist von den steilen Wänden hinabgestürzt auf den ebenen
Theil der unteren Bildung, der hier ein größeres oder kleineres
Plateau bildet. Da das zersetzte verwitterte Gestein fast stets eine
andere Farbe angenommen hat, so sticht seine Anhäufung auf dem untern
Plateau meist ziemlich scharf ab gegen die steil ansteigende Wand des
unzersetzten Felsens, der mauerartig hinter dem Plateau ansteigt. Dies
bildet nun quer am Abhange des Gebirges hinziehende, verschiedenfarbige
Streifen und Bänder, welche an vielen Stellen der Küste, von einiger
Entfernung gesehen, fast täuschend den Eindruck der Schichtung machen.

Bei der Regenlosigkeit jener Küstenstriche muß eine solche Masse
verwitterten Gesteins auffallen, allein es tritt dort die intensive
Sonnenhitze wieder theilweise ergänzend auf, und das einmal abgelöste
und auf die untere Fläche gestürzte Gestein bleibt dort für immer
liegen, eben da die Regengüsse fehlen, welche an einem andern Orte mit
der Zeit diese Lagen mehr und mehr abwärts führen würden.

Während der ganzen Küstenfahrt interessirte mich diese scheinbare
Schichtung des Gesteins, und schon auf der hohen Cordillera in Chile
habe ich früher Aehnliches an entfernten und unzugänglichen Stellen
des Gebirges betrachtet. Ich fand hier plötzlich die einfache aber
vollständig klare Lösung des Räthsels, und setzte erfreut meinen
Weg fort, denn das Vergnügen, welches man bei solchen Gelegenheiten
empfindet, entschädigt für die Entbehrungen von Wochen und Monaten.

Bis gegen Abend kletterte ich bald abwärts bald aufwärts, Handstücke
schlagend, Durchschnitte zeichnend, und überhaupt nach Kräften
geognostische Studien betreibend. Dann stieg ich aufwärts so weit ich
konnte und ging eine Strecke in's Land, wenn der felsige, steinige
Boden so genannt werden darf, der von tausend Rissen durchzogen, und mit
mächtigen Felsenstücken bedeckt war. Aber stets war die Aussicht in's
eigentliche Innere versperrt durch neue aufsteigende Felsenhügel, und
ich sah ein, daß ein weiteres Vordringen für heute nicht möglich,
wenn ich morgen wieder an Bord sein wollte. Ich ging also gegen Süden,
wo sich das Gebirge etwas senkte, und so weit gegen die Küste zu, daß
eben das Meer wieder sichtbar wurde. Dort suchte ich mir einen
Felsen aus, in dessen Nähe möglichst wenige frisch herabgestürzte,
scharfkantige Bruchstücke lagen, weil ich schloß und hoffte, daß
auch während der Zeit, in welcher ich neben ihm liegen würde, ein
Herabfallen nicht stattfinden würde. Ein Vorsprung von einigen Fuß
mußte das schützende Dach vorstellen, und indem ich größere Steine
hinwegräumte, bereitete ich mein Lager so gut es ging.

Spartanisch genug fiel es aus, das mag ich nicht verhehlen, und wenn
gleich die Müdigkeit mich die ersten Stunden ziemlich fest schlafen
ließ, so brachte ich doch den größten Theil der Nacht schlaflos zu,
und diese Schlaflosigkeit war sicher nicht durch die allzu reichliche
Abendmahlzeit hervorgerufen, da ich die Hälfte meines Vorrathes für
den folgenden Tag gespart hatte. Was ich indessen am meisten fürchtete,
den Mangel an Wasser, empfand ich am wenigsten, und ohne Zweifel war
die schwache Nebelschichte, welche sich herabgesenkt hatte, die Ursache
hievon.

Als ich etwa gegen 1 Uhr in der Nacht erwachte, war der Mond
heraufgestiegen und der Nebel auf den Bergen fast gewichen, so daß
die Felsengruppen um mich beleuchtet waren, und auch über den öden
Flächen des Gebirges und der fernen See ungewisse Streiflichter
zitterten. Ich starrte dort wie im Traume auf jenes Chaos von Felsen,
Nebel und undeutlichen Lichtmassen hin, und es beschlich mich ein
solches Grauen, daß ich deutlich mein Herz schlagen hörte. Wovor? Ich
weiß es nicht. Warum? Ich vermag keine Rechenschaft zu geben, denn ich
hatte viele Nächte im Freien zugebracht eben so allein wie hier. Es
war keine Furcht vor etwas Lebendem, keine Scheu vor etwas Todtem,
Gespenstigem, es war ein tiefes, unbezeichenbares Grauen, ein Schaudern
bis in's innerste Mark, ein Alpdrücken im wachenden Zustande.

Mancher Sprung in's Wasser und mancher verhängnißvolle Druck am
Schloße der Pistole mag vielleicht solche Momente geschlossen haben.
Ich hatte das nicht zu fürchten. Hatte ich nicht den zweiten Toast
getrunken in der Schlucht von Mamilla!

Jenes furchtbare Gefühl dauerte indessen nicht lange. Schon eine halbe
Stunde nach dem Erwachen rauchte ich die versöhnende Friedenspfeife
mit mir selbst, und schuf mir Theorien, wodurch jene Schauder entstanden
sein konnten. Ich will diese dem Leser erlassen, muß aber beifügen,
daß ich mehrmals in der Nacht das Wiederkehren fürchtete, ähnlich
einer pathologischen Erscheinung.

Obgleich ich schon manche unangenehmere Nacht zugebracht unter Dach als
hier unter dem sogenannten Himmelszelte, so war doch die Erinnerung
an diese eben keine erfreuliche zu nennen, und ich nahm mir vor, ein
zweites Nachtlager auf ähnliche Weise in der Folge zu versuchen, der
Probe halber und des Experiments wegen. Ich habe es einige Tage später
ausgeführt, und kann von jener Nacht dem Leser versichern, daß
sie friedlich vorübergegangen und die Expedition nichts besonderes
geliefert, als Ergänzungen zu meinen geognostischen Studien.

An jenem Morgen aber brach ich schon vor Anbruch des Tages auf und hielt
mich in südlicher Richtung das Gebirge verfolgend auf dessen Höhe, bis
ich endlich, als die Sonne zu steigen begann, abwärts schritt, um das
Ufer zu erreichen. Es waren bisweilen die Wände und Gehäge so steil,
daß ich mich kaum zu halten vermochte, und da ich eine ziemliche Last
an erworbenen geognostischen und oryktognostischen Stufen mit mir trug,
welche durch neue Funde stets wuchs statt abzunehmen, so war ich froh
als ich den Fuß des Gebirges erreicht hatte.

Meiner Rechnung nach mochte ich etwa drei und eine halbe Stunde von der
Bai entfernt sein, aber bei der bereits drückenden Sonnenhitze und dem
oft glühend heißen schwarzen Sand der Küste, welcher häufig mit dem
weißen, aus Muschelfragmenten begehenden, wechselte, war der Heimweg
immerhin ein beschwerlicher zu nennen. Zudem hatte ich Hunger, da bis
auf einen kleinen Rest von Zwieback mein Speisevorrath zum Frühstück
gedient hatte, um die Schauer der Nacht zu vertilgen. So gewährte es
mir ganz besonderes Vergnügen, als ich an den aus der See ragenden
Klippen plötzlich mehrere Möven sitzen sah, welche sich wenig um mich
zu bekümmern schienen. Ich schoß eine derselben, und indem ich mir
dieselbe aus dem Wasser nahm ich ein Morgenbad und zugleich einen Mund
voll Seewasser[48].

Ich wußte, daß in den Ausläufen der Schluchten nicht selten
vertrocknete Cactusstämme angetroffen werden, welche dort als
Feuerungsmaterial dienen, und so schritt ich weiter, auf solche wartend,
um meine Möve zu braten, wie ich es bereits in Chile mit einem guten
Theile geschossener Vögel gethan.

Wie ich schon früher bemerkte, wechselt häufig der Sand der Küste,
indem er einmal aus schwarzen magneteisenhaltigen Körnern, dann
wieder aus größeren Geschieben, endlich aber an andern Orten blos aus
Muschelfragmenten oder thierischen Resten überhaupt besteht.

Es ist ohne Zweifel sowohl der nächste Meeresgrund, als auch die
Richtung der kleineren Buchten, gegen den vorzugsweise herrschenden
Wind, hieran schuld, und so kam ich bald, nachdem ich die Möve erlegt
hatte, an eine solche Bucht, die buchstäblich bedeckt war mit Knochen
von Robben und Wallfischen, und mit Schädeln derselben, welche in
der Form wenigstens noch wohl erhalten, obgleich fast alle organische
Substanz aus ihnen verschwunden war, und ein weiterer Transport kaum
möglich erschien. Die flachen Ufer jener Bucht erstreckten sich wohl
hundert Schritte weit bis an den Fuß des Gebirges und hatten die
vierfache Länge, und es bedurfte ohne Zweifel mehrere Jahrhunderte,
um die Unzahl von Knochen aufzuhäufen, welche sich dort befinden. Ich
zeichnete den Schädel eines Wallfisches, der etwa 7 Fuß Länge hatte
und verließ die Stelle, indem ich mich wieder den Bergen näherte, wo
ich endlich fand, was ich suchte, nämlich einige ausgetrocknete, zur
Feuerung tüchtige Stücke von Cactusstämmen. Ein kleines Feuer war
bald entzündet und die zerstückte Möve kunstgerecht mit etwas Salz
bestreut, gebraten, oder vielmehr halb geröstet und halb verbrannt.
Obgleich ich stets Hammelfleisch und weiße Rüben als das
abscheulichste Essen erklärt habe, muß ich doch gestehen, daß jener
Vogel noch verabscheuungswürdiger roch, und fast noch erbärmlicher
schmeckte als jenes genannte schmähliche Gericht.

Nach etlichen Stunden kam ich an Bord an, nachdem ich vorher die Ruinen,
oder wenn man will die Grundmauern von Wohnungen aufgefunden hatte,
welche einer alten und längst ausgestorbenen Menschenrace angehörten.
Aber hievon werde ich später berichten.

Ich habe so eben jener eckelhaften Speise des Hammelfleisches erwähnt,
und muß jetzt gestehen, daß ich schon des folgenden Tages _dreimal_
Hammelfleisch genießen mußte (glücklicher Weise indessen ohne
Rüben), und daß ich dieser außerordentlichen und kaum glaublichen
Thatsache halber ein Attest bei mir führe, welches ich mir von unserm
Kapitain mit beglaubigter Zeugenunterschrift habe ausstellen lassen.

Dem Leser erlasse ich die Mittheilung dieses Attestes, welches indessen,
als ich den Kapitain um die Unterschrift bat, viel Scherz veranlaßte,
und hiefür erläßt mir vielleicht der günstige Leser die detaillirte
Aufzählung der ganzen Reihe von merkwürdigen Begebenheiten, welche
jene unerhörte Thatsache hervorgerufen hat.

Direct aber an den letzten Hammelkopf mit Zwiebeln, der bei dem
englischen Minenbesitzer verzehrt wurde, muß ich die Schilderung einer
der romantischsten Parthien der Bucht anknüpfen. Wir hatten nämlich
bei Herrn Thomas Helsby zu Mittag gegessen, und es führte uns derselbe
nach Tische in der Umgegend seiner Besitzung umher. Nicht weit von der
letztern befindet sich eine größere Gruppe jener öfters erwähnten
dunkeln Felsgebilde, welche zusammenhängend und massiger als
gewöhnlich, hier eine Halbinsel bilden. Das unregelmäßige Viereck,
aus welchem die Gruppe besteht, hängt eben nicht unmittelbar längs der
ganzen dem Lande zugewendeten Seite mit demselben zusammen, sondern es
bildet die See hier einen Einschnitt in die Felsenmasse, eine schmale
etwa 10 bis 12 Fuß breite Bucht, die ungefähr zwei Drittheile der
Länge jener der Küste zugewendeten Seite der Felsparthie beträgt.

Die ganze Masse der Felsen steht senkrecht und mauerartig aus dem Wasser
hervor und ihre Höhe beträgt auf der Seeseite 36 bis 40 Fuß. Auf der
Landseite aber sind sie etwas höher, so daß vom Lande gegen See zu ein
Fall stattfindet.

Die Oberfläche der kleinen Halbinsel ist mit einzeln emporstehenden
Spitzen, kegelförmigen Erhöhungen und Zacken besetzt, und dieselbe
erhält dadurch ein phantastisches und groteskes Ansehen, dabei beträgt
ihre Breite dreißig und etliche Schritte, ihre Länge aber etwa
zweihundert.

Was aber jener schon an und für sich romantischen Parthie einen
wirklich und großartig pittoresken Reiz verleiht, ist die Brandung,
welche an jenem Theile der Küste, wie ich bereits erwähnte, bisweilen
in so ungestümer Heftigkeit und mächtiger Höhe auftritt.

Die Oberfläche jener Felsgruppen ist bei gewöhnlicher Brandung bis
auf einige mit Wasser gefüllte Vertiefungen trocken und kann bestiegen
werden. Bei höherer Brandung aber steigen die Wasser über die Felsen
empor und überfluthen dieselben.

Wir nahmen unseren Standpunkt hinter dem vorher erwähnten Einschnitte,
welcher einen Theil der Halbinsel von der Küste trennt, und sahen
über erstere hinweg, wie mächtige Wellen der Brandung, wandelnden
Riesenmauern gleich, gegen die Felsen anstürmten. Aber dort brach sich
ihre Kraft, wir hörten blos das dumpfe Brüllen der zerschellenden
Wassermassen und höchstens stiegen weiße, zackige Kämme, die
Spitzen der stürmenden Wogen, über die Felswand empor, um im andern
Augenblicke wieder zu verschwinden.

Plötzlich aber rückte von der See her eine neue, stürmende
Wassermasse an, eine gewaltige, mächtige Fluthenmauer; sie
erreichte die Felswand und dieses Mal überströmte sie dieselbe. Mit
donnerähnlichem Brausen und Toben stürzte von allen Seiten mit der
Schnelligkeit des Blitzes die siegende See aufwärts über die schiefe
Fläche des Fels-Plateaus. Zwischen uns und der anstürmenden Fluth war
jene Schlucht, und doch wichen wir unwillkürlich einen Schritt zurück;
aber die Wasser ergossen sich jetzt unaufhaltsam vorwärts stürzend in
die Schlucht selbst, so daß diese bis zum Rande gefüllt erschien mit
dem weißen, wild aufkochenden Elemente.

Auf der einen Seite ist die Schlucht gegen die See geöffnet und bietet
einen schmalen Eingang, auf der andern Seite aber ist eine etwa 10 Fuß
breite Höhle in gleichem Niveau mit dem Wasser bei gewöhnlichem
Stande. In diese Höhle stürzen die Wasser, welche kurz vorher
die Schlucht erfüllten und obgleich ein Theil derselben wieder
hervordringt, so bleibt doch die größte Menge im Innern und muß
jedenfalls einen andern Ausfluß haben.

Es erneute sich das interessante Schauspiel stets nach einigen Minuten,
und obgleich fast betäubt von der ganzen colossalen Erscheinung,
blieben wir doch fast eine Stunde lang in ihre Betrachtung versunken,
und unwillkürlich habe ich bei jenen wild aufkochenden Wogen, die dann
plötzlich in die geheimnißvolle Höhle verschwinden, an Schiller's
Taucher gedacht.

Geheimnißvoll aber ist die Höhle wirklich. Es benützen sie
Schmuggler[49] als Zufluchtsort und Versteck, und ihnen allein sind die
Vortheile bekannt, mittelst welcher man über und durch die unzähligen
Klippen und Felsenspitzen hinwegkömmt, welche aus dem stets heftig
bewegten Wasser der Schlucht hervorragen. Das Innere der Höhle hat ohne
Zweifel einen andern, blos ihnen bekannten Ausgang, und muß sichern
Raum bieten. Aber Niemand außer den Schmugglern hat je den Eingang
gewagt.

Zollwächter verfolgten vor einiger Zeit an der Küste ein
Schmugglerboot, welches die Schlucht gewann, und in dem tobenden
Wogen-Chaos derselben verschwand. Auch das Wachtboot folgte und
verschwand ebenfalls. Des andern Tages fand man einige Trümmer
desselben, und den zerschmetterten Leichnam des einen der sechs
Zollbedienten. Die andern hat kein Auge je wieder gesehen; aber die
Schmuggler erschienen ganz unbefangen nach einigen Tagen, verkauften
ihre Waare und besuchten auch später die Küste wieder.

Nachdem wir die »Schmugglerbucht« verlassen hatten, ging der Kapitain
mit Herrn Helsby nach dessen Wohnung, um noch einige Geschäfte zu
besorgen; Kapitain Müller und ich aber fuhren an Bord zurück, und
wir hatten das Glück, an jenem Abende eine interessante Erscheinung zu
beobachten.

Die Sonne war eben am Untergehen, und das Wetter war wie immer heiter,
obgleich die höchsten Spitzen des Küstengebirgs bereits fast seit
einer Stunde mit der gewöhnlich des Abends erscheinenden Nebelschicht
bedeckt waren. Zugleich war auch in einiger Entfernung auf der See Nebel
aufgestiegen, und es erschien hiedurch und durch die verschwindenden
Strahlen der Sonne, der Horizont einige Grade hochröthlich gefärbt.

Wir waren etwa noch 6 Faden vom Schiffe entfernt, als ich plötzlich
scheinbar in Entfernung von etwa einer englischen Meile an einer Stelle,
welche sonst vollkommen frei war, einen dunkeln Fleck bemerkte, und
Kapitain Müller hierauf aufmerksam machte, da ich ein Segel zu sehen
glaubte; indessen wurden wir beide im nächsten Augenblicke gewahr, daß
wir kein Schiff vor uns hatten, sondern daß es ein Fels sein müsse,
und zwar der ganzen Form nach einer jener spitz und kegelförmig aus dem
Meer hervortretenden Grünsteinformen.

Aber noch indem wir die Sache besprachen, rief uns der Obersteuermann
zu, uns zu beeilen, indem sich etwas ganz Seltsames zeige. »Ich sehe
Land mit einem Flaggenstocke -- rief er -- wo noch vor 10 Minuten keins
war!«

Man kann sich denken wie die beiden Matrosen, die uns fuhren, mit ihren
Riemen auszogen, und wie rasch wir beide am Fallreef hinauf und auf
Deck flogen. Dort sahen sowohl wir als auch alle anwesenden Matrosen
allerdings etwas sehr _Seltsames_. An einer Stelle der See, an welcher
vor einigen Minuten keine Spur von irgend etwas Fremdartigem zu sehen
war, stand ruhig und vollständig klar ausgesprochen ein spitzer
Felsenkegel, der etwa 100 bis 150 Fuß hoch sein mochte, wenn die
Entfernung richtig war, in welcher wir ihn zu sehen glaubten, und welche
keinen Falls mehr als eine englische Meile betrug.

Während aber der Fels ruhig und fest aus dem Wasser ragte, befand sich
oben auf demselben ein anderer Gegenstand, der sich sichtlich bewegte,
sich bald nach rechts, bald nach links wendete, bald höher, bald
niedriger wurde. Dieses zweite Bild war unten schmal, oben aber breit,
und machte auf mich den Eindruck zweier Palmbäume deren Stämme
dicht an einander standen, während nach oben die Kronen sich weiter
ausbreiteten und theilweise in einander übergingen.

Die Seeleute glaubten _Land_ zu sehen und einen _Flaggenstock_ auf
demselben. So jeder nach seinem Geschäfte.

Mein erster Gedanke war eine Lichtspiegelung, das Abbild irgend eines
Felsens der Küste mit einem Palmbaum auf der Spitze. Aber es befanden
sich in der ganzen Umgegend keine Palmbäume, mithin war die Theorie
nicht stichhaltig. Da tauchten rechts und links von dem zuerst sichtbar
gewordenen Felsenkegel kleinere auf, zwar kaum die halbe Größe des
erstern erreichend, aber wie er ruhig und unbefangen dastehend und sich
sichtlich nicht um uns kümmernd, während wir uns die Köpfe zerbrachen
über ihr unerwartetes Erscheinen. Jetzt fuhr mir wie ein Blitz die Idee
einer vulkanischen Hebung durch den Kopf. Welch ein Glück! Ich fühlte
wie mein Herz schlug! Ich war also von einem günstigen Geschicke
auserkoren einer weitern Hebung der Küste beizuwohnen. Jene
Grünsteinformen, welche mich bereits so vielfach beschäftigt hatten,
sollten jetzt vor meinen Augen entstehen. Morgen schon vielleicht war es
möglich, mit dem Boote sich den neu entstandenen Bildungen zu nähern.
Durch Bimssteinstücke und durch Massen von Seefischen, die getödtet
von der Hitze um die vulkanischen Kegel schwammen, wird das Boot den
letzteren beizukommen suchen. Vielleicht kann irgendwo schon Fuß
gefaßt und eine bezeichnende Stufe geschlagen werden!

Während die bewegliche vorhin geschilderte obere Parthie der
Erscheinung von den Seeleuten für eine Flagge gehalten wurde, sah
ich jetzt in derselben eine Rauchsäule, gegen oben sich fächerartig
ausbreitend, und allerdings war sie einer solchen sehr ähnlich, und
selbst die Matrosen gaben mir jetzt recht.

Als ich aber den Steuermann, der allerdings Kenntniß hatte von solchem
Entstehen neuer Inseln, meine Vermuthung mittheilte, fuhr derselbe
zurück wie von einer giftigen Schlange berührt.

»Wenn das wäre! Zum Teufel, wie kommen wir aus den verdammten Klippen,
die vielleicht allerwärts um uns emporsteigen,« sagte er und ich
begriff, daß er Recht hatte, obgleich ich mich dennoch innerlich
über das Phänomen freute. Aber es war mir mittlerweile mein Fernrohr
gebracht worden, ein Feldstecher von Plössel in Wien mit vier Ocularen.
Als ich jetzt die Erscheinung näher betrachtete, so zeigte sich,
daß das Bild derselben zwar _größer_ wurde, aber _nicht schärfer_,
wenigstens nicht in dem Grade als es bei der gewählten Vergrößerung
hätte werden müssen, und wir waren bald alle einig, daß wir zwar
_Felsen_ vor uns hatten, aber keine wirklichen, sondern daß das ganze
Phänomen eine Luftspiegelung war, oder wenigstens in die Reihe dieser
Erscheinungen gehörte. Vollkommen bestätigt wurde jetzt diese Ansicht
dadurch, daß durch das Instrument am Fuße des Felsen keine Spur von
Brandung wahrgenommen werden konnte.

Die Bilder standen nicht weit von der anfänglich erwähnten
Nebelschichte entfernt, aber auch immer noch so weit, daß zwischen
ihnen und der Stelle, wo der Nebel die See bedeckte, noch ein freier
Raum blieb, in welchem, also noch hinter dem scheinbaren Felsen, die
Oberfläche des Meeres gesehen werden konnte. Wäre also in Wirklichkeit
irgend ein Gegenstand in der See gestanden, so hätte jedenfalls
die Brandung wahrgenommen werden müssen, da das Wasser in so weiter
Ausdehnung beobachtet werden konnte, und überdies wäre ohne Zweifel
bei einer vulkanischen Hebung ringsum das Wasser ohnedem mächtig
empört gewesen.

Aber allerwärts war die See ruhig, und man konnte durch das Glas
deutlich die friedliche kleinen Wellen um das Bild, oder vielmehr vor
demselben spielen sehen.

Nachdem die Erscheinung, so lange wir am Bord sie beobachteten, etwa 8
Minuten gedauert hatte, verschwand sie allmälig, indem sie zu versinken
schien und dieses Versinken fand vollkommen gleichmäßig statt, indem
die kleineren später sichtbar gewordenen Kegel schon vollständig
verschwunden waren, während die obere Hälfte des größten Kegels
noch vollständig zu sehen war. Jenes zweite Bild oberhalb des größern
Kegels, des Obersteuermanns Flaggenstock und meine Rauchsäule, hatte
sich allmälig oben weiter ausgedehnt, war aber zugleich schwächer
geworden.

Ich hielt es jetzt, und wie ich glaube mit Recht, für eine verkehrte
Spiegelung des untern Bildes, und es war vollständig verschwunden, ehe
noch das untere gänzlich untergesunken war.

Die See blieb, wie ich durch das Fernrohr beobachten konnte,
vollständig ruhig während des Verschwindens und scheinbaren
Untertauchens aller jener Felsenkegel und es herrschte kein Zweifel
mehr, daß wir eine Luftspiegelung beobachtet hatten.

Da die See eine niedere Temperatur als die sie umgebende Luft hatte,
so bewirkte sie eine stärkere Abkühlung der ihr zunächst gelegenen
Luftschicht, und indem sich diese Abkühlung nach oben fortpflanzt,
bilden sich mehrere Schichten von verschiedener Dichte. Dies sowohl
wie die hierdurch veranlaßten Nebel, sind bedingende Momente der
Luftspiegelung. Ohne Zweifel finden hie und da ähnliche Erscheinungen
in der Bai statt, aber ich konnte keine Notizen erhalten, ob sie von den
Einwohnern beobachtet worden sind.

Wohl aber mag man sich denken, daß ich hoch erfreut war, Zeuge der
Erscheinung gewesen zu sein, war gleich die Hoffnung, eine vulkanische
Hebung beobachten zu können, buchstäblich zu Nebel geworden.

Ich komme jetzt zu dem glücklichsten und interessantesten Funde,
welchen ich in der Algodonbai gemacht habe.

Kaum einige Tage in der Bai angekommen, fand ich an mehreren Stellen
unzweifelhafte Spuren, daß früher, und wohl ohne Zweifel lange vor
Entdeckung der Küste durch spanische Schiffe, dieselbe bewohnt gewesen
war. Aber welchem Volke jene Bewohner angehört hatten, ließ sich nicht
ermitteln.

Unweit jener Felsen, welche die Schmuggler-Bucht bergen, findet sich das
Plateau eines größeren Grünsteinfelsens, und dasselbe ist offenbar,
um ihm eine größere Ausdehnung zu geben, durch eine Art Mauer oder
Damm fortgesetzt. Es ist diese Mauer theils aus großen Steinen und
Felsstücken ohne alles Bindemittel aufgethürmt, theils aber auch aus
kleinen Geschieben und scharfkantigen Gesteinfragmenten construirt,
welche durch Kalk-Cement verbunden sind. Das Plateau selbst ist gegen
Nord hin frei, und es herrscht unter den Grubenbesitzern die Ansicht, es
sei zum Sonnendienste bestimmt gewesen.

Es finden sich ferner etwa zweihundert Schritte weit entfernt vom
mittleren Stande der See die Ruinen alter Bauwerke, Reste, die wohl an
1000 Jahre alt sein mögen, die man indessen vollkommen zu zerstören
sich nicht die Mühe genommen hat. Man hat sich bemüht, die Wände
einzuwerfen, hat aber den andern Theil stehen lassen. Ich habe den
Grundriß jener Hütten gezeichnet, aber leider ist mir das Blatt, neben
einigen anderen Papieren auf der Rückreise verloren gegangen.

Die Basis ist ein in die Länge gezogenes Viereck, etwa 15 bis 18 Fuß
lang und 12 Fuß breit, doch vermag ich diese Dimensionen nicht mehr
genau anzugeben. Bei zwei derselben habe ich neben dem Eingange die
Grundmauer eines kleinen Seitenbaues gefunden, welcher ebenfalls
länglich war, aber auf der einen schmalen Seite eine runde Ausbiegung
hatte.

Die Mauern dieser Hütten sind an der noch stehenden Basis einen bis
einen und einen halben Fuß breit; wie die oben erwähnte größere
Mauer sind sie theils aus Gerüllen, theils aber auch aus scharfkantigen
Fragmenten zusammengesetzt und mit Mörtel verbunden. Irre ich nicht, so
stehen in der Bai selbst, unweit Bella Vista, drei solche Ruinen. Weiter
ab aber an der Küste und gegen Süd habe ich ebenfalls eine gefunden,
welche wenigstens noch 3 Fuß hohe Mauern hatte. An verschiedenen Orten
in der Bai und auch weiter hin an der Küste sollen selbst noch vor
einigen Jahren solche Ruinen anzutreffen gewesen sein, indessen wurden
sie, wie man mir sagte, aus Muthwillen zerstört.

Nie hatten die Spanier auf ähnliche Weise ihre Mauern construirt, ohne
Zweifel also waren jene Baureste vorspanischen Ursprungs. Aber
welchem Volke gehörten sie an? Ich sollte bald hierüber erfreuliche
Aufschlüsse erhalten.

Hundert Schritte etwa von den erwähnten Ruinen der Hütten liegt eine
Begräbnißstätte und wahrscheinlich die der Bewohner der Hütten
selbst, obgleich viele weiter südlich lebende spätere Stämme der
Westküste Amerikas die Gewohnheit haben, ihre Todten sehr weit entfernt
von ihren Wohnungen zu beerdigen.

Es waren noch etwa 36 bis 40 Grabhügel sichtbar, indessen war ein Theil
derselben bereits geöffnet und durchwühlt worden, in der Hoffnung
Gold zu finden, welches bei den Gräbern der alten Peruaner, Inka-Race,
bisweilen der Fall ist. Hier indessen wurde nie etwas Aehnliches
gefunden und die archäologischen Bemühungen der Bergleute und
zufällig an die Küste gekommener Matrosen waren fruchtlos.

Neben den noch sichtbaren Gräbern mag aber durch häufiges
Darüberhinweggehen und Reiten wohl ein anderer Theil derselben
vollkommen eingeebnet und unsichtbar geworden sein.

Ich schritt indessen zur Oeffnung der noch leicht erkennbaren Gräber,
und da ich von früher her mir in Derlei einige Uebung erworben hatte,
war es mir ziemlich leicht zu bestimmen, welche der Hügel schon vorher
geöffnet sein mochten und welche noch unberührt waren, und ich fand
mich beim Nachgraben selten getäuscht.

Mein freundlicher Kapitain gab mir mehrere Matrosen mit an's Land, um
bei dem Ausgraben behülflich zu sein, und ich will jetzt angeben,
was ich gefunden habe. Getrost mag der Leser nun einige Seiten
überschlagen, wenn es ihn nicht unterhält, von einer alten
ausgestorbenen Menschenrace zu hören, von welcher ich dort Reste
aufgefunden habe und von denen ich ausführlicher sprechen muß, auf die
Gefahr hin, einem Theile meiner Leser langweilig, ja noch langweiliger
zu werden, als es bisher bei geognostischen und meteorologischen Notizen
der Fall war.

Alle Gräber befanden sich in dem schon früher erwähnten Muschelgruse,
welcher theilweise lose daliegt, bisweilen aber auch durch ein
kalkartiges Bindemittel leicht zusammengekittet ist. Es ist die Form
derselben manchen keltischen oder germanischen ähnlich, wenigstens
habe ich in Franken früher Grabhügel geöffnet, welche unseren in Rede
stehenden sehr ähnlich waren.

Sie sind ziemlich von kreisrunder Form, und haben im Durchmesser etwa
10 bis 15 Fuß; gegen die Mitte zu sind sie 3 bis 4 Fuß erhöht, im
Centrum aber etwas eingesunken.

In den vorher noch nicht durchwühlten Gräbern befanden sich die
Skelette aufrecht, in sitzender Stellung, die Knie an die Brust gezogen,
die Hände an das Kinn gestützt, und die Arme fest an die Schenkel
geschlossen. Das Gesicht war bei der Beerdigung _nicht_ nach einer
bestimmten Himmelsgegend gerichtet, sondern es war leicht ersichtlich,
daß die Leichen ganz nach Zufall oder Belieben eingesenkt wurden.

Man kam meist nach drei, höchstens nach drei und einem halben Fuß
Tiefe auf den Kopf der Leiche. Es war das Haar und die Kopfhaut bei den
meisten gut erhalten, und das erstere war straff und scheint bei beiden
Geschlechtern lang und theilweise in Zöpfe geflochten gewesen zu sein.
Ich fand bei einigen einzelne kleine, zierliche Flechten, mit großem in
der Mitte befindlichen Hauptgeflechte, bei anderen größere Zöpfe,
die in wollene Schnüre eingebunden waren, und ich verwahre noch mehrere
dieser Zöpfe mit all jenem Respekt und der Achtung, welche einem fast
vorhistorischen Urzopfe gebührt.

Es ist unter diesen ein starker, stattlicher Zopf, der mehrere Zolle
lang ist, und ganz allein im Nacken eines Schädels saß, genau so, wie
ihn die christlichen Germanen zu Ende des vorigen Jahrhunderts trugen.

Mithin scheinen verschiedene Formen der Frisur schon zu jener Zeit Mode
gewesen zu sein, und Haarpflege gang und gäbe. Die Haare selbst sind
bei allen Individuen schwarz-braun, aber sie waren ursprünglich
wohl dunkler, und haben durch die Länge der Zeit ihre Farbe in etwas
verändert.

In allen altperuanischen Gräbern, welche man geöffnet hat, und eben
so in den Grabhügeln und Ruinen der Wüste von Atakama hat man fast
vollständig wohl erhaltene Mumien gefunden, hingegen fand sich bei
keinem der von mir ausgegrabenen Skelette ausgetrocknete Muskelsubstanz,
und es zeigten sich um die Knochen höchstens nur Spuren von Moder. Die
conservirenden Bedingnisse, welche bei jenen Mumien auftraten, finden
auch hier statt, es mag mithin schon hieraus auf ein hohes Alter
derselben geschlossen werden, denn es kann nicht wohl angenommen werden,
daß die Todten skelettisirt in's Grab gebracht worden sind, indem
dieser Gebrauch nur bei einigen ganz südlich wohnenden Stämmen im
Schwunge war.

Ich will jetzt kurz die Gegenstände beschreiben, welche ich bei den
Skeletten in den Gräbern gefunden habe, sie vermögen immerhin einigen
Aufschluß über die Lebensweise und den Kulturgrad jenes Volks zu
geben, ja selbst über den Stand der Flora und der Fauna, welche zu
jener Zeit in der Bai geherrscht hat.

Die meisten der Skelette waren mit einem Steinkranze umgeben, wie sich
solches auch bei alten deutschen Gräbern findet. Indessen waren es
offenbar zu wenig Steine, um eine Mauer zu bilden, und sie scheinen
blos in die Grube geworfen worden zu sein, um den Raum um die Leichen
auszufüllen. Dicht um diese selbst befanden sich die Gegenstände,
welche man den Todten mitgegeben hatte.

So fand ich in einem Grabe zwei Geflechte, die nach Art einer Mütze das
Haupt bedeckten, eines über das andere gelegt. Die Form derselben
ist eine einfache Halbkugel; sie sind etwa zwei Linien dick, von
sehr zierlicher Arbeit und wie ich unter dem Mikroskope fand, von
Cactusfasern geflochten.

Weiter wurde eine kleine Kürbisschale gefunden. Sie ist an einer
Stelle gesprungen, und dort mit ganz feinen Löchern versehen, um sie
zu heften. Es resultirt hieraus, daß sie als eine große Seltenheit
betrachtet wurde, denn hätte es zu jener Zeit Kürbisse in der Bai
gegeben, würde man ohne Zweifel sich diese Mühe nicht genommen
haben. In der Schale findet sich ein feines Netz mit kaum liniengroßen
Maschen, und in demselben einige Stücke Eisenocker. Die Schale selbst
ist mit einer Schnur umwunden.

Ein ziemlich großes Stück eines Netzes mit stärkeren Maschen, große
keulenartige Stücke von Cactusstämmen und Streifen eines groben
Gewebes, in welches, wie es scheint, der Leichnam eingewickelt war, sind
die übrigen in jenem Grabe gefundenen Gegenstände.

In einem andern Grabe fanden sich blos die eben angeführten Stücke von
Cactusstämmen, Reste eines größeren Netzes und das grobe Gewebe, in
welches die Leiche eingehüllt war.

Fragmente von Töpferarbeit fanden sich neben den so eben erwähnten
Gegenständen in einem dritten Grabe. So viel sich aus der Form
derselben noch entwickeln ließ, war dasselbe fast gänzlich gleich
jener, die sich allenthalben in Deutschland noch heute in alten Gräbern
findet, und mithin auch gleich den schon oben geschilderten Töpflein,
wie sie noch heute in Chile im Gebrauch sind, und gefertigt werden[50].
Das Material scheint ebenso fast identisch mit dem der alten bei uns
gemachten Ausgrabungen zu sein, und es entscheiden vielleicht hierüber
mitgebrachte Proben, welche ich an verschiedene alterthumsforschende
Gelehrte gegeben habe.

In demselben Grabe fanden sich auch dünne Stücke eines Holzes, welches
viel Aehnlichkeit mit einer Weinrebe hat, ein kleines, roh geschnittenes
Stückchen eines festeren Holzes, drei Zoll lang und an beiden Enden
mit einer kugelförmigen Verdickung versehen, ohne Zweifel zu einem
Fischernetze gehörig.

In einer vierten und fünften Grube endlich wurde eine Waffe oder ein
Messer von Feuerstein gefunden, einen Zoll lang, zwei breit, drei
Linien dick und sorgfältig geschärft. Dann acht Zoll lange sauber
geschnittene und abgeschliffene Knochenstücke eines größern
Säugethiers, welche wahrscheinlich als Webeschiffchen zum Netzstricken
gedient hatten, und mehrere dünne Röhrenknochen von derselben Länge,
an beiden Enden abgeschliffen. Endlich noch fünf bis sechs Zoll lange
Harpunen von Knochen, zum Theil mit einem starken, ledernen Riemen
versehen, aber alle an einem Ende mit Widerhaken von Horn, welche durch
fein geflochtene Schnüre an den Knochen befestigt sind. Unzweifelhaft
haben diese Harpunen zum Fischfang gedient.

Fast in allen Gräbern wurden büschelförmig zusammengebundene Fasern
des Cactus gefunden, und deßgleichen größere Bündel desselben Tanges
(=Hymanthallea lorea=), welcher noch heute sehr häufig in der Bai
getroffen wird.

Was die verschiedenen Gewebe und Schnüre betrifft, deren ich im
Vorhergehenden erwähnte, so bestehen dieselben aus drei verschiedenen
Stoffen.

Es wurde unter dem Mikroskope gefunden, daß das Gewebe, in welches
die Leichen eingehüllt waren, aus feinen Haaren gedreht ist, deren
Durchmesser Herr Professor Will auf 1/80 bis 1/100 Linien bestimmte. Es
ist in demselben nur selten ein Merkmal sichtbar, aber man findet Spuren
von der leiterförmigen Zeichnung, welche die Haare vieler Neger haben,
und es wurde ein Haar gefunden, welches bestimmt dem Chinchilla[51]
angehörte.

Die feineren Schnüre, z. B. jene mit welchen die Widerhaken an den
Harpunen befestigt, und die Zöpfe zusammengebunden sind, sind aus
stärkeren Haaren gedreht, welche 1/20 Linien Durchmesser haben.
Die meisten derselben haben einen starken Markkanal, indessen mit
wechselndem Durchmesser. Auch die gröberen Gewebe, und die Schnur,
welche um die Kürbisschale geschlungen ist, bestehen aus dieser
stärkeren Wolle, welche ohne Zweifel dem Guanaco angehört, und es
rühren mithin alle aufgefundenen, aus thierischem Stoffe gefertigten
Gewebe blos von diesen zwei genannten Thieren her.

Die Netze hingegen bestehen offenbar alle aus Pflanzenfasern. Ich habe
die in den Gräbern gefundenen Büschel von Cactusfasern mit dem Faden
der Netze unter dem Mikroskope verglichen und gefunden, daß sowohl
das ganz feine, in der Kürbisschale befindliche Netz, als auch die
gröberen, ohne Zweifel zum Fischfange dienenden Netze, aus eben diesem
Materiale geflochten waren.

Uebrigens werden gegenwärtig, nach Allem, was ich erfahren konnte,
nirgends an der Küste diese Cactusfasern mehr zu Flechtwerken benützt,
sondern man gebraucht den Cactus überhaupt nur noch zur Feuerung, oder
zum Baue jener bereits geschilderten ärmlichen Hütten.

Aus dem bisher Gesagten aber geht jedenfalls hervor, daß auch zu jener
Zeit, als jene längst verschwundene Menschen-Race die Küste bewohnte,
die Flora und Fauna sich dort in demselben Zustande befunden haben, wie
gegenwärtig, und keine andere Hülfsmittel von der Natur dem Menschen
geboten worden sind, als eben jetzt.

Was die Skelette selbst betrifft, so war es nicht möglich ein
vollständiges auszugraben, und es wäre mir aus verschiedenen Gründen
wohl auch unmöglich gewesen, ein solches an Bord mit mir nach Europa zu
nehmen, indessen habe ich zwei vollkommen wohl erhaltene Schädel, und
zwei etwas defecte, erworben und mitgebracht.

So viel sich übrigens aus den noch erhaltenen Knochen schließen
ließ, waren jene Menschen zierlich gebaut, und ich möchte als mittlere
Größe für dieselben etwa fünf Fuß angeben, eher aber noch weniger,
als mehr. Dazu sind Hände und Füße klein, selbst _ungewöhnlich_
klein im Verhältniß zum übrigen Knochenbaue. Eine Hand, noch
ziemlich erhalten, und durch die eingetrockneten Bänder nothdürftig
zusammengehalten, welche ich noch besitze, beweist dieses.

Was die Schädel betrifft, so bemerkt man an ihnen Folgendes:

Die ganze Kapsel des Schädeltheils ist nach hinten und oben gezogen,
die Stirn ist ausnehmend schmal und weicht von der Glabella und den
Augenbraunbogen rasch zurück, ohne daß jedoch die letzteren besonders
stark hervortreten. Die Seitenwandbeine sind meist nach hinten gerückt,
und das Hinterhauptbein ist mehr oder weniger abgeplattet.

Beide Schädel sind in ihrer ganzen Ausdehnung sehr schmal und eine
seitliche Hervortreibung der Hirnkapsel ist kaum merklich. Auffallend
aber ist eine stumpfe kammartige Erhöhung, welche von der Glabella aus
mitten über das Stirnbein bis zur Kronennath als ein einfacher
Wulst, und neben der Kronennath bis zur Spitze des Hinterhauptbeins
so verläuft, daß die Kronennath oder die Stelle, wo sich dieselbe
befinden sollte, in einer Vertiefung liegt. An der Spitze des
Hinterhauptbeins weichen die beiden leistenartigen Erhöhungen etwas aus
einander und umschließen so einen schwach vertieften dreieckigen Raum.

Die =Crista frontalis= oder der Anfang der =linea semicircularis
temporum=, ist an beiden Schädeln ziemlich scharf und wohl erhalten.

Bei dem einen Schädel ist die Kronennath an ihrem unteren Ende,
d. h. wo sich Stirnbein und Seitenwandbein an den großen Flügel des
Keilbeins und des Schuppenbeins anschließen, in der Länge eines Zolles
völlig obliterirt, eben so ist die Pfeilnath vollständig verwischt
und der Hinterhauptstachel sehr breit, und durch eine tiefe Querfurche
unterhalb desselben gleichsam mehr hervorgetrieben. Das Hinterhauptbein
aber dieses Schädels ist fast ganz abgeplattet und zugleich
asymetrisch, indem nämlich der rechte Gelenkfortsatz weiter nach
rückwärts liegt und mehr als gewöhnlich über den normalen Stand des
Hinterhauptloches hineinragt. Auch der =pars basilaris= ist in etwas
schief gestellt, so daß das hintere Ende ihrer Längenachse nach links,
das vordere nach rechts steht.

Dieser Zurückweichung des rechten Theiles des Hinterhauptbeins
entspricht auch eine Verkürzung oder Zurückweichung der rechten
Gesichtshälfte. Betrachtet man nämlich den Schädel von der Basis, so
liegt das rechte Jochbein um einige Linien weiter zurück als das linke.
Der Gesichtstheil beider Schädel ragt indessen ziemlich stark vor.
Alle diese Verschiebungen sind indessen nur unbedeutend, und fallen,
beobachtet man nicht sehr genau, kaum in's Auge.

Die Nasenbeine sind beträchtlich entwickelt und lassen auf kolossale
Nasen schließen, welche jene Gentlemen geziert haben müssen. Eben so
sind die Augenhöhlen groß und rundlich, die Wangenbeine indessen nicht
besonders groß und ziemlich gerade. Bei dem einen Schädel ist der
Zahnfortsatz mehr noch nach vorn als nach abwärts gerichtet, bei dem
andern indessen fast perpendikulär.

Die Unterkiefer wurden bei allen Schädeln, welche ich ganz oder defect
ausgegraben habe, stark und kräftig gefunden.

Merkwürdig und bezeichnend ist die starke Abnützung der Zahnkronen,
welche z. B. bei den drei ersten Backenzähnen des einen Schädels
so weit vorgeschritten ist, daß die Höcker vollständig verschwunden
sind, und die Zahnsubstanz nur von einem Schmelzsaume eingefaßt
wird. Eben so sind die Eckzähne stark abgenützt. Bei einem isolirten
Unterkiefer, den ich besitze, ist der zweite rechte und linke Backenzahn
gegen außen und schief abgeschliffen, und dies zwar dermaßen, daß
während innen die Höhe des Zahns über dem Alveolarrande bis zur Krone
fünf Linien beträgt, außen dieselbe nur eine Linie hervorsteht. Die
Schneidezähne sind breit und schaufelförmig.

Ein Schneidezahn des einen und zwei Backenzähne des andern Schädels
sind cariös. Trotz der eben geschilderten starken Abnützung sind alle
übrigen Zähne gesund.

Der ganze Habitus dieser Schädel spricht also deutlich aus, daß die
Menschen, von welchen sie herrühren, der alten ausgestorbenen Race
der Amyaras, oder jenem Volke angehört haben, welches vorzugsweise die
Gegend um den Titicaca-See bewohnte. Bis jetzt übrigens wurden an der
Westküste von Amerika, so weit südlich, solche Schädel noch nicht
aufgefunden, und es stellt sich durch meine Ausgrabung mithin eine
weitere Verbreitung jenes Volkes heraus.

Morton sagt, daß man die meisten dieser Schädel an den Ufern und
Inseln des Titicaca-Sees und in den hohen Thälern der Anden zwischen
14° und 19° südlicher Breite gefunden habe, aber die Algodonbai liegt
unter 22° 6' südlicher Breite. Es ähneln zwar die meisten Mumien,
welche theils in Peru, theils auch in Bolivien gefunden worden sind,
jener Titicaca-Race und sind auch wohl mit derselben verwechselt worden,
indessen sind sie durchaus nicht identisch mit derselben.

So sind die Mumien, welche jetzt etwa vor zwei Jahren =Dr.= Ried
von Valparaiso nach Europa geschickt hat und jene, welche von =Dr.=
Korhammer bereits vor mehreren Jahren in der Nähe von Lima gefunden
worden sind, und welche hie und da als jener Titicaca-Race angehörig
betrachtet worden sind, offenbar ganz anderer Art.

Es weicht auch bei ihnen die Stirne oberhalb der Augenbrauen zurück,
während das =Os occipitis= abgeplattet ist, aber das Profil des ganzen
Kopfes gleicht immer noch einem nach hinten geschobenen Vierecke, und
läßt sich mit der kaukasischen Race immer noch in eine Parallele
stellen, während der Schädel der Titicaca-Race nicht sowohl an einen
Affenschädel erinnert, als ihm vielmehr vollkommen gleich sieht.

Es liegen, wie es scheint, genaue Forschungen vor über Sprache und
Mythus der Maya-Race und anderer Ureinwohner von Centralamerika.
Nichts destoweniger bin ich in großer Versuchung, als die Erbauer der
großartigen Bauten, welche Steffens in Centralamerika gefunden hat,
eben jene Titicaca-Race anzunehmen. Die Kupfertafeln, welche Steffens
seinem Werke beigegeben hat[52], scheinen dies ganz bestimmt anzudeuten.
Es finden sich Figuren und Köpfe auf denselben abgebildet, welche nur
jenen Flachschädeln angehört haben können, so sehr entsprechen sie
ihren Formen!

Die Ornamentik aber, welcher wir bei jenen Bauten begegnen, erinnert uns
an die ägyptische, wobei jedoch Reminiscenzen an griechische Cultur und
verwandte Völker nicht fehlen, und die Beschreibung, welche d'Orbygni
von den Monumenten am Titicaca-See giebt, ist den Abbildungen von
Steffens so ähnlich, daß man kaum daran zweifeln kann, daß beide von
einem und demselben Volke errichtet worden sind.

Ich spreche also die, wie ich glaube gegründete Vermuthung aus, daß
die Titicaca-Race eine weitere Ausdehnung gehabt haben mag, und daß die
alten Bewohner von Centralamerika, wenigstens die Erbauer der dort sich
findenden monumentalen Ueberreste, mit jenen vom Titicaca-See identisch
gewesen sein mögen.

In Santjago fand ich in einem Hause einen alten Helm, von welchem man
mir sagte, daß er von einer uralten Menschenrace herrühre, welche
gegen den Norden zu auf der hohen Cordillera gewohnt habe. Ich habe
diesen Helm mitgebracht, und mag denselben getrost als eine der
interessantesten »Errungenschaften« meiner ganzen Reise bezeichnen.

Seine Form zeigt unwiderstreitbar, daß er nur allein für einen jener
besprochenen Flachschädel paßt, indem der innere Theil desselben
vollkommen so lang gezogen wie jene ist, und nur mit Mühe auf einen
ehrlichen europäischen Kopf gepreßt werden kann. Das Material
desselben ist Holz, aus welchem die am vordern Theile befindliche Maske
geschnitten ist, mit an Stelle der Augen, eingesetzten Muschelstücken.
Der übrige Theil des Helms ist aus Baumbast construirt, so der Kamm und
die Seitenflächen.

Der ganze Typus desselben aber ist so vollkommen _gleich_ den Helmen,
welche auf alten ägyptischen Monumenten gefunden werden, daß an eine
_zufällige_ Aehnlichkeit nicht wohl gedacht werden kann, so z. B. die
Maske am vordern Theile, welche ganz die Ornamentik der Mumiensärge
trägt, obgleich die flache und hinter dem Augenrande sogleich
zurückweichende Stirn wieder deutlich eine Nachahmung der
Gesichtsbildung eines Flachschädels erkennen läßt.

Während also oben ausgesprochen wurde, daß die ältesten Bewohner von
Centralamerika und jene der Ufer des Titicaca-Sees ein und demselben
Stamme angehört haben, ergiebt sich durch die Betrachtung der von ihnen
hinterlassenen monumentalen Ueberreste, und vielleicht auch durch
die des oben erwähnten Helmes, eine wie es scheint, nahe und kaum
abweisbare Verwandtschaft, sprechen wir es aus, eine _Abstammung_ von
den ältesten Völkern des alten Festlandes.

Um es nicht gänzlich mit dem strengen Archäologen zu verderben, der
vielleicht indessen nur (Pardon!) noch wenige Studien über Baureste,
Schädel und Aehnliches aus jener Gegend gemacht hat, überlasse ich
demselben höchst bereitwillig, eine Theorie zu bilden, wie jene Völker
der alten Welt nach Amerika gekommen.

Als fragmentarische Notizen aber möchte ich noch Folgendes beifügen:

Die Monumente scheinen anzudeuten, daß, wenn eine Einwanderung von der
alten Welt her statt gefunden hat, wie ich wirklich glaube, solche doch
nur _ein_ Mal geschehen, und die weitere Verbindung mit dem Mutterlande
verloren gegangen ist. Der ganze Typus tritt immerhin als ein
modificirter auf, wenn gleich noch hinlänglich charakteristisch.

Ferner möchte ich der alten Sagen erwähnen, welche sich bis auf die
Besitznahme der Westküste durch die Spanier hin bei den Inkas erhalten
haben. Wunderliche tolle Mythen, die berichten von einem fabelhaften
Ursprunge jener Amyaras oder Titicaca-Race und ihrer Vertilgung durch
die Inka selbst. Ein Herkommen der Amyaras aus fernen weit entlegenen
Landen leuchtet deutlich bei diesen Sagen durch.

Endlich aber muß ich eines Fundes gedenken, welchen der Conservator
der fürstlichen Gallerie in Sigmaringen, Herr von Maienfisch, in der
neuesten Zeit gemacht hat. Er öffnete nämlich unweit Sigmaringen
Gräber und fand in denselben Skelette, an welchen die Schädel nach
der ganzen Beschreibung den von mir in Südamerika aufgefundenen so
vollkommen ähnlich sind, daß an einer Identität der Race kaum zu
zweifeln ist. Jener Gelehrte wird ohne Zweifel seiner Zeit ausführlich
über seinen Fund berichten und ich will daher die Notizen, die ich
mündlich von ihm erhalten, kurz berühren. Eins der Skelette wurde,
wie die von mir ausgegrabenen, in _sitzender_ Stellung angetroffen.
Die anderen aber lagen. Man fand eine Lanzenspitze von Eisen und einige
Schmuckgegenstände, ebenfalls von Eisen und mit Silber verziert. Es ist
bis jetzt nicht möglich gewesen, aus dem Style dieser Schmuckreste auf
irgend ein Volk zu schließen, von welchem sie herrühren möchten.

Nur so viel steht fest, daß sie weder keltisch noch germanisch sind.
Zugleich wurden Seemuscheln, die sogenannte Pilgermuschel, in den
Gräbern gefunden. Dies mag sicher nicht ohne Grund auf ein Herkommen
von weiter, entfernter Gegend hindeuten. Welcher Spielraum ist hier der
Phantasie geboten! Eine Urrace des Menschengeschlechts, eine neue, oder
vielmehr uralte, fast vorhistorische Völkerwanderung! Aber eben weil,
vorläufig wenigstens, fast blos allein die Phantasie im Stande sein
wird, ähnliche Theorieen zu bilden, will ich nicht weiter die Sache
berühren. Noch mag indessen der jüngst in London aufgetauchten Azteken
gedacht werden. Ist die Sache kein nordamerikanischer Puff, so scheinen
wirklich noch lebende Reste jener fabelhaften Flachschädelrace zu
existiren. Ich muß indessen in dieser Beziehung auf die über den
Gegenstand in London erschienene Schrift[53] hinweisen, in welcher
Steffen's Reise vielseitig benützt ist. Fast aber scheint an der Sache
wirklich etwas mehr als eine bloße Spekulation zu sein.

Indem ich nun meinen vielleicht schon über die Gebühr weit
ausgedehnten Bericht über meine Ausgrabungen schließe, bemerke ich
noch, daß ich mit den dort gefundenen Knochen zu Hause eine
chemische Analyse angestellt habe, welche bereits an einem andern Orte
veröffentlicht wurde. Ich verschone mit den ausführlichen Ergebnissen
derselben den Leser und will nur anführen, daß sich durch dieselbe ein
_sehr hohes_ Alter jener Knochen herausgestellt hat, indem sie mit denen
der alten ägyptischen Mumien und selbst mit manchen fossilen Resten in
eine Reihe gestellt werden können.

Ueberhaupt aber ist es an der Zeit, die Algodonbai zu verlassen und den
freundlichen Leser aus diesem Auslaufe der Steinwüste von Atakama durch
kurze Seereise nach Peru zu führen; doch muß ich vorher noch eines
Abenteuers erwähnen, welches sich ganz gut niederschreiben läßt, in
der Wirklichkeit aber vielleicht hätte schlimm ausfallen können.

Wir hatten Abschied genommen von den Grubenbesitzern, zugleich uns aber
bei Herrn Jose Mackenney in Tocopilla etwas verspätet. Als wir nun
mit unserem Boote an Bord gehen wollten, war mittlerweile der Abend
herangekommen, und zufällig hatte sich die schon des Tages über
heftige Brandung dermaßen verstärkt, daß ich mich kaum erinnere,
sie je heftiger gesehen zu haben. Tobend und brausend stürmten in kaum
unterbrochener Reihenfolge mächtige Riesenwellen gegen die Küste, an
vielen Stellen dieselbe mit Tang bedeckend, was während unsers ganzen
Aufenthaltes nie der Fall gewesen war.

Daß es Mühe macht mit dem Boote gegen eine solche Brandung anzukommen,
versteht sich von selbst; hier aber vermehrte noch der Umstand die
Schwierigkeit, daß am Landungsplatze eine Menge jener spitzen Felsen
theils ober, theils unter dem Wasser standen, und eben nur so viel Raum
boten, daß ein mäßig großes Boot hindurch konnte. Ueber die Brandung
hingegen selbst, oder über die anstürmende Welle kömmt man gut, wenn
man dieselbe mit der Spitze des Bootes trifft. Man wird dann in die
Höhe gehoben und gleitet gleichsam über die Wasserwelle hinweg[54].
Erreicht aber die Welle das Boot schief und von der Seite, so schleudert
sie leicht dasselbe vor sich her, oder füllt es mit Wasser.

Im Boote, welches uns an Bord bringen sollte, waren die beiden
Kapitaine, von welchen Kapitain Meyer steuerte, weiter gegen vorn saß
ich, dann kamen die beiden rudernden Matrosen.

Wir warteten bis eine Welle der Brandung zerschellt war, und stießen
dann rasch ab, um einen Vorsprung zu gewinnen, und erst weiter außen
in der See der zweiten Welle zu begegnen. Zufälliger Weise folgte aber
hier ganz ungewöhnlich rasch eine zweite ungeheuere Welle der ersten,
so daß plötzlich und kaum drei Bootslängen vom Lande entfernt in
nächster Nähe vor uns die aufgethürmte Fluth stand.

Unser Boot hatte, weiß Gott wie, eine schiefe Richtung bekommen. Der
Kapitain handhabte kräftig das Steuer, und rief dem Matrosen, dessen
Bootseite zurück war, zu: »Hart an Heinrich! hart an!« Aber schon
in diesem Augenblicke war das Boot mit Wasser gefüllt, und zurück auf
einen jener spitzen Felsen geschleudert. Ich fühlte den Ruck und zu
gleicher Zeit sah ich, wie die beiden Kapitaine in's Wasser sprangen und
das Land erreichten. Auch der eine Matrose hatte ein Gleiches gethan,
doch erfuhr ich dieß erst später, und bemerkte es dort nicht. Im
andern Augenblicke waren wir wieder etwa 30 Schritte weit in der See,
ein Ruder war verloren, der noch im Boote befindliche Matrose und ich
waren vollständig unvermögend das Boot zu retten. Aber außen in der
See und von der dritten eben so rasch ankommenden Welle gehoben, sah
ich, daß das Boot, welches vorher halb voll Wasser gewesen, jetzt
fast leer war. Es lag dasselbe auf der Steuerbordseite, aber auf der
Backbordseite hatte es einen mächtigen Leck erhalten, durch welchen
ohne Zweifel der größte Theil des Wassers für den Augenblick
abgelaufen war. Ich hatte indessen kaum einen Moment Zeit dieß
wahrzunehmen, denn schon hatte uns eine andere Welle wieder so auf die
Klippen geworfen, daß das Boot krachend sich zu schütteln schien. Ein
weiterer Augenblick und wir waren wieder in die See geschleudert, wo
schon eine andere Welle von außen auf uns zukam.

Dieß alles ging rasch mit Blitzesschnelligkeit und vom Augenblick
unseres ersten Zurückgeworfenwerdens bis jetzt waren keine 12 Sekunden
verflossen.

Verdammte Situation das! Die See schien wahnsinnig geworden! Ich aber
begriff, daß, durch unser Gewicht beschwert, das Boot, ging es auch
zufällig nicht unter, doch jedenfalls kaum ganz an's Land geworfen
werden, sondern ohne Zweifel von der nächsten oder übernächsten
Welle an die verwünschten Klippen, vielleicht sammt unsern Schädeln
zerschmettert werden würde. Also schwimmen! Wieder in die See
zurückgeschleudert, rief ich dem Matrosen, der mein Schicksal theilte,
zu. »Heinrich, nun ist's Zeit, über Bord!« Keine zehn Schritte von
unserm Wrak war die wieder anstürmende Brandung. Teufelslärm rings um
uns. Vorwärts! Das Wasser schlug über mir zusammen! Es war ordentlich
schön stille da unten, gegen jenen Höllenlärmen oben. Ich kann nicht
sagen, wie tief ich kam, Grund bekam ich nicht, aber was die Hauptsache
war, auch keinen Tang um die Füße, der dort fast allenthalben
vorkömmt.

Mit dem Kopfe wieder an der Oberfläche, schickte ich mich eben an,
kunstgerecht das Schwimmen zu beginnen, als plötzlich abermals, wie im
Augenblicke vorher, sich alles dunkelgrün färbte und ich wieder vom
Wasser bedeckt war. Aber ich hatte nicht Zeit mich zu besinnen, denn im
andern Momente lag ich am Ufer, und das zwar auf dem, von der See des
Tages über an's Land gespülten Tange, wohlbehalten, wenn gleich, wie
ein geprellter Frosch, von der letzten Welle dorthin geschleudert.

Gleichzeitig mit mir kam auf demselben Wege Heinrich an, und eine
Sekunde später das Boot, letzteres glücklicher Weise _neben_, und
nicht _auf_ uns geworfen. Es hatte den Anschein, als wolle dieses liebe,
friedliche, sogenannte stille Meer Fangball mit uns spielen.

Heinrich und ich aber sprangen gleichzeitig auf und faßten, ich muß es
leider gestehen, mit einem derben Fluche das durchlöcherte Boot an,
um es der alsbald wiederkehrenden See zu entreißen oder wenigstens vor
gänzlicher Zertrümmerung zu retten. Ich zerrte und riß dort mit einer
wahren Wuth an jenem Boote, und wenn ich genau analysire, weniger im
Eifer dasselbe für das Schiff zu erhalten, als in einer Art
kindischer Bosheit, oder »nobler« ausgedrückt, in einmal aufgeregter
Kampfeslust.

In der That suchte die See uns auch wieder ihr Opfer zu entreißen,
denn wir standen bald wieder bis an den Gürtel im Wasser, aber die
herbeigeeilten Minenarbeiter halfen uns bald unser Wrak vollends an's
Ufer und in's Trockene zu bringen. Als ich so noch triefend mit am Boote
stand, und dasselbe landwärts ziehen half, frug mich Heinrich, ohne
Zweifel =pour parler quelque chose=, »Sind Sie og naß worden, Herr
Doctor?« Ich antwortete bescheiden: »En lütken!« Der Kapitain aber
lachte und zeigte mir seine Kupferproben, welche vollständig trocken
waren. Er hatte als Probe gepulverte Kupfererze mit an Bord nehmen
wollen, welche durchnäßt, unbrauchbar für seine Zwecke[55] geworden
wären. Da er hinten im Boote saß, und gleich das erste Mal aus
demselben springen konnte, kam er nicht so tief in's Wasser, und erhielt
seinen Schatz trocken, indem er das Tuch, in welchem er befindlich, hoch
über dem Kopfe schwang.

Eine zweite Frage aber war jetzt die, wie wieder an Bord kommen? Unser
Boot lag durchlöchert auf dem Sande. Der Dockenhuden aber lag eines
Theils so weit in der See, daß man das Rufen schon wegen des Lärmens
der Brandung unmöglich gehört hätte, aber auf der andern Seite wäre
es mit dem dort noch befindlichen größeren Boote rein unmöglich
gewesen uns zu holen, da dasselbe der tobenden See halber nicht hätte
landen können.

Herr Mackenney besaß zwar ein Boot, aber es lag etwa 150 Schritte
weit in See vor Anker, und Nichts stand zur Disposition als eine
Seehund-Balze, welche etwas weiter abwärts an einer ruhigeren Stelle
der Bai vor Anker lag.

Indessen konnte keiner der Arbeiter in den Minen mit der Führung
dieses eigenthümlichen Fahrzeuges umgehen. Jener Franzose aber mit der
unzweideutigen Zeichnung auf dem Arme, dessen ich schon oben erwähnte,
war kurz entschlossen.

Er bestieg die Balze, ruderte an's Boot, legte die erstere statt dessen
vor Anker, und ruderte mit dem Boote auf etwa dreißig Schritte bis
an's Ufer. Aber weiter anzukommen war unmöglich, ohne das Boot der
augenscheinlichen Gefahr ebenfalls zertrümmert zu werden, auszusetzen.
Versuche, uns ein Tau zuzuwerfen, mißglückten. Da sprang der Franzose
in's Wasser, schwamm durch die Brandung, und wurde endlich auf eine
kurze Strecke, ähnlich wie ich auch, von derselben an's Ufer geworfen.
Aber er hatte das Tau zwischen den Zähnen, und an diesem schoben wir
uns endlich in's Boot.

Man kann sich einen Begriff von der lieblichen Milde der Nächte an
jener Küste machen wenn ich sage, daß am Bord angelangt für mich auch
nicht das mindeste Bedürfniß vorhanden war, mich umzukleiden, sondern
daß ich, nach all diesen verschiedenen unfreiwilligen Waschungen, noch
etwa eine Stunde auf Deck blieb, und als ich endlich »zur Koje« ging,
meine Kleider längst vollständig am Leibe getrocknet waren.

Wir verließen Tags darauf die Bai, kehrten aber wieder zurück, da wir
vollständigen Gegenwind hatten, welcher zugleich so schwach war, daß
wir uns nicht in gehöriger Entfernung von der Küste halten konnten.
Des andern Tages indessen segelten wir mit günstigerem Winde unserer
neuen Bestimmung, dem Hafen von Callao zu.


#Meteorologische Notizen über die Algodonbai.#

Die kurze Zeit meines Aufenthalts in der Bai (den Monat Februar 1850
hindurch), gestattete natürlich nicht, nur einigermaßen ausführliche
Untersuchungen anzustellen. Indessen theile ich selbst diese wenigen
mit, da meines Wissens noch keine ähnlichen Beobachtungen dort
angestellt, oder wenigstens bekannt gemacht worden.

_Temperatur der Luft_. Ich habe, wenn nicht weitere Ausflüge mich
hinderten, dreimal des Tages auf dem Verdecke des Schiffes die
Temperatur genommen, und folgende Mittelzahlen erhalten:

                       9 Früh    12 Mittags  10 Abends

  Höchster Stand      + 21.0° R.   + 21.5°    + 16.2°.
  Niedrigster Stand   + 16.5° "    + 18.0°    + 15.0°.
  Mittlerer Stand in
  14 Beobachtungen    + 17.7° "    + 19.8°    + 15.6°.

Es sinkt indessen in der Bai die Temperatur während der Nacht und gegen
Morgens kaum noch tiefer als die angegebenen 15.0° R.

Ueber die Temperatur am Lande ist es schwierig, besonders für die kurze
Zeit meines Aufenthalts, eine sichere Angabe zu liefern. Theils der
Seewind, theils der Luftzug aus den einzelnen Schluchten, auf der andern
Seite aber auch wieder die Nähe von Felsen, welche durch die Sonne
stark erhitzt sind, verursachen zu bedeutende Schwankungen.

Vielleicht kann man für den Sommer dort als höchste Temperatur
während des Tages + 24° R., und das niedrigste für die Nacht,
+ 16° R. annehmen, und nach dem was ich von den Bewohnern der Bai
erfahren konnte, sind die Unterschiede für den Winter nur gering.

_Atmosphärischer Druck._ Die wenigen angestellten Versuche ergaben
Folgendes:

  Höchster Stand       757.3 M. M.
  Niedrigster Stand    754.0   "
  Mittlerer Stand      755.8   "

Dieß ist das Resultat von 16 Beobachtungen des Mittags um 12 Uhr
angestellt. Die _stündlichen_ Schwankungen des Barometers trafen sehr
genau ein, doch war die Versuchsreihe zu klein, um irgend einen Werth zu
haben.

Daß _Regen_ gänzlich in der Bai fehlt, indessen gegen Abend
Nebelschichten alle Spitzen der Berge bedecken, habe ich bereits
berichtet. Was die Feuchtigkeit der Luft betrifft, so stand mir freilich
nur ein Fischbein-Hygrometer nach de Luc zu Gebot. Relative Werthe
können aber immerhin mit demselben erhalten werden. Es stand mein
Instrument des Tags über constant auf 32, und fiel während der Nacht
etwa auf 33 bis 34. Am Lande aber, nicht weit entfernt vom Ufer der See,
stieg derselbe stets um einige Grade.

Als vergleichenden Anhaltspunkt will ich beifügen, daß bei Kap Horn
dasselbe Hygrometer auf 101 stand, während es auf der Cordillera
von Chile auf 0 und noch höher stieg, so daß ich genöthigt war
provisorisch die Scala zu vergrößern.

_Windrichtung._ Ziemlich regelmäßig beginnt der Wind des Morgens
zwischen 9 und 10 Uhr von Süd-West und Süd-Süd-West zu wehen, und
springt gegen 3 bis 4 Uhr des Nachmittags in Nord-West, öfter aber
in Nord-Ost um. Gegen Abend und die Nacht hindurch ist es stille. Sehr
selten weht starker Wind.

Eigenthümlich sind die warmen Luftwellen, die gegen Abend, wenn fast
schon vollständige Windstille eingetreten ist, sich der Küste
entlang bewegen. Etwa 10 bis 15 Sekunden lang dauert ein solcher warmer
Luftstrom, der sich nicht immer der letzten Windrichtung nach bewegt,
und dessen Temperatur wenigstens 2 bis 3 Grade höher ist als die der
übrigen Luft.

Die Erscheinung ist ohne Zweifel bedingt durch eine Ausgleichung der an
einigen Stellen des Gebirges mehr als an andern erhitzten Luft, und ich
habe an der Cordillera in Chile ganz dasselbe gefunden.

_Gewitter_ kommen auch hier so wenig wie auf dem Flachlande von Chile
vor.

_Erdbeben_ sollen nach Aussage der Einwohner etwa eben so häufig
vorkommen als in Chile. Es fand indessen während meines Aufenthaltes
in der Bai kein einziger Erdstoß statt. Daß Erderschütterungen
dort auftreten, davon geben aber schon die von den Abhängen der
Berge herabgestürzten Felsblöcke und andere ähnliche Erscheinungen
Zeugniß. Hebungen und Senkungen der Küste aber, wie sie sich in Chile
fast allenthalben mit Sicherheit nachweisen lassen, haben, wie ich
glaube, seit langer Zeit in der Nähe der Bai nicht stattgefunden,
wenigstens fehlen alle Anzeichen, nach welchen man auf solche schließen
kann.

       *       *       *       *       *

Ich füge diesen meteorologischen Notizen einige Nachrichten über
die Wüste von Atakama selbst bei, welche ich fast gänzlich der
freundlichen Güte meines geehrten Freundes, des Dr. Ried in Valparaiso,
verdanke, und welche um so interessanter sind, da Ried einestheils mit
einem scharfen Beobachtungsgeiste ausgerüstet, andererseits aber die
Wüste selbst nur wenig von Gelehrten besucht worden ist.

Es beginnt die eigentliche Wüste sogleich hinter den von mir öfters
erwähnten Küstengebirgen, deren höchste Höhe Ried, so wie ich, auf
etwa 3000 Fuß angiebt. Hinter diesen Gebirgen kömmt Tafelland und
die Wüste erstreckt sich durch die ganze Breite des Landes bis an die
Cordillera. Die _Länge_ des zu Bolivien gehörigen Theils der Wüste
ist etwa 150 Stunden, aber Ried giebt die Länge der eigentlichen
Wüste bedeutend größer an, ohne Zweifel, weil die gegen Nord und
Süd angrenzenden Theile von Peru und Chile ebenfalls analogen Charakter
tragen. Auf das die Wüste bildende Tafelland kömmt man durch jene
Flußbeete, welche ich oben bereits erwähnt, und als durch mächtige
und periodische Schmelzungen des Cordillera-Schnees entstanden,
bezeichnet habe. Das Tafelland ist hügelig und uneben, und mehrfache
jener Flußbeete durchschneiden es; Spuren mächtiger Strömungen werden
an ihnen gefunden und nicht selten sind die steilen granitischen Wände
derselben durch die Masse rasch vorübergeführter Gesteinstrümmer
polirt und abgeschliffen. Jetzt sind sie trocken.

Dem Granite scheinen hier und da jüngere Formen aufgelagert; so fand
Ried an einer Stelle Saurierreste.

Der beste Eingang in die Wüste ist von Cobija aus. Von dort aus beginnt
man sogleich zu steigen, eine Höhe von 3000 Fuß wird in vier bis
fünf Stunden überstiegen, und auch dort finden sich jene mächtigen
Wasserrisse. Etwa 22 Stunden weit von der Küste trifft man auf einen
Gebirgszug, der so ziemlich parallel mit der ersteren verläuft. Die
höchsten Punkte dieser Kette schätzt Ried auf 7000 bis 8000 Fuß. Ein
ähnlicher Charakter der allgemeinen Bildungsform zeigt sich also auch
hier wie in Chile, nur großartiger wie es scheint.

Hat man diese Kette überschritten, so erblickt man im Hintergrunde
die hohe Cordillera, die oft beschriebene und dennoch unbeschreibbare
riesige Kette der Anden. Zwischen ihr und dem Wanderer liegt die Wüste,
das Bild des Todes, wenn auch nicht der Verwesung, denn die lange
Straße von Leichen, welche sich durch dieselbe hinzieht, besteht aus
nur _vertrockneten_ Thieren. Pferde und Maulthiere sind mumificirt,
Haare, ja selbst die Augen noch erhalten an ihnen. Hunger, Durst
und Ermattung hat sie getödtet, aber die klimatischen Verhältniße
gestatten keine Fäulniß der Körper, während eben so wenig dort
irgend ein Insekt existirt, welches sie verzehrt.

Etwa nach 27 Leguas (40½ Stunde) kommt man an einen Fluß der Loa
heißt. Er besteht aus geschmolzenem, von der Condillera kommendem
Schneewasser. Unferne von dort liegt ein indianisches Dorf, Chiuchia,
und dort tritt zu dem Loa ein vulkanischer Strom. Das Flußbett ist 300
bis 400 Ellen breit und mächtig tief. Aber das Wasser des vulkanischen
Flusses enthält Kupfer und eine Menge anderer Salze in Auflösung, es
verursacht Leibweh, wird aber dennoch getrunken. Die Wassermenge ist
nur gering, wird aber gegen die See hin noch geringer und verliert sich
endlich ganz.

Im Wasser selbst konnte Ried keine Spur irgend eines Geschöpfes
entdecken, hingegen sah er in der Nähe desselben eine kleine Eidechse,
eine Fliegenart und Musquitos.

Höchst interessant sind die Beobachtungen über die Temperatur, die
Windrichtung und den Regen.

Die Mittagshitze ist drückend. Ried giebt 96 bis 120 Fahrenheit an,
also + 28 bis + 39 Reaumur. Gegen vier Uhr des Nachmittags nimmt die
Hitze ab, und die Temperatur sinkt rasch. Nach Mitternacht tritt Frost
ein und der Thermometer stand auf 32° Fh., also 0° Reaumur, manchmal
noch tiefer.

Die natürliche Folge hievon ist Pneumonie und Pleuritis, und Thiere und
Menschen erliegen nicht selten derselben.

In der Wüste selbst regnet es nie und man wird sich erinnern, was ich
im Vorhergehenden über die Regenlosigkeit der Küste ausgesprochen
habe. Auf der Cordillera aber selbst und etwa 15 Stunden weit von
derselben gegen Westen fällt Regen, nie aber weiter. Aber jene Regen
fallen blos im Winter, d. h. vom Mai bis zum September. In Bolivien, in
so ferne es gegen Osten von der Cordillera aus liegt, regnet es hingegen
im Winter nie, aber im Sommer fast täglich, zugleich treten zwischen
Nachmittag und Mitternacht sehr häufig starke Gewitter auf.

In der Wüste weht von Morgens 10 bis gegen Sonnenuntergang ein sehr
starker Westwind, also von der See _gegen die Cordillera_ hin und dieser
Wind, stets stark, wird manchmal so heftig, daß man kaum gegen ihn
ankommen kann. Mit der Sonne zugleich sinkt auch der Wind, und es tritt
bis gegen 9 oder 10 Uhr fast Windstille ein. Gegen Mitternacht indessen
beginnt der Wind von der entgegengesetzten Seite von Osten her, also von
der Cordillera _gegen die See_ zu wehen, und zwar erkältet durch den
Schnee und daher jenes oben erwähnte Frostphänomen.

Ried hat diese Erscheinungen vereinigt, und eine einleuchtende Theorie
derselben aufgestellt.

Die Wüste, sagt er, liegt von der Cordillera aus gegen Westen, eine
ungeheure des Tags über glühende Fläche, noch weiter, in gleicher
Richtung gegen Westen, die Südsee, deren Oberfläche stets kühler ist,
als die der Wüste, es ist also bei Tage ein Ostwind nicht möglich.

Im Winter regnet es, während es im Gebirge schneit, und es bilden sich
von der ewigen Schneelinie herunter große Schneelager. Die Sonne hat
nicht Kraft genug sie zu schmelzen, erst im Sommer ist sie dieß im
Stande. Steht man bei Sonnenaufgang auf der Ostseite der Cordillera, so
bemerkt man, daß der Himmel auf dieser Seite hell, klar und blau ist.
Aber schon gegen sieben Uhr beginnt der Schnee zu schmelzen, es bilden
sich Dämpfe auf den Gipfeln der Anden, diese vereinigen und erheben
sich und es umwölkt sich der Himmel. Mittlerweile hat sich der vom
See über die Wüste kommende Westwind erhoben, jagt diese Wolken gegen
Osten und über die vulkanische Reihe der Anden, und sie sind es, welche
als Gewitterwolken auf der Ostseite auftreten und die dort häufigen
Gußregen erzeugen.

Von den _Erdbeben_ endlich bemerkt Ried, daß sie in der Wüste ziemlich
häufig sind, aber nur westlich von den Anden und bis an den Fuß des
eigentlichen Gebirgs. Auf diesem und auf der östlichen Seite hören sie
gänzlich auf. -- In Chile sind diese Verhältnisse anders. Zwar spürt
man auf der hohen Cordillera Erdstöße weniger als im Flachlande,
wie ich schon oben erwähnte, aber sie treten auf der Ostseite wieder
deutlicher auf; indessen fehlen _gleichzeitige_ Beobachtungen, welche
sicher von hohem Interesse wären.




XIII.

Callao-Lima (Peru).


Vor einer neuen Seefahrt, d. h. vor einer umständlichen Mittheilung
des auf derselben Erlebten, darf der freundliche Leser keine Besorgniß
hegen. Ich werde bald für die Rückreise von Peru nach Europa genug zu
thun haben, seine Geduld nicht allzusehr zu ermüden.

Wir bedurften, um von der Algodonbai aus nach Callao zu kommen, 10 Tage
und bekamen bereits am 4. März gegen Abend die Insel St. Lorenzo in
Sicht.

Es muß in der That ein furchtbares Erdbeben gewesen sein, welches diese
Felseninsel vom Festlande losgerissen hat. Sie liegt gegenwärtig zwei
und eine halbe Meile von der äußersten Spitze des Landes entfernt,
und ohne Zweifel ist der sie mit dem übrigen Lande früher verbindende
Theil versunken, d. h. von der See verschlungen worden.

Die größte Tiefe der See, welche jetzt die Durchfahrt zwischen Land
und Insel bildet, ist 60 Fuß, die geringste 24 Fuß und der Grund
besteht aus Felsen und Sand.

Kaum glaublich, dennoch aber sicher beurkundet, sind die grauenhaften
Erscheinungen, unter welchen jenes berüchtigte Erdbeben (1746)
aufgetreten ist.

Die Erde hob und senkte sich dergestalt, daß die ganze frühere
Hafenstadt Callao sammt ihren Bewohnern in Zeit von wenigen Sekunden
vollkommen vertilgt war. Natürlich trat die See mit einer furchtbaren
Schnelligkeit über das für den Augenblick gesunkene Land, und man kann
sich einen Begriff von der Heftigkeit dieses Vordringens des Meeres und
der Mächtigkeit der stürmenden Fluth machen, wenn man erfährt,
daß neben einer großen Anzahl anderer an's Land geschleuderter und
zerschellter Schiffe, eine große englische Kriegsfregatte über eine
englische Meile weit in's Land geworfen wurde und dort liegen blieb. Ein
Denkstein bezeichnet noch heute die Stelle.

Es ist überflüssig hier die bei solchen Gelegenheiten gebräuchliche
salbungsvolle Formel einzuschalten: »Und dennoch bewohnt der Mensch
sorglos jetzt wieder diese Gegenden, welche etc.« -- Eine der größten
Gottesgaben, der Leichtsinn, wird glücklicher Weise nie die Menschheit
verlassen, selbst nicht im Zustande der höchsten Cultur, wenn der
Dollar einmal vollständig und allgemein als höchstes Wesen anerkannt
sein wird; und wir alle laufen mit derselben Sorglosigkeit über
Abgründe und Schlünde hinweg, welche uns jeden Augenblick verschlingen
können, wenn gleich theilweise moralisch.

Wir hatten auf der Fahrt von der Algodonbai aus nach Callao noch öfter
die Küste in Sicht, und daher noch den Eindruck derselben, das Wilde
und Sterile im Gedächtnis behalten.

Einen um so erfreulicheren Anblick gewährte jetzt das landschaftliche
Bild der peruanischen Küste. Grün und bebuscht dehnt sich vom Ufer an
eine freundliche Fläche aus. Einzelne hervorragende Palmen verfehlen
nicht den Typus der Tropen zu verleihen, und im Hintergrunde liegt
die Ciudad de los Reyes, das königliche Lima, tausend Erinnerungen
erweckend an Alles was man gehört und gelesen von demselben, und wohl
auch geträumt. Ein Gebirge[56], dessen Spitzen meist in Nebel gehüllt
sind, schließt hier die Landschaft. Im Vordergrunde, und dicht an See,
liegt die Hafenstadt Callao.

Allen Reisenden ist die niedere Temperatur aufgefallen, welche das
Wasser im Hafen von Callao zeigt und man hat dasselbe, wie ich glaube,
sehr glücklich durch die Humboldt-Strömung erklärt. Ich will hier
kurz bemerken, daß etwa 5 Meilen vom Hafen entfernt, die Temperatur des
Wassers + 15.9° R. war, im Hafen hingegen + 14.0° R. und die
der Luft 19.8°, vollständig also übereinstimmend mit früheren
Beobachtungen.

Kurz ehe wir in den Hafen einliefen, kam ein mächtiger Hai, wohl
12 Fuß lang, an Bord. Es wurde, da er die Angel nicht annahm, mit der
Harpune auf ihn Jagd gemacht, daß Thier auch wirklich getroffen, aber
wie gewöhnlich ging es beim Aufheben verloren. Auch Wallfische sahen
wir mehrere. Außerhalb des Hafens war eine Unzahl von Vögeln, im Hafen
jedoch weniger. Indessen behauptet man, daß die Menge der Vögel in und
um den Hafen gegen früher sehr abgenommen habe, seitdem sie durch das
Holen des Guano allenthalben gestört und verjagt werden. Auch Fische
scheinen dort in großer Menge vorhanden, und wir passirten an mehreren
Zügen vorüber. Bei einem dieser Haufen war das Wasser, in welchem sie
sich bewegten, roth gefärbt, ich konnte keins davon schöpfen, aber ich
glaube, daß diese rothe Färbung von kleinen Thieren herrührte, welche
den Fischen zur Nahrung dienen.

Am Lande selbst herrscht, wie allenthalben an solchen Orten, reges
lebendiges Leben, und bunt durcheinander klingen die Zungen aller
Nationen. Ich gefiel mir dort darin, den Seemann zu spielen, trug eine
weiße Jacke mit rother Schärpe und sprach ein schauderhaftes Spanisch.
Wir wanderten durch die reich und einladend aufgestapelten Schätze
der Früchte des Landes, welche dort zum Verkaufe geboten werden, an's
Zollhaus, und da man mich wirklich für einen Seemann hielt, machte man
Miene, mich einer etwas sorgfältigeren Untersuchung zu unterwerfen.
Aber die Zauberformel »=Soy medico=« und das Oeffnen meiner
Reisetasche, welche Verbandzeug, Aneroid-Barometer, Mineralienhämmer
und ähnliche Dinge enthielt, verschaffte mir sogleich freien Paß.

Ich miethete mich hier einen Tag im Marine-Hotel ein, um flüchtig
Callao zu besehen und dann nach Lima zu gehen. Die bescheidene Wohnung,
welche mir angewiesen wurde, bestand aus einem kleinen Häuschen,
welches neben drei andern Collegen auf dem flachen Dache des Hotels
stand, in jeder Ecke des Daches eines. Ein schmales Bett, ein Tisch und
ein Stuhl nebst so viel Raum, um zwischen diesen Gegenständen sich ohne
besondere Mühe durchwinden zu können, war die Bequemlichkeit, welche
mein Haus bot.

Die Unbequemlichkeit, welche es enthielt, bestand neben einer
drückenden Hitze aus einer Unzahl von Flöhen und Ameisen. Ich nahm
daher vor meiner Hausthür Platz, ließ mir eine Flasche Ale bringen
nebst einem Imbisse, und zeichnete so gut es ging während des Essens
einen Theil der Küste und des Hafens.

Einen Ueberblick über die Stadt gewinnt man übrigens auf einem solchen
Dache ganz vortrefflich, und es gewährt einen eigenthümlichen Anblick,
die Menge von braunen, aus Lehm geschlagenen Vierecken zu sehen,
welche mit vergitterten Fenstern versehen sind und mit dem Schmutze von
Decennien bedeckt scheinen.

Außer einzelnen Aasgeiern, welche hie und da die sterblichen Reste
eines Hundes oder einer Katze aufzehren, sieht man indessen auf jenen
Dächern nichts Lebendes, und blos im Marine-Hotel hatte man die, -- wie
es schien -- wohlwollende Einrichtung getroffen, für Flöhe, Ameisen
und wohl auch für Reisende jene kleinen Zufluchtsorte zu errichten.

Aehnlich wie in Valparaiso, wenn auch in kleinem Maßstabe, verläuft
auch hier die Stadt gegen außen in kleinere Gebäude und Hütten.
Gegen das Feld zu findet man dort lange, breite und einsame Straßen,
in welchen nur hie und da eine Hütte steht. Diese Hütten sind
im nämlichen architektonischen Sinne construirt, wie die früher
erwähnten in Mamilla, aber bei den meisten bestehen die beweglichen
Wände nicht aus fragmentarischen Kleidungsstücken wie dort, sondern
aus Flechtwerk und Matten, was nicht übel läßt.

Ich hatte Gelegenheit dies zu bemerken, indem ich einige Stunden in
der Stadt umhergelaufen war, einige Skizzen gezeichnet, und ein Paar
herrliche Papageien gekauft hatte, welche ich, nebenher gesagt, auch
glücklich lebend mit nach Europa brachte.

Im Gasthause wieder angelangt wurde ich mit einer fabelhaften Achtung
und Aufmerksamkeit empfangen, Capitano und Sennor Baroné genannt,
ein Ausdruck, den ich dort zum ersten und letztenmal an der Westküste
hörte, und zugleich wurde mir angezeigt, daß meine Sachen in ein
würdiges Zimmer gebracht worden seien. So war es in der That, aber ich
habe nie erfahren, welcher unbekannte Freund mich dort so in höhere
Potenz gestellt hatte. Indessen waren durch das einigemal ab- und
zufahrende Boot meine Kleider in's Hotel gebracht, und die erkauften
Vögel an Bord geschafft worden, so konnte der Abend sorglos zugebracht,
und im Gespräche mit einigen Deutschen manchfache Notiz über das Land
erworben werden.

Es wurde jenesmal viel von der Unsicherheit des Landes gesprochen.
Richtig war allerdings, daß der von Callao nach Lima gehende
Postomnibus öfters beraubt worden war, und daß fortwährend berittene
Abtheilungen von Militärwachen jene Straße durchstreiften. Geschieht
dies vierzehn Tage nicht, sagte man mir, so kann man darauf rechnen,
daß Räubereien vorfallen. Als ich aber meinen Vorsatz äußerte, am
andern Morgen die Umgegend von Callao zu durchstreifen, versicherte man
mir ganz ernsthaft, dies würde ich nicht thun, denn es sei zehn gegen
eins zu wetten, daß ich ermordet werden würde.

Ich war aber nicht nach Südamerika gegangen, um hinter den Lehmwänden
einer kleinen Hafenstadt mich vor Räubern versteckt zu halten,
steckte des andern Morgens frische Hütchen auf meine zuverlässigen
Taschenpistolen und machte mich, nachdem ich den Kaffee mit heroischen
Gedanken genossen, auf den Weg. Vor der Stadt indessen und im Gebüsche
angelangt, fand ich, daß ich meine Pistolen vergessen hatte.

Aber der Leser kann mich friedlich ziehen lassen, es wiederholte sich
nicht das Abenteuer mit dem Löwen, welchem ich unbewaffnet entgegen
treten mußte, und ungefährdet erreichte ich gegen Mittag wieder die
Stadt. Doch hatte ich auch wenig genug erworben. Wo nicht Pflanzenwuchs
die Erde bedeckt, finden sich Geschiebe mit Muschelfragmenten, und
etwa in einer Tiefe von 8 bis 10 Fuß unter diesen ein blauer thoniger
Letten, ohne Zweifel alter Meeresgrund, obgleich ich selbst unter dem
Mikroskope keine thierischen Reste in demselben entdecken konnte. Mit
Pflanzen wollte ich mich nicht befassen, da ich sie doch nicht hätte
trocknen können, geognostische Studien waren aber keine weitere zu
machen.

Merkwürdig ist die Armuth der dortigen Gegend an Insekten. Ich
habe keinen einzigen Käfer getroffen, obgleich ich sorgfältig alle
gewöhnlichen Fundorte durchsuchte, und nur einige Schmetterlinge,
Tachypteren, von unscheinbarer Färbung und den unserer Waldungen
ähnlich, und einen kleinen Schwärmer, wahrscheinlich eine Zygaena,
habe ich gefunden.

Ziemlich häufig aber war ein großer Asilus, der räuberisch jenen
Schmetterlingen nachstellte, und einige andere Fliegen.

Kapitain Müller und ich fuhren des Nachmittags nach Lima. Zu jener Zeit
wurde die Fahrt im Omnibus gemacht, deren mehrere des Tags hindurch hin
und zurück gingen, und genau alle Unbequemlichkeiten boten, wie
die deutschen analogen Institute. Mehrere Damen waren unsere
Reisebegleiterinnen, und ich staunte über die Masse des Schmuckes, mit
welchem dieselben buchstäblich beladen waren.

Es hätte sich in der That rentirt, einem solchen Omnibus einen Besuch
=à la= Rinaldo Rinaldini abzustatten, und reitende Patrouillen, welchen
wir begegneten, schienen zu beweisen, daß in Wirklichkeit ähnliche
romantische Ideen Eingang gefunden haben mochten bei den Söhnen des
Landes.

Jetzt ist eine Eisenbahn von Callao nach Lima geführt, an die
Stelle des wilden Räubers wird der sanfte Taschendieb treten und die
Nachkömmlinge der blutdürstigen Spanier werden der Segnungen der
Kultur und seiner Bildung mehr und mehr theilhaftig werden.

Der Weg von Callao bis Lima beträgt etwas über drei Wegstunden, welche
wir aber in einer Stunde zurücklegten, und auch hier wurde, wie in
Chile, fortwährend Galopp gefahren.

Einzelne Landhäuser und Ruinen von solchen, Erinnerungen an die Kämpfe
der Revolution, stehen hie und da auf der weiten Ebene, und bei allen
scheint ungebrannter Lehm das vorherrschende Bau-Material gewesen zu
sein.

Die Repräsentanten der Pflanzenkultur waren vorzugsweise Kleefelder und
Zuckerrohr-Plantagen, auch Orangenbäume fehlen nicht, zerstreute Palmen
aber gaben der Gegend jenen tropischen Anstrich, welcher für den aus
höheren Breitegegenden Kommenden stets anziehend und reizend ist.

Lima selbst macht einen großartigen Eindruck. Die Kuppeln und Portale
der Kirchen, an altspanischen Styl erinnernd, wenn gleich oft mit
starker Zopf-Reminiscenz, treten immer imponirend genug aus der Masse
der übrigen Gebäude hervor, und die ganze Stadt dehnt sich weithin
aus. Man hat mir die Einwohnerzahl von Lima auf 80,000 angegeben, aber
für den Flächenraum der Stadt giebt dieß nach unseren Begriffen
keinen sicheren Anhaltspunkt, da die meisten Häuser nur ein Erdgeschoß
mit einem Stockwerke haben, und nur wenige Gebäude mit drei Etagen
bestehen, ja viele Häuser selbst nur ein Erdgeschoß haben.

Es ist mithin die Einwohnerzahl auf eine größere Grundfläche
vertheilt als in unseren europäischen Städten, wo durchgängig höhere
einzelne Bauten eine größere Menschenmenge fassen.

Die Bauart selbst erinnert mehr an jene von Rio de Janeiro als an die
von Santjago, namentlich die besseren Häuser, welche freundlicher
aussehen oder wenigstens nicht den klösterlichen Typus haben wie die
chilenischen, doch trifft man auch solche. Einen ganz eigenthümlichen
Eindruck haben die abenteuerlich construirten Dächer mehrerer Kirchen
auf mich gemacht, welche fast alle mit einer dichten Staubdecke belegt,
mich unwillkürlich an alte, sonderbare Spielwerke meiner Jugendzeit
erinnerten, welche bei Seite gestellt in irgend einen Winkel nach
längerer Zeit wieder hervorgesucht wurden, und sich dann eben so
bestaubt wie jene zeigten. Auch auf Balkons und gedeckten Gängen der
Privatwohnungen liegt jene dicke Staublage, welche von den spärlichen
und selbst dann nur nebelähnlichen Regen nur selten vollständig
entfernt zu werden scheint.

Die Schilderung oder Aufzählung der vorzüglichsten Kirchen und
öffentlichen Gebäude erläßt man mir wohl. Aehnliches hat kaum mehr
Nutzen als eine Stelle des Reiseberichts auszufüllen, denn der Leser
bekommt doch schwerlich einen richtigen Begriff irgend eines Bauwerks,
wenn nicht mit künstlerischer Genauigkeit beschrieben wird. Die
statistischen Notizen, welche ich versucht habe im Vorhergehenden über
Chile zu geben, mögen im Allgemeinen auch für Peru gültig sein, die
Regierungsform eine gleiche oder sehr ähnliche, das Unterrichtswesen
und der Stand der bewaffneten Macht auf gleicher Stufe, und auch für
Handel, Gewerbswesen und Zollverhältnisse mag Aehnliches gelten. Aber
man fühlt in Lima die größere Nähe des Aequators, nicht in der
Temperatur allein, sondern auch im Leben und Treiben selbst. Man lebt
dort anders als in Chile. Ich mag mich nicht gerne vermessen, einen
Urtheilsspruch zu thun über Charakter und Sitten eines Volkes nach
kurzer Beobachtungszeit von kaum einigen Wochen, so will ich denn dem
Leser nur einzelne Bilder vorführen, aus denen er sich selbst Schlüsse
ziehen kann.

Kapitain Müller und ich stiegen in der goldenen Kugel, einem der ersten
Gasthäuser von Lima ab, und besuchten hierauf sogleich einen
deutschen Uhrmacher, der in nächster Nähe wohnte, und einen reichen
Verkaufsladen hatte. Er war ein alter Bekannter von Müller, und empfing
uns mit derselben Herzlichkeit wie alle Deutsche, welchen ich an der
Westküste begegnet bin, und da in seinem Geschäfts-Lokale zugleich der
Versammlungsort der meisten Deutschen war, welche eben ein Paar müßige
Augenblicke hatten, so lernte ich in der Folge viele derselben dort
kennen.

Wir gingen, nachdem es dunkel geworden, nach der Plaza, und ich staunte
über das eigenthümliche Leben was sich uns dort darbot. Die Plaza ist
der Hauptplatz von Lima, wohl einige hundert Schritte lang und breit,
und gegen Ost von der Kathedrale begränzt, welche ein würdiges Bauwerk
ist, und im Innern vor der Revolution unglaubliche Schätze enthielt,
von welchen aber ein großer Theil seitdem verschwunden ist. Die
nördliche Seite schließt das Rathhaus ein, gegen Süd und West aber
stehen Privathäuser, unten mit geräumigen Gallerien versehen, in
welchen offene Kaufläden mit den verschiedenartigsten Gegenständen
gehalten werden. Täglich erlebt man auf der Plaza drei verschiedene
Perioden.

Des Morgens mit Tages-Anbruch herrscht der Lärmen und das Gewühle
von Viktualien-Verkäufern aller Art, denn es wird dort zugleich der
Hauptmarkt abgehalten; bei steigender Sonne aber und des Tages über
ist der Platz leer und geräumt, und fast im alleinigen Besitze der
glühenden Sonnenstrahlen; bei'm Beginne der Nacht hingegen entwickelt
sich dort das lebendigste Treiben. Hunderte von Verkäufern bieten
Eiswasser (Fresco) und Limonade aus. Ihre Buden sind freilich nicht
glänzend, und bestehen meist aus alten Kisten, in welchen die Gefäße
mit Eis stehen, beleuchtet von einem kleinen Talglichte, und aus einer
Anzahl niedriger Bänke und fußschemelartiger Stühlchen, denn man
liebt in Peru eben so wie in Chile, fast huckweise (kauernd) zu sitzen.

Aber um diese bescheidenen Etablissements hat sich der Luxus geschaart,
die schöne und die feine Welt von Lima. In reichen Anzügen haben dort
die vornehmsten Damen Platz genommen, und lassen sich Fresco reichen von
ihren ebenfalls zierlich geschmückten Männern oder Freunden. Officiere
beleben die bunten Gruppen, und anständig schreitet mitunter ein Mönch
zwischen ihnen.

Friedlich aber zwischen allen diesen Staatspersonen sitzt mitunter
leichte Waare, Priesterinnen der verrufenen, wenn gleich nicht
unbeliebten Göttin, die dereinst den Wellen entstiegen; bunte Vögel,
zwar nicht geschmückt mit fremden Federn, wohl aber mit lebenden,
blühenden Blumen. Man sagte mir, daß dieß das selbstgewählte
Abzeichen jener schwärmenden Damen sei. Vielleicht aber sind sie eben
deßhalb geduldet mitten im Kreise der Tugend und des Anstandes, da sie
so hinreichend bezeichnet sind durch den duftenden Jasminkranz, den
zu jener Zeit wenigstens fast alle trugen. Jedenfalls fällt es
aber Niemand ein, Uebles zu denken oder sich aufzuhalten über jene
Vermengung von Tugend und Leichtsinn.

So schlürft man behaglich einige Gläser Fresco, die nebenher gesagt,
aus Eiswasser[57] besteht, gewürzt, je nach Wunsch des Consumenten, mit
fast allen Früchten die Peru bietet, und verläßt gegen 10 Uhr die
Plaza. In den Familien beginnt jetzt erst das eigentliche Leben, man
empfängt Besuche, musicirt oder spielt. Der Fremdling aber geht in's
Hotel und sucht sein einsames Lager. Er denkt über die Versuchungen
nach, denen er auf der Plaza glücklich entgangen und preist seine
Tugend, -- aber, er bedarf ihrer noch ferner! Im Gasthofe, auf den
dunklen, oder wenigstens nur halb beleuchteten Gängen, die zu seiner
Schlafstube führen, schwärmen Gestalten flüsternd und lockend.
Sie mehren und mehren sich! Führt man Robert auf? Soll er in der
Kirchhof-Scene debütiren? Aber glücklich der erfahrene Mann! Die
Senoritas tragen _Jasmin_-Kränze, und er hat vor einer halben Stunde
auf der Plaza erfahren, was diese bedeuten. So gewinnt er sein Zimmer
und verschließt seine Thüre, klopft man, so ruft er einfach =no
quiro=, und nachdem er zehn- oder zwölfmal an stets neue Klopfgeister
diese Zauberformel gerufen, kann er sich ruhig zu Bette legen mit dem
Kranze der Unschuld, statt mit dem von Jasmin geschmückt, und eine
willkommene Speise für Tausende von Flöhen, welche jetzt wie wüthend
über ihn herfallen, und gegen welche weder Tugend noch kölnisches
Wasser, weder Essigsäure noch männliche Festigkeit und Salmiakgeist
hilft.

Beiläufig so wie eben geschildert, war mein erster Abend in Lima, auf
und nach der Plaza.

Den folgenden Tag lief ich in der Stadt umher, planlos in Hinsicht auf
die zu verfolgende Richtung, indessen in der Absicht, ein, wenn auch nur
oberflächliches Bild derselben und ihrer Bewohner zu erhalten. Erinnern
gleich die kuppelförmigen Dächer der Kirchen, ihre eigenthümlichen
Portale und ganze Bauart, so wie die Balkons der Privatwohnungen stets
den Beschauer daran, daß er sich in einem fremden Lande befindet, so
haben doch wieder die gangbarsten Straßen viel europäisches. Man sieht
allenthalben glänzende Buden, in welchen die Industrie-Gegenstände
Deutschlands, Englands und Frankreichs ausgeboten werden und
Restaurationen, so viel als möglich in gleichem Sinne eingerichtet,
finden sich häufig.

Es herrscht ein reges Leben auf diesen Straßen, was bedeutend abweicht
von der Ruhe, welche fast aller Orten in Santjago stattfindet, und
in der That zeigen sich interessante Gestalten genug, die Stoff zur
Beobachtung bieten. Fast gänzlich verschwunden ist gegenwärtig
die alte Tracht, von welcher früher Reisende so vieles zu berichten
wußten, und ich habe nicht viele Damen in der Saya und dem Manto
gesehen. Die Saya ist ein Rock von Wolle oder Seide, welcher unten an
den Füßen sich wieder verengte, so daß die Trägerin nur trippelnd
gehen konnte. Der Manto ist eine Art Schleier von dickem, schwarzen
Seidenzeug, welcher am Gürtel befestigt und so über den Kopf
geschlagen wird, daß nur das eine, meist das linke Auge der Dame zu
sehen ist. In der unten engen Saya habe ich nur noch einige ältere
Frauen gesehen, während bei denen, welche noch jetzt die Saya und den
Manto tragen, die erstere in malerischen, wenn gleich künstlich durch
verschiedene Mittel hervorgebrachten Falten abwärts fällt.

Um die schlanke Taille noch mehr zu heben, wird das Unterkleid durch
einen zweiten Gürtel in die Höhe geschoben und festgehalten, und dann
über den Kopf die Saya und der daran befestigte Manto übergestürzt.

Ganz gut kann man begreifen, warum unter 12° südl. Breite sich die
Damen so einhüllen, daß man blos ein Auge von ihnen sieht, denn
bei vorliegenden Gründen kann man sich für jeden Unberufenen, oder
wenigstens Ungewünschten, unkenntlich machen, während ein kaum
sichtliches Zeichen zu dem Freunde deutlich genug spricht; aber es ist
mir nie recht klar geworden, warum man die allerschwersten und wattirten
Seidenzeuge zu diesen Verhüllungen angewendet hat.

Doch -- wie gesagt -- nur wenige Damen werden jetzt mehr in
dieser Tracht gesehen, und französische Mode hat auch hier das
Landeseigenthümliche verdrängt. Doch muß ich gestehen, daß immerhin
noch die Damen malerisch genug und wirklich mit Zierlichkeit auch jenen
französischen Tand um sich zu schlingen wissen, den sie gegenwärtig
tragen. Wunderbar und unglaublich klein sind die Hände und Füße der
Damen in Lima, aber mir schien es fast, als sei man wenig eitel auf
diese Zierde, da sie Gemeingut.

Da ich von den Damen und ihrem Anzuge gesprochen, muß ich natürlich
auch der _Herren_ erwähnen. Gänzlich verbannt ist bei diesen, im
Stadtleben wenigstens, der Poncho und die ältere Landestracht, und die
Mode hat vollen Eingang gefunden. Man trägt den engen, schwarzen Frack,
um die Strahlen der Sonne aufzuhalten, bindet eine Cravatte um den Hals
da man bei + 24° R. sich sonst leicht erkälten könnte, und trägt
den schwarzen, runden Hut um das malerische und zweckmäßige des ganzen
Anzugs zu vollenden. Der theure, aber für jenes Klima so passende
Strohhut kömmt dort täglich mehr aus der Mode. So die Herren. Die
Männer, d. h. die _Männer_ aus dem Volke, tragen den Poncho, leichte
Schuhe und weite Beinkleider, nebst einem stets breitkrämpigen Hut, in
übrigens sonst verschiedener Form. Sie haben die alte Tracht des
Landes beibehalten, so wie bei uns auf dem Lande an verschiedenen Orten
Deutschlands auch deutliche Spuren älterer Moden zu finden sind. Aber
ob sie nicht mit heimlichem Wunsche und mit Begehrlichkeit nach den
neuen Moden blicken, will ich nicht entscheiden.

So drängen sich in den Straßen von Lima in buntem Gewühle der
europäisch gekleidete Modeherr und der Arbeiter mit dem Poncho.
Dazwischen reitet ein Früchteverkäufer mit mächtigen Körben und
Säcken zu beiden Seiten des Maulthiers. Sein Poncho ist brennend roth
und seine Beinkleider von schönster Indigfarbe. Ihm folgt stolz auf
einem weißen Rosse ein Neger, ein Lieblingssklave vielleicht, oder ein
Freigelassener. Seine Satteldecke ist blau, sein Poncho weiß,
weiß sein Hut, und ein weißer Kragen, Andeutung des zukünftigen
Vatermörders, wenn er ganz Caballero geworden sein wird, dehnt sich bis
an die Ohren. Der _solide_ Neger liebt die weiße Farbe.

Mit eben nicht überflüssigen Kleidungsstücken ausgestattet, aber
rittlings nach Männerart im Sattel oder wohl auch auf ungesatteltem
Thiere sitzend, begegnet uns dort eine ländliche Senorita. Unter dem
blau-schwarzen Haare, welches wild über die braunen Wangen hängt,
blitzen zwei kohlige Augen hervor, vielleicht nach einem Sohne des
Mars, der eben wohlgenährt, wie fast alle seine Kameraden, und weiß
uniformirt, mit der hohen, leichten Mütze durch die Straßen schreitet.
Mönche in verschiedenen Ordenskleidern, ernst, würdevoll oder
demüthig, wohl nach der Regel des Ordens, durchwandern, grüßend
und gegrüßt das bunte Gewühl, was vervollständiget wird durch die
Fremden, die eben angekommen sind, durch die Kapitaine und Seeleute
überhaupt, durch Neger und Negerinnen und Staffage der verschiedensten
Art, die zu schildern der Raum verbietet.

Verläßt man die volkreichsten Straßen, so treten wohl die von
ungebranntem Lehm erbauten und weiß getünchten Häuser, die an
Santjago erinnern, hervor. Dort zieht sich auch, wie in den meisten
Straßen der genannten Stadt, ein schmaler Kanal der Länge nach durch
die Mitte des Weges, und an diesem sitzt in stoischer Ruhe der schwarze
Aasgeier, der häufig sich nicht bewogen fühlt, dem vorübergehenden
Herrn der Schöpfung auszuweichen, oder höchstens einen Schritt zur
Seite geht. Diese Thiere haben die Reinigung der Straßen übernommen,
und erfreuen sich hiefür der allgemeinen Achtung und Sicherheit.
Abfälle aller Art, Aas und Unrath, werden einfach und ohne Wahl von den
Bewohnern auf die Straße geworfen und mit eben so wenig Auswahl auf's
Schnellste von diesen Thieren verzehrt. Der Zweck ist edel, aber die
Ausführung streift häufig an's Unappetitliche.

Da Lima mit Lehmmauern umgeben ist, welche etwa 9 Fuß Höhe und
6 Fuß Breite haben, so findet nicht jener allmälige Uebergang in
immer kleiner und unansehnlicher werdenden Wohnungen statt, welchen ich
früher für die südamerikanischen Städte überhaupt angegeben habe.
Geht man aber über die wirklich schöne Brücke, welche über den Fluß
Rimac führt, so kömmt man in die Vorstadt San Lazaro, welche meist
von ärmeren Leuten bewohnt und wo allerdings der eben erwähnte Typus
gefunden wird.

Nach langer Wanderung durch die Straßen Lima's mag mich der Leser in
die Fonda italiana begleiten, eine Restauration, wo man fast zu allen
Zeiten des Tages nach der Karte speisen, aber auf Abonnement auch festen
Mittagstisch nehmen kann.

Es ist ein schönes, ja vollkommen großstädtisch angelegtes
Etablissement, und man speist dort ziemlich billig, wenigstens nach
»Westküsten-Preisen« und in zierlich ausgestatteten Räumen. Es waren
auf der Speisekarte 154 warme Speisen, 20 kalte und eben so viele Weine
und Spirituosen angegeben. Wirklich zu haben waren an jenem Tage 62
warme Speisen und alle kalten, nebst den verzeichneten Weinen. Da in der
Fonda italiana auf den Geschmack aller seefahrenden Nationen Rücksicht
genommen war, und sich die Lieblingsgerichte einer jeden vertreten
fanden, war dort auch stets ein Zusammenfluß der meisten Fremden zu
finden, und nebenher zugleich auch starker Besuch von Limanern selbst.
Um einen kurzen Anhaltspunkt in Betreff der Speisen zu geben, führe
ich Folgendes an: Suppen verschiedener Sorten ½ bis 1 Real. Rostbeef
1 Real. =Bifsteko a la parilla=, (auf dem Roste gebraten) 1 Real.
=Bifsteko a la francesca con papas=, (mit Kartoffeln) 2 Realen. Ein
Viertel Huhn 2 Realen. Ein Viertel Truthuhn 2 Realen. Kalbsbraten
1 Real. Hammel- und Lammsbraten 1 Real. Lendenbraten mit Spargeln,
Artischoken, Blumenkohl oder irgend einem andern Gemüse 1½ Real.
Von weniger bei uns bekannten Speisen, z. B. Seefische und Krebse
verschiedener Art, ähnliche Preise von 1 bis 2 Realen. Die Weine
kosteten meist 1 Thaler, 4 Realen (3 fl. 42 kr.) die Flasche, so
z. B. =Bordeos= (Bordeaux) und ferner =Vino de Oporto, Madera, Jerez,
Moscatel, Hermitag, de Rhin, Suterne,= aber =Vino de Campanna= 2 Thaler.
Man sieht zugleich aus dieser kleinen Weinkarte, daß die Limaner nicht
schüchtern sind im Uebersetzen. Ich habe, so lange ich mich in Lima
aufhielt, häufig in jener Restauration gegessen und bin wie man sich
denken kann, bedacht gewesen, so viel als möglich die fremdländischen
Speisen zu kosten, da ich eine süße Ahnung hatte, daß mir die
deutschen Kalbsbraten und die Bratwurst meines _engsten_ Vaterlandes,
später immer noch bleiben werde. Besonders aber habe ich gesucht, die
Früchte des Landes kennen zu lernen.

Von diesen will ich nur eine ganz eigenthümliche, sehr angenehme Frucht
erwähnen, deren Namen ich leider vergessen habe. Sie hat die Größe
eines Gänseeies. Der uneßbare Kern ist in Farbe und Umfang einer
wilden Kastanie ähnlich, aber hart und holzartig. Aber zwischen diesem
und der äußersten grünen Schale liegt das weiche eßbare Fleisch, es
wird reich mit spanischem Pfeffer und etwas Salz durchwürzt auf Brod
genossen und ist ohne Zweifel ein vegetabilisches Fett, oder wenn man
will, eine reich mit Oel durchsetzte Pflanzenfaser. Leider war die
Frucht nicht zu transportiren und die verschiedenen Exemplare, welche
ich mitzunehmen versuchte, faulten sammt dem Kern bald auf der See.

Ich habe in jener Fonda italiana einen alten Spanier kennen gelernt,
keinen _Peruaner_, denn er selbst nannte sich so, und alle Welt
bezeichnete ihn nur mit dem Namen =il Espanol=. Ich habe von dem Alten
mehrere Notizen über das frühere Verhältniß von Peru erfahren, und
ich, der Fremde, war vielleicht der einzige Mensch, der seit langer Zeit
ihn freundlich behandelt hatte. Er war eine Ruine aus der vergangenen
Zeit, ein _Geduldeter_. Unter der spanischen Herrschaft war er ein
reicher, begüterter Mann und allgemein geachtet. Da brach die Bewegung
aus und er hielt es mit der Sache des Königs. Sie ging verloren. Einen
Theil seines Vermögens hatte er seiner Partei geopfert, er hatte
ihn auf die eine Seite des vaterländischen Altars gelegt. Die neue
Regierung confiscirte den Rest seiner Habe, und legte ihn auf die andere
Seite des bekannten Opfersteins. Er war ein Bettler und stand allein.
Sein einziger Sohn war in der Revolution getödtet worden, noch ein
halbes Kind, sagte der Alte, indem er sein Gesicht verbarg; ob aber für
oder gegen die Sache des Vaters, habe ich nicht erfahren. Er hatte sich,
nachdem Alles verloren war, verborgen, und erreichte endlich ein Schiff,
in welchem er später nach Spanien flüchtete, denn dort lebten ihm
Verwandte, und vor allem war dort die Regierung, der er Alles geopfert.
Man würde ihn nicht sitzen lassen im Vaterlande, meinte er. Man ließ
ihn auch wirklich nicht sitzen, sondern gab ihm den guten Rath, so
bald wie möglich wieder zu gehen, woher er gekommen, oder auch in
Gottesnamen anderswohin, aber nur fort. Wer hatte ihn geheißen, dem
Dinge, welches er seine Ehre nannte, so leichtsinnig Alles zu opfern.
Niemand war ihm Etwas schuldig. Ein französischer Kapitain nahm ihn
aus Barmherzigkeit wieder mit nach Peru. Er hoffte, einen Theil seiner
Besitzungen wieder zu erlangen, indessen vergebens. Doch kümmerte sich
die Regierung, jetzt stark genug, nicht weiter um ihn, aber ein alter
Bekannter borgte ihm eine kleine Summe, und er begann einen Papierhandel
und hielt einen kleinen Buchladen, der ihn spärlich nährte. Aber er
wußte Herrliches zu berichten von der vorigen Zeit, von der Pracht,
die geherrscht und von dem Gelde, das im Ueberfluß vorhanden. Zu jener
Zeit, sagte er, kam es wohl, wie allenthalben vor, daß auch ein reicher
Mann für den Augenblick kein Geld hatte. Er ging zu einem Freunde und
entlieh eine Kleinigkeit von 500 oder 1000 Thalern. Wollte er aber nach
ein paar Tagen oder Wochen das Geld zurückzahlen, so sagte der Andere:
»Heilige Jungfrau! diese Kleinigkeit, wer denkt _daran_! Lassen Sie es
doch gehen, ich komme wohl auch einmal zu Ihnen, und Niemand sprach mehr
von der Sache!« Wenn diese Liberalität noch jetzt geübt würde,
welch ein vortreffliches Land für die Auswanderung würde dieses Peru
abgeben. Aber man bekräftigte auch von anderen Seiten, daß Aehnliches
wohl vorgekommen sei.

Ein anderer Beweis von dem Reichthum jener Zeit, der indessen wohl schon
bekannt, keinesfalls aber eine Fabel ist, ist der, daß wenn ein neuer
Gouverneur aus Spanien kam und zum erstenmal ausfuhr, die Reichen aus
ihren Häusern liefen, und spanische Thaler auf seinen Weg streuten,
nicht einzeln, so wie bei uns bisweilen Blumen gestreut werden, sondern
dicht. »Pferde und Räder liefen auf Silber.« Die Armen lasen dann
diese Thaler auf. War der Gouverneur beliebt, so wurde auch später und
zum öftern dieses Streuen wiederholt. Dies ist eine Thatsache, welche
noch heute älteren Leuten dort wohl bekannt ist.

Auch der Luxus, der mit silbernen und goldenen Geräthschaften getrieben
wurde, grenzte in jener Zeit an's Fabelhafte. Alles war von edlem
Metalle, und ein gewisses Geräthe, so unentbehrlich im Schlafgemache,
wie unnennbar in guter Gesellschaft, war selbst bei Leuten, die nicht zu
den reichsten gehörten, stets von Silber, und gerade von diesem Artikel
soll man sich am schwersten getrennt haben, als das eiserne Zeitalter
viele Opfer nöthig machte.

Aber noch heute glänzt dort Gold und Silber in den Zimmern der Reichen
und ich habe Nipptische gesehen, welche eine kleine Schatzkammer waren.

Gleich in den ersten Tagen meiner Ankunft besuchte ich das Museum,
=Museo national y latino= genannt. Diese Sammlung befindet sich auf
dem Standpunkte, auf welchem etwa vor 40 Jahren fast alle europäische
ähnliche Sammlungen waren.

Ohne allen Plan hat man alles »Merkwürdige« zusammengestapelt, dessen
man eben habhaft werden konnte, und so ist ein vereintes Kunst- und
Naturalienkabinet entstanden. Aber wie bei uns, so wird wohl auch in
Peru der Sinn für die Schätze der Natur und Kunst geweckt werden
durch solche Sammlungen, es wird wenigstens einigermaßen vorläufig der
blinden Zerstörungswuth entgegengewirkt werden, und wie beim einzelnen
Individuum das anfängliche Sammeln endlich zum Studium führt, so wird
hier der bessere Theil der Nation selbst zuerst zum Erhalten, später
zum Beachten aufgefordert.

Man findet im Museum zu Lima die alten peruanischen Gefäße und
Götzenbilder ziemlich reich vertreten, wenn gleich ein bei weitem
größerer Theil derselben entweder bei zufälligem Funde zerstört,
oder außer Land gebracht worden ist, wohl auch sich noch in
Privathänden befindet.

Die Wichtigkeit solcher Funde, wenn die Ausgrabung gehörig geleitet
wird, scheint jetzt bei uns erst in neuerer Zeit mehr und mehr anerkannt
worden zu sein, und es ist kaum glaublich, daß bisher fast allgemein
die bei solchen Gelegenheiten gefundenen Schädel entweder zerstört
oder wieder begraben wurden und daß nur wenige daran gedacht zu haben
scheinen, wie wichtig ihre Erhaltung für die Ethnographie gewesen
wäre. Die im Museum befindlichen alten Götzenbilder, meist von
Silber, einige von Gold und alle mit dem Hammer getrieben, scheinen mir
großentheils altperuanischer Abkunft, einige indessen scheinen älter
und auf die Titicaca-Race hinzudeuten, wenigstens ist dieß aus der
Gesichtsform einiger Figuren abzuleiten. Die aus Thon gearbeiteten Vasen
oder Töpfe stellen in einer gewissen Periode sehr häufig Menschen-
oder Thierformen dar, ein von diesen verschiedener Typus aber spricht
sich deutlich bei andern aus, mehr antiker Form sich nähernd, gehören
sie offenbar einer andern Zeit an. Welche Vortheile können aus der
näheren Erforschung und Entwicklung dieser Verhältnisse für die
früheste Geschichte des Menschengeschlechts erworben werden!

Da sich ziemlich viele dieser Ausgrabungen im Privatbesitze befinden,
habe ich mehrere derselben erwerben können, und bin so ziemlich im
Stande das eben Gesagte nachzuweisen.

Die Mumien im Museum zu Lima sind vollständig wohl erhalten und noch
mit den Decken versehen, mit welchen sie gefunden wurden. Sie
wurden ebenfalls in sitzender Stellung gefunden, wie fast alle dort
ausgegrabenen Leichen, und ganz so wie ich die der alten Titicaca-Race
fand, aber sie gehören nicht dieser Race, sondern der altperuanischen
an, wie sich deutlich aus der Form der Schädel ergibt.

Ueber diese Gegenstände, vorzugsweise aber über die Thongefäße und
Idole von Metall, hat der frühere General-Director der Bergwerke in
Peru, Herr de Rivero, geschrieben, und ich bin im Besitz eines im
Jahr 1841 in Lima erschienenen Buches mit Illustrationen, in welchem
treffliche Aufschlüsse gegeben werden.

Mitten unter den alten Resten dieses früheren Kunstfleißes sah ich
plötzlich zu meiner Ueberraschung einen alten Bekannten stehen, den ich
seiner sonderbaren Gesellschaft halber anfänglich kaum zu erkennen mich
getraute. Es war eine Sicherheits-Lampe von Davy, die wie Saul unter den
Propheten, friedlich unter den alten Götzen Platz genommen hatte. So
steht eben dort, wie ich vorher bemerkt, Alles bunt durch einander.

Unter den andern Dingen, welche ich getroffen habe, ist das Modell eines
chinesischen Schiffes hervorzuheben. Es ist chinesische Arbeit, ganz von
Elfenbein, vollständig gut erhalten und außerordentlich zierlich bis
auf die geringfügigste Kleinigkeit ausgeführt. Eine Unzahl Figuren
sind allenthalben angebracht, und nach Urtheil des Kapitains Müller,
der das Museum mit mir besuchte, gibt die Nachahmung des Tauwerks und
der Segel den deutlichsten Begriff von der Art und Weise, wie solches
noch heute bei den Chinesen construirt ist. Erinnere ich mich recht, so
beträgt die Länge des ganzen Modells sicher nicht unter fünf Fuß.

Die Fauna von Peru ist leider nur ungenügend im Museum vertreten,
hingegen habe ich schlecht genug ausgestopfte deutsche Finken und
Sperlinge getroffen und auch einige brasilianische Vögel.

Eine Suite von Versteinungen aber, und schöne Silberstufen, zeigen,
daß der erste Anleger der Sammlung, Rivero, sein Fach gut vertreten
hat.

Ich habe mehrere Ausflüge zu Pferde in die Umgegend von Lima
unternommen, wobei mich meistens Deutsche begleiteten. _Allein_ reitet
oder geht man ungern vor die Stadt aus Furcht vor Räubern, welche
allenthalben lauern sollen.

Außer einem Ueberblicke über die Gegend habe ich aber bei jenen
berittenen Excursionen wenig erworben. Man reitet in Peru fast eben
so toll und besessen wie in Chile, so stürmten wir im Galopp stets
vorwärts, und kaum waren die Genossen zu bewegen, irgendwo einige
Augenblicke zu halten.

Als ich aber eines Abends meinen Vorsatz äußerte, des andern Tags
zu Fuß die Umgegend zu besehen, lachte man mich geradezu aus und
versicherte mir, theils der Hitze halber, vorzugsweise aber wegen des
Raubgesindels, sei dies eine vollkommene Unmöglichkeit.

Da ich mit der Hitze auf gutem Fuße stehe und nicht zu jenen
unaufhörlich transpirirenden und schnaubenden Subjekten gehöre, welche
lieber mit Eisbären verkehren, als unter Palmen wandeln, so ging ich
dennoch. Wegen der Räuber hoffte ich, daß sich das Weitere ebenfalls
finden würde. Ich durchstreifte zuerst einen Theil des alten
Flußbettes des Rimac, welches dort nur selten bewässert erscheint
und mit 8 bis 10 Fuß hohen Büschen eines hiftenartigen Strauches
bewachsen ist, von welchem ich Saamen mitgebracht habe, der in Europa
trefflich anschlug.

Verdächtig aussehende Bursche traf ich allerdings gelagert in jenen
Sträuchern, aber keiner machte nur im Entferntesten Miene mich
anzufallen. Als ich dicht zu zwei derselben trat, und um sie
anzusprechen fragte, wohin der Weg zur Stadt gehe, hob einer von ihnen
den Fuß, die allgemeine Richtung zu bezeichnen, und sagte: »=aqui=«
(hier) -- dann legte er sich auf die Seite, um, wie es schien, von der
Anstrengung auszuruhen, und würdigte mich kaum mehr eines Blickes.
Möglich, daß es ein verwegener Räuber gewesen, allein entweder war
er im Augenblicke nicht disponirt, »befand sich nicht in der Lage« wie
man sich auszudrücken pflegt, sein Metier zu betreiben, oder hielt es
nicht der Mühe werth, indem mein Aeußeres eben nicht sehr glänzend
beschaffen war. Hierauf wendete ich mich gegen den Monte San
Cristoval und erstieg dessen kahlen Gipfel. Ich hatte nicht Zeit, die
geognostischen Verhältnisse des Berges näher zu untersuchen, doch
schien mir der Granit, aus welchem der größte Theil desselben bestand,
welchen ich bestieg, von Gängen anderer Gesteine durchsetzt. Ich habe
von dort einen Diorit, einen schönen Porphyr und zwei Stufen Granit
mitgebracht, von welchen der eine so feinkörnig ist, daß man kaum mit
unbewaffnetem Auge die Gemengtheile zu erkennen vermag. Vom Gipfel aus
hat man eine reizende Aussicht und es macht Lima, von dort aus gesehen,
fast den Eindruck einer orientalischen Stadt, der begründet durch die
vielen Kuppeln der Kirchen, noch verstärkt wird durch die zahlreichen
Palmen in der Nähe, und die eigenthümlichen Formen des aus der Ferne
herüberblickenden Forts von Callao.

Vom Berge herabgestiegen, erbeutete ich einige schöne
Farrenkräuter[58] und einige Species einer Landschnecke. Auch mehrere
schöne Tagfalter sahe ich, konnte aber mit dem Fang mich nicht
befassen, hingegen wurde ich auch nicht eines einzigen Käfers gewahr,
was mir eigenthümlich genug erschien. Indem ich durch eine Schlucht
gehend auf Umwegen die Stadt wieder zu erreichen suchte, hörte ich
plötzlich Schritte dicht hinter mir, und mein erster Gedanke war jetzt
wirklich ein räuberischer Anfall. Ich griff in die Tasche und spannte
den Hahn meiner einen Pistole, denn diesmal hatte ich sie nicht wie
in Callao vergessen, und drehte mich dann rasch um. Aber statt in das
tückische und mordlustige Gesicht eines braungelben peruanischen
Ladron zu sehen, blickte ich in ehrliche blaue Augen und das gemütliche
Gesicht eines Deutschen aus dem gesegneten Schwabenlande, den ich schon
einmal früher in Valparaiso gesehen hatte, und der sich nicht genug
verwundern konnte, wie ich _gerade_ hieher käme. Tausend! Tausend!
sagte er, die Deutschen kommen doch überall herum, und schlagen
überall _gut_ an. Er war auch wirklich gut angeschlagen, d. h. er
befand sich gut in Lima, und war Aufseher in einer Mühle. Wir aßen
später zusammen in einer unweit der Stadt gelegenen Fonda, und als
ich ihm von den Befürchtungen wegen Unsicherheit durch Räuber sprach,
versicherte er mir, daß er in den acht Wochen, seit welchen er in
Lima sei, nicht das mindeste Verdächtige bemerkt habe, obgleich sein
Geschäft ihn täglich, und oft noch spät des Abends, in ziemliche
Entfernung von der Stadt geführt habe. Die Unsicherheit des Weges nach
Callao bekräftigte er indessen.

In Valparaiso hatte ich mehrere Empfehlungen nach Lima erhalten und
wurde mittelst derselben von den dortigen Deutschen, an welche sie
gerichtet waren, ebenfalls auf das Freundlichste angenommen. Ich hatte
in einem dieser gastfreien Häuser Gelegenheit, weitere Studien
zu machen in Betreff des Obstes sowohl, als auch der übrigen
Culturfrüchte, da man dort theils zum Vergnügen die feinsten Sorten
von Früchten selbst zog, theils auch überseeische Geschäfte in
größerem Maßstab mit Landesprodukten überhaupt machte. So sah ich
dort alle Sorten des Kaffee, welcher im Lande gebaut wird, und
von welchen einige ganz ausgezeichnet sind. Ich erwähne, um einen
Anhaltspunkt zu geben, daß das beiläufige Gewicht von hundert Pfunden
eines solchen 40 Thaler kostet, während eine geringere Mittelsorte
4 Thaler kostet.

Auch von Zuckerrohr, Cacao, Vanille, Chinarinde und Baumwolle wurden mir
die verschiedenen Proben gezeigt, welche in den Handel gebracht werden,
desgleichen drei Sorten von Mais, Reis, Weizen, Bohnen, Manioc, Oliven
und analoge Dinge.

Unter den Früchten bemerke ich neben Weintrauben, welche dort an
kühleren Stellen gezogen werden, der süßen Kartoffel (=Batata=), der
Liebesäpfel, Granatäpfel, der Pfirsiche, Aprikosen, Quitten, Melonen,
der Brodfrucht, der Palta und anderer. Lebhaft im Gedächtnisse ist mir
noch die Tuna und die Cheremoya. Der letzteren habe ich schon in
Chile Erwähnung gethan, aber in Peru wird sie noch schöner und
geschmackvoller getroffen als dort. Die Tuna hingegen ist eine Frucht
von der Größe eines Gänseeies und kann am besten mit einer kolossalen
Stachelbeere verglichen werden. Ihr Fleisch hat dieselbe Consistenz wie
bei jener, und ist eben so wie sie mit einer Menge von kleinen
Kernen durchwachsen. Auch im Geschmacke ist eine nicht zu verkennende
Aehnlichkeit vorhanden, doch ist jener der Tuna gewürziger.

Sicher das unparteiischste Urtheil über die Sklaverei in Peru habe ich
ebenfalls bei den dort wohnenden Deutschen erfahren. Es lautet günstig
und wirft ein gutes Licht auf den Charakter der Limaner. Bei der
Herstellung der Republik wurde die Sklaverei gewissermaßen aufgehoben.
Ich vermag nicht die Worte der Akte anzugeben, mittelst welcher dieser
Beschluß in's Leben trat, aber der Sinn derselben war der, daß keine
neuen Sklaven eingeführt, die alten aber beibehalten werden sollten.
Man hat dies treulich gehalten, und keine neue Zufuhr von schwarzer
Waare findet statt. Daß hiedurch das Institut der Sklaverei nur
_modificirt_ wurde, versteht sich freilich von selbst, indessen hat
sich das Verhältniß, selbst im philantropischen Sinne betrachtet,
erträglich gestaltet.

Die Neger, aufgewachsen in den Häusern ihrer Herren, gewöhnen sich
leichter an sie und ihre Launen, und werden fast ohne Ausnahme von
diesen gut behandelt, wenn gleich, wie man mir sagte, namentlich bei
den schwarzen Damen, hie und da eine etwas lebhaftere Ansprache nöthig
werden sollte.

Aber ich war nie Zeuge der Mißhandlung eines Negers, wie in Brasilien
dies fast täglich der Fall war, und die Sklaven in Lima sehen so
zufrieden, ja selbst wohlhäbig aus, daß man von vornherein auf ein
nicht allzuschlimmes Loos schließen darf.

Zur Zeit als ich in Valparaiso war, lag im dortigen Hafen ein Schiff
mit Chinesen vor Anker, welche nach Lima bestimmt waren, um dort den
Seidenbau einzuführen, oder vielmehr zu cultiviren. Da ich mehrmals
auf jenem Schiffe war, um verschiedene chinesische Gegenstände, Waffen
u. dergl. zu kaufen, und die wunderlichen Gestalten der Chinesen
selbst, so wie der ganze abenteuerliche Typus derselben mir lebhaft im
Gedächtniß geblieben waren, verfehlte ich nicht, über deren weiteres
Loos Erkundigungen einzuziehen, aber man konnte mir nichts weiter
angeben, als daß jene Menschen in's Innere gebracht worden seien.
Selbst später habe ich nicht in Erfahrung bringen können, ob der
Seidenbau in Peru einigermaßen Wurzel geschlagen, und es will fast
scheinen, als habe dessen Cultur nicht den günstigsten Fortgang.

Ohne Zweifel hat mancher der Leser tadelnd und mißbilligend auf die
spärliche und noch überdem ziemlich verworrene Reihenfolge der Notizen
gesehen, welche ich über Callao und Lima gegeben habe. Aber die kurze
Zeit, welche ich mich dort aufhalten konnte, reichte nicht aus, ein auf
die strenge Wahrheit basirtes abgerundetes Ganze zu bilden. So habe ich
vorgezogen, die gemachten Wahrnehmungen und Erfahrungen so bunt gemengt
und abgerissen zu berichten, wie sie mir selbst vorgekommen sind,
anstatt durch eine künstliche Verbindung vielleicht allzusehr in
Ausschmückung zu verfallen.

In diesem Sinne mögen hier noch einige Bemerkungen über den
religiösen Cultus von Lima einen Platz finden.

Man _glaubt_ dort, wie man in allen warmen Ländern glaubt, ohne viel
zu untersuchen was und warum, und man hält die Gebote der herrschenden
Kirche, im Falle sie nicht allzuschwer zu befolgen sind. Ohne Zweifel
hat dies seine Nachtheile, aber es hat auch sein Gutes. Es schützt den
Laien einerseits vor einem gewissen geistlichen Hochmuthe, mit welchem
er auf Andersdenkende so gerne herabsieht, und auf der andern Seite den
Halbgebildeten gegen gänzlichen Unglauben.

Die glänzenden Feierlichkeiten der Kirche erbauen und beschäftigen
zu gleicher Zeit den Limaner und er vergnügt sich, indem er betet,
er betet also mit Vergnügen. Processionen sind beliebte
Volksfestlichkeiten, und bei allen kirchlichen Ceremonien denkt man mehr
an den zukünftigen Himmel als an die Hölle.

Sicher ist ganz bezeichnend, was ich sowohl in Peru als auch in Chile
häufig gesehen habe: vor einem Muttergottesbilde brennt eine Lampe,
ein Caballero tritt an dieselbe und nimmt grüßend seinen Hut ab, aber
hierauf zündet er seine Cigarre an der Lampe an, und geht friedlich
rauchend weiter. Freilich aber betrachtet man in jenen Ländern das
Rauchen nicht als etwas Unanständiges wie bei uns, trotzdem daß hier
so wie dort fast alle Welt raucht.

Ein alter, aber heute noch wie früher bestehender Gebrauch findet beim
Abendläuten statt. Mit dem ersten Schlage der Abendglocke ruhen auf
einige Augenblicke alle Geschäfte. Der Arbeiter läßt den Hammer
sinken, die Näherin die Nadel, und das bereits erhobene Glas, welches
der Durstige zu den Lippen führen will, wird niedergesetzt. Jedermann
verstummt, auf den Straßen steht jeder Fußgänger stille, und Reiter
so wie Wagen halten an. Mancher murmelt wohl einige kurze betende Worte,
und die Senoritas bekreuzen sich. Aber nach einigen Momenten tritt
wieder die lebhafteste Bewegung ein. Man ruft jetzt auf den Straßen dem
Nebenumstehenden einen freundlichen guten Abend zu, mag man ihn
kennen oder nicht, und geht dann seine Wege. Mag man diese Sitte recht
altväterisch oder »abergläubisch« finden, mir hat sie gefallen.
Sie ist eine _Form_, aber eine achtende gegen das Göttliche, eine
wohlwollende gegen den Nebenmenschen. Eine andere Sitte (die Bezeichnung
paßt nicht recht, aber ich weiß keine andere) ist so eigenthümlich,
zugleich aber so charakteristisch, daß ich sie nicht übergehen
kann, obgleich sie manchem meiner Leser wohl kaum glaublich erscheinen
dürfte.

Jenes räthselhafte und doch leicht erklärliche Kind der tollsten Ehe,
die je geschlossen wurde, die Eifersucht, ein Sprößling des Hasses und
der Liebe, existirt auch in Lima.

So wie allenthalben, auch dort, und sonder Zweifel höchst irriger
Weise, glauben bisweilen eigenthümliche Ehemänner, daß die Senorita
irgend einem Caballero mehr Aufmerksamkeit schenkt, als eben nöthig
oder zuträglich für den künftigen Frieden des Hauses ist. Hie und
da wollen solche verblendete Männer selbst mit eigenen Augen solche
Aufmerksamkeiten gesehen haben.

Man weiß, daß in manchen Familien in Europa bisweilen ärgerliche
Geschichten entstehen durch solche optische Täuschungen. Nicht so unter
jenem glücklichen Himmel. Es bestehen dort eigene Bußklöster für
solche Fälle, bewohnt blos von alten ergrauten Nonnen und beaufsichtigt
nur von einem _sehr_ alten, allgemein würdig anerkannten Priester.

In ein solches begiebt sich, auf energisches Anrathen des scheinbar
beleidigten Ehemannes, die Senorita, und stellt dort Buß- und
Betübungen an, fastet und kasteit sich vielleicht mit Maaß und Ziel,
ohne Zweifel aber hinlänglich und genügend, denn nach Verlauf
von vierzehn Tagen oder drei Wochen verläßt sie in _aller Augen_
vollständig entsündigt, das Kloster.

Und sie ist wirklich entsündigt, denn Jedermann hat den etwa bekannt
gewordenen Skandal vergessen, oder betrachtet ihn wenigstens als
ungeschehen. Die Verwandten der Frau, der Mann und seine Angehörige,
holen die Weißgekleidete und köstlich Geschmückte an der Pforte des
Klosters ab, und führen sie zurück in das ebenfalls verzierte Haus, wo
gleichsam eine zweite Hochzeitfeier statt findet.

Vielleicht mag es dort in der ersten Schäferstunde mancher Frau
gelingen, den Mann von ihrem erlittenen Unrecht zu überzeugen, dies
vermuthe ich, nicht genau weiß ich _wie oft_ diese Entsündigung mit
genügendem Erfolge vorgenommen werden kann; ganz klar aber ist
mir, daß derselben sich in Europa unübersteigliche Hindernisse
entgegenstellen würden, selbst in den gläubigsten Ländern dieses
alten halsstarrigen Welttheils. Mit Vergnügen aber füge ich bei,
theils vielleicht als einen Beweis der großen Milde und Nachsicht
der Frauen, theils auch als einen solchen für das solide Benehmen der
Männer, daß ähnliche Buß- und Entsündigungs-Anstalten für Letztere
in Lima nicht bestehen.

       *       *       *       *       *

Große Autoritäten haben für viele Theile von Peru umfassende
Berichte abgestattet, in Hinsicht auf meteorologische und klimatische
Verhältnisse. Die wenigen und unzusammenhängenden Versuche zu
veröffentlichen, welche ich in Lima und Callao angestellt habe,
verlohnt sich daher auf keinen Fall der Mühe.

Es mag nur im Allgemeinen bemerkt werden, daß die Temperatur keine
so hohe ist als man den Breitegraden nach glauben sollte. Es mag
+ 23° R. bis + 24° R. im Schatten für die erste Hälfte des Monat
März angenommen werden, als höchster Stand während des Mittags.
Ich kann übrigens nicht sagen, daß die Nächte besonders erfrischend
gewesen wären, und in der Stadt wenigstens stand das Thermometer in
den Straßen nicht unter + 20°, in den Stuben aber wohl höher. Mein
ganzes Leben hindurch wollte ich diese Hitze ertragen, vielleicht auch
ein paar Grade höher, wäre es eben nöthig.

Die Nebel, welche sich schon in Bolivien des Abends auf den Bergen
zeigen, treten in Lima und noch weiter in das Land hinein, ebenfalls
auf, und zwar häufiger und verbreiteter. Sie erscheinen namentlich
angeblich bei Mondwechsel, und sind während des Winters, vom Mai bis
November täglich, indem sie mit dem Westwinde des Morgens erscheinen,
Mittags verschwinden, aber des Abends mit dem stets auftretenden
Südostwinde, wiederkehren. Ueber den unfern der Stadt liegenden Amancas
und den Bartholomäus-Bergen schwebten auch während meiner Anwesenheit
in Lima fast immer Nebel und Wolkenschichten, und im Hafen von Callao
zeigte sich dieselbe Erscheinung.

Da es selten, ja fast nie regnet, so bedingen die Nebel ohne Zweifel die
Fruchtbarkeit, welche in den meisten Bezirken von Peru herrscht.

Vielleicht in Folge dieser Nebel treten in Lima häufige Wechselfieber
auf und zwar besonders im März und April und im September und Oktober.
Auch Katarrhe und katarrhalische Fieber, so wie Lungenleiden, sind dort
nicht selten, doch mag das Klima von Lima im Allgemeinen als ein
sehr gesundes bezeichnet werden und man trifft dort Greise aus allen
Ständen, welche das höchste Alter erreichen.




XIV.

Von Peru nach Europa.


Am 14. März des Nachmittags drei Uhr gingen wir bei flauem Winde in
die See. -- Es war eine lange Reise, die wir vor uns hatten, und es
hält schwer für eine solche die Zeit der Ankunft genau im Voraus zu
bestimmen. Man hatte in besonders günstigen Fällen Hamburg von Peru
aus schon in 85 Tagen erreicht, aber man hatte auch schon 150 Tage
gebraucht und mehr, denn Kap Horn ist zu passiren, und Niemand kann mit
Sicherheit sagen, wie sich dort die Gelegenheit gestaltet[59].

In solchen Fällen giebt man sich der besten Hoffnung hin, arbeitet so
viel man kann gegen das Schlimme, und erträgt das Unvermeidliche mit
stoischer Ruhe.

Wir hatten indeß alle Aussicht, eine gute Reise zu bekommen. Der
Dockenhuden war ein neues und gut segelndes Schiff, der Kapitain ein
tüchtiger und wohl erfahrener Seemann, eben so waren die Steuerleute,
von welchen nach unserer Ankunft der Obersteuermann ebenfalls ein Schiff
bekam, und die Matrosen, gewandte und kräftige Leute mit dem besten
Willen von der Welt.

Schon oben habe ich mich über das Verhältniß zwischen Kapitain und
Passagier ausgesprochen, und brauche daher kaum zu wiederholen, daß
fortwährende Mißhelligkeiten zwischen beiden das Leben am Bord zu
einer wahren Hölle machen. Aber mit desto größerem Vergnügen und
mit aufrichtigem Herzen spreche ich hier aus, daß sowohl während
der früheren Fahrten, welche ich mit Kapitain Meyer an der Küste
unternommen, als auch auf der Fahrt, welche wir jetzt begannen, nie
eine Störung in unserem guten Vernehmen stattgefunden hat. Lobend und
dankend muß ich besonders anerkennen, welchen Vorschub mir derselbe bei
allen wissenschaftlichen Untersuchungen und Arbeiten geleistet. Ich
bin auf dem Dockenhuden nicht nur auf jede eigenthümliche Erscheinung
aufmerksam gemacht worden, welche sich auf See oder am Himmel zeigte,
sondern es wurden mir, erlaubte es nur halbweg der Gang des Schiffes,
auch Alles aufgefischt und zugebracht, was von Seethieren nur irgendwie
zu erreichen war. Da mir überdies, mit Ausnahme der Zeit, wo die
Schiffrechnungen vorgenommen wurden, fast den ganzen Tag hindurch
der Tisch in der Kajüte zur Verfügung frei stand, so hatte ich
überflüssigen Raum, alle meine Arbeiten ungehindert vornehmen zu
können, und war so im Stande, später im atlantischen Ocean eine ganze
Reihe von mikroskopischen Zeichnungen zu entwerfen, welche mir in Bezug
auf das Leuchten der See, wie auch in Hinsicht auf die Quallen,
von großer Wichtigkeit waren, wenn sie auch großentheils nur als
Privatstudien zu betrachten sind.

Fast alle Kapitaine der deutschen Handelschiffe sind gute und erprobte
Seeleute, sie haben von unten auf gedient, und kaum wird einer ein
Schiff erhalten, der nicht tüchtig befähigt ist; aber sicher haben
eine weit geringere Anzahl den Takt, ihren Passagieren, ohne sich etwas
zu vergeben, das Leben am Bord angenehm zu machen. Kapitain Meyer hatte
hiezu den Willen und die Befähigung. Es ist dies nicht mein Urtheil
allein, gebildete Passagiere, welche früher mit ihm gereist sind, haben
dasselbe gefällt und aus vielfachen kleinen Anekdoten, welche ich von
der Mannschaft des Dockenhuden ganz unbefangen erzählen hörte, sind
mir sichere und zuverlässige Beweise genug geworden, daß Auswanderer
aus allen Klassen und von sehr verschiedenem Bildungsgrade, welche mit
ihm reisten, sich eben so lobend ausgesprochen haben.

Vielleicht am rechten Orte mag hier beigefügt werden, daß die
Ausrüstung der Schiffe für Auswanderer von Godefroy in Hamburg alles
Lob verdient. So will ich nur einfach bemerken, daß wir auf der
ganzen Reise stets reichliches frisches und gutes Wasser hatten, da wir
_eiserne_ Wasserbehälter führten. Wer längere Zeit zur See war, wird
dies gehörig zu schätzen wissen. Auch die übrige Verpflegung war
genügend und gut. Derjenige aber, welcher frische Austern und Fasanen
zu speisen wünscht, thut ohne Zweifel besser, zu Hause zu bleiben als
auf See dergleichen zu suchen.

Es ist für den Reisenden auf See höchst nothwendig, sich eine
bestimmte Beschäftigung zu schaffen. Die grenzenloseste Langweile
und Mißbehagen an Allem und Jedem, ist die unausbleibliche Folge des
Müssiggangs, und auf See in verdoppeltem Maßstabe als am Lande.

Ich habe mir in dieser Beziehung keine Vorwürfe zu machen, und habe,
so lange das Wetter oder besser das Klima es erlaubte, stets gearbeitet.
Vorzugsweise beschäftigte ich mich mit spanischen Studien, und habe
namentlich Vieles vom Spanischen in's Deutsche übersetzt. Zur Zeit
hingegen, wo die Fauna der See sich mehrte, war ich fast den ganzen
Tag hindurch mit Untersuchung aufgefischter Thiere beschäftigt und
mit Zeichnen derselben. Zugleich wurde täglich viermal der
Barometerstand[60] verzeichnet, einmal die Temperatur des Wassers,
und dreimal jene der Luft genommen. Aber ich gestehe, daß auch ohne
seekrank zu sein, und selbst ohne das mindeste Unwohlsein zu spüren,
man sich dennoch zwingen muß, eine wissenschaftliche Arbeit zu
unternehmen, wenn die See hoch geht, und das Schiff sich stark bewegt.
Unzweifelhaft ist dieses Gefühl der Arbeitsscheu bedingt durch eine
Verstimmung der Magennerven, und Aehnliches wird am Lande ebenfalls
getroffen, dort aber mehr durch zu langes Sitzen als durch zu starke
Bewegung

  »Perser nennen's =Bidamay baden=,
  Deutsche sagen Katzenjammer.«

Der Abend wurde dem Spiele gewidmet, ohne Zweifel auf die unschuldigste
Weise, Kapitain Meyer und ich lagen nämlich dann mit Eifer dem edlen
Sechs und Sechszig ob. Wir spielten umsonst, mit _einem und demselben_
Spiele Karten, von Peru bis Europa, und Niemand mag daher behaupten,
daß irgend eine Verschwendung, oder ein sträflicher Luxus bei dieser
harmlosen Unterhaltung stattgefunden habe. Und dennoch, ich gestehe es,
fehlte mir Etwas, unterbrach ein Zufall jenes Spiel, und ich ärgerte
mich, wenn ich verlor, was häufig der Fall war.

Der Rest des Abends wurde in den Breitegegenden, wo es das Wetter
erlaubte, auf Deck zugebracht, und dort habe ich nicht selten die Rolle
des »Märchen-Erzählers« vertreten und Dichtung und Wahrheit gegeben
aus meinem und Anderer Leben. So rasch aber als möglich will ich das
stille Meer durcheilen, um an Kap Horn vorüber in den atlantischen
Ocean und über diesen nach dem Ziele der Reise zu gelangen, und nur
einzelne Notizen mögen Platz finden aus meinem Tagebuche, um den Leser
nicht über die Gebühr zu ermüden.

Der Anfang der Reise zeichnete sich nicht durch besonders günstigen
Wind aus; wir hatten theils Stille oder waren gezwungen, mehr als
nöthig gewesen wäre, nach Westen zu gehen. Dabei hatten wir des
Morgens meist Nebel oder Regen, und der Hygrometerstand war 50 ja 62'
bis zum 22° südl. Breite, dann nahm aber die Feuchtigkeit der Luft
ab, und begann erst gegen Kap Horn zu allmälig wieder zu steigen, doch
giebt die beigefügte Tabelle das Nähere, und immerhin bezeichnend,
wenn auch blos von relativem Werth.

Unter 15° 30' sahen wir einen Tropikvogel[61] in einer Entfernung von
etwa 200 Stunden vom Lande. Er umzog in weiten Kreisen das Schiff und
bot einen zierlichen Anblick mit seinen wohl anderthalb Fuß langen
Schwanzfedern. Der Vogel ist weiß, mit rothem Schnabel und hat die
Größe einer starken Taube. Da er sich nicht auf Schußweite näherte,
waren wir gezwungen, ihm freundliche Grüße in sein Heimathland
mitzugeben. Im entgegengesetzten Falle wäre er weniger gastlich
begrüßt worden, denn ich trug starkes Verlangen, ihn abzubalgen. Ich
habe zu jener Zeit zuerst genauer beobachtet, wie der Sturmvogel, der
so häufig auf allen Meeren getroffen wird, über die Wellen läuft. Das
kleine Thierchen, in Größe und Färbung einer Schwalbe sehr
ähnlich, fliegt nämlich dicht über dem Spiegel des Wassers, indem es
unaufhörlich mit einem seiner, mit Schwimmhaut versehenen Füße,
die Wellen tritt, ohne Zweifel um sich den Flug zu erleichtern. Dieses
Auftreten geschieht indessen stets mit dem auf der Leeseite befindlichen
Fuße, d. h. wenn der Wind von Rechts kömmt tritt der Vogel mit dem
linken Fuß und umgekehrt. Es scheint hiedurch ein doppelter Zweck
erreicht zu werden, indem einmal das Thierchen sich gewissermaßen dem
Winde entgegenstemmt und zugleich leichter die vom Winde geglättete
Seite der Welle erreicht als die entgegengesetzte.

Ich habe etwa von 20 zu 20 Breitegraden Seewasser geschöpft und in wohl
gereinigten und gut gekorkten Flaschen mit nach Hause genommen, um es
dort einer chemischen Untersuchung zu unterwerfen. Die Resultate dieser
Analysen sind bereits veröffentlicht worden[62], aber ich will hier
ein Verfahren angeben, welches wir anwendeten, um aus größerer Tiefe
Seewasser zu erhalten. Ich weiß nicht, ob dies Verfahren allgemein
bekannt, mir aber wurde es von Kapitain Meyer mitgetheilt. Es ist
nöthig, daß bei dem Versuche ganz vollständige Windstille herrscht.
Man verkorkt mit einem festen Pfropf so dicht als möglich eine starke
Flasche und senkt dieselbe mit einem schweren Bleiloth versehen, rasch
in die Tiefe. Nach Verlauf von kaum einer halben Minute zieht man, so
schnell es geschehen kann, die Flasche wieder aufwärts und findet die
letztere durch den Kork hindurch vollständig gefüllt, und diesen,
selbst wenn er auch vorher über den Hals der Flasche hervorragte,
dennoch meist etwa einen halben Zoll weit eingedrückt. Der Druck der
oben befindlichen Wasserschichten preßt durch die Poren des Korks
hindurch das Wasser, und die niedere Temperatur des auf solche Art
geschöpften Wassers zeigt, daß die Flasche zum größten Theile sich
in der Tiefe gefüllt haben muß. Ist nicht vollständige Windstille,
so wird von den sich fortbewegenden Schiffen die Flasche in schiefer
Richtung nachgeschleift und die Tiefe, in welcher sie sich gefüllt hat,
kann natürlich nicht ermittelt werden.

Wir hatten am 27. März unter 25° 11' südlicher Breite und 93° 24'
Länge an der Oberfläche des Wassers eine Temperatur von + 18.9 R.
gefunden, nach dem eben beschriebenen Verfahren fand sich in einer Tiefe
von 70 Faden (etwa 420 Fuß), eine Temperatur von + 16.5 R., also
eine Abnahme von 2.4 Graden. Das specifische Gewicht des Wassers an
der Oberfläche war 1.0260, in der Tiefe 1.0264. Die Bestandtheile aber
dieselben.

In diesen Tagen und auch noch später wurden Tintenfische und Quallen
aufgefischt und Kapitain Müller und ich bemühten uns zugleich eines
Haies habhaft zu werden, welcher aber hartnäckig die Angel verweigerte.
Der Quallen gedenke ich weiter unten, wo ich überhaupt einige Worte
über dieselben sprechen werde, den Hai aber fertigte ich, als er seine
Rückenflosse koquettirend über dem Wasser zeigte, mit einer Kugel ab,
die gut sitzen mochte, denn der Bursche machte einige wüthende Sprünge
und verschwand. Selbst vor dem mildesten Herzen mag die der Hyäne des
Meeres geschickte Kugel gerechtfertigt werden, weniger gut aber werde
ich vor einem Anti-Thierquäler bestehen, wenn ich erzähle, daß ich
nach einem Wallfische geschossen habe, einem zarten Jüngling von
nur etwa dreißig Fuß Länge, der auf 40 bis 50 Schritte von Bord
vorüberzog. Das Thier sprang hoch auf, so daß es fast auf der Spitze
des Schwanzes zu stehen schien, überschlug sich dann und ging in die
Tiefe. Ich glaube nicht, daß sie, mit der Harpune getroffen, sich eben
so toll geberden, und vermuthe, daß die Kugel edle Theil getroffen
haben muß.

Bereits auf der Höhe von Valparaiso fingen die Wellen an häufig
über Bord zu schlagen, zugleich aber kamen wir bei gutem Winde wacker
vorwärts. Der Skylight wurde jetzt mit dem Glassturze versehen und
alle Oeffnungen und Ritzen mit getheertem Werg verstopft. Zugleich
aber vermehrte sich die Gesellschaft in der Kajüte. Mein einziges noch
lebendes Chinchilla nahm in meiner Koje Platz, deßgleichen wurden meine
zwei kleinen Papageien aus Peru, und ein großer, wunderschöner roth
und grün gefärbter Papagei, den ich in Valparaiso bekommen hatte, um
ihn mit nach Hamburg zu bringen, in der Kajüte aufgehängt. Auch das
Guanaco des Kapitains leistete uns Gesellschaft. Ich habe nicht leicht
ein eigensinnigeres und widerwärtigeres Thier gesehen, als eben
dieses Guanaco. Alles benagend was eben _nicht_ Nahrungsmittel war,
verschmähte es später Kresse und Salat, welche wir in ein wenig Erde
gesäet und mühsam für dasselbe gezogen hatten. Die wollenen Hemden
der Matrosen hingegen zernagte es hartnäckig und unverbesserlich aller
Orten, wo es ihrer habhaft werden konnte, so daß, wenn ein Matrose
irgendwo mit beiden Händen bei der Arbeit beschäftigt war, er sicher
sein konnte, von dem Thiere gezupft zu werden. Gegen mich schien es
übel gesinnt zu sein. Indessen kann ich nicht läugnen, daß ich mir
auch bisweilen die Freiheit nahm, es ein wenig zu ärgern. Ich durfte
zu diesem Behufe dasselbe nur mit einem Auge schielend ansehen, während
ich das andere zudrückte. Es suchte nun zu beißen, drehte sich wohl
auch um und schlug wacker aus, und spuckte zuletzt den Gegenstand seines
Hasses an. Diese letzte Zornesäußerung habe ich bei zwei Guanacos,
welche sich bei einer Menagerie in Deutschland befanden, ebenfalls
gesehen.

Ein heiterer Geselle aber war der junge Philipp, ein liebenswürdiger,
langschwänziger Affe, der in Lima an Bord gekommen war, um ebenfalls
nach Hamburg zu reisen. Man hatte denselben meiner speciellen Aufsicht
anvertraut, und so war ich denn endlich, nachdem ich schon Schiffsarzt
und Supercargo gewesen, noch zum Range eines Affenhofmeisters
befördert. Wie alle Thiere am Borde leicht zahm werden, da man sich
viel mit ihnen abgibt, und sie sich stets in nächster Nähe des
Menschen befinden, so entwickelte auch Philipp merkwürdige Fortschritte
in Bildung und Kultur, und ich habe, ernsthaft gesprochen, oft gestaunt
über die Beweise von Ueberlegung, welche dieses Thier gegeben hat. --

Bald begann jetzt das schlimme Wetter. Wechselnd eisige Regen und
Sturm. Jeden Augenblick gab es Arbeit auf Deck, Kürzen der Segel
oder ähnliche Dinge. Der Skylight wird mit einem hölzernen Gehäuse
verdeckt und in der Kajüte herrscht Grauen und Dunkelheit. Die Seeleute
speisen Grütze und Syrup, was unbedingt noch grauenhafter, die beiden
Passagiere aber, Kapitain Müller und ich, machen die Probe, wie viel
Stunden des Tages der Mensch zu schlafen vermag. Ich habe dort Perioden
gehabt, in welchen ich sicher 18 Stunden durchschlafen habe. Aber ich
habe auch gewacht und üble Stunden gehabt. Auf Deck Regen, Sturm und
jeden Augenblick Seen über Bord, unten kalt und finster. So bin ich
nicht selten in meinen Mantel gehüllt, in meiner Koje gesessen, umgeben
von Finsterniß, frierend und mich kümmernd und härmend über die
Heimath, denn dort fiel mir's schwer auf's Herz, daß ich während
anderthalb Jahren keinen Brief erhalten und keine Nachricht. Allein es
ist eben einmal nicht anders bei Kap Horn!

Auf der See war wenig zu sehen. Am 11. April unter 44° 49' Breite
beobachtete ich des Morgens bei Aufgang der Sonne jene Spiegelung der
Sonnenstrahlen am entgegengesetzten Horizonte, welche ich schon früher
beschrieben, so klar und deutlich, daß, während die Sonne im Osten
aufging, eine zweite im Westen unterzugehen schien. Gleich darauf aber
bewölkte sich der Himmel wieder und es regnete den ganzen Tag.

Albatrosse und Kapische Tauben, die Staffage Kap Horns und seiner
Umgebung, fehlten indessen nicht, und wurden geangelt und abgebalgt,
so gut es eben ging, auch schwarz und weiße Delphine zogen am 15ten
53° 13' südl. Breite am Bord vorüber.

Wie man aus der Tabelle ersieht, welche die Länge und Breite
bezeichnet, kamen wir aber rasch vorwärts, wir überholten am 15. ein
englisches Schiff und passirten am 18. Diego Ramirez unter 56° 32'
südl. Breite. So hatte ich das Glück, die beiden berüchtigten
Südspitzen Amerika's zu sehen, und dort war die Sonne so artig, auf
etwa eine halbe Stunde nothdürftig die Nebel zu zerstreuen, so daß ich
die Felseninsel von verschiedenen Seiten aufzeichnen konnte.

Unwirthlich genug stehen sie dort, jene schwarzen Kegelberge, umtobt von
ewiger Brandung, schneebedeckt auf den Gipfeln und ohne alle Zeichen von
Vegetation. Aber doch immer Land und ein Anderes als jene Wasserwüste,
die länger als einen Monat schon uns umgab. Ein Raubvogel umkreiste
die Insel, stieg dann ziemlich hoch und verfolgte das Schiff. Wacker
Sturmvögel schmausend, welche sich fangen ließen, als müsse es so
sein, begleitete er uns so weit, daß uns, und ohne Zweifel auch ihm,
die Felsen außer Sicht kamen, denn plötzlich stieg er hoch auf,
entfernte sich eine Strecke vom Schiff, kehrte aber bald wieder und
ließ sich wie vorher, als er seine Beute verzehrte, auf dem Tauwerke
nieder. Ich habe weiter oben bereits einmal von den Schwalben berichtet,
welche trotz dem, daß sie so bedeutende Wanderungen machen, dennoch auf
einige Stunden Entfernung das Land nicht mehr zu finden wußten, und es
war mit unserm Raubvogel derselbe Fall. Vollständig entmuthigt wich er
nicht mehr vom Schiffe, und es begann jetzt eine eigenthümliche Jagd,
indem einige Matrosen aufwärts gingen, um ihn zu fangen, der Vogel aber
stets nur einen oder zwei Fuß weiter zu rücken, oder sich auf eine
andere Raa zu setzen brauchte, um wieder einige Zeit gesichert zu sein.
Man gab endlich die Verfolgung auf, aber nach Einbruch der Dunkelheit
hörten wir in der Kajüte plötzlich ein klägliches Geschrei, und
der Untersteuermann brachte den Gefangenen. Er hatte sich die Stelle
gemerkt, wo er im Schlafe Platz genommen. Es war =Falco peregrinus=. Er
wurde des andern Tags abgebalgt und gewissermaßen das Vergeltungsrecht
geübt, indem die Seevögel mit seinem Fleische gefüttert wurden.

Da wir keinen günstigen Wind hatten, mußten wir längere Zeit
östlichen Cours halten, und die Temperatur war stets noch keine
erfreuliche zu nennen, stieg sie gleich um etliche Grade; dabei
fortwährend Sturm, Nebel und Regen. Auch bei dieser Umschiffung von Kap
Horn fanden wir nur wenig Tang, und nur hie und da wurden kleine
Stücke auf See treibend gesehen. Indessen begleiteten uns fast täglich
Delphine von sehr verschiedener Größe und Färbung; so sahen wir
schwarze mit weißem Bauche, ganz weiße und weiße mit schwarzen
Flecken auf dem Rücken. Erlaubten es die Umstände, so wurde Jagd auf
sie gemacht, aber mit demselben ungünstigen Erfolge wie früher, indem
die harpunirten Thiere stets verloren gingen, wenn man sie über Bord
holen wollte.

Endlich schien sich die »Gelegenheit« denn doch in etwas bessern
zu wollen, wir kamen vorwärts und es wurde mithin auch allenthalben
wärmer und behaglicher. In der Kajüte wurde Licht, und die
paradiesischen Zustände in derselben modificirten sich, indem Philipp
eine eigene Koje auf Deck bezog, und auch das Guanaco wieder dorthin
versetzt wurde. Der große grüne Papagei indessen war bei Kap Horn
gestorben, und auch unter meinen andern Thieren richtete der Tod arge
Verwüstungen an, zwei Schlangen aus Chile, mehrere Eidechsen aus der
Algodonbai, Scorpionen und eine große Vogelspinne (=Mygale=) erlagen
zu meiner Bekümmerniß. Nur die zwei kleinen Papageien aus Peru
überstanden glücklich die schlechte Zeit, und geberdeten sich wie
unsinnig, als sie zuerst wieder auf Deck, in Luft, Licht und Sonne
gebracht wurden. Wir sahen in jener Zeit ziemlich häufig Wallfische,
so begegnete uns am 5. Mai unter 36° 6' südl. Breite und 28° 46'
Länge ein wenigstens 70 Fuß messendes Thier. Der Wasserstrahl,
welchen dasselbe auswarf, war sicher 30 Fuß hoch, und ich beneidete
die Ruhe, mit welcher es an uns vorüberzog. Ueberhaupt scheinen die
Wallfische nur wenig Notiz von den Schiffen zu nehmen. Am 8. Mai kam
ein sicher 60 Fuß langes Thier so nahe an Bord, daß die Entfernung
kaum 15 Schritte betrug. Es kreuzte unsern Cours und blieb still liegen
als wir uns ihm näherten, als wolle es uns vorüber passiren lassen.
Natürlich eilte Alles an Bord auf die Backbordseite, wo das Thier
lag, und da wir eben langsam segelten, so konnten wir dasselbe mit der
größten Bequemlichkeit beobachten. An der rechten Seite hatte es
eine Verletzung, indem die Haut etwa in Länge und Breite von 10
Zoll abgeschunden war, für einen Wallfisch freilich nur ein kleiner
Hautriß. Als das Schiff fast vorüber gesegelt war, beschleunigte er
seine Bewegung und tauchte plötzlich unter Wasser, indem er unter
dem Bugspriet hinwegging, noch eine kurze Zeit gesehen wurde, und dann
verschwand. Indem so das riesenhafte Thier durch das Meerwasser eine
tiefe dunkelblaue Farbe annahm, gewährte es wirklich einen prachtvollen
Anblick. Am 13. Mai, 21° südl. Breite, kam der erste fliegende Fisch
auf Deck, und in der Nacht beobachtete ich zugleich zum erstenmale
wieder das Leuchten der See, schwach zwar, aber mir immer eine
erfreuliche Erscheinung. Weniger erfreulich war eine heftige Boe, welche
sich so rasch erhob, daß man alle Hände voll zu thun hatte, die Segel
zu bergen. Die See geberdete sich, kurz nachdem dies geschehen,
ganz verrückt, warf unsinnige Wellen und schleuderte das Schiff auf
jämmerliche Weise nach allen Seiten. In höheren Breitegegenden blieb
ich bei ähnlichen Ereignissen friedlich im Bette liegen, ja ich schlief
meistens, denn da mich die Sache Nichts anging, da ich nicht zu arbeiten
oder zu sorgen hatte, bewahrte ich meine vollständige Ruhe, und
kümmerte mich wenig um den Höllenlärm, den häufig Wind und Wellen
vollführten. Daß etwas Unangenehmes passiren würde, dachte ich nicht,
und wäre es wirklich passirt -- je nun, es ertrinkt sich ohne Zweifel
gleich unangenehm oben, wie unten. Hier aber, bei einer wirklich
angenehmen Temperatur von + 19° oder 20° R., setzte ich mich auf den
Hühnerkasten und sah, meine Cigarre rauchend, die Sache mit an. Eine
unsinnige Woge nach der andern wälzte sich einher, tobend und krachend
auf Deck schlagend oder gegen die Seiten des Schiffes, als wolle sie
alles zertrümmern. Da krachte es plötzlich am Bugspriet. Der Klüver
war zum Teufel gegangen, d. h. eine Welle hatte den vordersten, wohl
über anderthalb Fuß dicken Mast zersplittert, den großen und kleinen
Klüverbaum sammt den entsprechenden Segeln in die See geworfen und das
Vorstengstagsegel flatterte in großer Bedrängniß in der Luft.

Mit innerem Wohlbehagen habe ich immer bei solchen Gelegenheiten die
Seeleute beobachtet. Dort zeigen sie sich als Männer im ächten Sinne
des Worts, ruhig, muthig, unerschrocken, und ihre Pflicht erfüllend
mit einem Eifer, der Bewunderung erweckt. Jeder sucht das kleinste
Stückchen Tau zu erhalten für das Schiff, als wäre es Tausende werth
und scheint nicht im Mindesten zu beachten, ob er selbst dabei über
Bord gehen könne oder nicht. Während man beschäftigt war, einen Theil
des über Bord gegangenen Tauwerkes wieder auf Deck zu holen, saß ich
ruhig auf meinem Hühnerkasten, getreu meinem Grundsatze, bei solchen
Gelegenheiten auf See nie zu fragen, und keine Verwunderung, kein
Erstaunen zu äußern. Als mir einer der Matrosen im Vorübergehen
sagte: »der Klüver ist flöten, Herr Doctor!« nickte ich mit dem
Kopfe und brummte bejahend: »Hm!« Doch denke ich noch heute an den
Lärm der Elemente, welcher in jener Nacht stattfand.

Nachdem wir uns innerhalb der Wendekreise befanden, begann für mich ein
neues und thätiges Leben. Die See belebte sich, und während bei Tage
buntfarbig und glänzend Quallen aller Ordnungen an Bord vorüber zogen,
trat des Nachts das Leuchten der See mehr und mehr in der Pracht auf,
in welcher ich es schon früher geschildert habe. Zu jener Zeit habe ich
des Tags hindurch die gefangenen Individuen gezeichnet und Versuche
mit ihnen angestellt, während ich halbe Nächte hindurch auf Deck
beschäftigt war, das Leuchten der See zu beobachten und namentlich die
kleinen Individuen, meist =Entomostraca=, herauszufischen, welche, dem
unbewaffneten Auge kaum sichtbar, dennoch auf kurze Zeit ein ziemlich
großes Gefäß mit Wasser leuchten machen können. Ich zweifle nicht,
daß ich manches Neue dort gefunden und auf den 26 Tafeln, welche ich
dort gezeichnet, fixirt habe, aber dennoch sind meine Erfahrungen kaum
mittheilbar, und nur für mich selbst als bildend und belehrend zu
betrachten. Zu wenig erfahren auf diesem Felde der Zoologie, würde ich
längst Bekanntes ohne Zweifel häufig als Neues berichten, vielleicht
aber würde manches Neue, was ich gesehen habe, als eine Unrichtigkeit
betrachtet werden. So will ich also nur wenige kurze Notizen folgen
lassen.

Ich habe z. B. bei Quallen von etwa 6 Zoll Länge ein Organ gefunden,
welches sich regelmäßig ausdehnte und zusammenzog, und von welchem
Gefäße ausgingen. Ich habe es für ein Herz gehalten, aber ich bin aus
der mir zu Gebote stehenden Literatur nicht klar geworden, ob man bei
den Quallen irgend etwas überhaupt für ein Herz halten darf. Auch bei
kleineren Quallen fand ich dasselbe Organ mit Dyastole und Systole. Die
Individuen, bei welchen ich dieses fragliche Herz und überhaupt noch
mehrere andere, bei verschiedenen Arten dennoch sehr übereinstimmende
Gefäße fand, bestanden aus einer Röhre mit unten anstehender
Seitenröhre und die besprochenen Organe oder Gefäße lagen in den
Wendungen, welche die größere der Röhren bildeten.

Diese Individuen bildeten bandförmig zusammenhängende Reihen, einige
aus 30 bis 40, andere wieder blos aus 3 bis 4 einzelnen Individuen
bestehend, jedenfalls abgetrennte oder getheilte größere Gruppen, denn
ich sah auch einzelne und fischte deren auf, mit lebhafter Bewegung
und offenbar sich wohl befindend. Viele derselben hatten größere
Entomostraca in der zentralen Röhre eingeschlossen, letztere bisweilen
noch lebend, die meisten indessen todt und ohne Zweifel ihnen zur
Nahrung dienend. In der Gefangenschaft stießen sie aber dieselben bald
aus.

Das kräftige Ausstoßen von Gegenständen, welche aus dem innern Theile
der Röhre entfernt werden sollen, hat mich auf die Annahme von Muskeln
geführt. Ich habe dieselbe auch, wie ich glaube, mit aller Bestimmtheit
nachgewiesen und will mittheilen wie, obgleich ich glaube, daß
die Physiologen, welche sich mit Untersuchungen über die Quallen
beschäftigt haben, so gut wie ich, längst auf diese Methode gekommen
sind. Man darf nämlich nur die Qualle je nach ihrer Größe in mehr
oder weniger verdünnte Salpetersäure legen, um in kurzer Zeit die
Muskelbänder mit der eigenthümlichen gelben Färbung hervortreten
zu sehen, welche die ulbuminösen Verbindungen überhaupt durch diese
Säure annehmen. Hat man eine frische Qualle in einem Gefäße mit
Seewasser und bringt einen fremden Körper in das Innere der Röhre,
so wird derselbe sogleich mit Heftigkeit ausgestoßen, indem sich die
Röhre zusammenzieht.

Dieß wird durch ein System von Muskelbändern bewirkt, welche im Innern
der Röhre, ringförmig, über einander liegend und durch andere von
unten nach oben laufende Muskelstreifen verbunden sind. Am untern
geschlossenen Theile des Individuums sind diese Längsstreifen
vereinigt. Von dieser -- =sit venia verbo= -- Hauptmuskulatur verlaufen
nach verschiedenen Seiten hin feinere, blos mit bewaffnetem Auge
erkennbare Muskelstreifen durch die gallertartige Substanz, welche,
wie ich denke, dazu dienen, jene größeren Bänder in der letztern zu
fixiren, und zugleich die Bewegung derselben fortzupflanzen.

Die Bewegung des Thieres im lebenden Zustande rechtfertigt vollkommen
die Lage des Muskelsystems, denn man kann, beobachtet man aufmerksam,
so ziemlich vorher bestimmen, an welcher Stelle dieselbe durch
Salpetersäure sichtbar gemacht werden wird.

Bringt man die mit Salpetersäure behandelte Muskelsubstanz sogleich
unter das Mikroskop, so sieht man, daß sie vollständig dem Gewebe der
_quergestreiften_ entspricht, welches ich nicht näher zu bezeichnen
brauche.

In Bezug auf die oben erwähnten Gefäße oder Organe bei den
röhrenförmigen Quallen[63] will ich noch beifügen, daß bei den
Exemplaren, welche einige Zolle Größe haben, sich deutlich drei
Modificationen unterscheiden lassen. Helle und ungefärbte, blaue und
bräunliche. Das ungefärbte herzähnliche Gefäß steht mit den blauen
in Verbindung, aber eines dieser blauen Gefäße verläuft auch in den
braunen Kanal, welcher meist die ganze Länge des Individuum durchzieht.
Bei allen röhrenförmigen Quallen sehr verschiedener Art, welche
ich untersuchte, habe ich die eben angegebene Verbindung der Gefäße
gefunden.

Vielleicht entschuldigt man auch, wenn ich hiebei an Blutgefäße und
Verdauungs-Organe gedacht habe.

In Betracht der Geduld, mit welcher, wie ich hoffe, der freundliche
Leser meine Beobachtungen über die Quallen gelesen oder überschlagen
hat, erlasse ich demselben eine populäre Entwicklung dessen, was
eigentlich eine Qualle ist. Eine solche Entwicklung ist in der
»dringenden Bedürfniß-Literatur« unserer Zeit ohne Zweifel schon
vorhanden, jedenfalls aber überlasse ich sie geübteren Händen als die
meinigen sind[64].

Unter den mikroskopischen Beobachtungen, welche ich vorzugsweise in
Beziehung auf das Leuchten der See anstellte, will ich die einzige
erwähnen, daß alle diejenigen kleinen Krebse und Entomostraca, welche
am stärksten leuchteten, irgendwie eine _rothe_ Zeichnung an sich
trugen, welche auch bei Tage sichtbar war, entweder rothe Punkte,
Querstriche oder größere rothe Flecke, ja bei einigen waren die Füße
roth gefärbt und fast transparent. --

Da unter den Tropen ziemlich häufige Regen stattfanden, habe ich dort
mehrfache Versuche angestellt um das Regenwasser auf einen Gehalt
an Chlorverbindungen zu prüfen. Ich habe zu diesen Versuchen sowohl
Regenwasser verwendet, welches bei beginnendem Regen gesammelt worden
war, als auch solches, das erst aufgefangen wurde, nachdem es schon
wenigstens einige Stunden geregnet hatte. Die Gefäße wurden durch das
zuerst aufgefangene Wasser selbst gereinigt und stets auf der Luv-Seite
des Schiffes oder an einem ihr entsprechenden Orte z. B. am Steuer,
fuhr man vor dem Winde, das zur Untersuchung selbst bestimmte Wasser
gesammelt.

Das stehende und laufende Tauwerk eines Schiffes, so wie ein großer
Theil der Segel, sind wohl stets in mehr oder minder hohem Grade mit
Salzwasser durchtränkt. Der Regen löst hievon einen gewissen Theil auf
und es kann durch den Wind leicht auf diese Weise eine Verunreinigung
des Wassers entstehen, wenn im Lee aufgefangen wird.

Trotz aller angewendeten Vorsicht aber habe ich bei allen Versuchen
stets ziemlich bedeutende Mengen von Kochsalz und selbst Spuren von
schwefelsauren Salzen und viel Kalkerde gefunden. Keiner dieser Versuche
wurde näher als 100 Stunden vom Lande entfernt angestellt, die meisten
in größerer Entfernung. Es würde also hieraus hervorgehen, daß das
Regenwasser auf See in den meisten Fällen mit einer gewissen Menge von
fremden Substanzen verunreinigt ist. --

Wir bekamen am 19. Mai die Felseninsel Fernando de Noronha, unter
4° 17' südl. Breite und 31° 8' Länge in Sicht, sie wird
bekanntlich als diejenige bezeichnet, auf welcher Robinson gelebt haben
soll; gegenwärtig bringen die Brasilianer ihre Verbrecher dorthin,
es scheint also immerhin, es habe die Insel etwas Bekehrendes und
bußfertig machendes an sich.

Indessen hätten wir noch am selben Abend fast ein Fahrzeug übersegelt.
Es entstund plötzlich auf Deck Lärm und zugleich wurde dem Kapitain
ein Schiff gemeldet, was gerade vor uns lag. Ich eilte natürlich
ebenfalls rasch auf Deck, und sah in einer Entfernung von kaum 40
Schritten, wahrhaft gespenstig unheimlich, vor uns einen kleinen
Schooner, der mit ziemlich flauem und für ihn ungünstigem Winde gegen
Ost steuerte, während unser Kurs Nord war. Die Nacht war dunkel, und so
konnte man nur eben bemerken, daß auf dem fremden, düster aussehenden
Schiffe ein einziges Segel, das Schoonersegel, in Activität war, aber
kein Licht, keine lebende Seele ließ sich blicken.

Wir hielten rasch gegen West, um das mystische Fahrzeug nicht zu
übersegeln, und da für unsern Kurs der Wind günstiger war, so lag es
bald hinter uns, indem es fast stille zu stehen schien. Natürlich wurde
es von uns mehrfach angerufen, aber keine Antwort wurde erhalten.

Entweder schliefen alle Männer auf dem Schiffe, oder sie waren
todt, vielleicht hatten sie auch nicht das beste Gewissen und wollten
Ebenholz, lebendes nämlich, von der afrikanischen Küste holen. Wir
blieben jene Nacht länger als gewöhnlich wach, und mehr Faden
wurde gesponnen, von ähnlichen unheimlichen Begegnungen, und von
Seeräuberei, welche wohl noch hie und da stattfindet, wenn auch nicht
ganz in der Art, wie sie in Seeromanen geschildert wird. Aber die
einfache Erzählung der Seeleute trägt das Gepräge der Wahrheit, und
man lauscht ihr mit Behagen.

Gern hätte ich bei dieser und andern Gelegenheiten irgend etwas
erfahren von Spuk- und Schiffsgespenstern, aber nur wenig war zu
erbeuten in dieser Beziehung. Dem Seemann ist meist sein Schiff zu lieb,
als daß er solchen unheimlichen Gästen Passage gäbe. Doch aber klopft
es und schlarrt es in manchen alten Schiffen im Raume, und, »wenn es
nicht die Ratten sind, so mag der Teufel wissen, was es ist.« Auch
Todte, die versenkt worden sind in's Meer, strecken bisweilen unsichtbar
die Arme aus der Tiefe, und halten sehnsüchtig das Schiff, das auf der
Heimreise wieder in die Nähe ihres nassen Grabes kömmt. Sie wollen
wohl heim zu ihren Lieben. Diese leichtsinnigen Verstorbenen aber denken
nicht daran, daß ihre Lieben vielleicht sich recht gut befinden, und
gar nicht so besondere Sehnsucht hegen nach den reisenden Theuern.
Auf mehreren alten Schiffen (gesehen hat es keiner selbst, aber
glaubwürdige Zeugen haben es von andern, die es gesehen haben), läuft
in gewissen Nächten ein alter Matrose, ein kleines Männchen, in
fast veralteter Seemannstracht und mit unhörbaren Schritten auf der
Schanzverkleidung vom Bugspriet bis zum Steuer, er sitzt auch wohl auf
der Schanzverkleidung und blickt mit bekümmerter Miene auf das Schiff.
Nähert sich ihm der Mann von der Wacht, so geht er kopfüber
über Bord, und wird lange nicht mehr gesehen. Solche und ähnliche
Geschichten erzählt man sich wohl bisweilen auf Deck, und man mag daran
glauben so viel und so wenig, wie man bei uns am Kamine erzählend von
dergleichen glaubt. Das aber bin ich überzeugt, daß jeder Seemann dem
Teufel selbst entgegengeht, wenn er sich unnütz machen sollte irgendwie
an Bord, und wenig Bange hat.

Ich habe bei dieser Durchschiffung der Wendekreise oft die schönen
Sonnenuntergänge bewundert, welche sich häufig zeigten, und welche,
besonders je näher wir dem Aequator kamen, stets brillanter zu werden
schienen. Hoch aufschießend bis zum Zenith, wechselten die Strahlen in
tief Dunkelblau, Hochgelb und Grün, und bisweilen hatte die glänzende
Erscheinung viel von der Beweglichkeit des Nordlichts. Zehn bis zwölf
Minuten nach dem Verschwinden der Sonne waren die Farben der
Strahlen meist am lebhaftesten, um bald darauf indessen gänzlich zu
verschwinden. Auch mehrere Wasserhosen wurden unweit des Aequators in
der Ferne beobachtet. Wir passirten die Linie in der Nacht vom 22. auf
den 23. Mai unter 32° Länge und bei sehr wechselndem Wetter, indem
einzelne Böen, Regen und Sonnenschein häufig wechselten.

Vögel sahen wir unter diesen Breiten wenige oder gar keine, von andern
Geschöpfen aber wimmelte an manchen das Meer und oft, während ich in
der Kajüte zeichnete, wurde mir von den freundlichen Seeleuten so viel
neuer Vorrath gebracht, daß ich das Material nicht bewältigen konnte.
Auch Butzköpfe (=Delphinus gladiator=) wurden häufig in Zügen von
sicher mehr als hundert Individuen gesehen.

Was die Temperatur betrifft, so war dieselbe, wie man aus der Tabelle
ersehen kann, eine höchst angenehme. Wir hatten in der Kajüte durch
ein Windsegel stets frische und reine Luft, und kaum stieg dort die
Wärme über + 25° R. Die Nächte waren prachtvoll, obgleich fernes
Wetterleuchten und drohende Wolken häufig gegen Abend sich blicken
ließen. Auch mehrere Sternschnuppen, fast alle von West nach Ost
ziehend und meist zerspringend, wurden beobachtet. Dabei näherten wir
uns der Heimath! Es wurde kaum davon gesprochen, aber im Herzen trug
wohl Jeder irgend ein liebes Bild, das die Abwesenheit verschönerte,
und von welchem die Zeit trübe Flecken verwischt hatte. Die
Sehnsuchtsfäden, die die Herzen verknüpfen, benehmen sich gegen alle
physikalische Regel. Anstatt schwächer und unscheinbarer zu werden
durch das Ausspinnen in immer größerer Weite, werden sie dichter und
stärker. --

Als am 27. Mai des Morgens Kapitain _Müller_ und ich uns eben auf
Deck befanden, sahen wir einen mächtigen Hai, der mit liebenswürdiger
Unbefangenheit uns das Geleite gab. Unverzüglich wurde eine Angel
ausgeworfen, welche in einiger Entfernung nachschleifte, und mit welcher
sich der Fisch sogleich beschäftigte. Er schien indessen blos den
Angenehmen zu spielen und biß nicht an, sondern umschwamm nur den
Köder, als scherze er mit demselben.

Plötzlich aber geberdete er sich wie rasend und wir sahen, daß er sich
gefangen hatte. Als er näher geholt worden war, konnten wir bemerken,
daß die starke Angel durch seine Brustflosse gedrungen war, so daß er
der Breite nach dem Schiffe nachgezogen wurde. An die Seite des Schiffes
gebracht, tobte der wenigstens 9 Fuß lange Fisch so stark, daß wir
jeden Augenblick sein Abreißen befürchteten. Indessen traf ihn der
Obersteuermann mit einem tüchtigen Harpunenstoß, und er wurde mittelst
einiger umgeschlagener Taue glücklich an Bord gebracht. Ich
habe bereits oben die Art und Weise geschildert, wie man den dort
angekommenen Hai bewältigt, und so will ich hier nur bemerken, daß ich
einen Theil des Fleisches verspeiste, wobei der Kapitain Gesellschaft
leistete, obgleich auch ihm die Speise nicht besonders mundete. Bei
den andern im Schiffe aber fand sie den schlechtesten Anklang. Am
Unterkiefer des Haies hatte sich eine Bohrmuschel eingebohrt und den
Knochen vollständig durchlöchert, auch mehrere Saugfische fanden sich,
wie gewöhnlich an dem Thiere festsitzend.

Eine willkommenere Speise, ein wahres Manna in der Wüste, zeigte sich
indessen einige Tage später, nördl. Breite 7° 40' Länge, 33° 4',
indem Goldbrassen[65] erschienen und das Schiff begleiteten. Kapitain
Meyer harpunirte drei derselben. Ich habe ebenfalls bereits oben diese
Fische beschrieben, und will daher bloß nachträglich beifügen, daß
deren Fleisch eine wirkliche Delikatesse ist, namentlich wenn man Monate
hindurch fast einzig auf Salzfleisch beschränkt gewesen. Der Magen
dieser Fische enthielt nichts als fliegende Fische.

Wir sahen am 4. Juni, nördl. Breite 20° 54', Länge 40° 44', die
ersten Exemplare des in jenen Gegenden frei umherschwimmenden Tanges,
=Sargassum bacciferum=, welchen die Seeleute allgemein »das Kraut«
nennen.

Ich verweise in dieser Beziehung auf die verschiedenen Abhandlungen,
welche von gelehrten Reisenden und Andern erschienen sind, und worin
ausführlich über die eigenthümliche Erscheinung gesprochen wird. Fast
will es indessen scheinen, als sei man noch nicht vollkommen einig
über dasselbe, und in der neuesten Zeit wieder sind neue Meinungen
aufgetaucht, welche die Entstehung jenes Tanges aus dem persischen
Meerbusen ableiten.

Am 9. Juni, unter 30° 0' nördl. Breite und 45° 35' Länge, wurde
der letzte Tang gesehen und aufgefischt, und während der zwischen
diesen Tagen liegenden Zeit war häufig die See, so weit man blicken
konnte, mit demselben bedeckt, doch stets nur in einzelnen, einige Fuß
im Durchmesser haltenden Exemplaren, zehn bis zwanzig oder dreißig
Schritte weit von einander entfernt, und nie zu größeren Gruppen
inselartig verbunden.

Ich habe in diesem Sargassum eine Menge von Individuen gefangen,
welche ich theils in Sublimat-Wasser mit nach Europa gebracht, theils
gezeichnet habe. Doch sind wohl die meisten derselben bekannt, da fast
jeder Reisende eben dieser Erscheinung seine Aufmerksamkeit schenkt.

Indessen will ich der Zoosporen, der Schwänesporen, gedenken, welche
ich häufig und in manchfacher Form dem Tange anhängend gefunden habe.
Kaum kann man sich anfänglich des Gedankens entschlagen, Infusorien
vor sich zu haben, beobachtet man unter dem Mikroskope die scheinbar
vollkommen willkührliche Bewegung, mit welcher sich diese Zellen
gegenseitig ausweichen und an einander vorübergehen.

So habe ich eine schleimige Masse von einigen Zollen Länge gefunden, in
deren Mitte sich ein schlangenartig gewundener Schlauch befand. Dieser
bestand, unter dem Mikroskop gesehen, aus einer glashellen Hülle, und
enthielt eingeschlossen kleinere, ebenfalls transparente Blasen, in
welchen sich 30 bis 36 Individuen auf das lebhafteste bewegten. Sie
waren mit Flimmerhaaren versehen, und ich glaubte deutlich an ihnen die
Organisation von Infusorien wahrnehmen zu können.

Auf ähnliche Weise, aber fast immer in eine Schleimhülle
eingeschlossen, habe ich die verschiedensten Modifikationen solcher
schwimmenden Zellen gefunden, sowohl am Tange, als auch frei
schwimmende, und kleine kugelartige Formen, kaum größer als ein
Stecknadelkopf, gaben unter dem Mikroskope eine Unzahl solcher
Individuen. Es wäre nutzlos, ohne Abbildungen hier dieselben betreiben
zu wollen, aber ich habe die mir am meisten in's Auge fallenden Formen
gezeichnet, und diese Zeichnungen stehen mit Vergnügen dem ersten
Algenfreunde zu Gebot, welcher es der Mühe werth hält, mir deshalb
einige Zeilen zu senden[66].

Am 9. Juni sahen wir scheinbar in nicht sehr großer Entfernung wieder
eine Wasserhose, welche in jener Gegend des Oceans sich überhaupt nicht
selten zeigen sollen. Es war des Mittags, und Gewitterwolken häufig
am Himmel. Der zapfenartige und unten zugespitzte Streifen der Wolke,
welchen die Wasserhose bildete, hing fest bis auf die Oberfläche der
See und bewegte sich ziemlich schnell nach links und rechts, etwa als
würde er oben irgendwo festgehalten und geschüttelt. Der Spiegel der
See war unruhig und scheinbar in kochender Bewegung, wie ich durch das
Fernrohr beobachtete, aber eine eigentliche Erhellung des Wassers fand
nicht statt. Nach einer Dauer von 5 Minuten zog sich der Wolkenstreifen
in die Höhe, indem er kürzer und dicker wurde, und endlich vollkommen
verschwand. Die Anlage zu ähnlichen Bildungen, nämlich zapfen- oder
trichterförmige Herabsenkungen der Wolken gegen den Spiegel der See
konnte man allerwärts am Horizonte bemerken, nach wenigen Stunden
verschwanden aber diese Bildungen.

Die Notizen in meinem Tagebuch bestehen bis zum 21. Juni fast einzig
aus Untersuchungen über aufgefangene Seethiere, mit welchen ich den
Leser versprochener Maßen nicht weiter behelligen will, doch mag
der Purpurschnecke[67] gedacht sein, mit ihrem schaumigen und mit
rosenfarbenen Eiern gefüllten Deckel, welche vom 36° bis 40° nördl.
Breite häufig eingefangen wurde, der =Scyllaea pellagica=, einer
prachtvoll blau gefärbten Schnecke ohne Gehäus, welche auch häufig in
der Nähe des Tanges gefunden wird, und das Carcinium. Dieses Thierchen,
kaum zwei Linien lang, ist nur mit einem blitzenden und in allen Farben
leuchtenden Diamanten zu vergleichen, wenn es an der Oberfläche des
Wassers in der Sonne schwimmt. Dieses prachtvolle Farbenspiel ist durch
Lichtbrechung auf der benetzten Außenfläche des Thieres bedingt, und
verschwindet wenn man das Thierchen aus dem Wasser nimmt, zeigt sich
aber wieder, wenn man es in eine Schüssel mit Wasser bringt, und es
von einer gewissen Richtung aus betrachtet. Aehnlich wie bei den
Daguerre'schen Bildern hat man bald die Uebung so weit gebracht, es
jeden Augenblick glänzend und bunt gefärbt zu sehen. Ich glaube
nicht, daß wie beim Leuchten der Quallen, dieses Farbenspiel mit einem
speziellen vitalen Processe verknüpft ist, sondern daß die Struktur,
ähnlich dem Perlmutter, dasselbe bedingt. Die von mir gefangenen
Exemplare zeigten die glänzenden Farben auch noch einige Zeit _nach dem
Tode_, und verblichen erst dann allmälig, als wahrscheinlich die feinen
Formen der Oberfläche sich verändert hatten.

Beim Sonnenuntergange hatten wir am 21. Juni Gelegenheit, eine Art
Nebensonne beobachten zu können. Als die untergehende Sonne fast den
Rand des Horizontes erreicht hatte, zeigte sich etwa 6 Grade oberhalb
derselben ein heller Fleck von der scheinbaren Größe der untergehenden
Sonne auf der dort stehenden schwachen und nebelartigen Wolkenschicht.
Dieser Fleck war zwar nicht vollkommen scharf abgegrenzt, aber er blieb
rosenfarbig leuchtend beinahe 20 Minuten bis nach dem Verschwinden
unverrückt und mit gleicher Lichtintensität an derselben Stelle
stehen. Kurz vor dem Erlöschen der Erscheinung wurden die Conturen
derselben schärfer, und als schon der beinahe volle Mond sich in der
See spiegelte und die Nebensonne vollkommen verschwunden war, entstanden
dunkle Strahlen[68] an der Stelle, welche sie eingenommen hatte, und
diese blieben über 5 Minuten sichtbar.

Wenn man die beigegebene Tabelle eines Blickes würdigt, so fallen ohne
Zweifel die hohen Hygrometerstände und die große Trockenheit der
Luft auf, welche an einigen Tagen des Juni beobachtet wurden. So am
12. Juni, am 20sten und 21sten. Am 22sten wurden des Mittags 10 Grade
beobachtet, des Abends aber, und etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang
fiel bei vollständig klarem Himmel ein so starker Thau, daß alles
auf Deck durchnäßt wurde, wie bei einem heftigen Regen. Das Guanaco
triefte, meinen Mantel mußte ich buchstäblich auswinden und von den
mit Oelfarbe bemalten Seiten des Schiffes lief unaufhörlich das Wasser
auf Deck.

Das Thermometer stand auf 14.8. Der Barometerstand, ein ziemlich
constanter, doch etwas höher als in den vorhergegangenen Tagen, das
Hygrometer aber war auf 100 gesunken. Auch in den folgenden Tagen fielen
gegen Abend stets starke Nebel, doch nicht so intensiv als am 22sten.

Auch häufigen Zügen von Butzköpfen und Delphinen begegneten wir
in diesen Tagen und am 25sten wurde nach verschiedenen fruchtlosen
Versuchen endlich einer harpunirt und mit Hülfe eines zur Schlinge
geformten Taues glücklich an Bord gebracht. Er war auf dem Rücken
grau, am Bauche weiß gefärbt und hatte 8 Fuß Länge. Das Gehirn
wog 2½ Pfund; die Leber bestand aus zwei großen Lappen und die
Gallenblase fehlte. Der Magen war vollständig mit Dintenfischen
angefüllt. Ich skelettisirte den Kopf. Mehrere derbe Stücke
des Fleisches wurden einige Stunden lang an einem Tau in der See
mitgeschleppt, um den größten Theil des Blutes zu entfernen, und dann
als Beefsteak, oder eigentlich Delphinsteak zubereitet. Es ist eine
zähe thranige Speise, aber immer als _frisches_ Fleisch auf See
erwünscht.

Während fast im ganzen atlantischen Ocean, mit Ausnahme von Kap Horn,
die Farbe des Meeres eine prachtvolle blaue gewesen war, begann jetzt an
einzelnen Stellen sich schon eine grüne zu zeigen.

Ich habe, wie ich glaube, so ziemlich alle Farbennüancen beobachten
können, in welchen das Wasser der See auftritt, und es sind meiner
Ansicht nach zwei Hauptmomente, welche dieselben bedingen.

Einmal die größere oder geringere Tiefe des Wassers und dann die
Färbung des Himmels. Blau ist das Wasser bei bedeutender Tiefe,
grün an Stellen, wo sich Untiefen befinden und an seichteren Orten
überhaupt.

Durch vollkommen klaren Himmel und glänzendes Sonnenlicht werden beide
Farben gehoben. So ist auf hoher See und unter den Wendekreisen
bei unbewölktem Himmel das Meer bis in die Spitzen der Wellen tief
ultramarinblau gefärbt.

In der Nähe der Küsten tritt fast immer grünliche Färbung auf, so an
der Küste von Brasilien, aber hier findet schon geringere Tiefe statt.
Ich glaubte anfänglich die sonst an allen Küsten bemerkbare grüne
Färbung des Meeres vielleicht theilweise bedingt durch eine Art
Spiegelung des Landes im Wasser. Aber in der Algodonbai, wo in der
nächsten Nähe der Küste tief grüne Färbung beobachtet wird, tritt
bald ein lebhaftes Blau auf, während das Land noch vollständig in
Sicht. Allein dort hatten wir bei 80 Faden noch keinen Grund, und es
fand wohl noch eine bei weitem bedeutendere Tiefe statt, wie sich aus
der Form des Küstengebirges schließen läßt. Bisweilen ist die blaue
und grüne Färbung scharf begrenzt und abgeschnitten. Im stillen Meer
an der Küste von Chile und diese in Sicht, unter 33° 5' südl. Breite
ist die Farbe des Meeres, etwa zehn bis funfzehn englische Meilen weit
vom Lande entfernt, vollkommen smaragdgrün; weiter in See, und zwar vom
Grünen scharf abgeschnitten, tief dunkelblau. Wir sahen dort im blauen
Wasser den grünen Streifen am Lande sich hinziehen, kamen aber bald
selbst in die grüne Region, indem wir der Küste folgten und an einigen
Stellen die grüne Farbe weiter hinaus in See reichte, als an anderen.

Beiläufig auf fünfzig Schritte Entfernung waren klar und tief
abgegrenzt die Farbenunterschiede noch zu bemerken, dann kam etwa eben
so lange grünlich-blaue unentschiedene Färbung, nach ganz kurzer
Zeit aber, da das Schiff einen raschen Gang hatte, segelten wir in
vollständig dunkelgrünem Wasser, und das Kielwasser hinter uns war
scharf abgeschnitten dunkelblau.

Am Eingange des Kanals hatten wir meist grünliche Färbung, bisweilen
aber auch schmutzig blau, ja fast ganz blau, später bei 18 bis 14
Faden Tiefe eine reine Aquamarin-Farbe des Wassers. Häufig habe ich in
grünem Wasser, wenn die See etwas hoch ging, den Schaum der Wellen
und spritzende Tropfen in's Röthliche spielen sehen. Ohne Zweifel eine
complementare Erscheinung.

Während hier die größere und geringere Tiefe der See die Farbe
derselben bedingte, verändert sich oft bei trübem Wetter die schönste
blaue Farbe in ein schmutziges Blaugrün, wenn der Himmel mehr oder
weniger mit Wolken überzogen ist.

Hier bedingt die Färbung des Himmels die Farbe des Wassers, das Grau
des ersteren spiegelt sich im Meer, so wie vorher das glänzende Blau
des reinen tropischen Himmels jenes der Wellen gehoben hatte.

So ist also in vielen Fällen die Meeresfarbe als ein Spiegelbild des
Himmels zu betrachten, wenn gleich die _grüne_ Farbe durchschnittlich
von Untiefen bedingt ist.

Bisweilen habe ich eine vollkommene glänzende Kupferfarbe des Wassers
gesehen, und dieß zwar bei wolkenfreiem Himmel und untergehender Sonne;
indessen nur auf der Schattenseite des Schiffes, wenn die Leesegel
aufgehißt waren, und nur auf eine kurze Strecke in die See reichend.
Diese Kupferfarbe war bedingt von dem Widerscheine der weißen Segel auf
dem Wasser und zugleich durch den Schatten, welchen Schiff und Segel auf
die sonst allenthalben beleuchtete Wasserfläche warf. --

Noch ziemlich weit außen vor dem Eingang in den Kanal begegnete uns ein
Lootsen-Kutter. Mit der Schnelligkeit eines Raubvogels streichen diese
Boote über die See hinweg, und den Schiffen entgegen, welche sich
zeigen, um sie durch den Kanal zu lootsen. Meist legen sie einige
Augenblicke an denselben an, werfen ein frisch gebackenes Brod den
Männern an Bord zu, und erhalten auf gleiche Weise eine Flasche Wein.
Erinnere ich mich recht, so kam dieser Lootse aber nicht näher, da
er unser Schiff als ein Hamburger erkannte, das wohlbekannt in jenen
Regionen, sich selbst durch den Kanal lootsen konnte.

Die brennende Frage an Bord war zu jener Zeit der Dänenkrieg. War
die Elbe frei, so konnten wir in einigen Tagen zu Hause sein, war sie
blockirt, so mußten wir in England anlegen, und abgesehen von den
Kosten für den Rheder, welche hieraus erwachsen wären, hätte dort
ohne Zweifel der Dockenhuden eine andere Bestimmung erhalten, und keiner
von der Mannschaft wäre nach Hause gekommen. Was mich betrifft, so
hätte ich meine mitgebrachten Naturalien und mein Gepäcke von 14 Ctr.
an Gewicht in England versteuern müssen, und wäre gezwungen gewesen
auf einem andern Schiffe die Heimreise zu vollenden.

Als jener erste spitzbübische Lootse an unserm Borde vorüberflog,
riefen wir ihm zu. Ist Krieg? Antwort: Dänenkrieg! Ist die Elbe frei?
Antwort: All' gesperrt! Und hiemit war er schon so weit, daß man sich
nicht mehr verstehen konnte.

Keiner unserer Leute verzog bei dieser Nachricht eine Miene. Der Seemann
ist gewohnt, und sucht eine Ehre darin, dem Unvermeidlichen ruhig zu
begegnen und keine nutzlosen Worte zu verlieren.

Aber bald darauf kam ein zweiter Lootse, welcher auf einige Augenblicke
anlegte. Brod und Wein wurden getauscht, und der Sicherheit halber doch
die Frage nach Sperrung der Elbe wiederholt. Da erfuhren wir, daß
die Elbe frei sei. Der erste Lootse hatte sich einen angenehmen Scherz
erlaubt. --

So rasch und glücklich wir mit der Reform _aus_ dem Kanal gekommen
waren, durchsegelten wir denselben auf der Heimreise mit dem
Dockenhuden. Als ich Dover sah und die entsprechende französische
Küste fühlte ich mich fast heimisch. Endlich die Nordsee! Immer
näher!

Am 6. Juli gegen 1 Uhr des Morgens wurde ich geweckt. Man sah die
Leuchtfeuer von Helgoland und auf Schiffen, die heimkehren von weiter
Reise, wird da meist Kaffee getrunken, sobald der Feuerschein jener
Insel in Sicht kömmt. Es war eine fröhliche Kaffeegesellschaft, welche
wir dort abhielten, wenn gleich keine normale, indem nicht gelästert
und geklatscht wurde.

Früh befanden wir uns bereits auf der Elbe. Die Orte, welche dort am
Ufer liegen, mag man auf der Karte lesen, ich kümmerte mich nicht um
ihre Namen, aber den ersten spitzen deutschen Kirchthurm und die grünen
Ufer habe ich mit jubelndem Herzen begrüßt. Wer nie so lange auf See
war, daß er in stundenweiter Entfernung das Land _riecht_, weiß nicht,
was eine solche Heimkehr bedeutet. Was war aber der Duft der tropischen
Blüthen, der uns in Brasilien die Nähe des Landes verkündete, gegen
den Geruch des frischen Heues am deutschen Ufer und jenen der Obsternte,
welchen der Landmensch kaum bemerkt, den wir aber wollüstig einsogen,
noch ehe wir die grünen Flächen erblickten!

Der Kapitain spazierte im Landstaate an Bord umher, denn auf der Elbe
commandiren Lootsen das Schiff, und die Kapitaine sprechen nicht darein,
auch ich hatte mich nothdürftig anständig gekleidet, so weit es meine
ziemlich hart mitgenommene Garderobe gestattete.

Ich nahm jetzt vorläufigen Abschied von den Leuten der Mannschaft und
wurde von vielen mit Kleinigkeiten beschenkt, die sie früher auswärts
gesammelt hatten, und mir jetzt zum Andenken verehrten. Aber auch ohne
dieses hätte ich stets ein freundliches Andenken an diese Männer
bewahrt, mit welchen ich so lange Leid und Freud getheilt, und welche
sich mir stets wohlwollend bewiesen. Zerstreut auf allen Meeren der Welt
durchkreuzen jetzt wohl die Meisten von ihnen das bewegliche Element.
Mögen sie stets so glücklich ihre Heimath wieder erreichen wie
jenesmal![69]

In Hamburg angelangt, fuhren der Kapitain Müller und ich sogleich an's
Land. Wir hatten 116 Tage lang den Fuß nicht auf festen Boden gesetzt,
denn so lange dauerte unsere Reise von Callao. Frau und Kinder des
Kapitains empfingen ihn am Lande. Lebten die _Meinigen_? Ach, ich wußte
es nicht, denn seit ich Bremen verlassen, hatte ich keine Nachricht.
Aber es gibt Gefühle, die zur Coquetterie werden, wenn man sie drucken
läßt -- und überdem war materielle Sorge jetzt überwiegend. Ich
mußte ein anständiges Aeußere zu erwerben suchen, mein bewegtes Herz
mußte unter einem saubern Rocke schlagen. So führte mich Kapitain
Müller in ein Kleidermagazin und ein Friseur nebst obligatem Bade,
Ankauf von Pomade, kölnischem Wasser und Glaçé-Handschuhen hatten
mich bald wieder zum Gentleman gestaltet, zur späteren Verwunderung
mancher meiner heimischen Freunde und Bekannten, die, wie es schien,
erwarteten, mich mit Bogen und Pfeilen bewehrt und einer Federschürze
bekleidet wieder zu sehen.

Von Valparaiso aus hatte ich Empfehlungen an einen Gelehrten in Hamburg,
und zu jenem freundlichen Manne, der mich auf das herzlichste empfing,
eilte ich jetzt.

Bei ihm lagen Briefe aus der Heimath für mich, denn noch in Valparaiso
hatte ich nach Hause geschrieben, den Monat meiner Ankunft beiläufig
bestimmt und die Adresse gesendet.

Man hatte wirklich geschrieben, roth, nicht _schwarz_ gesiegelt -- die
Meinigen lebten und waren gesund. -- Jenesmal hatte sich eine Periode in
meinem Leben geschlossen!

Ich habe wenig mehr zu berichten. Noch einige Tage blieb ich in Hamburg,
und war freundlich aufgenommen von einigen wackeren Gelehrten, deren
Bekanntschaft ich machte, und von einem alten Freunde aus früherer
Zeit, den ich unverhofft dort getroffen. Ich besah mir die Stadt
flüchtig, wie es eben in so kurzer Zeit geschehen konnte, nahm Abschied
vom Kapitain Meyer und stattete noch dem Dockenhuden einen Besuch ab.
Dann zur Eisenbahn. In zwei Tagen war ich in Nürnberg. --


                  #Mannheim.#

  Schnellpressendruck von _Heinrich Hogrefe_.




Meteorologische Beobachtungen

auf der Reise von Peru nach Europa.


Angestellt auf dem #Dockenhuden# in den Monaten _März_,
_April_, _Mai_, _Juni_ 1850.

  +--------++---------------------------++-----------------------+
  |  Zeit  ||      Barometerstände      ||      Temperatur       |
  |        ||                           ||   Wasser      Luft    |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  |  1850  ||  9   |  12  |  4   |  9   ||  9  |  9  | 12  |  9  |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  |März  15|| 756.3| 756.3| 756.0| 756.3|| 16.1| 18.3| 19.1| 18.0|
  |  "   16|| 757.0| 756.0| 754.8| 756.0|| 18.8| 20.3| 21.0| 19.5|
  |  "   17|| 756.5| 756.3| 755.0| 756.1|| 19.8| 19.8| 20.2| 19.3|
  |  "   18|| 756.4| 755.8| 754.8| 755.8|| 19.8| 19.6| 20.4|  -- |
  |  "   19|| 757.5| 757.3| 755.9| 758.0|| 18.4| 18.5| 18.0| 17.7|
  |  "   20|| 758.0| 757.8| 756.6| 758.0|| 18.5| 18.0| 19.1| 17.4|
  |  "   21|| 758.3| 758.0| 757.1| 757.8|| 18.2| 18.4| 18.8| 17.0|
  |  "   22|| 757.5| 757.0| 756.2| 757.4|| 17.8| 17.5| 18.3| 17.3|
  |  "   23|| 757.5| 756.5| 756.0| 757.5|| 18.0| 18.0| 18.6|  -- |
  |  "   24|| 757.5| 757.4| 756.5| 758.1|| 18.3| 18.0| 18.8| 18.1|
  |  "   25|| 760.0| 760.0| 759.0| 760.9|| 18.3| 16.6| 19.3| 18.2|
  |  "   26|| 762.1| 762.0| 761.0| 760.9|| 18.8| 18.8| 19.4| 18.0|
  |  "   27|| 761.5| 761.0| 760.0| 760.0|| 18.9| 18.9| 20.0| 18.1|
  |  "   28|| 760.3| 759.9| 759.7| 760.0|| 18.9| 19.1| 20.1| 18.3|
  |  "   29|| 763.0| 762.9| 762.9| 763.9|| 19.2| 20.1| 19.0| 17.8|
  |  "   30|| 766.2| 765.5| 765.5| 766.4|| 19.2| 19.5| 19.4| 18.1|
  |  "   31|| 766.7| 766.4| 766.0| 765.0|| 19.1| 18.8| 18.8| 17.9|
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+

  +--------+-----------+--------------+--------------------------------+
  |  Zeit  |    Ort    | Wind  Feuchte|         Wetter                 |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  |        |     |Brei-|      |       |Als Mittel der Temperatur des   |
  |  1850  |Länge| te  | Wind |Hygrom.|Wassers im Hafen von Callao.    |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  |März  15|77°16|12°06| S.O. |  + 49 |+ 14.3 R.                       |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   16|78°34|12°48| S.O. |  + 50 |Schwacher Wind.                 |
  |        |     |     |      |       |Bewölkt. Regen.                 |
  |  "   17|80° 7|13°56| S.O. |  + 51 |Regen.                          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   18|81°41|15°30| S.O. |  + 50 |Bewölkt.                        |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   19| --  | --  | S.O. |  + 52 |Des Nachts und den ganzen       |
  |        |     |     | Still|       |  Tag über Regen.               |
  |  "   20| --  |18°13| S.O. |  + 55 |Trübe. Neblig                   |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   21|86°27|19°39| S.O. |  + 58 |Bewölkt. Böig.                  |
  |        |     |     | Still|       |Wind oft entspringend. Still.   |
  |  "   22|88°23|21° 3| S.O. |  + 60 |Regen. Böig. Heiter.            |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   23|91° 7|22° 5| S.O. |  + 62 |Heiter. Bewölkt.                |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   24|90°34|22°55| S.O. |  + 54 |Heiter. Still.                  |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   25| --  |23°23| S.O. |  + 38 |Schwacher Wind. Still.          |
  |        |     |     | Still|       |Bewölkt.                        |
  |  "   26| --  |24°25| S.O. |  + 36 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   27|93°24|25°11| S.O. |  + 30 |Heiter.                         |
  |        |     |     | Still|       |Still.                          |
  |  "   28|93°26|25°22| S.O. |  + 32 |Heiter.                         |
  |        |     |     | Still|       |Still.                          |
  |  "   29|93°32|25°47| Still|  + 32 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |Still.                          |
  |  "   30|93°40|27° 6|S.O.O.|  + 42 |Bewölkt.                        |
  |        |     |     |      |       |Böig. Regen.                    |
  |  "   31|94°43|28°48|S.O.O.|  + 40 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |                                |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+


  +--------++---------------------------++-----------------------+
  |  Zeit  ||      Barometerstände      ||      Temperatur       |
  |        ||                           ||   Wasser      Luft    |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  |  1850  ||  9   |  12  |  4   |  9   ||  9  |  9  | 12  |  9  |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  |April  1|| 763.6| 762.5| 761.3| 761.2|| 19.2| 17.8| 21.0| 18.0|
  |  "    2|| 758.0| 756.3| 754.5| 753.5|| 18.8| 18.0| 19.1| 17.0|
  |  "    3|| 754.3| 755.2| 756.0| 758.0|| 17.5| 16.8| 16.5| 15.0|
  |  "    4|| 759.0| 759.0| 758.1| 756.8|| 17.9| 17.0| 17.5| 16.2|
  |  "    5|| 754.4| 753.0| 753.0| 753.0|| 16.9| 16.0| 16.1|  -- |
  |  "    6|| 751.5| 753.4| 755.5| 759.0|| 15.2| 13.2| 13.0|  -- |
  |  "    7|| 761.8| 760.3| 758.0| 756.5|| 13.8| 12.0| 12.5| 11.1|
  |  "    8|| 753.0| 753.0| 755.3| 760.0|| 11.5|  9.2|  9.2|  8.2|
  |  "    9|| 764.5| 766.0| 766.0| 767.0|| 11.0|  9.8| 10.4|  8.8|
  |  "   10|| 767.8| 766.2| 765.0| 764.0|| 10.6| 10.0| 10.4|  8.7|
  |  "   11|| 755.3| 753.0| 751.5| 751.5|| 10.5|  9.0|  9.0|  8.5|
  |  "   12|| 749.5| 748.2| 747.0| 747.5||  8.5|  8.0|  8.6|  7.9|
  |  "   13|| 743.0| 742.5| 741.5| 740.0||  7.0|  7.8|  8.5|  6.2|
  |  "   14|| 739.0| 740.0| 740.3| 742.0||  6.5|  5.5|  6.5|  5.0|
  |  "   15|| 748.5| 750.4| 752.0| 753.0||  6.0|  5.0|  5.8|  4.0|
  |  "   16|| 753.3| 753.0| 752.5| 751.0||  6.0|  5.9|  6.1|  6.4|
  |  "   17|| 743.4| 742.2| 742.4| 743.0||  5.5|  5.8|  6.5|  -- |
  |  "   18|| 749.2| 751.2| 753.1| 758.2||  5.8|  6.0|  6.9|  6.0|
  |  "   19|| 760.5| 760.5| 760.5| 760.5||  7.0|  7.5|  7.0|  6.1|
  |  "   20|| 759.5| 758.4| 758.4| 758.4||  4.7|  4.6|  5.0|  5.0|
  |  "   21|| 757.5| 756.5| 756.2| 756.8||  5.3|  5.4|  5.8|  5.0|
  |  "   22|| 755.8| 755.3| 755.2| 755.6||  4.9|  5.8|  5.8|  -- |
  |  "   23|| 755.6| 755.1| 755.8| 755.8||  4.3|  5.6|  7.2|  6.3|
  |  "   24|| 757.3| 757.6| 759.0| 761.0||  5.8|  5.4|  5.5|  5.2|
  |  "   25|| 760.0| 758.9| 757.8| 757.8||  6.4|  6.0|  6.3|  6.1|
  |  "   26|| 758.0| 756.3| 755.5| 750.0||  7.1|  8.1|  9.0|  8.2|
  |  "   27|| 753.5| 754.8| 755.5| 758.5||  8.8|  8.8|  9.0|  8.7|
  |  "   28|| 762.6| 763.2| 763.6| 764.0||  9.9|  9.0|  9.8|  9.8|
  |  "   29|| 765.2| 764.0| 763.5| 763.5||  9.9| 10.1| 11.1| 10.9|
  |  "   30|| 760.8| 759.5| 757.6| 741.6|| 11.8| 12.5| 12.0| 11.7|
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+

  +--------+-----------+--------------+--------------------------------+
  |  Zeit  |    Ort    | Wind  Feuchte|         Wetter                 |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  |        |     |Brei-|      |       |                                |
  |  1850  |Länge| te  | Wind |Hygrom.|                                |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  |April  1|94°43|29°46|  O.  |  + 34 |Heiter. Bewölkt.                |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    2|94°44|31°15|  S.  |  + 38 |Bewölkt.                        |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    3|93° 7|33°49|  S.  |  + 41 |Regen.                          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    4|91°42|34°12|  S.  |  + 32 |Stürmisches Wetter.             |
  |        |     |     | S.O. |       |                                |
  |  "    5|91°38|35°39| N.W. |  + 42 |Etwas ruhiges Wetter.           |
  |        |     |     |      |       |Starke Dinnung. Abend stürmisch.|
  |  "    6|90°59|37° 4| S.O. |  + 42 |Fliegender Sturm                |
  |        |     |     |  S.  |       |                                |
  |  "    7|89°49|38°45| S.W. |  + 38 |Etwas ruhiger.                  |
  |        |     |     |      |       |Starke Dinnung [70].            |
  |  "    8|89° 6|41° 1| S.W. |  + 48 |Fliegender Sturm.               |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    9|87°46|41°15| S.W. |  + 39 |Etwas ruhiger.                  |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   10|87° 1|42°45| S.W. |  + 44 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   11|87° 1|44°49| S.W. |  + 43 |Regen.                          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   12|85°28|46°13| N.W. |  + 43 |Bewölkt.                        |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   13|83°48|48°54| S.W. |  + 48 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   14|82° 4|51°48|W.S.W.|  + 45 |Früh Regen.                     |
  |        |     |     |      |       |Nachmittags heiter.             |
  |  "   15|80° 0|53°13|  W.  |  + 38 |Hagel.                          |
  |        |     |     | N.W. |       |Regen.                          |
  |  "   16|76°45|54°41|  W.  |  + 45 |Trübe.                          |
  |        |     |     | N.W. |       |                                |
  |  "   17|72°56|56°20|  N.  |  + 55 |Regen. Stürmisch. Hagel.        |
  |        |     |     | N.O. |       |                                |
  |  "   18|68°47|56°32| N.O. |  + 58 |Nebel. Regen.                   |
  |        |     |     |      |       |Insel Diego Ramirez in Sicht.   |
  |  "   19|65° 0|55°38|  W.  |  + 51 |Vormittags still. Sonne.        |
  |        |     |     | S.W. |       |                                |
  |  "   20|60°41|55°20|  N.  |  + 59 |Stürmisch. Regen.               |
  |        |     |     | N.W. |       |                                |
  |  "   21|57°49|54°26| N.W. |  + 58 |_Sehr_ stürmisch. _Sehr_        |
  |        |     |     |      |       |  hohe See u. desgl.            |
  |  "   22|54°15|52°55| N.W. |  + 59 |Desgl.                          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   23|49°35|51°49| N.W. |  + 60 |Desgl.                          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   24|45°36|49°59|  N.  |  + 64 |Ruhiger Nebel.                  |
  |        |     |     | N.W. |       |Bei Nacht heiter.               |
  |  "   25|44°13|49° 9| S.W. |  + 79 |Nebel                           |
  |        |     |     | N.W. |       |Die Nacht heiter.               |
  |  "   26|40°36|47°35| N.W. | + 101 |Nebel.                          |
  |        |     |     |      |       |Stark stürmisch.                |
  |  "   27|41°35|45°29| N.W. |  + 79 |Früh hohe See, ziehende Wolken. |
  |        |     |     |      |       |Sonne. Ruhiger.                 |
  |  "   28|40°13|43°32| S.W. |  + 61 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   29|34° 9|42°11| N.O. |  + 74 |Heiter. Stiller Wind.           |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   30|30°28|41°36|O.N.O.|  + 77 |Trübe. Abend Regen. Starker     |
  |        |     |     |      |       |  Wind. Stürmisch.              |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+


  +--------++---------------------------++-----------------------+
  |  Zeit  ||      Barometerstände      ||      Temperatur       |
  |        ||                           ||   Wasser      Luft    |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  |  1850  ||  9   |  12  |  4   |  9   ||  9  |  9  | 12  |  9  |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  | Mai   1|| 754.5| 757.2| 758.0| 758.0|| 12.2| 12.1| 12.1| 12.1|
  |  "    2|| 758.5| 756.8| 756.6| 758.4|| 13.4| 11.8| 14.0| 13.5|
  |  "    3|| 761.0| 760.5| 761.5| 763.4|| 13.4| 13.0| 13.9| 13.0|
  |  "    4|| 764.0| 763.4| 762.0| 762.0|| 14.2| 15.5| 14.5| 14.2|
  |  "    5|| 755.5| 753.0| 754.0| 756.8|| 14.8| 14.9| 15.9| 15.0|
  |  "    6|| 760.0| 760.5| 760.0| 760.0|| 14.5| 15.1| 16.0| 16.0|
  |  "    7|| 758.3| 757.5| 755.0| 758.0|| 15.4| 16.3| 16.4| 16.1|
  |  "    8|| 757.9| 758.5| 759.0| 761.2|| 15.4| 15.8| 15.2| 15.0|
  |  "    9|| 764.5| 765.5| 766.3| 768.8|| 15.6| 15.0| 15.1|  -- |
  |  "   10|| 769.0| 767.6| 767.5| 768.1|| 17.8| 16.0| 16.8| 16.9|
  |  "   11|| 767.2| 766.0| 764.5| 765.0|| 18.7| 18.1| 18.3| 18.5|
  |  "   12|| 764.3| 762.5| 762.3| 763.0|| 19.5| 19.1| 19.5| 19.0|
  |  "   13|| 762.0| 761.0| 761.0| 761.8|| 19.5| 19.8| 19.5|  -- |
  |  "   14|| 762.0| 761.0| 760.0| 760.9|| 20.4| 20.8| 20.0| 20.3|
  |  "   15|| 760.1| 759.2| 758.5| 759.5|| 20.9| 21.0| 21.0| 20.7|
  |  "   16|| 759.0| 758.3| 757.0| 758.5|| 22.0| 22.0| 22.4| 21.2|
  |  "   17|| 757.5| 756.4| 755.0| 756.0|| 22.1| 22.4| 22.4| 21.8|
  |  "   18|| 755.5| 750.0| 754.0| 755.0|| 22.3| 22.8| 22.4| 22.0|
  |  "   19|| 756.0| 756.0| 755.3| 756.0|| 22.2| 21.5| 20.9| 21.3|
  |  "   20|| 757.5| 756.0| 755.5| 755.5|| 22.2| 22.8| 23.1| 22.9|
  |  "   21|| 757.0| 756.5| 756.0| 756.0|| 22.2| 23.0| 22.5| 22.5|
  |  "   22|| 756.5| 755.2| 755.0| 756.0|| 22.2| 22.8| 22.5| 22.5|
  |  "   23|| 757.0| 756.5| 755.0| 757.8|| 22.6| 23.5| 23.1| 22.8|
  |  "   24|| 758.0| 757.2| 756.2| 757.5|| 22.6| 23.2| 22.8| 22.5|
  |  "   25|| 757.5| 757.0| 756.0| 757.2|| 23.0| 23.2| 24.0| 23.1|
  |  "   26|| 758.8| 758.5| 758.3| 758.9|| 23.0| 22.5| 22.3| 22.1|
  |  "   27|| 758.8| 758.5| 758.0| 758.5|| 23.0| 22.0| 20.0| 21.6|
  |  "   28|| 758.8| 757.8| 757.0| 759.1|| 22.5| 25.0| 24.1| 24.0|
  |  "   29|| 758.0| 758.0| 756.5| 758.0|| 22.5| 22.9| 23.1| 22.8|
  |  "   30|| 757.7| 757.5| 756.5| 758.0|| 22.1| 22.3| 23.0| 21.9|
  |  "   31|| 758.1| 758.0| 757.0| 758.2|| 21.7| 21.8| 22.0| 21.0|
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+

  +--------+-----------+--------------+--------------------------------+
  |  Zeit  |    Ort    | Wind  Feuchte|         Wetter                 |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  |        |     |Brei-|      |       |                                |
  |  1850  |Länge| te  | Wind |Hygrom.|                                |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  | Mai   1|28°12|40°30|N.N.O.|  + 77 |Schwacher Wind. Heiter.         |
  |        |     |     | S.W. |       |Still.                          |
  |  "    2|27°47|39°46| Still|  + 66 |Still. Heiter. Wind. Regen.     |
  |        |     |     | S.W. |       |                                |
  |  "    3|31°21|37°49| S.W. |  + 66 |Heiter. Wind.                   |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    4|29°24|36°17|W.N.W.|  + 71 |Heiter. Bewölkt. Wind.          |
  |        |     |     |      |       |Abend Regen.                    |
  |  "    5|28°46|36° 6| N.O. |  + 94 |Regen, Stärkerer Wind.          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    6|28°27|34°44|  N.  |  + 88 |Still. Heiter. Neblig.          |
  |        |     |     | N.W. |       |                                |
  |  "    7|25°36|34° 5| N.O. | + 100 |Neblig. Trübe. Wind.            |
  |        |     |     |      |       |  Regen. Sturm.                 |
  |  "    8|25° 6|33°41| N.O. |  + 98 |Schwacher Wind. Nebel.          |
  |        |     |     | N.W. |       |  Regen.                        |
  |  "    9|28°22|32°21| Still|  + 62 |Heiter.                         |
  |        |     |     | NWSW.|       |                                |
  |  "   10|28°54|29°39|S.S.O.|  + 55 |Trübe.                          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   11|29° 2|26°39|  O.  |  + 83 |Vorübergehn. Regenschauer.      |
  |        |     |     |      |       |Heiter. Regen.                  |
  |  "   12|29°27|23°45|  O.  |  + 70 |Einzelne Wolken. Heiter.        |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   13|30° 5|21°00|  O.  |  + 69 |Einzelne Wolken. Nachts Bö.     |
  |        |     |     |      |       |(Der Klüver brach.)             |
  |  "   14|30° 7|18°00|  O.  |  + 70 |Einzelne Wolken. Bö.            |
  |        |     |     |      |       |Regenschauer.                   |
  |  "   15|30°50|14°55|  O.  |  + 65 |Windig. Heiter.                 |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   16|30°47|12° 6|  O.  |  + 54 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   17|31° 1| 9°15|  O.  |  + 57 |Heiter. Bewölkt.                |
  |        |     |     |      |       |Regen.                          |
  |  "   18|31° 6| 6°25|  O.  |  + 51 |Wenige Wolken, oben  dunstig.   |
  |        |     |     | S.O. |       |  Bö.                           |
  |  "   19|31° 8| 4°17|O.S.O.|  + 89 |Regen. Heiter.                  |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   20|52° 8| 3°40| Still|  + 50 |Heiter. Abend Regen.            |
  |        |     |     | N.O. |       |                                |
  |  "   21|33°10| 2°49|O.N.O.|  + 40 |Heiter. Gegen Abend wenig       |
  |        |     |     |      |       |  Regen.                        |
  |  "   22|32°20| 0°47| S.O. |  + 60 |Heiter. Nachts bewölkt.         |
  |        |     |     |  O.  |       |Passieren der Linie.            |
  |  "   23|32°50| 0°42|  O.  |  + 57 |Heiter. Schwach bewölkt.        |
  |        |     |     |      |       |Nachts Bö. Regen.               |
  |  "   24|32°33| 1°36| Still|  + 51 |Heiter. Schwach bewölkt.        |
  |        |     |     |  O.  |       |                                |
  |  "   25|32°48| 3° 5|  O.  |  + 44 |Heiter. Schwach bewölkt.        |
  |        |     |     |O.N.O.|       |Bö. Regen.                      |
  |  "   26|32°59| 4°41|  O.  |  + 55 |Regen. Etwas helle.             |
  |        |     |     |      |       |Bö. Regen.                      |
  |  "   27|32°48| 6° 6|  O.  |  + 68 |Bewölkt. Keine Sonne.           |
  |        |     |     |      |       |Starker Regen.                  |
  |  "   28|32°48| 6°20| Still|  + 60 |Abwechselnd heiter und Regen.   |
  |        |     |     |      |       |Abend starke Bö.                |
  |  "   29|33°40| 7°40|  O.  |  + 60 |Bewölkt. Bö.                    |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   30|35°14| 9°31| N.O. |  + 49 |Ziemlich bewölkt, doch hie      |
  |        |     |     |      |       |  und da Sonne.                 |
  |  "   31|36°39|11°44|  O.  |  + 56 |Ziemlich bewölkt, doch hie u.   |
  |        |     |     | N.O. |       |  da d. Sonne. Nächte hell.     |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+


  +--------++---------------------------++-----------------------+
  |  Zeit  ||      Barometerstände      ||      Temperatur       |
  |        ||                           ||   Wasser      Luft    |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  |  1850  ||  9   |  12  |  4   |  9   ||  9  |  9  | 12  |  9  |
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+
  | Juni  1|| 758.5| 758.5| 758.0| 758.2|| 21.1| 21.1| 22.1| 20.2|
  |  "    2|| 759.5| 759.8| 758.9| 759.2|| 21.0| 21.5| 21.6| 20.0|
  |  "    3|| 761.2| 761.0| 760.5| 761.7|| 20.3| 20.8| 21.1| 20.2|
  |  "    4|| 763.2| 763.1| 763.1| 763.5|| 20.2| 20.0| 20.1|  -- |
  |  "    5|| 764.0| 764.0| 763.1| 764.0|| 19.1| 18.0| 19.1| 18.8|
  |  "    6|| 764.2| 764.2| 764.0| 765.0|| 18.5| 18.5| 18.5| 18.0|
  |  "    7|| 765.8| 765.5| 765.2| 766.0|| 18.2| 18.4| 18.5| 18.0|
  |  "    8|| 767.0| 767.2| 766.2| 767.0|| 17.8| 17.7| 18.8| 18.3|
  |  "    9|| 768.1| 768.5| 767.3| 768.0|| 18.0| 18.9| 18.5| 18.0|
  |  "   10|| 768.5| 769.0| 768.5| 769.0|| 18.0| 18.5| 19.0| 18.2|
  |  "   11|| 769.8| 770.1| 760.0| 760.5|| 17.8| 18.9| 20.0| 20.0|
  |  "   12|| 771.5| 771.5| 771.5| 772.0|| 17.8| 19.1| 20.2| 19.7|
  |  "   13|| 773.5| 773.5| 773.5| 773.8|| 17.8| 19.3| 20.5| 19.8|
  |  "   14|| 774.0| 774.0| 773.6| 773.0|| 18.0| 20.0| 20.4| 19.2|
  |  "   15|| 772.5| 772.5| 771.5| 771.0|| 18.0| 19.9| 20.6| 19.0|
  |  "   16|| 770.5| 770.0| 769.2| 769.0|| 17.6| 20.0| 18.9| 18.0|
  |  "   17|| 768.1| 767.3| 767.0| 766.3|| 17.8| 20.0| 20.3| 19.1|
  |  "   18|| 765.0| 764.0| 763.8| 763.5|| 16.6| 19.1| 17.9| 17.0|
  |  "   19|| 765.2| 765.0| 765.0| 765.0|| 15.3| 14.1| 15.1|  -- |
  |  "   20|| 765.0| 765.0| 764.5| 764.8|| 16.0| 15.0| 19.0| 18.2|
  |  "   21|| 764.9| 765.0| 765.0| 765.0|| 15.3| 16.3| 18.5| 16.3|
  |  "   22|| 765.5| 765.8| 766.0| 766.0|| 14.9| 17.4| 18.0| 14.8|
  |  "   23|| 766.3| 766.5| 766.5| 767.0|| 13.8| 15.5| 17.0| 14.9|
  |  "   24|| 767.2| 767.0| 767.0| 766.5|| 14.2| 15.8| 15.0| 14.2|
  |  "   25|| 766.0| 765.8| 765.8| 766.0|| 13.8| 14.2| 14.1| 14.0|
  |  "   26|| 765.5| 765.2| 765.2| 765.0|| 13.5| 13.0| 13.1| 13.0|
  |  "   27|| 765.0| 765.0| 765.0| 764.8|| 13.5| 13.4| 13.3| 12.5|
  |  "   28|| 765.0| 765.0| 765.0| 765.1|| 12.8| 11.8| 11.8| 11.0|
  |  "   29|| 765.1| 765.0| 765.0| 764.8|| 12.7| 13.7| 13.8| 12.2|
  |  "   30|| 764.5| 764.5| 764.5| 763.2|| 12.5| 13.8| 14.2| 13.7|
  +--------++------+------+------+------++-----+-----+-----+-----+

  +--------+-----------+--------------+--------------------------------+
  |  Zeit  |    Ort    | Wind  Feuchte|         Wetter                 |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  |        |     |Brei-|      |       |                                |
  |  1850  |Länge| te  | Wind |Hygrom.|                                |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+
  | Juni  1|37°55|13°46| N.O. |  + 52 |Heiter. Schwach bewölkt.        |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    2|37°20|15°56|  O.  |  + 45 |Heiter.                         |
  |        |     |     | N.O. |       |                                |
  |  "    3|39°35|18°28|  O.  |  + 50 |Schwach bewölkt.                |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "    4|40°44|20°54|  O.  |  + 53 |Bewölkt. Bö.                    |
  |        |     |     | N.O. |       |                                |
  |  "    5|42° 2|23° 1|  O.  |  + 29 |Bewölkt. Keine Sonne.           |
  |        |     |     |      |       |Bö. Heiter.                     |
  |  "    6|41°14|24°56| N.O. |  + 22 |Heiter.                         |
  |        |     |     |      |       |Ganz bewölkt.                   |
  |  "    7|44°13|27°17|  O.  |  +  6 |Heiter. Schwach bewölkt.        |
  |        |     |     | N.O. |       |                                |
  |  "    8|44°57|28°51|  O.  |  + 34 |Heiter. Regen.                  |
  |        |     |     | N.O. |       |Heiter.                         |
  |  "    9|45°33|30°00|  O.  |  + 22 |Heiter.                         |
  |        |     |     | N.O. |       |                                |
  |  "   10|45°17|31°35| Still|  + 16 |Sonne hoch.                     |
  |        |     |     |  O.  |       |                                |
  |  "   11|44°24|32°36| S.O. |  + 12 |Heiter. Kaum einzelne Wolken    |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   12|43°24|34° 2| Still|  +  2 |Heiter. Still.                  |
  |        |     |     | S.O. |       |                                |
  |  "   13|42°37|35°24| Still|  +  7 |Heiter. Still.                  |
  |        |     |     | S.O. |       |                                |
  |  "   14|40°41|36° 8| S.O. |   --  |Heiter. Einzelne Gewitterwolken.|
  |        |     |     |      |       |  Eine Wasserhose.              |
  |  "   15|42°18|37°17| Still|  + 10 |Heiter.                         |
  |        |     |     | S.O. |       |                                |
  |  "   16|40°58|38°11| Still|  + 12 |Heiter.                         |
  |        |     |     |  S.  |       |                                |
  |  "   17|39°13|39°21|S.S.W.|  + 14 |Heiter, doch schwach bewölkt.   |
  |        |     |     |      |       |Mit Barom.-Fall: mehr Wind.     |
  |  "   18|36°28|41°18| S.W. |  + 16 |Bewölkt. Abend Bö.              |
  |        |     |     |      |       |Starker Regen                   |
  |  "   19|34°10|42°16| S.W. |  + 20 |Heiter, doch schwach bewölkt.   |
  |        |     |     |  N.  |       |Still.                          |
  |  "   20|33°42|42°33| N.O. |  +  3 |Heiter, kaum bewölkt.           |
  |        |     |     | Still|       |                                |
  |  "   21|32°48|43° 6| Still|  +  5 |Desgl.                          |
  |        |     |     | SWSO.|       |                                |
  |  "   22|30°29|44°15|  S.  |  + 10 |Heiter, schwach bewölkt.        |
  |        |     |     |      |       |Abend starker Thau 99 + 100     |
  |  "   23|27°45|45° 4| S.W. |  + 40 |Nebel. Keine Sonne.             |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   24|25°34|45°50|S.W.W.|  + 59 |Heiter. Still. Abend Nebel.     |
  |        |     |     | S.O. |       |                                |
  |  "   25|25°43|47° 1|  O.  |  + 50 |Bewölkt. Trübe. Keine           |
  |        |     |     |      |       |  Sonne.                        |
  |  "   26|25°20|47°23|  O.  |  + 47 |Trübe. Neblig.                  |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   27|22°59|46°49|O.N.O.|  + 43 |Trübe.                          |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   28|20°30|46°43| S.O. |  + 42 |Bewölkt. Böig.                  |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   29|17°30|46°54|S.O.O.|       |Bewölkt, hie und da Sonne.      |
  |        |     |     |      |       |                                |
  |  "   30|15° 7|47°56|N.N.W.|       |Heiter, hie und da bewölkt.     |
  |        |     |     |  W.  |       |Regen.                          |
  +--------+-----+-----+------+-------+--------------------------------+




Fußnoten


[28] =Pteroptochos megapodius= und =P. albicollis=.


[29] Vielleicht ist manchem in Chile Reisenden aufgefallen, daß alle
Zweige, welche auf solche Art zum Decken von Hütten oder Aehnlichem
verwendet werden, halb verbrannt sind, ohne daß er den Grund davon
erfahren hat. Ich habe erst in Valdivia vernommen, daß häufig in
den Zweigen sich eine Art Blutegel aufhalten soll, welcher Thiere und
Menschen belästigt, und welchen man dadurch entfernt, daß man die
Zweige kurze Zeit über Feuer hält. Trotz aller Mühe habe ich nie das
Thier, welches wohl kaum ein Blutegel ist, erhalten können.


[30] Um Carlos und dem wackern Jose Maria nicht Unrecht zu thun, mag
bemerkt werden, daß, auch entfernt von jener Hütte, und auf der ganzen
Reise, sich beide stets fleißig, willig und zuvorkommend in allen
Diensten benahmen, und vor allem ehrlich und uneigennützig waren. Der
chilenische Diener ist für eine solche Excursion vortrefflich, wie
überhaupt in Allem, wo ein wenig Abenteuerlichkeit mit unterläuft.


[31] Auf der Straße nach Mendoza, mehrfach besucht von Reisenden,
ist es Gesetz, daß jedes Maulthier eine Glocke trägt, um sich an
gefährlichen Stellen gegenseitig zu hören und vorher ausweichen zu
können. Aus dem eben angegebenen Grunde, der Seltenheit des Begegnens
halber, hält man es indessen an dieser Stelle des Gebirges für
unnöthig, die Maulthiere mit Glocken zu versehen.


[32] =Dicerea nivalis. Sturm.=


[33] Man hat in neuerer Zeit das Chloroform gegen die Seekrankheit
empfohlen. Längere Zeit schon vor meiner Abreise aus Deutschland,
sowohl mit den Einwirkungen des Schwefeläthers, als auch des
Chloroforms auf den Organismus beschäftigt, habe ich bereits auf
der Ueberfahrt nach Chile im Jahr 1849 mehrfache Versuche in dieser
Beziehung angestellt, aber leider alle erfolglos. Ich habe Chloroform
innerlich, mit Wasser von fünf bis zu zehn Tropfen gegeben, ich habe
es einathmen lassen und sowohl örtliche Einreibungen in der Magengegend
machen, als auch Flanellstücke, mit Chloroform befeuchtet, tragen
lassen, aber alles umsonst. Natürlich fühlt der in Narkose Liegende
nichts von der Seekrankheit, aber sobald die durch Aether oder
Chloroform erzeugte Betäubung verschwunden ist, kehrt auch der
beschwerliche Gast wieder.


[34] Wohl =Balistes vetula=.


[35] Bald wird ihn die Axt besiegen; nach Briefen, die ich seither
erhalte, erstehen allenthalben in der Bai deutsche Ansiedelungen.


[36] =Enicognathus leptorhynchus, Gray. Psittacus rectirostris, King.=


[37] =Hymenophyllum Bibraianum. J. W. Sturm= und =Blechnum acumiratum.
J. W. Sturm.=


[38] Wir hatten verschiedenen Schiffsbedarf von der Victoria geholt und
die Zollbedienten waren fünf Minuten später an Bord, um Alles wieder
zu confisciren, und überdem sollten wir Strafe zahlen. Es stellte
sich später heraus, daß wir nicht im Unrecht waren, wir erhielten das
Vorzüglichste jener Gegenstände wieder, und es mag sich vielleicht
getroffen haben, daß ich einigen Theil an dieser günstigen Wendung
der Angelegenheit nahm. Das _Wie_ indessen ist zu umständlich, um hier
näher entwickelt werden zu können.


[39] Cuncos-Indianer werden die Indianer genannt, welche in Valdivia
unter den Chilenen leben. Sie nähren sich, wie man zu sagen pflegt,
friedlich, und sind selbst halb und halb Christen, wenigstens vorläufig
getauft.


[40] Es wird in Araukanien noch die ältere Sprache des Landes
gesprochen, welche früher in ganz Chile allgemein war, gegenwärtig
aber durch das Spanische vollkommen verdrängt ist, und weiter gegen den
Norden, über Conception hinaus, nicht mehr gehört wird.


[41] Eine Prenda ist eine Kuh, ein Pferd, ein Poncho, ein Paar Sporen
oder auch mehrere dieser Gegenstände zusammen. Es giebt große und
kleine Prendas und bei einem Handel wird vorher bestimmt, aus was die
Prenda besteht.


[42] Wahrscheinlich eine glühende Lava-Masse, von einem der Vulkane mit
großer Heftigkeit ausgeschleudert.


[43] Es ist mir blos eine Erscheinung bekannt, welche Breislak in seinem
Lehrbuche der Geologie anführt, und nach welcher Gimbernat im
Jahre 1820 im Februar eine hellleuchtende, dem Nordlichte ähnliche
Erscheinung des Vesuvs beobachtete.


[44] Cobija liegt unter 22° 16' südl. Breite.


[45] Nach genauen, von Engländern vorgenommenen Messungen, liegt die
Bai unter 22° 6' südliche Breite und 70° 6' 20" westlicher Länge
(Greenwich). Die Variation der Nadel ist 11° 45' westlich.


[46] Diese von mir mit nach Europa gebrachten Arten sind:

=_Achetorhynchus ruficans_, Meyen. (Cinclodes? ruficandus. Gray genera
of Birds.=)

=_Opetiorhynchus canceolatus_ Gould.= (Die Species wurde von _Gray_ mit
=Cinclodis= vereint.)

=_Muscicapa:_ Subgenus _Onychopentus gilviceps_. Reichenbach.= Bildet
die zweite der von Reichenbach aufgestellten Gattung.

=_Synallaxis melanopus._ Gray. (Escapullaris chorreada Dorwin,
Synallaxis dorsomaculata D'Orbigny.)=

Von Seevögeln brachte ich mit: =Larus glaucodes, Meyen. _Phalacrocorax
Gaimardii_, Garnet. _Phalacoran graulis_, Meyen,= diese Art aber nur
selten. Dann =Dyomedea fuliginosa. Gmel.= Es hat die geringe Menge
dieser ornithologischen Fauna erlaubt sie hier aufzuzählen, was bei der
reichlichen Fauna in Chile nicht geschehen konnte und ich glaubte, dieß
um so eher thun zu müssen, da die Algodonbai meines Wissens noch nicht
naturhistorisch geschildert wurde.


[47] Die von mir aus jener Oase mitgebrachten Pflanzen, größtentheils
schwierig bestimmbar, gehörten den Gattungen Cassia in mehreren Spezies
an, den Cestrum, Convolvulus, Fabiana und mehreren Rubiaceen.


[48] Es kann Seewasser in kleinen Quantitäten wohl getrunken werden und
verursacht keineswegs den argen Durst und die Uebligkeiten, von welchen
man fabelt. Schon auf der Reform hatte ich es mir zur Gewohnheit
gemacht, täglich ein mäßiges Glas Seewasser zu trinken, und habe mich
gut dabei befunden, obgleich Matrosen und Passagiere mir anfänglich
das Schlimmste prophezeihten. Das Seewasser hat den Geschmack und die
_Wirkung_ des Bitterwassers, und namentlich hat dieser letzte Effekt auf
See seine besondere Annehmlichkeit. Ich glaube, daß man sich mehrere
Tage mit Seewasser nothdürftig erhalten, und dem Organismus die
nöthige Menge Wasser zuführen kann, und daß das Vorurtheil gegen
dessen Genuß vorzugsweise von dem Uebermaße herrührt, mit welchem es
genossen wurde, nachdem man lange gegen den Durst angekämpft hatte, in
welchem Falle freilich Kolik und Erbrechen die Folge sein werden.


[49] Sie bringen meist Spirituosen, deren Einfuhr, des Mißbrauchs
halber, der damit getrieben wird, verboten ist.


[50] Streng geschieden ist bekanntlich diese Form von jener, welche
der Typus der in altperuanischen Gräbern gefundenen Gefäße
bildet. Während die hier zu Tage gebrachten die in Chile noch heute
gebräuchlichen, und die in alten Gräbern bei uns sich findenden,
einfache, ja oft edle Formen zeigen, sind jene aus altperuanischen
Gräbern meist Nachbildungen von Menschen und Thierformen, von Früchten
u. dergl., und auch das Material scheint ein verschiedenes zu sein,
indem bei den peruanischen ein feiner Thon angewendet wurde.


[51] Die einzigen Säugethiere, welche noch heute in der Bai gefunden
werden, sind eben dieses Chinchilla (=Eriomys chinchilla=), ein
Nagethier, etwas kleiner als ein Kaninchen, dessen Pelzwerk häufig nach
Europa gebracht wird und welches auch in Chile häufig vorkommt. Ich
habe in der Algodon-Bai sieben lebende Exemplare bekommen, von welchen
ich aber blos ein einziges lebend mit nach Europa brachte, da diese
Thiere die Gefangenschaft durchaus nicht ertragen können. Ich ließ das
letzte endlich frei auf dem Schiffe umherlaufen, wo es, trotzdem daß
es durch Benagen aller Gegenstände sich ziemlich unnütz machte,
doch geduldet und zuletzt zahm, ja zudringlich wurde. -- Das andere
Säugethier ist das ebenfalls in Chile vorkommende Guanaco, von welchem
bereits gesprochen wurde.


[52] Siehe die Tafeln zu Seite 311, 314, 316, 318 und 353, so wie das
Titelkupfer.


[53] =The History of the Aztec-Liliputians= lautet der kürzere Titel
des Umschlags, =London: printed by R. S. Francis, Chaterine VI. strand.
1853.=


[54] Kaum begreift man, befindet man sich in einem solchen Boote, wie
rasch man emporgehoben wird, während man noch einen Augenblick vorher
sich scheinbar in der Gefahr befunden hat, von der anstürmenden Welle
begraben zu werden. Dieses leise Emporheben aber wird dadurch erklärt,
daß die mauerartig uns entgegentretende Welle in der That nicht eine
Wassermasse ist, welche wirklich, wie es den Anschein hat, von der See
gegen das Land zu mit der heftigsten Schnelle sich fortbewegt, sondern
daß jene Fluthenmauern nur erzeugt werden durch eine sich rasch
fortpflanzende Erhebung eines Theils des Wassers. Man mag sich dieß
versinnlichen, wenn man ein Stück Linnen auf eine ebene Fläche legt,
und mit einem Stabe das Linnen einige Zoll hebt, und rasch, stets
hebend, unter demselben hinwegfährt. Auch hier scheint sich der
gehobene Theil der Leinwand rasch fortzubewegen. Aber ein kleines
Papierstück, welches man auf die Fläche gelegt hat, wird nicht
_fortgeschoben_, sondern blos aufgehoben, so daß dessen Bewegung
im Sinne der Fortbewegung des Stabes nur langsam, und durch öftere
Wiederholung des Versuches gelingt. Auf ähnliche Weise wird ein
Boot oder irgend ein anderer leichter Gegenstand auf der See nur
_emporgehoben_ und nicht mit fortgeschleudert, wenn gleich durch öftere
Wiederholung jenes Emporhebens ein allmäliges Fortbewegen stattfindet.


[55] Spätere Untersuchung in Valparaiso, durch eigene, hiezu bestimmte
Leute, um den durchschnittlichen Werth der Erze zu ermitteln.


[56] Das Bartholomäus- und Amancas-Gebirge.


[57] Man bringt das Eis von der etwa 20 Stunden weit entfernten
Cordillera, indem man es dort zwischen trockenen Pferdemist packt,
Maulthiere damit beladet und des Nachts im Galopp, und mit stationsweise
stets erneuten Maulthieren in einigen Stunden Lima erreicht.


[58] =Gymnogramme trifoliata, Desveux. Aspidum patens, Swartz,= und
=Equisetum Bogatense. H. B. K.=


[59] Ein guter Wind wird von den deutschen Seeleuten häufig eine gute
Gelegenheit genannt.


[60] Ich lasse am Schlusse diese Tabellen ausführlich folgen, da
sie vielleicht nicht ganz ohne Nutzen, wenn gleich nur von einem
»organischen Chemiker« beobachtet sind.


[61] =Phaeton aethereus.=


[62] Liebig und Wöhler, Annalen der Chemie. N. R. B. I. Seite 90.


[63] Ich sage nicht _Röhrenquallen_, weil ich nicht weiß, ob diese von
mir gefundenen Individuen, welche die Form einer Röhre haben, wirklich
zu der Ordnung gehören, welche man Röhrenquallen nennt.


[64] Die Forschungen, welche in _neuerer_ Zeit über den
Generationswechsel angestellt worden sind, verdienen im höchsten Grade
die Aufmerksamkeit eines jeden Laien, welcher auf Bildung Anspruch
macht. Die Entdeckungen von Joh. Müller, v. Stein, v. Siebold, Braun,
Cohn und vielen Anderen gehören zu den interessantesten Erfahrungen,
welche, basirt schon vor Jahren, jetzt volle Geltung erhalten haben. Ich
habe mich auf See und namentlich unter den Tropen, umgeben von jener so
vielfältig und wunderlich gestalteten Thierwelt, nicht von dem Gedanken
trennen können, daß _unter günstigen Verhältnissen_ die Entwickelung
eines Individuum eine ganz andere ist, als die des gleichen Individuum
unter ungünstigen, und habe mir dort die erste Entstehung der Thierwelt
auf ähnliche Weise gedacht. Es ist sehr richtig, daß dieser Gedanke
fast an eine _naturphilosophische_ Theorie grenzt. Aber, stimmt er auch
nicht genau mit den Ansichten, welche die verschiedenen Forscher über
ihre hieher gehörigen Entdeckungen hegen und mit den Formen, in welche
dieselben gebracht worden sind, so hat sich doch aus diesen Forschungen
das Resultat ergeben, daß aus einem Thiere im günstigen Falle sich
ein Individuum entwickelt, welches höher organisirt ist. So z. B. aus
einer Holothurie, eine Schnecke. Ich mache in diesem Betreffe auf
eine kurze und sehr bezeichnende Abhandlung aufmerksam, welche in
der Schrift: »Aus der Natur« etc. Leipzig, Abel. l852. Bd. I S. 224,
erschienen ist und welche sicher Jeden befriedigen wird, der eine
Uebersicht über diese merkwürdigen Erscheinungen zu erhalten wünscht.


[65] _=Coryphaena hippurus=_, von den Seeleute gewöhnlich Delphin
genannt.


[66] Infusorienfreunde sind nicht ausgeschlossen, denn, wer weiß,
vielleicht mögen diese gegenwärtigen schönrunden Zellen in einiger
Zeit doch wieder einigermaßen zu infusorie -- Ehren kommen. Das Glück
ist veränderlich!


[67] =Helix janthia=


[68] Dunkle Strahlen. Ich weiß keinen anderen Ausdruck. Sie waren
farblos und dunkler als die Wolkenschicht, auf welcher sie sichtbar
wurden, ähnlich einer Kreidezeichnung auf hellem Papier.


[69] Das Schiff ist später gescheitert, doch die Männer wurden
gerettet. Ein Bericht aus Hamburg, 15. December 1853 in der Weserzeitung
Nr. 3122, meldete ganz kurz: ... »Die dem Hause J. C. Godeffroy und
Sohn gehörige Bark »Dockenhuden« (Capitain Meyer) gieng auf der Fahrt
von Melbourne nach Batavia am Catariff verloren. Der Capitain und die
ganze Mannschaft wurden gerettet. Passagiere waren _nicht_ an Bord.« --


[70] Von etwa 30° Breite an stets starke Dinnung bis auf gleiche Breite
auf der anderen Seite im atlantischen Ocean.




[ Hinweise zur Transkription

Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. Offensichtliche
Fehler wurden korrigiert, bei Zweifeln der Originaltext beibehalten.
Eine Liste der vorgenommenen Aenderungen befindet sich hier am Ende
dieses Textes.

Ein Inhaltsverzeichnis ist im Originalbuch nicht enthalten und wurde
nachträglich hinzugefügt.

Der Abschnitt "Meteorologische Beobachtungen auf der Reise von Peru nach
Europa" ist im Originalbuch doppelseitig gedruckt.


Aenderungen

  Seitenangabe
  originaler Text
  geänderter Text

  Seite 23
  und rohem Charque bestehendes Abendbrod eigenommen
  und rohem Charque bestehendes Abendbrod eingenommen

  Seite 25
  zum Aufhängen der Instrumente, des Barometes, Thermometers und
  zum Aufhängen der Instrumente, des Barometers, Thermometers und

  Seite 26
  Man wartet, um von oden herab
  Man wartet, um von oben herab

  Seite 36
  die Eingeweide eines getödten Thieres an irgend einer Stelle
  die Eingeweide eines getödteten Thieres an irgend einer Stelle

  Seite 49
  mit zwei oder drei weit teren Sätzen über den Schnee
  mit zwei oder drei weiteren Sätzen über den Schnee

  Seite 50
  sämmtlich später als Novitäten bezeichnet wurdeu.
  sämmtlich später als Novitäten bezeichnet wurden.

  Seite 72
  einer geognostischen Anekdokte will ich gedenken
  einer geognostischen Anekdote will ich gedenken

  Seite 81
  Hymenophylum Bibraianum. J.W. Sturm und Blechnum acumiratum.
  Hymenophyllum Bibraianum. J.W. Sturm und Blechnum acumiratum.

  Seite 92
  sondern mit Sancritta an, um etwas zu essen
  sondern mit Sanoritta an, um etwas zu essen

  Seite 96
  Eins von nns beiden mußte nun davon
  Eins von uns beiden mußte nun davon

  Seite 122
  wurde gefunden 723.9 M. M., als niedrigster 708.5. M. M.
  wurde gefunden 723.9 M. M., als niedrigster 708.5 M. M.

  Seite 131
  Herr Louis Ironsco in der Serena von Coquimbo in den
  Herr Louis Troncoso in der Serena von Coquimbo in den

  Ironsco beobachte nun während der Erdstöße folgende
  Troncoso beobachtete nun während der Erdstöße folgende

  Seite 139
  wenn der Beobachter seinen Standpunkt nicht verändet.
  wenn der Beobachter seinen Standpunkt nicht verändert.

  Seite 140
  Später in der Algadonbai in Bolivien
  Später in der Algodonbai in Bolivien

  Ich wurde in der Algadonbai durch den Wiederschein
  Ich wurde in der Algodonbai durch den Wiederschein

  ging das Leuchten wahrscheinlich von dem Vulkane Acongagna aus
  ging das Leuchten wahrscheinlich von dem Vulkane Acongagua aus

  Seite 141
  am Fuße der Cordillera von Rancagna beobachtete
  am Fuße der Cordillera von Rancagua beobachtete

  Seite 152
  Der Charakter der Stadt ist ein eingenthümlicher.
  Der Charakter der Stadt ist ein eigenthümlicher.

  Seite 157
  läßt schon die Nähe der Steinwüste von Adalkama ahnen
  läßt schon die Nähe der Steinwüste von Atakama ahnen

  Seite 158
  wie Faltenwurf und Formen, zierlich nnd klar ausgesprochen
  wie Faltenwurf und Formen, zierlich und klar ausgesprochen

  Seite 164
  von einem Minenbesitzer, Thomas Heloby, einem Engländer, bewohnt.
  von einem Minenbesitzer, Thomas Helsby, einem Engländer, bewohnt.

  Seite 193
  fressen sie noch einige Zeit Fliegeu
  fressen sie noch einige Zeit Fliegen

  Seite 197
  ein Picknick mit dem amerikanischen Minenbesitzern in Mamilla
  ein Picknick mit dem amerikanischen Minenbesitzer in Mamilla

  Seite 217
  bei Herrn Thomas Helsbey zu Mittag gegessen
  bei Herrn Thomas Helsby zu Mittag gegessen

  Seite 221
  ging der Kapitain mit Herrn Helsbey nach dessen Wohnung
  ging der Kapitain mit Herrn Helsby nach dessen Wohnung

  Seite 325
  bekamen am 19. Mai die Felseninsel Ferando de Noronha
  bekamen am 19. Mai die Felseninsel Fernando de Noronha

  Seite 329
  und mit welcher sich der Fisch sgleich beschäftigte
  und mit welcher sich der Fisch sogleich beschäftigte

  Seite 330
  nördl. Breite 7° 40 Länge, 33° 4, indem Goldbrassen
  nördl. Breite 7° 40' Länge, 33° 4', indem Goldbrassen]






End of the Project Gutenberg EBook of Reise in Südamerika. Zweiter Band., by 
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Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

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effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
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that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
[email protected].  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     http://www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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