Schuß in's Geschäft (Der Fall Otto Eißler)

By Franz Theodor Csokor

The Project Gutenberg eBook of Schuß in's Geschäft (Der Fall Otto Eißler)
    
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Title: Schuß in's Geschäft (Der Fall Otto Eißler)

Author: Franz Theodor Csokor

Editor: Rudolf Leonhard

Release date: April 21, 2025 [eBook #75925]

Language: German

Original publication: Berlin: Die Schmiede, 1924

Credits: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This file was produced from images generously made available by Österreichische Nationalbibliothek - Austrian National Library.


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHUSS IN'S GESCHÄFT (DER FALL OTTO EISSLER) ***



                     AUSSENSEITER DER GESELLSCHAFT
                    – DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –




                              AUSSENSEITER
                            DER GESELLSCHAFT
                    – DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –


                           HERAUSGEGEBEN VON
                            RUDOLF LEONHARD

                                BAND 10


                          VERLAG DIE SCHMIEDE
                                 BERLIN




                          SCHUSS IN’S GESCHÄFT
                        (DER FALL OTTO EISSLER)


                                  VON
                          FRANZ THEODOR CSOKOR


                          VERLAG DIE SCHMIEDE
                                 BERLIN


                             EINBANDENTWURF
                              GEORG SALTER
                                 BERLIN


              Copyright 1924 by Verlag Die Schmiede Berlin




                    I. DIE SIEGER NACH DER SCHLACHT.


Das _Wien_ der Nachkriegszeit ist verwandelt wie nie in seiner
tausendjährigen Geschichte. Die Stadt, die neben der Welt gelebt hat, –
selbst ihre Rothschilds waren noch Träumer, – die Stadt der Sonderlinge,
Eigenbrödler, Sammler, die Stadt der verraunzten Genies, der
unausgenutzten Talente, die Stadt der Kammermusik und der Barockpaläste,
in der vor alldem wundervollen Toten kein Lebender atmen kann, die ewige
„Kaiserstadt“, weil sie, eine Seltenheit unter den alten großen Städten
Deutschlands, nie zur selbstherrlichen Verwaltung, nie zur freien
Reichsstadt gelangt war, – sie wird nun jäh überschwemmt von
Abenteurern, Glücksrittern, Condottieris des Geldes. Mühelose
Schlachten, gefördert durch die österreichische Lässigkeit der
Verwaltung, sichern Riesengewinnste, jähe Rückschläge zerstäuben sie
wieder. Namen tauchen aus Dunkelheit in goldenes Licht, Namen stürzen
aus Glanz in die Nacht. Es geht zu wie im Grunde überall nach dem
Kriege; nur das Tempo wird viel phantastischer genommen, die Kämpfe sind
erregender und wilder. Da ist einer, der kommt von einer Winkelbank, ein
anderer rettet sich aus einem Schiffbruch, ein dritter ersteht bei der
Demobilisierung Milliardenwerte mit Verträgen, die später vergeblich
angefochten werden, ein vierter, einst ein kleiner Händler, ist im
Kriege schon fett geworden an elendem Material, das er der
Heeresverwaltung für ihr wehrloses Schlachtvieh aufzuschwatzen verstand,
ein fünfter stellt ein Riesenwerk der Kriegszeit auf „Friedensbetrieb“
um; der Steckbrief kommt zu spät, – sie alle verschmähen dabei auch
nicht das winzigste Geschäft: Dem Tüchtigsten im Raffen freie Bahn!
Indessen rückt die Währung reißend zurück, geschwächt und verlassen von
denen, die sie zu stützen berufen gewesen wären. Im gleichen Maße
schwillt die Börse an, hetzen die Papiere zu Fieberkursen empor.
Plünderungen durchklirren die Stadt; Pogromdrohungen gellen wider die
von Bankinstituten überwucherten Nobelstraßen. Aber bei solchen
Auswüchsen eifert jede Rasse, jede Konfession, jeder Stand, um den
traurigen Vorrang; der Bauer noch tränkt seine Säue mit der Milch, die
er dem Städter verweigert, so ihren Preis zu treiben. Dabei zerwühlen
schwerste politische Krisen den Staat, an dessen Grenzen drei Mächte
bereit zum Einmarsch lauern, wenn die Verzweiflung zu kommunistischen
Evangelien greifen sollte. Die grüne und die rote Internationale, die
vorwiegend agrarische _christlich-soziale Volkspartei_ und die
_Sozialdemokraten_ verwalten in einer fort und fort mühsam gekleisterten
Koalition die hungernde Republik, die im Westen und im Osten, in dem von
Ungarn trotz Friedensvertrages bestrittenen Burgenland und in dem nach
der Schweiz strebenden Vorarlberg verdächtige Abbröckelungstendenzen
zeigt. Da geht – nach einer wütenden Philippika des sozialistischen
Abgeordneten Karl _Leuthner_ – das grünrote Bündnis in Fetzen, die
Regierung _Seipel’s_ beginnt, der den europäischen Mächten mit Auflösung
Österreichs droht, – das bedeutet: Krieg zwischen Italien, Jugoslavien,
Ungarn, Tschechoslovakei, um eine Beute, die schließlich doch
bei Deutschland landen wird, wohin die Alpenbevölkerung in
leidenschaftlichen Proklamationen drängt. Der kluge Prälat, mit Haltung
und Diplomatie einer tausendjährigen kirchlichen Zucht gesegnet,
verrechnet sich nicht. Die Angst aller leidend Beteiligten erhält den
gefährdeten Donaustaat; Wilsons problematischer Völkerbund tritt hier
zum erstenmal groß in Funktion. Unter Verzicht auf den deutschen
Anschluß, nach Bestallung einer scharfen Kontrollkommission bezieht
Österreich Unterstützung. Die Krone wird bei einem Vierzehntausendstel
ihres Friedenswertes gebremst; dem Kapital des Inlandes wie des
Auslandes ist ruhiges Betätigungsfeld durch den Genfer Vertrag
gesichert. Es schwebt nicht mehr in Gefahr sozialistischer oder
sowjetistischer Gegenmaßnahmen, es kann also das Tempo mäßigen und sich
zugleich seiner unbequemsten Mitläufer entledigen. Wie der Ararat aus
der Sintflut tauchen aus den verebbenden Wässern der Spekulation wieder
die Häupter des alten Reichtumes, die Herren der Schlöte, Schächte und
Forste, die noch nahe mit der Arbeit verknüpft waren, aus der sich ihre
Macht erhoben hatte. Die neue Generation der Plutokratie tat sich nun
ungleich schwerer: sie hatte ja nie aus den Dingen selbst geschöpft,
sondern aus der Spannung zwischen ihnen, sozusagen aus geladener Luft,
die sie gewitzt als Kraftfeld auszubeuten und in Bewegung umzusetzen
verstand; sie gewann allein am Kabeln und am Stecken von
Geschäftskontakten. Und aus solchem Unsicherheitsgefühl heraus suchte
sie den alten Reichtum nun in ihre Geschäfte zu verstricken oder sich an
den seinen zu beteiligen, kurz, was von dem österreichischen Raffke
scheinbar sicher blieb, – der grobe Nackenhieb traf ihn ja erst mit der
Frankkatastrophe, – mühte sich, aufgenommen zu werden in den Gotha des
früheren Großkapitales.

Diese Vorkriegsreichen waren ja wahrhaftig die Aristokratie jener Zeit
geworden. Hinter dem blendenden Goldschaum, den die nachgeborenen
Geldhelden schlugen, blieben sie fast unsichtbar. Nun, da er auf sein
wahres Maß zerrann und sie wenig versehrt und gelassen hervortraten,
erkannte man ihre Kraft, die den Zusammenhang mit ihren Quellen nie
verloren hatte, sondern weiter an den unermeßlichen Schätzen der ihr
dienstbaren Erde zehrte. Die Tradition begann als Faktor wieder
aufzuleben, der internationale Einfluß eines Namens von Kredit und
Bedeutung aus dem Frieden her eroberte sich neuerlich den einstigen
Geltungsbezirk. Im alten Glanze fanden sie sich, diese Familien, darin
Fleiß von Väter auf Söhne ungeschwächt weiterging, diese
Industriegewaltigen mit den Adelsbriefen jahrelanger Arbeit, diese
Finanzdynastien, zu denen Könige gekommen waren, – – wo blieb vor ihnen
das Nichts von gestern, das nun jäh „Generaldirektor“ hieß, um morgen
vielleicht wieder Nichts zu sein? Man zog es heran, insofern man es
brauchte, man erhörte seine Zudringlichkeit, – um von ihm zu lernen.
Denn man konnte ja selbst nicht mehr arbeiten wie vor dem Kriege. Die
Amerikanisierung des öffentlichen Lebens im üblen Sinne ging schon zu
weit. Die Methoden der neuen Zeit mußte man bei den Neuen erfahren; die
Metaphysik nebuloser Tochtergründungen, der Aktienvermehrungen, der
Steuerverschleierungen, der Geldtransfusion in andere Unternehmungen,
die so unmerklich in den Kreislauf der Geber gerieten, besaß dort ihre
gediegensten Lehrkanzeln. Wohl war der Krieg verloren, von dem sie, die
einstigen Mitberater und Mitgenießer an der nun zersplitterten
Monarchie, sich manches erhofft hatten, – aber schließlich fühlten sie
sich sogar stärker als ein verlorener Krieg. Elan und Unbedenklichkeit
der Jungen mußte man sich zu eigen machen und die durch nichts
einzuschüchternde Überzeugung von der letzten sakramentalen
Unantastbarkeit des Geldes. Was immer von ihrem Eigentume in dem nun
siegreichen Auslande lag, konnte, je umfangreicher es war, auf die Dauer
um so weniger beschlagnahmt bleiben. Industrie und Großgrundbesitz sind
die bevorrechtete Aristokratie aller konstitutionellen und
demokratischen Systeme, wie es für die absoluten die Adelsstände waren,
und so muß auch die internationale Solidarität einer kapitalistisch
orientierten Weltordnung rein gesetzmäßig alle jene verletzenden
Maßnahmen, wie etwa Enteignungen von kurzer Hand, möglichst vermeiden.
So zwingt einer die Regierung eines siegreichen Erben des alten
Kaiserreiches einen schon damals als höchst ungünstig befehdeten Vertrag
zu übernehmen, indem er nach eingetretenen Schwierigkeiten seitens der
neuen Herrscher in seinen dort liegenden Riesenbetrieben die Arbeit
durch drei Jahre einfach einstellt. Tausende werden brotlos, Bahnen
stocken, Not der Geschädigten pocht an das Parlament des Siegerstaates.
Da schäumen sie, – aber zur Übernahme oder zur Ablösung fehlt das Geld
und vor Expropriation scheut man zurück aus den genannten Gründen: Man
vergleicht sich also, erkennt zähneknirschend das Bestandene an. Eine
Gruppe Anderer verheert die Währung ihres Vaterlandes, um so in
stündlich entwerteten Papieren ihre Goldschuld einzulösen. Ein dritter
einigt sich mit seinem Konkurrenten im Feindesland, lange vor ihren
beiderseitigen Regierungen, die dann den Konturen solcher Abkommen
folgen müssen. Ein vierter lockt Strohmänner von drüben in die eigene
Leitung, die unter ihren Ententeflaggen seinem Geschäfte den
internationalen Freibrief sichern. Derlei Beispiele gibt es noch viele.
Gegenstandslos bleibt der Ausgang von Kriegen für die Gewaltigen des
Kapitales. Ihre Front lag ja nie an jenen in Blut und Dreck ersäuften
Gräben. Und im Inlande hatten nur jene verloren, die ihr Vertrauen in
die Habe des Staates oder der Einzelnen setzend es in irgendeiner Form
belehnten, die Banknoten- und Bargeldsammler, die Kriegsanleiheinhaber,
die Hypotheken- und Mündelgeldbezieher. Der in Liegenschaften jeglicher
Art verankerte Besitz büßte dabei nichts ein, im Gegenteil: Die
Verarmung der anderen schuf ihn oft schuldenfrei oder verringerte
zumindest seine Belastung. Nach Revolution und Gegenrevolution ging die
gelbe Flagge hoch. Der Aufruf „An Alle“, der 1917 vom Osten her Europa
erschüttert hatte, wurde 1924 zur Devise einer Nacktrevue im Variété.
Wie nach jeder Weltkatastrophe entwickelte sich auch nun ein
Biedermeiertum, das jene wilden zehn Jahre einfach nicht wahr wissen
wollte. Die Könige hatte es eingebüßt, nicht durch eigenen
revolutionären Geist, sondern durch die Konsequenz der Ereignisse. So
beugte es sich denn willig der neuen Diktatur, die über seinem
Sichverschweigenwollen des Gewesenen hart und kalt emporstieg. Ein Typus
Gewaltmenschen, von dem sachlichen Fanatismus Jener der Neuen Welt,
eroberte sich die Vormacht in Europa. Nur wenige Unbekannte waren
darunter, – sie hielten sich nicht lange, diese Reisläufer des neuen
Kapitals, – der Kern bestand doch aus den früheren Magnaten der
Industrie und des Bodens, aus Reedern, Kohlenfürsten, Hammerherren und
den Holzriesen des Friedens. Sie waren es, die jetzt in den Kampf um den
Cup des Lebens traten, der als Zeichen dieser vital-egoistischen Zeit
vor allen ihren Äußerungen stand, vom Boxermatch bis zur Literatur.




                       II. DIE HERREN DER WÄLDER.


Die _Republik Österreich_ schien nach dem Kriege das ärmste Land der
Alten Welt zu sein. Von Gebirgen verknöchert blieb es in dem
wesentlichsten Existenzbedarf, in der Brotfrucht und in der Nahrung
seiner Betriebe, in der Kohle, fast durchweg auf das Ausland angewiesen.
Enorme Industrieanlagen, dem Maße des vormaligen Fünfzigmillionenstaates
angepaßt, feierten nun aus Mangel an Rohstoffen. Der „Wasserkopf“ Wien,
den die energische sozialdemokratische Gemeindeverwaltung mit allen
Schrecken des Nachkriegszustandes übernehmen mußte, saß auf dem dünnen
Leibchen eines Sechsmillionenvolkes des verstümmelten Bundeslandes. Die
Nachfolgestaaten verschanzten sich hinter Zollwänden; das künstlich
ausgetrennte Herz des alten Reiches drohte an der so gedrosselten
Blutzufuhr völlig zu erlahmen. Und doch besaß es noch vier gewichtige
Dinge, an deren Ausbeutung es nun mit brennender Energie gehen mußte,
wollte es seine durch den Genfer Vertrag gestützte Daseinsberechtigung
als autonomes Gemeinwesen erweisen. Das war das _Salz_, das es in
Verwaltung nahm, das war die weiße Kohle seiner _Wasserkräfte_, die
unter seiner Ägide oder Beteiligung private Gesellschaften in großen
Überlandwerken konzentrierten, das war das Erz seiner Berge, wo
reichsdeutsche und italienische Konzerne um das Schürfrecht warben, das
war vor allem der begehrteste Ausfuhrposten, seine _Wälder_, die fast
das ganze Reich überdeckten. Hier drängten sich die Abnehmer von
Bedeutung; _Italien_, das forstarme, _Frankreich_ mit _Straßburg_ als
Stapelplatz, _Deutschland_, das seine Reparationsleistungen zum
Wiederaufbau teilweise von dem Brudervolke bezog; ja bis _Holland_ und
nach _England_ hinüber wanderte das österreichische Edelholz. Aus
zerkrachenden Forsten gediehen fürstliche Vermögen, zu denen der Grund
noch im tiefsten Frieden gelegt worden war. Unermeßliche Gebiete standen
damals zur Verfügung. In _Bosnien_, in der _Herzegowina_, in _Kroatien_,
in _Siebenbürgen_, in _Böhmen_, in allen _Alpenprovinzen_. Höher als die
Herren der Erze und der Wasser wuchsen so die Herren der Wälder, formten
geradezu einen eigenen Menschenschlag. Denn wie das Individuum sich nach
seiner Tätigkeit wandelt, so erhielten sie, deren Vorteil mit des Wortes
wahrstem Sinne in der Erde wurzelte, etwas von gewaltigen Bauern,
Bauern, die über tausende Knechte gebieten, Schnitter von
Ackerprovinzen, auf denen die Ernte, die sie nicht gesät hatten, bereit
stand, in keinen Halmen, sondern in den Stämmen starrer Bäume. In der
ausgeplünderten hohlwangigen Nachkriegszeit fußen sie breit mit
unentwertbaren Schätzen. Ihre Macht spottet aller Angriffe. Ja, sogar
ihr Eigentum in den abgespaltenen Klötzen des alten Reiches ringen sie
wieder ein; sie trotzen und listen es den neuen Herren dort ab in dieser
oder jener verklausulierten Form. Der Steuerfiskus findet schwer zu
ihnen. Die Erde hat sie ganz zu Bauern gemacht, zäh, schlau und karg wie
Bauern sind. Und unbeugsam über das Ihre, unbeugsam, wenn es selbst der
Blutnächste wäre, der seinen Teil zu fordern käme. Fast äußerlich
verändern sie sich so; ob Christ, ob Jude, ob Landmann, ob Städter, gilt
gleich; die Erde bleibt stärker in ihnen: Sie gehorchen der Erde.




                         III. DYNASTIE EISSLER.


Urwald in _Bosnien_. Schluchten klaffen, Berge bäumen sich, Gewässer
zischen von eisenfarbenen Felsen nieder, und überall nistet, wuchert,
drängt sich Gehölz. Heldenliedergegend, Wild-West des Balkan, kaum
erforschtes Tibet Europas, das hier beginnt und am Griechenmeere in
Saloniki endet. Land des großen Zaren Dušan, Land des südslavischen
Siegfried, Marko Kraljevics, Land des serbischen Kaiserreiches und des
türkischen Herrenvolkes nach dem Abendrot am Kossowo polje, am
Amselfeld. Und Land zuletzt, aus dem der Anlaß des gräßlichsten Krieges
mit zwei Schüssen an der Lateinerbrücke in Sarajevo aufblitzte.
Stolzester Hengst in der Hürde der Alten Welt. Der Muselmann hat ihn nie
ganz gebändigt, der Kroate nicht und nicht der serbische Bruder; der
Venetianer langte wenig über seine dalmatinische Küste herein, und
selbst der großmächtige Herr Ungar stieß hier auf Widerstand. Aber Geld
und Gewinnsucht scheuen nichts, und wie die Republik von San Marco vor
einem halben Jahrtausend Dalmatiens Waldgebirge in eine heute noch
erschütternde Steinwüste wandelte, so rückt man auch hier seit
Jahrzehnten den scheinbar unerschöpflichen Forsten an den grünen Leib.
Um ihre Ränder beißen sich Häuflein Menschen fest; kleine saubere
Häuschen quellen aus dem Boden, ein Klondyke des Holzes, blanke
Maschinen funkeln. Das knirscht, kracht, splittert und sägt den ganzen
Tag durch, nagt sich furchtlos ein in die verfitzte Wildnis, über der
die Geier nun wie graue Zeichen des Waldsterbens kreisen, und zieht
seinen vorgesehenen Borkengang. Hinter sich läßt es Scheiterhaufen von
rauchenden Meilern und riesige Schichten von Baumleichen, die kleine
Lokomotiven auf schmalspurigen Gleisen flink nach den Umschlagstellen
befördern, wo die großen Eisenbahnen die Tore zur Welt aufreißen.

Es sind mächtige Herren, die hinter dieser namenlosen Arbeit sitzen, und
auf den Börsen brausender Städte schreien Papiere, die den Fleiß tausend
gering bedankter Hände anpreisen, und irgendwo, in Biarritz oder Ostende
oder Capri erholt sich einer, von ihnen getragen, oder haust
zeitentrückt als stiller Teilhaber und Villenfürst inmitten schöner
alter Gemälde, auf denen Menschen friedlich in heiligen Hainen wandeln
oder hängt kostbare Bernsteinketten, goldfarben wie die Harztränen der
Tannen um einen kühlen nackten Frauenleib oder sitzt rastlos in einer
Kontorhölle der Metropole, umknattert von Schreibmaschinen, umschrillt
von Telephonen, umquirlt von Menschen, wie eine Spinne im Netz, die
jeden Faden prüft. Er ist der Typus seiner Zeit, der Parforcemensch am
Schreibtisch. Stärkster wird er von allen, weil er sich zum Regulator
der Kraft macht, die ihn umströmt; er vertausendfacht sie durch die
eherne Zwinge, in die er sie nimmt. Er hieße über dem großen Wasser
Rockefeller, Morgan, Ford oder mit sonst einem Stahl-, Holz- oder
Ölkönigsnamen. Er heißt in unserem Falle _Robert Josef Eißler_, thront
als _Chef einer hundertjährigen weltumspannenden Holzindustrie in Wien_
und arbeitet, arbeitet wie ein Besessener ohne sich je auch nur den
kleinsten Genuß zu gönnen, arbeitet um der Arbeit willen, die ihn ganz
verschlungen hat, arbeitet zu Hause, auf der Bahn, im Auto; nichts
bleibt so abseitig, das er nicht wahrnimmt, nichts so vollendet, dem er
nicht mißtraut, er ist nur mehr rechnendes Gehirn, schreibende Hand,
Mund, der befiehlt. Unter der Peitsche seiner Augen leistet jeder das
Äußerste; bis in die entferntesten Länder spüren sie diesen Blick, in
Blockhäusern, auf Sägewerken, durch Urwaldgrün hindurch, wo immer sein
Name zu Werk wird. Und das wird er in mächtigstem Ausmaß. Da ist allein
die bosnische Satrapie, die er mit dem Münchner _Ortlieb_ führt, von
Vorkriegsjahren her, und unversehrt sich im verlornen Land erhalten hat.
Von den mehreren hunderttausend Hektaren werden jährlich an die tausend
geschlagen und einhundertfünfzig Kilometer Schienennetz seiner
Privatbahn, auf der zwanzig Lokomotiven unter Dampf stehen, vermitteln
den Verkehr der Menschen und Waren in seinem Reich. Über dreitausend
Arbeiter roden, fällen, schlichten dort die Wirrnis des Krywayatales,
des Zepugebietes, Namen wie aus dem afrikanischen Dschungel. Und das
alles bedeutet erst eine Provinz seines Königreiches, die ihn auf
Jahrzehnte mit unversieglichen Rohstoffen versorgt; in _Kroatien_
besitzt seine Dynastie ein Gut, in Österreich hat seine Gründung, die
Holzbank, in dem durch Minister Dr. _Schürff_ zur Parlamentsdebatte
gemachten _Reichraminger Holzabstockungsvertrag_ der jungen Republik
ihren Einfluß spüren lassen, in _Ungarn_ herrscht die Firma als
„_Eissler es testvere_“, dort wie in Bosnien seit Friedenszeit, wo
einst der Finanzminister _Kallay_ seiner Abmachungen mit dem
geschäftstüchtigen Hause wegen im magyarischen Abgeordnetenhaus manche
Unannehmlichkeiten erfuhr. „_Eissler i fratti_“ nennt sich die
_rumänische_ Kolonie, „_J. Eissler bratri_“ heißt sie in der
_Tschechoslovakei_. Und das lediglich als zentraler Kommandoraum des
ganzen Kraftwerkes tätige Wiener Stammgeschäft führt den Titel „_J.
Eißler und Brüder_“. Aber von den mitgenannten Brüdern ist in der
zweiten von Robert Eißler geleiteten Generation nichts zu verspüren; was
immer da beteiligt war, verschwand allmählich vor dem despotischen Chef,
der das Geschäft trotz Krieg und Niederlage wieder zu der europäischen
Geltung gebracht hatte, die es vorher besaß. In viele Friedensmillionen
steigerte er das Vermögen, sicherte seine Betriebe durch geschickte
Staatsverträge wie ein Monarch, wußte sich siegreich gegen gewaltige
Konkurrenten auf dem Weltmarkt zu behaupten, indem er sie verdrängte
oder durch Bündnisse entwaffnete. Seiner robusten Energie war es nicht
gegeben, sich an gefälligen Dingen zu freuen, an Büchern, an Bildern, an
Schauspielen; aller Trieb seiner Rasse nach äußerer Tätigkeit nach dem,
was _Peter Altenberg_ „die hundertperzentige Verzinsung des Lebens“
nannte, blieb in ihm am stärksten gehäuft und angespannt. Um sich fand
er selten Widerstand; ruhige Menschen, durchtränkt von der etwas müden
Kultur jüdischen Patriziates bis zur Schrullenhaftigkeit, bildeten seine
Verwandtschaft. Doktor _Hermann Eißler_, einer von ihnen, schuf sich
eine Gemäldegalerie von internationalem Ansehen, darin besonders die
Franzosen des neunzehnten Jahrhunderts von Delacroix und Gericault an
glänzend vertreten sind; _Gottfried_, ein anderer – kürzlich verstorben
– nannte eine der schönsten Erstdruckbibliotheken und eine der besten
Wiener Miniaturensammlungen sein eigen. Gewiß, auch sie hatten sich alle
wahrhaft gerackert, nur waren sie nie so sehr der Despotie ihrer Arbeit
verfallen, daß sie in ihrem Tagwerk ausschließlich Zweck und Ziel ihres
Daseins sahen. Doch Robert Eißler kannte nur dieses. Er war rauh wie
Esau, aber ein Esau, der auf seiner Erstgeburt bei Acker und Herden
bestand und hinweggestampft wäre über Jakob und Abraham. Dem
Märchenhelden Wilhelm Hauffs glich er, dem Kohlenbrenner Peter _Munk_
mit dem kalten Herzen. Der barsche, finstere Mann, der mit seinen
Untergebenen im Feldwebelton verkehrte, sie vor sich stramm stehen ließ
und ähnliche militärische Bräuche trieb, hatte dem Moloch des Geschäftes
sein Leben hingeopfert in des Wortes blutigster Wahrheit. Ihm schien es
dabei vielleicht nicht so sehr um Gewinn zu tun, wie um das Würfelspiel
der Macht, darin erhöhter Glanz der Dynastie zum Preise stand. Dazu wäre
ihm nichts zu groß oder zu gering gewesen, dazu gewann er sich – der
Hergang ist noch später zu erörtern – sechshunderttausend Goldkronen
Mitgift, die ihm als Geschäftseinlage binnen Jahresfrist von seiner
Bewerbung an zur Bedingung gestellt worden waren, um als öffentlicher
Gesellschafter sich einzukaufen, und wie er sich der Protokollierung
seines Namens wegen verehelichte, so geschah auch nachträglich kein
Schritt, den nicht das Kontor gebot. In die Kasteiung mit Arbeit
flüchtete er gewissermaßen vor sich selbst, wohl aus dem Gefühle, bei
einem einzigen Augenblick Ruhe müßte ihn die Rasanz des eigenen Motors
in Stücke reißen. „Der Staat bin ich!“ konnte er auch schließlich von
seinem Reiche behaupten, denn alles um sich hatte er schachmatt gesetzt,
zur Ohnmacht verurteilt. Seine Vettern ließen sich von ihm abholzen wie
die Bäume des Krywayatales; sie, die in einem Winkel ihrer Seelen doch
noch zu dem alten besinnlichen Wien zählten, wichen auch widerspruchslos
seiner Keilerwut nach Arbeit, begnügten sich als Firmenvorstände ohne
größeren Einfluß, erfrischten sich im übrigen bei ihren Bildern, Statuen
und anderen Liebhabereien in einer sanfteren Welt, in die das Ächzen der
sterbenden Wälder nicht mehr herüberdrang.

Nur bei Zweien von ihnen galt es Kampf bis aufs Messer: Es waren Onkel
und Vetter des allmächtigen Seniorchefs, Vater und Sohn, beide
Phantasten in ihrer Art, die hier an einen Tatsachenmenschen gerieten, –
sie hießen _Heinrich_ und _Otto Eißler_.




                   IV. KÖNIG LEAR IN DER HOLZBRANCHE.


Wie Fremde vor einem gewaltigen Aufbruch lebt das _Judentum_ in seinem
innersten Wesen, tausendfach verkleidetes Heimweh nach einem verlorenen
Reich. Immer sind die Sandalen geschnürt, die Lenden sind immer
umgürtet. Und ob es noch so heftig in das Diesseits drängen mag, – an
ihnen allen, bald brennender, bald linder zehrt die gleiche Wunde, vom
polnischen Dorf bis in den Stadtpalast. Das braucht darum noch kein
reales Zion zu bedeuten, – es ist mehr der Tempel Salomonis, der nie zu
Ende kommt, weil seine Kuppel, der Messias, fehlt. Heilig gilt hier
deshalb, wie bei keinem Volke sonst, die _Familie_. Aus Zeltesenge von
der Wüste her, durch Ghettozwang ihrer christlichen Herren, erlernten
sie die Notwendigkeit der auch religiös gebotenen starren
Geschlossenheit der Sippe. Noch ehelicht bei ihren Strenggläubigen der
Bruder des Bruders Witwe, noch herrschen alte Menschen bis über das Grab
hinaus, aus dem die Toten dann als Beispiel und Vorbild aller Tugenden
den Jungen immerfort gepriesen werden. In solchem Patriarchate, das
einst, vor der Diaspora, bis zur Blutgerichtsbarkeit des Familienhauptes
über die Seinen reichte, steckt, was vom Vieh- und Ackerbauerwesen des
alten Israel seinen zerschmetterten Stämmen verblieb. Und wie in den
Bauern bohrt auch in ihnen die nagende Angst vor den Erben. „_Der Mensch
hat zwei Feinde, die er liebt_,“ warnt ein talmudisches Sprichwort:
„_seine Leidenschaften und seine Kinder_.“ Und diese Kinder versuchen
auch fast alle einmal den großen Aufstand, der aber in den meisten
Fällen mißlingt; dann strecken sie die Waffen, im Büro des Vaters, wo
sie sich einordnen oder in einer unerwünschten anbefohlenen Ehe, die sie
auf sich nehmen. Und zeugen und gebären Kinder, die ebenso liebeshungrig
und rebellisch aufwachsen und ebenso der Familie als abstraktem Begriff
geopfert werden. Die Härte des Sohnes der Hagar haben sie verloren; die
Sehnsucht nach der Erde, von der man sie forttrieb, mußten sie
verwandeln in den Hang nach ihrem Erträgnis, dem Geld; die Macht der
Mauer, in die man sie durch ein Jahrtausend Verachtung und Verfolgung
gesperrt hat, schuf ihnen alles jenseits davon fremd bis zur
Lächerlichkeit, nur Furcht und Ehrfurcht vor dem Götzen des Alters
erfüllt sie wie den jungen Bauern, an den der Vater einen Knecht
ersparen will. Seine Kraft freilich finden sie nicht mehr, wenn er im
Kampfe um den Hof den in den Sielen erlahmten Erzeuger ins „Ausgeding“
versperrt, in die Versorgung von der Jungen Gnaden, mildere Form
vorzeitlicher Bräuche, da neben der Schwelle ein Steinbeil lag, mit dem
man die unnützen Fresser erschlug. Angeprangert für alle Ewigkeit hat
dagegen in der Schrift der Chronist des trunkenen Noah Verspottung durch
seine Söhne, und in den Häusern seines Blutes verdämmern Greise und
Greisinnen im Glorienschein der Familie und Schritt und Stimme dämpfen
sich, geht man vorüber an ihren Gemächern. Das ist der Orient im
Judentum, der mit dem Alter das klare Reich der Weisheit anbrechen
sieht, heiteren Herbst, darin die Früchte des Lebens reifen und Trost
und Süßigkeit den Nachgeborenen spenden. Und aus der gleichen Erwägung,
die das weiße Haar zu Häupten der Tafel setzt, schont man ebenso die
Schwachen, die für die scharfäugige Hast des Tagwerkes nicht taugen,
denn auch sie reden mit ungewohnten Stimmen. Dekadenzprodukte sind sie,
gefördert durch die Inzucht der Verwandtenehen, durch die übersättigte
Kultur ihrer stadtverhafteten Eltern. Im hitzigen Ressentiment gegen
ihre Herkunft entwickeln sie sich, doch anders als die ehemaligen
Rebellen, die „Söhne“, die ausgekühlt später die tüchtigsten Kompagnons
und Erben abgeben. Sie hassen die Betriebsamkeit ihrer Nächsten, sie
flüchten in die Kunst, besonders in die Musik, in politische Ideologien,
in philosophische Spekulationen, – sie werden aber trotzdem von den
anderen nicht fallen gelassen, nein, eher blickt man dort voll gerührten
Stolzes nach ihnen, wenn man sich einmal mit ihrer verminderten
Verwertungsfähigkeit abgefunden hat, wie nach einer geheimen
Rechtfertigung der eigenen fanatischen Diesseitigkeit, wie nach
Sündenböcken, die manche fremde Dunkelheit auf sich nehmen. Denn aus der
ungeheueren Reichweite jenes Volkes von äußerster Selbstbehauptung bis
zur äußersten Entselbstung, Slaventum des Hirnes (wie dieses im Gefühle
maßlos, so hier im Geiste und seinen Kräften) erstehen immer wieder
Propheten und Richter und gerade von seinen scheinbar Schwachen her, von
den Lebensfremden, wie unter seinen Alten Geschöpfe von zeitloser Güte
und Weisheit sich baumkronenhaft über ihren Generationen wölben. Den
tätig Robusten verkörpern diese Zarten, Empfindlichen stets eine Art
unerfüllter eigener Sehnsucht, und gerne gewährt man ihnen Mittel und
Unterhalt für ihr Dasein, das mehr ein Danebensein bedeutet. Eine
Ausnahmestellung genießen sie, an die man fast nie zu tasten wagt.

In dem Falle, der hier ausgesponnen wird, ereignete sich beides, Angriff
gegen die Heiligkeit des Alters in der Familie und gegen einen
Schutzbefohlenen der eigenen Schwäche. Eine Bauerntragödie brach aus im
jüdischen Patriziat. Allerdings in einem, das sein Beruf wieder der Erde
und ihren unbarmherzigen Gesetzen genähert hatte; sie verband sich hier
mit dem bäuerischen Urgrund der ganzen Rasse. Zwei darin sonst unerhörte
Taten geschahen: Der Leiter eines Riesenbetriebes wird nach einem halben
Jahrhundert führender Arbeit durch eine Palastrevolution der eigenen
Sippe gestürzt, und sein Sohn, mehr Eigenbrötler, als untüchtig, bloß
von verminderter Lebensintensität, rücksichtslos um seine Ansprüche
gebracht und ausgeschaltet. Der aber, Kohlhaas des Geldes, sucht das
Haupt der Verschwörung auf, einer „Verschwörung der Reichen gegen die
Armen“, wie er seinen persönlichen Fall als symptomatisch in
kollektivistischer Erweiterung nannte, stellt mit sechs Schüssen gegen
seinen Blutsvetter Robert Eißler die ihm falsch geratene Rechnung wieder
her.

_Heinrich Eißler_, durch vierzig Jahre Chef der Firma, zu ihren
frühesten Häuptern gehörig, Kaufmann alten Schlages, voll Rechtlichkeit,
Strenge und Staatsgesinnung, – er weigerte sich unter anderm
Steuerbekenntnisse zu unterschreiben, die ihm zweifelhaft erschienen, –
war durch unglückliche Privaterlebnisse innerlich nachhaltig in Anspruch
genommen worden. Seiner Ehe mit einer kühlen egozentrischen Frau
gesellte sich noch eine ihm unleidliche Einstellung seiner
Blutsverwandten. „Ein Blutsverwandter heißt, der dir am letzten hilft
und dich am ersten beißt,“ dieses im Judentum sonst wenig gültige
Sprichwort fand in seinem Fall reichlich Bestätigung. Die häuslichen
Sorgen, die an seiner Energie sogen, die ihm eigene weiche, gutherzige
Art ließ seine Umgebung leichte Bestimmbarkeit durch fremde Einflüsse
befürchten und ihn darum für die Dauer auf der Kommandobrücke des großen
Werkes nicht genügend verwendbar erscheinen. Den ersten Ansturm
versuchte der leibliche Bruder; er mißlang. Der Alte fußte ja mit sieben
und ein viertel Millionen Schweizer Franken, das war ein Viertel des
gesamten Firmenvermögens, im Geschäft und mit der Nachfolgeschaft seines
Sohnes Otto darin, der sich bei Abschluß der schwierigen bosnischen
Verträge schon eingearbeitet hatte. Ein erfolgverheißender Schachzug
gegen Heinrich Eißler mußte ihn darum in seinen Stützen treffen: in
seinem an der Firma tätigen Geld und in dem Sohn, den man erst von ihm
trennte und dann gesondert abfertigte, wenn das erste gelang. Vor allem
hieß es, die vom Handelsgesetze festgelegten Bestimmungen nach dem Tode
eines öffentlichen Gesellschafters, die nebst der „pragmatischen
Sanktion“ der Firma, den Sohn und Erben schützten, durch persönliche
Abmachungen zu entkräften. Statt der darin vorgesehenen Liquidation
ordnete ein 1897 abgeschlossener Gesellschaftsvertrag, dem Vater und
Sohn ahnungslos beigepflichtet hatten, in einer solchen Lage lediglich
Auszahlung des Kapitalskontos an, also auch ohne eventuelle stille
Reserven, die hier bestanden. Damit war der erste Schritt einer
gesetzlich unantastbaren Enteignung getan. Die Einheitsfront gegen die
beiden unbeliebten Familienmitglieder sollte jedoch erst später
zustandekommen: Unter der Regentschaft des zu einer solchen Aktion
unbedenklich fähigen Robert Eißler, dem Neffen und Vetter der Bedrohten.
Inzwischen wird fort und fort geplänkelt; 1910 bereits möchte der des
Haders müde und durch ein körperliches Leiden verstörte Otto Eißler
gegen angemessene Entschädigung gänzlich aus dem Geschäft scheiden, aber
eben um diese ging es ja. So stellt er nun seine Tätigkeit dort ein, die
fünfzehn Jahre gewährt hatte, zieht sich nach Baden zurück, wo er der
Sorge um seine Gesundheit wegen lebt und mit den Vettern dauernd hadert.
Diese Gefechte ziehen sich über den ganzen Weltkrieg hin, der weder in
seinem Verlauf noch in seinem Ergebnis und dessen Folgen die
Holzmagnaten ernstlich schädigt. Ohne wesentliche Einbuße erhalten sie
sich ihre wertvollste Kolonie in Bosnien und die herandämmernde
Inflationskatastrophe versehrt sie nicht in ihrem Marke, dem Bodenwert.
Ihre geschäftlichen Feldzüge sind also jedenfalls besser ausgefallen als
die militärischen ihres Vaterlandes, dessen Staatsbürgerschaft man
übrigens sofort gegen jene des tschechoslovakischen Siegerstaates
eintauscht. In solcher frisch gefestigten Position geht man nun daran,
im Inneren des eigenen Betriebes „tabula rasa“ zu machen mit allen
Elementen, die für den reißenden Machtkampf der neuen Zeit ungeeignet
erscheinen. Ballast über Bord! Der achtundsiebenzigjährige Firmenchef
Heinrich Eißler soll nun endgültig abgesägt werden! Sein Vetter Robert
treibt dazu; nur ungerne halten die beiden anderen Firmenherrscher
_Alfred_ und _Hermann_ sowie Roberts Schwager, der Anwalt Dr. _Fürst_,
da mit. Heinrich macht allerdings, wie sich der Letztgenannte später im
Prozesse ausdrückte, „unmögliche Sachen“, nämlich er lehnte es ab,
seinen Namen unter ihm nicht einwandfrei erscheinende Steuerbekenntnisse
des Geschäftes zu setzen, er erklärt ferner, wie Dr. Fürst zur
Begründung des obengenannten Vorwurfes erzählte, bei einer
Bücherrevision der bosnischen Filiale, dem Sachverständigen, die
Bilanzen seien falsch, denn die Firma verdiene viel mehr. Äußerungen
ähnlicher Art, die keineswegs unbedingt einen Schwachsinnigen verraten
müssen, vielleicht ebensogut einen redlichen Kaufmann, der sich der
Pflichten des Besitzes der Allgemeinheit gegenüber bewußt bleibt,
verübelte man ihm ungemein. Gewiß bot auch sein hohes Alter einen
triftigen Grund, ihn verantwortlichen Unternehmungen zu entziehen. Aber
es ist der Ton, der die Musik macht, und eben dieser Ton, angeschlagen
von Robert Eißler, war unter den vorliegenden Umständen nichts weniger
als edel und achtungsvoll gegenüber einem Manne, der durch ein halbes
Jahrhundert sein Leben dem Geschäfte geopfert hatte und dem eben jener
Robert Eißler, wie später noch auszuführen, seine despotische Stellung
verdankte. Nach wiederholten schriftlichen und mündlichen Aufforderungen
an Heinrich Eißler, freiwillig zurückzutreten, klagt ihn schließlich
1919 das von Robert beratene Cheftriumvirat beim Handelsgericht auf
Ausschluß aus der Firma mit Hinweis auf sein Alter, eine den Greis tief
kränkende Maßnahme. Das anständige Schiedsgericht trachtete auch diesen
von allen übrigen beteiligten Faktoren einschließlich des beauftragten
Klägers Dr. Fürst als peinlich und unnötig empfundenen Handel in Güte
beizulegen. Es kam später zu einer Art Ausgleich, der freilich die
tieferen Wunden nicht mehr schließen konnte, die in Heinrich Eißler bis
zu seinem Ende brannten. Aber die Attacke auf den Onkel genügte dem
strammen Firmenchef noch nicht; sein Sohn, der Vetter, sollte ebenso
erledigt werden. Ihn als öffentlichen Gesellschafter an Stelle seines
Vaters zu übernehmen, wie es bisher für die übrigen Söhne der ehemaligen
Firmenchefs nach Hinscheiden oder Austritt ihrer Vorgänger gegolten
hatte, weigert sich Robert in beiden Fällen, sucht ihn mit Angebot
anderer Kompensationen mattzusetzen. Doch Otto widersteht; er wittert
die Gefahr und schlägt dem Dr. _Benedikt_, dem Rechtsfreund seines
Vaters, ein Bündnis vor, wonach sie beide, Vater und Sohn, in dem
laufenden Zivilprozeß ihre gemeinsamen Interessen ungeteilt und
untrennbar bis zu Ende verfechten würden. Dieser Pakt kommt nicht
zustande; hingegen ein anderer, der zu ihrem Verderben führt. Der auch
dem Vater gegenüber ewig mißtrauische Otto ließ sich dazu verleiten,
mürbe gemacht durch halbjährige geschickt dirigierte Verhandlungen, auf
seine Rechtsnachfolge in der Stellung seines Vaters bei der Firma zu
verzichten. Er gibt ihn damit preis und noch mehr: Nun legt er als
stiller Gesellschafter neuerlich 750000 Franken in das Geschäft ein und
resigniert auf die Einkünfte aus der bosnischen Zweigstelle, wenn dort
im Ausgange des Steuerkrieges gegen den Nachfolgestaat die Firma Eißler
& Ortlieb aus taktischen Motiven eine Umwandlung in eine
Aktiengesellschaft vollziehen sollte. Was diese Klausel bedeutete, sei
daraus ermessen, daß von dem Anteil, der dem alten Heinrich Eißler
zustand, zwei Drittel, viereinhalb Millionen Schweizer Franken, allein
auf das bosnische Unternehmen zu buchen waren. Mit diesem Vertrag
unterfertigt demnach Otto Eißler sein und seines Vaters Todesurteil im
übertragenen Sinne; aber noch ein drittes, ein wirkliches, das er selbst
an dem feindlichen Generalstabschef in jenem Kampfe vollstrecken sollte,
an Robert Eißler.

1920, ein Jahr nach diesem privaten Versailles, stirbt Heinrich Eißler
als Vorletzter des alten Firmenstabes, der sich noch um den Großvater,
Gründer und Ahnherrn _Bernhard Eißler_ geschart hatte. Er stirbt und
schließt mit seinem Hingang, den Gram und Erregung über das ihm angetane
Leid beschleunigt haben, den ersten Teil der Eißlerischen
Familientragödie: „Nein, der Robert, wenn der nicht wäre, könnte ich um
zwanzig Jahre länger leben!“ hat er vor seinem Ende der Schaffnerin
seines Hauses geklagt. Ein kurzes Satyrspiel hebt an vor der Tragödie
zweiten Teil. Ein Zauberkunststück gelingt, das unerklärlich scheint und
in seinem Resultate dennoch unantastbar blieb. Der Hexenreigen des
Geldverfalles verhüllt den Hergang, gegen den juridisch nichts
eingewendet werden kann, obgleich ein Unrecht fast zu greifen nahe
scheint. Angst und Ungeschick des Opfers tuen das ihre dazu. Aus der mit
über _sieben Millionen Schweizer Franken_ bewerteten _Todesbilanz_ des
Verblichenen sind binnen Jahresfrist durch Gottes Segen ihrer
_fünfzehntausend_ geworden, die dem Erben aufgewertet zu Buche stehen.

Der Erbe hieß _Otto Eißler_.




                             V. DER RÄCHER.


Dramatische Kontrapunktik, die fast schon ans Kolportagehafte streift,
fügte es, daß Robert Eißler dem durch ihn zur Strecke gebrachten
Heinrich die Stellung zu verdanken hatte, kraft derer er auf dem
Hauptmaste der Firma saß. Des alten Bernhard Kinder _Heinrich_,
_Johann_, _Jakob_ und _Moritz_ verwalteten gemeinsam das Geschäft unter
einer Art Rückversicherung vor der Nachkommenschaft, wonach nämlich ihre
Söhne erst nach freiwilliger Abdankung oder Tod der Väter die Stellungen
jener einzunehmen vermöchten, also im Sinne des zitierten talmudischen
Sprichwortes über den geliebten Feind. _Otto_, _Alfred_, _Hermann_ und
_Robert_ hießen sie, von denen zwei bald durch Hinscheiden der
elterlichen Vordermänner die Führersitze erobern sollten. Just der
Ehrgeizigste, Robert, war nicht dabei; ihm brannte das längst unter den
Nägeln, doch sein Erzeuger, der vermutlich Ähnliches verspürte, saß
unerbittlich fest mit begründeter Aussicht auf hohes Alter und
ungeschwächte Tätigkeit. In seiner Not kam Robert zu dem gutmütigen
Onkel Heinrich, er möge bei dem Bruder, Roberts Vater, erreichen, daß
Robert noch zu Lebzeiten des unverwüstlichen Urhebers seines Daseins
Aufnahme in die Leitung der Firma gewährt würde. Heinrich, ahnungslos,
wie sehr er sich und seinen Sohn damit gefährdete, bedrängte unablässig
den Bruder, Roberts Ansinnen zu willfahren und setzte endlich nicht ohne
Schwierigkeiten jenem durch, was ihm für sein eigenes Fleisch und Blut
versagt werden sollte. Freilich mit drückenden Vorbehalten. Roberts
Vater, aus gleichem Hartholz wie sein Sprößling, heischte als Preis für
seine Erlaubnis von dem Sohn im Laufe eines Jahres sechshunderttausend
Goldkronen Einlage in das Geschäft, die er in dem zeitgemäßen Wege einer
Ehe binnen der genannten Frist zu beschaffen habe. Und wieder hilft die
Familie Heinrichs; diesmal ist es die Gattin, Ottos Mutter, die ihm die
Frau mit den sechshunderttausend Goldkronen besorgt, und Robert Eißler
heiratet und er besteigt den Firmenthron. Und sein erstes war, den zu
stürzen, der ihn hinaufgeleitet hatte, vielleicht gerade weil er vor ihm
einst schwach gewesen war.

Sonderbar und bedrückend mag derlei trotz tausend alltäglicher Beispiele
einem schlichten Hirne erscheinen, das noch an Worte von Liebe und
tieferer Gemeinschaft zwischen Menschen glaubt. In einer auf den Besitz
eingeschworenen Ordnung zählt es jedoch zu den einfachsten und ersten
Forderungen, seine Persönlichkeit dem Zwecke zu unterstellen, und
„Einheirat“, meist in verkleideterer Form als dieser, die noch den
Vorzug der Offenheit aufweist, ist überall gewünscht und befohlen, wo
Geld zu Geld will, Einfluß zu Einfluß, Ware zu Ware. Und gewiß erachtete
der alte Heinrich des Neffen Robert Handlungsweise in dieser Sache weit
klüger, als etwa die seines leiblichen Sohnes Otto, der an einer Ehe als
Einlagekapital wenig Gefallen fand, die in seiner Gesellschaftsschichte
gebräuchliche Synthese zwischen Merkur und Hymen verwarf und schon Jahre
mit einer braven vermögenslosen Frau lebte, von der er die schönste
Mitgift in drei zärtlichst geliebten Kindern sein Eigen nennen durfte.
Jedenfalls wußte des Vaters leidenschaftlicher Einspruch es zu verhüten,
daß dieser Neigungsbund je zur Heirat sich emporwage; Ottos Beziehung
galt ihm „nicht als standesgemäß“, – was andererseits jegliche
Geldallianz mit wem immer gewesen wäre, – und selbst auf den Sohn färbte
noch sein Wille ab. Auch nach des Vaters Tod respektierte er dieses aus
dem dynastischen Hochmut des Welthauses entsprungene Verbot; Anna
Heimerle – so hieß seine Freundin – blieb ihm „Lebensgefährtin“ im Sinne
des Gesetzes bis vor die Schranken des Gerichtes, an denen sie unter
Tränen die Wärme, Güte und Sorgfalt, mit denen der Beschuldigte sie und
die ihren stets umgeben hätte, nicht genug zu rühmen wußte. Die Frage,
ob Otto eine geschäftlich angetraute Gattin ebenso zur Seite gestanden
wäre und umgekehrt, stellt sich unwillkürlich ein; hier muß jedoch der
Wahrheit zu Ehren bekannt werden, daß die Ehe seines späteren Opfers
sich gleichfalls ungemein glücklich gestaltete und daß die letzte Klage
des sterbenden Robert Weib und Kindern galt. Im übrigen mochten die
Verwandten Recht behalten, wenn sie aus solchen Symptomen schlossen, daß
Otto nichts weniger sei als eine Führernatur in ihrem Sinne. Auf dem
Wege dahin war er eben im Menschlichen stecken geblieben und dieses
Menschliche besaß er, weil er gelitten hatte, trotz alles Geldes, von
Jugend auf. Und dieses Leid, – früh widerfahrenes Unrecht, – wurde auch
zur Wurzel der Verstrickung, aus der seine Tat gedieh. Das schuldlos
Erduldete schuf den drosselnden Knoten in dem armen Herzen, das zu
seinem Unheil für mehr als nur für das Hauptbuch schlug und alle
nachträglich ihm widerfahrene Unbill schnürte ihn nur fester und
verfitzte ihn, – bis aus dem Gewürge bloß eine einzige Lösung blieb:
Gewalt!

Sproß eines müden, vom Geschäft verzehrten Mannes und einer kühlen
liebeleeren Frau, war der kleine Otto, der einzige männliche Sproß, der
„Kronprinz“, denn nur zwei Mädchen folgten ihm, Ida und Melanie. Nicht
sehr kronprinzenhaft wuchs er auf. Das verschüchterte Kind erfährt
häufige und unbarmherzige Züchtigungen von seiten der Mutter, für die es
sich keinen Grund weiß; dem Vater kann es sich nicht anvertrauen; ihn
sieht es kaum, denn den hat das Kontor zwischen den Zähnen; schließlich
wird es bezahlten Kräften überantwortet, Hofmeistern, Gouvernanten,
Dienstboten. So wächst der Erbe des Reichen auf, welt- und
gottverlassen, um den einzigen und köstlichsten Schatz menschlichen
Werdens vom Anbeginne bestohlen: Um ungetrübte Jugend. Sein Schulkamerad
Doktor Stefan Schmied erzählt vor Gericht, der Knabe wäre der Klasse
durch drei für sein Alter recht ungewöhnliche Eigenschaften aufgefallen:
Ernst, Verschlossenheit und Mißtrauen. Und diese dunkle Dreieinigkeit,
die über jedem der „Erniedrigten und Beleidigten“ des Lebens wacht,
hielt ihm auch weiterhin treueste Gefolgschaft. Aus seinem schon im
Keime verletzten Rechtsgefühl gewinnt er zwar ergriffenes Verstehen für
den leidenden Nächsten über die Horizonte seiner Herkunft und seiner
Kaste weit hinaus, zugleich aber erfüllt ihn rechthaberische
Reizbarkeit, die aus derselben Leiderfahrung stammt. Hypochondrie und
Menschenscheu bemächtigen sich des Beklagenswerten, dem man den Genuß
seiner Kindheit unterschlagen hatte; mit der tagenden Erkenntnis des
Jünglings schaut er den Himmel über seiner Welt sich stets gefährlicher
verfinstern. Die harte Mutter, der er übrigens durch Güte vergalt, was
sie an ihm gefehlt hatte, der schwache Vater, müde, unterlegen im
Ehekampf, aus dem er in das Geschäft floh, wo ihn wieder die
Verwandtschaft geduckt umlauerte, – von nirgendwo kam dem
Heranwachsenden warm die Stimme eines Menschen entgegen. Verbittert
wirft auch er sich in Arbeit, durch fünfzehn Jahre steckt er im Betrieb,
bereist die Niederlagen, wirkt an heiklen Operationen mit, so 1905 an
dem berühmten bosnisch-herzegowinischen Vertrag, – aber er merkt dabei,
daß er sich trotz allem zwischen den klugen kühlen Rechnern seiner
Vetterschaft nicht gut ausnimmt, ein letzter Eifer mangelt ihm, eine
äußerste Sachlichkeit, die den Posten Mensch aus ihren Kalkülen
streicht. Als untüchtig sieht er sich zur Seite geschoben;
Minderkeitskomplexe und Überkompensationen wechseln in seinem
Seelenleben ab. In dem Pessimismus, der ihn befällt, wird ihm ein
einziges spätes Glück zuteil. Im besten Mannesalter lernt er Anna
Heimerle kennen, die nun seinen Weg teilt, und an den Kindern, die sie
ihm schenkt, sieht er sein Dasein doch nicht völlig nutzlos vertan. Es
aber ganz mit frischem Licht zu füllen und ihm so Vergessenheit des
Gewesenen zu erringen, das vermochte selbst die so uneigennützige Liebe
dieser Frau nicht. Zu tief hatten sich Schrullenhaftigkeiten
verschiedenster Art schon in ihm eingefressen, und nun richtete sich
überdies die Front der Familienhierarchie gegen ihn und gegen seinen
Vater und verstärkt so seine Absonderlichkeiten zum Wahne, dauernd
verfolgt und bedroht zu sein. Ein körperliches Gebrest behindert zudem
seine Bewegungsfreiheit. Er lebt und handelt unter einem Schleier von
ständiger Angst. Paranoide Gesichte bemächtigen sich seiner; immer geht
er bewaffnet. Auf einem Sägewerk, das er inspiziert, trifft ihn ein
Bekannter, bekundet als Zeuge: Otto Eißler wandelt dort in Schwimmhose,
links einen Sonnenschirm, rechts einen Revolver in der Hand. Nachts ruft
einen Anderen Gepolter in den Schlafraum des Chefs; kaum kann er durch
die Barrikaden von Möbeln eindringen: er sieht Stühle im gleichen
Abstande aufgestellt und über sie nackt hinspringend – Otto Eißler,
gleich einer phantastischen E. T. A. Hoffmann-Figur. Gift wolle man ihm
in die Speisen mischen, argwöhnt er. Oder: Man plane, ihm die Luft des
Zimmers durch böse Dünste zu verderben, und er zerstäubt dort die
erdenklichsten Desinfektionsmittel, daß einmal sein Cousin Ernst Lanner,
der ihn besucht, schleunigst das Fenster aufreißt, um nicht in Ohnmacht
zu sinken. Zu solchen Zwangsvorstellungen gesellt sich ausgesprochene
Bakterienfurcht. Darum mißt er den Luftraum jedes Gemaches ab, darin er
schlafen soll, ob er nicht etwa einen besonderen Brutherd verheerender
Mikroben böte, darum trägt er lächerlich weite Kleider und läuft im
Hause nur adamitisch umher, die Haut so stets möglichst frei zu halten,
darum ist er auch Fanatiker des keimvernichtenden Sonnenbades, das er,
unbekümmert um seine Umgebung, bei jeder möglichen Gelegenheit genießt;
darum läßt er sich sogar die Zeitung vorwärmen, ehe er sie liest. Solche
Maßnahmen sucht er denen, die sie bestaunen, mit harmlosen Vorwänden
anderer Art zu erklären, aber gerade sein Eifer, der jedwede
pathologische Deutung heftigst ablehnt, kennzeichnet das dissimulierende
Krankheitsbild des Mannes, der von Kind auf unter dem Druck
vermeintlicher und wirklicher Verfolgungen endlich in jene Tat ausbrach,
der Resultante all der geschilderten Komponenten, die ihn, den Fanatiker
seines Rechtes, vor das Gericht bringen sollte. Wer vermöchte zu
beschwören, wo hier Verantwortlichkeit endet und das zwangsläufige
Manische anhebt, die fixe Idee, die persekutiven Charakter annimmt? Wer,
– außer den Psychiatern, von denen hier noch zu reden ist? Alles trieb
hier zu einer dissozialen Aktion, doch weil der vom Schicksal
vorgezeichnete Täter in hohem Maße das war, was man „moralische Natur“
benennt, trachtete er sich unbewußt einen Unterbau plausibler
Beweggründe zu schaffen und den Verfolger festzustellen, von dem alles
Widrige seines zermarterten Lebens seinen sinnfälligen Ausgang nahm. Und
da hier beides zutraf, der Versuch einer geschäftlichen Entmündigung
sowie sein deutlicher Urheber, ein unsentimentaler strategischer Gegner,
der es sich zum Ziel gesetzt hatte, ihn ohne wesentliche eigene Opfer
aus dem Sattel zu werfen, – so wälzt der gehetzte geängstete Mann alle
seine Qual gegen jenen als ihren Begründer, findet in Robert Eißler die
Quelle des Bösen, das nach seiner und der Seinen Existenz trachtet.
Trotzdem – oder eben darum – bleibt er in einer Art Haßliebe an den
weitdisponierenden Chef gekettet, dessen traumlose straffe Kraft der
Sachlichkeit ihm widerwillig Bewunderung abnötigt, strebt dauernd zu
Vergleichen zu gelangen, die an Roberts strikter Haltung und zuwartender
Ruhe immer wieder scheitern. Der ist schon einmal unbeugsam darauf aus,
Heinrich und Otto, den ihm verderblich dünkenden Anwärter auf die
Firmenführung, auf diesem Boden gründlichst auszujäten. Und Otto dachte
auch schon einmal, 1910, ernstlich daran, dem Hause seiner Väter
endgültig „Valet“ zu sagen, unterließ es später, weil er dabei seiner
Meinung nach von den Verwandten schwer übervorteilt worden wäre; er
schied damals nur von dem Büro, zum Teile aus Hypochondrie.
Mittlerweilen hatten die Verhältnisse noch mehr zu seinen Ungunsten
ausgeschlagen, nicht der durch Ehen bereits zum Teil versorgten
Schwestern wegen; aber die Lebensgefährtin ist hinzugekommen und seine
drei Kinder. Und so streitet und queruliert er herum, stets gefaßt auf
einen Satansstreich des Anderen, der in unheimlicher Stille verharrend,
sich durch nichts aus seiner wachsamen Stellung locken läßt. Bis Otto in
seiner Übervorsicht die gröbsten Fehler begeht, in die Robert gnadenlos
einhakt. Der Alte ist ja inzwischen schon verdrängt und war überdies so
höflich, durch seinen Tod alle weiteren Schwierigkeiten zu quittieren,
nun mag der Sohn ihm folgen samt seinen Forderungen, denen die ins
Rutschen geratene Valutenlawine das Rückgrat brechen soll. Und wirklich
hastet er, betäubt von den Schrecken der niederprasselnden
Kroneninflation, rasch, unüberlegt, das Seine zu retten, um jeden Preis.
Den aber – bestimmt ihm: Vetter Robert! Mit Papier und anderen labilen
Werten wird die Goldforderung des lästigen Verwandten abgespeist. Zu
spät tobt der über seine Blindheit, fleht um Zurücknahme seiner in
seelischer Panik gemachten Konzessionen. Umsonst! Kein Jota seines
verbrieften Rechtes, kein Gramm seines Pfundes läßt Vetter Shylock ab.
Dem Besiegten schwillt er zum Oger an, der ihn frißt, seine Geschwister,
seine Gefährtin, seine Kinder, diese abgöttisch angebeteten Kinder!
Immer mächtiger wächst er sich aus, eherne Stirne, steinernes Herz, –
sonst alles Geld! 1920 und 1921 wird der Vertrag mit Otto in letzte
vernichtende Form gegossen. Endergebnis ist das bereits bekannte, das
unerschütterlich bleibt: Fünfzehntausend Schweizer Franken sind für den
armen Vetter da, der ihrer siebenundeinhalb Millionen als sein Teil
beansprucht hat, und der Enteignete sieht sich zugleich entwaffnet;
übereilig hat er gutgeheißen, was ihn nun verstrickt, und wo er sich
stützen will, hascht er nur Luft statt einer rettenden Hand. Die
finanzielle Transfusion, die dabei stattfand, schilderte er später in
seiner auch schriftlich abgefaßten „Information“ haarscharf vor Gericht;
sie würde in ihren Zifferndetails hier ermüden. Genug, daß sogar der
Staatsanwalt daraus anerkannte, an dem Beklagten sei übel gehandelt
worden. Otto versucht durch seinen Rechtsfreund Dr. Kantor im Wege des
Zivilprozesses gegen die Firma Remedur. Der Advokat durchschaut, wie er,
die Schärfe jener Abmachungen, die seinem Klienten die Sehnen
zerschneiden, doch auch er gewahrt recht spärliche Möglichkeiten für
einen erfolgverheißenden Gegenzug. Das moralische Gesetz mochte Robert
tausendmal schuldig sprechen, – vor dem bürgerlichen bleibt er
unantastbar. Da wirft sich der gehetzte empörte Otto selbst zum Richter
auf in seiner Sache. Der Vetter ist ihm schon mehr als sein privater
Feind, er ist Feind geworden schlechthin alles Lebenden, das unter
diesen aus den Fugen gegangenen Zeit hungert, klagt, stirbt.
Seinesgleichen war schuld an dem Kriege, wie es nun schuld an solchem
Frieden ist! Mit überpersönlichem Legat fühlt Otto Eißler sich
ausgestattet, als er zur Abrechnung schreitet gegen seinen Feind. Er
sieht vor sich nicht den Blutsverwandten mehr und nicht mehr das
leidende Antlitz des Menschen hinter Trieb und Gier, die ihn zwangen, so
zu werden, wie er ist, er sieht nur die eiserne Maske der Macht! Ein
Feind der Menschheit steht vor ihm. Ähnlich dem Roßtäuscher Kohlhaas
erweitert auch er seinen Fall ins Allgemeine und ahnt nicht, daß die
Wurzel des Unrechtes tief lag wie die der geschlachteten Bäume, in den
Orgien des über verwüsteten Wäldern und wohlfeilen Lohnheloten
errichteten _Besitzes_.




                         VI. MONODRAMA DER TAT.


Im „_Herzoghof_“ des seit Römertagen gesuchten Kurortes _Baden bei
Wien_, – „Aquae thermae“ nannten es die Pensionisten der pannonischen
Legionen, die in seinen Schwefelquellen Heilung erhofften, – haust Otto
Eißler. Das Gebäude, so benannt nach den fröhlichen Babenberger
Herzögen, den vorhabsburgischen Herrschern von Österreich, die gerne
hier verweilten, stellt eine passende Unterkunft für Leute dar, die in
der sommerüber von Fremden wimmelnden Stadt keinen überflüssigen Kontakt
wünschen und dabei eine gewisse vornehme Behaglichkeit nicht entbehren
wollen. Der Misanthrop aus der Holzdynastie verlegte darum frühzeitig
sein Hauptquartier an dieses stille Refugium, von dem aus er den Krieg
gegen seinen Vetter führt, zuletzt 1923 in einer bereits an Irrsinn
grenzenden Erregung, je sicherer die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen
zu erwarten schien. Freundin und Kinder umgeben ihn mit liebereichster
Pflege; dennoch muß der Arzt zu dem von schwersten Nervenkrisen
Erschütterten gerufen werden, stellt seelische Störungen fest, deren
Behandlung strengste Ruhe und Abgeschlossenheit von der Außenwelt als
erstes Gebot erforderte. Davon will der Unglückliche nichts wissen,
streitet mit punischer Tapferkeit für seine steigend getrübteren
Aussichten, klingelt nachts Anwälte und Notare aus dem Schlaf, um
dauernd das Gleiche zu erfahren: Daß er für sich nahezu nichts zu hoffen
habe. Allenfalls den mitgeschädigten Schwestern würde man im Wiener
Erzhause Kompensationen zubilligen, – ihm: Nicht die winzigste!

Es ist August, der Monat der Verbrechen aus Leidenschaft. Seine weiße
Glut vergiftet die Hirne, heizt die Herzen bis zur Explosion. Achtete
eindringlicheres Verfahren, als das der gegenwärtigen Themis auf die
Verknüpfung von Gewalttat und Gezeiten, es gelangte zu verblüffenden
Erkenntnissen: Winter, Intellektualverbrechen; Affekthandlungen im
Sommer; Selbstmorde und Revolutionen in den Brunftzeiten Frühling und
Herbst. Durch die verschlafene Empirestadt, über der es von Hitze
brütet, jagt ein rasendes Menschentier: Otto Eißler, trächtig von seinem
Schicksal. Klarheit hat er jetzt durch den Rechtsfreund. Eine Tagsatzung
soll in seiner Sache noch stattfinden, nutzlos wird sie vergehen. Nichts
mehr nützt! So wird er berufen; immer wieder berufen. Hartnäckig wie ein
Bauer, der um einen Grenzstein streitet. Wohin führt das am Ende? Und
er, Otto Eißler, hat selber beigetragen, daß es so weit gekommen ist!
„Dummer Kerl!“ hört er zischeln um sich; nein, niemand ist da, nur die
leeren flimmernden Straßen, – aber der Vetter soll das ja gesagt haben
von ihm, der Vetter Robert, der in Wien hockt, breit, gewaltig,
unangreifbar. Er, der Reiche, kann ja warten, bis der andere sich
zugrunde prozessiert hat; fünfzehntausend Schweizer Franken tauchen bald
in Expensen auf; dann fällt die Angelegenheit in nichts zusammen, weil
Otto ein Bettler geworden ist. Was aber nachher? Die Frau! Die Kinder!
Unmöglich ist es, unmöglich! Im kühlen Waffenladen kommt der
Heißgelaufene zu sich. Ein Entschluß beginnt. Alle Gerichte bleiben
wehrlos in Sache des Rechtes. Und auch Gott schweigt; er ist ihm nicht
wohlgefällig, – niemandem ist er wohlgefällig, er, der Häßliche, von
Kind auf Gestoßene. „Gewiß Herr Müller! Mauserpistole samt Patronen. Ja
...“ Ob er mit dem Browning vom Februar zufrieden gewesen sei? – „O,
freilich!“ Den Browning trägt er doch stets im Sacke, entsichert und
wohlgeladen, – umlagert von Feinden, wie er ist. Aber davon erzählt er
nichts. Etwas glättet sich in ihm, wie er die kalte Waffe am Schafte
hält und mit dem Abzug spielt. Und nun läßt er sich Munition geben, als
gälte es, ein neues Fort Chabrol zu armieren. Es ist der
dreiundzwanzigste August.

Zu Hause macht er Bilanz über sich und das Seine. Man hat sich
vorzusehen für alle Fälle. Wogegen? Ach, das wird sich schon weisen. Das
geschieht doch nicht so einfach aus einem selbst, das packt einem von
draußen und findet statt. So heißt es auch immer „fand statt“. Also
darum jede Schuld berichtigt, selbst die kleinste! In einer Woche ist er
in Ordnung damit. Keine Rückstände! Alles soll sauber liegen hinter ihm.
Ja, da ist noch seine Schwester Ida, Witwe nach Exzellenz von Molnar,
ungarischen Staatssekretär. Immer war die gut zu ihm; sie sollte man
unbedingt aufsuchen, – der armen Frau daheim, den Kindern, kann man
nichts zumuten, – die Schwester ist ein kluger starker Mensch, und so
einer muß zur Stelle sein für die Seinen, wenn – ja, irgend etwas
geschieht, – und wäre es das eigene Leben, das man wegwirft – um den
Frieden, – um den endlichen Frieden, nach dreißig Jahren Unrast,
Verfolgung, Bitterkeit. Und vorher zwanzig Jahre einsamer Jugend,
lichtloser Kindheit ... „Sorge Dich um die Meinen,“ bittet er die
Schwester und noch allerlei Verworrenes, das der tödlich Erschrockenen
kaum zum Bewußtsein kommt; da ist er auch schon fort.

Er fahrt nach Wien. Früher Morgen. Der letzte Augusttag brennt ab. Die
elektrische Kleinbahn surrt grau durch das sommerträge Land. Ringsum
Ebene, schattenlos. Erst westwärts in den schwarzblauen Bergen am Rande
des Flachlandes strotzen wieder stämmige Waldbäume. Sie mögen sich
hüten, daß nicht auch sie bald dem großen Vetter verfallen. Wie es ihm
ergeht samt seinem Anspruch und allem, was daran hängt: Die Schwestern,
die Gefährtin, die drei Kinder. Das Blut siedet ihm dick in die
Schläfen, wenn er versucht, das zu Ende zu denken. Ihnen insgesamt wird
noch das Mark ausgesogen durch den höchst unbrüderlichen Bruderssohn,
der früher nicht rastet. Man will ihn aber jetzt stellen; von Angesicht
zu Angesicht befragen will man ihn, zu letzten Male, ob er sich nicht
doch vergleichen mag in zwölfter Stunde? Das muß man, ehe man jede
Vernunft fahren läßt, die sich nur mühsam noch, von Wut umschäumt,
hinter der glühenden Stirne aufrecht hält. Vielleicht sind die beiden
Mitchefs zugegen; die könnten eingreifen, mildern; die haben sich ja
nicht so verbissen in diese Menschenjagd. Da ist der Luegerplatz mit der
Burg des Feindes, die er nun betritt. Wieder einmal. Denn erst vor
wenigen Wochen war er hier, nachdem er zuvor lange heraufgestiert hat
vom Rathausparke aus. „Wie eine Wachspuppe“ –, so berichtet einer, der
ihn dabei ertappt. Und der Herr Robert würdigte ihn damals kaum einer
Antwort und die Bucheinsicht wird ihm auch verweigert; gerade, daß sie
ihm nicht schon die Türe weisen. Nein, – das tuen sie doch nicht; von
den Angestellten keiner; die verstehen sich mit ihm, weil er freundlich
zu ihnen ist, nicht so – wie der! Der Robert! Kommt er heute etwa nicht
ins Kontor? Da erteilt der Kassierer Köhler Bescheid: Robert allein sei
hier, – und geht eilig weg. Robert – allein –? Stille stemmt einem den
Atem zurück, entsetzliche Stille. Gleicht das Chefzimmer nicht plötzlich
einem gedämpften Raum, darin eine Leiche liegt? – Der Besuch lehnt sich
an den Schreibtisch; den kennt er: Vierzig Jahre war sein Vater Heinrich
daran verkettet gewesen, vierzig in Arbeit geknechtete Jahre, – mit
einem Fußtritt als Dank zum Abschluß! Das verantwortet – Robert! Immer
bleibt er so letzte Ursache jedwedes Unheiles, das ihn und die Seinen
martert, er – in seiner unbeugsamen Härte! Auch im Hause hier mögen sie
ihn sicherlich alle nicht. Man tuschelt mancherlei. Da ist der Jakob
Singer, – den hat er einmal mit zerrissenen Schuhen stundenlang im
Schnee warten lassen, und wie der vor ihm frostzitternd von einem Fuß
auf den anderen tritt, schreit er ihn an: „Hund, kannst du nicht habt
acht stehen?“ Und der Ernst, sein Cousin, der weiß, wie der Robert beim
Militär die armen Soldaten angeblasen hat wegen dem Grüßen. Und solche
Geschichten gibt’s genug von dem Robert, zum Beispiel die mit dem Vetter
Otto, he? Mit ihm selbst? – Die Hände würgen in den Säcken des
schlotternden Anzuges; sie spüren Kühle, Metall: Die Pistolen! Und da
tritt auch der Vetter ein, scheinbar nicht eben erfreut über den Gast,
den er vorfindet. Freilich, gerade heute, wo ihn der Kopf wohl von
Wichtigerem summt, wo unter anderem die deutsche Mark von den
rheinischen Kollegen abgefeilt endgültig ins Bodenlose saust, – da sind
andere Sorgen am Ruder und andere Pläne. Und schon hält er auch das
Telephon in der Hand und rasch zuvorkommend in des Wortes engster
Bedeutung wirft er es hin zwischen zwei Geschäftsgesprächen: „Ich werde
lieber sieben Jahre prozessieren, als dir die Rente bezahlen.“ Da wird
alles rot, roter wogender Nebel, drinnen schwankt der Schreibtisch des
alten Heinrich wie ein Schiff im Untergang. Wo klammert man sich fest,
daß es einen nicht niederreißt, hinab zu den goldlüsternen Haifischen,
die nun wieder Beute wittern, zahllose Beute? Die Kolben in den Taschen
bäumen sich; man möchte sie zurückzwingen, aber nun halten sie einen
fest, wachsen einem in die Fäuste, wühlen sich aufwärts, drängen ans
Licht. Was sagt der drüben? – „Du kannst noch sieben Jahre Prozeß
führen.“ Bis dahin hat man doch keine Faser am Leibe mehr, die einem
gehört! Und jetzt weiter: „Von mir aus könnt ihr alle krepieren!“ Nein!
Das nicht! Das muß Täuschung sein, sausen in den Ohren! Die Kolben
rücken über den Rand der Säcke, – verlängerte Hände sind sie und ihre
Läufe steile Finger, die auf den Menschen weisen, der dort ruhig sitzt
und telephoniert. Ja hübsch ruhig, während ihm gegenüber sein
Blutsverwandter an der gleichen Stelle zugrunde geht, wo man schon
seinem Vater die Knochen gebrochen hat. Trotz des Rechtes, das hinter
beiden stand, sie _hatten_ recht, – bloß der andere war schlauer! –
„Dummer Kerl!“ – Wer ruft so? – Der drüben? Der – am Telephon? Und hätte
er es auch nicht ausgesprochen, – jede seiner Gesten, die ihn
abstreifen, schreit es ihm zu, jeder seiner Blicke, der ihn anspuckt.
Wahrhaftig, das ist kein Mensch mehr! Das ist das Geld selbst, das da
vor einem thront, ungeheuer, unbarmherzig, angemästet mit allem Elend
der Erde, vollgesoffen aus den Wunden ihrer Schlachten und dennoch
unersättlich gierig nach Blut und Blut und Blut! Alles Bauch,
wälderzermalmender, menschenkauender Bauch! Die Welt muß man erlösen von
ihm – man muß – und los! – oh jauchzende Himmelfahrt der feuerblitzenden
Hände – weiter – oh unfaßbare Befreiung im Donner der ersten krachenden
Schüsse – weiter – oh überirdischer Rausch, der den Krampf eines Lebens
entbindet, – weiter – da drüben taumelt einer, ächzt, speit rot – weiter
– als Barrikade den Schreibtisch des Vaters, Opferblock, wo nun wieder
geschlachtet wird, – weiter – Blut wäscht ihn rein, Blut sühnt – weiter
– das krümmt sich dort auf, röchelt, sinkt ein, wie eine Marionette, der
man die Drähte gekappt hat – weiter – Türen klaffen, Gesichter schreien
und flattern durch Rauch, – man hört nichts mehr davon – man sieht
nichts mehr, – man weiß nur eines: Man hat es dem Golde gegeben, man hat
dem Golde in den Bauch geschossen, sechsmal –

Und nun rasch die letzte Kugel durch den eigenen Schädel! Abschied im
Zenith der Tat! Ihn soll keiner noch je angrinsen, keiner ihn verhöhnen,
eine Millionenstadt hebt nun seinen Namen über alle Gischt ihrer
täglichen Helden hinaus, – – aber schon dringen aus dem blassen Haupte
drüben, um das sich Entsetzen und Grauen schart, ein paar furchtbar
klarer Worte:

„Wie oft hat dieser dumme Kerl geschossen?“

„Dieser dumme Kerl –“ Das war es wieder und unleugbar laut! Also auch
jetzt ist er für den dort noch nichts anderes, auch daß er ihm den Tod
sechsfach ins Fleisch geimpft hat, zählt nicht. Der stirbt, ohne
Kenntnis zu nehmen von seinem Mörder, stirbt voll verzweifelter Wut über
einen blöden unsinnigen Zufall, der ihn mitten aus seinen Plänen und
Werken reißt, – denn das ist ihm der Vetter samt seiner Tat: Ein
Ziegelstein vom Dache! Ein Auto, das sich mit ihm überschlug! Stupide
Tücke eines Dinges! Mehr nicht!

Der Mörder läßt die Arme baumeln wie schlaffe Peitschenschnüre. Mühelos
entwindet man ihm die Waffen; ingrimmig stößt er etwas hervor, – „es ist
nicht schade um den“ will ein Zeuge gehört haben, – und dann sagt eine
Uniform:

„Im Namen des Gesetzes –“

Und neuerlich kommt drüben die Stimme des anderen. Aber dieses Mal ist
sie leise und von einem fremden Klang. „Bauchschuß – ich sterbe, – Herr
Doktor, – wie lange habe ich noch zu leben?“ und „– meine arme Frau, –
meine Kinder –“ Die Maske der Macht gleitet nieder von dem Antlitz eines
Menschen, der sich sterben weiß. Und dieses Antlitz ist ganz bleich,
ganz rein, – wie das eines Genesenden von einem schweren qualvollen
Leid.

Der Täter gewahrt das nicht mehr. Eine Entspannung lockert ihn. Ruhig
läßt er sich abführen.

Er gewahrt auch das Größere nicht. Daß man im Leben stets nur _einen_
Feind hat. Den man vergeblich vernichten würde, und wäre es durch
tausend Leiber. Weil er sich im Nebenmenschen am Widerspruche zu dem
Nachbarwesen immer neuerlich entzündet. Weil das Ich schuld trägt daran
und seine schicksalshafte Gegensätzlichkeit zu einem ebenso bestimmt
gearteten anderen Ich. Darum begegnet man ihm immer wieder. Erledigt ihn
mit keiner Gewalt. Vielleicht nur durch klare wehrlose Güte, wenn sie
ihn überzeugt: Mit Selbstaufopferung.

Robert Eißler wurde so sein Feind. Als Urgegner des Undeutbaren, des
Unentschlossenen, des Wegelosen, des vom Gefühle Überschwemmten. Ein
Ekstatiker seines Lebensbekenntnisses, das hier „Gold“ hieß. Aber auch
andere Namen hätte führen können: Kampf, Herrschaft, Gott, Gesetz!

Wenige Stunden nach jenem Überfalle stirbt Robert Eißler. Die Kugeln
haben sein Inneres fast zerfleischt: Zu sechzehn Wunden.

Und acht Monate später steht Otto Eißler in Wien vor der Apostelzahl der
zwölf Geschworenen und ihrem Vorsitzenden, dem Gesetze in
Menschengestalt.

Der Vorsitzende nennt sich: Hofrat Doktor _Ramsauer_.




                       VII. CHOR DER PSYCHIATER.


In den Tragödien der großen Prozesse aller Rechtsstaaten bilden die
Psychiater bei jedem Strafverfahren, darin sie forensisch zur Kenntnis
genommen werden, zumeist eine Art tragikomischer Nebenaktion, Satyrspiel
als Intermezzo. Fälle ergeben sich allerdings bei politischen oder
anderen aus Staatsraison kitzlicheren Vergehen, darin ihre Meinung als
willkommenes Rettungssteuer dient, den ganzen Handel aus dem Orkane des
Meinungsstreites in den sicheren Hafen eines Irrenhauses zu lootsen.
Womit die Gewissenhaftigkeit ihrer Personen und ihres Votums keineswegs
angezweifelt sei. Sonst obläge ihnen nach dem Erachten ihrer
Auftraggeber mehr die Rolle der Regimentsärzte im Kriege, nämlich
festzustellen, ob der ihnen zugewiesene Klient „tauglich ohne Gebrechen“
für den Spruch der blinden Themis wäre. Behindernd wirkt dabei der
knappe Platz, den ihnen die Prozeßordnung und das geltende Strafgesetz
für die Grenzen der Begriffe von unverantwortlicher Zwangslage und
eingeschränkter, jedoch noch als verantwortlich klassifizierter
Willensfähigkeit einräumt.

In der Sache Otto _Eißler_ erschwerte ihnen der Beschuldigte selbst
ungemein ihre Stellungnahme, gerade indem er sie ihnen scheinbar
erleichterte. Er war es, der um keinen Preis als geisteskrank betrachtet
werden wollte, der lediglich zugestand, im Augenblicke der Tat den Kopf
verloren zu haben, und der eben darum, wie durch die ausgesprochene
„Süchtigkeit“ jede seiner abnorm scheinenden Gewohnheiten
rationalistisch zu fundieren, den Verdacht der „Dissimulation“, Benehmen
eines Kranken, der sich gewaltsam gesund stellt, erweckte.

Den Psychiatern lagen drei Möglichkeiten vor: Es konnte sich hier um
einen wirklich Irren, in erster Linie um einen Paranoiker drehen oder um
einen schweren Psychopathen paranoiden oder schizophrenen Charakters,
der unter den genannten Umständen im auflodernden Momente der Tat keine
Verantwortung mehr trug für sein Verbrechen oder lediglich um einen
Sonderling von psychopathischer Minderwertigkeit, der heftigen
Gemütsbewegungen nur sehr geringen Widerstand zu bieten vermochte, aber
doch nach § 46 des Öst. Strafgesetzbuches als haftbar anzusehen war.
Nach Eißlers eigenem Geständnis, nach den durch Zeugen belegten Indizien
über sein seelisches Verhalten vor, während des Ereignisses und darüber
hinaus, ja, nach einem Teil des später noch präziser zu erörternden
Gutachtens selbst lag die Annahme eines paranoiden Typus nahe.

Populär erläutert stellt der Paranoide die Form einer geistigen Krise
vor, die sich zur wirklichen Paranoia etwa so verhält wie eine
Herzneurose zu einem organischen Herzleiden. Wie diese kann sie bei
geeigneter Behandlung völlig abklingen, wie diese in ihr schweres
verhängnisvolles Nachbarstadium übergehen. Die Ähnlichkeit ist oft
frappant, die zwischen dem klinischen Bilde einer Paranoia und dem eines
paranoiden Zustandes besteht. Auch bei dem Paranoiden, besonders bei
jenem, der zu Verfolgungs- oder Beziehungswahnvorstellungen neigt,
steigern sich die Anfälle in sogenannten „Schüben“, wie der terminus
technicus lautet, auch er glaubt sich umlagert und bespäht, fühlt sich
als passives Zentrum sämtlicher ihm widrigen Ereignisse, meint
elektrische Ströme nach sich entsendet, hört Stimmen, wittert an
Kleidern und Möbeln Menschenkot, trachtet andauernd einen Urheber seines
Übels zu konstatieren, – und kann naturgemäß aus solchem Zustand
latenter Überreizungen, die bis zur totalen Sinnestäuschung reichen,
verantwortungslose Affekthandlungen verüben. Dabei gilt er in des Wortes
Sinn nicht für „geisteskrank,“ vermag neben seinen gefährlichen
Momenten, in denen er einer Rechenschaft nicht fähig erklärt werden muß,
ein produktives Genie ersten Ranges zu bleiben, wie etwa August
_Strindberg_ in seiner schlimmsten Pariser Zeit, als „_Einsam_“ und
„_Inferno_“ entstanden, diese erschütterndsten und zugleich
trostreichsten Dokumente eines schaffenden Geistes, weil sie deutlich
beweisen, wie die Schöpferkraft des Individuums es über die
furchtbarsten Nachtklüfte des „Ich“ hinwegzuheben imstande ist. Führt
aber eine solche paranoide Bedrängnis in einem Menschen, dem nicht die
Flucht in irgendeine Produktivität oder Hingabe daran (Kunst, Religion)
gegönnt war, zur antisozialen Tat, wie – bei Otto Eißler, woferne man
ihn paranoid erachtet, – so mußte diese lediglich als schicksalshaftes
Elementarereignis im Organismus gewertet werden, für das der Täter keine
judizielle Haftung übernehmen konnte.

Die Psychiater _verneinten_ das. Mit einer Begründung, die am besten im
Wortlaute wiedergegeben sei:

„... Aus dem betreffenden Akte und der Aussage Dr. Edmund Benedikts“
(des Anwaltes des alten Heinrich Eißler) „ist zu ersehen, daß Beklagter“
(Otto Eißler) „von seiten seiner drei Vettern arg benachteiligt worden
ist, und daß er nach dem rücksichtslosen Vorgehen derselben gegen seinen
hochbetagten Vater begründete Ursache hatte, ihnen zu mißtrauen, was bei
seiner Gemütsart nur auf allzu vorbereiteten Boden fiel. Wenn er im
Verlaufe der vorgekommenen Differenzen immer verbitterter wurde, den
Vettern alles Erdenkliche zutraute, vom ‚Gurgelabschneiden‘, ja geradezu
vom ‚wirtschaftlichen Morde‘ sprach, so sind das wohl überschwängliche
derbe Ausdrücke, die aber von den Tatsachen nicht allzuviel abwichen und
somit keineswegs wahnhaft begründet sind. Wenn er ferners _vermutet, daß
man von seinem Militärdienst schädigende Wirkungen auf seine Gesundheit
erhoffte, um dadurch einen gefährlichen Gegner loszuwerden_, so beruft
er sich hierbei darauf, daß man nicht nur ihn selbst verhinderte, ein
Enthebungsgesuch abzusenden, sondern auch seinen Vater mit Anzeige
bedrohte, als er ein solches einbringen wollte.“

Scheint der letzterwähnte Vorwurf schon unwahrscheinlich, weil er, wäre
er richtig, ein völlig unvorstellbares Maß von Haß und Unmenschlichkeit
involvieren würde, sollte er nicht vielmehr als typisches Symptom einer
fixen Idee, verfolgt zu sein, bezeichnet werden müssen, so gewinnt diese
Annahme bei den folgenden Details des Gutachtens noch mehr Raum:

„... _Schon seit Jahren am liebsten bewaffnet_, weil er bei seinen
ländlichen Ausflügen schon frühe in den Karpathen und auch hier infolge
seines sonderbaren Wesens Attacken fürchtete und solche auch tatsächlich
bei Preßburg erlebte, hielt er seit seinen Differenzen mit den Vettern
auch daran fest, weil er sich nach den gemachten Erfahrungen vor diesen
nicht sicher fühlte. Er beschränkt sich diesbezüglich aber auf bloße
Vermutungen, wobei er sich auf _Vergleiche mit dem Schicksal
verschwundener Millionäre_ (!) und darauf beruft, daß Reiche alles
vermögen, ohne aber Symptome von krankhaften Beachtungs- oder
Verfolgungswahn, der immer weitere Kreise zieht, darzubieten. Alle
diesbezüglichen Äußerungen verlassen nie den Boden der Möglichkeit und
Wahrscheinlichkeit, wie er durch die vorliegenden Tatsachen
rücksichtsloser Behandlung und vermögensrechtlicher Übervorteilung von
seiten seiner Vettern geschaffen wurde. Beide waren wohl imstande, einen
solchen psychopathisch veranlagten Sonderling wie Beklagter einer ist,
nicht nur auf das Tiefste zu verwunden und zu verbittern, sondern ihn
auch in einen Zustand begreiflicher innerer Erregung zu versetzen, so
daß er schließlich zur Waffe griff und seinen Hauptgegner niederschoß.“

Hätte demnach Otto Eißler seinen Vetter grundlos hingestreckt, so wäre
seine Unzurechnungsfähigkeit damit schlagend erwiesen worden. Daß aber
allein gekränktes Rechtsgefühl mit oder ohne zureichenden Anlaß, schon
_weil_ es sich ununterbrochen verfolgt und gegen seine Verfolger wehrlos
sieht, in die ungeheuersten Exzesse ausarten kann, die seine
Verantwortlichkeit aufheben, daß ein Mensch, der sich schwer
benachteiligt meint, dabei belastet von Geburt her ist, auch durch
wirkliche Tatsachen, die seinen Wahn begründen, immer tiefer in die
Schlingen paranoider Zwangsvorstellungen gerät, aus denen er sich
nunmehr mit Gewalt reißen kann, – sollte das wahrhaft ein Novum in der
Geschichte psychopathologischer Erscheinungen sein? Muß denn ein
Paranoiker oder ein Paranoider durchaus äußerlich unmotiviert handeln.
Wäre hier nicht oft genug eine übersehene kausale Verbindung denkbar von
einem tatsächlichen ätzenden Erlebnis her, das er sich als Brücke für
die eigene Rechtfertigung seiner wachsenden Manien errichtet, solange
ihn die große Dämmerung noch nicht völlig überwuchert hat? Nein; dieses
Gutachten dünkt mich das Schulbeispiel eines „hysteron proteron“ zu
sein, einer geradezu typischen Verwirrung von Voraussetzung und Ergebnis
und als solches reif für die Lehrbücher der Logik. Auch in dem
Überschreiten seiner Befugnis, das aus der gleichen Quelle stammt, in
dem Judizieren der Tat selbst, das einzig der Prozeßführung vorbehalten
zu bleiben hat. So, wenn es schreibt:

„Er (Otto Eißler) bestreitet aber in solcher Absicht(‚vorsätzlicher
Mord‘) hingegangen zu sein und will nur in einer momentanen zornigen
Erregung über die höhnische Ablehnung seines nochmals versuchten
Ausgleichsantrages durch Robert gehandelt haben. Das klingt im Hinblick
auf seine dem Niedergeschossenen zugerufene Äußerung: ‚Das hast du für
die sieben Millionen, um die du mich gebracht hast!‘, die sein klares
Tatbewußtsein bekundet“ (besagte Äußerung steht nebenbei so gar nicht
fest), „im Hinblick auf sein Ablauern der günstigen Gelegenheit eines
Telephongespräches Roberts und seine offenbar vorbereitete schwere
Bewaffnung,“ (schon ‚_seit Jahren am liebsten bewaffnet_‘ erzählt das
_gleiche_ Gutachten einige Seiten vorher), „ganz unglaubwürdig. Letztere
diente offenbar dazu, ganz sicher zu gehen.“ Und nun kommt das Beste!
„Wenn Beklagter behauptet, gar nicht gezielt zu haben, so widerspricht
dem die Tatsache, daß er nur zu gut getroffen hat.“ Was sonst? Auf die
wenigen Schritte Entfernung beim Feuern aus zwei Pistolen zugleich, wo
ein Kind nicht gefehlt hätte, geschweige denn ein alter Jäger wie Otto
Eißler, dem die Handhabung der Waffe schon im Blute lag?

Alle diese Dinge wirken um so verwunderlicher, als das Gutachten sonst
Otto Eißlers Werdegang und die Entwicklung seiner psychopathologischen
Eigenheiten genetisch getreu schildert, nur ohne daraus die zu
erwartenden Folgerungen zu ziehen. Der Angeklagte leidet darnach an
hereditären seelischen und körperlichen Belastungen. Aus einer traurigen
Ehe über eine lichtlose Kindheit liebeleer gelassen, schleppt er das
bittere Erbteil seiner Eltern mit, des Vaters gutmütige aufrichtige,
jedoch von jeder Erregung unberechenbar aufgepeitschte Art, die nicht
minder reizbare, dem Spielteufel verfallene Mutter: Sie beide kämpfen
fort in der Seele des Sohnes bis zu seinem Untergang. Ihn drosselt
Ohnmacht gegenüber dem Dasein, einem Dasein, das die Anverwandten
mühelos meistern, die Kaufleute mit dem Feldherrnblick, die Wager und
Gewinner an der Bank des äußeren Lebens, deren abenteuerlichste
Schachzüge schließlich immer Gold entschuldigt, lohnt und verklärt. Und
er, Otto, ein von der Wurzel her Versehrter, nicht geschaffen in dem
groben Machtspiele mitzukommen, dabei doch begabt mit einem fast
künstlerischen Wissen darum, dem es nur an dem letzten nötigen Schuß
Brutalität mangelt, es zur Tat zu wandeln, ein Abseitiger, in dem solche
ihm schicksalshaft aufgedrungene Haltung alle dunklen Gewalten der
Einsamkeit erwachen ließ: Furcht, Argwohn und vergrübelte Sehnsucht. Und
nun gesellt sich noch Krankheit dazu, keine ausgesprochene, mehr ihre
drohenden Zeichen, die ihn an Körper und Seele tückisch bedrohen. Seit
seinem siebzehnten Jahre quält ihn ein physischer Schaden; eine
Operation beseitigt ihn, gleich setzen andere lästige Beschwerden ein in
Lunge und Blutkreislauf. Zirkulationsstörungen verursachen kongestive
Leiden, Migränen nehmen sein Hirn in den Schraubstock, dabei foltert ihn
Angst vor Bakterien, die sich phantastisch verstärkt, als er auf Grund
einer von Militärärzten im Kriege bestätigten Bronchitis für
dienstuntauglich erklärt wird. Dieselbe Diagnose hat er sich in seiner
privaten Existenz schon 1910 gestellt, wo er nicht nur des beginnenden
Zwistes mit den Vettern halber seine Arbeit bei der Firma nach
fünfzehnjähriger Tätigkeit aufgab. Die erdenklichsten Vorbeugungsmittel,
besonders fleißige Sonnenbäder gewähren ihm eine gewisse Erleichterung,
die ihm jener C-Befund (Garnisonsdienst) der Musterungskommission wieder
benimmt. Sein Kampf gegen die Bakterien geht nun so weit, daß er sich
metallene Türklinken wegen Infektionsgefahr zu berühren scheut und auch
bei schärfster Sonnenglut stets nur in peinlichst verschlossenen
Kutschen ausfährt. Im Laienurteil verschafft das Eißler unter den
Einwohnern des Städtchens Baden bald den Ruf eines ungefährlichen
Narren, eines verrückten Privatdozenten, für den man ihn der lehrhaften
Art halber hält, in der er seine Phobien auch ganz Fernestehenden
begründet.

Trotz alle dieser den akuten chokhaften Eintritt einer seelischen Panik
erklärenden Symptome gelangt das Gutachten dennoch zur Konstatierung
seiner Verantwortlichkeit, die es allerdings wie folgt etwas
einschränkt:

„Er ... ist nicht im Bewußtsein wesentlich getrübt oder gar
sinnesverwirrt. Er hat sich vielmehr nur nach § 46 des St.-G. in einer
aus den gewöhnlichsten Menschengefühlen entstandenen heftigen
Gemütserregung zu dem Verbrechen hinreißen lassen, für das ein
ausreichendes Motiv nicht fehlte. Im übrigen ist er ein keineswegs
geisteskranker oder geistesschwacher, hypochondrischer verschrobener
Sonderling, dessen psychopathische Minderwertigkeit ihn gegen das
Auftreten von Gemütsbewegungen weniger widerstandsfähig macht, was daher
vom gerichtspsychiatrischen Standpunkt als mildernder Umstand einer
richterlichen Würdigung noch besonders empfohlen werden muß.“

Der Angeklagte wurde hiermit verhandlungsreif. Die Anklageschrift konnte
entworfen werden.




                       VIII. DIE ANKLAGESCHRIFT.


Gewalttat stellt meistens eine tragische Außenhandlung dar, Ergebnis und
Erlösung tiefer gelegener Stauungen und Reize von ihr oft völlig polarem
Charakter, – und an der Peripherie, wie ihre blinde Aktion, bleibt
gewöhnlich ebenso ihre gerichtliche Sühne. Denn selbst diese belangt
lediglich ein Zeichen, nicht Wuchs und Wesen des Ereignisses; nach einem
Zeichen muß sie anklagen, verhandeln, verurteilen. Seit Jahrzehnten
vorgedachte Abstrakta werden Maß und Mittel der Strafe, erdacht von
einer Gesellschaftsordnung, die mit ihnen steht und fällt. _Rudolf von
Iherings_ so menschlicher Satz: „Das Leben ist nicht der Begriffe,
sondern die Begriffe sind des Lebens wegen da,“ leuchtet über dem Tore
zu einer Gemeinschaft, das sich uns noch nicht aufgetan hat.

Prüft man die Anklageschrift gegen Otto Eißler, die nach Einholung des
psychiatrischen Gutachtens am 23. Februar 1924 für den zu Aprilbeginn
terminierten Prozeß verfertigt wurde, so kann man sich ähnlicher
Meditationen nicht erwehren. Sie skelettiert Vorgeschichte und Fall im
österreichischen Kurialstil, wobei sie seine psychogenen Bedingungen
genau so zur Seite schiebt wie sie anderseits auf Konstatierung einer
eventuell wirklich verübten Benachteiligung des Beklagten seitens seiner
Verwandten verzichtet, hierin striktest gegensätzlich zu dem Gutachten
der Psychiater, das gerade diesen Punkt nicht scharf genug betonen kann,
weil er ihnen zum Beweis der geistigen Gesundheit des Beklagten dient.
Einig mit jenen wird sie wieder in den Folgerungen, dem „dolus“ und der
Verantwortlichkeit des Täters. Im übrigen bestrebt sie sich ihrem Sinne
nach, der ja auf Korrektur seitens der Verteidigung und auf
Einschränkung durch die Verhandlung selbst gefaßt ist, die Ereignisse in
den ihr wichtig dünkenden Phasen zu entfalten und führt dabei weder aus,
warum Otto seinen Haß just auf den Vetter Robert aus dem
Firmentriumvirat so mörderisch konzentrierte, noch, was solchen Haß
berechtigte oder nicht. Damit genügt sie ihrem Zweck, der die Suche nach
einer Wurzel der vor den Kadi gebrachten Handlung noch nicht
einbegreift. Wie jede Anklage steht auch sie in dem Vorgang, den sie in
die Schranken fordert. _Über_ ihn darf sie sich ja nicht erheben; sie
könnte sonst oft genug keine mehr sein. Sie sucht sich Paragraph und
Strafe zu der Schuld, die sie prangert. Sie sei hier gebracht in einem
Auszug, der, von ihrem Augenpunkte her, durch Darstellung und
Schilderung das bereits Berichtete, vermehrt um Details fesselnder Art,
betrachten lassen mag:

„Die Staatsanwaltschaft Wien I erhebt gegen:

Otto Eißler, geboren am 15. Juli 1874 in Bisenz, nach Wien zuständig,
mosaisch, ledig, ohne Beschäftigung in Baden wohnhaft gewesen, derzeit
in Haft, _die Anklage_:

Otto Eißler habe am 30. August 1923 gegen Robert Eißler in der Absicht,
ihn zu töten, durch Abgeben mehrerer Schüsse aus einer Browningpistole
und einer Mauserpistole auf eine solche Art gehandelt, daß daraus dessen
Tod erfolgte. Otto Eißler habe hierdurch das Verbrechen des Mordes nach
§ 134 STG. begangen und sei nach § 136 STG. unter Bedachtnahme auf §§ 1,
2 des Gesetzes vom 3. IV. 1919 STG. BL. Nr. 215 zu bestrafen.

_Begründung_:

Otto Eißler ist der Sohn des im Jahre 1920 verstorbenen Heinrich Eißler,
der bis zu seinem Tode öffentlicher Gesellschafter der Firma J. Eißler
und Brüder war. Nach einem im Jahre 1897 zwischen den Gesellschaftern
dieser Firma geschlossenem Vertrage hätte Otto Eißler unter gewissen
Voraussetzungen das Recht gehabt, nach dem Tode seines Vaters als dessen
Nachfolger in die Firma einzutreten. Schon vor dem Tode Heinrich
Eißlers, nämlich am 1. Oktober 1919, traf Otto Eißler mit den damaligen
Mitgesellschaftern seines Vaters, seinen Vettern Dr. Hermann Eißler,
Robert Eißler und Alfred Eißler ein schriftliches Abkommen, demzufolge
Otto Eißler auf das Recht nach dem Tode Heinrich Eißlers öffentlicher
Gesellschafter der Firma zu werden, verzichtete, wogegen ihm die
Berechtigung zugestanden wurde, sich als stiller Gesellschafter an den
Geschäften zu beteiligen. Dieses Übereinkommen wurde jedoch nach dem
Tode des Heinrich Eißler, und zwar mit dem Vertrag vom 6. Juli 1921
umgestoßen, durch den Otto Eißler gegen Bezahlung bedeutender Beträge
endgültig aus der Firma schied. Otto Eißler hatte früher, und zwar seit
dem Jahre 1896 verschiedene Stellungen in der Firma eingenommen, jedoch
im Jahre 1910 nach Mißhelligkeiten mit den Firmeninhabern diese
geschäftliche Betätigung aufgegeben. Seit dieser Zeit glaubte er zu
erkennen, daß seine Verwandten darauf ausgingen, ihn systematisch aus
dem Geschäfte zu verdrängen. Dies rief eine dauernde tiefe Verbitterung
bei ihm hervor, die sich in der letzten Zeit noch steigerte, als sich
ihm die Überzeugung aufdrängte, daß er durch die Verträge aus dem Jahre
1919 und 1921 nicht nur seines Anteiles an der von seinem Vater
gegründeten Firma für immer verlustig geworden war, sondern daß seine
Vettern Hermann, Robert und Alfred Eißler ihn in diesen Verträgen auf
das schwerste geschädigt hatten. Er brachte im Frühjahr 1923 durch
seinen Rechtsanwalt beim Handelsgerichte Wien gegen seine Vettern die
Klage auf Ungültigkeitserklärung der beiden Verträge von 1919 und 1921
ein. Für wie wenig aussichtsreich er diesen Prozeß hielt, geht daraus
hervor, daß er wiederholt bei den feindlichen Vettern vorsprach, um sie
zu einem Ausgleich zu bewegen. Dabei kam es zu sehr erregten
Auseinandersetzungen, bei denen seine Gegner bestimmt und nachdrücklich
jede gütliche Austragung ablehnten. Diese unnachgiebige
schroff ablehnende Haltung seiner Vettern, die Erkenntnis der
Aussichtslosigkeit, seine Ansprüche ihnen gegenüber im Prozeßweg
durchzusetzen, der Gedanke, das wehrlose Opfer der Treibereien seiner
Verwandten geworden zu sein, haben in Otto Eißler das Gefühl tiefsten
Hasses immer mehr verstärkt, alle sittlichen Hemmungen verdrängt und in
ihm den Entschluß zur Reife kommen lassen, an seinen Feinden Rache zu
nehmen, – einer von ihnen, die ihn wirtschaftlich zugrunde gerichtet
hatten, sollte die Schuld mit dem Leben bezahlen.

Otto Eißler, der seit Jahren ständig in Baden bei Wien wohnte, hatte am
9. II. 1923 beim dortigen Büchsenmacher, Ferdinand Müller, eine
Browningpistole gekauft. Etwa drei Wochen nach der letzten mündlichen
Zurückweisung seines Ausgleichsanerbietens kam er, es war am 20. oder
21. August 1923, wieder in das Geschäft Müllers und verlangte eine
Mauserpistole. Da keine vorhanden war, bot man ihm eine Steyrerpistole
an, die er ablehnte, worauf vom Geschäftsinhaber die von Eißler
gewünschte Waffe besorgt wurde. Am 23. August 1923 kaufte er nun die
Mauserpistole samt 25 Patronen.

Am 30. August, also eine Woche später, fuhr er um halb neun Uhr
vormittags mit der Lokalbahn nach Wien und begab sich in die im Hause
I., Dr.-Karl-Lueger-Platz 2. befindlichen Geschäftsräume der Firma.
Nachdem ihm geöffnet war, ging er sofort durch das Vorzimmer in das
sogenannte Chefzimmer, in dem die Schreibtische der Gesellschafter
Robert und Alfred Eißler standen. Das Zimmer (früher der Arbeitsraum
Heinrich Eißlers) war leer und der Beschuldigte setzte sich auf den vor
dem Schreibtisch Alfred Eißlers stehenden Sessel und wartete. Der
Kassierer der Firma, Albert Köhler, kam herein und antwortete auf die
Frage, welcher Chef heute anwesend sei, daß nur Robert Eißler da sei.
Nach kurzem, belanglosem Gespräch verließ Köhler das Zimmer und begab
sich in seine Kanzlei, wo nach einigen Minuten Robert Eißler mit dem
Ersuchen erschien, Köhler möge ihm einen auf einer Armbanduhr klebenden
Zettel ablösen. Auf dem Rückweg ins Chefzimmer forderte Robert Eißler
den Geschäftsdiener Josef Kment auf, ihn telephonisch mit dem Direktor
einer Aktiengesellschaft zu verbinden. Gleich darauf öffnete Kment die
Tür zum Chefzimmer, in dem sich jetzt Robert Eißler befand, und meldete,
daß die Verbindung hergestellt sei. Er hörte noch, bevor er sich
entfernte, wie Robert Eißler das telephonische Gespräch begann. Kaum
eine Minute später öffnete der Kassierer Köhler die Tür des Chefzimmers,
um die Uhr zurückzubringen, da sah er, daß Otto Eißler vor dem
Schreibtisch Alfreds stand und auf den ihm gegenüber an seinem
Schreibtisch sitzenden Robert Eißler mit ausgestreckten Armen aus zwei
Pistolen mehrere Schüsse abgab. Robert Eißler sank getroffen zu Boden.
Köhler nahm dem Beschuldigten die Waffen, wobei Otto Eißler etwas von
„sich erschießen“ sprach. – – – – – – – – – – – –

Als gleich darauf der Arzt erschien, sagte Robert Eißler noch:
„Bauchschuß, – ich sterbe – Herr Doktor, wie lange habe ich noch zu
leben?“ Dann schaffte man ihn in ein nahegelegenes Sanatorium, wo er
kurz nach der Einbringung seinen Geist aufgab. Alle unmittelbar nach der
Tat erschienenen Personen bekunden die vollkommene Ruhe und Gelassenheit
des Beschuldigten, der dem ihn zum Stadtkommissariat eskortierenden
Wachebeamten Karl Rudolf auf die Frage nach dem Beweggrund seiner Tat
die Antwort gab: „Wenn man mich statt mit Goldfranken mit
österreichischen Kronen abfertigen will, dann werden Sie es verstehen.“

Die gerichtliche Öffnung der Leiche des Robert Eißler ergab eine
Schußwunde in der rechten Brustseite, diese Kugel hatte auf ihrem
weiteren Weg den rechten Bauchmuskel durchbohrt, das Zwerchfell breit
durchtrennt und ist in die Bauchhöhle eingedrungen. An der linken
Bauchseite befanden sich drei weitere, von einem und demselben Schuß
herrührende Wunden. Diese Kugel hat den Dickdarm durchbohrt, ist dann in
die hintere Bauchwand eingedrungen, hat die linke Seitenwand des kleinen
Beckens durchsetzt und dabei einige größere Blutadern zerrissen. Eine
weitere Schußverletzung wies der rechte Oberschenkel auf, wo durch
das Geschoß die Muskeln breit zertrümmert und sowohl die
Oberschenkelschlagader als auch die dazu gehörige Blutader breit
geöffnet wurden. Diese Gefäßverletzungen haben zu mächtigen
Blutaustritten in das Gewebe geführt.

Von einem vierten Schuß war der linke Oberschenkel getroffen worden, der
wagrecht durchbohrt war, die Schenkelanziehermuskeln waren ausgedehnt
zertrümmert, von Blutaustritten durchsetzt und die große Rosenblutader
verletzt. Der linke Arm wies sechs Schußwunden auf, die möglicherweise
von bloß zwei weiteren Schüssen verursacht worden sein können. Der Tod
Robert Eißlers ist infolge dieser Schußverletzungen durch Verbluten
erfolgt. Sowohl der an zweiter Stelle genannte als auch der dritte Schuß
hätten jeder für sich allein den Tod herbeiführen können.

Otto Eißler kann die Tat nicht in Abrede stellen und behauptet schon in
seinem polizeilichen Verhör, im Jähzorn und ohne Tötungsabsicht
gehandelt zu haben. Dieselbe Verantwortung bringt er am 1. September
beim Untersuchungsrichter vor. „Ich habe,“ sagt er, „im Jähzorn auf den
Mann geschossen, der meines Erachtens Betrügereien zu meinem Nachteil
begangen hat, und ich meine, unter diesen Umständen ist meine Tat zwar
moralisch verwerflich, aber menschlich zu begreifen.“ Da er auf die ihm
vom Untersuchungsrichter vorgehaltenen schweren Verdachtsgründe, die mit
Sicherheit auf die längst gefaßte, wohlüberlegte Absicht schließen
lassen, seinen Gegner zu töten, keine Antwort weiß, erklärte er nunmehr:
„Ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Ausbruch einer Wahnidee sich
nicht mit Logik begründen läßt.“

Auch in seinem Verhör vom 17. Dezember 1923 stellt er die Tat als das
Ergebnis einer jähzornigen Gemütsaufwallung dar, will dann wieder
glauben machen, er habe im Augenblick des Schießens nicht gewußt, daß er
schieße, behauptet dann wieder, in einer riesigen Zornaufwallung
gehandelt zu haben und weiß auf den Vorhalt, daß alle unbefangenen
Personen seine vollkommene Ruhe unmittelbar vor, bei und nach der Tat
bestätigen, nichts anderes zu entgegnen, als daß er die Wahrheit dieser
Aussagen bestreite. Die Verantwortung Otto Eißlers, nicht in der Absicht
zu töten geschossen zu haben, findet in den Ergebnissen des
Vorverfahrens ihre volle Widerlegung. Die Vorgeschichte der Tat, der
Ankauf der zweiten tötlichen Waffe, das Mitnehmen beider Pistolen von
Baden nach Wien, das klugbedachte und wohlüberlegte Abwarten des
günstigsten Augenblickes, während Robert Eißler durch das Telephonieren
abgelenkt war, die Abgabe von mehreren Schüssen aus zwei ihm als äußerst
gefährlich bekannten Waffen aus unmittelbarer Nähe: alle diese Umstände
lassen keine andere Deutung zu, als die, daß Otto Eißler den lange
vorher bedachten und wohlvorbereiteten Plan zur Ausführung gebracht hat,
einen seiner Feinde, die ihn wirtschaftlich auf das Schwerste geschädigt
hatten, und die er erbittert haßte, zur Befriedigung seines
leidenschaftlichen Rachegefühles ums Leben zu bringen. Nach den Angaben
einer Reihe von Auskunftspersonen ist der Beschuldigte stets um seine
Gesundheit ängstlich besorgt, weicht insbesondere jeder
Ansteckungsmöglichkeit sorgfältig aus, ist von sehr argwöhnischer und
mißtrauischer Sinnesart, so daß er den Eindruck eines Sonderlings macht.
Das Gutachten der Gerichtsärzte, die die Untersuchung seines
Geisteszustandes vorgenommen haben, bestätigt, daß Otto Eißler ein
hypochondrisch-verschrobener Sonderling sei, schließt jedoch völlig aus,
daß er etwa geistesschwach oder gar geisteskrank sei oder sich zur Zeit
der Tat in einem Zustand der Sinnesverwirrung befunden habe. Seine
Verantwortlichkeit für die von ihm begangene Bluttat steht daher außer
jedem Zweifel.

Staatsanwaltschaft Wien I.

Am 23. Februar 1924.

Auf Grund dieser Anklage stand am 8. April Otto Eißler im großen Saale
des „Grauen Hauses“, wie das Landesgericht im Wiener Volksmunde heißt,
vor den Geschworenen. Die Verhandlung war auf drei Tage bemessen; ihren
Beginn verzögerte ein Gebrechen in der Lichtleitung. Die Leitung des
Prozesses gestaltete sich um so rascher. Der schon früher genannte
Richter riß sie straff und unnachsichtlich vorwärts mit einer
Schneidigkeit, die etwas preußisches an sich hatte. Es sollte zu keinem
Kurzschlusse kommen zwischen ihm und dem ewigen Gesetze. Ein Mensch war
getötet worden; der Mörder mochte es büßen, ohne psychologischen
Firlefanz: Hart gegen Hart!




                          IX. DER FÜNFTE AKT.


Einmischung in eine Privatangelegenheit – unnötige Behelligung der
Öffentlichkeit mit einer Streitsache, die man der Unzulänglichkeit des
geltenden Rechtes wegen persönlich erledigen mußte, – Beschnüffelung von
Opfer und Täter, die hier nur einander betrafen und durch ihr tötliches
Duell die Menschheit als Ganzes, nie aber Neugier und Zuständigkeit
eines bürgerlichen Gerichtes, – ein wenig so betrachtet der mittelgroße,
etwas beleibte ältere Herr im dunkelgrauen Mantel seinen Fall, den er
vor den Schranken temperamentvoll erläutert und begründet. Nicht im
Sinne der Anklage bekenne er sich schuldig, erwidert er dem
Vorsitzenden, Hofrat Ramsauer, der aus seinem hautverkleideten
Granitschädel angespannt der Schilderung Otto Eißlers folgt. Darnach hat
Robert die von dem Vetter beabsichtigte Zwiesprache mit einem
sonderbaren, nicht eben gemütvollen Wunsche im Keime erstickt: „Du
kannst noch sieben Jahre Prozeß führen! Von mir aus könnt ihr alle
krepieren!“ Und er? – – „Nachdem ich die Hände gerade in den Taschen
hatte, habe ich, ohne es zu wissen, und ohne mein Wollen, ohne zu
zielen, ohne zu wissen, daß ich schieße, auf den Mann geschossen.“ Die
Waffen, die er dann gegen sich richten wollte, müssen ihm entrungen
werden. Im übrigen hätte er sie gewohntermaßen bei sich getragen,
deshalb könne keine Rede davon sein, daß er sie vor jener Fahrt, die in
die Bluttat mündete, eigens planvoll zu sich gesteckt habe. Und in Einem
weist er es zurück, er wäre über den Sterbenden mit einem „Es ist nicht
schade um ihn“ weggegangen. Aus dem ersten Verhör mit Regierungsrat
Hanusch steht eine viel wesentlichere Äußerung verzeichnen die er auch
nicht leugnet: „Es muß doch in der Welt endlich einmal etwas geschehen“
Diese scheinbar banalen Worte legen die eigentliche Achse seiner
Handlung bloß, reichen in das Getriebe der inneren Zwangsläufigkeit
seines Verbrechens, wohin die seelische Autopsie der Psychiater trotz
peinlichster Gewissenhaftigkeit nicht einzudringen vermochte. Er, der
nach Ansicht seiner Vettern zu zerfahren blieb, um in den Generalstab
des Kontores vorzurücken, schmetterte mit seinen mörderischen Schüssen
symbolisch die Firmentafel ein, weil es ihm nicht verliehen war, sich
anders über solche Kränkung wegzuhelfen. Vorsätzlicher Mord oder
Totschlag im Zorn standen also hier in erster Linie zur Frage: beides
lehnt er vehement ab, will einzig auf eine seelische Panik plädiert
wissen, die in jenem tragischen Augenblicke nicht allein seine Waffen,
sondern auch ihn jeder hemmenden Sperre entledigt hätte. Dawider aber
findet er im Gutachten der Psychiater wie in der Anklage entschlossenste
Gegnerschaft. Die vierte Möglichkeit befehdet er selbst, jene, es könne
sich um eine Paranoia handeln, um eine ausgesprochene Geisteskrankheit
aus der Kategorie des Verfolgungswahnes. Wie sein Anwalt, Doktor
_Valentin Teirich_, der dritte, den sich der von Mißtrauen vergiftete
Angeklagte seit seiner Festnahme gewählt hatte, scharfsinnig ausführte,
lag der Keim des Übels wohl nicht in der zur gespenstigen Gegnerschaft
gewordenen Vision seines feindlichen Vetters, mehr in einer durch
gesteigertes Selbstgefühl überkompensierten Urangst vor irgendeinem
Untergang, die sich zunächst als Verarmungsfurcht kundgab und sich erst
nachträglich angeregt durch die ihn tatsächlich gefährdende Einstellung
Roberts den Körper fand, mit dem sie sich in kausale Beziehung als den
endlich Fleisch gewordenen Feind zu setzen vermochte. Doch Zweifel an
der Überlegenheit und unbedingten Klarheit seines Geistes will Otto
Eißler nicht sich und niemand eingestehen; an seinen Geist soll ihm
keiner rühren, nicht einmal an seine Meinung über die Eignung für das
Geschäft, die er, wie er behauptet, mehrfach glänzend bewiesen hätte,
was ja wahrhaftig nicht so sehr für Geist als für rasche Gewitztheit und
rücksichtslose Entschlußkraft zeugte. Ehe er das Primat seines Geistes
anzutasten gestattet, nimmt er lieber noch die Gefahr des äußersten
Strafsatzes auf sich, der sein Verbrechen mit lebenslänglichem Kerker
bemißt. Doch er rechnet bestimmt auf Freispruch, sehr verschieden darin
von dem Vorsitzenden, der sich immer gewichtiger in den Mittelpunkt der
Verhandlung schob, wie in jeder, die bisher unter seiner Ägide vor sich
gegangen war. Ägide in des Wortes furchtbarster Bedeutung: Es war ein
Medusenhaupt des Rechtes, das er den armen Sündern wies.

Es reizt, vor jedem weiteren Berichte bei seiner Persönlichkeit zu
verweilen, deren gehaltene Natur sich von dem flackernden Nervenbündel,
das ihm da in die Hand gegeben war, nicht bewegen ließ. Bei einem
protestierendem Zwischenrufe fährt er es an: „Ich habe Ihnen schon
gestern gesagt, daß die Art, wie Sie Zeugen anflegeln, nur für das Ende
spricht, das Sie erwartet!“ Was in der Kritik der Presse („Abend“ vom 9.
April 1924) zu dem Hinweis auf einen Justiz-Ministerial-Erlaß vom Jahre
1907 Anlaß gab, der einen Vorsitzenden, der „den Angeklagten bereits als
überführt behandeln würde“, ausdrücklich als mit seinen Pflichten in
Widerspruch stehend bezeichnet. Eißler freilich vermochte da nichts zu
erwidern; er besaß nicht die notwendige blitzhaft einsausende Energie,
wie etwa die Giftmischerin Milica Vukobrankovics, die ihrem
Verhandlungsleiter bei einer ähnlichen Kritik entgegnet hatte: „Hängt
das mit dem Abbau zusammen, daß sie Richter und Staatsanwalt in einer
Person sind?“ und damit die Lacher auf ihrer Seite entfachte. Wie es
aber Ottos Verhängnis blieb, daß selbst der Schatten des toten Robert
mächtiger wirkte als er, so gleitet er auch allmählich hier vor der
Figur seines Richters zur Seite, der nun alle Erwartung und Neugier auf
sich sammelt. Es ist eine bedeutende, doch nicht versöhnlich anmutende
Gestalt, die sich uns in Hofrat Ramsauer darstellt: Hartkantig bis zur
Schroffheit, an dem ganzen Handel fasziniert durch die Paragraphen, nach
denen er erledigt werden muß, ein Matador seiner traurigen Pflicht, die
ihm zur Leidenschaft geworden ist, in unermüdlicher Arbeitskraft jenem
Toten ähnlich, um den der Prozeß geht. Als zweiter „_Holzinger_“ wird er
verschrieen, der Name jenes scharfen Wiener Staatsanwaltes, Schwager des
Dichters _Anzengruber_, der schließlich selbst sein heiliges Gesetz so
sehr verletzte, daß ihm nur freiwilliger Tod den letzten Ausweg bot. Es
wäre aber ebenso wohlfeil wie falsch, einen Charakter von Ramsauers Art
mit dem Klischee des geistigen Sadismus abzutun, wie es zur Not noch auf
Holzinger passen konnte. Ramsauer ist lediglich tätiger Protagonist
seiner Weltanschauung die ihm das Strafrecht zum unantastbaren
Evangelium verklärt hat. Vorgefaßtes Übelwollen äußert er so wenig wie
Güte. Dem Gesetze einzig und allein dient er und wendet es an, so lange
es besteht in der gebotenen Form, ohne Schwäche, jedoch auch ohne
Ansehen der Person und ohne willkürliche Auslegung. Humanitätsappelle,
psychologisierende Entschuldigungen sind freilich seine Sache nicht; der
Blick, der in Herz und Nieren des Inkulpanten forscht, übersieht
vielleicht, daß zwischen ihm und jenem auf dem Richtertische ein Kreuz
mahnt. Als Vollzugsorgan einer Gesellschaftsordnung erachtet er sich,
darin jedes unangebrachte Erbarmen die Fundamente lockern kann. Das
„Ramsauerurteil“ wurde sprichwörtlich, seine Entscheidungen, auch als
Einzelrichter, beschäftigen andauernd den Berufungssenat; der milde
Hofrat _Jakob_ nahm so – einen Tag nach Abschluß des Eißlerprozesses, –
an mehreren von Jenem gefällten Urteilen wegen § 144 (Verbot der
Abtreibung der Leibesfrucht) menschliche Abstriche vor. Was Ramsauer
keineswegs veranlaßte, sich etwa bei der gleichen Gelegenheit später
sichtlich milder zu erweisen. So ist er auf seine Art, die freilich
nicht Jedermanns Art sein mag, ein Römer nach Gerechtigkeit, Reinheit
und gelassener Härte seiner Persönlichkeit.

Es mochte also mehr an der Form, als an der gerade von diesem Richter
sonst peinlichst korrekt geprüften Sache liegen, die besonders die
Presse fortwährend gegen ihn aufbrachte, die ihm Feinde schuf, wie sie
in solcher Menge und Hartnäckigkeit in Wien selten eine öffentliche
Persönlichkeit zählt. Die Strategie seines Verfahrens setzte auch in der
Causa Eißler – wohl unbewußt – vom Anfange her schon mit einem „Ceterum
censeo“ wider den Beklagten ein. Bereits am ersten Tage des Prozesses
vernahm er bis in die tiefe Nacht sämtliche Entlastungszeugen, um die
folgende Zeit nur mit belastenden Aussagen zu füllen, ein sonst der
ungünstigen Wirkung auf die Geschworenen halber nicht üblicher Brauch.
Denn wie der Verteidiger im Strafverfahren das letzte Wort zugebilligt
erhält, genau so pflegt man die Stimme _für_ den armen Sünder erst
_nach_ jenen anzuhören, die ihn auf Leib und Leben _verklagen_. Und
nicht nur solche ungewohnte Umkehrung beeinträchtigte im Zuge der
Verhandlung die Situation des Angeklagten; auch sein Anwalt Dr. Teirich
mußte manche Bemerkung oder Frage an das Gericht über den Wink des
Vorsitzenden zeitlich verschieben, wodurch sie in ihrer geplanten
Wirkung auf die Geschworenen nichts weniger als gewann. Das große
Schachspiel, das um die Haltung der Zwölfmännerschaft sonst zwischen
Advokat und Staatsanwalt ausgefochten zu werden pflegt, hatte hier zum
Teile auch die sella curulis ergriffen; zwei Partner rückten so gegen
einen in das Feld. Die Entlastungszeugen, Schulfreunde, Bekannte,
Verwandte Otto Eißlers, sowie Leute, die in dienstlicher Beziehung zu
ihm standen, schienen sich eins darin, daß er ein gutmütiger Sonderling
sei mit querulanten Neigungen, aber von einer feinfühligen inneren
Beschaffenheit, die ihn auch für das soziale Elend um ihn nicht taub
machte. Diese Erklärungen wachsen an Wärme, je näher sie dem privaten
Leben des einsamen Melancholikers kommen; die Schwester Ida von Molnar
und Anna Heimerle, die Lebensgefährtin, wissen nicht genug seine Güte
und seine Vornehmheit zu rühmen. Von der Gegenseite geschieht eigentlich
nur durch Doktor Braß, dem Vertreter der Zivilansprüche der Familie
Roberts, eine aus dem Rahmen fallende Attacke; Doktor Fürst polemisiert
sehr diplomatisch, und der neue Firmenchef Doktor Hermann Eißler, ein
Mann erlesenster künstlerischer Kultur, der sich erst spät zu
gerichtlicher Aussage entschlossen hatte, befleißigte sich gleichfalls
möglichster Objektivität. Dennoch schwindet bald jede weichere
menschlichere Stimmung, Ziffern schwirren herum, uralter Verwandtenhaß
brodelt auf, immer dicker wird die Luft im Gerichtssaal. Solcher
anschwellenden Beklommenheit hält niemand stand, wie eine stickige
schmutzig-gelbe Wolke wuchtet das Gold und seine Gier über allem, immer
kleiner, immer trüber schwält durch ihren Dunst die Flamme der
Verantwortung, immer gewaltiger kann die Anklage ausholen zum
unerbittlichen Endspruch. Und doch klaffte in der Sache selbst ein
tragischer Irrtum: Der arme Mensch, der hier Zahl über Zahl türmte, so
daß Vorsitzender und Geschworene dem Eindruck erlagen, eine verunglückte
Valutenspekulation sei da von einem nicht einmal wesentlich Geschädigten
aus gekränktem Egoismus zum Mordmotive aufgebauscht worden, – er war
wirklich nichts weniger als wesenseins mit den Dinaren, jugoslavischen
und österreichischen Kronen, die er sprudelnd hervorstieß. Er konnte
bloß keine andere Sprache gebrauchen, als eine seines Milieus, er meinte
dabei gar nicht jenes Geld, um das man ihn seiner Ansicht nach betrogen
hatte, sondern sein vom Gelde ins Antlitz geschlagenes gutes _Recht_.
Doch sich in Diskussionen über das Thema „Nicht der Mörder, der
Ermordete ist schuldig“ einzulassen, dazu spürte das Gericht wenig Lust;
denn eben durch den sich in Zahlen rechtfertigenden Angeklagten war es
ja auf ein Maß herabgenötigt worden, aus dem es die tragische Kulisse
des ganzen Falles, die zugleich eine Kulisse seiner Zeit wurde, nicht zu
fassen vermochte. Für seinen Wahrspruch stand da bloß ein ihm
unangenehmen von fixen Ideen besessener Herr bereit, der in seinen
ungezügelten Repliken vom Vorsitzenden stets nachdrücklichst abgewiesen
werden mußte, und an dessen Händen überdies das Blut eines der
geachtetsten Großindustriellen des Reiches klebte. Solche Eindrücke
modellierten die Überzeugung der Zwölf, Eindrücke von einer fremden und
keineswegs sympathischen Welt.

So war im Verlaufe der drei Tage „nichts fürs Gemüt“ vorgefallen, die
unaufhörlichen geschäftlichen Diskussionen langweilten und erbitterten;
einzig die Aussagen der beiden Frauen, die der Vorsitzende chevaleresk
behandelte, hatten etwas Helle verbreitet. In einer umsichtigen, vor
allem gegen das Gutachten der Psychiater gerichteten Rede verfocht
Doktor Teirich die Sache seines Schutzbefohlenen höchst geschickt, indem
er zwingend zu erläutern trachtete, wie ein Mensch von der seelischen
Basis und Belastung des Beklagten, die er mit bezeichnenden
Zeugenattesten umriß, unter den von seiner Sippe gegen ihn verfügten
Maßnahmen in einen seelischen Aufruhr geraten mußte, der seine
Zurechnungsfähigkeit bei der Tat ausschloß. Und selbst der _Staatsanwalt
Doktor Winterstein_, der sich auch während der Dauer der Verhandlung in
höchst rühmenswerter Weise verhielt, die das menschliche Bedauern für
den Beklagten trotz selbstverständlicher schärfster Verdammung der Tat
nicht verhehlte, bat die Geschworenen um Milde: „Der Kampf der Firma
gegen Otto,“ sagte er, „ist hart und ungerecht geführt worden, und er
hatte es nicht gerade mit zärtlichen Verwandten zu tun.“ So mühte sogar
er sich, Verständnis zu erwirken dem, den er auf geplanten Mord verklagt
hatte.

Der Vorsitzende beharrte auf seinem Standpunkt, für den es, wie er
bekannte, gleichgültig blieb, ob Robert Eißler ein Engel oder der Teufel
in Menschengestalt gewesen sei. Vergossenes Blut heischte Sühne. In der
Schale des Zornes würde es immer schwerer wiegen, mochte noch so viel
Verzeihliches und Begreifliches in der Schale der Versöhnung liegen.

_Die Geschworenen bejahten die Frage auf vorsätzlichen Mord mit zehn Ja
und zwei Nein._

Der Strafsatz bemißt für diese Erkenntnis im bittersten Falle
lebenslänglichen schweren Kerker, der im Berufungswege bis zu einem Jahr
herabgesetzt werden kann. Solche Berufung wird aber der Verteidigung nur
dann gestattet, wenn der Spruch des Richters auf mehr als zehn Jahre
lautet, und wäre es zehn Jahre und einen Tag. Man geht nur meist bei
ähnlichen Gerichtstragödien, wie sie in der bäuerlichen Bevölkerung
nicht zu selten sind, ungerne so hoch hinauf.

Eine Frage auf Totschlag unterblieb. Über Wunsch des Beklagten. Hofrat
Ramsauer verkündigte das _Urteil_:

_Zehn Jahre schweren Kerkers!_

Keine Stunde mehr! Keine Stunde weniger! Zehn unabänderliche Jahre!

Die Lebensgefährtin Otto Eißlers brach mit einem Schrei bewußtlos
zusammen.

Er selbst verharrte aufrecht und starr. Sah er plötzlich hinter die
Dinge, hinter den steinernen Richter, hinter die steifen Geschworenen,
hinter die graue Wand des Gerichtes? Reckte sich nicht eine Gestalt, die
auf ihn niederblickte durch geschlossene Augen, aber aus sechs offenen
Todeswunden? Die wieder sagte:

„Dummer Kerl!“ –

Ja; er hatte Unglück, der arme Otto Eißler. Der einen Macht entriß er
sich und ließ dabei eine Leiche am Wege. Um nun von einer anderen Macht
sein Urteil zu empfangen, das dreifach galt für den kränkelnden
fünfzigjährigen Mann. Von einer Macht, die unangreifbar thronte und
unerschütterlich, hart gleich dem Vetter Robert, dessen verwandeltem
Angesicht er hier wieder begegnete, wie einem Schicksale, dem er
bestimmt gewesen war zu verfallen, von allem Ursprunge her.




                               X. EPILOG.


Am Abend dieser Urteilsfällung über eine Tragödie des Geldes geschahen
Zeichen. Der große gelbe Pan war tot! Der Schrei vom Sterben des _Hugo
Stinnes_ gellte durch die Straßen.

Zugleich bebte und heulte es auf dem Schottenring. Die Börse bäumte sich
in Krämpfen über den mißglückten Frankenfeldzug. Verhaftungen und
Selbstmorde lösten einander ab.

Die Spannung, die die Verhandlung gefedert hatte, erschlaffte davor. Man
fand nicht rechte Muse, ein Urteil zu überdenken vor der größeren
Götterdämmerung, darin wieder ein goldener Hort in den Fluten versank.

Was war auch das Fazit aus Tat und Gericht? – Ob Otto Eißler, der
fünfzigjährige, sein Dezennium Haft unversehrt überstehen würde, ob er
vorher in einer Heilanstalt oder auf einem Friedhofe ersehnte Rast
erführe, – ein Abgeschiedener ist er schon heute für diese Welt, um die
er so verzweifelt gekämpft hat bis zum Verbrechen. Sein Los nahm nun
scheinbar doch die Kurve zur großen Verwirrung hinüber, die die
Psychiater leugneten. In der Strafanstalt _Stein an der Donau_,
derselben, aus der die Revolution einst _Friedrich Adler_ befreit hatte,
spürte sich Otto Eißler vorerst tief erlöst. Die Ruhe, die er nach der
Tat gezeigt, dem Psychiater anstößig, dem Psychologen leicht erklärlich,
folgte ihm auch dorthin. Fühlte er sich ja endlich entladen von dem
Verhängnis seiner Tat, die wie ein keimendes Leben in ihm gewachsen war
und nun mit ihrem Ausbruche sein Innerstes gereinigt hatte. Bald aber
schatteten die alten Ängste wieder um ihn, Stimmen hörte er vor seiner
Zelle tuscheln, er argwöhnte Komplotte und Attentate gegen die Seinen,
wähnte die Kinder in Not, die Gefährtin verfolgt von den Feinden, deren
Rache noch immer nicht gesättigt sei, – und schrie Hilfe herbei, –
schrie, bis man ihn in Einzelhaft steckte, schrie darin fort, – so daß
man ihn schließlich nach Wien zur Beobachtung überwies. Um ihn von dort
wieder ergebnislos zurückzusenden. Als einen, der ja wirklich nicht irre
war nach ärztlichem Ermessen, eher ein irre Gewordener an der
Menschheit. Kein Geisteskranker, doch krank am Geiste, noch nicht
umnachtet, aber in Nebel geraten. Dem lindere Strafe oder Freispruch
vielleicht noch einen anderen Freispruch bedeutet hätte, Freispruch von
seinen Gesichten, denen er nun wehrlos überliefert ist.

Wen mußte man auch vor diesem ohnehin rettungslos in sich Verkerkerten
schützen? Durch zehn Jahre äußeren Kerker? Die Tat, die, – ob elementar
oder nicht, – aus dem sozialen Gefühle verletzten Rechtes erfolgt war,
ließ sie je Wiederholung durch ihren Urheber befürchten? An wem? In
einem Wiener Vororte stieß weniges später ein roher Bursche einen seiner
friedlichen Wehrlosigkeit allgemein als „Waserl“ bezeichneten älteren
Mann nach vorhergegangenen und bezeugten Drohungen das Messer tötlich in
die Brust; er erhält zwei Jahre, dann wird er wieder auf seine
Mitmenschen losgelassen. Und hier –? Eißler war kein Verbrecher im
strengen Sinne, keiner, vor dem sich das Leben durch seine dauernde
Versperrung hüten mußte, vielmehr vollgültig das, was der Titel dieser
ganzen Sammlung vereinigt: _Ein Außenseiter der Gesellschaft_. Und auch
hierin wieder „cum grano salis“. An der Gesellschaft hatte er sich
versündigt, nicht an der Gemeinschaft. Vor ihrer großen und letzten
Instanz wird er nicht als der Schuldige befunden, noch jener Andere,
jener Gewaltige des Kapitales, der hingestreckt worden war von ihm, weil
sie einander ihre Macht beweisen wollten. Nicht der Mann, der sich
vermaß, mit sechs Schüssen der Gerechtigkeit Gottes zu dienen, nicht der
von ihm Gefällte, der ein freudloser Knecht seiner Bestimmung zeitlebens
geblieben war. _Das Geld_ – war hier Tat und Untat. Wie es Urheber aller
Kriege und Greuel unter der heiligen Einmaligkeit unseres Lebens ist.
Geld – war es, das den Hingemeuchelten zu seinem Kampf gestachelt hatte,
den er mit seinem Blute zahlen sollte, Geld, das den Rächer blendete vor
seinem eigentlichen Feind und seine Hand gegen ein armes, gleich ihm von
seiner Sucht gehetztes Menschenkind erheben ließ. Die Richter griffen
und begriffen bloß das Nächste: Einen Mörder, der ebenso zu Boden lag
wie der Gemordete.

Frei blieb – das Geld. Und weiter wandert es, von Blut zu Blut, von
Geist zu Geist, von Macht zu Macht. Weiter kuppelt es Verwandtenehen,
daß sein Sakrament nicht der Familie entgleite, weiter zeugt es dort
Lebensschwache, Gezeichnete an Körper und Hirn, weiter spaltet es
Geschwister und Liebende, weiter verführt es Freundschaft, Treue,
Bereitschaft für alle Menschen zu Lüge, Haß und Verrat an der höheren
Sache um seines treulosen Metalles willen. Zur Wissenschaft ist es
geworden, zum höllischen Homunculus aus Unzucht zwischen Mensch und
Ding. Und auch dieser Prozeß, der darum ging, wird in seiner Art ein
Stundenschlag im Mitternachtzeichen einer Weltordnung, die solcher
Wissenschaft eifrigster Adept gewesen. Einer Weltordnung, der das
apokalyptische Chaos eines Jüngsten Tages folgen kann, wenn sich die
Menschheit nicht bald auf eine neue reinere Form der Gemeinschaft
besinnt und sie sich zu einem Gesetze macht, dem es dann nicht mehr
auferlegt werden braucht, über Fälle wie diesen zu richten.




                              In der Sammlung
                       AUSSENSEITER DER GESELLSCHAFT
                     – DIE VERBRECHEN DER GEGENWART –
                 sind bis jetzt folgende Bände erschienen:


   Band 1:

                               ALFRED DÖBLIN
                  DIE BEIDEN FREUNDINNEN UND IHR GIFTMORD

   Band 2:

                             EGON ERWIN KISCH
                    DER FALL DES GENERALSTABSCHEFS REDL

   Band 3:

                              EDUARD TRAUTNER
                      DER MORD AM POLIZEIAGENTEN BLAU

   Band 4:

                                ERNST WEISS
                          DER FALL VUKOBRANKOVICS

   Band 5:

                                 IWAN GOLL
                    GERMAINE BERTON, DIE ROTE JUNGFRAU

   Band 6:

                              THEODOR LESSING
                  HAARMANN, DIE GESCHICHTE EINES WERWOLFS

   Band 7:

                                KARL OTTEN
                             DER FALL STRAUSS

   Band 8:

                             ARTHUR HOLITSCHER
                             DER FALL RAVACHOL

   Band 9:

                                 LEO LANIA
                       DER HITLER-LUDENDORFF-PROZESS

   Band 10:

                           FRANZ THEODOR CSOKOR
               SCHUSS INS GESCHAEFT (DER FALL OTTO EISSLER)

   Band 11:

                              THOMAS SCHRAMEK
                         FREIHERR VON EGLOFFSTEIN
                  Mit einem Vorwort von ALBERT EHRENSTEIN

   Band 12:

                               KURT KERSTEN
          DER MOSKAUER PROZESS GEGEN DIE SOZIALREVOLUTIONÄRE 1922

   Band 13:

                                KARL FEDERN
                       DER PROZESS MURRI-BONMARTINI

   Band 14:

                               HERMANN UNGAR
                    DIE ERMORDUNG DES HAUPTMANNS HANIKA

                                     *

                     Ferner erscheinen noch Bände von:

   HENRI BARBUSSE, MARTIN BERADT, MAX BROD, E. I. GUMBEL, WALTER
   HASENCLEVER, GEORG KAISER, OTTO KAUS, THOMAS MANN, LEO
   MATTHIAS, EUGEN ORTNER, JOSEPH ROTH, RENÉ SCHICKELE, JAKOB
                      WASSERMANN, ALFRED WOLFENSTEIN.


                  OHLENROTH’SCHE BUCHDRUCKEREI ERFURT


                     Anmerkungen zur Transkription

Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere
Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 34]:
   ... zurück, wo er der Sorge um seine Gesundheit  ...
   ... zurück, wo er der Sorge um seine Gesundheit wegen ...

   [S. 57]:
   ... berichtet einer, der ihm dabei ertappt. Und ...
   ... berichtet einer, der ihn dabei ertappt. Und ...

   [S. 59]:
   ... zurückzwingen, aber nun halten sie einem ...
   ... zurückzwingen, aber nun halten sie einen ...

   [S. 62]:
   ... Darum begegnet man ihn immer wieder. Erledigt ...
   ... Darum begegnet man ihm immer wieder. Erledigt ...

   [S. 64]:
   ... Rechtstaaten bilden die Psychiater bei jedem ...
   ... Rechtsstaaten bilden die Psychiater bei jedem ...

   [S. 66]:
   ... in sogenannten „Schüben“ wie der terminus ...
   ... in sogenannten „Schüben“, wie der terminus ...

   [S. 86]:
   ... ist von sehr argwöhnischer und mißtrauisch ...
   ... ist von sehr argwöhnischer und mißtrauischer ...

   [S. 97]:
   ... überdies das Blut eines der geachtesten Großindustriellen ...
   ... überdies das Blut eines der geachtetsten Großindustriellen ...






*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHUSS IN'S GESCHÄFT (DER FALL OTTO EISSLER) ***


    

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state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
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