Ein Bruderzwist in Habsburg

By Franz Grillparzer

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Title: Ein Bruderzwist in Habsburg

Author: Franz Grillparzer

Release Date: September, 2005 [EBook #8964]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[This file was first posted on September 1, 2003]

Edition: 10

Language: German

Character set encoding: ISO Latin-1

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN BRUDERZWIST IN HABSBURG ***




Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau.




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EIN BRUDERZWIST IN HABSBURG

von FRANZ GRILLPARZER

Trauerspiel in fünf Aufzügen



Personen:

Rudolf II., römisch deutscher Kaiser
Mathias und Max, seine Brüder
Ferdinand und Leopold, seine Neffen
Don Cäsar, des Kaisers natürlicher Sohn
Melchior Klesel
Herzog Julius von Braunschweig
Mathes Thurn
Ein Wortführer der Böhmischen Stände [Graf Schlick]
Seyfried Breuner
Oberst Wallenstein
Wolf Rumpf, des Kaisers Kämmerer
Oberst Ramee
Ein Hauptmann
Feldmarschall Rußworm
Prokop, ein Bürger von Prag
Lukrezia, seine Tochter
Ein Fahnenführer
Mehrere Soldaten, Bürger und Diener.




Erster Aufzug

Auf dem Kleinseiter Ring zu Prag.

Feldmarschall Rußworm, ohne Waffen, von der Stadtwache geführt, an deren
Spitze eine Gerichtsperson. Rechts im Vorgrunde Don Cäsar mit Begleitern.
--Früher Morgen.


Gerichtsperson. Im Namen kaiserlicher Majestät
Ruf ich Euch zu: Laßt ab!

Don Cäsar. Ich nicht, fürwahr!
Ihr gebet den Gefangnen denn heraus,
Den man zurückhält ohne Fug und Recht.

Gerichtsperson. Nach Recht und Urteil wie's der Richter sprach.

Don Cäsar. So war das Urteil falsch, der Richter toll.
Der Mann hat einen anderen erschlagen,
Weil jener ihn erschlug, kam er zuvor nicht.

Gerichtsperson. Der Richter kam zuvor, hätt' er's geklagt.

Don Cäsar. Ha, Feiger Schutzwehr, die von Feigen stammt,
Wer hat ein Schwert und bettelt erst um Schutz?
Dann: wenn Belgioso fiel von seiner Hand,
Geschah's auf mein Geheiß.

Rußworm. Mit Gunst, Don Cäsar.
Ich war Euch stets mit Neigung zugetan,
Als einem wackern Herrn von raschen Gaben,
Wohl auch erkennend und mich gerne fügend
Dem was in Euch von höherm Stamm und Ursprung,
Doch hat Feldmarschall Rußworm seiner Tage
Befehl gegeben andern oft und viel,
Empfangen nie, als nur vom Heeresfürsten.
Ob falsche Nachricht, Ohrenbläser Tücke
Mich trieb zur Tat, die nun mich selbst verdammt,
Ob meine Dienst' in mancher Türkenschlacht
Rücksicht verdienen, Mildrung und Gehör,
Das mag der Richter prüfen und erwägen;
Allein, daß Belgiojoso Euch im Weg,
Euch Nebenbuhler war in Euerm Werben,
Hat seinen Tod so wenig ihm gebracht,
Als, war er's nicht, es ihn vom Tod errettet.

Don Cäsar. Nun denn, so faßt mich auch und führt mich mit!
Denn wahrlich, hätt' ihn dieser nicht getötet,
Belgioso fiel' durch mich, ich hatt's gelobt.

Gerichtsperson. Wir richten ob der Tat, den Willen Gott.

Don Cäsar. Ich aber duld es nicht! Mit diesem Schwert
Entreiß ich euch die Beute, die euch lockt.
Setzt an! Auf sie! Macht den Gefangnen frei!

Gerichtsperson. Zu Hilfe der Gerechtigkeit!

(Bürger kommen aus ihren Häusern.)

Rußworm. Laßt ab!
Ihr seid zu schwach und bringt die Stadt in Aufruhr.
Steht meinen Feinden offen, nun wie vor,
Des sonst so güt'gen, meines Kaisers Ohr,
So rettet mich kein Gott. Laßt ab, laßt ab!
Zu beten scheint jetzt nöt'ger als zu fechten.
Wo ist der Minorit?

Don Cäsar. Und ich soll's ansehn,
Es ansehn, ich, mit meinen eignen Augen?

(Lukrezia kommt mit ihrem Vater aus einem Hause rechts im Vorgrunde.)

Don Cäsar. Ha Heuchlerin, so kommst du, dich zu weiden
Am Unheil, das durch dich, um deinetwillen da?
Sieh, dieser ist's, der deinen Buhlen schlug,
--Er tat's, nicht ich, doch freut mich was er tat--
Ein Ende setzte jenem nächt'gen Flüstern,
Den Ständchen, dem Gekos', drob Ärgernis
Den Nachbarn kam, besorgt um scheue Töchter;
Er tat's, und statt dafür ihn zu belohnen,
Schleppt man ihn vor den Richter und verdammt ihn.

Prokop (zur Gerichtsperson). Ist es gestattet, Herr,
Auf offner Straße Ehrbare Mädchen zu beschimpfen also?

Don Cäsar. Ehrbare Mädchen? Ha sie täuscht dich Alter,
So wie sie mich getäuscht und alle, alle Welt!
Wohin nur geht ihr? Ja, zur Kirche wohl!
Da weift sie ab die volle Sündenspule,
Um neue drauf zu winden, still bemüht.
Warum gehst du in Schwarz? Dir starb kein Blutsfreund.
Register führ ich über alles Unheil,
Das dich bedroht und das dich schon betraf.
Kein Blutsfreund starb dir. Warum denn in Schwarz?
Klagst du ob dem, den dieser Mann erschlug?
Sprich ja, und dieses Schwert--O Nacht und Greuel!
Warum in Schwarz?

Prokop. Komm laß uns gehn mein Kind!

Don Cäsar. Geh nicht, und du!--Bleib noch!--Lukrezia!
(Prokop mit seiner Tochter ab.)
Ich will ihr nach!--Und doch!--Rußworm verzeih,
Mich übermannte, blendete der Zorn.
Doch soll darob nicht deine Sache leiden.
Zum Kaiser geh ich, fordre deine Freiheit,
Und weigert er's--Glaub nur, er wird es nicht!--
So werf ich vor ihm ab die Gnaden alle,
Die Lasten, die mir seine Laune schuf,
Gönn andern das Bemühn ihm zu gefallen
Und such in Ungarn Türkensäbel auf.
Leb wohl! Ihr andern aber merkt euch dieses Wort:
Wird ihm ein Haar gekrümmt, eh' neue Botschaft,
Des Kaisers eigener Befehl es heischt,
Zahlt euer Kopf für jede rasche Regung
(Im Vorübergehen vor Lukrezias Hause.)
Haus, sei verdammt, du Hölle mir von je! (Ab.)

(Rußworm wird nach der andern Seite abgeführt.)

Verwandlung
Saal im kaiserlichen Schlosse zu Prag.

Durch die Mitteltüre treten Hofleute auf, die sich im Hintergrunde
zerstreuen. Ein Kämmerer kommt durch den Haupteingang, hinter ihm
Klesel und Erzherzog Mathias.

Klesel. Ich bitt Euch, Herr!

Kämmerer. Fürwahr, es kann nicht sein.

Klesel. Ein Augenblick Gehör.

Kämmerer. Sie sind beschäftigt.

Klesel. Des Kaisers Bruder selbst.

Kämmerer. Wenn auch, wenn auch!
Doch will ich wohl versuchen ob's gelingt.
(Ab in eine Seitentüre rechts.)

Mathias. So viel denn braucht's, den Kaiser nur zu sehn!

Klesel. Den Kaiser? Herr, glaubt ihr, wir sind soweit?
Bei Wolfen Rumpf, geheimen Kämmerer,
Sucht Ihr nun Audienz.

Mathias. Du heil'ger Gott!
Und das im selben Schloß, denselben Zimmern,
Wo ich an unsers Vaters Hand einherging,
Mit meinem Bruder,--der geliebtre Sohn.

Klesel. Ja, der geliebtre Sohn! Da liegt es eben!
Hätt' Euer Vater minder Euch geliebt,
Was gilt es? Euer Bruder liebt' Euch wärmer.

Mathias. Entehrt, verstoßen!

Klesel. Hart, ich geh es zu.
Doch war der Schritt bedenklich wohl genug,
Der Euch zuletzt gebracht aus allen Hulden.
Reist ab von Wien ins ferne Niederland,
Stellt an die Spitze der Rebellen Euch,
Entzweit die Höfe von Madrid und Wien;
Und, was das schlimmste, kehrt denn endlich heim
Und habt nichts effektuiert.

Mathias. Ich ward getäuscht,
Oranien betrog mich um den Sieg.
Doch war der Plan, gesteht es, göttlich schön:
Hineinzugreifen in den wilden Aufruhr
Und aus den Trümmern, schwimmend rechts und links,
Sich einen Thron erbaun, sein eigner Schöpfer,
Niemand darum verpflichtet als sich selbst.

Klesel. Ich seh es kommen. Weht der Wind von daher?
Hab was du hast, woher du's hast gilt gleich,
Gekauft, ererbt,--nur nicht gestohlen, Herr.
Zwar Politik nennt so was akquiriert
Und find't sich wohl dabei.

Mathias. Mit mir ist's aus.
Ich will den Kaiser untertänig bitten
Mir zu verleihn die Stadt und Herrschaft Steyr,
Dort will ich leben, und dafür entsagen
All meinem Erbrecht, aller Sukzession,
Die mir gebührt auf österreich'sche Lande.
Der Anfallstag, er fände mich im Grab.

Klesel. Nun allzuwenig, wie nur erst zuviel.
So treibt Ihr Euch denn stets im Äußersten
O Maximilians unweise Söhne!
(Nachdem er sich umgesehen, leise.)
Eu'r Spiel steht gut, Ihr habt die Trümpfe, Herr!
Harrt aus! Harrt aus! Und nur nichts von Entsagung,
Von Schäferglück! Begehrt mir ein Kommando
In Ungarn! Ein Kommando sag ich Herr!
Was soll Euch Steyr? Der Waagebalken steht,
Und kurze Frist, so schnellt ein Quentchen mehr
In Eurer Schale, diese in die Höh'.
Auf Euch ruht Habsburgs Heil, das Heil der Kirche,
Ruht unser aller Heil.

Mathias. Mit mir ist's aus!

Klesel. Ich seh es ist, und so geb ich Euch auf.
Hier kommt Herr Rumpf, führt selber Eure Sache.
(Er tritt zurück.)

(Wolf Rumpf kommt aus der zweiten Seitentüre rechts, Schriften unter
dem Arme, gebückten Ganges, der Kämmerer hinter ihm. Der Kämmerer zeigt
mit der Hand auf Erzherzog Mathias. Rumpf geht, ohne darauf zu achten,
der Mitteltüre zu. Nachdem er sie fast erreicht hat, tritt ihm Klesel
in den Weg.)

Klesel. Eu'r Strengen! Darf erzherzogliche Durchlaucht
Gehör beim Kaiser hoffen?

Rumpf. Kann nicht sein.

Klesel (auf Mathias zeigend, der im Vorgrunde steht).
Dort sind Sie selbst.

Rumpf. Je, Diener, Diener!--Geht nicht.
Des Kaisers Majestät sind unwohl.--Acta,
Negotia.

Klesel. Nur wenige Minuten.
(Leise zu Mathias.)
Drängt ihn! Drängt ihn!

Mathias. Herr Rumpf, gebt mir die Hand!

Rumpf. Je, meritier's nicht. Aber kann nicht sein.
Nicht wohl geruht; empfinden sich turbiert
Mit mal di testa. Wage meinen Dienst
So ich es permittier--

Klesel. Ihr scherzt Herr Rumpf.
Wer kennt nicht Eure Macht an diesem Hof.

Rumpf. So scheint's, so scheint's. Doch sind der Herr gar streng.
Je näher ihm, so näher seinem Zorn.
Noch gestern abend, waren hoch ergrimmt,
Sei'n kein Philipp der Dritte schrieen Sie,
Diktieren sich zu lassen von Privaden.
Mußt' meinen Abzug nehmen eilig durch die Tür.
Es darf nicht sein. Ich kann nicht, kann nicht, nein!
(Er entfernt sich von ihnen.)

(Don Cäsar stürmt zur Türe herein.)

Don Cäsar. Wo ist der Kaiser? Nun, Perückenmann,
Ist er zu sprechen?

Rumpf. Huldreichst guten Morgen
Senjor Don Cäsar. Gott erhalt' Eu'r Gnaden.

Don Cäsar. Wie geht's dem Kaiser?

Rumpf. Gut. Verwunderlich.
Der Herr verjüngen sich mit jedem Tage,
Sehn wie ein Dreißiger. Sagt' ich doch heut nur:
Daß Sie so selten öffentlich sich zeigten,
Die Weiber sein's, die drob am meisten klagten.
Da lachten Seine Majestät.

Don Cäsar. Ich glaub's wohl.
War ich dabei ich hätte auch gelacht.
Ein Dreißiger! mit solchen Bauch und Beinen.
Wie nun, kann ich ihn sprechen?

Rumpf. Allerdings.
Ein Weilchen nur hochgnädige Geduld.
Des Kaisers Majestät sind--
(Er spricht ihm ins Ohr auf Mathias zeigend.)

Don Cäsar. Gut denn, gut.
Wem ist das Pferd das man im Hofe führt?

Rumpf. Ach Euer wenn Ihr wollt. Der Kaiser hat es heute
Besehen und gekauft.

Don Cäsar. Ich will's besteigen. (Ab.)

Mathias. Wer ist der junge Mann?

Klesel. So wißt Ihr nicht?
Ein Findelkind, im Schlosse hier gefunden.
Der Kaiser liebt ihn sehr. Begreift Ihr nun?

Mathias. Don Cäsar?

Klesel. Wohl, er selbst.--Nun noch einmal
Begehrt in Ungarn ein Kommando.

Mathias. Wozu?

Klesel. Ihr sollt noch hören. Doch verlangt es!

(Ein Kämmerer tritt ein.)

Kämmerer. Erzherzog Ferdinand aus Steiermark
Sind angekommen, bitten um Gehör.

Rumpf. Du liebe Zeit! Ihr Gnaden sind willkommen.

(Kämmerer ab.)

Klesel. Seht Ihr? Da kommt der künft'ge Kaiser an,
Der Erb' von Österreich, wenn Ihr nicht vorseht.

Mathias. Ich will in Ungarn ein Kommando suchen.
Dann--Hab ich dich verstanden?--Klesel, dann,
Die Macht in Händen--

Klesel. Nur gemach, gemach!
Ihr habt die Macht noch nicht.

Mathias. Und ich soll betteln?

Klesel. Um Gottes willen, Ihr verderbt noch alles.

(Ein Kämmerer öffnet die Seitentüre rechts.)

Rumpf. Der Kaiser kommt. Ich bitt Eu'r Durchlaucht freundlichst
Abseit zu treten, bis ich angefragt.

Mathias. Ich muß den Kaiser sprechen und ich bleibe.

Rumpf. Bedenkt!

Mathias. Ich hab's gesagt.

Rumpf. Nun denn, mit Gott!
Stellt Euch dorthin. Der Kaiser geht vorüber
Wenn er zur Messe sich verfügt. Vielleicht
Will Euch das Glück, daß er Euch sieht und anspricht.
Er kommt.

Klesel. Verfärbt Ihr Euch? Nur Mut, nur Mut!
Der Augenblick gibt alles oder nimmt es.

(Alles steht in ehrfurchtsvoller Erwartung. Erzherzog Mathias zieht
sich bis hinter die Seitentüre links zurück. Klesel in seiner Nähe.
--Zwei Trabanten treten aus der Seitentüre rechts und stellen sich
daneben auf; dann einige Pagen, zuletzt der Kaiser auf einen Krückenstab
gestützt. Zwei Männer, Gemälde haltend, knien auf seinem Wege. Er
bleibt vor dem ersten stehen, betrachtet es, zeigt dann mit dem Stocke
darnach hin und bezeichnet an seinem eigenen linken Arme die Stelle wo
das Bild ihm verzeichnet scheint. Er schüttelt den Kopf, das Bild wird
weggebracht. Er steht vor dem zweiten und gibt Zeichen der Billigung.
Endlich nickt er Rumpfen zu, daß dieses zu behalten sei. Zugleich hebt
er drei Finger der rechten Hand empor.)

Rumpf. Zweitausend?

Rudolf (heftig und stark). Drei.
(Er tritt zum Tische auf dem mehrere Bücher liegen. Er ergreift eins
derselben.)

Rumpf. Aus Spanien.

Rudolf (heiter).
Lope de Vega!

Rumpf. Depeschen auch von Eurer Majestät
Gesandten an dem Hofe zu Madrid.

(Rudolf schiebt die auf dem Tische liegenden Briefschaften verächtlich
zurück. Er setzt sich und liest, das aufgeschlagene Buch in der Hand.)

Rumpf. Erzherzog Ferdinand sind angelangt.

(Rudolf sieht, aufhorchend, einen Augenblick vom Buche weg und liest
dann weiter.)

Rumpf. Don Cäsar waren hier.

(Rudolf, obige Bewegung.)

Rumpf. Sie kommen wieder.

Klesel (zu Mathias).
Nehmt Euch nur Mut! Ihr zittert, weiß es Gott.

(Der Kaiser lacht unterm Lesen laut auf.)

Klesel. Die Zeit ist günstig. Seine Majestät
Scheint frohgelaunt. Versucht's!

Rudolf (im Lesen). Divino autor
Fenix de España.

(Mathias nähert sich ihm.)

Mathias. Gnäd'ger Herr und Kaiser,
Ich hab's gewagt aus meinem Bann zu Linz--

Rudolf (vom Buche aufblickend). Sortija del olvido--Ei, ei, ei!
»Ring des Vergessens«--Ja, wer den besäße!

Mathias. Ob ihr vergönnt--
(Er läßt sich auf ein Knie nieder.)
Bereit, mein Herr und Kaiser,
Die Rechte alle, die mein Eigentum,
Und die man mir beneidet, Aufzugeben,
Mein Erbrecht auf die österreich'schen Lande,
Die Hoffnung einst zu folgen auf dem Thron,
Für einen Ort um ruhig drauf zu sterben.
(Er legt die Hand auf die Armlehne von des Kaisers Stuhl.)

Rudolf. Wer da?--Rumpf! Will allein sein!--Rumpf, allein!
Allein.

Mathias. Mein Kaiser und mein Herr!

Rudolf (den Stock gegen Rumpf gehoben).
Allein!

Rumpf. Ich sagt' es ja, doch Seine Durchlaucht drängten.

Rudolf (mit steigender Heftigkeit).
Allein!

Rumpf (zu Mathias)
Entfernt Euch, gnäd'ger Herr!

Klesel. Kommt, kommt!
Verloren geht sonst alles.

Mathias. Gott!

Rudolf (vor sich hin).
Allein.

Mathias. Führt mich ins Grab, da wird mir doch wohl Ruh.

(Ab, von Klesel geführt.)

Rudolf (dumpf).
Allein!

Rumpf. Was nun beginnen? Gott!
(Er hebt das Buch auf, das der Kaiser weggeworfen hat, und reicht es ihm.)
Das Buch!

(Rudolf weist es zurück.)

Rumpf. Berichte sind aus Ungarn eingelangt:
Raab ist entsetzt und Papa wird belagert.
Die Malkontenten sollen willens sein--
(Lebhafter.) Ein Kaufmann aus Florenz hat sich gemeldet.
Geschnittne Steine führt er aller Art
Von hohem Werte.

Rudolf. Sehn!

Rumpf. Allein die Preise
Sei'n unerschwinglich.

Rudolf. Albern.

Rumpf. Soll ich also?--Gut.
Der spanische Orator Balthasar
Zuñiga wünscht Gehör.

(Der Kaiser schüttelt den Kopf.)

Rumpf. Beliebt's Euch etwa
Nunmehro die Berichte--?

(Der Kaiser stößt unwillig mit dem Stocke auf den Boden.)

Rumpf. Guter Gott!

(Don Cäsar kommt.)

Rumpf. Ihr kommt zur rechten Zeit. Versucht, ob etwa--

Don Cäsar. Ich küß Eu'r Majestät die hohen Hände.

(Der Kaiser mißt ihn mit zornigem Blicke.)

Don Cäsar. Ihr scheint nicht gut gelaunt, doch muß ich sprechen.
Es gilt ein Leben, gilt wohl mehr als dies.--
Es hat ein Kriegsgericht, ob eines Totschlags,
Verübt im herben Fall der Selbstverteid'gung,
Zum Henkersschwert verurteilt Herman Rußworm,
Den treusten Diener Eurer Majestät,
Den Helden in der Türken heißen Schlachten.
Ich bitt Euch nun, das Urteil aufzuheben,
Das Unsinn ist, Verrücktheit, Gotteslästrung.
Euch zu erhalten ein so teures Leben,
Mir einen Freund, den ich nicht lassen kann,
Und retten muß, gält' es das Äußerste.

(Rudolf sieht Wolfen Rumpf fragend an.)

Rumpf. Es ist von wegen Herman Rußworm,
Der, halb gereizt, und halb aus leid'gem Zufall,
Den Obersten erschlug.

(Der Kaiser wirft, wie suchend, die auf dem Tische liegenden Papiere
untereinander.)

Rumpf. Vielleicht das Urteil?
Es lag zur Unterschrift in Dero Kabinett.
Soll ich vielleicht--? Ich gehe, es zu holen.
(Ab durch die Türe rechts.)

Don Cäsar. Ich dank Eu'r Majestät denn nur im voraus
Für die Begnadigung des wackern Manns,
Der alles ist was dieses Wort besagt,
Indes sein Feind ein Weiber-, Pfaffendiener,
Ein Heuchler und ein Schurk! Und wenn der Rußworm
In Zornesglut sich allzuweit vergaß,
So denkt: derselbe Zorn, der hier den Gegner schlug,
Gewann Euch auch in Ungarn zwanzig Schlachten.

(Rumpf kommt mit einem gesiegelten Paket zurück.)

Rumpf. Das Urteil.

(Er reicht die Schrift dem Kaiser, der sie zurückweist.)

Rumpf. Guter Gott!--Beliebt vielleicht
Eu'r Majestät hochgnädig zu bestimmen
Was Dero Absicht mit so wicht'ger Schrift?

(Der Kaiser nimmt das Paket, liest hohnlachend die Aufschrift und gibt
es zurück.)

Rumpf. Ich weiß recht wohl: die äußre Fert'gung lautet
An Rat und Schöffen Eurer Altstadt Prag.
Doch, wenn das Urteil wirklich unterschrieben,
Wie ich vermuten sollte--

(Der Kaiser stößt unwillig mit dem Stocke auf den Boden.)

Don Cäsar. Gnäd'ger Herr!
Ich muß Euch bitten für zwei Augenblicke
Die feindlich düstre Laune aufzugeben,
Die sich in diesem Schweigen wohlgefällt.
Bedenkt: kommt dieses Urteil so gefertigt
Und unterschrieben auf das Prager Schloß,
So stirbt mein Freund.

Rudolf. Er stirbt!--Und du mit ihm,
Wagst ferner du's ein Wort für ihn zu sprechen.
Entarteter! Ich kenne deine Wege.
Du schwärmst zu Nacht mit ausgelaßnen Leuten,
Stellst nach den Kindern ehrbar stiller Bürger,
Hältst dich zu Meutern, Lutheranern.

Don Cäsar. Meuter
Hab ich mit meiner Freundschaft nie beehrt.
Und was den Glauben, Herr, betrifft, da richtet
Nur Gott.

Rudolf. Ja Gott und du. Ihr beide, nicht wahr?
Glaub du an das was deine Lehrer glaubten,
Die Weiseren, die Bessern laß entscheiden,
Dann kommt's wohl noch an dich.--Der Rußworm stirbt!
Und dank es Gott und einem Rest von Neigung,
Daß ich die Helfer, sie die darum wußten
Die lobten, billigten den feigen Mord
An Belgiojoso freventlich vollbracht,
Nicht ebnermaßen suche mit dem Schwert.--
Das Mädchen, dem du nachstellst, wüsten Sinns,
Laß frei!

Don Cäsar. Nein Herr, denn sie betrog mich.

Rudolf. Meinst du?
Cäsar, solang die ew'gen Sterne kreisen,
Betrügt der Mann das Weib.

Don Cäsar. Zum mindsten war's so,
Mit einer Frau, die mir gar nah verwandt.

Rudolf. Die dir verwandt? So kennst du deine Mutter?
Und kennst du den, der dir das Leben gab?
Sag ja! sag ja! und ewiges Gefängnis,
Entfernt vom Strahl des gottgegebnen Lichts--
So haben in den Sternen sie's gelesen:
Je näher mir, mir um so grimmrer Feind.
Und also steht er da, hohnlachend, trotzend,
Wie einst der Teufel vor des Menschen Sohn.
Fort dieses Lachen, fort!--Gib deine Waffen!
Nehmt ihn gefangen!--Wie, ihr zögert? weilt?
So will ich selbst mit meiner eignen Hand
(Zu einem Trabanten, der zu äußerst rechts steht.)
Leih deine Partisan mir, alter Freund!
Daß ich--

(Indem er den Stock fallen läßt, um nach der Partisane zu greifen, wankt
er und ist im Begriff zu fallen. Die Umstehenden eilen herzu, ihn zu
unterstützen.)

Legt ihr die Hand an mich? Rebellen ihr!
Yo soy el emperador! Der Kaiser ich!
Bin ich verkauft im Innern meiner Burg,
Und ist kein Schirmer, ist kein Helfer nah?

(Erzherzog Ferdinand erscheint in der Türe.)

Erzherzog Ferdinand. Viel Glück ins Haus!--Wie, Eure Majestät?
Was ist? Was war? Wer sagt's?

Don Cäsar (zu Rumpf, der ihn zu begütigen strebt).
Mich kümmert's wenig,
Ob tausend Teufel mir entgegen grinsen!

Erzherzog Ferdinand (zu Don Cäsar, die Hand leicht ans Schwert gelegt).
Geht junger Mensch! Ihr lernt sonst einsehn,
Daß uns der Böse nah, wenn man ihn ruft.
Fort Ihr! und ihr!

(Die Anwesenden ziehen sich gegen den Hintergrund. Don Cäsar in ihrer
Mitte von Rumpf geleitet. Alle ab.)

Erzherzog Ferdinand (zum Kaiser tretend).
Mein kaiserlicher Herr!

Rudolf. Wer seid Ihr? Wer? Und wie erkühnt Ihr Euch?

Erzherzog Ferdinand. Eu'r Neffe bin ich, Herr, und Euer Knecht,
Fernand von Gräz, zu jedem Dienst bereit.

Rudolf (sich vor der Berührung zurückziehend).
Es bien! es bien! All gut! Seid uns willkommen!

Erzherzog Ferdinand. Wollt Ihr nicht sitzen, Herr? Ich seh's, der Zorn
Er zehrt mit Macht an Euerm edlen Sein.
(Er leitet den Kaiser zum Lehnstuhle.)

Rudolf (sitzend).
Seht Ihr, so halten wir's in unserm Schloß.--
So dringt die Zeit, die wildverworrne, neue,
Durch hundert Wachen bis zu uns heran,
Und zwingt zu schauen uns ihr greulich Antlitz.
Die Zeit, die Zeit! Denn jener junge Mann,
Wie sehr er tobt, er ist doch nur ihr Schüler,
Er übt nur was die Meisterin gelehrt.--
Schaut rings um Euch in aller Herren Land,
Wo ist noch Achtung für der Väter Sitte
Für edles Wissen und für hohe Kunst?
Sind sie vom alten Tempel ihres Gottes
Nicht ausgezogen auf den Berg von Dan,
Und haben dort ein Kalb sich aufgerichtet,
Vor dem sie knieen, ihrer Hände Werk?
Es heißt: den Glauben reinigen. Daß Gott!
Der Glaube reint sich selbst im reinen Herzen,
Nein, Eigendünkel war es, Eigensucht,
Die nichts erkennt was nicht ihr eignes Werk.
Deshalb nun tadl' ich jenen Jüngling, straf ihn,
Und fährt er fort, erreicht ihn bald sein Ziel,
Allein erkenn auch was ihn so entstellt.

Deucht mir's doch manchmal grimmiges Vergnügen,
Mit ihm zu ringen, in des Argen Brust
Die Keime aufzusuchen der Verkehrtheit,
Die ihm geliehn so wildverworrne Welt.
Die Zeit kann ich nicht bänd'gen, aber ihn,
Ihn will ich bänd'gen, hilft der gnäd'ge Gott.

Erzherzog Ferdinand. Ihr werdet's, Herr, und bändigtet die Zeit,
Wär' Euch der Wille dort so fest als hier.

Rudolf. Mein Ohm, der fünfte Karl hat's nicht gekonnt,
Sankt Just sah ihn als büßenden Karthäuser.
Ich bin ein schwacher, unbegabter Mann,
Ich kann es auch nicht.

Erzherzog Ferdinand. O des argen Mißtrauns
In Euer edles Selbst und seine Gaben!
Wollt erst nur, wollt! und Gottes Beistand wird
Wie ein erhört Gebet auf Euch sich senken.
Die Zeit bedarf des Arztes und Ihr seid's.

Rudolf. Ein wackrer Arzt, der selber Heilung braucht!
Und dann: allein!

Erzherzog Ferdinand. So wärt Ihr, Herr, allein?
Verzeiht dem Schüler, der den Meister meistert.
Um Euch schart sich die Hälfte einer Welt,
Die treu noch ihrem Gott und seinem Abbild.
Dem Fürsten auf dem angestammten Thron.
Für Euch ist Spanien, der Papst, ist Welschland,
Des eignen Erblands ungebrochne Kraft,
Noch nicht verführt von falschen Glaubenslehren.
Zählt Eure Schar, und zehnfach, hundertfach
Wiegt sie die Gegner auf, die, schwach an Zahl,
Nur scheinbar sich durch Regsamkeit verdoppeln.

Rudolf. Der Arme viel, wo aber bleibt das Haupt?

Erzherzog Ferdinand. Ihr selbst, dem niemand gleich an Sinn und Wissen.
Dann noch die edlen Fürsten Eures Hauses,
Die Gott als Helfer selbst Euch anerschuf.

Rudolf. Sprecht Ihr von Euch?

Erzherzog Ferdinand. So werde nie mir Heil,
Als je mein Sinn ein andres Trachten kannte,
Als Östreichs Wohl und Jesu Christi Ruhm.
Mein Alter heißt mich lernen statt zu lehren
Auch bin nicht ich's, die Brüder sind's, die Nächsten
Der edle Max, Albrecht der sinnig weise,
Und jener dritte--Erste, den nur eben
Im Vorgemach ich kummervoll--

Rudolf (sich abwendend). Es bien!

Erzherzog Ferdinand. Seht ihr, da senkt das alte Mißtraun wieder
Sich nebelgleich herab auf Eure Stirn!
O weh uns, wenn es wahr, was man sich sagt,
Daß jener finstern Sternekund'gen einer,
Die Euern Hof zum Sammelplatz erwählt,
Mit astrologisch dunkler Prophezeiung
Euch abgewandt von Euerm edeln Haus
Gefahr androhend von den Nahverwandten.
O weh uns, wenn es so, und Ihr für Schein
Den wahren Vorteil aufgebt, aller Heil.

Rudolf (auffahrend).
Für Schein? für Schein? So kennst du diese Kunst,
--Wenn's eine Kunst--daß du so hart sie schmähst?
Glaubst du, es gäb' ein Sandkorn in der Welt,
Das nicht gebunden an die ew'ge Kette
Von Wirksamkeit, von Einflug und Erfolg?
Und jene Lichter wären Pfennigkerzen
Zu leuchten trunknen Bettlern in der Nacht?

Ich glaub an Gott und nicht an jene Sterne,
Doch jene Sterne auch sie sind von Gott.
Die ersten Werke seiner Hand, in denen
Er seiner Schöpfung Abriß niederlegte,
Da sie und er nur in der wüsten Welt.
Und hätt' es später nicht dem Herrn gefallen,
Den Menschen hinzusetzen, das Geschöpf,
Es wären keine Zeugen seines Waltens,
Als jene hellen Boten in der Nacht.
Der Mensch fiel ab von ihm, sie aber nicht,
Wie eine Lämmerherde ihrem Hirten,
So folgen sie gelehrig seinem Ruf
So heut als morgen wie am ersten Tag.
Drum ist in Sternen Wahrheit, im Gestein,
In Pflanze, Tier und Baum, im Menschen nicht.
Und wer's verstünde still zu sein wie sie,
Gelehrig fromm, den eignen Willen meisternd,
Ein aufgespanntes, demutvolles Ohr,
Ihm würde leicht ein Wort der Wahrheit kund,
Die durch die Welten geht aus Gottes Munde.
Fragst aber du: ob sie mir selber kund,
Die hohe Wahrheit aus der Wesen Munde?
So sag ich: nein, und aber, wieder: nein.
Ich bin ein schwacher, unbegabter Mann,
Der Dinge tiefster Kern ist mir verschlossen.
Doch ward mir Fleiß und noch ein andres: Ehrfurcht
Für das daß andre mächtig und ich nicht.

Wenn aber, ob nur Schüler, Meister nicht,
Ich gerne weile in den lichten Räumen;
Kennst du das Wörtlein: Ordnung, junger Mann?
Dort oben wohnt die Ordnung, dort ihr Haus,
Hier unten eitle Willkür und Verwirrung.
Macht mich zum Wächter auf dem Turm bei Nacht,
Daß ich erwarte meine hellen Sterne,
Belausche das verständ'ge Augenwinken
Mit dem sie stehn um ihres Meisters Thron.--
(Immer leiser sprechend.)
Wenn nun der Herr die Uhr rückt seiner Zeit,
Die Ewigkeit in jedem Glockenschlag
Für die das Oben und das Unten gleich
Ins Brautgemach--des Weltbaus Kräfte eilen
--Gebunden--in der Strahlen Konjunktur--
Und der Malefikus--das böse Trachten--

(Er verstummt allmählich. Sein Haupt sinkt auf die Brust. Pause.
Erzherzog Ferdinand tritt ihm, besorgt, einen Schritt näher.)

Rudolf (emporfahrend).
Ist jemand hier?--Ja so!--Was soll's?--
Ihr spracht von meinem Bruder, von Mathias.
Ich seh es ist ein Plan. Was also will man?
Warum verließ er seinen Bann zu Linz?

Erzherzog Ferdinand. Und wenn's der Wunsch nach Tätigkeit nur wäre?

Rudolf. Nach Tätigkeit? Ist er denn tätig nicht?
Er reitet, rennt und ficht. Wir beide haben
Von unserm Vater Tatkraft nicht geerbt,
--Allein ich weiß es, und er weiß es nicht.
Was also noch? Zum mindsten will ich zeigen,
Daß nicht der Sterne Drohn, daß euer Trachten,
Die Heimlichkeit der nahverwandten Brust,
Mir Mißtraun gab und gibt.--Die Klugheit riete,
Zu halten ihn in heilsamer Entfernung,
Allein ihr wollt's. Was also soll's mit ihm?

Erzherzog Ferdinand. Er wünschte--

Rudolf. Nun?

Erzherzog Ferdinand. In Ungarn ein Kommando.

Rudolf. Hat er schon je, und wo hat er gesiegt?
Zwar ist der Mansfeld dort, ein tücht'ger Degen,
Der gönnt ihm gern die Ehre des Befehls
Und tut die Pflichten selbst. Schickt ihn denn hin!
Doch heißt ihn zügeln seine Tätigkeit;
Er füge sich des Feldherrn beßrer Einsicht.
Auch sind der Krieger dort, der Führer viel,
Die zugetan der neuen Glaubensmeinung.
Es ist jetzt nicht die Zeit, noch da der Ort
Zu streiten für die Wahrheit einer Lehre.

(Da Erzherzog Ferdinand zurücktritt.)

Rudolf. Was ist? Was geht Ihr fort?

Erzherzog Ferdinand. Nicht anzuhören,
Wie Östreichs Haupt, wie Deutschlands Herr und Kaiser
Das Wort führt den Abtrünnigen vom Glauben.

Rudolf. Das Wort führt, ich? Kommt Euch die Lust zu scherzen?
Allein wer wagt's, in dieser trüben Zeit
Den vielverschlungnen Knoten der Verwirrung
Zu lösen eines Streichs.

Erzherzog Ferdinand. Wer's wagte? Ich!

Rudolf. Das spricht sich gut.

Erzherzog Ferdinand. Nur das? Es ist geschehn.
In Steyer mindestens, in Krain und Kärnten
Ist ausgetilgt der Keim der Ketzerei.
An einem Tag auf fürstlichen Befehl
Bekehrten sich an sechzigtausend Seelen
Und zwanzigtausend wandern flüchtig aus.

Rudolf. Und ohne mich zu fragen?

Erzherzog Ferdinand. Herr, ich schrieb
So wiederholt als dringend, aber fruchtlos.

Rudolf (die auf dem Tische liegenden Papiere untereinanderschiebend).
Es ist hier wohl Verwirrung oft mit Schriften.

Erzherzog Ferdinand. Da schritt ich denn zur Tat, dem besten Rat.
Mein Land ist rein, o wär' es auch das Eure!

Rudolf. Und zwanzigtausend wandern flüchtig aus?
Mit Weib und Kind? Die Nächte sind schon kühl.

Erzherzog Ferdinand. Durch Drangsal, Herr, und Schmerz erzieht uns Gott.

Rudolf. Und das im selben Augenblick wo du
Die Sachsenfürstin freist, die Protestantin?

Erzherzog Ferdinand. Gott gab mir Kraft die Neigung zu besiegen,
Wenn Ihr's erlaubt, so steh ich ab von ihr
Und werbe um des Baierherzogs Tochter.

Rudolf. Sie ist nicht schön.

Erzherzog Ferdinand. Ihr Herz ist schön vor Gott.

Rudolf (eine Gebärde des Schielgewachsenseins machend).
Beinah--

Erzherzog Ferdinand. Gerad ihr Sinn, ihr Wandel und ihr Glauben.

Rudolf. Nun, ich bewundre Euch.--Weis deine Hände!
Ist das hier Fleisch? lebendig, wahres Fleisch?
Und fließt hier Blut in diesen bleichen Adern?
Freit eine andre als er meint und liebt--
Mit Weib und Kind, bei zwanzigtausend Mann,
In kalten Herbstesnächten, frierend, darbend!
Mir kommt ein Grauen an. Sind hier nicht Menschen?
Ich will bei Menschen sein. Herbei! Herein!

(Mit dem Stocke auf den Boden stampfend. Die Hofleute kommen zurück.)

Rudolf. Die Kinderzeiten werden wieder wahr,
Und mich umschaudert's wie Gespensterglauben.
(Zu Erzherzog Ferdinand.)
Weilt Ihr noch länger hier bei uns in Prag,
Treibt's Euch zurück vielleicht schon nach der Heimat?

Erzherzog Ferdinand. Ich reise nächst, wenn manches erst geschlichtet
(lebhaft) Und meinen Bruder ich Euch vorgestellt.

Rudolf. So ist der Leupold da? Wo ist, wo weilt er?

Rumpf. Im Schloßhof tummelt er das türk'sche Roß,
Das Ihr gekauft und das Don Cäsar schulte.
Sie jubeln, daß der Erker widerhallt.

Rudolf. Sie jubeln? Tummelt? Ein verzogner Fant,
Hübsch wild und rasch, bei Wein und Spiel und Schmaus.
Wohl selbst bei Weibern auch; man spricht davon.
Allein er ist ein Mensch. Ich will ihn sehn,
Den Leupold sehn! Wo ist er? Bringt ihn her!

(Einige sind gegangen.)

Rudolf (zu Ferdinand).
Beliebt's Euch unterdessen, die Gemächer,
Die man Euch hier bereitet, zu besehn?
Wo bleibt der Range? Warum kommt er nicht?

Erzherzog Leopolds Stimme (von außen).
Senjor!

Rudolf. Aha, er ruft.--Was gibt es dort?

(Aus der Seitentüre links ist ein Hofbedienter herausgetreten.)

Rumpf. Die Kapelläne fragen untertänigst,
Ob Eure Majestät den Gottesdienst--

Rudolf (das Barett abnehmend und Mantel und Kleid ordnend).
Des Herren Dienst vor allem.
(Zu Erzherzog Ferdinand.)
Wenn's beliebt!
(Zu den übrigen.)
Und kommt mein Neffe, heißt ihn nur uns folgen.

Erzherzog Leopold (zur Türe hereinstürzend).
Mein gnäd'ger Ohm! (Da er den bereits geordneten Zug sieht, stutzt er
und zieht das Barett ab.)

Rudolf. Nur dort, an Eure Stelle.

(Auf einen Wink Erzherzog Ferdinands stellt sich Leopold ihm zur Seite.
--Der Zug setzt sich in Bewegung, die beiden Erzherzoge unmittelbar vor
dem Kaiser. Nach einigen Schritten tippt letzterer Erzherzog Leopold
auf die Schulter. Dieser wendet sich um und küßt ihm lebhaft die Hand.
Der Kaiser winkt ihm liebreich drohend Stillschweigen zu und sie gehen
weiter. Die übrigen folgen paarweise.--Der Vorhang fällt.)




Zweiter Aufzug

Freier Platz im kaiserlichen Lager. Im Hintergrunde Gezelte.

Ein Hauptmann (tritt hinter sich schreitend auf, wobei er eine kurze
Partisane waagrecht vor sich hält).
Zurück, sag ich, zurück auf eure Posten!
Seid ihr Soldaten, wie?--und flieht den Feind?

(Ein Trupp Soldaten kommt von derselben Seite, ein Fahnenträger
unter ihnen.)

Fahnenträger. Wir fliehen meint Ihr, Herr? Nun denn mit Gunst,
Sagt erst: wo ist der Feind, ob vor--ob rückwärts?
Ein Krieger ficht wohl, weiß er gegen wen,
Doch wo nicht Ordnung, Kundschaft und Befehl,
Wehrt er sich seiner Haut und weiter nichts.

Hauptmann. So meisterst du, ein Knecht, den Heeresfürsten?

Fahnenträger. Ob zehnmal Herr und zwanzigmale Knecht,
Wenn einer irrt, hat doch der andre recht.
Wir waren auf am Damm bei Raab gestellt,
Wir da und fünfzig andre, die der Säbel
Der Türken fraß in dieser blut'gen Nacht,
Auf blachem Feld, zur Unterstützung rings
Soweit das Auge trug, nicht Wacht, noch Posten.
Doch machten wir 'nen Kirchhof zum Kastell
Und hielten straff. Da bricht's mit einmal los:
Allah, Allah! aus tausend bärt'gen Kehlen,
Nicht vor uns, hinter uns. Die Donau durch,
Rauscht wie ein zweiter Strom, quer durch den andern
Der Spahi und sein Roß. Hilf' Jesu Christ!
Da galt kein Säumen, und war eitel Nacht.
Trapp trapp, da sprengen kaiserliche Reiter
Und jagen andre kaiserlich wie sie.
Der Musketier schießt los, und den er traf
Es war sein Landsmann, in des Dunkels Wirren
Die rasche Kugel wechselnd mit dem Freund.
Bald ist das ganze Heer nur eine Flucht,
Ein Jammern und ein Töten und ein Schrein.
In all der Hast vergaß man ganz auf uns,
Zu gehn, zu bleiben waren wir die Meister,
Doch blieben wir. Erst nach drei heißen Stürmen,
Als mancher schon mit seiner Haut bezahlt,
Brach auf das kleine Häuflein; und nicht seitwärts,
Nur Sicherheit für unsre Leiber suchend,
Zum Lager gradaus schlugen wir uns durch.
Und sind nun hier, dem Türken, sucht er uns,
Der Rückkehr Straße schwarz mit Blut zu zeichnen,
Doch ihn zu suchen keineswegs gewillt,
Man zeig' uns denn wer führt und wer befiehlt.

Mehrere im Trupp So ist's!--Ein Führer erst!--Dann folgen alle.

Hauptmann. So bin ich unter Meutern?

(Oberst Ramee kommt.)

Hauptmann. Mein Herr Oberst,
Verrat und Aufruhr in des Lagers Mitte.
Die hier und der--

(Es haben sich nach und nach immer mehrere gesammelt.)

Ramee (halblaut).
Laßt nur, laßt nur für jetzt.
Der Feind im Anzug und das Heer entmutigt,
Man drückt jetzt füglicher ein Auge zu,
Als den Gehorsam noch durch Strenge prüfen.
Was weiß man von dem Feldherrn?

Hauptmann. Prinz Mathias?

Ramee. Wen sonst?

Hauptmann. Verschieden gehen die Gerüchte.
Er ward gesehn in Mitte der Verwirrung.
Die einen lassen ihn am rechten Donauufer
Die Straße nehmen nach Haimburg und Wien,
Die andern--Heil'ger Gott, wenn er den Türken--!
Was machen wir, vereinzelt, ohne ihn?

Ramee. Dasselbe mein ich was mit ihm, den Frieden.

Hauptmann. Allein der Kaiser will nicht.

Ramee. Wollen! Wollen!
Hier fragt sich was man muß, nicht was man will.
Auch, ist der äußre Krieg erst beigelegt,
Hat man die rüst'gen Arme frei nach innen.

Hauptmann. Was aber soll mit all der Soldateska?
Wir sind in Rückstand mit zwölf Monat Sold.

Ramee. Erzherzog Leupold wirbt in Passau Völker,
Wenn hier das Handwerk ruht, fragt an bei uns.

Hauptmann. Und gegen wen--?

Ramee. Die Rüstung geht in Passau!
Man weiß noch nicht. Für wen, ich hab's gesagt,
Auf jeden Fall für Östreich und den Kaiser.
Wer sind die Männer?

(Einige schwarzgekleidete Herren gehen quer über die Bühne. Mehrere
grüßen sie mit abgezogenen Hüten.)

Hauptmann. Mit den goldnen Ketten?
Die protestant'schen Herrn aus Österreich.
Sie kamen, den Erzherzog anzusprechen
In Sachen ihres neuen Christentums
Und halten sich derweile zu den Ungarn.
Das lauscht und flüstert, schleicht und konspiriert.
Wär' ich der Prinz, wie wollt' ich heim sie senden!

Ramee. Heim senden? ei, wenn Ihr sie selbst berieft?

(Weibergeschrei hinter der Szene.)

Ramee. Was dort?

Ein Soldat (eine gefangene Türkin an der Hand führend).
Nein sag ich, nein!

Zwei Kürassiere (die ihm folgen).
Muß doch! muß doch!

Soldat. Mein ist die Heidin zehn- und hundertmal.
Ihr Haus in Gran fiel mir zum Beuteteil,
Ich war's, der ihren Bräutigam erschlug,
Drum ist sie mein und das von Rechtes wegen.

Kürassier. Mir drücken sie die Hand.

Soldat (zur Türkin).
Ist's wahr?--Sie kann nicht reden.
Wenn's wahr so spalt ich ihr den Kopf. Doch jetzt,
Jetzt ist sie mein und--

Kürassiere (die Hand am Säbel)
Wollen eben sehn.

Soldat. Kommt an, kommt an! Ob einer gegen zwei.
Ist niemand da, der einem Landsmann hilft?

Hauptmann (zwischen sie tretend).
Zurück Samländer, ketzerische Hunde!

Kürassier. Was sagen Mann?

Hauptmann. Ist's etwa nicht bekannt,
Daß Türk' und Lutheraner stets im Bunde?
Wie ging' sonst alles schief in Rat und Lager?
Die heute nacht der Flucht das Beispiel gaben,
Die Ketzer waren's, sinnend auf Verrat.

Fahnenträger (im Vorgrunde rechts).
Wer das sagt lügt.

Hauptmann (sein Schwert halb gezogen).
Mir das? Wer hat gesprochen?

Zweiter Soldat (rechts im Vorgrunde).
Mit Gunst: hat er doch recht. Hier dieser Mann,
Obgleich ein Luthrischer und Kirchenleugner,
Gefochten hat er in der heut'gen Schlacht
Wie einer der gedenkt des ew'gen Heils.
Und ob ich gleich als rechter Katholik
Verdammen muß was seine Pred'ger lehren,
Im Lager hier sind alle Tapfern Brüder,
Und somit meine Hand.

Fahnenträger (einschlagend).
Hier meine.

Mehrere (ein Gleiches tuend).
Freund und Bruder!

Ringsherum. Auf Ja und Nein!
Trotz Papst und Rom!
Wir alle!

Hauptmann. Hört Ihr?

Ramee. Laßt nur!

Geschrei (im Hintergrunde).
Hoheisa! Die Zigeuner!

(Im Hintergrunde tritt schlechte Musik auf. Einige Paare folgen sich
bei den Händen haltend und zum Tanze anschickend. Die anwesenden
Soldaten sammeln sich bei dem dort stehenden Marketenderzelte. Musik
und Tänzer gehen hinein. Gelächter, Zutrinken.)

Klesel (von der rechten Seite kommend).
Du heil'ger Gott! bin ich im Christenlager,
Und dient kathol'schen Fürsten dieses Heer?

Ramee. Wenn Euch das kränkt, seid wohlgemut,
Das Lager wird Euch fürder nicht mehr ärgern.
Ihr seid nach Prag berufen, wissen wir,
Der Kaiser sieht Euch hier nicht allzugern.
Wann reist Ihr ab?

Klesel. Wenn's meine Pflicht erheischt,
Die keineswegs mir Prag bis jetzt bezeichnet.
Der Seelenhirt gehört in seinen Sprengel.

Ramee. Und ist Eu'r Sprengel hier im Lager? Neustadt,
Neustadt und Wien, dort leuchte Euer Licht.
Ihr seid hier Schuld an manchem Schief' und Argem,
Setzt Eure Meinung durch und führt den Krieg
Als eine Wallfahrt nach 'nem Gnadenort,
Nebstdem daß wenig Gnad' in Euerm Tun.
Verkehrt Ihr doch mit eitel Protestanten
Und wendet Euerm Herrn die Herzen ab,
Die ihm bereit aus den getreuen Landen.
Doch ist zur Zeit ein andres Regiment.
Mathias, dieses Lagers Fürst und Führer,
Er fand den Rückweg nicht der andern Flücht'gen,
Und die Erzherzoge, die Ihr berieft
Aus Gräz und Wien, zu einem Ratschlag heißt es,
Sie sind im Lager, treten in sein Amt
Und werden Euerm Flüstern wenig horchen.

Klesel. Ob Ihr beleidigt mich, es sei verziehn,
Allein um aller Heil'gen willen sagt
Was von Erzherzog Mathias Euch bekannt.

Ramee. Bekannt, daß nichts bekannt. Er ist nicht hier,
Ob nun in Wien, ob--Hoffen wir das Beste,
Euch sei genug: im Lager ist er nicht.
Drum reist nur ab; wenn Ihr nicht vorher noch
Bei denen, die ihm folgen im Befehl
Und die dort nahn, wollt Euer Heil versuchen.
Stellt euch in Ordnung! Die Erzherzoge.

(Die im Hintergrunde Befindlichen stellen sich in eine Reihe. Von der
linken Seite kommen die Erzherzoge Ferdinand, Leopold und Maximilian.)

Maximilian (ein beleibter, wohlbehaglicher Herr).
Die Wege rütteln wie das böse Fieber.
Hat noch von unserm Bruder nichts verlautet?

Klesel (der in den Vorgrund rechts getreten, auf sie zugebend).
Gott segne Euern Eintritt, edle Herrn!

(Die Erzherzoge gehen nach der entgegengesetzten Seite und gehen quer
über die Bühne ab.)

Klesel (sich zurückziehend).
Du heil'ger Gott!

Erzherzog Leopold (der zurückgeblieben, links in den Vordergrund tretend).
Ramee!

Oberst Ramee (zu ihm tretend).
Erlauchter Herr!

Erzherzog Leopold. Es steht hier schlimm, und doch, bedenk ich's recht,
Möcht ich fast sagen: gut. Sie haben Pläne.
Das Lager hier, ich fürchte, löst sich auf.
Hast du versucht ob ein und andre willig
Bei uns zu dienen im Passauer Heer?

Ramee. Bei zwanzig Führer.

Leopold. Halt, sprich leise, hier!

(Er zieht sich mit ihm nach der linken Seite, wo Ramee zu ihm spricht.)

Klesel (in der Mitte der Bühne mit einer Bewegung gegen den Erzherzog.).
Ob ich's versuche, noch einmal versuche?

(Eine Gruppe Soldaten rechts im Vorgrunde.)

Erster (halblaut).
Des Kaisers Sohn Don Cäsar ist im Lager.
Er wirbt Gehilfen zu geheimem Anschlag.
Es soll 'ner Kutsche mit zwei Frauen gelten,
Begleitet nur von wenigen Berittnen.

Zweiter. Das wär' ja wie ein Räuberüberfall.

Erster. Des Kaisers Sohn und Räuber? Dann zuletzt,
Was kümmert's dich? Sieh hier, man zahlt mit Gold.
(Münzen zeigend.)

Zweiter. Gehst du?

Erster. Jawohl! und Kunz und Hans und Märten.

Klesel (im Mittelgrunde).
Nein, lieber sterben, als den Einsichtslosen
Die Einsicht opfern und gerechten Stolz.

Leopold (zu Ramee).
Sei rasch und klug und hüte dich vor dem!
(Auf Klesel zeigend, ab.)

Zweiter Soldat (rechts im Vorgrunde).
Hier hast du mich! Soll's bald?

Erster. Heut abend.

Zweiter. Gut!

Geschrei (hinter der Szene).
Vivat! Vivat!

Ramee. Was ist?

Hauptmann (in die Szene nach links blickend).
Ein Mann--umgeben--
In ung'risch niedrer Tracht.--'s ist der Erzherzog.

Ramee. Mathias?

Hauptmann. Wohl!--Nun vivat, vivat denn,
Wer's treu mit Östreich meint und seinem Haus.

(Klesel, der bei dem Worte Mathias zusammengefahren, stürzt jetzt
auf den Hauptmann zu, ihm die Rechte mit beiden Händen drückend,
dann eilt er nach der linken Seite ab.)

Alle (in derselben Richtung folgend).
Vivat! Vivat!

Ramee. Nun, vivat denn wir alle!
(Er schließt sich an.)

Erster Soldat (aus der Gruppe rechts).
Wir kommen noch zurecht. Doch wahrt die Zunge.

(Sie ziehen sich nach der rechten Seite zurück. Die Bühne ist leer
geworden.)

Verwandlung
Das Innere eines Zeltes. Kurzer Raum, im Hintergrunde durch einen
Vorhang geschlossen.

Von außen hört man noch immer Vivat rufen. Erzherzog Mathias in
einfachen ungarischen bis an die Knie reichenden Rocke, ein paar
Diener hinter sich, von der rechten Seite.

Mathias. Ha jubelt nur, ihr wackern treuen Jungen!
Diesmal fürwahr ging's nahe g'nug an Leib.
(Sein Kleid besehend, zu den Dienern.)
Gebt einen andern Rock!--Und doch, laßt immer!
Nicht trennen will ich mich von diesen Kleidern
Bis abgewaschen dieses Tages Schimpf.
Doch einen Stuhl, denn auszuruhn geziemt sich,
Eh man die Kraft zu neuem Wirken spannt.

Klesel (von rechts eintretend).
Gebt Raum! Gebt Raum! Ich muß zu meinem Herrn!
(Sich vor ihm auf die Knie werfend und seine Hand fassend.)
Ihr seid's, Ihr lebt! O uns ist allen Heil!

Mathias (Klesel emporhebend).
Habt Dank, mein Freund! Habt Dank für Eure Liebe.
Ja diesmal galt's. Ein Zoll, ein Haar,
Und Prinz Mathias ging zum dunkeln Land,
Wo Fürsten sich als Bettlergleiche finden.
(Sein Kleid zeigend.)
Der Riß hier, schau! Das war ein türk'scher Säbel,
Den einzeln ich der einzelne bestand.
Es gab zu tun, (mit einer Handbewegung) doch eine schiefe Quart
Des alten Mazzamoro, unsers Lehrers
Aus früher Knabenzeit, das endlich half.
Ein alter Landmann gab mir diesen Rock
Und so kam ich zurück ins eigne Lager.

(Diener haben einen kurzen Mantel gebracht.)

Mathias. Was soll's?--Sagt' ich denn nicht--? Es gilt wohl gleich!

(Diener ziehen ihm das ungarische Kleid aus und geben ihm den Mantel
um, währenddessen)

Klesel. Wie waren wir besorgt seit Flucht und Schlacht.

Mathias. Die Schlacht ging schief. Der alte Mansfeld
Mit seinem Zaudern hat das Heer verderbt,
Da ist kein Mann für tücht'ges Werk und Wagen.
Dagegen diese Türken,
(den Mantel zurecht ziehend, die Diener entfernen sich)
wahr bleibt wahr.
Sonst schützt ein Fluß den drangelehnten Flügel,
Sie aber schwimmen durch mit Roß und Mann,
Und was ein Bollwerk schien wird Punkt des Angriffs.
In Zukunft sieht man sich wohl vor.--Nun aber
Was geht für Nachricht von den Flüchtigen?
Sind sie zurück im Lager? Fehlen viel?

Klesel. Ein Dritteil sagt man fast des ganzen Heers.

Mathias (auf und nieder gehend).
Ein Dritteil, schlimm!

Klesel. Nicht wahr? Ihr seht nun selbst--

Mathias. Es finden manche sich wohl später ein.
Doch hätt' ich nicht gedacht--

Klesel. Der Rest entmutigt,
So daß kein Mittel, als--

Mathias (stille stehend).
Erneuter Angriff.

Klesel. Als Frieden.

Mathias. Neuer, doppeltstarker Angriff.

Klesel. Ihr wart ja doch vor kurzem überzeugt,
Daß nur allein Vertrag--

Mathias. Vor kurzem, ja,
Da war ich Sieger. Aber nun: besiegt.
Bei diesem Wort empört sich mir das Blut
Und steigt vom Herzen glühend in die Wangen.
Mir schwebt ein Plan vor aus Vegetius,
Bewährt sich der, dann sprechen wir des weitern.

Klesel. Ist das Eu'r Wort, im selben Augenblick,
Wo die Erzherzoge, von Euch berufen,
Im Lager schon, zu handeln von dem Frieden.

Mathias. Sie mögen sich den Krieg einmal besehn,
Mitmachen etwa gar, dergleichen frommt
Für Gegenwart und Zukunft; endlich gehn
Wohin sie Laune treibt, Beruf, Geschäft.

Klesel. Und wenn der Kaiser nun erfährt,
Daß man hier Rat gehalten gegen seinen Willen.

Mathias. Erfahren mußt' er's, ob nun so, ob so.

Klesel. Doch schützte der Erfolg vor seinem Zürnen.

Mathias. Den besten Schutz gibt in der Faust das Schwert.

Klesel. Und wenn er Euch nun ab vom Heer beruft?

Mathias. Vielleicht gehorcht' ich nicht.

Klesel. Gestützt auf was?
Der Feldherr, der Gehorsam weigert, heißt
Verräter, aber wer den Frieden gibt
Dem ausgesognen Land, wär's ohne Auftrag,
Er ist der Reiter, Abgott seines Volks.
(Halbleise.)
Vergeßt Ihr denn, daß Sultan Amurat
Der Frieden braucht, dem Geber dieser Ruh'
In Ungarn Macht und Einfluß gerne gönnt;
Sowie, daß Östreichs Stände beiden Glaubens
Dem Retter in der Not sich in die Arme
--Die doch auch Hände haben--freudig stürzen.

Mathias. Ich hab's gesagt. Die Schmach ertrüg' ich nicht.

Ein Diener (anmeldend).
Die Herrn Erzherzoge.

Klesel. Um Gottes willen!
Erkennt doch, daß es Wahnsinn was ihr wollt.
Und doch--Kommt's wie ein Lichtstrahl nicht von oben?
Es ist zu spät. Bleibt, Herr, bei Eurer Weigrung.
(Sich nach dem Vorgrunde entfernend.)
Vielleicht reift unsern Anschlag grade dies.

(Die Erzherzoge werden eingeführt.)

Max. Nun Bruder, Gott zum Gruß. Doppelt willkommen,
Als kaum entronnen solcher Fährlichkeit.
Nun aber ans Geschäft. Man rief uns her,
Als Zeugen dachten wir von einem Sieg,
Um zu bewundern Eure Strategie;
Doch scheint Gott Mars, der strahlende Planet,
Vorläufig in rückgängiger Bewegung.

Mathias. Aus vor- und rückwärts bildet sich der Kreislauf.

Max. Doch bleibt man hübsch im Kreis und kommt nicht vorwärts.
Nun Bruder sei nicht unwirsch, ging's mir auch doch
Viel anders nicht im Streit um Polens Krone.
Sie fingen mich sogar, trotz Stand und Würde.
Der Krieg kennt nicht Respekt, er zahlt auf Sicht.
Hier bring ich dir die Neffen, die du kennst
Obgleich seitdem (auf Leopold zeigend) gewachsen (auf Ferdinand) und
gealtert.
Sie kamen her, den Kreislauf zu studieren
Des Gottes Mars. Auch will man, heißt's, beraten
Um dies und das. Zuletzt denn sind wir hier.

Ferdinand (auf Max zeigend).
Des Bruders Gruß, nicht teilend seinen Scherz.

Leopold. Und hocherfreut, Euch, Oheim, wohl zu finden.

Mathias. Das geht nun so im Lager ab und zu,
Bald oben und bald unten. Ist's gefällig?
Ein Imbiß findet sich wohl noch zur Labung.

Max. Ich liebe nichts vom Krieg, am wenigsten
Die Kriegerkost. Ein deutscher Ordensmeister
Will alles ordentlich, zumal die Tafel.
Wir haben uns aus unsrer Reiseküche
Im Wagen schon gestärkt und danken freundlichst.
Auch will ich keine Lorbeern hier erwerben;
Drum rasch nur ans Geschäft, ist das beendigt,
Kehr ich nach Wien zurück sobald nur möglich
Und wo ein Weg noch von den Türken frei.
Du scheinst nicht meiner Meinung, Leopold?
Bleib hier, gebrauch dein Schwert! Du bist noch jung,
Und kommt's zur Flucht, bewegst du rüst'ge Beine.
Ich bin von Blei, das zwar aus der Muskete
Ein rasches Ding, sonst aber träg und schwer.
Nun aber: wo der Ratstisch und die Stühle?

(Klesel zieht an einer Schnur, der Vorhang des Zeltes öffnet sich und
zeigt einen grünbehangnen Tisch und Armsessel.)

Max. Der Teppich grün, ah, so bin ich's gewohnt.
An einem roten Tisch fiel' mir nichts ein,
Ein blaubehangner führte grad ins Tollhaus,
Doch grün, das stärkt das Aug' und den Verstand.
Kommt sitzen denn ihr Herrn! (Leise zu Mathias.) Doch hier ist einer,
Der überlei mir dünkt in unserm Rat.

Klesel (zu Mathias).
Befehlt Ihr irgend noch, erlauchter Herr,
Sonst, mit Erlaubnis, zieh ich mich zurück
Max. Bleibt immer denn, und führt das Protokoll!
Man spricht sonst her und hin und weiß zuletzt
Nicht ja, noch nein und wer und was gesprochen.
(Zu den übrigen.)
Geht sitzen, sitzen! Kommt!
(Kleseln das Ende rechts am Tische anweisend.)
Hier Euer Platz!
Doch mir zulieb, sprecht erst wenn man Euch fragt.
Nun Leopold?

Leopold (am Ende links).
Ihr wißt, ich stehe gern.

Max. Ich weiß, ich weiß! In Gräz vorm Bäckerladen
Hast du gestanden, eisern, stundenlang,
Bis sich die holde Mehlverwandlerin
Am Fenster, günstig, eine Venus, zeigte.

Leopold. Ein Stadtgeklatsch.

Max. Es klatschte wie von Küssen,
Und niemand wußt' es als die ganze Stadt.
(Zu Klesel.)
Tunkt Ihr die Feder ein? Ihr werdet doch nicht
Das alles setzen schon ins Protokoll?
Seht nur, er mahnt uns Klügeres zu sprechen
Und er hat recht, nun also denn: zur Sache.
Komm sitzen, Leopold!

Leopold. Nicht bis ich weiß:
Ob mit des Kaisers Willen, ob entgegen
Wir uns vereinen hier zu Spruch und Rat.

Mathias (nach einer Pause).
Sagt etwas, Klesel!

Klesel. Wenn ich also darf:
Es will gewiß der Mensch sein eignes Bestes.
Wird nun des Kaisers Bestes hier beraten,
Kann man noch zweifeln, ob es auch sein Wille?

Leopold. Ich aber will nur was ich selber will,
Und Herrscher heißt wer herrscht nach eignen Willen.

Mathias. Man merkt es wohl, Ihr sucht des Kaisers Gunst

Leopold. Wer sie nicht wünscht ist nicht sein Untertan.

Mathias. Doch hängt ein Nebenvorteil manchmal noch
Der Demut an, die nur Gehorsam schien.

Ferdinand. Komm Bruder Leopold, es soll nicht heißen,
Daß wir aus Gräz Gerüchten Nahrung geben,
Die Erberschleichung gegen das Gesetz
Auf unsers Hauses Wappenmantel spritzen.

Leopold. So will ich hören denn, doch sitzen nicht.

Mathias. Wie's Euch beliebt.

Max. Nun also denn: was soll's?

(Da Klesel nach einer Schrift in seinem Busen greift.)

Max. Laßt stecken, Herr, wir wissen was Ihr bringt:
Ein künstlich ausgefeilt Elaborat
Das uns den Frieden mit den Türken soll
Als rätlich, nötig, unerläßlich schildern.
Ihr seid der Widerhall von Euerm Herrn,
Wenn nicht vielmehr das Echo er von Euch.
Und deshalb ohne Vorwort zur Beratung.
Der Friede wäre gut, allein der Kaiser,
Des Landes Haupt und Herr, er will ihn nicht.
Nebstdem, daß unter solchen Schmeichelhüllen
Ein Anschlag, meint man, andrer Art sich birgt.
(Zu Klesel.)
Ich will Euch schelten, Herr, drum hieß ich Euch
Hier sitzen unter uns; da Bruderliebe
Und Fürstenachtung mir nicht will gestatten
Zu schelten meinen Bruder, Euern Herrn.
Die Stände, sagt man, protestant'schen Glaubens
Aus Österreich verkehren still mit Euch,
Und als den Preis der Sichrung vor den Türken
Nebst Zugeständnis ihrer Glaubensübung,
Verspricht man einem Fürsten unsers Hauses,
Den ich nicht kennen will, nicht nennen mag,
Ein neuerdachtes Schützeramt zu gründen
Halb abgesondert von dem Stamm des Reichs.
Ihr seht, was Ihr gesponnen kam ans Licht.
Seid noch Ihr für den Frieden?

Klesel. Durchlaucht ja.
Wenn diesmal auch Verleumdung wahr gesprochen,
Was gut bleibt gut, wär' auch der Geber schlimm.

Max. Und Bruder du?--Allein was frag ich noch
(auf Klesel zeigend)
Hat dieser deine Meinung doch gesprochen.

Mathias. Glaubst du? (Zu Klesel.) Sagt Eure Meinung noch einmal.

Klesel. Den Frieden, hoher Herr.

Mathias. Und ich den Krieg.
Ich bin beschimpft im Angesicht der Welt.
Die Ehre unsrer Waffen stell ich her,
Dann mag die Klugheit und die Furcht beraten.

Max. Nun Bruder sei nicht kindisch, möcht' ich sagen.
Hoffst du, geschlagen mit dem ganzen Heer,
Nun, mit dem halben, Sieg dir zu erringen?
Von hier bis Wien ist nirgends eine Stellung,
Die Mauern Wiens verfallen, ungebessert,
Ein Wandelgang für friedliche Bewohner,
Nicht eine Abwehr gegen solchen Feind.

Klesel (die Feder eintauchend, eifrig).
So seid Ihr für den Frieden?

Max. Ich? Bewahr!

Klesel. Doch spracht entgegen Ihr dem Krieg.

Max. Ei, laßt mich!

Ferdinand (zu Mathias).
Wozu noch kommt, daß es mich heidnisch dünkt,
Für Kriegesruhm und weltlich eitle Ehre,
Das Wohl des Lands, der ganzen Christenheit
Zu setzen auf ein trügerisches Spiel.

Leopold. Fernand, sie haben dich.

Ferdinand. Was fällt dir ein?

Leopold. Wer billigt, der bewilligt wohl zuletzt.

Ferdinand (fortfahrend).
Auch sind im Heer beinah nur Protestanten,
Und wo der Glaube fehlt, wo bleibt die Hoffnung?

Klesel (zu Mathias).
Beliebt's Euch hoher Herr?

Mathias. Was das betrifft,
So weiß ich keinen gläubiger als mich.
Doch ist das Land, sind seine höchsten Stellen
Mit diesen Protestanten dicht besetzt.
Muß ich sie schonen nicht, will ich sie brauchen?
Muß ich sie brauchen nicht, wenn zwingt die Not?
Und sag ich's nur: die Fähigsten, die Kühnsten,
Die Ketzer sind's, ich weiß nicht wie es kommt.

Klesel (auf sein Papier herabgebeugt, wie vor sich).
Der Krieg ist dieser Spaltung Keim und Wurzel.

Ferdinand (auf Klesel).
Da spracht Ihr wahr, wenn irgend jemals sonst!
Weil Ruhe war in meiner Steiermark,
Weil ich bei Ketzern brauchte nicht zu betteln,
Gelang's mir ihre Rotte zu zerstreun;
Und deshalb, wäre nicht des Kaisers Wille,
Stimmt' ich in Euern Antrag freudig ein.
Doch gäb' es einen Ausweg, wie mir deucht,
Der Krieg und Frieden gleicherweis vereint:
Den Waffenstillstand--(Zu Klesel.) Schüttelt Ihr den Kopf?

Mathias. Und soll er nicht, solang sein Kopf ihm eigen?
Glaubt ihr, der Türke werde müßig gehn,
Für Waffenruh' und solchen armen Tand,
Des Vorteils sich begeben, der ihm lacht?
--Wenn er im Vorteil ja, wie's wirklich scheint.--
Das ist der Fluch von unserm edeln Haus:
Auf halben Wegen und zu halber Tat
Mit halben Mitteln zauderhaft zu streben.
Ja oder nein, hier ist kein Mittelweg.

Ferdinand. Wenn man uns drängt, das ist nicht Brauch noch Sitte.

Mathias. Es drängt die Zeit; wir selbst sind die Bedrängten.

Ferdinand. Und kennt man die Bedingungen des Feinds?

Klesel (den Stuhl rückend).
Das ist zu wissen leicht aus erster Quelle.
Des Ofner Bassa Sekretär und Dolmetsch
Ist hier im Lager; wenn Ihr es gestattet,
Führ ich ihn her, hört selbst dann was er bringt.

Max. Mir ist gemein nichts mit den grimmen Türken.

Ferdinand (heftig).
Weiß sonst man irgend, frag ich noch einmal,
Die Punkte die der Heide nimmt und gibt.

Klesel. Der Stand wie vor dem Krieg.

Max. Das wäre billig.

Leopold. Halt aus, Fernand, halt aus! Kehr ruhig heim.
Ich bleibe hier; wär's als gemeiner Reiter,
Wär's auf den Trümmern des zerstörten Wiens,
Durch Blut und Krieg mit allen seinen Schrecken,
Zu fechten für des Kaisers Macht und Willen.

Ferdinand (sich mit Abscheu von ihm wendend).
Nun Frieden also denn!

Leopold. Fernand auch du?

Ferdinand. Fragst du mich noch, der du mich selber zwingst,
Mir schildernd alle Greuel des Verweigerns?

Klesel (ruhig zu Mathias).
Ihr seid für Krieg?

Mathias. Wenn man mich überstimmt!

Leopold. Hier ist noch einer. Ohm, wir sind zu zwei.

Mathias. Gerade deshalb Frieden auch.

Max. Wir sind zu Ende.

Klesel. Vorerst erlaubt, daß mit zwei Worten nur,
Dem Pfortendolmetsch, der im Lager harrt,
Den Ratschluß ich verkünde samt dem Frieden.

Ferdinand. Warum so rasch?

Klesel. Wir haben dann was Ihr
In Eurer Weisheit wünschenswert erachtet:
Stillstand der Waffen. Denn, o Herr bedenkt!
Benützt der Türke seinen jetz'gen Vorteil
Und schneidet ab das Heer im Rücken gar,
So steigert er, befürcht ich, seine Fordrung
Und unsre Opfer steigern sich zugleich.

Max. Schreibt immer denn!

Ferdinand. In mir ringt's wirren Zweifels.
Was gäb' ich nicht wär' mir der Schritt erspart.

Max. Zuletzt hat unser Bruder jüngster Zeit
So sehr sich von Geschäften rückgezogen
Und aufgeschoben was doch unverschieblich,
Daß ihm ein milder Zwang vielleicht erwünscht.

Leopold. Ihr werdet sehen was Ihr angerichtet.

(Klesel klingelt, ein Diener erscheint.)

Klesel (den gefalteten Zettel übergebend).
Des Ofner Bassa Sekretär. Sogleich!

(Diener ab.)

Max. Noch einmal sag ich denn: wir sind zu Ende.

Klesel. Nicht ganz, erlauchte Herrn! (Aufstehend.) Wenn ich bisher
Nur auf Erlaubnis sprach und wider Willen,
Tret ich nun auf in meinem eignen Amt,
Als Seelenhirt, als Redner für ein Volk
Und als Vertreter unsers heil'gen Glaubens.
Dieselbe Stimme, die in Wien und Neustadt
Zu Tausenden bekehrt mit ihrer Macht
Erheb ich nun mit gleichem Feuereifer
Im Angesicht der Gegenwart und Zukunft.
Ihr schloßt den Frieden edle Herrn, allein
Wenn ihn, gesetzt, der Kaiser nun verwirft?

Max. Er wird es nicht.

Leopold. Er wird's.

Klesel (zu Leopold höhnisch).
Ihr habt's getroffen
Und kennt, so scheint's, des Kaisers tiefste Meinung.

(Mathias will auffahren, Klesel hält ihn mit einer Handbewegung
zurück.)

Ferdinand. Das sagt Ihr uns, nachdem der Bote fort,
Der unser Wort verpfändet an den Türken?

Klesel. Die Not erkennend schloßt Ihr den Vertrag,
Doch erst gehalten sind Verträge wirklich.
Wenn nun der Kaiser Euern Schluß verwirft?

Max. Dann waschen wir in Unschuld unsre Hände.

Klesel. Das wäre Unschuld schlimmer noch als Schuld.
Dies edle Land, es darf nicht untergehn
Und alles was dem Menschen hoch und heilig
Nicht von dem Überdruß, den Wechsellaunen
Und der Entfernung zwischen Prag und Wien
Abhängig sein zu drohendem Verderben.
Am heut'gen Tag, vertragend mit dem Feind,
--Obgleich vorläufig nur, auf spätern Abschluß--
Erkanntet in Euch selber Ihr die Macht
Zu sorgen für des Vaterlandes Beste.
Doch nicht der Kaiser nur ist wankelmütig,
Der Türk' ist treulos, als ein Heide schon,
Im ganzen Reich der fernen Möglichkeiten
Ist nichts als Zweifel, Arglist und Gefahr.
Ihr könnt nicht immer hier zu Rate sitzen,
Deshalb ist nötig, daß für alle einer
Mit Macht bekleidet, wenns die Not erheischt,
Zu handeln als des Hauses Hort und Säule.

Leopold. Er spricht für seinen Herrn.

Klesel. Diesmal nicht also!
Befragt Ihr mich, wen ich vor allen liebe,
Wen ich an Tapferkeit, an hohem Sinn,
Voran den Fürsten mancher Länder setze,
So ist die Antwort: ihn dort, meinen Herrn.
Allein zu solchem Amt fehlt ihm die Festigkeit,
Nicht Kraft, doch das Beharren im Entschluß.

Mathias (zornig).
Ich will Euch zeigen, ob ich fest, ob nicht.

Klesel. Auch hat man uns geheimes Einverständnis
Mit Ketzern, Unzufriednen Schuld gegeben,
Das darf nicht sein bei anvertrauter Macht.
Erzherzog Maximilian wäre rein.

Max. Ich bin entwohnt des Wirkens und Befehlens,
Mich träfe ganz was meinen Bruder halb.

Klesel. Nun denn: ein Muster hier der Festigkeit,
Der Herr der Steiermark, der, rascher Tat,
Die Ketzerei getilgt in seinem Land.

Mathias. Was fällt Euch ein? Ist Euch denn nicht bekannt,
Daß diese Gräzer um des Kaisers Gunst,
Mit Hoffnung wohl zu folgen auf dem Thron,
Der eine laut, der andre leise buhlen?

Ferdinand (zu Klesel).
Auch, habt gerühmt Ihr meine Festigkeit,
Vergaßt Ihr ihre Wurzel: das Gewissen;
Das eine Beugung etwa mir erlaubt
Zu gutem Zweck, wie etwa heut und jetzt;
Doch Übertretung, förmliche Verletzung
Mir nicht gestattet, gält' es eine Krone.
Mathias ist des Hauses Ältester,
Tut not denn übertragene Gewalt,
Wie es fast scheint, so sei sie ihm vertraut.

Mathias. Ja mir gebührt's vor allen und mit Recht.

Klesel (ein Papier aus dem Busen ziehend).
Da braucht es nur noch Eure Unterschrift.

Leopold. Seht Ihr den Schalk? er hat's schon in der Tasche.

Klesel. Die Vollmacht ja, allein der Name fehlt.
(Die Schrift hinhaltend.)
Er blieb hier weiß.

Ferdinand (zu Max).
Wenn's Oheim Euch genehm.

(Sie lesen die Schrift.)

Leopold. Schreibt nur Rudolphus, so bleibt's nach wie vor.
Ihr habt uns hier am Narrenseil geleitet,
Ich geh nach Prag und zeig's dem Kaiser an.

Mathias. Das dürft Ihr nicht.

Klesel (demütig).
Herr, das war die Bedingung:
Geheimzuhalten was beschloß der Rat.

Leopold (sein Wehrgehäng zurechtrichtend).
So will ich nur im offnen und geheimen
Den Kaiser schützen, den Ihr doch bedroht.

Ferdinand. Ich setze denn Mathias.

Max. Immerhin.

Ferdinand (unterzeichnend).
Und hier die Unterschrift.

Max (ebenso).
Sowie die meine.

Ferdinand (der aufgestanden ist).
Wenn ich betrachte dieses Unglücksblatt
So geht's durch meine Seele wie Verderben.

Klesel. Sie liegt noch hier; es braucht nur sie zerreißen,
So stehen wir auf gleichem Platz wie vor.

Ferdinand. Ich fühle wohl, es muß. Komm Leupold mit nach Gräz,
Es drängt mich mein Gewissen auszuschütten
Vor dem der seine Zweifel kennt und löst.

Max (aufstehend).
Es ist geschehn. Nun Bruder aber höre:
Sei fest und treu! Vor allem aber wisse:
Warst eines Sinnes du mit diesem Mann
(auf Klesel zeigend) Ich hätte die Gewalt dir nicht gegeben.
Drum brauch ihn, er ist klug, doch hüte dich.

Mathias (streng).
Ich werde wohl, und hab ihn heut erkannt.

Ferdinand. Vielmehr begehr ich, daß Ihr ihn gebraucht,
Er ist ein Eifrer für die fromme Sach.

Leopold. Du zitterst ja!

Ferdinand. Laß nur, es geht vorüber.

Leopold. Wir haben keinen guten Kampf gekämpft.

Mathias. Wollt ihr schon fort?

Max. Laß uns! wir sind betrübt.
Und ohne Abschied denn!--Geht ihr?

Ferdinand. Leopold. Wir folgen.

Mathias. Zur Kutsche wenigstens nehmt das Geleit.
Auf bald'ges, frohes Wiedersehn.

Die Erzherzoge. Wir hoffen's.

(Sie gehen, von Mathias geleitet.)

Klesel. Nun rasch ans Werk! Vor allem die Depeschen.
(Er setzt sich und schreibt.)

Mathias (zurückkommend).
Wie, du noch hier? Du trittst vor meine Augen,
Nachdem du erst gesprochen wider mich?

Klesel (aufstehend).
Herr, wider Euch? für Euch! Ihr habt die Schrift,
Die Euch zum Herren macht in diesem Land.

(Da Mathias zu ihm tritt.)

Wenn Ihr mich stört such anderwärts ich Ruh'.
Es gilt zu schreiben, schreiben, rasch und viel.
Und diese Schrift, Ihr sollt mir sie noch küssen,
Wie ich sie küsse jetzt.
Wir sind geborgen.

(Er tritt ins Innere des Zeltes, dessen Vorhänge er herabläßt.)

Mathias. Er ist ein Rätsel was er tut und spricht
Und seine Rede streitet mit ihm selber.--
Nun ja, die Schrift (Freudig auffahrend.) He Klesel, Klesel höre!
(Er tritt an den Vorhang.)
Er gibt nicht Antwort. Laß ich ihn denn jetzt!
Ein Meer von Bildern schwimmt vor meiner Seele.

(Auf die Seitentüre zugehend bleibt er stehen, als ob er umkehren
wollte, geht aber nach einigem Besinnen ab.)



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Gegend in der Nähe des kaiserlichen Lagers.

Abenddämmerung. Man hört einige Flintenschüsse hinter der Szene.
Prokop, ein bloßes Schwert in der Hand, kommt mit seiner Tochter.

Prokop. Komm meine Tochter, noch hält dieser Arm
Und fühlt sich stark genug dich zu verteid'gen.

(Zwei kaiserliche Soldaten folgen.)

Erster. Gebt Euch, sag ich, Ihr lebtet längst nicht mehr,
Wär' nicht die Furcht das Mädchen zu verletzen.

Prokop (rufend).
Janek! Basil!

Zweiter. Die hörten auf zu hören.
Ihr seid der einzig Lebende, drum hört!

Prokop. So will ich sterben denn, mein Kind verteid'gend.
Allein was wird aus ihr, wenn ich erlag.

Erster. Das eben, Herr, bedenkt und weicht der Not
Sonst eins, zwei, drei, und Euer Tag ist aus.

(Sie nähern sich ihm.)

Prokop. Lebt denn kein Retter mehr im weiten All?
Kein Helfer, der bedrängte Unschuld schirmt?

(Trompeten in der Nähe.)

Prokop. Hört ihr?

(Ein dritter Soldat kommt.)

Erster. Was ist?

Dritter. Die Herrn Erzherzoge,
Die, stark begleitet, aus dem Lager kehren,
Ein Unstern führt sie eben hier vorbei.
Wir sind zu schwach, entflieht!

Erster. Ich werde wohl!
Der Lohn, zum Glück, ward vorhinein bezahlt.

(Sie ziehen sich zurück.)

Prokop. Wir sind gerettet Kind! Lukrezia hörst du?

(Erzherzog Leopold und Oberst Ramee kommen mit Begleitung, die bloßen
Schwerter in der Hand.)

Leopold. Nicht Türken sind's, des eignen Lagers Auswurf,
Zu Brudermord gezückt das feige Schwert.
Verfolgt sie, gebt dem Henker seine Beute!

(Ramee und einige in der Richtung der Flüchtigen, ab.)

Leopold. Und wer seid Ihr?

(Erzherzog Ferdinand mit Dienern und Fackeln ist gekommen.)

Prokop (gegen Ferdinand gewendet).
Ein Bürger, Herr, von Prag,
Mit seiner Tochter, die Euch dankt die Rettung.
Ein Mächtiger am Hof verfolgte sie;
Deshalb nun wollt' ich sie nach Dukla bringen
Zu einer Tante, die dort lebt im Schloß.
Allein der Kriegslärm, damals weit entfernt,
Er überholte uns auf unsrer Reise.
Seitdem nun irren wir auf Seitenwegen
Und hofften in dem Christenlager Schutz.

Leopold (Lukrezias Hand fassend).
Erholt Euch, schönes Kind.

Lukrezia (die Hand zurückziehend).
Nicht schön, doch ehrbar.

(Ramee und seine Begleiter kommen mit einem in einen dunkeln Mantel
Verhüllten zurück.)

Ramee. Den einz'gen nur gelang es zu ereilen.

Leopold. Verhüllt Ihr Euch? Es ist nicht Fastnachtzeit!
Die Fackel her!

(Ein Diener leuchtet hin.)

Lukrezia. O Gott, er ist's.

Erzherzog Ferdinand. Don Cäsar!

Prokop. Derselbe den wir flohn.

Ferdinand. Wie kommt Ihr hieher?

Don Cäsar. Fragt nicht und laßt mich frei.

Ferdinand. Nicht also, Freund!
Der Kaiser will Euch gern in seiner Nähe,
Und Ihr bedürft, so seh ich, strenger Hut.
(Zu einem Befehlshaber.)
Geleitet ihn mit Eurer Schar von Reitern
Und sagt dem Kaiser, wenn ihr kommt nach Prag--
Allein das tu ich selbst, wenn's an der Zeit.
Geht nur! Ihr haftet mir für seine Stellung.

(Don Cäsar wird fortgebracht.)

Prokop. Allein was wird aus uns?

Erzherzog Ferdinand. Schließt Euch nur an,
Bis Ihr die Grenze habt erreicht von Mähren,
Wo sicher Euer Weg.

Prokop. Nehmt tausend Dank.
Komm nur mein Kind!
(Nach Don Cäsar hinweisend.)
Er kann nicht weiter schaden.

(Ab mit Lukrezia.)

Leopold. Nun, Bruder, sieh, wir taten doch ein Gutes.

Ferdinand. Nachdem wir Schlimmes erst, ich fühl's, getan.

Leopold. Sei nicht betrübt, es findet sich noch alles.
Was halb du weißt und halb ich dir verschwieg:
Das Heer in Passau, das ich, andern Vorwands,
Seit lange werb, es stellt die Waage gleich
Und gibt dem Kaiser wieder seine Rechte.

Ferdinand (die Arme auf seine Schultern legend).
Nichts Unvorsichtiges mein Freund und Bruder!

Leopold (während Ferdinand sich auf ihn stützt).
Voraussicht ist ja Vorsicht, oder nicht?
Die Klugheit gibt nur Rat, die Tat entscheidet.
Es soll sich alles noch zum Guten wenden.

(Indem sie abgehen, fällt der Vorhang.)




Dritter Aufzug

Zimmer im Schlosse auf dem Hradschin. Rechts im Hintergrunde eine
türförmige Öffnung, in der ein Schmelztiegel auf einem chemischen
Ofen steht. Daneben der Haupteingang.

Kaiser Rudolf kommt aus einer Seitentüre rechts.


Rudolf. He Martin, Martin! Plagt dich denn der Böse?
Ist alles denn verworren und verkehrt?
Es fehlt an Kohlen, Kohlen.

(Ein Mann in berußter Jacke und Mütze, einen Korb Kohlen am Arme,
ist eingetreten.)

Rudolf. Träger Zaudrer!
Besorgt denselben Dienst seit dreißig Jahren
Und gafft und glotzt als wär's zum erstenmal.

(Der Mann beschäftigt sich im Hintergrunde.)

Wo schüttest du die Kohlen hin? Carajo!
Scheint's doch du willst mir die Retorte füllen
Und nicht den Herd. Verwünschter Schlingel!
Bist du bezahlt zu Tode mich zu ärgern?

Der Mann (nach vorn kommend, seine Mütze abnehmend und sich auf ein
Knie niederlassend).
Verzeiht, o Herr, ich bin's nur nicht gewohnt.

Rudolf. Du bist nicht Martin!--Fuego de Dios!

(Der Mann hat auch das Wams geöffnet.)

Rudolf. Ah--Herzog Julius von Braunschweig Liebden!
Wie kommt Ihr her? und doch zumeist
(Mißtrauisch mehrere Schritte zurücktretend.) Was wollt Ihr?

Herzog Julius. Seit vierzehn Tagen such ich Audienz
Und konnte nun und nimmer sie erhalten,
Da griff ich in der Not zu dieser List.
Verzeiht dem Treuen der es gut gemeint.

Rudolf. Ha, ha, ha, ha! Kein übler Spaß! Steht auf!
Ihr könnt nun wenigstens dem Volk bestätigen,
Daß ich noch lebe, was man, heißt's, bezweifelt.

Julius (der aufgestanden ist).
Bezweifelt, und mit Recht.

Rudolf. Ja alter Freund,
Damit ich lebe muß ich mich begraben,
Ich wäre tot, lebt' ich mit dieser Welt.
Und daß ich lebe ist vonnöten Freund.
Ich bin das Band, das diese Garbe hält,
Unfruchtbar selbst, doch nötig, weil es bindet.

Julius (der den Kittel ausgezogen und auf einen Stuhl gelegt hat).
Doch wird das Band nun locker, Majestät?

Rudolf. Mein Name herrscht, das ist zur Zeit genug.
Glaubst: in Voraussicht lauter Herrschergrößen
Ward Erbrecht eingeführt in Reich und Staat?
Vielmehr nur: weil ein Mittelpunkt vonnöten,
Um den sich alles schart was Gut und Recht
Und widersteht dem Falschen und dem Schlimmen,
Hat in der Zukunft zweifelhaftes Reich
Den Samen man geworfen einer Ernte,
Die manchmal gut und vielmal wieder spärlich.
Zudem gibt's Lagen wo ein Schritt voraus
Und einer rückwärts gleicherweis' verderblich.
Da hält man sich denn ruhig und erwartet
Bis frei der Weg, den Gott dem Rechten ebnet.

Julius. Doch wenn Ihr ruht, ruhn deshalb auch die andern?

Rudolf. Sie regen sich, doch immerdar im Kreis.
Die Zeit hat keine Männer, Freund wie Feind.

Julius. Allein der Krieg in Ungarn?

Rudolf. Der ist gut.
Den Krieg, ich haß ihn als der Menschheit Brandmal
Und einen Tropfen meines Blutes gäb' ich
Für jede Träne, die sein Schwert erpreßt;
Allein der Krieg in Ungarn der ist gut.
Er hält zurück die streitenden Parteien,
Die sich zerfleischen in der Meinung schon.
Die Türkenfurcht bezähmt den Lutheraner,
Der Aufruhr sinnt in Taten wie im Wort,
Sie schreckt den Eifrer meines eignen Glaubens,
Der seinen Haß andichtet seinem Gott.
Fluch jedem Krieg! Doch besser mit den Türken,
Als Bürgerkrieg, als Glaubens-, Meinungsschlachten.
Hat erst der Eifer sich im Stehn gekühlt,
Die Meinung sich gelöst ins eigne Nichts,
Dann ist es Zeit zum Frieden, dann mein Freund,
Soll grünen er auf unsern lichten Gräbern.

Julius. Allein der Friede ward geschlossen.

Rudolf. Ward.
Ich weiß, doch nicht bestätiget von mir,
Und also ist es Krieg bis Gott ihn schlichtet.
Doch daß ich nicht auf Zwist und Streit gestellt--
Siehst du? ich schmelze Gold in jenem Tiegel.
Weißt du wozu?--Es hört uns niemand mein ich.--
Ich hab erdacht im Sinn mir einen Orden,
Den nicht Geburt und nicht das Schwert verleiht,
Und Friedensritter soll die Schar mir heißen.
Die wähl ich aus den Besten aller Länder,
Aus Männern, die nicht dienstbar ihrem Selbst,
Nein, ihrer Brüder Not und bitterm Leiden;
Auf daß sie weithin durch die Welt zerstreut,
Entgegentreten fernher jedem Zwist,
Den Ländergier und was sie nennen: Ehre,
Durch alle Staaten sät der Christenheit,
Ein heimliches Gericht des offnen Rechts.
Dann mag der Türke dräun, wir drohn ihm wieder.
Nicht außen auf der Brust trägt man das Zeichen,
Nein innen wo der Herzschlag es erwärmt,
Es sich belebt am Puls des tiefsten Lebens.
Mach auf dein Kleid!--Wir sind noch unbemerkt.
(Er hat aus der Schublade des Tisches eine Kette mit daranhängender
Schaumünze hervorgezogen.)
Der Wahlspruch heißt: Nicht ich, nur Gott.--Sprich's nach!

Julius (der sein Kleid geöffnet und sich auf ein Knie niedergelassen
hat).
Nun denn. Nicht ich, nur Gott--und Ihr!

Rudolf. Nein wörtlich.

Julius. Nicht ich, nur Gott.

Rudolf (nachdem er ihm die Kette umgehangen).
Nun aber schließ die Hülle,
Daß niemand es erblickt. Du bist ein Ketzer,
Allein ein Ehrenmann. So sei geehrt.

Julius (der aufgestanden ist).
O Herr, wenn Ihr dem Andersmeinenden,
Ihr mir die Huld verleiht, die mich beglückt,
Warum versöhnt Ihr nicht den Streit der Meinung
Und gebt dem Glauben seinen Wert: die Freiheit,
Euch selbst befreiend so zu voller Macht?

Rudolf. Zu voller Macht? Die Macht ist's was sie wollen.
Mag sein, daß diese Spaltung im Beginn
Nur mißverstandne Satzungen des Glaubens,
Jetzt hat sie gierig in sich eingezogen
Was Unerlaubtes sonst die Welt bewegt.
Der Reichsfürst will sich lösen von dem Reich,
Dann kommt der Adel und bekämpft die Fürsten;
Den gibt die Not, die Tochter der Verschwendung
Drauf in des Bürgers Hand, des Krämers, Mäklers,
Der allen Wert abwägt nach Goldgewicht.
Der dehnt sich breit und hört mit Spotteslächeln
Von Toren reden, die man Helden nennt,
Von Weisen, die nicht klug für eignen Säckel,
Von allem was nicht nützt und Zinsen trägt.
Bis endlich aus der untersten der Tiefen
Ein Scheusal aufsteigt, gräßlich anzusehn
Mit breiten Schultern, weitgespaltnem Mund,
Nach allem lüstern und durch nichts zu füllen.
Das ist die Hefe, die den Tag gewinnt
Nur um den Tag am Abend zu verlieren,
Angrenzend an das Geist- und Willenlose.
Der ruft: Auch mir mein Teil, vielmehr das Ganze!
Sind wir die Mehrzahl doch, die Stärkern doch,
Sind Menschen so wie ihr, uns unser Recht!

Des Menschen Recht heißt hungern, Freund, und leiden,
Eh' noch ein Acker war, der frommer Pflege
Die Frucht vereint, den Vorrat für das Jahr;
Als noch das wilde Tier, ein Brudermörder,
Den Menschen schlachtete der waffenlos,
Als noch der Winter und des Hungers Zahn
Alljährlich Ernte hielt von Menschenleben.
Begehrst ein Recht du als ursprünglich erstes,
So kehr zum Zustand wieder der der erste.
Gott aber hat die Ordnung eingesetzt,
Von da an ward es licht, das Tier ward Mensch.

Ich sage dir: nicht Szythen und Chazaren,
Die einst den Glanz getilgt der alten Welt,
Bedrohen unsre Zeit, nicht fremde Völker:
Aus eignem Schoß ringt los sich der Barbar,
Der, wenn erst ohne Zügel, alles Große,
Die Kunst, die Wissenschaft, den Staat, die Kirche
Herabstürzt von der Höhe, die sie schützt,
Zur Oberfläche eigener Gemeinheit,
Bis alles gleich, ei ja, weil alles niedrig.
(Er setzt sich.)

Julius. Ihr schätzt die Zukunft richtig ab, das Ganze,
Doch drängt das Einzelne, die Gegenwart.

Rudolf. Mein Haus wird bleiben, immerdar, ich weiß,
Weil es mit eitler Menschenklugheit nicht
Dem Neuen vorgeht oder es begleitet,
Nein, weil es einig mit dem Geist des All,
Durch klug und scheinbar unklug, rasch und zögernd,
Den Gang nachahmt der ewigen Natur,
Und in dem Mittelpunkt der eignen Schwerkraft
Der Rückkehr harrt der Geister, welche streifen.

Julius. Doch Eure Brüder denken nicht wie Ihr.

Rudolf. Mein Bruder ist nicht schlimm, obgleich nicht klug.
Ich geh ihm Spielraum, er begehrt zu spielen.

Julius. War's Spiel? daß eigner Macht er schloß den Frieden,
Ist's Spiel? da er den Herren spielt im Land?

Rudolf. Du spielst mit Worten wie er mit der Macht.

Julius. Man sagt, der Türke hab ihm angeboten
Die Krone Ungarns.

Rudolf. Sagt! Die Krone Ungarns.
Der Türke hat das Land. Was soll das Zeichen?

Julius. Die Protestanten,--Herr, ich bin ein Protestant,
Doch nur im Glauben, nicht in Widersetzung--
Sie haben ihm als Preis der Glaubensübung
Beistand geschworen wider männiglich.

Rudolf. Mein Bruder ist katholischer als ich.
Er ist's aus Furcht, indes ich's nur aus Ehrfurcht.
Die Glaubensfreiheit stünde gut mit ihm!

Julius. So nützt er sie um später sie zu täuschen.
Die Wirkung bleibt die nämliche für jetzt.
In Mähren greift die Regung schon um sich
Und fremde Truppen ziehen durch die Städte.

Rudolf. Das ist der Tilly, den ich hingesandt--
Ich bin so blind nicht all ihr etwa glaubt--
Der hält das Land in Zaum.

Julius. Es sind die Völker
Aus Eures Bruders ungarischem Heer.
In Böhmen selbst--

Rudolf. Du weißt nicht was du sprichst.
Die Böhmen sind ein starres Volk, doch treu.

Julius. Vor allem treu stammalter Überzeugung.
Der Huß ist tot, doch neu regt sich sein Glaube.
In Prag hält man schon Rat und knüpft Vereine.

Rudolf (gegen die Türe gewendet).
Und das verschweigt man mir?

Julius. Verzeiht o Herr!
Man will es Euch gemeldet haben, doch--

Rudolf. Der eine sagt mir dies, der andre das,
Wie's ihm sein Vorteil eingibt, seine Meinung.
Arm sind wir Fürsten, wissen das Geheime,
Allein das Offenkund'ge, was der Bettler weiß,
Der Tagelöhner, bleibt uns ein Geheimnis.
Auch war soviel zu tun in letzter Zeit.
Der Schotte Dee war hier. Ein Mann der Wunder,
Der eindringt in die Urnacht des Geschaffnen
Und sie erhellt mit gottgegebnem Licht.
Ich habe viel gelernt in dieser Zeit.
Hätt' ich gleich ihm nur einen mir zur Seite,
Ich stünde dieser Welt und ihrem Dräun.

Julius. Ihr seid verraten, hoher Herr, verkauft.
Indes Ihr lernt, lehrt Ihr der Welt den Aufruhr,
Der schon entfesselt tobt in Euern Städten.

Rudolf. Hast du's gesehn?

Julius. Ich nicht.

Rudolf. So sprich auch nicht!
Ein jeder sieht ein andres, nein, sieht nichts
Und gibt den Rat, der nichtig schon von vornher.

Julius. Ein Mann ist hier, er kommt von Brünn und Wien.
Er hat gesehn. Es ist derselbe, Herr,
Der Euern Flüchtling rückgebracht--Don Cäsar.

Rudolf. Bring ihn zu mir den Mann! Ich will ihn sprechen.
Er hat geleistet mir den höchsten Dienst,
Der mir erwiesen ward seit langen Jahren.

Julius. Er ist im Vorgemach.

Rudolf. Warum nicht hier?
Was zögert er? Warum nicht mir genüber?
Don Cäsar! Wie mein Innres sich empört!
Der freche Sohn der Zeit.--Die Zeit ist schlimm,
Die solche Kinder nährt und braucht des Zügels.
Der Lenker findet sich, wohl auch der Zaum.

(Herzog Julius hat indessen Lukrezias Vater eingeführt.)

Rudolf (ihm einige Schritte entgegengehend).
Ah du, mein Ehrenmann! (Zurücktretend.) Bleibt immer dort!
Dort an der Tür. Ihr seid ein Bürger Prags?

Prokop. Ich bin es, Majestät.

Rudolf. Seit wann denn führen
Die Bürger Waffen?

Prokop (auf den Dolch in seinem Gürtel blickend).
Herr, die böse Zeit
Gebeut zu rüsten sich
(Den Dolch mit der Scheide aus dem Gürtel ziehend, mit einer Bewegung
nach der Türe.)
Doch will ich--

Rudolf. Bleibt!
Ihr habt den Flüchtling der sich Cäsar nennt
Gestellt uns als Gefangenen zur Haft.
Wir danken Euch, und denken Eure Tochter
Zu schützen gegen ihn; vorausgesetzt,
Daß sie nicht selbst, wie etwa Weiberart,
Ihn anfangs tändelnd angezogen--

Prokop. Nein!

Rudolf. Nun Ihr sprecht kurz. Ihr seid ein Protestant?

Prokop. Herr, Utraquist, des böhm'schen Glaubens.

Rudolf. So!
Warum des böhmischen und nicht des deutschen?
Des welschen, griechisch, span'schen?--Arme Wahrheit!
Vergaß ich fast doch, daß es so viel Kirchen
Als Kirchenräume gibt und--Kirchhofgräber.
Nun gut. Vor Cäsar lebt nur künftig sicher,
Ich will ihn hüten wie des Auges Stern.
Und hört ihr einst er sei zu Nacht gestorben,
So denkt nur: seine Krankheit hieß Verbrechen
Und Strafe war sein Arzt.--Ihr kommt von Wien.
Ich weiß was man dort treibt und halb ich dulde
Und halb ein Wink von meiner Hand zerstreut.
Doch lüstet mich's zu hören was ihr saht,
Ein einfach schlichter Mann.

Prokop (gegen Herzog Julius).
Das von der Huld'gung?
(zum Kaiser.) Ich war dabei in Wien als beide Östreich
Im Landhaussaal geschworen Euerm Bruder.

Rudolf. Geschworen als Erzherzog, nun er ist's.

Prokop. Umringt war er von ung'rischen Magnaten
Als er den Saal betrat, die laut und jubelnd
Ihn grüßten als des Ungarlandes König.

Rudolf. Das ist nicht wahr!

Prokop (zu Herzog Julius).
So kann ich wieder gehn?

Rudolf. Wenn ich Euch's heiße, früher nicht noch später.
Der Ungarn König? Nun: voraus bezeichnet,
Nachfolger etwa; ob auch das zur Zeit
Nicht sicher noch, abhängig von gar vielem.
In Mähren dann?

Prokop. Ich war in Brünn zugegen
Beim Einzug Eures Bruders, wo er jubelnd,
Vor allem von den Dienern meines Glaubens,
Empfangen ward, ein Retter in der Not.
Die protestant'schen Kirchen stehen offen;
Und ob er gleich sich letzter Zeit entfernt--

Rudolf. Entfernt? Wohin?

Prokop. Man weiß nicht, Herr, die Richtung.

Rudolf (zu Herzog Julius).
Ich sage dir: er ging zurück nach Wien.
Ihm fehlt der Mut. Ich kenne diesen Menschen:
Zum Anfang rasch, doch zögernd kommt's zur Tat.
(Zu Prokop.) Ich danke dir mein Freund und weiß genug;
Der Aufstand ist am Schluß wie dein Bericht.

Prokop. Obgleich sich der Erzherzog nun entfernt,
Blieb doch an seiner Stelle Bischof Klesel,
Der mit der Grenze meuterisch verkehrt.

Rudolf. Wie war das? Klesel? Ist er doch in Neustadt,
Wohin ich ihn gebannt, in seinem Sprengel.

Prokop. Er ist in Brünn, wo ich ihn selber sprach
Von wegen meines sicheren Geleits,
Und steht vor allen nahe dem Erzherzog.

Rudolf (zu Herzog Julius).
Das wäre schlimm. Wenn jener list'ge Priester
Das was dem andern fehlt, den Mut, die Tatkraft,
Ihm gösse in die unentschiedne Seele.
Das wäre schlimm, und denk ich fort und weiter,
Vergrößert sich's zu wirklicher Gefahr.
(Zu Prokop.) Ich dank Euch guter Freund! Ihr seid entlassen,
Und Euer Kind, es zähl' auf meinen Schutz.

(Da Prokop sich entfernt und die Türe offensteht.)

He Wolfgang Rumpf! Wolfgang Rumpf!

Wolfgang Rumpf (eintretend).
Hier Majestät.

Rudolf. Bringt die Berichte dieser letzten Tage,
Und was an Briefen, in mein Kabinett.
Und will ich künftig ungestört mich wissen,
So hindert's nicht, daß, wenn das Haus in Flammen,
Ihr dennoch kommt und ansagt: Herr, es brennt.

Herzog Julius (zu Rumpf halblaut).
War's möglich denn?

Rumpf (ebenso).
Ihr wißt nicht edler Herzog.
Der Kaiser drohten mit geschwungnem Dolch,
Wenn jemand nur ihn anzusprechen wagte.

Rudolf. Nun wohl, Ihr habt das Zünglein an der Waage,
Das ich mit Sorge hielt im Gleichgewicht,
Ihr habt es rohen Drängens angestoßen,
Es schwankt und blut'ge Todeslose fallen
Aus beiden Schalen auf die bange Welt.
Leiht mir nicht Eure Schuld; wenn's etwa Schuld nicht,
Daß ich vertraut, und nur ein Mensch, kein Gott.
Ruft mir den Kanzler!

Rumpf. Herr, er ist schon hier
Und spricht im span'schen Saale zu den Ständen.

Rudolf. Die Stände, wie?

Rumpf. Die gleicherweise erschienen
Von des Gerüchtes Stimmen aufgeregt.
(Zu Herzog Julius.)
O Herr, o Herr! Wir wissen's erst seit jetzt:
Des Herrn Erzherzoges Mathias Gnaden
Sind insgeheim von Brünn verrückt nach Tabor,
Von wo sie nun durch Meuterer verstärkt
Mit Heeresmacht heranziehn gegen Prag.
Die Stadt ist in Bewegung, Manifeste
Sind angeschlagen an den Straßenecken,
Die von des Kaisers Hoheit ehrfurchtlos--

Rudolf. Ich weiß den Inhalt dieser Manifeste:
Daß ich, ein alter Mann, an Willen schwach
Entziehe mich dem Reich und seinen Sorgen;
Indes mich das Gespenst der blut'gen Zukunft
Verfolgt bis in mein innerstes Gemach,
Und, nachts empor auf meinem Lager sitzend,
Der Trommel Ruf, des Schlachtenlärms Getos
Mir wachend schlägt ans Ohr, den Traum ergänzend.
Dazu noch das Bewußtsein, daß im Handeln,
Ob so nun oder so, der Zündstoff liegt,
Der diese Mine donnernd sprengt gen Himmel.
Ihr habt gehandelt, wohl! das Tor geht auf
Und eine grasse Zeit hält ihren Einzug.

Was wollen sie die Stände? Weiß man es?

Rumpf. Sie tragen eine Handfest vor sich her,
Von Pergament gerollt, auf einem Kissen.

Rudolf. Es ist der Majestätsbrief, den sie früher
Mir vorgelegt, doch damals ich zurückwies,
Berechtigung zusichernd ihrem Glauben.
(Bitter.) Die Zeit scheint ihnen günstig zum Vertrag.
(Die Mütze abziehend, heftig.)
Allmächt'ger Gott, der du mich eingesetzt,
Zu wahren deiner Ehre und der meinen,
Die Doppellast sie spottet meiner Kraft
Und nicht vermag ich fürder sie zu tragen.
Ich stelle dir zurück was deines Reichs,
Bist du der Starke doch, und was du willst
Führst du zum Ziel durch unerforschte Wege.
Doch was mein eignes Amt, daß diese Welt
Ein Spiegel sei, ein Abbild deiner Ordnung,
Daß Fried' und Eintracht wohnen brüderlich
Vom Unrecht ungestört und von Verrat,
Das will ich üben, stehst du, Gott, mir bei.
(Er hat sein Barett wieder aufgesetzt.)
Ich will hinüber zu den treuen Ständen;
Treu nämlich, wenn--und ehrenhaft, obgleich--
Anhänglich auch, jedoch--wahrhaft, nur daß--
Und wie die krummen Wege alle heißen,
Auf denen Selbstsucht geht und die Gemeinheit.
(Er macht einige Schritte gegen die Türe, dann bleibt er stehen, mit
dem Fuße stampfend.)
Mich widerts an. Ich mag den Hohn nicht sehn,
Die Schadenfreude auf den frechen Stirnen.
Ruft sie herüber. Heißt das: einen Ausschuß
Für alle führend insgesamt das Wort.
Erträglich ist der Mensch als einzelner,
Im Haufen steht die Tierwelt gar zu nah.

Was zögerst du? ruf sie herüber, sag ich.

(Rumpf ab.)

Nun Herzog Julius, fühlt Ihr noch die Kraft
Das Schwert zu schwingen in der alten Rechte?
Mich selbst befällt ein Hauch der Jugendzeit
Und an der Spitze, denk ich, meiner Treuen
Hinauszuziehn, um Stirne gegen Stirn
Den Aufruhr zu befragen was sein Ziel.
Nicht daß mich lockt die stolze Herrschermacht
Und wüßt' ich Schultern die zum Tragen tüchtig,
Ich schüttelte sie ab als ekle Last,
Von da an erst ein Mensch und neu geboren,
Doch wenn es wahr, daß Gott die Kronen gibt,
Geziemt es Gott allein nur sie zu nehmen,
Sie abzulegen, selbst, auch ziemt sich nicht.
Wo ist mein Degen? Wolfgang! Wolfgang Rumpf!
Er lehnt am Tisch zunächst an meinem Bette.

(Da Herzog Julius auf das Kabinett zugeht.)

Herr, Ihr bemüht Euch selbst? Habt Dank, o Lieber!

(Herzog Julius ins Kabinett ab.)

Rudolf (gegen den Haupteingang gewendet).
Hört mich denn niemand? Sind sie schon geflohn
Vom Niedergang gewendet zu dem Aufgang?
Das soll sich ändern, ja es soll, es muß.

(Herzog Julius kommt zurück.)

Rudolf. Ihr bringt den Mantel auch? Habt Ihr doch recht
Die Welt verlangt den Schein. Wir beide nur
Wir tragen innerhalb des Kleids den Orden.
(Nachdem er mit Herzog Julius Hilfe den Mantel umgehängt.)
Den Degen legt nur hin! Ist doch das Eisen
Fast wie der Mensch. Geschaffen um zu nützen,
Wird es zur schneid'gen Wehr und trennt und spaltet
Die schöne Welt und aller Wesen Einklang.

Ich höre kommen. Nun wir sind bereit,
Und frommt die Milde nicht, so hilft das Schwert.

(Der Kaiser setzt sich. Mehrere böhmische Stände treten ein. Vor
ihnen ein Page, der auf einem samtenen Kissen eine Pergamentrolle trägt.)

Rudolf. Fragt sie was ihr Begehr?

(Da einer vortritt.)

Rudolf. Nicht Ihr Graf Thurn!
Ihr seid kein Eingeborner, seid kein Böhme,
Die Lust an Unruh hat Euch hergeführt.
Laßt einen andern, laßt den nächsten sprechen.

Zweiter (vortretend).
Erlauchter Herr und König, gnäd'ger Kaiser,
Euch ist bekannt was sich im Land begibt
Und in dem Nachbarland an seinen Grenzen.
Bewaffnet ziehen Scharen gegen Prag
Und Eurer Hoheit Bruder heißt ihr Führer.
Da ist das Volk nun mannigfach bewegt:
Die einen wittern heimlich Einverständnis
Mit Eurer Majestät betrauten Räten,
Und meinen, wenn das fremde Heer im Land,
Werd' es die Schneide kehren gegen uns,
Zum Umsturz unsrer Satzungen und Rechte.

Rudolf (vor sich hinsprechend).
Sehr heimlich wär' das Einverständnis, wahrlich.

Der Wortführer. Die andern wieder werden angelockt
Von dem was ihnen anbeut die Empörung:
Freiheit der Meinung und der Glaubensübung,
Was jedem Menschen teurer als sein Selbst.
Nicht wir nur sind's die diese Sprache führen,
Allein das Volk--

Rudolf. Das Volk! Ei ja, das Volk!
Habt ihr das Volk bedacht, wenn ihr die Zehnten,
Das Herrenrecht von ihnen eingetrieben?
Das Volk! Das sind die vielen leeren Nullen,
Die gern sich beisetzt wer sich fühlt als Zahl,
Doch wegstreicht, kommt's zum Teilen in der Rechnung.
Sagt lieber, daß ihr selbst ergreift den Anlaß
Mit abzuzwingen, was ich euch verweigert,
Und jetzt auch weigern würde, stünde gleich
Ein Mörder mit gehobnem Dolch vor mir.
Doch handelt sich's von mir nicht jetzt, noch euch,
Vielmehr von dem was sein muß und geschehn,
Soll nicht der Grundbau jener weisen Fügung,
Die Gott gesetzt und die man nennt den Staat,
Im wilden Taumel auseinandergehn.
Ich seh's an jener Schrift. Es ist die gleiche,
Wie sie seit Monden liegt in meinem Zimmer,
Gleichstellung fordernd für den neuen Glauben.
Was ihr hier bittet, beut euch an der Aufruhr.
Vor Irrtum kann ich länger euch nicht wahren,
Aufruhr ersparen aber kann ich euch.
Seid ihr zufrieden wenn ich euch verspreche,
Sobald gestillt die Unruh in dem Land,
Frei zu bewilligen was ihr begehrt?

Ihr schweigt. Mißtraut ihr mir?

Abgeordneter. Nicht Euch, Herr Kaiser,
Dem Einfluß aber von Madrid und Rom.

Rudolf. Hätt' ich gehört auf das was dorther tönt,
Wär' längst getilgt die Lehre samt den Schülern
Und in Verbannung geiferte der Trotz.
Ich aber duldete mit Vatermilde,
Die Überzeugung ehrend selbst im Irrtum.
Verfolgt ward niemand wegen seiner Meinung;
Im Heer im Rate sitzen eure Jünger,
(auf Herzog Julius zeigend)
Selbst hier mein Freund ist euch ein Lehrgenoß.
Geduldet hab ich, aber nicht gebilligt,
Bestät'gen wäre billigen zugleich.

Zuckt ihr die Schulter? Nun ihr meint, das Messer
Sitzt eben an der Kehle, und habt recht.
Will ich vergessen nicht mein weltlich Amt,
Muß ich dem Himmel überlassen seines.
Gebt her die Schrift! Sie ist wohl gleichen Inhalts
Mit jener frühern; doch da ihr mißtraut,
Ziemt Mißtraun wohl auch mir. Gebt eure Schrift!
(Die Rolle, die der Page ihm kniend darbietet, vom Kissen nehmend.)
Ist's doch als ginge wild verzehrend Feuer
Aus dieser Rolle, das die Welt entzündet
Und jede Zukunft, bis des Himmels Quellen
Mit neuer Sündflut bändigen die Glut,
Und Pöbelherrschaft heißt die Überschwemmung.
(Die Schrift entfaltend und lesend.)
Der Eingang, wie gewöhnlich, leere Formel.
Von Treu, Anhänglichkeit--Wohl Liebe gar!
Drum fordert ihr auch meiner Neigung Pfänder.

(Ein Hofdiener ist unmittelbar aus der Türe links gekommen und hat
sich Wolfgang Rumpf genähert, der dem Kaiser gegenüber im Vorgrunde
steht.)

Diener (leise).
Erzherzog Leopold aus Steiermark
Sind angekommen, heimlich, unerkannt,
Und wünschen augenblickliches Gehör.

Rumpf (ebenso).
Es ist nicht möglich jetzt.

Diener. Sie dringen sehr.

(Da Wolfgang Rumpf einige Schritte gegen den Kaiser macht.

Rudolf. Was soll's? Jetzt ist nicht Zeit.--Was immer. Später!

(Rumpf zieht sich zurück und bedeutet dem Diener durch Zeichen, der
sich entfernt.)

Rudolf (weiter lesend).
Hier ist ein Punkt der neu. Der muß hinweg.
Gehorsam zu verweigern gibt er euch
Das ausgesprochne Recht, wird irgendwie
Geordnet was entgegen eurer Satzung.
Das ist der Aufruhr, ständig, als Gesetz.
Bedenkt ihr auch das Beispiel das ihr gebt?
Ich nicht allein bin Herr, auch ihr seid Herren,
Habt Untertanen, die in eurer Pflicht;
Wenn ihr mir trotzt, so drohen sie euch wieder.
Erst gebt dem einzelnen, dem Unverständ'gen
Ein Urteil ihr in dem, wo selbst die Weisen
Verstummend stehn als an der Weisheit Grenze;
Dann ruft ihr ihn vom Acker auf den Markt,
Zählt seine Stimme mit und heißt ihn mehren
Die Mehrzahl wider Ehrfurcht und Gesetz.
Ihr stellt ihn gleich mit euch, und hofft doch künftig
Als Mindern ihn zu stellen unter euch?
Und wärt ihr auch so christlich mild gesinnt
Im Menschen nur zu sehen euern Bruder:
Seht an die Welt, die sichtbar offenkund'ge,
Wie Berg und Tal und Fluß und Wiese stehn.
Die Höhen, selber kahl, ziehn an die Wolken
Und senden sie als Regen in das Tal,
Der Wald hält ab den zehrend wilden Sturm,
Die Quelle trägt nicht Frucht, doch nährt sie Früchte,
Und aus dem Wechselspiel von hoch und niedrig,
Von Frucht und Schutz erzeugt sich dieses Ganze,
Des Grund und Recht in dem liegt, daß es ist.
Zieht nicht vor das Gericht die heil'gen Bande,
Die unbewußt, zugleich mit der Geburt,
Erweislos weil sie selber der Erweis,
Verknüpfen was das Klügeln feindlich trennt.
Du ehrst den Vater,--aber er ist hart;
Du liebst die Mutter,--die beschränkt und schwach,
Der Bruder ist der nächste dir der Menschen,
Wie sehr entfernt in Worten und in Tat;
Und wenn das Herz dich zu dem Weibe zieht,
So fragst du nicht ob sie der Frauen Beste,
Das Mal auf ihrem Hals wird dir zum Reiz,
Ein Fehler ihrer Zunge scheint Musik,
Und das: ich weiß nicht was, das dich entzückt,
Ist ein: ich weiß nicht was für alle andern;
Du liebst, du hoffst, du glaubst. Ist doch der Glaube
Nur das Gefühl der Eintracht mit dir selbst,
Das Zeugnis, daß du Mensch nach beiden Seiten:
Als einzeln schwach, und stark als Teil des All.
Daß deine Väter glaubten was du selbst,
Und deine Kinder künftig treten gleiche Pfade
Das ist die Brücke die aus Menschenherzen
Den unerforschten Abgrund überbaut
Von dem kein Senkblei noch erforscht die Tiefe.
O prüfe nicht die Stützen, beßre nicht!
Dein Menschenwerk zerstört den geist'gen Halt
Und deine Enkel lachen einst der Trümmer
In denen deine Weisheit modernd liegt.
Ist eure Satzung wahr, wird sie bestehn,
Und wie das Bäumchen, das vom Stein gedrückt,
Die Zweige breiten, siegend ob der Last;
Allein wenn falsch, so wißt, daß seine Wurzeln
Auflockern all was fest und alt und sicher.
Der Zweifel zeugt den Zweifel an sich selbst,
Und einmal Ehrfurcht in sich selbst gespalten,
Lebt sie als Ehrsucht nur noch und als Furcht.
Maßt euch nicht an zu deuteln Gottes Wahrheit.

Abgeordneter. Wir baun auf festen Boden, auf die Schrift.

Rudolf. Die Schrift? (Rasch unterschreibend.)
Hier meine Unterschrift. Da ihr
Den toten Zügen einer toten Hand
Mehr traut als dem lebendig warmen Wort,
Das von dem Mund der Liebe fortgepflanzt,
Empfangen wird vom liebedurst'gen Ohr,
Hier schwarz auf weiß.--Und nun noch Blut als Siegel.
Blut ist das rote Wachs, das jede Lüge
Zur Wahrheit stempelt; wenn von Volk zu Volk,
Warum nicht auch von Fürst zu Untertan?
Und nun hinaus, beweisen mit dem Schwert
Was nur der Geist dem Geiste soll beweisen.
Des Reiches Ehre soll und muß bestehn.
Und ist das Tor dem Unheil nun geöffnet,
Ist Mord und Brand geschleudert in die Welt,
Dann denkt einst spät, wenn längst ich modre:
Wir waren auch dabei und haben es gewollt.

(Ein ferner Kanonenschuß.)

Rudolf (zusammenfahrend).
Was ist?--Mein Geist ist stark, mein Leib nur zittert.
(Zu einem Diener der eingetreten ist und sich Rumpf genähert hat.)
Was soll's?

Diener. Man hat den Wall am Wissehrad besetzt
Und schießt auf Truppen, die der Stadt sich nahn.

Rudolf. Man soll nicht schießen!

(Neuer Kanonenschuß.)

Rudolf (mit dem Fuße stampfend).
Soll nicht, sag ich euch!

Stände (die Schwerter ziehend).
Mit Gut und Blut für unsern Herrn und Kaiser!

Rudolf. Da steht's vor mir! Der Mord, der Bürgerkrieg.
Was ich vermieden all mein Leben lang,
Es tritt vor mich am Ende meiner Tage.
Es soll, es darf nicht. Steckt die Schwerter ein,
Vertragt euch mit dem Feind! Und diese Handfest,
Die ihr als Preis des Beistands abgetrotzt,
Sei euch geschenkt.--Ihr selbst Herr Kanzler seht
Was sie begehren draußen vor der Stadt.
Ist es mein Bruder doch, bestimmt zu herrschen,
Wenn mich der Tod, ich hoffe bald, hinwegrafft.
Er übe sich vorläufig in der Kunst,
Der undankbaren, ewig unerreichten,
In der verkehrt was sonst den Menschen adelt:
Erst der Erfolg des Wollens Wert bestimmt,
Der reinste Wille wertlos--wenn erfolglos.
In Böhmen aber will ich ruhig weilen
Und harren bis der Herr mich zu sich ruft.
(Mit einer Entlassungsbewegung gegen die Stände.)
Mit Gott, ihr Herrn!

(Die Stände entfernen sich.)

Und Ihr Herr Kanzler eilt!

(Alle bis auf Herzog Julius und den Kaiser ab.)

Rudolf. So sind wir denn allein.--Ein wüstes Wort.
Du tadelst mich mein Freund?

Julius. Herr, ich verehr Euch.

Rudolf. Ich bin so gut nicht als es etwa scheint--
Die andern nennen's schwach, ich nenn es gut.
Denn was Entschlossenheit den Männern heißt des Staats
Ist meistenfalls Gewissenlosigkeit
Hochmut und Leichtsinn, der allein nur sich
Und nicht das Schicksal hat im Aug' der andern;
Indes der gute Mann auf hoher Stelle
Erzittert vor den Folgen seiner Tat,
Die als die Wirkung eines Federstrichs
Glück oder Unglück forterbt späten Enkeln.
Ich aber bin so gut nicht als du glaubst.
In diesen Adern sträubt sich noch der Herrscher
Und Zorn und Rachsucht glüht in meiner Brust.
Zu züchtigen die sich an mir vergessen,
Die schwach mich nennen, schwächer weit als ich;
Die alte Brust zu schnüren noch in Erz
Und in dem Glanz verletzter Majestät
Genüber mich zu stellen den Verrätern,
Ob sich ihr Aug' empor zu meinem wagt.
Und war ein Funke Glut in diesen Männern,
Die sich Vertreter nennen eines Volks,
War irgend etwas nur in ihrem Blick,
Das mehr als Eigennutz und Schadenfreude,
Ich stünde jetzt mit ihnen drauß im Feld
Und tötete mit Blicken den Verrat.

(Die Seitentüre links öffnet sich, Erzherzog Leopold in einen dunkeln
Mantel gehüllt, tritt heraus.)

Rudolf. Siehst du, da kommt er der Versucher, da!
Mein Sohn, mein Leopold!--Und doch, hinweg!
Er steht im Bund mit meines Herzens Wünschen.
Er wird mir sagen, daß ja noch ein Heer
In Passau steht, zu meinem Dienst geworben;
Daß Rache süß und daß der Kampf gerecht.
Mein Sohn es ist zu spät! Ich darf nicht, will nicht.
Sie nennen schwach mich, und ich bin's zum Kampf,
Allein zum Fliehen reichen noch die Kräfte.
Versucher fort! Ob hundertmal mein Sohn.
(Er eilt ins Kabinett rechts.)

Erzherzog Leopold (der den Mantel abgeworfen).
Mein Oheim und mein Herr! (An der Türe des Kabinetts.)
Verschließt Ihr Euch?

Herzog Julius (zu Rumpf).
Geht Ihr und weilet draußen vor der Tür,
Damit kein Unberufner störend nahe.

(Rumpf geht hinaus.)

Leopold. So komm ich her spornstreichs auf Seitenwegen,
Verborgen, unerkannt, und bring Euch Hilfe,
Und Ihr verschließt die Pforte mir, das Herz?
Ja denn, noch ist ein Kriegsheer Euch bereit,
Mit Müh' halt ich's in Passau nur zurück.
Ein Wort von Euch und tausend Schwerter flammen
Zu Euerm Schutz, zum Schutz der Majestät.
Doch wenn Ihr auch den Retterarm verschmäht,
Stoßt nicht zurück das Herz, die Kindestreue.
Laßt mich, das Haupt gelehnt an diese Pfosten,
Nicht glauben Eure Brust sei hart wie sie.--
Die Türe wird bewegt--sie öffnet sich--Mein Vater!
(Er stürzt in das Kabinett, dessen Türe sich hinter ihm schließt.)

Julius (mit gefalteten Händen).
O daß nun nicht der Groll, gekränkte Würde,
Und die Empfindung, die, wenn aufgeregt,
Gern übergeht in jegliches Empfinden:
Von hart zu weich, von Innigkeit zu Zorn,
Ihn hinreißt einzuwill'gen in das Schlimmste:
Zu handeln, da's zu spät.

Rumpf (Zur Türe hereinsprechend).
Herr Bischof Klesel.

Julius. Nicht jetzt, nur jetzo nicht!

Rumpf. Sie lassen sich
Abweisen nicht.

Klesel (eintretend).
Nein wahrlich, in der Tat.

Julius (ihm entgegen tretend, mit gedämpfter Stimme).
Ihr wagt es, Herr, hier in denselben Räumen,
Die Euer Rat mit Zwietracht angefüllt--

Klesel. Ich komme her im Auftrag meines Herrn.

Julius. Wollt Ihr den Kaiser zwingen Euch zu sprechen?

Klesel. Da sei Gott für! Gemeldet will ich werden,
So heißt mein Auftrag und, wenn abgewiesen,
Kehr ich zurück. Doch melden muß man mich.
(Er setzt sich links im Vorgrunde.)

Julius. Ich bitt Euch, Herr, sprecht leise.

Klesel. Und warum?

Julius. Glaubt Ihr denn nicht die Stimme schon des Mannes,
Der ihm, er glaubt's, so Schlimmes zugefügt,
Muß in des Kaisers Brust, jetzt, wo Entschlüsse
Hart mit Entschlüssen kämpfen, Scham und Zorn--

Klesel. Jetzt ist nicht von Entschlüssen mehr die Rede,
Notwendigkeit ist da und sie schließt ab.

(In des Kaisers Kabinett wird geklingelt.)

Julius. Es ist geschehn! Nun wahre Gott der Folgen!

(Wolfgang Rumpf geht ins Kabinett.)

Julius. Und war kein anderer als Ihr zu finden
Zu solcher Botschaft, die fast klingt wie Hohn?

Klesel. Vielleicht weil ich allein kein Schranz und Höfling,
Gewohnt zu sagen gradaus was gemeint.

Julius. Die Derbheit ist nicht immer Redlichkeit.

Klesel. So ist sie denn Arznei, die schon als bitter,
Den langverwöhnten Magen stärkt und heilt;
Und Heilung war gemeint mit diesem Umschwung,
Man wird's zuletzt erkennen, hört man mich.
Wer den Ertrinkenden erfaßt am Haar,
Er hat gerettet ihn und nicht beleidigt.

(Rumpf kommt aus dem Kabinette zurück.)

Rumpf. Der Kaiser ist ergrimmt, er heißt Euch gehn,
Von seinem Antlitz fern der Strafe harren.
Der nächste Augenblick droht Euch Gefahr.

Klesel. Ich gehe denn. Den Frieden wollt' ich bringen,
Wählt man den Haß, so suche man nach Macht.
Die Strafe die man droht, sie liegt so fern,
Wir freuen uns indessen an dem Lohn. (Er geht.)

Julius. Es werden Stimmen laut im Kabinett.
Geht Ihr hinein, versucht es sie zu stören.
Ich fürchte dies Gespräch und seine Folgen.

(Erzherzog Leopold kommt aus dem Kabinette, in das sogleich Rumpf
hineingeht.)

Leopold (einen Zettel in die Höhe haltend).
Ich hab's, ich hab's'

(Aus der Seitentüre links tritt Oberst Ramee heraus.)

Leopold. Ramee und nun die Pferde!
(Er nimmt seinen Mantel auf.)
Nichts teurer ist hierlands als der Entschluß,
Man muß ihn warm verzehren eh' er kalt wird.

Rumpfs Stimme (im Kabinett).
Erzherzogliche Hoheit!

Julius (sich Leopold nähernd).
Gnäd'ger Herr!

Leopold. Schon kommt die Reue dünkt mich, laß uns gehn!

(Erzherzog Leopold und Ramee durch die Seiten Türe links ab.)

Rumpf (aus dem Kabinett kommend).
Der Kaiser will noch einmal mit Euch sprechen,
Es ist noch eins zu sagen.

Julius. Er ist fort.

Rumpf. Der Herr ist wie von Sinnen, schlägt die Brust.

Julius. Ich will ihm nach! Gibt Flügel die Gefahr,
So flieg ich statt zu gehn; denn das Verderben
Es steht vor mir in gräßlicher Gestalt.
(Er folgt dem Erzherzog durch die Seitentüre links.)

Rumpf (sich dem Kabinett nähernd).
Man bringt ihn noch zurück.--Der Herzog selber.
Eh' er sein Pferd besteigt ereilt man ihn.
(Er geht ins Kabinett.)



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Der Kleinseitner Ring in Prag.

Volk füllt mannigfach bewegt den Hintergrund. Die drei Wortführer der
Stände kommen von der linken Seite.

Graf Thurn. Laßt uns hinaus, begrüßen den Erzherzog.
Der Vortrab seines Heers nimmt heute nacht
Quartier in unsrer Stadt. Man hofft ihn selbst
Ob freilich nur im Durchzug vorderhand,
Dem künft'gen Untertan den künft'gen Herrn
Mit mildem Segensblick vorerst zu zeigen.
Wie immer denn! Kommt, schließt euch an!
Ist er ja doch der Retter, der Befreier.

Schlick. Nur, fürcht ich, sproßt in ihm der alte Same,
Zur Macht gelangt, wirft er die Maske weg.

Thurn. Für neues Drängen gibt es neue Mittel,
Und sag ich: neue, mein ich nur die alten.
Der leise Widerstand stumpft jeden Stachel,
Und streiten sie um unsre Krone sich,
Verarmen wie im Rechtsstreit beide Teile,
Reich werden Richter nur und Anwalt, wir.
Kommt Zeit, kommt Rat.--Hört ihr die Glocken?
Man hat ihn von den Türmen wohl erblickt
Und dort der erste Trupp von seinen Scharen.

(Geläut von Glocken. Im Hintergrund beginnt von der rechten Seite mit
Musik und Fahnen der Vorüberzug von Soldaten. Das Volk drängt sich nach
rückwärts, die Blicke eben dahin gerichtet, so daß sie den Zug verdecken
und der Vorgrund leer bleibt.--Erzherzog Leopold und Oberst Kamee, in
Mäntel gehüllt, kommen von links im Vorgrunde. Herzog Julius folgt ihnen.)

Julius. Ich laß Euch nicht. Ihr müßt zurück zum Kaiser.

Leopold. Ich habe schriftlich seinen hohen Willen,
Nun ist's an mir ihn treulich zu vollziehn.

Julius. Kommt Ihr ins Land mit fremdgeworbnen Truppen,
So gärt der Aufruhr neu, des Kaisers Gegner
Benützen es zu seinem Untergang.
Es ist zu spät.

Leopold. Und früher war's zu früh.
Wann ist die rechte Zeit?

Julius (ihn anfassend).
Ich laß Euch nicht.
So faß ich Euch und flehe: kehrt zurück!

Leopold (den Mantel abstreifend der in Herzog Julius' Hand zurückbleibt).
Wie Joseph denn im Hause Potiphar
Laß ich den Mantel Euch, mich selber nicht.

Ramee (auf das Volk zeigend).
Herr, wenn man Euch erkennt.

Leopold. Man soll mich kennen!
(Mit starken Schritten nach rechts abgehend.)
Halt ihn zurück!

(Ramee tritt zwischen beide.)

Julius. Nun denn, es ist geschehn.
(Den Mantel fallen lassend.)
Die Hülle liegt am Boden, das Verhüllte
Geht offen in die Welt als Untergang.

(Ramee folgt dem Erzherzog.--Der Zug im Hintergrunde hat sich indessen
fortgesetzt. Jetzt erscheint Erzherzog Mathias zu Roß die Menge
überragend. Das Volk drängt sich ihm entgegen.)

Volk. Vivat Mathias! Hoch des Landes Recht!

(Indem Herzog Julius mit einer schmerzlich abwehrenden Bewegung sich
nach rückwärts wendet fällt der Vorhang.)




Vierter Aufzug

Die Kleinseite in Prag, wie zu Anfang des ersten Aufzuges.
Die Sturmglocke wird gezogen. Man hört schießen.

Bürger treten fliehend auf.


Ein Bürger. Flieht Nachbar, flieht! 's ist das Passauer Kriegsvolk.
Der Kaiser hat sie in das Land gerufen,
Erzherzog Leopold sein Neffe führt sie.

Prokop (aus seinem Hause tretend).
Was ist? was soll's?

Bürger. Ihr wißt ja: die Passauer.

Prokop. Doch ist die Stadt bewahrt.

Bürger. Man hat die Pforte
Geöffnet ihnen oben am Hradschin
Und nun ergießt der Trupp sich durch die Straßen.

Prokop (sein Schwert ziehend).
So greift zur Wehr!

Bürger. Dort, seht Ihr? kommt ein Trupp.

Prokop. Schließt euch und haltet aus! Ist doch die Stadt
Von Männern voll. Tut jeder seine Pflicht,
So lehren wir den Räubern wohl die Reue.
(Gegen sein Haus gewendet.)
Dich, Kind, indes befehl ich Gottes Hut.
Der ist kein Bürger, der die eigne Sorge
Vergißt nicht in der Not des Allgemeinen.

Zieht euch zu jener Ecke, sie gibt Schutz,
Und gehn sie vor, so fallt in ihre Seiten.

(Sie ziehen sich zurück.--Oberst Ramee tritt auf mit Soldaten.)

Ramee (zu einigen, die ihre Gewehre anschlagen).
Halt ein mit Schießen! Es erweckt die Schläfer.
Wir überfallen sie, und ohne Blut,
So will es der Erzherzog, sind wir Sieger.

Drängt nicht zu scharf! Denn rasch in ihrem Rücken
Eilt eine Reiterschar der Moldau zu,
Besetzt die Brücke, dringt ins offne Tor;
Die Altstadt unser, sind wir Herrn von Prag.

(Trompeten in weiter Ferne.)

Ramee. Die Brücke ist genommen. Jetzt auf sie!

(Mit den Soldaten nach der rechten Seite ab. Man hört Lärm des Gefechts.
--Don Cäsar im Wams, ohne Hut, kommt von einigen Soldaten umgeben.)

Cäsar. Ich dank euch, Freunde, daß ihr mich entledigt
Der bittern Haft, in der mich hielt die Willkür,
Um jener wegen, die dort oben wacht.
(Auf Prokops Haus zeigend, in dessen oberem Geschoß ein Licht brennt.)
Ich will mit euch, will kämpfen, fechten, sterben,
Gleichviel für wen und gleichviel gegen wen;
Den der mich tötet nenn ich meinen Freund.
Doch vorher noch ein Wörtchen oder zwei
Mit ihr, die mich verdarb.
(Da einige sich der Türe nähern.)
Halt, kein Geräusch!
Ich kenne die Gelegenheit des Hauses,
Aus früh'rer Zeit. Dort rückwärts an der Mauer
Ist noch ein Pförtchen das ins Innre führt,
Von wo zwei Treppen nach der Gartenseite
Zum Söller steigen nächst an ihr Gemach.
Dort sei's versucht und ihr bewahrt den Eingang!

(Sie verlieren sich hinter dem Hause.)



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Zimmer in Prokops Hause. An der linken Seite ein Fenster. Gegenüber
eine Türe. Im Hintergrunde zwei andere, worunter eine Glastüre, die
nach dem Söller führt.

Lukrezia. (tritt aus der Seitentüre links).
Es kommt der Tag, allein mein Vater nicht.
Ich hörte schießen, schrein, Geklirr der Waffen
Und er verläßt sein Kind in dieser Not.
O daß die Männer nur ins Weite streben!
Sie nennen's Staat, das allgemeine Beste,
Was doch ein Trachten nach dem Fernen nur.
Gibt's denn ein Bestes, das nicht auch ein Nächstes?
Mein Herz sagt nein, nächstpochend an die Brust.
(Ans Fenster tretend.)
Nun ist es ruhig und der graue Schein
Vom Ziskaberg verkündet schon die Sonne.
(Rasch umgewendet.)
Hör ich Geräusch und kehrt mein Vater heim?

(Die Glastüre des Söllers öffnet sich und Don Cäsar tritt ein.)

Don Cäsar. Viel Glück ins Haus!

Lukrezia. O Gott, so schaut das Unglück!

Don Cäsar. Erschreckt nicht holde Maid! Ich bin es selbst;
Und bin's auch nicht. Die Asche nur des Feuers,
Das einst für Euch geglüht, Ihr wißt wie heiß;
Der Schatten nur des Wesens das ich war.
Und selbst der letzte Schimmer dieses Daseins,
Der noch ins Dunkel strahlt, das Leben heißt,
Kommt zu verlöschen mir in dieser Nacht.
Ich geh in Kampf und weiß ich werde fallen,
Die Ahnung trügt nicht wenn vom Wunsch erzeugt.
Was soll ich auch in dieser wüsten Welt,
Ein Zerrbild zwischen Niedrigkeit und Größe;
Verleugnet von dem Manne der mein Vater,
Mißachtet von dem Weib das ich geliebt.--
Erzittert nicht! Davon ist nicht die Rede.
Die Leidenschaften und die heißen Wünsche,
Die mich bewegt, sie liegen hinter mir,
Ich habe sie begraben, eingesargt.
Was ist es auch--ein Weib? Halb Spiel, halb Tücke,
Ein Etwas, das ein Etwas und ein Nichts,
Je demnach ich mir's denke, ich, nur ich.
Und Recht und Unrecht, Wesen, Wirklichkeit,
Das ganze Spiel der buntbewegten Welt,
Liegt eingehüllt in des Gehirnes Räumen,
Das sie erzeugt und aufhebt wie es will.
Ich plagte mich mit wirren Glaubenszweifeln,
Ich pochte forschend an des Fremden Tür,
Gelesen hab ich und gehört, verglichen,
Und fand sie beide haltlos, beide leer.
Vertilgt die Bilder solchen Schattenspiels,
Blieb nur das Licht zurück, des Gauklers Lampe,
Das sie als Wesen an die Wände malt,
Als einz'ge Leidenschaft der Wunsch: zu wissen.
Laßt mich erkennen Euch, nur deshalb kam ich;
Zu wissen was Ihr seid, nicht was Ihr scheint.
Denn wie's nur eine Tugend gibt: die Wahrheit,
Gibt's auch ein Laster nur: die Heuchelei.

Lukrezia. Mir aber dünkt, der Heuchler, wie Ihr's nennt,
Zeigt mindstens Ehrfurcht vor dem Heil'gen, Großen,
Das Eure Wahrheit leugnet wenn sie's schmäht.

Don Cäsar. So seid Ihr Heuchlerin?

Lukrezia. Ich war es nie.

Don Cäsar. Ich fürchte doch: ein bißchen, holde Maid.
Als ich, nun lang, zum erstenmal Euch sah,
Da schien mir alle Reinheit, Unschuld, Tugend
Vereint in Eurem jungfräulichen Selbst;
Zeigt wieder Euch mir also, laßt mich glauben!
Und wie der Mann der abends schlafen geht
Von eines holden Eindrucks Macht umfangen,
Er träumt davon die selig lange Nacht,
Und beim Erwachen tritt dasselbe Bild
Ihm mit dem Sonnenstrahl zugleich vors Auge.
So gebt mir Euch, Euch selber auf die Reise
Von der zurück der Wandrer nimmer kehrt.
Kein Weib, ein Engel; nicht geliebt, verehrt.

Lukrezia. Wie ohne Grund Ihr mich zu hoch gestellt,
So stellt Ihr mich zu tief nun ohne Grund.

Don Cäsar. Nicht doch, nicht doch!--Ihr stießet mich zurück.
Ich mußt' es dulden, manchen Fehls bewußt.
Doch seht, da war ein Mann, Belgioso hieß er,
Ein Heuchler und ein Schurk'

Lukrezia. Er war es nicht.

Don Cäsar. Verteidigt Ihr ihn denn?

Lukrezia. Wer klagt ihn an?

Don Cäsar. Ich, der ich ihn gekannt.--Er hielt zu mir;
In all dem Treiben das mit Recht man tadelt,
Im wilden Toben war er mein Genoss'.
Doch ging er hin und zeigt' es heimlich an
Und brachte mich um meines Vaters Liebe.

Lukrezia. Der laute Ruf erspart' ihm diese Müh'.

Don Cäsar. Die Welt hat Recht zum Tadel, nicht der Freund.
Doch plötzlich kehrt' er sichtlich mir den Rücken,
Zu gleicher Zeit betrat er Euer Haus.

Lukrezia. Er war der Freund des Vaters, nicht der meine.

Don Cäsar. Als Freund des Vaters denn nahmt Ihr ihn auf,
Doch als der Eure, denk ich, kam er wieder,
War Mitbewohner fast in diesem Haus,
Bei Tag, bei Nacht.

Lukrezia. Zu Abend wollt Ihr sagen,
Im Beisein meines Vaters, anders nie.

Don Cäsar. Ich aber stand genüber auf der Straße
Mit Reif und Schnee bedeckt und sah empor
Zum Fenster, wo die Schatten Glücklicher
Wie Mücken flogen um den Strahl des Lichts.
Da endlich kam der Tag, der ihn bestrafte.

Lukrezia. Erinnert Ihr mich noch an seinen Tod?

Don Cäsar. Nicht ich tat's, noch geschah's um meinetwillen,
Das Euch zu sagen kam zumeist ich her.
Feldmarschall Rußworm, zwar mein Freund und Lehrer,
Doch Täter seiner Taten er allein,
Im Streit, beim Spiel, was weiß ich? oder sonst
Hat ihn besiegt in ehrlichem Gefecht
Wie's Edelleute pflegen und Soldaten.
Und wißt Ihr welches Los ward meinem Freund?
Der Kaiser ließ auf offnem Marktplatz ihm
Das Haupt vom Rumpfe trennen, angesichts
Des ganzen Volks, beinah vor meinen Augen.
Gedenk' ich jenes Tags, so gärt's in mir,
Und blutige Gedanken werden wach.
Stünd' er vor mir der heuchelnde Verräter,
Nicht damals tat ich's, aber jetzt geschäh's:
Das Schwert bis an das Heft in seiner Brust,
Bezahlt' er mir die Schrecken jener Stunde.

Lukrezia. O Gott, wer rettet mich?

Don Cäsar. Seid nicht besorgt!
Mir ist's, sagt' ich, um Wahrheit nur zu tun.
Glaubt nicht auch, daß mich Eifersucht bewegt!
Die Eifersucht ist Demut, ich bin stolz,
Verachtung liegt mir näher als der Haß.
Doch daß Ihr von erlogner Tugend Höhe
Herabseht auf die Welt, auf mich, auf alle,
Den gleichen Fehl verhehlend in der Brust,
Das soll nicht sein. Fluch aller Heuchelei!
Sagt mir, ich liebt' ihn den geschiednen Freund,
Ich liebt' ihn, weil sein Antlitz zart und weiß,
Ich liebt' ihn, weil sein Haar von Salben duftend,
Ich liebt' ihn, weil ich töricht, albern, schwach,
Sagt's, und ich laß Euch frei.

Lukrezia. Ich liebt' ihn nicht;
Nur Gott hat meine Liebe und mein Vater.

Don Cäsar. Recht gut, recht schön!--Doch wes ist dieses Bild
--Ich bin vertraut mit Eures Hauses Räumen--
(die Seitentüre öffnend)
Wes ist das Bild das hängt an jener Wand,
Vom Licht der Lampe buhlerisch beschienen?
Ist's Belgiojosos nicht? Ertappt, ertappt!

Lukrezia. Mein Vater hängt' es hin.

Don Cäsar. Und Ihr Madonna,
Ihr rücktet Euern Schemel zum Gebet
Hart an das Bild, daß wenn die Lippen beten,
Das Herz zugleich schwelgt in Erinnerungen,
Erinnerungen die--Und wenn ich tot,
Lacht an der Seite eines neuen Buhlen
Ihr mein und meiner Liebe, wie Ihr lachtet
An Belgiojosos Hand.

(Lukrezia entflieht ins Seitengemach.)

Cäsar. Nicht dort hinein!
Nicht dort hinein vor meines Feindes Bild,
Des Heuchlers, Heuchlerin!--Ringst du die Hände
Zu ihm als deinem Heil'gen?
(Er hat eine Pistole aus dem Gürtel gezogen, die er jetzt in der Richtung
der offnen Türe abschießt.)
Folg ihm nach!
--Was ist geschehn?
(In die Türe blickend.)
Weh mir!--O meine Taten!

(Er wirft sich auf ein Knie, die Augen mit den Händen bedeckend.--Ein
Hauptmann kommt mit Soldaten.)

Hauptmann. Hier fiel ein Schuß und er ist in der Nähe.

Prokop (der sich durch die Soldaten drängt).
Lukrezia mein Kind!
(An der offenen Türe.)
Oh! greulich, gräßlich!
(Er stürzt hinein, die Türe schließt hinter ihm.)

Hauptmann (Don Cäsar emporrichtend).
Wir suchten Euch!

Don Cäsar. Nun denn Ihr habt gefunden.
Gibt's Richter noch in Prag?

Hauptmann. Es gibt sie wieder.
Der Feind hinausgeschlagen aus der Stadt,
Kehrt Ordnung und das Recht zurück von neuem.

Don Cäsar. So richtet mich! Erspart mir selbst die Müh'.
(Er geht auf die Hintertüre zu, von den Soldaten gefolgt.)

Prokop (in der Seitentüre erscheinend).
Hieher, hieher! Vielleicht ist Hilfe möglich.

(Einige Diener, die während des Vorigen gekommen sind, folgen ihm ins
Seitengemach.--Alle ab.)

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Garten im königlichen Schlosse auf dem Hradschin. In der Mitte des
Hintergrundes ein Ziehbrunnen mit einem Schöpfrade.

Heinrich Thurn und Graf Schlick kommen mit einigen bewaffneten Bürgern.

Thurn. Stellt Wachen aus, besetzt die äußern Pforten!
Von hier aus ließ den Feind man in die Stadt,
Darum bewahrt vor allem den Hradschin.

(Die Bürger gehen.)

Schlick. Scheint's doch ein Wunder fast, daß wir gerettet.

Thurn. Das Wunder war der Mut, die Tapferkeit
Der wackern Bürger unsrer Altstadt Prag.
Der Feinde Plan war listig angelegt.
Hier oben von Verrätern eingelassen,
Drang ihre Schar nur langsam, zögernd vor,
Als ob den Widerstand der Gegner scheuend;
Doch desto schneller fliegt durch Seitengassen
Ihr Reitertrupp der Moldaubrücke zu,
Die Altstadt, wohl im Schlaf noch, überfallend.
Schon füllt die Brücke sich mit Roß und Mann,
Schon dringen, die zuvörderst, in die Stadt;
Da fällt mit eins das Gitter vor das Tor
Und von dem Turm aus Büchsen und Kartaunen
Ergießt sich Feuer auf die wilde Schar.
Die Rosse bäumen und die Reiter stürzen,
Der Vortrupp weicht, der Nachzug drängt nach vorn,
Ein unentwirrter Knäuel füllt die Brücke
Entladend in die Moldau sein Gedräng';
Bis endlich Schrecken, mächt'ger als die Raubgier,
Nach rückwärts treibt den lauten Menschenstrom,
Sich überstürzend und den Nachbar schäd'gend,
Ins eigne Fußvolk bricht die Reiterei,
Daß unsern Bürgern, die im Ausfall folgen,
Die Mühe nur des Schlachtens übrig bleibt.
Die Wege die er kam, verfolgt der Rückzug,
Und Bürgertreue schließt die Einbruchspforte,
Die Rachsucht öffnete und der Verrat.

Schlick. Doch sind sie stark noch außen vor der Stadt.

Thurn. Seid unbesorgt! Der räuberische Durchzug
Von Passau her durchs obre Österreich
Bis fern nach Böhmen, blieb nicht unbewacht,
So wie er unvorhergesehen nicht.
Von ringsum sammeln sich die Garnisonen,
Der Landmann greift zur Wehr, und der Erzherzog,
Mathias, derzeit noch von Ungarn König,
Und bald von Böhmen, denk ich, etwa auch
Er ist zur Hand, rasch folgend ihrer Ferse.
Ja nur, weil nicht gewachsen ihm im Feld,
Versuchten sie heut nacht den Überfall.
Von hier verdrängt, ihr Zufluchtsort verloren,
Zerstäubt in alle Winde bald die Schar.

Schlick. Allein was tun wir selbst?

Thurn. Man wirbt um euch.
Verhaltet euch wie die verschämte Braut,
Der neue Freier bringt euch neue Gaben.

(Herzog Julius kommt mit einem Hauptmanne, der einen Schlüssel trägt.)

Julius. Ihr Herrn ist das wohl Fug und Recht? Man stellt
Im Schlosse Wachen wie in Kerkermauern,
Selbst vor des Kaisers fürstliches Gemach.
Man fordert ab die Schlüssel aller Pforten,
Des Eingangs Freiheit und des Ausgangs hemmend.
Zuletzt noch diesen, der vor allem nötig.
Er führt zum Turm, in den man rück Don Cäsar
Den unglückselig wildverworrnen brachte,
Im Wahnsinnfieber gen sich selber wütend.
Die Ärzte haben, Blut mit Blut bekämpfend,
Die Adern ihm geöffnet an dem Arm.
Er braucht des Beistands und des freien Zutritts,
Drum fordr' ich diesen Schlüssel hier von Euch.

Thurn. Doch deucht mich, daß Don Cäsar, eben er,
Verbunden mit den Räubern heute nacht,
Teilnahm an all dem Greuel der geschah,
Weshalb er in Gewahrsam nur mit Recht.

Julius. Der Richter wird erkennen seine Schuld.

Thurn. Man weiß noch nicht wer Richter hier im Land.

Julius. Doch wohl nicht Ihr?

Thurn. Verhüt' es Gott!
Doch auch nicht jene, die des Unheils Stifter,
Als schuldig etwa selber sich gezeigt.
Wir harren eines Höhern, der schon naht.
Allein damit Ihr seht, daß Euer Wert
Als Fürst des Reiches und als Ehrenmann
Auch hier im fernen Böhmen anerkannt;
Nehmt diesen Schlüssel; ob zwar auf Bedingung:
Daß nur der Eintritt und für Ärzte nur,
Nicht auch der Austritt etwa gar für ihn
Geknüpft an diesen Bürgen seiner Haft.

Julius. Ich dank Euch edler Graf, und bin erbötig
Zu gleichem Dienst, kommt Ihr in gleichen Fall.
Doch jetzt nehmt Euern Abschied, wenn's beliebt.
Von fern seh ich des Kaisers Majestät,
Den Ihr vertrieben aus der Burg Gemächern,
Gönnt ihm den Atem in der freien Luft.

Thurn. Die Luft ist frei für jeden, doch die Burg
Verschließt man gern vor Untreu und Verrat.
(Er entfernt sich mit seinem Begleiter.)

(Der Kaiser kommt, von Rumpf und einigen begleitet von der linken Seite.
Er bleibt vor einem Blumenbeete stehen.)

Rumpf. Die Blumen sind zum guten Teil geknickt,
Das tat der böse Sturm in heut'ger Nacht.

(Der Kaiser winkt bestätigend mit dem Kopfe.)

Rumpf. Den Sturmwind mein ich eben, Majestät.

(Der Kaiser hat sich nach vorn bewegt, jetzt bleibt er stehen und fährt
mit dem Stabe einige Male über den Boden.)

Rumpf. Der Fußtritt vieler Kommenden und Geh'nden
Hat arg gehaust in dieses Gartens Wegen.
Des Gärtners Rechen gleicht es wieder aus.

Beliebt's Euch nun den Tieren nachzusehn,
Die in den Käfigen der Füttrung harren?
Der Löwe nimmt die Nahrung nur von Euch,
Die Wärter sagen, daß gesenkten Haupts
Er leise stöhnt, wie einer der betrübt.

(Der Kaiser hat den Herzog von Braunschweig bemerkt und hält ihm die
Hand hin.)

Julius (auf ihn zugehend).
Mein Kaiser und mein Herr!

(Er will ihm die Hand küssen, der Kaiser zieht sie zurück und hält sie,
als zum Handschlag, wieder hin.)

Julius (des Kaisers Hand mit beiden fassend).
Nun denn: willkommen!
Mich freut das Wohlsein Eurer Majestät.

(Der Kaiser lacht höhnisch.)

Julius. Nach Wolken, sagt ein Sprichwort, kommt die Sonne,
Die Sonne aller aber ist das Recht.

(Der Kaiser weist mit dem Stabe gen Himmel.)

Julius. Nicht nur dort oben, auch schon, Herr, hienieden.
Denn selbst der Bösewicht will nur für sich
Als einzeln ausgenommen sein vom Recht,
Die andern wünscht er vom Gesetz gebunden,
Damit vor Räuberhand bewahrt sein Raub.
Die andern denken gleich in gleichem Falle
Und jeder Schurk' ist einzeln gegen alle;
Die Mehrheit siegt und mit ihr siegt das Recht.
Wär's anders, Herr, die Welt bestünde nicht
Und alle Bande des gemeinen Wohls
Sie wären längst gelöst von Eigennutz.
In Eurem Fall: glaubt Ihr, des Reiches Fürsten
Sie werden ruhig zusehn dem Verderben hier,
Nicht böses Beispiel für sich selbst befürchten?
Selbst Euer Volk--

(Ein Bürger, nachlässig bewaffnet, die Muskete auf der Schulter tritt von
der linken Seite auf, betrachtet die Anwesenden und kehrt auf einen Wink
Herzog Julius' wieder zurück. Der Kaiser fährt zusammen.)

Rumpf. Es sind die Wachen--
Die Leibwacht freilich nicht der Königsburg--
Vielmehr die Bürger, die man ausgestellt,
Weil sie behaupten, daß hier vom Hradschin
Den Feind man eingelassen in die Stadt
Und weil man Tor und Pforte will verwahren.

(Der Kaiser droht heftig mit dem Finger in die Ferne.)

Julius. O scheltet nicht den Neffen der Euch liebt!
Erzherzog Leopold, glaubt mir o Herr,
Er fühlt das Unglück tiefer als Ihr selbst.
Er war bei mir als schon der Kampf entschieden
Und bat mich, nassen Augs, ihn zu vertreten
Ob seiner Wagnis, die der Zufall nur,
Ein mißverstandener Befehl vereitelt,
Sonst wart Ihr frei und Herr in Euerm Land.
Er geht nach Deutschland, um des Reiches Stände
Zum Schutze zu vereinen seines Herrn.
Zugleich die andern Fürsten Eures Hauses--
(Zu Rumpf.) Ward es gemeldet schon?
(Auf eine entschuldigende Gebärde Rumpfs.)
Sie sind uns nah.
Sie kommen heut nach Prag um als Vermittler
Zu schlichten diesen unheilvollen Zwist,
Dabei auch, wie Ihr früher selbst begehrt,
Abbittend der verletzten Majestät,
Genugzutun für alles was sie selbst
In guter Meinung früherhin gesündigt.
Die Welt sie fühlt die Ordnung als Bedürfnis
Und braucht nur ihr entsetzlich Gegenteil
In voller Blöße nackt vor sich zu sehn,
Um schaudernd rückzukehren in die Bahn.

(Der Kaiser zeigt auf die Erde, wiederholt mit dem Stabe auf den Boden
stoßend und entfernt sich dann auf Rumpf gestützt nach dem Hintergrunde.
--Ein Diener von der rechten Seite kommend, halblaut zu Herzog Julius.)

Diener. Um Gottes willen gebt den Schlüssel, Herr!

Julius. Was ist?

Diener. Die Ärzte fordern Einlaß zu Don Cäsar.

(Der Kaiser hat sich umgewendet und blickt forschend nach den Sprechenden.)

Rumpf. Der Kaiser wünscht zu wissen was die Sache.

Julius. Man hat Don Cäsar in den Turm gebracht,
Wo als Erkranktem, der dem Wahnsinn nahe,
Die Adern man geöffnet ihm am Arm.

Diener. Er aber tobte an dem Eisengitter
Und rief nach einem Richter, um Gericht,
Er wolle leben nicht; bis plötzlich, jetzt nur,
Er den Verband sich von den Adern riß.
Es strömt sein Blut und die verschloßne Tür
Verwehrt den Eintritt den berufnen Ärzten.
Gibt man den Schlüssel nicht ist er verloren.

Julius (den Schlüssel aus dem Gürtel ziehend).
Hier nimm und eil.

(Der Kaiser winkt mit dem Finger.)

Julius. Allein bedenkt, o Herr!

(Da der Kaiser den Schlüssel genommen hat und sich damit entfernt, ihm
zur Seite folgend.)

Von einem Augenblick hängt ab sein Leben,
Und nicht sein Leben nur, sein Ruf, sein Wert.
Ihm selbst und jedem andern der ihm nah,
Liegt nun daran, daß er vor seinen Richtern
Erläutre was er tat und was ihn trieb,
Daß nicht wie ein verzehrend, reißend Tier,
Daß wie ein Mensch er aus dem Leben scheide,
Wenn nicht gereinigt, doch entschuldigt mindstens.
Ihm werde Spruch und Recht.

Der Kaiser (der auf den Stufen des Brunnens stehend, den Schlüssel
hinabgeworfen hat, mit starker Stimme).
Er ist gerichtet,
Von mir, von seinem Kaiser, seinem--
(mit zitternder, von Weinen erstickter Stimme)
Herrn!

(Er wankt nach der linken Seite von Rumpf unterstützt, ab.)

Julius (auf die Stufen des Brunnens tretend und hinabsehend).
Es ist umsonst! Don Cäsar ist verloren.
Sprengt auf die Tür!--Und doch, es ziemt uns nicht
Dem Urteil vorzugreifen seines Richters.--
O daß er doch mit gleicher Festigkeit
Das Unrecht ausgetilgt in seinem Staat,
Als er es austilgt nun in seinem Hause.
Geht nur, es ist geschehn.

Hinder der Szene wird gerufen. Halt da! Zurück!

Julius. Was dort?
Der Kaiser aufgehalten von den Wachen?
Legst du die Hand an ihn, an den Gesalbten?
Das soll nicht sein, so lang ich leb und atme.
Mein letztes Blut für ihn. Zurück die Hände!
Sonst zahlst du deine Frechheit mit dem Tod.

(Er geht, die Hand am Schwert, nach der linken Seite ab.)




Verwandlung
Gemach in der Burg wie zu Anfang des dritten Aufzuges. Die nischenartige
Vertiefung rechts im Hintergrunde mit einem herabgelassenen Vorhange
bedeckt.

Thurn und Schlick kommen, ein Arbeiter mit Schurzfell hinter ihnen.

Thurn. Ward jeder Ausgang nach Geheiß verschlossen?
Hier ist noch eine Tür.

Arbeiter (den Vorhang wegziehend und an einer in der Mauer befestigten
Spange zurückschlagend).
Sie ist nicht mehr.
Mit starken Bohlen hat man sie verrammelt,
Sie hält so fest nun als die feste Wand.

Thurn. Geht immer nur und seht nach außen zu.

(Arbeiter ab.)

Thurn. Vor allem liegt daran, daß unser König,
Der aus sich selbst wohl Schlimmes nie begehrt,
Nicht von Verrätern heimlich weggebracht
Zur Fahne diene feindlichem Beginn.

Schlick. Allein, mein Freund, wir ehren unsern König,
Und das geht weiter als die Absicht war.

Thurn. Die Absicht, Freund, ist ein vorsicht'ger Reiter
Auf einem Renner feurig, der die Tat,
Den spornt er an zu hastigem Vollzug.
Hat er das Ziel erreicht, zieht er die Zügel
Und meint nun wär's genug. Allein das Tier,
Von seiner edlen Art dahingerissen
Und von dem Wurf des Laufes und der Kraft,
Es stürmt noch fort durch Feld und Busch und Korn,
Bis endlich das Gebiß die Glut besiegt.
Da kehrt man denn zurück.

Schlick. Wenn's dann noch möglich.

Thurn. Wenn nicht, dann nur kein Trost von Zweck und Absicht,
All was geschehn das hast du auch gewollt.
Doch nahen Tritte; wohl der Kaiser selbst,
Laß uns noch sehen nach der äußern Pforte.

(Sie gehen durch die Türe links.)
(Der Kaiser kommt auf Rumpf gestützt, Herzog Julius geht vor ihm her.)

Julius. Verzeiht o Herr, der Wachen Unverstand.
Der Mann, den man zur Obhut hingestellt,
Erkannt' Euch nicht.

(Der Kaiser nickt höhnisch mit dem Kopfe.)

Julius. Er folgte dem Befehl,
Der jedermann den Zutritt untersagte.

(Der Kaiser erblickt den verschlossenen Eingang zum Laboratorium und
zeigt mit dem Stocke darauf hin.)

Rumpf (den zurückgeschlagenen Vorhang herablassend).
Besorgnis wohl für Eure Sicherheit,
Man will den Eingang Unberufnen wehren.

Rudolf. Den Eingang? Sag den Ausgang! Mir. Dem Kaiser.
Ich bin's und fühle mich als Herrn, obgleich in Haft.
Drum fort von mir du menschlich naher Schmerz,
Gib Raum dem Ingrimm der verletzten Würde.
Und weißt du wer's getan? Nicht daß mein Bruder
Die Hand erhoben wider meine Krone;
Ich hab ihn nie geliebt und er ist eitel,
Er tat nach seinem Wesen, obgleich schlimm.
(Ans Fenster tretend.)
Doch diese Stadt. Schau wie sie üppig liegt
Geziert mit Türmen und mit edlem Bau
Verschönt durch Kunst was Gott schon reich geschmückt.
Und mein Werk ist's. Hier war mein Königssitz.
Für Prag gab ich das lebensvolle Wien,
Den Sitz der Ahnen seit des Reiches Wiege.
Die heuchlerische Stille tat mir wohl
Weil selbst ich still und heimisch gern in mir.
Gehütet wie den Apfel meines Auges
Hab ich dies Land und diese arge Stadt,
Und während alle Welt ringsum in Krieg,
Lag einer blühenden Oase gleich
Es in der Wüste von Gewalt und Mord.
Doch bist du müde deiner Herrlichkeit
Und stehst in Waffen gegen deinen Freund?
Ich aber sage dir: wie eine böse Beule
Die schlimmen Säfte all des Körpers anzieht,
Zum Herde wird der Fäulnis und des Greuls,
So wird der Zündstoff dieses Kriegs zu dir,
Der lang verschonten nehmen seinen Weg,
Nachdem du ihm gewiesen deine Straßen.
In deinem Umfang kämpft er seine Schlachten,
Nach deinen Kindern richtet er sein Schwert,
Die Häupter deiner Edlen werden fallen,
Und deine Jungfraun, losgebundnen Haars,
Mit Schande zahlen ihrer Väter Schande.
Das sei dein Los und also--fluch ich dir!--
Die du die Wohltat zahlst mit bösen Taten.

Wo ist mein Stock? Die Kniee werden schwach,
Laßt niemand ein! ich höre Stimmen drauß,
Wer immer auch, ein Feind ist's und Verräter.

(Die Erzherzoge Maximilian und Ferdinand erscheinen in der Türe.)

Rumpf. Es sind die Herrn Erzherzoge. O Wonne!

Rudolf. Ihr seid es? Bruder du? Willkommen Vetter!
Nehmt Sitz! Ihr kommt in wunderlicher Zeit.
(Er hat sich gesetzt.)
Was Neues in der Welt? Zwar stets dasselbe:
Das Alte scheidet und das Neue wird.
Kommt ihr zum Taufschmaus oder zum Begräbnis?

Ferdinand. Eh' wir uns setzen, so erlaubt daß knieend
Abbitte wir für das Vergangne leisten,
Den Willen unterstellend für die Tat.

(Die Erzherzoge knien.)

Rudolf. Vom Boden auf!--Und du mein guter Bruder
Sprichst nicht?

Max. Mir ist das Weinen näher.
Auch kniet sich's schwer mit meines Körpers Last.

Rudolf. Vom Boden auf! Soll unser edles Haus
Vor jemand knieen als vor seinem Gott?
Ist einer tot so liegt er auf dem Grund,
Doch lebend kniet kein Mann und kein Erzherzog.

(Die beiden sind aufgestanden.)

Rudolf. Sollt' ich euch strenger richten als mich selbst?
Wir haben's gut gemeint, doch kam es übel.
Das macht: dem reinen Trachten eines Edlen,
Kann er's nicht selbst vollführen, er allein,
Mischt von der Leidenschaft, der bösen Selbstsucht
Der andern, die als Werkzeug ihm zur Hand,
So viel sich bei, daß, hat er nun vollbracht,
Ein Zerrbild vor ihm steht statt seiner Tat.
Ich habe viel gefehlt, ich seh es ein,
Seitdem ich aus den Nebeln, die am Gipfel,
Herabgestiegen in das tiefe Tal,
In dem das Grab liegt als die letzte Stufe.
Ich hielt die Welt für klug, sie ist es nicht.
Gemartert vom Gedanken droh'nder Zukunft,
Dacht' ich die Zeit von gleicher Furcht bewegt,
Im weisen Zögern seh'nd die einz'ge Rettung.
Allein der Mensch lebt nur im Augenblick,
Was heut ist kümmert ihn, es gibt kein morgen.
So rannten sie hinein ins tolle Werk,
Und ihr, ihr ranntet nicht, allein ihr gingt.
Ich tadl' euch nicht, ihr wart besorgt ums Ganze,
Nicht böse Selbstsucht hat euch irrgeführt.
Nur einen tadl' ich, den ich hier nicht nenne;
Den ich verachtet einst, alsdann gehaßt.
Und nun bedaure als des Jammers Erben.
Er hat nur seiner Eitelkeit gefrönt,
Und dacht' er an die Welt, so war's als Bühne,
Als Schauplatz für sein leeres Heldenspiel.

Max (vom Stuhle aufstehend).
Gerade darum, Bruder, sind wir hier.
Es muß der böse Zwist zum Abgrund kehren,
Und Recht dir werden, der du rechtlich bist.

Rudolf. Davon kein Wort! Der König ist dahin.
Ich geb ihn auf. Allein das Königtum
Möcht' ich der Welt erhalten, der's vonnöten.
Mein Bruder herrscht in Ungarn und in Östreich,
Er will's in Böhmen auch, nicht künftig, jetzt.
Wohlan es sei darum; denn keine Teilung
Verträgt was alle Teile eint zum Ganzen.
Ich selbst, wie einst mein Oheim, Karl der Fünfte,
Als er die Welt, wie sie nun mich, zurückstieß,
Im Kloster von Sankt Justus in Hispanien
Den Tod erwartete, so will auch ich.
Es währt nicht lang, ich fühl es wohl, denn Undank
Gräbt tiefer als des Totengräbers Spaten;
Und Kloster sei und Zelle mir dies Schloß.
Mathias herrsche denn. Er lerne fühlen,
Daß tadeln leicht und Besserwissen trüglich,
Da es mit bunten Möglichkeiten spielt;
Doch handeln schwer, als eine Wirklichkeit,
Die stimmen soll zum Kreis der Wirklichkeiten.
Er sieht dann ein, daß Satzungen der Menschen
Ein Maß des Törichten notwendig beigemischt,
Da sie für Menschen, die der Torheit Kinder.
Daß an der Uhr, in der die Feder drängt,
Das Kronrad wesentlich mit seiner Hemmung,
Damit nicht abrollt eines Zugs das Werk,
Und sie in ihrem Zögern weist die Stunde.
Ihr selbst wart um mein Herrscheramt bemüht,
Mehr fast als gut. Sorgt auch für ihn.
Allein bedenkt: der auf dem Throne sitzt,
Er ist die Fahne doch des Regiments,
Zerrissen oder ganz, verdient sie Ehrfurcht.

Fernand, du glaubst dich stark, und bist es auch,
Vor allem wenn du meinst für Gott zu streiten.
Sei's gleicherweis auch sonst, und stark, nicht hart!
Was dir als Höchstes gilt: die Überzeugung,
Acht sie in andern auch, sie ist von Gott,
Und er wird selbst die Irrenden belehren.
Des Menschen Innres wie die Außenwelt
Hat er geteilt in Tag und dunkle Nacht.
Das Aug' ertrüge nicht beständ'ges Licht,
Da führt er an dem Horizont herauf
Die Dunkelheit mit ihrer holden Stille,
Wo die Empfindung aufwacht, das Gefühl
Und süße Schauer durch die Seele schreiten.
Doch immer Nacht, wär' schlimmer noch als nie,
Und was du weißt, weißt du durch Tag und Licht.

Ich selber war ein Mann der Dunkelheit.
Von ihren Streitigkeiten angeekelt,
Floh ich dahin allwo die frühsten Menschen
Zuerst erkannten ihres Lebens Meister.
Vom Hügel auf zu den Gestirnen blickend
Und ihre stät'ge Wiederkehr betrachtend,
Erscholl's in ihrer Brust: es ist ein Gott
Und ewig die Gesetze seines Waltens.
Seitdem hat er sich kundig offenbart
Und übertönt die Stimmen der Natur,
Doch in der Stille klingen sie noch nach,
Und als er selbst als Mensch zu Menschen kam,
Da sandt' er einen Stern, und jene Weisen,
Sie ließen ruhen ihrer Weisheit Dünkel,
Und folgten jenem Zeichen bis zur Hütte,
Wo schon die Hirten standen und die Engel
Aus weiter Ferne: Friede, Friede sangen.
--Ist hier Musik?

Julius. Wir hören nichts, o Herr.

Rudolf. Nun denn, so ist's der Nachklang von der Weihnacht,
Die mir herübertönt aus ferner Zeit,
An die ich glaube und im Glauben sterbe.
--Nicht Stern, nur Gott!--Wer bist denn du,
Du flammender Komet? Nur Dunst und Nebel.--
Nun Frieden auch mit dir, mit allen Frieden.--
Wie hold es klingt und fort und fort und weiter!--

Max. Sein Geist beginnt zu schwärmen.

Ferdinand. Laßt uns gehn!
Versöhnen was zu sühnen ist, und dann
Ihm schützend stehn zur Seite, Wächtern gleich.

Rumpf. Ach wir empfehlen Euch den frommen Herrn.

(Die Erzherzoge gehen.)

Rudolf. Und einig, einig seid! Das Neue drängt.
Die alternden Geschlechter sterben aus,
Das Band gelöst, bricht es die einzelnen.

Rumpf. Sie sind schon fort.

Rudolf. Schon fort? Nun, um so besser!
Mir ist so leicht, so wohl. Gebt mir nur Luft!
Ich will ans Fenster.

Rumpf. Herr, wir leiten Euch.

Rudolf. Was fällt dir ein? Ich fühle Jugendkraft.
(Er versucht aufzustehen.)
Doch ist's der Geist nur, meine Glieder wanken.
Rückt einen Stuhl ins Fenster, ich will Luft.
(Unterstützt ans Fenster gehend, zu Herzog Julius.)
Siehst du? So lohnt die Welt für unsre Sorge.
Sie saugt uns aus und findet uns dann welk,
Indes sie prangt mit unsern besten Kräften.
(Er sitzt.) Das Fenster auf!

Rumpf. Allein, o Herr, bedenkt!
Ihr habt der Luft Euch sorglich stets verschlossen.

Rudolf. Nicht Kaiser bin ich mehr, ich bin ein Mensch
Und will mich laben an dem Allgemeinen.
Wie wohl, wie gut! Und unter mir die Stadt
Mit ihren Straßen, Plätzen, voll von Menschen.

Julius. Und gabt Ihr erst den Fluch in Euerm Zorn.

Rudolf. Tat ich's? Nun ich bereu's. Mit jedem Atemzug
Saug ich zurück ein vorschnell rasches Wort,
Ich will allein das Weh für alle tragen.
Und also segn' ich dich, verlockte Stadt,
Was Böses du getan, es sei zum Guten.

Mein Geist verirrt sich in die Jugendzeit.
Als ich aus Spanien kam, wo ich erzogen,
Und man nun meldete, daß Deutschlands Küste
Sich nebelgleich am Horizonte zeige,
Da lief ich aufs Verdeck und offner Arme
Rief ich: mein Vaterland! Mein teures Vaterland!
--So dünkt mich nun ein Land in dem ein Vater--
Am Rand der Ewigkeit emporzutauchen.
--Ist es denn dunkel hier?--Dort seh ich Licht
Und flügelgleich umgibt es meinen Leib.
--Aus Spanien komm ich, aus gar harter Zucht,
Und eile dir entgegen,--nicht mehr deutsches,
Nein himmlisch Vaterland.--Willst du?--Ich will!
(Er sinkt zurück.)

Rumpf. Ruft Ärzte! Er hat öfter solchen Anfall.
Der Herzschlag geht. Nach Ärzten, Hilfe, schnell!
Und bringt ihn auf sein Bett in jene Kammer!
Ich mag nicht denken, daß es Schlimmres wäre.

Julius (sich entfernend).
Das Schlimmste kennt kein Schlimmres, er erlitt's.
Der Kaiser starb, ob auch der Mensch genese.

Rumpf. Er lebt, ich fühl's. Faßt ihn nur sorglich an!

Julius (auf ihn zueilend).
Mein edler, frommer, mildgesinnter Herr!

(Der Vorhang fällt.)




Fünfter Aufzug

Saal in der kaiserlichen Burg zu Wien.

Klesel steht wartend, Erzherzog Ferdinand tritt ein.


Ferdinand. Ist's endlich mir gegönnt, bei meinem Oheim,
Mit dem ich sprechen muß, Gehör zu finden?

Klesel. Die Türe steht Euch offen jederzeit,
Ihr seht ihn täglich, stündlich, wenn Ihr wollt.

Ferdinand. O ja, im Schwall des Hofs, bei Spiel, beim Tanz.
Wohl auch im Kabinett, in Eurem Beisein.

Klesel. Er ist der Herr und ich sein Diener nur.
Befiehlt er mir zu gehen, geh ich; bleibe,
Wenn er mein Bleiben förderlich ermißt.

Ferdinand. Nur neulich sprach ich endlich ihn allein,
Nur merkt' ich wohl aus den zerstreuten Blicken,
Die stets er warf nach der Tapetentür,
Daß jemand dort versteckt, der uns behorchte.
Und Ihr wart's, mein ich; leugnet's wenn Ihr könnt.

Klesel. Wär' es geschehn, geschah es auf Befehl:
Gehorchen schließt das Horchen selbst nicht aus.

Ferdinand. Wir aber wollen's länger nicht mehr dulden,
Daß sich ein Fremder eindrängt zwischen uns
Und stört die Einigkeit von unserm Hause.
War's darum daß wir uns Euch angeschlossen
Und gegen ihn den rechten güt'gen Herrn?
So daß die Röte mir der Scham noch jetzt
Indem ich spreche aufsteigt bis zur Stirne.
Da hieß es, daß ein Haupt dem Reich vonnöten,
Daß nur mit festem Tritt und sicherm Aug'
Der Ausweg sei zu finden aus den Wirren,
In denen labyrinthisch geht die Zeit,
Und wir, wir stimmten ein--wär's nie geschehn!
Doch kaum erreicht das langersehnte Ziel,
Gestillt die Gier des Herren und--des Dieners,
Wankt man auf gleichem Irrweg durch den Wald,
Und meint: sich regen sei schon weitergehn.

Klesel. Ihr irrt; ein fester Plan beherrscht das Ganze
Und jeder Schritt führt näher an das Ziel.

Ferdinand. Doch dieses Ziel, sag ich, es ist verderblich.
Ausgleichung heißt's, Gleichgültigkeit für jedes;
Vermengung des was Menschen ist und Gottes.
Sagt selbst ob Euer Herr--

Klesel. Nur meiner?

Ferdinand. Meiner auch.
Doch einen Abstand bildet wohl was nah und nächst.
Sagt selbst: war er nicht heißer Tatendurst,
Zu zügeln kaum und kaum zurückzuhalten,
So lang die Krone lag im Reich der Hoffnung;
Und nun, bedeckt mit ihr als einem Helm
Den Szepter als ein Schwert in seiner Hand
Schläft er auf trägen Purpurkissen ein
Und bringt die Zeiten Kaiser Rudolfs wieder.
Ja schlimmer noch; denn jener war die Waage
Die beide Teile hielt im Gleichgewicht;
Ihr aber legt was Euch noch bleibt an Schwere
Der einen Schale zu, und zwar der schlechten,
Der gottverhaßten, der verderblichen.
Ist nicht halb Österreich noch protestantisch,
Mit Ketzern nicht besetzt ein jeglich Amt.
Die hohe Schule, deren Rektor Ihr,
Ertönt von Worten frecher Kirchenleugner.

Klesel. Wir suchen Wissen bei der Wissenschaft,
Der Glaube wird gelehrt von gläub'gen Meistern.

Ferdinand. Fluch jedem Wissen, das nicht aufwärts geht
Zu aller Wesen Herrn und einz'gem Ursprung.

Klesel. Von oben rinnt der Quell, doch rinnt er nicht zurück,
Wo er das Licht betritt ist er schon Lauf, nicht Quelle.

Ferdinand. Seid Ihr derselbe der, ein Kirchenfürst,
Berufen zur Verteid'gung ihrer Lehre?
Der sie verteidigt auch, o ja ich weiß,
Solang der Kirche Gold und Rang und Ansehn
Euch noch ein Lohn schien, der des Strebens wert,
Und habt, so sagt die Welt, nicht nur von Glaubensschätzen,
Auch von den Schätzen dieser ird'schen Welt
Ein Artiges gehäuft in Euern Speichern.

Klesel. Man sieht sich vor; die Zeiten schlagen um.

Ferdinand. So mag der einzelne vielleicht sich trösten,
Doch für den Staat gibt es kein einzelnes,
Für ihn hängt alles an derselben Kette.
Ja selbst die Mächte, die mit uns vereint,
Die gleichen Wegs mit unsern ebnen Bahnen,
Sie nehmen an der Lauheit Ärgernis
Und ziehen sich zurück. Was bleibt uns dann?
Hispanien, der Papst, das fromme Baiern.

Klesel. Von daher also kommt's? Mein hoher Herr,
Es sorgt ein jeder doch zunächst für sich,
Der Freund ist mehr als meiner noch sein eigner.
Hispanien begehrt die Niederlande
Durch unsern Beistand und mit unserm Blut.
Der Papst ist der Kompaß, des sichre Nadel
Die Richtung anzeigt uns zum fernen Pol;
Allein die Segel stellen und das Ruder brauchen,
Das überläßt er uns; wir hoffen so.
Und endlich Baiern. Arglos frommer Herr,
So seht ihr nicht wohin sein Streben geht?
Ist Östreich erst verworren und geschwächt,
Steht nichts in Weg ihm zu der Kaiserkrone.

Ferdinand. Der Baierfürst hegt gottesfürcht'gen Sinn,
Das Wohl der Kirche sucht er, nicht sein eignes.

Klesel. Will einer erst die Herrschaft Gott verschaffen,
Sieht er in sich gar leicht des Herren Werkzeug
Und strebt zu herrschen, damit jener herrsche,
Auch ist der Seeleneifer und der Eigennutz
Nicht gar so unvereinbar als man glaubt.
Die Überspannung läßt zuweilen nach,
Und wie der Adler, der der Sonne nächst,
Holt er sich Kräftigung durch ird'sche Beute.
Man meint's selbst von der Kurie in Rom.

Ferdinand. Ob Ihr nun sprecht was Euch und mir nicht ziemt,
--Ihr nennt, ich weiß es, derlei Politik--
Doch eins tut not in allen ernsten Dingen:
Entschiedenheit; ob unser Ihr, ob nicht.

Klesel. Was nennt Ihr unser? Ich bin meines Herrn.
Er ist mein Uns, mein Euch, mein Ich, mein Alles.
Er ist entschieden und ich bin es auch.
Doch wenn die Macht nicht einig wie der Wille,
Wer trägt die Schuld als jene, die im Dunkeln
Am Hofe selbst sich bilden zur Partei
Und die Parteiung in den Ländern nähren?
In Böhmen selbst, wo man den Majestätsbrief
Erfüllen will, getreulich, ohne Hehl,
Trifft jeder Auftrag Seiner Majestät
Auf einen heimlich widersprechenden,
Gegeben von den Nächsten seines Hauses.
Die Utraquisten wollen Kirchen baun,
Wozu sie Kaiser Rudolfs Brief berechtigt,
Man hindert sie und stellt die Arbeit ein.

Ferdinand. Null ist der Majestätsbrief, als erzwungen.

Klesel. Erzwungen ist zuletzt ein jeder Friede;
Der Schwächere gibt nach. Doch soll das Schwert
Nicht wüten bis zu völliger Vertilgung,
Muß Friede werden, der nur Friede ist
Wenn er gehalten wird, ob frei, ob nicht.
Sie sollen Kirchen baun, so will's ihr König.

Ferdinand. Sagt doch vielmehr nur: Ihr.

Klesel. Nun also: Ich,
Sofern mein Rat ein Teil von seinem Willen.
Mich hat umsonst aus meiner Niedrigkeit
Die Vorsicht nicht gestellt auf jene Stufe
Zu der sonst nur Geburt und Gunst erhebt.
Der Kirche Macht bekleidet mit dem Purpur,
Der mich den Königen zur Seite stellt.
Ich werde nicht vor Menschen feig erzittern,
Und wären's Könige--im Land der Zukunft;
Die nämlich kommen kann, nicht kommen muß.

Ferdinand. Da wär' zu zittern denn an mir?

Klesel. Niemand soll zittern!
Vor allem der im Recht ist und der klug.

Ferdinand (auf die Kabinettstüre zugehend).
Da ist denn einer nur der hier entscheidet.

Klesel (mit einer gleichen Bewegung).
Ich bin bestellt.

Ferdinand. Und ich, ich bin berufen,
Im Sinn der Schrift. Berufen und--erwählt,
In Böhmen wenigstens als künft'ger König.

(Ein Kämmerling erscheint in der Kabinettstüre.)

Klesel. Sagt, daß wir warten hier, und sputet Euch!

(Der Kämmerling geht ins Kabinett zurück)
(Klesel geht mit starken Schritten auf und nieder.)

Ferdinand (sich entfernend).
Der Bauer steckt noch ganz in seinem Leibe
Mit des Emporgekommnen Übermut.

(Der Kämmerling kommt zurück.)

Ferdinand. Hat man gemeldet also?

Kämmerling (mit einer Einlaßbewegung).
Eminenz.

(Klesel geht mit starkem Schritt ins Kabinett.)

Kämmerling. Entschuld'gen soll ich seine Majestät,
Hochwicht'ge Nachricht sei aus Prag gekommen,
Sie stehn zu Dienst wenn das Geschäft beendigt.

Ferdinand. Ich bin's gewohnt den Dienern nachzustehn.
Wie ist's in Prag, vor allem mit dem Kaiser?

Kämmerling. Ein Anfall wie er öfter schon ihn traf,
Nur stark wie nie, bedroht sein Leben, sagt man,
Doch gibt man Hoffnung noch--für dieses Mal.

Ferdinand. Ich bete drum, denn er ist unsre Hoffnung,
Der schutzlos selber, unser einziger Schutz.

(Kämmerling geht zurück.)

Ferdinand. Nun denn, der Augenblick der Tat, er kam.
Stirbt Kaiser Rudolf, was wohl furchtbar nah,
Und folgt Mathias auf dem deutschen Throne,
Verdoppeln sich die furchtsamen Bedenken,
Die ihm dies Schwanken in die Brust gelegt.
Des Reiches Fürsten, ketzerisch zumeist,
Hier Sachsen, Brandenburg, die böse Pfalz,
Sie nötigen zu Schonung, schwachem Dulden
Und jene Spaltung setzt sich endlos fort,
In der Gott selbst so wie sein Wort gespalten.

Vor allem jetzt muß dieser Priester fort,
Des schlimme Schmeichelei, gehüllt in Derbheit,
Ihn ehrlich nennt wo listig er zumeist.
Des Leichtigkeit in Schrift und Wort und Tat,
Ihn unentbehrlich macht, weil er bequem
Die Herrschaft auflöst in die Unterschrift.

Jetzt oder nie! Seit Monden seh ich's kommen,
Und der ich Festigkeit von andern fordre,
Mir ringen Zweifel selber in der Brust.
(Aus der Tasche seines Mantels Briefe hervorziehend.)
Bin ich gewappnet nicht mit aller Vollmacht
Von Rom, von Spanien, dem kathol'schen Deutschland?
Das böse Beispiel das ich etwa gebe,
Es findet sich geheiliget im Zweck:
Der Ehre Gottes und dem Sieg der Kirche.
(Das Barett abnehmend.)
So war dem Hohenpriester wohl zu Mut
Als er den Ahab tötete im Haus des Herrn.
Er warf sich nieder vor der Bundeslade
Wie ich jetzt beugen möchte hier mein Knie
Und Gottes Wink erflehn und seine Stimme.

Ich will noch einmal meinen Oheim sprechen,
Ihm vor die Augen legen diese Briefe,
Die alle fordern was das Heil von allen.
Dann aber rasch, denn er ist wankelmütig!
Der nächste Tag bringt einen andern Sinn
Und die Gewohnheit ist das Band der Schwäche.
(Die Türe im Hintergrunde öffnend.)
Seyfried bist du bereit?

Seyfried Breuner (eintretend).
Ich bin's seit lange.

Ferdinand. Nun diesmal gilt's. Besorg erst einen Wagen.

Seyfried. Des Klesel Kutsche, die ihn hergebracht,
Hält unten noch im Hof.

Ferdinand. Um desto besser.
Indes ich noch mit meinem Oheim spreche,
Halt ihn zurück durch irgend einen Vorwand,
Bis ich dir sage: jetzt! Dann schnell nach Kufstein.
Merk wohl, er darf zurück nicht in sein Haus,
Denn seine Schriften sind vor allem wichtig.
Er kommt. Geh nur und sieh nach deinen Leuten.

(Seyfried ab.--Klesel kommt aus dem Kabinett.)

Ferdinand. Darf ich nun endlich meinem Oheim nahn?

Klesel. Er ging nur eben nach der Schloßkapelle,
Doch kehrt er wieder, ehrt ihn der Besuch.

Ferdinand. Es ist kaum zehn, um eilf Uhr ist die Messe.

Klesel. Die Andacht bindet sich an keine Zeit.

Ferdinand. Nun das habt Ihr getan. Ich dank Euch drum.
Ich forderte ein Zeichen erst vom Himmel,
Ihr gebt das Zeichen selbst. Noch einmal: Dank!
Das ist der Lohn der Schlauheit, daß sie fein
Den Faden spinnt, bis er, am feinsten, bricht.
Ihr sollt nach Kufstein, Herr!

Klesel. Nicht daß ich wüßte!
Mir ist zu reisen weder Zeit noch Lust.

Ferdinand. Doch wenn Ihr müßt?

Klesel (sich dem Kabinette nähernd).
Wer wagt hier zu gebieten?

Ferdinand. Ihr habt ja selbst den Schutz von Euch entfernt.
Der König ist in seinen Zimmern nicht,
Gesendet habt Ihr ihn nach der Kapelle
Und seid gegeben nun in unsre Macht.
Der Papst will Euch in Rom; deshalb nach Kufstein,
Das annoch deutsch und auf dem Weg nach Welschland.

Klesel. Der König ruft zurück mich Augenblicks.

Ferdinand. Seid dessen wirklich Ihr so sicher?

Klesel.--Nein!
Ihm hat die Herrschaft aufgedrückt die Makel,
Die sie der Kön'ge besten nur erspart:
Unsicherheit und Mangel an Entschluß.
Doch später, wenn der Samen aufgegangen,
Den man gesät in den entzweiten Landen,
Verwirrung und Empörung, ja der Krieg
In blutigroter Blüte wuchernd sprossen,
Dann wird man pilgern hin zu Kufsteins Toren,
Dann kehr ich heim in siegendem Triumph.

Seyfried (eintretend).
Es drängt die Zeit.

Ferdinand. Sei immer ruhig, Freund,
Er hat dafür gesorgt, daß uns sein Herr
Nicht vor der Zeit hier störe im Beginnen.
Nun aber fort! Es ziemt nicht meiner Würde
Den Schergen hier zu spielen nebst dem Richter.
Obwohl's mich freut, erquickt in meinem Sinn,
--Nicht meinetwillen, nein um Gottes wegen--
Im Staub zu sehn den Mann, der ihm getrotzt.
Glück auf den Weg! Nach Kufstein also rasch!

(Durch die Mitteltüre ab.)

Klesel. Herr Seyfried, seht, ich war Euch stets ein Freund.

Seyfried. Drum habt Ihr meiner Schwester auch verweigert
Die Pension, die ihr zu Recht gebührt.

Klesel. Sie soll sie haben, und verlangt ihr Gold,
Nennt den Betrag bis dreißigtausend Kronen,
Nur gönnt mir Aufschub, eine Viertelstunde.
Laßt mich zu Hause ordnen noch Papiere,
Man hat so viel was nicht für jeden taugt.

Seyfried. Ich bin vom selben Stoff wie meine Waffen:
Die Faust von Eisen und die Brust von Erz.
(Auf die Seitentüre links zeigend.)
Dort unser Weg. Verlegt Euch nicht auf Bitten.

Klesel. Ihr mahnt mich recht. Ich habe hier geboten
Und will nicht betteln um der Bettler Gnade.
Vollführt denn die Befehle Eures Herrn,
Der sich von Eisen fühlt, wie Euer Harnisch
So oft ihn Glaubenseifer vorwärts treibt,
Doch kommt's einmal zu menschlicher Zerwürfnis
Vor jedem zittern wird, der, starken Sinns
Sich dienend aufgedrungen ihm zum Herrn.
Er wird mein Rächer sein. Ich ahn ihn schon
Und höre seine Tritte aus der Ferne.

Ein Diener (der die Mitteltüre öffnet, anmeldend).
Herr Oberst Wallenstein.

Klesel. Hört Ihr den Namen?

Seyfried. Jetzt ist nicht Zeit zu sprechen. Dort hinaus!

(Aus der Seitentüre sind Trabanten herausgetreten.)

Klesel (zu Seyfried, der vorausgehen will).
Zurück! Mir bleibt der Vorrang, wär's in Ketten.

(Er geht mitten durch die Trabanten ab. Seyfried folgt. Oberst
Wallenstein ist eingetreten und sieht ihnen verwundert nach.
Erzherzog Ferdinand kommt durch die Mitteltüre.)

Ferdinand. Wir freuen uns, Herr Oberst, Euch zu sehn.
Ihr kommt aus Prag?

Wallenstein. Auf einem Umweg, ja.

Ferdinand. Wie steht's im Schloß?

Wallenstein. Verwirrung aller Orten.
Man spricht von Krankheit, manche gar von Tod.

Ferdinand. Verhüt' es Gott!

Wallenstein. Er wird wohl etwa, denk ich.
Allein im Land bedarf es unsre Sorge,
Da ist das Unterste zuoberst, Herr.

Ferdinand. Vielleicht das Oberste zuunterst bald.

Wallenstein. Man hat den Bau der Kirchen eingestellt,
Die ihnen zugesagt der Majestätsbrief.

Ferdinand. Das hat er nicht.

Wallenstein. Nun auch gut, also nicht.
Allein sie glauben's und der Aufstand lodert
In Braunau, Pilsen, weit herum im Land.
Schon bis nach Prag erstreckt sich die Bewegung.
Der Mathes Thurn liegt dort im Hinterhalt.

Ferdinand. Und unsre Treuen, Martiniz, Slawata,
Des Landes fromme Pfleger, dulden sie's?

Wallenstein. Sie haben Ärgeres bereits erduldet.
Der Mathes Thurn ließ eben als ich abging,
Nach einer alten Landessitte, sagt er,
Sie aus den Fenstern werfen am Hradschin,
Im vollen Landtag und im besten Sprechen.
Doch sind sie unverletzt, seid unbesorgt.
Sie haben noch gar höflich sich entschuldigt
Weil nach dem Rang sie nicht zu liegen kamen,
Zuoberst, weil zuletzt, der Sekretär.
Betrachtet Böhmen drum als feindlich Land.

Ferdinand. Nun um so besser denn!

Wallenstein. Ihr seid mein Mann!
Drum eben ist Gewalt Gewalt genannt,
Weil sie entgegen tritt dem Widerstand.
Und wie im Feld der Heeresfürst gebeut,
Nicht fremde Meinung oder Tadel scheut,
So sei auch in des Landes Regiment
Ein Gott, ein Herr, ein Wollen ungetrennt.
Ich will nun noch zu Seiner Majestät.

Ferdinand. Laßt das auf später. Setzt für jetzt Euch hin,
Schreibt die Befehle an die Garnisonen.

Wallenstein. Das ist bereits geschehn.

Ferdinand. Durch wen? und wann?

Wallenstein. Da auf den Stationen als ich herritt,
Man mit den Pferden zögerte, wie's Brauch,
Benutzt' ich jede Rast und schrieb die Orders
An die entfernt gelegnen Truppen selbst,
Sie teils nach Brünn, teils her nach Wien bescheidend.
Erwartet heut noch die Dampierrschen Reiter,
Kapraras Fußvolk auch ist wohl schon nah.
Der Krieg hat Füße denn doch nur und Hände
Wenn er Geschwindigkeit mit Kraft vereint.

Ferdinand. Und das nahmt Ihr auf Euch?

Wallenstein. So sollt' ich nicht?

Ferdinand. Ich dank Euch, Herr; und denk Euch wohl zu brauchen,
Wenn mich einst Gott auf diesen Thron gesetzt.
Doch will ich mich auch hüten, nehmt's nicht übel,
Daß Ihr nicht mehr mir dient, als lieb mir selbst.

Wallenstein. Wer kann wohl sagen, meint ein altes Sprichwort:
Aus diesem Brunnen will ich niemals trinken!
Die Zeit entscheidet da, Herr--und der Durst.

Erzherzog Ferdinand (die Mitteltüre öffnend).
Herbei wer in den Vorgemächern draußen
Und treu es meint mit Östreichs edlem Haus.

(Mehrere treten ein.)

Ferdinand. In Prag hat sich der Pöbel, Glaubenspöbel
Erfrecht was nimmermehr zu dulden ziemt.
Wer Christ und Edelmann ist aufgefordert
Zu ziehn mit uns für Gott und für das Recht.

Einige. Seht uns bereit!

Andere. Mit Gut und Blut und Leben!

Ferdinand. Besendet Tilly, schreibt an Baierns Herzog,
Daß uns ihr Beistand sicher, wenn er not.

Obwohl für jedes Menschenleben gern
Ich einen Teil hingäbe meines Selbst,
Will ich nicht ruhn, bis dieses böse Schlingkraut
Vertilgt in jeder Windung bis zum Kern.

(Trompeten in der Ferne.)

Wallenstein (ans Fenster eilend).
Das sind, weiß Gott! schon die Dampierrschen Reiter.
Die habt Ihr nun wie Würfel in der Hand.

(König Mathias kommt aus dem Kabinette.)

Mathias. Was sind das für Trompeten? und was soll's?

Ferdinand. Die Truppen, Herr, die sich nach Prag bewegen,
Wo frecher Aufruhr uns die Stirne beut.

Mathias. Die Früchte das von dem geheimen Treiben,
Das hinter unserm Rücken still bemüht.
Schickt nach dem Kardinal!
(Da die Angeredeten verlegen zurücktreten.)
Was zögert ihr?

Ferdinand. Er ist nur eben abgereist nach Kufstein.

Mathias. In diesem Augenblick? Ist er von Sinnen?

Ferdinand. Gerad in diesem Augenblick, mein König.
(Auf das Kabinett zeigend.)
Gefällt's Euch hier ins Innre einzutreten,
So leg ich Euch die Gründe dienstlich vor.

Mathias (streng).
Sprecht öffentlich, damit ich offen richte.

Ferdinand (Schriften aus dem Mantel ziehend, halblaut).
Die Briefe hier von Baiern, Spanien, Rom,
Den einz'gen Stützen unsrer guten Sache,
Die nur auf die Entfernung dieses Manns
Den Beistand uns verheißen, den wir brauchen.
Hier Oberst Wallenstein, er kommt aus Prag
Und meldet uns, daß dort der Aufstand rege.
Die Andersgläubigen der andern Länder,
Erwarten nur das Zeichen solchen Ausbruchs,
Um zu vereinen sich zu gleichem Trotz.
Glaubt Ihr, daß wir mit unsern eignen Kräften
(auf die Schriften zeigend)
Nicht unterstützt von gleichgesinnten Mächten,
Dem Sturm gewachsen der uns rings bedroht?

Mathias. Wär' Klesel hier er wüßte des wohl Rat.

Ferdinand. Er ist kaum auf dem Weg. Geliebt es Euch,
So bringen Boten ihn noch heut zurück.
Allein alsdann verzeiht, wenn ich mich selbst
Vereine mit den Schreibern dieser Briefe,
Zurück mich ziehend in mein stilles Land.
(Mit gebeugtem Knie die Schriften hinhaltend.)

Mathias (die Schriften ihm heftig aus der Hand nehmend).
Wir wollen sehn!--Herr Oberst Wallenstein
Ihr kommt von Prag. Wie steht es mit dem Kaiser?
(Mit einem Seitenblicke auf Erzherzog Ferdinand.)
Ich fühle mich nur jetzt an ihn gemahnt.

Wallenstein. Er ward so oft im Leben totgesagt,
Daß nun auch kaum man den Gerüchten glaubt,
Die unheilkündend sich vom Schloß verbreiten.
Doch überholt' ich an der Taborbrücke
Ein Sechsgespann mit kaiserlichem Wappen
Und Herren drin in Schwarz, vielleicht in Trauer.
Hier sind sie deucht mich; hört die Antwort selbst.

(Herzog Julius von Braunschweig und einige Hofleute, die reichverzierte
Kleinodien-Gehäuse tragen, sämtlich in Trauer, treten ein.)

Mathias. Ich weiß genug. Es sprechen eure Kleider.
Mein Bruder tot. Wär' ich es erst nur auch.
(An der Türe des Kabinetts.)
Und niemand folge mir! Ich will allein sein.
(Er geht hinein.)

Ferdinand. Und ist es so?

Julius. Es ist. Ein jäher Anfall,
Der noch der Hoffnung Raum ließ, weil er öfter,
So sagen seine Diener, ihn ergriff.
Doch diesmal war's der Tod. Er ist geschieden.

Ferdinand. O daß der Drang der Zeit mir Weile gönnte
Ihn zu beweinen wie er es verdient.
Er war ein frommer Fürst.

Julius. Wohl, und ein Weisrer,
Als ihm die Hast der Übereilung zugibt.

Ferdinand. Doch zeigt die Weisheit sich im Handeln meist.

Julius. Wo nichts zu wirken ist auch nicht zu handeln
Die Zeit hilft selbst sich mehr als man ihr hilft.
Wir bringen die Insignien des Reichs,
Das einem andern nun zu Recht gehört,
Ein Erbe, der die Erbschaft schon besitzt.
Und so nun, meine Freundespflicht erfüllt,
--Er war mein Freund, ich wenigstens der seine--
Empfehl ich dieses Land in Gottes Schutz
Und kehre rück zu meinem das mich ruft.

Ferdinand. Vor allem noch nehmt unsers Hauses Dank,
Herr, und erlaubt, daß bis zur äußern Tür--

Julius (ablehnend).
Der Tod macht gleich. Wir alle müssen sterben.

(Er geht. Seine Begleiter setzen die Kapseln mit den Insignien auf
einen rechts im Hintergrunde stehenden Tisch.--Militärmusik in der Ferne.)

Wallenstein (ans Fenster eilend).
Das ist Kapraras Fußvolk, wie ich sagte.

Ferdinand. Laßt diese Töne schweigen, die den Jubel
In unsers Herzens Trauer spottend mischen.
--Auch stört es etwa Seine Majestät,
Die jetzt wohl schwer von anderen Gedanken.

(Es ist jemand auf den Balkon getreten und hat mit dem Schnupftuch ein
Zeichen gemacht. Die Musik schweigt.)

Ferdinand. Und so im Geist der Leichenfeier folgend
Des hingeschiednen Herrn, laßt uns ihn rächen.
Zwar Rache ziemt dem echten Christen nicht,
Doch seine Feinde strafen die auch unsre;
Und strafend sie, wär's mit dem Äußersten,
Zugleich erretten von dem ew'gen Tod.
Ein kurzer Feldzug nur steht uns bevor--

Wallenstein (in der Menge).
Der Krieg ist gut, und währt' er dreißig Jahr.

Ferdinand. Wer sprach? Was fällt Euch ein? Und warum dreißig?
Ist's doch als ob mit wiederholtem Schall
Das Wort von allen Wänden widertönte.
Ein kurzer Feldzug sagt' ich, und so ist's.
Was fällt Euch ein? Und warum dreißig eben?

Wallenstein. Ei, Herr, man nennt so viel ein Menschenleben.
Und eh' nicht, die nun Männer, faßt das Grab,
Und die nun Kinder, Männer sind geworden,
Legt sich die Gärung nicht, die jetzt im Blut.

Ferdinand. Wir achten Euch als wohlerprobten Krieger,
Als tücht'gen Führer, wohl dereinst als Feldherrn,
Doch zum Propheten seid Ihr noch zu jung.
Und wenn Ihr, wie man sagt, in Sternen lest,
So denkt an Kaiser Rudolfs traurig Wissen.

Nun laßt uns die Befehle noch bereiten,
Daß jedem kundig wo sein wahrer Punkt.
Denn gleich der Tat ehr ich die kluge Schrift;
Die Feder schlägt oft sichrer als die Waffe.

Musik und Lärm auf der Straße. Vivat Mathias!

Ferdinand. Schweigt man nimmer denn?

Ein Diener (der eingetreten ist).
Der Tod des Kaisers hat sich schon verbreitet.
Man jauchzt dem neuen Herrn. Man will ihn sehn.

Auf der Straße. Vivat Mathias!

Ferdinand (auf das Kabinett zeigend).
Geh denn einer hin
Und sage--Meldet Seiner Majestät
Des Volkes Wunsch und der Getreuen Bitte.

(Der Diener geht ins Kabinett.)

Ferdinand. Man muß die Stimmung nützen wenn sie neu.
Gealtert teilt sie gern des Alters Zweifel
Und frägt nach Gründen; endlos im Warum?

Mathias (aus dem Kabinette).
Wird mir denn nimmer Ruh'? Was soll es noch?

Ferdinand. Das Volk von dem Ereignis unterrichtet,
Das seinen Herrn beruft zum deutschen Thron,
Dazu die Krieger, die ins Feld sich rüsten,
Verlangen Euch zu sehn, erlauchter Herr.

Mathias. Nun denn, nur schnell.

Ferdinand (auf die Glastüre zeigend).
Vielleicht hier vom Balkon.

Mathias. Geht Ihr mit mir und steht an meiner Seite,
Vielleicht erkennt das Volk dann wer sein Herr.

(Erzherzog Ferdinand tritt mit einer ehrerbietigen Verbeugung zurück.)

Mathias. So öffnet denn die Tür!--Und--
(mit einer Abschiedsbewegung)
Gott befohlen!

(Er tritt auf den Balkon. Jubelgeschrei von außen.)

Ferdinand. Wir wollen denn nicht länger lästig fallen.
Ich selber ziehe nicht mit Euch ins Feld,
Doch will ich sorgen, daß, dieweil Ihr fern
Die Feinde tilgt mit scharfgeschliffner Waffe,
Die Gegner in dem Rücken Eures Heers,
Die heimlichen, deshalb gefährlichsten,
Gejätet und gesichtet und getilgt,
Auf daß das Land ein wohlbestellter Garten,
Ein Ährenfeld, zu Frucht dem höchsten Herrn.

(Indem die Anwesenden sich öffnen und einen Durchgang bilden.)

Ferdinand. Es geht in Krieg, seid froh Herr Wallenstein.

Wallenstein. Ich bin's.

Mehrere. Wir auch, und währt' es dreißig Jahr
--Ja wären's dreißig--Dreißig!--Um so besser.

(Indem sie Wallenstein die Hand schütteln, alle ab.)

Mathias (der vom Balkon zurückkommt).
Was sprechen sie von Krieg und dreißig Jahren?
Ich werd es nicht erleben. Glück genug.
Und übrall Lärm. Ich aber brauchte Stille
Tönt's doch in meinem Innern laut genug;
Und wieder öde, daß kein Widerhall
Des allgemeinen Jubels rückerklingt.
Am Ziel ist nichts mir deutlich als der Weg,
Der kein erlaubter war und kein gerechter.
(Sein Blick trifft die Reichskleinodien, er wendet die Augen ab.)
O Bruder, lebtest du und wär' ich tot!
Gekostet hab ich was mir herrlich schien,
Und das Gebein ist mir darob vertrocknet,
Entschwunden jene Träume künft'ger Taten,
Machtlos wie du wank ich der Grube zu.

Ich will ins Freie, mich zerstreun--und doch,
Wie ein Magnet ziehts mir die Augen hin
Und täuscht mit Formen, die nicht sind, ich weiß.
Reicht denn dein Haß herüber übers Grab,
Selbst nach der Strafe noch?

(Lärm und Musik von neuem aus der Ferne.)

Mathias (gegen den Tisch gekehrt in einiger Entfernung niederkniend und
wiederholt die Brust schlagend).
Mea culpa, mea culpa,
Mea maxima culpa

Von der Straße. Vivat Mathias!

(Indem das Vivatrufen fortwährt und Mathias das Gesicht mit beiden Händen
bedeckt fällt der Vorhang.)


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Ein Bruderzwist in Habsburg,
von Franz Grillparzer.







End of Project Gutenberg's Ein Bruderzwist in Habsburg, by Franz Grillparzer

*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EIN BRUDERZWIST IN HABSBURG ***

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Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau.

Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
unless a copyright notice is included.  Thus, we usually do not
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

We are now trying to release all our eBooks one year in advance
of the official release dates, leaving time for better editing.
Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
even years after the official publication date.

Please note neither this listing nor its contents are final til
midnight of the last day of the month of any such announcement.
The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
Midnight, Central Time, of the last day of the stated month.  A
preliminary version may often be posted for suggestion, comment
and editing by those who wish to do so.

Most people start at our Web sites at:
https://gutenberg.org or
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These Web sites include award-winning information about Project
Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).


Those of you who want to download any eBook before announcement
can get to them as follows, and just download by date.  This is
also a good way to get them instantly upon announcement, as the
indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.

http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03

Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90

Just search by the first five letters of the filename you want,
as it appears in our Newsletters.


Information about Project Gutenberg (one page)

We produce about two million dollars for each hour we work.  The
time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
searched and analyzed, the copyright letters written, etc.   Our
projected audience is one hundred million readers.  If the value
per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
files per month:  1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
If they reach just 1-2% of the world's population then the total
will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.

The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
which is only about 4% of the present number of computer users.

Here is the briefest record of our progress (* means estimated):

eBooks Year Month

    1  1971 July
   10  1991 January
  100  1994 January
 1000  1997 August
 1500  1998 October
 2000  1999 December
 2500  2000 December
 3000  2001 November
 4000  2001 October/November
 6000  2002 December*
 9000  2003 November*
10000  2004 January*


The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.

We need your donations more than ever!

As of February, 2002, contributions are being solicited from people
and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
Virginia, Wisconsin, and Wyoming.

We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
that have responded.

As the requirements for other states are met, additions to this list
will be made and fund raising will begin in the additional states.
Please feel free to ask to check the status of your state.

In answer to various questions we have received on this:

We are constantly working on finishing the paperwork to legally
request donations in all 50 states.  If your state is not listed and
you would like to know if we have added it since the list you have,
just ask.

While we cannot solicit donations from people in states where we are
not yet registered, we know of no prohibition against accepting
donations from donors in these states who approach us with an offer to
donate.

International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
ways.

Donations by check or money order may be sent to:

Project Gutenberg Literary Archive Foundation
PMB 113
1739 University Ave.
Oxford, MS 38655-4109

Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
method other than by check or money order.

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
[Employee Identification Number] 64-622154.  Donations are
tax-deductible to the maximum extent permitted by law.  As fund-raising
requirements for other states are met, additions to this list will be
made and fund-raising will begin in the additional states.

We need your donations more than ever!

You can get up to date donation information online at:

https://www.gutenberg.org/donation.html


***

If you can't reach Project Gutenberg,
you can always email directly to:

Michael S. Hart 

Prof. Hart will answer or forward your message.

We would prefer to send you information by email.


**The Legal Small Print**


(Three Pages)

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They tell us you might sue us if there is something wrong with
your copy of this eBook, even if you got it for free from
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fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
disclaims most of our liability to you. It also tells you how
you may distribute copies of this eBook if you want to.

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          does *not* contain characters other than those
          intended by the author of the work, although tilde
          (~), asterisk (*) and underline (_) characters may
          be used to convey punctuation intended by the
          author, and additional characters may be used to
          indicate hypertext links; OR

     [*]  The eBook may be readily converted by the reader at
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          form by the program that displays the eBook (as is
          the case, for instance, with most word processors);
          OR

     [*]  You provide, or agree to also provide on request at
          no additional cost, fee or expense, a copy of the
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*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*