Die Argonauten

By Franz Grillparzer

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Title: Die Argonauten

Author: Franz Grillparzer

Posting Date: October 5, 2014 [EBook #7943]
Release Date: April, 2005
First Posted: June 3, 2003

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ARGONAUTEN ***




Produced by Delphine Lettau and Mike Pullen










Die Argonauten

Franz Grillparzer

Trauerspiel in vier Aufzügen


Personen:

Aietes, König von Kolchis
Medea und Absyrtus, seine Kinder
Gora, Medeens Amme
Peritta, eine ihrer Gespielen
Jason
Milo, sein Freund
Medeens Jungfrauen
Argonauten
Kolcher




Erster Aufzug

(Kolchis.--Wilde Gegend mit Felsen und Bäumen.  Im Hintergrunde ein
halbverfallener Turm, aus dessen obersten Stockwerke ein schwaches
Licht flimmert.  Weiter zurück die Aussicht aufs Meer.  Finstere
Nacht.)

Absyrtus (hinter der Szene).
Dorther schimmert das Licht!--Komm hierher Vater!--
Ich bahne dir den Weg!--Noch diesen Stein!--
So!--

(Auftretend und mit dem Schwert nach allen Seiten ins Gebüsch
hauend.)

Aus dem Wege unnützes Pack!
Vater, mein Schwert macht klare Bahn!
Aietes (tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunkeln
Mantel gehüllt.)

Absyrtus.
Wir sind an Ort und Stelle, Vater.
Dort der Turm, wo die Schwester haust.
Siehst das Licht aus ihrer Zelle?
Da weilt sie und sinnt Zaubersprüche
Und braut Tränke den langen Tag,
Des Nachts aber geht sie gespenstisch hervor
Und wandelt umher und klagt und weint.

(Aietes macht eine unwillige Bewegung.)

Absyrtus.
Ja Vater und weint, so erzählt der Hirt
Vom Tal da unten, und ringt die Hände
Daß es, spricht er, kläglich sei anzusehn!
Was mag sie wohl treiben und sinnen, Vater?

(Aietes geht gedankenvoll auf und nieder.)

Absyrtus.
Du antwortest nicht?--Was hast du Vater?
Trüb und düster ist dein Gemüt.
Du hast doch nicht Furcht vor den Fremden, Vater?

Aietes.
Furcht Bube?

Absyrtus.
Nu, (Sorge) denn, Vater!
Aber habe nicht Furcht noch Sorge!
Sind uns nicht Waffen und Kraft und Arme?
Ist nicht ein Häuflein nur der Fremden?
Wären ihrer doch zehnmal mehr!
Laß sie nur kommen, wir wollen sie jagen
Eilends heim in ihr dunkles Land
Wo keine Wälder sind und keine Berge,
Wo kein Mond strahlt, keine (Sonne) leuchtet
Die täglich, hat sie sich müde gewandelt,
Zur Ruhe geht in unserem Meer.
Laß sie nur kommen, ich will sie empfangen,
Du hast nicht umsonst mich wehrhaft gemacht,
Nicht umsonst mir gegeben dies blitzende Schwert,
Und den Speer und den Helm mit dem wogenden Busch,
Waffen  d u , und Mut die (Götter)!
Laß die Schwester mit ihren Künsten,
Schwert gegen Schwert, so binden wir an!

Aietes.
Armer Wurm!

Absyrtus.
Ich bin dein Sohn!
Damals als du den Phryxus schlugst--

Aietes.
Schweig!

Absyrtus.
Das ist ja eben warum sie kommen
Her nach Kolchis, die fremden Männer
Zu rächen, wähnen sie, seinen Tod
Und zu stehlen unser Gut, das strahlende Vließ.

Aietes.
Schweig Bube!

Absyrtus.
Was bangst du Vater?
Fest verwahrt in der Höhle Hut
Liegt es das köstliche, goldene Gut.

Aietes

(den Mantel vom Gesicht reißend und ans Schwert greifend).
Soll ich dich töten, schwatzender Tor?

Absyrtus.
Was ist dir?

Aietes.
Schweig!--Dort sieh zum Busch!

Absyrtus.
Warum?

Aietes.
Mir deucht es raschelt dort
Und regt sich.--Man behorcht uns.

Absyrtus

(zum Gebüsch hingehend und an die Bäume schlagend).
He da!--Steht Rede!--Es regt sich Niemand!

(Aietes wirft sich auf ein Felsenstück im Vorgrunde.)

Absyrtus (zurückkommend).
Es ist nichts, Vater!  Niemand lauscht.

Aietes

(aufspringend und ihn hart anfassend).
Ich sage dir, wenn du dein Leben liebst
Sprich nicht davon!

Absyrtus.
Wovon?

Aietes.
Ich sage dir, begrab's in deiner Brust
Es ist kein Knabenspielzeug, Knab'!  Doch alles still hier!
Niemand empfängt mich;
Recht wie es ziemt der Widerspenst'gen Sitz.

Absyrtus.
Hoch oben am Turme flackert ein Licht.
Dort sitzt sie wohl und sinnt und tichtet.

Aietes.
Ruf ihr!  Sie soll heraus!

Absyrtus.
Gut Vater!


(Er geht dem Turme zu).
Komm herab du Wandlerin der Nacht
Du Spät-Wachende bei der einsamen Lampe!
Absyrtus ruft, deines Vaters Sohn!

(Pause.)

Sie kommt nicht, Vater!

Aietes.
Sie soll!  Ruf lauter!

Absyrtus

(ans Tor schlagend).
Holla ho!  Hier der König!  Heraus ihr!

Medeas Stimme (im Turm).
Weh!

Absyrtus.
Vater!

Aietes.
Was?

Absyrtus (zurückkommend).
Hast du gehört?
Weh rief's im Turm!  War's die Schwester die rief?

Aietes.
Wer sonst!  Geh, deine Torheit steckt an.
Ich will rufen und sie soll gehorchen!

(Zum Turme gehend.)

Medea!

Medea (im Turm).
Wer ruft?

Aietes.
Dein Vater ruft und dein König!
Komm herab!

Medea.
Was soll ich?

Aietes.
Komm herab, sag' ich!

Medea.
O laß mich!

Aietes.
Zögre nicht!  Du reizest meinen Zorn!
Im Augenblicke komm!

Medea.
Ich komme!

(Aietes verhüllt sich und wirft sich wieder auf den Felsensitz.)

Absyrtus.
Wie kläglich, Vater, ist der Schwester Stimme.
Was mag ihr fehlen?  Sie dauert mich!--
Dich wohl auch, weil du so schmerzlich schweigst,
Das arme Mädchen!--

(Ihn anfassend.)

Schläfst du, Vater?

Aietes (aufspringend).
Törichte Kinder sind der Väter Fluch!
Du und sie,  i h r  tötet mich,
Nicht meine Feinde!

Absyrtus.
Still!  Horch!--Der Riegel klirrt!--Sie kommt!--Hier ist sie!
Medea (in dunkelroter Kleidung, am Saume mit goldenen Zeichen
gestickt, einen schwarzen, nachschleppenden Schleier der an einem,
gleichfalls mit Zeichen gestickten Stirnbande befestigt ist, auf
dem Kopfe, tritt, eine Fackel in der Hand, aus dem Turme.)

Medea.
Was willst du, Herr?

Absyrtus.
Ist das die Schwester, Vater?
Wie anders doch als sonst, und ach, wie bleich!

Aietes (zu Absyrtus).
Schweig jetzt!

(Zu Medeen.)

Tritt näher!--näher!--
Doch erst Lösch' deine Fackel, sie blendet mir das Aug!

Medea

(die Fackel am Boden ausdrückend).
Das Licht ist verlöscht, es ist Nacht, o Herr!

Aietes.
Jetzt komm!--Doch erst sag' an wer dir erlaubt,
Zu fliehn, des väterlichen Hauses Hut
Und hier, in der Gesellschaft nur der Wildnis
Und deines wilden Sinns, Gehorsam weigernd,
Zu trotzen meinem Worte, meinem Wink?

Medea.
Du fragst?

Aietes.
Ich frage!

Medea.
Reden soll ich?

Aietes.
Sprich!

Medea.
So höre wenn du kannst und zürne wenn du darfst.
O könnt' ich schweigen, ewig schweigen!
Verhaßt ist mir dein Haus
Mit Schauder erfüllt mich deine Nähe.
Als du den Fremden erschlugst,
Den Götterbeschützten, den Gastfreund
Und raubtest sein Gut,
Da trugst du einen Funken in dein Haus,
Der glimmt und glimmt und nicht verlöschen wird,
Gössest du auch darüber aus
Was an Wasser die heil'ge Quelle hat,
Der Ströme und Flüsse unnennbare Zahl
Und das ohne Grenzen gewaltige Meer.
Ein törichter Schütze ist der Mord,
Schießt seinen Pfeil ab ins dunkle Dickicht,
Gewinnsüchtig, beutegierig,
Und was er für ein Wild gehalten,
Für frohen Jagdgewinn,
Es war sein Kind, sein eigen Blut,
Was in den Blättern rauschte, Beeren suchend.
Unglücksel'ger was hast du getan?
Feuer geht aus von dir
Und ergreift die Stützen deines Hauses
Das krachend einbricht
Und uns begräbt.--

Aietes.
Unglücksbotin was weißt du?

Medea.
In der Schreckensstunde
Als sie geschehn war die Tat,
Da ward mein Aug geöffnet
Und ich sah sie, sah die Unnennbaren
Geister der Rache.
Spinnenähnlich,
Gräßlich, scheußlich,
Krochen sie her in abscheulicher Unform
Und zogen Fäden, blinkende Fäden,
Einfach, doppelt, tausendfach,
Rings um ihr verfallen Gebiet.
Du wähnst dich frei und du bist gefangen,
Kein Mensch, kein Gott löset die Bande
Mit denen die Untat sich selber umstrickt.
Weh dir, weh uns allen!

Aietes.
Verkaufst du mir Träume für Wirklichkeit?
Deines Gleichen magst du erschrecken,
Törin!  Nicht mich!
Hast du die Zeichen, die Sterne gefragt?

Medea.
Glaubst du ich könnt's, ich vermöcht' es?
Hundertmal hab' ich aufgeblickt
Zu den glänzenden Zeichen
Am Firmament der Nacht.
Und alle hundertmale
Sanken meine Blicke
Von Schreck getroffen, unbelehrt.
Es schien der Himmel mir ein aufgerolltes Buch
Und (Mord) darauf geschrieben, tausendfach,
Und (Rache) mit demantnen Lettern
Auf seinen schwarzen Grund.
O frage nicht die Sterne dort am Himmel,
Die Zeichen nicht der schweigenden Natur,
Des Gottes Stimme nicht im Tempel:
Betracht' im Bach die irren Wandelsterne,
Die scheu dir blinken aus den düstern Brau'n
Die Zeichen die die Tat dir selber aufgedrückt,
Des Gottes Stimme in dem eignen Busen,
Sie werden dir Orakel geben,
Viel sicherer als meine arme Kunst,
Aus dem was ist und war, auf das was werden wird.

Absyrtus.
Der Vater schweigt.  Du bist so seltsam Schwester
Sonst warst du rasch und heiter, frohen Muts;
Mich dünkt du bist dreifach gealtert
In der Zeit als ich dich nicht gesehn!

Medea.
Es hat der Gram sein Alter, wie die Jahre
Und wer der Zeit (vorauseilt), guter Bruder,
Kommt früh ans Ziel.

Absyrtus.
Du weißt wohl also schon
Von jenen Fremden die--

Medea.
Von Fremden--?

Aietes.
Halt!
Ich gebot dir zu schweigen!  Schweig denn, Schwätzer!
Medea, laß uns klug sprechen und besonnen,
Das Gegenwärt'ge aus der Gegenwart
Und nicht aus dem betrachten was Vergangen.
Wiss' es denn.  Fremde sind angekommen, Hellenen,
Sie begehren zu rächen Phryxus' Blut,
Verlangen die Schätze des Erschlagnen
Und des Gottes Banner, das goldene Vließ.

Medea

(aufschreiend).
Es ist geschehn!  Der Streich gefallen!  Weh!

(Will in den Turm zurück.)

Aietes (sie zurückhaltend).
Medea, Halt!--Bleib, Unsinnige!

Medea.
Gekommen die Rächer, die Vergelter!

Aietes.
Willst du mich verlassen, da ich dein bedarf?
Willst du sehen des Vaters Blut?
Medea ich beschwöre dich
Sprich!  Rate!  Rette!  Hilf!
Gib mich nicht Preis meinen Feinden!
Argonauten nennen sie sich
Weil Argo sie trägt, das schnelle Schiff.
Was das Hellenenland an Helden nährt,
An Tapfern vermag, sie haben's versammelt
Zum Todesstreich auf deines Vaters Haupt.
Hilf Medea!  Hilf meine Tochter!

Medea.
I ch  soll helfen, hilf du selbst!
Gib heraus was du nahmst, Versöhnung bietend!

Aietes.
Verteilt sind die Schätze den Helfern der Tat;
Werden sie wiedergeben das Empfangne?
Besitzen sie's noch?  die törichten Schwelger,
Die leicht vertan das leicht erworbne.
Soll ich herausgeben das glänzende Vließ,
Des Gottes Banner, Perontos Gut?
Nimmermehr!  Nimmermehr!  Und tät' ich's
Würden sie drum schonen mein und eurer?
Um desto sichrer würgten sie uns,
Rächend des Freundes Tod,
Geschützt durch das heilige Pfand des Gottes.
Deine Kunst befrage, gib andern Rat!

Medea.
Rat dir geben, ich selber ratlos!

Aietes.
Nun wohl, so verharre, du Ungeratne!
Opfre dem Tod deines Vaters Haupt.
Komm mein Sohn, wir wollen hinaus,
Den Streichen bieten das nackte Haupt,
Und fallen unter der Fremden Schwertern.
Komm mein Sohn, mein einzig Kind!

Medea.
Halt Vater!

Aietes.
Du willst also?

Medea.
Hör' erst!
Ich will's versuchen, die Götter zu fragen,
Was sie gebieten was sie gestatten.
Und nicken sie zu, so steh' ich dir bei,
Helfe dir bekämpfen den Feind,
Helfe dir schmieden den Todespfeil
Den du abdrücken willst ins dunkle Gebüsch,
Nicht wissend, armer Schütze, wen du triffst.
Es sei!  Du gebeutst, ich gehorche!

Aietes.
Medea, mein Kind, mein liebes Kind!

Medea.
Frohlocke nicht zu früh, noch fehlt das Ende.
Ich bin bereit; allein versprich mir erst,
Daß, wenn die Tat gelang, dein Land befreit,
Zu hoffen wag' ich's kaum, allein wenn doch,--
Du mich zurückziehn läßt, in diese Wildnis
Und nimmer mehr mich störst, nicht du, nicht andre.

Aietes.
Warum?

Medea.
Versprich's!

Aietes.
Es sei!

Medea.
Wohlan denn Herr,
Tritt ein bei deiner Magd, ich folge dir!

Aietes.
Ins Haus?

Medea.
Drin wird's vollbracht.

Aietes (zu Absyrtus).
So komm denn Sohn!

(Beide ab in den Turm.)

Medea.
Da gehn sie hin, hin die Verblendeten!--
Ein töricht Wesen dünkt mich der Mensch;
Treibt dahin auf den Wogen der Zeit
Endlos geschleudert auf und nieder,
Und wie er ein Fleckchen Grün erspäht
Gebildet von Schlamm und stockendem Moor
Und der Verwesung grünlichem Moder,
Ruft er: (Land)!  und rudert drauf hin
Und besteigt's--und sinkt--und sinkt--
Und wird nicht mehr gesehn!
Armer Vater, armer Mann!
Es steigen auf vor meinen Blicken
Düstrer Ahnungen Schauergestalten,
Aber verhüllt und abgewandt
Ich kann nicht erkennen ihr Antlitz!
Zeigt euch mir (ganz), oder verschwindet
Und laßt mir Ruh, träumende Ruh!
Armer Vater!  Armer Mann!--
 Aber der Wille kann viel--und ich will.
Will ihn erretten, will ihn befrein
Oder untergehn mit ihm!
Dunkle Kunst, die mich die Mutter gelehrt
Die den Stamm du treibst in des Lebens Lüfte
Und die Wurzeln geheimnisvoll
Hinabsenkst zu den Klüften der Unterwelt,
Sei mir gewärtig!--Medea (will)!
Ans Werk denn!

(Zu einigen Jungfrauen die am Eingange des Turmes erscheinen.)

Und ihr des Dienstes Beflißne
Bereitet die Höhle, bereitet den Altar!
Medea will zu den Geistern rufen,
Zu den düstern Geistern der schaurigen Nacht
Um Rat, um Hilfe, um Stärke, um Macht!

(Ab in den Turm.)

(Pause.  Dann tritt) Jason (rasch auf.)

Jason.
Hier hört' ich Stimmen!--Hier muß--Niemand hier?

Milo (hinter der Szene).
Holla!

Jason.
Hierher!

Milo (eben so).
Jason!

Jason.
Hier Milo, hier!

Milo (der keuchend auftritt).
Mein Freund, such' dir 'nen anderen Begleiter!
Dein Kopf und deine Beine sind zu rasch,
Sie laufen, statt zu gehn.  Ein großer Übelstand!
Von Beinen mag's noch sein, da hilft das Alter,
Allein ein Kopf der läuft!--Glück auf die Reise!
Such' einen andern sag' ich, ich bin's satt!

(Setzt sich.)

Jason.
Wir haben, was wir suchten!--Hier ist Licht!

Milo.
Ja Lichts genug um uns da zu beleuchten
Und zu entdecken und zu schlachten, wenn's beliebt.

Jason.
Ei, Milo Furcht?

Milo

(rasch aufstehend).
Furcht?--Lieber Freund, ich bitte
Wäg' deine Worte eh du sprichst!

(Jason faßt entschuldigend seine Hand.)

Milo.
Schon gut!
Wir laufen, nu, die Worte laufen mit!
Doch ernst.  Was suchst du hier?

Jason.
Kannst du noch fragen?
Die Freunde, sie, die mir hierher gefolgt,
Ihr Heil vertrauend meines Glückes Stern
Und Jasons Sache machend zu der ihren,
Sie schmachten, kaum dem schwarzen Schiff entstiegen,
Hier ohne Nahrung ohne Labetrunk
In dieser Küste unwirtbaren Klippen,
Kein Führer ist, der Wegeskunde gäbe
Kein Landmann bietend seines Speichers Vorrat
Und von der Herde triftgenährter Zucht.
Soll ich die Hände legen da in Schoß
Und müßig zusehn wie die Freunde schmachten?
Beim Himmel!  Ihnen soll ein Führer werden
Und Trank und Speise, sollt' ich auf sie wiegen
Mit meinem Blut!

Milo.
Das treue, wackre Herz!
O daß du nicht des Freundes Rat gefolgt
Und weggeblieben bist von dieser Küste!

Jason.
Warum denn auch?  Was sollt' ich wohl daheim?
Der Vater tot, mein Oheim auf dem Thron
Scheelsüchtig mich, den künft'gen Feind, betrachtend.
Mich litt es länger nicht, ich mußte fort.
Hätt' er nicht selbst, der Falsche, mir geboten
Hierher zu ziehn in dieses Inselland
Das goldne Götterkleinod abzuholen
Von dem man spricht, so weit die Erde reicht
Und das dem Göttersohne Phryxus einst,
Ihn selber tötend, raubten die Barbaren,
Ich wäre selbst gegangen, freien Willens,
Dem eckelhaften Treiben zu entfliehn.
Ruhmvoller Tod für ruhmentblößtes Leben
Mag's tadeln wer da will, mich lockt der Tausch!
Daß dich, o Freund, ich mitzog und die andern,
Das ist wohl schlimm, allein ihr wolltet's so!

Milo.
Ja freilich wollt' ich so und will noch immer
Denn sieh, ich glaub', du hast mir's angetan,
So lieb' ich dich und all dein Tun und Treiben.

Jason.
Mein guter Milo!

Milo.
Nein!  's ist unrecht sag' ich,
Ich sollt' der Klügre sein, ich bin der Ältre.
Hättst du mich hingeführt, wohin auch immer,
Nur nicht in dieses gottverlaßne Land.
Kommt irgend sonst ein Mann in Fährlichkeit,
Nu Schwert heraus und Mut voran.  Doch hier
In dieses Landes feuchter Nebelluft
Legt Rost sich, wie ans Schwert, so an den Mut.
Hört man in einem fort die Wellen brausen,
Die Fichten rauschen und die Winde tosen,
Sieht kaum die Sonne durch der dichten Nebel
Und rauhen Wipfel schaurigen Versteck,
Kein Mensch rings, keine Hütte, keine Spur,
Da wird das Herz so weit, so hohl, so nüchtern
Und man erschrickt wohl endlich vor sich selbst.
Ich, der als Knabe voll Verwundrung horchte,
Wenn man erzählte, 's gäb' ein Ding
Die (Furcht) genannt, hier seh' ich fast Gespenster
Und jeder dürre Stamm scheint mir ein Riese
Und jedes Licht ein Feuermann.  's ist seltsam.
Was unbedenklich sonst, erscheint hier schreckhaft
Und was sonst greulich wieder hier gemein.
Nur kürzlich sah ich einen Bär im Walde,
So groß vielleicht als keinen ich gesehn
Und doch kams fast mir vor, ich sollt' ihn streicheln,
Wie einen Schoßhund streicheln mit der Hand,
So klein, so unbedeutend schien das Tier
Im Abstich seiner schaurigen Umgebung.
Du hörst nicht?

Jason (der indes den Turm betrachtet hat).
Ja ich will hinein!

Milo.
Wohin?

Jason.
Dort in den Turm.

Milo.
Mensch, bist du rasend?

(Ihn anfassend). Höre!

Jason (sich losmachend und das Schwert ziehend).
Ich will, wer hält mich?  Hier mein Schwert!  Es schützt mich
Vor Feinden wie vor überläst'gen Freunden.
Die erste Spur von Menschen find' ich hier
Ich will hinein.  Mit vorgehaltnen Eisen
Zwing' einen ich von des Gebäuds Bewohnern,
Zu folgen mir, zu führen unsre Schar
Auf sichern Pfad aus dieses Waldes Umfang,
Wo Hunger sie und Feindeshinterhalt
Weit sichrer trifft als mich hier die Gefahr.
Sprich nicht!  Ich bin entschlossen.  Geh zurück
Ermutige die Schar.  Bald bring' ich Rettung!

Milo.
Bedenk'!

Jason.
Es ist bedacht!  Wer kann hier weilen
Im kleinen Hause, wüst und abgeschieden?
Ein Haushalt von Barbaren und was mehr?
Ich denk' du kennst mich!  Hier ist nicht Gefahr
Als im Verweilen.--Keine Worte weiter!

Milo.
Doch wie gelangst du hin?

Jason.
Siehst du dort drüben
Gähnt weit ein Spalt im alternden Gemäuer.
Das Meer leiht seinen Rücken bis da hin
Und leicht erreich' ich's schwimmend.

Milo.
Höre doch!

Jason.
Leb' wohl!

Milo.
Laß mich statt dir!

Jason.
Auf Wiedersehn!

(Springt von einer Klippe ins Meer)

Milo.
Er wagt es doch!--Dort schwimmt er!--Tut es (doch),
Und läßt mich schmälen hier nach Herzenslust!
Ein wackres Herz, doch jung, gewaltig jung!
Hier will ich stehn und seiner Rückkehr harren:
Und geht's auch schief, wir hauen uns heraus.

(Er lehnt sich an einen Baum.)

(Ein düsteres Gewölbe im Innern des Turms.  Links im Hintergrunde
die Bildsäule eines Gottes auf hohem Fußgestell, im Vorgrunde
rechts eine Felsenbank.)
(Jungfrauen mit Fackeln bringen einen kleinen Altar und Opfergefäße
und stellen alles ordnend umher.)

(Eine Jungfrau tritt ein und spricht an der Türe:)

Jungfrau.
Genug!  Es naht Medea!  Stört sie nicht!

(Alle ab mit den Lichtern.)

Jason (tritt durch einen Seiteneingang links auf mit bloßem
Schwerte.)

Jason.
Ein finsteres Gewölb'.--Ich bin im Innern!
Mehr Menschen faßt das Haus, scheint's, als ich glaubte,
Doch immerhin!  wird nur mein Ziel erreicht.
Behutsam späh ich, bis ein Einzelner
Mir aufstößt, dann das Schwert ihm auf die Brust
Und mit mir soll er, will er nicht den Tod.

(Er späht mit vorgehaltenem Schwerte umher.)

Ist da kein Ausgang?--Halt!--Ein Block von Stein
Das Fußgestell wohl eines Götterbildes.
Ehrt man hier Götter und verhöhnt das Recht?
Doch horch!--ein Fußtritt!--Bleiche Helle gleitet
Fortschreitend an des Ganges engen Bogen.
Man kommt!--Wohin--?--Verbirg mich dunkler Gott!

(Er versteckt sich hinter die Bildsäule.)

Medea (kommt, einen schwarzen Stab in der Rechten, eine Lampe in
der Linken.)

Medea.
Es ist so schwül hier, so dumpf!
Feuchter Qualm drückt die Flamme der Lampe,
Sie brennt ohne zu leuchten.

(Sie setzt die Lampe hin.)
--Horch!--Es ist mein eignes Herz,
Das gegen die Brust pocht mit starken Schlägen!
Wie schwach, wie töricht!--Auf Medea!
Es gilt des Vaters Sache, der Götter!
Sollen die Fremden siegen, Kolchis untergehn?
Nimmermehr!  Nimmermehr!
Ans Werk denn!
Seid mir gewärtig Götter, höret mich,
Und gebt Antwort meiner Frage!

(Mit dem Stabe Zeichen in die Luft machend.)

Die ihr einhergeht im Gewande der Nacht
Und auf des Sturmes Fittigen wandelt
Furchtbare Fürsten der Tiefe,
Denen der Entschluß gefällt
Und die beflügelte Tat,
Die ihr bei Leichen weilt
Und euch labt am Blut der Erschlagnen,
Die ihr das Herz kennt und lenkt den Willen,
Die ihr zählt die Halme der Gegenwart
Sorglich bewahrt des Vergangenen Ähren
Und durchblickt der Zukunft sprossende Saat,
Euch ruf' ich an!
Gebt mir Kunde, sichere Kunde
Von dem was uns droht, von dem was uns lacht!
Bei der Macht, die mir ward,
Bei dem Dienst, den ich tat,
Bei dem Wort, das ihr kennt
Ruf' ich euch,
Erscheinet, erscheint!

(Pause.)

Was ist das?--Alles schweigt!
Sie zeigen sich nicht?
Zürnt ihr mir, oder betrat ein Fuß,
Eines Frevlers Fuß
Die heilige Stätte?
Angst befällt mich, Schauer faßt mich!

(Mit steigender Stimme.)

Allgewaltige!  Lauscht meinem Rufen,
Hört Medeens Stimme!
Eure Freundin ist's die ruft.
Ich fleh' ich verlang' es
Erscheinet, erscheint!
Jason (springt hinter der Bildsäule hervor.)

Medea (zurückfahrend).
Ha!

Jason.
Verfluchte Zauberin, du bist am Ende,
Erschienen ist, der dich vernichten wird.

(Indem er mit vorgehaltenem Schwerte hervorspringt verwundet er
Medeen am Arme.)

Medea (den verwundeten rechten Arm mit der linken Hand fassend).
Weh mir!

(Stürzt auf den Felsensitz hin, wo sie schwer atmend leise ächzt.)

Jason.
Du fliehst?  Mein Arm wird dich ereilen!

(Im Dunkeln herum blickend.)

Wo ist sie hin!

(Er nimmt die Lampe und leuchtet vor sich hin.)

Dort!--Du entgehst mir nicht!

(Hinzutretend.)

Verruchte!

Medea (stöhnend).
Ah!

Jason.
Stöhnst du?  Ja zittre nur!
Mein Schwert soll deine dunkeln Netze lösen!

(Sie mit der Lampe beleuchtend).
Doch seh' ich recht?  Bist du die Zauberin,
Die dort erst heischre Flüche murmelte?
Ein weiblich Wesen liegt zu meinen Füßen,
Verteidigt durch der Anmut Freiheitsbrief,
Nichts zauberhaft an ihr, als ihre Schönheit.
(Bist) du's?--Doch ja!  Der weiße Arm, er blutet,
Verletzt von meinem mitleidslosen Schwert!
Was hast du angerichtet?  Weißt du wohl,
Ich hätt' dich töten können, holdes Bild,
Beim ersten Anfall in der dunkeln Nacht?
Und Schade wär's, fürwahr, um so viel Reiz!
Wer bist du, doppeldeutiges Geschöpf?
Scheinst du so schön und bist so arg, zugleich
So liebenswürdig und so hassenswert,
Was konnte dich bewegen, diesen Mund,
Der, eine Rose, wie die Rose auch
Nur hauchen sollte süßer Worte Duft,
Mit schwarzer Sprüche Greuel zu entweihn?
Als die Natur dich dachte, schrieb sie: (Milde)
Mit holden Lettern auf das erste Blatt
Wer malte Zauberformeln auf die andern?
O geh!  ich hasse deine Schönheit, weil sie
Mich hindert deine Tücke recht zu hassen!
Du atmest schwer.  Schmerzt dich dein Arm?  Ja, siehst du
Das sind die Früchte deines argen Treibens!
Es blutet!  Laß doch sehn!

(Nimmt ihre Hand.)

Du zitterst, Mädchen,
Die Pulse klopfen, jede Fiber zuckt.
Vielleicht bist du so arg nicht, als du scheinst,
Nur angesteckt von dieses Landes Wildheit,
Und Reue wohnt in dir und fromme Scheu.
Heb auf das Aug und blicke mir ins Antlitz,
Daß ich die dunkeln Rätsel deines Handelns
Erläutert seh' in deinem klaren Blick.--
Du schweigst!--O wärst du stumm, und jene Laute,
Die mir ertönten, fluchenswerten Inhalts,
Gesprochen hätte sie ein andrer Mund,
Der minder lieblich, Mädchen, als der deine.
Du seufzest!--Sprich!--Laß deine Worte tönen;
Vertrau' den Lüften sie, als Boten, an,
Sonst holt mein Mund sie ab von deinen Lippen.

(Er beugt sich gegen sie.)
(Man hört Waffengeklirr und Stimmen in der Ferne.)

Horch!--Stimmen!

(Er läßt sie los.)

Näher!

(Medea steht auf.)

Deine Freunde kommen
Und ich muß fort.  Des freuest du dich wohl?
Allein ich seh' dich wieder, glaube mir!
Ich muß dich sprechen hören, gütig sprechen,
Und kostet' es mein Leben!--Doch man naht.
Glaub' nicht, daß ich Gefahr und Waffen scheue,
Doch auch ein Tapfrer weicht der Überzahl,
Und meiner harren Freunde.--Leb' denn wohl.
(Er geht dem Seiteneingange zu, durch den er gekommen ist.  Aus
diesem, so wie aus dem Haupteingange stürzen) Bewaffnete (herein,
mit ihnen) Absyrtus.

Absyrtus.
Zurück!

Jason.
So gilt's zu fechten!--Gebet Raum!

Absyrtus.
Dein Schwert!

Jason.
Dir in die Brust, nicht in die Hand!

Absyrtus.
Fangt ihn!

Jason (sich in Stellung werfend).
Kommt an!  Ihr alle schreckt mich nicht!

Absyrtus.
Laß uns versuchen denn!

(Stürzt auf Jason los.)

Medea (macht eine abhaltende Bewegung gegen ihn).

Absyrtus (zurücktretend).
Was hältst du mich Schwester?

Jason.
Du sorgst um mich?  Hab' Dank, du holdes Wesen,
Nicht für die Hilfe, ich bedarf sie nicht,
Für diese Sorge Dank.  Leb' wohl, o Mädchen,

(Sie bei der Hand fassend und rasch küssend.)

Und dieser Kuß sei dir ein sichres Pfand,
Daß wir uns wiedersehn!--Gebt Raum!

(Er schlägt sich durch.)

Absyrtus.
Auf ihn!

(Jason durch die Seitentüre fechtend ab.)

Absyrtus.
Ihm nach!  Er soll uns nicht entrinnen!

(Eilt Jason nach mit den Bewaffneten.)

Medea (die unbeweglich mit gesenktem Haupt gestanden, hebt jetzt
Kopf und Augen empor).
Götter!

(Ihre Jungfrauen stehen um sie.)

(Der Vorhang fällt.)




Zweiter Aufzug

(Halle wie am Ende des vorigen Aufzuges.  Es ist Tag.)
Gora, Peritta.  Jungfrauen.

Gora.
Ich sage dir, sprich lieber Medeen nicht.
Ob der Ereignung zürnt sie der heutigen Nacht
Und sie spricht sich nicht gut, wenn sie zürnt; das weißt du!
Auch gebot sie dir, ihr Antlitz zu fliehn.

Peritta.
Was soll ich tun?  Wer hilft, wenn sie nicht?
Gefangen der Gatte, die Hütte verbrannt.
Alles geraubt von den fremden Männern
Wem klag' ich mein Leid, wer rettet, wenn sie nicht?

Gora.
Tu wie du willst, ich hab' dich gewarnt,
Auch ist's recht und billig nur, daß sie dich hört,
Aber der Mensch tut nicht immer was recht.

Peritta.
Ach, ich Unselige!

Gora.
Klage nicht!  Was hilft's
Überleg' und handle, das tut dir Not!
Doch wo weilt Medea?  komm in ihr Gemach.
(Eine) Jungfrau (stürzt atemlos herein.)

Jungfrau.
O Übermaß des Unglücks!

Gora (an der Türe umkehrend).
Wohl nur der Torheit, will ich hoffen!
Was neues gibt's?

Jungfrau.
Der Fürstin Lieblingspferd.--

Gora.
Das herrliche Tigerroß--

Jungfrau.
Es ist entflohn!

Gora.
So?

Jungfrau.
In der Verwirrung der heutigen Nacht
Da die Pforte offen, wir alle voll Angst,
Entkam es dem Stall und ward nimmer gesehn!
Weh mir!

Gora.
Ja wohl!

Jungfrau.
Wie entflieh' ich der Fürstin Zorn?
Wird sie's ertragen--?

Gora.
Das (wie) ist ihre Sache
Doch tragen muß sie's, da es (ist).
Nur rat' ich dir geh fürs erste ihr aus dem Auge!
Doch horch!  Sie naht schon!  Peritta tritt zu mir.
Medea (kommt in Gedanken versunken aus der Türe rechts.)

Gora (nach einer Pause).
Medea--

Jungfrau (ihr zuvorkommend und zu Medeens Füßen stürzend).
O Königin verzeih!

Medea (den Kopf emporhebend).
Was ist?

Jungfrau.
Vernichte mich nicht in deinem Zorn!
Dein Leibroß--Dein Liebling!--Es ist entflohn.

(Pause während welcher sie Medeen voll Erwartung ins Gesicht sieht).

Nicht meine Schuld war's fürwahr.  Der Schrecken heut Nacht
Das Getümmel, der Lärm--Da geschah's--
Du sprichst nicht?--Zürne Fürstin--

Medea.
Es ist gut!

(Jungfrau steht auf.)

Gora (sie bei Seite ziehend).
Was sprach sie?

Jungfrau (freudig).
Es sei gut.

Gora.
Das ist (nicht) gut!
Trägt sie so leicht, was sie sonst schwer ertrug,
Das begünstigt unsre Sache, Peritta!
Fast ist mir's unlieb, daß sie so mild gestimmt
Ich hatte mich drauf gefreut, wie sie sich sträuben würde
Und endlich überwinden müßte zu tun was sie soll.
Nu komm denn, komm, für dich ist's besser so.
Medea hier ist noch jemand den du kennst!

Medea.
Wer?

Gora.
Kennst deine Gespielin, Peritta, nicht?
Zürnst du ihr gleich--

Medea.
Peritta bist du's;
Sei mir gegrüßt, sei herzlich mir gegrüßt!

(Sie mit dem Arm umschlingend und sich auf sie stützend.)

Wir haben frohe Tage zusammen gelebt.
Seit dem ist viel übles geschehn.
Viel übles seit der Zeit, Peritta!
Hast du deine Herde verlassen und dein Haus
Und kommst wieder zu mir, Peritta?
Sei mir willkommen, du bist sanft und gut,
Du sollst mir die Nächste sein im Kreis meiner Frauen!

Peritta.
Kein Haus hab' ich mehr und keine Herde
Alles verloren, mein Gatte gefangen,
Dahin meine Ruhe, mein Segen, mein Glück.

Medea.
So ist er dahin, ist tot!
Du dauerst mich armes, armes Kind!
War so jung, so kräftig, so glänzend, so schön,
Und ist tot und kalt!  Du dauerst mich
Ich könnte weinen, so rührst du mich.

(Legt ihre Stirne auf Perittas Schulter.)

Peritta.
Nicht tot, nur gefangen ist mein Gatte
Drum kam ich zu flehn, daß du bittest den Vater
Ihn zu lösen, zu retten, zu befrein--
 Medea hörst du?--

(Zu Gora.)

Sie spricht nicht!  Was sinnt sie?

Gora.
Mich überrascht sie nicht minder als dich
Das ist sonst nicht Medeens Sitte.

Peritta.
Was ist das?  Trau' ich meinen Sinnen?
Feucht fühl' ich dein Antlitz auf meiner Schulter!
Medea Tränen?--O du Milde, du Gute!

(Küßt Medeens herabhängende Hand.)

(Medea reißt sich empor, faßt rasch mit der rechten Hand die
geküßte Linke und sieht Peritten starr ins Gesicht.  Dann entfernt
sie sich rasch von ihr, sie immer starr betrachtend und nähert sich
der Amme.)

Medea.
Gora!

Gora.
Frau?

Medea.
Heiß sie gehn!

Gora.
So willst du--

Medea.
Heiß sie gehn!

Gora

(winkt Peritten mit der Hand Entfernung zu).
(Peritta hält flehend ihr die Hände entgegen.)
(Gora winkt ihr beruhigend zu, sich zu entfernen.)
(Peritta von zwei Mädchen geführt, ab.)

Medea (unterdessen).
Ah!--es ist heiß hier.--Schwüle Luft.

(Reißt gewaltsam den Gürtel entzwei und wirft ihn weg.)

Gora.
Sie ist fort!.

Medea (zusammenfahrend).
Fort?

Gora.
Peritta ist fort.

Medea.
Gora!

Gora.
Gebieterin!

Medea (halblaut, sie bei Seite führend).
Warst du zugegen heut Nacht?

Gora.
Wo?

Medea (Sieht ihr fremd ins Gesicht.)

Gora.
Ah hier?  Freilich!

Medea (mit freudeglänzenden Blicken).
Ich sage dir es war ein Gott!

Gora.
Ein Gott?

Medea.
Ich habe lange darüber nachgedacht,
Nachgedacht und geträumt die lange Nacht,
Aber 's war ein Himmlischer, des bin ich gewiß.
Als er mit einemmal dastand, zürnenden Muts,
Hochaufleuchtend, einen Blitz in der Hand
Und zwei andre im flammenden Blick,
Da fühlt' ich's am Sinken des Muts, an meiner Vernichtung,
Daß ihn kein sterbliches Weib gebar.

Gora.
Wie?  so--

Medea.
Du hast mir wohl selbst erzählet,
Oft, daß Menschen, die nah dem Sterben,
(Heimdar) sich zeige, der furchtbare Gott,
Der die Toten führt in die schaurige Tiefe.
Sieh, der war es glaub' ich, o Gora!
(Heimdar) war es, der Todesgott.
Bezeichnet hat er sein dunkles Opfer,
Bezeichnet mich mit dem ladenden Kuß
Und Medea wird sterben, hinuntergehn
Zu den Schatten der schweigenden Tiefe.
Glaub' mir, ich fühle das, gute Gora,
An diesem Bangen, an diesem Verwelken der Sinne,
An dieser Grabessehnsucht fühl' ich es,
Daß mir nicht fern das Ende der Tage!

Gora.
Was hat deinen Sinn so sehr umwölkt,
Daß du trüb schaust, was klar und deutlich?
Ein Mensch war's, ein Übermüt'ger, ein Frecher
Der hier eindrang

Medea (zurückfahrend).
Ha!

Gora.
Der die Nacht benützend--

Medea.
Schweig!

Gora.
Deine Angst

Medea.
Verruchte schweig.

Gora.
Schweigen kann ich wenn du's gebietest,
Einst mein Pflegling, jetzt meine Frau.
Aber drum ist's nicht anders als ich sagte.

Medea.
Sieh wie du albern bist und töricht!
Wie käm' ein Fremder in diese Mauern?
Wie hätt' ein Sterblicher sich erfrecht,
Zu drängen sich vor Medeas Antlitz,
Sie zu sprechen, ihr zu drohn, mit seinen Lippen--
Geh Unselige, geh
Daß ich dich nicht töte,
Nicht räche deine Torheit
An deinem Leben.
Ein Sterblicher?  Scham und Schmach!
Entferne dich, Verräterin!
Geh!  sonst trifft dich mein Zorn.

Gora.
Ich rede was ist und nicht was du willst.
Gehn soll ich?  ich gehe.

Medea.
Gora, bleib!
Hast du kein freundlichs Wort, du Gute?
Fühlst du denn nicht, so ist's so muß es sein,
(Heimdar) war es, der stille Gott,
Und nun kein Wort mehr, kein Wort, o Gora!

(Wirft sich ihr an den Hals und verschließt mit ihrem Munde Goras
Lippen.)

(Nach einer Pause.)


Medea.
Horch!

Gora.
Tritte nahen!

Medea.
Man kommt!  Fort!

Gora.
Bleib!  Dein Bruder ist's und dein Vater!  Sieh!
Aietes und Absyrtus (stürzen herein.)

Aietes.
Entkommen ist er, des trägst du die Schuld!

(Zu Medeen.)

Warum hemmtest den Streich des Bruders,
Da er ihn töten wollte, den Frevler?

Absyrtus.
Vater, scheltet sie nicht darum
War doch angstvoll und bang ihre Seele!
Denkt!  ein Fremder, allein, bei Nacht,
Eingedrungen in ihre Kammer;
Sollte sie da nicht zagen, Vater?
Und nicht weiß die Furcht was sie tut.
Doch der Grieche--

Medea.
Grieche?

Aietes.
Wer sonst?
Einer der Fremden war's, der Hellenen,
Die gekommen an Kolchis' Küste,
Argonauten, auf Argo dem Schiff,
Zu verwüsten unsere Täler
Und zu rauben unser Gut.

Medea

(Goras Hand fassend).
Gora!

Gora.
Siehst du?  es ist so, wie ich sagte.

Absyrtus.
Übermütig sind sie und stark
Ja, bei Peronto!  Stark und kühn!
Setzt' ich nicht nach ihm, ich und die Meinen
Hart ihn drängend, nach auf den Fersen?
Aber er führte in Kreisen sein Schwert
Keiner von uns kam ihm nah zu Leibe.
Jetzt zum Strom gekommen, warf er
Raschen Sprungs sich hinein.
Dumpf ertönte die Gegend dem Sturze,
Hoch auf spritzten die schäumenden Wasser
Und er verschwand in umhüllende Nacht.

Aietes.
Ist er entkommen dieses Mal
Fürder soll es ihm nicht gelingen!
Die kühnen Fremdlinge stolz und trotzig
Haben Zweisprach begehrt mit mir.
Zugesagt hab' ich's, den Groll verbergend
Den tödlichen Haß in der tiefen Brust
Aber gelingt mir, was ich sinne,
Und bist du mir gewärtig mit deiner Kunst,
So soll sie der frevelnde Mut gereuen,
So endet der Streit noch eh er begann.
Auf Medea, komm!  Mach' dich fertig
Gut zu machen, was du gefehlet
Und zu rächen die eigene Schmach
(Deine) Sache ist's nun geworden
Haben sie doch an dir auch gefrevelt,
Gefrevelt durch jenes Kühnen Tat,
Denn wahr ist's doch, was Absyrtus mir sagte,
Daß er's gewagt mit entehrendem Kuß--

Medea.
Vater schweig, ich bitte dich--

Aietes.
Ist's wahr?

Medea.
Frage mich nicht was wahr, was nicht!
Laß dir's sagen die Röte meiner Wangen
Laß dir's sagen--Was soll ich?  Gebeut!
Willst du vernichten die Schar der Frevler?
Sage nur wie, ich bin bereit!

Aietes.
So recht Medea, so mag ich's gern
So erkenn' ich in dir mein Kind
Zeig' daß dir fremd war des Frechen Erkühnen
Laß sie nicht glauben, du habest gewußt
Selber gewußt um die frevelnde Tat!

Medea.
Gewußt?  Wer glaubt das, Vater und von wem?

Aietes.
Wer?  der's sah, der's hörte, Kind!
Wer Zeuge war wie Aletes' fürstliche Tochter
Den Kuß duldete von des Frevlers Lippe.

Medea.
Vater!

Aietes.
Was ist?

Medea.
Du tötest mich!

Aietes.
(Ich) glaub's (nicht), Medea!

Medea.
Wirklich nicht?
Laß uns gehn!

Aietes.
Wohin?

Medea.
Wohin du willst
Zu vernichten, zu töten, zu sterben!

Aietes.
Du versprichst mir also?

Medea.
Ich hab' es gesagt!
Aber laß uns gehn!

Aietes.
Hör' erst!

Medea.
Nicht hier!
Hohnzulachen scheint mir des Gottes Bild
Des Gewölbes Steine formen sich mir
Zu lachenden Mäulern und grinsenden Larven.
Hinweg von dem Orte meiner Schmach!
Nimmer betret' ich ihn.  Vater komm!
Was du willst, wie du willst, doch fort von hier!

Aietes.
So höre!

Medea.
Fort!

Aietes.
Medea!

Medea.
Fort!

(Eilt ab.)

Aietes.
Medea!

(Mit Absyrtus ihr nach.)

(Freier Platz mit Bäumen.  Links im Hintergrunde des Königs Zelt.)
Acht Abgeordnete der Argonauten (treten auf von einem) Kolchischen
Hauptmanne (geleitet.)

Hauptmann.
Hier sollt ihr weilen ist des Königs Befehl
Bald naht er selbst.

Erster Argonaut.
Befehl?  Nichtswürdiger Barbar,
Für dich mag's sein, doch uns Befehl?
Wir harren deines Königs weil wir wollen,
Doch eil' er sich, sonst suchen wir ihn auf!

Zweiter Argonaut.
Laß ihn!  Die Knechtesrede ziemt dem Knecht!

(Kolcher ab.)

So sind wir hier; erreicht des Strebens Ziel!
Nach mancher Fährlichkeit zu Land und See
Umfängt uns Kolchis' düstre Märchenwelt,
Von der man spricht so weit die Sonne leuchtet.
Was keinem möglich deuchte ist geschehn;
Durchsegelt ist ein unbekanntes Meer,
Das zürnend Untergang dem ersten Schiffer drohte,
Zu neuen Völkern und zu neuen Ländern
Tat sich der Weg, und was oft schwerer noch,
Tat auch der Rückweg sich uns günstig auf:
Wir sind in Kolchis, unsrer Reise Ziel.
So weit hat gnädig uns ein Gott geführt;
Doch jetzo fürcht' ich wendet er sich ab!
Wir stehn in Feindes Land, von Tod umgeben
Fremd, ohne Rat und Führer--Jason fehlt.
Er, der zum Zug geworben, ihn geführt,
Er, dessen eigne Sache wir verfechten,
Mit Milo hat er sich vom Zug entfernt,
Heut Nacht entfernt und ward nicht mehr gesehn.
Ob er im Wald verirrt, verlassen schmachtet,
Ob er ins Netz gefallen der Barbaren,
Ob ihn aus Hinterhalt der Tod ereilt
Ich weiß es nicht, doch jedes steht zu fürchten.
So aufgelöst, vereinzelt, ohne Band,
Ist jeder nun sein eigner Rat und Führer
Drum frag' ich euch, die Ersten unsrer Schar:
Was ist zu tun?

(Alle schweigen mit gesenkten Häuptern.)

Ihr schweigt.  Jetzt gilt's Entschluß!
Geladen von dem König dieses Landes
Zur Zweisprach, zum Versuch der Gütlichkeit,
Schien's uns gefährlich, ob des Führers Abgang
Den Aufruf abzulehnen, der geschehn,
Und zu enthüllen unsre Not und Schwäche.
Wir gingen, wir sind hier!--Was nun zu tun?
Wer Rat weiß, spreche nun!

Dritter Argonaut.
Du bist der Ältste
Sprich du!

Zweiter Argonaut.
Der Ältste ist der Erste nicht
Wo's Kraft gilt und Entschluß.  Fragt einen andern!

Erster Argonaut.
Laßt uns die Schwerter nehmen in die Hand
Den König töten und sein treulos Volk
Dann fort, doch erst die Beut' ins Schiff gebracht!

Zweiter Argonaut.
Nicht auch das Land und heimgebracht zur Schau?
Dein Rat ist unreif Freund wie deine Jahre.
Gebt andern!

Dritter Argonaut.
Rate du, wir folgen dir!

Zweiter Argonaut.
Mein Rat ist Rückkehr!  Murrt ihr?  Nun wohlan
Sprech' einer Besseres, ich stimme bei!
Ihr schweigt gesamt und Niemand tritt hervor.
So hört, und stört nicht oder überzeugt mich!
Nicht eignes Streben hat uns hergeführt
Was kümmert Kolchis uns mit seinen Wundern?
Dem Mut, dem Glücke Jasons folgten wir
Den Arm ihm leihend zum gebotnen Werk;
Er tat des Oheims Willen, wir den seinen.
Wer ist, der treten mag an Jasons Stelle,
Hat ihn der Tod, wie möglich, hingerafft?
Wem liegt daran das Wundervließ zu rauben
Das Tod umringt und dräuende Gefahr?
Habt ihr gehört?  im Schlund der Höhle liegt's,
Bewacht von eines Drachen gift'gen Zähnen,
Vom Graun verteidigt schwarzer Zauberei,
Beschützt von allem was verrucht und greulich;
Wer wagt's von euch, wer hebt den goldnen Schatz?
Wie Keiner?  Nun, so woll' auch keiner (scheinen)
Was keiner Kraft und Willen hat zu (sein).
Hier leg' ich von mir Schild und Speer
Und geh' zum König als ein Mann des Friedens.
Drei Tage gönn' er uns zu harren Zeit,
Und kehrt dann Jason nicht, so ziehn wir heim.
Wer mit mir gleichdenkt, tue so wie ich.
Ein Held ist wer das Leben Großem opfert
Wer's für ein Nichts vergeudet ist ein Tor!

(Die meisten stoßen ihre Speere in den Boden.)

Nun kommt zu Kolchis' König.  Gerne tauscht er
Die eigne Sicherheit wohl aus für unsre!

Erster Argonaut.
Halt noch.  Dort nahn zwei Griechen!  Milo ist's
Der fort mit Jason ging und--

(schreiend)

Jason selber!
Jason!

Mehrere.
Jason!

Alle (tumultuarisch).
Jason!

Milo

(hinter der) Szene).
Hier Gefährten!
Hier Jason, Argonauten!

Erster Argonaut (zum zweiten).
Was sagst du nun?

Zweiter Argonaut.
Daß Jason da ist, sag' ich Freund wie du.
Statt meines Rates gibt er euch die Tat.
Nur da er fort war hatt' ich eine Meinung!
Milo (tritt auf), Jason (an der Hand führend.)

Milo.
Hier habt ihr ihn!  Hier ist er ganz und gar!
Nun seht euch satt an ihm und schreit und jubelt!

(Die Argonauten drängen sich um Jason, fassen seine Hände und
drücken ihre Freude aus.)

Vermischte Stimmen.
Willkommen--Jason!--Freund!--Willkommen Bruder!

Jason.
Habt ihr um mich gebangt?  Hier bin ich wieder!

(Indem er den Andrängenden die Hände reicht.)

Milo (den nächststehenden umarmend).
Freund siehst du, er ist da?  Gesund und rüstig!
Und's ging ihm nah ans Leben, ei beim Himmel!
Ein Haar!  und ihr saht Jason nimmer mehr!
Er wagte sich, allein--ich durft' nicht mit--
Um euretwillen Freunde wagt' er sich,
Im dichten Wald, allein, in einen Turm,
Der voll Barbaren steckte bis zum Giebel.
Da hieß es fechten.

Jason.
Ja fürwahr es galt!
Verloren war ich, wenn ein Mädchen nicht--

Milo.
Ein Mädchen?  Ein Barbarenmädchen?

Jason.
Ja!

Milo.
Sieh davon sagtest du mir früher nichts!
Und war sie schön?

Jason.
So schön so reizend so--
Doch eine arge, böse Zauberin.--
Ihr dank' ich dies mein Leben!

Milo.
Wackres Mädchen!

Jason.
Ich schlug mich durch und--doch genug, ich lebe
Und bin bei euch!--Doch was führt euch hierher?

Zweiter Argonaut.
Zur Zweisprach ließ uns laden Kolchis' König
Vernehmen will er unsre Forderung
Und dann entscheiden.

Jason.
Hier?

Zweiter Argonaut.
Hier ist sein Sitz!

Jason.
Ich will ihn sprechen.  Fügt er sich in Frieden
Gut denn!  wenn nicht, dann mag das Schwert entscheiden.

(Auf die seitwärts gestellten Speere zeigend.)

Doch diese Waffen!--Seid ihr hier so sicher
Daß ihr des Schutzes selber euch beraubt?

(Sie nehmen beschämt die weggelegten Speere wieder auf.)

Ihr schweigt und schlagt beschämt die Augen nieder?
Habt ihr?--

(Zu Milo.)

Oh sieh, sie meiden meinen Blick!
Unglückliche!  es war doch nicht die Furcht--
Die (Furcht) Hellenen, die den Speer euch nahm?
Es war's nicht--?

(Zu Milo.)

Ach es war's!  Die Unglücksel'gen
Sie wagen's nicht der Lüge mich zu zeihn.
Was hat euch denn verblendet arme Brüder?--
Es war die (Furcht)!--

(Zu einem der sprechen will.)

Ich bitte dich, sprich nicht
Ich kann mir denken was du fühlst.  Sprich nicht!
Mach' nicht, daß ich mich schäme vor mir selbst!
Denn, o nicht ohne Tränen könnt' ich schauen
In ein von Scham gerötet Männerantlitz.
Ich will's vergessen wenn ich kann.

(Ein Kolcher tritt auf.)

Kolcher.
Der König naht!

Jason.
So laßt uns stark sein und entschlossen, Freunde
Nicht ahne der Barbar, was hier geschehn!
Aietes (tritt auf mit) Gefolge.

Aietes.
Wer ist der das Wort führt für die Fremden!

Jason (vortretend).
Ich!

Aietes.
Beginn!

Jason.
Hochmütiger Barbar, du wagst--?

Aietes.
Was willst du?

Jason.
Achtung!

Aietes.
Achtung?

Jason.
Meiner Macht,
Wenn meinem Namen nicht!

Aietes.
Wohlan, so sprich!

Jason.
Thessaliens Beherrscher, Pelias,
Mein Oheim und mein Herr, schickt mich zu dir,
Mich, Jason, dieser Männer Kriegeshaupt,
Zu dir zu reden, wie ich jetzo rede!
Gekommen ist die Kunde übers Meer,
Daß Phryxus, ein Hellene, hohen Stammes,
Den Tod gefunden hier in deinem Reich!

Aietes.
Ich schlug ihn nicht.

Jason.
Warum verteidigst du dich,
Eh ich dich noch beschuldigt?  Hör' mich erst.
Mit Schätzen und mit Gute reich beladen
War Phryxus' Schiff.  Das blieb in deiner Hand
Als er verblich geheimnisvollen Todes!
Sein Haus ist aber nahverwandt dem meinen,
Drum in dem Namen meines Ohms und Herrn
Fordr' ich, daß du erstattest, was sein eigen,
Und was nun mein und meines Fürstenhauses.

Aietes.
Nichts weiß ich von Schätzen.

Jason.
Laß mich enden.
Das Köstlichste von Phryxus' Gütern aber
Es war ein köstliches, geheimnisvolles Vließ,
Des er entkleidete in Delphis hoher Stadt
Das Bildnis eines unbekannten Gottes
Das dort seit grauen Jahren aufgestellt,
Man sagt, von den Urvätern unsers Landes,
Die fernher kommend, und von Oben stammend,
Das Land betraten und der Menschheit Samen
Weitbreitend in die leere Wildnis streuten,
Und Hellas' Väter wurden, unsre Ahnen
Von ihnen sagt man stamme jenes Zeichen,
Ein teures Pfand für Hellas' Heil und Glück.
Vor allem nun dies Vließ fordr' ich von dir,
Daß es ein Kleinod bleibe der Hellenen
Und nicht in trotziger Barbaren Hand
Zum Siegeszeichen diene wider sie.
Sag' was beschließest du?

Aietes.
Ich hab's nicht!

Jason.
Nicht?
Das goldne Vließ?

Aietes.
Ich hab's nicht, sag' ich dir!

Jason.
Ist dies dein letztes Wort?

Aietes.
Mein letztes!

Jason.
Wohlan!

(Wendet sich zu gehn.)

Aietes.
Wo willst du hin?

Jason.
Fort, zu den Meinen,
Sie zu den Waffen rufen, um zu sehen,
Ob du der Macht unnahbar wie dem Recht.

Aietes.
Ich lache deiner Drohungen!

Jason.
Wie lange?

Aietes.
Tollkühner!  Mit einem Häufchen Abenteurer
Willst du trotzen dem König von Kolchis?

Jason.
Ich will's versuchen!

(Will gehen.)

Aietes.
Halt!  Du rasest glaub' ich.
Ist wirklich der Götter Huld geknüpft an jenes Zeichen
Und ist dem Sieg und Rache, der's besitzt,
Wie kannst du hoffen zu bestehen gegen mich,
In dessen Hand--

Jason.
Ha, so besitzest du's?

Aietes.
Wenn's wäre, mein' ich, wie du glaubst.

Jason.
Ich weiß genug!
Schwachsinniger Barbar, und darauf stützest
Du deiner Weigrung unhaltbaren Trotz?
Du glaubst zu siegen, weil in deiner Hand--
Nicht gut nicht schlimm ist, was die Götter geben
Und der Empfänger erst macht das Geschenk.
So wie das Brot, das uns die Erde spendet,
Den Starken stärkt, des Kranken Siechtum mehrt,
So sind der Götter hohe Gaben alle,
Dem Guten gut, dem Argen zum Verderben.
In meiner Hand führt jenes Vließ zum Siege
In deiner sichert's dir den Untergang.
Sprich selbst, wirst du es wagen zu berühren
Besprützt wie's ist mit deines Gastfreunds Blut,--

Aietes.
Schweig!

Jason.
Sag' gibst du's heraus?--ja oder nein!

Aietes.
So höre mich!

Jason.
Ja oder nein!

Aietes.
Du rascher!
Warum uns zanken ohne Not
Laß uns friedlich überlegen
Und dann entscheiden was zu geschehn!

Jason.
Du gibst es denn heraus?

Aietes.
Was?--Ei laß das!
Wir wollen uns erst kennen und verstehn.
Dem Freunde gibt man, nicht dem Fremden!
Tritt ein bei mir und ruhe von der Fahrt.

Jason.
Ich trau' dir nicht!

Aietes.
Warum nicht?
Ist auch rauh meine Sprache, fürchte nichts.
Laß dir's wohl sein in meinem Lande.
Liebst du den Becher?  Wir haben Tranks die Fülle.
Jagd?  Wildreich sind unsre Forste.
Magst du dich freun in der Weiber Umarmung?
Kolchis hat--

(Näher zu ihm tretend.)

Liebst du die Weiber?

Jason.
(Eure) Weiber?  und doch--

Aietes.
Liebst du die Weiber?

Jason.
Kennst einen Turm du dort im nahen Walde,
Der--doch wo bin ich!  Komm zur Sache König!
Gibst du das Vließ?

Aietes

(zu einem Kolcher).
Ruf Medeen und bring' Wein!

Jason.
Noch einmal, gibst du mir das Vließ?

Aietes.
Sei ruhig!
Erst gezecht dann zum Rat, so halten wir's.

Jason.
Ich will von deinen Gaben nichts.

Aietes.
Du sollst!
Ungespeist geht keiner aus Aietes' Hause!
Sieh man kommt, laß dir's gefallen, Fremdling!
Medea (kömmt verschleiert einen Becher in der Hand, mit ihr) Diener
(die Pokale tragen.)

Aietes.
Hier trink, mein edler Gast!

(Zu Medeen.)

Ist er bereitet?

Medea.
O frage nicht!

Aietes.
So geh und biet ihn an!
Erlabe dich mein Gast!

Jason.
Ich trinke nicht!

(Medea fährt beim Klang von Jasons Stimme zusammen.  Sie blickt
empor, erkennt ihn und tritt einige Schritte zurück.)

Aietes (zu Jason).
Warum nicht?

(Zu Medeen.)

Hin zu ihm.  Tritt näher sag' ich!

Jason.
Was seh' ich?--Diese Kleider!--Mädchen bleib!
Dein Kleid erneuert mir ein holdes Bild
Das ich nur erst--Gib deinen Becher mir,
Ich wag's auf deine Außenseite!  Gib!

(Er nimmt den Becher aus ihrer Hand.)

Ich leer' ihn auf dein Wohl!

Medea.
Halt ein!

Jason.
Was ist?

Medea.
Du trinkst Verderben!

Jason.
Wie?

Aietes.
Medea!

Jason

(indem er den Becher wegwirft).
König
Das deine Freundschaft?  Rache dir Barbar!
Doch du, wer bist du?  die so sonderbar
Mit Grausamkeit vereinet Mitleids Milde?
Laß mich dich schaun!

(Er reißt ihr den Schleier ab.)

Sie ist's!  Es ist dieselbe!

Aietes.
Medea fort!

Jason.
Medea heißest du?
So sprich Medea denn!

Medea.
Was willst du?

Jason.
Wie?
So mild dein Tun und rauh dein Wort, Medea?
Nur zweimal sah ich dich und beidemal
Verdank' ich dir mein Leben.  Habe Dank!
Es scheint die Götter haben uns ersehn
Uns Freund zu sein, nicht Feinde, o Medea!
Noch einmal diesen Blick, o sieh nicht weg!
Schau' mir ins Aug, ich mein' es rein und gut.

(Erfaßt ihre Hand und wendet sie gegen sich.)

Laß mich in deinem Blick die Kunde lesen

(Medea entreißt ihm die Hand.)

Jason.
Halt ein!

Medea (sich emporrichtend).
Verwegner wagst du's?--Weh!

(Sie begegnet seinem Blicke, fährt zusammen und entflieht.)

Jason.
Medea!

(Medea ab.)
(Er eilt ihr nach.)

Aietes.
Zurück!

Jason.
Du selbst zurück, Barbar!--Medea!
(Indem er ins Zelt dringen will und Aietes sich ihm abwehrend in
den Weg stellt, fällt der Vorhang.)




Dritter Aufzug

(Das Innere von des Königs Zelte.  Der hintere Vorhang desselben
ist so, daß man durch denselben, ohne die draußen befindlichen
Personen genau unterscheiden zu können, doch die Umrisse derselben
erkennen kann.)
Medea, Gora, Jungfrauen (im Zelte.) Jason, Aietes (und) Alle
Personen des letzten Aktschlusses (außer demselben.)
(Medea steht links im Vorgrunde aufgerichtet, die linke Hand auf
einen Tisch gestützt, die Augen unbeweglich vor sich gerichtet in
der Stellung einer die hört was außen vorgeht.  Gora sie
beobachtend auf der andern Seite des Tisches.  Jungfrauen teils
knieend, teils stehend um sie gruppiert.  Einige) Krieger (im
Hintergrunde des Zeltes an den Seiten aufgestellt.)

Jason (von außen).
Ich will hinein!

Aietes (außen).
Zurück!

Jason.
Denkst du's zu wehren?
Vom Schwert die Hand!  die Hand vom Schwerte sag' ich,
Das meine zuckt, ich kann nicht drohen sehn!
Ich will hinein!  Gib Raum!

Aietes.
Zurück Verwegner!

Gora (zu Medeen).
Er rast der Freche!

Jason (außen).
Hörst du mich Medea?
Gib mir ein Zeichen wenn du hörst!

Gora.
Vernahmst du?

Jason.
Dringt bis zu dir mein Ruf, so gib ein Zeichen.
Erwählte!

(Medea, die bis jetzt unbeweglich gestanden fährt zusammen und legt
die Hand auf die tiefatmende Brust.)

Jason.
Sieh, mein Arm ist offen.  Komm!

(Jasons Stimme kommt immer näher.)

Ich hab' dein Herz erkannt!  Erkenn' das meine
Medea komm!

Aietes.
Zurück!

Gora.
Er dringt herein!

(Medea reißt sich aus den Armen ihrer Jungfrauen los und flieht auf
die andere Seite des Vorgrunds.)

Jason.
Ich rufe dir!  Ich liebe dich, Medea.

Gora (Medeen folgend).
Hast du gehört?

Medea (verhüllt die Augen mit der Hand).

Gora (dringend).
Unglückliche das also war's?
Daher die Bewegung, daher deine Angst
O Schmach und Schande, wär' es wirklich?

Medea (aufgerichtet, sie mit Hoheit anblickend).
Was?

Jason (indem er die Vorhänge des Zeltes aufreißt).
Ich muß sie sehn!--Da ist sie!--Komm Medea!

Gora.
Er naht!  Entflieh!

Medea (zu den Soldaten im Zelte).
Steht ihr so müßig
Braucht die Waffen, helft eurem Herrn!

Aietes (der indes mit Jason am Eingange gerungen hat).
Mit meinem Tod erst dringst du hinein!

(Die Soldaten im Zelte stürzen auf die Streitenden los.  Jason wird
weggedrängt.  Die Vorhänge fallen wieder zu.)

Jason (draußen).
Medea!--Wohl so mag das Schwert entscheiden!

Absyrtus' Stimme.
Schwerter bloß!  Hier ist das Meine!

(Waffengeklirr von außen.)

Gora.
Sie fechten!  Götter stärkt der Unsern Arm!

(Medea steht wieder bewegungslos da.)

Milos Stimme (von außen).
Jason zurück!  Wir werden übermannt
Zwölf unsre Schar und hunderte der Feinde!
Barbaren brecht ihr den geschwornen Stillstand?

Jason.
Laß sie nur kommen, ich empfange sie!

Aietes.
Haut sie nieder, weichen sie nicht!

(Das Waffengeklirr entfernt sich.)

Gora.
Die Fremden werden zurückgedrängt, die Unsern siegen!
Medea fasse dich.  Dein Vater naht.
Aietes und Absyrtus kommen.

Aietes.
Wo ist sie?--Hier!  Verräterin
Wagst du's zu stehn deines Vaters Blick?

Medea (ihm entgegen).
Nicht zu Worten ist's jetzt Zeit, zu Taten!

Aietes.
Das sagst du mir nach dem was geschehn,
Jetzt, da das Schwert noch bloß in meiner Hand?

Medea.
Nichts weiter von Vergleich, von Unterredung
Von gütlichen Vertrags fruchtlosem Versuch.
Bewaffne die Krieger, versammle die Deinen
Und jetzt auf sie hin, hin auf die Fremden
Eh sie's vermuten, eh sie sich fassen.
Hinaus mit ihnen, hinaus aus deinem Land
Rettend entführe sie ihr schnelles Schiff
Oder der Tod ihnen allen--allen!

Aietes.
Wähnst du mich zu täuschen, Betrügerin?
Wenn du sie hassest, was warfst du den Becher,
Der mir sie liefern sollte, Jason liefern sollte,
Jason--sich mir ins Antlitz.  Du wendest dich ab?

Medea.
Was liegt dir an meiner Beschämung,
Rat bedarfst du, ich  g e b e  dir Rat.
Noch einmal also, verjag' sie die Fremden
Stoß sie hinaus aus den Marken des Reichs
Der grauende Morgen, der kommende Tag
Sehe sie nicht mehr in Kolchis' Umfang.

Aietes.
Du machst mich irre an dir, Medea.

Medea.
War ich es lange nicht, lange nicht selbst?

Aietes.
So wünschest du daß ich vertreibe die Fremden?

Medea.
Flehend, knieend bitt' ich dich drum.

Aietes.
Alle?

Medea.
Alle!

Aietes.
Alle?

Medea.
Frage mich nicht!

Aietes.
Nun wohlan denn ich waffne die Freunde!
Du gehst mit!

Medea.
Ich?

Aietes.
Seltsame, du!
Sieh ich weiß, nicht den Pfeil nur vom Bogen,
Schleuderst den Speer auch, die mächtige Lanze,
Schwingest das Schwert in kräftiger Hand.
Komm mit, wir verjagen die Feinde!

Medea.
Nimmermehr!

Aietes.
Nicht?

Medea.
Mich sende zurück
In das Innre des Landes Vater,
Tief, wo nur Wälder und dunkles Geklüft,
Wo kein Aug hindringt, kein Ohr, keine Stimme,
Wo nur die Einsamkeit und ich.
Dort will ich für dich zu den Göttern rufen
Um Beistand für dich, um Kraft, um Sieg.
Beten Vater, doch kämpfen nicht.
Wenn die Feinde verjagt, wenn kein Frevler mehr hier,
Dann komm' ich zurück und bleibe bei dir
Und pflege dein Alter sorglich und treu
Bis der Tod herankommt, der freundliche Gott
Und leise beschwichtigend, den Finger am Mund,
Auf seinem Kissen von Staub und Moos
Die Gedanken schlafen heißt und ruhn die Wünsche.

Aietes.
Du willst nicht mit und ich soll dir glauben?
Ungeratene zittre!--Jason?

Medea.
Was fragst du mich wenn du's weißt.
Oder willst du's hören aus meinem Mund
Was ich bis jetzt mir selber verbarg,
Ich mir verbarg?  die Götter mir bargen.
Laß dich nicht stören die flammende Glut,
Die mir, ich fühl' es die Wangen bedeckt,
Du willst es hören und ich sag' es dir.
Ich kann nicht im Trüben ahnen und zagen
Klar muß es sein um Medea, klar!
Man sagt--und ich fühle es ist so!--
Es gibt ein Etwas in des Menschen Wesen,
Das, unabhängig von des Eigners Willen,
Anzieht und abstößt mit blinder Gewalt;
Wie vom Blitz zum Metall, vom Magnet zum Eisen,
Besteht ein Zug, ein geheimnisvoller Zug
Vom Menschen zum Menschen, von Brust zu Brust.
Da ist nicht Reiz, nicht Anmut, nicht Tugend nicht Recht
Was knüpft und losknüpft die zaub'rischen Fäden,
Unsichtbar geht der Neigung Zauberbrücke
So viel sie betraten hat keiner sie gesehn!
Gefallen muß dir was dir gefällt
So weit ist's Zwang, rohe Naturkraft:
Doch steht's nicht bei dir die Neigung zu (rufen)
Der Neigung zu (folgen) steht bei dir,
Da beginnt des Wollens sonniges Reich
Und ich will nicht

(Mit aufgehobener Hand.)

Medea will (nicht)!
Als ich ihn sah, zum erstenmale sah,
Da fühlt' ich stocken das Blut in meinen Adern,
Aus seinem Aug, seiner Hand, seinen Lippen
Gingen sprühende Funken über mich aus
Und flammend loderte auf mein Innres.
Doch verhehlt' ich's mir selbst.  Erst als er's aussprach,
Aussprach in der Wut seines tollen Beginnens,
Daß er liebe--
Schöner Name
Für eine fluchenswerte Sache!--
Da ward mir's klar und (darnach) will ich handeln.
Aber verlange nicht, daß ich ihm begegne,
Laß mich ihn fliehn--Schwach ist der Mensch
Auch der stärkste, schwach!
Wenn ich ihn sehe drehn sich die Sinne
Dumpfes Bangen überschleicht Haupt und Busen
Und ich bin nicht mehr, die ich bin.
Vertreib ihn, verjag' ihn, töt' ihn,
Ja, weicht er nicht, töt' ihn Vater
Den Toten will ich (schaun), wenn auch mit Tränen schaun
Den Lebenden nicht.

Aietes.
Medea!

Medea.
Was beschließest du?

Aietes (indem er ihre Hand nimmt).
Du bist ein wackres Mädchen!

Absyrtus (ihre andre Hand nehmend).
Arme Schwester!

Medea.
Was beschließest du?

Aietes.
Wohl, du sollst zurück.

Medea.
Dank!  tausend Dank!  Und nun ans Werk mein Vater!

Aietes.
Absyrtus wähl' aus den Tapfern des Heers
Und geleite die Schwester nach der Felsenkluft--
Weißt du?--wo wir's aufbewahrten--das goldne Vließ!

Medea.
Dorthin?  Nein!

Aietes.
Warum nicht?

Medea.
Nimmermehr!
Dorthin, an den Ort unsers Frevels?
Rache strahlet das schimmernde Vließ.
So oft ich's versuch' in die Zukunft zu schauen
Flammt's vor mir wie ein blut'ger Komet,
Droht mir Unheil, findet's mich dort!

Aietes.
Törin!  Kein sichrerer Ort im ganzen Lande
Auch bedarf ich dein, zu hüten den Schatz
Mit deinen Künsten, deinen Sprüchen,
Dorthin oder mit mir!

Medea.
Es sei, ich gehorche!
Aber einen Weg sende mich, wo kein Feind uns trifft.

Aietes.
Zwei Wege sind.  Einer nah am Lager des Feindes
Der andre rauh und beschwerlich, wenig betreten,
Über die Brücke führt er am Strom, den nimm Absyrtus!
Nun geht!--Hier der Schlüssel zum Falltor
Das zur Kluft führt!  Nimm ihn, Medea.

Medea.
Ich?  Dem Bruder gib ihn!

Aietes.
Dir!

Medea.
Vater!

Aietes.
Nimm ihn, sag' ich und reize mich nicht
Deiner törichten Grillen bin ich satt.

Medea.
Nun wohl ich nehme!

Aietes.
Lebe wohl!

Medea.
Vater!

Aietes.
Was?

(Medea wirft sich lautschluchzend in seine Arme.)

Aietes (weicher).
Törichtes Mädchen!

(Er küßt sie.)

Leb' wohl mein Kind.

Medea.
Vater auf Wieder- Wiedersehn
Auf baldiges, frohes Wiedersehn!

Aietes.
Nun ja, auf frohes Wiedersehn.

(Sie mit der Hand von sich entfernend.)

Nun geh!

Medea (die Augen mit der Hand verhüllend).
Leb' wohl!

(Ab mit Absyrtus.)




(Aietes bleibt nach dem Abgehen der Medea einige Augenblicke mit
gesenktem Haupt hinbrütend stehen.  Plötzlich rafft er sich auf
blickt einige Male rasch um sich her und geht schnell ab.)

(Eine waldichte Gegend an der Straße, die zum Lager der Argonauten
führt.)
Jason, Milo und Andre Argonauten kommen.


Milo.
Hier laßt uns halten Freunde.  Die Barbaren
Verfolgen uns nicht mehr.  Der Ort hier scheint bequem
Zum Angriff so, wie zur Verteidigung.
Auch ist's der einz'ge Weg, der, seit der Sturm
Die Brücken abgerissen heute Nacht,
Vom Sitze führt des Königs nach dem Innern
Und lagern wir uns hier, so schneiden wir
Ihm jeden Hilfszug ab, den er erwartet.
Geh' einer hin zur Schar der Rückgebliebnen
Und leite sie hierher.  Wir warten ihrer.

(Erster Argonaut ab.)
(Zu Jason der mit gekreuzten Armen auf und nieder geht.)

Was überdenkst du Freund?

Jason.
Gar mancherlei!

Milo.
Gesteh' ich's dir?  Du hast mich überrascht
Du zeigtest eine Falte deines Innern heut
Die neu mir ist.

Jason.
Hätt' ich doch bald gesagt:
Mir auch!

Milo.
So liebst du sie denn wirklich?

Jason.
Lieben?

Milo.
Du sagtest heut es mind'stens laut genug!

Jason.
Der Augenblick entriß mir's--und gesteh!
Sie rettete mir zweimal nun das Leben.

Milo.
Wie?  zweimal?

Jason.
Erst im Turm!--

Milo.
Das also war's
Was dir den Turm so teuer machte?

Jason.
Das war's.

Milo.
Ja so.

Jason.
Nun denk' dir; so vollgült'gen Anspruch
Auf meinen Dank und--Milo sie ist schön--

Milo.
Ja, doch eine Barbarin--

Jason.
Sie ist gut--

Milo.
Und eine Zauberin dazu.

Jason.
Ja wohl!

Milo.
Ein furchtbar Weib mit ihren dunkeln Augen!

Jason.
Ein herrlich Weib mit ihren dunkeln Augen!

Milo.
Und was gedenkst du nun zu tun?

Jason.
Zu tun?
Das Vließ zu holen, so mein Wort zu lösen,
Das andre aber heimzustellen jenen
Die oben walten über dir und mir.

Milo.
So mag ich's gern!  Beim Zeus so denkst du recht!
(Ein) Argonaut (kommt).

Argonaut.
Links her vom Fluß sieht man sich Staub erheben,
Ein Häuflein Feinde naht heran.

Jason.
Wie viele?

Argonaut.
An vierzig oder fünfzig, kaum wohl mehr.

Jason.
Laßt uns zurückziehn und am Weg verbergen,
Denn sähn sie uns, sie kämen nicht heran.
Verschwunden ist die Hoffnung zum Vergleich
So mögen denn die Schwerter blutig walten
Und die dort nahn, den Reihen führen an.
Zieht euch zurück, und haltet bis ich's sage.

Milo.
Nur leis und sacht, daß sie uns nicht erspähn.

(Ziehen sich alle zurück und ab.)

(Absyrtus und Kolchische Krieger treten auf, Medea verschleiert
in ihrer Mitte.)

Absyrtus.
Die Waffen haltet bereit zum Schlagen,
Leicht könnten wir treffen 'ne Feindesschar,
Der Weg hier führt vorbei an ihrem Lager.

Medea

(den Schleier zurückschlagend und vortretend).
Am Feindeslager?  Warum diesen Weg?
Warum nicht den andern, mein Bruder?

Absyrtus.
Der Sturm hat die Brücken abgerissen heut Nacht;
Jetzt erst erfuhr ich's.  Aber sorge nicht!
Ich verteidige dich mit meinem Blut.
Wärst du nicht hier, ich forderte sie heraus.

Medea.
Um aller Götter willen--

Absyrtus.
Ich sagte: wärst du nicht hier;
Aber nun, da du hier bist, tu' ich's nicht.
Nicht um den höchsten Preis, nicht um Kampf und Sieg,
Setzt' ich dich in Gefahr, meine Schwester!

Medea.
So laß uns eilig vorüberziehn.

Absyrtus.
Kommt denn!

Jason

(hinter der Szene).
Jetzt ist es Zeit!  Greift an, ihr Freunde!

(Hervorspringend.)

Halt!

Medea (aufschreiend).
Er!

(Zu Absyrtus.)

Laß uns fliehen, Bruder!

Absyrtus.
Fliehen?  Fechten!

Jason (zu den andringenden Argonauten).
Wenn sie sich widersetzen, haut sie nieder!

(Zu den Kolchern.)

Zu Boden die Waffen!

Absyrtus.
Du selber zu Boden!
Schließt euch Gefährten!  Haltet sie aus!

Medea.
Bruder!  Hältst du so dein Versprechen?

Absyrtus.
Versprach ich zu fliehn so verzeihn mir die Götter,
Nicht daß ich's breche, daß ich's gab das Wort!

(Zu den Seinen).

Weicht nicht!  Der Vater ist nah, er sendet uns Hilfe!

Jason (Medeen erblickend).
Bist du's Medea?  Unverhofftes Glück!
Komm hierher!

Medea (zu den Kolchern).
Schützet mich!

Jason (die sich ihm entgegenstellenden Kolcher angreifend).
Ihr!  aus dem Wege!
Eu'r Eisen hält nicht ab, zieht an den Blitzstrahl.

(Die Kolcher werden zurückgedrängt, die Griechen verfolgen sie.)

Jason.
Die Deinen fliehn.  Du bist in meiner Macht!

Medea.
Du lügst!  In der Götter Macht, in meiner.
Verläßt mich alles, ich selber nicht!

(Sie entreißt einem fliehenden Kolcher die Waffen und dringt mit
vorgehaltenem Schild und gesenktem Speer auf Jason ein.)


Stirb oder töte!

Jason (indem er schonend zurückweicht).
Medea was tust du?

Medea (näher dringend).
Töte oder stirb!

Jason (mit einem Schwertstreich ihre Lanze zertrümmernd).
Genug des Spiels!

(Das Schwert in die linke Hand nehmend, in welcher er den Schild
hält.)

Was nun?

Medea.
Treulose Götter!

(Die abgebrochene Lanze samt dem Schild hinwerfend und einen Dolch
ziehend.)

Noch sind mir Waffen!

Jason (indem er Schild und Schwert von sich wirft und vor sie hintritt).
Töte mich wenn du kannst.

Medea (mit abgewandten Gesicht, den Dolch in der Hand).
Kraft!

Jason (weich).
Töte mich Medea, wenn du kannst!

Medea (steht erstarrt).

Jason.
Siehst du, du kannst's nicht, du vermagst es nicht!
Und nun zu mir!  Genug des Widerstrebens!
Und weigerst du's?  Versuch' es wenn du kannst.

(Sie rasch anfassend und auf seinem Arm in die Höhe haltend.)

So fass' ich dich, so halt' ich dich empor
Und trage dich durch unsrer Völker Streit,
Durch Haß und Tod, durch Kampfes blut'ge Wogen.
Wer wagt's zu wehren?  Wer entreißt dich mir?

Medea.
Laß mich!

Jason.
Nicht eher bis du gütig sprichst,
Nicht eher bis ein Wort, ein Wink, ein Laut
Verrät daß du mir weichst, daß du dich gibst.

(Zu ihr empor blickend und heftig schüttelnd.)

Medea, dieses Zeichen!

Medea

(leise).
Jason!  laß mich!

Jason.
"Jason!"--Da sprachst du meinen Namen aus,
Zum ersten Male aus!  O holder Klang!
"Jason!" wie ist der Name doch so schön
Seit du ihn sprachst mit deinen süßen Lippen.
Hab' Dank Medea, hab' den besten Dank!

(Er hat sie auf den Boden niedergelassen.)

Medea, Jason; Jason und Medea
O schöner Einklang!  Dünket dir's nicht auch?
Du zitterst!  Setz' dich hier!  Erhole dich!


(Er führt Medeen zu einer Rasenbank.  Sie folgt ihm und sitzt mit
vorhängendem Leibe, die Augen vor sich starr auf dem Boden, die
Hände, in denen noch der Dolch, gefaltet im Schoße.)

Jason (steht vor ihr).
Noch immer stumm, noch immer trüb und düster?
O zage nicht; du bist in Freundes Hand.
Zwar geb' ich leicht dem Vater dich nicht wieder,
Ein teures Unterpfand ist mir sein Kind;
Doch soll dir's drum bei mir nicht schlimm ergehn,
Nicht schlimmer wenigstens als mir bei dir.
Wenn ich so vor dir steh' und dich betrachte,
Beschleicht mich ein fast wunderbar Gefühl.
Als hätt' des Lebens Grenz' ich überschritten
Und stünd' auf einem unbekannten Stern,
Wo anders die Gesetze alles Seins und Handelns,
Wo ohne Ursach' was geschieht und ohne Folge,
Da seiend weil es ist.
Dahergekommen durch ein wildes Meer,
Aus Ländern, so entfernt, so abgelegen,
Daß (Wünsche) kaum vorher die Reise wagten,
Auf Kampf und Streit gestellt, lang' ich hier an,
Und sehe dich und bin mit dir bekannt.
Wie eine Heimat fast dünkt mir dies fremde Land,
Und, abenteuerlich ich selbst, schau' ich
Verwundrungslos, als könnt' es so nur sein,
Die Abenteuer dieses Wunderbodens.
Und wieder, ist das Fremde mir bekannt,
So wird dafür mir, was bekannt, ein Fremdes.
Ich selber bin mir (Gegenstand) geworden,
Ein andrer denkt in mir, ein andrer handelt.
Oft sinn' ich meinen eignen Worten nach,
Wie eines Dritten, was damit gemeint,
Und kommt's zur Tat, denk' ich wohl bei mir selber,
Mich soll's doch wundern, was er tun wird und was nicht.
Ein einz'ges ist mir licht und das bist du,
Ja du Medea, scheint's auch noch so fremd.
Ich ein Hellene, du Barbarenbluts,
Ich frei und offen, du voll Zaubertrug,
Ich Kolchis' Feind, du seines Königs Kind
Und doch Medea, ach und dennoch, dennoch!
Es ist ein schöner Glaub' in meinem Land,
Die Götter hätten doppelt einst geschaffen
Ein jeglich Wesen und sodann geteilt;
Da suche jede Hälfte nun die andre
Durch Meer und Land und wenn sie sich gefunden,
Vereinen sie die Seelen, mischen sie
Und sind nun eins!--Fühlst du ein halbes Herz
Ist's schmerzlich dir gespalten in der Brust,
So komm--doch nein da sitzt sie trüb und düster,
Ein rauhes Nein auf meine milde Deutung,
Den Dolch noch immer in geschloßner Hand.
O fort!

(Ihre Hand fassend und den Dolch entwendend.)

Laßt los ihr Finger!  Bunte Kränze,
Geschmeid und Blumen ziemt euch zu berühren,
Nicht diesen Stahl, gemacht für Männerhand.

Medea (aufspringend).
Fort!

Jason (sie zurückhaltend).
Bleib!

Medea.
Von hier!

Jason.
Bleib da, ich bitte dich!
Ich sage dir: bleib da!  Hörst du, du sollst!
Du sollst, beim Himmel, gält' es auch dein Leben!
Wagt es das Weib, dem Mann zu bieten Trotz?
Bleib!

(Er faßt ihre Arme mit beiden Händen.)

Medea.
Laß!

Jason.
Wenn du gehorchst, sonst nimmermehr!

(Er ringt mit der Widerstrebenden.)

Mich lüstet deines Starrsinns Maß zu kennen!

Medea (in die Kniee sinkend).
Weh mir!

Jason.
Siehst du?  du hast es selbst gewollt.
Erkenne deinen Meister, deinen Herrn!

(Medea liegt auf einem Kniee am Boden, auf das andre stützt sie den
Arm, das Gesicht mit der Hand bedeckend.)



Jason (hinzutretend).
Steh auf!--Du bist doch nicht verletzt?--Steh auf!
Hier sitz und ruh', (vermagst) du es zu ruhn!

(Er hebt sie vom Boden auf, sie sitzt auf der Rasenbank.)

Jason.
Umsonst versend' ich alle meine Pfeile
Rückprallend treffen sie die eigne Brust.
Wie hass' ich dieses Land, sein rauher Hauch
Vertrocknete die schönste Himmelsblume,
Die je im Garten blühte der Natur.
Wärst du in Griechenland, da wo das Leben
Im hellen Sonnenglanze heiter spielt,
Wo jedes Auge lächelt wie der Himmel,
Wo jedes Wort ein Freundesgruß, der Blick
Ein wahrer Bote wahren Fühlens ist,
Kein Haß als gegen Trug und Arglist, kein--
Und doch, was sprech ich?  Sieh, ich weiß es wohl
Du bist nicht was du scheinen willst, Medea,
Umsonst verbirgst du dich, ich kenne dich!
Ein wahres, warmes Herz trägst du im Busen,
Die Wolken hier, sie decken eine Sonne.
Als du mich rettetest, als dich mein Kuß--
Erschrickst du?--Sich mich an!--Als dich mein Kuß!--
Ja deine Lippen hat mein Mund berührt,
Eh ich dich kannt', eh ich dich fast gesehn
Nahm ich mir schon der Liebe höchste Gabe;
Da fühlt' ich (Leben) mir entgegen wallen
Und du gibst trügerisch dich nun für (Stein)!
Ein wahres, warmes Herz schlägt dir im Busen
Du (liebst) Medea!

(Medea will aufspringen.)

Jason (sie niederziehend).
Bleib!--du liebst Medea!
Ich seh's am Sturmeswogen deiner Brust
Ich seh's an deiner Wangen Flammenglut
Ich fühl's an deines Atems heißem Wehn,
An diesem Beben fühl' ich es--du liebst,
Liebst (mich)!  (Mich) wie ich (dich)!--ja wie ich (dich)!

(Er kniet vor ihr.)

Schlag deine Augen auf und leugne wenn du's kannst!
Blick' mich an und sag' nein!--du liebst Medea!

(Erfaßt ihre beiden Hände und wendet die sich Sträubende gegen sich,
ihr fest ins Gesicht blickend.)

Jason.
Du weinst!  Umsonst, ich kenne Mitleid nicht
Mir Aug ins Aug, und sage: nein!--du liebst!
Ich liebe dich, du mich!  Sprich's aus Medea!

(Er hat sie ganz gegen sich gewendet.  Ihr Auge trifft das seinige.
Sie schaut ihm mit einem tiefen Blick ins Auge.)

Jason.
Dein Auge hat's gesagt, nun auch der Mund!
Sprich's aus Medea, sprich es aus: ich liebe!
Fällt dir's so schwer ich will dich's lehren, Kind.
Sprich's nach: ich liebe dich!

(Er zieht sie an sich; sie verbirgt dem Zuge folgend das Gesicht in
seinen Haaren.)

--Und noch kein Wort!
Kein Wort, obschon ich sehe, wie der Sturm
An deines Innern festen Säulen rüttelt.
Und doch kein Wort!

(Aufspringend.)

So hab' es Störrische!
Geh!  Du bist frei, ich halte dich nicht mehr!
Kehr' wieder zu den Deinigen zurück,
Zu ihren Menschenopfern, Todesmahlen,
In deine Wildnis, Wilde kehr' zurück,
Geh!  Du bist frei; ich halte dich nicht mehr!

Aietes (von innen).
Hierher, Kolcher, hierher!

Jason.
Dein Vater naht.
Sei froh, ich weigre dich ihm nicht.
Argonauten (kommen weichend.
Hinter ihnen) Aietes, Absyrtus (und) Kolcher(, die sie verfolgen.)

Aietes (auftretend).
Braucht eure Waffen, wackre Genossen!
Wo ist mein Kind?

Absyrtus.
Dort Vater sitzt sie.

Aietes (zu Jason).
Verruchter Räuber, mein Kind gib mir zurück!

Jason.
Wenn du mich bittest, nicht wenn du mir drohst.
Dort ist dein Kind.  Nimm sie und führ' sie heim.
Nicht weil Du willst, weil sie will und weil ich will.

(Zu Medeen hintretend und sie anfassend.)

Steh auf Medea!  Komm!  Hier ist dein Vater!
Du sehntest dich nach ihm; hier ist er nun.
Verhüten es die Götter, daß ich hier
Zurück dich hielte wider deinen Willen.
Was zitterst du?  du hast es selbst gewollt.

(Er führt die Wankende zu ihrem Vater und gibt sie ihm in die Arme.)

Hier Vater ist dein Kind.

Aietes (Medeen empfangend, die das Gesicht auf seiner Schulter verbirgt).
Medea!

Absyrtus.
Schwester!

Jason.
Nun König, rüste dich zum Todeskampf!
Die Bande, die mich hielten sind gesprengt,
Zerronnen ist der schmeichelhafte Wahn,
Der mir der Tatkraft Sehnen abgespannt.
Mit ihr, die jetzo ruht in deinem Arm,
Legt' ich den Frieden ab und atme Krieg.
Auf, rüste dich, es gilt dein Heil und Leben!

(Zu Medeen.)

Du aber, die hier stumm und bebend liegt,
Das Angesicht so feindlich abgewandt,
Leb' wohl!  Wir scheiden jetzt auf immerdar.
Es war ein Augenblick, wo ich gewähnt,
Du könntest fühlen, könntest mehr als hassen,
Wo ich geglaubt, die Götter hätten uns
Gewiesen an einander, dich und mich.
Das ist nunmehr vorbei.  So fahre hin!
Du hast das Leben zweimal mir gerettet,
Das dank' ich dir und werd' es nie vergessen.
In ferner Heimat und nach langen Jahren
Will ich's erzählen in dem Kreis der Freunde.
Und frägt man mich und forscht: wem gilt die Träne,
Die fremd dir da im Männerauge funkelt?
Dann sprech' ich wohl in schmerzlicher Erinnrung:
Medea hieß sie; schön war sie und herrlich,
Allein ihr Busen barg kein Herz.

Aietes.
Medea
Was ist?  Feucht liegt dein Gesicht auf meiner Schulter.
Weinst du?

Jason.
Du weinst?  Laß mich die Tränen sehn,
O laß mich's glauben, daß du weinen kannst.
Blick' noch einmal nach mir, es ist das letztemal;
Ich will den Blick mittragen in die Ferne.
Denk' doch, es ist zum letzten- letztenmal.

(Er faßt ihre herabhängende Hand.)

Aietes.
Wagst du's, zu berühren ihre Hand?

Jason (indem er ihre Hand fahren läßt).
Sie will nicht.  Nun wohlan, so sei es denn!
Du siehst mich nimmermehr auf dieser Erde.
Leb' wohl Medea, leb' auf ewig wohl!

(Er geht rasch.)

Medea (das Gesicht hinwendend und den Arm ihm nachstreckend).
Jason!

Jason (umkehrend).
Das war's!  Medea!  Komm zu mir!

(Auf sie zueilend und ihre Hand fassend.)

Zu mir!

Aietes (sie an der andern Hand haltend).
Verwegner, fort!

Jason (Aietes' Hand wegschleudernd und Medeen an sich reißend).
Wagst du's Barbar!
Sie ist mein Weib!

Aietes.
Sein Weib?--Du schweigst Verworfne?

Jason (Medeen auf die andere Seite führend).
Hierher Medea, fort von diesen Wilden.
Von nun an bist du mein und keines Andern!

Aietes.
Medea, du weigerst dich nicht?  du folgst ihm?
Stößt ihm nicht den Stahl in die frevelnde Brust?
Verruchte, war's vielleicht dein eignes Werk?

(Auf Jason eindringend.)

Meine Tochter gib mir, mein verlocktes Kind!

Medea (sich zwischen beide werfend).
Vater, töt' ihn nicht!  Ich lieb' ihn!

Jason.
Er konnte dir's entreißen und ich nicht!

Aietes.
Schamlose!  Du selbst gestehst's?  Gestehst deine Schande?
O, daß ich nicht merkte die plumpe List,
Daß ich selbst sie sandte in seinen Arm,
Vertrauend der Väter Blut in ihren Adern!

Jason.
Darfst du sie schmähen?

Medea.
Höre mich Vater!
Es ist geschehn was ich fürchtete.  Es ist.
Aber laß uns klar sein, Vater, klar!
In schwarzen Wirbeln dreht sich's um mich
Aber ich will hindurch, empor aus Dunkel und Nacht.
Noch läßt sich's wenden, ab sich wenden.  Höre mich!

Aietes.
Was soll ich hören?  Ich habe gesehn!

Medea.
Vater!  Vernicht' uns nicht alle.
Löse den Zauber, beschwichtige den Sturm!
Heiß ihn dableiben, den Führer der Fremden,
Nimm ihn auf, nimm ihn an!
An deiner Seite herrsch' er in Kolchis,
Dir befreundet, dein Sohn!

Aietes.
Mein Sohn?  Mein Feind.
Tod ihm, und dir, wenn du nicht folgst!
Willst du mit mir?  Sprich!  Willst du oder nicht?

Medea.
Höre mich.

Aietes.
Willst du, oder nicht?

Absyrtus.
Gönn' ihr zu sprechen, Vater!

Aietes.
Ja oder nein?
Laß mich Sohn!--Willst du?--Sie kommt nicht.--Schlange!

(Er holt mit dem Schwert aus.)

Jason (sich vor sie hinstellend).
Du sollst sie nicht verletzen!

Absyrtus (zugleich dem Vater in den Arm fallend).
Vater, was tust du?

Aietes.
Du hast recht.  Nicht sterben soll sie, leben;
Leben in Schmach und Schande; verstoßen, verflucht,
Ohne Vater, ohne Heimat, ohne Götter!

Medea.
Vater!

Aietes.
Du hast mich betrogen, verraten.
Bleib!  Nicht mehr betreten sollst du mein Haus.
Ausgestoßen sollst du sein, wie das Tier der Wildnis,
Sollst in der Fremde sterben, verlassen, allein.
Folg' ihm, dem Buhlen, nach in seine Heimat,
Teile sein Bett, sein Irrsal, seine Schmach;
Leb' im fremden Land, eine Fremde,
Verspottet, verachtet, verhöhnt, verlacht;
Er selbst, für den du hingibst Vater und Vaterland
Wird dich verachten, wird dich verspotten,
Wenn erloschen die Lust, wenn gestillt die Begier;
Dann wirst du stehn und die Hände ringen,
Sie hinüberbreiten nach dem Vaterland,
Getrennt durch weite, brandende Meere,
Deren Wellen dir murmelnd bringen des Vaters Fluch!

Medea (knieend).
Vater!

Aietes.
Zurück!  Ich kenne dich nicht!
Komm, mein Sohn!  Ihr Anblick verpestet,
Ihre Stimme ist Todeslaut meinem Ohr.
Umklammre nicht meine Kniee, Verruchte!
Sieh ihn dort, ihn, den du gewählt;
Ihm übergeb' ich dich;
Er wird mich rächen, er wird dich strafen,
Er selber, früher als du denkst.

Medea.
Vater!

Aietes

(indem er die Knieende von sich stößt, daß sie halbliegend
zurücksinkt).
Weg deine Hand, ich kenne dich nicht!
Fort mein Sohn, mein einziges Kind!
Fort mein Sohn aus ihrer Nähe!

(Ab mit Absyrtus und Kolchern.)

Jason.
Flieh nur Barbar, der Rach' entgehst du nicht!

(Zu den Argonauten.)

Nun Freunde gilt's; die Waffen haltet fertig
Zum letzten Streich, der Sieg bringt oder Tod.

(Auf Medeen zeigend.)

Sie kennt das Vließ, den Ort, der es verbirgt,
Mit ihr vollbringen wir's und dann zu Schiff.

(Zu Medeen hintretend, die noch auf eine Hand gestützt, die andre
über die Stirne gelegt am Boden liegt.)

Steh auf Medea, er ist fort.--Steh auf!

(Er hebt sie auf.)

Hier bist du sicher.

Medea (die sich in seinen Armen aufgerichtet hat, aber mit einem Kniee
noch am Boden liegt).
Jason, sprach er wahr?

Jason (sie ganz aufhebend).
Denk' nicht daran!

Medea (scheu an ihn geschmiegt).
O Jason, sprach er wahr?

Jason.
Vergiß was du gehört, was du gesehn,
Was du gewesen bist auf diese Stunde.
Aietes' Kind ist Jasons Weib geworden,
An dieser Brust hängt deine Pflicht, dein Recht.
Und wie ich diesen Schleier von dir reiße,
Durchwoben mit der Unterird'schen Zeichen,
So reiß' ich dich von all den Banden los,
Die dich geknüpft an dieses Landes Frevel.
Hier Griechen eine Griechin!  Grüßet sie!

(Er reißt ihr den Schleier ab.)

Medea (darnach fassend).
Der Götter Schmuck!

Jason.
Der Unterird'schen!  Fort!
Frei wallt das Haar nun um die offne Stirn;
So frei und offen bist du Jasons Braut.  Nun nur noch eins und dann
zu Schiff und fort.
Das Vließ, du kennst's, zeig' an mir, wo es liegt!

Medea.
Ha schweig!

Jason.
Warum?

Medea.
Sprich nicht davon!

Jason.
Mein Wort hab' ich gegeben, es zu holen
Und ohne Siegespreis kehrt Jason nicht zurück.

Medea.
Ich sage dir, sprich nicht davon!
Ein erzürnter Gott hat es gesendet,
Unheil bringt es, (hat) es gebracht!
Ich bin dein Weib!  Du hast mir's entrissen,
Aus der Brust gerissen das zagende Wort,
Ich bin dein, führe mich wohin du willst
Aber kein Wort mehr von jenem Vließ!
In vorahnender Träume dämmerndem Licht
Haben mir's die Götter gezeigt
Gebreitet über Leichen,
Besprützt mit Blut,
Meinem Blut!
Sprich nicht davon!

Jason.
Ich aber muß, nicht sprechen nur davon,
Ich muß es holen, folge was da wolle.
Drum laß die Furcht und führ' mich hin zur Stelle
Daß ich vollende, was mir auferlegt.

Medea.
Ich?  Nimmermehr!

Jason.
Du willst nicht?

Medea.
Nein!

Jason.
Und weigerst du mir Beistand, hol' ich's selbst.

Medea.
So geh!

Jason (sich zum Fortgehen wendend.)
Ich gehe.

Medea (dumpf).
Geh--in deinen Tod!

Jason.
Kommt Freunde, laßt den Ort uns selbst erkunden!

(Er geht.)

Medea.
Jason!

Jason (wendet sich um).
Was ist?

Medea.
Du gehst in deinen Tod!

Jason.
Kam ich hierher und fürchtete den Tod?

Medea (auf ihn zueilend und seine Hand fassend).
Ich sage dir, du stirbst.

(Halblaut.)

In der Höhle liegt's verwahrt,
Verteidigt von allen Greueln
Der List und der Gewalt.
Labyrinthische Gänge,
Sinnverwirrend,
Abgründe, trügerisch bedeckt,
Dolche unterm Fußtritt,
Tod im Einhauch,
Mord in tausendfacher Gestalt,
Und das Vließ, am Baum hängt's,
Giftbestrichen,
Von der Schlange gehütet,
Die nicht schläft,
Die nicht schont,
Unnahbar.

Jason.
Ich hab' mein Wort gegeben und ich lös' es.

Medea.
Du gehst?

Jason.
Ich geh'!

Medea

(sich ihm in den Weg werfend).
Und wenn ich hin mich werfe
Flehend deine Kniee umfass' und rufe:
Bleib!  bleib!

Jason.
Nichts hält mich ab!

Medea.
O Vater, Vater!
Wo bist du?  Nimm mich mit!

Jason.
Was klagst du?
Wohl eher wär' das Recht zu klagen mir.
Ich tue was ich muß, du hast zu wählen.
Du weigerst dich und so geh' ich allein.

(Er geht.)

Medea.
Du gehst?

Jason.
Ich geh'!

Medea.
Trotz allem was ich bat,
Doch gehst du?

Jason.
Ja!

Medea (aufspringend).
So komm!

Jason.
Wohin?

Medea.
Zum Vließ,
Zum Tod!--Du sollst (allein) nicht sterben,
Ein Haus, Ein Leib und Ein Verderben!

Jason (sich ihr nähernd).
Medea!

Medea (ausweichend).
Die Liebkosung laß
Ich habe sie erkannt!--O Vater!  Vater!
So komm, laß uns holen was du suchst;
Reichtum, Ehre,
Fluch, Tod!
In der Höhle liegt's verwahrt
Weh dir, wenn sich's offenbart!
Komm!

Jason (ihre Hand fassend).
Was quält dich?

Medea (indem sie ihre Hand aufschreiend wegzieht).
Ah!--Phryxus!--Jason!

Jason.
Um aller Götter willen!

Medea.
Komm!  Komm!

(Huscht fort mit weit aufgerissenen Augen vor sich hinstarrend.
Die andern folgen.)

(Der Vorhang fällt.)




Vierter Aufzug

(Das Innere einer Höhle.  Kurzes Theater.  Im Vorgrunde rechts das
Ende einer von oben herabführenden Treppe.  In der Felsenwand des
Hintergrunds ein großes, verschlossenes Tor.)


Medea (steigt, in der einen Hand einen Becher in der andern eine Fackel
die Treppe herab).
Komm nur herab!  Wir sind am Ziel!

Jason (oben, noch hinter der Szene).
Hierher das Licht!

Medea (die Stiege hinaufleuchtend).
Was ist?

Jason (mit gezogenem Schwerte auftretend und die Stiege eilig
herabsteigend).
Es strich an mir vorbei!  Halt!  Dort!

Medea.
Was?

Jason.
An der Pforte steht's den Eingang wehrend.

Medea (hinleuchtend).
Sieh, es ist nichts und niemand wehrt dir Eingang,
Wenn du nicht selbst.

(Sie setzt den Becher weg und steckt die Fackel in einen Ring am
Treppengeländer.)

Jason.
Du bist so ruhig.

Medea.
Und du bist's nicht!

Jason.
Als es noch nicht begonnen
Als ich's nur wollte, bebtest du, und nun--

Medea.
Mir graut, daß du es willst, nicht daß du's tust.
Bei dir ist's umgekehrt.

Jason.
Mein Aug ist feig,
Mein Herz ist mutig.--Rasch ans Werk!--Medea!

Medea.
Was starrst du ängstlich?

Jason.
Bleicher Schatten, weiche!
Laß frei die Pforte, du hältst mich nicht ab.

(Auf die Pforte zugehend.)

Ich geh' trotz dir, durch dich zum Ziel--nun ist er fort!
Wie öffnet man das Tor?

Medea.
Ein Schwerthieb an die Platte
Dort in der Mitte öffnet es.

Jason.
Gut denn!
Du wartest meiner hier.

Medea.
Jason!

Jason.
Was noch?

Medea (weich und schmeichelnd).
Geh nicht!

Jason.
Du reizest mich!

Medea.
Geh nicht o Jason!

Jason.
Hartnäckige kann nichts dich denn bewegen,
Zu opfern meinem Entschluß deinen Wahn?

Medea.
Man ehrt den Wahn auch dessen, den man liebt.

Jason.
Genug nunmehr, ich will!

Medea.
Du willst?

Jason.
Ich will.

Medea.
Und nichts vermag dagegen all mein Flehn?

Jason.
Und nichts vermag dagegen all dein Flehn.

Medea.
Und auch mein Tod nichts?

(Sie entreißt ihm durch eine rasche Bewegung das Schwert.)

Sieh!  dein eignes Schwert
Gekehrt ist's gegen meine Brust.  Ein Schritt noch weiter
Und vor dir liegt Medea kalt und tot.

Jason.
Mein Schwert!

Medea.
Zurück!  Du ziehst's aus meiner Brust!
Kehrst du zurück?

Jason.
Nein!

Medea.
Und wenn ich mich töte?

Jason.
Beweinen kann ich dich, rückkehren nicht.
Mein Höchstes für mein Wort und wär's dein Leben!

(Auf sie zugehend.)

Gib Raum, Weib, und mein Schwert!

Medea (indem sie ihm das Schwert gibt).
So nimm es hin
Aus meiner Hand, du süßer Bräutigam!
Und töte dich und mich!--Ich halte dich nicht mehr!

Jason (auf die Pforte zugehend).
Wohlan!

Medea.
Halt!  Eins noch!  Willst du jetzt schon sterben?
Das Vließ, am heiligen Baum
Ein Drache hütet's, grimm,
Unverwundbar seine Schuppenhaut,
Alldurchdringend sein Eisenzahn,
Du besiegst ihn nicht.

Jason.
Ich ihn, oder er mich.

Medea.
Grausamer, Unmenschlicher!
Oder er dich!  und du gehst?

Jason.
Wozu die Worte?

Medea.
Halt!
Den Becher hier nimm!
Vom Honig des Berges
Dem Tau der Nacht,
Und der Milch der Wölfin
Brauset drin gegoren ein Trank.
Setz' ihn hin wenn du eintrittst,
In der Ferne stehend.
Und der Drache wird kommen,
Nahrung suchend,
Zu schlürfen den Trank.
Dann tritt hin zum Baume
Und nimm das Vließ--Nein, nimm's nicht,
Nimm's nicht und bleib!

Jason.
Törin!  Her den Trank!  Gib!

(Er nimmt ihr den Becher aus der Hand.)

Medea (um seinen Hals fallend).
Jason!--So küss' ich dich und so, und so, und so!
Geh in dein Grab und laß auch Raum für mich!
Bleib!

Jason.
Laß mich Weib!  Mir schallt ein höhrer Ruf!

(Gegen die Pforte zugehend.)

Und bärgest du des Tartarus Entsetzen,
Ich steh' dir!

(Er haut mit dem Schwerte gegen die Pforte.)

Tut euch auf, ihr Pforten!--Ah!

(Die Pforten springen auf und zeigen eine innere schmälere Höhle,
seltsam beleuchtet.  Im Hintergrunde ein Baum.  An ihm hängt
hellglänzend das goldene Vließ.  Um Baum und Vließ windet sich eine
ungeheure Schlange, die beim Aufspringen der Pforte ihr in dem
Laube verborgenes Haupt hervorstreckt und züngelnd vor sich hin
blickt.)

(Jason fährt aufschreiend zurück und kommt wieder in den Vorgrund.)



Medea (wild lachend).
Bebst du?  Schauert dir das Gebein?
Hast's ja gewollt, warum gehst du nicht?
Starker, Kühner, Gewaltiger!
Nur gegen mich hast du Mut?
Bebst vor der Schlange?  Schlange!
Die mich umwunden, die mich umstrickt,
Die mich verderbt, die mich getötet!
Blick' hin, blick's an das Scheusal
Und geh und stirb!

Jason.
Haltet aus meine Sinne, haltet aus!
Was bebst du Herz?  Was ist's mehr als sterben?

Medea.
Sterben?  Sterben?  Es gilt den Tod!
Geh hin mein süßer Bräutigam,
Wie züngelt deine Braut!

Jason.
Von mir weg, Weib, in deiner Raserei!
Mein Geist geht unter in des deinen Wogen!

(Gegen das Tor zu.)

Blick' nur nach mir; du findest deinen Mann!
Und wärst du zehnmal scheußlicher, hier bin ich!

(Er geht drauf los.)

Medea.
Jason!

Jason.
Hinein!

Medea.
Jason!

Jason.
Hinein!

(Er geht hinein, die Pforten fallen hinter ihm zu.)

Medea (schreiend an die nunmehr geschlossene Pforte hinstürzend).
Er geht!  Er stirbt.

Jason (von innen).
Wer schloß die Pforte zu?

Medea.
Ich nicht!

Jason.
Mach' auf!

Medea.
Ich kann nicht.--Um aller Götter willen!
Setz' hin die Schale, zaudre nicht!
Du bist verloren wenn du zauderst.
--Jason!--Hörst du mich?--Setz' hin die Schale!--
Er hört mich nicht!--Er ist am Werk!
Am Werk!--Hilfe, Ihr dort oben!
Schaut herab auf uns, ihr Götter!
Doch nein, nein, schaut nicht herab
Auf die schuldige Tochter,
Der Schuldigen Gemahl;
Ich schenk' euch die Hilfe, ihr mir die Rache!
Kein Götteraug seh' es,
Dunkel hülle die Nacht
Unser Tun und uns!
Jason lebst du?--Antwort gib!
Gib Antwort!--Alles stumm
Alles tot!--Ha?--Er ist tot!
Er spricht nicht, ist tot.--tot.

(Sie sinkt an der Türe nieder.)

Liegst du mein Bräutigam?  Laß Raum,
Raum für die Braut!

Jason (inwendig, schreckhaft).
Ah!

Medea (aufspringend).
Das war seiner Stimme Klang!  Er lebt!
Ist in Gefahr!  Zu ihm!  Auf, Pforte, auf!
Wähnst du zu widerstehn?  Ich spotte dein!
Auf!

(Sie reißt mit einem Zuge gewaltsam beide Torflügel auf.)

Jason (stürzt wankend heraus, das Vließ als Banner auf einer Lanze
tragend.)

Medea.
Lebst du?

Jason.
Leben?--Leben?--Ja!--Zu!  zu da!

(Er schließt ängstlich die Pforte zu.)

Medea.
Und hast das Vließ?

Jason (es weit von sich weghaltend).
Berühr's nicht!  Feuer!  Feuer!

(Seine Rechte mit ausgestreckten Fingern hinhaltend.)

Sieh hier die Hand--wie ich's berührt--verbrannt!

Medea (seine Hand nehmend).
Das ist ja Blut!

Jason.
Blut?

Medea.
Auch am Haupte Blut.
Hast dich verletzt?

Jason.
Weiß ich's?--Nun komm!  Nun komm!

Medea.
Hast du's vollführt, wie ich's gesagt?

Jason.
Ja wohl.
Die Schale stellt' ich hin, mich selber seitwärts
Und harrte schnaufend.  Rufen hört' ich, doch
Nicht zu erwidern wagt' ich vor dem Tier.
Das hob sich blinkend auf und, und schon wähnt' ich
Auf mich hin schieb' es rauschend seine Ringe;
Allein der Trank war's, den das Untier suchte,
Und weit gestreckt in durstig langen Zügen
Sog, meiner nicht mehr achtend, es den Trank.
Bald, trunken oder tot lag's unbeweglich.
Ich rasch hervor vom marternden Versteck,
Zum Baum hin und das Vließ--hier ist's--Nun fort!

Medea.
So komm, und schnell!

Jason.
Als ich's vom Baume holte,
Da rauscht' es auf, wie seufzend, durch die Blätter
Und hinter mir riefs: Wehe!
Ha?--Wer ruft?

Medea.
Du selbst!

Jason.
Ich?

Medea.
Komm!

Jason.
Wohin?

Medea.
Fort!

Jason.
Fort, ja fort!
Geh du voran, ich folge mit dem Vließ
Geh nur!  Geh, zaudre nicht!  Voraus!  Voran!

(Beide ab, die Treppe hinauf.)

(Freier Platz vor der Höhle.  Im Hintergrunde die Aussicht aufs
Meer, die auf der rechten Seite durch einen am Ufer liegenden Hügel
verdeckt wird, hinter dem, nur mit den Masten und dem Vorderteile
sichtbar, das Schiff der Argonauten liegt.)
Milo, Argonauten, (teils mit Arbeiten des Einschiffens beschäftigt,
teils als Wachen und ruhend gruppiert.)

Milo.
Das Schiff ist hergezogen.  Gut.  Doch hört!
Nicht Anker ausgeworfen!  Hört ihr?  (Nicht)!
Der Augenblick kann uns die Abfahrt bringen
Und ob's zum lichten Zeit dann, weiß ich nicht.

(Auf und ab gehend.)

Er kommt noch immer nicht.  Daß er ihr traute!
Ich hab' ihn wohl gewarnt.  Doch hört er Warnung?
Sonst ja, daheim, da horcht' er meiner Rede
Und tat auch was ihm riet mein treuer Mund
So folgsam, so ein Kind, und doch ein Mann.
Doch hier ist er verwandelt ganz und gar
Verwandelt gleich--uns allen, sagt' ich schier,
Vom gift'gen Anhauch dieses Zauberbodens.
O dieses Weib!  Mir graut denk' ich an sie.
Wie sie so dastand mit den dunkeln Brauen
Gleich Wetterwolken an der finstern Stirn,
Das Augenlid gesenkt, im düstern Sinnen:
Nun hob sich's und wie Wetterleuchten fuhr
Der Blick hervor und faßt' und schlug und traf.--
Ihn traf er!--Nu die Götter mögen's wenden.  Was bringen dort die
Beiden.  Griechen sind's.
Ein Weib!  Gebunden!  Memmen ihr!--Holla!

Zwei Griechen (treten auf,)
Gora (mit gebundenen Händen in ihrer Mitte.)

Milo.
Was ist?  Was bindet ihr das Weib!--Gleich löst sie!

Soldat.
Das Weib da kam an unsre Vorwacht, Herr
Und fragte nach--nu nach der Kolcherin
Die heut wir fingen.

Gora.
Kolcherin?
Ha Sklav', Medea ist's,
Des Kolcherfürsten Tochter.
Wo habt ihr sie?

Soldat.
Wir wollten sie nicht lassen, daß sie nicht
Dem Feinde Kundschaft gäb' von unsrer Lagrung
Allein sie wehrt' es und fast männlich, Herr.
Da banden wir sie, weil sie sich nicht fügte,
Und bringen sie euch her!

Milo.
Löst ihre Bande!

(Es geschieht.)

Gora.
Wo ist Medea?  Wo ist mein Kind?

Milo.
Dein Kind?

Gora.
Ich hab' sie gesäugt gepflegt.
Als eine Mutter mein Kind.  Wo habt ihr sie?
Sie sagen: freien Willens sei sie geblieben
Bei euch in eures Lagers Umfang;
Aber 's ist Lüge, ich kenne Medea
Ich kenne mein Kind.
Gefangen haltet ihr sie zurück.
Gebt sie heraus!  Wo ist sie?

Milo.
Ganz gut kommst als Genossin du für sie
Leicht fände sie sich einsam unter Menschen.
Bringt sie ins Schiff!

Gora.
So weilt sie dort?

Milo.
Geh nur!
Zu bald wirst du sie noch erblicken!--Geh!

Gora (die abgeführt wird).
Ins Meer, nicht in das Schiff, wenn ihr mich täuscht.

(Ab.)

Milo

(ihr nachschauend).
Ha!  bringen wir die wilden Tiere alle
Nach Griechenland, ich sorge, man erdrückt uns,
Die Seltenheit zu sehn!--Und Er kommt nicht!

(Man hört dumpfe Schläge unter der Erde.)

Was ist das?--Horch!--Speit auch der Boden Wunder?
Versucht's der Feind?--

(Gegen die Krieger, das Schwert ziehend.)

Holla!  zur Hand!

(Die Krieger greifen nach ihren Waffen.)

Milo.
Die Erde hebt sich!--Was geschieht noch alles?
(Eine Falltüre öffnet sich am Boden.) Medea (steigt herauf.)

Medea.
Hier ist der Tag.

(Nachdem sie ganz heroben ist.)

Und hier die Deinen.
Ich hielt was ich versprach.
Jason (mit dem Vließ-Banner steigt auch herauf.
Medea läßt die Falltüre nieder.)

Milo

(auf ihn zueilend und seine Hand nehmend).
Du bist es Jason!
Du!

Jason (der mit gebeugtem Kopf dagestanden, emporblickend).
Jason!--Wo?--Ja so!  Ja, ja!

(Ihm die linke Hand reichend.  In der rechten hält er das Banner.)

Freund Milo!

Milo (im Vortreten).
Und mit dem Vließ?

Jason (schreckhaft sich umsehend).
Ha!--Mit dem Vließ!--

(Es hinhaltend.)

Hier ist's!

(Sich noch einmal umsehend.)

Ein widerlicher Mantel dort, der graue
Und drein gehüllt der Mann bis an die Zähne.

(Auf ihn zugehend.)

Borg' mir den Mantel, Freund!

(Der Soldat gibt den Mantel.)

Ich kenne dich
Du bist Archytas aus Korinth.  Ja, ja
Ein lust'ger Kauz, ein (Geist) mit Fleisch und Blut!

(Ihn an der Schulter anfassend.)

Mit Fleisch und Blut!

(Widerlich lachend.)

Ha!  ha!--Ich dank' dir Freund!

Milo.
Wie sonderbar--

Jason

(den Mantel um das Vließ hüllend).
Wir wollen das verhüllen,
So--und hier aufbewahren bis wir's brauchen.

(Er legt das Vließ hinter ein Felsenstück, auf das sich Medea
sinnend gesetzt hat.)

Was sinnest du Medea, sinnest jetzt?
Laß uns die Überlegung aufbewahren
Als Zeitvertreib auf langer Überfahrt.
Komm her mein Weib, mir angetraut
Bei Schlangenzischen unterm Todestor.

Milo (sich zu Medea wendend).
Das Schiff dort birgt, was dir willkommen wohl.
Ein Weib, Medeens Pflegerin sich nennend
Ward eingebracht--

Medea.
Gora.--Zu ihr!

Jason (rauh).
Bleib da!

(Medea erschrocken die Hände auf Brust und Stirn legend, bleibt
stehen.)

Jason (milder).
Ich bitte dich bleib da!

(Indem er sie zurückführt.)

Geh nicht Medea!

(Sie wirft einen scheuen Blick auf ihn.)

Entwöhne dich vom Umgang jener Wilden
Dafür an unseren gewöhne dich!
Wir sind jetzt Eins, wir müssen einig denken.

Milo.
Kommt jetzt zu Schiff!

Jason.
Ja, ja!  Komm mit Medea!
Wie lau die Feinde sind!  Ich hätte Lust
Zu fechten, fechten.  Doch sie schlafen scheint es!

Absyrtus

(hinter der Szene).
Hierher!

Milo.
Sie schlafen nicht.

Jason.
So besser!  Schließt euch!
Zieht gegen unser Fahrzeug euch zurück.
Wir wollen unser Angedenken ihnen
Zum Abschied noch erneun auf immerdar.

(Er rafft das verhüllte Vließ auf.)

Medea, in den Kreis und zittre nicht!
Absyrtus (tritt mit) Kolchern (auf.)

Absyrtus.
Hier ist sie!  Komm zu mir!  Medea!  Schwester!

Medea (die bei seinem Eintritt ihm unwillkürlich einige
Schritte entgegen gegangen ist, jetzt stehen bleibend).
Wohl deine Schwester, doch Medea nicht!

Jason.
Was weilst du dort?  Tritt wieder her zu uns!

Absyrtus (mitleidig zu ihr tretend).
So wär' es wahr denn, was sie alle sagen
Und ich nicht glauben konnte bis auf jetzt.
Du wolltest ziehen mit den fremden Männern?
Verlassen unsre Heimat, unsern Herd
Den Vater und mich Medea
Mich, der dich so liebt, du arme Schwester!

Medea (an seinen Hals stürzend).
O Bruder!  Bruder!

(Mit tränenerstickter Stimme.)

O mein Bruder!

Absyrtus.
Nein es ist nicht wahr!--Du weinst!
Ich muß auch weinen.  Doch was tut's?
Ich schäme mich der Tränen nicht Genossen
Im  K a m p f  will ich zeigen, was ich wert.
Weine nicht Schwester, komm mit mir!

Medea (an seinem Halse, kaum vernehmlich).
O könnt' ich gehn mit dir!

Jason (hinzutretend).
Du willst mit ihm?

Medea (furchtsam).
Ich?

Jason.
Du sagtest's!

Medea.
Sagt' ich etwas Bruder?
Nein, ich sagte nichts!

Absyrtus.
Wohl sagtest du's, und komm, o komm,
Ich führe dich zum Vater, er verzeiht!
Schon hat ihn mein Flehen halb erweicht;
Gewiß verzeiht er, noch ist nichts geschehn,
Die Fremden, sie fanden's noch nicht das Vließ.

Medea (sich entsetzt aus seinen Armen losreißend).
Nicht?

(Schaudernd.)

Sie haben's!

Jason (indem er die Hülle von dem Vließ reißt und es
hochgeschwungen vorzeigt).
Hier!

Absyrtus.
Das Vließ!

(Zu Medeen.)

So hast du uns denn doch verraten
Geh hin in Unheil denn und in Verderben!

(Zu Jason.)

Behalt sie, doch das Vließ gib mir heraus!

Jason.
Du schwärmst mein junger Fant!  Mach' dich von hinnen,
Und sag' dem Vater was du hier gesehn.
Nehm' ich die Tochter, schenk' ich ihm den Sohn!

Absyrtus.
Das Vließ!

Jason.
Ich will dein Blut nicht.  Schweig und geh!
Mit Drachen ist mein Arm gewohnt zu kämpfen,
Mit Toren nicht wie Du: Geh sag' ich geh!

Absyrtus (eindringend).
Das Vließ.

Jason (ausweichend).
Mir zu begegnen ist gefährlich,
Denn ich bin grimmig wie der grimme Leu.

Absyrtus.
Das Vließ!

Jason.
So hab's!

(Er haut, über die linke Schulter ausholend mit einem grimmigen
Seitenhieb auf Absyrtus, daß Helm, Schild und Schwert ihm rasselnd
entfallen, er selbst aber, obschon unverwundet, taumelnd
niederstürzt.)

Medea

(bei dem Fallenden auf die Kniee stürzend und sein Haupt in ihrem
Schoß verbergend).
Halt ein!

Jason.
Ich töt' ihn nicht!
Allein gehorchen muß er, (muß--gehorchen)!

Medea (Absyrtus aufrichtend).
Steh auf!

(Er ist aufgestanden und lehnt sich betäubt an ihre Brust.)

Medea.
Bist du verletzt?

Absyrtus (matt).
Es schmerzt!--Die Stirn!

Medea (ihre Lippen auf seine Stirne pressend).
Mein Bruder!

Milo

(der früher spähend abgegangen ist, kommt jetzt eilig zurück).
Auf!  Die Feinde nahen!  Auf!
In großer Zahl, der König an der Spitze!

Medea (ihren Bruder fester an sich drückend).
Mein Vater!

Absyrtus (matt).
Unser Vater!

Jason (zu den Beiden).
Ihr, zurück!

Milo (auf Absyrtus zeigend).
Der Sohn sei Geisel gegen seinen Vater
Bringt ihn dort auf die Höh' zum Schiff hinauf!

Absyrtus (matt die ihn Anfassenden abwehren wollend).
Berührt ihr mich?

Medea.
O laß uns gehn, mein Bruder!

(Sie werden auf die Höhe gebracht.)

Jason.
Hinan, ins Schiff und spannt die Segel auf.
Aietes (kommt mit bewaffneten) Kolchern.

Aietes (hereinstürzend).
Haltet ein!  Meine Kinder!  Mein Sohn!

Absyrtus (oben am Hügel sich loszumachen strebend).
Mein Vater!

Jason (den Hügel hinauf rufend).
Haltet ihn!

(Zu Aietes.)

Er bleibt bei mir,
Folgt mir zu Schiff, als Geisel wider dich.
Wenn nur ein Kahn, ein Nachen uns verfolgt
So stürzt dein Sohn hinab ins Wellengrab!
Erst wenn erreicht ist Kolchis' letzte Spitze,
Setz' ich ihn aus und send' ihn her zu dir.
Barbar, du lehrtest mich, dich zu bekämpfen!

Aietes.
Sohn, stehst du in den Armen der Verworfnen?

Absyrtus (fruchtlos sich loszuwinden strebend).
Laß mich!

Medea.
Mein Bruder!--Vater!

Jason.
Haltet ihn!

Aietes.
Komm, Sohn!

Jason.
Umsonst!

Aietes.
So komm' ich, Sohn, zu dir!
Mir nach ihr Kolcher, folget eurem König!

Jason.
Zurück!

Aietes (vordrängend).
Glaubst du, du schreckest mich?

Jason.
Zurück!
Du rettest nicht den Sohn, als wenn du weichst.
Kein Haar wird ihm gekrümmt, ich schwör' es dir!
Bringt ihn an Bord!

Absyrtus (ringend).
Mich?  Nimmermehr!

Aietes.
Mein Sohn!

Absyrtus.
Fall sie an, befrei' den Sohn, o Vater!

Aietes.
Kann ich's?  sie töten dich, wenn ich's tue!

Absyrtus.
Lieber frei sterben, als leben gefangen
Fall' ich auch, wenn nur sie fallen mit!

Jason.
An Bord mit ihm!

Aietes.
Sohn komm!

Absyrtus (der sich losgerissen hat).
Ich komme Vater!
Frei bis zum Tod!  Im Tode räche mich!

(Er springt von der Klippe ins Meer.)

Medea.
Mein Bruder!  Nimm mich mit!

(Sie wird zurückgehalten und sinkt nieder.)

Aietes.
Mein Sohn!

Jason.
Er stirbt!
Die hohen Götter ruf' ich an zu Zeugen
Daß  d u  ihn hast getötet und nicht ich!

Aietes.
Mein Sohn!--Nun Rache!  Rache!

(Auf Jason eindringend.)

Stirb!

Jason.
Laß mich!
Soll ich dich töten?

Aietes.
Mörder stirb!

Jason.
Ich Mörder?
Mörder du selber!

(Das Vließ einem Nebenstehenden entreißend, dem er es früher zu
halten gegeben.)

Kennst du dies?

Aietes (schreiend zurücktaumelnd).
Das Vließ!

Jason

(es ihm vorhaltend).
Kennst du's?
Und kennst du auch das Blut, das daran klebt?
's ist Phryxus' Blut!--Dort deines Sohnes Blut!
Du Phryxus' Mörder, Mörder deines Sohns!

Aietes.
Verschling mich Erde!  Gräber tut euch auf.

(Stürzt zur Erde.)

Jason.
Zu spät, sie decken deinen Frevel nicht.
Als Werkzeug einer höheren Gewalt
Steh' ich vor dir.  Nicht zittre für dein Leben,
Ich will nicht deinen Tod; ja stirb erst spät,
Damit noch fernen Enkeln kund es werde,
Daß sich der Frevel rächt auf dieser Erde.
Nun rasch zu Schiff, die Segel spannet auf
Zurück ins Vaterland!

Aietes (an der Erde).
Weh mir weh
Legt mich ins Grab zu meinem Sohn!
(Indem die Kolcher sich um den König gruppieren und Jason mit den
Argonauten das Schiff besteigt fällt der Vorhang.)


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die Argonauten,
von Franz Grillparzer.









End of the Project Gutenberg EBook of Die Argonauten, by Franz Grillparzer

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