Die drei Ostindienfahrer

By Fischer, Haafner, Potter, and Tombe

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Title: Die drei Ostindienfahrer

Editor: Christian August Fischer

Contributor: Jacob Haafner
        Hebelius Potter
        Charles François Tombe

Release date: February 13, 2025 [eBook #75362]

Language: German

Original publication: Leipzig: Hartleben, 1817

Credits: Peter Becker, Hans Theyer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DREI OSTINDIENFAHRER ***



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                      Anmerkungen zur Transkription:

Die Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden
übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.

Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.

Eine Liste der vorgenommenen Änderungen findet sich am Ende des Textes.

Folgende Zeichen sind für die verschiedenen Schriftformen benutzt
worden:

       ~gesperrt gedruckter Text~      =antiqua gedruckter Text=

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                          [Illustration:
                           _Wiedersehen!_]




                                  Die

                         drei Ostindienfahrer,

                   abentheuerliche Reisegeschichten;


                             herausgegeben

                                  von

                       Christian August Fischer.


                           Mit einem Kupfer.


                             Leipzig 1817.

                    Hartleben's Verlagsexpedition.




                            ~An die Leser.~


Wie jeder Künstler, so hat auch der Schriftsteller seine
eigenthümlichen Studien. Wenn mir die Kraft zu Allem fehlt; hierzu
gebricht sie mir nie. So beschäftigte ich mich auch diesen, für mich so
traurigen, Winter hindurch.

Ein Theil dieser Reisegeschichten fand vor sieben bis acht Jahren in
einem unserer geschäztesten Tagblätter Plaz. Man erhält jezt das Ganze
in einer neuen, veredelten Form. Es ist eine Ueberarbeitung, bei der
ich in jeder Hinsicht sehr streng gewesen bin. Möchte die kleine Gabe
willkommen seyn!

Wie mit mir, so hat der thätige Verleger, auch mit andern
Schriftstellern außerhalb Oesterreich, Verbindungen angeknüpft. Man
sieht, wie vortheilhaft dieses, des leichten Tausches wegen, für den
gesammten Buchhandel zu werden verspricht. Darum muntere ihn auf, wer
es zu thun vermag.

~Würzburg~, O. M. 1817.

                                                       C. A. ~Fischer.~




                                  Die

                         drei Ostindienfahrer.




                          Inhaltsverzeichnis


                                              Seite

      Erste Abtheilung, Jacob Haafner.            1

      Zweite Abtheilung, Ch. Fr. Tombe.         185

      Dritte Abtheilung, Heinrich Potter.       231




                           Erste Abtheilung,

                           ~Jacob Haafner.~


                            ~Erstes Buch.~




                              ~Quellen.~

    =L'otgevallen op eene Reize van Madras nar het Eiland Ceilon. Door
    Jac. ~Haafner~. Haarlem 1814. 8. 2. Aufl.=

    =Reize in eenen Palankin etc. door Jacob ~Haafner~. Amsterdam
    1814. 2 Bde. 8. 2. Aufl.=




                            Erstes Capitel.


Ich befand mich als zweiter Steuermannsgehülfe am Bord eines
holländischen Compagnieschiffes, das von Chinsura nach Negapatnam
bestimmt war. Aber nie hatten wir eine so lange und beschwerliche Reise
gehabt. Auf einer Ueberfahrt, die man in fünf Wochen machen kann,
brachten wir eben so viel Monate zu. Dazu kam der heftige, grausame
Charakter des Capitains, der nach den Schiffsgesetzen an seinem Bord
unumschränkt gebot. Eines Tages ließ er unter andern zwei arme schwarze
Matrosen (Lascars) um einer Kleinigkeit willen so lange geißeln, daß
der eine noch denselben Abend, der andere in der folgenden Nacht
verschied. Dies empörte das ganze Schiff. Es ward daher eine förmliche
Klage gegen ihn aufgesetzt, und nach der Ankunft zu Negapatnam bei dem
Fiscal angebracht. Die Folge davon war, daß dieser uns Unteroffiziere
sämmtlich zu sich rufen ließ. Hier ist es, wo meine Geschichte
eigentlich anfängt.

Nach Unterzeichnung des Protocolles, kam nämlich der Fiscal noch einmal
auf die Klagschrift zurück, und fragte, wer der Concipient davon
gewesen sey. Der Wahrheit gemäß ward ich genannt. Er sprach hierauf
mit Lobe von der Arbeit. -- »Es ist Schade« -- wendet er sich zu mir,
-- »daß Sie in keinen angemessenern Verhältnissen sind. Wenn Sie hier
bleiben wollten, hätte ich wohl eine Stelle für Sie.« -- Ich gestehe
es, dieser Antrag machte nicht wenig Eindruck auf mich. Zwar hatte ich
die Aussicht Steuermann zu werden; allein der Civildienst schien mir
ungleich bequemer und einträglicher zu seyn. Ueberdem hatte ich des
Capitains Rache zu fürchten. -- Mit einem Worte, ich blieb am Lande,
und erhielt eine Stelle auf dem Hauptcomtoir.

Von meiner frühesten Jugend an, war ich ein Spiel des Zufalles gewesen,
und hatte von dem Leben noch nichts, als das Mühselige desselben kennen
gelernt. Jetzt endlich hoffte ich Ruhe und Genuß zu finden, ja ich
schmeichelte mir sogar mit der baldigen Rückkehr ins Vaterland. Allein
bald sah ich mich in meinen Erwartungen aufs bitterste getäuscht.
Spärliche Besoldung, ekelhafte mechanische Arbeit, und so gut als
keine Aussicht zu einer Verbesserung! Fast sehnte ich mich nach dem
Seeleben zurück. Indessen beschloß ich auszuhalten, und mich auf ein
Fach zu werfen, das mir bedeutende Vortheile versprach; ich meine die
italienische Buchhaltung.

Dieser Gedanke bot sich mir bei der Lage der holländischen
Compagniecomtoirs sehr natürlich dar. Es fehlte nämlich überall an
Subjekten dazu. Wir, in Negapatnam, z. B. hatten nur einen einzigen
Mann, der die Bücher auf diese Art zu führen verstand, und dafür
allein sechshundert Pagoden (zu 4½ Fl.) bezog. Die Sache von ihm
zu lernen, war freilich keine Möglichkeit; denn seinen Mangel an
Gefälligkeit abgerechnet, stand er überdem viel zu hoch über mir.
Ich mußte mir also selbst zu helfen suchen, was freilich mit vielen
Schwierigkeiten verbunden war. Indessen, da ich keine Arbeit scheute,
ward ich in Jahr und Tag ziemlich vertraut damit.

Ich hoffte nun nichts Geringeres, als zweiter Buchhalter zu werden;
allein, wie sehr hatte ich mich abermals getäuscht! Zwar ward mein
Fleiß nicht wenig gelobt, und erhielt einen kleinen Monatszuschuß;
allein von einer eigentlichen Beförderung war durchaus die Rede nicht.
Täglich mehr Arbeit; endlich mußte ich beinahe alles thun. Dies war
zu viel, ich verlangte daher meinen Abschied. Da versprach mir der
Buchhalter hundert Pagoden jährlich, und nach drei Jahren die förmliche
Substitur. Ich gieng es ein, allein was geschah? Im ersten Jahr keine
Rupie; im zweiten eben so, im dritten abermals nichts. Ich klagte bei
dem Gouverneur, er gab mir Unrecht. Ich mußte die Bücher noch drei
Jahre, und abermals unentgeldlich führen, dann erst wollte man weiter
sehen. Ich verweigerte es, es sey ganz und gar meine Schuldigkeit nicht.

»Wie?« -- rief der Gouverneur zornig -- »Ihr wagt es, mir zu
widersprechen? Ihr müßt die Bücher führen, sonst nach Batavia, oder
außer Dienst!«

»Ich wähle das Letzte, gnädiger Herr!«

»Ist das euer Ernst?« fragte er erstaunt. -- »Ueberlegt es wohl!«

»Es ist mein völliger Ernst!«

»Nun gut!« -- sagte er hastig -- »So seyd ihr hiemit augenblicklich
entlassen -- Sucht euer Glück anderswo!« -- Mit diesen Worten drehte er
sich um, und verließ den Saal.

So war ich denn endlich wieder frei; allein wegen der Zukunft
allerdings nicht ganz unbesorgt. Ich hatte wenig Geld, und keinen
Credit; meine meisten Freunde verließen mich. Indessen hatte ich mir
neben dem Französischen auch einige Kenntnisse im Englischen erworben;
es schien mir daher am rathsamsten nach ~Madras~ zu gehen. Schon
hatte ich alle Anstalten dazu gemacht, als ich unvermuthet eine
Einladung von Herrn Simons, unserem Magazininspector, erhielt. Dieser
brave Mann hatte von meinem Plane gehört, und wollte mir, wie er sagte,
einen besseren Vorschlag thun. Sein Bruder war nämlich Oberbuchhalter
zu ~Sadras~, und brauchte gerade einen Gehülfen meiner Art. Dieser
Antrag war wirklich aller Ehre werth; doch gestehe ich gern, daß mich
die Nähe von Madras (12 Meilen) auch mit bestimmen half. Leicht kamen
wir daher über die Bedingungen überein. So verließ ich Negapatnam, und
langte wohlbehalten in Sadras an.




                           Zweites Capitel.


In der That, Herr Simons hatte mich nicht getäuscht; ich fand mich
wirklich in eine sehr angenehme Lage versetzt. Guter Gehalt, mäßige
Arbeit, freundliche Behandlung, herzlicher Umgang; nie hatte ich noch
so zufrieden gelebt. Die Luft war gesund, die Gegend angenehm, Sadras
selbst ein wohlhabender, und sehr lebhafter Ort. Ich hebe aus dem
Ganzen einige Parthien aus.

Zuerst der ~Bazar~, oder Marktplatz, der aus einer breiten, mit
Bäumen besezten Straße besteht. Schon Morgens um fünf Uhr strömen
von allen Seiten Marktleute herbei. Junge Mädchen und Weiber mit
Gemüsen und Früchten; alte Weiber mit Matten und Töpferwaaren;
Reis- und Getreide-, Betel-, Areka-, Spezerei- und Tabakshändler;
Verkäufer von Palmzucker, Palmblättern und Sandelholz; Korbflechter,
Reiskuchenbäcker, Armringsfabrikanten u. s. w.; alle eilen herbei,
alle stellen sich in Reihen auf. Zu gleicher Zeit erscheinen Gaukler
und Wahrsager, Banianen mit ihren Probiersteinen, Tattowirer mit ihren
Nadeln, endlich Sanias und Foguis (Bettelmönche) mit nackten Fakirs
vermischt.

So wird es acht Uhr, und alle Buden, und alle Gewölbe öffnen sich.
Die Menschenmasse vermehrt sich, das Getümmel nimmt zu, der ganze
Bazar ertönt von Geschrei. -- Mangas! Reife Mangas! -- Tamarinden!
Tamarinden! -- Areka und Betel! -- Büffelkuhmilch! -- Eingemachte
Früchte! Kauft Früchte in Zucker! -- Reife und frische Cocosnüsse!
Frischer Palmkohl u. dgl. m. Dazu der Gesang der Mönche, mit
Trommeln und Tambourins, die Glöckchen der Putchares (geistliche
Balladensänger), die Hörner der Sarpojans (Schlangenbeschwörer), die
Schellen der Pandoces (geistliche Bänkelsänger) mit dem Lärm der
malabarischen Schulen, dem gellenden hundertstimmigen ~Ana~,
~Awena~, ~Han~, (A. B. C.) und dem fast alles übertäubenden
Gekrächz von tausenden von Raben vermischt. Endlich mitten im dicksten
Getümmel der Beriesocheng, der weiße heilige Stier, dem alles Platz
macht, und alles liebkosend Geschenke reicht.

Das gesellschaftliche Leben war höchst angenehm. Bald giengen wir in
einen Palmenbusch, um eben gezapften, frischen, blauen Palmsaft zu
trinken; bald machten wir eine Jagd- oder Fischparthie. Ein andermal
ritten wir nach den Austerfelsen, oder brachten unsern Tag in stiller
Ländlichkeit in einer Chauderie (öffentliche Herbergen an den
Landstraßen, in Wäldern u. s. w.) zu. Die hohen, schattigen Pipals, der
Weiher mit Cocosbäumen bepflanzt, der nahe Palmenwald, die Menge von
Pilgrimen und Reisenden -- auch ein solcher »=Dia do campo=« im
noch immer beibehaltenen Portugiesisch so genannt, hatte seinen eigenen
Reiz.

Dann die Gesellschaften, wo sich alles der Freude und der Lebendigkeit
überließ. Die fröhlichen Abendessen mit allem was Land und Jahrszeit
Auserlesenes zu liefern im Stande war. Die von der Liebe geschlossenen
Vereine, wo jeder zu den Füßen der Auserwählten saß, und ihr ein süßes
Versprechen abgewann. Die blinkenden Becher, die Gesänge, die Tänze und
die vaterländische Kraft mit ostindischer Ueppigkeit gepaart!




                           Drittes Capitel.


Fast anderthalb Jahre hatte ich auf diese Art höchst vergnügt in
Sadras verlebt, als mein Glück auf einmal vernichtet ward. Es war den
17. Juni 17-- ungefähr um vier Uhr Nachmittags. Wir waren bei dem
Generaldirector Herrn von Neis, zu einem Geburtstagsschmause, und
tranken lustig Gesundheiten herum. »Nun noch eins!« -- rief eben unser
Wirth -- »Noch eins, meine Herren! Auf das Wohlergehen von Sadras!« --
In dem Augenblicke trat der wachthabende Sergeant herein und meldete,
daß ein englischer Offizier angekommen sey. Er verlange Herrn von Neis
zu sprechen, und habe ein weißes Tuch an seinem Stock. -- Niemand, und
am wenigsten Herrn von Neis fiel das weiße Tuch auch nur im mindesten
auf. -- »Nur herein!« -- antwortete er sehr vergnügt -- »Ein neuer Gast
macht neuen Durst! -- Er soll mit auf das Wohl von Sadras trinken! Nur
herein!« --

Der Sergeant gieng, um die Thür zu öffnen, und der Offizier trat
in den Saal. -- »Es thut mir leid« -- hub er an, indem er sich zu
Herrn von Neis wandte -- »Es thut mir leid, der Ueberbringer einer
unangenehmen Botschaft zu seyn. England hat Holland den Krieg erklärt.
Der Commandant von Chenglepet (englisches Fort in der Nachbarschaft)
steht mit seinen Truppen nur noch eine Stunde von hier. Er läßt Sie
hiermit auffordern, das Fort und die Factorei von Sadras auf Diskretion
zu übergeben. Dies mein Auftrag; in zwei Stunden bitte ich mir ihre
Antwort aus!« -- Mit diesen Worten machte er uns eine Verbeugung und
entfernte sich.

Welche Nachricht! Bleich und sprachlos saßen wir einige Augenblicke wie
vom Donner gerührt. Endlich trug Herr von Neis auf eine Berathschlagung
der fünf Hauptbeamten an. Dies wurde so fort genehmigt, und alle
übrigen Gäste entfernten sich. Lange sannen wir nun hin und her,
was anzufangen sey. Widerstand konnten wir freilich nicht leisten;
dazu waren wir viel zu schwach. Aber uns auf Diskretion ergeben,
dies durften wir ebenfalls nicht. Wir beschlossen daher auf einer
ordentlichen Capitulation zu bestehen. Im Fall dieselbe jedoch
verweigert würde, wollten wir uns in das Fort zurückziehen. Bei diesem
Entschlusse blieb es, und so ward das Ganze zu Papier gebracht. Nach
sechs Uhr gieng ich damit in Begleitung des Oberbuchhalters und des
Parlementärs zu dem englischen Commandanten, einen Capitain Mackay ab.
Sein Lager war wirklich nur eine Stunde von Sadras entfernt.

Wir kamen an und passirten die Vorposten ohne Schwierigkeit. Alles war
still und finster, nie hatte ich noch ein so ruhiges Lager, ohne das
mindeste Licht gesehen. Doch kaum waren wir angemeldet, als es etwas
lebendiger ward. Man zündete Lichter an und brachte Stühle für uns.
Einige Minuten und wir saßen dem Commandanten gegen über, der uns sehr
stolz ansah.

»Capitain!« -- hub ich an -- »hier sind die Bedingungen, auf welche das
Fort und die Factorei übergeben werden soll.«

Hastig riß er mir die Capitulation aus der Hand, las sie durch, und
warf sie mir wieder zu. -- »Sagt eurem Direktor, daß keine seiner
Bedingungen angenommen wird. Es bleibe bei der Aufforderung. Ich habe
Canonen und Leitern bei mir.«

»Capitain! Sie behandeln uns wie Callouris (indische Räuber). Wir sind
Holländer, wissen Sie das?«

Er that, als verstünde er mich nicht, und schwieg einige Zeit. Endlich
fuhr er trotzig auf: -- »Nun, habt ihrs gehört, nur auf Discretion! --
Versteht ihr mich?«

»Nimmermehr!« -- antwortete ich mit Festigkeit! -- »Lieber das
Aeußerste als dies!« --

»Nun so will ich euch denn zeigen, ihr -- ihr!« --

»Gut! Wir wollen's erwarten, Capitain! Aber Sie werden für unser Blut
verantwortlich seyn. Eher soll man uns in Stücken hauen!« --

Er antwortete nichts, gieng aber mehrere Minuten nachdenkend auf und
ab. Endlich riß er mir die Capitulation aus der Hand, las sie noch
einmal durch, unterzeichnete sie sehr bedächtlich, und gab sie mir ganz
gelassen zurück. Jezt hieß es: Auf nach Sadras! und augenblicklich
war alles mit Lichtern bedeckt, und überall ertönte Trompeten- und
Paukenschall. Wir eilten den Truppen voraus, um unsern Bericht
abzustatten, zufrieden, daß wenigstens so viel erlangt worden war.
Endlich um elf Uhr zogen die Engländer mit klingendem Spiele ein,
besezten das Fort, die Packhäuser u. s. w., und brachten die ganze
Nacht mit Trinken und Lärmen zu.

Am folgenden Morgen ward unser Schicksal näher bestimmt. Die Garnison
mußte Dienste nehmen, wir Compagniebeamten wurden nach Madras
geschickt. Indessen fehlte es an Platz, um unser Eigenthum mitzunehmen;
alles ward daher vorläufig in die Packhäuser gebracht. Dies war
offenbar Treulosigkeit; keiner von uns hat je das Mindeste wieder davon
gesehen. Ich selbst verlor auf diese Art ungefähr dreitausend Pagoden
an Werth. Eben so kam ich um andere tausende, die mir die Compagnie
schuldig war. Alles, was ich noch retten konnte, mochten hundert und
einige zwanzig seyn. So kam ich mit meinen Unglücksgefährten in Madras
an.




                           Viertes Capitel.


Aber was nun anfangen? -- Ohne Geld, ohne Freunde, ohne Empfehlungen!
-- Ich fühlte nur zu sehr, wie verlassen ich war. -- Endlich fiel mir
ein gewisser Herr Franck, ein deutscher Landsmann, ein. Ich hatte
ihn zufällig in Sadras kennen gelernt, und ihm selbst einige kleine
Gefälligkeiten erzeigt. Diesen suchte ich auf, und fand die herzlichste
Theilnahme bei ihm. Sehr bereitwillig bot er mir sogleich sein Haus,
seinen Tisch, ja sogar seine Börse an; allein er war selbst nicht
reich; ich machte daher nur einige Tage von seiner Güte Gebrauch.
Eben war ich im Begriff mit einigen unverheiratheten jungen Leuten
zusammen zu ziehen, als ich auf einmal -- doch hierüber muß ich etwas
umständlicher seyn.

Während meines Aufenthaltes zu Sadras hatte ich einem alten
braven Sergeanten, Namens Winter, gegen über gewohnt, und so die
Bekanntschaft seiner eben so schönen als sittsamen Tochter Sophie
gemacht. Ich wußte, daß der arme kranke Mann bei der Uebergabe nach
Madras eingeschifft worden war. Leider hatte ich ihn aber aus dem
Gesichte verloren, fand ihn jetzt nur mit Mühe wieder, und traf ihn in
den traurigsten Umständen an. Augenblicklich war mein Entschluß gefaßt.
Ich miethete ein malabarisches Häuschen, kaufte die nothwendigsten
Mobilien u. s. w., und nahm die Familie zu mir. Nur wenig Wochen hatten
wir indessen zusammengelebt, als der alte Mann nach einem kurzen
Krankenlager in meinen Armen verschied. Ich liebte Sophien heiß und
innig, leider war sie aber an einen andern verlobt. Sie theilte meine
Empfindungen, sie hatte nur aus Noth eingewilligt, und fürchtete das
verhaßte Band. Ich beschloß sie nicht zu verlassen, und die Mutter
dankte mir mit Thränen dafür.

Aber um so furchtbarer lag der Gedanke an die Zukunft auf mir.
Mein Geld nahm ab; die Gelegenheit zum Verdienste war bei dem
stockenden Handel ziemlich beschränkt; ich befand mich bald in großer
Verlegenheit. Endlich brachte mich Herr Franck bei einem Mr. Popham als
Schreiber an. Aber auch jezt verschaffte uns meine Einnahme täglich
nur eine Mahlzeit; die Theurung war gar zu groß. In dieser traurigen
Lage ward ich zufällig einen der reichsten portugiesischen Kaufleuten
von Madras, Shor. Antonio de Souza, bekannt. Ich hatte ihm nämlich
einige Papiere zu überbringen, fand ihn gerade mit Shra de Souza beim
Frühstück, und redete ihn englisch (seine Lieblingssprache) an.

»Wie lange sind Sie aus England?« -- fiel er mir plözlich ein.

»Ich bin kein Engländer, mein Herr, und war auch niemals dort.«

»So? -- Also sind Sie in Indien geboren?«

»Nein! Ich bin ein Holländer, mein Herr, und war Buchhalter zu Sadras.«

»Können Sie die Bücher englisch führen?«

Ich verbeugte mich.

»Gut! Gut!« -- fuhr er mit Lebhaftigkeit fort. »Ich brauche eben
einen Buchhalter. Sie sollen monatlich sechzig Pagoden und freien
Mittagstisch haben, auch das Frühstück, wenn Sie wollen. Jetzt sagen
Sie!« --

»Mein Herr! -- Ich bin zu Ihren Diensten. -- Aber wie soll ich Herrn
Popham.« --

»Das ist meine Sorge. -- Treten Sie nur in Gottes Namen an. -- Aber Sie
sehen so elend aus? -- Sind Sie krank?« --

»Das nicht, mein Herr -- Aber« -- gieng ich aufrichtig über meine Lage
u. s. w. heraus, wobei ich auch Sophien nicht vergaß.

»Das ist brav!« -- sagte er lebhaft, und schüttelte mir die Hand. --
»Bei Gott, das ist brav! -- Sie sind ein ehrlicher Mann!« »Hier« --
fuhr er fort, indem er in die Casse griff -- »Hier sind hundert Pagoden
auf Abschlag -- Und diesen Abend schicke ich Ihnen zehn Säcke Reis.
Gott mit Ihnen, morgen sehen wir uns!«

War es ein Traum? -- O überglückliche Veränderung! Sophie weinte vor
Freuden. -- Abends wurden mir richtig zehn große Säcke mit Reis, und
überdem mehrere schöne Stücke Zitz und dergl. für Mutter und Tochter
gebracht. Jetzt erst erinnerte ich mich, wie sehr Madame de Souza bei
meiner Erzählung gewesen war. Seliger, unvergeßlicher Abend! So waren
wir denn auf einmal aller unserer Sorgen los!




                           Fünftes Capitel.


Unterdessen war das Carnatik der Schauplatz des Krieges geworden;
stündlich kamen mehr Flüchtlinge bei uns an, und die Theurung nahm
von Tage zu Tage zu. Vergebens schickte man aus Bengalen eine Menge
Schiffe ab; die Franzosen brachten sie fast vor unsern Augen auf.
Schon wurden wir daher von dem schrecklichsten Mangel bedroht, als
unvermuthet auf der Rhede eine achtzig Segel starke Flotte erschien,
die den Feinden unter Begünstigung eines Nebels entgangen war.
Entzückender Anblick! Alles eilte an den Strand; alles wollte die
kornbeladenen Schiffe sehen; lautes Freudengeschrei erfüllte die ganze
Stadt.

Der Eintritt des Regenmonßons war nahe; gleichwohl zögerte man, zu
meinem Erstaunen, mit der Ausschiffung. Wirklich wurden, weder den
ersten noch den zweiten Tag, nicht die mindesten Anstalten dazu
gemacht; der dritte vergieng auf gleiche Art; der vierte brach an;
jetzt war es zu spät dazu. Seit zweimal vier und zwanzig Stunden
nämlich hatte man alle Vorzeichen eines Orkans bemerkt.

Aengstlich drängten sich die Kühe auf der Weide zusammen, und stöhnend
eilte das Wild den dichtesten Büschen zu; die Hunde heulten, die Vögel
flogen unruhig umher, die meisten Thiere verkrochen sich. Stoßweis lief
der Wind alle Compassstriche durch, und rings am Horizonte schossen
feurige Flammen auf. Heftig schien das Meer in seinem Innern zu kochen,
und warf eine Menge Muscheln und Seegewächse aus. Auf den schäumenden
Wellen zeigten sich unbekannte Ungeheuer, und mit ängstlichem Geschrei
flüchteten Tausende von Seevögeln an's Land.

Heute, als am fünften Tage traten alle diese Anzeichen mit verdoppelter
Stärke ein. Die Luft war glühend heiß, der ganze Himmel mit schwarzen
Wolken bedeckt. Furchtbar, in dumpfem Donnergemurmel, zogen sie gegen
einander; tiefer und immer tiefer senkten sich die ungeheuern Massen,
und feurige Blitze durchkreuzten die wachsende Finsterniß.

Endlich brach der Orcan mit tausend Donnerschlägen los. Der Regen in
Strömen herab; die Cocos-Wälder wie Binsen zerknickt; die Trümmer wie
Spreu umher; die schäumende Brandung bergehoch; Blitz auf Blitz; Schlag
auf Schlag; ein Donner, eine Flamme; die ganze Natur in Untergang.
Wenig Minuten, und die Rhede war mit treibenden Schiffen bedeckt. Bald
verschwanden sie in den Abgrund; bald flogen sie wieder himmelan. Die
Masten brachen; die Segel zerrissen; die Seiten öffneten sich. Schiff
gegen Schiff geschleudert; ein's an dem andern zerschellt. So wirbelten
sie in immer schnelleren Kreisen, bis sie endlich der schwarze Abgrund
verschlang. Fünf Secunden, und unsere lezte Hoffnung war auf ewig
dahin. -- Welche Nacht! -- Noch jezt denke ich mit Entsetzen daran.
Als der Tag anbrach, war der ganze Strand mit Leichnamen und Trümmern
bedeckt.




                           Sechstes Capitel.


So brach denn auch diesmal die schrecklichste Hungersnoth aus. Mochten
die armen Hindus auch Alles verkaufen, sie fristeten ihr Leben doch
nur einige Tage damit. Bald lagen Tausende dieser Unglücklichen, ohne
Nahrung, ohne Kleidung, ohne Obdach, bei den heftigsten Regengüssen,
auf den Straßen umher. Fürchterlich wüthete der Tod darunter, jeden
Morgen fuhren an fünfzig Karren mit Leichnamen aus der Stadt. Endlich
trieb man die lezten zweitausend Hindus auf das Glacis. Hier starben
sie den langsamen Hungertod. Drey Tage und Nächte stieg ihr Wimmern zum
Himmel auf. Endlich ward alles still. -- O Menschen, und Menschenleben!
-- Doch, ich kehre zu meinen eigenen Schicksalen zurück.

Ich hatte meine Stelle bei Herrn de Souza aufgeben müssen; sein Jähzorn
war gar zu groß. Noch keiner hatte so lange bei ihm ausgehalten; ich
weiß am besten, wie viel ich mir gefallen ließ. Endlich aber ward es
gar zu arg, und so brach ich förmlich mit ihm. Dennoch machte er mir
noch hundert Pagoden zum Geschenk. Es war einer der sonderbarsten und
veränderlichsten Menschen, die mir vorgekommen sind.

Alles machte mir nun den Aufenthalt in Madras unangenehm. Dazu kam
die Furcht vor Hyder Ali, dem die schwarze Stadt -- wo wir wohnten --
am ersten offen stand. Ich dachte also ernstlich an eine Veränderung.
Endlich lief ein Doppel-Thony (großer Küstenfahrer) unter dänischer
Flagge ein, die nach Tranquebar bestimmt war. Ohne Mühe ward ich mit
dem Tandel (Schiffer) einig, ließ unsere Effekten an Bord bringen,
geleitete am andern Morgen Sophien mit ihrer Mutter selbst dahin, und
kehrte dann, zur Abmachung einer lezten Angelegenheit, noch einmal an's
Land zurück.

Unerwartet vergieng mir indessen darüber der ganze Vormittag. Jezt war
es drei Uhr, und alles besorgt. Nach einer kurzen Mahlzeit machte
ich mich auf, um noch einmal Freund Sabico Lebewohl zu sagen, dessen
Haus überdem in meinem Wege lag. Plözlich biege ich um eine Ecke
in ein schmales Gäßchen, wo alles mit Leichnamen bedeckt ist. Ein
sterbendes Weib windet sich auf der Erde, und zerfleischt den blutigen
Leichnam ihres Säuglings. Dieser Anblick, der Gestank, die Hitze, meine
Ermüdung, alles überwältigte mich. Ich sank ohnmächtig nieder; ward zu
Sabico getragen; und kam erst nach sechs Stunden wieder zu mir.

Mein erster Gedanke war Sophie und das Schiff. Mit einem Schreie
raffte ich mich auf, und stürzte durch die finstere Nacht, bei Sturm
und Regen, dem Strande zu. Vergebens, nirgends war ein Schiffslicht zu
sehen. Ich wollte rufen; meine Stimme ward durch die tosende Brandung
übertäubt. So brachte ich eine höchst traurige Nacht im nächsten
Wirthshause zu. Endlich mit grauendem Morgen, eile ich wieder an den
Strand. Der Nebel zerfließt, die Küsten werden sichtbar, das wogende
Meer erhellt sich! -- Kein Schiff, so weit das Auge reicht!




                          Siebentes Capitel.


Mein Schmerz war grenzenlos; aber zu diesen Seelenleiden kam nun noch
Geldverlegenheit. Meine Coffres waren an Bord, kaum hatte ich achtzig
Pagoden bei mir. Zwar bot mir der gute Sabico Kost und Wohnung an; auch
machte ich wirklich Gebrauch davon; allein wir hatten beide nicht viel.
Mein Herz war unaufhörlich in Tranquebar. Tag und Nacht brütete ich
über meinen Reiseplan.

Gleichwohl fehlte es immer an Schiffsgelegenheit, denn die
französischen Kaper nahmen alle Küstenfahrer weg. Eben so wenig war
an die Landreise zu denken; Hyder Ali's Reuter durchstreiften den
ganzen Distrikt. Aber die Theurung ward immer größer; ich fühlte, daß
ich meinem Freunde lästig zu werden anfieng. Sichtbar griff mich der
beständige Kummer an. Was war zu thun? Es galt auch diesmal einen
verzweifelten Entschluß. -- Ich mußte nach Tranquebar -- Tot oder
lebendig; ich mußte nach Tranquebar.

Vergebens rieth mir der gute bedächtige Sabico von diesem -- wie er's
nannte -- entsetzlichen Wagstück ab. Ich blieb unerschütterlich, meine
Liebe gab mir zu allem Muth. Ohne Zeitverlust kaufte ich so eine alte
Chialeng, (Ruderboot) brachte vier Ruderer zusammen, versah mich mit
Reis, Fleisch, Wasser, Natten, u. s. w. und stieß endlich am 24. Nov.
17-- Nachmittags um 3 Uhr -- vom Ufer ab.

Doch kaum hatten wir uns einige Klaftern weit entfernt, als schon das
Wasser auf allen Seiten in die Chialeng drang. Sie war sehr lange
ungebraucht gewesen, und sog es daher auf allen Fugen ein. Man rieth
mir, sie bis zum andern Morgen verquellen zu lassen, doch dies erlaubte
mir meine Ungeduld nicht. Ich nahm daher noch einen fünften Mann,
einzig zum Ausschöpfen, an, und fuhr so endlich zum zweitenmale ab.

Glücklich waren wir über die Brandung gekommen; zum erstenmal athmete
ich wieder mit Leichtigkeit. Jeder Ruderschlag, der mich von Madras
entfernte, führte mich der Geliebten zu. Der Himmel war heiter, das
Meer vollkommen ruhig, die nach Süden laufende Strömung uns förderlich.
Freundlich sank die Sonne in's blaue Meer hinab, und die Spitzen
der Pagoden, und die Wipfel der Cocospalmen glänzten im Abendroth.
Zufällig blickte ich auf das Fort St. Georges; man ließ die Flagge
herab. Wenig Minuten darauf geschah ein Schuß, und pfeifend fuhr die
Kugel über die Chialeng hin.

Mehr verwundernd als erschrocken hielten wir einen Augenblick mit
Rudern ein. Wir waren allein auf der Rhede, und nirgends ein anderes
Fahrzeug zu sehen. -- »Wahrscheinlich ein Signalschuß!« -- sagte ich
ruhig -- »Und ein Mißgriff vom Canonier. Aber bei einem Haar hätte er
uns doch in den Grund gebohrt. Jetzt in Gottes Namen wieder frisch
daran!« --

Herzhaft ruderten wir weiter; doch in demselben Augenblicke geschah ein
zweiter Schuß, und die Kugel schlug keine Klafter von uns in's Meer.
Jetzt sah ich deutlich, daß es auf unsere Chialeng angelegt war. --
»Zurück! -- Zurück!« -- rief ich meinen Leuten zu -- »Arbeitet, was ihr
könnt! Um Gotteswillen, ehe der dritte Schuß geschieht!« -- Wir thaten
nun unser Möglichstes, wiewohl uns die Strömung entgegen war. Man
schien es auf dem Fort zu bemerken, und hielt wirklich mit Schießen ein.

Nichts von meinen Empfindungen; ich war außer mir. -- Schweigend
ruderten wir fort, bis es immer düsterer ward. Bald hörten wir ein
anderes Fahrzeug auf uns zukommen, und nicht lange darauf lag eine
stark bemannte Chialeng neben uns. -- Zwei Srapoys sprangen herüber --
»Im Namen des Gouverneurs! -- Ihr seyd arretirt. -- Vorwärts! Frisch
an den Strand!« -- Ich vermochte kein Wort zu sagen, meine Gedanken
verwirrten sich. -- O Sophie! -- O Tranquebar!




                            Achtes Capitel.


So langten wir, ohngefähr um zehn Uhr Abends, bei dem am Strande
stehenden Hause des Equipagen-Meisters an. Alles war hier mit Menschen
angefüllt, alles wollte den Arrestanten sehen. -- »Da ist er! Da ist
er!« -- rief man von allen Seiten, und der ganze Haufe drängte sich um
mich. -- »Wer seyd ihr?« (=who are you?=) fragten mich hundert
Stimmen zugleich. -- »Es ist ein Spion! Es ist ein Franzos!« (=It
is a spy! It is a French dog!=) schrie man hier. -- »Nein! Es ist
ein Holländer! Ich kenne ihn!« (=It is a Dutchman, I know him=)
antwortete man dort. -- Endlich fiel eine mir wohl bekannte Stimme
ein. -- »Es ist ein ehrlicher Mann, ich bürge dafür!« (=It is an
honest man; I'll answer for it!=) Es war der gute ~Franck~,
er erkannte mich erst in diesem Augenblick. Doch eben trat der
Equipagen-Meister, Mr. ~Hall~, heraus.

»Wer seyd ihr?« -- fuhr er mich mit barscher Stimme an.

»Ein Holländer von Sadraspatnam.«

»Wo ist euer Erlaubnißschein?«

»Ich habe keinen, weil ich es nicht für nöthig hielt.«

»Wie? Keinen Erlaubnißschein? -- Also wißt Ihr auch nicht, daß ich der
Equipagen-Meister bin, und daß, ohne mein Wissen, Niemand die Rhede
verlassen darf?«

»Sir! Haben Sie die Güte zu bedenken, daß ein Fremder« --

»Was Fremder? Fremder? -- Ausflüchte! Nichts als Ausflüchte. -- Ihr
müßt die Gesetze von dem Lande kennen, worin ihr lebt. -- Man schleicht
nicht, wie ein Dieb davon, wenn man nichts Böses im Schilde führt. --
Ich wette, ihr seyd am Ende ein französischer Spion! -- Aber nehmt euch
in Acht -- He Srapoys! führt ihn« --

In diesem Augenblicke trat der gute ~Franck~ hinzu, und sagte
ihm etwas in's Ohr. -- »Das ist was anderes« -- fuhr er jetzt etwas
milder fort. -- »Aber, was soll ich machen? -- Melden muß ich es doch
dem Gouverneur! -- Nun gehen Sie unterdessen nur auf die Hauptwache.
-- Nachher wollen wir weiter sehen! Hoffentlich wird es so arg nicht
werden! -- Gehen Sie nur!«

So gieng ich denn, und brachte ohngefähr eine Stunde auf der Hauptwache
zu. Endlich, nach elf Uhr, trat ein wohlgekleideter Mann herein, und
fragte nach dem »~Gentleman~«, der arretirt worden sey. Ich nahm
dies Wort für eine gute Vorbedeutung an. Wirklich begleitete er mich
auch zum Gouverneur, wo ich in einen großen Saal geführt ward.

Es dauerte wohl eine halbe Stunde, ehe sich jemand sehen ließ. Endlich
trat der Plazmajor, Mr. Sydenham herein; er kannte mich unter andern
von Herrn Souza her. -- »Wie?« -- fragte er verwundernd -- »Sind Sie
es, Haafner? -- Welche Tollheit ficht sie an, bei Nacht mit einer
Chialeng in See zu gehen? -- Wo wollen Sie hin? Was haben Sie vor?«

»Ach, Sir!« -- antwortete ich seufzend -- »Mangel und Liebe treiben
mich fort!« -- Zugleich machte ich ihn mit meiner Lage bekannt. --
»Sprechen Sie für mich!« -- fuhr ich fort -- »Ich weiß, daß ein Wort
von Ihnen hinreichend ist!« -- Meine Erzählung schien ihn gerührt zu
haben; er versprach, sein Möglichstes zu thun, und verließ mich.

Doch bald darauf kam er lächelnd zurück. -- »Beruhigen Sie sich. Die
Sache wird besser gehen, als Sie denken.« -- »Hier!« indem er mich in
ein Nebenzimmer wies, wo ein kleiner Tisch gedeckt war -- »Hier trinken
Sie unterdessen ein Glas Wein. In einer halben Stunde bin ich wieder
da.« -- Ich dankte ihm auf's herzlichste für seine Güte, denn ich war
wirklich bis zum Aeußersten erschöpft.

Eben hatte ich das kleine Mahl geendigt, als die Thüre aufgieng, und
der Gouverneur, Lord Macartney, in Begleitung des Plazmajors und eines
Secretärs, in das Zimmer trat. Er schien keinesweges zornig, fixirte
mich indessen mit großer Aufmerksamkeit.

»Wissen Sie nicht?« hub er endlich an, -- »daß wer sich in Kriegszeiten
heimlich aus einer Stadt zu schleichen sucht, wie ein Spion angesehen
werden muß?«

»Ich weiß es, Mylord, aber ich bitte Ew. Exc. zu bemerken, daß ich
nichts weniger als heimlich, sondern bei hellem lichten Tage, und in
Beiseyn vieler Zeugen abgefahren bin.«

»Aber doch immer ohne Erlaubnißschein. -- Warum machten Sie dem
Equipagen-Meister keine Anzeige davon? -- Es ist ein Glück für Sie, daß
Mr. Sydenham Sie kennt. Um seines Zeugnisses willen, mag die Sache auf
sich beruhen!«

Ich machte eine tiefe Verbeugung.

»Nun gut! Sie können abreisen; allein es ist eine Bedingung dabei.
Sie müssen einige Briefe für den Obersten Hamilton bei Tranquebar
mitnehmen, die ihm eigenhändig zu übergeben sind.«

Ich verbeugte mich abermals.

»Es sind Briefe von der äußersten Wichtigkeit. Sie können leicht
denken, daß mir an der richtigen Bestellung derselben sehr viel gelegen
ist. Bei der Uebergabe werden Ihnen sofort tausend Pagoden ausgezahlt.
Ueberdem werde ich, im Falle ihrer Zurückkunft, auf Ihre Versorgung
bedacht seyn.« --

Ich dankte ihm für sein Zutrauen, und versprach mein Möglichstes zu
thun. Hierauf händigte er mir die Briefe, in lauter kleinen Röllchen,
nebst der Ordre für die tausend Pagoden, ein; wünschte mir glückliche
Reise, und entfernte sich. Mr. Sydenham befahl darauf einigen Srapoys,
mich an den Strand zu begleiten, und ein Couti (Träger) folgte mir
mit einem Korbe voll Lebensmittel nach. So trat ich wieder in meine
Chialeng, und kam endlich um zwei Uhr nach Mitternacht glücklich in See.




                           Neuntes Capitel.


Wunderbare Veränderung! -- Und das alles verdankte ich den Briefen
von Lord Macartney. Aber warum legte er so viel Wichtigkeit darauf?
Weil die Verbindung mit dem englischen Lager schon seit mehreren
Wochen unterbrochen war. Alle Couriers (Harkarrahs) wurden von den
mahrattischen Streifparthien ermordet, oder mit verstümmelten Nasen
und Ohren zurückgeschickt. Niemand wollte sich mehr zu dieser Reise
verstehen. Aber sollte ich den Feinden meines Vaterlandes dienen, oder
sollte ich nicht vielmehr -- Doch das Wetter war vortrefflich, der
Mond stand groß und freundlich am Himmel, und das ruhige Meer glänzte
in Silberschein. Wir spannten unser kleines Segel auf, und steuerten
fröhlich nach Süden zu.

Als die Sonne aufgieng, befanden wir uns auf der Höhe von Covilom,
und schon um zwei Uhr Nachmittags hatten wir mein liebes Sadras
im Gesichte. Plözlich tagte im Südost eine Fregatte auf, die mir
verdächtig schien. Ich ließ daher zwischen die Brandung rudern, und
lief in eine kleine Sandbucht ein. Jezt, so nahe bei Sadras, mußte ich
diesen freundlichen Ort doch noch einmal sehen. Ich ließ demnach die
Chialeng an den Strand ziehen, und eilte den wohlbekannten Fußsteig
hinan.

Allein was fand ich? Alles öde, alles mit Schutt und Trümmern bedeckt.
Die Einwohner waren durchs Schwerdt, oder den Hunger umgekommen; die
Engländer, die mahrattischen Streifparthien, die Räuberbanden hatten
allmählich Alles zerstört. Traurig wandelte ich durch die einsamen
Straßen hin, bis ich endlich an mein eigenes Häuschen kam. Noch
breitete der hohe, schattige Tamarindenbaum seine kühlenden Aeste
darüber aus; aber es hatte das Schicksal der übrigen gehabt. Voll
wehmüthiger Erinnerungen eilte ich an den Strand zurück, und beschloß,
wo möglich, noch bis Alamparve zu gehen. Es war ohngefähr vier Uhr
Nachmittags.

Eine Stunde darauf befanden wir uns auf der Höhe von Arialchery. Aber
inzwischen war der Wind weniger günstig geworden, und der Himmel hatte
sich mit schwarzen Wolken bedeckt. Die See gieng hohl; die Möwen flogen
nach dem Lande; Alles kündigte ein Ungewitter an. Dennoch hoffte ich
Alamparve noch erreichen zu können, und ließ daher die Leute rudern,
was nur möglich war. Bald aber versank die Küste in Nacht, und der
glänzende Schaum der Brandung war das Einzige, was ihre Nähe verrieth.

Noch eine gute Stunde hatten wir ungefähr in dieser Richtung
fortgesteuert; als der Wind allmählig aus Norden aufzufrischen
anfieng. Bald war er uns völlig entgegen, und Alamparve zu erreichen
pure Unmöglichkeit. Zugleich brach das Ungewitter los, und der Regen
schoß in Strömen herab. »Ans Land! Ans Land!« -- schrien wir alle, und
ruderten muthig in die schäumende Brandung hinein. Die Chialeng stieg
und sank, bis sie endlich von der lezten Welle, wie ein Pfeil ans Ufer
geschnellt ward.

Die Gegend, wo wir uns befanden, war mit Gebüsch und wilden Palmbäumen
bedeckt, und schien gänzlich unbewohnt. Wir zogen die Chialeng so hoch
als möglich ans Land, nahmen einige Lebensmittel daraus, und verbargen
uns im Gehölz. Der Sturm wüthete mit Heftigkeit fort. Die Palmen
rauschten; der Regen schoß zwischen den Zweigen herab; und furchtbar
tönte die Brandung vom Ufer her. Keiner von uns vermochte ein Auge
zuzuthun.

Gegen Morgen schien das Wetter etwas besser zu werden; doch gieng die
See entsezlich hoch. Wir beschlossen daher, ruhig am Lande zu bleiben,
worauf sich jeder dem Schlafe überließ. Einige Stunden darauf erwachte
ich plözlich von einem Sonnenstrahl, stand auf, und legte mich an einen
Baum. -- Auf einmal -- Menschenstimmen ganz nahe bei mir. -- Ich warf
mich auf den Boden; der Ton kam vom Strande her -- Mit zurückgehaltenem
Athem kroch ich an den Rand des Gehölzes, da zogen sie hin. -- Zwanzig
Mann von einer mahrattischen Streifparthie.

So ritten sie vorüber, und eilends weckte ich meine schlafenden Leute
auf. -- Was sollte ich thun? -- In See gehen? -- Der Sturm hielt noch
immer an. -- Am Lande bleiben? -- Die Gefahr nahm mit jedem Augenblick
zu. -- Unterdessen hatte sich der Himmel aufgeklärt. -- Ich beschloß,
mein Schicksal dem Meere anzuvertrauen. -- »In See!« -- rief ich meinen
Leuten zu; sie schüttelten den Kopf. -- »So wißt denn« -- fuhr ich
fort, und theilte ihnen den Vorfall mit. -- Mehr bedurfte es nicht;
augenblicklich war die Chialeng flott gemacht. Muthig ruderten wir
durch die Brandung, und kamen bei dem dritten Versuche glücklich in See.




                           Zehntes Capitel.


Das Wetter blieb gut, das Meer wurde von Stunde zu Stunde ruhiger,
langsam steuerten wir längs der Küste hin. So hatten wir ungefähr
eine Meile zurückgelegt. Plözlich wurden wir am Strande einen Menschen
gewahr. Er rang die Hände, warf sich auf die Knie, kurz, er schien
unsere Hülfe anzuflehen. -- »Wir müssen ihn aufnehmen!« -- rief ich
meinen Leuten zu, und sie waren sämmtlich dazu bereit. Auf einmal
hören wir Pferde wiehern! -- »Verrath!« -- rief ich heftig -- »Zurück!
Zurück! Um Gotteswillen zurück!« -- Schwer schwebten wir auf der Spitze
der zweiten Welle -- Einige Minuten später, und die Chialeng würde an
den Strand geflogen seyn. Mit gräßlichem Geschrei kam jezt ein Haufen
Räuber aus dem Gebüsche. Einer davon schwang sich auf ein Pferd und
jagte fort. Doch wir waren schon wieder in offener See.

Gegen Mittag konnten wir bereits das rothe Dach der Chauderie[1] von
Alamparve sehen. Gern wäre ich einen Augenblick gelandet, um Wasser
einzunehmen, allein der Truppen wegen, beschloß ich, es lieber an einer
einsamern Stelle zu thun. Wir ruderten also herzhaft fort, bis wir
ungefähr auf der Höhe des Dorfes waren, das mit seinen Baumgruppen gar
lieblich vor uns lag. Plözlich sahen wir zwei, dann zehn, dann immer
mehr Reiter auf den Strand zueilen, bis er endlich fast ganz damit
bedeckt war. Sie riefen uns zu, ans Land zu kommen -- »Morgen! Morgen!«
(Nalekie! Nalekie!) gaben wir lachend zur Antwort, und hatten nur
unsern Scherz damit.

Doch mit wüthenden Geberden wiederholten sie ihre Aufforderung,
und legten zu gleicher Zeit ihre Büchsen auf uns an. Jezt fand ich
räthlich vom Lande abzuhalten, und gab sofort das Zeichen dazu. Aber
in demselben Augenblicke schossen sie, und einer meiner Leute that
einen gräßlichen Schrei. -- »O Vater! Vater!« (Are appa! Are appa!) --
»Wo? Wo?« -- rief ich erschrocken, in der Meinung, daß er verwundet
sey. Doch es war noch viel schrecklicher -- Er zeigte auf zwei
Kattamarans[2] -- Sie waren mit Srapoys bemannt, suchten uns den Weg
abzuschneiden, und ruderten eilig auf uns zu. Wahrscheinlich hatten sie
an einer andern Stelle vom Ufer gestoßen, während uns der Räuberhaufen
beschäftigt hielt.

Was war zu thun? -- Wir arbeiteten was wir konnten, allein nach wenig
Minuten hatten sie uns eingeholt. -- »Zurück! Ihr Spitzbuben!« (Rirau
Bantjot!) -- riefen sie uns zu, und legten auf uns an. -- Wir waren
verloren; ich sah es vollkommen ein. Einen so schrecklichen Augenblick
hatte ich noch nie gehabt. Doch plözlich faßte ich wieder Muth. --
»Seyd unbesorgt!« -- sagte ich zu meinen Leuten -- »Ich habe meinen
Plan gemacht; es wird euch nichts zu Leid geschehen. Wir haben uns bei
Nacht von Madras geflüchtet! Vergeßt es nicht, bei Nacht von Madras!«
-- In diesem Augenblick waren die Kattamarans neben uns, und fluchend
sprangen die Srapoys in unsere Chialeng.

»Ich bin ein Holländer!« -- rief ich ihnen zu, ohne daß es jedoch etwas
zu helfen schien. Einer war besonders so kühn, daß er seinen Säbel
über meinen Kopf schwang -- »Nehmt euch in Acht« -- fuhr ich fort, --
»und bedenkt, was ihr thun wollt. Ich bin ein Abgesandter; ich habe
eine äußerst wichtige Botschaft an den französischen Admiral, und an
den Nabob Hyder Bahadur. Die geringste Beleidigung, die ihr mir, oder
meinen Leuten zufügt, kostet euch euren Kopf, dafür stehe ich euch!«
-- Dies wirkte, und sie steckten sofort ihre Säbel ein. Zugleich
erfuhr ich, daß ich auf Befehl des Jammedaars (Districtscommandanten)
eingeholt worden war.

Als ich ans Land trat, ward ich von der ganzen Masse umringt, und mit
den niedrigsten Schimpfwörtern überhäuft -- »Wie?« -- rief ich -- »Ihr
wagts, den Vakirl (Gesandten) an den Nabob zu schmähen? -- Wartet! Es
soll euch gereuen!« -- »Hier!« -- fuhr ich mit gebieterischem Tone zu
einem der Offiziere fort -- »Hier liegt meine Chialeng! Ich übergebe
sie eurer Obhut! Stellt augenblicklich eine Wache dabei! Es sind
Briefschaften und Papiere für den Nabob darin! -- Daß sie kein Mensch
anrührt; hört ihrs! Ich fordere Alles von euch zurück!« --

»Und ihr!« -- indem ich mich zu meinen Leuten wandte, -- »Ihr bleibt
hier, bis ich wieder komme, und wehe dem, der euch etwas zu Leide thut!«

»Jezt!« -- zu den Srapoys -- »Jezt, laßt uns gehen! -- Meine Zeit ist
kostbar!«




                           Eilftes Capitel.


Wir kamen an, der Jammedaar saß vor der Thüre der Chauderie. Mein
Plan war gemacht; nichts konnte mich retten, als die kühnste
Entschlossenheit. Stolz und ruhig gieng ich auf ihn zu, grüßte ihn, und
sezte mich ohne weiteres neben ihn. Er griff nach seinem Dolche, allein
ich kam ihm mit meiner Anrede zuvor. -- »Jammedaar!« -- sagte ich --
»Du kennst mich und meinen wichtigen Auftrag nicht; das entschuldigt
dich! Aber ich wünsche um deinetwillen, daß der Nabob nichts davon
erfährt. Bei dem allmächtigen Gott! Er würde dich für diese schnöde
Behandlung zu bestrafen wissen, ich stehe dir dafür!« --

Was ich voraus gesehen hatte, geschah. Der Jammedaar war überrascht,
und sah schweigend und unentschlossen vor sich hin. -- »Ich bin
ein Holländer!« -- fuhr ich im vorigen Tone fort -- »Und muß nach
Pondichery, -- der französische Admiral.« --

»Jammedaar!« -- rief hier plözlich ein Srapoy, und trat aus dem uns
umgebenden Haufen hervor. -- »Jammedaar! Laß dich nicht von diesem
Prahler hintergehen! Ich habe seine Leute befragt. Sie kommen von
Madras und gehen nach Tranquebar. Es ist gewiß ein englischer Hund, der
nach dem Lager von Cudelore will!« -- Bei diesem Worten gerieth der
ganze Haufen in Wuth -- »Ja! Ja! Es ist ein englischer Hund!« wurde von
allen Seiten wiederholt.

»Nein!« -- rief ich entrüstet -- »Kein Engländer! -- Ein Holländer von
Sadringapatnam bin ich. -- Warum die giftigen Worte? -- Ihr sagt, daß
ich von Madras komme? Wer läugnet es? -- Aber warum verschweigt ihr,
daß wir bei Nacht von dort geflüchtet sind?« --

»Jammedaar!« -- fuhr ich ungeduldig fort, indem ich mich wieder zu ihm
wandte -- »Halt mich nicht länger auf! Ich muß durchaus noch heute in
Pondichery seyn. Die Nachrichten, die ich dem französischen Admiral
zu überbringen habe, sind von der äußersten Wichtigkeit. Jede Stunde,
die du mich aufhältst, kann dem Nabob gefährlicher werden, als eine
verlorne Schlacht!« --

Er schien verlegen, stand auf und sprach mit einem seiner Offiziere
einige Minuten zur Seite. Endlich kam er zurück. -- »Du sollst und
kannst abreisen, so bald du bewiesen hast, daß du ein Holländer, und
kein Engländer bist.«

»Wie, Jammedaar! spottest du meiner? Wie soll ich das beweisen? Sind
wir nicht von einer Farbe? Ist in unsern Zügen, unserer Kleidung,
unseren Manieren irgend ein Unterschied? Ja, wenn du die Sprachen
verständest, aber so? -- Weißt du was, Jammedaar! Laß mich nach
Pondichery bringen, wenn du mir nicht glauben willst! Hörst du, nach
Pondichery!« --

Er konnte nichts darauf erwidern, aber mich reisen zu lassen, dazu
hatte er eben so wenig Lust. -- »Es ist am besten« -- sagte er endlich
-- »ich lasse dich zu Nabob bringen, der bei Arcot steht. So bin ich
von aller Verantwortung frei!« --

»Ei nicht doch!« -- erwiederte ich, denn diese Reise war ganz und gar
nicht in meinem Sinne. -- »Ich sage dir ja, daß ich noch heute in
Pondichery seyn muß!« -- Allein vergebens. Nur mit der äußersten Mühe
brachte ich ihn am Ende noch auf eine andere Idee.

»Azoaf!« -- rief er einem seiner Srapoys zu -- »Schwing dich auf
dein Roß, flieg nach Marampette, und sage Rosan Alichan, daß ein
Weißer in meine Hände gefallen ist, der sich für einen Holländer aus
Sadringapatnam ausgiebt.« --

»Und sag ihm zu gleicher Zeit« -- fiel ich ein -- »daß es derselbe
Holländer ist, der ihn einmal aus den Händen der Engländer gerettet
hat.« --

Bei diesen Worten schrie der Jammedaar auf, während mir der Srapoy zu
Füßen fiel. -- »Maharadja« (Herr) -- rief er -- »Verzeih! Ich erkannte
dich nicht. Ja! ich war damals bei Rosan Alichan, als du unser aller
Retter warst. Jezt flieg ich zu ihm, um ihm zu melden, daß du hier
bist!« -- So sprach er, schwang sich auf sein Pferd, und eilte im
Galopp davon.

Jezt wendete sich auch der Jammedaar zu mir -- »Freund!« -- sagte er
mit Innigkeit, und legte die linke Hand aufs Herz -- »Freund! Mache
mich zu deinem Sclaven für diese Beleidigung. Ich weiß, welchen
Dienst du Rosan Alichan erzeigt hast; er hat mir oft davon erzählt!«
-- Zu gleicher Zeit bot er mir seine Huka (Pfeife) an, und befahl,
meine Leute augenblicklich frei zu lassen, auch sie reichlich mit
Lebensmitteln zu versehen.

Nach ungefähr einer Stunde traf Rosan Alichan ein, und begrüßte mich
mit vieler Herzlichkeit. -- »Warlich!« -- rufte er voll Freude aus --
»Der Fang ist mir lieber als die halbe englische Armee!«-- Hierauf
sezten wir uns zum Pillau (Reis mit Fleisch u. s. w.) hin, wobei es
nicht an Arrac gebrach. Endlich um vier Uhr ward ich in stattlicher
Begleitung ans Ufer getragen, und eine halbe Stunde später befanden
wir uns wieder in See.




                           Zwölftes Capitel.


Der Abend war still und freundlich; singend ruderten meine Leute längs
der Küste hin, während ich in tiefe Betrachtungen versank. Man erinnert
sich der Briefe von Lord Macartney. Ich hatte geschehen lassen, was
nicht zu ändern war; aber sollte ich den Feinden meines Vaterlandes
dienen? -- Nimmermehr! -- Mich band weder Eid noch Pflicht. -- Ich
beschloß demnach, in Pondichery einzulaufen, die Briefe dort abzugeben,
und dann so fort nach Tranquebar zu gehen. Mit Schrecken bemerkte ich
indessen, daß das Wasser immer stärker in die Chialeng drang. Ich war
daher gezwungen die Nacht am Strande zuzubringen, bis der langersehnte
Morgen anbrach. Jezt ward der Leck entdeckt und sorgfältig verstopft.
Mit erneuerten Kräften ruderten wir nun weiter, und langten endlich um
zehn Uhr auf der Rhede von Pondichery an.

Als wir ans Land gestiegen waren, versammelte sich Alles um uns her.
-- »Wie, von Madras? Mit dieser Chialeng?« -- Es schien allerdings
ein halbes Wunderwerk, denn alle Cocosstricke an den Planken waren
fast gänzlich verfault. Bei einer schweren Ladung hätten wir dies alte
Fahrzeug sicher nicht so weit gebracht. Ich gab es jezt meinen armen
Leuten Preis, bezahlte ihnen den bedungenen Lohn, und wanderte langsam
in die Stadt hinein. Sofort kam ein Pron (Diener) auf mich zu, und wieß
mich zu dem Equipagenmeister, einen Mr. de Salmiac.

Als ich in das Zimmer trat, sah ich ein kleines, rundes, dickbäuchigtes
Männchen, bloß in Hemde und Pantalons vor mir. Ich war ein wenig
erstaunt, und glaubte unrecht gegangen zu seyn. -- »Nein! Nein!« --
fiel er mir lebhaft ins Wort -- »Ich bin es selbst -- Sie sind freilich
nicht der erste, der sich über mein Neglige verwundert; aber so laufe
ich, der Hitze wegen, immer im Hause herum. Es ist doch ein Herzleid,
wenn man so dick ist -- =Mais l'habit ne fait pas le moine= -- Was
haben Sie anzubringen? -- Setzen Sie sich.«

»Ich habe englische Briefe für den Admiral de Suffroin!«

»Wie, englische Briefe für den Admiral?« -- rief er mit Verwunderung
und Freude aus -- »Vielleicht Nachricht vom Frieden? -- Sagen Sie,
wissen Sie etwas davon? Haben Sie etwas davon gehört?« -- So ging
es, in einem Athem, wohl eine Viertelstunde lang fort. Er war ganz
begeistert von seiner Friedensidee. Endlich erzählte ich ihm den
Zusammenhang.

»Bravo! Bravo! « -- rief er in die Hände klatschend -- »Tausend
Pagoden! Warlich, das ist keine Kleinigkeit. Aber Sie haben
wahrscheinlich Vermögen?« -- »Im Gegentheil, ich bin nichts weniger
als reich« -- »=c'est fort!=« -- sagte er halblaut für sich,
und dann mit Lebhaftigkeit zu mir: »=Ma foi, vous êtes un honnête
homme!=«

»Aber!« -- fiel er plözlich in einem anderen Tone ein -- »An wen denken
Sie Ihre Briefe abzugeben? -- Der Admiral ist abgesegelt, wie Sie
sehen; der Intendant ist auf einige Tage verreist. Sie wollen gern nach
Tranquebar, wie Sie sagen, und da geht eben ein Thony (Küstenfahrer)
hin. Ich erwarte den Capitain jeden Augenblick. Wissen Sie was? lassen
Sie die Briefe bei mir; so ist es gut!« --

»Sehr gern!« -- erwiederte ich, und war im Grunde herzlich froh, sie
endlich los zu seyn. Es waren fünf und dreißig zusammen, worüber ich
einen Empfangschein erhielt. Zu gleicher Zeit schrieb Mr. de Salmiac
meinen Namen, nebst der Adresse eines meiner Freunde zu Tranquebar auf.

Jezt kam der Capitain der Thony, ich ward mit ihm um drey Pagoden
eins. Es war mein leztes Geld; Mr. de Salmiac hörte es, blieb aber ganz
gleichgültig dabei. -- »Essen Sie zu Mittag!« -- sagte der Capitain:
»Sie haben gerade noch zwei Stunden Zeit!« -- Sofort überhäufte mich
Mr. de Salmiac mit tausend Entschuldigungen, daß er heute selbst zu
Gaste gebeten sey. -- »Wenn Sie indessen durchaus Niemand anders
kennen« -- fuhr er fort -- »So werde ich Sie mitnehmen -- Ja! Ja! --
Ich werde Sie mitnehmen, wenn nämlich der Capitain warten will!« --

Sein zweideutiges Wesen misfiel mir; ich nahm daher augenblicklich
Abschied von ihm. -- »=Mais!= -- =Mais!=« -- fiel er ein --
»=J'en suis fâché! J'en suis an desespoir!=« -- führte mich unter
einer Menge Complimente zur Thüre hinaus, und ließ mich auf der Straße
stehen. Ich darf es sagen, eine Belohnung verlangte ich nicht; aber
ein gutes Mittagsessen hätte mir allerdings Vergnügen gemacht. Ich
verkaufte nun einige kleine Pretiosen, aß in einer Taverne, und begab
mich hierauf an Bord. Der Wind war günstig; schon um acht Uhr Abends
ankerten wir auf der Rhede von Tranquebar. Vor Freude und Ungeduld war
ich außer mir.

Alle Chialengs waren indessen bereits in Sicherheit gebracht; ich sah
keine Möglichkeit ans Land zu gehen. Endlich vernahm ich Rudergesang.
Es waren Fischer; sie kamen aus der See zurück. -- »He!« -- rief ich
ihnen zu -- »Wollt ihr einen Weißen mit ans Land nehmen?« -- Sie
achteten wenig, oder gar nicht darauf. -- »Eine Rupie, wenn ihr wollt«
-- fuhr ich fort, und in wenig Minuten war ich auf dem Kattamaran
(Floß). Wohl wußte ich, was ich wagte, und wie gefährlich das Landen
war; allein ich dachte an Sophien, und verließ mich auf mein bisheriges
Glück.

Jezt waren wir bei der glänzenden Brandung, die sich mit dumpfem
Donner am Ufer brach. -- »Noch eine Rupie!« -- rief ich den Fischern
zu, wenn ihr mich glücklich hinüber bringt. Zu gleicher Zeit warf ich
mich nieder, und klammerte mich an die Balken an. Glücklich kamen wir
über die zwei ersten Wellen hinweg, nicht so über die dritte, so groß
auch die Anstrengung der Ruderer war. Sie holte uns ein, hieng, wie
ein schreckliches Gewölbe, einen Augenblick über uns, und stürzte dann
donnernd auf uns herab. Ich verlor das Bewußtseyn. -- Als ich wieder zu
mir kam, lagen wir hoch und trocken auf dem Strande von Tranquebar.




                         Dreizehntes Capitel.


Ohne Aufenthalt eilte ich nun vollends in die Stadt hinein, und
beschloß bei dem ersten besten nach Sophien Erkundigungen einzuziehen.
Eben kam ich bei dem Zollhause vorbei; es war noch Licht darin. --
»Guten Abend!« -- sagte ich zu den Kannekas (Schreibern) -- »Könnt ihr
mir nicht sagen, ob die Thony von Maleappa -- so hieß der Schiffer --
angekommen ist?« --

»O ja, schon vor geraumer Zeit! -- Dort liegt sie auf dem Strande --
Wenn's Tag wäre, könntet ihr sie gleich vor euch sehen. -- Sie wird
reparirt; sie hat einen schweren Sturm auszuhalten gehabt.« --

»Wo wohnt Maleappa? Ich muß ihn sprechen.« --

»Wo er wohnt? -- Nun vermuthlich bei den Fischern, denn beim Sturme
fiel er über Bord.« --

»Und die Frau mit dem jungen Mädchen? -- Sie befanden sich als
Passagiere auf der Tony. -- Sind sie noch in Tranquebar?« --

Die Schreiber sahen einander an; keiner hatte ein Wort von diesen
Personen gehört; ich ward leichenblaß. In diesem Augenblicke trat ein
Kuli (Träger) auf mich zu. Er hatte bisher an der Thüre gesessen und
unserem Gespräche zugehört. -- »Aya!« -- sagte er -- »Gieb mir ein
Paar Panams und ich führe dich hin. Ich habe ihre Sachen getragen, und
weiß, wo sie eingekehrt sind.« -- »Du sollst eine Rupie haben!« rief
ich, und eilte mit ihm fort.

»Hier!« -- sagte er endlich, indem er auf ein malabarisches Häuschen
zeigte -- »Hier Aya, hier wohnen sie! Soll ich anklopfen?« -- »Nein!
Nein!« --sagte ich hastig, und hielt ihn zurück. -- »Hier hast du dein
Geld, und gute Nacht!« --

In dem Augenblick gieng die Thür auf, und Sophie trat mit einer Lampe
heraus. -- »O mein Gott!« -- rief sie und flog an meinen Hals. Seliger
und unbeschreiblicher Augenblick. So fand uns die Mutter in stummer
Umarmung. -- »Ach! wie haben wir uns geängstiget« -- sagte sie. -- »Nun
Gott sey hoch gedankt!« --

Am andern Morgen dachte ich nun im ganzen Ernste an meine Einrichtung.
Alle meine Sachen waren unversehrt; allein Tranquebar bot wenig,
oder gar keine Hülfsquellen dar. Der dänische Handel ist unbedeutend;
das Comtoir beschäftigt nur wenig Leute! überall herrscht die größte
Sparsamkeit. Ich mußte mir einen bedeutenden Plaz wählen, wo ich
überdem von dem Kriege sicher war. Es schien mir daher am besten, nach
Jaffanapatnam auf Ceylon zu gehen. Die Mutter freute sich über meinen
Entschluß, Sophie aber sagte kein Wort dazu. Erst jezt hörte ich von
jener, daß der Bräutigam zu Trinconomale sey. -- In wenig Tagen hatte
ich eine gute, geräumige Chialeng mit einem Sonnendeck gekauft, und
tüchtige Ruderer u. s. w. besorgt. Da erschien auf einmal ein alter
gutgekleideter Herr bei mir.

»Ich bin der Graf von Bonvoux« -- hub er französisch an -- »Sie
befrachten eine Chialeng nach Jaffanapatnam; ich suche ebenfalls eine
Gelegenheit dahin -- Wenn Sie mich mitnehmen könnten, wär' es mir
angenehm. -- Ich habe nur ein Paar Coffers, vier Kisten mit Wein, zwei
Ballen Musselin, und zwei weibliche Bedienten bei mir!« -- Ich sah
an seinem Orden, daß er Maltheser war, und lachte herzlich über seine
Dienerschaft.

»Das ist so einmal meine Art!« -- gab er jovialisch zur Antwort -- »Ich
habe immer zwei Mädchen bei mir. Die eine besorgt die Küche, die andere
meine Person.« -- »=D'ailleurs!=« -- indem er mich sehr bedeutend
ansah -- »=Le nom ne fait rien à la chose. Vous le verrez!=«

Ich hatte anfangs wenig Lust zu dieser Reisegesellschaft, und
entschuldigte mich durch den Mangel an Plaz, was auch nicht ganz
ungegründet war. Allein der alte Ritter wußte mir alles so leicht
vorzustellen, und schien zugleich so jovialisch zu seyn; daß ich ihm
endlich die Ueberfahrt, und obendrein umsonst zugestand.

»Nun gut!« -- sagte er -- »So kaufen sie wenigstens keine
Provisionen ein! Das will ich auf mich nehmen, und ich denke zu
ihrer Zufriedenheit. Geben Sie keinen Sous dafür aus, ich bitte Sie!
Verlassen Sie sich ganz auf mich!« -- So gieng er, und ich verließ
mich wirklich auf ihn.

Beim Mittagsessen erklärte mir die Mutter, daß sie nicht mit zu reisen
willens sey. Sie habe ein treffliches Unterkommen als Haushälterin bei
einem Hollsteiner erhalten, sie vertraue Sophien meiner Rechtlichkeit
an. Zerschlüge sich die Heirath, so hätte ich ihre Einwilligung. Sophie
schien über dies alles äußerst vergnügt; man kann denken, wie sehr ich
es selbst war.

So schlug es vier Uhr, und wir eilten in die Chialeng. Die gute Mutter
begleitete uns an den Strand; wir nahmen herzlichen Abschied von ihr.
Der Graf befand sich mit seinen beiden Mädchen bereits an Bord, und war
äußerst höflich, wiewohl er einen kleinen Hieb zu haben schien. -- Wir
richteten uns ein, so gut es möglich war. -- Endlich Anker auf! -- Da
segelten wir lustig die Rhede hinaus.




                         Vierzehntes Capitel.


So verließ ich denn die Küste von Coromandel, wo ferner kein Glück
für mich zu blühen schien. Mit vermischten Gefühlen blickte ich noch
einmal auf das verschwindende Gestade zurück. Die Stadt, das Fort, die
Pagoden, die Cocos-Wälder -- alles glänzte im Dufte des Abendroths;
alles sank allmählich in Dämmerung.

Bald war es Zeit zum Abendessen, und der Graf öffnete seinen
Speisekorb. Noch jezt sah ich ihn vor mir, wie er vier kleine gebratene
Hühner, zehn Sousbrode, und eine Flasche Madera heraus nahm. Da ich
dies natürlich nur für eine Art Voressen hielt, expedirte ich mein
Huhn, und meine zwei Brode mit gutem Seemannsappetit.

»=Parbleu!=« -- sagte der Graf -- »Hätte ich das gewußt, ich hätte
mich mit einem Huhn, und einem Paar Broden mehr versehen!« --

»Wie, Herr Graf?« fiel ich lebhaft ein -- »Das ist Alles?« --

»Wie Sie sehen, ja! -- =Vraiement! J'en suis fâché!= -- Aber
es hat gar nichts zu sagen. Wir frühstücken zu Caix[3], ich stehe
Ihnen dafür. Lassen Sie mich nur machen; ich bin ein alter erfahrner
Steuermann!«

Ich ließ ihn schwatzen; denn ich merkte wohl, er hatte abermals zu
tief ins Glas gesehen. Im Nothfall gab es überdem längs der Küste noch
kleine Häfen genug. Völlig unbesorgt streckte ich mich also, wie die
ganze Gesellschaft, auf meine Matte hin.

So mochte ich ungefähr bis fünf Uhr Morgens geschlafen haben, als ich
von dem Tandel (Steuermann) geweckt ward. -- »Steht auf, lieber Herr!«
-- sagte er sehr betrübt. -- »Ich kann keinen Grund mehr finden, und
sehe auch kein Land mehr.« --

»Wie?« rief ich erschrocken -- »Kein Land? Wie ist das möglich?« --
Und mit einem Sprunge war ich auf, und sah leider, daß es gegründet
war. -- »Aber« -- fuhr ich heftig fort -- »Warum hast du die Küste
verlassen?« -- »Um Gotteswillen!« -- antwortete er zitternd -- »Nicht
ich, der Franzose« -- »Wie, der Franzose?« -- »Ja Herr! Er hat es
gethan! -- Er zwang mich dazu, er sezte mir die Pistole auf die Brust!«
--

Es war in der That ein entsezlicher Streich. Die See gieng hoch; die
Strömung lief nach Nordost; das Rudern war äußerst beschwerlich; unsere
Richtung gerade entgegengesezt. Hierzu die Hitze, die Windstille, der
Mangel an Proviant -- Ich gestehe es; ich war außer mir vor Zorn. Ich
hätte den gräßlichen Patron über Bord werfen können; so erbittert war
ich auf ihn. -- »Da!« sagte ich, und weckte ihn ziemlich unsanft auf
-- »Da! Sehen Sie ihre verdammte Steuermannnskunst! -- Wir treiben in
offener See.«

»=Vous êtes une bête!=« -- war seine Antwort -- »Was verstehen
denn Sie davon? Nun ja! Ich habe diese Nacht gesteuert, und danken
sollten Sie mir noch dafür. -- =Parbleu!= -- So an der Küste
hinzuschleichen, wenn man Curs halten kann. In ein Paar Stunden müssen
wir zu Caix seyn. Wenn man die Küste nicht sieht, so ist der Nebel
daran Schuld.«

Jezt wurde es mir zu arg, und ich bewieß ihm mit der Charte, daß er ein
Windbeutel sey. -- »Treiben wir die Nordspitze von Ceylon vorbei« --
fuhr ich fort -- »so ist es um uns geschehen. Also ans Ruder, bis der
Wind auffrischt! Geben Sie den Leuten Geld, sonst stehe ich Ihnen für
nichts!« --

Er schien mir Recht zu geben, und warf eine Hand voll Rupien hin. Diese
theilte ich sofort unter die Ruderer aus, und machte sie wirklich ganz
munter dadurch. Zu gleicher Zeit theilte ich Reis und Wasser unter sie
aus. Wir andern behalfen uns mit etwas Zwieback und Maderawein.

So kam der Abend heran; der Wind schien aufzufrischen; die armen
Ruderer konnten wenigstens etwas ruhen. Ich selbst löste den Tandel am
Steuer ab, und war endlich der einzige, der auf der Chialeng wachend
blieb. Zu meiner großen Freude ward der Wind immer stärker, und so
steuerte ich muthig nach Südwest fort.




                         Fünfzehntes Capitel.


Die Sonne gieng auf. Rings umher nichts als Himmel und Wasser, und bald
gänzliche Stille, wie vorher. Mit kummervollem Herzen rief ich die
armen Malabaren an ihr beschwerliches Tagewerk. -- »Noch kein Land?«
-- fragten sie traurig, als sie die weite, öde Wasserfläche vor sich
sahen. -- »Noch kein Land, lieber Herr?« -- »Diesen Abend gewiß« --
antwortete ich mit erkünstelter Heiterkeit, und in dem Augenblicke
trieb ein Bananasstamm vorbei. -- »Seht ihr?« -- fuhr ich fort, und
faßte selbst einige Hoffnung -- »Seht ihr? Es kann nicht weit mehr
seyn!« --

In diesem Augenblicke stürzte der Graf herbei -- »Hier«! -- schrie er
einem seiner Mädchen aus der Caste der Parias zu -- »Hier! Sag den
armen Leuten, daß der Mensch da ein Betrüger ist, daß er sie nun und
nimmermehr in einen Hafen bringen wird. Von nun an will ich selber
steuern, und wette tausend Rupien, daß wir morgen in Caix sind. Wer mir
nicht gehorcht, dem jage ich den Degen durch den Leib!« -- Mit diesen
Worten stieß er den Tandel auf die Seite, und wollte die Chialeng
wieder nach Osten drehen.

»Freunde!« -- rief ich mit Heftigkeit -- »Nehmen wir einen andern
Curs, so mag uns Gott beistehen!« -- Zu gleicher Zeit packte ich den
Grafen beim Kragen, und entfernte ihn etwas unsanft von seinem Platz.
Er stolperte, wollte ein Tau fassen, verfehlte es, und flog über Bord.
Augenblicklich sprang ihm aber ein Ruderer nach, und brachte ihn wieder
herauf, so daß er mit der Abkühlung davon kam.

Nachmittags ward ich in Osten einige Wolken gewahr. Dies versprach
für die Nacht äußerst günstigen Wind. Gegen Abend indessen waren die
Ruderer so ermüdet, daß einer nach dem andern zu Boden sank. Es ward
finster; noch immer frischte kein Lüftchen auf. Jeder Seufzer Sophiens
zerriß mir das Herz. Endlich schlief alles ein, und mir selbst sanken
zulezt die Augen zu.

Plözlich -- vielleicht nach einigen Stunden -- erwachte ich von einem
heftigen Stoße der Chialeng, und fand, zu meiner unsäglichen Freude,
daß der Wind frisch aus Norden blies. -- »Auf Freunde, auf!« -- rief
ich jezt dem Tandel, und den Ruderern zu -- »Der Wind ist da! Der Wind
ist da! Jezt lustig das Segel auf! Morgen laufen wir in Caix ein!« --
Alle sprangen in Eile auf; alle waren mit neuem Muthe erfüllt. Ich
steuerte nunmehr mit fester Hand, und rauschend flog die Chialeng durch
die glänzenden Fluthen hin. Sophie kam zu mir, wir sprachen zusammen,
bis der Tag anbrach.

Die Sterne blühten, in Osten fieng es an heller zu werden; mit
klopfendem Herzen blickte ich nach der ersehnten Küste, die meiner
Rechnung nach, in Süden zu finden war. Da gieng die Sonne auf, und wie
ein bläulich glänzender Nebelstreif stieg das Land aus dem wellenden
Meer empor. -- »Land! Land!« -- rief ich freudig, und zeigte mit der
Hand dahin! -- »Land! Land!« -- tönte es durch die ganze Chialeng. --
Einige Stunden, und wir konnten schon die dunkeln Waldungen sehen.
Endlich kamen wir näher und näher, und ich erkannte die kleine Insel
~Caradiva~, oder ~Amsterdam~, ungefähr zwei Seemeilen von
Ceylon.

Gern hätte ich die Chialeng auf den Strand gesezt, allein der
Felsenriffe wegen mußten wir vor Anker gehen. Eilig kletterten wir
nun, den Grafen ausgenommen, vom Fahrzeuge herunter, wadeten über die
Klippen, und langten wohlbehalten am Ufer an. Eine Frau zeigte uns den
nächsten Brunnen, und besorgte uns bald ein gutes Mittagsmahl. Der Graf
ließ seine Sachen in eine andere Chialeng bringen, und befreite mich
so, zu meiner großen Freude, von seiner Gegenwart. Um vier Uhr ankerten
wir bei dem Fort Ham an Hiel, und am andern Morgen kamen wir glücklich
zu Jaffanapatnam an. Hier ward Sophie die meinige, und hier fand ich
auf eine kurze Zeit, ein nie genossenes Glück.




                           Erste Abtheilung,


                            Jacob Haafner.

                             Zweites Buch.




                            Erstes Capitel.


Zwei Jahre darauf verlor ich meine geliebte Sophie, und mit ihr meine
ganze Freude auf der Welt. In tiefer Schwermuth brachte ich vier Monate
auf meinem Gartenhause zu, und sah nur einen einzigen Freund. Diesem
gelang es endlich, mich durch einen großen Reiseplan zu zerstreuen.
Es kam auf nichts Geringeres an, als durch das Innere der Insel nach
~Colombo~ zu gehen. Indessen beschlossen wir außer den Sclaven
und Trägern, noch einen europäischen Reisegefährten zu suchen, um
wenigstens unserer drei zu seyn.

Dies war schwerer, als es scheinen mag; doch mit einiger Mühe fanden
wir endlich unseren Mann. Es war ein verabschiedeter holländischer
Sergeant, Namens Georgi aus Strasburg. Freilich war er ein wenig taub,
und trank für sein Leben gern; aber er kochte vortrefflich, war der
lustigste Kauz von der Welt, und fürchtete sich selbst vor dem Teufel
nicht. Bei so viel guten Eigenschaften drückten wir gern ein Auge zu.
Da er nun überdem selbst nach Colombo wollte, kam der Handel sehr bald
in Richtigkeit. Einige Tage nachher gesellte sich noch ein vierter
Europäer, ein Mr. d'Allemand zu uns. Er hatte Depeschen vom Admiral
Suffrer an den französischen Agenten zu Colombo zu überbringen, und bot
sich uns daher zum Gefährten an. Zwar hätte er die Reise gern längs
des Strandes gemacht, allein es fehlte an Gelegenheit. Nachdem nun
alle Anstalten getroffen waren, wurde der neunte Juni 17-- zur Abreise
festgesezt.

Unsere ganze Caravane war jezt sechszehn Mann stark; wir vier Europäer,
zwei Sclaven, und zehn Trägern, oder Chivias. Drei der leztern, und
zwar die stärksten, trugen jeder sechszig Pfund Reis, und zwei andere
den Coffre von d'Allemand. Der sechste war mit zwei großen kupfernen
Wassertöpfen, der siebente mit zwei Körben voll Zucker, Caffee, Wein
u. s. w. bepackt. Der achte trug das Tisch- und Küchengeräth; der
eine meine und Templyns[4] Kleider und Wäsche; der zehnte endlich
unsere Matten, und die Fougritos oder Raketen, die man auf die wilden
Thiere wirft. Templyns, d'Allemand, und ich, wir hatten jeder unsern
Hirschfänger an der Seite, eine tüchtige Büchse auf der Schulter, und
ein Paar Pistolen im Gurt. Der Sergeant trug seine ganze Bagage auf dem
Leibe, und schleppte einen großen Husarenpallasch hinter sich drein.
Es versteht sich, daß wir die Oppa nicht vergessen hatten, d. h. den
Generalbefehl an die Majorals oder Dorfältesten, uns gegen Bezahlung
mit Lebensmitteln zu versehen.

So zogen wir dann am 9. Juni, Nachmittags um drei Uhr, unter einem
gewaltigen Zulaufe aus der Stadt. Vorn die beiden Sclaven, als
Cymbelschläger; dann wir Europäer; zulezt die Träger, oder Chirias.
Um vier Uhr kamen wir zu Colombogamme an. Dies ist ein kleines
Fischerdorf, hart am Meerbusen (Passo de Catchai), wo man nach dem
eigentlichen Ceylon überfährt. Um sechs Uhr machten wir am andern
Ufer unter einem großen Platanus Halt. Es ward beschlossen, hier zu
übernachten, indem das nächste Fischerdorf nur aus elenden Hütten
bestand.

Unser Sergeant gab uns viel zu lachen, indem er der Flasche gar
gewaltig zusprach. Dabei ergoß er sich in einen Strom von Flüchen gegen
das weibliche Geschlecht. Er war nicht weniger als fünfmal verheirathet
gewesen, und alle seine Weiber hatten ihm entsezlich mitgespielt.
Die eine war ein Hausteufel gewesen, der ihm keinen Augenblick Ruhe
ließ. Die zweite hatte ihn an preußische Werber verkauft. Die dritte
brachte ihn an den Bettelstab. Die vierte hatte ihn holländischen
Seelenverkäufern in die Hände gespielt. Die fünfte, eine Paria
(gemeines indisches Mädchen) hatte ihm nach dem Leben gestellt. Diese
Ehestands-Abentheuer erzählte er uns in einem höchstpossirlichen
Gemische von Holländisch und Hochdeutsch, das durch seinen elsaßischen
Accent nur noch komischer ward.




                           Zweites Capitel.


Am folgenden Morgen traten wir unsere eigentliche Reise an. Die Luft
war kühl; der herrliche Golf glänzte im Morgenroth. Wir verließen die
gewöhnliche Straße, um längs der Küste hin zu gehen. So kamen wir
gegen neun Uhr, bei einem Ambelan, am Eingange des Dorfes Manur an.
Diese Ambelans sind eine Art Schuppen, mit Stroh gedeckt, und zum
Besten der Reisenden erbaut. Wir nahmen hier ein Frühstück ein, das aus
Reis und Callou, oder Palmwein bestand. Von nun an gieng es wieder
landeinwärts, fast immer zwischen waldigen Hügeln hin. Dörfer wurden
wir keine, sondern nur einige Gehöfte, und einzelne Hütten gewahr.

Es war gegen elf Uhr, und schon zeigte sich in der Ferne das kleine
verfallene Fort Panoryn, als unsere Mittagsstation. Templyn hatte zu
Manur frische Cocosmilch getrunken, und seitdem über Leibschmerzen
geklagt. Plözlich warf er sich vor einer Hütte nieder, und erklärte,
er könne nicht weiter fort. Vergebens suchten wir ihm durch Arrak u.
s. w. einige Linderung zu verschaffen, die Krämpfe nahmen mit jedem
Augenblick zu. Endlich trat ein alter Mann aus der Hütte, und reichte
ihm eine Art Pflanzensamen auf einem Betelblatt. Dies that sofort die
beste Wirkung, worauf fröhlich nach Panoryn gewandert ward.

Der Commandant dieses Postens empfieng uns mit vieler Herzlichkeit. Er
hieß König, war sieben und siebenzig Jahr alt, und hatte davon drei und
dreißig hier verlebt. Danke bar nahmen wir gegen vier Uhr Abschied
von ihm. Bald sahen wir nun den ungeheuren Wald in seiner ganzen
Ausdehnung vor uns, und kaum eine Stunde, so hatten wir den Eingang
desselben erreicht. Unser Führer, der erste Chiria, ein alter erfahrner
Elephantenjäger, gieng nun voran. In ungeheuren Massen strebten die
hohen, verschlungenen Bäume empor; kaum fiel hier und da ein schwacher
Schimmer hindurch. Um vorwärts zu kommen, mußten wir häufig das Beil
gebrauchen; bis wir endlich einen schmalen Fußpfad fanden, der sich in
einer Schlangenlinie hinwand. Dies war einer von den drei oder vier
geheimen Wegen, die durch diese Wälder bis in das Innerste der Insel
gehen. Sie sind sämmtlich mit einer dichten Seite eingefaßt.

Wir mußten hier einer hinter dem andern marschiren, so daß man sich,
bei den vielen Krümmungen häufig aus dem Gesichte verlor. Ich hatte
d'Allemand hinter mir, und sprach über ein gewisses Etwas sehr lebhaft
mit ihm. Plözlich springt links ein ungeheurer Bär aus der Hecke,
und bleibt quer auf dem Fußsteige stehen. Ich falle über ihn weg, er
richtet sich auf, und schlägt seine Tatzen auf mich hin. Schon fühle
ich seinen brennenden Athem an meinem Gesichte; als plözlich ein Schuß
fällt, der Bär sich abkehrt, und die Flucht ergreift. D'Allemand hatte
diesen Schuß gethan; die Kugel sauste mir hart an den Ohren vorbei.

Um indessen dergleichen Vorfälle künftig zu vermeiden, änderten wir
die Ordnung unseres Zuges, und ließen die Cymbelschläger, nebst zwei
bewaffneten Trägern, zwanzig Schritte vor uns gehen. Ueberdem wurden
mit einbrechender Dämmerung Pechfackeln angezündet, und jeder machte
sich zum Schusse bereit. Von dem Geräusch der Cymbeln und dem Lichte
wurden eine Menge Vögel und Affen munter, so daß alles um uns lebendig
war.

Gegen neun Uhr kamen wir bei einem Ambelan an, der aber ganz verfallen
war. Da dergleichen Hütten immer voll Schlangen sind, schlugen wir
unser Lager unter freiem Himmel auf. Es ward dabei eine gewisse Methode
beobachtet, die ich beschreiben will, weil sie bei allen übrigen
Nachfolgern dieselbe blieb. Zuerst ward der Platz so weit als möglich
vom Wasser gewählt. Dies geschah der wilden Thiere wegen, die hier zu
saufen gewohnt sind. Dann wurden die Träger zum Holzfällen abgeschickt,
und von zweien von uns escortirt. Hierauf wurden ein großes, und um
dasselbe noch drei kleine Feuer angezündet, worauf die ganze Caravane
Platz dazwischen nahm. Bald war nun das Abendessen verzehrt, und einer
schlief nach dem andern ein. Nur die zwei Wächter mußten sich munter
halten, und fleißig nach den Feuern sehen. Daß sie regelmäßig abgelöst
wurden, versteht sich.

Als wir Holz zu fällen anfiengen, belebte sich auf einmal der ganze
Wald. Vögel, Affen, Hirsche u. s. w. erfüllten mit ihren Stimmen die
Dunkelheit. Die Affen besonders, die sich zu Tausenden versammelten,
schrien zwei volle Stunden fort. Endlich ward es wieder still. Kein
Blättchen rauschte; kein Lüftchen säuselte; der Wald war todt und öde,
wie ein weites Grab. Doch plözlich vernahmen wir in der Ferne ein
dumpfes Getös, das immer näher kam. Die Erde erbebte; der Wald rauschte
wie vom heftigsten Strome bewegt; krachend stürzten unzählige Bäume
zusammen -- Was war es? --Ein Trupp Elephanten bahnte sich einen Weg
durch den Wald. Sie kamen im heftigsten Trabe, und lautem Geschrei
daher. Es war ein donnerähnliches, wie mit Trompetentönen vermischtes
Getös. Endlich ward es völlig ruhig; nur dann und wann hörte man einen
Tiger brüllen, oder einige Schakals schreien.




                           Drittes Capitel.


Der Tag brach an, und der ganze Wald war mit Leben und Freude erfüllt.
Auf allen Bäumen wimmelte es von Affen, Papagayen, Pfauen und
unzähligen andern Vögeln von ausgezeichneter Schönheit. Tausende von
bunten Schmetterlingen schwärmten zwischen den Gesträuchen umher. Dabei
der liebliche Duft der blühenden Bäume, der uns bei jedem Schritte
entgegenschwamm. Und welche Kühle und Frischzeit unter dem dichten
grünenden Obdach, nur schwach von der Morgensonne beglänzt.

So zogen wir fort, voll Muth und Heiterkeit, bis ungefähr gegen elf
Uhr, wo an einem klaren Bache Halt gemacht, und das Mittagsessen
bereitet ward. Templyn hatte hierzu ein Dutzend Hasen geschossen;
denn sie liefen uns im eigentlichen Sinne unter den Füßen herum. Auch
jezt ward bei der Einrichtung unsers Lagers eine gewisse Ordnung
eingeführt; so daß z. B. jeden seine Reihe zum Wachestehen traf.
Ich sage zum Wachestehen, weil natürlich einige Stunden Mittagsruhe
gehalten ward, was für uns alle, besonders für die Träger so nöthig war.

Erst um drei Uhr Nachmittags brachen wir demnach von diesem Lagerplatze
auf. Anfangs war der Wald außerordentlich verwachsen, und kaum noch
eine Spur des vorigen Weges zu sehen. Wir mußten uns daher nach dem
Compasse richten, und legten es folglich, wie die Schiffer sprachen,
auf Südwest an. So erreichten wir mit sinkendem Abend eine bequeme
Lagerstelle, wo alles auf oben beschriebene Weise eingerichtet ward.
Die Nacht vergieng ohne Abentheuer; nur daß einmal ein Elephant in
unsere Nähe kam.

Die folgende Tagereise (12. Juni) bot durchaus nichts Merkwürdiges dar,
war aber außerordentlich lang -- Wir kamen erst Abends um zehn Uhr bei
unserem Lagerplatze an. Ich mußte diese Nacht die erste Wache halten,
und mochte vor Müdigkeit wohl ein wenig eingeschlummert seyn. Plözlich
wurde ich durch ein lautes Geschrei geweckt -- »Ein Tiger! Herr! Ein
Tiger!« -- riefen die Träger mit Entsetzen, und zeigten auf ein Paar
glänzende Punkte, die ich mitten durch die Finsterniß, wie zwei kleine
Lichter schimmern sah. Es waren die Augen des Tigers, der auf seine
Beute zu lauern schien. Ich nahm meine Flinte und weckte Freund Templyn
auf, der ein sehr guter Schütze war. Wir beschlossen gerade auf die
Mitte zwischen den beiden Punkten zu zielen, und drückten zu gleicher
Zeit ab. Bald darauf vernahmen wir ein Stöhnen, das uns über den Tod
des Thieres keinen Zweifel übrig ließ. Wirklich fanden wir den Tiger am
andern Morgen, und nahmen seine Haut als Siegeszeichen mit.

Unser Weg ward immer steinigter, wie der Wald lichter zu werden
anfieng. Wir waren nämlich kaum einige Meilen von den Gebirgen von
Couragahing entfernt. Als wir so einige Zeit fortmarschirt waren,
wurden wir auf einem Baume einen Bienenstock gewahr. Sogleich bot sich
einer unserer Träger an, hinaufzuklettern, und den Ast abzuhauen.
Er thut es, erreicht den Ast, und führt den ersten Streich. Allein
plözlich stürzen die Bienen auf ihn los, und hängen sich an seine
nackten Glieder an. Brüllend von Schmerz will er heruntersteigen, thut
einen Fehltritt, stürzt herab, und bricht das Bein. Um ihm Hülfe zu
verschaffen, beschlossen wir uns östlich nach der Küste zu wenden, wo
allein Dörfer anzutreffen sind.

Eilends wurde nun der Bienenschwarm mit Rauch vertrieben, eine
Tragbahre von Baumästen gemacht, der arme Träger (Kulie) darauf
gelegt, und der Marsch fortgesezt. Um ein Uhr Nachmittags hielten wir
eine halbe Stunde an, und nahmen etwas Kaltes zu uns. Der Rest der
Tagereise war wegen des schlechten Weges, und des Mangels an Wasser
sehr unangenehm. Gegen acht Uhr Abends kamen wir endlich aus dem Walde
heraus, und gegen zehn Uhr erreichten wir das große Dorf Vedative,
wo ein holländischer Posten ist. Hier brachten wir den armen Träger
zu einem Töpfer[5], versahen ihn mit dem nöthigen Gelde zur Kur und
Heimreise, und nahmen einen andern an seine Stelle an. Hierauf begaben
wir uns zu dem Kommandanten des Postens, wo Gesellschaft von Verwandten
war.

Wir mußten uns sogleich zum Abendessen niedersetzen, das aus Reis
und vortrefflichem Wildpret bestand. Der gute alte Mann hieß Joseph
~Voit~, und hatte bereits fünf und sechzig Jahre hier gelebt. Sein
Vater und Großvater hatten jeder die Stelle fünfzig Jahre bekleidet,
und er selbst war nicht weit mehr von dieser Zahl. -- O Menschenleben!
-- O Glück der Beschränktheit! --




                           Viertes Capitel.


Der Tag brach an (14. Juni); bald war Abschied genommen, und Vedative
blieb hinter uns. Um zwei Uhr Nachmittags erreichten wir das große
und schöne Dorf Mantore, fanden aber keine Lebensmittel daselbst. Ich
schickte daher einen unserer Träger mit einem Briefe nach Manaar, an
meinen alten Freund, den Ingenieurhauptmann Nagel ab. Unterdessen
behalfen wir uns mit einigen übriggebliebenen Rebhühnern, und
beschlossen für heute nicht weiter zu gehen. Gegen Abend kam endlich
mein Bote mit Arrak, Anisliqueur und Lebensmitteln zurück, worauf es
eine recht fröhliche Abendmahlzeit gab.

Am folgenden Morgen ward die Reise mit erneuerten Kräften fortgesezt.
Wir durchschnitten eine große, sandige Ebene, auf der wir eine Menge
Schakals schwärmen sahen. Bald aber kamen wir an den Strand, wo der
Weg äußerst beschwerlich ward. Wir begegneten drei malabarischen
Reisenden, die von Colombo kamen, und langten Abends gegen fünf Uhr
in Bangala an. Dies ist ein ansehnliches Dorf, das von getauften
Singalesen bewohnt wird. Hier übernachteten wir in der katholischen
Kirche, die uns der Majoral gegen eine billige Vergütung öffnen ließ.

Unsere ~siebente~ Tagereise war höchst unangenehm, und bot überdem
durchaus nichts Merkwürdiges dar. Wenig Schatten, höchstbeschwerlicher
Fußsteig längs dem Strande hin, und auf dem ganzen langen Wege kein
einziges Dorf. Endlich giengen wir Abends um sechs Uhr über den Calear,
der beinahe ausgetrocknet war, und fanden am andern Ufer eine Pagode,
deren Bramin uns sehr freundlich aufnahm. Wir übernachteten in der Nähe
auf die gewöhnliche Art.

Am folgenden Morgen sahen wir einem heftigen Kampfe zwischen zwei
Büffeln zu. Sie trafen so gewaltig zusammen, daß jedes Stirn von Eisen
zu seyn schien. Ich fühlte mich unpaß; auch fieng es heftig zu regnen
an. Wir brachen daher erst um zwei Uhr Nachmittags auf, und legten nur
vier Stunden zurück.

Die nächsten zwei Tagereisen führten uns wieder in den Wald, der in
geringer Entfernung neben dem Strande hinläuft. Wir sahen die Ruinen
einer portugiesischen Kirche und dachten der großen Vergangenheit. Das
Wetter klärte sich auf; ich befand mich wieder vollkommen wohl.

Fröhlich traten wir nun am 20. Juni unsere elfte Tagereise an, und
erreichten Mittags den Ambelan, Conderipo genannt. Hier sprang uns
ein schöner Jagdhund entgegen, und schmiegte sich liebkosend an uns
an. Mit Sonnenuntergang glaubten wir, wie gewöhnlich uns lagern zu
können, allein diesmal hatte sich unser Wegweiser selbst verirrt. Wir
mußten also noch einige Stunden marschiren, bis endlich in der Nähe
eines Baches Halt zu machen beschlossen ward. Die Luft war äußerst
schwül; endlich brach ein furchtbares Ungewitter los. Der Wald erbebte;
krachend stürzten tausende von Wipfeln und Aesten herab. Da schlug der
Bliz in eine Gruppe von Cocospalmen, und knisternd loderten sie in
hellen Flammen auf. Es war eine schreckliche Nacht, in der keiner von
uns ein Auge zuthat.

Am folgenden Tage neue Verlegenheit. Der Fluß, den wir zu passiren
hatten, war mit Krokodillen angefüllt. Wir kamen indessen mit Hülfe
unserer Cymbeln glücklich hindurch. Gegen Mittag begegneten wir einer
kleinen singalesischen Caravane, die aus drei und zwanzig Mann mit
siebzehn Stieren bestand. Der Anführer nannte sich Manioppu, und war
ein alter sehr verständiger Mann. Er schenkte mir zwei Kuchen, wogegen
ich ihm, nach seinem Wunsche, einen Bleistift gab. Abends kamen wir bis
zum Dorfe Golgom, wo wir uns mit Lebensmitteln im Ueberflusse versahen.

Unsere dreizehnte Tagereise (22. Juni) führte uns nach Putlan, wo
ein holländischer Posten ist. Der Commandant, ein Deutscher, Herr
Bodenschatz, war in Colombo; sein Sergeant nahm uns aber sehr gastfrei
auf. Wir mußten zwei Tage bleiben, was uns wirklich gar sehr zu
statten kam. Putlan ist ein sehr nahrhaftes Dorf. Es werden sehr viel
Schaluppen, Thonys, und andere ähnliche Fahrzeuge hier gebaut. Der
Hühnerhund, der uns zugelaufen war, gehörte dem Commandanten, und wurde
seit länger als einem Monate vermißt. Die drei nächsten Tagereisen
waren eben so beschwerlich, als uninteressant. Am 28. Juni hielten wir
abermals einen Rasttag.

Am 29. Abends erreichten wir Maravilla, ein sehr ansehnliches Dorf,
das nur eine halbe Stunde vom Meere liegt. Alles war hier mit Fremden
angefüllt; wir übernachteten daher in einem ziemlich entfernten
Ambelan. Ich hatte die Wache von ein bis drei Uhr Morgens, und sah
starr in die grause Finsterniß hinaus. Furchtbar tönte das Brüllen der
Schakals, das Rauschen des Waldes, das Tosen der Brandung durch die
stille Nacht zu mir.

Am 30. Juni marschirten wir abermals längs des Strandes hin. Hier
fanden wir eine Reihe Lascars (Seesoldaten) als Küstenwächter
aufgestellt. Bei der Annäherung eines Feindes haben sie von Posten zu
Posten große Holzhaufen anzuzünden, die deshalb aufgestapelt sind.
Um zwei Uhr giengen wir über den Caimella, fanden das schön gelegene
Dorf Gannipellie, und hielten mit frischem Seefisch ein stattliches
Mittagsmahl. Die Landschaft ward nun äußerst angenehm. Ansehnliche
Dörfer, dichte Cocospflanzungen, üppige Wiesen und Felder wechselten
in lieblicher Mischung ab. Wir nahmen unser Nachtlager in Topture, das
von katholischen, noch aus den Zeiten der Portugiesen herstammenden,
Singalesen bewohnt wird. Der Pfarrer, ein Franziskaner aus Dijon, nahm
uns sehr freundlich auf.

Unsere folgende Tagereise war eben so angenehm, und die Gegend
entzückend schön. Ein Gewitter trieb uns indessen in großer Eile nach
~Negombo~ hinein. An dem Commandanten fanden wir einen sehr
jovialen Mann. Er machte ganz und gar kein Geheimniß daraus, daß er
früher Haushofmeister des Generalgouverneurs gewesen sey. Negombo ist
ein sehr fester Plaz, und überflüßig mit süssem Wasser versehen. Der
hiesige Zimmet wird für den besten gehalten, die Bäume vermehren sich
ungemein. Man schreibt dies, und nicht mit Unrecht, den ~Raben~
zu. Diese suchen nämlich die Früchte sehr begierig auf, und geben sie
unverdaut von sich. Daher denn auch die Unverlezlichkeit dieser Vögel
auf Ceylon und ihre unglaubliche Unverschämtheit.

Am 2. Juli, dieselbe reizende Landschaft; man merkt deutlich, daß man
~Colombo~ immer näher kommt. Endlich am dritten, als dem ~ein
und zwanzigsten~ Tage unserer Reise, langten wir bei guter Zeit
daselbst an. Die herrlichen Umgebungen voll Gärten und Landhäuser; die
schönen Alleen, die breiten Straßen, die prächtigen Häuser -- alles
verkündigt eine Hauptstadt.




                           Fünftes Capitel.


Drei Monate waren wir bereits in Colombo gewesen, und hatten manchen
fröhlichen Tag mit alten Freunden verlebt. Endlich waren Templyns
Angelegenheiten geordnet, und wir mußten auf unsere Rückkehr bedacht
seyn. Am leichtesten und bequemsten hätte dies zu Wasser geschehen
können; allein es war keine Gelegenheit vorhanden, überdem hielt auch
der Regenmonßon noch an. Es ward daher beschlossen, den gewöhnlichen
Landweg zu nehmen, der längs der Küste hinläuft. Was mich indessen
anlangt, so hätte ich vorher noch gern eine Reise in die Gebirge von
Boucout gemacht. Allein Templyn war durchaus dagegen, und nannte die
ganze Unternehmung abenteuerlich.

Unter diesen Umständen ward ich mit einem Portugiesen, Namens Don
Manuel de Sylva, bekannt. Es war ein sehr einnehmender Mann, der durch
eine Reihe der sonderbarsten Schicksale nach Colombo verschlagen worden
war. Er hatte, wie er sagte, in den Gebirgen von Candy, eine unbekannte
Diamantengrube entdeckt, dachte auf eine zweite Reise dahin, und lud
mich zur Gesellschaft ein. Allein ich fand die Sache so gefährlich, daß
ich den Vorschlag von mir wieß, worauf er sich seinerseits zu unseren
Reisegefährten anbot. Wir ließen uns dies gern gefallen, nahmen noch
drei Träger an, und brachen endlich Nachmittags um fünf Uhr von Colombo
auf.

Der Himmel war mit dicken Wolken bedeckt; von Zeit zu Zeit fielen
Regenschauer herab, und der Wind blies mit Heftigkeit. Unsere Träger
hatten ein wenig zu viel Talwag (eine Sorte Arrak) getrunken, und kamen
daher in der Dämmerung vom rechten Wege ab. So irrten wir die halbe
Nacht herum, bis wir endlich das Dorf Werigur erreichten, wo nun den
ganzen folgenden Vormittag ausgeruht ward.

Die nächsten zwei Märsche waren nicht weniger beschwerlich, auch ward
der angeschwollene Colombo mit vieler Mühe passirt. Abends erreichten
wir Negombo. Um jedoch dem Commandanten nicht beschwerlich zu fallen,
quartierten wir uns in dem benachbarten Dorfe Sunneput, in einer alten
Kirche, ein.

Die beiden folgenden Tage, weitere Reise, und Nachtlager auf die
gewöhnliche Art. Templyn verließ mich hier; ein Brief von seiner
kranken Frau rufte ihn eilig nach Jaffanapatnam zurück. Don Manuel, der
Portugiese, fieng nun zum zweitenmale von seiner Reise an. Er gestand
mir jezt, daß es keine Diamantengrube, sondern ein Familienschatz sey.
Er hatte die sichersten Anweisungen über die Stelle, wo er vergraben
war. Da dies zu meinem Plane, die Gebirge von Bocour zu bereisen,
vortrefflich paßte, willigte ich ohne viel Mühe ein. So erreichten
wir Chilaw, lohnten unsere Träger ab, machten im Stillen die nöthigen
Einkäufe, und brachen endlich am dritten Tage wieder auf.

Anfangs, und um die Einwohner zu täuschen, verfolgten wir den nämlichen
Weg; bald aber schlugen wir uns seitwärts in die Wälder, und nahmen
unsere Richtung gegen das Gebirge zu. Unsern Reisevorrath hatte der
Portugiese schon den Abend zuvor in der Nähe versteckt. Das Ganze
bestand aus einem Sacke mit ungefähr zwanzig Pfund Reis; einem Paar
Pistolen nebst Pulver und Blei; zwei Calebassen, die eine mit Arrak
gefüllt, die andere zum Wasser bestimmt; einem Paar kupferner Schüsseln
und Teller; einem Beile und einem kleinen Taue, einigen Feilen und
Brecheisen, und einer großen Bärenhaut. Wir passirten den Manasseran,
und hatten diesen Tag noch einen erträglichen Marsch.

Am folgenden Morgen erblickten wir die Gipfel der Gebirge in blauem
Nebelduft. Der Wald ward nun mit jedem Schritte dichter; bald mußten
wir uns mit dem Beile durchhauen. Wir richteten uns sorgfältig nach dem
Compasse, und wanderten so immer nach Osten fort. Als es Nacht geworden
war, wimmelte es von wilden Thieren um uns her. Doch hielten wir sie
durch Feuerbrände und Pistolenschüsse von uns ab.




                           Sechstes Capitel.


Mit unserer fünften Tagereise ward der Weg nun je länger, desto
beschwerlicher. Hier hatte noch nie ein menschlicher Fuß gewandelt;
hier herrschte die Natur noch in ihrer ganzen ursprünglichen Macht.
Mit unsäglicher Mühe arbeiteten wir uns durch das Gebüsch hindurch, wo
jeden Augenblick der Anfall eines Tigers zu befürchten war. Gegen ein
Uhr machten wir Halt, um einige Stunden auszuruhen. Als wir wieder
aufbrachen, nahm der Wald allmählig an Dichtigkeit ab. Bald aber sahen
wir eine ungeheure, hohe Grasmasse gleich einer Mauer vor uns. Keine
Möglichkeit hindurchzudringen, so oft auch der Versuch wiederholt ward.
Unterdessen fieng es an dunkel zu werden, und wir mußten auf unser
Nachtlager bedacht seyn. An ein großes Feuer war nicht zu denken, kaum
hatten wir Holz zum Kochen genug. Wir brachten daher die Nacht auf
einem Baume zu, wobei uns unser Tau vortrefflich zu statten kam.

Am folgenden Morgen gelang es uns endlich in der Graswand einen Eingang
zu entdecken, der hindurchzuführen schien. Der Schlangen wegen war
indessen große Vorsicht erforderlich. Dabei eine erstickende Hitze,
ein glänzender Sandboden, eine brennendheiße verpestete Luft. Gegen
Mittag fanden wir endlich einen kleinen Raum, verzehrten die Ueberreste
unseres Abendessens, und legten uns dann wechselsweise zum Schlafen
hin.

Als wir wieder aufbrachen, bemerkten wir mit Freuden, daß die Graswand
immer dünner, und die Anzahl der Oeffnungen immer häufiger ward. Bald
sahen wir wieder Bäume, und bald gewann der Wald wieder völlig die
Oberhand. In glänzendem Sonnenlichte lagen die Gebirge von Bocour
nun ganz vor uns. Nur noch einige Stunden, und der Fuß derselben war
erreicht. Mit beflügelten Schritten eilten wir über den obern Boden
dahin. -- Plözlich! -- O Schreck! o Entsetzen! -- Plözlich sahen wir
einen breiten und tiefen Canal vor uns, der von oben bis unten, mit
dichtem, eng verflochtenem Gebüsch angefüllt war.

Neue Hindernisse! neuen Schmerz! Endlich beschlossen wir längs des
Ufers abwärts zu gehen, um zu sehen, ob der Uebergang möglich sey.
Doch vergebens! Je weiter wir kamen, desto breiter und tiefer ward
der Canal. So brach der Abend an; ein Glück für uns, daß Holz im
Ueberfluß vorhanden war. Am folgenden Morgen kehrten wir wieder um,
und entdeckten endlich eine Stelle, wo wenigstens meinem Gefährten der
Uebergang möglich schien. Was ich ihm auch sagen mochte, er bestand
darauf. So ließ er sich denn an dem Taue hinab, nachdem es um einen
Baum befestigt worden war.

Es dauerte indessen ziemlich lange, ehe er eindringen konnte, dann aber
war er mir auch augenblicklich aus dem Gesicht. Unverwandt hatte ich
indessen meine Augen auf das andere Ufer gerichtet; als ich plözlich
in der Mitte des Dickichts ein starkes Geräusch, und bald darauf sein
Angstgeschrei vernahm. Er war in Gefahr; wie wahnsinnig sprang ich die
Tiefe hinab, und drang in der Oeffnung vor. Doch alles vergebens! Kein
Laut; keine Antwort; nichts gewisser, als daß er von einer Schlange
erwürgt worden war.

Mit zerrissenem Herzen, mit thränenden Augen stieg ich wieder hinauf,
und fühlte das Elend meiner Lage in seiner ganzen Schrecklichkeit.
Ich war allein in dieser Wüste, und auf allen Seiten von Gefahren
umringt. Ich war allein! -- Die Sonne sank tiefer, ich beschloß
in der nämlichen Richtung fortzugehen. War es Instinkt, war es
Gleichgültigkeit? es schien mir am besten so. Zum Glück hatte ich noch
etwas Reis, nebst der Arrakcalabasse, und den Pistolen bei mir.

Die Nacht brach an; ich machte bei einem Baume Halt, kletterte hinauf,
und band mich mit dem Taue an zwei Aeste fest. Bald schlief ich vor
Ermüdung ein. Doch mein Schlaf war nicht erquickend; das Bild meines
unglücklichen Gefährten schwebte mir unaufhörlich vor.




                          Siebentes Capitel.


Als ich erwachte, war es hoher Mittag, und ich fühlte mich an allen
Gliedern gelähmt. Nur mit Mühe vermochte ich mich loszubinden,
worauf meine traurige Wanderung weiter gieng. Der Weg war mit feinem
aschfarbenem Sande bedeckt, der mir bei jedem Schritte entgegenflog;
daher ich von heftigem Durste gepeinigt ward. Zum Glück kam ich endlich
an einen Bach, wo ich den Rest meines Arrakes mit Wasser vermischte,
und so ein kühlendes Getränk erhielt. Unterdessen zogen am Horizonte
furchtbare Gewitterwolken auf. Ich eilte daher, einen großen schattigen
Baum zu erreichen, den ich in einiger Entfernung vor mir sah.

Es mochte ungefähr um sechs Uhr Abends seyn, als ich glücklich auf
dieser Stelle ankam. Sofort bratete ich mir einige gefundene Schnecken,
und kletterte dann auf den Baum, wo ich mich wie gewöhnlich mit dem
Taue anband. Kaum hatte ich indessen einige Stunden geschlafen; als
ich aus einem schrecklichen Traume erwachte, und mich über und über
von Feuer umgeben sah. Das furchtbarste Ungewitter war losgebrochen;
der ganze Himmel ein wallendes Flammenmeer. Mit unsäglicher Heftigkeit
raste der Sturm in den Aesten, und warf mich wie einen Ball hin und
her. Den Kopf auf die Knie gestüzt, schloß ich die Augen, und brachte
den Rest der Nacht in einer Art Betäubung zu.

Der Tag brach an; der Regen hörte auf, der Himmel ward heiter, und
alles glänzte in goldnem Sonnenlicht. Ich trocknete meine durchnäßten
Kleider, und machte mich auf den Weg. Allmählig lief der Canal nach
Osten, eine Richtung, die sehr erfreulich für mich war. Voll Muth und
Hoffnung wanderte ich so bis Nachmittags um 3 Uhr fort. Plözlich stand
ich vor einer hohen Felsenwand, die mir den Weg verschloß.

Keine Möglichkeit weiter zu kommen, es mußte denn von Seite des Waldes
gewesen seyn. Ich beschloß es daher zu versuchen, und drang auch
wirklich zwischen zwei Dornengebüschen durch. Doch in dem Augenblicke
schoß eine ungeheure Schlange auf mich los. Wohin sollte ich fliehen?
Nirgends mehr Rettung für mich! Rechts hatte ich den Canal, links das
Ungeheuer, vor mir die hohe Felsenwand. Ohne zu wissen, warum, eilte
ich indessen den vorigen Weg wieder nach derselben zurück.

Unterdessen war die Schlange immer näher gekommen, und kaum war sie
noch drei bis vier Fuß von mir entfernt. In dieser entsezlichen Lage
folgte ich blos meiner Verzweiflung, und sprang, wie wahnsinnig auf
ein hervorragendes Felsenstück. Von diesem arbeitete ich mich, ohne zu
wissen wie, allmählich höher hinauf, bis ich endlich oben war. Jezt
aber sank ich ermattet zu Boden, und lag eine gute Weile, ehe ich
wieder zu mir kam.

Als ich die Augen aufschlug, und in die Tiefe richtete, sah ich die
fünfzig Fuß lange Schlange, die sich langsam in den Wald zurück begab.
Aber zu gleicher Zeit bemerkte ich mit großem Schmerze, daß mein ganzes
Reisegeräthe verloren war. Ich fühlte, daß meine Lage doppelt elend
werden mußte, und überließ mich der Verzweiflung. Wohin ich blickte,
sah ich ein Felsenchaos vor mir, in dessen Mitte sich ein furchtbarer
Abgrund befand.

Der Abend dämmerte; ich suchte in meinen Taschen, und fand zu meiner
großen Freude noch ein Stück Zwieback und mein Feuerzeug. Von wilden
Thieren war in dieser Einöde nichts zu fürchten; ich machte daher blos
Feuer zur Vertreibung des Gewürmes an. So nahm ich mein Lager auf dem
harten Boden, mein Haupt an die Felsen gelehnt. Alles war still und öde
um mich; ach! diese Wüste schien mein eigenes Grab zu seyn.




                            Achtes Capitel.


Am folgenden Morgen neues Erwachen; neue Noth. Mein ganzes Frühstück
bestand in ein wenig Regenwasser, das ich in einer kleinen
Felsenhöhlung fand. Mühsam schleppte ich mich nun in diesem Labyrinthe
fort; bis ich endlich gegen Mittag an dem Fuße eines hohen steilen
Berges ankam, der mir abermals den Weg verschloß. Indessen nahm ich
allen meinen Muth und meine Kraft zusammen, denselben zu erklimmen,
in der festen Hoffnung, jenseits werde das Ziel meiner Leiden seyn.
Doch wie groß war mein Entsetzen, als ich mich endlich auf dem Gipfel
befand, und nichts erblickte, als ein ödes, wildes, mit Klippen
besäetes Thal!

Es mochte zwei Uhr Nachmittags seyn; ich war gänzlich erschöpft, und
sah mich vergebens nach etwas Nahrung um. Als ich so da saß, erblickte
ich eine kleine Schlange, die begierig hinter einer Eidechse herschoß.
Ich zerschmetterte die erstere mit einem Steine, schnitt ihr, des
Giftes wegen, den Kopf ab, und bereitete mir ein gutes Mahl von ihr. So
ist die Existenz der Wesen verknüpft; ein ewiger Kampf der Kräfte, wo
eine der andern Opfer ist!

Der Berg war auf dieser Seite fast senkrecht abgeschnitten, und der
ganze Abhang mit spitzigen Klippen bedeckt. Gleichwohl mußte ich das
Thal zu erreichen suchen, ehe mich auf dem Gipfel die Nacht überfiel.
-- »Nun, wie Gott will!« -- sagte zu mir selbst, sezte den rechten
Fuß vorwärts, klammerte mich mit den Händen an, und fand, daß das
Herabsteigen wenigstens nicht unmöglich war. Mit unsäglicher Mühe
arbeitete ich mich nun immer tiefer und tiefer hinab. Doch die Hand des
Allmächtigen leitete mich sicher neben dem Abgrunde hin. So kam ich
glücklich an dem Fuße des Berges an.

Als ich das Thal genauer betrachtete, bemerkte ich einen Canal, der
aber blos in der Mitte, und selbst da nur ganz dünn mit Gesträuch
bewachsen war. Allein, da es düster zu werden anfieng, beschloß ich in
einer Felsenhöhle zu übernachten, wo ich zum Glück einige Vogeleier
fand. Am folgenden Morgen erquickte ich mich mit etwas Regenwasser, und
wanderte anfangs eine gute Strecke längs des Canals hin. Endlich kam
ich an eine Stelle, wo der Rand eingestürzt, und die Tiefe zur Hälfte
damit ausgefüllt war. Fröhlich stieg ich hinunter, und kam bald auf
der andern Seite an. Hier schlug ich einen Reiher nieder, der gebraten
wenigstens eßbar war. Von nun an ward der Weg immer ebener, immer
bequemer, so daß ich die Gebirge bald sehr weit hinter mir sah.

Am andern Morgen, am 16. August, trieb mich die brennende Sonne etwas
tiefer in den Wald, der neben dem Wege hinlief. Unvermuthet finde ich
einen gebahnten Weg, und plözlich werde ich frische Fußtapfen gewahr.
Bald höre ich in der Entfernung Stimmen, und bald vernahm ich, daß es
bekannte Töne sind. -- Gott, welcher Augenblick! Es durchbebte mich,
wie ein elektrischer Schlag. Ich wollte rufen, ich konnte es nicht.
Da stürzte ich fort, und stand in wenig Minuten vor einem Haufen
Singalesen, unter denen mein alter Freund Manioppu war.

Sie zogen nach Putlan, um Salz zu holen, wir waren nur noch drei
Tagereisen davon entfernt. Nachdem ich daselbst eine Woche ausgeruht
hatte, kehrte ich zu Wasser nach Jaffanapatnam zurück. Hier fand ich
Gelegenheit ein äußerst vorteilhaftes Geschäft zu machen, wodurch mir
mein ausgestandenes Elend sehr reichlich vergütet ward. Als nun endlich
die Nachricht von dem Pariser Frieden ankam, hielt ich's fürs beste,
wieder nach der Küste zurückzukehren, und kam nach einer sehr kurzen
Fahrt, glücklich in Bimilipatnam an.




                           Neuntes Capitel.


Ein Jahr lang hatte ich hier meine Geschäfte mit vielem Erfolge
betrieben, als ich mich, um dieselben noch mehr zu erweitern, zu
einer Landreise nach Madras veranlaßt sah. Dieses geschah in einem
Palankin. Man kann in der That durchaus nicht sicherer, bequemer und
angenehmer reisen, als auf diese Art. Ein Palankin ist nämlich eine Art
von Canapegestell, das ungefähr sieben Fuß lang, und drei Fuß breit
zu seyn pflegt. Er hat einen mäßig hohen Rand, vier kleine Füße, und
eine gewölbte Decke von Bambusrohr. Inwendig ist er mit einer weißen
Matrazze und einigen Kissen belegt, während die Decke entweder mit Tuch
oder Wachsleinwand überzogen wird.

In der Mitte dieses zeltartigen Daches, ist außerdem noch ein großes
Stück grüner Cattun befestigt, das nach der Länge des Palankins,
an beiden Seiten bis auf den Boden reichen muß. Bei Tage wird es
aufgerollt, und in eine Wulst zusammengeknüpft; bei Nacht aber, wenn
man in dem Palankin schläft, bildet es eine Art Bettvorhang. Ueberhaupt
braucht man den Palankin gerade wie ein Canape.

Ein solcher Palankin wird von vier Männern getragen, denen noch vier
andere zum Ablösen beigesellt sind. Zwei der Träger gehen vorn, zwei
andere hinten, und jene wie diese halten den Palankin vermittelst
eines Bambusrohres, das vorn und hinten mitten aus der Decke geht. Sie
marschiren indessen nicht neben, sondern hinter einander, wobei das
Bambusrohr auf der Schulter ruht. Da sie nun eine Art Takt im Schritte
halten, den sie auch von Zeit zu Zeit mit der Stimme angeben, so ist
die Bewegung eben so gleichförmig als angenehm. Man kann dabei lesen,
schreiben, schlafen u. s. w. wie es einem beliebt. Wäsche, Vorräthe u.
s. w. werden theils zu den Füßen, theils unter das Kopfkissen gepackt.

Es war vier Uhr Morgens -- »Tschollo!« (Marsch!) -- riefen meine
Träger, nahmen den Palankin auf, und wanderten lustig die Straße
entlang. Als wir Bimilipatnam im Rücken hatten, fieng es eben an
vollends Tag zu werden, und überall flogen Schaaren von Krähen von
den hohen schattigen Bäumen auf. Bald kamen wir bei einem schönen
Mangabusche vorbei. Lieblich schimmerten die goldenen Früchte durch die
dunkelgrünen glänzenden Blätter, und zwischen den freundlichen Aesten
flatterten girrende Turteltauben herum.

Weiterhin holten wir eine Menge indischer Pilgrime von allen Sorten
ein. Sie zogen sämmtlich nach dem heiligen Berge Schiemanchelom, den
ich ebenfalls zu besehen willens war. Lange mußten wir zwischen diesen
betenden und singenden Haufen bleiben, bis wir endlich das große schöne
Thal erreichten, worin sich jener hohe steile Berg erhebt.

Eben sollte am folgenden Morgen das große Jahresfest beginnen, das
immer neun Tage zu dauern pflegt. Der Zufluß von Menschen war daher
außerordentlich. Nur mit Mühe fand ich noch einen schattigen Platz für
meine Palankin, ruhte daselbst bis fünf Uhr, und stieg endlich den Berg
auf einer breiten bequemen Treppe hinan. Das Thal, das kleine Dörfchen
Chindopillie, der dabei befindliche See, u. s. w. alles bietet die
mannichfaltigsten Aussichten dar.

Die ersten 430 Stufen hat man nichts als sanfte Abhänge neben sich.
Plözlich aber stößt man auf einen steilen Felsenkranz, den man durch
ein ausgehauenes Portal passirt. Von diesem Thore bis zum Gipfel werden
noch 1160 Stufen gezählt. So wie man diesen erreicht hat, findet man
das Dorf Schiemanchelom, und am südlichen Ende desselben den Tempel,
der dem Gotte Appana geheiligt, und einer der ältesten in ganz Indien
ist. In der Nähe desselben entspringt die heilige Quelle, die nach
der Religion der Hindus für eben so wirksam wie das Wasser des Ganges
gehalten wird. Kein Hindu darf sich dem Tempel nähern, wenn er sich
nicht vorher in diesem Wasser gebadet, oder wenigstens seinen Kopf
einige Minuten unter eine der fünf Adern gehalten hat. Das Gedränge um
dieselben war daher außerordentlich, zumal da der ganze Badeplatz kaum
hundert Schritt lang, und etwa halb so breit ist. Indessen fand dennoch
die größte Ordnung, und das beste Betragen dabei statt. Einer half dem
andern, einer machte dem andern Platz.

Noch bunter waren die Gruppen längs dem übrigen Wege, und auf dem
Gipfel des Berges selbst. Zu beiden Seiten der Treppe ziehen sich
nämlich schöne schattige Rasenplätze hin, wo die wandernde Masse
von Zeit zu Zeit auszuruhen pflegt. Eben so ist es oben in der Nähe
des Tempels, wo der ganze Haufen zusammentrifft. In dichten Kreisen
knieten Männer und Weiber an dem Eingange des Heiligthums. Einige waren
in tiefer Betrachtung; andere beteten mit stiller Lippenbewegung;
noch andere stimmten Lobgesänge an. Die Luft war mit Weihrauchsdampf
erfüllt; schöne Tänzerinnen scherzten mit ihren Liebhabern, und überall
ertönten die Dools (Trommeln), und die Chelimbies (Becken).




                           Zehntes Capitel.


Es mochte ungefähr um vier Uhr Morgens seyn, als einer meiner Träger
mich zu wecken kam. Noch war es völlig dunkel; gleichwohl hatte sich
bereits der ganze Haufen Pilgrime in Bewegung gesezt. Das Geräusch
glich dem dumpfen Donner eines Wasserfalles. Alles eilte nach dem
Berge, der aufs prächtigste mit Fackeln und Pechkränzen erleuchtet war.
Ich folgte dem Menschenstrome auf der von tausend Lichtern flammenden
Treppen nach, verließ aber bald das Getümmel, um auf der andern Seite
des Berges die Sonne aufgehen zu sehen. Nie habe ich eines schöneren
Morgens, nie einer entzückenderen Aussicht genossen; alles war Licht
und Klarheit, Leben und Herrlichkeit. Endlich stieg ich auf einem
schattigen Fußpfade wieder in das Thal hinab, wo ich verabredetermaßen
meinen Palankin fand.

Wir wendeten uns nun südöstlich, und kamen durch eine schön bebaute
Ebene nach Nabob Pette, das zwar ein kleines, aber recht artiges
Dörfchen ist. Hier hielten wir unser Mittagsessen in einem angenehmen
Mangawäldchen, und sezten dann unsere Reise bis Dovigram, einem etwas
seitwärts liegenden Dorfe fort, wo eine große und bequeme Chauderie
befindlich ist. Unter den Reisenden, die sich bereits dort einlogirt
hatten, fielen mir besonders zwei büßende Fakirs auf, wovon der eine
ungefähr dreißig, der andere fünfzig Jahre alt war. Jener gieng völlig
nackend, und trug in seinem Geschlechsgliede einen dicken und großen
eisernen Ring. Der zweite hatte sich die entsezliche Buße aufgelegt,
seine Arme und gefalteten Hände, hoch ausgestreckt, unaufhörlich über
dem Kopfe zu halten, und es wirklich ausgeführt. Die Arme waren nun
völlig steif geworden, und die Hände gleichsam in einander verwachsen,
so daß alles ganz unbeweglich stand.

Als ich am andern Morgen in meinem Palankin erwachte, befand ich mich
unvermuthet bereits zu Vizagapatnam. Meine Träger hatten ihn nämlich
vorsichtig aufgenommen, und in der Kühle die Paar Stunden schnell
zurückgelegt. Vizagapatnam ist eine Stadt, oder vielmehr ein Dorf mit
einer englischen Factorei. Es ist ein unangenehmer, einsamer, trauriger
Ort, der mitten zwischen kahlen Bergen, wie in einem Kessel liegt.
Indessen hat es einen schiffbaren Fluß, und viele Baumwollenfabriken;
auch sind die Einwohner wegen ihren feinen Elfenbeinarbeiten berühmt.
Eben waren meine Geschäfte abgemacht, und ich wollte weiter reisen,
als ich von einem Begräbnisse in der Nachbarschaft hörte, das ich mit
anzusehen beschloß.

Es war zu Velur, nur anderthalb Stunden von Vizagapatnam. Eine junge
Wittwe von der Caste der Chetries sollte sich mit dem Leichname ihres
Mannes in einer Grube verbrennen, wie es im südlichen Theile von
Coromandel auf einem Scheiterhaufen geschieht. Bei meiner Ankunft
ward ich sogleich nach einem Hause gewiesen, wo die Wittwe in der
Mitte ihrer sämmtlichen Verwandten, unter einer Art Baldachin saß.
Es war ein junges wohlgebildetes Weib von höchstens ein und zwanzig
Jahren, mit einer äußerst sanften Physiognomie. Sie bewegte die Lippen,
wie eine Betende, theilte dann und wann unter ihre Verwandten Betel
aus, und schien vollkommen gefaßt zu seyn. Ich betrachtete sie mit
innigem Mitleid; bald aber zog mich die Menschenmasse nach dem zur
Feierlichkeit bestimmten Platze fort.

Dieser lag außerhalb des Dorfes, ungefähr eine Viertelstunde davon. In
der Mitte desselben befand sich eine Grube, die bei zehn Fuß Länge,
acht Fuß breit und tief zu seyn schien. Sie war bereits mit einer
großen Menge Kohlen angefüllt, dennoch warf man noch von allen Seiten
Holz hinein. Endlich rückte der Leichenzug näher, rund um die Grube
wurden Matten aufgehängt, und die ganze Masse der Zuschauer bildete
einen unübersehbaren Kreis.

Die Wittwe war aufs prächtigste gekleidet, und überall mit Juwelen
bedeckt. In der Hand hielt sie eine kleine, mit Gewürznelken besteckte
Citrone, woran sie bisweilen zu riechen schien. Neben und hinter ihr,
giengen ihre Verwandten, mit mehrern Braminen, und eine Menge Weiber
beschloß den Zug. In einer gewissen Entfernung von der Grube ward Halt
gemacht. Die Wittwe legte ihre Prachtgewänder und Juwelen ab, badete
sich in dem benachbarten Weiher, den ein dichter Kreis von Freundinnen
umschloß, und kam endlich in einem ganz einfachen weißen Gewande
zurück. So gieng der Zug bis in die Nähe der Grube, an deren Rande der
Leichnam des Mannes auf einer Bahre lag.

Als die Wittwe hier angekommen war, blieb sie einige Augenblicke
davor stehen, sah ihn mit zärtlichen Blicken an, schlug sich vor die
Brust, und brach in Thränen aus. Zulezt verbeugte sie sich, verließ
die Bahre, und gieng dreimal um die Grube herum, wobei sie nie den
Leichnam zu begrüßen vergaß. Jezt bei dem Leztenmale blieb sie wieder
davor stehen; wendete sich zu ihren Verwandten; nahm mit völliger Ruhe
Abschied von ihnen; empfieng von einem Braminen einen Krug mit Oel; goß
etwas davon auf den Leichnam; sezte sich das Gefäß auf den Kopf; rief
dreimal mit lauter Stimme: Naraina! (Gott) und sprang dann muthig in
das brennende Grab hinein. Man hatte in demselben Momente die Matten
fallen lassen; zu gleicher Zeit ward auch der Leichnam hineingeworfen,
und alles mit tausend bereit gehaltenen Bränden bedeckt. Hoch schlugen
die knisternden Flammen in die Lüfte empor, und die Weiber erhoben
unter dem Lärm der Trommeln, Trompeten und Becken, ein gräßliches
Freudengeschrei.

So sehr ich überzeugt war, daß die Unglückliche sogleich erstickt
seyn mußte; so machte das Ganze dennoch einen sehr schmerzhaften
Eindruck auf mich. Ich verließ den Platz, und trat meinen Rückweg nach
Vizagapatnam an. Schon war es dunkel geworden, und in tiefen Gedanken
wanderte ich wohl eine Stunde fort, bis ich endlich bemerkte, daß
ich auf dem unrechten Wege war. Ein guter alter Mann, den ich eben
einholte, bestätigte mir dieses, rieth mir nach Velur zurückzugehen,
und zeigte mir einen kürzeren Fußsteig dahin. Ich kehrte demnach um,
gieng einige Zeit auf diesem Fußsteige fort, glaubte aber bald in der
Entfernung einige Lichter zu sehen, und beschloß geradesweges darauf
zuzugehen. Doch die Lichter verschwanden, und ich fühlte mit Entsetzen,
daß der Boden unter mir wich. Vergebens suchte ich mich an einem Busche
festzuhalten; der Ast brach, und ich stürzte in einen tiefen Abgrund
hinab.




                           Eilftes Capitel.


Als ich wieder zu mir kam, spürte ich in meiner Nähe einen scheußlichen
Verwesungsgeruch. Es war ein todter Büffel, auf dem ich lag.
Hastig raffte ich mich auf, und starrte verzweiflungsvoll in die
undurchdringliche Finsterniß. Zorn und Wehmuth, Verdruß und Ungeduld;
alle diese Empfindungen wechselten unaufhörlich in meiner Seele
ab. Doch suchte ich mich endlich zu beruhigen, sezte mich auf den
steinigten Boden nieder, und fiel in einen tiefen Schlaf.

Der Tag brach an; die finstere Gruft erhellte sich; ich erwachte,
und wurde mit Entsetzen mein ganzes Unglück gewahr. Ich befand mich
nämlich in einer Höhle, die sich zu beiden Seiten tief in die Erde zu
erstrecken schien. Aus dem Gewölbe war ein großes Stück eingebrochen,
und durch diese Oeffnung fiel das Licht hinein. Die hohen Wände waren
völlig steil, und auf allen Seiten gleich weit davon entfernt.

Was sollte ich thun? Die Gegend schien durchaus menschenleer. Dennoch
beschloß ich zu rufen, und verstärkte die Stimme nach Möglichkeit.
Allein vergebens, sie verhallte in dem ungeheuren Raume, der mich
umgab. Der Tag vergieng, das tröstende Licht verschwand, und Finsterniß
des Grabes hüllte mich abermals ein. Diese zweite Nacht war ungleich
schrecklicher für mich. Tausende von Uhus flogen über meinem Kopfe aus
und ein, und ganze Haufen heulender Schakals umringten die Oeffnung. So
saß ich mehrere Stunden lang, bis endlich ein schwacher Mondstrahl in
die Höhle fiel, und meine Stimmung etwas ruhiger ward. Bald darauf sank
ich in tiefen Schlaf.

So vergieng die Nacht, und mit dem ersten Sonnenstrahle floß neue
Hoffnung in mein Herz. Durch die Oeffnung aus der Höhle zu kommen, war
unmöglich; aber durch einen der Seitengänge vielleicht einen Ausweg zu
finden, schien, troz der Gefahren, eines Versuches werth. -- »Wohlan!«
-- sagte ich zu mir selbst -- »Wohlan! das Aeußerste gewagt!« -- So
raffte ich mich ungefähr um Mittag auf, und schlug den Weg in einen
der düsteren Seitengänge ein.

So lange ich noch etwas Tageslicht hatte, gieng es ziemlich gut. Als
aber auch der lezte Schimmer verschwand, hielt ich mit klopfendem
Herzen an. Doch auch diesmal trug die Ueberlegung den Sieg davon,
und so stürzte ich mich muthig in die unermeßliche Nacht hinein. Die
einzige Vorsicht, die ich brauchte, war, mich Schritt vor Schritt an
der Wand zu halten, und allen Biegungen derselben nachzugehen.

Der Boden war rauh, und ungleich. Steinhaufen, und einzelne
Felsenstücke, Erhebungen und Vertiefungen wechselten unaufhörlich
ab. Ich mußte den Weg unaufhörlich mit dem Hirschfänger untersuchen,
und rückte daher nur langsam fort. So mochte ich mich ohngefähr zwei
Stunden fortgearbeitet haben; als ich plözlich an etwas Bewegliches
stieß. Ich befühlte es mit dem Fuße; es schienen Knochen zu seyn. Ich
griff es an; es war ein Menschenskelett. Welche Entdeckung! -- »Das
Bild meines Schicksals!« -- sagte ich zu mir selbst, und lehnte mich
tief erschüttert an die Wand.

Unterdessen glaubte ich einiges Geräusch zu hören, und rufte laut durch
die starrende Finsterniß. Zugleich verdoppelte ich meine Schritte,
entschlossen, dem Tode, oder dem Leben entgegen zu gehen. Plözlich ward
ich zwei kleine feurige Punkte gewahr. -- Vielleicht eine Schlange die
auf mich zugeschossen kam. -- Aber die Punkte blieben unbeweglich; es
schien von zwei Lampen zu seyn. In dem Augenblicke machte die Wand
einen starken Abfall, und ich erblickte eine Felsenspalte, die vom
glänzenden Abendrothe beleuchtet war. Eilends kappte ich das Gesträuch
hinweg, zwang mich mit muthiger Brust hindurch, und athmete nun wie
neue geschaffen, in der freien herrlichen Gotteswelt.

Die Sonne gieng unter, und im Purpurglanze lag die ganze liebliche
Landschaft, und Vizagapatnam in geringer Entfernung vor mir. Ich eilte
dahin, und ward mit großer Freude empfangen; jedermann hatte mich todt
geglaubt. Es zeigte sich jezt, daß ich in einer der Höhlen gewesen war,
die ehedem mit den Pagoden in Verbindung standen, und deren Eingänge
nur noch wenigen Braminen bekannt sind.




                           Zwölftes Capitel.


Nach einigen Tagen Erholung brach ich von Vizagapatnam weiter auf. Die
Hitze war groß, der Weg beschwerlich; mit Vergnügen hielt ich gegen
Mittag in dem freundlichen Dörfchen Chieriepille an. Es liegt in einem
reizenden Thale, ist mit einer Menge Obst- und Betelgärten umgeben, und
hat eine der schönsten und bequemsten Chauderies, die mir vorgekommen
sind. Wir fanden hier einen Wahrsager, dergleichen sind in Indien sehr
häufig. Zum Spaß ließ ich mir auch die flache Hand besehen, und bekam
eine Menge Glück und Segen gewünscht.

Man darf diesen Leuten kein Geld anbieten, weil ihnen dergleichen
anzunehmen, nach ihren Geboten nicht erlaubt ist. Man giebt daher
Cattun, Musselin u. s. w., auch wohl eine Portion Reis. Alle diese
Effekten müssen sie aber erst neun Tage an ihrem Leibe herumtragen,
ehe ihnen der Verkauf davon gestattet ist. Was sie dann an Geld dafür
lösen, dürfen sie nehmen, weil es auf indirektem Wege gewonnen wird.
Der arme Teufel in unserer Chauderie schien die lezten neun Tage über,
gewaltig beschäftigt gewesen zu seyn. Er hatte eine solche Menge Zeug,
Schnupftücher, Turbans u. s. w. an seinem Gürtel hängen, daß er wie
eine wandernde Schnittwaaren-Bude aussah.

Um meine armen Träger zu schonen, beschloß ich erst am andern Morgen
weiter zu gehen. Ich benuzte daher den lieblichen Abend zu einem
Spaziergange in dem schönen Thale, das mit herrlichen grünenden Bergen
eingefaßt ist. Mit einbrechender Dämmerung gieng ich nach meinem
Palankin zurück, fand einen vortrefflichen Pillau von Hühnern, und
Bananas in Eiern gebacken, zum Abendessen, und schlief endlich unter
den Gesängen einiger reisenden Tänzerinnen ein.

Am andern Morgen gieng es nun rasch über Berg und Thal, durch eine
Menge Dörfer bis zur Chauderie Darma-Oro, wo zu Mittag angehalten
ward. Hier sah ich einen Pandarone oder Mönch, der jedem Reisenden auf
Verlangen, einen Trunk Reiswasser (Canje) gab. Dies geschah, indem er
es ihm aus einem kleinen kupfernen Topfe in die Hände goß. Kein Hindu
pflegt nämlich ein Trinkgefäß an die Lippen zu setzen; er hält es
vielmehr so, daß ihm das Wasser, wie ein kleiner Strahl in den Mund
schießen muß. Da nun aber eine niedere Caste das Gefäß schon durch die
bloße Berührung für eine höhere unrein machen kann, so giebt es der
Pandarone lieber Niemanden in die Hand.

Wir reisten weiter, bekamen bald das Meer zu Gesicht, und langten
Abends in einem Fischerdorfe hart am Strande an. Hier ward ich für eine
Kleinigkeit mit einem Gericht trefflicher Seefische bewirthet, und
konnte die Ankunft der Kattamarans mit großer Bequemlichkeit sehen. Es
ist dies in der That ein Schauspiel, das der Mühe lohnt. Man erinnert
sich, daß ein Kattamaran ein, fünfzehn bis zwanzig Fuß langes, Floß
ist, das aus fünf Balken besteht.

Man weiß, daß immer zwei Männer darauf befindlich sind, wovon der eine
vorn, der andere hinten zu rudern pflegt; eben so, daß bei günstigem
Winde ein kleines Segel aufgespannt werden kann.

Die Sonne sank tiefer, und von allen Seiten eilten diese Fahrzeuge
dem Ufer zu. Es war eine ganze, kleine Flotte, pfeilschnell flog sie
zwischen den purpurnen Fluthen hindurch, von tausenden von Möwen
umringt, und vom fröhlichen Gesange der Ruderer belebt. Bald näherte
sie sich nun der Brandung, die bekanntlich an diesen Küsten ungeheuer
ist. Schnell wurden die Segel gestrichen, und die Ruder eingetaucht;
da flogen die Kattamarans in die tosenden Wogen hinein. Hier sah man
einige auf der Spitze derselben, dort andere wie in einem Abgrunde
schweben, der sich darüber zu schließen schien. Aber wenig Minuten, und
die ganze Flotte flog in einem Augenblicke auf den sandigen Strand.

Wir hatten unser Nachtlager zwischen den Dünen genommen, wo die
angenehmste Kühlung herrschte, und nichts von Moskitos zu fürchten war.
Am folgenden Morgen fanden wir uns daher außerordentlich gestärkt, und
legten die ganze Tagereise schneller als gewöhnlich zurück. Abends
kamen wir bei einem Mangabusche an. Hier hatte sich bereits ein großer
Haufen Reisender gelagert, um am folgenden Tage zusammen durch einen
Wald zu ziehen, der nicht für ganz sicher gehalten ward. Da ich mit
Schießgewehr versehen, und überdem ein Europäer war, so baten sie
mich, sie anzuführen, wozu ich dann auch ganz willig war.

Mit Tagesanbruch machten wir uns demnach auf den Weg. Indessen stießen
wir auf nichts, als eine Menge rother Affen, von denen der ganze Wald
bevölkert war. Als wir denselben hinter uns hatten, nahm ich von
meinen Gefährten Abschied, und stieg wieder in den Palankin. Der Weg
gieng nun durch eine sehr reizende Landschaft, Dorf an Dorf, und alles
mit Tamarinden-, Cocos- und ähnlichen Baumpflanzungen, so wie mit
Betelgärten bedeckt. Jezt bekamen wir auch wieder das Meer zu sehen,
und athmeten erquickende Kühlung ein.

Ich mußte die Nacht im Palankin zubringen; die ganze Chauderie war
mit Kaschie-Kauris angefüllt. Es sind dies eine Art Mönche, die zehn,
zwanzig, und mehrere zusammen, nach Kaschie (oder Bonares) wandern,
dort Wasser aus dem Ganges holen, und damit beladen, in ihre Heimath
zurückgehen. Sie füllen dies heilige Wasser in runde irdene Krüge,
wovon jeder zwanzig bis fünf und zwanzig Kannen halten kann. Diese
Krüge sind mit dickem Netzwerk umflochten, und mit einem kurzen Halse
versehen, der sorgfältig vergipst und versiegelt wird. An dem Siegel
des Oberpriesters von Bonares, so wie an dem Certificate jedes Pilgers,
erkennt man, ob das Wasser ächt ist. Ein jeder Kaschie-Kauris trägt
zwei Krüge, den einen vorn, den andern hinten, an einem Bambusrohr.
Dies Wasser wird entweder an Tempel verschenkt, oder an reiche Hindus
verkauft. Für leztere ist es ein Gegenstand eines religiösen Luxus. Man
benezt Sterbenden Haupt und Lippen damit; giebt es aber auch bei großen
Gastmählern herum.

Am folgenden Tage passirten wir die Stadt Mongletur, die auf indische
Weise befestigt ist, und langten Abends ziemlich spät in Tallapalar
an. Hier mußten wir die Chauderie einer Abtheilung englischer Srapoys
überlassen, und trieben nur mit Mühe etwas zum Abendessen auf. Am
nächsten Morgen gieng es vollends nach Mazulipatnam. Wir kamen dabei
durch das Dorf Pakaat. Hier sah ich einen Barbier, der einen ziemlich
dicken Bart, auf das allervollkommenste mit zwei -- Glasscherben abnahm.




                         Dreizehntes Capitel.


Nachdem ich meine Geschäfte besorgt hatte, sezte ich meine Reise ohne
Verzögerung fort. Vorher hatte sich noch ein Gefährte, ein gewisser
holländischer Capitain, Namens Holtrop, zu mir gefunden, der nach
dem Verluste seines Schiffes nach Madras zurückging. Wir kamen durch
die Dörfer Okalgatta und Sorligatta, und nahmen unser Nachtlager in
einer Chauderie hinter Naralcor. Der lezte Theil des Weges war äußerst
angenehm; er lief durch eine fruchtbare Ebene, mit den mannigfaltigsten
Pflanzungen bedeckt. Kaum hatten wir aber die Chauderie erreicht, als
ein heftiges Ungewitter ausbrach. Da sich nun außer uns noch an sechzig
Reisenden darin befanden, konnten wir allerdings nicht ohne Besorgnisse
seyn. Indessen gieng alles glücklich vorüber, und nach einigen Stunden
war der Himmel wieder völlig wolkenleer.

Unsere harmlosen Hindus hatten inzwischen nicht die mindeste Furcht
gezeigt. Die Männer lasen oder sprachen; die Weiber und Mädchen
schäkerten und kochten; die Kinder spielten mit unbefangener
Fröhlichkeit fort. Nach dem Essen wurde erzählt und getanzt, und alles
war voll Milde und Fröhlichkeit.

Die folgende Tagereise war entzückend schön; die ganze Landschaft
blühte und grünte in üppiger Fruchtbarkeit. Wir giengen über den
Kischtna, der in dieser Jahrszeit nicht besonders wasserreich war.
Die Ueberfahrt ward wie gewöhnlich, in großen, runden, platten Körben
gemacht. Diese Körbe haben ungefähr zwölf Fuß im Umfange, sind mit
Leder überzogen, und werden mit Pagaien (kurzen Rudern) in Bewegung
gesezt. Man muß sich indessen in diesen Körben sehr ruhig verhalten,
indem sie beständig im Kreise drehen. Einige sind groß genug, um zehn
bis zwölf Personen zu fassen; allein Hokkeries (indisches Fuhrwerk),
Palankins u. s. w. werden niemals auf diese Art übergesezt. Hierzu
bedient man sich der sogenannten Sangaries, welches ausgehölte
Cocosstämme sind.

Wir ergözten uns während der Ueberfahrt an den herrlichen
Uferansichten, und langten endlich in dem freundlichen Dorfe
Kischtnapatnam an. Die Chauderie lag in der Nähe des Stromes, was uns
der Kühlung wegen höchst willkommen war. Hier hörte ich zum erstenmale
die melodischen Minkurwies (eine Art Wasservögel), die, wie man
behauptet, in dem Kischtna ausschließend zu finden sind. Ich glaubte
die Töne einer Aeolsharfe zu hören, und sank dabei in den süßesten
Schlaf.

Nach einem stärkenden Morgenbade sezten wir unsere Reise weiter fort.
Die Gegend war eben, und meistens mit Reis- und Gerstenfeldern
bedeckt. Nur hie und da ragten aus den gelblichten Aehrenfluten einige
glänzend grüne Hügel hervor. Dann folgte eine sandige, mit lichtem
Tannengebüsch bedeckte Ebene, von einer Menge Schakals bewohnt. Endlich
zeigte sich eine Reihe düsterer Cocoshaine, von Tausenden von Vögeln
belebt. So langten wir um ein Uhr in Pampeton an. Dies ist ein großes
volkreiches Dorf, das von einer Menge Betelgärten und Baumpflanzungen,
Tamarinden und Arekagebüsche umringt ist.

Nachmittags kamen wir bei einer neuen Chauderie, und einem dem
Goneisch (Gott der Andacht) geheiligten Tempel vorbei. Das Götzenbild
lag indessen noch auf dem Boden; es fehlte noch das nothwendigste
Erforderniß seiner Göttlichkeit. Dies waren die ~Augen~, die immer
erst der Oberpriester mit vielen Feierlichkeiten einsezt. So lange ein
Götzenbild noch dieser entbehrt, wird es blos für einen gewöhnlichen
Block angesehen.

Mit einbrechender Dämmerung kamen wir in einem großen, auf einer
Anhöhe gelegenen Dorfe an. Hier quartierten wir uns in einer Trivasel
(der kleinsten Art von Chauderies) ein, und fanden zu unserer Freude
nur wenig Reisende darin. Allein da es bald darauf heftig zu regnen
anfieng, kam in kurzem noch ein ganzer Schwarm dazu. Ich eilte
daher mein Abendessen einzunehmen, ließ den Palankin unter einen
dickblätterigen Baum stellen, streckte mich hinter den Vorhängen auf
meine Matrazze hin, und schlief, troz der Clapper eines Reisfeldhüters,
in wenig Minuten ein.

Am folgenden Morgen, das herrlichste Wetter, und alles voll Leben und
Heiterkeit. Indessen begegnete mir schon in der ersten Stunde ein
Unfall, der wenigstens meinen armen Trägern den ganzen Tag verdarb. Als
ich nämlich einmal aus dem Palankin steigen wollte, ward ich einige
Schritte vor mir eine ganz still liegende Brillenschlange gewahr;
ich hielt sie für todt, und gieng unbesorgt darauf los. Allein wie
groß war mein Entsetzen, als sie sich auf einmal mit glühenden Augen,
geöffnetem Rachen und blitzender Zunge aufzurichten anfieng! Plözlich
flog ich zurück, ergriff die Flinte und drückte los, worauf die
Schlange nach einem benachbarten Busche kroch.

Unterdessen war auch Capitain Holtrop und mein Bedienter hinzugeeilt,
jeder mit einem Hirschfänger in der Hand. Wir beschlossen den Busch
anzuzünden, und auf die Schlange, die dann herauskommen mußte,
vereinigt loszugehen. Bald stand der Busch in vollen Flammen, und noch
immer erschien sie nicht. Schon glaubte ich mich geirrt zu haben,
plözlich schoß sie zwischen meinen Füßen hindurch.

»Herr! Das bedeutet Unglück!« -- riefen meine Träger mit kläglicher
Stimme, und ich selbst war fast außer mir. Aus gleichem Aberglauben
natürlich nicht; nur weil ich einer so großen Gefahr entgangen war.
Meine Träger boten jezt alles auf, um mich zum Umkehren zu bewegen,
allein ich gab durchaus nicht nach. So legten wir unsern gewöhnlichen
Tagesmarsch zurück, und kamen mit Sonnenuntergang Wohlbehalten in
Pariatschirli an.




                         Vierzehntes Capitel.


Unter der großen Menge anderer Reisenden, die sich allmählig in der
Chauderie zu uns gesellten, befand sich auch ein Trupp herumziehender
Tänzerinnen, Sutred-Haries genannt. Es waren ihrer sieben zusammen, wie
gewöhnlich von ihrem Tanzmeister (Chelcinbikarea) und ihrem Musikanten
(Juntries) begleitet. Nachdem sie sich in dem benachbarten Weiher
gebadet, und ihre Tanzkleider angelegt hatten, kam die erste Tänzerin
auf mich zu, überreichte mir einen Blumenstrauß und fragte, ob es mir
gefällig sey, ihre Gesellschaft tanzen zu sehen. Ich erwiederte ihren
Gruß, bestellte sie nach dem Abendessen wieder, und ward dafür von
allen Anwesenden mit Danksagungen überhäuft. -- »Der gute Herr! Der
große Herr!« -- tönte es in der ganzen Chauderie wieder; denn tanzen zu
sehen, ist für die Hindus, besonders für das weibliche Geschlecht, ein
höchst angenehmer Zeitvertreib. Kaum war ich nun mit dem Essen fertig,
als alles die Matten bei Seite schaffte, und einen großen Kreis um
mich schloß. Bald darauf erschienen die Tänzerinnen, hinter ihnen die
Juntries. Die Musik fieng an; die lieblichen Nymphen entschleierten
sich, und begangen den kunstreichsten Elfentanz. Sie waren aus Surate,
das von jeher für den Geburtsort der schönsten und vorzüglichsten
Tänzerinnen galt. Mit großem Vergnügen sah ich ihnen wohl eine Stunde
zu.

Aber endlich war es Zeit aufzuhören; ich gab demnach das Zeichen dazu
-- »Genug, schöne Mädchen!« -- sagte ich im indischen Stil -- »Genug
für diesmal! -- Ihr habt mir mit eurem kunstreichen Tanze die höchste
Genüge gethan, und mein Herz mit Entzücken erfüllt. Gewiß, Rhambe (die
Göttin des Tanzes) selbst übertrifft euch nicht. Seyd ihr nicht zu sehr
ermüdet, so vergönnt mir, daß ich nun auch eure lieblichen Stimmen
hören kann!« -- Dieses Lob gefiel ihnen außerordentlich, zumal, da es
von einem Europäer kam. Sofort sezten sie sich in einen Halbkreis, und
sangen mir eine der schönsten indischen Romanzen, die Liebesgeschichte
des Prinzen Sondor, und der Prinzessin Biddrah vor. Dies dauerte bis
Mitternacht. Endlich machte ich der ersten Sängerin ein angenehmes
Geschenk, und entließ die ganze Truppe, höchst vergnügt über meine
Freigebigkeit.

Alles eilte nun schlafen zu gehen, und ich selbst suchte meinen
Palankin auf. Kaum hatte ich aber einige Minuten geschlummert, als
ich durch ein leichtes Zupfen am Ueberhange wieder geweckt ward. --
»Wer da?« -- rufte ich, indem ich denselben aufhob. -- »Ich bin es,
mein Herr!« antwortete eine leise Stimme -- »Die Daja (Aufwärterin)
der Sutred-Haries (Tänzerinnen). Ich bringe euch tausend Grüße von
dem lieblichen Mädchen, mit dem Kranze von weißen Rosen im Haar. Eure
Freundlichkeit hat ihr Herz geöffnet, wie sich die Lilie der Sonne
aufschließt. Empfangt diesen Betel; sie bereitete ihn selbst für euch.
Sie sizt zu den Füßen eures Lagers und erwartet euren Befehl!« --

Das liebliche Mädchen mit dem Kranze von weißen Rosen war mir
allerdings sehr erinnerlich. Es hatte bei seiner Jugend, Grazie und
Schönheit, einen sehr lebhaften Eindruck auf mich gemacht. Indessen
kannte ich die reisenden Tänzerinnen etwas genauer, beschloß daher auf
meiner Hut zu seyn, und fertigte die Daja mit einer ziemlich kalten
Antwort ab.

»Wie, mein Herr!« -- erwiederte sie lebhaft -- »Ihr verschmäht die
schöne Mamia? -- Ich glaubte doch bemerkt zu haben, daß sie euch nicht
gleichgültig war. -- Was fürchtet ihr? -- Sie ist mein liebstes Kind,
und ihr seyd der erste, dem sie den Betel der Liebe[6] schickt.«

Ich mußte lächeln -- »~In Wahrheit?~« -- fragte ich etwas
spöttisch -- »Aber seyd so gut, und laßt mich mit eurem Kampaak in
Ruhe, ich bitte euch darum.« -- Sie verbeugte sich tief und gieng.

Als ich indessen am folgenden Morgen das schöne Mädchen noch einmal
sah, ward ich in meinem Innersten gerührt. Wie viel Liebreiz! Welche
Sehnsucht! Und welcher stille Schmerz! Ihre Augen schwammen in Thränen;
sie wandte ihr Gesicht von mir ab, und verschleierte sich. Wir brachen
auf, ich hoffte die Tänzerinnen nachkommen zu sehen; allein sie hatten
andere Stationen gewählt.

Wir aßen Mittags zu Pondipitly, wo wegen eines Festes alles voll
Fröhlichkeit war. Unter andern sahen wir einen Schonir (eine Art
Bettelmönche), der die Flöte durch die ~Nase~ blies. Er steckte
nämlich zwei kleine, ungefähr anderthalb Spannen lange, Flöten in die
Nasenlöcher, und blies Prime und Secunde mit großer Fertigkeit darauf.
Nachmittags kamen wir bei einem schönen Ala[7] vorbei. Er mochte
ungefähr erst hundert Jahre alt seyn; gleichwohl bildete er mit seinen
unzähligen herabhängenden Aesten bereits ein grünendes Gewölbe, das
wenigstens tausend Schritte im Umfange hielt. Abends blieben wir in
Palpatte, wo eine der größten Chauderies von ganz Indien ist.

Unsere lezte Tagereise bot wenig Merkwürdigkeiten dar. Wir begegneten
einer anderen Truppe Tänzerinnen, und ich dachte lebhaft an die
liebliche Mamia. Gegen fünf Uhr kamen wir in Carraconde an. Die
Chauderie war bereits völlig besezt, wir lagerten uns daher in einem
benachbarten Mangabusch. Um schneller Feuer zu bekommen, raffte ich
einige trockene Baumblätter auf. In dem Augenblicke fühle ich einen
stechenden Schmerz; ziehe die Hand zurück, sehe, daß eine schwärzliche
Schlange daran hängt, und verliehre das Bewußtseyn.




                         Fünfzehntes Capitel.


Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich am Feuer, von meinen Trägern
umringt. Sie fuhren fort, meinen Finger gegen die Flamme zu halten, um,
wie sie glaubten, das Gift heraus zu ziehen; während bereits nach dem
Schorpojan, oder Schlangenbeschwörer geschickt worden war. Bald darauf
kam der Bote mit der Nachricht zurück, daß derselbe abwesend sey.
Indessen brachte er dafür einen mohrischen Waitium (Arzt) mit. Dieser
besah meinen Finger mit großer Aufmerksamkeit, und erklärte mir ohne
Umschweife, daß ich allerdings nicht außer Gefahr sey. Indessen gab er
mir einen Löffel von einer höchst bittern Latwerge ein, versprach den
andern Tag wieder zu kommen, und nahm mit den Worten: Gott ist groß!
(Tambrane meharse!) Abschied von mir.

Es währte keine halbe Stunde, als mich ein allgemeines Frösteln mit
heftigem Schwindel überfiel -- »Freunde!« -- rief ich mit gebrochener
Stimme. -- »Es ist vorbei! Ich sterbe! Lebt wohl! Lebt alle wohl!« --
Alle schwiegen und weinten; ich fühlte wie es immer düsterer um mich
ward. Auf einmal hörte ich ein lautes Pfeifen neben mir. Ich schlug die
Augen auf, und erblickte dieselbe Schlange, von der ich gebissen worden
war. -- »Das ist sie! Das ist sie!« -- rief ich mit Entsetzen, während
sie langsam an einem vom Feuer beleuchteten Stamme herunterkroch.
Meine Leute betrachteten sie nun genauer, und versicherten einstimmig,
daß sie nicht giftig sey. Mein Schwindel verlor sich; ich athmete mit
leichterer Brust.

Indessen nahm der Schmerz am Finger außerordentlich zu. Bald zeigte
sich der Anfang einer Entzündung, die allmählig die ganze Hand zu
ergreifen schien. Ich beschloß daher, auf den eigenen Rath des Waitiums
nach Naporlie zu gehen, wo ein berühmter Schorpojan wohnhaft war. Wir
kamen an, aber leider befand er sich nicht mehr daselbst. In dieser
verzweifelten Lage beschloß ich so schnell als möglich nach Madras zu
eilen, und brach auch wirklich am folgenden Morgen in aller Frühe auf.

Aber welcher Unterschied! Meine Träger niedergeschlagen; ich von den
heftigsten Schmerzen gequält; mein Reisegefährte ebenfalls krank.
Schweigend und traurig zogen wir daher; das einförmige Hei! Hei! Hei!
der Träger[8] war alles, was von Zeit zu Zeit die melancholische
Stille unterbrach. So kamen wir Mittags nach Kalurie, wo wir ganze
Heerden calecuttischer Hühner sahen, und übernachteten bei Madupatte
unter Bäumen in freier Luft. Mein Schmerz war unerträglich; ich konnte
keine Viertelstunde ruhen; wir machten uns daher noch vor Sonnenaufgang
auf den Weg.

Der Boden ward sandiger, die Landschaft kahler, die Bevölkerung
schwächer; alles kündigte die Nähe des Meeres an. Indessen fanden
wir doch noch ein sehr schönes Dorf, Anenabob genannt, wo zu Mittag
gegessen ward. Nachmittags passirten wir den Gondakama in einem
Sangarie (hohlen Cocosstamme) und kamen Abends nach Pandalur, das
ganz mit Betelgärten umgeben ist. Ich hatte eine sehr traurige
Nacht. Gegen Morgen indessen bekam ich einige Linderung, und durfte
einer erträglichen Tagereise entgegen sehen. Sie bot jedoch nichts
Merkwürdiges dar. Wir hielten Mittags zu Binganapilli an, und
übernachteten zu Aschacoldindi, das in der Nähe des Meeres liegt.
Die Chauderie war völlig leer; ich ließ daher meinen Palankin
hineinbringen, und fiel in einen tiefen Schlaf.

Als ich am andern Morgen erwachte, war der Schmerz in meiner Hand
beinahe verschwunden, allein der Finger völlig fühllos, folglich der
Brand nur zu gewiß. Eilends rief ich meine Träger herbei. -- »Ich muß
nach Madras, Freunde« -- sagte ich -- »Nach Madras, oder es ist um mich
geschehen. -- Ich muß Tag und Nacht durch reisen, oder es ist keine
Hülfe mehr für mich!« --

Meine Kulies sahen einander an, und gaben dann einstimmig ihre
Einwilligung. -- »Ja Herr!« -- riefen sie -- »Wir wollen bei euch
aushalten; wir wollen euch nach Madras bringen, verlaßt euch darauf!«
-- Ich nahm nun noch sechs andere Träger, theils zum Ablösen, theils
zum Fackeltragen an, und die Reise ward fortgesezt.

Dieser Tag war einer der traurigsten meines Lebens, dessen ich mich
erinnern kann. Er endigte jedoch mit einer Entdeckung, worüber
ich allen meinen Schmerz vergaß. Gegen vier Uhr Nachmittags kamen
wir nämlich durch Nebabpent, ein großes, wegen eines alten Tempels
berühmtes Dorf. Diesem Tempel gegen über war ein schöner Weiher, mit
einer Menge Badender angefüllt, worunter sich an dem einen Ende auch
ein Haufen junger Mädchen befand. Ziemlich flüchtig hatte ich auf diese
Gruppen hingeblickt, als ich plözlich einen durchdringenden Schrei
vernahm. Die Stimme schien mir bekannt, ich sah noch einmal hin, und
sah -- O gütiger Himmel! -- sah Mamia, die liebliche Tänzerin, die eben
aus dem Bade gestiegen war.

»Halt! Halt!« -- rief ich den Trägern zu, sprang aus dem Palankin,
und flog auf das Mädchen zu. -- »O Mamia! Geliebte Mamia!« -- sagte
ich -- »Wie oft habe ich an dich gedacht!« -- Nie hatte ich sie so
reizend gesehen. Sie glich in ihrem feuchten, die schönen Glieder dicht
umschließenden Gewande, einer dem Meere entstiegenen Huldgöttin. --
»O mein Herr!« -- erwiederte sie mit holdem Erröthen -- »Aller Augen
sind auf uns gerichtet!« -- »Wohl süße Mamia!« -- gab ich zur Antwort
-- »Ich spreche dich in der Chauderie.« -- Sie bejahte es mit einem
himmlischen Lächeln, und eilte mit ihren Gespielinnen zurück. Wir aber
nahmen so fort von der Chauderie Besiz.




                         Sechzehntes Capitel.


Indessen war ich nicht wenig verwundert, weder die Juntries
(Spielleute) noch die Bagage der Tänzerinnen daselbst zu sehen. War
es ein Mißverstand? Hatten sie einen andern Lagerplatz? -- Oder waren
sie plözlich abgereist? -- Beinahe fieng ich an ungeduldig zu werden,
als die Daja mit vielen Grüßen von Mamia erschien. Sie waren in einem
Mangabusche gelagert, in wenig Minuten würde sie bei mir seyn. Ich gab
der Alten einige Rupien, ließ noch mehr Lampen anzünden, und harrte des
lieblichen Mädchens am Eingange der Chauderie. Endlich erschien sie,
doch des Wohlstandes halber die Daja mit ihr.

Sie verbeugte sich, ohne ein Wort zu sagen; allein das Klopfen ihres
Busens verrieth, wie sehr sie in Bewegung war. Ich führte sie sogleich
zu einem Teppich, und bot ihr Betel an. -- »Freue dich, schöne Mamia!«
-- sagte ich -- »Du bist gerächt!« -- Und hiermit erzählte ich ihr die
ganze Geschichte meiner Leidenschaft.

»O mein Herr!« -- erwiederte sie -- »Ich habe sie längst entschuldigt.
Ich erkenne mein Schicksal, das mich auch in meiner Liebe verfolgt!«
-- So erklärte sie mir mit sanftem Erröthen den ganzen Zusammenhang.
-- »Mein Herz war immer bei Ihnen!« -- fuhr sie fort -- »Ich klage
niemand als mein Unglück an!« -- Sie war aus der Caste der Aerzte,
und nur aus Noth eine Tänzerin geworden[9], da sie sich nach dem Tode
ihrer Eltern gänzlich verlassen sah. Für meine Hand versprach sie mir
einen köstlichen Balsam zu bereiten, und eilte deshalb sofort zu dem
Lagerplatze zurück.

Während ihrer Abwesenheit unterhielt mich die Daja sehr lebhaft von
ihr. Sie konnte mir nicht beschreiben, wie betrübt das gute Kind über
meine Gleichgültigkeit und meine Abreise gewesen war. Nach einer
kleinen halben Stunde war das liebliche Mädchen schon wieder mit dem
Balsam da, und verband meine Wunde mit vieler Geschicklichkeit. Ich
konnte mich nicht enthalten, sie an mein Herz zu drücken, und sie
erwiederte meinen Kuß mit Zärtlichkeit.

»Ach!« -- rief sie wehmüthig aus -- »Das ist ja doch das Leztemal, daß
ich sie sehen kann!« -- »Das Leztemal?« -- fragte ich bestürzt -- »Wie
meinst du das lieblichste Mamia?« -- »Ach mein Herr! Ich fürchte es
wenigstens!« -- erwiederte sie, und erzählte nun, wie weder sie, noch
die Daja, noch irgend eine ihrer Gespielinnen jemals in Madras gewesen
sey. -- »Wie werde ich sie wiederfinden können?« -- fuhr sie fort --
»Ach nimmermehr! -- Ich werde vor Sehnsucht sterben; ich fühle es.« --
Ihre Thränen flossen; sie verbarg ihr Gesicht an meiner Brust.

»Nein, bei Gott nicht!« -- rief ich mit Lebhaftigkeit aus -- »Bei Gott
nicht!« -- »Hier Mamia!« -- indem ich eine Ola[10] herausnahm. --
»Hier Mamia, hast du Namen und Wohnung von drei Freunden, bei denen
du mich aufsuchen kannst.« -- Zu gleicher Zeit schrieb ich ihr noch
mein Speisehaus u. s. w. auf. -- »So wirst du mich nicht verfehlen,
liebstes Herz!« -- fuhr ich fort, und hatte die Freude, sie beruhigt zu
sehen.

Mein Entschluß war gefaßt, Mamias Zukunft für immer bestimmt. Noch
eine Umarmung, und ich stieg in den Palankin. Meine Träger hatten fünf
Stunden geruht; mit brennenden Fackeln zogen wir zum Dorfe hinaus. Die
Nacht war still und schön; bald schlief ich unter den lieblichsten
Erinnerungen ein. Als ich am andern Morgen erwachte, lag die herrliche
Landschaft schon in vollem Sonnenglanz. Ich war sehr vergnügt; meine
Wunde ließ sich vortrefflich an. Sorgfältig goß ich von Zeit zu Zeit
neuen Balsam darauf.

Mittags hielten wir in Jasurpalam, in einer etwas kleinen, aber sehr
reinlichen Chauderie an. Bald darauf kamen noch drei andere Reisende
zu uns. Es war ein Mr. Harclay mit seinem Intendanten und Secretär.
Er kam von Madras, und gieng als Gouverneur nach Mazulipatnam. Wider
Gewohnheit der Engländer war er sehr gesprächig, und lud mich zum
Mittagsessen ein. Er gestand mit vieler Offenherzigkeit, daß er blos,
um ein Paar Plumbs[11] zusammenzubringen, nach Ostindien gekommen sey.
Nach einigen Stunden brachen wir wieder auf, und ruhten dann die halbe
Nacht zu Kukenpuron. Am folgenden Morgen kamen wir zu Palliacatta, und
so am vierzehnten Tage zu Madras an.




                        Siebenzehntes Capitel.


Ich war bei meinem alten Freund ~Frank~ abgetreten, und lernte
durch diesen einen französischen Arzt, Namens ~Beißer~ kennen,
der seiner Geschicklichkeit wegen, in großem Rufe stand. Doctor Beißer
besah meine Wunde, zuckte die Achseln, nahm einige Operationen vor,
und legte einen neuen Verband an. Nur Mamias Balsam mußte ich es
verdanken, wenn noch Möglichkeit zur Rettung vorhanden war. Während
wir so von meinen Abentheuern sprachen, kam endlich Doctor Beißer auf
meinen Namen zurück.

»Aber Haafner! Haafner!« -- sagte er -- »Der Name kommt mir so bekannt
vor. War ihr Vater vielleicht aus Kolmar?« -- Ich bejahte es. -- »Und
ihr Großvater Bürgermeister daselbst?« -- »Ganz richtig!« -- erwiederte
ich -- »Nun so seyn Sie mir herzlich willkommen, liebster Vetter« --
rief er auf einmal zu meiner Verwunderung aus, und umarmte mich. --
»Ihres Vaters Schwester war meine Schwiegermutter; ich bin ebenfalls
aus dem Elsaß.« -- Nun ruhte der gute Mann nicht länger; ich mußte noch
denselben Tag zu ihm ziehen.

Er war von Isle de France hierher gekommen, und hatte sich durch
einige glückliche Kuren, in kurzer Zeit eine sehr ansehnliche Praxis
verschafft. Dies sezte ihn in den Stand auf einem höchst glänzenden
Fuße zu leben, so daß sein Haus den reichsten Kaufmannshäusern ähnlich
war. Unter seiner Aufsicht ließ sich nun meine Wunde immer besser an,
und heilte endlich vollkommen zu. Auch das hatte ich also im Grunde dem
lieben Mädchen zu danken, deren Ankunft ich sehnsuchtsvoll entgegensah.

Bald waren indessen vierzehn Tage vergangen, und noch immer hatte
ich keine Nachricht davon. Doch endlich kam ein Juntrie, und brachte
mir tausend Grüße von ihr. Ich folgte ihm außerhalb der Stadt in ein
Wäldchen, wo die ganze Truppe gelagert war. Wenig Minuten und Mamia
sank mit süßem Erröthen an meine Brust. -- Ich erfuhr nun, daß ihre
Ankunft blos durch eine Unpäßlichkeit der Daja verzögert worden war,
und daß sie die Gesellschaft verlassen könnte, so bald ich es für
dienlich hielt.

»Wohlan denn, liebstes Herz!« -- sagte ich -- »Das soll den Augenblick
geschehen!« -- Und so bat ich sie, mich in die Stadt zu begleiten,
und die für sie bestimmte Wohnung zu besehen. Ich hatte ihr nämlich
in einem malabarischen Hause, bei einer alten Wittwe, ein Paar artige
Zimmer gemiethet, und auch für eine Aufwärterin gesorgt. So brachen
wir auf; ein Juntrie trug die Sachen des lieben Mädchens, und ehe zwei
Stunden vergiengen, war alles in Ordnung gebracht. Noch denselben Tag
nahm ich das erste Abendessen bei dem holden Mädchen ein. -- Von nun an
war der Tag meinen Geschäften, der Abend meiner Liebe geweiht. Doch,
ehe wir Madras verlassen, noch einige Bemerkungen über diese Stadt.

Madras, von den Eingebornen Tschinepatnam (Chinesenstadt) genannt, wird
in die weiße und schwarze Stadt eingetheilt. Jene von vier bis fünf
hundert Häusern, und mit einer Menge großer Magazingebäude, befindet
sich in der Mitte der starkbefestigten Citadelle, Fort St. George
genannt, das hart am Strande liegt. Diese, durch einen großen Plaz
davon getrennt, hat ungefähr eine Stunde im Umfang. Die weiße Stadt
ist der Siz der Regierung, auch wohnen die vornehmsten und reichsten
Leute daselbst. Die schwarze Stadt wird hauptsächlich von Malabaren,
Armeniern, Mestizen u. s. w. bewohnt, doch trifft man auch hier viel
Engländer an.

Die englischen Häuser in der weißen, so wie die armenischen in der
schwarzen Stadt, zeichnen sich durch ihren Umfang und ihre Nettigkeit
aus. Sie sind von Quadern oder Backsteinen, glänzend weiß angestrichen,
und mit Balkons, und platten Dächern versehen. Glasfenster findet man
nirgends, wohl aber welche von Bambusfäden, auch sogenannte Jalousien;
die malabarischen Häuser u. s. w. in der schwarzen Stadt sind äußerst
einfach, und haben alle nur ein Erdgeschoß.

Der Boden von Madras ist dürres Sandland, wo man nur mit Mühe einige
Produkte ziehen kann. Das Wasser ist schlecht. Man muß sich mit
Brunnen- und Teichwasser behelfen, weil das Seewasser alle Quellen
verdirbt. Die Rhede ist unsicher; die Schiffe befinden sich wie
in offener See, zumal bei Veränderung des Moußon (Jahreszeit).
Ehedem mußten daher die englischen Kriegsschiffe, vor Eintritt des
Regenmonßon, immer nach Bombay abgehen, und die englischen Besitzungen
auf der Küste, blieben allen feindlichen Angriffen von Trinconomale
(auf Ceylon) ausgesezt. Seitdem sich aber die Engländer dieses
wichtigen Punktes, so wie der ganzen reichen Insel bemächtigt haben,
können sie nicht nur ihre Flotten in der Nachbarschaft überwintern
lassen, sondern auch vor jedem Angriffe sicher seyn. Die englischen
Einwohner von Madras leben im Allgemeinen auf einem sehr glänzenden
Fuß. Der Gouverneur giebt den Ton an, und alles ahmt ihm nach, so
weit es möglich ist. Dieser asiatische Pomp zeigt sich vorzüglich in
einer zahlreichen Dienerschaft, in glänzenden Equipagen, in prächtigen
Wohnungen, in schönen Gartenhäusern, in einer vortrefflichen Tafel
und einer großen Gastfreiheit. Freilich sezt dies sehr ansehnliche
Einkünfte voraus; allein diese fehlen auch nicht. Sowohl die höhern,
als die niedern Compagniebeamten beziehen sehr hohe Gehalte, und
erwerben überdem durch Handelsgeschäfte außerordentlich viel. Die
eigentlichen Kaufleute, die Mäkler, die Aerzte und Wundärzte, die
Advokaten u. s. w. alle häufen in kurzem ansehnliche Reichthümer auf.

Mit Anbruch des Tages, d. h. um fünf Uhr Morgens steht man auf, und
fährt oder reitet spazieren bis gegen acht Uhr, wo gefrühstückt wird.
Dies ist zugleich die beste Zeit, wo man jedermann zu Hause treffen,
und Geschäfte machen kann. Die Büreauarbeit hat von neun bis zwei
Uhr statt. Jezt wird gespeist, worauf die Siesta (Nachmittagsschlaf)
folgt. Um fünf Uhr fangen die Assembleen an. Um neun Uhr wird zu
Abend gegessen, was hier die Hauptmahlzeit ist. Selten pflegt man vor
Mitternacht, in der Regel, erst gegen ein Uhr schlafen zu gehen.

Ein stehendes Theater giebt es nicht, doch finden zuweilen
Vorstellungen von Liebhabern statt. Dafür werden desto mehr
Pferderennen mit indischen und arabischen Pferden gehalten, wozu
man die kühlen Morgenstunden wählt. Gelegenheit zu Landparthien u.
s. w. giebt es mancherlei, z. B. nach dem St. Thomasberge, wo noch
ein portugiesisches Kloster ist, nach Emnore, wo man das Seebad
brauchen kann, nach Meliapar, wo sehr viel artige Landhäuser sind, und
dergleichen mehr.

Eines der angenehmsten Ereignisse für Madras ist die Ankunft eines
~Indiaman~, oder großen Compagnieschiffes, wovon die meisten auf
vier und dreißig Canonen gebohrt sind. Dann ist alles voll Leben und
Thätigkeit, und überall werden die neu angelangten Waaren zum Verkaufe
ausgestellt. Die Beamten der Compagnie haben dabei den Vortheil, daß
ihnen Tuch und Maderawein für den Facturenpreis überlassen werden
muß. Sehr angenehm ist auch die Ankunft der großen Chinafahrer auf
ihrer Rückreise nach England. Sie bringen die schönsten Seidenzeuge,
Nankins, Frauenzimmerschuhe, Porcellanwaaren, Gemälde, Fächer,
Spielsachen u. s. w. mit.




                         Achtzehntes Capitel.


Ich kehre zu meiner Geschichte zurück. Meine Verhältnisse erlaubten
mir, meiner Neigung zum Landleben zu folgen, und mich von allen
Geschäften völlig zurückzuziehen. Allein um dieses ausführen zu können,
mußte ich durchaus noch eine Reise nach Pondichery machen, wo ich in
weitläuftigen Verbindungen stand. Theils der Ersparniß, theils der
Schnelligkeit wegen, beschloß ich diesmal zu Wasser zu gehen, und
brachte den Abend vor der Abreise, wie gewöhnlich bei Mamia zu.

Sie war mit meinen Angelegenheiten bekannt; sie wußte wie nothwendig
diese Reise war. Kaum hörte sie mich aber vom Schiffe sprechen, als
sie zu weinen anfieng. Sie fürchtete das Meer, sie bat mich aufs
zärtlichste, zu Lande zu gehen. Allein es ließ sich nun nicht ändern,
ich suchte sie daher zu beruhigen, und verließ sie endlich nach
Mitternacht. Jezt nach einigen Stunden Ruhe begab ich mich an den
Strand, um mit einer Chialeng (Ruderboot) nach dem Schiffe zu fahren,
das bereits auf der äußeren Rhede lag.

Indem ich mich der Chialeng näherte, erblickte ich zwei Frauenzimmer
dabei, und erkannte sie bald für Mamia und ihre Begleiterin. -- »Herz
meines Herzens!« -- sagte sie -- »Ich mußte dich noch einmal sehen! Ich
wollte dich um Erlaubniß bitten, dich auf das Schiff zu begleiten; es
ist mir, als würde ich dann ruhiger seyn!« --

Vergebens suchte ich ihr dies auszureden, besonders der ungewöhnlich
hohen Brandung wegen; sie bat nun noch dringender darum -- »Gerade
deswegen!« -- fuhr sie fort -- »Wenn dir ein Unglück begegnet, bin ich
wenigstens bei dir!« -- So willigte ich endlich ein, um ihr nicht wehe
zu thun.

Allein, wie groß war mein Erstaunen, als ich die Chialeng fast ganz mit
Waarenballen angefüllt sah. -- »Was ist das?« -- fragte ich unwillig
-- »Ist das unserm gestrigen Accorde gemäß?« -- Der arme Tandel
(Steuermann) erzählte mir nun, daß die Chialeng von dem Hafenmeister
gepreßt worden sey. Wirklich trat auch in dem Augenblick ein Seecadet
auf uns zu, und befahl ihm ungestüm in See zu gehen.

Ich fühlte, daß gegen Gewalt nichts auszurichten war, und schränkte
mich daher blos auf Vorstellungen ein. -- »Die Brandung geht zu hoch!
Es ist unmöglich, daß die schwere Chialeng hinüber kommt.« -- Der arme
Tandel bestätigte es -- »Gott ist groß!« -- sezte er bedeutend hinzu --
Allein vergebens, der junge tollkühne Midshipmann bestand darauf.

Was sollte ich thun? Alle meine Papiere befanden sich bereits an Bord.
Wenn ich das Schiff absegeln ließ, war ich völlig ruinirt. Noch stand
ich unschlüßig, als Mamia beherzt in die Chialeng sprang, und so alles
entschied. Wir waren nun nebst den sechs Ruderern vier Passagiere
zusammen, indem außer dem Seecadet, noch eine alte Mestize dazu
gekommen war.

Allein kaum hatten wir uns einige Klaftern vom Ufer entfernt, als die
Chialeng kaum eine Hand breit Bord behielt. Ich winkte daher meinem
Dobasch (Bedienten) der am Ufer stand, uns ein Paar Kattamarans (kleine
Flöße) nachzuschicken, was auch sofort bewerkstelligt ward. Indessen
wälzte sich bereits die erste Woge mit donnerndem Getöse gegen die
Chialeng. Der Tandel that sein möglichstes derselben auszuweichen;
dennoch stürzte sie zum Theil auf uns herab, und die Chialeng sank bis
auf einige Zoll ins Wasser. Jeder Augenblick war kostbar -- »Komm,
Mamia!« -- rief ich, und sprang mit ihr Hand in Hand über Bord. --
Indem brach die Brandung wie ein niederschmetterndes Gewölbe über mich
her. Als ich wieder empor kam, war die Chialeng verschwunden, und Mamia
befand sich dicht hinter mir. Muthig schwammen wir nunmehr dem Ufer zu,
das ungefähr nur noch hundert Schritte von uns entfernt war.

Plözlich fühlte ich mich in die Tiefe gezogen, und erblickte mit
Entsetzen die alte Mestize, die sich an meinen Kleidern festhielt.
Vergebens suchte ich mich loszureißen; sie hatte mich im Todeskampfe
gefaßt. -- »O Mamia!« -- rief ich -- »Ich bin verloren! Rette dich!« --
»Nein!« -- erwiederte sie -- »Ich verlasse dich nicht.« -- In diesem
Augenblicke stürzte die lezte Brandung über uns her, und ich verlor das
Bewußtseyn.

Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich am Strande, von einer Menge
Menschen umringt, in einem Palankin. Ich erblickte meinen Dobasch, und
fragte nach Mamia. -- »Sie ist gerettet, lieber Herr!« -- erwiederte
er. -- Freudig hieß ich ihn nach dem Schiffe fahren, um meine Sachen
zu holen, und ward so glücklich nach Hause gebracht. Bald kam mein
Dobasch mit den Coffres zurück. Jezt erfuhr ich, wie alles zugegangen
war. Mamia hatte mich mit unsäglicher Anstrengung emporgehalten, bis
uns der eine Kattamaran zu Hülfe kam. Indem wir so sprachen, flog sie
mit einem lauten Schrei in meine Arme, und drückte mich aufs innigste
an sich. Zu ihrer großen Freude beschloß ich nun zu Lande zu gehen.

Alle Anstalten waren gemacht; Mamia lag zum leztenmale an meiner Brust.
-- »Ach!« -- sagte sie weinend -- »Ach Freund meiner Seele, komm so
bald als möglich zurück, wenn ich dich noch einmal sehen soll!« --
»Hier, hier schmerzt es« -- indem sie die Hand an ihr Herz legte
-- »Ich fürchte, du findest mich todt!« -- Es war ein wehmüthiger
Abschied. -- Nach einem langen, heißen Kuße riß ich mich endlich los.




                         Neunzehntes Capitel.


Es war gerade drei Uhr Nachmittags; langsam zogen wir durch den
Schattengang, der von Madras nach St. Thomas (indisch Maliapur) führt.
Hinter diesem Dorfe fingen die Verwüstungen des lezten Krieges
an, alles war daher mit Ruinen bedeckt. Zum Glück hatten wir uns
hinlänglich mit Lebensmitteln versehen.

Am dritten Tage kamen wir durch das Thal Maweliewarom, das seiner
wunderbaren Ruinen wegen berühmt ist. Man sieht hier nämlich eine
Reihe von Tempeln, Piramiden, Chauderies, Gewölben u. s. w., die
sämmtlich aus einem Stücke in den Felsen gehauen sind. Mit Ehrfurcht
betrachtet man diese Ueberreste einer eben so kühnen, als romantischen
Architektur, aus den ersten Jahrtausenden der Welt.

Am merkwürdigsten sind sieben Tempel, die sich in gerader Linie, einer
hinter den andern, vom Strande aus, über eine Meile weit, ins Meer
hinausziehen. Der erste steht beinahe noch ganz auf dem Lande, das
Wasser steigt nur bei sehr hohen Fluthen hinein. Die vier folgenden
ragen immer weniger, die zwei lezten fast gar nicht aus dem Meere empor.

Noch weiter in den See hinaus, erblickt man eine Menge ähnlicher
Ruinen, die bei hohem Wasser sehr gefährlich sind. Die sieben Pagoden
von Maweliewarom, pflegen daher auf allen Seekarten bemerkt zu seyn.

Alle diese ungeheuren Gebäude hält man für die Ueberreste einer
der ältesten und größesten Städte von Indien, deren Geschichte
indessen in tiefer Nacht verborgen liegt. Blos ein berühmtes
indisches Heldengedicht (Mahebaroth) erwähnt des mächtigen Königs
Joudishter, der daselbst residirt haben soll. Wie dem indessen
auch seyn mag; die Aufführung solcher Massen beweißt einen hohen
Grad artistisch-scientifischer Cultur. Das Ganze muß übrigens von
unermeßlichem Umfange gewesen seyn, da nicht nur das Thal, sondern
auch ein so beträchtlicher, jezt vom Meere verschlungener, Küstenstrich
damit bedeckt war. Mitten unter diesen Denkmälern längstverschwundener
Generationen, findet man ein kleines, meistens von Braminen bewohntes
Dorf, an dessen Eingange die Chauderie steht.

Indessen pflegen nur wenig Reisende hier zu übernachten, weil alles
mit Tigern, Schakals u. s. w. angefüllt ist. Da wir uns aber zu lange
aufgehalten hatten, schien es noch weniger räthlich, in der Dämmerung
weiter zu gehen. Wir beschlossen daher, vor der Chauderie ein großes
Feuer anzuzünden, und wechselweis dabei Wache zu halten, wo mich dann
nach dem Abendessen die erste Wache traf.

Es war fast Mitternacht, der Mond gieng hinter den waldigen Gebirgen
unter, und goß sein schwindendes Licht auf die gigantischen Ruinen
einer Pagode herab. Bald lag nun alles in Dunkelheit; kein Lüftchen
wehte; kein Blättchen rauschte; selbst das Heulen der Schakals
hatte aufgehört. Da starrte ich hinaus in die schwarze Nacht, und
auf das einsame Thal, wie auf das Grab einer entschlafenen Welt.
O Menschenleben! O Menschengröße! Augenblicke -- Jahrtausende! --
~Ein~ Tropfen aus dem Ocean der Ewigkeit.

Am sechsten Tage kam ich durch lauter verwüstete Gegenden in Pondichery
an, und fand in dem deshalb bezeichneten Wirthshause bereits einen
Brief von Mamia, der den Tag nach meiner Abreise abgegangen[12]
war. Sie schrieb mir in den zärtlichsten Ausdrücken, und hoffte
mich unverzüglich wieder zu sehen. Ihre Brustbeschwerden schienen
zuzunehmen, doch war sie im übrigen vollkommen wohl. Ich selbst ward
aber leider nunmehr von einem Fieber befallen, das mich nun alle Tage
im Bette hielt. Unterdessen hatte ich dem lieben Mädchen geantwortet,
und ihr versprochen, in zehn, zwölf Tagen wieder in Madras zu seyn.

Schon stand ich jezt im Begriffe, meine Rückreise anzutreten, als
ich von meinem Dobasch einen Brief mit der Nachricht erhielt, daß
Mamia plözlich verschwunden sey. Ein Gunekare (Wahrsager) hatte ihr
einige Tage vorher, ihren Horoscop gestellt, und ihr die nahe Trennung
von ihrem Geliebten vorhergesagt. Seit diesem Augenblick hatte sie
unaufhörlich geweint, und ihre Brustschmerzen dadurch vermehrt. In
ihrem Zimmer war jedoch nicht die mindeste Anzeige von einer Reise zu
finden; im Gegentheile waren Juwelen, Kleider u. s. w. in der besten
Ordnung. Ich gestehe es, ich erschrack über diese Nachricht so sehr,
daß ich mich kaum zu fassen im Stande war.

So hatte ich einige Tage in großer Unruhe zugebracht, als eines
Abends ein Malabar bei mir erschien, der gerade von ~Omur~ kam.
Er brachte mir Nachrichten von Mamia; sie war krank, und befand
sich in dem Hause seiner Mutter, die ebenfalls von der Caste der
Tänzerinnen war. -- »Wie?« -- rief ich mit wehmüthiger Freude aus: --
»Krank, und zu Omur?« -- »Ja Herr!« -- erwiederte der Juntrie, und
erzählte mir den Zusammenhang. Mamia kam wirklich von Madras, und
wollte nach Pondichery. Sie hatte diese Reise so eilig angetreten, daß
sie nun gefährlich darnieder lag. Die Daja hatte den Juntrie auf ihr
ausdrückliches Verlangen abgeschickt: -- »Sie wünsche mich vor ihrem
Tode nur noch einmal zu sehen.«

Man denke sich meine Empfindungen. -- Soviel Liebe, soviel
Anhänglichkeit! Und ich sollte ~sie~ verlieren, die mein Alles
war! -- Schnell ließ ich einen Palankin kommen, reiste die ganze Nacht,
und kam schon Morgens um sieben Uhr zu Omur an. Da stand ich nun mit
klopfendem Herzen vor dem kleinen malabarischen Häuschen, das meine
geliebte Freundin verbarg, während der Juntrie hineingegangen war, und
der Daja von meiner Ankunft Nachricht gab.

Die gute alte Frau erschien, und erzählte mit thränenden Augen, wie
alles zugegangen war. Mamia hatte seit meiner Abreise keinen ruhigen
Augenblick gehabt. Nichts war im Stande gewesen, sie von der Reise nach
Pondichery abzubringen; sie wollte, sie mußte mich noch einmal sehen.
Aber am fünften Tage hatte sie ein heftiges Fieber bekommen, und war
halbtodt in Omur angelangt.

Der Juntrie kam uns jezt zu sagen, daß Mamia aufgewacht sey. Die Daja
gieng hinein, sie auf meine Ankunft vorzubereiten; ich hörte meinen
Namen nennen, und folgte ihr auf dem Fuße nach. Mamia lag auf einer
Matte ausgestreckt. Ihr himmlisches Gesicht war todtenbleich; ihr
ganzes Ansehen zeigte die höchste Erschöpfung an. Aber kaum ward sie
mich gewahr, so richtete sie sich auf, und breitete ihre Arme nach mir
aus. -- »Ach mein bester Freund!« -- rief sie mit heißen Thränen --
»Wie bist du so gut! -- Nun will ich gern sterben, habe ich dich doch
noch einmal gesehen!« --

Ich suchte sie zu trösten, aber vergebens -- »Ach Gott!« -- fuhr sie
fort -- »Nein! Für mich ist keine Hülfe mehr, ich fühle es nur zu gut!
Mein Schmerz ist tödlich; meine Augenblicke sind gezählt! Geliebtester!
Ich habe nur noch eine Bitte an dich!« --

»Und was soll ich für dich thun, o Einzige meines Lebens« -- sagte ich.
--

»Du bist mir Alles! Ich habe keinen Freund als dich! Zünde du meinen
Scheiterhaufen an!« --

Ich versprach es ihr -- Sie legte ihr Haupt an meine Brust, und hob
ihre brechenden Augen noch einmal voll Zärtlichkeit zu mir empor. --
»Leb wohl, Geliebtester! -- Leb ewig wohl!« -- Dies waren ihre lezten
Worte, und so entschlummerte sie.

Nichts von meinen Empfindungen; einen solchen Schmerz hatte ich
noch nie gefühlt. Das holde theure Mädchen war das Opfer ihrer
Zärtlichkeit. Erst seit jenem schrecklichen Tage, wo sie mich rettete,
hatte sie über Brustbeschwerden geklagt.

»Theure, geliebte Seele!« -- rief ich mit heißen Thränen -- »Ach! Ohne
dich ist das Leben nur eine Marter für mich!« -- Traurig vergieng der
Tag; die Braminen richteten alles zum feierlichsten Begräbnisse ein.
-- Zum leztenmal sah ich das himmlische Gesicht -- die Flamme loderte
auf -- der unsterbliche Theil meiner Geliebten stieg zu Brama empor. --
Lebt wohl, ihr Gestade Ostindiens! -- Ich kehrte nach Pondichery, und
bald darauf nach Europa zurück!




                          Zweite Abtheilung.


                           ~Ch. Fr. Tombe.~




                               ~Quelle.~


      =Voyage aux Indes Orientales etc. par ~Ch. Franc. Tombe.~

                       Paris VI. Vol. 8. 1810.=




                           ~Erstes Capitel.~


Ich war Ingenieur-Capitain, und hatte seit 1796 bei der Nord- und
Rheinarmee alle Feldzüge mitgemacht. Allein nach dem Frieden von Amiens
(1802) ward ich auf Pension gesezt, was für mich, als Familienvater,
sehr traurig war. Ich suchte nun irgend eine passende Stelle zu
erhalten, meine Bemühungen hatten jedoch keinen Erfolg. Endlich ward
ich mit einem Kaufmanne aus Isle de France bekannt, der daselbst
ansehnliche Plantagen besaß. Er that mir den Vorschlag, ihn dahin zu
begleiten, versprach mich als Supercargo nach Ostindien zu senden, und
bestimmte mich ohne viel Mühe zur Annahme seines Antrags. Ich erbat,
und erhielt hierauf den nöthigen unbestimmten Urlaub, wieß meiner
Familie inzwischen meine Pension an, und schiffte mich endlich am 24.
September 1802 mit meinem neuen Freunde, nach unserer Bestimmung ein.

Unsere Ueberfahrt bis nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung bot wenig
Merkwürdiges dar. Wir waren neun und dreißig Passagiere, worunter
fünfzehn Frauen, an Bord, so daß es gar sehr an Bequemlichkeit gebrach.
Am 25. December Vormittags um 4 Uhr, erreichten wir das Cap, wo noch
die englische Flagge wehte, aber auch eine holländische Flotte vor
Anker lag. Wie gewöhnlich, kamen sofort zwei Gesundheitsbeamten u. s.
w. zu uns, ließen uns sämmtlich die Musterung passiren, und erlaubten
uns, nach einer kurzen Berathschlagung ans Land zu gehen. Wir hörten
jezt, daß der englische Gouverneur, General Dundas, das Cap an die
Holländer zurückzugeben im Begriffe war.

Was ich über die Capstadt sagen könnte, ist bekannt; überdem war mein
Aufenthalt äußerst kurz. Die Uebergabe war auf den 1. Jan. 1803
festgesezt, die Einwohner bereiteten eine Menge Feierlichkeiten vor.
Plözlich am 31. December Nachmittags kam eine englische Corvette an.
Sie hatte die Reise von Plymouth in neun und fünfzig Tagen gemacht,
und brachte wichtige Depeschen an den General Dundas mit. Er erhielt
nämlich Befehl, die Uebergabe aufzuschieben, wenn es noch irgend
möglich sey. Schon waren fünfzehnhundert Mann von den englischen
Truppen eingeschifft, und sollten in einigen Tagen nach Ostindien unter
Segel gehen. Vier und zwanzig Stunden später, und Alles hätte eine
andere Gestalt gehabt! So aber wurden die Truppen wieder ausgeschifft,
die Posten verdoppelt, und die Holländer in die Caserne gesperrt. Die
Bestürzung der Einwohner war unbeschreiblich.

Bald darauf verbreitete sich das Gerücht vom nahen Ausbruche eines
neuen Krieges, und einem provisorischen Embargo. In diesem Falle
wartete unserer förmliche Kriegsgefangenschaft. Zum Glück ward
indessen dem Capitain abzusegeln erlaubt. Wir begaben uns daher
noch denselben Abend wieder an Bord. Endlich am 2. Januar kamen wir
glücklich in See, und am 6. Februar liefen wir in Port Louis, auf Isle
de France ein. So hatten wir die ganze Reise in fünftehalb Monaten
gemacht.

Während dieser Zeit war mir mein neuer angeblicher Freund bereits nicht
wenig verdächtig geworden, aus Gründen, die ich eher andeuten, als
sagen kann. Wirklich fand ich mich auch bei meiner Ankunft auf Isle de
France sehr bitter getäuscht; jedermann rieth mir von dieser Verbindung
ab. Ich trennte mich daher augenblicklich von ihm, und dachte auf eine
Unternehmung auf eigene Hand. Ein Pariser Freund hatte mir mehrere
Wechsel auf hiesige Häuser anvertraut. Ich beschloß Waaren dafür
einzukaufen, und damit nach Pondichery zu gehen. Allein die Schuldner
waren nicht zahlungsfähig; man denke sich daher meine Verlegenheit.
Noch war ich dem Capitain achtzehnhundert Livres für meine Ueberfahrt
schuldig, und hatte keinen Sol zu meinem Unterhalt. Das einzige,
worauf ich hoffen konnte, war eine Anstellung in Pondichery, zu dessen
Besizergreifung Admiral Linois eben abgegangen war. Unterdessen nahm
ich eine Hofmeisterstelle in einem Hause an, wo ich die liberalste
Behandlung fand.

So waren an sechstehalb Monate vergangen, als mein Schicksal plözlich
eine andere Wendung bekam. Am 17. August Morgens lief nämlich die
französische Fregatte la belle Poule, Capitain Bouillac, hier ein.
Sie gehörte zur Division des Admirals Linois, und überbrachte die
Nachricht, daß die Uebergabe von Pondichery verweigert worden sey.
Da dies den nahen Ausbruch eines neuen Krieges anzudeuten schien,
ward sofort auf den Batterien Alles in Vertheidigungsstand gesezt.
Nachmittags um zwei Uhr ankerte der Admiral selbst mit seiner ganzen
Division. Wenig Tage nach seiner Ankunft auf der Rhede von Pondichery
hatte er nämlich Depeschen aus Frankreich erhalten, mit dem Befehle,
sogleich nach Isle de France unter Segel zu gehen. Dem zu Folge hatte
er in der Nacht die Anker gekappt. Am Bord des Admiralschiffes, befand
sich der nach Pondichery bestimmte Generalgouverneur Decaen, und der
Colonialpräfect Leger, dessen Familie zu Pondichery zurückgeblieben
war. Niemand zweifelte mehr am Kriege; doch wußte Niemand etwas
Gewisses davon. Endlich am 28. August kam der Cutter le Berceau,
Capitain Holgan von l'Orient an, und brachte die officielle Bestätigung
mit. Zugleich war der General Decaen zum Generalgouverneur aller
französischen Besitzungen, östlich vom Cap, folglich auch von Isle de
France ernannt. Durch ihn, der sich meiner wohl erinnerte, ward ich
wieder bei dem Ingenieurcorps angestellt. Dabei erhielt ich den Befehl,
mich zu einer geheimen Expedition bereit zu halten, die eben im Werke
war.




                           Zweites Capitel.


Am 9. October bekam ich Befehl mich einzuschiffen, und zwar an Bord
der Corvette Le Berceau, Capitain Helgan. Die Expedition bestand
aus dem Marengo von 80 Kanonen und einigen Fregatten, sämmtlich
unter dem Commando des Admirals Linois. An Landtruppen hatten wir
ein Bataillon bei uns; der Ort unserer Bestimmung indessen war noch
ungewiß. Unterdessen kamen wir glücklich in See. Hier öffneten die
Commandanten ihre versiegelten Befehle, und nun ward alles bekannt.
Der Admiral sollte eine Zeitlang in den indischen Gewässern kreuzen,
die englische Faktorei auf Sumatra zerstören, und dann nach Batavia
gehen. Hier sollten die Truppen, dem Verlangen der Holländer gemäß, als
Hülfstruppen bleiben, wie es schon einmal der Fall gewesen war.

Unser Kreuzzug war indessen, wie es meistens zu gehen pflegt, einförmig
genug. Wir verloren ein Paar Matrosen; wir hatten einige Windstöße
auszuhalten; wir machten mehrere zum Theil sehr reiche Prisen, und
dergleichen mehr. Am 1. December bekamen wir die Insel Sumatra zu
Gesicht; am 2. näherten wir uns der Bay von Bencoule, am 3. in der
Nacht griffen wir die daselbst befindliche Schiffe an. Drei wurden
genommen, die übrigen fünf verbrannt. Zugleich wurden sämmtliche
Magazine der Faktorei zerstört. Am meisten schien uns zu statten zu
kommen, daß man überrascht ward, und uns anfangs selbst für Landsleute
hielt.

Am 12. December Morgens näherten wir uns der Rhede von Batavia,
und wurden von dem kleinen Fort auf der Insel Onruß, wo sich die
Kompagniewerfte befinden, sehr feierlich begrüßt. Indessen machten
die Schiffe auf der Rhede eilige Anstalten unter Segel zu gehn.
Wahrscheinlich sahen sie uns für Engländer an, denn ihre Bewegungen
verriethen Aengstlichkeit. Um sie zu beruhigen, schickte der Admiral
unsere Corvette ab. Wir sezten zu diesem Ende Segel auf Segel bei,
und so war in kurzem die Wachtfregatte erreicht. Nachdem wir diese
unterrichtet hatten, machte sie einige Signale, und alle Schiffe zogen
ihre Flaggen auf. Bald war die Ruhe wieder hergestellt, und die ganze
Division konnte vor Anker gehn.

Wir Offiziere hofften schon den Nachmittag an's Land zu kommen, sahen
uns aber sehr unangenehm getäuscht. Die holländischen Behörden fanden
die Forderungen unseres Kommandanten übertrieben, wollten nichts von
überzählichen Offizieren wissen, und machten Schwierigkeiten aller
Art. Es zeigte sich nachher, daß dies alles von dem holländischen
Oberkommandanten, dem Brigadier Sandoley, einem Schweizer, herkam,
der das ganze Vertrauen des Generalgouverneurs Syberg besaß, und ein
geschworner Feind der Franzosen war. Auf diese Art vergiengen acht
Tage, ehe eine Uebereinkunft wegen des Soldes, der Verpflegung u. s.
w. zu Stande kam. In Folge derselben wurden wir endlich ausgeschifft,
worauf ich meinen Dienst als wirklicher Ingenieur-Capitain antrat.

Die Lage von Batavia ist bekannt. Eben so weiß jedermann, daß es eine
der größten und reichsten Städte in ganz Asien, und der Mittelpunkt
aller holländisch-ostindischen Besitzungen ist. Endlich giebt es von
der regelmäßigen Bauart, den Kanälen, Alleen, Spaziergängen u. s.
w. Beschreibungen in Ueberfluß. Ich füge daher nur einige, weniger
bekannte Bemerkungen hinzu. Das Clima von Batavia ist an und für sich
selbst nicht ungesund, es wird nur bei der Lage und den Umgebungen der
Stadt so mörderisch. Die vielen Canäle mit stehenden Wasser, worein man
allen Unrath wirft, der morastige Boden, endlich die große Moderbank
vor der Mündung des Jacatra[13], sind die vornehmsten Ursachen davon.
Die kleinste Unordnung in der Diät, die kleinste Erkältung u. dgl.
zieht meistens ein tödtliches Fieber nach sich, der Kranke legt sich,
verliert nach fünf bis sechs Stunden die Besinnung, und ist nach andern
sechs Stunden todt.

Wahr bleibt indessen, daß man bei einer ungeschwächten Constitution
weit weniger zu fürchten hat, sobald man nur mäßig und vorsichtig
ist. Würden übrigens die Kanäle gereinigt, die Moräste ausgetrocknet,
und die Moderbänke weggeschafft, so würde Batavia ein ganz gesunder
Aufenthalt seyn. Doch, wie es scheint, ist hier holländische Politik
im Spiel. Man wünscht selbst keine Verbesserung. Jene Moräste und
Moderbänke geben nämlich eine natürliche Vertheidigungslinie ab.
Eben so zwingt jene Ungesundheit alle Blokadeflotten zulezt zum
Abzug. Endlich hält die Furcht vor dem mörderischen Clima, eine Menge
Handelsnebenbuhler von der Niederlassung ab.

Die Bevölkerung von Batavia wird auf 160,000 Seelen geschäzt. Hierunter
sind 100,000 Chinesen, die in den Vorstädten wohnen, während der Rest
aus Armeniern, Arabern, Persern und Europäern besteht. Die leztern,
zwölf bis fünfzehnhundert zusammen, sind theils Kaufleute, theils
Beamte der Compagnie. Sie leben fast alle auf ihren Landhäusern, eine
bis anderthalb Stunden von Batavia, und kommen in der Regel nur Morgens
in die Stadt. Alle Geschäfte werden daher gewöhnlich Vormittags von
sieben bis acht Uhr abgemacht. Nichts fällt anfangs dem Fremden so
sehr auf, als die Gleichgültigkeit, womit man von jenen plözlichen
Todesfällen spricht. -- »~=Mynheer, Mevrouv is overleden=~«
-- der Herr, die Frau ist gestorben -- heißt es, als hätten sie eine
Spazierfahrt gemacht. Jeder Europäer hält übrigens immer sein Testament
bereit.

Der Handel von Batavia ist sehr bedeutend, so drückend auch für
die Fremden seine Eigenheiten sind. Batavia ist nämlich als die
Hauptniederlage aller Gewürze von den Molucken, und aller Produkte von
Java (Reis, Zucker, Caffee, Pfeffer u. s. w.) anzusehen. Es kommen
daher aus allen Theilen Ostindiens, so wie aus China, Amerika, Afrika,
Isle de France und Europa, Schiffe hier an. Sie führen die Produkte
ihrer Länder ein, und dagegen hiesige aus. Diese Geschäfte werden
aber auf folgende für Fremde höchst beschwerliche Weise abgemacht.
Es ist ein Schabendar, oder General-Handels-Agent vorhanden, der für
alle Nationen den einzigen Mäkler abgiebt. An diesen wenden sich die
Capitains und Supercargo's, und theilen ihm ihre Ladungslisten mit. Er
wählt davon, was der Compagnie anständig ist, besonders Artikel des
Alleinhandels[14] und bietet dagegen andere an. Beide Theile dingen nun
mit einander, und schließen nach gemachter Berechnung ab. Dabei muß
aber fast jeder Capitain immer ein Drittheil oder Viertheil des Werthes
in Gewürzen nehmen, auch wenn es ihm eben nicht anständig ist. Erst
dann erhält er die Erlaubniß, den Rest der Ladung an andere Kaufleute
abzugeben, was durch öffentlichen Anschlag bekannt gemacht wird. In
keinem Falle ist ihm aber die Ausfuhr von baarem Gelde erlaubt. Er
muß vielmehr alles in Waaren, oder Barren umsetzen, wenn er es nicht
verlieren will. Die Chinesen, die den Zoll gepachtet haben, durchsuchen
daher alle abgehende Schiffe mit unglaublicher Genauigkeit.

Man hat häufig behauptet, daß Batavia äußerst leicht zu nehmen sey. Ich
kann jedoch versichern, daß diese Meinung ganz irrig ist. Einmal sind
die Festungswerke nichts weniger als schlecht; auch wird die Stadt, so
wie die Mündung des Jacatra durch eine gute Citadelle gedeckt. Denn ist
die ganze Küste mit starken Batterien versehen, und die Besatzung nicht
schwächer als fünftausend Mann. Mögen darunter auch immer viel Kranke,
viel Feige, viel Unzufriedene seyn; die Localität bietet dem Feinde
doch stets sehr große Hindernisse dar.

Er wird die Rhede blokiren; er wird die vorhandenen Schiffe auf den
Strand jagen, und vielleicht verbrennen; aber Batavia selbst wegnehmen,
das wird er ohne geheime Verständnisse sicher nicht. Aber auch das
schlimmste angenommen; er machte sich durch einen Ueberfall u. s. w.
wirklich Meister davon. Was würde geschehen? Der Generalgouverneur
u. s. w. würde sich nach Samarang (auf der Nordküste) begeben; er
würde bei den inländischen Prinzen, die den Holländern keinesweges
abgeneigt sind, alle nur mögliche Unterstützung finden; er würde in
kurzem eine Armee von 25 bis 30,000 Mann zusammenziehen. Unterdessen
hätte es der Feind in Batavia, mit einer ungeheuren, ohnehin höchst
unruhigen Volksmenge zu thun. Man brauchte der Stadt nur die Zufuhren
abzuschneiden, und der Aufstand der hunderttausend Chinesen, die alle
Handwerker, Krämer, Gärtner u. s. w. sind, wäre gewiß. Alles dies wird
beweisen, daß Batavia weder leicht zu erobern, noch leicht zu behaupten
ist.

Bei den Chinesen fällt mir noch eine artige Bemerkung ein, womit ich
dieses Capitel schließen will. Man weiß, wie sehr die wohlhabenderen
unter ihnen auf lange Nägel und Zöpfe halten, weil sie ein Zeichen des
Ansehens und Reichthums sind. Die holländische Regierung hat dieses
nicht unbeachtet gelassen, und auf beides eine ansehnliche Abgabe
gelegt. Je länger sie ein Chinese tragen will, desto mehr zahlt er
davon. Es ist ein ordentlicher Tarif darüber vorhanden, auch finden von
Zeit zu Zeit die nöthigen Messungen statt. Man muß gestehen, daß solche
Abgaben die allerbilligsten sind.




                           Drittes Capitel.


So hatte ich ungefähr fünf Monate in Batavia zugebracht, als ich
bei einer beschwerlichen trigonometrischen Arbeit krank ward. Zum
Glück fiel ich in die Hände eines geschickten deutschen Arztes, des
Doctors ~Raspe~ aus dem Preußischen, und wurde in kurzem wieder
hergestellt. Indessen benutzte ich diesen Umstand, um bei dem General
Decaen um meine Zurückberufung anzuhalten, erreichte meinen Zweck, und
wartete nun mit Sehnsucht auf Schiffsgelegenheit.

Diese fand sich endlich in der Brigg »~=le petite Alphonse=~«
Capitain Souriac, die von Isle de France mit Wein und Hüten gekommen,
und jezt dahin zurückzukehren im Begriffe war. Der Abrede gemäß, begab
ich mich am 14. December 1804 an Bord, und fand noch drei andere
Passagiers. Leider aber waren von unsern vierzehn Matrosen kaum drei
gesund. Nun ist zwar wahr, daß man die Ueberfahrt in dreißig bis fünf
und dreißig Tagen machen kann, ohne daß der beständigen Ostwinde wegen,
viel Schiffsarbeit dabei nöthig ist. Demungeachtet hätten wir auf alle
Fälle wenigstens noch sechs bis 8 Matrosen gebraucht. Dieser Mangel
zeigte sich gleich anfangs, als es am 15. December Nachmittags in See
gieng. Wir sämmtliche Passagiere mußten die Anker mit aufwinden helfen,
denn die meisten Matrosen waren zu schwach dazu.

Schon in der ersten Nacht kamen wir durch den Eigensinn des wenig
erfahrnen Capitains in große Gefahr. Wir trieben nämlich auf eine der
vielen kleinen Inseln, so daß das Hintertheil des Schiffes kaum zwei
Fuß weit von den zackigten Felsen abstand. Der Capitain gebehrdete sich
wie ein Verzweifelter, und schrie nach dem Boot. Zum Glück erhob sich
aber plözlich ein leichter Landwind, so das Schiff wieder abgebracht
ward. Wir mußten hierauf zwei Tage laviren, und legten in dieser kurzen
Zeit keine drei Seemeilen zurück.

Noch nicht genug; troz seinen schönen Versprechungen hatte sich auch
der Capitain nur äußerst spärlich mit Vorräthen versehen. Vergebens
drangen wir in ihn, doch nach Batavia zurückzukehren; er fürchtete
zu viel Demüthigungen für seine Eitelkeit. Hartnäckig bestand er
daher darauf, im Gressec, oder Surabaye (an der Nordküste von Java)
einzulaufen, wo er Matrosen und Vorräthe zu besorgen versprach. So
steuerten wir also bis zum 24. December fort. Endlich befanden wir
uns ungefähr zwei Seemeile von der Spitze von Banka, durch welche
der Eingang in die Meerenge von Madure bezeichnet wird. Der Capitain
beschloß, hier einige Zeit vor Anker zu gehen, um einen der Lootsen zu
erwarten, die hier immer vorhanden sind. Da aber keiner davon sichtbar
wurde, glaubte er sich noch wenigstens zehn Seemeilen vom Eingange
der Meerenge entfernt. Er ließ daher die Anker lichten, und steuerte
westwärts. Bald aber ward das Schiff von der heftigen Strömung gegen
die Bank von Madure getrieben, so daß die Gefahr mit jedem Augenblicke
stieg.

Man hatte uns am vorigen Tage allerdings bei dem Posten von Banka
gesehen. Allein die See gieng gar zu hoch; uns zu Hülfe zu kommen, war
eine Unmöglichkeit. Wir erfuhren dies von dem Lootsen selbst, der jezt
in einer großen Pirogue zu uns kam. Zehn Stunden lang wendete er alles
mögliche zu unserer Rettung an. Doch da Wind und Strömung gleich heftig
waren, blieb ihm nichts übrig, als uns zu verlassen, und nach Banka
zurückzugehen. Wir wurden von nun an, unserer neun zusammen, täglich
auf ein Huhn, und jeder für sich, auf einen Zwieback, zwei Tassen
Caffe, und ein Glas Wasser eingeschränkt. Erst am 1. Januar 1805 gelang
es uns aus der Straße von Baly herauszukommen, worauf längs der Küste
fortgesteuert ward.

Um fünf Uhr Nachmittags befanden wir uns einem holländischen Posten
gegen über, der mit schönen Pflanzungen bedeckt zu seyn schien. Sobald
uns der Commandant ansichtig ward, schickte er eine Pirogue ab, ließ
uns Erfrischungen anbieten, und lud uns ein, vor Anker zu gehen. Leider
konnten wir aber diese Erlaubniß nicht benutzen, indem selbst unser
lezter Anker verloren gegangen war. Am folgenden Morgen befanden wie
uns auf der Höhe von Balambouang. Jezt bekamen wir Stille, dann höchst
veränderlichen Wind, endlich einen entsezlichen Sturm aus Nordwest.
Wir verloren Segel und Masten, und trieben noch wenig Stunden, wie ein
Wrack herum. Die Pumpen thaten fast keine Dienste mehr. Dabei waren
wir täglich auf ein kleines Glas stinkendes Wasser, und etwas Reis
beschränkt. Endlich beschloß der Capitain, die Ladung anzugreifen, die
aus Zucker bestand. Er ließ daher ein Faß in die Cajüte bringen, wovon
jeder nach Belieben nahm.

In den zwei folgenden Tagen hatten wir unterdessen einen Nothmast, und
einige Nothsegel zu Stande gebracht. Auf diese Art hofften wir Timor
zu erreichen, wo eine holländische Factorei befindlich ist. Allein vom
dritten Februar an, trieb uns ein zweiter Sturm wieder rückwärts, so
daß wir schon am sechsten die Spitze von Baly sahen. Am 7. Morgens um
fünf Uhr erblickten wir ein großes dreimastiges Schiff, das aus der
Meerenge heraus zu kommen schien. Wir hielten es für ein holländisches,
oder amerikanisches, und wirklich zog es auch die leztere Flagge
auf. Kaum hatte es sich aber etwas genähert, so öffnete es seine
Stückpforten, zeigte englische Flagge, und kam mit vollen Segeln auf
uns zu.

Jezt sahen wir nur zu deutlich, daß es ein großer englischer Caper war.
Augenblicklich warf ich meine Depeschen und Carten über Bord. Noch
einige Minuten, und der Capercapitain rief uns durch das Sprachrohr
zu -- »~=Strike amain! Strike amain, if you please!=~« --
»Streicht! Streicht! wenn's beliebt!« -- Dies war in der That eine
satyrische Aufforderung, denn wie konnten wir nur einen Augenblick
widerstehen? Bald darauf kam ein Offizier mit acht Matrosen an Bord,
nahm von dem Schiffe Besitze; stellte an alle Rudern Schildwachen, und
hieß uns an Bord des Capers gehen.




                           Viertes Capitel.


Als wir daselbst ankamen, hörten wir, daß es ~der Diligent~,
Capitain ~Hall~ von ~Calcutta~ war. Der Capitain sagte uns,
daß er selbst zweimal von französischen Capern[15] genommen worden
sey. Man habe ihn liberal behandelt; er wolle es ebenfalls thun. Alle
unsere Bagage u. s. w. bliebe uns daher. Zu gleicher Zeit sezte er uns
ein vortreffliches Frühstück vor. Die Prise an 60,000 Franken an Werth,
ward auf das Schlepptau genommen, und so lavirten wir längs der Küste
hin.

Um vier Uhr Nachmittags bekamen wir ein großes dreimastiges Schiff,
und bald darauf noch zwei andere zu Gesicht. Capitain Hall hielt
sie für holländische oder französische Fregatten, von den Divisionen
der Admirale Hartsink oder Linois. Seine Lage ward gefährlich, die
nachzuschleppende Prise hielt ihn im Segeln auf. Er ließ uns daher auf
unser Wrak zurückkehren, rief dagegen seinen Prisenmeister, und seine
Matrosen ab, und eilte mit vollen Segeln davon. Bald darauf erkannten
wir die drei Schiffe für amerikanische Ostindienfahrer, und steuerten
so gut wir konnten, auf die Bay von Balambouang zu.

Der Tag brach an. Was sahen wir? Unsern Caper, der an der Küste
geblieben war, und nun ganz lustig wieder auf uns zugesegelt kam.
In weniger als einer halben Stunde befanden wir uns wieder am Bord
desselben, und alles war in den vorigen Zustand versezt. Da der
Capitain Wasser einnehmen mußte, behielt er den Curs von Balambouang.
Wir erreichten indessen die Bay erst in der Nacht auf den zehnten
Februar. Mit Anbruche des Tages erblickten wir den holländischen
Posten Bagouwangie, und zogen sofort amerikanische Flagge auf. Zu
gleicher Zeit schickte der Capitain einen Offizier ans Land, um zu
fragen, wo Holz und Wasser zu finden sey. Die Nachricht war sehr
befriedigend, und wir trafen eine vortreffliche Quelle an.

Unterdessen hatte unser Schiff mit seinen Batterien, und der Prise auf
dem Schlepptaue, troz der amerikanischen Flagge, bei dem Commandanten
von Bagouwangie Verdacht erregt. Er schickte daher zwei seiner
Offiziere zu uns an Bord. Beide sprachen englisch; beide sollten die
nöthigen Nachrichten einziehen. Capitain Hall war indessen auf alles
gefaßt. Er hieß uns in den Raum hinuntersteigen, versicherte sich
unseres Ehrenwortes, und wartete die Ankunft der holländischen Pirogue
ganz ruhig ab.

Kaum waren die Herren gegen Mittag an Bord angekommen, so lud
er sie zum Essen ein, und sprach ihnen dabei reichlich aus der
Flasche zu. Als er nun das Geschäft auf diese Art eingeleitet hatte,
zeigte er ihnen falsche amerikanische Pässe, und ein eben so ächtes
Schiffsjournal vor, speiste sie in Ansehung der Prise mit einem
Mährchen ab, und verkaufte ihnen zulezt einige ostindische Waaren für
eine Kleinigkeit. Die armen Holländer wurden vollkommen getäuscht, und
fuhren seelenvergnügt ans Land zurück.

Indessen beschloß der Capitain die reiche Prise in Sicherheit zu
bringen, und gab sofort Befehl zu ihrer Ausrüstung. Es wurde auch so
eifrig daran gearbeitet, daß sie schon am folgenden Tage abzusegeln im
Stande war. Wohin, blieb unbekannt. Unsere Bagage war uns im besten
Zustande übergeben worden, doch brachten wir den ganzen Tag, wegen
unserer künftigen Bestimmung, in großer Ungewißheit zu.

So mochte es ungefähr acht Uhr Abends seyn, als uns der Capitain zu
sich rufen ließ. Er war sehr höflich, und sagte uns, daß er uns diese
Nacht ans Land zu setzen Willens sey. Unsere Freude darüber war sehr
groß; im Unglück faßt man nur den Augenblick fest. Sofort wurden nun
Anstalten zu unserer Ueberfahrt gemacht. Es fand sich aber, daß die
Schaluppe für uns nicht groß genug war. Wir mußten daher in zwei
Parthien abgehen. Bei der lezten befand ich mich selbst.

Es war Mitternacht; der Mond gieng auf; der Posten lag nur einen
Büchsenschuß von uns. Unsere Gefährten kamen uns entgegen, in wenig
Minuten langten wir bei dem Commandanten an. Er war ein geborner
Brandenburger, und hatte fünf und zwanzig Mann unter sich. Da ich
ein wenig Deutsch und Malayisch verstand, verständigten wir uns ohne
Schwierigkeit. Rund um ein großes Feuer gelagert, nahmen wir eine derbe
Mahlzeit von Fischen und Eiern ein, wobei uns Capitain Halls Madera und
Genever trefflich zu statten kam. Unser guter alter Sergeant, sein Name
war Bitter, schickte sogleich eine Pirogue mit seinem Berichte nach
Bagouwangie ab.




                           Fünftes Capitel.


Die Sonne gieng auf, und eine neue Welt voll Leben und voll Hoffnung
breitete sich vor mir aus. Bald langte nun ein Abgeordneter von
dem benachbarten Fürsten von Balambouang an. Er sagte uns, daß der
holländische Commandant zu Bagouwangie bereits von unserer Lage
unterrichtet, und auf der Reise hierher begriffen sey. Indessen verzog
sich seine Ankunft bis Nachmittags um drei Uhr. Unser Anblick schien
ihn zu rühren, wir selbst waren nicht weniger bewegt. Er allein konnte
uns die Mittel zur Rückkehr nach Batavia verschaffen; von ihm allein
hieng unsere Zukunft ab. Er sprach und alles verbürgte uns seinen
Edelmuth. Er war ein Deutscher; ein Herr von ~Winckelmann~. Wir
mußten sogleich seine prächtige Jacht besteigen, wo die Tafel bereits
gedeckt war. Endlich um vier Uhr segelten wir ab, während er unser
Gepäck in einer Pirogue nachzuführen befahl. So hielten wir See bis
Mitternacht, stiegen dann ans Land, und lagerten uns um ein gutes Feuer
herum.

Um fünf Uhr Morgens ward weiter gesegelt; drei Stunden und wir kamen
zu Bagouwangie an. Sogleich führte uns der Commandant in seine schöne
Wohnung, und stellte uns seiner Gemahlin vor. Sie empfieng uns mit
vieler Höflichkeit, und ließ ein vortreffliches Frühstück auftragen,
das zum Theil aus den herrlichsten Früchten bestand. Am folgenden
Tage wurde nun unser Reiseplan festgesezt; indessen erforderten
die Anstalten einige Zeit. Wir blieben daher fast zwei Wochen in
Bagouwangie. Nach reifer Ueberlegung schien es am besten, bis Surabaye
zu Lande, und dann nach Batavia vollends zu Wasser zu gehen.

Bis Surabaye werden achtzig Lieuen gerechnet, zum Theil durch ein
wüstes unbewohntes Land. Indessen hatte der treffliche Herr von
Winckelmann für alles gesorgt. Fünf und zwanzig Malayen waren zu
unserer Bedeckung, und fünf und siebenzig zum Tragen unseres Gepäckes
bestimmt. Wir und die Bedeckung waren beritten, und hatten überdem
noch fünfzehn Packpferde mit Lebensmitteln bei uns. Endlich waren
uns als Wegweiser und Anführer, zwei Malayen-Hauptleute oder Mandors
mitgegeben, von denen der eine etwas Deutsch verstand. So traten wir,
nach einem herzlichen Abschiede von unserem edeln Freunde, am 23.
Februar 1805 unsere Reise an.

Die ersten drei Lieuen gieng es längs der Küste hin. Bald aber kamen
wir in die große Wüste, die drei Tagereisen lang ist. Indessen hat
die Regierung aller zwölf Lieuen, große Scuoppen von Bambus errichten
lassen, die mit Gräben und lebendigen Hecken umgeben sind. Bei jedem
dieser Caravansenai's, wie man sie nennen könnte, befindet sich eine
Wache von Malayen. Diese müssen Tag und Nacht rund um die Einzäumung
große Feuer unterhalten, so daß nichts von wilden Thieren zu fürchten
ist.

Der erste Posten dieser Art heißt ~Bagnou-Matie~. Der Weg dahin
war blos ein schmaler Fußsteig, der zwischen hohem Grase hinlief. Ich
kann ohne Uebertreibung sagen, daß dieses neun bis zehn Fuß hoch war.
Wir sahen mehrere Tiger und Leoparden darin versteckt, langten indessen
auf unserer Station ohne Unfall an. Als es finster wurde, verdoppelten
wir die Feuer, und hielten auf diese Art die wilden Thiere ab. Indessen
hörten wir die Tiger ziemlich brüllen, sobald nur ein Feuer abgebrennt
war.

Am folgenden Morgen früh um vier Uhr gieng unser Gepäcke ab; wir
selbst aber folgten erst um zehn Uhr nach. Bei dem zweiten Posten
~Son-bou-rou-arou~, fanden wir einige Häuschen von Bambus, nebst
einer Ziegen- und Damhirsch-Heerde, auch einer Menge Federvieh. Dies
alles gehörte einem Großen am Hofe des Königes von Balambouang. Wir
füllten hier unsere Bambusrohre mit gutem Quellwasser, weil man
von nun an nur schlechtes trifft. Am 25. verließen wir die Wüste,
und kamen durch eine schöne, mit Reisfeldern bedeckte Ebene, nach
~Panaroukan~, was ein kleiner Flecken ist. Hier traten wir bei
dem Oberhaupte, einem reichen Chinesen ab, und wurden zu unserer
Verwunderung ganz auf europäische Art traktirt. Auch nöthigte er uns so
dringend, einen Rasttag bei ihm zu halten, daß es sich durchaus nicht
ablehnen ließ.




                           Sechstes Capitel.


Am 27. Februar ward nun die Reise fortgesezt. Wir kamen indessen nur
bis ~Besouki~, einem großen Dorfe, das ungefähr drei Lieuen von
der Küste liegt. Der Weg geht fast durch lauter Wald, und ist äußerst
schlecht. Nur in der Nähe von Besouki wird die Landschaft etwas
lichter, und bald sieht man Reisfelder mit Baumgruppen vermischt. Bei
unserer Ankunft, wurden wir in das Haus des Commandanten (Tomogon)
geführt, der eben abwesend war, fanden aber dennoch ein vortreffliches
Mittagsmahl daselbst. Am 28. hatten wir eine sehr starke Tagereise bis
~Bangro~. Auch hier fanden wir bei dem Tomogon eine sehr glänzende
Bewirthung, und tranken zum erstenmale wieder Bordeauxwein. Zimmer und
Betten waren ebenfalls sehr gut.

Die folgende Tagereise bis ~Paßourang~ war kurz und angenehm.
Die Landschaft ward immer schöner, wir konnten uns nicht satt daran
sehen. Um zehn Uhr begegneten wir einem schönen offenen Wagen, mit
vier Pferden bespannt. Er kam von Paßourang, gehörte dem dortigen
holländischen Commandanten, und war für uns bestimmt. Wir zogen
indessen vor, zu Pferde zu bleiben, und langten so bald bei unserem
freundlichen Wirthe an. Er hieß Heßetaar, und nahm uns mit vieler Güte
auf. Bei einem Einkommen von fünfzehn tausend holländischen Thalern
machte er ein ansehnliches Haus. So hat er z. B. an dreißig Sclaven,
worunter zehn musikalisch sind. Sie lernten die meisten Instrumente von
einem Chinesen spielen, der der Schüler eines ~Deutschen~ gewesen
war.

Paßourang, an einem schiffbaren Strome gelegen, ist der Hauptort eines
ansehnlichen Fürstentums, und mit schönen Caffe- und Pfeffer-Plantagen
umringt. Die ostindische Compagnie hat ein Werft für Küstenfahrer
daselbst. Zwei Lieuen von Paßourang liegt ein mäßig hoher Berg, an
dessen Anhängen alle ~europäischen~ Gemüse, ohne alle Ausartung
gedeihen, dies giebt zu einem bedeutenden Gemüsehandel nach Surabaye
Gelegenheit. Wenig Tage vor unserer Ankunft war der Oberwundarzt
unseres Bataillons hier durch gereist. Er wollte im Innern der Insel
die Schuzblattern einführen, was von den wohltätigsten Folgen seyn wird.

Am 3. März gieng es bis Bangall; auch diese Tagereise war sehr
angenehm. Der Fürst, ein siebenzigjähriger Greis, empfieng uns mit
vieler Zuvorkommung. Er sprach viel von Europa, besonders von den
lezten Feldzügen in Italien, und schien ein sehr unterrichteter Mann zu
seyn. Seinem ältesten Sohn und Nachfolger hatte er von einem Holländer
erziehen lassen, daher dieser junge Prinz sehr gute Kenntnisse,
besonders in der Mathematik besaß.

Am folgenden Morgen brachen wir nach Surabaye auf. Der Weg war gut,
die Gegend schön, der Boden vortrefflich angebaut. ~Surabaye~
selbst ist eine kleine artige Stadt, und als erster Posten in der
Meerenge von Madure von Wichtigkeit. Sie wird von dem Flusse Calianas
durchschnitten, der für Küstenfahrer landeinwärts ziemlich weit
schiffbar ist. Am Ausflusse desselben befinden sich zwei Hafendämme,
mit Batterien versehen. Gewöhnlich laufen hier alle Schiffe ein, die
nach China und den Philippinen bestimmt sind, besonders wegen des
Wintermonßuns. Sie finden hier alle mögliche Erfrischungen, worunter
auch die vortrefflichen Gemüse von Paßourang. Die Luft von Surabaye ist
sehr gesund, und die Gebend entzückend schön.

Bei unserer Ankunft wurden wir zu einem Juden geführt, der eine gar
nicht schlechte Herberge hielt. Wir machten die Bekanntschaft eines
holländischen Capitains, des Herrn Rußler, und wurden durch ihn,
am folgenden Morgen, seinem Schwiegervater, dem Gouverneur, Herrn
Rothenthal, vorgestellt. Dieser nahm uns mit vieler Güte auf, und
versprach wegen unserer ferneren Reise sein möglichstes zu thun. Wir
wünschten nämlich bis Batavia zu Lande zu gehen. Dies erforderte jedoch
Bericht an den Generalgouverneur. Ich machte hierauf dem Commandanten,
dem Major von Franquemont, aus dem Würtembergischen, einen Besuch. Er
empfieng mich aufs beste, räumte mir ein Zimmer in seiner Wohnung ein,
und überhäufte mich mit Höflichkeiten aller Art. Dasselbe muß ich von
dem Admiral Hartsink sagen, der hier mit seiner Escadre vor Anker lag.

Nach ungefähr vierzehn Tagen traf die Antwort des Generalgouverneurs
ein. Sie war, wie wir befürchtet hatten, abschläglich, man fand die
Kosten gar zu groß. Herr Rothenthal bekam daher den Auftrag, uns die
Ueberfahrt nach Samarang, an Bord einer Brigg zu verschaffen, die
ohnehin zu einem Kreuzzuge bestimmt war.

Plözlich mußte es sich fügen, daß ein Schiff von der Escadre des
Admirals Hartsink nach Batavia abgieng. Sofort suchte ich nebst meinem
Freunde Harsaud um Plätze darauf an. Unsere Bitte ward bewilligt, und
so begaben wir uns an Bord, wo uns der Capitain mit vieler Güte aufnahm
(5. April).




                          Siebentes Capitel.


Wir waren noch denselben Abend unter Segel gegangen, und kamen bei dem
ziemlich günstigen Winde, schon am folgenden Tage aus der Meerenge
heraus. Capitain ~Ruysch~ hatte uns die Hälfte seiner Cajüte
eingeräumt, und wir speisten regelmäßig Mittags und Abends bei ihm.
So kamen wir ohne weitere Vorfälle am neunten Tage (14. April) auf
der Rhede von ~Samarang~ an, welches der Hauptposten auf der
ganzen Nordküste ist. Samarang giebt nämlich den Mittelpunkt aller
Verbindungen, und die Hauptniederlage aller Erzeugnisse der Insel
ab. Die dortige Gouverneursstelle ist, nach der von Batavia, die
einträglichste im ganzen holländischen Indien. Sie wirft jährlich an
250,000 Piaster ab. Herr Engelhard, der sie jezt bekleidet, macht
daher ein sehr glänzendes Haus. Die Luft von Samarang ist gesund, die
Gegend schön, das gesellschaftliche Leben angenehm. Wir lernten unter
andern einen Major ~Keller~ kennen, der früher General-Adjutant in
französischen Diensten, und schweizerischer Kriegsminister gewesen war.

Nach einem achttägigen Aufenthalte giengen wir am 23. April wieder
in See, und segelten zwei Tage lang, längs der reizenden Küste hin.
Am 26. Mittags ankerten wir auf der Rhede von ~Tcheribon~, und
begaben uns sogleich ans Land. Hier wurden wir bei dem Wachtposten
sehr feierlich empfangen, und fanden zwei prächtige Wagen bereit. Der
Resident, Herr Roose, der anderthalb Lieuen von der Küste wohnt, hatte
uns dieselben entgegengeschickt. Wir fuhren hierauf durch eine sehr
schöne Landschaft, die einem großen Graben glich, und kamen so bei
Herrn Roose an. Er vereinigt asiatischen Luxus, und europäische Eleganz
auf eine seltene Art. Der Distrikt von Tcheribon liefert den besten
Caffe von ganz Java; die Residentenstelle trägt jährlich an 60,000
Piaster ein.

Wir blieben drei Tage in Tcheribon, und giengen dann mit mehreren
kleinen Küstenfahrern, die wir unter Convoy nahmen, in See. Die Küste
wimmelt von Seeräubern aus Banca, Sumatra und Java selbst. Diese
fallen kleine Schiffe, besonders chinesische Junken, mit vieler
Kühnheit an. Europäer werden ermordet, Asiaten zu Sclaven gemacht.
Der Hauptschlupfwinkel dieser Seeräuber ist die Insel Carimon, zehn
Seemeilen von der Küste, auf der Höhe von Samarang. Hier sind ihrer oft
hundert, ja hundert und fünfzig bis zweihundert beisammen, besonders,
wenn ein Hauptschlag ausgeführt werden soll. Vor kurzem hatte man von
Batavia zwei Fregatten, und eine Brigg gegen sie abgeschickt. Diese
Schiffe kamen gerade zu rechter Zeit an, denn eben war die ganze Bay
von Carimon mit Seeräubern angefüllt. Man blokirte daher sogleich den
Eingang, und bereitete den Angriff auf den folgenden Morgen vor. Es
schien um die Räuber geschehen zu seyn, allein zum Unglück war der
Capitain der Brigg nicht wachsam genug. Sie entwischte daher in der
Dunkelheit, und waren am andern Morgen längst aus dem Gesichte der
Division.

Am 27. April kamen wir endlich auf der Rhede von Batavia an. Kaum
zeigte ich mich in der Stadt, als ich mit Freude und Erstaunen
aufgenommen ward, denn jedermann hatte mich todt geglaubt. Der
Gouverneur wünschte mich von neuem in Dienste zu nehmen; allein alles
rief und zog mich nach Europa zurück. Zum Glück befand sich gerade
ein Caper von jener Insel auf der Rhede, der dahin zurückzugehen im
Begriffe war. Nach einigen Unterhandlungen erhielt ich einen Plaz
darauf, und begab mich demnach am 8. Mai an Bord. Diesmal war unsere
Fahrt glücklicher; am 1. Juni bekamen wir schon die Insel Bourbon zu
Gesicht.

Der Engländer wegen, hatte der Capitain von seinen Rheden den Befehl,
mit der größten Vorsicht zu Werke zu gehen. Wir suchten daher die Küste
zu gewinnen, um wo möglich Erkundigungen einzuziehen. Allein der Wind
war fortdauernd ungünstig; wir brachten also sechs volle Tage damit zu.
Endlich erhielten wir Nachricht, daß die englische Escadre verschwunden
sey. So sezten wir unsere Fahrt nach Isle de France fort, und erkannten
am 8. Juni Morgens, einen der höchsten Berge dieser Insel, Morne
Brabant genannt.

Gegen Mittag erblickten wir nicht weit von uns ein dreimastiges Schiff,
zogen die Flagge auf, und riefen es an. Es zog ebenfalls französische
Flagge auf, und zwar dreimal hinter einander, was uns, da es keine
Antwort gab, äußerst verdächtig vorkam. Um acht Uhr Abends waren wir
nur noch einige Seemeilen von der Insel entfernt. Plözlich stiegen von
einem Bergposten zwei Raketen auf; bekanntlich das Signal, wodurch die
Nähe des Feindes angezeigt wird. Wir hielten es indessen für einen
Irrthum, und glaubten nicht daran. Als aber das Signal, nach Verlauf
von zwei Stunden, der Regel gemäß, wiederholt ward, drehten wir
plözlich um, und sezten alle Segel bei. Jezt gieng es abermals auf Isle
de Bourbon zu, wo auch am 10. Morgens der Anker fiel.

Mein Aufenthalt auf dieser Insel dauerte jedoch nur kurze Zeit. Schon
am 18. gieng ich nämlich, meiner mündlichen Mittheilungen wegen, auf
einem Aviso nach Isle de France ab. Dies Fahrzeug war mit Rudern
versehen, und ganz zu einer schnellen Ueberfahrt geschickt. Wir
entkamen den Engländern glücklich, und liefen am 22. Juni Abends in der
Riviere Noire ein. Bei meiner Ankunft zu Port Louis, ward ich von dem
General Decaen mit großer Freude empfangen; auch er hatte mich auf den
Bericht eines amerikanischen Schiffers todt geglaubt.

Er machte mir Hoffnung, mich in wenig Monaten nach Europa abzusenden,
und stellte mich inzwischen wieder bei dem Ingenieurscorps an. Allein
es vergieng ein volles Jahr, ehe sich eine passende Gelegenheit zu
meiner Rückreise fand. Erst im August 1806 war endlich das dazu
bestimmte Schiff segelfertig, und alles gehörig in Richtigkeit. Am
11. August schiffte ich mich ein, am 15. November kam ich, nach einer
ziemlich glücklichen Fahrt, in dem spanischen Hafen Passages bei St.
Sebastian an. Von dort sezte ich meine Reise über Bayonne, Bordeaux u.
s. w. nach meinem Geburtsorte, wo meine Familie lebte, zu Lande fort.




                          Dritte Abtheilung.


                          ~Heinrich Potter.~




                               ~Quelle.~


=L'otgevallen en Ontmoetingen op eene mislukte Reize naar de Kaap de
Goede Hoop. Door ~H. Potter~. 1807 -- 9. IV. Vol. 8.=




                             ~Einleitung.~


Der Verfasser war Prediger zu Peins, in der Nähe von Franken, und
erhielt im Jahre 1804 einen Ruf nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung.
Allein da bald darauf der Krieg wieder ausbrach, so fand sich keine
sichere Gelegenheit zur Reise dahin. Erst zu Ende des genannten Jahres
bot sich eine solche in einem preußischen Hafen dar. Wir haben uns
bemüht, die ~niederländische~ Manier des Verfassers sorgfältig
beizubehalten, überzeugt, daß es den gemüthlichen Lesern gewiß
Vergnügen machen wird.




                             ~Erster Brief.~


                                                   ~Leer~ Novemb. 1804.

Liebster Freund. Am 15. October erhielt ich Befehl und Anweisung,
bis zum 10. November an Bord zu seyn. Ich eilte daher sofort nach
Amsterdam, um alle meine Einrichtungen zu treffen, welches Gott sey
Dank, über meine Erwartung von statten gieng. Hierauf kehrte ich am 27.
October nach Peins zurück, wo meine Frau inzwischen alles eingepackt
hatte, und reiste am folgenden Morgen mit ihr und den Kindern nach
Dockum ab. Hier sollte sie bleiben, bis sich bequeme Schiffsgelegenheit
nach der Capstadt fand.

So war alles in Ordnung gebracht. -- Endlich am 5. Morgens -- Nie werde
ich den Augenblick vergessen, liebster Freund. -- »O bleibe bei uns
Vater! Verlaß uns nicht!« -- riefen meine ältesten drei Kinder, und
klammerten sich an mich an, während der Säugling ruhig in der Wiege
schlief. -- Wäre meine Frau nicht standhafter gewesen, als ich -- Ich
glaube, ich hätte in diesem Augenblicke auf Alles Verzicht gethan. So
riß ich mich endlich mit gepreßtem Herzen los. Meine Sachen wurden jezt
in die Schuit[16] gebracht, und ich folgte mit thränenden Augen nach.
Zu meiner Freude waren nur noch zwei Personen in dem Roef[17] daher ich
ziemlich ungestört blieb. Abends kamen wir so in Gröningen an.

Ich hatte von Gröningen am nächsten Tage mit der Schuit nach Delfzyl
zu gehen gedacht, wo ich Gelegenheit nach Leer zu finden sicher war.
Allein es fror die Nacht so heftig, daß ich nicht weiter daran denken
konnte. Ich ließ daher meine Sachen auf einen Wagen laden, auf dem sich
zugleich ein Siz für mich und den Fuhrmann befand. Da es schon zwei Uhr
war, als wir abfuhren, kamen wir Abends nicht weiter als Scheemda, ein
großes, schönes Dorf, wo Nachtquartier gemacht ward.

Am folgenden Morgen gieng es bei schönem hellen Wetter, durch den
reichsten und fruchtbarsten Theil der Provinz, nämlich das Oldampt.
Besonders groß und prächtig sind die Pfarrwohnungen, wie denn die
Geistlichen hier solche Einkünfte haben, wie vielleicht nirgends
anderes in unserem Vaterland.

In der Nähe von Neuschanz (=de Nieuwe Schans=) war der Weg
außerordentlich schlecht. Indessen kamen wir Abends ohne Unfall an.
Hier lohnte ich meinen Fuhrmann ab, weil mit seinem schweren Wagen
unmöglich weiter zu kommen war. Ich hielt es fürs beste, zwei kleinere
zu nehmen, worauf die Reise am nächsten Tage weiter gieng.

Bald kamen wir nun auf preußischen Boden, indem der Grenzpfahl ganz
nahe bei Neuschanz steht. Das Land verräth viel Wohlstand, besonders
der Theil, der unter dem Namen, der Preußische Polder bekannt ist.
Ueberall herrliches Wiese- und Ackerland, und die schönsten Bauernhöfe,
von städtischem Ansehen. Dies machte mich den schlechten Weg
vergessen, der bei dem eingetretenen Thauwetter fast ganz ungangbar
war. So kamen wir Nachmittags an dem Wirthshause an, das am rechten
Ufer der Ems, ungefähr eine Viertelstunde von Leer, gelegen ist.

Ich hätte mich gern noch diesen Abend über den Fluß setzen lassen,
allein es war unmöglich, weil er mit Treibeis gieng, und nur das
kleine Boot mit großer Mühe hin und wieder fuhr. Da ich nun meine
Sachen unmöglich zurücklassen konnte, ließ ich sie abladen, und in
einen Schoppen bringen, wo nach der Versicherung des Wirthes alles in
Sicherheit war. Bei meinem Eintritt in das Zimmer sah ich sogleich an
dem schmutzigen Boden, und der sparsamen Erleuchtung, daß ich mich
außer dem Vaterland befand. Ein Dutzend Münsterländer mit langen blauen
Hemden, und dicken weißen Schlafmützen, saßen mit dampfenden Pfeifen
vor dem Kamine, und erwiederten meinen Gruß in ihrer eigenthümlichen
platten Mundart.

Nachdem man mir an der einen Ecke Plaz gemacht hatte, brachte mir der
Wirth eine Pfeife, und stellte einen kleinen Tisch mit einer Flasche
Wein vor mich. Hierauf fuhr er in einer Erzählung fort, die durch meine
Ankunft unterbrochen worden war. Sie betraf seine Jugend, Verheiratung,
und Ehe. Nach dem Tode seiner ersten Frau hätte er gern eine zweite
genommen, allein er war zu alt dazu. Eine junge würde ~ihn~ nicht
gewollt haben, und zu einer von seinen Jahren hatte er selbst keine
Lust gehabt.

Auch schmerzte es ihn bitter, daß er in seiner Jugend nicht hatte
reisen können, es würde etwas ganz anderes, als ein Landwirth aus ihm
geworden seyn. Zum Beweise seiner großen Kenntnisse sprach er dann vom
Vorgebirge der guten Hoffnung, was bei ihm Ostindien hieß, und von der
unerträglichen Hitze, und den hottentottischen Affen daselbst, und
dergleichen mehr. Die guten Münsterländer hörten mit offenen Mäulern
und Ohren zu, ganz erstaunt über die unerhörte Gelehrsamkeit des alten
dicken Wirths. Indessen muß ich ihm lassen, daß er mir ein Abendessen
vorsezte, das gar nicht übel war. Auch bekam ich im oberen Stocke ein
reinliches Zimmer mit einem rechten guten Bett.

Am andern Morgen ließ ich mich nun mit meinen Sachen übersetzen, und
gelangte in einer Viertelstunde nach Leer, mein vorläufiges Reiseziel.
Hier nahm ich ein Zimmer in einem großen Wirthshause, bei einem
gewissen Wagner, wo es mir aber durchaus nicht gefiel. Besonders
stieß mich der gemeine liederliche Ton des Wirthes ab, den dieser am
Gesellschaftstische angab. Ich sahe mich also noch denselben Tag nach
einer andern Wohnung um, und fand auch bald ein recht artiges Zimmer
mit einer angenehmen Aussicht obendrein.

Es war bei einer Schiffscapitainsfrau, die mir zugleich Kost, Licht
und Heizung zu geben versprach. Für alles zusammen, das Zimmer mit
eingerechnet, forderte sie nicht mehr als sieben Gulden, die Woche,
was gewiß äußerst billig war. Das Schiff ist leider noch nicht
angekommen, man erwartet es aber, so bald die Ems vom Eise frei
ist. Unterdessen habe ich einen Theil meiner Bücher ausgepackt und
beschäftige mich so gut es gehen will. Leer selbst, mit seinen 4000
Einwohnern, und seiner jetzigen Handelsstille, bietet so gut als
gar keine gesellschaftlichen Hülfsquellen dar. Indessen kann mein
Aufenthalt nicht lange dauern, und so nehme ich mit allem vorlieb.




                           ~Zweiter Brief.~

                                                     ~Leer~ Febr. 1805.

»Der harte Frost macht alle Schiffarth unmöglich; drum will ich noch
einmal Frau und Kinder sehn!« -- So rief ich am Neujahrstage aus, und
trat sofort die Reise an. Ich überraschte meine Lieben, brachte noch
einiges im Haag in Ordnung, und kam vor ungefähr acht Tagen wieder
hierher zurück. Seitdem hat es nun so stark getaut, daß die Ems
völlig offen ist. Schon liegt ein Schiff nach dem Cap in Ladung, allein
das unserige kommt erst übermorgen an. Der Himmel gebe, daß kein neuer
Aufenthalt entsteht, damit ich doch endlich einmal meine Gemeinde
begrüßen kann.

Unterdessen habe ich Leer ziemlich kennen gelernt. Würden Sie
glauben, daß dieser kleine Ort eine lutherische, eine reformirte,
eine katholische und eine mennonitische Kirche, so wie eine Synagoge
hat? Die Ems fließt hinten daran weg, und ist im Flecken selbst nur
von einigen Stellen zu sehen. Indessen trägt sie sehr große Schiffe,
so, daß diese vor den Packhäusern ankern können, die an jener Seite
befindlich sind.

Als ich gestern fortfahren wollte, kam meine Wirthin, mir zu sagen,
daß eben unser Schiff angekommen sey. Sofort ließ ich mich übersetzen,
stieg auf den Damm, und sahe es in der untergehenden Sonne gerade vor
mir. Bald darauf langte der Capitain mit den übrigen Passagieren an,
und wir machten die erste Bekanntschaft bei einer guten Abendmahlzeit.
Diesen Morgen kam das Schiff vollends an den Wal, wie man hier sagt,
so, daß es die Ladung einnehmen kann. Ich gieng mit einigen Freunden,
es zu besehen, und fand, daß es ein gutes, festes, aber etwas kleines
Fregattenschiff war. Nun, wir werden uns zu behelfen suchen, so gut es
gehen will. Der Capitain, ein geborner Ostfriese, scheint ein recht
guter Mann, und sorgt, dem Vernehmen nach, aufs reichlichste für unsern
Schiffsbedarf. Er ist das freilich wohl im Stande, da jeder von uns
eine sehr ansehnliche Summe für die Ueberfahrt zahlt. Dies ist indessen
seine erste große Reise dieser Art. Doch hat er einen erfahrnen
Steuermann, einen gebornen Holländer, der schon mehrere Reisen nach
Ost-Indien gemacht hat. Eben so erwartet er einen Supercargo, der
gleichfalls sehr gute Kenntnisse von diesen Gegenden haben soll.
Indessen fand ich die Mannschaft, nur sechszehn Köpfe zusammen, für
eine so weite Reise etwas schwach, weil doch immer ein Drittheil davon
erkranken kann.

Leer ist der vielen Schiffe und Fremden wegen jezt äußerst lebendig,
wobei sich der reiche Theil der Kaufleute besonders in Gastmählern
zu zeigen sucht. Gewöhnlich sind es Abendmahlzeiten, von denen man
aber oft erst Morgens aufsteht. In diesen legt man hier den größten
Luxus zur Schau, besonders was die Weine betrifft. Der Bordeaux macht
dabei den Anfang, und der Champagner den Beschluß. Ueberhaupt ist der
Ostfriese von ruhigem, gutmüthigem, gastfreundlichem Charakter, so, daß
es fast allen Fremden hier sehr wohl zu gefallen pflegt.

Dazu tragen denn auch in vieler Hinsicht die angenehmen Spaziergänge in
der Nachbarschaft bei. Der besuchteste davon führt nach Bollinghusen,
eine Art Gehöfte mit einem Herrenhause, das dem Baron von Reede gehört.
Dabei befindet sich ein schöner Park und Garten, die jedermann offen
stehn. Ein großes wohleingerichtetes Wirthshaus mit einem Tanzsaal
fehlt ebenfalls nicht. Es ist daher alle Tage, besonders aber Sonntags,
große Gesellschaft hier.

Ein anderer angenehmer Weg führt nach Loga, ohngefähr eine halbe Stunde
östlich von Leer, auf der großen Straße nach Deutschland. Dieses Loga
ist ein ansehnliches Dorf, das aus einigen Straßen besteht und viele
stattliche Gebäude hat. Unter diesen befinden sich mehrere Landhäuser,
die sehr geschmackvoll eingerichtet sind. Besonders zeichnet sich
das Schloß des Grundherrn, des Grafen ~von Wedel~, aus. Es ist
fürstlich zu nennen, und mit den herrlichsten Park- und Gartenanlagen
versehen.

Eine Viertelstunde nördlich von Leer erhebt sich mitten im freien Felde
eine nicht unbedeutende Anhöhe, der ~Plettenberg~ genannt. Der
Weg dahin führt zum Theil durch eine hohe Ulmenallee, bei den Ruinen
eines alten Schlosses vorbei. Man hat von diesem Anhöhe eine sehr
ausgebreitete Aussicht auf den schlängelnden Fluß, und einen großen
Theil von Ostfriesland. Bei heiterem Wetter kann man selbst Embden,
und die Schiffe auf der dortigen Rhede sehn. Nun, in kurzem werden wir
selbst dort liegen, und dann mit Gott in offene See.




                           ~Dritter Brief.~


                                             An Bord, auf der Rhede von
                                                  ~Embden~, April 1808.

Da bin ich denn an Bord unserer Anna Wilhelmina, dies ist der Name
unseres Fregattenschiffs. Nach Abgang meines lezten blieb ich ohngefähr
noch acht Tage in Leer. Unterdessen nahm das Schiff den Rest seiner
Ladung ein, und segelte den Fluß hinab. Wir Passagiere, acht zusammen,
folgten zu Lande nach. Morgens fuhren wir ab, Mittags kamen wir in
Embden an. Die Rhede von Embden hat das Unbequeme, daß kein großes
Schiff in der Nähe der Stadt vor Anker gehen kann. Man muß daher oft
eine Stunde, ja zwei Stunden fahren, ehe man zu seinem Schiffe kommt.
Dies war leider auch unser Fall, doch endlich hatten wir die gehörige
Höhe erreicht, und konnten unser Schiff gerade vor uns sehn. Da es aber
gerade Ebbe war, entstand ein neuer Aufenthalt. So harrten wir bis
sechs Uhr Abends am Strande, bis endlich die Schaluppe uns abzuholen
kam.

Sobald wir uns an Bord befanden, wies uns der Capitain, je zwei und
zwei zusammen, unsere Hütten an. Mit meinem Gefährten hatte ich schon
in Leer Bekanntschaft gemacht. Es war ein alter herzensguter Mann, der
als Aufseher der afrikanischen Wallfischfang-Gesellschaft ebenfalls
nach der Kapstadt gieng. Ich übernahm die Mühe, unsere Hütte in Ordnung
zu bringen, was mir denn auch nicht übel gelang.

Denken Sie sich einen kleinen Verschlag, der höchstens drei Personen
fassen kann, und das Licht nur durch ein kleines Fenster in der Thür
erhält. Denken Sie sich ferner in der einen Wand derselben zwei Koyen,
oder Schlafstellen über einander, so haben Sie unsere Hütte vor sich.
Hier muß man denn nun sehn, wie man seine Sachen unterbringt. Ein
Glück, daß ich beim Einladen unserer Provisionen zugegen war, so ward
alles gleich in die Hütte gesezt.

Was wir daher am nöthigsten brauchten, wie Wäsche, Bücher u. s. w.
kam unter die Matrazze, oder fand an den Enden der Koye einen Plaz.
Andere Sachen, wie Töpfe mit Eingemachtem, Thee, Kaffee, Zucker, Gläser,
Seife, Liqueur u. s. w. wurden in einen Schrank verschlossen, der
an der entgegengesezten Wand befindlich war. Einige Kleidungsstücke
wurden zwischen die Balken an der Decke der Koye gesteckt. Die größeren
Vorräthe, wie die Weinkisten, das Selteserwasser u. s. w. befanden sich
im Raume, doch oben aufgesetzt. Auf diese Art war unsere Haushaltung
sehr bald in Ordnung gebracht. Wir nahmen hierauf bei dem Capitain das
Abendessen ein, und sanken zulezt unter dem Rauschen des Wassers in
tiefen Schlaf.

                   *       *       *       *       *

Diesen Morgen gieng ich nur auf das Verdeck, fand aber dort alles in
der größten Unordnung. Das Schiff ist so voll geladen, daß man die
besten Sachen nicht mehr in den Raum bringen kann. So müssen z. B. die
Fleisch- und Gemüse-Tonnen sämmtlich oben bleiben, was den Platz gar
sehr beengt, und die Schiffsarbeit nicht wenig erschwert. Dazu kommen
die Passagiergüter, alles darunter und darüber, wovon jeder nach dem
Seinigen sucht. Man will versuchen, aufzuräumen, ich fürchte aber,
daß es wenig helfen wird. Von allen den schönen Vorräthen an Hämmeln,
Geflügel u. s. w. die uns der Capitain versprochen hatte, ist nicht das
mindeste zu sehen. Mehrere Passagiere denken daher, mit der Schaluppe
nach Embden zu fahren, und einzukaufen, was zu bekommen ist. Auch für
uns werden Hühner, und einige Ochsenviertel mitgebracht. So eben kommt
unser Rheder zum Abschiedsbesuch. Ich muß schließen, man ruft mich.


                                                         Morgens 7 Uhr.

Der Wind ist günstig, der Lootse an Bord. Eben wird das Anker
aufgewunden, wir gehen in See. So leben Sie denn wohl, herzlich wohl.
Die Inlage an meine liebe Frau. Gott gebe, daß wir uns alle glücklich
wieder sehn! Noch einmal, leben Sie herzlich wohl, und denken Sie
meiner mit Freundschaft, wie Ihrer ewig denken wird.

                                                                 Ihr P.




                           ~Vierter Brief.~


                                                     ~In See~ Mai 1805.

Wir laviren im Kanal; die Küsten von England und Frankreich liegen
deutlich vor uns. Besonders sind wir jener so nahe, daß wir die
herrlichen Landhäuser zu erkennen im Stande sind. Es ist das
herrlichste Wetter von der Welt, nur Schade, daß uns der Wind entgegen
ist. Anfangs gieng es sehr gut, wir kamen schon am zweiten Tag in den
Kanal. Aber seitdem haben wir schon vier verloren, und Gott weiß, wie
lange das dauern kann. Mein Reisegefährte sagt mir, daß auf diese Art
oft drei bis vier Wochen vergehn.

Unterdessen suche ich mich zu beschäftigen, so gut ich kann. Ich lese,
ich schreibe, ich meditire, bald sitzend, bald stehend, wobei mein
kleines Pult in die Koye gesteckt wird. Meistens wachen wir schon um
vier Uhr auf. Dennoch bleibt jede Parthei allein bis acht Uhr, wo
alles zum Frühstück in der großen Cajüte zusammenkommt. Dann folgt ein
Spaziergang auf dem Verdecke, worauf jeder wieder in seine Hütte geht.
Um elf Uhr versammelt man sich wieder im Caffehause, das von uns selbst
errichtet worden ist.

Wir haben nämlich die Einrichtung getroffen, daß jeder nach seiner
Reihe den Wirth machen und die andern mit Genever u. s. w. traktiren
muß. Um 12 Uhr wird zu Mittag gegessen, wobei jeder aus seinen
Provisionen etwas zum Nachtisch hergiebt, und so die ewigen Kartoffeln
und das ewige Pökelfleisch etwas erträglicher macht. Wer eine halbe
Stunde Mittagsruhe halten will, mag es thun, ich selbst befinde mich
wohl dabei. Von drei bis sieben Uhr beschäftigen wir uns mit Lesen,
Schreiben, Kommerzspielen und dergl. mehr. Um sieben haben wir das
Abendessen, und dann kleine Wein- oder Punschparthien meistens auf dem
Verdeck. Um zehn Uhr ist Schlafenszeit, wenigstens muß es in allen
Hütten still seyn. Da haben Sie unsere Einrichtung, Tag für Tag, ohne
Abänderung.


                                                    ~Fünf Tage darauf.~

Gott Lob, wir haben endlich günstigen Wind bekommen, und nun geht es im
Fluge den Kanal hinaus. Schon nähern wir uns dem Cap Lezard, oder der
südwestlichsten Spitze von England. Indessen gab es diesen Morgen einen
so heftigen Streit an Bord, daß wenig fehlte, wir wären umgekehrt. Ich
habe ihnen schon gesagt, wie schlecht es mit den frischen Vorräthen
des Capitain bestellt war. Dazu kam, daß er uns bei weitem nicht die
kontraktmäßige Tafel gab. Hieraus entstand nun zwischen ihm, und
dem Supercargo ein heftiger Wortwechsel, wobei natürlich jeder von
uns des lezteren Parthei ergriff. Allein dies sezte den Capitain in
solche Wuth, daß er sofort das Schiff wenden, und gegen den günstigen
Wind anlaviren ließ. Nach einigen Stunden indessen nahm er seinen
unvernünftigen Befehl zurück, und ersäufte seinen Zorn in einigen
Flaschen Portwein, wovon er ein großer Liebhaber ist. Sie können jedoch
leicht glauben, daß dieser Vorfall einen sehr unangenehmen Eindruck auf
uns gemacht hat.


                                                               27. Mai.

Das herrlichste Wetter, der günstigste Wind. Gestern Morgens segelten
wir bei Teneriffa vorbei. Herrlich war der Wiederschein des
majestätischen Pics in der klaren, spiegelnden Fluth. Nachmittags
begegneten wir einem englischen Kaper, der uns beilegen hieß. Hierauf
kam der Capitain desselben mit einiger Mannschaft zu uns an Bord. Er
verlangte die Schiffspapiere, sah sie durch, erklärte sie endlich für
gut, und verließ uns. Wir Passagiere hatten uns inzwischen in unseren
Hütten verborgen gehalten, und kamen so mit dem bloßen Schrecken davon.

                   *       *       *       *       *

Die Hitze wird nur täglich stärker, wir fühlen sie besonders des
Nachts. Schon früh um neun Uhr ist das Holzwerk so heiß, daß man die
Hand nicht darauf legen kann. Mit unserem Tische geht es so, so; wir
helfen uns mit dem Mitgebrachten aus. Das Meer ist sehr schön, und
bietet uns eine Menge wunderbarer Erscheinungen dar. Wir bleiben oft
bis Mitternacht auf dem Verdeck. Alles ist dann Glanz und Feuer um das
Schiff. Dazu der sternbedeckte Himmel gleich einem reinen ätherischen
Lichtmeere! Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr dieser Anblick das
Herz erhebt!


                                                    Eine Stunde darauf.

Während ich obiges niederschrieb, tagte in Südost ein Fahrzeug auf,
das bald für ein dänisches Schiff erkannt ward. Es hielt auf uns zu,
und kam endlich ganz nahe heran. Es lag drei Wochen in der Tafelbai,
und ist nach Rotterdam bestimmt. Unser Supercargo hat eine lange
Unterredung mit dem Capitain gehabt, und giebt ihm ein Paket mit. Mein
Brief soll darin eingeschlossen werden, daher für diesmal genug. Leben
Sie wohl, verehrter Freund; meinen nächsten erhalten Sie wahrscheinlich
aus der Kapstadt selbst.




                            ~Fünfter Brief.~


                                         Insel ~St. Helena~, Juli 1805.

Erschrecken Sie nicht, mein werthester Freund, unser Schiff ist von
den Engländern genommen, und hier als gute Prise eingebracht. Noch
weiß ich nicht, was aus mir werden soll, fast dürfte die weitere Reise
unmöglich seyn. Doch ich will Ihnen in der Ordnung erzählen, wie Alles
zugegangen ist. Wir hatten den Passatwind bekommen, und rückten nun
immer nach der Linie vor. Sonnenaufgang und Untergang, der Mond und
die Sterne, es war ein neuer glänzender Himmel in der reinsten Pracht.
So sahen wir unter andern einmal einen Regenbogen, der durch den
~Mond~ gebildet ward, und dennoch dem schönsten Sonnenregenbogen
nur wenig nachgab.

Auf diese Art waren wir ungefähr bis unter den fünften Grad nördlicher
Breite gekommen, als wir am ~sechsten Juni~, Morgens, gerade
in Südwesten ein großes Schiff auftagen sahen. Wir freuten uns sehr
darüber, denn wir hielten es für einen heimkehrenden, holländischen
Ostindienfahrer, dem es auch vollkommen in Bauart und Segelwerk glich.
Jeder beeilte sich nun Briefe an seine Freunde zu schreiben, und ich
selbst fieng einen an Sie Geliebter an. Doch wie schrecklich sahen
wir uns in unserer Hoffnung getäuscht! Das Schiff kam näher, und ward
bald für ein englisches Kriegsschiff erkannt. Jezt erfolgten die zwei
gewöhnlichen Schüsse, das erstemal blind, das zweitemal hinter dem
Schiffe hin, und wir waren gezwungen, beizudrehen. Sofort sezten die
Engländer ein Boot aus, und schickten zwei Offiziere, nebst ungefähr
zwanzig Mann Seesoldaten nach uns ab. Kaum waren nun diese an Bord, so
wurden die Schiffspapiere untersucht, unzulänglich befunden, und Schiff
und Ladung für gute Prise erklärt.

Denken Sie sich, wie uns Passagieren bei dieser Nachricht zu Muthe war!
Um keinen Argwohn zu erregen, hielten wir uns während der Untersuchung,
troz der erstickenden Hitze, in unsern Hütten auf. Hier brachten wir
zwischen Furcht und Hoffnung wohl eine Stunde zu. Endlich erfuhren wir
unser Schicksal. Unser Supercargo, Herr Van der Pulten, mußte sich an
Bord des Kriegsschiffs begeben; eben so wurden auch unsere sämmtlichen
Matrosen dahin gebracht. Unser Capitain verlor das Commando, und an
seiner Stelle übernahm es ein englischer Lieutenant. Auch erhielten
wir eine englische Schiffsmannschaft. Um uns andere schien man sich
wenig oder gar nicht zu bekümmern, wie uns denn auch nicht das Mindeste
genommen ward.

Aber welcher Lärm, welche Verwirrung auf dem Verdeck! Alles unter, und
durch einander; ein Schreien, Fluchen und Rasen, daß man sein eigenes
Wort nicht verstand. Dazu das Ueberpacken der Hangmatten, Kisten u.
s. w. Die fremden Gesichter, die fremde Sprache, der ganz veränderte
Zustand. Endlich drangen ein halbes Dutzend englische Matrosen in die
Cajüte, erbrachen die Kisten unseres Capitains, und bemächtigten sich
seines Eigenthums. So gieng es fort bis vier Uhr, wo alles allmählig
wieder in Ordnung kam. Bald darauf gab das Kriegsschiff ein Signal, und
sogleich ward alles zum Weitersegeln in Bereitschaft gesezt. Endlich
steuerte das Kriegsschiff voran, und das unserige hinter demselben
drein. Der Curs war südlich; doch wohin es eigentlich gieng, blieb ein
Geheimniß für uns.

Am folgenden Tage neue Verwirrung, neue Angst. Die Engländer
beschlossen die Ladung Stück für Stück zu untersuchen, um der Prise
desto gewisser versichert zu seyn. Da sie nämlich unser Schiff durchaus
für ein verkapptes holländisches hielten, vermutheten sie auch Pulver,
Blei, Gewehre u. s. w. unter der Ladung, was bekanntlich gegen die
Kriegsgesetze ist. Zu diesem Ende wurden nun alle Kisten und Fässer
auf das Verdeck gebracht, und theils zerschlagen, theils angebohrt.
Sie wurden dabei so hoch aufgestapelt, daß fast das Umschlagen zu
befürchten war. Man fand indessen nichts, als einige Fässer Harz, was
dann zur Contrebande gestempelt ward. Hierauf ward alles wieder in den
Raum geschafft, wiewohl in größter Unordnung. Diese ganze Untersuchung
dauerte von Morgens sechs, bis Abends acht Uhr, und zwar während
der Himmel mit furchtbaren Gewitterwolken bedeckt war. Ein einziger
Windstoß, ein einziger Wetterschlag, und es würde um uns geschehen
gewesen seyn.

Die Nacht war still, aber drückend heiß. Endlich gegen Morgen brach das
Ungewitter mit tausend Donnerschlägen los. Das Echo in den Wolken war
fürchterlich; der Regen floß in Strömen herab; der Sturm peitschte die
Wogen himmelan; unzählige Blitze durchkreuzten sich. Zum Glück waren
wir auf diese ~Travate~ -- dies ist der Schiffsausdruck -- schon
seit dem Abende vorbereitet, so daß sie uns nicht den mindesten Schaden
that.

Am 20. Juni passirten wir die Linie, was mit den gewöhnlichen
Feierlichkeiten geschah, und steuerten immer tiefer nach Süden hinab.
Oft nahm uns das Kriegsschiff nunmehr aufs Schlepptau[18], wobei es
natürlich tüchtige Stöße gab. Am 3. Juli verließ uns das Kriegsschiff
auf eine kurze Zeit. Es beschloß auf einige Schiffe Jagd zu machen, die
man in Osten erblickte, und der Capitain für spanische ansah. Er gab
uns den Curs auf, den wir in der nächsten Nacht halten sollten, und
versprach am andern Morgen wieder bei uns zu seyn. Allein wir harrten
vergebens; selbst am dritten Tage erschien er noch nicht. So kreuzten
wir immer in der Irre herum.

Das schlimmste dabei war, daß unser Wasser zu Ende gieng, und daß nun
jeder auf eine Kanne täglich gesetzt ward. Zum Unglück hatten sich
die Ratten auch schon längst über unser Selteserwasser gemacht; wir
waren daher auf Wein und Branntewein eingeschränkt. Gekocht konnte
nun durchaus nichts weiter werden, wenigstens in süßem Wasser nicht;
dagegen machte das Seewasser alle Speisen beinahe ungenießbar.

Um einmal eine gute Tasse Caffe zu haben, gab ich zwei Flaschen
Genever, jede zu sieben bis acht Gulden, für eine einzige Flasche
Wasser hin. Zwar hatten wir zuweilen starke Regenschauer, allein dies
half uns nichts. Segel, Holz- und Tauwerk waren nämlich so stark mit
Salztheilen besezt, daß das herabfließende Wasser durchaus denselben
Geschmack bekam. An unserem Mangel waren indessen die englischen
Offiziere und Matrosen eigentlich selbst Schuld. Bei dem Umladen hatten
sie nämlich mehrere Wasserfässer, die ihnen im Wege waren, zerschlagen;
eben so hatten sie den größten Theil unseres Vorrathes zum Waschen
verbraucht.

Fünf Tage hatten wir so aufs ungewisse herumgekreuzt, als endlich
unser Lieutenant den Kurs nach ~St. Helena~ zu nehmen beschloß.
Der Wind war heftig, aber auch äußerst günstig für uns. Dies war ein
großes Glück, da jeder nur noch ein einziges Glas Wasser erhielt. So
durchschnitten wir den ungeheuern Ocean ohngefähr vom Rio de la Plata
an bis nach diesem einsamen Eiland. Vierzehn Tage waren vorüber, wir
hatten nur noch Wasser auf einen einzigen, was gestern war. Da sahen
wir mit aufgehender Sonne die schwarze, verbrannte, tausendfach in
sich zerklüftete Felsenmasse vor uns. Aber bald verloren wir den Wind,
und kamen nur mit Mühe heran. Doch als wir endlich um die hohen Felsen
bogen, welch ein erfreulicher Anblick! Es war St. Jamestown, von hohen
tropischen Bäumen beschattet, im Hintergrunde einer herrlichen Bai.
Unvergeßlicher Abend! Meere und Himmel glänzten in Rosenglut. Bald
erkannten wir auch unser Kriegsschiff, das vor 3 Tagen hier eingelaufen
war, und ankerten sofort nicht weit davon.

Abends erhielten wir einen Besuch von einem Hamburger Capitain, der
unter dänischer Flagge von Ostindien kommt. Er erbot sich, Briefe von
uns mitzunehmen, und so wird ihm auch dieser zugestellt. Eben trifft
die Antwort des Gouverneurs auf unser Bittgesuch ein, an's Land zu
gehen. Sie ist, wie gewöhnlich, bejahend, und wir machen noch heute
Gebrauch davon. -- Ich umarme Sie mit Herzlichkeit; nächstens mehr von
mir.




                            ~Sechster Brief.~


                                               ~Bai~ von ~St. Helena~~,
                                                        Juli 1805.

Es ist ein trüber, regnigter Tag, wie immer in dieser Jahrszeit. Ich
bin allein in der Cajüte, alle meine Reisegefährten befinden sich am
Lande, so werde ich denn von Niemanden gestört. In der ersten Nacht,
nachdem wir vor Anker gegangen waren, hatten wir noch einen gewaltigen
Schrecken. Denken Sie, im Vertrauen auf den guten Ankergrund, hatte
sich der Capitain mit einem einzigen Anker begnügt. Dieser »~raakte
los~«, wie es in der Schiffersprache heißt, und wir trieben in die
offene See. Es war kurz vor Mitternacht, als es die Wache zum Glück
noch inne ward. Jezt entstand ein entsezlicher Lärm, und alles mußte
sofort an die Arbeit. Wir Passagiere fuhren aus dem ersten Schlafe
auf, und glaubten anfangs, daß Feuer ausgekommen sey. Mit vieler Mühe
ward nun das Schiff wieder gewendet und in Sicherheit gebracht. Wir
wurden indessen nicht eher ruhig, als bis auf jeder Seite ein großer
Anker gefallen war.

Nachmittags fuhr ich nun mit dem Supercargo, der uns vom Kriegsschiffe
aus besucht hatte, ans Land. Wir stiegen an einem schattigen Wege
aus, der längs den Batterien bis zu dem Thore hinläuft. Was einem nun
zuerst in die Augen fällt, ist Jamestown, zu deutsch Jacobsstadt. So
heißt der einzige Ort, der auf der Insel befindlich ist. Denken Sie
sich ein schmales, noch keine halbe Stunde langes Thal, auf beiden
Seiten mit 2000 Fuß hohen Bergen eingefaßt. In diesem Thale denken
Sie sich nun 3 bis 4 Straßen mit zierlichen Häusern besezt, und hier
und da mit Bäumen vermischt, und Sie sehen Jamestown in der Natur vor
sich. Die vornehmste Straße geht von Süden nach Norden, und endigt
in einem sehr schönen Graben, der der Regierung gehört. Hier findet
man die besten Häuser, alle in orientalischem Geschmacke, mit platten
Dächern, und Gallerien erbaut. Sie haben sämmtlich kleine Gärten,
wo man die herrlichsten Blumen zieht. Da das Thal aufwärts steigt,
ragen die hintersten Häuser etwas über die vordersten empor, und
haben die Aussicht auf die Bai. In der Mitte der Straße befindet sich
ein Grasplatz mit Bäumen besezt, auf dem ein schöner Brunnen steht.
Ganz am Ende liegt ein schöner schattiger Gottesacker, wo wir einige
geschmackvolle Grabmäler sahen.

Als wir die Straße wieder herunter giengen, traten wir einen Augenblick
in den oben erwähnten Graben hinein. Er steht jedermann offen, und
ist mit den herrlichsten Pflanzen aller Welttheile bedeckt. Ein
artiges Haus von Bananas, Citronen, Orangen und Palmen beschattet,
zog besonders unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es schien uns der
beneidenswertheste Aufenthalt auf der Welt. Plözlich hörten wir hinter
uns holländisch sprechen, und erfuhren zu unserm Erstaunen, daß ein
großer Theil der gefangenen Garnison von Surinam hier in englische
Dienste getreten sey. Die Soldaten klagten aber sehr über die Theurung,
besonders über den Mangel an frischem Fleisch. Es ist freilich
natürlich, daß man alles für die Schiffe aufhebt, und daß sich folglich
der gemeine Mann mit seinen gesalzenen Rationen begnügen muß.

Wir giengen nun weiter, um die übrigen merkwürdigen Gebäude von
Jamestown zu besehen. Hier wurde uns zuerst das Haus des Gouverneurs
gezeigt. Es liegt hart am Strande, mit der Vorderseite nach der Bai
gekehrt, wird aber von dem Wege, der an der Batterie hinläuft, durch
eine Mauer getrennt. Es ist unstreitig das schönste und größte Gebäude
auf St. Helena. Die meisten Zimmer sind mit persischen Teppichen,
ostindischen Moußelinbehängen u. s. w. verziert, und mit prächtigen
Mobilien von Ebenholz versehen. In einem derselben sind die Bildnisse
der englischen Könige von Carl =I.= bis Georg =III.= ausgehängt; auch
findet man einen schönen Waffensaal. Der Graben enthält eine Menge
seltner Pflanzen, und zeichnet sich durch seine trefliche Lage aus.
Allein es ist ein eigener Anblick, wenn man die hohen Felsen dahinter
so darüber herhängen sieht.

Weiter besahen wir die Kirche, die auf einem freien Platze steht.
Sie ist von innen und außen recht zierlich anzusehen, und hat auch
einen schönen Thurm mit Glocke und Uhrwerk. Eben so nimmt sich das
Schauspielhaus, in geringer Entfernung davon, nicht übel aus. Dasselbe
gilt von der Freimaurerloge, der neuen Offizierscaserne, und dem
Billiardhaus. Lezteres ist zugleich ein Wirthshaus, wo ich die Nacht zu
bleiben beschloß, indem der Supercargo zu einem Bekannten eingeladen
war. Mein Abendessen bestand aus Salat, und einem Schinkenbeine, nebst
zwei Gläschen Rum. Mein Bett war nicht das beste, und ein Frühstück
forderte ich nicht. Jezt rathen Sie einmal, was die Zeche war? O nur
eine Kleinigkeit! Nicht mehr als sechs und zwanzig Gulden holl., man
kann nicht billiger seyn! -- So sah ich denn mit einemmale, wie theuer
hier Alles ist. Gegen Mittag fuhren wir an Bord zurück.




                           ~Siebenter Brief.~


                                                ~Bai~ von ~St. Helena~,
                                                             Juli 1805.

Vorgestern erhielt ich einen unvermutheten Besuch von einem unserer
Landsleute, der hier ein artiges Haus und einen großen Kaufladen
besizt. Ich mußte ihn an's Land begleiten, und den Sonntag bei ihm
zubringen, was ich natürlich sehr gern annahm. Er bewirthete mich aufs
Beste, und ganz auf vaterländische Art. Bis auf den Roodkorß[19],
nichts, gar nichts fehlte; alles war da. Später nahmen wir den Thee in
seinem Garten unter einem herrlichen Orangenbaume ein.

Das Innere der guten Häuser ist sich hier fast durchgehends gleich.
Die meisten haben zwei, auch wohl drei Stockwerke, die sehr regelmäßig
eingetheilt sind. Um die beiden ersten Stockwerke pflegen Gallerien
zu laufen, was sehr viel zur Kühlung beiträgt. Verwundert bin ich
indessen, keine steinerne Fußböden zu sehen. Die Möbeln sind alle aus
England; doch werden auch Stühle und Kanapees aus einer Art hiesigen
ostindischen Binsen gemacht. Diese schönen Häuser sind aber einen
großen Theil des Jahrs gänzlich unbewohnt.

Die Eigenthümer halten sich nämlich im Innern der Insel auf ihren
Landgütern auf. Diese sind als eben so viele Einsiedeleien zu
betrachten, indem jedes von dem andern durch Felsen und Schluchten
getrennt ist. Nur wenn die ostindischen Flotten ankommen, eilt alles
nach der Stadt. Jedes Haus wird dann ein Gasthaus, wo der Fremde Kost
und Wohnung finden kann, sobald er kein Geld zu sparen braucht. St.
Jamestown ist dann äußerst belebt; Concerte, Bälle u. s. w. wechseln
unaufhörlich ab. Auch werden zu dieser Zeit große Geschäfte in
ostindischen und chinesischen Waaren gemacht. Hieraus wird erklärlich,
warum die hiesigen Kaufläden so überflüßig damit versehen sind.

Man lebt hier im Allgemeinen ganz auf englische Art. Zum Frühstück:
Thee, Butterbrod, kaltes Fleisch, gebackenen Fisch, und Kapwein. Zum
Mittag: Rostbeef, oder Beefsteeck, gesottenen oder gebackenen Fisch,
Gemüse und Pudding. Der Nachtisch von den auserlesensten Früchten;
Kapwein, Madera und Bordeaux. Abends eine Kleinigkeit. Ein kleines
Gebäcke, oder auch nur Brod mit einem Glase Milch, Ale, Groy[20], oder
Wein. Ich finde dies sehr gesund; man schläft vortrefflich darauf.

Die Insel selbst bringt mancherlei Lebensmittel hervor. Dahin rechne
ich außer etwas Weizen, vorzüglich die vortrefflichen Erdäpfel, die man
das ganze Jahr hindurch in Ueberfluß hat. Dann die köstlichen Yams,
die mit den Erdäpfeln verbunden das beste Brodsurrogat sind. Eben so
eine Menge herrlicher Früchte, wie Citronen, Orangen, Melonen, Ananasse
u. dgl. mehr. Auch fehlt es nicht an europäischen Gemüsen fast aller
Art. Mehrere antiscorbutische Gewächse und Kräuter, wie z. B. eine
Art Portulak, und Sellerie, die Petersilie, die Wasserkresse u. s. w.
findet man hier das ganze Jahr an der Küste im Ueberfluß.

Das hiesige Rindfleisch ist vortrefflich, aber freilich so theuer, daß
es nur der Wohlhabende bezahlen kann. Dieß kommt von den Viehseuchen
her, die nicht selten aus Mangel an Wasser entstehen. Noch vor wenig
Jahren z. B. kamen mehr als 2000 Stück schöne Rinder bei einer
anhaltenden Dürre um. Schaafe und Ziegen giebt es viel, doch ist das
Hammelfleisch etwas zäh. Das Schweinefleisch hingegen ist ausnehmend
gut. Wir hatten gestern ein Spanferkel von einzigem Geschmack.

An Geflügel und kleinem Wildpret fehlt es ebenfalls nicht. Man hat
Rebhühner, Fasanen, Tauben u. s. w. besonders aber Hühner und Enten
in Ueberfluß. Der aus Ostindien eingeführte Reisvogel vermehrt sich
hier außerordentlich, und zwar sonderbar genug auf den Anhöhen. Auch
die Kaninchen und Guineahühner, die der Gouverneur aus Liebhaberei
unterhält, dürften in kurzem sehr zahlreich seyn. Seefische werden in
ungeheurer Menge gefangen; man zählt nicht weniger als 70 Arten davon.
Auch an Schildkröten fehlt es nicht, doch erhält man die größten von
der Insel Ascension. Das Trinkwasser ist das treflichste, das man
finden kann.

Was St. Helena sonst noch braucht, wird aus Englands vom Kap, aus
Brasilien und von Angola zugeführt. Jährlich kommen nämlich wenigstens
vier, und zuweilen noch mehr Proviantschiffe mit den nöthigen
Artikeln, wie Mehl, Pökelfleisch, Schinken, Zungen, Weizen, Schaafen,
Butter, Wein, Manufakturwaaren u. s. w. an. Es fehlt daher in der Regel
an nichts in St. Helena, nur daß alles, zumal wenn die ostindischen
Flotten da liegen, ungemein theuer ist.

So kostet z. B. ein Huhn nicht weniger als zwölf Gulden
holländisch[21], während ein kaum jähriges Ferkel mit hundert siebenzig
Gulden bezahlt wird. Ein Pfund Havanah Cigarren kostet 36 Gulden, ein
Glas Liqueur einen Gulden, und so fort. Jeder Verkäufer nimmt hier
180 bis 200 pro Cent. So der Einwohner, der an die Schiffe abgiebt, so
der Schiffer, der seine Waaren absezt. Man sollte gar nicht glauben,
wie viel Geld hier in Umlauf kommt. Vor einigen Tagen z. B. verkaufte
nur ein Capitain in weniger als 2 Stunden für 7000 Pagoden[22] an
Werth. Die Kriegsschiffe, die hier mit Prisen einlaufen, lassen oft
hunderttausende zurück. Auf diese Art leben die Einwohner, wenn man
die Beamten abrechnet, durchgehends von der Landwirtschaft und dem
Schiffsverkehr.




                             ~Achter Brief.~


                                              ~Bai~ von ~St. Helena~,
                                                             Juli 1805.

Was ich so oft gehört habe, finde ich nun vollkommen bestätigt: das
Clima von St. Helena ist wirklich sehr angenehm. Dies kommt besonders
von dem Paßatwinde her, der unaufhörlich über die Insel weht, und
die Luft beständig rein und kühl erhält. Erdbeben und Orkane, in den
tropischen Gegenden sonst so häufig, sind hier unbekannt. Es regnet
selten, oft, wie man behauptet, in zehn, zwölf Monaten und darüber
nicht. Als Ursache hiervon giebt man die Stätigkeit des Paßatwindes,
so wie die abgeschnittene Lage, den geringen Umfang, und die
verhältnißmäßige Kahlheit der Insel an. Indessen scheint gewiß, daß
die hiesige Atmosphäre seit ungefähr 50 Jahren etwas feuchter geworden
ist, daß seit dem vermehrten Anbaue ungleich mehr Regen fällt, und daß
man eine anhaltende Dürre immer weniger zu fürchten hat.

Wichtig scheint die Bemerkung, daß die Luft auf St. Helena überall, in
den Thälern wie auf den Bergen, an den Küsten wie im Innern der Insel,
gleich vortreflich ist. Der Wärmegrad hingegen wechselt natürlich nach
den Höhepunkten ab. Auf den höchsten Punkten fällt der Wärmemesser
bis unter 54° Fahr. herab, während er im St. Jamesthale bis 84°
steigt. Beides wird aber freilich nur selten bemerkt. Der sogenannte
Wintermonat, der halbe Juni und Juli, pflegt hier am kühlsten zu seyn.
Der Himmel ist dann häufig bedeckt, es fallen ziemliche Regenschauer,
und nicht selten ist die ganze Insel in einen leichten Nebel verhüllt.

Wie gesund die Luft von St. Helena sey, beweißt unter andern auch das
Ansehen der Einwohner, besonders derer, die hier geboren sind. Da
ist keine Spur von jener Totenfarbe, jener Abmagerung und Schwäche,
wie man sie in andern Theilen von Asien und Afrika bemerkt. Ohne
etwas von schweren Krankheiten oder peinigenden chronischen Uebeln
zu wissen, erreichen die meisten Einwohner ein sehr hohes Alter, und
zeigen noch oft im 70, ja 80sten Jahre, ungemeine Kraft und Munterkeit.
Eben so erholen sich die siechsten Personen, an deren Leben man in
Ostindien verzweifelte, auf St. Helena größtentheils mit unglaublicher
Schnelligkeit.

Von der gefährlichen Nachtluft, die in den tropischen Ländern oft so
tödtlich ist, weiß man hier ebenfalls nichts. Im Gegentheil, man kann
sogar am Strande schlafen, ohne daß man das Mindeste davon zu fürchten
hat. Dies geschieht denn auch von den Matrosen sehr häufig, indem die
Schiffe gerade der Stadt gegenüber vor Anker gehen. So vereinigt sich
denn Alles, um St. Helena zu einem macenarischen Posten zu machen,
der für den englisch-ostindischen Handel sehr wichtig ist. Hier finden
nämlich die nach Europa segelnden Schiffe gleichsam auf halbem Wege,
den besten Erfrischungsort. Ich sage, die nach Europa segelnden, weil
nur diese über St. Helena gehen. Die aus Europa kommenden legen nämlich
am Kap an. Dieser Unterschied wird durch die Abweichung des Paßatwindes
bestimmt.

Der Umfang der Insel wird auf höchstens 12 Stunden geschäzt. Die
größte Länge soll von 6, die größte Breite von 4 Stunden seyn. Die
Bevölkerung giebt man auf 2300 Seelen an, worunter 5-600 Mann Garnison,
und 7-800 Neger mit begriffen sind. Für die Sicherheit der Insel ist
nach Möglichkeit gesorgt. Nicht genug, daß jede Landung durch die hohen
Felsen und die heftige Brandung sehr erschwert wird; es sind auch auf
den vornehmsten Punkten Batterien und Bollwerke angelegt.

Zugleich sind auf den benachbarten Felsengipfeln immer große
Steinvorräthe in Bereitschaft. Auf dem höchsten Punkte der Insel,
auf dem Dianenpik, ist ein Wachthaus, von dem man alle Schiffe in
der Entfernung von vielen Stunden signalisirt. Eben so sind rund um
die Insel Telegraphen errichtet, die sämmtlich mit St. Jamestown in
Verbindung stehn. Die Disciplin der Garnison ist sehr gut, und alle
Morgen sorgfältiger Namensaufruf. Sobald man nun einen Mann vermißt,
wird sogleich Embargo auf die Schiffe gelegt. Dies macht das Desertiren
beinahe unmöglich, indem nicht leicht ein Schiffer die Hand dazu bieten
wird.

Der jetzige Gouverneur ist ein sehr thätiger und einsichtsvoller Mann.
Er hat sich bereits in vielen Hinsichten um St. Helena sehr verdient
gemacht. Unter andern hat er eine Einrichtung getroffen, die äußerst
nüzlich geworden ist. Alle Vergehungen werden nämlich mit einer
verhältnißmäßigen Strafarbeit gebüßt. So wurden mehrere öffentliche
Gebäude aufgeführt, die Inselwege verbessert, wüste Strecken angebaut
u. dgl. mehr. Der schöne Compagniegarten z. B. entstand allein auf
diese Art. Vorher war es ein wüster Platz, wo aller Unrath von St.
Jamestown zusammenfloß. Jezt ist es die herrlichste Pflanzung, die man
sehen kann.

Die Feldarbeiten werden hier durch Neger verrichtet, die zum Theil
freie Leute sind. Der Sclavenhandel ist schon seit 25 Jahren
und darüber abgeschafft. Dies hat auf den Anbau der Insel den
glücklichsten Einfluß gehabt. Indessen halten sich auch die freien
Neger freiwillig zu den einzelnen Gutsbesitzern, was für beide Theile
gleich vortheilhaft ist. Eben so sieht man deren als Bediente, Jäger,
Aufwärter, theils auf dem Lande, theils in St. Jamestown. Man rechnet
in allem 7-800 zusammen, worunter die Weiber die Mehrzahl sind.

Von diesen leben sehr viele in der Stadt. Sie werden besonders als
geschickte Näherinnen, Köchinnen und Wäscherinnen gelobt. Die jüngere
und schönere treiben ein bekanntes Nebenhandwerk, das während der
Anwesenheit der ostindischen Flotten sehr einträglich ist. Die meisten
Negerinnen berechnen ihr Alter theils nach dem Monde, theils nach
den Proviantschiffen aus England. -- »Ich bin 300 Proviantschiffe
alt!« -- gab mir eine sehr betagte Frau zur Antwort. Dies macht, 4
Proviantschiffe auf das Jahr gerechnet, nicht weniger als 75 Jahre.


                                                     Zwei Tage nachher.

Werden Sie glauben, theuerster Freund, daß von der Fortsetzung
meiner Reise nach der Kapstadt die Rede gewesen ist? Hören Sie nur!
Vor ungefähr 5 Tagen lief hier ein kleines Kapsches Schiff mit Wein
und Butter ein. Der Capitain hörte von uns, und bot uns gegen gute
Bezahlung sofort die Ueberfahrt an. Meine sämmtlichen Gefährten
entschlossen sich fast augenblicklich dazu, ich aber nahm mir vor,
etwas bedächtlicher zu Werke zu gehn.

Den andern Tag ward ich zu dem Capitain unseres Kriegsschiffes
eingeladen; was schon mehrmals der Fall gewesen war. Er erklärte mir,
er würde in 5, 6 Tagen unter Segel gehn. Ob ich ihn begleiten, meine
Reise nach dem Kap fortsetzen, oder auf St. Helena bleiben wolle, sey
mir freigestellt. Ich bat um eine Stunde Bedenkzeit, und entschloß mich
zur Reise nach -- England.

Sie werden erstaunen, verehrter Freund, aber hören Sie meine Gründe an.
Zuerst ist das Kapsche Schiff ein kleines, altes und sehr schlechtes
Fahrzeug, wie sie es in der Regel fast alle sind. Zweitens sind wir
im Regenmonßon, wo es in diesen Gewässern, und gerade in der Nähe des
Kaps, sehr heftige Stürme giebt. Drittens ist die Reise von St. Helena
nach dem Kap ohnehin schon beschwerlich, da man, um den Paßatwind zu
bekommen, einen bedeutenden Umweg machen, und wenigstens einen Monat
darauf rechnen muß. Viertens endlich glaubte ich, allen Umständen
zufolge, durchaus an mein erstes Schiff und dessen Schicksal gebunden
zu seyn. Der Capitain selbst gab mir vollkommen Recht. Ich werde nun
noch eine Rundreise um die Insel machen, wozu die Erlaubniß bereits
ausgewirkt ist, und dann mit vollen Segeln nach Europa zurück!




                           ~Neunter Brief.~


                                              ~Bai~ von ~St~. ~Helena~,
                                                           August 1805.

Jezt erst kann ich sagen, daß mir St. Helena in jeder Hinsicht bekannt
geworden ist. Vorgestern in aller Frühe brach ich von St. Jamestown
auf. Mein Führer war ein alter ehrlicher Bootsmann, aber in Wahrheit
noch rüstig genug. Wir stiegen zuerst einen hohen, kahlen Felsen, den
sogenannten Ladderhill, hinan. Von der Bai aus gesehn, faßt er die
rechte Seite des Thales ein. Der ziemlich steile Weg ist in den Basalt
gehauen, und überall mit einer gemauerten Brustwehr versehn. Gewöhnlich
wird bis auf den Gipfel nur eine halbe Stunde abrechnet; wir brauchten
aber an drei Viertelstunden dazu.

Auf dem höchsten Punkte befindet sich eine Batterie, die einen
beträchtlichen Theil der Bai bestreicht, nebst einem Flaggenbaum.
Daneben sind mehrere Baraken für die Artilleristen, die diesen Posten,
wegen der reinen kühlen Luft, allen andern vorziehn. Sie haben ihre
Weiber und Kinder bei sich, und bauen ihre kleinen Gemüsegärten sehr
sorgfältig an. Die Aufsicht vom Ladderhill ist aber nichts weniger als
schön. Auf der einen Seite hat man nichts als nakte Felsen; auf der
andern das einsame Meer. Die Stadt selbst nimmt sich in der furchtbaren
Tiefe wie ein Haufen Kartenhäuser aus.

Wir erquickten uns mit einem Glase Rum und stiegen dann einen zweiten,
gleichfalls ganz kahlen Felsen hinan. Aber wie angenehm werden wir
dafür auf dem Gipfel überrascht! Ein liebliches Thal mit grünenden
Bergen eingefaßt, lag im glänzenden Morgenlichte vor uns da. Die
Pisangs, die Cocospalmen, die Orangen und Bananas; weidende Heerden auf
üppigen Wiesen; zierliche Landhäuser zwischen Fruchtbäumen versteckt;
alles blühend und grünend, alles in Schönheit und Herrlichkeit; ein
irdisches Paradies vom liebenden Himmel geküßt.

Wir wanderten nun am Rande dieses entzückenden Thales immer am Abhange
des Berges hin. Der Weg war mit Lorbeer- und Myrthensträuchen, mit
Citronen-, Orangen- und Feigenbäumen eingefaßt. Sie bildeten einen so
dichten Schattengang, daß uns die Sonne nicht im mindesten beschwerlich
fiel. Ich kaufte von einem alten Neger einige Orangen zu einem halben
Stüber[23] das Stück, und fand dieselben von vortrefflichem Geschmacke.
Gegen Mittag kamen wir an ein schönes Landhaus, das dem Gouverneur
gehört. Wir fanden blos einige Neger und Negerinnen daselbst, und
konnten es also nach Belieben besehen. Es ist ein treffliches Gebäude,
vorn mit einer großen schattigen Kastanienallee, hinten mit einem
herrlichen Garten versehen. Am Ende des Gartens befindet sich ein
Hügel, auf den man Bäume, Gebüsche und Blumen aus China und aus England
vom Kap und von den Südseeinseln beisammen sieht.

Das Innere dieses Landhauses ist sehr geschmackvoll verziert; überall
sind die schönsten englischen Möbeln, auch eine Menge ostindischer
und chinesischer Kostbarkeiten aufgestellt. Unter andern bemerkte
ich ein schönes Fortepiano von Mahagony. Es war, wie ich hörte, auf
der Insel selbst gebaut, und zwar von einem Deutschen, der mit den
holländischen Truppen aus Surinam hierher gekommen ist. Er besizt
bereits ein schönes Haus zu St. Jamestown, und schickt jährlich eine
Menge musikalischer Instrumente, besonders aber Pianofortes, theils
nach dem Kap, theils nach Batavia. Die wohlfeilsten werden ihm mit
60 Guineen, die theuersten mit 180 bis 200 bezahlt. Leztere sind mit
den feinsten ostindischen Holzarten ausgelegt. Nachdem wir dies alles
besehen hatten, nahmen wir eine ländliche Mahlzeit von Milch und Eiern
zu uns, und sezten nach einem kleinen Mittagsschlafe unsere Wanderung
weiter fort. Der ehrliche alte schwarze Castellan fand sich mit einem
guten Stück Tabak über seine Erwartung bezahlt.

Wir wendeten uns nun südöstlich, und kamen bald zu einem anderen
schönen Landhause, das einem Herrn Vrangham gehört. Die hier gezogenen
Früchte und Gemüse sollen die besten auf der ganzen Insel seyn. Kein
Wunder, daß daher blos der Obstgarten für 200 Pfund jährlich verpachtet
ist. Ich bemerkte viel herrliches Wiesenland, sah aber nirgends Vieh
darauf. Gleichwohl befindet sich ein starker Bach in der Nähe, der sich
ins Meer ergießt. Das Wasser ist krystallhell, die Ufer sind mit den
schönsten Blumen bedeckt.

Wir steuerten weiter nach ~Sandybay~, immer längs einer Reihe mit
Lorbeern und Myrthen bedeckter Berge hin. Dies ist der breiteste und
bequemste Weg auf der Insel, so daß man selbst zu Wagen fortkommen
kann. Allmählig stiegen wir aufwärts, und bald sahen wir das große
liebliche Sandybay Thal vor uns. Das Farbenspiel der untergehenden
Sonne war entzückend schön; die ganze Landschaft schien in Rosenglut
getaucht.

So kamen wir bei dem Landhause eines Herrn Doreton an, das sehr
romantisch an dem Abhange liegt. Ich hatte einige Zeilen an den
Verwalter, und war daher ein sehr willkommener Gast. Augenblicklich
sezte er uns herrliche Milch, frisches Brod und köstliche Früchte
vor, während seine Frau ein vollständiges Abendessen versprach. Ich
erfrischte mich mit einem Paar Stücken Ananas, und betrachtete die
Landschaft, über der jezt der Mond aufgieng.

Nach ungefähr einer kleinen Stunde rief mich der alte ehrliche Neger
zum Abendessen hinein. Ich trat in einen freundlichen Gartensaal, der
mit den schönsten Kupferstichen verziert war. In der Mitte war ein
ziemlicher Tisch gedeckt, und mit allerhand guten Sachen besezt. Wir
hatten ein treffliches Stück Rostbeef, eine Schüssel mit Lamscerbonade,
zwei andere mit Yams und Erdäpfeln, zwei Teller mit europäischen
Pfeffergurken und Eingemachtem, ein Körbchen voll herrlicher Früchte,
und eine große Flasche Maderasekt. Hungrig, wie wir nach einer
solchen Tagereise waren, langten wir nunmehr herzhaft zu. Es war ein
wunderschöner Abend; ich blieb bis nach zehn Uhr auf.

Endlich wieß mir der Verwalter ein Schlafzimmer an. Es war äußerst kühl
und reinlich, dennoch that ich die ganze Nacht kein Auge zu. Hieran
war eine Legion von Mäusen Schuld, die ihr Unwesen ins unglaubliche
trieb. Sie liefen über mich hin und her, gänzlich ungenirt. Endlich
kleidete ich mich an, und begab mich auf die Terrasse, wo ich von
zwei bis sechs Uhr vollkommene Ruhe fand. Als es Morgen geworden war,
brachten die guten Leute ein treffliches Frühstück, auf dem feinsten
japanischen Porcellan. Ich beschenkte den Mann mit einem tüchtigen
Stücke Tabak, und die Frau mit einigen Briefen Nadeln, nebst einem
Röllchen Seidenband, was ihre Erwartung übertraf. So war es fast sieben
Uhr geworden; endlich brachen wir auf.

Wir nahmen nun unsern Curs nach ~Longwood~, ein der Compagnie
gehöriges Gut, das auf der östlichen Seite der Insel liegt. Der fast
zweistündige Weg dahin ist äußerst angenehm, und führt am Fuße des
Dianenpik hin. Dies ist der höchste Gipfel von St. Helena, der sich
fast 2700 Fuß über die Meeresfläche erhebt. Weiterhin sahen wir die
artigen Landhäuser der Herren Pierin und Bazelt mit weitläuftigen
Pflanzungen umringt. Hier wird das meiste und vorzüglichste Gemüse
auf der ganzen Insel gebaut, was den Besitzern große Summen einträgt.
Der Kohl wird für den besten auf der ganzen Welt gehalten, giebt aber
keinen Marktartikel ab. Ich sah auch hier eine schöne Rinderheerde, so
groß und fett, wie bei uns in Holland.

Zu meinem Erstaunen ward ich auf diesem ganzen Wege eine Menge
Kaninchen gewahr. Sie haben Lager wie die Hasen, und schweifen
unaufhörlich umher. Man fängt sie daher fast auf die nämliche Art.
Zu gleicher Zeit bekamen wir auch sehr viel Tauben, Fasanen und
Rebhühner zu Gesicht. ~Longwood~[24] selbst, ist eine sehr
schöne Besitzung. Sie liegt auf der Fläche eines Berges, der nicht
weniger als drei englische Meilen[25] im Umfange hat. Das Haus ist mit
einem weitläufigen Parke, einem vortrefflich unterhaltenen Garten,
und herrlichen Wiesengründen umringt. Von der Gallerie und aus den
meisten Zimmern hat man eine entzückende Aussicht auf die benachbarten
pittoresken Thäler, auf die Bay von St. James und den Ocean. In der
Regel wird Longwood von dem Vicegouverneur bewohnt.

Von hier aus führen nun wieder zwei Wege nach St. Jamestown; der
eine mitten durch die Insel; der andere längs der Küste hin. Jener
ist äußerst pittoresk, wegen des beständigen Auf- und Absteigens
aber sehr unbequem. Dieser ist weniger romantisch, ja zuweilen sogar
unangenehm; doch bietet er nur selten beschwerliche Stellen dar. Ich
beschloß den lezteren zu wählen, um auch die minder angebauten Gegenden
des Eylandes zu sehen. In der That fanden wir auch nichts als kleine
einsame Negerhütten mit Frucht- und Gemüsegärten umringt. So wanderten
wir unter Lorbeer- und Cypressenbäumen bis Mittag fort, wo unter einem
Pisang Halt gemacht ward. Mein Führer hatte sich nämlich auf Herrn
Doretons Gute mit Wein, Brod und Schinken versehen, und wir hielten auf
diese Art eine sehr gute Mahlzeit. Auf den benachbarten waldigen Bergen
schwärmten Rehböcke herum, und aus der Ferne donnerte ein herrlicher
Wasserfall.

Nach einigen Stunden Ruhe machten wir uns wieder auf den Weg, und
bekamen nachher den Wasserfall selbst zu Gesicht. Er stürzt sich an
dreihundert Fuß hoch von einem pittoresken Felsen herab, und bildet
einen crystallhellen ziemlich starken Bach. Das Wasser wird theils in
Röhren nach St. Jamestown geleitet, theils fließt es dem Meere zu, wo
es von den Schiffen benuzt wird. Bald näherten wir uns nun wieder der
St. James-Bay. Auch hier, wie durchaus längs der Küste, war der Weg mit
guten Brustmauern versehen. Endlich ließen wir einen hohen Berg mit
einem Fort seitwärts liegen, und stiegen gerade Ladderhill gegenüber
wieder nach St. Jamestown herab. So hatte ich denn die ganze Rundreise
um die Insel von Westen nach Osten in zwei Tagen gemacht. Morgen und
übermorgen besorge ich noch meine Einkäufe, und dann für wenigstens
zwei Monate wieder an Bord.




                            ~Zehnter Brief.~


                                                 ~In See~, August 1805.

Gestern verließen wir St. Helena. Ich schlief noch ganz ruhig in meiner
Koje[26], als ich durch die Signalschüsse geweckt ward. Schnell zog ich
mich an, und eilte auf das Verdeck. Eben stieg die Sonne aus dem Meere
auf, und alle Schiffe glänzten im Morgenroth. Wir hatten deren noch
sechs in unserer Begleitung, lauter große Ostindien- und Chinafahrer
mit Ladungen von unermeßlichem Werth. Der Südostpassat war uns äußerst
günstig, bald lag die Insel gleich einem schwarzen Streifen hinter
uns, und heute sind wir schon viele Meilen davon entfernt. Ich habe
jezt die eine Hütte ganz für mich. So kann ich mich der zweiten Koje
als Vorrathskammer bedienen, und bin in allem weit besser daran, als
ehedem. Die Kost ist erträglich, das beste müssen aber auch diesmal
die eigenen Provisionen thun.


                                                            12. August.

Vorgestern segelten wir die Insel St. Ascension vorbei, sie bietet dem
Auge nichts als kahle Klippen dar. Das Segeln in Convoy hält unsere
Fahrt nicht wenig auf. Immer bleibt ein und das andere Schiff zurück,
auf das gewartet werden muß. Dann ist bald dies, bald jenes zu thun.
Dann ruft bald dieser, bald jener das Kriegsschiff an. So lagen wir oft
drei und mehrere Stunden bei, wobei es nicht an gegenseitigem Besuchen
fehlt. Auf dem einen Ostindienfahrer giebt es fast alle Abende große
Musik. Es sind besonders Blasinstrumente, was auf der See von ganz
eigener Wirkung ist. Morgen passiren wir die Linie, doch finden keine
Feierlichkeiten statt.


                                                            30. August.

Seit 10 Tagen haben wir den Südostpassat verloren, und rücken nur
langsam fort. Der Himmel ist bedeckt, der Barometer gefallen, der Wind
veränderlich. Wir sahen unter der Linie einige Wallfische, sie glichen
von weitem einem großen umgekehrten Schiffe, das mit den Masten nach
unten liegt. Sehr schön nahmen sich die hohen von ihnen ausgeworfenen
Wasserstrahlen aus. Sie bildeten, ehe sie wieder niedersanken, einen
majestätischen Bogen im herrlichsten Farbenspiel.

Vorige Nacht hätten wir beinahe ein großes Unglück gehabt. Der eine
Ostindienfahrer war nämlich vom Curse abgekommen, und schoß in der
Nacht kaum anderthalb Fuß vor unserm Vorderstewon[27] vorbei. Wir haben
Wassermangel, so eben höre ich aber, daß man uns vom Kriegsschiffe drei
große Fässer zugeschickt hat. Nun so will ich mir denn seit 8 Tagen den
ersten Thee wieder machen, der mir wie Nektar schmecken soll.


                                                          9. September.

Der Capitain hat die Luken öffnen lassen, um nach der Ladung zu sehen.
Es ist viel Seewasser eingedrungen, der Schaden scheint größer als man
geglaubt hat. Dies ist aber sehr natürlich, da alles unter einander
geworfen worden war. So liegen die Kisten mit den feinen Tüchern oben
auf. Auch die meinigen sind bis auf den Grund durchnäßt. Die Bücher
z. B. bilden nichts als eine verschimmelte Masse, so daß ich sie
nur ins Meer werfen kann. Die Matrosen sind jezt beschäftigt, das
Schiff anzumalen, und bringen überall, wo sichs nur schicken will,
eine Stückpforte an. Wir sollen von weitem recht furchtbar aussehn,
damit sich kein französischer Kaper an uns macht. Unsere Fahrt war
bei dem veränderlichen Winde langweilig genug. Allein gegen Ende der
vorigen Woche bekamen wir den Westpassat, und nun geht es fröhlich den
europäischen Gewässern zu.


                                                         27. September.

Gestern war ein angstvoller Tag für uns. Ohngefähr auf der Höhe von
Kap finisterre rief uns am 24. ein englischer Kutter an. Er gab uns
Nachricht, daß der ganze Golf von Biscaya, und besonders die Einfahrt
des Kanals mit französischen Kriegsschiffen bedeckt sey. Sie hätten
den größten Theil eines nach Westindien bestimmten Convoys genommen,
und sich sogar an der englischen Küste gezeigt. Der Capitain unseres
Kriegsschiffes hielt es daher fürs beste, seinen Kurs so nördlich als
möglich zu nehmen, theilte indessen auf jeden Fall die nöthigen Befehle
aus.

Gestern um 9 Uhr Morgens tauchten in großer Entfernung einige
Kriegsschiffe auf. Man sah sie allgemein für englische an. Allein
um 1 Uhr Nachmittags zeigte sich leider das Gegenteil. Es waren 3
französische Fregatten, von denen die eine mit vollen Segeln auf unser
Kriegsschiff zukam. Indessen dauerte es doch noch fast eine Stunde,
ehe das eigentliche Gefecht seinen Anfang nahm. Es scheint, daß man
auf beiden Schiffen noch mit den Zurüstungen beschäftigt war. Endlich
schickte die Fregatte dem Kriegsschiffe einige Kugeln und bald darauf
eine ganze Ladung zu, und nun begann der Kampf mit Heftigkeit.

Unser Kriegsschiff leistete den tapfersten Widerstand, selbst als schon
in der ersten halben Stunde die zweite, und endlich auch die dritte
Fregatte dazu gekommen war. So dauerte das Gefecht, mit einer kleinen
Pause bis gegen Abend fort. Jezt aber mußte das Kriegsschiff streichen,
worauf es von den Franzosen in Besitz genommen ward. Wir sahen jezt die
eine Fregatte auf die Convoy loskommen, benuzten aber den Vortheil des
Windes und der Dämmerung, und entgiengen ihr. Doch zweifle ich, ob dies
allen Schiffen geglückt seyn mag.

Unsere Offiziere und Matrosen waren über den Sieg der French Dogs[28]
vor Wuth ganz außer sich. Sie schwuren, die Prise bis auf das Aeußerste
zu verteidigen, und sollte es ihr lezter Augenblick seyn. Die Lichter
wurden bedeckt, die Kanonen und Gewehre in Stand gesezt. Jeder
hielt sich auf seinem Posten, und spähte in die düstere See hinaus.
Indessen bekamen wir nur einige Schiffe und diese sämmtlich nur an
der französischen Küste zu Gesicht. Wir erkannten sie in ziemlicher
Entfernung an den drei großen Laternen des Hintertheils.

Heute Morgens um 8 Uhr aber erblickten wir ein Schiff, das mit vollem
Winde auf uns zugesegelt kam. -- »Jezt gilt es Leben oder Tod!« --
rief der englische Lieutenant und munterte das Schiffsvolk durch eine
kräftige Anrede zum Gefechte auf. Wir Passagiere, der vorige Capitain,
der Schiffsarzt und ich, mußten uns in den Raum begeben, und brachten
hier eine Stunde in Todesangst zu. Doch endlich hörten wir ein lautes
Freudengeschrei, wurden hinaufgerufen, und sahen, daß jenes Schiff ein
englischer Kutter von 34 Kanonen war. Er kam uns nun in kurzem zur
Seite, und theilte uns allerhand Neuigkeiten mit.


                                              5. October 1805. Morgens.

Wir haben die Küsten von Cornwallis in Gesicht, der Wind ist südost,
und also in hohem Grade günstig für uns. Die schönen grünenden
Berge mit ihren alten Kastelen glänzen im Sonnenschein, und eine
Menge freundlicher Häuser ragen zwischen Baumgruppen hervor. -- Ein
Amerikaner hat uns mit herrlichem Pökelfleische und Kartoffeln ein
erwünschtes Geschenk gemacht. Auch wird so eben ein Netz mit Sardellen
aufgefischt. Alles auf dem Schiffe ist Leben und Fröhlichkeit. Wir
sehen eine abgehende westindische Kauffartheiflotte von mehr als
hundert Segeln, die von zwei Kriegsschiffen escortirt wird. Es ist ein
unaussprechlich erhabener Anblick. Noch diesen Abend segeln wir um Cap
Lezard herum.


                                            ~Plymouth~, 7 October 1805.

Als ich gestern Morgens erwachte, befanden wir uns in der Cawsandbay.
Welcher Mastenwald! Welches Leben und welche Thätigkeit! Ich sage
nicht zu viel, es lagen hier an 500 Schiffe zusammen, und dazwischen
fuhren unzählige Schaluppen hin und her. Nicht weniger angenehm war der
Landprospect. Ein Halbzirkel von herrlichen angebauten Bergen, in den
Abhängen mit freundlichen Landhäusern, an dem Fuße mit schönen Dörfern
bedeckt. Hier weidende Heerden, dort wohlgekleidete Feldarbeiter,
und im Hintergrunde auf der höchsten Spitze ein Telegraphenthurm.
Bald kamen nun eine Menge Boote mit Lebensmitteln an unser Schiff.
Ich kaufte mir Wasser, Milch, Brod, Butter und Obst, und hielt ein
köstliches Frühstück damit. Wenn man so nach drei Monaten zum erstenmal
wieder einen frischen Trunk reines Quellwasser kostet -- es ist ein
Genuß, der sich nicht mit Worten beschreiben läßt.

Unterdessen ward es von Stunde zu Stunde immer lebhafter in der Bay.
Ich zählte an 300 Boote, blos mit Frauenzimmer angefüllt. Alle diese
Damen hatten die Nacht auf der Flotte zugebracht, und kehrten jezt
ans Land zurück. Sie waren in Mäntel und Pelze gehüllt, und schienen
äußerst lustig zu seyn. Aber werden Sie wohl glauben, daß die ganze
Gesellschaft, wohl an 2000 zusammen, aus feilen Mädchen bestand? Dies
gehört zur englischen Marinepolizei. So wie eine Flotte in einem der
fünf Haupthäfen eingelaufen ist, werden die Matrosen abgeholt. Den
meisten brennt das Geld in der Tasche; es muß so bald als möglich
wieder fort. Nun dürfen sie aber nur bei Tage ans Land, also helfen sie
sich auf die obige Art. Es ist sogar ein Gesetz vorhanden, daß es ihnen
kein Admiral u. s. w. verwehren darf. So kommt das Geld durch diese
Mädchen sofort wieder in Umlauf, und die nächtliche Ruhe der Einwohner
bleibt ungestört.

Unser Prisenmeister hatte sich inzwischen an Bord des Admiralschiffes
begeben, und ließ uns einen ganzen langen Tag in peinlicher
Ungewißheit. Endlich kam er Abends spät zurück, und kündigte uns die
weitere Fahrt nach Portsmouth an. Das Kriegsschiff war aus diesem Hafen
ausgelaufen; also gehörte auch die Prise dahin. Heute früh lavirten
wir demnach wieder aus der Bay heraus, so ungünstig sich auch Wind und
Wetter anließ.

Vier Stunden waren wir bereits unter Segel gewesen, und hatten doch
kaum zwei Seemeilen zurückgelegt; als die Heftigkeit des Windes zum
Sturme anwuchs. Der Regen floß in Strömen herab, und die Wellen
schlugen unaufhörlich über das Verdeck. Mehrere die Bay einsegelnden
Schiffe riefen uns zu, daß See zu halten unmöglich sey, allein unser
Lieutenant kehrte sich nicht daran. Bald verloren wir das Boogspriet,
und gleich darauf die Stange vom Besaanmast. Jezt erst schien der
Lieutenant die Gefahr einzusehen, befahl das Schiff zu wenden, und rief
durch Nothschüsse einen Lootsen an Bord. So liefen wir vor einigen
Stunden in Plymouth ein, ich erhielt Erlaubniß, mich ans Land zu
begeben, und lasse nun diesen Brief sofort über London an Sie abgehen.




                           ~Eilfter Brief.~


                                          ~Plymouth~, 14. October 1805.

Der preußische Consul hat mich anerkannt, und ich bin nun vollkommen
frei. Es ist ein geborner Engländer, aber ein sehr wohlwollender Mann,
der mir bereits eine Menge Gefälligkeiten erzeigt hat. Ich habe auch
bereits eine Privatwohnung bezogen, mit der ich vollkommen zufrieden
bin. Für Tisch und alles zusammen, zahle ich nicht mehr, als eine
Guinee die Woche, was wirklich sehr billig ist. Meine zwei Coffers habe
ich nun auch vom Bord erhalten, und mit großer Freude gefunden, daß
wenig oder gar nichts davon verdorben ist. Die Bücherlisten aber mögen
in Gottes Namen im Raume liegen bleiben, die verschimmelte Waare ist
keine zehn Gulden mehr werth. Doch genug von mir selbst; ich theile
Ihnen jezt einige Bemerkungen über Plymouth mit.

~Plymouth~ mit 43,000 Einwohnern liegt am Abhange eines Hügels,
der sich zwischen den Mündungen der Tamor und des Plym in die See
hinaus erstreckt. Die Mündung der Tamor ist unter dem Namen Hamoare,
die des Plym, die zugleich der Stadt den Namen giebt, unter der
Benennung Catwater bekannt; die vor der Stadt selbst befindliche
Bay heißt Plymouth-Sound. Die Mündung der Tamor ist am weitesten
von der See entfernt. In der Regel werden daher alle abgetakelten
Kriegsschiffe, und besonders die erklärten Prisen dahin gebracht; auch
befinden sich die Gefängnißschiffe daselbst. Catwater, oder die Mündung
des Plym ist besonders für Kauffahrer, und noch unter Prozeß liegende
Prisen bestimmt; beide Ankerplätze sind wegen ihrer Sicherheit berühmt.
Plymouth-Sound hingegen, so wie die benachbarte Cadsandbay pflegen bei
stürmischen Wetter gefährlich zu seyn. Was man endlich Sutton Poot
nennt, ist eine Art natürlichen Hafens im Catwater, an der einen Seite
der Stadt. Er ist mit einem Kay eingefaßt, und bietet zum Ein- und
Ausladen der Schiffe große Bequemlichkeiten dar.

Plymouth liegt also, wie gesagt, am Abhange eines Hügels, so daß
sich die Straßen von oben nach unten ziehen, und die Häuser fast
amphitheatralisch über einander gebaut sind. Die Straßen sind mit wenig
Ausnahmen eng und düster, und wie man denken kann, ziemlich steil; eben
so sind die Häuser fast durchgängig in altväterischem Stile gebaut,
und haben bei den vielen zugemauerten oder mit Brettern vernagelten
Fenstern ein doppelt häßliches Ansehen. Es ist dies eine Folge der
übermäßigen Fenstertaxe, indem für jedes nicht geblendete Fenster,
eine Abgabe von 15 Schillingen[29] bezahlt werden muß.

In dem niedrigsten Theile von Plymouth sind die Häuser am häßlichsten,
und selten oder nie mit Gärten versehen. In dem mittleren Theile sind
sie schon etwas besser, und haben fast alle jene Annehmlichkeit. Auf
dem höchsten Theile des Hügels endlich, sind sie fast durchgehends
neu und geschmackvoll, auch mit herrlichen Gärten umringt. Sie haben
zu gleicher Zeit eine vortreffliche Aussicht auf die ganze Stadt, die
umliegende Gegend, und die ganze Bay. So schlecht sich indessen auch
der größte Theil der hiesigen Häuser von außen ausnimmt, im Innern sind
sie dennoch sehr bequem eingerichtet, und häufig eben so prächtig, als
geschmackvoll verziert.

Plymouth wird durch eine Citadelle gedeckt, die eine Viertelstunde
im Umfange hat, und deren 5 Bastionen mit 165 Kanonen vom schwersten
Kaliber besezt sind. Dazu kommt noch eine starke Wasserbatterie, die
mit 18 24pfündern besezt ist. Im Innern der Citadelle befinden sich
unter andern auch die Magazine für die Vorräthe der königlichen Flotte
besonders an Mehl, Zwieback und Brod. Zu gleicher Zeit sind zwei große
Backhäuser vorhanden, wovon jedes vier Oefen hat. Diese Oefen werden
alle 24 Stunden nicht weniger als achtmal geheizt, so daß für 16,000
Mann darin gebacken werden kann.

Der Citadelle gegenüber, befindet sich auf einer kleinen Insel, St.
Nicolas genannt, ein anderes Fort, das ebenfalls von großer Wichtigkeit
ist, indem es die Mündungen des Plym, und der Tamor deckt. Hierzu trägt
besonders die Lage desselben gerade vor der Stadt, und in der Mitte von
Plymouth-Sound bei. Auch die Insel selbst wird nicht nur durch ihre
felsige Küste, sondern überdem durch mehrere Batterien vertheidigt,
wovon jede mit einem Roste zu glühenden Kugeln versehen ist.

Die hiesigen Lebensmittel sind vortrefflich, besonders was Fleisch,
Gemüse und Fische anlangt, ohne eben sehr theuer zu seyn. So wird z.
B. das Pfund Rindfleisch mit 5 bis 6 Stüvern[30], die Maas Kartoffeln
mit einem Stüver; ein großer Schellfisch mit anderthalb bis zwei
Stüvern bezahlt. Das Pfund Waizenbrod kostet einen Stüver, das Pfund
Wachslichter zehn Stüver, das Pfund Thee von vorzüglicher Güte, noch
nicht volle drei Gulden u. dgl. mehr. Ueberhaupt kann man annehmen, daß
die ersten Bedürfnisse ziemlich wohlfeil, Luxusartikel aber, wie Wein,
Liköre u. s. w. sehr theuer sind. Das leztere scheint auch vor allem
zu gelten, was zur männlichen Kleidung gehört, während die gewöhnliche
Frauenzimmerkleidung hingegen, sehr wohlfeil ist.

Gesellschaftliche Hülfsquellen trifft man zu Plymouth in Menge an.
Zuerst sind mehrere gute Leihbibliotheken vorhanden, worunter ich
besonders die von einem Herrn Bornickel, einem Deutschen auszeichnen
muß; versteht sich, daß man nur nach englischen Büchern fragen darf.
Ferner giebt es eine Menge guter Kaffehäuser und Tavernen, eben so
ein recht artiges Schauspielhaus. Endlich fehlt es auch an Concerten,
Assembleen und Bällen nicht. Wer Spaziergänge liebt, findet in der
umliegenden Gegend hinlängliche Gelegenheit dazu.

Sehr schöne Aussichten hat man besonders von der Citadelle, die auf
einem hohen, die ganze Bai beherrschenden Felsen liegt, und wohin der
Zugang jedermann offen steht. Eben so auf einem andern hohen Berge,
ungefähr eine halbe Stunde von der Stadt, von dessen Gipfel man weit in
die See hinaussehen kann. Sehr angenehm sind auch die Parthien nach
Catwater, oder der Mündung des Plym, wo man mehrere artige Wirthshäuser
findet, eben so nach Plymouth-Dock, und dergl. mehr. Ich behalte mir
die Beschreibung dieser Abstecher für die Zukunft vor.

Was meine eigene Lebensart anlangt, so wechsele ich mit Studieren
und Beobachten, mit Arbeiten und Vergnügungen ab. So bringe ich z.
B. den Vormittag bis ungefähr 11 Uhr zu Hause zu. Dann gehe ich
auf eine Viertelstunde in ein Kaffehaus, das der Sammelplatz aller
hier befindlichen holländischen Schiffer ist, und dann entweder auf
das Rathhaus, um dem öffentlichen Gerichte beizuwohnen, oder in
eine Leihbibliothek, oder ins Freie hinaus. Bei diesen öffentlichen
Gerichten nehme ich gar sehr in der Sprache zu. Bemerkenswert ist auch,
mit welchem Selbstgefühl und welcher Unerschrockenheit hier auch der
ärmste Einwohner aus den untersten Classen seine Sache vorzutragen
pflegt.

Um zwei Uhr ist bei uns Essenszeit, worauf ungefähr eine Stunde
verwendet wird. Gegen 4 Uhr mache ich gewöhnlich allein, zuweilen
auch in Gesellschaft einen großen Spaziergang. Um 6 Uhr komme ich
zurück, trinke Thee, und bringe den Abend meistens mit Lesen, dann
und wann aber auch im Theater zu. Hier ist jedoch immer ein solcher
Lärmen, daß man wenig oder gar nichts vom Stücke verstehen kann. Die
Zuschauer laufen nämlich beständig von einem Platze zum andern, wo
es dann besonders in der Nähe gewisser Damen sehr laut zugeht. Diese
benehmen sich indessen mit vieler Züchtigkeit, weil der Zutritt in das
Theater nur den beiden ersten Klassen gestattet ist. Man erkennt sie
jedoch sehr leicht an ihrer Kleidung, und besonders an ihrer wirklichen
bezaubernden Artigkeit. Nichts reizenderes, als wenn ein solches
Mädchen ihrem Geliebten eine Weintraube oder Orange aufdringt. Doch
genug! denn eben ruft mich unsere gute Wirthin zum Abendessen ab.




                            ~Zwölfter Brief.~


                                          ~Plymouth~, 27. October 1805.

Gestern war hier ein allgemeiner Freudentag. Es liefen nämlich
5 französische, bei Trafalgar genommene, Linienschiffe ein.
Majestätisch wehte die englische Flagge vom Quarterdecke, während die
französische tief ins Wasser hieng. Der Enthusiasmus des Volkes war
unbeschreiblich. Dazu das Glockengeläute, der Donner der Kanonen,
und das Freudengeschrei von allen Schiffen ringsumher! Aber bald
ward nun auch Nelson's Tod bekannt. -- ~Nelson is killd! -- Nelson
is killd!~[31] riefen sich Männer und Frauen, mit Thränen und
Händeringen zu. Lebhaft fühlte ich was Volksgeist und Vaterlandsliebe
ist.

Seit meinem lezten habe ich nun mehrere Abstecher in die umliegende
Gegend gemacht. Zuerst nach Plymouth-Dock, oder gewöhnlich schlechtweg
~the Dock~, nur eine halbe Stunde von hier. Es ist dies eine neue, weit
größere und volkreichere Stadt, als Plymouth selbst. Ihr Name zeigt
ihren ersten Ursprung, nämlich ein Schiffswerft an. Der Weg dahin
ist sehr belebt und angenehm. Zuerst kommt man durch Stonehouse, ein
artiges Dörfchen, dessen niedliche Häuser sich fast eine Viertelstunde
neben der Straße hinziehen. Dann übersteigt man Stonehouse-Hill, einen
ziemlich beträchtlichen Hügel, von dem man eine ausgebreitete Aussicht
auf die beiden Nachbarstädte hat. Am Fuße desselben kommt man durch das
Dörfchen Stock, und bald tritt man in die schönen, geraden und breiten
Straßen von the Dock ein.

In der That, ich ward hier äußerst angenehm überrascht. Alles ist
so nett, so freundlich, so lebendig; daß Plymouth wie ein düsteres
Gefängniß dagegen erscheint. Wer daher nicht an jenen Aufenthalt
gebunden ist, oder von seinen Renten leben kann, zieht in der Regel
gewiß diese Stadt vor. Von öffentlichen Gebäuden sind besonders das
außerhalb den Thoren liegende Marinehospital, die neuen Kasernen,
das schöne Wachthaus, und die prächtigen Schiffswerfte sehenswerth.
Die Lebensmittel sind etwas theurer als in Plymouth, man zahlt z. B.
ungefähr ein Viertheil mehr als dort. Uebrigens gehen zwischen beiden
Städten unaufhörlich eine Menge Postkutschen hin und her, die man zu
jeder Stunde des Tages miethen kann.

Eine angenehme Seefahrt machte ich vor einigen Tagen nach Edystone.
Dies ist der Name einer Klippenreihe, die sich in der offenen See,
gerade vor der Mitte der Bay hinzieht. Auf dem höchsten Punkte
derselben, vorzugsweise Edystone genannt, ist ein Leuchtthurm erbaut,
der auf den englischen Seekarten, unter dem Namen Edystone-Lighthouse
verzeichnet ist, und von den Schiffern sehr sorgfältig beobachtet wird.
Ich fuhr in Gesellschaft einiger Bekannten dahin. Wir wählten natürlich
einen vorzüglich schönen Tag dazu, weil man diesen gefährlichen
Klippen sonst nicht nähern kann. Auch vergaßen wir die nöthigen
Vorräthe an Wein, Rum, Rostbeef, Chesterkäse, Brod und Porter nicht.

Das Wetter war vortrefflich, das Meer fast spiegelglatt, der Wind
sanfter Ost-Süd-Ost; schon nach einer Stunde langten wir daher bei dem
Leuchtthurme an. Einer der Wächter wartete bereits auf uns, befestigte
unser Boot an einem eisernen Ringe, und half uns dann durch das stille
niedrige Wasser, von Klippe zu Klippe, bis an den Thurm hinan. Hierauf
holte er unsere Vorräthe aus dem Boote, und führte uns eine zwar
dunkle, aber bequeme Treppe hinauf. Bald öffnete er eine Thür, und wir
traten in ein geräumiges Zimmer, das zwar etwas düster, jedoch recht
artig meublirt war.

Wir fanden hier seinen Kameraden, einen schon ziemlich bejahrten
Mann, der uns mit ungemeiner Freude empfieng. Ein Tag, wo diese
armen Leute Besuch erhalten, ist immer ein Festtag für sie. Nach
einer kleinen Unterhaltung, die wir mit einem Geschenke von Tabak
eröffneten, stiegen wir vollends zur Laterne hinauf, und besahen die
Einrichtung zur Erleuchtung, die jezt mit Lampen geschieht. Hierauf
folgte eine tüchtige Kollation, von der natürlich unser alter Wirth
nicht ausgeschlossen blieb, während dem andern sein Theil zurückgelegt
ward. Dies machte denn den guten Alten so gesprächig, daß er uns nicht
nur eine kurze Geschichte des Leuchtthurms selbst, sondern auch seine
eigenen Lebensumstände zum Besten gab.

Der Leuchtthurm, wie er jezt dasteht, ist eigentlich schon der dritte
auf Edystone. Der erste ward in den Jahren 1696 bis 1698 gebaut, stand
aber nur bis 1707, wo er bei einem heftigen Herbststurme in einer Nacht
von den Wellen verschlungen ward. Der zweite ward 1708 angefangen,
und im folgenden Jahre vollendet. Er hielt gegen alle Stürme bis
1755 aus. Hier brannte er ab, und die zwei Wächter fanden einen sehr
schrecklichen Tod. Der jetzige Leuchtthurm endlich ward in den Jahren
1756-59 vollendet, und hat seitdem den wüthendsten Orkanen getrozt.

Was den alten ehrlichen Wächter selbst anlangt, so befand er sich schon
seit 30 Jahren hier, und trieb zugleich das Schuhmacherhandwerk. Er
hatte diese Stelle anfangs aus Bequemlichkeit gesucht, worauf ihm erst
die Arbeit lieb geworden war. Troz seinem geringen Gehalte, der nur 25
Pfund betrug, war er dennoch vollkommen zufrieden, und wünschte sich
nie von seinem lieben Thurme hinweg.

Mitunter war es ihm freilich manchmal sehr hart gegangen, besonders im
Winter, wo die Verbindung oft Monate lang mit dem Lande abgeschnitten
ist. So z. B. als einmal sein Mitwächter gestorben war. Sechs und
dreißig Tage mußte er den Leichnam bei sich behalten, und obendrein
den beschwerlichen Dienst allein versehen. An diese fünf schicklichen
Wochen dachte er noch immer mit Entsetzen zurück. Seitdem sind
regelmäßig drei Wächter angestellt. Der dritte war gerade auf einige
Tage in Plymouth. So hörten wir dem guten Alten einige Stunden mit
Vergnügen zu, bis endlich die Nachmittagsfluth eintrat. Jezt machten
wir ihm ein kleines Geschenk an Gelde, und segelten mit dem günstigsten
Winde nach Plymouth zurück.

Eine andere sehr angenehme Partie machten wir gestern nach Edgecumbe.
Dies ist eine Art hohen Vorgebirges, das am jenseitigen Ufer der Tamor
liegt, und von der Cadsand-Bay bespült wird. Wir ließen uns über die
Tamor setzen, was durch zwei schmucke, rothbäckige Dirnen geschah,
wandelten noch eine halbe Stunde zwischen herrlichen Wiesen hin, und
langten endlich am Fuße des pittoresken Berges an. Edgecumbe gehört
einer der ältesten Familie von England, und bildet im Grunde einen
Park, der über eine Stunde im Umfange hat.

So wie wir allmählig aufstiegen, fanden wir nun die herrlichsten
Anlagen aller Art. So sah ich z. B. eine Menge Lorbeer- und Myrthen-,
Orangen- und Citronen-Pflanzungen, und glaubte mich plözlich wieder
nach St. Helena versezt. Sie überwintern hier, wie ich höre, in freier
Luft, woraus sich auf die Milde der Temperatur in diesem Theile von
England schließen läßt. Auf dem höchsten Punkte, und in der Mitte des
Ganzen, befindet sich das große schöne Wohnhaus, mit einer Aussicht,
die einen Horizont von 7 bis 8 Stunden, und die herrlichsten Land- und
Seeprospekte umfaßt. Das Innere dieser Villa ist eben so bequem als
geschmackvoll eingerichtet, und mit Kunstwerken aller Art angefüllt.
Der gegenwärtige Besitzer davon ist der einzige Sohn des Grafen von
Edgecumbe, Lord Valleton. Er ist unaufhörlich auf neue Anlagen bedacht,
so daß Edgecumbe in kurzem unter die ersten Merkwürdigkeiten von
England gerechnet werden wird.

Um auf einem andern Wege nach the Dock zurückzugehen, beschlossen wir
einen Berg zu übersteigen, an dessen Fuße das Dorf Cadsand, an der
Bay gleiches Namens liegt. Auf dem Gipfel jenes Berges fanden wir
eine Kirche, auf deren Thurme ein Telegraph befindlich war. Daneben
stand ein kleines Haus, für die beiden Wächter bestimmt. Nachdem wir
einen sehr beschwerlichen Abhang herunter gestiegen waren, aßen wir zu
Cadsand zu Mittag, und kehrten auf einem sehr angenehmen Fußsteige erst
nach the Dock, und dann nach Plymouth zurück.




                          ~Dreizehnter Brief.~


                                        ~Portsmouth~, 7. November 1805.

Ich verließ Plymouth, um geradesweges nach London zu gehen. Zuerst
nahm ich meinen Weg nach Exeter, das eine gute Tagereise von Plymouth
entfernt ist. Ich that dies in der gewöhnlichen Morning-Coach, deswegen
so genannt, weil sie immer des Abends liegen bleibt, während die
Evening-Coach Tag und Nacht durchfährt. Es war 5 Uhr Morgens; meine
Gesellschaft bestand aus zwei Herren und einer Dame; indessen währte
es geraume Zeit, ehe es zwischen uns zum Gespräche kam.

Der erste Ort, wo wir anhielten, war Irybridge, ein vortreffliches
Wirthshaus, das nur wenig Schritte von dem Dorfe gleiches Namens,
höchst romantisch zwischen baumreichen Hügeln liegt. Wir fanden
hier das Frühstück schon bereit, und die ganze Einrichtung äußerst
geschmackvoll. Dann fuhren wir durch eine reizende Landschaft bis
nach Aschburton, einem Städtchen, wo in einem gleichguten Wirthshause
zu Mittag gegessen ward, passirten weiterhin Chudleigh, einen
Marktflecken, der seiner Obstgärten wegen berühmt ist, und kamen
endlich Abends um 7 Uhr in Exeter an.

Ich trat mit meinen Reisegefährten in einem großen Wirthshause ab, wo
auch die Morning-Coach liegen blieb. So einsilbig sie den ganzen Tag
über gewesen waren; so redselig wurden sie nach dem Abendessen, als der
Portwein zu wirken anfieng. Ich habe dies aber bei allen Engländern
bemerkt. Sie pflegen meistens erst bei der Flasche lebendig zu werden,
und scheinen dann wirklich ganz andere Menschen zu seyn.

Den andern Morgen gieng ich aus, die Stadt zu besehen. Sie liegt an der
schiffbaren Exe, ist im Ganzen nicht übel gebaut, hat mehrere schöne
öffentliche Gebäude, und mag ungefähr 2000 Einwohner zählen, deren
Hauptnahrung in Wollfabriken und Handlung besteht. An der Nordseite
der Stadt befindet sich ein vortrefflicher Spaziergang, Northernhay
genannt, der unter die schönsten von England gehört. Sonst sind die
Umgebungen von Exeter etwas einförmig, denn sie bestehen blos aus
Weideland. Dafür wird aber auch starke Viehzucht getrieben, und sehr
viel Butter verführt. Ein artiges Dörfchen ist Drewstington, man kann
daselbst mehrere alte Denkmäler sehen. Nicht weit davon fließt der
Teign in einer sehr romantischen Gegend, und zwischen hohen Felsen
eingepreßt. Ein anderes schönes Dorf ist Exminster an der Exe, deren
Ufer mit herrlichen Landhäusern eingefaßt sind.

Am folgenden Abend nahm ich einen Plaz in der großen Londoner
Evening-Coach bis Salisbury. Die Gesellschaft war klein, wir schliefen
überdem sämmtlich in einem Stücke weg. Um Mitternacht indessen hielten
wir an, tranken Thee, und fuhren dann wieder in einem bis Exminster, wo
gefrühstückt ward. Dies ist ein Stätdchen, das seiner schönen Teppiche
wegen bekannt, und nicht mit obigem Dorfe zu verwechseln ist.

Als der Tag anbrach, befanden wir uns in einer schönen gebirgigen
Landschaft, die vortrefflich angebaut zu seyn schien. Wir kamen durch
eine Menge Städte, Flecken und Dörfer, deren Namen ich vergessen habe,
und erreichten endlich zu Mittag das alte häßliche Dorchester, wo
gegessen ward. Meine bisherigen Gesellschafter giengen hier ab, dafür
stiegen drei neue ein. Es waren drei junge Leute aus London, von denen
besonders der eine mit vieler Selbstgefälligkeit von seiner Vaterstadt
spracht: -- »~=Yer in my town!=~« -- hieß es immer, sobald
die Rede auf London kam. Abends um 5 Uhr waren wir in Salisbury; ich
beschloß hier einen Tag auszuruhen.

Salisbury liegt am Zusammenflusse des Avon, der Nadder, und des Villey,
und ist eine finstere, häßliche Stadt. Die Straßen sind eng, winklicht
und schlecht gepflastert, die Häuser altväterisch und geschmacklos
gebaut. Sehr sehenswerth indessen ist die Kathedralkirche, die mit
ihrem herrlichen Thurme für das schönste gothische Gebäude in ganz
England gehalten wird. Eine andere Merkwürdigkeit von Salisbury sind
die alten Denkmäler aus den Zeiten der Druiden, auf einer ungeheuern
wüsten Ebene, Stoneheng genannt.

Ich war jezt willens, ohne weiteren Aufenthalt geradesweges vollends
nach London zu gehen. Unvermuthet aber kam in unserem Wirthshause
eine Postchaise aus Portsmouth an, und bot mir eine eben so bequeme,
als wohlfeile Gelegenheit dahin dar. Ich eilte also davon Gebrauch zu
machen, verließ Salisbury noch denselben Abend, und kam am folgenden
Morgen über Ramsey in Southampton an. Hier beschloß ich den Tag über zu
bleiben, und erst den Abend mit der Evening-Coach weiter zu gehen.

Southampton liegt eben so vortheilhaft als angenehm zwischen den
Flüssen Test und Itchin, die beide tief in das Land hinein vollkommen
schiffbar sind. Die Stadt ist im Ganzen sehr gut gebaut, und verräth
überall Wohlstand und Lebhaftigkeit. Unter den vielen Kirchen und
Kapellen, befindet sich auch eine französische, zum Dienst der
Einwohner von Jersey und Guernesey, von denen hier immer eine gewisse
Anzahl vorhanden ist. Eine andere Merkwürdigkeit von Southampton ist
der schöne Spaziergang the Beach genannt. Man findet hier mehrere
Reihen herrlicher, schattenreicher Bäume, und hat die Aussicht über die
spiegelnde Bay bis auf die gegenüberliegende Insel Wight. Noch größere
und mannichfaltigere Aussichten aber hat man auf dem in der Nähe der
Stadt befindlichen Bewis-Mount. Hier kann man noch den ganzen Hafen von
Portsmouth, und selbst einen Theil des Kanals übersehen.

Abends gieng ich nun, wie gesagt, mit der Evening-Coach nach
~Portsmouth~ ab, und kam daselbst am andern Morgen an. Diese
Stadt liegt auf einer Halbinsel, Portsey genannt, und kommt fast in
allen Stücken Plymouth bei. Bei hohem Wasser, d. h. zur Fluthzeit
wird die Halbinsel ganz vom Meere umringt; sie ist daher durch eine
eigene Brücke (Portbridge) mit dem festen Lande verknüpft. Der Hafen
von Portsmouth kann gegen 1000 Linienschiffe fassen, und ist in jeder
Hinsicht einer der ersten in der Welt. Die hiesigen Decken u. s. w.
zeichnen sich daher durch Umfang und erstaunenswürdige Thätigkeit aus.
Portsmouth ist nämlich als der Centralpunkt der englischen Marine zu
betrachten, von wo aus immer die ansehnlichsten Escadern abgehen.
Auf dem Hafen hat man übrigens eine herrliche Aussicht auf das
gegenüberliegende Gesport, das prächtige Seehospital, Spithead, und die
Insel Wight.




                          ~Vierzehnter Brief.~


                                               ~London~, December 1805.

Ich verließ Portsmouth mit der Evening-Coach, und kam am andern Abend
glücklich hier an. Wir fuhren wohl noch eine Stunde lang durch die
Stadt. Endlich kamen wir an der St. Paulskirche vorbei, und hielten
bei dem Wirthshause zum Doppel-Schwane in Ladlane still. Hier nahm ich
ein Zimmer, aß, und schlief vollkommen wohl. Am andern Morgen suchte
ich den Prediger an der holländischen Kirche, Herrn Wernink auf, fand
ihn, und überzeugte mich in wenig Minuten, daß ich bei einem Freunde,
Collegen und Landsmann war.

Jezt gieng es nun an die Erzählung meiner Abentheuer von meiner Abreise
von Embden an, bis auf den heutigen Tag. Darauf sprachen wir von
meinem Vorhaben, einige Zeit in London zu bleiben, und von der besten
Art meiner Einrichtung. In dieser Absicht führte mich Herr Wernink zu
einer braven Frau in seiner Nachbarschaft, und miethete ein artiges
Zimmer zu einer Guinee monatlich für mich. Von hier giengen wir auf
die Börse, wo ich noch mehrere Landsleute kennen lernte, und aßen
dann ganz auf vaterländische Art bei einem Herrn Backhuis, der unser
erster Kirchenvorsteher ist. Nach Tische, d. h. ungefähr um 7 Uhr
Abends, nahmen wir eine Miethkutsche, fuhren nach meinem Wirthshause,
berichtigten meine Zeche, und holte meine Sachen ab. Ich mußte hierauf
die Nacht bei Herrn Wernink zubringen, und bezog mein neues Logis erst
den andern Tag. Was meine Oekonomie anlangt, so aß ich, gegen eine
billige Vergütung Mittags mit Herrn Wernink, und finde das übrige, wie
Frühstück u. s. w. zu Hause selbst.

London ist so oft beschrieben worden, daß ich Ihnen in topographischer
Hinsicht lieber gar nichts sagen will. Dafür mögen einige Bemerkungen
über Clima und Lebensart hier stehen. Das Clima ist feucht und
veränderlich. Man rechnet 50 bis 60 Tage, wo die Sonne gar nicht, und
120 bis 130, wo sie nur wenig zum Vorschein kommt. Die Winde wechseln,
besonders in den Herbst- und Wintermonaten, wohl zwanzigmal des Tags
ab; die herrschendsten scheinen indessen die Nordwest und Südwest
zu seyn. Die Winter sind gewöhnlich ziemlich mild, die Felder und
Wiesen bleiben fast immer grün. Der Frühling zeigt sich meistens schon
im Februar, die Temperatur ist dann sehr angenehm. Die Sommer sind
verhältnißmäßig heiß; doch wird die Luft oft nur zu merklich abgekühlt.
Der Herbst ist in der ersten Hälfte, sobald die Stürme vorüber sind,
fast immer von großer Lieblichkeit.

Was die Lebensmittel anlangt, so finde ich, daß sie im Ganzen zwar
vortrefflich, aber auch äußerst theuer sind. In diesem Augenblicke z.
B. kostet das Pfund Rindfleisch 30 kr. rhein., das Pfund Kalbfleisch 42
kr. und so fort. Ein guter Kabeljau wird mit 5 Gulden, ein Pfund Lachs
mit 54 kr. bezahlt. Ein Pfund Weißbrod kostet 16 kr., ein Pf. Butter
54 kr., eine Kanne Milch 24 kr., ein Pf. Käse 36 kr. und so alles in
gleichem Verhältniß. Der theuerste Artikel ist das Geflügel (ein Huhn
3-6 Gulden). Der wohlfeilste dürfte das gewöhnliche Gemüse (Erdäpfel,
süße Pasteten und Braunkohl) seyn. Für eine Flasche Bordeauxwein
werden 5 Gulden, für eine Flasche alten Rheinwein 10-12 gezahlt.

Von den Preisen anderer Artikel führe ich folgende an. Ein Paar
Stiefeln 24 Gulden, ein Paar Schuhe 7-9, ein guter Hut 12-15 Gulden,
ein halbes Dutzend feine Hemder 70-80 Gulden u. dgl. mehr. Ein Fremder,
der in London nur einigermaßen anständig leben will, braucht zwischen
4 bis 5 Pfund die Woche, und muß dabei doch noch haushälterisch
seyn. Für ein meublirtes Zimmer in den besten Theilen der Stadt, wie
Chearside, Falbern u. s. w. zahlt man nebst Aufwartung 24 Gulden den
Monat, in andern Theilen kommt man mit 12-16 Gulden ab.

Der gewöhnliche Thee zum Frühstück ist sehr mittelmäßig, ob er gleich
mit 4-5 Gulden bezahlt wird. Ich wette, daß man bei uns dieselbe Sorte
für 2-3 Gulden haben kann. Das Brod ist gut, kommt aber dem Fremden
anfangs etwas bitter vor, was von den Hefen herrühren soll. Die Butter
ist frisch vortrefflich, nimmt aber schon nach einigen Tagen einen
ranzigen Geschmack an. Das Wasser ist schlecht, bleifarbig und immer
trüb. Es wird entweder aus der Themse, oder aus dem New River in die
Stadt geleitet, wobei man freilich nicht an die ekelhafte Nachbarschaft
der Schiffsabtritte, der Schlachthäuser u. s. w. denken muß.

Vorige Woche machte ich auf besondere Veranlassung eine kleine Reise
nach Chislehurst. Dieses ist ein artiges, höchst pittoresk gelegenes
Dorf, nur ungefähr 6 Stunden von hier. Es befindet sich ein großes
Erziehungsinstitut daselbst, das von einem Herrn ~Mace~, einem
sehr würdigen Mann, geleitet wird. Ein Fremder, der die Sprache aus dem
Grunde kennen lernen will, thut sehr wohl, wenn er auf einige Monate in
eine solche Kostschule (Boardings-Schoal) geht. Man nimmt nämlich in
allen solchen Instituten auch erwachsene Pensionäre auf. Diese zahlen
in Chislehurst für alles 6 Guineen monatlich. In den Boardings-Schoals
näher bei London, wie Islington, Chelsea u. s. w. ist man freilich
weniger wohlfeil. Die Luft von dem hochliegenden Chislehurst ist sehr
gesund, auch scheint das Wasser vortrefflich zu seyn. Nach London giebt
es täglich bequeme Postgelegenheiten. -- Ich erwarte nur noch einen
Brief aus Amsterdam, um sofort nach Holland überzugehen.




                          ~Fünfzehnter Brief.~


                                             ~In See~, 27. Januar 1806.

Es ist Abends 5 Uhr, der günstigste Wind treibt uns den vaterländischen
Küsten zu. Gestern Abend begab ich mich nach Gravesand; diesen Morgen
um 11 Uhr segelten wir die Themse hinab. Welche paradiesische Ufer bis
hinter Chatham! Dann aber wird der Strom so breit, daß er fast einer
Rhede gleicht. Man kann in der nämlichen Ferne nur wenig mehr sehen. Um
3 Uhr kamen wir mit 60 andern Schiffen glücklich in See. -- Bald umarme
ich Sie.


                                       ~Helvoetsluis~, 28. Jan. Mittag.

Wir gehen vor Anker, ich gebe diesen Brief einem Fischerboote mit,
damit er noch um 2 Uhr in Rotterdam abgehen kann. Alles ist wohl und
fröhlich an Bord, ich selbst bin höchstvergnügt. Heute vor einem Jahre
und nun! O Freunde! o Vaterland! o Geliebte! Morgen bin ich bei Ihnen,
und dann keine Trennung mehr!


Fußnoten:

[1] Oeffentliches Wirthshaus.

[2] Flöße, die man mit Ruder und Segel zugleich fortbringt.

[3] Hafendorf von Jaffanapatnam.

[4] So hieß der Freund des Verfassers.

[5] Alle indische Töpfer pflegen zu gleicher Zeit auch Wundärzte zu
seyn.

[6] ~Kampaak~ genannt. Die Betelblätter sind wie ein ~Herz~ geformt,
und außer der Areka noch mit Cardamom und Catchu gefüllt. Ein solcher
Kampaak ist ein verblümtes Liebesgeständniß.

[7] Pipal, =Fiscus indica=. Nach der Behauptung der Hindus braucht
dieser Baum zu seinem vollen Wachsthum ~fünfhundert~ Jahre.

[8] Sie gaben damit den Takt an, um gleichen Schritt zu halten, wie
oben gesagt worden ist.

[9] Die herumziehenden Tänzerinnen werden in der Regel wenig geachtet.
Ganz anders ist es mit den ~Devodaschis~, die bei den Pagoden
angestellt sind.

[10] Getrocknetes Feigenblatt. Man braucht diese Olas als Papier.

[11] Ein Paar hundert Tausend Pfund Sterlings.

[12] Durch die ~Fußpost~, der einzigen, die in Ostindien gebräuchlich
ist. Die Postboten heißen ~Toppals~ oder ~Dhaabs~. Es gehen immer zwei
zusammen, wovon der eine den Briefsack trägt, während der andere eine
kleine gellende Trommel schlägt. Die Stationen sind nur zwei Stunden
lang, und eigene Hütten dazu erbaut. In Calcutta, Madras, Pondichery,
Negapatnam u. s. w. gehen diese Fußposten alle Abende nach allen
Gegenden Indiens ab.

[13] Dieser Fluß durchschneidet Batavia.

[14] Wie z. B. Kampfer, Eisen, Opium u. s. w.

[15] Aus Isle de France.

[16] Fahrzeug zur Aufnahme von Personen eingerichtet, das von einem
Pferde gezogen wird.

[17] Die hintere Cajüte, die sehr nett eingerichtet ist.

[18] Gerade so, wie an den Donau-, an den Elb-, Main- und Rheinschiffen
hinten Kähne angehängt sind, nur daß der Zwischenraum größer ist.

[19] Holländischer ~Käse~ von vorzüglicher Güte, mit ~rother~ Rinde.

[20] Rum mit Wasser vermischt.

[21] Ein holländischer Gulden ist fl. 1, 4 kr. rhein.

[22] Ostindische Goldmünze, ~vier~ holländische Gulden an Werth.

[23] Ungefähr anderthalb Kreuzer rheinisch.

[24] Bekanntlich befindet sich jezt der General ~Bounaparte~ als
Gefangener daselbst. D. H.

[25] Ungefähr eine Stunde.

[26] Schlafstelle in der Wand, mit Schiebbrettern versehen.

[27] Vordertheil des Schiffs.

[28] Französische Hunde, was der gewöhnliche englische Schimpfname ist.

[29] Neun Gulden Rheinisch.

[30] Ein Stüver ist ungefähr vier Kreuzer Rhein. werth.

[31] Nelson ist todt! Nelson ist todt!




Anmerkungen zur Transkription:

Die erste Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthält die
Korrektur.

S. 64

  Das Comtoir befestigt nur wenige Leute
  Das Comtoir beschäftigt nur wenige Leute

S. 121

  Ich folgte dem Manesenstrom
  Ich folgte dem Menschenstrom

S. 263

  Vierter Brief.
  Sechster Brief.

S. 297

  9 Uhr morgens tagten in großer Entfernung
  9 Uhr morgens tauchten in großer Entfernung

S. 334

  27. Januar 1805
  27. Januar 1806





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DREI OSTINDIENFAHRER ***


    

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