Der Verschwender

By Ferdinand Raimund

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Title: Der Verschwender

Author: Ferdinand Raimund

Posting Date: September 20, 2012 [EBook #6654]
Release Date: October, 2004
First Posted: January 10, 2003

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER VERSCHWENDER ***




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Der Verschwender

Ferdinand Raimund

Original-Zaubermärchen in drei Aufzügen (1834)


Personen:

Erster Aufzug:
Fee Cheristane
Azur, ihr dienstbarer Geist
Julius von Flottwell, ein reicher Edelmann
Wolf, sein Kammerdiener
Valentin, sein Bedienter
Rosa, Kammermädchen, dessen Geliebte
Chevalier Dumont, Flottwells Freund
Herr von Pralling, Flottwells Freund
Herr von Helm, Flottwells Freund
Herr von Walter, Flottwells Freund
Gründling, Baumeister
Sockel, Baumeister
Fritz, Bedienter
Johann, Bedienter
Dienerschaft Jäger.  Gäste in Flottwells Schoß.  Genien

Zweiter Aufzug
(spielt um drei Jahre später):
Ein Bettler
Julius von Flottwell
Wolf, Kammerdiener
Valentin, Bedienter
Rosa, Kammermädchen
Präsident von Klugheim
Amalie, seine Tochter
Baron Flitterstein
Chevalier Dumont
Herr von Walter
Ein Juwelier
Ein Arzt
Ein altes Weib
Ein Haushofmeister
Ein Kellermeister
Ein Diener
Betti, Kammermädchen
Max, Schiffer
Thomas, Schiffer
Gäste.  Bediente.  Tänzer.  Tänzerinnen

Dritter Aufzug
(spielt um zwanzig Jahre später):
Fee Cheristane
Azur, ihr dienstbarer Geist
Julius von Flottwell
Herr von Wolf
Valentin Holzwurm, ein Tischlermeister
Rosa, sein Weib
Ihre Kinder Liese, Michael, Hansel, Hiesel und Pepi (vier Jahre alt)
Ein Gärtner
Ein Bedienter
Bediente.  Nachbarsleute.  Bauern.  Senner und Sennerinnen.  Genien




Erster Aufzug



Erster Auftritt

Vorsaal in Flottwells Schloß.  Mit Mittel- und vier Seitentüren,
vorne ein Fenster.  Dienerschaft in reichen Livreen ist im Saale
beschäftigt.  Einige tragen auf silbernen Tassen Kaffee, Tee,
Champagner, ausgebürstete Kleider nach den Gemächern der Gäste.
Fritz und Johann ordnen an.  Ein paar Jäger putzen Gewehre.


Chor.
Hurtig!  Hurtig!  Macht doch weiter!
Holt Champagner!  Kaffee!  Rum!
Bringt den Gästen ihre Kleider,
Tummelt euch ein wenig um.
Alles sei hier vornehm, groß
In des reichen Flottwells Schloß.

(Im Hofe ertönen Jagdhörner.  Alle ab bis auf Fritz und Johann,
welche ans Fenster treten.)

Fritz.  Ja blast nur zu!  Da könnt ihr noch lange blasen.  Die
Herrschaften sind erst aufgestanden.  Heute wird es eine späte
Jagd geben.

Johann.  Das Spiel hat ja bis zwei Uhr gedauert.

Fritz.  Ja wenn sie nach dem Souper zu spielen anfangen!  Da ist
kein Ende.

Johann (lachend).  Aber heute Nacht haben sie den Herrn schön gerupft.

Fritz.  Ich kann mich ärgern, daß er so viel verspielt.

Johann.  Warum denn?  Er wills ja nicht anders.  Die reichen Leute
sollen die Langeweile bezahlen, die sie andern verursachen.

Fritz.  Ah, über den gnädgen Herrn ist nichts zu sagen.  Das ist
ein wahrhaft nobler Mann.  Er bewirtet nicht nur seine Freunde,
er unterstützt die ganze Welt.  Die Bauern, hör ich, zahlen ja
fast niemals eine Abgabe.

Johann.  Er hat mir nur zu heftige Leidenschaften.  Wart, bis du
ihn einmal in Wut erblickst.  Da schont er weder sein noch eines
andern Glück.  Da kann alles zugrunde gehen.

Fritz.  Aber wenn er sich besinnt, ersetzt ers sicher dreifach
wieder.

Johann (achselzuckend).  Ja!  Wenns nur immer so fortgeht.

Fritz.  Wer ist denn der junge Mann, der gestern angekommen ist?
Ein scharmanter Mensch.

Johann.  Das weiß ich nicht.  Das wird sich schon noch zeigen.  Für
mich gibt es nur zweierlei Menschen.  Menschen, die Trinkgeld
geben, und Menschen, die keines geben.  Das bestimmt meine
Dienstfertigkeit.

Fritz.  Ich finde, daß er sehr höflich ist.

Johann.  Da wird er vermutlich sehr wenig geben.  Wer mich mit
Höflichkeit beschenkt, macht mich melancholisch.  Aber wenn mir
einer so einen Dukaten hinwirft und zuruft: Schlingel, heb ihn
auf!  da denk ich mir: Ha!  welch eine Lust ist es, ein Schlingel
zu sein!



Zweiter Auftritt

Vorige.  Pralling.


Pralling (tritt einen Schritt aus seinem Kabinett und ruft).
He!  Bediente!

Beide (sehen sich um).  Ja!  Befehlen?

Pralling.  Ich habe schon zweimal geklingelt.  Wollen Sie so
gefällig sein, mir Rum zu bringen?

Johann (vornehm nickend).  Sogleich, mein Herr!  (Zu Fritz.)
Hast du den gehört?  Der hat mir in sechs Wochen noch keinen
Pfennig Trinkgeld gegeben, und ein solcher Mann hat bei mir
keinen Anspruch auf Rum zu machen.  Den laß ich warten.

Fritz.  Oh, auf den acht ich auch nicht.  Der Herr hält ja nicht
viel auf ihn.

Johann.  Das ists, auf was man sehen muß.  Auch der Kammerdiener
mag ihn nicht.

Fritz.  Nun, wenn ihn der nicht mag, da kann er sich bald aus
dem Schlosse trollen.  Der wird ihn schon gehörig zu verleumden
suchen.

Johann.  Ja, der reitet auf der Gunst des gnädgen Herrn, und
niemand kann ihn aus dem Sattel werfen.

Fritz.  Du kennst ja seinen Wahlspruch: Alles für den Nutzen
meines gnädgen Herrn, und dabei stopft er sich die Taschen voll.

Johann.  Das wird aber auch eine schöne Wäsche geben, wenn dem
seine Betrügereien einmal ans Tagslicht kommen.  Ich kenne keinen
raffinierteren Schurken.  Da ist unsereiner gerade nichts dagegen.



Dritter Auftritt

Vorige.  Wolf aus dem Kabinette rechts.  Sein Betragen ist gegen
Diener sehr nobel stolz, gegen Höhere sehr demütig.


Wolf (hört die letzten Worte).  Schon wieder Konferenz?  Von wem
war hier die Rede?

Johann.  Von einem guten Freund.

Wolf.  Nu ihr seid solcher Freundschaft wert!  Ist alles besorgt?
Die Gäste bedient?

Johann.  Auf das pünktlichste!

Wolf.  Der gnädge Herr läßt euch verbieten, von den Gästen
Geschenke anzunehmen.  Ihr habt sie von seiner Freigebigkeit
zu fordern.

Beide.  Dann haben wir dadurch gewonnen.

Wolf.  Seid uneigennützig.  Das ist eine große Tugend.

Johann.  Aber eine sehr schwere--nicht wahr, Herr Kammerdiener?

Wolf.  Wo ist der Valentin?  Hat er die Quittung von der Sängerin
gebracht?

Fritz.  Er ist noch nicht zurück, obwohl der gnädige Herr befohlen
hat, er müßte bei der Jagd erscheinen, damit die Herren auf der
Jagd etwas zu lachen hätten.

Wolf (lächelnd).  Ein wahrhaft unschädlicher Bursche.

Johann.  Da sollten doch der Herr Kammerdiener ein Werk der
Barmherzigkeit ausüben und den gemeinen Kerl aus dem Hause bringen.

Wolf.  Gott bewahre mich vor solcher Ungerechtigkeit.  Das wäre
gegen die Gesinnung meiner gnädgen Herrschaft.  Der Bursche ist
zwar plump und roh, doch gutmütig und treu.  Dann steht er in der
Gunst des Herrn, der seine Diener alle liebt wie eigne Kinder.
Ja das ist wohl ein seltner Mann, der in der Welt nicht
seinesgleichen findet.  Und wollte man sein Lob in Büchern
schreiben, man würde nie damit zu Ende kommen.  Drum dankt dem
Himmel, der euch in dies Haus geführt, denn wer ihm treu dient,
der hat sich wahrlich selbst gedient.  Das Frühstück für den
gnädgen Herrn!

Fritz.  Sogleich!  (Geht ab.)

Johann (im Abgehen).  Die Moralität dieses Menschen wird mich
noch unter die Erde bringen.  (Ab.)

Wolf.  Das sind ein paar feine durchgetriebne Schufte.  Die muß
ich mir vom Halse schaffen.



Vierter Auftritt

Voriger.  Baumeister Gründling.


Gründling.  Guten Morgen, Herr Kammerdiener, kann ich die Ehre
haben, Herrn von Flottwell meine Aufwartung zu machen?

Wolf.  Herr Baumeister, ich muß um Verzeihung bitten, aber Seiner
Gnaden haben mir soeben befohlen, Sie bei jedermann zu
entschuldigen, denn Sie machen heute eine Jagdpartie.

Gründling.  Wissen Sie nicht, Herr Kammerdiener, ob Herr von
Flottwell meinen Plan zu dem Bau des neuen Schlosses für gut
befunden hat?

Wolf.  Er hat ihm sehr gefallen.  Nur hat sich der Umstand ereignet,
daß ihm auch ein anderer Baumeister einen ähnlichen Plan vorgelegt
hat und sich erbietet, das Schloß in derselben Größe um zehntausend
Gulden wohlfeiler zu bauen.

Gründling.  Das tut mir leid, aber als ehrlicher Mann kann ich
es nach seinen Anforderungen nicht wohlfeiler bauen.  Ich
übernehme diesen Bau überhaupt mehr aus Ehrgeiz als aus
Gewinnsucht, hat aber Herr von Flottwell einen Künstler
gefunden, von dem er sich Schöneres oder Besseres verspricht,
so werde ich mich zu bescheiden wissen.

Wolf.  Das heißt, es ist Ihnen nichts daran gelegen.

Gründling.  Im Gegenteil, es ist meiner Ehre sehr viel daran gelegen.

Wolf.  Ja dann müssen Sie Ihrer Ehre auch ein kleines Opfer bringen.

Gründling.  Es wäre sehr traurig für die Kunst, wenn es mit ihr
so weit gekommen wäre, daß die Künstler Opfer bringen müßten,
um Gelegenheit zu finden, ein Kunstwerk hervorzubringen.  Die
Kunst zu unterstützen, ist ja der Stolz der Großen, und eine
ökonomische Äußerung wäre an dem geldberühmten Herrn von Flottwell
etwas Unerhörtes.

Wolf.  Sie verstehen mich nicht, Herr Baumeister.

Gründling.  Genug!  Morgen will ich mit Herrn von Flottwell
selbst darüber sprechen.  Glauben Sie aber nicht, Herr Kammerdiener,
daß ich ein Mann bin, der nicht zu leben versteht.  Sollten Sie
sich für die Sache bei dem gnädgen Herrn glücklich verwenden, so
werde ich mich sehr geehrt fühlen, wenn Sie ein Geschenk von
hundert Dukaten nicht verschmähen wollen.

Wolf.  Sie verkennen mich.  Eigennutz ist nicht meine Sache, ich
spreche nur zum Vorteil meines gnädgen Herrn!

Gründling.  Den werden Sie durch mich besser bezwecken, als wenn
das Schloß von einem andern wohlfeiler und schlechter gebaut wird.

Wolf.  Nun gut.  Ich will versuchen, was mein geringer Einfluß
zugunsten eines so großen Künstlers vermag, und gelingt es mir,
so werde ich Ihr Geschenk nur unter der Bedingung annehmen, daß
Sie mir erlauben, es auf eine wohltätige Weise für andere zu
verwenden.

Gründling.  Ganz nach Ihrem Belieben.  (Beiseite.)  Die Kunst mag
mir diese Herabwürdigung verzeihen.  (Laut.)  Morgen erwarte ich
einen günstigen Bescheid.  (Will ab.)

Wolf (blickt zum Fenster hinaus).  Teufel!  der andere.  (Schnell.)
Wollen Sie nicht so gefällig sein, sich über die Nebentreppe zu
bemühen, weil die Bedienten auf der großen Möbel transportieren.
Ich empfehle mich ergebenste (Läßt ihn durch eine Seitentür
hinausgehen.  Wolf allein.)  Diese Zitrone gibt wenig Saft, jetzt
wollen wir die andere pressen.



Fünfter Auftritt

Voriger.  Baumeister Sockel.


Sockel.  Guten Morgen, Herr von Wolf!  Sie haben mich rufen
lassen, ich wäre schon gestern gekommen, aber ich hab ein Haus
stützen müssen, was ich vor zwei Jahren erst gebaut hab.
Verstanden?  Ich sag Ihnens, man möcht jetzt lieber Holz hacken
als Häuser bauen.  Erstens brennen s' Ziegel, wenn man einen nur
ein unbeschaffenes Wort gibt, so fallt er schon voneinander.
Nachher wollen s' immer ein Million Zins einnehmen, lauter
Zimmer, keine Mauern.  Verstanden?  Drum sind manche moderne
Häuser auch so dünn, als wenn s' bloße Futteral über die alten
wären.  Hernach hat halt ein Baumeister vor Zeiten auf solide
Einwohner rechnen können, aber jetzt zieht sich ja manchmal ein
Volk hinein, das nichts als rauft und schlagt, Tisch und Stühl
umwirft und das Unterste zu oberst kehrt.  Ja wo soll denn da ein
Haus die Geduld hernehmen, da wirds halt springgiftig, und
endlich fallts vor Zorn zusamm.  Verstanden?

Wolf.  Das ist alles ganz recht, aber jetzt lassen Sie uns
vernünftig reden.

Sockel.  Erlauben Sie, aber meine Reden sind ein wahrer Triumph
der Vernunft.  Verstanden?

Wolf.  Ich habe Ihnen die unangenehme Nachricht zu sagen, daß
Sie den Bau des Schlosses nicht bekommen werden.

Sockel.  Hören Sie auf, oder ich stürz zusamm wie eine alte
Gartenmauer.  Das ist ja nach unserer Verabredung nicht möglich!
Verstanden?

Wolf.  Der gnädge Herr will den Baumeister Gründling nehmen.

(Ein Bedienter, der Flottwell das Frühstück gebracht hat,
kommt zurück.)

Sockel.  Aber es war ja schon alles richtig.  Ich hab Ihnen ja
tausend G--

Wolf (rasch auf den Bedienten blickend).  Nun ja, Sie haben mir
da tausend Gründe gesagt, die--

Sockel.  Nein, ich habe Ihnen versprochen--

Wolf.  Ja (stampft unwillig mit dem Fuß), Sie haben versprochen,
gute Materialien zu nehmen.  Fritz, dort hat jemand geläutet.  (Der
Bediente geht in ein Kabinett ab.)  Aber ich kann nicht dafür,
daß ein anderer gekommen ist, der noch größere Versprechungen
gemacht hat und das Schloß um zehntausend Gulden wohlfeiler baut.

Sockel.  Aber das ist ja ein elender Mensch, der gar nicht zu
bauen versteht.  Ein hergelaufener Maurerpolier, ein Pfuscher,
und ich bin ein Mann auf dem Platz.  Verstanden?

Wolf.  Es macht Ihnen sehr viel Ehre, daß Sie so über Ihren
Kollegen schimpfen, aber das kann die Sache nur verschlimmern!

Sockel.  Aber Sie bringen einem ja zur Verzweiflung.  (Beiseite.)
Ich kann den Bau nicht auslassen, er trägt mir zu viel ein.
(Macht gegen das Publikum die Pantomime des Geldzählens.)
Verstanden?  (Laut.)  Liebster Herr Kammerdiener, ich weiß, es
hängt nur von Ihnen ab.  Der gnädige Herr bekümmert sich nicht
darum, er ist zu leichtsinnig.  Ich geb Ihnen tausend Gulden
Konventionsmünze.

Wolf.  Herr!--Was unterfangen Sie sich--

Sockel.  Ich unterfange mich, Ihnen noch fünfhundert Gulden zu
bieten.

Wolf.  Sie häufen ja Beleidigung auf Beleidigung--

Sockel.  Freilich, ich bin der brutalste Kerl auf der Welt.
Aber jetzt bin ich schon in meiner Grobheit drin, ich muß Ihnen
noch fünfhundert Gulden antragen.

Wolf.  Halten Sie ein!  Sie empören mich mit solchen unmoralischen
Zumutungen!

Sockel (beiseite).  Ah, da möcht man sich selber köpfen.

Wolf.  Ich sehe ein, daß Ihre Ehre--

Sockel.  Ah was Ehre!  Es ist einem gerade keine Schande, wenn
man ein Schloß baut, aber in Feuer lassen s' einem auch nicht
vergolden deswegen.  (Beiseite.)  Nur das Geld ist verloren!

Wolf.  Man wird Sie auslachen!

Sockel.  Freilich, es hats die ganze Stadt erfahren.

Wolf.  Wie war das möglich?

Sockel.  Weil ichs meiner Frau gesagt hab.

Wolf.  Ja sind Sie denn verheiratet?

Sockel.  Leider!  Verstanden?

Wolf (ängstlich).  Haben vielleicht Kinder!

Sockel.  Jawohl.

Wolf.  Ach, das ist ja sehr traurig.  Wie viele?

Sockel.  Mein Gott, soviel Sie wollen, verschaffen Sie mir nur
den Bau.

Wolf.  Ja das muß ich wissen.

Sockel.  Fünf, und zwei noch zu erwarten!  Verstanden?

Wolf.  Entsetzlich!  Das rührt mich!

Sockel.  Lassen Sie sich erweichen.  Nehmen Sie die zweitausend
Gulden.

Wolf (mit Bedauern).  Sie sind Familienvater!  Sie haben fünf
Kinder!  Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?  Und der andere
Baumeister hat vielleicht keine Kinder.

Sockel.  Kein einziges.

Wolf.  Ah, da müssen Sie ja den Bau erhalten.  Das wäre ja die
höchste Ungerechtigkeit.

Sockel.  O Sie edelmütger Mann!

Wolf.  Jetzt kann ich Ihr Geschenk annehmen.  Aber Sie müssen
mir versprechen, ein Meisterstück für die Ewigkeit hinzustellen--

Sockel.  Zehn Jahre keine Reparatur--

Wolf.  Denn der Vorteil meiner gnädgen Herrschaft geht mir
über alles.

Sockel (weinend).  Große Seele!

(Beide in Flottwells Kabinett ab.)



Sechster Auftritt

Valentin.


Valentin.
Lied
Heissa lustig ohne Sorgen
Leb ich in den Tag hinein,
Niemand braucht mir was zu borgen,
Schön ists, ein Bedienter z' sein.
Erstens bin ich zart gewachsen
Wie der schönste Mann der Welt,
Alle Säck hab ich voll Maxen,
Was den Mädchen so gefällt.
Zweitens kann ich viel ertragen,
Hab ein lampelfrommen Sinn,
Vom Verstand will ich nichts sagen,
Weil ich zu bescheiden bin.
Drittens kann ich prächtig singen,
Meine Stimme gibt so aus,
Denn kaum laß ich sie erklingen,
Laufen s' alle gleich hinaus.

Viertens kann ich schreiben, lesen,
Hab vom Rechnen eine Spur,
Bin ein Tischlergsell gewesen--
Und ein Mann von Politur.
Fünftens, sechstens, siebntens, achtens
Fallt mir wirklich nichts mehr ein,
Darum muß meines Erachtens
Auch das Lied zu Ende sein.



Ah!  heut kann ich einmal mit Recht sagen: Morgenstund tragt
Gold im Mund.  Hat mir die Sängerin, die neulich bei unserm
Konzert eine chinesische Arie gesungen hat, für das Honorar,
was ich ihr von dem gnädigen Herrn überbracht hab, zwei blanke
Dukaten geschenkt.  Der gnädige Herr hat ihr aber auch für
eine einzige Arie fünfzig Dukaten bezahlen müssen.  Das ist
ein schönes Geld.  Aber das ist doch nichts gegen Engeland.
In London, hör ich, da singen s' gar nach dem Gewicht.  Da
kommt eine von den großen Noten auf ein ganzes Pfund, drum
heißt man s' auch die Pfundnoten.  Da verdient sich eine an
einen einzigen Abend einige Zenten.  Die müssen immer ein Paar
Pferd halten, daß sie ihnen das Honorar nachführen.  Aber es
war auch etwas Göttliches um diese Sängerin.  Ich versteh doch
auch etwas von der Musik, weil ich in meiner Jugend öfter nach
den Noten geprügelt worden bin, aber im Distonieren kommt ihr
keine gleich.  Ich hab die ganze Arie nicht hören können, weil
ich im Hof unten war und die Jagdhund besänftigt hab, damit s'
nicht so stark dreingeheult haben, aber einmal hat sie einen
Schrei herausgelassen--Nein, ich hab schon verschiedene
Frauenzimmer schreien ghört, doch dieser Ton hat mein Innerstes
erschüttert.  Aber den schönsten Wohlklang hat sie doch erst
gezeigt, wie sie die zwei Dukaten auf den Tisch geworfen hat,
das macht sie unsterblich.  Und wenn ich ein Theaterdirektor wär:
die engagieret ich unter den schönsten Bedingungen.  (Rosa
schleicht sich herein, tritt langsam vor und steht bei den
letzten Worten mit verscblungenen Armen neben ihm.)  Und
gelächelt hat sie auf mich--gelächelt hat sie--

Rosa.  Nun und wie hat sie denn gelächelt?  (Lächelt boshaft.)
Wie denn?  Hat sie so gelächelt--so?

Valentin.  Ah, hör auf!  Das ist ja nur eine Travestie auf ihr
Lächeln.  Du wirst dir doch nicht einbilden, daß du das auch
imstand bist?

Rosa.  Warum?  Warum soll sie besser lachen können als ich?

Valentin.  Nun, eine Person, die für eine Arie fünfzig Dukaten
kriegt, die wird doch kurios lachen können?

Rosa.  Ja, aber wer zuletzt lacht, lacht am besten, und die werd
ich sein.  Ich brauch keinen solchen Liebhaber, der in die Stadt
hineinlauft und den Theaterprinzessinnen die Cour macht.

Valentin.  Ich muß tun, was mir mein Herr befiehlt.  Punktum!

Rosa.  Du und dein Herr ist einer wie der andere.

Valentin.  Nu das wär mir schon recht, da wär ich auch ein
Millionär wie er.

Rosa.  Du hast deine Amouren in der Stadt, und er hat s' im Wald
draus.  Und wie schaust denn wieder aus?  Den ganzen Tag hat man
zu korrigiern an ihm!  Ist denn das ein Halstuch gebunden, du
lockerer Mensch?  Geh her!  (Bindet es ihm.)

Valentin.  So hör auf, du erwürgst mich ja, schnür mich nicht so
zusamm!

Rosa.  Das muß sein.

Valentin.  Nein, das Schnüren ist sehr ungesund.  Es wird jetzt
ganz aus der Mod kommen.  Du sollst dich auch nicht so zusammradeln.

Rosa.  Das geht keinen Menschen was an!

Valentin.  Aber wohl!  Das Schnüren hätt sollen gerichtlich
verboten werden, aber die Wirt sind dagegen eingekommen.

Rosa.  Wegen meiner!  Ja apropos, du stehst ja da, als wann ein
Feiertag heut wär?  Wirst gleich gehn und dich anziehn auf die Jagd!

Valentin.  Jetzt muß ich wieder auf die verdammte Jagd.

Rosa.  Ja wer kann dafür, daß du so ein guter Jäger bist?

Valentin.  Ah, ich jag ja nicht, ich werd ja gejagt.  Sie behandeln
mich ja gar nicht wie einen Jäger.  Ich ghör ja unters Wildpret.
Das letztemal hat der gnädige Herr eine Wildente geschossen,
und weil kein Jagdhund bei der Hand war, so hab ich sie müssen
aus den Wasser apportieren, und wie ich mitten drin war, haben
sie mich nimmer herauslassen.

Rosa.  Und das laßt du dir so alles gfallen?

Valentin.  Ja weil ich halt für meinen Herrn ins Feuer geh, so geh
ich halt auch für ihn ins Wasser.

Rosa.  Nu so tummel dich, es wird gleich losgehen.

Valentin.  Die verflixte Jagd!  Wann man nur nicht so hungrig würd,
aber ich versichere dich: Ein Jäger und ein Hund frißt alle
Viertelstund.

Rosa.  Schäm dich doch!

Valentin.  Du glaubst nicht, was man auszustehen hat.  Was einem
die Gäst alles antun.  Meiner Seel, wenn mir nicht wegen dem
gnädigen Herrn wär, ich prügelt sie alle zusamm.

Rosa.  So red doch nicht immer vom Prügeln in einem vornehmen
Haus.  Da sieht man gleich, daß du unterm Holz aufgewachsen bist.

Valentin.  Wirf mir nicht immer meinen Tischlerstand vor.

Rosa.  Weil du gar so pfostenmäßig bist.

Valentin.  Schimpf nicht über mein Metier.

Rosa.  Laß mich gehn.  Ich nehm mir einen andern.  Ich weiß schon,
wem ich heirat.

Duett
Rosa.  Ein Schlosser ist mein schwache Seit,
Das ist der erste Mann,
Der sorgt für unsre Sicherheit
Und schlagt die Schlösser an.
Valentin.  Mein Kind, da bist du schlecht bericht,
Der Tischler kommt zuvor,
Der Schlosser ist der Erste nicht,
Der Tischler macht das Tor.
Rosa.  Ein Schlosser ist zu schwarz für mich
Und seine Lieb zu heiß.
Valentin.  Verliebt sich ein Friseur in dich
Der macht dir nur was weiß.
Rosa.  Nein!  nein!  ein Drechsler!  o wie schön!
Der ist für mich gemacht.
Valentin.  Der kann dir eine Nasen drehn,
Da nimm du dich in acht.
Rosa.  Ein Bäck, der ist mir zu solid,
Ich fürcht, daß ich mich härm.
Valentin.  So nimm dir einen Kupferschmied,
Der schlagt ein rechten Lärm.
Rosa.  Mit einem Schneider in der Tat,
Da käm ich prächtig draus
Valentin.  Doch wenn er keine Kunden hat,
So geht der Zwirn ihm aus.
Rosa.  Ein Klampfrer ist ein sichrer Mann,
Dem fehlt es nie an Blech.
Valentin.  Ich ratet dir ein Schuster an
Es ist halt wegnem Pech.
Rosa.  Ein Hutrer wär wohl nicht riskiert,
Der hat ein sichres Gut.
Valentin.  Ja wenn die Welt den Kopf verliert,
Da braucht kein Mensch ein Hut.
Rosa.  Ein Spekulant, o welche Pracht--
Doch hätt ich kaum den Mut.
Valentin.  Ah, wenn er pfiffig Krida macht,
Da gehts ihm erst recht gut.
Rosa.  Kurzum, ich wend im Kreis herum
Vergebens meinen Blick.
Drum kehr ich zu dem Tischler um,
Er ist mein einzig Glück.
Valentin.  Verlaß dich auf den Tischlerjung,
Der macht dir keinen Gram.
Und kriegt das Glück einmal ein Sprung,
Der Tischler leimts zusamm.
Beide.  Ein schöner Stand ist doch auf Ehr
Ein wackrer Handwerksmann.
Seis Schneider, Schuster, seis Friseur,
Ich biet das Glas ihm an.


(Beide ab.)



Siebenter Auftritt

Helm, im Jagdkleide, tritt aus seinem Kabinett.  Wolf aus
Flottwells Zimmern.


Helm.  Nun wie stehts, Herr Kammerdiener, gehts bald los?

Wolf (sehr geschäftig).  Jawohl, der gnädge Herr wird gleich
erscheinen.  (Läuft zum Fenster.)  Heda, Jäger, laßt euch hören!
Pagen, führt die Pferde vor!  Büchsenspanner, schnell herauf!

(Man hört Jagdhörner.)

Helm.  Holla, holla, hurtig, meine Herren!  kommt heraus, der
Tanz geht an.

(Mehrere Gäste kommen teils zur Mitte, teils aus den Seitentüren,
auch Pralling.  Valentin.  Alle sind jagdmäßig gekleidet.)

Pralling.  Guten Morgen allerseits!

Alles (gegenseitig).  Guten Morgen!  Gut geschlafen?

Helm.  Potz Donnerwetter, war das eine schlechte Nacht!

Pralling.  Mein Schlaf ist wie ein liederlicher Diener, wenn
ich ihn rufe, kommt er nicht.

Helm.  Er ist ein freier Mann und kommt nur, wenn er will.

Walter.  Eine Kokette ist er, die sich ziert, bevor sie uns umarmt.



Achter Auftritt

Vorige.  Chevalier Dumont im eleganten Jagdanzug.


Dumont (blickt durch eine einfache Lorgnette).  Ah bon jour, mes
amis!  (Er spricht gebrochen deutsch.)  Wie aben Sie geschlafen?

Alle.  Ah, unser Naturfreund!

Dumont.  Ja, Messieurs, der Natur sein groß.  Ick aben wieder
geschwelgt in ihren Reizen.  Der ganzen Nacht bin ick am Fenster
gelegen, um der Gegend zu betrachten.  O charmant!



Neunter Auftritt

Vorige.  Flottwell.  Sockel.


Flottwell.  Guten Morgen, edle Freunde!

Alle.  Guten Morgen!

(Einige schütteln ihm die Hand.)

Flottwell.  Wir kommen spät zur Jagd.  Ich hoffe, daß die Herren,
die heut zum erstenmal in meinem Schloß geruht, mit der
Bedienung so zufrieden waren, als ichs nur immer eifrig
wünschen kann.  Gern hätt ich Ihren Schlaf mit süßen Träumen
auch bewirtet, doch leider stehn die nicht in meinem Sold.

Ein Gast.  Mir hat von Lilien geträumt.

Helm.  Und mir von einer wilden Sau, der ich den Fang gegeben hab.

Walter.  Ich hab die Gastfreundschaft an einem goldnen Tisch
gesehen, und deutscher Lorbeer hat ihr Haupt geschmückt.

Pralling.  Ich habe all mein Glück auf die Coeur-Dame gesetzt,
und als ich es verloren hatte, bin ich aufgewacht.

Flottwell.  Und was hat dir geträumt, Freund Valentin?

Valentin.  Mir hat geträumt, Euer Gnaden hätten mir vier Dukaten
geschenkt.

Flottwell (lachend).  Das ist ein eigennützger Traum, doch will
ich ihn erfüllen.

Valentin.  Ich küß die Hand Euer Gnaden.

Flottwell.  Was mir geträumt hat, kann ich euch noch nicht
entdecken.  Es war ein süßer Traum, dienstfertig meinem höchsten
Wunsch, er hat mir meines Lebens Zukunft rosig abgespiegelt.

Helm.  Dir hat gewiß von einem Rendezvous geträumt.  Spitzbub!
Was?  Von Augen wie Rubin und solchem dummen Zeuch.

Flottwell (lachend).  Du kannst etwas erraten haben, Herzensbruder.
Es soll ein Rendezvous fürs ganze Leben werden.  Doch still
davon, mein Herz ist übermütig heut, es könnte sich verraten.

Pralling.  Wir kennen Ihre Schliche schon, Sie haben andre Jagd
im Sinn als wir.

Flottwell.  So ist es auch.  Jagt euren Freuden nach, um mich
braucht ihr euch nicht zu kümmern.  Wir haben jeder andre
Leidenschaft.

Pralling.  Ich leide an der Gicht.

Helm.  Ich bin ein passionierter Jäger.

Walter.  Ich spreche dem Champagner zu.

Dumont.  Und ick bewundre der Natur.

Helm.  Das nimmt mich wunder, Chevalier.  Sie sind ja kurzsichtig.

Dumont.  Das sind der Menschen alle.

Pralling.  Und wenn Sie fahren, schlafen Sie im Wagen.

Dumont.  O, das macken nichts.  Ein wahrer Naturfreund müssen
ihrer Schönheit auch im Schlaf bewundern können.

Helm.  Das kann ich nicht.  Mein Liebling ist die Jagd.

Flottwell.  Heda!  bringt uns Bordeaux.  Die Herren sollen sich
begeistern.

Dumont.  Mackt mir der Fenster auf, daß ick der Landschaft kann
betrachten.  (Sieht durchs Glas.)

Wolf.  Hier ist Bordeaux!

(Er ordnet die Diener, welche schon bereitet standen und ihn
in gefüllten Stengelgläsern auf silbernen Tassen präsentieren.)

Walter (ruft).  Herrlicher Wein!

Dumont (am Fenster entzückt rufend).  Himmlischer Wasserfall!

Flottwell (schwingt das Glas).  Auf ewge Freundschaft und auf
langes Leben, meine Herren!

Alle.  Der reiche Flottwell lebe lang!

Dumont (wie vorher, ohne ein Glas genommen zu haben).  Ha!  der
Kirchhof macken sich dort gut.

Flottwell.  Oh, wär ich überreich!  Ich wünscht es nur zu sein,
um meine Schätze mit der Welt zu teilen.  Was ist der Mammon
auch!  das Geld ist viel zu sehr geachtet.  Drum ists so stolz.
Es will nie in des armen Mannes Tasche bleiben und strömt nur
stets dem Reichen wieder zu.

Helm (enthusiasmiert).  Wer ist so gut wie unser edler Flottwell
hier?

Walter.  Ich kenne kein Gemüt, das seinem gleicht.

Alle.  Jawohl!

Dumont.  Un enfant gâté de la nature.

Flottwell.  Oh, lobt mich nicht zu viel.  Ich habe kein Verdienst
als meines Vaters Gold.  Will mirs die Welt verzeihn, ists wohl
und gut, und tut sies nicht, mag sie sich selbst mit ihrem Neid
abfinden.  Ich kämpfe nicht mit ihm.  Mein Glück ist kühn, es
fordert mich heraus, darum will ich mein Dasein großartig
genießen, und wollen Sorgen mich besuchen, laß ich mich
verleugnen.  Düstern Philosophen glaub ich nicht.  Nicht wahr,
Freund Helm, man muß das Leben von der schönen Seite fassen?
Der Himmel ist sein herrlichstes Symbol.  Die glühnde Sonne
gleicht dem heißen Brand der Liebe, der mildgesinnte Mond
der innigen Freundschaft, die reiche Saat der Sterne ist ein
Bild der Millionen Freuden, die im Leben keimen.  Die ernsten
Wolken sind zwar kummervolle Tage, doch Frohsinn ist ein
flüchtger Wind, der sie verjagt.

Sockel.  Ein Göttermann!  Ein wahrer Göttermann!  Verstanden!

Flottwell.  Gebt doch ein Glas auch unserm wackern Baumeister.
Oh, das ist gar ein wichtger Mann hier, meine Herren, der wird
ein neues Schloß uns bauen, und diese Hallen wollen wir der
Zeit nicht länger vorenthalten.  Flottwells Haus solls heißen,
noch ein Glas auf dieses Ehrenmannes Werk!  (Zu Sockel, barsch.)
Trinken Sie!

Sockel (erschrickt, daß er das Glas fallen läßt).  Verstanden!

Alle (schwingen die Gläser).  Flottwells Haus!  Lang solls bestehn!

Flottwell (stürzt ein Glas hinein).  Und nun zur Jagd, Ihr Herren!
Werft die Gläser hin und nehmt 's Gewehr zur Hand!  Der Wald ist
euer Eigentum und all mein Wild.  Doch hetzt mirs nicht zu sehr,
ich kanns nicht leiden, denn der Hirsch weint wie ein Mensch,
wenn er zu Tod gepeinigt wird.  Und seit ich dieses Schauspiel
sah, hab ich die Jägergrausamkeit verloren.  Nun Glück zur Jagd!
Der Abend führt uns wieder hier zusammen, dann wollen wir beim
vollen Glas besprechen, wer eines edlern Sieges sich zu freuen
hat?  Ihr!  oder ich!

Alle.  Holla zur Jagd!  (Alles ab.)

(Hörner tönen.)

Dumont (verweilt noch am Fenster, bis die andern alle zur Tür
hinaus sind, dann ruft er) Himmlische Natur!  (und folgt den
andern nach).



Zehnter Auftritt

Dann unter rauschender Musik Verwandlung in eine goldene Feenhalle,
rückwärts die Aussicht in eine reizende Berggegend.  In der
Mitte der Halle ein großer runder Zauberspiegel, vor ihm ein
goldner Altar mit einer Opferschale auf Stufen.


Cheristane, in ein lichtblaues faltiges Gewand gehüllt, welches
mit Zaubercharakteren geziert ist, und das Haupt mit einer goldnen
Krone geschmückt, kommt von der Seite, ein goldnes Buch und
einen Zauberstab tragend.

Cheristane.
Der Kampf ist aus, ich habe mich besiegt.
Beschlossen ists, ich scheide von der Erde.
Wenn auch mein Herz dem Kummer unterliegt,
Ich leide nur, daß er gerettet werde.

(Sie nimmt von dem mittleren Zacken ihrer Krone eine blaue Perle.)

Komm, teure Perle, die den Geist umschließt,
Den letzten der sich beugt vor meiner Macht,
Die bald für ihn in eitles Nichts zerfließt!
Ich opfre dich in diesem goldnen Schacht.

(Sie wirft die Perle in die goldne Schale.  Eine blaue Flamme
entzündet sich in ihr, der Donner rollt.  Kurze passende Musik.
Der Spiegel überzieht sich mit Rauch.)

Nun zeig dein Haupt, umkränzt von Zauberschein,
Und blick mich an mit holden Demantaugen!
Erschein!  Es soll Azur dein Name sein!
Laß Hoffnung mich aus deinen Worten saugen!

(Musik.--Fürchterlicher Donnerschlag.  Der Rauch hebt sich und
in dem Spiegel erscheint Azur, in Silberdock ägyptisch gekleidet,
das Haupt umhüllt, die halbentblößten Arme und das Antlitz ist
mit blauer Folie überzogen, statt der Augen leuchten zwei
glänzende Steine.  Magische Beleuchtung.)

Azur.
Du!  die du mich durch Zaubermacht geboren,
Gebietest du mir Segen oder Fluch?

Cheristane.
Zu Flottwells Schutzgeist hab ich dich erkoren.

Azur.
Darf ich das sein?  Blick in des Schicksals Buch!

(jetzt folgt eine zitternde Musik darunter.)

"Kein Fatum herrsch auf seinen Lebenswegen,
Er selber bring sich Unheil oder Segen.
Er selbst vermag sich nur allein zu warnen,
Mit Unglück kann er selbst sich nur umgarnen,
Und da er frei von allen Schicksalsketten,
Kann ihn sein Ich auch nur von Schmach erretten."

Cheristane.
Mir ist bekannt des Schicksals strenger Spruch,
Der, mich zu strafen, tief ersonnen ist.
Empfange hier mein goldnes Zauberbuch.
Es wird dich lehren, welche schlaue List
Mein liebgequälter Geist erfunden hat.
Doch ich muß machtberaubt von hinnen fliehn.
Darum vollziehe du statt mir die Tat
Und laß mich trostlos nicht nach meiner Heimat ziehn.

Azur (nimmt das Buch).
Zieh ruhig heim, treu will ich für dich handeln,
Als Retter sollst du wieder mich erblicken.

(Die Wolke schließt sich.  Musik.)

Cheristane.
Oh, hätt ichs nie gewagt auf Erd zu wandeln,
Zu bitter straft sich dieser Lust Entzücken!

(Sie sinkt aufs Knie und beugt ihr Haupt kummervoll vor dem Altar.)



Elfter Auftritt

Unter klagender Musik Verwandlung in einen kurzen Wald.
An der Seite ein Hügel mit Gesträuche.
Jäger ziehen über die Bühne.


Jagdchor.

Gilts, die Wälder zu durchstreifen,
Hebet freier sich die Brust.
Kühn den Eber anzugreifen,
Ist des Jägers höchste Lust.
Holla ho!  Holla ho!
Weidgesellen froh!
Ist die Fährte aufgefunden,
Wälzt er sich im schwarzen Blut,
Spiegelt sich in seinen Wunden
Noch des Abends letzte Glut.
Holla ho!  Holla ho!
Jägerbursch ist froh!

Zieht man heim nach Jägersitte,
Winkt die Nacht uns traut zur Ruh,
Sucht man seines Liebchens Hütte,
Schließt das Pförtlein leise zu.
Holla ho!  Holla ho!
Jägersbraut ist froh!  (Alle ab.)



(Valentin, der im Gesträuch versteckt war, kommt hervor.)

Valentin.  Wegen meiner jagt ihr fort, solang ihr wollt.  Ich
werd mich da so wildschweinmäßig behandeln lassen.  Ich schießet
alle zusammen, die Sappermenter, wenn ich nur einen Hahn auf
der Flinten hätt.  Ich kann gar nicht begreifen, was denn die
vornehmen Leut mit der verdammten Jagd immer haben.

Lied
Wie sich doch die reichen Herrn
Selbst das Leben so erschwern!
Damit s' Vieh und Menschen plagen,
Müssen s' alle Wochen jagen.
Gott verzeih mir meine Sünden,
Ich begreif nicht, was dran finden,
Dieses Kriechen in den Schluchten,
Dieses Riechen von den Juchten.
Kurz, in allem Ernst gesagt:
's gibt nichts Dummers als die Jagd.
Schon um drei Uhr ist die Stund
Für die Leut und für die Hund.
Jeder kommt mit seinem Stutzen,
Und da fangen s' an zum putzen.
Nachher rennen s' wie besessen,
Ohne einen Bissen z' essen,
Ganze Tage durch die Waldung,
Und das ist a Unterhaltung!
Ah, da wird eim Gott bewahrn,
D' Jäger sind ja alle Narrn.

Kurz, das Jagen laß ich bleiben.
Was die Jägerburschen treiben,
Wie s' mich habn herumgestoßen,
Bald hätt ich mich selbst erschossen.
Über hunderttausend Wurzeln
Lassen eim die Kerls purzeln,
Und kaum liegt man auf der Nasen,
Fangen s' alle an zu blasen,
Und das heißen s' eine Jagd!
Ach, dem Himmel seis geklagt.

Müd als wie ein ghetzter Has
Setzt man sich ins kühle Gras,
Glaubt, man ist da ganz allein,
Kommt ein ungeheures Schwein.
Und indem man sich will wehren,
Kommen rückwärts ein paar Bären,
Auf der Seiten ein paar Tiger,
Und weiß Gott noch was für Vieher,
Und da steht man mitten drin!
Dafür hab ich halt kein Sinn.  (Läuft ab.)

Repetition
Nein, die Sach muß ich bedenken.
D' Jäger kann man nicht so kränken.
Denn, wenn keine Jäger wären,
Fräßen uns am End die Bären.
's Wildpret will man auch genießen,
Folglich muß doch einer schießen.
Bratne Schnepfen, Haselhühner,
Gott, wie schätzen die die Wiener!
Und ich stimm mit ihnen ein:
Jagd und Wildpret müssen sein.  (Ab.)



Zwölfter Auftritt

Verwandlung

Eine reizende Gegend, im Hintergrunde ein klarer See, von
lieblichen Gebirgen eingeschlossen.  Rechts ein Fels, über
ihm der Eingang in Cheristanens Felsenhöhle, vor welcher sie
in ihrem früheren Kostüm, doch ohne Krone steht und in die
Ferne blickt.


Cheristane.  Nun hat er bald die steile Höh erklommen und wird
den süßen Blick nach Minnas Hütte senden, von der er wähnt,
daß sie sein Liebstes stets umschirme.  So mag er denn zum
letztenmal sich ihres Anblicks freuen.

(Kurze Musik.  Sie verwandelt sich in ein liebliches Bauermädchen,
im italienischen Geschmacke zart gekleidet, und sinkt rasch
in den Fels, welcher zu einer freundlichen Hütte wird, die von
Reben und Blumen umrankt ist und aus deren Tür sie schnell
überraschend tritt.  Zugleich verwandeln sich die Kulissen in
orientalische hohe Blumen und goldgesäumte Palmen, die noch
praktikabel gegen die Mitte der Bühne reichen.  Nachdenkend
setzt sie sich im Vordergrunde auf eine mit Blumen behangene
Rasenbank.)

Ach!  selber darf er sich nur warnen,
Mit Glück und Unglück selbst umgarnen,
Und da er frei von allen Schicksalsketten,
Kann er nur selbst von Schmach sich retten.


O trüber Schicksalsspruch, der einem Kinde Flügel leihet und
sie seinem Engel raubt.



Dreizehnter Auftritt

Vorige.  Flottwell.


Flottwell (froh).  Heitern Tag, mein teures Mädchen, sei nicht
böse, daß ich selbst so spät erscheine, denn meine Sehnsucht
ist schon lang bei dir.  Doch--sag!  was ist dir?  Du bist
traurig!  Wer hat dir was zu Leid getan?  Quält dich die
Eifersucht?  Bist du erkrankt?  Betrübt?  Sprich!  Oder willst
du mich betrüben?

Cheristane (steht bewegt auf).  Dich?  mein Julius, nein, das
will ich nicht!  (Schlingt ihre Arme um seinen Hals und legt
ihr Haupt an seine Brust.)

Flottwell.  So bist du halb nur die, die mich sonst ganz
beglückt.  Die frohere Hälfte fehlt, und nur die trübe ruht
an meiner Brust.  Komm, laß uns Frieden schließen, trautes
Kind.  Du ahnest nicht, was mich so freudig stimmt.  Du sollst
nicht länger hier in deiner Hütte weilen.  Du mußt mir morgen
schon nach meinem Schlosse folgen.  Zu lange schmückt der
Brautkranz deine seidnen Locken, er könnte sonst auf deiner
Stirne welken.  Die Welt muß als mein treues Weib dich grüßen,
du darfst durchaus nicht länger widerstreben.

Cheristane.  Oh, mehr' mein Leid nicht!  Zieh mich nicht auf
diese Höhe, sie zeigt ein Paradies mir, das ich nie betreten
darf.  Ich habe dich getäuscht!  ich bin nicht das Geschöpf,
das du in diesem Augenblick noch in mir suchst.

Flottwell.  Sei, was du willst.  Hör nur nicht auf, die
Liebenswürdigkeit zu sein.  Drei Jahre sind es, als ich auf
der Jagd mich bis hieher verirrt und dich zum erstenmal
erblickte.  Befremdend glänzte deine Schönheit in der niedern
Hütte wie ein Edelstein in eines Bettlers Hand.  Du weihtest
mir dein Herz.  Doch durft ich niemals forschen, woher du kamst
und wer du seist.  Und sieh!  ich war so folgsam wie ein Kind,
nie hast du eine andre Frag gehört, als ob du mich auch immer
lieben wirst.  Du hast die Gegend in ein Eden hier verwandelt
und pflanztest Blumen wie sie nur des Indiers Träume schmücken.
Ich hab dich nie befragt, woher dir solche Macht geworden ist,
mir wars genug, daß dus für mich getan.

Cheristane.  Dir waren sie geweiht, doch blühten sie umsonst.
Sie sollten dein Gemüt in ihre duftgen Kreise ziehn und dich
den wahren Wert des Glückes lehren.  Ich hab es nicht erreicht.
Zu wild ist deine Phantasie, zu hochbegehrend.  Du willst, dein
Leben soll ein schimmernd Gastmahl sein, und ziehst die Welt
an deine goldne Tafel.  Ach, möchte sie dirs einst mit Liebe
lohnen!

Flottwell.  Sie wird es tun, zeig nicht so düstern Sinn.  Komm,
folg mir gleich, du bist durch Einsamkeit erkrankt.

Cheristane.  Umsonst.  Zu spät!  Du kannst mich länger nicht
besitzen, umarmst mich heut zum letztenmal.

Flottwell (wild und heftig).  Es darf nicht sein.  Wer wagt
den Raub an meinem liebsten Gut?--

Cheristane.  Das Schicksal!

Flottwell.  Glaub es nicht!  Mein Glück hat Mut, so schnell läßt
es sich nicht besiegen.  (Umschlingt sie.)  Ich laß dich nicht
aus meinem Arm, selbst wenn du treulos bist, ich will dich
lieben, bis du zu mir wiederkehrst.

(Musik.--In diesem Augenblick fliegt ein roter Adler mit
einer goldnen Krone auf dem Haupte über den See.)

Cheristane.  Hinweg von mir, (für sich) schon fühl ich meiner
Macht Vergehen.  Siehst du den purpurroten Aar, der sein
befiedert Haupt mit einer Kron geschmückt?

Flottwell.  Was sprichst du da?  Kein Vogel regt sich hier!

(Musik.--Eine Gruppe von Nebelgestalten, deren Auge drohend
auf Cheristane gerichtet ist, fliegt über den See.)

Cheristane.  Auch nicht die drohenden Gestalten, die mich an
meine Heimkehr mahnen?  Zieht nur voraus, ich folge bald.
(Blickt starr nach.)

Flottwell.  Mein teures Kind, wie bist du schwer erkrankt!  Sag
an, was sind das für Gestalten?  und wer ist der gekrönte Aar?

Cheristane (feierlich).  Illmaha, die Feenkönigin.  (Sie sinkt
nieder und beugt ihr Haupt.  Dann fährt sie fort.)  Wisse denn,
kein menschlich Wesen hast du an dein Herz gedrückt.  Cheristane
ist mein Name, ich bin aus dem Feiengeschlechte, meine Heimat
sind die fernen Wolken, die in ewgen Zauberkreisen über Persien
und Arabien ziehen.

Flottwell.  Ist in den Wolken Lieb Verbrechen, straft sie dort
des Schicksals Fluch?  dann wär ja die Erd ein Himmel und die
Ewigkeit Exil?

Cheristane.  Oh, höre mich, bevor du lästerst!  Schon dreimal
sind es sieben Jahre, daß ich euren Stern betrat.  Um Wohltat
auf der Erd zu üben, sandte mich die Königin.  Sie drückte
eine Perlenkrone auf mein ewig junges Haupt und sprach: In
jeder dieser Perlen ist ein Zauber eingeschlossen, welchen
du benützen kannst in jeglicher Gestalt.  Verwende sie mit
Weisheit zu der Menschen Heil.  Wenn du die letzte Perle hast
geopfert, ist auch dein Reich zu Ende, und du kehrst zurück,
um Strafe oder Lohn vor meinem Throne zu empfangen.  Weh dir,
wenn du Unwürdige beglückst und so den edlen Schatz dem
Dürftigen entziehst.--(Pause, in der sie Julius wehmütig und
bedeutungsvoll anblickt.)  Ob ichs getan, wird mir die Zukunft
zeigen!--Ich hatte viele Perlen noch, als ich vor deines
Vaters Schloß den siebzehnjährgen Julius erblickte.  Du warst
so hold wie Frühlingszeit, und ich vermochte nicht, mein
liebgereiztes Aug von dir zu wenden.  Von diesem Augenblick
hatt ich dein Glück in mir beschlossen, und viele Perlen
löste ich von meiner Krone ab und streute sie auf dein und
deines Vaters Haupt.  Daher der unermeßne Reichtum, den er
sich in kurzer Zeit erwarb.  Oh, hätt ichs nie getan!  Er starb.
Vom Undank nicht beweint, von dir allein.  Du wardst der Güter
Herr, und nun erkannt ich erst, daß alles, was ich für dein Wohl
zu tun gedachte, durch deine Leidenschaft dir einst zum Unglück
werden kann.  Ich konnte meinem Herzen länger nicht gebieten,
ich führte dich hieher und hab seit dieser Zeit mein höchstes
Glück in deiner Lieb gefunden.  Nun ist der Traum vorüber.
Meine Perlen sind verschwendet, und die letzte mußt ich heut
noch deinem Wohle opfern.  Einst hab ich nicht bedacht, daß
sie das Sinnbild bittrer Tränen werden könnte.

Flottwell.  O Cheristane!  was hast du getan?  Ich laß dich nicht
und werfe alles hin, wenn du mir bleibst.  Und ziehst du fort,
nimm auch mein Leben mit.

Cheristane.  Oh, du bist freigebig gleich einem König, du
könntest eine Welt verschenken, um einer Mücke Dasein zu
erhalten.  Doch ich will deine Großmut nicht mißbrauchen.
Schenk mir ein Jahr aus deinem Leben nur.  Ein Jahr, das
ich mir wählen darf, auf das du nie mehr Anspruch machst.

Flottwell.  Oh, nimm es hin!  Nimm alles hin!  Nimm dir das
glücklichste, das einzige, das die nichtswürdge Seligkeit
umfängt, die ich noch ohne dich genießen kann.

Cheristane.  Ich danke dir, ich werde dich nicht hart berauben.
Und nun bin ich gefaßt, fall ab, du irdscher Tand!  Nur dieser
Fels mag ein geheimnisvoller Zeuge sein, daß Cheristane einst
auf Erden hat geliebt.  (Wehmütige Musik.  Sie verwandelt sich
in die Gestalt einer reizenden Nymphe.  Zugleich verwandelt
sich die Hütte in einen Fels, der mit Blumen umwunden ist,
von Palmen gleich Trauerweiden überschattet wird und in
welchem der Name Cheristane eingegraben ist.  Die praktikablen
Blumen neigen sich, und aus den Gesträuchen heben sich zarte
Genien und sinken trauernd zu Cheristanens Füßen.)  Die Sonne
sinkt, die Blumen neigen ihre Häupter, und meine Genien weinen
still, weil sie mit mir die schöne Erde meiden müssen.  Die
Zeit ist da!  Verbannung winkt!

(Musik.)

Flottwell (stürzt bewegt zu ihren Füßen).  O Cheristane!  Töte mich!

Cheristane.  Hab Dank für deine süße Treu, mein teurer Erdenfreund!
Was mich betrübt, ich darf es dir nicht sagen, darf dir nicht
unser künftig Los enthüllen, doch könntest du des Donners
Sprache und des Sturms Geheul verstehen, du würdest Cheristane
um dich klagen hören.  Oh, könnt ich meine Lieb zu dir in aller
Menschen Herzen gießen, ich würde reich getröstet von dir ziehn!
(Sie geht in die Kulisse.  Die Genien folgen ihr.  Musik beginnt.
Cheristane fliegt auf Rosenschleiern, die ein geschwelltes
Segel formen, von Genien, welche zart gemalt sind, umgeben,
so daß das Ganze eine schöne Gruppe bietet, langsam aus der
Kulisse über den See, in welchem sich plötzlich die ganze
Gruppe abspiegelt.  In diesem Augenblick blickt sie noch
einmal wehmutsvoll auf Flottwell und ruft.)  Julius, gedenke
mein!  (Dann verhüllt sie sich schnell in den dunklen Schleier
ihres Hauptes, das sie trauernd beugt, und plötzlich verwandeln
sich die rosigen Segelschleier in Trauerflöre, sowie die
Gruppe der Genien nun in abendlicher Beleuchtung gemalt wie
durch einen Zauberschlag erscheint.  Der rosige Himmel
umwölkt sich düster, und nur aus einem unbewölkten Feld
schimmern ihr noch bleiche Sterne nach.  Indem Cheristane
in die entgegengesetzte Kulisse schwebt und)

Flottwell (auf den Fels sinkt und ausruft) O Gott, laß mich
in meinem Schmerz vergehn!  (fällt der Vorhang langsam.)




Zweiter Aufzug

Drei Jahre später



Erster Auftritt

Morgen.  Im Hintergrunde die Hauptfronte von Flottwells
neuerbautem Schlosse.  An dem Fuße der breiten Stufen, welche
zu dem palastartigen Portale führen, sitzt ein Bettler.
Abgetragne Kleider, doch nicht zerlumpt.  Wanderstab.  Sein
Haar ist grau, und tiefer Gram malt sich in seinen Zügen.
Die Morgensonne beleuchtet ihn.  Seitwärts ist ein Gittertor,
durch welches man in den Schloßgarten sieht.  In der Ferne
erblickt man auf einem Hügel das früher bewohnte Schloß
Flottwells.  Die Fenster des neuen Schlosses sind geöffnet,
in dem großen Saale brennen noch Lichter.


Flottwell und einige Gäste lehnen am Fenster.

Chor (im Tafelsaale).
Laßt brausen im Becher den perlenden Wein!
Wer schlafen kann, ist ein erbärmlicher Wicht.
Und guckt auch der Morgen zum Fenster herein,
Ein rüstiger Zecher lacht ihm ins Gesicht.
Ha!  ha!  ha!  ha!
(Schallendes Gelächter.)

Der Bettler (zugleich mit dem Chor).
Oh, hört des armen Mannes Bitte
Und reicht ihm einen Bissen Brot!
Der Reichtum thront in eurer Mitte,
Mich drückt des Mangels bittre Not.
(Das Gelächter beantwortet gleichsam sein Lied.)

Chor.
Die düsteren Sorgen werft all über Bord!
Ein Tor, der die Freude nicht mächtig erfaßt.
Das Leben hält ja nur dem Fröhlichen Wort,
Wer niemals genoß, hat sich selber gehaßt.
Ha!  ha!  ha!  ha!

Bettler.
Oh, laßt mich nicht vergebens klagen,
Seid nicht zu stolz auf eure Pracht!
Ich sprach wie ihr in goldnen Tagen,
Drum straft mich jetzt des Kummers Nacht.
(Er senkt sein Haupt.)

(Valentin und Rosa kommen aus dem Garten.)

Valentin.  Ich hab dir schon hundertmal gesagt, daß du mit
dem Kammerdiener nicht so grob sein sollst.  Du weißt, was
er für ein boshafter Mensch ist, am End verschwärzt er uns
beim Herrn.

Rosa.  Still sei und red nicht, wenn du nichts weißt.  Ich muß
grob sein, weil ich eine tugendhafte Person bin.

Valentin.  Ah, das ist ja keine Konsequenz.  Da müßten ja die
Sesseltrager die tugendhaftesten Menschen auf der Welt sein.

Rosa.  Bist du denn gar so einfältig?  Merkst du denn noch
nicht, daß mir der Kammerdiener überall nachschleicht, daß
ich nicht einmal in der Kuchel a Ruh hab.

Valentin.  Ja was will er denn von dir?

Rosa.  Er will mich zu seiner Kammerdienerin machen.

Valentin.  In der Kuchel drauß?  Er soll in seiner Kammer
bleiben, wenn er ein ordentlicher Kammerdiener ist.  Du gibst
ihm doch kein Gehör?

Rosa.  Du willst ja nicht, daß ich ihm meine Meinung sagen soll.

Valentin.  Aber wohl!  Das hab ich ja nicht gewußt.  Wirf ihm
deine Tugend nur an Kopf!  Es schadt ihm nicht.  Übrigens ist
das sehr schön von dir, daß du mir das sagst.

Rosa.  Nun warum soll ichs denn nicht sagen?  Ich mag ihn ja
nicht.  Wenn er mir gfallet, so saget ich nichts.

Valentin.  Bravo!  Das sind tugendhafte Grundsätze.  Aber der
duckmauserische Kammerdiener!  Der geht mir gar nicht aus den
Kopf.

Rosa.  Es ist nicht mehr zum Aushalten mit ihm.  Alles will er
dirigieren.  Um die dümmsten Sachen bekümmert er sich.

Valentin.  Jetzt lauft er gar dir nach.

Rosa.  Überall muß er dabeisein.

Valentin.  Nu neulich haben s' für unsern Koch Stockfische
gebracht, da war er auch dabei.  Wenn nur mit unsern gnädgen
Herrn etwas zu reden wär, aber der ist seit einiger Zeit
verstimmt als wie ein alts Klavier.

Rosa.  Weil nichts aus seiner Heirat wird.  Der Herr Präsident
von Klugheim gibt ihm seine Tochter nicht.  Er kann ihn gar
nicht leiden.

Valentin.  Wie soll er ihn denn nicht leiden können?  Er kommt
ja heut zur Tafel.

Rosa.  Ja wenn sich die Leute alle leiden könnten, die
miteinander an einer Tafel sitzen, da wär die ganze Welt
gut Freund.  Was außer dem Herrn Präsidenten da in unser Haus
hergeht, das heißt man Tafelfreunde.  Das sind nur Freunde von
der Tafel, aber nicht von dem, der Tafel gibt.

Valentin.  Und der Herr Präsident?

Rosa.  Bei dem ists ganz ein andrer Fall.  Das ist ein Ehrenmann.
Der halt ein bessere Ordnung in sein Haus als unser Herr.  Ich
bin sehr gut bekannt dort, denn das Stubenmädel ist meine beste
Freundin.

Valentin.  Ich auch.  Der Kutscher schätzt mich ungemein.  Und
der führt das ganze Haus.

Rosa.  Ich hör fast jedes Wort.  Der Herr Präsident mag unsern
Herrn nur darum nicht, weil er so großen Aufwand macht, er
fürcht sich halt, er geht zugrunde Der Baron Flitterstein ist
ganz ein anderer Mann und fast so reich wie unser Herr.  Den
muß das gnädge Fräulein heiraten.

Valentin.  Das darf nicht sein.  Da muß ich mit dem Kutscher
drüber reden.  Einen bessern kann sie gar nicht kriegen als
unsern Herrn.  Er ist so wohltätig, so gut.

Rosa.  Zu gut ist auch ein Fehler.  Ich bin viel zu gut mit dir.
Und kurz und gut, der Herr Präsident gibts halt nicht zu.

Valentin.  Sie ist ja wahnsinnig in ihm verliebt.  Sie laßt ihn
nicht.

Rosa.  Sie muß.  Da hats schon viele Auftritt geben.  Sie kommen
immer heimlich zusammen, der Herr Präsident darfs gar nicht
wissen.  Daß du nur niemand etwas sagst.

Valentin.  Ich werd doch nicht meinen Herrn verraten.  Aber warum
ladet er denn den Baron Flitterstein heut ein?  Er steht ja auf
der Liste.

Rosa.  Weil er muß.  Der Herr Präsident wär ja nicht gekommen ohne
ihn.  Drum war schon gestern große Tafel, weil heut der Fräulein
Amalie ihr Geburtstag ist.  Aber gestern sind sie nicht gekommen.
Da war der gnädge Herr desperat, hat einen langmächtigen Brief
geschrieben an den Herrn Präsidenten.  Der Kammerdiener ist damit
in die Stadt geritten, ist ganz erhitzt nach Haus gekommen und
hat die Nachricht gebracht, daß sie heut erscheinen werden; aber
der Baron kommt mit.

Valentin.  Das ist doch erschrecklich, was sie mit dem Herrn
treiben.  Wann ich nur wüßt, was da zu tun ist.  Soll sich denn
diese Sach gar nicht ausputzen lassen?

Rosa.  Putz du deine Kleider und deine Stiefel aus und kümmere
dich nicht um Sachen, die sich nicht für dich schicken.

Valentin.  Ich fürcht nur, wenn ihm s' der Baron wegheirat, er
tut sich ein Leid an.  Am End wirds noch das beste sein, daß ich
selber mit dem Herrn Präsidenten vernünftig darüber red.

Rosa.  Du?  Nu das würd ein schöner Diskurs werden.  Untersteh
dich, das wär ja eine Beleidigung für einen solchen Herrn.

Valentin.  Ja es ist nur, daß man sich hernach keine Vorwürf
zu machen hat.  Wenn heut oder morgen ein solches Unglück passiert.

Rosa.  Nu geh nur, du einfältiger Mensch!

Valentin.  Ja man kann nicht vorsichtig genug sein, weil das
eine große Verantwortung wär.

(Beide ab.)



Zweiter Auftritt

Flottwell und sein Haushofmeister aus dem Schloß.


Flottwell.  Wie stehts mit uns, mein alter Haushofmeister?  Ist
alles so, wie ichs befohlen habe?  Ich will an Glanz durchaus
nicht übertroffen werden, und für Amaliens Freude ist kein
Opfer mir zu groß.

Haushofmeister.  Jawohl ein Opfer, gnädger Herr.  Da sich das
Gastmahl heute glänzender noch wiederholt, so wird die Rechnung
ziemlich stark ausfallen.

Flottwell.  Drum ists ein Glück, daß Er sie nicht zu zahlen
braucht.  Der reiche Flottwell wird doch keinen Heller schulden?
Wie ist es mit dem Schmuck, den ich bestellt, hat ihn der
Juwelier noch nicht gebracht?

Haushofmeister.  Noch weiß ich nichts.

Flottwell (auffahrend).  Den Augenblick schickt nach der Stadt.
Es ist die höchste Zeit, er sollte schon die vorge Woche fertig
sein.

Haushofmeister.  Hätten Euer Gnaden ihn bei dem braven Mann
bestellt, den ich Euer Gnaden empfohlen habe, so würden Sie
ihn schon besitzen.  Er würde schön und billig ausgefallen
sein.  Allein der Kammerdiener hat--

Flottwell.  Mir einen bessern anempfohlen.  Ists nicht so?

Haushofmeister.  Das glaub ich kaum.

Flottwell.  Die Meinung steht Ihm frei.  Doch lieb ichs nicht,
wenn meine Diener mir als Lehrer dienen wollen.  Dies für die
Zukunft.  Nun den Juwelier.  (Wendet sich von ihm.)

Haushofmeister (für sich, gekränkt).  O Treue, was bist du für
ein armer Hund, daß Undank dich mit Füßen treten darf.  (Ab.)



Dritter Auftritt

Flottwell.  Der Bettler, welcher immer mit unbedecktem Haupt
erscheint.


Flottwell.  Ein altes Möbel aus des Vaters Nachlaß.  Der Mann
ist immer unzufrieden mit allem, was ich tue.  Die alten Leute
sind doch gar zu wunderlich.  Ich bin so schlecht gelaunt.  Heut
wird ein heißer Tag auf Flottwells Schloß, ein groß
entscheidender.  Ich kann Amalie nicht verlieren, sie nicht in
eines andern Arm erblicken, ich hab es ihr geschworen; und
gelingt es mir nicht, ihren Vater zu gewinnen, läßt er nicht
ab, sein Kind dem Starrsinn aufzuopfern, so müßte ich zu einem
bösen Mittel greifen.  Schon gestern hab ich einen Brief
erwartet.  Gott!  wenn sie wanken könnte.  (Erblickt den Bettler,
der nachdenkend mit seinem Stabe in den Sand schreibt.)  Was
macht der Bettler dort!  Ich hab ihn heut vom Fenster schon
bemerkt, und sein Gesang hat mich ganz sonderbar ergriffen.
Mir wars, als hätt ich ihn schon irgendwo gesehn und als
wollt er meiner Lust ein Grablied singen.  Mich wunderts,
daß ihn meine Dienerschaft hier sitzen läßt.  Was schreibst
du in den Sand mit deinem Bettelstab?

Bettler.  Die Summen Goldes, die ich einst besaß.

Flottwell.  So warst du reich?

Bettler (seufzend).  Ich wars.

Flottwell.  Daß du Verlust betrauerst, zeigt die Trän in
deinem Auge.

Bettler.  Was ich betraure, spiegelt sich in meiner Träne!--
Ein Palast.

Flottwell (betroffen).  Oho!--Was warst du, und wie heißest du?

Bettler.  Es ist die letzte Aufgabe meines Lebens, beides zu
vergessen.  Das einzge Mittel, das mich vor Verzweiflung retten
kann.

Flottwell.  Sonderbar.  (Wirft ihm ein Goldstück in den Hut.)
Hier nimm dies Goldstück!  (Will nach dem Garten gehen.)

Bettler (springt auf und stürzt zu seinen Füßen, ohne ihn je
zu berühren).  O gnädger Herr, schenken Sie mir mehr, schenken
Sie mir eine Summe, welche Ihrer weltberühmten Großmut
angemessen ist.

Flottwell.  Bist du beweibt, hast du so viele Kinder?

Bettler.  Ich bin allein, nur Gram begleitet mich.

Flottwell (wirft ihm noch ein Goldstück hin).  So sättge dich
und jag ihn fort.

Bettler.  Er läßt sich nicht so leicht verjagen als das Glück.

Flottwell.  Er ist nur Wirkung, heb die Ursach auf.

Bettler.  Vermögen Sie die Ursach Ihrer Lieb zu tilgen?

Flottwell.  Wer sagt dir, daß ich liebe?

Bettler.  Wer denket groß und liebet nicht?

Flottwell.  Willst du mir schmeicheln, Bettler?  Schäme dich!

Bettler.  Soll Schmeichelei denn nur ein Vorrecht reicher
Menschen sein?  Sie stammt von Bettlern ab, weil sie von
Geistesarmut zeigt.

Flottwell.  Ich frag dich nicht, um deines Mißmuts Spott zu
hören.  (Beiseite.)  Mir ist so bang in dieses Mannes Nähe.  Du
kannst mit dem Geschenk zufrieden sein.  (Will gehn.)

Bettler (flehend).  Nein, gnädger Herr!  ich bin es nicht, ich
darfs nicht sein.  Erbarmen Sie sich meiner Not.  Nicht Habgier
ists.  Nicht Bettlerlist.  Beschenken Sie mich reich, ich werde
dankbar sein!

Flottwell.  So nenn mir deinen frühern Stand.

Bettler.  Ich nenn ihn nicht.  Der Armut Rost hat meinen Schild
zernagt, wer frägt darnach, was ihn einst für ein Sinnbild
zierte.  Ich weiß es, ich begehre viel, und meine Forderung
kann mich in Verdacht des Wahnsinns bringen.  Doch ist er fern
von meinem Geist, und werd ich noch so reich bedacht, so hab
ich einst viel größere Summen selbst gegeben.

Flottwell.  Oh, schäm dich, so um Geld zu jammern, es ist das
Niedrigste, was wir beweinen können.  Du hast genug für heut,
ein andermal komm wieder.

Bettler.  Ich bin ein Bettler und gehorche.  (Verbeugt sich und
geht langsam fort.)

(Ein Diener eilig mit einem Brief.)

Diener.  Gnädger Herr!  ein Brief.  (Übergibt ihn und geht wieder
fort.)

Flottwell (sieht die Aufschrift).  Von Amalie, von meiner
himmlischen Amalie.  (Liest.)  "Mein teurer Julius!  Verzeih,
daß ich Dir gestern nicht geschrieben habe, allein der große
Kampf in meinem Herzen mußte erst entschieden sein.  Doch nun
gelob ich Dir, Dich niemals zu verlassen.  Ich willge nicht in
meines Vaters strenge Forderung, und kann kein Flehen sein sonst
so edles Herz erweichen, so mag geschehen, was wir beschlossen
haben."--Amalie mein!  oh, könnt ich doch die Welt umarmen!  He
du!  (Der Diener kommt.)  Ruf mir den Bettler dort zurück, der
eben sich in jene Laube setzt.  (Zeigt in die Kulisse.)

Diener.  Ich sehe keinen Bettler, gnädger Herr!

Flottwell.  Bist du denn blind!  Geh fort!  (Bedienter ab.  Ruft.)
He Alter, komm!

Bettler.  Was befehlen Sie, mein gnädiger Herr!

Flottwell.  Ich habe eine frohe Botschaft hier erhalten, und
Flottwell kann sich nicht allein erfreun.  Verzeih, ich habe
dich zu karg behandelt.  Nimm diesen Beutel hier, auch diesen
noch.  (Wirft sie ihm in den Hut.)  Nimm alles, was ich bei mir
habe.  Was ich verschenken kann, hat eines Sandkorns Wert gen
den unendlichen Gewinn, der mir durch diesen Brief geworden
ist.  (Nach dem Garten ab.)

Bettler (allein).  O Mitleid in des Menschen Brust!  Wie bist
du oft so kränkelnder Natur, als hätte dich ein weinend Kind
gezeugt.  Begeistrung ists, die alles Edle schnell gebiert, sie
hat mit des Verschwenders Gold des Bettlers Hut gefüllt.

(Geht ab.)



Vierter Auftritt

Dumont, elegant gekleidet, kommt aus dem Schloß.


Dumont.  Ach, wie sein ick doch vergnügt!  Ein ganzer Jahr hab
ich der Gegend nicht gesehen.  Die Nacht war mir zu lang.  Ich
hatte fünfzig Dukaten auf eine Karte gesetzt, hatt sie gewonnen,
da schlug der Nachtigall, ich lief davon, der Geld blieb stehn
und war perdu.  Doch was sein Dukatenglanz gegen Morgenrot!
Prächtiger Tag!  Die Natur legen heut aller ihrer Reize zur
Schau.  (Blickt durch die Lorgnette in die Szene.)  Da kommt
ein altes Weib!



Fünfter Auftritt

Voriger.  Ein altes zahnloses Mütterchen, zerrissen gekleidet,
auf dem Rücken einen großen Bündel Reisig.


Dumont.  Bon jour, Madame!  Wo tragen du hin das Holzen?

Weib.  Nach Haus.  Gleich ins Gebirg, nach Blunzendorf.

Dumont.  Blonsendorf?  O schöner Nam!  Du wohnen wohl sehr gerne
im Gebirge?

Weib.  Ah ja, 's Gebirge wär schon schön.  Wenn nur die Berg
nicht wären!  Man steigt s' so hart.

Dumont.  Das sind der Figuren, die der Landschaft beleben.  O,
mir gefallen das Weib sehr.

Weib (beiseite).  Ich gfall ihm, sagt er.  Ja, einmal hätt ich
ihm schon besser gfallen.

Dumont.  Sie sein so malerisch verlumpt.  Ich kann sie nicht
genug betrachten.  (Er sieht durch die einfache Lorgnette und
drückt das linke Auge zu.)

Weib.  Er hat im Ernst ein Aug auf mich; aber 's andre druckt
er zu.

Dumont.  Du seien wohl verheiratet?

Weib.  Schon über dreißig Jahr.

Dumont.  Und bekümmern sich dein Mann doch noch um dich?

Weib.  Ah ja.  Er schlagt mich fleißig noch.

Dumont.  Er slagen dich?  O!  Das sein nick schön von ihm.

Weib.  Ah, es is schon schön von ihm.  Das ist halt im Gebirg
bei uns der Brauch.  Ein schlechter Haushalt, wo s' nicht
raufen tun.

Dumont.  Unschuldige Freuden der Natur.  Von dieser Seit muß
sich das Bild noch schöner machen.  Stell dich dort hin.  Ich
will dich gans von ferne sehen.

Weib.  Hören S' auf!  Was sehen S' denn jetzt an mir?  Hätten S'
mich vor vierzig Jahren angschaut.  Jetzt bin ich schon ein
altes Weib.

Dumont.  Das machen deiner Schönheit eben aus.  Du sein
vortrefflich alt.  Au contraire, du sollen noch mehr Falten
haben.

Weib.  Warum nicht gar.  Mein Mann sein die schon zu viel.

Dumont.  Du sein wahrhaft aus der niederländischen Schule.

Weib.  Ah beleib.  Ich bin ja gar nie in die Schul gegangen.

Dumont.  Ick hab einer ganzer Sammlung solcher alter Weiber zu
Haus.

Weib.  Jetzt ists recht.  Der sammelt sich die alten Weiber, und
die andern wären froh, wenn sie s' losbringeten.

Dumont (nimmt einen runden kleinen schwarzen Spiegel aus der
Tasche, dreht sich um und läßt die Gegend abspiegeln).  O quel
contraste!  Das Schloß!  Der Wald!  Der Weib!  Der Ochsen auf der
Flur!  O Natur, Natur!  Du sein groß ohne Ende.

Weib.  Der Mensch muß narrisch sein.  Jetzt schaut er sich in
Spiegel und sieht Ochsen drin.

Dumont.  Hier hast du einen Dukaten.  Jetzt hab ich dich genug
gesehen.  (Gibt ihr ein Goldstück.)

Weib (rasend erfreut).  Ah Spektakel!  Ah Spektakel!  jetzt
schenkt er mir gar ein Dukaten.  Euer Gnaden, das ist ja z'viel,
ich trau mir ihn gar nicht zu nehmen.  Für was denn?  sagen S'
mirs nur.

Dumont.  Dein Anblick hat mir sehr viel Vergnügen verschafft.

Weib.  Nein, das hätt ich meinen Leben nicht geglaubt, daß ich
mich in meinen alten Tagen sollt noch ums Geld sehn lassen.  Ich
dank vieltausendmal.  (Küßt ihm die Hand.)  Euer Gnaden verzeihen
S'--Ich bitt Ihnen--hab ich Ihnen denn wirklich gfallen?

Dumont (muß lachen).  O, du gefallen mir außerordentlich.

Weib (verschämt).  Hören S' auf.  Sie konnten ein altes Weib
völlig verruckt machen.  Nein, wenn das mein Mann erfahrt, der
erschlagt mich heut aus lauter Freud.  Ich sags halt.  Wenn man
einmal recht schön war und man wird noch so alt, es bleibt doch
allweil noch a bissel was übrig.  (Trippelt ab.)

Dumont (sieht ihr nach).  Ha!  wie sie schwankt.  Wie ein alter
Schwan!  Ich sein so aufgeregt, daß mir jeder Gegenstand gefallen.



Sechster Auftritt

Voriger.  Rosa will mit einem Kaffeegeschirr nach dem Garten.


Dumont.  Ah ma belle Rosa!

Rosa.  Guten Morgen, Herr Chevalier!

Dumont (hält sie auf).  O, Sie kommen nicht so schnell von mich.
Der Alt sein charmant, aber der jung gefallen mir doch noch
besser.  Das sein Malerei für der Aug, das sein Malerei für der
Herz.

Rosa.  Herr Chevalier, ich hab kein Zeit, der gnädige Herr
wünscht noch Kaffee zu trinken.

Dumont.  Ah!  Schöne Ros'!  (Umfaßt sie zärtlich.)

Rosa (windet sich los).  Ah was generos.  Was hab ich von Ihrer
Generosität.  Ich muß in Garten hinaus.

Dumont.  O, Sie dürfen nicht.  Ich sein zu enchanté.  Dieser
Wangen!  Dieser Augen!  Dieser Augenblicken!  O Natur, was haben
du da geschaffen, ich kann mick nicht enthalten.  Ich mussen
Sie embrasser.

Rosa.  Herr Chevalier, lassen Sie mich los, oder ich schrei.

Dumont.  Ich will den Mond versiegeln.  (Will sie küssen, sie
schreit und läßt das Kaffeegeschirr fallen.)



Siebenter Auftritt

Vorige.  Flottwell und Wolf aus dem Garten.


Flottwell.  He, he, Herr Chevalier!  Was machen Sie denn da?

Dumont.  Ich bewundre der Natur!

Flottwell.  Bravo!  Sie dehnen Ihre Liebe zur Natur auf die
höchsten und auf die gemeinsten Gegenstände aus.

Wolf.  Schön oder häßlich, das gilt dem Herrn Chevalier ganz
gleich.

Dumont.  Was sagen Sie da von Häßlichkeit!  Der Natur sein der
höchster Poesie, und wahre Poesie kann nie gemein noch häßlich
sein.  Ich wollen mich für ihrer Schönheit schlagen, und schlagen
lassen; und fallen ick, so schreib der Welt mir auf mein Grab:

Es schlafen unter diesem Stein
Chevalier Dumont hier ganz allein,
Er haben nur gemacht der Cour
Auf Erd der himmlischen Natur.
Nun seien tot.  Welch glücklick Los!
Er ruhn in der Geliebten Schoß
Und wird, kehrt er im Himmel ein,
Naturellement willkommen sein.
(Geht stolz ab ins Schloß.)


Rosa (lest das Geschirr zusammen).  Abscheulich!  Allen
Zudringlichkeiten ist man ausgesetzt in diesem Haus.

Flottwell.  Weich Sie den Gästen aus, wenn sie Champagner
getrunken haben.  Ich bin sehr unzufrieden mit Ihr, Herr Wolf
hat sich auch beklagt, daß Sie sehr unartig mit ihm ist und
ohne Achtung von mir spricht.

Rosa.  Der gnädige Herr Kammerdiener?  Ah, jetzt muß ich reden--

Wolf (fein).  Das soll Sie nicht, mein Kind, Sie soll nur Ihren
Dienst versehen.

Rosa.  Ich stehe bei dem gnädgen Herrn in Diensten und nicht bei
gewissen Leuten.

Wolf.  Schweig Sie nur--

Rosa.  Nein, nichts will ich verschweigen.  Alles muß heraus.

Wolf.  Welche Bosheit!

Flottwell.  Still!  die Sache wird zu ernsthaft.

Rosa.  Wissen Euer Gnaden, was der Kammerdiener gesagt hat?

Flottwell.  Was hat er gesagt?

Rosa.  Er hat gesagt--

(Valentin schnell.)

Valentin.  Der Juwelier ist da.

Flottwell.  Ah bravo!  Nur geschwinde auf mein Zimmer.
(Geht schnell ab.)

(Der Juwelier tritt von der Seite ein, und)

Wolf (führt ihn ins Schloß, vorher sagt er zu Rosa).  Wir
sprechen uns, Mamsell.  (Ab.)

Rosa (steht wie versteinert).  Da steh ich jetzt!

Valentin.  Da steht sie jetzt.

Rosa.  An wem soll ich nun meinen Zorn auslassen?

Valentin.  Wart, ich besorg dir wem.  (Will fort.)

Rosa.  Du bleibst!  An dir will ich mich rächen, du
verhängnisvoller Mensch.  (Geht auf ihn los.)

Valentin.  An mir?  Das ging' mir ab.  Ich hab ja gar nichts
gesagt als: Der Juwelier ist da.

Rosa.  Still sei!  oder--(Reibt auf und will ihm eine Ohrfeige
geben, wird aber plötzlich schwach.)  Weh mir!  mich trifft der
Schlag.

Valentin.  Das ist ein Glück, sonst hätt er mich getroffen.

Rosa (springt).  Der Juwelier soll hingehn, wo der Pfeffer
wächst.

Valentin.  Das kannst ihm selber sagen.  Ich weiß nicht, wo er
wächst.

Rosa.  Schweig!  ich weiß mich nicht zu fassen.

Valentin.  Nu schimpf nur zu, der Juwelier wird dich schon fassen.

Rosa.  Gleich geh mir aus den Augen (tut, als wollt sie ihm
die Augen auskratzen), du bist an allem schuld!

Valentin.  Ich hab ja gar nichts gsagt als: Der Juwelier ist da.

Rosa.  Das ist ja dein Verbrechen eben.  Du hättest gar nichts
sagen sollen, wenn du siehst, daß meine Tugend auf dem Punkt
steht, ihre Rechte zu verteidigen.  (Ab.)

Valentin.  Das ist schrecklich.  Da darf ja eine noch so viele
Untugenden haben, so kann man nicht soviel Verdruß haben als
wegen derer ihrer unglückseligen Tugend.  Und ich weiß mich gar
nichts schuldig.  Ich muß nur grad das Gesetzbuch aufschlagen
lassen, um zu erfahren, was denn das für ein Verbrechen ist:
Wenn einer sagt, der Juwelier ist da!  (Ab.)



Achter Auftritt

Verwandlung

Kurzes Kabinett Flottwells.  Durch die Fenster sieht man in
eine Kolonnade und durch diese ins Freie.

Flottwell und der Juwelier treten ein.


Flottwell (sehr fröhlich.).  Wo haben Sie den Schmuck?  Geben Sie!
Ich freue mich schon wie ein Kind!  Wie wird sich erst Amalie
freuen!

Juwelier.  Hier ist er!

Flottwell (besieht ihn und wird ernst).  Mein Gott, was haben
Sie denn gemacht?

Juwelier.  Wieso?

Flottwell.  So kann ich ihn nicht brauchen!

Juwelier.  Er ist nach Ihrer Angabe, gnädger Herr!

Flottwell (wird immer heftiger).  Nein, nein!  das ist er nicht!

Juwelier.  Ganz nach der Zeichnung, ich versichere Sie!

Flottwell.  Nein, nein, nein, nein.  (Mißmutig.)  Er ist zu
altmodisch, auch sind es nicht die Steine, die ich ausgewählt.

Juwelier.  Herr von Flottwell!  das betrifft ja meine Ehre.

Flottwell.  Die meine auch, ich kann den Schmuck nicht brauchen.

Juwelier.  Ich nehm ihn nicht zurück.

Flottwell.  Das müssen Sie.

Juwelier.  Ich will ihn ändern.

Flottwell.  Zu spät.  Er ist ja ein Geschenk zum heutgen Fest.
Sie haben meine schönste Freude mir gemordet durch Ihre
Ungeschicklichkeit.

Juwelier (etwas beleidigt).  Herr von Flottwell--(Faßt sich)
Ich versichere Sie, es ist nur eine Grille.

Flottwell.  Versichern Sie mich nicht, der Schmuck ist schlecht.

Juwelier.  Betrachten Sie ihn nur.

Flottwell.  Nein, er ist mir so zuwider, daß ich ihn zum Fenster
hinauswerfen könnte.

Juwelier.  Das werden Sie wohl bleibenlassen, denk ich!

Flottwell.  Das werd ich nicht.  Da liegt er!  (Schleudert ihn zum
Fenster hinaus.)

Juwelier (erschrocken).  Ums Himmels willen!  der Schmuck beträgt
zweitausend Taler!

Flottwell (stolz).  Ist Ihnen bange?  Lumpengeld!  Sie sollen es
erhalten!  Warten Sie!  (Er eilt ins Kabinett.)

Juwelier.  Das ist ein Wahnsinn, der mir noch nicht vorgekommen
ist.  Ich hol den Schmuck herein!  (Läuft ab.)

(Man sieht den Bettler vor dem Fenster, welcher den Schmuck
aufgehoben hat, ihn gen Himmel hält und singt.)

Bettler.
Habt Dank, habt Dank, ihr guten Leute,
Daß ihr so reichlich mich beschenkt,
Mein Herz ist ja des Kummers Beute,
Durch eigne Schuld bin ich gekränkt.

(Er entfernt sich durch die Säulen und wiederholt noch die
letzten Worte in der Ferne.)

Juwelier (kommt bestürzt zurück).  Der Schmuck ist fort, ich
find ihn nicht.

(Flottwell aus dem Kabinett.  Er hat sich Besinnung geholt,
und sein Betragen zeigt, daß er seine Heftigkeit bereut und
sich ihrer schämt.  Er trägt zwei Rollen Gold.)

Flottwell (edel freundlich).  Hier haben Sie Ihr Geld, mein Herr!

Juwelier (artig).  Herr von Flottwell, ich bedaure sehr--

Flottwell.  Bedauern Sie nichts--An mir ist das Bedauern meiner
unverzeihlichen Heftigkeit.  Mein Blut spielt mir manch tollen
Streich.  Ich muß zur Ader lassen nächster Tage.

Juwelier.  Ein gütig Wort macht alles wieder gut.

Flottwell (drückt ihm gutmütig die Hand).  Nicht wahr, Sie nehmen
es nicht übel, lieber Freund--und Sie vergessen es--Sie sprechen
auch nie mehr davon?  Ich wünschte nicht, daß Sie es irgendwo
erzählen möchten.

Juwelier.  Ich geb mein Ehrenwort--

Flottwell.  Ja, ja, ich weiß, ich kann mich ganz auf Sie verlassen.
Auch werd ich Ihre Kunst gewiß sehr bald in Anspruch wieder
nehmen.  Gewiß, gewiß, ich werde bald etwas bestellen lassen.
Sehr bald.  Und nun Adieu, mein Freund, und keinen Groll.

Juwelier (mit einer tiefen Verbeugung).  Wie könnt ich das, ich
bin so tief gerührt.  (Im Abgehen.)  Wenn er doch nur bald wieder
etwas machen ließe!  (Ab.)

Flottwell (allein).  Ein sturmbewegter Tag!  Wär er doch schon
vorüber.  (Wirft sich vor sich hinstarrend in einen Stuhl.)

(In der Ferne klingen die letzten Verse von des Bettlers Gesang.)

Bettler.
Mein Herz ist stets des Kummers Beute,
Durch eigne Schuld bin ich gekränkt.

Flottwell (springt auf).  Welch Gesang--

(Wolf tritt ein.)

Wolf.  Ach liebster gnädger Herr!  Wie hat der Juwelier doch
seine Sache schlecht gemacht, ich hab ihn eben ausgezankt.
Doch stellen Sie sich vor, der Schmuck ist weg, und niemand
will ihn aufgehoben haben.

Flottwell.  Das wäre mir sehr unlieb--denn er kostet viel.

Wolf.  Er muß sich finden, ich sah ihn aus dem Fenster fliegen.
Niemanden gewahrt ich in der Nähe als das Kammermädchen Rosa.
Ich eilt sogleich herab, da war sie fort, und als ich sie
befragte, wollt sie nichts gesehen haben.

Flottwell.  Das kann ich doch nicht von ihr glauben.

Wolf.  Man muß die Sache untersuchen lassen.

Flottwell.  Nur heute nicht.  Das macht zu großes Aufsehen; und
dann wer weiß, ists wahr.

Wolf.  Gewiß, ich hab es ja beinahe gesehen.

Flottwell.  Wenn es wahr ist, muß sie fort, sonst wünsch ich
keine Strafe.

Wolf.  Wie der Himmel doch die Menschen oft verläßt!  Es ist schon
alles zu dem Fest bereitet, die Gäste sind im Gartensaal
versammelt.  Ich habe die schöne Aussicht nach dem Tal mit
Traperien verhängen lassen.  Wir wollen warten, bis die Sonne
untergeht, und wenn sie plötzlich schwinden, wird es einen
imposanten Anblick geben.

Flottwell.  Sind die Tänzer schon bereitet?

Wolf.  Ja.  Der Herr Präsident ist auch schon hier.

Flottwell.  Amalie hier!  Was sagst du das erst jetzt?

Wolf.  Ich habe sie in das blaue Zimmer geführt, der Baron ist
aber nach dem Garten gegangen.

Flottwell (auffahrend).  Der Baron?  Schändlich, daß ich meinen
Nebenbuhler noch zu Gaste bitten muß.  Was soll ich nun Amalien
verehren, der Schmuck ist fort.

Wolf.  Schenken Sie ihr die kostbare Vase, die Sie erst gekauft
haben, das ist doch ein Geschenk, das eines Millionärs würdig ist.

Flottwell.  Sie ist von großem Wert, doch eben recht, der
Präsident ist ein Freund der Künste.  Vielleicht gewinnt ihn
das.

Wolf (für sich).  Da irrst du dich.

Flottwell.  Laß sie mit Blumen schmücken, kurz, besorge alles.
Ich muß zu ihr, zu ihr.--

(Beide ab.)



Neunter Auftritt

Verwandlung

in ein nobles Gemach.

Der Präsident von Klugheim und Amalie.

Klugheim.  Beruhige dich doch, meine Tochter, und laß mich nicht
bereuen, daß ich so schwach war, deinen Bitten nachzugeben.


Amalie (ihren Schmerz bekämpfend).  Ja, mein Vater, ich will ruhig
sein.

Klugheim.  Nun seh ich erst, du hast mich durch erzwungne
Fröhlichkeit getäuscht.  Du solltest ihn nicht wiedersehen.

Amalie.  Im Gegenteil, mein Vater, es wird auf lange Zeit mich
stärken, meine Leiden zu ertragen.

Klugheim.  Vergiß nicht, daß wir in Gesellschaft sind und daß
dich der Baron mehr als sein Leben liebt.



Zehnter Auftritt

Vorige.  Flottwell.


Flottwell (mit Herzlichkeit).  Mein verehrungswürdiger Herr
Präsident!  Die höchste Gunst, die ich vom Glück erlangen
konnte, ist die Ehre, Sie auf meinem Schlosse zu begrüßen.
Mein holdes Fräulein!  Flottwell wird es nie vergessen, daß
Ihr edles Herz es nicht verschmähte, seines kleinen Festes
Königin zu sein.

Amalie (sich verbeugend).  Herr von Flottwell--

Klugheim.  Genug der Zeremonie.  Es kommt der Freund zum Freunde.

Flottwell.  Ist das wirklich so, Herr Präsident?

Klugheim.  Zweifeln Sie daran?  Dann wär es nur zur Hälfte so.

Flottwell.  Ach, wie sehnlich wünscht ich, daß es ganz so wäre!
Daß ich Sie--

Klugheim (fein).  Herr von Flottwell, jeder Ausfall auf frühere
Verhältnisse ist gegen die Bedingung, unter welcher ich Ihre
heutige Einladung angenommen habe.

Amalie.  Bester Vater, lassen Sie sich doch erweichen!  Wenn
Ihnen das Leben Ihres Kindes etwas gilt.

Klugheim.  Was soll das sein?  Ist ein Komplott gegen mich im
Werke?  hat man mich hieher geladen, um eine Sache zu erneuern,
die ich für beendet hielt?

Flottwell.  Sie irren sich, Herr Präsident.  Ihr Fräulein Tochter--

Klugheim.  Ist eine Schwärmerin.  Ihres Lebens Glück ist mir von
Gott vertraut, und niemand kann es mir verargen, wenn ich sie
nicht in ihres Unglücks Arme führe.

Flottwell.  Herr Präsident, Sie verkennen mich zu sehr.

Klugheim.  Ich sehe klar, was Ihnen erst die Zukunft einst
enthüllen wird.

Flottwell.  Ich bin verleumdet.

Klugheim.  Durch niemand--

(Flitterstein öffnet die Tür.)

Flottwell.  Durch den hinterlistigen Baron Flitterstein--

Baron Flitterstein (mit Erstaunen, ohne den Anstand zu
verletzen).  Ist hier von mir die Rede?

Flottwell (frappiert).  Nein--

Flitterstein (faßt sich und lächelt fein).  Ah so.  Also von
einem Verwandten von mir.  Das wollte ich als Edelmann nur
wissen.

Flottwell (verlegen).  Herr Baron!  Ich bin erfreut--

Flitterstein (schnell).  Ich verstehe.  Meine Freundschaft zu
dem Herrn Präsidenten--

Flottwell.  Ist die Ursache, daß Sie mir die Ehre Ihres Besuches
schenken.  Ich bin von allem unterrichtet.  (Nach einer Pause,
durch welche sich die Verlegenheit aller ankündigt.)  Ist es
nun gefällig, sich zur Gesellschaft zu begeben?

Flitterstein.  Nach Belieben.

Flottwell (reicht Amalien den Arm).  Mein Fräulein!
(Führt sie fort.)

(Flitterstein folgt.)

Klugheim.  Ich fürchte, wir haben den Frohsinn gerufen und dem
Mißmut unsre Tore geöffnet.  (Ab.)



Elfter Auftritt

Verwandlung

Herrlich mit Gold und Blumen geschmückter Gartensaal.  Die
Hinterwand geschmackvoll traperiert.

Alle Gäste sind versammelt.  Nobel gekleidete Herren und Damen.
Dumont.  Walter.
Während des Chores treten der Präsident, Flitterstein, Flottwell
und Amalie ein und setzen sich.  Wolf.


Chor.
Froh entzückte Gäste wallen
Durch die reich geschmückten Hallen.
Will sich Lust mit Glanz vermählen,
Muß sie Flottwells Schloß sich wählen.
Nur in seinen Sälen prangt,
Was das trunkne Herz verlangt.

(Tänzer und Tänzerinnen im spanischen Kostüm führen einen
reizenden Tanz aus, und am Ende bildet sich eine imposante
Gruppe, bei welcher Kinder in demselben Kostüme die Vase,
mit Blumen geschmückt, auf ein rundes Postament in die Mitte
des Theaters stellen.)

Flottwell (für sich).  Was hat doch Wolf gemacht, jetzt sollte
sie sie nicht erhalten.

Klugheim.  Sehen Sie doch, Baron, hier die berühmte Vase, welche
ein Franzose dem Minister um zwanzigtausend Frank anbot.

Flitterstein.  Wahrhaftig, ja, sie ist es.

Mehrere Gäste (betrachten sie).  Wirklich schön!

Walter.  Sehn Sie doch hier, Chevalier, die Vase aus Paris.

Dumont (in einem Stuhl hingeworfen, ohne hinzusehen).  O charmant!
Sie sein ganz außerordentlick.

Walter.  Sie haben sie ja gar nicht angesehen.

Dumont.  Ick brauchen sie gar nick zu sehen, ick brauchen nur
zu hören de Paris, kann gar nick anders sein als magnific.

Flitterstein.  Fürwahr, Sie sind um dieses Kunstwerk zu beneiden,
Herr von Flottwell.

Flottwell (für sich).  Nun kann ich nicht zurück.  (Laut.)  Es ist
nicht mehr mein Eigentum.  Ein unbedeutendes Geschenk, das ich
der Königin des Festes weihe.

Amalie (erfreut).  Ach Vater!  wie erfreut mich das.

Klugheim (strenge).  Nicht doch, mein Kind!  Verzeihen Sie, Herr
von Flottwell, das geb ich nicht zu.  Das Geschenk hier ist
durchaus zu kostbar, um es anzunehmen.

Flitterstein.  Ja, ja, es ist zu kostbar.

Flottwell.  Das ist es nicht, mein Herr Baron.  Die Welt erfreut
sich keines Edelsteines, der zu kostbar wäre, ihn diesem
Fräulein zum Geschenk zu bieten.

Klugheim.  Auch weiß ich nicht, wie wir zu solcher Ehre kommen.

Flitterstein (halblaut).  Die mehr beleidigend als--

Flottwell (fängt es auf).  Beleidigend?

Flitterstein.  Ich nehm es nicht zurück!

Flottwell (verbissen).  Wie kömmt es denn, mein Herr Baron,
daß Sie das Wort so eifrig für des Fräuleins Ehre führen?

Klugheim.  Er spricht im Namen seiner künftgen Braut.

Einige Gäste.  Da gratulieren wir!

Flottwell (vernichtet).  Dann hab ich nichts mehr zu erwidern!

Klugheim.  Nehmen Sie die Vase hier zurück, so beschenkt ein
Fürst, kein Edelmann.

Flottwell (stolz).  Ich beschenke so!  ich bin der König meines
Eigentums.  Dieses Kunstwerk hatte seinen höchsten Wert von dem
Gedanken nur geborgt, daß diese schöne Hand es einst als ein
erfreuend Eigentum berühren werde, es soll nicht sein!  Ich
acht es nicht.  Wolf!  (Wolf tritt vor) nimm sie hin!  Ich
schenke diese Vase meinem Kammerdiener.

(Wolf macht eine halbe verlegene Verbeugung.  Die Vase wird
weggebracht.)

Flitterstein.  Welch ein Tollsinn!

Klugheim.  Unbegreiflich!

Dumont.  Der Mann sein gans verrückt.

Amalie.  Wie kann er sich nur so vergessen!

Die Gäste (klatschen).  Bravo!  so rächt sich ein Millionär!

Flottwell.  Dies soll unsere Freude nicht verderben.  Da
Frankreichs Kunst so schlechten Sieg errungen, will ich vor
Ihrem Auge nun ein deutsches Bild entrollen, dessen Schönheit
Sie gewiß nicht streitig machen werden.  Sie sollen sehen, was
ich für eine vortreffliche Aussicht habe.  (Klatscht in die
Hand.)

(Musik.--Der Vorhang schwindet, und über die ganze Breite des
Theaters zeigt sich eine große breite Öffnung, durch deren
Rahmen man eine herrliche Gegend perspektivisch gemalt erblickt.
Ein liebliches Tal, hie und da mit Dörfern besäet, von einem
Fluß durchströmt und in der Ferne von blauen Bergen begrenzt,
erstrahlt im Abendrot.  Die Basis des Rahmens bildet eine
niedre Balustrade.  Im Vordergrunde links von dem Zuschauer
sitzt wie eine geheimnisvolle Erscheinung unter dunklem
Gesträuch, von der untergehenden Sonne beleuchtet, der Bettler
mit unbedecktem Haupte und gegen Himmel gewandtem Blick in
malerischer Stellung.  So daß das Ganze ein ergreifendes Bild
bietet.)

Flottwell (ohne genau hinzusehen).  Gibt es eine schönere
Aussicht?  (Er erschrickt, als er den Bettler sieht.)  Ha!
welch ein Bild.  Ein sonderbarer Zufall!  (Diese Worte spricht
Flottwell schon unter der leise beginnenden Musik.)

Chor von Gästen (für welche sämtlich der Bettler nicht sichtbar
ist).
Oh, seht doch dieses schöne Tal,
Wo prangt die Erd durch höhern Reiz?
Dem Kenner bleibt hier keine Wahl,
Der Anblick übertrifft die Schweiz.

Bettler.
Nicht Sternenglanz, nicht Sonnenschein
Kann eines Bettlers Aug erfreun.
Der Reichtum ist ein treulos Gut,
Das Glück flieht vor dem Übermut.

Flottwell (welcher immer nach dem Bilde hingestarrt hat, zu
Wolf).  Jagt doch den Bettler fort, warum laßt ihr ihn hier so
nah beim Schloß verweilen?

(Der Bettler steht auf und geht an der Seite, wo er sitzt, über
den Hügel durch das niedere Gesträuche in die Szene.)

Wolf.  Welch einen Bettler?  Wir bemerken keinen.

Flottwell.  Da geht er hin!  (Starrt ihm nach.)

Wolf.  Er spricht verwirrt.

(Amalie wird unwohl.)

Klugheim.  Gott im Himmel!  meine Tochter.

Flottwell.  Amalie?  Was ist ihr?

(Alle Gäste in Bewegung.)

Klugheim.  Sie erbleicht!

Flottwell (stürzt zu ihren Füßen).  Amalie, teures Mädchen!
höre deines Julius Stimme.

Flitterstein (schleudert ihn entrüstet von ihr).  Zurück,
Verführer!  nun entlarvst du dich!

Flottwell (ergreift ergrimmt seine Hand).  Genugtuung, mein
Herr!  Das geht zu weit.

Flitterstein.  Ists gefällig?  (Zeigt nach dem Garten.)

Flottwell.  Folgen Sie!

(Beide links ab.)

Mehrere Gäste.  Haltet!  (Eilen nach.)

Klugheim.  Holt den Arzt!

(Bediente fort.)

Wolf.  Ins Kabinett!

Mehrere.  So endet dieses Fest.

(Die andere Hälfte gehen mit Klugheim und Wolf, welche Amalie
nach dem Kabinett rechts führen, ab.  Nur)

Dumont (welcher sich während der Verwirrung an das Fenster
begeben hat und durch das Gewühl der Gäste verdeckt war,
bleibt zurück, er hat sich in der Mitte des Fensters in
einen Stuhl geworfen, springt, wenn alles weg ist, auf,
lehnt sich auf die Fensterbrüstung, sieht durch die Lorgnette
und ruft begeistert).  Göttliche Natur!



Zwölfter Auftritt

Kurzes Kabinett fällt vor.

Valentin und Rosa.


Valentin.  So laß mich aus, ich muß ja sehen, was geschehen
ist.  Alles lauft davon, und die Fräulein Amalie, sagen s',
ist umgefallen wie ein Stückel Holz.  Sie hat Konfusionen kriegt.

Rosa.  Da bleibst.  Mein Schicksal ists, um das du dich zu
kümmern hast.  (Weint bitterlich.)  Ich bin die gekränkteste
Person in diesem Haus.

Valentin.  Was haben sie dir denn schon wieder getan?

Rosa.  Aber nur Geduld!  Morgen geh ich zu Gericht.  Alles wird
arretiert.  Der gnädge Herr, der Kammerdiener.  Alle Gäst, das
ganze Schloß und du.

Valentin.  Mich läßt s' nicht aus.  Was hats denn gegeben?

Rosa.  Ohrfeigen hätts bald gegeben.

Valentin.  Ah, da bin ich froh, daß ich nicht dabei war.

Rosa.  Der Kammerdiener hat mir Ohrfeigen angetragen.  Hat mich
eine Diebin geheißen, hat einen Schmuck von mir verlangt.  Uns
im Namen des gnädgen Herrn den Dienst aufgekündigt und hat mich
wollen durch die Bedienten hinauswerfen lassen.

Valentin.  Das ist ja eine ganze Weltgeschichte.  Wann ist denn
das alles geschehen?

Rosa.  Vor einer Viertelstund, wie sie die Vasen im Saal oben
geholt haben.

Valentin.  Das ist schrecklich!

Rosa.  Der Mensch glaubt ja, man hat seine Ehr und Reputation
gestohlen.

Valentin.  Und den Schmuck auch dazu.  Nein!  das kann man nicht
so hingehn lassen.

Rosa.  Du mußt dich annehmen.  Ich bin ein Weib.  Ich bin zu
schwach.

Valentin.  Auf alle Fäll.  Du bist zu schwach.

Rosa.  Du bist ein Mann, dir ist die Kraft gegeben.

Valentin.  Freilich, mir ist die Kraft gegeben, drum werd ich
mirs auch überlegen.

Rosa.  Ich geh noch heut, und morgen klag ich.

Valentin.  Und ich geh morgen, und klag heut noch!  und wo?  beim
gnädgen Herrn, denn das ist eine Beschuldigung, die man nicht
auf sich sitzenlassen darf!

Rosa (weinend).  Nicht wahr, du glaubst es nicht, daß ich die
Diamanten genommen hab?

Valentin.  Nein!  Du bist zu tugendhaft.  Du gehst nur auf die
Augen los, nicht auf die Diamanten.  Doch jetzt mach dich auf.

Rosa.  Wir packen zusamm und gehen.

Valentin.  Die Livree bleibt da, die gehört dem Herrn.  Mir
ghört mein Tischlerrock, den ich mit hergebracht hab.  Die
andere Bagage brauch ich nicht, ich bin mit dir allein zufrieden.

Rosa.  Wir bringen uns schon fort.

Valentin.  Ich geh zu meiner Tischlerei zurück.  Aber vorher will
ich mein Meisterstück noch machen.

Rosa.  Was wirst denn tun?

Valentin.  Den Kammerdiener werd ich in die Arbeit nehmen.  Ah,
der ist zu ungehobelt.  Über den muß ein Tischler kommen.

Rosa.  Nimm dich zusamm.

Valentin.  Oh, du kennst mich nicht, ich bin der beste Mensch,
aber wenn es sich um Ehr und Reputation handelt, so kann ich in
eine Wut kommen wie der rollende Rasand.  Ich will dem
Kammerdiener zeigen--(Der Kellermeister eilt über die Bühne.)
He!  Herr Kellermeister, wo gehn Sie hin?

Kellermeister.  Mir ist am großen Faß ein Reif abgesprungen,
ich muß den Wein abziehen.

Valentin.  Ha!  Das ist ein Wink des Schicksals.  Mann!  Ich folge dir.

(Geht tragisch mit dem Kellermeister ab.)

Rosa (allein).  Ah Spektakel!  jetzt muß sich der ein Spitzel
antrinken, wenn er eine Courage kriegen will.  Nein, was das für
miserable Mannsbilder sein bei der jetzigen Zeit, das ist
nimmermehr zum Aushalten.  (Ab.)



Dreizehnter Auftritt

Verwandlung

Ein anderes Kabinett.


Amalie.  Der Arzt.  Präsident Klugheim.

Arzt.  Fühlen Sie sich leichter, Fräulein?

Klugheim.  Wie ist dir, liebes Kind?

Amalie.  Ganz wohl, mein Vater!  es ist schon vorüber.

Klugheim.  Ein Unstern hat uns in dies Haus geführt.



Vierzehnter Auftritt

Vorige.  Betti.


Betti.  Zu Hülfe!  Ach Herr Doktor, der Baron ist schwer verwundet.
Man suchet Sie!

Klugheim.  Heilger Gott, mein Freund!  Bleib Sie bei meiner
Tochter hier!  Kommen Sie, Herr Doktor!  Ach, ich bin an allem
schuld.

(Eilt mit dem Doktor ab.)

Amalie.  Was ist vorgegangen?

Betti.  Sie haben duelliert!  der gnädge Herr und der Baron.

Amalie.  Ist Julius auch verwundet?

(Flottwell tritt aus einer Tapetentür.  Er ist bleich und spricht
halblaut und schnell.)

Flottwell.  Nein, er ist es nicht.  (Zu Betti.)  Geh auf die Lauer!

(Betti geht vor die Tür.)

Amalie.  Gott, wie siehst du aus!

Flottwell.  Wie ein Mann, der seinem Schicksal trotzt.  Doch noch
ist nicht mein Glück von mir gewichen, weil ich dich nur
sprechen kann.  Jede Minute droht.  Du mußt mit mir noch diese
Nacht entfliehn.

Amalie.  Unmöglich, nein!  ich kann den Vater nicht verlassen.

Flottwell.  Du hasts geschworen.  Denk an deinen Eid.

Amalie.  Doch heute, und so plötzlich--

Flottwell.  Heute oder nie!  Schon lang ist deine Dienerschaft
von mir gewonnen.  Nimm Laura mit und nichts von deinem Eigentum.
Dein Vater ist erschöpft, er wird sich bald zur Ruhe legen,
und wenn auch nicht, verbotne Liebe ist erfinderisch.  Ich harr
auf dich, nah an der Stadt, bei der verfallenen Kapelle, wo wir
uns oft getroffen haben.

Amalie.  Wird sich mein Vater je versöhnen?

Flottwell.  Er wirds.  Das weite Meer, das seiner Rache trotzt,
wird seinem Stolz gebieten.  Entschließe dich.

Amalie.  Oh, könnt ich leben ohne dich--

Flottwell.  Wenn dus nicht kannst, so sind wir ja schon einig.

Amalie.  Und doch--

Flottwell.  Ja!  oder Nein!  Nein!  ist ein Dolch, den du ins Herz
mir drückst.  Ja!  eine Sonn, die uns nach England leuchtet.

Amalie.  Nur eine Frage noch!

(Betti schnell.)

Betti.  Der Präsident!

Flottwell.  Sprich schnell!

Amalie.  Erwarte mich.



Fünfzehnter Auftritt

Präsident Klugheim.  Vorige.


Klugheim (empört, strenge).  Was wollen Sie bei meiner Tochter
hier?

Flottwell.  Ich war besorgt.

Klugheim (nimmt Amalie auf die linke Seite.  Kummervoll).  Sie
sind zu gütig gegen mein Haus.  Komm, meine Tochter, der Wagen
wartet, dann geleit ich den Baron.  Mein Herr!  Sie haben uns
zu einem Fest geladen, (mit Wehmut) und wir danken Ihnen mit
gebrochenem Herzen für die großen Freuden, die Sie uns bereitet
haben.  (Führt seine Tochter ab.)

(Betti folgt.)

Flottwell (allein).  O Starrsinn eines alten Mannes!  Was rufst
du doch für Unglück auf so vieler Menschen Haupt.  (Wolf tritt
ein.)  Ha Wolf!  Gut, daß du kommst.  Der Augenblick ist da, wo
du mirs danken kannst, daß ich dir mehr ein Freund als Herr
gewesen bin.  Ich will in dieser Nacht noch mit Amalien nach
England fliehen.  Es steht dir frei, ob du uns auf der Flucht
begleiten willst.

Wolf.  O mein gütger Herr!  Mein Wille ist an Ihren Wunsch
gekettet.  Und wo Sie hinziehn, find ich meine Heimat.

Flottwell.  Ich habe große Summen in der englischen Bank
liegen.  Was ich von Gold und Kostbarkeiten retten kann, will
ich jetzt zu mir nehmen.  Was ich in meinem Pulte zurück noch
lasse, verteilst du unter meine Diener doch ohne etwas zu
verraten.  Ich wünsche, daß sie einen Herrn finden mögen, der
es so gut mit ihnen meint als ich.  Die beiden Schiffer an dem
See, die ich auf diesen Fall seit längerer Zeit gedungen habe,
sollen sich bereit halten.  In einer Stunde längstens muß alles
geordnet sein.  Dann erwart ich dich bei der alten Kapelle.
Dein Geschenk bring in Sicherheit, sein Wert ist dir bekannt.
Sei vorsichtig.  Ich baue ganz auf deine Treue.  (Ab.)



Sechzehnter Auftritt

Wolf.


Wolf (allein).  Du schiffst nach England.  Günstgen Wind!  Ich
bleibe hier und will mein Schifflein in den Hafen lenken.  Wie
doch die Sonne auf und nieder geht!  Wer ist nun zu beneiden?
Er?  der stolze, der gepriesene Mäzen, der seines Glückes Reste,
mit zerfallenem Gemüt, dem ungetreuen Meer vertrauen muß?  oder
ich, der sanfte, der bescheidene Kammerdiener, der sein still
erworbnes Schäfchen demütig ins trockne bringen kann.  Und wem
verdank ich diesen Sieg?  (schlägt sich an die Stirn) dir,
Klugheit!  vielseitigste der Göttinnen!  Die Natur hat mir nur
eine starke Gallenblase gegeben, die nicht zerplatzt ist bei
all dem Unsinn, den ich seit fünf Jahren in diesem Haus hab
sehen müssen.  Aber die Klugheit hat mich lächeln gelehrt.  Oh,
es ist eine große Sache um das Lächeln!  Wie viele Menschen
haben sich ihr Glück erlächelt, und ein Schwachkopf kann eine
Minute lang für einen vernünftigen Mann gelten, wenn er mit
Anstand zu lächeln weiß.  Darum will ich lächeln über die
Erbärmlichkeit, solang ich noch zu leben habe, und dann eine
laute Lache aufschlagen--auf welche Grabesstille folgt.  (Ab.)

(Als er schon in der Kulisse ist, drängt ihn Valentin zurück.
Er hat seinen Tischlerkaputrock an und einen wachsleinwandenen
Hut auf.  Ein Parapluie und einen Spazierstock zusammengebunden
unter dem Arm und ein kleines Felleisen auf dem Rücken, aus
dem Sack steht ihm das kurze Tabakrohr seiner eingesteckten
Pfeife.  Er ist benebelt, ohne zu wanken oder zu lallen.)

Valentin.  Halt!  Barbar, wo willst du hin?  Du kommst nicht von
der Stell.  Wie kannst du dich unterstehen, meine Geliebte zu
verleumden?  Was hat sie dir getan?  Sie hat deine Liebesanträge
nicht angenommen, weil du ihr zu häßlich bist.  Kann es eine
größere Tugend geben?  Sie ist meine Verlobte, und du hast
geglaubt, ich bin der Gfoppte!  Sie soll einen Schmuck gestohlen
haben.  Diese schmucklose Person?  Pfui, schäme dich!

Wolf.  Jetzt hast du die höchste Zeit, aus dem Hause zu gehen,
du Trunkenbold!

Valentin.  Oh, ich hab Zeit genug!  Ich hab eigentlich gar nichts
mehr zu tun auf dieser Welt, als Ihnen meine Meinung zu sagen.
Glauben Sie mir, Herr von Kammerdiener--ich will Ihnen nichts
Unangenehmes sagen, ich versichre Sie, Sie sind ein
niederträchtiger Mensch.  Sie haben zwei arme Dienstboten aus
dem Haus gebracht, die von ihrer Herrschaft treu und redlich
bedient worden sind.  (Schluchzt.)  Aber der Himmel wird Sie
dafür bestrafen.



Siebzehnter Auftritt

Vorige.  Rosa, auch zum Fortwandern gerüstet, mit einigen
Bändeln, einem Sonnenschirm.


Rosa.  Was tust denn, Valentin?  So laß ihn gehn.  Ich hab ja
ghört, du bist betrunken?

Valentin.  Wer hat dir das entdeckt?  Ha!  ich bin verraten.

Wolf.  Jetzt packt euch!  Beide.

Valentin.  Sollen wir uns selber packen?  Nein!  wir packen ihn.

Rosa.  Schäm dich doch!

Wolf.  He Bediente!  (Bediente kommen.)  Jagt dieses Lumpenpack
hier aus dem Haus.  Ich befehl es euch im Namen unsres gnädigen
Herrn.  (Geht ab.)

Valentin (geht auf einen Bedienten los, welcher mit dem
Kammerdiener Ähnlichkeit in der Kleidung haben muß).  Was?
hinauswerfen willst du uns lassen?  du schändlicher Verräter!

Rosa.  Was treibst denn da?

Valentin.  Laß mich gehn.  Der Kammerdiener hier muß unter
meinen Händen sterben.

Rosa.  Es ist ja nicht der Kammerdiener!

Valentin.  Nicht?  das macht nichts.  Es wird schon ein anderer
Spitzbub sein.

(Bediente lachen.)

Rosa (will ihn fortziehn).  So geh doch nur!

Valentin.  Er soll sich nicht für den Kammerdiener ausgeben.
Dieser Mensch, der in die Kammer gar nicht hinein darf.

Bediente.  Jetzt fort!  wir haben mehr zu tun.

Chor.  Fort, nur fort!  Packt euch hinaus!
Ihr gehört nicht in dies Haus.
Denn das heißt man zu viel wagen,
So gemein sich zu betragen,
So zu trinken
Bis zum Sinken.
Fort hinaus
Aus dem Haus!
Rosa.  Daß ein wenig Saft der Trauben,
Einen Menschen, sanft wie Tauben,
Des Verstandes kann berauben,
Um ihn so hinaufzuschrauben,
Daß er 'n Hut nicht von der Hauben
Kann mehr auseinanderklauben,
Das ist stark doch, wenn S' erlauben.
Valentin.  Glaubt mir doch, ihr lieben Leutel,
Auf der Welt ist alles eitel,
Denn kaum trinkt man vierzehn Seidel,
Hat man schon kein Geld im Beutel,
Schnappt vom Fuß bis zu dem Scheitel
Zsamm als wie ein Taschenfeitel,
Alles eitel.  Noch ein Seidel!
Chor.  Ei, was nützt denn dieses Gaffen,
Fort mit euch, ihr dummen Laffen!
Rosa.  Geh und leg dich lieber schlafen!
Valentin.  Ich hab einen schönen Affen.
Chor.  Macht uns nicht so viel zu schaffen,
Ihr müßt euch zusammenraffen,
Denn das wird uns schon zu kraus,
Fort mit euch zum Schloß hinaus!
(Führen sie hinaus.)



Achtzehnter Auftritt

Verwandlung

Musik.  Das Innere einer ganz verfallenen gotischen Kapelle.
Es stehen nur die Mauern noch.  Der Mond leuchtet am bewölkten
Himmel, und sein Licht strahlt gerade durch das Eingangstor,
so daß der Bettler, wenn er die letzte Rede spricht, von ihm
beleuchtet wird.

Der Bettler sitzt an der Ecke der Hinterwand im Dunklen auf
einem niedern Stein.
Flottwell, in einen Radmantel gehüllt, tritt ein.


Flottwell.  Die Nacht ist kühl.  Auch zieht in Westen ein
Gewitter auf.  Wenn es nur bald vorübergeht!  Was rauscht?
Bin ich hier nicht allein?  Wer kauert in der Ecke dort?
Hervor!

Der Bettler (steht auf).  Ich bins, mein gnädger Herr, und
habe Sie schon lang erwartet.

Flottwell.  Was tritt mir dieser Bettler heut zum drittenmal
entgegen?  (Der Bettler tut einen Schritt vor, nun bescheint
ihn der Mond.)  Ha!  wie der Mond sein Antlitz graß beleuchtet.
Was willst du hier von mir, du grauenhaftes Bild des
selbstgeschaffnen Jammers?

Bettler (kniet).  Ach, das verzweiflungsvolle Los meines
geheimnisvollen Elends und meine Herzensangst, daß Sie dies
Land verlassen, zwingen mich, den morschen Leib aufs neue in
den Staub zu werfen.  Sie sind der einzige in dieser
unbarmherzgen Welt, auf dessen Großmut ich noch bauen kann.

Flottwell.  Hinweg von mir!  je länger ich dich schaue, je
greulicher kommt mir dein Anblick vor.  Dring ihn nicht auf,
ich will dich nie mehr sehen.

Bettler.  Es steht bei Ihnen, gnädger Herr, mich gänzlich zu
verscheuchen.  Doch müßten Sie dafür ein großes Opfer bringen.
Oh, geben Sie die Hälfte dieses Schatzes nur, den Sie auf
Ihrer Brust verbergen, und niemals hören Sie mich mehr zu
Ihren Füßen wimmern.

Flottwell.  Habgieriges Gespenst!  Hat Satan dich verflucht,
daß du der Erde Gold sollst nach der Hölle schleppen?  So ein
frech Begehren kann ja Wahnsinn kaum erfinden.  Ein Bettler,
der um Millionen flehet!

Bettler.  Vernünftger ists, sie zu begehren, als sie wie du
vergeuden.

Flottwell.  Wie wagst dus, mich zur Rechenschaft zu ziehen?
Du undankbarer Molch, den ich so reich beschenkt!

Bettler.  Nie wird ein Bettler müd, den Reichen zu beneiden.

Flottwell.  Wie Hundgeklaffe bei des Diebs Erscheinen schallt
sein Gebelfer durch die Nacht!

Bettler (gegen den Eingang rufend).  Oh, hör es, Welt!  Oh, hört
es, Menschen alle!  Der überreiche Mann läßt einen Bettler darben.

Flottwell (halblaut).  Dies gräßliche Geschrei wird mich am End
verraten.  Schweig doch und nimm dies Gold, um deine Gier zu
stillen.  (Er wirft ihm einen Beutel hin.)

(Ferner Donner.)

Bettler (hebt ihn auf.  Laut jammernd) Zu wenig ists für mich,
mein Elend ist zu groß.  Ich laß nicht ab, der Welt mein Leid
zu klagen (zwischen dem Eingang) und ruf die Menschheit zwischen
uns zum Richter auf.

Flottwell.  Verstummst du nicht durch Gold, so mach dich Stahl
verstummen.  Schweig!  oder ich durchbohre dich!  (Er zieht den
Degen und durchsticht ihn.)

Bettler (bleibt stehen).  Mörder!  Dein Wüten ist umsonst!  Du hast
mich nicht verwundet.  Was ich begehrt, kann mich versöhnen nur.
(Nochmal bittend.)  Oh, möchtest du doch jetzt in meine Bitte
willgen.

Flottwell (hartnäckig).  Du willst mich zwingen?  Nie!

Bettler (halblaut rufend).  So flieh, Verschwender, flieh!  Doch
mir entfliehst du nicht, und an der Themse sehen wir uns wieder!
(Ab.)

(Der Mond verbirgt sich hinter den Wolken.  Man hört den Wind
brausen.  Blitze leuchten.)

Flottwell.  Als ich ihm dort im Mondlicht in das bleiche Antlitz
starrte, ergriff es mich, als säh ich meines Vaters Geist.  Die
Nacht wird stürmisch.  Ha!  Ein Schatten fliegt daher!



Neunzehnter Auftritt

Voriger.  Amalie, in einen Mantel gehüllt, den Kopf mit einem
Männerhut bedeckt, tritt atemlos ein.


Flottwell.  Bist du es, Wolf?

Amalie (stürzt erschöpft in seine Arme).  Nein, ich bin es,
mein Julius!

Flottwell (entzückt).  Amalie!  Teures Mädchen!  Kommst du so
allein?

Amalie.  Ich konnte keine meiner Dienerinnen bewegen, das
ungewisse Los mit der Gebieterin zu teilen.  Mein Vater wacht
bei dem Baron.  Drum laß uns schnell entfliehen, wenn er nach
Hause kommt, so wird er mich zu sprechen wünschen.

Flottwell.  Es tut mir weh, den treuen Wolf zurückzulassen.
Doch drängt uns die Gefahr.  Wenn wir nur das Gewitter nicht
zu fürchten hätten!

(Donner.  Beide ab.)



Zwanzigster Auftritt

Verwandlung

Das Gestade des Sees.  Auf einem Felsen eine Schifferhütte.

Max und Thomas, zwei Schiffer, ziehen einen Kahn mit einem
Segel ans Ufer.  Die Wellen des Sees gehen hoch.  Es ist nicht
gänzlich finster, sondern falbes Licht.


Thomas (steht auf dem Fels und zieht das Schiff).  Max, zieh
das Segel ein, der Wind zerreißt es sonst.

Max (tut es).  Das Hundewetter hat auch kommen müssen, um armer
Leut Verdienst zu schmälern.

Thomas.  Wenn man am Morgen gleich ein altes Weib erblickt, die
brummt, da führt der Henker stets ein Wetter her.

Max.  Fluch nur nicht so, sonst geht die See noch immer höher.



Einundzwanzigster Auftritt

Vorige.  Flottwell.  Amalie.


Flottwell.  Ha, seid Ihr da?  Nun laßt uns schnell von hinnen!

Thomas.  Was fällt Euch ein, wer wird in solchem Wetter fahren!

Flottwell.  Wir müssen fort.  Ich hab euch ja gedungen!

Max.  Zum Überschiffen.  Ja!  Allein was zahlt Ihr uns denn fürs
Ertrinken?

Thomas.  Der Sturm schmeißt uns den leichten Kahn ja zehnmal um.

Max.  Wir segeln nicht!

Flottwell (verzweiflungsvoll).  Ihr müßt.

Thomas, Max.  Wir wollen nicht!

Amalie (für sieh).  O Gott, du strafst mich schon in dieser
Stunde.

Flottwell.  Ich brenn dir diese Kugel durch den Kopf.  (Hält ihm
ein Terzerol vor.)

Thomas (schlägt ihm das Pistol mit dem Ruder aus der Hand).
Laßt doch das dumme Zeug.  Das Wetter wird schon knallen lassen.

Max.  Da müßt Ihr uns auf andre Weise zwingen.

Flottwell.  Wohlan, ich gebe euch zweihundert Louisdor, wenn wir
den See im Rücken haben.

Thomas.  Das ist ein Wort!  (Zu Max.)  Willst du dein Leben wagen?

Max.  Warum nicht?  Wenn ich hin bin, bin ichs nicht allein.
(Schlägt ein.)

Thomas (schlägt in Flottwells Hand).  Potz Sturm und Klippen
denn, es gilt.  Doch hört, daß uns das Frauenzimmer da nicht
etwa schreit.  Die See ist wie mein böses Weib, wenn man sich
fürchtet, treibt sies immer ärger, doch schlägt man mit dem
Ruder tüchtig sie aufs Maul, da gibt sie nach.  Nun kommt!

Flottwell.  Nun auf gut Glück!

(Sie gehen alle vier nach dem Schiff.  Musik beginnt.  Nach
einigem Herumwerfen des Kahns steuern sie fort.  Das Gewitter
wütet.  Es schlägt ein.  Dies drückt die Musik aus.  Seemöven
fliegen über die Bühne.  Doch plötzlich läßt der Sturm nach,
die Wogen gehen niedrer.  Der Mond wird zur Hälfte zwischen den
Wolken sichtbar und wirft seinen Schein auf den Bettler,
welcher auf einem kleinen kaum bemerkbaren Kahn mit einem vom
Sturme zerrissenen Segel gebeugt sitzend sachte vorüberfährt.
Die Musik spielt die Melodie seines Bettlerliedes.  Wenn er fort
ist, vermehrt sich der Sturm, und die Kortine fällt.)




Dritter Aufzug

Zwanzig Jahre später



Erster Auftritt

Flottwells Schloß, wie zu Anfang des zweiten Aktes, nur das
Stammschloß in der Ferne ist zur Ruine verfallen.


Flottwell, ganz aussehend wie der Bettler, sitzt beim Aufgeben
der Kortine an demselben Platz, wo der Bettler saß.  Wenn die
Eingangsmusik, welche bei Eröffnung der Bühne noch mehrere
Takte fortdauert, geendet ist, steht er auf.

Flottwell.  So seh ich dich nach zwanzig Jahren wieder, du
stolzer Freudentempel meines sommerlichen Lebens.  Du stehst
so ernst und sinnend da, gleich einem Monument ins Grab
gesunkener Glückseligkeit.  Die alte Fröhlichkeit scheint auch
aus dir gewichen.  Einst schallte Jubel aus den Fenstern dieses
Marmorsaales.  Silberne Würfel kollerten noch auf dem grünen
Tisch.  Berauschte Spieler stürzten auf mein Wohl die goldnen
Becher aus, und übermütge Freude schwang die riesgen Flügel.
Nun ist es stumm und still geworden.  Der Morgen hat schon lang
sein frohes Lied gesungen, und jene Pforte ist noch immer fest
verschlossen.  Oder blickst du nur in diesem Augenblick so ernst,
weil dein Begründer so dich wieder grüßt?  Seit ich dich nicht
gesehen, hat sich mein Schicksal sehr geändert.  Ich habe Gattin,
Kind und all mein Gut durch eigne Schuld verloren.  Verfolgung
hab ich hier wohl nimmermehr zu fürchten, denn Flitterstein,
mein größter Feind, ist in der Schlacht gefallen.  Doch wo soll
ich in dieser Lage nun um Beistand flehen?  Der edle Präsident--
er hat uns ja vor seinem Tode noch verziehn--ist lang hinüber.
An einige Freunde hab ich schon geschrieben, doch niemand will
den armen Julius mehr kennen.  Drum will ich noch das letzte
wagen.  Ich will nach Bettlerweise einem Fremden mich vertrauen.
Will dem Besitzer dieses Schlosses sagen, daß ich der erste war,
dessen Aug mit Herrenblick in diesem holden Eigentum geschwelgt,
und daß ich nun nichts mein zu nennen hab als diesen Bettelstab.
Vielleicht, daß ihn die Größe meines Unglücks rührt.  Hier kommt
der Gärtner auf mich zu!  den will ich doch befragen.



Zweiter Auftritt

Voriger.  Gärtner mit einer Gießkanne, er ist phlegmatisch und
etwas roh.


Flottwell.  Guten Morgen!

Gärtner (sieht ihn verdächtig an).  Guten Morgen.  (Für sich.)
Muß doch den großen Hund von der Kette loslassen, weil gar so
viel Gesindel immer kommt.

Flottwell.  Mein lieber Freund, wollt Ihr so gut sein, mir zu
sagen, wie Euer gnädger Herr wohl heißt und wie lang er dieses
Schloß besitzt?

Gärtner.  Ihr wollt ihn wohl um etwas bitten?

Flottwell.  Ich wünsche ihn zu sprechen.

Gärtner (für sich).  Scheint doch nicht, daß er etwas stehlen
will.  (Laut.)  Es mag jetzt ohngefähr zwölf Jahre sein.
(Rechnet nach) Der Flottwell hats gebaut, der wischt nach
England durch.  Da kaufts ein Graf, der starb, und dann nahms
unser Herr, und der wirds wohl auch bis an seinen Tod behalten.

Flottwell.  Seid Ihr schon lang in seinem Dienst?

Gärtner.  Ziemlich lang, aber gestern hat er mich persönlich
abgedankt--

Flottwell.  Wie tituliert man ihn?

Gärtner (unbedeutend).  Herr von Wolf--

Flottwell.  Von Wolf?  Von der Familie hab ich nie gehört.

Gärtner.  Ja mit der Familie ists auch nicht weit her.  Er war
des Flottwells Kammerdiener.

Flottwell (rasch).  Mein Kammerdiener?  (Faßt sich.)  Nicht doch--

Gärtner (macht große Augen).  Was fällt Euch ein?  (Für sich.)
Der Mann muß nicht in Ordnung sein?  (Deutet aufs Hirn.)  Jetzt
will der Lump gar einen Kammerdiener haben.  (Laut.)  Bei
Flottwell, sagt ich, der in Amerika gestorben ist.

Flottwell.  Da hat Euer Herr vermutlich eine sehr große Erbschaft
gemacht?

Gärtner.  Nichts hat er gemacht!  Den Flottwell hat er tüchtig
übers Ohr gehauen.  Da kommt sein Reichtum her.  Der war so dumm
und hat ihn noch dafür beschenkt.  Hat ihn gehätschelt, und
Unserer hat ihn dann brav ausgelacht und sagt ihm noch im Tod
nichts Gutes nach.  So gehts den jungen Herrn, die nur vertun
und nichts verdienen können.  Da hängen sie den Schmeichlern
alles an, die andern Leute sind nicht ihresgleichen, und wenn
sie in die Not dann kommen, lacht sie alles aus.  (Gibt ihm
Tabak.)  Wollt Ihr eine Prise nehmen?

Flottwell.  Ich danke!  (Nach einigem Nachdenken.)  Ich will
ihn dennoch sprechen!

Gärtner.  Nun wenn Ihr ihn in guter Laune findet, vielleicht
schenkt er Euch etwas.  (Greift in den Sack.)  Ich will Euch
auch auf ein Glas Branntwein geben.

Flottwell (spöttisch).  Ihr seid zu gut.  Ich bin Euch sehr
verbunden.

Gärtner.  Ei, seht einmal!  Wenn man ein armer Teufel ist, da
muß man jeden Groschen nehmen.  Doch Ihr werdet wohl am besten
wissen, wie Ihr mit Eurer Kassa steht.

Flottwell.  Ich dank Euch sehr für Euren Unterricht.  Mich wundert
aber, daß Ihr das so alles ungescheut von Eurem Herrn erzählt.

Gärtner.  Früher hätt ich nichts gesagt.  Jetzt geh ich aber so
in einigen Tagen fort.  Da liegt mir nichts mehr dran!

Flottwell.  Sagt mir nur eins noch: Ist Herr von Wolf im Besitze
dieses ungerechten Gutes glücklich?

(Das Tor öffnet sich.)

Gärtner.  Ob der wohl glücklich ist?  Da schaut ihn an und
überzeugt Euch selbst.



Dritter Auftritt

Vorige.  Wolf.  Er ist sehr gealtert, sieht sehr krank aus, ist
in Pelz gekleidet und geht an einem Stock.  Drei Bediente mit ihm.


Flottwell (fährt zurück).  Himmel!  ich hätt ihn nicht erkannt.

Wolf (sein Betragen ist sehr düster und sinnend).  Ich habe eine
üble Nacht gehabt.  Die Sonne kommt mir heut so trübe vor.

Gärtner.  Gnädger Herr!  Es will ein armer Mann Sie sprechen.

Flottwell.  Du lügst.  Ich bins nicht mehr.  (Für sich.)  In solcher
Nähe macht mich mein Bewußtsein reich.

Wolf.  Er kann nicht ärmer sein als ich.  Wo ist er?

Flottwell (tritt vor).  Flottwell nennt er sich.

Wolf (fährt zusammen).  Flottwell?  (Fühlt in die Seite.)  Das
hat mir einen Stich gegeben.  Die böse Gicht ist doch noch
unbarmherziger, als es die Menschen sind.  (Für sich.)  Er lebt
noch.  Und kommt so zurück?  So straft der Himmel seine Sünder.

Gärtner.  Das ist der reiche Flottwell?  Gute Nacht, da will ich
lieber Gärtner sein.  (Geht ab.)

Wolf.  Herr von Flottwell, ich fühle mich sehr geehrt, daß Sie
sich Ihres alten Dieners noch erinnern, und bedauere nur, daß
meine Krankheit, die mich schon seit vielen Jahren quält, mir
nicht erlaubt, meine Freude über Ihre Ankunft so glanzvoll an
den Tag zu legen, als Sie von mir es fordern könnten.

Flottwell.  Ich habe nichts zu fordern, gar nichts mehr.  Was ich
mit Recht zu fordern hatte, ist mir durch einen Höhern (blickt
gegen Himmel) schon geworden.  Ich wollte nur den Besitzer meines
Schlosses sehen.

Wolf (lächelnd).  Ja, es ist ein ganz besondrer Zufall.  Ich habe
dadurch eine wahre Anhänglichkeit an Ihr Haus bewiesen.  Der
Himmel hat mich mit Gewinn gesegnet, aber ich habe jetzt große
Verluste erlitten.  Verzeihen Sie, der Arzt erlaubt mir nicht,
so viel zu sprechen; ich weiß die Ehre Ihres Besuches sehr zu
schätzen.  (Zu den Bedienten.)  Geleitet mich zu jener Aussicht
hin.  Doch nein!  Ins Schloß zurück.  Auch das nicht.  Nach dem
Garten.  Der Garten ist so schön.  Nur schade, daß die Rosen
schon verwelken.  (Wird nachdenkend.)  Wie oft werd ich sie
wohl noch blühen sehen?  (Schauert.)  Heut ist ein kalter Tag.

Flottwell.  Mir scheint die Sonne warm.

Wolf.  Mich friert.  Geht doch hinab ins Dorf und ruft den
frommen Mann, den ich so gern jetzt um mich habe.  Daß er mir
ein moralisches Buch vorliest.  Ich hör so gern moralische Bücher
lesen.  Die Welt ist gar so schlecht, und man kann seinen Trost
nur in der Zukunft suchen.  (Schleicht in den Garten.)

(Die Bedienten folgen ihm.)

Flottwell (zu dem letzten der Diener).  Der Herr ist schwer
erkrankt!  Ist er geliebt?  Wünscht man ihm langes Leben?

Diener (schüttelt den Kopf und sagt gleichgiltig).  Er ist ein
geiziger Filz, den niemand leiden kann, und in einigen Wochen
wirds wohl mit ihm zu Ende gehn.  Adieu!  (Folgt den andern in
den Garten nach.)

Flottwell (sieht gegen Himmel und schlägt die Hände zusammen).
O Flottwells Schloß, was beherbergst du für Menschen jetzt!  Was
soll ich nun beginnen?  Die wenigen Taler, die ich noch besaß,
hab ich auf meiner mondenlangen Wanderung verzehrt.  Ich hab
gespart und trocknes Brot gegessen, und doch besitze ich nicht
einen Pfennig mehr.  Dort mein altes Schloß!  (Sieht nach der
Ruine in der Ferne.)  Es ist zum Sinnbild meines jetzgen Glücks
zusammgestürzt.  (Er bleibt mit verschränkten Armen nachdenkend
stehen.)



Vierter Auftritt

Voriger.  Valentin, in bürgerlicher Tracht als Tischlermeister,
einen Hobel im Sack, kommt trillernd.  Er hat schon dunkelgraues
Haar.


Valentin.
Wenn ein Tischler früh aufsteht,
Tralalala--
(Sieht Flottwell.)

Schau, schau, da ist ein armer Mann.  Ich muß ihm doch was
schenken.  (Er nimmt einen Groschen aus dem Sack und will
ihn Flottwell reichen, doch stutzt er, als er ihn erblickt.)
He Alter!  (Flottwell kehrt sich gegen ihn.)  Was ist--Ich
weiß nicht, dieses Gsicht--das Gsicht ist mir bekannt--
jetzt trau i ihm fast den Groschen gar nicht zu geben--

Flottwell.  Was wollt Ihr denn?

Valentin (noch gereizter).  Die Stimm--das wird doch nicht?
(Er zittert.)  Sie, hören S'--das wär entsetzlich Bitt um
Verzeihung!  Sie, kennen Sie das Schloß?

Flottwell (gerührt).  Ob ich es kenne, Freund?  Es war ja einst
mein Eigentum!

Valentin (schreit rasch).  Mein gnädger Herr!  (Eine Mischung
von Freude, Wehmut und Erstaunen macht ihn erzittern, er weiß
sich nicht zu fassen.  Ruft noch einmal.)  Mein gnädger Herr!
(Die Tränen treten ihm in die Augen, er küßt ihm stumm die
Hand.)

Flottwell.  Wer bist du, Freund?

Valentin.  Der Valentin.  Kennen mich Euer Gnaden denn nimmermehr?
Der Tischlergsell, der einmal bei Ihnen gearbeitet hat und
den Sie als Bedienten aufgenommen haben, weil er Ihnen so gut
gfallen hat.

Flottwell (gutmütig).  Valentin?  der gute ehrliche Valentin.
Und du erinnerst dich noch meiner?

Valentin.  Ob ich mich erinnere?  O Gott!  Euer Gnaden waren ja
so gut mit mir und haben mir ja so viel geschenkt.  Einen
Dukaten hab ich mir noch aufgehoben, (gutmütig) aber die
andern hab ich alle ausgegeben.

Flottwell.  Und geht es dir gut?

Valentin.  Nu mein!  Wies halt einen armen Tischler gehn kann.
Auf dem Land ist ja nicht viel zu machen.  Ich bin zufrieden.

Flottwell.  Dann bist du glücklich!

Valentin.  Nu, man nimmts halt mit, solang als Gott will.  Aber
Euer Gnaden scheinen mir gar nicht zufrieden zu sein.

Flottwell.  Nicht wahr, ich hab mich sehr geändert?

Valentin (verlegen).  Ah nein!  nein!  Euer Gnaden schauen gut aus--
gut--recht gut.  A bissel strapaziert, aber--(Beiseite.)  Das
kann man ja einen solchen Herrn nicht sagen.

Flottwell.  Mein guter Valentin, nun kann ich dich nicht mehr
beschenken.

Valentin.  Beschenken?  Euer Gnaden werden mich doch jetzt nicht
mehr beschenken wollen.  Da müßt ich Euer Gnaden richtig völlige
Grobheiten antun.  (Faßt sich.)  Bitt um Verzeihung!  Ich red
manchmal, als wenn ich Hobelschatten im Kopf hätt.  Seit ich
wieder Tischler bin, hab ich mein ganze Politur verloren.

Flottwell (für sich).  Soll ich mich ihm entdecken?

Valentin (für sich).  Ich trau mir ihn gar nicht zu fragen.
Mir scheint, er ist voll Hunger.

Flottwell.  Gehst du nach Hause?

Valentin.  Nein!  Ich soll im Wirtshaus drüben die Tür zusammnageln,
weil s' gestern einen hinausgeworfen haben, und da ist er ihnen
a bissel angekommen an die Tür, und da hat s' einen Sprung
kriegt.  Und dann hab ich der Schulmeisterin eine neue Linier
machen müssen.  Sie hat s' an ihren Mann abgeschlagen, weil sie
ihn manchmal liniert.

Flottwell (kämpft mit sich, seufzt, greift sich an die Stirne
und sagt dann).  Nun so leb wohl!  (Will gehn.)

Valentin (hält ihn auf).  Wo wollen denn Euer Gnaden hin?  Euer
Gnaden werden mir doch nicht wieder davonlaufen?  Jetzt hab ich
ja erst die Ehr gehabt zu sehen.  (Beiseite.)  Wann ich nur wüßte,
wie ich das Ding anstellen soll?

Flottwell (seufzt).  Was willst du denn noch?

Valentin.  Euer Gnaden verzeihen--Aber--Sagen mir Euer Gnaden
aufrichtig: Sein Euer Gnaden heut schon eingeladen?

Flottwell (lächelt).  Nein, lieber Mann!

Valentin.  Dürft ich wohl so frei sein und dürft mir die Ehr
ausbitten, auf eine alte Hausmannskost?

Flottwell (gerührt).  Ich danke dir.  Rechtschaffener Mensch!
Ich komme.

Valentin.  Nichts kommen.  Ah beleib.  Ich laß Euer Gnaden nimmer
aus.  Die sollen sich ihre Tür selbst zusammennageln.  Ich muß
mit meinen gnädigen Herrn nach Haus gehn jetzt.

Flottwell.  So komm!

Valentin.  Aber das sag ich gleich, so gehts bei mir nicht zu,
wies einmal bei uns da (aufs Schloß deutend) zugegangen ist--
Ah--(Schlagt sich aufs Maul.)  Schon wieder so ein
Hobelschattendiskurs.

Flottwell.  Ich werde mit allem zufrieden sein.

Valentin.  Nichts!  Nein!  Wird nicht so schlecht ausfallen,
ich koch ja selbst.  Ah, wir werden uns schon zusammnehmen,
ich und meine Alte.  Wird sich schon wo ein übertragens
Geflügelwerg finden.  Solang der Valentin was hat, werden
Euer Gnaden nicht zugrund gehen.  Jetzt werden wir unsern
Einzug halten.  Ah, so kanns nicht ablaufen.  Euer Gnaden
müssen eine Auszeichnung haben.  Ich geh voraus, und Euer
Gnaden kommen nach; und alle meine Kinder müssen Spalier
machen, und wie Euer Gnaden eintreten, müssen s' schreien,
daß ihnen die Brust zerspringen möchte: Vivat!  unsern Vatern
sein gnädiger Herr soll leben!

Flottwell.  Guter Valentin.

Valentin.  Das ist ein Leben auf der Welt!

(Flottwell geht Arm in Arm mit ihm ab.)



Fünfter Auftritt

Verwandlung

Tischlerstube.  Eine Hobelbank.  Tischlerwerkzeuge hangen an
der Wand.  Tisch und Stühle.  Links ein Fenster.  Rechts eine
Seitentür.

Liese jagt den Michael, der eine Pudelmütze aufhat und Bücher
mit einem Riemen zusammengeschnürt, aus dem Kabinett heraus.
Hiesel sägt bei der Hobelbank.


Liese.  Wart, du Spitzbub, wann die Mutter nach Haus kommt!  Ich
werd dir naschen lernen.  Kaum kommt er nach Haus, so hat man
schon wieder Gall.

Michael (weinend).  Die Mutter hat mirs erlaubt.

Liese (reißt dem Hiesel die Säge aus der Hand).  Stehn laß, sag
ich.  Wenn du den Vatern was ruinierst.

Hiesel.  Ich arbeit schon so gut als wie der Vater.  (Hämmert.)

(Pepi will aus dem Kabinett herausgehn, fällt aber nieder und
weint.)

Liese.  Den Buben hebts auf!  (Sie hebt ihn auf, er hat noch
das Kinderröckchen an, und stellt ihn auf den Tisch.)  Jetzt
ist er noch nicht angezogen.  (Sie zieht ihm sein Kamisol an.)

Michael (zupft sie am Kleid).  Den Schlüssel gib mir, daß ich
meine Schulbücher aufheben kann.

Liese.  Laß mich gehn, ich muß den Buben anziehn.  Wann die Mutter
kommt!  Es ist schon elf Uhr.

Hansel.  Hiesel, komm heraus, wir steigen in Taubenkobel hinauf.

Liese.  Nein, wenn die Buben aus der Schul zu Haus kommen, ists
nicht zum Aushalten.  (Hiesel hämmert.)  Hörst nicht zum hammern
auf?

(Eine Gans lauft herein und frißt.)

Michael (der nach dem Ausgang deutet).  Das Fleisch geht über.

Liese (setzt den kleinen Buben mitten ins Zimmer, der schreit).
Auf den kleinen Buben gebts acht!  (Läuft hinaus.)

Hansel (ruft).  Hiesel, aussa geh!



Sechster Auftritt

Vorige.  Valentin.  Flottwell.


Valentin.  Spazieren Euer Gnaden nur herein!  (Hansel geht vom
Fenster weg.)  Fallen Euer Gnaden nicht über den Buben.  Wer hat
ihn denn da mitten ins Zimmer hergesetzt?  Ich bitt um
Verzeihung, es ist alles in Unordnung.  Einen saubern Sessel
heraus!  (Michael lauft ins Kabinett und bringt einen holzernen
Stuhl.)  Jagts die Gans hinaus!  die Hobelschatten weg!  (Hiesel
tut es.  Valentin zu Michael.)  Einen Polster bring!  (Michael
läuft fort und stolpert.)  Jetzt wirft er das Leimpfandel um.
Wie gfallt Euer Gnaden denn die Wirtschaft?  (Michael bringt
einen Bettpolster.)  Was treibst du denn, hättest gar eine Tuchet
gebracht.  (jagt ihn fort damit.  Zu Flottwell.)  Ich bitt, Platz
zu nehmen.  Lieserl, wo bist du denn?  Komm doch herein.  Alle
Kinder!  (Liese, alle Kinder bis auf Hans.)  Wo ist denn der
Hansel?

Liese.  Der ist schon wieder draußen.

Valentin (wirft einen Blick durchs Fenster).  Da hab ich die
Ehre, meine Familie aufzuführen.  Eins--zwei--drei--vier,
und der fünfte sitzt auf den Taubenkobel oben.  Mein Weib wird
gleich nach Haus kommen.  Die wird ein Vergnügen haben.  Hansel!
komm herein geschwind.

Hansel (innen, ruft).  Ich kann ja nicht so geschwind
heruntersteigen!

Valentin.  So fall herunter.  Jetzt da gehts her, Kinder.  Da
stellt euch im Kreis herum!  (Hansel kommt.)  Da schauts den
Herrn an.  Das ist mein lieber guter gnädiger Herr, von dem
ich euch so viel erzählt hab.  Der hat euren Vatern und viel
hundert Menschen Gutes getan.  Gehts hin und küßt ihm alle
die Händ.

(Die Kinder tun es.  Unterdessen sagt)

Hansel.  Vater, der sieht ja gar nicht aus als wie ein
gnädiger Herr.

Valentin.  Bist still.  Du bist kein Kenner.  Was verstehst
denn du von gnädigen Herren.

(Hansel tut es auch.)

Pepi.  Euer Gnaden, Pepi auch Hand küssen.

Valentin.  Das jüngste Kind meiner Laune, Euer Gnaden.

Liese (verlegen).  Euer Gnaden!  Unser Herr Vater hat uns halt
so viel Gutes, Liebes und Schönes von Euer Gnaden gesagt, daß
wir uns recht freuen, Euer Gnaden kennenzulernen.

Flottwell.  Gott!  (Sinkt von Schmerz und Scham überwältigt in
den Stuhl und verhüllt mit beiden Händen das Gesicht.)

Liese (leise).  Vater, der Herr bedauert mich recht.  Dem muß
ja gar schlecht gehn!

Valentin (ebenso).  Tuts nichts dergleichen, wir werden schon
darüber reden!  (Liese geht ab.)  Gehts jetzt, Kinder, gehts
ein wenig in den Hof hinaus.  (Zu Hiesel.)  Du schaust dich
drauß um die fetteste Enten um.  (Zu Michael.)  Und du suchst
dein Mutter auf.  Sie soll gleich nach Haus kommen.  (Kinder
ab.)  Mein Gott, die Kinder, die wissen noch nichts von der
Welt.  (Seufzt.)  Ja ja!  Sein Euer Gnaden nicht so betrübt.  Ich
hab selbst nicht zuviel.  Aber Euer Gnaden dürfen mir nicht
zugrunde gehen.  Aber erzählen mir Euer Gnaden doch einmal,
wie ist denn das Unglück so gekommen?

Flottwell.  Ich lebte durch acht Jahre mit meiner edlen
Gemahlin, die mir in London einen Sohn geboren hatte, ganz
glücklich.  Jedoch auf einer Reise nach Südamerika, von welcher
sie mich vergebens abzuhalten suchte, als hätte sie mein
Unglück geahnet, entriß mir der Tod beide.  Ich ging nach
London zurück, suchte Zerstreuung.  Mein Aufwand stieg.  Ich
ließ mich in großartige Spekulationen ein, die mir nur Ruhm,
aber keinen Gewinn bringen konnten, und nach mehreren Jahren
sah ich mein Vermögen bis auf einen kleinen Rest geschmolzen.
Nun ward mir bange, ich beschloß, nach meinem Vaterland
zurückzukehren, mit dem festen Vorsatz, mich in jeder Hinsicht
einzuschränken.  Ich kam nach Deutschland--ein unglücklicher
Gedanke hieß mich Wiesbaden besuchen.  Hier war die Grenze
meines Leichtsinns.  Nach zwanzig Jahren spielte ich wieder
einmal in der Hoffnung, mein Vermögen zu vermehren, ich gewann,
spielte fort und verlor alles.  Alles.  Mußte meine Garderobe
zurücklassen und mit zwanzig Talern die weite Reise nach
meiner geliebten Heimat, wohin es mich mit unwiderstehlicher
Gewalt zog, zu Fuße machen, und so bin ich zum Bettler nun
verarmt.

Valentin.  Das ist freilich eine traurige Geschichte, aber es
ist halt notwendig, daß man s' erfahrt.  Aber verzeihen mir
Euer Gnaden, Euer Gnaden sein doch ein bissel selber schuld.
Es schickt sich nicht, daß ich das sag.  Aber ein Herr, der so
dagestanden ist wie Euer Gnaden--Es ist zum Totärgern--Ich
kann mir nicht helfen, ich red halt, wie ichs denke.

Flottwell.  Du hast recht.  Oh, jetzt erst treten alle Warnungen
vor meine Seele, die ich aus Stolz und Übermut verschmähte,
Cheristane und das grauenvolle Bild des geheimnisvollen
Bettlers, der mich so lange Zeit verfolgt und dessen Abkunft
ich wohl nie enträtseln werde.

Valentin.  Nun sein Euer Gnaden nur beruhigt.  Wie ich gesagt
hab.  Alles, was in meinen Kräften steht.  Haben Euer Gnaden nur
die Gnad und gehen Euer Gnaden derweil allergnädigst in das
andere Zimmer hinein, daß wir da ein wenig zusammenräumen
können.  Es schaut gar so innobel aus.  Schauen sich Euer Gnaden
ein wenig um drinnen.  Da werden Euer Gnaden etwas darin sehen,
was Euer Gnaden gewiß erfreuen wird.  (Er geleitet ihn bis an
die Tür.)

Flottwell.  O Dienertreu, du gleichst dem Mond, wir sehen dich
erst, wenn unsere Sonne untergeht.  (Ab.)

Valentin.  Das ist eine schöne Rede, aber ich hab sie nicht
verstanden.  Lisi, Kinder, gehts herein!

(Liese.  Hiesel.  Hansel.)

Liese.  Was befiehlt der Vater?

Valentin.  Habt ihr euren Vatern gern?

Alle drei.  Ja!

Valentin.  Wollt ihr ihm eine Freude machen?

Alle drei.  Ja, lieber Vater!

Valentin.  Verdruß habt ihr mir schon genug gemacht.  Seid mit
dem Herrn da drin recht gut und höflich.  Er wird bei uns im
Haus bleiben.  Ich laß ihn nimmer fort.  Und redet der Mutter
auch zu, sie ist eine gute Frau, aber manchmal ein wenig gäh.

Kinder.  Wir wissens am besten, wir haben genug auszustehen mit
ihr.

Valentin.  So?  Ja was die Eltern jetzt den Kindern für Kummer
und Sorgen verursachen, das ist außerordentlich.  Also geht
hinein zu ihm.  Ich komm gleich wieder, ich muß nur die Tür
in Wirtshaus machen.  Und vergeßt nicht, was ich gesagt hab.
Er ist unglücklich.  Mit unglücklichen Menschen muß man subtil
umgehen.  Die glücklichen können schon eher einen Puff aushalten.

(Kinder ab ins Kabinett.)

Valentin (allein).  Nein, wenn man solche Sachen erlebt, da
wird man am Glück völlig irre.  Was nutzt das alles!  Der Mensch
denkt, der Himmel lenkt.

Lied
Da streiten sich die Leut herum
Oft um den Wert des Glücks,
Der eine heißt den andern dumm,
Am End weiß keiner nix.
Da ist der allerärmste Mann
Dem andern viel zu reich.
Das Schicksal setzt den Hobel an
Und hobelt s' beide gleich.
Die Jugend will halt stets mit Gwalt
In allen glücklich sein,
Doch wird man nur ein bissel alt,
Da find man sich schon drein.
Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus!
Das bringt mich nicht in Wut.
Da klopf ich meinen Hobel aus
Und denk, du brummst mir gut.

Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub
Und zupft mich: Brüderl, kumm!
Da stell ich mich im Anfang taub
Und schau mich gar nicht um.
Doch sagt er: Lieber Valentin!
Mach keine Umständ!  Geh!
Da leg ich meinen Hobel hin
Und sag der Welt Adje.  (Ab.)

Repetition
Ein Tischler, wenn sein War gefällt,
Hat manche frohe Stund,
Das Glück ist doch nicht in der Welt
Mit Reichtum bloß im Bund.
Seh ich soviel zufriednen Sinn,
Da flieht mich alles Weh.
Da leg ich nicht den Hobel hin,
Sag nicht der Kunst Adje!  (Ab.)



Siebenter Auftritt

Flottwell mit einem Bilde in der Hand, sein Bild in jungen
Jahren vorstellend.  Liese.  Hans.  Hiesel.


Flottwell.  Wie freut mich das, mein Bild in eurem Haus zu
finden.  Ich könnt es nicht in bessern Händen wissen.  Wie ist
es an euren Vater gekommen?

Liese.  Der Vater hat uns erzählt: Er hats im Schloß gekauft.
Wie alles gerichtlich lizitiert ist worden.

Flottwell (seufzt).  Ja so!

Hansel.  Und es hat nicht viel gekostet.  Es hat kein Mensch was
geben wollen dafür.

Flottwell (für sich).  Schändlich!

Liese (heimlich).  Bist still!  Weißt du nicht, was der Vater
gesagt hat?

Hiesel (deutet an den Rand des Bildes).  Da steht der Datum,
wenn Euer Gnaden geboren sein.

Liese (sieht nach).  Den letzten Julius.  (Freudig.)  Da ist ja
heute Ihr Geburtstag?  Ah!  das ist schön.  Gerade fünfzig Jahr.

Alle drei.  Wir gratulieren!

(Liese läuft fort)

Flottwell.  Als die Sonne sank, ward ich geboren.  Wenn sie
wieder sinken wird?  Wo werd ich sein?  (Versinkt in Nachdenken.)

Hiesel (zu Hans).  Du, da bin ich vergnügter, wenn mein
Geburtstag ist.

Hansel.  Ja, er ist ja schon fünfzigmal geboren.  Da gwöhnt
mans halt.

Liese (fahrt Pepi herein, der jetzt als Knäbchen reinlich
gekleidet ist und einen großen Blumenstrauß trägt).  Da bring
ich noch einen Gratulanten.

Hansel (sieht zum Fenster hinaus).  Just kommt die Mutter!
(Läuft hinaus.)

Liese (herzlich).  Möchten Euer Gnaden noch viele solche
Blumen auf Ihrem Weg erblühen!  Das wünschen wir Ihnen alle
von ganzem Herzen.

Flottwell (nimmt tief ergriffen den Blumenstrauß, sagt) Ich
dank euch, liebe Kinder!  (und legt ihn auf den Tisch.)  Ach,
warum kann ich euch nur mit Worten danken!



Achter Auftritt

Vorige.  Rosa, schlicht bürgerlich gekleidet, gealtert.  Sie
trägt einen bedeckten Korb.  Hans und Michael mit ihr.


Rosa (erzürnt zu Hans).  Was dableiben?  Erhalten ein fremden
Menschen?  Wenn man so viel Kinder zu ernähren hat!  Ist dein
Vater närrisch?  Das ging' noch ab!  (Erblickt Flottwell.)  Da
ist er ja.  (Für sich.)  Nu, der sieht sauber aus!

Flottwell (der am Tische saß und auf Rosas Reden nicht horchte,
steht auf).  Guten Tag, liebe Frau!

Rosa (boshaft grüßend).  Guten Tag, Herr von Flottwell!  Freut
uns, daß Sie Ihre alte Dienerschaft aufgesucht haben.  So können
Sie sich doch wenigstens überzeugen, daß wir arme, aber
ehrliche Menschen sein.  In unserm Haus hat nie ein Schmuck
existiert, wie Sie sehen.  Wir haben uns auch in Ihrem Dienst
nicht so viel erwirtschaften können als wie gewisse Personen,
die sich ein Schloß davon gekauft haben.  Ich glaub, Sie werden
mich verstanden haben.

Flottwell.  Ich verstehe Sie nicht ganz, liebe Frau.  Ich erinnere
mich nicht genau an alle Ereignisse meines Hauses.  Nur das
weiß ich gewiß, daß keinem meiner Diener, mit meinem Willen,
eine Ungerechtigkeit widerfahren ist.

Rosa (fein).  Ah was!  Verhältnisse bestimmen die Äußerungen der
Menschen.  Ich kann Ihnen gar nichts sagen, Herr von Flottwell,
als: Sehen Sie sich bei uns um!  Können Sie von uns fordern,
daß wir in unserer eingeschränkten Lage noch einen Mann erhalten,
dem wir nichts zu danken haben als unsern richtigen Lohn, so
steht es Ihnen frei, bei uns zu bleiben.  Mein Mann ist ein
guter Lappe, der läßt sich zu allen überreden.  Der nähmet
die ganze Welt ins Haus, aber ich bin die Hausfrau, ich hab
zu entscheiden, ich kenn unsere Verhältnisse, unsere Ausgaben
und unsere Einnahmen.  Ich muß für meine Kinder sorgen, wenn sie
nichts zu essen haben, und ich kann meine Einwilligung nicht
geben.  Es wird uns freuen, wenn Sie uns heut auf Mittag beehren
wollen.  Wir werden uns nicht spotten lassen.  Aber für immer?
Verzeihen S'!  das kann ich nicht zugeben!  Heut in meinem Haus
und nimmer!

Flottwell (mit empörtem Erstaunen).  Nein!  Ich hab es nicht
gehört!  Es war ein Traum!  So sprach sie nicht zu Julius von
Flottwell, ihrem einstgen Herrn.  Zu jenem Flottwell, der im
goldumstarrten Saale hundert Schmeichler an der Tafel sah!
Zu dem gepriesnen Vater seiner Diener!  Zum edelsten der Freunde!
Zum besten, schönsten, geist- und goldbeglücktesten der Menschen,
und wie die Lügen alle heißen, die ihre Süßigkeit ans volle
Glas hinschrieb.  So sprach sie nicht zu mir, den dieser
Blumenstrauß schon zu so heilger Dankbarkeit entflammen konnte,
als hätte ihn ein Engel in des Paradieses Schoß gepflückt?
O Weib!  Könnt ich den zehnten Teil meines verlornen Glücks
zurückbeschwören und zehnfach Elend auf dein altes Haupt
hinschmettern, das dich zu meinen Füßen führen müßte, dann
sollte meine Großmut dich belehren: wie ungerecht du warst,
daß du in meinem Unglück mich so bitter hast gekränkt.
(Gebt ab.)

Liese (betrübt).  Das hätt die Mutter aber doch nicht tun sollen.

Rosa (zornig).  Still sei und marsch in die Kuchel hinaus!
(Liese geht ab.  Zu den Buben.)  Nu habt ihr nichts zu tun?

Hansel (schluchzt).  Das sag ich den Vatern, wann er zu Haus
kommt.  (Geht mit den andern ab.)

Rosa (allein).  Das wär eine schöne Wirtschaft!  Und wie der
Mensch schreit in einem fremden Zimmer!  Und er hat ja was von
einem alten Haupt gsagt.  Hab denn ich ein altes Haupt?  Der
Mensch muß gar keine Augen im Kopf haben.  Das nutzt einmal
alles nichts, reden muß man um seine Sach.  Wer 's Maul nicht
aufmacht, muß den Beutel aufmachen.  Ah, da kommt mein Mann
nach Haus, den werd ich meine Meinung sagen.



Neunter Auftritt

Vorige.  Valentin.


Valentin.  So!  Jetzt ist die Tür auch wieder in der Ordnung.
Ah, bist schon zu Haus, liebes Weib?  Das ist gscheid.

Rosa.  Ja zum Glück bin ich noch zur rechten Zeit zu Haus
gekommen, um deine voreiligen Streiche wieder gutzumachen.

Valentin.  Was denn für Streich?  Wo ist denn der gnädige Herr?

Rosa.  Wo wird er sein?  Wo es ihm beliebt.

Valentin.  Was?  Was hast gesagt?  Ist er nicht in der Kammer drin?

Rosa.  Such ihn!

Valentin (schaut hinein).  Wo ist er denn?  (Heftiger.)  Wo ist
er denn?

Rosa.  Was gehts denn mich an?  Was kümmern mich denn fremde Leut?

Valentin.  Fremde Leut?  Hast denn nicht gesprochen mit ihm?

Rosa (unwillig).  Ah was!

Valentin.  Was ist denn da vorgegangen?  Kinder!  Kommt alle her.

(Liese.  Hans.  Hiesel.  Michael, der den Pepi führt.)

Valentin.  Wo ist der gnädige Herr?

Liese (verlegen).  Ja ich--

Rosa (keck).  Nun, was stockst?  Fort ist er.  Was ists weiter?

Valentin.  Fort ist er?  Wegen was ist er fort?  Wann ist er fort?
Wie ist er fort?  Um wieviel Uhr ist er fort?

Liese.  Ja die Mutter--

Valentin.  Heraus damit!

Rosa.  Nu sags nur!  Was fürchtest dich denn?

Liese.  Die Mutter hat zu ihm gsagt: Sie behalt ihn nicht im Haus.

Hansel (weinend).  Und der Vater machet lauter so dumme Sachen.

Valentin.  Das hast du gesagt?

Hiesel.  Drauf ist er fortgelaufen und hat geweint.

Valentin (bricht in ein ironisches Lachen aus).  Ha!  ha!
(Klatscht in die Hände.)

Rosa.  Nu was sein das für Sachen?

Valentin.  Still sei!  Kinder, gehts hinaus.

Rosa.  Warum nicht gar--

Valentin.  Still sei--da setz dich nieder!

Rosa.  Du!--

Valentin (drängt sie auf den Stuhl).  Nieder setz dich!  Kinder,
gehts hinaus.

(Die Kinder geben ab.)

Hansel (im Abgehen).  Nein, wies in unserm Haus zugeht, das ist
schrecklich.  (Ab.)

Rosa (springt auf).  Jetzt was solls sein?

Valentin.  Nur Geduld!  Ich hab dich nicht vor den Kindern
beschämen wollen, wie du mich!  Was ist dir jetzt lieber?
Willst du meinen gnädigen Herrn im Haus behalten, oder ich
geh auch fort.

Rosa.  Was?  Was willst du für Geschichten anfangen, wegen
einem fremden Menschen?

Valentin.  Ist er dir fremd?  Mir nicht!  Einen Menschen, den
ich Dank schuldig bin, der kann mir gar nicht fremd werden.

Rosa.  Du bist Vater.  Du mußt auf deine Kinder schauen.

Valentin.  Er ist auch mein Kind, ich hab ihn angenommen.

Rosa.  Nu das ist ein junges Kind.

Valentin.  Ja, so jung als du ist er freilich nicht, denn du
betragst dich, als ob du vier Jahr alt wärst.

Rosa.  Kurz und gut: Ich leid ihn einmal nicht im Haus.

Valentin.  Du leidest ihn nicht?  Kinder!  kommts herein.

(Alle Kinder.)

Alle Kinder.  Was befiehlt der Vater?

Valentin.  Ziehts euch an, ihr geht mit mir!

Hiesel.  Wohin denn, Vater?

Valentin.  Das werds schon sehen.  Auf die Schleifen gehn wir
nicht.  Nehmt alles mit.  Eure Studien.  Das Namenbüchel.  Die
ganze Bibliothek.  Den Hobel.  Das ganze Arbeitszeug.  Alles!

Rosa.  Ah, das ist mir ja noch gar nicht vorgekommen!

Valentin.  Gelt?  Oh, es gibt Sachen, wovon sich unsere
Philosophie nichts träumen läßt.

Hansel.  Aber heut nimmt sich der Vater zusammen, das ist
gscheidt.

Rosa (stemmt die Hände in die Seite).  Du willst die Kinder aus
dem Haus nehmen?

Valentin.  Ich bin die Ursach, daß sie ins Haus gekommen sind,
folglich kann ich s' auch aus dem Haus nehmen.

Liese.  Aber Vater, was soll denn das werden?  Das wär ja ganz
entsetzlich.

Valentin (zu Liese).  Willst du bei deiner Mutter bleiben?

Liese.  Ja, das ist meine Schuldigkeit.

Valentin.  So geh zu ihr!  (Liese geht hin.)  Buben, gehts her
zu mir!  (Die Buben treten auf seine Seite.)  Das sind die
Stützen meines Reiches.  Die gehören mir zu.  Machts euch fertig!

(Die Buben nehmen alles.)

Hiesel.  Was soll denn ich noch nehmen?

Valentin.  Den Zirkel, runder Kerl.

Rosa.  Er macht wirklich Ernst.  Das hätt ich meinen Leben nicht
geglaubt.

Liese.  Liebe Mutter, gib die Mutter nach.

Valentin.  So, jetzt ist der Auszug fertig.  Jetzt gebts acht.
Jetzt werd ich kommandieren: Rechtsum, kehrt euch, marsch!
(Will fort.)

Rosa (ruft ihm reumütig nach).  Du Mann!  Halt!

Valentin.  Was gibts?

Rosa.  Ich muß dir noch was sagen!

Valentin (für sich).  Aha!  jetzt fangen die Unterhandlungen an.
(Laut.)  Nur kurz!  das sag ich gleich.

Rosa (leise).  Laß die Kinder hinausgehn.

Valentin.  Kinder, gehts hinaus!

Liese (für sich).  Nu Gott sei Dank!

Hansel.  Mir scheint, die Mutter gibt doch nach.  Ja, wann wir
Männer einmal anfangen, da muß es brechen oder gehn.

(Die Kinder ab.)

Valentin.  Also was willst du jetzt?

Rosa (gutmütig).  Schau, überleg dirs doch, du wirst dich
überzeugen, ich hab recht.

Valentin.  Still sei, sag ich.  Oder ich ruf die Kinder herein.

Rosa.  So laß doch drauß.  Sie zerreißen ja zu viel Schuh, wenn
sie immer hin und wieder laufen.

Valentin.  Das nutzt dir alles nichts.  Aut Aut!  Oder, entweder--

Rosa.  Gut, ich will mirs überlegen.

Valentin.  Nichts überlegen.  Heut muß er noch ins Haus, und eine
Mahlzeit muß hergerichtet werden, daß die ganze Menschheit die
Händ über den Kopf zusammenschlagen soll.

Rosa.  Nu mir ists recht!  Aber er verdients um uns nicht.

Valentin.  Was sagst?  Er verdients nicht?  Wer ist denn schuld,
daß wir so friedlich miteinander leben?  Daß ich hab Meister
werden können und das Häusel da gebaut hab, als die zweihundert
Dukaten, die ich so nach und nach von ihm zu schenken gekriegt
hab.  Wem haben wir also unser bissel zu verdanken?

Rosa.  Mich hat er aber nie mögen.

Valentin.  Ist nicht wahr!  Der Kammerdiener hat dich nur
verschwärzt bei ihm.  Sonst wären wir noch in seinem Haus.

Rosa.  Ja wenn er eines hätte.

Valentin.  Ja so.  Da hab ich ganz vergessen drauf.

Rosa.  Er hat mich bei jeder Gelegenheit heruntergesetzt.
Einmal hat er sogar vor einer ganzen Gesellschaft gesagt--

Valentin.  Was hat er denn gesagt?

Rosa.  Das sag ich nicht.

Valentin.  Geh, sag mirs, liebe Alte.  Geh!  Wer weiß, ists
wahr?

Rosa.  Ja es ist auch nicht wahr.  Er hat gesagt: ich bin
ausgewachsen.

Valentin.  Das hat er gsagt?  Und das hast du dir seit zwanzig
Jahren noch gemerkt.

Rosa.  Oh, so etwas vergißt ein Frauenzimmer nie.

Valentin.  Nu das mußt ihm halt verzeihen.  Mein Himmel!  Ein
junger Mensch.  Er hat halt damals lauter so schiefe Ansichten
gehabt.  Dann ists ja auch nicht wahr.  Du bist ja gebaut wie
eine ägyptische Pyramiden.  Wer könnt denn dir in deiner
Gestalt etwas nachsagen?  Das wär ja wirklich eine Verleumdung
erster Gattung.

Rosa.  Nu, der Meinung bin ich auch.

Valentin.  Gelt, Alte, ja, wir behalten ihn da im Haus.  Du
wirst es sehen, ich werd recht fleißig arbeiten.  Es schadt
uns nichts.  Im Gegenteil, 's geht mir alles besser von der
Hand.

Rosa (nach einem kurzen Kampf).  Nu meinetwegen.  So solls denn
sein.

Valentin (springt vor Freude).  Bravo Rosel!  das hab ich auch
von dir erwartet.  Ich hätt dich nicht verlassen, wenn ich
auch heut fortgegangen wär.  Oh!  morgen auf die Nacht wär ich
schon wieder nach Haus gekommen.  Jetzt ist aber alles in der
Ordnung.  Kinder!  kommts herein zum letzten Mal.  (Alle Kinder.)
Kinder, legt alles wieder hin.  Wir ziehen nicht aus.  Ich hab
mit der Hausfrau da einen neuen Kontrakt abgeschlossen.
Vater und Mutter sind versöhnt.  Der gnädige Herr kommt ins
Haus.

Kinder (alle freudig).  Das ist gscheid!  das ist gscheid!

Valentin.  Drum lauft, was ihr könnt.  Kein Mensch darf zu Haus
bleiben.  Ich nehm den kleinen Buben mit.  (Er nimmt Pepi auf
den Arm.)  Geht zu alle Nachbarn.  Fragt, ob sie ihn nicht
gesehen haben.  Sie sollen euch suchen helfen.  Und wenn ihr
ihn findet, so bringt ihn her.

Rosa.  Der Mann wird närrisch vor lauter Freuden.

Kinder.  Bravo!  jetzt gehts lustig zu.  (Ab.)

Hansel.  Vater, verlaß sich der Vater auf mich.  Wenn ich ihn
pack, mir kommt er nimmer aus.  (Geht stolz ab.)

Valentin.  Der Bub kann einmal ein großer Mann werden,
wenn er so fortwachst.  Weib, jetzt komm!  Du hast mir viel
Verdruß heut gmacht, aber jetzt ist dir wieder alles
verziehen.  Kein Mensch ist ohne Fehler, wenn einem nur zur
rechten Zeit der Knopf aufgeht.  Wer weiß, wers noch vergilt,
und ich denk mir halt, wenn ich einmal recht alt werd, so möcht
ich doch auch andere Erinnerungen aufzuweisen haben, als daß
ich einen Stuhlfuß geleimt hab und einen Schubladkasten
gemacht.  Jetzt komm!

(Beide ab.)



Zehnter Auftritt

Verwandlung

Die Ruine des alten Schlosses Flottwell.  Zerfallne Gemächer
und Türme, auf Felsen gebaut, zeigen sich rechts.  Links die
Aussicht, gleichsam von der Höhe des Schloßberges, auf
entferntere gegenüberstehende Berge, hinter welchen die
Sonne untergeht.

Flottwell in Verzweiflung.  Klettert über einen der Felsen,
als käme er aus dem Tal.


Flottwell.
Ich bin herauf!  Ich habe sie erreicht,
Die letzte Höhe, die in dieser Welt
Für mich noch zu erklimmen war.
Ich steh auf meiner Ahnen Wieg und Sarg,
Auf Flottwells altem edlen Herrenschloß.
Wir sind zugleich verhängnisvoll gestürzt.
Hätt ich dich nicht verlassen, stündest du
Und ich.  Zu spät!
(Wirft den Hut und Bettelstab von sich.)
Verfaule, Bettelstab!
Mein Elend braucht nun keine Stütze mehr.
Ich kehre nie zu eurer Welt zurück,
Denn mein Verbrechen schließt mich aus dem Reich
Des Eigennutzes aus.  Ich habe mich
Versündigt an der Majestät des Goldes.
Ich habe nicht bedacht, daß dies Metall
Sich eine Herrschaft angemaßt, vor der
Ich hätt erbeben sollen, weil es auch
Mit Schlauheit, die bewundrungswürdig ist,
Das Edle selbst in seinen Kreis gezogen.
Wer fühlt sich glücklich, der durch Wohltun einst
Ein Arzt der Menschheit war, und dem es nun
Versagt, weil ihm die güldene Arznei
Gebricht, wodurch die kranke Welt genest.
Ich stand auf dieser segensvollen Höh,
Ich konnte mich erfreun an anderer Glück,
Wenn freudenleer mein eigner Busen war.
Ich hab mich selbst von diesem heilgen Thron
Gestürzt.  Dies Einzge ists, was ich mit Recht
Beweinen darf, sonst nichts.  Zum Kinderspott,
Zum Hohngelächter des gemeinen Pöbels
Darf nie ein Edler werden, drum fahr hin
Mein Leben, dessen Pulsschlag Ehre war.
Ich könnte mich in jenen Abgrund stürzen,
Doch nein!  des letzten Flottwells Haupt, es beug
Sich nicht so tief.  Mein Leben ist ja noch
Das einzge Gut, das mir Verschwendung ließ,
Mit dem allein will ich nun sparsam sein,
Der Hunger soll mich langsam töten hier.
Aus Straf, weil ich die undankbare Welt
Zu viel gemästet hab.  O Tod, du bist
Mein einzger Trost.  Ich hab ja keinen Freund--

(Ein Stein weicht zurück, und der Bettler ohne Hut und Stab
steht vor ihm, spricht.)

Bettler.  Als mich!

Flottwell (erschrickt).
Als wen?  Ha!  schreckliche Gestalt,
Die ich seit zwanzig Jahren nicht gesehen
Und die ich nun für meine erst erkenn,
Weil mich die Zeit auf gleiche Stufe stellt
Und ich wie du in jeder Hinsicht nun
Bejammernswert und elend bin.
Weh mir!  Nun wird mirs klar, du solltest mir
Ein schauervolles Bild der Warnung sein.

Bettler.
Dies war mein Zweck.  Du hast mich nicht erkannt,
Weil Leidenschaft nie ihre Fehler sieht.
Erkenne mich nun ganz, ich bin ein Jahr
Aus deinem viel zu rasch verzehrten Leben,
Und zwar dein fünfzigstes, das heute noch
Beginnen wird, wenn jene Sonne sinkt.
Du hast an Cheristanen einst ein Jahr
Verschenkt, und diese edle Fee, die sich
Für dich geopfert hat, sah in dem Buch
Der Zukunft, daß, wenn du zurück nicht kehrst
Von der Verschwendung Bahn, das fünfzigste
Jahr deines Lebens dir den Bettelstab
Als Lohn für deinen Leichtsinn reichen wird.
Glaub nicht, daß du geendet hättest hier.
Wer so wie du gestanden einst und auf
So niedre Stufe steigt, sinkt tiefer noch
Als einer, der im Schlamm geboren ist.
Zu warnen warst du nicht, drum konnte ich
Dich nur von deinem tiefsten Sturz erretten.
Bis jetzt hat niemand noch dir eine Gab
Gereicht: Ich hab für dich bei dir gebettelt.
Ein Jahr lang hab ich den Tribut durch List
Und schaudervolle Angst von dir erpreßt.
Die letzte Stunde hab ich aufbewahrt,
Sie schlief in diesem Stein und spricht zu dir:

(Ein Stein teilt sich, und ein Haufen Gold und der Schmuck
zeigt sich in einem silbernen Kästchen.)

Nimm hier dein Eigentum, das du mir gabst,
Zurück.  Du wirst es besser schätzen nun,
Weil du die Welt an deinem Schicksal hast
Erkannt.  Was du dem Armen gabst, du hasts
Im vollen Sinne selber dir gegeben.
Leb wohl!  Ich hab vollendet meine Sendung.  (Versinkt.)

Flottwell (allein).
Ists Traum, ists Wahrheit, was ich sah und hörte?
Woher die überirdische Erscheinung?

(Sanfte Musik.  Die Ruinen verwandeln sich in eine Wolkengruppe
mit vielen Genien.  Cheristane in reizender Feenkleidung in der
Mitte auf einem Blumenthron.)

Cheristane (sanft).
Mein Julius!  Es war Azur, der Geist
Der letzten Perle, die ich einst für dich
So freudig hingeopfert hab, als ich
Die süße Lieb zu dir mit bitterer
Verbannung büßen mußte.  Ach!  Mir wars ja
Vom Schicksal nicht gegönnt, dich zu erretten,
Er hat für mich erfüllt, was meine Treu
Dir einst gelobt.

Flottwell (kniet).
O Cheristane!  Dich
Erblicke ich auf dieser Erde wieder?
Du Himmelsbild aus meiner Rosenzeit!
Kaum wagt mein welkes Aug den Blick zu heben
Zur Morgenröte deiner ewgen Jugend.
Oh, zieh nicht fort, verweile noch!  Sieh, wie
Die Wehmut um vergangne Zeit mich tötet.

Cheristane.
Verzweifle nicht, mein teurer Julius,
Und dulde noch dein kurzes Erdenlos.
Wir werden uns gewiß einst wiedersehen
Dort!  in der Liebe grenzenlosem Reich,
Wo alle Geister sich begegnen dürfen.

(Sie fliegt unter klagender Musik ab.  Die Ruinen zeigen sich
wieder.  Flottwell sieht Cheristane nach.)



Elfter Auftritt

Voriger.  Liese.  Dann Valentin, Rosa, Kinder.  Nachbarsleute.
Bauern.


Liese (ist die erste auf der Szene).  Vater!  Vater, nur herauf!
Da ist der gnädige Herr, ganz gesund und wohlbehalten noch.

Flottwell.  Wer sucht mich hier?  (Schließt das Kästchen.)

Valentin (kommt).  Wir alle, gnädiger Herr.  Das ganze Dorf
ist in der Höh.

Flottwell.  Was willst du, guter Valentin?

Valentin.  Was ich will?  Mein Wort will ich Euer Gnaden halten
und um Verzeihung bitten für mein ungeschliffnes Weib.  Gehst
her, Verbrecherin, und kniest dich nieder da.

Rosa (herzlich).  Lieber gnädiger Herr!  Ich hab mich sehr
vergessen heut.  Doch mach ich meinen Fehler wieder gut.  Sie
dürfen nimmermehr aus unseren Haus.  Ich werd Sie gwiß wie eine
Tochter pflegen.

Die Kinder.  Verzeihen S' ihr, gnädiger Herr!

Pepi (kniet nieder).
Lieber Herr, sei wieder gut,
Die Mutter weiß nicht, was sie tut.

Valentin (weint).  Das hab ich gedichtet, Euer Gnaden.

Flottwell.  Steht auf, ihr guten Leute!  Ich habe schon verziehen.
Und freue mich, daß ich euch eure Treue nun vergelten kann.
Ich bin kein Bettler mehr.  Unter diesen Mauern hab ich einen
kleinen Schatz gefunden, den mein Vater hier für mich bewahrte.

Valentin.  Ah, das ist ein Malheur, und ich hab mich schon
gefreut, daß Euer Gnaden nichts haben, damit ich Euer Gnaden
unterstützen kann.

Flottwell.  So ist es besser, lieber Valentin.  Du kannst dein
Leben nun in Ruh genießen.  Ich nehme dich und deine Frau nun
in mein Haus und will für die Erziehung deiner Kinder sorgen!

Rosa, Liese (erfreut).  Wir danken herzlich, gnädger Herr!

Hansel (zu den Kindern).  Buben, jetzt werden wir lauter gnädige
Herrn!

Valentin.  Ich werd der Haustischler bei Euer Gnaden.  Ich wix und
politier das ganze Haus.  Aber eins muß ich noch sagen.  Ein Menge
meiner alten Nachbarn haben sich auch hier angetragen, Euer
Gnaden zu unterstützen.  Und freuen sich, ihren vorigen
Gutsherrn wiederzusehen.  Euer Gnaden haben ja allen Guts
getan, und einen guten Herrn vergißt man nicht so leicht.

Alle.  Vivat, der gnädige Herr soll leben!

Schlußgesang

Valentin.
Wie sind wir doch glücklich, wir stehn auf dem Berg,
Jetzt zeigt sich der Kummer so klein wie ein Zwerg.
Und kommt er uns wirklich auch noch mal ins Haus,
Der Valentin jagt ihn zum Tempel hinaus.

(Der Chor wiederholt die zwei letzten Verse.)

Chor.
Und kommt er uns wirklich auch noch mal ins Haus,
Der Valentin jagt ihn zum Tempel hinaus.

(Auf den Bergen sieht man, wie in der Ferne die Senner und
Sennerinnen die Kühe von den Alpen treiben, und sie singen
wie Echo.)

Senner und Sennerinnen.
Dudeldide dudeldide!  Die Küh treibts von der Alm.

Valentin.
Die Küh treibn die Sennrinnen just von der Alm.
Genügsamkeit bleibt doch die köstlichste Salm,
Der Reiche liegt schlaflos im goldenen Saal,
Doch kummerlos schlummert die Kuh in dem Stall.

Chor.
Der Reiche liegt schlaflos im goldenen Saal,
Doch kummerlos schlummert die Kuh in dem Stall.

Senner und Sennerinnen (in der Ferne).
Dudeldide dudeldide!  Wie freut die Kuh der Stall.

Valentin.
Jetzt gehn wir zur Tafel, die macht erst den Schluß.
Für heut ist beendet ein jeder Verdruß.
Doch heb ich bei Tische den Ehrenplatz auf,
Vielleicht setzt sich Ihre Zufriedenheit drauf.

Chor.
Doch hebn wir bei Tische den Ehrenplatz auf,
Vielleicht setzt sich Ihre Zufriedenheit drauf.

Senner und Sennerinnen (in der Ferne).
Dudeldide dudeldide!  Zufrieden muß man sein.


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Verschwinder,
von Ferdinand Raimund.









End of the Project Gutenberg EBook of Der Verschwender, by Ferdinand Raimund

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER VERSCHWENDER ***

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