Kater Martinchen

By Ernst Moritz Arndt

The Project Gutenberg EBook of Kater Martinchen, by Ernst Moritz Arndt
#2 in our series by Ernst Moritz Arndt

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Title: Kater Martinchen

Author: Ernst Moritz Arndt

Release Date: October, 2004 [EBook #6724]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[This file was first posted on January 20, 2003]

Edition: 10

Language: German


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Kater Martinchen

Ernst Moritz Arndt

Einundzwanzig vorpommersche Sagen


Inhalt:

Geschichte von den sieben bunten Mäusen
Prinzessin Svanvithe
Der Riese Balderich
Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin
Abenteuer des Johann Dietrich
Das Silberglöckchen
Der gläserne Schuh
Der Alte von Granitz
Der Falscheid
Rattenkönig Birlibi
Das brennende Geld
Kater Martinchen
Thrin Wulfen
De Kröger van Poseritz
De Brügg bi Slemmin
Schipper Gau un sin Puk
De witte Fru to Löbnitz
De Prester un de Düwel
De Wewer un de Steen
Die alte Burg bei Löbnitz
Der Rabenstein




Geschichte von den sieben bunten Mäusen


Vor langer, langer Zeit wohnte in Puddemin ein Bauer, der hatte eine
schöne und fromme Frau, die fleißig betete und alle Sonntage und
Festtage zur Kirche ging, auch den Armen, die vor ihre Türe kamen,
gern gab.  Es war überhaupt eine freundliche und mitleidige Seele und
im ganzen Dorfe und Kirchspiele von allen Leuten geliebt.  Nie hat
man ein hartes Wort von ihr gehört, noch ist ein Fluch und Schwur
oder andere Ungebühr je aus ihrem Munde gegangen.  Diese Frau hatte
sieben Kinder, lauter kleine Dirnen, von welchen die älteste zwölf
und die jüngste zwei Jahr alt war: hübsche, lustige Dingelchen.
Diese gingen alle übereins gekleidet, mit bunten Röckchen und bunten
Schürzen und roten Mützchen; Schuhe aber und Strümpfe hatten sie
nicht an, denn das hätte zuviel gekostet, sondern gingen barfuß.  Die
Mutter hielt sie nett und reinlich, wusch und kämmte sie morgens früh
und abends spät, wann sie aufstanden und zu Bett gingen, lehrte sie
lesen und singen und erzog sie in aller Freundlichkeit und
Gottesfurcht.  Wann sie auf dem Felde was zu tun hatte oder weit
ausgehen mußte, stellte sie die älteste, welche Barbara hieß, über
die andern; diese mußte auf sie sehen, ihnen was erzählen, auch wohl
etwas vorlesen.  Nun begab es sich einmal, daß ein hoher Festtag war
(ich glaube, es war der Karfreitag), da ging die Bauerfrau mit ihrem
Manne zur Kirche und sagte den Kindern, sie sollten hübsch artig sein;
der Barbara aber und den nächst älteren gab sie ein paar Lieder auf
aus dem Gesangbuche, die sie auswendig lernen sollten.  So ging sie
weg. Barbara und die andern Kinder waren anfangs auch recht artig;
die älteren nahmen die Bücher und lasen, und die kleinsten saßen
still auf dem Boden und spielten.  Als sie so saßen, da erblickte das
eine Kind etwas hinter dem Ofen und rief: "O seht!  Seht!  Was ist
das für ein schöner und weißer Beutel!"  Es war aber ein Beutel mit
Nüssen und Äpfeln, den die Mutter des Morgens da hingehängt hatte
und den sie des Nachmittags einem ihrer kleinen Paten bringen wollte.
Die meisten Kinder sprangen nun alsbald auf und guckten danach, und
auch Barbara, die älteste, stand auf und guckte mit.  Und die Kinder
flüsterten und sprachen dies und das über den schönen Beutel und was
wohl darin sein möchte.  Und es gelüstete sie so sehr, es zu wissen,
und da riß eines den Beutel von dem Nagel, und Barbara öffnete die
Schnur, womit er zugebunden war, und es fielen Äpfel und Nüsse
heraus.  Und als die Kinder die Äpfel und Nüsse auf dem Boden
hinrollen sahen, vergaßen sie alles, und daß es Festtag war, und was
die Mutter ihnen befohlen und aufgegeben hatte; sie setzten sich hin
und schmausten Äpfel und knackten Nüsse und aßen alles rein auf.
Als nun Vater und Mutter um den Mittag aus der Kirche zu Hause kamen,
sah die Mutter die Nußschalen auf dem Boden liegen, und sie schaute
nach dem Beutel und fand ihn nicht.  Da erzürnte sie sich und ward
böse zum ersten Male in ihrem Leben und schalt die Kinder sehr und
rief: "Der Blitz!  Ich wollte, daß ihr Mausemärten alle zu Mäusen
würdet!"  Der Schwur war aber eine große Sünde, besonders weil es ein
so heiliger und hoher Festtag war; sonst hätte Gott es der Bäuerin
wohl vergeben, weil sie doch so fromm und gottesfürchtig war.  Kaum
hatte die Frau das schlimme Wort aus ihrem Munde gehen lassen, so
waren alle die sieben niedlichen Kinderchen weg, als hätte sie ein
Wind weggeblasen, und sieben bunte Mäuse liefen in der Stube herum
mit roten Köpfchen, wie die Röcke und Mützen der Kinder gewesen waren.
Und Vater und Mutter erschraken so sehr, daß sie hätten zu Stein
werden mögen.  Da kam der Knecht herein und öffnete die Türe, und die
sieben bunten Mäuse liefen alle zugleich hinaus und über die Flur auf
den Hof hin; sie liefen aber sehr geschwind.  Und als die Frau das
sah, konnte sie sich nicht halten, denn es war ihr im Herzen, als
wären die Mäuse ihre Kinder gewesen; und sie stürzte sich aus der
Türe hinaus und mußte den Mäusen nachlaufen.

Die sieben bunten Mäuse aber liefen den Weg entlang aus dem Dorfe
heraus, immer sporenstreichs; und so liefen sie über das Puddeminer
Feld und das Günzer Feld und das Schoritzer Feld und durch die Krewe
und die Dumsevitzer Koppel.  Und die Mutter lief ihnen außer Atem
nach und konnte weder schreien noch weinen und wußte nicht mehr, was
sie tat.  So liefen die Mäuse über das Dumsevitzer Feld hin und in
einen kleinen Busch hinein, wo einige hohe Eichen standen und in der
Mitte ein spiegelhellen Teich war.  Und der Busch steht noch da mit
seinen Eichen und heißt der Mäusewinkel.  Und als sie in den Busch
kamen und an den Teich im Busche, da standen sie alle sieben still
und guckten sich um, und die Bauerfrau stand dicht bei ihnen.  Es war
aber, als wenn sie ihr Adje sagen wollten.  Denn als sie die Frau so
ein Weilchen angeguckt hatten, plump!  Und alle sieben sprangen
zugleich ins Wasser und schwammen nicht, sondern gingen gleich unter
in der Tiefe.  Es war aber der helle Mittag, als dies geschah.  Und
die Mutter blieb stehen, wo sie stand, und rührte keine Hand und
keinen Fuß mehr, sie war auch kein Mensch mehr.  Sie ward stracks zu
einem Stein, und der Stein liegt noch da, wo sie stand und die
Mäuslein verschwinden sah; und das ist dieser große runde Stein, an
welchem wir sitzen.  Und nun höre mal, was nach diesem geschehen ist
und noch alle Nacht geschieht!  Glocke zwölf, wann alles schläft und
still ist und die Geister rundwandeln, da kommen die sieben bunten
Mäuse aus dem Wasser heraus und tanzen eine ganze ausgeschlagene
Stunde, bis es eins schlägt, um den Stein herum.  Und sie sagen, dann
klingt der Stein, als wenn er sprechen könnte.  Und das ist die
einzige Zeit, wo die Kinder und die Mutter sich verstehen können und
voneinander wissen; die übrige Zeit sind sie wie tot.  Dann singen
die Mäuse einen Gesang, den ich dir sagen will, und der bedeutet ihre
Veränderung, oder daß sie wieder in Menschen verwandelt werden können.
Und dies ist der Gesang:

Herut! herut!
Du junge Brut!
Din Brüdegam schall kamen;
Se hebben di
Doch gar to früh
Din junges Leben namen.

Sitt de recht up'n Steen,
Wat he Flesch un Been,
Und wi gan mit dem Kranze:
Säven Junggesell'n
Uns führen schäl'n
Juchhe! to'm Hochtidsdanze.

Und nun will ich dir sagen von dem Gesange, was er bedeutet.  Die
Mäuse tanzen nun wohl schon tausend Jahre und länger um den Stein,
wann es die Mitternacht ist, und der Stein liegt ebensolange.  Es
geht aber die Sage, daß sie einmal wieder verwandelt werden sollen,
und das kann durch Gottes Gnade nur auf folgende Weise geschehen:

Es muß eine Frau sein gerade so alt, als die Bäuerin war, da sie aus
der Kirche kam, und diese muß sieben Söhne haben gerade so alt, als
die sieben kleinen Mädchen waren.  Sind sie eine Minute älter oder
jünger, so geht es nicht mehr.  Diese Frau muß an einem Karfreitage
gerade um die Mittagszeit, als die Frau zu Stein ward, mit ihren
sieben Söhnen in den Busch kommen und sich auf den Stein setzen.  Und
wenn sie sich auf den Stein setzt, so wird der Stein lebendig und
wird wieder in einen Menschen verwandelt, und dann steht die
Bauerfrau wieder da, leibhaftig und in eben den Kleidern, die sie
getragen, als sie den Mäusen nachgelaufen zu diesem Mausewinkel.  Und
die sieben bunten Mäuse werden wieder zu sieben kleinen Mädchen in
bunten Röcken und mit roten Mützen auf dem Kopf.  Und jedes kleine
Mädchen geht zu dem kleinen Knaben hin, der sein Alter hat, und sie
werden Braut und Bräutigam.  Und wann sie groß werden, so halten sie
Hochzeit an einem Tage und tanzen ihre Kränze ab.  Und es sollen die
schönsten Jungfrauen werden auf der ganzen Insel, sagen die Leute,
und auch die glücklichsten und reichsten, denn alle diese Güter und
Höfe hier umher sollen ihnen gehören.  Aber ach, du lieber Gott, wann
werden sie verwandelt werden?




Prinzessin Svanvithe


Du hast wohl von der Sage gehört, daß hier bei Garz, wo jetzt der
Wall über dem See ist, vor vielen tausend Jahren ein großes und
schönes Heidenschloß gewesen ist mit herrlichen Häusern und Kirchen,
worin sie ihre Götzen gehabt und angebetet haben.  Dieses Schloß
haben vor langer, langer Zeit die Christen eingenommen, alle Helden
totgeschlagen und ihre Kirchen umgeworfen und die Götzen, die darin
standen, mit Feuer verbrannt; und nun ist nichts mehr übrig von all
der großen Herrlichkeit als der alte Wall und einige Leuschen, welche
die Leute sich erzählen, besonders von dem Mann mit Helm und Panzer
angetan, der auf dem weißen Schimmel oft über die Stadt und den See
hinreitet.  Einige, die ihn nächtlich gesehen haben, erzählen, es sei
der alte König des Schlosses, und er habe eine güldene Krone auf.
Das ist aber alles nichts.  Daß es aber um Weihnachten und Johannis
in der Nacht aus dem See klingt, als wenn Glocken in den Kirchen
geläutet werden, das ist wahr, und viele Leute haben es gehört, und
auch mein Vater.  Das ist eine Kirche, die in den See versunken ist,
andere sagen, es ist der alte Götzentempel.  Das glaub' ich aber
nicht; denn was sollten die Helden an christlichen Festtagen läuten?
Aber das Klingen und Läuten im See ist dir gar nichts gegen das, was
im Wall vorgeht, und davon will ich dir eine Geschichte erzählen.  Da
sitzt eine wunderschöne Prinzessin mit zu Felde geschlagenen Haaren
und weinenden Augen und wartet auf den, der sie erlösen soll; und
dies ist eine sehr traurige Geschichte.

In jener alten Zeit, als das Garzer Heidenschloß von den Christen
belagert ward und die drinnen in großen Nöten waren, weil sie sehr
gedrängt wurden, als schon manche Türme niedergeworfen waren und sie
auch nicht recht mehr zu leben hatten und die armen Leute in der
Stadt hin und wieder schon vor Hunger starben, da war drinnen ein
alter, eisgrauer Mann, der Vater des Königs, der auf Rügen regierte.
Dieser alte Mann war so alt, daß er nicht recht mehr hören und sehen
konnte; aber es war doch seine Lust, unter dem Golde und unter den
Edelsteinen und Diamanten zu kramen, welche er und seine Vorfahren im
Reiche gesammelt hatten und welche tief unter der Erde in einem
schönen, aus eitel Marmelsteinen und Kristallen gebauten Saale
verwahrt wurden.  Davon waren dort ganz große Haufen aufgeschüttet,
viel größere als die Roggen- und Gerstenhaufen, die auf deines Vaters
Kornboden aufgeschüttet sind.  Als nun das Schloß zu Garz von den
Christen in der Belagerung so geängstet ward und viele der tapfersten
Männer und auch der König, des alten Mannes Sohn, in dem Streite auf
den Wällen und vor den Toren der Stadt erschlagen waren, da wich der
Alte nicht mehr aus der marmornen Kammer, sondern lag Tag und Nacht
darin und hatte die Türen und Treppen, die dahin führten, dicht
vermauern lassen; er aber wußte noch einen kleinen heimlichen Gang,
der unter der Erde weglief, viele hundert Stufen tiefer als das
Schloß, und jenseits des Sees einen Ausgang hatte, den kein Mensch
wußte als er, und wo er hinausschlüpfen und sich draußen bei den
Menschen Speise und Trank kaufen konnte.  Als nun das Schloß von den
Christen erobert und zerstört ward und die Männer und Frauen im
Schlosse getötet und alle Häuser und Kirchen verbrannt wurden, daß
kein Stein auf dem andern blieb, da fielen die Türme und Mauern
übereinander, und die Türe der Goldkammer ward gar verschüttet; auch
blieb kein Mensch lebendig, der wußte, wo der tote König seine
Schätze gehabt hatte.  Der alte König aber saß drunten bei seinen
Haufen Goldes und hatte seinen heimlichen Gang offen und hat noch
viele hundert Jahre gelebt, nachdem das Schloß zerstört war; denn sie
sagen, die Menschen, welche sich zu sehr an Silber und Gold hängen,
können vom Leben nicht erlöst werden und sterben nicht, wenn sie Gott
auch noch so sehr um den Tod bitten.  So lebte der alte, eisgraue
Mann noch viele, viele Jahre und mußte sein Gold bewachen, bis er
ganz dürr und trocken ward wie ein Totengerippe.  Da ist er denn
gestorben und auch zur Strafe verwandelt worden und muß nun als ein
schwarzer magerer Hund unter den Goldhaufen liegen und sie bewachen,
wenn einer kommt und den Schatz holen will.  Des Nachts aber zwischen
zwölf und ein Uhr, wann die Gespensterstunde ist, muß er noch immer
rundgehen als ein altes graues Männlein mit einer schwarzen
Pudelmütze auf dem Kopf und einem weißen Stock in der Hand.  So haben
die Leute ihn oft gesehen im Garzer Holze am Wege nach Poseritz; auch
geht er zuweilen um den Kirchhof herum.  Denn da sollen vor alters
Heidengräber gewesen sein, und die Helden haben immer viel Silber und
Gold mit sich in die Erde genommen.  Das will er holen, darum
schleicht er dort, kann es aber nicht kriegen, denn er darf die
geweihte Erde nicht berühren.  Das ist aber seine Strafe, daß er so
rundlaufen muß, wann andere Leute in den Betten und Gräbern schlafen,
weil er so geizig gewesen ist.

Nun begab es sich lange nach diesen Tagen, daß in Bergen ein König
von Rügen wohnte, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß
Svanvithe; und sie war die schönste Prinzessin weit und breit, und es
kamen Könige und Fürsten und Prinzen aus allen Landen, die um die
schöne Prinzessin warben.  Und der König, ihr Herr Vater, wußte sich
kaum zu lassen vor allen den Freiern und hatte zuletzt nicht Häuser
genug, daß er die Fremden beherbergte, noch Ställe, wohin sie und
ihre Knappen und Staller ihre Pferde zögen; auch gebrach es fast an
Hafer im Lande und Raum für alle die Kutscher und Diener, die mit
ihnen kamen, und war Rügen so voll von Menschen, als es nie gewesen
seit jenen Tagen.  Und der König wäre froh gewesen, wenn die
Prinzessin sich einen Mann genommen hätte und die übrigen Freier
weggereist wären.  Das läßt sich aber bei den Königen nicht so leicht
machen als bei andern Leuten, und muß da alles mit vieler
Zierlichkeit und Langsamkeit hergehen.  Die Prinzessin, nachdem sie
wohl ein ganzes halbes Jahr in ihrer einsamen Kammer geblieben war
und keinen Menschen gesehen, auch kein Sterbenswort gesagt hatte,
fand endlich einen Prinzen, der ihr wohl gefiel, und den sie gern zum
Mann haben wollte, und der Prinz gefiel auch dem alten Könige, daß er
ihn gern als Eidam wollte.  Und sie hatten einander Ringe geschenkt,
und war große Freude im ganzen Lande, daß die schöne Svanvithe
Hochzeit halten sollte, und hatten alle Schneider und Schuster die
Fülle zu tun, die schönen Kleider und Schuhe zu machen, die zur
Hochzeit getragen werden sollten.  Der verlobte Prinz aber und
Svanvithens Bräutigam hieß Herr Peter von Dänemarken und war ein über
die Maßen feiner und stattlicher Mann, daß seinesgleichen wenige
gesehen wurden.

Da, als alles in lieblicher Hoffnung und Liebe grünete und blühete
und die ganze Insel in Freuden stand und nur noch ein paar Tage bis
zur Hochzeit waren, kam der Teufel und säete sein Unkraut aus, und
die Luft ward in Traurigkeit verwandelt.  Es war nämlich allda an des
Königs Hofe auch ein Prinz aus Polen, ein hinterlistiger und
schlechter Herr, sonst schön und ritterlich an Gestalt und Gebärde.
Dieser hatte manches Jahr um die Prinzessin gefreit und sie geplagt
Tag und Nacht; sie hatte aber immer nein gesagt, denn sie mochte ihn
nicht leiden.  Als dieser polnische Prinz nun sah, daß es wirklich
eine Hochzeit werden sollte und daß Herr Peter von Dänemarken zum
Treuliebsten der schönen Svanvithe erkoren war, sann er in seinem
bösen Herzen auf arge Tücke und wußte es durch seine Künste so zu
stellen, daß der König und alle Menschen glaubten, Svanvithe sei
keine züchtige Prinzessin und habe manche Nächte bei dem polnischen
Prinzen geschlafen.  Das glaubte auch Herr Peter und reiste plötzlich
weg; und der polnische Prinz war zuerst weggereist, und alle Könige
und Prinzen reisten weg. Und das Schloß des Königs in Bergen stand
wüst und leer da, und alle Freude war mit weggezogen und alle Geiger
und Pfeifer und alles Saitenspiel, die sich auf Turniere und Feste
gerüstet hatten.  Und die Schande der armen Prinzessin klang über das
ganze Land; ja in Schweden und Dänemark und Polen hörten sie es, wie
die Hochzeit sich zerschlagen hatte.  Sie aber war gewiß unschuldig
und rein wie ein Kind, das aus dem Mutterleibe kommt, und war es
nichts als die greuliche Bosheit des verruchten polnischen Prinzen,
den sie als Freier verschmäht hatte.

So ging es der armen Svanvithe, und der König, ihr Vater, war einige
Tage nach diesen Geschichten wie von Sinnen und wußte nicht von sich,
und ihm war so zumute, daß er sich hätte ein Leid antun können von
wegen seiner Tochter und von wegen des Schimpfes, den sie auf das
ganze königliche Haus gebracht hatte.  Und als er sich besann und
wieder zu sich kam und die ganze Schande bedachte, worein er geraten
war durch seine Tochter, da ergrimmte er in seinem Herzen, und er
ließ die schöne Svanvithe holen und schlug sie hart und zerraufte ihr
Haar und stieß sie dann von sich und befahl seinen Dienern, daß sie
sie hinausführten in ein verborgenes Gemach, daß seine Augen sie
nimmer wiedersähen.  Darauf ließ er in einen mit dichten Mauern
eingeschlossenen und mit dunklen Bäumen beschatteten Garten hinter
seinem Schlosse einen düstern Turm bauen, wo weder Sonne noch Mond
hineinschien, da sperrte er die Prinzessin ein.  Der Turm, den er
hatte bauen lassen, war aber fest und dicht und hatte nur ein
einziges kleines Loch in der Türe, wodurch ein wenig Licht hineinfiel
und wodurch der Prinzessin die Speise gereicht ward.  Es war auch
weder Bett noch Tisch oder Bank in dem traurigen Gefängnis; auf
harter Erde mußte die liegen, die sonst auf Sammet und Seiden
geschlafen hatte, und barfuß mußte die gehen, die sonst in goldenen
Schuhen geprangt hatte.  Und Svanvithe hätte sterben müssen vor
Jammer, wenn sie nicht gewußt hätte, daß sie unschuldig war, und wenn
sie nicht zu Gott hätte beten können.  Sie aber war ein sehr junges
Kind, als sie eingesperrt ward, erst sechzehn Jahre alt, schön wie
eine Rose und schlank und weiß wie eine Lilie, und die Menschen, die
sie liebhatten, nannten sie nicht anders als des Königs
Lilienstengelein.  Und dieses süße Lilienstengelein sollte so
jämmerlich verwelken in der kalten und einsamen Finsternis.

Und sie hatte wohl drei Jahre so gesessen zwischen den kalten Steinen,
und auch der alte König war nicht mehr froh gewesen seit jenem Tage,
als der polnische Prinz sie in die große Schande gebracht hatte,
sondern sein Kopf war schneeweiß geworden vor Gram wie der Kopf einer
Taube; aber vor den Leuten gebärdete er sich stolz und aufgerichtet
und tat, als wenn seine Tochter tot und lange begraben wäre.  Sie
aber saß von der Welt ungewußt in ihrem Elende und tröstete sich
allein Gottes und dachte, daß er ihre Unschuld wohl einmal an den Tag
bringen würde.  Weil sie aber in ihren einsamen Trauerstunden Zeit
genug hatte, hin und her zu denken, so fiel ihr die Sache ein von dem
Königsschatze unter dem Garzer Walle, die sie in ihrer Kindheit oft
gehört hatte, und sie gedachte damit ihre Unschuld, und daß der
polnische Prinz sie unter einem falschen Schein schändlich belogen
hatte, sonnenklar zu beweisen.  Und als darauf ihr Wächter kam und
ihr die Speise durch das Loch reichte, sprach sie zu ihm: "Lieber
Wächter, gehe zu dem Könige, meinem und deinem Herrn, und sage ihm,
daß seine arme einzige Tochter ihn nur noch ein einziges Mal zu sehen
und zu sprechen wünscht in ihrem Leben und daß er ihr diese letzte
Gunst nicht versagen mag."

Und der Wächter sagte ja und lief und dachte bei sich: "Wenn der alte
König ihre Bitte nur erhört!"  Denn es jammerte ihn die arme
Prinzessin unaussprechlich, und sie jammerte alle Menschen; denn sie
war immer freundlich gewesen gegen jedermann, auch hatten die meisten
von Anfang an geglaubt, daß sie fälschlich verklagt war und daß der
polnische Prinz einen argen Lügenschein auf sie gebracht hatte; denn
sie hatte sich immer aller Zucht und Jungfräulichkeit beflissen vor
jedermann.

Und als ihr Wächter vor den König trat und ihm die Bitte der
Prinzessin anbrachte, da war der alte Herr sehr zornig und schalt ihn
und drohete ihm, ihn selbst in den Turm zu werfen, wenn er den Namen
der Prinzessin vor ihm je wieder über seine Lippen laufen lasse.  Und
der erschrockene Wächter ging weg. Der König aber legte sich hin und
schlief ein.  Da soll er einen wunderbaren Traum gehabt haben, den
kein Mensch zu deuten verstanden hat, und er ist früh erwacht und
sehr unruhig gewesen und hat viel an seine Tochter denken müssen, bis
er zuletzt befohlen hat, daß man sie aus dem Turm heraufbrächte und
vor ihn führte.

Als Svanvithe nun vor den König trat, war sie bleich und mager, auch
waren ihre Kleider und Schuhe schon abgerissen, und sie stand fast
nackt und barfuß da und sah einer Bettlertochter ähnlicher als einer
Königstochter.  Und der alte König ist bei ihrem Anblick blaß
geworden vor Jammer wie der Kalk an der Wand, aber sonst hat er sich
nichts merken lassen.  Und Svanvithe hat sich vor ihm verneigt und
also zu ihm gesprochen:

"Mein König und Herr!  Ich erscheine nur als eine arme Sünderin vor
dir, als eine, die an der göttlichen Gnade und an dem Lichte des
Himmels kein Recht mehr haben soll.  Also hast du mich von deinem
Angesicht verstoßen und von allem Lebendigen weggesperrt.  Ich
beteure aber vor dir und vor Gott, daß ich unschuldig leide und daß
der polnische Prinz aus eitel Tücke und Arglist all den schlimmen
Schein auf mich gebracht hat.  Und nun hat Gott, der sich mein
erbarmen will, mir einen Gedanken ins Herz gegeben, wodurch ich meine
unbefleckte Jungfrauschaft beweisen und dich und mich und dein ganzes
Reich zu Reichtum und Ehren bringen kann.  Du weißt, es geht die Sage,
unter dem alten Schloßwalle zu Garz, wo unsere heidnischen Ahnen
weiland gewohnt haben, liege ein reicher Schatz vergraben.  Diese
Sage, die mir in meiner Kindheit oft erzählt ist, meldet ferner,
dieser Schatz könne nur von einer Prinzessin gehoben werden, die von
jenen alten Königen herstamme und noch eine reine Jungfrau sei: wenn
nämlich diese den Mut habe, in der Johannisnacht zwischen zwölf und
ein Uhr nackt und einsam diesen Wall zu ersteigen und darauf
rückwärts so lange hin und her zu treten, bis es ihr gelinge, die
Stelle zu treffen, wo die Tore und Treppen verschüttet sind, die zu
der Schatzkammer hinabführen.  Sobald sie diese mit ihren Füßen
berühre, werde es sich unter ihr öffnen, und sie werde sanft
heruntersinken mitten in das Gold und könne sich von den
Herrlichkeiten dann auslesen, was sie wolle, und bei Sonnenaufgang
wieder herausgehen.  Was sie aber nicht tragen könne, werde der alte
Geist, der den Schatz bewacht, nebst seinen Gehilfen nachtragen.
Hierauf habe ich nun meine Hoffnung eines neuen Glückes gestellt, ob
es mir etwa aufblühen wolle; laß mich denn, Herr König, mit Gott
diese Probe machen.  Ich bin ja doch einer Toten gleich, und ob ich
hier begraben bin oder dort begraben werde, kann dir einerlei sein."

Sie hatte die Gebärde, als wolle sie noch mehr sagen; aber bei diesen
Worten stockte sie und konnte nicht mehr, sondern schluchzete und
weinte bitterlich.  Der König aber winkte dem Wächter leise zu, der
sie hereingeführt hatte, und alsbald kamen Frauen und Dienerinnen
herbei und trugen sie hinaus von dem Könige weg in ein Seitengemach.
Und nicht lange, so ward der Wächter wieder zu dem Könige gerufen,
und er brachte ihr Speise und Trank, daß sie sich stärkte und
erquickte, und zugleich die Botschaft, daß der König ihr die gebetene
mitternächtliche Fahrt erlaube.  Bald trugen Dienerinnen ihr ein Bad
herein nebst zierlichen Kleidern, daß sie sich bedecken konnte, denn
sie war fast nackend.  Und sie lebte nun wieder in Freuden, obgleich
sie ganz einsam saß und gegen niemand den Mund auftat--auch den
Dienern und Dienerinnen war das Sprechen zu ihr verboten, sie wußten
auch nicht, wer sie war, noch wie sie in das Schloß gekommen, denn
von denen, die sie kannten, ward niemand zu ihr gelassen denn allein
der Wächter, der ihr immer die Speise gebracht hatte im Turme.  Und
ihre Schöne fing wieder an aufzublühen, wie blaß und elend sie auch
aus dem Turm gekommen war; und alle, die sie sahen, entsetzten sich
über ihre Huld und Lieblichkeit, und sie deuchte ihnen fast einem
Engel gleich, der vom Himmel in das Schloß gekommen sei.

Und als vierzig Tage vergangen waren und der Tag vor Johannis da war,
da ging sie zu dem Könige, ihrem Vater, ins Gemach und sagte ihm
Lebewohl.  Und der alte Herr neigte noch einmal wieder seinen weißen
Kopf über sie und weinte sehr, und sie sank vor ihm hin und umfaßte
seine Knie und weinte noch mehr.  Und darauf ging sie hinaus und
verkleidete sich so, daß niemand sie für eine Prinzessin gehalten
hätte, und trat ihre Reise an.  Die Reise war aber nicht weit von
Bergen nach Garz, und sie ging in der Tracht eines Reiterbuben einher.
Und in der Nacht, als es vom Garzer Kirchturm zwölf geschlagen
hatte, betrat sie einsam den Wall, tat ihre Kleider von sich, also
daß sie da stand, wie Gott sie erschaffen hatte, und nahm eine
Johannisrute in die Hand, womit sie hinter sich schlug.  Und so
tappte sie stumm und rücklings fort, wie es geschehen mußte.  Und
nicht lange war sie geschritten, so tat sich die Erde unter ihren
Füßen auf, und sie fiel sanft hinunter, und es war ihr, als würde sie
in einem Traum hinabgewiegt; und sie fiel hinab in ein gar großes und
schönes und von tausend Lichtern und Lampen erleuchtetes Gemach,
dessen Wände von Marmor und diamantenen Spiegeln blitzten und dessen
Boden ganz mit Gold und Silber und Edelsteinen beschüttet war, daß
man kaum darauf gehen konnte.  Sie aber sank so weich auf einen
Goldhaufen herab, daß es ihr gar nicht weh tat.  Und sie besah sich
alle die blitzende Herrlichkeit in dem weiten Saale, wo die Schätze
und Kostbarkeiten ihrer Ahnherren von vielen Jahrhunderten gesammelt
und aufgehängt waren; und da sah sie in der hintersten Ecke in einem
goldenen Lehnstuhl das kleine graue Männchen sitzen, das ihr
freundlich zunickte, als wolle es mit der Urenkelin sprechen.  Sie
aber sprach kein Wort zu ihm, sondern winkte ihm nur leise mit der
Hand.  Und auf ihren Wink hob der Geist sich hinweg und verschwand,
und statt seiner kam eine lange Schar prächtig gekleideter Diener und
Dienerinnen, welche sich in stummer Ehrfurcht hinter sie stellten,
als erwarteten sie, was die Herrin befehlen würde.  Svanvithe aber
säumte nicht lange, bedenkend, wie kurz die Mittsommersnacht ist, und
sie nahm die Fülle der Edelsteine und Diamanten und winkte den
Dienern und Dienerinnen hinter ihr, daß sie ebenso täten; auch diese
füllten Hände und Taschen und Zipfel und Geren der Kleider mit Gold
und edlen Steinen und kostbaren Geschirren.  Und noch ein Wink, und
die lange Reihe wandelte, und die Prinzessin schritt voran der Treppe
zu, als wenn sie herausgehen wollte; jene aber folgten ihr.  Und
schon hatte sie viele Stufen vollendet und sah schon das dämmernde
Morgenlicht und hörte schon den Lerchengesang und den Hahnenkrei, die
den Tag verkündeten--da ward es ihr bange, ob die Diener und
Dienerinnen ihr auch nachträten mit den Schätzen.  Und sie sah sich
um, und was erblickte sie?  Sie sah den kleinen grauen Mann sich
plötzlich in einen großen schwarzen Hund verwandeln, der mit,
feurigem Rachen und funkelnden Augen gegen sie hinaufsprang.  Und sie
entsetzte sich sehr und rief: "Oh Herr je!"  Und als sie das Wort
ausgeschrien hatte, da schlug die Tür über ihr mit lautem Knalle zu,
und die Treppe versank, und die Diener und Dienerinnen verschwanden,
und alle Lichter des Saales erloschen, und sie war wieder unten am
Boden und konnte nicht heraus.  Der alte König aber, da sie nicht
wiederkam, grämte sich sehr; denn er dachte, sie sei entweder
umgekommen bei dem Hinabsteigen zu dem Schatze durch die Tücke der
bösen Geister, die unter der Erde ihre Gewalt haben, oder sie habe
sich der Sache überhaupt nicht unterstanden und laufe nun wie eine
arme, verlassene Streunerin durch die Welt.  Und er lebte nur noch
wenige Wochen nach ihrem Verschwinden; dann starb er und ward
begraben.

Der Prinzessin Svanvithe war dieses Unglück aber geschehen, weil sie
sich umgesehen hatte, als sie weggehen wollte, und weil sie
gesprochen hatte.  Denn über die Unterirdischen hat man keine Gewalt,
wenn man sich umsieht oder spricht, sondern es gerät dann fast immer
unglücklich, wovon man viele Beispiele und Geschichten weiß.

Und es waren viele Jahre vergangen, vielleicht hundert Jahre und mehr,
und alle die Menschen waren gestorben und begraben, welche zu der
Zeit des alten Königs und der schönen Svanvithe gelebt hatten, und
schon ward hie und da von ihnen erzählt wie von einem alten, alten,
längst verschollenen Märchen; da hörte man hin und wieder, die
Prinzessin lebe noch und sitze unter dem Garzer Wall in der
Schatzkammer und müsse nun mit dem alten, grauen Urgroßvater die
Schätze hüten helfen.  Und kein Mensch weiß zu sagen, wie dies hier
oben bekannt geworden ist.  Vielleicht hat der kleine graue Mann, der
zuzeiten rundgeht, es einem verraten, oder es hat es auch einer der
hellsichtigen Menschen gesehen, die an hohen Festtagen in besonderen
Stunden geboren sind und die das Gras und das Gold in der Erde
wachsen sehen und mit ihren Augen durch die dicksten Berge und Mauern
dringen können.  Und es war viel erschollen von der Geschichte und
von dem wundersamen Versinken der Prinzessin unter die Erde, und daß
sie in der dunkeln Kammer sitze und noch lebe und einmal erlöst
werden solle.  Sie kann aber, sagen sie, erlöst werden, wenn einer es
wagt, auf dieselbe Weise, wie sie einst in der Johannisnacht getan
hat, in die verbotene Schatzkammer hinabzufallen.  Dieser muß sich
dann dreimal vor ihr verneigen, ihr einen Kuß geben, sie an die Hand
fassen und sie still herausführen; denn kein Wort darf er beileibe
nicht sprechen.  Wer sie herausbringt, der wird mit ihr in
Herrlichkeit und in Freuden leben und so viele Schätze haben, daß er
sich ein Königreich kaufen kann.  Darin wird er dann fünfzig Jahre
als König auf dem Throne sitzen und sie als seine Königin neben ihm,
und werden gar liebliche Kinder zeugen; der kleine graue Spuk wird
dann aber auf immer verschwinden, wann sie ihm die Schätze weggehoben
haben.  Nun hat es wohl so kühne und verwegene Prinzen und schöne
Knaben gegeben, die mit der Johannisrute in der Hand zu ihr
hinabgekommen sind; aber sie haben es immer in etwas versehen, und
die Prinzessin ist noch nicht erlöst.  Ja, wenn das ein so leichtes
Ding wäre, wieviele würden Lust haben, eine so schöne Prinzessin zu
freien und Könige zu werden!  Die Leute erzählen aber, der greuliche
schwarze Hund ist an allem schuld; keiner hat es mit ihm aushalten
können, sondern wenn sie ihn sehen, so müssen sie aufschreien, und
dann schlägt die Türe zu, und die Treppe versinkt, und alles ist
wieder vorbei.

So sitzt denn die arme Svanvithe da in aller ihrer Unschuld und muß
da unten frieren und das kalte Gold hüten, und Gott weiß, wann sie
erlöst werden wird.  Sie sitzt da über Goldhaufen gebeugt; ihr langes
Haar hängt ihr über die Schultern herab, und sie weint unaufhörlich.
Schon sitzen sechs junge Gesellen um sie herum, die auch mithüten
müssen.  Das sind die, denen die Erlösung nicht gelungen ist.  Wem es
aber gelingt, der heiratet die Prinzessin und bekommt den ganzen
Schatz und befreit zugleich die andern armen Gefangenen.  Sie sagen,
der letzte ist vor zwanzig Jahren darin versunken, ein
Schuhmachergesell, der Jochim Fritz hieß.  Das war ein junges,
schönes Blut und ging immer viel auf dem Wall spazieren.  Der ist mit
einem Male verschwunden, und keiner hat gewußt, wo er gestoben und
geflogen war, und seine Eltern und Freunde haben ihn in der ganzen
Welt suchen lassen, aber nicht gefunden!  Er mag nun auch wohl
dasitzen bei den andern.




Der Riese Balderich


In der westlichen Spitze der Insel Rügen in der Ostsee an der
Feldscheide der Dörfer Rothenkirchen und Götemitz, etwa eine
Viertelmeile von dem Kirchdorfe Rambin, liegen auf flachem Felde neun
kleine Hügel oder Hünengräber, welche gewöhnlich die Neun Berge oder
die Neun Berge bei Rambin genannt werden, und von welchen das Volk
allerlei Märchen erzählt.  Diese entstanden weiland durch die
Kühnheit eines Riesen, und seitdem die Riesen tot sind, treiben die
Zwerge darin ihr Wesen.

Vor langer Zeit lebte auf Rügen ein gewaltiger Riese (ich glaube, er
hieß Balderich), den verdroß es, daß das Land eine Insel war und daß
er immer durch das Meer waten mußte, wenn er nach Pommern auf das
feste Land wollte.  Er ließ sich also eine ungeheure Schürze machen,
band sie um seine Hüften und füllte sie mit Erde; denn er wollte sich
einen Erddamm aufführen von der Insel bis zur Feste.  Als er mit
seiner Tracht bis über Rothenkirchen gekommen war, riß ein Loch in
die Schürze, und aus der Erde, die herausfiel, wurden die Neun Berge.
Er stopfte das Loch zu und ging weiter; aber als er bis Gustow
gekommen war, riß wieder ein Loch in die Schürze, und es fielen
dreizehn kleine Berge heraus.  Mit der noch übrigen Erde ging er ans
Meer und goß sie hinein.  Da ward der Prosnitzer Hafen und die
niedliche Halbinsel Drigge.  Aber es blieb noch ein schmaler
Zwischenraum zwischen Rügen und Pommern, und der Riese ärgerte sich
darüber so sehr, daß er plötzlich von einem Schlagfluß hinstürzte und
starb.  Und so ist denn sein Damm leider nie fertig geworden.

Von demselben Riesen Balderich erzählt man ein Kraftstück, das er bei
Putbus bewiesen hat.  Er hatte schon mehrmals mit Ärger gesehen, daß
dem Christengotte zu Vilmnitz, eine halbe Meile von Putbus, eine
Kirche erbaut ward, und da hat er bei sich gesprochen: "Laß die
Würmer ihren Ameisenhaufen nur aufbauen; den werfe ich nieder, wann
er fertig ist."  Als nun die Kirche fertig und der Turm aufgeführt war,
nahm der Riese einen gewaltigen Stein, stellte sich auf dem
Putbusser Tannenberge hin und schleuderte ihn mit so ungeheurer
Gewalt, daß der Stein wohl eine Viertelmeile über die Kirche wegflog
und bei Nadelitz niederfiel, wo er noch diesen Tag liegt am Wege, wo
man nach Posewald fährt, und der Riesenstein genannt wird.




Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin


In den Neun Bergen bei Rambin wohnen nun die Zwerge und die kleinen
Unterirdischen und tanzen des Nachts in den Büschen und Feldern herum
und führen ihre Reigen und ihre Musiken auf im mitternächtlichen
Mondschein, besonders in der schönen und lustigen Sommerzeit und im
Lenze, wo alles in Blüte steht; denn nichts lieben die kleinen
Menschen mehr als die Blumen und die Blumenzeit.  Sie haben auch
viele schöne Knaben und Mädchen bei sich; diese aber lassen sie nicht
heraus, sondern behalten sie unter der Erde in den Bergen, denn sie
haben die meisten gestohlen oder durch einen glücklichen Zufall
erwischt und fürchten, daß sie ihnen wieder weglaufen möchten.  Denn
vormals haben sich viele Kinder des Abends und des Morgens locken
lassen von der süßen Musik und dem Gesange, der durch die Büsche
klingt, und sind hingelaufen und haben zugehorcht; denn sie meinten,
es seien kleine singende Waldvögelein, die mit solcher Lustigkeit
musizierten und Gott lobeten--und dabei sind sie gefangen worden von
den Zwergen, die sie mit in den Berg hinabgenommen, daß sie ihnen
dort als Diener und Dienerinnen aufwarteten.  Seitdem die Menschen
nun Wissens daß es da so hergeht und nicht recht geheuer ist, hüten
sie sich mehr, und geht keiner dahin.  Doch verschwindet von Zeit zu
Zeit noch manches unschuldige Kind, und die Leute sagen dann wohl, es
hab's einer der Zwerge mitgenommen; und oft ist es auch wohl durch
die Künste der kleinen braunen Männer eingefangen und muß da unten
sitzen und dienen und kann nicht wiederkommen.  Das ist aber ein
uraltes Gesetz, das bei den Unterirdischen gilt, daß sie je alle
fünfzig Jahre wieder an das Licht lassen müssen, was sie eingefangen
haben.  Und das ist gut für die, welche so gefangen sitzen und da
unten den kleinen Leuten dienen müssen, daß ihnen diese Jahre nicht
gerechnet werden, und daß keiner da älter werden kann als zwanzig
Jahre, und wenn er volle fünfzig Jahre in den Bergen gesessen hätte.
Und es kommen auf die Weise alle, die wieder herauskommen, jung und
schön heraus.  Auch haben die meisten Menschen, die bei ihnen gewesen
sind, nachher auf der Erde viel Glück gehabt: entweder, daß sie da
unten so klug und witzig und anschlägisch werden, oder daß die
kleinen Leute, wie einige erzählen, ihnen unsichtbar bei der Arbeit
helfen und Gold und Silber zutragen.

Die Unterirdischen, welche in den Neun Bergen wohnen, gehören zu den
braunen, und die sind nicht schlimm.  Es gibt aber auch schwarze, das
sind Tausendkünstler und Kunstschmiede, geschickt und fertig in
allerlei Werk, aber auch arge Zauberer und Hexenmeister, voll
Schalkheit und Trug, und ist ihnen nicht zu trauen.  Sie sind auch
Wilddiebe, denn sie essen gern Braten.  Sie dürfen aber das Wild mit
keinem Gewehr fällen, sondern sie stricken eigene Netze, die kein
Mensch sehen kann; darin fangen sie es.  Darum sind sie auch Feinde
der Jäger und haben schon manchem Jäger sein Gewehr behext, daß er
nicht treffen kann.  Das glauben aber bis diesen Tag viele Leute, daß
nichts eine größere Gewalt über diese Schwarzen hat als Eisen,
worüber gebetet worden, oder was in Christenhänden gewesen ist.
Solche Schwarzen wohnen hier aber gar nicht.

In zwei Bergen wohnen von den weißen, und das sind die freundlichsten,
zartesten und schönsten aller Unterirdischen, fein und anmutig von
Gliedern und Gebärden und ebenso fein und liebenswürdig drinnen im
Gemüte.  Diese Weißen sind ganz unschuldig und rein und necken
niemand, auch nicht einmal im Scherze, sondern ihr Leben ist licht
und zart, wie das Leben der Blumen und Sterne, mit welchen sie auch
am meisten Umgang halten.  Diese niedlichen Kleinen sitzen den Winter,
wann es auf der Erde rauh und wüst und kalt ist, ganz still in ihren
Bergen und tun da nichts anders, als daß sie die feinste Arbeit
wirken aus Silber und Gold, daß die Augen der meisten Sterblichen zu
grob sind, sie zu sehen; die sie aber sehen können, sind besonders
feine und zarte Geister.  So leben sie den trüben Winter durch, wann
es da draußen unhold ist, in ihren verborgenen Klausen.  Sobald es
aber Frühling geworden und den ganzen Sommer hindurch, leben sie hier
oben im Sonnenschein und Sternenschein sehr fröhlich und tun dann
nichts als sich freuen und andern Freude machen.  Sobald es auch im
ersten Lenze zu sprossen und zu keimen beginnt an Bäumen und Blumen,
sind sie husch aus ihren Bergen heraus und schlüpfen in die Reiser
und Stengel und von diesen in die Blüten und Blumenknospen, worin sie
gar anmutig sitzen und lauschen.  Des Nachts aber, wann die Menschen
schlafen, spazieren sie heraus und schlingen ihre fröhlichen
Reihentänze im Grünen um Hügel und Bäche und Quellen und machen die
allerlieblichste und zarteste Musik, welche reisende Leute so oft
hören und sich verwundern, weil sie die Spieler nicht sehen können.
Diese kleinen Weißen dürfen auch bei Tage immer heraus, wann sie
wollen, aber nicht in Gesellschaft, sondern einzeln, und sie müssen
sich dann verwandeln.  So fliegen viele von ihnen umher als bunte
Vögelein oder Schmetterlinge oder als schneeweiße Täubchen und
bringen den kleinen Kindern oft Schönes und den Erwachsenen zarte
Gedanken und himmlische Träume, von welchen sie nicht wissen, wie sie
ihnen kommen.  Das ist bekannt, daß sie sich häufig in Träume
verwandeln, wenn sie in geheimer Botschaft reisen.  So haben sie
manchen Betrübten getröstet und manchen Treuliebenden erquickt.  Wer
ihre Liebe gewonnen hat, der ist im Leben besonders glücklich, und
wenn sie nicht so reich machen an Schätzen und Gütern als die andern
Unterirdischen, so machen sie reich an Liedern und Träumen und
fröhlichen Gesichten und Phantasien.  Und das sind wohl die besten
Schätze, die ein Mensch gewinnen kann.




Abenteuer des Johann Dietrich


In Rambin lebte einst ein Arbeitsmann, der hieß Jakob Dietrich, ein
Mann schlecht und recht und gottesfürchtig, und der auch eine gute
und gottesfürchtige Frau hatte.  Die beiden Eheleute besaßen dort ein
Häuschen und ein Gärtchen und nährten sich redlich von der Arbeit
ihrer Hände; denn andere Künste kannten sie nicht.  Sie hatten viele
liebe Kinder, von welchen das jüngste, Johann Dietrich genannt, ihnen
fast das liebste war.  Denn es war ein schöner und munterer Junge,
aufgeweckt und quick, fleißig in der Schule und gehorsam zu Hause,
und behielt alle Lehren und Geschichten sehr gut, welche die Eltern
ihm versagten.  Auch von vielen andern Leuten lernte er und hielt
jeden fest, der Geschichten wußte, und ließ ihn nicht eher los, als
bis er sie erzählt hatte.

Johann war acht Jahre alt geworden und lebte den Sommer bei seines
Vaters Bruder, der Bauer in Rothenkirchen war, und mußte nebst andern
Knaben Kühe hüten, die sie ins Feld gegen die Neun Berge
hinaustrieben, wo damals noch viel mehr Wald war als jetzt.  Da war
ein alter Kuhhirt aus Rothenkirchen, Klas Starkwolt genannt, der
gesellte sich oft zu den Knaben, und sie trieben die Herden zusammen
und setzten sich hin und erzählten Geschichten.  Der alte Klas wußte
viele und erzählte sie sehr lebendig; er war bald Johann Dietrichs
liebster Freund.  Besonders aber wußte er viele Märchen von den Neun
Bergen und von den Unterirdischen aus der allerfrühesten Zeit, als
die Riesen im Lande untergegangen und die Kleinen in die Berge
gekommen waren, und Johann hörte sie immer mit dem innigsten
Wohlgefallen und plagte den alten Mann jeden Tag um neue Geschichten,
obgleich ihm dieser das Herz zuweilen so in Flammen setzte, daß er
des Abends spät und des Morgens früh, wenn er hier zuweilen heraus
mußte, mit sausendem Haar über das Feld hinstrich, als hätte er alle
Unterirdischen als Jäger hinter sich gehabt, die ihn fangen wollten.
Der kleine Johann Dietrich hatte sich so vertieft und verliebt in
diese Märchen von den Unterirdischen, daß er nichts anders sah und
hörte, von nichts anderm sprach und fabelte als von goldenen Bechern
und Kronen, gläsernen Schuhen, Taschen voll Dukaten, goldenen Ringen,
diamantenen Kränzen, schneeweißen Bräuten und klingenden Hochzeiten.
Wenn er nun so ganz darin war und in kindischer Freude aufjauchzte
und umhersprang, dann pflegte der alte Starkwolt wohl den Kopf zu
schütteln und ihm zuzurufen: "Johann!  Johann!  Wo willst du hin?
Spaten und Sense, das sind dein Zepter und deine Krone, und deine
Braut wird ein Kränzel von Rosmarin und einen bunten Rock von Drell
tragen."  Johann ließ sich das aber nicht anfechten und träumte immer
lustig fort.  Und obwohl er herzlich graulich war und in der
Dunkelheit um alles in der Welt nicht über den Kirchhof gegangen wäre,
hatte er sich das Leben da in dem Berge und die Schätze und
Herrlichkeiten darin doch so ausgemalt, daß ihn fast gelüstete,
einmal hinabzusteigen; denn der alte Klas hatte gesagt, wie man es
anfangen müsse, damit man da unten Herr werde und nicht Diener, und
damit sie einen nicht fünfzig Jahre festhalten und die Becher spülen
und das Estrich kehren lassen könnten.  Wer nämlich so klug oder so
glücklich sei, die Mütze eines Unterirdischen zu finden oder zu
erhaschen, der könne sicher hinabsteigen, dem dürfen sie nichts tun
noch befehlen, sondern müssen ihm dienen, wie er wolle, und derjenige
Unterirdische, dem die Mütze gehöre, müsse sein Diener sein und ihm
schaffen, was er wolle.  Das hatte Johann sich hinters Ohr
geschrieben und seinen Teil dabei gedacht; ja, er hatte wohl
hinzugesetzt, so etwas unterstehe er sich auch wohl zu wagen.  Die
Leute glaubten ihm das aber nicht, sondern lachten ihn aus; und doch
hat er es getan, und sie haben genug geweint, als er nicht
wiedergekommen ist.

Es war nun die Zeit des Johannisfestes, wo die Tage am längsten sind
und die Nächte am kürzesten, und wo die Jahreszeit am schönsten ist.
Die Alten und die Kinder hatten die Festtage fröhlich gelebt und
gespielt und allerlei Geschichten erzählt; da konnte Johann sich
nicht länger halten, sondern den Tag nach Johannis schlich er sich
heimlich weg, und als es dunkel ward, legte er sich auf dem Gipfel
des höchsten der Neun Berge hin, wo die Unterirdischen, wie Klas ihm
erzählt, ihren vornehmsten Tanzplatz hatten.  Und wahrlich, er legte
sich nicht ohne Angst hin, und hätte er nicht einmal dagelegen,
vielleicht wäre nimmer was daraus geworden; denn sein Herz schlug ihm
wie ein Hammer, und sein Atem ging wie ein frischer Wind.  So
lauschte er in Furcht und Hoffnung von zehn Uhr abends bis zwölf Uhr
Mitternacht.  Und als es zwölf schlug, sieh, da fing es an zu klingen
und zu singen in den Bergen; und bald wisperte und lispelte und pfiff
und säuselte es um ihn her; denn die kleinen Leute dreheten sich
jetzt in Tänzen rund, und andere spielten und tummelten sich im
Mondschein und machten tausend lustige Schwänke und Possen.  Ihn
überlief bei diesem Gewispel und Gesäusel ein geheimer Schauder (denn
sehen konnte er nichts von ihnen, da ihre Mützchen, die sie tragen,
sie unsichtbar machen); er aber lag ganz still, das Gesicht ins Gras
gedrückt und die Augen fest zugeschlossen und leise schnarchend, als
schliefe er.  Doch konnte er es nicht lassen, zuweilen ein wenig
umher zu blinzeln, damit er etwa seinen Vorteil ersähe, einen der
kleinen Leute finge und ein Herr würde, denn dazu hatte er gar große
Lust; aber wie heller Mondschein es auch war, er konnte auch nicht
das geringste von ihnen erblicken.

Und siehe, es währte nicht lange, so kamen drei der Unterirdischen
dahergesprungen, wo er lag, gaben aber nicht acht auf ihn, warfen
ihre braunen Mützchen in die Luft und fingen sie einander ab.  Da riß
der eine dem andern in Schalkheit die Mütze aus der Hand und warf sie
weg. Und die Mütze flog dem Johann gerade auf den Kopf, und er fühlte
sie, griff zu und richtete sich sogleich auf und ließ Schlaf Schlaf
sein.  Er schwang mit Freuden seine Mütze, daß das silberne Glöcklein
daran klingelte, und setzte sie sich dann auf den Kopf, und (o Wunder!
) in demselben Augenblicke sah er das zahllose und lustige Gewimmel
der kleinen Leute, und sie waren ihm nicht mehr unsichtbar.  Die drei
kleinen Männer kamen listig herbei und wollten mit Behendigkeit die
Mütze wieder gewinnen; er aber hielt seine Beute fest, und sie sahen
wohl, daß sie auf diese Weise nichts von ihm gewinnen würden; denn
Johann war ein Riese gegen sie an Größe und Stärke, und sie reichten
ihm kaum bis ans Knie.  Da kam derjenige, dem die Mütze gehörte, und
trat ganz demütig vor den Finder hin und bat flehentlich, als hänge
sein Leben dran, ihm die Mütze wiederzugeben.  Johann aber antwortete
ihm: "Nein, du kleiner, schlauer Schelm, die Mütze bekommst du nicht
wieder; das ist nichts, was man für ein Butterbrot weggibt!  Ich wäre
schlimm daran mit euch, wenn ich nichts von euch hätte; jetzt aber
habt ihr kein Recht an mir, sondern müßt mir, was ich nur will, zu
Gefallen tun.  Und ich will mit euch hinabfahren und sehen, wie ihr
es da unten treibt; du aber sollst mein Diener sein, denn du mußt
wohl.  Das weiß ich so gut als ihr, daß es nicht anders sein kann,
denn Klas Starkwolt hat mir es alles erzählt."  Der kleine Mensch aber
gebärdete sich, als ob er dies alles nicht gehört noch verstanden
hätte; er fing seine Quälerei und Winselei und Plinselei wieder von
vorn an, klagte und jammerte und heulte erbärmlich um sein verlornes
Mützchen; aber als Johann ihm kurzweg sagte: "Es bleibt dabei, du
bist der Diener, und ich will eine Fahrt mit euch machen", da fand er
sich endlich drein, zumal da auch die andern ihm zuredeten, daß es so
sein müsse.  Johann aber warf seinen schlechten Hut nun weg und
setzte sich die Mütze an seiner Stelle auf und befestigte sie wohl
auf seinem Kopfe, damit sie ihm nicht abgleiten oder abfliegen könnte;
denn in ihr trug er die Herrschaft.

Und er versuchte es sogleich und befahl seinem neuen Diener, ihm
Speise und Trank zu bringen, denn ihn hungerte.  Und der Diener lief
wie der Wind davon, und in einem Hui war er wieder da und trug Wein
in Flaschen herbei und Brot und köstliche Früchte.  Und Johann aß und
trank und sah dem Spiele und den Tänzen der Kleinen zu, und es gefiel
ihm sehr wohl.  Und er führte sich in allen Dingen mit ihnen beherzt
und klug auf, als wäre er ein geborner Herr gewesen.

Und als der Hahn seinen dritten Krei getan hatte und die kleinen
Lerchen in der Luft die ersten Wirbel anschlugen und das junge Licht
in einzelnen weißen Streifen im Osten aufdämmerte, da ging es husch
husch husch durch die Büsche und Blumen und Halme fort, und die Berge
klangen wieder und taten sich auf, und die kleinen Menschen fuhren
hinab; und Johann gab wohl acht auf alles und fand es wirklich so,
wie sie ihm erzählt hatten.  Siehe, auf dem Wipfel der Berge, wo sie
eben noch getanzt hatten, und wo alles eben voll Gras und Blumen
stand, wie die Menschen es bei Tage sehen, hob sich, als es zum
Abzuge blies, plötzlich eine glänzende gläserne Spitze hervor; auf
diese trat, wer hinein wollte, sie öffnete sich, und er glitt sanft
hinab, und sie tat sich wieder hinter ihm zu; als sie aber alle
hinein waren, verschwand sie und war auch keine Spur mehr von ihr zu
sehen.  Die aber durch die gläserne Spitze fielen, sanken gar sanfte
in eine weite silberne Tonne, die sie alle aufnahm und wohl tausend
solcher Leutlein beherbergen konnte.  In eine solche fiel auch Johann
mit seinem Diener und mit mehreren hinab, und sie alle schrien und
baten ihn, daß er sie nicht treten möge, denn sie wären des Todes
gewesen von seiner Last.  Er aber hütete sich und war sehr freundlich
gegen sie.  Es gingen aber mehrere solcher Tonnen nebeneinander hin,
immer hinauf und hinab, bis alle hinunter waren.  Sie hingen an
langen silbernen Ketten, die unten gezogen und gehalten wurden.

Johann erstaunte beim Hinabfahren über den wunderbaren Glanz der
Wände, zwischen welchen das Tönnchen fortglitt.  Es war alles wie mit
Perlen und Diamanten besetzt, so blitzte und funkelte es; unter sich
aber hörte er die lieblichste Musik aus der Ferne klingen.  So ward
er auf das anmutigste hinabgewiegt, daß er nicht wußte, wie ihm
geschah, und vor lauter Lust in einen tiefen Schlaf fiel.

Er mochte wohl lange geschlafen haben.  Als er erwachte, fand er sich
in dem allerweichsten und allernettesten Bette, wie er es in seines
Vaters Hause nimmer gesehen hatte, und dieses Bett stand in dem
allerniedlichsten Zimmer; vor ihm aber stand ein kleiner Brauner mit
dem Fliegenwedel in der Hand, womit er Mücken und Fliegen abwehrte,
daß sie seines Herrn Schlummer nicht stören konnten.  Johann tat kaum
die Augen auf, so brachte der kleine Diener ihm schon das Handtuch
mit dem Waschwasser und hielt ihm zugleich die nettesten neuen
Kleider zum Anziehen hin, aus brauner Seide sehr niedlich gemacht,
und ein Paar neue schwarze Schuh mit roten Bandschleifchen, wie
Johann sie in Rambin und Rothenkirchen nie gesehen hatte; auch
standen dort einige Paare der niedlichsten und glänzendsten gläsernen
Schuhe, die nur bei großen Festlichkeiten gebraucht zu werden pflegen.
Es gefiel dem kleinen Knaben sehr, daß er so leichte und saubere
Kleider tragen sollte, und er ließ sie sich gern anziehen.  Und als
Johann angekleidet war, flugs flog der Diener fort und war geschwind
wie der Blitz wieder da.  Er trug aber auf einer goldenen Schüssel
eine Flasche süßen Wein und ein Töpfchen Milch und schönes Weißbrot
und Früchte und andere köstliche Speisen, wie kleine Knaben sie gern
essen.  Und Johann sah immer mehr, daß Klas Starkwolt, der alte
Kuhhirt, es wohl gewußt habe; denn so herrlich und prächtig, als er
hier alles fand, hatte er es sich doch nicht geträumt.  Auch war sein
Diener der allergehorsamste und tat alles von selbst, was er ihm nur
an den Augen absehen konnte.  Der Worte bedurfte es nie, sondern nur
leichter Blicke und Winke; denn er war klug wie ein Bienchen, wie
alle diese kleinen Leute von Natur sind.

Und nun muß ich Johanns Zimmer beschreiben.  Sein Bettchen war
schneeweiß mit den weichsten Polstern und mit den weißesten Laken
überzogen, mit Kissen aus Atlas und einer solchen gesteppten Decke.
Ein Königssohn hätte darin schlafen können.  Neben und vor diesem
Bette standen die niedlichsten Stühle, auf das netteste gearbeitet
und mit allerlei bunten Vögeln und Tieren verziert, welche
kunstreiche Hände eingeschnitten hatten; einige waren auch von edlen
Steinen bunt eingelegt.  An den Wänden standen weiße Marmortische und
ein paar kleinere aus grünen Smaragden, und zwei blanke Spiegel
glänzten an den beiden Enden des Zimmers, deren Rahmen mit blitzenden
Edelgesteinen eingefaßt waren.  Die Wände des Zimmers waren mit
grünen Smaragden getäfelt, und hatte einen solchen Glanz nie ein
Mensch auf Erden gesehen und wird ihn auch keiner dort sehen, auch
nicht in des größten Kaisers Hause.  Und in solchem Zimmer wohnte nun
der kleine Johann Dietrich, eines Tagelöhners Sohn aus Rambin, daß
man wohl sagen mag: Das Glück fängt, wem es von Gott beschert ist.
Hier unter der Erde sah man nun freilich nie Sonne, Mond und Sterne
leuchten, und das schien allerdings ein großer Fehler zu sein.  Aber
sie brauchten hier solche Lichter nicht, auch bedurften sie weder der
Wachslichter noch der Talglichter, noch der Kerzen und Öllampen und
Laternen; sie hatten andern Lichtes genug.  Denn die Unterirdischen
wohnen recht eigentlich mitten unter den Edelgesteinen und sind die
Meister des reinsten Silbers und Goldes, das in der Erde wächst, und
sie haben die Kunst wohl gelernt, wie sie es hell bei sich haben
können bei Tage und bei Nacht.  Eigentlich muß man hier von Tag und
Nacht nicht reden, denn die unterscheiden sie hier unten nicht, weil
keine Sonne hier auf- und untergeht, welche die Scheidung macht,
sondern sie rechnen hier nur nach Wochen.  Sie setzen aber ihre
Wohnungen und die Wege und Gänge, welche sie unter der Erde
durchwandern, und die Orte, wo sie ihre großen Säle haben und ihre
Reigen und Feste halten, mit den allerkostbarsten Edelgesteinen aus,
daß es funkelt, als wäre es der ewige Tag.  Einen solchen Stein hatte
der kleine Johann auch in seinem Zimmer.  Das war ein auserlesener
Diamant, ganz rund und wohl so groß als eine Kugel, womit man Kegel
zu werfen pflegt.  Dieser war oben in der Decke des Zimmers befestigt
und leuchtete so hell, daß er keiner andern Lampen und Lichter
bedurfte.

Als Johann Frühstück gegessen hatte, öffnete der Diener ein Türchen
in der Wand, und Johanns Augen fielen hinein, und er sah die
zierlichsten goldenen und silbernen Becher und Schalen und Gefäße und
viele Körbchen voll Dukaten und Kästchen voll Kleinodien und
kostbarer Steine.  Auch waren da viele liebliche Bilder und die
allersaubersten Märchenbücher mit Bildern, die er in seinem Leben
gesehen hatte.  Und er wollte diesen Vormittag gar nicht ausgehen,
sondern betastete und besah sich alles und blätterte und las in den
schönen Bilderbüchern und Märchenbüchern.

Und als es Mittag geworden, da klang eine helle Glocke, und der
Diener rief: "Herr, willst du allein essen oder in der großen
Gesellschaft?"  Und Johann antwortete: "In der großen Gesellschaft."
Und der Diener führte ihn hinaus.  Johann sah aber nichts als
einzelne von Edelsteinen erleuchtete Hallen und einzelne kleine
Männer und Frauen, die ihm aus Felsritzen und Steinklüften
herauszuschlüpfen schienen, und verwunderte sich, woher die Glocke
klänge, und sprach zu dem Diener: "Aber wo ist denn die
Gesellschaft?"  Und als er noch fragte, so öffnete sich die Halle,
worin sie gingen, zu einer großen Weite und ward ein unendlicher Saal,
über welchen eine weite, gewölbte und mit Edelsteinen und Diamanten
geschmückte Decke gezogen war.  Und in demselben Augenblick sah er
auch ein unendliches Gewimmel von zierlich gekleideten kleinen
Männern und Frauen durch viele geöffnete Türen hineinströmen, und tat
sich der Boden an vielen Stellen auf, und die niedlichsten, mit den
köstlichsten Gefäßen und schmackhaftesten Speisen und Früchten und
Weinen besetzten Tische stellten sich aneinander hin, und die Stühle
und Polster reiheten sich von selbst um die Tische, und die Männer
und Frauen nahmen Platz.  Und die Vornehmsten des kleinen Völkchens
kamen und verneigten sich vor Johann und führten ihn mit sich an
ihren Tisch und setzten ihn zwischen ihre schönsten Jungfrauen, daß
er seine Lust hatte, mit den lieblichen Kindern zu sein, und es ihm
da über die Maßen wohlgefiel.  Es war auch eine sehr fröhliche Tafel,
denn die Unterirdischen sind ein sehr lebendiges und lustiges
Völkchen und können nicht lange still sein.  Dazu klang die
allerlieblichste Musik aus den Lüften, und die buntesten Vögel flogen
umher und sangen in gar anmutigen Tönen, die einem die Seele aus der
Brust holen konnten.  Es waren aber keine lebendige Vögel, die da
sangen, sondern künstliche Vögel und künstliche Töne und von den
kleinen Männern so sinnreich gemacht, daß sie fliegen und singen
konnten.  Und Johann erstaunte und entsetzte sich sehr über alle die
Wunder, die er sah, und freuete sich gewaltig.  Die Diener und
Dienerinnen aber, welche bei Tische aufwarteten und Blumen streueten
und die Flur mit Rosenöl und andern Düften besprengten und die
goldenen Schalen und Becher herumtrugen und die silbernen und
kristallenen Körbe mit Früchten, waren Kinder der Menschen da droben,
welche aus Neugier oder von ungefähr unter die Kleinen geraten und
hier hinabgestiegen waren, ohne sich vorher eines Pfandes zu
bemeistern, und die also in die Gewalt der Kleinen gekommen waren,
oder die sich nächtlich und mitternächtlich unter ihre Sternenspiele
auf dem gläsernen Berge verirrt hatten.  Diese waren anders gekleidet
als sie.  Die Knaben und die Mädchen waren in schneeweiße Röckchen
und Jäckchen gekleidet und trugen feine gläserne Schuh, daß man ihren
Tritt immer hören konnte, und blaue Mützchen auf dem Kopfe; ihre
Leibchen aber hatten sie mit silbernen Gürteln umgürtet.  Das war die
Tracht der Diener und Dienerinnen.  Den kleinen Johann jammerten sie
anfangs wohl, als er sie sah, wie sie springen und den Unterirdischen
aufwarten mußten; aber weil sie munter aussahen und fein gekleidet
waren und rosenrote Wangen hatten, so dachte er: "Nun, es geht ihnen
doch so schlimm nicht, und ich habe es noch lange so gut nicht gehabt,
als ich hinter den Kühen und Ochsen laufen mußte.  Ich bin nun
freilich ein Herr hier, und sie müssen als Diener laufen.  Das kann
aber nicht anders sein: warum haben sie sich auch so dumm fangen
lassen und sich vorher kein Zeichen genommen?  Es muß doch die Zeit
kommen, wo sie einmal erlöst werden, und länger als fünfzig Jahre
werden sie hier gewiß nicht bleiben."  Damit tröstete er sich und
spielte und scherzte mit seinen kleinen Gesellinnen und aß und trank
in Freuden und ließ sich von seinem Diener und von den andern
allerlei unterirdische Geschichten erzählen; denn er wollte alles
genau wissen.

So saßen sie ungefähr zwei Stunden lustig beisammen und aßen und
tranken und horchten auf die liebliche Musik, die aus den Lüften
erklang.  Da klingelte der Vornehmste mit einem Glöckchen, und in
einem Hui versanken die Tische und die Stühle wieder, und alle Männer
und Frauen und Jünglinge und Jungfrauen standen da wieder auf den
Füßen.  Und wieder ein zweiter Klang mit einem zweiten Glöckchen, und
wo eben die Tafeln gestanden, erhoben sich grüne Orangen- und Palmen-
und Lorbeerbäume mit Blüten und Früchten, und andere, lustigere und
klangreichere Vögel als die vorher durch die Luft geflattert hatten,
saßen in ihren Zweigen und sangen.  Und sie sangen alle wie in einer
Weise und in einem Maße, und Johann sah bald, woher dies kam; denn am
Ende des Saales hoch oben an der Decke saß in einer hohlen Wand ein
eisgrauer Greis und gab den Ton an, nach welchem sie singen mußten.
Sie nannten ihn ihren großen Ballmeister.  Er war aber so ernst, als
er weise war, und verschwiegen wie die graue Zeit und sprach nie ein
Sterbenswort, da die andern alle wohl oft zuviel plapperten und
schwätzelten.

Der alte Eisgraue droben strich nun die Geige zum Tanze, und alle die
bunten Vögel klangen den Strich nach.  Es war aber ein recht
fliegender Strich, denn ihr Tanz geht immer äußerst geschwind und
lebendig.  Als nun der Reigen angeklungen war, siehe, da bewegten
sich die leichten und fröhlichen Scharen und sprangen und hüpften und
drehten sich, als wenn die Welt im Wirbel auseinanderfliegen sollte.
Und die kleinen hübschen und feinen unterirdischen Dirnen, die sich
neben Johann gesetzt hatten, faßten ihn auch und drehten ihn mit rund.
Und er ließ es gern geschehen und tanzte mit ihnen rund wohl zwei
Stunden lang.  Und diesen lustigen Tanz hat er jeden Nachmittag
mitgehalten, solange er da unten geblieben ist, und in seinem
spätesten Alter noch immer mit vielem Vergnügen davon erzählt.  Er
pflegte dann zu sagen, die himmlische Freude und der Gesang und das
Saitenspiel der Engel, welche die Seligen im Himmel einst zu hoffen
hätten, mögen wohl überschwenglich schön sein; er aber könne sich
nichts Schöneres und Lieblicheres denken als die Musik dieses
unterirdischen Reigens, die schönen und beseelten kleinen Menschen,
die wunderbaren Vögel in den Zweigen mit den allerzauberischesten
Tönen und die klingenden Silberglöckchen an den Mützen.  Ein Mensch,
der das nicht gesehen und gehört, könne sich gar keine Vorstellung
davon machen.

Als die Musik schwieg und der Tanz geendigt war (das mochte wohl die
Zeit sein, die wir vier Uhr nachmittag nennen), verschwand das kleine
lustige Völkchen, die einen hiehin, die andern dahin, und jeder ging
wieder an sein Werk und seine Lust.  Des Abends ward nach dem Essen
gewöhnlich ebenso gejubelt und getanzt.  Des Nachts aber schlüpften
alle heraus aus den Bergen, besonders in schönen, sternhellen Nächten,
und wenn sie auf Erden etwas Besonderes zu tun hatten.  Da ging aber
der kleine Johann immer ruhig schlafen und hielt, wie es einem
frommen christlichen Knaben geziemte, andächtig sein Abendgebet, und
auch des Morgens vergaß er nie zu beten.

Doch nun muß ich noch mehr erzählen von den Unterirdischen, ehe ich
weiter melde, wie es unserm kleinen Johann Dietrich da unten die
folgenden Wochen und Jahre ergangen ist.

Daß solche kleine Unterirdische, die man mit vielen Namen auch wohl
Braunchen, Weißchen, Elfen, Weißelfen, Schwarzelfen, Kobolde, Puke,
Heinzlein, Trolle nennt, seit uralten Zeiten unter den Bergen und
Hügeln wohnen und ihre wunderbaren kristallenen und gläsernen Häuser
haben, ist gewiß.  Aber wie sie dahingekommen sind, und was es denn
eigentlich für Geister sind, und wozu der liebe Gott sie eigentlich
geschaffen hat, das hat uns bisher noch keiner sagen können.  Sie
sind wohl gleich den Seelen und Herzen der Menschen von sehr
verschiedener Art, einige bös, andere gut, einige freundlich, andere
neckisch; das wird aber von allen ohne Unterschied gesagt, daß sie
sehr sinnreich und geschickt sind und die künstlichsten Werke und
Geschmeide machen können, die ihnen kein Mensch nachmachen kann, und
die von den Menschen deswegen oft für Zauberwerk und Hexenwerk
gehalten werden.  Alles, was ich hier erzähle, hat Johann Dietrich
mitgebracht und es seinen Freunden erzählt und seinen Kindern so
hinterlassen.  Von diesen haben es wieder andere gehört, und so hat
sich's weitererzählt bis diesen Tag.

Die Unterirdischen, zu welchen Johann hinabgestiegen war, gehörten zu
den Braunen.  Sie hatten auch kleine Schelmstreiche im Herzen, waren
aber im ganzen doch gutmütiger und fröhlicher Art.  Die Braunen
hießen sie, weil sie braune Jäckchen und Röckchen trugen und braune
Mützen auf dem Kopf mit silbernen Glöckchen; einige trugen schwarze
Schuh mit roten Bändern, die meisten aber feine gläserne, und beim
Tanze trugen sie alle keine anderen.  Sie hatten ihre Häuschen in den
Bergen; aber damit waren sie sehr geheim, und Johann Dietrich,
solange er bei ihnen gewesen, hat keine einzige ihrer Kammern gesehen.
Er und der Diener hatten ihre Kammer hart bei der Stelle, wo der
herrliche Speise- und Tanzsaal immer kam und verschwand; er hat auch
an vielen andern Stellen schöne Hallen und offene Plätze und
liebliche Anger und Auen gesehen, aber nirgends Wohnungen; sondern
die Kleinen waren immer nur einzeln oder scharweise da, entweder daß
sie tanzten, lustwandelten oder auch geschwind vorübergingen.  Und
wie sie aus den Steinen, worin sie wohnen, herauskamen und wieder
hinschwanden, das hat er mit seinen Augen nie sehen können, wie sehr
er auch oft darauf gelauscht hat; sondern sie kamen vor seinen Augen
und verschwanden wie Blitze und Scheine.  Einige kleine Dirnen aber,
die ihn lieb hatten, haben ihm zugeflüstert: jeder habe sein eignes
Häuschen tief im Gestein, ein liebliches, helles, gläsernes Häuschen;
auch sei der ganze Berg durchsichtig von Anfang bis zu Ende und
eigentlich rings mit Glas umwachsen; das sei aber seinen Augen zu
sehen nicht möglich.

Von diesen kleinen Unterirdischen waren die größten kaum einer Elle
lang und die Knaben und Mädchen also gar klein; aber sie waren von
Gestalt und Gebärde freundlich und schön, mit hellen, lichten Augen
und mit gar feinen und anmutigen Händchen und Füßchen.  Und eben
durch diese Lieblichkeit und Freundlichkeit haben sie manches
Menschenkind verführt, daß es zu ihnen heruntergekommen ist ohne
irgend ein Pfand und Zeichen und lange Jahre da hat bleiben und
dienen müssen.  Denn wenn man ein Pfand von ihnen hat, schadet es
nichts, daß man mit in dem silbernen Tönnchen hinabsteigt, und sie
müssen einen immer wieder herauslassen.  Sie geben aber nicht gern
ein Pfand.  Das klügste und richtigste ist, daß man mit Listen ein
Pfand von ihnen nimmt; denn dann müssen sie einem dienen, da sie
sonst gern herrschen wollen.  Denn sie sind sehr herrschsüchtig, und
das ist eigentlich ihr Hauptfehler; vorzüglich herrschen sie gern
über die Menschen und bilden sich etwas darauf ein, weil die soviel
stärker und größer sind, daß sie sie mit Listen zu ihren Dienern und
Knechten machen.  Das beste Pfand, das man von ihnen gewinnen kann
und wodurch man am meisten Macht über sie bekommt, ist eine braune
Mütze mit dem Glöckchen; sehr gut ist auch ein gläserner Schuh oder
eine silberne Spange, womit sie ihren Leibgürtel zu schließen pflegen.
Wer die hat, der hat aller Freuden Fülle bei ihnen und ist ein
großer Gebieter.

Ob sie auch sterben, das weiß man nicht, oder ob sie, wie einige
erzählen, wann sie alt werden wollen, sich in Steine und Bäume
verkriechen und so sich verwachsen und zu wundersamen Klängen,
Ächzern und Seufzern werden, die sich zuweilen hören lassen, ohne daß
man weiß, woher sie kommen, oder zu abenteuerlichen Knorren und
verflochtenen Schlingen, wodurch die Hexen schlüpfen sollen, wann sie
von dem wilden Jäger gejagt werden.  Eine Leiche von ihnen hat keiner
gesehen, und wenn man sie darnach gefragt hat, haben sie immer so
geantwortet, als verstanden sie das Wort gar nicht.  Das ist gewiß,
daß manche von ihnen über zweitausend Jahre alt sind.  Da ist es denn
kein Wunder, daß man so weise Leute unter ihnen findet.

Sie haben einen großen Vorteil voraus vor uns Menschenkindern, daß
sie nicht nötig haben, für das tägliche Brot zu sorgen und zu
arbeiten, denn Speise und Trank kommt ihnen von selber oder Gott weiß
durch welche wundersame Kunst, und es fehlt nie Brot und Wein und
Braten auf ihrem Tische.  Auch sieht man dort unten, wo sie wohnen,
und wo hin und wieder auch weite Fluren und Felder sind, nirgends
Korn wachsen oder Vieh weiden oder Wild laufen, sondern bloß das
Allerlustigste ist zum Genuß da, nämlich die schönsten Bäume und
Reben, die mit den auserlesensten Früchten und Trauben prangen; auch
die lieblichsten Blumen in Menge, worauf so bunte Schmetterlinge
flattern, als man in dem Lande der Sonne und des Mondes nimmer sieht;
und die allerschönsten und schimmerndsten Vögel, die alle wie
Paradiesvögel und wie der Vogel Phönix aussehen, wiegen sich in den
Zweigen und singen süße Lieder.  Anderes Lebendiges sieht man dort
nicht, wenn man das nicht etwas Lebendiges nennen will, daß hie und
da aus den Kristallwänden Quellen von Wein und Milch sich ergießen.

So scheint dies Völkchen denn sehr glücklich zu sein und bloß für die
Freude und Lust geboren, und sie verstehen sich sehr wohl auf die
Kunst, vergnügt zu sein und ihr Leben lustig zu gebrauchen.  Doch muß
man nicht glauben, daß sie nichts weiter tun als Tafel, Spiel und
Tanz halten, dann in ihre Kammern schlüpfen und schlafen und etwa die
Mitternächte über der Erde verspielen--nein, sie sind wohl die
allerregsamsten und allerfleißigsten Wesen, die man je gesehen hat.
Niemand versteht so gut als sie das Innere der Erde und die geheimen
Kräfte der Natur und was in Bergen und Steinen und Metallen wächst,
und was in den Farben der Blumen und den Wurzeln der Bäume für Triebe
lauschen.  Denn ihre Sinne sind die allerklarsten und die
allerfeinsten, viel feiner als des heitersten und hellesten Kindes,
von Menschen geboren; denn auch unsere kleinen Kindlein haben wohl
recht feine Sinne und Gedanken, welche die Erwachsenen nur nicht
immer verstehen, weil diese meistens schon wieder durch Stein und
Erde verhärtet und vergröbert sind.  Die Unterirdischen haben viel
Freude an Silber und Gold und edlen Steinen und machen die
allerkünstlichsten Arbeiten daraus, so daß die besten Meister hier
oben erstaunen, wenn ein solches unterirdisches Werk hier mal gesehen
wird.  Deswegen nennen viele sie auch wohl Hüter des Goldes und des
Silbers und meinen, daß sie von schlimmer Gier besessen und böse
metallische Geister sind.  Die meisten, die das sagen, tun ihnen aber
unrecht, denn die weißen und braunen Unterirdischen sind wohl nicht
so gierig.  Sie verschenken ja soviel Schönes an die Menschenkinder;
das würden sie aber nicht tun, wenn sie das Gold und die Edelsteine
zu lieb hätten.  Sie haben es nur lieb wegen des Glanzes, denn Glanz
und Licht lieben sie über alles in der Welt.  Die mit den schwarzen
Jacken und Mützen sind aber wohl geizig und überhaupt von schlimmerer
Natur als diese.

Wie die Unterirdischen des Nachts aus ihren gläsernen Bergen
schlüpfen und im Mondschein und Sternenschein tanzen und sich
erlustigen, habe ich schon erzählt.  Sie können sich aber auch
unsichtbar in die Häuser der Menschen schleichen; denn wenn sie ihre
Mützen aufhaben, kann sie kein Mensch sehen, er habe denn selbst eine
solche Mütze.  Da sagen die Leute denn, daß sie allerlei Schalkereien
treiben, die Kinder in den Wiegen vertauschen, ja gar wegstehlen und
mitnehmen.  Das ist aber gewiß nicht wahr von den Weißen und Braunen.
Auch hat ihnen Gott über die Häuser und Wohnungen der Menschen keine
Gewalt gegeben, solcherlei schlimme Schalkerei zu treiben.  Sie
kommen wohl in die Häuser der Menschen, sie können sich auch
verwandeln, so daß kein Schlüsselloch so klein ist, daß sie nicht
hindurchschlüpfen; aber sie tun den Menschen nichts Böses, sondern
wollen nur zuweilen sehen, was sie machen.  Meistens bringen sie
ihnen was Schönes mit, besonders den Kindern, die sie sehr lieb haben.
Und wann die Kinder beim Spielen Dukaten oder goldene Ringe
gefunden haben, wie das wohl zuweilen geschieht, und mit zu Hause
bringen, oder wenn kleine, zierliche Schuhe oder ein neues Kleidchen
oder grüne Kränzlein, wann sie erwachen, auf ihren Wiegen und
Bettchen hangen, so haben das wohl nicht immer die himmlischen
Englein getan, sondern oft auch die kleinen Unterirdischen.  Das
sagen aber viele Leute, die es wissen, daß sie oft unsichtbar um die
Kinder sind und sie behüten, besonders damit sie nicht im Feuer und
Wasser umkommen.  Wenn sie ja jemand necken und schrecken, so sind es
faule Knechte und schmutzige Mägde, die sie mit bösen Träumen
ängstigen, als Alp drücken, als Flöhe stechen, als Hunde und Katzen
ungesehen beißen und kratzen, oder es sind Diebe und Buhler, welchen
sie, wenn sie des Nachts auf verbotenen Wegen schleichen, als Eulen
in den Nacken stoßen, oder die sie als Irrlichter in Sümpfe und
Moräste locken oder gar ihren Verfolgern entgegenbringen.  Aber das,
denke ich, ist keine Sünde.  Die Schwarzjacken aber sind bösartig und
üben gern arge Tücken.  Die dürfen aber den Häusern der Menschen
nicht nahe kommen, auch überhaupt wenig auf der Erde sein, es sei
denn in Wüsten und Einöden, wohin selten Menschen kommen.  Sie kommen
auch nicht zu den Menschen, außer wenn diese ihnen selbst die Gewalt
über sich gegeben oder sich ihnen verpfändet und verschrieben haben.
Denn darauf sinnen diese schwermütigen und grüblerischen Geister Tag
und Nacht, wie sie arme Narren und listige Schelme verstricken und
sich endlich an ihrer Not ergötzen mögen.  Und diese schwarzen sind
auch nicht schön wie die andern Unterirdischen, sondern grundhäßlich,
haben trübe und triefende Augen wie die Köhler und Grobschmiede, sind
stumm und heimlich bei ihrer Arbeit, leben einsam und höchstens zu
zweien und dreien und kennen keinen Tanz und Musik, sondern nur
Geheul und Gewimmer.  Und wenn es in Wäldern und Sümpfen schreit wie
eine Menge schreiender Kinder, oder wie ein Haufe Katzen miauen und
eine Schar Eulen kreischen und wehklagen würde--das sind ihre
nächtlichen Versammlungen, das ist ihre Musik, das sind sie.

Doch haben die Menschen vor allen Unterirdischen ein Grauen, und das
ist wohl natürlich.  Denn dem Menschen ist das Licht angeboren und
die Liebe zu allem Lichten und Hellen, und es schaudert ihm vor dem
Dunklen und Verborgenen und vor allen geheimen Kräften, die
unsichtbar umherschleichen und walten.  Auch wissen sie ja, daß die
Unterirdischen allenthalben sein und sich verwandeln und zaubern
können.  Freilich erzählt man vielmehr von ihren Zaubereien, als wahr
ist; das meiste machen sie durch ihre Unsichtbarkeit und
Künstlichkeit, wodurch sie so feine Arbeit als Spinnen und Wespen
weben und wirken und den Menschen allerlei Gaukelei und Einbildung
vormachen können.  Und wenn sie ja viel zaubern, tun sie es mehr zur
Freude und zum Spiel als zum Bösen.  Die Schwarzen aber können auch
hexen und sind schlimme Hexenmeister, und wenn die sich verwandeln,
sind sie die scheußlichsten Tiere und Gewürme, Bären, Wölfe, Hyänen,
Tiger, Katzen, Schlangen, Kröten, Skorpione, Krähen und Eulen; und
wehe den armen Menschen, die sich mit ihnen eingelassen haben!  Denn
von ihnen muß man dreifache Pfänder nehmen, und auch der Klügste wird
von ihnen betrogen, wenn er nicht kurzen Kauf mit ihnen hält.  Daß
diese Hexenkappen und Nebelkappen weben, womit man sich unsichtbar
machen und in einem Hui über Land und Meer fahren kann, das ist wahr.
Dem Doktor Faust haben sie seinen Mantel gemacht, womit er in einer
Sekunde von Straßburg nach Rom und von Mainz nach Paris gefahren ist.
Aber wie ist es diesem armen Doktor Faust auch ergangen!  Er ist mit
diesen schwarzen Künstlern, weil er zu weise werden wollte, ein
Schwarzkünstler geworden und endlich zu dem Allerschwärzesten
gefahren.  Die Schwarzen machen auch Zauberwaffen, Harnische, die
gegen Stahl und Hieb fest sind, Degen, die nie Scharten bekommen
können und vor welchen sein Helm und Panzer aushält, dünne
Kettenhemde leicht wie Spinnweben, wodurch keine Kugel dringt.  Der
Gebrauch derselben ist aber sehr abgekommen, seit die meisten
Menschen Christen sind, und war mehr in der heidnischen Zeit.  Das
ist einmal wahr, künstliche Schmiede und Waffenschmiede sind sie und
wissen eine Härtung und zugleich eine Schmeidigung des Stahls, die
ihnen kein irdischer Schmied nachmachen kann; denn ihre Klingen sind
zugleich biegsam wie Rohrhalme und scharf wie Diamanten.  Auch wirken
sie noch viel anderes Zaubergeschmeide aus Stahl und Eisen, das zu
mancherlei verborgenen Künsten gebraucht wird und zum Teil die
seltsamsten und unbegreiflichsten Eigenschaften hat.  Die Braunen
sind aber die Juweliere der Berge, die mehr in Gold und Silber und
Edelsteinen arbeiten.  Die feinsten und künstlichsten aller
Unterirdischen sind die Weißen; die wirken ihre Arbeiten so fein und
dünn wie die zartesten Blumen aus, so fein und zart, daß viele Augen
sie gar nicht sehen können; und sie können aus Silber und Gold
Röckchen weben, von denen man schwören sollte, sie seien aus
Sonnenstrahlen oder Mondschein gewebt; denn sie sind leichter als die
leichtesten Spinnweben.

Johann Dietrich kam die ersten Wochen, die er in dem gläsernen Berge
verlebte, nicht weiter als in sein Kämmerchen und von dem Kämmerchen
in den Speise- und Tanzsaal und wieder zurück.  Er konnte gar kein
Ende finden, die schönen und köstlichen Sachen zu betrachten und zu
loben, die in seinem Zimmer und in dem Schränkchen aufgestellt waren.
Am meisten aber ergötzte er sich an den schönen Bildern und an
seinem Bücherschranke, wo viele hundert der sauberst gebundenen
Bücher mit goldenem Schnitte nebeneinander standen, und in welchen er
die allerfeinsten und lustigsten Märchen fand, an welchen er sich
nicht satt lesen konnte.  Als aber die ersten Wochen vergangen waren,
da spazierte er oft aus und ließ sich von seinem Diener alles zeigen
und erzählen.  Es gab da unten aber die allerlieblichsten
Spaziergänge nach allen Seiten hin, und er konnte viele Meilen weit
wandeln, und sie nahmen kein Ende; und man sieht daraus, wie
unendlich groß der Berg war, worin die Unterirdischen wohnten, und
doch erschien die Spitze oben nur wie ein kleiner Hügel, worauf
einige Bäume und Sträuche stehen.  Und daraus kann man auch wissen,
wieviele Meilen seine Tiefe nach unten hinabgehen mußte.  Das war
aber das Besondere, daß zwischen jeder Au und jedem Anger, die man
hier mit Hügeln und Bäumen und Blumen und Inseln und Seen durchsäet
in der größten Mannigfaltigkeit hatte, gleichsam eine schmale Gasse
war, durch welche man wie durch eine kristallene Felsenmauer gehen
mußte, bis man zu etwas Neuem gelangte.  Die einzelnen Anger und Auen
waren aber wohl oft eine Meile lang.  Von den Bäumen habe ich schon
erzählt, wie sie voll köstlicher Früchte hingen, und von den Quellen,
in welchen Milch und Wein aus den Felsen rieselte.  Da konnten die
Wanderer sich nie so weit vergehen, sie fanden immer, womit sie sich
erquicken konnten.  Aber das Allerlustigste waren die bunten Vögel,
die immer von Zweig zu Zweig flatterten und wie tausend himmlische
Nachtigallen sangen, und die Blumen, so wunderschön von Farben und
Düften, daß Johann ihresgleichen nimmer auf Erden gesehen hatte.
Kurz, es war hier alles zauberisch, lustig und anmutig und bei aller
der Lust und dem Jubel ein so stilles Leben.  Es wehete, und man
fühlte keinen Wind; es schien hell, und man fühlte keine Hitze; die
Wellen brauseten, und man fand keine Gefahr, sondern die niedlichsten
Nachen und Gondeln, als schneeweiße Schwäne gestaltet, kamen, wann
man über einen Strom wollte, von selbst ans Land geschwommen und
führten an das jenseitige Ufer, und ebenso führten sie über die Seen
zu den Inseln.  Woher das alles kam, wußte niemand, und der Diener
durfte es nicht sagen; das aber sah Johann wohl und konnte es mit
Händen greifen, daß die großen Karfunkel und Diamanten, womit die
hohe Decke statt des Himmels gewölbt war, und womit alle Wände des
Berges geschmückt standen, für Sonne, Mond und Sterne leuchteten.
Diese lieblichen Fluren und Auen waren meist einsam.  Man sah wenige
Unterirdische auf ihnen, und die man sah, schienen immer nur so
vorüberzuschlüpfen, als hätten sie die größte Eile, davonzukommen.
Selten geschah es, daß einige hier im Freien einmal einen Reigen
aufführten, etwa zu dreien, höchstens zu einem halben Dutzend: mehr
hat Johann hier nie beisammen gesehen.  Nur dann ging es lustig her,
wann die Schar der Diener und Dienerinnen, die wohl ein paar Hundert
sein mochten, ausgelassen und spazieren geführt wurden.  Das geschah
aber alle Woche nur zweimal; meistens waren sie da drinnen in dem
großen Saale oder in den anstoßenden Zimmern beschäftigt oder mußten
auch in der Schule sitzen.

Das war hier auch noch besonders, daß, wie die Diamanten und
Edelsteine oben die Sonne und den Mond und die Sterne vorstellen
mußten, es hier eigentlich keine Jahreszeiten gab; sondern die Luft
war immer gleich, d. h. es war jahraus, jahrein eine milde, linde
Frühlingsluft, von Blütenatem durchwehet und von Vogelgesang
durchklungen.  Doch zwei Tageszeiten gab es, Tag und Nacht, und diese
teilten sich wieder in vier Teile, in Morgen, Mittag, Abend und Nacht;
doch war der Mittag nicht wärmer als die anderen Tageszeiten.  Das
aber hatte es hier besonders, daß die Nacht nie so dunkel und der Tag
nie so hell ward, als sie oben auf der Erde sind.

Johann hatte viele Monate hier verlebt (ich glaube, es waren zehn),
und sie waren ihm hingeschwunden wie ein Tag.  Da begegnete ihm etwas,
das ihn in die Schule brachte.  Ich will erzählen, wie das zuging.
Er wandelte einst nach seiner Gewohnheit mit seinem Diener herum.  Da
sah er in der Abenddämmerung etwas Schneeweißes in eine kristallene
Felswand hineinschlüpfen und dann plötzlich verschwinden.  Und es
hatte ihm gedeucht, daß es von den kleinen Leuten war und daß ihm
auch schneeweiße Locken von den Schultern herabhingen.  Er fragte
denn seinen Begleiter: "Was war das?  Gibt es auch unter euch, die in
weißen Kleidern gehen wie die Diener und Dienerinnen, die ihr uns
abgefangen habt?"  Der Diener antwortete: "Ja, es gibt deren, aber
wenige, und sie erscheinen nie bei dem Tanze noch an den großen
Tafeln außer einmal im Jahre, wann des großen Bergkönigs, der viel
tausend Meilen unter uns in der innersten Tiefe wohnt, Geburtstag ist.
Darum hast du sie noch nie gesehen.  Das sind die ältesten Männer
unter uns, und einige von ihnen sind wohl manches Jahrtausend alt und
wissen vom Anfange der Welt und vom Ursprung der Dinge zu erzählen
und werden die Weisen genannt.  Sie leben sehr einsam für sich und
kommen nur aus ihren Kammern, daß sie unsere Kinder und die Diener
und Dienerinnen unterweisen, für welche hier auch eine große Schule
ist; sonst sind sie meist mit der Betrachtung der innerlichen und
himmlischen Dinge und mit der Sternkunde und Alchemie beschäftigt.
"--"Was?  Gibt es hier auch Schulen?"  rief Johann.  "Das ist nicht
recht, Diener, daß du mir das verschwiegen hast; ich habe immer große
Lust gehabt, in die Schule zu gehen und etwas Ordentliches zu lernen.
"--"Das kannst du haben, wie du willst", antwortete der Diener; "du
bist hier der Herr, und was du haben willst, müssen wir dir schon zu
Gefallen tun.  Du kannst dir einen der schneeweißen Weisen in die
Kammer kommen lassen, wenn dir das gefällt, oder kannst auch in eine
der Schulen gehen."--"Das will ich gleich morgenden Tages tun",
sprach Johann, "und ich will mit in die Schule gehen, wo die Diener
und Dienerinnen unterwiesen werden.  Denn ich will mit denen lernen,
die auf der Erde geboren sind; ihr möchtet mir zu fein sein, und ich
käme nicht mit, und der hinterste zu sein wäre unlustig."

Und gleich den andern Morgen ließ Johann sich von dem Diener in die
Schule führen, und es gefiel ihm da so gut, daß er nachher nie einen
Tag versäumt hat.  Das ist nämlich sehr löblich von den
Unterirdischen, daß die Kinder, welche zu ihnen herabkommen, immer
sehr gut unterwiesen werden, so daß sehr kluge und geschickte Leute
aus den Bergen gekommen sind, Männer und Frauen, die ihre
Wissenschaft bei den Unterirdischen gelernt haben.  Hier waren
Meister in allerlei Künsten.  Die Kinder lernten schreiben, lesen,
rechnen, zeichnen, malen, Geschichten und Märchen aufschreiben und
erzählen und wurden zugleich in mancherlei feiner und künstlicher
Arbeit unterwiesen.  Die Größeren und Fähigeren erhielten auch
Unterricht von der Natur und von den Gestirnen und wurden auch in der
Dichtkunst und Rätselkunst geübt, welche beiden Künste die
Unterirdischen über alles lieben, und womit sie sich bei der Tafel
und bei Festen untereinander viel reizen und ergötzen.  Der kleine
Johann war sehr fleißig und ward bald einer der geschicktesten
Zeichner und Maler; auch arbeitete er sehr fein in Silber und Gold
und Stein, ja er konnte aus Stein zuletzt so feine Früchte und Blumen
wirken, daß man glauben sollte, der liebe Gott, der doch alles auf
das schönste und künstlichste geschaffen hat, könne es kaum besser
machen; er machte auch hübsche Reimlein, und im Rätselkampf war er so
gewandt, daß er fast allen antworten konnte und ihm mancher die
Antwort schuldig blieb.

Manches liebe Jahr hatte Johann hier verlebt, ohne daß er an seine
schöne Erde gedacht hätte und an diejenigen, welche er dort oben
zurückgelassen hatte; so angenehm verfloß ihm die Zeit, und es währte
nicht lange, daß er die Schule viel lieber hatte als den Tanzsaal und
alle seine anderen Freuden.  Auch hatte er hier unter den Kindern
manchen lieben Gespielen und Gespielin gefunden.  Nur war das
betrüblich, daß diese gewisse Stunden immer dienen mußten und dann
nicht mit ihm sein durften, obgleich sie keineswegs hart gehalten
wurden und einen sehr leichten und meistens nur spielenden Dienst
hatten, denn schwere und schmutzige und mühevolle Arbeit gab es hier
unten gar nicht.

Unter allen seinen Gesellen und Gesellinnen hatte Johann niemand
lieber als ein kleines, blondes Mädchen, welches Lisbeth Krabbin hieß.
Diese war mit ihm aus demselben Dorfe; es war die Tochter des
Pfarrers Friedrich Krabbe in Rambin.  Sie war als ein vierjähriges
Kind weggekommen, und Johann erinnerte sich wohl, wie sie ihm von ihr
erzählt hatten.  Sie war aber nicht gestohlen von den Unterirdischen,
sondern einen Sommertag mit den andern Kindern ins Feld gelaufen.
Sie waren zu den Neun Bergen gegangen; da war die kleine Lisbeth
eingeschlafen und von den andern vergessen und des Nachts, als sie
erwachte, unter die Unterirdischen und mit ihnen unter die Erde
gekommen.  Johann aber hatte sie nicht bloß deswegen so lieb, weil
sie mit ihm aus einem Dorfe war, sondern Lisbeth war von Natur ein
ausnehmend freundliches und liebes Kind mit hellblauen Äuglein und
blonden Löckchen und dem allerenglischesten Lächeln, und als sie groß
ward, war sie ausbündig schön.

Mit diesem niedlichen Kinde hatte Johann hier seine Kinderjahre recht
lustig verspielt und gar nicht mehr daran gedacht, daß da oben über
den Bergen auch noch Leute wohnten.  So war er achtzehn Jahre alt
geworden und Lisbeth sechzehn.  Und was bis jetzt ein unschuldiges
Kinderspiel gewesen war, ward nun eine süße Liebe.  Sie konnten nicht
mehr voneinander lassen und nannten sich Braut und Bräutigam und
waren lieber allein als unter den andern Gespielen.  Die
Unterirdischen sahen das aber sehr gern, denn die hatten den Johann
alle sehr lieb und hätten ihn gern auch als ihren Diener gehabt--denn
Herrschsucht ist ihr Laster bei manchen Tugenden.  Und sie dachten:
"Durch diese hübsche Dienerin werden wir ihn fangen, und er wird sich
um ihretwillen zuletzt wohl gefallen lassen, bei Tische aufzuwarten
und Äpfel und Trauben von den Bäumen zu lesen und Blumen zu streuen
und das Estrich zu kehren."  Sie irrten sich aber sehr.  Der kleine
Diener, dem er die Mütze genommen und den die Langeweile oft bei ihm
geplagt, hatte ihm zuviel erzählt: daß er hier nur das Befehlen habe
und daß sie alles tun müßten, was er wolle; denn wer Meister von
einem Unterirdischen geworden, sei dadurch auch soweit Meister aller
übrigen, daß sie ihm alles zu Gefallen tun müssen, was in ihrer Macht
stehe.

Johann ging nun viel spazieren mit seiner süßen, kleinen Braut und
ließ den Diener oft zu Hause, denn jetzt waren dort keine Wege und
Stege mehr, die er nicht kannte.  Und sie spazierten viel in der
Dämmerung und oft bis in die sinkende Nacht hinein, ohne daß sie es
merkten, wo ihnen die Zeit blieb; denn die Liebe ist eine Zeitdiebin,
die ihresgleichen nicht hat.  Der Johann war bei diesen Spaziergängen
immer fröhlich und munter; aber die Lisbeth war oft stumm und traurig
und erinnerte ihn oft des Landes da droben, wo die Menschen wohnen
und Sonne, Mond und Sterne scheinen.  Weil er das aber immer wegschob
durch andere Gespräche, so verstummte sie wieder und seufzte still in
sich, vergaß es endlich auch wohl wieder durch das Glück, daß sie an
seinen Armen wandeln durfte.  Nun begab es sich einmal, daß sie bei
einem Spaziergange über ihrer Liebe und dem lustigen Gekose und
Geflüster derselben ganz der Zeit vergessen hatten und Gott weiß wie
weit geschlendert waren.  Es war schon nach Mitternacht, und sie
waren zufällig unter die Stelle gekommen, wo die Spitze des gläsernen
Berges sich aufzutun und wo die Unterirdischen heraus und herein zu
schlüpfen pflegten.  Als sie nun da wandelten, hörten sie mit einem
Male mehrere irdische Hähne laut krähen.  Bei diesem süßen Klange,
den sie nun in zwölf Jahren nicht gehört hatte, ward der kleinen
Lisbeth gar wundersam um das Herz; sie konnte sich nicht länger
halten, sie umfaßte ihren Johann, als wollte sie ihn totdrücken, und
netzte ihm mit heißen Tränen die Wangen.  So hing sie lange sprachlos
an seiner Brust; dann küßte sie ihn wieder und bat ihn, daß er ihnen
den unterirdischen Kerker doch aufschließen sollte.  Sie sprach
ungefähr also zu ihm:

"Lieber Johann, es ist hier unten wohl schön, und die kleinen Leute
sind auch freundlich und tun einem nichts zuleide, aber geheimelt hat
es mir hier nie, sondern ist doch immer schauerlich zumute gewesen,
und eigentlich froh bin ich hier erst geworden, seit ich dich so lieb
habe, und doch nicht recht froh, denn es ist hier doch kein rechtes
Leben, wie es für Menschen sein soll.  Ich habe hier doch keine Ruhe
Tag und Nacht, und ich will es dir nun sagen, was ich immer
verschwiegen habe: alle Nacht träumt mir von meinem lieben Vater und
von meiner Mutter und von unserm Kirchhofe, wo die Leute so andächtig
an den Kirchtüren stehen und auf den Vater warten; und mir ist es
dann so sehnsüchtig im Herzen, daß ich Blut weinen möchte, weil ich
nicht mit ihnen in die Kirche gehen und beten und Gott loben und
preisen kann, wie Menschen sollen.  Denn ein christliches Leben ist
hier unten einmal nicht, sondern nur so ein buntes, künstliches in
der Mitte, wobei einem doch nicht ganz wohl wird, weil es wohl halb
heidnisch ist.  Und, lieber Johann, auch das mußt du bedenken, wir
können hier ja nie Mann und Frau werden, denn es ist hier ja kein
Priester, der uns vertrauen kann; und so müssen wir immerfort
Brautleute bleiben und können alt und grau darüber werden.  Darum
denke darüber und mache Anstalt, daß wir von hier kommen; mich
verlangt unbeschreiblich, wieder bei meinem Vater und unter frommen
Christen zu sein."

Auch für Johann hatten die Hähne ganz wunderbar gekrähet, und er
empfand etwas, was er hier unten noch nie empfunden hatte, nämlich
eine tiefe Sehnsucht nach dem schönen Sonnenlande, und er antwortete
seiner Braut:

"Liebe, süße Lisbeth, du ermahnest mich ganz recht!  Ich empfinde nun
auch, daß es Sünde ist für Christen, hier zu bleiben, und mir ist im
Herzen fast, als hätte der Herr Christus uns mit diesem Hahnenkrei
als mit seiner Liebesstimme gerufen: Kommt herauf, ihr Christenkinder,
aus der Bezauberung und aus den Wohnungen der Verblendung!  Kommt
herauf an das Sternenlicht und wandelt wie die Kinder des Lichts!  Ja,
Lisbeth, mir ist zum erstenmal recht weh um das Herz geworden, und
ich sehe wohl, daß es ein großer Fürwitz und eine schreckliche Sünde
war, daß ich so mit den Unterirdischen hinabgefahren bin.  Das mag
Gott meinen jungen Jahren vergeben, weil ich ein Kind war und nicht
wußte, was ich tat.  Und nun will ich auch keinen Tag länger warten,
sondern geschwinde Anstalt machen, daß ich fortkomme.  Mich dürfen
sie hier nicht halten."

Und er war sehr bewegt in seiner Seele und führte sein liebes Kind
eilends von dannen.  So trieb ihn der Vorsatz fort, der schon in ihm
lebendig war.  Er hatte aber nicht bemerkt, daß Lisbeth bei seinen
letzten Worten totenblaß geworden war, und wie schwer sie ihr aufs
Herz gefallen waren; denn sie hatte vorher nicht bedacht, daß sie
Dienerin war und ihre fünfzig Jahre aushalten mußte, und daß sie mit
ihm nicht fort konnte.  Und der Schmerz ward so gewaltig in ihr, daß
sie endlich laut weinen und schluchzen mußte und er sie nun fragte,
was ihr sei; er wolle ja gern mit ihr fortziehen, ja durch die ganze
Welt mit ihr, wohin sie wolle.  Da antwortete sie ihm: "Ach!  Du bist
hier der Herr und kannst es; aber ich bin die Dienerin und muß nach
dem strengen Gesetze, das hier gilt, aushalten, bis die fünfzig Jahre
um sind.  Und was soll ich dann auf der Erde tun, wenn Vater und
Mutter lange tot und die Gespielen alt und grau sind?  Und du bist
dann auch grau und alt; was kann es mir da helfen, daß ich hier jung
bleibe und nicht älter werden kann als zwanzig Jahre?  Ach, ich arme
Lisbeth!"

Sie sprach diese Worte so kläglich aus, daß sie einen Stein hätten
rühren können.  Und in Johanns Ohren tönten sie wie Donnerschläge,
und er ward auch sehr traurig.  Denn das fühlte er wohl, ohne sie
konnte er von hier nicht gehen--und er konnte doch in seiner Seele
nirgends einen Ausweg finden.  Sie schieden also, als sie
heimgekommen waren, sehr traurig voneinander.  Johann aber drückte
Lisbeths Hand an sein Herz und küßte sie viel tausendmal und sagte
ihr: "Nein, liebe Lisbeth, ohne dich geh ich nimmer von hier, das
glaube mir!"  Und Lisbeth ward sehr getröstet durch diese Worte.

Johann wälzte sich die ganze Nacht auf seinen Kissen hin und her und
konnte kein Auge zutun, denn die Gedanken ließen ihm keine Ruhe,
sondern flogen, wie aufgescheuchte Vögel, hinter welchen der Falke
ist, immer rundum in seiner Seele.  Endlich, als der Morgen schon
grauete, fuhr er geschwind aus dem Bette und sprang hoch auf vor
Freuden und jauchzete in seiner Stube hin und her und schrie überlaut:
"Nun hab' ich's!  Nun hab' ich's!  Diener!  Diener!  Du hast mir
zuviel erzählt."  Und er klingelte, und der Diener kam, und er befahl:
"Diener, geschwind!  Geschwind!  Bringe mir Lisbeth!"  Und in einigen
Augenblicken war der Diener da und führte die schöne Lisbeth an der
Hand.  Und er hieß den Diener hinausgehen und küßte seine Lisbeth und
sprach zu ihr: "Liebe Lisbeth, nun freue dich mit mir!  Ich hab' es
gefunden!  Ich hab' es gefunden!  Wir werden nun beide bald wieder zu
Christen kommen, und sie können uns hier nicht festhalten.  Verlaß
dich nur drauf, ich kann es machen.  Und nun gehe, mein Herzchen, und
sei froh."  Und er küßte sein liebes Kind, rief darauf dem Diener und
hieß ihn die Lisbeth wieder heimführen und auf dem Rückwege die sechs
Vornehmsten zu ihm rufen.  Der Diener aber verwunderte sich über
diese Sendung, und die sechs wunderten sich noch mehr, als er ihnen
die Mutung Johanns brachte, und munkelten und flüsterten
untereinander, gingen aber mit ihm.

Und als die sechse in Johanns Zimmer traten, empfing er sie sehr
freundlich, denn es waren ja die, mit welchen er alle Tage zu Tische
zu sitzen pflegte, und sprach also zu ihnen:

"Liebe Herren und Freunde, euch ist wohl bewußt, auf welche Weise ich
hierher gekommen bin, nicht als ein Gefangener und Überlisteter oder
Diener, sondern als ein Herr und Meister über einen von euch und
dadurch über alle; nur daß dieser eine immer mein leiblicher und
stündlicher, ja sekundlicher Diener sein muß.  Ihr habt mich die zehn
Jahre, welche ich bei euch lebe, wie einen Herrn empfangen und
gehalten, und dafür bin ich euch Dank schuldig.  Ihr seid mir aber
noch größern Dank schuldig, denn ich hätte euch mit allerlei Befehlen
und Einfällen manche Mühe und Arbeit, Neckerei und Plage antun, ja
ich hätte ein recht tückischer und unfreundlicher Tyrann gegen euch
sein können, und ihr hättet es alles in Gehorsam leiden und tun
müssen und nicht mucksen dürfen.  Ich habe das aber nicht getan,
sondern mich wie euresgleichen aufgeführt und mehr mit euch gejubelt
und gespielt, als daß ich unter euch geherrscht hätte.  Nun bitte ich
euch, seid wieder freundlich gegen mich, wie ich gegen euch gewesen
bin, und gewähret mir eine Bitte.  Es ist hier unter den Dienerinnen
eine feine Dirne, die ich lieb habe, Lisbeth Krabbin aus Rambin, wo
auch ich geboren bin.  Diese gebt mir und lasset sie mit mir ziehen!
Denn ich will nun wieder hinauf, wo die Sonne scheint und der Pflug
ins Feld geht.  Weiter begehre ich nichts, als dieses schöne Kind und
den Geschmuck und das Gerät meines Zimmers mitzunehmen."

So sprach er mit sehr lebendigem und kräftigem Ton, daß sie den Ernst
wohl fühlten.  Sie aber schlugen die verlegenen und bedenklichen
Blicke zu Boden und schwiegen alle; darauf nahm der älteste unter
ihnen das leise Wort und lispelte: "Herr, du begehrst, was wir nicht
geben können; es tut uns leid, daß du Unmögliches verlangest.  Es ist
ein unverbrüchliches Gesetz, daß nie ein Diener oder eine Dienerin
entlassen werden kann von hier vor der bestimmten Zeit.  Brächen wir
das Gesetz, so würde unser ganzes unterirdisches Reich einen Fall tun.
Sonst alles, denn du bist uns sehr lieb und ehrenwert; aber die
Lisbeth können wir dir nicht herausgeben."  "Ihr könnt die Lisbeth
herausgeben, und ihr sollt sie herausgeben!"  rief Johann im Zorn.
"Nun geht und bedenkt euch bis morgen!  Ich wißt meinen Befehl; es
ist keine Bitte mehr.  Morgen kommt zu dieser Stunde wieder.  Ich
will euch zeigen, ob ich über eure schmeichlischen und füchsischen
Listen herrschen kann."

Die sechs verneigten sich und gingen; den begleitenden Diener aber
schalten sie, daß er zuviel erzählt habe.  Er aber entschuldigte sich
und verneinte es und sagte: "Ich wißt ja, wie klug er mich überlistet
hat mit der Mütze und wie er von den Geheimnissen unserer Herrschaft
alles gewußt hat durch den alten Kuhhirten aus Rothenkirchen; er hat
ihm dies auch erzählt."  Und sie glaubten ihm und schalten ihn nicht
mehr.

Als die sechse den andern Morgen zur befohlenen Stunde wiederkamen,
empfing Johann sie doch freundlich und sprach: "Ich habe euch gestern
hart angeredet; aber ich habe es nicht so schlimm gemeint, als ich
ausgesehen habe.  Aber die Lisbeth will und muß ich haben; dabei
bleibt es!  Und ich weiß wohl, daß ihr auch mich nicht gern misset,
weil ihr die Menschenkinder gern habet, besonders wenn sie freundlich
und lustig sind, wie ich bin.  Aber ich kann's nun einmal nicht
helfen, ich muß wieder zu Christen und wie ein Christ leben und
sterben, und es ist eine große Sünde, wenn ich hier länger säume.
Und deswegen verlasse ich euch, und nicht aus Widerwillen oder Haß.
Und meine liebe Lisbeth will ich auch mitnehmen; dabei bleibt es!
Und nun gebärdet euch nicht länger widerwärtig und widerspenstig und
tut wie Freunde dem Freunde, was ihr sonst aus Not tun müsset und
gebet mir die schöne Dirne heraus und lasset uns freundlich
voneinander scheiden und hier und dort ein freundliches Andenken in
den Herzen bewahren!"

Und die sechs taten sehr freundlich und redeten nun einer nach dem
andern und machten sehr schöne Wendungen und Schlingungen der Worte,
womit sie ihn zu bestricken hofften, denn darin sind sie sehr
geschickt.  Auch hatten sie sich heute vorbereitet, daß sie wußten,
was sie sprechen wollten.  Aber es half ihnen nichts, und ihre Worte
verflogen sich in den Winden und berührten Johann nicht stärker, als
hätten sie Spreu aus dem Munde geblasen.  Und das Ende vom Liede war
wieder, nachdem er alle die schönen und künstlichen Worte angehört
hatte: "Gebt die Lisbeth heraus!  Ich gehe nicht ohne die Lisbeth."
Denn Johann war zu sterblich verliebt, als daß er die schöne Dirne
hier gelassen hätte.  Die sechs aber verweigerten es standhaft und
gebärdeten sich, als hätten sie recht und würden es nimmer tun.
Johann aber sagte ihnen lächelnd: "Geht nun!  Fahrt wohl bis morgen!
Morgen seid ihr wieder zu dieser Stunde hier!  Ich gebe euch nun das
dritte und letzte Mal.  Wollt ihr meinen Befehl dann nicht in Güte
erfüllen, sollt ihr sehen, ob ich verstehe, Herr zu sein."  Er hatte
aber, da er sie so hartnäckig sah, in sich beschlossen, sie durch
Plagen zum Gehorsam zu zwingen, falls sie nicht unterdessen auf
bessere Gedanken kämen.

Und sie kamen den dritten Morgen, und Johann sah sie mit ernstem und
strengem Blick an und erwiderte ihre Verbeugungen nicht, sondern
fragte kurz: "Ja oder nein?"  Und sie antworteten einstimmig nein.
Darauf befahl er dem Diener, er solle noch vierundvierzig der
Vornehmsten rufen und solle ihre Frauen und Töchter mitkommen heißen
und auch die Frauen und Töchter von diesen sechsen, die vor ihm
standen.  Und der Diener fuhr dahin wie der Wind, und in wenigen
Minuten standen die vierundvierzig da mit ihren Frauen und Töchtern
und auch die Frauen und Töchter der sechse, und waren in allem wohl
fünfhundert Männer, Frauen und Kinder da.  Und Johann ließ sie
hingehen und Hauen, Karsten und Stangen holen und dann flugs
wiederkommen.  Und sie taten, wie er befohlen hatte, und waren bald
wieder da.  Er aber gedachte sie nun zu plagen, damit sie aus Not
täten, was sie aus Liebe nicht tun wollten.

Er führte sie auf einen Felsenberg, der auf einem der Anger lag.  Da
mußten diese feinen und zarten Wesen, die für schwere Arbeit nicht
geschaffen waren, Steine hauen, sprengen und schleppen.  Sie taten
das ganz geduldig und ließen sich nichts merken, sondern gebärdeten
sich, als sei es ihnen ein leichtes und gewohntes Spiel.  Er aber
ließ sie sich plagen vom Morgen bis an den Abend, und sie mußten
schwitzen und arbeiten, daß ihnen der Atem fast ausging, denn er
stand immer dabei und trieb sie an.  Sie aber hofften, er werde die
Geduld verlieren, und der Jammer werde ihn überwinden, daß er sie und
ihre Frauen und Kinder so bleich und welk werden sah, die sonst so
schön und lustig waren.  Und wirklich war Johann zu keinem König
Pharao und Nebukadnezar geboren, denn nachdem er es einige Wochen so
getrieben hatte, ging ihm die Geduld aus, und der Jammer, daß er die
schönen kleinen Menschen so mißhandeln mußte, tat auch sein Teil dazu.
Sie aber wurden nicht mürb, denn es ist ein gar eigensinniges
Völkchen.  Sie brauchten aber immer die List, daß die schönsten unter
ihnen immer zunächst bei Johann arbeiten mußten; besonders stellten
sie die niedlichen, kleinen Dirnen dahin, die sonst seine
Tischgesellinnen waren, und die mußten auf seine Mienen und Gebärden
achtgeben und hatten bald bemerkt, daß er sich oft verstohlen
wegwendete und eine Träne aus den Augen wischte.  Johann dachte nun
darauf, wie er eine Plage erfände, die ihn geschwinder zum Ziele
führte.

Und er machte sich hart und gebärdete sich noch viel härter und rief
sie einen Abend zusammen und sprach: "Ich sehe, ihr seid ein
hartnäckiges Geschlecht; so will ich denn viel hartnäckiger sein,
denn ihr seid.  Morgen, wann ihr zur Arbeit kommt, bringe sich jeder
eine neue Geißel mit!"  Und sie gehorchten ihm und brachten die
Geißeln mit.  Und er hieß sie sich alle entkleiden und einander mit
den Geißeln zerhauen, bis das Blut danach floß; und er sah grimmig
und grausam dabei aus, als hätte ihn eine Tigerin gesäugt oder ein
schwarzer Galgenvogel das Futter zugetragen.  Aber die kleinen Leute
zerhieben sich und bluteten und hohnlachten dabei und taten ihm doch
nicht den Willen.  So taten sie drei, vier Tage.

Da konnte er es nicht länger aushalten; es jammerte und ekelte ihn,
und er hieß sie ablassen und schickte sie nach Hause.  Und er dachte
auf viele andere Plagen und Martern, die er ihnen antun könnte.  Da
er aber von Natur weich und mitleidig war und diese Wochen wirklich
mehr ausgestanden hatte, daß er sie plagen mußte, als sie, die
geplagt wurden, so gab er den Gedanken daran ganz auf; für sich und
für seine Lisbeth wußte er aber auch gar keinen Rat und ward so
traurig, daß sie ihn oft trösten und aufrichten mußte, der sonst
immer so fröhlich und beherzt war.  So lieb er die kleinen Leute
sonst gehabt hatte, so unlieb wurden sie ihm jetzt.  Er schied sich
ganz aus ihrer Gesellschaft und von ihren Festen und Tänzen und lebte
einsam mit seiner Dirne und aß und trank einsam in seinem Zimmer, so
daß er fast ein Einsiedler ward und ganz in Trübsinn und Schwermut
versank.

Als er einmal in dieser Stimmung in der Dämmerung spazierte, warf er
im Unmut, wie man zu tun pflegt, kleine Steine, die ihm vor den Füßen
lagen, gegeneinander, daß sie zersprängen.  Vielleicht erquickte es
seinen schweren Mut auch, daß er die Steine sich so aneinander
zerschlagen sah, denn wenn ein Mensch in sich uneins und zerrissen
ist, möchte er im Unmut oft die ganze Welt zerschlagen.  Genug,
Johann, der nichts Besseres tun mochte, zerwarf die armen Steine, und
da geschah es, daß aus einem ziemlich großen Stein, der
auseinandersprang, ein Vogel schlüpfte, der ihn erlösen sollte.  Es
war dies eine Kröte, deren Haus in dem Stein mit ihr gewachsen war,
und die vielleicht seit der Schöpfung der Welt darin gesessen hatte.
Kaum sah Johann die Kröte springen, so ward er ganz freudenfroh und
sprang hinter sie drein und haschte sie und rief ein Mal über das
andere: "Nun, hab' ich sie!  Nun hab' ich meine Lisbeth!  Nun will
ich euch schon kirr machen, nun sollt ihr's kriegen, ihr tückischen
kleinen Gesellen!  Habt ihr euch mit Ruten nicht wollen zum Gehorsam
geißeln lassen, so will ich euch mit Kröten und Skorpionen geißeln."
Und er barg die Kröte wie einen kostbaren Schatz in seiner Tasche und
lief eilends nach Hause und nahm ein festes, silbernes Gefäß und
setzte sie darein, damit sie ihm nicht entrinnen könnte.  Und in
seiner Freude sprach er überlaut für sich viele Worte und gebärdete
sich so wunderlich, als sei er närrisch geworden, und sprang dann ins
Freie hinaus.  "Komm mit, mein Vöglein", rief er, "nun will ich dich
versuchen, ob du echt bist!"  Und er nahm das Gefäß mit der Kröte
unter den Arm und lief hin, wo ein paar Unterirdische in der
Einsamkeit des Weges gingen.  Und als er ihnen näher kam, stürzten
sie wie tot auf den Boden hin und winselten und heulten jämmerlich.
Er aber ließ flugs von ihnen und rief: "Lisbeth, Lisbeth, nun hab'
ich dich!  Nun bist du mein!"  Und so stürmte er zu Hause, schellte
den Diener herein und ließ ihn Lisbeth holen.

Und als Lisbeth kam, war sie ganz erstaunt, daß sie ihn so munter
fand, denn seit einem halben Jahre hatte sie ihn nicht mehr froh
gesehen.  Und er lief auf sie zu und umhalsete sie und sprach:
"Lisbeth!  Süße Lisbeth!  Nun bist du mein, nun nehme ich dich mit;
übermorgen soll der Auszug sein, und juchhe, wie bald die lustige
Hochzeit!"  Sie aber erstaunte noch mehr und sagte: "Lieber Johann, du
bist geck geworden?  Wie soll das möglich sein?"  Er aber lächelte und
sprach: "Ich bin nicht geck geworden, aber die kleinen Schlingel will
ich geck machen, wenn sie sich nicht zum Ziele legen wollen.  Sieh
hier!  Hier ist dein und mein Erlöser."  Und er nahm das silberne
Geschirr und öffnete es und zeigte ihr die Kröte, vor deren
Garstigkeit es ihr fast geschwunden hätte.  Nun erzählte er ihr, wie
er zu dem seltenen Vogel gekommen war, und wie herrlich ihm die Probe
geglückt war, die er mit ihm an den Unterirdischen angestellt hatte,
und wohlgefällig rief er noch einmal: "Sei froh, meine liebe Lisbeth!
Du sollst es sehen, wie ich sie mit dieser zu Paaren treiben will."

Nun muß ich auch das Geheimnis erzählen, das in der Kröte steckte.
Klas Starkwolt hatte dem kleinen Johann oft erzählt, daß die
Unterirdischen keinen Gestank vertragen könnten, und daß sie bei dem
Anblick, ja bei dem Geruch von Kröten sogleich in Ohnmacht fielen und
die entsetzlichsten Schmerzen litten; mit Gestank und mit diesen
garstigen und scheußlichen Tieren könne man sie zu allem zwingen.
Daher findet man auch nie etwas Stinkendes in dem ganzen gläsernen
Reiche, und die Kröten sind dort etwas Unerhörtes, und man muß daher
diese Kröte, die so wunderbar in einem Stein eingehäuft und fast
ebenso wunderbar aus diesem ihrem steinernen Hause herausgekommen war,
fast ansehen als von Gott von Ewigkeit her zu solcher geheimen
Wohnung verdammt, damit Johann und Lisbeth zusammen aus dem Berge
kommen und Mann und Frau werden könnten.

Johann und Lisbeth glaubten auch gern an ein solches Wunder,
besonders Lisbeth, die Gottes liebes, frommes Kind war.  Und als
Johann ihr alles erzählt und erklärt hatte, was er ferner tun und wie
er die Kleinen endlich zu seinem Willen zwingen wollte, da fiel sie
ganz entzückt und gerührt auf ihr Gesichtchen zur Erde und betete und
dankete Gott, daß er sie endlich von den kleinen Heiden erlösen und
wieder zu Christenmenschen bringen wolle.  Und sie ging ganz fröhlich
heim und faltete ihre Händchen im Bette noch viel zum Gebete und
hatte die Nacht die allersüßesten Träume.  Johann legte sich auch
nicht traurig nieder, und er überdachte und überlegte sich alles, wie
er die Kleinen erschrecken und endlich mit seiner geliebten Braut aus
dem Berge ziehen wollte.

Und den folgenden Morgen, als es getagt hatte, rief er seinen Diener
und hieß ihn die fünfzig Vornehmsten holen mit ihren Frauen und
Töchtern.  Und sie erschienen alsbald vor Johann, und er sprach zu
ihnen:

"Ihr wisset alle, und ist euch nicht verborgen, wie ich hierher
gekommen bin, und wie ich diese manchen Jahre mit euch gelebt habe,
nicht als ein Herr und Gebieter, sondern als ein Freund und Genosse.
Und ich habe es wohl gewußt, wie ich hätte Herr sein und meiner
Herrschaft gegen euch gebrauchen können; und das habe ich nicht getan,
sondern nur einen einzigen von euch hab' ich als Diener gebraucht,
und auch nicht als Diener, sondern mehr als Freund.  Und ihr schienet
mit mir zufrieden zu sein und mich lieb zu haben; als es aber dahin
gekommen ist, daß ich endlich eine einzige kleine Freundlichkeit von
euch begehren mußte, habt ihr euch gebärdet, als forderte ich Leben
und Reich von euch, und mir sie trotzig abgeschlagen.  Ihr wisset
auch, was ich da ergriffen habe, und wie ich angefangen habe, euch
mit Arbeit und Streichen zu plagen, damit ihr einsähet, daß ihr
unrecht hättet, und mir die Liebe tätet.  Aber ihr seid trotziger und
hartnäckiger gewesen, als ich strenge, und aus Barmherzigkeit habe
ich ablassen müssen von der Strafe.  Ihr habt das aber nicht erkannt,
sondern habt mich ausgelacht als einen Dummen, der keinen Rat wisse,
euch zum Gehorsam zu zwingen.  Ich aber weiß wohl Rat und will es
euch bald zeigen, wenn ihr in eurer Verstocktheit bleibet und mir die
Lisbeth nicht losgeben wollt.  Darum zum letzten Male, besinnet euch
noch eine Minute, und sagt ihr dann nein, so sollt ihr die Pein
fühlen, die euch und euren Kindern von allen Peinen die
fürchterlichste ist!"

Und sie säumten nicht lange und sagten mit einer Stimme nein und
dachten bei sich: "Welche neue List hat der Jüngling erdacht, womit
er so weise Männer einzuschrecken meint?"  Und sie lächelten, als sie
nein sagten.  Dies Lächeln ärgerte Johann mehr als alles andere und
voll Zorns rief er: "Nun denn, da ihr nicht hören wollt, sollt ihr
fühlen", und lief geschwind wie ein Blitz einige hundert Schritt weg,
wo er das Gefäß mit der Kröte unter einem Strauch versteckt hatte.

Und er kam zurück, und als er sich ihnen auf hundert Meter genahet
hatte, stürzten sie alle hin, als wären sie mit einem Schlage
zugleich vom Donner gerührt, und begannen zu heulen und zu winseln
und sich zu krümmen, als ob sie von den entsetzlichsten Schmerzen
gefoltert würden.  Und sie streckten die Hände aus und schrien einer
um den andern: "Laß ab, Herr!  Laß ab, und sei barmherzig!  Wir
fühlen, daß du eine Kröte hast, und daß kein Entrinnen ist.  Nimm die
greulichen Plagen weg; wir wollen ja alles tun, was du befiehlst."
Und er ließ sie noch einige Sekunden zappeln; dann entfernte er das
Gefäß mit der Kröte, und sie richteten sich wieder auf, und ihre Züge
erheiterten sich wieder, denn die Pein war weg, wie das Tier
weggenommen war.

Johann behielt nur die sechs Vornehmsten bei sich und ließ die Weiber
und Kinder und die übrigen Männer alle gehen, wohin jeder wollte.  Zu
den sechsen aber sprach er seinen Willen also aus:

"Diese Nacht zwischen zwölf und ein Uhr ziehe ich mit der Lisbeth von
dannen, und ihr beladet mir drei Wagen mit Silber und Gold und edlen
Steinen.  Wiewohl ich alles nehmen könnte, was ihr in den Bergen habt,
da ihr so widerspenstig und ungehorsam gegen mich gewesen seid, will
ich euch doch so hart nicht strafen, sondern barmherziger gegen euch
sein, als ihr gegen mich und die Lisbeth gewesen seid.  Auch alle
meine Herrlichkeiten und Kostbarkeiten und Bilder und Bücher und
Geräte, die in meinem Zimmer sind, werden auf zwei Wagen geladen,
also daß in allem fünf Frachtwagen bereit gemacht werden.  Mir selbst
aber rüstet ihr den schönsten Reisewagen, den ihr in euren Bergen
habt, mit sechs schwarzen Rappen, worauf ich und meine Braut sitzen
und zu den Unsrigen einfahren wollen.  Zugleich befehle ich euch, daß
von den Dienern und Dienerinnen alle diejenigen freigelassen werden,
welche solange hier gewesen sind, daß sie droben zwanzig Jahre und
drüber alt sein würden; und ihr sollt ihnen soviel Silber und Gold
mitgeben, daß sie auf der Erde reiche Leute heißen können.  Und das
soll künftig ein ewiges Gesetz sein, und ihr sollt mir es hier diesen
Augenblick beschwören, daß nimmer ein Menschenkind hier länger
festgehalten werden soll als bis zu seinem zwanzigsten Jahre."

Und die sechse leisteten ihm den Schwur und gingen dann traurig weg;
er aber nahm jetzt die Kröte und vergrub sie tief in die Erde.  Und
sie und die übrigen Unterirdischen rüsteten alles zu, und auch Johann
und Lisbeth bereiteten sich zur Reise und schmückten sich festlich
gegen die Nacht, damit sie als Braut und Bräutigam erscheinen könnten.
Es war aber jetzt beinahe dieselbe Zeit, in welcher er einst in den
Berg hinabgestiegen war, die Zeit der längsten Tage, also
Mittsommerszeit, die sie die Sonnengicht nennen.  Und er war etwas
über zwölf Jahre in dem Berge gewesen und Lisbeth etwas über dreizehn,
und er ging in sein einundzwanzigstes Jahr und Lisbeth in ihr
achtzehntes.  Die kleinen Leute taten mit großem Gehorsam, aber sehr
still alles, wie er ihnen befohlen hatte; desto lauter aber war die
Schar der Diener und Dienerinnen, welche sein neues Gesetz über das
zwanzigste Jahr mit erlöset hatte.  Diese jubelten um ihn und um
seine Lisbeth her und freueten sich sehr, daß sie mit ihnen auf die
Oberwelt ziehen durften.

Und als alle Kostbarkeiten herausgeschafft und die erlöseten Diener
und Dienerinnen hinaufgefahren waren, setzten Johann und seine
Lisbeth sich zuletzt in die silberne Tonne und ließen sich
hinaufziehen.  Es mochte wohl eine Stunde nach Mitternacht sein.  Und
es deuchte ihnen ebenso als vormals, wie sie hinabgefahren waren.
Sie waren von Jubel umrauscht und von Musik umtönt, und endlich klang
es über ihren Köpfen, und sie sahen den gläsernen Berg sich öffnen,
und die ersten Himmelsstrahlen blinkten zu ihnen hinab nach so
manchen Jahren, und bald waren sie draußen und sahen das Morgenrot
schon im Osten dämmern.  Johann sah eine Menge Unterirdischer, die um
ihn und Lisbeth und die Wagen geschäftig waren, dort hin und her
wallen, und er sagte ihnen das letzte Lebewohl; dann nahm er seine
braune Mütze, schwang sie dreimal in der Luft um und warf sie unter
sie.  Und in demselben Augenblick sah er nichts mehr von ihnen,
sondern erblickte nun nichts weiter als einen grünen Hügel und
bekannte Büsche und Felder und hörte die Glocke vom Rambiner
Kirchturme eben zwei schlagen.  Und als es still geworden war und er
von dem unterirdischen und überirdischen Getummel nichts weiter hörte
als einige Lerchen, die ihre ersten Morgenlieder anstimmten, da fiel
er mit seiner Lisbeth im Grase auf die Knie, und sie beteten beide
recht andächtig und gelobten Gott ein recht christliches Leben, weil
er sie so wunderbar von den Unterirdischen errettet hatte.  Und alle
Diener und Dienerinnen, welche durch sie miterlöset waren, taten
desgleichen.

Darauf erhuben sie sich alle, und die Sonne ging eben auf, und Johann
ordnete nun den Zug seiner Wagen.  Voran fuhren zwei Wagen, jeder mit
vier Rotfüchsen bespannt, die waren mit eitel Gold und Dukaten
beladen, so schwer, daß die Pferde von der Last stöhneten; diesen
folgte ein anderer Wagen mit sechs schneeweißen Pferden, welche alles
Silber und Kristall zogen; hinter diesem fuhren zwei letzte Wagen,
jeder mit vier Grauschimmeln bespannt, und diese waren mit den
herrlichsten Geräten und Gefäßen und Edelgesteinen und mit der
Bibliothek Johanns beladen.  Er mit seiner Braut fuhr zuletzt in
einem offenen Wagen aus lauter grünem Smaragd, dessen Decke und
Vorderseite mit vielen großen Diamanten besetzt waren, und sechs
mutige, wiehernde Rappen zogen ihn.  Er war aber nebst seiner Braut
auf das kostbarste geschmückt, damit sie den Ihrigen auch durch den
Schmuck und die Pracht als ein rechtes Wunder Gottes kämen.  Denn
beide waren von ihnen lange als tot betrauert und wer hätte wohl
gedacht, daß sie jemals wiederkommen würden?  Die erlösten Diener und
Dienerinnen in gläsernen Schuhen und weißen Kleidern und Jäckchen mit
silbernen Gürteln gingen vor und hinter und neben den Wagen und
geleiteten sie; einige führten auch die Pferde.  Denn sie wollten sie
alle bis Rambin begleiten und von da jeder seines Weges weiter ziehen.
Es waren ihrer in allem zwischen fünfzig und sechzig.  Und sie
jauchzeten vor Freuden, und einige, welche Geigen und Pfeifen und
Trompeten mit hatten, spielten lustig auf.  So zogen sie mit Jauchzen
und Klingen die Hügel hinab auf die Straße, welche von Rambin nach
Garz führt.  Es war aber dem Johann und der Lisbeth gar wundersam
zumute, als sie den Turm von Rambin wiedersahen und die Sturmweiden
von Drammendorf und Giesendorf aus der Ferne, wo sie als Kinder
soviel gespielt hatten.  Als sie vor Rothenkirchen hinzogen, kam eben
die Kuhherde über den Berg, und Klas Starkwolt mit seinem treuen
Hurtig zog ihr langsamen Schrittes nach.  Johann sah ihn und erkannte
ihn stracks und dachte bei sich: "Den treuen Alten wirst du nicht
vergessen."  Und so zog er mit seiner Begleitung weiter, und alle
Leute, die auf der Straße waren, hielten oder standen still, und
viele liefen ihnen nach, ja einige liefen voraus und meldeten in
Rambin, welche blanke und prächtige Wagen dort auf der Landstraße
führen, und brachten das ganze Dorf auf die Beine.  Der Zug ging aber
sehr langsam wegen der schwer beladenen Wagen.

So zogen sie etwa um vier Uhr morgens in Rambin ein und hielten still
mitten im Dorf, etwa zwanzig Schritt von dem Hause, wo Johann geboren
war.  Und es war alles Volk zusammengelaufen und aus den Häusern
gegangen, damit sie die glänzende Herrlichkeit mit eigenen Augen
sähen.  Johann entdeckte bald seinen alten Vater und seine Mutter und
erkannte unter den vielen auch seinen Bruder Andres und seine
Schwester Trine.  Auch der alte Pfarrer Krabbe stand da in schwarzen
Pantoffeln und einer weißen Schlafmütze, wie er eben aus dem Bette
gekommen war, und gaffte mit den andern; aber Lisbeth erkannt ihn
nicht mehr, denn sie war zu klein gewesen, als sie in den Berg
entführt worden.  So hielten sie etwa zehn Minuten still, ohne sich
etwas merken zu lassen.  Und man kann wohl sagen, daß in dem Dorfe
Rambin nie eine solche Herrlichkeit erschienen war und auch nicht
erscheinen wird bis an der Welt Ende.  Johann und seine Braut
funkelten von Diamanten und edlen Steinen; die Wagen, die Pferde, die
Geschirre waren auf das prächtigste geziert, die Begleiter und
Begleiterinnen alle in der Blüte der Jahre, mit den schönen, weißen
Kleidern angetan und den sonderbaren Mützen und gläsernen Schuhen.
Alles war wie aus einer andern Welt, so daß der Küster, seines
Handwerks ein Schuhmacher, der in seiner Jugendwanderschaft bis nach
Moskau und Konstantinopel gekommen war, sagte: "Sind es keine
tatarische und persische und asiatische Prinzen, so müssen sie vom
Mond heruntergekommen sein, denn in dem Lande Europa habe ich
dergleichen nie gesehen und bin doch auch in vielen Städten gewesen,
wo Kaiser und Könige wohnen!"  Der gute Küster irrte sich aber; sie
kamen weder aus Persien noch aus der Tatarei, sondern ganz aus der
Nähe, aber freilich aus einer sehr wenig entdeckten Welt.

Als Johann nun glaubte, es sei genug, und sie hätten ihre Augen bis
zur Sättigung geweidet, sprang er rasch vom Wagen und hob sein
schönes Kind auch heraus und drang durch die Menge hin, die ihm
ehrerbietig Platz machte.  Und ohne sich lange zu besinnen, eilte er
zu dem niedrigen, strohenen Häuschen, wo Jakob Dietrich mit seiner
Frau stand, und umhalsete sie beide und küssete sie, die sich vor ihm
zur Erde werfen und seine Knie küsse wollten.  Er aber wehrte ihnen
und sprach: "Mitnichten!  Das darf nicht sein!  Kennt ihr mich denn
nicht?  Ich bin euer verlornen Sohn Johann Dietrich, und diese hier
ist meine Braut."  Und die beiden Alten erstaunten und wußten nicht,
ob sie wachten oder träumten; alles Volk aber, das dies sah und hörte,
verwunderte sich und rief: "Johann Dietrich, der verlorne Johann
Dietrich ist von den Unterirdischen wiedergekommen, und seht, was er
mitgebracht hat!"

Johann Dietrich aber stand dort nicht lange müßig bei seinen Eltern,
sondern, als er den alten Pfarrer Krabbe in der weißen Schlafmütze
erblickte, lief er eilends hin und holte ihn fast mit Gewalt herbei;
denn der alte Mann wußte nicht, was der ungestüme Jüngling im Sinn
hatte.  Und er führte den alten, ehrwürdigen Herrn zu Lisbeth und
fragte ihn: "Kennst du diese?"  Ehe er aber noch antworten konnte, zog
er ihm Lisbeth in die Arme und sprach: "Dies ist deine verlorene
Tochter und meine Braut, die bringe ich dir wieder.  Und nun sollst
du uns segnen und christlich zusammensprechen, da wir auf eine so
wundersame Weise wieder zu den Unsern gekommen sind."  Und der alte
Mann war lange sprachlos und hing an der Brust seiner Lisbeth und
weinte vor Freude; denn sie war sein einziges Kind, und er hatte sie
lange als eine Tote beweint.  Und als er sich besonnen hatte von dem
ersten Erstaunen, nahm er die Hände seines Kindes und legte sie in
die Hände Johanns und hieß Jakob Dietrich und seine Frau auch
hinzutreten und sprach: "So segnet euch denn der Gott des Friedens
und der Barmherzigkeit, der euch so wunderbar zusammengebracht hat,
und lasse euch Kinder und Kindeskinder sehen und in seiner Furcht
wandeln bis ans Ende eures Lebens!  Siehe, ich preise ihn, daß er
mich diesen Tag hat sehen lassen."

Als dies vorbei und noch viel gefragt und erzählt war, und als die
Nachbarn und die Gespielen und Gespielinnen sich den Johann und die
Lisbeth wieder besehen und jeder auf seine Weise an seinen Zeichen
wieder erkannt hatten, da gingen die beiden zu den Eltern in die
Häuser.  Johann aber säumte nicht mit der Hauptlust, mit der Hochzeit,
die binnen acht Tagen sein sollte.  Und er schickte viele hundert
Wagen in den Wald, welche Bäume und Zweige in unendlicher Menge
herbeifuhren.  Und er ließ viele Zimmerleute und Schreiner und
Tapezierer kommen.  Und wo jetzt das Kloster steht, einige hundert
Schritt vor dem Dorfe, da ließ er einen hohen und weiten Laubsaal
bauen und von beiden Seiten Tische aufschlagen und in der Mitte eine
Tanzbühne, und der Saal war so groß, daß er wohl fünftausend Menschen
fassen konnte.  Zu gleicher Zeit schickte er nach Stralsund und
Greifswald und ließ ganze Böte von Wein, Zucker und Kaffee laden;
auch wurden ganze Herden Ochsen, Schweine und Schafe zur Hochzeit
hergetrieben, und wieviele Hirsche, Rehe und Hasen dazu geschossen
sind, das ist nicht zu sagen, sowenig als die Fische zu zählen sind,
die dazu bestellt wurden.  In ganz Rügen und Pommern ist auch kein
einziger Musikant geblieben, der nicht dazu verdungen wurde.  Denn
Johann war sehr reich und wollte seine Pracht sehen lassen.  Auch
hatte er das ganze Kirchspiel zur Hochzeit geladen und auch alle die
schönen, weißen Jünglinge und Jungfrauen dabehalten, die er erlöset
hatte, und die nun seinen Ehrentag mitfeiern wollten.

Dies war die Ordnung der Hochzeit: Als der Morgen angebrochen war,
gingen alle Gäste in die Kirche, und der alte Krabbe dankete Gott und
erzählte die wunderbare Erhaltung und Errettung und Verlobung der
Kinder; darauf segnete er sie ein und gab sie feierlich zusammen.
Nun gingen sie in zierlicher Reihe alle in den großen Laubsaal, so
daß Jakob Dietrich und seine Frau Lisbeth zwischen sich führten,
Johann aber zwischen Vater Krabbe und seinem alten Klas Starkwolt
ging.  Denn diesen hatte er sogleich kommen lassen und ihn reichlich
beschenkt, so daß er für seine übrigen Lebenstage geborgen war; auch
hatte er ihm die schönsten Hochzeitskleider anmessen lassen.  Und
Klas hatte ihm versprechen müssen, bei ihm zu bleiben und mit ihm zu
leben, so oft und viel er wollte; und das hat er redlich gehalten.
Nach diesen Ehrenpaaren folgten die feinen Weißen aus dem Berge Paar
um Paar, und darauf die ganze übrige Freundschaft, Nachbarschaft und
Kirchspielschaft, nach Stand und Würden und Alter, wie es sich
gebührte.  Und sie hielten eine Hochzeit, wie sie in Rambin nie
wieder gehalten worden, und wovon noch die Urenkel zu erzählen wissen.
Vierzehn ausschlagene Tage und Nächte ist geschmaust und getanzt
worden, und da hat man über vierzig Paare auf gläsernen Schuhen
tanzen sehen, was seitdem etwas Unerhörtes gewesen.  Und die Leute
haben sich über die Tänzerinnen gewundert, so anmutigen Tanz haben
sie gehalten; denn die Unterirdischen sind die ersten Tanzmeister in
der Welt, und da hatten sie ja tanzen gelernt.

Und als die Hochzeit vorbei war, da ist Johann herumgereist im Lande
mit seiner schönen Lisbeth, und sie haben sich viele Städte und
Dörfer und Güter gekauft, und er ist Herr von beinahe ganz Rügen
geworden und ein sehr vornehmer Graf im Lande.  Und auch der alte
Jakob, sein Vater, ist ein Edelmann geworden, und Johanns Brüder und
Schwestern haben Junker und Fräulein geheißen.  Denn was kann man
sich nicht alles für Silber und Gold schaffen?  Schier alles, nur
nicht die Seligkeit; sonst hätte der arme Mensch auf Erden auch gar
keinen Trost.  Johann aber hat in all seinem Reichtum nie vergessen,
auf welche wunderbare Weise Gott seine Jugend geführt hat, und ist
ein sehr frommer, christlicher Mann gewesen.  Und seine Frau Lisbeth
ist noch fast frommer gewesen als er.  Und beide haben Kirchen und
Armen viel Gutes getan, auch selbst viele Kirchen gebauet und sind
endlich, von allen, die sie kannten, gesegnet, seliglich im Herrn
verschieden.  Und diese Kirche, die jetzt in Rambin steht, hat der
Graf Johann Dietrich auch bauen lassen und hat sie sehr reich
beschenkt von seinem vielen Gelde.  Und sie ist zum ewigen Andenken
an seine Geburt da gebaut, wo Jakob Dietrichs Häuschen gestanden hat.
Und er hat viele kostbare Geräte dahin geschenkt, goldene Becher und
silberne Schalen von der allerkünstlichsten Arbeit, wie die
Unterirdischen sie in ihren Bergen machen, nebst seinen und der
Lisbeth gläsernen Schuhen, zum ewigen Andenken, was ihnen in der
Jugend geschehen war.  Diese sind aber weggekommen unter dem großen
König Karolus XII. von Schweden, als die Russen hier auf die Insel
kamen und schlimm hauseten.  Da haben die Kosaken auch die Kirche
geplündert und das alles mitgenommen.

So war der kleine Johann Dietrich aus einem armen Hirtenknaben ein
reicher und vornehmer Herr geworden, weil er das Herz gehabt hatte,
hinabzusteigen und sich die Schätze zu holen.  Aber viele sind schon
dadurch reich geworden, daß sie nur irgendein Pfand von den
Unterirdischen gewonnen haben.  Dadurch haben sie sie soweit in ihre
Macht gekommen, daß sie ihnen etwas haben schenken oder zuliebe tun
müssen.  Manchen schenken sie auch freiwillig etwas und lehren sie
schöne Künste und allerlei Geheimnisse; aber diesen, die ein Pfand
oder etwas Verlornes von ihnen haben, müssen sie aus Not dienstbar
und gefällig werden.




Das Silberglöckchen


Ein Schäferjunge zu Patzig, eine halbe Meile von Bergen, wo es in den
Hügeln auch viele Unterirdische hat, fand eines Morgens ein silbernes
Glöckchen auf der grünen Heide zwischen den Hünengräbern und steckte
es zu sich.  Es war aber das Glöckchen von einer Mütze eines kleinen
Braunen, der es da im Tanze verloren und nicht sogleich bemerkt hatte,
daß es an dem Mützchen nicht mehr klingelte.  Er war nun ohne das
Glöckchen heruntergekommen und war sehr traurig über diesen Verlust.
Denn das Schlimmste, was den Unterirdischen begegnen kann, ist, wenn
sie die Mütze verlieren, dann die Schuhe.  Aber auch das Glöckchen an
der Mütze und das Spänglein am Gürtel ist nichts Geringes.  Wer das
Glöckchen verloren hat, der kann nicht schlafen, bis er es
wiedergewinnt, und das ist doch etwas recht Betrübtes.  Der kleine
Unterirdische in dieser großen Not spähete und spürte umher; aber wie
sollte er erfahren, wer das Glöcklein hatte?  Denn nur wenige Tage im
Jahr dürfen sie an das Tageslicht hinaus, und dann durften sie auch
nicht in ihrer wahren Gestalt erscheinen.  Er hatte sich schon oft
verwandelt in allerlei Gestalten, in Vögel und Tiere, auch in
Menschen, und hatte von seinem Glöckchen gesungen und geklungen und
gestöhnt und gebrüllt und geklagt und gesprochen; aber keine kleinste
Kunde oder nur Spur von einer Kunde war ihm bis jetzt zugekommen.
Denn das war das Schlimmste, daß der Schäferjunge gerade den Tag,
nachdem er das Glöckchen gefunden, von Patzig weggezogen war und
jetzt zu Unrow bei Gingst die Schafe hütete.  Da begab es sich erst
nach manchem Tag durch ein Ungefähr, daß der arme kleine
Unterirdische wieder zu seinem Glöckchen und zu seiner Ruhe kommen
sollte.

Er war nämlich auf den Einfall gekommen, ob auch ein Rabe oder Dohle
oder Krähe oder Uglaster das Glöckchen gefunden und etwa bei seiner
diebischen Natur, die sich in das Blanke vergafft, in sein Nest
getragen habe.  Und er hatte sich in einen angenehmen, kleinen bunten
Vogel verwandelt und alle Nester auf der ganzen Insel durchflogen und
den Vögeln allerlei vorgesungen, ob sie ihm verraten möchten, daß sie
den Fund getan hätten, und er so wieder zu seinem Schlaf käme.  Aber
die Vögel hatten sich nichts merken lassen.  Als er nun des Abends
flog über das Wasser von Ralow her über das Unrower Feld hin, weidete
der Schäferjunge, welcher Fritz Schlagenteuffel hieß, dort eben seine
Schafe.  Mehrere der Schafe trugen Glocken um den Hals und klingelten,
wenn der Junge sie durch seinen Hund in den Trab brachte.  Das
Vögelein, das über sie hinflog, dachte an sein Glöcklein und sang in
seinem traurigen Mut:

Glöckelein, Glöckelein.
Böckelein, Böckelein,
Schäflein auch du,
Trägst du mein Klingeli,
Bist du das reichste Vieh,
Trägst meine Ruh.

Der Junge horchte nach oben auf diesen seltsamen Gesang, der aus den
Lüften klang, und sah den bunten Vogel, der ihm noch viel seltsamer
vorkam.  Er sprach bei sich: "Potztausend, wer den Vogel hätte!  Der
singt ja, wie unsereiner kaum sprechen kann.  Was mag er mit dem
wunderlichen Gesange meinen?  Am Ende ist es ein bunter Hexenmeister.
Meine Böcke haben nur tonbackene Glocken, und er nennt sie reiches
Vieh, aber ich habe ein silbernes Glöckchen, und von mir singt er
nichts!"  Und mit den Worten fing er an, in der Tasche zu fummeln,
holte sein Glöckchen heraus und ließ es klingen.  Der Vogel in der
Luft sah sogleich, was es war, und freute sich über die Maßen; er
verschwand aber in der Sekunde, flog hinter den nächsten Busch, setze
sich, zog sein buntes Federkleid aus und verwandelte sich in ein
altes Weib, das mit kümmerlichen Kleidern angetan war.  Die alte Frau,
mit einem ganzen Sack voll Seufzer und Ächzer versehen, stümperte
sich quer über das Feld zu dem Schäferbuben hin, der noch mit seinem
Glöcklein klingelte und sich wunderte, wo der schöne Vogel geblieben
war, räusperte sich und tat einige Huster aus hohler Brust und bot
ihm dann einen freundlichen guten Abend und fragte nach der Straße zu
der Stadt Bergen.  Dann tat sie, als ob sie das Glöcklein jetzt erst
erblickte, und rief: "Herre je, welch ein niedliches, kleines
Glöckchen!  Hab' ich doch in meinem Leben nichts Feineres gesehen!
Höre, mein Söhnchen, willst du die Glocke verkaufen?  Und was soll
sie kosten?  Ich habe ein kleines Enkelchen, für den wäre sie mir
eben ein bequemes Spielgerät."--"Nein, die Glocke wird nicht verkauft!"
antwortete der Schäferknabe kurz abgebissen; "das ist eine Glocke,
so eine Glocke gibt's in der Welt nicht mehr: wenn ich nur damit
anklingele, so laufen meine Schafe von selbst hin, wohin ich sie
haben will; und welchen lieblichen Ton hat sie!  Hört mal, Mutter",
(und er klingelte) "ist eine Langeweile in der Welt, die vor dieser
Glocke aushalten kann?  Dann kann ich mir die längste Zeit
wegklingeln, daß sie in einem Hui fort ist."  Das alte Weib dachte:
"Wollen sehen, ob er Blankes aushalten kann?"  und hielt ihm Silber
hin, wohl drei Taler; er sprach: "Ich verkaufe aber die Glocke nicht."
Sie hielt ihm fünf Dukaten hin; er sprach: "Das Glöckchen bleibt
mein."  Sie hielt ihm die Hand voll Dukaten hin; er sprach zum
drittenmal: "Gold ist Quark und gibt keinen Klang."  Da wandte die
Alte sich und lenkte das Gespräch anderswohin und lockte ihn mit
geheimen Künsten und Segenssprechungen, wodurch sein Vieh Gedeihen
bekommen könnte, und erzählte ihm allerlei Wunder davon.  Da ward er
lüstern und horchte auf.  Das Ende vom Liede war, daß sie ihm sagte:
"Höre, mein Kind, gib mir die Glocke; siehe, hier ist ein weißer
Stock" (und sie holte ein weißes Stäbchen hervor, worauf Adam und Eva
sehr künstlich geschnitten waren, wie sie die paradiesischen Herden
weideten, und wie die feistesten Böcke und Lämmer vor ihnen
hintanzten; auch der Schäferknabe David, wie er ausholt mit der
Schleuder gegen den Riesen Goliath), "diesen Stock will ich dir geben
für das Glöckchen, und solange du das Vieh mit diesem Stäbchen
treibst, wird es Gedeihen haben, und du wirst ein reicher Schäfer
werden; deine Hämmel werden immer vier Wochen früher fett werden als
die Hämmel aller andern Schäfer, und jedes deiner Schafe wird zwei
Pfund Wolle mehr tragen, ohne daß man ihnen den Segen ansehen kann."
Die alte Frau reichte ihm den Stock mit einer so geheimnisvollen
Gebärde und lächelte so leidig und zauberisch dazu, daß der Junge
gleich in ihrer Gewalt war.  Er griff gierig nach dem Stock und gab
ihr die Hand und sagte: "Topp, schlag ein!  Die Glocke ist dein für
den Stock."  Und sie schlug ein und nahm die Glocke und fuhr wie ein
leichter Wind über das Feld und die Heide hin.  Und er sah sie
verschwinden, und sie deuchte ihm wie ein Nebel hinzufließen und
sanft fortzulaufen, und alle seine Haare richteten sich zu Berge.

Der Unterirdische, der ihm die Glocke in der Verkleidung einer alten
Frau abgeschwatzt, hatte ihn nicht betrogen.  Denn die Unterirdischen
dürfen nicht lügen, sondern das Wort, das sie von sich geben oder
geloben, müssen sie halten; denn wenn sie lügen, werden sie stracks
in die garstigsten Tiere verwandelt, in Kröten, Schlangen, Mistkäfer,
Wölfe und Lüchse und Affen, und müssen wohl Jahrtausende in Abscheu
und Schmach herumkriechen und herumstreichen, ehe sie erlöst werden.
Darum haben sie ein Grauen davor.  Fritz Schlagenteuffel gab genau
acht und versuchte seinen neuen Schäferstab, und er fand bald, daß
das alte Weib ihm die Wahrheit gesagt hatte, denn seine Herde und all
sein Werk und seiner Hände Arbeit geriet ihm wohl und hatte ein
wunderbares Glück, so daß alle Schafherren und Oberschäfermeister
diesen Jungen begehrten.  Er blieb aber nicht lange Junge, sondern
schaffte sich, ehe er noch achtzehn Jahre alt war, seine eigene
Schäferei und ward in wenigen Jahren der reichste Schäfer auf ganz
Rügen, so daß er sich endlich ein Rittergut hat kaufen können: und
das ist Grabitz gewesen hier bei Rambin, was jetzt den Herren vom
Sunde gehört.  Da hat mein Vater ihn noch gekannt, wie aus dem
Schäferjungen ein Edelmann geworden war, und hat er sich auch da als
ein rechter, kluger und frommer Mann aufgeführt, der bei allen Leuten
ein gutes Lob hatte, und der hat seine Söhne wie Junker erziehen
lassen und seine Töchter wie Fräulein, und es leben noch davon und
dünken sich jetzt vornehme Leute.  Und wenn man solche Geschichten
hört, möchte man wünschen, daß man auch mal so etwas erlebte und ein
silbernes Glöcklein fände, das die Unterirdischen verloren haben.




Der gläserne Schuh


Ein Bauer aus Rothenkirchen, Johann Wilde genannt, fand einmal einen
gläsernen Schuh auf einem der Berge, wo die kleinen Leute zu tanzen
pflegen.  Er steckte ihn flugs ein und lief weg damit und hielt die
Hand fest auf der Tasche, als habe er eine Taube darin.  Denn er
wußte, daß er einen Schatz gefunden hatte, den die Unterirdischen
teuer wiederkaufen müßten.  Andere sagen, Johann Wilde habe die
Unterirdischen mitternächtlich belauert und einem von ihnen den Schuh
ausgezogen, indem er sich mit einer Branntweinflasche dort
hingestreckt und gleich einem Besoffenen gebärdet habe.  Denn er war
ein sehr listiger und schlimmer Mensch und hatte durch seine
Verschlagenheit manchen betrogen und war deswegen bei seinen Nachbarn
gar nicht gut angeschrieben, und keiner hatte gern mit ihm zu tun.
Viele sagen auch, er habe verbotene Künste gekonnt und mit den
Unholden und alten Wettermacherinnen geheimen Umgang gepflogen.  Als
er den Schuh nun hatte, tat er es denen, die unter der Erde wohnen,
gleich zu wissen, indem er um die Mitternacht zu den Neun Bergen ging
und lauten Halses schrie: "Johann Wilde in Rothenkirchen hat einen
schönen gläsernen Schuh, wer kauft ihn?  Wer kauft ihn?"  Denn er
wußte, daß der Kleine, der einen Schuh verliert, den Fuß solange bloß
tragen muß, bis er in wiederbekommt.  Und das ist keine Kleinigkeit,
da die kleinen Leute meist auf harten und steinichten Boden treten
müssen.  Der Kleine säumte auch nicht, ihn wieder einzulösen.  Denn
sobald er einen freien Tag hatte, wo er an das Tageslicht hinaus
durfte, klopfte er als ein zierlicher Kaufmann an Johann Wildens Türe
und fragte, ob er nicht gläserne Schuh zu verkaufen habe?  Denn die
seien jetzt eine angreifische Ware und werden auf allen Märkten
gesucht.  Der Bauer antwortete, er habe einen sehr kleinen, netten
gläsernen Schuh, so daß auch eines Zwerges Fuß davon geklemmt werden
müsse, und daß Gott erst eigene Leute dazu schaffen müsse; aber das
sei ein seltener Schuh und ein kostbarer Schuh und ein teurer Schuh,
und nicht jeder Kaufmann könne ihn bezahlen.  Der Kaufmann ließ ihn
sich zeigen und sprach:

"Es ist eben nichts so Seltenes mit den gläsernen Schuhen, lieber
Freund, als Ihr hier in Rothenkirchen glaubt, weil Ihr nicht in die
Welt hinauskommet"; dann sagte er nach einigen Hms: "Aber ich will
ihn doch gut bezahlen, weil ich gerade einen Gespann dazu habe."  Und
er bot dem Bauern tausend Taler.  "Tausend Taler ist Geld, pflegte
mein Vater zu sagen, wenn er fette Ochsen zu Markt trieb", sprach der
Bauer spöttisch; "aber für den lumpigen Preis kommt er nicht aus
meiner Hand, und mag er meinethalben auf dem Fuße von der Docke
meiner Tochter prangen.  Hör' Er, Freund, ich habe von dem gläsernen
Schuh so ein Liedchen singen hören, und um einen Quark kommt er nicht
aus meiner Hand.  Kann Er nicht die Kunst, mein lieber Mann, daß ich
in jeder Furche, die ich auspflüge, einen Dukaten finde, so bleibt
der Schuh mein, und Er fragt auf anderen Märkten nach gläsernen
Schuhen."  Der Kaufmann machte noch viele Versuche und Wendungen hin
und her; da er aber sah, daß der Bauer nicht nachließ, tat er ihm den
Willen und schwur's ihm zu.  Der Bauer glaubte ihm's und gab ihm den
gläsernen Schuh; denn er wußte, mit wem er's zu tun hatte.  Und der
Kaufmann ging mit seinem Schuh weg.

Und nun hat der Bauer sich flugs in seinen Stall gemacht und Pferde
und Pflug bereitet und ist ins Feld gezogen und hat sich ein Stück
mit der allerkürzesten Wendung ausgesucht, und wie der Pflug die
erste Scholle gebrochen, ist der Dukaten aus der Erde gesprungen, und
so hat er's bei jeder neuen Furche wieder gemacht.  Da ist des
Pflügens denn kein Ende gewesen, und der Bauer hat sich bald noch
acht neue Pferde gekauft und auf den Stall gestellt zu den achten,
die er schon hatte, und ihre Krippen sind nie leer geworden von Hafer,
damit er je alle zwei Stunden zwei frische Pferde anschirren und
desto rascher treiben könnte.  Und der Bauer ist unersättlich gewesen
im Pflügen und ist immer vor Sonnenaufgang ausgezogen und hat oft
noch nach der Mitternacht gepflügt, und immerfort, immerfort, solange
die Erde nicht zu Stein gefroren war, Sommer und Winter.  Er hat aber
immer allein gepflügt und nicht gelitten, daß jemand mit ihm gegangen
oder zu ihm gekommen ist; denn er wollte nicht sehen lassen, warum er
so pflügte.  Und er ist weit geplagter gewesen als seine Pferde,
welche den schönen Hafer fraßen und ordentlich Schicht und Wechsel
hielten; und er ist bleich und mager geworden von dem vielen Wachen
und Arbeiten.  Seine Frau und Kinder haben keine Freude mehr an ihm
gehabt; auf die Schenken und Gelage ist er nicht mehr gegangen und
hat sich allen Leuten entzogen und kaum ein Wort mehr gesprochen,
sondern ist stumm und in sich gekehrt so für sich hingegangen und hat
des Tages auf seine Dukaten gearbeitet, und des Nachts hat er sie
zählen und darauf grübeln müssen, wie er noch einen geschwinderen
Pflug erfände.  Und seine Frau und die Nachbarn haben ihn bejammert
wegen seines wunderlichen Tuns und wegen seiner Stummheit und
Schwermut und haben geglaubt, er sei närrisch geworden; auch haben
alle Leute seine Frau und Kinder bedauert, denn sie meinten, durch
die vielen Pferde, die er auf dem Stalle hielt, und durch die
verkehrte Ackerwirtschaft mit dem überflüssigen Pflügen müsse er sich
um Haus und Hof bringen.  So ist es aber nicht ausgefallen.  Aber das
ist wahr, der arme Bauer hat keine vergnügte Stunde mehr gehabt, seit
er so die Dukaten aus der Erde pflügte, und es hat wohl mit Recht von
ihm geheißen: Wer sich dem Golde ergibt, ist schon halb in des Bösen
Klauen.  Auch hat er es nicht lange ausgehalten mit diesem Laufen in
den Furchen bei Tage und Nacht.  Denn als der zweite Frühling kam,
ist er eines Tages hinterm Pflug hingefallen wie eine matte
Novemberfliege und vor lauter Golddurst vertrocknet und verwelkt, da
er doch ein sehr starker und lustiger Mensch war, ehe er den
unterirdischen Schuh in seine Gewalt bekam.  Seine Frau aber fand
nach ihm einen Schatz, zwei große vernagelte Kisten voll heller,
blanker Dukaten.  Und seine Söhne haben sich große Güter gekauft und
sind Herren und Edelleute geworden.  So macht der Teufel zuweilen
auch große Herren.  Aber was hat das dem armen Johann Wilde gefrommt?




Der Alte von Granitz


Nicht weit von der Aalbeck liegt ein kleiner Hof namens Granitz unter
der großen waldigen Uferforst, welche auch die Granitz genannt wird.
Auf diesem Höfchen lebte vor nicht langen Jahren ein Herr von Scheele.
Dieser war in seinen späteren Tagen in Trübsinn gesunken und sah
fast keinen Menschen mehr, da er früher ein sehr munterer und
geselliger Mann und ein gewaltiger Jäger gewesen war.  Diese
Einsamkeit des alten Mannes, sagen die Leute, kam daher, daß ihm drei
schöne Töchter, die man die drei schönen Blonden hieß, und die hier
in des Waldes Einsamkeit unter Herden und Vögeln aufgewachsen waren,
mit einem Male alle drei in einer Nacht davongegangen waren und nie
wiedergekommen sind.  Das hatte der alte Mann sich zu Gemüt gezogen
und sich von der Welt und ihren lustigen Freuden abgewendet.  Er
hatte vielen Umgang mit den kleinen Schwarzen und war auch mancher
Nacht außer dem Hause, und kein Mensch wußte, wo er gewesen war; wenn
er aber um die Morgendämmerung heimkam, flüsterte er seiner
Haushälterin zu: "Pst!  Pst!  Ich habe heint an hoher Tafel
geschmaust."  Dieser alte Herr von Scheele pflegte seinen Freunden zu
erzählen und bekräftigte es wohl mit einem tüchtigen husarischen und
weidmännischen Fluche, in den Granitzer Tannen um die Aalbeck und an
dem ganzen Ufer wimmele es von Unterirdischen.  Auch hat er Leute,
die er dort herum spazieren führte, oft eine Menge kleiner Spuren
gezeigt, wie von den allerkleinsten Kindern, die da im Sande von
ihren Füßchen einen Abdruck hinterlassen hätten, und ihnen plötzlich
zugerufen: "Horch!  Wie es da wieder wispert und flüstert!"  Ein ander
Mal, als er mit guten Freunden längs dem Meeresstrand gegangen, ist
er wie in Bewunderung plötzlich still gestanden, hat auf das Meer
gezeigt und gerufen: "Da sind sie meiner Seele wieder in voller
Arbeit, und viele Tausende sind um ein paar versunkene Stückfässer
Wein beschäftigt, die sie ans Ufer wälzen.  Was wird das die Nacht
ein lustiges Gelag werden!"  Dann hat er ihnen erzählt, er könne sie
sehen bei Tage und bei Nacht, und ihm tun sie nichts, ja sie seien
seine besonderen Freunde, und einer habe sein Haus einmal von
Feuersgefahr errettet, da er ihn nach Mitternacht aus tiefem Schlafe
aufweckte und ihm einen Feuerbrand zeigte, der vom Herde gefallen und
schon anderes Holz und Stroh, das auf der Flur lag, anzünden wollte.
Man sehe beinahe alle Tage einige von ihnen am Ufer; bei hohen
Stürmen aber, wo das Meer sehr tobe, seien sie fast alle da und
lauern auf Bernstein und Schiffbrüche, und gewiß vergehe kein Schiff,
von welchem sie nicht den besten Teil der Ladung bergen und unter der
Erde in Sicherheit bringen.  Und wie herrlich da unter den Sandbergen
bei ihnen zu wohnen sei, und welche kristallene Paläste sie haben,
davon habe auch kein Mensch eine Vorstellung, der nicht da gewesen
sei.

Dieser alte Mann galt sonst für einen guten und freundlichen Mann,
und kein Mensch hat ihm nachgesagt, daß er etwas tue, was einen Bund
mit bösen Geistern verrate.  Aber der Umgang mit den kleinen
Schwarzen ist nicht immer so unschuldig.  Davon gibt es auch eine
Geschichte.



Der Falscheid


Bei dem Kirchdorfe Lancken unweit der Granitz wohnte ein Bauer namens
Matthes Pagels, ein sinniger, fleißiger Mann, der sehr einsam und
still lebte, und den die Leute für sehr reich hielten.  Einige
munkelten auch, er sei ein Hexenmeister.  Aber mancher wird für einen
Hexenmeister gehalten, der sein Geld durch die natürlichste Hexerei
erwirbt, daß er fleißig ist und gut aufpaßt.  Dieser Pagels war aber
kein guter Mensch.  Er bekam Streit mit einem seiner Nachbarn, weil
dieser ihn beschuldigte, er pflüge ihm an einer Seite den Acker ab.
Und der Bauer Pagels tat das wirklich; er fluchte und schwur aber,
das ganze Ackerstück gehöre ihm in seiner ganzen Breite, soweit er
gepflügt hatte, und noch zehn Schritte weiter bis zu der hohen Buche,
die oben an dem Rain stand; und das wollte er durch Eid und Schriften
beweisen.  Und er hat es bewiesen durch Eid und Urkunden und ein
Papier vorgebracht, wodurch der Acker sein geworden ist.  Die Leute
sagen aber, zwei von den kleinen Schwarzen, die ihm auch das Geld in
das Haus getragen, haben das falsche Papier geschmiedet und in der
großen höllischen Staatskanzlei des Teufels geschrieben und besiegelt.
Matthes Pagels aber hat schon bei seinem Leben die Strafe dafür
gehabt, daß er weder Kraft noch Ruhe hatte vor seinen kleinen
Geistern: jede Nacht um zwölf Uhr mußte er mit aller Gewalt aus dem
Bette und auf dem Ackerstück rundwandeln und auf die hohe Buche
klettern und dort zwei volle Glockenstunden aushalten und frieren.
Noch sieht man ihn zuweilen da als einen kleinen Mann im grauen Rocke
mit einer weißen Schlafmütze auf dem Kopfe; gewöhnlich sitzt er aber
wie eine schneeweiße Eule auf dem Baume, sobald die Mitternacht
vorbei ist, und schreit ganz jämmerlich.  Und kein Mensch kommt dem
Baume gern zu nahe, und kein Pferd ist da auf dem Wege
vorbeizubringen, sondern sie schnauben und blasen und bäumen sich und
gehen auch mit dem besten Reiter durch und querfeldein.  Als meine
selige Mutter, die in Lancken geboren war, noch ein Kind war, sangen
die Leute noch vom Matthes Pagels und seiner Buche:

Pagels mit de witte Mütz,
Wo koold un hoch is din Sitz!
Up de hoge Bök
Un up de kruse Eek
Un achter'm hollen Tuun;
Worüm kannst du nich ruhn?

Darüm kann ick nich rasten:
Dat Papier liggt im Kasten,
Un mine arme Seel
Brennt in de lichte Höll.




Rattenkönig Birlibi


Ich will die Geschichte erzählen von dem Rattenkönig Birlibi, eine
Geschichte, die mir Balzer Tievs aus Preseke oft erzählt hat nebst
vielen andern Geschichten.  Balzer war ein Knecht, der auf meines
Vaters Hofe diente, als ich acht, neun Jahre alt war, ein Mensch von
schalkischen Einfällen, der viele Geschichten und Märchen wußte.  Die
Geschichte von dem Rattenkönig Birlibi lautet also:

In dem stralsundischen Dorfe Altenkamp, welches zwischen Garz und
Putbus seitwärts am Strande liegt, hat vormals ein reicher Bauer
gelebt, der hieß Hans Burwitz.  Das war ein ordentlicher, kluger Mann,
dem alles, was er angriff, geriet, und der im ganzen Dorfe die beste
Wehr hatte.  Er hatte sechzehn Kühe, vierzig Schafe, acht Pferde und
zwei Füllen auf dem Stalle und in den Koppeln, glatt wie die Aale und
von so guter Zucht, daß seine Füllen auf dem Berger Pferdemarkt immer
zu acht bis zehn Pistolen das Stück bezahlt wurden.  Dazu hatte er
sechs hübsche Kinder, Söhne und Töchter, und es ging ihm so wohl, daß
die Leute ihn wohl den reichen Bauer zu Altenkamp zu nennen pflegten.
Dieser Mann ist durch nächtliche Gänge im Walde um all sein Vermögen
gekommen.

Hans Burwitz war auch ein starker Jäger, besonders hatte er eine
treffliche Witterung auf Füchse und Marder und war deswegen oft des
Nachts im Walde, wo er seine Eisen gelegt hatte und auf den Fang
lauerte.  Da hat er im Dunkeln und im Zwielichte der Dämmerung und
des Mondscheins manche Dinge gesehen und gehört, die er nicht
wiedererzählen mochte, wie denn im Walde des Nachts viel Wunderliches
und Absonderliches vorgeht; aber die Geschichte von dem Rattenkönig
Birlibi hat man von ihm erfahren.  Hans Burwitz hatte in seiner
Kindheit oft von einem Rattenkönig erzählen hören, der eine goldene
Krone auf dem Kopfe trage und über alle Wiesel, Hamster, Ratten,
Mäuse und anderes dergleichen Springinsfeldisches und leichtes
Gesindel herrsche und ein gewaltiger Waldkönig sei; aber er hatte nie
daran glauben wollen.  Manches liebe Jahr war er auch im Walde auf
Fuchs- und Marderfang und Vogelstellerei rundgegangen und hatte vom
Rattenkönig auch nicht das mindeste weder gesehen noch gehört.  Da
mochte der Rattenkönig aber wohl in einer anderen Gegend sein Wesen
getrieben haben.  Denn er hat viele Schlösser in allen Ländern unter
den Bergen und zieht beinahe jedes Jahr auf ein anderes Schloß, wo er
sich mit seinen Hofherren und Hofdamen erlustigt.  Denn er lebt wie
ein sehr vornehmer Herr, und der Großmogul und König von Frankreich
kann keine bessere Tage haben, und die Königin von Antiochien hat sie
nicht gehabt, die ihr Vermögen in Herzen von Paradiesvögeln und
Gehirnen von Nachtigallen aufgefressen hat.  Und das glaube nur nicht,
daß dieser Rattenkönig und seine Freunde Nüsse und Weizenkörner und
Milch je an ihren Schnabel bringen; nein, Zucker und Marzipan ist ihr
tägliches Essen, und süßer Wein ist ihr Getränk, und leben besser als
König Salomon und Feldhauptmann Holofernes.

Nun ging Hans Burwitz wieder einmal nach Mitternacht in den Wald und
war auf der Fuchslauer.  Da hörte er aus der Ferne ein vielstimmiges
und kreischendes Getöse, und immer klang mit heller Stimme heraus:
Birlibi!  Birlibi!  Birlibi!  Da erinnerte er sich des Märchens vom
Rattenkönig Birlibi, das er oft gehört hatte, und er dachte: "Willst
mal hingehen und zusehen, was es ist!"  Denn er war ein beherzter Mann,
der auch in der stockfinstersten Nacht keine Furcht kannte.  Und er
war schon auf dem Sprunge zu gehen, da bedachte er das Sprichwort:
"Bleib weg, wo du nichts zu tun hast, so behältst du deine Nase";
aber das Birlibi tönte ihm nach, solange er im Walde war.  Und die
andere Nacht und die dritte Nacht war es wieder ebenso.  Er aber ließ
sich nichts anfechten und sprach: "Laß den Teufel und sein Gesindel
ihr tolles Wesen treiben, wie sie wollen!  Sie können dem nichts tun,
der sich nicht mit ihnen abgibt."  Wollte Gott, Hans hätte es immer so
gehalten!  Aber die vierte Nacht hat es ihn übermächtigt, und er ist
wirklich in die bösen Stricke geraten.

Es ist der Walpurgisabend gewesen, und seine Frau hat ihn gebeten, er
möge diese Nacht nur nicht in den Wald gehen, denn es sei nicht
geheuer, und alle Hexenmeister und Wettermacherinnen seien auf den
Beinen, die können ihm was antun; denn in dieser Nacht, die das ganze
höllische Heer loslasse, sei schon mancher Christenmensch zu Schaden
gekommen.  Aber er hat sie ausgelacht und hat es eine weibische
Furcht genannt und ist seines gewöhnlichen Weges in den Wald gegangen,
als die andern zu Bett waren.  Da ist ihm aber der König Birlibi zu
mächtig geworden.  Anfangs war es diese Nacht im Walde eben wie die
vorigen Nächte, es tosete und lärmte von fern, und das Birlibi klang
hell darunter; und was über seinem Kopfe durch die Wipfel der Bäume
schwirrte und pfiff und rauschte, das kümmerte Burwitz nicht viel,
denn an Hexerei glaubte er gar nicht und sagte, es seien nur
Nachtgeister, wovor dem Menschen graue, weil er sie nicht kenne, und
allerlei Blendwerke und Gaukeleien der Finsternis, die dem nichts tun
können, der keinen Glauben daran habe.  Aber als es nun Mitternacht
ward und die Glocke zwölf geschlagen hatte, da kam ein ganz anderes
Birlibi aus dem Walde hervor, daß Hansen die Haare auf dem Kopfe
kribbelten und sauseten und er davonlaufen wollte.  Aber die waren
ihm zu geschwind, und er war bald mitten unter dem Haufen und konnte
nicht mehr heraus.

Denn als es zwölf geschlagen hatte, tönte der ganze Wald mit einem
Male wie von Trommeln und Pauken und Pfeifen und Trompeten, und es
war so hell darin, als ob er plötzlich von vielen tausend Lampen und
Kerzen erleuchtet worden wäre.  Es war aber diese Nacht das große
Hauptfest des Rattenkönigs, und alle seine Untertanen und Leute und
Mannen und Vasallen waren zur Feier desselben aufgeboten.  Und es
schienen alle Bäume zu sausen und alle Büsche zu pfeifen und alle
Felsen und Steine zu springen und zu tanzen, so daß Hansen
entsetzlich bange ward; aber als er weglaufen wollte, verrannten ihm
so viele Tiere den Weg, daß er nicht durchkommen konnte und sich
ergeben mußte, stehenzubleiben, wo er war.  Es waren da die Füchse
und die Marder und die Iltisse und Wiesel und Siebenschläfer und
Murmeltiere und Hamster und Ratten und Mäuse in so zahlloser Menge,
daß es schien, sie waren aus der ganzen Welt zu diesem Feste
zusammengetrommelt.  Sie liefen und sprangen und hüpften und tanzten
durcheinander, als ob sie toll waren; sie standen aber alle auf den
Hinterfüßen, und mit den Vorderfüßen trugen sie grüne Zweige aus
Maien und jubelten und toseten und heulten und kreischten und pfiffen
jeder auf seine Weise.  Kurz, es war das ganze leichte Diebsgesindel
der Nacht beisammen und machten gar ein scheußliches Geläute und
Gebimmel und Getümmel durcheinander.  In den Lüften ging es ebenso
wild als auf der Erde; da flogen die Eulen und Krähen und Käuze und
Uhus und Fledermäuse und Mistkäfer bunt durcheinander und
verkündigten mit ihren gellenden und kreischenden Kehlen und mit
ihren summenden und schwirrenden Flügeln die Freude des hohen Tages.

Als Hans erschrocken und erstaunt sich mitten in dem Gewimmel und
Geschwirr und Getöse befand und nicht wußte, wo aus noch ein, siehe,
da leuchtete es mit einem Male heller auf, und nun sangen viele
tausend Stimmen zugleich, daß es in fürchterlich grauslicher
Feierlichkeit durch den Walde schallte und Hansen das Herz im Leibe
bebte:

Macht auf! Macht auf! Macht auf die Pforten!
Und wallet her von allen Orten!
Geladen seid ihr allzugleich;
Der König ziehet durch sein Reich.

Ich bin der große Rattenkönig.
Komm her zu mir, hast du zu wenig!
Von Gold und Silber ist mein Haus,
Das Geld mess' ich mit Scheffeln aus.

So klang es im feierlichen und langsamen Gesange fort, und dann
schallten immer wieder einzelne kreischende und gellende Stimmen mit
widerlichem Laute darunter Birlibi!  Birlibi!  Und die ganze Menge
rief Birlibi! nach, daß es durch den Wald schallte.  Und es war der
Rattenkönig, welcher einhergezogen kam.  Er war ungeheuer groß wie
ein Mastochs und saß auf einem goldenen Wagen und hatte eine goldene
Krone auf dem Haupte und hielt ein goldenes Zepter in der Hand, und
neben ihm saß seine Königin und hatte auch eine goldene Krone auf und
war so fett, daß sie glänzte; und sie hatten ihre langen kahlen
Schwänze hinter sich zusammengeschlungen und spielten damit, denn
ihnen war sehr wohlig zumute.  Und diese Schwänze waren das
Allerscheußlichste, was man da sah; aber der König und die Königin
waren auch scheußlich genug.  Und der Wagen, worin sie saßen, ward
von sechs magern Wölfen gezogen, die mit den Zähnen fletschten, und
zwei lange Kater standen als Heiducken hinten auf und hielten
brennende Fackeln und miauten entsetzlich.  Dem Rattenkönig und der
Rattenkönigin war aber vor ihnen nicht bange; sie schienen hier zu
gewaltige Herren und Könige über alle zu sein.  Es gingen auch zwölf
geschwinde Trommelschläger dem Wagen voran und trommelten.  Das waren
Hasen; die müssen die Trommel schlagen und andern Mut machen, weil
sie selbst keinen haben.

Hansen war schon bange genug gewesen; jetzt aber, als er den
Rattenkönig und die Rattenkönigin und die Wölfe und Kater und Hasen
so miteinander sah, da schauderte ihm die Haut auf dem ganzen Leibe,
und sein sonst so tapferes Herz wollte fast verzagen, und er sprach
bei sich: "Hier mag der Henker länger bleiben, wo alles so wider die
Natur geht!  Ich habe auch wohl von Wundern gelesen und gehört; aber
sie gingen doch immer etwas natürlich zu.  Daß dies aber buntes
Teufelsspiel ist und teuflisches Pack, sieht man wohl.  Wer nur
heraus wäre!"

Und Hans machte noch einen Versuch, sich heraus zu drängen; aber der
Zug brauste immer frisch fort durch den Wald, und Hans mußte mit.  So
ging es, bis sie an eine äußerste Ecke des Waldes kamen.  Da war ein
offenes Feld und hielten viele hundert Wagen, die mit Speck und
Fleisch und Korn und Nüssen und anderen Eßwaren beladen waren.  Einen
jeden Wagen fuhr ein Bauer mit seinen Pferden, und die Bauern trugen
die Säcke Korn und das Speck und die Schinken und Mettwürste und was
sie sonst geladen, hinab in den Wald, und als sie Hans Burwitz stehen
sahen, riefen sie ihm zu: "Komm!  Hilf auch tragen!"  Und Hans ging
hin und lud mit ab und trug mit ihnen; er war aber so verwirrt, daß
er nicht wußte, was er tat.  Es deuchte ihm aber in dem Zwielichte,
als sehe er unter den Bauern bekannte Gesichter, und unter andern den
Schulzen aus Krakvitz und den Schmied aus Casnevitz; er ließ sich
aber nichts merken, und jene taten auch wie unbekannte Leute.  Mit
den Bauern aber hatte es die Bewandnis: sie hatten sich dem
Rattenkönig und seinem Anhange zum Dienst ergeben und mußten ihnen in
der Walpurgisnacht, wo des Rattenkönigs großes Fest steht, immer den
Raub zu dem Walde fahren, den Rattenkönigs Untertanen einzeln aus
allen Orten der Welt zusammengemaust und zusammengestohlen hatten.
Und Hans kam nun auch ganz unschuldig dazu und wußte nicht wie.
Sowie die Säcke und das andere in den Wald getragen wurden, war das
wilde Diebsgesindel darüber her, und es ging Grips!  Graps! und Rips!
Raps! hast du mir nicht gesehen, und jeder griff zu und schleppte
sein Teil fort, so daß ihrer immer weniger wurden.  Der König aber
hielt noch da in seinem hohen und prächtigen Wagen, und es tanzeten
und toseten und lärmten noch einige um ihn.  Als aber alle Wagen
abgeladen waren, da kamen wohl hundert große Ratten und gossen Gold
aus Scheffeln auf das Feld und auf den Weg und sangen dazu:

Hände her! Mützen her!
Wer will mehr? Wer will mehr?
Lustig! Lustig! Heut geht's toll,
Lustig! Händ' und Mützen voll!

Und die Bauern fielen wie die hungrigen Raben über das ausgeschüttete
Gold her und griffelten und graffelten und drängten und stießen sich,
und jeder raffte so viel auf von dem roten Raube, als er habhaft
werden konnte, und Hans war auch nicht faul und griff rüstig mit zu.
Und als sie in bester Arbeit waren wie Tauben, worunter man Erbsen
geworfen, siehe, da krähete der Morgenhahn, wo das heidnische und
höllische Reich auf der Erde keine Macht mehr hat--und in einem hui
war alles verschwunden, als wäre es nur ein Traum gewesen, und Hans
stand ganz allein da am Walde.  Und der Morgen brach an, und er ging
mit schwerem Herzen nach Hause.  Er hatte aber auch schwere Taschen
und schönes rotes Gold darin; das schüttete er nicht aus.  Seine Frau
war ganz ängstlich geworden, daß er so spät zu Hause kam, und sie
erschrak, als sie ihn so bleich und verstört sah, und fragte ihn
allerlei.  Er aber fertigte sie nach seiner Gewohnheit mit Scherz ab
und sagte ihr nicht ein Sterbenswörtchen von dem, was er gesehen und
gehört hatte.

Hans zählte sein Gold (es war ein hübsches Häuflein Dukaten), legte
es in den Kasten und ging die ersten Monate nach diesem Abenteuer
nicht in den Wald.  Er hatte ein heimliches Grauen davor.  Dann
vergaß er, wie es dem Menschen geht, die Walpurgisnacht und ihr
schauerliches und greuliches Getümmel allmählich und ging nach wie
vor im Mond- und Sternenschein auf seinen Fuchs- und Marderfang.  Von
dem Rattenkönig und seinem Birlibi sah und hörte er nichts mehr und
dachte zuletzt selten daran.  Aber als es gegen den Frühling ging,
veränderte sich alles; er hörte zuweilen um die Mitternacht wieder
das Birlibi klingen, daß seine mattesten Haare auf dem Kopfe ihm
lebendig wurden, und lief dann zwar immer geschwinde aus dem Walde,
hatte aber dabei doch seine heimlichen Gedanken auf die
Walpurgisnacht; und weil das, was die Menschen bei Tage denken, ihnen
bei Nacht im Traume wiederkommt und allerlei spielt und spiegelt und
gaukelt, so blieb auch der Rattenkönig mit seiner Nachtgaukelei nicht
aus, und Hans träumte oft, als stehe der Rattenkönig vor seiner Türe
und klopfe an; und er machte ihm dann auf und sah ihn leibhaftig, wie
er damals in dem Wagen gesessen, und er war nun ganz von lauterem
Golde und auch nicht so häßlich, als er ihm damals vorgekommen, und
Rattenkönig sang ihm mit der allersüßesten Stimme, von der man nicht
glauben wollte, daß eine Rattenkehle sie haben könnte, den Vers vor:

Ich bin der große Rattenkönig.
Komm her zu mir, hast du zu wenig!
Von Gold und Silber ist mein Haus,
Das Geld mess' ich mit Scheffeln aus.

Und dann kam er dicht zu ihm heran und flüsterte ihm ins Ohr: "Du
kommst doch wieder zur Walpurgisnacht, Hans Burwitz, und hilfst Säcke
tragen und holst dir deine Taschen voll Dukaten?"  Zwar hatte Hans,
wann er aus solchen Träumen erwachte, neben der Freude über das Gold
immer ein Grauen, und er sprach dann wohl: "Warte nur, Prinz Birlibi,
ich komme dir nicht zu deinem Feste!"  Aber es ging ihm, wie es andern
Leuten auch gegangen ist, und das alte Sprichwort sollte an ihm auch
wahr werden: Wen der Teufel erst an einem Faden hat, den führt er
auch wohl bald am Strick.  Genug, je näher die Walpurgisnacht kam,
desto mehr wuchs in Hans die Gier, auch dabei zu sein.  Doch nahm er
sich fest vor, dem Bösen diesmal nicht den Willen zu tun, und ging
den Walpurgisabend auch glücklich mit seiner Frau zu Bett.  Aber er
konnte nicht einschlafen; die Wagen mit den Säcken und die Bauern und
die großen Ratten, die das Gold aus Scheffeln auf den Boden
schütteten, fielen ihm immer wieder ein, und er konnte es nicht
länger aushalten im Bette, er mußte aufstehen und sich von der Frau
fortschleichen und in den finstern Wald laufen.  Und da hat er diese
zweite Nacht ebenso wieder erlebt als das erstemal.  Er hatte sich
ein Säckchen mitgenommen für das Gold und hatte auch viel reichlicher
eingesammelt als das vorige Jahr.

Nun deuchte ihm, habe er des Goldes genug, und er tat einen hohen
Schwur, er wolle sich nimmer wieder in die Versuchung geben und auch
nie wieder in den Wald gehen.  Und er hat den Schwur gehalten und
sich selbst überwunden, daß er nicht in den Wald gegangen ist und
keine Walpurgisnacht wieder mitgehalten hat, so oft ihm auch noch von
dem Birlibi und dem goldenen Rattenkönige geträumt hat.  Er hat das
aber nicht in seinem Herzen sitzen lassen, sondern hat es mit
eifrigem Gebet wieder ausgetrieben und den Bösen endlich müd, gemacht,
daß er von ihm gewichen ist.  So war manches Jahr vergangen, und
Hans hieß ein sehr reicher Mann.  Er hatte sich für seine Dukaten
Dörfer und Güter gekauft und war ein Herr geworden.  Es munkelte auch
unter den Leuten, es gehe nicht mit rechten Dingen zu mit seinem
Reichtum; aber keiner konnte ihm das beweisen.  Aber endlich ist der
Beweis gekommen.

Der Böse lauerte auf den armen Mann, an dem er schon einige Macht
gewonnen hatte.  Er war ergrimmt auf ihn, weil er von seinen hohen
Festen in der Walpurgisnacht ganz ausblieb, und als Hans einmal
wieder mit sündlicher Lüsternheit an das Goldsammeln gedacht und
darüber das Abendgebet vergessen, auch einige unchristliche Flüche
über eine Kleinigkeit getan hatte, hat er mit seinem Gesindel
hervorbrechen können, und Hans hat nun gelernt, was das goldene
Spielwerk des Königs Birlibi eigentlich auf sich habe.  Seit dieser
Zeit hat Hans weder Stern noch Glück mehr in seiner Wirtschaft gehabt.
Wieviel er sich auch abmattete, er konnte nichts mehr vor sich
bringen, sondern es ging von Tage zu Tage mehr rückwärts.  Seine
ärgsten Feinde aber waren die Mäuse, die ihm im Felde und in den
Scheunen das Korn auffraßen, die Wiesel, Ratten und Marder, die ihm
die Hühner, Enten und Tauben abschlachteten, die Füchse und Wölfe,
die seine Lämmer, Schafe, Füllen und Kälber holten.  Kurz, das
Gesindel hat es so arg gemacht, daß Hans in wenigen Jahren um Güter
und Höfe, um Pferde und Rinder, um Schafe und Kälber gekommen ist und
zuletzt nicht ein einziges Huhn mehr hat sein nennen können.  Er hat
als ein armer Mann mit dem Stock in der Hand nebst Weib und Kindern
von Haus und Hof gehen und sich auf seinen alten Tagen als Tagelöhner
ernähren müssen.

Da hat er oft die Geschichte erzählt, wie er zu dem Reichtum gekommen
und aus dem Bauern ein Edelmann geworden ist, und hat Gott gedankt,
daß er Ratten und Mäuse als seine Bekehrer geschickt und ihn so arm
gemacht hat.  "Denn sonst", hat der arme Mann gesagt, "Wäre ich wohl
nicht in den Himmel gekommen, und der Teufel hätte seine Macht an mir
behalten, und ich hätte dort jenseits endlich auch nach des
Rattenkönigs Pfeife tanzen müssen."  Das hat er auch dabei erzählt,
daß solches Gold, das man auf eine so wundersame und heimliche Weise
gewinne, doch keinen Segen in sich habe; denn ihm sei bei allen
seinen Schätzen doch nie so wohl ums Herz gewesen als nachher in der
bittersten Armut; ja, er sei ein elenderer Mann gewesen, da er als
Junker mit Sechsen gefahren, als nachher, da er oft froh gewesen,
wenn er des Abends nur Salz und Kartoffeln gehabt habe.




Das brennende Geld


Drei Bauern kamen eine Herbstnacht oder vielmehr früh, als es mehr
gegen den Morgen ging, von einer Hochzeit aus dem Kirchdorf Lancken
geritten.  Sie waren Nachbarn, die in einem Dorfe wohnten, und ritten
des Weges miteinander nach Hause.  Als sie nun aus einem Walde kamen,
sahen sie an einem kleinen Busche auf dem Felde ein großes Feuer, das
bald wie ein glühender Herd voll Kohlen glimmte, bald wieder in
hellen Flammen aufloderte.  Sie hielten still und verwunderten sich,
was das sein möge, und meinten endlich, es seien wohl Hirten und
Schäfer, die es gegen die Nachtkälte angezündet hätten.  Da fiel
ihnen aber wieder ein, daß es am Schlusse Novembers war, und daß in
dieser Jahreszeit keine Hirten und Schäfer im Felde zu sein pflegen.
Da sprach der jüngste von den dreien, ein frecher Gesell: "Nachbarn,
hört!  Da brennt unser Glück!  Und seid still und lasset uns
hinreiten und jeden seine Taschen mit Kohlen füllen; dann haben wir
für all unser Leben genug und können den Grafen fragen, was er für
sein Schloß haben will."  Der älteste aber sprach: "Behüte Gott, daß
ich in dieser späten Zeit aus dem Wege reiten sollte!  Ich kenne den
Reiter zu gut, der da ruft: Hoho!  Hallo!  Halt den Mittelweg!"  Der
zweite hatte auch keine Lust.  Der jüngste aber ritt hin, und was
sein Pferd auch schnob und sich wehrte und bäumte, er brachte es an
das Feuer, sprang ab und füllte sich die Taschen mit Kohlen.  Die
andern beiden hatte die Angst ergriffen, und sie waren im sausenden
Galopp davongejagt, und er ließ sie auch ausreißen und holte sie
dicht vor Vilmnitz wieder ein.  Sie ritten nun noch ein Stündchen
miteinander und kamen schweigend in ihrem Dorfe an, und keiner konnte
ein Wort sprechen.  Die Pferde waren aber schneeweiß von Schaum, so
hatten sie sich abgelaufen und abgeängstigt.  Dem Bauer war auch
ungefähr so zumute gewesen, als habe der Feind ihn schon beim Schopf
erfaßt gehabt.  Es brach der helle, lichte Morgen an, als sie zu
Hause kamen.  Sie wollten nun sehen, was jener gefangen habe, denn
seine Taschen hingen ihm schwer genug hinab, so schwer, als seien sie
voll der gewichtigsten Dukaten.  Er langte hinein, aber au weh! er
brachte nichts als tote Mäuse an den Tag.  Die andern beiden Bauern
lachten und sprachen: "Da hast du deine ganze Teufelsbescherung!  Die
war der Angst wahrhaftig nicht wert!"  Vor den Mäusen aber schauderten
sie zusammen, versprachen ihrem Gesellen jedoch, keinem Menschen ein
Sterbenswort von dem Abenteuer zu sagen.

Man hätte denken sollen, dieser Bauer mit den toten Mäusen habe nun
für immer genug gehabt; aber er hat noch weiter gegrübelt über den
Haufen brennender Kohlen und bei sich gesprochen: "Hättest du nur ein
paar Körnlein Salz in der Tasche gehabt und geschwind auf die Kohlen
streuen können, so hätte der Schatz wohl oben bleiben müssen und
nicht weggleiten können."  Und er hat die nächste Nacht wieder
ausreiten müssen mit großem Schauder und Grauen, aber er hat es doch
nicht lassen können; denn die Begier nach Geld war mächtiger als die
Furcht.  Und er hat es wieder brennen sehen genau an der gestrigen
Stelle; bei Tage aber war da nichts zu sehen, sondern sie war
grasgrün.  Und er ist hingeritten und hat das Salz hineingestreuet
und seine Taschen voll Kohlen gerafft, und so ist er im sausenden
Galopp nach Hause gejagt und hat sich gehütet, daß er einen Laut von
sich gegeben noch jemand begegnet ist; denn dann ist es nicht richtig.
Aber er hat doch nichts als Kohlen in der Tasche gehabt und ein
paar Schillinge, die von den Kohlen geschwärzt waren.  Da hat er sich
königlich gefreut, als sei dies der Anfang des Glückes und das
Handgeld, das die Geister ihm gegeben haben.  Er mochte aber die paar
losen Schillinge von ungefähr in der Tasche gehabt haben, als er
ausritt.  Und die Schillinge haben dem armen Mann, der sonst ein
fleißiger, ordentlicher Bauer war, keine Rast noch Ruhe mehr gelassen;
jede Nacht, die Gott werden ließ, hat er ausreiten müssen und seine
besten Pferde dabei tot geritten.  Man hat es aber nicht gemerkt, daß
er Schätze gefunden hat, sondern seine Wirtschaft hat von Jahr zu
Jahr abgenommen, und endlich ist er auf einer Nachtfahrt gar einmal
verschwunden.  Und man hat von ihm und von seinem Pferde nie etwas
wieder gesehen; seinen Hut aber haben die Leute in dem Schmachter See
gefunden.  Da muß der böse Feind ihn als Irrlicht hineingelockt haben;
denn er braucht solche Künste gegen die, welche sich mit ihm
einlassen und ihn suchen.




Kater Martinchen


Auf der Halbinsel Wittow auf Rügen ist ein Dorf, das heißt Putgarten,
nicht weit von dem berühmten Vorgebirge Arkona, wo der alte
heidnische Götze Swantewit weiland seinen Tempel gehabt und sein
wüstes Wesen getrieben hat.  In diesem Dorfe Putgarten lebte eine
reiche Bäuerin, die hieß Trine Pipers.  Sie war jung Witwe geworden
und hatte keine Kinder, wollte auch nicht wieder freien, obgleich
viele Freier um sie warben, denn sie war ein sehr schönes und
frisches Weib.  Das konnten die Leute nicht recht begreifen, zumal da
sie sonst immer lustig und munter war und bei keinem Tanze und Gelage
fehlte.  Denn das mußte man sagen, einen aufgeräumteren Menschen gab
es nicht als diese Bäuerin, und kein Haus hatte so viel Lustigkeit
als das ihrige.  Alle hohen Feste hatte es Tanz und Spiel bei ihr;
die Fasten wurden von Anfang bis zu Ende durchgehalten und mit
Schmäusen, Spielen und Tänzen gefeiert, Pfingsten und am Johannistage
ward unter grünen Lauben getanzt, und am Martinstage setzte keine
Bäuerin so viele gebratene Gänse auf, und wenn sie ihr Korn
eingebracht, wenn sie Ochsen oder Schweine geschlachtet oder Wurst
gemacht hatte, mußte die ganze Nachbarschaft sich mit freuen und mit
ihr schmausen.  Kurz, diese Bäuerin lebte so prächtig, daß kaum eine
Edelmannsfrau besser leben konnte.  In ihrem Hause war alles nett und
tüchtig und fast über das Vermögen einer Bäuerin zierlich.  Ebenso
lustig und tüchtig sah es auf ihrem Hofe und in ihren Ställen aus.
Ihre Pferde glänzten immer wie die Aale, und man hätte sie Sommer und
Winter als Spiegel gebrauchen können; ihre Kühe waren die schönsten
und gedeihlichsten im ganzen Dorfe und hatten immer volle Euter; ihre
Hühner legten zweimal des Tages, und von ihren Gänseeiern war nie
eines schier, sondern jedes gab ein Junges.  Weil ihr Haus lustig und
sie freigebig war, so hatte sie auch immer die schönsten und
flinksten Knechte und Dirnen auf ganz Wittow.

So lebte Trine manches Jahr, und kein Mensch konnte begreifen, wie
sie als Bäuerin das Leben so halten und durchsetzen konnte, und viele
hatten schon gesagt: "Nun, die wird auch bald vor den Türen
herumschleichen und schnurren gehen."  Aber sie focht und schnurrte
nicht herum, sondern blieb die reiche und lustige Trine Pipers nach
wie vor.  Andere, die dies lustige Leben so mit ansahen, meinten, es
gehe nicht mit natürlichen Dingen zu; sie habe Umgang und
Gemeinschaft mit bösen Geistern, und die bringen es ihr alles ins
Haus und geben ihrem Vieh und ihren Früchten so wunderbaren Segen und
Gedeihen--als wenn Gott nicht der beste und einzige Segenbringer und
Segensprecher wäre.  Viele wollten bei nächtlicher Weile einen
Drachen gesehen haben, der wie ein langer feuriger Schwanz auf ihr
Haus herabgeschossen sei; das sei ihr heimlicher Buhler, der hänge
ihr den Wiem voll Schinken und Mettwürste, fülle ihr die Kisten und
Kasten mit Silber und Gold und stehe mit am Butterfasse und helfe
buttern und gehe mit in den Stall und helfe melken.  Andere, noch
boshafter, sagten, sie selbst sei eine Hexe und könne sich unsichtbar
machen: so schleiche sie den Nachbarn in die Häuser, stehle aus
Keller und Speisekammer, nehme den Hühnern die Eier aus den Nestern,
melke die Kühe und rupfe den Schafen die Wolle und den Gänsen die
Dunen aus.  Darum sei sie so glatt und glau und könne soviele
Wohlleben ausrichten und ein Leben führen, als wenn es alle Tage
Sonntag wäre.  Das bemerkten einige Nachbarsleute noch und
schüttelten die Köpfe dabei, daß Trine eine leidige Freundlichkeit
habe, womit sie wohl hexen könne, und daß sie Kindern nie in die
Augen sehe, wieviel sie auch sonst mit ihnen schmeichle und kose;
denn sie habe als Hexe kein Kind in ihren Augen, und es tue ihr sehr
wehe, wenn sie den unschuldigen Kindern, die noch nichts verbrochen
haben, in ihre reinen Augen schauen müsse.

So lief allerlei Geschwätz unter den Leuten rund, und sie flüsterten
und munkelten viel über Trine Pipers; aber sie konnten ihr doch
nichts anhaben und beweisen.  Sie tat all ihr Werk tüchtig vor den
Leuten, war redlich in Handel und Wandel, ging fleißig zur Kirche und
gab Priester und Küster willig und freundlich das Ihrige und hatte
immer eine offene Tasche und einen offenen Brotkorb für die Armen,
wenn sie an ihre Türe kamen.  Auch gingen die, welche ihr die Ehre so
hinter ihrem Rücken zerwuschen, recht gern zu ihren Festen und Tänzen
und schmeichelten und heuchelten ihr.

Trine Pipers hatte auf diese Weise wohl zwanzig Jahre ihre Wirtschaft
geführt, und alles war ihr immer nach Wunsch geraten.  Da bekam sie
einen bunten Kater ins Haus, und bald ging im Dorfe und in der
Nachbarschaft das Gerede: der sei es, das sei der Gewaltige, nun sei
es endlich zum Vorschein gekommen, und auch ein Kind könne es sehen,
der trage ihr all das Glück zu.  Denn leider sind die meisten
Menschen so, daß sie meinen, es müsse mit einem Menschen was
Heimliches oder Ungeheures sein, wenn er die Narrenkappe des Lebens
nicht gerade so trägt wie sie, und wenn er die Schellen daran nicht
ebenso klingen läßt.

Ein bunter Kater ward in Trines Hause gesehen, und kein Mensch wußte,
wo der Kater hergekommen war.  Trine lächelte und machte einen Scherz,
wenn man sie fragte, und sagte es nicht.  Einigen hatte sie wohl
gesagt, sie habe einen Bruder, der sei Schiffer in Stockholm, der
habe ihr den schönen Kater einmal aus Lissabon mitgebracht; aber das
glaubten sie nicht.  Der Kater war groß, bunt und schön, grau mit
gelben Streifen über dem Rücken und hatte einen weißen Fleck am
linken Vorderfuß.  Da schrien die alten Weiber: "Da sehen wir's ja,
da haben wir's!  Einen dreifarbigen Kater?  Wer hat in seinem Leben
gesehen oder gehört, daß es Kater mit drei Farben gibt?"  Trine liebte
den Kater sehr und saß manche Stunde mit ihm allein und spielte mit
ihm, der mit wohlgefälligem Brummen seinen Kopf an ihr streichelte
und gegen alles, war ihr zu nah kam, ausprustete und aufpfuchsete:
die arme Trine ward älter, die arme Trine hatte keine Kinder, sie
mußte was zu spielen haben.  So saß sie nun manche Stunde, wo sie
sich sonst draußen in ihrer Wirtschaft tummelte, still in der Stube
und spielte mit ihrem Martinichen; denn so rief sie den Kater.
Martinichen und Mieskater Martinichen klang es in der Stube,
Martinichen klang es auf der Flur, Martinichen auf der Treppe und auf
dem Boden.  Keinen Tritt und Schritt tat sie, Martinichen war immer
dabei, und von dem Vorratsboden und aus der Speisekammer brachte er
immer seine Bescherung mit im Munde.  Kurz, der bunte Kater
Martinichen aus Lissabon war ihre Puppe und ihr Spielzeug; er stand
mit ihr auf und ging mit ihr zu Bette, ja sie ging nicht in die
Nachbarschaft, daß sie ihr Martinichen nicht unterm Arm trug;
Martinichen leckte von ihrem Teller und lappte aus ihrem Napf, er war
der Liebling, er durfte alles, keiner durfte ihm was tun: Hunde
wurden herausgejagt, die ihn beißen wollten, ein Knecht ward
verabschiedet, weil er ihn Murrkater und Brummkater, Speckfresser und
Mausedieb genannt hatte.

Dies gab Geschichten und Lügen und Märchen im ganzen Dorfe, bald im
ganzen Kirchspiele, dann im ganzen Ländchen: Trine hieß eine Hexe,
die einen wundersamen Kater habe, mit dem es nicht richtig sei, und
vor dem man sich hüten müsse.  Das sei ein Kater, einen solchen
zweiten werde man in der ganzen Welt umsonst suchen; den ganzen Tag
tue er nichts als fressen und sich hinstrecken und sonnen oder auf
Trines Knien herumwälzen, des Nachts liege er auf ihrem Bette bis an
den lichten Morgen, und doch finde der Knecht, wenn er morgens frühe
zur ersten Fütterung in den Pferdestall gehe, immer zwei große Haufen
toter Ratten und Mäuse vor der Haustüre aufgetürmt.  Was möge das
wohl für ein Kater sein, der für diesen feisten und glatten Faulenzer
die Arbeit tue?

Dies Gerede und Gemunkel hatte sich freilich erst draußen
herumgetrieben; dann kam es auch in Trinens Haus und zu Trinens
Leuten, und ihnen fing an, bei ihr ungeheuer zu werden.  Wenn sie mit
schmeichelnder Stimme Mieskaterchen!  Mies--Mieskaterchen!
Martinichen!  Misichen--Martinichen! rief und den knurrenden und
spinnenden Kater auf den Schoß nahm und ihm den Rücken streichelte,
und er sich dann vor Vergnügen krümmte und an ihr strich und brummte,
und ihm die grünen, umnebelten Augen im Kopfe funkelten, dann guckten
die Leute die beiden Spieler mit großen Augen an und wären um alles
in der Welt mit ihnen nicht lange in der Stube geblieben.  Trine
hatte sonst immer die tüchtigsten und schönsten Leute gehabt, aber
die konnten es jetzt in ihrem Hause nicht aushalten; sie zogen weg,
und sie konnte zuletzt nichts als Hack und Mack in ihren Dienst
bekommen, und auch die blieben nicht lange, und fast jeden Monat
hatte sie frische Leute.  Alle Welt glaubte nun einmal, Trine sei
eine Hexe, und keiner wollte mit ihr zu tun haben.  Auch war es mit
der alten Gastlichkeit und Fröhlichkeit des Hauses vorbei und mit den
Schmäusen und Tänzen, denn keiner wollte kommen; und Trine mußte mit
ihrem Mieskater Martinichen einsam sitzen und ihre Bratgänse und
Würste allein verzehren.

Aber ach, du arme Trine Pipers, die du sonst so froh und fröhlich
gewesen warst und alle gern erfreut hattest, wie ging es dir auf
deinen alten Tagen?  Nicht allein keine Gesellen und Gesellinnen und
Nachbarn und Nachbarinnen kamen mehr, sich des Segens zu freuen, den
Gott dir gegeben hatte, und sich mit dir zu erlustigen, sondern in
wenigen Jahren verging auch das, wovon du dich hättest erlustigen
können.  Die Leute kopfschüttelten und flüsterten zwar, der Kater sei
es, der sei bisher der unsichtbare Bringer und Zuträger gewesen und
habe Scheunen, Kornböden, Keller, Speisekammern, Milcheimer und
Butterfässer und Geldkatzen und Sparbüchsen gefüllt; aber nun war ja
dieser Wundertäter und Hexenmeister da, warum ging es denn nicht noch
gedeihlicher als vorher?  Warum ging vielmehr Trinens Wirtschaft von
Tage zu Tage mehr zurück?  Die arme Trine hatte Knechte und Mägde,
wie sie kaum ein Bettlerkrug willig beherbergt hätte, recht was man
Krücken und Ofenstecken nennt; ihre sonst so glatten Pferde magerten
ab und verreckten an Rotz und Wurm; ihre Schweine und Kühe hatten
Läuse und gaben keine Milch mehr; ihre Schafe und Gänse wurden
Drehköpfe, als hätten sie geheime Wissenschaft studiert; ihre Hühner
und Enten legten keine Eier und brüteten nicht mehr; ihr Feld trug
Disteln und Dornen für Korn und Weizen.  Kurz, Trine geriet in zwei
Jahren in die bitterste Armut: Pferde waren weg, Kühe waren weg,
Schweine ausgestorben, Schafe geschlachtet, Tauben und Hühner vom
Marder aufgefressen, der Hund an der Kette verhungert--kein Hahn
krähte mehr auf ihrer Haustüre, kein Bettler seufzte mehr sein Gebet
davor.  Und Trine saß allein und verlassen mit gelben, gefurchten und
gerunzelten Wangen und von Tränen und Jammer triefenden Augen und
schneeweißen Haaren in der frierenden Ecke ihres leeren Zimmers und
hielt ihren magern und in der Asche verbrannten Kater auf dem Schoße
und weinte jämmerlich über den kargen Brocken, die man ihr von fern
zuwarf; denn keiner mochte ihr gern nah kommen.

So hat man sie eines Morgens gefunden tot auf dem Boden ihres
Stübchens hingestreckt und ihren treuen Mieskater Martinichen tot auf
ihr liegend.  Die Leute haben mit Grauen davon erzählt.  Und die
sonst so reiche Trine, die der Kirche und Geistlichkeit immer so gern
gab, als sie noch was zu geben hatte, ist begraben, wie man Bettler
begräbt, ohne Sang und Klang, ohne Glocken und Gefolge; kein Nachbar
hat sie zum Kirchhof begleiten wollen, kein Verwandter ist ihrer
Leiche gefolgt, sie hatte ihnen ja nichts nachgelassen.  O kalte Welt,
wie kalt wirst du denen im Alter, die dann nichts haben, womit sie
sich die Füße zudecken können, und ach, auch die irdischen Mängel,
die man mit schärferen Augen an den Alten betrachtet!

Als Trine nun tot war, erzählen die Leute, ist sie immer als Hexe
umgegangen und geht bis diesen Tag als Hexe um in der Gestalt einer
alten, grauen Katze, die man daran kennt, daß sie Augen hat, die wie
brennende Kohlen leuchten, und daß sie ganz entsetzlich laut sprühet
und prustet, wenn man sie jagt.  Sie wird noch alle Mitternächte auf
der Stelle gesehen, wo ehedem Trinens Haus war, und heult dort
erbärmlich; im Winter aber, wann in den Scheunen und auf den Dächern
die wütigen Katzenhochzeiten sind, ist sie immer voran auf der
höllischen Jagd und führt das ganze Getümmel und miaulet und winselt
auf das allerscheußlichste.  Diese Stimme verstehen die Leute in
Putgarten so wohl, daß alt und jung gleich rufet: "Hört!  Da ist
wieder die alte Trine!"

So ist es Trine Pipers gegangen, und so geht es vielen Menschen bis
diesen Tag.  Sie ist eine arme, elendige Bettlerfrau geworden und hat
ihren christlichen, guten Namen verloren, weil sie den bunten Kater
Martinichen lieber gehabt hat als Menschen.  Denn wenn sie auch keine
Hexe gewesen ist, so haben die Nachbarn und Nachbarinnen es doch
geglaubt, weil sie sich in ihrer unnatürlichen und häßlichen Liebe zu
der unverständigen Kreatur so in des Katers Gemüt und Gebärden
hineingestohlen und hineinvertieft hatte, daß sie Menschen nicht mehr
so suchte und liebte wie sonst.  Sie mag zuletzt auch mit
Katzenfreundlichkeit geblinzelt und mit Katzenaugen geschielt und mit
allerlei Katzenmännchen sich gekrümmt und gewunden haben, so daß kein
Mensch und kein Vieh und also auch kein Glück es länger bei ihr hat
aushalten können und sie zuletzt mit ihrem Mieskater Martinichen ganz
allein geblieben und so im größten Elende umgekommen ist.




Thrin Wulfen


Nicht weit von Schoritz, zwischen Schoritz und Puddemin, an dem Wege,
wo man von Garz nach dem Zudar fährt, lag einst ein kleines Dorf, das
hieß Günz, worin ein paar Bauern wohnten, die nach Schoritz zu Hofe
dienten.  Die sind aber ganz zerstört mit Häusern und mit Gärten, so
daß man dort keine Spur mehr sieht, daß jemals Menschen dort gewohnt
haben.  In diesem Dorfe Günz wohnte ein Bauer, der hieß Jochen Wulf,
der hatte eine Frau, und die hieß Thrin; das war eine arge Hexe, von
deren losen Künsten und bösen Streichen die Leute noch heute zu
erzählen wissen.  Daß sie aber eine Hexe war, konnte man ihr anmerken
an ihrer außerordentlichen Freundlichkeit und Leidigkeit, woraus List
und Schelmerei oft hervorlächelten, und an den schönen und leckeren
Sachen, die sie immer bei sich trug, und womit sie die Hunde und
kleinen Kinder an sich lockte.  Davor hat den Leuten auch gegraut,
daß ihr, wohin sie immer gekommen, die Katzen von selbst auf den
Schoß gesprungen sind, was diese Tiere, die eben keine
Menschenfreunde sind, sonst nimmer mit Fremden tun.  Denn durch die
Kinder und durch Leckereien, die sie den Kindern geben, und durch
Sälbchen und Kräuterchen, womit sie bei Kinderkrankheiten immer
gleich zur Hand sind, drängen sich die alten Hexen in alle Häuser,
und Hunde und Katzen dürfen sie nicht zu Feinden haben, weil ihre
Arbeit meistens des Nachts ist, wo die andern Christenmenschen
schlafen.  Doch merkten die Leute ihr und ihrem Manne ihr heimliches
und verbotenes Handwerk dadurch an, daß sie sehr reich wurden, und
daß der Bauer Wulf dreimal soviel Korn und Weizen verkaufen konnte
wie seine Nachbarn, und daß seine Pferde und Kühe, wenn er sie im
Frühling ins Gras trieb, so glatt und fett waren wie die Aale, und
als ob sie aus dem Teige gewälzt wären.  Auch sagten alle Leute, sie
habe einen Drachen, und den haben sie des Nachts oft auf ihr Dach
herabschießen sehen, wo er ihr Raub und Schätze von andern zutrug.
Das ist auch gewiß, und viele Leute haben es erzählt, die bei
nächtlicher Weile bei Günz vorbeigegangen sind, daß es dann auf dem
Wege oft geknarrt und geseufzt hat, wie die Räder an schwerbeladenen
Wägen knarren und seufzen.  Da haben die Leute sich umgesehen oder
sind aus dem Wege gesprungen, damit sie nicht übergefahren würden;
sie haben aber weder Pferde noch Wagen gesehen, und es ist ihnen ein
entsetzliches Grauen angekommen.  Das ist aber auch der alte,
heimliche Drache gewesen, der den Nachbarn die Garben gestohlen und
sie in des Wulfs Scheunen hat einfahren lassen.  Daß die Thrine
Wulfen eine arge Wetterhexe war, hat man am meisten auf der Weide und
Brache an dem jungen Vieh sehen können.  Wenn sie einmal unter eine
Herde kam, gleich streckte ein Kalb alle viere von sich und hatte den
Frosch, oder ein paar Dutzend junge Gänschen machten nicht zum
Vergnügen den Drehhals, oder einige Lämmer und Jährlinge wurden
Kopfhänger und Kopfschüttler, oder eine Schar Säue tanzte den Dreher.
Sie gebärdete sich bei solchem Anblick, als tue es ihr sehr leid
(die alten Hexen aber können es nicht lassen, junges, freudiges Vieh
zu behexen, und wenn es ihr eigenes wäre), und sie sagte den Hirten
oder Nachbarn, sie habe und wisse manche heilsame Mittel gegen solche
Übel; sie sollen nur zu ihr kommen und sich eine Salbe holen und die
kranken Tierchen damit bestreichen, gleich werde es dann besser mit
ihnen werden.  Das haben einige getan, und wirklich hat es stracks
geholfen, aber den meisten hat gegraut, über ihre Schwelle zu treten,
und da hat das liebe Vieh denn dran gemußt.  Alle aber haben sich
zugeflüstert, Thrin Wulfen habe sie behext und ihnen den Schabernack
angetan.  So zum Beispiel hatte sie eine Frau, welche sich mit ihr
erzürnt und sie eine alte Wetterhexe gescholten hatte, in ihrem
eignen Hause festgezaubert, daß sie nicht über die Schwelle zu gehen
wagte und alle Türen und Fenster dicht versperrt hielt.  Denn sie
glaubte, sie sei in eine Erbse verwandelt, und jeder Vogel, der
vorüberflog, war ihr so fürchterlich, daß sie bei seinem Anblick
schrie, als fliege ihr Tod heran, ja daß sie bei dem Ton eines
Gefieders aus der Luft schon in Ohnmacht fiel und mit Händen und
Füßen zappelte; für die Enten, Hühner und Tauben aber in ihrem Hofe
war der jüngste Tag gekommen, und sie hatten ihnen allen sogleich
beim Beginn ihrer Krankheit die Hälse umdrehen lassen.  Auch hatte
die alte Bösewichtin es dem Mann dieser Frau angetan, daß er wie ein
kindischer und besoffener Narr tanzen mußte, sobald er einen
Ziegenbock springen sah.  Und dies ist allen Leuten lächerlich und
ärgerlich anzusehen gewesen, und das ärgste dabei ist noch gewesen,
daß die Einfältigen vor dem Mann eine Art Grauen bekommen haben, als
sei er auch von der Ziegenbocksgesellschaft und von den
Blocksbergfahrern; die Klugen aber haben wohl gewußt, von wem diese
Bockssprünge herrührten, doch keiner hat es ihr beweisen können.  Und
man kann wohl denken, wie die alte Bosheit in sich gelacht hat, daß
der unschuldige Mann für ihren Gesellen gehalten worden ist.  Ihr
Vieh war immer das fetteste und mutigste in der ganzen Dorfherde, und
man konnte an vielen Zeichen sehen, daß der Teufel sein Spiel damit
hatte; denn fast nie ist ein Stück davon krank worden, und sie hat
ihnen solche Kraft und Stärke angezaubert, daß von ihren kleinsten
Kälbern die größten Ochsen sich stoßen ließen, und daß ihre Ferkel
die wütendsten Eber aus dem Felde schlugen.

Auch haben die Leute sie in mancherlei Verwandlungen umherlaufen und
herumfliegen gesehen, aber niemand hat sich unterstanden, sie
anzupacken oder ihr etwas zu tun; auch haben sie die
allerwunderlichsten bunten Hunde und Katzen und sogar Füchse und
Wiesel bei Tage und bei Nacht um ihren Hof laufen gesehen, aber
keiner hat sie angetastet; sie wußten wohl, aus wessen Stall dieses
gefährliche Vieh war.  Von Elstern und Krähen aber hüpften immer
ganze Scharen auf ihrem Hofe und ihren Dächern, und von ihrem
einzigen Hausgiebel uhuheten des Nachts mehr Eulen, denn von allen
Häusern und Dächern in Swantow und Puddemin zusammen.

So ist sie in der Nachbarschaft viel herumgestrichen und
herumgeflogen auf Schelmstücke und Diebsschliche, und es ist ihr
lange genug glücklich gegangen.  Der Pastor zum Zudar, der Herr
Manthey hieß, hat die meiste Not mit ihr gehabt, und auch wohl
deswegen, weil er dem Bösen selbst den Krückstock reichte, womit er
ihn überholen konnte, da er mehr ins Buch der vier Könige guckte als
in Bibel und Evangelienbuch.  Einmal ist Thrin Wulfen zu seiner Frau
gekommen und hat ihr eine Stiege Eier gebracht, und sie und die Frau
Pastorin haben einander viel erzählt und sind sehr herzig und
heimlich miteinander geworden, so daß die Frau Pastorin endlich die
Thrin, als sie Ade gesagt, umhalst hat.  Da ist ihr aber geschehen,
daß sie vor Schrecken ohnmächtig worden und wie tot hingefallen ist.
Denn was hat sie gesehen?  Vor ihren sehenden Augen und unter ihren
greifenden Händen ist die Thrin plötzlich eine rote Füchsin geworden
und hat ihr mit den Vordertatzen die Wangen gestreichelt und mit der
Schnauze das Gesicht geleckt und dabei recht fürchterlich greinig und
freundlich ausgesehen.  Das hat die Pastorin später vielen Leuten
erzählt; wie es aber weiter geworden, hat sie nicht gewußt; denn als
sie wieder zur Besinnung gekommen, war die Thrin weg und auch keine
Spur von ihr und der roten Füchsin mehr da als der Geruch der
füchsischen Küsse in ihrem Gesichte und ein paar leichte rote
Streifen, womit sie sie bei der umhalsenden Liebkosung gekratzt hatte.
Zuerst hat die Frau Manthey die Geschichte aus Furcht verschwiegen
und erst nach Verlauf von Jahren erzählt.  Auch Pastor Manthey ist
inne geworden, daß er gegen die losen und leichten Künste der Thrin
sich nicht mit der gehörigen geistlichen Rüstung gewaffnet hatte, und
daß sie an ihn durfte; er hat bemerkt, daß ihm ein Dieb an seine
Schinken und Würste kam, und das ist auch die Thrin gewesen.  Denn
wie manche Nacht ist sie als Katze in Wiemen und Keller und
Speisekammern geschlichen und hat sich eine Wurst, eine Spickgans
oder ein Stück Schinken nach Hause getragen!  Endlich war es ruchbar
geworden, daß man oft eine unbekannte graue Katze durchs Dorf laufen
gesehen und daß auch andern Leuten auf eine ähnliche, unbegreifliche
Weise manches abhanden gekommen war.  Da lauerte der Pastor des
Abends und in der Frühe oft genug auf mit einem geladnen Gewehr; aber
nimmer hat er den schleichenden Dieb erwischen können.  Endlich aber
ist ihm die Katze mal in dem Garten in den Wurf gekommen, als er
Sperlinge schießen wollte, und er hat ihr unverzagt aufs Leder
gebrannt und sie mit humpelndem Fuß über den Zaun springen und
jämmerlich miauen gehört.  Der Schäfer aber, der hinter dem Garten
eben mit den Schafen vorbeitrieb, als der Mantheysche Schuß fiel, hat
erzählt, es sei neben ihm ein altes Weib über den Weg hingehinkt, die
habe jämmerlich gewinselt und geheult, und sie habe ihm geklagt, des
Krügers großer Hund habe ihr den Fuß blutig gebissen.  So sei sie
über die Zudarsche und Schoritzer Heide fortgehumpelt, und man habe
ihr Gewinsel noch lange aus der Ferne hören können.  Und das war
wirklich die Thrin aus Günz gewesen; der Pastor hatte ihr das linke
Bein durchschossen.

Dieser geistliche Schuß gab einen großen Glückswandel.  Thrin lag
wohl ein Vierteljahr elend im Bette; dann sah man sie wieder, aber
sie humpelte mit einem lahmen Beine und erzählte den Leuten, sie sei
beim Äpfelschütteln vom Baum gefallen und habe sich dabei das Bein
verrenkt.  Nun ging es ihr aber schlimm.  Weil sie nicht mehr so
flink auf den Füßen war als sonst, so konnte sie, wann die Begier zu
hexen mit plötzlicher Lüsternheit in ihr aufstieg, nicht mehr
geschwind zu andern oder zu Fremden kommen, sondern mußte ihr Eigenes
behexen.  Da ward denn fast täglich irgend etwas verdreht, gelähmt
oder umgebracht.  Bei Tauben, Hühnern und Gänsen fing es an, und mit
dem großen Vieh hörte es auf.  Und wieviel der alte Jochen Wulf sie
auch prügelte, das half alles nichts; die Hexenlust ist ein
unauslöschlicher und unbezwinglicher Trieb.  Als also alles Federvieh
verdorben oder erwürgt war, da ist die Kunst über die Ferkel und
Lämmer hergefahren, darauf an die Kälber und Schafe, endlich an die
Kühe und Pferde.  Der Bauer hat nun immer wieder neues Vieh kaufen
müssen, und in solcher Weise ist in ein paar Jahren der Reichtum
vergangen und das ungerechte Teufelsgut zerronnen.  Ja, ihr eignes,
einziges Kind hat sie zum Krüppel hexen müssen; und der alte Wulf ist
aus Angst, daß ihm zuletzt ähnliches widerfahren möge, in die weite
Welt gegangen und ist auf immer ein verschollener Name geblieben.
Einige erzählen aber, die Thrin habe ihn verwandelt und habe wegen
seiner Sünde die Macht dazu gehabt, weil der alte Schelm um ihre
Hexerei gewußt und die Früchte davon gehehlt und mitgenossen habe;
und so müsse er nun als ein greulicher Werwolf rundlaufen und die
alten Weiber und Kinder erschrecken.  Die Thrin aber sei nach der
Flucht des Wulf als eine arme Bettlerin aus der Wehr geworfen und
habe zuletzt in Puddemin gewohnt, sei aber zuzeiten immer noch hin
und wieder als eine lahme Katze oder Füchsin umgegangen oder habe als
eine lahme Elster auf Bäumen und Dächern herumgehüpft; endlich aber
sei sie vor das Gewehr eines Freischützen geraten, wodurch die
Katzengestalt für immer festgemacht worden.  So haben viele Leute sie
öfter als eine wilde, graue Katze an dem Günzer Teiche sitzen gesehen,
auch als kein Haus mehr dastand; auch haben andere es dort um die
Mitternacht häufig miauen und prusten und pfuchsen gehört, daß ihnen
vor Grauen die Haare zu Berge standen.




De Kröger van Poseritz


Im Lande Rügen nich wiet van de Olde Fähr etwa eene Mil vam Sunde is
een Karkdörp, dat het Poseritz.  Då wahnde mal een riker Smitt, un de
hedd ook eenen swarten Pudel, de kunn afsünnerlichste Künste.  Dat
Deerd was to sinen Künsten so klook und haselierig, datt de Smitt, de
mit siner Smed eenen Krog helt, dat Hus jümmer vull Lüd hedd.  De
Pudel was so god, as hedde de Mann alle Dag Poppenspill edder eene
heele Bande Kumödiganten im Huse hett.  Dat gaff schöne Penning un
klung hell in den Büdel herin; äwerst o weh! wo hett et toletzt för
de arme Seel klungen!  De Kröger wurd een riker Mann dör sinen Pudel,
denn alle Lüde drögen ein dat Geld to un wullen den Pudel sine Künste
spelen sehn.  Se seggen, de Pudel wahnde nich egentlich bi dem Smitt.
Denn des Dags hett man em då nich sehn; man in der Schummering kam
he un bleef bet in deepste Nacht.  He was äwerst een van de
höllischen Schatzwächters ut den Bargen bi Gustow, worunner de olden
Heiden mit ehren Schätzen begrawen liggen.  Un då müßt he des Dags
unner der Erd liggen un um de Middnacht as Wächter herumwedeln.  Un
he mag dem Kröger woll jeden Awend een paar Dukaten in den Poten
mitbröcht hebben.  Denn de Kröger wurd in weinigen Jåhren een
steenriker Mann un buwede sick sinen Krog torecht as de Poseritzer
Propost un Eddelmann un köfde sick eenen Morgen Land äwer den annern.
Äwerst wo leep ditt lustige Spill toletzt henut?  So rückt alle
vörbadene Lust der Minschenkinder to Anfang as Liljen un Rosen;
äwerst ehr Ende het Gestank.  De swarte Nachtwächter bleef weg un kam
nich mehr in't Hus.  Un de Smitt was ängstlich un verstürt, un de
Gäste fragden nah dem Hund.  Denn sede de Smitt: "Man mütt mi den
Hund stahlen hebben edder ook hett en Deef en doodslagen un ingrawen."
Doch was dem armen Kerl nich woll um't Hart, un he sach går
nüsterbleek un bedröwt ut, so datt de Lüde nich begripen kunnen, wo
een vernünftig Minsch sick äwer een unvernünftig Deerd so grämen künn,
un allerlei bunt Gerede drut entstund.

So weren een paar Weken vörleden, un eenen Sündagawend, as de Kröger
mit veelen Gästen üm den Disch satt un Kårten spelde, hürden se wat
dör de Luft susen un gegen dat Finster slan, un en düchte, dat was
een swarter Pudel.  Un allen kam een grausamer Gruwel an, un se
mügten nich upkieken gegen dat Finster.  As se sick äwerst wedder een
beten besunnen hedden, sproken se lang dåräwer; de Kröger äwerst satt
still achter dem Awen un let den Kopp hängen.  Un se foppten sick
toletzt unner eenanner, wer woll dat Hart hedd, herut to gahn un to
sehn, wat då were.  Un een Snider nam sick de rechte Sniderkrauwagie
un begehrde eenen Gesellen, de dat Aventür mit em wagen wull.  Un et
fund sick eener to em, un se gingen in den Gården, wo dat Finster
herutging, un süh, då lag een dooder, swarter Pudel, den de
Snidergesell recht god kennde.  Un se meenden nu all, man hedde dat
dem Smitt tom Schabernack dhan, wiel de Pudel em as een güldnes Hohn
was, un een Fiend un Schelm hedde den dooden Hund so gegen dat
Finster smeten.  Un se gröwen een Loch an dem Tun und leden den Pudel
dårin und sett'ten sick dårup wedder tom Spill dal.  Äwerst de
Smitt satt achter dem Awen un sede keen Starwenswurt un was sehr
trurig.  Un as se wedder van besten Künsten de Kårten flegen leten un
uttrumfden, fung dat buten wedder an to susen un to brusen, un Kling!
sede dat Finster, un de Pudel flog äwer den Disch un föll in de Stuw
dal, un de meisten Gäste, de üm den Disch seten, föllen vör Schreck
van den Bänken un krüzden un segneden sick.  De tappre Snidergesell,
de een Hart hedd gröter as sin Natelknoop, nam den Pudel un smet en
tom Finster herut; un de Gäste nehmen ehre Höd van der Wand un makten
sick up de Beenen.  Un knapp was eene halwe Stund vorgahn, då sede
dat wedder Kling! un de Pudel föll to'm tweeten Mal in de Stuw.  Då
lag he bi dem bedröwten Wirt bet an den hellen, lichten Morgen, denn
de arme Minsch bleew alleen sitten, un Fru un Kinder un Gesellen
weren to Bedd gahn.  As äwerst de Sünn upging, was de Pudel weg, un
keen Minsch wüßt, wo he stawen un flagen was.  He hedd äwerst eenen
grausamern Gestank as dat schändlichste Aas nah sick laten.  Un up
desülwige Wis is dat Greuel düslingto alle Nacht dörcht Finster edder
dörch de Dören, ja dörcht Dack un de Wänd flagen; un hulpen keene
Breder un Rigel, un ick glöw, he hedd sinen Weg dörch Stal un
Demantsteen braken.  Se gingen hen un begröwen den Hund mit grotem
Staate; se brukten Segen un Bespreken äwer siner Gruft--alles umsüs:
he kam jümmer wedder.  De arme Smitt grep to un makte sick eene
annere Stuw torecht, he tog ut bawen herup in een Stüwken unner de
Auken, he meende sick to vörsteken; äwerst de Pudel hedd em eene to
fine Näs, jümmer flog he herin, wo de Smitt was.  Nu ging dat
natürlich to, dat Krog un Smede bald leddig un vörlaten stunden, un
datt de Smitt mit Wif un Kindern un mit dem aasigen, stinkenden Pudel
eensam un alleen sitten un truren müßte.  Wat dheed de arme Mann
toletzt?  He ging to un vörköfde alles, Smed und Krog un Acker un
Gården, un tog van Poseritz weg. Un dem Mann, de dat Hus van em köft
hedd, let de Pudel ook keene Ruh, un he kunn nich eher ruhig slapen
vör all dem Gesuse un Gebruse und dem Günsen und Krassen, dat et des
Nachts bedref, bet he dat Hus afbraken un an eener annern Stell weder
upbuwt hedd.  Don week de Düwel van em, äwerst van dem armen Smitt
week he nich.  Disse hedd de Lade vull Dukaten un wull een Eddelmann
warden und köfde sick eenen schönen Hoff, de Üselitz het.  Äwerst
wat Eddelmann un Dukaten!  Dat ging all to End mit em.  De Pudel tog
mit em in sin Eddelmannshus un husierde so arg, dat keen Knecht edder
Magd bi dem jungen Eddelmann bedarwen kunn.  Tolest satt de arme
Smitt mit Fru un Kindern un mit all sinem Rikdom heel vörlaten då.
Un as de Bös em lang nog ängstigt hedd up Erden, hett he em in eener
Nacht den Gnadenstot gewen.  Et was eene schöne, stille Sommernacht,
keen Blitz un keene Lüchting to sehn, keen Lüftken, dat im Rohr
spelde, då hebben de Nawers, de üm Üselitz wahnen, plötzlich een
gewaltiges Für upstigen sehn, un in eener halwen Stund is alles,
alles, Hus un Hoff un Minschen un Veh un de Smitt mit den Sinigen un
mit sinem Düwelsgolde to Stoff un Asch vörbrennt west und hett man
nümmer keene Spur van em sehn.  Äwerst een Mann ut Mellnitz, de
tom Löschen tolopen was, hett eenen swarten Pudel sehn, de mit
greulich glönigen Oogen dör den Gården un Busch wegstrek un noch lang
gräselich hülde.  So hült de Satan vör Froiden, wenn he arme Seelen
vörslingen kann.




De Brügg bi Slemmin


Ick mütt bi disser Gelegenheit ook noch vörtellen van der Brügg in
dem Slemminer Holt, wo de Weg nah Zornow utlöpt.  Da geit dat gar
wunnerlich to; wo menniger stolter Rüter hett sick dar den Sand vam
Pels schüddeln müßt!  Denn jede Kreatur weet darüm un wahrschuwt,
datt et da nich richtig is.  As ick een Jung van viertein, föftein
Jahren was, hödd ick de Koi bi dem Holländer to Slemmin un drew oft
int Holt, un wenn ick ook dem wilden Jäger sine Hund hett hedd, keen
Kalf hedd ick achter de Sünn äwer de Brügg kregen.  Darüm steit da
herüm ook jümmer dat schönste un längste Gras, denn dat Veh müßt den
Verstand verlaren hebben, dat da mit egnem Willen gräsen gahn wull,
un ick glöw, keen dummer Dreihhals van Schaap edder Goos würd da een
Halmken anrühren.  Un wer des Nachts äwer de Brügg föhren edder riden
mütt, o Herre Jemerus! wat kost't dat oft vör Künst un Sprüng!  Un wo
snuwen de Perd un zittern un daddern un bäwern vör Angst, datt se
äwer de behexte Brügg schälen, un scheten up der Brügg in de Knee un
laten den schumigen Sweet vam Liwe drüppeln, as hedden se een paar
Mil im Galopp lopen, edder as wenn se in de Lüchting van Kanonen
springen schullen.  De Minsch alleen wett nicks davon, wenn se em't
nich vörtellt hebben edder wenn he nich in der Nacht kümmt un de Ulen
und Kraihen in so dickem Swark üm de Düwelsbrügg flegen.  Un ditt is
de Geschicht van der Brügg:

In Zornow was eene smucke Dern, eenes Schepers Dochter, de hedd sick
dreimal vörjumfert un jedesmal ehr Kind ümbröcht, un de drei Kinder
in dem Graben bi der Brügg in de Erd steken.  Äwerst achter dem
drüdden Kinde is de Satansundhad utkamen, un se hebben de Dern nahmen
un se in eenen Sack dhan un bi der Brügg in dem Graben vörsöpt, un
hebben de Lik van der armen Sünnersche bi ehren Kindekens ingraben.
Äwerst wat künn tüschen dissen Vördrag wesen?  Un't is darnah eene
dulle un wilde Wirtschaft worden, datt den Lüden de Haar to Barg
stahn sünt, so hebben sich de flegenden un klagenden Geisterken van
den Kindekens föhlen un vernehmen laten.  Un wer in dem Holte wat to
dhon hett, dem will ick nich raden, datt he sick lang nah
Sünnenunnergang edder vör Sünnenupgang da betrappeln lett.  Dat piept
un flüstert un wispert un tutet un hült da denn de ganze Nacht dörch,
as wenn Katten Hochtid hollen edder lütte Kinder quarren, un
Ulengequiek un Kraihengeschrei klingt jümmer datüschen.  Denn in
eener hollen Eek äwer der Brügg sitt Dag und Nacht eene olde Ul, un
dat is de arme Schepersdochter, de in disser Welt keene Rauh findt.
Un des Nachts mütt se jümmer hen un her flegen van Boom to Boom un
van Twig to Twig un schreien un quiken, datt eenem de Haar up dem
Kopp susen, un drei junge Ulen uhuen un flegen jümmer achter ehr her,
un dat sünt de drei Kinder, de se vermordt hett.  Äwerst tüschen
twelw un een da geit et erst recht lustig, un Gott gnade dem, de denn
äwer de Brügg mütt.  Denn hett sick dat ganze Ulenrik tosam vörgadert,
un se maken eene Musik in der Luft, wornah dat ganze düwelsche Heer
in der ersten Mainacht danzen künn, un een hungriger Wulf mit
glönigem Rachen steit an der Eck un hölt eene Baßviol tüschen den
Beenen un speelt lustig up, un Vöss un Katers un Marten, Ilken un
Wesel un anner deefsches Nachtgesindel danzt dato.  Ick hew't nich
sehn, äwerst de Smitt in Slemmin hett't sehn.  De is mal darunner
geraden, un he was äwen nich up Gottes Strat, denn he hedd de Äx up'm
Nacken un wull sick eene junge Eek hauen.  Den hebben se terreten und
terzust--hast du mir nicht gesehen--un so is he to Huse kamen ganz
terkraßt un verbaast, un sine Oldsche hett em drei Weken eene
Kindersupp kaken müßt: so hedden de Satansgesellen den armen Schelm
afängstigt.  Dat is äwerst wiß un wahr, wat ick van den Koien un
Perden vörtelld hew, un keen ordentlich un christlich Deerd un Vagel,
de van Gott weet, geit in de Eek edder sett't sick da herüm.  Ick hew
all min Dag keenen Vagel in ehren Twigen singen edder zirpen hürt,
Ulen un Hawks un Kraihen, Rawen und Hesters un anner dergliken
Düwelsgerät dat süht man woll darup sitten.  Mit der Brügg is't äwen
so; keen ehrlicher Vagel sitt up ehren Pösten edder Geländer, nich
eenmal eener van den lustigen un näswisen Vägeln, as de Meesk, de
Quäkstart edder Steenbicker, de sünst so nülich un flink sünt alles
Holt, wat se man sehn, to besitten un to befladdern.  Denn ook de
allergeringsten un lüttesten Deerdeken weten een beten van Gott, un
et weiht en ook een beten Wind to, wo wat Gewaltigs un Greulichs
geschehn ist, un gruweln sick davör."




Schipper Gau un sin Puk


Ji hewt woll oftermals hürt, wo veele Hexerei un Töwerei mit Katten,
Zegenböcken, Heimken un Schorfpoggen drewen ward un wo de olde Fiend
sick darachter steckt un den armen verbiesterden Minschen in de Höll
herin spelt.  Äwerst dat gifft so veelerlei Töwerei, datt et nich
to denken noch uttospreken is, un wer schullt't glöwen, datt de Düwel
listig nog is, in Müggen un Käwer ja in den allerminsten Worm sick
herintomaken, wenn de vörblendte Minsch nah sinen Dingen lüstern is
un nah dem Düstern un Vörborgnen snappt?  Denn wer hängen will, seggt
dat Sprickwurt, de kan woll dör eenen Spennenfaden to Doode kamen.
As ick in miner Jugend in minen Wanderjahren ut minem Vaterlande
Holsteen nah Rotterdam up Arbeit kamen was, hew ick mennige snurrige
Ding davon sehn un hürt; denn de Schippers hebben veelen sodhanen
Awerglowen un mennigerhand heemliche Künste.  Ick mag't äwerst nich
all nahseggen; doch will ick ju eens vörtellen, wat hier bi uns eenem
Mann ut Barth edder vam Dars in Prerow begegnet is un wovon alle Lüde
to seggen wüßten, as ick noch een junger Gesell was.

In Barth lewde een Schipper Hinrich Gau, dat was de glücklichste un
vörwegenste Schipper in der ganzen Ostsee, dem ook alles to Faden
leep.  He unnerstund sick, wat keen anner Schipper dörfte, un se
seden, he kunn mit allen Winden segeln, un wenn he wull, ook wedder
den Strom.  Soveel was eenmal wiß, he wagde sick herut midden im
Winter un in dem bösesten Unweder un kam jümmer mit ganzen Masten und
heelen Segeln davon, wenn de annern Schipp terreten un terspleten in
den Hawen lepen edder gar so deep vör Anker legen, datt keen
Minschenoog se wedder to sehn kreeg. Mit dem Gau äwerst ging alles
vörwärts, as künn he den Wind ut'm Sack schüdden, grad as he'n brukte.
So was he denn jümmer de erste up dem Platz un makte de besten
Frachten und ward in wenigen Jahren een riker Mann, datt se en den
riken Schipper edder den riken Gau nömden.  Dat Ding hedd äwerst so
sinen egnen Haken un um all dat Gausche Glück un Geld mügt ick an dem
Haken nich hängen, woran Gau fast was.  Denn de Lüde munkelden so wat
van eenem blanken Käwer edder eener grönen Pogg in eenem Glase; un
dat was sin Puk, de em den Wind un dat Glück makte, un de Matrosen
wullen dat düwelsche Ding unnerwielen sehn hebben, wenn't stief
weihde edder de Nacht gefährlich düster was, wo't as een lütt winzig
Jüngiken in eener swarten Jacke eene rode Mütz up'm Kopp up dem
Schipp herümleep un alles nahsach, edder ook as een old gris Männiken
mit eener kritwitten Parück up dem Kopp, dat am Stürroder satt un in
den Häwen keek un dem Schipp den Weg wisde.  Un se vörtellden ook,
datt de Schipper sine blanken und grönen Düwelskamraten sehr prächtig
plegde in eenem aparten Schrank in siner Koje, wo keen Minsch
hensnuwen dörft, un datt he en da jümmer söten Muschatwin un Rosinen
un Figen hendrog.  Denn de in der bittern un suren Hölle wahnen,
laten sick am lichtesten mit Zuckerbackels un Nüdlichkeiten locken un
festholden, wenn man se to sinem Deenst anbinden will.

Dat Glück was up disse Wis un mennigen schönen Dag mit dem Schipper
Gau up der Fahrt west, un he vörstund sine Geisterkens to regieren,
un se weren em up't Komando gehursam un willig.  Äwerst toletzt
vörsach he sick eenmal, un de Düwel slippte em los, un drew sin böses
Spill so schrecklich, datt jeder sehn kunn, wat et was.  Schipper Gau
was mit eener riken Ladung ut England kamen un sin Schipp lag up dem
Strom der Sundschen Rhede vör Anker.  He was eenen Dag in de Stadt
fahren, un Gott weet, wo't geschach--denn süs ging he den Dag
weinigstens wohl dreimal an Burd--he was in een woist Gelag geraden
un se hedden so deep in't Glas keken, datt Gau Schipp un Puk un de
ganze Welt vörgatt.  So hedd unser Schipper twee utgeslagene Dage in
Stralsund vördrunken, un sine Dinger, de he hungern let, weren
grimmig worden, hedden de Gläser terbraken, worin se seten, un blösen
eenen Storm up, datt dat Schipp anfung mit allen Segeln to spelen un
sick von allen Ankern losret.  De Lüde, de up der Brügg un Lastadie
stunden, vorwunderden sick--denn bi de Stadt weihde kum een
Lüftken--wo dat Schipp rundküselde as een Swin, dat to veelen
Branwinsbarm sapen hett.  Un et wurd een grot Geschrei, un veele
Schippers lepen herbi un ook Schipper Gau.  He kreeg flugs een paar
von sinen Matrosen un eenige annere Waghälse tohop, löste sin Boot un
leet de Remen knarren un reep: "Frisch Jongs! frisch! wenn ick an
Burd kam, schälen mine Kerls voll wedder to Loch, se kennen min
Komando woll."  Un Gau kam richtig an dat Schipp, dat sick jümmer
rundüm küselde, as wenn't in eenem Strudel stack.  Alle annern Schipp
rührden sick nich, as wenn för se keene Luft weihde, un was een heel
moj Wäder.  Äwerst de kecke Gau hedd sick dittmal to veel vörmeten;
sine Bürschchen, de weegn des langen Hungers to grimmig weren, leten
sick van em weder locken noch hissen; se makten jümmer gewaltigern
Storm un dullere Arbeit un küselden toletzt so arg, datt Schipp mit
Mann un Mus to Grund gingen.

To der Tid ging mennig Gerede mank de Schippers hen un her, un veelen
is woll bang worden; äwerst ick glöw, et gifft noch van der Art, de
ehre lütten Düwelkens in Schachteln un Gläsern mit an Burd nehmen.




De witte Fru to Löbnitz


In Löbnitz ging de Red, datt eene witte Fru bi nachtslapender Tid
rundging.  Ehr Gang was van der Bleke äwer dat Steg, dat achter dem
Backhuse up der Beek liggt, dörch dat Backhus üm den Schaapstall un
üm de grote Schün, un denn gar langsam dör den Boomgarden un
Blomengarden, wo se oft still stund un sick bückte, as wenn se Äppel
upsammelde edder Blomen plückte.  Van da ging se toletzt in dat Hus,
wo se üm Klock een meist ut dem Keller unner der Trepp herupsteeg mit
eenem Licht in der Hand, waran blage Fünkschen stöweden un dat hell
upgnisterde.  So is se oft sehn üm de Gespensterstund; un ook mine
selige Moder sede, se hedd se mal schemern sehn.  Se plag jümmer an
der Trepp stilltostahn un sick wunnerlich ümtokiken ook woll de
Husdör to beföhlen, ob se slaten were; denn ging se langsam un
potentatisch de Trepp herup un steg to Bänen unner de Oken to den
Katten un löschte ehr Licht ut.  Dat is enmal wiß, keen Minsch ging
to der Tid gern up de Dele un up de Trepp; un dat was dat
Besünnlichste, datt keen Hund da je to liggen edder to rasten plegde.
Un oft is't schehn, datt Mäge, de de Trepp mit Licht herupgingen
edder des Nachts da wat to bestellen hedden, plötzlich as för dood
henstörteden un denn elendig krank wurden; un de hebben vörtellt, de
witte Fru wer en mit dem blagen gnistrigen Licht in den Weg treden un
hedd se anpust't.  Van disser witten Fru vörtellde Johann Geese
eenmal:

"Mit der witten Fru, de to gewissen Tiden, am meisten im Harwst un
Winter to Löbnitz ümgeiht, schall man sick woll in acht nehmen, un
den Düwel nich im Äwermod vörsöken.  Dat is een erzböses Wif, un se
geiht nich vörgäws in der wilden Unruh rund un makt ehrlichen Lüden
de Nacht gruwlich.  Dat's woll hundert Jahr her un länger, datt se to
Löbnitz würklich lewde un regierde.  Se was een rikes un vörnehmes
Eddelmannswif un se seggen, se kam ut Polen--so schön un witt as de
witte Dag, datt ehres Gliken van Schönheit kum up der Welt west is.
Äwerst se was eene leidige Hex un falsch un listig van Grund ut,
un slimmer as Bollis im Winter; un de olde Fiend hedd ehr den letzten
Bloodsdruppen vörgiftet, datt ook nich een god Haar mehr an ehr was.
Se was grausam hoffardig un lichtfardig, solang se jung un schön was,
un schall ehren olden Mann mit Gift vörgewen hebben.  As et äwerst
mit ehr gegen dat Older ging un se een, drei Stieg Jahr up dem Puckel
hedd, da vörlet se de lustige Düwel, de im Blood sitt, äwergaff se
sinem slimmsten Broder, dem hungrigen un kattigen Gitzdüwel, dem
Düwel, de nich slapen kann, dem rechten Negendöder der Seelen, as de
Herr Pastor seggt.  Nu wurd dat olde Wif eene slimme
Minschenschinnerin un Lüdplagerin un kratzte ut dem Blood und Sweet
der armen Lüde Gold in Hupen tosam un vörgrof't an veelen Stellen.
Un as se endlich van disser Welt weg müßt, is't ehr tor Straf sett't,
datt se up desülwige Wis, as se annern keene Rauh un Rast günnt hett,
ook im Grawe noch keene Rauh finden schull.  Darüm mütt se nu ümgahn
in der doistern Nacht, wenn alle frame Kreaturen un christlichen
Minschen slapen, un de hungrigen Wülw und Vöss un Marten un Ilken un
anner sodhan Tüg alleen up den Beenen sünt.  Denn mütt se herut in
Hagel un Snei un Wind un Regen in dem witten Doodenhemd mit dem
gefährlichen Licht in der Hand.  Un wiel se im Keller un in der Bleke
dat meiste Geld vorgrawen hett, darüm mütt se dar am meisten ümlopen.
De Herr hett woll de Löcher sehn, de de Schatzgröwers dissen Winter
up der Bleke upwöhlt hebben?  Äwerst de dummen Narren! da ward
keen Minsch wat finden.  Denn je slimmer de Minsch ist, de Geld in
der Erd vörgröft, desto grötere Macht hett de Bös äwer den Schatz un
desto deeper kann he en to sick heruntertrecken.  Un wer seggt uns,
wo veele dausend Faden deep he ehre Geldkasten in de Erd
herunnerslaken hett?  Dat is ook wahr un is dör veele Teken bewist,
datt düslike vordammte Seelen, de im Graw keene Rauh hebben, van Gott
brukt warden de Slimmen in Tucht to holden.  Denn wer in vörbadner
Tid as Sliker edder Deef herümlurt un wat söcht, wo he nicks vörlaren
hett, un dem witten Wiwe in den Wurf kümmt, mit dem dörft se affahren,
as't ehr geföllt, wenn he nich noch tor rechten Tid een himmlisch
Gewehr ergrippt, as een Evangelienbook edder een Gebet, dem Gott
anmarkt, datt et nich tom Spaß ut der Kehle geiht.  Dat hett sick vör
een twintig Jahr begewen.  Da was in Langenhanshagen een Snider, de
het Jakobs un was as een Töwerer un Deef vörropen, de des Nachts
selden in sinem Bedd sleep.  Den funden se eenes Morgens to Löbnitz
an der Eek achter dem Backhus, wo de Steg äwer de Beek geiht.  O je!
wo bummelde de grote Kramsvagel! un wo frisch weihede dat
Sniderhoiken im Wind!  He was mit eener frischen grönen Wide upknüppt.
Sine Fründschaft sede woll, datt he sick woll sülwst een Leed
andhan hedd; äwerst wi weten dat beter: sine Uphengersche lewt noch."




De Prester un de Düwel


Starkow hett jümmer deege Presters hett, de as unser Pastor Scheer
den Minschen woll an't Hart to kamen un den Düwel, wenn he sick nich
gar to sehr inwörtelt hett, uttodriwen vörstunden.  Un wet de Herr,
wo dat herkümmt?  In olden Tiden, as de Heiden hier utdrewen un Gotts
Wurt un dat bloodige Krütz predigt wurden, was disse Gegend hier üm
Starkow Redbaß un Löbnitz nicks as Holt, Heid un Morast, wo hier un
dar een Mann in sinem Hüsken wahnde.  Da kam ook een Pastor un de nüe
Kark schull buwt warden; äwerst der Lüde was wenig un dat Weinige ook
noch arm.  De Pastor is een sehr gottsfürchtig Mann west un klok dabi
un hett veel hen un her sunnen, up wat Wis he Gotts Wark vollbringen
un sinem hilligen Wurt eene Stad bereiden künn.  Un da is em de Düwel
infollen, de olde Schalk un Seelenfänger, de sick oft bi em infund,
wenn he sine stille Bedstund in sinem Kamerken helt.  Denn he kennde
en woll, wenn he sick as eene swarte Fleg up sine Bibel settede un
darup herümwipperde.  Denn de Stank blef nah, wenn de Fleg wegflog.
Un de kloke Herr hett den Düwel mit List dran kregen un bedragen, un
Satan hett sweeten müßt, datt em de höllschen Druppen äwer de Näs
lepen.  Un in drei Dagen hett de Kark fix und fardig da stahn, as de
Herr se noch süht, un is eene van den öldesten in Pamerland, un ehr
Baumeister hett se nich mit inwihen helpen dörft.  Äwerst dat mütt
man em laten, so slimm de olde Fiend is, he hett eene grote Dägd, un
dat is de Dägd der Geduld un Arbeitsamkeit, datt he sick nicks
vördreten lett, wat to sinem Geschäft hürt--un datt künn een
Christenminsch sick ook woll van dem Doiwel leeren laten.  Wo sehr de
kloke Prester en ook vexirrt un narrt hedd, he makte een fründlich
Gesicht dato, un kam jümmer wedder un frog sinen Kunden, ob he em
noch nich in wat denen künn un ob he nich noch eene kleene Arbeit för
en hedd.  De Prester öwerst fürchte sick vör dem Schelm, datt he en
doch beluren mügte, un wull nicks mehr mit em to dhon hebben.

Nu was da een Dörp, dat nah Starkow in de Kark ging; dat lag achter
dem Holt heel nah, un de Pastor müßt oft dahinriden.  Äwerst so
nah dat Dörp ook lag, was't wegen Unwegsamkeit doch een
Dreiviertelwegs.  Denn he müßt eenen wieden Weg maken äwer Oldenhagen
un üm den groten Wald herüm, wiel in dem Holt een deeper Morast was,
wo man alleen im Sommer äwer kunn.  Da föll dem Pastor eenes Dages in,
ob he sinen Werkmeister nich wedder bruken un dran kriegen schull.
Un as de Düwel eenmal wedderkam, slot he den Handel af mit em un
besprack sick mit dem Bösen: He schull em in drei Dagen den Weg dör't
Holt un eenen Damm äwer den Morast maken, un he wulle mit Lif und
Seel sin wesen, wenn he en betrappelde, datt he man eenen Strohhalm
breet ut sinem Vörbeet ging.  De Prester satt awerst in sinem Garden
unner eenem Boom un las de Predigt äwer, de he den nächsten Sünndag
holden wull; un sin Swur was: "Düwel, wenn du in drei Dagen den Weg
un Damm dör dat Holt to der Horst fardigkrigst, so schast du mine
Seel nehmen, wo du se findst, wenn ick nich mehr up dissen minen
Vörbeet stah."  Un de Düwel schmunzelde in sinem Sinn un dachte: Den
Vagel hest du fangen; denn wo will de dumme Prester dat woll anfangen,
datt ick'n nich mal uter sinem Vörbeet treffen schall?  Dat Lewen is
lang un de Gedanken sünt kort un ehr Beten van Faden ritt licht af.
Un he ging lustig weg un makte sick an de Arbeit, haude Eeken af un
makte Brüggen un slepte Steene un karde Sand, un ehr drei Dag üm
weren, stund de grade Weg da un lag de schöne Damm fardig, so schön
un glatt, datt een Könnig mit Lust dräwerfahren kunn.  Un he kam to
dem Prester un sede: "De Weg un de Damm sünt makt."  Un he lurde em nu
up, wo he en faten un begigeln künn.

Un kum vergingen een paar Dag, so nam de Prester sinen Stock in de
Hand un ging den Weg nah Redbas herut, sick sine Brewe un Zeitungen
van der Post to halen.  Un as he kum an de Brügg kamen was, wo de
Sched is tüschen de Redbasser un Starkower Feldmark, wipps, hast du
mir nicht gesehn, was de olde Grising da in sinem roden scharlaken
Tressenrock un mit sinem Hahnenfoot, wippelde as een Hester üm dat
kranke Küken, üm den Prester herüm, un stellde sick achter em up den
Weg, datt he em nich wedder torügg lopen künn.  Un he grüßte en up
sine döwelsche Wise gar fründlich un reep: "Willkamen, Presting!  Nu
müßt du mal mit mi kamen un tosehn, wo't sick in der Höll lewt un ob
du se denen Buren richtig utleggt hest.  Wo steiht et?  Hest du din
Fell brav insmeert, datt et in der Hitt nich springt?"  Un as de Düwel
disse spötsche Red dhan hedd, makte he sick an den Prester un wull en
packen; äwerst he kunn nich!  Denn em kam een Gruwel un Grusen an, as
wenn he mit sinen Klauen in kold Is tastet hedd.  Un de Prester
lachte mit grotem Vergnögen, blos em ut siner Pip den Tabaksrook in
de Näs un sede: "Holt, Düwel! da is noch een Sticken vör, datt du
nich herin kannst.  Markst du, datt ick up minen Vörbeet stah?  Un
damit du Schlangenschelm et begrippst un in dinen Düwelsknaken
zitterst un bäwerst, so kumm her un seh!"  Un de Prester tog eenen
Stäwel ut un wieste dem Düwel, datt he drei, vier Bläder ut dem
Evangelienbook in sine Socken inneiht hedd.  Un de hedd he ook in
sinen Stäweln hett, as he im Garden den Eid swur un sinen Handel äwer
den Weg dör't Holt afslot.  Un de rode Düwel wurd vör Grimm blaß un
bleek as de Kalk an der Wand un schämde sick un vörzagde an dem
Prester, un neihde ut, as wenn em Für unner den Salen brennde, un
hett sick sin Leder nich mehr bi em sehn laten.  Un de Prester hett
as een gottselig Mann lewt, un is so storwen, un de Kark steiht bet
dissen hütigen Dag, un de Damm liggt noch un führt den Namen sines
Baumeisters, het de Düwelsdamm; äwerst nahgrad wer't woll nödig, datt
man den Düwel eenmal wedder dran krege tom Utbetern; denn he hett
vördammt veele Löcher.  Un wenn man ditt so bedenkt un de olden
Geschichten hürt, so mag man sick woll wundern, datt de Presters nu
tor Tiden so weinig känen un den Düwel nich mehr am Strick hebben.
Se segen, de olde Herr van der Finsternis un Düsternis is dood un
lewt nich mehr, äwerst se känen't nich bewiesen un ick glöwt nich;
denn he reckt sine Tatzen noch oft nog hervör.  Un wahrhaftig leider
Gotts! an dem Düwel fehlt et nich, man de rechte Glow fehlt un de
rechte Leewe, de rechte fürige himmlische Leewe, de de ganze
vullgeproppte glönige Höll un alle Millionen Düwels mit eenanner
utbrennen un in Asch vörwandeln kann.  Un darüm vörseggt en dat Hart,
et mit em uptonehmen.  De Olden vörstunden't beter un wüßten den
Spruch mit der Dhad uttoleggen: West klok as de Slangen un eenfoldig
as de Duwen.  To der Tid, as de Düwel Karken und Klöster buwen müßt,
gaff't gottskloke Lüde; nu äwerst sünt se düwelsklok un negenklok un
äwer all der Klokheit is de Vörnunft dumm worden, wo se de goden un
slimmen Geister mit eenem Blick underscheiden un den Engels und
Düwels in Christo begripen un den Lüden utdüden kunnen.  Se söken den
leewen Gott in der Welt, wo he is un ook nich is, un nich in der
Bibel, wo en jeder finden kann, dem Negenklokheit de Oogen nich
vörglastert hett.  Weer he so säker un wiß up der Landstrat to finden,
so were de leewe Heiland jo ümsüs vam Himmel herunnerkamen, sin
dürbares Blood am Krütz för uns to vörgeten.




De Wewer un de Steen


De Herr hett woll dat steenerne Krütz sehn, dat am Wege steiht, wo
man van der Löbnitzer Mähl nach Redbas geiht.  Da lag vör dissem een
Steen, de was in twee Stücken tersprungen.  Den hebben se wegnahmen,
as de Fürst Hessenstein de prächtige Redbasser Brügg buwen let; un
dat is schad, denn de Steen hedd wat in sick, un't was eene Geschicht
mit em, woran sick Mennigeen spegeln un wobi jeder Wandersmann, de
vörbiging, sine goden Gedanken hebben kun; un he was recht een
Wahrnagel för de Deewe un för alle falschen Nachtslikers.  Nu he
äwerst weg is, ward et woll to swind vörgäten sin, un wer weet, wo
lang dat Krütz noch steiht, denn nu is de Tid da, wo se alles
umkehren un dat Olde vörachten.

Vör langen langen Tiden, lang vör Minschengedenken, wahnde in Redebas
een Wewer, dat was een groter Schelm.  He wewerde äwerst nich
veel--denn sin Wewstohl stund jümmer still--äwerst he grep to eener
Kunst, wodör man een lustig Lewen holden un swind rik warden kann; un
de Düwel hedd to sinem Gespinst den Inslag makt, un nu mag de arme
Stacker tosehn, wo he dat Netz utrawweln will, dat he sick sülwst
wewt hett.  Des Nachts, wenn de ehrlichen Lüde slapen, was min Wewer
jümmer flink mit sinen Gesellen up den Beenen, un fette Swin un Gös,
de de Bur den annern Morgen tohauen wull, un Schinken un Mettwurst un
mennig swarer Immenrump un blanker Schepel Weiten kam int Hus, un
nüms wußte, up wat för eenem Wege.  Dat äwerst wüßten alle Lüde im
Dörp, datt de Wewer ful was as de Oss üm Wihnachten un datt he fedder
lewde as de Schult un Vörwalter.  Un se munkelden woll unner sick, he
were een Deef un Röwer un stünd' ook mit dem olden Draken im Vörbund,
de em alles todröge; äwerst bewiesen kunn em't keener.  Nu begaff
sick't eenes Dages, datt unser Meister Urian mit sinem Gesellen dem
Löbnitzer Möller eene Nacht in de Mähl brok, un datt jeder sinen Sack
Weiten furtdrog.  Glik drup kam de Möller mit sinem Burschen, un se
funden de Mähl apen un den Weiten weg un lepen up den Wegen herut, ob
se nüms gewahr warden künnen.  Un se kemen ook up den Redbasser Weg
un packten unsern Wewer, de mit sinem Weiten up eenem groten Steen
satt; de Gesell äwerst was wiet vörut.  De Möller un de Mählenbursch
nehmen nu unsern Wewer tüschen sich un prügelden en deeg af, un darup
müßt he sinen Weiten wedder upsacken un mit gewaltigem Pusten un
Stänen nah Löbnitz bet an dat Möllerhus dregen.  Da hölden se en fest,
denn se meenden ganz säker; datt he de Weitendeef were.  Un den
annern Vörmiddag was groter Gerichtsdag to Löbnitz.  Un de Wewer hölt
sick stif und lögnede alles, un lede sware Klag up den Möller un den
Mählenburschen, datt se en as eenen Deef festholden, up der Landstrat
slagen un em sinen egnen Weiten afnahmen hedden.  "Denn"--schreide
he--"ditt is min Sack (he hedd äwerst sinen egnen Sack mit sinem
Namenteken mitnahmen un den Weiten darin schüddet) un de Weiten darin
is min Weiten, den ick mi gistern Awend van dem Buren to Holthof
köfft hew.  Un wenn ji't nich glöwen willt, so schickt hen un latet
den Buren halen un fragen, un wenn he seggt, datt ick den Weiten van
em nich köfft hew, will ick nu un ewig een Schelm heten."  Un se
schickten nah'm Holthof, un de Bur sede ut, as de Wewer bedürt hedd;
denn he stack ook mit drin un was een Afflegger un Deewshehler.  Un
nu wüßte de Richter keenen annern Rat, he hölt den Wewer woll för
eenen Deef, äwerst he kunn em't nich up't Lif seggen, un darüm müßt
he en tom Swur laten.  Un he nam den Möller un den Mählenburschen un
den Wäwer, un se gingen mit eenanner to dem Steen un dem Krütz up der
Heid am Wege, wo de Möller en packt hedd, un da vörmahnde he den
Wewer noch eenmal, Gott de Ehre to laten, wenn he sündigt hedd, un
leewer sine Sünd to bekennen un de Straf to liden, as eenen falschen
Eid to dhon un ewig in der Höll to braden.  "Denn"--sede he un sach
den Schelm dabi sehr ernsthaftig an--"disse Steen wat woll tügen
gegen di, wenn du falsch swerst, un disse Durnbüsche warden de Köpp
äwer di tohop stecken un Weh und Zeter äwer di schreien."  De Wewer
äwerst let sick nicks anfechten, he makte sin Hart fast un verschot
keene Min un schwur frisch weg, datt he unschuldig were an des
Möllers Dör un Weiten, un sprack mit frecher luder Stimm: "Lat dissen
Steen in Stücken springen, un wenn et een muntlos Kindeken weet, datt
ick de Deef bün, lat et oogenblicklich dat Wurt gewinnen."  Un da
gingen se van dem Steen weder nach Löbnitz torügg, un de Spruch was:
De Möller un de Mählenbursch müßten dem Wewer Afbidde dhon un för den
Schimp un de Släge hundertföftig Daler betalen und alle Kosten stahn.
Dat hedden se noch to ehrem Schaden; de Wewer äwerst strek dat Geld
in un lachte in sin Füstken, nam sinen Weitensack up den Puckel un
plegde sick eenen goden Dag van dem Roof un van dem glücklichen
Geldfang.

Nu was't to spad em totoropen: "Holl up!  Holl up!"  he was to dicht
van den Doiwelsstricken bestrickt, un kunn nich mehr herut; sin Wagen
was loslaten, un lep störtlings bargaf.  He dref dat lichte Handwark
noch een paar Jahr un wurd een Perddeef un Stratröwer un Mörder un
strek an Galgen un Strick oft hart vörbi.  Toletzt äwerst wurde he in
Rostock fast mit mehrern siner Gesellen, un da kam et ut, datt he vör
drei Jahren in Kenz een Hus anstaken hedd, worin eene olde Frau un
drei Kinder vörbrennt weren.  De arme Sünder wurd nu utlewert nah
Redebas, wo he to Hus was, un sin Urtel wurd spraken: He schull an
dem Pal vörbrennt warden.  As he hier satt, dachten se in Löbnitz un
Redbas wedder an den Weitensack un wo he sick an dem Steen up der
Heid losswaren hedd.  Un de Königliche Amtmann un de Schult leten dat
Holt, worup he verbrennen schull, dahenführen un richteden em an dem
Steen sinen letzten fürigen Stol up.  Un da hett sick begewen, as he
in der heeten Qual satt un sinen letzten Lewensschrei van sick gaf,
datt et unner dem brennenden Holte klungen hett, as wenn een Kind
weent.  Un alle Minschen, de dabistunden, hebben sick vörwundert un
vörfiert äwer de Kinderstimm, un een old Wif hett seggt: "Da hett mal
eene Mordhand een Kind in de Erd scharrt, un dat rührt sick nu in
siner Gruft."  Äwerst de Mählenbursch van vörmals, de nu Möller in
Karnin was un dabistund, reep ganz lude, datt alle Lüd et hürden: "Ne!
keene arme Sündersche hett ehr Kind da in de Erd vörgraben, da hett
de Schelm up dat Evangelienbook sin falsch Wurt ingraben, un dat mütt,
damit de Wahrheit an den Dag kümmt, unner der Erd herutschreien:
'Wewer, du hest Gott belagen.' Un nu will'n wi sehn, wo't mit dem
Steen utsüht."  Un de Möller vörtellde de ganze Geschicht van dem
Weitensack un wat de Richter bi dem Steen seggt hed un wo sehr he den
Wewer up sine ewige Seligkeit vörmahnt hedd, un up wat Wise un mit
wat för Wurden de Wewer sick darup vörswaren hedd.  Un de Lüde
vörstaunden sick un keener kunn een Wurt spreken vör Schrecken.  Un
as de arme Sünder vörbrennt was un nicks as Asch un Knaken äwrig
weren, da trat de Möller to dem Steen un rakte mit dem Stock de Asch
weg van dem Steen, un süh! de Steen was terborsten un in twee Stücken
zersprungen.  Un alle Lüde seden: "Seht! dat is Gotts Finger", un
gingen in Furcht un Zittern to Hus.  Äwerst ob van allen den, de
dabistunden, ook nich eener mal stahlen hett, daför will ick nich
godstahn; denn so ward et woll in disser Welt bliwen, so lang se
steiht.




Die alte Burg bei Löbnitz


Nahe bei Löbnitz über grünen Wiesen, wodurch sich das Flüßchen Barth
hinschlängelt, grünt ein kleiner Eichenwald mit einem durchrinnenden
Bächlein und den schönsten und dichtesten Haselbüschen, welche sich
fast jeden Herbst unter dem braunen Schmuck ihrer Früchte beugen.  An
der Südseite des Wäldchens liegt eine Ziegelei, und am nördlichsten
Ende erhebt sich eine Burghöhe, deren Umwallung ringsum eine Senkung
umgibt, in welcher die elegischen und zauberischen Sträuche Kreuzdorn
und Hagedorn, Hollunder und Alf-Ranke, Nessel und Nachtschatten sich
festgesiedelt hatten und dem Andringer das Aufsteigen fast schwer
machten; auch hatten die Füchse sich den Wall und sein altes Gemäuer
zu ihren unterirdischen Wohnungen durchminiert.  Dieser alten Burg
gegenüber erhob jenseits am rechten Ufer des Flusses unweit Wobbelkow
ein stattliches Hünengrab sein grünbemoostes Haupt, von dessen Gipfel
man die Stadt Barth mit ihren roten Dächern und in der Landschaft
umher ein halbes Dutzend Kirchtürme und ein halbes Hundert Höfe und
Dörfer überschauen konnte.  Dieses Eichwäldchen ward nach den
Trümmern jener Burg gewöhnlich nur zur alten Burg genannt.  Hier
hatte sich nun ein Abenteuer begeben, welches durch alle Münde und
Mäuler der Menschen die Runde machte: Eine junge, hübsche Dirne,
welche die Kühe des Zieglers im Busche hütete, war plötzlich
verschwunden oder entlaufen, und da geschah es, daß die Stimmen der
Sage sich wieder aufweckten, die oft verschollen ihre Zeit träumt und
schläft und dann mit doppelter Lebendigkeit wieder in die Ohren der
Menschen tönt.  Und in folgender Weise war die Erzählung des Gärtners
Christian Benzin:

"Herr, sie sagen so was von der Dirne des Zieglers, die vor vierzehn
Tagen am hellen scheinenden Mittag verschwunden und nicht
wiedergekommen ist.  Die Leute munkeln, und des alten Schweden
Sturbergs Jungen aus Wobbelkow, die einem Kalbe nachgelaufen, haben
es gesehen: Ein Matrose in bunter, rotgestreifter Jacke ist mit ihr
am Saum des Waldes spazierengegangen und hat einen Blumenstrauß in
der Hand gehabt, und sie glauben, der habe sie weggelockt und mit
sich auf sein Schiff genommen.  O du Herr Jemine!  Das Schiff, worauf
die Dirne fährt!  Soviel ist wahr, den Buntjack werden die
Sturbergsjungen wohl spazieren gesehen haben, aber meiner Sir so weit,
als die dummen Leute sich einbilden, ist sie nicht unter Segel
gegangen.  Ich weiß wohl, wo sie sitzt, und Jochen Eigen, den sie
immer den Edelmann schelten, weiß es wohl noch besser, aber der
schämt sich und sagt's nicht und verrät nichts von seinen
Hausheimlichkeiten, als wenn er mal ein wenig zu tief ins Glas
geguckt hat."  Und bei diesen Worten machte der Gärtner Christian eine
gar absonderliche und verwunderliche Miene.

"Nun, Benzin, nur her mit Euren Geschichten!  Jetzt, hoffe ich,
wird's einmal wohl ans Licht kommen, warum Ihr bei dem Namen alte
Burg immer so wunderliche Reden und Gebärden braucht.  Hier muß es
irgendwo stecken, daß Ihr auf der Jagd nie in diesen Busch hinein
wollt und mit leichten, diebischen Katzentritten an seinem Rande
umherschleicht oder Euch in gehöriger Entfernung Eure Stelle anweisen
laßt.  Darum habt ihr, als die schönen Mamsellen aus Barth jüngst
dahin Nüsse pflücken gingen und noch andere hübsche junge Frauen
mitgehen wollten, so wunderliche Gesichter geschnitten und sie in den
Löbnitzer Wald auf den Kamp zu laufen verlockt, wo man unter den
Pfriemenbüschen wohl Hasen und Füchse aufjagen, aber keine Nüsse
schütteln kann.  Es muß was Besonderes mit diesem Busche sein.  Und
nun heraus damit!  Ich lasse Euch diesmal nicht los."

"Ja, Herr, dies ist Euch ein Busch! hier ließe sich viel erzählen,
und wer eine hübsche Frau und schöne Tochter hat, der lasse andere
Weiber in diesen Busch Nüsse pflücken gehen.  Ich sage nur soviel:
wie manche hübsche Jungfer würde ihr Herzleid zu erzählen haben, wenn
sie sich nicht schämte!  Ich erinnere mich noch, mein Vater hat mir's
erzählt,--es sind wohl ein paar Stiege Jahre her--da waren ein paar
schöne Jungfern aus Barth gekommen Nüsse zu pflücken, und sie sind
hier im Wäldchen verschwunden.  Man hat die Verschwundenen tage- und
wochenlang gesucht, wie man Stecknadeln sucht, bei Sonnenlicht und
Laternenlicht, aber keine Spur von ihnen gefunden, kein Mensch hat
sie wiedergesehen.  Mein Vater sagt, es sei große Wehklage und Trauer
um sie gewesen--denn es waren Kinder ehrsamer und reicher Leute--und
zuletzt in Kentz und Starkow und in allen Kirchen umher mit den
Glocken um sie geläutet, als hätte ein Wolf oder Bär sie gefressen.
Aber deren gibt's hier nicht; ich weiß wohl, wer der Wolf ist.  Und
doch hat sich's wunderlich genug offenbart: sie waren nicht von
wilden Tieren aufgefressen, sondern nach acht bis zehn Jahren von
Vergessenheit und Verschollenheit sind sie mit einemmal noch ganz
frisch und blank wieder unter den Lebendigen aufgetreten und haben
sich nichts merken lassen.  Aber die Leute haben doch eine Art Grauel
vor ihnen angewandelt und haben ihrer Jungferschaft nicht recht
getraut, und die armen hübschen Mädchen haben zuletzt als alte
Jungfern sterben müssen.

Und nun will ich erzählen, was Jochen Eigen mir erzählt hat, der
diese Geschichten am besten weiß; aber er wird sich hüten sie dem
Herrn zu erzählen.  Und dann wird der Herr verstehen, warum ich
hübsche junge Frauen und Mädchen nicht so leichtfertig in den Wald
laufen lassen will, und warum ich neulich krank ward, als ich die
Nacht bei dem Fuchsbau am Burgwall, wo sie gegraben hatten,
Schildwache stehen und die jungen Füchse, wenn sie etwa heraus
wollten, zurücktreiben sollte.

Vor langen, langen Jahren war Jochen Eigens Urgroßvater*, ein
prächtiger, stolzer Edelmann, so prächtig und steinreich, daß er den
Zaum seines Pferdes mit Juwelen besetzte und in einem goldnen
Steigbügel saß.  Dieser hatte im Lande Rügen und auch hier im
Pommerlande viele schöne Höfe, Wälder und Bauern, so viele, daß man
sie nicht zählen konnte--ein prächtiger, stolzer Mensch, der mit
sechsen vom Bock fuhr, einen Läufer vor sich herlaufen und seine
Pferde in langen Strängen springen ließ.  Aber es war ein wilder,
verwegner Mensch, der nichts von Gottes Wort und Wegen wissen wollte,
ein toller Jäger und Reiter und ein greulicher Weiberjäger, der wie
der Falk auf die Tauben, auf die schönen Dirnen lauerte.  Diesem
Eigen hat in jenen alten Zeiten auch Löbnitz und Diwitz und Wobbelkow
gehört, und hier bei Löbnitz hat er im Walde ein prächtiges
Burgschloß gehabt mit vielen Türmen und Fenstern, wo er manche schöne
Nacht durchschwärmt und durchtrunken und mit seinen lustigen Gesellen
bei Wein und Weibern bankettiert hat.  Und dort auf dem hohen
Hünengrabe an dem andern Ufer, dort am Wege zwischen Redebas und
Wobbelkow, hat er sich ein prächtiges, aus eitel gehauenen demantenen
Steinen gebautes Lustschloß hingestellt.  Da ist er oft hingaloppiert
und hat dort gesessen und mit einem Kieker auf die Landstraßen umher
ausgeschaut, ob seine wilden Lauscher und Räuber, die er ausgeschickt
hatte, schöne Weiber einzufangen, nicht irgendwo mit Beute
heransprengten.  Diese armen Gefangenen haben sie dann bei
nächtlicher Weile, wo andere gute Christenleute schlafen, auf die
Burg im Walde geschleppt und dort versteckt, daß weder Hund noch Hahn
danach gekräht hat.  So hat der böse Mensch sein wildes, verruchtes
Wesen viele lange Jahre getrieben, und Gott hat ihm manchen Tag die
Zügel schießen lassen.  Das lag aber in seinem Blute, und Jochen, dem
der Edelmann lange vergangen sein sollte, dessen Großvater schon ein
armer Weber gewesen--der Herr glaubt nicht, was die alten Leute von
dem zu erzählen wissen, wie grausam der in seinen jungen Jahren auf
die hübschen Dirnen gejagt hat.  Er will sich's nun nur nicht mehr
merken lassen, aber diese lüsternen Edelmannsnücken hat er noch genug
in sich.  Endlich aber ist doch des alten wilden Jägers Tag gekommen,
es ist Krieg geworden, und Pest und Hunger und Moskowiterzeit und
Kalmückenzeit, ich weiß den Namen nicht recht, aber eine grausame
böse Zeit ist gekommen, und da ist jener Bösewicht auch von seinem
Jammer gefaßt worden: seine Schlösser und Häuser verbrannt, seine
Scheunen und Speicher ausgeleert, sein Vieh weggetrieben.  Da hat er
sich zuletzt hier in die Burg bergen und verstecken und knapp leben
lernen müssen wie andere arme Leute.  Da ist seine Rechnung bei dem
höchsten und obersten Rechenmeister übervoll gewesen, und er hat ihn
mit seinem Blitz geschlagen und sein prächtiges Sündenhaus angezündet,
und er und seine Weiber sind alle zu weißen Aschen verbrannt, und
von der ganzen Herrlichkeit, wo sonst Geigen und Trompeten klangen
und Tag und Nacht bankettiert ward, liegen noch kaum ein paar Steine
da, und nun sind die Füchse und Marder und Eulen die einzigen
Nachtmusikanten.

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* Die Eigen sind allerdings ein altes adliges Geschlecht in der Insel
Rügen gewesen, aber jetzt längst verloschen und verschollen.  Möglich,
daß Jochen Eigen, welchen sie gern den Edelmann schalten, aus jenem
Geschlechte war.  Ich habe weder Lust noch Veranlassung gehabt seinem
Ursprunge diplomatisch nachzuforschen.  Bei diesen Geschichten dringt
sich übrigens wieder die bekannte Erfahrung auf, daß Bauern und
Dienstleute in Erinnerung mancher Unbill und Ungerechtigkeiten, die
ihnen von schlimmen Edelleuten widerfahren sind, indem sie der
freundlichen Herren darüber vergessen, eine Freude und Ergötzung
erleben, wenn sie sich märchenhaft erzählen, wie das Unglück oder gar
der Gottseibeiuns irgendeinem bösen verruchten Geschlechte das Garaus
gemacht habe.
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Der Herr weiß wohl die alte Eiche, die dicht an der Burg steht, ein
besonderes altes Gewächs, welchem der Blitz auch vor einigen Jahren
die eine Hälfte abgespaltet hat.  Da spielt jetzt eine gar
wunderliche Musikantengesellschaft drauf.  Wenn man nur achtgibt und
aufmerkt, daß auch kein Vögelchen im Walde schwirrt und zirpt, um den
Baum ist's nimmer still.  Spatzen und Zeisige und Meisen flattern und
schreien da bei Tage in solcher Menge, daß man sein eigen Wort nicht
hören kann, und des Nachts--o herrje!--machen die Eulen und Krähen
und Raben ihren Gesang, daß einem die Haare zu Berge stehen.  Sie
sagen auch, daß die Füchse dann aus ihren Löchern kommen und
mitheulen, und daß die Schlangen, deren unten am Bache so viele sind,
dann einen Ringeltanz halten; aber ich habe es nicht gesehen.  Das
ist aber einmal wahr, daß man die Pferde, die in ihren Nüstern von
Gespenstern und anderm Teufelszeug eine Witterung haben, an dieser
Seite des Waldes selbst bei Tage kaum grasen sieht.  Der Herr hat
auch wohl den schwarzen Storch gesehen, der nicht weit von der Burg
auf einer abgestumpften Buche horstet.  Hier um Löbnitz, Redebas und
Divitz, wo die Barthwiesen und Bäche so viele Nattern, Schlangen und
Frösche ziehen, hat's der Störche auf allen Dächern und Scheunen die
Menge, aber nirgends sieht man einen schwarzen Storch als hier.
Zuweilen sollen Jahre sein, so er ganz ausbleibt, schon seit
Menschengedenken hat man davon gesprochen, aber er erscheint zu
seiner Zeit immer wieder.  Dieser schwarze Storch ist hier der
Feldhauptmann des ganzen Vogelgefieders.  Viele Leute sagen, er sei
der alte Edelmann selbst oder auch ein Sohn von ihm, den er mit einer
Mohrenprinzessin gezeugt haben soll, die er dem Sultan im Mohrenlande
abgekauft hatte.  Denn Zauberer, Hexenmeister, Mohren und solches
wanschaffene Teufelsgesindel, das keinen ordentlichen Vater und
Mutter vorzeigen kann, wippsen hier des Nachts umher, und diese haben
die vielen Fußtritte ausgetreten, die zu dem Wall hinlaufen; denn die
Menschen hüten sich wohl, um dieses Revier Fußsteige zu machen.
Dieses Gesindel wohnt bis auf den heutigen Tag in unterirdischen
Sälen, die noch viele hundert Schuh tief unter den Füchsen liegen,
und mancher hat es deswegen tief unter dem Wall heraus oft so
wunderlich sausen und klingen gehört, mit ganz anderer Gewalt und
andern Tönen, als Füchse und Marder in ihren Löchern machen können.
Mit diesem schwarzen Storch ist es ein gar absonderliches Ding.  Das
wissen alle Bauern und Hirten zu erzählen, er hat auf den Wiesen ein
dreimal größeres Jagdrevier als irgendeiner der bunten Störche, und
keiner von diesen kommt ihm in sein Verbiet; ja sie fliegen gleich
davon, als wenn sie den Teufel sähen, sobald sie ihn nur von fern
erblicken.  Des Nachmittags gegen den Abend, wenn die Sonne ins Gold
zu gehen anfängt, sieht man ihn zwischen der Burg und dem Hünengrabe
immer hin und her fliegen, auch sitzt er dann oft auf diesem Hügel
und schaut gegen die Stadt Barth hinüber, woraus er in seinen Tagen
vielleicht manche hübsche Dirne verlockt hat.  So muß er nun nach
Gottes Spruch und Urteil viele Jahrtausende in Vogelgestalt
herumfliegen--denn wer wird ihn zu erlösen kommen?--und statt seiner
früheren Leckerbissen mit der schlechten Speise der Frösche und
Schlangen, die jeder Mensch anspeit und ausspeit, vorlieb nehmen, und
in seinem schwarzen Rock zeigen, daß er ein Schelm und Bösewicht von
Natur ist.  Aber es ist sonst doch noch etwas anderes dabei, und das
ist eben das Greuliche, der Matros in der bunten Jacke.  Ich weiß
nicht, ob es ein Matros ist, in welcher Gestalt ihn viele wollen
gesehen haben, oder ein hübscher flinker Jägerbursch, aber die bunte
Jacke gehört einmal dazu.  Und keiner versteht, wie dieser Buntjack
und der Schwarzrock, der Storch, zugleich da sein können, und was
diese Vermaskierung bedeutet, aber ein buntes Teufelsspiel ist es
sicherlich, und hat manche arme Seele um Ehre und Glück gebracht.
Denn wenn so ein glatter Geelschnabel und Grünling von einer hübschen
jungen Dirne oder ein anderes schönes Weibsbild hier im Walde Blumen
lesen oder Nüsse pflücken geht und ihre Gedanken nicht in acht nimmt,
daß sie nicht ganz auf Gottes Wegen bleiben--ich meine, wenn sie
etwas zu junges und zu Lustiges denkt oder mit verbotenen
Götzenbildern des Herzens spielt, wie unser Herr Pastor Scheer sagt,
auf der Stelle stellt sich der schöngestreifte Buntjack ein und macht
vor ihr seine Kratzfüße.  Er macht sich gar leidig und freundlich
heran, reicht Blumensträußchen, erbietet sich als Diener die
Nußbeutel zu tragen, und spielt so mit tausend Blücklingen und
Heuchlingen und Schmeichlingen um die Weibsen herum, daß die armen
Begigelten und Behexten nicht wissen, wie ihnen geschieht, und nimmer
gewahr werden können, welch ein Hahnenfüßler er ist.  Auch kommt er
wohl immer ganz wie von ungefähr als ein feiner, blöder Jüngling, als
ein hübscher, unschuldiger Knab', irgendein buntes Vöglein auf der
Hand tragend und sprechend: 'Sie sucht Blumen, schöne Jungfer, Sie
will Nüsse pflücken--o komm Sie mit mir!  Ich weiß wo schönste Blumen
stehen, wo braune Nüsse in Menge hängen.' Und so lockt er sie fort,
und führt sie durch Blumen und Nüsse immer tiefer in den Wald, und
lockt sie endlich auf den Burgwall--'O da ist eine ganz prächtige
Aussicht, schöne Jungfer', ruft er, 'da kann Sie die schöne Welt mal
weit umher überschauen.' Da oben liegt aber ein kleiner roter runder
Stein wie zu einem Sitz zurechtgemacht mit einem immergrünen
Plätzchen daherum, da hat der Schelm Blumen und Nüsse hingestreut,
und wohl rosenrote Äpfel und Pflaumen, und heißt sie sich setzen und
sich des Blicks über die weite Landschaft freuen.  Aber siehe!  Wie
sie herantreten und den Stein berühren, tut sich das grüne Plätzchen
auf, und Buntjack und Jungfer und Nüsse und Blumen--alles sinkt
plötzlich tief in die Erde hinab, in die unterirdischen Säle, aus
welchen es oft so wunderlich herausklingt--und die armen versunkenen
Dirnen kommen nimmer wieder, oder einige kommen auch wohl nach Jahren
wieder an das Licht und unter die Menschen, aber sie schämen sich zu
sagen, wo sie so lange gewesen sind und was ihnen widerfahren ist.  O
wie manche hübsche Jungfer, die mit dem lustigen Buntjack Blumen und
Nüsse pflücken ging, hat hier den Blumenkranz ihrer Unschuld verloren.
Ich sage soviel, meine Frau ließe ich für alle Schätze der Welt
nicht in diesen Busch gehen.  Die Jungen, die des Nachts auf den
Wiesen die Pferde hüten, erzählen viel von dem Eulen- und
Krähengeschrei, aber zuweilen haben sie auch ein Wimmern und Winseln
wie tief aus der Erde heraus gehört, und dann haben sie den schwarzen
Storch gesehen sich in der Luft über dem Walde mit den Flügeln
wiegend und klatschend, als sei ihm das eine Freude.  Aber ich weiß
nicht, ob man alles so glauben soll, aber gewiß böses Spiel ist
dahinter, wiewohl man glauben soll, daß Gott solches Spiel nicht
zuläßt bei denen, die mit den rechten Gedanken und mit frommen
Bibelsprüchen in der Brust versehen sind, und wenn sie sich auch
unter lauter Teufelsgesindel im düstersten Walde und in einsamster
Wüste verirrt hätten."




Der Rabenstein


Es gibt viele absonderliche und wunderseltsame Geschichten und Dinge
in der Natur, von welchen kein Mensch begreift, wie sie sich begeben
und zusammenhängen, und sind doch da.  Und wenn die Menschen sie
erzählen hören, erstaunen sie und erschrecken, aber wissen können sie
sie nicht.  So ist es auch mit dem Rabenstein, wovon viele erzählen,
aber keiner etwas Gewisses weiß; daß es aber Rabensteine gibt, das
weiß man wohl.

Ihr habt auch wohl von Diebslichtern gehört.  Die sind fast eben wie
der Rabenstein und wie andere unsichtbare Diebslaternen.  Es ist aber
greulich zu erzählen, wie Diebslichter gewonnen werden.  Sie sind die
Finger von ungeborenen und unschuldigen Kindlein; denn die Finger von
schon geborenen und getauften Kindern kann man dazu nicht gebrauchen.
Und was für ungeborene Kindlein sind das?  Und wie muß man die
Lichter gewinnen?  Wenn eine Diebin oder Mörderin sich selbst erhängt
oder ersäuft hat oder gehängt oder geköpft worden ist und ein Kind in
ihrem Leibe trägt, dann mußt du hingehen um die Mitternacht, auf des
Teufels Straßen, und nicht auf Gottes Straßen, mit Beschwörungen und
Zaubereien, und nicht mit Gebet und Segen, und mußt ein Beil oder
Messer nehmen, das von Henkershänden gebraucht ist, und damit den
Bauch der armen Sünderin öffnen, das Kind herausnehmen und seine
Finger abschneiden und zu dir stecken.  Aber solches muß durchaus um
die Mitternacht vollbracht werden und in vollkommenster Einsamkeit
und Schweigsamkeit, so daß auch kein leisester Laut, ja kein ach! und
kein Seufzer über die Lippen des Suchenden gehen darf.  So gewinnst
du Lichter, die, wenn du willst, brennen, und, wie kurz sie auch sind,
doch nimmer ausbrennen, sondern immer gleich lang bleiben.  Diese
Zauberlichter haben die sonderliche Natur und Eigenschaft, daß sie
augenblicklich brennen, wie und wo ihr diebischer Inhaber nur denkt
oder wünscht, daß sie brennen sollen, und ebenso geschwind als sein
Wunsch und Gedanke erlöschen.  Durch ihre Hilfe kann er in der
dichtesten finstersten Nacht, wenn und wo er will, alles sehen; sie
leuchten aber nur für ihn und für keinen andern, und er selbst bleibt
unsichtbar, wenn sie auch alles andere hell machen.  Dabei sitzt noch
die Greulichkeit in ihnen, daß sie eine geheime Gewalt über den
Schlaf haben und daß in den Zimmern, wo sie angezündet werden, der
Schlafende so fest schnarcht, daß man zehn Donnerbüchsen über seinem
Kopf losknallen könnte und er doch nicht erwachte.  Denke, wie lustig
sich da stehlen und nehmen läßt!

Auf diese Weise werden die Diebslichter gewonnen und gebraucht, aber
anders der Rabenstein und nicht so greulich, wiewohl auch ein vom
Satan und von seinen Gelüsten verblendetes und verhärtetes Herz dazu
gehört, sich den Rabenstein in die Tasche zu schaffen.  Dies ist aber
der Rabenstein, und auf folgende Weise wird er gewonnen:

Die Raben, Krähen, Adler und andre solche Vögel, welche scharfe
Schnäbel und Klauen haben und von Gott auf den Raub angewiesen sind,
sagen die Leute, werden sehr alt und leben wohl zweihundert und
dreihundert Jahre, also viel länger als die ältesten Menschen.  Wenn
nun ein Rabenpaar hundert Winter miteinander gelebt und geheckt hat,
dann legt es erst den Rabenstein, und, wie sie sagen, alle zehn
Winter einen neuen Stein.  Dieser Rabenstein soll nach der Sage aus
den Augen der Diebe herauswachsen, welche die Raben am Galgen
ausgehackt haben; und das müssen die Raben an vielen hundert Dieben
getan haben, ehe sie einen solchen Wunderstein legen können.  Er ist
von der Größe einer Wälschen Nuß oder eines Rabeneies, ganz rund und
glatt und feuerrot wie ein Karfunkelstein, und die Raben legen ihn in
der letzten Nacht des Hornungs: denn noch im Winter legen sie ihre
Eier und im ersten Frühling, wann es noch reift und friert, haben sie
schon befiederte Jungen.  Es hat aber dieser grausige Wunderstein
zwei Eigenschaften; die erste, daß er in der Nacht leuchtet wie eine
Sonne und alles umher hell, seinen Träger aber unsichtbar macht, so
daß sich herrlich mit ihm stehlen läßt: die zweite, daß er zu Galgen
und Rad hinlockt.

Wer einen Rabenstein suchen und fangen will, der muß in die hohen
Forsten suchen gehen, wo die großen, himmelhohen Bäume stehen; denn
auf den schlanksten und schiersten Fichten, Eschen und Buchen, welche
der gewandteste Matrose nicht leicht erklettern kann, baut der kluge
Vogel Rabe sein Nest.  Da muß er lauschen und lugen, wo er Rabentöne
aus hoher Luft klingen hören und Rabennester entdecken mag, und zwar
an solchen Tagen, wo Schnee gefallen ist; denn dann kann er allein
die rechten Nester finden.  Er mag nämlich alle Nester ruhig sitzen
lassen, unter deren Bäumen Schnee liegt, denn in solchen ist kein
Rabenstein.  Der Rabenstein nämlich ist so warm von oben, daß es
unter seinem Neste nimmer friert noch taut und daß der Schnee in der
Minute vergeht, in welcher er fällt.  Aber wer dies auch weiß, kann
doch wohl hundert Jahre in allen Wäldern und unter allen Bäumen
herumlaufen und sich die Augen aus dem Kopfe gucken, und findet doch
das Nest mit dem Rabenstein nicht.  Denn das Glück oder gottlob
leider der Teufel läßt sich nicht immer so leicht greifen, als die
einfältigen Leute sich einbilden.  Denn überhaupt sind wenige Raben
in der Welt, und von diesen wenigen wie wenige werden hundert Jahre
alt oder gar zweihundert und dreihundert!  Weil strenge Winter, wilde
Buben, Jäger und mächtigere Raubvögel die meisten in der Jugend
verderben--und ferner, wie schwer auch sind die Rabennester zu finden,
da der Rabe nur einen Klang oder Ton macht, wenn er in hoher Luft
fliegt oder auf dem Aase sitzt oder im Neste angegriffen wird, sonst
aber der verschwiegenste und einsamste aller Vögel ist!  Hat nun auch
einer einmal einen solchen Baum gefunden, so will es noch ein rechtes
Löwenherz, ja Satansherz dazu, den Rabenstein aus dem Neste
herunterzuholen.  Denn hört, wie das geschehen muß:

Wer den Rabenstein haben will, der muß in der letzten Nacht des
besagten Hornungs in den Wald gehen, wo der Baum mit dem
hoffnungsvollen Neste steht.  Er muß ganz einsam und allein kommen,
und auch keine Menschenseele muß wissen, wohin und wofür er
ausgegangen ist; und auch keinen Laut, nicht einmal ein Hustchen oder
ein Seufzerlein darf er von sich geben.  Auf die Glocke der Zeit muß
er achtgeben und genau um die Mitternachtstunde zur Stelle sein; denn
nur in der Gespensterstunde, zwischen zwölf und eins in der Nacht,
läßt der Stein sich gewinnen.  Dann muß er sich so splitterfasernackt
entkleiden, wie Adam weiland im Unschuldkleide der Natur im Garten
Eden gestanden ist; und in diesem Naturkleide muß er nun den Stamm
hinaufklettern und zitternd und bebend im Sinn behalten, daß er
keinen Ton vernehmen lassen darf; denn alsbald ihm auch nur der
leiseste Laut entführe, würde er gleich des Todes sein.  Aber nun
merkt euch hierbei wieder des Teufels List.  Wenn er den armen
gierigen Kletterer bis oben zur Spitze hinaufgelockt hat, wo das
heillose Nest sitzt, dann darf er nicht hineinschauen und sich den
leuchtenden Stein aussuchen, sondern er muß sich nun noch dreimal um
den Stamm herumschwingen, die Augen zutun, und blind hineingreifen,
und was sein Finger zuerst berührt, das muß er behalten.  So hat
sich's oft begeben, daß manche mit einem faulen Ei heruntergekommen
sind und für alle Angst, Arbeit und Schmerzen nur Spott gehabt haben.
Es bringen es überhaupt wohl wenige zustande mit dem Rabenstein,
unter Hunderten, die ihn begehren, wohl kaum einer.  Denn alles ist
dabei halsbrechend und ungeheuer.  Den meisten vergeht gewiß schon
die Lust, wenn es um die kalte tote Mitternacht an das Auskleiden
gehen soll, und sie nehmen in der Angst die Flucht, und haben dann
gewiß das Geschwirr und Gesurr des höllischen Nachtgesindels im
Nacken hinter sich.  Auf diese Weise hat mancher freche und verwegene
Bursch Schuh und Stiefeln, Rock und Hut verloren und den Leuten
hinterher von Dieben und Räubern erzählt, die ihn so bis aufs Hemd
ausgezogen haben; die guten Leute hätten diese Räuber und Kleider und
Schuh aber unter dem Rabennest finden können.  Viele erfrieren und
ermatten auch, indem sie den Stamm kaum halb hinaufgeklettert sind,
oder können es vor Schmerz nicht länger aushalten, denn es geht dabei
wohl an ein ehrliches Schinden der Knie, Schenkel und Arme, und so
müssen sie endlich mit Schimpf zurückkriechen oder fallen auch wohl
gar jämmerlich herunter.  Das bleibt aber wahr, wenn sie auch oben
bis zur äußersten Spitze und zum Neste gelangt sind, dann wird's erst
recht teuflisch und gefährlich.  Nun in der Mattigkeit und Angst den
vollen Verstand behalten und den Ton so bezwingen, daß auch kein Laut
aus der Brust dringt, die Augen zutun, sich dabei dreimal um den
Stamm schwingen, und dann mit der Hand ins Nest fahren und den
letzten Glücksgriff tun--das ist wahrhaftig nicht jedermanns Ding.
Dabei stürzen noch die meisten herunter und brechen den Hals,
besonders wenn es ihnen zu mächtig wird und sie doch stöhnen oder
murmeln.  Dann ist es um sie getan.  Sowie auch nur der leiseste Laut
fast nur atmet, geschweige klingt, ist sogleich ein ganzes Heer da,
das mit zu dem Satansgaukelspiel gehört.  Viele hunderttausend Raben
füllen plötzlich mit ihrem Gekrächze die Luft und umflattern den
armen Sünder, und fallen mit Flügeln, Klauen und Schnäbeln so dicht
auf ihn, daß er herunter muß, er mag wollen oder nicht.  Da geht's
denn zuletzt an den Sturz und an ein Hals- und Beinbrechen--denn wäre
der Kletterer ein Löwe von Mut und Stärke, er muß herunter--und mit
den Augen und einem bißchen von Wangen und Nase nimmt die
Gesellschaft gleich fürlieb.  Dies sind die Geschichten, wovon man so
oft hört, die man auch oft in Zeitungen liest, wo auf die vermeinten
Mörder gelauscht und gefahndet werden soll: ein junger Jägerbursch
oder Handwerksbursch sei nackt und zerrissen und zerfleischt im Walde
gefunden, von Räubern ausgeplündert und erschlagen oder von zuckenden
Bären und Wölfen zerrissen.  Er hat sein mitternächtliches Wagstück
mit dem schwarzen Federvolke so bezahlen müssen, und die Räuber,
Mörder und reißenden Tiere haben weder Knüppel und Pistolen noch
Zähne und Tatzen geführt.

Und nun will ich auch eine Geschichte erzählen von einem, der den
Rabenstein besessen hat, und was er ausgerichtet und wie es mit ihm
geendet hat.

Vor langer langer Zeit lebte zu Boldewitz auf Rügen ein reicher und
vornehmer Herr, der vieler Kaiser und Könige und Potentaten in
schweren Fällen Kriegsobrister gewesen war, der hieß Herr Friedrich
von Rotermund.  Dieser brachte aus der Türkei oder aus der Tartarei,
kurz, aus den Heidenländern, wo sie Weiber kaufen, wie bei uns die
Pferde, ein wunderschönes Weib mit, von welcher kein Mensch wußte, ob
sie eine Heidin oder Christin war.  Sie war aber nicht sein eheliches
Weib, sondern seine Kebsin.  Mit dieser zeugte er ein Feierabendskind,
und das war ein Knabe und hieß auch Friedrich.  Es war aber kein
Friedrich, sondern ein rechter Kriegerich; denn der Krieg und die
Wildheit steckte darin, und er war von keinem Schulmeister noch
Züchtiger zu bändigen, sondern ging durch wie ein kosakisches oder
tartarisches Pferd.  Er war aber schön wie Sonnenschein und stark wie
Eichbäume und bei all seiner Wildheit den Menschen über die Maßen
angenehm und gefällig; so daß jeder den Buben gern hatte.  Nach
seines Vaters Tode, als er fünfzehn Jahre alt war und nun einem
älteren Bruder gehorchen sollte, welcher der Sohn der echten Ehefrau
des alten Rotermund war, ertrug er die strengere Zucht nicht, sondern
entlief und kam nach der Insel Hiddensee, und ging von da zu Schiffe
in alle Welt hinaus und ward ein gewaltiger Matros.  Als er sich das
muntre Seeleben ein halbes Dutzend Jahre versucht hatte, ist er
einmal wieder nach Stralsund gekommen und von da zu Hause nach Bergen
in Rügen, wo seine Mutter wohnte.  Und seine Mutter und andere
Freunde haben ihn dort beredet, er solle auf dem Lande bleiben,
welchem Gott feste Balken untergelegt hat, und das unstäte und
unsichere Meer verlassen.  Und er ist zu einem Förster in die Lehre
gegangen, daß er das fröhliche und lustige Weidwerk lernte, und bald
ein flinker und hübscher Jägerbursch geworden, vor welchem die Weiber
und Mädchen in den Türen und Fenstern stillstanden und ausschauten
und freundlich nickten und grüßten, wenn er vorüberging; denn er ist
wohl einer der schönsten und reisigsten Menschen gewesen, die man
weit und breit sehen konnte.  Hier hat er nun aber, wie es oft bei
den Weidmännern geschieht, mancherlei verbotene Künste gelernt, ist
ein Freischütz geworden, und hat sich den Rabenstein geholt.  Dies
war dem mutigen Matrosen nur ein Spiel gewesen, welchem im wildesten
Sturm nimmer ein Mast zu hoch noch zu glatt gewesen, daß er ihn nicht
erklettert und von seiner Spitz dem heulenden Meer fröhlich in den
offenen Todesrachen geschaut hätte.

Fritz Rotermund--so nannten ihn die Leute--hat sich nun von seinem
Funde des Rabensteins nichts merken lassen, sondern seinen
karfunklischen Diebsschlüssel gar lustig gebraucht; doch weil er von
Natur sehr gutherzig und freundlich war, hat er keine sehr greuliche
Taten getan, sondern solche, welche die leichtsinnige Jugend oft nur
lustige Streiche nennt.  Weil er mit seinem Stein unsichtbar in alle
Häuser und Kammern gehen konnte, so hat er freilich die lustige Gabe
genutzt, aber nie keinem ehrlichen oder armen Menschen nur einen
Heller genommen; sondern wo er einen bösen, ungerechten Herrn wußte,
der auf seinen Schätzen lag, die er aus dem Schweiß und Blut seiner
geplagten Untertanen zusammengepreßt hatte, oder einen Filz und
Wucherer, der unersättlich die letzte Habe der Kleinen und Geringen
im Volk verschlang, da hat er fleißig eingesprochen und ihre Kisten
und Beutel etwas leichter und schlaffer gemacht.  Das ist aber
besonders an ihm gewesen, daß er von solcher Diebsbeute fast nie
etwas für sich behalten, sondern es fast alles hingetragen hat, wo er
arme und notleidende Alte und hungrige und verlassene Kindlein gewußt
hat.  Da ist er nächtlich und mitternächtlich, wo alle Augen der
tiefste Schlaf geschlossen hielt, in die Häuser geschlichen und hat
die silbernen oder goldenen Gaben auf Tische, Betten und Wiegen
hingeschüttet; daß die Leute, wenn sie erwachten, erstaunten und die
Hände zusammenfalteten und beteten.  Denn sie konnten nicht meinen,
daß eine unsichtbare Diebshand die wohltätige Verteilerin gewesen sei,
sondern mußten glauben, es sei von oben gekommen und ein Englein vom
Himmel habe es ihnen ins Haus getragen.  Und so ist in den Städten
und Dörfern, welche der Förster Fritz besuchte, mancherlei Gerede
entstanden zugleich von verwegenen Dieben und von wohltätigen Engeln,
wie denn Gottes Reich und Satans Reich und die Gespräche darüber hier
auf Erden immer mitsammen sind.  Aber noch viele andre Schalkstreiche
hat der lose Fritz verübt, der leicht wie der Wind allenthalben aus
und ein schlüpfen konnte; und was würden die Türen und Fenster, wenn
sie Mund hätten, von ihm nicht alles zu erzählen wissen!  Doch das
darf ich nicht alles erzählen, weil es sich hier nicht schickt; und
auch die andern Possenstreiche alle könnte ich nimmer auserzählen,
die er zu Weihnachten und Fastnacht und bei Hochzeiten, Tänzen und
Mummereien als der unvermummte und doch unsichtbare Gast gespielt hat.

Eine Not aber hat Fritz bald in dem Rabenstein gefühlt, die eine
schwere Not war und die als eine Teufelsplage der verbotenen Kunst
anhängt.  Weil nämlich der Rabenstein aus Galgenvögeln und
Galgenaugen geboren wird, so hat er einen heimlichen und
unüberwindlichen Trieb zu Galgen und Rad in sich, eine Witterung, die
seinen Träger und Besitzer treibt, daß er mit dabei sein muß, wenn es
an solchen hohen Stellen etwas zu tun gibt.  Wenn daher auf der Insel
in einem Hochgericht und an einem Galgen einer geköpft oder gehängt
werden sollte, so trieb's ihn mit Teufelsgewalt und wie auf
Windesflügeln hin; er mußte mit dabei sein, und sollte er drei, vier
Meilen in zwei Stunden laufen, daß dem Atemlosen die Zunge aus dem
Halse hing.  Das war aber noch viel schlimmer und grausiger, daß er
die Geburtstage und Jahrestage der gerichteten armen Sünder mitfeiern
mußte.  An dem Jahrestage der Hinrichtung nämlich versammelten sich
die Geister der Gerichteten, damit sie ihren nächtlichen Totentanz um
die Hochgerichte halten; und diesen Tanz begehen sie um die grausige
Mitternacht, und da müssen alle die mitfeiern und mittanzen, welche
den Rabenstein haben.  So mußte denn auch Fritz manche liebe Nacht,
wo er gern anderswo geweilt oder geschlafen hätte, im Hagel und
Schnee, im Sturm und Donnerwetter hinaus in das wilde Weite und über
Heiden und Felder, gleich einem Kain, zu Galgen und Hochgericht
fortlaufen und den schaurigen Tanz mittanzen, bis ihm oft der Atem
schier auszugehen anfing; denn seine Mittänzer und Mittänzerinnen
hüpften begreiflicherweise auf den allerleichtesten Füßen einher.
Und die Leute konnten ihm die Reise zu einem solchen nächtlichen Ball
wohl anmerken, und daß ihm irgend was Unrechtes widerfahren war--denn
er sah acht, vierzehn Tage nachher noch bleich und krank aus--er aber
schüttelte alle fremde Bemerkungen und Fragen leicht von sich ab,
machte irgendeinen Scherz oder Wind darüber und sagte: "Ei was!  Ihr
Siebenschläfer, die ihr euch jeden Abend zu regelmäßiger Zeit auf
eurem weichen Pfühl hinstreckt, könnt euch wohl rosige Wangen und
dicke Bäuchlein anschnarchen; aber mit dem Jäger ist es gar anders
bestellt, der muß viel ein nächtlicher Gesell sein: Füchse, Marder,
Ottern und anderes Wild, das euch die warmen Pelze liefert, fängt und
belauert man nicht beim Sonnenschein.  Man stößt da auch wohl
zuweilen auf etwas, das nichts taugt, aber das schüttelt ein tapfrer
Jäger auch wieder ab, und die tüchtigen und geheimen Jägerkünste zu
lernen und die tapfern Jägergeschichten zu bestehen, dazu gebricht
euch das Herz."

So hatte Fritz Rotermund es manches liebes Jahr getrieben und hatte
wohl frisch und lustig gelebt und für Tänze und Gelage und Spiel und
schöne Mädchen immer Geld in der Tasche; aber reich war er nicht
geworden, denn volle Taschen konnte er nicht leiden.  Er war bisher
mit seinem grünen Rock zufrieden gewesen und immer noch ein
Jägersmann geblieben; da begab sich aber von ungeschicht etwas, das
den wilden Jäger zu einem zahmen Edelmann machen sollte, und das war
dieses:

Im Kriege, zur Zeit des Königs Karolus*, waren bei der Stadt Bergen
zwei Juden gehängt, die man als Pferdediebe ertappt hatte.  Sie
hatten dort schon ein Jahr an dem Galgen gebaumelt, als Fritz
Rotermund zur Jahresfeier heraus mußte, um zu lernen, wie auf
hebräisch um Galgen und Rad getanzt wird.  Und da hat er einen recht
geschwinden davidischen Reigen tanzen gelernt, denn die jüdischen
Geister hatten sich in einem so schnellen asiatischen Schwunge
herumgedreht, daß er--was ihm noch nie begegnet war--ermattet in
Schlaf hingesunken und erst erwacht war, als das Morgenrot den Ost
schon zu hellen begann.  Da, als er erschrocken aufsprang, begab es
sich, daß der Wind ihm die lumpigen Rockzipfel des einen
Galgenkrametvogels, unter dessen dürren Beinen er in Schlaf gefallen
war, so heftig gegen die linke Backe wehte, daß das Blut darnach
heraussprang.  Der Fritz, als er den Backenstreich fühlte und auf der
darnach tastenden Hand Blut erblickte, rief halb schauderig, halb
lachend aus: "Ei! ei!  Mauschelchen!  Du hast auch verdammt scharfe
Knöpfe und willst deine Leute wohl an mir rächen, welchen ich in
andern Geschäften zuweilen auch wohl mitternächtliche Besuche
abzustatten pflege?"  Und zugleich schaute er nach dem Rocke, und sah
auch kein kleinstes Zeichen von einem Knopf, und das verwunderte und
schauderte ihn noch mehr.  Er ergriff daher den im Winde fliegenden
Zipfel, damit er näher untersuchte, ob irgend in den Falten ein Knopf
verborgen stecke.  Aber auch da fand sich nichts.  Wohl aber fühlte
er etwas Hartes in den Ecken, und sah bald, daß diese mit tausend
Fäden hin und her im Unterfutter so durchnäht waren, als wenn sie bis
zum Jüngsten Tage halten sollten.  Er griff nun frisch zu mit seinen
Jägerfäusten und riß den ganzen Rockzipfel zu Fetzen auseinander, und
was erblickte er?  Ein paar funkelnde Edelsteine fielen vor ihm auf
die Erde.

----------------------------
* In Schweden und in den damals schwedischen deutschen Ostseelanden
ist dieser König Karolus (Karl der Zwölfte) gleich dem Iskander der
Morgenländer und unserm Friedrich Rotbart auf dem Kyffhäuser wenige
Jahrzehnte nach seinem Tode ein mythischer Name geworden.  Alles
längstvergangne Ungeheure und Gewaltige reiht sich unter solche Namen;
ob ein Jahrhundert oder einige Jahrtausende rückwärts oder vorwärts
gerechnet werden müssen, was kümmert das das Volk, welches für das
Poetische und Mythische eine wahrhaft göttliche Zeitrechnung hat, das
heißt: nach dem gewöhnlichen Maße gemessen gar keine.
----------------------------

Er nahm sie auf und betrachtete sie an seinem Rabenstein und an dem
hellen Morgenrot, und fand, daß diese gegen jene Steine nur wie
blasses Wasser waren gegen das rote Feuer.  Und hoch sprang er in die
Luft empor und rief: "Nun, dies ist der erste Galgentanz, der etwas
anderes als Schauder und Greuel gebracht hat", und so trollte er sich
davon.

Als er aber nach einer halben Stunde Galgen und Furcht weit hinter
sich hatte und die Sonne schon am klaren Himmel stehen sah, da holte
er die Steine wieder aus der Tasche und beschaute sie genauer, und
wußte bald, was sie wert waren.  Denn auf seinen vielen und weiten
Seereisen hatte er viele Weltwunder und Meerwunder gesehen, und war
auch gewesen, wo die schönen grünlockigen Seejungfern so zauberisch
singen, daß die Schiffer den Matrosen, damit sie nicht zu ihnen in
die Tiefe springen, die Ohren voll Teer gießen und mit Wachs zukleben
müssen, und war auch an das Land gekommen, wo die Diamanten und
Rubinen am Strande im Sande liegen, wie bei uns die Kieselsteine,
hatte aber keine aufsammeln und mitnehmen dürfen wegen der greulichen
Drachen und Greifen, die sie bewachen.

Er lief nun fröhlich zu Hause, holte sein Pferd aus dem Stall,
sattelte es, und sagte auf acht Tage Ade, und so trabte er auf die
Alte Fähre zu, und von da ging's auf Hamburg oder Berlin, wo er die
kostbaren Judendiamanten wieder an Juden verkaufte und mit großen
Säcken voll Dukaten, wohl über ein paar Tonnen Goldes, nach wenigen
Tagen heimkam.

Nun hatte Fritz Geld in Hülle und Fülle, und mit dem Gelde kamen ihm
auch vornehme und ernsthafte Gedanken, ja ganz neue Gedanken, wie er
sie noch in seinem Leben nicht gehabt hatte.  Er ging hin und ward
ein Edelmann, und kaufte seinem Bruder Boldevitz ab, wo sein Vater
gewohnt hatte und wo er geboren war, und kaufte auch Unruh und auch
mehrere andere schöne Güter, die da herumliegen.  Und der Jäger Fritz
fuhr nun mit Vieren und mit Sechsen und mit langen Strängen, und
hatte Diener und Jäger hinter sich auf dem Bock stehen und Läufer mit
silbernen Stäben vor sich herlaufen, und hieß Herr Fritz von
Rotermund, wie sein Vater in seinen Tagen geheißen hatte.  Und nun
nahm er sich auch ein schönes adliges Fräulein zur Frau und zeugte
Söhne und Töchter, und lebte und gebärdete sich wie ein anderer Herr.
Er blieb aber so freundlich und gebäurisch mit den Menschen und war
so mild gegen seine Leute und so mitleidig gegen die Armen, daß alle
verwundert sagten: Der wilde und leichtfertige Fritz ist ja ein
Mensch und dazu noch ein Christenmensch geworden.

Und das war nicht bloß eitler Schein, sondern es war ihm herzlicher
Ernst.  Als Fritz so großes Gut erworben hatte und ein Edelmann
geworden war, da schien auch wirklich ein neuer Geist in ihn gefahren
zu sein, ein besserer Geist, der sonst so selten mit dem geschwinden
und plötzlichen Reichtum ins Haus zu kommen pflegt.  Er verabscheute
von nun an seinen Rabenstein und seine mitternächtlichen
Diebsschliche, liebte auch seine alten Schalkstreiche nicht mehr,
sondern wollte sich wirklich von Herzen umwenden und bekehren und
wieder ein Mensch Gottes werden, hielt sich daher hinfort zu andern
guten Christen und zu Kirche und Abendmahl, und lebte mit Frau und
Kindern und mit Freunden und Nachbarn und mit allen Menschen so, daß
alle ihn lieb und wert hielten und seiner Jugend und Jugendstreiche
gern vergaßen.  Wie er nun aber wirklich christlich und menschlich zu
sein und zu leben strebte, so hatte er doch noch einen plagenden Wurm,
um welchen er und sein Gott allein wußten, und dieser schlimme Wurm
war sein Rabenstein.  Was der arme Mann um diesen ausgestanden und
gelitten hat, das ist gar nicht zu beschreiben.

Er fühlte nämlich, sowie er sich wieder zum Christentum und zum
Glauben seiner Kindheit zurückgewendet hatte, daß der Rabenstein
nichts Geheures war, sondern eine böse teuflische Gaukelei, und hätte
ihn sogleich von sich werfen mögen in den tiefsten See oder in die
verborgenste Erde vergraben oder in dem gewaltigsten Feuer verbrennen,
damit nimmer eine Menschenhand ihn wiederfände und mit seinem
höllischen Glanze Unheil stiftete.  Aber! aber!  Wie ist es dir
ergangen, armer Fritz Rotermund?  Man wird des Rabensteins noch viel
schwerer los, als man ihn gewinnt.  Sowie Fritz den Rabenstein von
sich werfen, wie er ihn der verschlingenden See, dem verzehrenden
Feuer überliefern wollte, wich der tückische Stein kaum eine Sekunde
von ihm, und flog ihm immer wieder in die Hand zurück, die ihn mit
aller Gewalt von sich geschleudert hatte, oder in die Tasche, woraus
er genommen war.  Da hat nun Fritz, der jetzt wahrhaftig nicht der
muntre und fröhliche Fritz heißen konnte, es nach und nach mit allen
Elementen versucht, ob etwa eines den Stein lieber annähme als das
andre; aber der fürchterliche Stein ist der unverlierbare und
unzerstörbare geblieben.  Er hat es außer diesen unglücklichen Proben
am eifrigsten und unablässigsten mit dem allerbesten Element versucht,
mit Andacht und Gebet; und wie viel er da gerungen hat, wie viel und
oft er um die stille Mitternacht in seiner Kammer und im einsamen
Walde und an heiliger Stätte auf den Knien gelegen und seinen Gott
und Heiland um Barmherzigkeit gefleht hat, daß er ihn von dem Bösen
erlösen wolle, das weiß auch Gott allein.  Immer noch hat er die
blutigen Gerichtstage mithalten und die mitternächtlichen Galgentänze
noch mittanzen müssen, und jetzt mit entsetzlichem Grausen und
Schaudern, weil der Christ wußte, was es war.  So hat er wohl zwanzig
Jahre gelebt in seinem neuen Stande, äußerlich der freundliche,
christliche Mensch, der milde und barmherzige Herr, innerlich der
Gepeinigte und Gemarterte.  Er hat aber nicht abgelassen und ist
nicht müde geworden in Demut und Gebet, und hat dies alles mit
gebeugtem Herzen getragen als ein armer Sünder, den Gott für seinen
leichtfertigen Übermut und seine heidnische Frechheit strafen und
durch das, was ihm nun eine so grimme Pein geworden, vielleicht
erretten wolle.  Endlich ist der Tag dieser Errettung und Begnadigung
gekommen, aber auf eine grauenvolle Weise.

Fritz ward eine Nacht zu einem Galgenfest getrieben nach Putbus, wo
an dem Wege, auf dem man nach Kasnevitz fährt, etwa eine halbe Stunde
vom Schlosse, auf einem öden Heidehügel, noch heute die Trümmer eines
Galgens stehen.  Dort fand er bei seiner Ankunft das greuliche
Nachtgesindel schon in dem greulichen Tanze rundfliegen, und zugleich
mit ihm ritt von der andern Seite her als Mittänzer ein Mann auf, der
noch mit lebendigem Fleisch umkleidet war wie er und mächtig zu Rosse
saß und einen blanken Säbel in der Rechten schwang, als forderte er
jemand heraus.  Und gewiß, er forderte heraus, denn der Fritz fühlte
bei seinem Anblick den heißesten Grimm in sich entbrennen, und mußte
sein Schwert ziehen und gegen ihn anlaufen, der, als er Fritzen zu
Fuß anrennen sah, von seinem Rappen heruntersprang.  Fritz erkannte
ihn alsbald als den verrufenen alten Erzbösewicht, der am äußersten
Ende der Insel auf Jasmund hauste und von dem die Leute sich viele
greuliche und mordliche Geschichten erzählten.  Sein Name war von
Zuhmen.  Der alte graue Schelm erschien aber auf diesem Tanzplatz,
weil er vor ein paar Monaten einen Rabenstein gefunden hatte.  Nun
war er der zweite auf der Insel, der einen Rabenstein besaß und zu
dieser mitternächtlichen Totenfeier hinaus mußte.  Denn das ist auch
noch eine treibende Wut und ein unseliges Verhängnis des
entsetzlichen Steins, daß, wenn zwei sich begegnen, die den
Rabenstein haben, sie auf Leben und Tod einen Kampf miteinander
halten müssen.

Und so trafen denn die zwei in blinder Wut aufeinander und kämpften
den gräßlichen Kampf, während das leichte Heer seinen lustigen Reigen
um sie tanzte und wirbelte; und wie die Schläge ihrer Klingen sich
verdoppelten, so verdoppelte sich in ihren Herzen auch der Grimm.
Sie waren aber beide reisige Männer und gewaltig an Fäusten und
Gliedern und waren im rüstig frischen Alter ergraut.  Und der Kampf
dauerte solange der Tanz dauerte, und das Gras um den Galgen war von
ihrem Blute rot gefärbt; da, als es von dem Turm eins schallte,
stürzte, von einem letzten gewaltigen Streich getroffen, der alte
Jasmunder Bösewicht als Leiche hin, Fritz aber entfloh mit Grausen
und mit tiefen und blutenden Wunden, die seinen Weg hinter ihm
röteten.  Er hatte sich aber auf des Feindes Rappen geschwungen, denn
seine Füße hätten ihn nicht nach Hause zu tragen vermocht.

Und als der Sommermorgen graute, ritt er matt und blutig ins Tor zu
Boldevitz ein und hatte nicht Angst um sein Leben, sondern um seine
arme Seele.  Und er weckte alsbald seinen treuen Diener und hieß ihn
geschwinde ein Pferd satteln und gen Gingst galoppieren, daß er ihm
den dortigen Herrn Pfarrer holte.  Denn er sprach zu ihm: "Ich war
ausgeritten und bin in dem Walde bei Kubbelkow unter Räuber geraten,
und sieh! wie sie mich zerhauen haben und wie die Blutströme aus den
tiefen Wunden an mir herabrinnen!  Es wird in wenigen Stunden aus
sein mit dem alten Fritz."

Und der Diener flog wie der Wind auf seinem Pferde dahin, denn er
liebte seinen guten Herrn über alles.  Und der erschrockene Pfarrer
in Gingst war nicht Säumiger, denn er nannte Herrn Fritz Rotermund
den besten Christen und den fleißigsten Kirchengänger unter seinen
eingepfarrten Edelleuten.  Und anderhalb Stunden nach des Dieners
Ausflug waren beide in Boldewitz und fanden den alten Herrn auf dem
Lager blaß und bleich wie den Tod und sein Weib und seine Kinder um
ihn, welche ihm seine Wunden verbunden hatten.  Er aber, als der
Pastor hereingetreten ist, hat allen gewinkt herauszugehen, damit er
mit dem geistlichen Herrn betete und sich zur Abfahrt bereitete.

Und als sie beide allein geworden, hat er dem Pastor alles erzählt
und gebeichtet und den Mann so bestürzt, daß er kaum hat beten können.
Bald aber hat der fromme Mann sich wieder genommen und hat die
Bibel ergriffen und des todwunden Ritters Hände gefaßt, und über ihm
gebetet, daß der gnädige Himmel sich des reuigen und zagenden Sünders
erbarmen wolle.  Und der Himmel hat sich gnädig auf das Gebet
herabgelassen, und Fritz hat mit lauter Stimme und sehnsüchtigem
Herzen die Worte des geistlichen Herrn nachgesprochen.  Und bald hat
er sich zum erstenmal in vielen Jahren ganz getröstet gefühlt und
laut ausgerufen: "Gelobt und gepriesen sei Gott und Jesus Christus
für diese Wunden!"  Und der Pastor ist fröhlich erstaunt über diesen
Ausruf und über des Ritters erheitertes und erleuchtetes Angesicht,
und bald noch viel mehr und viel fröhlicher, als der Herr von oben
das hörbare und sichtbare Zeichen der Gnade gegeben.  Denn kaum hatte
Fritz diesen fröhlichen Ruf des erlösten Herzens getan, als der
unselige Karfunkelstein plötzlich aus der Tasche des Edelmanns
herausfuhr, wie ein leuchtender Blitz durch die Luft hinzischte, und
dann wie eine springende Feuerkugel sich gegen den Ofen schnellte,
und kling!  Kling! in der Sekunde in Millionen Stücke zerstob, wie
ein Sandhaufen auseinanderweht, so daß man auch die Spur nicht von
ihm sah.  Und Fritz hat wieder freudig gerufen: "Mein Gott und mein
Heiland, wie barmherzig bist du!  Und sahet und hörtet Ihr wohl, Herr
Pastor, wie der Teufel in nichts zerklungen und in Staub zerflogen
ist?"  Und er faltete in Inbrunst die Hände und dankte und betete; und
der Pastor dankte und betete mit ihm und sprach: "So bist du gnädig,
barmherziger Gott und Erhalter und Behalter aller Dinge, und erlösest
und erquickest den reuigen Sünder!"

Und unter den beiden war große Freude, und sie umhalsten sich in
Wonne, wie sich die Engel im Himmel umhalsen, und Fritz sprach: "Mein
Abschied ist nahe, und darum geht, Herr Pastor, und holet mir Weib
und Kinder."  Und der Pastor hat sie gebracht, und Fritz hat die Hände
auf sie gelegt und sie zum letztenmal geküßt und gesegnet, und ist
dann augenblicklich mit Zuversicht und Freuden heimgegangen.  Denn
das Blut war aus seinen Adern gelaufen und die Luft an dem irdischen
Leben aus seiner Seele.


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Kater Martinchen, von Ernst
Moritz Arndt.






End of the Project Gutenberg EBook of Kater Martinchen, by Ernst Moritz Arndt

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