Der Liebe Lust und Leid der Frau zur Frau

By Emilie Knopf

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Title: Der Liebe Lust und Leid der Frau zur Frau

Author: Emilie Knopf

Release date: September 7, 2025 [eBook #76833]

Language: German

Original publication: Stargard i. Pomm: Verlagsbureau für literarische Neuheiten, 1895

Credits: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net, based on scans made available by the Staatsbibliothek zu Berlin. The digitized holdings of the Staatsbibliothek zu Berlin are available to all interested parties worldwide free of charge for non-commercial use.


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER LIEBE LUST UND LEID DER FRAU ZUR FRAU ***


          * Aus dem Gerichtssaal. „_Der Liebe Lust und
          Leid._“ Unter diesem Titel hat die Schriftstellerin
          Frau _Emilie Knopf_ ein Buch verfaßt und in Verkehr
          gebracht, dessen Inhalt von der Staatsanwaltschaft
          beanstandet wurde. Die Verfasserin wurde im
          verflossenen Herbst wegen Verbreitung unzüchtiger
          Schriften unter Anklage gestellt und zu 50 Mark
          Geldstrafe verurtheilt. Das „Werk“ verfiel der
          Beschlagnahme. Im Januar d. J. erschien nun die
          Wittwe _Marie v. Czarwinski_ bei dem
          Ober-Bibliothekar Söchting und bot dem 68jährigen
          Herrn „Der Liebe Lust und Leid“ zum Kauf an, wobei
          sie sich als Freundin der Verfasserin vorstellte,
          die sich in großer Noth befinde. Der
          Oberbibliothekar durchflog den Inhalt und stieß auf
          Stellen, die sein Sittlichkeitsgefühl empörten. Er
          gab das Buch an die Staatsanwaltschaft weiter,
          worauf die beiden genannten Frauen sich gestern vor
          der vierten Strafkammer des Landgerichts I zu
          verantworten hatten. Die Angeklagte Knopf gab zu,
          sich vergangen zu haben, aber sie habe nicht die
          Mittel gehabt, ihren Hunger zu stillen. Die
          Mitangeklagte v. Czarwinski behauptete, daß sie den
          Inhalt des Buches, den der Vorsitzende als eine
          „Schweinerei“ bezeichnete, nicht gekannt habe, fand
          bei dem Gerichtshof aber keinen Glauben. Mit
          Rücksicht darauf, daß die Angeklagten sich
          thatsächlich _in großer Noth befunden_ hatten,
          beließ es der Gerichtshof bei niedrigen Strafen,
          nämlich 20 M. gegen die Angeklagte Knopf und 5 M.
          gegen die Angeklagte v. Czarwinski.

             _Tägliche Rundschau_, Berlin, 19. März 1898, S.
                                                          7.




                               Der Liebe
                             Lust und Leid
                           der Frau zur Frau.


                             Verlagsbureau
                       für literarische Neuheiten
                           Stargard i. Pomm.




                                Vorwort.


In der Atmosphäre einer Millionenstadt treiben Ueberreizung und
Genußsucht oft wunderliche Auswüchse. Diese Verirrungen, welche
namentlich in denjenigen Kreisen an Ausdehnung zunehmen, welche sich zu
den Besten zählen, sind wohl kaum durch irgend welches Vorgehen
auszumerzen.

Scandalöse Vorgänge, welche selbst vor den Schranken des Gerichtes ihren
abschreckenden Schluß fanden, spielten sich sogar in unserer Metropole
ab, und oft, ja täglich so man Gelegenheit hat, mit zahlreichen Damen
verkehren zu müssen, wird und kann es Einem, der aufmerksamen Blick
dafür hat, nicht entgehen, daß die Frauenliebe sich in einer nahezu
unglaublichen Weise unter den Damen eingewurzelt hat; man braucht nur in
den Spalten unserer Tages-Journale gewisse Annoncen gelesen haben,
welche an Styl und Inhalt sich fast immer gleich bleiben.

Und gerade in allerletzter Zeit, da sich ein sensationeller Prozeß
abspielte, kann man leicht beobachten, daß eben jene ominösen Inserate
von der Bildfläche gänzlich verschwunden sind.

Indessen kann man sich wohl überzeugt halten, daß die Anhängerinnen
dieser Erotik anderweitig Mittel und Wege finden werden, diese
ungewöhnlichen Freundschaften zu schließen.

– Wer Gelegenheit hatte, das berühmte Gemälde von _Hector Le Roux_ zu
sehen, welches die phänomenale Dichterin, die jugendlich schöne Sappho
darstellt, wie sie, umgeben von ihren unzähligen Verehrerinnen und
Verehrern unbeschreiblich anmuthig Vortrag haltend auf erhöhtem
Postament, in der Linken die Leyer, den rechten Arm hocherhoben, – der
würde sich von tiefer Bewunderung erfüllt fühlen.

Das von Locken umrahmte liebliche Gesicht von innerer Gluth überhaucht,
übt einen wunderbaren Eindruck auf den Beschauer aus und man kann sich
einer süßen Sehnsucht nach Sappho nicht verschließen.

Man kann wohl begreifen, daß sie es vermochte, die Schaar der
liebreizenden Griechinnen, unter denen sich viele ausländische Frauen
als Schülerinnen befanden – zur Begeisterung hinzureißen; man liest den
Abglanz tiefer Bewunderung auf den Gesichtern der schönen Mädchen,
welche gespannt den Liedern der vielgeliebten Sängerin lauschten.

Schade, ewig schade, daß es der Nachwelt nicht vorbehalten bleiben
konnte, Sapphos Schriften studiren zu dürfen. Dieselben wurden ein Raub
giftgeschwollener Mönche, welche den übernatürlichen Neid zu überwinden
nicht im Stande waren, daß ihnen gerade ein solches Weib so sehr
überlegen war und – daß dieses Weib die Liebe eines Mannes verschmähte
und solche nur ihren Geschlechtsgenossinnen zugewandt hatte. – –

Es liegt keineswegs in meiner Absicht, etwas gut heißen zu wollen,
wogegen sich gesunde Logik sträuben muß, allein ich habe es gut gemeint
insofern, als da ich in meiner Schrift dargethan habe, wie so sehr oft
gute Gesittung und sogar Glück und Ehre gefährdet und auf das Spiel
gesetzt werden, wenn die Leidenschaft in der Freundschaft zweier Frauen
eine Richtung annimmt, welche von der einen Seite gar oftmals als Mittel
zum Zweck ausgebeutet wird und darum habe ich meinem Buche den Charakter
einer Warnung vor Verirrungen in der Frauenliebe ertheilt.

                                                      Die Verfasserin.


   O Du lachende, stolze süße
   Du lichtäugige Blume vom Rhein
   Dir bring’ ich viel tausendmal Grüße,
   Dein Sänger will ich sein!
   Es blühen und duften die Rosen am Wege
   Und die Sterne vom Himmel sprüh’n,
   Doch wißt Ihr, in welchem Gehege
   Die schönsten Mädchen blühn?
   Nicht war’s in den russischen Steppen
   Daß ich sie sah,
   Nicht auf den marmornen Treppen
   Von Samos und Ithaka.
   Nicht an den schottischen See’n,
   Nicht an dem märkischen Sand,
   Nicht da, wo nicken und weh’n,
   Die Palmen von Samarkand.
   Wohl sah ich Französin und Polin
   Und sah, von Sclaven gewiegt,
   Die stolze, todtblasse Kreolin
   In Purpurseide geschmiegt.

   ... O, ihr klirrenden Kastagnetten!
   Wie wird mir schwül zu Sinn
   Gedenk’ ich der wilden brünetten
   Andalusierin!
   Gedenk ich der schwarzen Mantille
   Und der Augen, so lustdurchsonnt
   Und der Lippen, süß wie Vanille,
   Die küssen und – – lügen gekonnt!

   – Es nickten vom schwedischen Sunde
   Die Frau’n mir, schön rothblond und bleich;
   Es schlugen mir süße Wunde
   Die Frauen von Oesterreich.
   Es seien Pommerns Damen
   Den Besten zugesellt,
   Allein die „Grazien“ kamen
   In „Pommern“ nicht zur Welt!

   Es waltet, den Thee kredenzend,
   – Ein Bild wahrhafter Ruh’ –
   Behaglich, wie Vollmond glänzend,
   Der Niederlande Youfrouw.
   ... Schön sind die Mädchen vom Tiber!
   Und wären sie schöner noch,
   So wär’ mir viel tausendmal lieber
   Mein Lieb vom Rheine doch!

       O Du lachende stolze, süße,
   Du lichtäugige Blume vom Rhein,
   Dir bring’ ich viel tausendmal Grüße,
   Dein Sänger will ich sein.

– – Diese Worte kamen dereinst aus einem Dichterherzen, das voll und
warm empfand und für schöne und edle Frauen schwärmte. Gar manches Jahr
ist darüber vergangen, als ich diese Verse las. Wie gelabt habe ich mich
an dem klingelnden Rhytmus, an der duftigen Poesie und der lieblichen
Formenschönheit des Gedichtes aus der Feder eines edlen Sprossen, der
das Weib in Anbetung liebte.

Wie oft sprach ich seine Verse und ach! wie oft sprach ich sie nach,
jauchzenden Herzens, zu einem Weibe.

Das ist Frauenliebe!

Wie der Mann in heißer Leidenschaft sein Lebensglück in die Hand eines
Weibes legt und wie das Weib, bewundernd, hingebend, zum Manne
aufschaut, so kann es auch sein: ebenso bewundernd und anbetend,
zwischen dem Weibe und dem Weibe!

Ein Männermund hat meinen Mund niemals geküßt.

Man hält mich weder für emanzipirt, noch für eine Männerfeindin; man
kennt mich eben, wie ich bin: eine Freundin schöner Frauen! –

Meine Eltern gaben mir die sorgfältigste Erziehung. Meine Mutter starb,
ehe ich noch confirmirt war.

Von Reichthum und Luxus umgeben, sind meine Sinne verwöhnt, mein
ästhetisches Empfinden so fein, daß mich eine Frau ohne Geist, ohne
Chic, ohne Grazie – abstößt! Eine lässige Haltung beleidigt mein Gefühl,
so daß selbst das schönste Weib mein Blick achtlos streift.

Mit solchen Ansprüchen wurde ich in die große Welt eingeführt.

Instinctiv regte sich, als ich noch ein Kind war, in meinem jungen
Herzen das Verlangen nach einer Freundin, die ich bewundern wollte und
meine Erzieherin, eine liebreizende Lady, hatte sich oft genug meiner
stürmischen Liebkosungen zu erwehren.

Die zahlreichen Freundschaften aus der Kinderzeit wurden, wie das fast
immer der Fall ist, haltlos und verflogen wie Spreu im Winde ...

In dem Hause einer uns befreundeten Familie, welche im Winter
Veranlassung hatte, in der Residenz zu repräsentiren, wurde bei Beginn
der Saison ein geradezu feenhaftes Costüm-Fest arrangirt. Ein solches
Fest zu beschreiben wäre überflüssig. Derartige Diners, Soupers und
Bälle gleichen in der vornehmen Welt stets einander und an jenem Abend
war mir im Allgemeinen der Tanz so gleichgiltig wie das Souper.

Ich hatte nur Augen für „sie“.

In dem duftigen, wallenden Gewande einer vornehmen Griechin bot sich
meinem entzückten Auge eine Gestalt dar von so vollendeter Schönheit und
stolzer Haltung und Grazie, daß ich, – in dem Costüm eines mit
verschwenderischer Pracht geschmückten Orientalen, – sofort auf die
königliche Erscheinung zueilte und ihr meine Huldigungen darbrachte.

Sie hatte natürlich sofort die „Dame“ in mir errathen und weidete sich
sichtlich an dem Vergnügen, das ich empfand, sie zu recht lebhafter
Unterhaltung anzuspornen; ich lauschte begeistert dem wunderbaren
klangvollen Organ. Mich begeisterte ihr reicher, gleichsam
funkensprühender Geist und ich berauschte mich an der wundersamen
Anmuth, welche halb mädchenhaft lieblich, sich mit der vollendeten Würde
einer Herrscherin vereinigte.

Unter den brausenden Klängen des Orchesters begann der Reigen.

Die Kapriolensprünge eines übermüthigen Clowns belustigten mich ebenso
wenig, als mein Auge sich an den schmucken Ritter- und Pagengestalten
erfreute.

Ich überließ mich ganz und gar der süßen Einbildung, daß diese
geistreiche Frau mit dem göttlichen Körper auch ein junonisch schönes
Antlitz haben müsse. Und ich erzitterte heimlich, wenn leise Zweifel
mich beschlichen, daß es anders sein und mir ein unschönes, vielleicht
häßliches Gesicht entgegenschauen könnte und ich, die ich jeglichen
Vorzug an einer Frau hochschätze, kann nur ein – schönes, in jeder
Hinsicht schönes Weib – lieben!

So sind wir Zwei denn fast ausschließlich beieinander geblieben und eine
wonnige Hoffnung stahl sich in mein Herz, daß es erwachende Neigung für
mich auch bei meiner Partnerin sein müsse, wenn sie, während des Tanzes,
ausnahmslos sich mit einer Dame begnügte.

Da schmetterten die Fanfaren!

Da endlich nahte der Augenblick, da die seidene Maske fiel und ich,
bebenden, klopfenden Herzens in ein Antlitz sah, so traumhaft schön, so
unbeschreiblich schön, wie ich es zu hoffen nicht gewagt hätte ...

Voll jubelnden Entzückens flüsterte ich ihr heiße Worte ins Ohr; ihre
strahlenden Augen tauchten sich tief in die meinen und es durchströmte
mich ein unsagbares, niegekanntes Gefühl! – – Ich erschauerte im
Innersten; an dem Drucke ihrer kleinen Hand empfand ich, daß wir Zwei
uns verstanden hatten: sie war von genau ebensolcher Regung beseelt, als
ich selber.

Meine Absicht, gemäß den Wünschen meines Vaters, welcher mich begleitet
hatte, sogleich nach dem Souper zum Aufbruch zu rüsten, wußte sie durch
eine liebenswürdige Ueberredungskunst, die sie auch vor ihm entfaltete,
in den dringenden Wunsch umzuwandeln, bis zum Schluß des Festes zu
verweilen. Da meine holde Tänzerin allein erschienen war, wurde es uns
auch gern zugebilligt.

Jetzt brachen für mich wonnige Stunden an; unausgesprochen fühlten wir
Beide unsere geistige Wahlverwandtschaft. Wir geizten nach jeder Minute,
uns unterhalten zu können und für uns Beide war es eine gleiche Last,
den Honneurs der Gastgeber zu begegnen.

Die Allüren der Damen von Welt gebieten nun freilich, daß man aus Anlaß
eines Beisammenseins auf dem Parkett auch nicht einen einzigen
anwesender Bekannter ignoriren darf und es trug bereits den Anflug eines
Verstoßes an sich, daß ich so weitgehenden Anspruch erhob auf die
Gesellschaft einer Dame, welche ich erst seit wenigen Stunden kennen
gelernt hatte, wie es denn auch den Anschein des Seltsamen hatte, daß
meine junge Schöne, welche gekommen war, um den Gastgebern einen Act
gesellschaftlicher Höflichkeit zu erweisen, sich einer ihr bis dahin
fremden Dame widmete.

Sie hatte die ihr zugegangene Einladung annehmen müssen, wiewohl sie nur
allein lebte und sich auf die Gesellschaft einer alten Repräsentantin
beschränken mußte.

Edita, so hieß sie, hatte mir Alles das zu sagen sich genöthigt gefühlt,
um sich vor mir gleichsam zu rechtfertigen.

Titel und Name ihres Vaters waren meinem Vater bekannt. Dieser erinnerte
sich auch des malerisch gelegenen Schlosses am Rhein, welches die junge
Erbin bei entsprechender Jahreszeit bewohnte. Freudige Verwunderung!
denn nun durften wir uns gewissermaßen als alte, gute Bekannte
betrachten.

Die Stunde des Scheidens schlug; mein Vater hatte uns ohnehin ein Opfer
gebracht, welches wir auch nur annahmen, um einige Stunden länger die
ersten Gedanken auszutauschen. – Der heranrollende Wagen nahm uns auf
und führte uns unserem Heim entgegen. Ich hatte mit Edita ein sehr
baldiges Wiedersehen verabredet und traumverloren sah ich hinaus in die
sternenfunkelnde Winternacht ...

Wortkarg hörte ich die Fragen meines Vaters an, der seiner Verwunderung
Ausdruck gab, daß ich sowohl, als jene Dame gegenüber den Bemühungen der
Tänzer uns ablehnend verhalten hatten.

Nun, er war ja an meine kleinen Caprizen gewöhnt und kam nicht wieder
darauf zurück.

In meinem Gemache angelangt, begab ich mich zur Ruhe, doch fand ich den
Schlaf nicht und ich mochte ihn auch nicht finden.

Ich gab mich glückseligen Träumereien hin, welche alle in der Hoffnung
gipfelten, daß sie sich recht bald verwirklichen möchten.

... Das war eine Ballnacht! ...

So mag vielen Tausenden junger Mädchen zu Muthe sein, die nach einer
durchschwärmten Ballnacht träumen von Glück und Zukunft und von – – ihm,
doch nicht Begehr tragen nach Frauenherzen und Frauenliebe! ...

Da ich mich dann erhob und nun doch übernächtigt und matt, mir die
Chokolade reichen ließ, da – o Entzücken! hatte ein Diener für mich
einen Brief gebracht, einen langen, seltsamen – über dessen Inhalt ich
in süße Verwirrung gerieth – von Edita! ...

Am Schlusse ihres Schreibens bat sie mich dringlichst, die Schranken der
formellen vornehmen Sitte unserer Kreise zu durchbrechen und einen
Verkehr mit ihr anzubahnen, welcher uns berechtigt, uns zu jeder Stunde
zusammenzuführen. Natürlich entsprach das meinen heißen Wünschen und
meine Zofe bestellte augenblicklich den Wagen.

Es war ein frohinniges Wiedersehen und frohinnig ist’s dann allzeit
gewesen. So oft als es möglich war, sahen wir uns und dann stets so
lange als möglich und – wir hatten uns Beide nicht getäuscht! Zwischen
Edita und mir entspann sich eine so reine Freundschaft, wie sie
feinsinniger wohl noch niemals bestanden haben mag.

Wir lasen uns unsere gegenseitigen Wünsche von den Augen ab und
verzichteten gern auf die Gesellschaft jedes Dritten, da wir selbst uns
immer genug waren. Eines Tages erhielt ich eine sehr eilige Meldung
durch jemand von Editas Dienerschaft, daß Edita unpäßlich sei und heute
vermuthlich nicht bei mir sein könne.

Ich beschloß sogleich zu ihr zu eilen, denn seit Beginn unserer
Bekanntschaft war noch nicht ein Tag verflossen, an welchem wir uns
nicht begrüßt hätten. Ich fand Edita in ihrem Boudoir auf einem
Ruhebette liegend; lässig bedeckte ein kostbares weißhaariges Fell die
lichtumflossene Gestalt. Durch die bunten Butzenscheiben brach goldenes
Sonnenlicht herein, denn der Frühling war ins Land gezogen, und Veilchen
und Maiglöckchen strömten ihre süßen Düfte aus, welche das lauschige
Gemach erfüllten.

„O, Felicita, Sie Gute! Wie lieb von Ihnen, daß Sie gekommen sind, denn
ich hatte unbeschreibliche Sehnsucht nach Ihnen um Ihnen in Ihr liebes
Gesichtchen zu schauen!“

Sie küßte mir zärtlich Stirn und Augen und ich zog sie, mich besorgt
nach ihrem Befinden erkundigend, sanft an mein Herz.

Lange engumschlungen saßen wir und sahen dem reizenden Spiele zahmer
Vögelchen zu, welche, wenn nicht auch ich sie geliebt, entschieden meine
Eifersucht erregt hätten, so sehr viel beschäftigte sich Edita mit
ihnen. Dann öffnete ich im Nebenzimmer die Balconfenster, um die
würzige, sonnendurchwärmte Frühlingsluft hereinströmen zu lassen.

Als ich wieder das Boudoir betrat, stand meine Patientin vor mir,
schöner als ich sie je gesehen. Auf dem feinen Antlitz, welches von
einem matten, rosigen Schein überhaucht war, prägte sich der Ausdruck
großen innerlichen Glückes aus.

Ich stand in stummes Staunen versunken vor dem reizendsten aller Weiber
und jauchzend schloß ich sie in meine Arme. Das lange lichtblonde Haar
fluthete über den Nacken, welcher, von der duftigen Spitzenrobe fast
unverhüllt, mir in blendendem Weiß entgegenleuchtete. Ich konnte ein
heißes Begehren nicht unterdrücken und küßte sie, von den seidenen
Haarwellen umrieselt, leise, mit heißen, zuckenden Lippen auf die warme
Sammethaut und ... dann in stürmischem Jubel zog ich sie hinaus in all
den Lenzesduft, der von dem blumengefüllten Balcon in das Zimmer wehte.

„Ich bin so glücklich, Felicita, und wie sehr liebe ich Sie! Welch’ ein
köstlicher Frühling wird uns erblühen, da schon den Winter wir in
Märchenlust durchträumten!“

„Gewiß,“ rief ich, „und welche Worte soll ich wählen, um meinen
Empfindungen Ausdruck zu geben! Seien Sie versichert, ich will freudig
Allem entsagen, was die Menschen ihr Glück auf Erden nennen, wenn ich
Sie, meine Edita, habe!“

„Süße Felicita,“ erwiderte sie, „wie von ganzem Herzen danke ich Ihnen
für all die reiche Liebe, mit welcher Sie die meinige vergelten. Sehen
Sie,“ fuhr sie fort, „wie oft im Leben begegnen wir Frauen, welche
einander Liebe und Freundschaft geloben und doch bedarf es nur eines
einzigen Anstoßes von der Außenwelt her – sei es aus Materialismus, sei
es aus Eifersucht, – genug, alle diese Versicherungen gegenseitiger
Freundschaft zerrinnen und das Ganze erscheint wie ein Trugbild! Da habe
ich denn, ehe wir uns auf jenem Costümfest kennen lernten, mir so oft
die Frage vorgelegt, wie es möglich sein kann, daß eine Frau von reichem
Gemüth um irgend eines Scrupels willen das Schönste aus dem Inhalt ihres
Lebens grausam zerstört: Frauenliebe! Der Gedanke, daß ich Sie verlieren
könnte, liegt meinem Herzen so fern, daß es mir absurd erscheint, einer
derartigen Befürchtung Raum zu geben. Wie viele edle Frauen, welche aus
irgend welchen tragischen oder anderen Gründen sich vereinsamt fühlen
und unglücklich, fänden einen reichen Ersatz für alles Verlorene oder
Entbehrte, wenn sie sich die Liebe einer Frau erwerben und eben diese
Liebe pflegen würden.“

Ich hatte aufmerksam zugehört und entgegnete, als sie schloß, mit
ernstem Kopfnicken:

„Wohl; es mag viel darüber gesprochen und geschrieben worden sein, daß
der Beruf der Frau die Ehe ist; der Platz der Frau ist am häuslichen
Heerd und ihre Sorgen um Gatten und Kind ihre Lebensaufgabe. Das ist
schön gesagt, aber ich kenne manche Ehe, in der die Frau einzig dazu
berufen zu sein scheint, ein Kreuz zu tragen.

Es soll keineswegs meine Aufgabe sein, etwa einem jungen Mädchen den
Glauben zu benehmen, daß der ganze Weg durch die Ehe mit Rosen bestreut
sei und ich würde mich nimmermehr zwischen zwei Menschen stellen, die
vielleicht im Begriff sind, eine Thorheit zu begehen und wäre es selbst
einer unseres Namens, um eine Mesalliance zu schließen.“

Edita hörte mich an und, beide Hände auf meine Achseln legend, sagte sie
mit plötzlichem, fröhlichem Lachen:

„Ja, gut, aber Kleine, unter derartigen abhandelnden Gesprächen verrinnt
uns der schöne Frühlingstag. Wir Zwei sind uns über unsere Ansichten ja
längst schon einig und wir werden wohl auch kaum jemals anderen Sinnes
werden. Ihre Anwesenheit, liebes Herz“, fuhr sie fort, „hat mich wieder
gesund gemacht und da will ich Ihnen einen Vorschlag machen: Während ich
bei der Toilette bin, ist der Wagen bereit und wir machen eine schöne
Spazierfahrt!“ – – – –

Der kräftige Lenzeshauch hatte die Wangen meiner schönen Freundin
geröthet und sie sah so blühend und hinreißend aus, daß ich mir Mühe
geben mußte, den Blick von ihrem reizenden Exterieur loszureißen; sie
erschien mir unsäglich begehrenswerth! ...

Mit der Spitze ihres schmalen Lackstiefelchens klopfte sie auf meinen
Fuß, welcher dicht an ihrem rechten stand und dazu lächelte sie
verheißungsvoll, bis ich den Muth fand, ihr mit stummer Frage in ihr
schönes Sternenpaar zu blicken und Edita nickte mit bedeutungsvollem
Lächeln zurück ...

Der Nachmittag jenes Tages wird mir unvergeßlich bleiben. –

Wir saßen, einige Zeit nach dem Diner, da wir heimgekehrt waren, eng
aneinandergeschmiegt, beim Dessert.

Ich hatte meiner Freundin Champagner angerathen und dieser perlte in den
hohen Kelchgläsern, welche wir hell aneinanderklingen ließen.

„Edita“, rief ich, „schon längst wollte ich Dir einen Wunsch offenbaren,
den ich schon lange im Herzen trage. Sieh, Schatz, Du weißt, welche
Freude ich an meiner Kunst habe und jetzt male ich schon lange Zeit
nicht mehr, weil mich ein einziges Bild verfolgt: die Venus von Milo!
Komm, schöner Engel, folge mir und sei mein – – Modell! ...“

– – Edita sah mich nicht etwa sprachlos an, richtete nicht etwa eine
Frage der Verwunderung an mich ... sie erhob sich ganz einfach, preßte
meinen Kopf an ihre Brust und küßte mich minutenlang auf den Mund ...

Ich erwiderte leidenschaftlich ihre Küsse und hielt Edita fest
umschlungen; mit einem tiefen Seufzer löste sie sich von mir und ergriff
meine Hand, um mich in ein anderes Gemach zu geleiten.

Hier erfaßte sie ein Scizzenbuch, in welchem ich oft bei ihr gezeichnet,
legte Zeichenmaterial zurecht, während ich langsam an sie herantrat und
– wortlos, tief athmend, den Schmuck von ihrem Halse löste.

Und willenlos ließ sie es geschehen, ein bestrickendes Lächeln um den
frischen, kleinen Mund.

Mit behutsamen Fingern löste ich Knopf um Knopf auf und nestelte sie
ebenso behutsam aus ihrem Kostüm.

„Ist’s gut so, Schatz?“ fragte sie. Ich schüttelte, wie im Traum, den
Kopf. Nach wenigen Minuten hatte ich sie herausgeschält aus den Hüllen
von Seide und Spitzen und – – noch einen Augenblick! da stand sie vor
mir, meine stolze Venus! ...

Ich war meiner Sinne kaum mehr mächtig; ich drängte das süße Weib auf
die üppigen, weichen Sammetpolster und mein Auge weidete sich an den
köstlichen Formen des blühenden Leibes ... doppelt schön, weil in
seliger Erregung Edita’s bezaubernder Busen auf und nieder wogte und der
heiße Athem mein Haupt streifte.

Endlich raffte ich mich auf – – ich mußte mein Wort halten und die
Scizze anfertigen.

Ich nahm das feine, vornehme Profil und dann hielt ich mich eine Weile
länger, als für eine Scizze erforderlich, bei ihren vollen Schultern und
den zarten Händen auf; ich mußte das. Und ich mußte eine Pause machen,
um mich zu sammeln. ... Von Neuem setzte ich den Griffel an ... Da
konnte ich nicht mehr! In heißer Leidenschaft sank ich vor ihrem Polster
nieder; ich preßte meinen Mund auf ihre blühenden Lippen, während meine
Hand sich schüchtern auf ihren warmen, weißen Busen schlich. Edita’s
Mund vermochte nicht, sich von meinen Lippen zu lösen – wir fühlten nur
eines: unsere Liebe – – Frauenliebe! – –

Da war es über mich gekommen, das lockende Glück, welchem ich seit Jahr
und Tag sehnsuchtsvoll entgegengeathmet hatte!

Edita umschlang mich unter halb schluchzenden Seufzern und immer mehr
steigerte sich meine glühende Leidenschaft ...

Endlich öffnete ich meinen Mund und gab den ihrigen frei.

Da stammelte sie mit glühendheißem Athem bethörende Liebesworte,
sinnverwirrend, aufregend, Worte, die ich niemals gehört hatte, deren
Sinn mir jedoch klar war ...

Die Scizze der Venus von Milo war unfertig geblieben ...

„Ich bedarf einer neuen Sitzung,“ hauchte ich.

Mit brennenden Lippen schloß sie mir den Mund.

Ihre Augen erglänzten fieberisch ...

Nach meiner Rückkehr nach Hause durchlebte ich eine Nacht, ähnlich
derjenigen, in welcher ich meine Edita fand und doch anders noch! Meine
Träume hatten sich verwirklicht.

In den Armen eines angebeteten, schönen Weibes waren mir die Wunder
berückender Erotik erschlossen worden.

Am nächsten Tage betrat ich mit zaghaften Schritten das Haus meines
Lieblings und zaghaft auch kam Edita mir entgegen und begrüßte mich aber
doch mit der gewohnten Herzlichkeit von ehemals, während ihre Stirn und
Wangen wie in Gluth getaucht erschienen.

So saßen wir uns beide gegenüber, just so, als hätten wir eine Uebelthat
vollzogen. – Vom Scizzenbuch war keine Rede und von der Venus vollends
nicht! – Nur einen Moment noch – da zog mich Edita auf ihre Kniee, ich
aber entschlüpfte ihr, als ob mein heißes Herz einer neuen Gefahr
entrinnen wolle. Da erhob Edita neckisch drohend den Finger und rief
lachend:

„Aber Titus, kleiner! Woher die Scheu? Du bist meine Liebe, sollst meine
Liebe bleiben!“ Und dabei haschte sie nach meinen Händen, welche sie
fest an sich preßte ... o Frauenliebe!

Da ich in der That nicht länger bleiben konnte, so verabschiedete ich
mich bald. Ein baldigstes Wiedersehen verheißend, eilte ich heimwärts –
–




                                Im Bade.


Schüchterne Versuche, „sie“, die Andere, persönlich kennen zu lernen,
scheiterten immer wieder an den Scrupeln, die ich mir machte, um vor
meiner Edita nicht treulos oder wankelmüthig zu erscheinen und doch
wurde ich jener Anderen bezauberndes Bild nicht los.

Mit dem geübten Blick einer echten Kunstjüngerin habe ich sie gesehen. –
Einmal auf einer Corsofahrt, da sie mir und meiner schönen Freundin
Blumen in den Wagen warf und, ein anderes Mal, in dem Atelier eines
Künstlers, meines Meisters, vor welchem zu einem Portrait zu sitzen, sie
gekommen war. Ich hatte weder Anlaß noch fügliche Gelegenheit, mit ihr
zu sprechen.

Im Grunde meines Herzens war es mir gleichgiltig, ob sie mir ebenbürtig
oder nicht – – mich gelüstete nur, ihre Schönheit zu genießen.

In meinem Benehmen zu Edita war ich doppelt aufmerksam und doppelt
liebevoll, weil eben ich heimliche Wünsche hegte, deren Erfüllung meiner
liebsten und einzigen Freundin wohl gleichen Kummer bereiten würde, als
wie mir, wenn ich Zeugin eines Interesses ihrerseits für eine zweite
schöne Frau werden sollte.

Vor mir selbst konnte ich bestehen, denn ich liebte meine Freundin und
nichts würde diese Liebe jemals aus meinem Herzen reißen können, aber
dennoch machte ich mir ob dieses Zwiespalts so viele Selbstvorwürfe, daß
ich meines Lebens nicht froh werden konnte. Schon das Bewußtsein, daß
ich Gedanken Raum gab, welche ich vor Edita verbergen mußte, war mir
drückend und peinlich, aber das Verlangen in mir, jenes fremde Weib
kennen zu lernen, war so mächtig, daß ich häufig, in Sinnen versunken,
statt meiner lichtäugigen Blume vom Rhein – in die nachtdunklen Augen
der Anderen zu blicken vermeinte.

So verging eine geraume Zeit. Die Saison hatte ihren Höhepunkt erreicht.
Wir saßen frohgemuth beieinander, Edita und ich.

Sie löffelte träumerisch in ihrem Kaffee. Nachdenklich sah sie mir in’s
Gesicht: „Du bist anders geworden, Felicita. Ich kenne Dich nicht mehr
so, wie Du ehemals gewesen. Deine Stimmung ist wechselvoll und Deine
frühere Emsigkeit in der Ausübung Deiner Kunst hat sich verringert.
Warum das, Kind? Willst Du, daß wir fortgehen? Nicht an den Rhein;
dorthin begeben wir uns nach beendigter Reise. Ich möchte mit Dir ohne
Zwang, ohne _dame d’honneur_ hinaus in die liebe Gotteswelt, sie und
Dich zu genießen!“

Und, ihr die Antwort schuldig bleibend, schloß ich sie bei Ihren letzten
Worten, wie electrisirt, in meine Arme ...

Ja, Altmeister Göthe, Du hast Recht: „Glücklich allein ist die Seele,
die liebt!“ – –

Dann war’s geschehen.

Am Ziele unserer Vergnügungsreise sah ich „sie“ wieder: die Andere mit
dem bestechenden Exterieur.

Wir, Edita und ich bewohnten eine, unweit des Strandes belegene Villa.
Ein sorgsam gepflegter Garten dehnte sich vor der stattlichen Front des
Landhauses aus.

Es war die Zeit der Rosen. Tausende von thautropfenfunkelnden Blüthen
sandten ihre Düfte in die weitgeöffneten Fenster unseres Quartiers.

Und da schritt ich hinunter in das Eden von Morgenglanz und Duft und
Licht und schmetternder Vogelkehlchen.

Ich raffte meine Schleppe hoch, um die Diamant-Tropfen der Gräser nicht
zu streifen. Behutsam bog ich eine der schönsten Rosen am Stengel
nieder. Sinnend ruhten meine Augen darauf, lange, lange ... und dann
wandte mein Blick sich aufwärts empor nach den Fenstern zu Editas
Gemächern.

Es überkam mich eine unabweisbare Sehnsucht, meiner Edita einen
Morgengruß zu bringen, der in den wunderbar schönen Klängen eines
künstlerischen Tonschöpfers ausklingt:

Leise, leise, mit immer vollerem, immer mehr anschwellendem Sopran erhob
ich meine Stimme:

     „Du rothe Rose auf grüner Haid,
   Wer hieß Dich blüh’n?
   Du heißes Herz in tiefem Leid,
   Was will Dein Glüh’n? – –
   Es braust der Sturm vom Berg herab.
   Dich knickt er um.
   Es gräbt die Lieb’ ein stilles Grab,
   Du bist dann stumm.
   Denk’ nicht an Tod, an Leben denk’
   In Lieb’ und Lust!
   Dich selber wirf’ als Dein Geschenk
   An meine Brust!!
   Ich weiß es ja, daß Du mich liebst
   Im Ueberfluß.
   O Seligkeit, wenn Du mir giebst
   So heißen Kuß!
   Geschrieben steht am Sternenzelt:
   Du wärest mein;
   Was fragt die Liebe nach der Welt
   Und ihrem Schein?
   Um meinen Nacken schling’ den Arm,
   Preß’ Mund auf Mund,
   Ruhst anders nicht so süß und warm
   In weitem Rund!
   Versink’ in Wonnerausch
   Der Erde Zeit.
   Gieb für den Augenblick in Tausch
   Die Ewigkeit!
   Komm, daß Du meine Sehnsucht stillst,
   O Königin!
   Und wenn Du meine Seele willst,
   So nimm sie hin! ...“

                   *       *       *       *       *

... Ich hielt die Purpurblüthe in der unwillkürlich hocherhobenen Hand.

Da erscholl ein leiser Ruf über die dichte Taxushecke zu mir herüber:

„O mir die rothe Rose, o bitte, bitte!“

Erstaunt, halb bestürzt wandte ich den Kopf, denn eine überaus
melodische Stimme in französischer Sprache klang an mein Ohr.

Da stand sie vor mir, jene interessante Schöne, deren Anblick ich
herbeigesehnt und welcher mich nun doch mit seltsamer Bangigkeit
erfüllte.

Es entging mir nicht, daß ich eine „Dame“ vor mir hatte.

Ihre Erscheinung hatte vielleicht einen Anflug von Emanzipation, aber
das kleidete sie gut. Sie war zweifellos eine Dame vornehmer Stände. So
konnte ich es getrost wagen, ihr die Rose zu schenken. Mit einer
leichten Verbeugung – nahte ich mich ihr, ihr die Blume zu überreichen.

                   *       *       *       *       *

„Das soll die Revanche sein für die Blumen aus meinem Corsowagen“, sagte
sie mit leisem Lachen und ich erwiderte lebhaft, daß es mir Freude
bereite, Gelegenheit zu solcher Revanche gewonnen zu haben.

Freudestrahlend neigte sie dankend ihr Haupt und preßte leise an die
geöffneten Lippen die flammende Rose.

In ihrer Begleitung befand sich ein altes exotisches Fräulein, in deren
Gesellschaft sie alsbald grüßend weiterschritt, während ich, alle Rosen
vergessend meiner Edita entgegenstrebte; mir war’s als hätte ich ein
Unrecht begangen.

Mit gemischten Empfindungen betrat ich Editas Schlafgemach. Diese war
bereits angekleidet und erhob drohend den weißen Finger:

„Schatz, wo steckst Du, allein, ohne mich? Und wem galt das herrliche
Lied? Mir wohl? Ja, ja, ich weiß, mein Herzchen“, fuhr sie mit raschen
Worten fort, da sie sah, wie ich schmollend den Kopf zurück bog. „Nur
mir allein konnte Lessmann’s wunderschönstes Liebeslied gelten; Du weißt
ja, wie so sehr gern ich Dich höre!“

Ich warf mich an ihre Brust und küßte sie lange und innig ... Der
Fremden erwähnte ich nicht. In den nächsten Tagen richteten wir, bevor
wir unseren gewohnten Spaziergang antraten, unsere Schritte nach der
See.

Unsere Kammerfrau empfing uns bereits und im Nu tummelten wir uns nach
Herzenslust in der blauen Fluth. Ich spähte suchenden Blickes über die
leicht bewegte Wasserfläche. Mein Auge fahndete auf schöne
Frauen-Gestalten. Forschenden Blickes betrachtete mich Edita. Ob sie
wohl meine Gedanken errieth? Da – wir hatten gerade unsere Toilette
beendet, drangen hastige, lebhafte Rufe an mein Ohr. Ich zog die Thür
zurück und sah hinaus, nahm auch sofort wahr, daß einige Badefrauen
offenbar um eine Ohnmächtige bemüht waren.

In wenigen Minuten hatte ich die betreffende Zelle erreicht und übersah
mit einem einzigen Blicke die ganze Situation. Die leidende Dame hatte
jedenfalls eine übermäßig lange Schwimmtour zurückgelegt und war nunmehr
von einem Nervenzufall ergriffen worden.

Cölnisches Wasser und englisches Salz hatten die beabsichtigte Wirkung
und nach wenigen Augenblicken hob ein zitternder Seufzer die Brust der
jungen Pariserin, welche mir mit aufleuchtenden Augen dankte und mir
alsbald ihren Namen und Rang nannte.

Wie mir ihre alte Begleiterin mit einer fabelhaften Beredsamkeit
darthat, hatte die junge Dame, Comtesse Eugenie, bereits wiederholt
einen derartigen Nervenzufall gehabt. Das erregte mein Mitgefühl und ich
bat sie mit herzlicher Eindringlichkeit, einstweilen von dergleichen
Schwimm-Uebungen abzusehen.

Da ich während der kurzen Unterhaltung auch meinen Namen nannte,
flüsterte sie mir erfreut die Antwort entgegen, daß derselbe ihr lange
bekannt sei und daß sie genau gewußt, „wem“ auf jenem Corsofest sie die
Blumen gewidmet hätte.

Ferner berichtete sie mit schelmischem Lächeln, daß sie auch lediglich
aus dem einzigen Grunde ihr Portrait bei meinem Lehrer bestellt hätte,
weil sie bestimmt angenommen, mich, als dessen Schülerin, wie ihr
zufällig bekannt war, dort sicher zu treffen.

Ich hatte allen anwesenden Frauen längst bedeutet, sich zu entfernen und
während ich die Reisebegleiterin der Comtesse zu Edita sandte, daß sie
meiner nicht länger harren, sondern mir entgegenkommen sollte, kleidete
sich ... o süßer Schreck! – die üppige Französin in meiner Gegenwart an.
Ich konnte der mir angeborenen Regung nicht widerstehen und, die Falten
ihres Spitzenhemdes auseinanderschiebend, küßte ich die rosige Haut
ihres schönen Busens!

Da brach die ganze sinnbethörende Leidenschaft sich Bahn und mit
fliegendem Athem und fliegenden Worten entrollte Comtesse Eugenie mir
das Bild ihrer Seele.

Geschmachtet hätte sie nach mir – lange, lange, denn sie liebe mich – –
„_parceque vous êtes si belle, mon coeur, alors je vous aime indisible,
brûlant – passionnée_!“ Und dann senkte sie ihren Mund und ihre zuckende
Zunge drängte sich sanft zwischen meine Lippen ...

Wie betäubt ließ ich das schöne junge Weib aus meinen Armen; ich
versprach ihr, sie in einigen Tagen hier wiederzusehen. Noch einmal
drückte ich mein heißes Gesicht an ihren mir entgegenwogenden Busen und
als ich dann mit brennenden Wangen hinaustrat, sah ich Edita auf- und
abpromenirend, welche sich wortlos zu mir wandte, mich mit todternsten
Blicken musterte und an meiner Seite dahin schritt, ohne sich, wie sonst
an meinen Arm zu hängen.

Ich fühlte mich bewogen, eine Aufklärung dieses Zwischenfalls zu geben,
aber es berührte mich unsagbar peinlich, als ich ihre Augen mit
unendlich spöttischem Ausdruck auf mich gerichtet sah und spöttisch
dünkte mich auch das Lächeln, welches vielsagend um den feinen Mund
irrte.

Ich kann wohl sagen, daß mich selten ein so furchtbar unerquickliches
Gefühl beschlich, als in diesem Momente. Trotzdem war ich fest
entschlossen, die junge Pariserin wieder zu treffen. –

Ich fühlte, wie mich ein süßes Erschauern überrieselte, wenn ich an die
Berührung der warmen, weichen Zungenspitze dachte! ...

So muß ein erotischer Kuß sein! ...

Ungewollt, war zwischen mir und Edita eine Spannung eingetreten, die
sich mit jeder Minute steigerte und die ich doch durch nichts zu
verhindern vermochte. Meine Vorliebe für schöne Frauen erheischt eben
Opfer! ...

Mochte Edita meine Wünsche errathen haben, wollte sie mich prüfen oder
war es Zufall, genug, sie verharrte dabei, in ihren Gemächern zu
verbleiben, während ich, theils gewohnheitsmäßig, theils von gewisser
Sehnsucht getrieben, dem Strande entgegenschritt.

Comtesse Eugenie kam mir bereits entgegen. Sie bestürmte mich so lange
mit Bitten, bis ich nachgab, sie in ihr Hôtel zu begleiten. Dort
angelangt, bat sie mich, einige Augenblicke zu verweilen, während sie
ihr Ankleide-Cabinet betrat, um ihre Strandtoilette mit einem geradezu
bezauberndem Kostüm zu vertauschen.

Ein halboffener, weißer Burnus aus indischem Cachemir umhüllte in weiten
Falten die volle, schlanke Gestalt. Mit elastischen Schritten eilte sie
auf mich zu und ich ließ es gern geschehen, daß sie meinen Mund mit
heißen Küssen bedeckte und weiter ließ ich es geschehen, daß ihre
weißen, feinen Zähne sich tief in die Haut meines Halses gruben. – –

Ein intensiver Goldlack-Duft entströmte ihren Kleidern und benahm mir
fast den Athem. Da ich sie mit beiden Armen fest umschlang, mochte ich
sie ermuthigt haben, denn sie setzte sich auf meinen Schooß!

... Immer heißer ihre Küsse, immer heißer der Athem und da endlich
kannte ihre Leidenschaft keine Grenzen mehr; rasch streifte sie den
Handschuh von meiner Hand und führte diese leise in die Falten ihres
Peignoirs. Ein Zittern überflog mich, dann fühlte ich die zuckende
Berührung ihrer Zunge und in einem heißen Kusse fanden sich unsere
Lippen.

Jetzt folgten Augenblicke nie empfundener Erregung, so daß ich, halb
ohnmächtig, die Augen schließen mußte ... Da plötzlich durchzuckte mich
ein blitzähnlicher Schlag – – – der Gedanke an Edita! Heiße Blutwellen
stiegen mir in’s Antlitz. Das war nicht mehr Erregtheit, das war – –
Schamröthe!

Wie liebe ich meine Edita und wie vertraut sie mir und ich war schwach
genug ihr untreu zu werden! Keine Andere – und wäre es der Schönen
Schönste – sollte mich jemals besitzen und eine Liebe mit Edita theilen,
die diese allein genießen wollte! ...

Es war das erste Mal an einer anderen Frau soweit mich zu vergessen und
es sollte das letzte Mal sein!

Meine ganze Willenskraft zusammenraffend, widerstand ich mit Mühe den
sinnlichen Ueberredungskünsten der schönen Französin, welche mir einen
noch viel größeren Genuß verhieß, wenn ich mich auskleiden und bei ihr
bleiben wolle ...

Einige Minuten später befand ich mich auf dem Heimwege; meine einzige
Edita befand sich zweifellos im Hause. Als ich ihren Salon betrat,
fühlte ich mich von starken Blumendüften umweht; die Vorhänge waren
herabgelassen und wehrten dem Eindringen des strahlenden Sonnenlichts.

Erstaunt, beunruhigt, blickte ich spähend umher; ich durchsuchte alle
Zimmer: Edita fand ich nicht.

Wie das leibhafte böse Gewissen eilte ich die Terrasse hinunter in den
Garten. Dort saß sie in einer Rosenlaube unter Büchern und Journalen
vergraben.

Und ich erschrak.

Edita hatte ja ohne mich speisen müssen!

Was nur mußte sie von meinem langen ungerechtfertigten Ausbleiben
denken!

Flüchtigen Fußes eilte ich auf sie zu und als ich ihr ernstes, schönes
Haupt an mich ziehen wollte, lehnte sie sich halb abwehrend zurück.
Beklommen ließ ich mich an ihrer Seite nieder.

Edita betrachtete mich still mit langen Blicken. An meinem Halse blieben
sie haften und in jäher Erinnerung gedachte ich der spitzigen Zähnchen,
welche sich in die Haut gegraben und, wie ich nachher entdeckte, einen
feuerrothen „Kußfleck“ hinterlassen hatten.

Nach einer Zeit peinvollen Schweigens ergriff meine Freundin das Wort:

„Ich sehe, Felicita, Du hast Langeweile, ich weiß in der That nicht, wie
ich länger mich Dir gegenüber verhalten soll. Ist meine Liebe für Dich
auch stets stark genug gewesen, Deiner Schwäche für fremde, interessante
und schöne Frauen mit Nachsicht zu begegnen, so bin ich doch zu stolz,
um ruhig zusehen zu können, wie Du einer Unbekannten vor mir ostentativ
den Vorzug giebst. Ich weiß ebenso genau wie Du selber, daß es nur
sinnliches Begehren ist, durch welches Du Dich in den Bann dieser
Pariserin hast verstricken lassen. Nun wohl, überlege Dir’s, ob Deine
Handlungsweise mir gegenüber wirklich _lady like_ war. Ich halte es für
gut, wenn wir einige Zeit räumlich getrennt sind; bleibe Du bei der
Comtesse – – ich bin jedenfalls entschlossen, heute noch nach meiner
Heimath abzureisen. Ich überlasse Dir die Wahl: Jene oder ich!“ ...

Ich starrte, nachdem Edita ausgeredet, eine Weile wie geistesabwesend
vor mich nieder.

Das also sollte das Ende sein von meinem erträumten und in Wirklichkeit
bestehenden Glück.

   Ja: o Liebe wie bist du so bitter,
       o Liebe wie bist du so süß! – –

Ein minutenlanges Schweigen entstand. Ich schluckte die aufquellenden
Thränen tapfer hinunter und war im Begriff, die Laube zu verlassen, da
hielt Edita mich zurück; sie sah mich tiefernst an und deutete mit der
Spitze ihres Fingers nach dem dunklen Fleck an meinem Halse.

Ich zuckte zusammen. Rasch entschlossen wollte ich ein Geständniß
ablegen von dem Umfange meiner Verirrung, da hatte sie aber schon ihre
knisternde Schleppe aufgenommen und in stummem Schmerze sah ich ihre
hohe, edle Gestalt in dem Vestibule der Villa verschwinden.

Das Nächstliegende für mich nun war, meine gekränkte Freundin zu
versöhnen und einen Brief für Comtesse Eugenie nach dem Hotel zu senden.
In diesem Schreiben bat ich sie, sich meiner Sympathie versichert zu
halten, die zwischen uns stattgehabte erotische Scene aber als
ungeschehen zu betrachten. Ich könne und dürfe meine Freundin nicht
beleidigen, denn meine Liebe gehöre ausschließlich dieser! Unter den
üblichen formellen Redewendungen schloß ich. So gern ich sie ja wohl
noch selbst gesprochen hätte, – meine sieghafte Liebe zu Edita ließ mich
dieses Verlangen unterdrücken und überwinden – – – – – – –

                   *       *       *       *       *

– – – Der Pfiff der Locomotive mahnte zum Einsteigen und ich war
glücklich, mich auf den Polstern eines Coupees an der Seite meiner
angebeteten, stolzen Edita zu befinden. Ich drückte ihr nur immer wieder
mit stummer Zärtlichkeit die Hand und ein namenlos frohseliges Gefühl
erfüllte mich, als sie mir mit gleichem Händedruck meine Innigkeit
erwiderte.

So gelangten wir durch lachende, freundliche Thäler und üppig grünende
Auen, welche sich mit den vom hohen azurblauen Himmelsdom sich
abzeichnenden, ehrwürdigen Gebirgshäupter malerisch abwechselten.

Wir waren wieder glücklich. Wir hatten uns ausgesprochen und uns
wiedergefunden in unserer Liebe!

Endlich, nach interessanter Fahrt langten wir in Edita’s Schlosse an.
Der würdige Kastellan und dessen treublickende Ehehälfte empfingen uns
an der Spitze der gesammten Dienerschaft; Edita’s Repräsentantin war
bereits lange vorausgeeilt und hatte mit ausgeprägtem Tact alles zum
Empfange ihrer jugendlichen Gebieterin herrichten lassen.

Die Sonne versank soeben mit glührothem Schein in den glitzernden
Fluthen des alten ehrwürdigen Rheins.

Unmittelbar an den Ufern desselben erhob sich, von stattlichen
Höhenzügen umsäumt, ein würdevolles einfaches Schloß – eine Veste der
Manen Edita’s, der letzten Trägerin ihres Namens.

Anmuthig grüßend, für Jeden ein leutseliges Wort und ein freundliches
Händeschütteln dem greisen Verwalter und dessen Gefährtin, geleitete
mich Edita in das von hohen Marmorsäulen getragene Portal.

Aus ihren seelenvollen Augen sprach meine stolze, süße, lichtäugige
Blume vom Rhein mir einen Willkommensgruß; inniger, glückseliger, wie es
Worte nicht inniger zum Ausdruck hätten bringen können. Und ich gelobte
mir so recht aus tiefem Herzen heraus, ihr nie wieder eine kummervolle
Stunde zu bereiten.

Ach war ich glücklich!

Ich hatte gute Nachrichten von meinem kränkelnden Vater und – am Herzen
meinen versöhnten Liebling! –

Voll natürlichen Interesses hatte ich, nach beendigtem Diner mit Edita
eine kurze Wanderung durch die Säle und Gemächer des Schlosses
angetreten. In einem achteckigen Raum rastete sie, mich an ihre Seite
ziehend, da sie auf einem in der Mitte des Gemaches sich erhebenden
Rondel Platz genommen hatte.

Die Figuren und Arabesken der schweren Gobelins leuchteten in matten
Lichtern durch die magische Tönung, welche eine antike Ampel von dem
kostbar geschnitzten Plafond herab verbreitete.

Duftende, echt rheinische Wässer plätscherten aus zwei kleinen Fontainen
auf exotisches Blättergewächs nieder; sonst war es traumhaft still.

Dicht umschlungen, saßen wir Beide, Kopf an Kopf geschmiegt, uns dem
Zauber des Augenblicks überlassend. Mit einem Male schritt Edita über
den Teppich bis in eine Ecke, über welcher sich eine in mattem Golde
erglänzende Kuppel für künstliche Akustik wölbte. Dort stand ein
entzückendes Instrument. Mit zarten, musikkundigen Händen entlockte sie
demselben wundersame Präludien, die sie in süße Liebeslieder
hinübergeleitete und in köstliche Accorde ausklingen ließ.

Ich hatte schon so oft den Schmelz ihres Soprans bewundert, heute aber,
in dieser Stunde riß mich ihr herrlicher Gesang zu anbetungsvollem
Staunen hin:

   „Nun hüllt die Nacht, die lenzige Nacht
   Die Welt in schweigende Wonne,
   Ach sonst ergriff mein Herz noch mit Macht
   Das letzte Verglühen der Sonne.
   Nun geh’ ich allein, durch Fluren und Hain
   Und ich denke in Liebe und Sehnsucht nur Dein:
   Denn ich habe Dich einzig und ewig gern,
   Du bist meine Wonne, Du bist mein Stern!
   Der Frühling kommt, der Frühling vergeht,
   Die süßen Lieder verklingen,
   Und ob der Herbst die Blüthen verweht,
   Mir soll er nicht Traurigkeit bringen;
   Denn ich trage den Lenz, im Herzen die Ruh
   Und das singet und klinget und blüht immerzu;
   Denn ich habe Dich einzig und ewig gern,
   Du bist meine Wonne, Du bist mein Stern!“

... Noch unter den Einflüssen der letzten Vorgänge in dem Strandhause
leidend, war ich vor Glück und Wonne wie trunken ...

Ich ermannte mich und sprach in huldigenden Worten ein heißempfundenes
Lob ihrer Kunst.

„Diese Kunst, meine Felicita“, erwiderte Edita lächelnd, „vermag wohl
kaum mit der Deinigen zu wetteifern. Wohl habe ich meine ganze Seele in
mein Spiel gelegt und –“ setzte sie, während wieder ein schelmisches
Lächeln den süßen Mund umspielte, hinzu: „ich wollte Dich nur zu meiner
Schuldnerin machen!“

„Durch die Kunst?“ fragte ich gespannt. Und, unter plötzlichem Errathen
rief ich beglückt:

„Ah, ich verstehe, Du meine schöne stolze Venus von Milo!“ ...

In dieser Nacht schliefen wir Beide nicht. Das war ein seliges
Wiederhaben!

Wir erriethen nicht mehr, wir fragten nicht! wir sagten uns in
stillseliger Ueberzeugung, daß „wahre Frauenliebe“ des Glücks die Fülle
in sich birgt.

... Wonnedurchzittert genossen wir dieses Glück! Stundenlang täglich,
viele Wochen hindurch ... Erotische Liebe ist stets sinnlich; es kann
anders auch nicht sein; aber diese Sinnlichkeit unter zwei schönen
Frauen, die sich in aufrichtiger, tiefer Herzensneigung ergeben sind,
ist so zart, so unvergleichlich beglückend, daß ich der Comtesse Eugenie
gern Recht gab, als sie mir eines Tages schrieb, entgegen meiner Bitte,
es zu unterlassen: „Wenn ich der süßen Augenblicke gedenke, welche ich
mit Ihnen, _ma belle reine_, verlebt habe, so könnte ich jubeln und
weinen. Jubeln darüber, daß ich das Glück mit Ihnen genossen habe und
weinen, daß ich es, kaum gegrüßt, nun meiden muß.

Es ist nun einmal mein Ideal, mit einer Frau zu verkehren im innigsten,
engsten Sinne. Ich bin nicht im Stande, einen Mann zu lieben, denn ich
habe noch nie einen kennen gelernt, der mir jene Gefühle einzuflößen
vermocht hätte, wie sie mich in der Frauenliebe beseligen. Ueber diese
bin ich vor einigen Jahren von einer blendend schönen Frau unterrichtet
und eingeweiht worden. Da wußte ich, da verstand ich, was schöne Erotik
bedeutet, was Sinnlichkeit ist. Frauenliebe ist endlos und so
beglückend, daß man sich von ihr nicht losreißen kann. Es ist ein
fortwährendes Genießen! Mir ist von einer verheiratheten Freundin vor
einigen Jahren versichert worden, daß sie erst dann sich glücklich
nannte, als sie in die Mysterien der Frauenliebe eingeweiht worden war.
Für die Zärtlichkeiten ihres Gatten war sie absolut unzugänglich;
dieselben sind im Verhältniß zu denjenigen des Weibes so unzart und im
Verhältnis viel weniger befriedigend ...“

Edita lächelte, als ich ihr dieses und noch vieles andere aus diesem
Briefe vorlas. Wir wußten’s Beide besser, oder doch ebenso gut, als
Comtesse Eugenie, nur fanden wir es unzart, dergleichen Episteln in die
Welt zu senden.

– – – Noch einige ergänzende Pinselstriche und das Abbild meines
königlichen Modelles war fertig. Ich habe unsagbar schöne Liebesstunden
durchkostet, als ich Liebe und Kunst verbindend, in vollen Zügen
genießen durfte. – Immer wärmer, immer leidenschaftlicher gestalteten
sich unsere Herzensbeziehungen; unser Glück war maßlos!

Ich habe die Schönheit Edita’s nicht mehr bildlich zu idealisiren
vermocht; um das zu können, müßte das Modell nicht von so vollkommener
idealer Schönheit sein!

In diesem Gemälde hatten wir unserer Liebe ein Denkmal gesetzt!

                   *       *       *       *       *

Mit reichem Erntesegen belastet, kehrten Winzer und Winzerinnen von den
Bergen heim. Goldene Sonnenlichter flammten auf dem rothschillernden
Laube; der Schmuck des Parkes war erblichen und aufkeimende Wehmuth
schlich sich mir in die Seele.

In rascher Aufeinanderfolge mahnten mich die Briefe meines bedenklich
erkrankten Vaters an die Heimkehr.

Ohne einen Augenblick zu überlegen, rüstete ich zur Abreise. Edita wand
mir mit eigenen Händen einen Abschiedsstrauß der letzten Astern und
Reseden. Und nun redeten wir auch einmal noch von Liebe, wie einst im
Mai! ...

Doch eine kleine poesievolle Rache konnte sie sich nicht versagen: eine
in Purpurfarbe leuchtende Rose ließ sie sich im Treibhause für mich
schneiden und, ein mir wohlbekanntes bedeutungsvolles Lächeln auf den
Lippen, hielt sie mir die Blume entgegen. Als ich die Hand danach
ausstreckte, sagte sie:

„Erst schön bitten! Bitte doch einmal, so wie an jenem Morgen an der
Taxushecke Comtesse Eugenie bitten konnte!“ Und die Blumen hinter dem
Rücken haltend, weidete sie sich an meinem Erstaunen.

„Das weißt Du auch, Schelm?“ fragte ich, hell auflachend. Aber doch
konnte ich mich eines kleinen Unbehagens nicht erwehren. „Ich verbarg es
vor Dir,“ fuhr ich fort, „und Dir von jener Begegnung später zu
berichten, wurde mir immer peinlicher, weil eben ich es nicht sogleich
gethan hatte. Und Du konntest es mir verhehlen, daß Du mich und sie
beobachtetest an dem Morgen, da ich Dir Dein Lieblingslied emporsang?“ –
– – Edita versprach mir, nach einiger Zeit mir nachzukommen, und unter
dem fürsorglichen Geleit meiner Gesellschafterin, welche mich abzuholen
gekommen war, steuerte ich der lieben Heimat entgegen.

„So lebe wohl, Du liebes Eden am Rhein! Auf Wiedersehen, Du stolze,
süße, Du lichtäugige Blume vom Rhein!“ –

– – Der Zustand meines Vaters war besorgnißerregend; das Leiden
steigerte sich und ich war sorgsam bemüht, ihm die letzten Tage seines
hohen Alters zu verschönen.

Als er die müden Augen auf immer schloß, sanken die ersten Schneeflocken
nieder auf den frischen Hügel, ihm ein weißes, stilles Leichentuch
bereitend. – Wieder war es meine Edita, welche, selbst weinend, mir
besorgt und theilnahmsvoll die Thränen von den Wimpern küßte. Ich dankte
aufrichtig meinem Schicksal, welches mich dies treue Herz finden ließ.
Sie auch war es, welche mir die Lasten aufregender Condolenzen abnahm
und ihr ganzes Sinnen und Trachten war darauf gerichtet, mich wieder in
andere Bahnen zu lenken.

Wohl erwies sie meinem heimgegangenen Vater ebenso herzliche Pietät als
ich ihm liebevolles Gedenken, aber dennoch fürchtete sie, daß mein
junger Lebensmuth Schaden nehmen könne und sobald, als thunlich,
strebten wir dem sonnigen Italien entgegen.

Mit Hinblick auf die traurigen Erlebnisse, war es meiner Freundin darum
zu thun, daß ich mich in mein Studium vertiefen und um mit mir gleichen
Schritt zu halten, war sie gesonnen, dem Studium der Musik ihre Zeit zu
widmen.

In einem vornehmen Palazzo hatten wir durch die Vermittelung einer uns
bekannten Familie ein ebenso standesgemäßes, als comfortables und
anheimelndes Quartier gefunden und in der That gelang es uns sehr bald,
unseren Wünschen und Absichten nahe zu kommen. Es bereitete mir immer
herzliche Freude, wenn sie es so einzurichten wußte, mich persönlich
abzuholen und wir verlebten manche idyllische Stunde in den geschmückten
Gondeln auf der Laguna.

Allmälig war mein trüber Sinn einer Umstimmung gewichen. Mein Auge
schwelgte in den Natur-Wundern des herrlichen Südens.

Dann kam es auch wieder über mich, leise, langsam, aber stetig: Das
eigenartige, seltsame Verlangen in mir, den Anblick schöner Frauen zu
genießen. –

Edita hatte mich in das richtige Fahrwasser gelenkt.

Gerade hier bot sich mir eine Quelle von Genüssen, welche ich in meiner
nordischen Heimath verhältnißmäßig doch nur spärlich fand.

Doch noch wog die Liebe zu meiner Kunst das Begehren nach dem Besitze
anderer Frauen in erotischem Sinne auf, denn Edita – bot mir ja Alles! –

Sie nahm und gab und wir waren vollkommen glücklich; nichtsdestoweniger
erregte es fortdauernd mein Interesse, andere Frauen zu beobachten – die
Frauen des _high life_ des Südens, die – reich, unabhängig, zügellos der
Erotik opfern mochten. – – Eines Tages lernten wir eine junge
Aristokratin kennen, welche von der Lebewelt umschwärmt wurde, doch eine
uns räthselhafte, und abweisende Zurückhaltung an den Tag legte.

In dem Hause der Marchesa lebte eine junge Deutsche von ungemein
liebreizendem Wesen; diese war die Gesellschafterin, Freundin und Alles
der Italienerin. Sie waren Rivalinnen ihrer beiderseitigen Schönheit;
die blühende, rosige, Geist- und Lebensfreude athmende Deutsche war
ebenso begehrenswerth, als die vornehme todtblasse Südländerin –
fascinirend.

Diese Beiden zu beobachten, war mir, ohne eigentlich neugierig zu sein,
gleichsam zur Aufgabe geworden.

Durch eine Reihe von günstigen Zufällen begleiteter Umstände traf es
sich, daß durch Zuthun der jungen Deutschen, Anna v. B. sich
gewissermaßen eine Réunion sehr bald bildete und gar oft war das
Parquette der Marchesa der Sammelplatz eines ziemlich weit verzweigten
Kreises der vornehmsten Damenwelt.

Der Verkehr unter uns gestaltete sich zu einem immer zutraulicheren.

Die genußsüchtige, in ihren Schwelgereien unersättliche, nach außen
statuenhaft kalt wirkende Marchesa plante eine Soirée.

An die elegante Damenwelt, welche einer still-verschwiegenen Kategorie
von „Lebefrauen“ angehörte, ergingen zahlreiche Einladungen.

Edita und mir sollte eine unglaubliche Ueberraschung vorbehalten sein.

Wir sollten einer Orgie mitbeiwohnen, wie sie auszumalen, oder sich
vorzustellen, selbst die sinnlichste Phantasie nicht fähig ist.

Die Geladenen befanden sich in des Wortes eigentlichster Bedeutung
„unter sich“; sie alle wußten bereits, welche Freuden ihrer harrten –
pflegte doch die Marchesa von Zeit zu Zeit einen Damen-Abend zu
veranstalten, an dem man einmal ungestört musiciren und plaudern kann:
Das reine Lesekränzchen! ...

... Die Karossen kamen herangesaust; schmucke Gondoliere ruderten
schleierverhüllte Frauen bis fast nahe an den Palazzo der Marchesa.

Diese selbst begrüßte ihre Gäste, umgeben von fürstlicher Pracht, in
ihren Empfangsräumen. Die Toiletten der gesammten Damen wetteiferten an
verschwenderischer Pracht und Chic miteinander.

Man war entzückt von der Liebenswürdigkeit der Gastgeberin, welche,
einer Fürstin gleich, Huldigungen entgegennahm und austheilte.

Es war früher Abend geworden und in venezianischen Kronleuchtern sandten
ungezählte strahlende Kerzen ihr gleißendes Licht durch Vestibül und
Säle. Ein kunstvoller, überaus reichverzierter Treppenaufgang führte
nach dem oberen Stockwerk.

Hier überbot ein Lichtmeer die strahlende Helle der unteren Etage.

In einer mäßig großen Bildergallerie waren die damastblinkenden Tafeln,
strotzend von Silber- und anderem Geräth und Blumen, für das Souper
hergerichtet. Es war ein üppiges Mahl!

Der Wein aller Gattungen erhitzte die Gemüther. Flammende Augen,
glühende Wangen und eine übermüthige, mehr als lebhafte Conversation in
italienischer und französischer Sprache durchschwirrte die parfümirte
Luft.

Wir, Edita und ich, befanden uns zum ersten Male in dieser Gallerie.
Interessirt ließ ich die Blicke über die Gemälde schweifen und entdeckte
da Meisterwerke, wie man sie nur in werthvollen Sammlungen, oder in
Museen findet. Auffällig nur erschienen mir unterhalb des Rahmens je ein
leuchtender, silberblitzender Stern.

Nun, ich deutete mir diesen eigenthümlichen Schmuck als eine originelle
Caprice der Marchesa; mir sollte der Zweck der funkelnden Sternchen bald
klar werden. Ehe noch ich Edita darauf aufmerksam machen konnte, wurde
die Tafel aufgehoben und ich machte von Zeit zu Zeit die Entdeckung, daß
sich allmälig ein Theil der anwesenden Schönen zerstreut hatte.

Eine diesbezügliche Bemerkung meinerseits beantwortete die reizende
Marchesa mit einer eigenthümlichen Geste.

„Sie sollten ja überrascht werden, Signorita“, sagte sie und ihre
schneeweißen Zähne blitzten mich herausfordernd an. Dann fuhr sie fort:

„Prüde sind Sie nicht und auch nicht Ihr Liebchen! Daher sollen Sie
vergnügt sein und so liebenswürdig, kleine pikante Extravaganzen hübsch
verständnisvoll in den Kauf zu nehmen!“

Ich war einigermaßen verwirrt und mußte in diesem Moment unwillkürlich
meiner Verführerin, der Comtesse Eugenie gedenken ...

Aus einem Pavillon, der sich in dem terrassenförmig sich abstufenden
Garten befand, drang sphärenhafte liebliche Musik. –

Nach geraumer Zeit, während welcher wir, lebhaft plaudernd, die Rückkehr
der Damen, die sich zurückgezogen hatten, abwarteten, lud uns die
Marchesa, ihre rosige, blonde Annina, wie sie sie nannte, am Arm, mit
ihrem übermüthigsten Lächeln ein, vor je einem der Gemälde Platz zu
nehmen. Mittelst Druckes auf ein dort angebrachtes Sternchen machte
dasselbe eine rotirende Drehung und wies nun Oeffnungen auf, welche
zuvor von den ausstrahlenden Sternchen überdeckt waren.

Von natürlicher Neugier erfüllt, sah ich, gleich Edita und einigen
anderen Damen, darunter die Marchesa und Annina durch die Oeffnung.

Vor meinen Blicken dehnte sich ein feenhaftes Gemach in halbkreisrunder
Form aus. Es war tageshell erleuchtet. Ueppige orientalische Polster
längs der Wände, in malerischer Unordnung bedeckt mit seidenen Decken,
Kissen, Fächern u. s. w.

Kleine Roccocco-Tische waren überladen mit Früchten, Süßigkeiten, Wein
etc.

Auf das Zeichen eines feinen Glockentones sank ein golddurchwirkter
Vorhang in schweren Falten auf den Teppich nieder und mein Auge umfaßte
ein mit großer künstlerischer Routine dargestelltes „lebendes Bild.“

Wie aus Marmor gehauen, standen vor uns vier schneeweiße, nackte
Frauengestalten in wirkungsvoller Gruppirung graziös umschlungen, je in
der einen hocherhobenen Hand einen blumengefüllten Korb haltend, und
plötzlich kam Leben in diese üppigen, herrlich geformten Leiber. In
langsamen, immer lebhafteren Drehungen wanden sie sich, gleich einem
Kaleidoscop umeinander und von sehr hübscher Wirkung war es, als
mittelst einer kunstvollen Vorrichtung ein andauernder, scheinbar nicht
endenwollender Rosenregen sich über die verführerischen Sirenen ergoß.

Diese vier Statuen von angeborener und doch raffinirtester Grazie in
ihrer nackten, blendenden Schönheit übten einen gewaltigen Eindruck auf
uns aus.

Dieser Eindruck wurde sehr bald durch ein wahres Entsetzen verwischt,
das sich meiner bemächtigte.

Während zwei in seidenen, vorn offene, langwallende Gewänder gehüllte
Damen eintraten und die ersten vier Sirenen ebensolche anlegten,
verschwanden die letzteren und die beiden zuletzt Gekommenen saßen in
sehr vertraulichem _tête à tête_ beieinander, als sich die Portieren
theilten und zwei ritterlich gekleidete Männer eintraten. Ich sah
athemlos fast nach ihnen hinüber. – – Männer! – – Schrecklich!

Der Eine von ihnen in echtem Rembrandtwamse, einen martialischen
Schnurrbart in dem dunklen Antlitz, den Galanterie-Degen zur Seite,
umschlang, ehe man sich dessen versah, eines der üppigen Weiber, sie auf
seine Kniee ziehend. Wie es schien, ließ sich die Circe, liebeheischend,
gern herbei, die Liebkosungen des Mannes zu erwidern. Den einen Arm um
ihre Hüfte gelegt, in der anderen einen hohen schäumenden Pokal, –
wandte er sein lachendes Gesicht nach jenem Anderen, der, ein
untrüglicher „Hamlet“ vor seiner „Ophelia“ niederkniete.

Der lose Burnus war längst von ihren Knien geglitten und sein schöner,
dunkler Lockenkopf drängte sich zwischen dieselben – – –

Unwillkürlich gedachte man des dritten Actes, 2. Scene, aus Shakespeares
„Hamlet“: „Ein schöner Gedanke, im Schoße eines Mädchens zu liegen!“ ...

Aber diese Art Orgienfeier vor uns zu entrollen, war denn doch zu stark!

Edita stand bereits hinter meinem Sessel und als ich mich umwandte, sah
ich ihr in das tieferröthete Gesicht, entrüstet über das Geschehene
erhob ich mich, nicht anders vermeinend, als daß wir uns in dieser
Umgebung nicht länger aufhalten durften, sondern uns sofort zurückziehen
müßten.

... Im Gegentheil! Edita zog mich mit heißen Händen in eine Nische der
Gallerie, drückte mich sanft in einen Sessel, küßte, da ich dekolettirt
war, meinen Busen, schlich sich unter die knisternde Seide hindurch
durch die Spitzenwogen ..., ihre Lippen erschlossen sich in glühendem
Kusse ... Rembrandt (sein Liebchen auf dem Schoße) und Hamlet (vor
Ophelia) waren zwei schöne Frauen, welche wohl wußten, daß aus den
Sternen über ihren Häuptern schöne Frauenaugen liebestrunken auf sie
herabblickten ...

Unsere Marchesa hatte also wieder einen neuen Triumph gefeiert, wie sie
uns, das unverhüllte Sinnbild der Sinnlichkeit mittheilte. Sie war, wie
sie ferner äußerte, unsagbar glücklich und selber aufgeregt darüber, daß
ihre Orgien den gewünschten Zweck erreicht hatten.

                   „Ueber Alles: Hoch Frauenliebe!!“

Nach einigen Augenblicken befanden wir uns mitten unter allen Uebrigen,
welche theils halbnackt, theils schleierverhüllt, oder in Salon-Toilette
beisammen blieben, um in Scherz und Lust und Leidenschaft der Göttin
Psyche zu opfern! „Diese Orgien führen auf abschüssige Bahn,“ fuhr es
mir eine Secunde lang durch den Sinn, allein der nächste Augenblick bot
soviel sinnbethörender Lust und sinnliche Freude, daß ich mich,
gleichwie Edita, nichts mehr bedenkend, in den Strudel der Erotik
stürzte ...

Diese gluthensprühenden Südländerinnen haben uns den Begriff eines
italienischen Sommernachtfestes gründlich gelehrt!

Nun rauschte, von einer Kurbeldrehung durch die Marchesa und Annina
selber bewerkstelligt, – (da an diesen Damen-Abenden niemals Domestiquen
im oberen Stockwerk erscheinen durften,) – eine ungeheure Tapetenthür
auseinander. Deckenhohe Spiegel, in denen sich die Wollust wiedersah,
trauliche Nischen, ferne Musik, Diamanten, Blumen, Wein, Liebe! ... Eros
hatte an dieser Stätte seine sämmtlichen Schätze verstreut! – – – –

In dem Gewoge aller dieser, jeder Phantasie durch die Wirklichkeit
hohnsprechenden, raffinirten, übersinnlichen, dabei blumenhaft
anmuthigen Darstellerinnen der Frauenliebe konnte man fast nicht mehr
zur Besinnung kommen.

Ich trat, ein halbgefülltes Crystallglas in der Hand, in eine der
Nischen und blieb einen Moment wie angewurzelt stehen. Daß ich in eben
dieser Nische ein Liebespärchen finden würde, wußte ich schon, aber –
gerade diese Beiden?

Die größere von ihnen lag weit zurückgelehnt, in einem Divan. Der
Spitzenschawl war ihr von den Schultern gesunken und ließ eine Büste
sehen, zum Malen schön!

Die juwelenblitzende Rechte umfaßte mit leichtem Griff einen echten
Römer ... Die Linke kraute in dem Nixenhaar ihrer dicht an sie
geschmiegten Freundin Annina, welche mit ihrem Spiegelbilde koquettirte.
Merkwürdigerweise hatte Annina einen kleinen Liebling: ein reizendes,
goldiges Kätzchen, welches sie überall mit sich führte und auch jetzt
strich ihre schneeige Hand leise, leise, wollüstig über das seidene
Kätzchen in ihrem Schoß! Die Marchesa, welche dieses Gebahren sehr
liebenswürdig finden mochte, neigte sich tief hernieder und küßte lange
und zärtlich das Kätzchen. Nachdem die Marchesa ihrem guten Herzen ein
beredtes Zeugniß ausgestellt, konnte ich nicht umhin, dem Lieblinge des
Hauses gleichfalls das blonde Fellchen zu streicheln ...

Ein anderes Bild erregte, nachdem ich meine Edita herzlich abgeküßt
hatte, meine theilnahmvolle Aufmerksamkeit.

Auf einem Divan, mit dem Gesicht nach unten liegend, sah man den üppigen
Frauenleib einer derer, die wohl etwas unvorsichtig an den verschiedenen
Honigkelchen nippte, aus denen sie süßen Rebensaft sog, die fleißige
Biene!

Verwundert trat ich näher, um einer Operation Zeuge zu sein, wie ich sie
in meinem Leben kaum vom Hörensagen kennen gelernt. Gefällige
Frauenhände hatten nämlich einen merkwürdigen Apparat herbeigeholt, ein
metallblitzendes Instrument, das, wie ich mir viel später erklären ließ,
ein sogenannter Baunscheidt’scher Apparat, dazu diente, rheumatische
Schmerzen zu beseitigen. Man handhabt denselben, indem man mittelst
Ausziehens der eine spiralförmige Feder umschließenden Hülse die Feder
spannt und durch plötzliches Loslassen des Auszugs die Feder schnellen
läßt. Durch die Gewalt dieser Schnellung erscheint am Ende des Apparates
ein Kopf mit zahlreichen haarscharfen Nadeln. Dieselben drücken sich in
das vom Rheuma verunglimpfte Fleisch, und auf die verwundeten Stellen
streicht man Baunscheidt’sches Oel und die ganze Heilungsprozedur ist
damit, wie man sagt, mit großem Erfolg vollzogen. Vorsichtig, behutsam,
mit ernsten Zügen auf dem pikanten Koboldgesichtchen schob sich eine der
zarten Hände unter die seidene Decke, welche über der Circe Rücken
gebreitet war. Behutsam und vorsichtig auch führte sie die Operation
nach Baunscheidt aus ...

Mit jähem Ruck schnellte die schöne Dulderin empor; da sie jedoch eine
angenehme Wohlthat empfand, verhielt sie sich dankbar und ruhig, nur das
Gesicht hatte sie ein wenig aufgerichtet und betrachtete mit großem
Interesse diesen Vorgang in dem Spiegel am Fußende ihrer Ottomane.

Ich glaubte zu träumen ...

Das sollte Edita auch sehen, doch war ich nicht mehr im Stande
weiterzukommen; ein unbekämpfbares Lachen hatte mich ergriffen und ich
mußte mich an einer Palme halten, um nicht umzusinken.

Edita?! Das ist ein Spuk meiner Phantasie! Edita – in den Armen eines
Mannes?! Der Pseudo-Hamlet kniete vor ihr, sein Adonis-Haupt tief
vergraben in den Falten ihres Kleides.

Lächelnd hatte sich Edita weit zurückgelehnt; ihre weißen Hände krauten
in seinen kurzgeschnittenen Locken. Da richtete er sein
freudestrahlendes Antlitz empor und flüsterte verführerische Worte.
Edita’s übermüthiges silbernes Lachen erklang – sie neigte das schöne
Haupt über ihn ... ihre Lippen berührten die seinen, während seine Arme
ihre Gestalt umfingen und sie fest an sich zogen.

Das war zuviel für mich. Ich befand mich hinter einer Draperie und
konnte so alles beobachten, ohne selbst gesehen zu werden; wohl war es
meine Absicht, auf meinem Beobachtungsposten zu verharren, weil eben ich
wahrnehmen wollte, wie eigentlich Edita’s Haltung gegenüber solchem
stürmischen Liebeswerben sein würde.

So eifersüchtig, wie ich in diesem Momente war, konnte selbst ein
Othello nicht sein!

Das war wirkliches Leid, welches ich in meinem Herzen empfand ...

Stimmung und Wein hatten das ihrige gethan und ich fühlte einen Zorn in
mir auflodern, daß ich nicht länger an mich halten konnte und mit
wenigen Schritten vor ihnen stand.

Wenn man hätte glauben sollen, daß Edita vor meinem Anblick erschrecken
oder betreten sein würde, so hätte man sich eben getäuscht. Ihre Wimpern
senkten sich auf die glühenden Wangen; thuend, als ob sie mich noch
nicht bemerke, umfaßten ihre beiden Hände das Antlitz des schönen
Verführers und Kuß um Kuß preßte sie auf Stirn und Mund und Augen ...

Ich war meiner wirklich kaum mehr mächtig; meine reizende Desdemona
sündigte ja gegen unsere Liebe mit einer Routine, welche ich ihr
wirklich nicht zugemuthet hätte.

Natürlich hatte die flammensprühende Italienerin – ein wahrer Don Juan –
keine Ahnung von meiner Anwesenheit, da die Töne des fernen Orchesters
das Geräusch meiner Schritte dämpften.

Und als ich nun sehen mußte, wie er, ermutigt durch die unerwartete
Gunstbezeugung Edita’s – nicht mißzuverstehende Versuche machte, seiner
Verliebtheit Ausdruck zu geben, wie vor Stunden bei seiner Ophelia, – da
war ich im Nu hinter Edita getreten, umfaßte rasch ihre Taille und zog
sie von ihrem Sitze empor, so daß Hamlet einen gelinden Ruck erhielt und
rittlings auf den Teppich sank. Edita brach in laute Heiterkeit aus.

Ich sah ihr vorwurfsvoll in die Augen.

                               „O Edita!“

Sie aber umschlang meinen Hals und ... o wundersames Erinnern! ... sie
biß ihre kleinen Zähne in die Haut desselben. Halb versöhnt, konnte ich
dennoch nicht umhin, ihr den Kummer zu schildern, den sie mir soeben
bereitet hatte. –

Während dessen hatte der Pseudoprinz sich in lustigster Stimmung von
seinem umgewandelten Lager erhoben und da er unsere deutsche
Unterhaltung nicht verstand, sondern nur sah, daß Edita mich liebkoste,
so legte er ganz einfach seine beiden Hände auf je eine unserer Achseln
und sich in schwingende Tanzbewegung setzend, erklang seine sanfte,
einschmeichelnde Stimme:

   „Vien, Edita, sii la mia,
   Perchè fáre la spregiosa
   Vien’ da me e pace sia;
   Ti aspetto dolce rosa
   Lascia Felicita parlare
   E vien’ per givia e bacciare;
   Non senti tu nel cuore
   Che non conosco altro amore?“

Und wiederum war es der Einfluß unserer Stimmung, daß ich, sofort
gänzlich versöhnt, den allerliebsten Prinzen umarmte und ihm, natürlich
ohne Gegenwehr! – einen herzhaften Kuß gab.

Umso schneller war ich friedlich gesinnt, als da Edita mir noch erzählt
hatte, daß sie mich absichtlich aufreizen wollte, um mir den Beweis zu
liefern, wie wehe Eifersucht thut! Nun war ich glücklich, daß die ganze
Liebesscene seitens Edita’s nur Schein war ...

... Heute aber denke ich noch mit ungeschmälerter Freude an dieses
verlebte Fest zurück. ... Mochte es eine Orgie gewesen sein, mochte
Uebertreibung und Uebersinnlichkeit mitgewirkt und die Flammengluthen
der heißen Herzen noch glühender entfacht haben – – ich mache mir keinen
Vorwurf daraus, daß wir dort gewesen! ...

Der Hauch des Uebersinnlichen hat den Schmelz von meiner schönen Blume
vom Rhein nicht abzustreifen vermocht! und das ist mir die Hauptsache!
und auch der Reinheit meiner Empfindungen Abbruch zu thun, waren die
Erlebnisse jener italienischen Sommernacht nicht im Stande!

Ich habe es ja betont, daß ich eine Verehrerin der Frauenliebe bin und
deshalb dürfte Niemand den Stab über mich brechen, wenn ich das Thun und
Lassen der Vertreterinnen eben dieser Liebe, auf Grund meiner eigenen
Neigungen entschuldige und in manchen Fällen sogar idealisire. Freilich
hat sich auch hier und da unter dem Deckmantel der Freundschaft die
Erotik eingeschlichen und doch lediglich aus Motiven, welche ebenso
verwerflich als verächtlich sind und, wenn diese sich auf materielle
Absichten stützen, geradezu abscheuerregend sind. – – – – – – –

                   *       *       *       *       *

– – So dampften wir denn nach feierlichem Abschied von allen denen,
welche wir dort kennen gelernt und von denen uns so überaus viel
Gastfreundschaft und Auszeichnung erwiesen worden war, der nordischen
Heimath entgegen. Wir unterbrachen die Reise nur, um uns noch einen
letzten langen Blick zu vergönnen auf Tyrols herbstesschönen Bergen.

Wir rasteten in einem zwischen großstädtischem Comfort und ländlicher
Unzulänglichkeit schwankenden Gasthause. – Neben den südlichen
Naturwundern weitete sich hier wieder der Blick, kräftigte sich die
ganze unter den erlebten Aufregungen gelittene Constitution. Wie würzig,
stärkend, wirkte die Luft droben auf den im Sonnengolde erglühenden
Höhen!

Recht ermüdet kehrten wir Abends in das Hôtel zurück. In dem
Speisezimmer, in welchem wir unsere Abendmahlzeit einzunehmen
beschlossen hatten, nahmen wir an einer kleinen Tafel Platz. Außer uns
befanden sich dort noch zwei andere Damen, Beide in ausgesucht
einfachen, wohl aber eleganten Reisekostümen und Beide sahen zuerst
unausgesetzt zu uns herüber. Das erregte schließlich unsere
Aufmerksamkeit und ich konnte es mir nicht versagen, der einen von ihnen
einen ermunternden Blick zuzuwerfen.

Es war eine Dame von etwa dreißig Jahren. Bewundernd sah ich in
ausdrucksvolle, stahlblaue Augen, umsäumt von langen, tiefdunkeln
Wimpern. Unter einer etwas gebogenen Nase wölbten sich rothe,
Sinnlichkeit verrathende Lippen. Das reiche, aschblonde Haar war zu
einem griechischen Knoten verschlungen. Eine hohe Gestalt, schlanke
Formen und auffallend schöne, schmale Hände.

Ich hätte wohl wissen mögen, wer sie war! –

Lebhafte Gesticulationen und das brennende Carmin auf den Wangen
verriethen mir eine erregte Unterhaltung mit ihrem behäbigen Gegenüber.

Die etwas übervolle Figur und das anscheinende Phlegma ließen nicht
darauf schließen, daß hier in Leib und Seele Leidenschaften tobten,
welche zu bändigen, die interessante Aschblonde offenbar berufen war.

Jedenfalls war mir die erheblich ältere Frau entschieden nicht angenehm!

Ihren Blick, in dem verhaltenes Feuer glomm, hielt sie entzückt auf ihr
_vis-à-vis_ gerichtet und wie mit Argus-Augen beobachtete sie jegliche
Bewegung.

Edita verhielt sich, wie immer bei solchen Anlässen, in ihrer vornehmen
Reserve, aus welcher sie Fremden gegenüber selten – und dann nur auf
mein Zuthun heraustrat; sie bekundete ja überhaupt auch im Allgemeinen
weit weniger Interesse für Frauen als ich. –

Auf meine Frage; ob es ihr nicht unangenehm wäre, wenn wir die
Bekanntschaft der beiden Damen machten, entgegnete sie freundlich, daß
wir immer noch ein Stündchen verweilen könnten.

Dem eintretenden Garçon, welcher mit devoter Verbeugung die Tischkarten
vor uns niederlegte, gab ich sofort Befehl, mir möglichst unauffällig
die Fremdenliste zu überbringen.

Bitzschnell, unter einem Journal verborgen, überreichte er sie mir. Die
beiden Damen gehörten zwei ganz verschiedenen Kreisen an; die Aeltere
von ihnen war die Gattin eines Großindustriellen; ihre Gefährtin eine,
dem Namen nach uns bekannte Sängerin an einer Hofoper.

Beide hatten bereits seit geraumer Zeit Aufenthalt in Tyrol genommen.

So orientirt, beschloß ich augenblicklich, die Damen durch den Kellner
bitten zu lassen, eventuell an unserem Tische das Abendessen mit uns
einzunehmen, – wußte ich doch zu genau, daß die Jüngere derselben einen
ebensolchen Wunsch hegte.

Alsbald erhoben sich die Damen und in rascher Verständigung, wie das bei
dergleichen Gelegenheiten nur immer geschehen kann, ließen wir bald die
Gläser an einander klingen.

Merkwürdig, wie doch das Traubenblut die Zungen löst! Menschen, die
sonst im gesellschaftlichen Leben achtlos, gleichgültig aneinander
vorübergehen, werden zutraulich und mittheilsam, sobald sie auf Reisen
Landsleuten begegnen.

Wir unterhielten uns ganz vortrefflich.

Die stattliche Fabrikherrnfrau war ebenso drastisch und humorvoll, als
die interessante Sängerin geistreich und prickelnd. Erstere schien also
doch angenehmer zu sein, als ich beim ersten Eindrucke annahm.

Wir verabredeten, den nächsten Tag gemeinsam in den Bergen zu verleben;
den darauffolgenden Tag hatten wir unsere Reise fortzusetzen
beschlossen.

Als wir Abends von unserer Parthie heimgelangten, schritten wir und die
beiden Damen die Treppen empor. Wir hatten in der oberen Etage unsere
Zimmer inne, welche an die der beiden anderen Damen grenzten und nur
durch eine einfache Thür von einander getrennt waren. Edita und ich
hatten uns bereits zur Ruhe begeben, doch konnten wir Beide nicht
einschlafen, da ein auffälliges Geräusch zu uns hereindrang: Wispern,
Flüstern, Kosen, Seufzen, übermüthiges Lachen – laute Ausrufe – –
zweifellos eine Liebes-Scene!

Ungeduldig nahte ich mich der Thür und lauschte.

Ich erkannte die Stimme der Sängerin und hörte unter Anderem deutlich
den Ausruf:

   „O Du unersättliche Liebe!
   O Du lesbische Liebe!“

... Die beiden Frauen haben ohne Zweifel verbotenen Genüssen gehuldigt,
welche ein ästhetisches Weib verschmähen würde, selbst wenn schon sie
eine warme Fürsprecherin erotischer Liebe wäre.

– Nach diesem Erlebniß wäre es uns, Edita und mir nicht möglich gewesen,
uns in irgend welche Extase zu versetzen!

Meines oftmals erwähnten Interesses für derartige Frauen läßt es
natürlich erscheinen, daß ich, obschon Edita sich bereits zurückgezogen
hatte, immer noch lauschend verharrte. Es ist mir nämlich zu meinem
Schreck klar geworden, daß die Sängerin für ihre Liebesdienste goldene
Aequivalente erhalten!

                   *       *       *       *       *

Es beschlich mich nun doch einigermaßen wehmutsvoll, als ich in meinem
Heim, welches ich mit meinem guten Vater soviele Jahre getheilt hatte,
eintrat.

Selbstverständlich war uns ein würdiger und freundlicher Empfang
bereitet worden.

Jetzt war etwas wie Ernüchterung über uns gekommen. Edita war nun meine
Hausgenossin geworden und wir widmeten uns mit einem gewissen Feuereifer
der Kunst, deren Schätze wir uns an ihrem Altare gesammelt hatten.

Bild um Bild gedieh unter meinem Pinsel; mein Name als Künstlerin hatte
bereits einen guten Klang.

Schülerinnen schaarten sich um mich; mir war es ein beglückendes
Bewußtsein, im Stande zu sein, weiterzugeben, was ich empfangen hatte!

Einige wenige derselben erkor ich mir zu meinen Lieblingen.
Eigenthümlicherweise waren meine jungen Kunstnovizen ausnahmslos schön.
Merkwürdig ...

Es liegt ein Räthsel in meiner Seele verborgen ...

Ohne mir auch nur etwas dabei zu denken, würde ich selbst eine Zofe
nicht um mich dulden, wenn sie nicht zierlich und hübsch wäre. – Daß
meine heißgeliebte Edita sich ihrer göttlichen Musica zuwandte und
während der ganzen Zeit, da ich meiner Malkunst oblag, mir fern blieb,
darf sehr dafür sprechen, wie so sehr ernst wir Beide es mit unserer
Kunst nahmen. Wir hatten Tags über nicht Zeit zum Tändeln ...

                   *       *       *       *       *

Eines Tages kam sie zu uns und in ihrer Begleitung Anna von B. Das war
wirklich ein freudiges Wiedersehen!

Die Erinnerung an die märchenhafte Lagunenstadt war freilich
gewissermaßen verblaßt, aber sie lebte dennoch in uns fort ...

Wie nur ist es möglich, daß ein Weib, allerdings noch in der Blüthe der
Jahre, sich so überaus jung und schön zu erhalten vermag?

Annina und die Marchesa waren das Sinnbild von Jugend und Schönheit; an
ihnen hinterließ die Zeit nicht die geringste Spur.

Es begann nun für uns wieder die Zeit der Jagd nach Vergnügungen. Unsere
schöne Marchesa war in jeder Hinsicht schwer zufrieden zu stellen.

Annina bezeigte eine bewunderungswürdige Anhänglichkeit für dieselbe und
erfreute es mich auch, wie sie stundenlang, ohne Unterbrechung, in deren
Boudoir verweilen konnte ...

Frisch wie der junge Morgen, die Elasticität der Jugend bei jeder
Bewegung, in froher Stimmung, wie von innerem Glücke getragen, kamen sie
uns täglich in der Frühe entgegen, wenn Edita und ich von unserer
Morgenpromenade zurückkamen.

Als ich eines Tages mit Annina allein im Salon war, wußte ich unserer
Conversation eine Wendung zu geben, welche sich auf ihr blühendes
Aussehen und auf dasjenige der Marchesa ebenso fascinirend, als
ätherisch, – sich bezog.

Das sei ganz einfach, antwortete die Kleine.

„Sie wissen,“ meinte sie weiter, „daß wir ein sehr geräuschvolles Leben
führen, daß unsere Vergnügungen eine Kette von Aufregungen nach sich
ziehen und da sind wir beide doppelt um unsere Gesundheit und Frische
besorgt. Sehr viel muß die Kosmetik aushelfen. Eine naturgemäße
Diätetik, die Pflege des gesammten Verjüngungs-Prozesses des Organismus.
Uns ist vor langer Zeit ein Werk von „Reclam“, das ich übersetzt habe,
zugegangen. Es behandelt Pflege der Gesundheit und Schönheit des Weibes.
Lassen Sie sich dieses Werk kommen, wenn Sie zu erfahren wünschen, „wie“
wir die Körperpflege handhaben.

Bäder, Douchen, Massage, namentlich das behutsame, aber regelmäßige
Massiren des Gesichtes. Selbstverständlich ist die Cultur der Haut,
Haare, Nägel und Zähne zu beobachten“. – –

„Sie verschmähen aber nicht“, wandte ich belustigt ein, auch noch
andere, sogenannte kosmetische Mittel anzuwenden, nicht wahr?

„Nun ja“, gab Fräulein von B. zu, „wir benutzen alle diese Sachen und
beziehen dieselben lediglich aus Paris, woselbst sie unbestreitbar auf
der Höhe der Vollkommenheit stehen! Jedoch muß man diese
Schönheitsmittel mit großer Vorsicht und in sehr geringen Mengen
anwenden, da das Verfahren sonst leicht erkennbar ist und der Eindruck
der Schönheit sofort verwischt ist.“ –

... Nun, wenigstens waren die Marchesa und ihre Annina doch keine
Phänomen; sie machen es also um nichts anders, als die meisten
Lebefrauen! – – – – – – – – – – – –

                   *       *       *       *       *

... Wie von einem Druck befreit, athmeten Edita und ich auf, da uns
eines Tages nach langer Unentschiedenheit die Nachricht zuging, daß ein
seit langer Zeit geplantes Fest, dessen Comitée und Mitglieder sich
ausschließlich aus Damen – selbstverständlich Damen vornehmer Kreise –
bestand, endlich stattfinden solle. Das war der Marchesa willkommen! –
lechzte sie doch danach, ein derartiges Fest bei uns kennen zu lernen;
wir haben natürlich beschlossen, der uns zugegangenen Einladung Folge zu
geben und – was die Phantasie eines originellen Kleiderkünstlers zu
leisten vermochte, waren wahre Meisterwerke!

Ich hatte ja so oft schon Gelegenheit gehabt, in unserer Sphäre allerlei
großartigen und minder-großartigen Kostümfesten mitbeizuwohnen, allein
ich war beinahe bestürzt von dem Glanz und der entfalteten Pracht! Fast
an Uebermaß grenzend, waren alle Möglichkeiten erschöpft worden, um den
Besucherinnen – es waren einige tausend Damen erschienen – ungeahnte
Ueberraschungen zu bereiten, die Extravaganzen und überschwenglichsten
Ansprüche zu übertreffen.

Wer eine solche Festivität noch nicht mitgemacht hat, kann sich auch den
Umfang einer solchen nur schwer veranschaulichen!

Das ist ein Glänzen, ein Wogen, ein Lichtmeer, ein Rauschen und Brausen,
daß es Einem schwül werden kann. Und das Ganze getragen von Grazie und
Anmuth, Kunst, Reichthum ... Welch’ ein Anblick!

Balltoiletten, Charakter- und Phantasie-Kostüme, _oeillades fascinées_,
die unter den Sammet- und Seidenlarven hervorleuchten, haben etwas
unsägliches Verführerisches an sich; sie bergen einen unendlichen Reiz
in sich!

Die Frauen der Aristokratie, die berühmtesten Koriphäen der Kunst und
jugendliche Novizen derselben – sie Alle waren herbeigekommen von fern
und nah, um sich zu einer Feier zu vereinigen, die würdig war, in den
Annalen der Göttin Terpsichore verzeichnet zu werden.

Künstlerische Aufführungen, wohleinstudirt, wechselten programmäßig ab
mit Tanz und überaus ungezwungener Unterhaltung.

Es machte mir großes Vergnügen, die Marchesa und ihre allerliebste
Annina zu beobachten. Erstere blickte mit ernsten bewundernden Augen aus
der Loge herab auf das sprühende Leben und Treiben, das sich durch
mehrere, unabsehbare Säle ergoß.

Sie mochte wohl eine größere Ungebundenheit erwartet haben, – nicht
dieses harmlos-heitere, durch und durch vornehme Frohsein, welches sich
im reinsten Sinne aufgebaut hatte: „_Noblesse oblige!_“ Ganz in des
Wortes reinster Bedeutung!

– In begüterten Häusern und in fürstlichen Palästen kann eine ähnliche
und auch ebensolche Fülle von Glanz und Pracht entfaltet werden,
nimmermehr aber habe ich die Wahrnehmung gemacht, daß eine so
liebenswürdige Einigkeit und edle Collegialität anderswo ebenso zum
Ausdruck kommen kann, als hier an dieser Stätte.

Unwillkürlich mußte ich einer südlichen Ballfeier gedenken, die
(freilich _en miniature_) auch den Stempel des höchsten Luxus aufwies –
auch ein Fest ohne Herren. – Doch welche tolle Lust äußerte sich da –
welches Feuer lohte empor aus den erhitzten Gemüthern – welches
Uebertreiben.

Hier, das war eine echte, rechte, reine Heimstätte des Frohsinns
Gleichgesinnter.

Ob Alles dies der Marchesa behagte, kann ich nicht ermessen – imponirt
hat ihr das Fest auf jeden Fall.

Edita und ich tauschten ein Lächeln des Einverständnisses aus, als wir
die Marchesa bei der Tafel mit der vollendeten Haltung einer Edelfrau
dem Entgegenkommen begegnen sahen, welches man ihr und Fräulein v. B.
erwies. Sie war wieder ganz die stolze unnahbare Marmorstatue.

Sie conversirte ebenso selbstbewußt mit den Vertreterinnen hoher
Adelsgeschlechter, als in ruhiger Heiterkeit mit den Jüngerinnen der
schönen Künste und des Wissens und manch’ lieblicher, phantastischer
kleiner Engel lauschte entzückt der melodischen Stimme mit dem
fremdländischen Accent.

Wie mir in einer Tanzpause die Marchesa versicherte, hätte sie sich
nimmer zuvor Vorstellung davon machen können, daß ein wirkliches
Ballfest dieser Art, absolut nur aus Damen bestehend, in dieser
unvergleichlichen und wohl auch allein dastehenden Form in’s Leben
gerufen und ausgeführt werden könne.

Was eigentlich sie erhofft hatte, errieth ich; ich entsann mich ihres
ungläubigen Lächelns, als Edita ihr vorher über den Character des
Costümfestes berichtete, denn sie meinte nicht anders, als daß wir ein
Pendent für ihre Orgien in Bereitschaft hielten, um auch sie und Annina
damit zu überraschen. Trotz unserer Versicherung, daß ein Ball dieser
Art, nur aus Mitgliedern von Damen bestehend, eine durch und durch
reine, über jeden Verdacht erhabene Veranstaltung sei, hatte sie sich
dennoch eine ganz irrige Meinung gebildet. Die Marchesa verwechselte ein
Fest dieser Richtung mit einer sogenannten Soirée, welche sich die
Messalinen der Großstadt zu arrangiren pflegen.

Eine solche Soirée hier mitzuerleben, war ihr größter Wunsch.

Und wirklich, selbst heute nahm sie mir das Versprechen ab, ihr
Gelegenheit zu verschaffen, die Priesterinnen der paphischen Haine genau
zu beobachten.

Nur um dieser heiklen Wendung unserer Conversation zu entgehen, gab ich
lachend zu. In dieser Umgebung mußte ein solches Gespräch vermieden
werden. Um mein Incognito war es längst vor der Demascirung geschehen
und da hatte es Edita und mir freudige Genugthuung gewährt, daß man der
schönen Südländerin ein herzliches Willkommen bot, wenn auch nicht so
überschwenglich, wie wir es dort erlebten, so doch reiner – feiner! –

Annina bemerkte, daß die Marchesa das Interesse eines reizenden, edlen
Ritters erregt hatte, mit dem sie Arm in Arm lustwandelte – und nun
wirbelte auch sie dahin durch die Reihen der Tanzenden, fortwährend von
lieblichen Pagen oder spanischen Granden gern im Arm gehalten. Großes
Vergnügen schien es ihr zu bereiten, als ihr von einem jugendlichen
hübschen Türken, welcher ein ganzes Gefolge verschleierter Haremsdamen
hinter sich hatte, der Antrag gemacht wurde, seine kleine „Favoritin“ zu
werden; – – allerliebster Zufall! daß Annina von fast allen ihren
Bekannten die „Favoritin“ der Marchesa genannt wurde.

Der sündige Muselmann hatte sich die Aufgabe gestellt, allen
Koranssprüchen zu Trotz, sich und seinen kleinen Weibern Wein in Mengen
einzuschenken. Unser schmucker Türke war eine Bildhauerin von Ruf,
welche in Rom ihre Studienzeit verlebt hatte und da auch Annina seit
einer Reihe von Jahren in Italien lebte, so fanden sich die Beiden um so
schneller in lebhafter Unterhaltung.

In dieser Nacht war Annina thatsächlich die Favoritin des weitherzigen
Türken geworden.

Aber auch die Marchesa konnte ihrem Gelüste nicht widerstehen, ihrem
Ritter ohne Furcht und Tadel den hübschen Kopf zu verdrehen ...

Einigermaßen erstaunt zeigte sich die Marchesa, da sie immer und immer
wieder bemerkte, wie so sehr viel man sie in „ihrer“ Landessprache
anredete.

Selten hatte sie vernommen, daß ihre Standesgenossen einen Deutschen in
dessen Muttersprache anzureden im Stande waren ... Die Marchesa ließ
mich nicht frei und so habe ich es denn nach einiger Mühe wirklich
ermöglicht, daß wir Zwei, die Marchesa und ich, unauffällig gegen den
obligaten Obolus Einlaß erhielten, in den Saal eines der großartigsten
Etablissements der Residenz – heute der Sammelpunkt einer stark
gemischten Gesellschaft. Herren jeden Standes, jeden Alters, vom
vornehmsten, blasirten Cavalier herab bis zum wagehalsigen Commis –
waren in stattlicher Anzahl vertreten. Hagere, mühsam durch künstliche
Nachhilfe einigermaßen normal gerundete, verlebte, megärenhafte Weiber
mit unglaublichen Frisuren und noch mehr unglaublich geschminkten
Gesichtern: die Repräsentantinnen der Choristen- und Statistenwelt,
dazwischen niedliche, hübsche, oft sogar intelligente und schöne
Mädchen. Doch nein, nicht schöne! Der Ausdruck des Gemeinen und der
schlauen Berechnung und der Stempel ihrer Laster sind gar zu intensiv
ausgeprägt; – ausnahmslos aber trugen sie Alle sehr geschmackvolle
Kleider und ausnahmslos waren Alle so tief dekolettirt, als überhaupt
nur der Stoff zugab. In mir erregten diese Hetären, welche sich berufen
fühlen, als Priesterinnen der Schande in den Tempel der Demimonde der
Astarte zu opfern – tiefen Abscheu.

„Bedauern? diese Geschöpfe, Marchesa?“ war eine erstaunte Gegenfrage,
als diese ihrem Mitleid für dieselben Worte verliehen hatte. „Nein,“
fuhr ich fort, „diese öffentlichen Weiber verdienen kein Mitleid, denn
sie sind unersättlich, gierig und roh und zumeist nur daraufhin
geschult, nach Möglichkeit zu plündern und, wo sie ihre Opfer finden, zu
berauben. Ihre Leiber sind giftdurchgohren, ihr Verstand arbeitet nur,
um auszuklügeln, wie noch mehr schamlos sie reizender sein können und
wie noch raffinirter es anzustellen sei, ihre Opfer zu umgarnen und
dann, Vampyren gleich, sie auszusaugen, sie zu ruiniren – finanziell,
geistig, körperlich. Doch jetzt nur keine philosophischen Erörterungen!“
brach ich jäh ab; – „sehen Sie, Marchesa, jene biegsame, volle Gestalt,
dort drüben, auf dem Knie des blonden Riesen? Er ist entschieden ein
Landjunker – und sie? Es ist noch garnicht lange her, da erhielt ich ein
Anerbieten aus geübter Feder, daß eine Dame, die Tochter eines hohen
verstorbenen Juristen, mir ihren schönen Kopf zum Modell zu überlassen
geneigt sei. Sie war auch in der That erschienen, als ich ihr
geantwortet. Sie ist, wie Sie sehen, von großer Schönheit; sie hat gute
Schule genossen und man glaubt, eine wirkliche Dame vor sich zu haben
und doch ist sie eine niedere Kreatur, die nicht werth ist, auch nur im
Geringsten bedauert zu werden! Ich werde Ihnen später mehr von ihr
erzählen.“

Die Marchesa, welche sich einer weißen Perücke bedient hatte, lehnte
sich in ihren Sessel zurück und lognettirte eifrig nach jener schönen
Blondine, welche, das Glas in der Hand, ihrem splendiden Cavalier
unaufhörlich zutrank, während er nicht müde wurde, ihr augenblicklich
den perlenden Sekt einzuschenken, sobald sie ihr Glas geleert. – –

Ich selbst steckte im schwarzen Herrenanzug, den ich mir für diesen
Zweck eigens beschaffen ließ.

Unsere Loge war zwar in tiefes Dunkel gehüllt und die Thür verschlossen,
so daß Niemand zu uns eintreten konnte und dennoch zitterte ich bei dem
Gedanken, daß es entdeckt werden könne, daß ich hier, in diesem
Baals-Tempel gewesen.

Edita hatte sich auf keinen Fall bewegen lassen, sich uns anzuschließen,
ihr leistete Annina Gesellschaft und im Stillen grollte ich der
Marchesa, daß sie mich zu veranlassen gewußt hatte, mit ihr zu gehen.
Bedurfte diese denn wirklich solcher schrecklichen Reizmittel, um ihre
Phantasie zu beschäftigen?!

Das Orchester ließ hüpfende Tanzweisen erklingen; die Paare drehten sich
und ich konnte mir nicht verhehlen, daß die „Damen“ beim Tanz sich durch
ungeahnte Anmuth und Grazie auszeichneten.

Dazwischen saßen Pärchen – selten zu Dreien – in Eckplätzchen, in
Nischen und Logen und Scherz und Lachen ertönte wirr durcheinander. Sie
wisperten und raunten frivole Worte einander zu und man gewann den
Eindruck, als ob den „Männern der Hof“ gemacht würde.

Faunischlächelnde Glatzköpfe von ungeheurer Beleibtheit mit dicken
Goldketten und fetten Fingern, erfreuten sich ebensolcher zärtlichen
Anhänglichkeit der Hetären, als die vornehmen Sprossen des Adels und der
oberen Zehntausend und dort jener greisenhafte Gigerl mit der noch
bartlosen Oberlippe und der kahlen Stirn, mit den eingesunkenen Augen
und den knöchernen Händen, genießt ob seiner gefüllten Börse, genau so
hohes Ansehen, als wäre er ein Adonis! Er ist von vier, fünf Messalinen
umringt. Sie schmeicheln ihm in einer empörenden Weise und er – – läßt
sich’s gern gefallen. Der Wein auf seinem Tische fließt in Strömen und
_Veuve Cliquot’s_ Nectartrank genießt überreiche Anerkennung. Die
schmale Brust des Gecken hebt und senkt sich mühsam unter der
tadellosen, diamantengeschmückten Wäsche. In seinen Augen flackern fahle
Lichter; er spricht nichts mehr. Flasche um Flasche schleppt der Kellner
heran, reichlicher Trinkgelder gewiß. Die Heroinen des Bacchus leisten
Wunder. Ihre Kehlen sind offenbar verdorrt, ihr Durst ist endlos! Immer
wieder trinken sie ihrem todtbleichen Ritter zu; dieser stürzt, ein
mattes Kopfnicken als „Prosit“ in nervöser Hast Glas um Glas hinunter
... Ob er es wohl wußte, daß er Freund Hein ein letztes „Schmollis“
zutrank. Sein Haupt sank schwer nach hinten zurück; er röchelte laut.

Ein Wink. Einige dienstbare Geister führten die armselige Karrikatur aus
dem Saale ... ob dem Tode geweiht, oder nur eines Reagenzmittels
bedürftig – wer weiß es? Die also in ihrem Bacchanal gestörten Hetären
zerstreuten sich in alle vier Ecken, von Neuem Jagd machend ... Und das
sind Frauen! Das die verkörperte Weiblichkeit ... unsere
Geschlechtsgenossinnen! ...

Ich hatte es satt, mir noch mehrere dieser Bilder vorführen zu lassen.

Die Marchesa folgte mir nach einigem Zögern und ich athmete hoch auf,
als ich endlich in einem geschlossenen Wagen mich geborgen fühlte ...

Am nächsten Morgen besuchte mich die Marchesa in meinem Atelier. Sie
wußte, daß ich in meinen Arbeitsstunden nicht gern Besuch empfange; es
mußte daher doch nur brennende Neugier sein, die sie zu mir und zu so
ungewöhnlicher Stunde führte. Ihre erste Frage galt denn auch der
schönen Messaline von heute Nacht. Wie sie heißt, wo sie wohne, ob
allein u. s. w.

Ich blickte erstaunt von meiner Arbeit auf.

„Sie müssen nämlich wissen, Felicita,“ beeilte sich die Marchesa zu
sagen, „daß ich ein tiefes Interesse für dieses Mädchen in mir fühle.
Denken Sie doch, die Tochter eines hohen Beamten, gebildet, schön, von
guter Erziehung und dann – hier im Begriff, schmachvoll unterzugehen in
Schlamm und Sünden! Wenn wir Frauen,“ fuhr sie mit erhobener Stimme
fort, „es nicht sind, die diesen armen Gefallenen die Hand reichen, sie
aus dem Sumpfe zu ziehen – wer sonst würde es thun?“

Als sie schwieg, sagte ich ernst:

„An Ihrem guten Herzen und Willen zweifle ich nicht, wohl aber daran,
daß Sie ein gutes Werk thun, vielmehr, daß es Ihnen gelingen dürfte.
Meinen Sie, dieses Mädchen der Halbwelt würde es Ihnen danken, wenn Sie
sie der Sünde entreißen? So wenig, als viele Tausende ihrer Schwestern.
Diese alle haben ein krankhaftes Sichzurückziehen in die Sphäre des
Wohllebens und des – Lasters. Ich habe gehört, daß mancher brave, edle
Mann moralisch und physisch zu Grunde gegangen ist, weil er an sein Herz
und an seinen häuslichen Heerd einen Engel nahm, aber einen – gefallenen
Engel!

Eine Zeitlang mag es gehen, aber dann bricht der Charakter der Messaline
sich Bahn, kein Hinderniß scheuend. Ist der Mann stark, dann löst er
bald die Bande von seiner Phryne, doch zumeist sind es Schwächlinge, die
zu feige sind, öffentliches Aergerniß zu erregen, oder sich von alten
Gewohnheiten loszureißen. Eine solche Ehe ist entsetzlich. Der Mann
verliert selber seine Gesittung und verfällt zuletzt irgend einem
Laster, während die Hetäre in Saus und Braus lebt – zuweilen aber auch
im Zucht-, Arbeits- oder Krankenhause endet. So. Im Uebrigen werde ich
Ihnen ihre Adresse sagen; ich muß erst meine Listen durchsehen!“

„Aber“, wandte die Marchesa kleinlaut ein: „Sie versprachen mir doch,
von dieser Person Näheres zu erzählen. Weshalb nannten Sie sie gestern
denn eine niedere, unwürdige Kreatur?“

„Das ist schnell dargethan“, erwiderte ich kurz, denn es war mir
unangenehm, daß die Marchesa ein so ungewöhnliches Interesse bekundete
für eine Dirne, die sie aber „Studien halber“ für zweckentsprechend
halten mochte.

„Corni, ja – so hieß sie; es fällt mir so eben ein, erschien mir allen
Ernstes passend als Modell für die Darstellerin der „Danaë“. Es wurde
mir alsbald klar, daß Corni von der gesellschaftlichen Stufe längst
herabgesunken sei und sie kein Anrecht mehr auf die Achtung einer Dame
unserer Kreise erheben durfte. Diese Person hat mir allerdings zweimal
als Modell gedient; ein drittes Mal durfte sie nicht mehr kommen. Der
Sachverhalt ist kurz folgender: Sie hatte, nachdem sie aus der Stunde
entlassen war, der jungen Baronesse Lydia – sie kennen Sie ja auch, – im
Treppenhause aufgelauert und die Baronesse zu bestimmen gewußt, sie mit
in ihren Wagen zu nehmen, welcher vor dem Hause wartete. Hier hat sie
die tollsten und häßlichsten Dinge über mich, über sie in ihrer
Eigenschaft als mein Modell zur „Danaë“ und _last not least_ – über ihr
Messalinenthum erzählt. Sie hat es, da die junge Dame starr vor
Verwirrung und Schreck, stumm zuhörte, sogar gewagt, sie zu küssen und
sich an der keuschen Unschuld zu vergreifen und da Lydia außer sich vor
Empörung und Scham, drohte, dem Kutscher ein Zeichen zum Halten zu
geben, that Corni es an ihrer Stelle, um dann behende – und ohne des
Lakaien Hilfe abzuwarten, auszusteigen und zu verschwinden.

Die Baroneß, welche sich in furchtbarer Aufregung befand, ließ sofort
wenden und kam verstört zu mir zurück. Wie ein Kind schluchzend, theilte
sie mir, das in tiefer Scham erglühende Gesichtchen verbergend, in
abgerissenen Worten alles Erlebte mit. Meine Empörung war grenzenlos.
Ich sandte sofort meine Kammerfrau mit einer Banknote und dem Befehl zu
der ehrlosen Dirne, nie wieder meine Schwelle zu betreten.

So gut ich konnte, habe ich die Baronesse beruhigt und durch milde Worte
den Stachel aus ihrem jungen, frommen Herzen zu entfernen gesucht. Das
liebe, blumenhaft zarte Kind getroffen zu wissen von dem Gifthauch einer
Messaline, war für mich ein unerträglicher Gedanke. Und den Gipfel der
Schamlosigkeit bildete nun noch ihre Darstellung bezüglich meiner
Handlungsweise ihr gegenüber als mein – Modell. Was Baroneß Lydia in
Worte wiederzugeben nicht den Muth hatte, das errieth ich und da erfaßte
ich ihre Hand und führte sie hierher an meine Staffelei.“

Die Marchesa hörte mir gespannt zu und um mich nun nach meiner
Klarlegung gleichsam zu rehabilitiren, langte ich aus einem
verschlossenen Schranke die Rolle mit der Skizze der Danaë. – Dem
kunstverständigen Blick der Marchesa durfte ich schon ein Urtheil über
meine reine, ästhetische Auffassung zumuthen.

Auf dem üppigen, arabeskendurchwebten Seidenpolster mit dem rechten Arm
bis zum Ellenbogen aufgestützt, sah man in ein edelgeformtes
Frauenantlitz; den Blick emporgerichtet. Ein kleiner üppiger Mund und
eine geradlinige Nase harmonirte mit der hohen Stirn, welche von einer
Fülle lockiger Haarwellen umkränzt war. Den entblößten linken Arm
hocherhoben, beide Hände griffbereit, um Jupiter, ihren Geliebten, in
Gestalt des Goldregens aufzufangen, sah man die wohlgeformte Büste einer
Jungfrau. – Den übrigen Körper verhüllte eine in schweren Falten
herabhängende Decke.

„Ich gestehe“, sagte die Marchesa, welche sehr aufmerksam den Vorwurf
betrachtete, „daß ich an dem Bilde absolut nichts finde, was das Modell
zu einer so unpassenden Schilderung veranlassen könnte. Es ist doch
einleuchtend, daß die Künstlerin, welche nur Kopf und Büste malen will,
nicht des ganzen Modelles bedarf! Nein, nein, Felicita, jene Corni hat
die Baroneß nur reizen wollen, um sie dann besitzen zu können. Ich
vermag sehr wohl mir vorzustellen, welche Motive sie bewogen, ein
solches Gespräch zu führen ... _Pauvre enfant, la petite baronesse!_“
Noch einmal beugte die Marchesa das schöne Haupt auf das Bild nieder und
betrachtete dieses mit einer etwas unerklärlichen Aufmerksamkeit, ohne
aber zu kritisiren.

„Und doch“, rief sie, sich plötzlich emporrichtend, mit verschleierter
Stimme: „Und doch könnte ich dieses Weib lieben! Mag sie eine Messaline
sein! ... Ich kann nichts dafür, daß mein ganzes Herz mich zu ihr
zieht!“ –

Ich sah sie zweifelnd an. War das Scherz? Oder die Sucht nach der Liebe
zu einem Weibe so fanatisch in ihr, daß sie nicht zurückschreckte vor
der Gewißheit, daß diese Hetäre von vielen Männern geküßt worden und daß
sie sich ihnen ergeben, ohne nach Rang, Stand und Alter und Charakter zu
fragen – – eine Hetäre, die Modell steht – gewiß nicht zum ersten Male
in meinem Atelier! und gewiß nicht immer vor einer Künstlerin – einer
Dame! ...

Meinen Einwand wies die Marchesa zurück. Ich solle sie nur gewähren
lassen, sie nicht zurückhalten. Meine Einwendungen, meinte sie weiter,
seien ja ganz berechtigt, allein ihr Verlangen, diese Corni kennen zu
lernen, von ihr zu hören, sei doch gar zu stürmisch. Nur einmal
vielleicht, aber sehen müsse sie sie, heute noch, jetzt gleich – nur um
die Adresse bäte sie. Nach einigem Suchen nannte ich sie ihr. Ich sah
ihr fest ins Auge:

„Was wird Annina dazu sagen?“ fragte ich.

Die brauche es nicht zu wissen und wenn sie es erführe, nun, so wäre es
auch gleichgiltig. Annina sei ihr zu vielem Danke verpflichtet und da
müsse sie schon eine Extravaganz mit in den Kauf nehmen.

Das berührte mich unsagbar peinlich. Das also war die Liebe,
Freundschaft zwischen der Marchesa und Fräulein von B.? Für erwiesene
Wohlthaten dankbar sein und nicht murren dürfen – o Du Sphynx von einem
Weiberherzen. Aber Du auch weißt nicht, wie wahre Eifersucht thut.
Seltsam. Ich, die aufrichtige Bewunderin schöner Frauen, war wie mit
einem Schlage aus meiner Bewunderung für die schöne Italienerin
herausgerissen. Ich hatte noch niemals Gelegenheit gehabt, in den
Spiegel dieser Frauenseele zu schauen. – Jetzt war ich total ernüchtert.
„Genußsucht!“ Das war das Loosungswort dieser Lebefrau. Ich habe später
manchmal darüber nachgedacht, wie ich mich so sehr habe täuschen lassen
können; ich habe diese Marchesa ja nicht eigentlich geliebt, denn dazu
war sie mir trotz ihrer Schönheit zu gleichgiltig, nein, aber ich habe
sie stets bei guter Stimmung gesehen und dann immer in Annina’s
Gesellschaft. Sie überhäufte diese mit Liebenswürdigkeiten und
verschwendete eine Ueberfülle von Aufmerksamkeiten an Annina. Ich fand
das nett, denn Edita und ich kennen ja auch das Glück der Frauenliebe.
Ich hatte alle Ursache, enttäuscht und entrüstet zu sein. – –

Klingelingeling – –

Eine ältliche Frau in sehr sauberem Anzuge, mit einer abschreckenden
Physiognomie öffnete und gab auf Befragen der Marchesa tief knixend, mit
süßlicher Stimme Auskunft.

Ja Fräulein Corni sei zu Hause. Wen sie anmelden dürfe; sie sei die
Wirthin.

„Mein Name thut nichts zur Sache. Ich will nur einige Fragen an die Dame
richten,“ sagte die Marchesa, denn diese war es.

Die Frau musterte sie bei diesen Worten mit spöttischen Blicken: „Dame!“
Wußte denn diese, wie eine Fürstin auftretende Ausländerin, als welche
sie an ihrem fremdländischen Accent leicht erkennbar war, wirklich
nicht, daß ihr hoher Besuch einer gänzlich herabgekommenen Person galt?

Nach einigem Warten und wiederholtem Klopfen wurde von innen
aufgeschlossen und die Marchesa stand vor der blonden Schönheit Corni’s.

Lächelnd, mit einer erstaunten Frage in den langbewimperten Augen, hörte
sie die Begrüßung der fremden Dame an und mit tadelloser Verbeugung lud
sie dieselbe ein, näher zu treten.

Es war ein großes, einfach möblirtes Zimmer, in welchem die Marchesa
flüchtig Umschau hielt. Hohe Flügelthüren waren weit offen und gewährten
einen Einblick in das daran stoßende Schlafzimmer, welches mit einer
Pracht und Ueppigkeit ausgestattet war, wie man es in solcher Umgebung
nur bei einer überschwenglichen, verwöhnten Courtisane erwarten darf.

Nachdem die Marchesa, in ihrer anscheinend kühlen Reserve verharrend,
den Zweck ihres Besuches offen erklärt, bat sie die ihr
Gegenübersitzende, ihr ihr Vertrauen zu schenken, und ihr ehrlich zu
gestehen, wie sie auf eine solche abschüssige Bahn gelangt sei. Wider
Erwarten überzog sich das Gesicht der schönen Hetäre mit tiefem
Erröthen; betreten senkte sie den Blick und ihre weißen Zähne nagten in
offenbarer Verlegenheit an der Lippe.

„Sprechen Sie ohne Scheu zu mir,“ ermuthigte die Marchesa, „ich
interessire mich für Sie, denn ohne daß Sie es wußten, habe ich
Gelegenheit gefunden, Sie zu beobachten. Ich weiß Alles, nur das Eine
nicht, daß Sie, die Sie körperlich von der Natur so ausgezeichnet sind
und eine gute Bildung und Erziehung genossen haben sollen, ein
derartiges Gewerbe ergreifen konnten.“

„Gute Erziehung? Hahaha!“ Corni lachte bitter.

„O wenn Sie wüßten, gnädige Frau, wie bodenlos schlecht ich schon in
frühester Jugend, ein Kind fast noch an Jahren, gewesen bin. Sehen Sie,
ich habe es ja garnicht nöthig, einer fremden Dame aus meinem Leben
Enthüllungen zu machen, die für mich durchaus nicht schmeichelhaft sind,
allein ich finde ein gewisses Vergnügen an dieser Selbstpein und an
Ihnen ist etwas, das, wenn ich so sagen darf, zur Beichte einladet. So
hören Sie denn:

Ich bin früh verwaist und mein Vormund schickte mich in ein berühmtes
Pensionat in der Schweiz. Von den Zinsen des ererbten, mäßigen Vermögens
wurden die Kosten für mich bestritten, mir selbst fiel ein Taschengeld,
das ich doch so heiß ersehnte, nicht ein einziges Mal zu. Mir
kostspielige Näschereien und bunten Flitterkram zu kaufen, war mein
sehnlichstes Wünschen. Auf einem Spaziergang, den ich in Gemeinschaft
mit anderen Pensionärinnen machte, begegnete uns ein junger Student; ein
knapper Schnürrock umschloß eine schlanke, kräftige Gestalt. Den dunkeln
Lockenkopf schmückte keck ein silberbordirtes Cerevis; aus dem
bildhübschen Jünglingsgesicht blitzten ein Paar prächtiger Augen zu mir
herüber und ich gab mir die größte Mühe so kokett, als mir nur möglich
war, seine feurigen Blicke zu erwidern. Ein anderes Mal begleitete
seinen stummen Gruß ein verstohlener mir zugeworfener Kußfinger; wir
sahen uns von da ab oft und einige Zeit später war ich die erklärte
Braut des flotten Studiosus. Ich war von seltener, erfinderischer
Schlauheit; trotzdem man mich scharf beobachtete und es mir streng
verboten war, mich ohne Erlaubniß zu entfernen, so wußte ich es doch zu
ermöglichen, mich ungesehen davonzuschleichen und fast jeden Tag
feierten wir Beide ein heimliches Rendezvous. – Curt liebte mich, wie er
sagte, schwärmerisch und es schmeichelte mir bedeutend, daß er eines
Abends in der dunklen Laube vor mir auf seine Kniee sank und mir in
glühenden Worten von seiner Liebe sprach. Ach, mir war wirklich so
himmelhochjauchzend zu Muth, wie es sein mußte, wenn man einen Bräutigam
hatte! Er verstand es trefflich, mir schlüpfrige Lektüre in die Hände zu
spielen und dann sorgte er dafür, daß die erwünschten Confituren niemals
ausgingen. – Eines Tages steckte er mir sogar einen kleinen Ring an den
Finger und damit – verlobten wir uns. Das war für mich ein großes
Ereigniß und ich bemühte mich, ein Mittel zu erfinden, mittelst dessen
ich ihm den so oft bereits erbetenen Beweis meiner Liebe für ihn zu
bringen vermöchte. Und diesen brachte ich. Meine Unschuld war der Preis
und dafür meine Kindheit vergiftet und Alles das – das Opfer eines
tollen Studentenstreiches. Mein braver Curt ließ sich bald darauf nicht
mehr blicken. Ob ihm das Gewissen schlug oder ob ihn Furcht beschlich –
genug, ich habe den feschen Schmeichler nie wieder gesehen. Später zog
ich Erkundigungen über ihn ein und erfuhr dann, daß weder auf der
Akademie, noch in dem von ihm bezeichneten Hause Jemand seines
vorgeblichen Namens wohnte. Er hatte mich also absichtlich und mit
voller Ueberlegung hintergangen, mich auf ehrloseste Art ganz
vorsätzlich betrogen um mich dann meinem Schicksal zu überlassen. Mein
Fehltritt war nicht verborgen geblieben und schimpfbeladen wurde ich aus
dem Institut gewiesen. Von den spärlichen Revenuen, welche mir durch den
Verwalter meines Vermögens zugingen, konnte ich unmöglich das
genußreiche Leben führen, welches ich mir immer erträumte, so lange ich
denken konnte. Aufs Gerathewohl kam ich hier an und miethete mir ein
kleines Zimmer bei einer Stickerin. Stundenlang konnte ich sitzen und
ihr zusehen, wie unermüdlich sie die Nadel führte ... ich selbst regte
keinen Finger zur Arbeit. Zur Nähmamsell war ich denn doch zu schade!!
Kopfschüttelnd sah die fleißige Stickerin zuweilen nach mir hin, wenn
ich müßig und verdrossen dabei mit mir und meinem Geschicke haderte. Ich
klagte, daß ich mit meinem Gelde nicht auskommen könne und daß ich
keinen Geschmack an dem Leben fände, welches ich zu führen genöthigt
sei. Ich wolle genießen – die Freuden des Lebens kosten! – Zuweilen
betrachtete ich mich mit Aufmerksamkeit im Spiegel und dann schwoll mein
Herz vor Freude bei der Wahrnehmung, daß ich zu einer begehrenswerthen
Schönheit heranreifte. Lieben wollte ich mich lassen und dann mich
rächen! Treu sein dem, der mir seine Liebe schenken würde? Nein! Nie!
Keinem! Wo war bei mir Treu und Glauben geblieben?! Rachsucht,
Genußsucht, das waren die beiden Faktoren, die den Dämon in mir zur
Reife brachten! ...

An einem wundervollen Sommerabende promenirte ich in den Anlagen des
Stadtparkes, wo ich von einem älteren Herrn höflich gegrüßt und
angeredet wurde. Das war mir gerade recht; von dem vielen Alleinsein und
Nachdenken war mir der Kopf schwer und ich ergriff gern die Gelegenheit,
mit dem Herrn, welcher gar bald jovial seinen Arm unter den meinigen
schob, interessant zu plaudern und mir dadurch die Grillen zu
verscheuchen. Er schien an meiner Unterhaltung auch großes Gefallen zu
finden und da er mir ein Compliment nach dem andern machte, so thaute
ich vollends auf und schließlich nahm ich seine Einladung, mit ihm
gemeinsam in einem Austern-Salon zu Abend zu speisen, vergnügt an. Der
Wein war vortrefflich und das erlesene Souper mundete mir ungemein! So
wünschte ich es: Weiche, elegante Sammtmöbel, eine Anzahl elektrischer
Flammen, ein üppiges Mahl – ah, und seidene Roben und sprühende
Diamanten! ... Das Alles kaufte mir der reiche Banquier Benno und viel
mehr noch! Er miethete mir in einem vornehmen Villen-Viertel ein
wunderschönes Quartier, stattete es geradezu fürstlich aus, hielt mir
Dienerschaft und eine glänzende Equipage und ich lebte auf so großem
Fuße, daß ich bald der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit wurde.
Benno miethete mir eine Prosceniumsloge, veranstaltete, um mir auch in
meiner Häuslichkeit Vergnügen zu bereiten, großartige Soupers und bis
zum frühen Morgen oft wurde musizirt, gezecht und nicht selten ein etwas
riskantes _Jeu_ arrangirt.

So lebte ich in süßestem _dolce far niente_; der Himmel hing mir voller
Geigen und ich erquickte mich an dem grenzenlose Neide, den ich in den
Gemüthern sämmtlicher Messalinen der Residenz erweckt hatte. Dann
plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel nahm alle diese
Herrlichkeit ein jähes Ende. Der arme Benno wurde eines Tages vom Tode
ereilt, da er sich gerade auf dem Wege zu meiner Wohnung befand.
Unglücklicherweise war Benno verheirathet und Vater einiger sehr
energischer Söhne, die sehr gewissenhaft das Erbe desselben antraten,
ohne jedoch meiner zu gedenken! Mein elegantes Tusculum, der gallonirte
Diener und die Equipage machten mir keinen Spaß mehr, wenn ich nicht mit
vollen Händen Gold verstreuen konnte. Doch nicht nach mir und meinen
Launen ging es; ich hatte Schulden gemacht und war noch nicht majorenn;
für den Erlös meiner luxuriösen Einrichtung konnten dieselben bezahlt
werden! – Nachher hatte ich entschieden Malheur. Eine Liaison nach
meinem _goût_ konnte ich, trotz aller meiner Bemühungen nicht anknüpfen;
es fand sich so leicht nicht wieder ein Crösus wie weiland Freund Benno
es war. Dadurch gerieth ich in immer größere Verlegenheiten und um
denselben zu entrinnen, scheute ich nicht zurück, mich immer tiefer zu
erniedrigen. Ich besuchte Nachts Wiener Cafés, denn meine prächtigen
Toiletten besaß ich noch und diese erweckten das Erstaunen aller meiner
Gefährtinnen, welche sich an Garderobe und Geschmeide geradezu
überboten. Das Treiben in diesen Cafés zu schildern, sei mir erlassen,“
bat Corni die Marchesa und sprach dann weiter: „Wer nicht selbst mit
eigenen Ohren und Augen hört und sieht, kann sich auch keinen Begriff
davon machen, welcher Ton dort herrscht und diesem müssen sie sich alle
unterziehen, ob von guter Herkunft, ob von dunkler Geburt, ob aus dem
Schlosse, oder dem Vagabundenthum entstammend, ob gebildet oder
unwissend: sie Alle sind erklärte Verehrerinnen ihrer Urahne Astarte und
sie Alle lassen es sich auch resignirt gefallen, von der Männerwelt in
absolut nur frivoler oder geringschätziger Weise behandelt zu werden.
Sehr viele unter den Damen der Halbwelt feuern allerdings auch noch ihre
sogenannten Anbeter dazu an, möglichst _sans gêne_ mit ihnen zu
verkehren.

Inzwischen wurde mir mein Geld ausgezahlt und ich nahm mir vor, dasselbe
zu irgend einem Unternehmen zu verwerthen. Ich lernte durch Zufall eine
verheirathete Schauspielerin kennen, deren Gatte Direktor einer
herumziehenden Truppe gewesen. Das Ehepaar machte einen guten Eindruck
auf mich; der Mann besaß gediegene Schulbildung und war offenbar
strebsam und unermüdlich besorgt, sich und seiner engagementslosen Frau
eine gesicherte Existenz zu bereiten. Eine Theater-Agentur wollte er
begründen; ihm seien glänzende, vielverheißende Offerten gemacht worden;
er könne sein Glück finden, wenn er die Agentur übernähme. Seine Gattin,
eine niedliche, noch ziemlich jugendliche Erscheinung, bestätigte ihres
Mannes Angaben; sie bedürften nur einer mäßig großen Capital-Einlage und
dann wären sie aller bisherigen Misère überhoben. Ich vertraute den
Leuten auch thatsächlich meine ganze Habe an. Nach einem halben Jahre
waren sie mein Geld, das zu meiner moralischen Rettung hatte dienen
sollen, los; den mir versprochenen Reingewinn habe ich nie zu sehen
bekommen. Ich bin von dem ehemaligen Komödianten einfach betrogen
worden. Er und seine Frau ließen sich nicht wieder hier sehen und
wiederum war ich um eine Erfahrung reicher und um den Rest meines
Vertrauens zu den Menschen vollends gebracht. Meiner Leichtgläubigkeit
war somit vollauf Rechnung getragen. Wenn ich nun von Stufe zu Stufe
sank, mich in berüchtigten Ball-Lokalen zeigte und mir alle erdenkliche
Mühe gab, auf dieser nun einmal betretenen Bahn goldene Früchte zu
ernten, so geschah dies lediglich aus dem Grunde, weil mir kein Berather
zur Seite stand, mein Herz an keinem Menschen hing! Hier und da war es
vorgekommen, daß ich eine gewisse Neigung der Männer für mich wahrnahm,
aber dann wich ich erbarmungslos von ihnen zurück; ich ließ die
Unschuldigen mit den Schuldigen leiden und war treulos bis zur ...“

Mit einem leisen Stöhnen unterbrach sich die schöne Sünderin, während
die Marchesa aufstand und mit theilnahmvollem Gesichtsausdruck das
reiche Blondhaar streichelte.

„Dann“, setzte Corni ihre Rede fort, „kam es, wie es kommen mußte: ich
gerieth in der That bis dicht an den Abgrund. – Die Behörde ist längst
auf mich aufmerksam gemacht worden und ... ein leises Straucheln nur
noch und ich bin der Verurtheilung derselben rettungslos anheimgegeben
... Angesichts dieser neuen Befürchtung tauchen qualvolle Gedanken in
mir auf – Selbstmordgedanken! Ich finde keinen Ausweg mehr, ich bin der
Sünde verfallen und sehe dem Ende meines verfehlten Lebens gefaßt genug
entgegen. Ich habe versucht, mir als Modell für Künstler eine gewisse
Einnahme zu verschaffen ... auch dies ist mir mißlungen.“

„Weshalb?“ fragte die Marchesa und ihr Auge ruhte mit neugierigem
Ausdruck auf den Lippen der Sprecherin. Diese wandte in einem Anflug von
Verlegenheit das Gesicht zur Seite, schlug mit den Fingern ein
Schnippchen und rief ausweichend: „Ah, Madame, das war eine fatale
Geschichte, in der That! Wenn ich“, fuhr sie, diese Unterbrechung
ignorirend, fort, „wenn ich nicht noch einen unerwarteten Ausweg finde,
dann bin ich eben an meinem Ziele angelangt! Mir ist vor einiger Zeit
von einem Herrn beim Glase Wein in cynischer Weise der Vorschlag gemacht
worden, als „Kellnerin“ mein Debut zu versuchen, da es ihm nicht
entgangen war, daß ich fleißig dem Rebenblut zusprach, ohne davon in
Mitleidenschaft gezogen worden zu sein! Denken Sie, ich verübele dem
Menschen den Rathschlag, vielleicht in einem fragwürdigen Lokal –
„echtes – Bier und sauren Wein“ trinken zu müssen, lediglich nur, um die
Gäste zu „animiren“, wie der technische Ausdruck hierfür bei den Heben
der Wein- und Bierlokale heißt? In manchen Stunden kämpft dann wohl auch
noch der gute mit dem bösen Engel in meiner Seele. Ich möchte die Sünde
von mir abschütteln ... doch dann tritt wieder die bittere
Nothwendigkeit an mich heran ... der Hang zum Müßiggang und Wohlleben
trägt den Sieg davon und ach, wie oft, die Augen noch thränendunkel –
stehe ich vor dem Trumeaux und schmücke mich zu irgend einer Orgie.“ ...

Als die Marchesa aufblickte, sah sie die Augen Cornis in Thränen
schwimmend und an dem Beben ihrer Stimme verrieth sie, daß sich tiefer
Schmerz in dem Herzen dieser Sünderin regen müsse und ein tiefes
Erbarmen zog durch das Gemüth der Marchesa. Auch ihre Stimme vibrirte,
als sie jetzt die Hand der schlauen Messaline ergriff, welche längst
durchschaut hatte, daß sie sich hier im Vortheil befinde, und sich über
das Gesicht der Letzteren beugend, sagte sie: „Nur guten Muth! Fassen
Sie sich, seien Sie getrost und blicken Sie voll neuer Zuversicht in die
Zukunft! Es hat mich mit aufrichtiger Freude erfüllt, daß Sie mir in so
ehrlicher Wahrheitsliebe diese bösen, bösen Geständnisse gemacht haben.
Mein Entschluß steht daher fest: ich werde Sie dieser Sphäre entreißen!
Ich werde für Sie sorgen, schwesterlich oder doch freundschaftlich,
jeden ihrer Wünsche erfüllen! In meiner Nähe sollen Sie fortan sein, ich
will Sie täglich sehen und so viel als möglich um mich haben. Und alles
dieses will ich thun in der Hoffnung, daß Sie mir in Liebe und
Dankbarkeit ergeben sind. Indessen noch eine Bedingung knüpfe ich daran:
Sie müssen dem Verkehr mit den Männern absolut entsagen, jeglichen
Verkehr abbrechen, selbst, um den Anschein zu vermeiden, auch den
allerharmlosesten! Augenblicklich aber würde ich Ihnen alsdann mein
Interesse entziehen, wenn ich erführe, daß Sie auch nur ein einziges Mal
gegen mein Verbot fehlten!“

Diese letzten Worte sprach die Marchesa mit erhobener Stimme, und mit
innerer Befriedigung bemerkte sie, daß Cornis Züge sich erhellt hatten
und als Letztere sich mit freudestrahlendem Lächeln über die Hand der
Marchesa neigte, sprach diese gütig: „Wenn Sie sich demnach der Aufgabe,
die ich Ihnen stelle, unterziehen wollen, so werden Sie an mir eine
stets hilfsbereite Gönnerin finden! Ich hoffe, Sie werden mich nicht
hintergehen und Sie wiederum können sich versichert halten, daß ich
meine Versprechen einlösen werde. Lieb wäre es mir, wenn Sie sich
entschlössen, recht bald mich nach meiner Heimath zu begleiten. Würde
Ihnen eine Reise nach Italien und der Aufenthalt daselbst willkommen
sein und erwünscht?“

Da glitt, sprachlos vor Freude die bisherige Allerweltsfreundin auf ihre
Kniee und bedeckte Hände und Kleid der Marchesa mit leidenschaftlichen
Küssen.

„O, wie gern!“ brach sie hervor, „Italien! Das Land meiner Träume unter
der Gunst einer vornehmen Beschützerin! ... meine höchsten Wünsche gehen
damit in Erfüllung! Nun will ich Muth fassen, mich aufrichten ... ja ich
will wieder gut sein! ...“

Ja, unsere interessante Messaline hatte einen scharfen Verstand ... das
ließ sich nicht bestreiten. Um so weniger war es daher Wunder zu nehmen,
daß sich die Marchesa dupiren ließ, daß sie in blinder Sucht nach einem
Weibe, – zu prüfen und zu überlegen – vergaß.

Die Marchesa empfahl sich mit herzlichen Abschiedsworten und mit dem
Versprechen, in einigen Tagen wiederzukommen, um dann die Maßregeln,
welche für die Reise zu treffen wären, mit ihr zu überlegen.

Beim Abschiede zitterte Corni’s Frage an der Marchesa Ohr: „Wer sind
Sie, gütige Fee?“

Ein Kopfschütteln als Antwort. „Später, Fräulein Corni ... wenn wir
reisen!“

Und der Tag der Abreise nahte. Es hatte eine Mißstimmung Platz gewonnen
zwischen Felicita und der Marchesa, welche sich durch nichts ausgleichen
lassen zu wollen schien. Auch Annina hatte keine Freude mehr an den
Zerstreuungen, welche man ihr zu bieten sich bemühte. Zwischen den drei
Damen fand eines Tages in der Marchesa Abwesenheit eine Unterhaltung
statt, aus deren Quintessenz Fräulein von B. schloß, daß die Marchesa
auf Abenteuer ausgehe und sogleich tauchte das schmerzliche Empfinden in
ihrem Herzen auf, daß ihre Freundin ihr ein Weh zu bereiten fähig sein
könne. Hatte sie nicht zuweilen erstaunen müssen über die Virtuosität,
mit welcher dieselbe ganz verschiedene Gestalten annehmen konnte?! Die
hochedle, adelsstolze Aristokratin in ihrer eiskalten Unnahbarkeit war
allerdings nicht wiederzuerkennen, wenn sie, eine leidenschaftglühende
Sappho, ihrer übersinnlichen Regung, an dem Herzen der geliebten, oder
sich doch geliebt glaubenden Freundin lag. _Enfin, nous verrons!_

Inzwischen hatte die Marchesa mit Corni vereinbart, daß man sich auf dem
Bahnhof „_en passant_“ treffen, alte Bekanntschaft erneuern wolle und –
da Felicita zweifellos nicht mitkommen würde, so wäre man sicher in den
neugeknüpften Beziehungen völlig unerkannt und keineswegs durchschaut zu
werden von Annina und Edita und die prachtvolle Reise nach dem Süden
gemeinsam unternehmen zu können, zumal da die „zufällig“
wiedergetroffene Mitreisende, welche unter einem hochtrabenden Namen
Annina vorgestellt werden sollte, das Ziel ihrer Reise nannte, welches
mit demjenigen der Dame Marchesa übereinstimmte.

Und so geschah es; nur schade, daß Fräulein Annina von B. einen viel zu
sicheren Scharfblick besaß, als daß sie sich hier hätte täuschen lassen
können, nur war sie eine viel zu wohlerzogene junge Dame, als daß sie es
gezeigt hätte, daß die Marchesa und der Gegenstand ihres Abenteuers
trotz aller Vorwände dennoch von ihr durchschaut sei.

In dem sonnigen Italien angelangt, verabschiedete sich Fräulein Corni
von den beiden Damen unter der Zusicherung, daß sie nächster Tage ihren
Antrittsbesuch zu machen sich gestatten wolle, sofern den beiden Damen
derselbe nicht ungelegen komme. Alsdann würde sie ihre „Vergnügungsreise
durch Italien“ fortsetzen.

Corni kam; Annina war zufällig nicht anwesend und so hatte die Marchesa
vollauf freie Hand, ihren neuerworbenen Günstling ungeheißen nach
Herzenslust in ihrem Palazzo sich umthun zu lassen.

Das deutsche Fräulein Corni machte hierin auch keinerlei
Schwierigkeiten. Sie war durch die Aussichten auf das köstliche,
poesie-durchduftete Leben, welches ihr sich bot, so glückdurchzittert,
daß sie, zu einer wahren büßenden Magdalena sich emporgezogen fühlend,
sich auf den weltbedeutenden Brettern zu befinden glaubte. Ja mehr noch:
Sie wurde – später wenigstens – sogar naiv! Und es hätte nicht viel
gefehlt, so hätte der nächste Wunschzettel Fräulein Corni’s die Bitte um
eine „Puppe“ enthalten ...

Die Marchesa war täglicher Gast in dem idyllischen pompösen Heime
Corni’s. Diese, vielleicht um sich dankbar zu erzeigen, trieb fleißig
Sprachstudien und fertigte auch einige Zeit später wohlgelungene
Uebersetzungen an in Poesie und Prosa, womit sie ihrer gütigen
Protectorin große Freude bereitete. Corni führte ein überaus
zurückgezogenes Leben, kümmerte sich um Niemanden und schien nur
glücklich zu sein, wenn die Marchesa zu ihr kam ...

Monate waren vergangen; ganz Italien erglühte zum zweiten Male in
südlicher Pracht, seit Corni dort weilte ... für Annina’s Liebe war es
Herbst – echter nordischer Herbst geworden! Die Beziehungen dieser
Beiden (Marchesa und ihre bisherige Favoritin), gestalteten sich lau zu
einander und über Annina’s erbleichende Wangen rollte ungesehen, manche
heimliche Thräne. Sie ahnte das Richtige. Jeden Tag verlebte die
Marchesa einige Stunden außerhalb ihres Heims und das mußte der jungen
Dame doch auffallen. Aus Consequenz fragte sie nichts, litt aber um so
schwerer darunter.

Ueber die Marchesa war inzwischen eine nicht zu hemmende Leidenschaft
gekommen; sie liebte ihre Corni maßlos und diese nützte kluger Weise
jeglichen Vortheil aus ... Wenn ihre Retterin und Beschützerin erschien,
so wußte sie derselben jedesmal eine Ueberraschung zu bereiten. Entweder
sang sie in weichen, sehnsuchtsvollen Tönen ein italienisches
Liebeslied, oder sie las irgend etwas Neues, Angenehmes der Marchesa
vor. Genug, diese war von Tag zu Tag mehr und immer mehr begeistert von
der rührenden Dankbarkeit Corni’s – und jeder Händedruck, jedes Lächeln
derselben erschien der Marchesa als ein ganz besonderer Ausdruck der
Anerkennung für ihre diesem Mädchen erwiesene Großmuth. Oftmals saß die
Marchesa neben Corni; doppelt beglückt, daß gerade sie es war, welche
die Gefallene auf ein reines Niveau erhoben hatte. Dann nahm sie wohl
das blonde Haupt in ihre Hände und küßte heiß den schönen entweihten
Mund ... Das waren für die Marchesa selige Stunden. Sie, die die
schönsten und reinsten Frauen besessen hatte, fand eine Quelle des
höchsten Genusses darin, diese heuchlerische Hetäre in ihren Armen zu
halten, leidenschaftliche Küsse von ihren Lippen zu trinken. – Mit Leib
und Seele war die Marchesa ihr ergeben; sie liebte die ehemalige
Messaline über Alles, denn diese war ihr ja treu, weil sie sich nur ihr
ergab ... keinem Manne! Die Marchesa und Corni schwelgten in einem Meer
von Wonne, umsomehr, als da Annina inzwischen einen Grund ausfindig
machte, das Land der Citronen und die Marchesa zu verlassen. – Letztere
machte sich keinen Kummer darüber; sie war eben blind und taub in
sündiger Frauenliebe ... das war Verirrung! ...

                   *       *       *       *       *

Die schöne elastische Gestalt der Marchesa schwang sich behende von
ihrem edlen Andalusier-Vollblut; ein schmucker Groom erfaßte dessen
Zügel und hoheitsvoll und in siegesfrohem Vorgefühl ihrer Liebe,
strahlend schön, mit vom Ritt ein wenig gerötheten Wangen stieg sie die
Treppen empor und ... stand der, in tödtlicher Verlegenheit drein
blickenden Zofe Corni’s gegenüber. Sie müsse erst nachsehen, ob
Signorita Cornelia daheim sei. Ohne die Kammerkatze auch nur eines
Blickes zu würdigen, schritt die Marchesa, Reitgerte und Sammtschleppe
in der schmalen Hand, nach Corni’s Boudoir. Diese stieß einen Laut der
Ueberraschung aus und versuchte in das nächstgelegene Ankleidezimmer zu
entfliehen.

„Ja, Corni, Liebste, seit wann beeilst Du Dich, meinetwegen Toilette zu
machen? Kind, genirt es Dich denn, daß ich Deine Alabasterschultern
bewundere?“ Corni warf einen bösen Blick auf die Freundin und sagte
laut, mit auffälliger Betonung und einer von der Marchesa an ihr noch
niemals beobachteten Heftigkeit, daß sie es durchaus nicht wünsche,
fortwährend und zu jeder beliebigen Stunde von der Marchesa Besuchen
überrascht zu werden. Sie sei bei der Toilette und verbiete es Jedem,
sie zu stören. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie gingen, es thäte sonst
nimmermehr gut heute!“ rief sie in wüstem Jähzorn.

„Corni, welche Sprache? Bist Du krank?“ Die Marchesa rief es, ihren
Ohren und Augen kaum trauend, erstaunt, entrüstet. „Ah,“ setzte sie mit
halberstickter Stimme fort, „ich errathe! Du bist nicht allein ... Du
betrügst mich!“

Sie stand vor Corni mit weit vorgestreckter Rechten und prallte entsetzt
zurück, als Corni mit einem wahren Tigersprung sich auf sie stürzte und
einer Furie gleich, der Marchesa einen wüthenden Schlag in das Gesicht
versetzte ...

„Ja“, schrie Corni heisernen Tones, „ja, ich betrüge Dich und nicht seit
heute erst! Meinst Du, ich hätte Lust allen Freuden zu entsagen, die ich
in meiner Heimath im Ueberfluß genoß? Meinst Du, ich sei eine feige
Duckmäuserin, die sich länger unter Deine Herrschaft stellen zu wollen
gewillt sei? Du selbstsüchtige engherzige Creatur, die Du mich nur als
Dein gefügiges Werkzeug Dir unterordnetest, Du Hochmuthsteufel, den es
genirt, öffentlich mit mir aufzutreten; mich in Eure sogenannte große
Welt einzuführen! Denkst Du etwa, daß ich mich nur Dir länger zu eigen
geben wolle? Was für ein Entgelt habe ich dafür? Den mir mit
erbärmlicher Breitspurigkeit zugeworfenen Mammon etwa, von dem Du
überreichen Ueberfluß hast? Ich verspüre kein Verlangen danach, von Dir
brutal verlassen und wie eine ausgepreßte Citrone achtlos bei Seite
geworfen zu werden, sofern eines Tages Dein freches Gelüste auftaucht
und nach frischen, jungen Mädchenleibern Ausblick hält? Ha, ich bin Dir
schon längst nicht mehr treu, Du eitles falsches Weib Du, die Du die
reizende Annina kalten Herzens von Dir gehen ließest, ohne auch nur
einen Versuch zu machen, das herrliche Kind meines deutschen Vaterlandes
zurückzuhalten! Monatelang schon ersehnte ich den Augenblick, Dir, Du
Seelenverkäuferin, die schlimmer ist denn eine Prostituirte, das Alles
zu sagen. Du reißest die Waare an Dich, wie sie Dir gefällt und zahlst
nach Gutdünken einen Preis dafür! Wir haben aber keinen Sclavenhandel
mehr! Wenn Du mir verboten hast, mit Männern zu leben, weshalb ließest
Du nicht Frauen und Mädchen mit mir bekannt werden? Ohne Sorge! ich
hätte Dir durch sie keine Eifersuchtsscene bereitet – ich verabscheue
Eure sogenannte Frauenliebe, deren verrücktes Ideal in Euren überreizten
Hirnen spukt. Ich sehnte mich so oft nach rauschenden Vergnügungen, nach
Abwechselung, Tanz, nach übermüthiger Freude und nach meinen Orgien, die
meine schönste Erinnerung sind. Ich bin nur mit Dir gegangen, um Dich zu
verleiten, mich zu Deinem Opfer zu machen, nur um Vortheil daraus zu
schlagen und um mich zu rächen! Noch wäre es nicht geschehen, wenn Du
mir nicht in allerletzter Zeit die ersten, ausgesprochenen Wünsche, Dich
mit mir an öffentlichen Plätzen zu zeigen, abgeschlagen hättest. Bah, Du
vertröstetest mich auf eine Reise, Du einfältige Person. Es lag mir
sogleich auf den Lippen, Dir die Worte zuzuschleudern: Das Weib gehört
zum Mann. Wenn eine Frau es wagt, ihre Geschlechtsgenossin zu sündigen
Orgien zu verleiten, so thut sie schlimmer des Uebels, als wenn ein Weib
den Mann liebt und ihre Ehre ihm opfert. Ha, ich empfinde eine
grenzenlose Wonne, Dir Alles dies zu sagen und Du, Du erbärmliche
Tyrannin, sollst es jetzt erfahren, daß Du mich zwar zum ersten Male
überraschtest, da ich meinen Geliebten hier empfangen, aber Du bist oft,
sehr oft bereits hier gewesen, während er anwesend war und seine
Liebesschwüre flüsterte er mir gar oft in’s Ohr, während Du, auf mich
wartend, Dich hier aufhieltest. Ich verachte Dich, Du vornehme Marchesa,
die Du es wagtest, mir eine Wohlthat anzubieten für den Preis, daß ich
allen Lebensgenüssen entsagte. Du feierst in Deinem Palazzo opulente
Festmähler, Du zerstreust Dich nach Willkür und mich lässest Du hier in
der kostbaren Klause schmachten. Du sollst mir dafür büßen.“

                   *       *       *       *       *

Wenn je ein Mensch etwas Furchtbares, Grausiges, etwas Schreckliches
erlebt hat, das ihn bis in das innerste Herz traf, so war es für diese
Frau, für die Marchesa! Ottern- und Schlangengezüchte hatte sie um sich.
O und der Schlag in ihr vornehmes, edles Antlitz! – –

So sendet die Hölle wirkliche Ausgeburten, wirkliche, leibhaftige
Teufelinnen in die Welt!? Sind das die Frauen, welche „flechten und
weben himmlische Rosen in’s irdische Leben?!“ O Frauenlob! –

Entgeistert starrten die Augen der Marchesa in verzweiflungsvollem
Schreck zu der rasenden Sprecherin hinüber.

Sie war wie gelähmt. „Nur keinen Eclat!“ das war die letzte Regung ihres
erstarrenden Denkens.

Einen Schlag ins Gesicht, dieser Marchesa!? Sie, die noch nie, so lange
sie denken konnte, auch nur ein einziges Mal gezüchtigt worden war, auch
nicht als Kind – und nun hier?! Sie lehnte sich an eine Wand, um nicht
umzusinken. Hatte sich denn heute Alles gegen sie verschworen? Was sie
hier erlebt – glich es nicht einem Complott?

War das Corni, ihre geläuterte, fromme, demüthige, dankbare Corni? Wer
mochte soviel Gewalt über sie gewonnen haben, daß sie sich erkühnte,
ihre Gönnerin, Wohlthäterin und Freundin, und, was am schlimmsten war,
die Marchesa in ihr auf das Schmachvollste zu beleidigen?

O Entsetzen, daß diese freche Dirne es wagen durfte, einen solchen Ton
anzuschlagen! Wie nun sollte man die verkommene, verlogene Hetäre
züchtigen? Ah – unmöglich! Der Scandal, der unausbleibliche öffentliche!
–

Todtenbleich wandte die Marchesa sich ab. „Verrätherin!“ ächzte sie und
voll tiefer Verachtung sich umwendend, war sie im Begriff, den Salon zu
verlassen. Blitzschnell vertrat Corni der Marchesa den Weg.

„Ha, so leichten Kaufes kommst Du mir nicht davon, hochedelste
Marchesa.“

Sie ergriff die Hände der schutzlosen Dame und zog sie mit sich in das
Badezimmer. Vor ihrem Galan blieb sie stehen und forderte diesen auf,
der stolzen überlisteten Freundin Propositionen zu machen. Ohne sich zu
erheben sagte der Mann cynisch:

„Meine Geliebte hat Ihnen große Ergebung bewiesen, sie folgte Ihnen,
meine Gnädigste, hierher und hat viel dazu beigetragen, Ihnen großes
Vergnügen zu bereiten. Erweisen Sie sich nun erkenntlich und die ganze
Angelegenheit sei damit abgethan.“

Mit dem Ausdruck grenzenloser Verachtung maß die Marchesa den jungen
Mann vom Scheitel bis zur Sohle:

„Wohlan“ erwiderte sie mit unbeschreiblichem Ekel, „ich bin nicht
gewillt, mit dem Abschaum menschlicher Gesellschaft viele Worte zu
wechseln. Ihr Wunsch sei Ihnen gewährt; ich werde Ihnen eine Anweisung
an mein Bankhaus geben und dann will ich niemals wieder etwas mit Ihnen
zu thun haben.“

Die Marchesa war halb todt zufolge der erlittenen Unbill und Aufregung
und so schnell als es ihr möglich war, verließ sie, die spöttisch
grinsende Freundin noch einmal aus zornfunkelnden Augen messend, das
Haus, um so eilig als möglich in ihres Groom’s Begleitung von dannen zu
reiten. An dieses widerwärtige Ereigniß reihte sich ein Aergerniß an das
andere für die Marchesa. Sie wurde von der dreisten Hetäre und deren
sauberem Patron auf das Gröblichste und Gemeinste ausgepreßt. Bei einer
einmaligen Abfindungssumme blieb es nicht. Droh- und Schmähbriefe nahmen
kein Ende. Wo die Marchesa es versuchte, sich mit ihrem Stolze zu
wappnen, machte sie immer wieder von Neuem die üble Erfahrung, daß sie
den Angriffen des durch und durch verkommenen Paares nicht gewachsen sei
und, was für den Seelenzustand der Marchesa am schlimmsten war – sie war
nicht im Stande, das Bild der verrätherischen Freundin aus dem Herzen zu
reißen. Unter unsagbaren Qualen machte sie die Entdeckung, daß sich der
Verrath an ihrer Freundin Annina bitter räche ... Jetzt war sie allein
in der Welt, trotz zahlreicher sogenannter Freundinnen und Bekannten.

Als sie sich endlich weigerte, dem Moloch, Corni’s Habgier, fernere
Opfer zu bringen, bedrohte der Mann sie mit einem Prozeß, den er aus
Rache und auf Anrathen seiner „Braut“ gegen die Marchesa anstrengen
werde. Dieselbe, welche bereits Unsummen dem Irrthum, den sie begangen,
dargebracht hatte, war der Verzweiflung anheimgegehen; sie, die Trägerin
eines stolzen Namens, den alle Welt kannte, sollte gebrandmarkt, an den
öffentlichen Pranger gestellt werden. –

Wie hatte sie sich nur derart täuschen lassen können. Sie, die zu siegen
und zu herrschen gewohnt war, mußte der ehrlosen Betrügerin weichen! –
In schamlosester Weise hatte man sie hintergangen und ihr, der vornehmen
Aristokratin, eine Falle gestellt, in welcher sie ihre Ehre preisgeben
oder sich finanziell ruiniren mußte. Wenn sie daran dachte, daß die
Drohungen eines Tages erfüllt würden und daß man sie vernichten könnte,
dann kam es über sie wie wahnsinnige Verzweiflung.

Dann kam ihr eine neue Idee. Sie wollte an die Heuchlerin schreiben und
an die früher so oft gerühmte Dankbarkeit appelliren ... konnte ein Weib
so hart und erbarmungslos sein, das Herz einem solchen Mahnwort zu
verschließen? ... O, Felicita, Du ahnst es, wie schnell Annina durch die
Nemesis gerächt worden ist!! Die andauernden furchtbaren Aufregungen
prägten sich bald auf dem schönen Antlitz der Marchesa aus. Die Augen
blickten nicht mehr so feurig wie ehemals; die schlaflosen Nächte
hinterließen ihre trüben Merkmale und sie vermied es, wo sie konnte, mit
ihren Bekannten zusammenzutreffen. Wenn es dereinst ruchbar werden
sollte, – – welche ungeheuerliche Sensation würde diese skandalöse
Affaire hervorrufen ... sie, die hochgestellte Frau, vor welcher sich
die Häupter der Großen dieser Erde neigten ... vor den Schranken des
Tribunals! ... Nein, es war unerträglich! Also schrieb sie noch ein
letztes Mal an Corni. O Du unergründliches Räthsel in der Verirrung
weiblicher Liebe!

   Und da Dein Mund mir Liebe log,
   Und da ich selig einst in Deinen Küssen
   Dir Deine Seele von den Lippen sog ...
   Wo war da Dein Gewissen?

   Und da Du wußtest, daß ich sterben muß,
   Wenn Du von meinem Herzen mir gerissen,
   Und Du doch schiedest ohne Gruß und Kuß
   Wo war da Dein Gewissen?

   Und da ich todeswund im Fieber lag,
   Mit meinen Nägeln meine Brust zerrissen,
   Mit blut’ger Lippe Deinen Namen sprach,
   Wo war da Dein Gewissen?

   Und wenn Dir einst der bleiche Engel naht,
   Dem alle Erdenkinder folgen müssen,
   Dann denke mein! und denk an den Verrath
   Und frage Dein Gewissen ...

                   *       *       *       *       *

... Wenn die Schreiberin glaubte, daß die schändliche Lügnerin sich
durch diese Worte von ihrem schamlosen Ausbeuten abhalten lassen würde,
so hatte sie sich geirrt! Hohnlachend las Corni ihrem Ritter die Verse
vor, welche die Marchesa unter bitteren Thränen niedergeschrieben hatte
...

„Ah, jetzt wird man rührselig, aber warte schöne Marquise, ich werde
Dich nicht locker lassen, ich kenne jetzt die Stelle, wo Du sterblich
bist. Das ganze Aufgebot von Stolz und Hochmuth, mit dem man sich
panzerte, ist erschöpft – man zieht andere Saiten auf – doch ich bin
nicht derjenige, der leicht nachgiebt und darum auf einen so seltenen
Bissen verzichtet. Sie kann’s sich ja auch leisten – man hat es ja
dazu!“ Und der ehrlose Bube lachte laut und roh zu seinen Worten.

„So ist es“, pflichtete ihm die halbnackte Hetäre zu, „und wir lassen
den ganzen poetischen Erguß unbeantwortet und später machst Du ihr unter
Deinem wirklichen werthen Namen, den sie glücklicherweise noch nicht
gehört hat, eine formelle Visite! Dein stolzklingender Name wird Dir
Einlaß verschaffen in den Salon der plötzlich sehr elegischen Marquise.“

„Siehst Du nun wohl“, fiel der herabgekommene Wicht triumphirend ein,
„siehst Du nun wohl ein, mein schönes Kind, daß es nothwendig ist, in
diesem jämmerlichen Erdenthal das Eisen zu schmieden, so lange es heiß
ist!?“

Und statt aller Antwort erfaßte Corni seinen Arm und die Melodie eines
Strauß’schen Walzers trällernd, tanzte sie seelenvergnügt mit ihm im
Zimmer umher ...

Das Herz, ausgebrannt wie ein Krater, Ehrgefühl und Gewissen ertödtet in
dem Sumpfe, der die Heimath der Messalinen ist – – so war dieses Weib,
deren fauler Kern in einer glänzenden Hülle lag, dasselbe Weib, welches
unwahr war durch und durch, das aber durch äußere Reize vermocht hatte,
den Sinn der Marchesa zu bethören – ebenso – als die Herzen der Männer,
deren mancher einer der falschen Sirene einen Fluch nachsandte ...

Tagelang wartete die Marchesa auf Antwort; es vergingen schließlich
Wochen ... kein Brief, keine Mittheilung. Das saubere Paar, einander
würdig, verstanden es vortrefflich, sie auf die Folter zu spannen.

Dann endlich hatte der lockere Galan Corni’s der Marchesa den geplanten
Besuch gemacht.

Tief empört über diese unerwartete Dreistigkeit hatte die Marchesa den
Mann, eine recht stattliche Erscheinung, aber mit einem wüsten Gesicht
und verlebten Zügen, nothgedrungen empfangen müssen.

Ein der Marchesa bekannter, hoher Justiz-Beamter hatte sie inzwischen
informirt, und ungefähr wußte sie, wie gegenüber den Erpressungen dieser
Beiden sie sich zu verhalten habe. In der That trat der Mann auf wie ein
Gentleman und er war nahe daran, sich zu erkühnen, der Marchesa die
Sammthaut ihrer weißen Hand zu küssen ...

Mit todtkalter Ruhe, schnell gefaßt, wandte sie sich hoheitsvoll ab:

„Ich bin genau unterrichtet“, begann sie, „wie ich Ihnen und jener
Corni“ – sie sprach unter spöttischem Zucken der Lippen den Namen mit
unnachahmlicher Verachtung aus, – „fortan zu begegnen habe. Ihre
Drohungen und Erpressungen, welche Ihre Briefe enthalten, sind meinem
Advokaten bereits unterbreitet worden. Ich werde sofort entscheidende
Maßregeln treffen, sofern Sie nicht einen Schein unterschreiben, laut
dessen Sie und Ihre schätzbare Freundin sich als vollkommen abgefunden
erklären. Ich biete Ihnen dieses Gold, ... hier, nehmen Sie es und
unterschreiben Sie!“

Bei der Erwähnung des Advokaten lächelte der Mann sarkastisch, als er
aber die Schatulle erblickte, überlegte er eine geraume Weile, dann
schien seine Kalkulation zu Gunsten seiner Habgier auszufallen. Er
überflog, nochmals prüfend, die blitzenden Goldrollen und sich tief
verbeugend, sprach er: „Sie sollen wissen, Gnädigste, daß Sie es mit
einem Kavalier zu thun haben! Ich will mich daher schnell entschließen
und werde den Schein schreiben und unterzeichnen; ich könnte später
vielleicht wieder anderen Sinnes werden!“ –

Was die gepeinigte Marchesa ihm da anbot, war ein Vermögen und wenn er
dasselbe jetzt abgelehnt hätte, so wären ihm später im Rechtsstreit
entschieden große Schwierigkeiten entstanden und vielleicht wären er und
Corni gänzlich leer ausgegangen. So war nun denn diese Angelegenheit aus
der Welt geschafft worden. Die Marchesa hat nie wieder ihr Augenmerk auf
eine Halbweltdame gerichtet; ihre kostspielige Laune hatte ihr des
Kummers die Fülle eingetragen und sie war noch froh, daß die peinliche
Affaire in der großen Welt nicht bekannt geworden. Die Marchesa hatte
ein Leid erfahren müssen, das ohne Grenzen war. Sie hatte in Corni aus
der Hetäre eine Megäre gemacht, statt des geläuterten Engels, als
welchen jene sich darzustellen gewußt hatte. Sie hatte die Liebe
Annina’s verloren durch eben diese Verirrung und Annina eine bitterliche
Kränkung zugefügt, indem diese sich von der Marchesa zurückgesetzt und
vernachlässigt wußte ...

Sie hatte die Freundschaft Felicita’s – ja sogar deren Hochachtung
verscherzt, weil sie den Rath derselben mißachtete und das fremde,
gesunkene Mädchen an ihr Herz nahm, obgleich Felicita ernstlich davor
gewarnt hatte ...

Dieses war das schlimmste und widerwärtigste Ereigniß, welches ich in
dem Leben der Frauenliebe erfahren habe – – – – – –

                   *       *       *       *       *

Wie der Zufall gar oft spielt im menschlichen Leben, so war es auch hier
Zufall, daß ich in Gemeinschaft Edita’s einer Soirée in befreundeter
Familie beiwohnte, in welcher ich eine Dame wiedersah, welche ich durch
Edita vor längerer Zeit kennen gelernt hatte.

Das blonde Lockengeringel krönte ein hochedles Haupt; ein feiner, etwas
schmaler Mund ließ tadellose Zahnreihen sehen und über der geraden,
schmalen Nase blickten zwei blaue, kluge Augen ausdrucksvoll in die
Welt. Volle, üppige Linien umschloß die schillernde Seidenrobe und mein
Blick blieb voll aufrichtigen Entzückens an den selten schönen,
schneeweißen Armen hängen, die bis zu den Ellenbogen von dänischen
Handschuhen bedeckt waren.

In einem unbelauschten Augenblicke konnte ich es mir nicht versagen, auf
den mir verführerisch entgegenleuchtenden Nacken einen ungesehenen Kuß
zu drücken und Elisabeth – so war ihr Name – erwiderte diese Huldigung
durch zahllose Flammenblicke, die sie mir während des ganzen Abends
zuwarf. In der Garderobe bat sie mich, ihr eine Schleife an einem ihrer
knappen Atlasstiefelchen zu knüpfen und während sie den Fuß kokett auf
ein Tabourett setzte, hatte ich Gelegenheit, ein köstlich geformtes Bein
und einen ganzen Reichthum Brüsseler Spitzen zu bewundern.

Bevor wir uns trennten, verabredeten wir ein baldigstes Wiedersehen in
unserem Hause. Elisabeth brachte noch eine ihr engbefreundete Dame, die
Gattin eines stattbekannten Professors mit und wir verlebten einen
herrlichen, genußreichen Abend.

Diese Besuche wiederholten sich häufig und wir fanden großes Gefallen an
einander, ja es kam vor, daß Frau Stephani mich ebenso heiß und
bezaubernd küßte, als Elisabeth meine Edita!

Stephani war durchaus keine hervorragende Schönheit, doch von
berückender Liebenswürdigkeit und eleganten Umgangsformen. Sie hatte
eine eigene Art zu küssen: Den warmen, etwas vollen Mund halb offen,
legte sie leise, zaudernd, ihre Lippen an die meinen und sog gleichsam
meinen Athem ein. Ich hatte sie sehr lieb, mehr aber noch Elisabeth und
ich fürchtete bereits wieder, Gefahr zu laufen, meinem Herzenslieblinge
neuerdings untreu zu werden. Elisabeth kam eines Abends in Edita’s
Abwesenheit zu mir. Sie trug eine grüne Sammtrobe – chic, originell,
eigenthümlich! Die lange Schleppe rieselte in weichen Falten über den
Teppich; ein miederartiges, reich mit kostbaren Spitzen garnirtes Jabot
umhüllte die üppige Büste; das Jabot war ärmellos und an den weißen
Handgelenken blitzten kostbare Steine, deren Strahlen sich in den
zahlreichen Flammen der Kandelaber brachen. Diese nackten weichen Arme
übten eine bethörende Wirkung auf mich aus und ich erinnere mich genau,
daß ich mir ungemein große Mühe geben mußte, an mich zu halten, denn
nachdem ich heiße Küsse mit ihr gewechselt, hauchte sie mir mit warmem
Athem die Worte in’s Ohr: Haben Sie mich doch auch lieb, Felicita, so
wie ich Sie liebe ... machen Sie mit mir was Sie wollen! ...

Ein süßer Schreck durchfuhr mich und ich weiß nicht, was geschehen wäre,
wenn unser _tête à tête_ nicht durch Edita’s Eintreten unterbrochen
worden wäre. So kam ich auch schnell zur Besinnung und noch desselben
Abends schrieb ich an Elisabeth, daß es für meinen Frieden und für die
Liebe zwischen Edita und mir richtiger wäre, wenn wir uns nicht mehr zu
Zweien wiedersähen u. s. w.

Am nächsten Tage erschien wider Erwarten – Elisabeth! –

„Im Gegentheil, Felicita,“ rief sie mir beim ersten Begrüßen entgegen,
„im Gegentheil, wir wollen uns recht oft und viel sehen!“

„Ja gern,“ antwortete ich hastig, „allein ich darf meine Neigung auf
andere Damen nicht mehr erstrecken, denn darunter würde Edita leiden und
das würde auch mein Glück zerstören, oder,“ setzte ich leise, ihre Hand
ergreifend, hinzu: „kennen Sie nicht Frauenliebe? Dieselbe ist mächtig
wie der Tod und in ihrem Eifer schaurig wie das Grab ... ihre Gluthen
sind Feuergluthen!!“

„Wohl weiß ich das“ entgegnete Elisabeth, während ihre Wangen sich höher
färbten „und es ist stets mein heißester Wunsch gewesen, von einer
geliebten Freundin ganz und voll wiedergeliebt zu werden! Ich bin
kürzlich erst darauf aufmerksam gemacht worden; zuvor hatte ich keine
Ahnung von der Frauenliebe – – ich hatte mein ganzes Herz einem Manne zu
eigen gegeben und seit dem ich die zwischen demselben und mir
bestehenden Beziehungen gelöst, sehne ich mich nach einer Dame, die mit
mir sympathisirt und mich liebt. Ich liebe Sie Beide; Edita jedoch nicht
so feurig als Sie, denn Sie haben eine unglaubliche Macht über mich
gewonnen; Sie haben mir ein Flammenmeer in die Seele gegossen ... Haben
Sie Vertrauen zu mir! Wenn ich Sie meiner Liebe versichere, dann können
Sie Alles von mir erreichen, Alles, nur seien Sie lieb gegen mich!“ Und
ich – erlag auch der Versuchung.

Wir sahen uns fast täglich und ich hatte stürmische Auseinandersetzungen
mit Edita, welcher ich nicht genug versichern konnte, daß der Verkehr
zwischen Elisabeth und mir ein absolut harmloser sei ...

                   *       *       *       *       *

Später einmal wechselte Elisabeth ihr Quartier und ich, um sie in
demselben zu begrüßen, brachte ihr einen duftigen, großen Strauß. Edita,
welche mich begleiten und dann aussteigen wollte, bat mich, die Blumen
nicht mitzunehmen; von mir hätte sie sehr lange schon keine erhalten und
es thue ihr weh, daß ich Elisabeth auszeichne. Ich sah, wie es in ihren
Augen feucht schimmerte und um sie zu beruhigen, legte ich die Blumen
auf den Wagensitz, ihr versprechend, daß ich sie für sie wieder
zurückbringen wolle. Da Edita mir glaubte, so verabschiedete sie sich an
einer Straßenecke und ich befahl dem Kutscher bald darauf, vor einem
Blumengeschäft zu warten; ich kaufte ein anderes Bouquet, welches ich
nun doch für Elisabeth mitnahm. In dem Blumenladen traf ich mit Stephani
zusammen, welche mich in ihrer gewinnenden Manier begrüßte und mir unter
Anderem erzählte, daß sie nach ihrer Heimath zurückkehren wolle, da ihr
Gatte sie vor die Alternative gestellt habe, sich ohne Aufsehen von ihm
zu entfernen, oder einen scandalösen Ehescheidungsprozeß über sich
ergehen zu lassen. „Aber weshalb denn, um’s Himmelswillen?“ fragte ich
flüsternd, auf’s Tiefste erschrocken. „Den Grund theile ich Ihnen mit,
wenn ich zu Ihnen komme; vielleicht heute noch!“ entgegnete Stephani.

„Weiß Elisabeth davon?“ fragte ich, ihr die Hand zum Abschiede reichend.

„Jawohl, die weiß Alles,“ gab Stephani bedeutungsvoll zurück, „doch
sprechen Sie, bitte, keine Silbe zu ihr davon.“

Das geschah natürlich auch.

Eine Stunde später sagte ich dann unter ungezählten heißen Küssen
Elisabeth Adieu und fuhr nachdenklich nach Hause. Dort traf ich zu
meiner großen Ueberraschung Stephani an, welche früher, als
beabsichtigt, ihre Schritte nach unserem Hause gelenkt hatte.

Ohne etwas zu bedenken, hatte ich den ominösen Blumenstrauß vor Edita’s
Venus von Milo aufgestellt, was ich ihr sogleich mittheilte.

„Habe Dank, Felicita! Nun weiß ich doch, daß Du mich lieber hast, als
Elisabeth, oder – sage mir einmal, Schelm, Du hast doch nicht etwa
andere Blumen für sie unterwegs gekauft?“

„Bewahre, Kind, wo denkst Du hin!“ log ich entschieden, aber als ich
dann Stephani’s ansichtig wurde, schämte ich mich unaussprechlich. Ich
errieth sogleich, daß Stephani natürlicherweise von unserem Treffen in
der Blumenhandlung gesprochen haben würde, denn auf mein Befragen, ob
sie soeben erst angekommen sei, erwiderte sie harmlos: „Nein, ich begab
mich sogleich auf den Weg hierher, als wir uns im Blumengeschäft
verabschiedet hatten.“ – – –

Ich hatte aber auch entschiedenes Unglück. Wenn jemals ich etwas vor
Edita verbergen wollte, so entdeckte sie es ganz bestimmt – und wenn
jemals ich mich um des Friedens willen zu einer Unwahrheit flüchtete, so
wurde ich sicher von meiner Freundin dabei ertappt. Dieselbe war
indessen viel zu tactvoll, um mir in Gegenwart einer anderen Dame eine
Verlegenheit zu bereiten. Erspart ist es mir freilich nicht geblieben,
Vorwürfe anzuhören, die mich tief beschämten ... „Der Grund, weshalb der
Professor sich von mir lossagen will? So hören Sie denn, meine Damen:“

Stephani hielt einen Augenblick inne und begann dann:

„Da ich die feste Ueberzeugung habe, daß ich bei Ihnen Beiden auf
Verständnißinnigkeit rechnen darf, so überlasse ich Ihnen gern die
Beurtheilung meiner Handlungsweise. Ich habe mich meinem Manne nicht aus
Liebe vermählt. Es war eine Convenienzheirath. Sein reiches Wissen,
seine soziale Stellung und vor Allem sein alter, vornehmer Name wog das
Vermögen meines Vaters, des reichen Handelsherrn auf und ich vertröstete
mich darauf, daß eine Neigung zwischen uns mit der Zeit entstehen und
wachsen würde. Ich hatte mich jedoch getäuscht; seine Wissenschaft ist
seine Geliebte: mir war er nichts. Er ließ mir schrankenlose Freiheit
und ich habe diese nach Willkür genossen. Ich interessirte mich für die
Frauenliebe und jahrelang schon huldige ich ihr. Für ein einziges Weib
interessire ich mich. Diese aber liebe ich mit der ganzen Kraft meines
Temperaments und ich weiß, daß ich ihre Gegenliebe besaß und daß sie mir
bedingungslos treu war und ist. Nie hatte sie, so lange ich sie kenne,
einem Manne angehört, aber auch niemals tiefere Gefühle für eine andere
Frau bekundet. Unsere Liebe machte unser ganzes Glück aus; es war unser
süßes Geheimniß, das wir Beide sorgsam hüteten, weil ich in erster Reihe
auf meinen Gatten Rücksicht zu nehmen hatte. Doch der Verräther schläft
nicht. Vor ganz kurzer Zeit hat mein Mann Alles entdeckt und die
vollgiltigsten Beweise meiner Verirrung erhalten. Ein Prozeß würde mich
tödtlich kompromittiren. Es bleibt mir nun nichts anderes übrig, als daß
ich, ohne Zeit zu verlieren, mich von ihm trenne, ohne daß er nöthig
hat, den Rechtsweg zu beschreiten. Mit unsäglicher Wehmuth aber denke
ich an die Stunde des Scheidens von dem Liebsten, was ich besitze meine
... geliebte Freundin.“ – –

Als Stephani schwieg, sagte Edita, welche, gleich mir, der Darstellung
gespannt gelauscht hatte:

„Was Sie uns da mitgetheilt haben, ist schlimm genug. Man kann Ihnen nur
den Rath ertheilen, leisten Sie dem Professor Abbitte und versprechen
Sie ihm, nie wieder die betretene Bahn einzuschlagen. Wenn derselbe auch
sich nicht immerfort mit ihnen beschäftigte, so hatten Sie doch zu
bedenken, daß er sich unsagbar gekränkt fühlen müsse, wenn er davon
erführe, daß Sie die Freundschaft einer Dame ihm vorziehen. Wenn Sie
dann nach geraumer Zeit, während welcher er sich beruhigt hat und über
die ganze Sache Gras gewachsen ist, werden Sie, wenn Sie zurückgekehrt
sind, wieder an seiner Seite weiterleben. Sie sind Ihrem Hausnamen,
Ihrer Ehre und derjenigen Ihrer ganzen Familie schuldig, das Decorum
nach jeder Richtung hin zu bewahren.“

Ich pflichtete meiner Freundin mit voller Ueberzeugung bei und
betheuerte, daß ich sehr wohl begreife, wie schwer die Aufgabe sei, die
sie zu lösen hätte, allein sie müsse sich derselben unterziehen. Später
könne noch alles wieder gut werden.

„Wie kann es gut werden?“ rief Stephani, „wenn ich der Liebe zu meiner
Freundin zu entsagen gezwungen werde. Und darum sage ich Ihnen ja auch
Alles, weil ich rathlos bin. Einige Zeit will ich mich, wenn es nicht
anders sein kann, fortbegeben, doch für immer, – nur aus Rücksicht auf
das Decorum meines Namens meine Liebe aufgeben!? das – das kann ich
nicht!“

„So machtvoll wäre diese Frauenliebe, daß sie Ueberlegung und Vernunft
zu rauben vermöchte? Seltsam, seltsam!“ murmelte Edita gedankenvoll.

Doch ehe sie fortfahren konnte, mehr zu sagen, unterbrach sie Stephani:

„Sie, gerade Sie, finden das seltsam? Würden Sie denn Ihrer Felicita
entsagen um eines Mannes willen und die bewunderungswürdig reiche Liebe,
mit der sie die Ihre vergilt, eintauschen gegen ein Eheleben ohne
jedwede Neigung? Könnten Sie das?“

„Nein“, entgegnete Edita: „Das könnte ich freilich nicht und das würde
auch Felicita nicht thun, aber –“ und hier lächelte Edita glückselig:
„wir haben ja auch Beide keinen Mann und wir danken ja auch Beide für
das Glück der Ehe – wir halten Beide treu zusammen – bis zum Tode! Gelt,
Felicita?“

Statt aller Antwort drückte ich ihr nur mit ernsten Blicken ihre Hand.

„Wer“ meinte Edita weiter, „nun aber eine Ehe eingeht, hat auch die
heilige Pflicht, alle Rechte zu achten, welche dem anderen Theile
zustehen. Ich, beispielsweise, würde mich nimmermehr verheirathen, weil
ich eine mir unzweifelhaft angeborene Antipathie gegen die Ehe habe und
darum, weil ich einem Manne, den ich im Uebrigen nach Verdienst und
Charakter hochschätze, ein unglückliches Leben an meiner Seite nicht
bereiten möchte, so verzichte ich einfach.“

„Es geht mir genau ebenso!“ schloß ich mich den Worten Edita’s an. „Ich
würde auf keinen Fall eine Ehe eingehen, so lange ich mein Herz von der
Liebe zu einer Frau erfüllt weiß. Und mehr noch: ich würde keinesfalls
eine Frau lieben können, von welcher ich weiß, daß sie ein _faible_ hat
für die Herren der Schöpfung.“

Bei den letzten Worten lachte Stephani hell auf, während Edita mir
blitzschnell ihre Hand auf den Mund legte.

„Nun ja, Sie haben Beide recht und ich denke im Grunde genommen genau so
wie Sie; aber – nun sagen Sie mir, Felicita, wie soll ich denn diesen
gordischen Knoten lösen? Ich befinde mich in einem Labyrinth: zwischen
legaler Ehe und einer Verirrung – Frauenliebe!“

„Zunächst würde ich an Ihrer Stelle doch prüfen, ob Ihre Freundin Ihnen
auch Alles das ist, was Sie vermeinen. Sagen Sie mir vor Allem, wenn Sie
mögen, wer ist diese Freundin?“ fragte ich.

„Offen gestanden, liebste Felicita“, antwortete Stephani, „hat es mich
schon lange gewundert, daß Sie dieser Frage noch nicht Ausdruck gegeben.
Wissen Sie es denn nicht, daß ich überhaupt nur eine einzige Freundin
besitze?“

Ein jäher Schreck drang mir durch’s Herz und ich konnte einen leisen
Ausruf der Ueberraschung nicht unterdrücken, während Edita, fast ebenso
erstaunt ausrief:

„Doch nicht etwa Elisabeth?“

Stephani neigte bestätigend das erglühte Haupt: „Gewiß, Elisabeth! Wer
sonst könnte wohl diese Liebe besitzen?!“

Ich konnte mich von meinem Erstaunen nicht erholen. Hatte mir Elisabeth
nicht gesagt, daß sie von den Mysterien der Frauenliebe erst vor einiger
Zeit erfahren? Hatte sie mir nicht bekannt, daß sie wohl einem einzigen
Mann angehört, doch niemals vor mir einer Frau und ferner, daß dieser
Mann sie überhaupt nicht besessen!? Träumte ich denn? Elisabeth hat mit
mir Gaukelspiel getrieben in der ganzen Zeit, da ich ihren Bitten Gehör
gab, mit ihr zu verkehren. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen,
daß sie mich oftmals getäuscht haben mochte. Sie wußte, oder mußte doch
wissen, daß Stephani sie über Alles liebte und doch buhlte sie um meine
Zuneigung, obwohl sie wußte, daß ich ein Unrecht beging, wenn ich hinter
dem Rücken Edita’s ein „Verhältniß“, wie sie selber es bezeichnete,
unterhielt. –

Als sich Stephani verabschiedet hatte, sandte ich sogleich einen Boten
zu ihr mit einem Billet, in welchem ich ihr, ohne direkt eine
Indiskretion zu begehen, reinen Wein einschenkte. Ich ermahnte sie auf
Grund der Thatsache, daß ich sie persönlich werthschätze, den Verkehr
mit ihrer Freundin allmälig abzubrechen. Da ich wußte, daß die so
überaus liebenswürdige, jugendliche Professorin absolut ehrenhaften
Charakters war, so theilte ich ihr von meiner Zuneigung für Elisabeth
mit. Daß Stephani mich an Edita nicht verrathen würde, davon war ich
überzeugt.

Wie ich alsbald erfuhr, hatte Stephani vor ihrer Abreise einen langen,
ausführlichen Brief geschrieben und folgende vielsagende Antwort von
Elisabeth erhalten:

   „Durch Gräfin Anna Pongrácz sende ich Dir, Stephani, einen
   Abschiedsgruß. Lebe wohl!

                                                           Elisabeth.“

Und dazu folgendes Gedicht:

   „Dich liebt’ ich nicht!
   Ob Dir die Lippe auch von Liebe sprach,
   „Dich liebt’ ich nicht!
   Ob aus dem Auge auch Begeist’rung brach,
   „Dich liebt’ ich nicht!
   Ob ich’s auch einst im Traume selbst geglaubt,
   „Dich liebt’ ich nicht!
   Ob Du auch meinen Frieden mir geraubt,
   „Dich liebt’ ich nicht!
   „Den ich geliebt –
   Das war ein vielmals Höherer als Du,
   „Den ich geliebt,
   Der strebt mit mir den höchsten Höhen zu;
   „Der war mir gleich,
   War ebenbürtig mir,
   „War mein Genoß’ –
   Ein Denken schied
   „Ein Fühlen trennte uns vom großen Troß.
   „Dich liebt’ ich nicht!
   „Dir gilt die Thräne nicht,
   Die heut’ ich wein’,
   „Dem hehren Traum, der mir versunken ist,
   „Gilt sie allein!
   Ich weiß es heut:
   „Aus meiner Seele nahm ich all’ den Glanz
   „Den ich Dir lieh;
   „Welk fällt von Deinem Haupt der fremde Kranz:
   „Dich liebt ich nie!
   „Geliebt hab’ ich mit meines Herzens Allgewalt
   – – Das eig’ne Werk!
   – – Ein Wahngebild – – nur eine Truggestalt! ...“

                   *       *       *       *       *

Stephani eilte sofort nach Empfang dieser Zeilen zu uns und stand,
vielleicht noch rathloser, als zuvor, uns gegenüber.

Das war allerdings mehr, als man schlimmsten Falles erwarten durfte. –

Stephani war in großer Aufregung und ich? ... So war ich also auch
hintergangen! Ich hatte dieses Weib, diese Elisabeth, wirklich gern
gehabt; sie war mir immer sehr, sehr angenehm gewesen.

Einen Rath, eine Aufklärung vermochte ich nicht zu geben.

So wußten wir es dann schließlich auch zu ergründen, daß mich Elisabeth
in mehr als einem Falle betrogen! Während sie sagte, daß sie ihr Herz
dereinst „einem“ Mann geschenkt, mit welchem sie ihre Beziehungen
gelöst, erfuhr ich jetzt, daß die schöne hochmüthige Salondame nicht nur
ihre verbotene Liebe jenem erwähnten „Einen“ schenkte, sondern auch
anderen Cavalieren gegenüber nicht mit ihrer Gunst kargte.

Gleichgiltig war mir diese Entdeckung freilich nicht ... ich war ihr ja
so über Alles gewogen gewesen und glücklich, daß ich es vermochte, ihr
die erbetene Liebe und Zuneigung zu widmen. – Natürlich war ich fest
entschlossen, jeglichen Verkehr mit ihr abzubrechen; doch einmal noch
sollte sie an mich erinnert werden und vielleicht würde es ihr wehe
thun, daß sie mich in so unverantwortlicher Weise hintergangen hatte:

Ich schrieb ihr:

   Ich habe geträumt so wundersüß
   Ich habe geträumt vom Paradies
   Ich habe geträumt von Lieb und Lust
   Vom Glück in frommer Menschenbrust.
   Ich habe geträumt Du wärst mir treu.
   ... Nun ist der schöne Traum vorbei!
   Eh’ ich’s gedacht bin ich erwacht.
   Den Traum umhüllt die Nacht.
   Nur Eines weiß ich und fühle es klar,
   Daß meine Liebe ein Traum nur war!
   Was ich in meinen Armen hielt,
   War nur ein nichtig Traumgebild. –
   Zerflossen ist’s in leeren Schaum ...
   Mir bleibt Enttäuschung nach dem Traum.

                   *       *       *       *       *

So war der gordische Knoten gelöst. Elisabeth sandte an Stephani Bücher,
Briefe, Bilder und die im Laufe der Jahre erhaltenen Geschenke an diese
zurück; sie sah sich erkannt und zog nun vor, einstweilen von der
Oberfläche zu verschwinden und weit lieber in Begleitung ihres
Cavaliers, einer hochgestellten Persönlichkeit die halbe Welt zu
bereisen ...

Ich aber zog aus dieser neuesten Erfahrung eine Warnung für mein ganzes
Leben; mein Vertrauen zu den Frauen hatte ebenso sehr gelitten, als mein
Interesse für dieselben erstickt worden war. Nie wieder begeisterte ich
mich für die Schönheit einer Dame – – ich hatte erkennen gelernt, daß
die Neigung der Frau zur Frau in Wirklichkeit nur eine geistige
Verirrung ist! Ich mißtraute von nun an allen Frauen, welche von ihrer
Frauenliebe entzückt waren; ich konnte spöttisch lächeln, wenn ich
später bemerken mußte, daß hier und da eine schöngeistige Mitschwester
sich um meine Gunst bewarb. Ich lebte nur noch meiner stolzen reinen
Edita und über unserer Liebe lag der Weihrauch eines unantastbaren
Idealismus!

Es werden Viele, welche des vorgeblichen Glückes der Frauenliebe
theilhaftig geworden sind, ebenso wie ich und meine süße Blume vom
Rhein, zurückkehren in die vorgeschriebenen Wege, welche das Weib von
Gottes- und Rechtswegen zu wandeln hat – – alles Andere ist Verirrung –


                    Druck von A. Winser, Berlin SW.




                     Anmerkungen zur Transkription


Die Zeitungsnotiz, die am Anfang des Buches wiedergegeben ist, stammt
aus einer separaten Publikation (_Tägliche Rundschau_, Berlin, 19. März
1898, S. 7). Da diese Notiz sowohl die Verfasserin identifiziert und die
Entstehungsgeschichte des Buches beleuchtet, als auch in dieses einzige
bekannte Exemplar fest eingeklebt war, reproduzieren wir sie hier
unverändert.

Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere
Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 30]:
   ... thautropfenfunkelnde Blüthen sandten ihre Düfte ...
   ... thautropfenfunkelnden Blüthen sandten ihre Düfte ...

   [S. 30]:
   ... anschwellenden Sopran erhob ich meine Stimme: ...
   ... anschwellendem Sopran erhob ich meine Stimme: ...

   [S. 42]:
   ... erträumten und in Wirklichkeit bestehenden Glückes. ...
   ... erträumten und in Wirklichkeit bestehenden Glück. ...

   [S. 55]:
   ... An die elegante Damenwelt, welcher einer still-verschwiegenen ...
   ... An die elegante Damenwelt, welche einer still-verschwiegenen ...

   [S. 71]:
   ... Wir rasteten in einem zwischen großstädtischen ...
   ... Wir rasteten in einem zwischen großstädtischem ...

   [S. 77]:
   ... waren freilich gewissermaßen verblaßt, aber ...
   ... war freilich gewissermaßen verblaßt, aber ...

   [S. 94]:
   ... und least not least – über ihr Messalinenthum ...
   ... und last not least – über ihr Messalinenthum ...

   [S. 107]:
   ... So lebte ich in süstem dolce far niente; der ...
   ... So lebte ich in süßestem dolce far niente; der ...

   [S. 113]:
   ... und als Letztere sich mit freudestrahlendem Lächeln sich
       über die Hand der Marchesa neigte, sprach ...
   ... und als Letztere sich mit freudestrahlendem Lächeln über
       die Hand der Marchesa neigte, sprach ...

   [S. 136]:
   ... vielleicht wäre er und Corni gänzlich leer ausgegangen. ...
   ... vielleicht wären er und Corni gänzlich leer ausgegangen. ...

   [S. 148]:
   ... gezwungen werden. Und darum sage ich Ihnen ...
   ... gezwungen werde. Und darum sage ich Ihnen ...

   [S. 157]:
   ... Es werden Viele, welches des vorgeblichen ...
   ... Es werden Viele, welche des vorgeblichen ...






*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER LIEBE LUST UND LEID DER FRAU ZUR FRAU ***


    

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Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
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computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
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Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
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Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

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