Jugend, Liebe und Leben

By Emil Peters

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Title: Jugend, Liebe und Leben
       Körperliche, seelische und sittliche Forderungen der Gegenwart


Author: Emil Peters



Release Date: December 5, 2013  [eBook #44368]

Language: German


***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JUGEND, LIEBE UND LEBEN***


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JUGEND, LIEBE UND LEBEN

Körperliche, seelische und sittliche Forderungen der Gegenwart

von

EMIL PETERS







[Illustration: Dekoration]

Volkskraft-Verlag
~Konstanz am Bodensee~


      *      *      *      *      *      *


     Bücher von Emil Peters
     ~aus dem Volkskraft-Verlag in Konstanz am Bodensee:~


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     Die Bücher sind auch in jeder guten Buchhandlung zu haben.

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     ~Alle Rechte vorbehalten.~

     _Copyright 1920 by Volkskraft-Verlag Konstanz am Bodensee._

     Den Druck besorgte die Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan
     Geibel & Co. in Altenburg, S.-A.

     Diese Buch ist auch in hübschem Einband als Geschenkband beim
     Verlag oder in jeder Buchhandlung vorrätig.


      *      *      *      *      *      *


[Illustration: Dekoration]




Vorwort zur zweiten Auflage.


Dies Buch, das in seiner ersten Auflage »Wenn ihr ins Leben tretet!«
hieß, erscheint in seiner zweiten Auflage unter neuem Titel und in
anderem Gewande. Es entspricht darin mehr den Vorträgen, die ich
allerorten hielt.

Der Gegenstand ist ernst und schwer in seiner Darstellung. Es gibt
Dinge, die so grenzenlos traurig und häßlich sind, daß die Feder oft
zögert, sie niederzuschreiben. Aber wer, wie ich, das Menschenleben zu
schöneren, höheren und edleren Formen bringen will, der darf, wo er das
Licht zeichnet, auch die Schatten zu malen nicht vergessen. ~Jugend und
Liebe~ -- sie sind beide das Licht, das leuchtend und glückselig eine
Weile über unserem Wege steht. Aber ~Irrtum und Schuld~ verschlingen die
unglückseligen Hände und reißen die Menschen in die Tiefen, wo in
Unglück und Krankheit, in Nacht und Chaos die Liebe erstickt.

Das Häßliche ist hier wahrlich nicht um des Häßlichen willen geschildert
worden. Nein, die Feder stockt dabei, und Scham durchzog den Sinn. Aber
mutig galt es die Aufgabe zu lösen und jungen Menschen, die klopfenden
Herzens vor dem Wundergarten der Liebe stehen, den rechten Weg zu
zeigen.

Wer das Dunkel geschaut, dessen Auge ist dankbar für das Licht. So soll
dies Buch verstanden sein.

Nicht ein »Aufklärungsbuch« im landesüblichen Sinne soll es sein. Es
soll nicht mit kaltem Verstande Dinge sagen, die zu wissen noch nicht
sittliche Kraft bedeuten. Weh uns, wenn Wissen und Verstand der Liebe
die Tiefen rauben, wenn wir nicht mehr erröten und die Rätsel der Liebe
uns nicht mehr die Pulse stocken machen! Nicht dem Verstand und dem
kalten Wissen -- nein, der ~Seele~ wollte ich die Geheimnisse junger
Liebe ablauschen. Was nutzt »Aufklärung«, wo die seelenvolle
Menschlichkeit, die sittliche Persönlichkeit fehlt! Erzieherisch ging
ich zu Werke, von innen -- nicht von außen her.

Worte und Begriffe sind dem Verständnis junger Menschen angepaßt. Eltern
mögen das Buch schulentlassenen Jünglingen in die Hand geben. Es soll
ihnen Wegweiser sein. Und wenn die traurigen und schreckensvollen Dinge
dieses Buches auch mit Wehmut ihre Seele füllen und in den Freudenkelch
der Jugend bittere Tropfen fallen, so wird die Wahrheit doch denen nicht
den Zauber junger Liebe rauben, die »frei von Schuld und Fehle« mit
diesem Buche den glücklichen Weg des Reinen gehen.

~Neuenhagen~ (Ostbahn) bei Berlin.

                                                        #Emil Peters.#

[Illustration: Dekoration]




Erster Teil.

Die einsamen Triebverirrungen der Jugend.

Einleitung.


Wir wollen miteinander über Dinge sprechen, über die man
eigentlich -- nicht spricht. Jedenfalls nicht allgemein und vor allem
nicht so, wie man über andere Dinge spricht. Das ist das
Geschlechtliche.

Wie merkwürdig, daß es etwas im Menschenleben gibt, von dem es scheint,
daß es verborgen werden müßte. Und doch ist es nicht weniger natürlich,
als alles andere, ja, natürlicher und selbstverständlicher wohl. Aber
wer viel in der Irre ging, der findet nachher den rechten Weg nicht
mehr. So haben die Menschen in den geschlechtliche Dingen durch viel,
viel Irrtümer eine Wirrnis geschaffen, in der nun mancher nicht ein und
aus weiß. Er möchte fragen, den oder jenen: »Was ist's mit der
Geschlechtlichkeit? Mit all den aufsteigenden Empfindungen, die mich
quälen und freuen, die mir unruhige Stunden machen und bunte Bilder
vorgaukeln?«

Aber wen soll er, ja, wen darf er fragen? Der Frage folgt Schweigen oder
verlegenes Lächeln. Das Leben hat den Erwachsenen die Antwort schwer
gemacht. Trübe Ereignisse und Reue verstellen der Wahrheit den Weg.

Aber wer in Gefahr war, sollte den Neuankommenden warnen. Wer
strauchelte, sollte verhüten, daß auch der andere strauchelt. Darum ist
es nicht gut, wenn du noch unbelehrt und ungewarnt bist.

Ich will niemandem einen Vorwurf machen, am allerwenigsten deinen Eltern
oder deinen Lehrern. Sie haben dich gefördert, wie sie nur konnten. Aber
dies Geschlechtliche, siehst du, nimmt in allen Dingen des Lebens eine
Ausnahmestellung ein. Es schlummert in ihm -- und darum auch in
dir -- etwas Gefährliches, das man durch Schweigen dämpfen möchte; denn
niemand kann sagen, ob Glück oder Unglück daraus entspringt.

Ich aber meine, im Dunkeln sei kein Weg zu finden. Licht soll auf alle
Lebenswege fallen. Darum will ich dir die Wahrheit sagen, will mit dir
über ein paar Lebensfragen sprechen, damit dein Leben Halt und
Festigkeit und Richtung bekommt. Und insbesondere will ich dir alle
deine stummen Fragen beantworten, die scheu und geheimnisvoll-verlegen
dem Geschlechtlichen entsteigen und neugierig das Geschlechtliche
umflattern.


1.

Vom Sinn des Lebens.

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, welchen Sinn wohl das Leben
haben könne? Ja, hast du versucht, die Lebenserscheinungen denkend zu
einer Lebens-»Anschauung«, zu einem Lebensbild, zu vereinigen und dein
eigenes Denken und Tun mit diesem Lebensbild in Einklang zu bringen?

Ich glaube nicht. Denn das Elternhaus hat dich treusorgend bewahrt. Den
Tisch fandest du stets gedeckt, und manche Sorge ums Alltägliche und um
das, was die nächsten Tage bringen werden, haben die Eltern dir
ferngehalten und allein ihre Stunden damit ausgefüllt, während du lachen
und scherzen oder schlafen konntest. Die Schule setzte dir fertiges
Wissen vor. Du nahmst, was andere gedacht, und warst des eigenen,
tieferen Denkens enthoben.

Nun aber trittst du ins Leben hinaus. Nun beginnt auch für dich der
Kampf. Die Pflichten mehren sich, und der Tag ist nicht mehr fern, an
dem auch deine Schultern tragen sollen, was ein Mensch zu tragen vermag.
Und zeitweilig noch mehr. Da gilt es, Kräfte zu sparen und stark zu
werden, um mutig und aufrecht den Lebensstürmen zu trotzen.

Es mag ein banges Zagen dich beschleichen, wenn du daran denkst, bald
ganz auf dich allein gestellt zu sein. Du zweifelst, ob deine Kräfte
ausreichen werden. Aber sei getrost! Nicht als ein Fertiger tritt der
Mensch an seine Aufgaben heran, sondern die Pflicht steigert die Kraft.
Alles in der Natur und im Leben ist ein Werden, ein Wachsen. Alles Leben
ringt nach Vollendung und vollendet sich im Kampf. Der Starke
triumphiert im Kampf, bleibt Sieger. Den Schwachen zerbricht das Leben.

Wohlan! Sei ein Starker! Fasse Mut, und freue dich der wachsenden Kraft!
Kleine Widerstände geben dir Mut, dich an großen zu messen, und ehe ein
paar Jahre ins Land gegangen, schaust du deinen Weg zurück und lachst
der Zaghaftigkeit, die dich heute beschleicht.

Und da haben wir schon einen Blick aufs Ganze. Da sehen wir schon
Richtung und Weg und Ziel, und langsam formt sich aus den Nebeln der
Unreife und Unklarheit ein Lebensbild.

Schau um dich in der Natur! Roh und formlos ist der Anfang. Gott aber
blies allem seinen »lebendigen Odem« ein. Was heißt das? Das heißt, daß
in die brodelnden Urgewalten das Gesetz der Entwicklung hineingeworfen
wurde, daß eine unendliche Harmonisierung den Lauf des Lebens begleitet,
daß alles, was in die Bahn des Lebens geworfen wird, um seines Daseins
Kreise zu vollenden, dem Göttlichen sich entgegen entwickeln soll.

So gehörst du nicht dir selbst, du bist ein Teil des Weltgeschehens,
bist eine von den zahllosen Formen, in denen die Natur das Leben neu
erzeugt, und in dir schlummert der göttliche Funke, der dich zum
Menschen macht, der Funke, der durch dein Leben zur Flamme angeblasen
werden soll, die dich läutert. Dieser göttliche Funke ist dein Gewissen,
ist das Menschheitsgewissen, jener oberste Richter über Gut und Böse,
der Ewigkeitsgesetze geschrieben hat und heute wie vor Tausenden von
Jahren herrscht.

Die Menschen leben um des Besten willen. Die Entwicklung geht den Weg
des Guten; denn das Gute ist die Entwicklung. Das Schlechte stirbt in
sich, weil es dem Gesetz der Entwicklung widerstrebt.

So siehst du, werden wir Menschen durch ein geheimnisvolles und
gewaltiges Gesetz geführt. Dies Gesetz, der sittliche Grundgedanke,
zeichnet der Entwicklung ihren Weg. Wer sich gegen dies Gesetz vergeht,
sei es, daß er dem unkontrollierten Genuß des Augenblicks huldigt, oder
im materiellen Vorteil das Gewissen schweigen heißt, der versündigt sich
gegen die Majestät der Menschheit, und er fühlt den leisen Mahner in
seinem Innern, der ihm sagt. »Das durftest du nicht tun.« --

Diese Sauberkeit und Klarheit des Gewissens mußt du dir erhalten, denn
damit hast du die nötige Festigkeit in dir, um jenen Hohlköpfen und
Wichten zu begegnen, die ihr Leben auf sich selbst, und damit auf
nichts, gestellt haben; denn sie sind nichts, und das »Ich«, das sie in
ihrer Phrase vom »Sichausleben« in den Vordergrund drängen, ist wie eine
taube Nuß. Je weniger fest und stark das Leben im Innern ist, desto
ruheloser und schwankender wird es nach außen. Darum gerade verfallen
sie einem unruhevollen Geschlechtsgenuß und ertränken ihr Gewissen in
Lärm und Alkohol und vielen Phrasen von »Individualität« und
»Männlichkeit«. Diese Worte aber sind nichts als Angst und sind ein
Versuch, den Starken, der wie ein stiller Vorwurf neben ihnen
herschreitet, aus dem Wege zu räumen, das heißt, durch philosophische
Phrasen zu sich hinabzuzerren und für ihre eigene Hohlheit
breitzuschlagen.

Wenn du diesen Menschen begegnest, so wehre dich gegen sie! Wenn sie dir
sagen. »Der Mensch gehört sich selbst, und niemand ist Richter über
ihn,« so antworte ihnen: »Nein! das Leben ist ein Geschenk der Natur.
Niemand ist auf sich selbst gestellt, niemand gehört sich selbst. Feine
Fäden verbinden die Menschheit in Glück und Leid miteinander, und jede
schlechte Tat vermehrt das Leid und das Unglück, jede gute Tat aber ist
ein kleiner Schritt weiter auf dem Wege der Bereicherung und
Verschönerung des Lebens.«


2.

Volkstum.

Tiefgreifende Besonderheiten haben von jeher die Menschheit in Rassen
und Völker geschieden.

Du gehörst dem deutschen Volke an! Vergiß das nicht! Und vergiß nicht,
wenn du das Wort »Deutsch« sprichst, daß es nicht eben bloß ein Wort ist
wie tausend andere, sondern daß es aus fernen Jahrtausenden zu uns
herübertönt mit ehernem Klang, einer Fanfare gleich, die schmetternd zum
Appell ruft.

Deutsch sein! Diesem Schlachtruf unterlagen die römischen Legionen in
den finsteren germanischen Wäldern. Für diesen Begriff blutete
Deutschland aus immer wieder frischen Wunden. Unter diesem Zeichen
siegten wir und wurde unser Volk stark und groß. Deutsch sein! das ist
nicht ein bloßes Wort, nein, das ist Blut und Mark und Saft von
besonderer Art. Die Form des Kopfes, Farbe und Glanz des Auges,
Empfindung, Denken und Tun: all das ist deutsch, ist anders als das der
anderen Völker. Um dies Deutschsein haben Tausende auf rauchenden
Schlachtfeldern gelitten und gestritten, Tausende haben sich in der
Ferne in Sehnsucht nach der Heimat verzehrt, und Jubel und Jauchzen
erfüllte ihre Brust, wenn sie an Rückkehr denken durften.

Deutsch sein! dafür haben wir vier Jahre lang dem Ansturm einer ganzen
Welt standgehalten, bis das Aufgeben dieses Deutschseins uns die Waffen
aus den Händen schlug, uns wehrlos machte, daß wir zusammen brachen.

Nun merke auf! Es gibt Menschen von fremder, heimatloser Art um dich und
charakterlose Schwätzer, die deinen Rassen- und Volksbegriff leugnen und
zerstören möchten. Sie setzen viel hohle Phrasen an die Stelle des
greifbaren Volkstums. Laß dir dies Rassen- und Volksbewußtsein, diesen
völkischen Stolz, nicht rauben! Schlage die Blätter der Weltgeschichte
um! Blatt für Blatt erkennst du das gewaltige Ringen der Völker um ihre
angestammte Art. Und du erkennst, daß nur dann ein Volk stark nach außen
sein kann, wenn es zugleich stark nach innen ist, gesund und fest in
seinem Kern und sittenstark. Die sittliche Kraft in einem Volke war
stets auch seine politische Kraft. An der Sittenlosigkeit, in der
geschlechtlichen Ausschweifung, gingen die Völker, die Staatengebilde
zugrunde. Kennst du das Beispiel Roms? Lerne es fürchten! Weißt du, daß
die morsche, sinnliche römische Kultur dem Ansturm Odoakers erlag, der
mit den heldenhaften und sittenstrengen Söhnen der germanischen Wälder
heranrückte? Lerne dies deutsche Volk um seiner großen Vergangenheit und
seiner Tugenden willen lieben! Aber zugleich beobachte, daß der
Sittenverfall auch bei uns sich ausbreitet, daß zerstörende Mächte an
den alten, festen Grundlagen unserer Volksart tätig waren, und daß wir
längst im Innern morsch waren, ehe die Übermacht der Feinde uns auf die
Knie zwang.

Nun aber wollen wir wieder hochkommen, wollen wieder die Schmach von uns
abwaschen, wollen unsere Kraft und unsere Ehre wiedergewinnen -- und
dazu muß jeder Einzelne bei sich selber anfangen. ~Sittliche Reinheit!~
so heißt der Wahlspruch.

Hier hast du ein zweites Lebensziel: Liebe dein Volk und lebe für dich
so, wie du möchtest, daß das Ganze sei: stark und gesund und rein. Was
nützen all die schönen Worte von Vaterland und Volk und Ruhm und
Zukunft, wenn nicht jeder Einzelne sein Teil Verantwortung für das Ganze
in sich trägt und danach lebt.

Dem politischen Ehrgeiz eines Volkes muß eine gesunde und sittliche
Lebenshaltung die treibenden Kräfte geben. Darum ist es betrübend, zu
sehen, wie Staatsmänner und Politiker starke Worte machen und heftige,
erbitterte Parteikämpfe ausfechten, ohne doch der Notwendigkeit zu
gedenken, daß all dies Mühen nur ein Tageserfolg ist, wenn er nicht aus
der klug gepflegten Volkskraft dauernd gespeist werden kann. Eine
zahlreiche, körperlich und sittlich starke Jugend ist der Lebensquell
des Volkes, und dies Bewußtsein muß jeder junge Mensch in sich tragen.

Du siehst, auch hier gehörst du nicht dir selbst. Ein zweiter Wegzeiger
ist in deinem Leben. Er zeigt auf dein Volk. Ihm gehörst du mit deiner
ganzen Art, mit Leib und Seele, mit dem Wollen und Wünschen. Und darum
muß dein Leben sich so gestalten, daß es deinem Volke nicht Schaden
bringt.


3.

Die Familie.

Von der Volkseinheit und -Eigenart trennt sich die Einheit und Eigenart
der Familie ab. Und hier erblüht dem Baume deutscher Art die schönste
Blüte: das deutsche Familienleben. Wie ist es besungen worden, und
wieviel schöne Erinnerungen an das Elternhaus tragen wir mit uns in das
Leben hinein. Sorgende Liebe erfüllt die Räume. Milde und Strenge paaren
sich, um die Buben und Mädchen zu bilden zu tüchtigen Menschen, damit
sie einen Platz im Leben ausfüllen können. Und jeder von ihnen tritt in
das Leben hinaus und wird und will wieder eine Familie gründen. Was er
zu Hause Gutes sah, pflegt er weiter und verbindet's mit Neuem. Wohl
ihm, wenn er nur Gutes sah, wenn recht viel gute Erinnerungen ihn
begleiten. Was die Eltern Gutes an ihren Kindern gewollt, das müssen die
Kinder zu erreichen trachten. Denn darin liegt ein Dank für die
dahingegangenen Geschlechter und ein großes, starkes Versprechen an die
kommenden. Die Eltern denken Gutes von dir, die Brüder und Schwestern
tun es auch. Wie kannst du darum Schlechtes tun und dann ein schlimmes
Geheimnis mit dir herumtragen, das zu verraten du kaum den Mut findest?
Die Familie ist der Hort der guten Sitten. Ehre die Stätte, der du
entstammst, und tue nichts, was nicht jeder wissen darf.

Zum dritten Mal stecke ich dir ein Lebensziel, zeige dir einen Maßstab
und eine Grenze deines Tuns: deine Zugehörigkeit zur Familie. Zum
dritten Male sage ich dir, daß du nicht dir selbst gehörst, sondern
gebunden bist im Denken und Tun an die Gesamtheit, an die Familie, an
das Volk, an die Menschen überhaupt. Dein Wohl ist das der anderen. Die
Kraft und die Ehre der Gesamtheit liegen für dein Teil in deiner Hand.


4.

Das »Ich« und die Freiheit.

Du wirst mir entgegenhalten. »Bin ich, ich selbst, denn gar nichts, daß
ich nur aufgehen soll im Ganzen? Daß ich immer nur an die anderen denken
soll?«

Ja, du bist, und dein »Ich« soll stark und stolz dir zum Bewußtsein
kommen. Nicht niederdrücken, schwach und zage machen soll dich deine
Zusammengehörigkeit zur Familie, zu Volk und Menschheit, nein, aufrecht
und freudig sollst du es empfinden; denn in dir verkörpert sich die
Familie, in deiner Art erkenne ich ihre Art, in dir lebt die Art des
ganzen Volkes, in dir glüht der heilige Funke der Menschheit. Das Leben
drängt sich immer wieder, um neu zu erblühen, in eine enge Form, das ist
der persönliche Mensch, das Individuum. Der persönliche Mensch ist die
höchste Steigerung der Natur, ist der höchste Wille der Schöpfung.

Dieser persönliche Mensch muß frei sein. Damit meine ich nicht jene rohe
Freiheit, die sich hinwegsetzt über gesetzliche und gesellschaftliche
Schranken. Das ist Willkür und rohes Triebleben. Diese rücksichtslose
Freiheit, die da glaubt, alles tun zu dürfen, was ihr in die Sinne
steigt, ist doch nur bemitleidenswerte Gebundenheit an die Tiernatur.
Ich meine vielmehr jene sittliche Freiheit, die mit einem geschlossenen
Willen sich der Gedankenlosigkeit der Menge entgegenstemmt. Die
Freiheit, in der im Gehorsam gegen selbstdiktierte sittliche Gesetze der
Mensch triumphiert. Diese Überlegenheit über die Gedankenlosigkeit, das
stumpfe Triebleben, die oberflächliche Genußsucht anderer, ist
wahrhaftig Freiheit, eine Freiheit, die in wichtigen Lebensfragen nur
sich selbst befiehlt und gehorcht, keinem andern, am allerwenigsten der
Menge. Der Geist muß wach bleiben und muß mit heller, scharfer Kritik
über die Regungen der Sinne wachen. Der Gedankenlose verliert sich an
die stumpfen und dumpfen Triebe der Menge. Er glaubt dann Freiheit
gefunden zu haben und verlor doch nur sein »Ich«, seine Persönlichkeit.
Du siehst also, daß das »Ich« nur triumphiert, wenn es sich selbst
Gesetze gibt. Darum darfst du nicht aufgehen in der Menge, die dich
hinabzieht, sondern mußt jenen Größten nacheifern, in denen unseres
Volkes Art sich am reinsten verkörperte. »Die Menschen leben um des
Größten willen,« sagt Carlyle. In ihnen glüht der göttliche Funke des
Menschentums am stärksten. Hast du Vorbilder, so gehst du mit deinem
Wollen auf in der Menschheit, im Volk, in der Familie. Du hast damit
starke und große Ideale in dein Leben hineingestellt, und diese Ideale
werden dich erziehen. So, siehst du, ist das ausgeprägte »Ich«, ist der
persönliche Mensch, der höchste Wille zum Guten. Indem du stolz dein
»Ich« erhebst, beugst du dich unter das große Entwicklungsgesetz der
Menschheit.


5.

Die Fortpflanzung.

Alles Leben hat nur eine Quelle: die Fortpflanzung. Und sie ist
umwoben und durchflochten von der Liebe, von jenem wunderbaren
Empfindungsgewoge, das unser Leben schön und glücklich macht; oder auch
häßlich und traurig und unglücklich. Wie man's lebt.

Die Natur schuf zwei Geschlechter. Und an dem Gegensatz zwischen
männlicher und weiblicher Art erkennst du, wie unbeholfen und roh die
Auffassung derer ist, die das Geschlecht nur als etwas Körperliches
sehen, die beim Worte »Geschlecht« nur an Geschlechtsorgane denken.
Schon beim Spiel der Kinder unterscheidet sich der wilde Wagemut des
Knaben von der stilleren Art der Mädchen. Das ist wie ein Symbol fürs
ganze Leben. Das Geschlechtliche wurzelt tief in der Seele, und du
darfst es nicht so ohnehin als das bloß Sinnliche auffassen. Denn es ist
mit dem ganzen Körper, mit allen Sinnen, mit dem Denken und Fühlen innig
verwebt und verschmolzen. Der Mann denkt, fühlt, urteilt, handelt anders
als die Frau. Das eben ist der tiefgreifende Geschlechtsunterschied
zwischen beiden, der jedem eine andere Stellung in der Natur und in der
Welt und darum auch eine andere Gefühlswelt gibt.

In Mann und Weib verschmilzt das geheimnisvoll-ewige Sehnen der
Menschheit nach Vollendung. Denn jedes der beiden Geschlechter birgt
eine Hälfte menschlicher Eigenschaften in sich. Der Mann Kraft, Mut,
Wille, Entschluß, Edelmut, Ritterlichkeit; das Weib Milde, Sanftmut,
Mutterliebe, Gefühlstiefe; beide aber Treue, Schamhaftigkeit, Ehrgefühl.
Das eine Geschlecht sehnt sich nach dem andern, um zu gewinnen, was es
nicht hat, sich so zu ergänzen, zu vervollkommnen. Dieser tiefe
Lebenswille der Natur lebt in beiden, und der Fortpflanzung entsteigt
das Kind als eine höhere Entwicklungsstufe. Es ist auch wieder entweder
männlich oder weiblich, aber es trägt von beiden Eltern ein Teil in
sich. Ein gutes oder ein schlechtes, je nachdem, was das stärkere war.

In der Geschlechtlichkeit, in der Zeugung, erhebt sich der Mensch zur
höchsten Bedeutung. Er selbst wird ein Schöpfer, wird ein Neugestalter
des Lebens. Was Menschheit, Volk und Familie ihm gegeben haben: Leben,
Kraft, Gesundheit, Menschenwürde, das gibt er einem von ihm in Liebe
erzeugten Wesen wieder. Darin liegt ein Teil Unsterblichkeit.

Es gab eine Zeit, da erzählte man dir vom Storch, der die kleinen Kinder
bringe und sie aus dem Brunnen oder einem großen Teich hole. Ja, ja, aus
dem großen Meer der Schöpfung sind sie ja gekommen; aber es war nicht
jener Verlegenheitsstorch der Fabel, der sie brachte, sondern die Liebe,
die geschlechtliche Verbindung deiner Eltern, die den Werdekeim
entfachte. So wie die Natur für alles in unserem Tun ein bestimmtes
Organ, ein Körperglied mit einem besonderen Zweck, schuf, wie sie uns
zum Gehen Beine und Füße, zum Greifen Arme und Hände, zum Sehen die
Augen, zum Kauen die Zähne gab, so verlieh sie auch dem gewaltigen
Sehnen nach Liebe und Zeugung, das die Menschen in sich tragen,
bestimmte Organe, durch die der Wille der Natur und das Liebesgefühl der
Menschen einen körperlichen Ausdruck finden kann. Diese
Geschlechtsorgane sind bei Mann und Frau ganz verschieden. Sie liegen
teils außerhalb, teils innerhalb der Leibeshöhle, teils sind es
Brutstätten, Werkstätten für die Erzeugung der Keimzellen, teils Wege,
diese Keimzellen zum Ausstoßen und zur Vereinigung zu bringen. Beim
weiblichen Organismus liegen in der Leibeshöhle die sogenannten Ovarien,
die Eierstöcke, in denen während einer Fruchtbarkeitszeit von etwa 30
Jahren rund 400 Eichen (das ist allmonatlich eins) reifen und
ausgestoßen werden. Beim Manne wird der Samen in den beiden Hoden
bereitet, aber nicht nur 400 Samenzellen, sondern viele Millionen. Die
Geschlechtserregung nun, die den erwachsenen Menschen von Zeit zu Zeit
ergreift, läßt alle Empfindung in die Geschlechtsorgane strahlen. Alle
Wünsche schweigen. Alle Kräfte von Körper und Seele beugen sich dem
großen Zeugungswillen der Natur und konzentrieren sich im Zeugungsakt.
Die Geschlechtsorgane vereinigen sich, und die männlichen Samenzellen
werden ausgestoßen in die weiblichen Organe und suchen in großer Zahl
das weibliche Ei. Aber nur die stärkste Samenzelle, die die größte Kraft
und Lebensenergie hat, erreicht -- allen anderen voraus -- die Eizelle,
durchbohrt sie, und die Befruchtung ist geschehen. Jeder weiteren
Samenzelle ist dann der Eintritt verwehrt.

Hier sehen wir im kleinen und doch so gewaltig-großen Zeugungswunder,
daß das Leben sich immer nur aus der verhältnismäßig größten Kraft
aufbaut, daß darum der Stärkste und Beste das größte Recht auf Leben und
Zeugung besitzt. Der Kampf der Samenzelle um die Eizelle ist wie eine
Darstellung des menschlichen Lebenskampfes.

Obwohl das alles so natürlich, so groß und schön ist, hat man dir die
Wahrheit nicht sagen wollen, ist alle Welt mit der Geschichte vom
Storch, mit Unsicherheit und Verlegenheit, um dich herumgegangen. Warum?
wirst du fragen.

Das hat zweierlei Gründe, einen guten und einen schlimmen. Der gute
liegt in der Sache selbst. Das Geschlechtsempfinden gehört nicht dem
lauten Lärm des Alltags. Der feinfühlende Mensch wird das, was in
Schönheit und geheimnisvoller Spannung in seinem Innern aufkeimt, was
ihm das Herz zum Springen füllt, und was so viel Sehnsucht in ihm reifen
läßt, er wird das alles nicht mit nüchternem, lautem Wort in den Kreis
der alltäglichen Dinge ziehen. Dies Geschlechtsempfinden, das soviel
ganz Persönliches, soviel unaussprechlich Feines und Zartes in sich
birgt, wird dem feinfühligen Menschen sein Allerheiligstes sein, das er
der Welt und der Neugierde anderer verbirgt. Darum ist das
Geheimnisvolle im Geschlechtsleben eben gerade das Menschliche, die
ästhetische Verfeinerung eines im Anfang rohen und wilden Triebes. Diese
ästhetisch-geheimnisvolle Umschleierung ist unlösbar mit unserem
Glücksbestand verbunden; denn das Geschlechtliche, das zugleich Urgewalt
und feinste Kulturblüte ist, enthüllt so sehr das innerst Persönliche
eines Menschen, daß es sich nur schwer in Worte fassen läßt. Zwischen
starken Empfindungen und ruhig-erklärenden Worten liegt immer ein
Widerstreit. Darum rang man nach Worten, um dir die Wahrheit über das
Geschlechtliche zu sagen, und schließlich fand man die Worte nicht und
darum auch nicht den Mut.

Der andere und schlimmere Grund aber ist der, daß der Geschlechtstrieb
in der Allgemeinheit des Volkes überstark und krankhaft geworden ist und
sich nun dem Leben und der Persönlichkeit als etwas Feindseliges
entgegenstellt. Man fürchtet, ihn durch Belehrung zu wecken, und glaubt,
ihn durch Schweigen im Zaume zu halten. Das ist ein Irrtum.

Der große und manchmal so hoffnungslose und traurige Kampf mit dem
krankhaft gesteigerten Geschlechtstrieb brachte die tiefe Zweiteilung
von »Fleisch« und »Geist«. Die Sinnlichkeit wurde »Sünde« genannt. Und
sie ist doch nur Natur. Dieses feindselige Denken gegen die
Geschlechtlichkeit hat die Prüderei geboren, die ängstlich darüber
wacht, daß auch nicht eine Silbe über diese Dinge gesprochen werde, und
die doch weiß, daß viel Häßliches geschieht.

Es ist nicht gut, etwas, was in der Natur liegt, für unnatürlich und
»sündig« zu halten; denn damit geraten wir in Zweifel. Und wenn dieses
Etwas dann als ein starker Trieb in uns Menschen groß wird, das mit
unserem Wesen, unserem Charakter sich verbindet und zuzeiten uns ganz
allein auszufüllen scheint, so ist es richtiger, einen festen, klaren
Blick dem Geschlechtlichen gegenüber zu behalten, um es zu beherrschen
und zu bemeistern, nicht aber ängstlich, prüde und verlegen zu sein, den
Trieb für tierisch zu halten und dadurch von einem Konflikt in den
andern zu stürzen. Schließe dich nicht dieser unwahren,
lebensfeindlichen Denkart an, sondern erkenne im Geschlechtstrieb die
Quelle alles Empfindungslebens, erkenne ihn als die Grundmauer des
Lebens und die treibende Kraft aller Entwicklung. Sage nicht, daß er
tierisch und häßlich und sündig sei, sondern daß durch ihn der Mensch
erst wahrhaft Mensch wird, daß durch ihn der göttliche Wille des
Schöpfers in jeden einzelnen Menschen gelegt worden ist, und daß gerade
im Liebesgefühl und im Liebesleben der Reichtum der Menschennatur sich
entfaltet, so wie im Blütensegen des Frühlings die Natur in ihrer
Schöpferkraft jubelt.

Verstehe mich nicht falsch! Du sollst dem Geschlechtstrieb stark und
ehrlich und mutvoll gerade ins Auge sehen. Sollst ihn erkennen als das
Schöpfungswunder der Natur und als die in dich selbst gelegte
Schöpferkraft, mit der du dem Willen der Natur dienen sollst. Aber darum
darfst du nicht sagen: »Dieser Trieb ist mein Recht! Habt ihr prüde
jedes Wort von ihm vermieden, so ist er doch in mir emporgewachsen, und
nun lebt er in mir, und ich will und darf ihn betätigen.«

Schau um dich in der Natur! Auch die jungen Bäume treiben Blüten, aber
sie tragen noch keine Frucht. In der Natur herrscht ruhige und langsame
Entwicklung; denn nur die Ruhe ist Kraft. Alles vorschnell Entwickelte
trägt schon den Verfall in sich. Wenn im Geschlechtlichen das Leben sich
aufbaut, dann muß auch gerade das Geschlechtliche den Zerfall bringen,
wenn es dem Mißbrauch entgegentreibt.

~Das ist die große Wunde am Leben der Völker: der Geschlechtsmißbrauch!~
Daran sind sie zugrunde gegangen, die Kulturvölker des Altertums, und
das ist es, was heute noch die Völker zerstört: die Vergeudung der
Geschlechtskraft!

~Denn Geschlechtskraft ist Lebenskraft!~ Wer das eine verschwendet, der
zerstört das andere. Aus dem Geschlechtsmißbrauch kam die Degeneration
in die Völker. Die Geschlechtlichkeit, die der Kraft und dem Aufstieg
des Lebens dienen sollte, wurde dem Menschen zum Verhängnis, ja zum
Fluch. Die Sünden der Väter wurden heimgesucht an den Kindern bis ins
dritte und vierte Glied.

Von allen Lebewesen ist der Mensch das einzige, dessen Geschlechtstrieb
unter die Herrschaft der Vernunft gestellt wurde. Indes:

    »Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
    Um tierischer als jedes Tier zu sein!«

Gerade die ideale Verbindung des Körperlich-Sinnlichen mit der
Gesamtheit geistigen Lebens, eine Verbindung, die so viel Schönheit und
so viel Möglichkeiten kluger Beherrschung und sittlicher Gesetze in sich
birgt, ist verhängnisvoll geworden; denn das Geistige (Gedanke,
Empfindung, Vorstellung, Kunst) wird zum Einfallstor des Sinnlichen, und
bei gar zu vielen liegt die Vernunft in ewiger Fehde mit dem sinnlichen
Trieb.

Das ist es, was so viel schwüles Schweigen erzeugt: Die lüstern lockende
Geschlechtsempfindung im Innern, mit der man ringt, und das böse
Gewissen, die trübe Erinnerung an vieles, was nicht gut war.

Aber soll das weiter und immer so bleiben? Sollen wir ruhig
danebenstehen, wenn starke und mannhafte Geschlechter im
Geschlechtsirrtum ihre Kraft verlieren? Wenn wir sehen, daß junge
Menschen durch krankhafte Erregungen zur Erschöpfung getrieben werden?


6.

Die Verirrungen der Jugend.

Alle Welt kennt das große und traurige Geheimnis, das junge Menschen mit
sich herumtragen, das drückende Geheimnis der Geschlechtsverirrung, der
Onanie. Nur ganz wenigen ist der Sinn frei davon geblieben, und diese
kennen nicht den bitteren Kampf, den der sittliche Wille mit dem Triebe
führt, der sich quälend und entnervend im Körper und in den Sinnen breit
gemacht hat. Immer wieder rafft man allen Willen zusammen, immer wieder
bäumt sich der Stolz auf, und man sagt »Ich will nicht«, aber so oft ist
dieser Trieb der Stärkere. Es ist wie ein Ringen um die Oberherrschaft.
Je schwächer das Nervensystem und je nachgiebiger und schlaffer das
Denken, desto mehr reißt der sinnliche Trieb die Oberherrschaft an sich.

Ein offenes, freies Wort würde den Kampf mildern, ein Freund, ein
Vertrauter, dem man von sich in diesen Dingen sprechen kann, würde die
seelische Bedrücktheit verscheuchen und den Mut heben können. Aber alle
jungen Menschen sind ratlos, tragen ihr Geheimnis weiter mit sich herum
und -- verfallen weiter in der Einsamkeit dem wühlenden sinnlichen
Trieb.

Dies traurige Schauspiel muß vor allen Dingen der Einsamkeit und dem
Schweigen entrissen werden. Man muß darüber sprechen, deutlich und
ernsthaft, damit der Vergeudung der Lebenssäfte Hemmnisse in den Weg
gelegt werden, damit die geschwächten Körper wieder frischer und
gesunder, der Wille wieder zuversichtlicher, der Mut wieder froher und
das Auge wieder klarer wird. Es soll alles aus dem Leben heraus, worüber
man sich schämen muß.

Die Onanie tritt oft schon in sehr frühem Alter auf. Desto gefährlicher
ist sie. Dann handelt es sich aber um einen Organismus, der
wahrscheinlich erblich geschwächt ist, eine »nervöse Anlage« hat.

Solch ein geschwächter Organismus ist ungemein empfänglich für alles
Sinnliche. Worte, Bilder, die auf das Erotische Bezug haben, sind wie
ein Feuerfunken in einen Strohhaufen. Ja, wie mit einem schwülen Drang
wird aus allen Gesprächen, aus Bildern und Büchern das Geschlechtliche
hervorgesucht. Diese grüblerisch-ungesunde Art raubt dem Betreffenden
viel frischen Sinn für das Wirkliche, viel Arbeitskraft und
Lebensfreude. Immer lenkt das Geschlechtliche seinen Blick ab, und es
ist nicht jeder unter den jungen Menschen stark genug, sich frisch
loszureißen von der schwächlich-lüsternen Phantasiearbeit.

Gehirn und Zeugungsorgane scheinen sich da in einem schwächlichen und
verderblichen Reizabhängigkeitsverhältnis voneinander zu befinden. Und
oft ist es so, daß die Betreffenden von sinnlichen Bildern geradezu
verfolgt werden, daß sie harmlosen Worten eine sinnliche Bedeutung
geben, daß sie ein angeschautes Bildwerk oder eine Plastik zu sinnlichen
Vorstellungen gebrauchen, daß sich in die Lektüre, in das Studium, in
das Anhören eines Vortrages oder namentlich der Musik ein bestimmtes
erotisches Bild einschiebt, von dem sie nur schwer wieder loskommen.
Gewisse angeborene Neigungen, die sich am Gesicht oft erkennen lassen,
spielen hier eine Rolle. Das ganze Leben scheint da in die fieberhafte
Geschlechtserregung hineingezogen zu werden, und die Gefahr der
Selbstbefleckung rückt immer näher.

Nicht lange dauert es, dann kommt es zu Berührungen der
Geschlechtsteile, in denen diese Empfindungen sich konzentrieren. Durch
diese Berührungen und Bewegungen kommt es zum krampfhaften,
konvulsivischen Höhepunkt geschlechtlicher Erregung, und zum ersten Male
findet beim Knaben ein Verlust von Samenflüssigkeit, beim Mädchen eine
starke Absonderung gewisser Drüsen statt.

Warum hat dir bisher niemand die Gefahr gezeigt? Warum antwortete man
deiner stummen Frage nicht und gab dir Anlaß, dich mit deinen Bekannten
oder mit anderen insgeheim über diese Dinge zu besprechen? Und wie es so
oft vorkommt, kam's vielleicht da zur Verführung. Ältere Schulkameraden
oder häßlich denkende andere Menschen, Dienstboten, Arbeitsgenossen usw.
vergnügen sich oft damit, in den jüngeren den geschlechtlichen Sinn zu
wecken. Wenn's eine Strafe für sie gäbe, könnte sie nicht scharf genug
sein.

Gar zu viele wissen davon zu berichten, daß in der Jugend die
Dienstboten für sie die Lehrer dieser geheimen Fehler gewesen sind, und
sie fühlen es ganz genau, welch ein Maß von Kraft sie dabei eingebüßt
haben. Die besonderen Brutstätten dieser geheimen Verfehlungen aber sind
die Schulen. Und man sieht, wie das Übel sich in den Klassen forterbt,
wie es von einem frivolen Schüler, einer Schülerin, durch Verführung auf
die anderen übergehen kann. Ja, die jüngeren denken sich nicht einmal
was dabei, wenn die älteren sie dazu verleiten, an versteckten Orten mit
den Geschlechtsorganen zu spielen, bis dann der geweckte Trieb sich
schwer wieder eindämmen läßt und die Erregungen zur willkürlichen
Gewohnheit werden. Das trübe, schlaffe, verlegene Aussehen, der unreine
Teint vieler Kinder sollten Eltern und Lehrer darüber belehren, wie
dieses Übel der Selbstbefleckung gerade in den Schülerjahren und in den
Schulen ausgebreitet ist.

Hüte dich, mit deinesgleichen oder überhaupt mit anderen über das
Geschlechtliche zu sprechen, wenn du nicht weißt, daß sie dir
wohlwollen.

Und meide alle jene lüsternen, schmutzigen Unterhaltungen, die sich nur
um das Geschlechtliche bewegen. In Schulen, Internaten, Seminaren sind
die Gespräche der Schüler, wenn sie allein sind, oft von beschämender
und empörender Häßlichkeit, und man kann es kaum fassen, wie das
Schamgefühl so weit erstickt werden konnte. Die Lüsternheit verzerrt die
Mienen, und die Unsauberkeit des Denkens weicht oft nicht mehr von dem
Gesicht. Halte deine Phantasie rein von schmutzigen Vorstellungen, dein
Denken gesund! Weise die leichtsinnigen Zungen ernst und überlegen
zurück und stelle eine geistige Scheidewand zwischen dich und sie!
Beschäftige dich auch nicht mit sinnlich erregender Lektüre oder
lüsternen Bildern, die oft geheimnisvoll unter den Schülern und
Schülerinnen verbreitet werden.

Wenn Eltern wüßten, in welch eine sinnlich schwüle Atmosphäre sich
Kinder verirren, sie würden offenere Augen haben und die Gefahren
abzulenken suchen, ehe es zu spät ist.

Die Reue über das Falsche und Schädliche, was man getan, läßt die
Erinnerung daran wachbleiben.

Und es ist zu beobachten, daß wohl alle jungen Menschen Scham empfinden.
Die fröhliche Offenheit, mit der sie sonst alles Tun vollziehen, macht
vor ihren sinnlichen Fehlern halt; denn hier sagt schon ohne alle
äußerliche Belehrung der natürliche Instinkt, daß man Unrechtes tut, und
diese geheimnisvolle Triebverirrung sucht stets ein Versteck. Ja, das
Bewußtsein des Unrechttuns ist so lebendig, daß bei den jungen Menschen
oftmals das schlechte Gewissen sich in dem scheuen Blick kundgibt, der
nichts mehr hat von der reinen, unschuldigen Natürlichkeit eines
Kinderauges. Sie glauben sich beobachtet und in ihrem geheimen Treiben
erkannt und werden deshalb oft verwirrt und untauglich für
gesellschaftlichen Umgang. Sie lieben es, allein zu sein, zu grübeln,
weil sie mit der Geschlechtskraft zugleich jene antreibenden Kräfte
erschöpfen, welche einen jungen Menschen in das Leben hinaustreiben und
seine sozialen Fähigkeiten entwickeln.

So ist aus der Erschöpfung der in sozialer Hinsicht antreibend wirkenden
Geschlechtskraft durchaus jene geistige und gesellschaftliche Unfreiheit
zu erklären, die den richtigen Onanisten oft durch das ganze Leben
hindurch verfolgt. In gesunder Geschlechtskraft liegen die Wurzeln zu
sozialer Entwicklung. Der Verlust der Lebenssäfte untergräbt die
Energie, und das drückende Bewußtsein des geheimen geschlechtlichen
Unrechts prägt sich störend und hemmend der Persönlichkeit und dem
ganzen Auftreten der Betreffenden auf. Je fester aber diese einsame
Triebverirrung den jungen Menschen umklammert, desto schwerer wird es,
von der unsauberen Gewohnheit zu lassen.

Je häufiger ein menschlicher Trieb rein körperlich und losgelöst von
seinen geistigen Beziehungen betätigt wird, desto mehr sinkt er ins
Körperliche hinab und verliert seine geistige Beherrschung.

Immer wieder triumphiert der dumpfe, schwüle Geschlechtsdrang über den
sittlichen Willen, und jede Niederlage schwächt den Glauben an die
eigene sittliche Kraft, zumal jeder einzelne Akt der Onanie die
allgemeine Kraft verringert und die nervös-geschlechtliche Erregbarkeit
vermehrt. Dann sieht es oft verworren und trostlos im Innern solcher
Menschen aus. Und mancher hat schon vor mir gestanden mit tränendem Auge
und zuckendem Munde, weil die Scham über seine Schwäche ihm namenlose
Qual verursachte.

Der Onanist träumt sich selbst in die Gewalt der sinnlichen Empfindung
hinein und treibt dadurch jedesmal wieder seinem Fehler entgegen. Und
doch wäre es ratsamer, wenn er sich vorher jenen Zustand von Mattigkeit,
herabgesetzter Spannung, schwächerer Atmung und Herztätigkeit, Reue und
sittlichem Elend vorstellen wollte, der dem Samenverlust folgt. Dies
Bild wäre wohl imstande, seine sinnliche Erregung zu verdrängen.


7.

Die Folgen der sinnlichen Fehler.

Man muß die Gefahr in ihrem ganzen Umfange kennen, wenn man ihr
überlegen begegnen will. Darum will ich dir vorerst einmal sagen,
welchen Schaden diese krankhafte Erregung mit dem Samenverlust bringt.
Ich will nicht übertreiben; denn deine einsamen Verirrungen haben dir
Sorge und Angst genug gemacht. Und ich warne dich vor jenen albernen und
dummen Büchern, die dir das Gespenst eines schrecklichen körperlichen
und geistigen Verfalls vor die Augen malen. Gerade die übertriebenen
Schreckbilder haben schon viel Schaden angerichtet. Ich will die
Wahrheit über die Folgen nicht übertreiben; aber du sollst die Wahrheit
auch nicht fürchten. Also höre!

Die einmalige Onanie ist von einer starken Erregung begleitet, die alles
Leben rascher in dir antreibt. Die Pulse fiebern, das Gesicht rötet
sich, der ganze Körper ist angespannt und wird von dieser einen
verzehrenden Empfindung beherrscht. Es gibt aber ein Gesetz in der Natur
und im Organismus, daß jeder Kraftsteigerung ein Nachlassen der Kraft,
jeder Erregung eine Erschlaffung folgt. So auch hier. Und diese
Erschlaffung zeigt sich auch äußerlich, je mehr die Onanie sich
wiederholt, in blassem Aussehen oder bei gutem Aussehen in merkwürdiger
Unreinheit der Gesichtsfarbe, in dunklen Ringen unter den Augen, in dem
Erscheinen von Pickeln auf der Stirn, in schwitzenden Händen und oft in
gestörter Verdauung.

Es ist leicht einzusehen, daß ein Schaden, dem jugendlichen Organismus
zugefügt und in die Wachstumsjahre fallend, weit nachteiliger sein muß,
als wenn er in reiferem Alter einen festen und kräftigen Körper trifft.
Dies ist der Fall bei den sinnlichen Fehlern der Jugend, deren größte
Gefahr eben in der frühzeitigen, unbehinderten und häufigen Ausübung
liegt. Denn es gibt viele Knaben und Mädchen, die dem Übel der
Selbstbefleckung längere Zeit hindurch mehrmals am Tage verfallen.

Der Organismus zieht aber alle Reservekräfte heran, um dem Schaden zu
begegnen. Er überwindet ihn einmal, zweimal, zehnmal und noch öfter. Der
starke Erregungsvorgang setzt sich aber schließlich im ganzen
Nervensystem fest. Denn das Nervensystem ist dasjenige Organ, das alle
diese Vorgänge vermittelt. Die Erregung wird also bleibend, wird zu
einer besonderen Eigentümlichkeit des ganzen Menschen. Eine Zeitlang ist
das Leben dann von besonders kraftvollem Ausdruck, körperlich und
geistig herrscht Hochspannung. Das ist in den zwanziger Lebensjahren,
und viele meinen da, die Onanie habe ihnen nichts geschadet, weil sie
womöglich gut aussehen und keine Klage über mangelhafte Gesundheit zu
führen haben. Trotzdem sie vielleicht gerade noch in dieser Zeit
häufiger onanieren.

Aber gemach! Es ist immer oberflächlich, die Dinge nur so zu beurteilen,
wie sie im Augenblick erscheinen. Es gibt keinen festen Punkt in der
Natur und im Leben, alles ist ein Werden oder Vergehen. Nicht eine
Sekunde steht das Leben still.

Auch hier schreitet es weiter, aber nicht mehr aufwärts, sondern
abwärts. Es beginnt die Erschlaffung, der Kraftverlust.

Wie ist das zu erklären?

Kennst du ein elektrisches Element? Das ist ein Gefäß, das
verschiedenartige chemische Stoffe enthält, durch die der elektrische
Strom erzeugt wird, den dann der metallische Draht an seinen
Verbrauchsort leitet. So ist es mit der Kraft im Körper, der
Lebenskraft. Sie entsteht und wird frei in der chemischen Umwandlung des
Körperstoffes. Wir können also sagen, Lebenskraft sei tierische
Gewebselektrizität.

Speisest du mit den elektrischen Elementen etwa eine Klingelanlage oder
sonst einen elektrischen Betrieb, so bedeutet jeder Gebrauch eine
elektrische Entladung, also eine vorübergehende Erschöpfung der
Elemente. Das Element, also die Brutstätte des Kraftstromes, sammelt in
der Ruhe wieder die notwendige Kraft. Wird es aber überstark, ohne
genügende Zwischenpausen, also mißbräuchlich benutzt, so erschöpft sich
das Element vollkommen, wird also zerstört, unbrauchbar.

Genau so ist es im Körper, der auch ein Element, eine allgemeine
Brutstätte für Lebenskraft ist. Die in den Geweben erzeugte Elektrizität
wird als Kraft durch das Nervensystem allen Teilen des Körpers
zugeführt. Die Onanie bringt eine Steigerung der gesamten
Lebenstätigkeit, eine schnellere Entwicklung, etwa so wie man Pflanzen
durch die schwüle Treibhaushitze zu schnellerem Wachstum, aber auch zu
schnellerem Verblühen bringt. Infolgedessen wird zwar im Körper Kraft
verbraucht, aber auch rascher neu erzeugt, weil der junge, in der
aufsteigenden Entwicklung stehende Körper sich wie ein Akkumulator immer
wieder mit neu erzeugter Kraft ladet. Schließlich aber erschöpft sich
die Brutstätte und erschöpft sich das Krafthauptlager, als das wir das
zentrale Nervensystem -- Rückenmark und Gehirn -- erkennen.

Die Geschlechtsorgane sind eine Stätte für elektrische Entladungen. Und
sicher ist, daß beim normalen Zeugungsvorgang zwischen Mann und Weib
eine Stromübertragung stattfindet, die bei der Befruchtung und für
dieselbe eine große Rolle spielt. Mann und Weib sind Gegenpole, auch im
rein elektrischen Sinne aufgefaßt. Der Stromentladung folgt eine Ladung
von seiten des Gegenpols. Dem Kraftverlust folgt ein Zustrom an Kraft,
und dieser Vorgang fehlt bei der Onanie gänzlich. Sie ist nur und
ausschließlich Entladung, nur Kraftverlust. Und wenn auch der junge
Körper eine Zeitlang immer wieder den Ausgleich schafft, so vermag
doch -- namentlich wenn die Onanie zu häufig ausgeübt wird -- der
Körperakkumulator sich nicht wieder genügend und völlig zu laden. Der
Kraftstrom wird immer geringer. Die Kraft schwindet, und die chronische,
also dauernde Schwäche schleicht heran und breitet sich im ganzen
Organismus aus. Im Nervensystem zeigt sich dieser Zustand in der
Veränderung der Marksubstanz. Das Nervenmark verliert seine
Geschmeidigkeit und gleichmäßige Verteilung. Und weil es gewissermaßen
den Strahlpunkt und den Kernstoff des Lebens bildet, so kann man wohl
verstehen, daß das Leben selber, nun, wenn es seinen gar zu frühzeitigen
Höhepunkt überschritten hat, langsam zurückgeht.

Nun haben alle Tätigkeitsgruppen des Organismus im Gehirn und im
Rückenmark ihre ganz bestimmte Lagerung. Mit diesem Teile steht die
Atmung und die ganze Lungentätigkeit in Verbindung, mit jenem Teil das
Herz, mit einem dritten die Haut, und so fort.

Die Fortpflanzungstätigkeit hat zum großen Teil ihren Strahlpunkt im
mittleren (Kreuz-) Teil des Rückenmarks. An den Kreuzschmerzen nach
geschlechtlichen Ausschweifungen und bei Geschlechtskrankheiten ist das
sehr wohl zu erkennen. Der Grenzbezirk der Geschlechtlichkeit im
Rückenmark ist aber nur sehr schwer zu trennen von demjenigen der
Verdauungs- (Magen- und Darm-) Tätigkeit. Und diese Tatsache ist
einerseits sehr folgenschwer für den Geschlechtsmißbrauch, andrerseits
aber ein klarer Beweis für die Richtigkeit der von ~Dr. Damm~
aufgestellten Behauptung, daß der Geschlechtsmißbrauch weit mehr als
alle anderen Schäden als die Hauptursache der Degeneration, d. h. des
dauernden Kraftverlustes, anzusehen ist. Das gilt für den einzelnen
Menschen genau so wie für das ganze Volk.

In der Tat macht sich der Kraftverlust meist zuerst in Störungen der
Magen- und Darmtätigkeit bemerkbar. Und die geschwächte
Verdauungstätigkeit ist so bezeichnend für das Gesamtbild onanistischer
Folgen, daß wir außer der nervösen Schwächung durch den krankhaften
Geschlechtsreiz auch eine auf gleicher Ursache beruhende Verminderung
der inneren Ausscheidung annehmen müssen. Denn das Nervensystem bringt
alle Teile des Organismus zueinander in rege Beziehung, und wenn die
krankhafte Geschlechtserregung sich eine Zeitlang dem ganzen Körper
mitgeteilt hat, dann tritt in allen Teilen eine gewisse Erschöpfung ein.

Der Magen wird schwach und zeigt Reizbarkeit und eine Art von
Launenhaftigkeit, die sich in Merkwürdigkeiten des Appetits äußert.
Zeitweilig schwindet der Appetit, zeitweilig aber auch tritt er heftiger
hervor, und man vermag zu beobachten, daß mancher geschlechtlich
ausschweifende Mensch einen auffallend gesteigerten Appetit hat. Es
scheint dann, als wolle die Natur den Verlust wieder ersetzen. Aber da
durch eine Herabsetzung der inneren Absonderungen die aufbauende Kraft
vermindert ist, so kann die Nahrung nicht »anschlagen«. Trotz guter
Ernährung findet sich dann ein Gefühl der Schwäche, der Mattigkeit und
Erschöpfung ein, was oft durch das ganze fernere Leben hindurchgeht und
oft allein vom Magen seinen Ausgang nimmt.

Auch Darmstörungen, meist Trägheit und Verstopfung, sind bezeichnende
Folgen geschlechtlichen Mißbrauchs, und mancher Verdauungsneurastheniker
wird gestehen müssen, daß in oder nach den Jahren der Onanie seine
Verdauungsbeschwerden und seine Mattigkeit begannen.

Darunter leidet natürlich bald die Ernährung und der Neuaufbau des
Körpers, ebenso die Blutbildung und das gute Aussehen.

Die Herz- und Muskelkraft und das Muskelgewebe erleiden eine Einbuße,
und die Freudigkeit an der Körperarbeit, an Gymnastik, Sport und Spiel
läßt nach.

Es ist wohl zu verstehen, warum gerade ein Organ, wie das Herz, das an
allen Erregungen des Körpers und der Sinne direkten und unmittelbaren
Anteil nimmt, durch häufige und starke Geschlechtserregungen besonders
erschöpft werden muß. In der Tat treten oft schon nach den zwanziger
Jahren nervöse Herzbeschwerden auf, zunächst als beschleunigter, oft
ganz heftiger, beängstigender Herzschlag sich zeigend, während später
eine gewisse Herzschwäche sich einstellen kann.

Der verminderten Stoff- und Säfteumwandlung in den Geweben folgt auch
eine Verminderung der Wärmebildung, und leichtes und öfteres Frösteln,
Gefühl von Unbehaglichkeit, tritt auf. Kalte Hände und Füße, dazu beide
leicht schwitzend, stellen sich ein.

Die Hauttätigkeit kann gleichfalls erschlaffen; denn sie steht in
regsten Wechselbeziehungen zu den Nervenzentren und vor allem zu der
Geschlechtstätigkeit. Ebenso wie sie durch Rötung, Blutfülle, Schwitzen
usw. an den Geschlechtserregungen teilnimmt, wird sich die organische
Erschlaffung auch durch herabgesetzte Hautarbeit kennzeichnen. Es fehlt
der Haut die pralle, blutreiche Straffheit. Sie beteiligt sich nicht
mehr regsam genug am allgemeinen Stoffwechsel, verliert ihre Fähigkeit,
sich zusammenzuziehen und auszudehnen und dadurch der wechselnden
Witterung und plötzlichen Kälteeinflüssen sich anzupassen. Sie fröstelt
leicht, es bilden sich krankhafte Schweiße, und namentlich im Kreuzteil
des Rückens ist der Wechsel von heiß und kalt und jenes angstvolle
Schwächegefühl oft eine ständige Erscheinung. Die Unreinlichkeiten der
Haut, Pickel, Ausschläge, die schon während der jugendlichen Onanie so
bezeichnend sind, kann man bei den geschlechtlich erschlafften Menschen
oft im ganzen Leben beobachten. Das Haar verliert seinen Glanz und seine
Triebkraft, und bald beginnt es grau zu werden oder auszufallen. Daß wir
heute Kahlköpfe selbst unter den jungen Leuten sehen, ist kein
Ruhmeszeichen für unser deutsches Volk. Denn wenn schon die Jugend
Erscheinungen des Alters trägt, dann hat das Volk den Weg abwärts
beschritten.

Der Haarausfall hängt ganz sicherlich auch mit der Verminderung der
ausdünstenden Tätigkeit der Haut zusammen, deren Gleichmäßigkeit eine
notwendige Bedingung der Gesundheit ist. Der durch die erschlafften
Gewebe bewirkte unvollkommene Stoffwechsel stellt eine Vergiftung des
Körpers durch chemische und gasförmige Stoffe dar, die den Haarboden
zerstören. Ebenso bedeutet aber auch die krankhafte Schweißbildung, die
in den Folgen des geschlechtlichen Mißbrauches auftritt, eine nervöse
und Gewebserschlaffung.

Da nun das Leben und die mancherlei Berufe große Anforderungen an die
Nervenkraft stellen, denen der geschwächte Organismus nicht mehr gewachsen
ist, so sehen wir bald das Bild der Nervosität in all den trüben Farben,
die uns jeder Tag und sozusagen jeder Mensch zeigt. Schlaflosigkeit,
Unruhe, Zerfahrenheit, Zerstreutheit, Gedächtnisschwäche, Mangel an
Konzentration und Willenskraft, Melancholie und alle diese Feinde eines
gesunden, frischen Lebens stellen sich ein, die geistige Schwungkraft und
Arbeitsfreudigkeit der Jugendjahre schwinden. Die Denkkraft vermindert
sich, und der Kampf zwischen Wollen und Können endet oft in der bitteren
und verzweifelten Erkenntnis des Nichtmehrkönnens.

Wie viele sind es schon, die mir diesen beklagenswerten Zustand erzählt
haben, viele, die ganz genau wissen, wie geistig munter sie früher
waren, und welch ein geistiges Wrack sie nun geworden sind! Wie vielen
habe ich in dieser Lage schon Trost und Mut und Rat für eine
Lebensführung geben können, die den Körper wieder kräftigt[1].

Auch die Lungen und Bronchien leiden unter den erschöpfenden Erregungen
und dem Samenverlust. Ist die Lunge von Haus aus schwach, so kann sie
ernstlich erkranken. Ein durch sinnliche Fehler erschöpfter Organismus
ist ganz sicher ein besserer Angriffspunkt für die Tuberkulose, für
Lungenentzündung und für ungünstige klimatische Einflüsse als ein
vollsaftiger Organismus.

Die krankhaften Veränderungen des Seelenlebens, Gereiztheit,
Launenhaftigkeit, Übelnehmen, Einbildung, Trübseligkeit und dergleichen
machen den Menschen sich selbst und gegenseitig das Leben schwer.

Wenn wir dann diese Veränderung des Charakters und die Abschwächung des
Willens sorgfältig beobachtend verfolgen, so ist es durchaus einleuchtend,
daß bei einem so untergrabenen körperlichen und sittlichen Fundament
gewisse angeborene krankhafte Neigungen, wie Unverträglichkeit,
Gehässigkeit, Neid, Trägheit, ja selbst verbrecherische Triebe, eine
Steigerung erfahren können. Der Mensch und sein Leben sind nichts Fertiges
und Unveränderliches, sondern sind ein immerwährendes Werden, ein Etwas,
das sich aus Anlage und äußeren Einflüssen werdend ergibt. Sind die
körperlichen Grundlagen erschüttert und die sittlichen Hemmungen
geschwächt, so wird es einer krankhaften oder verbrecherischen Neigung
leichter gemacht, zu triumphieren. Das erscheint mir durchaus logisch und
bestätigt sich auch durch die Erfahrung. Überall hat die Onanie einer
schlechten Anlage Vorschub geleistet.

Und wenn dann dem großen Wollen und Wünschen im Leben sich Schwäche und
Krankheit in den Weg stellen, wenn die frühzeitige Erschlaffung sich
körperlich und geistig bemerkbar macht und der Organismus, den Blick auf
das Lebensziel gerichtet, auf halbem Wege zusammenbricht, dann zieht oft
trostlose Verzweiflung ins Gemüt. Reue und Selbstanklagen zermartern den
Sinn; denn es wurde ja vorzeitig im Leben die Kraft vergeudet, die all
dies große Wollen zur Tat werden lassen sollte.

Die Reizempfänglichkeit des Körpers wird mehr und mehr auf
geschlechtliche Eindrücke eingestellt, und er beantwortet schließlich
mit geschlechtlicher Erregung auch solche Reize, die keinerlei
geschlechtlichen Charakter tragen und an einem gesunden Organismus
spurlos vorübergehen. Diese häufige Geschlechtserregung halten viele in
einem bedauerlichen Wahn für Kraft. Sie ist aber meist das Gegenteil,
ist nervöse Schwäche.

Diese häufigen Erschütterungen von Rückenmark und Gehirn, an denen alle
Organe, Herz, Lungen, Magen, Leber, Haut usw. teilnehmen, können
schließlich jene äußerste Schwächung des Nervensystems im Gefolge haben,
die wir als Neurasthenie kennen, und die mit ihren Erscheinungen endlich
auch in das geschlechtliche Leben hineinragt, weil sie die
geschlechtliche Kraft zu vermindern und mancherlei Störungen
hervorzurufen vermag.

Von diesen Störungen erwähne ich vor allem die Pollutionen, jene
nächtlichen Samenergüsse, die als Zeichen der Lendenmarksschwäche
häufiger auftreten. Sie werden ausgelöst durch viele äußere und innere
Reize, die an sich ganz unbedeutend sein können und beim Gesunden auch
tatsächlich keinen Eindruck machen. Hier aber wird der Schlaf sehr durch
wollüstige Träume gestört, und Samenergüsse vermehren die allgemeine
Mattigkeit und das Gefühl des körperlichen Elends.

Der durch die sinnlichen Verirrungen bewirkten krankhaften
Geschlechtserregung folgt fast mit Sicherheit im späteren Leben ein
frühzeitiges Sinken der Geschlechtskraft. Und dieser disharmonische,
unnatürliche Zustand, der das ganze Volk durchzieht, raubt den Menschen
viel Liebesglück und Daseinsfreude und den Ehen sehr viel, oft alles,
von der inneren Poesie.

Bei der ausgedehnten und sehr feinen Durchnervung des gesamten
Geschlechtssystems muß ja das Nervensystem unter geschlechtlichen
Fehlern am meisten leiden. Das macht sich in der oft so grenzenlos
matten und verzweifelten Stimmung bemerkbar, in ihrer raschen
Wandelbarkeit und Sprunghaftigkeit, sowie in einer Reizbarkeit oder
Abgestumpftheit der Sinne. Namentlich Augen und Ohren leiden. Denn
während einerseits Sehschwäche, und zwar Kurzsichtigkeit, ganz
sicherlich in vielen Fällen auf heftige Onanie zurückzuführen ist,
finden wir andrerseits das Ohrensausen als ein ganz außerordentlich
verbreitetes Zeichen nervöser Störungen. Auch der Geschmack leidet und
richtet sich darum oftmals auf ganz merkwürdige Dinge. Vor allem ist oft
das Sättigungsgefühl verloren, und dadurch kommt es zu überstarker
Nahrungsaufnahme.

Nicht jeden trifft's so schwer. Und wen die Vererbung mit großer Kraft
bedachte, der vermag noch Leistungsfähigkeit ins spätere Leben
hinüberzuretten. Aber doch sollte niemand die Gefahr verkennen und mit
leichtem Sinn und scherzendem Wort über diesen tiefinneren Zusammenhang
zwischen Geschlechtskraft und Lebensaufbau, zwischen Geschlechtsmißbrauch
und Lebenszerfall hinweggehen.

Wer nicht direkt und unmittelbar den Schaden der Kraftvergeudung
verspürt, der darf darum nicht sagen, es habe ihm gar nichts geschadet.
Denn in den Gesetzen des Nervenlebens liegt es, daß die feindseligen
Reize zunächst eine Kraftsteigerung bringen, der aber früher oder später
das Niedergehen der Kraft folgt. Der Kräftige hat freilich mehr
Widerstand als der Schwächling, aber wohl jeder wird an einen Zeitpunkt
gelangen, wo mit einem Male seine Widerstandskraft gegen Arbeit, Unruhe,
Klima und Temperatur, schwerere Speisen, Ärger und dergleichen geringer
wird und er mehr oder weniger klar empfindet, wie eng das mit der
Kraftverschleuderung in den Jugendjahren zusammenhängt.

Das Geschlechtsproblem löst sich nicht allein in der Zeugung und
Fortpflanzung. Nach außen zwar läßt die Geschlechterliebe in der Tiefe
der Leidenschaft ein neues Menschenleben entstehen. Aber ich wies schon
darauf hin, daß in ihrer inneren Wirkung die Geschlechtlichkeit sowohl
den männlichen wie den weiblichen Charakter ausgestaltet. Werden die
Organe, in denen der Zeugungsstoff entsteht, also beim Manne die Hoden
(Samenbereiter), auf operativem Wege entfernt, wie es bei der Entmannung
in den morgenländischen Völkern und teilweise auch bei abendländischen
geschah und geschieht, so sehen wir von derselben Stunde an eine völlig
andere Entwicklung des betreffenden Individuums. Es entsteht ein von
Grund aus anderer Charakter, der etwas Rückschrittliches,
Unentwickeltes, darstellt und teilweise unangenehme Züge aufweist.

Hier haben wir einen glänzenden Beweis für die entscheidende Bedeutung
des Geschlechtlichen im Menschenleben. Und wir erkennen, daß der
Geschlechtsmißbrauch auch eine Art Entmannung ist; denn er ist Verlust
der Kraft auf andere Weise.

Die Wissenschaft hat den hochwichtigen Beweis erbracht, daß der Körper
in seinem Innern außer den Keimzellen in den Keimdrüsen noch durch
einige andere Drüsen, die an der Entstehung des Geschlechtsempfindens
mitbeteiligt sind, einen chemischen Stoff erzeugt, der im ganzen Körper
anregend und belebend wirkt. Darum verstehen wir, warum die aufkeimende
Liebesempfindung des einen Menschen zum andern so wunderbar fördernd auf
ihn selber wirkt. Darum eben erkennen wir in dem Liebes- und
Geschlechtsempfinden die Quelle alles Empfindens, alles Denkens und
aller Kraft überhaupt. Es ist der geheimnisvolle Urquell all der
wunderbaren Spannung, die die Jugend vor dem Alter auszeichnet. Gerade
darum aber wirst du auch verstehen, warum diese jugendliche Spannung,
diese Kraft und Frische, dieser schnell erfassende Geist, dieser rasche
Entschluß, dieser feste Wille, dieser Reichtum des Empfindens, warum das
alles schwinden und der trübseligen Schwäche Platz machen muß, wenn in
der häufigen Onanie die Zeugungskeime verschwendet werden und jenem
wunderbaren chemischen Lebensstoff der Weg zu seiner Wirksamkeit verlegt
wird.

Von allen Seiten türmen sich Gründe auf, aus denen du selbst den Schluß
ziehen kannst, daß die geschlechtliche Reinheit, das Freisein von
geschlechtlicher Ausschweifung, die wichtigste Entwicklungsfrage deiner
Jugend ist.


8.

Die Hoffnung auf neue Kraft.

Glaube nicht, daß ich in irgendeinem Punkte übertrieben habe, oder daß
ich nur deshalb übertrieb, um dich von falschem Tun abzuschrecken. Und
wenn du schon ein Opfer krankhafter geschlechtlicher Erregungen wurdest,
so möchte ich nicht, daß meine Worte in dir Verstörung, Angst und
Verzweiflung erregen. Das, was geschah, war nicht gut, war schädlich.
Gewiß! Aber laß es dich nicht niederdrücken! Trage nicht die Ketten
trüber Erinnerungen mit dir herum, sondern schau auf die nächste
Zukunft. Wir Menschen irren viel. Und wenn's geschah, soll die
Erkenntnis niemanden niederdrücken, sondern Mut und Entschluß geben zu
einem kraftvolleren, gesunderen Leben. Der Wille zum Guten muß vorhanden
sein, der rasche, frische Wille. Laß dich das Bild der Folgen nicht
niederdrücken, aber laß es dir den energischen Entschluß geben, von
heute ab den ruhigen, verständigen Kampf gegen die einsame Verirrung
aufzunehmen.

Zähme deine Ungeduld und lasse nicht erneute Trostlosigkeit einziehen,
wenn die Schäden der Verirrungen nicht gleich verschwinden. Es braucht
dazu oft viel Zeit und viel Geduld. Nicht jeder kehrt wieder zur
ursprünglichen Kraft zurück. Wenn's auch bei dir so ist, so wisse, daß
dein Leben sich den krankhaft veränderten Verhältnissen in deinem
Organismus anpassen muß. Verringerte Kraft bedingt ein weniger
ergiebiges Leben. Dies alles, also die Grundlagen deiner zukünftigen
Lebensweise, lernst du kennen aus _Dr._ ~Alfred Damms~ Reizlehre, und du
kannst sie aufmerksam studieren in meinem Buche »Der nervöse Mensch«.[2]

Lasse dich nicht täuschen durch die Anpreisung von Heilmitteln und von
Stoffen, die entweder nur vorübergehend als Reiz wirken und Gesundung
vorspiegeln oder aber einige Erscheinungen unterdrücken und dadurch zu
einem weniger sorgfältigen Leben Anlaß geben, während doch zugleich die
Schwäche weiter und geheimnisvoller sich im Körper einnistet. Viele
solcher Mittel und Medikamente erhöhen nur den Geschlechtstrieb. Aber es
folgt später eine um so tiefere Erschlaffung. Die Gesundung und
Kräftigung kann immer nur aus dem Organismus selbst kommen, aus seinem
verbesserten und vorsichtig überwachten Lebensbetrieb. Das ist ein zwar
langer und langsamer Weg, aber einer, der sicher zum Ziele führt.
Versuche nur niemals durch Reizmittel und starke Antriebe irgendwelcher
Art deine Schwäche zu überwinden. Denn oft liegt gerade in dem Gefühl
der Schwäche ein Bestreben des Körpers, Herr zu werden über einen
krankhaften Vorgang, einen Überreiz zu beseitigen, eine besondere
Anpassung oder Absonderung zu bewirken. Aus jenem obengenannten Buche
über das Nervenleben wirst du erkennen, daß der Organismus ein
einheitliches Getriebe ist, und daß alle günstigen oder ungünstigen
Einflüsse nicht nur ein einzelnes Organ, sondern das ganze System
treffen. So kann also die Kräftigung nur eine allgemeine organische,
langsame, aber umfassende sein.


9.

Die Kräftigung nach jugendlichen Verirrungen. Die Bekämpfung krankhafter
Sinnlichkeit.

Was soll ich nun tun, um mich wieder zu kräftigen? Und wie werde ich des
Triebes Herr, der mich quält und unruhig mir im Fleisch sitzt? --

Diese Frage liegt dir auf den Lippen, und ich höre sie von Tausenden
deiner Altersgenossen. Auch darüber wollen wir sprechen.

Der Trieb kommt aus dem Fleische, aus dem chemisch-physikalischen
Getriebe des Körpers, und darum ist es wohl ein Gebot der Klugheit, ihm
zunächst mit den Waffen der körperlichen Pflege und der gesundheitlichen
Zucht beizukommen.

Das wird nicht von allen Seiten anerkannt, und es gibt Leute, die viele
Worte machen und dicke Bücher schreiben, und entweder an der Onanie und
den einsamen Leiden junger Menschen mit ein paar Worten vorbeigehen oder
aber das Körperliche dabei kaum beachten. Ich will diesen Leuten keinen
Vorwurf machen, so sehr der Ernst der Sache es rechtfertigen würde. Aber
ich sage es, um dich ganz besonders auf die körperliche Entstehung des
Geschlechtstriebes und damit auf die körperlichen Heilungsmöglichkeiten
der Onanie hinzuweisen.

Pflege deinen Körper! Halte dich gesund und frisch und straff! Ich sagte
dir schon, daß ein geschwächtes und darum reizbares Nervensystem den
sinnlichen Anreizen, die von überall herkommen, und die man nicht alle
abwehren kann, keinen Widerstand entgegenzusetzen vermag. Es erliegt der
geschlechtlichen Erregung. Der gesunde Körper, der Mark und Saft hat,
bleibt eher im Gleichgewicht. Alles Gesunde ist in sich ruhig.

Was gehört zur gesunden Lebensführung?

Nichts weiter, als die einfache Befolgung der Naturgesetze, die sich für
den Menschen aus der vergleichenden Naturbeobachtung ergeben. Ein
gesunder Gebrauch der Kräfte und Organe, damit sie in ruhiger,
gleichmäßiger Anstrengung erstarken.

Aus Atmung, Ernährung, Muskelarbeit und Ausscheidung setzt sich das
körperliche Leben zusammen.

Atme planmäßig, tief und ergiebig. Besser, als du es bisher getan, und
gründlicher, als es die meisten Menschen tun. Atmung ist Leben. Die
Atmung ist die dynamische, das heißt die Antriebskraft für den ganzen
Organismus. Von hier aus gehen die feinen Schwingungen, die überall die
Organe zur Tätigkeit anregen. Der Atem ist Stoffwechsel. Denn wir
entnehmen der Luft den belebenden Sauerstoff, das Brennmaterial des
Lebens, und befreien im Ausatmen den Körper von der giftigen
Kohlensäure. Die Kohlensäure ist ein lähmendes Gift, das, wenn es
zurückgehalten wird, den Körper erschlafft, den Aufbau in den Geweben
hemmt, den Geist träge macht und durch all dies der Geschlechtserregung
die Tore öffnet. Tiefes Atmen, namentlich energisches Ausatmen, befreit
den Körper von der Kohlensäure.

Darum atme grundsätzlich dreimal jeden Tag etwa 10 bis 15 Minuten lang
tief und ergiebig ein und aus. Etwa morgens gleich nach dem Erwachen,
mittags vor dem Essen und abends vor dem Schlafengehen. Nimm dabei eine
aufrechte Haltung mit zurückgebogenen Schultern an, und wenn du glaubst,
gut ausgeatmet zu haben, dann versuche zum Schlusse noch -- ohne neuen
Atem zu nehmen -- den Buchstaben _e_ langsam singend herauszupressen,
solange du kannst, dann wird der letzte Rest verbrauchter Luft aus der
Lunge entfernt sein, und du kannst die wundersame Saugkraft deiner
Lungen wieder in einem nun um so tieferen Atemzug bewundern.

Du wirst mir für diesen Rat dankbar sein, wenn du erkennst, welche
Wunder solch ein tiefes, planmäßiges und vor allen Dingen tägliches
Atmen an Körper und Geist zuwege bringt.

Die zweite -- und sicherlich die wichtigste -- Forderung liegt in der
Ernährung.

Die Nahrung soll den Körper aufbauen, ihm seine Wohlgestalt und die
Kraft zur Arbeit geben.

Als die erzeugende Substanz der Kraft gilt das Eiweiß. Und weil davon
das Fleisch besonders viel enthält, so ist seit langem in der
Wissenschaft, und von da aus in den allgemeinen Anschauungen, der Satz
feststehend, daß Fleisch = Kraft sei. Die praktische Folge davon ist,
daß alle Welt gern und viel Fleisch ißt. Je mehr das Volk in seiner
Gesamtheit degeneriert, desto mehr sucht es durch Fleischnahrung seiner
sinkenden Kraft aufzuhelfen.

Das ist verständlich, so groß auch wohl der Irrtum ist. Und die
Vegetarier, das sind die ohne Fleisch und nur von Pflanzenkost lebenden
Menschen, haben durch glänzende Siege bei sportlichen und gymnastischen
Veranstaltungen längst jenen alten Satz der Medizin widerlegt. Unter den
Siegern bei solchen Veranstaltungen sind die meisten Vegetarier.

Jedes Nahrungsmittel hat seine ganz bestimmte chemische Zusammensetzung,
und jeder von diesen chemischen Stoffen hat eine besondere Wirkung auf
den Körper und damit auch auf den Geist. Sie können nun so wirken, daß
sie die Blutbeschaffenheit beeinflussen, oder so, daß sie direkt das
Nervensystem erregen, und schließlich so, daß sie bei der Ausscheidung
ihrer Stoffwechselreste durch die Nieren ~reflektorisch~ erregen, d. h.
erst die Schleimhäute der Harnwege und von diesen aus die
Geschlechtsnerven erregen. In jedem Falle kann ein erregender Einfluß
auf die Geschlechtsempfindungen zustande kommen, und das können wir vom
Fleisch mit Bestimmtheit behaupten.

Es wäre mit dem Fleisch nicht gar so schlimm, wenn man nicht zwei
Übelstände nebeneinander sich ausbreiten sähe. Die Grenzlinie für eine
normale, ausreichende Ernährung hat sich längst verschoben, und die
Menge dessen, was viele Menschen essen, geht weit über das Maß des für
sie Zuträglichen hinaus. Namentlich wird zu viel Fleisch gegessen.
Andererseits fehlt aber das für eine solch starke Nahrungsmenge
notwendige Maß von Bewegung, zumal Fleischnahrung an und für sich träge
macht. So kommt also eine schädliche Wechselwirkung zustande.

Die Pflanzenkost verlangt wegen ihres größeren Darmballastes mehr
körperliches Bewegen; aber sie befähigt dazu auch in weit höherem Maße,
denn Pflanzenkost macht den Körper frischer und beweglicher, den Geist
und den Willen frischer und mobiler. Pflanzenkost hält auch die
Darmtätigkeit rege, während starke Fleischnahrung nach einiger Zeit
Darmträgheit, also Verstopfung, im Gefolge hat. Dadurch entstehen
giftige Gase, die die Gewebe durchdringen und reizend und erregend auf
die Geschlechtsnerven einwirken. Das tut ja nun das Fleisch schon an und
für sich, und zwar durch Stoffe, die ohnehin in ihm enthalten sind, und
durch andere Stoffe, die durch den Vorgang des Schlachtens oder
denjenigen des Jagens in dem getöteten Tier erzeugt worden sind, und die
man schlechthin als »Angststoffe« bezeichnen kann. Das Vorhandensein und
die Wirkung dieser Angststoffe ist durchaus keine Phantasie, sondern
eine durch nichts hinwegzudisputierende Tatsache. Jedem geistigen
Vorgang geht ein bestimmter Stoffwechselvorgang parallel. Spritzt man
den Angstschweiß eines gejagten Tieres einem anderen ins Blut, so kann
dasselbe sterben. Ja, das geängstete Tier kann ebenso wie der geängstete
Mensch am Herzschlag sterben. Das ist nur und ausschließlich die Wirkung
der freigewordenen giftigen Angststoffe.

Es ist verständlich, daß diese im Fleisch enthaltenen, durch das Töten
vermehrten Stoffe auch auf den Menschen ihre reizende und erregende
Wirkung entfalten. Dieser Reiz ist, weil widernatürlich, ein Überreiz,
und er wirkt überall da am stärksten, wo die Widerstandsfähigkeit am
geringsten ist. Wer zur Trägheit neigt, wird durch das Fleisch noch
träger, wer jähzornig ist, wird durch das Fleisch noch mehr gereizt, und
so wird durch das Fleisch auch die geschlechtliche Reizbarkeit
gesteigert und die Onanie gefördert. Der Fleischgenuß soll also auf das
geringstmögliche Maß herabgesetzt oder ganz ausgeschaltet werden.

Es ist recht interessant, daß Kinder, die frühzeitig lebhaft nach
Fleisch verlangen, zu frühzeitigem geistigem und körperlichem Verfall
neigen, während andererseits Kinder, die sich dem Fleisch widersetzen,
eine kräftigere, ruhigere, überhaupt normalere Entwicklung nehmen.

Besonderer Gunst erfreut sich ja das Wildbret (Hasen-, Rehbraten
u. dergl.). Und doch ist gerade von unserem Gegenstand aus vor dem
Fleisch des Wildes zu warnen. Denn abgesehen davon, daß das Wild vor dem
Tode gehetzt wurde, läßt man es meist vor der Zubereitung noch tage-, ja
wochenlang (drei Wochen!) »abhängen«, um einen bestimmten Geschmack zu
erzeugen, den man »_haut goût_« nennt. Dieser Geschmack ist aber nur die
Folge eines Zerfall- (Verwesungs-) Vorganges, der bestimmte
Zerfallsstoffe freiwerden läßt, deren Geruch und Geschmack dem
unverdorbenen Menschen höchst widerlich sind, deren aufreizende Wirkung
auf den Organismus jedenfalls sehr stark ist und nicht in Frage gestellt
werden kann. Denn ausgesprochenermaßen ist das ja der Zweck des
Wildbretgenusses.

Noch vorsichtiger sollen alle diejenigen, die unter geschlechtlichen
Anfechtungen leiden, mit dem Genuß von Wurst sein. Abgesehen davon, daß
sie ein recht teures und an Nährwert dem Preise durchaus nicht
entsprechendes Nahrungsmittel ist, wird einigen und gerade den besseren
Sorten recht viel Gewürz (Pfeffer, Salz usw.) beigemengt, dessen Wirkung
auf die Geschlechtserregung durch alltägliche Beobachtung bewiesen wird.

Viel Aufhebens wird ja in der Ernährung des Volkes von Fleischbrühe und
Fleischextrakt gemacht. Erstens herrscht darin die gedankenlose
Überlieferung und zweitens die suggestive Macht der ungeheuren Reklame,
die für künstliche Fleischextrakte gemacht wird. Es muß gesagt werden,
daß der Gehalt an eigentlichen Nährstoffen bei der Fleischbrühe nur
sehr, sehr gering ist, und man die anregende Wirkung nur jenen
Auszugsstoffen zuschreiben muß, über deren reizende und erregende Rolle
wir schon sprachen. Wenn die Fleischbrühe hier und da im medizinischen
Sinne als Reizmittel Verwendung findet, so hat das seine Gründe. Als
Nahrung aber ist die »Bouillon« nicht das, was man von ihr hält. Sie
gehört mit zu jenen inneren Geschlechtsreizen, die um so gefährlicher
werden, je weniger man sie in ihrem Wesen kennt, je häufiger und
gedankenloser man sie also verwendet. Wer über seine Sinne wachen muß,
der darf sich nicht am guten Willen genügen lassen, sondern muß jene oft
handgreiflichen Triebkräfte seiner sinnlichen Erregbarkeit abstellen,
damit nicht der Geist den Kampf gegen das -- »Fleisch« im doppelten
Sinne zu führen hat.

Auch andere Nahrungsmittel gibt es, die in diesem Sinne keineswegs
unbedenklich sind. Ich nenne vor allem die Eier. Sie scheinen die
Samenerzeugung zu steigern, haben aber besonders eine Wirkung auf den
Blutdruck. Hoher Blutdruck drängt gewissermaßen zur geschlechtlichen
Entspannung, durch die er herabgesetzt wird, weshalb alles, was ihn
steigert, vermieden werden sollte. Das chemische Medium dabei sind die
Alkaloide, die als »Harnsäure« eine nach verschiedenen Richtungen hin
krankmachende Wirkung entfalten. Sie sind aber auch im Kaffee und im Tee
enthalten, weshalb diese Getränke jedenfalls nicht gewohnheitsmäßig und
nicht in starkem Aufguß genossen werden sollten. Ein schwacher Tee ist
weitaus besser als der übliche Kaffee, der bei den meisten Menschen ganz
bedenklich die Magenarbeit stört, die Nerven erregt und bei jungen
Menschen recht geeignet ist, sinnliche Bilder in die Phantasie
hineinzuspiegeln.

Gewürze sind über ein gewisses Maß hinaus zu verwerfen. Denn als
Fremdstoff üben sie eine reizende Wirkung auf die Geschlechtsnerven aus.
Werden die Nahrungsmittel, besonders die Salate und Gemüse, richtig
zubereitet, so verlangen sie nicht einmal so viele Gewürze, aber gerade
weil man in der Ernährung den Boden des Einfach-Notwendigen verlassen
und sich oft zur sogenannten »Delikatesse«, zur Feinschmeckerei, zur
Raffiniertheit verstiegen hat, hat man den Geschmack an einfachen und
natürlichen Nahrungsmitteln verloren und das Nervensystem in einen
beständigen Aufruhr, in eine »Süchtigkeit« versetzt, die heftig das
verlangt, an das es gewöhnt wurde, wenn es auch falsch war. An diesem
Aufruhr ist das Geschlechtsempfinden beteiligt. Es wird aus der gesunden
Ruhe aufgescheucht, zu krankhafter Erregung getrieben, und es wäre recht
gut und förderlich, wenn alle die jungen Menschen, die in heißem Ringen
um ihre sittliche Würde immer wieder der geschlechtlichen Anfechtung
verfallen, ganz sorgfältig die Nahrung prüfen würden, damit die inneren
Geschlechtsreize unterbunden werden, bevor man den sittlichen Willen in
den Kampf schickt.

Man darf behaupten, daß eine vegetarische Diät weit mehr den natürlichen
Lebensgesetzen des menschlichen Organismus angepaßt und darum nach jeder
Richtung hin geeignet ist, Unruhe und Krankheit aus dem Körper zu
beseitigen und normale, ruhige, gesunde Verhältnisse wiederherzustellen.
Dem menschlichen Geschlechtsleben ist der starke Fleischgenuß
verderblich gewesen, und eine Rückkehr zu einfacher Pflanzennahrung wird
wieder gesunde Ruhe und ruhige Kraft bringen.

Kennst du so die gefährliche Wirkung der mit der Nahrung eingeführten
Reizstoffe, so mußt du auch daran denken, daß die Resterzeugnisse des
Verdauungs-, Assimilations- und Stoffwechselvorganges gerade wegen ihres
Zerfallscharakters auch nichts anderes als schädliche Reizstoffe sind.
Sie müssen den Körper sobald wie möglich verlassen. Nur dann, wenn es
geschieht, kann man von einem gesunden Stoffwechsel sprechen. Es
geschieht aber nicht immer, und die Zahl der Menschen ist Legion, die an
Darmträgheit oder Verstopfung leiden.

Über die Ursachen dieses Übels sprachen wir schon. Zu viel Fleischkost
und zu wenig Bewegung, also nervöse und Muskelerschlaffung. Später wird
die Darmerschlaffung eine Folge des geschlechtlichen Mißbrauches in der
Jugend. Mit diesen Ursachen kennen wir zugleich auch die Mittel zur
Beseitigung. Notwendig ist diese; denn der gefüllte Darm übt rein
mechanisch einen Druck aus, der sich in Geschlechtserregung auslöst.
Grobes Brot (Schrot-, Graham-, Simons- oder Molkenbrot), Gemüse, Salate
und reichlich Obst führen in den meisten Fällen eine gute Darmtätigkeit
herbei.

Auch die gefüllte Blase steigert auf reflektorischem Wege den
Geschlechtsreiz, und namentlich junge Männer haben am Morgen beim
Erwachen meist Gliederregungen, die mit dem Harndrang zusammenhängen.
Ist die Harnblase entleert, so ist meist auch die Erregung verschwunden.
Im Hinblick darauf sollten junge Männer es vermeiden, am Abend viel zu
trinken. Das Trinken ist ja schon an sich sinnlos, aber für die
Zurückdrängung der Sinnlichkeit besonders zu beachten.

Den alkoholischen Getränken gegenüber entschließest du dich am besten zu
vollkommener Enthaltsamkeit. Bier, Wein, Schnaps, Liköre und dergleichen
haben keinen Wert als Nahrungsmittel und werden darin von den
allereinfachsten Dingen wie Milch, Brot, Käse, Obst und Obstsäften
übertroffen. Als Reizmittel aber sind sie dem Nervensystem verderblich,
dem Geschlechtstrieb gefährlich, und darum ist es sinnlos, sie zu
trinken. Im Kampf mit dem Geschlechtstrieb muß man solche gefährlichen
Gegner, wie den Alkohol, zu allererst verscheuchen.

Ich will an dieser Stelle einiges über das Bett sagen; denn auf sein
Schuldkonto ist manches von den sinnlichen Verirrungen zu setzen. Mit
zunehmender Kultur wurden Unter- und Oberbett und auch die Kissen immer
weicher, schmiegsamer. Dadurch wird die Berührung dieser Dinge mit dem
Körper inniger, und das ist angesichts der großen Empfindsamkeit der
äußeren Nerven nicht unbedenklich. Es entsteht unter den Federbetten
eine Wärmestauung, und Wärme steigert überall das Empfinden. Wenn nun
aus gesteigerter Wärme und äußeren Tastreizen sinnliche Träume
entstehen, so geschieht es leicht, daß die Hände die geschlechtlichen
Organe berühren und eine Geschlechtserregung unbewußt im Schlafe oder
auch bewußt herbeiführen. Mancher junge Mensch wacht plötzlich vom
Schlafe auf in einem Augenblicke, wo der onanistische Akt ganz oder
teilweise vollführt ist.

Diese Gefahr ist ganz besonders groß morgens kurz vor oder nach dem
Erwachen, wo die gefüllte Harnblase eine Erregung verursacht und die
Bettwärme sinnliche Bilder entstehen läßt. Am Morgen ist namentlich bei
nervösen oder sonstwie leidenden Menschen die allgemeine Kraft und
besonders die Willenskraft noch gering. Beide wachsen erst an den
Arbeitspflichten des Tages. In dem Träumen und Hindämmern im Bett nach
dem Erwachen liegt etwas riesig Gefährliches, und es hat wohl schon
ungezählte Tausende von jungen Menschen ihrem guten Vorsatz entfremdet.

Es gilt hier, wie in so vielen Gefahren des Lebens, der Satz.
»_Principiis obsta_«. Widerstehe dem Anfang! Wenn du erwachst, so erhebe
dich mit einem mannhaften Entschluß! Stehe frisch entschlossen auf,
kleide dich an, bewege dich und beginne zu arbeiten. Gib dich nicht eine
Sekunde dem sinnlichen Hindämmern hin. Es ist immer ein Ringen zwischen
Trieb und Wille. Je mehr du den sinnlichen Trieb träumend ansteigen
lässest, desto schwächer wird dein Wille, bis er schließlich ganz
unterliegt. Mache es dir vor allem zum ~eisernen Grundsatz~, die
Geschlechtsorgane nur dann zu berühren, wenn die Notdurft des Leibes es
verlangt, ~sonst unter keinen Umständen~. Jenes Spielen, das die
angenehme leichte Erregung herbeiführt, ist wie ein Zunder in einem
Explosionsstoff. Du willst nicht die Explosion, aber es glüht und glüht,
bis mit einem Male dein Wille und dein moralischer Widerstand
zusammenbrechen unter der angetriebenen Sinnlichkeit, und es -- wieder
einmal geschehen ist. _Principiis obsta!_ Widerstehe dem Anfang!

Auch Krankheitserscheinungen mancherlei Art gibt es, die
geschlechtsreizend wirken. Von den schweren Leiden, wie
Lungenschwindsucht, mit ihrer oft verzehrend-fieberhaften Sinnlichkeit,
will ich nicht sprechen. Wohl aber von örtlichen Störungen in der
Geschlechtsgegend, die von einem mehr oder weniger heftigen Juckreiz
gefolgt sind. Entweder finden sich dann Darmparasiten, Eingeweidewürmer
mancherlei Art, oder es handelt sich um Hautmilben oder Hautleiden,
welch letztere von Blasen-, Knötchen- oder Borkenbildung gefolgt sind
und ein oft fürchterliches Jucken und Kratzen veranlassen. Wohl immer
sind dies Folgen von Unsauberkeit, und der wohlmeinende Hygieniker hat
ernstlich darüber Klage zu führen, daß die wohltätige und
gesundheitswichtige Gewohnheit des Badens noch nicht genügend weit im
Volke verbreitet ist. Auf ein einmaliges Bad in der Woche bildet man
sich schon mancherlei ein. Aber für junge Menschen, die über
geschlechtliche Anfechtungen klagen und sich von der Onanie befreien
oder freihalten wollen, genügt das keineswegs. Sie sollten die gar zu
warmen Bäder meiden und allabendlich eine Waschung des gesamten
Unterleibes einschließlich der Oberschenkel und des unteren Rückens mit
kühlem Wasser machen und könnten, wenn die sinnliche Erregung nur schwer
zu bändigen ist, diesem Wasser etwa ein Fünftel Kampferspiritus
beimengen; das kühlt und beruhigt. Namentlich ist es dem jungen Manne
ratsam, den vorderen Teil des Gliedes, die Eichel, öfter durch
Zurückziehen der Vorhaut freizulegen und kühl abzuwaschen. Dadurch
entfernt man jenen Ausscheidungsstoff, der sich hier festsetzt und die
Geschlechtsnerven reizt.

Die kluge Gewohnheit des Badens wird an Wert und gesundheitlicher
Bedeutung noch übertroffen durch das Luftbad. Es schließt eine
natürliche Form des Lebens in sich und bringt viel Kraftsteigerung für
das Nervensystem. Es gehen viele ins Luftbad, die krank sind und sich
von ihren Leiden befreien wollen. Aber klüger ist es wohl, schon -- ehe
man krank geworden -- einen Teil der Jugendjahre im Luftbade
zuzubringen, um im kräftigenden Reiz der atmosphärischen Luft, im freien
Lauf und im frisch-fröhlichen Spiel die sinnliche Lust einzudämmen und
umzuwandeln in Spannkraft des Körpers und des Geistes. Die sitzende
Lebensweise in den Schulen, Bureaus, Werkstätten und Fabriken führt zu
einer Stockung des Blutes und der Säfte in den inneren Organen und zur
Erschlaffung der Muskeln und der äußeren Haut; das häufige Luftbaden
schafft gründliche Änderung darin und bringt, namentlich wenn es
grundsätzlich auch im Winter im Freien genommen wird, mit der Abhärtung
zugleich auch einen frischen offenen Sinn, der es für verderblich und
unmännlich halten muß, sich schlaffen, sinnlichen Träumereien
hinzugeben.

Um im Luft- und Sonnenbade ganz richtig zu handeln, dir nicht zu
schaden, lies mein Buch »Die Heilkraft des Luft- und Sonnenbades.
Rationelle Körperpflege durch Luft, Licht und Wasser«[3]. Du findest
darin eine ganz eingehende Darstellung dieses vornehmsten
Gesundheitsmittels und genaue Anweisungen für dein Verhalten.

Da, lieber Leser, sind wir überhaupt bei der Frage der Muskelarbeit
angelangt, und damit bei einer Frage von so großer Wichtigkeit, daß wir
darüber noch einiges sagen müssen.

Das Leben ist eine wunderbare Einheit, und tief im Innern des
Organismus, im Chemismus der Gewebe, werden in geheimnisvoller Weise die
Kräfte frei, die das Leben zur Entfaltung bringen. Im ewigen Kampf ums
Dasein empfing jedes Lebewesen, empfing auch der Mensch seine ganz
bestimmte Form, seine körperliche und geistige Organisation. Der Kampf
ums Dasein zog die Kräfte bald hierhin, bald dorthin und hat vor allen
Dingen in der Notwendigkeit der Körperarbeit und der körperlichen
Anstrengungen die Muskeln stark und leistungsfähig gemacht.

Mit einem Male wurde die Muskelarbeit zurückgedrängt. Durch die
Entfaltung der Technik, der Industrie, der Wissenschaften, wurden immer
mehr geistige Kräfte verlangt, während die Körperkraft im Kampf ums
Dasein von Tag zu Tag mehr ihre Bedeutung verliert.

Namentlich der Jugend aber, die ihres raschen Wachstums und
Stoffwechsels wegen und ihrer ganzen Anlage nach zu körperlicher
Bewegung drängt und darauf angewiesen ist, wenn sie sich normal
entwickeln soll, ist das viele Stillsitzen gefährlich geworden. Die frei
werdenden Kräfte finden keine Verwendung, keinen Ausweg. Würden sie in
Körperarbeit verwendet, so würde sich der Körper dabei aufbauen, würde
die gelösten Stoffe sich selber als dauernden Besitz anbauen, würde
stark und kräftig werden. So aber suchen sich die herrenlosen Kräfte
einen Ausweg und werfen sich auf den Geschlechtssinn, den sie erregen
und steigern und zur Entladung drängen. So ist vielfach die Onanie eine
Entladung von Kräften. Aber diese Kräfte werden dem körperlichen und
geistigen Dauerbau entzogen, und statt daß sie in ihrer stetigen
Verwertung den Organismus stark machen sollen, führen sie nun ein
Anwachsen, eine Züchtung des Geschlechtstriebes herbei. So verstehen wir
es, daß eine starke Geschlechtsbetätigung eine verhehrende Wirkung auf
Körper und Geist hat.

Ja, gerade die in der Gegenwart so beliebt gewordene Methode der frühen
geistigen Erziehung der Kinder fördert ihre sinnliche Entwicklung
maßlos. Die Freude der Mutter über die regen geistigen Interessen ihrer
Lieblinge ist verderbliche Naivität; denn die geistige Regsamkeit ist
nervöse Entwicklung. Diese unsinnige Erziehung: geistiger Drill bei
körperlicher Trägheit! Unaufhaltsam werden die Kinder der
Geschlechtserregung zugetrieben. Die Eltern sind blind, sehen nichts und
lassen zwischen ihren Kindern oder zwischen den Kindern und den
Dienstboten Dinge geschehen, über die sie entsetzt sein würden, wenn sie
nur ein einziges Mal Augen- oder Ohrenzeugen wären. Und dabei sind es
oft Väter und Mütter, die mit größtem Ernst, mit sittlichen und
religiösen Mitteln ihre Kinder erziehen wollen und doch sie verderben.

Nichts ist notwendiger in unserer Zeit, als diesen Kräftestrom wieder in
sein natürliches Bett zurückzulenken, die natürlichen Lebensbedingungen
wiederherzustellen, körperlich zu arbeiten. Oder, wo das nicht ausgiebig
möglich ist, Sport und Gymnastik zu betreiben. Der gesunde Instinkt der
Jugend hat das überall erkannt. Und überall in Deutschland begegnet man
jetzt den Wandervögeln, den Pfadfindertrupps, sieht man Tennisspiel,
Fuß- und Faustball u. a., gibt es Turn- und Sportvereine, Sommer- und
Wintersport, Berg- und Wassersport. So ist es recht, und niemand sollte
sich davon ausschließen. Ein junger Mensch, der immer zu Hause sitzt und
nicht da draußen seine Kräfte übt, seine Lungen weitet, hat keine rechte
Jugend gekannt. Und daß gerade die blassen Stillsitzer unter den
Onanisten so häufig zu finden sind, beweist die Gefahren der
körperlichen Untätigkeit. Die Wandervögel, die Pfadfinder sind an Zahl
gewachsen. Aber zehnmal, hundertmal so viel müßten es sein. Ein
nationales Erwachen müßte durch das Volk, müßte vor allem durch die
Jugend gehen, daß wir mehr von den Büchern und der blassen
Stubenhockerei und dem verdammten Kneipen-, Sauf- und Lumpenleben
loskommen. Das deutsche Volk wurde vor dem Kriege leider immer reicher
an Theoretikern, Maulhelden und Schlafmützen und an jenen ästhetischen,
saftlosen Dekadenten, die elegant und blasiert im Café saßen, über Gott
und die Welt räsonnierten und überlegen philosophierten, aber selber im
Leben nirgendwo einen rechten Platz ausfüllten, sondern nur die Scheu
vor der Arbeit allerorten großzogen. Diese schlaffen Kerle kriegen nur
Spannung, wenn das Erotische ihr Auge oder ihr Ohr trifft, wenn »die
Weiber« das Gesprächsthema bilden. Alles andere vermag ihre ausgelaugte
Intelligenz nicht mehr hervorzulocken.

Laß dir dies kühl blasierte Gesicht nicht imponieren! Wer zuletzt lacht,
lacht am besten. Laß dir daran gelegen sein, einen kräftigen, gesunden,
elastischen Körper zu gewinnen, den diese »moderne« Schlaffheit und
Moralfaulheit nicht überwinden kann. Sparst du die Geschlechtskraft, so
lenkst du sie um in alle Organe deines Körpers und baust dir aus dem
geheimnisvollen Lebensstoff ein Leben, das im Alter die Klugheit deiner
Jugend segnet.

Es ist wahrlich keine Schwarzseherei, wenn ich darauf hinweise, daß auch
das Turnen in mancherlei Hinsicht Gefahren in sich trägt. Die
Geschlechtsorgane sind bei vielen, namentlich bei den nervös veranlagten
jungen Menschen leicht reizbar. Darum ist es geraten, zum Beispiel beim
Klettern an Stangen und Tauen Reibungen der sexuellen Organe zu
vermeiden. Wo eine Gefahr besteht, kann man nicht genug auf der Hut
sein. In den Schulen und beim Militär wird ja auch auf einen korrekten
Kletterschluß geachtet.

Vorzügliche Beachtung verdient neben den Wanderungen, die den Körper
stärken und den Geist zugleich ablenken und ausfüllen, das ~Schwimmen~.
Junge Menschen, deren sinnlicher Trieb sich in den Vordergrund drängt,
sollten fleißig das Schwimmen üben; denn es behebt die Blutfülle in den
Unterleibsorganen, die oft die unmittelbare Ursache der geschlechtlichen
Erregungen ist. Auch werden die sinnlichen Vorstellungen und Träume, die
aus solchen Blutstauungen entstehen, durch das Schwimmbad energisch
beseitigt und durch den niederschlagenden Kältereiz stets auf einige
Zeit zurückgehalten. Ich empfehle aber rasches Auskleiden, energisches
Hineingehen ins Wasser und schnelles Wiederankleiden. Nichts aber ist
nach allen Seiten hin von so großem Werte wie das tüchtige ~Luftbaden~.
Es vereinigt viele Faktoren der Gesundheitspflege und Nervenstählung in
sich und stellt die kraftvollste und unmittelbarste Verwirklichung jenes
»Zurück zur Natur« dar, das seit Rousseau immer lebendiger in die
allgemeinen Lebensanschauungen hineingetreten ist. Zeitweilig und
regelmäßig sich im Freien, in abgeschlossenen Luftbädern oder im
einsamen Wald, der Kleider zu entledigen und den nackten Körper bei
guter und schlechter Witterung der Luft auszusetzen, das ist eine
Klugheit und eine Wohltat zugleich. Ein Kraftzuwachs ist der Gewinn
dieser Klugheit. Und wenn das Luftbad mit tüchtiger Bewegung, Laufen,
Springen, Turnen oder -- wo es geht -- mit Schwimmen verbunden wird,
dann verscheucht es sicherlich alle die wirren sinnlichen Phantasien,
unter denen der blasse Stubenhocker leidet. Der gewaltige Bewegungsdrang
der Jugend will und muß entladen werden, denn dieser Bewegungsdrang ist
ja eben Jugend, und in seiner Betätigung liegt das Geheimnis des
Wachstums, der Erstarkung. Wird alles Körperliche, Spiel, Sport,
Gymnastik, Schwimmen, Luftbad, Turnen, unterbunden, und zwingen
Elternhaus und Schule zur Stillsitzerei hinter den Büchern, dann stauen
sich die Jugendkräfte und entladen sich da, wo krankhafte Reizbarkeit
ihnen ein Tor öffnet, in der Geschlechtssphäre. Wenn so die drängenden,
jugendaufbauenden, lebengestaltenden Kräfte in der Onanie einen Ausweg
gefunden haben, dann verlangt der erschöpfte Organismus nicht mehr nach
körperlicher Kraftentladung. Dem erschlafften Körper ist das Stillsitzen
ein Bedürfnis, eine Wohltat, und aus dem Onanisten entwickelt sich oft
in der Schule der blasse, folgsame Streber, der der Stolz des Lehrers
ist und den doch das Leben später, wenn er nicht mehr so recht
vorwärtskommt, darüber belehrt, daß nicht allein geduldiges Sitzen,
sondern Entschlußkraft, Mark und Saft dazu gehören, ein Ziel zu
erreichen. Dies sind aber Werte, die durch geschlechtliche Reinheit in
der Jugend gewonnen werden.

Besser noch und richtiger als alles, wovon ich oben sprach, besser als
Sport, ist die Arbeit, die rauhe körperliche Arbeit. Der Sport hat noch
kein Volk groß gemacht, sondern die Arbeit, die harte, rauhe
Notwendigkeit. Denn Sport verleitet überall zu Rekordleistungen, zu
Übertreibungen, zu Fexerei und -- Schwindel. Der Sport läßt hier und da
nichts mehr von seinem inneren Werte merken und ist zum Schaustück, zur
Unterhaltung, zum Nervenkitzel geworden. Das beweisen -- die Wetten und
der Totalisator. Die Sucht nach wahnsinnigen Gipfelleistungen ist eine
Erscheinung der Neurasthenie eines ganzen Volkes. Schlaffe Nerven
antworten nur auf starke Reize.

Der Sport ist sicherlich die notwendige und wohltätige Reaktion gegen
Schul- und Schreibstuben- und Fabrikarbeit. Aber der Sportmatador hat
viel zu sehr die bewundernden Blicke auf sich gezogen und den Sinn
abgelenkt von der körperlichen Arbeit, die greifbare Werte schafft. Geh
aufs Land hinaus und sieh die Arbeit der Bauern. Sie bestellen den
Acker, und von den Erzeugnissen ihrer Arbeit, von Kartoffeln,
Kornfrucht, Grünzeug, Obst und Viehzucht nährt sich das ganze Volk. Ist
das nicht wertvoller als sechs Tage lang wie ein Besessener im Kreis
herumzuradeln und klüger noch, als bei diesem Unsinn zuzusehen?

Aber im Frühjahr und namentlich im Herbst ist auf dem Lande Leutenot.
Haben wir Deutschen nicht genug Hände zum Arbeiten? Ei, jawohl! Aber sie
stecken in den Hosentaschen und sind -- manikürt. Und während der Bauer
am Abend sorgend den drohenden Himmel betrachtet und vor Sonnenaufgang
aufsteht, um in harter Arbeit, mit Frau und Kindern und mit den wenigen
Kräften, die er bekommen kann, den Reichtum seiner Fluren in den
Scheunen zu bergen, sitzen in der Stadt Tausende im Kaffeehaus, spielen
sie Tennis- und Fußball und tragen in sich den glückseligen Gedanken von
der »Gesundheit des Sports«.

Ja, gewiß ist er gesund! Aber ließe sich nicht ein weniges von all der
spielenden Kraft in Ernst, in Arbeit umwandeln? Sollen wir geschlagenen
Deutschen nicht eine ganz neue Zukunft bauen? Könnten nicht die jungen
Burschen, die Sportklubs, die Wandervögel und Pfadfinder, zum mindesten
in den Ferien, einmal zu den Bauern hinauswandern, um zu arbeiten? Muß
man immer spielen? Und vielleicht nur deshalb spielen, weil zu jedem
Sport auch gleich ein »schickes« Kostüm erdacht wird? Ja, die
kostümlich-dekorative Marke verdrängt oft sehr aufdringlich die innere
Kraft der Sache. Die Arbeit auf dem Lande wäre für die jungen Burschen
aller Stände nicht nur gesundheitlich förderlich, sondern auch ein
kräftiger Faktor ihrer sozialen Erziehung.

Das deutsche Volk war vor dem Kriege auf jener Stufe der Degeneration
angelangt, wo in einem letzten Aufflackern der Körperkraft der Gedanke
an die Arbeit im Sport ästhetisch kultiviert wurde. Alle Welt litt und
erkrankte an der körperlichen Untätigkeit und der geistigen und nervösen
Überreizung. Alle Welt schaffte sich nicht Hunger und Verdauungskraft in
der Arbeit, sondern hatte die Mahlzeiten zu einer Haupt- und
Staatsaktion erhoben und litt am zu vielen Essen. Das Geschlechtliche
war das Ventil, aus dem die krankhafte Spannung entwich, und der
geschlechtliche Mißbrauch folgte der körperlichen Untätigkeit und der
Unmäßigkeit des Essens und Trinkens auf dem Fuße. Aber das ging an die
Nervenkraft, und alle Welt ging in die Sanatorien, um -- die Zeit weiter
totzuschlagen. Das große Heilmittel für die Neurastheniker und die
anderen Leidenden, die Körperarbeit, wollte niemand versuchen. Hatte der
Arzt eine Überzeugung, so mußte er sie für sich behalten, sonst kostete
sie ihn die Kundschaft. Nur wenigen gelang es, sich dem großen Humbug
mit Erfolg entgegenzustemmen. Nun hat der Krieg uns aus dem Hindämmern
aufgeschreckt, uns den Abgrund gezeigt, an dem wir hintaumelten. Nun
soll ernste, strenge, harte Arbeit uns einen ganz neuen Weg führen.

Aus Arbeit und rauhen Notwendigkeiten entstieg die Kraft und erblühte
das Leben in tausend Schönheiten. Nun war die Kraft im Schwinden, und
ihre Wiedergeburt, die Regeneration, muß auch erst wieder durch die
rauhe Notwendigkeit der Arbeit, durch Einfachheit, durch Körperstählung
und durch geschlechtliche Reinheit hindurchgehen.

Die Menschen haben sich an den Anblick der körperlichen und seelischen
Leiden und an das häufige und allgemeine Schmerzgefühl so sehr gewöhnt,
daß sie glauben, Schmerz und Krankheit lägen in der Natur der Dinge und
seien unvermeidliches und unabwendbares Schicksal. Darum ertragen viele
ihre Leiden in gedankenloser Ergebenheit oder führen Klage über ihr
persönliches Unglück. Die heftigen, impulsiven Naturen murren auch wohl
gegen das »Schicksal«. Die wenigsten nur sind es, die bei sich selbst
nach den Ursachen spähen und -- durch Erkenntnis klug geworden -- in
vorsichtigerer Lebensführung alle die allgemeinen Übel vermeiden.

Von nichts aber dürfen wir mehr überzeugt sein als davon, daß bei
vernünftiger Lebensführung Krankheiten ganz außerhalb der Lebensgesetze
des menschlichen Organismus liegen. Haben wir nur ein klein wenig
natürlich denken gelernt, so müssen wir erkennen, daß die Natur
Gesundheit und Glück gewollt hat, und die Irrtümer und Fehler des Lebens
dem Einzelmenschen schaden und von ihm aus die Gesamtheit angreifen.

Die Verletzung der Naturgesetze -- im Geschlechtsleben mehr als
anderswo -- verwirrt die Wege der Kraft, der Schönheit und des Glückes,
die den Menschen von der Natur gewiesen sind, und bringt Krankheit,
Schwäche und Tod. Wir Menschen von heute aber haben etwas, was niemand
je vorher besaß, die klare Erkenntnis von den wahren und eigentlichen
Ursachen des Verfalls. Wir sehen mit Entsetzen den Geschlechtsmißbrauch
die Kraft der Menschen und der Völker zerstören und sammeln alle Kräfte,
um dieser zerstörenden Gewalt zu begegnen. Die klare Erkenntnis hat uns
Hoffnung, Mut und Wille gegeben, und das Leben, das vor uns liegt, steht
im Zeichen einer neuen Zeit, in der in einem gesunden Körper wieder eine
gesunde Seele lebt.

[Illustration: Dekoration]




Zweiter Teil.

Der junge Mann und das Weibliche.

Rätsel und Irrtümer der Liebe.

    »Errötend folgt er ihren Spuren
    Und ist von ihrem Gruß beglückt.
    Das Schönste sucht er auf den Fluren,
    Womit er seine Liebe schmückt.«

                             Schiller.


Die alten Griechen hatten einen Gott, den sie Janus nannten, und den sie
sich mit zwei Köpfen dachten. Wollten wir Menschen die Liebe darstellen,
wahrlich, auch sie hätte einen Januskopf; denn kein Empfinden gibt's im
Leben, das so sehr Glück und Leid, Jubel und Tränen, Freude und Trauer
umschließt, kein Empfinden, das mit so viel stürmenden Hoffnungen begann
und mit so viel bitterer Resignation endete. Heiße, große
Jugendsehnsucht auf dem einen Gesicht und begrabene und beweinte Wünsche
auf dem andern, das ist der Januskopf der Liebe.

Aller Jammer, alles Elend, alle Krankheit entspringt dem Irrtum. In den
Geschlechtsirrtümern verlieren die Menschen ihre Kraft.


1.

Das Erwachen der Liebe.

Um das 15., 16. oder 17. Jahr herum geschieht es, daß aus dem Knaben ein
junger Mann wird und der Körper alle jene bedeutsamen Veränderungen
erlebt, die vereint den Geschlechtscharakter bilden. Der Körper
entwickelt besondere Triebkraft im Wachstum, und dieses rasche, oft
schußweise Wachsen im Knochenbau, dem die Muskelfülle nicht ganz zu
folgen vermag, gibt der Gestalt jene merkwürdige Eckigkeit und
Unbeholfenheit, die uns den jungen Mann in den »Flegeljahren« oft so
lächerlich ungeschickt erscheinen lassen. Auf der Oberlippe erscheint
der erste Bartflaum, die sexuellen Organe entwickeln sich stärker; es
mehren sich die Schamhaare; die Stimme verliert den kindlichen Klang;
sie »bricht« und gewinnt jenen dunklen, oft rauhen Timbre, aus dem man
den »Stimmbruch« eine Zeitlang deutlich heraushört.

Dieser ganzen äußeren Entwicklung, die einen ausgeprägt geschlechtlichen
Charakter trägt, entspricht auch eine innere Entwicklung. Denn das
geistige Leben wird beeinflußt und gespeist von jenen inneren
Absonderungen der Keimdrüsen, die in dieser Zeit lebhafter zu arbeiten
begonnen haben. Das Geschlechtsgefühl ist nun nicht mehr bloß allgemein
körperlich, sondern wird reicher an plastischen, geistigen
Vorstellungen. Denn in demselben Maße, in dem das eigentlich Männliche
sich in dem jungen Manne ausbildet und äußerlich und innerlich ausprägt,
stellt sich sein ganzer männlicher Organismus auf das Weibliche in
seiner Umgebung ein. Männlichkeit und Weiblichkeit bilden eben im
kosmischen Geschehen jene gewaltige Polarität, aus der das
weltenbewegende Wunder der Liebe entsteigt. Jeder Pol sucht seinen
Gegenpol, und alle die feinen und starken Ausstrahlungen der
Männlichkeit suchen und finden das Weibliche, das sie mit dem gleichen
Gesetz anziehen und sich zu verschmelzen trachten. So gewinnt das
Weibliche eine gewisse Herrschaft über das Männliche, das
sich -- gebändigt durch unklare sinnliche Wünsche -- dieser Herrschaft
gern beugt, ja sich manche »süße Tyrannei« eines jungen Mädchens
gefallen läßt und aus Liebe und Ritterlichkeit zu jedem Dienst
und -- jeder Torheit fähig ist.

Das sind etwa so die Tanzstundenjahre. Eine kleine Welt für sich, deren
glückliches Hoffen nie wiederkehrt. Je stärker und unklarer diese
männliche Sehnsucht ist, desto verlegener und ungeschickter kann der
sonst ganz ruhige und sichere junge Mann werden, wenn in der
Gesellschaft ein junges Mädchen all seinen stürmend-sehnsüchtigen
Gefühlen ein naheliegendes Ziel gibt. Dann ist es mit der Ruhe vorbei.
Er möchte den allerbesten Eindruck machen, die Ritterlichkeit in Person
sein, glaubt sich von allen Anwesenden beobachtet und möchte sich doch
um alles in der Welt vor seiner »Angebeteten« keine gesellschaftliche
Blöße geben. Das geringste Mißgeschick bringt ihn in unglaubliche
Verwirrung. Er steckt das Tischtuch als Serviette ins Knopfloch,
schüttet der Dame die Suppe aufs Kleid, wirft einen Stuhl um und sucht
verzweifelt nach einem Gesprächsthema.

Das Liebesspiel hat begonnen, und alle die grotesken Verlegenheiten sind
nur die grenzenlose Verwirrung, die das Weibliche anrichtet in der Seele
des jungen Mannes, dessen erwachte Geschlechtlichkeit sich in dieser
neuen Welt noch nicht zurechtzufinden weiß.

Und dann ergreift das Weibliche immer mehr Besitz vom Denken und Fühlen
des jungen Mannes. Es schärft auf der Straße und in der Gesellschaft
seine Augen für Jugend und Schönheit, Grazie und Charme. Es dringt in
seine Träume ein, und während der gesunde, wohlerzogene junge Mann die
Schönheit dieser Jugendjahre nicht ihres idealen Gewandes entkleidet und
die Poesie der jungen Liebe nicht in der sexuellen Gier vernichtet,
kämpfen viele -- und namentlich diejenigen, die den onanistischen
Geschlechtserregungen verfallen sind -- mit sexuellen Vorstellungen. Und
während bei dem einen die ersten Regungen der Liebe zugleich seinen
männlichen Stolz und seine sittliche Selbstachtung wecken, und ihm die
Liebe zur Waffe gegen seine unreine Verirrung wird, gerät der andere
noch tiefer in die Gewalt des krankhaften Triebes.

Hier findet der zügelnde Wille und die Klugheit einer gesunden
Lebensführung einen besonderen Boden, zumal es sich darum handelt, jene
nächtlichen automatischen Samenergüsse, die sogenannten Pollutionen, in
ihren physiologischen Grenzen zu halten.

Mancher junge Mann wird verwirrt oder erschreckt, wenn er in der Nacht
oder am Morgen einen Samenverlust beobachtet, der von einer mehr oder
weniger starken Erregung, von mehr oder weniger lebhaften sinnlichen
Träumen begleitet war. Den Unwissenden und Ängstlichen mag gesagt sein,
daß die Pollutionen nichts Krankhaftes an sich haben, sondern eine
normale Entscheinung sind, wenn sie etwa alle 10-20 Tage sich höchstens
einmal einstellen. Darüber hinaus und besonders dann, wenn der Pollution
am nächsten Tag schlaffes, schlechtes Befinden, blasses Aussehen,
Kopfschmerz, Kreuzschmerzen, Nervosität und dergleichen folgen, haben
wir es mit nervöser Schwäche zu tun, oder der Samenerguß war durch einen
äußerlichen oder innerlichen Reiz, jedenfalls aber durch einen Fehler in
der Lebensführung, herbeigeführt worden. In solchen Fällen wirst du gut
tun, lieber Freund, alle die Ratschläge zu befolgen, die ich schon zur
Heilung der Onanie gegeben habe, und namentlich die Abendmahlzeit nicht
nach 6 Uhr einzunehmen und sie nur aus Brot und Früchten bestehen zu
lassen.

Wenn es möglich wäre, die Menschen in ihrer Allgemeinheit wieder zu
einer gesunden und einfachen Lebensweise zurückzuführen, so müßten
wahrscheinlich die Pollutionen entweder gänzlich schwinden oder auf ein
äußerst geringes Maß zurückgehen. Aber diese Erscheinungen hängen wohl
mit der nervös gesteigerten Erregbarkeit des Lendenmarkes, mit
körperlicher Untätigkeit und mit einer falschen Ernährung weit mehr
zusammen, als man auch nur ahnt. Wenn aber zum Beispiel eine
geschlechtliche Erscheinung mit der Ernährung zusammenhängt und zugleich
mit dieser geändert werden kann, so ist es doch zum mindesten recht
schwer, zu sagen, sie sei so, wie sie ist, normal.

Keinesfalls aber läßt sich aus solchen Erscheinungen die
Anschauung herleiten, daß nun der Organismus reif sei für die
Fortpflanzungstätigkeit, und daß nun die Geschlechtsbetätigung für den
jungen Mann zu einem persönlichen Recht und zu einer gesundheitlichen
Forderung werde. Denn wenn auch -- was jedenfalls bestreitbar ist -- die
Pollutionen normale, physiologische Erscheinungen wären, so könnten sie
doch nur eine passiv-automatische Übung und Wachstumssteigerung eines
Triebes darstellen, der seiner sozialen Beziehungen und Folgen wegen
nicht allein in der körperlichen Entladung begriffen werden kann.


2.

Die Sittlichkeitsfrage.

Hier haben wir mit einem Male einen Sprung mitten in die sogenannte
»Sittlichkeitsfrage« hinein getan. Denn der Begriff des »Sittlichen« hat
sich stillschweigend und in seiner ganzen Ausdehnung an das
Geschlechtliche angeschlossen.

Diese Sittlichkeitsfrage beschäftigt sich im wesentlichen damit, ob es
einem jungen Manne erlaubt sein kann, vor der Ehe und in noch
jugendlichem Alter geschlechtliche Beziehungen zu unterhalten.

Diese Frage ist durchaus neueren Datums. Denn erstens waren die
sittlichen Anschauungen von früher strenger und straffer, zweitens hat
die Gesellschaft heute in allen Fragen, und somit auch in der
sexual-moralischen, die soziale und sittliche Kritik über das
gedankenlose Sichgehenlassen gesetzt, und drittens ist gerade mit dem
Erwachen dieses kritischen Geistes jener eigenwillige Individualismus
großgezogen worden, der über die Rechte der Persönlichkeit hinaus auch
die Ungebundenheit des Trieblebens mit »Individualität« und anderen
Phrasen verteidigt, die sozialen Wurzelungen lockert und dieses ganze
philosophische Vorspiel nur beginnt, um endlich und insbesondere dem
vorehelichen Geschlechtsleben eine unbeschränkte Freiheit zu
verschaffen.

Beiläufig gesagt: nur dem männlichen, nicht dem weiblichen
Geschlechtsleben. Denn daß das junge Mädchen vor der Ehe keusch zu leben
habe, ist eine so verbriefte, so tiefempfundene sittliche Forderung, daß
ein Sturm sich erhob, als einige dem Lager der Frauenbewegung
entstammende Schriften auch diese Schranke zu durchbrechen suchten.
Nicht nur tiefe und bedeutsame biologische Gründe, sondern
schlechterdings der sexuelle Egoismus des Mannes verlangen es, daß das
junge Mädchen vor der Ehe seine Jungfräulichkeit bewahre.

Der gleiche Sturm der Verwunderung und Entrüstung erhob sich aber auch,
als vor nunmehr etwa 30 Jahren in der Öffentlichkeit klipp und klar
gesagt wurde, daß es auch für den Mann die sittliche Forderung der
Enthaltsamkeit gebe.

Das traf die gedankenlosen Gehirne wie ein scharfer Sonnenstrahl, der
die Augen blendet. Bis dahin hatte der Mann dasselbe getan, was er noch
heute mit der gleichen aufreizenden Selbstverständlichkeit tut: er hatte
jede sich bietende Gelegenheit zum Geschlechtsgenuß bereitwilligst
benutzt.

Die Forderung der Enthaltsamkeit war durchaus nicht neu. Die christliche
Religion und auch andere Kulte hatten sie aufgestellt. Nur war die
Gedankenlosigkeit des Alltags allmählich über das unerschütterliche
Gefüge ethischer Grundgedanken hinweggewuchert. Da fiel wie ein Funke
ins Pulverfaß jene Erstaufführung des Björnsonschen Dramas »Der
Handschuh« durch die Berliner »Freie Bühne« Ende des Jahres 1889. Die
Heldin dieses Dramas, Svava, erfährt, daß ihr Bräutigam früher schon
Geschlechtsverkehr mit einem Mädchen hatte, und sagt sich von ihm los.
In der reichen literarischen Nachfolge, die diese Arbeit fand, finden
wir den gleichen Gedankengang namentlich in »Vera. Eine für viele«.

Der starke und imponierende ~Björnson~ hatte also sich selbst zum
Wortführer einer geschlechtsmoralischen Forderung gemacht und sie
dadurch, daß er sie auf der Bühne abhandelte, in den Brennpunkt des
allgemeinen Interesses gerückt. Die Presse griff denn auch
diesen -- »Handschuh« wie ein Mann auf, die einen mit Hohnlachen und dem
zeternden Wortschwall einer angstvollen Verteidigung, die andern mit
wohlwollender Zustimmung.

Genug, der Stein war ins Rollen gekommen, und ~Björnson~ selbst sorgte
dafür, daß die Sache zumindest in den skandinavischen Ländern nicht so
bald zum Stillstand kam. Man erinnert sich seiner eindrucksvollen,
faszinierenden Persönlichkeit, die überall den strengen
Sittlichkeitsgedanken, ~die monogamische Ehe~, in glänzender Rede gegen
jede geschlechtliche Lauheit, gegen jedes psychologisch oder
philosophisch umschleierte Triebleben verteidigte.

Zur selben Zeit begann die Wissenschaft, die bis dahin scheu und ängstlich
dieses Gebiet gemieden hatte, sich doch damit aus biologischen und
medizinischen Interessen zu beschäftigen. Die Geschlechtswissenschaft
(Sexuologie) spürte den geheimnisvollen Gesetzen dieser menschlichen
Leidenschaft nach, um alle Zusammenhänge zu finden. Und mit einem Male
übersah man auch klarer als bisher die ungeheuren gesundheitlichen
Schäden, die das gedankenlose vielweiberische (polygamische)
Geschlechtsleben des Mannes angerichtet hatte. Man erkannte den Einfluß
alles Geschlechtlichen auf die Erziehung, das Denken überhaupt, auf alle
sozialen Beziehungen, auf die Vererbung, auf Lebensgestaltung und
Lebensglück, und es war wie ein jähes Erwachen, das den erschreckend neuen
Eindruck von der gewaltigen Bedeutung alles Geschlechtlichen in zahllosen
Schriften festhalten zu wollen schien.

Und was bis dahin nie und nirgendwo geschehen war: die Frauen hatten
aufgehorcht. Sie, die bis dahin in der allgemeinen Komödie der Prüderei
die Statisterie gemacht hatten, gewannen nun mit einem Male das
Bewußtsein, daß es eine empörende Ungerechtigkeit ist, wenn der Mann vom
Weibe voreheliche Enthaltsamkeit verlangt, während er sich selbst doch
zu gleicher Zeit recht munter amüsiert und der Frau als Dank für ihre
sittliche Bewahrung eine -- Geschlechtskrankheit als Morgengabe in die
Ehe bringt.

Was Wunder, daß gerade die Frauen sich gegen diesen Zustand auflehnten
und mit großer Energie die sexuelle Frage der prüden Umschleierung
entrissen.

Wir stehen ja noch heute vor der Tatsache, daß junge Männer, wenn sie
die Schule und das Elternhaus verlassen haben, oft ohne alle
Gewissensbisse von den sich bietenden Gelegenheiten zum
Geschlechtsverkehr Gebrauch machen, ohne der moralischen und sozialen
Gesetze zu gedenken, welche sich natürlicherweise gegen den
eigenwilligen geschlechtlichen Individualismus auftürmen. Denn die
Beurteilung eines Triebes, der über den Einzelmenschen hinaus von
sozialen Folgen ist, erschöpft sich keineswegs in den Wünschen und
Rechten des Individuums, sondern muß notwendigerweise eine soziale sein.
Die tiefsitzende Inkonsequenz beginnt aber schon mit der Forderung der
Keuschheit der jungen Mädchen, und die sozialen und mehr noch die
sittlichen Zwiespalte fallen zusammen mit der gesellschaftlichen und
seelischen Verwirrung, die ein Mann im Leben eines Weibes anrichtet,
wenn sie der Gegenstand seiner geschlechtlichen Wünsche geworden ist.


3.

Geschlechtsleben und Gesundheit.

Das jugendliche Geschlechtsleben mit den Forderungen der Gesundheit zu
entschuldigen, ist eine jener sophistischen Ungereimtheiten, die nur da
entstehen, wo die erotischen Wünsche das Gewissen zum Schweigen bringen
wollen.

Es gibt gegenwärtig wenige Fragen, in deren Beantwortung so heftige
Widersprüche herrschen, wie diejenige des Nutzens oder Schadens der
vorehelichen Geschlechtsenthaltsamkeit. Aber selbst wenn die
Wissenschaft sich zugunsten der -- Frivolität entscheidet und Fälle von
Schädigungen durch Enthaltsamkeit bei der Jugend aufzählt, so müßte sie
doch der degenerativen Entwicklung Rechnung tragen. Sie müßte in
Rücksicht ziehen, daß die Kultur weit von den physiologischen Gesetzen
der menschlichen Natur abgerückt ist, und daß durch geschlechtlichen
Mißbrauch, durch die Raffiniertheit und Grenzenlosigkeit der Ernährung,
sowie durch körperliche Untätigkeit eine sexualnervöse Reizbarkeit
gezüchtet wurde, die das ordnende Urteil trübt. Was aber ein sinnlich
gesteigerter Organismus verlangt, das darf die Wissenschaft nicht als
allgemeines Geschlechtsrecht im ganzen Volke austeilen. Erkennt man, daß
ein Trieb durch Mißbrauch sich im Organismus in den Vordergrund drängte,
so muß man den Begriff des »Natürlichen« an diesem Trieb arg
beschneiden. Und selbst wenn man, ohne der mißbräuchlichen Steigerung
zu gedenken, den Trieb mit Recht »natürlich« nennt, so vermag man ihn
doch in keiner Weise zu trennen von den seelischen, sittlichen und
sozialen Kräften, die das Wohl der menschlichen Gemeinschaft und ihre
Entwicklung bedingen. Wird der Geschlechtstrieb rein körperlich
gezüchtet, so bringt er das Menschengeschlecht rückwärts, nicht
vorwärts.

Wenn ein Mensch ißt und dabei den Zweck des Essens vergißt und zur
Eßgier gelangt; wenn er trinkt, nicht weil der Körper Flüssigkeit
verlangt, sondern weil er der Leidenschaft des Trinkens verfallen ist,
so werden die geistigen Kräfte in demselben Maße schwinden, in dem die
körperliche Sucht sich steigert. So bedeutet auch der unerlaubte
Geschlechtsverkehr der Jugend, eben weil er die sozialen und sittlichen
Kräfte nicht auslöst, eine Hemmung der geistigen und charakteriellen
Entwicklung.

Daß die geschlechtlichen Erschütterungen und die Samenverluste einen
noch nicht ausgereiften Organismus in seiner Entwicklung hemmen, ist
eine ganz allgemeine Erfahrung. Es ist schon rein logisch und ohne jeden
wissenschaftlichen Beweis einzusehen, warum jene geheimnisvollen
Lebensstoffe, deren Entstehung im Körper zu einem solchen Reichtum und
Überschwang des Gefühls führt, die das Urgeheimnis der polaren Spannung
zwischen Mann und Weib in sich bergen, und die in der Leidenschaft ihrer
Vereinigung das Wunder der Menschwerdung vollbringen, warum sie ohnedies
dem Organismus, solange er sich in der Entwicklung befindet, seine
Spannung geben; denn diese Stoffe, die immer wieder neues Leben auf die
Bahn des Werdens schleudern, sind nicht nur Ursubstanz des Lebens,
sondern zugleich auch seine feinste Blüte. Sie behalten immer ihre
gestaltende Kraft. Und es liegt große Klugheit darin, durch diese
gestaltende Kraft zunächst den eigenen Organismus auf den möglichen
Höhepunkt seiner Entwicklung zu bringen, ehe man im bloßen
Geschlechtsgenuß Rechte sucht, die erst der mit sich selbst fertige,
vollendete Organismus besitzt.

An den Erscheinungen der Geschlechtsreife (Pubertät) erkennen wir die
treibende und gestaltende Kraft jener Lebensstoffe. Ein Ausreifen nach
allen Richtungen ist es, das wir beim Erwachen der Liebesempfindung
staunend beobachten. Was späterhin das neue Leben formt, das verleiht
einige Jahre vorher der Stimme ihren tieferen Vollklang, das treibt den
Bart als eins der Zeichen der Mannheit, das gibt dem Charakter seine
Festigkeit und dem Geiste Stolz und Kühnheit. Entfernen wir die
Keimdrüsen (Kastration) so hört alle diese Entwicklung ins Männliche mit
einem Male auf. Die treibenden Kräfte sind unterbunden. Die Stimme
bleibt dünn, der Bart wächst nicht, der Charakter bleibt weichlich,
ängstlich, tatenlos oder verschlagen.

Es mag darüber gestritten werden können, ob wir dem häufigen
Samenverlust allein die Schäden, von denen die Rede war, zuschreiben
sollen. Keinesfalls dürfen wir aber der gewaltigen allgemeinen
Erschütterung vergessen, die der Organismus in der Geschlechtserregung
erleidet. Kommt sie schon in der Jugend, noch ehe der Gesamtbau seine
ordentliche Kraft und Festigkeit erlangt hat, und wiederholt sie sich zu
oft, so verlieren die gar zu stark erregten Nerven, die in der Erregung
gar zu oft ausgedehnten Blutgefäße, verliert das stark erregte Herz,
verlieren die oft krampfhaft angespannten Muskeln die Fähigkeit, wieder
zu vollkommener Ruhe, zur physiologischen Norm zurückzukehren. Alles
erschlafft, und diese Erschlaffung ist traurige Widerstandsunfähigkeit
und Empfindsamkeit. Und in demselben Maße, in dem die Kraft und die
Energie zu tüchtiger Arbeit verloren gehen, bemächtigt sich des
Organismus jene lüsterne Träumerei, die selbst am Tage alles
Geschlechtliche umkreist und gewissermaßen mit angehaltenem Atem auf der
Lauer liegt, um alles Geschlechtliche gierig einzusaugen und selbst das
Harmlose im Gespräch, im Leben, in Büchern und Bildwerken, zum
Geschlechtlichen zu machen. Dann zehrt die Sinnlichkeit von der
körperlichen und geistigen Kraft, und es fehlt meist jenes notwendige
Maß körperlichen Ausarbeitens, um die gefährlich wuchernde Sinnlichkeit
einzudämmen.

Es ist sehr oberflächlich, wenn ein junger Mann seinen
Geschlechtsverkehr mit seiner scheinbaren Reife, mit den nächtlichen
Pollutionen und mit dem Hinweis auf die Erwachsenen entschuldigt. Denn
erstens habe ich gezeigt, daß die scheinbare Reife sehr wohl frühzeitige
Triebsteigerung sein kann, die als nervöse Anlage sich genau so erblich
überträgt wie irgendeine Krankheit. Daß zweitens die Pollutionen eine
recht zweifelhafte Erscheinung sind, und daß wir große, starke und
gesunde Männer mit wenig oder gar keinen Pollutionen, dagegen oft
schwächere, nervöse, blasse Jünglinge mit häufigen Pollutionen
antreffen, sowie, daß die Pollutionen durch Onanie hervorgelockt werden
können. Drittens, daß die Jahre der Geschlechtsreife beileibe nicht die
Rechte geschlechtlicher Tätigkeit mit sich bringen, sondern durch die
Steigerung der Samenerzeugung und der inneren Absonderungen dem Körper
die geschmeidige, jugendliche Kraft und Biegsamkeit, dem Geist die
Frische und die Fähigkeit schnellen Erfassens und der Seele Tiefe und
Wärme verleihen sollen.

Es mag als Grundsatz gelten, vor vollendetem Längenwachstum alle
sexuellen Kräfte zu sparen.

Die Tierzüchter haben reiche Erfahrungen in diesen Dingen gesammelt, und
keiner von ihnen wird ein nicht völlig ausgewachsenes Tier zur
Fortpflanzung zulassen. Jeder von ihnen weiß, wie schwer dadurch das
Tier in seinem ferneren Wachstum aufgehalten und wie empfindlich man
schließlich die ganze Rasse schädigen wird. Es mag auch nicht unerwähnt
bleiben, daß, wenn man kranken, schwächlichen, nervös erschlafften
Menschen Samenflüssigkeit unter die Haut spritzt, sie eine bedeutende
Vermehrung ihrer körperlichen und geistigen Frische zeigen.

Die Athleten und die Sportsleute, die sich zu besonderen
Höchstleistungen vorbereiten, müssen Geschlechtsenthaltsamkeit
beobachten. Ja, diese ist ein ganz besonderes Erfordernis des
»Trainings«. Wir erkennen daran das Gesetz von der Umwandlung der Kräfte
im Organismus, und es darf als sicher gelten, daß die geschlechtliche
Selbstzucht nicht nur die körperlichen Kräfte mehrt, sondern vor allem
auch Ausdauer und jenen äußersten Willen weckt, der bei besonderen
Leistungen den Ausschlag gibt.

Sind aber nicht auch die Jahre der Jugend eine Art Training, eine
Vorbereitung für tüchtige Leistungen im Leben? Sollte die Jugend nicht
ebenfalls alle die Kräfte sparen, deren Besitz die offenbare Quelle für
körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ist? Wenn die Eltern alle
Nahrungssorgen auf sich nehmen, nur damit die Kräfte der Jugend sich
nicht zwischen Entwicklung und Daseinskampf zersplittern, hat dann die
Jugend ein Recht, diese Kräfte trotzdem zu vergeuden, und zwar in der
Geschlechtslust?

Die Spannung, die durch Enthaltsamkeit erzeugt wird, ist Triebkraft und
hat sowohl hohen kulturlichen wie lebenssteigernden Wert. Nichts ist
sicherer, als daß die Geschlechtsenthaltsamkeit der Jugend und die
Mäßigkeit der Erwachsenen nicht nur für den Einzelnen Sinn und
praktische Bedeutung haben, sondern vielmehr für ein ganzes Volk von
einschneidendem kulturlichem Wert sind. Eine Nation, die ihr Gewicht in
die Wagschale der Geschehnisse werfen will, muß ihre geschlechtlichen
Kräfte sparen. Das mögen wir Deutschen uns für den mühsamen Aufstieg,
der die nächsten Jahrhunderte unserer Geschichte ausfüllen wird, und für
unsere ganze Zukunft merken.


4.

Die Geschlechtsehre.

Freilich wird ja ein junger Mann, wenn er ins Leben hinaustritt, in
einen argen Zwiespalt gebracht. Aus dem Knaben wird ein »Mann«, und
diese »Männlichkeit« ist im dickflüssigen Strom einer geschmacklosen
Überlieferung leider gar zu sehr aus geschlechtlicher Abenteuerei und
Renommisterei zusammengesetzt worden. Wer ein »Mann« sein will, glaubt,
etwas erlebt haben zu müssen und sieht mit Überlegenheit und Spott auf
jüngere Kameraden herab, die noch einen Rest des Schamgefühls aus den
Erziehungsjahren in sich tragen. Aber die freche Großsprecherei und der
Spott der Älteren verwirrt den Jüngeren. Zwar weiß er ganz gut, wie der
anständige Mensch zu handeln hat. Aber sein Wissen in diesen Dingen ist
Stückwerk, ist unklar, unbestimmt, seine Persönlichkeit ohne
Entschiedenheit, ohne Festigkeit. Diesen ewigen Verlockungen, den
spöttelnden Angriffen, erliegt schließlich das gute Gewissen. Ja, der
dumpfe, nicht gezügelte Geschlechtstrieb setzt sich in einem Augenblicke
über Dinge hinweg, die bei ruhiger Betrachtung häßlich, abstoßend und
empörend sind, über Schmutz, Roheit und ernste Krankheitsgefahr.

Darin liegt die große Niedertracht der Gesellschaft überhaupt, daß
einer, der eine Dummheit macht, den anderen zu sich herabziehen will;
denn die vergesellschaftete Dummheit erstickt ihren eigenen Vorwurf. Der
Pluralis erscheint ihr als Entschuldigung, und so holt sich denn die
jugendliche »Männlichkeit« weiter ihr Rüstzeug -- bei der Dirne.

Wie ist es doch sonderbar, daß ein junger Mann, kaum daß er in das Leben
hinausgetreten ist -- und oft schon vorher -- ein Geheimnis in sein Leben
hineinträgt, das ihn in einen inneren Widerspruch zu seiner gesamten
Erziehung bringt. Ein Geheimnis, dessen er sich -- würde es
offenbar -- vor aller Welt schämen müßte. Ja, er selbst schämte sich, und
scheu und angstvoll, daß er um alles in der Welt nicht gesehen würde,
umschlich er das geheimnisvolle Haus, das die eigenen Kameraden oder seine
lüsterne Neugier ihm gezeigt, und verschwand darin in einem günstigen
Augenblick. Wäre nicht der Stolz in der sexuellen Spannung erstickt, so
müßte sich die Wirklichkeit des bezahlten Geschlechtsgenusses dem
Bewußtsein in ihrer ganzen Widerlichkeit aufdrängen. Ein Weib, das nicht
mehr Weib, sondern wahlloser Sinnlichkeitsgegenstand wahllos sich
einfindender Männer ist, das oftmals die einfachsten Gesetze der
Reinlichkeit übersieht, für eine Weile zu besitzen, kann einen Mann von
wahrer Mannhaftigkeit nicht locken. Was die jungen Männer zu diesen
frühzeitigen geschlechtlichen Verbindungen treibt, ist ja auch bei aller
Sinnlichkeit tief im Innern die Sehnsucht nach Liebe und das urewige
Rätsel des Weibes. Aber diese zarten knospenden Empfindungen, die sich in
der Ehe, in der Familie, in echter, mannhafter Liebe ausreifen sollen,
werden von den jungen Männern in Schmutz und gemeine Niedertracht
geworfen. Daher die verkümmerte Empfindungswelt so vieler Menschen, die
ihre eigene Lebenspoesie zerstört haben. Wünsche, Träume, Sehnsucht und
Vorstellungen dürfen nicht in gar zu häßlicher Wirklichkeit erstickt
werden, sonst ist das Ende seelische Erschlaffung, Pessimismus.

Die vorehelichen Geschlechtsbeziehungen haben eine so ungeheure
Ausdehnung gewonnen, daß viele in ihnen eine Art von normaler Vorschule
der Ehe erblicken. Wie riesenweit ist aber der Abstand zwischen Bordell
und Familie, zwischen der Dirne und der Mutter, zwischen bezahltem
Geschlechtsgenuß und der Liebe zweier Menschen, die miteinander in ihrer
Kinder Land einziehen! Kann dies Gemisch von Lüsternheit,
geschlechtlichem Schmutz, alkoholischer Frechheit und sittlicher
Erniedrigung, das das Dirnenleben durchzieht -- kann das die richtige
Vorbereitung sein für die Ehe, in der das Glück der Gatten und das Wohl
der Kinder aus Kraft und Reinheit kommen sollen?

Man spricht viel und gern von dem Kampf, den die voreheliche
Geschlechtsentsagung mit sich bringt. Freilich ist es ja wohl am
bequemsten, diesen Kampf durch die erste beste Dirne zu beenden. Aber
ist es denn gut, ihn so rasch zu beenden? Ist nicht der Kampf die
treibende Kraft aller Entwicklung? Weckt er nicht alle verborgenen
Kräfte? Wer die Flinte ins Korn wirft, ist sittlich ein Feigling. Dieser
kampflose, bezahlte, bequeme Geschlechtsgenuß vor der Ehe, dessen sich
junge Männer und auch junge Mädchen bemächtigen, schadet der Ehe,
schadet den Kindern; denn er nimmt dem Leben und dem Geschlechtsgefühl
die Hochspannung. Er befriedigt die Wünsche, tötet die Sehnsucht,
zerstört Illusionen. Enthaltsamkeit ist biologische Spannung, deren
Fehlen man den Kindern vom Gesicht herunterlesen kann.

Wie bilden sich denn eigentlich Charaktere? In der Entsagung, im Kampf
mit sich selbst. Was ist denn überhaupt ein Charakter? Ein Mensch, der
seine tierische Triebwelt unter die Herrschaft seiner sittlichen
Erkenntnis gebracht hat und mit festem Willen seiner Erkenntnis folgt,
der durch Willenskraft und Folgerichtigkeit sich Selbstachtung und
Selbstvertrauen erwarb. Solche Charaktere, solche Persönlichkeiten
braucht ein Volk, braucht das Leben; denn sie haben Erfolg. Wie kann
aber ein Mensch Selbstvertrauen und Selbstachtung haben, der im Kern
seines Wesens, im Geschlechtsgefühl, wider seine bessere Erkenntnis
handelt, der in seinem Tun sich immer wieder durch den Geschlechtstrieb
vom Wege abreißen läßt?

Tausende sagen. »Es ist unmöglich, ihn zu bändigen!« Aber wie viele
davon haben's denn ehrlich versucht? Sind nicht die meisten bei der
ersten Versuchung umgefallen? Sie haben die Geschlechtserregung kennen
gelernt, kennen sie durch die Onanie und manches andere, haben ihre
Phantasie mit Sinnlichkeit erfüllt. Das Nervensystem birgt in sich ein
Gesetz der Periodizität. Erregungen wiederholen sich periodisch. Das
macht den Kampf zunächst so schwer. Wie selbst den Magenkranken die
dumme Gewohnheit des dreimaligen täglichen Hungerns quält und seine
Heilung stört, so meldet sich im Hirn und Lendenmark das gewohnte
Geschlechtsgefühl, und dem Bewußtsein wird der alberne und gefährliche
Satz aufgedrückt »Ich kann den Trieb nicht bändigen!« -- Wer freilich
den Kampf aufgibt, ehe er ihn begonnen hat, was weiß der von seinen
Kräften! Treibe deine Gefühle nur erst ein wenig zurück, siege erst
einmal, dann noch einmal, und es wächst das Vertrauen, und es wachsen
die Kräfte. Die gesparte Geschlechtskraft speichert sich in dir auf als
Spannkraft der Nerven und Muskeln, als Mut und geistige Frische. Das
alles sind deine Waffen, die darum immer stärker werden.

Wenn's sein kann, sprich dich mit den Eltern, mit dem Lehrer, mit einem
guten Freund von gesundem Denken und gutem Charakter darüber aus! Sei
nicht wie jene, die im geheimen sündigen und die Nase rümpfen, wenn ein
Wort über Geschlechtliches gesprochen wird. Das Geschlechtliche soll
weder im bösen noch im guten Sinne das Gesprächsthema sein; aber ein
offenes Wort an rechter Stelle hat oft befreiend gewirkt. Ein klares
Wort entreißt oft junge Menschen der schwülen Phantasiearbeit. Betrachte
das Geschlechtliche als eine besondere Kraft, dich selbst ebenso, und
frage dich. »Wer von uns beiden soll herrschen, ich oder du?«

~Du mußt herrschen, immer und allerwege!!!~

Schäme dich nicht dieses Triebes, und sei niemals niedergeschlagen im
Kampf. Alles Leben entsteigt dem Liebeswollen. Aber die Zeugung ist
nicht die alleinige Lösung dieses Ewigkeitsrätsels. Eine allstündliche,
ununterbrochene Neuzeugung im Einzelorganismus ist es, die wir vor allem
diesem Triebe verdanken. Der geheimnisvolle Quell der inneren
Zeugungsorgane entsendet ununterbrochen Stoffe, die als Spannkräfte
wirken, in Körper und Geist. Darum aber darf diese Urquelle nicht
verschüttet werden. Wir verstehen jetzt sehr wohl, warum der Lebenslauf
mit dem Geschlechtsleben in der Jugend zusammenhängt, warum die
Geschlechtssparsamkeit in der Jugend einen Gewinn für das spätere Leben
ergibt. Nicht nur für unser kleines, eigenes Leben -- nein, die ganze
Menschheit trinkt ihre Verjüngung aus diesem Quell, und ~jeder
Einzelmensch ist zum Sachwalter der Menschheitsgesundheit und
Menschheitswürde bestellt, weil er einen Teil der kosmischen Liebeskraft
in sich trägt~.

Der Augenblick, der Mann und Weib in der Liebeserschütterung vereinigt,
erzeugt ein neues Leben. Aber nicht dieser Augenblick entscheidet,
sondern alles, was Vater und Mutter in ihrem ganzen Leben waren und
taten. Davon hängen Kraft und Gesundheit des Kindes ab. Sollte das nicht
schon lange vor der Ehe dem Triebe Zügel anlegen, damit er nicht die
Kraft vergeudet, die dem Kinde darum fehlen wird?

Wer sein Kind anschaut und aus seinem Gesicht die Schwäche liest, muß
der nicht niedergedrückt werden, wenn er sich selbst daran schuldig
weiß? Wer an seinen Kindern häßliche Züge, Lüsternheit und Verirrungen
bemerkt, muß der nicht entsetzt sein, wenn er weiß, daß sie nur seine
eigene Jugend von neuem beginnen? Es vererbt sich nicht nur Kraft,
sondern auch Schwäche, nicht nur Körperliches, sondern auch Geistiges,
nicht nur gutes Denken, reines Empfinden, sondern auch geschlechtlich
verirrtes Denken, Charakterlosigkeit und Ausschweifung. Nie kann ein
Mensch etwas anderes erzeugen, als was er selber ist. Ein Kind ist wie
Vater und Mutter, gut oder schlecht. Darum sei gut, handle gut, damit
dein Kind gut sei und gut handle! Laß alles Unsaubere aus deinem
Liebesempfinden heraus, damit dein Kind ein schönes, reines Empfinden
habe! Gehe nicht den traurigen Weg vom Gott zum Tier, sondern geh den
einzig menschenwürdigen Weg, auf dem Gott den Menschen zum Herrn über
das Tierische eingesetzt und ihm eine Durchgeistigung und Beseelung
seiner Triebe geboten hat. Denn ein geistiger Grundsatz, ein göttliches
Gebot, herrscht in der Welt! Erkennst du das, so wird das
Geschlechtliche dir zur Lebensschönheit, und du wirst die Kraft sparen,
die erst ~deiner~ Reife dienen soll, ehe sie dir in der Ehe und in den
reinen Augen deiner Kinder unendliches Glück bringen wird.

Es gibt Gründe, die dir die Geschlechtsbeziehungen vor der Ehe
entschuldigen und beschönigen wollen. Und gewiß ist, an sich gesehen,
nicht alles häßlich, was nicht die Ehe sucht. Aber ob's für diese
spätere Dauergemeinschaft gut ist, das ist der Frage innerster Kern. Und
wenn auch die Farbenspiele bestechender Gründe den eigensüchtigen
Liebesgenuß umstrahlen -- macht uns die Selbsttäuschung besser? Vor dem
unbestechlichen Schiedsamt des Menschenwohles sind die schimmernden
Entschuldigungsgründe wie Seifenblasen.

Stähle die sittliche Kraft deiner Jugend in der Entsagung! Je weniger du
den Geschlechtstrieb aufkommen lässest, desto mehr verliert er das
körperlich Aufdringliche, ~desto mehr verschmilzt er mit deiner Seele,
deinem ganzen Menschen~. Mehr und mehr wirst du dann zu jenen Menschen
gehören, deren körperliche Liebe allein aus dem Wunderborn der Seele
quillt, und nicht zu denen, deren Seele schweigt, während zugleich ihr
Körper von Geschlechtserregung gepeitscht ist.

Und du wirst Achtung vor der Frau und vor allem Weiblichen haben. Die
Welt ist so, wie wir sie sehen. Siehst du sie gut, so ist sie gut.
Siehst du sie schlecht, so ist sie schlecht. Es ist eine traurige
Mannhaftigkeit, die sich ihrer Verachtung alles Weiblichen rühmt, weil
sie Siege errang, die nur bezahlte Willfährigkeit waren. Wer nur die
Dirne kennt, kennt nicht das Weib, und sein Urteil ist Anmaßung. Es ist
Zeit, daß anständige junge Menschen den Mut finden, die frechen
Zotenreißer und bramarbasierenden Bordellhelden zum Schweigen zu
bringen.

Wenn ein Mann das Weib, das er liebt, anschaut, so drängen sich
dazwischen gar leicht seine früheren Erlebnisse. Dann werden sie
begehrlich wieder lebendig, und Augen, die im Stolz leuchten sollten,
werden zu Boden gerichtet, weil ein Geheimnis die schöne Wirklichkeit
trübt. Wer nur zur Befriedigung seiner Sinnlichkeit den Spuren des
Weibes folgte, kann nur schwer die Sinnlichkeit aus seinem Fühlen,
seinen Blicken scheuchen. Und er kennt nicht den wunderbaren Einklang
zweier Seelen, die in ihrer Liebe unbewußt den Willen zum Guten, die
große, allumfassende Menschenliebe in sich tragen.

Welch eine Welt von Schönheit verschließt sich mancher Mensch, weil die
sinnliche Schwerfälligkeit seines Körpers ihm den geistigen Flug
verwehrt! Manche Seele hat sich in diesen rohen Geschlechtsverbindungen
verblutet und nur einen gierigen Körper zurückgelassen, in dem alles
Zarte, Schöne, alles Weiche und Feine, erstickt ist. Das ist seelische
Verarmung -- das allerschlimmste Menschenlos. Es ist ein Leben, das
keine Sonne, keine Wärme mehr hat. Warum nur schätzen wir diese
wundervolle Spannung der Keuschheit nicht höher? Warum ist die
Jugendkeuschheit nur ein Ideal für das Weib und nicht auch für den Mann?
Warum warten junge Männer denn geradezu darauf, diese Reinheit von sich
zu werfen, und warum muß die vielgerühmte »Männlichkeit« sich denn
zuerst auf den gegensozialen Wegen des Dirnentums bewegen?

»Ist denn wirklich die Geschlechtsehre des Mannes eine andere als die
des Weibes?« sagt ~Vera~ in »Eine für viele«. Und weiter. »Ist die
Notwendigkeit der geschlechtlichen Befriedigung in den jüngsten Jahren
nicht ein wohlorganisierter Schwindel? Oder ein großes Irren der Ärzte?
Kann die Keuschheit je so furchtbare, leben- und glückzerstörende
Krankheiten nach sich ziehen wie die Unkeuschheit?« Und weiter. »Der
Mann verlangt von dem Mädchen seiner Wahl nicht Keuschheit allein,
sondern auch einen unbefleckten Ruf. Mit Recht! Und das Weib soll ihren
Gatten mit Straßendirnen teilen? Sie soll die Schmerzen der Mutterschaft
tragen, mit dem furchtbaren Bewußtsein, daß der Vater ihrer Kinder in
gekauften Umarmungen seine Jugendkraft vergeudete -- -- -- sich nicht
scheute vor dem Schmutz, vor ekelhaften Krankheiten, in gemeiner
tierischer Sinnlichkeit seine Reinheit fortwarf ... der Vater ihrer
Kinder -- sage ich.« -- --

Dies Verabuch war trotz seiner Härten wie eine Fanfare, die eine neue
Zeit und eine neue Menschheit ankündete. Die geschlechtssittlichen
Forderungen konnten seitdem nicht mehr unterdrückt werden. Wir werden an
ihrer Durchführung arbeiten müssen, um den Menschen durch ein reineres
Geschlechtsleben eine festere Grundlage des Glückes zu geben.

~Es wird eine Zeit kommen, in der das, was die Menschen heute belachen,
wie eine heiße, große Sehnsucht in ihnen lebt. Vielleicht erwächst diese
Sehnsucht gerade aus dem Geschlechtselend unserer Tage. Dies Irren, dies
Leiden und Dulden in Geschlechtsausschweifungen, die dem Manne
Unterhaltung, dem Weibe schandbare Versklavung sind, wird sicher einmal
als entsetzliche Last empfunden werden, wenn die Menschen über den
stumpfen Materialismus hinaus die feinen, geistigen Gesetze erkennen
lernen. Dann erst werden die Menschen das Märchenland der Liebe finden,
wenn kein häßliches Erinnern mehr ihre Seele verwirrt.~

Das Leben ist darum nicht verloren, weil die Jugend nicht rein und voll
Schönheit war. Ja, mancher Charakter formte sich erst aus trüben
Erinnerungen, aus Fehl und Schuld. Aber den meisten hat doch der
Dirnengeist die Jugend vergiftet; denn für die Seelenweichheit der
Jugend ist das Geschlechtsabenteuer ein starker Eindruck, vielleicht in
seiner rohen Sinnlichkeit stärker als das, was später ein reines,
liebendes Weib gibt. Und von all den Roheiten der bezahlten Liebe wird
etwas ins Erinnern eingefügt und schiebt sich häßlich in all die
blühende Schönheit, die die Liebe bringt.

Wie viele Frauen bereuen die Ehe, hassen und verachten den Mann, den sie
doch einmal über alles geliebt haben. Aber er hat sie getäuscht. Mit ein
wenig Charakterlosigkeit und geschlechtlichem Schmutz in seinem Vorleben
begann es. Das fraß sich in ihm fest. Das durchwob sein Inneres so, daß
ihm die Ehe zu rein, zu langweilig erscheint. Zunächst verschweigt er
sein Vorleben. Dann kann dies trübe Geheimnis nichts Gutes für seine Ehe
sein. Oder er sagt's seiner jungen Frau. Dann werden ihre Gedanken
versuchen, sich in dieser ihr innerlich fremden Welt zurechtzufinden,
und unter Tränen, mit viel Weh im Herzen, entwickelt sich die Ehe
aus -- einem Verzicht. Oder aber die Frau ist flach und oberflächlich,
dann lacht sie, und es ist ihr alles gleichgültig. Die Vera-Naturen aber
sind zahlreicher, als man glaubt, Frauen, in deren Innerem in solcher
Stunde eine Saite angeschlagen wird, deren Ton für immer dem Ohr
verklingt. Sie, deren monogamischer Instinkt höchstes Feingefühl ist,
können nicht oder nur mit Überwindung einem Manne folgen, der aus einer
ganz anderen, viel gröberen Gefühlswelt kommt, und den die Häßlichkeit
geschlechtlicher Ereignisse, ein anderes Weib, ein uneheliches Kind, von
ihnen trennt.

Zwar leben wir in einer Zeit sittlicher Neuordnung. Und ehe aus dem
Streit der Meinungen das feste Gefüge der neuen, gerechteren Moral sich
bildet, wird großherziges Verzeihen, auch von seiten der Frau, dem Manne
den Weg ebnen von den wirren Geschlechtsirrtümern der Jugend zur
Reinheit der Ehe. Wie groß ist aber der Jammer der vielen Frauen, deren
Männer das heilige Treuversprechen gebrochen haben, weil die
Dirnenerinnerungen wie Unkraut, wie eine böse Krankheit der Phantasie,
in ihnen fortwucherten, bis der ganze Schmutz der Untreue und der
sittlichen Verlumpung sich auf die Ehe wirft und sie zerstört! Von
ungefähr kommen doch diese Eheskandale nicht. Die Untreue, dieses rein
körperliche, gemeine, geschlechtliche Veränderungsbedürfnis hat sich der
Mann angezüchtet bei den wechselnden Dirnen und der treulosen
Zufälligkeit seiner »Verhältnisse«. Und wer festigt dem Weibe den
Begriff der Treue, wenn sie als Mädchen einmal in dieses, ein andermal
in jenes Mannes Händen war? Die geschlechtliche Treulosigkeit vor der
Ehe baut dem Treubegriff der Ehe ein morsches Fundament.

Die moralisch-monogamischen Forderungen, die wie eine neue
Ordnung -- aber aus uralten Entwicklungsgesetzen heraus -- von Frauen
erhoben worden sind, können nicht mehr verstummen. Denn Einehe
(Monogamie) ist das Gesetz des Weiblichen, ist der Unterbau der Ehe, die
sittliche Grundlage der Erziehung. Prof. ~Albert Heim~, Zürich sagt:
»Der monogamische Instinkt ist von der Natur erzüchtet. Bricht ihn die
Menschheit im ganzen und dauernd wieder, so bricht sie mit ihm
zusammen«.

Je willenloser ein Mensch sich dem Geschlechtsempfinden hingibt, desto
mehr ist er Sklave seiner unsauberen Erinnerung geworden. Will er die
Erinnerung auslöschen, so braucht's einen mannhaften Entschluß: »Bis
hierher! Nun nicht mehr weiter!«

Wer so ein neues Leben auf dem festen, fröhlichen Willen zum Guten
beginnt, den wird das Schlechte, das er getan, nicht in alle Zukunft
hinein verfolgen. Es ist abgetan, und schön und rein leuchtet dir die
Zukunft.

    Der Mensch ist Wille!

Die Ehe ist ein Idealzustand und trägt in sich den Zweck und die
Möglichkeiten einer unendlichen Vervollkommnung der Menschheit. Die
Forderung der Treue, die wir für die Ehe aufgestellt haben, entspricht
dem uns eingeborenen sittlichen Empfinden, und diese tiefinnerliche
Moral ist immer diejenige, welche dem Fortschritt der Rasse dient.

Wenn darum Stimmen laut wurden und namentlich gegen das unbedingt
folgerichtige Verabuch Schriften über Schriften erschienen, die gerade
im Geschlechtsleben ~vor~ der Ehe eine Art von Läuterung und Ausreifung
der Persönlichkeit sehen, so ist demgegenüber auf das Wort des
positivistischen Philosophen ~Comte~ hinzuweisen, daß man sich nicht
durch Unsauberkeiten auf ein Ideal vorbereiten kann. Unsauberkeiten sind
es aber; denn alles Häßliche, das das menschliche Geschlechtsleben
erfaßt und überwuchert hat, kam aus der Verletzung der moralischen
Gesetze. Ja, sicherlich nicht nur für das Geschlechtsleben, sondern für
das ganze Menschenleben ist nichts von so furchtbaren Folgen gewesen als
diese geschlechtliche Unsittlichkeit, diese Treulosigkeit gegenüber
sittlichen Gesetzen, die in der göttlichen Natur des Menschen liegen.

Mit jeder Verletzung der Moral schreiten wir rückwärts, durchqueren wir
das Weltgesetz der Entwicklung, das nach oben und nicht nach unten,
nicht rückwärts, führt. ~Mit jeder Verletzung der Moral greifen wir
störend in die Rechte und das Wohl anderer ein. Denn es gibt keine
persönliche Sittlichkeit, es gibt nur eine Sittlichkeit, die die
Gesamtheit fördert.~ Diese Sittlichkeit haben auch tiefstehende Völker,
ja selbst Tiere haben sie; denn wir sehen die Tiere handeln nach
Gemeinschaftsgesetzen. Die Gemeinschaft der Lebewesen braucht die
Geschlechtskraft, und der blühende Empfindungsreichtum der Zeugung ist
das große Wunder der Natur. Aber sie braucht diese Geschlechtskraft
natürlich und rein und nicht als einen gegen das soziale Wohl
gerichteten Eigennutz. Wer das nicht fühlt, hat darum nicht das Recht
für sich. Und der Stolz junger Menschen müßte sich aufbäumen gegen die
schlaffe Massenauffassung des Alltags. In hochentwickelten
Einzelmenschen nur leben die Sittengesetze als gesunder Rasseninstinkt,
und wir andern werden ihnen nacheifern, wenn wir an ~Carlyles~ Wort
denken:

»Die Menschen leben um des Besten willen!«

Prof. ~A. Herzen~ sagt[4]: »Die wirkliche sittliche Handlungsweise ist
diejenige, welche man als allgemeine Verhaltungsmaßregel aufstellen
kann; und diese Regel wird sofort von jedem normalen kultivierten
Menschen angenommen werden, der nicht mit geistiger oder sittlicher,
angeborener oder erworbener Unzulänglichkeit oder mit Wahnsinn behaftet
ist.«

Wenn nun, wie wir wissen, die Zeugungskraft und Liebesfähigkeit ein
Hauptstamm des Lebens ist, dessen verschiedene Abzweigungen wir
Menschen- und Nächstenliebe, Spannkraft, Begeisterungsfähigkeit, Mut,
Ritterlichkeit, künstlerische Kraft usw. nennen, müssen nicht alle diese
Kräfte eine Verschlechterung erfahren, wenn die Liebeskraft mit unreinem
Denken genährt wird?

Diese Besudelung des Liebeslebens ist schlimmer, als die meisten ahnen.
Und es ist darum wohl erklärlich, daß heute mehr über diese Dinge
gesprochen wird, als dem feinempfindenden Menschen lieb sein kann. Aber
wir müssen darüber einmal zur Klarheit kommen, schon deshalb, weil das
Wort vom »Sichausleben« zur Phrase geworden ist und unsere Jugend
verderbliche Wege führt. Warum bewegt sich die Wirklichkeit dieses
Sichauslebens denn nur immer im Rahmen eines unsauberen
Geschlechtslebens und richtet sich nicht auf körperliche und geistige
Höchstentwicklung?

Wüßten die jungen Leute nur erst, wie sie ihr eigenes Glück schädigen,
weil die Dirne ihnen die Achtung vor dem Weibe und allem Weiblichen
nimmt! Der Glaube an die Mutter hat einmal unsere Jugend verschönt, und
diese schöne Erinnerung folgt uns in das Leben. Was hat die Mutter alles
für dich getan? Mit Schmerzen hat sie dich geboren, deinetwegen mußte
sie auf so vieles verzichten, was dem Manne das Leben vielgestaltig
macht. Das Verhältnis von Mutter und Kind ist ein kleines Heiligtum, das
der Mann als Gatte und Vater schützt.

~In jedem Weibe aber steckt die Mutter.~ Jedes Weib soll Reinheit dem
Manne darbringen, der sie zur Mutter macht. Willst du vorzeitig in dies
Heiligtum eingreifen? Willst du, der du als Mann Schützer und
ritterlicher Hüter des Weibes sein sollst, ihr Verderber, ihr Verführer
werden? Sei gut und voll Achtung zu jedem Weibe, achte und ehre die
Mutter in ihr!

Du wirst antworten, daß nicht immer der Mann die Schuld trage, sondern
oft das Weib die Verführerin sei, und daß die Prostituierte nicht
Achtung verdiene, sondern genommen werden müsse, wie sie ist. Ich will
die Dirne nicht besser machen, als sie ist. Aber wie viele von denen,
die auf den Straßen sich verkaufen, sind durch Verführung, Elend,
schlechte Erziehung in das Schandgewerbe hineingetrieben worden! Darfst
du die elende Lage, in die ein Mensch durch eigene oder fremde Schuld
hineingetrieben wurde, für deine Genüsse mißbrauchen? Und wenn du die
Prostituierte gar nicht achten kannst, wenn sie dir verworfen erscheint
und du dich darum der Verantwortung überhoben glaubst, so bleibt es für
dich entwürdigend, mit einem Menschen in Beziehung zu treten, den du
verachtest.

Aber mit der Verachtung sollten wir vorsichtig sein. Im Gewoge des
Lebens steigt einer nach oben, der andere sinkt unter. Gute erbliche
Anlagen erleichtern das Leben, schlechte erschweren es. Dem Weib, das
Dirne wurde, gab die Vererbung wohl schlimme Keime. Schlimme
Verhältnisse ließen das Schlechte aufblühen. Aber mache sie nicht
schlechter! Wenn du ihr Gewerbe benutzest, so bringst du sie -- wie so
viele andere -- noch tiefer in den Sumpf hinein. Warum wolltest du das
tun?


5.

Das »Verhältnis«.

Das Erwachen der Liebe bringt der Jugend Gefahren und Irrtümer. Je
stärker ausgeprägt der sinnliche Trieb ist, desto lebhafter werden
Beziehungen zu weiblichen Wesen gesucht. Wie die Sonne alles in ihre
Farben taucht, so umspielt die Erotik Mann und Weib. Eine
freudig-festliche Stimmung, Lichterglanz, ein paar Musikakkorde, ein
erregter Tanz oder dergleichen, und schon ist der Liebesfunke zur Flamme
angefacht. Schon schiebt sich der Begriff »ewig« in das eben geknüpfte
Band ein. Manchmal ist's ja ein Band fürs Leben, häufig aber zerreißt's
schon früh, und manchmal sieht der andere Morgen schon Ernüchterung und
Reue.

Aus diesen losen, flüchtigen Beziehungen hat sich das herausgeschält,
was Tausende von Männern kennen, und was in unserer Gesellschaft ein
öffentliches Geheimnis ist, das »Verhältnis«. Ein im Grunde einfacher
Vorgang: eine geschlechtliche Beziehung zu einem Mädchen, das nicht
Dirne ist, sondern Bürgerstochter, Verkäuferin, Modistin, Schneiderin
oder Ähnliches, und das man eines Tages verläßt, um eine andere zu
heiraten. Sie gibt sich ihm hin, weil seine bessere soziale Stellung
ihrer Eitelkeit schmeichelt, oder weil er die ihm geschenkte Gunst
bezahlt, oder auch, weil -- sie ihn liebt und glaubt, von ihm geheiratet
zu werden.

Von seiner Seite ist's nicht Liebe, sondern die Gewohnheit des
Geschlechtsgenusses. Liebe nur, wenn die sozialen Abstände die Ehe
unmöglich machen. Manche Tragik entsprang dieser Wurzel; das sogenannte
»Verhältnis« aber ist meist für den jungen Mann ein bequemer Weg des
Geschlechtsgenusses, der keine ernstliche Verantwortung mit sich bringt.
An sich selbst denkt er, und die Geschlechtserregung mag ihm ja auch
Liebe vortäuschen, aber seine Absicht geht gegen ein dauerndes Band. Das
kann nicht Liebe sein. Und wenn die Stunde der Trennung kommt, gibt's
oft viel Weh im Herzen des jungen Mädchens, viel Jammer und Bitten und
Tränen, weil doch die Liebe des Weibes, das seinen Leib hingab, ein
Stück von ihrem Leben ist, während der junge Mann sich von seinen
Geschlechtserlebnissen oft mit rücksichtsloser Kälte loslöst.

Können diese Rohheiten Vorbereitung auf die Ehe sein? Zerstören sie
nicht die Gemütstiefe, die einer Ehe Inhalt und Schönheit gibt? Wird
nicht die Liebeskraft vergeudet, die ungebrochen einem einzigen Weibe
gehören soll?

Und was wird aus dem Mädchen, das verlassen ist? Findet sie einen
anderen Mann, der sie heiratet, so wird sie verschweigen müssen, was
sie erlebt. Was man verschweigen muß, kann nicht gut gewesen sein. Oft
aber geht sie aus einer Hand in die andere und endet als Dirne. Denk'
einmal, wenn es deine Schwester wäre! Welch ein entsetzliches Geschick
für dich und deine Familie! Und viele junge Leute häufen, nur weil sie
genießen wollen, solches Leid auf die anderen, die oft schwer daran zu
tragen haben.

Es liegt im »Verhältnis« eine Unehrlichkeit, die die sittliche
Persönlichkeit untergräbt. Du verlierst die Ehrfurcht vor dem Weibe,
weil du es nicht mit Achtung als Mensch, sondern mit Sinnlichkeit als
Geschlechtswesen genommen hast.

Es gibt gewissenlose Schürzenjäger, deren dumme Frechheit jahrelange
Erfolge hat, weil selbst unter den Freunden und Kameraden niemand ihnen
sagt, daß ihr Tun nicht Mannhaftigkeit, sondern Erbärmlichkeit ist. Wir
müßten für mehr Klarheit in unserem Urteil sorgen.

An geistig hochstehenden, wertvollen Frauen prallt der schale Witz
solcher Laffen ab; sie können sich höchstens ihrer Erfolge bei Dirnen
und charakterlosen Elementen rühmen, und auch da sind sie oft betrogene
Betrüger, ausgenutzte Dummköpfe gewesen.

Das »Verhältnis« ändert seinen durch die Erregung der Sinnlichkeit immer
wieder beschönigten Charakter in demselben Augenblick, in welchem die
hier ebenso notwendigen wie häßlichen Maßnahmen zur Verhütung der
Befruchtung mißlungen sind, und das werdende Kind als eine angstvolle
Tatsache da ist, das nun das wohlbehütete Geheimnis dieser
Geschlechtsbeziehungen der Öffentlichkeit zu enthüllen droht. --

Und dann?

Beim Manne tödliche Verlegenheit, Sorge für Ruf, Stellung, Name,
Gedanken an Trennung, weil nun das »Verhältnis« lästig wird. Beim
Mädchen jagende Angst, Wunsch nach Schutz, Furcht vor dem Entdecktwerden
und dazu körperliche Leiden. Und dasselbe Kind, das zwei sich wahrhaft
liebende Menschen in der Ehe erst recht fest aneinanderkettet, trennt
meist zwei Menschen, die den bloßen Geschlechtszweck ihres
»Verhältnisses« mit dem Worte -- »Liebe« zu entschuldigen suchten.

Auf dem Lande und bei der Arbeiterschaft pflegt die unwillkommene
Liebesfrucht meist den Entschluß zur Ehe zu erzwingen. Man heiratet
sich, und das ist ehrlich. Damit bereitet man dem Kinde ein Nest, ein
Heim, und die junge Mutter ist geschützt vor Sorgen und bösen
Lästerzungen.

Aber in der Stadt besteht für alle »besseren Schichten« die bequeme
Einrichtung der »Alimente«. Die Vatersorgen und die anständige Gesinnung
werden abgelöst durch ein geringes monatliches Geldopfer. Gewiß, der
Gesetzgeber konnte vielleicht nicht anders. Er kann nur einige
rechtliche Ordnung schaffen. Aber er hat uns zu viele Möglichkeiten
geschaffen, Gemütswerte durch Geldwerte abzulösen.

Es wäre falsch, zu sagen, daß der Leichtsinn des »Verhältnisses« die
Pflicht zur Ehe in sich trägt, wenn das Kind dem sinnlichen Idyll ein
jähes Ende bereitet. Denn dann könnte die Schwangerschaft eine Leimrute
sein, mit der ein raffiniertes Weib einen Gimpel fängt. Ich will nur die
Verwirrung beleuchten und die Rohheit zeigen, die oft mit dem
unehelichen Kind sich entwickeln. Manche himmelstürmende Liebe endet
durch die Abtötung der Frucht vor dem Strafrichter.

Die Zahl der Totgeburten übersteigt bei den unehelichen Kindern überall
in Europa anderthalbmal diejenige bei den ehelichen. Manches eben
geborene Kind wird von der ratlosen, verzweifelten Mutter getötet oder
an Fremde abgegeben.

Das Höchste, Heiligste, was wir Menschen kennen, die Mutterschaft, wird
besudelt, entehrt, wird zum Verbrechen. Grenzenloser Jammer erstickt das
Gefühl des Mädchens, das Mutter wurde und verlassen wurde.

Rings um die großen Städte wohnt in ländlichen Bezirken ein Kreis von
Menschen, die sich mit der Pflege unehelicher Kinder gegen einmalige
oder periodische Vergütung systematisch und beruflich beschäftigen,
systematisch und beruflich aber auch unter dem Deckmantel der Pflege
die -- Tötung besorgen. Manchmal weiß das die Mutter nicht, manchmal
aber weiß sie es.

Das Leid des unehelichen Kindes ist zu oft gesungen worden, als daß ich
dazu Mollakkorde geben müßte. Verbrechen und Unehelichkeit, Prostitution
und Unehelichkeit, das sind fast unlösbare Zusammenhänge. Der Unterbau
des Lebens und der Charakterbildung, die mit Liebe und Achtung
durchzogene Ehe, fehlt dem unehelichen Kinde. Gerade in den
Kinderjahren, den Jahren der Weichheit und Aufnahmefähigkeit, der
Lenkbarkeit, fehlen oft die festen Grundsätze gesunder Erziehung,
herrschen oft Willkür, Vernachlässigung und der verderbliche Einfluß der
Straße. Der Vater fehlt, die Familie fehlt. Dem Genuß eines Augenblicks
entsteigt ein neues Menschenleben, das verfehlt und verdorben ist, weil
die Verantwortung fehlte.

Es ist oft, als sei im Geschlechtsleben das Rechtsgefühl vollkommen
geschwunden, das doch beispielsweise in den kleinsten Geschäfts- und
Geldsachen so fein entwickelt ist. Wer ein Geldstück stiehlt, kann ins
Gefängnis kommen. Wer aber im Geschlechtsleichtsinn einem andern
Menschen Glück und Namen, Ehre und Leben stiehlt, der kann sich auch
ohne viel Geschick durch die Paragraphen hindurchwinden. Die
gesetzeberatenden und gesetzemachenden Männer haben augenscheinlich zu
wenig an das Weib gedacht; denn die Rechtsprechung aller zivilisierten
Länder läßt dem Manne überall da Durchschlupfe, wo sich das Weib in den
Irrgängen der sexuellen Doppelmoral fängt. Ja, die napoleonischen
Gesetze Frankreichs zeigen eine offenbare Verachtung der Frau. Diese
Verwirrung in Geschlechtsfragen hat scheußliche Zustände gezeitigt.
Irgendein junger Mensch ist der Verführer. Seine sexuellen Wünsche sind
lebendig geworden. Er lernt ein Mädchen kennen, und seine Sinnlichkeit
treibt ihm betörende Lügen auf die Lippen. Sie glaubt ihm und wird
verführt. In irgendeinem verschwiegenen Winkel kommt sie nieder. Alle
Welt zeigt mit Fingern auf sie: »sie hat ein Kind.« Warum nicht auch auf
ihn? Es ist doch auch ~sein~ Kind. Ein uneheliches Kind kann die Ursache
sein, daß die Mutter in Ächtung, Verzweiflung und Tod getrieben wird,
daß sie ein Leben lang büßt für eine Stunde voll glühender Worte. Der
Mann aber kann am nächsten Tage die gleiche Komödie wiederholen. Und
wenn dieser brutale Egoismus soundso oft mal in das Leben von soundso
vielen Frauen zerstörend eingegriffen hat, dann deckt leicht eine
glänzende Heirat den Schleier der gesellschaftlichen Stellung über die
innere Erbärmlichkeit.

Wo bleibt hier das Rechtsbewußtsein, die Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft? Wie viele Männer gibt es, Geschäftsleute, Direktoren von
Theatern, Gesellschaften, Kaufhäusern usw., die ihre soziale Macht und
die soziale Bedrängnis ihrer Angestellten dazu ausnutzen, die hübscheren
jungen Mädchen in ihre Hand zu bekommen, die aber bei der Heirat sich
doch nach einer Frau »von gutem Ruf« umsehen.

Welch ein beschämender Mangel an einfachem Rechtsgefühl! Mancher Mann,
der ein unschuldiges junges Mädchen zur Mutter gemacht hat, ist dadurch
wie ein wildes Tier in das Glück und den Frieden einer ganzen Familie
eingebrochen. Und doch geht uns die Phrase nicht aus den Ohren, die
Geschlechtsbeziehungen des Mannes seien weniger verhängnisvoll als
diejenigen des Weibes.

Wenn die Mädchen, die heiraten, immer wüßten, wie sehr die häßlichen
Bilder der Vergangenheit ihres Geliebten den schönen Phrasen des
Augenblicks widersprechen, wenn sie wüßten, wieviel himmelschreiendes
Unrecht, begangen an anderen, durch die Ehe sanktioniert werden soll,
wenn sie wüßten, wie oft es vorkommt, daß abseits von dieser Ehe ein
verlassenes, verhärmtes Weib in Not und mit Bitterkeit für das Kind des
Geliebten sorgt, dann würden Schatten durch glückliche Gesichter ziehen,
und in mancher Frau würde wohl die Erkenntnis reifen, daß für das Glück
der Menschen und die Schönheit der Ehe die voreheliche Reinheit des
Mannes genau so wichtig ist, wie die Reinheit des Weibes. Immer ist die
Liebe die Lebensgestalterin. Sie gestaltet es gut oder schlecht. Darum
muß diese gestaltende Kraft rein gehalten werden.

An der alljährlichen Zunahme der unehelichen Geburten erkennen wir die
ins Grenzenlose gewachsene geschlechtliche Gewissenlosigkeit der Jugend.
Der unehelichen Mutter hat das Kind die soziale Lage sehr erschwert. Um
so schutzbedürftiger sieht sie nach dem Manne; um so schmachvoller ist
es, wenn dieser sie verläßt. Nur die Ehe kann dem mütterlichen Weibe und
dem Kinde ein sicherer Hort sein. Darum lockern diese leichtsinnigen
Geschlechtsverbindungen das ganze Gebäude unseres sozialen Fühlens,
Denkens und Handelns. Geschlechtliche Ungebundenheit ruiniert ein Volk;
denn sie ist eine Roheit und eine Gefahr für den Nachwuchs. Sie ist ein
ununterbrochener, geheimer und niederträchtiger Kampf gegen die Einehe,
die als höchstes Sittenideal unserer in uns schlummernden Ethik
entstiegen ist. Alles, was die monogamische Ehe fördert und vorbereitet,
ist zugleich sittliche Ordnung, Festigkeit, Gesundheit, Kraft und
Menschenglück, alles, was sie stört, bringt Zerfall, Unglück,
Proletariat, Krankheit. Das ist ~das uralte und urewige Gefüge der
Natur, daß der Mann Hüter und Schützer von Weib und Kindern sein soll.~
Mag auch die Strömung der Zeiten die Frau »emanzipieren«, ihr soziale
Selbständigkeit und Unabhängigkeit geben wollen, was vermag dies Eifern
vor dem gebietenden Wort der Natur! Das Weib ist Mutter! Das ist sein
Glück und sein Ruhm, aber auch die ewige Bedingtheit ihrer Lebensform,
ihre ewige und unabänderliche Abhängigkeit vom Mann.

Und wer aus der traurigen Nüchternheit und grenzenlosen Banalität vieler
Ehen eine Waffe zur Bekämpfung der ehelichen Gemeinschaft überhaupt sich
herrichtet und in der »freien Liebe« das Heil sieht, der sollte sich
fragen, ob denn die freie Liebe etwas ändert an den ehernen
Naturgesetzen, die die Ehe geformt haben, sollte sich fragen, ob denn
die Menschen, deren Seelen matt sind und die kraftlos zu einem
Liebesideal aufschauen, in einer ungebundenen Liebe die Verjüngung
finden, die sie glücklicher machen kann. Das Leben bedarf so sehr dieser
ewigen Verschmelzungs- und Verjüngungsprozesse durch Mann, Weib und
Kind, daß sich die Forderung der vorehelichen Reinheit, das Ideal der
Treue und die Tatsache der monogamischen Ehe als biologische, soziale
und sittliche Grundforderungen herausgebildet haben.

Der Vergleich mit der geschlechtlichen Wahllosigkeit mancher Ur- und
Primitivvölker ist nicht stichhaltig. Sie haben ein auf tiefster Stufe
stehendes Geistesleben und kennen darum nicht die Liebe, können uns
nicht Maßstab sein. Aber die Liebe ist durch die Jahrtausende
hindurchgeschritten und steigerte ständig ihre Seelenkraft, vertiefte
und verfeinerte sich, und ward so eine duftige Blüte zartester
Seelenkultur. Jeder rohe körperliche Akt, dem die Seele mangelt, treibt
sie wieder zurück bis dahin, wo sie angefangen. In dem unbewußten
Stammeln der im Selbstvernichtungsrausch versinkenden Liebenden »Nur
du«, »ewig du allein«, liegt unbewußt die allerstärkste Betonung der
Monogamie.


6.

Vor der Ehe.

Es kann nur ~einen~ Weg der Vorbereitung auf die glückliche Ehe geben,
das ist der der eigenen Reinheit und die bei aller unbewußten Erotik
geschlechtslose Beziehung zu Frauen. Wehe dem Manne, der im Weiblichen
nur das Geschlechtliche sehen kann, der für dies ~eine~ seinen Sinn
steigerte und für alles andere stumpf wurde. Ihm hat auch die Ehe nur
Geschlechtsinhalt. Er kennt nicht die höchsten Genüsse, die in der
innigen Ergänzung der besonderen geistigen Persönlichkeit des Mannes mit
weiblicher Art, weiblichem Denken liegt. Meide den Umgang mit wertlosen
Frauen, aber suche und pflege mit der Freundschaft zu guten Menschen
besonders die geistigen Beziehungen zu edler Weiblichkeit. Deine
Männlichkeit, dein Auftreten, deine Lebensformen werden ausreifen, wenn
der Hauch gesunder Weiblichkeit dich umweht. Kannst du deine Interessen
mit einer Freundin austauschen, so bekommt deine Anschauung noch eine
andere, sich ergänzende Richtung.

Und siehst du in der Freundin eines Tages die Geliebte, denkst du sie
dir als Gefährtin des Lebens, nun, so war's wohl ein guter Entschluß.
Aber prüfe, ehe du dich bindest! Hast du dich entschlossen, so glaube
nur nicht, jetzt sexuelle Rechte zu haben! Gerade dies »Poussieren«,
diese häufigen Geschlechtserregungen in allen Winkeln und dunklen Ecken,
diese Liebkosungen sexueller Art sind so verderblich für das
Nervensystem. So wenig Haltung bewahren oft junge Menschen, daß sie
jedes Alleinsein zu unsauberem Denken und Tun mißbrauchen, oft nur, weil
sie zu geistlos und zu sehr ohne inneren Wert sind, als daß sie das
Alleinsein mit Schönerem ausfüllen könnten. Wenn so schon der Jugend die
Poesie gestorben ist, sollte man den Schritt zur Ehe nicht mehr wagen;
denn die Ehe wird zum Ekel.

~Lerne bewundernd zu lieben, ohne zu begehren!~ Dann wird das, was du
liebst, dir lange, lange das Schöne bleiben! Liebe ist Wunsch, ist
Sehnsucht, ist Spannkraft der Seele. Töte das alles nicht, indem du
vorschnell an dich reißest, was deiner Sehnsucht lebendiges Ziel sein
soll. Mag auch ein sinnliches Begehren dich zu dem Mädchen, das du
liebst, hinreißen, falle ihm nicht zum Opfer. Ihr entschleiert das Bild
zu Saïs! Solange die unerfüllten sinnlichen Wünsche ~in~ dir leben,
beschwingen sie deine Liebe und treiben dir Worte der Poesie auf die
Lippen. Du siehst alles, alles schön und farbenprächtig, idealisierst
die Wirklichkeit, hast Jugend in dir; denn Jugend ist Wunsch und
poesievolle Spannung. Die befriedigte Liebe aber, wenn sie nur
körperliches Begehren war, wird arm an Worten, und es ist die tiefe
Tragik der Liebe, daß sie in ihrem höchsten Begehren stirbt. Sie kann
sich selbst bekämpfen, in der eigenen Glut aufzehren, und es braucht
klare Augen und einen festen Willen, sie in Schranken zu halten.

Wieviel unglückliche Ehen entsteigen dieser geschlechtlichen
Voreiligkeit! Die Erregung raubt Besonnenheit und Urteil. Ein Kind ist
entstanden und treibt die zwei leichtsinnigen Menschen in die Ehe
hinein, den Mann oft gegen seinen Willen. Was freieste Entschließung und
seelische Hochspannung zweier Menschen sein sollte, wird eine
Zwangsmaßnahme, die aus innerer Angst und aus Furcht vor dem Skandal
geschah. Gerade wenn der Wunsch nach dem Weibe die Sinne füllt, sollte
man mit Entschlüssen zögern. Was wir gar zu heftig begehren, sehen wir
nur in seinen Vorzügen, nicht auch in seinen Schwächen und Mängeln. Und
manches Mädchen, das für den Geliebten »göttlich« war, wird für den
Gatten, wenn der Alltag der Ehe den Morgentau der Liebe abstreifte, mehr
als irdisch. Darum prüfe dich lange und zähme immer deine Sinnlichkeit.
Denn durchbricht sie die Schranken, so entscheidet sie oft über Dinge,
die noch gänzlich unentschieden sind, und knüpft oft ein Band, das
besser ungeknüpft bliebe.

So betrachtet, wird dir die Liebe zur beschwingenden Kraft. Aus dem
Gegenspiel von Erotik und ihrer Beherrschung erwächst dir die Achtung
vor dir selbst und vor der Weiblichkeit. Je größer diese doppelte
Achtung ist, desto weiter rückst du ab von der Prostitution und allem,
was aus ihr entspringt und mit ihr zusammenhängt.


7.

Schadet der Jugend die Enthaltsamkeit?

Es wird viel und gern davon gesprochen, daß die geschlechtliche
Betätigung vor der Ehe eine Notwendigkeit sei, eine Forderung der
Gesundheit. Diese letztere solle Schaden nehmen in der Enthaltsamkeit.

Die einen stellen diese These auf und verteidigen sie mit
Hartnäckigkeit, die anderen bestreiten sie energisch. Ich zögere keinen
Augenblick, zu sagen, daß es viele Fälle von Schäden der Enthaltsamkeit
gibt, Schäden, die sich bei der geistigen Arbeit, im Schlaf, im ganzen
geistigen und körperlichen Leben überhaupt zeigen. Es wäre falsch und
widerspräche der Wissenschaft und den alltäglichen Vorkommnissen, einer
sittlichen Absicht zuliebe physiologische Erscheinungen rundweg leugnen
zu wollen. Das erzeugt Widersprüche, die zu Waffen in der Hand der
Gegner werden.

Aber derartige Schäden treten erst bei der Geschlechtsenthaltsamkeit der
Erwachsenen auf und haben für die Jahre der Entwicklung, für die Jugend,
nicht die mindeste Geltung. ~Für die Jugend ist die Enthaltsamkeit nicht
nur nicht schädlich, sondern eine Grundbedingung vollkommener
Entwicklung.~

In der Tierzucht ist es ein ganz selbstverständlicher Grundsatz, Tiere
niemals vor vollendeter Reife zur Geschlechtsbetätigung zuzulassen, weil
man dadurch das Tier schwächt, seine Leistungsfähigkeit (z. B. bei
Rennpferden, Jagdhunden, Lasttieren) vermindert und schließlich die
ganze Rasse herabzüchtet. Zwischen Fortpflanzungstrieb und Lebensdauer
besteht eben ein unlösbarer Zusammenhang. Ganze Völker versinken in der
Widerstandslosigkeit gegen den Geschlechtsreiz. Den Indiern hat nichts
so sehr die Kraft genommen, als die frühen Heiraten, die schon von
Kindern geschlossen werden. Es kann niemals gut sein, wenn ein Trieb
sich so entwickelt, daß er alles beherrscht. Eine Schwächung des Ganzen
muß die Folge sein.

~Noch nie, solange die Welt steht, hat die Keuschheit so ungeheuren und
entsetzlichen Schaden angerichtet, wie die Ausschweifung.~

Die Schäden, von denen man spricht, sind aufgebauscht und werden zur
bequemen Entschuldigung für den Geschlechtstrieb, den zu zügeln man
nicht die Kraft und den Willen hat. In diesem Punkte gibt es so viele
Täuschungen, als es Behauptungen gibt. Denn alle die Zustände, die man
in den bequemen und gedankenlosen Begriff »nervös« zusammenfaßt, die
Unruhe, Schlaflosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, allgemeine Schlaffheit,
Verdauungsträgheit, Mißmut, Gemütsbedrücktheiten u. dergl., die fast
alle aus völlig unnatürlicher Lebensart sich ergeben, wenn die Freuden
der Tafel über die Bedürfnisse des Lebens hinausgehen und der Körper
nicht genug Bewegung hat, diese Zustände werden gern und vorschnell dem
Mangel an Geschlechtsgenuß zugeschrieben, weil man so die Sinnlichkeit,
mit Gründen wohl versorgt, auf den glatten Boden eines vergnügten Lebens
hinausschicken kann. Denn um ein Vergnügen handelt sich's wohl bei all
den jungen Männern, die ihre leichtfertigen Liebesabenteuer mit der
Flagge der bedrohten Gesundheit verteidigen.

Die gesamte Art der Menschheit, zu leben, zu arbeiten, zu essen und zu
trinken, und demgemäß zu denken und zu fühlen, ist so grundfalsch, so
von den natürlichen Gesetzen abgewichen, auf Abwege geraten, daß auch
unser Urteil über den Geschlechtstrieb und seine Äußerungen notgedrungen
falsch sein muß. Wie kann man aus ungesunden Lebensformen physiologische
Gesetze folgern wollen?

Es ist wohl gut, auf einige Äußerungen von Männern hinzuweisen, die auf
Grund ihres wissenschaftlichen Urteils und ihrer Lebenserfahrungen
gehört zu werden verdienen. Dabei will ich verzichten auf die Wiedergabe
des bekannten Schreibens der medizinischen Fakultät der Universität
Christiania, erstens, weil es aus dem Jahre 1887 stammt, und vor allem,
weil mehrfach angezweifelt worden ist, ob in der Tat die ~ganze~
Fakultät es unterzeichnete. Tatsache aber bleibt, daß die jüngeren
norwegischen Ärzte in ihrem Fachblatt das erwähnte Urteil der Fakultät
zu ihrem eigenen gemacht haben.

Der bekannte Nerven- und Irrenarzt Prof. _Dr._ ~Aug. Forel~ sagt: »Die
angebliche Nervosität resp. physische Erregbarkeit, Abspannung usw.,
welche die Keuschheit nach sich ziehen soll, wird als ein Hauptargument
zur Verteidigung der staatlichen Fürsorge für weiberbedürftige Männer
herangezogen. Ich bin in meiner ärztlichen Laufbahn von zahlreichen
jungen Neurasthenikern und Hypochondern konsultiert worden, welche
früher keusch waren, erst auf ärztliche Anordnung hin Bordelle besuchten
und vielfach dort venerisch angesteckt, jedoch weder von Neurasthenie
noch von Hypochondrie kuriert wurden. Einen irgendwie nennenswerten
Erfolg von dieser Therapie habe ich selbst nie beobachtet.

»Zweifellos dagegen ist es, daß der ausposaunte angebliche Schutz gegen
Syphilis (von einem Schutze gegen gonorrhöische Infektion wagt niemand
zu sprechen), verbunden mit den zahllosen Lockungsmitteln, welche die
in diesen Geschäften pekuniär interessierten Personen zur Vermehrung
ihrer Kundschaft anwenden, die Zahl der sich prostituierenden jungen
Männer ungeheuer steigert; es bildet sich unter denselben allmählich die
>Suggestion<, daß die Keuschheit ein unmögliches Ding sei, daß ein
keuscher Jüngling kein >Mann< sei u. dergl. mehr. -- Zwar liefert
überall die Landbevölkerung, ohne daß wir an unsere Vorfahren zu
appellieren brauchten, den Beweis, daß ohne regulierte Prostitution und
ohne Prostitutionshäuser die Männer existieren und gesund bleiben, sogar
viel gesünder werden können. Es beweisen ferner zahlreiche Einzelfälle,
daß die Keuschheit ohne Nachteil für die Gesundheit bestehen kann ...
Doch wird dies meist ignoriert.

»Die Prostitution ist kein Heilmittel gegen die Onanie. Beide bestehen
sehr oft nebeneinander...... Tatsache ist ..., daß der Geschlechtsreiz
durch vermehrte Befriedigung sich steigert, zu einem immer häufigeren
Bedürfnis wird. Das erklärt die weitere Tatsache, daß ... sehr viel
Exzedenten daneben noch onanieren oder nächtliche Pollutionen haben...

»~Nie habe ich eine durch Keuschheit entstandene Psychose gesehen, wohl
aber zahllose solche, die die Folgen von Syphilis und Exzessen aller Art
waren~...

»Wir müssen dabei bleiben, daß für den jungen Mann bis zu seiner
Verehelichung die Keuschheit nicht nur ethisch und ästhetisch, sondern
auch der Prostitution gegenüber hygienisch das Zuträglichste ist.«

Auch der hervorragende Psychiater Prof. _Dr._ ~Eulenburg~ bezweifelt in
seiner »_Neuropathia sexualis_«, »daß schon irgend jemand bei sonst
vernünftiger Lebensweise durch geschlechtliche Abstinenz allein krank,
speziell neurasthenisch oder sexual-neurasthenisch geworden ist.« Er
sagt weiter: »Ich halte diese immer wiederkehrenden, phrasenreichen
Behauptungen für völlig leeres und nichtssagendes Gerede, wobei es sich
nur um gedankenloses Miteinstimmen in den allgemeinen Chorus
oder -- noch schlimmer -- um ein bewußtes Kniebeugen vor Vorurteilen
handelt... Jene im Laienpublikum außerordentlich beliebte und leider
auch von gewissen Ärzten laut oder stillschweigend gebilligte Meinung
von der unbedingten Schädlichkeit geschlechtlicher Abstinenz wirkt zumal
auf die heranwachsende Jugend in hohem Maße verderblich; sie treibt
diese dem illegitimen Geschlechtsverkehr, d. h. der Prostitution,
geradezu in die Arme...«

Das Wort von den Schäden durch Enthaltsamkeit ist am lautesten im Munde
derjenigen, die die Venus Anadyomene (sinnliche Liebe) kennen und ihr
nicht entsagen wollen. Sie wissen nicht, daß das zur Periodizität
neigende Rückenmark aus einem gewöhnlichen Reiz ein gebieterisches Recht
macht. Findet man nicht im Essen, im Trinken, im Rauchen und in allen
Lebensgewohnheiten genau dasselbe? Man entziehe nur einmal einem starken
Esser oder Trinker sein gewohntes Quantum, und er wird -- obwohl die
Entsagung seinem Organismus höchst dienlich ist -- Unbehaglichkeiten, ja
Qualen erleiden. So ergeht's dem Raucher, so dem Morphinisten. Ist darum
in ihren Wünschen, ihren Gefühlen, ihren Ansichten auch nur ein Schimmer
von Recht?

Wer das Geschlechtsgefühl häufiger kennen lernte, hat seinen Organismus
sozusagen darauf eingestellt. Wie Wellenlinien durchzieht's die
Nervenzentren, periodisch sie erregend. Dann bringt zunächst die
Enthaltsamkeit Beschwerden, wie allen, die unbeherrscht und triebhaft
leben. Aber nur zunächst. Bald stellt sich das Nervensystem mit dem
ganzen Organismus auf diese neue Marschroute ein, und die inneren
Absonderungen vermehren bald merkbar die Spannkraft des Körpers und des
Geistes. Ja, wer beobachten kann, findet bald heraus, daß der die
Geschlechtskraft sparende Organismus mit einem geringeren Maß von Schlaf
und Nahrung auskommt, weil er trotz erhöhter Leistungsfähigkeit
sparsamer wirtschaftet. Für viele, viele Menschen ist der
Geschlechtsgenuß ein jedesmaliger Kraftverlust, sie erschlaffen tagelang
nachher, und Menge und Wert ihrer Arbeit leidet. Sie brauchen Tage, um
durch Ruhe und Sorgfalt in der Ernährung wieder auszugleichen, was sie
in einer Minute verloren haben. Trotzdem aber können sie nicht
loskommen von dem entnervenden Glauben an die Notwendigkeit
geschlechtlichen Lebens.

Freilich bedingt ein so besonders beherrschtes Leben auch veränderte
Lebensgewohnheiten. Wenn du an Kopfschmerzen leidest, an unruhigem
Herzen, an Schlaflosigkeit und wüsten Träumen, oder durch Pollutionen
erschlafft wirst und in all diesen Dingen Gründe für ein voreheliches
Geschlechtsleben siehst, dann handelst du wie ein Kind, das die eine
Dummheit durch die andere beseitigen will. Du sollst deine
Eßgewohnheiten ändern, den Alkohol meiden, das Rauchen einschränken,
Gewürze und gewürzte Nahrung fortlassen und alles das beachten, was wir
schon beim Kapitel der Onanie miteinander besprochen haben. Und wenn der
Arzt in all den eben genannten Störungen die Zeichen eines zu hohen
Blutdruckes erkennt, so sollte er seinen Patienten nicht auf den
gefährlichen Weg zur Dirne senden, sondern den Blutdruck durch den
gesünderen und klügeren Rat der fleischlosen Nahrung, der Vermeidung von
Kaffee und Tee und Alkohol herabsetzen. Kann diese gedankenlose
Suggestion der Dirnennotwendigkeit sich bei der ärztlichen Autorität ihr
Lebensrecht holen, dann ist es kein Wunder, wenn die Köpfe junger Männer
erfüllt sind von wilden, ungezügelten und schmutzigen sexuellen
Vorstellungen, die den erregten Körper zu nächtlichen Samenergüssen und
damit zur Erschlaffung mit Rückenschmerzen, Verdauungsschwäche und
Melancholie treiben! Ein straffes Halt der lüsternen Phantasie gebieten,
Geist und Körper in ernste, energische Arbeit einspannen, das hält den
Geist sauber und den Körper gesund!

In Klöstern, wo die Frauen arbeiten, hat man selten Hysterie gefunden;
bei Prostituierten dagegen ist sie häufig.

Du wirst einsehen, daß gerade die wunderbare Tatsache der ~inneren~
Drüsenabsonderungen der Jugend die Pflicht der Keuschheit auferlegt.
Denn der Organismus, der diese Drüsensekrete zu seiner Entwicklung
gebraucht, kann nicht zu seiner vollen Entwicklung kommen, wenn ihm
vorher das Wachstumsmaterial entzogen wird. Und wenn dem Körper die
Kraft genommen ist, wie sollte er Kraft seinen Nachkommen geben können?
Dem eigenen Leichtsinn folgt die Schwäche der Nachkommen, und sie ist
ein drückender Vorwurf für den, der noch ein Gewissen hat.

Es ist nicht geschickt, zur eigenen Entschuldigung auf die Männer
hinzuweisen, die trotz ihrer sexuellen Ausschweifung geistig groß,
bedeutend und machtvoll waren. Denn erstens sind solche Männer in der
Minderzahl, zweitens hätten sie bei größerer Selbstzucht noch Größeres
erreicht. Die Zahl der Großen aber, die ihr persönliches Leben unter die
ordnende Macht sittlicher und gesundheitlicher Gesetze gestellt haben,
ist wesentlich größer, und man braucht nur auf ~Immanuel Kant~, auf
~A. v. Humboldt~ hinzuweisen, um sexuelle Enthaltung und geistige Größe
eindrucksvoll nebeneinander zu sehen. Jedenfalls hat frühzeitiger
Geschlechtsverkehr noch keinen großen Mann gezeitigt. Dagegen fällt das
Auge überall auf Menschen, die durch vorzeitige Vergeudung der
Zeugungskräfte an Körper und Geist verarmt und verkümmert und zu jedem
geistigen Hochflug unfähig geworden sind.

Obermedizinalrat Prof. _Dr._ ~Gruber~ in München sagt: »An eine
Schädlichkeit der Zurückhaltung des Samens im Körper ist nicht zu
denken.« Er weist darauf hin, daß die Samenflüssigkeit, wenn sie als
Auszug aus Tierhoden unter die Menschenhaut gespritzt wird, die
Leistungsfähigkeit der Muskeln erhöht und diese sich rascher erholen. Er
weist ferner auf die Enthaltung von Gelehrten und Künstlern hin und
sagt: »Während der Zeit der Enthaltung wird sicherlich Samen aufgesaugt,
und seine Bestandteile gelangen ins Blut. Dies wirkt nicht schädlich,
sondern günstig.« --

Zweifellos gibt es Menschen von so heftiger geschlechtlicher Begierde,
daß sie sich wie ein Wesenszug ihrer besonderen Persönlichkeit ausprägt
und oft ihrem Handeln eine bestimmte Note gibt. Sie können sich nicht
bezähmen, sondern werden von ihrer Begierde beherrscht. Solchen Menschen
erscheint der Gedanke an geschlechtliche Entsagung lächerlich, und sie
sind es auch, die, von ihrem eigenen Zustand ausgehend, ihren
jugendlichen Kameraden die Gefahren der Keuschheit anschaulich machen
wollen. Sie geben oft einer Unterhaltung den Ton, und die anderen
schämen sich, ihre Unschuld zu zeigen oder gar zu verteidigen. Wir
wollen nicht Pharisäer sein und Steine werfen auf diejenigen, deren
heftige, unstillbare Begierde die Selbstbeherrschung übersteigt. Aber
man soll in diesen Dingen das Herdenmäßige niederhalten, damit nicht der
eine zur gefährlichen Antriebskraft für die anderen wird, die zu spät
den gefährlichen Weg, den Krankheitsjammer und das moralische Elend
erkennen, in das ihre durch ein paar verführende Worte angefachte
Sinnlichkeit sie hineingetrieben hat. Man kann, durch ein Irrlicht
geleitet, leicht in einen Sumpf geraten. Ob aber die Kraft zum
Herauskommen später noch da ist, ist nicht vorherzusagen.

Prof. _Dr._ ~Albert Heim~ hat in einer kleinen Schrift, »Das
Geschlechtsleben des Menschen vom Standpunkt der natürlichen
Entwicklungsgeschichte«, vortrefflich nachgewiesen, daß diese sexuelle
Planlosigkeit und Willkür, die wir in der »zivilisierten« Menschheit
finden, nicht einmal beim Tiere existiert, daß für das in Freiheit
lebende Tier durchaus keine Geschlechtsfreiheit besteht, daß es vielmehr
in polygamischer oder monogamischer Ehe lebt. Er sagt:

»Und indem allmählich die zeitliche Beschränkung der Geschlechtsliebe
auf Brunftzeiten verschwunden ist, die Zeit der Brutpflege und der
Erziehung der Nachkommen sich immer verlängert hat, wird die Familie
fester und dauernder und dadurch die ~lebenslängliche Einzelehe~ immer
~natürlich-notwendiger~. In geschichtlicher Zeit sehen wir in der
Menschheit selbst alle Stufen von Unregelmäßigkeit, polygamischer,
monogamischer Ehe sich fortschreitend entwickeln bis gegen die
Alleinherrschaft der lebenslänglichen Einzelehe in Praxis, in Sitte und
in Gesetz. Was die Natur schon am Tierreiche in verschiedenen Zweigen
aufsteigend entwickelt und mit verstärkter Notwendigkeit dem Menschen
als Erbe überbunden hat, das wird sie nicht zurücknehmen können. Es
gibt kein anderes Rückwärtsschreiten als dasjenige zum Untergang.

»Die ~monogamische Lebensehe~ ist in ihrer Ausbildung ein allgemeines
Naturgesetz, und indem das Sittengesetz der Menschheit dieselbe fordert
und anstrebt, ist es eben nicht ein Stück »zivilisatorischer Unnatur«,
sondern ein ~Stück Natur~. ~Ein ungehemmtes Verfolgen seiner Triebe ist
kein Naturrecht. Die freie Natur gibt dies bei höheren Tieren nirgends
zu.~ Auch das Tier würde bei Geschlechtsfreiheit rasch zugrunde gehen.
Der außereheliche Geschlechtsverkehr ist in der Natur gar nicht
vorgesehen; er ist nur eine unglückliche Abirrung der Zivilisation, ein
Irrtum! Je intensiver der Geschlechtstrieb, je beseligender seine
Befriedigung wird, desto bestimmtere und engere Schranken setzt ihm die
Natur, desto höher und heiliger aber auch gestaltet sie die
geschlechtliche Verbindung; sie wird zur Liebe, zur Ehe. Beim Menschen
gibt uns Liebe und Gegenliebe, nicht der Geschlechtstrieb, Recht aus
Geschlechtsgenuß.

»Das Gerede vieler Männer von der Unnatur der Enthaltsamkeit und der
monogamischen Lebensehe ist also eitel Säbelgerassel und steht im
grellsten Widerspruche mit den Leitlinien der natürlichen Entwicklung.
Diesem Gerede zuliebe wird die Natur nicht umkehren, sondern wer ihren
Entwicklungsgedanken zuwider lebt, der wird an seinem Laster verderben!
Aus der Natur, aus ihren Gesetzen, kommen wir nimmer heraus!«

[Illustration: Dekoration]




Dritter Teil.

Die Geschlechtskrankheiten.


Ja, wenn noch aus all dieser lüstern-lockenden Welt der geschlechtlichen
Ungebundenheit Glück und Kraft und Schönheit käme! Wenn die Wege des
Genusses nicht zur Reue führten, die oft fassungslose Verzweiflung ist!
Denn das voreheliche Geschlechtsleben hat einen Januskopf. Auf der einen
Seite das lächelnde Antlitz des Augenblicksgenusses und auf der anderen
die grause Kehrseite der venerischen Krankheiten, allen voran Tripper
(Gonorrhöe) und Syphilis. Weißt du, welche Schrecken diese Krankheiten
für den Einzelnen, welche Geißel sie für das Volk sind? Ruinierte
Kräfte, zerstörte Leben auf der ganzen Linie. Nur ein paar Zahlen sollen
den Umfang der venerischen Seuche zeigen:

Das Kultusministerium in Preußen versandte im Jahre 1900 Fragebogen, die
Geschlechtskrankheiten betreffend, an die Ärzte. Aus der Beantwortung
derselben ergab sich, daß am 30. April des genannten Jahres 41000
Geschlechtskranke sich in ärztlicher Behandlung befanden. Darunter waren
allein 11000 an frischer Syphilis Erkrankte. Berlin zählte allein 11600,
darunter 3000 frisch Syphilitische. Es kamen somit in Preußen auf 10000
Einwohner = 28 Geschlechtskranke, in Berlin 142. Berücksichtigt man, daß
ein Drittel aller Ärzte die Fragebogen unbeantwortet gelassen hatte, und
daß zahllose Erkrankte ohne eine Ahnung von ihrem Leiden herumlaufen
oder aber leichtsinnigerweise nicht zum Arzt gehen, so kann man sehr
wohl für Preußen eine Zahl von 100000 Geschlechtskranken am Tage
annehmen. Professor ~Brentano~ sprach 1903 in München auf dem Kongreß
der »Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten« sogar von
170000.

Diese Krankheiten kosten dem Volke an Mindereinnahmen und Mehrausgaben
(für Behandlung) viele Millionen.

Das Elend, das diese Zahlen in sich einschließen, ist kaum zu schildern
und hat etwas Grauenhaftes, wenn man sieht, daß ihm die Menschen mit
lächelndem Leichtsinn entgegeneilen. Denn fast alle Geschlechtskrankheiten
(90%) entstehen bei der Prostitution oder durch die flüchtigen
»Verhältnisse« mit Kellnerinnen und dergl.

_Dr._ ~Iwan Bloch~-Berlin berichtet (»Sexualleben«), daß in Berlin
alljährlich ein Drittel aller Kellnerinnen als geschlechtskrank
aufgegriffen werden, daß unter den Geschlechtskranken folgende Skala
besteht: 30% Kellnerinnen, 25% Studenten, 16% Kaufleute, 9% Arbeiter, 4%
Soldaten. Daß die Studenten gleich hinter den Kellnerinnen stehen,
spricht für ihren bodenlosen Leichtsinn. Der verstorbene Leipziger
Nervenarzt _Dr._ ~Möbius~ sagt (»Vermischte Aufsätze«, 1898): »Der, der
Erfahrung hat, muß zugeben, daß wenigstens acht von zehn, die durch
Dirnen angesteckt worden sind, nicht durch Leidenschaft dazu gekommen
sind, sondern einfach durch Leichtsinn und Übermut, Verführung und
Betrunkenheit. Ja, viele setzen sich kaltblütig der Gefahr aus, bloß
weil man ihnen eingeredet hat, regelmäßiger Geschlechtsverkehr sei zur
Gesundheit nötig.

»Wüßten die Leute ganz klar, wie groß die Gefahr ist, daß sie bei jedem
Verkehr mit Dirnen die Gesundheit, ja das Leben auf das Spiel setzen, so
würden gewiß viele sich zurückhalten. Deshalb halte ich es für eine
ernste Pflicht aller Wohlmeinenden und ganz besonders der Ärzte, so oft
und so nachdrücklich wie möglich die Wahrheit über die venerischen
Krankheiten anszusprechen, ja den Menschen ins Ohr zu schreien. Jeder
bedenke, welche Verantwortung er auf sich lädt, wenn er diese Dinge
leichtsinnig behandelt. Sollten Ärzte lächelnd von >Kinderkrankheiten<
reden, oder wohl gar zum Besuche der Dirnen ermuntern, so darf man von
ihnen sagen, daß sie >viel schlimmer als die Pest< wirken.«

Weil Wissen überall die starke Waffe der Sittlichkeit ist, wollen wir
hier kurz die häufigsten und schrecklichsten Geschlechtskrankheiten
darstellen. Es sind dies 1. der Tripper (Gonorrhöe), 2. der weiche
Schanker, 3. die Syphilis.

Der ~Tripper~ ist eine uralte Krankheit, die schon ~Moses~ zu ernsten
Maßregeln veranlaßte. Das Mittelalter hat eine große Ausdehnung des
Trippers erlebt, aber die großen Irrtümer über diese Krankheit waren für
die Kranken von sehr trüben Folgen. Klarheit brachte erst die im Jahre
1879 gemachte Entdeckung von Prof. ~Neisser~-Breslau, daß der Tripper
eine zunächst lokale Entzündung der Harnröhrenschleimhaut ist, die auf
bestimmten Mikroorganismen (Kleinwesen), den _~Gonoccoci Neisseri~_ oder
Tripperkokken, beruht.

Es gibt keine andere Ursache für den Tripper oder die Gonorrhöe als den
Geschlechtsverkehr. Was man sonst darüber redet, ist falsch. Man kann
ohne weiteres sagen, daß alle käuflichen Dirnen geschlechtskrank sind,
und daß die sittenpolizeiliche Kontrolle (Reglementierung) nicht den
geringsten Schutz gegen die ungeheure Ansteckungsgefahr gewährleistet.

Ein oder mehrere Tage nach der Ansteckung macht sich ein lästiges
Brennen und Jucken in der Harnröhre bemerkbar, das häufige
Gliederektionen mit erhöhtem Schmerzgefühl bewirkt und besonders beim
Harnlassen sich steigert. Zugleich beginnt ein schleimiger Ausfluß, der
in kurzer Zeit zu einem mehr oder weniger übelriechenden grünlich-gelben
Eiter wird. Die Menge dieser eiterigen Absonderung hängt von der
Heftigkeit der Erkrankung und von der gesamten Kräfte- und
Säftebeschaffenheit des Patienten ab. Die Harnröhrenmündung erscheint
gerötet. Wird bei der Untersuchung der Harn in ein Glas gelassen, so
senkt sich der Eiter darin in dicker Schicht zu Boden, und man kann die
Gonokokken darin mit Sicherheit feststellen.

Die schmerzhaften Gliederregungen, der gestörte Schlaf, das
Angegriffensein des ganzen Nervenapparates, sind natürlich für den
Patienten sehr angreifend. Der Verlust an Säften und Kräften läßt sich
wohl auch bei jedem heftigen Tripper an dem schlechten Aussehen des
Patienten erkennen.

Je nach Umständen läßt nach 3-4 Wochen die Heftigkeit des Ausflusses
nach. Der Eiter verliert seine Dickflüssigkeit und gewinnt wieder das
Aussehen wie zu Beginn der Krankheit; er wird wässeriger und heller.

Es kommt vor, daß ein leichter Tripper verhältnismäßig lange Zeit
besteht und hartnäckig erscheint, daß aber andrerseits hin und wieder
ein sehr heftig auftretender Tripper in kurzer Zeit verschwindet. Das
hängt ganz von Konstitution und Lebensweise und von der im Körper
wirkenden Heilkraft ab.

Meist hat der Tripper seinen Sitz zunächst in dem vorderen Teil der
Harnröhre. Durch unrichtiges Verhalten, vor allem durch unzweckmäßige
Behandlung, verbreitet er sich aber über den hinteren Teil der
Harnröhre, und damit beginnt sein ernster Charakter, beginnen die
Gefahren des Blasenkatarrhs, der Nebenhoden- und Prostataentzündung usw.
Jetzt können Schäden entstehen, die im ganzen Leben nicht wieder
gutzumachen sind, wenn nicht mit allem Ernst die Behandlung in die Wege
geführt wird.

Wird die zweckmäßige Behandlung versäumt, so geht der frische (akute)
Tripper in das chronische Stadium über. Damit gewinnt diese Krankheit
ihren wahrhaft heimtückischen Charakter. Man kann deshalb nicht ernst
genug raten, sofort nach dem Ausbruch der Krankheit einen Arzt
aufzusuchen. Warnen muß man vor allem vor der Selbstbehandlung, die
junge Männer auf den Rat »erfahrener« Freunde beginnen, weil sie sich
schämen, zum Arzte zu gehen, oder weil sie Störungen in ihrem Berufe und
Entdeckungen seitens der Angehörigen fürchten. Wer sich nicht schämte,
sich die Krankheit bei der Dirne oder einem sonstwie unerlaubten
Geschlechtsumgang zu holen, der sollte auch den Mut besitzen, sich durch
einen erfahrenen Arzt ausheilen zu lassen, um sich selbst und seine
spätere Familie vor schlimmen Folgen zu bewahren. Die Selbstbehandlung
ist ein Leichtsinn und eine Unklugheit, weil durch sie oft die
Krankheit erst ins chronische Stadium hineingetrieben wird. Übrigens
schützt das ärztliche Berufsgeheimnis den Patienten vor jedem bösen
Klatsch und vor gesellschaftlicher Ächtung. Das ist bei der herrschenden
besonderen Auffassung der Geschlechtskrankheiten doppelt wichtig.
Zwischen der medikamentösen Behandlungsweise und der naturgemäßen
entscheide ich mich unbedingt für die letztere, die in der ärztlichen
Praxis mehr und mehr an Anerkennung und Würdigung gewinnt.

Ist der Tripper erst einmal chronisch geworden, so bietet er der
Behandlung weit größere Schwierigkeiten. Im allgemeinen kann man die
Erkrankung als chronisch ansehen, wenn sie einer zweckmäßigen Behandlung
nicht innerhalb drei Monaten weicht. Dann wird der Tripper zu einem
langwierigen, schleichenden Leiden, das monate- und jahrelang, ja durchs
ganze Leben hindurch bestehen und schließlich tödliche Erkrankungen
hervorrufen kann. Jedenfalls haben die neueren klinischen Erfahrungen
das Gesamtbild des Trippers ganz wesentlich gefahrvoller erscheinen
lassen, als man es früher glaubte. Subjektiv sind die Beschwerden
zunächst nicht sonderlich groß und bestehen im wesentlichen darin, daß
morgens die Harnröhrenmündung verklebt ist und auf Druck einen
grau-weißlichen Schleimtropfen absondert, in welchem die
bakteriologische Untersuchung manchmal Gonokokken, manchmal aber auch
nur Eiter nachzuweisen vermag. Das Urinieren ruft häufig, besonders nach
dem Genuß scharfer Speisen, Schmerzen hervor.

Was aber dem chronischen Tripper erst seinen heimtückischen Charakter
gibt, das sind seine Folgeerscheinungen, von denen vorerst die
gefährlichen Strukturen, das sind Verengerungen der Harnröhre durch
Bindegewebswucherungen, zu nennen sind. Dieselben sind oft ungeheuer
schmerzhaft, erschweren das Harnlassen und können zu schweren
Nervenstörungen führen.

Zum zweiten ist zu nennen die sogenannte ~Prostatitis~; das ist eine
Entzündung der zwischen Harnröhre und Blase liegenden Vorsteherdrüse,
die große Schmerzen hervorruft und mit einem starken Eiterausbruch
endet. Auch diese Krankheit kann chronisch werden und ist dann
verhängnisvoll für die Geschlechtstätigkeit, da sie sexuelle
Neurasthenie hervorrufen kann.

Bei Vernachlässigung, namentlich aber bei der leichtsinnigen
Selbstbehandlung und dem Gebrauch innerlicher, reizender Mittel,
schließt sich dem Tripper ein ~Blasenkatarrh~ an, ein im akuten Stadium
äußerst schmerzhaftes Leiden, das mit fortwährendem Harndrang verbunden
ist und sehr leicht chronisch werden kann. Dann kann es monate- und
jahrelang bestehen, ja während des ganzen Lebens eine Schwächung der
Blase und ihres Schließmuskels hinterlassen und so zu einem ganz
außerordentlich lästigen und hinderlichen Leiden werden. Ja, in der
chronisch erkrankten Blase bildet sich der entsetzlich schmerzhafte
Blasenstein, der die den Strukturen folgende Harnverhaltung unter
Umständen zur Ursache schwerster Blutvergiftungen, Vereiterungen und
tödlicher Prozesse werden lassen kann.

Zu den schlimmsten Folgekrankheiten des Trippers gehört die
~Nebenhodenentzündung~, bei der im Zeitraum von einem oder mehreren
Tagen einer der beiden Hoden anschwillt auf das Zwei- und Dreifache
seiner normalen Größe, sich heiß und äußerst schmerzhaft anfühlt und das
Gehen, sowie jede Bewegung unmöglich macht. Wird die Behandlung dieses
Entzündungsprozesses nicht energisch, bei völliger Bettruhe, in die Hand
genommen, so bleiben Verhärtungen zurück, die jahrelang oder auch
während des ganzen Lebens bestehen bleiben.

Vor allem aber besteht die Gefahr, daß die Entzündung ~beide~ Hoden
ergreift und dann durch Zerstörung des Hodengewebes, das wir als die
Brutstätte der befruchtenden Samenzellen anzusehen haben, zur dauernden
Unfruchtbarkeit führt. Das geschieht tatsächlich in 85% aller Fälle von
doppelseitiger Hodenentzündung. Man stellt dann entweder ~Azoospermie~
fest, d. i. gänzliches Fehlen von Samenfäden (Spermatozoen), oder aber
unbewegliche, also tote, zur Befruchtung unfähige Samenfäden.

So kann der Leichtsinn des vor- und außerehelichen Geschlechtslebens
eine fürchterliche Strafe finden, kann ein Augenblick der ungezügelten
Sinnlichkeit, der zum Haus der Dirne trieb oder eine jener zufälligen
und wahllosen Geschlechtsverbindungen bewirkte, mit dem Verlöschen der
Zeugungsfähigkeit enden. Das Wort »Vater« verliert seinen Klang, und
alles, was es an Schönheit und Freude in sich einschließt, ist begraben,
ehe es ins Leben treten kann. Die edelste Kraft wird eingebüßt, und
diese Möglichkeit allein müßte jeden Leichtsinn im Keim ersticken.

Aber mit diesen festumrissenen Folgekrankheiten erschöpft sich der
Tripper nicht, und wir werden noch sehen, welch ein furchtbarer
Leichtsinn es ist, vom Tripper lächelnd als von einer »Kinderkrankheit«
zu reden, wie es unter jungen Leuten oft geschieht. Es besteht ja die
verhängnisvolle Anschauung, daß man einmal ein »kleines Tripperchen«
gehabt haben müsse, um gegen spätere Ansteckungen gefeit zu sein. Das
direkte Gegenteil ist richtig; denn wer einmal einen Tripper hatte,
neigt in außerordentlichem Maße zu weiteren Ansteckungen, weil die
Schleimhäute ihre Widerstands- und Abwehrkraft eingebüßt haben.

Leider bleibt der Tripper nicht einmal auf die Entzündung der
Geschlechtsorgane beschränkt; vielmehr wird durch den Blut- und
Säftestrom das Trippergift überall im Körper umhergetragen und kann an
allen Organen schwere Entzündungen hervorrufen. Seit man bei gewissen
Krankheitsformen den ~Neisserschen~ Gonokokkus gefunden hat, liegen die
Zusammenhänge klar zutage. Darüber sagt Prof. Dr. ~Wyß~-Zürich[5]:

     »So ist vor allem der Tripperrheumatismus als eine sicher durch
     Transport von Gonokokken durch die Blutbahn von der erkrankten
     Schleimhaut der Harnröhre nach den serösen Häuten der Gelenke
     bedingte Entzündung anzusehen; wir verstehen, daß auch andere
     seröse Häute erkranken können; wir wissen, daß gewisse schwere
     Entzündungen der Herzklappen unter Umständen mit all ihren weiteren
     Komplikationen: Nierenerkrankungen, Gehirnerkrankungen,
     Lungenerkrankungen usw., die Folge einer Gonorrhöe sind; doch auch
     ohne Beteiligung des Herzens können akute eiterige Entzündungen im
     Gehirn und Rückenmark oder deren Häuten durch den Gonokokkus sich
     ereignen und unrettbar den Tod herbeiführen. Gewisse Nasen- und
     Ohrenerkrankungen, Dickdarmerkrankungen, Speicheldrüsen- und
     Knochenhautentzündungen sind durch ihn bedingt. Somit ist der
     Tripper für den Mann oft als eine lebensgefährliche Krankheit
     erkannt worden, und zwar zuweilen selbst dann noch, wo er örtlich
     keine Erscheinungen mehr oder nur noch ganz unbedeutende gemacht
     hat.« --

Bliebe der Tripper auf sich selbst beschränkt, so könnte man den
Gedanken hegen, daß der Schuldige büßen muß für Unwissenheit, Fehl,
Leichtsinn und Gewissenlosigkeit. Zwar ist oft die Strafe zu hart; denn
nicht immer ist der Einzelne schuld an seinem Tun, wenn ihm ein
warnendes Wort von Eltern und Lehrern fehlte. Und wenn die alkoholische
Lustigkeit einer Tafelrunde bei der Dirne endete, so büßen viele ihr
Leben lang den Augenblick des Leichtsinns, der ausreichte, eine
Geschlechtskrankheit zu übertragen. Mit Tränen in den Augen haben sie
oft vor mir gestanden, die jungen Männer, die körperlich und seelisch an
der geheimen Häßlichkeit ihrer venerischen Krankheit leiden. Gar zu hart
hatte sie's betroffen.

Was aber sollen wir sagen, wenn die Unschuldigen leiden müssen, büßen
für den Leichtsinn eines andern, büßen ein Leben lang, büßen ohne
Schuld, leiden, wo sie liebten oder wo die Liebe ihnen das Leben gab?
Denn der Tripper ist ansteckend, ist übertragbar auf die Frau, die
liebend und voll Vertrauen dem Manne in die Ehe folgt und von demselben
Manne, dem sie all ihre Jugend, ihre Frische dargeboten, den
Krankheitskeim empfängt, der sie von der gleichen Stunde ab zur
leidgequälten Frau macht.

Das Gefährliche des weiblichen Trippers besteht darin, daß er sich nicht
auf die Harnröhre beschränkt, sondern alle äußeren und inneren
Geschlechtsteile auf das heftigste erfassen kann. Das alles sind äußerst
schmerzhafte, quälende, störende Leiden, die sehr verschiedenartige
Erscheinungen machen können, so daß man früher oft eine andere Diagnose
stellte, wo heute eine Tripperansteckung zweifelsfrei feststeht.

Ja, von den sogenannten »Frauenleiden« beruhen drei Viertel wohl auf
nichts anderem, als auf venerischer Ansteckung durch den Mann. Denn der
Tripper geht tiefer in die inneren Organe hinein und befällt besonders
die Gebärmutter, am Hals derselben beginnend und allmählich sie ganz
überziehend, so daß in solchen Fällen die Unfruchtbarkeit der Frau eine
unausbleibliche Folge ist.

Wieviel Jammer und Tränen hängen mit dem Worte Unfruchtbarkeit zusammen!
Wieviel ungestillte Muttersehnsucht, wieviel bittere Entsagung schließt
es in sich ein! Ich habe Frauen gesehen, die weinten, wenn sie Kinder
sahen, sie herzten und küßten, weil ihnen selbst dies größte Frauenglück
versagt geblieben war. Und wie oft regnet es Vorwürfe von seiten des
Mannes auf die arme Frau herab, deren Herz nach einem Kindchen jammert,
deren mütterliche Kraft aber im Keim erstickt wurde durch eine
Tripperinfektion. Entweder leidet der Mann an Azoospermie (Fehlen von
Samentierchen) infolge von tripperhafter Hodenentzündung, oder aber die
inneren Organe der Frau sind durch die Ansteckung angegriffen.

Die heimtückische chronische Form des Trippers bietet selbst beim
Schwinden der Symptome keine unbedingte Sicherheit für den Glauben an
Heilung. Chronische Tripper können in furchtbarer Heftigkeit wieder akut
werden. Ja, es kommt vor, daß ein chronisch tripperkranker Mann mit
einer Frau Umgang hat, diese aber gesund bleibt, und die abgelagerten
Gonokokken beim nächsten Mal rückwirkend beim Manne einen akuten Tripper
erzeugen.

Unwissenheit und Schamgefühl hindern das weibliche Geschlecht mehr noch
als das männliche, den Tripper gleich nach Ausbruch ärztlich behandeln
zu lassen. Das ist der Grund, warum der Tripper bei der Frau so
verheerend wirkt. Denken wir nun daran, daß der Tripper so ungeheuer
verbreitet ist, daß nach den Angaben des amerikanischen Arztes
~Noegerath~ von 1000 Männern 800 einmal in ihrem Leben an Tripper
erkrankt gewesen sind, und daß die meisten davon ihn nie wieder
verloren, so sehen wir mit einem Schlage, daß es sich hier nicht um eine
Einzelkrankheit handelt, der man bisher mit lächelndem Spott
gegenübergestanden hat, sondern um eine furchtbare Seuche, die der
Kraft eines ganzen Volkes Wunden schlägt. Man lachte über ~Noegerath~,
hielt ihn für einen ideologischen Schwarzseher. Aber seine aus der
Praxis des Arztes gewonnenen unerbittlichen Zahlen vermochten doch
schließlich unter den deutschen Ärzten den Indifferentismus und den
Gleichmut zu beseitigen, womit man bisher diesen Dingen gegenüberstand.
Man sah genauer hin, beobachtete schärfer, arbeitete gleichfalls
statistisch und -- fand, daß ~Noegerath~ recht hatte. Man erkannte mit
einem Male, daß man mit der angeblichen Heilbarkeit des Trippers gar zu
optimistisch umgegangen war, daß der Tripper geradezu ungeheuer häufig
chronisch wird und auch dann noch bestehen kann, wenn ihn selbst der
Arzt für geheilt erklärt, daß er dann noch ansteckend auf die Frau oder
auf den Mann wirkt. Man sah von da ab auch die Frauenleiden mit ganz
anderen Augen an und fand in weit größerem Umfange als bisher als
Ursache -- den Tripper. Von den leichten Formen des Weißflusses an, der
sich oft schon ganz kurz nach der Hochzeit einstellt, bis zu den
schweren Entzündungen der Eileiter, Eierstöcke, der Gebärmutter und
selbst des Bauchfells, überall fand man den Gonokokkus, und -- manches
Rätsel war gelöst.

Prof. _Dr._ ~Wyß~-Zürich sagt darüber[6]:

     »Während der Geschlechtsapparat des Mannes nach dem Bauchfellraum
     hin abgeschlossen ist, kommunizieren die inneren Schleimhäute der
     Geschlechtsorgane im weiblichen Organismus direkt mit dem
     Peritoneal- oder Bauchfellsack. Infolgedessen greift der
     Entzündungsprozeß, den der Tripper auf der Schleimhaut des
     Geschlechtsapparates der Frau erzeugt, leicht auch auf das
     Bauchfell über. Sowohl für sich, als auch in Verbindung mit anderen
     Mikroben (Bakterien) werden dadurch akute und chronische
     Entzündungs- und Eiterungsprozesse bedingt, welche die Frau schwer
     erkranken machen, und welche leider oft in kürzerer oder erst nach
     längerer Zeit den Tod herbeiführen, mindestens aber monate-, ja
     jahrelanges Kranksein und oft fürs ganze Leben Leidendsein
     bedingen. Da diese Zustände oft einsetzen im Anschluß an eine
     Geburt oder einen anderen physiologischen oder auch pathologischen
     Vorgang (Menstruation, Abortus, vorzeitige Geburt), so hat man
     früher, als man die Krankheitserreger noch nicht kannte, jene
     Vorgänge der Ätiologie beschuldigt, die wahre Ursache nicht
     erkannt. Erst seit der Gonokokkus in solchen Entzündungsprodukten
     mikroskopisch nachgewiesen werden konnte, ist man auf die richtige
     Fährte gelangt und weiß man, daß viele früher auf eine »böse
     Geburt« zurückgeführten tödlichen Erkrankungen oder heutzutage
     oftmals zu schweren Operationen oder in anderen Fällen auch
     wiederum zu langem Siechtum führenden Affektionen junger,
     blühender, bis zu ihrer Verheiratung absolut gesunder Frauen -- auf
     einen nicht ausgeheilten oder geheilt erschienenen Tripper des
     Herrn Gemahls zurückzuführen sind.«

So finden wir's in allen Gesellschaftsschichten. Wann wird es eines
Tages gelingen, diese fürchterlichen Tatsachen in die Herzen der
männlichen Jugend einzugraben, damit sie abläßt vom gewissenlosen
geschlechtlichen Leichtsinn! In die Ohren müßten wir's ihr
hineinschreien, wieviel Jammer das sexuelle »Amüsement« in die Welt
bringt. Als Prof. ~Bumm~ in Leipzig einst unter den Hörern seines
Kollegs Fragezettel bezüglich eines etwaigen Trippers verteilte,
antworteten 36 von 53 Studenten mit »Ja«. Das waren 70%. Die übrigen 30%
werden ihn leider früher oder später auch noch bekommen haben.

Wie viele von diesen Trippern bleiben ungeheilt, werden chronisch und
richten in der Ehe körperliche und seelische Verwüstung an! ~Noegerath~
hält den Tripper überhaupt für -- unheilbar!!! Das ist zum Teil die
Folge seines medikament-medizinischen Standpunktes, den wir nicht
teilen. Aber daß überhaupt ein ernster Forscher und warmherziger
Menschenfreund wie ~Noegerath~ zu einer solch furchtbaren Auffassung
kommt, das ist's, was uns erschreckt.

Tatsächlich trotzen viele Tripper jeder Behandlung. Der Patient ist eine
Zeitlang trostlos. Dann gewöhnt er sich an den Krankheitszustand, hält
ihn für immer weniger ernst, heiratet und -- steckt seine Frau an. Damit
beginnt dann für die Frau und für die Ehe die lange Leidenskette,
schwere Unterleibsleiden und unter Umständen Unfruchtbarkeit.

Prof. ~Flesch~-Frankfurt a. M. sagt: »In meiner ärztlichen Tätigkeit
habe ich es nur zu oft erlebt, daß unglückliche Frauen der ärmeren
Klassen, wenn Hunger und Sorge wegen ihrer andauernden Arbeitslosigkeit
>wegen Unterleibsentzündung< eingezogen waren, daß Frauen der
bemittelten Klassen, wenn Kinderlosigkeit die Ehe vergiftete, sich den
Tod herbeiwünschten, sich den schwersten Operationen unterzogen, und
ihre Männer noch um Verzeihung baten, weil sie ihren Mann unglücklich
machten. Und der um Vergebung Angeflehte war fast immer, ohne es zu
ahnen, der Urheber des Unglücks.«

Aber auch damit macht der Tripper nicht halt. Das Trippergift, das in
den Geburtswegen einer Frau abgelagert ist, kann während des
Geburtsaktes in die Augen des Kindes kommen. Dann entsteht eine
Bindehautentzündung, die das Augenlicht zerstört. 60 von 100 Blinden
haben ihr namenloses Unglück aus dieser lebentötenden Quelle. Gibt es
Worte für soviel Jammer? Tausende büßen mit Blindheit den
Jugendleichtsinn ihrer Väter.

Und dieses gedankenlose »Vorleben« wird immer noch entschuldigt! Immer
noch finden sich Stimmen, die von »Männlichkeit« sprechen, wenn ein
junger Mann geheime Wege geht. Wären diese qualvollen »Frauenleiden«
nicht allesamt vorher »Männerleiden«, oder bliebe die Krankheit auf den
Mann beschränkt, so könnte er sündigen, wenn er für sich allein büßen
will. Aber Unschuldige büßen! Unschuldige zu Hunderttausenden! Hört
ihr's, ihr jungen Männer? Laßt dies Leid der Unschuldigen nicht größer
werden! Das junge Mädchen, das still und in den Träumen der Jugend im
Elternhaus lebte, vergiftet ihr! Ihre Augen leuchten, wenn ihr
Liebesworte sprecht! Und ihr Herz weiß nicht, was ein junger Mann im
Haus der Dirne sah und tat. Es liegt ein böses, aufreizendes Unrecht in
diesem Vorleben. Mit einer niederträchtigen Disharmonie beginnt die Ehe:
~sie~ geschlechtlich unschuldig oder harmlos, ~er~ weiterfahren, sexuell
blasiert und -- mit einem chronischen Tripper behaftet. Nach kurzer Ehe
sind die frohen Hoffnungen der Brautzeit zusammengefallen. Aus dem
fröhlichen Mädchen wurde eine müde, kranke Frau, gereizt, übellaunig
oder todestraurig. Wir denken an das Wort ~Noegeraths~, der sagte: »Es
ist so weit gekommen, daß junge Damen sich fürchten, in die Ehe zu
treten, weil sie wissen, daß alle ihre Bekannten erkrankt und nicht
wieder gesund geworden sind.«

Die zweite in dem Trio der Geschlechtskrankheiten ist

     ~der weiche Schanker~ (_Ulcus molle_).

Er ist ein meist an der Eichel oder der Vorhaut des Geschlechtsgliedes
durch Ansteckung beim Geschlechtsverkehr entstehendes Geschwür, das ein
bis fünf Tage nach der Ansteckung sich mit Jucken und Brennen bildet und
meist eine durch Unreinlichkeit oder sonstwie verletzte, eingerissene
Stelle der Schleimhaut zur Voraussetzung hat. Bei Sauberkeit und
unverletzter Schleimhaut findet das Schankergift keinen Eingang.

An der entzündlich geröteten Ansteckungsstelle bildet sich ein Bläschen,
das nach seinem Zerfall einen Eiter absondert und einen wulstigen aber
weichen, ein wenig ausgezackten Rand bildet. (Das syphilitische
Erstgeschwür hat harte Ränder; daher »harter Schanker« genannt.)

Sehr häufig schwellen die Drüsen in der Schenkelbeuge, die sogenannten
Leistendrüsen, an (Bubonen), ja, es kann zu Vereiterungen derselben und
zum Durchbruch des Eiters nach außen kommen.

Ist auch der weiche Schanker nicht von so ernstem und gefährlichem
Charakter wie der harte, so darf er doch nicht leichtsinnig aufgefaßt
werden, weil einerseits üble und häßliche Folgeerscheinungen auftreten
können, wie namentlich der phagedänische (d. i. der weiterfressende,
gewebszerstörende) Schanker, und andrerseits alle venerischen
Krankheiten so merkwürdig vielgestaltig auftreten, daß selbst der
erfahrene Arzt nicht sicher vor Täuschungen bleibt.

Konstitution und zweckmäßiges Verhalten entscheiden darüber, ob der
weiche Schanker harmlos bleibt und schnell ausheilt, oder ob er der
Ausheilung hartnäckigen Widerstand entgegensetzt.

Unsere ganz besondere Aufmerksamkeit aber verlangt

     ~die Syphilis~ (_Lues venera_),

zumal ihr Charakterbild nach jeder Richtung hin in der Geschichte und in
der Gegenwart schwankt.

Die Erscheinung der Syphilis ist der sogenannte ~harte Schanker~ (_Ulcus
dure_), der in den weitaus meisten Fällen durch den geschlechtlichen
Verkehr mit einer syphilitischen Person entsteht, und zwar dadurch, daß
das syphilitische Gift durch eine kleine Schrunde, einen kleinen Riß in
der Haut eintritt. Die Möglichkeit, daß eine solche kleine
Hautverletzung besteht oder beim Geschlechtsumgang entsteht, ist
allerdings so groß, und die Ansteckungsfähigkeit der Syphilis so
ungeheuer, daß der geschlechtlichen Verbindung mit einer syphilitisch
kranken Person fast stets eine Ansteckung folgt.

Das Ansteckungsfeld ist zumeist der uneheliche Geschlechtsverkehr. _Dr._
~Blaschko~-Berlin erzählt, daß einmal von 1129 Geschlechtskranken in
seiner Poliklinik (1009 Männer und 120 Frauen) die Männer ihre Syphilis
fast ausschließlich außerhalb der Ehe, die Frauen innerhalb der Ehe von
den Männern erworben hatten. Welch eine furchtbare Anklage bedeutet das
für den Mann, welch ein entsetzliches Martyrium schließt das für die
Frau ein! Der Jugendleichtsinn des Mannes, den Weib und Kind in der Ehe
büßen müssen!

Die Verbreitung der Syphilis hat Zahlen angenommen, die Entsetzen
wecken.

Sie ist eine der furchtbarsten Volkskrankheiten geworden, die das
Interesse der ärztlichen Wissenschaft und der behördlichen Organe
unausgesetzt beschäftigt. Unsummen gehen in Heilungskosten auf, und das
Ende dieses unseligen Zerstörungsprozesses in der Menschheit ist nicht
abzusehen.

In großen Städten schleicht das Gespenst der Syphilis durch alle Straßen.
Wo die Menschen dichter zusammenwohnen, steigert sich das Leben, vermehren
sich auch die Krankheiten. Und die Prostitution, die die Moral der Männer
verschlingt, speit dafür die Geschlechtskrankheiten, Tripper und Syphilis,
auf die Menschheit aus.

Dieser Gifthauch trifft auch die Bewohner des Landes, dessen junge Söhne
in den Städten als Soldat dienen oder ein Handwerk, ein Geschäft lernen
und ausüben oder die Schulen, die Universität besuchen und mit der
Kultur der Stadt auch die Syphilis in die Heimat bringt. Der vierjährige
Feldzug hat die Zahlen der Geschlechtskrankheiten ins Fürchterliche
gesteigert.

Die Syphilis beginnt mit einem kleinen Knötchen, das 2-4 Wochen nach
erfolgter Ansteckung auftritt (sogenannter Primäraffekt) und bald zu
zerfallen beginnt. Dabei bildet sich ein tiefer fressender Untergrund
und ein etwas erhöhter Randwulst. Beide sind hart, weshalb man hier vom
harten Schanker spricht. Auch Schwellungen der Leistendrüsen stellen
sich ein.

Die Ansteckungsfähigkeit der Syphilis ist eine ganz außerordentliche.
Jedes Hautritzchen genügt, um das syphilitische Gift eindringen zu
lassen, und zwar nicht nur an den Geschlechtsteilen, sondern überall am
Körper. Es gibt demnach eine außergeschlechtliche Syphilis, die bei 4%
aller Syphilitiker vorliegt. Dieselbe wird ungemein leicht erworben,
beispielsweise durch Küssen, Händedrücken, durch Benutzung von
Handtüchern, Bettwäsche, Kissen, Polstern usw., die vorher mit
syphilitischen Geschwüren in Berührung kamen.

Eine sekundenlange Berührung genügt -- und das Gift ist in den Körper
eingedrungen und spielt seine verderbliche Rolle. Wenn's Schuld war,
kann man von Sühne sprechen. Was aber sagt ihr zu den Unglücklichen, die
ohne Schuld, ganz ohne Liebe und Geschlechtsumgang die Syphilis
erwarben? Die unwissend, schuldlos und wehrlos ein zerstörendes Gift
empfangen und es womöglich monate- und jahrelang in sich tragen, ohne
den Charakter der Leiden zu ahnen, die sie nacheinander heimsuchen?

Ist das syphilitische Erstgeschwür ausgeheilt, so beginnt etwa nach 8-10
Wochen die sekundäre Syphilis, meist als roter Fleckenausschlag, als
Knötchen (Papeln) oder eiterige Pusteln, die sich über den ganzen Körper
verbreiten und namentlich in Hautfalten (Schenkelbeuge,
Geschlechtsgegend, zwischen den Fingern usw.) als nässende Wunden
auftreten können. Die Absonderungen dieser Ausschläge haben eine starke
Ansteckungsfähigkeit. Dazu gesellt sich ein Schorf auf der behaarten
Kopfhaut, der das Haar büschelweise zum Ausfallen bringen kann.

Dazu stellt sich Fieber ein, Mattigkeit, Abgeschlagenheit der Glieder,
rheumatismusähnliche Schmerzen in den Gelenken und den Knochen (namentlich
in den langen Arm- und Schenkelknochen), am Tage Frostschauer und in der
Nacht Schweiße, dazu schwere Gemütsverstimmungen.

In den Schleimhäuten zeigen sich vielerlei Störungen, vom einfachsten
Katarrh angefangen bis zu den Papeln, die zu eiterigen Wucherungen
(sogenannten Kondylomen) werden können. Diese treten vor allem gern im
Rachen und im Munde auf und haben eine ungeheure Ansteckungsfähigkeit.
Nie ist beim Besuch einer Prostituierten der Besucher sicher, daß nicht
irgendwo am Körper ein Kondylom ihm die tückische Krankheit überträgt.

Häßlicher und schlimmer noch sind die syphilitischen Geschwüre, die noch
in dem sekundären Stadium auftreten und als schmerzhafte
Gewebszerstörungen überall im und am Körper auftreten können. So
namentlich an den Nasenflügeln und dem Nasensteg, in den Mundwinkeln, am
Zahnfleisch, an der Zunge, den Stimmbändern, dem Zäpfchen usw. Wie viele
Redner, Sänger, Schauspieler usw. haben schon durch diese fressenden
Geschwüre ihre Stimme und damit ihre Existenz und ihre Lebensfreudigkeit
verloren! Wieviel Entstellungen des Gesichts, wieviel Sprachstörungen
haben allein diese Ursache! Wohl selten ahnt jemand, daß der
leichtfertige Augenblicksgenuß bei der Dirne oder das zufällige
Geschlechtserlebnis der Straße ein so grauenhaftes Ende nehmen kann.

Manchmal, wenn der Kranke sich schon ganz oder fast ganz geheilt glaubt,
bricht mit einem Male die Krankheit in voller Stärke wieder aus. Der
ganze körperliche und seelische Jammer ist wieder da, und es ist wohl zu
verstehen, von welch grenzenloser, dumpfer Verzweiflung oft die
Unglücklichen befallen werden.

Glaubt man aber die sekundäre Syphilis völlig geheilt, ja, versichert
sogar der Arzt, daß sie völlig geheilt sei, so liegt auch darin nicht
eine Spur von Sicherheit; denn nach Jahren oder Jahrzehnten bricht die
Syphilis mit völlig verändertem Charakter wieder aus und wird dann in
der Tat furchtbar. Sie ist in ihr drittes (tertiäres) Stadium
eingetreten und nimmt insofern einen gänzlich anderen Weg, als die
sekundäre Syphilis ausschließlich die Haut und die Schleimhäute befällt,
während im tertiären Stadium vorwiegend die inneren Organe (Knochenhaut,
Muskeln, Darmsystem, Leber, Nieren, Lungen, Gehirn und das ganze
Nervensystem) erkranken.

Bei der tertiären Syphilis erscheinen runde oder ovale Papeln, die bald
geschwürig zerfallen und rotbraune Färbung gewinnen. Man nennt solch ein
Geschwür Gumma. Mehrere Gummata können zu einem einzigen Geschwür sich
vereinigen, das sich tief in das Gewebe hineinfrißt.

Das ist gerade das Entsetzliche dieser Gummata, daß sie die tieferen
Gewebsschichten und die inneren Organe angreifen und diese zu
geschwürigem Zerfall bringen.

So wird häufig die Nasenscheidewand durchgefressen, und die im Innern
abgefressenen Gewebsteile werden beim Räuspern oder Husten ausgestoßen.
Von den vorkommenden Kehlkopfzerstörungen ist wohl ein reichliches Teil
auf tertiäre Syphilis zurückzuführen. Die schrecklichen und widerlichen
Verwüstungen der Nase kann man ja hin und wieder auf der Straße
beobachten.

Die Knochen erfahren Auftreibungen und Verdickungen und werden
stellenweise ausgefressen, ausgehöhlt, so daß dauernde und auffallende
Veränderungen zurückbleiben. Ja, es kann beispielsweise der lange
Unterschenkelknochen so weit durchgefressen werden, daß er bei
irgendeiner Gelegenheit bricht.

Besonders schmerzhaft und gefährlich ist das Gumma, wenn es am
Schädelknochen sitzt. Dann frißt es sich bis zu den Hirnhäuten durch,
durchlöchert also die Schädeldecke und kann das Leben zerstören.

Schwere Nieren-, Leber-, Lungen- und Herzerkrankungen treten bei der
tertiären Syphilis auf und können gleichfalls den Tod herbeiführen.

Ergreift die tertiäre Syphilis das zentrale Nervensystem, so ist der
Kranke unrettbar dem Tode verfallen. Das am Schädel sitzende Gumma frißt
sich durch den Knochen hindurch oder treibt ihn auf; daraus erklären
sich die Vorboten jener fürchterlichen Krankheit, der Gehirnerweichung,
die wohl in den meisten Fällen den Charakter der tertiären Syphilis
trägt. Diese Vorboten sind: dauernder Kopfschmerz, Schwindel,
Ohnmachtsanfälle, Gedächtnisschwäche, tiefe Gemütsverstimmung und die
lange Reihe jener merkwürdigen, unüberlegten und sinnlosen Handlungen,
die oft bei einem früher klugen, geistvollen Menschen auftreten und den
Gehirnparalytiker verraten, ehe noch die schreckliche Krankheit zum
furchtbaren Ausbruch kommt. Daß ein sonst sparsamer Mann auf einmal ein
unruhiger Verschwender wird, ein sittenstrenger Mann zum wüsten,
ausschweifenden Erotiker, erklärt sich nur durch teilweisen und
fortschreitenden Verfall des Gehirns.

Bei der Rückenmarksschwindsucht ist ihr Zusammenhang mit der Syphilis
(oder mit ihrer Quecksilberbehandlung?) so offenbar, daß man fast von
Ausnahmslosigkeit sprechen kann.

Die bei Tabes des oberen Rückenmarkes auftretenden Sehstörungen,
namentlich Augenlähmungen und Entzündungen der Iris, sind fast alle
syphilitischen Charakters.

Es gibt keinen Teil am und im Körper, der nicht von der Syphilis
ergriffen und zerstört werden könnte. Zwar trifft die Krankheit nicht
jeden so schwer; aber sie ist heimtückisch und unberechenbar, und wenn
ein von dieser Krankheit befallener Körper nicht genügend Lebenskraft
hat, sich vernachlässigt und noch dazu ein ausschweifendes,
nervenzerstörendes Leben führt, so kann ihn die Krankheit bei lebendigem
Leibe zum Verfaulen bringen.

Die Syphilis ist erblich, das ist ihr größtes Schreckbild. Die
Nachkommen empfangen das Gift im Keim, und dieser angefaulte Keim
wird -- wenn er nicht abstirbt -- zu einer faulen Frucht. Dies ist das
Schrecklichste im Leben, der grauenvolle Leichtsinn, mit dem ein
syphilitisch Kranker das Gift auf Weib und Kinder überträgt und Leben
erweckt, das morsch, faul und unglücklich ist. Wieviel jammervolle
Menschen laufen umher, denen die Syphilis des Vaters oder der Mutter die
Kraft nahm und die Flügel gebrochen hat! Das ist die fluchwürdigste Tat,
deren ein Mensch fähig ist.

Die erbliche Übertragung der Syphilis geschieht durch syphilitische
Vergiftung der Keimzellen. Die Folgen sind Absterben der Frucht,
Frühgeburten und Fehlgeburten oder ganz elende, schwächliche und
erbärmliche Kinder.

Prof. ~Neumann~ machte im »Archiv für Kinderheilkunde« folgende Angaben
über die geradezu verheerenden Wirkungen der vererbten Syphilis: »Es
gebaren 71 Mütter im sekundären Stadium der Syphilis insgesamt 99
Kinder, d. h. es standen so viele Fälle zur Beobachtung. Dabei fanden
sich: 40 mal Abortus, 4 Frühgeburten, 3 Totgeburten, 24 Kinder, die
gleich nach der Geburt starben, 5 waren lebend, aber syphilitisch, und
nur 2 schienen gesund zu bleiben. ~Die Sterblichkeit war also 98
Prozent!!~

Dies große Kindermorden bezeichnet überall den Weg der Syphilis. Zwar
mildert sich das Bild, wenn die syphilitische Ansteckung der Mutter
nicht vor der Befruchtung oder zugleich mit ihr, sondern später
erfolgte. Zwar ist dann immer noch die Gefahr für das Kind groß; aber es
bleibt wahrscheinlich am Leben. Ist aber einmal die Syphilis im Körper
einer Frau, so ergreift sie die Keimzellen, die im weiblichen Organismus
in den Eierstöcken von Jugend auf fertig ausgebildet sind, und jedes
nachher geborene Kind wird geschädigt. Darin liegt die Furchtbarkeit der
Syphilis beim Weibe. Die Samenzellen des Mannes werden fortdauernd neu
gebildet, so daß beim Ausheilen der Syphilis auch die Erblichkeit
erloschen ist. Das ist beim Weibe nicht der Fall, weil immer in den
fertigen und auf Befruchtung wartenden Eizellen Syphiliskeime
zurückgeblieben sein können. Eine einmal syphilitisch gewesene Frau
sollte darum nie wieder Kinder bekommen. Und gerade hier sieht man die
ganze Schrecklichkeit dieser Krankheit, erkennt man, wie sie alles
Mutterglück für alle Zeit ersticken kann, und wie ein unschuldiges Weib
krank und unsagbar unglücklich werden kann, weil der Mann ihr in
schrecklichem Leichtsinn den Keim einer Krankheit übertrug, die er in
einer Stunde des bloßen Vergnügens erwarb.

Arme, arme, bejammernswerte Frauen, die nichts Böses taten und so schwer
leiden müssen! Wie kam so bitteres Unrecht in die Welt? Und wie ist es
auszudenken, daß es Männer gibt, gewissenlos und verbrecherisch genug,
wissend Leib und Seele einer Frau zu zerstören!

Ein syphilitisch erblich zerstörtes Kind ist das Grauenhafteste, was man
sich vorstellen kann. Ein jammervolles Leben, das schuldlos eine schwere
Bürde trägt. Eine Haut, die unter Umständen mit roten Flecken, Blasen,
nässenden Wunden und Eiterbeulen bedeckt ist, kranke, wuchernde
Schleimhäute, chronische Nasen- und Ohrenkatarrhe mit eiternden,
stinkenden Ausscheidungen, dazu wohl auch Taubheit, Blindheit,
Knochenentzündungen und Knochenauftreibungen mit schrecklichen
Formänderungen und ein rascher Zerfall der Zähne. Gehirn und Rückenmark
sind meist bei solchen unglücklichen Kindern angegriffen, und es zeigen
sich schon früh teilweise oder vollständige Lähmungen, Krämpfe,
Zuckungen, Epilepsie und vielerlei geistige Störungen, von einfachstem
Gedächtnisschwund und der Gemütsbedrückung angefangen bis zu
Wahnvorstellungen, fixen Ideen, furchtbaren Ausbrüchen und völliger
geistiger Zerrüttung.

[Illustration: Dekoration]




Vierter Teil.

Der Kampf um Sittlichkeit und Gesundheit.


Das ist das Schreckbild der Geschlechtskrankheiten, und wer je offene
Augen hatte, der wird nichts für Übertreibung halten.

Du kennst nun die Gefahr. Und die Gefahr wird deinen starken Willen
wecken, und du beginnst den Kampf. Den Kampf? Gegen was? Gegen alles,
was dich bedroht; denn ohne Kampf geht es nicht ab. Wahrlich, es gibt
einen Kampf zwischen triebhaftem Leib und sieghaftem Willen. Mensch
sein, heißt ein Kämpfer sein, und dieser Kampf ist der Menschheit
urewiges Erbstück.

Schmiede Waffen für diesen Kampf! Und willst du die wirksamsten kennen,
so suche sie im Widerstreit der Kräfte in deinem eigenen Körper und
Geist. Auf ~Arbeit~ sind alle deine Kräfte eingestellt. Sinnliche
Verschwendung zehrt an deiner Arbeitskraft, macht dich schlaff,
unlustig, geistlos. Die Arbeit aber zähmt und bändigt deine sinnlichen
Triebe. Darum stelle dein Leben auf Arbeit ein! Stecke dir ein Ziel, und
setze an die Erreichung dieses Zieles alle deine Kräfte. Dann wird die
Arbeit Inhalt und Halt deines Lebens, sie wird dir Sittlichkeit und
Grundlage der Persönlichkeit werden.

Völker sind durch Arbeit groß geworden, sind mit ihrer Arbeit gewachsen,
und es war stets ein Zeichen des Niederganges, wenn ein Volk sich teilte
in Arbeitende und Müßiggänger. Denn unter diesen Müßiggängern, die nicht
einen einzigen Tag mit ernsten Pflichten erwachen, sondern sich treiben
lassen von ihren Stimmungen und Einfällen, führt die Sucht nach
Unterhaltung über Sport und Spiel zu Liebesabenteuern und
Geschlechtserregungen. Und je weniger der Körper durch den strengen
Willen und die rauhe Notwendigkeit der Arbeit gebändigt ist, desto
weichlicher und haltloser wird der Charakter, desto ungebärdiger und
zügelloser die Phantasie, und eine wirre, unsaubere Sinnlichkeit erfüllt
den Geist, dem durch Mangel an Arbeit die straffen Zügel genommen sind.

Sicherlich gibt es Menschen von ruhelosem Arbeitsdrang, Menschen, denen
die Arbeit zum Laster, zur Krankheit, zu einem neurasthenischen Zwang
wurde, die ruhelos arbeiten müssen, um die gejagten Nerven zu
befriedigen und um sich über die entsetzliche Leere ihres Inneren
hinwegzutäuschen. Solche Menschen sind uns nicht Vorbild. Sie sind die
eine Ausschreitung, der Müßiggänger die andere.

Wie wohltuend steht dazwischen der ruhig und kraftvoll Arbeitende! Das,
was er schafft, gibt ihm Ernst und Würde, gibt ihm Stolz, und in dieser
Würde, diesem Stolz liegt die große Widerstandskraft gegen alles
Schlechte. Die Arbeit ist eine innere Spannung, die über Mißgeschick
hinweghilft und eine stille Fröhlichkeit um sich verbreitet. Wer sein
Geld durch Arbeit erwarb, wird es höher schätzen, wird sparsamer sein
als der Müßiggänger, der mit des Vaters ererbtem Gelde seine Stunden
totschlägt und aus Überdruß nach vielen Genüssen nur noch den
Geschlechtsgenuß kennt. Dann ist's mit der Arbeit vorbei, denn Arbeit
verlangt Kraft und innere Stählung, und nichts zerstört diese Kraft so
sicher, wie die Sinnlichkeit, wenn sie unbeherrscht und krankhaft in
Leib und Sinn wühlt.

Niemand wird eine gesunde Sinnlichkeit abtöten können. Und niemand soll
es tun. Aber sie soll als bewegende Kraft in der beherrschenden Kraft
des Willens liegen und nicht durch beständigen Anreiz zu einer
triumphierenden und den Menschen versklavenden Macht werden. Ernste
Arbeit entzieht dich vielen solchen Anreizen, und ein festes Lebensziel
fesselt deinen Willen an diese Arbeit.

~Schopenhauer~ schrieb 1813 in sein Tagebuch: »An den Tagen und Stunden,
wo der Trieb zur Wollust am stärksten ist, ... gerade dann sind auch
die höchsten Kräfte des Geistes, ja das bessere Bewußtsein zur größeren
Tätigkeit bereit, ob zwar in dem Augenblicke, wo das Bewußtsein sich der
Begierde hingegeben hat und davon voll ist, latent; aber es bedarf nur
einer gewaltigen Anstrengung zur Umkehr der Richtung, und statt jener
quälenden, bedürftigen, verzweifelnden Begierde (dem Reich der Nacht)
füllt die Tätigkeit der höchsten Geisteskräfte das Bewußtsein (das Reich
des Lichts). In besagten Zeiten ist wirklich das kräftigste, tätigste
Leben überhaupt da, indem beide Pole mit der größten Energie wirken.
Dies zeigt sich bei ausgezeichnet geistreichen Menschen. In besagten
Stunden wird oft mehr gelebt als in Jahren der Stumpfheit.«

Schiller hat diesen Gedanken in wundervolle Worte gekleidet:

      Leidenschaften sind schäumende Pferde,
      Angespannt an den rollenden Wagen.
      Wenn sie entmeistert sich überschlagen,
      Zerren sie dich durch Staub und Erde.
      Aber lenkest du fest den Zügel,
      Wird ihre Kraft dir selbst zum Flügel,
      Und je ärger sie reißen und schlagen,
      Um so herrlicher rollt dein Wagen.

[Illustration: Dekoration]

Dein Leben gelte der Arbeit! In diesem Zeichen wirst du siegen.

Aber es gilt, auf der Hut zu sein, um alles zu vermeiden, was eine
Geschlechtserregung herbeiführen könnte. Je gesünder und normaler der
Organismus, desto gleichmäßiger sind seine Kräfte in den Nervenzentren
verteilt. Der nervöse, überhaupt der geschwächte Mensch hat meist eine
Schwäche und leichte Erregbarkeit im Lendenteil des Rückenmarkes. Hier
ist der hauptsächlichste Sitz des Geschlechtsgefühls. Alles, was stark
auf den Organismus einwirkt, trifft am meisten dies schwache und wegen
seiner Schwäche leicht erregbare Fundament. Darum werden nicht nur rein
geschlechtliche Dinge hier gefährlich, sondern auch ungünstige
Einwirkungen durch Essen und Trinken, Überanstrengung, Trägheit, d. h.
Mangel an Arbeit, falsche Lektüre, seelische Erregungen usw.

Natürlich ist der rein geschlechtliche Reiz der weitaus stärkste,
weshalb denn für diese oft vorhandene Schwäche des Lendenmarkes nichts
unheilvoller und verhängnisschwerer wird als Onanie oder vorzeitiger
Geschlechtsumgang. Das Nervensystem neigt zur Periodizität, und jede
Übung steigert die Reizempfänglichkeit. Es ist deshalb nicht ohne
weiteres richtig, zu sagen, daß die Betätigung den Trieb befriedigt.
Nein, durch die Geschlechtsbetätigung wird oft erst ein Bedürfnis
geschaffen, was in gleicher Stärke vorher nicht vorhanden war.

Über die rein körperlichen Ursachen der Geschlechtserregung haben wir
schon im ersten Teile gesprochen. Meide also das viele Stillsitzen, das
den Unterleibs- und Geschlechtsorganen eine stockende Blutüberfüllung
gibt und das Nervensystem in einen Zustand von Gereiztheit versetzt.
Gerade das in den Schulen, in allen Studienanstalten und in allen
Schreibstuben geübte dauernde Stillsitzen ist eine verbreitete Ursache
der Onanie und aller sinnlichen Erregung überhaupt.

Bei hoher geschlechtlicher Reizbarkeit sind auch gewissen Sportsübungen
sinnlichkeitsreizende Gefahren nicht abzusprechen. Das ist z. B. das
Klettern, das Reiten und das Radfahren. Die Bewegungen und Reibungen der
Geschlechtsorgane sind bei vielen erregbaren jungen Menschen nicht
unbedenklich. Der beste Kenner dieser Dinge in Deutschland, _Dr._
~Rohleder~ in Leipzig, behauptet, daß infolge des Reitens die Onanie bei
der Kavallerie ungeheuer verbreitet sei.

Und noch eins ist zu erwähnen, das ist der Tanz. Er hat schon
entwicklungsgeschichtlich so viel geschlechtlich-symbolische Züge, daß
man auch seine sexualerregende Wirkung wohl verstehen kann. Wenn du
durch ihn in dieser Richtung gefährdet bist, so schränke ihn ein. Ja,
bringe unter Umständen deiner Gesundheit das Opfer, ihn ganz zu lassen.
Jedenfalls bringe nicht Tanz und Alkohol zusammen; denn das leicht
erregbare Nervensystem ist diesem doppelten Reiz nicht gewachsen.

Achte auf das Bett, wie ich schon früher sagte. Laß dein Lager kühl und
hart sein und schlafe nicht länger, als es dir dienlich ist. Vor allem
träume nicht im Bett in die Morgenstunden hinein.

Bade fleißig! Halte den Körper und namentlich die Geschlechtsorgane
sauber. Schwimme und turne, wandere, singe und sei fröhlich!

An erster Stelle soll in der Pflege deines Körpers das Luftbad stehen.
Ich hab's genau beschrieben in einem anderen Buche: »Die Heilkraft des
Luft- und Sonnenbades«[7]. Nackt in der Luft stählst du die Nerven. Nur
meide die starke Sonne und träges Herumliegen in der Sonne. Es
erschlafft den Körper und kann sinnlich erregen. Hat es dich erschlafft,
so nimm ein kühles Fluß- oder Brausebad. Überhaupt sind kühle Bäder und
kühle Waschungen zuträglich, wenn die Gefahr der sinnlichen Erregung
naht. Hast du morgens beim Erwachen Erektion, so stehe rasch auf, mache
eine kühle Abwaschung und kleide dich rasch an. Aber übertreibe diese
Dinge niemals, weil sonst Schwächung eintritt, die doch wieder zu
sinnlicher Erregung führt. Übertreibe auch nicht bei gymnastischen und
sportlichen Dingen, bei Wanderungen und ehrgeizigen Wettveranstaltungen.
Alles Übermaß führt zur Disharmonie, und nur in der Harmonie aller
Kräfte liegt die Möglichkeit zu ihrer Beherrschung.

Und sei einfach und mäßig in deiner Nahrung. Denke daran, daß jedes
Übermaß deine Geschlechtsbegierde steigert, und daß namentlich Fleisch,
Fleischbrühe, Wurst, Eier und alter, scharfer Käse, sowie Gewürze, die
Sinnlichkeit erregen und den Kampf gegen diese namenlos erschweren. Wir
Menschen haben meist keinerlei Vorstellung davon, wie eng unser ganzes
geistiges und Gefühlsleben mit den Stoffen zusammenhängt, die wir als
Nahrung zu uns nehmen. Nichts zeigt unsere Erdgebundenheit mehr, als
diese unbestreitbare Abhängigkeit.

Namentlich das Abendessen sei einfach und mild. Du mußt es früh
einnehmen, damit nicht die Arbeit der Verdauung deinen Schlaf stört und
eine Phantasietätigkeit weckt, die dir gefährlich werden kann. Die
einfachsten Speisen sind die zuträglichsten. Ein gesunder Geist und ein
gesunder Körper neigen zur Einfachheit. Schwache Nerven erzeugen
Unmäßigkeit und die Sucht nach Pikantem.

Auch erregende Getränke haben direkten und unzweifelhaften Einfluß auf
Körper und Geist und namentlich auf die Geschlechtlichkeit. Und nichts
gibt es, das in dieser Hinsicht so verderblich, so furchtbar
niederreißend ist wie der Alkohol. Er ist ja innerhalb der menschlichen
Gesellschaft geradezu der Quell aller unerlaubten, unsauberen
Beziehungen, alles unehrlichen, schlechten Denkens und aller niedrigen,
gemeinen Handlungen geworden.

Der Alkohol ist des deutschen Volkes angestammtes Laster. Schon die
alten Deutschen verkauften im Trunk Haus und Hof, Weib, Ehre und
Freiheit. Das Trinken ist Gewohnheit, Gesellschaftskodex, eiserner
Bestand, historisches Gesellschaftsrecht geworden. Es herrscht überall
und drückt allem Handeln der Deutschen seinen besonderen Stempel auf.

Eine fluchwürdige Entwicklung, in der man nicht weiß, was man mehr
verachten soll, die Schlaffheit derjenigen, die immer weiter trinken,
oder die Gewissenlosigkeit des Braukapitals, das an allen Straßenecken
zum Trinken verleitet.

Nirgendwo aber spielt der Alkohol eine so verheerende Rolle, wie im
Nervensystem der Menschen und vor allem im Geschlechtsleben. Der Alkohol
ist, weil ein dem Körper durchaus fremder, nicht assimilierbarer Stoff,
ein Überreiz, der nicht nur den Körper schwächt, sondern vor allem
höchst merkwürdige Wirkungen an Geist und Seele entfaltet. Er bewirkt
eine Erregung, die sich als gesteigerte Phantasie, als erhöhter Mut, als
Fessellosigkeit des Denkens, als sexuelle und allgemeine
Unternehmungslust äußert, in Wirklichkeit aber Schwäche ist, denn der
klaffende Spalt zwischen gesteigertem Wollen und geschwächtem Können ist
eine wesentliche alkoholische Merkwürdigkeit.

Vor allem aber reißt der Alkohol das nieder, was die Menschheit in
jahrtausendealter Kulturentwicklung aufgebaut hat und was das Ziel
aller Erziehung und aller Persönlichkeitsentwicklung ist, jene feinen
und klaren Unterscheidungen zwischen Gut und Böse und jene Hemmungen der
Einsicht, der Moral und des Willens, die sich gegen das Schlechte, das
Niedrige und Rohe aufrichten. Fällt das alles, so tritt der Mensch in
seiner ursprünglichen Roheit und Brutalität wieder hervor, wie wir es ja
in der Alkoholwirkung tatsächlich sehen.

Wo anders kann das deutlicher sich zeigen als in den geschlechtlichen
Dingen? Hier steigert der Alkohol die Begierde und wird zum Kuppler,
weil er das Verantwortlichkeitsgefühl tötet, die sittliche Würde und
Selbstbeherrschung zurückdrängt und zu Geschlechtsverbindungen treibt,
die in solcher Art und solcher Häufigkeit bei nüchternem Kopfe undenkbar
wären.

Der Alkohol verleitet tatsächlich zu den leichtsinnigsten
Geschlechtsverbindungen und gefährlichsten Abenteuern. Tausende von
jungen Männern erwerben ihre Geschlechtskrankheit, wenn sie angeheitert
zum Haus der Dirne gehen. Ja, die meisten haben wohl die Bekanntschaft
der Prostitution erst mit erleichternder Hilfe des Alkohols gemacht.
~Forel~ machte unter seinen geschlechtskranken Patienten eine Statistik
und fand, daß 75% davon sich unter dem Einfluß des Alkohols angesteckt
hatten.

Je höher der Alkoholgehalt eines Getränkes, desto stärker auch seine
Wirkung. Aber von den Getränken mit geringem Alkoholgehalt, wie z. B.
Bier, werden oft solche Mengen getrunken, daß trotzdem stärkste
Wirkungen, Trunkenheit, leichtsinnige Geschlechtsverbindung, venerische
Ansteckung, geschlechtliche Verirrungen u. dergl. zustande kommen. Und
die Statistik lehrt, daß die Zahl der unehelichen Geburten mit dem
Bierverbrauch in den einzelnen Städten steigt und sinkt.

Von den Sittlichkeitsdelikten kommt ein sehr hoher Prozentsatz aus dem
Alkoholgenuß. Und was diesen vielen und vielerlei Ausschreitungen,
Fehlern, Unbesonnenheiten und Vergehen an Unglück, Familienjammer und
sozialem Elend folgt, das ist kaum zu übersehen. Hier gibt's für den
einsichtsvollen Menschen nur einen Weg, den der Enthaltsamkeit vom
Alkohol.

Wie Schreck fährt's manchem durch die Glieder, wenn es heißt, er soll
kein Bier mehr trinken. So fest sitzt es in seinen Lebensbegriffen, daß
ihn der Verzicht ungeheuerlich anmutet. Und doch gibt's nicht den
kleinsten Vorteil, der im Alkohol wohnt, sondern nur Nachteil,
unbedingten, unbegrenzbaren Schaden. Was schädlich ist, geht wider die
menschliche Vernunft. Darum räumen wir etwas aus dem Weg, was die
Menschen in ihrer gesamten Entwicklung hindert, und verzichten auf den
Alkohol. In diesem Verzicht liegt Selbstachtung, Stolz, Würde. Gute
Entschlüsse machen den Menschen reifer, willenskräftiger, sittlich
freier. Und der Verzicht auf den Alkohol ist ein guter Entschluß!

[Illustration: Dekoration]

Meidest du den Alkohol, so meidest du von selbst jene häßlichen Stätten,
wo der Alkohol bewußt und planmäßig zur sinnlichen Anreizung gebraucht
wird, die Animierkneipen und alle anderen Kneipen »mit Damenbedienung«.
Es liegt etwas unsäglich Häßliches und Niedriges, etwas namenlos
Gemeines in diesen Kneipen, und es ist mir völlig unverständlich, wie
ein junger Mann in der Dunstwolke dieser alkoholischen Geilheit auch nur
einen einzigen Atemzug tun kann.

Hier stehen wir auf der Grenze, wo die körperlichen Anreize der
Geschlechtlichkeit in die geistigen übergehen. Und so, wie du den Körper
freihalten mußt von unsauberen Dingen, so gib auch dem Geist nur und
ausschließlich gute Nahrung. Leicht mag das nicht sein. Denn die
erotische Hochspannung der Kultur hat auch in die Literatur und in die
Kunst einen erotisch-neurasthenischen Ton hineingetragen. Die Betonung
des Sexuell-Sinnlichen kommt dem Interesse der Menge entgegen. Sexuelle
Dinge werden breit, mit zynischer Behaglichkeit oder mit geschickt und
elegant verborgener Lüsternheit geschildert oder gemalt. Vor nichts
scheut man zurück, und die Schamlosigkeit macht sich breit unter dem
Deckmantel des »Realismus«.

Wir wollen ganz absehen von Kolportageromanen, die auf die niedrigsten
Instinkte spekulieren. Nein, auch fähige Schriftsteller, begabte
Bildhauer und Maler haben sich der Erotik verschrieben und prostituieren
ihre Kunst, um den billigen Beifall der Menge zu erhaschen.

Wieviel Unheil richten sie in jugendlichen Köpfen an! Unruhige sinnliche
Wünsche werden geweckt, sittliche Begriffe gestürzt; denn das, was ohne
Zweifel schlecht ist, wird durch diese erotische Literatur »interessant«
gemacht. Wieviel schlechte Handlungen entsteigen der durch schlechte
Lektüre verwilderten Phantasie! Wie oft erfährt der Richter, daß ein
schlechtes Buch den Antrieb zu einer sittlichen oder strafrechtlichen
Entgleisung gab!

Die Zahl der scheußlichen Witzblätter ist groß, und selbst Witzblätter,
denen manch ernstes Wort eine Bedeutung gab, haben sich dem erotischen
Zynismus mit Haut und Haaren verschrieben. Die Inseratenseiten wimmeln
von Anzeigen erotischer Literatur, von Anpreisungen von
»Aktzeichnungen«, die angeblich nur für »Kenner« oder »Künstler«
bestimmt sind. Aller Schmutz kann in solchen Inseratteilen abgeladen
werden, und die vielen Anzeigen von Heiratsgesuchen, von Wohnungen »mit
separatem Eingang« und dergleichen sind nur eine schwungvolle geldliche
Ausnützung der allgemeinen Lüsternheit.

Schmach und Schande über eine Presse, die sich ihrer erzieherischen
Pflicht so wenig bewußt ist!

Am meisten hast du dich zu schützen vor jener Literatur, die angeblich
»Aufklärung« verbreiten will in geschlechtlichen Dingen und mit allerlei
unverfänglichen oder auch verfänglichen Titeln die Neugier der Jugend
erregt. Ich weiß aus vielen Berichten, die mir zugegangen sind, wie
solche Bücher Schaden anrichten. Die Lüsternheit und Sinnlichkeit des
Verfassers steigt zwischen den Zeilen auf und teilt sich dem
Leser -- ihn erregend -- mit, so daß mancher mir schon berichtete, wie
sehr ihn gerade diese Aufklärungsliteratur zur Onanie und sinnlichen
Gesprächen verleitete.

Auch da, wo der Inhalt des Buches an sich richtig und gut ist, kann
diese Gefahr bestehen, denn hier macht der Ton die Musik, und ich stehe
keineswegs bei denjenigen, die da meinen, man müsse aus Gründen der
»Natürlichkeit« den letzten zarten Schleier der Schamhaftigkeit von den
geschlechtlichen Dingen hinwegnehmen. Nicht das restlose Wissen, nicht
die absolute Entschleierung ist der beste Schutz, sondern die zarte,
poesievolle und doch kraftvoll-gesunde Auffassung vom Liebesleben, jene
innere, tiefe und wahrhaftige Schamhaftigkeit. Nicht im Verstand liegt
die Sittlichkeit, sondern in der Seele. Darum haben diejenigen die
höchsten sittlichen Kräfte, die die stärksten Glaubenskräfte haben.

Prostituiert ist auch die bildende Kunst. Vorbei ist die Hoheit der
griechischen Meister, die mit der Darstellung der Nacktheit höchste
Schamhaftigkeit und sittliche Würde verbanden. Wir leugnen gar nicht die
sinnlichen Elemente des Kunstgenießens. Aber die Kunst soll unsere
Sinnlichkeit idealisieren, durch das körperlich Schöne den Enthusiasmus
der Seele wecken, nicht aber die rohe Sinnlichkeit entflammen und den
aufstrebenden Geist in die Fesseln der quälenden Körperlichkeit bannen.
Eine gemeine Kunst verführt zu einsamen Triebverirrungen, zu Lüsternheit
und Ausschweifung. Es ist nicht ratsam, in Kunstfragen den Staatsanwalt
und die Polizei zur obersten Instanz zu machen. Bessere Richter einer
gesunkenen, feilen und geilen Kunst sind guter Geschmack, anständige
Gesinnung und Selbstachtung. Das Angebot wird durch die Nachfrage
hervorgelockt, und jeder vernünftige Mensch sollte es für unter seiner
Würde halten, ein Bildwerk zu betrachten oder gar zu kaufen, das die
Lüsternheit herausfordert.

Der Stolz müßte sich auch aufbäumen gegen den Schmutz, der sich in
photographischen oder literarischen Pikanterien breit macht. Warum gehen
junge Männer nicht diesen gemeinen Anreizen aus dem Wege? Warum
erschweren sie sich den Kampf und lassen sich immer mehr herabziehen?
Nicht die gewissenlosen Händler sollte man anklagen, sondern die
charakterlosen Männer, die den Schmutz begehren.

Das Denken in geschlechtlichen Dingen ist sehr wohl ein Maßstab der
allgemeinen Kraft und Sittlichkeit eines Volkes überhaupt, und es ist
charakteristisch, wenn wir aus Frankreich hören, daß dort die Väter
ihren beim Militär dienenden Söhnen zur Unterhaltung pornographische
Photographien senden.

Was aber soll man dazu sagen, wenn sogar die dramatische Kunst, die den
stärksten Einfluß auf das Volk hat, ihre Verantwortlichkeit verliert und
im sexuellen Zynismus landet? Die Kunst geht nach Brot, und wenn der
Brotherr, das Publikum, einen verkommenen Geschmack hat und mit gierigem
Blick nach Lüsternheiten Ausschau hält, dann darf man sich nicht
wundern, wenn die Bühne französische Ehebruchsdramen und
zynisch-erotische Vaudevilles aufführt. Da ist der Held der Bühne nicht
der stolze, edle Mensch, nicht Tell, Tasso oder Posa, sondern der seine
Frau betrügende Ehemann, der weichlich-erbärmliche Don Juan, der in
tausend Ängsten vor dem Entdecktwerden und in tausend Nöten von einer
jammervollen Situation in die andere gerät, und der uns dann als von den
Frauen besonders begehrt dargestellt wird. Sieht man, wie vollbesetzt
diese Theater sind, und wie im Publikum die Mienen ohne alle
Selbstbeherrschung gierig-lüstern werden, so kann man das Gefühl von
Scham und Empörung nicht unterdrücken über ein Volk, das so seine großen
Männer vergißt, und über Menschen, die so sehr alles Edle, Schöne,
Menschliche von der Geilheit überwuchern lassen.

Schule deinen Geschmack und deinen ganzen inneren Menschen an echter,
edler Kunst und sei zu stolz, ein Spielball dieser lüstern-geschäftlichen
Spekulationskunst zu werden.

Halte dich auch fern von den auf niedriger Stufe stehenden
Varieté-Theatern, wo der Humorist ein privilegierter Zotenreißer ist und
die Tänzerinnen mit dem Mangel an Kleidung den noch größeren Mangel an
Können verdecken, wo ein rauch- und bierdunstiges Lokal bis zum letzten
Platz mit Männern angefüllt ist, und sogar Frauen sich nicht scheuen,
ihr eigenes Geschlecht auf der Bühne prostituiert zu sehen. Warum sind
die Varietés, die Singspielhallen, die Konzertcafés mit
erotisch-winselnder Geigenmusik überfüllt, und warum können sich ernste
Bühnen so schwer halten? Weil die Massen korrumpiert sind, und weil die
wachsende Degeneration die Sinnlichkeit triumphieren läßt und zugleich
die Selbstkritik schweigen heißt.

Diese bedrohlich angewachsene Sinnlichkeit wird von dem Kapital in
raffinierter Weise ausgeschlachtet. Ganze Industrien rechnen ja mit
dieser Sinnlichkeit. Aber wieviel Unheil richtet sie an! Wieviel
Nervenkraft und Menschenglück wird dabei zerstört! Es ist nicht ehrlich,
Geld zu verdienen, wenn ein anderer dabei geschändet wird.

Aber niemand ist genötigt, sich diesen Schäden hinzugeben. Setze an die
Stelle dieses wirren und wüsten Treibens deinen Stolz, deine Würde, dein
besseres Ich und eine ernste Arbeit mit festem Lebensziel, dann wird die
Gefahr deine Kräfte stählen. Die Arbeit ist die Grundlage deines Lebens,
und die Stunden, die nicht deinen Pflichten gehören, sondern dir selbst,
die sollst du ausfüllen mit Schönem, mit guter Lektüre. Unser deutsches
Schrifttum ist reich an guten Büchern. Du sollst die freien Stunden
benutzen, gute Kunst kennen zu lernen. In Museen und Galerien ist
Gelegenheit dazu. Und vor allem sollst du die Natur, deine Heimat,
kennen lernen und wandern, damit dein Körper stark und dein Geist
fröhlich werde. ~Geh allem aus dem Wege, was dich herabzieht. Schaue nur
Schönes, denke nur Gutes, handle nur edel, dann wirst du den Sinn und
die Schönheit des Lebens in dir selbst finden, weil du in Harmonie mit
dem Weltprinzip bist.~

[Illustration: Dekoration]




Schlußwort.


So bist du mir nun gefolgt, lieber junger Freund, und wir haben das
Gebiet durchwandert, das gleicherweise Glück und Unglück, Jubel und
Tränen, Schönheit und Grauen umschließt, in das fast alle Menschen mit
Kraft und Sehnsucht einziehen, und in dem wir sie weiterwandern sehen
mit Krankheit, Schwäche, gebrochener Seele, verlorener Jugend und
beladen mit wirren und schwülen Geheimnissen.

So viel Jammer entsteigt der Unwissenheit!

War's da nicht recht, deine Augen sehend zu machen? Ich habe dir nicht
nur Häßliches zeigen und dich vor Gefahren warnen wollen, nein, auch die
Schönheiten des Liebesgefühls habe ich in dir keimen lassen, weil ich
weiß, daß alle Lebensschönheit nur in der Natur steckt und die Natur
auch im Menschen wohnt. _Naturalia non sunt turpia!_

Nicht das ist die wahre Sittlichkeit, die einen Gegensatz zwischen
Mensch und Natur errichtet, die vom Menschen ein Abtöten seiner Natur
verlangt und ihn in einen letzten Endes vergeblichen Kampf zwischen Tun
und Willen stürzt. Nein, die wahre Sittlichkeit liegt im Erkennen der
erdgeborenen Natur des Menschen und in dem festen Willen, schrittweise
und allmählich auf höhere Stufen zu gelangen. Weder haben diejenigen
recht, die leichtsinnig in den Tag hineinleben, die alles, so wie es
ist, für gut halten und vom Baume des Lebens so viel Früchte
herabnehmen, wie sie erhaschen können, noch können wir denjenigen
folgen, die in düsterem Pessimismus alle Lebensschönheit nicht sehen
wollen und sich auf den Himmel vorzubereiten wähnen, während doch
zugleich ihr Aszetismus ein göttliches Gebot in den Staub zieht.

Zwischen diesen zwei Irrenden steht der wahrhaft sittliche Mensch, der
sein Leben und seine Persönlichkeit reich und kraftvoll entfaltet, aber
nicht eingreift in die Rechte der anderen und nicht das Wohl der
Nachgeborenen untergräbt. Dem die tiefe Erkenntnis der biologischen
Zusammenhänge ein starkes Selbstverantwortlichkeitsgefühl aufzwingt, und
der seine Wünsche schweigen heißt, wenn ihre Befriedigung die feinen
geheimnisvollen Fäden verwirrt, die alle Menschen in Glück und Unglück
miteinander verbinden.

Da sehen wir die strengen Grenzen zwischen individueller und sozialer
Ethik. Die eine lebt sowohl im Aszetismus wie in der Vergnügungssucht
der Masse, die sich in ihrem oberflächlichen Individualismus eine
Kollektivethik geschaffen hat. Beide aber maßen sich an, selbst Richter
aller Dinge zu sein. Hoch über beiden steht die soziale Ethik, die von
Einzelnen in das Volk getragen wird, von jenen Einzelnen, in denen die
schreiende sexuelle Not der Menschen ein Echo fand, und in denen das
Menschheitsgewissen, jene feine und sichere Unterscheidungskraft
zwischen Gut und Böse, lebte.

Diese soziale Ethik nimmt einem natürlichen Triebe alles, was ihn
häßlich macht und die Menschennatur herabwürdigt, und sie gestaltet sein
Äußern so, wie es das Wohl der sozialen Gesamtheit verlangt.

Alle Ethik hat ihre Wurzeln im Geschlechtsleben. Denn das
Geschlechtsgefühl ist die eigentliche Urquelle aller menschlichen
Sympathiegefühle und aller sozialen Organisationen überhaupt. Ist daher
das Geschlechtsleben krank und verdorben, so muß der ganze Bau des
Menschendaseins erschüttert werden.

Das Geschlechtsleben ist die höchste und stärkste Entwicklungskraft der
Menschheit. Es hat der Religion Nahrung gegeben, hat Kultur, soziale
Gemeinschaft und Kunst entwickelt und dem Geist seine feinsten Blüten
gegeben. Aber es ist auch die Kraft, die wie keine andere die Menschen
hinabstößt in Schwäche und Elend, in Verwilderung und Versumpfung, in
leiblichen und geistigen Tod. Das Geschlechtsgefühl ist dem
Menschengeschlecht Himmel und Hölle zugleich. Darin liegt sein tiefer,
eherner Ernst.

Aus dem Geschlechtsgefühl quillen Menschenwerte. Ein niedriges
Geschlechtsleben schafft Krankheit und niedriges, schlechtes Denken. Ein
reines Geschlechtsleben dient der Gesundheit, adelt den Menschen und
veredelt die Rasse. Diese Reinheit vereinigt Natürlichkeit mit feinstem
Schamgefühl, gesunde Kraft mit zartschöner, idealistischer Auffassung.

Das ist's, wozu ich dich mit diesem Buche hinführen wollte. Nicht die
»Natürlichkeit« in jenem stumpfen Sinne einer seelenlosen Nüchternheit,
die das Geschlechtliche zu einer Alltagsgebärde stempelt. Die dem
Liebesgefühl seine Gefahren dadurch nehmen will, daß man es in der
Nüchternheit körperlicher Selbstverständlichkeit erstickt. Nein,
diejenige Natürlichkeit will ich dich lehren, die zwar den körperlichen
Untergrund aller Dinge sieht, aber alle Körperkultur nur als
Ausgangspunkt einer kraftvollen Seelenkultur erkennt.

Dem Seelenkultus dienen wir! Der rohe Körperkult dient letzten Endes der
Form- und Zügellosigkeit, wenn der Seele feinste Strömungen nicht das
körperliche Tun durchwehen. Die Seele allein birgt die wahre Scham, des
Geschlechtsempfindens zarteste Blüte.

So habe ich dir die Wege deines Tuns gewiesen. Unbeirrt und klaren Auges
kannst du in das Leben hinaustreten. Trenne dich von der Masse, von
denen, die ideallos geworden sind, folge dem Stern deines besseren Ich,
schreite mutig und siegreich durch alle Gefahren! Vermehre nicht das
Unglück und den Kummer der Menschen, sondern sei in deiner sittlichen
Kraft wie ein Licht, das ins Dunkle strahlt und auch anderen Menschen
das Leben verschönt.

~So trenne ich mich von diesem Buche und trenne mich von dir.~

~Lebe wohl!~

~Dein Leben sei rein und ehrlich und voll Glück! Und daß es so sei, gehe
den einsamen Weg der Guten!~

~Lebe wohl!~

[Illustration: Dekoration]




Fußnoten:


[1] Man lese »Arbeit, Kraft und Erfolg«, Wege zur Steigerung der
Leistungsfähigkeit in körperlichem und geistigem Schaffen. Von Emil
Peters. Mk. 4.25. Zu beziehen durch den Volkskraft-Verlag, Konstanz am
Bodensee.

[2] Volkskraft-Verlag, Konstanz am Bodensee.

[3] Volkskraft-Verlag, Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2.75, geb. Mk.
4.50.

[4] Wissenschaft und Sittlichkeit, Berlin 1908.

[5] Die Gefahren des außerehelichen Geschlechtsverkehrs. 2 Aufl. München
1904. A. Müller.

[6] a. a. O., S. 6.

[7] Volkskraft-Verlag Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2.75, geb. Mk.
4.50. Porto 25 Pfg.




      *      *      *      *      *      *




Anmerkungen zur Transkription:

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen;
lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.

Einige Ausdrücke wurden in beiden Schreibweisen übernommen:

  andererseits (Seiten 38 und 39) und andrerseits (Seiten 26, 31, 97
  und 106)

  gesunderen (Seite 34) und gesünderen (Seite 90)

  gesunder (Seite 19) und gesünder (Seiten 88 und 116)

Folgende offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert:

  geändert wurde
           "Daß ist die große"
        in "Das ist die große" (Seite 18)

  geändert wurde
           "Buche »Der nervöse Mensch«."
        in "Buche »Der nervöse Mensch«.[1]" (Seite 34)

  geändert wurde
           "den _~GonoccociNeisseri~_ oder"
        in "den _~Gonoccoci Neisseri~_ oder" (Seite 96)

  geändert wurde
           "führt zur Dishamonie, und"
        in "führt zur Disharmonie, und" (Seite 118)

  geändert wurde
           "Volkskraf-Verlag, Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2,75,
           geb. Mk. 4,50."
        in "Volkskraft-Verlag, Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2.75,
           geb. Mk. 4.50." (Fußnote 3)



***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JUGEND, LIEBE UND LEBEN***


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Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
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and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation information page at www.gutenberg.org


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
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state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
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The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at 809
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