Vier Jahre Politischer Mord

By Emil Julius Gumbel

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Title: Vier Jahre Politischer Mord
       Fuenfte Auflage von ZWEI JAHRE MORD (13. bis 18. Tausend)

Author: Emil Julius Gumbel

Release Date: May 11, 2012 [EBook #39667]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VIER JAHRE POLITISCHER MORD ***




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[Anmerkungen zur Transkription: Die Rechtschreibung des Originals wurde
beibehalten; auch Personen- und Ortsnamen bleiben uneinheitlich wie im
Original. Hervorhebungen im Original durch _kursiv_ gesetzten Text sind
hier mit _Unterstrichen_ umgeben; =Gleichheitszeichen= stehen für =fett=
gedruckten Text.

Transcriber's Note: Original spelling variations as well as variations
in names of persons or places have not been standardized. Emphasis using
_italic_ text has been marked by _underscores_, =bold= text is shown by
=equal= signs.]


_Fünfte Auflage von ZWEI JAHRE MORD (13. bis 18. Tausend)_

_Anita Orienter zu eigen_

E. J. GUMBEL

VIER JAHRE POLITISCHER MORD

VERLAG DER NEUEN GESELLSCHAFT

BERLIN-FICHTENAU

1922

      »_Ich überreiche dem Herrn Reichsjustizminister
      dieses Buch mit der formellen und
      öffentlichen Aufforderung, den einzelnen Fällen
      nachzugehen und uns über das Ergebnis
      seiner Untersuchungen Auskunft zu geben._«

      _Reichsjustizminister Radbruch
      als Abgeordneter im Reichstag, 5. Juli 1921_

Copyright by Verlag der Neuen Gesellschaft

Berlin-Fichtenau




INHALTSVERZEICHNIS

                                                               Seite


      VIER JAHRE MORD

      Die Morde bis zum März 1919                                  9
      Von der Ermordung Eisners bis zum Sturz der bayrischen
          Räterepublik                                            27
      Die Ermordungen beim Kapp-Putsch                            51
      Individuelle Morde                                          64
      Nicht aufgenommene Tötungen                                 82

      ZUR SOZIOLOGIE DER POLITISCHEN MORDE

      Das Werden der deutschen öffentlichen Meinung               87
      Bayrische Räterepublik und Kapp-Putsch                      95
      Die Rechtsnatur der bayrischen Standgerichte und das
          Schicksal der Hinterbliebenen                          108
      Regierungsäußerungen zu den politischen Morden             118
      Die Organisation der politischen Morde                     124
      Die öffentliche Meinung und die Morde                      142

      TABELLEN

      161 von den Regierungstruppen in München Ermordete          43
      Die von Rechts begangenen politischen Morde                 73
      Die von Links begangenen politischen Morde                  79
      Die Formen der politischen Morde                            81
      Die Sühne der politischen Morde                             81
      Kapp-Regierung und bayrische Räteregierung                  99
      Die strafgerichtliche Behandlung des Kapp-Putsches         100
      Das Schicksal von 775 Kapp-Offizieren                      101
      Militärs der Kapp Regierung und der bayrischen
          Räteregierung                                          102
      Kappisten und Räterepublikaner in der Provinz              105




Die folgenden Zeilen berichten über die politischen Morde, die seit dem
9. November 1918 in Deutschland vorgekommen sind. Dabei sind gleichmäßig
die von Links und die von Rechts begangenen Morde dargestellt. Ein Fall
wurde aufgenommen, falls es sich dabei um eine vorbedachte,
gesetzwidrige, durch innerpolitische Motive verursachte Tötung eines
namentlich bekannten Deutschen durch einen anderen Deutschen handelte,
wobei der Vorgang sich nicht als Massenhandlung sondern als individuelle
Tat qualifizierte. Ich habe nur solche Fälle aufgenommen, wo die
erschießende Partei nicht behauptet hat, daß sie von der Menge
angegriffen wurde, und wo es sich nicht um eine Lynchung durch eine
namenlose Menge oder andersgeartete Massenhandlungen, sondern um ganz
bestimmte Täter handelte.

In der Auswahl der Fälle bin ich bei den Morden von Rechts viel
vorsichtiger verfahren als bei denen von Links. Ich habe daher mehrere
Fälle von Links mitaufgenommen, die mehr den Charakter von Tumulten als
von politischen Morden hatten.

Auf die Exaktheit der Angaben habe ich in jedem einzelnen Falle die
größtmögliche Sorgfalt verwendet und versucht, überall aktenmäßige
Genauigkeit zu erreichen. Ich habe mich gestützt auf Gerichtsakten,
Urteile, Entscheidungen über Einstellung des Verfahrens, Zeugenaussagen,
Mitteilungen von Rechtsanwälten, von Hinterbliebenen, endlich
Zeitungsnotizen. Die Prozeßberichte habe ich hauptsächlich in den
rechtsstehenden Zeitungen studiert. In allen Fällen, wo das Material
nicht genau war, wurde an die Angehörigen und Berichterstatter
geschrieben. Blieben die Nachrichten unvollständig, so blieben die
betreffenden Fälle weg. Ich kann somit jede hier vorgebrachte Behauptung
einwandfrei belegen. Prinzipiell wurden nur solche Fälle aufgenommen, in
denen der Name des Opfers mir bekannt wurde. Wo sich im Text auch
anonyme Fälle finden, dienen sie nur zur Veranschaulichung der
betreffenden Vorgänge. Nur an zwei Stellen bin ich von diesem Prinzip
abgewichen. (Seite 18 und 32.)

Der jeweilige Stand des Verfahrens war am schwierigsten zu ermitteln. Es
ist daher möglich, daß in Fällen, wo mir kein Verfahren bekannt wurde,
ein solches tatsächlich schwebt oder das Verfahren bereits eingestellt
wurde. Dagegen glaube ich, daß die Zahl der von mir angeführten
Bestrafungen vollständig ist.

Das Buch kann keinen Anspruch darauf erheben, alle politischen Morde
darzustellen, die in den letzten Jahren in Deutschland vorgekommen sind.
Ich bitte daher alle Leser, welche weitere Fälle wissen, hierüber an den
Verlag der Neuen Gesellschaft, Berlin-Fichtenau, zu schreiben.

Das vorliegende Buch ist eine Fortsetzung und Erweiterung meiner
Broschüre »Zwei Jahre Mord.« Ich hatte darin unter anderm die Behauptung
aufgestellt, daß die deutsche Justiz über 300 politische Morde
unbestraft läßt und hatte erwartet, daß dies nur zwei Wirkungen haben
könne. Entweder die Justiz glaubt, daß ich die Wahrheit sage, dann
werden die Mörder bestraft. Oder sie glaubt, daß ich lüge, dann werde
ich als Verleumder bestraft. Tatsächlich ist etwas Drittes, völlig
unvorhergesehenes eingetreten:

Obwohl die Broschüre keineswegs unbeachtet blieb, ist von behördlicher
Seite kein einziger Versuch gemacht worden, die Richtigkeit meiner
Behauptungen zu bestreiten. Im Gegenteil, die höchste zuständige Stelle,
der Reichsjustizminister, hat meine Behauptungen mehrmals ausdrücklich
bestätigt. Trotzdem ist nicht ein einziger Mörder bestraft worden.

Berlin, 16. Oktober 1922.




VIER JAHRE MORD

DIE MORDE BIS ZUM MÄRZ 1919


Die Vorwärtsparlamentäre

Im Januar 1919 hatten revolutionäre Arbeiter sich des Vorwärtsgebäudes
bemächtigt. Die Regierungstruppen belagerten das Haus. Die
Vorwärtsbesatzung schickte am 11. Januar frühmorgens als Parlamentäre,
durch entsprechende Abzeichen kenntlich und natürlich unbewaffnet,
folgende Leute:

Redakteur Wolfgang _Fernbach_, Walter _Heise_, Werner _Möller_, Karl
_Grubusch_, Erich _Kluge_, Arthur _Schötler_, _Wackermann_.

Fernbach gehörte nicht zur Besatzung. Er war erst am Nachmittag des 10.
in das Gebäude gegangen, um jemand zu besuchen, und konnte wegen der
Absperrung nicht mehr heraus. Die sieben Parlamentäre wurden in die
Dragonerkaserne in der Belle-Alliance-Straße 6 abgeführt und morgens 10
Uhr erschossen. Nach der Meldung des Oberlts. v. Carnap an den Vater des
erschossenen Fernbach wurden sie von eingedrungenen Soldaten gelyncht,
obwohl sie waffenlos waren, ohne daß v. Carnap und der gleichfalls
anwesende Major _Franz v. Stephani_ irgend etwas dagegen machen konnten.
Major von Stephani dagegen schrieb an Frau Fernbach:

»Fernbach hat sich mit unter den Spartakus-Anhängern befunden, die mit
der Waffe in der Hand aus dem Vorwärts herausgeholt wurden und bei denen
Dumdumgeschosse vorgefunden wurden. Sie hatten demgemäß während der
Kampfhandlung ihr Leben verwirkt und der Tod hat durch Erschießen
stattgefunden.«

Auch diese Behauptungen entsprechen nicht den Tatsachen. Im
Ledebourprozeß hat Graf Westarp, der die Belagerung leitete, am 23. Mai
1919 als Zeuge vernommen, ausdrücklich erklärt, daß die sieben als
Parlamentäre kenntlich waren, nicht mit der Waffe in der Hand ergriffen
wurden und natürlich auch keine Dumdumgeschosse gehabt hatten. Auch
Major von Stephani hat seine Behauptungen selbst später vor dem ersten
Gardedivisionsgericht zurückgezogen (Erklärung des Kriegsgerichtsrates
Hierholzer). Der wirkliche Vorgang war nach den übereinstimmenden, bei
den Gerichtsakten befindlichen Aussagen des Soldaten Wilhelm Helms, des
Soldaten Georg Schickram, der der ganzen Erschießung beiwohnte, des
Sanitätsgefreiten Hans Stettin und des Soldaten Willi Köhn, schließlich
den eigenen Aussagen v. Stephanis im Untersuchungsausschuß der preuß.
Landesversammlung vom 3. Juni 1919 (vgl. den amtlichen Bericht, Seite
48 und 49), daß Stephani selbst den Befehl zur Erschießung gegeben hat.
Er berief sich dabei auf einen angeblichen Regierungsbefehl, der jedoch
von der Regierung dementiert wurde (Aussage des Kriegsgerichtsrats
Hierholzer vor dem Gericht der 1. Garde-Division, Reichswehrbrigade 3,
Potsdam). Sogar die Namen von zwei der exekutierenden Soldaten,
Wachtmeister Otto _Weber_, Feldkolonne 40, Staffelstab 10, Hannover, und
Gefreiter Erich _Selzer_, Infanterieregiment 21 in Rudolstadt sind
bekannt. Den sieben Toten waren die Schuhe und Kopfbedeckungen gestohlen
(Bekundungen von Fernbach senior). Die Leiche des Möller wies (Bekundung
der Frau Möller) zwei Bajonettstiche auf. Außerdem war ihm die linke
Gesichtshälfte eingeschlagen. Auf eine Eingabe von Fernbach sen. vom 29.
Januar 1919 erklärte die Staatsanwaltschaft, die Angelegenheit sei
erledigt. Fernbachs Vater stellte am 26. März 1919 Strafantrag gegen
Stephani wegen Mordes. Erst am 31. Januar 1920 teilte ihm das Gericht
der Garde-Kav.-Div. in Potsdam mit, daß das Verfahren gegen Stephani
wegen Ueberschreitung der Dienstgewalt demnächst stattfinden werde. Dies
geschah aber nicht. Infolge Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit kamen
die Akten am 10. Oktober 1920 an die Staatsanwaltschaft Berlin. Der
Staatsanwaltschaftsrat vom Landgericht II, Dr. Ortmann, lehnte den Erlaß
eines Haftbefehls gegen v. Stephani ab. Stephani wurde sogar weiter im
Dienst verwendet und war bei den Kämpfen um München dabei (Sitzung des
Untersuchungsausschusses der Landesversammlung vom 6. Mai 1919). Am 14.
Juli 1921 hat das Landgericht II, gez. Hartmann, Siemens, Dr. Fränkel,
die Beschuldigten v. Stephani, Weber und Seltzer »aus dem tatsächlichen
Grunde mangelnden Beweises außer Verfolgung gesetzt.« Die Privatklage
Fernbachs gegen v. Stephani wurde am 20. Dezember 1920 abgewiesen. Im
März 1922 wurde sein Anspruch auf Schadenersatz gegen den Kriegsminister
vom Landgericht I dem Grunde nach als berechtigt anerkannt. Bei den
Klagen von fünf andern Hinterbliebenen verlangt der Fiskus den
Identitätsnachweis. (Abschriften der Aussagen und Akten sind in meinem
Besitz.)


Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg

Bei einer Haussuchung am 15. Januar 1919 wurden _Karl Liebknecht_ und
_Rosa Luxemburg_ in Wilmersdorf, ohne Haftbefehl, durch die
Einwohnerwehr verhaftet und nach dem Edenhotel, dem Quartier der
Gardekavallerie-Schützendivision, gebracht. Nach der amtlichen
Darstellung vom 16. Januar wurde Liebknecht auf der Flucht erschossen,
Rosa Luxemburg durch eine große Menge gelyncht. »Die Transportführer
traf kein Verschulden.« Nach den Aussagen im Prozeß spielte sich die
Ermordung jedoch folgendermaßen ab:

Der Platz vor dem Edenhotel war völlig leer. (Zweiter Verhandlungstag.)
Karl Liebknecht wurde aus dem Hotel in ein Auto geführt. Der Jäger
_Runge_ schlug ihm darauf zweimal von hinten mit dem Kolben auf den
Kopf. Liebknecht sank halb bewußtlos zusammen. Die Offiziere saßen und
standen um Liebknecht herum, ohne die Schläge zu verhindern. Das
Kommando bestand aus den Offizieren Horst _v. Pflugk-Hartung_, _Stiege_,
_Liepmann_, _v. Ritgen_, _Schulze_, Heinz _v. Pflugk-Hartung_ und dem
Jäger Clemens _Friedrich_, alle natürlich schwer bewaffnet. An Stelle
nach Moabit fuhr das Auto am Neuen See entlang in der Richtung nach der
Charlottenburger Chaussee. An einer Stelle, wo ein völlig unbeleuchteter
Fußweg abging, erlitt das Auto angeblich eine Panne. Liebknecht, der
durch die Schläge auf den Kopf noch ganz benommen war, wurde gefragt, ob
er noch gehen könne. Zwei Leute stützten ihn rechts und links, zwei
gingen vor und zwei hinter ihm. Alle mit entsicherten Pistolen und
Handgranaten bewaffnet. Nach wenigen Schritten wurde Liebknecht,
angeblich weil er einen Fluchtversuch machte, erschossen. Den ersten
Schuß gab Kapitän v. Pflugk-Hartung ab. Nach der Tat war das Auto wieder
gebrauchsfähig. Dann wurde die Leiche als »unbekannt« eingeliefert.

Als Rosa Luxemburg durch den Haupteingang fortgeführt wurde, stand
derselbe Runge an der Tür. Hauptmann Petri hatte Befehl gegeben, man
solle dafür sorgen, daß die Luxemburg nicht lebendig ins Gefängnis komme
(Denkschrift des Vollzugsrates). Als Frau Luxemburg durch die Türe kam,
schlug Runge ihr zweimal auf den Kopf, so daß sie umsank. Der den
Transport führende Oberleutnant _Vogel_ hatte nichts dagegen getan. Man
schob Frau Luxemburg in den Wagen. Als der Wagen abfuhr, sprang ein Mann
hinten auf und schlug sie mit einem harten Gegenstand auf den Kopf.
Unterwegs schoß Oberleutnant Vogel der Frau Luxemburg noch eine Kugel
durch den Kopf. Man fuhr zwischen Landwehrkanal und Zoologischem Garten
entlang. Am Landwehrkanal stand eine Gruppe Soldaten. Das Auto hielt,
die Soldaten warfen die Leiche auf Befehl Vogels in den Kanal.

Die am Mord Beteiligten ließen sich am Tage danach bei einem Gelage
photographieren. (Vierter Verhandlungstag.)

Wochenlang geschah in dieser Sache nichts. Die Regierung überließ die
Untersuchung derselben Division, der die Mörder angehörten. Die
Arbeiterräte Rusch und Struve, die zur Untersuchung beigezogen waren,
beantragten eine Reihe von Verhaftungen. Als diese Anträge abgelehnt
wurden, traten sie zurück. (31. Januar, 1919; Denkschrift der Mitglieder
des Zentral- und Vollzugsrates.)

Runge erhielt durch den Leutnant Liepmann falsche Papiere, wurde
versetzt, dann flüchtig und war zunächst unauffindbar. Mitte April wurde
er verhaftet, Oberleutnant Vogel am 20. Februar. Am 8. Mai begann die
Verhandlung vor dem Kriegsgericht. Der Oberleutnant Grützner sagte aus,
daß von Offiziersseite nachdrücklich auf ihn eingewirkt worden sei, die
Wachmannschaften des Edenhotels zu einer günstigen Aussage zu bestimmen
und ungeeignete Elemente von den Mannschaften zu entfernen. (Dritter
Verhandlungstag.) Pflugk-Hartung gab zu, daß er dem Soldaten Peschel,
dem Lenker des Autos, in dem Liebknecht abtransportiert wurde, 500 Mk.
»geborgt« habe. Die Soldaten Grantke und Weber beschworen, daß
Oberleutnant Vogel den Schuß auf Rosa Luxemburg abgegeben habe (dritter
Verhandlungstag) und die Leiche ins Wasser werfen ließ (vierter
Verhandlungstag). Zwei Angeklagte und Vogel selbst bestritten das
erstere. Das Urteil lautete:

»1. Der Jäger Runge wird wegen Wachvergehens im Feld, versuchten
Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter
Mißbrauch seiner Waffe in zwei Fällen, in einem Fall mit erschwertem
Wachverbrechen und Gebrauch von falschen Urkunden, zu zwei Jahren
Gefängnis, zwei Wochen Haft und vier Jahren Ehrverlust und Entlassung
aus dem Heer bestraft.

2. Leutnant Liepmann wird wegen Anmaßung einer Befehlsbefugnis in
Verbindung mit Begünstigung zu sechs Wochen verschärften Stubenarrests
verurteilt.

3. Oberleutnant Vogel wird wegen erschwerten Wachvergehens im Feld in
Tateinheit mit Begünstigung in Ausübung des Dienstes, wegen Mißbrauch
der Dienstgewalt und Beiseiteschaffung einer Leiche und wissentlich
falscher Dienstmeldung zu zwei Jahren vier Monaten Gefängnis und
Dienstentlassung verurteilt.«

In der Urteilsbegründung nahm das Gericht (Vorsitzender
Kriegsgerichtsrat Erhardt) bei Runge an, daß er aus eigenem Antrieb
gehandelt habe.

Bereits fünf Tage vor Beginn des Prozesses hatten Dr. Grabowski und
Hauptmann Pabst dem Oberlt. Vogel durch das Polizeipräsidium Berlin und
durch die Paßstelle des Auswärtigen Amtes einen Paß nach Holland
verschafft. Am 14. Mai, dem letzten Verhandlungstag, teilte der
Abgeordnete Cohn dies dem Kriegsminister Reinhardt und dem
Ministerialdirektor Rauscher mit. Trotzdem konnte Vogel am 17. Mai mit
Hilfe des Hauptmanns Jansen aus der Untersuchungshaft entführt werden
und entkam nach Holland. (»Der Mord an Karl Liebknecht und Rosa
Luxemburg«. Verlag der »Freiheit«).

Runge legte am 6. Januar 1920 protokollarisch ein Geständnis ab, durch
das die Urteilsbegründung völlig hinfällig wurde. Es heißt darin:

»Was die Sache Liebknecht anbetrifft, hatte ich strikten Befehl von
Offizieren, diesen Lumpen niederzuschlagen mit dem Kolben an der Stelle,
wo er herauskommt. Ich war neu und konnte die Offiziere nicht erkennen,
sah aber nachträglich, daß es meist meine Mitangeklagten waren. Was die
Luxemburg anbetrifft, kamen Offiziere zu mir und sagten: Ich gebe Ihnen
den Befehl, daß die Luxemburg das Edenhotel nicht mehr lebend verläßt.
Merken Sie sich das. Kapitänleutnant v. Pflugk-Hartung schrieb sich
meinen Namen auf und sagte zu mir: Sie wird Ihnen ja durch den
Oberleutnant Vogel in die Arme geführt, so daß Sie nur zuschlagen dürfen
... (was ich auch tat). Als die andern zurückkamen, brüsteten sie sich:
»Liebknecht haben wir eine gebrannt. Es wurde eine Panne markiert und
so die Flucht künstlich herbeigeführt.« Das hat mir auch Oberleutnant
von Ritgen in der Untersuchungshaft später noch einmal gesagt.

Die Untersuchung ist eine Komödie gewesen. Ich sprach mit
Kriegsgerichtsrat Jörns wiederholt privat und er sagte mir: »Nehmen Sie
ruhig alles auf sich, 4 Monate werden es nur, und Sie können sich dann
immer wieder an uns wenden, wenn Sie in Not sind.« Die Zellentüren
standen stets offen. Sämtliche Angeklagten machten den Richter, ich
mußte den Angeklagten spielen, und es wurde immer gesagt, wenn ich meine
Aussagen nicht richtig einlernte, läge mal eine Handgranate im Bett,
wenn ich schlafen ginge. Mit dem Stab des Eden-Hotels stand ich öfters
in telephonischer Verbindung. Ich mußte ihm vor meiner Flucht genau
angeben, mit welchem Zug ich nach Flensburg fahre. -- Husar Otto Runge.«

Hieraus (»Freiheit«, 9. Januar 1921) geht hervor, daß es sich in beiden
Fällen um einen von den Offizieren wohlüberlegten Mord handelte.
Trotzdem erfolgte nichts.

In einer neuen Aussage (»Vorwärts« 29. und 30. Mai 1922) hat Runge noch
genauere Mitteilungen über die beiden Ermordungen gemacht und angegeben,
daß er durch Angehörige des Freikorps Roßbach mit falschen Papieren
versehen und zu einer Reihe von falschen Aussagen vor Gericht veranlaßt
wurde. Nach ihm hat auch Leutnant Krull der Frau Luxemburg, als sie im
Auto saß, eine Kugel durch den Kopf geschossen.

Gegen Krull war ein Verfahren wegen Mordes eingeleitet worden. Er
gestand, beteiligt gewesen zu sein, widerrief aber dann. Darauf wurde
das Verfahren mangels Beweisen eingestellt, später aber wieder
aufgenommen. (»Vossische Zeitung« 22. August 1922.) Während er in
Untersuchungshaft saß, erschien der Oberleutnant Siegfried Bracht in der
Redaktion der »Roten Fahne« und bot die Uhr und Papiere von Rosa
Luxemburg »gegen eine angemessene Entschädigung« an. Er behauptete,
Deutschnationale hätten ihm 12_000 M. dafür geboten. Am 30. Mai 1922
hatte sich Krull wegen Diebstahls und Bracht wegen Hehlerei vor der
dritten Kammer des Landgerichts II (Vorsitzender Landgerichtsdirektor
Dust, Staatsanwalt Dr. Ortmann) zu verantworten. Krull behauptete, die
Uhr sei herrenloses Gut gewesen und im Edenhotel von Hand zu Hand
gegangen.

Krull hielt eine Rede: »Nichts liegt gegen uns vor, was man uns zum
Vorwurf machen könnte. Jeder Deutsche atmete auf, als diese beiden
Lumpen ins Jenseits befördert wurden. Der Dank des Vaterlandes gebührt
uns dafür. Gegen Leute wie Rosa Luxemburg und Liebknecht muß Richter
Lynch auftreten.« Krull wurde wegen Diebstahl in zwei Fällen zu drei
Monaten Gefängnis verurteilt, Bracht wegen versuchten Betrugs zu 500 M.
Geldstrafe. (Berliner Tageblatt, 2. Juni 1922.) Gegen das Urteil haben
Staatsanwalt und Angeklagte Revision eingelegt.


Die im Tegeler Forst Erschossenen

Am 17. Januar 1919 meldete der »Abend«, daß vier Spartakisten, namens v.
_Lojewski_, Hermann _Merks_, Richard _Jordan_ und _Milkert_, die während
der Spandauer Spartakusumtriebe verhaftet worden waren, auf dem
Transport nach Tegel im Tegeler Forst einen Fluchtversuch machten. Das
Begleitkommando schoß auf die Flüchtigen und tötete sie sämtlich. Der
gleichzeitig verhaftete Georg Merks, der beim selben Transport war,
teilte jedoch der »Freiheit« (20. Januar 1919) mit: »Die 8 Verhafteten
wurden in zwei offene Lastautos verladen. In jedem waren ca. 10 schwer
bewaffnete Soldaten. Das Auto, in dem ich war, fuhr zuerst ab, in einem
Abstand von 15 bis 20 Metern folgte das andere. Während beide Autos
fuhren, wurde vom hinteren Auto plötzlich geschossen. Die
Wachmannschaften erzählten dann, die Gefangenen seien geflohen. Bei
einem wirklichen Fluchtversuch hätte das Auto natürlich gehalten.« Im
Bericht der »Morgenpost« (18. Januar 1919) heißt es auch, daß »die
Gefangenen versuchten, über das Geländer zu klettern, so daß die
Erschießung im Wagen stattgefunden hat. Auf dem Auto standen Leutnant
Pieper, Vizefeldwebel Plate, Grenadier Dahlke, 2 Grenadiere vom Regiment
5, 2 Trainsoldaten, ein Herr _Sasse_ und ein ehemaliger Pionier Neese.
Sasse gab den Befehl zum Schießen, der von den beiden Trainsoldaten
ausgeführt wurde.« Trotz dieser präzisen Angaben, die die »Freiheit« am
1. März 1920 brachte und der Staatsanwaltschaft übergab, wurde kein
Verfahren eingeleitet.


Ein Mord von links

Am 13. Januar 1919 wurde in Hervest die Sicherheitswehr entwaffnet, das
Waffenlager und das Kommissariat erstürmt. Die Gewalt lag bis zum
Einrücken des Korps Lichtschlag am 15. Februar 1919 in Händen der
Arbeiterschaft.

Der Führer der bürgerlichen Parteien von Hervest, der Bureauvorsteher
_Kohlmann_, zog sich während dieser Zeit die Feindschaft der
Arbeiterschaft zu. Angeblich hat er auch die Regierungstruppen
herbeigerufen. Am 10. Februar 1919 lauerten ihm die Bergleute Eduard
_Albrecht_ (Kommunist) und Karl _Arnold_ (Mehrheitssozialist) auf und
erschossen ihn.

Beide wurden wegen Mordes zum Tode verurteilt, dann zu lebenslänglichem
Zuchthaus begnadigt. (Aktenzeichen: 16 I. 283/19, Landgericht Essen.)


Morde im Rheinland 1919

Der Bergmann Aloys _Fulneczek_ in Bottrop, Fulenbrockstr. 24, war am 19.
Februar 1919 als Delegierter der K.P.D. mit Delegierten der anderen
Parteien zum Kommandanten der einrückenden Truppen des Hauptmann
Lichtschlag zwecks Verhandlungen gegangen. Auf dem Rückwege wurde er von
den Truppen festgehalten, mißhandelt, ins Gerichtsgefängnis in Bottrop
eingeliefert und dort in der Zelle von dem Regierungssoldaten _Heuer_
in Gegenwart eines zweiten Soldaten von hinten erschossen. Heuer wurde
wegen Totschlags vor dem Militärgericht angeklagt, aber auf die Aussage
seines Begleiters hin freigesprochen, weil er angeblich in Notwehr
gehandelt. Der Militärfiskus ist in I. Instanz zum Schadenersatz
verurteilt.

Moritz _Steinicke_ aus Gelsenkirchen, Reichstr. 15, wurde in der Nacht
vom 20. zum 21. Februar 1919 von zwei Schutzleuten, zwei Soldaten und
einem Zivilisten ohne Haftbefehl verhaftet und von dem Führer der
Abteilung, _Blumberg_ und einem Polizisten vor dem Hause Wilhelmstr. Nr.
51 »auf der Flucht« erschossen. Steinicke war Mitglied der U.S.P.D., es
lag nichts gegen ihn vor. Das Verfahren wurde eingestellt, weil Blumberg
»zur Verhinderung des Fluchtversuches von seiner Waffe Gebrauch gemacht
und also gemäß der ihm erteilten allgemeinen Instruktion gehandelt
habe«. (Aktenzeichen 7 a. J. 585/19 der Staatsanwaltschaft Essen.)


Die Lichtenberger »Greuel« und die Märzmorde

Im März 1919 kam es zu Kämpfen zwischen den in der Revolution
aufgestellten republikanischen Verbänden, die aufgelöst werden sollten,
und den unter dem Befehl von Reinhardt stehenden Regierungstruppen und
Freikorps. Den republikanischen Truppen schlossen sich einige Arbeiter
an.

In einem offiziellen Bericht vom 9. März 1919 teilte die
Gardekavallerie-Schützendivision der Berliner Presse mit (vergl. z. B.
»Deutsche Tagesztg.« vom 10. März): »Die Spartakisten führen zurzeit
ihre Absicht, sich in Lichtenberg zu verschärftem Widerstand zu rüsten,
aus. Das Polizeipräsidium wurde von ihnen gestürmt und sämtliche
Bewohner, mit Ausnahme des Sohnes des Polizeipräsidenten, auf viehische
Weise niedergemacht.«

Aehnlich teilte Regierungsrat Doyé vom Ministerium des Inneren dem
»Berliner Tageblatt« am 10. März 1919 die Erschießung von 57 Polizisten
mit.

Nach der »B. Z. am Mittag« vom 9. März wurden 60 Kriminalbeamte und
viele andere Gefangene erschossen, und zwar wurden »Gefangene, die sich
zur Wehr setzen wollten, teilweise von vier bis fünf Spartakisten
gehalten, während der sechste ihnen mit der Pistole zwischen die Augen
schoß.« Dabei stützte sich die »B. Z.« auf eine von »einer militärischen
Befehlsstelle übermittelte eidliche Aussage von fünf Soldaten.«

Diese Nachricht ging durch die ganze deutsche Presse und beeinflußte die
öffentliche Meinung in schärfster Weise gegen die Spartakisten. Tagelang
wimmelte es von blutrünstigen Schilderungen. So meldete die »Vossische
Zeitung« und natürlich ebenso die rechtsstehende Presse am 10. März
sogar 150 Ermordete.

Alle diese Meldungen waren erlogen. Erst am 13. März meldete die »B.
Z.«, daß die Beamten in Wirklichkeit entlassen worden waren. Am gleichen
Tage erklärten die »Vossische« und der »Vorwärts« auf Grund der
Aussagen des Bürgermeisters Ziethen, »daß sich alle Nachrichten über die
Massenerschießungen von Schutzleuten und Kriminalbeamten bei der
Eroberung des Lichtenberger Polizeipräsidiums als unwahr erwiesen
haben.« Endlich nach der »B. Z.« vom 14. März und dem Nachruf auf die
Gefallenen stellte sich heraus, daß nur zwei Beamte tot waren. Davon war
einer im Kampf gefallen und über die Todesart des andern konnte nichts
festgestellt werden.

Auf Grund des Lichtenberger Beamtenmordes (»Deutsche Tageszeitung«,
»Berl. Tageblatt« vom 10. März 1919) verhängte _Noske_ als
Oberkommandierender in den Marken über Berlin das Standrecht und erließ
folgende Anordnung (W. T. B., 9. März):

»Die Grausamkeit und Bestialität der gegen uns kämpfenden Spartakisten
zwingen mich zu folgendem Befehl: Jede Person, die mit den Waffen in der
Hand gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu
erschießen.«

Daneben erließ die Gardekavallerie-Schützendivision selbständig einen
Befehl, wonach auch Leute zu erschießen wären, in deren Wohnungen Waffen
gefunden würden. Ein Nachweis der Teilnahme am Kampfe sei nicht nötig.
Der Befehl lautete:

  »Garde-Kav.-Division. Abt. I a. Nr. 20 950.

      Befehl für den 10. 3. nachm. und den 11. 3.

          Div.-St.-Qu., den 10. 3. 1919.

  Leitsatz: Wer sich mit Waffen widersetzt oder plündert, gehört
  sofort an die Mauer. Daß dies geschieht, dafür ist jeder Führer
  mitverantwortlich.

  Ferner sind aus Häusern, aus welchen auf die Truppen geschossen
  wurde, sämtliche Bewohner, ganz gleich, ob sie ihre
  Schuldlosigkeit beteuern oder nicht, auf die Straße zu stellen, in
  ihrer Abwesenheit die Häuser nach Waffen zu durchsuchen;
  verdächtige Persönlichkeiten, bei denen tatsächlich Waffen
  gefunden werden, zu erschießen.

  Ziffer 2 e: Jeder Hausbewohner oder Passant, der in unrechtmäßigem
  Besitz von Waffen gefunden wird, ist festzunehmen und mit kurzem
  Bericht in dem nächsten Gefängnis abzuliefern. Wer sich mit der
  Waffe in der Hand zur Wehr setzt, ist sofort niederzuschießen.«

Die »Politisch-Parlamentarischen Nachrichten« erklärten zwar am 18. März
1919, »daß ihnen von zuständiger Seite versichert worden sei, ein
derartiger Erlaß sei nicht ergangen«. Tatsächlich hat sich aber Marloh
in seiner ersten Aussage vom 4. Dezember 1919 ausdrücklich auf diesen
Befehl gestützt und hat ihn wörtlich verlesen.

Die beiden Erlasse gehen weit über das Preußische Belagerungsgesetz vom
4. Juni 1851 hinaus. Denn darnach entscheidet über einen Angeklagten ein
aus zwei Zivilrichtern und zwei dem Hauptmannsrang angehörigen
Offizieren bestehendes Kriegsgericht. Bei Todesurteilen ist die
Bestätigung des Oberbefehlshabers nötig, außerdem liegt eine Frist von
24 Stunden zwischen Urteil und Vollstreckung. Hier aber liegt die
Entscheidung über Leben und Tod vollkommen im willkürlichen Ermessen
einzelner Personen.

Am 7. März, 11-1/4 Uhr, wurde der Angehörige der republikanischen
Soldatenwehr des Depots 7, Fasanenstr., _Adolf Riga_ (42 Jahre,
Kurfürstenstr. 114), von einem Angehörigen des Freikorps Lüttwitz auf
Befehl eines Offiziers entwaffnet, als er von der Wache kam, obwohl er
seinen Ausweis vorwies. Dann setzte Riga seinen Weg waffenlos fort. An
der Absperrung vor dem Edenhotel wollte ihn ein Posten nicht
durchlassen. Es kam zu einer Auseinandersetzung. Der bei dem Posten
stehende Offizier gab dem Soldaten einen Befehl, worauf dieser unter dem
Ruf »Straße frei« ihn von hinten erschoß. (Die Aussagen der Zeugen R. E.
Kaufmann und E. K. Rosenberg sind in meinem Besitz. Beide Zeugen wurden,
weil sie den Sachverhalt protokollarisch festlegen ließen, zwei Tage
später verhaftet und drei Wochen eingesperrt.) Weder gegen den Offizier
noch gegen den Soldaten wurde ein Verfahren eingeleitet. Die Witwe bekam
nach einem Prozeß gegen den Fiskus eine Rente zugebilligt.


Lynchungen im Lehrter Gefängnis

Die Vorgänge im Lehrter Gefängnis schildert ein Augenzeuge, der wegen
Herausgabe einer satirischen Zeitschrift verhaftet war, folgendermaßen
(Wieland Herzfelde: »Schutzhaft«): »Man führte uns (am 8. März, abends)
an den Eingang des Gefängnisses. Es hieß: »Zuerst den Matrosen _Peters_
hineinführen!« Wir anderen mußten vor der Glastüre, durch die wir nur
undeutlich beobachten konnten, stehen bleiben. Kaum war der Matrose
eingetreten, erscholl der Ruf: »Haut ihn, schlagt ihn tot, an die
Wand!«, wobei ein entsetzliches Gebrüll das ganze Gefängnis erfüllte und
aus allen Ecken Soldaten mit Gewehren herbeistürzten und auf den
Matrosen einschlugen. Dieser zog ein verborgenes Messer und kämpfte nun
mit der Kraft des Verzweifelten gegen die Soldaten. Allmählich gelangten
so die Kämpfenden in den Hintergrund, woselbst wir nichts mehr
wahrnehmen konnten, nur noch fortwährende Kolbenschläge hörten, woraus
sich schließen ließ, daß der Matrose sich aufs äußerste verteidigte. Er
wurde unserer Ueberzeugung nach totgeschlagen, denn verschiedene
Offiziere und Chargierte stellten unter grausamem Schmunzeln und
Händereiben fest, daß er zu »Hackepeter« verarbeitet worden sei.

Nachmittags um vier Uhr vernahmen wir plötzlich dasselbe Gebrüll wie am
Vorabend. Dasselbe Herbeistürzen aus allen Ecken des Gebäudes und
Rasseln von Gewehren, so daß wir uns sagten, daß die Lynchung nicht auf
Erregung, sondern auf System zurückzuführen sei. Gegen Abend erfuhr ein
Mitgefangener vom wachthabenden Unteroffizier, daß zwei Galizier
totgeschlagen worden seien.«

Der damalige Gouverneur von Berlin, Schöpflin, schrieb hierüber an die
»Freiheit« folgenden Brief (23. April 1919.):

»Die beiden Galizier sind erschossen worden, nachdem sie vorher auch
mißhandelt worden sind. Sie sollen Schußwaffen unter dem Mantel
versteckt gehalten haben und befanden sich im Besitze von Juwelen und
Wertsachen, die vermutlich von der Beteiligung an einer Plünderung
herrührten. Der eine der Galizier heißt Abraham _Melichowitsch_ und war
russischer Kriegsgefangener. Die Erschießung ist bei hereingebrochener
Dunkelheit erfolgt. Es wird angenommen, daß die Tötung von Soldaten des
Transportkommandos vorgenommen worden ist, nachdem ein Offizier, der die
Transportkolonne befehligte, bei der Einlieferung die beiden
Erschossenen beschuldigt hatte, Waffen versteckt getragen und geraubt zu
haben. Unverständlich bleibt die Erschießung der beiden Galizier wegen
des ihnen zur Last gelegten Vergehens. Es muß angenommen werden, daß
ihnen sowohl die Waffen wie die vermutlich geraubten Wertsachen schon
vor der Einlieferung abgenommen worden sind. Auf Grund des Standrechts,
das damals Gültigkeit hatte, hätten die beiden, wenn überhaupt, sofort
erschossen werden können, nicht aber erst nach der Einlieferung und
offenbar ohne Befehl, also rein willkürlich.«

Augenzeugen des Vorfalls berichten dagegen Folgendes: »Am 9. März lagen
wir, ca. 30 Mann, verhaftet in der Waldschenke des Zoologischen Gartens.
Von Waffenbesitz konnte, da alle Gefangenen vorher untersucht worden
waren, keine Rede sein. Am späten Nachmittag wurden ca. 10 Mann in einem
Auto verladen. Zwei Gefangene, von denen der eine ein Mitglied der
Matrosendivision, der andere ein Russe war, wurden von den
Lüttwitztruppen die Treppe heruntergeworfen, unter fortwährenden
Kolbenschlägen vor das Auto geführt, wie ein Gegenstand hineingeworfen
und auf dem Lastwagen in unbeschreiblicher Weise viehisch bearbeitet.
Als sie blutend am Boden lagen, wurde ihnen befohlen, stramm zu stehen.
Nachdem die beiden wie leblos dalagen, setzte sich das Auto in Bewegung.
Etwas so Schreckliches hatten wir im ganzen Feldzug nicht erlebt. Als
ein Soldat mit dem Messer auf sie losgehen wollte, ließ der
Transportführer, ein jugendlicher Herr, der vorher unserer Vernehmung
beim Kriegsgerichtsrat Jörns beigewohnt hatte, dies nicht zu. Die andern
Mißhandlungen ließ er stillschweigend zu. Der Matrose hatte uns erzählt,
er sei verhaftet worden, weil er mit dem Rad gegen einen Drahtverhau
gefahren war. Der Russe, weil er auf der Straße gesagt hatte,
Deutschland sei noch nicht reif zum Bolschewismus.

Vor dem Zellengefängnis angekommen, wurden die beiden, obwohl sie ganz
hinten lagen, als erste herausgezogen. Sie waren also wohl schon
gemeldet. Sie wurden in das Gefängnis geschleift, wir hatten den
Eindruck, als wenn man Zeugen fernhalten wollte. Die Soldaten,
Angehörige der Reinhardttruppen, mehr oder weniger betrunken, empfingen
die beiden mit tierischem Gebrüll. Wir sahen, wie die Gefangenen durch
den Gefängnisflügel hindurchgeworfen wurden in den Hof. Ein Soldat kam
zurück und zeigte sein abgebrochenes Gewehr mit den Worten: »Jetzt kommt
die andere Hälfte auch noch dran.« Als wir vor die Schreibstube kamen,
hörten wir im Hof Schüsse fallen.«

Die früheren Reichswehrsoldaten (Pioniere), Schlosser Adalbert _Arndt_
und stud. ing. Arthur _Schneider_ kamen am 20. März 1922 vor das
Schwurgericht des Landgerichts I (Vorsitz: Landgerichtsdirektor Dr.
Weigert). Zeugen bestätigten, daß die beiden mit Gewehrkolben auf die
waffenlosen Gefangenen eingeschlagen hatten, andere, daß sie geschossen
hatten. Die drei Leichen wurden zunächst auf einen Müllhaufen, dann von
einem Lastauto, das Schneider lenkte, in den Tiergarten geworfen. Arndt
und Schneider wurden wegen versuchten Totschlags und schwerer
Körperverletzung zu je 1 Jahr und 6 Monate Zuchthaus verurteilt.
(Berliner Volkszeitung, 21. und 22. März 1922.)


Die Erschießung von drei Jungen

Am 10. März kamen zu dem jungen Kurt _Friedrich_ (16 Jahre) seine beiden
Freunde Hans _Galuska_ (16 Jahre) und Otto _Werner_ (18 Jahre) in die
Wohnung der Mutter des Friedrich, am Schlesischen Bahnhof 3, zu Besuch.
Die drei jungen Menschen hatten sich nie mit Politik beschäftigt. Sie
waren kaum beisammen, als 8 Regierungssoldaten auf Grund einer
Denunziation ankamen. Sie durchsuchten die Wohnung, ohne daß ihnen auch
nur ein einziges belastendes Stück in die Hände gefallen wäre. Darauf
erklärten sie die drei jungen Menschen für verhaftet und führten sie ab.
Die letzten Worte, die Kurt Friedrich sagen konnte, waren: »Mutter,
meine Papiere sind in Ordnung, ich habe nichts auf dem Gewissen«.

Die Mutter begab sich in die Schule in der Andreasstraße, wo
Reinhardttruppen lagen, und sah, wie die Drei abgeführt wurden und
schrecklich heulten. Der befehlshabende Offizier ließ die Frau nicht zu
Worte kommen. Am 12. März, nach zwei schrecklichen Tagen des Wartens,
erhielt Frau Friedrich von Bekannten die Nachricht, Hans Galuska läge im
Leichenschauhaus. Sie fand dort die drei jungen Freunde als Tote wieder.
Sie waren am 11. März als »unbekannt« eingeliefert worden. Kurt
Friedrich hatte einen Kopf- und Hüftschuß. Die neuen Stiefel waren ihm
gestohlen. Hans Galuska hatte ebenfalls zwei Schußwunden, darunter eine
an der Stirn, und mehrere Verletzungen durch Schläge. Es fehlten ihm:
Hut, Kragen, Kravatte, Ulster, Jackett und Stiefel. Otto Werners Gesicht
war beinahe unkenntlich, außerdem war der eine Arm völlig zerschossen,
so daß anzunehmen ist, daß er ihn vors Gesicht gehalten hat. Die Sache
wurde der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. (»Freiheit«, 26. März 1919.) Es
erfolgte jedoch weder gegen die beteiligten Mannschaften noch gegen die
verantwortlichen Offiziere ein Verfahren.

Dagegen haben nach einem Schreiben des Heeresabwicklungsamtes Preußen an
den Anwalt der Frau Friedrich (Abschrift in meinem Besitz), »die
umfangreichen Ermittelungen ergeben, daß Friedrich wegen Verdachts der
Beteiligung an spartakistischen Umtrieben verhaftet und aus Anlaß eines
Fluchtversuches erschossen wurde«. Zeugenaussagen für diese Behauptungen
sind nicht aufgeführt.


Handgranatenstiele als Erschießungsgrund

Am 11. März wurde in der Wohnung des Tischlers Richard _Borchard_ eine
Haussuchung gehalten, da er angeblich geschossen hatte. Es wurde nur ein
leerer russischer Patronenrahmen ohne Munition gefunden, den ein
Verwandter 1914 als Andenken aus dem Feld geschickt hatte. Daraufhin
wurde er verhaftet und kam in das Polizeipräsidium. Am Dienstag, den 18.
März, fand die Frau ihren Mann als Leiche im Schauhaus wieder. Er hatte
einen Schuß durch den Kopf erhalten. Dem Getöteten hatte man die neuen
Schuhe und Strümpfe weggenommen.

Borchardt hatte sich politisch nie betätigt, er war ein Gegner des
Aufstandes und stand auf seiten der Regierungstruppen. (»Freiheit«, 20.
März 1919.)

Bei einer Waffensuche bei dem Arbeiter Paul _Dänschel_ in der
Andreasstr. 62 fanden Soldaten aus dem Korps Lüttwitz am 12. März zwei
Handgranatenstiele und ein altes Seitengewehr. Die Stiele entstammten
der Fabrik, in der der 19 jährige Sohn der Familie, Alfred, beschäftigt
war. Er hatte die Stiele mit nach Hause genommen, um sich daraus ein
Schreibzeug anzufertigen. Am 12. wurden Vater und Sohn aus dem Bett
heraus verhaftet und, ohne daß irgendein Grund vorlag, in der
Handwerkerschule Andreasstr. 1/2 erschossen. Die Vernehmung war durch
den Leutnant Siegfried _Winter_ aus Adlershof, Bismarckstr. 25, geleitet
worden. Dieser gab auch Auftrag, die Leichen abzuholen. Als die
Feuerwehr die Toten abholte, waren ihnen sämtliche Wertsachen und
Papiere abgenommen, auch die Schuhe hatte man ihnen geraubt.
(»Vorwärts«, 15., 17., 19. März 1919.) Winter wanderte nach Argentinien
aus. Am 11. Dezember 1920 stellte der Oberstaatsanwalt vom Landgericht
I, Berlin das Verfahren ein.


Die 29 Matrosen

Die amtliche Nachricht lautete (»Berl. Tageblatt«, 12. März 1919.): »In
der Französischen Str. 32 wurde gestern die Kassenverwaltung der
Volksmarinedivision von Regierungstruppen besetzt. Frühere Angehörige
der jetzt aufgelösten Volksmarinedivision, die von dort noch Gelder
holen wollten, sind festgenommen worden. Die Gefangenen trugen
teilweise noch Waffen. Infolgedessen kam es bei der Verhaftung zu
tätlichem Widerstand. Die Mannschaften der Regierungstruppen ließen sich
von ihren Führern kaum vor Uebergriffen zurückhalten, da die Erbitterung
durch die Vorgänge der letzten Tage natürlich sehr angewachsen war. Es
wurde Munition, darunter auch Dumdumgeschosse, beschlagnahmt. Von den
rund 250 Gefangenen mußten 24 auf der Stelle erschossen werden. Die
übrigen sind unter starker Bedeckung in das Moabiter Zellengefängnis
eingeliefert worden und sehen dort einer Aburteilung durch das
außerordentliche Kriegsgericht entgegen.«

Der wirkliche Vorgang war (vgl. Prozeßbericht, »Deutsche Zeitung« vom 5.
bis 10. Dezember 1919): Am 11. März 1919 war ein Löhnungsappell der
Volksmarinedivision angesetzt. General Lüttwitz gab dem Leutnant Marloh
Auftrag, dort möglichst viele Mitglieder zu verhaften. Die 250 Matrosen,
die völlig ordnungsliebende Elemente waren, -- ein Teil hatte bei den
Unruhen die Reichsbank bewacht, -- kamen einzeln, beinahe alle
unbewaffnet, um sich die ihnen zustehende Löhnung zu holen. Sie wurden
einzeln überwältigt und gefangengesetzt.

Marloh fühlte sich durch die vielen Gefangenen bedroht und telephonierte
an Oberst Reinhardt um Hilfe. Oberst Reinhardt sagte zu Leutnant
Schröter: »Gehen Sie zu Marloh und sagen Sie ihm, er müsse durchgreifen.
Denken Sie an Lichtenberg, wo 60 Polizeibeamte erschossen wurden«.
Schröter meldete Marloh, er solle energisch durchgreifen. Marloh
telephonierte gleich darauf nochmals um Hilfe. Darauf ließ Oberleutnant
v. Kessel dem Marloh durch Leutnant Wehmeyer ausrichten (zweiter
Verhandlungstag): »Bestellen Sie dem Oberleutnant Marloh, daß Oberst
Reinhardt sehr wütend sei, weil er gegen die 300 Matrosen zu schlapp
vorgehe. Er solle in ausgiebigstem Maße von der Waffe Gebrauch machen,
und wenn er 150 Mann erschösse. Alles, was er erschießen könne, solle er
erschießen. Die Verstärkung würde noch ein bis eineinhalb Stunden auf
sich warten lassen. Oberst Reinhardt wisse auch gar nicht, wo er mit den
300 Leuten bleiben solle.«

Marloh gehorchte, sortierte die Leute, indem er diejenigen, die
besonders intelligent erschienen, gute Anzüge oder Schmucksachen hatten,
besonders stellte (erster Verhandlungstag, 4. Dezember 1919). Dann ließ
er durch den Offizierstellvertreter _Penther_ 29 Leute mit dem
Maschinengewehr erschießen. »Die Schußwirkung war furchtbar. Vielen
Leuten wurde die Schädeldecke völlig abgerissen. Die Gehirnmasse
spritzte umher, Leichen und Verwundete fielen übereinander.« (Erster
Verhandlungstag, 4. Dezember 1919.) Die Namen der Ermordeten sind nach
der »Zukunft« (29. November 1919): Jakob _Bonczyk_, Paul _Brandt_,
Theodor _Biertümpel_, Ernst _Bursian_, Kurt _Dehn_, Otto _Deubert_,
Willy _Ferbitz_, Robert _Göppe_, Baruch _Handwohl_, Walter _Harder_,
Alfred _Hintze_, Anton _Hintze_, Hermann _Hinze_, Walter _Jacobowsky_,
Otto _Kanneberg_, Willy _Kuhle_, Max _Kutzner_, Martin _Lewitz_, Herbert
_Lietzau_, Max _Maszterlerz_, Ernst _Mörbe_, Karl _Pobantz_, Paul
_Rösner_, Siegfried _Schulz_, Paul _Ulbrich_, Werner _Weber_, Karl
_Zieske_, Gustav _Zühlsdorf_. Die anderen Matrosen wurden ins Gefängnis
geschafft und bald darauf als unschuldig entlassen.

Marloh erstattete einen wahrheitsgetreuen Bericht an Oberleutnant v.
Kessel. Auf Anraten Kessels ersetzte er ihn Mitte Mai durch einen
anderen, wonach er die Erschießung durch eigenen Entschluß auf Grund des
Noske-Erlasses vorgenommen habe. Zuletzt wurde in Gegenwart des Obersten
Reinhardt noch ein dritter Bericht geschrieben. Marloh blieb monatelang
unbehelligt. Erst als ein Haftbefehl am 2. Juni vorlag, riet ihm Kessel
zu flüchten, und stellte ihm zu diesem Zwecke falsche Papiere aus, die
Leutnant Wehmeyer dem Marloh übergab. Leutnant Hoffmann brachte ihm
Geld. (Zweiter Verhandlungstag.) Am 9. Dezember wurde Marloh von der
Anklage des Totschlags und des Mißbrauches der Dienstgewalt
freigesprochen, wegen unerlaubter Entfernung zu drei Monaten Festung und
wegen Benutzung gefälschter Urkunden zu 30 Mk. Geldstrafe verurteilt. In
der Urteilsbegründung wurde festgestellt, »daß die Erschießungen
objektiv unberechtigt waren, daß die Matrosen, die mit Waffen kamen,
gültige Waffenscheine besaßen, daß keine Plünderer dabei waren, daß die
Lage Marlohs nicht so bedrohlich war, daß er zum Waffengebrauch
berechtigt war, daß er jedoch glaubte, einen Dienstbefehl vor sich zu
haben« (Vorsitzender: Kriegsgerichtsrat Welt).

Der Ausschuß II für Feststellung von Entschädigung für Aufruhrschäden
verneinte den Anspruch der Hinterbliebenen auf eine Rente, da die
Erschießungen in Ausübung der Staatsgewalt als ein Akt der
Strafvollstreckung erfolgt seien. Den meisten Hinterbliebenen wurden
jedoch vom Fiskus im Vergleichswege nach einem Zivilprozesse größere
Abfindungssummen ausbezahlt.

Kessel wurde Hauptmann, Hoffmann Oberleutnant bei der Sicherheitswehr
(»Freiheit«, 7. Dezember.). Gegen Reinhardt und Kessel wurde wegen der
Befehle, die sie Marloh gegeben hatten, kein Verfahren eingeleitet;
gegen Kessel wurde nur ein Verfahren wegen eines im Verlauf des
Prozesses geleisteten Meineids eingeleitet. (14. März 1921.) Am 23. März
1921 wurde er auch von der Anklage des Meineids freigesprochen.
(Eingehende Prozeßberichte in der »Deutschen Zeitung«.) Zuletzt wurden
Wehmeyer und Hoffmann wegen Beihilfe zur Flucht vom Schöffengericht
freigesprochen. (»Deutsche Tageszeitung«, 27. 9. 21.)


Vizewachtmeister Marcus

Vizewachtmeister Marcus vom Freikorps Lützow hatte am 12. März Befehl,
die Langestraße abzusperren. Er schritt mit 25 Mann die Straße ab und
rief laut »Straße frei, Fenster zu!« Angeblich ist dieser Befehl nicht
beachtet worden. Unter anderem sah er aus dem Fenster eines Hauses eine
weibliche Gestalt auf die Straße heruntersehen. Angeblich hat er darauf
auf ein daneben befindliches blindes Fenster geschossen, aber das offene
Fenster getroffen. Durch diesen Schuß wurde die zwölfjährige Schülerin
_Slovek_ getötet. Ein anderes Mädchen, Erwine _Dahle_, erhielt einen
Herzschuß, als es aus einem Schlächterladen trat. Der 73 jährige
Fliesenleger Karl _Becker_ ist durch einen Kopfschuß getötet worden. Auf
die gleiche Weise kamen dann noch drei Menschen um, die nicht die
geringste Beziehung zu den damaligen Unruhen hatten.

Ursprünglich war gegen Marcus ein Verfahren wegen sechsfachen Mordes
eingeleitet. Doch wurde dies eingestellt. Dagegen wurde er wegen
vorsätzlicher, nicht mit Ueberlegung begangener Tötung von zwei Menschen
vor dem Schwurgericht angeklagt. Bei der Verhandlung am 21. und 22.
Januar 1921 (Verhandlungsbericht im »Vorwärts« vom 25.) berief Marcus
sich auf die Befehle seiner Vorgesetzten und wurde von den als Zeugen
vernommenen Offizieren zum Teil gedeckt. Marcus wurde wegen Totschlags
freigesprochen, wegen einiger Unterschlagungen zu fünf Monaten Gefängnis
verurteilt. Gegen die Offiziere, die solche Befehle gegeben haben, wurde
kein Verfahren eingeleitet.

Der Eisenbahnarbeiter Alfred _Musick_ wurde am 12. März 1919 in seiner
Wohnung nach einer ergebnislosen Haussuchung durch Soldaten des
Freikorps Lüttwitz verhaftet und nach der Andreasschule transportiert.
Oberleutnant _Wecke_ ließ ihn mit vier anderen abtransportieren. Die
Fünf wurden beim Passieren der Schillingbrücke angeschossen und ins
Wasser geworfen. (Aussagen der Begleitmannschaft: »Die Fünf schwimmen
schon.«) Musick konnte sich schwerverletzt durch Schwimmen retten, wurde
entdeckt und wieder in die Andreasschule geführt. Vizewachtmeister
_Marcus_ führte ihn in die Revierstube, kam zurück und erzählte: »Oben
habe ich ihn vor die Wand gestellt und gesagt, gehen Sie nur herein;
darauf antwortete er, hier ist ja keine Tür, in dem Moment hatte ich ihn
schon in den Kopf geschossen«. Die Leiche wurde beraubt und als
unbekannt in die Sammelstelle in der Distelmeyerstr. eingeliefert.


Wegen eines Streichholzes erschossen

Der Arbeiter _Piontek_ wurde am 12. März 1919, angeblich weil er sich
geweigert hatte einem Soldaten Feuer zu geben, verhaftet, und in der
Normannenstraße von dem Gefreiten _Ritter_ vom Infanterieregiment Nr. 50
und dem Unteroffizier _Wendler_ erschossen. Wendler behauptete, ihm nur
einen Gnadenschuß gegeben zu haben. Am 31. Januar 1922 verurteilte das
Schwurgericht des Landgerichts III (Landgerichtsdirektor Mehlberg,
Staatsanwaltschaftrat Weyermann) Ritter wegen versuchten Totschlags mit
mildernden Umständen zu 3 Jahren Gefängnis, Wendler wurde
freigesprochen. (Berliner Tageblatt, 1. Februar 1922.)

Am 12. März 1919 wurde der Schneider Otto _Hauschild_, Fruchtstraße 26,
am Ostbahnhof erschossen, weil er ein Gewehr in seiner Wohnung hatte;
er besaß einen Ausweis der Republikanischen Soldatenwehr vom 10. März.

Am 13. März wurden Paul _Biedermann_ und Hans _Gottschalk_ auf dem Wege
zur Arbeit in der Friedrich-Karl-Straße auf Grund einer Denunziation
verhaftet, in ein Lokal eingesperrt und vom Posten durch das Fenster
erschossen. (»Freiheit«, 18., 20. u. 22. März 1919.)

Berthold _Peters_ (geboren 28. März 1888), Klempner, seit Kriegsausbruch
Matrose, wurde am 13. März 1919, vormittags 9-1/2 Uhr von einem Trupp
Soldaten unter Führung eines Offiziers in seiner Wohnung, Tilsiter Str.
49, verhaftet, zum Hauptmann _Poll_ in die Patzenhoferbrauerei, von dort
in die Bötzowbrauerei geführt und vor 1 Uhr erschossen. Die Leiche wurde
ausgeplündert: Uhr, Kette, Ring, Brieftasche, Börse und Stiefel wurden
geraubt. Er war von Nachbarn als Spartakist denunziert worden. Ein
Strafverfahren fand nicht statt. Die Hinterbliebenen bekamen im
Zivilprozeß gegen den Fiskus eine Rente von 500 M. monatlich
zugebilligt.


Zwei Erschießungen durch Ltn. Baum

Bei einer nächtlichen Runde des Detachements v. Grothe trat ein
unbekannt gebliebener Mann, der einen Ausweis des Reichswehrministers
vorwies, auf den Leutnant _Baum_ zu und sagte: »Herr Leutnant, lebt der
Zigarrenhändler _Müller_ noch? Wenn Sie den kriegen, erschießen Sie ihn,
den habe ich zweimal hinter den Barrikaden gesehen!«

Baum begab sich nun am 12. März mit 10 Mann in das Zigarrengeschäft
Memeler Str. 19. Johann Müller war gerade beim Rasieren und kam mit
eingeseiftem Gesicht aus dem Hinterzimmer. Baum durchsuchte die Wohnung.
Es wurden weder Waffen noch Munition gefunden.

Der Leutnant sagte zu Müller: »Sie agitieren ja für die Unabhängigen;
Sie haben acht Karten mit verdächtigen Punkten. Ich habe von anderen
gehört, Sie haben auf uns geschossen. Verabschieden Sie sich von Ihrer
Frau. Es ist meine Pflicht, Sie jetzt zu erschießen!« Die Frau und
Tochter schrien laut auf. Leutnant Baum erblickte in dem
stillschweigenden Verharren des Müller ein Schuldbekenntnis. Müller
verrichtete ein Gebet, wurde dann an die Wand gestellt und 6 Mann
schossen auf ihn. Müller brach zusammen. Ein Sanitäter sollte sich von
der Vollstreckung des Todesurteils überzeugen und die Leiche
wegschaffen. Der Sanitäter fand den Müller noch lebend. Auf Befehl des
Angeklagten gab der zur Patrouille gehörende russische Schüler Alexander
_Köhler_ dem Müller den Gnadenschuß. (»Vorwärts«, 16. August 1919.)

Bei der Verhandlung (»Berl. Tageblatt«, 1. Juni 1920) wurde Baum
freigesprochen mit der Begründung, daß er dem Noske-Erlaß vom 9. März
gefolgt sei, der besagt, daß jeder, der mit der Waffe kämpfend
angetroffen wird, erschossen werden soll.

Am 13. März 1919 wurde bei einer Haussuchung bei dem Gastwirt Wilhelm
_Bilski_, Weidenweg 71, ein Revolver gefunden, den, wie sofort
festgestellt, ein Gast als Pfand gelassen hatte. Bilski wurde abgeführt
und »standrechtlich« erschossen. Durch Zeugen, besonders Frau Bilski,
wurde als leitender Offizier der Leutnant _Baum_ erkannt. Die Akten
verschwanden von der Garde-Kav.-Schützendiv. Am 27. März 1920 wurde der
Militärfiskus von der 26. Zivilkammer zu Schadenersatz verurteilt. In
der Begründung wurde ausdrücklich anerkannt, »daß die Erschießung
rechtswidrig war.« Das Verfahren gegen Baum wurde am 12. April 1920
eingestellt. (Akten in meinem Besitz.)


Zwei Erschießungen durch Ltn. Czekalla

Nach dem »Berliner Tageblatt« vom 15. März wurde in der Holzmarktstr. 61
ein Mann von über 60 Jahren namens _Abrahamson_ ohne weiteres im Hof
erschossen, weil er bei einer Haussuchung Waffen, die er besaß, nicht
angegeben hatte. Der alte, schwächliche Mann leistete keinerlei
Widerstand. Der Offizier (ein Leutnant _Czekalla_ vom Freikorps Lützow,
1. Schwadron) sagte, er sei berechtigt, jeden zu erschießen, der Waffen
verheimliche.

Ein Rechtsanwalt wurde bei dem Gespräch, das er zur Feststellung des
Tatbestandes mit den Bewohnern des betreffenden Hauses führte,
verhaftet, weil er »die Leute aufhetze«.

Der gleiche Leutnant _Czekalla_ hat am 13. März, bei dem Klempnermeister
_Wallmann_ eine Haussuchung vorgenommen. Wallmann war ein angesehener
Mann, deutschnationaler Gesinnung. Aus dem Felde hatte er ein
französisches Infanteriegewehr mitgebracht, das unbrauchbar war. Es war
ihm belassen worden und eine Bescheinigung darüber erteilt. Zu dem
französischen Gewehr besaß er einige französische Patronen. Endlich war
er seit vielen Jahren im Besitz einer Browningpistole, die er aus
Liebhaberei angeschafft hatte. Als der Leutnant Wallmann fragte, ob er
einen Browning besitze, holte er den Browning sofort aus dem Ofen
heraus. Darauf ließ ihn der Leutnant nach der Alexanderkaserne abführen.
Als seine Braut weinte, sagte Wallmann: »Weine doch nicht; ich komme ja
bestimmt wieder, denn ich habe ja nichts getan.« Wallmann wurde in der
Alexanderkaserne auf Befehl des Leutnants in einem Pferdestall
erschossen. Die Leiche wurde von den Soldaten ihrer Stiefel beraubt.

Czekalla behauptet, auf direkten Befehl seines Vorgesetzten, des
Rittmeisters Wilhelm von _Oertzen_ gehandelt zu haben. Das Verfahren
gegen beide schwebt beim Landgericht I Berlin. (»Berliner Volkszeitung«,
16. März 1922.)


Jogisches und Dorrenbach

»Am 10. März wurde auf Befehl Noskes der Redakteur der »Roten Fahne« Leo
_Jogisches_ durch Angehörige der Gardekavallerie-Schützendivision
verhaftet. Er sollte durch einen Soldaten dem Untersuchungsrichter
zugeführt werden. Im Gebäude des Kriminalgerichts griff Jogisches den
Soldaten« (Kriminalwachtmeister Ernst _Tamschik,_ »Freiheit«, 27. Mai
1919) »an und wurde von ihm auf der Stelle niedergeschossen. Ein
gleicher Fall war im Gebäude des Kriminalgerichts schon am Tage vorher
vorgekommen.« (»Vossische Zeitung«, 11. März.)

_Dorrenbach_, ein früherer Offizier, hatte sich der Revolution
angeschlossen und wurde Führer der Volksmarinedivision. Wegen der
Berliner Spartakusunruhen schwebte gegen ihn ein Haftbefehl. In Eisenach
wurde er am 12. Mai 1919 verhaftet (»Freiheit«, 18. Mai 1919) und am 17.
Mai durch den Staatsanwalt vernommen. Beim Rücktransport ins Gefängnis
soll er einen Fluchtversuch unternommen haben und wurde von den Soldaten
niedergeschossen. Schwer verletzt wurde er in die Charité gebracht, wo
er starb. Vor seinem Tod erklärte er seinem Rechtsanwalt ausdrücklich,
er sei nicht geflohen. (Ledebourprozeß, 3. Tag.) Den tödlichen Schuß
hatte ebenfalls Kriminalwachtmeister Ernst _Tamschik_ abgegeben.
Tamschik wurde später zum Leutnant bei der Sicherheitswehr
Charlottenburg ernannt. Dann kam er zur Sicherheitspolizei nach
Ostpreußen. (Bekundung des Oberwachtmeisters Kuhr in einem Prozeß, »Welt
am Montag«, 25. Mai 1920.)


Zwei Erschießungen auf der Flucht

Am 13. März 1919 wurden der Maschinenschlosser Georg _Fillbrandt_ und
der Arbeiter Paul _Szillinski_ in ihren Wohnungen Kastanienallee 29-30,
nach ergebnislosen Haussuchungen, ohne daß ein Haftbefehl vorlag, durch
4 Offiziere bzw. Fähnriche verhaftet, zum Stab des 1. Streifbatl.
Reinhardt in der Griebenowstraße gebracht, und nach einem kurzen Verhör
auf dem Exerzierplatz an der Schönhauser Allee von den begleitenden
Soldaten erschossen. Die Leichen wurden ausgeplündert und an Ort und
Stelle liegen gelassen. Als die Frau des Szillinski und die Tochter des
Fillbrandt sich bei dem Stab erkundigten, wurde ihnen ein Protokoll
vorgelesen, daß beide auf der Flucht erschossen worden seien. Durch die
Zeugen Wilh. Domke, Herm. Kastner, Martha Pertz und Erich Abraham,
welche der Erschießung zusahen, wurde aber festgestellt, daß die
Verhafteten ruhig neben den Soldaten gegangen waren, und als die
Soldaten »Halt« kommandierten, noch um ihr Leben gebeten hatten. Das
Gericht nahm an, daß die Soldaten ohne Auftrag gehandelt hätten, weil
kein Protokoll geführt worden war. Am 14. Februar 1921 wurde der
Reichsfiskus zur Zahlung einer Unterhaltsrente an Frau Fillbrandt
verurteilt, da die Erschießung durch die Soldaten unberechtigt war. Eine
Bestrafung der Täter und Ermittlung der verantwortlichen Offiziere ist
nicht erfolgt. (Aktenabschrift in meinem Besitz.)




VON DER ERMORDUNG EISNERS BIS ZUM STURZ DER BAYRISCHEN RÄTEREPUBLIK


Kurt Eisner

Kurt _Eisner_ war Führer der Münchener Revolution vom 7. November und
seither Ministerpräsident. Am 21. Februar wurde er auf dem Weg zum
Landtag, wo er seinen Posten wegen der heftigen Angriffe gegen ihn
niederlegen wollte (Mitteilung des W. T. B. vom 21. 2. 1919), von dem
Leutnant Graf _Arco-Valley_ durch zwei Kopfschüsse getötet. Arco wurde
gleich darauf von einem Mann der Begleitung Eisners niedergeschossen,
jedoch später wiederhergestellt. Am 20. Januar 1920 wurde Arco zum Tode
verurteilt. »Als der Verurteilte nach Verlesung des Todesurteils die
Bitte an die ihm Wohlgesinnten richtete, von unüberlegten Taten
abzusehen und am nationalen Aufbau mitzuarbeiten, erfolgte ein
elementarer Beifallsausbruch der Zuhörerschaft, der sich in immer
wiederholten Bravorufen und Händeklatschen minutenlang fortsetzte ...
Die Menge auf der Straße empfing den Transport mit brausenden Hochrufen,
man schwenkte Hüte und wehte mit Tüchern.« (»Deutsche Tageszeitung«, 20.
Januar 1920.) Arco wurde gleich darauf zu lebenslänglicher Festungshaft
begnadigt. Im Jahre 1922 wurde die Haft über Arco derartig gemildert,
daß er tagsüber als Praktikant auf einem in der Nähe von Landsberg
befindlichen Gut arbeiten kann.


Major v. Gareis und Abgeordneter Osel

Eisner war bei den Arbeitern sehr beliebt. In der Erregung über seine
Ermordung drang der Metzger Aloys _Lindner_ und der Bäcker Georg Frisch
in den Landtag ein. Lindner feuerte mehrere Schüsse auf den Minister
Auer, der ein politischer Gegner Eisners war, da er glaubte, daß Auer
mit der Ermordung Eisners zusammenhänge. Gleichzeitig fiel ein Schuß von
der Tribüne, der den Abgeordneten _Osel_ tötete. Als Major v. Gareis
sich Lindner entgegenstellte, schoß Lindner auch auf ihn und tötete ihn.
Lindner flüchtete mit Hilfe von Karl Merkerts und Georg Schlunds ins
Ausland. Deutsch-Oesterreich lieferte ihn aber aus, unter der Bedingung,
daß er nicht zum Tode verurteilt werde, da die Todesstrafe dort
abgeschafft ist. Der Angabe Lindners, daß er sich v. Gareis gegenüber in
Notwehr befunden habe, maß das Gericht keinen Glauben zu. Lindner wurde
wegen versuchten Totschlags und wegen erschwerten Totschlags am 15.
Dezember 1919 zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt. Frisch wegen versuchten
Totschlags zu 3-1/2 Jahren Gefängnis verurteilt, Merkert und Schlund
erhielten wegen Begünstigung 1-1/2 bzw. 2 Monate Gefängnis mit
Bewährungsfrist. (Prozeßberichte in den »Münchener Neuesten
Nachrichten«, 9. bis 15. Dezember 1919.)


Die Erschießungen im Luitpoldgymnasium

Nach der Ermordung Eisners übernahm der Zentralrat die Macht. Die Kammer
und das von ihr gebildete mehrheitssozialistische Ministerium Hoffmann
floh nach Bamberg. Der Zentralrat erklärte am 7. April die Räterepublik.
Die Führer waren Unabhängige und Mehrheitssozialisten. Durch einen
Putsch gelang es am 13. April Anhängern der Regierung Hoffmann, einen
Teil der Führer zu verhaften. Doch mißlang der Putsch. Die Betriebsräte
ergriffen die Macht und proklamierten eine zweite kommunistische
Räterepublik. Die Regierung Hoffmann sammelte Truppen dagegen. Bei dem
Vormarsch wurden u. a. erschossen: 20 rote Soldaten, die am 29. April in
Starnberg beim Essen unbewaffnet überrascht wurden, drei Sanitäter, die
in Possenhofen beim Verwundetentransport waren und ein 68 jähriger Mann.
(Dr. Schollenbruch im Münchener »Kampf«, 15. September 1919.)

Im Luitpoldgymnasium, das als Kaserne der Roten Armee diente, waren am
26. April die Stenotypistin Hella v. _Westarp_, der Eisenbahnsekretär
_Daumenlang_, der Freiherr F. W. _v. Seydlitz_, die Kunstmaler Walter
_Neuhaus_ und Walter _Deicke_, endlich der Prinz _von Thurn und Taxis_
als Mitglieder eines »germanischen Ordens«, auch »Thulegesellschaft«
genannt, eingeliefert worden, weil man bei ihnen gefälschte Stempel mit
dem Faksimile des Oberkommandanten Eglhofer, Stempel des Vollzugsrates
sowie Eisenbahnstempel gefunden hatte. (Aussagen im Prozeß, 11. u. 13.
September.) Auch hatten sich in den Klubräumen Waffenlager befunden.
(Aussagen am 8. September.) Am folgenden Tag wurden ferner ein Offizier
v. _Teuchert_ und zwei Husaren der Armee v. Oven, _Linnenbrügger_ und
_Hindorf_, als Gefangene eingeliefert. Außerdem befand sich dort der
Prof. _Berger_, weil er ein Plakat der Räteregierung abgerissen hatte,
und eine Reihe von Geiseln.

Als immer neue Nachrichten von Erschießungen roter Soldaten kamen,
entstand im Lager der Roten große Erregung. Das Infanterieleibregiment
forderte den Oberkommandanten Eglhofer auf, als Repressalie seinerseits
Gefangene zu erschießen. Am 30. April erhielt Fritz _Seidel_, der
Kommandant des Luitpoldgymnasiums, angeblich hierzu den Befehl von
Eglhofer. Doch hat Eglhofer selbst noch am gleichen Tage dies
ausdrücklich bestritten. Zuerst wurden unter Leitung _Schickelhofers_
und _Kammerstädters_ die zwei Husaren erschossen. Dabei beteiligten sich
_Wiedl_ und Josef _Seidl_. Gleich darauf brachten Kick und Pürzer den
schriftlichen Befehl Eglhofers zu weiteren Erschießungen. _Hesselmann_,
_Gsell_ und _Haußmann_ beteiligten sich an der Auswahl der zu
Erschießenden. Der Professor Berger schloß sich aus Mißverständnis dem
abgeführten Trupp an. Seidl zitterte am ganzen Körper vor Aufregung und
hatte jede Herrschaft über seine Soldaten verloren. Er konnte sie in
ihrer Wut nicht mehr zurückhalten. Die Gefangenen wurden einzeln
abgeführt und zwischen 4 und 5-1/2 Uhr nachmittags an die Wand gestellt
und an einem Misthaufen von den aufgestellten 8 bis 10 Schützen durch
Gewehrsalven auf das Kommando »Legt an, Feuer« erschossen. Als _Thurn
und Taxis_ seine Unschuld beteuerte, wurde er nochmals in die Kanzlei
geführt und nach Wiederholung des Befehls erschossen. _Hannes_, _Lermer_
und _Riedmayer_ beteiligten sich an der Aufstellung (nach der
Urteilsbegründung), _Fehmer_ und _Pürzer_ an der Erschießung. So kamen
zehn Menschen um. Doch befand sich unter den Erschossenen, wie aus der
mir vorliegenden beglaubigten Abschrift der Urteilsbegründung
hervorgeht, keine Geisel.

Haußmann, der verantwortlich war, beging am Abend der Erschießungen
Selbstmord. _Eglhofer_ wurde nach seiner Gefangennahme am 3. Mai in der
Residenz ohne Urteil erschossen. Seidel und Schickelhofer wurden wegen
je zweier Verbrechen des Mordes zweimal zum Tode verurteilt. Wiedl,
Pürzer, Fehmer und Josef Seidl wurden wegen je eines Mordes zum Tode
verurteilt. Kick, Gsell, Hesselmann, Lermer, Hannes, Huber und Riedmayer
wurden wegen Beihilfe zu je 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
(Vorsitzender Oberlandesgerichtsrat Aull.) Die Todesstrafen wurden am
nächsten Tage vollstreckt. (Eingehende Prozeßberichte in den »Münchener
Neuesten Nachrichten«, 1.-19. September 1919.) In einem zweiten Prozeß
wurde auch Kammerstädter zum Tode verurteilt und das Urteil am nächsten
Tag vollstreckt. (15. Oktober 1919.) Ferner wurden L. Debus, A.
Strelenko und R. Greiner zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, »weil sie
den Mord gefördert haben, indem sie eventuell bereit waren, selbst zu
schießen«. (Urteilsbegründung in den »Münchener Neuesten Nachrichten«,
14. Oktober 1919.)

Im 3. Geiselmordprozeß wurde am 12. Juni 1920 Ferdinand Rotter zu 7
Jahren Zuchthaus und Heinrich Walleshauser (17 Jahre alt) zum Tode
verurteilt. Die Todesstrafe wurde vollstreckt.


Andere Ermordungen während der bayrischen Räterepublik

Max _Weinberger_ war während der Räterepublik Stadtkommandant von
München. Er wurde beschuldigt, an Bürgerliche, insbesondere an die
Thulegesellschaft, Waffen und Passierscheine ausgegeben zu haben.
(Aussage im Geiselmordprozeß, 8. September.) Er wurde abgesetzt und in
der Polizeidirektion eingesperrt. Eines Nachts wurde er in einem Auto
fortgeführt. Das Auto wurde von einem Unbekannten zum Halten gebracht.
Weinberger wurde erschossen. Seine Leiche wurde erst Ende Mai im
Englischen Garten gefunden. Der Fall blieb völlig unaufgeklärt.

In Miesbach tagte während der bayrischen Räterepublik ein
Revolutionsgericht, um gegen Diebe und Plünderer vorzugehen.
Vorsitzender war der Werkführer Richard Käs aus Mochenwangen. Beisitzer
waren die Mitglieder des dortigen Aktionsausschusses, der Heizer Josef
Mühlbauer aus Hofleiten, der Bergmann Michael Vogl aus Prien;
Anklagevertreter der Stadtkommandant Radl. Da Käs sich in
Gerichtssachen als Laie fühlte, erbat er sich Aufschluß bei dem dortigen
Oberamtsrichter Dollacker, der sich auch bei einer Verhandlung
beteiligte. Als Protokollführer im Falle Lacher diente der
Oberamtsgerichtssekretär Bruckmeyer.

In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1919 kam der Rotgardist Ernst
_Lacher_ aus München, der schon vorher bei der roten Armee in Miesbach
als stellvertretender Kommandant tätig war, mit Mannschaften,
Maschinengewehren und Minenwerfern in einem Sonderzug nach Miesbach, um
angeblich mit Ermächtigung des Oberkommandanten Eglhofer die in Miesbach
stehenden Truppen wegen andauernder Ausschreitungen abzulösen und die
Stelle eines Stadtkommandanten zu übernehmen. Das Unternehmen Lachers
mißglückte und er wurde festgenommen.

Der Prokurist Georg _Graf_ aus Zigelbarden, der beim Oberkommando der
Münchener Räteregierung Chef der geheimen Militärpolizei war, war
während dieser Zeit in Miesbach und forderte in den nach dem mißlungenen
Unternehmen gehaltenen Sitzungen des Exekutivkomitees, daß Lacher
erschossen werde und beantwortete auch nach seiner Rückkehr nach München
die an ihn gerichteten Anfragen in diesem Sinne. Graf war im Felde
verschüttet gewesen, hatte sich in einer Nervenheilanstalt befunden und
war Morphinist. Am 27. April 1919 wurde Lacher unter dem Druck der
wütenden Rotgardisten zum Tode verurteilt und das Urteil vollstreckt.

Am 13. Januar 1920 begann vor dem Volksgericht in München 2 der Prozeß
gegen Graf und Genossen. Das Urteil für Graf lautete wegen Verbrechens
der Beihilfe zum Hochverrat auf zwölf Jahre Zuchthaus und zehn Jahre
Ehrverlust, Käs, Mühlbauer und Vogl wurden wegen je eines Verbrechens
der Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Beihilfe zum Hochverrat zu je
sechs, bzw. 3-1/2 bzw. vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Dollacker und
Bruckmeyer, die behaupteten unter dem Druck der Rotgardisten gehandelt
zu haben, wurden überhaupt nicht angeklagt. (»Münchener Neueste
Nachrichten«, 14., 15., 16. Januar 1920.) Acht Mitglieder des
Aktionsausschusses waren schon früher zu Festungsstrafen von einem Jahr
drei Monate bis zu zwei Jahren verurteilt worden.

Der Stadtkommandant und Anklagevertreter _Radl_ wurde nach dem Sturz der
Räterepublik standrechtlich erschossen.

Den weiteren Nachforschungen der Polizei gelang es dann, die Namen der
neun an der Erschießung beteiligten Rotgardisten zu ermitteln. Davon
sind zwei tot, zwei unauffindbar. Gegen die übrigen fünf hat am 21.
Februar 1922 der Prozeß stattgefunden. Sie behaupteten, sie seien von
ihren dienstlichen Vorgesetzten zur Vollstreckung aufgefordert worden
und seien von der Rechtmäßigkeit des Urteils überzeugt gewesen. Dies ist
nicht unglaubwürdig. Denn man wußte damals in Südbayern nichts von der
Existenz der Gegenregierung Hoffmanns, sondern hielt die Räteregierung
für den einzigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt in Bayern. Trotzdem
beantragte der Staatsanwalt die Todesstrafe gegen sie. Die angeklagten
früheren Rotgardisten Ebert, Blechinger und Essig wurden wegen Beihilfe
zum Totschlag zu je 3 Jahren Gefängnis, Anzenberger zu 1 Jahr 6 Monate
Gefängnis verurteilt. Der fünfte, Heuser wurde freigesprochen.
(»Münchener Neueste Nachrichten«, 22. 2. 22.)

Die zwölf Ermordeten waren die einzigen Opfer der Räterepublik. Dagegen
hat der Einzug der Regierungstruppen in München Hunderten von
Unschuldigen das Leben gekostet.


Die Einnahme von München

Am 1. Mai zogen die Truppen der Regierung Hoffmann in München ein. In
dem amtlichen Communiqué schreibt die Regierung:

»Nunmehr liegt das Ergebnis der von der Polizei angestellten Erhebungen
über die Zahl der Opfer der Münchener Kampftage vom 30. April bis 8. Mai
vor. Es bedurfte umfangreicher Arbeit, um diese Zusammenstellung
anfertigen zu können. Die Leichenfrauen wurden angewiesen, alle Toten,
die beerdigt wurden, zu melden. Auf Grund dieses Materials wurde dann
durch die Kriminalkommissare bei den Angehörigen der nähere Sachverhalt
erhoben. Bot dieser Weg auch keine Gewähr für die vollständige
Richtigkeit, so war er doch der einzige, der eine einigermaßen
verläßliche Zusammenstellung ermöglichte.

Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe beträgt nach dieser Zusammenstellung
557. Davon fielen kämpfend 38 Mann der Regierungstruppen, 93 Angehörige
der Roten Armee, 7 Russen und 7 Zivilpersonen. Standrechtlich erschossen
wurden 42 Angehörige der Roten Armee und 144 Zivilpersonen. Bei 42 Toten
konnte weder der Name, noch die Art des Todes festgestellt werden.
Vermutlich befinden sich unter diesen 42 unbekannten Personen 18 Russen.

»_Tödlich »verunglückt« bei den Kämpfen sind 184 Zivilpersonen, und zwar
am 30. April 1, 1. Mai 36, 2. Mai 103, 3. Mai 16, 4. Mai 7, 6. Mai 21«._
(»Münchener Neueste Nachrichten«, 10. Juni 1919.)

Den 38 Gefallenen der Regierung Hoffmann stehen also offiziell 107
Gefallene der Roten Armee, 186 standrechtlich Erschossene und 184
»tödlich verunglückte« Anhänger der Räteregierung entgegen. Diese
Angaben beziehen sich aber nur auf den Stadtbezirk München. So fehlen z.
B. die oben erwähnten, in der Umgebung von München von den
Regierungstruppen Erschossenen. Ferner sind natürlich alle Fälle nicht
aufgeführt, wo Leute spurlos verschwanden und die Leichen nicht
eingeliefert wurden, z. B. der siebzehnjährige Johann _Erb_ am 2. Mai.
Die Zahl der Toten ist nach sozialistischen Angaben ungefähr tausend,
eine Zahl, die nach Mitteilung beteiligter Soldaten des Generalkommandos
Oven durchaus glaubhaft erscheint.

Die 184 »tödlich Verunglückten« wird man als Opfer politischer Morde
betrachten müssen. Dies geht aus der oben zitierten amtlichen
Zusammenstellung selbst hervor. Denn in den letztgenannten 21 Fällen
läßt sich die Technik des tödlichen Unglücksfalles genau nachweisen. Am
6. wurden nämlich die 21 katholischen Gesellen ermordet. (Vgl. Seite
41.) Außerdem bin ich in der Lage, weitere 140 in München in den
Maitagen Ermordete namentlich aufzuführen. Wenn man also nicht annehmen
will, daß der Regierungsbericht diese 140 Fälle vollkommen verschweigt
oder den Tatsachen zuwider sie in eine der beiden andern Kategorien
unterbringt und Fälle aus diesen Kategorien verschweigt, so ist man zu
dem Schluß gezwungen, daß die 184 tödlich Verunglückten tatsächlich
ermordet worden sind. Im folgenden einige Einzelfälle.


»Da haben wir Schwein gehabt«

_Huber_, Karl, Landsberger Str. 153, 27 Jahre alt, Mitglied der K.P.D.,
wurde am 30. April nachts aus dem Bett geholt und am andern Morgen nach
kurzem Verhör erschossen. Zeugen bestätigen, daß Huber in keiner Weise
an Kampfhandlungen beteiligt war. Huber hatte bei seiner Festnahme etwa
30 Mark in Bargeld, eine goldene Uhr, eine Uhr mit Stahlgehäuse,
Gamaschen und eine Brieftasche bei sich. Sämtliche Gegenstände fehlten.
Als die Schwester des Huber am 23. Mai wegen der Erschießung ihres
Bruders Erkundigungen einziehen wollte, hörte sie zufällig, wie vor dem
Hause, in dem die 2. Kompagnie des 1. Württembergischen Drag.-Regts.
einquartiert war (Harlaching, Ueber der Klause), zwei Posten sich
äußerten: »Mit dieser schweren Brieftasche und mit den Gamaschen haben
wir mal Schwein gehabt.«

_Bauer_, Johannes, Arbeiter, Unterföhring Nr. 3, 48 Jahre alt,
parteilos, und dessen Sohn Johann, 17 Jahre alt, wurden am 30. April auf
Grund einer Denunziation aus der Wohnung geholt und kurz darauf ohne
Verhör erschossen. Der Vater war parteilos. Der Sohn Mitglied der
Arbeiterwehr. Er hinterließ Frau und vier unmündige Kinder.

Am 1. Mai wurden Peter _Huhn_ und Georg _Kistler_ in Großhesselohe und
der Feinmechaniker _Höpfl_ in Grünwald ohne Urteil erschossen; Verfahren
wurde eingestellt, weil Täter nicht zu ermitteln.

Jakob _Münch_, Forstenrieder Str. 71, wurde am 1. Mai erschossen. Er
wollte seine im Februar gefaßten Waffen abliefern und wurde dabei
verhaftet.

Benno _Huber_, Metzger, Großkarolinenfeld, war bei der Roten Armee in
Rosenheim gewesen und wurde am 2. Mai im Bett erschossen. Hinterläßt
eine Frau mit zwei Kindern.

Der Schuhmacher Emeran _Rötzer_ und der Arbeiter _Kohlmann_ wurden am 2.
Mai auf Grund von Denunziationen durch württembergische Truppen in ihren
Wohnungen, Dreimühlenstr. 14, verhaftet und sofort ohne Urteil im
Schlacht- und Viehhof erschossen. Sie hatten 3 Gewehre, die in ihrem
Privatbesitz waren, darunter 2 Jagdgewehre, am selben Vormittag
abgeliefert. Eine Untersuchung fand nicht statt. Sie wurden beschuldigt,
einen Regierungssoldaten umgebracht zu haben. In Wirklichkeit hatten sie
einen auf der Straße aufgelesenen verwundeten Rotgardisten beherbergt.
Dieser wurde im Bett mit Gewehrkolben geschlagen, dann erschossen.
Rötzer hinterläßt drei Kinder.

_Faust_, Schreiner, leistete am 2. Mai freiwillig Sanitätsdienste bei
der Armee v. Oven und trug eine Rote Kreuzbinde. Die Soldaten sahen dies
für einen Ausweis der Roten Armee an und erschossen ihn. Kein Verfahren.

Der Schriftsteller Hans _Schlagenhaufer_ in Unterhaching wurde am 1. Mai
von dem Hauptmann _Liftl_ aufgefordert, seine Waffen abzugeben. Er
bestritt, Waffen zu besitzen. Doch wurde ein Gewehr gefunden. Er wurde
verhaftet, nach Stadelheim abgeführt und dort am 2. Mai ohne
gerichtliches Verfahren erschossen. Nach einer der Witwe zugestellten
Entscheidung erfolgte die Erschießung wegen des Gewehres und »weil er
sich als Mitglied und späterer Schriftführer der K.P.D. während der
Umsturzbewegung besonders hervorgetan habe.« Der Schadenersatzanspruch
der Witwe auf Grund des Unruheschadengesetzes wurde am 8. November 1921
vom Reichswirtschaftsgericht abgelehnt. (XVII. A. V. 950/21.) Das
Verfahren gegen die Täter wurde eingestellt. Klage beim ordentlichen
Gericht ist anhängig.


Gustav Landauer

Ueber die Art der »Unglücksfälle« orientiert weiter folgender Bericht in
der Münchener »Neuen Zeitung« vom 3. Juni 1919: »Am 2. Mai stand ich als
Wache vor dem großen Tor zum Stadelheimer Gefängnis. Gegen 1-1/4 Uhr
brachte ein Trupp bayrischer und württembergischer Soldaten Gustav
_Landauer_. Im Hof begegnete der Gruppe ein Major in Zivil (im Prozeß
als Rittergutsbesitzer Freiherr _v. Gagern_ festgestellt), der mit einer
schlegelartigen Keule auf Landauer einschlug. Unter Kolbenschlägen und
den Schlägen des Majors sank Landauer zusammen. Er stand jedoch wieder
auf und wollte zu reden anfangen. Da rief ein Vizewachtmeister: »Geht
mal weg!« Unter Lachen und freudiger Zustimmung der Begleitmannschaften
gab der Vizewachtmeister zwei Schüsse ab, von denen einer Landauer in
den Kopf traf. Landauer atmete immer noch. Unter dem Ruf: »Geht zurück,
dann lassen wir ihm noch eine durch!« schoß der Vizewachtmeister
Landauer in den Rücken, daß es ihm das Herz herausriß und er vom Boden
wegschnellte. Da Landauer immer noch zuckte, trat ihn der
Vizewachtmeister mit Füßen zu Tode. Dann wurde ihm alles
heruntergerissen und seine Leiche zwei Tage lang ins Waschhaus
geworfen.« Wegen dieses Artikels wurde die »Neue Zeitung« unter
Vorzensur gestellt.

Das Oberkommando Oven brachte am 6. Juni einen Gegenbericht: »Landauer
wurde von einem früheren Offizier geschlagen, als er etwas zu den
Soldaten sagen wollte. Nach Aussagen aller Zeugen, mit Ausnahme eines
einzigen, hat er mit einer Reitpeitsche, nicht mit einem Knüttel
geschlagen. Keiner der bisher vernommenen Zeugen konnte angeben, daß
unter Lächeln und freudiger Zustimmung der Begleitmannschaften auf
Landauer geschossen worden sei ... Unrichtig ist, daß ein
Vizewachtmeister drei Schüsse auf Landauer abgegeben hat. Vielmehr ist
erwiesen, daß zwei Infanteristen mit Gewehr oder Karabiner und daß ein
Mann, der als Kavallerist, als Sergeant, als Vizewachtmeister und als
Offizierstellvertreter bezeichnet wurde, mit der Pistole einen Schuß auf
Landauer abgegeben hat. Davon, daß Landauer alles heruntergerissen
wurde, hat kein Zeuge etwas angegeben. Festgestellt ist nur, daß
Landauer die Uhr abgenommen wurde. Der Besitzer der Uhr wurde bereits
ermittelt.« Demnach hat Landauer weder einen Fluchtversuch unternommen,
noch eine andere provokatorische Handlung versucht oder ausgeführt.

Der Münchener Stadtrat Weigel teilt mir über die Agnoszierung der Leiche
Landauers folgendes mit: »Landauers Leichnam fehlten Rock, Hose, Stiefel
und Mantel. Nach dem Sektionsprotokoll waren drei Schüsse auf Landauer
abgegeben, die alle tödlich waren. Der Brustschuß stammte nach Ansicht
des Gerichtsarztes Dr. Schöpflin und des Prof. Oberndorfer
wahrscheinlich nicht von einem Gewehr, sondern von einer Pistole. Doch
wurde dies auf Ersuchen des Kriegsgerichtsrates Christoph nicht
aufgenommen.«

Freiherr v. Gagern bekam vom Amtsgericht München am 13. September 1919
einen Strafbefehl über 300 Mark. Das Verfahren gegen weitere Beteiligte
wurde eingestellt.

»Vor dem Kriegsgericht in Freiburg kam die Anklage gegen den
Unteroffizier _Digele_ wegen Tötung Gustav Landauers zur Verhandlung.
Nachdem ein nicht ermittelter Soldat Landauer in den Kopf geschossen
hatte, gab Digele auf Landauer einen Pistolenschuß ab. Der Angeklagte,
ein Württemberger, der inzwischen bei den Baltikumtruppen zum
Unteroffizier befördert wurde, berief sich darauf, daß er nur den Befehl
eines Vorgesetzten ausgeführt habe. Das Gericht sprach ihn von der
Anklage des Totschlages frei, weil er in dem Glauben sein konnte, nach
Befehl zu handeln, und verurteilte ihn wegen Hehlerei, begangen durch
Aneignung der Uhr des Toten, zu fünf Wochen Gefängnis, die durch die
Untersuchungshaft verbüßt sind.« (»Münchner Neueste Nachrichten«, 22.
März 1920.) (Ein ausführlicher Prozeßbericht, aus dem insbesondere die
Richtigkeit der ersten Darstellung hervorgeht, findet sich in der
Freiburger »Volkswacht« vom 22. und 23. März 1920.)

Ich konnte trotz gütiger Unterstützung durch Behörden nicht feststellen,
ob Gagern mit dem Hauptmann Freiherr v. Gagern-Rickholt (geboren am 21.
1. 1887 in Worms) identisch ist, der am 25. 5. 1915 den belgischen Baron
d'Udekem d'Acoz ermordete. Dieser wurde am 7. Juni 1916 zu 15 Jahren
Zuchthaus verurteilt. Am 16. 1. 1919 aber vom Präsidenten des
Reichsmilitärgerichts freigelassen. (Erklärung der Reichsregierung, 11.
8. 1922.)

Außer Landauer wurden in den ersten Maitagen in Stadelheim noch über 30
wehrlose Gefangene von den Soldaten ohne weiteres Verfahren umgebracht.
Herr Weigel teilt mir hierüber mit: »An der Wand eines inneren
Gefängnishofes, dessen Tor auf den Friedhof hinausführt, habe ich an der
Mauer in Brusthöhe 50 bis 60 Gewehreinschläge gesehen. Rekognosziert
werden sollten 30 bis 40 Tote. Sie waren nach den Angaben der
Gefängnisverwaltung aus dem Massengrab, wo sie ohne Särge lagen,
herausgeholt und in die Särge gelegt worden. An das Massengrab zu gehen,
wurde mir nicht gestattet. Nur wenige Särge wiesen Namen auf, darunter
einen weiblichen.«

Elf Leichen konnten nicht agnosziert werden. (Münchener »Neue Zeitung«,
17. Juni 1919.)

Das Verfahren gegen die Täter ist noch nicht abgeschlossen, hat aber
bisher zu keinerlei Resultaten geführt.


Erschießung -- keine offene Gewalt

Der Hilfsarbeiter Josef _Sedlmaier_ wurde am 2. Mai 1919 in seiner
Wohnung, Winterstr. 8 II., verhaftet. Sedlmaier war niemals bei der
Roten Armee und hatte niemals an Kämpfen teilgenommen. Er hatte
lediglich 14 Tage bei der Arbeiterwehr Sicherheitsdienst gemacht und
sein Gewehr am 27. April eingeliefert.

Nach den staatsanwaltschaftlichen Akten, A.V. XIX 1254/19, hat der
betreffende Leutnant _Möller_, bayr. Schützenregiment 21, die Festnahme
angeordnet, »weil er (Sedlmaier) mir nicht beweisen konnte, daß er sein
Gewehr wirklich schon am 27. April abgeliefert habe.«

Zu gleicher Zeit wurden die im gleichen Hause wohnenden Gebrüder
_Altmann_ festgenommen. Nach den Angaben eines »unbekannten, nicht
ermittelten Polizeiorgans« waren sie »gefährliche Spartakisten«.

Die drei Verhafteten wurden einer »Standgerichtskommission« unter
Vorsitz eines Hauptmannes vom 1. bayr. Schützenregiment vorgeführt und
zum Erschießen bestimmt. Sie wurden in den Hof einer Lederfabrik,
Pilgersheimer Str. 39, geführt; als sie dort einen bereits Erschossenen
liegen sahen, begannen sie auseinanderzulaufen. Darauf wurden alle drei
wegen Fluchtgefahr erschossen.

Der Tumultschadenausschuß konstatiert aus den staatsanwaltschaftlichen
Akten, daß alle Zeugen bezüglich des Sedlmaier nichts Belastendes
bekundet haben. Schriftliche Aufzeichnungen über das »standgerichtliche«
Verfahren wurden nicht gemacht. Der betreffende Hauptmann, der das
»Standgericht« leitete, erklärte zu den Akten: »Ich habe in den ersten
Tagen des Mai auf Grund von Angaben der Kriminalpolizei und von
Vertrauenspersonen soviele Verhaftungen vornehmen lassen, daß ich mich
unmöglich auf die Namen von Festgenommenen besinnen kann; auch kann ich
nicht angeben, ob Sedlmaier und die beiden Altmann mir vorgeführt
wurden, oder ob sie auf dem Wege zu mir erschossen wurden, weil sie
einen Fluchtversuch machten.«

Das Verfahren gegen Möller wurde eingestellt. Von einem Verfahren gegen
den Hauptmann oder gegen die Soldaten, die die Erschießung vornahmen,
ist nichts bekannt geworden, obwohl der Staatsanwaltschaft nach eigener
Mitteilung die Namen bekannt sind.

Der Tumultschadenausschuß billigte der Witwe, welche zwei minderjährige
Kinder hat, eine kleine Rente zu.

Hiergegen legte der Reichskommissär bei dem Tumultschadenausschuß
Beschwerde zum Reichswirtschaftsgericht ein. Dieses hob den Beschluß auf
und wies den Anspruch auf Entschädigung ab. In dem Beschluß heißt es:

»Zunächst ist der Schaden in keinem Falle durch offene Gewalt
verursacht. Denn die vollstreckende militärische Stelle hat, wie auch
der Fall gelagert gewesen sein mag, stets amtliche Befugnisse ausüben
wollen. Selbst ein Mißbrauch und eine Ueberschreitung von
Amtsbefugnissen kann niemals als offene Gewalt angesprochen werden.
Weiter aber ist auch in keinem der möglichen Fälle der Tod durch die
Abwehr der offenen Gewalt der Spartakisten unmittelbar verursacht
worden. Sedlmaier wurde durch seine Verhaftung dem Kreise der gegen die
Spartakistenherrschaft eingesetzten unmittelbaren Abwehrmaßnahmen
entrückt. In diesem Augenblick begann für ihn die Abwicklung eines
außerhalb der unmittelbaren Gewaltabwehr liegenden besonderen
strafrechtlichen Verfahrens ...«

Nunmehr hat die Witwe eine Klage gegen den Militärfiskus beim
ordentlichen Gericht eingereicht.

Zu dem Brothändler Josef _Probst_ kamen am 2. Mai 5 Soldaten des
Freikorps Epp. Sie durchsuchten nicht einmal die Wohnung, sondern
forderten ihn nur auf mitzugehen, er komme gleich wieder. Er wurde
sofort erschossen. Irgend ein gerichtliches Verfahren fand nicht statt.
An den Kämpfen hatte sich Probst in keiner Weise beteiligt. Klage zum
ordentlichen Gericht ist anhängig.


Erschießung wegen Beschimpfung der Offiziere

Josef Anton _Leib_, Daiserstr. 4, hatte eine Zeitschrift »Der
Republikaner, Volksblatt für Süddeutsche Freiheit«, herausgegeben. Am 2.
Mai bezog das Batl. Lindenfels, in der Mehrzahl aus Tübinger Studenten
bestehend, Quartier in der Implerschule. Bei Leib wurden drei
Haussuchungen abgehalten, es wurde aber nichts gefunden; dann wurde er
mitgeschleppt und auf Befehl des Rittmeisters Freiherrn _von Lindenfels_
im Hof des Restaurants Elysium erschossen. Als Begründung wurde
angegeben, er habe »auf der Liste gestanden« und habe die Offiziere
beschimpft. Gegen Freiherr v. Lindenfels wurde am 2. August 1920 Anklage
erhoben. Er wurde freigesprochen (Wehrkreis-Kommando V Abt. IV.).

Nach der Entscheidung des Tumultschadenausschusses hat L. sich am Kampfe
nicht beteiligt und ist den Truppen nicht mit Waffen entgegengetreten.
Da die Blätter geeignet gewesen seien, lebhafte Erregung in die
Bevölkerung zu tragen, und da die Witwe zwar nicht mitgearbeitet, aber
in Kenntnis der Sachlage die Einnahme aus den Blättern »bewußt
mitgenossen« habe, erschien es nach Ansicht des Tumultschadenausschusses
der Billigkeit entprechend, die Höchstrente der Witwe von damals 57 _M_
90 [Pf] monatlich auf 30 Mark monatlich herabzusetzen, die Renten der
fünf damals sämtlich minderjährigen Kinder von je 23 _M_ 80 [Pf]
monatlich aber unverändert zu belassen.

Das Reichswirtschaftsgericht hob diese Entscheidung am 20. Oktober 1921
auf und wies nach ständiger Praxis sämtliche Ansprüche ab, denn »ein
Mißbrauch von Amtsbefugnissen könne nie als offene Gewalt angesprochen
werden.« (XVII A.V. 617/21.) Klage zum ordentlichen Gerichte ist
anhängig.

_Bauer_, Josef, Monteur, Schönstr. 60, 20 Jahre, parteilos, wurde am 3.
Mai in Schleisheim angeblich wegen eines bei ihm vorgefundenen Briefes
festgenommen, kurz darauf erschossen und ausgeraubt.

_Nagl_, Josef, Maurerpolier, 31 Jahr, Sauerlach, wurde am 3. Mai in
seiner Wohnung festgenommen und am Starnberger Bahnhof erschossen. Die
Erschießung erfolgte, da angenommen wurde, Nagl sei Eigentümer eines in
seiner Wohnung vorgefundenen Gewehres, das jedoch nachweislich einem bei
Nagl wohnenden Alois Stöttel gehörte. Nach seiner Erschießung wurde die
Leiche vollständig ausgeraubt. Es fehlten 100 Mark Bargeld. Nagl
hinterläßt seine Frau.

_Stettner_, Josef, Xylograph, Baaderstr. 65, wurde am 3. Mai bei
Hilfeleistung eines Verwundeten am Gärtnerplatz erschossen. Hinterläßt
Frau und 6 Kinder.

_Tischer_, Johann, Maler, 37 Jahr, Zeppelinstr. 23, wurde am 3. Mai aus
seiner Wohnung geholt, kam etwa nach einer halben Stunde zurück und
wurde auf Grund einer Bemerkung, die er den Soldaten gegenüber gemacht
hatte, wieder festgenommen und kurz darauf im Lehrerinnenseminar in der
Frühlingstr. erschossen.

_Zull_, Josef, Kutscher, 20 Jahr, Winterstr. 4, wurde am 3. Mai in
seiner Wohnung verhaftet, schwer mißhandelt, halb erschlagen und am
Kandidplatz erschossen. Er war bei der Republikanischen Schutzwehr
gewesen.

Anton _Oswald_ wurde auf Grund einer Denunziation des
Kriminalwachtmeisters Keitler am 3. Mai morgens aus dem Bett geholt, da
er bei der Entwaffnung der Schutzleute geholfen hatte. Er wurde in eine
Kiesgrube gestellt, um erschossen zu werden. Schwer verwundet konnte er,
da auftauchende rote Truppen die Erschießung verhinderten, sich in ein
Haus schleppen, wo er ins Bett gelegt wurde. Dort wurde er gefunden, an
einen Zaun geschleppt und endgültig erschossen. (Kein Verfahren.)


Der Ermordete ist schuld

Am 2. Mai 1919, nachmittag 5 Uhr, kamen zwei bewaffnete Soldaten des
Freikorps Epp in die Wohnung Daisenhofener Str. 12 des Dr. Karl _Horn_,
Professor für Mathematik und Physik, und brachten ihn nach dem Gefängnis
Stadelheim. Dort verhörte ihn der Kommandant, Leutnant Heußer, und gab
ihm einen Passierschein, auf welchem die Schlußworte standen: »Professor
Dr. Karl Horn irrtümlich verhaftet«.

Horn kehrte um 8 Uhr abends in seine Wohnung zurück. Am nächsten Morgen
früh acht Uhr traten abermals zwei Bewaffnete des Freikorps Epp in die
Wohnung und brachten ihn in das Haus Tegernseer Landstraße 98, wo die
Befehlsstelle mit dem Stab des 1. Bataillons des Schützenregiments I
(Freikorps Epp) lag. Dort wurde er im Hofe von dem herbeigeholten
diensttuenden Leutnant Josef _Dinglreiter_ (Bataillonsadjutant) ohne
Verhör kurz mit den den Worten abgefertigt: »Ab nach Stadelheim,
erledigt« und drei Soldaten zum Transport übergeben. Horn versuchte
umsonst, seinen Passierschein vorzuweisen.

Von einem dieser drei Soldaten wurde Horn auf der vor dem Haus
Stadelheimer Str. 33 befindlichen Wiese um 8-3/4 Uhr durch einen Schuß
von rückwärts durch den Kopf getötet. Die Begleitmannschaft raubte
Schuhe, Uhr mit Kette und Anhänger, plünderte die Taschen und versuchten
den Ehering abzuziehen. (Aussage des Augenzeugen Georg Gruber in meinem
Besitz.) Die Leiche wurde quer über dem Fußweg liegen gelassen.

Der Täter, wahrscheinlich Unteroffizier Georg _Grammetsberger_, kehrte
zur Stadt zurück, die beiden andern Soldaten gingen nach Stadelheim. Um
1/2-3 Uhr nachmittags wurde die Leiche von der Gattin und dem
neunjährigen Sohne am Tatort gefunden. Das Verfahren gegen
Grammetsberger wurde eingestellt. Gegen Dinglreiter fand kein Verfahren
statt.

Sowohl das Landgericht München wie das Oberlandesgericht München haben
die Klage der Witwe abgewiesen, da eigenes Verschulden des Getöteten
vorliegt. Dieser habe zu »jenem Kreis von Leuten gehört, die die
Bevölkerung aufgehetzt und dadurch mittelbar die Ausschreitungen der
Soldaten selbst erzeugt haben.« Die Sache geht jetzt ans Reichsgericht.


Eine Frau als Zielscheibe

Georg _Kling_ und seine Tochter Marie _Kling_ taten am 2. Mai in Giesing
freiwillig Sanitätsdienste bei der Roten Armee in einer Station an der
Weinbauerstraße. Sie waren mit Roten Kreuzbinden versehen. Am 3. Mai
wurde Georg Kling auf die Polizeistation Tegernseer Landstraße
transportiert, weil seine andere Tochter Anni angeblich Munition
getragen habe. Marie ging freiwillig mit. Der Schutzmann Keitler
behauptete, Marie habe mit der Sanitätsflagge den Roten Zeichen gegeben.
Sie kam vor ein Standgericht, wurde auf Grund von Zeugenaussagen von
Regierungstruppen freigesprochen und sollte am 4. Mai entlassen werden.
Als der Vater sie morgens abholen wollte, war sie schon nach Stadelheim
abgeführt. Augenzeugen bekunden, daß sie dort als Zielscheibe verwendet
wurde. Zuerst wurde sie ins Fußgelenk, dann in die Wade, dann
Oberschenkel, zuletzt in den Kopf geschossen. Eine Verhandlung gegen die
Täter fand nicht statt. Denn bei der Aufhebung der
Militärgerichtsbarkeit waren die Akten »verloren« gegangen.

Peter _Lohmar_, Journalist, wurde am 3. Mai auf dem Transport in den
Gasteiganlagen, angeblich, weil er sich gewehrt hatte, erschossen.
Tatsächlich konnte er als Kriegsinvalide überhaupt nur am Stock gehen.
Das Verfahren ist eingestellt.

Der Bankbeamte Hans _Bulach_ wurde am 3. Mai auf dem Transport in den
Gasteiganlagen von demselben Gefreiten angeblich auf der Flucht
erschossen.

Der Tagelöhner Theodor _Kirchner_ aus der Winterstr. 4 wurde am 3. Mai
ohne jedes gerichtliche Verfahren in der Kirbacher Str. 11 erschossen,
obwohl er sich weder an den Kämpfen beteiligt, noch sonst strafrechtlich
verfehlt hatte. Ein Gewehr hatte er vorher schon freiwillig ohne
Aufforderung eingeliefert. Er hinterließ eine Witwe und 2 Kinder im
Alter von 2 und 4 Jahren.

Der Tumultschadenausschuß billigte den Hinterbliebenen eine Rente zu.
Hiergegen legte der Reichskommissar beim Tumultschadenausschuß
Beschwerde ein; in der Begründung derselben heißt es: »Als Kirchner
erschossen wurde, war er vollständig wehrlos und von Kirchner drohte
daher keinerlei offene Gewalt, demzufolge konnte seine Erschießung auch
nicht die Abwehr einer offenen Gewalt von seiner Seite bezwecken,
naturgemäß konnte durch diese Erschießung auch nicht die etwa von
anderer Seite drohende Gewalt abgewehrt werden ...«

Das Reichswirtschaftsgericht hob die Entscheidung auf und wies die
sämtlichen Ansprüche ab. Klage zum ordentlichen Gericht schwebt.

Der Privatier Christian _Frohner_, Paulaner Platz 27, wurde am 3. Mai
wegen Verdachtes der Teilnahme an der Aufruhrbewegung von Truppen des
Freikorps Lützow festgenommen. Am 5. Mai 1919 wurde er auf dem Transport
vom »Standgericht« in der Hofbräuhaushalle zur Befehlsstelle der Gruppe
Siebert von dem ihn begleitenden Gefreiten erschossen. Der Bescheid des
Tumultschadenausschusses stellte fest, daß die Erschießung »angeblich
aus Notwehr« erfolgte. Die Leiche wurde ausgeraubt.

Der Antrag auf Zuerkennung einer Rente auf Grund des
Tumultschadengesetzes wurde in beiden Instanzen abgelehnt. Klage zum
ordentlichen Gericht ist anhängig.

Das gegen den Gefreiten wegen Mord eingeleitete Verfahren wurde
eingestellt, weil ein Zeuge nicht auffindbar gewesen ist. Derselbe
Gefreite hat auch Bulach und Lohmar umgebracht.

Der Monteurhelfer Leonhard _Dorsch_, am Feuerbachl 6, wurde nach den der
Witwe vom Tumultschadenausschuß mitgeteilten Feststellungen vom Militär
am 4. Mai verhaftet, »da er der Zugehörigkeit zur Roten Armee verdächtig
war«. Er wurde zunächst einem Gerichtsoffizier in der Wache des 16.
Stadtbezirkes zum Verhör vorgeführt und später »auf nicht aufgeklärte
Weise, vermutlich bei einem Fluchtversuch« erschossen. Kein Verfahren.


Die zwölf Perlacher Arbeiter

Am 4. Mai rückte das Freikorps Lützow in Perlach, wo niemals gekämpft
worden war, ein. Die Offiziere konferierten mit dem protestantischen
Pastor _Hell_. (Angeblich holten sie dort ein Wäschepaket ab.) Dann
requirierten sie ein Zimmer im Gasthof zur Post und verhafteten die
Arbeiter Johann _Licht_ und Georg _Koch_. Um 3 Uhr morgens wurden dann
auf Grund einer Liste u. a. folgende Perlacher Arbeiter, teils
Parteilose, teils Mitglieder der Mehrheitssozialdemokratie, aus ihren
Betten geholt: Adalbert _Dengler_, Georg _Eichner_, Sebastian
_Hufnagel_, Georg _Jacob_, Josef _Jakob_, Johann _Keil_, Albert _Krebs_,
Josef _Ludwig_, August _Stöber_, Konrad _Zeller_. Bei dem Hafnermeister
Ludwig waren drei ergebnislose Haussuchungen vorausgegangen. Keil und
Dengler hatten Waffen besessen, sie jedoch am 1. Mai laut Aufforderung
abgeliefert. Als der Wirt den Verhafteten Kaffee geben lassen wollte,
hieß es, »die brauchen nichts mehr«. Die Verhafteten mußten
Brieftaschen, Messer und Geldbörsen abgeben, wurden in der Früh um 5 Uhr
auf ein Lastauto verladen und nach dem Hofbräuhauskeller gebracht.
Ludwig wurde gleich hinter das Auto geführt und um 6 Uhr morgens
erschossen. Einige der Verhafteten wurden dann von Offizieren verhört.
Keiner war bei der Roten Armee gewesen. Keiner hatte sich an den Kämpfen
beteiligt, bei keinem waren Waffen gefunden worden, Zeugen schildern,
daß die Gefangenen einen niedergeschlagenen, ja geistesabwesenden
Eindruck machten und flehentlich um ihr Leben baten. Zwischen 11 und 1
Uhr wurden in Abständen erst zwei, dann drei Personen auf dem Hof auf
einem Kohlenhaufen erschossen. Zwei weitere Gefangene, zuerst
zurückgestellt, wurden später erschossen. Insgesamt wurden in Abständen
12 Gefangene ohne Urteil, ohne den Schatten eines Rechts erschossen.
Nach der Erschießung wurden den Toten ihre sämtlichen Wertgegenstände
und Papiere geraubt. Gegen keinen einzigen der Täter oder der
verantwortlichen Offiziere ist jemals auch nur verhandelt worden.
(Aussagen von 14 Augenzeugen sind in meinem Besitz.) 12 Frauen und 35
minderjährige Kinder waren der Ernährer beraubt. Die von den
Hinterbliebenen auf Grund des Aufruhrschadengesetzes erhobenen
Rentenansprüche wurden vom Reichswirtschaftsgericht am 14. August 1921
mit der Begründung abgewiesen, die Erschießung sei keine offene Gewalt
gewesen. (XVII, A.V. 747/21.)

Josef _Graf_, 18 Jahre, wurde am 3. Mai verhaftet. Ein Offizier teilte
dem Vater mit, der Fall werde am nächsten Tag ordnungsgemäß verhandelt.
Am 4. Mai, morgens 1/2-6 Uhr, wurde er auf offener Straße (Warngauer
Straße) erschossen und die Leiche liegen gelassen. (Kein Verfahren.)

Josef _Siegl_, Sanitätssoldat, Rheintaler Str. 64, tat während der
Räterepublik keinen Dienst und ging erst am 1. Mai wieder in Dienst. Auf
dem Weg nach Hause wurde er am 5. Mai wegen seiner Roten Kreuzbinde
erschossen. Die Leiche wurde ausgeraubt.

_Schäffer_, Josephine, Kaufmannsfrau, Hohenzollernstr. 72, wurde am 5.
Mai auf dem Transport nach dem Abteilungsstab des Freikorps Lützow in
der Nähe der Giselaschule erschossen. Nach der Erschießung wurde ihre
Wohnung durchsucht und Gegenstände im Werte von 3000 Mark entwendet. Ihr
Mann war in Haft. Ein Verfahren gegen die Täter ist nicht eingeleitet.


Die 21 katholischen Gesellen

Am 6. Mai fand eine Versammlung des katholischen Gesellenvereins St.
Joseph wegen Theaterangelegenheiten im Vereinslokal, Augustenstr. 71,
statt. Sie wurde als »spartakistisch« denunziert. Auf Grund eines
Befehls des Hauptmanns v. Alt-Stutterheim wurden die Gesellen durch eine
Patrouille unter Führung des Offizierstellvertreters Priebe verhaftet,
weil ein Versammlungsverbot existierte. Hauptmann _v. Alt-Stutterheim_
musterte die Verhafteten auf der Straße. Die Leute schrien, sie seien
unschuldig; er sagte, das gehe ihn nichts an, und ließ es zu, daß die
Leute furchtbar mißhandelt wurden. Sieben Gefangene wurden im Hof des
Hauses Karolinenplatz 5 erschossen. Die anderen wurden in den Keller
eingeliefert. Die Soldaten, zum Teil in angetrunkenem Zustand,
trampelten auf den Gefangenen herum, stießen sie wahllos mit dem
Seitengewehr nieder und schlugen derartig um sich, daß ein Seitengewehr
sich verbog und daß das Hirn herumspritzte. So töteten sie weitere 14
Leute und plünderten dann die Leichen aus. Fünf Gefangene wurden schwer
verwundet. »Die Leichen der Erschossenen schauten fürchterlich aus.
Einem war die Nase ins Gesicht hineingetreten, andern fehlte der halbe
Hinterkopf«. (Erster Verhandlungstag.) »Wenn einer der Verwundeten sich
noch regte, wurde auf ihn eingeschlagen und eingestochen. Zwei Soldaten,
die sich umfaßt hatten, führten einen wahren Indianertanz neben den
Leichen auf, schrien und heulten.« (»Bayr. Kurier«, 23. Oktober 1919.)
Die Soldaten glaubten ein Recht dazu zu haben, da ihnen durch ihren
Hauptmann Hoffmann erklärt worden war, wenn sie einen Spartakisten
sähen, sollten sie gleich von der Waffe Gebrauch machen. Ein Soldat
meldete sich denn auch dienstlich von der Erschießung der 21
Spartakisten zurück. Der größte Teil der Täter konnte nicht festgestellt
werden. Das Sektionsprotokoll verschwand aus den Akten. Die Namen der
Ermordeten waren: J. _Lachenmaier_, J. _Stadler_, F. _Adler_, J.
_Bachhuber_, S. _Ballat_, A. _Businger_, J. _Fischer_, M. _Fischer_, F.
_Grammann_, M. _Grünbauer_, J. _Hamberger_, J. _Krapf_, J. _Lang_, B.
_Pichler_, P. _Prachtl_, L. _Ruth_, K. _Samberger_, F. _Schönberger_, A.
_Stadler_, F. _Stöger_, K. _Wimmer_.

Am 25. Oktober 1919 wurde der Soldat Jakob _Müller_ und der
Vizefeldwebel Konstantin _Makowski_ zu 14 Jahren Zuchthaus, _Grabasch_
zu einem Jahr Gefängnis wegen Totschlags verurteilt. Gegen die
verantwortlichen Offiziere der Gardedivision wurde kein Verfahren
eingeleitet. Das Verfahren gegen den Hauptmann von Alt-Stutterheim wurde
eingestellt. (»Münchener Neueste Nachrichten« und »Bayrischer Kurier«,
21. bis 26. Oktober 1919.) (_Schlag_, Das Blutbad am Karolinenplatz.)
Vorsitzender war Oberlandesgerichtsrat Hieber, Staatsanwalt Dr. Mugler.

Am 4. November wurde der ehemalige Husar Stefan _Latosi_, der in der
betr. Nacht blutbefleckt mit gestohlenen Uhren und Geldbörsen den Keller
verlassen hatte, wegen Verbrechen des Totschlags freigesprochen, wegen
schweren Diebstahls zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. (»Münchener
Neueste Nachrichten«, 5. November 1921.)

Da mir leider der Platz fehlt alle Münchener »tödlichen Unglücksfälle«
auch nur mit wenigen Worten zu schildern, begnüge ich mich, die mir
bekannten in tabellarischer Form darzustellen. Der Vorgang ist eintönig
immer dasselbe: Denunziation, Verhaftung, Erschießung an der nächsten
Mauer, Plünderung der Leiche. Der Täter bleibt straflos, denn ein
Verfahren wird gar nicht eingeleitet.

Die folgende Liste umfaßt 161 Ermordete und 273 Hinterbliebene. Sie
enthält auch die im Text bereits aufgeführten Fälle.

161 VON DEN REGIERUNGSTRUPPEN IN MÜNCHEN ERMORDETE

      ==============================================================
      Lfd.| _Name_              | Wohnort, Beruf
       Nr.|                     | Alter, Zahl der Hinterbliebenen
          |                     | Datum, Ort der Ermordung
          |                     | Bemerkung
      ====+=====================+==================================+
        1 | _Adler, Franz_      | Kath. Ges.-Verein
          |                     | Augustenstr. 41, Schlosser
          |                     | Alter: 25, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | vollst. ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
        2 | 2 _Brüder           | Winterstr. 8, --
          |    Altmann_         | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Pilgersheimerstraße 39
          |                     | Verfahren eingestellt
      ----+---------------------+----------------------------------+
        4 | _Aschenbrenner, M._ | Tegernseerlandstraße 18, Spengler
          |                     | Alter: --, Hinterbliebene: 3
          |                     | 7. V. 19, Hohenzollernschule
      ----+---------------------+----------------------------------+
        5 | _Bachhuber, Josef_  | Kath. Ges.-Verein, Maler
          |                     | Alter: 19, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | vollst. ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
        6 | _Barth, Georg_      | Lilienstr. 62, Hoteldiener
          |                     | Alter: 30, Hinterbliebene: 1
          |                     | Datum: -- , Ort der Ermordung: --
          |                     | Schuhe, Hose, Mantel geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
        7 | _Barth, R. Anton_   | Nockherstr. 38, Kutscher
          |                     | Alter: 18, Hinterbliebene: 1
          |                     | 4. V. 19, Ostfriedhof
      ----+---------------------+----------------------------------+
        8 | _Bauer, Johann_     | Unterföhring 3, Beruf: --
          |                     | Alter: 17, Hinterbliebene: --
          |                     | 30.IV. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
        9 | _Bauer, Johannes_   | Unterföhring 3, Arbeiter
          |                     | Alter: 48, Hinterbliebene: 5
          |                     | 30.IV. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
       10 | _Bauer, Josef_      | Schönstr. 60, Monteur
          |                     | Alter: 20, Hinterbliebene: 6
          |                     | 3. V. 19, Schleißheim
          |                     | ausgeraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       11 | _Bischl, Michael_   | Oberländerstr. 11, Schlosser
          |                     | Alter: 18, Hinterbliebene: 2
          |                     | 2. V. 19, Ruprechtstr.
          |                     | erschlagen und erschossen
      ----+---------------------+----------------------------------+
       12 | _Bongratz, Peter_   | Westendstr. 161, Gehilfe
          |                     | Alter: 25, Hinterbliebene: 8
          |                     | 5. V. 19, Schlachthof
          |                     | gold. Uhr, 3 goldene  Ringe,
          |                     | Ueberzieher, Hut geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       13 | _Bulach, Johann_    | Mariahilfstr. 3, Bankbeamter
          |                     | Alter: 37, Hinterbliebene: 3
          |                     | 3. V. 19, Gasteiganlagen
      ----+---------------------+----------------------------------+
       14 | _Bullat, Sebastian_ | Kath. Ges.-Verein, Schmied
          |                     | Alter: 19, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       15 | _Brucker, Oskar_    | Hochstr. 31, Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, Salvatorkeller
      ----+---------------------+----------------------------------+
       16 | _Buscher, Andreas_  | Tegernseerlandstraße 28,
          |                     | Bauhilfsarbeit.
          |                     | Alter: 29, Hinterbliebene: --
          |                     | 4. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       17 | _Businger, Anton_   | Kath. Ges.-Verein, Buchbinder
          |                     | Alter: 22, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       18 | _Crusius, Ludwig_   | Weinbauernstr. 1, Schlosser
          |                     | Alter: 37, Hinterbliebene: 2
          |                     | 2. V. 19, Knollwiese
      ----+---------------------+----------------------------------+
       19 | _Dal Sasso, Josef_  | Bavariastr. 9, Kutscher
          |                     | Alter: 35, Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, Menterschweige
      ----+---------------------+----------------------------------+
       20 | _Demann, Johann_    | Wendelsteinstr. 9, Bahnarbeiter
          |                     | Alter: 21, Hinterbliebene: 3
          |                     | Datum: -- , Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
       21 | _Dengler, Adalbert_ | Perlach, Prinzregentenstr. 46,
          |                     | Taglöhner
          |                     | Alter: 46, Hinterbliebene: 6
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       22 | _Dietz, Theodor_    | i. d. Grube 25, Spengler
          |                     | Alter: 30, Hinterbliebene: 2
          |                     | 2. V. 19, Maximiliank.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       23 | _Dorfmeister, Aug._ | Siebenbrunnerstr., Ingenieur
          |                     | Alter: 28, Hinterbliebene: 4
          |                     | 2. V. 19, Harlaching
          |                     | erschlagen, erschossen,
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       24 | _Dorsch, Leonhard_  | Feuerbachl 6, Monteurgehilfe
          |                     | Alter: 25, Hinterbliebene: --
          |                     | 4. V. 19, Frauenhoferbrücke
      ----+---------------------+----------------------------------+
       25 | _Eckert, Max_       | Miliechplatz 1, Friseur
          |                     | Alter: 45, Hinterbliebene: 4
          |                     | 2. V. 19, Kühbachstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       26 | _Effhauser, Lorenz_ | Jahnstr. 31, Monteurgehilfe
          |                     | Alter: 28, Hinterbliebene: 1
          |                     | 1. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       27 | _Eichner, Georg_    | Perlach 196, Bahnarbeiter
          |                     | Alter: 35, Hinterbliebene: 5
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       28 | _Enzenberger, Joh._ | Winterstr. 13, Schleifer
          |                     | Alter: 24, Hinterbliebene: 3
          |                     | Datum: -- , Harlachinger Weg
          |                     | 143 M., Brieftasche, Ehering,
          |                     | Uhr, Windjacke geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       29 | _Ewald, Jakob_      | Tegernseerlandstraße 71,
          |                     | Hilfsmonteur
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 2
          |                     | Datum: -- , Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
       30 | _Faltermeier, Otto_ | Peißenbergstr. 1, Metzger
          |                     | Alter: 28, Hinterbliebene: 3
          |                     | 2. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       31 | _Faust, sen._       | Kistlerstr. 1, Schreiner
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, i. d. Wohnung
      ----+---------------------+----------------------------------+
       32 | _Faust, jun._       | Kistlerstr. 1, Schreiner
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
       33 | _Felser, Martin_    | Mondstr. 1, Bauarbeiter
          |                     | Alter:  23, Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       34 | _Feigl, Ludwig_     | Herzogstandstr. 1, Metzger
          |                     | Alter: 41, Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
       35 | _Fichtl, Johann_    | Perlach 46, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: 43, Hinterbliebene: 7
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       36 | _Fischalk, Anton_   | Schönstr. 60, Gärtner
          |                     | Alter: 24, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Krüppelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       37 | _Fischer, Joseph_   | Kath. Ges.-Verein, Schlosser
          |                     | Alter: 23, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       38 | _Fischer, Karl_     | Raintalerstr. 72, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: 20, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Knollhof
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       39 | _Fischer, Michael_  | Kath. Ges.-Verein, Schneider
          |                     | Alter: 21, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenplatz 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       40 | _Frohner, Christ._  | Paulanerplatz 27, Privatier
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 5. V. 19,  Hofbräuhauskeller
          |                     | gold. Zwicker, Uhr, Börse, Stock
          |                     | gestohl.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       41 | _Ganserer, Ludwig_  | Wohnort: -- , Schlosser
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Residenz
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       42 | _Geigl, Michael_    | Unterhaching 14, Schriftsetzer
          |                     | Alter: 39, Hinterbliebene: 2
          |                     | 1. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       43 | _Geltl, Johann_     | Schönstr. 76, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: 20, Hinterbliebene: 1
          |                     | Datum: -- , Knollkiesgrube
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       44 | _Gerhard, Karl_     | Oberanger 53, Kaufmann
          |                     | Alter: 28, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Jakobplatz
      ----+---------------------+----------------------------------+
       45 | _Goldbrunner, Joh._ | Tegernseerlandstraße 125,
          |                     | Eisendreher
          |                     | Alter: 22, Hinterbliebene: 1
          |                     | Datum: -- , Giesingerberg
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       46 | _Graf, Josef_       | Gietlstr. 15, Schlosser
          |                     | Alter: 18, Hinterbliebene: --
          |                     | 4. V. 19, Warngauerstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       47 | _Gramann, Franz_    | Kath. Ges.-Verein, Schneider
          |                     | Alter: 19, Hinterbliebene:--
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       48 | _Grünbauer, Math._  | Kath. Ges.-Verein, Schlosser
          |                     | Alter: 24, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       49 | _Hamberger, Joh._   | Kath. Ges.-Verein, Schlosser
          |                     | Alter: 19, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       50 | _Hain, Leo_         | Belgradstr. 107, Masch.-Mstr.
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 3
          |                     | 8. V. 19, Karl Theod.-W.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       51 | _Hausler, Rich._    | Großhadern 19, Elektrotechn.
          |                     | Alter: 19, Hinterbliebene: 2
          |                     | 1. V. 19, Großhadern
      ----+---------------------+----------------------------------+
       52 | _Hausmann, Wilh._   | Weißenburger Straße 2, Friseur
          |                     | Alter: 30, Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, i. s. Wohnung
      ----+---------------------+----------------------------------+
       53 | _Hecksteiger, Max_  | Kühbachstr. 16, Maurer
          |                     | Alter: 36, Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
       54 | _Heimerer, Anton_   | Tegernseerlandstraße 30,
          |                     | Eisenhobler
          |                     | Alter: 49, Hinterbliebene: 5
          |                     | 3. V. 19, Knollgrube
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       55 | _Heimkirchner,      | Elsenheimerstr. 28, Hilfsarbeiter
          |  Jul._              | Alter: 21, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Ausstellung
          |                     | 230,-- M., Uhr und Kette, Hut und
          |                     | Stiefel geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       56 | _Heinritzl, Josef_  | Wendelsteinstr. 2, Bauarbeiter
          |                     | Alter: 22, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Knollanwesen
      ----+---------------------+----------------------------------+
       57 | _Hillenbrand, Joh._ | Ackerstr. 116, Fensterreinig.
          |                     | Alter: 20, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Siboldstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       58 | _Hof, Sebastian_    | Forstenriederstr. 2, Schlosser
          |                     | Alter: 32, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Forstenrieder Ecke
          |                     | Holzapfelstraße
      ----+---------------------+----------------------------------+
       59 | _Horn, Karl_        | Daisenhofenerstraße 12, Prof. d.
          |                     | Mathematik
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Stadelheimerstraße 33
          |                     | Uhr, Kette, Schuhe geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       60 | _Höpfl_             | Grünwald, Feinmechaniker
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 1. V. 19, Grünwald
      ----+---------------------+----------------------------------+
       61 | _Hörl, Max_         | Weinbauernstr. 2, Schuhmacher
          |                     | Alter: 33, Hinterbliebene: 3
          |                     | Datum: --, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       62 | _Huber, Karl_       | Landsbergerstraße  153, Kutscher
          |                     | Alter: 27, Hinterbliebene: --
          |                     | 1. V. 19, Ort der Ermordung: --
          |                     | 30 M., 2 Uhren, Gamaschen,
          |                     | Brieftasche geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       63 | _Hufnagel, Sebast._ | Perlach, Rosenheimerstr. 5,
          |                     | Taglöhner
          |                     | Alter: 47, Hinterbliebene: 3
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhauskeller
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       64 | _Huhn, Peter_       | Großhesselohe, Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 1. V. 19, Großhesselohe
      ----+---------------------+----------------------------------+
       65 | _Jakob, Georg_      | Perlach 104, Schreiner
          |                     | Alter: 37, Hinterbliebene: 3
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       66 | _Jakob, Josef_      | Perlach, Putzbrunnerstr., Maurer
          |                     | Alter: 40, Hinterbliebene: 6
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       67 | _Kapfhammer, Max_   | Rottmannstr. 23, Taglöhner
          |                     | Alter: 50, Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Stigelmeierpl.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       68 | _Keil, Johann_      | Perlach 46, Taglöhner
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       69 | _Kollmeder, Blas._  | Baaderstr. 2, Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 29.IV. 19, Starnberg
          |                     | 200 M., Leuchtblattuhr geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       70 | _Kininger, Ruppert_ | Reifenstuhlstr. 12, Monteur
          |                     | Alter: 30, Hinterbliebene: 3
          |                     | 3. V. 19, Schlachthof
      ----+---------------------+----------------------------------+
       71 | _Kirchner, Theodor_ | Winterstr. 4, Taglöhner
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 3
          |                     | 3. V. 19, Kühbachstr. 11
      ----+---------------------+----------------------------------+
       72 | _Kistler, Georg_    | Großhesselohe, Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 1. V. 19, Großhesselohe
      ----+---------------------+----------------------------------+
       73 | _Kling, Maria_      | Edelweißstr. 11, Kontoristin
          |                     | Alter: 23, Hinterbliebene: --
          |                     | 4. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       74 | _Kobahn, Otto_      | Pilgersheimerstr. 2,
          |                     | Schreinerlehrl.
          |                     | Alter: 16, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
       75 | _Koch, Aug. Georg_  | Perlach 46, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter:  -- , Hinterbliebene: 9
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       76 | _Koller, Ignatz_    | Abelestr. 1, Schäffler
          |                     | Alter: 25, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Kapuzinerstr.
          |                     | 80 M., Ring, Ueberzieher, Schuhe
          |                     | geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       77 | _Kohlmann, Joh._    | Dreimühlenstr. 14, Taglöhner
          |                     | Alter:  -- , Hinterbliebene: 6
          |                     | 2. V. 19, Schlachthof
      ----+---------------------+----------------------------------+
       78 | _Koyer, Josef_      | Frauenstr. 3, Metzger
          |                     | Alter: 20, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Marienstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       79 | _König, Anton_      | Mehring b. Augsb., Elektromont.
          |                     | Alter: 34, Hinterbliebene: 2
          |                     | 2. V. 19, Schlachthof
      ----+---------------------+----------------------------------+
       80 | _Köstelmaier,       | Landsbergerstraße 163,
          |  Xaver_             | Malergehilfe
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 4
          |                     | 1. V. 19, Schäftlarn
      ----+---------------------+----------------------------------+
       81 | _Krapf, Josef_      | Kath. Ges.-Verein, Schneider
          |                     | Alter: 21, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       82 | _Kraus, Karl_       | Gallmeierstr. 6, Händler
          |                     | Alter: 34, Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19,  Ort der Ermordung --
      ----+---------------------+----------------------------------+
       83 | _Krebs, Albert_     | Perlach 46, Gußmeister
          |                     | Alter: 38, Hinterbliebene: 5
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       84 | _Lachenmaier,       | Kath. Ges.-Verein, Großhadern,
          |  Josef_             | Lindenallee 8, Herbergsvater
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       85 | _Landauer, Gustav_  | Wohnort: -- , Schriftsteller
          |                     | Alter: 49, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Stadelheim
          |                     | Rock, Hose, Stiefel, Mantel u.
          |                     | Uhr geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       86 | _Lang, Josef_       | Kath. Ges.-Verein, Schlosser
          |                     | Alter: 26, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       87 | _Leib, Anton_       | Daiserstr. 44, Redakteur
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 6
          |                     | 2. V. 19, Elysium
          |                     | Täter: v. Lindenfels
      ----+---------------------+----------------------------------+
       88 | _Link, Karl_        | Barthstr. 2, Kutscher
          |                     | Alter: 40, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Hofbräuhausk.
      ----+---------------------+----------------------------------+
       89 | _Lohmar, Josef_     | Kühbachstr. 18, Fuhrmann
          |                     | Alter: 41, Hinterbliebene: 5
          |                     | 2. V. 19, Giesingerberg
      ----+---------------------+----------------------------------+
       90 | _Lohmar, Peter_     | Wohnort: -- , Journalist
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Gasteiganlagen
      ----+---------------------+----------------------------------+
       91 | _Ludwig, Josef_     | Perlach 134, Hafnermeister
          |                     | Alter: 56, Hinterbliebene: 5
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
       92 | _Mages, Georg_      | Landsbergerstraße 163,
          |                     | Bauarbeiter
          |                     | Alter: 17, Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Pettenkoferstraße 11
      ----+---------------------+----------------------------------+
       93 | _Mairiedl, Josef_   | Großhadern, Bauerstr. 39
          |                     | Schreiner
          |                     | Alter: 35, Hinterbliebene: 1
          |                     | 1. V. 19, v. d. Dorf Großhadern
      ----+---------------------+----------------------------------+
       94 | _Mandel, Karl_      | Wohnort: -- , Redakteur
          |                     | Alter: 33, Hinterbliebene: 3
          |                     | Datum: -- , Ort der Ermordung: --
          |                     | größerer Geldbetrag gestohlen
      ----+---------------------+----------------------------------+
       95 | _Meißenhalter,      | Wohnort: -- , Taglöhner
          |  Rupp._             | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Tegernseerlandstr. 32
      ----+---------------------+----------------------------------+
       96 | _Nagl, Josef_       | Sauerlach, Maurerpolier
          |                     | Alter: 31, Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, Starnberger Bhf.
          |                     | 100 M. geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       97 | _Neumeier, Hans_    | Lothringerstr. 11, Pflasterer
          |                     | Alter: 23, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Ostfriedhof
      ----+---------------------+----------------------------------+
       98 | _Niederreiter,      | Untere Grasstr. 18, Pflasterer
          |  Josef_             | Alter: 29, Hinterbliebene: 3
          |                     | 3. V. 19, Ort der Ermordung: --
          |                     | Uhr, Geld, Schuhe u. Ringe
          |                     | geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
       99 | _Noak, Ernst_       | Großhadern 36, Monteur
          |                     | Alter: 27, Hinterbliebene: --
          |                     | 1. V. 19, Waldfriedhof
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      100 | _Obermaier, Joh._   | Entenbachstr. 12, Metallgießer
          |                     | Alter: 21, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Ort der Ermordung: --
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      101 | _Oswald, Anton_     | Kesselbergstr. 2, Maurer
          |                     | Alter: 31, Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Ort der Ermordung: --
          |                     | 300 M., Uhr u. Kette [geraubt]
      ----+---------------------+----------------------------------+
      102 | _Pasch, Josef_      | Wohnort: -- , Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, Tegernseerlandstr. 132
      ----+---------------------+----------------------------------+
      103 | _Peller, Josef_     | Alpenstr. 27, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Wiese a. d.
          |                     | Daiserstraße
      ----+---------------------+----------------------------------+
      104 | _Pichler, Bernh._   | Kath. Ges.-Verein, Tapezier
          |                     | Alter: 26, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      105 | _Platzer, Josef_    | Boosstr. 5, Spengler
          |                     | Alter: 18, Hinterbliebene: 1
          |                     | Datum: -- , Ohlmüllerstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      106 | _Prachtl, Paul_     | Kath. Ges.-Verein, Spengler
          |                     | Alter: 29, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      107 | _Probst, Josef_     | Kirchenstr. 38, Brothändler
          |                     | Alter: 30, Hinterbliebene: 2
          |                     | 2. V. 19, Maximiliank.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      108 | _Rabl, Georg_       | Aignerstr. 16, Eisendreher
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 1
          |                     | 3. V. 19, Pfarrhofstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      109 | _Raffner, Josef_    | Kesselbergstr. 6, Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Knollwiese
      ----+---------------------+----------------------------------+
      110 | _Raidel, Josef_     | Wirthstr. 1a, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: 35, Hinterbliebene: 3
          |                     | 3. V. 19, Wirthstr. 1a
      ----+---------------------+----------------------------------+
      111 | _Rainer, August_    | Großhadern 19, Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 1. V. 19, Neufriedenheim
          |                     | Uhr u. Zigarettenetui geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      112 | _Reinhardt, Viktor_ | Arcostr. 9, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: 23, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
      113 | _Reith, Ludwig_     | Kath. Ges.-Verein, Schneider
          |                     | Alter: 22, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      114 | _Rieger, Josef_     | Breisacherstr. 19, Maurer
          |                     | Alter: 34, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
      115 | _Reischl, Josef_    | Zugspitzstr. 15, Maurer
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 2
          |                     | 4. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
      116 | _Rötzer, Emeran_    | Dreimühlenstr. 14, Schuhmacher
          |                     | Alter: 42, Hinterbliebene: 3
          |                     | 2. V. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
      117 | _Ruither, Joseph_   | Hans Miliechstr. 10, Stuckateur
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Cremmermühle
          |                     | 80 M. u. Bekleidung geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      118 | _Russer, Karl_      | Zugspitzstr. 13, Steinmetz
          |                     | Alter: 28, Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Ort der Ermordung: --
          |                     | vollst. ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      119 | _Samberger, Karl_   | Kath. Ges.-Verein, Schneider
          |                     | Alter: 25, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      120 | _Samisch, Wilhelm_  | Preisingstr. 8, Spengler
          |                     | Alter: 45, Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Herzogpark
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      121 | _Sammer, Alfons_    | Kesselbergstr. 6, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 4
          |                     | Datum: -- , Knollwiese
      ----+---------------------+----------------------------------+
      122 | _Sedlmaier, Jos._   | Winterstr. 8, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: 42, Hinterbliebene: 3
          |                     | 2. V. 19, Pilgersheimerstraße 39
          |                     | Verfahren eingestellt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      123 | _Seidl, Georg_      | Trappentreustr. 32, Bauarbeiter
          |                     | Alter: 32, Hinterbliebene: 1
          |                     | 1. V. 19, Donnersbergbr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      124 | _Seidner, Philipp_  | Unterföhring, Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | Datum: -- , Elsässer Str.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      125 | _Sigl, Josef_       | Raintalerstr. 64, Krankenwärter
          |                     | Alter: 35, Hinterbliebene: 2
          |                     | 5. V. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
      126 | _Sontheimer, Josef_ | Erhardstr. 11, Kaufmann
          |                     | Alter: 52, Hinterbliebene: --
          |                     | 4. V. 19, Franziskaner
      ----+---------------------+----------------------------------+
      127 | _Schäffer,          | Hohenzollernstr. 72, Kaufmannsfr.
          |  Josefine_          | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 5. V. 19, Elisabethplatz
          |                     | Wohnung vollständig ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      128 | _Schermer,          | Boschetsriedstr. 43, Schlosser
          |  Heinrich_          | Alter: -- , Hinterbliebene: 4
          |                     | Datum: -- , Ort der Ermordung: --
          |                     | als Verwundeter erschossen u.
          |                     | ausgeraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      129 | _Schlagenhaufer,    | Unterhaching, Redakteur
          |  H._                | Alter: 54, Hinterbliebene: 1
          |                     | 2. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
      130 | _Schlagintweit,     | Tegernseerlandstraße 125,
          |  Jak._              | Beruf: --
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 4
          |                     | 2. V. 19, Knollwiese
      ----+---------------------+----------------------------------+
      131 | _Schnellbögl,       | Humboldstr. 20, Maler
          |  Georg_             | Alter: 54, Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Kirbachstr. 11
          |                     | Uhr u. Kette geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      132 | _Schönberger,       | Kath. Ges.-Verein, Bäcker
          |  Fritz_             | Alter: 19, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      133 | _Schredinger, Joh._ | Daisenhofenerstraße 4, Schmied
          |                     | Alter: 21, Hinterbliebene: 4
          |                     | 3. V. 19, Stadelheim
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      134 | _Schwaiger, Jak._   | Dreimühlenstr. 9, Zimmerer
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 2
          |                     | Datum: -- , Sendlingertorpl.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      135 | _Schwarz, Johann_   | Breisacherstr. 16, Mechaniker
          |                     | Alter: 21, Hinterbliebene: --
          |                     | 4. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
      136 | _Stadler, Anton_    | Kath. Ges.-Verein, Techniker
          |                     | Alter: 35, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      137 | _Stadler, Jacob_    | Kath. Ges.-Verein, Buchhalter
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      138 | _Steidle, Max_      | Parkstr. 13,  Bäcker
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | Datum: -- , Zur roten Wand
      ----+---------------------+----------------------------------+
      139 | _Steingrübl, Josef_ | Palmstr. 8, Mechanikerlhrl.
          |                     | Alter: 16, Hinterbliebene: --
          |                     | 2. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
      140 | _Stelzer, Johann_   | Orleanstr. 61, Fuhrmann
          |                     | Alter: 21, Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Ludwigsbrücke
          |                     | ins Wasser geworfen
      ----+---------------------+----------------------------------+
      141 | _Stettner, Josef_   | Baaderstr. 65, Xylograph
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 7
          |                     | 3. V. 19, Gärtnerplatz
      ----+---------------------+----------------------------------+
      142 | _Stiegler, Ludwig_  | Kirchplatz 10,  Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | Datum: -- , Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
      143 | _Stöber, August_    | Perlach, Arbeiter
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      144 | _Stöger, Felix_     | Kath. Ges.-Verein, Schuhmacher
          |                     | Alter: 24, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenplatz 5
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      145 | _Streicher, Joseph_ | Sommerstr. 57, Hilfsarbeiter
          |                     | Alter: 25, Hinterbliebene: 2
          |                     | 2. V. 19, Stadelheim
          |                     | 54 M. u. Uhr geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      146 | _Tischer, Johann_   | Zeppelinstr. 23, Maler
          |                     | Alter: 37, Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Seminar, Frühlingstraße
      ----+---------------------+----------------------------------+
      147 | _Trunk, Johann_     | Gietlstr., Bäcker
          |                     | Alter: 23, Hinterbliebene: --
          |                     | 4. V. 19, Stadelheim
      ----+---------------------+----------------------------------+
      148 | _Thuringer, Fried._ | Hirschbergstr. 20, Schmied
          |                     | Alter: 18, Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Zugspitzstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      149 | _Vogel_             | Fürstenfeldbruck, Matrose
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 30.IV. 19, Fürstenfeldbruck
          |                     | geraubt Schuhe, Gamaschen,
          |                     | Brieftsch. 300 M
          |                     | Täter: v. Lindenfels
      ----+---------------------+----------------------------------+
      150 | _Waffler, Franz_    | Siebenbrunn 1, Taglöhner
          |                     | Alter: 29, Hinterbliebene: 3
          |                     | 2. V. 19, Krüppelheim
          |                     | vollst. ausgeraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      151 | _Wagner, Karl_      | Aventinstr. 8, Installateur
          |                     | Alter: 37, Hinterbliebene: 3
          |                     | 2. V. 19, Hofbräuhausk.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      152 | _Walter, Baptist_   | Nockherstr. 23, Schlosser
          |                     | Alter: 36, Hinterbliebene: 5
          |                     | 4. V. 19, Ort der Ermordung: --
      ----+---------------------+----------------------------------+
      153 | _Waock, Ludwig_     | Preisingstr. 15, Taglöhner
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 3
          |                     | 4. V. 19. Wasserburgerhof
          |                     | 2 Goldringe, 1 Silberring geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      154 | _Wiesheu_           | Wohnort: -- , Dienstknecht
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: --
          |                     | 1. V. 19. Großföhren
          |                     | Täter: Feldwbl. Maulbeck,
          |                     | Art.-Abt. 24, 3. Battr.,
          |                     | Ingolstadt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      155 | _Wimmer, Karl_      | Kath. Ges.-Verein, Zimmermann
          |                     | Alter: 23, Hinterbliebene: --
          |                     | 6. V. 19, Karolinenpl. 5
          |                     | ausgeraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      156 | _Wittmann, Johann_  | a. d. Schweige 5, Lackierer
          |                     | Alter: 46, Hinterbliebene: 1
          |                     | 5. V. 19, Schlachthof
          |                     | 50 M. u. Uhr geraubt
      ----+---------------------+----------------------------------+
      157 | _Wohlmuth, Alois_   | Großhadern, Schweizer
          |                     | Alter: 37, Hinterbliebene: 9
          |                     | 1. V. 19, Großhadern
      ----+---------------------+----------------------------------+
      158 | _Woppmann, Xaver_   | Sandstr. 30, Polier
          |                     | Alter: 51, Hinterbliebene: 2
          |                     | 3. V. 19, Hafemeier, Dachauerstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      159 | _Zeller, Konrad_    | Perlach 116, Arbeiter
          |                     | Alter: -- , Hinterbliebene: 7
          |                     | 5. V. 19, Hofbräuhausk.
          |                     | ausgeplündert
      ----+---------------------+----------------------------------+
      160 | _Zimmermann, Jos._  | Pilgersheimerstr. 76, Taglöhner
          |                     | Alter: 29, Hinterbliebene: 4
          |                     | 2. V. 19, Mondstr.
      ----+---------------------+----------------------------------+
      161 | _Zull, Joseph_      | Winterstr. 4, Kutscher
          |                     | Alter: 20, Hinterbliebene: --
          |                     | 3. V. 19, Kandidplatz
      ==============================================================

Die vorstehende Liste ist keineswegs vollständig. Denn nach den
amtlichen Angaben sind in München allein 184 Menschen »tödlich
verunglückt«. Die Liste enthält aber nur 161 Namen, die sich außerdem
auf München und Umgebung beziehen.

Auch die 186 »standrechtlichen« Erschießungen waren, wie auf
Seite 112 eingehend bewiesen wird, völlig ungesetzlich. Da alle
Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden Kategorien fehlen, läßt sich
nicht einmal im einzelnen nachweisen, wer »tödlich verunglückt« und wer
»standrechtlich« erschossen worden ist. Trotzdem habe ich nur die
amtlich als »tödlich verunglückt« Bezeichneten als ermordet gerechnet.
Nur in 22 Fällen hat ein gerichtliches Verfahren stattgefunden. _Nur
vier Täter sind bestraft worden._


Der Polizeiagent Blau

_Blau_ war Agent und Lockspitzel der politischen Polizei. Er gehörte
im Aufstand vom Januar 1919 zur Besatzung der Büxensteindruckerei
und hatte auch ein Auto beschlagnahmt. Nach dem Sturz der
Räterepublik war er in München tätig und gab sich dort als flüchtiger,
unterstützungsbedürftiger Kommunist aus. (Dritter und vierter
Verhandlungstag.) Er wurde erkannt und nach Berlin gelockt. Dort wurde
er in einer Kommunistenversammlung am 1. August 1919 als Spitzel
festgestellt; wollte jedoch einen Gegenbeweis antreten. Er übernachtete
mit _Hoppe_ bei einem gewissen Pohl. Dort erschien dann nach Angabe
Hoppes ein nicht ermittelter Polizeiagent und bot Hoppe Gift an, um Blau
umzubringen. (Dritter Verhandlungstag.) Am nächsten Tag übernachteten
Blau und Hoppe in der Wohnung _Winklers_. Dort erschienen nach Angabe
Hoppes drei Leute, darunter wahrscheinlich der Polizeiagent Schreiber,
boten ihm dieselbe Flasche Morphium an und forderten, man müsse mit Blau
Schluß machen. Daraufhin habe er die Wohnung verlassen, sei jedoch
zurückgekehrt. Unterdessen sei Blau ermordet worden. Die Leiche wurde
dann in den Kanal geworfen. Dort wurde sie am 7. August gefesselt
gefunden.

 Am 24. Juni 1920 begann der Prozeß. _Fichtmann_ und Hoppe waren wegen
Mordes, Winkler wegen Beihilfe angeklagt. Fichtmann trat einen
Alibibeweis an. Der Hauptbelastungszeuge Toifl sagte aus, es gebe eine
organisierte Terroristengruppe. Doch mußte er sich sagen lassen, er sei
der Anführer bei einem Raubüberfall auf den Diamantenhändler Orlowski
gewesen und habe hierzu Waffen von der Reichswehr besorgt. Seine
Behörde habe ihm sogar am Schluß noch gestattet, das geraubte Geld zu
behalten. Ueber alle diese Dinge befragt, verweigerte er die Auskunft.
Er gab zu, versucht zu haben, eine militärpolitische Abteilung
der Kommunistischen Partei zu gründen und Befehle zu Ueberfällen auf
Druckereien weitergegeben zu haben. (Sechster und siebenter
Verhandlungstag.) Nach Aussage des Wachtmeisters Henke hatte die
Garde-Kavallerie-Schützendivision allein 110 Spitzel. (Dritter
Verhandlungstag.)

Am 5. Juli wurde Fichtmann freigesprochen. Hoppe bekam wegen Beihilfe
zum Totschlag unter Ablehnung mildernder Umstände 6 Jahre Zuchthaus,
Winkler wegen Beihilfe 3 Jahre Gefängnis. Gegen die stark belasteten
Polizeispitzel Schreiber und Toifl wurde kein Verfahren eingeleitet.
(Eingehende Prozeßberichte in allen Berliner Zeitungen.)




DIE ERMORDUNGEN BEIM KAPP-PUTSCH


Stadtverordneter Futran

Als Kapp am 13. März 1920 Berlin eroberte, konnte, wie bekannt, Noske in
ganz Berlin keinen regierungstreuen Soldaten finden. Alle Regimenter,
die gesamte Sicherheitswehr und die Einwohnerwehr gingen über. So
schrieb die Zentrale der Einwohnerwehren in einem Flugblatt von der
»neuen Regierung der Arbeit«. Zur Abwehr organisierten sich die
Arbeiter. Als Kapp entfloh, geschah dies unter der Flagge, die beiden
Regierungen hätten sich geeinigt. Die Verhältnisse lagen völlig wirr und
man wußte von den Truppen nicht, ob sie wieder zur Regierung Ebert-Bauer
oder noch zur Gegenregierung Kapp-Lüttwitz hielten.

In Köpenick hatten sich die Arbeiter und auch Teile der Bürgerschaft
unter Führung von _Futran_ aus den dort liegenden Beständen bewaffnet.
Innerhalb der Stadt blieb alles ruhig. Die sogenannte Rote Garde machte
nämlich hauptsächlich Sicherheitsdienst zusammen mit der Polizei,
bewachte die städtischen Lebensmittelvorräte usw. Das Potsdamer
Jägerregiment, Btl. Nr. 3, rückte an. Auch politisch rechtsstehende
Leute, wie der Bürgermeister Behnke (vgl. seine Aussage vor dem
Standgericht), waren sich über den Charakter der anrückenden Truppen
durchaus im unklaren, da sie noch das Zeichen der Regierung Kapp, das
Hakenkreuz, am Helm trugen. Es kam zu einem Kampf, wobei Gefangene
gemacht wurden. Als durch telephonische Anfrage in Berlin festgestellt
wurde, daß die Truppen wieder zur Regierung Ebert hielten, gab Futran
selbst Befehl, die Waffen niederzulegen. Eine Zeitfreiwilligen-Eskadron
zog am 21. kampflos ein, erklärte den verschärften Belagerungszustand
und errichtete ein Standgericht. Futran, der sich so unschuldig fühlte,
daß er sogar aufs Rathaus ging, wurde am gleichen Tag wegen der Delikte,
die er vor Verkündung des Belagerungszustandes begangen haben sollte,
zum Tode verurteilt. Im Protokoll, das in meinem Besitz ist, heißt es:

»Gründe: Durch Zeugen und teilweise eigenes Geständnis des Angeklagten
ist einwandfrei erwiesen, daß er das Haupt des kommunistischen
Aufstandes gewesen ist, daß er eine Rote Armee organisierte und zu
bewaffnetem Widerstande gegen die anrückenden Regierungstruppen
aufgefordert habe. Ferner hat er die gefangenen Offiziere mit dem Tode
durch Erschießen bedroht, sowie die verwundeten Gefangenen als
Schwerverbrecher behandeln lassen. Das Urteil wurde sofort durch eine
Gruppe der 4. Schwadron unter Führung des Leutnants _Kubich_ im Hofe
der Bötzowbrauerei, Grünauer Straße, vollstreckt. Das Standgericht der
4. freiw. Eskadron v. Bebell, Kapitänleutnant; Hedal, Unteroffizier;
Jacks, Freiwilliger; Kubich, Leutnant.«

Zur selben Zeit wie Futran wurden »standrechtlich erschossen« der
Arbeiter W. _Dürre_ auf Grund einer Denunziation, bei ihm seien Waffen
versteckt, obwohl zweimalige Haussuchung das Gegenteil bewies; ferner
der Arbeiter Fritz _Kegel_. Es war den Angehörigen Dürres und Kegels
trotz aller Bemühungen bis heute unmöglich, eine Urteilsbegründung zu
erfahren. (Zeugenaussagen sind in meinem Besitz.) Ferner wurde der
Arbeiter Karl _Gratzke_ und der 17 jährige, etwas beschränkte Karl
_Wienecke_ ohne irgend welches Verfahren auf der Stelle erschossen, weil
sie Waffen versteckt hatten.

Die Truppen verließen die Stadt am gleichen Tage; am nächsten wurden die
Standgerichte aufgehoben. Alle Versuche, eine Sühne dieser Taten zu
erlangen, sind gescheitert.


Zehn Offiziere gegen einen Geisteskranken

Der geisteskranke Lokomotivführer _Weigelt_ aus der Alvenslebener Straße
11, ein streng patriotischer Mann, versuchte am 24. März 1920 in die
Kadettenanstalt Lichterfelde einzudringen, wo eine hauptsächlich aus
Offizieren bestehende Freiwilligenabteilung lag, angeblich um sich »für
den Schützengraben zu melden.« Er wurde vom Torposten festgenommen, in
der Wachstube mit einem von ihm mitgebrachten Gummiknüppel so
geschlagen, daß er am Kopf blutete, die Treppe heraufgeschleppt, so daß
am andern Tag noch dort Blut lag und in das Zimmer des Leutnant _Schütz_
(Regierungsbaumeister) gebracht. Dort waren 10 Offiziere, über die er
angeblich herfiel. Obwohl er schrie: »Meine Herren Offiziere, lassen Sie
mich doch laufen, ich bin doch krank«, wurde er durch einen Schuß des
Leutnant _Jansen_ und 3 Schüsse des Leutnant _Schütz_ getötet. Die
Schüsse gingen von oben durch die Schädeldecke, so daß anzunehmen ist,
daß er am Boden lag. Schütz kam im Juli 1920 vor das Gericht der
Zeitfreiwilligenabteilung, nach Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit am
24. Februar 1921 vor das Landgericht II (Landgerichtsdirektor Steltzer,
Staatsanwaltschaftsrat Dr. Ortmann). Schütz wurde freigesprochen, da er
angab in Notwehr gehandelt zu haben. (Prozeßbericht in allen Berliner
Zeitungen.)


Beschießung einer offenen Stadt

In Mecklenburg hatte General v. Lettow-Vorbeck den Kapp-Putsch
organisiert und die verfassungsmäßige Regierung verhaftet. Zur Abwehr
waren die Arbeiter in den Generalstreik getreten.

Am 14. März beschloß eine Volksversammlung in Waren den Generalstreik
zur Abwehr des Kapp-Putsches. Der »Führer des Reichswehrkommandos Boek«,
Leutnant Peter v. Lefort, und der »Beauftragte der Reichswehrbrigade
für Waren«, Rittmeister Stefan _v. Lefort_, verlangten am 17. sofortige
Ablieferung aller Waffen und Wiederaufnahme der Arbeit und drohten mit
Todesstrafen. Das Ministerium in Schwerin und General von Lettow-Vorbeck
erklärten auf Anfrage aus Waren, daß die genannten Dienststellen nicht
existieren und daß kein diesbezüglicher Auftrag gegeben sei. Am nächsten
Tage drohten die Leforts, »bei Nichterfüllung des Brigadebefehls Waren
nach Artillerievorbereitung mit stürmender Hand zu nehmen.« Als Frist
setzten sie 11 Uhr 43 Min. fest. Als ihnen eine Deputation entgegenfuhr,
verlangten sie bedingungslose Uebergabe der Stadt und 30 Geiseln. Darauf
feuerten sie 5 Granatschüsse auf die Stadt ab. Der Sachschaden war
bedeutend, mehrere Einwohner wurden verletzt, der Arbeiter _Dunn_ und
der Friseur _Schliecker_ getötet; der Schuhmachermeister _Berg_, der
Kürschner _Gerber_ und Fräulein _Köhler_ starben an den Verletzungen.
Stefan v. Lefort wurde durch Beschluß des Landgerichts Güstrow vom 20.
V. 21 außer Verfolgung gesetzt. Der andere ist flüchtig und lebt zur
Zeit in Oesterreich. Sie behaupten, »in Notwehr« gehandelt zu haben.
(Vgl. Aktenmäßige Darstellung der Arbeiten der Stadtverwaltung von Waren
vom 14. bis 22. März 1920.)


Erschießung auf Grund von Kappgesetzen

Bei dem Tagelöhner Wilhelm _Wittke_ in Niendorf bei Wismar fand am 17.
März 1920, morgens, eine Versammlung statt, bei der die streikenden
Arbeiter beschlossen, wegen einer Lohndifferenz bei dem Gutsbesitzer
Gesandten a. D. Baron _Brandenstein_ vorzusprechen. Auch über den
Kapp-Putsch wurde gesprochen. Baron Brandenstein ließ aus Schwerin
Militär (Freikorps Roßbach, Reichswehrbrigade, Kommando 9) kommen.
Darauf wurde nachts bei Wittke eine Haussuchung gehalten und Wittke vor
das Haus des Barons Brandenstein geschleppt. Ein Soldat sagte dabei zu
Frau Wittke: »Nehmen Sie man gleich Abschied, in einer Stunde ist der
Kerl eine Leiche!« Gleichzeitig wurden auch die Arbeiter Johann
_Steinfurt_, Fritz Möller und Adolf Möller dorthin gebracht. Baron
Brandenstein trat aus dem Schloß, deutete auf Steinfurt und Wittke und
sagte: »Das sind die Richtigen.« Daraufhin wurden die beiden von den
Truppen Kapps vor ein angebliches Standgericht gestellt und zum Tode
verurteilt. Noch in der Nacht wurden sie erschossen.

Die Staatsanwaltschaft in Schwerin hat das später wegen dieser Sache
eingeleitete Verfahren eingestellt. (Die Aussagen des Fritz und Adolf
Möller und der Frau Wittke sind in meinem Besitz. Baron Brandenstein,
dem ich das Manuskript eingesandt habe, hat in einem Briefe den hier
vorgebrachten Behauptungen nicht widersprochen, jedoch hinzugefügt, die
Verurteilung sei »auf Grund der erlassenen Gesetze erfolgt«. Er
persönlich habe sich gegen das Todesurteil ausgesprochen. In einem
zweiten Brief behauptete er aber, der Name des verantwortlichen
Offiziers sei ihm nicht bekannt.)


Der Gutsbesitzer Herr über Leben und Tod

Am 18. März 1920 leitete der Arbeiter F. _Slomski_ aus Karow in einer
Wirtschaft in Hof Mecklenburg eine Versammlung streikender Arbeiter. Es
erschienen Autos mit mehreren Offizieren und zirka 60 Mann des Freikorps
Roßbach. Alle Leute mußten antreten. Darauf kam der Rittergutsbesitzer
_Bachmann_, bei dem Slomski arbeitete, und suchte sich die Leute aus.
Slomski wurde verhaftet und von den Soldaten schrecklich mißhandelt.
Unterdessen verhandelten Bachmann und ein Offizier und bildeten ein
angebliches Standgericht. Slomski wurde von acht Mann und zwei Chargen
an seiner Wohnung vorbeigeführt, wo seine Frau und Kinder standen und
schrecklich schrien. Kurz hinter dem Dorfe wurde er um 1/2-12 Uhr
erschossen. Die Leiche wurde der Witwe ins Haus gebracht. Die
Staatsanwaltschaft hat ein gegen Bachmann eingeleitetes Verfahren am 7.
10. 20 eingestellt, »da der Tatbestand einer vorsätzlichen, bewußt
rechtswidrigen Handlung ausgeschlossen.«

(Die Aussagen der Zeugen Karl Ritentiedt zu Karow, Friedrich Mündt, Hof
Mecklenburg, Wilhelm Schwarz, Hof Mecklenburg, Joachim Bliemeister, Hof
Mecklenburg, Wilhelm Druwe zu Hohen-Viecheln, Carl Hopp zu Petersdorf,
Ernst Bohnhoft zu Rosenthal sind in meinem Besitz.)


Taten der Demminer Ulanen

In Gnoien zogen am 18. März 1920 die Demminer Ulanen unter dem
Rittmeister _Obernitz_ ein, weil die Arbeiter dort die Herrschaft Kapps
nicht anerkannten. Der Maurer _Gräbler_, Vorsitzender der dortigen
U.S.P., wurde morgens früh aus dem Bett geholt und trotz allen Bittens
seiner Frau und seiner sechs Kinder auf Befehl eines Offiziers ohne
Verhör, 100 Meter von seinem eigenen Haus entfernt, auf offener Straße
erschossen. Die Truppen verhafteten dann 96 Arbeiter und brachten sie
nach Demmin. Dabei wurde der 63 jährige _Puffpoff_ derartig mißhandelt,
daß er zusammenbrach und nach kurzer Zeit starb. Kurz vor Demmin
schossen dort aufgestellte Soldaten in den Gefangenentrupp hinein,
töteten vier und verletzten sehr viele. (»Das freie Wort«, 4. April
1920, und persönliche Mitteilung des Redakteurs Kühn auf Grund der
Verhandlungen im Mecklenburgischen Ministerium.) Das
Ermittlungsverfahren wegen Gräbler schwebt beim Landgericht Rostock seit
Juni 1920; das Verfahren wegen der Gefangenenerschießung beim
Oberstaatsanwalt in Greifswald.

Am 19. März 1920 rückte die Reichswehr aus Demmin, unter Führung des
Leutnants _Meinecke_, Bataillon »Jarmen« in Stavenhagen ein, wo alles
ruhig war. Sie gaben Befehl: »Straße frei!« und als dies nicht sogleich
erfolgen konnte, schossen sie in die Menge. Um zu vermitteln, ging der
60 jährige Stadtrat _Seidel_ mit erhobenen Händen auf die Straße und
wurde nach wenigen Worten sofort erschossen. Das Verfahren gegen
Meinecke wurde eingestellt, »da er in Notwehr gehandelt habe.« (»Das
freie Wort«, Schwerin, 24.3.1920.)


Hermann Litzendorf

Am 19. März 1920 wurde der Arbeiter Hermann _Litzendorf_ aus Bahrendorf
auf der Landstraße bei Grevesmühlen auf Befehl des Rittergutsbesitzers
Dr. Simon auf Schmachthagen festgenommen, in einen Keller des Gutes
eingesperrt und am andern Morgen, als er zu fliehen versuchte,
erschossen. Dr. Simon zahlte dem Vater des Litzendorf 5000 Mark als
Entschädigung aus.

Nach Angabe der Zeugen Friedrich Siggelkow und Julius Waschull ist Otto
Bobsien der Täter.

Die Staatsanwaltschaft beim Mecklenburg-Schwerinschen Landgericht
stellte das Verfahren gegen Jürgen _Bade_, Felix _Wimarn_, Josef
_Bender_, Otto _Bobsien_ am 29. Oktober 1920 ein. In der Begründung
heißt es: »Es ist mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Tod
des Litzendorf durch den von _Bender_ abgegebenen Schuß herbeigeführt
worden ist. Doch hat er sich zu der Tötung für berechtigt gehalten und
es konnte ihm nicht vorgeworfen werden, daß er bei genügender
Ueberlegung die Unrichtigkeit dieser Annahme hätte erkennen müssen.«


Die Erschießung in der Sandgrube

Der Arbeiter Paul _Jahnke_ in Hungersdorf, Funktionär des
Landarbeiterverbandes, wurde am 20. März von 10 Zeitfreiwilligen unter
Führung des früheren Leutnants _Thormann_ auf Grund der Angabe seines
Gutsherrn, _v. Puttkammer_, verhaftet. Eine Durchsuchung seiner Wohnung
gab nichts Belastendes. Bei der Patrouille waren Leutnant Franz
_Harlinghausen_, Kurt _Wegner_ und Johannes _Dickmann_. Herr v.
Puttkammer bat wiederholt, dafür zu sorgen, daß Jahnke nicht
wiederkomme, was Harlinghausen versprach. Jahnke wurde abtransportiert
und in eine Sandgrube geführt. Darauf erschoß ihn Harlinghausen mit zwei
Schüssen aus unmittelbarer Nähe während Wegner und Dickmann nach ihren
eigenen Angaben (im Prozeß) zusahen. Im Einverständnis mit dem Mörder
meldete Thormann dann einen Fluchtversuch. Doch wurde durch andere
Zeugen, besonders durch den Kutscher, der Vorgang ermittelt.
Harlinghausen ging, als ein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde, ins
Ausland. Thormann, der Führer der Patrouille, Wegner und Dickmann, die
zugaben, gewußt zu haben, daß Jahnke erschossen werden sollte, wurden am
8. Dezember 1920 freigesprochen, v. Puttkammer wurde nur als Zeuge
vernommen. (»Das freie Wort«, Schwerin, 9. Dezember 1920; »Vorwärts«,
11. Dezember 1920.) Herr v. Puttkammer gab vor Gericht an, daß er eine
Gehirnerschütterung erlitten habe und daß seine Worte daher nicht ernst
genommen werden könnten. Das Verfahren gegen Harlinghausen, der
vollständig geständig war, wurde auf Grund der Amnestie im März 1922
eingestellt. (»Freiheit«, 21. März 22.)


Morde in Breslau

Am 13. März 1920 wurde in Breslau der Redakteur der »Schlesischen
Arbeiterzeitung«, Bernhard _Schottländer_, Mitglied der U.S.P.D., von
Soldaten des Freikorps Aulock zusammen mit über 30 anderen Personen
verhaftet. Die Verhafteten wurden zunächst im Generalkommando mit Wissen
der Offiziere gefoltert. »In der Nacht des 16. wurde er aus dem
Gefängnis Kletschkaustr. von drei Soldaten zu einer Vernehmung nach dem
Generalkommando abgeholt. Die Soldaten zeigten einen vom
Militärbefehlshaber unterzeichneten Auslieferungsbefehl vor. Seitdem ist
Schottländer spurlos verschwunden. Das Generalkommando und die
zuständige Kommandantur wissen von nichts. Der Befehl soll gefälscht
sein.« (Aufruf des Breslauer Polizeipräsidenten, März 1920.) Bei Oswitz
hat die Oder seine Leiche ans Land gespült. (Vgl. Aulock-Prozeß, März
1921.) Der »Münchener Volkswille«, 5. Jan. 1921, meldete, die Ermordung
sei auf Befehl des Oberleutnants _Schmitz_, z. Z.
Linienschiffsstamm-Division Ostsee in Pillau, erfolgt. Dagegen ist nach
der Meinung des Staatsanwalts (»Voss. Ztg.«, 16. Januar 1921) die
Ermordung durch zwei Offiziere und zwei Soldaten, die alle vier bisher
unauffindbar waren, erfolgt.

Der Maschinenschlosser Alfred _Schramm_, Siebenhufnerstr. 72, der
Bankbeamte Karl _Boronow_, Gräbschenerstr. 3, der Kohlenarbeiter
Heinrich _Romane_, Gräbschenerstr. 77 und der Redakteur _Demmig_ wurden
in der Nacht zum 14. März durch Soldaten der Regierung Kapp unter
Führung von Offizieren verhaftet. Seither sind sie spurlos verschwunden.
Der Führer der Patrouille, die Boronow verhaftete, war Leutnant
_Kaufmann_ von der zweiten Marinebrigade. Der Schlosser Max _Hoffmann_
wurde am 15. März wegen Verteilung sozialdemokratischer Flugblätter, der
Eisenbahnschlosser Wilhelm _Böhm_, Herdainstr. 38, am 16. März als
Streikposten, der Koch Heinz _Herkenrat_ vom Hotel Riegner am 19. März
auf Grund einer Denunziation einer Frau Neumann aus Skarsine durch
Soldaten der Regierung Kapp verhaftet und »auf der Flucht« erschossen.
Der Führer der Patrouille, die Herkenrat verhaftete, war Oberleutnant
_Müller_. Herkenrats Leiche wurde ausgeplündert. (»Breslauer
Volkswacht«, vom 31., 24., 22., 19. März 1920.)

Eine Bestrafung der Täter ist in keinem Fall erfolgt, im Gegenteil: Das
Reichsgericht hat die über die Soldaten Walter, Biskup und Brefka wegen
der Folterungen gefällten Urteile auf Grund der politischen Amnestie
aufgehoben (18. Juni 1921). Sie wurden dann als Hilfsaufseher im
Gefängnis Schweidnitz angestellt. (Preuß. Landtag, 14. Sept. 1921.)


Die 14 Arbeiter von Bad Thal

Beim Kapp-Putsch erklärte sich der Kommandeur der Reichswehrbrigade 15,
Generalmajor Hagenberg, für Kapp. Die Regierung von Gotha jedoch hielt
zur Verfassung, wurde für abgesetzt erklärt und zum Teil im Namen des
Reichskanzlers Kapp verhaftet. Freiherr v. Schenk, Bezirksbefehlshaber
von Marburg, weigerte sich, am 14. März eine Erklärung zu geben, ob er
zu Ebert oder zu Kapp halte, und erklärte, nur den Befehlen, die aus
Kassel kämen, zu gehorchen. In Kassel aber war General von Schöler, der
zu Lüttwitz hielt. Am 19. März forderte v. Schenk zur Bildung einer
Studentenwehr auf. Am 20. März 1920 rückte das hauptsächlich aus
Korporationsstudenten zusammengesetzte Zeitfreiwilligen-Bataillon unter
Führung des Fregattenkapitäns v. Selchow von Marburg nach Thüringen aus,
um dort »Ruhe und Ordnung« wiederherzustellen. (»Berl. Tageblatt«, 20.
Juni 1920.) Die Studenten zogen mit Musik, mit Fahnen und Bändern
geschmückt, aus. Der Rektor beschwor den Geist von 1914. Es kamen
nämlich von den militärischen Dienststellen alle möglichen
Schauermeldungen über das »in vollem Aufruhr befindliche Thüringen«,
über die »Machtzentren der aufrührerischen Bewegung« in dem friedlichen
Ruhla, über die »heftigen Kämpfe um Gotha, Erfurt, Eisenach«, über
»Artillerie, Minenwerfer und zahlreiche Maschinengewehre«. (Broschüre
des Feldwebels Schaumlöffel: »Das Studentenkorps Marburg in Thüringen«.)
Trotzdem muß Schaumlöffel zugeben, daß das Bataillon am Tage darauf »vom
Gegner unbehelligt in Eisenach einzog«, und vier Tage darauf zieht das
Bataillon ebenso »unbehelligt«, ohne ein einziges Mal ins Gefecht
gekommen zu sein, natürlich auch ohne einen einzigen Toten, Verwundeten
oder Vermißten, in Gotha ein. (S. 66.)

Auch in Bad Thal war alles ruhig. (Angabe des Schultheißen und des
Wachtmeisters Heß im Prozeß.) An Hand einer Liste, die auf Grund völlig
beweisloser Denunziationen zusammengestellt war, wurden 15 Arbeiter
festgenommen. Fünf davon waren Mitglieder der Demokratischen Partei
(Obuch im Landtag, 24. Nov. 1920). Am 25. März, morgens 7 Uhr, trat das
Bataillon den Vormarsch auf Gotha an. Die verhafteten »Spartakisten«
(natürlich sämtlich unbewaffnet), von einer Anzahl Studenten bewacht,
beschlossen, in 500 m Abstand von der Truppe, den Zug. Noch vor 8 Uhr
morgens wurden sie alle 15 in der Nähe Mechterstedts von den Studenten
teils auf der Straße, teils unmittelbar am Rand der Straße erschossen.
Die Leichen blieben ganz einfach liegen, der Zug ging _singend_ weiter.
Angeblich hatten die Leute einen Fluchtversuch unternommen. Fast alle
lagen nebeneinander. Alle mit fürchterlich zerschmettertem Kopf, also
aus nächster Nähe erschossen. Die meisten Verletzungen waren derartig,
daß der Sachverständige, Dr. Jänicke, im Prozeß aussagte, die Schädel
seien total zertrümmert, so daß Feststellungen, von wo die Schüsse
gekommen seien, nicht möglich waren. Bei zweien sei mit Sicherheit
festzustellen, daß sie von vorne gekommen seien (Herzschuß), andere
seien von hinten erfolgt. Einer geht von oben nach unten. (Vierter
Verhandlungstag.)

Die Namen der Getöteten waren: _Hornschuh_, _Hartmann_, _Döll_, _Patz_,
drei Brüder _Füldner_, zwei Brüder _Soldan_, _Wedel_, _Rössiger_, zwei
Brüder _Schröder_ und _Rosenstock_, alle Bürger aus Thal. Am 19. Juni
wurde der stud. jur. Heinrich _Goebel_ aus Spangenberg, Leutnant a. D.,
als Hauptangeklagter, ferner die Studenten cand. med. Heinrich
_Engelbrecht_ aus Cassel, stud. med. Frank _Jahn_ aus Eberswalde, cand.
jur. Hermann _Kraus_ aus Herne, Paul _Herhaber_ aus Duisburg, stud. med.
Heinz _Schüler_ aus Cassel, cand. med. Ernst _Nebelmann_ aus Mühlheim a.
d. Ruhr, cand. med. Kurt _Blum_ aus Gelnhausen, stud. dent. Julius
_Völker_ aus Oberkirchen, Alfred _Voß_ aus Utsen, stud. med. Lorenz
_Lange_, zum großen Teile ehemalige Offiziere, vom Kriegsgericht, d. h.
von ihren eigenen Kameraden, freigesprochen. Einen Beweis für den
Fluchtversuch konnten sie nicht erbringen. Das Verfahren wurde dann vom
Schwurgericht wieder aufgenommen. Der Staatsanwalt hielt eine Rede, die
die Studenten entlastete. Belastungszeugen, wie der Leutnant Duderstadt,
wurden nicht vernommen. Die Studenten wurden von der Anklage des
Totschlags und Mißbrauchs der Waffe freigesprochen. Da der Staatsanwalt
auf Revision verzichtete, wurde das Urteil am 27. Dez. 1920
rechtskräftig. (»Deutsche Tageszeitung«, 29. Dez. 1920; Duderstadt: »Der
Schrei nach dem Recht«.)

Das Verfahren gegen Goebel, Jonas und Gördt wegen Mißhandlung war auf
Grund der Amnestie am 21. Februar 1921 eingestellt worden. Am 13.
Februar 1922 verwarf das Reichsgericht die vom Staatsanwalt dagegen
eingelegte Revision. (W. T. B.)


Tierarzt Neubert

In der Stadt Sömmerda waren die Arbeiter wegen des Kappputsches in den
Generalstreik getreten, hatten die Einwohnerwehr entwaffnet und einige
der Führer festgesetzt. Am 24. März 1920 rückte die Reichswehr an und
beschoß die Stadt. Die Streikleitung schickte den Tierarzt _Neubert_ zu
den Truppen, um zu verhandeln.

Fest steht, daß Neubert von der Truppe vor der Stadt Sömmerda
festgenommen wurde, als er als Parlamentär zum Kommandeur sich begeben
hatte. Später wurde er in die Stadt geführt und dort im Rathauskeller
untergebracht. Nach einiger Zeit wurde er auf Befehl des
Truppenkommandeurs von Reichswehrsoldaten wieder vor die Stadt gebracht.
Dieser Befehl wurde vom Kommandeur deshalb erteilt, weil Neubert in der
Stadt vor der Wut der gegen ihn äußerst aufgebrachten Bevölkerung nicht
sicher genug untergebracht war. Vor der Stadt lief Neubert weg, und es
wurde hinter ihm hergeschossen. Schließlich wurde er von einem Soldaten
auf kurze Entfernung getroffen, der dann noch mit dem Gewehrkolben auf
ihn einschlug und einen zweiten Schuß auf ihn abgab. (Brief des
Oberstaatsanwaltes in Erfurt N 6 I 1195/20 vom 20. August 1920, auf die
Anzeige der Frau Neubert.)

Wegen der Erschießung des Neubert schwebte ein Verfahren beim Gericht
der Reichswehrbrigade 11. Infolge der Aufhebung der
Militärgerichtsbarkeit wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft
Erfurt übernommen. Am 9. Oktober 1920 stellte der Oberstaatsanwalt in
Erfurt den Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung gegen vier
Angehörige des Reichswehr-Inftr.-Reg. 21. Das Verfahren schwebt noch.
(Aktenabschrift in meinem Besitz.)


Morde im Ruhrgebiet

»Ich will Ihnen mitteilen, daß auch noch in den letzten 14 Tagen eine
Anzahl Personen erschossen worden sind, ohne daß man ein Gerichtsurteil
abgewartet hätte. So ist mir mitgeteilt worden, daß in Essen zwei
Personen, in Heißen sechs Personen ohne Urteil erschossen wurden.«
(Steinbrink, Preuß. Landtag, 29. April 1920.)

Darauf antwortete der Minister des Innern, Severing:

»Es ist richtig, daß in Mühlheim, Duisburg, Essen und in anderen Orten
willkürliche Erschießungen durch Soldaten vorgekommen sind« ... »Die
Erschießungen von denen der Herr Abgeordnete Steinbrink gesprochen hat,
waren nicht Vollstreckungen von Todesurteilen, gefällt von
Standgerichten oder außerordentlichen Kriegsgerichten, sondern rein
willkürliche Erschießungen; irgendeine Truppe, die dazu keinen Auftrag
hatte, hat sich Leute herausgeholt, die im Geruch des Bolschewismus oder
Spartakismus standen, und derartige Leute sind ohne Federlesen in einer
ganzen Reihe von Städten erschossen worden. Das ist amtliches Material,
das mir von den von mir eingesetzten Zivilkommissaren beweiskräftig
zugetragen worden ist.«

Der Bergmann Jos. _Soyka_ aus Bottrop, Trewsstr. 77, hat in der
Sicherheitswehr bis zum 31. März Dienst getan und dann seine Waffen
abgegeben. An Kämpfen hatte er nicht teilgenommen. Am 3. April morgens
wurde er von 4 Leuten der Marinebrigade Löwenfeld aus seinem Haus
herausgeholt. Nach einer Anfrage bei seinem Vorgesetzten ließ ihn
Kapitänleutnant _Meyerhofer_ aus Kiel ohne Untersuchung erschießen. Ein
Verfahren ist nicht eingeleitet. Ein Zivilprozeß gegen den Militärfiskus
schwebt unter 5. O. 305/21 beim Landgericht Essen.

Der Bergarbeiter Paul _Graf_ und der Knappschaftsälteste Paul _Langer_,
beide aus Duisburg-Beeck, wurden in der Nacht vom 4. auf 5. April 1920
von den Sipo-Wachtmeistern _Mehl_ und _Friedrich_ und einem dritten
Unbekannten ohne Haftbefehl aus ihren Wohnungen geholt und »auf der
Flucht« erschossen. Gegen beide lag nicht das geringste vor. Nach der
ärztlichen Obduktion wiesen beide Verletzungen an Stirn und Brust auf.
Das Verfahren gegen die Täter schwebt.

_Rogowski_ aus Essen wurde beim Einrücken der Reichswehr am 6. April
1920 auf Grund einer Denunziation verhaftet und im Essener Rathause nach
einem kurzen Verhör »zum Tode verurteilt« und auf Befehl des
Gerichtsoffiziers Leutnant _Linsemeier_ durch den Feldwebel _Block_
erschossen. Der hinzugerufene Oberst v. Baumbach, der die grundlose
Erschießung nicht mehr verhindern konnte, hat der Familie sein Beileid
ausgesprochen und sie pekuniär unterstützt. Gegen Block und Linsemeier
ist ein Verfahren wegen Mord eingeleitet. Block ist in Haft.

Joh. _Schürmann_ aus Essen, Holsterhauser Straße 1, und Engelbert _Kläs_
aus Essen, Holsterhauser Straße 101, wurden am 6. April 1920 von
Mannschaften der 3. Marinebrigade ohne jeden Grund verhaftet,
mißhandelt, nach Mühlheim überführt, dort von Leutnant _Sinnesheimer_
»zum Tode verurteilt«, und mit Kolben erschlagen. Der
Reichsmilitärfiskus wurde zum Schadenersatz verurteilt. (Aktenzeichen 8.
0. 611/20 des Landgerichts Essen, 3 U. 177/21 Oberlandesgericht Hamm.)
Gegen die Täter ist nichts veranlaßt.

Der Bergmann Friedrich _Lichtenauer_ in Essen-Borbeck, Ardelhütte 68 und
Hermann _Riesner_ in Essen, Kesselstr. 56, hatten, auf Veranlassung des
Bürgermeisters Basel in Essen und mit Wissen der Reichswehr nach der
Auflösung der Roten Armee zwecks Verhütung von Plünderungen bis zum
Einzug der Reichswehr, versehen mit einer weißen Armbinde und einem
Ausweis, gestempelt von der Stadt Essen, Sicherheitsdienst getan. Die
Reichswehr war davon benachrichtigt. Der Leutnant einer Patrouille,
Wilhelm _Goeke_ aus Schwelm, Kölnerstr. 78, ließ beim Einrücken am 6.
April 1920 beide erschießen. Angeblich wurde Lichtenauer auf der Flucht,
Reißner in Notwehr erschossen. Der Militärfiskus wurde in erster Instanz
zum Schadenersatz verurteilt. (3 U. 300/21 Oberlandesgericht Hamm.) Ein
Verfahren gegen Goeke ist eingestellt worden.

Hermann _Witschel_ aus Essen und ein gewisser _Rösner_, Mitglieder der
christlichen Gewerkschaften, waren als Freiwillige am 7. April 1920 in
die Reichswehr (Korps Lützow, Abt. des Hauptmann _Schmidt_) eingetreten.
Zwei Tage darauf wurden sie als angebliche Spartakisten von ihren
Kameraden mit Kolben totgeschlagen, ausgeraubt und heimlich verscharrt.
Ein Zivilprozeß schwebt unter 8. 0. 559/20 beim Landgericht Essen.

Der Straßenbahner Friedrich _Siek_ aus Altenessen, Böhmerheide 122,
wurde am 8. April 1920, morgens 1/2-4 Uhr von einem Wachtmeister und 2
Mann der Sipo ohne Haftbefehl verhaftet und 2 Minuten vom Hause entfernt
»auf der Flucht erschossen«. Gegen Siek lag nicht das geringste vor. Das
Verfahren gegen die beiden Täter ist eingestellt. (4. 0. 425/20
Landgericht Essen.)

Der Straßenbahner Max _Maurer_, Essen, Rankestr. 26, hatte am 17. April
einen Heuwagen der Reichswehrtruppen versehentlich angefahren, wobei ein
Feldwebel der Marinebrigade _Löwenfeld_ unerheblich verletzt wurde. In
der folgenden Nacht wurde er von 20 Angehörigen der Marinebrigade
Löwenfeld, die in einem Lastauto von Bottrop kamen, verhaftet und »auf
der Flucht erschossen«. Gegen die Täter _Gaul_, _Grupat_ und _Fuchs_ ist
nichts veranlaßt. (Aktenzeichen 3 U. 343/21 Oberlandesgericht Hamm;
vergl. auch Seite 116.)

Der Schlosser _Borucki_ aus Bottrop, Weckelstr. 21, wurde in der Nacht
vom 24. zum 25. April 1920 von Angehörigen der Marinebrigade Löwenfeld
unter der Führung des Sergeanten _Adler_ verhaftet, ins Amtsgericht
Bottrop gebracht, dort mißhandelt, aus seiner Zelle herausgeholt und in
einem angrenzenden Gerstenfeld trotz seines Flehens erschossen. Der
Reichsmilitärfiskus wurde zum Schadenersatz verurteilt. (Aktenzeichen 8.
0. 664/20 des Landgerichts Essen.) Gegen die Täter ist nichts veranlaßt.

Die Bergleute Rich. _Peledun_ (Vertrauensmann der U.S.P.D.) und Jos.
_Mainka_ aus Bottrop (Tägtisbeckstr. 15, bzw. Westringstraße 33) wurden
am 17. Mai von den Heereskriminalbeamten der Marinebrigade Löwenfeld,
_Grimm_ und _Eversberg_ in Bottrop auf Grund eines militärischen
Haftbefehls vom April 1920 verhaftet. Die Marinebrigade Löwenfeld war
damals längst von Bottrop abgerückt. Der Haftbefehl, für den der
Militärbefehlshaber überhaupt nicht zuständig war, hätte daher
mindestens von der Polizeibehörde vollstreckt werden müssen. Gegen beide
lag nichts vor. Sie wurden mit der Bahn bis Paderborn transportiert und
dann nachts um 1/2-12 Uhr in einem Wald »auf der Flucht« erschossen, die
Leichen beraubt. Ein Verfahren gegen die Täter ist nicht erfolgt.

Kapitän von Löwenfeld, der Führer der nach ihm benannten Marinebrigade
wurde später Kommandant eines neuerbauten kleinen Kreuzers. (Anfrage im
Reichstage, 17. Juni 1922.) Die Regierung antwortete darauf, Löwenfeld
sei für die Vorkommnisse nicht verantwortlich. (Reichstag, 30. Juni 22.)

Am 1. April 1920 rückte die Reichswehr in Haltern ein. Aus Angst vor den
Schüssen flüchteten 14 Kanalarbeiter mit ihren Werkzeugen in den Keller
des Kolonialwarenhändlers _Meis_. Die Truppen drangen dort ein, und
töteten alle 15. Die Namen der Ermordeten sind: Aug. _Barth_ aus
Rothenburg (geb. 8. 6. 87), Aug. _Dann_ aus Rothenburg (15. 11. 97),
Karl _Edelmann_ aus Rothenburg (5. 2. 91), Leonhard _Frankenberger_ aus
Rothenburg (11. 5. 01), F. _Gläßer_ aus Füllhammer (29. 12. 92), Paul
_Gläßer_ aus Schweidnitz (9. 10. 97), Joh. _Hasenstab_ aus Rothenburg
(15. 3. 01), Georg _Helbling_ aus Reutlingen (7. 6. 91), Fr. _Hurzera_
(15. 5. 68), Th. _Ignazia_ aus Milzilmark (8. 12. 67), Fr. _Joppe_ aus
Ullersdorf (30. 7. 00), Rob. _Krimm_ aus Rothenburg (8. 6. 87), Rob.
_Riesbeck_ aus Honst (22. 3. 83), Gottl. _Rottenbücher_ aus Rothenburg
(8. 6. 87), Händler Josef _Meis_.

»Eine Ausgrabung am 7. Juli 1920 ergab, daß bei 10 Leichen keine
Schußwunden vorhanden waren, aber die Schädel waren eingeschlagen und
die Hälse durchschnitten. Einige Leichen sind ohne Hosen und Schuhe
begraben worden.« (Ludwig, Reichstag, 29. Juli 1920.) Die Namen der
verantwortlichen Offiziere wurden ermittelt. Da sie aber angeblich nicht
zu finden waren, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.

Eine Frau Käthe _Pintsch_ aus Witten a. d. Ruhr wurde erschossen, weil
sie angeblich einen Revolver im Strumpf verborgen hatte. Eine
Krankenschwester bezeugte, daß sie der Frau einen Geldbetrag übergeben
hatte, den sie im Strumpf verbarg. Den Befehl zur Erschießung gab nach
Zeugenaussage (vgl. »Sozialist«, Nr. 10, 7. Juli 1921) der Leutnant
_Horst Kohl_ aus München, Leopoldstraße 238. Ein Verfahren gegen ihn ist
bisher nicht eingeleitet, obwohl die Zeugenaussagen natürlich sofort den
zuständigen militärischen Behörden übergeben wurden.

Der Anstreicher Friedrich Steinbiß, wohnhaft Essen, Schlachthof,
berichtete am 10. April 1920 im »Ruhrecho«:

»Am Donnerstag, den 8. April, spät nachmittags, wurden zwei Arbeiter,
angeblich Rotgardisten, auf dem Schlachthof durch Militär eingeliefert.
Aus dem Wachtraum hörte ich bald darauf Schreien, sodaß ich annahm, die
Verhafteten würden geschlagen. Nach einiger Zeit, es war inzwischen
dunkel geworden, wurden die beiden Leute aus dem Wachtraum
herausgeschickt und entfernten sich in gewöhnlicher Gangart. Der eine
ging durch die Tür in der Richtung nach der Stoppenbergerstraße, während
der andere über den Hof an der Rampe vorbei sich der Eisenbahn zuwandte.
Als der erste etwa 30-40 Meter draußen vor dem Tore war, wurde er durch
einen Soldaten erschossen. Auch der zweite wurde kurze Zeit später tot
aufgefunden. Die Soldaten behaupteten, beide hätten einen Fluchtversuch
unternommen. Nach meiner Ansicht ist das ausgeschlossen. Beide sollen
nur Sicherheitsdienst getan haben.«

Die Täter konnten nicht ermittelt werden. Der Oberstaatsanwalt in Essen
stellte das Verfahren ein. (Aktenzeichen 18 I 738/20.)

Man lese den Bericht des sozialdemokratischen Abgeordneten Osterroth
(»Freiheit«, 9. April 1920 und »Ruhrecho«, 20. April), die Rede des
Abgeordneten Obuch vom 24. November 1920 und die Broschüre von Josef
Ernst »Kapptage im Industriegebiet«. Hierin sind eine Reihe von weiteren
Ermordungen im Ruhrgebiet zum Teil mit Namen aufgeführt.


»Ich kann für ihn nicht garantieren«

Am 1. April hatten in der Nähe von Hüls in Westfalen Kämpfe zwischen
Angehörigen der roten Armee und Regierungstruppen stattgefunden. Im
Anschluß daran wurde ein Haus in Hüls von der Reichswehr umstellt und
alle Bewohner herausgeholt. Sie waren sämtlich waffenlos. Der Landjäger
_Hachmeyer_ erklärte, daß er für alle Bewohner bis auf den Bergarbeiter
_Hülsbusch_ garantieren könne, daß sie keine Spartakisten seien. Darauf
wurde Hülsbusch an die Wand gestellt und von einem Unteroffizier
erschossen. Seine Papiere wurden geraubt.

Wie in einem Beleidigungsprozeß des Hachmeyer gegen den Parteisekretär
der U.S.P. Herwig in Recklinghausen vor dem Schöffengericht festgestellt
wurde, hatte Hülsbusch sich an den Kämpfen nicht beteiligt. Herwig wurde
wegen der Aussage, Hachmeyer sei Schuld am Tode des Hülsbusch, wegen
Beleidigung zu 100 M. Geldstrafe verurteilt. (»Freiheit«, 24. April
1921, 20. Mai 1922.)

Die Witwe erhob Anspruch auf Grund des Tumultschadengesetzes, die in
erster Instanz abgewiesen wurden. Am 15. Mai 22 war Verhandlung vor dem
Reichswirtschaftsgericht als Beschwerdestelle. Die Beschwerde wurde
zurückgewiesen mit der Begründung, die Erschießung sei berechtigt
gewesen, wenn Hülsbusch sich am Aufstand beteiligt hätte. Darüber, ob er
sich beteiligt hätte, könne nicht auf Grund des Tumultschadengesetzes,
sondern nur in einem ordentlichen Prozeß gegen den Reichsfiskus
entschieden werden.


Linksmorde beim Kapp-Putsch

In der Gemeinde Kleinkugel bei Halle existierte eine Einwohnerwehr mit
14 Gewehren und einem Maschinengewehr. Während des Kapp-Putsches
forderten die Arbeiter von den Gutsbesitzern Herausgabe der Waffen. Auf
Anraten der Reichswehr versteckte der Gutsbesitzer _Walter_ die
Gewehrschlösser. Am 18. März holte die Reichswehr die Gewehre ab. Am 19.
März fuhr sein Sohn per Rad nach Halle, um Geld dorthin zu bringen. Er
nahm dabei die Gewehrschlösser mit. In Kanena wurde er von den Arbeitern
aufgehalten, die Gewehrschlösser wurden gefunden. Walter wurde zur Grube
Alwiner Verein als Gefangener geführt. Dort wurde ihm vorgeworfen, daß
die Reichswehr auf sein Anraten Leute erschossen habe. Die Arbeiter
beschlossen darauf ihn zu töten und teilten ihm dies mit. Er wurde von
zwei Arbeitern zu einem Trockenschuppen geführt und dort um 3/4-10 Uhr
durch einen Kopfschuß getötet. Der Arbeiter Rasch wurde bei der
Verhandlung freigesprochen, da Zeugen beschworen, daß er nicht der
Mörder sei.

Am 21. März 1920 kamen einige Kaliarbeiter aus Staßfurt zu dem
Rittergutsbesitzer _Henze_ in Trebitz und verlangten Wagen, um nach
Halle fahren zu können. Die Bahn ging nämlich nur bis Wallwitz. Henze
weigerte sich zunächst. Bald darauf kamen 40 weitere Arbeiter mit
Handgranaten und entsicherten Gewehren. Henze und seine Schwester wurden
umringt. Es kam zu einem heftigen Wortwechsel und Tätlichkeiten. Henze
erhielt einen Lungenschuß und einen Kolbenschlag auf den Schädel, seine
Schwester einen Herzschuß. Als Mörder des Henze wurde der Arbeiter Karl
_Felix_ aus Hechlingen, der den tödlichen Schlag getan, unter
Zubilligung mildernder Umstände zu fünf Jahren Gefängnis und der
Kesselschmied Erich _Rolle_ aus Hechlingen zu 12 Jahren Zuchthaus, der
Mörder von Fräulein Henze, der Arbeiter Karl _Steinbach_ aus Wallwitz,
ebenfalls zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Der Reichswehrsoldat _Sametz_ wurde am 28. März 1920 von der roten Armee
bei Dorsten gefangen genommen. Er wurde dem Maschinisten Gottfried
_Karuseit_ aus Gelsenkirchen als Abschnittskommandeur und Leiter der
Kämpfe in Dorsten vorgeführt. Dieser ließ ein Kriegsgericht, bestehend
aus den Kompagnieführern, die zunächst erreichbar waren, bilden. Die
Kompagnieführer verurteilten den Sametz (einen früheren Baltikumer)
wegen Spionage zum Tode. Karuseit, der sich später selber als
Militärspitzel entpuppte, suchte die Leute zur Vollstreckung des Urteils
aus und ließ Sametz noch in derselben Nacht erschießen. Ein Verfahren
gegen Karuseit wegen Mordes schwebt vor dem Schwurgericht Essen. (16.
aJ. 597/20.)

Ernst _Langensiepen_ aus Barmen wurde während der Herrschaft der roten
Armee im Gerichtsgefängnis in Essen eingeliefert. In der Nacht des 3.
April 20 wurde er von 4 Rotgardisten aus der Zelle geholt und im
sogenannten Leichenkeller erschossen. Die Täter sind geflüchtet, die
Untersuchung schwebt noch. Langensiepen soll Militärspitzel gewesen und
deshalb zum Tode verurteilt worden sein.




INDIVIDUELLE MORDE


»Verräter verfallen der Fehme«

Hans _Hartung_ war in Halle und München unter den Kommunisten als
Spitzel tätig, gleichzeitig soll er geheime Waffenlager der bayrischen
Einwohnerwehr an die Entente verraten haben. In Zusmarshausen waren
Waffen der Einwohnerwehr von dem Rittmeister Gustav _Beurer_ unter
Mithilfe des Oberleutnants Dr. Josef _Berger_, des Amtsrichters
_Wanderer_ und des Bankbeamten Lorenz versteckt worden. Von Hartung
fürchtete man Verrat. Anfang März 1921 wurde seine Leiche bei
Zusmarshausen in einem Bach gefunden. Sie war im Auto dorthin gebracht
worden. Wahrscheinlich hat Beurer ihn ins Auto gelockt und zusammen mit
Berger erschossen. Die Leiche war mit Steinen beschwert, in eine vorher
von Berger und Wanderer ausgesuchte tiefe Stelle des Baches geworfen
worden. Berger, der sich im Rausch verraten hatte und Beurer wurden im
März 22 verhaftet, bereits im Juni aber wegen »Mangels an Beweisen«
entlassen. (»Berliner Tageblatt«, 26. 3. 22, »Münchener Neueste
Nachrichten«, 3. 6. 22.)

Das Dienstmädchen Maria _Sandmeier_ aus München, Tegernseerlandstraße
20, wurde am 6. Oktober 1920 im Forstenriederpark erdrosselt gefunden.
Die Leiche war im Auto dorthin geschafft worden. Die Sandmeier hatte
gedroht, dem Entwaffnungskommissar des Reichs ein Waffenlager anzugeben.
Als Täter wurde der Leutnant Hans _Schweighart_ vom Freikorps Oberland
in Innsbruck im Dezember 1921 verhaftet (»Vossische Zeitung«, 8. 12.
1921) und an Bayern ausgeliefert. Eine Verhandlung fand bisher nicht
statt.


Hans Paasche

Hans _Paasche_ war zuerst Offizier in den Kolonien und war unter den
Schrecken des Kolonialkrieges zum Pazifisten geworden. Während des
Krieges schwebte gegen ihn ein Hochverratsprozeß, weil er ein Flugblatt,
das ihm ein Agent provocateur im Auftrag der Polizei zustellte,
verbreitet hatte. (Wolfgang Heine, »Deutsche Tageszeitung«, 26. Oktober
1920.)

Paasche hatte in den ersten Tagen der Revolution eine Rolle gespielt,
sich aber dann auf sein Gut Waldfrieden in der Neumark zurückgezogen.
Auf Grund einer von Berlin ausgegangenen Denunziation, wonach bei ihm
die Waffen für die kommunistische Kampforganisation untergebracht seien,
fand bei ihm am 22. Mai 1920 unter Führung des Oberleutnants _Koppe_
eine Haussuchung nach Waffen statt, die von 60 Soldaten unter Führung
von zwei Offizieren durchgeführt wurde.

Paasche saß in Badehosen an seinem See und fischte, als der Gendarm
Wendland ihn bat, ins Schloß zu kommen, weil dort Herrschaften auf ihn
warteten. Ein Haftbefehl bestand nicht. Als Paasche die Postenkette
erblickte, wurde er mißtrauisch, wandte sich um »zu einem
Fluchtversuch«. Gemäß dem Befehl, »wonach sie zu schießen hätten, wenn
eine festgenommene Person auf dreimaliges Haltrufen nicht stände« (amtl.
Bericht des Oberleutnants Koppe, »Vossische Zeitung«, 1. Juni 1920),
erschossen ihn die Soldaten. Den tödlichen Schuß gab der Schütze
_Diekmann_ ab. Um Stimmung zu machen, berichtete das
Reichswehrschutzregiment in Deutsch-Krone am 25. Mai 1920 im »Berliner
Tageblatt«: »Wie mitgeteilt wird, sollen bei Paasche eine größere Anzahl
Dumdumgeschosse gefunden worden sein.« Diese haltlose Behauptung wurde
später nicht mehr aufrecht erhalten. In den verschiedenen amtlichen
Berichten, insbesondere dem des Preußischen Ministeriums des Innern
(»Berliner Tageblatt«, 3. Juni 1920) wurde zugegeben, daß absolut nichts
Belastendes gefunden wurde. Die Regierung versprach strengste
Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen. Die Untersuchung endete
folgendermaßen:

  »Herrn Viktor Fränkl, Justizrat, Berlin.

  Das Verfahren ist am 27. November 1920 eingestellt, weil eine
  strafbare Handlung nicht nachweisbar ist. Der Tod des Paasche ist
  auf ein Zusammentreffen nicht voraussehbarer unglücklicher
  Umstände zurückzuführen, für welche niemand strafrechtlich
  verantwortlich zu machen ist.

      Schneidemühl, den 6. Dezember 1920.

      Der Oberstaatsanwalt. Unterschrift: (unleserlich).«

Eine Beschwerde hiergegen beim Generalstaatsanwalt wurde am 21. Februar
1921 abgewiesen.


Paul Hoffmann in Flensburg

Auf Grund der Angaben eines Spitzels namens Paul _Reichardt_ wurde der
Flensburger Kommunist Paul _Hoffmann_ am 28. Dezember 1920 auf Befehl
des Kommandeurs der Flensburger Sicherheitspolizei, Major _v. Plüskow_,
verhaftet, weil er einen Putsch vorbereitet habe. Nachts wird er zur
Kaserne gebracht. Als er am Morgen ins Untersuchungsgefängnis geführt
werden sollte, hat Hoffmann angeblich dem Wachtmeister einen Stoß vor
die Brust gegeben, um entfliehen zu können. Darauf habe die
Wachbegleitmannschaft nach dreimaligem Haltrufen zwei Schüsse abgegeben.
Hoffmann war sofort tot. Eine strenge Untersuchung wurde von der
Regierung zugesagt. Major v. Plüskow wurde strafversetzt. (»Deutsche
Allgemeine Zeitung«, 4. Januar 1921; »Voss. Zeitung«, 4. Januar 1921;
Minister Severing, Reichstag, 14. Januar 1921.) Sonst geschah nichts.


Wilhelm Sült

_Sült_, Führer der Elektrizitätsarbeiter bei mehreren Streiks, wurde am
30. März 1921 durch die politische Polizei (Abt. 1 A) in Schutzhaft
genommen. Als er am 1. April zur Vernehmung ins Polizeipräsidium
gebracht wurde, soll er nach dem amtlichen Bericht (»Vossische Zeitung«,
1. April) dem Beamten einen Stoß versetzt haben und die Treppe
hinaufgesprungen sein, worauf der Beamte, _Janike_, zweimal auf ihn
schoß und ihn in die Leber und Nieren traf. Sült erklärte seinem
Rechtsanwalt Dr. Weinberg auf dem Totenbett, er habe weder den Beamten
gestoßen, noch sei er geflohen. Als Sült am Boden lag, wurde er von
einem Polizeioffizier mit dem Ruf: »Verrecke, Du Aas« (»Das Tagebuch«,
9. April), mit Füßen getreten. Zunächst wurde er einfach auf einer
Pritsche liegen gelassen. Um 1/2-5 Uhr kam Dr. Eylenburg, wurde aber
nicht vorgelassen mit der Begründung, Sült sei schon in der Charité.
Erst um 7 Uhr abends kam er dorthin. »Vor der Operation hatte er schon
1-1/2 Liter Blut verloren« (Prof. Lubarsch). Am 2. April, morgens 4 Uhr,
starb er. Gegen alle Vorschriften wurde die Leiche bereits am Vormittag
seziert. Dr. Klauber, der verabredungsgemäß an der Sektion teilnehmen
sollte, fand die Leiche bereits seziert vor. »Es fehlten sämtliche
Eingeweide, so daß über die Art der Verletzung durchaus nichts mehr
festgestellt werden konnte. Zu meiner großen Überraschung war die Stelle
der Einschußwunde herausgeschnitten.« Durch die voreilige Sektion war
die Möglichkeit einer weiteren Aufklärung beseitigt. Eine Bestrafung
wegen dieses Falles ist nicht erfolgt. (Vergl. Preußische
Landesversammlung vom 18. April, Berliner Stadtverordnetenversammlung
vom 23. April, »B.Z. am Mittag«, 8. April, Eingehende Darstellung im
»Tagebuch«, 9., 23., 30. April, 14. Mai.)


Max Hölz

Im März 1921 brach in Mitteldeutschland ein Aufstand aus. Die Schuld
daran lag im wesentlichen bei den Kommunisten. _Hölz_ war militärischer
Führer einer sogenannten »Roten Armee«. Zu ihrem Unterhalt nahm sie eine
Reihe von »Requisitionen« vor; auch wurden Gebäude in die Luft
gesprengt. Zu dem Rittergutsbesitzer _Heß_ in Roitschenhagen kam Hölz
mit einem bewaffneten Haufen und verlangte Geld und Mäntel. Heß sagte
zuerst zu, lief dann einige Schritte fort. Es entstand ein Tumult, in
dem Heß durch mehrere Schüsse umkam. Genaueres darüber, wer alles
geschossen hatte, war nicht zu ermitteln. Die Zeugen widersprachen sich.
Das Gericht unterstellte es als wahr, daß Hölz unnötiges Blutvergießen
vermeiden wollte, und verurteilte ihn zu lebenslänglichem Zuchthaus.
Nach der Urteilsbegründung »steht fest, daß Hölz sich an der Tötung des
Gutsbesitzers Heß beteiligt hat. Das Gericht hat jedoch das Moment der
Ueberlegung verneint. Es liegt also Totschlag vor«. (Prozeßberichte in
allen Berliner Zeitungen, 13. bis 23. Juni 1921.)


Die Schupo in Mitteldeutschland

Als wegen der Märzunruhen 1921 eine Abteilung der Düsseldorfer
Schutzpolizei sich Klostermansfeld näherte, ging ihr der
stellvertretende Gemeindevorsteher Paul _Müller_ (Kommunist) entgegen,
erklärte, im Orte sei alles ruhig, und zog an der Spitze der Polizisten,
zusammen mit dem Hauptmann, der das Kommando führte, in den Ort ein.
Obwohl er die Arbeiter ausdrücklich gewarnt hatte, wurde aus dem Ort
geschossen, wobei Müller natürlich ebenfalls bedroht war. Am Nachmittag
wurde Müller aufgefordert, sich bei dem Hauptmann der Schutzpolizei zu
melden, was er tat. Um 9 Uhr abends wurde er in Einzelhaft genommen. Am
Morgen des 27. März wurde er auf der Chaussee nach Leinbach, etwa 150
Meter vom Orte entfernt, erschossen aufgefunden. Das Gefängnis, in das
er angeblich gebracht werden sollte, lag in einer ganz andern Richtung.
Die Leiche zeigte am Kopfe Spuren von Mißhandlungen.

Das Verfahren wurde am 21. April 1921 eingestellt, da »Müller
wahrscheinlich auf der Flucht erschossen worden sei«, später jedoch
wieder aufgenommen. (Aktenabschrift in meinem Besitz.)

Die im folgenden dargestellten Fälle beruhen auf den Verhandlungen des
Untersuchungsausschusses der preußischen Landesversammlung betr. die
Unruhen in Mitteldeutschland vom November 1921. Dabei hat sich u. a.
herausgestellt, daß in keinem dieser Fälle ein Verfahren durch den
Staatsanwalt eingeleitet worden war.

In Querfurt wurden am Ostermontag, 28. März, nach entsetzlichen
Mißhandlungen die Gefangenen _Peter_, der Lagerhalter des Konsumvereins
_Straube_ (Kommunist) und ein Dritter erschossen.

Die Täter gehörten zur Düsseldorfer Schupo unter dem Grafen _Poninski_.
Der Konsumverein wurde ausgeplündert.

In Besenstedt wurden der Sanitäter Kurt _Herzau_ und der Arbeiter Gustav
_Thieleke_, in Bischofsrode am 1. Ostertag acht Gefangene, darunter der
Knecht _Pawlack_ aus Helbra und der Bergmann _Weiner_ und ein gewisser
_Dietrich_ durch Düsseldorfer Polizisten, in Schraplau am 2. Ostertag
sechs Gefangene, darunter Martin _Deutsch_, _Müller_, _Poblentz_ und
_Trautmann_, in einem Kalkofen erschossen.

Bei der Einnahme des Leunawerkes sahen die Offiziere bei den
Mißhandlungen durch Oberwachtmeister Heim und andere Sipoleute zu: Einem
Gefangenen, bei dem eine Pistole gefunden worden war, wurde der Schädel
eingeschlagen, sodaß das Gehirn an die Wand spritzte. Ein anderer mußte
sich selbst erschießen. Insgesamt wurden 9 Leute umgebracht, darunter
_Lederer_, _Isecke_ und _Zillmann_. In Mitteldeutschland war kein
Standrecht verhängt worden. In keinem Fall hat eine Bestrafung
stattgefunden.


Wie eine Erschießung auf der Flucht insceniert wird

Während des Märzaufstandes 1921 kam die Merseburger Polizeihundertschaft
am 31. März durch Gröbers. Dort wurden ihnen von anderen Truppen die
Leichen der verstümmelten Beamten gezeigt, die dort gefallen waren. So
wurden sie zu Morden aufgestachelt. Der kommunistische Ortsvorsteher von
Osmünde, _Mosenhauer_, war verhaftet worden. Auf der Straße nach
Schkeuditz wurde er vom Auto geholt, unter furchtbaren Schlägen auf den
Kopf ins Feld getrieben und von dem nicht zur Bewachungsmannschaft
gehörigen Wachtmeister Rudolf _Böhm_ »auf der Flucht« erschossen.

In seiner ersten Vernehmung am 28. April 1921 durch den Regierungsrat
Dr. Kielhorn war Böhm geständig. Er sagte aus: »als ich sah, daß der
Ortsvorsteher übers Feld _ging_, riß ich einem neben mir stehenden
Beamten den Karabiner weg und schoß, in der Annahme, daß er fliehen
wolle. Ich hatte nicht »Halt« gerufen.«

Nach der Aussage des Oberwachtmeisters Lichtenberg vor dem
Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages wurde Mosenhauer zweimal
absichtlich auf das Feld geschickt, damit man ihn erschießen könne. Beim
ersten Mal gingen zufällig einige Telegraphenarbeiter vorbei, deshalb
wurde er wieder zurückgerufen. Als die Zeugen sich entfernt hatten,
schickte man Mosenhauer das zweite Mal hinaus. Er ging zögernd und sich
häufig umwendend. Der Schuß fiel, als er das Gesicht nach der Straße
zuwendete. Die tödliche Wunde erhielt er an der linken Brustseite vorn.
Die Leiche lag mit dem Gesicht zum Auto. Am 31. Oktober 1921 wurde Böhm
vor dem Schwurgericht Halle (Anklagevertreter Staatsanwaltschaftsrat
Luther, Vorsitzender Landgerichtsdirektor Thorwest) freigesprochen.
(Vergl. Erich Kuttner: Der Freispruch eines Geständigen. »Die Glocke«,
1. Mai 1922. Untersuchungsausschuß 29. Oktober 1921.)


Karl Gareis

Karl _Gareis_ war Abgeordneter der U.S.P.D. im bayerischen Landtag. Er
hatte sich verhaßt gemacht durch seinen Kampf gegen die Einwohnerwehr
und durch Aufdeckung einer Spitzelaffäre, bei der ein gewisser Dobner
wegen angeblichen Verrats eines Waffenlagers an die Entente von
Studenten beinahe umgebracht worden war. Am 10. Juni 1921 wurde er
nachts auf dem Heimweg vor seiner Wohnung erschossen. Zur Erklärung der
Tat beachte man den Brief Meier-Koys, des früheren Vorsitzenden der
bayerischen Königspartei. Danach ist der zweite Landeshauptmann der
bayerischen Einwohnerwehren, Kanzler, der Ansicht: »Die Verräter sind
umzubringen, und zwar unter Hinterlassung eines Merkmals, das die Motive
der Tat zweifelsfrei erscheinen läßt. Der Führer braucht bei der
Ausführung nicht ängstlich zu sein. Hinter ihm (Kanzler) stehe der
Ministerpräsident« (Reichstag, 17. Juni 1921). Als Täter kommt der oben
auf Seite 64 genannte Leutnant _Schweighart_ in Betracht. Wenigstens
wurde dies bei seiner Auslieferung von den österreichischen Behörden
vermerkt. (Vergl. auch S. 138.)


Kriminalwachtmeister Buchholz

Die »Hundertschaft zur besonderen Verwendung« unterstützte die
aufrührerischen Truppen im Baltikum, indem sie durch Bestechungen von
Eisenbahnbeamten den Transport von Geld dorthin ermöglichte. Beim
Kapp-Putsch stellte sie sich sofort auf die Seite der einrückenden
Marinebrigade. Trotzdem blieb sie unangefochten. Im Sommer 1920 wurde in
ihr der geheime »Bund der Ringmannen« unter Hauptmann Stennes gebildet,
der zahlreiche Waffen vor der Ablieferung versteckte. Eine Durchsuchung
verlief ergebnislos, da die Hundertschaft vorher gewarnt worden war.
Ueber die vermutlichen Verräter der Waffenschiebung wurde nachts ein
Geheimgericht gehalten. (Vergl. Berliner Tageblatt, 10. September 1921.)
_Buchholz_ bezahlte auf Geheiß seiner Vorgesetzten bis in die Tausende
gehende Beträge an Zivilangestellte, d. h. Spitzel.

Man befürchtete von Buchholz eine Aufdeckung dieser Vorgänge. Am 13.
Juni 1921 wurde er in der Schloßkaserne Charlottenburg tot aufgefunden.
Angeblich hat er wegen Unterschlagung Selbstmord begangen. Doch konnte
eine Unterschlagung nicht nachgewiesen werden. Nach dem Gutachten des
Gerichtssachverständigen, Medizinalrat Dr. Störmer (»Frankfurter
Zeitung«, 18. August 1921), handelte es sich »bestimmt um Tötung durch
dritte Hand.« Die Untersuchung gegen die Hundertschaft wurde zunächst
niedergeschlagen, »da von Zeugen, die unter ständiger Bedrohung seitens
der Hundertschaft stehen, wahrheitsgemäße Angaben nicht zu erwarten
seien.« (Mitteilung des Polizeiwachtmeisters Asmus, »Berliner
Tageblatt«, 24. Juli 1921.)

Am 2. Dezember 1921 wurden die Wachtmeister _Erren_ und _Meyer_ von der
Anklage des Mordes freigesprochen. (Prozeßberichte in allen Berliner
Zeitungen.) Erren war im Zimmer gewesen, »zum telephonieren«, als der
zum fortgehen angezogene Buchholz aus einer Entfernung von über 30 cm
von hinten die Kugel durch den Kopf, angeblich von eigener Hand,
empfing.


Erzberger

Als _Erzberger_ am 26. Januar 1920 das Gerichtsgebäude in Moabit
verließ, feuerte der Schüler und Fähnrich a. D. Oltwig _v. Hirschfeld_
auf ihn zwei Schüsse ab, die ihn schwer verletzten. Bei der Vernehmung
erklärte er, Erzberger sei ein Schädling und habe wissentlich gegen
Deutschland gearbeitet. Er erklärte, seine Kenntnisse über Erzberger aus
einer Broschüre Helfferichs zu besitzen. Hirschfeld wurde am 21. Februar
1920 wegen Körperverletzung zu 1 Jahr 6 Monate Gefängnis verurteilt.
(Prozeßbericht in allen Berliner Zeitungen.)

Erzberger hatte sich, um den Ausgang seines Prozesses mit Helfferich
abzuwarten, aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Am 26. August 1921
wurde er bei einem Spaziergange im Badeorte Griesbach im Schwarzwald von
zwei jungen Leuten überfallen und erschossen. Sein Begleiter, der
Abgeordnete Dietz, wurde verwundet. Als er schon am Boden lag,
vergewisserten sich die Mörder durch weitere Schüsse (im ganzen 12), daß
er tot sei. Dann entflohen sie.

Als man nach den möglichen Tätern suchte, stellte sich heraus, daß
Hirschfeld bereits am 27. April 1921 angeblich wegen Krankheit aus dem
Gefängnis auf vier Monate beurlaubt worden war und nicht zurückgekehrt
war. (»Berliner Tageblatt«, 30. August 1921.) Er benutzte seinen Urlaub
zu vielstündigen Radpartien. Zur Zeit der Begehung der Tat hielt er sich
im benachbarten Calmbach auf. Er wurde in Berlin ermittelt und verbüßte
ab 10. September den Rest seiner Strafe. (»Frankfurter Zeitung«, 15.
September 1921.) Dann wurde er für geisteskrank erklärt, aus der
psychiatrischen Klinik in Freiburg wieder entlassen, zuletzt aber doch
zur Absitzung der Strafe verhaftet. (»Berliner Tageblatt«, 18. Mai 1922,
»Lokal-Anzeiger«, 10. Mai 1922.)

Als Mörder wurden die in München wohnhaften Heinrich _Schulz_ und
Heinrich _Tillessen_ ermittelt. Beide sind frühere Offiziere, dann kamen
sie in den Stab der Marinebrigade Ehrhard, (»Berliner Tageblatt«, 21.
September 1921.) Zuletzt arbeiteten sie in der Landwirtschaftlichen
Zentralgenossenschaft bei Geheimrat Heim. Sie sind Mitglieder des
Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, der Arbeitsgemeinschaft
Oberland, die früher in Oberschlesien als Freikorps war, und einer
deutschnationalen Geheimorganisation, der Organisation C (Mitteilung des
badischen Staatspräsidenten Dr. Trunk, 22. September 1921.)

Ziele der Organisation waren: Weiterverbreitung des nationalen
Gedankens, Bekämpfung des Internationalismus, des Judentums und Sammlung
entschlossener Männer. »Verräter verfallen der Fehme.« Die Mitglieder
waren zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Schulz und Tillesen besaßen
falsche Pässe auf den Namen Trost und Schwind. Sie flüchteten nach
Ungarn. Als sie in Budapest eine Depesche an den Rechtsanwalt Adolf
Müller in München aufgaben, wurden sie erkannt und verhaftet, aber auf
telephonische Anordnung des Oberstadthauptmanns Dr. Hetheny wieder
freigelassen. Vergl. Aussage des Kriminalinspektors Schumacher im
Offenburger Prozeß (»Berliner Tageblatt«, 9. Juni 1922.)

Der frühere Kapitänleutnant Manfred _v. Killinger_, der Vorgesetzte von
Schulz und Tillessen in der Organisation C (offiziell: Bayerische
Holzverwertungsgesellschaft) wurde angeklagt, den Mördern Beistand
geleistet zu haben. Er hatte nämlich ihre Koffer in Verwahrung genommen,
Briefe in Empfang genommen und auch nach dem Mord mit beiden verkehrt.
Killinger war ursprünglich Offizier gewesen, dann kämpfte er gegen die
bayerische Räte-Republik, machte den Kapp-Putsch mit und besetzte das
Reichswehrministerium. Nach seiner Verhaftung fand man bei ihm einen
Versuch einer Paßfälschung. Am 13. Juni 1922 wurde er vom Schwurgericht
Offenburg freigesprochen (Berichte in allen Berliner Zeitungen).

Die einzige Verurteilung, die bis jetzt in der Erzbergersache erfolgte,
betrifft den verantwortlichen Redakteur des Offenburger Tageblatts,
Franz Huber. Dieser wurde nämlich, weil er Teile der Anklageschrift
veröffentlicht hatte, zu 1000 M. Geldstrafe verurteilt. (»Berliner
Tageblatt«, 17. August 1922.)


Walter Rathenau

Als Rathenau, Minister des Aeußeren, am 24. Juni 1922 von seiner Villa
im Grunewald ins Auswärtige Amt fahren wollte, wurde sein Auto von einem
andern, von Ernst Werner _Techow_ (21 Jahre) geleiteten Auto, in dem der
Oberleutnant a. D. Erwin _Kern_ und Hermann _Fischer_ saßen, überholt.
Kern und Fischer schossen mit einer Maschinenpistole auf Rathenau und
warfen eine Handgranate auf ihn. Rathenau war sofort tot. Das Auto
hatten die Großindustriellen Johann und Franz _Küchenmeister_ aus
Freiberg in Sachsen, Mitglieder des Deutschen Schutz- und Trutzbundes,
zur Verfügung gestellt. Die drei erstgenannten waren früher Mitglieder
der Brigade Ehrhardt, dann der Organisation C und waren am Kapp-Putsch
beteiligt gewesen. Die Maschinenpistole hatte Christian Ilsemann (21
Jahre), Sekretär des Schutz- und Trutzbundes in Schwerin, geliefert. Der
angebliche Leutnant Willy _Günther_ (27 Jahre), ein Psychopath und
Deserteur, hatte den Plan mit ausgearbeitet und die Garage vermittelt.
Er war Mitglied des Bundes der Aufrechten, des Deutschbundes, des
Deutschen Offiziersbundes und des Deutschnationalen Jugendbundes. Auf
einem »Nestabend« dieses Bundes ließ er sich als Mörder Rathenaus
feiern. In seinem Besitz befanden sich Briefe von Helfferich,
Ludendorff, Jagow und Oberst Bauer. Einer der zehn Briefe Ludendorffs
enthielt unter anderm die Worte: »Lieber Günther« und: »mit herzlichem
Gru?. Beihilfe leistete der Gymnasiast Hans Gerd _Techow_ (16 Jahre).
Der ehemalige Kadett Ernst _v. Salomon_ (20 Jahre) vermittelte die
Verbindung mit Waldemar _Niedrig_ (22 Jahre), der ursprünglich das Auto
lenken sollte. Das Auto stand in Berlin bei den Garagebesitzern
_Schütt_ und _Diestel_.

Nach der Tat erzählte Techow ihnen: »Die Sache hat geklappt. Rathenau
liegt. Wir haben es getan, um die Roten zum Angriff zu reizen. Uns ging
das Geld aus.« Dann fuhr er in seinen Tennisklub. Techow floh dann auf
das Gut seines Onkels Behrens. Von diesem wurde er der Polizei
übergeben. Behrens erhielt darauf eine Menge Drohbriefe.

Kern und Fischer wurden nach langem Suchen am 18. Juli auf der Burg
Saaleck bei Bad Kösel in der Wohnung des Schriftstellers Dr. Hans
Wilhelm _Stein_ von der Polizei gestellt. Kern fiel bei der Schießerei
mit den Beamten, Fischer erschoß sich selbst.

Am 3. Oktober 1922 begann die Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof in
Leipzig. Günther bekam eine Sendung von Pralinen, die mit Arsen
vergiftet waren. Er gab davon den andern Angeklagten, mit denen er
während der Verhandlung verkehren durfte. Zum Teil erkrankten sie daran.
Die Absender konnten nicht festgestellt werden. Am 14. Oktober wurden
wegen Beihilfe zum Mord Ernst Werner Techow zu 15 Jahren Zuchthaus und
10 Jahren Ehrverlust, Hans Gerd Techow zu 4 Jahren und 1 Monat
Gefängnis, Günther zu 8 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust,
Niedrig und von Salomon zu 5 Jahren Zuchthaus und 5 bzw. 4 Jahren
Ehrverlust, Ilsemann wegen Verstoß gegen die Waffenordnung, Schütt und
Diestel wegen Begünstigung zu je 2 Monaten Gefängnis, Tillessen und
Plaas wegen Nichtanzeige eines drohenden Verbrechens zu 3 bzw. 2 Jahren
Gefängnis verurteilt. E. W. Techow wurde von der Anklage der
Mittäterschaft freigesprochen. (Vorsitzender Dr. Hagens, Staatsanwalt
Dr. Ebermayer.)

Gegen Tillessen schwebt noch eine Untersuchung wegen Beihilfe bei dem
Attentat auf Scheidemann und wegen der Befreiung der Kriegsverbrecher
Boldt und Dittmar. Auf die Organisation C wurde bei der Beweisaufnahme
nicht näher eingegangen. Das Verfahren gegen Dr. Stein und gegen den
Kapitänleutnant a. D. Wolfgang _Dietrich_, der den Tätern auf der Flucht
neue Anzüge verschafft hatte, schwebt noch. Johann Küchenmeister, bei
dem ein Waffenlager gefunden worden war und einer der Beteiligten,
Günther _Brandt_ sind flüchtig. Das Verfahren gegen den 17 jährigen
Primaner _Stubenrauch_, der als erster den Plan gehabt hatte, Rathenau
zu ermorden, wurde eingestellt. Er besucht weiter sein Gymnasium in
Steglitz. (Berichte in allen Berliner Zeitungen.)

Im folgenden sind alle bisher behandelten Morde in tabellarischer Form
zusammengestellt.

DIE VON RECHTS BEGANGENEN POLITISCHEN MORDE

      ================================================================
      L.  | Datum,                | Name des       | Name des        |
      Nr. | Name des              | Verantwort-    | Ausführen-      |
          | Getöteten,            | lichen,        | den,            |
          | Art der Tötung        | Schicksal      | Schicksal       |
      ====+=======================+================+=================+
        1 | 11. I. 19             | Major          | Weber,          |
          | _W. Fernbach_         | Franz v.       | Seltzer         |
          | _W. Heise_            | Stephani       | keine           |
          | _W. Möller_           | keine          | Anklage         |
          | _K. Grubusch_         | Anklage        |                 |
          | _E. Kluge_            |                |                 |
          | _A. Schöttler_        |                |                 |
          | _Wackermann_          |                |                 |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
        8 | 15. I. 19             | H. v. Pflugk-  | Hr. v. Pflugk-  |
          | _Dr. K. Liebknecht_   | Hartung        | Hartung,        |
          |  »auf der Flucht«     | freigesprochen | Stiege,         |
          |                       |                | Lippmann,       |
          |                       |                | Ritgen,         |
          |                       |                | Schulze         |
          |                       |                | Friedrich       |
          |                       |                | freigesprochen  |
          |                       |                | Krull 3 Mon. G. |
          |                       |                | Bracht 500 M.   |
          |                       |                | Geldstrafe      |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
        9 | 15. I. 19             | Oberl. Vogel,  | Oberltn. Vogel, |
          | _Dr. Rosa Luxemburg_  | Vogel entkom.  | Jäg. Runge      |
          | »gelyncht«            |                | Runge 2 J. Gef. |
          |                       |                | 2 Wochen Haft   |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       10 | 17. I. 19             | Sasse          | 2 Trainsoldaten |
          | _R. Jordan_           | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | _H. Merx_             |                |                 |
          | _v. Lojewski_         |                |                 |
          | _Milkert_             |                |                 |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       14 | 19. II. 19            | unbekannt      | Heuer           |
          | _Fulneczek_           | unbekannt      | freigesprochen  |
          | angebl. Notwehr       |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       15 | 21. II. 19            | unbekannt      | Blumberg        |
          | _M. Steinicke_        | unbekannt      | Verf. eingest.  |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       16 | 21. II. 19            | --             | Graf Arco       |
          | _Kurt Eisner_         | --             | Valley          |
          | willkürl. Erschießung |                | lebensl. Fest.  |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       17 | 7. III. 19            | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Adolf Riga_          | keine Anklage  | keine Anklage   |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       18 | 8. III. 19            | unbekannt      | Arth. Schneider |
          | _Abr. Melichowitz_ u. | keine Anklage  | Ad. Arndt       |
          | _ein Matrose_         |                | je 1 Jahr 6 Mo- |
          | _Peters_              |                | nate Zuchthaus  |
          | im Gef. gelyncht      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       21 | 10. III. 19           | Wachtmstr. E.  | unbekannt       |
          | _Leo Jogisches_       | Tamschik       | keine Anklage   |
          | _Dorrenbach_          | Z. Ltn.        |                 |
          | »auf der  Flucht«     | beförd.        |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       23 | 10. III. 19           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _H. Galuska_          | keine Anklage  | keine Anklage   |
          | _K. Friedrich_        |                |                 |
          | _O. Werner_           |                |                 |
          | »auf der  Flucht«     |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       26 | 11. III. 19           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Richard Borchard_    | keine Anklage  | keine Anklage   |
          | angebl.  Standrecht   |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       27 | 11. III. 19           | Oberst         | Offizierstellv. |
          | _Bonczyk_             | Reinhard       | Penther         |
          | _Brandt_              | Hptm.          | Ltn. Marloh     |
          | _Biertümpel_          | v. Kessel      | Marloh 3 Mon.   |
          | _Bursian_             | Reinhardt      | Fest. u. 30 M.  |
          | _Dehn_                | nicht          | Geldstr., Pen-  |
          | _Deubert_             | angeklagt      | ther z. Ltn.    |
          | _Ferbitz_             | v. Kessel      | befördert       |
          | _R. Göppe_            | freigesprochen |                 |
          | _Handwohl_            |                |                 |
          | _Harder_              |                |                 |
          | _A. Hintze_           |                |                 |
          | _H. Hintze            |                |                 |
          | _Hinze_               |                |                 |
          | _Jakubowsky_          |                |                 |
          | _O. Kanneberg_        |                |                 |
          | _Kuhle_               |                |                 |
          | _Kutzner_             |                |                 |
          | _Lewitz_              |                |                 |
          | _H. Lietzau_          |                |                 |
          | _Maszterlerz_         |                |                 |
          | _Mörbe_               |                |                 |
          | _Pobantz_             |                |                 |
          | _Rösner_              |                |                 |
          | _Schulz_              |                |                 |
          | _Ulbrich_             |                |                 |
          | _Weber_               |                |                 |
          | _Zieske_              |                |                 |
          | _Zühlsdorf_           |                |                 |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       55 | 12. III. 19           | unbekannt      | Vizew. Marcus   |
          | _Sloveck_             | kein Verfahren | freigesprochen  |
          | _E. Dahle_            |                |                 |
          | _K. Becker_           |                |                 |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       58 | 12. III. 19           | Lt. S. Winter  | unbekannt       |
          | _P. u. A. Daenschel_  | Verfahr. ein-  | keine Anklage   |
          | angebl. Standrecht    | gestellt       |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       60 | 12. III. 19           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Otto Hauschild_      | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | angebl. Standrecht    |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       61 | 12. III. 19           | Oberl. Wecke   | Vizew. Marcus   |
          | _Alfred Musick_       | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       62 | 12. III. 19           | unbekannt      | Ritter          |
          | _Piontek_             | kein Verfahren | u. Wendler      |
          | willkürl. Erschießung |                | Ritter 3 J.     |
          |                       |                | Gef., Wendler   |
          |                       |                | freigsp.        |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       63 | 12. III. 19           | Leutnant Baum  | Alex. Köhler    |
          | _Joh. Müller_         | freigesprochen | kein Verfahren  |
          | angebl.  Standrecht   |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       64 | 13. III. 19           | Leutnant Baum  | unbekannt       |
          | _Wilh. Bilski_        | Verf. eingest. | keine Anklage   |
          | angebl.  Standrecht   |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       65 | 13. III. 19           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Paul Biedermann_     | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | _Hans Gottschalk_     |                |                 |
          |willkürl. Erschießung  |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       67 | 13. III. 19           | Hauptmann Poll | unbekannt       |
          | _Berthold Peters_     | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | angebl. Standrecht    |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       68 | 13. III. 19           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Georg Fillbrandt_    | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | _Paul Szillinski_     |                |                 |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       70 | 13. III. 19           |                |                 |
          | _Abrahamsohn_         | unbekannt      | Lt. Czekalla    |
          |                       | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | _Wallmann_            | Rtm.           | Lt. Czekalla    |
          | angebl.  Standrecht   | v. Oertzen     | Verf. schwebt   |
          |                       | Verfahr. schw. |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       72 | 30. IV. 19            | Gen. v. Oven   | --              |
          | _1 Zivilist_          | kein Verfahren | kein Verfahren  |
       73 | 1. V. 19              | (v. Gagern     | Diegele 5 Woch. |
          | _36 Zivilisten_       | 200 M.)        | Gefängnis       |
      109 | 2. V. 19              |                |                 |
          | _103 Zivilisten_      |                |                 |
      212 | 3. V. 19              |                |                 |
          | _16 Zivilisten_       |                |                 |
      228 | 4. V. 19              |                |                 |
          | _7 Zivilisten_        |                |                 |
      235 | 6. V. 19              |                |                 |
          | _21 kath. Gesellen_   | Hptm. v.       | Jakob Müller    |
          | »tödlich  verungl.«   | Sutterheim,    | Makowski        |
          | (Namen in der         | Offizier-      | je 14 Jahre     |
          | Tabelle Seite 43)     | stell. Paul    | Zuchthaus       |
          |                       | Priebe         | Grabasch,       |
          |                       | Verf. eingest. | Latosi          |
          |                       |                | 1 J. Gef.,      |
          |                       |                | 10 J. Zhs.      |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      256 | 21. III. 20           | Kapt. Bebbel   | Ltn. Kubich     |
          | _A. Futran_           | keine Unters.  | keine Unters.   |
          | _W. Dürre_            |                |                 |
          | _Fritz Kegel_         |                |                 |
          | _K. Wienecke_         |                |                 |
          | _K. Gratzke_          |                |                 |
          | angeblich Standrecht  |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      261 | 13. III. 20           | Oberl. Schmitz | unbekannt       |
          | _Schottländer_        | Unters.        | Unters.         |
          | gelyncht              | erfolgl.       | erfolgl.        |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      262 | 13. III. 20           | Lt. Kaufmann   | unbekannt       |
          | _Demmig_              | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | _Schramm_             |                |                 |
          | _Boronow_             |                |                 |
          | _Romane_              |                |                 |
          | willk. Tötung         |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      266 | 15. III. 20           | Obtlt. Müller  | unbekannt       |
          | _Hoffmann_            | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | _Böhm_                |                |                 |
          | _Herkenrath_          |                |                 |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      269 | 17. III. 20           | Baron v.       | Freikorps       |
          | _Wittke_              | Brandenstein   | Roßbach         |
          | _Steinfurth_          | Verf. einge-   | Verf. einge-    |
          | angebl. Standrecht    | stellt         | stellt          |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      271 | 18. III. 20           | Rittergutsbes. | Freikorps       |
          | _Slomski_             | Bachmann       | Roßbach         |
          | angebl. Standrecht    | Verf. einge-   | Verf. einge-    |
          |                       | stellt         | stellt          |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      272 | 18. III. 20           | Rittm.         | unbekannt       |
          | _Puffpoff_            | Obernitz       | kein Verfahren  |
          | gelyncht              | kein Verfahren |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      273 | 18. III. 20           | Rittm.         | unbekannt       |
          | _Gräbler_             | Obernitz       | Verf. schwebt   |
          |angebl. Standrecht     | Verf. schwebt  |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      274 | 18. III. 20           | Stefan und     | unbekannt       |
          | _Dunn_                | Peter          | keine Anklage   |
          | _Schlieker_           | v. Lefort      |                 |
          | _Berg_                | Verf. schwebt  |                 |
          | _Köhler_              |                |                 |
          | _Gerber_              |                |                 |
          | angebl. Notwehr       |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      279 | 19. III. 20           | Ltn. Simon (?) | Bender          |
          | _H. Litzendorf_       | Verf. eingest. | Verf. eingest.  |
          | »auf der  Flucht«     |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      280 | 19. III. 20           | Ltn. Meinecke  | unbekannt       |
          | _Seidel_              | keine Unters.  | keine Unters.   |
          | in Notwehr            |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      281 | 20. III. 20           | Ltn. Thormann  | Harlinghausen   |
          | _Paul Jahnke_         | freigesprochen | Verf. eingest.  |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      282 | 25. III. 20           | Ltn. Göbel     | Engelbrecht,    |
          | _Hornschuh_           | freigesprochen | Jahn, Kraus,    |
          | _Hartmann_            |                | Herhaber, Schü- |
          | _Döll_                |                | ler, Nebelmann, |
          | _Patz_                |                | Blume, Völker,  |
          | _3 Füldner_           |                | Voß, Lange      |
          | _2 Soldau_            |                | freigesprochen  |
          | _Wedel_               |                |                 |
          | _Rössiger_            |                |                 |
          | _2 Schröter_          |                |                 |
          | _Rosenstock_          |                |                 |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      296 | 24. III. 20           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Tierarzt Neubert_    | Verf. schwebt  | Verf. schwebt   |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      297 | 24. III. 20           | --             | Ltn. Schütz     |
          | _Weigelt_             | --             | freigesprochen  |
          | angebl. Notwehr       |                | Ltn. Jansen     |
          |                       |                | keine Anklage   |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      298 | 1. IV. 20             | Hachmeyer      | unbekannt       |
          | _Hülsbusch_           | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | angebl. Standrecht    |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      299 | 1. IV. 20             | unbekannt      | unbekannt       |
          | _A. Barth_            | Verf.          | Verf.           |
          | _E. Dann_             | eingestellt    | eingestellt     |
          | _K. Edelmann_         |                |                 |
          | _L. Frankenberger_    |                |                 |
          | _Fr. Glässer_         |                |                 |
          | _P. Glässer_          |                |                 |
          | _J. Hasenstab_        |                |                 |
          | _G. Helbing_          |                |                 |
          | _F. Hurzera_          |                |                 |
          | _Th. Ignasiak_        |                |                 |
          | _Fr. Joppe_           |                |                 |
          | _R. Krimm_            |                |                 |
          | _R. Riesbeck_         |                |                 |
          | _G. Rottenbücher_     |                |                 |
          | _Meis_                |                |                 |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      314 | 3. IV. 20             | Kap.-Ltn.      | unbekannt       |
          | _Jos. Soyka_          | Meyerhofer     | kein Verfahren  |
          | angeblich. Standrecht | kein Verfahren |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      315 | 5. IV. 20             | unbekannt      | Wachtm. Mehl    |
          | _Paul Graf_           | Verf. schwebt  | Friedrich       |
          | _Paul Langer_         |                | Verf. schwebt   |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      317 | 6. IV. 20             | Lt. Linsemaier | Block           |
          | _Rogowski_            | Verf. schwebt  | Verf. schwebt   |
          | angebl.   Standrecht  |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      318 | 6. IV. 20             | Ltn. Sinnes-   | unbekannt       |
          | _Joh. Schürmann_      | heimer         | kein Verfahren  |
          | _Eug. Kläs_           | kein Verfahren |                 |
          | angebl. Standrecht    |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      320 | 6. IV. 20             | Ltn. Goeke     | unbekannt       |
          | _Fr. Lichtenauer_     | Verf. eingest. | kein Verfahren  |
          | »a. d. Flucht«        |                |                 |
          | _Herm. Rießner_       |                |                 |
          | angebl. Notw.         |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      322 | 9. IV. 20             | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Herm. Witschel_      | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | _Rösner_              |                |                 |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      324 | 8. IV. 20             | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Fr. Sieck_           | Verf. eingest. | Verf. eingest.  |
          | »auf der  Flucht«     |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      325 | 17. IV. 20            | unbekannt      | Gaul, Grupat,   |
          | _Max Maurer_          | kein Verfahren | Fuchs           |
          | »auf der Flucht«      |                | kein Verfahren  |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      326 | 25. IV. 20            | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Br. Borucki_         | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      327 | 17. V. 20             | unbekannt      | Grimm,          |
          | _Rich. Peledun_       | kein Verfahren | Eversberg       |
          | _Jos. Mainka_         |                | kein Verfahren  |
          | »auf der Flucht«      |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      329 | --                    | Ltn. Horst     | unbekannt       |
          | _Käthe Pintsch_       | Kohl           | kein Verfahren  |
          | willkürl. Erschießung | kein Verfahren |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      330 | 22. V. 20             | Oberl. Koppe   |Schütze          |
          | _Hans Paasche_        | Verf. eingest. | Diekmann        |
          | »auf der Flucht«      |                | Verf. eingest.  |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      331 | 6. X. 20              | unbekannt      | Lt. H. Schweig- |
          | _Marie Sandmeier_     | Verf. schwebt  | hart            |
          | willkürl. Erdroßlung  |                | Verf. schwebt   |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      332 | 28. XII. 20           | Maj.           | unbekannt       |
          | _Paul Hoffmann_       | v. Plüskow     | Verf. eingest.  |
          | »auf der Flucht«      | Verf. eingest. |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      333 | 4. III. 21            | unbekannt      | Rittm. Beurer   |
          | _Hans Hartung_        | Verf. schwebt  | Oberl. Berger   |
          | willkürl. Erschießung |                | Verf. schwebt   |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      334 | 26. III. 21           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Paul Müller_         | Verf. schwebt  | Verf. schwebt   |
          | »a. d. Flucht«        |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      335 | 27. III. 21           | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Herzau_              | Verf. schwebt  | Verf. schwebt   |
          | _Thielecke_           |                |                 |
          | _Pawlack-             |                |                 |
          | _Weiner_              |                |                 |
          | _Dietrich_            |                |                 |
      340 | 28. III. 21           |                |                 |
          | _Peter_               |                |                 |
          | _Straube_             |                |                 |
          | _Deutsch_             |                |                 |
          | _Müller_              |                |                 |
          | _Poblentz_            |                |                 |
          | _Trautmann_           |                |                 |
          | _Lederer_             |                |                 |
          | _Isecke_              |                |                 |
          | _Zillmann_            |                |                 |
          | angebl.  Standrecht   |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      349 | 31.III. 21            | --             | Unterof.        |
          | _Mosenhauer_          | --             | R. Böhm         |
          | »a. d. Flucht«        |                | freigesprochen  |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      350 | 30. III. 21           | unbekannt      | Janicke         |
          | _Wilh. Sült_          | kein Verfahren | Verf. schwebt   |
          | »a. d. Flucht«        |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      351 | 10. VI. 21            | Lt.            | unbekannt       |
          | _Karl Garels_         |Schweighart?    | Unters. schwebt |
          | willkürl. Erschießung |Unters. schwebt |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      352 | 13. VI. 21            | Hptm. Stennes? | Erren (?),      |
          | _Buchholz_            | kein Verfahren | Meyer (?)       |
          | angebl. Selbstmord    |                | freigesprochen  |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      353 | 26. VIII. 21          | unbekannt      | H. Schulz, H.   |
          | _M. Erzberger_        | Unters.        | Tillessen       |
          | willkürl. Erschießung | schwebt        | Unters. schwebt |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
      354 | 24. VI. 22            | unbekannt      | E. W. Techow,   |
          | _W. Rathenau_         | kein Verfahren | Kern u.         |
          | willkürl. Erschießung |                | Fischer,        |
          |                       |                | Günther, Gerd   |
          |                       |                | Techow, Brand,  |
          |                       |                | Niedrig,        |
          |                       |                | v. Salomon,     |
          |                       |                | Ilsemann,       |
          |                       |                | Schütt,         |
          |                       |                | Diestel,        |
          |                       |                | Tillessen,      |
          |                       |                | Plaas           |
          |                       +----------------+                 |
          |                       | Kern gefallen, Fischer Selbstm.  |
          |                       | W. Techow 15 J. Zth., G. Techow  |
          |                       | 4 J. 1  Mon. Gef., Günther 8 J.  |
          |                       | Zth., Niedrig, v. Salomon je 5   |
          |                       | J. Zth., Ilsemann, Schütt,       |
          |                       | Diestel je 2 Mon. Gef.,          |
          |                       | Tillessen 3 J. Gef., Plaas       |
          |                       | 2 J. G.                          |
      ================================================================
       =Gesamtzahl: 354 politische Morde von rechts=
      ================================================================
       =Gesamtsühne: 90 Jahre, 2 Monate Einsperrung,
        730 M. Geldstrafe und 1 lebenslängliche Haft=
      ================================================================

DIE VON LINKS BEGANGENEN POLITISCHEN MORDE

      ================================================================
      L.  | Datum,                | Name des       | Name des        |
      Nr. | Name des              | Verantwort-    | Ausführen-      |
          | Getöteten,            | lichen,        | den,            |
          | Art der Tötung        | Schicksal      | Schicksal       |
      ====+=======================+================+=================+
        1 | 13. II. 19            | --             | O. Albrecht     |
          | _Kohlmann_            | --             | K. Arnold       |
          | willkürl. Erschießung |                | Albrecht        |
          |                       |                | lebensl.        |
          |                       |                | Zuchthaus       |
          |                       |                | Arnold lebensl. |
          |                       |                | Z.              |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
        2 | 21. II. 19            | --             | nicht ermittelt |
          | _Abg. Osel_           | --             | Lindner 14 J.   |
          | willkürl. Erschießung |                | Z. Frisch       |
          |                       |                | 3-1/2 J.        |
          |                       |                |  Gefängnis      |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
        3 | 21. II. 19            |--              | Metzger         |
          | _Major v. Gareis_     |--              | Lindner         |
          | angebl. Notwehr       |                | Merkert 1-1/2   |
          |                       |                | M. Gefängnis    |
          |                       |                | Schlund 2 Mon.  |
          |                       |                | Gefängnis       |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
        4 | --                    | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Max Weinberger_      | kein Verfahren | kein Verfahren  |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
        5 | 30. III. 19           | Eglhofer,      | Josef Seidl,    |
          | _F. K. v. Teuchert_   | Fritz Seidel   | Kammerstädter,  |
          | _F. W. v. Seydlitz_   | Eglhofer will- | Schickelhofer,  |
          | _F. Linnenbrügger_    | kürlich        | Kick, Gsell,    |
          | _Walter Hindorf_      | erschl.        | Hannes, Huber,  |
          | _Prof. Ernst Berger_  | Fritz Seidel   | Hesselmann,     |
          | _Sekr. Daumenlang_    | z. Tode        | Lermer, Wiedl,  |
          | _Hella v. Westarp_    | verurteilt     | Fehmer, Pürzer, |
          | _W. Neuhaus_          |                | Riedmayer       |
          | _W. Deicke_           +----------------+                 |
          | _Prinz Thurn u.       | Josef Seidl, Schickelhofer,      |
          |  Taxis_               | Kammerstädter, Wiedl, Pürzer,    |
          | als Repress.          | Fehmer, Walleshauser z. Td.      |
          | willkürl. erschossen  | verurteilt                       |
          |                       | Kick, Gsell, Hesselmann, Lermer, |
          |                       | Hannes, Huber, Riedmayer, Debus, |
          |                       | Strelenko und Greiner zu je 15   |
          |                       | Jahre Zuchth.                    |
          |                       | Rotter 7 J. Z.                   |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       15 | 25. IV. 19            | Rich. Käs, Gg. | Blechinger,     |
          | _Ernst Lacher_        | Graf, Radl     | Ebert, Essig,   |
          | angebliches           | Käs 6 J.       | Vogl,           |
          | Standrecht            | Zuchth.        | Mühlbauer,      |
          |                       | Graf 12 Jahre  | Anzenberger     |
          |                       | Zuchth., Radl  | Vogl 4 J.       |
          |                       | stdrechtl.     | Zuchthaus,      |
          |                       | ersch.         | Mühlbauer 3-1/2 |
          |                       |                | J. Zuchthaus    |
          |                       +----------------+                 |
          |                       | Anzenberger 1 J. 6 Mon. Gef.     |
          |                       | Ebert, Blechinger, Essig je 3    |
          |                       | J. Gefängnis                     |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       16 | 2. VIII. 19           | Polizeiagent   | unbekannt       |
          | _Polizeiag. Blau_     | Toifl?         | (Hoppe)         |
          | erdrosselt            | kein Verfahren | Hoppe 6 J. Z.   |
          |                       |                | Winkler 3 J. G. |
          |                       |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       17 | 19.III. 20            | unbekannt      | unbekannt       |
          | _Gutsbesitz. Walter_  | Verf. eingest. | Verf. eingest.  |
          | willkürl. Erschießung |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       18 | 21. III. 20           | --             | Felix, Rolle,   |
          | _Gutsbesitz. Henze    | --             | Steinbach       |
          |  u. Schwester_        |                | Felix 5 J.      |
          | willkürl. Erschießung |                | Gef., Rolle und |
          |                       |                | Steinbach 12    |
          |                       |                | Jahre Zuchthaus |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       20 | 28. III. 20           | G. Karuseit    | unbekannt       |
          | _Sametz_              | Verf. schwebt  | Verf. schwebt   |
          | angebl.               |                |                 |
          | Standrecht            |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       21 | 3. IV. 20             | unbekannt      | unbekannt       |
          | _E. Langensiepen_     | Verf. schwebt  | Verf. schwebt   |
          | angebl.               |                |                 |
          | Standrecht            |                |                 |
      ----+-----------------------+----------------+-----------------+
       22 | 30. III. 21           | Max Hölz       | unbekannt       |
          | _Gutsbesitzer Heß_    | Lebensl.       | --              |
          | willkürl. Erschießung | Zuchth.        |                 |
      ================================================================
       =Gesamtzahl: 22 Morde von links=
      ================================================================
       =Gesamtsühne: 10 Erschießungen, 248 Jahre, 9 Monate
        Einsperrung, 3 lebenslängliche Zuchthausstrafen=
      ================================================================

DIE FORMEN DER POLITISCHEN MORDE

      =====================================================
      »Tödlich verunglückt« | 184 | Als Repressalie |  10 |
                            |     | erschossen
      ----------------------+-----+-----------------+-----+
      Willkürlich           |  73 | Willkürlich     |   8 |
      erschossen            |     | erschossen      |     |
      ----------------------+-----+-----------------+-----+
      »Auf der Flucht       |  45 |                       |
      erschossen«           |     |                       |
      ----------------------+-----+-----------------+-----+
      Angebliches           |  37 | Angebliches     |   3 |
      Standrecht            |     | Standrecht      |     |
      ----------------------+-----+-----------------+-----+
      Angebliche            |   9 | Angebliche      |   1 |
      Notwehr               |     | Notwehr         |     |
      ----------------------+-----+-----------------+-----+
      Im Gefängnis oder     |   5 |                       |
      Transport gelyncht    |     |                       |
      ----------------------+-----+                       |
      Angeblicher           |   1 |                       |
      Selbstmord            |     |                       |
      =====================================================
      Summe der von         | 354 | Summe der von   |  22 |
      Rechtsstehenden       |     | Linksstehenden  |     |
      Ermordeten            |     | Ermordeten      |     |
      =====================================================

DIE SÜHNE DER POLITISCHEN MORDE

      ===========================================================
      | Politische Morde                           | Gesamtzahl |
      +============================================+======+     +
      | begangen       | von            | von             |     |
      |                | Linksstehenden | Rechtsstehenden |     |
      +================+-----+          |           +-----+     |
      | Gesamtzahl der Morde |       22 |       354 |       376 |
      +----------------------+----------+-----------+-----------+
      | davon ungesühnt      |  4       | 326       | 330       |
      +----------------------+----------+-----------+-----------+
      | teilweise gesühnt    |  1       |  27       |  28       |
      +----------------------+----------+-----------+-----------+
      | gesühnt              | 17       |   1       |  18       |
      +----------------------+----------+-----------+           |
      | Zahl der             |       38 |       24  |           |
      | Verurteilungen       |          |           |           |
      +----------------------+----------+-----------+           |
      | Geständige Täter     |       -- |       23  |           |
      | freigesprochen       |          |           |           |
      +----------------------+----------+-----------+           |
      | Geständige  Täter    |       -- |        3  |           |
      | befördert            |          |           |           |
      +----------------------+----------+-----------+           |
      | Dauer der            | 15 Jahre |  4 Monate |           |
      | Einsperrung          |          |           |           |
      | pro Mord             |          |           |           |
      +----------------------+----------+-----------+           |
      | Zahl der             |       10 |        -- |           |
      | Hinrichtungen        |          |           |           |
      +----------------------+----------+-----------+           |
      | Geldstrafe           |       -- | 2 Papier- |           |
      | pro Mord             |          | mark      |           |
      ===========================================================




NICHT AUFGENOMMENE TÖTUNGEN


Wie bereits in der Einleitung hervorgehoben, macht die vorliegende
Sammlung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zunächst habe ich
natürlich alle Körperverletzungen weggelassen, die nicht tödlich
ausgingen, wie z. B. den Ueberfall auf _von Gerlach_, Dr. Magnus
_Hirschfeld_, die Attentate auf den Abgeordneten _Auer_, auf
_Scheidemann_, _Harden_ usw., bei denen der Mordversuch offenkundig war.

Ferner habe ich in die Sammlung nicht aufgenommen:

1. Die Opfer von Demonstrationen, Straßenkämpfen und von Lynchungen
durch eine erregte Menge, wie sie vielfach z. B. während der Märzunruhen
in Berlin, während des Kapp-Putsches und im Rheinland vorgekommen sind.
Während des Kapp-Putsches wurden Hunderte von Arbeitern durch die
meuternden Truppen und auch manche Soldaten durch Arbeiter erschossen.
So fiel z. B. Hauptmann _Bertold_ im Straßenkampf gegen die Arbeiter von
Harburg. Von anderen Opfern von Unruhen seien kurz erwähnt: die 20 in
Königshütte am 2. Januar 1919 erschossenen streikenden Arbeiter, die 5
durch die Garde-Kav.-Schützendivision in der Weinmeisterstraße im
Februar 1919 Erschossenen, die 34 in der Köpenicker Straße in Berlin im
März 1919 erschossenen Kommunisten, die 5 Reichswehrsoldaten, die durch
die Baltikumer in Soest im Juni 1920 erschossen wurden. Zuletzt die 2
durch die auf Borkum stationierte Küstenwehr am 31. Dezember 1920
Erschossenen. Von der linken Seite stehen dem u. a. eine Reihe von
Lynchungen gegenüber, die durch eine erregte Menge vorgenommen wurden,
z. B. der Fall des sächsischen Kriegsministers _Neuring_ und des
Oberstleutnants _v. Klüber_ in Halle, die Fälle am Wasserturm in Essen,
am Rathaus in Schöneberg usw.

2. Alle Fälle, wo die erschießende Partei behauptet, daß sie von der
Menge angegriffen wurde, gleichgültig, ob dies nachweisbar ist oder
nicht. Daher habe ich nicht behandelt: die Erschießung von 17
Arbeitslosen in Breslau am 13. Februar 1919, die Erschießung des
Arbeiters Hermann _Mark_ in der Müllerstraße in Berlin am 3. Oktober
1919, die Erschießung eines Kriegsbeschädigten in Spandau am 12.
Dezember 1919, die Erschießungen von 42 Demonstranten vor dem Reichstag
am 13. Januar 1920, die Erschießung des Arbeiters _Jusselbeck_ bei einer
Versammlung in Oberhausen am 16. Februar 1920.

3. Alle Ermordungen, denen keine deutschen innerpolitischen Motive
zugrunde liegen, also alle Erschießungen in Oberschlesien, ferner die
Ermordung des französischen Sergeanten _Mannheim_, die Ermordung eines
polnischen Kommunisten _Körner_ (Rozenblum) durch einen anderen Polen in
der Petersburgerstraße in Berlin, und von verschiedenen Türken durch
Armenier. Endlich alle Fälle, wo es sich wahrscheinlich um einen
persönlichen Racheakt handelte, wie die Ermordung des Abgeordneten
_Haase_ durch _Voß_ und die Ermordung des Studenten _Kahn_ in
Baden-Baden.

4. Alle Fälle, wo die Erschießung auf Grund eines kriegsgerichtlichen
Urteils erfolgte, weil hierbei meistens wenigstens das formale Recht
gewahrt blieb. Daher ist die Erschießung von _Leviné_ nicht aufgenommen.
Dagegen habe ich die Erschießungen in Köpenick gebracht, da es sich hier
meines Erachtens um Justizmorde handelt. Natürlich habe ich auch
diejenigen Fälle erwähnt, wo »standrechtliche Erschießungen« durch
meuternde Truppen auf Grund der Verordnungen Kapps vorgenommen wurden.

5. Alle Fälle, in denen es mir nicht gelungen ist, genügend Material zu
bekommen. Hierunter fällt die Erschießung eines Sanitäters Hans _Müller_
in der Neuenburger Straße in Berlin am 11. Januar 1919, die Erschießung
von _Pieser_ in Spandau am 11. Januar 1919, des Kommunisten _Meseberg_
in Halle am 24. März 1919, die Erschießung des Arbeiters _Pludra_ im
März 1919 in Halle a. S. durch den Freiwilligen Hans _Haneling_ auf
Befehl des Oberleutnants _Kornalewski_ (Feld-Art.-Reg. 45) und des
Führers der 2. Streifkompagnie des Freikorps Halle _Huberti_ alias
_Roth_, ungefähr 50 willkürliche Erschießungen während der Märzunruhen
in Berlin, z. B. die des Soldaten _Neese_ am 12. März 1919, die
Erschießung des Willi _Bressert_ in Kottbus am 2. August 1919, die
Erschießung des Kommunisten _Hammer_ in Remscheid im September 1919, die
Erschießung des 20 jährigen August _Kluwig_ durch den Vizefeldwebel
_Moeßmann_ (6. Kompagnie des Freikorps Schütz) bei Hamborn im März 1920,
die Erschießung des 19 jährigen Wilhelm _Bölke_ in Adlershof am 19. März
1920, die Erschießung der Arbeiter Paul _Reinke_ und Emil _Dagner_ am
22. März 1920 auf Befehl des Major _Kloß_ durch den Leutnant _Schefler_
in Wesel, die Ermordung von Arbeitern durch Reichswehrsoldaten in
Schallenberg und Tunzenhausen im März 1920, die Erschießung eines
Arbeiters in Parin bei Grevesmühlen am 20. März 1920 auf Befehl des
Wirtschafters des Gutes Oberhof, eine Reihe von Ermordungen von Bürgern
bei Halle im März 1920, nämlich des Bergrats Dr. _Vogelsang_ in Eisleben
am 16. März, des Bürgermeisters von Osterfeld, des Rittergutsbesitzers
_Barth_ in Poserna, des Pastors _Niehus_ in Burg Liebenau am 20. März,
des Landesjägers _Herr_ in Teutschenthal, des Schriftstellers _Schott_
in Langenberg-Reuß, des Freiherrn _von Knigge_ in Endorf, die Ermordung
des Bürgermeisters _Jaeckel_ in Osterfeld durch Kommunisten, die
Erschießung des bolschewistischen Kuriers Paul _de Mott_ am 5. April
1920 im Gefängnis Wesel durch den ihn bewachenden Gefreiten
_Getischorek_ »auf der Flucht« und die Ermordung des Arbeiters Karl
_Schluck_ am 15. April 1920 in Altenbochum durch Angehörige des
Freikorps Epp; ferner die Erschießung des Arbeiters Otto _Haase_ am 9.
Juni 1921 in Berlin.

Selbst nach dieser scharfen Auswahl sind noch die geschilderten Fälle
übrig geblieben.




ZUR SOZIOLOGIE DER

POLITISCHEN MORDE

DAS WERDEN DER DEUTSCHEN ÖFFENTLICHEN MEINUNG


Wenn man sich die oben geschilderten Morde und die noch schrecklichere
Klassenjustiz ins Gedächtnis ruft, so drängt sich die Frage auf: Wie
sind solche Dinge in einem früher so geordneten Land möglich, das sicher
zu den führenden Kulturnationen unserer Zeit gehört und das nach seiner
Verfassung eine freiheitliche, demokratische Republik ist?

Um dies zu untersuchen, müssen wir die historische Bedingtheit, das
Werden dieses heutigen Geistes verfolgen. Drei Phasen sind dabei zu
unterscheiden: Die Entwicklung vor dem Krieg, die während des Krieges
und die nach dem 9. November 1918.

Schon vor dem Kriege hat Deutschland, wenn auch nicht ganz mit Recht,
den Ruf besessen, ein militärisches, d. h. halb feudalistisches Land zu
sein, das gegenüber den westlichen Demokratien im Rückstand sei. Dieser
Auffassung widersprechen die sozialen Einrichtungen Deutschlands und die
außerordentlichen Leistungen seiner Wissenschaft und Technik. Begründet
ist diese Auffassung zunächst durch den überwiegenden Einfluß des
Militärs auf Staat und Gesellschaft, dann aber auch durch die
grundsätzlich negierende Stellung, die Deutschland gegenüber den Haager
Konferenzen eingenommen hat. Es bleibe unerörtert, inwieweit diese
Versuche einer Pazifizierung der Welt tatsächlich möglich und
aussichtsreich waren. Worauf es ankommt, ist, daß durch diese Haltung
die Meinung entstanden ist, daß Deutschland ein militaristisches Land
sei. Diese Weltauffassung hat auch in der Tat die Außenpolitik in
wichtigen Momenten, z. B. in der Frage der Schiedsgerichtsbarkeit
entscheidend beherrscht.


Drei Ursachen des Militarismus

Als Hauptursachen dieser Einstellung wird man in Kürze folgendes
anführen können.

(a) Die Entstehung Preußens auf einem Kolonialgebiet, wo eine
ursprünglich dünne deutsche Oberschicht eine breite slavische
Unterschicht beherrschte, und die ungünstige Lage Deutschlands machten
früher einen großen militärischen Aufwand nötig. Schon zur
Rechtfertigung seiner eigenen Existenz mußte dann das Militär die
Möglichkeit der Erhaltung des Friedens auf einem andern Wege als dem
der Rüstung auch in Zeiten leugnen, wo dieser Weg nicht mehr
wirkungsvoll, sondern umgekehrt sogar schädlich war.

(b) Gerade die relative Neuheit des deutschen Einheitsstaates, der ganz
zu Unrecht als eine Erfüllung der demokratischen Träume der 48er
hingestellt wurde, unterstützte die Wirksamkeit dieser Ideologie. Die
bürgerliche Revolution von 48 hatte den nationalen Gedanken betont,
nicht im Sinne des heutigen Imperialismus, sondern als ein
freiheitliches Gegengewicht gegen die herrschende dynastische
Staatsauffassung. Das Volk und nicht die Fürsten sollten es sein, worauf
sich der Staat aufbaue. Den nationalen Gedanken, der ohne seinen
sozialen Inhalt nur eine leere Form blieb, übernahm Bismarck als ein
Mittel zur Machtvergrößerung der Dynastie Hohenzollern und so konnte die
Fiktion entstehen, das Reich von 1870 sei eine Fortsetzung der
revolutionären, demokratischen Tendenzen von 1848. Blut und Eisen hätten
das von oben verwirklicht, was das revolutionäre Bürgertum von unten
nicht hatte vollenden können. So wird der Militarismus künstlich mit
einem idealen Schimmer umkleidet.

(c) Der große wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands nach 1870 wurde
nicht als eine Folge des Fallens der inneren Zollschranken und der
gleichzeitig überall steigenden Konjunktur, sondern als eine Folge des
militärischen Sieges aufgefaßt. Daher bleiben die Offiziere, die
»Begründer der deutschen Größe«, auch im Frieden die gesellschaftlich
maßgebende Schicht. Ein Staat aber, in dem das Militär, sei es direkt,
sei es durch das Reserveoffiziersunwesen, herrscht, muß seiner Natur
nach kriegerisch auftreten.

Wir sehen also, daß das Bürgertum in Deutschland, das als Träger einer
Demokratie in Betracht kam, selbst seinen Feind, den Militarismus
stützte.


Zur Kriegsschuld

Die Auffassung aber, wonach Deutschland während langer Jahre nur davon
geträumt habe, über die übrige, »demokratisch und friedlich gesinnte
Welt« herzufallen, um sie zu erobern, ist falsch. Will man von einer
deutschen Schuld sprechen, so müßte man folgende drei Gesichtspunkte
unterscheiden: (a) Die Schuld des herrschenden Wirtschaftssystems
überhaupt, das den Krieg und seine Vorbereitung zu einem für gewisse
besitzende Klassen lohnenden Geschäft macht. Der Anteil Deutschlands
hieran bestand z. B. in dem Ausbau des Dumping-Systems, der unsinnigen
Marokko-Politik usw.; (b) die Schuld der deutschen Diplomaten, die im
unbedingten Glauben an Blut und Eisen in den Julitagen von 1914 alle
friedlichen Mittel solange verwarfen, bis sie den Krieg unvermeidbar
gemacht haben; (c) eine Schuld des ganzen deutschen Volkes, das den
Krieg als etwas Herrliches, Begeisterungswürdiges empfand.

Wenn ganz Deutschland den Krieg ursprünglich unbedingt bejahte, so darf
man auch hierin nicht einen Beweis des militärischen Eroberungswillens
sehen. Der Glauben, von Rußland überfallen zu sein und die Meinung,
tatsächlich die europäische Kultur gegen die Barbarei verteidigen zu
müssen, war allgemein verbreitet. Der Krieg gegen Frankreich wurde mit
der bekannten Lüge der Fliegerbombe von Nürnberg begründet, die
allgemein geglaubt wurde. Der Ueberfall auf Belgien schien nur die
berechtigte Abwehr gegenüber einem angeblichen früheren Einmarsch der
Franzosen.


Die Lügentechnik der Presse

Die unorganisierte Verbreitung von Lügen wich bald einer systematischen
Irreführung der öffentlichen Meinung.

Die Mittel hierzu waren Zensur, Belagerungszustand und Schutzhaft.
Offiziell erstreckte sich die Zensur nur auf militärische
Angelegenheiten. Daher hat man alles Politische als militärisch
betrachtet. Beinahe täglich wurden den Redaktionen Richtlinien, Befehle
oder Verbote zugesandt. Mehrmals wöchentlich wurde eine
»Pressekonferenz« gehalten, um die »richtigen« Nachrichten zu lancieren
und um zu verhindern, daß sich eine selbständige öffentliche Meinung
bildete. Der Sinn der Anweisungen war stets: »So und so verhält es sich,
aber so und so wünschen wir es dargestellt« (manchmal hieß es sogar
wörtlich so). Sorgfältig wurde verhüllt, daß es überhaupt eine Zensur
gebe. Hierzu diente auch das Verbot, von der Zensur gestrichene Stellen
weiß zu lassen, was in allen anderen Ländern erlaubt war. Wurden im
Reichstag Uebergriffe von Zensoren erörtert, so strich der betreffende
Zensor in lokalen Berichten die ganzen Mitteilungen darüber (Reichstag
30. Mai 1916). Jahrelang hat man jede Theateraufführung, jede
wissenschaftliche und künstlerische Bemerkung, jede Annonce, ja jedes
Witzblatt sorgfältig darauf geprüft, wie sie auf die Stimmung des Volkes
wirken. Jahrelang hat man verboten, gewisse unliebsame Ereignisse und
die Namen gewisser unbeliebter Persönlichkeiten überhaupt nur zu
erwähnen, sodaß das Volk nicht einmal erfuhr, daß es Menschen gab, die
protestierten. Umgekehrt hat man gewisse Halbgötter für sakrosankt
erklärt. Die oberste Heeresleitung, eine durch und durch politische
Organisation, durfte nicht in den Bereich der Diskussion gezogen werden.

Auch über die Meinungen der Presse wurde das Volk völlig irregeführt.
Man zwang die gesamte Presse, Regierungsmeinungen als redaktionelle
Aeußerungen einzusetzen, ohne daß die Presse die Möglichkeit irgend
welcher Kritik hatte.

Beim Ueberschreiten auch nur einer der vielen Zensurbestimmungen drohte
den Zeitungen Verbot auf Tage, Wochen oder bis zum Kriegsende, den
Redakteuren die schärfsten Strafen. (Reichstag, 28. Oktober 1916.) War
ein Blatt mit all diesen Mitteln noch nicht klein zu kriegen, so kam es
unter Vorzensur. Die Zensurbeschwerden mit allem, was dazu gehört, wie
Belagerungszustand und Schutzhaft, füllen Tausende von Seiten der
Reichstagsberichte. Zur Zensur kamen dann noch die vielen kleinen
Mittel, die der Regierung zur Verfügung stehen. Regierungstreue Organe
wurden bei der Papierverteilung besonders berücksichtigt, die Redakteure
der oppositionellen Blätter eingezogen. Neue oppositionelle Blätter
durften nicht erscheinen. Man gründete Korrespondenzen, die umsonst
abgedruckt werden durften (z. B. deutsche Kriegsnachrichten) und hatte
so eine regierungstreue Provinzpresse.


Die Knebelung der öffentlichen Meinung

Abgesehen von der Presse hat man zur vaterländischen Lügenpropaganda das
Theater, das Kino, das Plakat, das Trambahnbillett, die
Zündholzschachtel, selbst das Abortpapier herangezogen. Mit allen
Mitteln wurde die öffentliche Meinung unterdrückt.

Durch Schreibverbot, Schutzhaft, Einziehung zum Militär und Hilfsdienst,
Redeverbot, Zwangsaufenthalt, geheime Brief- und Telephonzensur hat man
unbequeme Leute mundtot gemacht. Ohne Möglichkeit einer Rechtfertigung
saßen Tausende in Schutzhaft. Ein dichtes Netz von Spitzeln und Agents
provocateurs umgab jedes politische Leben (Reichstag, 31. Oktober 1916).
Durch Versammlungsverbote verhinderte man, daß der Volkswille
manifestiert wurde. Unbeliebte Reichstagsabgeordnete durften nicht zu
ihren Wählern sprechen. Gleichzeitig wurde den dadurch Betroffenen
untersagt, das Verbot bekanntzugeben, sodaß es aussehen mußte, als wenn
sie sich zu anderen Ansichten bekehrt hatten. Wurde eine Schrift
beschlagnahmt oder eine Organisation aufgelöst, so wurde gleichzeitig
jede Mitteilung hierüber verboten. Nicht nur gegen Einzelne ist man so
vorgegangen, dem ganzen Elsaß-Lothringischen Landtag ist verboten
worden, über die Lebensfrage des Landes zu sprechen, nämlich über seine
künftige verfassungsmäßige Stellung (Reichstag, 6. und 26. Juni 1918).

Systematisch wurde die Denunziation gezüchtet. Der tapfere Leiter dieses
Reichskrieges war der Polizeidirektor Henniger von der Abteilung Ia des
Polizeipräsidiums. (Am 9. November entflohen, jetzt wieder im Amt.) Den
Denkwilligen entzog man jedes Tatsachenmaterial. Geburt und Grab,
Unglücksfälle und Verbrechen, Streiks, Volkskundgebungen, alles hat man
unterschlagen. Nicht bekannt werden durfte z. B. die Zahl der im Kriege
oder in der Heimat Gestorbenen, die Zahl des Geburtenrückganges, die
exakten Zahlen der Ernte. Manche vollständigen Reichstagsstenogramme
mußten illegal erscheinen; Mitteilungen des Gesundheitsamtes, selbst
Artikel des Kriegsernährungsamtes wurden von der Zensur verboten. Auch
dem Reichstag und selbst Regierungsstellen war keine Möglichkeit
gegeben, sich wahrheitsgemäß zu unterrichten. So war das deutsche Volk
völlig desorientiert und stand hilflos den Lügen gegenüber, die ihm Tag
für Tag von der Regierung und der kriegshetzerisch feilen Presse geboten
wurden.


Die Revolution

Die Deutsche Republik ist, wie man weiß, nicht das Resultat des
Aufstrebens der deutschen Bürger, sondern die Folge der Niederlage
seiner Generale. Vor der Verantwortung retteten sie sich. Auf ihren
Wunsch wurde eine neue fortschrittliche Regierung gegründet, deren Zweck
nur sein sollte, sofort einen günstigen Waffenstillstand herbeizuführen.
Rein militärische Gründe waren es, die zu diesem Schritt zwangen. Das
deutsche Heer stand vor der größten Niederlage aller Zeiten. »Das
Friedensangebot muß morgen noch herauskommen. Heute hielt die Truppe
noch, was morgen ist, läßt sich nicht voraussagen«, so schreibt
Ludendorff selbst. (Vorgeschichte des Waffenstillstands, Tel. Nr. 21.)
Und Hindenburg telegraphiert an die Waffenstillstandskommission, wenn
keine Milderungen zu erreichen sind, sind die Bedingungen anzunehmen.
Ueber Nacht entstehen im Heer die Soldatenräte, die Arbeitermassen
zwingen die Herrscher zur Abdankung.

Aber diese Revolution entspricht nicht dem üblichen Bild. Die
wesentliche psychologische Ursache, die jahrelange Unzufriedenheit der
Masse fehlte. Bis 1914 herrschte im allgemeinen Zufriedenheit. Das
Standard of Life war gestiegen, das Land befand sich auf einer
aufsteigenden Linie. Als die deutsche Politik Schiffbruch erlitt, folgte
nicht ein Umsturz, sondern nur ein Einsturz, und da die Dynastien sich
mit dem Militarismus identifiziert hatten, so schickte man sie zum
Teufel.

Große Hoffnung bestand, daß dies der Ausgangspunkt einer demokratischen
Entwicklung werden könne, daß ein Erwachen aus dem Bann der Lügen
stattfinden würde.


Weimarer Verfassung und Wirklichkeit

Formal hat sich in Deutschland wirklich etwas geändert. Denn seit der
Weimarer Verfassung ist Deutschland nominell eine Demokratie. Danach
geht die Staatsgewalt vom Volk aus. Die Richter sind unabhängig und nur
dem Gesetz unterworfen. _Ausnahmegerichte sind unstatthaft_, niemand
darf seinem gesetzmäßigen Richter entzogen werden. Die
Militärgerichtsbarkeit ist aufgehoben. Alle Deutschen sind vor dem
Gericht gleich. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Personen,
denen die Freiheit entzogen ist, sind spätestens am darauffolgenden Tage
davon in Kenntnis zu setzen, von welcher Behörde und aus welchem Grunde
die Entziehung der Freiheit angeordnet ist. Das Brief-, Telegraph- und
Fernsprechgeheimnis ist unverletzlich. Eine Zensur findet nicht statt.
In allen Schulen ist sittliche Bildung, staatsbürgerliche Gesinnung,
persönliche und berufliche Tüchtigkeit im Geiste des deutschen Volkstums
und der Völkerversöhnung zu erstreben.

Wer diese herrlichen Bestimmungen, wie sie in der Weimarer Verfassung
niedergelegt sind, liest, wird schwerlich daran zweifeln können, daß
Deutschland eine vollendete Demokratie sei.

Aber es ist eine bekannte Tatsache, daß es leider unmöglich ist, aus dem
Wortlaut einer Verfassung auf den Grad der Demokratie zu schließen, den
ein Land hat. Wenn man z. B. nach den Pronunziamentos mancher Generale
schließen wollte, wären sie wahre Engel und würden allen Menschen die
Segnungen des Paradieses bieten. Dem ist nicht so. Man muß vielmehr noch
die Ausführungsbestimmungen, die weiteren Gesetze, die Rechte der
Polizei, den Geist der Verwaltung und vor allem den geistigen Zustand
eines Landes berücksichtigen, um unsere Frage zu entscheiden. Hier
bekommen wir nun sofort ein anderes Bild.

Die Leute des Ancien Régime werden in Deutschland noch immer hoch
verehrt. Der Kaiser gilt als eine mystische Persönlichkeit, ja es konnte
sogar in den extremen rechten Kreisen eine Christuslegende entstehen,
wonach Wilhelm die Sünden seines Volkes auf sich genommen und durch
seine freiwillige Verbannung sich für Deutschland geopfert habe.
Entsprechend werden auch die Angehörigen seines Hauses, selbst wenn sie
sich gemeiner Verbrechen schuldig gemacht haben, noch immer hoch
verehrt. Ein Hohenzoller hat sich Verfehlungen gegen den § 175
(Homosexualität) zuschulden kommen lassen, ein anderer hat sich in eine
Wirtshausrauferei eingelassen, ein dritter ist wegen
Kapitalsverschiebungen rechtskräftig verurteilt worden. Weite Kreise des
Volkes sehen in ihnen doch noch immer Menschen höheren Schlages.

Die Republik ist unerhört demokratisch -- gegen ihre Feinde. Während die
Hohenzollern 1866 nicht daran dachten, dem von ihnen gestürzten König
und den Fürsten einen Pfennig Entschädigung zu zahlen und sie sogar ohne
weiteres ihres Landes verwiesen, hat die Republik den Hohenzollern ihr
ganzes Eigentum gelassen. Ja, auch wo es strittig war, ob es sich um
Staatsgut oder Privatgut der Hohenzollern handelte, hat man ihnen nicht
einen Pfennig genommen. Im Gegenteil, Jahr um Jahr schickte der gute
deutsche Steuerzahler Millionen nach Amerongen, damit sein Kaiser in der
Verbannung würdig lebe und damit ihm nicht die Möglichkeit genommen sei,
die Kräfte zu sammeln, um die Republik zu stürzen. Kein einziger
Thronprätendent ist des Landes verwiesen worden. Die Behörden haben die
Bezeichnung »Königlich« und »Kaiserlich« nur zum Teil gestrichen. Z. B.
steht selbst in dem Haus, wo der württembergische Staatspräsident wohnt,
noch unangefochten ein Schild, wonach dieses Haus das »Königliche
Ministerium des Aeußeren« sei. Auch die Berliner Akademie der
Wissenschaften nennt sich noch immer königlich.

Um diese Mentalität zu verstehen, muß man folgendes beachten.


Tatsachen und Ueberzeugungen

Es ist sehr selten, daß die Menschen sich durch die Tatsachen wirklich
überzeugen lassen. Meistens ziehen sie vor, besonders, wenn wie hier,
die mächtigen mit dem Militär verschwägerten Interessen des
Großkapitals hinter der Bildung der öffentlichen Meinung durch die
Zeitung stehen, aus der rauhen Wirklichkeit ins süße Reich der Märchen
zu flüchten. Denn es ist bitter, langjährige Ueberzeugungen zu opfern.
Daher wird zur Erhaltung des Prestiges noch heute geleugnet, daß
Deutschlands Militärmacht an der vereinigten Militärmacht der ganzen
Welt gescheitert ist. Vielmehr: »die Heimat hat die Front von hinten
erdolcht«, sozusagen, das Volk hat die Generale verraten. Damit ist die
nationale Eitelkeit der Unüberwindbarkeit gerettet, die ganze Politik
der letzten 50 Jahre gerechtfertigt. Endlich ist ein Prügelknabe
gefunden; die Zurückgebliebenen, die Drückeberger, die Juden sind an
allem Schuld.

Daß von Regierungsseite das Volk nicht aufgeklärt wurde, liegt daran,
daß die Regierung in ihrem zum Teil von ihr provozierten Kampf gegen die
bolschewistische Linke die rechtsstehenden »Ordnungsleute«, auf die sie
sich stützte, nicht allzusehr verschnupfen wollte. In ihrer
Machtlosigkeit und verhängnisvollen Kurzsichtigkeit hat die Regierung
sogar die Möglichkeit eines Militärputsches geleugnet, ihre eigenen
Gegner bewaffnet, die Arbeiterschaft, auf die sie sich stützen konnte,
entwaffnet. Der Kapp-Putsch scheiterte nicht etwa an der Abwehr der
besitzenden und intellektuellen Klassen -- diese haben im Gegenteil ihn
jubelnd begrüßt -- vielmehr an der entschlossenen Abwehr des
Proletariats und an seiner mangelhaften politischen und technischen
Ausbildung.

Die wirtschaftlichen Ursachen dieser psychischen Einstellung liegen auf
der Hand. Das deutsche Bürgertum hat eine Zeitlang, ob mit Recht oder
Unrecht spielt keine Rolle, die heute herrschende Wirtschaftsordnung,
auf der seine Existenz beruht, für bedroht gehalten. In dieser Situation
pflegt eine herrschende Klasse stets rücksichtslos ihre Prinzipien über
Bord zu werfen, soweit sie sie in ihrem Kampfe hindern, nur um ihre
Existenz zu retten. Auch die dritte französische Republik hat zu ihrem
Beginn im Kampfe gegen den Kommunismus nach rein militaristischen
Motiven gehandelt. Der Sturz der Kommune hat Tausenden das Leben
gekostet, die Kommune selbst nur wenigen. Aehnlich schrecken die
herrschenden Klassen Deutschlands wegen des ihrer Meinung nach noch
immer drohenden Bürgerkriegs vor keiner Verletzung der demokratischen
Prinzipien, ihrer eignen Grundlage zurück.


Der Frieden von Versailles

Eine wesentliche Ursache an diesen Zuständen ist auch die
imperialistische Politik der Entente. Dem besiegten kaiserlichen
Deutschland des 5. Oktober stellte die Entente mit Recht die denkbar
schärfsten Waffenstillstandsbedingungen. Aber auch nach der Revolution
hat die Entente die ursprünglichen Bedingungen aufrecht erhalten, ja sie
noch verschärft. Dies war für eine mögliche deutsche Revolution ein
schwerer Schlag. Denn es war die Hoffnung aller geistig Selbständigen
in Deutschland, die Entente werde beim Sieg ihr Wort wahr machen, dieser
Krieg gelte nicht dem deutschen Volke, er gelte nur einem innerlich
zermürbten Feudalismus, der den Frieden der Welt bedrohe. Die Mehrzahl
der Deutschen muß also der Opposition mißtrauen, die ihnen die Sache der
Entente als gerecht darstellte. Die Entente hat nichts getan, um die
ehrlichen Kämpfer auf der anderen Seite, wie Eisner, zu unterstützen.
Dadurch hat sie die Reaktion verstärkt und selbst dazu beigetragen, daß
nach der Revolution vielfach die alten Leute an der Spitze blieben.

Auch nach dem Waffenstillstand hat die Entente ihre Politik, Unmögliches
zu fordern, fortgesetzt und damit dazu beigetragen, daß Deutschland
nicht bereit war, das Mögliche zu leisten. Denn diese Forderungen
rechtfertigen in den Augen der Deutschen wieder die Politik der alten
Regierung, und so treiben Verschärfungen der Ententebedingungen
einerseits, und Anwachsen eines neuen deutschen Chauvinismus
andrerseits, sich gegenseitig in die Höhe.

Am stärksten hat der Friedensvertrag von Versailles den Nationalismus
wieder geweckt. Was man ihm vor allem vorwerfen muß, ist die Tatsache,
daß er ein Diktatfrieden ist, daß er Deutschland mehr schädigt, als er
der Entente nützt. Der Idee des verletzten Rechtes ist keineswegs Genüge
geleistet worden, indem Elsaß-Lothringen auf Grund des angeblichen
historischen Rechtes an Frankreich kam. Eine Volksabstimmung hätte den
lebendigen Willen der Bevölkerung ergeben und hätte gleichzeitig den
imperialistischen Schreiern in Deutschland den Mund gestopft. Posen und
Westpreußen sind ohne Abstimmung an Polen gekommen. Die Abstimmung in
Ostpreußen, wo die Verhältnisse ähnlich liegen wie in den beiden
Provinzen, ergab 95 Prozent für Deutschland. Danzig und Memel wurden
gegen ihren Willen von Deutschland abgetrennt. Eupen und Malmedy kamen
ohne Abstimmung an Belgien. Die Bevölkerung hatte ein Recht zum Protest,
das natürlich wegen der zu erwartenden Ausweisung von niemand ausgeübt
wurde. Deutsch-Oesterreich, das in Volksabstimmungen in überwältigender
Mehrheit den Anschluß an Deutschland forderte, wurde der Anschluß
verboten. Wegen Oberschlesien hat man sich drei Jahre lang nicht zu
einer definitiven Lösung entschließen können. Vielleicht wäre jede
Lösung besser gewesen, als das Hinziehen und Warten und die dadurch
entstandene Spannung.

Endlich hat die Entente so ziemlich in allen Punkten nachgegeben, wo sie
nicht hätte nachgeben sollen und nicht nachgegeben in allen Punkten, wo
sie hätte nachgeben sollen. Als Beispiel diene die Auslieferungsfrage.
Die Entente hätte diese Forderung niemals stellen sollen. Wenn sie aber
schon gestellt war, so hätte sie auch durchgeführt werden müssen, da
sonst alle nationalen Instinkte erweckt wurden, ohne daß dem verletzten
Recht Genüge geworden ist. Auch in der Entwaffnungsfrage hätte die
Entente schärfer vorgehen dürfen. Dagegen hätte man die riesigen
Besatzungskosten weit besser zum Wiederaufbau Nordfrankreichs verwenden
können. In den wirtschaftlichen Forderungen hat die Entente Deutschland
sicher Unmögliches zugemutet, wie der katastrophale Sturz der Mark
bewiesen hat. Jede ungerechte oder unmögliche Belastung Deutschlands
stärkt aber den Nationalismus.


Ursachen der Ententehaltung

Auf der Seite der Entente haben die großen wirtschaftlichen
Schwierigkeiten, unter denen sie (insbesondere Frankreich) zu leiden
hat, und die Furcht, ein wirkliches demokratisches Deutschland werde die
Opposition im eigenen Land zu sehr stärken, dazu beigetragen, den
Imperialisten den Sieg zu verschaffen. Die Entente selbst unterstützt
durch ihre Politik den deutschen Militarismus und dies aus dreierlei
Gründen. Zunächst (im Jahre 1919) aus Furcht vor dem angeblichen
Bolschewismus in Deutschland, zu dessen Bekämpfung ein Heer nötig sei.
Dann mag die bekannte Theorie vom europäischen Gleichgewicht in der
heutigen englischen Politik wieder eine Rolle spielen. Endlich aber
wissen die französischen Militärs genau, daß ihnen nur die Existenz des
preußischen Militarismus eine Lebensberechtigung gibt und sie hüten sich
natürlich davor, durch seine tatsächliche Vernichtung ihre eigene
Existenz zu untergraben.

So sind denn die heutigen Zustände in Deutschland nicht die Folge
irgendeiner spezifisch deutschen Mentalität, sie sind zunächst
historisch bedingt. Und sie entstehen jeden Tag neu, einerseits durch
die Angst des deutschen Bürgertums um seine Existenz, andererseits durch
die Tatsache, daß das Verhalten der Entente gerade die Imperialisten in
Deutschland stützt.




BAYRISCHE RÄTEREPUBLIK UND KAPP-PUTSCH


Die bayrische Räterepublik

Nach der Ermordung Eisners übernahm der bayrische Zentralrat die Macht
und erklärte am 7. April 1919 die Räterepublik. Während ihrer Dauer
wurden zwölf Menschen willkürlich umgebracht. Das Ministerium bildete
sich in Bamberg neu, sammelte Truppen und eroberte am 1. Mai München.
Dabei wurden 457 Menschen willkürlich umgebracht. (Vgl. Seite 113.)

Zur Aburteilung der Räterepublikaner wurden Sondergerichte, die
sogenannten bayrischen Volksgerichte vom 12. Juli 1919 geschaffen. Diese
sind so ziemlich für alle politischen Delikte zuständig. Sie bedeuten
eine juristische Neuerung, da für Hoch- und Landesverrat das
Reichsgericht zuständig sein sollte. Obwohl das beschleunigte Verfahren
dieser Gerichte und das Fehlen der üblichen Rechtskautelen die Gefahren
eines Justizirrtums erheblich vergrößern, sind hier alle Rechtsmittel
ausgeschlossen. Gegen die Urteile dieser Gerichte gibt es weder Revision
noch Berufung, auch die Wiederaufnahme des Verfahrens findet nicht
statt. Ein Rechtsirrtum kann und soll also nicht wieder gut gemacht
werden. (Vgl. Felix Halle, Deutsche Sondergerichtsbarkeit, Berlin 1922.)
Nach einer amtlichen Auskunft des bayrischen Bevollmächtigten von
Nüßlein im Rechtsausschuß des Reichstags wurden wegen Beteiligung an der
Rätebewegung 2209 Personen verurteilt, davon 65 zu Zuchthaus, 1737 zu
Gefängnis, 407 zu Festung. (Kuttner, Warum versagt die Justiz, p. 61.)
Nach der bayrischen Staatszeitung vom 20. Februar 1920 waren bis zum 20.
Februar 1920 (also in einem halben Jahr) von den 25 Volksgerichten 5233
Strafprozesse erledigt worden. So rasch arbeiten die bayrischen
Volksgerichte. Von den 12 Morden der Räterepublik wurden 11 gesühnt, die
wesentlichen Führer teils willkürlich, teils gesetzlich (Leviné)
getötet.


Der Kapp-Putsch

Am 13. März 1920 eroberte _Kapp_ mit Baltikumern durch einen Handstreich
Berlin.

Der einsetzende Generalstreik zwang ihn zum Rücktritt und zur Flucht. In
Abwehr des Kapp-Putsches wurden von links, abgesehen von den in
Straßenkämpfen und Tumulten Umgekommenen, nur zwei Menschen willkürlich
umgebracht. Im Verlauf des Putsches wurden von Rechts 74 Menschen
willkürlich umgebracht. Daß Kapp intellektueller Urheber der 74
politischen Morde ist, ergibt sich aus folgender Verordnung (Nr. 19):

»Die Rädelsführer, die sich der in der Verordnung zur Sicherung
volkswirtschaftlicher Betriebe und in der Verordnung zum Schutz des
Arbeitswesens unter Strafe gestellten Handlungen schuldig machen,
desgleichen die Streikposten, werden mit dem Tode bestraft. Diese
Verordnung tritt am 17. März 1920, 4 Uhr nachmittags, in Kraft. Der
Reichskanzler, gez. Kapp«.

Ferner drahtete er an alle Truppenteile (vgl. Brammer: »Fünf Tage
Militärdiktatur«, S. 21):

»Bitte allen Führern bekanntzugeben, daß ich jede entschlossene
Dienstauffassung, auch wenn sie im Zwange der Not gegen einzelne
bisherige Bestimmungen verstoßen sollte, persönlich decke. Es kommt mir
ganz besonders darauf an, daß jeder Deutsche und insbesondere jeder
militärische Führer künftig verantwortungsfreudig mehr leiste als der
tote Buchstabe seiner Pflicht bisher gebot.«

Kapp flüchtete nach Schweden, stellte sich dann aber freiwillig, wurde
sofort wegen einer Operation von der Untersuchungshaft befreit und starb
am 13. Juni 1922 an einem Krebsleiden. Sein Rittergut war seinem Sohn
zur Bewirtschaftung übergeben worden, obwohl Kapps Vermögen angeblich
beschlagnahmt worden war. (Antwort des preußischen
Landwirtschaftsministers auf eine Anfrage, »Berliner Tageblatt«, 4.
Oktober 1921.) Frau Kapp bezieht von der Landschaft eine Rente.
(Preußischer Pressedienst, 12. Januar 1922.)

Das Verfahren gegen _Lettow-Vorbeck_ wurde eingestellt. Als einziger
Kapp-Anhänger wurde v. _Jagow_ zu 5 Jahren Festung verurteilt. General
_Lüttwitz_ hat später sogar von der Regierung eine Pension gefordert.
Auf eine diesbezügliche Anfrage (Reichstag, 14. Februar 1922) hat die
Regierung erklärt, da die Akten noch nicht vorlägen, könne eine Antwort
nicht erteilt werden.

Die Anhänger Kapps, die in höheren Posten der Verwaltung und des Heeres
standen, wurden darin belassen. Die meisten Führer des Kapp-Putsches
haben sich über ein Jahr in München und Umgebung aufgehalten.
(Reichskanzler Dr. Wirth, 15. September 1921.)

Kapitän Ehrhardt wurde zuerst mit voller gesetzlicher Pension entlassen.
Man wagte nicht, gegen ihn vorzugehen. (Vgl. »Vossische Zeitung«, 23.
Oktober 1920.) Erst später wurde ein Haftbefehl gegen ihn wenigstens
offiziell erlassen. Während dieser Zeit konnte er noch mit dem Münchener
Polizeipräsidenten _Pöhner_ »wegen Unterbringung einzelner Gruppen
seiner Leute« verhandeln. (Staatssekretär Dr. Schweyer im bayrischen
Landtagsausschuß, 17. September 1921.)

Seinen 3000 Soldaten von der Marinebrigade war für die Zeit des Putsches
eine tägliche Zulage von 7 M. und für den Sturz der Ebertregierung eine
Extrabelohnung von 50 M. von der Kappregierung versprochen worden. Die
Ebertregierung zahlte diese Summe von 16_000 Goldmark (nach dem
damaligen Stand berechnet) aus. (Vgl. Rudolf Mann, »Mit Ehrhardt durch
Deutschland«, Seite 168 und 206.)

Keiner der durch Kapp verursachten Morde ist gesühnt. Gegen die
Kappanhänger wurde nicht wie gegen die Räterepublikaner eine
Sondergerichtsbarkeit ins Leben gerufen. Das zuständige ordentliche
Gericht, das Reichsgericht hat so langsam gearbeitet, daß infolge der
Amnestie die meisten Teilnehmer des Kapp-Putsches nicht einmal in
Untersuchung genommen wurden.

Das größte Unrecht, das nach der Niederwerfung des Kapp-Putsches
geschehen ist, besteht in der Art der Durchführung der Amnestie. Sie
sollte nur die dummen Mitläufer von der Verantwortung befreien. Die
Führer, die Urheber, die Anstifter sollten nicht darunterfallen. Daher
wurde von den Gerichten, selbst bei den meisten Generalen und Ministern
die Führereigenschaft verneint. Bei den gleichzeitigen Ausschreitungen
der Arbeiterschaft dagegen wurde die Führereigenschaft selbst einfachen
Parteifunktionären zuerkannt, so daß man sie trotz der Amnestie
verurteilen konnte.

Das Reichsgericht nimmt nur neun Führer an. Welche Heroen der Tatkraft
müssen sie gewesen sein, um allein fast ein ganzes Reich acht Tage lang
zu beherrschen! Von 775 beteiligten Offizieren ist keiner bestraft
worden. Sie waren alle keine Führer, nur Mitläufer. Keiner der Offiziere
hat Verantwortungsfreudigkeit genug gehabt, gegen diese Bezeichnung zu
protestieren. Keiner hat erklärt: Wenn man mir nachsagt, daß ich bei
einem so verantwortungsvollen Schritt, wie eine Rebellion, nur ein
Mitläufer war, wenn man von mir behauptet, daß ich eine solche Handlung
aus Blindheit mitmache, meine Pflicht nicht kenne, so leugnet man mein
Führertum, meine Offiziersqualifikation überhaupt. Ich stehe zu meiner
Tat. Ein einziger -- Zivilist -- hat es gewagt, so zu handeln -- nachdem
er im Ausland in Sicherheit war. Und als Kapp sich freiwillig stellte,
tat er es nur, weil er nach dem Vorgang des Jagowprozesses wußte, daß er
keine oder fast keine Strafe zu erwarten hatte.

Eine weitere Ungerechtigkeit der damals gewährten Amnestie besteht
darin, daß sie sich nur auf die gegen _das Reich_ gerichteten
Unternehmen bezog. Dagegen galt die bayrische Räterepublik als ein nur
gegen Bayern gerichtetes Unternehmen, obwohl die Räterepublik die
Beziehungen zum Reich abgebrochen hatte und dem bayrischen Gesandten
Weisung gegeben hatte, seinen Posten zu verlassen. So wurden die
Räterepublikaner eingesperrt, die Kappanhänger amnestiert.

Interessant ist übrigens, daß eine gelegentlich des Kapp-Putsches
herausgegebene Verordnung des Reichspräsidenten _Ebert_ vom 19. März
1920 »zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung«,
welche außerordentliche Kriegsgerichte einsetzte, sich nicht gegen Kapp
und seine Anhänger richtete, sondern gegen die bei der Niederwerfung des
Kapp-Putsches entstandenen kleineren Unruhen von Links. Obwohl der
Kapp-Putsch eine viel größere Ausdehnung besessen hatte, wurde gegen ihn
nicht mit Hilfe der Sondergerichtsbarkeit eingeschritten. (Vgl. Halle,
Sondergerichtsbarkeit.)

Die folgenden Tabellen zeigen das Schicksal der Anhänger und Führer beim
Kapp-Putsch und bei der bayrischen Räterepublik.

KAPPREGIERUNG

      ==============================================================
       Lfd.| Name            | Rang                  | Schicksal
       Nr. |                 |                       |
      ==============================================================
           |                 |                       |
         1 | _Wolfgang Kapp_ | Reichskanzler         | gestorben
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         2 | _Bang_          | Finanzminister        | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         3 | _Dr. Traub_     | Preuß. Kultusminister | amnestiert
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         4 | _Gottl. v.      | Minister des Innern   | 5 J. Festung
           |  Jagow_         |                       |
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         5 | _Zumbroich_     | Reichsjustizminister  | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         6 | _Trebitsch-     | Oberzensor            | im Ausland
           |  Lincoln_       |                       |
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         7 | _Dr. Schiele_   | Reichswirtschafts-    | Verf.
           |                 | minister              | eingest.
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         8 | _Krämer_        | Preuß.                |
           |                 | Wirtschaftsminister   | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
         9 | _v. Falken-     | Chef der Reichs-      | in Freiheit
           |  hausen_        | kanzlei               |
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        10 | _Dr. Sönksen_   | Reichspostminister    | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        11 | _Frhr. v.       | Preuß.                | in Freiheit
           |  Wangenheim_    | Landwirtschafts-      |
           |                 | minister              |
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        12 | _Eduard Meyer_  | Universitätsrektor    | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        13 | _Müller-        | tätig in der          | in Freiheit
           |  Lobwitz_       | Reichskanzlei         |
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        14 | _Stubbendorf_   | tätig in der          | in Freiheit
           |                 | Reichskanzlei         |
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        15 | _Dr. Bredereck_ | Pressechef            | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        16 | _W. Harnisch_   | Pressechef            | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        17 | _Dr. Grabowski_ | Propagandist          | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        18 | _Lensch_        | im Presseamt          | in Freiheit
      -----+-----------------+-----------------------+--------------
        19 | _A. de la       | im Presseamt          | in Freiheit
           |  Croix_         |                       |
      ==============================================================
      Die strafgerichtliche Behandlung des Kapp-Putsches

      (Mitteilung des Reichsjustizminister an den Reichstag
      vom 21. Mai 1921)

      Zahl der amtlich bekanntgewordenen Kapp- Verbrechensfälle 705

              Davon:
              Amnestiert  412
              Durch Tod und andere Gründe in Wegfall gekommen  109
              Verfahren eingestellt  176
              Noch nicht erledigt    7
              Bestraft   1

      Schicksal von 775 Offizieren, die am Kapputsch beteiligt waren
      (»Amtliche Ergebnisse des Ausschusses zur Prüfung des
      Verhaltens der Offiziere während der Märzvorgänge«)
      ==============================================================
       Art              | Zahl der      | Zahl der     | Gesamtzahl
       der              | Offiziere in  | Offiziere    | der
       Erledigung       | der Marine    | im Landheer  | Offiziere
      ------------------+---------------+--------------+------------
                        |               |              |
       Einstellung des  |               |              |
       Verfahrens       |       119     |      367     |      486
      ------------------+---------------+--------------+------------
       Beurlaubung      |        40     |       51     |       91
      ------------------+---------------+--------------+------------
       Versetzung       |        37     |       20     |       57
      ------------------+---------------+--------------+------------
       Dienstenthebung  |        18     |       30     |       48
      ------------------+---------------+--------------+------------
       Disziplinare Er- |        12     |        1     |       13
       ledigung         |               |              |
      ------------------+---------------+--------------+------------
       Noch keine Ent-  |         5     |       69     |       74
         scheidung      |               |              |
      ------------------+---------------+--------------+------------
       Verabschiedung   |         4     |        2     |        6
      ------------------+---------------+--------------+------------
                                235            540            775
      ==============================================================
       =Gesamtstrafe: 5 Jahre=
      ==============================================================

MILITÄRS DER KAPP-REGIERUNG

      ==============================================================
       Lfd.|  Name           | Rang                | Schicksal
       Nr. |                 |                     |
      ==============================================================
         1 | _Ludendorff_    | General (nahm an    | keine Anklage
           |                 | allen  Kabinett-    |
           |                 | sitzungen der       |
           |                 | Kappregierung teil) |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         2 | _Freih. v.      | Reichswehrminister  | im Ausland
           |  Lüttwitz_      | und                 |
           |                 | Oberbefehlshaber    |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         3 | _v. Hülsen_     | Adjutant d.         | in Freiheit
           |                 | Oberbefehlsh.       |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         4 | _v. Klewitz_    | Stabschef           | in Freiheit
           |                 | b. v. Hülsen        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         5 | _v. Trotha_     | Admiral             | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         6 | _v. Oven_       | General             | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         7 | _v. Dassel_     | General             | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         8 | _v. Watter_     | General             | in die
           |                 |                     | Ebertreg.
           |                 |                     | übernommen
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         9 | _v. Loßberg_    | Generalmajor        | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        10 | _Bauer_         | Oberst              | im Ausland
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        11 | _Ehrhardt_      | Kapitän(Eroberer    | steckbrieflich
           |                 | v. Berlin)          | verfolgt
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        12 | _Hpt. Pabst_    | persönlicher Adj.   | in Freiheit
           |                 | Kapps               |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        13 | _Freih.         | Freikorpsführer     | in Freiheit
           |  v. Lützow_     |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        14 | _Maj. Schulz_   | Freikorpsführer     | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        15 | _Ltn. Roßbach_  | Freikorpsführer     | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        16 | _Hpt. Pfeffer   | Freikorpsführer     | in Freiheit
           |  v. Salomon_    |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        17 | _v. Löwenfeld_  | Freikorpsführer     | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        18 | _Aulock_        | Freikorpsführer     | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        19 | _Vaupel_        | Hauptmann           | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        20 | _v. Kessel_     | Polizeihauptmann    | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        21 | _v. Puttkammer_ | Hauptmann           | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        22 | _v. Patow_      | Hauptmann im        | in Freiheit
           |                 | Oberkom.            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        23 | _Reinhardt_     | Oberst (erschien    | in Freiheit
           |                 | ohne Befehl b. d.   |
           |                 | Brigade 15)         |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        24 | _Neubarth_      | Batterieführer      | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        25 | _v. Hülsen      | Leutnant            | in Freiheit
           |  jun._          |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        26 | _v. Borries_    | Leutnant            | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        27 | _v.             | Oberleutnant        | in Freiheit
           | Knobelsdorff_  |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        28 | _v. Amman_      | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        29 | _v. Auer_       | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        30 | _v. Borries_    | General             | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        31 | _v. Bock_       | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        32 | _Frh. v.        | Oberst              | in Freiheit
           |  Blomberg_      |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        33 | _v. Bernuth_    | Gen.-Leutnant       | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        34 | _Frh.           | Oberleutnant        | in Freiheit
           |  v. Czettritz   |                     |
           |  u. Neuhaus_    |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        35 | _Frh.           | Rittmeister         | in Freiheit
           |  v. Durant_     |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        36 | _Frh. v. Erffa_ | Leutnant            | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        37 | _v. Falken-     | Major               | in Freiheit
           |  hausen_        |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        38 | _v. Frantzin_   | Hauptmann           | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        39 | _v. Grothe_     | Oberstleutnant      | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        40 | _v. d. Hardt_   | General             | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        41 | _Frh.           | Oberstleutnant      | in Freiheit
           |  v. Hadeln_     |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        42 | _Frh. v.        | Oberleutnant        | in Freiheit
           |  Hammerstein_   |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        43 | _v. Hagen_      | Major (Dessau)      | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        44 | _v.             | Oberst (Pasewalk)   | in Freiheit
           |  Knobelsdorff_  |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        45 | _v. Kleist_     | Rittmeister         | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        46 | _v. Lefort_     | Leutnant            | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        47 | _v. Möhl_       | Generalmajor        | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        48 | _Frh.           | Rittmeister         | in Freiheit
           |  v. Mirbach_    |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        49 | _v. Neufville_  | Rittmeister         | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        50 | _v. Platen_     | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        51 | _v. Rudolphi_   | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        52 | _v. Rössing_    | Oberstleutnant      | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        53 | _v. Rosen_      | Oberst              | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        54 | _v. Seydlitz_   | Rittmeister         | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        55 | _Frh.           | Hauptmann           | in Freiheit
           |  v. Schade_     |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        56 | _Frh. Treusch   | Leutnant            | in Freiheit
           |  v. Buttlar-    |                     |
           |  Brandenfels_   |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        57 | _v. Uechtritz_  | Rittmeister         | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        58 | _v. Wulffen_    | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        59 | _v. Ziehlberg_  | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        60 | _v. Heimburg._  | Oberleutnant        | in Freiheit
      ==============================================================
       =Gesamtstrafe: Null=
      ==============================================================

BAYRISCHE RÄTEREGIERUNG

      ==============================================================
       Lfd.| Name            | Rang               | Schicksal
       Nr. |                 |                    |
      ==============================================================
           |                 |                    |
         1 | _E. Leviné_     | Vorsitzender d.    | erschossen
           |                 | Vollzugsrates  der |
           |                 | Betriebsräte       |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
         2 | _Dr. Tobias     | Mitglied des       | 15 Jahre Zucht-
           |  Axelrod_       | Vollzugsrats       | haus n. Rußl.
           |                 |                    | ausgetauscht
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
         3 | _Ewald Ochel_   | Mitglied des       | 1 J. 5 Mon. Fe-
           |                 | Vollzugsrats       | stung durch
           |                 |                    | Schutzhaft
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
         4 | _Wilh. Duske_   | Mitglied des       | 2 J. Festung
           |                 | Vollzugsrats       |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
         5 | _Fritz Schürg_  | Mitglied des       | 2 J. Festung
           |                 | Vollzugsrats       |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
         6 | _Dr. A. Wadler_ | Wohnungskommissar  | 8 J. Zuchthaus
       ----+-----------------+--------------------+-----------------
         7 | _Ernst Nikisch_ | Vorsitzender des   | 2 Jahre Festung
           |                 | Zentralrats        |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
         8 | _Gust.          | Volksbeauftragter  | im Gefängn. er-
           |  Landauer_      | für Volks-         | schlagen
           |                 | aufklärung         |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
         9 | _Dr. O.         | Vorsitzender der   | 1-1/2 Jahre
           |  Neurath_       | Sozialisierungs-   | Fest.,
           |                 | kommission         | entlassen
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        10 | _Hans Dosch_    | Polizeipräsident   | 3 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        11 | _Ernst Mehrer_  | Stadtkommandant    | 1-1/2 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        12 | _K. Petermaier_ | Adjutant des       | 1-1/2 J. Festung
           |                 | Stadtkommandanten  |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        13 | _Paulukum_      | Verkehrsminister   | 3-1/2 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        14 | _Paul Zamert_   | Propagandist       | 3 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        15 | _E. Kiese-      | Verkehrskommission | 2-1/2 J. Festung
           |  wetter_        |                    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        16 | _Dandistel_     | Kommission zur     | 6 J. Festung
           |                 | Unterstützung der  |
           |                 | politischen        |
           |                 | Flüchtlinge        |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        17 | _Jos. Weigand_  | Schreiber bei der  | 3 J. Festung
           |                 | Komm.  zur         |
           |                 | Bekämpfung der     |
           |                 | Gegenrevolution    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        18 | _Hanns          | Betriebsrat        | 3 J. Festung
           |  Kullmann_      |                    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        19 | _Ad. Schmidt    | im Ministerium f.  | 1 J. 6 M. Fest.
           |  II_            | soziale Fürsorge   |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        20 | _Karl Götz_     | Kommission zur     | 1 J. 3 M. Fest.
           |                 | Bekämpfung der     |
           |                 | Gegenrevolution    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        21 | _Frieda         | Propagandaausschuß | 1 J. 9 M. mit
           |  Rubiner_       | K.P.D.             | Bewährungsf.
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        22 | _H. Wiedemann_  | Propagandist       | 1 J. 3 M. Fest.
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        23 | _Frau Reichel_  | Beihilfe z. Flucht | 2 Mon. Festung
           |                 | Tollers            |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        24 | _Hans Reichel_  | Beihilfe z. Flucht | 4 Mon. Festung
           |                 | Tollers            |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        25 | _E. Trautner_   | Beihilfe z. Flucht | 5 M. Gefängnis
           |                 | Tollers            |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        26 | _Willy Reue_    | Kommission zur     | 1 J. 3 M. Fest.
           |                 | Bekämpfung der     |
           |                 | Gegenrevolution    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        27 | _Max Strobl_    | Leiter der         | 7 J. Zuchthaus
           |                 | Kommission z.      |
           |                 | Bekämpfung d.      |
           |                 | Gegenrevolution    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        28 | _F. Mair-       | Polizeipräsident   | 2 J. Gefängnis
           |  günther_       | in  München        | 3 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        29 | _L. Mühlbauer_  | Mitglied des       | 1-1/4 J. Festung
           |                 | Revolutions-       | mit Bewähr.-
           |                 | tribunals          | Frist
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        30 | _Erich Mühsam_  | Propagandist       | 15 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        31 | _Paul Grassl_   | Mitglied des       | 1 J. 10 M. Fest.
           |                 | Revolutions-       |
           |                 | tribunals          |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        32 | _S. Wiedenmann_ | Obmann der K.P.D.  | 4 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        33 | _V. Baumann_    | Redakteur der      | 1-1/2 J. Festung
           |                 | Münchener Roten    |
           |                 | Fahne              |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        34 | _Alex.          | revolutionärer     | 1-1/2 J.
           |  Strasser_      | Hochschulrat       | Festungshaft m.
           |                 |                    | Bewährungsfrist
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        35 | _Otto Hausdorf_ | revolutionärer     | 1-1/2 J. Festung
           |                 | Hochschulrat       | m. Bewährungsfr.
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        36 | _Cillebiller_   | revolutionärer     | desgl.
           |                 | Hochschulrat       |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        37 | _Gertraud       | revolutionärer     | desgl.
           |  Kaestner_      | Hochschulrat       |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        38 | _Wilh. Hagen_   | revolutionärer     | 1 J. 4 M. Fest.
           |                 | Hochschulrat       |   m. Bewähr.-F.
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        39 | _Lessie Sachs_  | Sekretärin im      | 1 J. 3 M. Fest.
           |                 | Kriegsministerium  |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        40 | _Dr. Rothen-    | Propagandist       | 7 J. Festungsh.
           |  felder_        |                    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        41 | _Wilh.          | Betriebsrat        | 1-1/2 J. Fest.
           |  Gerhards_      |                    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        42 | _Willy Ertel_   | Sektionsführer     | 3 J. Festungsh.
           |                 | d. K.P.D.          |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        43 | _Sontheimer_    | Propagandist       | erschlagen
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        44 | _K. Steinhardt_ | Betriebsrat        | 9 M. Festungs-
           |                 |                    | haft
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        45 | _Ferd. Rotter_  | Vors. d. Betriebs- | 7 J. Zuchthaus
           |                 | obleute            |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        46 | _Kirmayer_      | Komm. z. Bek. d.   | 4 J. Zuchthaus
           |                 | Gegenrevolution    |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        47 | _Hans Schroll_  | in der             | 5 J. Zuchthaus
           |                 | Verhaftungskomm.   |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        48 | _Wernich_       | in d.              | 3 J. Zuchthaus
           |                 | Beschlagnahmekomm. |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        49 | _Max Weber_     | stellv.            | 1-1/4 J. Festung
           |                 | Polizeipräsident   |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        50 | _Martens_       | Vors.              | 6 J. Festung
           |                 | Wirtschaftskomm.   |
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        51 | _Sondheimer_    | Propagandist       | 1-1/4 J. Festung
      -----+-----------------+--------------------+-----------------
        52 | _Kronauer_      | Mitgl. d.          | 1-1/4 J. Festung
           |                 | Rev.-Tribunals     |
      ==============================================================
       =Gesamtstrafe: 135 Jahre 2 Monate=
      ==============================================================

MILITÄRS DER RÄTE-REGIERUNG

      ==============================================================
       Lfd.|  Name           | Rang                | Schicksal
       Nr. |                 |                     |
      ==============================================================
         1 | _R. Eglhofer_   | Oberkommandierender | erschlagen
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         2 | _Eugen Maria    | Adj. d.             | 12 J. Festung
           |  Karpf_         | Oberkommand.        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         3 | _Wilh.          | Mitgl. d.           | 3 J. Festung
           |  Reichart_      | Militärkomm.        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         4 | _Ernst Toller_  | Kommand. im         | 5 J. Festung
           |                 | Abschnitt Dachau    |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         5 | _G.             | Adj. des            | 5-1/2 J.
           |  Klingelhöfer_  | Kommandeurs         | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         6 | _E. Wollenberg_ | Kommandeur d.       | 2 J. Festung
           |                 | Infanterie          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         7 | _H.F.S.         | Kommandeur d.       | 1-1/2 J.
           |  Bachmair_      | Artillerie          | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         8 | _R. Podubecky_  | Kommand. d.         | 3 J. Festung
           |                 | Fernsprechtruppen   |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         9 | _Winkler_       | Kommand. eines      | 4 J. Zuchthaus
           |                 | Abschn.             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        10 | _G. Riedinger_  | Adj. d. Kommandeurs | 1-1/2 J.
           |                 |                     | Festung
           |                 | in Starnberg        | entlass.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        11 | _Er. Günther_   | in d. Kommandant.   | 1 J. 9 M. Fest.
           |                 | Dachau              |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        12 | _Fritz Walter_  | Rotgardist          | 3 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        13 | _Max Schwab_    | im                  | 4 J. Festung
           |                 | Kriegsministerium   |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        14 | _H.             | Streckenkommandant  | 3 J. Festung
           |  Taubenberger_  | in Dachau           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        15 | _Gottfr.        | Rotgardist          | 1-1/2 J.
           |  Bareth_        |                     | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        16 | _Max Huber_     | Rotgardist          | 3 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        17 | _Peter Regler_  | Rotgardist          | 2 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        18 | _Haßlinger_     | Rotgardist          | 5 J. Festg.
           |                 |                     | (begnadigt)
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        19 | _And. Rauscher_ | Rotgardist          | 1 J. 4 M. Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        20 | _M. Reichert_   | Rotgardist u.       | 1 J. 3 M. Fest.
           |                 | Propagandist        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        21 | _Jos. Vogt_     | Rotgardist          | 3 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        22 | _Josef Faust_   | Rotgardist          | 3 J. Zuchthaus
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        23 | _Rentsch_       | Rotgardist          | 5 J. Zuchthaus
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        24 | _Zöllner_       | Rotgardist          | 3 J. Zuchthaus
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        25 | _Karl Zimmet_   | Soldatenrat         | 1 J. 3 M. Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        26 | _Karl Höhrat_   | Soldatenrat         | 6 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        27 | _Kuhn_          | Rotgardist          | 2 J. F., 2 J.
           |                 |                     | 2 Mon. Gef.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        28 | _Josef Seidel_  | Wachkommandant      | 3 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        29 | _Seidel_        | Rotgardist          | 4 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        30 | _Ernst Bauer_   | Rotgardist          | 2 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        31 | _Rich. Wagner_  | Rotgardist          | 2 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        32 | _Thekla Egl_    | Krankenschw. u.     | 1 J. 3 M. Fest.
           |                 | Parlamentärin       |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        33 | _A. Schinnagel_ | Arzt in der Roten   | 15 Mon. Fest.
           |                 | Armee               |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        34 | 70              | Angehörige d.       | je 1-1/4 J.
           |                 | Leibregiments wegen | Fest.
           |                 | Erstürmung von      | (n. Abbüß. ein.
           |                 | Rosenheim           | Teils entlass.)
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        35 | _Ziller_        | Soldatenr.          | 3 J. Zuchthaus
           |                 | Eisenb.-Abt. I      |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        36 | _Joh.           | Polizeiwachtmeister | 4 J. Festung
           |  Tanzmeier_     |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        37 | _Murböck_       | Transportführer     | 4 J. Zuchth.
           |                 |                     | (in Fest.
           |                 |                     | verwdlt.)
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        38 | _Marschall_     | Kurier              | 3 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        39 | _Jos.           | Rotgardist          | 3 J. Festung
           |  Anreither_     |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        40 | _Jak. Nickl_    | Rotgardist          | 2-1/2 J.
           |                 |                     | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        41 | _W. Seyler_     | Adj. d.             | 1 J. 6 M.
           |                 | Kriegsministers     | Festg.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        42 | _K. Kaltdorf_   | im                  | 1 J. 6 M.
           |                 | Kriegsministerium   |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        43 | _H. Tannen_     | Rotgardist          | 2 J. Gefängnis
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        44 | _Hans Frank_    | Parlamentär d.      | erschossen
           |                 | Augsburger          |
           |                 | Arbeiterrats        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        45 | _Karl Gans_     | Zugführer           | 5 J. Zuchthaus
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        46 | _Joh. Demstedt_ | Zugführer           | 6 J. Zuchthaus
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        47 | _J.             | Zweiter Obmann      | 5 J. Zuchthaus
           |  Jackermeier_   | K.P.D.              |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        48 | _Joh. Wittmann_ | Rotgardist          | 4 J. Zuchthaus
           |                 | (Rosenheim)         |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        49 | _Jos. Hagel_    | Kriminalpolizist    | 4-1/2 J.
           |                 |                     | Zuchth.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        50 | _Georg Graf_    | Militärpolizei      | 12 J. Zuchthaus
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        51 | _Phil. Böhrer_  | Rev.-Arbeiterrat    | 12 J. Zuchthaus
           |                 | (Augsb.)            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        52 | _Hiltner_       | Rotgardist          | 2 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        53 | _Otto Knieriem_ | Akt.-Ausschuß       | 5 J. Festung
           |                 | Würzburg            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        54 | _Mich. Schmidt_ | Rotgardist          | 2 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        55 | _Albert Berger_ | Erwerbslosenr.      | 3 J. Festung
           |                 | (Augsburg)
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        56 | _Appler_        | Rotgardist          | 4 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        57 | _Berk_          | Flugzeugführer      | 4 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        58 | _Ibel_          | Zahlmeister         | 1 J. 4 M. Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        59 | _J. Toblasch_   | Proviantmstr.       | 2-1/2 J.
           |                 | i. Dachau           | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        60 | _Kolbinger_     | Rotgardist          | 2 Jahre Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        61 | _J. Wittmann_   | Rotgardist          | 2-1/2 J.
           |                 |                     | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        62 | _Joh. Strauss_  | Soldatenrat         | 1 J. 6 M. Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        63 | _Ludwig Hörl_   | Bahnhofswache       | 3 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        64 | _Erzberger_     | Lazarettchef        | 1-1/2 J.
           |                 |                     | Festung
           |                 |                     | (entkommen)
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        65 | _Martin Gruber_ | Abteilungsführer    |3 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        66 | _Hans Strasser_ | Bhf.-Kommand.       | 1 J. 6 M. Fest.
           |                 | (Dachau)            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        67 | _Otto Mehrer_   | Mitgl.              | 1 J. 6 M. Fest.
           |                 | d. Militärkomm.     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        68 | _Hofer_         | Kriegsministerium,  | 4 J. Festung
           |                 | Abtlg.              |
           |                 | Infanterie          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        69 | _Ferd. Killer_  | Soldatenrat         | 5 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        70 | _Karl Gans_     | Rotgardist          | 6 J. Zuchthaus
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        71 | _Paul Hübsch_   | Propagandist        | 1 J. 6 M. Gefg.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        72 | _Max Pletz_     | Stadtkommandantur   | 1 J. 6 M. Fest.
           |                 | München             |
      ==============================================================
       =Gesamtstrafe: 276 Jahre 6 Mon. Einsperrung, 2 Erschießungen=
      ==============================================================

KAPPISTEN IN DER PROVINZ

      ==============================================================
       Lfd.| Name            | Rang                | Schicksal
       Nr. |                 |                     |
      ==============================================================
           |                 |                     |
         1 | _v. Levetzow_   | Konteradmiral a. D. | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         2 | _v. Winterfeld_ | Leiter der Sipo     | in Freiheit
           |                 | in Kiel             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         3 | _Lindemann_     | Früh.               | in Freiheit
           |                 | Oberbürgermeister   |
           |                 | in Kiel             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         4 | _Frh. von u.    | Landrat             | in Freiheit
           |  zu Steinfurth_ |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         5 | _v. Pauly_      | Regierungspräsid.   | in Freiheit
           |                 | (Kiel)              |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         6 | _Frh. v.        | Garnisonältester,   | in Freiheit
           | Wangenheim_     | Oberst (Hamburg)    |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         7 | _Völkers_       | Oberst (Hamburg)    | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         8 | _Ledebour_      | Oberst (Hamburg)    | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         9 | _Heide_         | Hauptmann (Hamburg) | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        10 | _v. Rauchhaupt_ | Rittmeister         | in Freiheit
           |                 | (Hamburg)           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        11 | _v. Mackensen_  | Hauptmann (Hamburg) | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        12 | _Dr. Jakobsohn, | Propagandist        | in Freiheit
           |  Rechtsanwalt_  | (Hamburg)           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        13 | _v. Sydow_      | Major (Hamburg)     | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        14 | _v. Menges_     | Oberst b. d. Sipo   | in Freiheit
           |                 | (Altona)            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        15 | _v. Lettow-     | Generalmaj.         | in Freiheit
           |  Vorbeck_       | (Mecklenbg.)        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        16 | _Dr.            | Ministerpräsident   | in Freiheit
           |  Wendthausen_   |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        17 | _Ribbentropp_   | Generalmajor        | in Freiheit
           |                 | (Mecklbg.)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        18 | _v. Estorff_    | Generalleutnant     | in Freiheit
           |                 | (Königsberg)        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        19 | _August Winnig_ | Oberpräsid.         | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        20 | _Graf           | Generalleutnant     | in Freiheit
           |  Schmettow_     | (Breslau)           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        21 | _v. Friedeburg_ | General (Breslau)   | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        22 | _Obst. Schwerk_ | Polizeipräsident    | in Freiheit
           |                 | (Breslau)           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        23 | _v. Kessel_     | Oberpräsident v.    | gestorben
           |  (Ob. Glauche)  | Schles.             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        24 | _v. Grodegg_    | Propagandist        | in Freiheit
           |                 | (Magdebg.)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        25 | _v. Brüning_    | früh. Landrat       | in Freiheit
           |                 | (Darmstadt)         |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        26 | _v. Hagenberg_  | Generalmajor        | in Freiheit
           |                 | (Weimar)            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        27 | _Heims_         | Major (Gotha)       | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        28 | _v. Schöler_    | General (Kassel)    | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        29 | _Frh. v.        | Bezirksbefehlshab.  | in Freiheit
           | Schenk_         | (Marburg)           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        30 | _Banke_         | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        31 | _Czettritz_     | Oberst              | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        32 | _Frh. v.        | Major               | in Freiheit
           |  Coburg_        |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        33 | _Guhr_          | Oberstleutnant      | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        34 | _Eckardt_       | Leutnant. Rgt. 30   | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        35 | _Gallmeister_   | Hauptmann           | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        36 | _Humann_        | Freg.-Kapitän       | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        37 | _Hünecke_       | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        38 | _v. Heusinger_  | Rittmeister         | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        39 | _Kleindienst_   | Leutnant            | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        40 | _Lynker_        | Major               | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        41 | _Meinshausen_   | Hauptmann           | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        42 | _Notnagel_      | Oberstleutnant      | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        43 | _Nettesheim_    | Leutnant a. D.      | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        44 | _Rörig_         | Oberleutnant        | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        45 | _Scheele_       | Leutnant            | in Freiheit
           |                 | (Aldenburg)         |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        46 | _Schmidt_       | Leutnant            | in Freiheit
           |                 | (Aldenburg)         |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        47 | _Schulz_        | Oberleutnant,       | in Freiheit
           |                 | Art. 9              |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        48 | _Stolz_         | Oberst              | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        49 | _Strauch_       | Hauptmann           | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        50 | _Sturt_         | Oberleutnant        | in Freiheit
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        51 | _Waas_          | Hauptmann           | in Freiheit
      ==============================================================
       =Gesamtstrafe: Null=
      ==============================================================

RÄTEREPUBLIKANER IN DER PROVINZ

      ==============================================================
       Lfd.|  Name           | Rang                | Schicksal
       Nr. |                 |                     |
      ==============================================================
           |                 |                     |
         1 | _Guido Kopp_    | Vors. K.P.D.        | 4 J. Zuchthaus
           |                 | Rosenheim           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         2 | _Gg. Schumm_    | Art.-Kommandeur in  | 6 J. Zuchthaus
           |                 | Rosenheim           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         3 | _Josef Renner_  | Truppenführer in    | 4 J. Festung
           |                 | Rosenheim           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         4 | _Hans Meler_    | Wirtschaftskomm.    | 1-1/4 J.
           |                 | (Rosenheim)         | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         5 | _M. Gnad_       | Rotgardist          | 2-1/2 J.
           |                 | (Augsburg)          | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         6 | _W. Olschewsky_ | Truppenführer       | 7 J. Festung
           |                 | in Augsbg.          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         7 | _Max Weber_     | Propagandist        | 1-1/2 J.
           |                 | i. Augsbg.          | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         8 | _Karl Marx_     | Politisch. Leiter   | 4 J. Festung
           |                 | in Augsburg         |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
         9 | _Dr. A. Maier_  | Politisch. Leiter   | 6 J. Festung
           |                 | i. Starnberg        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        10 | _Joh. Elbert_   | Soldatenrat (Lohr)  | 2 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        11 | _Toni Waibel_   | Vorsitzender d.     | 15 J. Festung
           |                 | Aktionsausschusses  | (entkomm.)
           |                 | in Würzbg.          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        12 | _H. Schuchardt_ | Aktionsausschuß,    | 1-1/2 J.
           |                 |Würzbg.              | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        13 | _Val. Hartig_   | Mitgl. d.           | 7 J. Festung
           |                 | Aktionsaussch.      |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        14 | _Rudolf Hartig_ | Mitgl. d.           | 2 J. Festung
           |                 | Aktionsaussch.      |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        15 | _Fritz Sauber_  | Propagandist        | 12 J. Festung
           |                 | (Würzburg)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        16 | _A.             | Propagandist        | 10 J. Festung
           |  Hagemeister_   | (Würzburg)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        17 | _L.             | Kommandeur          | 7 J. Festung
           |  Egensberger_   | (Würzburg)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        18 | _Georg Hornung_ | Mitgl. d.           | 10 J. Festung
           |                 | Aktionsaussch.      |
           |                 | Würzburg, Kriegs-   |
           |                 | ministerium München |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        19 | _Leo Reichert_  | Soldatenrat         | 2 J. Festung
           |                 | (Würzburg)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        20 | _Paul Förster_  | Soldatenrat         | 3 J. Festung
           |                 | (Würzburg)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        21 | _A. Westrich_   | Korps-Soldatenrat   | 6 J. Festung
           |                 | (Würzburg)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        22 | _Ludw. Bedacht_ | Soldatenrat         | 5 J. Festung
           |                 | (Würzburg)          |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        23 | _Adolf Schmidt_ | Mitgl. d.           | 3 J. Festung
           |                 | Aktionsaussch.,     |
           |                 | Kempten             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        24 | _Cl. Schreiber_ | Mitgl. d.           | 2 J. Festung
           |                 | Aktionsaussch.,     |
           |                 | Kempten             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        25 | _M.             | Mitgl. d.           | 1-1/4 J.
           |  Bohnenberger_  | Aktionsaussch.,     | Festung
           |                 | Kempten             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        26 | _Heinr.         | Mitgl. d.           | 1-1/2 J.
           |  Pfeiffer_      | Aktionsaussch.,     | Festung
           |                 | Landshut            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        27 | _Ludwig Vogl_   | im Aktionsaussch.   | 1 J. 4 M.
           |                 | Landshut            | Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        28 | _Franz Müller_  | Soldatenrat         | 1 J. 4 M.
           |                 | Landshut            | Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        29 | _Peter Blössl_  | Aktionsaussch.      | 10 J. Festung
           |                 | Augsbg.             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        30 | _Aug. Hoeck_    | Rev. Arbeiterrat    | 4 J. Festung
           |                 | Augsbg.             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        31 | _E. Ringelmann_ | Zensor in Würzburg  | 5 J. Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        32 | _Göpfert_       | Bürgermeister v.    | 15 M. Festung
           |                 | Rosenheim
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        33 | _Langenegger_   | Wohnungskommissar,  | 3 J. Festung
           |                 | Rosenheim           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        34 | _J.             | Stadtkommand.,      | 4 J. Festung
           |  Rheinheimer_   | Rosenheim           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        35 | _Hans Elbert_   | Propagandist,       | 2 J. Festung
           |                 | Aschaffenburg       |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        36 | _M. Schneller_  | Arbeiterrat,        | 1 J. 3 M.
           |                 | Kempten             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        37 | _W. Schmidt I_  | Aktionsaussch.,     | 1 J. 3 M.
           |                 | Kempten             | Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        38 | _H.             | Aktionsaussch.,     | 6 M. Festung
           |  Bohnenberger_  | Kempten             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        39 | _Alfr. Kleiner_ | Rev. Arbeiterrat,   | 1 J. 3 M.
           |                 | Kempten             | Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        40 | _Rich. Blähr_   | Propagand.,         | 1 J. 3 M.
           |                 | Reichartshofen      | Fest.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        41 | _Dreidl_        | Rev. Arbeiterrat,   | 6 Mon. Fest.
           |                 | Kempten             | m.
           |                 |                     | Bewährungsfr.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        42 | _Penzl_         | Revolut.-Trib.      | 3 J. Zuchthaus
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        43 | _Bergmaier_     | Revolut.-Trib.      | 3 J. Zuchthaus
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        44 | _Ertl_          | Revolut.-Trib.      | }
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+
        45 | _Rass_          | Revolut.-Trib.      | }
           |                 | Miesbach            |
           |                 |                     |
      -----+-----------------+---------------------+
        46 | _Gruber_        | Revolut.-Trib.      | }
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+
        47 | _Griesbeck_     | Revolut.-Trib.      | } je 1 J. 3 M.
           |                 | Miesbach            |   bis
      -----+-----------------+---------------------+   2. J.
        48 | _Zimmermann_    | Revolut.-Trib.      | } Festung
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+
        49 | _Priller_       | Revolut.-Trib.      | }
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+
        50 | _Waizmann_      | Revolut.-Trib.      | }
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+
        51 | _Stohwasser_    | Revolut.-Trib.      | }
           |                 | Miesbach            |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        52 | _R. Steuer_     | Untersuchungsführer | 1 J. 3 M.
           |                 | b. Rev.-Gericht,    | Fest.
           |                 | Kempten             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        53 | _J. Miglitsch_  | Sicherheitsdienst   | 1 J. 3 M. Fest.
           |                 | d. A.- u.           |
           |                 | S.-Räte             |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        54 | _Ch.            | Propagandist        | 6 M. Festung
           |  Raitberger_    |                     |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        55 | _Lichtenbauer_  | Rotgardist          | 2 J. Gefängnis
           |                 | (Kempten)           |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        56 | _Jos. Zäuner_   | Arbeiterrat         | 1 J. 3. Mon.
           |                 | (Ingolstadt)        | Gef.
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        57 | _Ellenbeck_     | Entwaffnung von     | 3 J. Festung
           |                 | Schutzleuten        |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        58 | _Hehret_        | Entwaffnung von     | 2-1/2 J.
           |                 | Schutzleuten        | Festung
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        59 | _Hans Kain_     | Propagandist        | 6 J. Festung
           |                 | (Starnberg)         |
      -----+-----------------+---------------------+----------------
        60 | _Hans Seffert_  | Polit. Leiter       | 3 J. Festung
           |                 | (Starnberg)         |
      ==============================================================
       =Gesamtstrafe: 204 Jahre, 2 Monate Einsperrung=
      ==============================================================

Demnach sind gegen die Anhänger der bayrischen Räterepublik Strafen von
insgesamt 616 Jahren Einsperrung verhängt worden. Gegen die Anhänger des
Kapp-Putsches 5 Jahre Einsperrung. Dabei ist noch zu beachten, daß die
bayrischen Zahlen unvollständig, die Kapp-Zahlen vollständig sind.




DIE RECHTSNATUR DER BAYRISCHEN STANDGERICHTE UND DAS SCHICKSAL DER
HINTERBLIEBENEN


Nach der Einnahme von München durch die Regierungstruppen am 1. Mai 1919
setzten sie »Standgerichte« genannte, wilde Feldgerichte ein, bei denen
irgend ein Leutnant oder sonst jemand in der Weise Gericht spielte, daß
er die Erschießung einfach anordnete. Sogar Unteroffiziere waren so
Richter über Leben und Tod. Die Gerichte tagten in irgend einer Schenke
ohne Anwendung irgend eines Gesetzbuchs. Akten wurden nicht geführt. In
wenigen Minuten wurde das »Urteil« gefällt und an irgend einer Wand
durch Erschießen vollstreckt.

Eine Unterscheidung zwischen den »tödlich Verunglückten« (184) und
»standrechtlich Erschossenen« (186) (vergl. S. 31) ist, da alle
Unterscheidungsmerkmale fehlten, gar nicht durchführbar. So sind z. B.
»standrechtliche« Erschießungen wegen Beleidigung des Offizierkorps
vorgekommen, ebenso wurden zahlreiche Personen erschossen, weil man
angeblich bei ihnen Waffen gefunden hatte, und zwar zu einer Zeit, in
welcher die von der Regierung und vom Oberkommando gesetzte
Waffenablieferungsfrist noch nicht abgelaufen war.


Die 53 unbewaffneten Russen

Mit welcher Willkür bei diesem »Standrecht« vorgegangen wurde, beweist
der Fall der 53 unbewaffneten Russen in Gräfelfing.

Die Räteregierung hatte die in den Gefangenenlagern befindlichen Russen
befreit und zum Eintritt in die Rote Armee aufgefordert. Am 1. Mai
wurden am Bahnhof Pasing 53 Russen, ohne Waffen, in deutscher Uniform,
die aus München kamen, festgenommen. Sie wurden nach Lochham gebracht
und dort, wie Augenzeugen berichten, schrecklich mißhandelt. Als einer
aus der Reihe treten wollte, um seine Unschuld zu beteuern, wurde er
niedergeschossen. Die andern wurden ins Feuerhaus in Gräfelfing
eingesperrt. Die dort liegende württembergische Sicherheitskompagnie Nr.
21 forderte wütend ihre sofortige Erschießung. Am 2. Mai um 1/2-6 Uhr
morgens wurden alle 52 von einem »Standgericht« auf einmal zum Tode
verurteilt. Die Russen beteuerten, an Kämpfen nicht teilgenommen zu
haben. Den Gegenbeweis hat das Standgericht gar nicht zu führen
versucht. In der ganzen Umgebung war nicht gekämpft worden. Um 1/2-9
Uhr vormittags wurden sie in einer Kiesgrube erschossen. Der Fall wurde
vom Staatsanwalt untersucht, doch fand er keinen Grund einzuschreiten.
(»Der Kampf«, München, 4. Dezember 1919.)


Das Standrecht des Dr. Roth

Generalmajor Haas, Oberbefehlshaber der Gruppe West, hatte unter
juristischem Beistand durch den späteren _bayrischen Justizminister Dr.
Roth_ am 1. Mai folgenden Tagesbefehl erlassen:

I. a 628.

  Zur Klärung der Befugnisse der Truppen gegenüber der Bevölkerung
  wird bekannt gegeben:

    1. Wer den Regierungstruppen mit Waffen in der Hand
    gegenübertritt, wird ohne weiteres erschossen.

    2. Für Gefangene, die sonst während des Kampfes gemacht werden und
    nicht unter Ziffer 1 fallen, hat der Gruppenkommandeur wie im
    Felde Feldgerichte zu bilden, die über die standgerichtliche
    Erschießung zu befehlen haben.

    Das Urteil ist sofort zu vollstrecken unter Aufnahme einer
    Niederschrift.

    3. In allen übrigen Fällen und wenn in Fall 2 nicht auf
    Erschießung erkannt ist, ist Ueberweisung der Festgenommenen an
    das standrechtliche Gericht nötig.

      gez. Haas.

Auf Grund dieses Tagesbefehls wurde am 3. Mai der Angestellte am
städtischen Schlacht- und Viehhof Josef _Boesl_ (20 Jahre alt) nach
einem »standgerichtlichen« Verfahren wegen angeblicher Teilnahme an den
Kämpfen in München mit sechs anderen Personen in der Kapuzinerstraße
erschossen. Das gegen den Generalmajor eingeleitete kriegsgerichtliche
Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung wurde durch Verfügung des
Gerichtsherrn des Württg. Gerichts der 27. Division, Abt. III, vom 16.
März 1920 eingestellt.

In der Begründung heißt es: »Dieser Befehl wurde von Generalmajor Haas,
dessen Stabschef Major Seiser und von Hauptmann d. R. Roth,
Bezirkshauptmann bei der Polizeidirektion in München als juristischem
Berater entworfen, beraten und gutgeheißen und vom Kommandeur
verantwortlich gezeichnet. _In seiner Ziffer 2 hatte dieser Befehl keine
Stütze in den bestehenden Gesetzen_« ... »Der Kampf der alten Regierung
gegen die Räteregierung war ein Bürgerkrieg. Im Nationalitätenkrieg
gelten geschriebene und ungeschriebene Gesetze, den Bürgerkrieg dagegen
charakterisiert eine gewisse Gesetzlosigkeit.....

Jedenfalls befanden und fühlten sich die Regierungstruppen gegenüber den
Rätetruppen in einem fortdauernden Zustand der Notwehr, auf Grund dessen
schließlich jede Tat eine Entschuldigung hätte finden können. Um die
Rechte der Regierungstruppen zu umschreiben und nicht jeden Exzeß zu
dulden, erging der Befehl; ein Befehl, der Exzesse verhindern, nicht sie
fördern wollte, der auf keinen Vorgang Bezug nehmen konnte und für einen
gesetzlosen Zustand erst eine feste Form schaffen mußte. Wenn dieser
Befehl allein aus der Not geboren zu der voreiligen Füsilierung geführt
hat, so ist dies entfernt nicht in der Absicht dessen gewesen, der ihn
verantwortlich gezeichnet hat, auch konnte dieser Erfolg nicht
vorausgesehen werden.... Wenn trotzdem Fehlgriffe in Gestalt übereilter
Urteile und allzu rascher Vollstreckung derselben vorgekommen sind, so
kann dem Beschuldigten hieraus kein Vorwurf, auch nicht der Vorwurf der
Fahrlässigkeit der Verhinderung der Vollstreckung der Urteile gemacht
werden, weil er von dieser überhaupt nichts erfuhr. Sich die Bestätigung
jedes Todesurteils vorzubehalten, war bei den bestehenden Zuständen rein
unmöglich und _ein derartiger Befehl wäre von den Truppen gar nicht
respektiert worden_. Ausschreitungen waren leider in jenen kritischen
Tagen nicht selten, aber sie hatten ihren Grund in der allgemeinen
krankhaften Erregung aller; den Einzelnen dafür verantwortlich zu
machen, hieße keineswegs der Gerechtigkeit dienen....«

Der Vater des Erschossenen wandte sich am 3. Juli 1919 mit einer Eingabe
an das Generalkommando Oven. Dieses teilte ihm am 11. Juli 1919 mit, daß
die Eingabe dem bayrischen Ministerium für militärische Angelegenheiten
zur Begutachtung weitergeleitet wurde. Das Abwicklungsamt des früheren
bayrischen Ministeriums für militärische Angelegenheiten teilte am
18. Oktober 1919 auf Anfrage des Vaters mit, daß die Erhebungen
betreffend der Erschießung seines Sohnes Josef Boesl noch nicht
zum Abschluß gebracht seien. Am 6. Dezember 1919 wurde von der
gleichen Stelle mitgeteilt, daß sein Sohn von einem Standgericht des
1. Württg. Freiwilligen-Regts. wegen Beteiligung am Kampfe gegen die
Regierungstruppen zum Tode verurteilt worden sei und daß das Urteil von
diesem Regiment vollstreckt wurde. Seine Gesuche seien daher an das
Abwicklungsamt Württemberg abgegeben worden. Das Kriegsministerium
Stuttgart teilte mit Postkarte vom 10. Dezember 1919 mit, daß das
Schreiben des Vaters vom 6. Dezember 1919 dem Wehrkreiskommando
übergeben worden sei. Das Wehrkreiskommando teilte unterm 17. Dezember
1919 mit, das Schreiben sei dem Gericht der früheren 27. Division
in Ulm zur zuständigen Verfügung übergeben worden. Eine Eingabe
des Vaters an den Reichswehrminister vom 22. Mai 1920 wurde an das
Heeresabwicklungsamt Preußen, Verpflegungsabteilung abgegeben, das dem
Vater sachliche Belehrung erteilte. Ein weiteres Schreiben des Vaters
vom 11. Juli 1920 an das Reichsabwicklungsamt wurde nach dessen
Mitteilung an das Heeresabwicklungsamt-Hauptamt zur weiteren Bearbeitung
geleitet. Das Heeresabwicklungsamt Württemberg teilte ihm unterm 7.
Dezember 1920 auf den Schadensersatzantrag vom 10. Mai 1920 wörtlich
mit: »Eine Rechtsverpflichtung der Heeresverwaltung zum Schadenersatz
liegt nicht vor. Das Heeresabwicklungsamt Württemberg bedauert, dem
dortigen Gesuch nicht entsprechen zu können. Eine Wiederholung des
Gesuches wäre zwecklos; die Auflösung der Abwicklungsstellen des alten
Heeres ist außerdem zum 31. Dezember d. Js. angeordnet.«

Diese Behandlung der Hinterbliebenen ist typisch für die ganzen
Münchener Fälle.

       *       *       *       *       *

Der Ingenieur August _Dorfmeister_ wurde am 2. Mai 1919 im Krüppelheim
in der Harlachingerstr. erschossen. Nach den Feststellungen des
Tumultschadenausschusses ist laut Bericht des Kriegsgerichtsrates
bei der Reichswehrbrigade 13. Abteilung Ulm, »wahrscheinlich«
von einem Standgericht verurteilt worden, das auf Grund des
Befehls des Generalmajors Haas eingesetzt war. Der Beschluß des
Tumultschadenausschusses stellt fest, daß dieser Befehl ungesetzlich
war, und daß dem Toten irgendwelche Beteiligung an den Kämpfen oder
Gewalttätigkeiten bei der Verfolgung seiner politischen Ziele nicht
nachgewiesen worden seien.

Die in erster Instanz zuerkannte Rente wurde vom
Reichswirtschaftsgericht nach ständiger Praxis gestrichen. Klage zum
ordentlichen Gerichte ist anhängig.

Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen Unbekannt eingestellt.


Ein Befehl des General v. Oven

Einen Beweis dafür, daß sogar dem Militär die Rechtswidrigkeit der
standrechtlichen Erschießungen bekannt war, bildet der folgende Befehl
vom 5. Mai 1919:

Freikorps Lützow O. U., München, den 7. Mai 1919. III Br. B. Nr. 0595
Abschrift von Abschrift.

  Generalkommando v. Oven. Ia/119/V/19 K. H. Qu. den 5. Mai 1919.
  Betr. Verfahren gegen die Bevölkerung.

    1. Wer mit der Waffe in der Hand betroffen wird, wird auf
    der Stelle erschossen.

    2. Wer festgenommen ist, kann nur noch gerichtlich
    abgeurteilt werden; zuständig ist das standrechtliche
    Gericht.

    3. Das standrechtliche Gericht wird seinen Sitz im Gebäude
    des Amtsgerichts haben.

    4. _Jedes andere Verfahren gegen Festgenommene ist
    unzulässig, insbesondere die Aburteilung durch
    militärische Feldgerichte. Wo derartige militärische
    Feldgerichte gebildet sind, sind sie sofort aufzuheben;
    etwa von ihnen gefällte Urteile dürfen nicht vollstreckt
    werden; mit dem Beschuldigten ist nach Ziffer 2 zu
    verfahren._

    5. Die bisher von den Truppen festgenommenen Personen, die
    sich noch im militärischen Gewahrsam befinden, sind von
    den Truppenteilen in Listen aufzunehmen. Diese Liste mit
    den beizulegenden Tatberichten sind der Stadtkommandantur
    zu übersenden.

      gez. v. Oven, Generalleutnant.
      F. d. R.
      V. s. d. G. K.
      D. Ch. d. G. St.
      gez. v. Unruh, Major.

  Zusatz des Freikorps.

    Sofort.

    Vorstehende Bestimmungen sind den Mannschaften eingehend bekannt
    zu geben.

      A. B. gez. Körner, Rittmeister.

Trotz dieses Befehls sind »standrechtliche« Erschießungen noch am 7.,
»tödliche Unglücksfälle« noch am 8. Mai vorgekommen.


Die Rechtswidrigkeit der bayrischen standrechtlichen Erschießungen

Durch die Verordnung des bayrischen Gesamtministeriums vom 25. April
1919 wurde für das rechtsrheinische Bayern das Standgericht verhängt und
Standgerichte im Sinne des Kriegszustandes wurden eingesetzt. Aber die
»standrechtlichen« Erschießungen sind nicht von diesen Standgerichten
angeordnet worden.

Von dem gesetzmäßigen bayrischen Standrecht ist nur ein einziges
Todesurteil gefällt worden, nämlich gegen Dr. _Eugen Leviné_.

Denn das bayrische Standrecht beruhte auf dem bayrischen Landesgesetze
über den Kriegszustand vom 5. November 1912. (Gesetz- und
Verordnungsblatt, S. 1161, Webers Gesetzsammlung, Bd. 41, S. 180.) Zu
dem Gesetz sind Vollzugsvorschriften über das standrechtliche Verfahren
ergangen in einer Ministerialbekanntmachung vom 13. März 1913
(Gesetz-und Verordnungsblatt, S. 97, Webers Gesetzsammlung, Bd. 41, S.
349.), sowie in einer Ministerialbekanntmachung die Vollstreckung der
militärgerichtlich und standrechtlich erkannten Todesstrafen betreffend
vom 17. März 1913. (Bayr. Justiz-Ministerialblatt, 1913, S. 53.)

Ein gesetzliches standrechtliches Verfahren im Sinne des
Kriegszustandsgesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen lag danach nur
dann vor, wenn das standrechtliche Gericht nach Maßgabe des Gesetzes und
seiner Ausführungsbestimmungen zusammengesetzt war und das gesetzmäßig
vorgeschriebene Verfahren beachtete. Als Besetzung waren drei
Berufsrichter, zwei Militärpersonen und zwei Laienbeisitzer ohne
Stimmrecht (die Letzteren als eine Art Kontrollpersonen)
vorgeschrieben. Bezüglich des Verfahrens waren Art. 7. des
Kriegszustandsgesetzes, die dort angegebenen Vorschriften des bayr.
Feuerbachschen Strafgesetzbuches von 1813 (Webers Gesetzsammlung, Bd. 1,
S. 414) mit den in Art. 7 und den Ausführungsbestimmungen dazu
vorgeschriebenen Abänderungen maßgebend.

Da jedoch bei den sogenannten Standgerichten keine einzige dieser
Bedingungen eingehalten worden ist, so waren diese »Standgerichte«,
welche ohne Einsetzung durch eine dazu befugte Stelle und ohne irgend
welche gesetzmäßige und verwaltungsmäßige Kontrolle tätig waren, nicht
nur ungesetzliche, sondern durchaus gesetzwidrige Einrichtungen.

Dem somit bewiesenen Satz, daß die gesamten bayrischen
Standrechtsurteile völlig ungesetzlich waren, haben sich, wie oben
gezeigt, auch die maßgebenden Behörden angeschlossen.


Gesamtzahl der in München willkürlich Getöteten

Für die bayrischen Standgerichte waren also keinerlei gesetzliche
Grundlagen vorhanden. Es ist auch von Regierungsseite nie versucht
worden, das Vorgehen der Truppen als legal zu rechtfertigen. Trotzdem
ist gegen keinen der Soldaten, die an den 184 »standrechtlichen«
Erschießungen mitgewirkt haben, irgendeine Anklage erhoben worden. Im
Fall Lacher dagegen, wo Rotgardisten ein ungesetzliches Standrecht
eingesetzt hatten, wurden Gefängnisstrafen im Gesamtbetrag von über 50
Jahren verhängt.

Auch die Erschießungen wegen angeblicher oder tatsächlicher Beteiligung
am Kampf waren natürlich, da sie von solchen »Standgerichten« angeordnet
wurden, völlig ungesetzlich.

Faßt man die im Stadtbezirk »standrechtlich« Erschossenen 186 Mann und
die 184 tödlichen »Unglücksfälle« zusammen und rechnet man dazu die 53
in Gräfelfing erschossenen Russen, die 20 in Starnberg, die 4 in
Possenhofen, die 3 in Großhesselohe bezw. Grünwald und die 3 in
Großhadern Erschossenen, ferner die in Schleißheim, Harlaching,
Schäftlarn und Großföhren Erschossenen (je einer), so kommt man auf eine
Gesamtzahl von _457 in München willkürlich Getöteten_. Auch diese Zahl
ist, da sie größtenteils auf amtlichen Angaben beruht, sicher zu klein.
Im obigen Text (vergl. S. 50) habe ich jedoch nur die amtlich als
tödlich verunglückt Bezeichneten als ermordet gerechnet.

Dabei hatte sich der die Operation gegen München leitende General von
Oven in Ingolstadt dem Ministerpräsidenten Hoffmann gegenüber
verpflichtet, daß er willkürliche Erschießungen nicht dulden würde.
Vielmehr sollten alle Gefangenen, auch die Russen der Roten Armee vor
ein Gericht gestellt werden. (Persönliche Mitteilung des jetzigen
Abgeordneten Hoffmann.)


Die Rechtslage der Hinterbliebenen

Trotz der Rechtswidrigkeit der Tötung ist die Rechtslage der
Hinterbliebenen so ungünstig wie möglich. In allen Fällen, in denen
wegen derartiger Erschießungen Anzeige gemacht wurde, wurde die
Untersuchung durch die Militärgerichte und die Militärbehörde geführt.
Abgesehen von den Mördern der katholischen Gesellenvereinsmitglieder,
von denen zwei wegen Diebstahls und zwei wegen Totschlags verurteilt
wurden, haben diese Behörden keinen einzigen Täter ermitteln können. In
zahllosen Fällen, in welchen Mordanzeigen unter genauer Angabe der
Persönlichkeiten der Täter, der Tatumstände und unter Anbietung von
Beweisen gemacht wurden, geschah nichts. In einigen Fällen, wie z. B.
der Ermordung von Gustav Landauer, wurde der betreffende Täter mit der
Begründung freigesprochen, er hätte geglaubt auf Befehl zu handeln.

Die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche war von vornherein dadurch
ungeheuer erschwert, daß drei Kontingente, das bayrische, preußische und
württembergische (Reichswehr gab es damals noch nicht) in Frage kamen,
daß also die Ersatzansprüche zivilrechtlicher Art sich naturgemäß gegen
denjenigen Fiskus richten müssen, welchem der Täter wirklich oder
mutmaßlich angehörte.

Nach Artikel 2 des bayrischen Ausführungsgesetzes zur Zivilprozeßordnung
vom 23. Februar 1879 (Ges.- und Verordnungsblatt, 1879, Seite 63 und
1899, Seite 401) konnte dabei der Klageweg gegen den Fiskus nur
beschritten werden, wenn zuvor die höchste zuständige Verwaltungsbehörde
(damals das bayrische Militärministerium) um Abhilfe angegangen worden
war und innerhalb sechs Wochen das Abhilfegesuch entweder nicht oder
abschlägig beantwortet hatte. Für den Ersatzanspruch kommt nach
Bayrischem Rechte der Artikel 60 des bayrischen Ausführungsgesetzes zu
B.G.B. vom 9. 6. 1899 und das bayrische Landesgesetz vom 6. Dezember
1913 über die Haftung des Militärfiskus für Handlungen von
Militärpersonen (Gesetz- und Verordnungsblatt, Nr. 13, Seite 905) in
Betracht. Nach diesen Bestimmungen konnte der in § 839 B.G.B.
bezeichnete Anspruch nur dann gegen den Fiskus gerichtet werden, wenn
eine Amtspflichtverletzung der in Frage kommenden Militärpersonen
festgestellt werden konnte. Nicht dagegen, wenn eine rechtswidrige
Handlung nur bei Gelegenheit der Amtsausübung begangen wurde. Die
Feststellung einer Amtspflichtverletzung durch die Gerichte und eine
Klage auf Schadenersatz wegen Amtspflichtverletzung ist nach bayrischem
Landesrecht wiederum nur möglich, wenn zuvor der bayrische
Verwaltungsgerichtshof eine »Vorentscheidung« darüber gefällt hat, daß
die betreffende Militärperson in Ausübung der ihr anvertrauten
öffentlichen Gewalt den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig einem
Dritten unter Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnis oder Unterlassung einer
ihr obliegenden Amtspflicht zugefügt hat. (Vgl. Artikel 7 Abs. II d.
Bayer. Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 8. August 1878, Ausgabe von Prof.
Dr. Ant. Dyroff.)

Infolge dieser überaus komplizierten Rechtslage und des Umstandes, daß
als Gegner im Zivilprozeß gerade diejenigen Militärfisci figurierten,
welche zugleich die Untersuchung der Sache hatten und begreiflicher
Weise mit dem Material zu ihrer eignen Haftbarmachung nicht
herausrückten, ist in Bayern _keine einzige Haftbarmachung des Fiskus
wegen rechtswidriger Erschießung in den Maitagen gelungen_.

Eine weitere Komplikation ergab sich daraus, daß es zweifelhaft war,
welchen Fiskus die Haftung nach Aufhebung des bayrischen Militärfiskus
und Organisation der Reichswehr eigentlich zu treffen habe, da die
fraglichen Staatsverträge sich wohlweislich über diesen Punkt
ausschwiegen.


Die Auffassung des Reichswirtschaftsgerichts

In Hinblick auf diese Schwierigkeiten suchen nun die betreffenden
Hinterbliebenen sich dadurch zu helfen, daß sie sich wegen Entschädigung
an die nach dem Reichsgesetz über die durch innere Unruhen verursachten
Schäden vom 12. Mai 1920 vorgesehenen Feststellungsausschüsse wenden. (§
6 des Reichsaufruhrschädenges.)

Gemäß § 1 dieses Gesetzes bestehen Ersatzansprüche gegen das Reich wegen
der Schäden an beweglichem und unbeweglichem Eigentum sowie an Leib und
Leben, die im Zusammenhange mit inneren Unruhen durch offene Gewalt oder
durch ihre Abwehr unmittelbar verursacht wurden. Auf Grund dieser
Bestimmung haben die drei Münchener Ausschüsse zur Feststellung von
Aufruhrschäden einer großen Anzahl von Hinterbliebenen die nach dem
Aufruhrgesetz zuständigen Renten zuerkannt. Diese sämtlichen Bescheide
sind auf Beschwerde der Fiskusvertreter von dem nach § 7 des
Aufruhrschadengesetzes als Beschwerdeinstanz zuständigen
Reichswirtschaftsgericht unter Abweisung der Schadenersatzansprüche
aufgehoben worden. Die dürftigen Begründungen besagten, daß die
Erschießung keine offene Gewalt im Sinne des § 1 sei, weil die Täter
wenigstens amtliche Befugnisse wahrzunehmen glaubten und keine durch
Abwehr offener Gewalt unmittelbar verursachten Schäden, weil durch die
Verhaftung der Erschossenen der Kausalzusammenhang nach § 1 unterbrochen
sei, d. h. wie das Reichswirtschaftsgericht sich sehr gewunden
ausdrückt, weil durch die Verhaftung der Erschossenen diese dem Kreise
der Maßnahmen entrückt waren, welche der unmittelbaren Abwehr der von
den Aufrührern geübten offenen Gewalt dienen sollten. (Vergl. Seite 36.)

Die grundlegende Entscheidung hat das Reichswirtschaftsgericht am 24.
August 1921 in der Sache der Wwe. Josefa Fichtner von Perlach und 12
Genossen unter XVII A.V. 747/21 gefällt. Seitdem ist eine große Reihe
gleichartiger Entscheidungen ergangen, welche die fraglichen Ansprüche
einfach schematisch abweisen.

In diesen Bescheiden weist das Reichswirtschaftsgericht regelmäßig, was
der reinste Hohn ist, darauf hin, daß die Betroffenen ja die Haftung des
Militärfiskus auf Grund des § 839 und der landesrechtlichen
Ausführungsgesetze über die Haftung des Militärfiskus in Anspruch nehmen
können, wenn sie glauben, eine Amtspflichtverletzung von Militärpersonen
feststellen zu können.

Das Resultat war in allen fraglichen Fällen bisher, daß die
Hinterbliebenen der widerrechtlich Erschossenen der Armenpflege zur Last
gefallen sind.


Die juristischen Grundlagen der Erschießungen »auf der Flucht«

Diese Kniffe der Gerichte sind übrigens keineswegs bayrische
Sonderrechte. So lehnte das Oberlandesgericht Hamm eine einstweilige
Verfügung zu Gunsten der Hinterbliebenen des angeblich auf der Flucht
erschossenen Max Maurer (vergl. S. 60) am 31. Oktober 1921 mit folgender
Begründung ab:

»Die Klägerinnen konnten mit ihrem Antrag nur durchdringen, wenn sie
glaubhaft machten, daß den Mannschaften des Marineregiments 6 eine
vorsätzliche oder fahrlässige Dienstverletzung zur Last fällt, gemäß den
Bestimmungen des Preußischen Gesetzes über den Waffengebrauch des
Militärs vom 20. März 1837. Dieses Gesetz ist weder früher (Entscheidung
des Reichsgerichts, Bd. 100, S. 28) noch seit der Revolution abgeändert
oder aufgehoben worden. Nach den §§ 1 und 5 des Gesetzes ist das Militär
in allen Fällen zum Waffengebrauch befugt, wenn Verhaftete, Arrestanten
oder Gefangene, welche ihnen zur Bewachung anvertraut sind, zu
entspringen oder beim Transporte zu entfliehen suchen. Im § 10 des
Gesetzes heißt es: »Daß beim Gebrauch der Waffen das Militär innerhalb
der Schranken seiner Befugnisse gehandelt habe, wird vermutet, bis das
Gegenteil erwiesen ist.« Diese Vermutung gilt, wie mit dem Reichsgericht
anzunehmen ist, als Beweisregel des militärischen Rechtes, solange, bis
sie durch den Nachweis des Gegenteils entkräftet ist. Der Behauptung des
Beklagten gegenüber, daß der Ehemann und der Vater der Klägerinnen bei
seinem Abtransport nach Gladbeck in der Nähe von Bottrop einen
Fluchtversuch gemacht habe und dabei erschossen worden sei, war also von
den Klägerinnen glaubhaft zu machen, daß ihr Ehemann und Vater ohne
einen Fluchtversuch unternommen zu haben erschossen worden sei. Dieses
konnte aber nicht für glaubhaft gemacht erachtet werden. Die Klägerinnen
haben sich zur Glaubhaftmachung auf die Bekundung des Zeugen Sprenger
bezogen, nach welcher Militärpersonen, welche Maurer festnahmen, erklärt
haben, die Frau Maurer solle sich nur nicht so anstellen, der Mann komme
nicht wieder. Aus dieser Aeußerung der Marinemannschaften wollen die
Klägerinnen entnehmen, daß diese von vornherein die Absicht gehabt
haben, ihren Ehemann und Vater ohne weiteres zu erschießen. Dadurch
sei, so machen die Klägerinnen geltend, die Behauptung des Beklagten,
daß Maurer bei einem Fluchtversuch erschossen sei, widerlegt. Dem kann
aber nicht beigetreten werden. Die Erklärung der Marinemannschaft, der
Mann komme nicht wieder, von der gar nicht feststeht, in welchem Sinne
sie abgegeben ist, beweist allein nichts gegen die Richtigkeit dieser
Behauptung. Auch die Schußverletzungen, welche die Leiche des Maurer
nach dem Attest des Dr. med. Farrenkopf zu Bottrop aufwies, sprechen
nicht gegen diese Behauptung des Beklagten. Außer mehreren Schüssen im
Rücken hat Maurer allerdings einen Halsschuß in der Höhe des Kehlkopfes
ungefähr 2 cm links von der Mittellinie erhalten. Es sei aber nicht
ausgeschlossen, daß er sich auf der Flucht umgesehen und dabei diesen
letzten Schuß bekommen hat. Kann hiernach die Behauptung des Beklagten,
daß Maurer einen Fluchtversuch gemacht habe und hierbei erschossen
worden sei, nicht für durch die Klägerin widerlegt erachtet werden, so
wird diese Behauptung im Gegenteil durch die übereinstimmende Bekundung
des Obermaschinisten Fuchs, des Gefreiten Gaul und des Gefreiten Kruppe
bestätigt. Nach diesen Bekundungen hat auf dem Transport nach Gladbeck
in der Nähe von Bottrop, als der Gefreite Gaul kurze Zeit zurückblieb,
Maurer diese Gelegenheit benutzt, um über das Feld davon zu laufen. Der
Gefreite Kruppe hat ihm dreimal »Halt« zugerufen und dann, da Maurer
weiterlief, mit dem Gefreiten Gaul zusammen eine Reihe von Schüssen auf
ihn abgegeben, bis er zusammenbrach.

Bei dieser Sachlage konnte jedenfalls nicht für glaubhaft erachtet
werden, daß den oben genannten Marinemannschaften nach den Bestimmungen
des Gesetzes über den Waffengebrauch des Militärs vom 30. März 1837 eine
Dienstverletzung zur Last fällt.

Der Antrag der Klägerinnen auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war
daher zurückzuweisen. Die Kosten des Verfahrens waren nach § 91 Z.P.O.
den Klägerinnen aufzuerlegen.

gez. Eickenbusch, gez. Frencking, Graul, Kalthoff, Gernheim.
(Aktenzeichen 3 U 43--210 L G Hamm.)«

Die Begründung lautet also folgendermaßen: Wenn jemand von Soldaten
erschossen wird, so ist nach dem Gesetz vom 20. März 1837 prinzipiell
anzunehmen, daß die Soldaten dazu ein Recht hatten. Die Soldaten
brauchen dies gar nicht zu beweisen, sondern die Hinterbliebenen müssen
beweisen, daß die Soldaten bei der Erschießung ihre Befugnis
überschritten haben und daß ein Fluchtversuch nicht vorgelegen hat, was
natürlich so gut wie unmöglich ist. Die hier vorliegenden Beweise, die
den »Fluchtversuch« widerlegen, werden nicht anerkannt. Der Ausspruch:
»Ihr Mann kommt nicht wieder«, und der Schuß von vorn in den Hals
beweisen nichts gegen den Fluchtversuch.

_Nach diesem Preußischen Gesetz vom 20. März 1837_, das nach dem
Reichsgericht zu Recht besteht, _ist also durch das Zeugnis der Täter
der Beweis der Rechtmäßigkeit der Tötung einwandfrei erbracht_. Man ist
es zwar in Deutschland gewohnt, daß die Mörder strafrechtlich nicht
gefaßt werden. Bisher hatten aber wenigstens einige Zivilgerichte die
Objektivität, den Angehörigen der Opfer eine zivilrechtliche
Entschädigung zuzubilligen. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts
wird selbst diese Möglichkeit so gut wie beseitigt.




REGIERUNGSÄUSSERUNGEN ZU DEN POLITISCHEN MORDEN


Die Stellung des Reichsjustizministers

Prof. Dr. Radbruch hatte in der Reichstagssitzung vom 5. Juli 1921 unter
Berufung auf die Broschüre »Zwei Jahre Mord« sich für eine Bestrafung
der politischen Morde eingesetzt. Als er selbst Reichsjustizminister
geworden war, schrieb er dem Autor dieser Zeilen folgenden Brief:

Der Reichsminister der Justiz Berlin W 9, den 3. Dez. 1921. Voßstr. 4.
Nr. IV c 6900 W

  Für die auf Ihre Veranlassung durch den Verlag erfolgte
  Uebersendung eines Exemplars der 4. Auflage der Broschüre »Zwei
  Jahre Mord« danke ich verbindlichst. Schon mein Herr Amtsvorgänger
  hat Veranlassung genommen, mit den Justizverwaltungen von Preußen,
  Bayern und Mecklenburg in Verbindung zu treten. Nach den
  Mitteilungen der genannten Justizverwaltungen war in einer Reihe
  der in der Broschüre angegebenen Fälle ein Verfahren noch
  anhängig, in anderen Fällen wurde auf Grund der Angaben der
  Broschüre erneut geprüft, ob sich Handhaben für ein
  strafrechtliches Einschreiten bieten. Ich habe meinerseits die
  Aufmerksamkeit der Justizverwaltungen auf den erweiterten Inhalt
  der neuen Auflage hingelenkt und um kurze Mitteilungen des
  Sachverhalts und des Gangs des Verfahrens in den einzelnen Fällen
  gebeten: Mitteilung der Ergebnisse an den Reichstag ist
  beabsichtigt.

  Auf Seite 50 der Broschüre wird zur Kennzeichnung des Verfahrens
  gegen Kapp darauf hingewiesen, daß sich der Reichsjustizminister
  Dr. Heintze in der Sitzung des Reichstags vom 27. Januar dieses
  Jahres wie folgt geäußert habe: »Auch wird man einer
  Vermögensbeschlagnahme gegen Kapp nähertreten«. Demgegenüber darf
  ich, um Irrtümern vorzubeugen, folgendes bemerken: Der
  Reichsjustizminister hat sich in der Sitzung des Reichstags vom
  26. Januar dieses Jahres zu den Maßnahmen geäußert, die zur
  Verfolgung von Kapp und Genossen ergriffen sind. Nach den
  stenographischen Berichten des Reichstags, 57. Sitzung, S. 2148,
  lautete seine Ausführung wörtlich wie folgt:

  »Gegen die Herren Kapp und die übrigen, die an der
  hochverräterischen Unternehmung beteiligt und strafrechtlich
  verfolgt sind, ist Haftbefehl und Steckbrief erlassen und die
  Vermögensbeschlagnahme angeordnet und selbstverständlich
  pflichtgemäß die Maßnahmen getroffen, die zur Durchführung dieser
  Vermögensbeschlagnahme zu treffen sind.«

      Dr. Radbruch.

Demnach hat der Reichsjustizminister auf die Behauptung, daß in
Deutschland in drei Jahren über 300 politische Morde von Rechts
unbestraft geblieben sind, nur erwidert, eine Ministerrede sei falsch
zitiert. Dieses falsche Zitat wurde natürlich in der vorliegenden
Ausgabe sofort beseitigt.

Die Kommunisten haben die Radbruch'sche Interpellation im Reichstag
wieder aufgenommen. Die Abgeordneten Plettner, Hoffmann und Bartz haben
am 14. September 1921 folgende kleine Anfrage Nr. 1027 an die Regierung
gerichtet:

»Herr E. J. Gumbel hat in einer Broschüre »Zwei Jahre Mord« eine
Zusammenstellung der politischen Morde seit dem 9. November 1918 der
Oeffentlichkeit übergeben. Herr Gumbel stellt fest, daß während dieser
Zeit sich die von Rechts begangenen Mordtaten auf 314 belaufen, 26
namentlich aufgeführte Personen stehen unter dem starken Verdacht der
Mordbegünstigung oder Anstiftung, 35 namentlich aufgeführte Personen
stehen unter dem dringenden Verdacht der Mordausführung. Herr Gumbel
stellt weiter fest, daß bis heute noch kein politisches sowie
militärisches Mitglied der Kappregierung bestraft wurde, wogegen allein
gegen Mitglieder der bayrischen Räteregierung 519 Jahre 9 Monate
Freiheitsstrafen und eine Anzahl Todesurteile vollstreckt worden sind.

In der Reichstagssitzung vom 5. Juli 1921 hat der Abgeordnete Radbruch
obengenannte Broschüre dem Herrn Justizminister überreicht mit der
formellen, öffentlichen Aufforderung, den einzelnen Fällen nachzugehen
und über das Ergebnis seiner Untersuchung Auskunft zu geben.

Wir fragen an: Hat die Reichsregierung entsprechend der an sie
gerichteten Aufforderung eine Untersuchung der in der Gumbelschen
Broschüre aufgeführten Fälle veranlaßt?

Zu welchem Ergebnis hat die Untersuchung geführt?

Was gedenkt die Reichsregierung zu tun gegen die Staatsanwälte und
Richter, die unter völliger Außerachtlassung jeder richterlichen
Objektivität die Angeklagten freigesprochen oder das eingeleitete
Verfahren eingestellt haben?«

In der Reichstagssitzung vom 30. September 1921 hat darauf Herr Werner,
Geh. Regierungsrat, Ministerialrat im Reichsjustizministerium, Kommissar
der Reichsregierung, folgendes geantwortet: »Die strafrechtliche
Verfolgung der Vorfälle, die den Gegenstand der Broschüre »Zwei Jahre
Mord« bilden, gehört nicht zur Zuständigkeit von Organen der
Reichsjustizverwaltung. Der Reichsminister der Justiz hat aber
Veranlassung genommen, die Aufmerksamkeit der Justizverwaltungen
von Preußen, Bayern und Mecklenburg auf die Broschüre zu lenken.
Nach den von diesen eingegangenen Mitteilungen ist in einer Reihe
der in der Broschüre angegebenen Fälle ein Verfahren anhängig, in
anderen Fällen wird der Inhalt durch die zuständigen Organe der
Landesjustizverwaltungen einer Prüfung nach der Richtung unterworfen,
ob die gemachten Angaben neue Handhaben zu einem strafrechtlichen
Einschreiten bieten.«

Darauf fragte der Abgeordnete Bartz weiter: »Ist die Regierung in der
Lage, anzugeben, in welchen Fällen ein Verfahren eingeleitet worden
ist?« Der Präsident Loebe aber schnitt die Diskussion ab mit den Worten:
»Das Wort wird nicht weiter gewünscht, die Anfrage ist erledigt.«

Die Regierung hat also eine Untersuchung angestellt und das Resultat
ist: Sie kann nicht behaupten (was sie doch sicher gern getan hätte),
daß auch nur ein einziger der vielen dargestellten Fälle unrichtig sei.
Damit ist also die Richtigkeit der Behauptungen zugegeben.

Die von Herrn Radbruch bereits am 3. Dezember 1921 angekündigte
Denkschrift ist noch immer nicht erschienen. Als der Verfasser in einer
Versammlung äußerte, daß diese Denkschrift nie erscheinen werde, schrieb
ihm Herr Radbruch folgenden Brief:

Der Reichsminister der Justiz. Berlin W 9, den 2. Mai 1922. Voßstr. 5.
Nr. IV c 1144. W.

  In der von dem »Bund Neues Vaterland« einberufenen öffentlichen
  Volksversammlung am 27. April d. Js. haben Sie Zeitungsnachrichten
  zufolge ausgeführt, daß ich zwar eine Denkschrift über die Fälle
  in Ihrer Broschüre »Zwei Jahre Mord« in Aussicht gestellt habe,
  daß diese Denkschrift aber niemals erscheinen werde. Demgegenüber
  lege ich Wert darauf, Ihnen an Hand der Akten Kenntnis von den
  Schritten zu geben, die ich unternommen habe, um dem Reichstag
  eine Darstellung des Sachverhalts und des Ganges des
  strafrechtlichen Verfahrens in den einzelnen Fällen zugänglich zu
  machen; ich würde es deshalb begrüßen, wenn ich Ihrem Besuch in
  der nächsten Zeit entgegensehen dürfte. Wegen des Zeitpunktes
  bitte ich um vorherigen telephonischen Anruf.

      Dr. Radbruch.

Als der Schreiber dieser Zeilen darauf Herrn Radbruch besuchte, zeigte
er ihm mit anerkennenswerter Offenheit die Vorarbeiten zu dem Weißbuch.
Darin sind alle Behauptungen dieses Buches mit dürren Worten amtlich
bestätigt. Noch mehr: Die Wirklichkeit übertrifft die Angaben um vieles.
_Und gerade deswegen ist der Autor dieser Zeilen heute mehr denn je
überzeugt, daß die angekündigte Denkschrift trotz der guten Absichten
des Ministers nie erscheinen wird._


Die unzuständigen Staatsanwälte

Die Broschüre »Zwei Jahre Mord« war an sämtliche Staatsanwaltschaften
Deutschlands geschickt worden, in deren Bereich Morde passiert waren. Im
folgenden die Antworten:

Der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht. Potsdam, den 28. Aug. 1921.
IX./199.

  Den Empfang Ihrer mir zugesandten Broschüre »Zwei Jahre Mord«
  bestätige ich Ihnen mit Dank.

  Insofern scheint aber bei Ihrer Zuschrift ein Irrtum obzuwalten,
  als Sie meine Zuständigkeit für die strafrechtliche Verfolgung
  »einer Reihe von Morden« annehmen. Ich habe bei der Durchsicht des
  Buches keinen einzigen Fall finden können, in dem durch den Ort
  der Tat meine Zuständigkeit in Betracht kommt. Es haben auch nach
  Ihrer eigenen Darstellung in allen Fällen bereits strafrechtliche
  Ermittlungsverfahren seitens der zuständigen Stellen
  stattgefunden.

      In Vertretung: Unterschrift unleserlich.

Der Oberstaatsanwalt. Marburg, den 31. August 1921. 3a J 817/21

  Auf Ihr am 29. August 1921 eingegangenes Schreiben unter
  gleichzeitiger Uebersendung der Broschüre »Zwei Jahre Mord«
  erhalten Sie den Bescheid, daß ich nicht in der Lage bin, wegen
  der darin geschilderten angeblichen Straftaten einzuschreiten, da
  in keinem der Fälle der Tatort im hiesigen Bezirk liegt, und auch
  keiner der Täter im hiesigen Bezirk seinen Wohnsitz hat.

      I. V.: Ludwig.

Der Oberstaatsanwalt. Hagen i. W., den 19. Sept. 1921. XV. 11/2227.
Betrifft: Uebersendung des Buches: »Zwei Jahre Mord«.

  Von den in dem Buch geschilderten Ereignissen hat keines sich in
  dem mir unterstellten Bezirk abgespielt. Ich habe daher zu
  Maßnahmen keinen Anlaß.

      gez. Schenk. Stempel.
      Beglaubigt. Hoffmann, Kanzleiangestellter.


Verfahren schwebt

Der Generalstaatsanwalt. Hamm, den 8. September 1921. Geschäfts-Nr. I
350 1. 3771.

  Soweit die in Ihrem Buch »Zwei Jahre Mord« erwähnten Fälle sich im
  hiesigen Bezirke ereignet haben, schweben Ermittlungsverfahren.

      I. V.: gez. Dr. Wilde.
      Stempel. begl.: Fritz, Kzl.-Inspektor.

Der erste Staatsanwalt bei dem Mecklenburg-Schwerinschen Landgericht zu
Rostock i. Meckl. Rostock, den 19. Sept. 1921. Nr. J. 3334/21.

  Zu Ihrer Vernehmung vom 5. 9. 1921 betr. Ihre Broschüre »Zwei
  Jahre Mord« teile ich Ihnen hierdurch folgendes mit:

  Ihre Ansicht, daß auch die angeblich in Niendorf bei Wismar
  begangene Bluttat zur Zuständigkeit der Rostocker
  Staatsanwaltschaft gehöre, ist falsch.

  Es kommt Niendorf bei Kleinen in Frage, welches zur Zuständigkeit
  der Staatsanwaltschaft Schwerin gehört. Sie schreiben ja auch
  selbst, daß die Staatsanwaltschaft in Schwerin das Verfahren
  eingestellt hat.

  Wegen des von Ihnen unter der Ueberschrift »Taten der Demminer
  Ulanen« behandelten Tatbestandes bemerke ich folgendes:

  1. Wegen der Erschießung des Arbeiters Gräbler ist bei der
  hiesigen Staatsanwaltschaft seit Juni v. J. ein
  Ermittlungsverfahren anhängig, welches, da die Ermittlungen sehr
  schwierig und zeitraubend sind, bis heute noch nicht hat
  abgeschlossen werden können.

  2. Wegen der Schicksale der übrigen seinerseits in Gnoien
  verhafteten Arbeiter hat hier gleichfalls zunächst ein
  Ermittlungsverfahren geschwebt. Nachdem sich aber herausgestellt
  hatte, daß die gelegentlich des Abtransportes der Gefangenen
  vorgekommenen Bluttaten auf preußischem Gebiet vor Demmin und in
  Demmin sich zugetragen haben, habe ich das betr. Verfahren
  insoweit zuständigkeitshalber am 14. Dezember 1920 an den 1.
  Staatsanwalt in Greifswald abgegeben.

  3. Für die Erschießung des Stadtrates Seidel in Stavenhagen bin
  ich gleichfalls nicht zuständig.

  Soviel ich weiß, ist dieserhalb ein Ermittlungsverfahren beim 1.
  Staatsanwalt in Güstrow anhängig gewesen.

      Unterschrift unleserlich.

Der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht. Breslau, den 31. August 1921.
II 38/93

  Ihr Buch »Zwei Jahre Mord« habe ich erhalten. Zu meinem Bedauern
  bin ich aber auf Grund der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen
  nicht in der Lage, Ihnen Auskünfte über schwebende oder
  abgeschlossene Strafverfahren zu erteilen, soweit sie in Ihrem
  Buch behandelt sind und in den Bereich meiner Zuständigkeit
  fallen.

      I. V.: Poppendick, Erster Staatsanwalt. Stempel.
      Beglaubigt. Sterk, Kzl.-Inspektor.

Der Generalstaatsanwalt beim Landgericht I. Berlin NW 52, Turmstr. 91,
den 25. April 1922. i J. 328/22.

  In Ihrer Broschüre »Zwei Jahre Mord« 4. Aufl. S. 19, berichten Sie
  über die Erschießung des Gastwirts Wilhelm Bilski und geben an,
  daß nach Aussage von Zeugen der die Erschießung leitende Offizier
  ein Leutnant Baum gewesen sei. Da sich diese Angabe in den Akten
  nicht befindet, so bitte ich Sie ergebenst um schleunige
  Mitteilung, worauf Ihre Kenntnis des Sachverhalts besteht und um
  Benennung aller Personen, die über die Tat oder die Täter irgend
  welche Auskunft zu geben vermögen.

      I. A.: gez. Dr. Burchardi, Staatsanwaltschaftsrat.
      Beglaubigt. Stempel. Schmidt, Kanzleiangestellter.


Verfahren eingestellt

Der Oberstaatsanwalt. Flensburg, den 20. Okt. 1921. 3 J 2889/20 5

  Ihre Schrift »Zwei Jahre Mord« ist mir in Ihrem Auftrage vom
  Verlage »Neues Vaterland« zugesandt worden, da in ihm aufgenommen
  sind »eine Reihe von Morden, die innerhalb des für mich
  zuständigen Gebietes vorgekommen sind«. In Frage kommt aber
  lediglich die mit der Ueberschrift »Der Arbeiter Paul Hoffmann in
  Flensburg« auf Seite 47 erwähnte Erschießung dieses Mannes in der
  Nacht zum 19. Dezember 1920. Ueber diesen Vorfall ist am 29.
  Dezember 1920 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und am 3.
  Januar 1921 Voruntersuchung gegen den Major von Plüskow, Leutnant
  Dewald, Wachtmeister Arend und Kaufmann Reichardt beantragt
  worden. Nach ihrem Abschluß sind die Angeschuldigten durch
  Beschluß der Strafkammer des Landgerichts Flensburg vom 12. April
  1921 außer Verfolgung gesetzt worden.

  Da Sie nach dem Inhalt Ihrer Schrift sowie dem Begleitschreiben
  mit der Strafprozeßordnung sicher soweit vertraut sind, um zu
  wissen, daß ich in einem Fall wie dem des Arbeiters Hoffmann von
  Amts wegen einzuschreiten habe, trotzdem es aber nicht für richtig
  gehalten haben, vor Herausgabe Ihrer Schrift Auskunft über das
  Ergebnis meiner Ermittlungen zu erfordern, mir diese vielmehr erst
  zugesandt haben, nachdem sie in zweiter Auflage erschienen ist,
  glaube ich davon ausgehen zu dürfen, daß meine Begründung des
  Antrages auf Außerverfolgungsetzung der Angeschuldigten und die
  Gründe des ihm stattgegebenen Strafkammerbeschlusses für Sie ohne
  Interesse sind.

  Eine frühere Antwort war nicht möglich, da die Akten versandt
  waren.

      I. A.: gez. St.-A.-Rat Stolterfoth. Stempel.
      Beglaubigt: Boese, Kanzleiinspektor.

Der Oberstaatsanwalt. Essen, den 31. Oktober 1921. 18 J 738/20

  Auf Ihre am 28. August 1921 hier eingegangene Strafanzeige
  betreffend die Erschießung zweier Arbeiter in Essen.

  In der fraglichen Angelegenheit sind bereits April 1920 von mir
  und seitens der Militärbehörde eingehende Ermittlungen angestellt
  worden. Sämtliche in Frage kommenden Zeugen, auch die in Ihrer
  Broschüre benannten, sind vernommen worden. Die Täter haben jedoch
  nicht ermittelt werden können. Ich habe daher das Verfahren
  eingestellt.

      Unterschrift: Unleserlich.

Von den 35 Staatsanwaltschaften haben 26 nicht geantwortet, insbesondere
die Staatsanwaltschaft München, wo die meisten Fälle passiert waren.
Alle Antworten betreffen entweder Zuständigkeitsfragen oder sie lehnen
Auskunft ab oder sie geben die Richtigkeit meiner Angaben zu. Auf die
Materie selbst geht keine Antwort näher ein. Kein Staatsanwalt hat
versucht, die Richtigkeit meiner Darstellung zu bestreiten. Aber auch
kein Staatsanwalt hat auf Grund der hier mitgeteilten Tatsachen ein
eingestelltes Verfahren wieder aufgenommen oder ein neues eröffnet. 330
politische Morde, wovon 4 von links und 326 von rechts begangen wurden,
sind und bleiben unbestraft.




DIE ORGANISATION DER POLITISCHEN MORDE

      _Ich habe die Mörderorganisationen als Illusion,
      als Hirngespinst, als exaltierte Meinung
      Einzelner angesehen, die irgendwelche Erscheinungen
      verallgemeinerten. Ich muß mit tiefer
      Erschütterung feststellen, daß ich an dieser
      Feststellung nicht mehr festhalten kann._
      _Abg. Stresemann, Reichstag am 5. Juli 1922_


Wie oben gezeigt, sind in den letzten Jahren die meisten bedeutenden
Führer der extremen und gemäßigten Linken bis in die Reihen des Zentrums
durch ungesetzliche Handlungen beseitigt, dagegen ist kein einziger
Führer der extremen Rechten getötet worden. Ueberhaupt sind von den
Linksradikalen nur wenige Morde begangen worden, von den Rechtsradikalen
sehr viele. Diese Morde sind außerordentlich differenziert. Jeder hat
seine Eigenheit. Trotzdem lassen sich die bisherigen politischen Morde
von Rechts auf drei Typen zurückführen, die sich im wesentlichen mit der
Zeit ablösten.


Die unorganisierten Morde

Es bricht ein Linksaufstand aus oder es wird ein solcher provoziert (Typ
1919). Einwohnerwehr, Studentenkorps und Freiwilligenverbände arbeiten
an seiner Unterwerfung. Bei dieser Gelegenheit murkst man im Zeichen der
»Ruhe und Ordnung« die persönlich oder durch Denunziation guter Freunde
bekannten, ehrlichen Republikaner ab: Das sind Spartakisten. Weg damit!

Die Truppen begehen zum Teil im angetrunkenen Zustand, zum Teil
durch falsche Nachrichten aufgestachelt eine Reihe von weiteren
Scheußlichkeiten. Die Offiziere sind fast immer beteiligt.

Das bürgerliche Publikum, die sogenannte öffentliche Meinung, sieht in
seiner blinden Angst um das heilige Eigentum nur die Gefahr, die ihm in
dem Aufstand von Links droht. Die Verletzung des Rechtes aber, die in
der Ermordung von angeblich am Aufruhr Beteiligten, meistens aber völlig
Unbeteiligten besteht, läßt es kalt. Denn der Satz, daß ein Aufrührer
auch ein Recht auf seinen Richter hat und nicht von einem kleinen
Leutnant umgebracht werden darf, ist ihm keine Realität. Dies ist ein
abstrakter Satz, der nichts mit dem Schutz des Eigentums zu tun hat.

Dieser sozusagen handwerksmäßige Mord ist im kleinen Umkreis wirksam.
Doch nur hier. Unfähig ist er, die großen, bekannten Republikaner zu
erfassen. Hierzu dienen andere, bessere Methoden industrieller Art.


Die halborganisierten Morde

Ein Putsch von Rechts wird benützt. Viel unverhüllter kann hier gemordet
werden. Trotzdem legt man großen Wert auf Aufrechterhaltung der
Fiktionen. So wird die Behauptung verbreitet, ein Aufstand von Links sei
vorbereitet und man wolle nur der rechtmäßigen Regierung dagegen helfen.
Dann verfährt man wie oben. Aber während man vorher willkürlich mordete,
ist man jetzt bereits auf Auswahl der »Richtigen« bedacht. Längst durch
geheime Organisationen vorbereitete Listen dienen diesem Zweck. Man ist
nicht etwa weniger blutdürstig und scheut auch nicht vor Massenmord
zurück, aber man ist zielstrebiger geworden. Die Widerstrebenden, die
sich »dem Aufbau«, der »Regierung der Arbeit« widersetzen, werden »auf
Grund der erlassenen Gesetze« durch Standrecht beseitigt. Gelingt der
Putsch, um so besser, mißlingt er, so werden die Gerichte schon dafür
sorgen, daß den Mördern nichts passiert. Und sie haben dafür gesorgt.
Kein einziger Mord von Rechts ist wirklich gesühnt. Selbst gegen
geständige Mörder wird das Verfahren auf Grund der Kapp-Amnestie
eingestellt.

Die beiden Methoden sind trotz ihrer Wirksamkeit nicht zu allen Zeiten
brauchbar. Vor allem nicht in ruhigen. Doch sind sie Vorarbeit;
Bausteine zum Ziel: Tod allen Republikanern; Methoden zum Ausbau der
Organisation.


Der hochorganisierte Mord

Am auffälligsten sind die Morde, die in Zeiten vollkommener Ruhe
begangen wurden, wo weder ein wirklicher noch ein fiktiver Aufstand von
Links vorlag. Hier versagen die bisherigen Entschuldigungen und
Beschönigungen. Es bleiben nur zwei Methoden übrig.

Erstens wird gesagt, es lohne nicht, darüber so viel Aufsehens zu
machen. Der Mann war ja verrückt, er litt an Verfolgungswahn. Er
glaubte, er werde eines Tages umgebracht. Ist dies nicht Beweis genug,
daß er sein kommendes Los erkannte? Man sieht, was für Menschen zur
Linken gehören. Indem man dem Toten sein einziges Gut, seinen guten
Namen raubt, befreit man sich durch diesen leichenschänderischen Dreh
von jeder Verantwortung. Immerhin verspricht die Regierung natürlich
eine strenge Untersuchung. Von Zeit zu Zeit kommen immer kürzere
Berichte über den ordnungsgemäßen Verlauf. Neue politische Probleme
füllen die Zeitungen, nach einiger Zeit ebbt es in der Blätterflut ab.
Nur einige Zeitungen, die immer schreien, kläffen noch. Bald ist der
Tote vergessen.

Oder der Mord wird schon vorher der Oeffentlichkeit plausibel gemacht.
Das Opfer muß derart verdächtigt werden, daß seine Ermordung als ein
befreiender Schritt, als eine Heldentat angesehen wird. »Endlich ist
Deutschland diesen Menschen los, der so viel Unglück über sein Vaterland
gebracht hat«. Viele Feinarbeit, hohe Kultur, glänzende Vorbereitung,
planmäßiges Zusammenwirken gehören dazu, bis das Opfer erliegt. Angesagt
zählt doppelt. Daher zunächst in der Oeffentlichkeit systematische Hetze
zum Mord: »Der Mann ist ein Schädling. Er muß weg. Nur die nationale
Einheitsfront kann helfen.« So belfert die Presse. Bis selbst der Letzte
der Letzten in Kleinkuhdorf das weiß.


Gibt es Mordorganisationen?

Mordorganisationen im eigentlichen Sinn des Wortes, d.h. Organisationen,
deren einziger Zweck der politische Mord ist, gibt es im heutigen
Deutschland wahrscheinlich nicht. Wohl aber Organisationen, die den
politischen Mord als Nebenzweck oder als Mittel zum Zweck bejahen. Ihre
eigentlichen Ziele sind nationalistische. Drei an sich trennbare Ziele
vereinen sich in ihnen. Das erste ist das _monarchistische_. Daher
wenden sich diese Organisationen gegen die Republik und vor allem gegen
ihre Repräsentanten. Dabei sind sich jedoch die verschiedenen
Organisationen weder über die Form der kommenden Monarchie (ob absolut
oder konstitutionell) noch über ihren Umfang (Deutscher Einheitsstaat
oder Rückkehr aller Herrscher) noch über die Person des künftigen
Monarchen (Wittelsbach oder Hohenzollern) einig. Vor allem fehlt ein
populärer Thronkandidat. Dieser glückliche Zufall wird vielleicht
ähnlich wie in Frankreich nach 1870 die Republik retten.

Die zweite Tendenz ist die _imperialistische_. Der Friedensvertrag von
Versailles hat Deutschland zerstückelt und hat ihm Gebiete mit deutscher
Bevölkerung genommen. Demgegenüber sind Bestrebungen auf Wiedergewinnung
der gegen ihren Willen von Deutschland abgetrennten Gebiete und auf
Verbesserung von Deutschlands ökonomischer Lage vollkommen berechtigt.
Darüber hinaus befürworten diese Vereine eine ausgesprochen
imperialistische Politik, insbesondere den Rachekrieg.

Die dritte Wurzel dieser Bewegungen ist der _Antisemitismus_. Er geht
von ganz übertriebenen Vorstellungen über die Bedeutung und den Einfluß
der Juden aus.

Auch diese drei Programme werden zum Teil offiziell nicht zugegeben. Sie
treten der Oeffentlichkeit gegenüber hinter berufsständischen, anderen
politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Zielen zurück. Bei
manchen Organisationen wird sogar streng an der Fiktion der politischen
Neutralität festgehalten. Ueberall spielen die Offiziere der alten Armee
die größte Rolle.

Die drei Bewegungen kommen meistens untereinander vermengt vor. Die
meisten Geheimbündler sind gleichzeitig Monarchisten, Imperialisten und
Antisemiten. Die extremistische Einstellung der Organisationen führt sie
zu dem Glauben, daß man mit der Tötung eines politischen Gegners
gleichzeitig die von ihm vertretenen Ideen beseitigen könne. Eine
zweite, davon prinzipiell verschiedene Wurzel von politischen Morden ist
die manchmal zwingend auftretende Notwendigkeit der Beseitigung von
unbequemen Mitwissern, von denen man einen Verrat der Organisation
befürchtet.


Kommunistische Geheimorganisationen

Daß es auch kommunistische Geheimorganisationen gab, ist nicht zu
bestreiten. Nach der Mentalität dieser Partei, die z. B. den
Märzaufstand 1921 verursacht hat, ist an deren Existenz kaum zu
zweifeln. Aber die Nachrichten hierüber haben sich in allen Fällen als
maßlos übertrieben herausgestellt. Wo solche Organisationen tatsächlich
bestanden, haben stets Spitzel und Provokateure von Rechtsparteien eine
große Rolle gespielt. Das liegt daran, daß die Partei überhaupt mit
Spitzeln stark durchsetzt ist. In München hat man sogar Bezirksführer,
also Funktionäre, als Angehörige der Polizei entlarvt.

In vielen Fällen waren auch die Nachrichten über kommunistische
Geheimorganisationen nach der bewährten Methode »Haltet den Dieb«
einfach aus der Luft gegriffen. Zur Verbreitung der Berichte dienten
eigene deutschnationale Nachrichtenstellen.

Auch ein Mann, dem man dies eigentlich nicht zutrauen sollte, General
Ludendorff, hat sich neuerdings diesem Verfahren angeschlossen. In
einem Interview mit dem Berliner Korrespondenten der »Daily Expreß«
(»Vossische Zeitung«, 25. Juli 1922) sagte er: »Die Erklärung der
Ermordung Dr. Rathenaus liegt in der Tatsache, daß die Ermordung
deutscher Minister vor mehr als einem Jahr von kommunistischen
Organisationen beschlossen worden ist. In ernsten politischen Kreisen
gibt es keine Mörderorganisation.« Einen Beweis für diese Behauptung hat
Ludendorff nicht angetreten.

Ich will natürlich die Möglichkeit kommunistischer Geheimorganisationen
nicht leugnen. Wahrscheinlich haben sie auch politische Schäden
angerichtet. Sicher aber ist, daß sie für keinen einzigen politischen
Mord verantwortlich zu machen sind.


Geschichte der Geheimorganisationen

Die Geheimbünde sind erwachsen auf dem Boden der Deutschen
Vaterlandspartei. Nach der Revolution sammelten sie sich wieder in den
offiziell unpolitischen Bürgerräten, Einwohnerwehren, Freikorps. Den
größten Sammelherd, aus dem pilzartig die Geheimorganisationen
entsprangen, bildete das Baltikumabenteuer. Unter einem angeblichen
Fürsten Awalow-Bermondt und unter dem Grafen v. d. Goltz bildeten sich
Armeen, z. B. die eiserne Division, die sogar eigenes Papiergeld
(gedeckt durch die der deutschen Regierung gehörigen Waffenvorräte)
ausgaben. Die Hoffnung auf Land trieb viele demobilisierte Soldaten
dazu, sich von den von der deutschen Regierung öffentlich unterstützten
Verbänden anwerben zu lassen. Nach dem kläglichen Scheitern des zuerst
gegen die Bolschewisten, dann gegen die lettische Regierung geführten
Kampfes fluteten die Baltikumer nach Deutschland zurück. Sie waren die
Grundlage für den Kapp-Putsch, der ja auch mit der Fiktion des Kampfes
gegen den Bolschewismus inszeniert wurde. Kaum war er gescheitert, so
rief die Ebertregierung, die vor den aufrührerischen Truppen hatte
flüchten müssen, dieselben Truppen zum Kampf gegen die Arbeiter ins
Rheinland. Natürlich mußten so die am Kapp-Putsch beteiligten Truppen
dieses Unternehmen für vollkommen legal halten.

Die Freikorps wurden zum großen Teil auf Betreiben der Entente
aufgelöst. Dies ging nicht immer einfach vor sich. So sollte z. B. in
Soest im Juni 1920 die Maschinengewehrkompagnie Libau (eine baltische
Formation, die seit dem November 1919 in Deutschland verpflegt wurde)
aufgelöst werden. Sie leistete Widerstand und es kam zu einer Schießerei
mit der Reichswehr, bei der fünf Reichswehrsoldaten getötet und mehrere
schwer verwundet wurden. Vor dem Kriegsgericht in Münster kam es zur
Verhandlung. Die Baltikumer gaben an, sie hätten geglaubt, Bolschewiki
vor sich zu haben und wurden auf Grund dieses Putativ-Spartakismus
freigesprochen. (»Freiheit«, 23. Juni 1920.)

Dagegen wurde ein Soldat namens Kaiser, der sich nach dem Kapp-Putsch
unerlaubt aus der Ehrhardt-Brigade entfernt hatte, weil er von einem
Offizier mißhandelt worden war, zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt.
(Preuß. Landtag, 22. Mai 1922.) Auf eine Interpellation antwortete die
Regierung, die Strafe bestehe zu Recht, weil die Marinebrigade des
Kapitän Ehrhardt eine Truppe im Sinne des Militärstrafgesetzes gewesen
sei.

Aus dem Lebenslauf der einzelnen Individuen kann man den Werdegang der
ganzen illegalen Bewegung studieren. Ein großer Teil der Mitglieder,
soweit sie bekannt geworden sind, war nicht im Feld, weil sie damals
noch zu jung waren. Zum Teil dienten sie als Hilfsdienstpflichtige oder
als Jugendwehr. Dann wurden sie Mitglied einer Einwohnerwehr, kämpften
in Freikorps gegen die bayerische Räterepublik, dann im Baltikum,
machten den Kapp-Putsch mit und zuletzt finden wir sie beim Selbstschutz
in Oberschlesien.


Oberschlesien

Zwei Zentren hat die Bewegung: Oberschlesien und München. Beide sind
intim verknüpft. So hat z. B. das Freikorps Oberland in beiden
»gekämpft«.

In Oberschlesien sollte nach dem Vertrag von Versailles eine
Volksabstimmung stattfinden. Die Entente verschob jedoch den Termin der
Abstimmung von Monat zu Monat. So entstand unerhörte politische
Spannung. Resultat waren drei Aufstände der Polen. Die polnische
Regierung lehnte zwar offiziell jede Beteiligung daran ab. Doch kann man
es als gesichert hinnehmen, daß sie die Bestrebungen, ein fait accompli
zu schaffen, wie etwa in Posen oder Wilna, insgeheim begünstigte. Den
ersten Aufstand schlugen deutsche Truppen nieder. Von beiden Seiten sind
dabei unerhörte Grausamkeiten vorgekommen. Beim zweiten Aufstand
sammelten sich die Deutschen in eigenen Organisationen, dem sogenannten
Selbstschutz, der ursprünglich nur aus geborenen Oberschlesiern bestehen
sollte, dann aber auch aus dem übrigen Reich regen Zuspruch erhielt.
Bald ging man dazu über, auch diejenigen Deutschen zu bekämpfen, denen
man mit Recht oder Unrecht internationale Neigungen zuschrieb. Auch
Angehörige der Besatzungstruppen wurden ermordet. Aus dem großen
diesbezüglichen Material mögen nur einige typische Fälle aufgeführt
werden: Dr. Milecki aus Kattowitz wurde am 17. August 1919 gelegentlich
der Hilfeleistung bei einem polnischen Verwundeten ermordet. In Hallimba
wurden am 17. August 1919 zwei Arbeiter »auf der Flucht« erschossen.
Ende Mai 1920 wurde der Besitzer des Hotels »Deutsches Haus« in
Krappitz, Valentzyk, aus dem Gefängnis geholt. Die Mannschaft bestand
aus dem Pferdewärter Eduard Seirer aus Pasing, dem Kriminalinspektor
Fischer aus Bernburg (alias Friedrich) und dem Kriminalwachtmeister
Josef Bump aus Carlskron. In Valentzyks Hotel war während der
Besatzungszeit die französische Intendantur untergebracht gewesen. Auf
Befehl des Freikorps Oberland wurde er an eine entlegene Stelle im Wald
geführt und dort von _Bump_ erschossen.

Am 30. Juli 1920 wurden drei Gefangene des Freikorps Oberland, Karl
Görlitz aus Görlitz, Stefan Stellmach aus Bismarckhütte und ein gewisser
Kauert, angeblich Kommunist, früher Freiwilliger des Bataillons
Oesterreicher, von der Straße nach Kasimir weg in den Wald geführt und
von Mußweiler (alias Weiland) erschossen. Die Leichen wurden
ausgeplündert. (Paul Fröhlich »Wider den weißen Mord«.) Am 30. Juni 1921
wurde der Betriebsrat der »Bismarckhütte«, Bruno Bochymek »auf der
Flucht« erschossen. Man erinnere sich ferner an den Ueberfall in
Petersdorf, wo u. a. der Spitzel Seichter ermordet wurde. (WTB., 18. Mai
1922.) Auch in allerneuester Zeit sind Lynchungen durch den Selbstschutz
vorgekommen. In Oppeln, Gleiwitz und anderen Orten Oberschlesiens wurden
Frauen, die sich während der Besatzungszeit mit Franzosen eingelassen
hatten, nackt ausgezogen, kahlgeschoren, mit Teer angestrichen und mit
Peitschen durch die Straßen gehetzt. (»Deutsche Zeitung«, 13. Juli
1922.)


Der bayrische Partikularismus

Der Brennpunkt der ganzen Bewegung ist in München zu suchen. Der
Ausnahmezustand, der dort jahrelang aufrecht erhalten wurde und die
Sondergerichte, beides Organisationen, die sich ausschließlich gegen
Links wandten, begünstigten in hohem Maß die Bildung und verbrecherische
Tätigkeit der Geheimorganisationen.

Der andauernde Kampf gegen das Reich hat zum großen Teil den Sinn, die
Geheimbünde zu schützen. Denn sie sind die Hauptträger der
monarchistischen Propaganda und sind daher bei den im Grunde genommen
monarchistischen Regierungen Kahr und Lerchenfeld beliebt. Die angeblich
altbayrische Tradition der bayrischen Regierung ist eine reine Fiktion;
denn Bayern war früher keineswegs ausgesprochen monarchistisch. Dazu
kommt, daß die Hauptträger dieser bayrischen Fronde tatsächlich
Ludendorff und die ihn umgebenden Teilnehmer der früheren obersten
Heeresleitung, also gar keine Bayern sind.

Seit dem Reichenhaller Kongreß der russischen Monarchisten beginnen auch
diese in Bayern eine Rolle zu spielen. In der Oeffentlichkeit treten sie
natürlich nicht hervor.

Die augenblicklich in Bayern herrschende Stimmung wird wohl am besten
durch die Tatsache beleuchtet, daß ein anerkannter katholischer
Gelehrter, Domdekan Kiefel aus Regensburg, im Vorwort seines Buchs
»Katholizismus und modernes Denken« vom Grafen Arco, dem Mörder Eisners,
schreiben konnte: »Unser jugendlicher Nationalheld dessen selbstloser
Idealismus allein in unserem Volk neues Leben entzünden könnte«. Das
Bild Arcos ist in vielen Schaufenstern zu sehen. Seine Heimatgemeinde
gab sogar Notgeld mit seinem Bild heraus, das allerdings bald aus dem
Verkehr gezogen wurde.


Namen von Geheimorganisationen

Im Folgenden einige Namen von solchen Organisationen: Verband
nationalgesinnter Soldaten, Bund der Aufrechten, Deutschvölkischer
Schutz- und Trutzbund, Stahlhelm, Organisation »C«, Freikorps und
Reichsfahne Oberland, Bund der Getreuen, Kleinkaliberschützen,
Deutschnationaler Jugendbund, Notwehrverband, Jungsturm, Nationalverband
Deutscher Offiziere, Orgesch, Roßbach, Bund der Kaisertreuen, Reichsbund
Schwarz-Weiß-Rot, Deutschsoziale Partei, Deutscher Orden, Eos, Verein
ehemaliger Baltikumer, Turnverein Theodor Körner, Allgemeiner
deutschvölkischer Turnverein, Heimatssucher, Alte Kameraden, Unverzagt,
Deutsche Eiche, Jungdeutscher Orden, Hermansorden, Nationalverband
deutscher Soldaten, Militärorganisation der Deutschsozialen und
Nationalsozialisten, Olympia (Bund für Leibesübungen), Deutscher Orden,
Bund für Freiheit und Ordnung, Jungsturm, Jungdeutschlandbund,
Jung-Bismarckbund, Frontbund, Deutscher Waffenring (Studentenkorps),
Andreas-Hofer-Bund, Orka, Orzentz, Heimatbund der Königstreuen,
Knappenschaft, Hochschulring deutscher Art, Deutschvölkische Jugend,
Alldeutscher Verband, Christliche Pfadfinder, Deutschnationaler
Beamtenbund, Bund der Niederdeutschen, Teja-Bund, Jungsturm,
Deutschbund, Hermannsbund, Adler und Falke, Deutschland-Bund,
Junglehrer-Bund, Jugendwanderriegen-Verband, Wandervögel völkischer Art,
Reichsbund ehemaliger Kadetten.

Ein großer Teil dieser Organisationen wurde auf Grund des Gesetzes zum
Schutz der Republik aufgelöst. Bayern hat keinen dieser Verbände
aufgelöst.

Betrachten wir die Organisationen im Einzelnen. Der _Schutz-und
Trutzbund_ ist wesentlich antisemitischer Natur, außenpolitisch nicht
betont, jedoch zählt er in seinen Reihen zahlreiche Terroristen. Er soll
200_000 Mitglieder umfassen.

Der _Alldeutsche Verband_ ist wesentlich monarchistisch. Er will das
Kaisertum durch einen Diktator vorbereiten. Außenpolitisch ist er
aggressiv, vor allem gegen Frankreich und Polen, Mitgliederzahl ca.
80_000. Sein Werk war der Kapp-Putsch.

Der _Jungdeutsche Orden_ ist im Gegensatz zu den beiden obigen Verbänden
militärisch organisiert und besitzt wohl heimliche Waffenlager. Seine
Mitglieder -- angeblich ca. 80_000 -- haben sich durch einen Eid zu
Gehorsam verpflichtet. Er gliedert sich in Gefolgschaften,
Bruderschaften und Balleien.

Der _Stahlhelm_ besitzt 300 Ortsgruppen und ca. 25_000 Mitglieder.

Der Sportklub _Olympia_ ist ein Versuch, das aufgelöste Regiment
Reinhardt fortzusetzen.

Die _Orka_ (Organisation Kanzler) steht in enger Beziehung zu dem
früheren bayerischen Ministerpräsidenten v. Kahr und dem ehemaligen
Kronprinz Rupprecht. Sie ist entstanden aus der Tiroler Abteilung der
Orgesch.

Der _Deutsche Waffenring_ ist eine Zusammenfassung der nationalistischen
Studentenorganisationen.

Der _Bund für Freiheit und Ordnung_ ist ein Versuch der Fortführung der
aufgelösten Selbstschutzverbände von Groß-Berlin.

_Orgesch_ und Freikorps _Oberland_ sind spezifisch bayerische
Organisationen, die zweifellos Waffenlager besitzen. Freikorps Oberland
zählt nur wenige Mitglieder, ca. 2000, die Orgesch vielleicht 200_000.

Am straffsten organisiert sind die _Arbeitsgemeinschaften_. Es sind dies
frühere kleine Truppenteile, die in corpore auf einem großen Rittergut
untergebracht sind. Die bekannteste ist die Arbeitsgemeinschaft
_Roßbach_, welche aus Teilen des gleichnamigen Freikorps besteht. Der
Stab verbirgt sich hinter der Firma »Deutsches Auskunfts- und
Detektivbüro« Wannsee, Otto-Erich-Str. 10. In Mecklenburg heißt er »Bund
für Berufsausbildung landwirtschaftlicher Arbeiter«. Aehnliche
Organisationen sind: _Hubertus_, _Aulock_, _Heidebrecht_, _Dewitz_ und
_Grenzmark_.

Die Organisation der »_Brüder vom Stein_« wurde am 6. Juli 1921 im Hotel
Hauffe, Leipzig, von derselben Versammlung gegründet, in der sich auf
Befehl des Forstrats Escherich die dortige Orgesch auflöste. Geldgeber
waren die Finanzausschüsse der sächsischen Industrie mit Hilfe der
Bürgerbünde. Der Verein wurde beim Amtsgericht Leipzig eingetragen. Am
2. November besaß er bereits 700_000 Mark Vermögen. Major a. D.
Schneider in Bautzen war Leiter einer Selbstschutzorganisation, welche
eine Fortsetzung der 1920 von der Orgesch und den Bürgerbünden
aufgestellten Organisationen war. Der Fortbildungsschullehrer Ebersbach
hatte hierfür in Cunnersdorf bei Frankenberg ein Waffenlager von über
600 Gewehren und vier Maschinengewehren errichtet, das am 27. Oktober
1921 beschlagnahmt wurde.

Auch die Brigade _Ehrhardt_ hatte in Sachsen eine Abteilung im
Klubgebäude der Studentenverbindung Saxonia, Elsterstraße, Leipzig. Dazu
kam dann noch die Ritterschaft _Zollern_, eine geheime
Jugendorganisation in Leipzig. In ihr war der Bruder von Tillessen
Verbindungsmann der Organisation C.

Der Sportverein _Silbernes Schild_ stellte die Fortsetzung der
aufgelösten militärischen Organisation der Zeitfreiwilligen dar. Dieser
Sportverein hatte eine militärische Leitung und war geschlossen der
Orgesch angegliedert. (Mitteilung des sächs. Innenministers Lipinski, 2.
November 1921.)


Die soziale Struktur der Geheimbünde

Manche dieser Organisationen verschwinden schon nach kurzer Existenz.
Eine Reihe von neuen wird gegründet. Dies scheint völlig planlos
und chaotisch vor sich zu gehen und ist doch sehr einfach.
Die Zersplitterung in Wanderklubs, Arbeitsgemeinschaften,
Sportorganisationen, Regimentsvereine, Schützengilden, Kriegervereine,
Offiziersbünde, Organisationen für völkischen, nationalen und
monarchistischen Aufbau, das ständige Verschwinden einiger dieser
Gruppen und das Auftauchen neuer hat nur den Zweck der Verschleierung.
Dieses Verfahren ermöglicht bei Verboten die Organisation
weiterzuführen, jede beliebige Verbindung zu leugnen, jede Identität zu
bestreiten und etwa eingedrungene Spitzel durch rasche Umstellung
auszuschalten. Die Verbindung von den leitenden Stellen bis zu den
letzten Ausläufern der Bewegung ist manchmal sehr lose. Stets muß die
Oberleitung in der Lage sein, jede solche Verbindung zu dementieren.

Wie lose diese Verbindungen bei strengem, gegenseitigem Vertrauen
gehalten sind, zeigt das Attentat auf Harden, wo die einzelnen Stellen
miteinander nur postlagernd verkehrten, ohne daß der Anstifter des
Attentats seine vorgesetzte Stelle, die ihm das Geld schickte, überhaupt
dem Namen nach kannte. Die Verbindung klappt so gut, daß es den Behörden
bisher nicht gelungen ist, die Auftrag- und Geldgeber beim Rathenaumord
festzustellen. Man hat zwar die Küchenmeister verhaftet, nicht aber die
Köche, die diesen Brei rühren ließen.

Eine große Zahl der Teilnehmer steht in jugendlichem Alter. Studenten,
ja sogar Gymnasiasten stellen das Hauptkontingent. Gymnasiasten von 17
Jahren haben bei der Ermordung Rathenaus entscheidend mitgewirkt. Da die
heutigen Kinder trotz aller sozialdemokratischen Unterrichtsminister
noch immer aus den alten Lehrbüchern lernen, welche auf das Kaisertum
zugeschnitten sind, müssen sie die Ueberzeugung bekommen, daß das
Kaisertum die einzig wahre Regierungsform ist und die Republik eine
bedauerliche Verirrung, die man möglichst bald wieder gut machen müsse.
Die jungen Terroristen handeln also durchaus bona fide und glauben echte
Freiheitskämpfer zu sein, echte Nachfolger des Harmodius und
Aristogeiton, des Brutus, wenn sie die wenigen Republikaner Deutschlands
umbringen.

Durch die große Zahl dieser Organisationen darf man sich nicht zu der
Meinung verleiten lassen, daß sie alle selbständig wären. Sie bestehen
vielmehr zum großen Teil aus denselben Leuten. Ein und dieselbe Person
ist oft unter verschiedenen Namen Mitglied von zehn solchen
Organisationen. Der Gesamtbestand der illegalen und halblegalen
deutschnationalen Organisationen dürfte eine Viertelmillion nicht
überschreiten. Was die Bewaffnung betrifft, so wird dieselbe auf
allerhöchstens 150_000 Gewehre mit je 10 Schuß Munition, 2000 leichte
und 500 schwere Maschinengewehre geschätzt. Schwere Kampfwaffen dürften
kaum in nennenswerter Zahl vorhanden sein.

Das größte Dunkel schwebt über den Geldgebern. Zu vermuten ist, daß die
Großindustrie und die großen Rittergüter Geld zur Verfügung stellen.
Ueber die Herkunft des Geldes ist im einzelnen nichts zu ermitteln. Nur
die Herkunft kleinerer Summen hat sich nachweisen lassen:

Der Major a. D. Erich Hansen hatte in Preußen die Einwohnerwehren
organisiert und war dann in die entsprechende Stelle des
Reichswehr-Ministeriums gerufen worden. Die Mitglieder der
Einwohnerwehren wurden bei zwei Versicherungsgesellschaften versichert.
Die Provision von insgesamt 60_000 Mark verwendete Hansen für einen
schwarzen Fonds, der zur Vorbereitung des Kapp-Putsches diente. Hansen
wurde wegen Bestechung angezeigt, aber vom Landgericht I freigesprochen.
(»Berliner Tageblatt«, 24. Mai 1922.)

Wie leicht es möglich ist, für solche Zwecke Geld zu bekommen, zeigt
folgender Fall: Als der Kapitänleutnant Killinger von der Organisation C
(der Vorgesetzte der Erzberger-Mörder Schulz und Tillessen) wegen des
Verdachtes der Teilnahme an der Ermordung Erzbergers in Haft saß,
besuchte sein früherer Bursche Rabenschlag den Generalmajor von Chrismar
in Freiburg, den Major Hildenbrandt in Oberkirch, den Major Max Fröhlich
in Oberkirch und den Obersten von Pilgrim in Karlsruhe, Schatzmeister
einer deutschvölkischen Organisation, und erhielt von ihnen unter dem
Vorwand, für Killinger sorgen zu wollen und zu versuchen, ihn zu
befreien, ohne weiteres über 22_000 Mark, die Rabenschlag für sich
selbst verbrauchte. In einem im Zusammenhang damit wegen Betrugs gegen
die Staatskasse angestrengten Prozeß verweigerten die Offiziere die
Auskunft (»Berliner Tageblatt«, 17. August 1922, Prozeßberichte in allen
Berliner Zeitungen). Ein Verfahren gegen die Offiziere wurde nicht
eingeleitet. Rabenschlag wurde wegen dieser und anderer Schwindeleien zu
vier Monaten Gefängnis verurteilt.


Die Besorgung falscher Papiere

Einen interessanten Beitrag zur Kenntnis der illegalen
deutschnationalen Organisationen liefert das Geständnis Runges. Es
heißt darin: »Am 19. Mai 1921 wurde ich aus dem Gefängnis
entlassen. Ein Kommissar und ein Rittmeister von der Sipo kamen in
meine Wohnung und erklärten mir, ich müsse noch in der Nacht
weggebracht werden, die Spartakisten könnten kommen und mich
aufhängen. Ich wurde unter dem Namen Lange nach der Paulsborner
Straße 4, Klinik von Professor Dr. Grauert, gebracht. Inzwischen
war Leutnant Krull verhaftet worden und ich wurde als Zeuge
gesucht. In die Klinik kam ein Dr. Schiffer, der in Schöneberg, Am
Park 18, wohnt und einer nationalen Partei angehört. Schiffer
verbot mir in ziemlich schroffer Weise, zur Vernehmung in Sachen
Krull zu gehen und verschaffte mir falsche Papiere, die auf den
Namen des Sergeanten Wilhelm Franz Rudolf aus Posen lauteten. Das
erste Papier ist ein Entlassungsschein, datiert vom 1. April 1920,
unterschrieben I. A.: Seeliger, Oberleutnant zur See. Es trägt den
Stempel der Schiffsstammdivision der Ostsee. Das zweite Papier ist
ein Stammrollenauszug auf denselben Namen mit der gleichen
Unterschrift. Das dritte Schreiben ist ein Dienstleistungszeugnis
für den Bürodiener Rudolf, ausgestellt vom Generalkommando des 7.
Armeekorps. Es trägt das Datum: Münster, 15. Juni 1921 und ist
unterzeichnet von Hauptmann von Chaulin. Man hat mich von der
nationalen Klinik gar nicht erst nach Hause gelassen, sondern
gleich mit einem Leutnant von Grabow nach Blankensee
(Hinterpommern) geschickt. Später wurde ich nach Mecklenburg
gebracht; immer auf den falschen Namen Rudolf.

Inzwischen wurde ich weiter als Zeuge in dem Prozeß gegen den Leutnant
Krull gesucht. Es wurden nun alle Anstrengungen gemacht, damit ich nicht
gefunden wurde. Nun ließ der Untersuchungsrichter in Sachen Krull, Herr
Dr. Leiden, mir durch meinen Stiefsohn mitteilen, ich sollte angeben, wo
ich bin. Diese Mitteilung erhielt ich in Mecklenburg auf dem Gut Kalsow
bei Kadlow, Kreis Wismar. Es war dort eine militärische Organisation
untergebracht. Die Leute lagen als angebliche Landarbeiter auf den
Gütern herum, um im Bedarfsfalle als Soldaten bereit zu sein. Leiter war
der Major Weber. Diesem sagte ich: »Ich fahre jetzt nach Berlin, ich
werde immer tiefer in die Sache hineingerissen.« Darauf ließ man mich
nach Berlin fahren, gab mir aber drei Offiziere, Leutnant Bender,
Leutnant Fuss und Leutnant v. Dallwitz als Begleiter mit, die mich nicht
aus den Augen ließen. Diese drei Offiziere brachten mich gleich nach
Wannsee, Otto-Friedrich-Straße 10, wo das Büro der Arbeitsgemeinschaft
Roßbach ist. Dort wirkten Leutnant Roßbach sowie andere Offiziere namens
Barthold, Köpke usw. auf mich ein. Ich sollte die Sache totschweigen und
einfach sagen, ich kenne Krull nicht, ich könnte mich auf nichts mehr
erinnern. Dafür sollte ich eine gute Stellung bekommen. Ich habe mich
bei meiner Aussage, bei der ich nicht vereidigt wurde, leider durch das
Drängen dieser Leute dahin beeinflussen lassen, daß ich in ähnlichem
Sinne ausgesagt habe. Darauf sollte ich nun nach Oberschlesien zur
Arbeitsgemeinschaft Roßbach abgeleitet werden. Ich bin nicht nach
Schlesien gefahren.« (»Vorwärts«, 30. Mai 1922.)


Freikorps Oberland

Hauptorganisator des Freikorps Oberland und der sogenannten
Nachrichtenzentrale München ist ein Hauptmann _von Kessel_ (alias
Kiefer). Sein Büro befand sich 1921 Fürstenfelder Str. 13 II. Andere
Büros liegen am Isartorplatz, im Gasthaus Adelmann. Es existieren
verschiedene Unterabteilungen, so eine Spionageabteilung gegen das
feindliche Ausland (Leutnant Pongratz, alias Geher), eine
Einbruchsabteilung (Oberleutnant Rail, er führt auch die Kasse), eine
Abteilung zur Beseitigung und Beobachtung Unzuverlässiger in den eigenen
Reihen (Fehme), und eine Spionageabteilung gegen politische Gegner
(Oberleutnant Graf). Außerdem existiert ein _Rollkommando_, in
Oberschlesien Wurfkommando genannt, in dem nur ganz zuverlässige
Offiziere Verwendung finden. Führer ist Hauptmann Oesterreicher (Lullu).
Diese Abteilung dürfte eine Mordorganisation im eigentlichen Sinn sein.
Einzelheiten über die gut funktionierende Organisation sind schwer zu
erlangen, da nicht einmal die Mitglieder der einzelnen Abteilungen
miteinander in Berührung kommen. Zum Befehlsempfang werden die einzelnen
Leute, meistens frühere Offiziere, zu verschiedener Zeit in die
einzelnen Büros bestellt. Mitglieder der Organisation sind: Leutnant
Gröhl, Fischer, Stremer, Hauptmann Römer, genannt Peppo, Oberleutnant
Reindl, Friedrich, Weinzierl und Sondermayer. Gauleiter ist Major
Horodam, Knöbelstr. 8, Stabsleiter Georg Ashton, Heßstraße 6. Dort ist
ebenfalls ein Büro. Waffenoffizier ist Oberleutnant Knaut, Fürstenstr.
18. Leutnant Brandt ist Leiter der Waffen- und
Munitionsbeschaffungsabteilung, Oberleutnant Fuhrmann hat die
Transportmittel und das Kraftfahrwesen, Leutnant Lembert ist Offizier
für das Artilleriewesen.

Das Depot der Wirtschaftsstelle ist in der Luftschifferkaserne. Ein
Waffenmeister namens Schurk wohnt in der Morassistraße, der andere
Waffenmeister Dieter in der Herzog-Wilhelm-Straße.

In der Fürstenstr. 18 a liegen die Stammrollen sämtlicher Offiziere und
Mannschaften. Die Turn- und Sportabteilung der Nationalsozialisten
arbeitet zusammen mit den Zeitfreiwilligen-Kompagnien 4 und 13.

In den Satzungen der Reichsfahne Oberland heißt es: »Wir werden uns nie
auflösen, kein feindliches Diktat wird uns wehrlos und somit ehrlos
machen.« Jedes Mitglied der Reichsfahne Oberland versichert
ehrenwörtlich, der Reichsfahne Mannestreue zu halten bis in den Tod und
unbedingten Gehorsam allen Führern der Reichsfahne zu halten. »Verräter
und Wortbrüchige verfallen der Fehme.« Das Zeichen des Freikorps
Oberland ist ein Dolch mit Eichenlaub und schwarzweißroter Binde.

Interessant ist ein Telegramm vom 4. September 1921 aus München an den
angeblichen Geheimrat Berger, in dem es u. a. heißt: »Kohlen
eingetroffen und Berichte. Ich bitte folgendes ungesäumt durchzuführen:
Außer Nicke und Bürckmayer alles restlos sofort nach Plan entlassen oder
hierher beordern. Entlassener Stefan denunziert bei Neitze. Letzteren
aufklären, ersteren zu Tiefstein schicken. Verhandlungen mit Festigkeit,
Ruhe und Taktik führen. Nicht abreisen ohne Ziel völlig erreicht und
möglichst weiter Etappisierung der umgewandelten N. Z. erreicht zu
haben. Erbitte Vollzugsmeldung.« (»Münchener Post« vom 1. Oktober 1921.)

Nicke ist der Zahlmeister Ludwig Nicke aus der Kaulbachstraße, München.
Er kam ins Gefängnis nach Breslau, weil er der Gruppe »Süd« 80_000 Mark
unterschlagen haben soll. Der Freiwillige Stefan hatte erzählt, daß er
dem Kriminalkommissar Heinze in Neiße Mitteilungen über das Freikorps
machen wollte. Dies wurde bekannt und deshalb sollte Stefan nach
»Tiefstein« geschickt werden. Das bedeutete die Anweisung an die
Abteilung »Friedrich« des Freikorps, den Stefan umzubringen. Der
Ausdruck Tiefstein kommt daher, weil die Abteilung Friedrich ein
früheres Mitglied Hochstein wegen Verrat erschossen hatte. Herr Ashton
schickte natürlich der Münchener Post eine Berichtigung, welche all
diese Dinge bestritt. (»Münchener Post«, 10. Oktober 1921. Die gesamten
hier gebrachten Angaben stellen den Zustand von 1921 dar.)

Kessel wurde am 1. Oktober 1921 auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft
Breslau wegen Mordverdacht verhaftet, aber gleich darauf wieder
entlassen. Am 23. Dezember 1921 wiederholte der Untersuchungsrichter
beim Amtsgericht Breslau den Haftbefehl. Jetzt aber war Kessel natürlich
längst über alle Berge.

Der Hauptmann Dr. Fritz Römer, ein sehr rühriges Mitglied des Freikorps
Oberland, wurde zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte, um die
Bundeskasse aufzufüllen, vorgeschlagen, ein nach Oberammergau fahrendes
Fremdenauto zu überfallen. (»Berliner Tageblatt«, 12. September 1922.)

Ein Geheimschreiben der 25. Alarmkompagnie, Maschinengewehr-Sturmriege
in München, das Verhaltungsmaßregeln für den Fall eines Rechtsputsches
enthält, gibt interessante Einblicke in die dem Freikorps Oberland
näherstehenden Kreise. Es heißt darin (»Freiheit«, 24. September 1921.):
»Mit dem standrechtlichen Erschießen darf jetzt nicht mehr human
verfahren werden, insbesondere müssen wir auf die Führer der
republikanischen, sozialistischen und gewerkschaftlichen Organisationen
unsere Späher wie auf das Wild hetzen ... Sozialistenführer und größere
Schreier in der Wohnung gleich erschießen. Die Juden festnehmen und in
den 4. Reserveplatz führen, wo sie samt und sonders gehenkt werden. Eher
noch mit Sozialdemokraten Erbarmen haben, als mit Juden. Die Presse, mit
Ausnahme der rechtsdemokratischen, nationalen und antisemitischen, ist
sofort zu besetzen. Weigern sich Druckereiarbeiter für uns zu arbeiten,
so sind die nächsten fünf zu erschießen und in den Druckereiräumen
liegen zu lassen. Bei Sabotage an den Maschinen ist jeder sechste Mann
zu erschießen. Straßenabsperrungen müssen rücksichtslos durchgeführt
werden. Wer trotz des Verbotes die Straße betritt, gleich ob Bürger oder
Proletarier, wird erschossen.«

Die Affaire Dobner, der Ausgangspunkt zu einer Reihe von bayrischen
Morden, zeigt, daß die Nationalisten auch bereit sind, vom Wort zur Tat
überzugehen. Der frühere Reichswehrsoldat Dobner hatte erfahren, daß in
Schloß Mirskofen Waffen versteckt waren. Er teilte dies durch
Vermittlung des Polizeisekretärs Glaser (alias Seyfried) und des
Polizeispitzels Bracher dem Oberleutnant und Tattersallbesitzer German
Böhm (Polizeiname Pollinger) mit und erhielt hierfür 3000 Mark
ausbezahlt. Im Auftrag Böhms sollte Dobner die Waffen den Studenten
Schuster und Hermann Berchtold zeigen. In einem Auto Böhms, das Neunzer
führte, wurde Dobner am 21. Oktober 1920 mit einem eisenbeschlagenen
Stock auf den Kopf geschlagen und geknebelt. Die Studenten leuchteten
mit einer Taschenlampe an ihm herum und sagten: »Der ist schon hin.« Der
Chauffeur fragte: »Seid Ihr auch sicher, daß er schon tot ist?« Es
gelang Dobner aus dem fahrenden Auto zu springen und zu entfliehen. Die
Vermutung liegt nahe, daß man ihn beseitigen wollte, weil er das
Waffenlager kannte. Im Prozeß wurde festgestellt, daß der Kaufmann
Alfred Heller, Böhm und andere Angehörige der Polizei eine
Waffenerwerbungskommission bildeten, welche die illegalen Waffenlager
gegen Verrat (an das Reich, nicht etwa an die Entente) schützen sollten.
Schuster und Berchtold wurden am 26. Januar 1921 zu je 250 Mark
Geldstrafe verurteilt. Die Waffen, die einem Baron Fürstenberg gehörten,
wurden gleich, nachdem die Sache publik war, weiter verschoben
(Prozeßbericht in allen Münchener Zeitungen.)

Die Ermordung des Abgeordneten Gareis hängt eng mit der Affäre Dobner
zusammen. Gareis hatte sich sehr für die Aufdeckung dieser Sache
eingesetzt. Er kannte geheime Protokolle der Einwohnerwehren und ihre
Waffenlager. Man befürchtete, daß er sie an das Reich verraten könnte.
Der Abgeordnete Unterleitner stellte im Reichstag am 17. Juni 1921 die
Behauptung auf, daß der Mörder der Münchener politischen Polizei
nahestehe. Er nannte als beteiligt Alfred Heller, Bezirksführer der
Einwohnerwehr, den bereits genannten Böhm und Glaser und die Studenten
Schuster und Berchtold. Nach anderen Auffassungen ist Hans Schweighart,
der vermutliche Mörder des Dienstmädchens Sandmeyer, auch der Mörder von
Gareis. Die Untersuchung der Falles Gareis durch die Münchener
Staatsanwaltschaft ist bisher vollkommen ergebnislos verlaufen.


Die Rolle der Münchener Polizei

Die Münchener Polizeidirektion unter Pöhner arbeitete mit dem Oberland
zusammen. Die Verbindung wurde durch einen Leutnant Weil aufrecht
erhalten. Zahlreiche Akten des Freikorps Oberland gingen nach Zimmer
117 der Polizeidirektion, Referat 6a, politische Abteilung,
Regierungsrat Frick. Auch ist der Verdacht geäußert worden, daß die
Flucht der Mörder Erzbergers nach Ungarn mit Hilfe falscher Pässe
bewerkstelligt wurde, die der Münchener Polizeipräsident Pöhner
ausgestellt hat. Folgender Fall macht diese Vermutung wahrscheinlich. In
einem Münchener Hotel wurde ein Kaufmann Hans Eickmann von einem
Polizisten verhaftet, weil er zwei Pässe hatte. Als Eickmann dann dem
Polizeipräsidenten vorgeführt wurde, sagte Pöhner: »Der eine Paß ist
falsch, geben sie ihn sofort her. Ich habe den Herrn in einer
politischen Sache nach Ungarn gesandt. Der Mann wird entlassen, führen
Sie ihn aber nicht durch die politische Abteilung.« (Reichstag, 17. Juni
1921.)

Aller Wahrscheinlichkeit nach fällt die Ermordung der Sandmeyer, des
Abgeordneten Gareis, das Attentat auf Auer, die Ermordung des Leutnant
Schweighardt und des Spitzels Hartung auf das Konto des Freikorps
Oberland oder von Kreisen, die ihm nahe stehen.

Bei alledem darf man sich nicht etwa vorstellen, daß in Bayern ständig
eine bis zur Gluthitze gesteigerte politische Atmosphäre herrscht. Im
Gegenteil, das offizielle Vertuschungssystem hat es mit sich gebracht,
daß der Durchschnittsbürger von all diesen Vorgängen entweder überhaupt
nichts erfährt oder sie als selbstverständlich betrachtet, ihre
Erwähnungen aber als eine Berliner Hetze auffaßt. Denn die Presse, die
abgesehen von den paar sozialistischen Organen politisch vollkommen
rechts steht, auch wo sie sich demokratisch nennt, macht dieses
Vertuschungssystem vollkommen mit.


Die Organisation »C«

Soweit Außenstehende dies zu beurteilen vermögen, scheint diejenige
Organisation, in der die meisten Fäden zusammenlaufen, die Organisation
»C« zu sein. Erwachsen ist sie ursprünglich aus einem Geheimbund der
Garde-Kavallerie-Schützendivision. Heute stellt sie die direkte
Fortsetzung der Brigade Ehrhardt dar. Ihr Name kommt daher, daß ihr
Leiter, der frühere Kapitän Ehrhardt, innerhalb der Organisation den
Namen Consul trug. Alle Mitglieder führen nämlich besondere Decknamen.
Die Organisation zerfällt in eine Kampforganisation und eine Fehme. Die
Fehme hat den Zweck, Persönlichkeiten, die sich den Zielen der
Organisation widersetzen, zu bestrafen und unter Umständen zu ermorden.
Ehrhardt hält sich gewöhnlich in Innsbruck auf, doch war er öfters auch
in Budapest. Im Mai 1921 war er, obwohl steckbrieflich verfolgt, in
Leipzig und traf dort mit Karl Tillessen zusammen. 1921 wurde aus der
Organisation Consul der »Neudeutsche Bund«, ein gerichtlich
eingetragener Verein, gegründet. Sein Leiter ist wiederum Kapitän
Ehrhardt. (Vergl. »Berliner Tageblatt«, 19. August 1922.) Zur
Finanzierung wurde versucht, eine Ehrhardt-Bank zu gründen. Die Leiter
des deutschen Konsortiums waren Eberhardt von Puttkamer und Emil
Schäfer; einer der Angestellten der mit der Ermordung Rathenaus in
Zusammenhang stehende ehemalige Kadett Ernst von Salomon (»Berliner
Tageblatt«, 17. August 1922). Schäfer war früher in der Schweiz wegen
einer Reihe von Schiebungen zu mehreren Jahren Zuchthaus und
Landesverweisung verurteilt worden (»Freiheit«, 17. August 1922). An der
Münchener Stelle der Organisation C arbeitet Müldner, Franz-Josef-Str.
3, der Oberamtmann Frick und der schon oben genannte Kriminalkommissar
Glaser.

Die Organisation C hat nachweislich die Ermordung Erzbergers und
Rathenaus und die Attentate auf Scheidemann und Harden durchgeführt.

Bei dem Studenten Günther, einem der Mitwisser des Rathenaumordes, der
als Kurier der Organisation C zwischen Berlin und München hin- und
herfuhr, wurden bei seiner Verhaftung zwei interessante Briefe entdeckt.
Der eine ging vom Grafen Reventlow an den Dr. von Scheubner-Richter,
München, Georgenstr. 42, der einen Wirtschaftsverband »Aufbau« leitet.
Dieser dürfte die Verbindungsstelle zwischen den deutschen und
russischen Monarchisten extremer Richtung darstellen. Der andere rührt
von einem Mitarbeiter Reventlows, Petersen, her und ist an den
Sanitätsrat Dr. Pittinger in München, den Nachfolger Escherichs bei den
Einwohnerwehren, gerichtet. Die Briefe behandeln interne Differenzen
zwischen den verschiedenen Organisationen und sind außerordentlich
vorsichtig gehalten. (Vergl. »Vorwärts«, 9. Juli 1922.) Ludendorff wird
darin mit Onkel Ludwig, Escherich als Onkel Emil bezeichnet. Man fand
bei Günther auch einen Bericht über einen Besuch bei Herrn von Jagow in
der Festung Gollnow und eine daran anschließende Münchener Reise. Herr
Hemmeter, Nachfolger des Herrn v. Killinger in der Organisation C,
teilte nach diesen Aufzeichnungen dem Günther mit, eine Wiederaufnahme
des Jagowprozesses sei in München unerwünscht, weil man fürchte, Onkel
Ludwig werde dabei vollends kompromittiert.


Wie man Mörder mietet

Am 3. Juli 1922 wurde Maximilian Harden in der Nähe seiner Wohnung im
Grunewald von dem ehemaligen Leutnant Walter Ankermann und dem
landwirtschaftlichen Beamten Herbert Weichhard aus Oldenburg überfallen
und mit einer schweren Eisenstange niedergeschlagen. Harden wurde aus
mehreren Wunden blutend von Passanten gefunden. »Nach der Festnahme
Weichhards fand man in den Wohnungen der Beiden Stücke eines zerrissenen
Telegramms, das auf Albert Wilhelm Grenz in Oldenburg als Anstifter
hindeutete. Grenz und seine Frau wurden verhaftet. Nach anfänglichem
Leugnen gestand er seine Beteiligung. Grenz vertreibt antisemitische
Schriften und ist Leiter und Vorsitzender der deutschvölkischen
Organisation in Ostfriesland, ebenso Vorsitzender des deutschen
Treubundes. In seiner Behausung wurde eine Liste aller deutschvölkischen
Anhänger, die zu Taten bereit wären, und eine Liste der in Ostfriesland
wohnenden Juden gefunden. Wie Grenz angab, erhielt er Anfang März einen
anonymen Brief aus München, der die Aufforderung enthielt, zwei junge,
tatenfrohe Männer zu suchen, die bereit seien, für ihr Vaterland alles
zu tun. Ihre Sicherstellung werde erfolgen. Antwort umgehend unter
A.W.G. 500, Hauptpostamt München. Grenz trat an Weichard heran, der sich
sofort zur Tat bereit erklärte und kurz darauf mit Ankermann bei Grenz
erschien. Nun schrieb Grenz an die angegebene Adresse nach München, er
habe zwei brave deutsche Männer gefunden. Schon wenige Tage darauf kam
aus München ein brieflicher Dank für Grenz und für die beiden Männer.
Und die weitere Mitteilung, sofort nach Frankfurt a. M. zu fahren, wo
unter A.W.G. 500 hauptpostlagernd weitere Nachricht für Grenz liege.

Diesem Verlangen kam Grenz nach; und bei seinem Eintreffen in Frankfurt
a. M. lag dort ein Brief, in dem es heißt, daß zur Ausführung der Tat
eine Summe beiliege, die entsprechend zu verteilen sei. Auch solle Grenz
die beiden Leute förmlich verpflichten. Nach der Tat würde den beiden
eine weitere Summe gezahlt werden, die die anliegende (es waren 23_000
oder 25_000 M.) erheblich übersteige. Außerdem wird beiden Leuten, wenn
sie Wert darauf legen, durch Vermittlung _Anstellung im bayerischen
Staatsdienst in Aussicht gestellt_. Ein beigefügter Zettel in
Maschinenschrift enthielt nur die Worte »Maximilian Harden«. Ein anderer
Zettel gab folgende Verhaltungsmaßregeln: »Keine Briefe und keine
Telegramme senden, tunlichst Auto benutzen, nicht viel reden, alles auf
die Sache Bezügliche vernichten, nach der Tat nach verschiedenen
Himmelsrichtungen auseinandergehen.« Grenz fuhr nach Oldenburg zurück
und benachrichtigte die beiden in Aussicht genommenen Täter. Er
verpflichtete sie in seiner Wohnung durch Handschlag förmlich und machte
sie darauf aufmerksam, daß den Verräter die gleiche Strafe treffen
würde, die Maximilian Harden zugedacht sei. Ankermann erhielt 10_000
Mark, Weichard 7000 bis 8000 Mark. Die beiden reisten ab, führten aber
nicht, wie verabredet, noch Ende März oder Anfang April die Tat aus,
trieben sich vielmehr zuerst in Berlin herum, besuchten Bars und
schrieben erst nach der Ermordung Rathenaus an Grenz, daß trotz der
ungünstigen Konjunktur das Geschäft binnen kurzem perfekt gemacht werde.
Der Brief, der die Ermordung »spätestens Dienstag« melden sollte, lag in
der Wohnung der Täter fertig. Hier sein Wortlaut: »Sehr geehrter Herr,
wir teilen Ihnen hiermit höflichst mit, daß uns trotz ungünstigster
Konjunktur der Geschäftsabschluß geglückt ist.

Wir sehen nunmehr Ihrem persönlichen schnellmöglichsten Kommen hierher
entgegen und bitten höflichst und dringendst, alles Nötige zur
Aufrechterhaltung der einmal eingegangenen Geschäftsverbindungen in die
Wege zu leiten und mitzubringen.

Nach dem jeweiligen Stand unserer Valuta halte ich baldmöglichstes
Anbahnen der beabsichtigten Geschäftsverbindung mit der pp. Firma im
Süden für unbedingt erforderlich. Ich verstehe darunter vorzugsweise die
geplante baldigste Festanstellung unserer beiden Herren bei der pp.
Firma, die ihnen ja auch vertragsmäßig in Aussicht gestellt ist. Für
ihre und ihrer Familien Uebersiedlung ist naturgemäß Sorge zu tragen.

Gleichzeitig bitten wir, bei Einlösung der Devisen dafür Sorge tragen zu
wollen, daß die vereinbarte Anzahlung auch die entstandenen Unkosten und
Verpflichtungen decken kann, also mindestens sechzigtausend Mark.
Wünschenswert wäre, wenn unser Chef sich dazu verstehen könnte, die
Schuldsumme in Höhe von dreißigtausend Mark extra auszuwerfen, sodaß die
Herren Agenten keine Einbuße des ihnen Zustehenden erleiden.

In der Hoffnung, daß unserem Bericht Ihrerseits der genügende Nachdruck
verliehen wird, zeichnen wir mit ganz vorzüglicher Hochachtung -- immer
die Alten.

Da Ihnen unsere Anschrift bekannt ist, bitten wir, die
Duplikatfrachtbriefe uns so schnell wie möglich zukommen zu lassen.
Mündlich mehr.«

»Duplikatfrachtbriefe«: falsche Pässe und Prämien, »Firma im Süden«:
Organisation »Consul«. Ankermann, einst Couleurstudent mit weißem
Stürmer, dann Oberleutnant mit Eisernem Kreuz erster Klasse, Liebling
und Kostgänger öffentlich umlaufender Mädchen, trat am Morgen nach dem
völkisch-heldischen Versuch, von hinten, »ohne Risiko«, einem Wehrlosen
den Schädel einzuschlagen, in das Berliner Büro der deutschnationalen
Partei und fragte nach dem Herrn von Dryander. Nicht anwesend. Wer denn?
Graf York. Zu diesem Grafen sprach der Herr Oberleutnant: »Ich habe
gestern befehlsgemäß Harden erledigt, muß deshalb verschwinden und
komme, mir Reisegeld zu holen.« Antwort: »Ich kann da nichts machen,
glaube aber, daß wir Herrn von Dryander im Meister-Saal finden werden;
kommen Sie mit.« Das bekundet Graf York; behauptet, in der Etage allein,
drum außerstande zur Sistierung gewesen zu sein; die Meisterfalle habe
Ankermann gerochen und sei ausgerückt. Die drei Herren blieben auf
freiem Fuß.« (»Zukunft«, 8. Juli 1922.)




DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG UND DIE MORDE


Die Nachwirkungen der politischen Morde

Während noch das Opfer zuckt, stimmt die Presse schon den entsprechenden
Ton an. »Entsetzlich, entsetzlich« schreien »Lokalanzeiger«, »Zeit«,
»Tägl. Rundschau«, »Deutsche Tageszeitung«, usw.: »Wir mißbilligen
politischen Mord von jeder Seite.« Doch schon ein leiser Unterton, der
bald lauter und lauter wird: »Ja ist denn bewiesen, daß dies eine
deutschnationale Tat ist?« Dick fließen die Krokodilstränen. Die
Regierung erwacht für Minuten aus ihrer Lethargie: Scharfe Gesetze
sollen die Republik schützen. Die Linken erheben laut Anklage gegen die
Mörder. Da verstärkt sich der Unterton: »Wir sind gegen solche
Ausschreitungen«, d. h. wir mißbilligen, daß man aufrichtig gegen den
Mord ist, daß man eine Katze eine Katze und die deutschnationalen
Geheimbündler Mörder nennt.

Die Mörder entkommen. Die großen Ueberschriften in den Zeitungen klingen
ab. Die »Gesetze zum Schutz der Republik« werden von überzeugten
Antirepublikanern ihren Zwecken leicht dienstbar gemacht. Die Zeitungen
sprechen von den vom »kommunistischen Ausland« gedungenen Mördern: »Ein
Deutscher kann so etwas nicht tun.«

Am interessantesten ist, was sich gleich nach dem Mord abspielt: Große
Empörung im ganzen Land, besonders bei den Arbeitern, vereinzelt auch
bei der Bourgeoisie. Als Protest gegen den Mord rufen die
Arbeiterparteien entsprechend ihrer Einstellung zu Massenaktionen,
Demonstrationsstreiks und Umzügen auf. Man weiß, daß bei besonnener
Haltung der Polizei, insbesondere wenn man sie von der Straße vollkommen
zurückzieht, infolge der großen Disziplin, die im allgemeinen bei den
organisierten sozialistischen Parteien herrscht, eine solche
Demonstration vollkommen ruhig ablaufen kann. Dies hat die Erfahrung in
hunderten von Umzügen gezeigt. Aber ein solch ruhiger Verlauf liegt
keineswegs im Interesse der Rechtsstehenden. Bezahlte agents
provokateure, die durch Aufhetzung für Unruhe sorgen und provozierte
Haltung der Polizei sorgen dafür, daß die Ruhe gestört wird. Es kommt zu
einem Zusammenstoß der Menge mit der Polizei. Irgend woher fällt der
berühmte erste Schuß. (Später kann nie festgestellt werden, von welcher
Seite.) Rücksichtslos haut, schießt, schlägt, trampelt die gut
organisierte Polizei auf die unbewaffnete Menge ein. Dutzende von toten
Demonstranten, nicht etwa Polizisten, bedecken das Feld. Dies nimmt die
Presse zu begründetem Anlaß, den fortwährenden Terror von Links, die
Exzesse, nicht etwa der Polizei, sondern der Demonstranten, auf
schärfste zu verurteilen, und zu schließen, daß die Demokratie, die
Freiheit, die Verfassung bedroht sei -- nicht etwa durch die Mörder,
sondern durch die »von Hetzern sinnlos aufgepeitschten Arbeitermassen.«
Diese Argumentation ist besonders wirkungsvoll, wenn die Arbeiter im
Laufe der Demonstration irgendwelche Symbole des Kaisertums zerstört
haben.

Bald ist die nötige Stimmung erreicht. Nicht die Mörder, die man bald
vergißt, sind die Feinde der Republik, sondern die »Hetzer«, die zum
ehrlichen Schutz der Republik riefen. Dann ist es nur gerecht, daß man
die Mörder in Ruhe läßt und die Demonstranten einsperrt. Dieses
Verfahren hat sich mit widerwärtiger Eintönigkeit bei jedem der letzten
politischen Morde wiederholt und ist beinahe empörender als die Morde
selbst.


Die Haltung der deutschnationalen Presse

Nachdem allmählich die Erinnerung an den Rathenaumord verblaßt, geht die
deutschnationale Presse wieder zum Angriff über. So hat die »Deutsche
Zeitung« in Berlin, in der Nummer vom 3. August 1922 eine Liste von 276
angeblichen Morden von Links veröffentlicht. Diese Liste ist dann in
vielen deutschnationalen Zeitungen nachgedruckt worden. Selbst wenn die
Zahl 276 richtig wäre, wären demnach die politischen Morde von Links
noch immer seltener als die von Rechts. Aber die Zusammenstellung
entbehrt jeder Grundlage. Denn die »Deutsche Zeitung« hat alle
diejenigen Kautelen gröblich verletzt, die bei der Statistik der
politischen Morde zu beachten sind.

Zunächst sind in der Liste ca. 150 im Kampf Gefallene aufgenommen,
ferner ist in keinem einzelnen Fall genau untersucht, ob überhaupt
politische Motive dem betreffenden Mord zugrunde liegen. Endlich sind
nur 38 Fällen die Namen angegeben. In ganz wenigen Fällen sind präzise
Angaben aufgeführt über Ort und Tat, so daß eine Identifikation des
betreffenden Falles möglich ist. In den meisten Fällen handelt es sich
um leere Behauptungen, die überhaupt nicht nachprüfbar sind, wie z. B.:
»Im März 1920 wurde im Ruhrgebiet ein Soldat aufs grausamste ermordet.«
Dazu kommen noch eine ganze Reihe von Rechenfehlern, welche zeigen, daß
die Arbeit in ganz oberflächlicher Weise durchgeführt wurde.

So heißt es in dieser Statistik:

  10. 7. März 1919. Ein Feldwebel mißhandelt und erschossen.

  11. 7. März 1919. Ein Regierungssoldat mißhandelt und erstochen.

  12. 7. März 1919. Ein Offizier niedergeschlagen und erschossen.

  13. Zwischen 6. und 10. März 1919. Ein Regierungssoldat
  erschossen.

  14. 6. März 1919. Ein Gefreiter getötet.

  15-31. In der Zeit vom 7. bis 10. März 1919. 16 Regierungssoldaten
  und ein Offizier erschossen oder totgeschlagen.

  32. 7. März 1919. Ein Regierungssoldat mißhandelt und erschossen.

  33. 7. März 1919. Ein Soldat Fritz Engler mißhandelt und
  erschossen.

  34-37. 7. März 1919. Vier Soldaten durch Handgranaten getötet.

  38. 8. März 1919. Ein Regierungssoldat mißhandelt und erschossen.

  39. 8. März 1919. Zahlmeister W. Specht mit eigenem Revolver
  erschossen.

  40. 9. März 1919. Ein Soldat erschossen.

  41. 9. März 1919. Krankenträger Pinkernell erschossen.

  42-43. 9. März 1919. Sicherheitssoldaten Hoffmann und Ehrhardt
  erschossen.

Hier werden also einzeln 16 Soldaten und ein Offizier aufgezählt, die
angeblich während der Märzvorgänge in Berlin ermordet wurden. Und dann
werden 16 Soldaten und ein Offizier auf einmal aufgeführt, die in
derselben Zeit und derselben Stadt ermordet wurden. Man ist zur Annahme
gezwungen, daß hierbei einfach dieselben Fälle zweimal gezählt wurden.

Beim Märzaufstand 1921 führt der Verfasser 104 Bewohner
Mitteldeutschlands ohne weitere Spezifikation als ermordet an. Auf Grund
wessen soll man das glauben? Ein weiterer Beweis für die Ungenauigkeit
dieser Statistik ist die Tatsache, daß sogar einige bekannte Fälle von
Morden von Links fehlen.

Bei jeder Statistik ist es eine selbstverständliche Forderung, daß man
die Quellen angibt, aus denen man geschöpft hat, sodaß eine Nachprüfung
der betreffenden Angaben möglich ist. Da ich in meiner Naivität annahm,
daß solche Grundlagen auch dem Artikel der »Deutschen Zeitung« zugrunde
lagen, schrieb ich ihr einen höflichen Brief, in dem ich sie um
diesbezügliche nähere Angaben bat -- und habe natürlich niemals eine
Antwort bekommen.

Zusammenfassend kann man also sagen, daß es sich bei der Liste der
Deutschen Zeitung um eine ganz willkürliche Zusammenstellung handelt,
der jede Beweiskraft fehlt.


Politische Differenzierung der Mordtechnik

Wie ist die ungeheure Differenz von 354 Morden von Rechts zu 22 von
Links zu erklären? Falsch wäre es meines Erachtens ohne weiteres zu
sagen: »Die Linken stehen eben moralisch höher.« Dies kann schon
deswegen nicht geschlossen werden, weil ja hier nur eine einzige
Verbrechensart untersucht wurde. So sind die Eigentumsverbrechen z. B.
nicht in den Kreis der Betrachtung gezogen. Bei ihnen könnte man
vielleicht vermuten, daß sie sich entsprechend der sozialen Struktur im
linken Lager häufiger als im rechten finden. Freilich darf hierbei
wiederum nicht vergessen werden, daß die Eigentumsverbrechen im
Gegensatz zu den Verbrechen gegen das Leben auch eine soziale Komponente
haben, daß sie durch die Tatsache der heutigen Eigentumsverteilung zum
größten Teil selbst erzeugt werden. Und in einer Gesellschaftsordnung,
die dem Einzelnen den Kampf ums Dasein erleichtert, sich sicher
zahlenmäßig sehr vermindern würden. Daß aber auch die
Eigentumsverbrechen, die von Rechts geschehen, keineswegs selten sind,
ersieht man aus den zahlreichen Plünderungen und Ausraubungen der
Leichen. So wurden von 184 in München tödlich »Verunglückten« in 68
Fällen die Leichen ausgeplündert.

Der wirkliche Unterschied zwischen den Parteien ist meines Erachtens
kein moralischer, sondern ein technischer. Die Anhänger der
Linksparteien sind durch Jahrzehnte gewerkschaftlicher Schulung
gegangen, die ihnen die Massenaktion als einzig wirksames Kampfmittel
predigte. Denn der linken Bewegung liegt die materialistische
Geschichtsauffassung zugrunde, welche die ökonomischen und technischen
Momente als in der Geschichte wirkende Faktoren betont.

Bei der Rechten fehlt eine solche Gewerkschafts-Schulung. Ihr handelt es
sich darum, die für sie durch die Worte »Ruhe und Ordnung«
charakterisierte anarchische Wirtschaftsordnung aufrecht zu erhalten.
Und diesem Ziel entsprechen individuelle Mittel, die in ihrer Wirkung
der anarchistischen »Propaganda der Tat« identisch sind. Denn die Rechte
ist Anhängerin der heroischen Geschichtsauffassung, wonach der Held die
Geschichte »macht«. Entsprechend ist die Rechte geneigt zu hoffen, sie
könne die linke Opposition, die getragen ist durch die Hoffnung auf eine
radikal andere Wirtschaftsordnung, dadurch vernichten, daß sie die
Führer beseitigt. Und sie hat es getan: Alle Führer der Linken, die sich
offen dem Krieg entgegensetzten, zu denen die Arbeiterschaft Vertrauen
hatte, Liebknecht, Rosa Luxemburg, Eisner, Landauer, Jogisches usw. sind
tot. In neuerer Zeit geht man, wie die Attentate auf Erzberger, Auer,
Scheidemann und Rathenau beweisen, auch dazu über, die Führer der
gemäßigten Parteien zu ermorden.

Die Wirksamkeit dieser Technik für den Augenblick ist unbestreitbar. Die
Linke hat keinen bedeutenden Führer mehr, keinen Menschen, von dem die
Massen das Gefühl haben: Er hat soviel um uns gelitten, soviel für uns
gewagt, daß wir ihm blindlings vertrauen können. Dadurch ist die
Arbeiterbewegung zweifellos um Jahre zurückgeworfen. Der Erfolg ist um
so größer, als in keinem Fall eine Bestrafung eingetreten ist.

Daß diese Methoden beim Militär (die ganzen Morde von rechts sind von
Offizieren oder Soldaten begangen worden) eine solche Verbreitung
fanden, liegt natürlich an der psychischen Verrohung durch den Krieg, wo
das Leben des Einzelnen nichts mehr gelten durfte. Einen besonders
großen Einfluß hatten in dieser Hinsicht die zahlreichen ausgesprochenen
und unausgesprochenen Befehle, keine Gefangenen zu machen.


Politische Morde einst und jetzt

Auch die Gleichgültigkeit, mit der man heute in Deutschland den
politischen Morden und den Opfern von turbulent verlaufenen
Straßendemonstrationen gegenübersteht, ist nur durch die Tatsache zu
erklären, daß der Krieg uns gegenüber dem Wert des Menschenlebens
abgestumpft hat.

Die unglaubliche Milde des Gerichts ist den Tätern wohl bekannt. So
unterscheiden sich die heutigen politischen Morde in Deutschland von den
früher in anderen Ländern üblichen durch zwei Momente: Ihre
Massenhaftigkeit und ihre Unbestraftheit. Früher gehörte zum politischen
Mord immerhin eine gewisse Entschlußkraft. Ein gewisser Heroismus war
dabei nicht zu leugnen: Der Täter riskierte Leib und Leben. Flucht war
nur unter außerordentlichen Mühen möglich. Heute riskiert der Täter gar
nichts. Mächtige Organisationen mit ausgebreiteten Vertrauensleuten im
ganzen Lande sichern ihm Unterkunft, Schutz und materielles Fortkommen.
»Gutgesinnte« Beamte, Polizeipräsidenten geben falsche »richtige
Papiere«, zur eventuell nötigen Auslandsreise. Diese Technik hat sich
seit den Tagen des Oberleutnant Vogel sehr gehoben. Man lebt in den
besten Hotels herrlich und in Freuden. Kurz, der politische Mord ist aus
einer heroischen Tat zur alltäglichen Handlung, ja beinahe zu einer
leichten Erwerbsquelle für »rasch entschlossene Käufer« geworden.


Die Mitschuld der Gerichte

Diese Zustände wären natürlich ohne die allerdings vielleicht unbewußte
Mithilfe der Gerichte undenkbar. Man kann es sogar geographisch
beweisen. Im Rheinland, im besetzten Gebiet, ist die Morddichte viel
geringer, als im übrigen Reich. Man weiß, daß dort die
Rheinland-Kommission nicht den Interessenstandpunkt der deutschen
Richter teilen würde. (Wer in ihrem Land ähnliche Dinge vorkommen
würden, so würde sie natürlich wahrscheinlich genau so urteilen.) Ein
weiterer Beweis der unbewußten Mitschuld der Gerichte an den Morden
liegt in der Tatsache, daß die wörtliche Aufforderung zur Ermordung
namhafter Pazifisten keineswegs als Delikt angesehen wird. Einige
Papiermark Strafe -- und der Verbreiter der Aufforderung kann weiter die
Saat des Hasses schüren. Am Tag nach der Ermordung Erzbergers stand im
»Spandauer Tageblatt«: »Aufs Schaffott! Das zweite Opfer, Hello von
Gerlach!« Der Autor, Lehmann, erhielt dafür von der Strafkammer des
Landgerichts II 200 Mark Geldstrafe.

Diese meine These, daß die Milde der deutschen Gerichte eine
Voraussetzung der politischen Morde ist, wird auch von den meisten
rechtsradikalen Blättern vertreten. Häufig kann man dort Sätze lesen,
wie: »Es ist schade, daß der Landesverräter Soundso (ein Pazifist, dem
in strafrechtlicher Hinsicht nicht das Mindeste auch nur nachgesagt
werden kann) nicht in Deutschland, sondern in einem andern Lande lebt.
Dort kann ihn leider nicht wie Erzberger der Arm der strafenden
Gerechtigkeit erreichen«. Man kann demnach einen politischen Gegner, der
im Ausland wohnt, nicht ermorden, aber nicht etwa, weil es technisch
unmöglich wäre (dies ist nicht der Fall) sondern weil man dort das
Risiko trägt, bestraft zu werden.

Trotz dieser grauenhaften Tatsachen möchte ich die Behauptung, daß die
deutschen Richter mit Bewußtsein das Recht beugen, nicht unbedingt
bejahen. Sie lassen zwar über 300 Morde straflos ausgehen. Aber ich
möchte für sie auf mildernde Umstände plaidieren. Es fehlt ihnen das
Bewußtsein der Strafbarkeit ihrer Handlungen. Aus der alten Zeit her,
wo das heutige Wirtschaftssystem von äußeren Angriffen unbedingt
geschützt war und wo die Anhänger der Rechtsparteien unbestritten die
oberen Schichten bildeten, ist ihnen der Gedanke, daß aus dieser Kaste
eine Reihe von Mördern und Mordanstiftern hervorgehen könne,
unvorstellbar. Daher werden die Mörder freigesprochen.

Der größte Teil der öffentlichen Meinung stellt sich demgegenüber auf
den von den zugrundeliegenden Interessen aus begreiflichen Standpunkt:
»Roma locuta, causa finita«; die Gerichte haben die als Mörder
Angeklagten freigesprochen. Sie sind unparteiisch. Die Sache ist
erledigt. Nur ein geringer Teil protestierte und zwar im wesentlichen
immer nur die Parteiangehörigen des jeweils Ermordeten. Diese Fiktion
der Unparteilichkeit der deutschen Gerichte hat übrigens auch eine
außenpolitische Ursache: Es soll gegenüber der Entente jeder Zweifel
beseitigt werden, daß gegen die Kriegsverbrecher in Deutschland selbst
gerechtermaßen eingeschritten wird.


Die Technik des Freispruchs

Die relativ wenigen Attentate gegen Reaktionäre sind so gut wie sämtlich
durch schwere Strafe gesühnt, von den sehr zahlreichen Attentaten gegen
Männer der Linken ist dagegen kein einziges gesühnt. Gutgläubigkeit,
falsch verstandene Befehle, tatsächliche oder angebliche Verrücktheit
waren hier immer Entschuldigungsgründe, soweit überhaupt ein Verfahren
stattfand. Die meisten Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft, die
andern von den Strafkammern eingestellt.

Wenn der Mörder und der Verlauf der Tat genau bekannt ist, so entwickelt
sich folgende juristische Komödie. Ein Offizier hat einen Befehl
gegeben, der dahin aufgefaßt werden konnte, Spartakisten sind zu
erschießen. Der Untergebene erschießt Menschen, die er für Spartakisten
hält, und wird freigesprochen, weil er in dem Glauben sein könnte, auf
Befehl zu handeln. Er wird also wegen »Putativspartakismus«
freigesprochen. Genau wie seinerzeit der Leutnant Forster wegen
Putativnotwehr. Gegen den Offizier wird aber nicht eingeschritten. Denn
der Befehl hat entweder nicht so gelautet oder, wenn er so gelautet hat,
dann war er eben kein Dienstbefehl. Der »Spartakist« ist natürlich tot.
Schuld ist ... das Karnickel. So endet das Verfahren vor dem
Staatsanwalt. Am interessantesten ist dieser Vorgang dann, wenn in einem
gleichzeitig angestrengten Zivilprozeß der Fiskus wegen der durch einen
Soldaten oder Offizier durchgeführten Ermordung zu Schadenersatz
verurteilt wird. Denn dann ist es gerichtsnotorisch, daß die Tötung
ungesetzlich war. Trotzdem geschieht nichts gegen die Täter.

Die öffentliche Meinung billigt im allgemeinen dies Verfahren. Denn eine
geschickte Propaganda hat ihr beigebracht, jeder Feind des Militarismus
sei ein Spartakist, also ein Feind der Menschheit, also vogelfrei.

Wird ein Anhänger der linken Parteien von Rechts ermordet, so kann sich
eben der Richter unwillkürlich nicht von der Vorstellung loslösen, daß
der Ermordete sein Feind war, und schon durch seine Gesinnung eine
schwere Strafe verdient hätte. Daß der Mörder eigentlich doch nur der
strafenden Gerechtigkeit zuvorgekommen ist. Und schon deswegen mild zu
behandeln ist. So kommt es häufig vor, daß bei der Gerichtsverhandlung
nicht der Mörder, sondern der Ermordete moralisch vor dem Richter steht.
Der Mörder aber gehört derselben sozialen Schicht, demselben Leben an
wie der Richter. Unzählige soziale Bande verknüpfen den Mörder-Offizier
mit dem Richter, der ihn freisprechen wird, dem Staatsanwalt, der das
Verfahren einstellen wird, dem Zeugen, der den »Fluchtversuch« eingehend
schildert. Sie sind Fleisch von einem Fleisch, Blut von einem Blut. Der
Richter versteht ihre Sprache, ihr Fühlen, ihr Denken. Zart schwingt
seine Seele unter der schweren Maske des Formalismus mit den Mördern
mit. Der Mörder geht frei aus.

Wehe aber, wenn der Mörder links steht. Dem Richter, der selbst zu den
früher auch offiziell »oberen« Klassen gehört, ist der Gedanke, daß
diese Wirtschaftsordnung geschützt werden müsse, von altersher vertraut.
Beruht doch auf ihr seine eigene Stellung. Und jeder Gegner dieser
Wirtschaftsordnung ist an sich verwerflich. Der Angeklagte ist jeder
Schandtat fähig. Und kann er auch nur annähernd überführt werden, so ist
strengste Bestrafung sein sicheres Los.

Ich bin nicht optimistisch genug, um zu glauben, daß auf Grund meiner
Arbeit auch nur einer der Mörder bestraft werden wird oder daß die
politischen Morde aufhören. Sollte ich aber durch meine Zeilen dazu
beigetragen haben, daß wenigstens die kommenden politischen Morde eine
Sühne finden, so würde ich meine Aufgabe für erfüllt betrachten.





End of Project Gutenberg's Vier Jahre Politischer Mord, by Emil Julius Gumbel

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VIER JAHRE POLITISCHER MORD ***

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1.F.4.  Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
the applicable state law.  The invalidity or unenforceability of any
provision of this agreement shall not void the remaining provisions.

1.F.6.  INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation information page at www.gutenberg.org


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at 809
North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887.  Email
contact links and up to date contact information can be found at the
Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]

Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit:  www.gutenberg.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For forty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.